GmbH-Gesetz: Band 1 §§ 1 - 34 [u.a.] [11. neu bearbeitete und erweiterte Auflage] 9783504381448

GmbH-Recht ohne Scholz? Für einen Experten auf diesem Rechtsgebiet schlicht unvorstellbar. Scholz ist der große Praxisko

125 31 10MB

German Pages 1860 [1892] Year 2012

Report DMCA / Copyright

DOWNLOAD FILE

Polecaj historie

GmbH-Gesetz: Band 1 §§ 1 - 34 [u.a.] [11. neu bearbeitete und erweiterte Auflage]
 9783504381448

Citation preview

Scholz . GmbH-Gesetz . Kommentar

Scholz Kommentar zum GmbH-Gesetz mit Anhang Konzernrecht Bearbeitet von Dr. Georg Bitter o. Professor, Universität Mannheim

Dr. Georg Crezelius o. Professor, Universität Erlangen/Bamberg

Dr. Volker Emmerich o. Professor em., Universität Bayreuth, Richter am OLG Nürnberg a.D.

Dr. Dr. h.c. Uwe H. Schneider o. Professor em., Technische Universität Darmstadt, Direktor des Instituts für deutsches und internationales Recht des Spar-, Giround Kreditwesens an der Universität Mainz

Dr. Christoph H. Seibt, LL.M. (Yale), Attorney-at-Law (New York) Professor, Rechtsanwalt in Hamburg

Dr. Hans-Joachim Priester

Dr. Dr. h.c. mult. Klaus Tiedemann

Professor, Notar a.D. in Hamburg

o. Professor em., Universität Freiburg

Dr. Thomas Rönnau o. Professor, Bucerius Law School in Hamburg

Dr. Dres. h.c. Karsten Schmidt o. Professor em., Universität Bonn, Präsident der Bucerius Law School in Hamburg

Dr. Sven H. Schneider, LL.M. (Berkeley), Attorney-at-Law (New York) Rechtsanwalt in Frankfurt am Main

Dr. Rüdiger Veil o. Professor, Direktor des Instituts für Unternehmens- und Kapitalmarktrecht, Bucerius Law School in Hamburg

Dr. Dirk A. Verse, M.Jur. (Oxford) o. Professor, Universität Mainz

Dr. Dres. h.c. Harm Peter Westermann o. Professor em., Universität Tübingen

Dr. Hartmut Wicke, LL.M. (Stellenbosch), Notar in München

I. Band §§ 1 - 34 Anh. § 13 Konzernrecht Anh. § 34 Austritt und Ausschließung eines Gesellschafters

11. neubearbeitete und erweiterte Auflage

2012

Zitierempfehlung: Scholz/Emmerich, GmbHG, 11. Aufl., § 1 Rdnr. 3

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Verlag Dr. Otto Schmidt KG Gustav-Heinemann-Ufer 58, 50968 Köln Tel. 02 21/9 37 38--01, Fax 02 21/9 37 38-943 [email protected] www.otto-schmidt.de

ISBN 978-3-504-32554-1 (I. Bandl ISBN 978-3-504-32557-2 (1.-ill. Bandl ©2012 by Verlag Dr. Otto Schmidt KG, Köln

Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist w:heberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung des Verlages. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen. Bearbeitungen, übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Das verwendete Papier ist aus chlorfrei gebleichten Rohstoffen hergestellt, holz- und säurefrei, alterungsbeständig und umweltfreundlich. Einbandgestaltung: Jan P. Lichtenford, Mettmann Satz: WMTP, Birkenau Druck und Verarbeitung: Kösel, Krugzell Printed in Germany

Vorwort Nach einem Jahrhundert der schleppenden, oft nur marginalen Veränderungen des GmbH-Rechts hat der mit dem KapAEG, KonTraG und HRefG begonnene Wandel mit dem Gesetz zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen (MoMiG) und dem Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen (ESUG) neue Qualität angenommen. Vor allem die Modernisierung der Kapitalschutzregeln (§§ 19 und 30) wirft für die Beratung und Entscheidung von GmbH-Fällen neue Fragen auf. Vollständig neu ist das Recht der Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt). Die EuGHRechtsprechung hat seit Centros, Überseering und Inspire Art eine grundlegende Veränderung des internationalen Kapitalgesellschaftsrechts mit sich gebracht. Die höchstrichterliche Rechtsprechung über die Mantelverwendung, über die Einlageleistung „zur freien Verfügung“, über die verdeckte Sacheinlage, über den Kapitalschutz einschließlich des Cash Pooling, über Ausschluss und Abfindung von Gesellschaftern, über den Rangrücktritt in der Krise und über Gesellschafterkredite sowie über zahlreiche Insolvenzrechtsprobleme verlangt der GmbH-Praxis Neuorientierungen ab. Der Generationenwechsel bei Familiengesellschaften lenkt ebenso wie die Change-of-Control-Problematik neue Aufmerksamkeit auf Vinkulierungsklauseln. Gesellschafterliste und Anteilserwerb sind neu geregelt. Nachdem die zehnte Auflage das MoMiG komplett im dritten Band hatte darstellen müssen, basiert die nunmehr vorgelegte elfte Auflage insgesamt auf dem neuen Recht. Wie die zehnte Auflage wird sie in drei Bänden erscheinen. Band I enthält mit den §§ 1–34 das Gründungsrecht, das Recht der Geschäftsanteile und der Gesellschaftsfinanzierung sowie den Anhang zum Konzernrecht. Die Rechtsfragen des Austritts und der Ausschließung von Gesellschaftern sind außerhalb des § 15 im Anhang zu § 34 behandelt. Steuerrechtliche Kommentierungen bei allen einschlägigen Vorschriften sorgen für eine praxistaugliche Verzahnung der Materien. Bezüglich des außer Kraft gesetzten, jedoch für Altfälle noch auf Jahre relevanten Rechts der „eigenkapitalersetzenden Gesellschafterdarlehen“ (§§ 32a, b a.F.) empfiehlt der Verlag, Band I der zehnten Auflage weiterhin bereit zu halten. Wie in den Vorauflagen wird mit dem Scholz eine auf die Zukunftsaufgaben der Praxis ausgerichtete wissenschaftliche Kommentierung angestrebt. Nach wie vor wendet sich der Kommentar in erster Linie an Praktiker, die sich auf wissenschaftlicher Grundlage mit Rechtsfragen rund um die GmbH auseinanderzusetzen haben. Dafür genügt es nicht, lediglich gegenwärtig „herrschende Meinungen“ wiederzugeben oder eigene Ansichten zu rechtfertigen. Vielmehr sollen neben der Darstellung gesicherter Positionen – auch in kritischer Prüfung der Vorauflage – Neuentwicklungen diskutiert und konzipiert werden. Anregungen für Lösungen der Gestaltungspraxis kommen hinzu. Diesen selbstgesteckten Zielen ist der Kommentar treu geblieben. Dies ist nicht zuletzt einem erfahrenen Bearbeiterkreis zu verdanken, der sich durch Hinzutritt von Herrn Professor Dr. Thomas Rönnau, Herrn Rechtsanwalt V

Vorwort

Dr. Sven H. Schneider, Herrn Professor Dr. Dirk A. Verse und Herrn Notar Dr. Hartmut Wicke weiter verjüngt hat. Gedankt sei an dieser Stelle Frau Rechtsanwältin Theves-Telyakar, die das Sachregister sorgsam betreut hat. Der erste Band befindet sich im Wesentlichen auf dem Stand von Februar 2012. Die Bände zwei und drei werden voraussichtlich in 2013 erscheinen. April 2012

Verfasser und Verlag

Es bearbeiten in Band I: Bitter

§ 13 Rdnr. 55–187 (in Nachfolge Emmerich)

Crezelius

Steuerrecht, und zwar § 11 Rdnr. 192 ff., § 15 Rdnr. 260 ff., § 33 Rdnr. 48 ff.

Emmerich

§§ 1–4a (ohne § 2 Abs. 1a), § 13 Rdnr. 1–54, Anhang § 13 Konzernrecht, §§ 21–28

Karsten Schmidt

§ 11, §§ 32a, 32b a.F.

Uwe H. Schneider/ § 6 Sven H. Schneider Seibt

§§ 14–18, Anhang § 34 Austritt und Ausschließung eines Gesellschafters

Veil

§ 5 (in Nachfolge H. Winter/H.P. Westermann), §§ 7–10, 12, § 19 (in Nachfolge Uwe H. Schneider/H.P. Westermann)

Verse

§ 29 (in Nachfolge Emmerich), §§ 30–32 (in Nachfolge H.P. Westermann)

H.P. Westermann

Einl., Anhang § 4a Die GmbH im internationalen Privatrecht, § 5a, § 20, §§ 33, 34

Wicke

§ 2 Abs. 1a

VI

Inhaltsverzeichnis I. Band Seite

Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

V

Allgemeines Schrifttumsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

IX

Abkürzungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

XIII

Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1

I. Die dogmatische und praktische Bedeutung der GmbH . . . . . . . . . II. Die Quellen des GmbH-Rechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Die heutige rechtspolitische Situation des GmbH-Rechts . . . . . . . .

3 33 56

Kommentierung des GmbH-Gesetzes Erster Abschnitt: Errichtung der Gesellschaft § 1 Zweck; Gründerzahl . . . . . . . . . . . . . . . . . § 2 Form des Gesellschaftsvertrags . . . . . . . . . . . Anhang § 2: Musterprotokoll. . . . . . . . . . . . . . . . . § 3 Inhalt des Gesellschaftsvertrags . . . . . . . . . . . § 4 Firma . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 4a Sitz der Gesellschaft. . . . . . . . . . . . . . . . . . Anhang § 4a: Die GmbH im internationalen Privatrecht § 5 Stammkapital; Geschäftsanteil . . . . . . . . . . . § 5a Unternehmergesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . § 6 Geschäftsführer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 7 Anmeldung der Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . § 8 Inhalt der Anmeldung. . . . . . . . . . . . . . . . . § 9 Überbewertung der Sacheinlagen . . . . . . . . . . § 9a Ersatzansprüche der Gesellschaft . . . . . . . . . . § 9b Verzicht auf Ersatzansprüche . . . . . . . . . . . . § 9c Ablehnung der Eintragung . . . . . . . . . . . . . . § 10 Inhalt der Eintragung . . . . . . . . . . . . . . . . . § 11 Rechtszustand vor der Eintragung. . . . . . . . . . § 12 Bekanntmachungen der Gesellschaft . . . . . . . .

. . . . . . . . . . . . . . . . . . .

. . . . . . . . . . . . . . . . . . .

. . . . . . . . . . . . . . . . . . .

. . . . . . . . . . . . . . . . . . .

. . . . . . . . . . . . . . . . . . .

. . . . . . . . . . . . . . . . . . .

. . . . . . . . . . . . . . . . . . .

. . . . . . . . . . . . . . . . . . .

. . . . . . . . . . . . . . . . . . .

. . . . . . . . . . . . . . . . . . .

. . . . . . . . . . . . . . . . . . .

63 81 153 155 211 245 260 340 393 432 472 493 511 522 542 549 567 578 691

. . . .

. . . .

. . . .

. . . .

. . . .

. . . .

. . . .

. . . .

. . . .

696 787 888 951

Zweiter Abschnitt: Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter § 13 Juristische Person; Handelsgesellschaft Anhang § 13: GmbH-Konzernrecht . . . . . . . § 14 Einlagepflicht. . . . . . . . . . . . . . . . § 15 Übertragung von Geschäftsanteilen . .

. . . .

. . . .

. . . .

. . . .

. . . .

. . . .

. . . .

. . . .

VII

Inhaltsverzeichnis Seite

§ 16

Rechtsstellung bei Wechsel der Gesellschafter oder Veränderung des Umfangs ihrer Beteiligung; Erwerb vom Nichtberechtigten . § 17 a.F. Veräußerung von Teilen des Geschäftsanteils . . . . . . . . . . § 18 Mitberechtigung am Geschäftsanteil . . . . . . . . . . . . . . . . . § 19 Leistung der Einlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 20 Verzugszinsen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 21 Kaduzierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 22 Haftung der Rechtsvorgänger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 23 Versteigerung des Geschäftsanteils . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 24 Aufbringung von Fehlbeträgen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 25 Zwingendes Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 26 Nachschusspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 27 Unbeschränkte Nachschusspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 28 Beschränkte Nachschusspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 29 Ergebnisverwendung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 30 Kapitalerhaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 31 Erstattung von verbotenen Rückzahlungen . . . . . . . . . . . . . § 32 Rückzahlung von Gewinn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 32a a.F. Eigenkapitalersetzende Gesellschafterdarlehen . . . . . . . . § 32b a.F. Haftung für Befreiung von Gesellschafter-Sicherheit . . . . . § 33 Erwerb eigener Geschäftsanteile . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 34 Einziehung von Geschäftsanteilen . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anhang § 34: Austritt und Ausschließung eines Gesellschafters. . . . .

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1139 1211 1218 1237 1305 1317 1344 1361 1373 1388 1389 1401 1414 1419 1495 1580 1628 1636 1637 1648 1685 1747

Sachregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1795

II. Band §§ 35–52

III. Band §§ 53–85

VIII

Allgemeines Schrifttumsverzeichnis Adler/Düring/Schmaltz

Rechnungslegung und Prüfung der Unternehmen. Kommentar, 6. Aufl. 1997 ff.

Bartl/Bartl/Fichtelmann/ Koch/Schlarb Bamberger/Roth (Hrsg.)

Brodmann

Heidelberger Kommentar zum GmbH-Recht, 6. Aufl. 2009 Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, Band 1 und 3: 2. Aufl. 2007/2008, Band 2: 3. Aufl. 2012 HGB, 35. Aufl. 2012 GmbHG, 19. Aufl. 2010 Handelsbilanz und Steuerbilanz. Herausgegeben von Ellrott/Förschle/Grottel/Kozikowski/ Schmidt/Winkeljohann, 8. Aufl. 2012 Herausgegeben von Müller/Winkeljohann, 4. Aufl. 2009 Gesellschaftsrecht, 2011 Kommentar zum GmbHG, 2010 Der GmbH-Geschäftsführer im Gesellschafts-, Steuer- und Sozialversicherungsrecht, 18. Aufl. 2006 Kommentar zum GmbH-Gesetz, 2. Aufl. 1930

Centrale für GmbH (Hrsg.) Centrale für GmbH (Hrsg.)

GmbH-Handbuch (Loseblatt) Das neue GmbH-Recht in der Diskussion, 1981

Ebenroth/Boujong/Joost/ Strohn

Handelsgesetzbuch (HGB), Kommentar, 2. Aufl. 2008/2009

Erman Fabricius (Hrsg.)

Handkommentar zum BGB, 13. Aufl. 2011 Gemeinschaftskommentar zum Mitbestimmungsgesetz (Loseblatt) Die Gesellschaft mit beschränkter Haftung, in: Ehrenberg, Handbuch des gesamten Handelsrechts, Bd. III, 3, Leipzig 1929 Betriebsverfassungsgesetz, 25. Aufl. 2010

Baumbach/Hopt Baumbach/Hueck Beck’scher BilanzKommentar Beck’sches Handbuch der GmbH Bitter Bork/Schäfer (Hrsg.) Brandmüller

Feine

Fitting/Engels/Schmidt/ Trebinger/Linsenmaier Fleischer (Hrsg.) Flume

Gehrlein/Witt Gersch/Herget/Marsch/ Stützle Godin/Wilhelmi Goette

Handbuch des Vorstandsrechts, 2006 Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts, Bd. 1 2. Teil, Die juristische Person, 1983 GmbH-Recht in der Praxis, 2. Aufl. 2008 GmbH-Reform 1980, 1980 Aktiengesetz, Kommentar, 4. Aufl. 1971 Die GmbH, 2. Aufl. 2002 IX

Allgemeines Schrifttumsverzeichnis

Gottwald (Hrsg.) Großkommentar zum AktG Großkommentar zum GmbHG Großkommentar zum HGB Hachenburg

Happ Heckschen/Heidinger Henssler/Strohn (Hrsg.) Henssler/Willemsen/ Kalb (Hrsg.) Henze Hesselmann/Tillmann/ Mueller-Thuns Heymann Hoffmann/Liebs Hucke

Insolvenzrechts-Handbuch, 4. Aufl. 2010 Herausgegeben von Hopt/Wiedemann, 4. Aufl. 1992 ff. siehe Ulmer siehe Staub Großkommentar zum GmbHG. Begründet von Hachenburg, 8. Aufl. herausgegeben von Ulmer, 1990 ff. Die GmbH im Prozess, 1997 Die GmbH in der Gestaltungs- und Beratungspraxis, 2. Aufl. 2009 Gesellschaftsrecht, Kommentar, 2011 Arbeitsrecht Kommentar, 4. Aufl. 2010 Handbuch zum GmbH-Recht, Höchstrichterliche Rechtsprechung, 2. Aufl. 1997 Handbuch GmbH & Co. KG, 20. Aufl. 2009

Hüffer

HGB, 2. Aufl. 1995 ff. Der GmbH-Geschäftsführer, 3. Aufl. 2009 Gesellschafter und Geschäftsführer der GmbH, 1996 AktG, 9. Aufl. 2010

Kallmeyer Kölner Kommentar zum AktG Koller/Roth/Morck Koppensteiner Kübler/Assmann Kübler/Prütting/Bork

UmwG, 4. Aufl. 2010 Herausgegeben von Zöllner, 2. Aufl. 1988 ff. Herausgegeben von Zöllner/Noack, 3. Aufl. 2004 ff. Handelsgesetzbuch (HGB), 7. Aufl. 2011 GmbH-Gesetz (Österreich), 2. Aufl. Wien 1999 Gesellschaftsrecht, 6. Aufl. 2006 InsO (Loseblatt)

Larenz/Wolf

Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts, 9. Aufl. 2004 Kommentar zum GmbHG, 7. Aufl. 1927 UmwG. Herausgegeben von Lutter/M. Winter, 4. Aufl. 2009 GmbH-Gesetz, Kommentar, 17. Aufl. 2009 Handbuch der Konzernfinanzierung, 1998

Liebmann/Saenger Lutter Lutter/Hommelhoff Lutter/Scheffler/ U. H. Schneider (Hrsg.) Meyer-Landrut/Miller/ Niehus Michalski (Hrsg.) Münchener Anwaltshandbuch GmbH-Recht X

GmbHG, 1987 GmbHG, 2. Aufl. 2010 Herausgegeben von Römermann, 2. Aufl. 2009

Allgemeines Schrifttumsverzeichnis

Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts

Münchener Kommentar zum AktG Münchener Kommentar zum BGB Münchener Kommentar zum HGB Münchener Kommentar zum GmbHG

Bd. 2 Kommanditgesellschaft, GmbH & Co. KG, Publikums-KG, Stille Gesellschaft. Herausgegeben von Gummert/Weipert, 3. Aufl. 2009; Bd. 3 Gesellschaft mit beschränkter Haftung. Herausgegeben von Priester/Mayer, 3. Aufl. 2009; Bd. 4 Aktiengesellschaft. Herausgegeben von Hoffmann-Becking, 3. Aufl. 2007 Herausgegeben von Kropff/Semler, 2. Aufl. 2000 ff. Herausgegeben von Goette/Habersack, 3. Aufl. 2008 ff. Herausgegeben von Säcker/Rixecker, 5. Aufl. 2007 ff., 6. Aufl. 2012 ff. Herausgegeben von Karsten Schmidt, 2. Aufl. 2005 ff., 3. Aufl. 2010 ff. Herausgegeben von Fleischer/Goette, 2010 ff.

Nerlich/Römermann (Hrsg.)

Insolvenzordnung (Loseblatt)

Palandt

Bürgerliches Gesetzbuch (BGB), 71. Aufl. 2012

Raiser/Veil Raiser/Veil

Recht der Kapitalgesellschaften, 5. Aufl. 2010 Kommentar zum Mitbestimmungsgesetz und Drittelbeteiligungsgesetz, 5. Aufl. 2009 Das österreichische GmbH-Recht in systematischer Darstellung, 1983, 2. Aufl., Bd. I, 1997 HGB, 3. Aufl. 2008

Reich-Rohrwig Röhricht/Graf von Westphalen (Hrsg.) Roth/Altmeppen Rowedder/Schmidt-Leithoff (Hrsg.) Saenger/Inhester (Hrsg.) Schlegelberger Karsten Schmidt Karsten Schmidt Karsten Schmidt/Lutter (Hrsg.) Karsten Schmidt/Uhlenbruck (Hrsg.) Soergel Spindler/Stilz (Hrsg.) Staub

Staudinger

GmbHG, 6. Aufl. 2009 GmbHG, 4. Aufl. 2002

GmbHG, 2011 Kommentar zum HGB, 5. Aufl. 1973 ff. Gesellschaftsrecht, 4. Aufl. 2002 Handelsrecht, 5. Aufl. 1999 AktG, 2. Aufl. 2010 Die GmbH in Krise, Sanierung und Insolvenz, 4. Aufl. 2009 BGB, Kommentar, 13. Aufl. 1999 ff. AktG, 2. Aufl. 2010 Großkommentar zum Handelsgesetzbuch. Herausgegeben von Canaris/Schilling/Ulmer, 4. Aufl. 1983 ff. Herausgegeben von Canaris/ Habersack/Schäfer, 5. Aufl. 2009 ff. Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, 13. Bearbeitung 1993 ff. XI

Allgemeines Schrifttumsverzeichnis

Tillmann/Mohr Tillmann/Schiffers/ Wälzholz

GmbH-Geschäftsführer, 9. Aufl. 2009 Die GmbH im Gesellschafts- und Steuerrecht, 5. Aufl. 2009

Ulmer

Ulmer/Habersack/Henssler

Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbHG), Großkommentar. Herausgegeben von Ulmer/Habersack/Winter, 2005 ff. Ergänzungsband zum MoMiG. Herausgegeben von Ulmer/Habersack/Winter, 2010 Mitbestimmungsrecht, 2. Aufl. 2006

Vogel

Kommentar zum GmbHG, 2. Aufl. 1956

Wicke

Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbHG), 2. Aufl. 2011 Umwandlungsrecht, Kommentar (Loseblatt) Gesellschaftsrecht, Bd. 1: Allgemeine Grundlagen, 1980, Bd. 2: Recht der Personengesellschaften, 2004 Gesellschaftsrecht, 22. Aufl. 2009 Mitbestimmungsrecht, 4. Aufl. 2011

Widmann/Mayer Wiedemann

Windbichler Wlotzke/Wißmann/ Koberski/Kleinsorge Wünsch Würdinger

XII

Kommentar zum GmbHG (Österreich), 1988 Aktienrecht und das Recht der verbundenen Unternehmen, 4. Aufl. 1981

Abkürzungsverzeichnis a.A. a.a.O. abl. ABl. EG/EU Abs. Abschn. Abt. abw. AbzG AC AcP ADHGB a.E. AEUV a.F. AFG AG AGB AGG AktG allg. M. Alt. a.M. AnfG AngKSchG Anh. Anl. Anm. AnwBl. AO AöR AP ApoG ApSL ArbG ArbGG ArbN ArbNErfG arg. Art. art. ARUG

anderer Ansicht am angegebenen Ort ablehnend Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften/Union Absatz Abschnitt Abteilung abweichend Abzahlungsgesetz Adler-Clemens, Sammlung handelsrechtlicher Entscheidungen (Österreich) Archiv für die civilistische Praxis Allgemeines Deutsches Handelsgesetzbuch von 1861 am Ende Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union alte Fassung Arbeitsförderungsgesetz Die Aktiengesellschaft (Zeitschrift); Aktiengesellschaft; Amtsgericht Allgemeine Geschäftsbedingungen Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz Aktiengesetz allgemeine Meinung Alternative anderer Meinung Anfechtungsgesetz Angestellten-Kündigungsschutzgesetz Anhang Anlage Anmerkung Anwaltsblatt Abgabenordnung Archiv des öffentlichen Rechts Arbeitsrechtliche Praxis (Nachschlagewerk des Bundesarbeitsgerichts) Gesetz über das Apothekenwesen Lov Nr. 371a 13.6.1973 om anpartsseleskaber Arbeitsgericht Arbeitsgerichtsgesetz Arbeitnehmer Gesetz über Arbeitnehmererfindungen argumentum Artikel article Gesetz zur Umsetzung der Aktionärsrechterichtlinie XIII

Abkürzungsverzeichnis

AT AtomG AÜG AufenthG Aufl. AuR AuslG AVG AWD AWG AWV Az. AZO BABl. BadNotZ BadWürttVGH BaFin BAG BAGE BankArch BAnz. BAnzDiG

BauersZ BauR BausparkG BAV

BayObLG BayObLGSt. BayObLGZ BayVerfGH BB BBankG BBergG BBG Bd. BDSG BeckOK Begr. Begr. RegE XIV

Allgemeiner Teil Atomgesetz Arbeitnehmerüberlassungsgesetz Gesetz über den Aufenthalt, die Erwerbstätigkeit und die Integration von Ausländern im Bundesgebiet Auflage Arbeit und Recht Ausländergesetz Angestelltenversicherungsgesetz Außenwirtschaftsdienst des Betriebsberaters Außenwirtschaftsgesetz Außenwirtschaftsverordnung Aktenzeichen Arbeitszeitordnung Bundesarbeitsblatt Badische Notariatszeitschrift Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht Bundesarbeitsgericht Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts Bank-Archiv Bundesanzeiger Gesetz zur Änderung von Vorschriften über Verkündung und Bekanntmachungen sowie der Zivilprozessordnung, des Gesetzes betreffend die Einführung der Zivilprozessordnung und der Abgabeordnung Der Handelsgesellschafter, hrsg. von Bauer Baurecht Bausparkassengesetz Die Betriebliche Altersversorgung, Mitteilungsblatt der Arbeitsgemeinschaft für betriebliche Altersversorgung e.V. Bayerisches Oberstes Landesgericht Entscheidungen des Bayerischen Obersten Landesgerichts in Strafsachen Entscheidungen des Bayerischen Obersten Landesgerichts in Zivilsachen Bayerischer Verfassungsgerichtshof Der Betriebs-Berater Gesetz über die Deutsche Bundesbank Bundesberggesetz Bundesbeamtengesetz Band Bundesdatenschutzgesetz Beck’scher Online-Kommentar Begründung Begründung zum Regierungsentwurf

Abkürzungsverzeichnis

Beil. BerDGesVölkR BetrAV BetrAVG BetrVG BeurkG BewG BfA BFH BFHE BFH/NV BFuP BGB BGBl. BGH BGHSt. BGHZ Bil-Komm. BilMoG BilanzrichtlG, BiRiLiG BImSchG BKK BKR BlfG BlStSozArbR BMF BMJ BNotO BR BRAK-Mitt. BRAO BR-Drucks. BRRG BSG BSGE BStBl. BT-Drucks. BürgA BUrlG BUV BuW BVerfG BVerfGE

Beilage Berichte der Deutschen Gesellschaft für Völkerrecht Betriebliche Altersversorgung Gesetz zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung Betriebsverfassungsgesetz Beurkundungsgesetz Bewertungsgesetz Bundesversicherungsanstalt für Angestellte Bundesfinanzhof Sammlung der Entscheidungen und Gutachten des Bundesfinanzhofs Sammlung amtlich nicht veröffentlichter Entscheidungen des BFH Betriebswirtschaftliche Forschung und Praxis Bürgerliches Gesetzbuch Bundesgesetzblatt Bundesgerichtshof Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Strafsachen Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen Bilanz-Kommentar Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz Bilanzrichtliniengesetz Bundesimmissionsschutzgesetz Die Betriebskrankenkasse Zeitschrift für Bank- und Kapitalmarktrecht Blätter für Genossenschaftswesen Blätter für Steuerrecht, Sozialversicherung und Arbeitsrecht Bundesministerium der Finanzen Bundesminister der Justiz Bundesnotarordnung Bundesrat Mitteilungen der Bundesrechtsanwaltskammer Bundesrechtsanwaltsordnung Bundesrats-Drucksache Beamtenrechtsrahmengesetz Bundessozialgericht Entscheidungen des Bundessozialgerichts Bundessteuerblatt Bundestags-Drucksache Archiv für Bürgerliches Recht Bundesurlaubsgesetz Betriebs- und Unternehmensverfassung Betrieb und Wirtschaft Bundesverfassungsgericht Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts XV

Abkürzungsverzeichnis

BVerwG BVerwGE BW BWNotZ BZRG

Bundesverwaltungsgericht Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts Burgerlijk wetboek Zeitschrift für das Notariat in Baden-Württemberg Bundeszentralregistergesetz

Cc CFL c.i.c. Cod. civ. Cod. com. COMI CR

Code civil Corporate Finance law (Zeitschrift) culpa in contrahendo Codice civile Code de Commerce center of main interest Computer und Recht

DAV DB DBW DCGK Décr. DepotG DGVZ DGWR DIHT Diss. DJ DJT DJZ DNotI DNotI-Report DNotV DNotZ D&O DR DrittelbG DRiZ DRpfl. DRZ DStR DStZ DurchfVO DVBl. DZWIR/DZWiR

Deutscher Anwaltverein Der Betrieb Die Betriebswirtschaft Deutscher Corporate Governance Codex Décret Depot-Gesetz Deutsche Gerichtsvollzieher-Zeitung Deutsches Gemein- und Wirtschaftsrecht Deutscher Industrie- und Handelstag Dissertation Deutsche Justiz Deutscher Juristentag Deutsche Juristenzeitung Deutsches Notarinstitut Informationsdienst des Deutschen Notarinstituts Zeitschrift des Deutschen Notarvereins Deutsche Notarzeitschrift Directors and Officers Deutsches Recht (1939–1945) Drittelbeteiligungsgesetz Deutsche Richterzeitung Der deutsche Rechtspfleger Deutsche Rechtszeitschrift (1946–1950) Deutsches Steuerrecht Deutsche Steuer-Zeitung Durchführungsverordnung Deutsches Verwaltungsblatt Deutsche Zeitschrift für Wirtschaftsrecht; ab 1999: Deutsche Zeitschrift für Wirtschafts- und Insolvenzrecht

E EBLR EBOR ecolex

Entwurf European Business Law Review (Zeitschrift) European Business Organization Law Review Zeitschrift für Wirtschaftsrecht

XVI

Abkürzungsverzeichnis

EFG EFTA EG EGAktG EGBGB EGGmbHG E-GmbHG EGHGB EGInsO EGR EG-VO EHUG EinfG Einl. EinzelhG EKV EO EPG ErbbauRG ErbStG ErbStR ErbStRG ErfK Erg. Erg.-Band Erl. EStB EStG EStR EU EuGH EuGHE EuGRZ EuInsVO EuR EuroEG EuZW e.V. EvBl. EWG EWGV

Entscheidungen der Finanzgerichte European Free Trade Association Europäische Gemeinschaft; Einführungsgesetz; Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft Einführungsgesetz zum Aktiengesetz Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch Einführungsgesetz zum Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung Entwurf zum GmbHG Einführungsgesetz zum Handelsgesetzbuch Einführungsgesetz zur Insolvenzordnung Entscheidungssammlung Gewerblicher Rechtsschutz Verordnung der Europäischen Gemeinschaft Gesetz über elektronische Handelsregister und Genossenschaftsregister sowie das Unternehmensregister Einführungsgesetz Einleitung Einzelhandelsgesetz Europäische Kooperationsvereinigung Exekutionsordnung (Österreich) Europäische Privatgesellschaft Gesetz über das Erbbaurecht Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz Erbschaftsteuer-Richtlinien Gesetz zur Reform des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuerrechts Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht Ergebnis/Ergänzung Ergänzungsband Erläuterung(en) Der Ertrag-Steuer-Berater Einkommensteuergesetz Einkommensteuer-Richtlinien Europäische Union Europäischer Gerichtshof Sammlung der Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs Europäische Grundrechte-Zeitschrift Europäische Insolvenzverordnung Europarecht Euro-Einführungsgesetz Europäische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht eingetragener Verein Evidenzblatt der Rechtsmittelentscheidungen (Beilage zur ÖJZ) Europäische Wirtschaftsgemeinschaft Vertrag zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft XVII

Abkürzungsverzeichnis

EWiR EWIV EWIVG EWR EWS f., ff. FamFG FamRZ FAZ Festg. FG FGG FGO FGPrax FKVO FMStBG

Fn. FR FS G GA GBl. GBO GbR, GdbR GBVfg. GebrMG GenG GeschäftsO GeschmMG GesO GesR GesRZ GewA GewO GewStG GewStR XVIII

Entscheidungen zum Wirtschaftsrecht Europäische wirtschaftliche Interessenvereinigung Gesetz über die Europäische wirtschaftliche Interessenvereinigung Europäischer Wirtschaftsraum Europäisches Wirtschafts- und Steuerrecht folgende Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit Zeitschrift für das gesamte Familienrecht Frankfurter Allgemeine Zeitung Festgabe Finanzgericht; Freiwillige Gerichtsbarkeit Gesetz über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit Finanzgerichtsordnung Praxis der Freiwilligen Gerichtsbarkeit Fusionskontrollverordnung Gesetz zur Beschleunigung und Vereinfachung des Erwerbs von Anteilen an sowie Risikopositionen von Unternehmen des Finanzsektors durch den Fonds „Finanzmarktstabilisierungsfonds – FMS“ (Finanzmarktstabilisierungsbeschleunigungsgesetz) vom 17.10.2008 Fußnote Finanz-Rundschau Festschrift Gesetz Goltdammer’s Archiv für Strafrecht Gesetzblatt Grundbuchordnung Gesellschaft des bürgerlichen Rechts Allgemeine Verfügung über die Einrichtung und Führung des Grundbuchs Gebrauchsmustergesetz Genossenschaftsgesetz Geschäftsordnung Geschmacksmustergesetz Gesamtvollstreckungsordnung Gesellschaftsrecht Der Gesellschafter, Zeitschrift für Gesellschaftsrecht (Österreich) Gewerbearchiv Gewerbeordnung Gewerbesteuergesetz Gewerbesteuer-Richtlinien

Abkürzungsverzeichnis

GG ggf. GK GKG gl. M. GmbH GmbHÄndG, ÄndG

GRUR GS GStB GüKG GuV GVBl. GVG GVGA GWB GWR

Grundgesetz gegebenenfalls Gemeinschaftskommentar Gerichtskostengesetz gleicher Meinung Gesellschaft mit beschränkter Haftung Gesetz zur Änderung des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung und anderer handelsrechtlicher Vorschriften v. 4.7.1980 Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung GmbH-Rundschau Die GmbH in der Rechtsprechung der deutschen Gerichte Der GmbH-Steuer-Berater Gemeinsamer Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes Grundsätze ordnungsgemäßer Buchführung Goltdammer’s Archiv für Strafrecht grundlegend grundsätzlich Großkommentar Grunderwerbsteuergesetz Beiträge zur Erläuterung des Deutschen Rechts, begründet von Gruchot Grundbuchrecht Zeitschrift für das Privat- und öffentliche Recht der Gegenwart, begründet von Grünhut Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht Der Gerichtssaal (Zeitschrift) Gestaltende Steuerberatung Güterkraftverkehrsgesetz Gewinn- und Verlustrechnung Gesetz- und Verordnungsblatt Gerichtsverfassungsgesetz Geschäftsanweisung für Gerichtsvollzieher Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen Gesellschafts- und Wirtschaftsrecht

h.A. HandelsR HandReg. HandwO HansGRZ HansOLG Hdb. HdU HGB

herrschende Ansicht Handelsrecht Handelsregister Handwerksordnung Hanseatische Gerichtszeitung Hanseatisches Oberlandesgericht Handbuch Handbuch der Unternehmensbesteuerungen Handelsgesetzbuch

GmbHG GmbHR GmbHRspr. GmbH-StB GmS-OGB GoB GoltdArch grdl./grdlg. grds. Großkomm. GrErwStG, GrEStG Gruch. GrundbuchR GrünhutsZ

XIX

Abkürzungsverzeichnis

h.L. h.M. Holdh., HoldheimsMS HRefG HReg HRegGebNeuOG HRegV HRegVfg. HRR Hrsg. HRV HS HWB IAS i.d.F. i.d.R. IdW i.E. i.e.S. IFRS IHK InsO IntGesR InvG InVo IPG IPR IPRax IPRspr. i.S. i.V.m. JA JB JbFfSt. Jb.Int.R. JBl. J. B. L. JFG JherJB JKomG XX

herrschende Lehre herrschende Meinung Monatszeitschrift für Handelsrecht und Bergwesen, begr. von Holdheim Handelsrechtsreformgesetz Handelsregister Handelsregistergebühren-Neuordnungsgesetz Verordnung über das Handelsregister Handelsregisterverfügung Höchstrichterliche Rechtsprechung Herausgeber Handelsregisterverordnung Handelsrechtliche Entscheidungen, begr. v. Stanzl, hrsg. v. Steiner (Österreich) Handwörterbuch International Accounting Standard in der Fassung in der Regel Institut der Wirtschaftsprüfer im Ergebnis im engeren Sinne International Financial Reporting Standards Industrie- und Handelskammer Insolvenzordnung Internationales Gesellschaftsrecht Investmentgesetz Insolvenz und Vollstreckung Gutachten zum internationalen und ausländischen Privatrecht Internationales Privatrecht Praxis des Internationalen Privat- und Verfahrensrechts Die deutsche Rechtsprechung auf dem Gebiete des internationalen Privatrechts im Sinne in Verbindung mit Juristische Arbeitsblätter Jahrbuch Jahrbuch der Fachanwälte für Steuerrecht Jahrbuch für internationales Recht Justizblatt; Juristische Blätter (Österreich) Journal of Business Law Jahrbuch für Entscheidungen in Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit und des Grundbuchrechts Jherings Jahrbücher der Dogmatik des Bürgerlichen Rechts Justizkommunikationsgesetz

Abkürzungsverzeichnis

JMBlNRW JR JStG Jura JurA JurBl. JurBüro JurP JuS JW JZ

Justizministerialblatt Nordrhein-Westfalen Juristische Rundschau Jahressteuergesetz Juristische Ausbildung Juristische Analysen Juristische Blätter Das Juristische Büro Juristische Person Juristische Schulung Juristische Wochenschrift Juristenzeitung

Kap. KapAEG KapCoRiLiG KapErhG KapGes. KapGesR KartG(er) KartRdsch. KfW KG KGaA KGBl. KGJ

KVStDV KVStG KWG

Kapitel Kapitalaufnahmeerleichterungsgesetz Kapitalgesellschaften- und Co-Richtlinie-Gesetz Kapitalerhöhungsgesetz Kapitalgesellschaft Kapitalgesellschaftsrecht Kartellgericht Kartell-Rundschau Kreditanstalt für Wiederaufbau Kammergericht; Kommanditgesellschaft Kommanditgesellschaft auf Aktien Blätter für Rechtspflege im Bezirk des Kammergerichts Jahrbuch für Entscheidungen des Kammergerichts in Sachen der freiwilligen Gerichtsbarkeit Konkursordnung Kölner Kommentar Konsulargesetz Gesetz zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich Koordinierungsgesetz zur Umsetzung von EG-Richtlinien Kostenordnung kritisch Kündigungsschutzgesetz Körperschaftsteuer-Durchführungsverordnung Körperschaftsteuergesetz Körperschaftsteuer-Richtlinien Zeitschrift für Konkurs-, Treuhand- und Schiedsgerichtswesen Kapitalverkehrsteuer-Durchführungsverordnung Kapitalverkehrsteuergesetz Kreditwesengesetz

LAG LBO L.Coord. Lfg.

Landesarbeitsgericht Leveraged Buy-Out Lois coordonnées par arrêté royal d. 30.12.1935 (Belgien) Lieferung

KO KölnKomm. KonsG KonTraG KoordG KostO krit. KSchG KStDV KStG KStR KTS

XXI

Abkürzungsverzeichnis

LG lit. Lit. LK LLC LM/LMK LöschG LSC LSC lux. LSG l.Sp. lt. Ltd. LuftverkehrsG, LuftVG LZ MarkenG m.a.W. MDR MitbestErgG MitbestG MittBayNot MittRhNotK MMR m.N. MoMiG MontanMitbestErgG MontanMitbestG MünchHdb. MünchKomm. MuW m.w.N. Nachw. NB N. B. W. NdsRpfl. n.F. NJW XXII

Landgericht Buchstabe(n) Literatur Leipziger Kommentar zum Strafgesetzbuch Limited Liability Company Lindenmaier-Möhring (Nachschlagewerk des Bundesgerichtshofs) Löschungsgesetz Loi no. 66–537 d. 24.7.1966 sur les sociétés commerciales (Frankreich) Loi d. 10.8.1915 concernant les sociétés commerciales (Luxemburg) Landessozialgericht linke Spalte laut Limited Luftverkehrsgesetz Leipziger Zeitschrift für Deutsches Recht Gesetz über den Schutz von Marken und sonstigen Kennzeichen mit anderen Worten Monatsschrift für Deutsches Recht Mitbestimmungsergänzungsgesetz Gesetz über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer (Mitbestimmungsgesetz) Mitteilungen des Bayerischen Notarvereins, der Notarkasse und der Landesnotarkammer Bayern Mitteilungen der Rheinischen Notarkammer Multimedia und Recht mit Nachweisen Gesetz zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen Montanmitbestimmungsergänzungsgesetz Montanmitbestimmungsgesetz Münchener Handbuch Münchener Kommentar Markenschutz und Wettbewerb mit weiteren Nachweisen Nachweis(e) Neue Betriebswirtschaft Nieuw Burgerlijk Wetboek Niedersächsische Rechtspflege Neue Fassung Neue juristische Wochenschrift

Abkürzungsverzeichnis

NJWE-WettbR NJW-RR NotBZ NotVORPräs. Nr. NStZ NWB NZ NZA NZA-RR NZG NZI NZM NZS öABGB öAktG öBankArch ÖBl. öGmbHG ÖJZ ÖstOHG ÖstZ öVwGH ÖZW OFD OGH OGHZ OHG OLG OLGE/OLGR OLG-NL OLGZ OR OstEuR OVG OWiG

NJW-Entscheidungsdienst Wettbewerbsrecht Rechtsprechungsreport der Neuen Juristischen Wochenschrift Zeitschrift für die notarielle Beratungs- und Beurkundungspraxis Notverordnung des Reichspräsidenten Nummer Neue Zeitschrift für Strafrecht Neue Wirtschafts-Briefe für Steuer- und Wirtschaftsrecht Notariatszeitung (Österreich) Neue Zeitschrift für Arbeitsrecht Rechtsprechungsreport Arbeitsrecht Neue Zeitschrift für Gesellschaftsrecht Neue Zeitschrift für Insolvenz und Sanierung Neue Zeitschrift für Miet- und Wohnungsrecht Neue Zeitschrift für Sozialrecht österreichisches Allgemeines Bürgerliches Gesetzbuch österreichisches Aktiengesetz österreichisches bank-Archiv Österreichische Blätter für gewerblichen Rechtsschutz und Urheberrecht Gesetz über die Gesellschaften mit beschränkter Haftung v. 6.3.1906 (Österreich) Österreichische Juristen-Zeitung Österreichischer Oberster Gerichtshof Österreichische Steuerzeitung österreichischer Verwaltungsgerichtshof Österreichische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht Oberfinanzdirektion (Österreichischer) Oberster Gerichtshof; auch Oberster Gerichtshof für die britische Zone Entscheidungen des Obersten Gerichtshofs für die britische Zone in Zivilsachen Offene Handelsgesellschaft Oberlandesgericht Die Rechtsprechung der Oberlandesgerichte auf dem Gebiet des Zivilrechts OLG-Rechtsprechung Neue Länder Entscheidungen des Oberlandesgerichts in Zivilsachen einschließlich der freiwilligen Gerichtsbarkeit Schweizerisches Obligationenrecht Osteuropa-Recht (Zeitschrift) Oberverwaltungsgericht Gesetz über Ordnungswidrigkeiten

XXIII

Abkürzungsverzeichnis

PartGG PatAnwO PatG PharmaZ PrOVG PSV PublG PVV RabelsZ RAG RBerG RdA Rdnr. RdW Recht RefE RegE Regl. rev. Rev. Int. Dr. Comp. RFH RFHE RG RGBl. RGSt. RGZ RIW RJ RJA rkr. RL RNotZ ROM I-VO

ROM II-VO

Rpfleger RPflG r.Sp. Rspr.

XXIV

Gesetz über Partnerschaftsgesellschaften Angehöriger Freier Berufe Patentanwaltsordnung Patentgesetz Pharma-Zeitschrift Preußisches Oberverwaltungsgericht Pensionssicherungsverein Publizitätsgesetz Positive Vertragsverletzung Zeitschrift für ausländisches und internationales Privatrecht, begr. v. Rabel Reichsarbeitsgericht; Entscheidungen des Reichsarbeitsgerichts Rechtsberatungsgesetz Recht der Arbeit Randnummer Recht der Wirtschaft Das Recht, Rundschau für den deutschen Juristenbund Referentenentwurf Regierungsentwurf Regelment revidiert Revue Internationale de Droit Comparé Reichsfinanzhof Sammlung der Entscheidungen des Reichsfinanzhofs Reichsgericht Reichsgesetzblatt Entscheidungen des Reichsgerichts in Strafsachen Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen Recht der internationalen Wirtschaft Reichsjustizministerium Entscheidungen in Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit und des Grundbuchrechts rechtskräftig Richtlinie Rheinische Notar-Zeitschrift Verordnung (EG) Nr. 593/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Juni 2008 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht Verordnung (EG) Nr. 864/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Juli 2007 über das auf außervertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht Der Deutsche Rechtspfleger (Zeitschrift) Rechtspflegergesetz rechte Spalte Rechtsprechung

Abkürzungsverzeichnis

RStBl. RWP RZ

Reichssteuerblatt Kartei der Rechts- und Wirtschaftspraxis (österreichische) Richterzeitung

S. s. SächsA SAE SAG SARL ScheckG, SchG sched. SchiedsVZ SchlHA SchwerbehG Schw. Jb. Int. R. SchwZStrafR SE SeuffArch., SeuffA

Seite siehe Sächsisches Archiv für Bürgerliches Recht und Prozeß Sammlung arbeitsrechtlicher Entscheidungen Die Schweizerische Aktiengesellschaft Société à responsabilité limitée Scheckgesetz schedule Zeitschrift für Schiedsverfahren Schleswig-Holsteinische Anzeigen Schwerbehindertengesetz Schweizerisches Jahrbuch für Internationales Recht Schweizerische Zeitschrift für Strafrecht Societas Europaea; Europäische Gesellschaft Seufferts Archiv für Entscheidungen der obersten Gerichte in den deutschen Staaten Die Sozialgerichtsbarkeit Sozialgesetzbuch Sozialgerichtsgesetz Süddeutsche Juristenzeitung; Schweizerische Juristenzeitung Systematischer Kommentar zum Strafgesetzbuch Sammlung Spalte Societas Privata Europaea (Europäische Privatgesellschaft) Gesetz über das gesellschaftsrechtliche Spruchverfahren Sociedad de Responsabilidad Limitada salve statuto = vorbehaltlich anderer Regelung im Gesellschaftsvertrag Steueranpassungsgesetz Steuerberatungsgesetz Steuerberater-Jahrbuch Die steuerliche Betriebsprüfung Steuerentlastungsgesetz Stille Gesellschaft Strafgesetzbuch Strafprozessordnung strittig Gesetz über die Entschädigung für Strafverfolgungsmaßnahmen Steuerrechtsprechung in Karteiform Ständige Rechtsprechung Strafverteidiger

SGb. SGB SGG SJZ SK Slg. Sp. SPE SpruchG SRL s. stat. StAnpG StBerG StbJb. StBp. StEntlG StG StGB StPO str. StrEG StRK st. Rspr. StrVert

XXV

Abkürzungsverzeichnis

StuW StVG SZ

Steuer und Wirtschaft Straßenverkehrsgesetz Entscheidungen des OHG in Zivilsachen

TransPuG TreuhG, TreuhandG TVG tw.

Transparenz- und Publizitätsgesetz Treuhandgesetz Tarifvertragsgesetz teilweise

Ubg U.C.C. U.Chi.L.Rev. UG UGB UmwG UmwGÄndG UmwStG unstr. UR UrhG UStG UStRG U Tor L.J. u.U. UWG

Die Unternehmensbesteuerung Uniform Commercial Code University of Chicago Law Review Unternehmergesellschaft Unternehmensgesetzbuch (Österreich) Umwandlungsgesetz Gesetz zur Änderung des Umwandlungsgesetzes Umwandlungssteuergesetz unstreitig Umsatzsteuer-Rundschau Urheberrechtsgesetz Umsatzsteuergesetz Unternehmensteuerreformgesetz University of Toronto Law Journal unter Umständen Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb

VAG Var. VerBAV

Versicherungsaufsichtsgesetz Variante Veröffentlichungen des Bundesaufsichtsamtes für das Versicherungswesen Vereinsgesetz Verfasser Gesetz zur Förderung der Vermögensbildung der Arbeitnehmer Verschmelzungsgesetz Verschmelzungsrichtlinie-Gesetz Versicherungsrecht Verwaltungsrecht verdeckte Gewinnausschüttung Verwaltungsgerichtshof vergleiche Vergleichsordnung Gesellschaftsrechtliche Vereinigung von Hundert Verkündungs- und Bekanntmachungsgesetz Verordnung versus Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit

VereinsG Verf. VermBG VerschmG VerschmRiLiG VersR VerwR vGA VGH vgl. VglO VGR v.H. VkBkmG VO vs. VVaG XXVI

Abkürzungsverzeichnis

VVG VwGO VwVfG VZS

Versicherungsvertragsgesetz Verwaltungsgerichtsordnung Verwaltungsverfahrensgesetz Vereinigte Zivilsenate

WährG WarnR, WarnRspr.

WvK WZG

Währungsgesetz Rechtsprechung des Reichsgerichts auf dem Gebiete des Zivilrechts, hrsg. von Warneyer Wirtschaftsrechtliche Blätter (Österreich) Wet Formeel Buitenlandse Vennootschappen (Niederlande) Wechselgesetz Gesetz über die Gemeinnützigkeit im Wohnungswesen Wasserhaushaltsgesetz Wirtschaftsrechtliche Beratung Wirtschaft und Recht in Osteuropa Zeitschrift für Wirtschaft, Steuer, Strafrecht Wertpapier-Mitteilungen Die Wirtschaftsprüfung Gesetz über den Wertpapierhandel Wirtschaftsprüferordnung Wettbewerb in Recht und Praxis Entscheidungssammlung zum Wirtschafts- und Bankrecht Wohnungswirtschaft und Mietrecht Wirtschaft und Wettbewerb. Entscheidungssammlung zum Kartellrecht Wetboek van Koophandel (Niederlande) Warenzeichengesetz

Yale L.J.

Yale Law Journal

ZAkDR z.B. ZBB ZBH ZErb ZEuP ZEV ZfA ZfB ZfgG, ZgesGenW ZfRV

Zeitschrift der Akademie für Deutsches Recht zum Beispiel Zeitschrift für Bankrecht und Bankwirtschaft Zentralblatt für Handelsrecht Zeitschrift für die Steuer- und Erbrechtspraxis Zeitschrift für Europäisches Privatrecht Zeitschrift für Erbrecht und Vermögensnachfolge Zeitschrift für Arbeitsrecht Zeitschrift für Betriebswirtschaft Zeitschrift für das gesamte Genossenschaftswesen Zeitschrift für Rechtsvergleichung, internationales Privatrecht und Europarecht Schweizerisches Zivilgesetzbuch Zeitschrift für Unternehmens- und Gesellschaftsrecht Zeitschrift für das gesamte Schuldrecht

WBl. WFBV WG WGG WHG WiB WiRO wistra WM WPg WpHG WPO WRP WuB WuM WuW/E

ZGB ZGR ZGS

XXVII

Abkürzungsverzeichnis

ZHR Ziff. ZInsO ZIP ZLR ZMR ZNotP ZPO ZRP ZRvgl ZSR ZStW zust. zutr. ZVglRW ZZP

XXVIII

Zeitschrift für das gesamte Handelsrecht und Wirtschaftsrecht Ziffer Zeitschrift für das gesamte Insolvenzrecht Zeitschrift für Wirtschaftsrecht Zeitschrift für Lebensmittelrecht Zeitschrift für Miet- und Raumrecht Zeitschrift für die Notar-Praxis Zivilprozessordnung Zeitschrift für Rechtspolitik Zeitschrift für Rechtsvergleichung Zeitschrift für schweizerisches Recht Zeitschrift für die gesamte Strafrechtswissenschaft zustimmend zutreffend Zeitschrift für vergleichende Rechtswissenschaft Zeitschrift für Zivilprozess

Einleitung Inhaltsübersicht I. Die dogmatische und praktische Bedeutung der GmbH 1. Die Funktion des „Leitbildes“ der GmbH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die körperschaftliche Struktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die juristische Persönlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Die Mitgliedschaft als Rechtsverhältnis unter den Gesellschaftern und als subjektives Recht . . . . bb) Die Treupflicht. . . . . . . . . . cc) Die Einmann-Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) „Durchgriff“ durch die juristische Person . . . . . . . c) Die Drittorganschaft . . . . . . . . d) Das Mehrheitsprinzip . . . . . . . e) Aufbringung und Erhaltung des Stammkapitals. . . . . . . . . . f) Gestaltungsfreiheit der Gesellschafter . . . . . . . . . . . . . . . . g) Die GmbH als Kaufmann . . . . 2. Rechtstatsächliche Funktionen der GmbH a) Zahlenverhältnisse . . . . . . . . . b) Das wirtschaftliche Gewicht der GmbH . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Die wirtschaftlichen Funktionen und ihre Probleme . . . . aa) Die GmbH als Trägerin mittelständischer Unternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Die GmbH als Großunternehmen . . . . . . . . . . . cc) Die GmbH ohne erwerbswirtschaftliche Zielsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Die GmbH in einer Unternehmensgruppe und in einer Grundtypenvermischung . . . . . . . . . . . . . . .

1 4 6

7 8 9 10 13 14 16 20 22

24 25 28 29 31

II. Die Quellen des GmbH-Rechts 1. Das GmbHG und seine Nebengesetze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Entstehungsgeschichte des Gesetzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Die Reformen der Jahre nach 1980 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Die GmbH im Prozess der europäischen Rechtsangleichung . . . 5. Der große Wurf: Das MoMiG . . a) Die wichtigsten Ziele der Reform . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Gründung der Gesellschaft . . c) Probleme der Kapitalaufbringung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Probleme der Kapitalerhaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Kapitalersetzende Gesellschafterdarlehen . . . . . . . . . . . f) Insolvenzverschleppung . . . . g) Bekämpfung von Missbräuchen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . h) Völlige Neuerungen: Gesellschafterliste und UG (haftungsbeschränkt). . . . . . . . . . . III. Die heutige rechtspolitische Situation des GmbH-Rechts 1. Vom MoMiG nicht behandelte Fragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Weitere Verstärkung des Gläubigerschutzes . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Zur Schließung von Gesetzeslücken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Corporate Governance Kodex für die GmbH? . . . . . . . . . . . . . . .

41 43 45 49 53 54 56 58 60 62 67 68 69

70 73 74 75

35

37

Schrifttum: Altmeppen, Die Auswirkungen des KonTraG auf die GmbH, ZGR 1999, 291; Ballerstedt, Kapital, Gewinn und Ausschüttung bei Kapitalgesellschaften, 1949; Ballerstedt, 75 Jahre GmbH, GmbHR 1967, 66; Bayer, „MoMiG II“-Plädoyer für eine Fortführung der GmbH-Reform, GmbHR 2010, 1289; Claussen, Überlegungen zur Rechtsform der GmbH – Ist die KGaA eine Alternative?, GmbHR 1996, 73; Feine, Die Gesellschaft mit beschränkter Haftung, in: Ehrenbergs Handbuch des gesamten H. P. Westermann

1

Einleitung

Bedeutung der GmbH

Handelsrechts, Band III, Abt. 3, 3. Aufl. 1929; Fränkel, Die Gesellschaft mit beschränkter Haftung, 1905; Geßler, Probleme der GmbH-Reform, GmbHR 1966, 102; Goette/Habersack (Hrsg.), Das MoMiG in Wissenschaft und Praxis, 2009; Hadding, Die Initiativen des Reichsjustizamts und des Reichsjustizministeriums zur Gestaltung des Gesellschaftsrechts, in: FS zum 100jährigen Geburtstag des Reichsjustizamts, 1977, S. 263; Happ, Deregulierung der GmbH im Wettbewerb der Rechtsformen, ZHR 169 (2005), 6; Heidenhain, Katastrophale Rechtsfolgen verdeckter Sacheinlagen, GmbHR 2006, 455; Huber/Habersack, GmbH-Reform: Zwölf Thesen zu einer möglichen Reform des Rechts der kapitalersetzenden Gesellschafterdarlehen, BB 2006, 1; Immenga, Die personalistische Kapitalgesellschaft, 1970; Koberg, Die Entstehung der GmbH in Deutschland und Frankreich, 1992; Kremer, Die GmbH als Rechtsform freiberuflicher Partnerschaften, 1979; Lehmann, Die ergänzende Anwendung von Aktienrecht auf die Gesellschaft mit beschränkter Haftung, 1970; Limbach, Theorie und Wirklichkeit der GmbH, 1966; Lutter, Kapital, Sicherung der Kapitalaufbringung und Kapitalerhaltung in den Aktien- und GmbH-Rechten der EWG, 1964; Lutter, Das System der Kapitalgesellschaften, GmbHR 1990, 377; Lutter, Theorie der Mitgliedschaft, AcP 180 (1980), 86; Martens, Mehrheits- und Konzernherrschaft in der personalistischen GmbH, 1970; Noack, Gesellschaftervereinbarungen bei Kapitalgesellschaften, 1994; Planck, Kleine AG als Rechtsform – Alternative zur GmbH?, GmbHR 1994, 501; Priester, Die deutsche GmbH und Inspire Art – brauchen wir eine neue?, DB 2005, 1315; Priester, „GmbH-light“ – ein Holzweg, 2005, 921; Reher, Die Zweipersonen-GmbH – Notwendigkeit eines Sonderrechts?, 2003; Reuter, Privatrechtliche Schranken der Perpetuierung von Unternehmen, 1973; Roth (Hrsg.), Die Zukunft der GmbH vor dem Hintergrund deutscher und internationaler Novellen vom 1.1.1981, 1983; Saenger, Minderheitenschutz und innergesellschaftliche Klagen bei der GmbH, GmbHR 1997, 112; Karsten Schmidt, Brüderchen und Schwesterchen für die GmbH?, DB 2006, 1095; Karsten Schmidt, Grundzüge der GmbH-Novelle, NJW 1980, 1769; Karsten Schmidt, Insolvenzordnung und Gesellschaftsrecht, ZGR 1998, 633; Karsten Schmidt, Zur Einheits-GmbH & Co. KG. Kautelarjurisprudenz an ihren Grenzen oder Triumph der Typizität des Atypischen, in: FS H. P. Westermann, 2008, S. 1425; Karsten Schmidt, Das Recht der Mitgliedschaft – Ist „korporatives“ Denken passé?, ZGR 2011, 108; Schröder (Hrsg.), Die GmbH im europäischen Vergleich, 2005; Seibert, BB-Gesetzgebungsreport: Entwurf eines Mindestkapitalgesetzes – substantielle Absenkung des Mindeststammkapitals, BB 2005, 1061; Stimpel, „Durchgriffshaftung“ bei der GmbH: Tatbestände, Verlustausgleich, Ausfallhaftung, in: FS Goerdeler, 1987, S. 601; Triebel/Otte, 20 Vorschläge für eine GmbH-Reform: Welche Lektion kann der deutsche Gesetzgeber vom englischen lernen?, ZIP 2006, 311; Uhlenbruck, Die neue Insolvenzordnung (II) – Auswirkungen auf das Recht der GmbH und der GmbH & Co. KG, GmbHR 1995, 194; Ulmer, Richterrechtliche Entwicklungen im Gesellschaftrecht 1971 bis 1985, 1986, S. 9 ff.; Ulmer, Sacheinlageverbote im MoMiG – umgehungsfest?, GmbHR 2010, 1298; Wachter, Der Entwurf des „MoMiG“ und die Auswirkungen auf inländische Zweigniederlassungen von Auslandsgeschäften, GmbHR 2006, 793; H. P. Westermann, Auf dem Weg zum Wettbewerb der Gesellschaftsrechtsordnungen: Die Kapitalbindung im Recht der GmbH, ZIP 2005, 1849; H. P. Westermann, Die GmbH in der nationalen und internationalen Konkurrenz der Rechtsformen, GmbHR 2005, 4; H. P. Westermann, Gläubigerschutz bei der Neuordnung der GmbH, 1971; H. P. Westermann, Die GmbH & Co. KG im Lichte der Wirtschaftsverfassung, 1973; H. P. Westermann, Die GmbH – ein Allzweckinstrument? in: Pro GmbH 1980, 23; H. P. Westermann, Vertragsfreiheit und Typengesetzlichkeit im Recht der Personengesellschaften, 1970; H. P. Westermann, Wohin steuert die GmbH? – Benutzerkreis und Verwendungszwecke der Rechtsform im künftigen deutschen Gesellschaftsrecht, in: FS Priester, 2007, S. 835; H. P. Westermann, Zur Theorie der Grundtypenvermischung – am Beispiel der GmbH & Co. KG, in: FS Karsten Schmidt, 2009, S. 1709; Wiedemann, Aufstieg und Krise des GmbH-Konzernrechts, GmbHR 2011, 1009; Wiedemann, Verbandssouveränität und Außeneinfluss, in: FS Schilling, 1973, S. 105; Wiedemann, Unternehmensrecht und GmbH-Reform, JZ 1970, 593; Wiedemann, Haftungsbeschränkung

2

H. P. Westermann

Einleitung

Bedeutung der GmbH

und Kapitaleinsatz in der GmbH, in: Wiedemann/Bär/Dabin, Die Haftung der Gesellschafter in der GmbH, 1978; Wiedemann, Zu den Treupflichten im Gesellschaftsrecht, in: FS Heinsius, 1991, S. 949 ff.; Wiethölter, Die GmbH in einem modernen Gesellschaftrecht und der Referentenentwurf eines GmbH-Gesetzes, in: Probleme der GmbH-Reform, 1969, 11; Wilhelmi, Der Grundsatz der Kapitalerhaltung im System des GmbH-Rechts, 2001; Winkler, Die Lückenausfüllung des GmbH-Rechts durch das Recht der Personengesellschaften, 1967; Winter, Mitgliedschaftliche Treuebindungen im GmbH-Recht, 1988; Zöllner, Gläubigerschutz durch Gesellschafterhaftung bei der GmbH, in: FS Konzen, 2006, S. 999; Zöllner, 100 Jahre GmbH, JZ 1992, 381; Zöllner, Schranken mitgliedschaftlicher Stimmrechtsmacht bei den privatrechtlichen Personenverbänden, 1963. Das neue GmbH-Recht in der Diskussion, 1981 (Centrale-Arbeitstagung vom 8.9.1980, mit Beiträgen von Deutler, Raiser, Ulmer, Karsten Schmidt, Hesselmann, Tillmann); Festschrift 100 Jahre GmbH-Gesetz, 1992, mit Beiträgen von Schubert, Lutter, Zöllner, Hueck, Priester, Immenga, Reichert u. Winter, Roth u. Thöni, Joost, Crezelius, Stimpel, Ulmer, Fleck, Hommelhoff u. Kleindiek, H. P. Westermann, Uwe H. Schneider, Schulze-Osterloh, Hüffer, Behrens, Karsten Schmidt, Raiser, Martens, Reuter, Assmann, Knobbe-Keuk; Roth (Hrsg.), Das System der Kapitalgesellschaft im Umbruch – ein internationaler Vergleich, 1990, mit Beiträgen von Hommelhoff, Mosthaf, Stedile-Foradori, Druey, Vidal, Borgioli, Karjala, Birds, Cheffins.

I. Die dogmatische und praktische Bedeutung der GmbH 1. Die Funktion des „Leitbildes“ der GmbH Gesellschaftsrechtliche Organisationsgesetze werden zumeist auf einen be- 1 stimmten dem Gesetzgeber vorschwebenden Lebenstyp eines wirtschaftlichen Personenverbandes zugeschnitten. Bei der Regelung der Gründung, der Gesellschafterzahl, der Finanzierung, der Haftung für Gesellschaftsverbindlichkeiten, der Mitverwaltungsrechte, der Fungibilität der Anteile, bisweilen (sogar) des Generationenwechsels im Gesellschafterkreis sowie der Verwendung einer Rechtsform im Rahmen von Unternehmensgruppen, spielt die Anschauung eine Rolle, die man von der Größe des Gesellschafterkreises und der eingesetzten Geldmittel sowie von den Zwecken hat, zu denen eine bestimmte Rechtsform benutzt werden soll. Diese Vorstellungen lassen sich als Strukturtypus bezeichnen und sind von den häufig als „Begriff“ zusammengefassten zwingenden Elementen der Rechtsform zu unterscheiden1, wobei klar ist, dass es einen gesetzlichen Begriff der GmbH nicht gibt2. Rechtsdogmatisch bedeutet die Bezeichnung eines Strukturtyps, dass einzelne Elemente eines Rechtsverhältnisses zu einem Sinnganzen zusammengefasst werden, von dem aus sich die einzelnen Normen des gesetzlichen Status „typgerecht“ interpretieren und Lücken ausfüllen lassen3. 1 Zur Bedeutung des „Strukturtyps“ eines Personenverbandes s. Koller, Grundfragen einer Typuslehre im Gesellschaftsrecht, 1967, S. 44 ff.; Leenen, Typus und Rechtsfindung, 1971, S. 46 ff., 177 ff.; H. P. Westermann, Vertragsfreiheit, S. 98 ff., 110 ff.; allgemeiner H. P. Westermann, Strukturprobleme, S. 176, 182; Karsten Schmidt, GesR, § 3 II 1; zum Unterschied von „Begriff“ und „Wesen“ der GmbH ganz ähnlich bereits Feine, S. 35 ff.; Michalski, in: Michalski, Syst. Darst. 1 Rdnr. 2; zur Bezeichnung der rechtlichen Ordnung durch die „Realstruktur des Verbandes mit Blick auf die „Zweipersonen-GmbH“ die Schrift dieses Titels von Reher, 2003. 2 Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Einl. Rdnr. I; zu früheren gesetzlichen Definitionsversuchen Ulmer, in: Ulmer, Einl. A Rdnr. 2. 3 H. P. Westermann, Vertragsfreiheit, S. 11.

H. P. Westermann

3

Einleitung

Bedeutung der GmbH

Umgekehrt kann ein Wandel der tatsächlichen Verwendungsform der in einer Rechtsform auftretenden Personenverbände zu Schwierigkeiten in der Anwendung des gesetzlichen Statuts führen. 2 Das Leitbild der GmbH ist nach früher oft vertretener und im Grundsatz auch zutreffender Ansicht die „kleine Kapitalgesellschaft“, die eine Abart der Aktiengesellschaft darstellt1. Die Entwicklung der AG, besonders des kapitalmarktorientierten Typs, und andererseits die Einführung der „kleinen AG“2 lassen aber die Unterschiede zu der zumeist dem personalistischen Strukturtypus zuzuordnenden GmbH deutlicher hervortreten3. Andererseits folgt hieraus nicht eine Dominanz personengesellschaftsrechtlichen Denkens; zu groß ist die Auswirkung der kapitalgesellschaftsrechtlichen Notwendigkeit, das Mitgliedschaftsverhältnis, vor allem seinen Bestand und die aus ihm fließenden Mitverwaltungsrechte, an den Geschäftsanteil, d.h. die Beteiligung an einem festen Stammkapital, und nicht an die Gliedstellung des Gesellschafters in einem Personenverband anzuknüpfen. Schon bei der Schaffung des GmbHG wurde an die Verwendung hauptsächlich in der mittelständischen Wirtschaft gedacht, der die Möglichkeit einer Personengesellschaft mit beschränkter Haftung gegeben werden sollte (näher dazu und zum „Durchgriff“ unten Rdnr. 3, 10), wobei ein entsprechendes Bedürfnis der Wirtschaft angenommen wurde4. Derartige Wünsche sind bei der konkreten Gestaltung der einzelnen GmbH auf Grund der weitgehenden Vertragsfreiheit bei der Regelung des Innenverhältnisses auch realisierbar, was freilich für die Fragen der Finanzierung nicht zutrifft, die die wesentliche Ursache für die bezüglich der umfassenden praktischen Handhabbarkeit der GmbH aufgekommenen Bedenken darstellen5. 3 Hier liegen auch die Wurzeln für die häufig sehr kritische rechtspolitische Einschätzung der GmbH und – damit zusammenhängend – ihre Entwicklung im Zuge rechtsfortbildender Richtersprüche, die den Gläubiger- und Minderheitenschutz verstärken wollen. Immer wieder – etwa im Hinblick auf das Hin- und Herzahlen von Geldeinlagen oder die verdeckten Sacheinlagen – wird offen beklagt, dass die Praxis namentlich bei der Gründung der GmbH die gläubigerschützenden Vorkehrungen des Gesetzes zu umgehen suche6. Andererseits ist das Bedürfnis marktwirtschaftlich geprägter Rechtsordnungen nach einer als juristische Person voll ausgebildeten Vertragsgesellschaft mit grundsätzlicher Haf1 Zahlreiche Nachw. aus der Entstehungsgeschichte des Gesetzes zu dem angestrebten Ziel, eine kollektivistische Gesellschaftsform ohne die Fesseln des Aktienrechts zu schaffen, bei Schubert, in: FS 100 Jahre GmbHG, 1992, S. 4 ff. 2 Das Gesetz über die „kleine AG“ vom 2.8.1994 (BGBl. I 1994, 1969) ist dargestellt bei Lutter, in: FS Vieregge, 1995, S. 603 ff.; Hommelhoff, AG 1995, 529 ff.; s. auch Seibert/ Kiem, Handbuch der Kleinen AG, 4. Aufl. 2000. Näher zum Verhältnis zur GmbH H. P. Westermann, GmbHR 2005, 4, 8 f.; Planck, GmbHR 1994, 501 ff. 3 Ulmer, in: Ulmer, Einl. A Rdnr. 8; Raiser/Veil, Recht der Kapitalgesellschaften, § 1 Rdnr. 3; Michalski, in: Michalski, Syst. Darst. 1 Rdnr. 2. 4 Hallstein, RabelsZ 13 (1938/39), 335 f.; Hadding, in: FS zum 100jährigen Geburtstag des Reichsjustizamtes, 1977, S. 263 ff.; Schubert, S. 7 ff., 22 ff. Zur Originalität der Neuschöpfung Zöllner, JZ 1992, 381. 5 Dazu H. P. Westermann, GmbHR 2005, 4, 5 f. 6 Zur Umgehungsfestigkeit neuer „liberaler“ Regelungen etwa Ulmer, GmbHR 2011, 1289.

4

H. P. Westermann

Bedeutung der GmbH

Einleitung

tungsfreistellung der Gesellschafter, die trotzdem die Geschäftsführung weitgehend in der Hand behalten können, bei rechtsvergleichender Umschau1 allgemein, ohne dass die Formen kapitalgesellschaftsrechtlichen Gläubigerschutzes für alle Typen von Kapitalgesellschaften identisch sein müssen, was namentlich die Kontrollen bei Gründung und Finanzierung der juristischen Person betrifft. Dass die GmbH nicht börsengängig ist und zumindest in der Tendenz auch kein breites Anlegerpublikum ansprechen soll2, passt zum Leitbild, aber auch zu dem in ihm angelegten Spannungsverhältnis von beschränkter Haftung und Entscheidungsfreiheit der Gesellschafter, jedenfalls bei der nicht konzernverbundenen GmbH, wobei man sich darüber klar sein muss, dass für den sehr verbreiteten Typus der reinen Komplementär-GmbH, auch in einer Publikums-Personengesellschaft, sowie für eine GmbH in einem Unternehmensverband einschließlich eines Gemeinschaftsunternehmens3, andere funktionelle Betrachtungen angebracht sind. a) Die körperschaftliche Struktur Die Vorstellung von einer körperschaftlichen Struktur der GmbH ist praktisch 4 schon allein dadurch wichtig, dass sie eine ausschließlich objektive, also nicht auf die Vorstellungen der Gesellschaftsgründer oder die Verfasser der Satzung blickende Auslegung von Satzungsvorschriften rechtfertigen soll4. „Körperschaftlich“ ist nämlich die Ablösung der rechtlichen Regelung des inneren Verbandslebens von der Person der Mitglieder und der Zusammensetzung des Gesellschafterkreises5. Ereignisse in der Person oder im Vermögen der Mitglieder haben somit keinen Einfluss auf den Bestand der Gesellschaft. Was die Verwaltung anbelangt, so handeln nicht wie bei der Personengesellschaft die Gesellschafter kraft einer vertraglichen Befugnis für sich und ihre Partner, sondern institutionalisierte Organe der Gesellschaft werden kraft abstrakter Kompetenzzuweisung durch Gesetz oder Satzung tätig. Die Folgerung freilich, dass angesichts eines möglichen Mitgliederwechsels die Satzung von vornherein eher den Charakter einer die jeweiligen Anteilseigner bindenden Norm als den eines Vertrages unter den Gründern habe, weshalb ihr bei Willens- oder Einigungsmängeln erhöhter Bestandsschutz zukomme6, greift gerade in Gesellschaften mit einem klaren personalistischen Zuschnitt oft etwas zu kurz, sie sollte eine Heranziehung von nicht in der Satzung niedergelegten Umständen zu ihrer Auslegung nicht ganz ausschließen. Die Organwalter, die hier nicht Gesellschafter zu sein brauchen (Fremd- oder Drittorganschaft, s. Rdnr. 13), werden von der Gesamtheit der Mitglieder bestellt oder abberufen und müssen sich bei ihrer Tätigkeit an Gesetz, Satzung und Gesellschafterbeschlüsse halten, wobei ihnen im Hinblick auf Fragen der Kapitalerhaltung und des Verhaltens in Insolvenzsituationen Aufgaben zwingend zugewiesen sind. Die laufende Unternehmensleitung 1 Zur Rechtsvergleichung den alle GmbH-Gesetze der Welt umfassenden Sammelband von Süß/Wachter, Handbuch des internationalen GmbH-Rechts, 2. Aufl. 2011. 2 So Lutter, GmbHR 1990, 378. 3 Dazu in diesem Zusammenhang Ulmer, in: Ulmer, Einl. A Rdnr. 11, 13. 4 So kürzlich wieder BGH, GmbHR 2012, 92 zum Verständnis von Satzungsregeln über die Abfindung eines ausgeschiedenen Gesellschafters. 5 Wiedemann, GesR I, § 2 I 1. 6 Ulmer, in: Ulmer, Einl. A Rdnr. 25.

H. P. Westermann

5

Einleitung

Bedeutung der GmbH

und der Unternehmensbesitz sind also getrennt1. Anders als in der PublikumsKapitalgesellschaft haben die Gesellschafter, da das Gesetz keine grundlegenden Kompetenzzuweisungen enthält, die oberste Organisationsgewalt und eine Zuständigkeit für Sachentscheidungen, die mindestens die Grundsätze der Unternehmenspolitik und außergewöhnliche Geschäftsführungsmaßnahmen, nach verbreiteter, allerdings streitiger Ansicht auch die laufenden Geschäfte umfasst (näher 10. Aufl., § 37 Rdnr. 30 ff.)2. Mit der Vorstellung von der körperschaftlichen Struktur hängt ferner die Annahme zusammen, dass bei der GmbH wie bei der AG ein Rechtsverhältnis unter den Mitgliedern vom Gesetz nicht voll entwickelt ist, wohl aber dasjenige zwischen dem Mitglied und dem Verband, ferner, dass Konflikte über die Willensbildung im Verband und die sonstigen Mitgliederinteressen zwischen Mitglied und Verband ausgetragen werden3; dieser Grundsatz ist allerdings inzwischen nicht mehr voll durchgehalten worden. Die vom Gesetz vorgesehene Veräußerlichkeit der Geschäftsanteile dient der Stabilisierung des Verbandes für den Fall, dass die Mitglieder den wirtschaftlichen Wert des im Unternehmen investierten Vermögens realisieren wollen; in der personalistischen Gesellschaft begegnen allerdings sehr häufig abweichende Satzungsvorschriften. Kapitalgesellschaftsrechtlich gedacht ist ferner die Sicherung des Einlageanspruchs der Gesellschaft gegen den Gesellschafter (§§ 19–25), ähnlich die Vorkehrungen zum Kapitalschutz (§§ 30 ff., s. hierzu näher Rdnr. 16). 5 Die körperschaftliche (kapitalistische) Struktur kann in der Satzung deutlich verstärkt werden, z.B. durch Anlehnung an das Aktienrecht. So kann auch außerhalb der Anordnungen des MitbestG ein Kontrollorgan eingerichtet werden, dessen Befugnisse soweit gehen können, dass die grundsätzlich unbegrenzten Weisungsrechte der Gesellschafterversammlung gegenüber der Geschäftsführung eingeschränkt sind. Bei der Einrichtung eines fakultativen Aufsichtsrats besteht Satzungsautonomie. Soweit die Satzung schweigt, sind nach § 52 bestimmte Vorschriften des AktG anzuwenden4. Die Praxis richtet besonders bei größerer Gesellschafterzahl gelegentlich Organe wie einen Gesellschafterausschuss oder einen auch aus Nicht-Gesellschaftern zusammengesetzten Beirat mit überwiegend beratenden und streitschlichtenden Funktionen ein, ohne der Gesellschafterversammlung die Verantwortung für die Unternehmensführung ganz abzunehmen. Gewissermaßen gegenläufig kann eine Gesellschaft stärker als das gesetzliche Organisationsstatut es vorsieht, von der Person und der Tätigkeit der Mitglieder abhängig gemacht werden. Hierzu gehören etwa Sonderrechte eines Gesellschafters auf Zugehörigkeit zu Gesellschaftsorganen, Sicherungen eines Gesellschafter-Geschäftsführers gegen Abberufung aus seinem Amt, Regelungen über Einziehung von Geschäftsanteilen oder über Auflösung 1 Feine, S. 38, 41 ff.; Wiedemann, JZ 1970, 593 f.; differenzierend Michalski, in: Michalski, Syst. Darst. 1 Rdnr. 31. 2 Einen Kernbereich unentziehbarer Entscheidungsmacht des Geschäftsführers betonen aber Hommelhoff, ZGR 1978, 119, 127 f.; Immenga, Die personalistische Kapitalgesellschaft, 1970, S. 93; Winkler, Lückenausfüllung, S. 31; Gieseke, GmbHR 1996, 486 ff. 3 Dazu Karsten Schmidt, GesR, § 22 II 2. 4 Zu den Schwierigkeiten der Rechtsanwendung bezüglich der Kompetenzen des Kontrollorgans in AG und GmbH Thiessen, ZGR 2011, 275 ff.; zu den Möglichkeiten der Anpassung der GmbH-Organisation an das im US-amerikanischen Aktienrecht geltende board-System Loges, ZIP 1997, 437.

6

H. P. Westermann

Bedeutung der GmbH

Einleitung

der Gesellschaft bei nachhaltiger Störung des Vertrauensverhältnisses unter den Gesellschaftern. Häufig finden sich solche Regelungen auch in schuldrechtlichen Gesellschaftervereinbarungen. Insgesamt bildet die körperschaftliche Struktur der GmbH keine einschneidende Grenze der Gestaltungsfreiheit. b) Die juristische Persönlichkeit Die GmbH ist juristische Person, s. § 13 Rdnr. 3, 10, was grundsätzlich die Ge- 6 sellschafter von der Haftung für Gesellschaftsschulden ausschließt und Organe mit voller Vertretungsmacht im Außenverhältnis erforderlich macht1. Im Entwurf Oechelhäusers (Rdnr. 43) war an eine gesamthänderische Bindung des Vermögens, eine gesamtschuldnerische, bis zur Höhe des eingetragenen Grundkapitals reichende Haftbarkeit der Gesellschafter, aber eben nicht an eine eigene Rechtspersönlichkeit des Verbandes gedacht. Die juristische Persönlichkeit eines Verbandes ist Organisationselement zur Bewältigung der rechtstechnischen Probleme, die durch das Auftreten des Verbandes, inzwischen anerkanntermaßen auch einer Einzelperson (näher Rdnr. 9), im Rechtsverkehr im Hinblick auf die Zurechnung von Vermögensgegenständen, Willenserklärungen und sonstigen Haftungsfolgen entstehen2. Die Rechtsfähigkeit einer juristischen Person ist nicht auf vermögensmäßige Geschäfte begrenzt, sondern erstreckt sich auf alle Rechte, die nicht die menschliche Natur ihres Trägers voraussetzen3. Nachdem die Entwicklung der Gesellschaft bürgerlichen Rechts deutliche Differenzierungen zwischen Rechtsfähigkeit und eigener juristischer Persönlichkeit hat zutage treten lassen4, besagt es nicht mehr viel5, wenn es heißt, dass die juristische Person ein von der positiven Rechtsordnung eingerichtetes rechtstechnisches Zweckgebilde ist, das bestimmte Ordnungszusammenhänge gedanklich zusammenfasst und in einer abstrakten Kurzformel sprachlich ausdrückt. Wichtiger ist, dass die eigene juristische Persönlichkeit eines Verbandes vom Vorliegen bestimmter zwingender Voraussetzungen abhängt. Damit hängt das Maß der in der juristischen Person erreichbaren technischen Verselbständigung eines Vermögens und eines Wirkungskreises von der positiven Entscheidung des Gesetzgebers zu den einzelnen Rechtsformen ab. Diese stellen aber, wie gerade die GmbH am besten zeigt, nicht auf einen bestimmten soziologischen Typus des Verbandes ab und beeinflussen auch nicht entscheidend die Art der Rechtsbeziehungen unter den Mitgliedern der juristischen Person6. So kann etwa die Verleihung der Rechtsfähigkeit an die Sicherung der Aufbringung eines bestimmten 1 Ulmer, in: Ulmer, Einl. A Rdnr. 17. 2 Zum Folgenden hier nur Wieacker, in: FS E. R. Huber, 1973, S. 339, 358 ff.; John, Die organisierte Rechtsperson, 1977, S. 72 ff., 115 ff.; Flume, Allg. Teil I 2, § 1 V; Reuter, in: MünchKomm. BGB, 6. Aufl. 2012, vor § 21 BGB Rdnr. 1. 3 BVerfGE 95, 220, 243; Reuter, in: MünchKomm. BGB, 6. Aufl. 2012, Vor § 21 BGB Rdnr. 15. 4 Zu den Folgen der Urteile BGHZ 146, 341; BGHZ 142, 315, 319 s. etwa Beuthien, JZ 2002, 715 f.; Beuthien, NJW 2005, 855 ff.; H. P. Westermann, in: FS Konzen, 2006, S. 957 ff.; Buchner, in: FS Georgiadis, 2006, S. 609 ff.; Beuthien, NZG 2011, 481; Altmeppen, JZ 2011, 124; NJW 2011, 1905 ff. 5 Grundlegend H. J. Wolff, Organschaft und juristische Person, Bd. I, 1943. 6 Aus dem früheren Schrifttum zur GmbH bereits A. Hueck, ZHR 83 (1920), 32 ff.; Feine, S. 51; s. weiter Fabricius, Relativität der Rechtsfähigkeit, S. 61 ff.; H. P. Westermann, Vertragsfreiheit, S. 7 f.

H. P. Westermann

7

Einleitung

Bedeutung der GmbH

Mindestkapitals und an seinen Schutz gegen Vermischung mit dem Vermögen der Mitglieder geknüpft sein, wobei die Trennung des allein das Haftungssubstrat bildenden Gesellschaftsvermögens von dem jeweiligen der Verbandsmitglieder durch Publizität offengelegt werden muss – dies ist eine Aufgabe der Rechtsordnung, die, wie der Fall der kommanditistischen Haftung in der nicht rechtsfähigen Personengesellschaft zeigt, weniger durch die juristische Persönlichkeit als durch die Haftungsbeschränkung verursacht ist. Zur juristischen Persönlichkeit eines Verbandes gehört dann nur noch die tendenziell stärkere Verselbständigung der Gesellschaft gegenüber ihren Mitgliedern, obwohl die Grenzen auch insoweit fließend geworden sind1. Die eigene Rechtsfähigkeit der GmbH dauert an, bis sie im Handelsregister gelöscht ist, was zu der ebenfalls konstitutiven Eintragung der Gesellschaft ins Handelsregister passt. aa) Die Mitgliedschaft als Rechtsverhältnis unter den Gesellschaftern und als subjektives Recht 7 Die vermögensrechtlichen und auf Mitwirkung an der gesellschaftlichen Willensbildung gerichteten Rechte jedes Gesellschafters sind gedanklich zusammengefasst in der Mitgliedschaft2, die durch den Erwerb eines Geschäftsanteils begründet und durch seine Veräußerung oder Einziehung (§ 34) verloren wird. Aus der Mitgliedschaft folgen auch Pflichten, etwa auf Leistung der Einlage, des Gesellschafters gegenüber der Gesellschaft. Trotz der dem Verband verliehenen eigenen Rechtspersönlichkeit besteht auch ein internes Rechtsverhältnis unter den Gesellschaftern, aus dem auch konkrete Pflichten im Hinblick auf die Erreichung des Verbandszweckes und Sanktionen bei Pflichtverletzung folgen können3. Das ist heute für die GmbH wie auch die stärker körperschaftlich strukturierte AG anerkannt. Internes Gesellschaftsverhältnis und externe Rechtsfähigkeit schließen sich nicht aus, die Verbandsorganisation hat allenfalls Einfluss auf die Intensität, nicht auf das Bestehen eines Rechtsverhältnisses und einer Treupflicht unter den Mitgliedern sowie zwischen Mitglied und Gesellschaft4. Freilich kann die Gesamtheit der Teilhaberechte an der Verbandsorganisation zwar durch einen Individualvertrag (im Rahmen von Gründung und Beitritt) begründet5, aus ihm allein aber nicht mehr vollständig erklärt werden, da die Rechte und Pflichten des Verbandsmitglieds bis zu einem gewissen Grade von seinem Willen unabhängig durch Gesetz, Satzung oder auch tatsächlichen Wandel konkretisiert und modifiziert werden können.

1 Flume, Personengesellschaft, § 7 I (S. 89 f.); zum Verhältnis zur Rechtsfähigkeit grundlegend Mülbert, AcP 199 (1999), 38, 48 f. 2 Grundlegend zur Mitgliedschaft als subjektives Recht Lutter, AcP 180 (1980), 86 ff.; Habersack, Die Mitgliedschaft – subjektives und „sonstiges“ Recht, 1996, S. 62 ff.; zur Gegenansicht Hadding, in: FS Steindorff, 1990, S. 31 ff.; krit. besonders zum Deliktsschutz der Mitgliedschaft Hadding, in: FS Kellermann, 1991, S. 91 ff.; Diskussion bei Beuthien, AG 2002, 68; Karsten Schmidt, GesR, § 19 I 3. 3 Ulmer, in: Ulmer, Einl. A Rdnr. 35; Michalski, in: Michalski, Syst. Darst. 1 Rdnr. 36–38; zur Mitgliedschaft als Grundelement des korporativen Denkens Karsten Schmidt, ZGR 2011, 108, 113 f. 4 Vgl. Wiedemann, GesR I, § 2 I 1; Ulmer, in: Ulmer, Einl. A Rdnr. 36; Karsten Schmidt, GesR, § 35 I. 5 Etwas weiter gehend Habersack, Die Mitgliedschaft, 1996, S. 78.

8

H. P. Westermann

Bedeutung der GmbH

Einleitung

bb) Die Treupflicht Wegen der verhältnismäßig engen Interessenverknüpfung zwischen der Gesell- 8 schaft und ihren Gesellschaftern, aber auch der Gesellschafter untereinander, ist dem Grunde – nicht der Ausdehnung im Einzelfall – nach die Anerkennung einer Treupflicht des Gesellschafters in beiden Richtungen unproblematisch. Man kann sogar sagen, dass die mitgliedschaftliche Treupflicht zu den wichtigsten Quellen der Beschränkung willkürlicher Ausübung von Mitgliedschaftsrechten, aber auch des Entstehens konkreter Einzelpflichten, und zu den flexibelsten Instrumenten der Reaktion der Rechtsprechung auf drohende oder bereits geschehene Interessenverletzungen der Gesellschafter und der Gesellschaft im GmbHRecht gehört1. Gegenüber der allgemeinen privatrechtlichen Bindung an die Anforderungen von Treu und Glauben (§ 242 BGB) weist die gesellschaftsrechtliche Treupflicht eine gesteigerte Intensität auf, namentlich durch die bisweilen anerkannte Zumutung, die Verfolgung eigener Interessen und die Durchsetzung individueller Sachentscheidungen hinter das Unternehmenswohl, aber auch hinter gewichtige Interessen der Mitgesellschafter zurückzustellen. Das kann zur Ausbildung von Verhaltenspflichten und Loyalitätsanforderungen an Gesellschafter führen, ferner zu Begrenzungen der Mehrheitsmacht und zur Entwicklung von Mitwirkungspflichten (auch der Minderheit) im Zusammenhang mit der Anpassung der Satzung und anderer Ordnungen an veränderte tatsächliche und rechtliche Umstände2, die dann einer fallweisen Konkretisierung bedarf. Das gilt auch für Formulierungen wie die fortwährende Verpflichtung auf den gemeinsamen Vertragszweck und die Unterlassung aller Handlungen, die dessen Verwirklichung hindern oder gefährden können3, die man als Leistungstreuepflichten und Unterlassungspflichten zusammenfassen kann. Solche bestehen nicht nur bei unternehmensbezogenen und alltäglichen Entscheidungen, sondern auch in Bezug auf Struktur- und Vertragsänderungen. Eine große Rolle spielt die Treupflicht auch bei der Begründung eines Wettbewerbsverbots für Gesellschafter und Geschäftsführer, das ja – im Gegensatz zur Personengesellschaft – nicht kodifiziert ist, wobei sich freilich für die Rechtsgrundlage wie für die Intensität der Pflichtenbindung Unterschiede zwischen dem „organschaftlichen“ Wettbewerbsverbot für Geschäftsführer und Vorstände und der mitgliedschaftlichen Verhaltenspflicht ergeben4. Einen besonderen Tatbestand stellt schon wegen der Schwierigkeiten der Rechtsfolgenbestimmung die treupflichtwidrige

1 Grundlegend hierzu Lutter, AcP 180 (1980), 86, 102 ff.; Winter, Mitgliedschaftliche Treubindungen im GmbH-Recht, 1988, S. 43 ff.; Immenga, in: FS 100 Jahre GmbHG, 1992, S. 189 ff.; Karsten Schmidt, GesR, § 35 I 2; s. auch Weller, in: Liber amicorum Martin Winter, 2011, S. 755 ff.; zur Klagbarkeit der Treupflichten Weller, Die Vertragstreue, 2009, S. 268 ff.; Wiedemann, in: FS Heinsius, 1991, S. 949 ff., will den Gedanken der Treupflicht aufteilen und zwischen mitgliedschaftlichen, organschaftlichen und mehrheitsbezogenen Treupflichten unterscheiden. 2 S. etwa die Fälle BGHZ 70, 331, 335; BGHZ 38, 306, 312; zu den Grundlagen Winter, Mitgliedschaftliche Treubindungen im GmbH-Recht, 1988, S. 175 ff.; Armbrüster, ZIP 1997, 261, 266. Treue- und – fast eine sprachliche Neuschöpfung – Aufopferungspflichten können sich vor allem im Hinblick auf Sanierungsmaßnahmen ergeben, dazu näher Bitter, ZGR 2000, 147 ff. 3 BGH, NJW 1961, 724; BGHZ 64, 253. 4 Näher Weller, ZHR 175 (2011), 110, 127 f.

H. P. Westermann

9

Einleitung

Bedeutung der GmbH

Stimmrechtsausübung dar1. Im Einzelnen ist dies immer auch im Zusammenhang mit den gesellschaftsrechtlichen Instrumenten des Minderheitenschutzes zu sehen (Rdnr. 14, 15). Wegen der grundsätzlichen Treupflichtbindung von Mehrheit wie Minderheit kann auch ein generell von der gesetzgeberischen Entscheidung gedeckter Beschluss im Einzelfall, etwa wegen des Erstrebens gesellschaftsfremder Sondervorteile2, angreifbar sein. Eine Treupflichtverletzung kann auch Ansprüche begründen oder den Anlass für eine Gestaltungsklage bilden; an Grenzen stößt diese Überlegung bei einer aus der Treupflicht abgeleiteten Bindung der Gesellschafter an eine befristete Unternehmensbeteiligung eines Geschäftsführers3. Die Treupflicht hat schließlich eine erhebliche Rolle gespielt, als es darum ging, Verhaltensanforderungen an eine konzernverbundene Gesellschaftermehrheit und Klagerechte für die dadurch geschädigte oder bedrohte Minderheit zu entwickeln; hierfür steht besonders das ITT-Urteil des BGH4, das als Ausgangspunkt eines nicht kodifizierten Konzernrechts der GmbH gesehen werden kann, das allerdings als fortbildungsbedürftig empfunden wird5. Dieses Lösungsmodell stößt an gewisse Grenzen, wenn man sich nicht entschließen kann, eine Treupflicht auch des einzigen Gesellschafters gegenüber der Gesellschaft anzunehmen, der dann ein gewisses Eigenleben zugestanden ist6, im Einzelnen s. Anh. Konzernrecht (nach § 13) Rdnr. 117 ff. Der Realisierung von gesellschaftsrechtlichen Treupflichten im Prozess können sich Bedenken gegen die uneingeschränkte Klagbarkeit einzelner derartiger Pflichten entgegenstellen7. cc) Die Einmann-Gesellschaft 9 Eine formal-rechtstechnische Betrachtung der juristischen Persönlichkeit erlaubt die Anerkennung einer Einmann-Gesellschaft, obgleich eine organisierte Verbandsperson hier fehlt. Die Einmann-Gesellschaft, die praktisch sehr verbreitet ist8, bedeutet eine Inkorporation der Haftungsbeschränkung und einen Ver1 Dazu Henze und Windbichler, in: Henze/Timm/H. P. Westermann, Tagungsband Gesellschaftsrecht 1995, 1996, S. 1 ff., 23 ff. 2 Dazu näher Flume, ZIP 1996, 161 f. Hierbei ist auch der Fall der Befreiung eines Gesellschafters von einem statutarischen Wettbewerbsverbot durch Mehrheitsbeschluss einzuordnen, BGHZ 80, 69, 73 f.; dazu eingehend Pietzcker, Wettbewerbsverhalten in Unternehmensgruppen, 1996, S. 38 ff., 179 ff. im Zusammenhang mit der Heumann/ Ogilvy-Entscheidung BGHZ 81, 311. Zur Treupflichtbindung von Minderheitsgesellschaftern, die in der Literatur oft vernachlässigt werden, s. Bungert, DB 1995, 1749 ff.; Göbel, Mehrheitsentscheidungen in Personengesellschaften, 1992, S. 201 ff. 3 Angenommen von OLG Frankfurt, ZIP 2004, 1801 mit krit. Besprechung Schockenhoff, ZIP 2005, 1009 ff.; zu diesem Fragenkreis weiter BGH, ZIP 2005, 1917, 1920; Benecke, ZIP 2005, 1437 ff. 4 BGHZ 65, 18 ff.; s. dazu Schilling, BB 1975, 1491; Ulmer, NJW 1976, 192 f.; Wiedemann, JZ 1976, 384; E. Rehbinder, ZGR 1976, 386, 391; H. P. Westermann, GmbHR 1976, 77. Zu den Treupflichten als Grenzen einer Verbundintegration und Verbundleitung in der Unternehmensgruppe Tröger, Treupflicht im Konzernrecht, 1999, S. 65 ff. 5 Neuerdings von Wiedemann, GmbHR 2011, 1009 ff. 6 Ablehnend Lutter, ZIP 1985, 1425, 1428; Semler, in: FS Goerdeler, 1987, S. 551, 558 f.; Röhricht, WPg 1992, 766, 784; Zöllner, in: Baumbach/Hueck, Anh. Konzernrecht Rdnr. 35; a.M. Wilhelm, Rechtsform und Haftung, S. 330 ff.; Ulmer, ZHR 148 (1984), 391, 418; zum Problem auch Priester, ZGR 1993, 512 ff.; Winter, ZGR 1994, 570. 7 Näher dazu Weller, in: Liber amicorum Martin Winter, 2011, S. 755 ff. 8 Im Einzelnen Ulmer, in: Ulmer, Einl. A Rdnr. 72.

10

H. P. Westermann

Bedeutung der GmbH

Einleitung

zicht auf eine überindividuelle Zwecksetzung1. Die Unterschiede in Bezug auf die fehlende effektiv gehandhabte Verbandsorganisation begründen heute allenfalls noch eine Relativierung der der juristischen Persönlichkeit an sich gemäßen Trennung von GmbH und Gesellschafter mit Rücksicht auf den Zweck der jeweils zur Anwendung stehenden Gesetzesnorm. Positiv-rechtlich ist das Problem auch unter dem Einfluss der 12. gesellschaftsrechtlichen Richtlinie über die Zulässigkeit der Einpersonen-GmbH, die in Deutschland nur ganz geringfügige Modifikationen nötig machte2, weitgehend bewältigt. Auch die früher gesehene Schwierigkeit, dass der Gesellschafter bei einer Einmann-Gründung vor Eintragung eine Sicherheit für ausstehende Bareinlagen stellen sollte, ist durch die Aufhebung des § 7 Abs. 2 Satz 2 im Zuge des MoMiG erledigt; zur Behandlung der Einmann-Gründung s. im Übrigen § 11 Rdnr. 164 ff. Eine besonders zugespitzte Anforderung an die rechtskonstruktive Leistungsfähigkeit der Rechtsfigur der juristischen Persönlichkeit bedeutet die Sonderform der „Keinmann-GmbH“, s. dazu § 33 Rdnr. 44. dd) „Durchgriff“ durch die juristische Person Die vermögensrechtliche Selbständigkeit der juristischen Person und die Tren- 10 nung ihrer Rechtssphäre von derjenigen ihrer Gesellschafter ist als normative Erscheinung von bestimmten Voraussetzungen abhängig und wird als Prinzip nicht aufgegeben, wenn die Vorstellung von der Selbständigkeit der juristischen Person nicht in jeder Rechtsfrage gleichermaßen strikt durchgehalten wird. Vielmehr gibt es Konstellationen, in denen Rechtsprechung und Wissenschaft Rechte und Pflichten, die sich zunächst allein auf die Gesellschaftssphäre beziehen, auch mit einem Bezug zum Privatvermögen der Gesellschafter versehen. Beispiele können etwa sein die Prüfung eines möglichen gutgläubigen Erwerbs eines Grundstücks von der nur buchberechtigten Gesellschaft durch einen Gesellschafter, der Geschäftsführer der Gesellschaft ist, oder die Frage der Vernehmung eines Gesellschafters als Zeuge im Prozess der Gesellschaft, ferner – so genannter Haftungsdurchgriff – die persönliche Haftung eines Gesellschafters für Verbindlichkeiten der GmbH, diese wiederum zu unterscheiden von der vielleicht als „Ausgleichshaftung“ zu bezeichnenden Haftung der Gesellschafter gegenüber der Gesellschaft wegen Verantwortlichkeit für die mangelnde Solvenz3. Die Konstruktionen unterscheiden sich in Voraussetzungen und Rechtsfolgen untereinander so grundlegend, dass ihre Beziehung zu dem Vorstellungsbild des „Durchgriffs“ über ihren genauen rechtlichen Inhalt nichts aussagt4. Die Recht1 Sie hatte allerdings schon vor ihrer gesetzlichen Zulassung der Praxis keine unüberwindlichen Probleme verursacht, Zöllner, JZ 1992, 382. 2 Richtlinie 89/667/EWG vom 21.12.1989, dazu Gesetz vom 18.12.1991 (BGBl. I 1991, 2206); dazu Schimmelpfennig/Hauschka, NJW 1992, 942 ff.; rechtsvergleichend Lutter, in: FS Brandner, 1996, S. 81 ff. 3 Zu dieser Unterscheidung Zöllner, in: FS Konzen, 2006, S. 999, 1004. 4 Gegen ein einheitliches Rechtsinstitut des Durchgriffs auch Wilhelm, Rechtsform und Haftung bei der juristischen Person, 1981, S. 285 ff.; Flume, Juristische Person, Bd. I 2, S. 63 ff. Zwischen „echten“ Durchgriffslehren und Zurechnungs-, Auslegungs- und Normzweckmethoden unterscheidet Karsten Schmidt, GesR, § 9 II 1, 2, der (§ 9 IV 5) Lösungen über eine auch den Gläubigern zugute kommende Binnenhaftung der Gesellschafter bevorzugt. Ähnliche Unterscheidungen schon zum Haftungsdurchgriff bei Th. Raiser, in: FS Lutter, 2000, S. 637, 639 f.

H. P. Westermann

11

Einleitung

Bedeutung der GmbH

sprechung hat es von jeher abgelehnt, sich auf ein bestimmtes theoretisches Konzept festzulegen, auch nicht für den gerade im GmbH-Recht wichtigen Haftungsdurchgriff auf Gesellschafter, was sich vor allem auch im Konzernrecht auswirkt1. „Durchgriff“ als Anspruchsgrundlage gibt es somit nicht, sondern nur Voraussetzungen, unter denen die Trennung der Vermögenssphären von juristischer Person und Gesellschaftern eine Falllösung nicht mehr entscheidend zu bestimmen vermag. 11

An die Stelle eines ausformulierten Anspruchs treten verschiedene Aspekte, so die Betrachtung bestimmter Gestaltungsziele auf objektive Normwidrigkeit der Trennung von juristischer Person und Gesellschafter oder auf subjektiven Missbrauch von Gestaltungsformen, die sich allerdings nicht ausschließen2. Rein praktisch hat sich die Ansicht weitgehend durchgesetzt, dass die Kombination von weitgehender Freiheit in der Bestimmung des haftenden Kapitals und des Ausschlusses der Gesellschafter von der Schuldenhaftung trotz der bei der GmbH stark betonten Rigidität der Kapitalaufbringung und des Kapitalschutzes gegenüber Auskehrungen an Gesellschafter aus der Sicht des Gläubigerschutzes Lücken aufweist; zur Gesellschafterhaftung und zum Haftungsdurchgriff unter diesem Gesichtspunkt s. § 13 Rdnr. 55 ff., 90 ff., zur heute stärker betonten Haftung wegen eines existenzvernichtenden Eingriffs in das Gesellschaftsvermögen, durch die ein mittelbarer Gläubigerschutz aus der Binnenhaftung der Gesellschafter abgeleitet wird, s. § 13 Rdnr. 152 ff. Etwas anderes ist der sog. Zurechnungsdurchgriff, bei dem es darum geht, dass bei einem Rechtsverhältnis, bei dem eine juristische Person beteiligt ist, einzelne Eigenschaften, Kenntnisse oder auch Verhaltensweisen ihrer Gesellschafter der juristischen Person zugerechnet werden (näher § 13 Rdnr. 75 ff.). In diesem Fragenkomplex sind besonders die Maßstäbe und Rechtsfolgen eines existenzvernichtenden Eingriffs und der Vermischung von Gesellschafts- und Gesellschaftervermögen3 in starker, auch rechtspolitisch bedingter Bewegung.

12

Die Trennung zwischen der GmbH und ihrem Gesellschafter kann sich auch zum Nachteil des letzteren auswirken, wenn nach einer Schädigung des Gesellschaftsvermögens die Interessen des Gesellschafters durch den Schadensersatzanspruch der GmbH nicht befriedigend ausgeglichen werden können. Da der Gesellschafter den Einsatz einer selbstständigen Rechtsperson zum Betrieb seiner 1 RGZ 99, 232, 234; RGZ 104, 128; BGHZ 20, 4, 14; BGHZ 54, 222, 224; BGHZ 61, 383; BGHZ 68, 314; BGHZ 78, 318, 333; BGH, ZIP 1985, 29 f.; BGH, NJW 1988, 255, 257; Stimpel, in: FS Goerdeler, 1997, S. 604 ff.; zu den Methodenfragen beim Haftungsdurchgriff Ehricke, AcP 199 (1999), 257 ff.; Boujong, in: FS Odersky, 1996, S. 739 ff.; Zöllner, in: FS Konzen, 2006, S. 999, 1006 ff. Zur neuesten Entwicklung der Existenzvernichtungshaftung im Konzern Tröger/Dangelmayer, ZGR 2011, 558 ff. 2 Dazu früher Kuhn, Strohmann-Gründung bei Kapitalgesellschaften, 1964; Immenga, Die personalistische Kapitalgesellschaft, S. 405 ff.; Erlinghagen, GmbHR 1962, 561. Diese sprachen sich für eine objektiv-institutionelle Sichtweise aus, während bei Serick, Rechtsform und Realität, S. 2 ff.; Stauder, GmbHR 1968, 70, eher ein subjektiver Ansatz verfolgt wurde; zu einer die strikte Trennung von juristischer Person und Gesellschaften relativierenden Betrachtung näher Wiedemann, GesR I, § 4 III. 3 BGH, NJW-RR 1986, 456; dazu Lutter, ZGR 1982, 251 f.; Karsten Schmidt, GesR, § 9 IV 2; s. auch die Fallstudie bei H. P. Westermann, AG 1985, 201. Im Einzelnen § 13 Rdnr. 131 ff.

12

H. P. Westermann

Bedeutung der GmbH

Einleitung

Geschäfte selbst gewollt hat, wird er i.d.R. nicht persönlich als Anspruchsteller oder Bezugsperson für die Schadensberechnung auftreten können1. Es kann aber Konstellationen eines sog. „gesellschafterfreundlichen Durchgriffs“ geben, indem dem Alleingesellschafter gestattet wird, wegen der Schädigung des Gesellschaftervermögens einen eigenen Schadensersatzanspruch zu erheben. Dies ist etwa geschehen mit speziell schadensrechtlichen Erwägungen wie der, dass ein durch Unfall arbeitsunfähig gewordener Alleingesellschafter einen Schadensersatzanspruch in Höhe des weitergezahlten Geschäftsführergehalts geltend machen und dadurch verhindern könne, dass den Schädiger das Auseinanderklaffen von natürlicher und juristischer Person entlastet2. Hier kommen freilich auch gesicherte zivilrechtliche Institute wie die Drittschadensliquidation als Lösungskonzept in Betracht (s. § 13 Rdnr. 180), die allerdings auch an Grenzen stoßen, etwa dann, wenn einem klagenden Gesellschafter das Risiko eines Scheiterns der fälschlich im eigenen Namen erhobenen Schadensersatzklage abgenommen werden soll oder wenn der Schaden im Gesellschaftsvermögen als einem in besonderer Form verwalteten Teil des Gesellschaftervermögens aufgetreten ist3. Diese Berücksichtigung von Reflexschäden stimmt allerdings kaum mit den recht vorsichtigen Erwägungen zum Haftungsdurchgriff gegen den Gesellschafter überein. Vertreten wird daneben auch, dass eine Schädigung der Gesellschaft zugleich das im Gesellschaftsanteil verkörperte Vermögen des Gesellschafters beeinträchtige, so dass ihm ein eigener Ersatzanspruch zustehe4. Auch dabei wird ein allgemein-zivilrechtliches Institut für die Bewältigung der aus rechtstechnischen Gründen für notwendig gehaltenen Verselbständigung der juristischen Person von den Personen und dem Vermögen ihrer Träger nutzbar gemacht. Insoweit zeigt sich, dass die eigene juristische Persönlichkeit eines Personenverbandes als eine Zweckschöpfung der positiven Rechtsordnung relativierenden Lösungen im Rahmen ihrer legislatorischen Zielsetzung zugänglich ist. c) Die Drittorganschaft Die Verfassung der GmbH ist durch das Erfordernis mindestens zweier Organe 13 gekennzeichnet, wobei der Geschäftsführer das stets notwendige Handlungsorgan darstellt (§ 6 Rdnr. 3), während die Gesellschafterversammlung trotz der Möglichkeit gewisser satzungsmäßiger Beschränkungen ihres Zuständigkeitsbereichs oberstes Willensbildungsorgan bleibt5. Hierin zeigt sich sogleich die Abgrenzung zwischen notwendiger Selbstorganschaft in der Gesellschafterversammlung und möglicher Fremd- oder Drittorganschaft in der Person des oder

1 Karsten Schmidt, GmbHR 1974, 179; Kowalski, Der Ersatz von Gesellschafts- und Gesellschafterschaden, 1990, S. 32 ff. 2 BGH, GmbHR 1962, 134; BGH, GmbHR 1971, 137 = JR 1971, 329 m. Anm. Schwerdtner. 3 BGHZ 61, 380 und Bauschke, BB 1974, 429; noch weiter gehend BGH, NJW 1977, 1283, wo wegen Verletzung des Gesellschafters der Gesellschaft ein Anspruch zugebilligt wurde. 4 Lieb, in: FS R. Fischer, 1979, S. 385 ff.; Analyse der Rechtsprechung hierzu bei Müller, in: FS Kellermann, 1991, S. 317 ff. 5 Hierzu Paefgen, in: Ulmer, § 35 Rdnr. 1.

H. P. Westermann

13

Einleitung

Bedeutung der GmbH

der Geschäftsführer1. Dabei zeigt die mögliche Besetzung der Geschäftsführerstellung mit einem Nicht-Gesellschafter die Verselbständigung der Verbandsorganisation von der Person und der Leistungsfähigkeit der Gesellschafter. Zwar sind auf diesem Wege die Mitglieder von der grundsätzlichen Mitarbeitspflicht entbunden, sie bleiben aber wegen ihrer Zugehörigkeit zum obersten Organ der Gesellschaft, an dessen Entscheidungen sie schon kraft ihrer Treupflicht teilzunehmen haben (Rdnr. 8), tragende Kräfte der Gesellschaft (s. auch oben Rdnr. 3), die somit wie die Personengesellschaften letztlich doch in Selbstverantwortung geleitet wird. Trotz Zulässigkeit der Drittorganschaft im Geschäftsführungsbereich hat sich im Hinblick auf die Willensbildung der Gesellschaft das allgemeine gesellschaftsrechtliche Problem der Wahrung der „Verbandssouveränität“2 gegenüber dem Einfluss von Aufsichts-, Kontroll- und Schlichtungsgremien aus „nicht-gesellschaftsangehörigen Personen“ ergeben, so dass in der Praxis der Auslegung und Ausgestaltung der Gesellschaftsverträge manchmal zweifelhaft ist, inwieweit die Gesellschafterversammlung zu Gunsten eines Aufsichtsrats oder Beirats auf Kompetenzen verzichten kann und will, und ob sie nicht mindestens im Stande sein muss, diese Rechte wieder an sich zu ziehen3. Vorbehalte aus diesem Gesichtspunkt treffen auch Stimmbindungen gegenüber Dritten, Stimmrechtsvollmachten und -beschränkungen. Unabhängig hiervon wird rechtstatsächlich ein großer Teil der mittelständischen Unternehmen, die sich der Rechtsform der GmbH bedienen, von einem oder mehreren Gesellschafter/Geschäftsführern geleitet (Rdnr. 24). Schließlich bedarf es in der GmbH kraft des Prinzips der Drittorganschaft stets eines besonderen Bestellungsakts für das Organ, der nach ganz h.M. streng von seinem Anstellungsvertrag zu trennen ist4. Von der Bestellung, die eines Beschlusses der Gesellschafterversammlung bedarf, zu unterscheiden ist eine Regelung, kraft derer ein einzelner Gesellschafter ein Sonderrecht auf Tätigkeit in der Geschäftsführung oder – wie häufig – ein Gesellschafterstamm ein Präsentationsrecht5 hat. 13a

Schon aufgrund seines Anstellungsvertrages unterliegt das Fremdorgan einer eigenständigen Treupflicht (Rdnr. 8), die sich nicht in einem Wettbewerbsverbot erschöpft, sondern so weit gehen kann, „außerdienstliches“ Verhalten des Organs bis zu einem gewissen Grade auf die Belange der Gesellschaft auszurichten,

1 Zum Organbegriff im Gesellschaftsrecht H. P. Westermann, Vertragsfreiheit, S. 159 ff.; Schürnbrand, Die Organschaft im Recht der privaten Verbände, 2007, S. 30 ff. 2 Ausdruck von Wiedemann, in: FS Schilling, 1973, S. 105 ff.; s. auch Priester, in: FS Werner, 1984, S. 105, 111 ff.; differenzierend Reuter, in: FS Steindorff, 1990, S. 229, 236 f. 3 Näher Beuthien/Gätsch, ZHR 155 (1993), 483 ff.; Fleck, ZHR 149 (1985), 387 ff.; Reuter, in: FS 100 Jahre GmbH-Gesetz, 1992, S. 631 ff.; Voormann, Der Beirat im Gesellschaftsrecht, 2. Aufl. 1990; Weber, Privatautonomie und Außeneinfluss im Gesellschaftsrecht, 2000, S. 48 ff., 302 ff. Eine bedeutende Aufwertung kann ein fakultativer Aufsichtsrat erfahren, wenn er nach den Grundsätzen des Corporate Governance Kodex zu arbeiten, insbesondere die Geschäftsführung zu überwachen hat, dazu im Einzelnen E. Vetter, GmbHR 2011, 449 ff. 4 Im Einzelnen dazu Paefgen, in: Ulmer, § 35 Rdnr. 17 ff. 5 Zur satzungsmäßigen Begründung eines Bestellungsrechts BGH, WM 1973, 1295; OLG Hamm, ZIP 1986, 1188 m. Anm. Lutter; BGH, WM 1989, 250 m. Anm. H. P. Westermann, WuB II C, § 46 GmbHG 1/89; zur Bedeutung von Familienstämmen im Gesellschaftsrecht Sigle, in: Liber amicorum Happ, 2006, S. 295 ff.

14

H. P. Westermann

Bedeutung der GmbH

Einleitung

und die ihm verbieten kann, im Geschäftsbereich der Gesellschaft eigene wirtschaftliche Interessen zu verfolgen. Auf dieser Linie liegt es auch, dass der Geschäftsführer, der letztlich im Range hinter der Gesellschafterversammlung steht, eine langjährig gehandhabte Geschäftspolitik nicht ohne die Zustimmung der Gesellschafterversammlung ändern und sich dabei insbesondere nicht mit der Zustimmung des Mehrheitsgesellschafters begnügen darf1, so wenig wie er andererseits den Gesellschaftern oder auch nur dem Alleingesellschafter Informationen vorenthalten darf2. Eine gegenläufige Entwicklung, die allerdings schon in den Regeln des GmbHG zur Kapitalaufbringung und zur -erhaltung angelegt ist, betrifft eigenverantwortlich, also ohne Bindung an Gesellschafterweisungen, zu bewältigende Aufgaben im Hinblick auf drohende oder bereits eingetretene Insolvenz der Gesellschaft, Einzelheiten auch zur Verstärkung dieser Pflichten durch das MoMiG s. 10. Aufl., § 64 Rdnr. 2 f., 15. d) Das Mehrheitsprinzip Ein zentrales Strukturelement, insbesondere bei der Auslegung von Gesell- 14 schaftsverträgen, ist das für die Willensbildung innerhalb der Gesellschaft grundsätzlich geltende Mehrheitsprinzip, wobei nach § 47 Abs. 2 die Mehrheit der abgegebenen Stimmen auf Kapitalgrundlage ermittelt wird. Hierin liegt auf den ersten Blick ein bedeutender Unterschied zum Personengesellschaftsrecht, doch kann angesichts der rechtstatsächlichen Entwicklung dieses Gebiets der Mehrheitsgrundsatz nicht mehr als ausgesprochen kapitalgesellschaftsrechtlich bezeichnet werden, sondern erweist sich als passend und notwendig für alle Gruppen, die langfristig und möglicherweise über die Lebensdauer bestimmter Personen hinaus zusammenbleiben sollen. In der Praxis begegnet auch die Aufteilung der Geschäftsanteile von einzelnen Gesellschaftern und Gesellschafterstämmen im prozentualen Verhältnis 51: 49 so häufig, dass daraus Rückschlüsse auf das Bewusstsein vom Wert der Entscheidungsbefugnis gezogen werden können, die mit einer auch noch so knappen Mehrheit verbunden ist. Das Gesetz schreibt nämlich qualifizierte Mehrheiten nur in §§ 53, 60 Abs. 1 Nr. 2 vor; zur Frage, inwieweit mit Rücksicht auf die Bedeutung eines Beschlussgegenstandes auch ohne Satzungsvorschrift eine Dreiviertelmehrheit erforderlich ist, s. § 47. Die Möglichkeit mehrheitlicher Entscheidung betrifft grundsätzlich auch Beschlüsse mit weit tragenden Folgen wie die Auflösung der Gesellschaft, ohne Rücksicht darauf, dass in der Abwicklung ein die Auflösung betreibender Gesellschafter eher als andere in der Lage sein mag, das Gesellschaftsvermögen eigenen Zwecken zuzuführen. Doch bildet die gesellschaftliche Treupflicht eine allgemeine Grenze der Freiheit der Stimmrechtsausübung, die auch im Kapitalgesellschaftsrecht wirksam ist (s. näher schon Rdnr. 8). Die aus § 53 Abs. 2 ersichtliche Möglichkeit satzungsändernder Beschlüsse mit 15 Stimmenmehrheit hebt die normal-typische GmbH vom Vorstellungsbild der engen Arbeitsgemeinschaft einer kleinen Gesellschaftergruppe ab. Abgesehen

1 BGH, GmbHR 1991, 197; das Urteil hält allerdings ein solches Verhalten des Geschäftsführers nicht ohne weiteres für einen Kündigungsgrund, hierzu krit. Kort, ZIP 1991, 1274 ff. 2 OLG Frankfurt, DB 1993, 2324; OLG München, DB 1994, 828.

H. P. Westermann

15

Einleitung

Bedeutung der GmbH

von den allgemeinen Grenzen der Mehrheitsherrschaft (Rdnr. 8) wird erwogen, an eine mehrheitliche Satzungsänderung in grundlegenden Fragen, also etwa eine Umstrukturierung der Gesellschaft durch Mehrheitsentscheidung, ein Austrittsrecht der überstimmten Gesellschafter zu knüpfen, dies jedenfalls dann, wenn die Geschäftsanteile nicht ohne Zustimmung der Gesellschafter veräußerlich sind1. Dies wird bei beständiger Majorisierung eines Gesellschafters in Betracht kommen, wenn diese den Rang eines „wichtigen Grundes“ annimmt, wofür die bloße Vinkulierung aber nicht ausreicht2; im Übrigen darf auch kein anderes Mittel zur Verfügung stehen, um die Lage des Minderheitsgesellschafters zu verbessern3. Nicht durchgesetzt hat sich, auch weil Mehrheitsherrschaft im Grundsatz legitim ist, die Forderung nach einem nicht von einem wichtigen Grund abhängigen Austrittsrecht4. e) Aufbringung und Erhaltung des Stammkapitals 16

Die Mitgliedschaft in der GmbH ist vom Gesetz zunächst auf der Kapitalbeteiligung, die Gründung der Gesellschaft demnach auf der Aufbringung des Stammkapitals aufgebaut worden. Das entspricht kapitalgesellschaftsrechtlichem Denken5, das zwar nicht zu Forderungen zur Bildung eines für die unternehmerischen Zwecke der Gesellschaft ausreichenden Stammkapitals geführt hat, wohl aber wegen der Solidarhaftung jedes Gesellschafters für die Einlagepflichten der anderen (§ 24), die sich auch in der Haftung für unzulässige Ausschüttungen von Gesellschaftsvermögen an Gesellschafter im Rahmen der §§ 30, 31 Abs. 3 niederschlägt, das unternehmerische Risiko jedes Gesellschafters charakteristisch erhöht. Dem Bemühen des Gesetzes um effektive Aufbringung des Kapitals bei Gründung und Kapitalerhöhung dienen zum einen das Aufrechnungsverbot für den Gesellschafter (§ 19 Abs. 2 Satz 2) und die der Gesellschaft auferlegte Beschränkung der Aufrechnungsmöglichkeit auf liquide und vollwertige Forderungen des Gesellschafters6. Am Grundsatz der realen Kapitalaufbringung scheitert die Einlagefähigkeit der Verpflichtung zu eigenen Dienstleistungen7 – charakteristisch anders als in der OHG –, und zumindest

1 Zum Austrittsrecht s. Röhricht, in: FS Kellermann, 1991, S. 361, 378 ff.; zum Austritt wegen Verhaltens der Mitgesellschafter Ulmer, in: Ulmer, Anh. § 34 Rdnr. 54. 2 OLG Hamm, GmbHR 1993, 656 f.; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, § 60 Rdnr. 103. 3 BGHZ 109, 157, 162 f.; OLG Karlsruhe, BB 1984, 2015, 2016; Sosnitza, in: Michalski, Anh. § 34 Rdnr. 53; Ulmer, in: Ulmer, Anh. § 34 Rdnr. 55; zum Ganzen Goette, DStR 2001, 533, 540 f. 4 Reuter, Perpetuierung, S. 125 ff.; Immenga, S. 77 ff.; s. auch Wiedemann, NJW 1964, 282 in Bezug auf die nachträgliche Vinkulierung von Anteilen; noch weiter gehend Reuter, GmbHR 1977, 77 ff.; bei Nebenleistungsgesellschaften ebenso Wiedemann, Übertragung und Vererbung von Mitgliedschaftsrechten bei Handelsgesellschaften, 1965, S. 91; Vollmer, DB 1983, 95 f.; kritisch aber Schwerdtner, GmbHR 1976, 101. Gegen eine Subsidiarität des Austrittsrechts gegenüber der Anteilsveräußerung Röhricht, in: FS Kellermann, 1991, S. 361, 374 ff. 5 Grundlegend dazu Ballerstedt, GmbHR 1967, 66 f.; zum Verhältnis zwischen GmbH und AG in diesem Bereich Hommelhoff, in: Roth (Hrsg.), Das System der Kapitalgesellschaften im Umbruch, S. 26, 34 f. 6 BGHZ 15, 53. 7 Im Einzelnen § 5 Rdnr. 48.

16

H. P. Westermann

Bedeutung der GmbH

Einleitung

das Aufrechnungsverbot verhindert auch eine bei der Gründung von Personengesellschaften zulässige und keineswegs seltene Vereinbarung wie die „Einbringung“ von Arbeitsleistungen an Stelle eines Kapitalbeitrages1. In diesem Bereich hat die Rechtsprechung in den vergangenen Jahren den Gläu- 17 bigerschutz gegen bedenkliche Finanzierungspraktiken bedeutend verstärkt. Dabei wurde die an sich durch das Haftungsprivileg im Gesetz weniger betonte Verantwortung der Gesellschafter als Mitunternehmer2, auch derjenigen einer Kapitalgesellschaft, deutlich akzentuiert. Ausdruck dieses Bestrebens sind die im Zusammenhang mit der Bindung kapitalersetzender Gesellschafterdarlehen entwickelte Finanzierungsverantwortung bzw. auch Finanzierungsfolgenverantwortung (dazu im Rdnr. 63) sowie die Haftung eines beherrschenden Gesellschafters für die Auswahl ungeeigneter Führungskräfte, die zwar nichts mit Finanzierung zu tun hat, aber doch einigen Tendenzen entgegenwirken könnte, die unternehmerische Verantwortung in Krisensituationen weitgehend bei der Geschäftsführung abzuladen. Das Grundanliegen wird überwiegend geteilt3, um ein Gegengewicht gegen die bekannte Kapitalschwäche der GmbH und das Haftungsprivileg der Gesellschafter schaffen zu können. Bisweilen tauchte aber doch die Frage auf, ob nicht die Perfektion des Gläubigerschutzes mit zahlreichen als durchaus drakonisch empfundenen Ergebnissen zu weit geht4. So bei Doppelzahlung von Einlagen, bei mehrfacher Erstattung eines ausgekehrten Betrages bei verbundenen Gesellschaften5, bei Kumulation von Gründungsprüfung und Differenzhaftung – obwohl diese richterrechtliche Lösung in die Gesetzesnovelle von 1980 eingegangen ist6 –, bei der „Mantelverwendung“, der Einzahlung einer Einlage auf ein debitorisches Konto der Gesellschaft7, schließlich bei dem wahren Kosmos sich selbst fortzeugender Regelwerke der kapitalersetzenden Finanzierungsmittel8. Die insbesondere im letzteren Bereich, aber auch im Hinblick auf die Kapitalaufbringung durch Sacheinlagen9 und auf die Finanzie-

1 BGH, GmbHR 1978, 268; zur steuerrechtlichen Behandlung BFH, ZIP 1998, 471. 2 Hierzu und zum Folgenden Wiedemann, ZGR 2011, 183, 210 ff. 3 S. hier nur Ulmer, Richterrechtliche Entwicklungen im Gesellschaftsrecht 1973–1985, 1986, S. 9 ff. 4 S. etwa Meilicke, GmbHR 2003, 1271, 1273; Grunewald/Noack, GmbHR 2005, 189 f.; H. P. Westermann, ZIP 2005, 1849 ff. 5 BGH, GmbHR 1990, 552 m. Anm. H. P. Westermann, WuB II C § 30 GmbHG 1/91; s. auch KurzKomm. Müller, EWiR § 31 GmbHG 2/90. 6 Zu den Bedenken gegen die Kumulation von Gründungsprüfung und Haftung H. P. Westermann, Gläubigerschutz, 1971, S. 23 ff. 7 Dazu BGH, JZ 2004, 684 mit Anm. Ulmer. 8 Übersicht über das Erreichte bei von Gerkan/Hommelhoff (Hrsg.), Handbuch des Kapitalersatzrechts, 2. Aufl. 2002; Raiser/Veil, Kapitalgesellschaften, § 38; später von Grunewald, GmbHR 1997, 7 ff.; Claussen, in: FS Forster, 1992, S. 141 ff.; Koppensteiner, AG 1998, 308; T. Bezzenberger, in: FS G. Bezzenberger, 2000, S. 23 ff.; Fastrich, in: FS Zöllner, 1998, S. 143 ff., was sich teilweise in einer gesetzlichen „Rechtsrückbildung“ niedergeschlagen hat, dazu H. P. Westermann, in: FS Zöllner, 1998, S. 607 ff. 9 Zur Kapitalaufbringung durch Sacheinlagen der Modernisierung durch das MoMiG zustimmend Maier-Reimer/Wenzel, ZIP 2008, 1449 ff.; ähnlich vorher Hentzen/Schwandtner, ZGR 2009, 1007 ff.

H. P. Westermann

17

Einleitung

Bedeutung der GmbH

rungsinstrumente im Cash-Pool1 aufgekommene Kritik hat wesentlich zu den grundlegenden Neuerungen des MoMiG (dazu Rdnr. 65) beigetragen, wobei nicht verwundert, dass dessen Ergebnisse deutlicher Kritik aus dem Gesichtspunkt der Abschwächung des Gläubigerschutzes unterliegen2. Eine weitere Akzentuierung des Problemkreises etwa um die verdeckten Sacheinlagen ist durch die Einführung der Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt) mit dem extrem niedrigen Stammkapital durch § 5a geschehen. Im gesamten Bereich ist zwar weniger an eine Durchgriffshaftung wegen Unterkapitalisierung gedacht, problematisch ist aber die Anwendung der die Folgen einer verdeckten Sacheinlage bestimmenden Anrechnungslösung gemäß § 19 Abs. 4, auch in ihrer Abgrenzung zum Hin- und Herzahlen3, wobei es praktisch weniger um die Gründung der Gesellschaft als um ihre Umwandlung in eine „normale“ GmbH durch Kapitalerhöhung geht (§ 5a Rdnr. 29). Allgemein könnte es sein, dass die Formalitäten der Kapitalaufbringung in der Zukunft etwas weniger betont werden als die Kapitalerhaltung. 18

Das alles ist als Charakteristikum der GmbH zu bezeichnen, wobei aber einige Ärgernisse im Hinblick auf die Ausstattung der Gesellschaften mit Stammkapital nicht behoben worden sind und vermutlich bestehen bleiben werden. So konnte das Problem der geringen Mindesteinzahlung bei Registereintragung (§ 7 Abs. 2) offensichtlich nicht durch Richterspruch gelöst werden; eine vorsorgende Kontrolle zur Legitimität des Haftungsprivilegs der Gesellschafter würden auch höhere Beträge unter heutigen wirtschaftlichen Verhältnissen nicht gestatten. Die regelmäßig sofortige Investition der Mittel und die bekannt niedrigen Liquidationserlöse, ganz zu schweigen vom Verhältnis zwischen Höhe des Stammkapitals und regelmäßigem Ausfall in Insolvenzen, erwecken ohnehin große Zweifel, ob die noch weitgehend anerkannte Funktion des Kapitals als Garantieziffer4 praktisch noch aufrechterhalten werden kann5; hier wie auch bei den Regeln zur Kapitalaufbringung wird ernstlich erwogen, ob man in einem normgemäßen Verhalten nicht zukünftig mehr als ein Seriositätsindiz sehen kann6. Wie die Entwicklung bei der UG (haftungsbeschränkt), aber auch bei der sehr verbreiteten Anwendung dieser Variante der GmbH als KG-Komplementärin (§ 5a Rdnr. 40) zeigt, verspricht man sich vom Stammkapital als Instrument des Gläubigerschutzes nicht mehr viel.

19

Das in den §§ 30–32, 33 Abs. 1, 34 Abs. 3 niedergelegte System der Erhaltung des Stammkapitals wurde rühmend als „einfach aber wirksam“ bezeich-

1 Zum Cash-Pooling im Hinblick auf die vor der Reform bestehenden Praxisprobleme Habersack/Schürnbrand, NZG 2004, 689; J. Vetter/Stadler, Haftungsrisiken beim konzernweiten Cash-Pooling, 2003; zur Rechtslage nach der Reform H. P. Westermann, in: Scholz, 10. Aufl. 2010, Bd. III Nachtrag MoMiG § 30 Rdnr. 29 ff. 2 Ebenso Bayer, GmbHR 2010, 1289; scharf antikritisch Kerber, ZGR 2005, 437. 3 Dazu, ebenfalls mit Blick auf das MoMiG, Schall, ZGR 2009, 126 ff. 4 Ballerstedt, Kapital, Gewinn und Ausschüttung, S. 91; Lutter, Sicherung der Kapitalaufbringung, S. 50. 5 Krit. Eidenmüller/Engert, GmbHR 2004, 433 ff.; Grunewald/Noack, GmbHR 2005, 189 f.; schon früher H. P. Westermann, Gläubigerschutz, S. 18 f. 6 Überlegungen in diese Richtung bei H. P. Westermann, ZIP 2005, 1849 ff.

18

H. P. Westermann

Bedeutung der GmbH

Einleitung

net1. Dabei ist „Erhaltung“ des Kapitals nicht als Reservierung für die Gläubiger zu verstehen, sondern als Zwang zur ausschließlichen Verwendung für Gesellschaftszwecke, so dass sich nur ein mittelbarer Gläubigerschutzeffekt durch Stärkung des ihnen haftenden Gesellschaftsvermögens ergibt. Zur Regelung der §§ 30, 31 passt die Sperrwirkung des Einsatzes des Stammkapitals als PassivPosten in der Bilanz, die zeigt, dass die GmbH-rechtliche Vermögensbindung nicht bei den Gegenständen des Gesellschaftsvermögens ansetzt, sondern zu laufenden Prüfungen zwingt, ob durch Auskehrung von Vermögensgegenständen an Gesellschafter das Gesellschaftsvermögen unter einen zur Unterbilanz führenden Wert sinkt (näher § 30, dort Rdnr. 52 ff.), dort dann auch zu der zeitweise propagierten, schon vor Erlass des MoMiG aber widerrufenen „Abkehr vom bilanziellen Denken“. Wenn das GmbH-Recht nur das zur Deckung der festen Stammkapitalziffer notwendige Vermögen bindet, so kommt hierin wiederum zum Ausdruck, dass abgesehen von einer möglichst effektiven Einlageverpflichtung, die bei verbotenen Auszahlungen praktisch wieder auflebt2, die Gesellschafter in der Bestimmung, im Einsatz und im Abziehen wirtschaftenden Kapitals grundsätzlich frei sein sollen. Eine andere Frage ist, ob der Gesellschafter in jeder Situation, auch in der Krise der Gesellschaft, frei bleiben kann, zu bestimmen, ob er der Gesellschaft zur Verfügung gestellte Mittel außer als Eigenkapital auch als formelle Fremdmittel gewähren darf. Dies war einer der Leitgedanken des Rechts der kapitalersetzenden Gesellschafterdarlehen, in dessen Rahmen daran festgehalten wurde, dass der Gesellschafter niemals gehindert sei, sich für eine Liquidation (oder die Insolvenz) der in eine Krise geratenen Gesellschaft statt für ihre Fortsetzung mit neuen Finanzmitteln zu entscheiden, dass aber die Gesellschaft in der Krise nicht mit Fremdmitteln statt mit dem von ordentlichen Kaufleuten für nötig gehaltenen Eigenkapital fortgesetzt werden durfte, zur Neuregelung s. Rdnr. 65. Die kapitalmäßige Flexibilität der GmbH ist unter diesen Umständen als eingeschränkt anzusehen, was sich besonders bei der um der Zusammenarbeit im Gesellschafterkreis willen u.U. dringend notwendigen Einziehung von Geschäftsanteilen als schwerwiegendes Hindernis erweist (näher § 34 Rdnr. 51), ähnlich bei dem hierbei nur ausnahmsweise erlaubten Erwerb eigener Anteile (dazu § 33 Rdnr. 17 ff.). f) Gestaltungsfreiheit der Gesellschafter Die Aufbringung des Kapitals durch einen Kreis untereinander bekannter Ge- 20 sellschafter, die ihre Anteile auch nicht am Kapitalmarkt handeln sollen, gibt faktisch die Möglichkeit, im Innenverhältnis die Organisation der Geschäftsführung, bis zu einem gewissen Grade auch die Finanzierung des Unternehmens, weitgehend der privatautonomen Entscheidung der Gesellschafter zu überlassen. Dies ist zwar nicht zwingendes Prinzip für die Regelung personalistischer Verbände3 und gilt auch nicht für das Außenverhältnis und die Gestaltung der Kapitalverhältnisse, ist aber doch regelmäßig sachgerecht. Bekanntlich hat die 1 Ballerstedt, GmbHR 1967, 66, 67; s. auch die auf die Einrichtung des Stammkapitals bezogenen Bemerkungen von Wiedemann, GesR I, § 10 IV 1b; skeptisch neuerdings Mülbert, Der Konzern 2004, 151; Schön, Der Konzern 2004, 62, 164. 2 Lutter, Kapital, S. 381. 3 Wiedemann, JZ 1970, 593, 594.

H. P. Westermann

19

Einleitung

Bedeutung der GmbH

Vertragspraxis in Ausnutzung dieser Freiheit die GmbH, anders als es die Gesetzesverfasser vorsahen, in einer großen Zahl der Fälle als personalistischen Verband ausgestaltet, und die Freiheit hierzu wird als einer der das Leitbild der GmbH prägenden Vorzüge gewertet1. Das bedeutet aber auch eine Bindung an Vertragsregelungen, die ohne besondere Vorkehrungen in der Satzung nur mit qualifizierter Mehrheit überwunden werden können, § 53, was auch für eine Erhöhung des Stammkapitals gilt, die also trotz eventueller wirtschaftlicher Notwendigkeit von einer Minderheit der Gesellschafter verhindert werden kann. Da ferner die Gesellschaft, wenn entsprechende Vertragsbestimmungen fehlen, nicht ordentlich kündbar ist, entsteht so eine langfristige Bindung der Gesellschafter, die nur bei Bestehen eines Vertrauensverhältnisses tragbar ist, weil bezüglich der Willensbildung in Geschäftsführungs- und sogar in Satzungsfragen das Mehrheitsprinzip herrscht. Bei streng personalistisch strukturierten Gesellschaften hängen daher grundlegende Entschlüsse von qualifizierten Mehrheiten, wenn nicht vom einstimmigen Beschluss aller Partner ab. Aufsichts- oder Kontrollgremien, die das Gesellschaftsrecht nicht vorschreibt, sind nicht sehr verbreitet und dienen, wenn sie eingesetzt werden, eher der Beratung sowie der Streitschlichtung in Gesellschaften mit etwa gleich starken Gesellschafterstämmen als der Unterstützung der Geschäftsführung2. 21

Trotz der grundsätzlichen Satzungsautonomie kann in einem allerdings begrenzten Rahmen auch eine gewisse Inhaltskontrolle stattfinden. Nun werden trotz der grundsätzlichen Unanwendbarkeit der AGB-Inhaltskontrolle auf das Gesellschaftsrecht (§ 310 Abs. 4 BGB) die Gesellschaftsverträge so genannter Publikumspersonengesellschaften, die für eine Vielzahl von Anlegern „vorformuliert“ und nicht durchweg von der Vorstellung getragen waren, Chancen und Risiken der Kapitalgeber angemessen zu verteilen3, nicht uneingeschränkt akzeptiert. Diese Vorstellungen sind aber auf die normaltypische GmbH nicht übertragbar und können als Legitimation einer Angemessenheitskontrolle nicht dienen. Einiges Gewicht haben aber – z.T. einfach in Anwendung der zivilrechtlichen Generalklauseln wie § 138 BGB – Schutzgedanken etwa zugunsten einer Minderheit oder der Vermögensinteressen eines Gesellschafters, z.B. im Zusammenhang mit der Einziehung von Geschäftsanteilen und der Abfindung des hierdurch ausscheidenden Gesellschafters, näher § 34 Rdnr. 26 ff. Auch kann aus dem Umstand, dass die rechtliche Regelung die Interessenssphären jetzt noch nicht bekannter Partner in einer weiten und ungewissen Zukunft betrifft, ein besonderes Bedürfnis nach einer ergänzenden und reduzierenden Auslegung entstehen, das auch eine Kontrolle der Ausübung der aus Vertragsklauseln u.U. fol1 Ulmer, in: Ulmer, Einl. A Rdnr. 21; Roth, in: Roth (Hrsg.), Das System der Kapitalgesellschaften im Umbruch, S. 1, 11 f.; Schippel, GmbHR 1992, 414, 415 ff.; differenzierend aber Zöllner, in: FS 100 Jahre GmbH-Gesetz, S. 85 ff. 2 Näher Sigle, NZG 1989, 619 ff.; Vollmer, WiB 1995, 578 ff. 3 Zur Angemessenheitskontrolle im Gesellschaftsrecht grundlegend Wiedemann, in: FS H. Westermann, 1974, S. 585 ff.; Wiedemann, in: Festgabe Kummer, 1980, S. 172 ff.; Martens, DB 1973, 413, 419; krit. Zöllner, in: FS 100 Jahre GmbH-Gesetz, 1992, S. 85, 102 ff.; Fastrich, Richterliche Inhaltskontrolle im Privatrecht, 1992, S. 137 ff. An der grundsätzlichen Unanwendbarkeit der AGB-Inhaltskontrolle auf Gesellschaftsverträge hat auch die EG-Richtlinie über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen nichts geändert – die GmbH-Satzung ist eben kein Verbrauchervertrag (zum Ganzen eingehend Drygala, ZIP 1997, 968 ff.).

20

H. P. Westermann

Bedeutung der GmbH

Einleitung

genden Gestaltungsmacht einzelner Gesellschafter oder der Mehrheit erfordern kann, etwa im Hinblick auf vertraglich festgelegte Thesaurierungspflichten oder die Anordnung, dass sich mehrere in die Gesellschaft – etwa im Erbfall – nachgerückte Gesellschafter, wenn sie durch Erbteilung das Hindernis aus § 18 beseitigt haben, einen gemeinsamen Repräsentanten bei der gesellschaftlichen Willensbildung für sie auftreten lassen müssen, ohne diese Bindung jeweils abschütteln zu können. Gegenstand von Überlegungen zur Inhaltskontrolle sind bisweilen auch rigorose Anteilsvinkulierungen1. Insgesamt besteht nach dem aktuellen Stand von Rechtsprechung und Lehre kein Anlass für die Befürchtung, die Gestaltungsfreiheit in Gesellschaftsverträgen könne für Willkür missbraucht werden. Auch kann der Gesichtspunkt des Minderheitenschutzes, der für die unverbundene wie für die konzernangehörige Gesellschaft immer noch zunehmend betont wird, neben seiner Bedeutung für eine Inhaltskontrolle zu einer Treupflichtbindung der Gesellschaftermehrheit gegenüber der Gesellschaft und den Mitgesellschaftern bei der Ausübung ihrer Rechte führen. Daraus folgen Einschränkungen der privaten Entscheidungsmacht2, die sich in erster Linie bei einer Beschlusskontrolle auswirken (näher Rdnr. 8). g) Die GmbH als Kaufmann Neben der Flexibilität des Innenverhältnisses, die zur praktischen Verbreitung 22 der GmbH maßgeblich beigetragen hat, steht die Zweckneutralität der Gesellschaftsform, die lediglich durch die selbstverständlichen Anforderungen an die gesetzliche Erlaubtheit eines Gesellschaftszwecks eingeschränkt ist (§ 1 Rdnr. 17). Obwohl hiermit das Betreiben eines Handelsgewerbes nicht der einzige zulässige Zweck ist, sondern unbedenklich auch nichtwirtschaftliche (etwa politische, soziale oder kulturelle) Zwecke verfolgt werden können, wobei die GmbH dann auch die Form für Verbände und Stiftungszwecke bilden kann3, fingiert § 13 Abs. 3 die Kaufmannseigenschaft der GmbH als Handelsgesellschaft (§ 13 Rdnr. 33). Daher kann die Gesellschaft außer dem oder den Geschäftsführern kaufmännische Hilfspersonen im Sinne des Handelsrechts einsetzen. Hiervon abgesehen, sind durch die immer noch verhältnismäßig einfache Gründung und wegen des auf Satzungsänderungen und Umwandlungsrechte beschränkten Erfordernisses der umfassenden Beurkundung von Gesellschafterbeschlüssen4 die Rechtsformkosten bei der GmbH im Vergleich zu den anderen Kapitalgesellschaften verhältnismäßig niedrig. Die GmbH-Gesellschafter sind als solche nicht Kaufleute, da die Gesellschaft, nicht die Gesellschafter ein Handelsgewerbe betreiben. Die Vor-GmbH ist nicht Kaufmann, es sei denn, ihre Tätigkeit fällt bereits unter § 1 HGB, was nur in Betracht kommt, wenn sie einen kaufmännisch eingerichteten Betrieb benötigt; es entstünde dann eine OHG. Die Kaufmannseigenschaft der GmbH führt zur Anwendung der Vorschriften des HGB über die Rechnungslegung (s. §§ 264 ff. HGB), was auch die Prüfung 1 Dazu etwa H. P. Westermann, in: FS U. Huber, 2006, S. 997, 999 ff.; zuletzt Karsten Schmidt, GmbHR 2011, 1289 ff. 2 S. auch Ulmer, in: Ulmer, Einl. A Rdnr. 37. 3 Auch dazu Ulmer, in: Ulmer, Einl. A Rdnr. 98; zur GmbH ohne erwerbswirtschaftliche Zielsetzung Rdnr. 35. 4 Übersicht bei Zöllner, in: Baumbach/Hueck, § 47 Rdnr. 28.

H. P. Westermann

21

23

Einleitung

Bedeutung der GmbH

und Offenlegung betrifft, allerdings mit Erleichterungen für „kleine“ Gesellschaften. Was die Publizität anbelangt, so hat die durch §§ 40, 16 i.d.F. des MoMiG in ihren Funktionen deutlich aufgewertete Gesellschafterliste tiefgreifende Auseinandersetzungen insbesondere um die Möglichkeit eines gutgläubigen Erwerbs von Geschäftsanteilen ausgelöst (s. im Einzelnen § 16 Rdnr. 57 ff.). Für die GmbH gibt es auch spezielle Vorschriften im Umwandlungsrecht (§§ 46 ff.; 138 ff., 226 ff. UmwG). Schließlich sind die Registrierungspflichten der §§ 13 ff. HGB für Zweigniederlassungen ausländischer GmbH anwendbar, näher Anh. § 4a Rdnr. 4.

2. Rechtstatsächliche Funktionen der GmbH a) Zahlenverhältnisse 24

Seit einiger Zeit liegen sorgfältig recherchierte, nach den Bundesländern und sogar Gerichtsbezirken aufgegliederte Angaben über die absolute Zahl von GmbH sowie von denen anderer Unternehmensformen vor1, die einen sicheren Schluss auf den aktuellen Bestand mit Zuwachs oder Abgängen der einzelnen Rechtsformen erlauben. Angaben des statistischen Bundesamts zur Aufteilung der Rechtsformen auf die Wirtschaftszweige und zu den Größenordnungen der eingesetzten Kapitalien sind nicht so aktuell2 und nicht in allen Punkten auf die GmbH ausgerichtet, immerhin ermöglichen sie Einsichten zu den Nominalkapitalien. Gut erfasst sind neuerdings auch die UG (näher § 5a Rdnr. 1). Nicht feststellbar sind auf diesem Wege aber die durchschnittlichen Gesellschafterzahlen3, gewisse Hinweise gibt es immerhin auf den Einsatz von Drittorganen in der Geschäftsführung4. Nur Gegenstand von Vermutungen ist die Zahl registrierter GmbH, die als Komplementärin einer KG fungieren, sie scheint – bei ständig steigender Tendenz – bei 75 % der KG zu liegen5. Sicherheit besteht danach insoweit, dass in der Bundesrepublik über 1 Mio. GmbH existieren, im Vergleich zu 240 000 KG, 17 000 AG und immer noch 170 000 Einzelkaufleuten6, wobei auch klar hervortritt, dass die KG von der wachsenden Zahl von GmbH und besonders UG (haftungsbeschränkt) profitiert. Kaum zu erkennen sind nach wie vor die Abgänge durch Insolvenz, Liquidation und Umwandlung7; keine ganz neuen Erkenntnisse liegen vor bezüglich der Größenklassen des Stammkapitals, es dürfte aber – auch angesichts der Popularität der UG (haftungsbeschränkt) – weiterhin so sein, dass ein sehr großer Teil der Gesellschaften mit dem gesetzlichen Mindeststammkapital arbeitet8. Immerhin spielt die GmbH eine nicht zu übersehende Rolle bei den Großunternehmen mit Stammkapita-

1 Im Einzelnen dazu Kornblum, GmbHR 2010, 739 ff.; Kornblum, GmbHR 2011, 692 f. 2 S. immerhin Hansen, GmbHR 1995, 507; Hansen, GmbHR 1997, 204; Stat. Bundesamt für 1955–1990, Fachserie 2, Reihe 2.2, ferner wiederum Kornblum, GmbHR 2005, 39 ff. 3 Michalski, in: Michalski, Syst. Darst. 1 Rdnr. 177. 4 Kornblum/Hand/Neß, GmbHR 2008, 1240, 1250. 5 Meyer, GmbHR 2002, 177, 183; folgend Michalski, in: Michalski, Syst. Darst. 1 Rdnr. 181. 6 Kornblum, GmbHR 2011, 692 ff. 7 Hierzu immerhin Ulmer, in: Ulmer, Einl. A Rdnr. 69. 8 Michalski, in: Michalski, Syst. Darst. 1 Rdnr. 174, 175.

22

H. P. Westermann

Bedeutung der GmbH

Einleitung

lien über 50 Mio. Euro1. Auf der anderen Seite gibt es einen unübersehbaren Trend zur Einmann-Gesellschaft, der von der Einzelunternehmung zur GmbH und zur GmbH & Co. KG führt2; die Zahl der Einmann-Gesellschaften wurde vor kurzem bereits auf 40 % geschätzt3. Unter den Einmann-Gesellschaften befinden sich auch eine beachtliche Zahl von Konzernunternehmen, während sonst Gesellschaften mit zwei bis fünf Gesellschaftern überwiegen4. b) Das wirtschaftliche Gewicht der GmbH Angaben der amtlichen, allerdings auch nicht ganz aktuellen Statistik5 über die 25 Aufteilung der registrierten GmbH auf Wirtschaftsbereiche, die bezüglich der wettbewerblichen Notwendigkeiten des Unternehmens und der Anforderungen an die Qualifikation der Führungskräfte einige Aufschlüsse geben könnten, müssten allerdings noch durch Erhebungen zu den Beschäftigtenzahlen ergänzt werden, deren Kenntnis Verzerrungen zwischen eher arbeits- und mehr kapitalintensiven Branchen entgegenwirken könnte. Was die Aufteilung nach Wirtschaftsbereichen anbelangt, so spielt jedenfalls die GmbH im verarbeitenden Gewerbe eine zwar erhebliche Rolle, die aber, nach dem versteuerten Industrieumsatz gerechnet, hinter den Personengesellschaften erkennbar und hinter den Aktiengesellschaften deutlich zurücksteht, wobei insgesamt die Bedeutung der Produktion zurückgeht. Die Abstände verschieben sich zu Gunsten der Kapitalgesellschaften, wenn man auf den Durchschnittsumsatz je Unternehmen abstellt6. Eines der hauptsächlichen Gewichte der GmbH liegt in den Bereichen Dienst- 26 leistung und Handel, die an Bedeutung dem verarbeitenden Gewerbe gleich kommen, hinzu kommt ein nicht zu vernachlässigender Anteil des Baugewerbes7. Einen zusätzlichen Zug zum Bereich „Dienstleistungen“ begründen die zahlreichen Beteiligungs- und Verwaltungsgesellschaften8; verhältnismäßig neu ist die inzwischen zugelassene Nutzung der GmbH als Rechtsform von Freiberufler-Gemeinschaften9. Bekannt, wenn auch nicht durch genaue Zahlen beleg1 Ulmer, in: Ulmer, Einl. A Rdnr. 77 unter Bezugnahme auf Hansen, GmbHR 1988, 15 ff., Hansen, GmbHR 1997, 183; Hansen, GmbHR 1997, 204, 205. Zu den Gesellschaften mit einem Stammkapital von über 100 Mio. DM die Angaben von Hansen, GmbHR 1998, 15 ff. 2 Auch dazu Kornblum, GmbHR 1997, 632 ff. 3 Ulmer, in: Ulmer, Einl. A Rdnr. 72. 4 Ulmer, in: Ulmer, Einl. A Rdnr. 72, in Auswertung der Untersuchungen von Kornblum; Michalski, in: Michalski, Syst. Darst. 1 Rdnr. 177. 5 Dazu Hansen, GmbHR 1993, 149; Michalski, in: Michalski, Syst. Darst. 1 Rdnr. 182. 6 So schon Hansen, GmbHR 1991, 1992 ff.; s. auch Hansen, GmbHR 1997, 832. 7 Zu den Tendenzen die Angaben bei Hansen, GmbHR 1988, 17; Hansen, GmbHR 1987, 832; Hansen, GmbHR 1997, 204 f.; s. auch bereits Kornblum/Kleinle/Baumann/Steffan, GmbHR 1985, 42, 47. 8 Hansen, GmbHR 1981, 103; Kornblum/Kleinle/Baumann/Steffan, GmbHR 1985, 42, 47. 9 Dazu Henssler/Streck, Handbuch Sozietätsrecht, 2. Aufl. 2011; zur GmbH Michalski, in: Michalski, Syst. Darst. 1 Rdnr. 193; die neuere Entwicklung um die Rechtsform der Freiberufler-Gesellschaften wird als „Chaos“ empfunden, dazu Wachter, GmbHR 2011, R 289; Henssler, NZG 2011, 1121 zur Rechtsanwalts-GmbH & Co. KG; zur Entscheidung des BVerfG, NJW 2012, 993 s. Römermann, GmbHR 2012, 993.

H. P. Westermann

23

Einleitung

Bedeutung der GmbH

bar, ist die große Bedeutung der GmbH als Komplementärin einer KG1. Seitdem die Publizitätspflichten bei der GmbH & Co. KG an diejenigen der GmbH angepasst sind, gehen hiervon keine Impulse mehr aus, und auch die notwendige Firmierung bei einer UG (haftungsbeschränkt) als Komplementärin hat die Praxis nicht abgeschreckt. Auch bei diesem Typ ist der Gesellschafterkreis in der Regel nur klein, und die Führung der Unternehmen liegt wie bei der personalistischen GmbH meist in Händen von Gesellschaftern2. Das lenkt den Blick auf die auch bei der GmbH verbreiteten Familiengesellschaften. Obwohl es bei der GmbH & Co. KG in den vergangenen Jahren besonders im Hinblick auf die steuerrechtliche Lage viele Änderungen gegeben hat, ist dieser Typus nach wie vor für die Familiengesellschaften am besten geeignet, auch weil ohne Ausscheiden der Familienangehörigen aus der Unternehmensleitung die alltägliche Geschäftsführung einem Drittorgan übertragen werden kann3. 27

Aus diesen Tatsachen lassen sich einige Folgerungen für das Gewicht – und damit die Festigkeit gegenüber Abdingungs- oder Umgehungsmöglichkeiten – einiger Strukturelemente der GmbH ziehen. In den Wirtschaftsbereichen Handel und Dienstleistungen ist in der Regel ohne persönliches Engagement der Gesellschafter in der Geschäftsführung auf die Dauer nicht auszukommen, anders wahrscheinlich im Baugewerbe. Die Kapitalverhältnisse der hier vertretenen Gesellschaften machen zudem den persönlichen Kredit der Unternehmensleiter und manchmal auch der nicht an der Geschäftsführung beteiligten Gesellschafter notwendig. Wegen der großen Bedeutung der Einmann-Gesellschaften und der Häufung von Gesellschaften mit niedrigem Stammkapital sind die Erwägungen zur Gefahr der Unterkapitalisierung weiterhin keineswegs von der Hand zu weisen. Hingegen besteht der Eindruck, dass die Bedeutung der Sachgründungen überbetont wird. Große Aufmerksamkeit gebührt wiederum dem Minderheitenschutz, dessen Notwendigkeit sich aus der starken Bindung der Gesellschafter an die Gesellschaft bei gleichzeitiger Geltung des Mehrheitsprinzips bei der Willensbildung ergibt (s. Rdnr. 14 ff.). Für die rechtliche Behandlung wichtig ist aber auch, dass das Haftungsproblem, namentlich bei Fehlentwicklungen in der Finanzierung, immer wieder auf die Gesellschafter – und keineswegs nur auf beherrschende oder Mehrheitsgesellschafter – zuläuft, dass das Verhältnis zwischen Geschäftsführung und Gesellschafterversammlung, namentlich auch 1 Die Schwankungsbreite ist außerordentlich hoch: Die Rede war z.T. von 26,7 % aller GmbH (Umfrage des BMJ vom Jahre 1980; s. GmbHR 1981, 81), von 16,2 % (Umfrage des DIHK für das Jahr 2000, s. dazu Meyer, GmbHR 2004, 1417, 1419); aber auch – in einigen Registerbezirken – von nur 8,7 % (Untersuchungen von Kornblum, GmbHR 1985, 42, 44; GmbHR 1997, 630, 636; GmbHR 2000, 1240, 1248), zuletzt aber doch wiederum durchschnittlich 18,5 %, Kornblum, GmbHR 2002, 1157, 1272; s. auch Ulmer, in: Ulmer, Einl. A Rdnr. 74. 2 Nach den Feststellungen von Limbach, Theorie und Wirklichkeit, S. 58, üben 44 % aller Gesellschafter das Amt des Geschäftsführers aus; der Prozentsatz sinkt bei Gesellschaften mit mehr als 5 Gesellschaftern; nach Kornblum/Kleinle/Baumann/Steffan, GmbHR 1985, 46 ist der Prozentsatz von Gesellschafter-Geschäftsführern höher; zu der Frage, ob die Entscheidungsmacht hauptsächlich bei den Kommanditisten oder den GmbH-Gesellschaftern liegt, s. Karsten Schmidt, in: FS Röhricht, 2005, S. 511 ff. zu OLG München, DB 2004, 866. Zu den Folgerungen auch H. P. Westermann, in: FS Priester, 2007, S. 835 ff. 3 Ebenso im Ergebnis Binz/Sorg, GmbHR 2011, 481.

24

H. P. Westermann

Einleitung

Bedeutung der GmbH

einzelner Mehrheitsgesellschafter, sehr sensibel ist, wobei gerade auch für Krisen-Situationen klar ist, dass benötigtes neues Kapital praktisch nur aus dem Gesellschafterkreis zu haben ist. Deshalb muss wie bei der Personengesellschaft auf den Generationenwechsel im Gesellschafterkreis Bedacht genommen werden. c) Die wirtschaftlichen Funktionen und ihre Probleme In Ansehung der im vorherigen festgestellten hauptsächlichen rechtstatsächli- 28 chen Einsatzfelder der GmbH darf die Charakterisierung als „Allzweck-Instrument“ nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Eignung der Rechtsform für personalistische Zusammenschlüsse und für kapitalistische Großunternehmen die rechtliche Ordnung gewissen Spannungen unterwirft1, und zwar in zweierlei Richtungen. Zum einen geht es um die gemeinsame Finanzierung und Verfolgung bestimmter erwerbswirtschaftlicher (wozu jetzt auch uneingeschränkt die freiberufliche Tätigkeit zählt) oder auch nichtwirtschaftlicher Ziele als Gesellschaftszweck der GmbH. Zum anderen wird die GmbH aber auch im Rahmen weiter gespannter unternehmerischer Ziele als Instrument zur Erreichung begrenzter wirtschaftlicher oder auch rechtlicher Absichten eingesetzt; sie ist dann nur Einzelteil einer rechtlich mehrschichtigen und häufig aus mehreren Gesellschaften bestehenden unternehmerischen Konzeption. Das GmbHG hat nur die erste Fallgruppe gesehen und sie – wie geschildert – durch Einrichtung einer nicht allzu schwer zu handhabenden kapitalistischen Organisation zu regeln versucht. Besondere Vorkehrungen für die Gesellschaft ohne wirtschaftliche Zielsetzung schienen entbehrlich. Dies dürfte sich auch in absehbarer Zeit nicht ändern. aa) Die GmbH als Trägerin mittelständischer Unternehmen Die tatsächliche Funktion der GmbH als Trägerin eines werbenden Unterneh- 29 mens ist nicht unerlässlich, eine bestehende GmbH kann auch als so genannte Mantel- oder Vorratsgesellschaft fungieren, und die Mantelgründung ist erlaubt, Bedenken bestehen freilich im Hinblick auf eine mögliche Umgehung der Gründungsvorschriften2, während vor allem bei der „Grundtypenvermischung“, die mittlerweile einen stark verselbständigten Strukturtypus darstellt, eigenständige Betrachtungen zur grundsätzlichen rechtsdogmatischen Einordnung erforderlich scheinen3, so dass manche traditionelle Einsichten zur Struktur der Personengesellschaft mit beschränkt haftenden Gesellschaftern, also der Kommanditisten, im Gegensatz zum Komplementär, modifiziert werden müssen. Das zeigt sich hauptsächlich bei abweichenden Beteiligungen der Gesellschafter an der Komplementär-GmbH und an der KG, mit einigem Gewicht aber auch beim sog. Nur-Kommanditisten (s. auch noch Rdnr. 39). Die beschränkte Haf1 Näher hierzu H. P. Westermann, in: Pro GmbH, 1980, S. 23, 33 ff., 45 ff.; Hommelhoff, in: Roth (Hrsg.), Das System der Kapitalgesellschaften im Umbruch, S. 26, 32. 2 Zuletzt hierzu Heinze, GmbHR 2011, 162 ff.; Peetz, GmbHR 2011, 178 ff.; Podewils, GmbHR 2010, 684 ff. 3 Dazu die Überlegungen von Karsten Schmidt, in: FS H. P. Westermann, 2008, S. 1425 ff. (besonders zur sog. Einheitsgesellschaft) sowie H. P. Westermann, in: FS Karsten Schmidt, 2009, S. 1709 ff.

H. P. Westermann

25

Einleitung

Bedeutung der GmbH

tung, kombiniert mit der Drittorganschaft, erlaubt es den Gesellschaftern, die Rolle als Kapitalgeber einzunehmen und lediglich über die Gesellschafterversammlung an der Unternehmensleitung mitzuwirken. Ebenso gut können aber alle oder einzelne Gesellschafter in der GmbH das rechtliche Gewand für ihre eigene unternehmerische Tätigkeit finden1, was dann auch für die GmbH die aus dem Personengesellschaftsrecht bekannten Probleme des Generationenwechsels und der Kooperation von Gesellschafterstämmen relevant werden lässt, wobei die Gruppen untereinander nicht selten durch Schutzgemeinschafts- oder Poolverträge in der Rechtsform der BGB-Gesellschaft zusammengehalten werden sollen. Dies kann auch einen – oft für notwendig gehaltenen – Überfremdungs- und Bestandsschutz der Gesellschaft bezwecken, muss dann aber mit dem wirtschaftlichen Bedürfnis eines Gesellschafters in Einklang gebracht werden, über den Anteil nach seinen Wünschen und den Versorgungsnotwendigkeiten seiner Familie zu verfügen. 30

Die bekannten Gefahren der Entwicklung zur „Zweiklassengesellschaft“ aus geschäftsführenden und durch Tätigkeitsvergütung abgesicherten Gesellschaftern auf der einen und lediglich kapitalistisch beteiligten, auf Gewinne angewiesenen Teilhabern auf der anderen Seite2 treten bei der GmbH ebenso auf wie in der KG; sie folgen im Grunde bereits aus der beschränkten Haftung. Die Probleme entzünden sich im Einzelnen an Fragen wie Gewinnverwendungspolitik, Entnahmerechten, Geschäftsführergehälter, Kreditaufnahme u.a., weil gelegentlich die Gesellschafter-Geschäftsführer dazu neigen, ihre persönlichen Interessen mit denen des Gesellschaftsganzen zu identifizieren. Die häufige Befreiung des Gesellschafter-Geschäftsführers von den Beschränkungen des § 181 BGB3 tut ein Übriges. Verbreitet sind Auseinandersetzungen über die Bestellung eines Gesellschafters oder des Repräsentanten einer Gesellschaftergruppe zum Geschäftsführer, ebenso – nicht selten kurz danach mit umgekehrten Vorzeichen – um die Abberufung, wobei dann auch die Grenzen der Stimmrechtsausübung und die Möglichkeiten einstweiligen Rechtsschutzes zur Sprache kommen. Ein wichtiger Streitpunkt ist die von einem Gesellschafter begehrte Zustimmung zur Anteilsveräußerung. Ein schneidiges Führungsinstrument für eigenwillige Unternehmerpersönlichkeiten ist die GmbH insgesamt, jedenfalls bei Vorhandensein mehrerer Gesellschafter, also nicht4. bb) Die GmbH als Großunternehmen

31

Die Eignung der GmbH für einen großen, möglicherweise flukturierenden Mitgliederkreis mit einer Kapitalausstattung, die einzelne an selbständiger kaufmännischer Tätigkeit Interessierte in der Regel nicht aufbringen können, kann nach dem gesetzgeberischen Ansatz nicht zweifelhaft sein. Es bedarf dann allerdings einer genauen Fixierung der Rechte des Gesellschafters gegenüber der Gesellschaft (Auskunfts- und Informationsrechte, Nichtigkeit und Anfechtung 1 Zu diesem Unterschied von Privat- und Kollektivunternehmung s. schon Wieland, Handelsrecht II, S. 283 f.; gegen eine Überbetonung dieses Gegensatzes aber Ballerstedt, GmbHR 1967, 66, 70. 2 Dazu Wiedemann, GesR I, § 2 I 3b. 3 Dazu rechtstatsächlich Kornblum/Kleinle/Baumann/Steffan, GmbHR 1985, 42, 47 f. 4 S. schon H. P. Westermann, in: Pro GmbH, 1980, S. 42.

26

H. P. Westermann

Bedeutung der GmbH

Einleitung

von Gesellschafterbeschlüssen), sodann der Einflüsse der Gesellschafter auf die Rechnungslegung und auf Entscheidungen über die Begründung oder Auflösung von Unternehmensverbindungen. Auch kann es zweckmäßig sein, auch außerhalb der Mitbestimmung in solchen Gesellschaften gemäß § 52 ein Aufsichtsgremium einzuführen, dem auch wichtige unternehmensstrukturelle Entscheidungen zur Zustimmung oder Entscheidung übertragen werden können1. Auch ein Einfluss solcher Gremien auf Gestaltungselemente wie Anteilsvinkulierungen, Vorkaufsrechte2 oder Sonderrechte von Gesellschaftern, gerade auch im Hinblick auf Sitz und Stimme in diesem Organ, kann nützlich sein. Das Problem des Minderheitenschutzes (Rdnr. 14, 15, 70) stellt sich hier etwas akzentuiert insofern, als die Information der Gesellschafter in Geschäftsangelegenheiten bei großer Mitgliederzahl meist von vornherein geringer ist. Hier haben freilich §§ 51a, b veränderte Verhältnisse geschaffen. Die GmbH begegnet auch als Rechtsform von Gemeinschaftsunternehmen. Ihre 32 Problematik liegt z.T. im Konzern- und Kartellrecht, daneben in der Erreichung des Gleichgewichts zwischen den unternehmerischen Zielen der Gesellschafter. Da der Zweck der Gesellschaft häufig darin besteht, die unternehmerischen Aktivitäten der Gesellschafter – häufig ihrerseits Kapitalgesellschaften – zu koordinieren, möglicherweise auch durch Auslagerung aus den Unternehmen der Gesellschafter, sind Regelungen über die Finanzierung des Gemeinschaftsunternehmens, hauptsächlich aber über die Nutzung der Gesellschaftseinrichtungen durch die Gesellschafter und dadurch bedingt die Verrechnung von Leistungen zwischen den Gesellschaftern und der Gesellschaft und dergl. erforderlich. Sie finden sich selten in der Satzung, sondern regelmäßig in schuldrechtlichen Abreden der Gesellschafter, die dann auch Bindungen bezüglich der Abstimmung der Gesellschafterversammlung oder anderen Organen der Gesellschaft (etwa den so genannten policy-committees) begründen. Sonderprobleme der „Zwei-Mann-Gesellschaft“3 ergeben sich bei Streit der Ge- 33 sellschafter, besonders, wenn dies auf die Geschäftsführung durchschlägt, daraus, dass nur selten Mehrheitsentscheidungen möglich sind. Daher kann ein Zerwürfnis der beiden Partner aus der Sicht der Gesellschaft eine unüberwindbare Stagnation in der Unternehmensführung und damit letztlich die Auflösung der Gesellschaft über § 61 oder ein einverständliches Ausscheiden des einen Gesellschafters erzwingen. Eine Lösung über eine Abberufung oder Ausschließung scheitert unter diesen Umständen daran, dass Gesellschafter über die Veränderung ihrer eigenen Organstellung mitstimmen dürfen, solange hierfür nicht wichtige Gründe geltend gemacht werden, in welchem Fall aber meistens wechselseitige Angriffe stattfinden, und nach den „Beschlüssen“ einer Gesellschaf1 Bezüglich der Kompetenzen ist freilich die Regelung in § 52 unbefriedigend, zu ihrer Entstehung Thiessen, ZGR 2011, 275 ff. 2 Zur Verwendung von Vorkaufsrechten im Gesellschaftsrecht näher H. P. Westermann/ Klingberg, in: FS Quack, 1991, S. 445, 547, 552 f.; schon früher G. Hueck, in: FS Larenz, 1973, S. 749 ff.; inzwischen noch einmal H. P. Westermann, in: FS Wiedemann, 2002, S. 1349 ff.; Topf, Das Vorkaufsrecht an GmbH-Anteilen, 2005. 3 Zum Folgenden näher Uwe H. Schneider, in: FS Kellermann, 1991, S. 403 ff.; Oppenländer, DStR 1996, 922 ff.; Reher, Die Zweipersonen-GmbH – Notwendigkeit eines Sonderrechts?, 2003.

H. P. Westermann

27

Einleitung

Bedeutung der GmbH

terversammlung die Betroffenen regelmäßig bis zur Entscheidung des angerufenen Gerichts im Amt bleiben1. Die Handlungsfähigkeit im Außenverhältnis ist regelmäßig paralysiert, auch die Vertretung ist gestört2. Bei den hier häufigen Beschlussmängelstreitigkeiten sollte eine Feststellungsklage tunlichst unter den Gesellschaftern stattfinden, da dann eine Inter-partes-Wirkung eintritt, dies ist aber rechtsdogmatisch nicht gesichert3, was insbesondere auch für den einstweiligen Rechtsschutz gilt4; ein wenig kann eine analoge Anwendung der §§ 241 ff. AktG helfen. 34

Einen weiteren Sonderfall bilden die gelegentlich vorkommenden GmbH, die materiell genossenschaftliche Zwecke wie den Betrieb von Förderungsgemeinschaften und Einkaufsvereinigungen verfolgen5. Durch Satzungsgestaltung können Gesellschaftszweck und Geschäftsführung auf die Förderung des wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs der Mitglieder zugeschnitten werden. Wiederum berühren sich an dieser Stelle GmbH-Recht und Kartellrecht. Mit der GmbH, die genossenschaftliche Zwecke verfolgt, weist schließlich auch die Nebenleistungs-GmbH eine gewisse Verwandtschaft auf, wobei die Pflicht eines Gesellschafters, bestimmte Lieferungen und Leistungen ausschließlich der GmbH zu erbringen, wiederum vom Kartellrecht erfasst werden kann (§ 3 Rdnr. 68 ff.). cc) Die GmbH ohne erwerbswirtschaftliche Zielsetzung

35

In vielfältigen Erscheinungsformen begegnen die GmbH ohne erwerbswirtschaftliche, d.h. mit wissenschaftlicher, kultureller, sozialer oder politischer (einschließlich berufs- und standespolitischer) Zielsetzung6. Das muss nicht unbedingt alleiniger Zweck einer Gesellschaft sein, es kann durchaus vorkommen, dass eine GmbH bestimmte ideelle, soziale oder politische Zwecke aus dem Tätigkeitskreis größerer Unternehmen ausgliedert7. Die Finanzierung von Gesellschafterseite oder durch Nichtmitglieder nimmt hier meist die Gestalt von Zuschüssen an, die Geschäftsführung unterliegt meist der Kontrolle durch Aufsichtsgremien, soweit nicht eine staatliche Aufsicht eingreift8. Wenn in der Rechtsform einer GmbH Stiftungszwecke verfolgt werden, führt dies oft auch zur Anwendung der steuerrechtlichen Regeln über Gemeinnützigkeit. Da hier die Interessen der Mitglieder gewöhnlich hinter die von der Gesellschaft zu verfolgenden Zwecke zurücktreten, ist auch die Bindung des Stimmrechts und überhaupt des Einflusses des Gesellschafters an seine Kapitalbeteiligung gelo1 Dazu im Einzelnen Reher, Die Zweipersonen-GmbH – Notwendigkeit eines Sonderrechts?, S. 105 ff. 2 Dazu kürzlich Klose, GmbHR 2010, 1139. 3 Reher, Die Zweipersonen-GmbH – Notwendigkeit eines Sonderrechts?, S. 127 ff., 142 ff., 152 ff. 4 Zu diesem Problem allgemein Damm, ZHR 154 (1990), 413 ff.; von Gerkan, ZGR 1985, 167 ff.; Michalski, GmbHR 1991, 12 ff.; Vollkommer, in: Zöller, 29. Aufl. 2012, § 940 ZPO Rdnr. 8 (Stichwort „Gesellschaftsrecht“). 5 Schon früher Feine, S. 61; Limbach, Theorie und Wirklichkeit, S. 84 f.; auch Beuthien/ Götz, ZfgG 1978, 375 ff.; eingehend Turner, GmbHR 1993, 390 ff. 6 Feine, S. 61; Loidl, Die GmbH ohne erwerbswirtschaftliche Zielsetzung, S. 20 ff.; Schlüter, GmbHR 2002, 535 ff., 578 ff.; Ulmer, in: Ulmer, Einl. A Rdnr. 88. 7 Limbach, Theorie und Wirklichkeit, S. 84 f. 8 S. Loidl, Die GmbH ohne erwerbswirtschaftliche Zielsetzung, S. 85 ff.

28

H. P. Westermann

Bedeutung der GmbH

Einleitung

ckert, zum Teil um der öffentlichen Kontrolle willen sogar weitgehend aufgehoben1. Auch in diesem Typ bleibt die GmbH übrigens meist auf verhältnismäßig wenige Gesellschafter beschränkt, größere Gruppen bedienen sich vorzugsweise der Rechtsform des Idealvereins, in der der Mitgliederwechsel leichter ist. In der GmbH werden bisweilen auch öffentliche Zwecke verfolgt, wobei ein An- 36 reiz in der – freilich nur begrenzt möglichen – Lockerung der für die öffentliche Verwaltung bestehenden Bindungen liegt, s. auch § 1 Rdnr. 11, wobei aber nicht selten auch Gewinnerzielung beabsichtigt ist. In der GmbH ist eine flexible unternehmerische Geschäftsführung, die zugleich Kontinuität auch bei kommunalpolitischen Veränderungen ermöglicht, erreichbar, ohne dass die auf dem Wege über die Gesellschafterversammlung oder sonstige Beschlussgremien beteiligte öffentliche Hand ihren entscheidenden Einfluss preisgeben müsste. Ist ein Aufsichts- oder Beirat unter Beteiligung von durch die öffentlich-rechtliche Körperschaft entsandten Personen vorhanden, so hat sich ein Konflikt zwischen den kapitalgesellschaftsrechtlichen Grundsätzen der Eigenständigkeit der Aufsichtsratstätigkeit und den Einwirkungswünschen kommunaler Träger ergeben, den das BVerwG in einer im Privatrecht überwiegend abgelehnten Weise zugunsten der Letzteren entschieden hat2. Aus gesellschaftsrechtlicher Sicht ebenfalls bedenklich waren die bei öffentlichen Unternehmen der Wohnungswirtschaft bisweilen vorkommenden Anordnungen von Ausschüttungen an die Träger-Körperschaften; wenn in solchen Fällen die Satzungen nur kostendeckende Erträge und für die Gesellschafter eine angemessene Verzinsung des eingelegten Kapitals, nicht aber Gewinnausschüttungen vorsehen, was in der Wohnungswirtschaft auch mit früheren Vorschriften über die Gemeinnützigkeit zusammenhing. So ist es zwar nicht zu beanstanden, dass bei der Gestaltung der von der Gesellschaft zu erzielenden Erlöse (in der Wohnungswirtschaft etwa der Mieten) die sozialen Zwecke maßgeblich sind, doch kann dies nicht von der Beachtung der grundlegenden kapitalgesellschaftsrechtlichen Normen des Gläubiger- und Minderheitenschutzes, namentlich nicht der Kapitalaufbringung und der -erhaltung entbinden3. Wohl ist die Einbeziehung der Gesellschafter in die Haushaltskontrolle und die Rechnungsprüfung zu billigen4. Schließlich können konzernrechtliche Probleme entstehen, da nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung eine Körperschaft des öffentlichen Rechts, namentlich auch der Bund oder auch ein Bundesland, als herrschendes Unternehmen i.S. der §§ 15 ff. AktG in Betracht kommt5, so dass nachteilige Weisungen die hierfür vorgesehenen Rechtsfolgen auslösen können (näher Anh. § 13 Konzernrecht Rdnr. 170 ff.). 1 Loidl, Die GmbH ohne erwerbswirtschaftliche Zielsetzung, S. 121; zur Vertragsgestaltung bei der non-profit-GmbH eingehend Priester, GmbHR 1999, 149 ff. 2 BVerwG, NJW 2011, 3735; nur im Ergebnis zustimmend Altmeppen, in: FS Uwe H. Schneider, 2011, S. 1, 10; Weckerling/Wilhelm/Mirtsching, NZG 2011, 327 ff.; Lutter, ZIP 2007, 1991. Zum Einfluss des Haushaltsrechts auf die Rechnungslegung Lutter/Grunewald, WM 1984, 385 ff., bei der gemeinnützigen GmbH Hüttche, GmbHR 1997, 1095; zum Verhältnis beamtenrechtlicher und gesellschaftsrechtlicher Bindung der Organmitglieder Schwintowski, NJW 1995, 1316 ff. 3 Zum Problem Schön, ZGR 1996, 429 ff., 452 ff. 4 S. dazu eingehend Spannofsky, ZGR 1996, 400; Habersack, ZGR 1996, 544; Raiser/Veil, Kapitalgesellschaften, § 4 Rdnr. 20 ff.; Wiedemann, GesR I, § 2 II 2d. 5 Hier nur: BGHZ 69, 334 (VEBA-Gelsenberg); BGH, ZIP 1997, 887 (VW-Land Niedersachsen); zum Haftungsproblem Paschke, ZHR 152 (1988), 263 ff.

H. P. Westermann

29

Einleitung

Bedeutung der GmbH

dd) Die GmbH in einer Unternehmensgruppe und in einer Grundtypenvermischung 37

Die GmbH kann nach ihrem gesetzlichen Statut über die Gesellschafterversammlung geleitet werden, es gibt eine legale Leitungsmacht der Gesellschafter. Daher kann die GmbH dazu dienen, bestimmte Zwecke im Rahmen einer Unternehmensgruppe derart zu verselbständigen, dass dafür nur begrenzte finanzielle Mittel zur Verfügung gestellt werden müssen und die Zweckverfolgung im Interesse der Gruppe einheitlich gelenkt werden kann. Dies kann geschehen durch Gründung oder Erwerb einer abhängigen Gesellschaft, wobei die Ausgliederung bestimmter Tätigkeitsbereiche durch mehrere Unternehmen und ihre Zusammenfassung in einer GmbH (Gemeinschaftsunternehmen, Rdnr. 32) einen Sonderfall darstellt. Das Gesetz hat den hierdurch entstehenden Konzerntatbestand nicht geregelt, so wenig wie die Besonderheiten des Einsatzes der GmbH als Konzernspitze oder als Teil einer anderweitig geleiteten Gruppe, s. auch Rdnr. 72. Die praktische Bedeutung dieser Gestaltungen ist außergewöhnlich groß, die Grundfragen und die Einzelheiten sind im Anhang zu § 13 erörtert. Das betrifft auch Konstellationen einer konzernbezogenen Durchgriffshaftung im früher sog. qualifizierten faktischen Konzern, die heute durch eine Existenzvernichtungshaftung teilweise abgelöst ist, s. § 13 Rdnr. 152 ff. Auch im Rahmen eines sog. Gleichordnungskonzerns kann eine GmbH die Zusammenarbeit mehrerer verbundener, aber nicht voneinander abhängiger Unternehmen organisieren, ohne dadurch herrschendes Unternehmen zu werden. Allerdings kann der Vertrag über die Gründung eines Gleichordnungskonzerns kartellrechtlichen Vorschriften unterfallen1.

38

Eine wichtige Rolle spielt die GmbH auch im Rahmen der sog. Betriebsaufspaltung. Diese teilt in ihrer wirtschaftlichen Grundform ein wirtschaftlich einheitliches Unternehmen in eine das Anlagevermögen verwaltende Personen- und eine das Umlaufvermögen im Geschäft einsetzende Betriebs-Kapitalgesellschaft auf; dies geschieht aus haftungs- wie aus steuerrechtlichen Erwägungen2. Die Anlagegüter werden durch Pacht oder Leasing der Kapitalgesellschaft zur Verfügung gestellt. Zu einer Betriebsaufspaltung kommt es auch bei Ausgliederung des Vertriebs aus einer meist als Personengesellschaft betriebenen Unternehmung, was – vorbehaltlich der Anwendung des § 105 Abs. 2 HGB – die Kaufmannseigenschaft der Besitzgesellschaft in Frage stellen kann. Auch hier statten die Gesellschafter der Personengesellschaft, die meist in derselben Zusammensetzung auch die Geschäftsanteile der GmbH halten, die GmbH oftmals nur mit knappem Kapital aus, so dass sowohl Durchgriffs- als auch Konzerntatbestände erfüllt sein können. Die steuerrechtlichen Vorteile der Betriebsaufspaltung scheinen nicht mehr durchweg gesichert, weil jedenfalls Identität der Gesellschaftereinflüsse auf Besitz- und Betriebsgesellschaft gefordert wird. Jedenfalls 1 Näher dazu I. Schmidt/Fritz, in: FS Kantzenbach, 1996, S. 119 ff.; Karsten Schmidt, in: FS Rittner, 1991, S. 561 ff.; Windbichler, in: Großkomm. AktG, 4. Aufl. 1998, § 18 AktG Rdnr. 47. 2 Die letzteren Erwägungen sind durch Veränderungen des Steuerrechts fragwürdig geworden, im Einzelnen dazu Brandmüller, Die Betriebsaufspaltung nach Handels- und Steuerrecht, 7. Aufl. 1997; Kaligin, Die Betriebsaufspaltung, 7. Aufl. 2010; Karsten Schmidt, GesR, § 12 II 3d; Ulmer, in: Ulmer, Einl. A Rdnr. 16.

30

H. P. Westermann

Bedeutung der GmbH

Einleitung

lassen sich – angesichts der großen Zahl von Varianten im Einzelnen – insoweit keine allgemeinen Regeln aufstellen. Hingegen hatte die seit langem anhaltende Diskussion um die Qualifikation der Gebrauchsüberlassung als Eigenkapitalersatz vor der Neuordnung des gesamten Kapitalersatzrechts, die auch diesen Aspekt betrifft (§ 32 Rdnr. 63, 65), zu einer Einstellung der Praxis Anlass gegeben, die nur wenig voreilig als „Abschied von der Betriebsaufspaltung“ bezeichnet wurde1. Für den in der Rechtsprechung zur kapitalersetzenden Nutzungsüberlassung angenommenen befristeten Zwang zur unentgeltlichen Weitergewährung des Nutzungsrechts während des Insolvenzverfahrens besteht jetzt keine Notwendigkeit mehr, im Vordergrund des Interesses stehen Anfechtungsmöglichkeiten des Verwalters im Hinblick auf das Nutzungsentgelt sowie das Wahlrecht gemäß § 135 Abs. 3 InsO2. Die Tätigkeit der GmbH als Komplementärin einer KG und damit die Grund- 39 typenvermischung unterscheidet sich von der Betriebsaufspaltung dadurch, dass es sich hier wirtschaftlich gewöhnlich um ein- und dasselbe Unternehmen handelt, dessen Träger die KG ist. Doch ist bei entsprechender Formulierung des satzungsmäßigen Zwecks der GmbH eine von der KG losgelöste Geschäftstätigkeit der Komplementär-GmbH nicht ausgeschlossen, wenn auch die Kommanditisten einverstanden sind. Schon hieran zeigt sich, dass die Grundtypenvermischung weniger ein Problem des GmbH- als des Personengesellschaftsrechts ist, indem die Komplementärin meist als haftungsbeschränkendes Instrument einer personengesellschaftsrechtlichen Organisation eingesetzt wird3. Allerdings haben sich vielfältige Strukturtypen entwickelt, wobei im Einzelfall, etwa bei Konzerntatbeständen, auch von einer Dominanz der Komplementär-GmbH gesprochen werden kann4. Praktisch ist die Grundtypenvermischung seit ihrer als „funktionsblind“5 kritisierten höchstrichterlichen Anerkennung durch RGZ 105, 101 und der Regelung einzelner Folgen durch Vorschriften des Steuerrechts und später auch des Gesellschaftsrechts (§§ 130a, 177a HGB sowie den durch das MoMiG aufgehobenen § 172a HGB) in Rechtsprechung und Lehre voll anerkannt, mögen auch ihre wenig gut beleumundeten Ziele wie Haftungsbeschränkung oder die Vermeidung der Nachteile des früheren Körperschaftsteuersystems oder auch die Einsetzung eines Drittorgans für Geschäftsführung und Vertretung als ordnungspolitischer Störfaktor diskutiert worden sein6. Entschei1 Titel eines von Priester und Timm herausgegebenen Sammelbandes, RWS-Forum 5, 1990; scharf krit. zur Rechtsprechung Weilbach, GmbHR 1991, 56 ff.; Bedenken auch bei Karsten Schmidt, ZIP 1990, 69 ff.; a.M. aber Büscher/Klusmann, ZIP 1991, 10, 15 f.; Vonnemann, DB 1990, 261; Schiffers, GmbHR 2000, 1013; Haritz/Wisniewski, GmbHR 2000, 795. 2 Im Einzelnen Goette/Kleindiek, Gesellschafterfinanzierung nach MoMiG, 2010, S. 121 ff. 3 H. P. Westermann, in: FS Karsten Schmidt, 2009, S. 1709 ff. 4 Karsten Schmidt, in: FS Röhricht, 2005, S. 512, 516, der aber (s. auch JZ 2008, 425 ff.) die GmbH & Co. KG als „Lehrmeister des Personengesellschaftsrechts“ bezeichnet. 5 Wiedemann, JZ 1970, 593, 597. 6 Übersicht bei H. P. Westermann, Die GmbH & Co KG im Lichte der Wirtschaftsverfassung, 1974; entschiedenster Gegner ist Reuter, Perpetuierung, S. 230, 279 ff. Zur GmbH & Co. KG als „verfremdeter GmbH“ Hesselmann, in: Pro GmbH, 1980, S. 81 ff.; anders – Überwindung der Mängel von GmbH- und KG-Statut, besonders auch zur Kritik an der Verwendung der GmbH – bei Wiethölter, Aktuelle Probleme, S. 11 ff.

H. P. Westermann

31

Einleitung

Bedeutung der GmbH

dend kommt es heute darauf an, in einem spezifischen Verständnis der Binnenverfassung Klarheit darüber zu gewinnen, welche der hier eingesetzten und bei einem anderen gewählten Modell gewissermaßen entliehenen Rechtsformelemente mit Rücksicht auf die durch die Finanzverfassung, die Willensbildung sowie die Beendigung oder Veränderung der Mitgliedschaft konsequent durchgehalten oder an die spezielle Situation angepasst werden müssen1. Auf diesem Weg liegt es, wenn etwa der BGH2 bei Vorgängen, die als Rückzahlung von GmbH- oder KG-Vermögen an Gesellschafter anzusehen sind, eine ausdehnende Anwendung der § 172 Abs. 4 HGB, §§ 30, 31 GmbHG gefunden hat, die praktisch die Kapitalerhaltungsgebote beider Organisationsstatute kumuliert. Auch Überlegungen zum Haftungsdurchgriff gelten voll bei der GmbH & Co. KG, so dass pauschal gesagt werden kann, dass die zur Kapitalerhaltung bei der GmbH aufgestellten Regeln durch das Ausweichen auf die Grundtypenvermischung nicht umgangen werden können. Dagegen überzeugt es nicht, wenn die Weiterleitung einer der GmbH geschuldeten Einlage als Darlehen an die KG als Verletzung der Regeln zur Kapitalaufbringung gewertet wurde3. Ein weiteres Problemfeld bei der GmbH & Co. KG eröffnet sich bei Meinungsverschiedenheiten in einem Kreis an der GmbH und an der KG unterschiedlich beteiligter Gesellschafter4. Auf solche Fehlentwicklungen hat die Gestaltungspraxis mit der – allerdings unter Gesichtspunkten des Gläubigerschutzes problematischen – sog. Einheitsgesellschaft reagiert, bei der die GmbH-Geschäftsanteile ins Vermögen der KG eingelegt werden, was den Gesetzgeber zur Schaffung des § 172 Abs. 6 HGB bewogen hat, aber nicht ganz ausschließen kann, dass die beabsichtigte Alleinherrschaft der Kommanditisten im Rahmen einiger gesellschaftsrechtlicher Sonderfragen auf Grenzen stößt5. Insgesamt erfordert die Gestaltung einer Grundtypenvermischung besondere Umsicht, die sich in neuerer Zeit auch mit dem zunehmenden öffentlichen Argwohn gegenüber Publikumspersonengesellschaften in der Rechtsform der GmbH & Co. KG auseinanderzusetzen hat6. Eine weitere, ebenfalls hierher gehörige Verwendungsform ist die „GmbH & Still“, die zwar nicht so verbreitet ist wie die GmbH & Co. KG, aber trotzdem in ihrer typischen Form grundsätzlichen Bedenken begegnet ist7.

1 Zu diesem Ansatz einer Theorie der Grundtypenverschmischung H. P. Westermann, in: FS Karsten Schmidt, 2009, S. 1709, 1711; zur Interpretation der Haftungsverfassungen ebenda S. 1724 ff. 2 BGHZ 47, 149; BGHZ 60, 324. 3 BGH, ZIP 2008, 174; dazu krit. Karsten Schmidt, ZIP 2008, 481; H. P. Westermann, ZIP 2005, 1849, 1852. 4 H. P. Westermann, in: FS Karsten Schmidt, 2009, S. 1712 ff. 5 Zu dieser Konstellation näher Fleck, in: FS Semler, 1993, S. 114, 115; Karsten Schmidt, in: FS H. P. Westermann, 2008, S. 1425, 1428 ff.; zum Vorwurf der „Überkonstruktion“ kritisch Karsten Schmidt, ZGR 2011, 108, 127. 6 Überblick über das einschlägige Sonderrecht bei Krieger, in: FS Stimpel, 1985, S. 307 ff.; zum „Zentralverwaltungsmodell“ Karsten Schmidt, in: FS Röhricht, 2005, S. 511 ff. Zur doppelstöckigen GmbH & Co. KG aber BFH, BStBl. II 1991, 691. 7 Schulze zur Wiesche, GmbHR 1991, 533. Zu späteren Entwicklungen aber Bitz, GmbHR 1997, 769 und (aus steuerrechtlicher Sicht) Horn/Martins, GmbHR 1995, 816.

32

H. P. Westermann

Die Quellen des GmbH-Rechts

Einleitung

Eine bis zu einem gewissen Grade noch zukunftsträchtige Neuerung ist dem- 40 gegenüber die durch einen Beschluss des BGH1 zugelassene, jetzt in § 278 Abs. 2 AktG kodifizierte KGaA mit einer GmbH oder einer GmbH & Co. KG als Komplementärin, die als „GmbH & Co. KGaA“ firmiert. Die typologische Einordnung eines solchen Gebildes als „kapitalistische KGaA“2 ist missverständlich, da das kapitalistische Element in Gestalt der Kommanditaktionäre schon vorhanden ist, während es umgekehrt durch die gegenüber der AG stärkere Stellung der Komplementäre einer KGaA (und damit auch der Gesellschafter-Geschäftsführer der Komplementär-GmbH), die insbesondere nicht der Personalhoheit des Aufsichtsrats unterliegen, zu einem Einfließen mittelständischer Elemente in die KGaA kommen kann3. Auf der anderen Seite ist das Bedürfnis nach einer nicht börsengängigen, auch für einen geschlossenen Anlegerkreis interessanten Kapitalgesellschaft ohne die engen Bindungen der GmbH-Gesellschafter schon durch die Einführung der „kleinen AG“ als berechtigt anerkannt4. Auch ist die etwas größere Gestaltungsfreiheit, wie sie § 278 Abs. 2 AktG durch die Anlehnung an das Modell der Personenhandelsgesellschaft einrichtet, für die „große“ mittelständische Unternehmung vorteilhaft. Wichtig ist schließlich, dass ohne allzu bedeutende Abstriche im Hinblick auf die unternehmerische Leitungsmacht, die bei der Komplementär-GmbH verbleiben kann, eine Finanzierung über die Börse erreicht werden kann5, die dann allerdings zu einer weitgehenden – und manchmal unerwünschten – Beseitigung der Geschlossenheit des Gesellschafterkreises zwingt.

II. Die Quellen des GmbH-Rechts 1. Das GmbHG und seine Nebengesetze Schon in der Entstehungsgeschichte des Gesetzes ist ein Bruch angelegt zwi- 41 schen den kapitalgesellschaftlichen Zügen des gesetzlichen Typus und dem praktischen Bedürfnis an einer personalistischen Innenstruktur bei beschränkter Haftung aller Mitunternehmer (Rdnr. 1, 2). Der zunächst für die neue Gesellschaftsform vorgeschlagenen weit gehenden Verweisung auf das Recht der OHG stand von Anfang an auch der Gedanke gegenüber, dass das durch die Reform des Jahres 1884 stärker formalisierte Aktienrecht durch die Einführung einer kollektivistischen Gesellschaftsform mit eigener juristischer Persönlichkeit, Mehrheitsherrschaft, beschränkter Haftbarkeit der Mitglieder und Verzicht auf

1 BGHZ 134, 392; dazu Haase, GmbHR 1997, 917 ff.; Hommelhoff, in: Die GmbH & Co. KGaA nach dem Beschluss BGHZ 134, 392, ZHR-Beiheft Nr. 67, 1998, S. 9 ff.; Ihrig, ZHR-Beiheft Nr. 67, 1998, S. 33 ff.; Sethe, Die personalistische Kapitalgesellschaft, 1996, S. 155 ff.; im wissenschaftlichen Schrifttum war dies schon früher von Priester, ZHR 160 (1996), 250 ff., Claussen, GmbHR 1996, 73, 77 vertreten worden. In der Rspr. dazu OLG Hamburg, GmbHR 1969, 135; abl. aber Karsten Schmidt, ZHR 160 (1996), 265, 269 ff. 2 Hesselmann, BB 1989, 2344. 3 Haase, GmbHR 1997, 919 f. 4 In diesem Sinne Claussen, GmbHR 1996, 73, 77; ihm folgend Hüffer, § 278 AktG Rdnr. 9. Ohnehin wird die „kleine AG“ als denkbare Alternative zur GmbH angesehen, näher Planck, GmbHR 1994, 501 ff. 5 Näher Haase, GmbHR 1997, 919.

H. P. Westermann

33

Einleitung

Die Quellen des GmbH-Rechts

Bilanzpublizität ergänzt werden solle1. Dies wurde durch zahlreiche Gutachten der Handelskammern und kaufmännischen Korporationen belegt. Gemeinsamer Tenor aller Überlegungen zur Schaffung der GmbH war das Offenhalten praktischer Entwicklungsmöglichkeiten in einem möglichst knapp gehaltenen, auch zum Gebrauch nicht juristisch gebildeter Geschäftsführer taugenden Gesetz. Dabei war aber auch klar, dass die Haftungsbeschränkung gesetzgeberische Vorkehrungen zur finanziellen Ausstattung der Gesellschaft notwendig machte. Eine Vorbildfunktion des Aktienrechts hat es im Wesentlichen nur in diesem Bereich gegeben, die Anlehnung an das Personengesellschaftsrecht ist im Lauf der Diskussion um die durch die GmbH zu erfüllenden praktischen Bedürfnisse in den Hintergrund getreten. 42

Neben dem GmbHG selbst sind Quellen des GmbH-Rechts einige Gesetze, deren die GmbH betreffende Anordnungen nicht in den Text des GmbHG eingearbeitet worden sind: Die Umwandlung und die sonstigen unternehmensstrukturellen Maßnahmen unter Beteiligung von GmbH sind jetzt umfassend im UmwG geregelt, siehe dort §§ 46–59 (Verschmelzung), §§ 138–140 (Spaltung), §§ 226–257 (Formwechsel). Diese Bestimmungen sind durch das UmwBerG vom 28.10.1994 sowie durch das 2. Gesetz zur Reform des UmwG am 19.4.2007 modifiziert worden2. Die Vorschriften des BilanzrichtlinienG sind in die auch die GmbH erfassenden Regelungen der §§ 264 ff. HGB eingegangen. Im HGB finden sich die die GmbH betreffenden Vorschriften über die registerrechtliche Behandlung ihrer inländischen Zweigniederlassungen (§§ 13, 13d, 13g). Die InsO enthält Bestimmungen über Antragspflichten und Eröffnungsvoraussetzungen, im Wesentlichen insolvenzrechtlich konzipiert ist durch das MoMiG (Rdnr. 62 ff.) das Recht der kapitalersetzenden Gesellschafterfinanzierungen. Die Regeln über die Löschung oder Auflösung nichtiger Gesellschaften und die gerichtlichen Reaktionen auf Firmierungs- und Satzungsmängel enthält das an die Stelle des FGG getretene FamFG. Für die GmbH von Bedeutung sind ferner Vorschriften, die sich vorsichtig als unternehmensrechtlich kennzeichnen lassen, weil sie sich auf die unternehmerische Mitbestimmung beziehen; näher dazu die Erläuterungen zu § 52. Eine weitere wichtige Änderung hat § 33 durch das BilMoG vom 25.5.2009 (BGBl. I 2009, 1102) erfahren.

2. Die Entstehungsgeschichte des Gesetzes 43

Die Entwicklung ist vielfach dargestellt worden3. Am Anfang stand der Gedanke, die zwischen AG und OHG bzw. KG klaffende Lücke durch eine neue Gesellschaftsform zu schließen, was von einer verbreiteten Meinung besonders der Wirtschaftsorganisationen stark gefordert wurde. Dies hing auch mit der Auf1 Zu den diesbezüglichen Wünschen der Handelspraxis vor Erarbeitung des Gesetzesentwurfs und zur Diskussion über den Entwurf eingehend Schubert, in: FS 100 Jahre GmbHG, 1992, S. 10 ff. 2 BGBl. I 2007, 3210; BGBl. I 2007, 542; weitere Änderungen durch das Gesetz vom 24.9.2009, BGBl. I 2009, 3145. 3 Zu den Vorüberlegungen bis zum Jahre 1889 Rießer, Beilage ZHR 35 (1888), 290 ff.; im Übrigen s. Fränkel, S. 5 ff.; Hadding, in: FS Reichsjustizamt, S. 307 ff.; Feine, S. 1 ff.; Wieland, Handelsrecht II, S. 264 ff.; Schubert, in: FS 100 Jahre GmbHG, 1992, S. 1 ff.; Koberg, Die Entstehung der GmbH in Deutschland und Frankreich, 1992, S. 35 ff.

34

H. P. Westermann

Die Quellen des GmbH-Rechts

Einleitung

gabe des Konzessionsprinzips in den wichtigen Industrieländern zusammen. Die seinerzeit wichtige Frage der Kolonialgesellschaften, aber auch die Bedürfnisse des heimischen Handels und der Industrie überzeugten neben den Wissenschaftlern1 insbes. die Reichtagsabgeordneten Oechelhäuser und Hammacher von der Notwendigkeit einer neuen Gesellschaftsform, insbesondere mit dem Ziel, die Organisation und Finanzierung eines größeren, nicht selbst für das Unternehmen tätigen Gesellschafterkreises von den starren Regeln des Aktienrechts frei zu machen. Ursprünglich sollte auch die Finanzierung des Kapitalbedarfs durch ein System von Zubußen und Preisgabe des Anteils gelöst werden. Eine Befragung der Handelskammern ergab freilich hierfür wenig Interesse, da man das Zubußensystem für mittlere und kleinere Unternehmen nicht als geeignet ansah, zumal ihm eine gewisse Gefahr für den Minderheitenschutz anhaften sollte2. Sodann trat der von Oechelhäuser geförderte Gedanke einer Gewährung des Haftungsprivilegs auch an einen kleineren Kreis zusammenarbeitender Gesellschafter in den Vordergrund, der als passend für das ganze „moderne Erwerbsleben“ empfunden wurde3. Er führte zu einem ausgearbeiteten Gesetzentwurf von prägnanter Kürze4, der Oechelhäusers Zustimmung besonders deshalb fand, weil es gelungen sei, den Raum zwischen der OHG und der AG „mit einmal“ zu überbrücken5. Die befragten Handelskammern neigten einer Form zwischen „individualistischen und kollektivistischen Gesellschaften“ zu, ohne so weit gehen zu wollen wie Hammacher, der im Wesentlichen nur eine Lockerung der starren Gründungs- und Organisationsvorschriften der AG anstrebte6. In dieser Situation wollte der Entwurf eines Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung7 eine Mittelstellung zwischen der personalistischen und der kapitalistischen Konzeption schaffen (S. 35), die sich in großen Teilen an den vermuteten Vorstellungen der Wirtschaft ausrichtete. Dieser Vorschlag wurde nach nur kurzer Beratung, in der der Entwurf besonders von Oechelhäuser trotz seiner ursprünglich andersartigen Vorstellungen lebhaft unterstützt und vom Reichstag nur geringfügig geändert wurde8, am 21.3.1892 verabschiedet, um am 10.5. desselben Jahres in Kraft zu treten. Die Absicht, zwischen personalistischer und kapitalistischer Grundordnung zu 44 vermitteln, bestimmte zeitweise die weitere Entwicklung. Dabei bestand lange Zeit kein prinzipieller Zweifel an der Richtigkeit der vom Gesetzgeber gewährten Gestaltungsfreiheit bezüglich des Innenverhältnisses. Bedenken stellten 1 Nachweise bei Feine, S. 2; über kritische Stimmen bald nach Vorliegen des Entwurfs bzw. Inkrafttreten des Gesetzes Schubert, in: FS 100 Jahre GmbHG, S. 27 f., 40 f. 2 S. hierzu die bei Schubert, in: FS 100 Jahre GmbHG, 1992, S. 1 ff., ausgewerteten Kammergutachten. Erschöpfend insoweit Koberg, Die Entstehung der GmbH in Deutschland und Frankreich, 1992, S. 78 ff. 3 Stenographische Berichte des Reichstags, IV. Session 1884, Bd. I, S. 220 f. 4 Abgedr. bei Wieland, Handelsrecht II, S. 399; Schilling, in: FS Kunze, 1970, S. 205. 5 Nachw. dazu bei Lutter, GmbHR 1992, 419. 6 Stenographische Berichte des Reichstages, II. Session 1887/88 Bd. II, S. 77 f. Über die Diskussion im Reichtstag eingehend Koberg, Die Entstehung der GmbH in Deutschland und Frankreich, 1992, S. 164 ff. 7 Herausgegeben vom Deutschen Handelstag 1892; Nachw. zu den näheren Umständen der Überlegungen im Reichsjustizamt Schubert, in: FS 100 Jahre GmbHG, 1992, S. 1, 22 ff. 8 Nachw. dazu bei Lutter, GmbHR 1992, 419.

H. P. Westermann

35

Einleitung

Die Quellen des GmbH-Rechts

sich erst ein, als klar wurde, dass im Gegensatz zur Vorstellung des Entwurfs (S. 34) die Zahl der Gesellschafter meistens doch eine „ganz geringe“ war, die sich die beschränkte Haftung zunutze machten. Schon im Jahre 1929 hieß es daher kritisch1, das Gesetz und mehr noch die daran anschließende Entwicklung bezüglich der Ein-Mann-Gesellschaft habe „dem Grundsatz der beschränkten Unternehmerhaftung ein Feld von einer Weite eröffnet“, „an das man noch vor einem Jahrzehnt gar nicht zu denken wagte“. Die Zahl der GmbH stieg in allen Branchen schnell an, wobei die Verteilung auf die verschiedenen Wirtschaftszweige von Anfang an Ähnlichkeit mit der heutigen Lage (Rdnr. 34 ff.) aufweist2. Die Konkursstatistik war zunächst nicht besonders auffällig, zumal man sich offenbar schon zu dieser Zeit über die begrenzte Bedeutung der persönlichen Haftung für das Verhalten der Vertragspartner der Gesellschaften klar war3. Allerdings tauchten schon früh Probleme der Umgehung der Vorschriften über die Kapitalaufbringung im Zusammenhang mit Sacheinlagen auf4. Dennoch ist die Kritik an der GmbH im Zeichen der Vorbehalte gegen die Haftungsbeschränkung zum großen Teil aus theoretischen und ideologischen Erwägungen begründet, die z.T. auch der später aufkommenden GmbH & Co. KG galten, dann allerdings durch ein zunehmend schlechtes Bild der GmbH bei den Insolvenzen bestätigt wurden.

3. Die Reformen der Jahre nach 1980 45

In der langen Zeit seit Inkrafttreten des Gesetzes ist das hierdurch geschaffene eigenständige Organisationsrecht trotz insgesamt 37 Gesetzesänderungen5 nur in Randbereichen geändert worden, bis ab dem Jahre 1980 im Anschluss an frühere Überlegungen größere Reformvorhaben diskutiert wurden. Zu erwähnen sind Bestimmungen über Registeranmeldungen, über Insolvenzen sowie einige Tatbestände des Straf- und Ordnungswidrigkeitenrechts, die Handelsrechtsreform vom Jahre 1998 erfasste auch einige Vorschriften des GmbHG, die hierbei an das allgemeine Recht der kaufmännischen Unternehmen angepasst wurden. Zu erwähnen sind hier auch die Neuordnung des Firmenrechts (§ 4) und die Reduzierung der Prüfungspflicht des Registerrichters (§ 9c). Bedeutung haben auch die Einwirkungen europäischer Richtlinien, die zumeist schlechthin die Kapitalgesellschaften betrafen, eine Entwicklung, die andauert (Rdnr. 49). Da zumindest in den Jahren nach 1945 die praktischen Probleme um die GmbH zu z.T. schon weitgehenden Rechtsfortbildungen geführt hatten, wurde erstmals in den Jahren nach 1970 ein größeres, nicht auf Randkorrekturen beschränktes gesetzgeberisches Reformvorhaben unternommen. Dies mündete in eine gesetzliche Regelung vom Jahre 1980, die nicht allgemein als befriedigend empfunden wurde, während die Reform vom Jahre 1986 einzelne Fragen einer umfassenden Neuordnung zuführte und mit dem Jahr 2006 die Überlegungen zu einer größer

1 2 3 4 5

Feine, S. 12. Zusammenstellung bei Schubert, in: FS 100 Jahre GmbHG, 1992, S. 30 ff. S. Bauer, Holdheims Wochenschrift, 1895, S. 3 ff. RGZ 36, 108; RGZ 41, 120. Ulmer, in: Ulmer, Einl. A Rdnr. 55; s. noch den Überblick von Geßler, GmbHR 1966, 102 ff.; ausführliche Darstellung bei Mosthaf, Die Reformen des Rechts der Gesellschaften mit beschränkter Haftung, 1994.

36

H. P. Westermann

Die Quellen des GmbH-Rechts

Einleitung

angelegten Reform, dem sog. MoMiG begannen, das heute das Bild bestimmt (Rdnr. 53 ff.). Insgesamt ist daher die lange Zeit vorherrschende Einschätzung, dass das Gesetz von 1892 ein „genialer Wurf des Gesetzgebers gewesen sei1, der „weit mehr Lob als Tadel verdiene“2, heute überholt, was nicht nur an der hohen „Säuglingssterblichkeit“ der GmbH, sondern auch an ihrer schlechten Stellung in der Insolvenzstatistik liegt, ferner an den Reibungen der Gestaltungspraxis mit den gesetzlichen und z.T. verschärften Anforderungen an die Kapitalaufbringung und -erhaltung. Ein am 5.11.1971 dem Bundesrat zugeleiteter, ausführlich begründeter RegE ei- 46 nes neuen GmbHG (BT-Drucks. 595/71), der auf einem RefE vom Jahre 1969 beruhte, legte ein in allen Teilen neu formuliertes Gesetz vor. Die Diskussion um diese Reform begann auf der Grundlage des RefE im Jahre 1969 mit einem Aufschrei, indem Wiethölter3 meinte, der Entwurf werde die GmbH nicht reformieren, sondern ermorden. Das Gespenst einer verfehlten GmbH-Reform4 sowie auch die Befürchtung, ein so stark an das AktG angelehntes Gesetz könne für Laien nicht mehr zu handhaben sein, mögen den Rechtsausschuss des Bundestages und insbesondere die von ihm eingesetzte interfraktionelle Arbeitsgruppe mit dazu veranlasst haben, das Programm eines zweiten RegE vom Jahre 1977 (BT-Drucks. 8/1347) so radikal zusammenzustreichen, dass dem Ausschuss die ehrenvolle Bezeichnung als „Streichtrio“ zuerkannt wurde5. In dieser Form ist das Gesetz am 11.7.1980 verkündet worden (BGBl. I 1980, 836) und am 1.1.1981 in Kraft getreten, die absolute Zahl der hier ins Gesetz eingefügten Bestimmungen war nicht mehr sehr groß. Insbesondere sollte die vielseitige Verwendungsmöglichkeit für die GmbH, damit also die Gestaltungsfreiheit für das Innenverhältnis, namentlich aber auch die Verwendbarkeit der Rechtsform für mittelständische und Kleinunternehmen bis hin zum handwerklichen Betrieb aufrecht erhalten bleiben6, ohne ihre Eignung für große „kapitalistische Unternehmungen“ einzubüßen. Das mag dazu beigetragen haben, dass die Novelle einige zum Teil für dringlich gehaltene Probleme im unternehmens- und gesellschaftsrechtlichen Bereich nicht in Angriff nahm, etwa durch ein umfassendes Konzept für die GmbH & Co. KG unter Einschluss der Publikumsgesellschaften oder durch die Funktionsbestimmung der unternehmerischen Mitbestimmung in einer Rechtsform, in der es für ein Kontrollorgan keine genuine Aufgabe gibt. Offen blieben auch eine Lösung der Ausschließung von GmbHGesellschaftern7 sowie nicht wenige verfahrensrechtliche Aspekte der Anfech-

1 2 3 4

Vogel, GmbHR 1953, 137. Ballerstedt, GmbHR 1967, 66, 71. Probleme der GmbH, S. 11; dazu Mosthaf, S. 31 ff. Martens, Mehrheits- und Konzernherrschaft, S. 171; s. auch „Gefahr für die GmbH“, hrsg. vom DIHT 1969; auch Kreplin, BB 1970, 93; später auch Zöllner, JZ 1992, 381, 382. 5 Ulmer, in: Das neue GmbH-Recht in der Diskussion, S. 55, 67; Bericht des Rechtsausschusses – BT-Drucks. 8/3908 – auch abgedruckt in ZIP 1980, 392 ff.; zur Geschichte der Reform im Übrigen Mosthaf, S. 56 ff. 6 Näher Claussen, GmbHR 1996, 73 ff.; s. im Einzelnen den Bericht des Rechtsausschusses des Deutschen Bundestages, BT-Drucks. 8/3908. 7 S. etwa Eser, DB 1985, 29 ff.; H. P. Westermann, in: FS 100 Jahre GmbHG, 1992, S. 447, 468.

H. P. Westermann

37

Einleitung

Die Quellen des GmbH-Rechts

tungsklagen bei Binnenstreitigkeiten unter Gesellschaftern und Organen der GmbH1. 47

Immerhin wurde bereits hier in nicht wenigen Punkten die rechtsfortbildende Judikatur nachgezeichnet, etwa bei der Differenzhaftung der Sacheinleger, die vorher stark umstritten war2. Wenig erfolgreich war der Versuch der Kodifizierung der Rechtsprechungsgrundsätze zum kapitalersetzenden Gesellschafterdarlehen, da nach einiger Zeit der Unsicherheit noch vor dem Inkrafttreten der in der Novelle niedergelegten §§ 32a, b3 in einer vielbeachteten Grundsatzentscheidung des BGH neben dem „Novellenrecht“ die Grundsätze der bisherigen Rechtsprechung beibehalten4 und in der Folgezeit ständig weiter ausgebaut wurden, bis der Gesetzgeber gewisse, verbreitet als „Kleinbeteiligten“- und als „Bankenprivileg“ abqualifizierte, praktisch allerdings kaum sehr wichtige Beschränkungen vornahm5. Der Rechtsprechung überlassen blieb im Wesentlichen auch die bilanzielle Behandlung derartiger Finanzierungsinstrumente. Die Differenzhaftung nach § 9 wird nach überwiegender Ansicht trotz der fast drakonischen Härte des Konzepts für die Partner eines Sacheinlegers als sachgemäß betrachtet, wohl weil vielfach bei der GmbH-Gründung Versuche der Gründer und ihrer Berater gesehen werden, die Regeln einer effektiven Kapitalaufbringung zu umgehen. Inzwischen behoben ist ein Fehler, der für die Einmann-Gründung eine Sicherheitsleistung des Gründers vorsah (§ 7 Abs. 2 Satz 3 a.F.), was vor der Entstehung der juristischen Person rechtstechnisch unmöglich erschien6. Weniger Beachtung fand trotz der Meinungsverschiedenheiten, die über diesen Punkt geherrscht hatten, die Erhöhung des Mindest-Stammkapitals von 20 000 auf 50 000 DM. Die Kritik der Praxis an der als sehr weitgehend empfundenen zwingenden Neuregelung der Informationsrechte der Gesellschafter7 ist in der Rechtsprechung, die das neue Recht häufig extensiv handhabt8, ohne große Wirkung geblieben, obwohl die Regelung nach wie vor einen erheblichen Störfaktor bildet. Den Entschluss des Gesetzgebers, auf die ursprünglich vorgesehene umfas-

1 S. dazu den rechtsvergleichenden Überblick bei Lutter, ZGR 1998, 191 ff.; ferner Schröder, GmbHR 1994, 532. 2 Rechtsvergleichend dazu Battes, Die Überbewertung von Sacheinlagen im in- und ausländischen GmbH-Recht und bei der englischen Private Company, 1967; eingehend Ulmer, in: Ulmer, § 5 Rdnr. 39 ff. 3 Dazu Karsten Schmidt, ZGR 1980, 567; zur Entstehungsgeschichte Mosthaf, S. 54 ff. 4 Grundlegend BGHZ 90, 370, 376 = NJW 1984, 1891 = ZIP 1984, 698, 699. 5 Übersicht bei Dauner-Lieb, DStR 1998, 609; Seibert, GmbHR 1998, 309; H. P. Westermann, in: FS Zöllner, 1999, S. 607, 611 ff.; zur Verteidigung H. P. Westermann, DZWiR 2000, 1 ff.; scharf kritisch von Gerkan, GmbHR 1997, 677 ff.; anders Dörrie, ZIP 1999, 12 ff.; Lutter, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 13. 6 Lutter, DB 1980, 1320; die Lösung der damaligen Reform wurde daher als Danaergeschenk bezeichnet von Ulmer, BB 1980, 1001; nicht ganz so kritisch Fezer, JZ 1981, 608; s. aber auch Flume, DB 1980, 1781; Brinkmann, GmbHR 1982, 269 ff.; Hüffer, ZHR 142 (1978), 486; Karsten Schmidt, ZHR 145 (1981), 540. 7 Dazu näher Lutter, ZGR 1981, 1 ff.; Grunewald, ZHR 146 (1982), 211 ff.; Mertens, in: FS Werner, 1984, S. 557. 8 S. etwa OLG Köln, WM 1986, 36; BayObLG, WM 1988, 1791; zur Vollstreckung BayObLG, WM 1989, 372; zur missbräuchlichen Ausübung Marsch-Barner, WM 1984, 41; v. Bitter, ZIP 1981, 825; Übersicht über die Praxis bei Gustavus, GmbHR 1989, 181; s. aber auch Zöllner, in: FS 100 Jahre GmbHG, 1992, S. 93.

38

H. P. Westermann

Die Quellen des GmbH-Rechts

Einleitung

sende Kodifizierung des Konzernrechts zu verzichten, nahm die Rechtsprechung zum Anlass für richterrechtliche Lösungen, die systematisch ausgebaut worden sind und erst ganz neuerdings auf die Gefahr einer gewissen Stagnation hin überprüft werden sollen (näher Rdnr. 72). Den nächsten Schritt bildeten wichtige gesetzliche Neuansätze des Jahres 1998, 48 die aber nicht zu einem geschlossenen Reformvorhaben zusammengeführt worden waren. Änderungen des UmwG berühren fast zwangsläufig auch die GmbH, ohne dass dies immer direkt im Gesetz aufgegriffen wird1. Die gesetzgeberischen Bestrebungen, die Kontrolle der Unternehmensführung durch die Gesellschafter verbessern und die Unabhängigkeit der Rechnungsprüfung zu stärken, daneben aber auch Elemente der „Corporate Governance“ einzubringen, haben auch für die GmbH Auswirkungen gehabt. Das gilt besonders für das Gesetz zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich vom 1.5.19982, daneben auch für das KapitalaufnahmeerleichterungsG vom 20.4.19983, das besonders im Kapitalersatzrecht stark umstrittene Änderungen gebracht hat. In diesen Zusammenhang gehören das Justizkommunikationsgesetz aus dem Jahre 2005 und das EHUG (Gesetz über das Elektronische Handelsregister sowie das Unternehmensregister) aus dem Jahre 2006, das den elektronischen4 Bundesanzeiger zum Gesellschaftsblatt i.S. des § 12 bestimmte5, der dann auch das Medium für Pflichtveröffentlichungen i.S. der §§ 325 ff. HGB geworden ist. Die Umstellung hat allerdings die Formerfordernisse nicht verringert. Im Vordergrund stehen daneben die Neuregelungen der Rechnungslegung6. Sie erweiterten den Umfang der Anforderungen an den Lagebericht (§§ 289 Abs. 1, 315 Abs. 1 HGB), in dem nicht nur auf die voraussichtliche Entwicklung, sondern in diesem Rahmen auch auf künftige Risiken einzugehen ist, wobei über das Verständnis des „Risikos“ Meinungsverschiedenheiten möglich sind. Gemäß § 317 Abs. 2 HGB erstreckt sich auf diesen Punkt nunmehr auch die Abschlussprüfung. Nach wie vor können allerdings „kleine“ GmbH i.S. des § 267 Abs. 1 HGB auf einen Lagebericht verzichten. Betroffen ist die GmbH u.U. auch von den Bestimmungen über das Verhältnis des Konzernabschlusses nach dem HGB zu einem nach internationalen Regeln aufgestellten Konzernabschluss; für vertraglich konzernierte GmbH ändert sich aber nichts daran, dass sie ihr Rechenwerk an den für die Muttergesellschaft geltenden Vorschriften ausrichten müssen und durch den Konzernrechnungsprüfer geprüft werden. Inzwischen ist das auch für die GmbH

1 Hierzu im Rahmen der wissenschaftlichen Diskussion näher Kallmeyer, GmbHR 1993, 461 ff. 2 BGBl. I 1998, 786 ff.; zur Auswirkung des Gesetzes auf die GmbH im Einzelnen Altmeppen, ZGR 1999, 291. 3 BGBl. I 1998, 707 ff. 4 Seit dem 1.4.2012 wird der Bundesanzeiger ausschließlich elektronisch über das Internet herausgegeben. Die Bezeichnung lautet daher seit diesem Zeitpunkt nur noch „Bundesanzeiger“ (Gesetz zur Änderung von Vorschriften über Verkündung und Bekanntmachungen sowie der Zivilprozessordnung, des Gesetzes betreffend die Einführung der Zivilprozessordnung und der Abgabenordnung vom 22.12.2011, BGBl. I 2011, 3044). 5 Zu diesen Gesetzen Noack, DB 2005, 599; Schlotter, BB 2007, 1; Paefgen, ZIP 2008, 1653; Mödel/Schicht, ZIP 2008, 2332. 6 Zum Folgenden Küting/Hütten, AG 1997, 250 ff.; Remme/Theile, GmbHR 1998, 909 ff.

H. P. Westermann

39

Einleitung

Die Quellen des GmbH-Rechts

maßgebliche Bilanzrecht des HGB durch das BilMoG vom 25.5.20091 reformiert worden, zu der wichtigen Änderung des § 33 s. dort Rdnr. 1 ff. Die besonders durch das KonTraG verstärkten Pflichten zur Einrichtung eines internen Überwachungs- und Frühwarnsystems haben zu einer ausdrücklichen Erweiterung oder Konkretisierung der Pflichten des GmbH-Geschäftsführers bisher keinen Anlass gegeben, doch sind entsprechende Anforderungen an die Geschäftsführer großer Unternehmen nicht von der Hand zu weisen. Die weitreichenden Änderungen des auf die GmbH bezogenen Verfahrensrechts durch das das FGG ablösende FamFG ändern die Anforderungen des Handelsregisterrechts nicht grundlegend2.

4. Die GmbH im Prozess der europäischen Rechtsangleichung 49

Naturgemäß nimmt die GmbH an der Gesamtentwicklung des europäischen Unternehmensrechts in vollem Umfang teil, wozu auch der Einfluss der EU auf das Steuerrecht gehört. Die Bedeutung der gesellschaftsrechtlichen Richtlinien der EG und später der EU erschöpft sich nicht darin, dass sie durch ihre Umsetzung zu Rechtsquellen des Gesellschaftsrechts geworden sind, sondern sie erfordern weiterhin eine richtlinienkonforme Auslegung des nationalen Handelsund Gesellschaftsrechts3. So geht das auch für die GmbH bedeutsame BiLiRiG auf die 4., 7. und 8. Richtlinie der EG zurück und ist ins deutsche Recht umgesetzt worden, dessen Regeln seitdem fortentwickelt werden, wobei auch zum europäischen Bilanzrecht weitgehende Reformvorschläge existieren4. Die Regelungen betrafen zunächst nur die Kapitalgesellschaften, sind aber durch eine eigens auf die GmbH & Co. KG gemünzte ergänzende Richtlinie5 auch auf diese (typisch deutsche) Unternehmensform ausgedehnt worden. Von Anfang an waren in Bezug auf Art und Intensität der Publizität der Rechnungslegung im Rahmen der Bildung von Größenklassen kleineren Gesellschaften, damit einem nicht unerheblichen Teil der GmbH, Erleichterungen eingeräumt worden, wobei die hierfür maßgeblichen Schwellenwerte Änderungen unterworfen wurden, die der deutsche Gesetzgeber nachvollzogen hat6. Das GmbH-Recht weist eigenständige Vorschriften für die Jahresabschlüsse auf, z.T. in Verbindung mit den §§ 242, 264 ff. HGB, in deren Zusammenhang dann auch auf die Bedeutung der internationalen Rechnungslegungsstandards einzugehen ist7. Im Rahmen des neuen Bilanzrechts sind auch Regelungen über Konzernabschluss und die Prüferbefähigung geschaffen worden8. 1 BGBl. I 2009, 1102 und dazu Ernst/Seidler, BB 2009, 766 ff.; Kleindiek, in: Lutter/Hommelhoff, vor §§ 41 ff. Rdnr. 1 ff. 2 Übersicht bei Lutter, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 17 ff. 3 EuGH, Rs. C-106/89, Slg. 1990, 4144 – „Marleasing“; Lutter, JZ 1992, 593, 604; eine wesentliche Bedeutung der europäischen Rechtsangleichung für die GmbH ist aber noch nicht zu sehen, Ulmer, in: Ulmer, Einl. A Rdnr. 100. 4 S. schon van Hulle, ZGR 2000, 537; Grünwald, in: FS Koppensteiner, 2001, S. 15 ff.; zur aktuellen Lage Bayer/J. Schmidt, BB 2012, 3, 5 f.; Hennrichs, GmbHR 2011, 1065. 5 RL 90/605/ABl. EG Nr. L 317 v. 16.11.1990, S. 60; zur Umsetzung durch das Richtlinien-G im Einzelnen Zimmer/Eckhold, NJW 2000, 1361 ff. 6 Dazu etwa das „Bilanzrechtsreformgesetz“ vom 4.12.2004, BGBl. I 2004, 3166. 7 S. auch bereits Kleindiek, in: Lutter/Hommelhoff, § 42a Rdnr. 50 ff. 8 Zur Abschlussprüfer-RL Eisenhardt/Wachter, DStR 2010, 2532 ff.; Bayer/J. Schmidt, BB 2012, 3, 6.

40

H. P. Westermann

Die Quellen des GmbH-Rechts

Einleitung

Die Publizitätsrichtlinie (68/151/EWG) aus dem Jahre 19681 bezweckte, die das 50 Außenverhältnis der Gesellschaften, hauptsächlich die Vertretung durch Organe und Organpersonen sowie die Offenlegung des haftenden Kapitals betreffenden Regeln zu vereinheitlichen2. Sie ist im Zuge der Kodifizierung des acquis communautaire neu gefasst3. Von der Offenlegungspflicht erfasst sind seitdem insbesondere Angaben über Einzel- und Gesamtvertretung der Gesellschaft durch Organpersonen, für die Publizität der Rechnungslegung gibt es nach wie vor Erleichterungen für kleinere Gesellschaften, §§ 326, 327 HGB. Das Richtlinienrecht schreibt aber Eintragungen bei einem zentralen Handels- oder Gesellschaftsregister, öffentliche Bekanntmachungen der dort erfolgten Eintragungen sowie auch bestimmte Angaben auf den Geschäftsbriefen der Gesellschaft vor, was besonders beim Auftreten im europäischen Ausland gegründeter Gesellschaften in einem der EU-Mitgliedstaaten praktische Bedeutung gewonnen hat. Umfangmäßige Beschränkungen der Vertretungsmacht sowie die Geltendmachung von Gründen, aus denen eine – auch im Außenverhältnis wirkende – Nichtigkeit der Gesellschaft folgen könnte, werden ebenfalls durch Richtlinienrecht in ihrer Wirkung eingegrenzt. Da die Kapitalrichtlinie, die die Finanzierung von Aktiengesellschaften bei ihrer 51 Gründung sowie bei Änderung und Erhaltung des Kapitals betrifft4, nur für Aktiengesellschaften gilt, gibt es keine unmittelbaren Auswirkungen für das GmbH-Recht. Allerdings sind solche Regeln, wenn sie etwa eine Flexibilisierung namentlich der Regeln über Kapitalaufbringung und -erhaltung betreffen, auch für das GmbH-Recht nicht uninteressant, weil derartige Entwicklungen in einem nationalen Recht auch auf die „kleine“ Kapitalgesellschaft durchschlagen können und dann im Zuge der gemeinschaftsrechtlichen Niederlassungsfreiheit (dazu auch Anh. § 4a Rdnr. 16 ff.) von den im Ausland gegründeten Gesellschaften ins Inland „mitgenommen“ werden könnten. In diesen Rahmen gehört auch die Zweigniederlassungsrichtlinie vom 21.12.19895, durch die die in der Publizitätsrichtlinie (Rdnr. 50) geschaffenen Offenlegungspflichten auf Zweigniederlassungen in der Weise ausgedehnt wurden, dass die Niederlassungen ausländischer Gesellschaften durch eine Tochtergesellschaft derselben Publizität unterliegen; nach internationalem Gesellschaftsrecht richtet sich dann, ob dies auch für Gesellschaften gilt, die – ohne Tochtergesellschaften einer ausländischen Gesellschaft zu sein – im europäischen Ausland gegründet sind, einen Verwaltungssitz aber nur in einem anderen Mitgliedstaat haben. Die Richtlinie ist durch Gesetz vom 22.7.1993 umgesetzt6 und (unter Aufhebung des § 12 a.F.) 1 ABl. EG Nr. L 65 v. 14.3.1968, umgesetzt durch Gesetz vom 15.8.1969, BGBl. I 1969, 1146; zu den Reaktionen des deutschen Gesetzgebers auf die Änderungsrichtlinie 2003/58/EG (ABl. EG Nr. L 221 v. 15.7.2003, S. 13) näher Noack, AG 2003, 537; Scholz, EuZW 2004, 172. 2 Dazu Lutter, EuR 1969, 1 ff.; Leible, ZHR 162 (1998), 594. 3 Richtlinie 2009/101/EG vom 16.10.2009, ABl. EU Nr. L 258 v. 1.10.2009, S. 11; dazu Lutter/Bayer/J. Schmidt, Europäisches Unternehmens- und Kapitalmarktrecht, § 19. 4 Richtlinie 77/91/EWG vom 13.12.1976, ABl. EG Nr. L 26 v. 31.1.1977, S. 1; mit einer Neufassung wird für 2012 gerechnet, Bayer/J. Schmidt, BB 2012, 3, 4. 5 ABl. EG Nr. L 395 v. 30.12.1989, S. 33, 36; dazu Habersack, Europäisches Gesellschaftsrecht, Rdnr. 117 ff.; Grundmann, Europäisches Gesellschaftsrecht, Rdnr. 793 ff.; abgedr. bei Lutter, Europäisches Unternehmensrecht, S. 269–273. 6 BGBl. I 1993, 1282.

H. P. Westermann

41

Einleitung

Die Quellen des GmbH-Rechts

in die §§ 13 ff. HGB eingegangen. Bei der Anwendung ist – im Sinne von Richtlinienkonformität – vor allem von dem Gedanken auszugehen, dass die Publizität von Zweigniederlassungen und dann auch von EU-Auslandsgesellschaften in den Mitgliedstaaten gleich oder gleichwertig zu sein hat, was es (auch) verbietet, die Offenlegungspflichten über den Standard der Richtlinie hinaus zu verschärfen. Auf der Zweigniederlassungsrichtlinie beruhen auch die Vorschriften über Offenlegung der Rechnungslegung in § 325a HGB und über die Angaben auf Geschäftsbriefen (§ 35a Abs. 4). 52

Ebenfalls aus dem Jahre 1989 stammt die Einpersonengesellschaftsrichtlinie1, die Einpersonen-Gesellschaftsgründungen in allen Mitgliedstaaten ermöglichen sollte, grundsätzlich, ohne dass daran die persönliche Haftung des „Einmanns“ geknüpft werden darf, ebensowenig grundsätzlich bei Veränderungen des Gesellschafterbestandes auf eine Person, was aus der Sicht der Länder, die als Grundlage auch einer Kapitalgesellschaft einen Vertrag forderten, eigentlich nicht sein konnte2. Hiervon sind aber Ausnahmen möglich für den Fall, dass der „Einmann“-Gesellschafter eine juristische Person ist, desgleichen dann, wenn der (natürliche) „Einmann“ auch alleiniger Gesellschafter anderer Gesellschaften ist. Von dieser Ausnahme haben einige Rechtsordnungen der Gemeinschaft Gebrauch gemacht, auch im Hinblick auf den Fall der Insolvenz einer EinmannGesellschaft. Solche Beschränkungen führen fast zwangsläufig dazu, dass getreu der früheren Praxis die Reduzierung des Gesellschafterkreises auf eine Person durch die Hinzunahme von Treuhändern oder Splitter-Beteiligten vermieden wird, ähnlich, wenn mit der Einmann-Gründung Nachteile verbunden sind3. Da das deutsche Recht eine Einmann-Gesellschaft schon immer zuließ, konnte sich die Umsetzung auf eine Pflicht zur Offenlegung der nachträglichen Entstehung eines solchen Gebildes beschränken, die mit dem heutigen § 40 Abs. 1 erfasst wird, ebenso auf Änderungen des § 35, die im jetzigen Abs. 3 Satz 2 enthalten sind. Zu den Richtlinien über grenzüberschreitende Sitzverlegung und Verschmelzung Anh. § 4a Rdnr. 75, 77. Ob darüber hinaus die rechtsangleichenden Aktivitäten der Europäischen Gemeinschaft in absehbarer Zeit zu einer wesentlichen Vereinheitlichung der materiellen nationalen Regeln der „kleinen“ Kapitalgesellschaften führen werden, ist als Frage dagegen noch spekulativ; eine sehr intensive Vereinheitlichung ist aus der Sicht des praktischen Bedürfnisses nach einem ins nationale Recht stimmig eingefügten Gleichgewicht von Gläubigerschutz und Gestaltungsfreiheit sowie Minderheitenschutz und Anreizen für Investitionen nicht einmal wünschenswert. Eine andere Betrachtung würde für die von der Kommission im Jahre 2008 vorgeschlagene Einführung einer Societas Privata Europaea (SPE) gelten, das Projekt scheint jedoch vorerst gescheitert4. 1 Elfte gesellschaftsrechtliche Richtlinie vom 21.12.1989, ABl. EG Nr. L 395 v. 30.12.1989, S. 33, 40; dazu Hirte, ZIP 1992, 1122; Schimmelpfennig/Hauschka, NJW 1992, 942. 2 Dazu die Erörterungen bei Lutter, in: FS Brandner, 1996, S. 81, 83, u.a. mit Blick auf das italienische Recht. 3 So Lutter, in: FS Brandner, 1996, S. 90 mit Blick auf das belgische Recht. 4 Zum ersten Kommissionsentwurf näher Bayer/J. Schmidt, BB 2010, 387 f.; zu den Gründen der Ablehnung durch Deutschland und Schweden näher Hellwig/Behme, AG 2011, 740; Ulrich, GmbHR 2011, R 241 f.; zum endgültigen Scheitern zuletzt Bayer/J. Schmidt, BB 2012, 3 ff.

42

H. P. Westermann

Die Quellen des GmbH-Rechts

Einleitung

5. Der große Wurf: Das MoMiG Da Rechtsfortbildungen stets nur eine punktuelle Änderung ergeben können 53 und da die Novellen von 1980 und 1986 keine umfassenden Neuansätze verfolgten bzw. damit gescheitert waren, fühlte sich der Gesetzgeber angesichts der vom Gesetz in vielerlei Hinsicht abweichenden tatsächlichen Gestaltungswünsche und Reaktionen der juristischen Praxis darauf angesprochen, eine „große“ Reform zu unternehmen. Dies geschah in Gestalt des am 1.11.2008 in Kraft getretenen „Gesetzes zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen“ (MoMiG)1, das sich durch einige Neuerungen auszeichnete, wie die Zulassung einer Variante der GmbH praktisch ohne Stammkapital, die Möglichkeit der Übernahme mehrerer Geschäftsanteile sowie der Teilbarkeit von Geschäftsanteilen, die vereinfachte Gründung mit einem vom Gesetz vorgelegten Musterprotokoll, die nur durch Gesetz und eben nicht durch rechtsfortbildenden Richterspruch geschaffen werden konnten. Auch die Aufwertung einer Gesellschafterliste beim Handelsregister, die sogar einen Erwerb vom Nichtberechtigten ermöglichen soll, ist hierher zu zählen. Dem Gesetz sind jahrelange Überlegungen und Diskussionen unter Praktikern und Wissenschaftlern2 vorausgegangen, in deren Mittelpunkt vor allem nach dem Erscheinen des Referentenentwurfs und des Regierungsentwurfs Fragen zur Kapitalaufbringung und -erhaltung, das künftige Schicksal des Regelwerks über kapitalersetzende Darlehen, die Neuregelungen zur Gründung und die künftige Stellung der GmbH im internationalen Wettbewerb der Gesellschaftstypen sowie die Insolvenzverschleppungshaftung standen, mit einem gewissen Gewicht auch unabhängig vom MoMiG die Europäische Privatgesellschaft (zu ihr Rdnr. 52 a.E.). Die literarische Auseinandersetzung mit dem neuen Recht ist unübersehbar3, die Akzeptanz von Neuschöpfungen wie der UG (haftungsbeschränkt) und des Musterprotokolls überraschend groß. Die praktischen Schwierigkeiten mit der Gesellschafterliste und der auf sie zu stützenden Möglichkeit eines gutgläubigen Erwerbs bestimmen in einem großen Teil das von der Reform betretene Neuland, während – auch durch das Scheitern der europaweit einzuführenden SPE – die international-rechtlichen Impulse sich hauptsächlich im drastischen Rückgang der Bedeutung der Ltd. zu Gunsten der UG (haftungsbeschränkt) niedergeschlagen haben. Insgesamt ist die Wertschätzung des MoMiG in der gestaltenden Praxis höher als diejenige bei den Gerichten und in der Wissenschaft; die

1 BGBl. I 2008, 2026. 2 Zum RegE etwa Drygala, NZG 2007, 561; Eidenmüller/Grunewald/Noack, Das Mindestkapital im System festen Nennkapitals, in: Lutter, Das Kapital der AG in Europa, ZGR 2006, 17; Freitag, WM 2007, 1681; Gesmann/Nuissl, WM 2006, 1756; Grunewald, WM 2006, 2333; Haas, ZIP 2006, 1373; Habersack, ZHR 170 (2006), 667; Handelsrechtsausschuss des DAV, NZG 2007, 2011; Heckschen, DStR 2007, 1442; Hirte, Reform des gesellschaftsrechtlichen Gläubigerschutzes, in: 66. DJT Band II, 2007; U. Huber, in: FS Röhricht, 2005, S. 259 ff.; Huber/Habersack, BB 2006, 1; Joost, Der Eigenkapitalschutz vor neuen Herausforderungen, in: Gesellschaftsrechtliche Vereinigung (VGR), Die GmbH-Reform in der Diskussion, 2006, S. 31; Kleindiek, ZGR 2006, 335; Noack, DB 2007, 1395; Seibert, GmbHR 2007, 679; Triebel/Otte, ZIP 2006, 1321; Ulmer, in: Liber amicorum W. Happ, 2006, S. 325; Goette, WPg 2008, 231; Wachter, GmbHR 2006, 793. 3 Beste Zusammenstellung bei Goette/Habersack, Das MoMiG in Wissenschaft und Praxis; Michalski, in: Michalski, Syst. Darst. 1 vor Rdnr. 102 (S. 37–40).

H. P. Westermann

43

Einleitung

Die Quellen des GmbH-Rechts

Richter, von denen manche vor zentralen Reformvorhaben gewarnt hatten1, wenden das neue Recht aber loyal an. Erscheinungen wie der „Aufstand der Makulatur gegen das Gesetz“ in Gestalt des Entschlusses, neben dem im Jahr 1980 eingeführten, als Ersatz des Richterrechts gedachten System der §§ 32a, 32b die nach altem Recht entwickelten Rechtsprechungsregeln weiter – und mit der weitaus größeren praktischen Bedeutung – anzuwenden2, dürfte es gegenüber den Bestimmungen des MoMiG nicht noch einmal geben3. a) Die wichtigsten Ziele der Reform 54

Die wichtigsten Ziele der Reform lassen sich aus dem praktischen Umfeld der GmbH über 100 Jahre nach ihrer Entstehung erklären: Auseinandersetzung – teils Bestätigung, teils Rücknahme – rechtsfortbildender Entwicklungen bei der Kapitalaufbringung und -erhaltung, besonders der Finanzierung durch Gesellschafterdarlehen; Stärkung der GmbH im internationalen Wettbewerb der Rechtsformen, hauptsächlich mit der Ltd. des englischen Rechts; vor diesem Hintergrund auch Beschleunigung und Vereinfachung des Gründungsvorgangs; Erhöhung der Flexibilität der Beteiligungen am Kapital der GmbH; Verhinderung von Missbräuchen bei der Organbestellung und bei der Transparenz von Verantwortlichkeiten besonders in der Krise und bei der Beendigung der Geschäftstätigkeit der Gesellschaft, letzteres auch durch Schaffung neuer Straftatbestände. Manche dieser Ansätze haben ihre Ursachen in den Besorgnissen der juristischen, hauptsächlich der anwaltlichen Praxis gegenüber als überzogen empfundenen richterlichen Rechtsfortbildungen, die unter dem Stichwort, dass der Gläubigerschutz nicht in allen Belangen vor dem Gesellschafterschutz rangieren müsse, auch im politischen Raum offen angesprochen wurden4. Allgemein anerkannt war die Notwendigkeit, Missbräuchen von Gesellschafterund Geschäftsführerseite zu begegnen, die darauf hinausliefen, bei der „Beerdigung“ von Gesellschaften Gläubiger und Registergerichte ins Leere laufen zu lassen. Die in diesem Zusammenhang besonders deutliche Haftungsverschärfung vor allem der Geschäftsführer trifft aber nicht nur Personen zweifelhafter Herkunft und umstrittenen Ansehens, sondern auch alle Unternehmensleiter, denen Erfahrungen und spezielle Sachkenntnis für die z.T. intrikaten Probleme der Kapitalaufbringung und -erhaltung fehlen5.

55

Vorstellungen bezüglich der personellen Zielgruppe der Reformansätze leiteten das Gesetzgebungsverfahren nicht, da es wesentlich darum ging, die mehr als 115 Jahre alte Erfolgsgeschichte der GmbH als beliebtester Rechtsform des deut1 S. etwa Goette, WPg 2008, 231; Goette, Status: Recht 2007, 236; Goette, DStR 2009, 51; zu den Auswirkungen der Reform auf die aktuelle höchstrichterliche Rechtsprechung Goette, in: Goette/Habersack, Das MoMiG in Wissenschaft und Praxis, S. 283 ff. 2 BGHZ 95, 192 = NJW 1985, 2947; BGH, NJW 1985, 2719 und dazu ironisch Karsten Schmidt, JZ 1984, 880; davor warnend Huber/Habersack, BB 2006, 113. 3 S. immerhin die im Vorfeld des MoMiG angestellten Überlegungen zum Gegensatz von Gesetzes- und Rechtsprechungsrecht von Karsten Schmidt, ZIP 2006, 1925. 4 Von Gehb/Heckelmann, GmbHR 2006, R 349. 5 Zur GmbH-Reform auf Kosten der Geschäftsführer etwa Karsten Schmidt, GmbHR 2008, 449; zu den Anforderungen aus der Sicht durchschnittlicher Gesellschafter und Geschäftsführer auch H. P. Westermann, in: FS Priester, 2007, S. 835 ff.

44

H. P. Westermann

Die Quellen des GmbH-Rechts

Einleitung

schen Mittelstandes zu erhalten1. Die Schärfe und Vielgestaltigkeit der Diskussionen um die richtige Bewältigung des Phänomens des cash-pooling durch die vorhandene Rechtsprechung, die zu den von der Rechtspolitik besonders ernst genommenen Reformansätzen zählt (näher noch Rdnr. 59), zeigt aber auch, dass die Rolle der GmbH in Unternehmensgruppen und damit zumeist im Rahmen groß-kapitalistischer Strukturen durchaus nicht aus dem Blickfeld herausfiel. Besonderes Augenmerk, so bei der „Modernisierung“ des Gründungsvorgangs und bei den Anforderungen an die anfängliche Kapitalausstattung, wurde aber auch den erstmalig in die Selbstständigkeit gehenden, oft auch jungen, Existenzgründern (auch: im freiberuflichen Bereich) gewidmet. Dies zählt zu den Ursachen einer der Neuschöpfungen des MoMiG, nämlich der Zulassung der mit (nur) einem Euro, höchstens 25 000 Euro ausgestatteten UG (haftungsbeschränkt). Weniger Gewicht – auch angesichts eines nicht voll geklärten kollisionsrechtlichen Hintergrundes – haben die mit den Regeln über die Verlegung des Satzungs- oder Verwaltungssitzes ins Auge gefassten Möglichkeiten deutscher Konzernobergesellschaften, ihre Auslandstöchter bei Verlagerung der Geschäftstätigkeit ins Ausland als Kapitalgesellschaften deutschen Rechts zu führen, also deutschen Gesellschaften weitere ausländische Tätigkeitsfelder zu eröffnen2. Immerhin sind so außer den mittelständischen Unternehmen doch auch grenzüberschreitend tätige Unternehmer und Unternehmensgruppen angesprochen. b) Gründung der Gesellschaft Bei der Gründung der Gesellschaft sollten Änderungen eingeführt werden, die 56 eine Beschleunigung und zugleich Verbilligung des Gründungsvorgangs ermöglichen. Dies war freilich nicht ganz realitätsnah, da schon durch das im Jahre 2007 in Kraft getretene Gesetz über das elektronische Handelsregister und Genossenschaftsregister sowie das Unternehmensregister (EHUG), das auch Verkehrsschutz durch Publizität verwirklichen sollte, die Zeit von der Antragstellung bis zur Eintragung einer GmbH auf wenige Tage verkürzt worden war3, was – wie auch die Höhe der Gründungskosten4 – sie im europäischen Vergleich alles andere als schlecht dastehen ließ. Das galt schon vor dem MoMiG, teilweise sogar schon vor dem EHUG, und eine Senkung der Gründungskosten wurde nach dem MoMiG im Wesentlichen nur für die „vereinfachte“ Gründung nach § 2 Abs. 1a, also mit dem Musterprotokoll, erreicht5, während die bisherigen Erfahrungen mit dem Musterprotokoll, besonders im Zusammenhang mit der Ver-

1 Wachter, in: Goette/Habersack, Das MoMiG in Wissenschaft und Praxis, S. 54 f. 2 Dazu RegE, BT-Drucks. 16/6140, S. 29 und den Überblick von Kindler, in: Goette/Habersack, Das MoMiG in Wissenschaft und Praxis, S. 246 ff. 3 Wicke, ZIP 2006, 977; Bormann/Apfelbaum, ZIP 2007, 946, 950; Goette, DNotZ 2007, 7, 10; skeptisch zu den Beschleunigungseffekten aber Wachter, in: Römermann/Wachter, GmbHR-Sonderheft MoMiG, 2008, S. 25, 26. 4 Dazu Wachter, in: Goette/Habersack, Das MoMiG in Wissenschaft und Praxis, S. 4, zu den mit dem MoMiG verbundenen Erwartungen insoweit Seibert/Decker, ZIP 2008, 1209. 5 Näher Römermann, in: Römermann/Wachter, GmbHR-Sonderheft MoMiG, 2008, S. 16; Roth, in: Roth/Altmeppen, § 2 Rdnr. 71.

H. P. Westermann

45

Einleitung

Die Quellen des GmbH-Rechts

tretungsmacht des ersten und etwaiger weiterer Geschäftsführer1, eine stärkere Verkürzung des Errichtungsvorgangs nicht als gesichert erscheinen lassen; zur jetzigen Lage § 2 Rdnr. 123. Die Höhe etwaiger Beratungskosten bei der Gründung, besonders auch bei der UG (haftungsbeschränkt), hat in den Vorarbeiten keine besondere Rolle gespielt, abgesehen davon, dass nach Nr. 5 des Musterprotokolls diese Kosten nur bis zum Gesamtbetrag von 300 Euro von der Gesellschaft übernommen werden dürfen (um diese vor u.U. sofortiger Überschuldung durch höhere Gebührenforderungen zu bewahren)2, was der schon angesichts der Neuartigkeit mancher der hier bezogenen Normen und Institute notwendigen gründlichen Beratung entgegenwirken kann. Dies letztere zeigt sich schon deutlich an einer der wesentlichen Neuerungen zur Kapitalaufbringung, nämlich dem für die UG (haftungsbeschränkt) nach § 5a Abs. 2 geltenden Volleinzahlungsgebot und dem damit verbundenen Verbot von (offenen) Sacheinlagen, das schon kurz nach Inkrafttreten der Reform zu zahlreichen Fragen um eine mögliche Umgehung dieser Vorschriften geführt hat (näher § 5a Rdnr. 26 ff.). Ob unter diesen Umständen die Neuerung der Gründungsprüfung, wonach Sacheinlagen nur darauf kontrolliert werden sollen, ob sie „nicht unwesentlich“ überbewertet sind (§ 9c Abs. 1 Satz 2), für die GmbH3 eine nennenswerte Vereinfachung darstellt, ist ebenfalls eher fraglich. 57

Als begrüßenswert wurden die Neuregelungen zur Teilung, Zusammenlegung und Stückelung von Geschäftsanteilen empfunden. Man übertreibt nicht, wenn man meint, dass die frühere Bestimmung, nach der jede Stammeinlage eines Gesellschafters mindestens 100 Euro betragen und durch 50 teilbar sein musste (§ 5 Abs. 3 Satz 2 a.F.), ein Ärgernis war4, dem durch den jetzigen § 5 Abs. 2 Satz 1 abgeholfen wird. Auch die Möglichkeit, bei der Gründung der GmbH (nicht auch der UG [haftungsbeschränkt]) mehrere Geschäftsanteile zu übernehmen, die ja von der Rechtslage beim späteren Hinzuerwerb von Geschäftsanteilen unstimmig abwich, wird von der Praxis begrüßt5, auch weil sie die Teilung von Geschäftsanteilen erleichtert. Allerdings müssen nun viele dieses Problem z.T. umständlich regelnde Satzungen überarbeitet werden6, während sich bezüglich der ebenfalls erleichterten Zusammenlegung von Geschäftsanteilen Unklarheiten hinsichtlich des Erfordernisses einer Zustimmungserklärung der beteiligten Gesellschafter abzeichnen7. Zu einem rechtstechnischen wie auch rechtspolitischen Dunkelfeld hat demgegenüber die Ausdehnung des in § 5 Abs. 3 Satz 2 enthaltenen Gebots der Konvergenz der Summe der Nennbeträge der Geschäftsanteile mit dem Stammkapital über das Gründungsstadium der 1 Dazu schon anhand der ersten obergerichtlichen Judikatur Ries, NZG 2009, 739; Wachter, GmbHR 2009, 785, 791; Katschinski/Rawert, ZIP 2009, 1993, 1999; generell skeptisch zur Gründungsdauer einer UG mit Musterprotokoll Bayer/Hoffmann, GmbHR 2008, R 225. 2 Dazu H. P. Westermann, in: Scholz, 10. Aufl. 2010, Bd. III, Nachtrag MoMiG, § 2 Rdnr. 10; s. auch unten § 5a Rdnr. 20. 3 Anders wohl für die AG Wachter, in: Goette/Habersack, Das MoMiG in Wissenschaft und Praxis, S. 10. 4 Happ, ZGR 2005, 6; Triebel/Otte, ZIP 2006, 1321, 1322. 5 Wachter, in: Goette/Habersack, Das MoMiG in Wissenschaft und Praxis, S. 12. 6 Näher Wälzholz, MittBayNot 2008, 425, 435. 7 Auch dazu schon Wachter, in: Goette/Habersack, Das MoMiG in Wissenschaft und Praxis, S. 16.

46

H. P. Westermann

Die Quellen des GmbH-Rechts

Einleitung

Gesellschaft hinaus, wie es wohl vom Gesetzgeber gewollt war1, spätestens bei der Einziehung von Geschäftsanteilen geführt. Das schon bisher nicht kleine Spektrum von Lösungswegen für die Praxis reicht von einer automatischen Erhöhung der Nennwerte der übrigen Geschäftsanteile über einen „Aufstockungsbeschluss“ bis zum notwendigen Erwerb eines eigenen Geschäftsanteils durch die Gesellschaft oder der Entstehung eines gemeinschaftlichen Geschäftsanteils analog § 18. Schon dies (näher dazu § 34 Rdnr. 62 ff.) ist misslich, die diesbezüglichen Pflichten der Geschäftsführer und auch der Gesellschafter, vor einer Einziehung Lösungen zu präsentieren2, bringen diese Personen möglicherweise in eine Lage, die wegen der Haftungssanktion aller mit der Kapitalverfassung zusammenhängenden Normen unangenehm, eigentlich unzumutbar, ist. Es ist zu hoffen, dass dem BGH eine – notfalls rein dezisionistische und übermäßige Haftungsfolgen vermeidende – Lösung gelingt. c) Probleme der Kapitalaufbringung Von jeher waren die Einzelheiten der Kapitalaufbringung von vielfältigen und 58 der Praxis nicht immer willkommenen Ergebnissen richterlicher Rechtsfortbildung geprägt (s. bereits Rdnr. 16, 17), wobei aber nach wie vor klar war, dass Praktiken wie die Leistung einer verdeckten Sacheinlage und des Hin- und Herzahlens eingelegter Geldmittel in hohem Maße regelungsbedürftig sind. Die Lösung der ersten Frage auf der Grundlage des § 19 Abs. 5 a.F., die für den Inferenten einer Sacheinlage die Gefahr begründete, später noch einmal die volle Geldeinlage erbringen zu müssen und die geleistete Sache nur nach Bereicherungsgrundsätzen zurückfordern zu können, wurde als „katastrophal“ empfunden3, zumal diese Folgen auch bei gewöhnlichen Umsatzgeschäften im Rahmen des laufenden Geschäftsbetriebs eingreifen konnten4. Auf die Kritik der – vor allem anwaltlichen – Praxis, in die auch der 66. DJT einstimmte5, und die z.T. eine Differenzhaftung des Einlegers nach Maßgabe des Leistungszeitpunkts befürwortete, wollte der Reformgesetzgeber die Rechtslage, die auch durch die Unsicherheiten bezüglich einer Heilbarkeit des Mangels gekennzeichnet war6, durch Deregulierung moderner gestalten7. Ob dies geglückt ist, kann schon allein angesichts der erheblichen Schwierigkeiten, die mit der jetzt in § 19 Abs. 4 Satz 3 vorgesehenen „Anrechnungslösung“ verbunden sind8, durch die die noch im Entwurf angeordnete Erfüllungswirkung der Sacheinlage ersetzt wurde, und 1 Gesetzesbegr. BT-Drucks. 16/6140, S. 31; dazu näher Blath, GmbHR 2011, 1177 ff. 2 Dazu Strohn, in: MünchKomm. GmbHG, § 34 Rdnr. 64; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, § 34 Rdnr. 74; auch dazu aber Blath, GmbHR 2011, 1177, 1179. 3 Berühmtes Wort von Lutter, in: FS Stiefel, 1987, S. 505, 517. 4 Dazu BGH, WM 2008, 638 f.; die h.M. entwickelte sich an BGHZ 125, 141, 149 ff.; BGHZ 155, 329, 338; Ulmer, ZHR 154 (1990), 128 ff.; Henze, ZHR 154 (1990), 105 ff.; Joost, ZIP 1990, 589; Karsten Schmidt, GesR, § 37 II 4; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/ Hueck, § 19 Rdnr. 30; krit. aber Grunewald, in: FS Rowedder, 1991, S. 111 ff.; Priester, ZIP 1991, 345, 348; Krieger, ZGR 1996, 674, 691. 5 Gutachten von Kleindiek, Verh. II 1 SP 45 ff. 6 BGHZ 132, 141, 143 ff.; zur notwendigen Satzungsänderung und zur Registerkontrolle in diesem Stadium Krieger, ZGR 1996, 674 ff. 7 S. Begr. RegE BT-Drucks. 16/6140, S. 39 ff. 8 Vorschlag etwa des Handelsrechtsausschusses des DAV, NZG 2007, 211, 222 f.; s. auch Winter, in: FS Priester, 2007, S. 872, 876; Roth, in: FS Hüffer, 2010, S. 853 ff.

H. P. Westermann

47

Einleitung

Die Quellen des GmbH-Rechts

die auf dem Fortbestand der Geldeinlagepflicht beruht, noch nicht beurteilt werden1, zumal auch die Definition der verdeckten Sacheinlage in § 19 Abs. 4 nicht als besonders klar empfunden wird2. Schwerer dürfte es wiegen, dass eine genaue zivilrechtsdogmatische Qualifikation dessen, was als „Anrechnung“ zu verstehen ist, im Bereich zwischen Erfüllung, Leistung an Erfüllungs statt oder „Erfüllungssurrogat eigener Art“, sogar als Aufrechnung oder Schadensersatz, kaum denkbar ist, was Folgen für die Möglichkeit einer Kondiktion oder Vindikation haben muss3. Im Ergebnis zögert man zwar, diesen Teil der Reform uneingeschränkt als Fortschritt zu bezeichnen, muss aber sehen, dass ein Eingreifen des Gesetzgebers notwendig war. 59

Die Neuregelung des ebenfalls drängenden Problems der Behandlung des „Hinund Herzahlens“ einer Geldanlage wurde angesichts der hier und auch im Bereich der Kapitalerhaltung zutage getretenen Praktiken des cash-pooling begrüßt. Auch hier war nach der Rechtsprechung klar, dass der entsprechend einer Vorvereinbarung an den Gesellschafter auf der Grundlage eines schuldrechtlichen Geschäfts, meist eines Darlehens, zurückgeflossene Betrag die Erfüllungswirkung der ursprünglichen Leistung entfallen lässt, ohne Rücksicht darauf, ob der aus dem Grundgeschäft folgende Rückgewähranspruch der Gesellschaft einbringlich war, weil es an dem Erfordernis einer „freien Verfügung“ des Geschäftsführers unter solchen Umständen gefehlt habe4. Zwar, so heißt es weiter, ist die Darlehensabrede unwirksam, eine darauf effektiv geleistete Rückzahlung kann aber u.U. noch nachträglich die fortbestehende Einlageschuld erfüllen5. Im cash-pool betraf dies eine „Einlageleistung“ der Muttergesellschaft, die ja meistens taggleich auf sie oder eine andere Tochtergesellschaft zurückgebucht wurde, was nach den Vorstellungen des Gesetzgebers bei Vollwertigkeit des Rückzahlungsanspruchs der Einlagengläubigerin nicht angemessen erschien6. Man sah eine wichtige Sachnähe zur Regelung der verdeckten Sacheinlage und fügte deshalb die Lösung in § 19 Abs. 5 ein; systematisch besteht auch eine Verbindung zu der für die Kapitalerhaltung im MoMiG betonten „bilanziellen Betrachtungsweise“7. Auch dieser Neuansatz findet überwiegend Zustimmung, aber das Problem der Vollwertigkeit des Rückzahlungsanspruchs der Gesellschaft, zu dessen Lösung der Gesetzgeber nicht beitrug8, könnte zu einer Bedrohung der Akzeptanz der Reform werden, ähnlich wie das Erfordernis (§ 19 Abs. 5 Satz 2) der Offenlegung des Rückflusses gegenüber dem Registergericht, von des-

1 S. nur Maier-Reimer/Wenzel, ZIP 2008, 1449; Pentz, in: FS Karsten Schmidt, 2009, S. 1265 ff.; Dauner-Lieb, AG 2009, 217 ff.; positive Würdigung der „Anrechnungslösung“ aber bei Winter, in: Goette/Habersack, Das MoMiG in Wissenschaft und Praxis, S. 65 ff. 2 Grundsätzlich krit. Pentz, in: FS Karsten Schmidt, 2009, S. 1265 ff. 3 Pentz, in: FS Karsten Schmidt, 2009, S. 1265, 1273; Gesell, BB 2007, 2241, 2245. 4 BGHZ 153, 107, 109; BGHZ 165, 113, 116; BGH, ZIP 2008, 1281. 5 BGHZ 165, 113, 117; BGHZ 165, 332, 336. 6 Begr. RegE BT-Drucks. 16/6140, S. 34; s. auch die Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses des Bundestages, BT-Drucks. 16/9737, S. 97. 7 Seibert/Decker, ZIP 2008, 1208, 1210; zu diesem Gedanken krit. aber Nodoushani, ZIP 2012, 97 ff. 8 Begr. RegE (§ 30), BT-Drucks. 16/6140, S. 41; krit. Büchel, GmbHR 2007, 1065, 1067.

48

H. P. Westermann

Die Quellen des GmbH-Rechts

Einleitung

sen Einhaltung man die Erfüllungswirkung abhängig machen könnte1; zur heutigen Handhabung der Neuregelung eingehend § 19 Rdnr. 171 ff. d) Probleme der Kapitalerhaltung Die Kapitalerhaltung stand von jeher im Mittelpunkt des kritischen Umgangs 60 mit der beständig als Gläubigergefährdung beargwöhnten GmbH. So hat die als Ausgangspunkt unbestrittene Regelung in §§ 30, 31 eine Reihe von Ausweitungen erfahren, so im Hinblick auf das Verständnis der „Auszahlung“, insbesondere bei Grundlagen des Vorgangs im Gesellschaftsverhältnis und bei der Abgrenzung zwischen Gesellschafter- und Drittgeschäften. Diese Fragen spitzten sich bei Auszahlungen unter mittelbarer Beteiligung von Gesellschaftern und im Rahmen von Unternehmensverbindungen zu. Im Zentrum der Anwendungsfälle des § 30 stand aber auch das Kriterium der Verursachung von Unterbilanz durch eine Auszahlung an Gesellschafter, was Fragen der Einbeziehung bestimmter Geschäfte und Posten in die Bilanzierung nach sich zog und überdies für Konzernverhältnisse keine klare Konzeption erkennen ließ. Das zeigte sich für die Praxis besonders augenfällig bei der bilanziellen Betrachtung von upstream-Darlehen der Gesellschaft an Gesellschafter, die ursprünglich als reiner Aktiventausch betrachtet wurde2, was aber keineswegs unstreitig war3. Die schon damals angegriffene bilanzielle Betrachtungsweise wurde in einem viel besprochenen Urteil des BGH, das eine Darlehensauszahlung an einen Gesellschafter zumindest für den Regelfall als verboten ansah, auch wenn der Rückzahlungsanspruch vollwertig erschien (sog. November-Urteil4), aufgegeben, obwohl der Sachverhalt eine so einfache Klassifizierung nicht gestattete5. Das änderte aber nichts daran, dass diese Rechtsprechung, die ja auch keineswegs allein stand, insbesondere das cash-pooling deutlich infrage stellte6. Einen neuen Akzent in dieser Diskussion setzte der BGH in einem Fall der Inanspruchnahme der Aufsichtsratsmitglieder einer faktisch durch eine GmbH beherrschten AG wegen der Gewährung eines Kredits an die Muttergesellschaft, die im Zeitpunkt der Kreditgewährung solvent gewesen war; es ging um die Bewertung des Rückgewähranspruchs, der nicht besichert war, ferner um die Frage, ob die Beklagten für eine kurzfristige Rückführung des Kredits hätten sorgen müssen7. Völlige Bedeutungslosigkeit des Rückgewähranspruchs war diesem Urteil nicht zu entnehmen, so dass die Interpretation der 1 Im Einzelnen dazu Winter, in: Goette/Habersack, Das MoMiG in Wissenschaft und Praxis, S. 75 f.; Heckschen, DStR 2009, 166, 173. 2 Hierzu Koppensteiner, ZHR 155 (1991), 97, 104; Cahn, Kapitalerhaltung im Konzern, S. 247 ff.; Grunewald, WM 2006, 2333 f.; J. Vetter, BB 2004, 1509, 1512. 3 Dagegen Bayer, in: FS Lutter, 2000, S. 1011, 1022; Wilhelmi, Grundsatz der Kapitalerhaltung, S. 170, 205 f. 4 BGHZ 157, 72; dazu Helmreich, GmbHR 2004, 457 ff.; Cahn, Der Konzern 2004, 235 ff.; Saenger, NZG 2004, 271 ff.; Bayer/Lieder, ZGR 2005, 133 ff.; Altmeppen, ZIP 2006, 1025. 5 Näher dazu H. P. Westermann, in: Scholz, 10. Aufl. 2010, Bd. III, Nachtrag MoMiG, § 30 Rdnr. 23–25. 6 Erörterung durch J. Vetter, in: Goette/Habersack, Das MoMiG in Wissenschaft und Praxis, S. 116; zu dem in diese Richtung weisenden Urteil des OLG München (ZIP 2006, 25) Bayer/Lieder, ZGR 2005, 133; Kerber, ZGR 2005, 437. 7 „MPS“-Urteil BGH, GmbHR 2009, 199; dazu Altmeppen, ZIP 2009, 49; Kropff, NJW 2009, 814, 816; Mülbert/Leuschner, NZG 2009, 281, 283.

H. P. Westermann

49

Einleitung

Die Quellen des GmbH-Rechts

Rechtsprechung, die schon bei dem November-Urteil nicht unstreitig war1, namentlich im Hinblick auf die Tragweite der „bilanziellen Betrachtungsweise“ fraglich erschien2. 61

Hier setzt die Neufassung des § 30 Abs. 1 durch das MoMiG an, die einen Verstoß gegen das Kapitalerhaltungsgebot nicht annimmt für Leistungen, die durch einen vollwertigen Gegenleistungs- oder Rückgewähranspruch gegen den Gesellschafter gedeckt sind, verbunden mit einem „gesetzgeberischen Nichtanwendungserlass“3 bezüglich der Rückgewähr eines Gesellschafterdarlehens sowie von Leistungen auf Forderungen aus Geschäften, die einem Gesellschafterdarlehen wirtschaftlich entsprechen. Hinzu kam eine weitere Ausnahme für Leistungen, die bei Bestehen eines Beherrschungs- oder Gewinnabführungsvertrags erfolgen. Das zielte insgesamt auf ein Abrücken vom November-Urteil des BGH auf der Grundlage der nunmehr wieder gestärkten bilanziellen Betrachtungsweise des Kapitalschutzes4. Obwohl dies teilweise nur als Klarstellung des Rechtszustandes verstanden wurde5, kann auch von einer „Rechtsrückbildung“ gesprochen werden, mit der das Gesetz den Bedürfnissen der Praxis der Upstream-Darlehen und des cash-pooling entgegenkommen wollen, ohne dass freilich ein ebenfalls der Judikatur des BGH zu entnehmender Hinweis auf die Notwendigkeiten eines Frühwarnsystems in der Unternehmensgruppe vernachlässigt werden dürfte6. Es ist nicht verwunderlich, dass die Neuregelung überwiegend begrüßt worden ist7, besonders auch wegen des Handlungsspielraums, der durch die Ersetzung der bis dahin auch in Konzernverhältnissen maßgeblichen Art des Kapitalschutzes durch den Verlustausgleich gemäß § 302 AktG (analog)8 entstand. e) Kapitalersetzende Gesellschafterdarlehen

62

Einen deutlich tieferen Einschnitt in das rechtsfortbildend z.T. gegen den Gesetzgeber (Rdnr. 53) geschaffene Normensystem stellt die Neuregelung der kapitalersetzenden Gesellschafterdarlehen dar. Im früheren Recht gab es nach dem Reformansatz vom Jahre 1980 eine gesetzliche Regelung in den §§ 32a, 32b, die Gesellschafterdarlehen, die der Gesellschaft in einem Zeitpunkt gewährt wor1 Joost, in: Gesellschaftsrechtliche Vereinigung (VGR), Die GmbH-Reform in der Diskussion, 2006, S. 31, 36 ff.; Bayer/Lieder, ZGR 2005, 25; Altmeppen, ZIP 2006, 1025, 1030; Goette, DStR 2006, 767 f.; Habersack/Schürnbrand, BB 2006, 288. 2 Immerhin ist davon auszugehen, dass der BGH die Sätze seines „November“-Urteils aufgegeben hatte, dazu Hommelhoff, in: Lutter/Hommelhoff, § 30 Rdnr. 25. 3 Formulierung von J. Vetter in: Goette/Habersack, Das MoMiG in Wissenschaft und Praxis, S. 109. 4 Begr. RegE BT-Drucks. 16/6140, S. 41. 5 J. Vetter, in: Goette/Habersack, Das MoMiG in Wissenschaft und Praxis, S. 119. 6 BGH, ZIP 2009, 70, 72; dazu Gehrlein, Der Konzern 2007, 770, 771; Henze, WM 2008, 717, 726; H. P. Westermann, in: Scholz, 10. Aufl. 2010, Bd. III, Nachtrag MoMiG, § 30 Rdnr. 28. 7 Handelsrechtsausschuss des DAV, NZG 2007, 735, 740; Drygala/Kremer, ZIP 2007, 1289 ff.; Saenger, in: FS H. P. Westermann, 2008, S. 1381, 1386 ff.; Karsten Schmidt, GmbHR 2008, 449, 453; krit. Hölzle, GmbHR 2007, 729, 734; zur Systematik Joost, in: FS Hüffer, 2010, S. 405, 406 ff., 411 ff. 8 J. Vetter, in: Goette/Habersack, Das MoMiG in Wissenschaft und Praxis, Rdnr. 4.131.

50

H. P. Westermann

Die Quellen des GmbH-Rechts

Einleitung

den waren, „in dem ihr die Gesellschafter als ordentliche Kaufleute Kapital zugeführt hätten“, für den Insolvenzfall als nachrangige Insolvenzforderungen qualifizierte. Aus dieser Qualifikation des Darlehens wurden Folgerungen gezogen für die Bestellung von Sicherheiten oder die Behandlung anderer einem Darlehen wirtschaftlich entsprechender Rechtshandlungen. Für den Fall der Rückzahlung eines solchen Darlehens im Jahr vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens sah § 32b eine Erstattungspflicht unter entsprechender Anwendung des § 146 InsO vor. Diese gesetzliche, in der Insolvenz der Gesellschaft eingreifende Regelung, spielte praktisch eine nur geringe Rolle1, da die Rechtsprechung auf solche in einer „Krise der Gesellschaft“ (so die Definition der maßgeblichen Situation in § 32a Abs. 1) gewährten Darlehen die §§ 30, 31 entsprechend anwendete, was für die Praxis bedeutete, dass der Gesellschaft auch außerhalb eines Insolvenzverfahrens und vor allem auch außerhalb der Frist gemäß § 32b ein Rückforderungsanspruch bezüglich der auf ein derartiges Darlehen erbrachten Zins- und Tilgungsleistungen zustand, den der Geschäftsführer (zur Vermeidung eigener Haftung) geltend machen musste, den aber in der Regel der Insolvenzverwalter erhob. Das Kriterium der Krise der Gesellschaft, ferner die Behandlung von für dieses 63 Gesellschafterdarlehen bestellten Sicherheiten, auch die Gleichstellung wirtschaftlich entsprechender Geschäfte, war bereits in der rechtsfortbildenden Judikatur entwickelt worden, die aber im Übrigen erhebliche Erweiterungen des Grundansatzes vorgenommen hatte. So musste das Darlehen nicht während der Krise gewährt worden sein, sondern konnte auch, in wirtschaftliche gesunden Zeiten gegeben, in der Krise „stehengelassen“ worden sein2, und es machte auch nichts aus, wenn ein „Gesellschafter-Darlehen“ zu einem Zeitpunkt gegeben wurde, in dem der Darlehensgeber noch nicht Gesellschafter war, sondern die Beteiligung erst später erwarb3. Entscheidender Zeitpunkt ist immer die Gewährung oder Belassung des Darlehens in der Krise. Einem Darlehen wurde u.U. auch die Überlassung von Sachwerten zur Nutzung gleichgestellt (kapitalersetzende Nutzungsüberlassung), die Rechtsfolge sah aber anders aus insofern, als der Eigentümer/Gesellschafter verpflichtet wurde, den Gegenstand auch weiterhin (unentgeltlich) der Gesellschaft bis zum Ende der vorgesehenen Vertragslaufzeit zu überlassen. Weitergehende Forderungen, den Gegenstand in die Insolvenzmasse fallen zu lassen, hatte die Rechtsprechung nicht erfüllt4. Der rechtspolitische Grundgedanke, erst im Zuge der Entwicklung der einzelnen Rechtssätze und -institute formuliert, war die Finanzierungs- und (später) Finanzierungsfolgenverantwortung der Gesellschafter, denen nicht untersagt werden sollte, in einer Krise der Gesellschaft mit Darlehen auszuhelfen, die es aber hinnehmen sollten, dass das Darlehen während der Krise und in der Insolvenz der Gesellschaft verbleibt, somit zur Gläubigerbefriedigung dienen kann und an den

1 Dazu Karsten Schmidt, in: Scholz, 10. Aufl. 2006, §§ 32a, 32b Rdnr. 15, 77. 2 BGHZ 75, 334, 336; BGHZ 81, 311, 317; BGHZ 104, 33, 39; dazu Karsten Schmidt, in: Scholz, 10. Aufl. 2006, §§ 32a, 32b Rdnr. 47. 3 Nachweise bei Karsten Schmidt, in: Scholz, 10. Aufl. 2006, §§ 32a, 32b Rdnr. 33; zur Gegenansicht aber Claussen, ZHR 147 (1983), 195, 216 ff. 4 BGHZ 121, 31, 45; BGHZ 127, 1, 8 f.; BGHZ 127, 17, 22; dazu Knobbe-Keuk, BB 1984, 1 ff.; a.A. Schulze-Osterloh, ZGR 1983, 123, 142; Kessler, GmbHR 1993, 541, 545 f.

H. P. Westermann

51

Einleitung

Die Quellen des GmbH-Rechts

Gesellschafter-Darlehensgeber wie das Eigenkapital der Gesellschaft erst nach Befriedigung sämtlicher Gläubiger, also in der Praxis niemals, zurückfließen sollte. Dieser Gedanke, der an die Verhaltensweise eines, wie es im Gesetz hieß „ordentlichen Kaufmanns“ anknüpfte, ließ sich auf andere Beteiligungsformen, hauptsächlich in der Personengesellschaft und später auch in der AG, übertragen1. 64

Kein anderes Rechtsinstitut des Kapital- und später auch des Personengesellschaftsrechts hat in den Grundsätzen und Folgen so prinzipielle Kritik und so scharfe Zurückweisung dieser Kritik durch die „Falken“ der herrschenden Meinung hervorgerufen2. Da aber die Rechtspraxis in den Grundsätzen im Wesentlichen feststand, behalf sich die Praxis, da aus dem positiven Gesetzesrecht nicht viel zu entnehmen war, mit ausführlichen, zahlreichen Differenzierungen in Anwendungsbereich, Rechtsfolgen und Ausnahmetatbeständen, auch im Rahmen von Konzernsachverhalten, mit maßstäblichen, handbuchartigen Darstellungen, die auch nach dem MoMiG fortgeführt werden müssen3. Die Kritik betraf die auch unter den Vertretern der h.M. nicht unstreitige Begründung der verschiedenen Lösungsschritte aus der „Finanzierungsfolgenverantwortung“ der Gesellschafter, die darin bestehe, dass der Gesellschafter in der Krise der Gesellschaft mit Fremdmitteln zu helfen sucht, statt sie zu liquidieren oder ihr Eigenkapital zuzuführen4; stärker beklagt wurden die forensischen Schwierigkeiten bei der Handhabung des Tatbestandsmerkmals des Kapitalersatzes in der Krise5. Beklagt wurde auch die Sanierungsfeindlichkeit des Normkomplexes6, in Frage stand schließlich seine gesellschafts- oder insolvenzrechtliche Einordnung7, dies nicht zuletzt wegen der international-privatrechtlichen Qualifikation im Fall von Insolvenz von Gesellschaften mit ausländischem Gründungssitz. Vor dem Hintergrund der Kritik und im Zuge anderer Reformbestrebungen des MoMiG, so der Maßgeblichkeit der bilanziellen Betrachtungsweise bei der Kapitalerhaltung, aber auch der weniger strengen Regeln über Mindestkapital und Kapitalaufbringung8, ist der „große“ Neuansatz des geltenden Rechts zu verstehen. 1 Dazu grundlegend BGHZ 90, 381 = NJW 1984, 1893; BGH, AG 2005, 617; Ulmer, ZIP 1984, 1163; Claussen, AG 1985, 173; zur Diskussion vor dem Urteil des BGH H. P. Westermann, ZIP 1983, 1281 ff.; zur Fortführung des Gedankens bis zur Reform U. Huber, in: FS Priester, 2007, S. 259 ff. 2 Krit. T. Bezzenberger, in: FS G. Bezzenberger, 2000, S. 23 ff.; Cahn, AG 2005, 217 ff.; Claussen, GmbHR 1996, 316, 320 ff.; Götz/Hegerl, DB 1997, 2365; Grunewald, GmbHR 1997, 7 ff.; Koppensteiner, AG 1998, 308 ff.; später U. Huber, in: FS Priester, S. 254, 271 ff.; Engert, ZGR 2004, 813 ff.; Antikritik bei Karsten Schmidt, GmbHR 2005, 797 ff.; Bork, ZGR 2007, 250. 3 Von Gerkan/Hommelhoff, Handbuch des Kapitalersatzrechts, 2. Aufl. 2002; Goette/ Kleindiek, Eigenkapitalersatzrecht in der Praxis, 5. Aufl. 2007. 4 Krit. dazu U. Huber, in: FS Priester, S. 259, 271 ff.; zu weiteren Begründungen etwa aus der Doppelrolle als Gesellschafter und Insider/Gläubiger Ulmer, in: FS Duden, S. 673; Karsten Schmidt, ZHR 147 (1983), 183, hier auch mit dem Vorwurf widersprüchlichen Verhaltens, dazu BGHZ 81, 311, 314; Fleck, LM Nr. 6, 11 zu § 30 GmbHG. 5 Näher Habersack, in: Goette/Habersack, Das MoMiG in Wissenschaft und Praxis, Rdnr. 5.13. 6 Götz/Hegerl, DB 1997, 2365. 7 Haas, NZI 2001, 1 ff. 8 Dazu Habersack, in: Goette/Habersack, Das MoMiG in Wissenschaft und Praxis, Rdnr. 5.11 ff.

52

H. P. Westermann

Die Quellen des GmbH-Rechts

Einleitung

Es verdient hervorgehoben zu werden, dass die Grundgedanken von Vertretern 65 der Wissenschaft erarbeitet und formuliert wurden, die keineswegs für die Beseitigung der Sonderregeln über die Darlehensfinanzierung der Gesellschaften eingetreten waren, die aber auch aufgrund rechtsvergleichender Erkenntnisse als Ursache für die Sonderbehandlung eines – und zwar: jedes – Gesellschafterdarlehens den Schutz der Gesellschaftsgläubiger vor einem Missbrauch der Haftungsbeschränkung nannten1, welche Qualifikation also nicht auf „kapitalersetzende“ Darlehen und auch nicht auf die Hingabe in einer Krise des Unternehmens beschränkt werden sollte. Das führte zur Aufhebung der §§ 32a, 32b und Verlagerung der Materie ins Insolvenzrecht, so dass die Kapital- und die Personengesellschaften ohne Rücksicht auf die Finanzierungsfolgenverantwortung des Darlehensgebers erfasst werden. Es blieb bei der Erstreckung auf Forderungen aus Rechtshandlungen, die einem Darlehen wirtschaftlich gleichstehen (§ 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO), wobei auch Finanzierungen von dritter Seite, für die ein Gesellschafter Sicherheit leistet, einbezogen sind. Hinsichtlich der zu untersuchenden Geschäftsvorfälle gibt es in einigen Punkten Änderungen, die Rechtsfolgen bestehen im Grundsatz darin, dass nunmehr jede der Gesellschaft von Gesellschafterseite außerhalb der Einlage von Kapital gewährte Finanzierung, ohne Rücksicht auf ihre kapitalersetzende Funktion, unter die insolvenzrechtliche Sonderregelung zur Nachrangigkeit fällt2. Die Ausnahmen für Kleinstbeteiligte und für Gläubiger, die ihre Beteiligung mit dem Ziel einer Sanierung erworben haben, bleiben bestehen, desgleichen – im Rahmen des § 44a InsO – die Behandlung gesellschafterbesicherter Darlehensansprüche. Wichtig, wenn auch in seinem Erfolg noch nicht recht zu übersehen, ist der Versuch, durch eine rechtsformneutrale Ausgestaltung der neuen Regeln auch „Auslandsgesellschaften“ zu erfassen3; auch eine Sonderbehandlung von Darlehen innerhalb eines Konzerns soll es nicht geben4, wodurch die Behandlung von Gesellschafterdarlehen von den Regeln der Kapitalerhaltung abweicht. Besonderheiten gelten für die Nutzungsüberlassung insofern, als die Forderungen aus Miete oder Pacht, die der Gesellschafter ja meist gestundet haben wird, nachrangig sind und auf diese Forderungen geleistete Zahlungen, wenn nicht die Voraussetzungen eines Bargeschäfts vorliegen, nach § 135 InsO angefochten werden können; die Verpflichtung, der Gesellschaft auch während des Insolvenzverfahrens die Sache weiterhin unentgeltlich zu überlassen, besteht aber nicht mehr5. Die neue Konzeption der insolvenzrechtlichen Behelfe ist in ihren Einzelheiten noch nicht durchweg übersehbar.

1 Huber/Habersack, in: Lutter, Das Kapital der Aktiengesellschaft in Europa, S. 370, 381 ff.; Huber/Habersack, BB 2006, 1 ff. 2 Michalski, in: Michalski, Syst. Darst. I Rdnr. 134; Habersack, in: Goette/Habersack, Das MoMiG in Wissenschaft und Praxis, Rdnr. 5.29, 30; zu dem sogleich im Text erwähnten „Sanierungsprivileg“ Wittig, in: FS Karsten Schmidt, 2009, S. 1743 ff. 3 Begr. RegE BT-Drucks. 16/6140, S. 56 f. 4 Habersack, in: Goette/Habersack, Das MoMiG in Wissenschaft und Praxis, Rdnr. 5.33. 5 Dazu Bayer/Graff, DStR 2006, 1654, 1659; dagegen aber Mülbert, WM 2006, 1977, 1980; Bork, ZGR 2007, 250, 267.

H. P. Westermann

53

Einleitung 66

Die Quellen des GmbH-Rechts

Die Neuregelung, vor der vielfach gewarnt worden ist1 und von der teilweise ein Verlust an Rechtssicherheit befürchtet wird2 (obwohl beim bisherigen Recht Sicherheit hauptsächlich nur durch die im Ergebnis meist vorhersehbare Feststellung der Finanzierungsfolgenverantwortung des Gesellschafters erreicht wurde), stößt hinsichtlich der Systematik der insolvenzrechtlichen Regeln auf heftige Kritik3, die aber im Hinblick auf die grundsätzliche Verlagerung der Materie ins Insolvenzrecht angesichts der lex lata keine wesentlichen Modifikationen bringen dürfte4. f) Insolvenzverschleppung

67

Die Verlagerung des Rechts der Gesellschafterdarlehen ins Insolvenzrecht berührt sich mit den durch das MoMiG verstärkten Schutzvorkehrungen gegen Insolvenzverschleppung, die dem Geschäftsführer, aber z.T. auch den Gesellschaftern, Pflichten auferlegen. So sind die letzteren nach § 15a Abs. 3 InsO zur Stellung eines Insolvenzantrags (bei Vorliegen der Voraussetzungen) verpflichtet, wenn die GmbH keinen Geschäftsführer hat. Wie die Geschäftsführerhaftung bei Versäumung der Insolvenzantragspflicht ist diejenige der Gesellschafter straf- und schadensersatzbewehrt5, wenn der Beklagte nicht nachweisen kann, dass ihm die Insolvenzreife und das Fehlen eines Geschäftsführers unbekannt waren. Anspruchsberechtigt sind sowohl Alt- als auch Neugläubiger, wobei die Probleme, die das bisherige Recht mit der inhaltlichen Bestimmung des Schadens (Quotenschaden oder Anspruch auf den gesamten Vertrauensschaden, Individualschaden) hatte6 auch im reformierten Gesetz nicht gelöst sind. Die Insolvenzantragspflicht kann auch die Gesellschafter von Auslandsgesellschaften treffen, wenn das deutsche Insolvenzrecht eingreift, sie gilt auch für Kleinbeteiligte mit einer unter 10 % liegenden Beteiligung. Neben diesen Verantwortlichkeiten verstärkt das neue Recht die Insolvenzverschleppungshaftung durch eine Ausweitung des Zahlungsverbots in § 64 Satz 3, was auf eine Haftung für Verursachung der Insolvenz hinausläuft7; jedenfalls bestand ein spezielles Auszah1 Hommelhoff, in: Gesellschaftsrechtliche Vereinigung (VGR), Die GmbH-Reform in der Diskussion, 2006, S. 115, 123 ff.; Pentz, in: Gesellschaftsrechtliche Vereinigung (VGR), Gesellschaftsrecht in der Diskussion 2006, 2007, S. 132 ff.; Karsten Schmidt, BB 2008, 461 ff.; Goette/Kleindiek, Eigenkapitalersatzrecht, S. V; Thiessen, ZIP 2007, 253. 2 Freitag, WM 2007, 1681. 3 Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Anh. §§ 32a, b Rdnr. 5; s. auch Klinck/Gärtner, NZI 2008, 457, 461. 4 Zust. Haas, InsO 2007, 617 ff.; Mülbert, WM 2006, 1977 ff.; Noack, DB 2006, 1475; Schäfer, DStR 2006, 2085 ff. 5 Zur Herleitung der Außenhaftung aus § 823 Abs. 2 BGB, § 64 Abs. 1 GmbHG, BGHZ 126, 181; BGHZ 138, 211; BGHZ 171, 46; Schulze-Osterloh, in: FS Lutter, 2000, S. 707 ff.; zur neuen Rechtslage ebenso Casper, in: Goette/Habersack, Das MoMiG in Wissenschaft und Praxis, Rdnr. 6.20. 6 Dazu Casper, in: Goette/Habersack, Das MoMiG in Wissenschaft und Praxis, Rdnr. 6.23, 24; Henssler/Dedek, in: FS Uhlenbruck, S. 175, 185 ff.; Wagner, in: FS Karsten Schmidt, 2009, S. 1665, 1669 ff. 7 Karsten Schmidt, GmbHR 2007, 1072, 1079, während bei Poertzgen (NZI 2008, 9) und Michalski, in: Michalski, Syst. Darst. 1 Rdnr. 143, von Insolvenzverschleppungshaftung die Rede ist. Zur Organhaftung im Vorfeld der Insolvenz eingehend Strohn, NZG 2011, 1161 ff.

54

H. P. Westermann

Die Quellen des GmbH-Rechts

Einleitung

lungsverbot im Vorfeld der Zahlungsunfähigkeit1. Keine Kodifikation hat es im Hinblick auf die deliktische, an die Stelle von Deliktstatbeständen getretene Existenzvernichtungshaftung (Rdnr. 11) gegeben. g) Bekämpfung von Missbräuchen Die den Titel des Reformgesetzes mitbestimmenden Missbräuche betreffen vor 68 allem einzelne Vorgänge, so bei den als „Firmenbestattung“ bezeichneten Vorgängen die Verdunkelung von Verantwortlichkeiten, Verschiebung von Vermögen, Verzögerung gerichtlicher Verfahren im Zusammenhang mit der Beendigung der Tätigkeit von GmbH in einer ausweglosen Krise2. Es handelt sich um Wirtschaftskriminalität. Weil hiermit bestimmte Tätertypen angesprochen sind, hat das MoMiG in § 6 die Bestellungshindernisse für Geschäftsführer verschärft, was wiederum auch für Schein-Auslandsgesellschaften gilt3. Auch eine Verurteilung wegen bestimmter Auslands-Straftaten gehört hierher. Wegen der Einzelheiten, besonders zu der hier eingreifenden Gesellschafterhaftung wegen Verstoßes gegen Bestellungsverbote, s. zu § 6 Rdnr. 22 ff., 39 ff. Ebenfalls in diesem Band behandelt (§ 5 Rdnr. 27, § 34 Rdnr. 62 ff.) sind die Probleme, die sich aus der Ausdehnung des Gebots der Konvergenz der Summe der Geschäftsanteile mit dem Betrag des Stammkapitals ergeben. Zum Übergangsrecht s. § 3 EGGmbHG. h) Völlige Neuerungen: Gesellschafterliste und UG (haftungsbeschränkt) Besonders große Aufmerksamkeit haben zwei Neuschöpfungen des MoMiG er- 69 regt. Eine Gesellschafterliste gab es bereits im früheren Recht, die jetzige Fassung des § 16 enthält aber grundlegende Neuerungen in Gestalt einer gegenüber der Gesellschaft bestehenden Legitimationswirkung der Liste (§ 16 Abs. 1), was die Frage nach den Folgen fehlerhafter Listenvermerke oder eines fehlerhaften Anteilserwerbs aufwirft. Das Ziel, bezüglich der Anteilsverteilung in der GmbH Transparenz herzustellen4, passt zu dem Vorhaben der Missbrauchsbekämpfung, während die in § 16 Abs. 3 neu geschaffene Möglichkeit eines gutgläubigen Erwerbs von Geschäftsanteilen vom Nichtberechtigten schon kurze Zeit nach ihrer Einführung rechtliche Probleme aufgeworfen hat, ähnlich die Voraussetzungen und Wirkungen einer aufschiebend bedingten Anteilsveräußerung; zu den Einzelheiten s. § 16 Rdnr. 57 ff. Eine weitere, vielfach beargwöhnte, in der Praxis aber mittlerweile stark verbreitete und auch in der Diskussion um den Wettbewerb der Rechtsformen beachtete neue Sonderform der GmbH ist die UG (haftungsbeschränkt), die zwar als „Variante“ der GmbH bezeichnet wird, aber bereits kurz nach ihrer Zulassung zahlreiche eigenständige Probleme hervor-

1 Hölzle, GmbHR 2007, 729; Michalski, in: Michalski, Syst. Darst. 1 Rdnr. 143. 2 Kleindiek, ZGR 2007, 276 ff.; näher Seibert, in: FS Röhricht, S. 585 ff. 3 Dazu Kindler, AG 2007, 721, 729; Michalski, in: Michalski, Syst. Darst. 1 Rdnr. 144; zu den Katalogstraftaten nach neuerem Recht Kleindiek, in: Goette/Habersack, Das MoMiG in Wissenschaft und Praxis, Rdnr. 8.9, 10. 4 Zu den Möglichkeiten, das Vorgehen gegen Geldwäsche und Terrorismus-Finanzierung zu erleichtern, Ebbing, in: Michalski, § 16 Rdnr. 7; positiv zur Gesellschafterliste besonders Bayer, GmbHR 2010, 1289, 1290.

H. P. Westermann

55

Einleitung

Die heutige rechtspolitische Situation des GmbH-Rechts

gerufen hat. Ihre ursprüngliche Abqualifikation als „Balg“1 und die Katastrophen-Prognosen bezüglich ihrer Vergleichbarkeit mit der Ltd2. scheinen sich überholt zu haben, wenn auch Gewicht auf die Einhaltung der Vorschriften über die Gründung, die Kapitalaufbringung und die Voraussetzungen ihres Wechsels in die „echte“ GmbH zu legen ist (im Einzelnen § 5a Rdnr. 11 ff., 23 ff., 29 ff.). An dem zahlenmäßig eindrucksvollen Start der UG (haftungsbeschränkt) in der Praxis hat auch die Nutzung der Rechtsform als Komplementärin einer KG (§ 5a Rdnr. 40) Anteil.

III. Die heutige rechtspolitische Situation des GmbH-Rechts 1. Vom MoMiG nicht behandelte Fragen 70

Das Gesetz kann nicht gut die Grundlagen des Kapitalgesellschaftsrechts in Frage stellen und ist deshalb daran gebunden, dass das Kräfteverhältnis unter den Gesellschaftern sich nach der kapitalmäßigen Höhe ihrer Beteiligungen richtet. Das bedeutet, dass der Gedanke eines notwendigen Minderheitenschutzes keine eigene Institution rechtfertigt, aber in einzelnen Anforderungen an das Verfahren und die Wirksamkeit von Gesellschafterbeschlüssen Niederschlag findet. Das ist, da die Grenzen der Entscheidungsfreiheit im Wesentlichen durch die gesellschaftliche Treupflicht bestimmt sind, nicht durch Gesetz formulierbar. Im Grundsatz ist jede Zweckmäßigkeitsentscheidung mehrheitsfähig3, es ist aber Wert darauf zu legen, die Chancengleichheit bei der Mitwirkung an der Willensbildung zu sichern. Neben den Minderheitsrechten i.S. von Teilhabe und Kontrolle steht aber die Verteidigung wichtiger, z.T. mehrheitsfester, wenn auch unter bestimmten Umständen antastbarer mitgliedschaftlicher Rechtspositionen gegen Eingriffe der Mehrheit. Zum Problem wird diese Lage, wenn fest etablierte Gesellschaftergruppen ihr Abstimmungsverhalten in Gesellschaftsangelegenheiten mehr nach Gruppenzugehörigkeit als nach sachlichen Kriterien ausrichten, so dass ein der Minderheit angehöriger Gesellschafter außerhalb der vorbehaltenen Geschäfte nicht mehr die reale Chance hat, mit seiner Ansicht durchzudringen oder seine mitgliedschaftlichen Rechte zu verteidigen. Noch deutlicher wird dies, wenn Entscheidungen in einer Gesellschaft Teil des übergeordneten Plans werden, einer Gesellschaftergruppe die Beteiligung zu verleiden (sie „auszuhungern“). Dies alles kann auch dann gelten, wenn ein einzelner Gesellschafter allein die Mehrheit besitzt. Verbreitet heißt es, dass Mehrheitsentscheidungen, die in die Rechtsstellung von Gesellschaftern eingreifen, einer – vom Gericht notfalls nachzuprüfenden – sachlichen Rechtfertigung bedürften4. Dennoch ist es notwendig, ein – im GmbH-Recht an sich nicht vorgesehenes – System der dem Minderheiten- und Individualschutz dienenden innerge-

1 Noack, DB 2007, 1395. 2 Zuletzt Niemeyer, in: FS G. H. Roth, 2011, S. 533 ff.; anders Bayer/Hoffmann/Lieder, GmbHR 2010, 9 ff. 3 Karsten Schmidt, GesR, § 16 III 1a. 4 Dazu etwa BGHZ 71, 40, 44; BGHZ 83, 319, 328; Timm, ZGR 1987, 403 ff.; Wiedemann, ZGR 1990, 147, 155 ff.; Ulmer, in: Ulmer, Einl. A Rdnr. 95; Martens, in: FS Fischer, 1979, S. 437 ff.; zum Inhalt des Unternehmensinteresses im GmbH-Recht Fleischer, GmbHR 2011, 1307.

56

H. P. Westermann

Die heutige rechtspolitische Situation des GmbH-Rechts

Einleitung

sellschaftlichen Klagen zu entwickeln, das die Anfechtung oder Nichtigerklärung von Beschlüssen der Gesellschafterversammlung, die sog. positive Beschlussfeststellungsklage und zumindest ein Grundkonzept des einstweiligen Rechtsschutzes voraussetzt. Das aktienrechtliche Modell der Anfechtungs- und Nichtigkeitsklagen gegen einen Gesellschafterbeschluss (§§ 246 ff. AktG) gibt insoweit manche Hinweise1, reicht aber nicht aus, um die in der GmbH nicht seltenen Streitigkeiten um Leistungen an die Gesellschaft, aus dem Gesellschaftsvermögen an Gesellschafter, vor allem aber Abwehr- und Unterlassungsklagen gegen Gesellschafter und Geschäftsführer zu bewältigen. Hinzu kommt in diesem Zusammenhang die Beachtung des Grundsatzes der 71 gleichmäßigen Behandlung der Gesellschafter (§ 14 Rdnr. 40 ff.), nach dem keine Gesellschaftergruppe durch die Art der Handhabung ihrer Gesellschafterrechte Vorzüge gegenüber anderen Gesellschaftern erreichen darf. Das musste angesichts der formal gesicherten Zuständigkeit der Gesellschafterversammlung für Lenkungs- und Entscheidungsbefugnisse2 über eine allgemeine Lehre von den Ausübungsschranken erreicht werden; das Prinzip besteht in der Annahme, dass der Minderheitsgesellschafter Anspruch darauf hat, dass jeder Partner bei Ausübung des Stimmrechts nur auf das Wohl der Gesellschaft sieht und gesellschaftsfremde Sonder-Interessen nicht verfolgt, obwohl er natürlich seiner individuellen Sicht der zu entscheidenden Fragen Spielraum geben darf. Ihm steht dann die Pflicht der Minderheit gegenüber, Mehrheitsentscheidungen, die im Gesellschaftsinteresse getroffen sind, auch dann hinzunehmen, wenn ihre Beteiligung dadurch an Wert verliert. In engen Grenzen gibt es auch Mitwirkungspflichten der Minderheit bei den Entscheidungen, in denen es auf ihre Zustimmung ankommt (s. schon Rdnr. 8). Aus den allgemeinen Regeln des bürgerlichen Rechts (Bindung an die guten Sitten und Treu und Glauben), dem Grundsatz der Gleichbehandlung, der Bindung an den Gesellschaftszweck und vor allem aus der Treupflicht gegenüber der Gesellschaft sowie den Mitgesellschaftern lässt sich somit ein System beweglicher Ausübungsschranken aufbauen3. Etwas auch qualitativ anderes steht in Rede, wenn unter Berufung auf Richtigkeitsüberzeugungen unterhalb der Schwelle des § 138 BGB Erfordernisse der inhaltlichen Angemessenheit einer Regelung aufgestellt und ihnen widersprechende Vertrags- oder Satzungsbestimmungen verworfen werden4. Da die GmbH-Satzungen aber bisher nicht wie bisweilen die Verträge einer Personengesellschaft eine einseitig vorformulierte Ordnung einer großen Zahl von reinen Anlegern darstellen, ist eine allgemeine Inhaltskontrolle nicht gerechtfertigt, eine (im Einzelfall greifende) Ausübungskontrolle reicht im Allgemeinen aus. Zwar kann durch die ursprüngliche Satzung oder nachträglich mit Einverständnis der betreffenden Gesellschafter eine ungleiche Rechts- und Machtstellung 1 Zur Entwicklung Raiser, in: FS 100 Jahre GmbH-Gesetz, 1992, S. 585 ff.; s. auch Zöllner, ZGR 1988, 392, 407 ff.; Grunewald, Die Gesellschafterklage in der Personengesellschaft und der GmbH, 1990, S. 66 ff. 2 Hierzu Immenga, GmbHR 1973, 5, 7. 3 Grundlegend dazu Zöllner, Schranken mitgliedschaftlicher Stimmrechtsmacht bei den privatrechtlichen Personenverbänden, 1963, S. 287 ff.; Winter, Mitgliedschaftliche Treubindungen im GmbH-Recht, 1988, S. 43 ff.; Ulmer, in: Ulmer, Einl. A Rdnr. 95. 4 Dazu eingehend Zöllner, in: FS 100 Jahre GmbH-Gesetz, 1992, S. 85, 99 f.; gegen eine solche Inhaltskontrolle aber Karsten Schmidt, GesR, § 5 III 4.

H. P. Westermann

57

Einleitung

Die heutige rechtspolitische Situation des GmbH-Rechts

der Gesellschafter begründet werden, der Gesellschafter kann sich aber in der Gesellschaft niemals ganz entrechten, so dass ihm auch stets die Befugnis bleibt, rechtswidrige oder in seine Rechte eingreifende Gesellschafterbeschlüsse im Rahmen des für die GmbH Entwickelten anzufechten1. 72

Ein kodifiziertes GmbH-Konzernrecht gibt es nach wie vor nicht, was aber nicht bedeutet, dass Rechtsprechung und Wissenschaft an dem Phänomen einer in eine Unternehmensgruppe eingefügten und nach Maßgabe der Interessen dieser Gruppe geleiteten GmbH vorbeigegangen wären. Allerdings besteht hier die Besonderheit, dass die Gesellschafter in legitimer Weise auf die Geschäftsführung Einfluss nehmen können, so dass auch die von den Weisungen der Gesellschafter weitgehend abhängige Geschäftsführung dem Gesetz entspricht. Da die Mitwirkung an der Unternehmensleitung die Haftungsbeschränkung nicht beseitigt, haben sich die Bemühungen um „Konzernhaftung“ weitgehend auf die Ausarbeitung von Regeln zur Gesellschafterveranwortung für interne Einflussnahmen konzentriert, allerdings mit einem starken Akzent auf der Verfolgung anderweitiger, nicht in der betreffenden GmbH verkörperten unternehmerischen Interessen2. Dennoch wurde in diesem Zusammenhang zunächst eine Art Organisations- und Zustandshaftung namentlich für die Schaffung und Ausübung qualifizierter faktischer Konzernherrschaft entwickelt, bis in einer Wende im Jahre 1993 eine verschuldensunabhängige Handlungshaftung in den Vordergrund trat3. Die Entwicklung (von „Autokran“ über „Video“ bis zu „TBB“ und „Bremer Vulkan“) ist vielfach dargestellt worden4, näher Anh. § 13 Konzernrecht Rdnr. 94. Die Wandlung zu einer deliktischen Durchgriffshaftung des herrschenden Unternehmens (aber eben auch beherrschender Privatpersonen) war auch damit begründbar, dass die Aneinanderreihung mehrerer Vermutungen mit den Folgen entsprechend §§ 17 Abs. 2, 18 AktG und die dem verwandte Möglichkeit, faktische Einflussnahme als konkludenten Abschluss eines Beherrschungsvertrages zu verstehen, nicht nur den Schutz der GmbH vor rechtswidrigen Handlungen ihrer Gesellschafter verstärken sollte, sondern das Wirtschaften mit beschränkter Haftung bei u.U. unzureichendem Eigenkapital der Gesellschaft und damit einen der Grundzüge des GmbH-Rechts in Frage stellte. Diese Entwicklung zur Existenzvernichtungshaftung hat aber keineswegs die notwendigen Reaktionen auf die Beherrschung einer abhängigen GmbH im Konzernverbund und auf die Führung einer Unternehmensgruppe durch eine GmbH als herrschendes Unternehmen behindert; dass mangels spezieller gesetzlicher Regeln manche Einzelheiten ungeklärt sind5, schwächt die Brauchbarkeit des

1 So bezüglich des Stimmrechts BGHZ 14, 264, 269; allgemeiner Teichmann, Gestaltungsfreiheit in Gesellschaftsverträgen, S. 208 f. 2 Winter, ZGR 1994, 570 ff.; Karsten Schmidt, GmbHR 2008, 449 ff.; Grigoleit, Gesellschafterhaftung für interne Einflussnahme im Recht der GmbH, 2006; Habersack, ZGR 2008, 533 ff. 3 Zu dem dies entscheidenden „TBB“-Urteil BGHZ 122, 123; Lutter, JZ 1993, 580; H. P. Westermann, ZIP 1993, 554 ff. 4 Grundlegend Röhricht, in: Festgabe der Wissenschaft, 50 Jahre BGH, Band II, 2000, S. 83 ff.; zuletzt wieder Wiedemann, GmbHR 2011, 1909 ff. 5 Wiedemann, GmbHR 2011, 1913 ff.; das Fehlen eines gesetzlich verfassten Konzernverbunds vermisst (auch für das Aktienrecht) Karsten Schmidt, ZGR 2011, 108, 128; zum „unvollendeten“ Konzernrecht auch Lutter, in: FS Karsten Schmidt, 2009, S. 1065 ff.

58

H. P. Westermann

Die heutige rechtspolitische Situation des GmbH-Rechts

Einleitung

gegenwärtigen, z.T. auf Analogien und Rechtsfortbildung beruhenden GmbHKonzernrechts gegenüber dem eingehend kodifizierten Aktienkonzernrecht nicht. Es ist daher verständlich, dass der Gesetzgeber des MoMiG die wenig ermutigenden Erfahrungen mit einem ausführlichen Entwurf eines Konzernrechts im GmbH-Gesetz1, der in der Reform von 1980 ad acta gelegt wurde, nicht wiederholen wollte.

2. Weitere Verstärkung des Gläubigerschutzes Nach der Reform durch das MoMiG müssen Überlegungen zur Verstärkung des 73 Gläubigerschutzes beim derzeitigen Zustand besonders des Rechts der Kapitalaufbringung und der Kapitalerhaltung, beide mit Blick auf die Folgen eines cashpooling, sodann auf die Gewährung von Upstream-Darlehen ansetzen, deren positiv-rechtliche Bewältigung nach den bisherigen Erfahrungen Schwierigkeiten bereitet und daher auch die erhoffte Stärkung der Rechtssicherheit nicht durchweg erreicht hat. Frühere Reizthemen wie die Differenz- und die Vorbelastungshaftung bei der Gründung, die Haftung bei wirtschaftlicher Neugründung oder auch der Zwang zu einer umfassenden Sachgründungsprüfung wurden jetzt nicht wieder aufgegriffen, man könnte auch meinen, dass hier der Gläubigerschutz schon de lege lata, natürlich auf der Grundlage der höchstrichterlichen Judikatur, einstweilen ausreicht2. Hingegen wird den Neuregelungen der verdeckten Sacheinlage, die auch die UG (haftungsbeschränkt) betrifft, und derjenigen der Erfüllungswirkung eines Hin- und Herzahlens dogmatische Schlüssigkeit und Ausgewogenheit des Interessenausgleichs vielfach abgesprochen3; es ist davon die Rede, der Gesetzgeber habe seine Ziele, besonders die Gewährleistung von Rechtssicherheit, „in eklatanter Weise“ verfehlt4. Andererseits wird nicht bestritten, dass in den betreffenden Punkten eine einfache Rückkehr zum früheren Rechtszustand mit der an sich billigenswerten Tendenz, den Gesellschaftern die weithin als überzogen empfundenen Folgen der Rechtsprechung ersparen zu müssen, nicht in Betracht kommt, zumal Geschäftsführern und Gesellschaftern im Hinblick auf Insolvenzrisiken nicht immer leicht zu erfüllende Pflichten und Haftungsrisiken auferlegt worden sind. Ein „Weiterdenken“ der

1 Zu den Grundsatzfragen in der damaligen konzernrechtlichen Diskussion s. den Sammelband „Der GmbH-Konzern“, 1976, mit Referaten von Emmerich (S. 4 ff.), H. P. Westermann (S. 25 ff., 169 f.), Gäbelein (S. 50 ff.) nebst ausführlichen Diskussionsberichten; schon früher Würdinger, in: Probleme der GmbH-Reform, 1969, S. 122 ff.; Schilling, ZHR 140 (1976), 528 ff. 2 Eine Ausnahme, allerdings nicht mit der Tendenz der Ausweitung des Gläubigerschutzes, zeichnet sich neuerdings bezüglich der Folgen einer „wirtschaftlichen Neugründung“ ab, dazu Adolff, in: Gesellschaftsrechtliche Vereinigung (VGR), Gesellschaftsrecht in der Diskussion 2011, 2012, S. 49. 3 Zur verdeckten Sacheinlage unten § 19 Rdnr. 116 ff. sowie Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, § 19 Rdnr. 51; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, § 19 Rdnr. 47; Lieder, in: MünchKomm. GmbHG, § 56 Rdnr. 59; Veil, ZIP 2007, 1241; Ulmer, ZIP 2008, 45, 50; zum Hin- und Herzahlen Gehrlein, Der Konzern 2007, 771, 782 f.; Goette, WPg 2008, 231, 235; Heckschen, DStR 2007, 1442, 1447; Priester, ZIP 2008, 55; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, § 19 Rdnr. 70; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, § 19 Rdnr. 89. 4 Bayer, GmbHR 2010, 1289, 1293.

H. P. Westermann

59

Einleitung

Die heutige rechtspolitische Situation des GmbH-Rechts

Reform mit dem Ziel in sich schlüssiger Ergebnisse erscheint unter diesen Umständen in der Tat schwierig1. Einige aus Gläubigersicht abzulehnende Konsequenzen des Haftungsprivilegs der Gesellschafter lassen sich auch durch allgemein-bürgerlichrechtliche Instrumente wie den Gesichtspunkt der Schutzgesetzverletzung und der culpa in contrahendo (bei der Sachwalterhaftung)2 erfassen, und es ist bezeichnend, dass verbreitet auch eine Lösung des Problems der Durchgriffshaftung mit deliktsrechtlichen Ansprüchen der Gläubiger, also nicht als bloße Innenhaftung, angestrebt wird. Freilich ist nicht zu vergessen, dass – so im Bereich der Durchsetzung von Steuer- und Sozialversicherungsforderungen – der Gläubigerschutz häufig auf die Privilegierung einzelner Gesellschafter hinausläuft3. Vor diesem Hintergrund ist der Vorschlag bemerkenswert, Schlüssigkeit des gesetzlichen Gläubigerschutzes durch einen Verzicht auf das Prinzip der realen Kapitalaufbringung herzustellen und stattdessen die Gesellschafterhaftung am Modell der kommanditischen Haftung auszurichten4. Mit einem solchen Schritt ginge der nationale Gesetzgeber ein Stück auf die in Europa und in den USA vorherrschende skeptische Einstellung zu einem institutionellen Gläubigerschutz zu, man darf aber auf der anderen Seite nicht das Beharrungsvermögen traditioneller und durch vielfältiges Fehlverhalten der Gesellschafter hervorgerufener Schutzbedürfnisse unterschätzen.

3. Zur Schließung von Gesetzeslücken 74

Nach der Lösung mehrerer Probleme des GmbH-Rechts durch die Reform, die jeweils in Anschauung der die Praxis hauptsächlich beschäftigenden Probleme geschah, ist das Bedürfnis, gesetzlich nicht gelöste Fragen unter Rückgriff auf das Aktienrecht oder das Personengesellschaftsrecht zu bewältigen, deutlich geringer geworden. Das liegt für das Konzernrecht angesichts der unterschiedlichen normativen Ausgangslage auf der Hand (Rdnr. 72), und auch im Hinblick auf die Art der Kapitalbindung sind die Unterschiede zwischen AG und GmbH signifikant, wobei zu bemerken ist, dass die auf § 30 bezogene „Modernisierung“ auch § 57 AktG erfasst hat5. Auch die Verfassung der Rechtsformen hat sich durch die starke Formalisierung der Willensbildung in der AG, die mit der möglichen Zuwendung zum Kapitalmarkt zusammenhängt, recht weit voneinander entfernt, und nicht von ungefähr hat der Gesetzgeber für kleinere Unternehmensgruppen, die in der AG zusammenarbeiten, die Rechtsform der „Kleinen AG“ bereitgestellt, bei der eine gewisse Deregulierung gerade im Hinblick auf Organisation und Willensbildung stattfindet6. Unabhängig davon, wie

1 Bayer, GmbHR 2010, 1289, 1294. 2 Dazu etwa Medicus, ZGR 1998, 580 ff.; Groß, ZGR 1998, 551; Medicus, GmbHR 1998, 9. 3 Krit. dazu H. P. Westermann, in: FS Fikentscher, 1998, S. 456 ff. 4 Bayer, GmbHR 2010, 1289, 1295 ff. unter Bezug auf sein Gutachten für den 67. DJT, 2008, F 118 ff.; sympathisierend etwa Dauner-Lieb, AG 2009, 212, 226; Grunewald, WM 2006, 2333, 2335; Eidenmüller, ZGR 2007, 1442, 1448. 5 Zu den Parallelen und Unterschieden H. P. Westermann, in: Bürgers/Körber, 2. Aufl. 2011, § 57 AktG Rdnr. 3. 6 Übersicht bei Seibert/Kiem, Handbuch der Kleinen AG, 4. Aufl. 2000.

60

H. P. Westermann

Die heutige rechtspolitische Situation des GmbH-Rechts

Einleitung

diese Variante der AG in der Praxis angenommen wird, zeigt die Erfahrung mit den in den letzten Jahren in vieler Hinsicht verschärften Anforderungen des Aktienrechts, dass diese Rechtsform z.B. für Familiengesellschaften ungeeignet ist, was vor allem durch die duale Verfassung der Verwaltung und die Zurückdrängung der Hauptversammlung bedingt ist1. Zum Beschlussmängelrecht s. schon Rdnr. 70. In nicht wenigen wichtigen, auch und gerade rechtspolitisch richtungsweisenden Materien, etwa in Bezug auf das Bilanzrecht, z.T. aber auch auf das Kapitalmarktrecht und die unternehmerische Mitbestimmung, genießt die GmbH nur dann eine Sonderbehandlung, wenn sie bestimmte Größenkriterien nicht erreicht, im Übrigen setzen sich hier allgemein kapitalgesellschaftsrechtliche Prinzipien und Sichtweisen tendenziell immer mehr durch. Somit kann das GmbH-Recht zumindest seit seiner Fortbildung durch Gesetzgebung und Rechtsprechung und systematisch durch wissenschaftliche Aufarbeitung autonom ausgelegt und unter Berücksichtigung eines stark ausgestalteten Gläubigerschutzes als Organisationsrecht einer ihre Verhältnisse selbständig gestaltenden Gesellschaftergruppe gehandhabt werden.

4. Corporate Governance Kodex für die GmbH? Das würde sich nicht voll aufrechterhalten lassen, wenn entsprechend der Situa- 75 tion im Aktienrecht auch für die GmbH ein Corporate Governance Kodex entwickelt werden würde, mit dem eine Verbesserung des durch die Insolvenzstatistik begründeten unbefriedigenden Ansehens der GmbH und eine die Gesellschafter und Gesellschaftergruppen befriedigende Unternehmensverfassung erreicht werden sollte2. Obwohl dies ein optionales Regelwerk wäre, würde, insbesondere wenn in Entsprechung zu § 161 AktG die Pflicht zu einer Entsprechenserklärung eingeführt würde, in den im Kodex enthaltenen Empfehlungen die Tendenz zur Bildung von Normen im faktischen Sinne3 entstehen, was dem Umstand zuwiderläuft, dass im Aktienrecht der Kapitalmarkt angesprochen werden soll, wofür im GmbH-Recht angesichts der Beschränkung des principal-agent-Konflikts auf das Verhältnis von Mehrheit und Minderheit im Gesellschafterkreis kein Bedürfnis besteht. Geschäftsführungsmacht, Kontrolle, Risikovorsorge sind schon im derzeitigen GmbH-Recht stark entwickelt. Es könnte allerdings erwogen werden, dass durch Gesetz für die Gestaltung der GmbH-Satzungen Regelungsaufträge kodifiziert würden4, die etwa das im derzeitigen Recht nicht geregelte Austrittsrecht, Kriterien der Gewinnverteilung, Regeln zur Organbestellung oder auch die Einführung eines Beirats betreffen könnten5. Ein Teil dieser Regelungsbedürfnisse kann schon jetzt im Zuge kau-

1 2 3 4 5

Empirische Aufarbeitung bei H. P. Westermann, in: FS Hennerkes, 2009, S. 21 ff. Konnertz-Häußler, GmbHR 2012, 68 ff. mit ausführlichem Entwurf eines Kodex. OLG München, ZIP 2009, 133, 134. In diesem Sinne etwa Weller, ZGR 2012, 386 ff. Dabei ist (Weller, ZGR 2012, 386, 395) sogar an einen Beirat mit die Gesellschafterversammlung verdrängenden Kompetenzen gedacht, was aber dem System der GmbH widerspräche; zur Corporate Governance in der GmbH in Bezug auf den Aufsichtsrat E. Vetter, GmbHR 2011, 449.

H. P. Westermann

61

Einleitung

Die heutige rechtspolitische Situation des GmbH-Rechts

telarjuristischer Beratung bei der Gründung der GmbH befriedigt werden, was allerdings ohne diesbezügliche Bereitschaft der Gesellschafter nicht zustande kommen kann. Im Hinblick etwa auf Austritt, Ausschließung, Einziehung und Finanzierung wäre eine Vertiefung und Präzisierung der derzeitigen Gesetzeslage durch dispositive Neuregelungen allerdings vorstellbar. Ein mittelbarer Zwang wie durch die aktienrechtliche Entsprechenserklärung und die Folgen ihrer Fehlerhaftigkeit1 ist indessen abzulehnen.

1 Folge ist zunächst Anfechtbarkeit wegen eines Gesetzes- oder Satzungsverstoßes (BGHZ 153, 47, 50 ff.), mit der weiteren Konsequenz, dass auch ein Entlastungsbeschluss zugunsten der für den Fehler verantwortlichen Verwaltung angefochten werden kann (BGH, WM 2012, 848, 849; OLG München, AG 2009, 450, 451; Ulmer, ZHR 166 [2002], 150, 165; krit. Krieger, ZGR 2012, 202 ff.).

62

H. P. Westermann

Erster Abschnitt

Errichtung der Gesellschaft

§1

Zweck; Gründerzahl Gesellschaften mit beschränkter Haftung können nach Maßgabe der Bestimmungen dieses Gesetzes zu jedem gesetzlich zulässigen Zweck durch eine oder mehrere Personen errichtet werden. Text i.d.F. der GmbH-Novelle von 1980 (BGBl. I 1980, 836).

Inhaltsübersicht I. Zweck und Gegenstand . . . . . . . .

2

II. Zulässige Zwecke . . . . . . . . . . . . . 4 1. Wirtschaftliche Zwecke . . . . . . . 5 2. Ideelle Zwecke. . . . . . . . . . . . . . . . 13 III. 1. 2. 3. 4.

Freie Berufe Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Architekten und Ingenieure . . . Ärzte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Rechtsanwälte . . . . . . . . . . . . . . . .

14 14a 14b 15

IV. 1. 2. 3.

Unzulässige Zwecke . . . . . . . . . . Gesetzesverstoß . . . . . . . . . . . . . . Sittenverstoß . . . . . . . . . . . . . . . . . Rechtsfolgen vor Eintragung . . .

17 18 19 20

4. Rechtsfolgen nach Eintragung . 5. Heilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10.

Einpersonen-GmbH Überblick, Geschichte . . . . . . . . Anwendungsbereich . . . . . . . . . . Gründung, Gesellschaftsvertrag Inhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Mängel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vor-GmbH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Haftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Juristische Person . . . . . . . . . . . . Organe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Umwandlung in eine Mehrpersonen-GmbH . . . . . . . . . . . . . . . .

22 25 26 29 31 36 41 42 45 47 49 50

Schrifttum: Brandner, Geschäftsführungsbefugnis, Unternehmensgegenstand und Unternehmenszweck, in: FS Rowedder, 1994, S. 41; Rud. Fischer, Die Bedeutung des Zwecks für die Aktiengesellschaft, JherJb 63 (1913), 327; Fränkel, Die Gesellschaft mit beschränkter Haftung. Eine volkswirtschaftliche Studie, 1915; W. Horn, Gründung einer vermögensverwaltenden GmbH, GmbHR 2001, 386; Ivens, Das Fördergebot des GmbH-Gesellschafters, GmbHR 1988, 249; Koller, Grundfragen einer Typenlehre im Gesellschaftsrecht, 1967; Loidl, Die GmbH ohne erwerbswirtschaftliche Zielsetzung, 1970; Mengiardi, Strukturprobleme des Gesellschaftsrechts, ZSR 109 (1968), 1; Müller-Erzbach, Das private Recht der Mitgliedschaft als Prüfstein eines kausalen Rechtsdenkens, 1948; Oppenländer, Sonderregeln für die ZweipersonenGmbH, DStR 1996, 922; Ott, Die Problematik einer Typologie im Gesellschaftsrecht, 1972; Priester, Nonprofit-GmbH – Satzungsgestaltung und Satzungsvollzug, GmbHR 1999, 149; Scholz, Zu welchem Zweck kann eine GmbH gegründet werden?, GmbHR 1942, 281; Tieves, Der Unternehmensgegenstand der Kapitalgesellschaft, 1998; Wessel/Zwernemann/Kögel, Die Firmengründung, 7. Aufl. 2001, Rdnr. 366 ff. (S. 267 ff.); H. Westermann, Die Anpassung der GmbH an den Zweck des UnternehEmmerich

63

§1

Zweck; Gründerzahl

mens, 1959; H. P. Westermann, Die GmbH ohne erwerbswirtschaftliche Zielsetzung, GmbHR 1970, 313; K. Winkler, Nichtgewerbliche, ideale, insbesondere politische Zielsetzungen als Inhalt von Gesellschaftsverträgen und Satzungen, NJW 1970, 449; H. Wünsch, Die Bedeutung des FGG für die GmbH und deren Eintragung im Handelsregister, GesRZ 1982, 155; Zöllner, Die Schranken mitgliedschaftlicher Stimmrechtsmacht bei den privatrechtlichen Personenverbänden, 1963; Zöllner, Inhaltsfreiheit bei Gesellschaftsverträgen, in: FS 100 Jahre GmbHG, 1992, S. 85.

1 Nach § 1 kann eine GmbH nach Maßgabe des GmbHG durch eine oder mehrere Personen zu jedem gesetzlich zulässigen Zweck errichtet oder besser: gegründet werden1. § 1 des Gesetzes enthält damit zwei wesentliche Aussagen. Er stellt zunächst klar, dass eine GmbH zu jedem beliebigen zulässigen Zweck, also nicht nur zu wirtschaftlichen Zwecken gegründet werden kann (Rdnr. 4 ff.); und er gestattet außerdem seit dem 1.1.1981 ausdrücklich die Errichtung einer GmbH durch eine einzige Person, die so genannte Einpersonengründung (Rdnr. 26 ff.). In beiden Punkten entspricht die Rechtslage in Österreich der in Deutschland2.

I. Zweck und Gegenstand 2 Das Gesetz spricht in den §§ 1 und 61 Abs. 1 vom Zweck der Gesellschaft und unterscheidet davon in den §§ 3 Abs. 1 Nr. 2, 4 Abs. 1, 10 Abs. 1, 75 Abs. 1 und 76 den Gegenstand des Unternehmens. Das Verhältnis dieser beiden Begriffe zueinander ist umstritten3. Nach überwiegender Meinung bezeichnet der Gegenstand einfach die Tätigkeit der Gesellschaft, mittels derer diese ihre (wirtschaftlichen oder nichtwirtschaftlichen) Zwecke verfolgt4, wobei jedoch die Akzente unterschiedlich gesetzt werden: Während sich nach den einen der Gegenstand und der Zweck der Gesellschaft zueinander wie Mittel und Zweck verhalten, sehen andere die vorrangige Bedeutung der Einigung der Gesellschafter über den Zweck ihrer Gesellschaft darin, entsprechend § 705 BGB die unverrückbare Grundlage ihrer Zusammenarbeit zu fixieren, während der Gegenstand der Gesellschaft in erster Linie die Aufgabe hat, nach außen ihren Tätigkeitsbereich zu verlautbaren (und gerade deshalb nach § 3 Abs. 1 Nr. 2 möglichst genau in der Satzung zu bezeichnen ist)5. Nach wieder anderen sind die Begriffe hingegen identisch6 oder bezeichnet doch der Gesellschaftszweck den weiteren Begriff, der gleichermaßen den Gegenstand der Gesellschaft wie ihre Ziele umfasst7. 2a

Der ganze Fragenkreis ist, nicht zuletzt wohl wegen der unklaren gesetzlichen Regelung, noch nicht endgültig ausdiskutiert. Denn während bei den Personen1 Zur Notwendigkeit der Unterscheidung zwischen Gründung und Errichtung s. § 29 AktG. 2 § 1 Abs. 1 öGmbHG i.d.F. von 1996 (BGBl. 1996, Nr. 304); s. dazu Koppensteiner, in: FS Claussen, 1997, S. 213. 3 S. Brandner, in: FS Rowedder, S. 41, 42 ff.; Tieves, Unternehmensgegenstand, S. 11 ff. 4 BGHZ 127, 176, 179 f. = NJW 1995, 192. 5 S. zu dem Gesagten m.N. Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 5 ff.; Koppensteiner, öGmbHG, § 1 Rdnr. 6 f.; Fleischer, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 9; Michalski, in: Michalski, Rdnr. 4 ff.; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 5 f.; Roth, in: Roth/ Altmeppen, Rdnr. 4 f.; Karsten Schmidt, GesR, § 4 II 3 (S. 64 ff.). 6 RG, DR 1939, 720; Flume, Juristische Person, S. 323 ff. 7 Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 5; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 2; Tieves, Unternehmensgegenstand, S. 11 ff. (im Ergebnis aber wie hier).

64

Emmerich

§1

Zweck; Gründerzahl

gesellschaften das Gesetz in § 705 BGB den Zweck der Gesellschaft ganz in den Mittelpunkt seiner Regelung stellt (§§ 105 Abs. 3 und 161 Abs. 2 HGB), verzichtet das AktG in scharfem Gegensatz hierzu sogar völlig auf die Erwähnung des Zwecks und verlangt statt dessen lediglich die Nennung des Gegenstandes des Unternehmens der Gesellschaft in der Satzung (§ 23 Abs. 3 Nr. 2 AktG). Gleichwohl ist selbst bei der AG mit Rücksicht auf § 33 Abs. 1 Satz 2 BGB (Erfordernis der Einstimmigkeit für eine Zweckänderung) an der Notwendigkeit festzuhalten, zwischen dem Gegenstand und dem Zweck der Gesellschaft zu unterscheiden. Für die GmbH folgt dasselbe bereits aus der skizzierten gesetzlichen Regelung (oben Rdnr. 2) sowie ebenso wie bei der Aktiengesellschaft außerdem noch aus dem Umstand, dass für die Änderung von Zweck und Gegenstand unterschiedliche Regeln gelten. Denn während nach dem auch für die GmbH geltenden § 33 BGB für eine Zweckänderung die Zustimmung aller Gesellschafter erforderlich ist1, genügt für eine Änderung des Gegenstandes der Gesellschaft gemäß § 53 Abs. 2 eine Satzungsänderung mit qualifizierter Mehrheit. Weitergehende Schlussfolgerungen lassen sich aus der Gesetzeslage nicht zie- 2b hen. Denn da die Gesellschafter in der Formulierung des Gesellschaftszweckes frei sind (§§ 311 Abs. 1, 705 BGB), hindert sie nichts, den Gesellschaftszweck mit dem Gegenstand der Gesellschaft zu identifizieren oder als Gegenstand der Gesellschaft einen Ausschnitt aus dem weiter formulierten Gesellschaftszweck zu bestimmen. Die Folge ist dann freilich, dass für eine Änderung des Gesellschaftsgegenstandes die strengeren Anforderungen des § 33 Abs. 1 Satz 2 BGB (im Verhältnis zu § 53) zu beachten sind, jedenfalls, soweit die Gegenstandsänderung auch den mit dem Gegenstand ganz oder partiell identischen Zweck der Gesellschaft tangiert. Wegen des damit verbundenen Verlustes an Flexibilität dürfte jedoch für den Regelfall daran festzuhalten sein, dass sich in der Tat Gegenstand und Zweck der Gesellschaft wie Mittel und Zweck zueinander verhalten2. Gewöhnlich wird dabei der Unternehmensgegenstand in dem Betrieb eines wirtschaftlichen Unternehmens, der Zweck der Gesellschaft dagegen in der Gewinnerzielung bestehen3. Notwendig ist dies jedoch nicht; vielmehr können mit dem Betrieb eines wirtschaftlichen Unternehmens durchaus auch ideelle Zwecke, z.B. die Förderung eines wissenschaftlichen Instituts, verfolgt werden. Dies muss dann jedoch i.d.R. ausdrücklich im Gesellschaftsvertrag, weil ungewöhnlich, verlautbart werden4. Nach dem Gesagten ist auch der Zweck der Gesellschaft ein notwendiger 3 Bestandteil des Gesellschaftsvertrages5. Jedoch braucht er im Gegensatz zum Gegenstand der Gesellschaft (s. § 3 Abs. 2 Nr. 2) im Regelfall im Gesellschaftsvertrag nicht ausdrücklich genannt zu werden. Anders freilich, wenn die Gesellschaft ausnahmsweise keine erwerbswirtschaftlichen Zwecke verfolgt (Rdnr. 2b). Folgerichtig setzt die steuerliche Anerkennung gemeinnütziger Gesellschaften voraus, dass der gemeinnützige Zweck der Gesellschaft möglichst 1 BGHZ 96, 245, 248 ff. = NJW 1986, 1033. 2 BGHZ 127, 176, 179 f. = NJW 1995, 192; BayObLGZ 1975, 447; OLG Hamburg, GmbHR 1968, 118 = BB 1968, 267; w.N. s. oben Rdnr. 2. 3 Vgl. BGHZ 127, 176, 179 f. = NJW 1995, 192; Flume, Juristische Person, § 9 II (S. 324 f.). 4 Fleischer, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 13. 5 S. unten § 3 Rdnr. 11; Fleischer, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 12.

Emmerich

65

§1

Zweck; Gründerzahl

präzise in der Satzung genannt wird (§§ 59 und 60 Abs. 1 AO)1. Auch in anderen Fällen hindert die Gesellschafter natürlich nichts, den Zweck ihres Zusammenschlusses (mehr oder weniger) genau in der Satzung oder z.B. in der Präambel festzuschreiben. 3a

Fehlt es hieran, so stellt sich die weitere Frage, wie der Gesellschaftszweck gegebenenfalls zu ermitteln ist. Wichtigste Erkenntnisquelle ist natürlich der Unternehmensgegenstand. Daneben sind aber auch der Gesamtinhalt des Gesellschaftsvertrags sowie sonstige Umstände wie z.B. die Anlage des Unternehmens und das tatsächliche Geschäftsgebaren zu berücksichtigen2. Die Frage ist deshalb wichtig, weil eine GmbH nach § 1 nur zu einem gesetzlich zulässigen Zweck errichtet werden darf (unten Rdnr. 4 ff.), weil eine etwaige Zweckänderung der Zustimmung aller Gesellschafter bedarf (§ 33 Abs. 1 Satz 2 BGB) und weil der Zweck der Gesellschaft mit Rücksicht darauf den Handlungen aller Organe der Gesellschaft unübersteigbare Schranken zieht3.

II. Zulässige Zwecke 4 Nach § 1 kann eine GmbH zu jedem gesetzlich zulässigen Zweck errichtet werden. Damit ist vor allem gesagt, dass die GmbH nicht auf erwerbswirtschaftliche Zwecke oder gar auf den Betrieb eines Handelsgewerbes beschränkt ist, sondern eben auch jeden anderen zulässigen Zweck verfolgen kann. Gleichwohl behandelt das Gesetz die Gesellschaft ausnahmslos als Kaufmann kraft Rechtsform (§ 13 Abs. 3). Die danach für eine GmbH in Betracht kommenden Zwecke werden üblicherweise in erwerbswirtschaftliche, sonstige wirtschaftliche und ideelle Zwecke eingeteilt (Rdnr. 5 ff., 13)4. Dagegen ist so lange nichts zu erinnern, wie man sich bewusst bleibt, dass eine scharfe Grenzziehung nicht möglich ist und dass auch jeder mögliche sonstige Zweck in Betracht kommt, sofern er nur, und zwar gerade für eine Kapitalgesellschaft in der Rechtsform einer GmbH, gesetzlich erlaubt ist. Unzulässig ist ferner (natürlich) die Verfolgung gesetzwidriger oder sittenwidrige Zwecke (§§ 134 und 138 BGB, Rdnr. 17 ff.).

1. Wirtschaftliche Zwecke 5 a) Eine GmbH kann zunächst zu jedem erwerbswirtschaftlichen Zweck errichtet werden, wobei es – anders als nach den §§ 105 Abs. 1 und 161 Abs. 1 HGB – keine Rolle spielt, ob es sich um ein Handelsgewerbe handelt oder nicht. Ebenso bedeutungslos ist der Umfang des von der Gesellschaft angestrebten Gewerbes (s. § 13 Abs. 3). Jeder gewerbliche Zweck stellt vielmehr – im Rahmen der Gesetze – einen zulässigen Gesellschaftszweck der GmbH dar.

1 S. Priester, GmbHR 1999, 149, 151. 2 RGZ 164, 129, 140. 3 S. Brandner, in: FS Rowedder, S. 41, bes. S. 44 ff.; Karsten Schmidt, GesR, § 4 II 3 (S. 64 ff.). 4 S. Fleischer, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 17 ff.; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/ Hueck, Rdnr. 6 ff.; Heinrich, in: MünchHdb. III, § 4 Rdnr. 3 ff. (S. 32 f.); Roth, in: Roth/ Altmeppen, Rdnr. 5 ff.; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 7 ff.

66

Emmerich

§1

Zweck; Gründerzahl

b) Bankgeschäfte können auch von einer GmbH betrieben werden. Die Gesellschaft bedarf dazu jedoch einer Erlaubnis der BaFin (§ 32 KWG), von deren Nachweis die Eintragung ins Handelsregister abhängt (§ 43 Abs. 1 KWG). Das Investmentgeschäft steht ihr gleichfalls offen (§ 6 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2–4 InvG). Die gesetzliche Beschränkung auf die Rechtsform der AG oder KGaA für Hypothekenbanken und Schiffspfandbriefbanken wurde durch das PfandbriefG vom 22.5.20051 aufgehoben. Auch für Unternehmensbeteiligungsgesellschaften ist die Rechtsform der GmbH zugelassen (§ 2 Abs. 1 des Gesetzes über Unternehmensbeteiligungsgesellschaften, UBGG). Dagegen müssen private Bausparkassen die Rechtsform einer AG haben (§ 2 Abs. 1 BausparkG).

6

c) Versicherungsgeschäfte sind heute der GmbH im Wesentlichen versperrt, da 7 nach § 7 Abs. 1 VAG die Erlaubnis zum Betrieb des Versicherungsgeschäfts gegen Prämie nur Unternehmen in der Rechtsform der AG und des VVaG erteilt werden darf. In § 1 Abs. 2 öGmbHG ist dies sogar ausdrücklich bestimmt. Eine (praktisch freilich bedeutungslose) Ausnahme bildet nur noch das Rückversicherungsgeschäft. Auch Unterstützungskassen der betrieblichen Altersversorgung können anders als die Pensionskassen in der Rechtsform einer GmbH betrieben werden2. d) Andere Gewerbezweige, von denen die GmbH als juristische Person ausge- 8 schlossen ist, sind der Betrieb einer Apotheke (§ 8 ApoG)3 und der des Versteigerungsgewerbes (§ 34b Abs. 5 Satz 1 GewO)4. Sachliche Gründe für diese Diskriminierungen von Kapitalgesellschaften sind nicht erkennbar, so dass erhebliche Bedenken gegen die Wirksamkeit der fraglichen Bestimmungen bestehen (Art. 3 Abs. 1, 12 Abs. 1, 19 Abs. 3 GG). e) Genehmigungsbedürftigkeit eines Gewerbes berührt nicht die gesetzliche Zu- 9 lässigkeit des Gesellschaftszwecks; dagegen war früher die Eintragung der Gesellschaft im Handelsregister von der Erteilung der Genehmigung abhängig (§ 8 Abs. 1 Nr. 6 a.F.). Nach Streichung dieser Vorschrift durch das MoMiG bildet das Fehlen der Genehmigung ebenso wie der etwaige spätere Widerruf der Genehmigung nur noch einen Auflösungsgrund nach den §§ 61 und 62. f) Gemeinnützige Unternehmen (Nonprofit-Unternehmen) können sich gleich- 10 falls der Rechtsform der GmbH bedienen, zumal richtiger Meinung nach eine gemeinnützige Zielsetzung bereits das Vorliegen eines Gewerbes nicht ausschließt5. Die Voraussetzungen für die steuerrechtliche Anerkennung der Gemeinnützigkeit ergeben sich im Einzelnen aus den §§ 51 ff. AO. Beispiele sind Unterstützungseinrichtungen zu Gunsten der Arbeiter und Angestellten von Unternehmen6, die „Olympische Spiele München 1972-GmbH“7 sowie eine ge1 2 3 4 5

BGBl. I 2005, 1373. S. Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 11, 14. Schiedermair, PharmaZ 1983, 286. AG Wiesbaden, GmbHR 1988, 349 (auch zu Umgehungskonstruktionen). S. im Einzelnen Loidl, Die GmbHG ohne erwerbswirtschaftliche Zielsetzung, 1970; Priester, GmbHR 1999, 149; Schlüter, GmbHR 2002, 535, 578; H. P. Westermann, GmbHR 1970, 313; K. Winkler, NJW 1970, 449. 6 OLG Stuttgart, NJW 1964, 1231. 7 BGHZ 66, 48, 49 = NJW 1976, 514; BFHE 138, 458, 462 f.

Emmerich

67

§1

Zweck; Gründerzahl

meinnützige GmbH als Trägerin eines öffentlichen Krankenhauses1. Auch Stiftungszwecken können gemeinnützige GmbHs ohne weiteres dienstbar gemacht werden2. In diesem Fall muss jedoch im Gesellschaftsvertrage bestimmt werden, dass die Gesellschafter keinen Anspruch auf die Erträge oder auf den Liquidationserlös der Gesellschaft haben. Ist dies geschehen, so ist auch der Firmenzusatz „Stiftung“ zulässig. 11

g) Die GmbH ist weiter als Rechtsform für öffentliche und gemischtwirtschaftliche Unternehmen verbreitet. Gesellschaftsrechtlich spielt es keine Rolle, ob die öffentliche Hand mit der Beteiligung an der GmbH öffentliche oder fiskalische Zwecke verfolgt. Ohne Rücksicht darauf gilt in jedem Fall für die GmbH das private Gesellschaftsrecht einschließlich des Konzernrechts. Die bloße Verfolgung öffentlicher Zwecke rechtfertigt keine Durchbrechung des privaten Gesellschaftsrechts3.

12

h) Die GmbH eignet sich außerdem als Handelsvertreter (§ 84 HGB)4 sowie für das Gebiet der Urproduktion, selbst wenn man, wie es häufig geschieht, etwa die Landwirtschaft (entgegen § 3 HGB) nicht zum Gewerbe rechnet. Schließlich findet die GmbH noch für sonstige wirtschaftliche Zwecke verbreitet Verwendung. Beispiele sind die Vermögens- und Kapitalverwaltung einschließlich der Grundstücksverwaltung5, die Tätigkeit der Wirtschafts- und Berufsverbände, Kartelle (soweit heute noch zulässig), Holdinggesellschaften im Rahmen von Konzernen sowie Gemeinschaftsunternehmen, in denen in wachsendem Maße die Zusammenarbeit von Unternehmen institutionalisiert wird.

2. Ideelle Zwecke 13

Eine GmbH kann nach § 1 auch zur Verfolgung ideeller, d.h. nichtwirtschaftlicher Zwecke errichtet werden. Hervorzuheben sind gesellige, sportliche, politische oder wissenschaftliche Zwecke. Verfolgt die Gesellschaft politische Zwecke, so findet ergänzend das Vereinsgesetz vom 5.8.19646 Anwendung (s. § 2 Abs. 1 und § 17 VereinsG). Dagegen bestehen seit Art. 137 der Weimarer Reichsverfassung (i.V.m. Art. 140 GG) keine Beschränkungen mehr für die Verfolgung religiöser Zwecke in der Rechtsform einer GmbH. Jede „Kirche“ kann sich als GmbH organisieren.

III. Freie Berufe 1. Überblick 14

Die GmbH eignet sich grundsätzlich auch als Organisationsform für die Angehörigen der freien Berufe7. Welche Berufe hierzu gehören, ergibt sich in erster Li1 OGH, EvBl. 1993, 346 f. Nr. 82 = JBl. 1993, 528 = HS 22.152 (S. 101). 2 Fleischer, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 30 ff.; Priester, GmbHR 1999, 149, 155 f. 3 Emmerich, Das Wirtschaftsrecht der öffentlichen Unternehmen, 1969, S. 98 ff.; Emmerich, AG 1976, 225. 4 R. Emde, GmbHR 1999, 1005. 5 W. Horn, GmbHR 2001, 386. 6 BGBl. I 1964, 593. 7 Fleischer, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 22.

68

Emmerich

§1

Zweck; Gründerzahl

nie aus § 1 Abs. 2 des Partnerschaftsgesellschaftsgesetzes (PartGG) von 19941. Für die meisten freien Berufe steht heute die Zulässigkeit der Berufsausübung in der Rechtsform einer GmbH aufgrund spezialgesetzlicher Regelungen außer Frage. Hervorzuheben sind die Wirtschaftsprüfer und Steuerberater (§§ 1 Abs. 3, 27 Abs. 1 WPO, §§ 3, 49 StBerG) sowie seit 1998 auch die Rechtsanwälte und die Patentanwälte (Rdnr. 15 ff.). Noch nicht endgültig geklärt ist die Rechtslage hinsichtlich der Architekten und Ingenieure (Rdnr. 14a) sowie hinsichtlich der Notare, bei denen zum Teil aus den §§ 1 und 9 BNotO gefolgert wird, dass ihnen die GmbH nach wie vor als Organisationsform verschlossen sei. Natürlichen Personen vorbehalten ist ferner bisher der Betrieb einer Apotheke oder des Versteigerungsgewerbes (oben Rdnr. 8).

2. Architekten und Ingenieure Architekten und Ingenieure können sich nach heute durchaus herrschender Mei- 14a nung ebenso wie Rechtsanwälte und Patentanwälte ohne weiteres als GmbH organisieren2. Bei den Architekten ergeben sich gleichwohl Schwierigkeiten daraus, dass nach einer verbreiteten Meinung die Architektengesetze einzelner Länder der Eintragung einer Architekten-GmbH in die Architektenliste entgegenstehen, woraus z.T. der Schluss gezogen wird, dass sich eine derartige GmbH auch nicht als „Architektengesellschaft“ oder ähnlich bezeichnen dürfe3. Diese Meinung ist unhaltbar: Wenn eine Architekten-GmbH als solche tätig werden darf – das ist unstreitig –, dann darf sie sich nach Bundesrecht auch als solche bezeichnen (§ 4 GmbHG; § 18 HGB; § 5 UWG); die Architektengesetze der Länder können daran nichts ändern4. Dasselbe gilt – erst recht – für Ingenieure.

3. Ärzte Bei Ärzten, Tierärzten und Zahnärzten ging die überwiegende Meinung früher 14b dahin, als Rechtsform für eine Sozietät komme allein die BGB-Gesellschaft sowie seit 1995 die Partnerschaftsgesellschaft in Betracht, während ihnen die Kapitalgesellschaften einschließlich der GmbH versperrt seien5. Daran hat die Rechtsprechung indessen zu Recht nicht festgehalten, weil keine Gründe ersichtlich sind, die einen derart schwer wiegenden Eingriff in die Berufsfreiheit von Kapitalgesellschaften rechtfertigen könnten (Art. 12 Abs. 1 GG)6. Deshalb müssen die Kammer- und Heilberufegesetze einzelner Länder auf Bedenken stoßen, in denen – entgegen dieser Rechtsprechung – wiederum ausdrücklich die Führung einer ärztlichen Praxis in der Rechtsform einer juristischen Person des Privatrechts verboten oder von Regelungen in den Berufsordnungen abhängig ge1 BGBl. I 1994, 1744. 2 BayObLG, ZIP 2002, 1032, 1033 f. 3 So der BadWürttVGH, DVBl. 1999, 50 f.; OLG Nürnberg, GRUR 1983, 453; OLG Frankfurt, OLGR 2000, 95 = GmbHR 2000, 623 (nur Leitsatz). 4 Zutreffend OLG Düsseldorf, NJW-RR 1996, 1322 f. = BauR 1996, 571 = GRUR 1996, 370; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 13. 5 AG Saarbrücken, GmbHR 1989, 297. 6 BGHZ 124, 224, 225 ff. = NJW 1994, 786; OLG Düsseldorf, GRUR 1992, 178; LG Köln, GmbHR 1988, 269; J. Meyer/V. Kreft, GmbHR 1997, 193; Taupitz, NJW 1996, 3033.

Emmerich

69

§1

Zweck; Gründerzahl

macht worden ist1. Nach dem Gesagten dürften diese gesetzlichen Verbote mit Art. 12 Abs. 1 GG unvereinbar sein, weil sie eine objektive Zulassungssperre enthalten, für die eine sachliche Rechtfertigung nicht zu erkennen ist2.

4. Rechtsanwälte 15

Bei den Rechtsanwälten ging eine verbreitete Meinung lange Zeit gleichfalls von der generellen Unzulässigkeit der Anwalts-GmbH aus3. Eine ausreichende gesetzliche Grundlage für diese Auffassung war jedoch nicht erkennbar4, so dass sich in den neunziger Jahren des vorigen Jahrhunderts weit gehend die gegenteilige Auffassung durchsetzte5. Voraussetzung der Zulässigkeit einer AnwaltsGmbH war danach nur noch, dass die Satzung der Gesellschaft bestimmten Mindestanforderungen genügte, um sie mit der BRAO in Einklang zu bringen6.

16

Angesichts der geschilderten Entwicklung sah sich schließlich auch der Gesetzgeber zum Handeln gezwungen. Die gesetzliche Regelung findet sich seit 1998 in den §§ 59c bis 59m BRAO. Hervorzuheben sind folgende Punkte: Die Zulässigkeit der Anwalts-GmbH wird in § 59c BRAO ausdrücklich festgeschrieben. Gesellschafter können jedoch nur Anwälte und die Angehörigen der anderen sozietätsfähigen Berufe sein (§ 59e Abs. 1 BRAO). Die Anwälte müssen außerdem die Mehrheit der Anteile und der Stimmrechte innehaben (§ 59e Abs. 2 BRAO), wodurch der Zusammenschluss von Anwälten mit den Angehörigen anderer beratender Berufe in Anwaltsgesellschaften erheblich erschwert wird. Auch die Geschäftsführung muss in der Hand von Rechtsanwälten liegen (§ 59f BRAO). Die Gesellschaft muss ferner eine hohe Berufshaftpflichtversicherung abschließen (§ 59j BRAO) und in ihrer Firma den Namen eines Anwaltsgesellschafters sowie den Zusatz „Rechtsanwaltsgesellschaft“ führen (§ 59k BRAO)7. Andere Zusätze sind ebenso unzulässig wie etwa Sachfirmen. Die Gesellschaft bedarf der Zulassung, auf deren Erteilung bei Erfüllung der gesetzlichen Voraussetzungen ein Anspruch besteht (§ 59g BRAO). Anschließend ist die Rechtsanwaltsgesellschaft zur Vertretung vor Gerichten befugt (§ 59l BRAO). Eine entsprechende Regelung wurde in die Patentanwaltsordnung eingefügt (§§ 52c bis 52m 1 So Bayern (GVBl. 2002, 42) und Schleswig-Holstein (GVBl. 1996, 248) sowie NRW, s. OLG Düsseldorf, NZG 2007, 190. 2 J. Meyer/V. Kreft, GmbHR 1997, 193, 194; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 13; Taupitz, NJW 1996, 3033, 3038 ff.; – anders BayVerfGH, NJW 2000, 3418 ff. 3 Donath, ZHR 156 (1992), 134; Michalski, Gesellschafts- und Kartellrecht der berufsrechtlich gebundenen freien Berufe, 1989, S. 1 ff.; Taupitz, JZ 1994, 1100; Taupitz, NJW 1995, 369. 4 S. die Kontroverse zwischen Deregulierungskommission (Marktöffnung, Rdnr. 453 [S. 110 f.]) und DAV (AnwBl. 1990, Beil. zu Heft 4) auf der einen Seite und andererseits Braun, MDR 1995, 447. 5 BayObLGZ 1994, 353, 356 ff. = NJW 1995, 199 = GmbHR 1995, 42 = ZIP 1994, 1868 – „Seufert GmbH“; BayObLGZ 1996, 188, 191 f. = GmbHR 1996, 922 = ZIP 1996, 1706; BayObLG, ZIP 1998, 1959; OLG Bamberg, MDR 1996, 423; OLG Köln, GmbHR 1997, 945 = NZG 1998, 230; LG Baden-Baden, GmbHR 1996, 924. 6 BayObLGZ 1994, 353, 361 f. = NJW 1995, 199 = GmbHR 1995, 42 = ZIP 1994, 1868; OLG Köln, GmbHR 1997, 945. 7 S. dazu BGH, NJW 2004, 1099 – KPMG.

70

Emmerich

§1

Zweck; Gründerzahl

PatAnwO)1. Steuerlich gelten bei der Führung einer Kanzlei als GmbH keine Besonderheiten. Die Einkünfte der GmbH unterliegen der Gewerbe- sowie der Körperschaftsteuer (§ 2 Abs. 2 Satz 1 GewStG, § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG).

IV. Unzulässige Zwecke Eine GmbH kann nach § 1 nur zu einem gesetzlich zulässigen Zweck gegründet 17 werden. Den Gegensatz bilden verbotene oder sittenwidrige Zwecke (§§ 134 und 138 BGB). Ergänzende Vorschriften finden sich in den §§ 61, 62 und 75 sowie noch in den §§ 395 ff. FamFG. Nach § 61 Abs. 1 kann eine Gesellschaft durch Urteil aufgelöst werden, wenn die Erreichung des Gesellschaftszweckes unmöglich wird oder wenn andere wichtige Gründe für die Auflösung vorhanden sind. § 62 fügt hinzu, dass die Gesellschaft auch von der Verwaltung aufgelöst werden kann, wenn sie das Gemeinwohl dadurch gefährdet, dass die Gesellschafter gesetzwidrige Beschlüsse fassen oder gesetzwidrige Handlungen der Geschäftsführer wissentlich geschehen lassen. Schließlich kommt noch nach § 75 Abs. 1 eine Nichtigkeitsklage in Betracht, wenn Bestimmungen des Gesellschaftsvertrages über den Gegenstand des Unternehmens nichtig sind. Weitere Möglichkeiten zur Löschung nichtiger Gesellschaften eröffnen die §§ 397 und 398 FamFG (s. im Einzelnen unten Rdnr. 22 ff.).

1. Gesetzesverstoß Die Satzung ist zunächst (insgesamt) nichtig, wenn der Zweck der Gesellschaft gegen ein (beliebiges) gesetzliches Verbot verstößt (§ 134 BGB). Gesetz in diesem Sinne ist jede Rechtsnorm gleich welchen Ranges, von den Satzungen der Gemeinden bis zur Verfassung und den Bestimmungen des Unionsrechts. Beispiele sind die unbefugte Ausbeutung fremder Schutzrechte2, der Eingriff in staatliche Monopolrechte3, die Organisation des verbotenen Glücksspiels oder des Schmuggels4 sowie die Steuerhinterziehung, vorausgesetzt, dass sie der eigentliche Zweck der Gesellschaft ist; anders dagegen, wenn die GmbH lediglich zu dem Zweck gegründet wird, Steuern zu sparen, selbst wenn die Gesellschaft später steuerrechtlich nicht anerkannt wird5. Ebenso wenig liegt ein unzulässiger Zweck vor, wenn die Gesellschaft der staatlichen Genehmigung bedarf6.

18

2. Sittenverstoß Die Satzung ist außerdem nichtig, wenn der von der Gesellschaft nach dem Wil- 19 len der Gesellschafter verfolgte Zweck gegen die guten Sitten verstößt (§ 138 1 Dazu BGHZ 148, 270 = NJW 2002, 68. 2 Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 40. 3 Vgl. für das (inzwischen aufgehobene) Zündwarenmonopol BayObLGZ 1972, 126, 129 ff.; für das (frühere) Arbeitsvermittlungsmonopol des Bundes BayObLGSt. 1970, 261. 4 RGZ 96, 282 f. 5 RG v. 7.10.1941, StRK StAnpG § 6 R 2. 6 S. oben Rdnr. 9. Ein Beispiel in OGH SZ Bd. 46 (1973) Nr. 58, S. 261, 264: Betrieb von Bankgeschäften ohne Genehmigung nach dem KWG; zur Gründung einer GmbH durch Ausländer ohne Aufenthaltserlaubnis s. unten § 2 Rdnr. 41.

Emmerich

71

§1

Zweck; Gründerzahl

BGB). Ein Beispiel ist eine Gesellschaft, die zum Betrieb wucherischer Geschäfte oder zur Organisation eines systematischen Austauschs von Finanzwechseln gegründet worden ist1. Von der Sittenwidrigkeit des (ganzen) Zwecks ist ferner der Fall zu unterscheiden, dass lediglich einzelne Bestimmungen der Satzung sittenwidrig sind, weil sich dann die Nichtigkeit auf die fraglichen Bestimmungen beschränkt, während die Gültigkeit der Satzung im Übrigen nicht berührt wird (§§ 138, 139 BGB).

3. Rechtsfolgen vor Eintragung 20

Bei Verfolgung eines unzulässigen Zwecks ist der Gesellschaftsvertrag nichtig (§§ 134, 138 BGB). Das kann bis zur Entstehung der GmbH von jedermann geltend gemacht werden2. Eine Ausnahme kommt nach den Regeln über die fehlerhafte Gesellschaft lediglich in Betracht, wenn die Vorgesellschaft bereits in Vollzug gesetzt ist, es sei denn, es handele sich gerade um einen derjenigen Fälle, in denen auch die fehlerhafte Gesellschaft keine Anerkennung findet wie zumindest in den Fällen schwerer Gesetzes- oder Sittenverstöße der Gesellschaft3.

21

Der Registerrichter muss die Zulässigkeit des Zwecks prüfen. Stellt er dessen Unzulässigkeit fest, so hat er die Eintragung der GmbH abzulehnen (§ 9c Abs 1 Satz 1)4. Bei Zweifeln kann er Ermittlungen nach dem wahren Zweck anstellen, dies jedoch nur, wenn sich Anhaltspunkte für dessen Verschleierung ergeben (§ 26 FamFG).

4. Rechtsfolgen nach Eintragung 22

a) Nach Eintragung der Gesellschaft muss anders als in der vorausgehenden Zeit (oben Rdnr. 20) unterschieden werden, ob der Nichtigkeitsgrund den Zweck oder den Gegenstand der Gesellschaft betrifft, weil nur in dem zuletzt genannten Fall die Vorschriften des § 75 GmbHG und des § 397 Satz 2 FamFG eingreifen, während bei Nichtigkeit des Zwecks allein eine Anwendung des § 61 in Betracht kommt (s. im Einzelnen unten § 2 Rdnr. 76). Die ganzen Schwierigkeiten, mit denen die unklare Unterscheidung zwischen Zweck und Gegenstand der Gesellschaft belastet ist (oben Rdnr. 2 ff.), erlangen daher hier praktische Bedeutung, wobei zu beachten ist, dass die Gesellschafter in der engen oder weiten Bestimmung des Zweckes ihres Zusammenschlusses frei sind (§§ 311 Abs. 1, 705 BGB), ohne in der Regel genötigt zu sein, in dem Gesellschaftsvertrag den Zweck ausdrücklich festzulegen5. Im Falle der Nichtigkeit des Zwecks ist außerdem von 1 BGHZ 27, 172, 176 ff. = NJW 1958, 989. 2 BayObLGZ 1972, 126, 129. 3 S. Fleischer, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 42; Emmerich, in: Heymann, § 105 HGB Rdnr. 83 ff.; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 32; Koppensteiner, öGmbHG, § 1 Rdnr. 12. 4 KGJ 30 A 129; KGJ 31 A 183; KGJ 39 A 300; BayObLGZ 1972, 126, 128 f.; OGH SZ Bd. 46 (1973) Nr. 58, S. 261, 264 f.; Wünsch, GesRZ 1982, 155, 156. 5 Ebenso wie hier im Wesentlichen Michalski, in: Michalski, Rdnr. 35; Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 14 ff.; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 34; Wünsch, GesRZ 1982, 155, 156 f.; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 19; anders Tieves, Unternehmensgegenstand, S. 191, 221 ff.

72

Emmerich

§1

Zweck; Gründerzahl

Fall zu Fall an ein außerordentliches Austrittsrecht der Gesellschafter sowie an einer Amtsauflösung nach § 62 zu denken. b) Besonderheiten gelten, wenn die Nichtigkeit erst nachträglich im Wege der 23 Änderung des Gesellschaftsvertrages herbeigeführt wird. Ein derartiger satzungsändernder Beschluss ist ebenfalls nichtig (§§ 134, 138 BGB) und darf vom Registerrichter nicht eingetragen werden (§ 54)1. Geschieht dies gleichwohl, so ist wiederum danach zu unterscheiden, ob die Nichtigkeit allein den Zweck oder auch den Unternehmensgegenstand betrifft, weil nur im zweiten Fall Raum für die Anwendung des § 75 ist; zugleich kommt dann eine Amtslöschung nach § 397 FamFG oder in Ausnahmefällen auch nach § 398 FamFG in Betracht. Bei Nichtigkeit allein des Zwecks ist dagegen wieder nur Raum für die Anwendung der §§ 61 und gegebenenfalls 62, zu der im Einzelfall ein Austrittsrecht der Gesellschafter aus wichtigem Grunde hinzutreten kann2. Davon zu trennen ist der Fall, dass die Gesellschafter lediglich tatsächlich (im 24 Wege der faktischen Satzungsänderung) einen unzulässigen Zweck annehmen. In diesem Falle kommen wiederum die Auflösungsklage aus § 61 oder das Austrittsrecht aus wichtigem Grunde und, bei Schädigung des Gemeinwohls, die Auflösung nach § 62 in Betracht3.

5. Heilung Die Nichtigkeit der Satzung wird geheilt, wenn die Gesellschafter einstimmig 25 an die Stelle des unzulässigen Zwecks einen zulässigen Zweck setzen (§ 33 BGB). Betrifft der Nichtigkeitsgrund dagegen den Gegenstand der Gesellschaft, so ist § 76 zu beachten, nach dem ein Mangel, der die Bestimmung über den Gegenstand des Unternehmens betrifft, (nur) durch einstimmigen Beschluss der Gesellschafter geheilt werden kann, während sich § 276 AktG in diesem Fall mit einer Satzungsänderung (mit qualifizierter Mehrheit, s. § 179 Abs. 2 Satz 1 AktG) begnügt4. Haben die Gesellschafter dagegen im Wege einer faktischen Satzungsänderung einen unzulässigen Zweck angenommen, so genügt es für die Heilung des Mangels bereits, wenn sie einfach für die Zukunft das unzulässige Geschäftsgebaren aufgeben und wieder allein einen zulässigen Zweck verfolgen.

V. Einpersonen-GmbH 1. Überblick, Geschichte a) § 1 bestimmt seit 1980 ausdrücklich, dass eine GmbH durch eine oder mehrere Personen errichtet werden kann. Der Gesetzgeber hat damit die Konsequenzen aus der seit langem anerkannten Zulässigkeit einer sog. Einmann- oder Einpersonen-GmbH gezogen. Von einer solchen spricht man, wenn sich sämtliche 1 BayObLGZ 1972, 126, 129. 2 Fleischer, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 45; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/ Schmidt-Leithoff, Rdnr. 52 f. 3 Ebenso Fleischer, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 45; Michalski, in: Michalski, Rdnr. 35; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 53. 4 Zu den Konsequenzen s. 10. Aufl., § 76 Rdnr. 1 ff.

Emmerich

73

26

§1

Zweck; Gründerzahl

Geschäftsanteile in der Hand einer (natürlichen oder juristischen) Person befinden. Gleich steht der Fall, dass sich nur in der Hand der Gesellschaft noch weitere Geschäftsanteile befinden; es handelt sich dann nicht etwa um eine Zweipersonen-GmbH, sondern ebenfalls um eine Einpersonen-Gesellschaft (s. § 48 Abs. 3). In seiner ursprünglichen Fassung hatte das Gesetz dagegen in § 1 noch eine Mindestzahl von zwei Gründungsgesellschaftern vorgeschrieben. Eine Einpersonengesellschaft konnte deshalb früher nicht originär entstehen; vielmehr war die Hinzuziehung eines – nach der Eintragung ausscheidenden – Treuhänders, eines so genannten Strohmannes notwendig. Seit der Änderung des § 1 im Jahre 1980 ist die Gründung einer Einpersonengesellschaft im Ergebnis auf drei verschiedenen Wegen möglich, zunächst durch die herkömmliche Strohmanngründung (s. unten § 2 Rdnr. 54 ff.), sodann durch die seit 1981 zugelassene Einpersonengründung (dazu unten Rdnr. 27 ff.), sowie schließlich durch Abspaltung des Unternehmens eines im Handelsregister eingetragenen Einzelkaufmanns und Übertragung auf eine gleichzeitig gegründete GmbH, wobei nur in dem zuletzt genannten Fall eine Gesamtrechtsnachfolge stattfindet (§§ 152, 158 ff. i.V.m. den §§ 123 Abs. 3 Nr. 2, 131 Abs. 1 Nr. 1, 135 und 136 UmwG). Die Einpersonengesellschaft erfreut sich bis auf den heutigen Tag großer Beliebtheit. Angeblich sind rund 30–40 % aller Gesellschaften dieser Gesellschaftsform zuzuordnen. 27

b) Die Novelle von 1980 hatte keine erschöpfende Regelung der Materie gebracht, sondern sich auf eine Reihe von Einzelvorschriften für Einpersonen-Gesellschaften beschränkt. Hervorzuheben waren die zusätzlichen Sicherungen für die Kapitalaufbringung im Falle der Einpersonengründung (§§ 7 Abs. 2 Satz 3, 8 Abs. 2 Satz 2, 9a Abs. 1 und 82 Abs. 1 Nr. 1), für den Fall der nachträglichen Vereinigung aller Geschäftsanteile in einer Hand innerhalb von drei Jahren nach Eintragung (§§ 19 Abs. 4 und 60 Abs. 1 Nr. 5 GmbHG, § 144b FGG a.F.) sowie bei Übernahme der Stammeinlage aus der Kapitalerhöhung durch den Alleingesellschafter (§§ 56a, 57 Abs. 2 und 4, 82 Abs. 1 Nr. 3). Die Novelle hatte außerdem in Abweichung von der Rechtsprechung des BGH1 den § 181 BGB auf Geschäfte des Alleingesellschafters mit seiner Gesellschaft für anwendbar erklärt (§ 35 Abs. 4) und schließlich für „Beschlüsse“ des Alleingesellschafters eine von diesem zu fertigende und zu unterzeichnende Niederschrift verlangt (§ 48 Abs. 3). Eine Reihe dieser besonderen Schutzvorschriften ist jedoch im Jahr 2008 durch das MoMiG wieder gestrichen worden (Rdnr. 28a).

28

c) Durch die Zwölfte Richtlinie auf dem Gebiet des Gesellschaftsrechts vom 21.12.19892 sind die Mitgliedstaaten verpflichtet worden, Einpersonen-Gesellschaften zuzulassen und zugleich verschiedene Schutzvorschriften zu Gunsten der Gläubiger in ihr Gesellschaftsrecht aufzunehmen. Diese Richtlinie ist in Deutschland durch ein am 1.1.1992 in Kraft getretenes Änderungsgesetz umgesetzt worden3, das jedoch nur geringfügige Änderungen, namentlich bei den §§ 19 Abs. 4, 35 Abs. 4 und 44 Abs. 2, gebracht hat. Wichtig ist außerdem die Verbesserung der Publizität von Einpersonen-Gesellschaften durch § 40 Abs. 2. 1 BGHZ 75, 358, 359 f. = NJW 1980, 932. 2 ABl. EG Nr. L 395 v. 30.12.1989, S. 40 = EuZW 1990, 57; auch abgedruckt bei Habersack, Europäisches Gesellschaftsrecht, 3. Aufl. 2006, Rdnr. 338 (S. 342 ff.). 3 BGBl. I 1991, 2206; s. dazu den RegE, BT-Drucks. 12 (1991), S. 65.

74

Emmerich

§1

Zweck; Gründerzahl

Als „verzichtbar“ sind schließlich im Jahre 2009 wieder die §§ 7 Abs. 2 Satz 3, 8 Abs. 2 Satz 2 und 19 Abs. 4 in der Fassung von 1980 gestrichen worden. d) Das MoMiG hat – neben anderen Vereinfachungen (Rdnr. 27 f.) – vor allem die Streichung des Erfordernisses der vollständigen Aufbringung des Stammkapitals für Einpersonengesellschaften (§ 19 Abs. 4 a.F.) gebracht.

28a

e) Die bisherige, lediglich punktuelle Regelung der mit Einpersonen-Gesell- 28b schaften verbundenen Probleme hat eine Reihe neuer Fragen aufgeworfen, für die sich noch keine allseits akzeptierten Lösungen abzeichnen. Hervorzuheben sind die Rechtsnatur der „Vorgesellschaft“ in diesem Falle (unten Rdnr. 42 ff.), das Problem des Haftungsdurchgriffs auf den „Einmann“ (unten Rdnr. 45 f.) sowie die intrikate Problematik der Treuepflicht des Einmanns gegenüber „seiner“ Gesellschaft1. Im Folgenden ist nur auf diejenigen Fragen näher einzugehen, die mit der Zulassung von Einpersonengründungen durch die Novelle von 1980 zusammenhängen; im Übrigen ist auf die Erläuterungen an anderer Stelle zu verweisen (s. unten § 11 Rdnr. 164, 174 ff. und § 13 Rdnr. 75 ff.).

2. Anwendungsbereich Eine Einpersonengründung ist nach dem Wortlaut des § 1 durch jede „Person“ 29 möglich. Umstritten ist, ob damit nur natürliche und juristische Personen gemeint sind oder ob darunter auch die Gesamthandsgemeinschaften fallen, sofern sie überhaupt nach außen handlungsfähig sind und sich deshalb an einer GmbH beteiligen können2. Unzweifelhaft ist das zunächst mit Rücksicht auf die §§ 124 Abs. 1 und 161 Abs. 2 HGB für die OHG und die KG, wird aber mittlerweile auch für die BGB-Außengesellschaft nicht mehr bezweifelt (s. unten § 2 Rdnr. 53a). Unter diesen Umständen ist heute trotz des nicht ganz eindeutigen Wortlauts des § 1 kein sachlicher Grund mehr erkennbar, die genannten Gesellschaften von der generell zulässigen Einpersonengründung auszuschließen3. Nichts anderes gilt schließlich für eine Vor-GmbH, jedenfalls, sofern man sie 30 als teilrechtsfähiges Gebilde anerkennt (s. unten § 11 Rdnr. 34 ff.), sowie für die Einpersonen-GmbH selbst, da das ursprünglich von der Europäischen Kommission (aus guten Gründen) geplante so genannte „Enkelverbot“ am deutschen Widerstand gescheitert ist4. Zweifelhaft ist lediglich, welche Folgerungen hieraus für die Einpersonen-Vor-GmbH zu ziehen sind, d.h. ob auch ein derartiges Gebilde zur Gründung weiterer Einpersonen-Gesellschaften imstande ist5. Die Entscheidung der Frage hängt von der Stellungnahme zur Rechtsnatur der Einpersonen-Vor-GmbH ab (s. unten Rdnr. 42 ff.). Billigt man ihr mit einer verbreiteten Meinung gleichfalls Teilrechtsfähigkeit zu, so wird man sie kaum von der Gründung weiterer Einpersonengesellschaften ausschließen können. Die rechts-

1 S. Tieves, Unternehmensgegenstand, S. 562 ff. 2 S. im Einzelnen unten § 2 Rdnr. 45, 51 ff. 3 Ebenso Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 48; Roth, FamRZ 1984, 328, 329; Karsten Schmidt, BB 1983, 1697, 1699 f.; Michalski, in: Michalski, Rdnr. 45. 4 S. Driesen, MDR 1992, 324, 325. 5 Bejahend U. John, BB 1985, 626; dagegen LG Moosbach, BB 1984, 1963.

Emmerich

75

§1

Zweck; Gründerzahl

politischen Bedenken gegen eine derartige künstliche Inflationierung von „Gesellschaften“ sind freilich nicht zu übersehen.

3. Gründung, Gesellschaftsvertrag 31

a) Auch für die Einpersonen-GmbH gilt § 2 Abs. 1 Satz 1, so dass es zu ihrer Gründung eines „Gesellschaftsvertrages“ bedarf1. Von einem echten Gesellschafts„vertrag“ kann hier freilich keine Rede sein; vielmehr wird die Einpersonen-GmbH durch einseitige, nicht empfangsbedürftige Willenserklärung des Gründers errichtet, die fortan als „Gesellschaftsvertrag“ (Satzung) die Grundlage der neuen Gesellschaft bildet2.

32

b) Für die Erklärung des Einpersonengründers gelten keine Besonderheiten, so dass auf sie die §§ 2 ff. anzuwenden sind. Allein kostenrechtlich besteht insofern ein Unterschied, als der Notar für ihre Beurkundung lediglich eine volle Gebühr nach § 36 Abs. 1 KostO (und nicht wie sonst 2 volle Gebühren) erhält3.

33

c) Mit der Abgabe der (rechtswirksamen) Erklärung ist das Gründungsgeschäft vollendet. Auf seine Wirksamkeit ist es ohne Einfluss, wenn der Einpersonengründer danach geschäftsunfähig wird oder stirbt. In dem zuletzt genannten Fall wird sein Erbe oder, wenn mehrere Erben vorhanden sind, die Erbengemeinschaft zum Gründungsgesellschafter (Rdnr. 29). Soll statt dessen jeder Erbe für sich Gesellschafter werden, so bedarf es einer Änderung der Erklärung in der Form des § 2 Abs. 1 Satz 1. Die speziellen Vorschriften über die Einpersonengründung sind dann nicht mehr anwendbar.

34

d) Die Erklärung kann (als einseitige, nicht empfangsbedürftige Willenserklärung, oben Rdnr. 31) gemäß § 180 Satz 1 BGB nicht von einem Vertreter ohne Vertretungsmacht abgegeben werden4. Sie kann außerdem bis zur Eintragung der GmbH in das Handelsregister durch den Gründer oder seinen Rechtsnachfolger widerrufen werden5. Der Widerruf ist formlos möglich. War die Vor-GmbH (Rdnr. 42 ff.) im Rechtsverkehr bereits tätig geworden und bestehen daraus noch Verpflichtungen, so ist anzunehmen, dass der Gründer fortan für diese Verbindlichkeiten unbeschränkt persönlich haftet (s. unten Rdnr. 45 f.).

35

Die Erklärung des Einmannes über die Gründung einer GmbH zielt letztlich auf die Schaffung der einer Einzelperson dienenden und auf sie bezogenen rechtlichen Organisation. Außerdem tritt bei der Einpersonen-GmbH an die Stelle des gemeinsamen Zwecks, der die Rechtsverhältnisse einer Mehrpersonenge1 Vgl. die Streichung der Worte „des Abschlusses in“ in § 2 Abs. 1 Satz 1 durch die Novelle von 1980 und dazu den Ausschussbericht (BT-Drucks. 8/1347, S. 68). 2 BGHZ 91, 148, 149 = NJW 1984, 2164 = GmbHR 1984, 316; BayObLGZ 1982, 467, 470; KG, JurBüro 1984, 910 f.; LG Berlin, GmbHR 1996, 123; Michalski, in: Michalski, Rdnr. 48; Roth, in: Roth/Altmeppen, § 2 Rdnr. 11; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/ Schmidt-Leithoff, § 2 Rdnr. 4; Karsten Schmidt, GesR, § 40 II 2a (S. 1247 f.). 3 BayObLGZ 1982, 467 ff. = DNotZ 1983, 252; KG, JurBüro 1984, 910 f.; OLG Frankfurt, WM 1983, 405 = JurBüro 1982, 1710; OLG Hamm, JurBüro 1984, 427 = DB 1983, 2679; OLG Stuttgart, DNotZ 1983, 577; a.A. Willemer, DNotZ 1981, 469. 4 LG Berlin, GmbHR 1996, 123. Dazu Dürr, GmbHR 2008, 408. 5 Roth, in: Roth/Altmeppen, § 2 Rdnr. 11.

76

Emmerich

§1

Zweck; Gründerzahl

sellschaft inhaltlich wesentlich prägt (s. § 705 BGB), ein bloßer Organisationszweck, dessen Bedeutung sich im Wesentlichen in der internen Bindung eines etwaigen Fremdgeschäftsführers erschöpft1. Für die Zulässigkeitsschranken gilt im Übrigen hier dasselbe wie bei den Mehrpersonen-Gesellschaften (oben Rdnr. 17 ff.). Hervorzuheben ist lediglich, dass diejenigen freien Berufe, denen (noch) die GmbH versperrt ist, folglich auch keine Einpersonen-GmbH gründen können2.

4. Inhalt a) Die Erklärung des Einpersonengründers muss die zwingenden Mindestanga- 36 ben des § 3 Abs. 1 enthalten. Keine Besonderheiten ergeben sich insoweit für die Bestimmung des Sitzes, des Unternehmensgegenstandes und des Stammkapitalbetrages. Die Firmenbildung richtet sich nach § 4 i.V.m. § 18 HGB. Besonderheiten bestehen nicht mehr.

37

Der Einpersonengründer kann seit der Änderung des § 5 auch mehrere Geschäftsanteile übernehmen, deren Höhe mit dem festgesetzten Stammkapital übereinstimmen muss (§ 5 Abs. 2 Satz 2, Abs. 3 Satz 2).

38

b) Fakultative Regelungen der Rechtsverhältnisse der Einpersonen-GmbH sind 39 nur dann rechtswirksam, wenn sie in der Errichtungserklärung enthalten sind (s. unten § 3 Rdnr. 60 ff.). Zu beachten ist, dass auch hier der Alleingesellschafter von dem 1980 eingeführten Verbot des Selbstkontrahierens (§ 35 Abs. 3) nur durch eine entsprechende Satzungsbestimmung befreit werden kann (s. 10. Aufl., § 35 Rdnr. 115 ff.). Das ist zwar im Gesetz nicht ausdrücklich ausgesprochen, ergibt sich aber aus dem Zweck des § 35 Abs. 3. Denn nach dem Ausschussbericht3 sollen die Gläubiger durch den publizierten Gesellschaftsvertrag gerade auf die Möglichkeit solcher Geschäfte hingewiesen werden. c) Die Schranken der Satzungsautonomie stimmen bei der Einpersonen-GmbH 40 nicht in allen Beziehungen mit denen bei einer Mehrpersonengesellschaft überein; vielmehr entfallen diejenigen Einschränkungen, die sich nach ihrem Sinn und Zweck ausschließlich auf die Ordnung einer „echten“ Personenvereinigung beziehen (s. oben Rdnr. 35). Die Erklärung kann dagegen nicht von solchen zwingenden Vorschriften abweichen, die den Schutz außenstehender Dritter bezwecken oder die die notwendigen Gesellschaftsorgane und deren Mindestzuständigkeit festlegen (unten Rdnr. 49).

5. Mängel Für Mängel des einseitigen Errichtungsgeschäfts gilt im Wesentlichen dasselbe 41 wie beim Gesellschaftsvertrag4. Nach der Eintragung der Einpersonen-GmbH in 1 2 3 4

Ebenso Michalski, in: Michalski, Rdnr. 51. Vgl. für Apotheken Schiedermair, PharmaZ 1981, 322. BT-Drucks. 8/3908, S. 74. Roth, in: Roth/Altmeppen, § 2 Rdnr. 10.

Emmerich

77

§1

Zweck; Gründerzahl

das Handelsregister kann die Gesellschaft folglich grundsätzlich nur noch bei Vorliegen der in § 75 Abs. 1 genannten Voraussetzungen durch ein gerichtliches Urteil für nichtig erklärt oder durch das Registergericht von Amts wegen als nichtig gelöscht werden (§ 397 Satz 2 FamFG). Die genannten Vorschriften sind auch anwendbar, wenn die Erklärung aus anderen Gründen unwirksam ist (s. unten § 2 Rdnr. 62 ff.). So verhält es sich etwa, wenn die Erklärung tatsächlich gar nicht von dem angeblichen Gründer stammt oder wenn er in der Geschäftsfähigkeit beschränkt ist1. Andere Mängel sind dagegen lediglich in den Grenzen des § 399 Abs. 4 FamFG beachtlich und führen zu dem dort geregelten registergerichtlichen Beanstandungsverfahren mit der möglichen Folge der Auflösung nach § 60 Abs. 1 Nr. 6. Bei einem durch die genannten Vorschriften nicht erfassten Erklärungsmangel steht es dem Gründer frei, die Auflösung nach § 60 Abs. 1 Nr. 2 herbeizuführen.

6. Vor-GmbH 42

Ein viel diskutiertes Problem stellt die Rechtsnatur der Einpersonen-Vor-GmbH dar. Wegen der Einzelheiten ist auf die Erläuterungen zu § 11 zu verweisen (s. unten § 11 Rdnr. 164 ff.). Im vorliegenden Zusammenhang genügen folgende Bemerkungen: Das Problem rührt vor allem daher, dass das Gesetz in den Vorschriften über die Einpersonengesellschaft offenkundig davon ausgeht, dass diese bereits nach ihrer Errichtung und vor ihrer Eintragung ebenso wie sonstige Gesellschaften Geschäftsführer haben kann (vgl. § 8 Abs. 1 Nr. 2) und dass an sie auch schon bestimmte Leistungen erbracht werden können (s. § 7 Abs. 2 und 3, § 8 Abs. 2).

43

a) Im Schrifttum sind zur Lösung der durch diese Vorschriften (oben Rdnr. 42) aufgeworfenen Fragen unterschiedliche Lösungen entwickelt worden. Herrschend ist mittlerweile die Meinung, die der gesetzlichen Regelung entnimmt, dass bei der Gründung einer Einpersonengesellschaft nicht anders als bei der Mehrpersonengründung eine teilrechtsfähige Vor-GmbH entsteht, die bereits Organe haben kann und an die daher vom Gründer die Einlagen zu leisten sind. Diese VorGmbH wird folgerichtig als handlungs- und insolvenzfähig angesehen, so dass mit Eintragung der „Gesellschaft“ ebenso wie bei anderen Vorgesellschaften das Gesellschaftsvermögen ohne weiteres auf diese „übergeht“2. Soweit dem nicht zwingend die Besonderheiten der Einpersonengründung entgegenstehen, ist daher die Rechtslage in der Zeit zwischen Errichtung und Eintragung der Gesellschaft ebenso wie bei der Mehrpersonengründung zu beurteilen, so dass grundsätzlich die Regeln über die Vorgesellschaft anzuwenden sind3.

1 Vgl. zu dem zuletzt genannten Fall BGH, LM Nr. 4 zu § 108 BGB = MDR 1980, 737; H. Winter, in: Pro GmbH, 1980, S. 191, 199 f. 2 S. im Einzelnen unten § 11 Rdnr. 167; OLG Dresden, GmbHR 1997, 215, 217 = WiB 1997, 466 = DZWiR 1997, 200; Michalski, in: Michalski, Rdnr. 57–59; U. John, BB 1982, 505, bes. 512 ff.; U. John, JZ 1984, 945 f.; Karsten Schmidt, NJW 1980, 1769, 1774 ff.; Karsten Schmidt, NJW 1981, 1345; Karsten Schmidt, ZHR 145 (1981), 540 ff. 3 S. außer den Genannten (vorige Fn.) noch Brandes, WM 1983, 286, 289 f.; Fleck, GmbHR 1983, 5 ff.; Flume, Juristische Person, S. 148 ff.; John, BB 1982, 505 ff.; A. Schröder, Die Einmann-Vorgesellschaft, 1990.

78

Emmerich

§1

Zweck; Gründerzahl

b) Schwierigkeiten ergeben sich daraus nur, wenn die Eintragung der Einper- 44 sonen-GmbH endgültig scheitert, der Eintragungsantrag z.B. rechtskräftig zurückgewiesen oder zurückgenommen wird oder die Eintragung von dem Gründer endgültig nicht mehr betrieben wird (zum Widerruf der Erklärung s. schon oben Rdnr. 34). Trotz konstruktiver Bedenken ist anzunehmen, dass dann die „Vor-GmbH“ einfach erlischt und ein etwaiges Vermögen an den Gründer zurückfällt1. Eine besondere Liquidation ist daher entbehrlich, aber natürlich jederzeit unter Beachtung der §§ 60 ff. möglich (und empfehlenswert).

7. Haftung Auch die Haftungsverhältnisse bei der Vor-GmbH im Falle einer Einpersonen- 45 Gründung sind umstritten. Wegen der Einzelheiten ist insoweit gleichfalls auf die Erläuterungen zu § 11 zu verweisen (s. unten § 11 Rdnr. 174 ff.). Häufig werden dieselben Regeln wie bei sonstigen Vorgesellschaften angewandt, so dass den Gründer nur die bekannte Differenzhaftung trifft2. Für eine derartige Begünstigung des Gründers einer Einpersonen-Gesellschaft besteht jedoch aus unmittelbar einleuchtenden Gläubigerschutzgesichtspunkten kein Anlass. Deshalb ist anzunehmen, dass jedenfalls der Gründer einer Einpersonen-GmbH unbeschränkt persönlich für die Verbindlichkeiten der Vorgesellschaft bis zur Eintragung haften muss (§ 11 Rdnr. 175). Das ist wichtig vor allem in den Fällen des Scheiterns der Eintragung (oben Rdnr. 44), weil nur so der Fortbestand der unbeschränkten Haftung des Gründers sichergestellt werden kann (§ 11 Rdnr. 175). Daneben ist auch Raum für die Anwendung der Handelndenhaftung aus § 11 46 Abs. 2. Sie beginnt aber erst mit Errichtung der Gesellschaft durch Beurkundung der Errichtungserklärung. Sie setzt außerdem voraus, dass ihre Voraussetzungen überhaupt auf den Gründer zutreffen, insbesondere, dass er sich zugleich zum Geschäftsführer bestellt3.

8. Juristische Person Mit ihrer Eintragung im Handelsregister wird die Einpersonen-GmbH zur juris- 47 tischen Person (§ 13 Abs. 1). Sie hat daher ihr eigenes Vermögen, das rechtlich von dem ihres Alleingesellschafters zu trennen ist. Jedes der beiden Vermögen haftet nur für die Verbindlichkeiten des betreffenden Rechtsträgers, das Vermögen der GmbH nur für Gesellschaftsverbindlichkeiten und das Privatvermögen des Gesellschafters für seine privaten Verbindlichkeiten (§ 13 Abs. 2)4. 1 S. unten § 11 Rdnr. 168 sowie BayObLG, NJW-RR 1987, 812 f. = GmbHR 1987, 393; LG Berlin, GmbHR 1988, 71; Karsten Schmidt, GmbHR 1988, 89 f.; Ulmer/Ihrig, GmbHR 1988, 373, 383 f. 2 OLG Dresden, GmbHR 1997, 215, 217 = WiB 1997, 466 = DZWiR 1997, 200; Brinkmann, GmbHR 1982, 269; Fleck, GmbHR 1983, 5, 16 f.; John, BB 1982, 505, bes. 512 ff.; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, § 11 Rdnr. 150. 3 BGHZ 91, 148, 149 f. = NJW 1984, 2164 = GmbHR 1984, 316. 4 RGZ 85, 380, 382 f.; RGZ 87, 18, 25; RGZ 92, 77, 84 f.; BGHZ 22, 226, 229 f. = NJW 1957, 181 = GmbHR 1957, 28; BGHZ 68, 312, 314 = NJW 1977, 1449; BGH, GmbHR 1958, 111; LM Nr. 7 zu § 831 (B) BGB = NJW 1974, 1371; LM Nr. 1 zu § 3 GeschmMG = MDR 1978, 383; LM Nr. 9 zu § 767 BGB = GmbHR 1978, 171.

Emmerich

79

§1

Zweck; Gründerzahl

Eine Mithaftung des einzigen Gesellschafters neben der Gesellschaft kommt nur in Betracht, wenn ein selbständiger Verpflichtungsgrund dafür besteht oder wenn ausnahmsweise die Voraussetzungen der Durchgriffshaftung erfüllt sind (s. unten § 13 Rdnr. 55, 75 ff.). Ebenso unzulässig ist im Regelfall ein so genannter umgekehrter Haftungsdurchgriff der Privatgläubiger auf das Gesellschaftsvermögen, so dass nicht etwa aus einem Titel gegen den Gesellschafter in das Gesellschaftsvermögen vollstreckt werden kann1. 48

Die GmbH kann mit ihrem Alleingesellschafter Rechtsgeschäfte abschließen2. Die Übertragung von Vermögensgegenständen hat ebenfalls nach den allgemeinen Regeln zu erfolgen, wobei freilich ein gutgläubiger Erwerb beiderseits ausgeschlossen ist3. Dagegen greift das Zinsverbot des § 1197 Abs. 2 BGB nicht ein, wenn die GmbH an einem ihr gehörenden Grundstück dem Alleingesellschafter eine Grundschuld bestellt hat4.

9. Organe 49

Die gesetzlich vorgeschriebenen Gesellschaftsorgane muss auch die Einpersonen-GmbH haben. Es sind also Geschäftsführer in der zur Vertretung erforderlichen Anzahl zu bestellen. Ebenso ist ein gesetzlich angeordneter Aufsichtsrat zu bilden5. Die Funktion des Organs „Gesellschafterversammlung“ übt der Alleingesellschafter allein aus (§ 48 Abs. 3). Er kann zugleich Geschäftsführer oder Aufsichtsratsmitglied sein; beide Ämter zugleich kann er jedoch nicht übernehmen, selbst wenn es sich lediglich um einen fakultativen Aufsichtsrat handelt6.

10. Umwandlung in eine Mehrpersonen-GmbH 50

Die Einpersonen-GmbH verwandelt sich in eine Mehrpersonengesellschaft, wenn der Einmann einen Teil seines Geschäftsanteils an einen Dritten (nicht die GmbH) abtritt (§ 15) oder wenn ein Dritter einen neuen Geschäftsanteil aus einer Kapitalerhöhung (§§ 55 ff.) übernimmt. Die Umwandlung erfordert keine Satzungsänderung (§ 53), obwohl durch den Eintritt eines weiteren Gesellschafters die Rechtsverhältnisse der GmbH verändert werden. Bestimmungen des Gesellschaftsvertrags, die mit zwingendem Recht der Mehrpersonen-GmbH unvereinbar sind, werden ohne weiteres unwirksam, während statutarische Regelungen, die zwar nach ihrem Wortlaut auf die Einpersonen-GmbH abstellen, aber auch für eine GmbH mit mehreren Gesellschaftern sinnvoll sind, weiter gelten, sofern nicht ausdrücklich das Gegenteil bestimmt ist.

1 BGH, GmbHR 1958, 77; anders einmal OLG Hamm, NJW 1977, 1159 m. abl. Anm. Wilhelm, NJW 1977, 1887. 2 S. BGHZ 56, 97, 103 = NJW 1971, 1355. 3 Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 42. 4 RG, HRR 1929 Nr. 389. 5 § 6 MitbestG; DrittelbeteiligungsG von 2004, BGBl. I 2004, 974. 6 S. KG, JFG 1 (1924), 238 f.; OLG Frankfurt, WM 1981, 1085 = GmbHR 1982, 159; OLG Frankfurt, WM 1987, 211 = GmbHR 1987, 232; Feine, in: Ehrenbergs Hdb. III/3, S. 443; str.

80

Emmerich

§2

Form des Gesellschaftsvertrages

§2

Form des Gesellschaftsvertrages (1) Der Gesellschaftsvertrag bedarf notarieller Form. Er ist von sämtlichen Gesellschaftern zu unterzeichnen. (1a) Die Gesellschaft kann in einem vereinfachten Verfahren gegründet werden, wenn sie höchstens drei Gesellschafter und einen Geschäftsführer hat. Für die Gründung im vereinfachten Verfahren ist das in der Anlage bestimmte Musterprotokoll zu verwenden. Darüber hinaus dürfen keine vom Gesetz abweichenden Bestimmungen getroffen werden. Das Musterprotokoll gilt zugleich als Gesellschafterliste. Im Übrigen finden auf das Musterprotokoll die Vorschriften dieses Gesetzes über den Gesellschaftsvertrag entsprechende Anwendung. (2) Die Unterzeichnung durch Bevollmächtigte ist nur auf Grund einer notariell errichteten oder beglaubigten Vollmacht zulässig. Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 geändert durch das Gesetz vom 28.8.1969 (BGBl. I 1969, 1513); Abs. 1 Satz 1 erneut geändert durch die GmbH-Novelle von 1980 (BGBl. I 1980, 836); Abs. 1a eingefügt durch das MoMiG vom 23.10.2008 (BGBl. I 2008, 2026).

Inhaltsübersicht I. Überblick (Emmerich) . . . . . . . . . II. Gesellschaftsvertrag (Emmerich) 1. Rechtsnatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Inhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Form. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Ausländische Notare . . . . . . . . . . 5. Formmängel . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Änderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Vertretung a) Form . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Mängel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8. Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. 1. 2. 3. 4. 5.

Gesellschafter (Emmerich) . . . . . Ausländer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Minderjährige . . . . . . . . . . . . . . . . Eheleute . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kaufleute . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Testamentsvollstrecker a) Schon bestehende GmbH . . . . b) Gründung einer GmbH . . . . . . 6. Juristische Personen . . . . . . . . . . . 7. OHG und KG . . . . . . . . . . . . . . . . .

1

3 10 13 18 19 21 23 30 33 40 41 42 45 46 47 48 49 50

8. Sonstige Gesamthandsgemeinschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 9. Treuhänder a) Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 b) Begründung . . . . . . . . . . . . . . 55a c) Rechtsstellung . . . . . . . . . . . . . 58 d) Haftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 10. Besondere Eigenschaften . . . . . . 60 IV. Mängel des Gesellschaftsvertrages (Emmerich) 1. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Gründungsphase . . . . . . . . . . . . . 3. Vollzug der Vorgesellschaft . . . . 4. Nach Eintragung . . . . . . . . . . . . . a) Beitrittserklärungen besonderer schutzwürdiger Personen b) Grundsätzliche Heilung sonstiger Mängel . . . . . . . . . . . c) Schadensersatzansprüche . . . V. 1. 2. 3.

62 67 69 71 72 80 85

Vorvertrag (Emmerich) Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Begriff, Voraussetzungen . . . . . . Form . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

86 88 91

VI. Vorgründungsgesellschaft (Emmerich) . . . . . . . . . . . . . . . . . .

95

Emmerich/Wicke

81

§2

Form des Gesellschaftsvertrages

VII. Vereinfachtes Gründungsverfahren (§ 2 Abs. 1a) (Wicke) 1. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Positionen im Gesetzgebungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Voraussetzungen (§ 2 Abs. 1a Satz 1) a) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . b) Gesellschafter . . . . . . . . . . . . . . c) Geschäftsführer und Vertretung . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Weitere Einzelheiten des „vereinfachten Verfahrens“ a) Urkundeneingang. . . . . . . . . . . b) Errichtung der Gesellschaft, Firma und Sitz (Nr. 1) . . . . . . . c) Unternehmensgegenstand (Nr. 2) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Stammkapital, Geschäftsanteil, Einlage (Nr. 3). . . . . . . . e) Geschäftsführer und Vertretung (Nr. 4) . . . . . . . . . . . . . . f) Gründungskosten (Nr. 5) . . . . g) Erteilung von Ausfertigungen und Abschriften (Nr. 6) . . . . . . h) Notarielle Hinweise (Nr. 7) . . 5. Abweichungen vom Musterprotokoll (§ 2 Abs. 1a Satz 3)

96 6. 97

98 99 100

103 104 105 106 108 109 110 111

7. 8. 9.

a) Keine „vom Gesetz abweichenden Bestimmungen“ . . . b) Rechtsfolgen . . . . . . . . . . . . . . Satzungsänderungen a) Anwendung der allgemeinen Vorschriften (§§ 53 f.) und Kostenprivileg (§ 41d KostO) b) Anpassung des Texts des Musterprotokolls?. . . . . . . . . . c) Beifügung von Satzungstext und Satzungsbescheinigung . d) Satzungsänderungen vor Eintragung . . . . . . . . . . . . . . . . Gesellschafterliste und Registeranmeldung (§ 2 Abs. 1a Satz 4) . Kostenprivilegierung. . . . . . . . . . Rechtspraktische und -politische Bewertung a) Rechtspolitischer Kompromiss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Musterprotokoll als Fremdkörper im System . . . . . . . . . . c) Keine Beschleunigung des Eintragungsverfahrens . . . . . . d) Reformvorschlag . . . . . . . . . . .

112 113

115 116 117 118 119 120

121 122 123 124

Anhang § 2 Musterprotokoll . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125

Schrifttum: Ballerstedt, Kapital, Gewinn und Ausschüttung bei Kapitalgesellschaften, 1949; A. Dignas, Die Auslandsbeurkundung von gesellschaftsrechtlichen Vorgängen einer deutschen GmbH, 2004; Hommelhoff, Gestaltungsfreiheit im GmbHRecht, in: Lutter/Wiedemann, Gestaltungsfreiheit im Gesellschaftsrecht, 1998, S. 36; Immenga, Die personalistische Kapitalgesellschaft, 1970; Joussen, Gesellschafterabsprachen neben Satzung und Gesellschaftsvertrag, 1995; M. Lutter, Kapital, Sicherung der Kapitalaufbringung und Kapitalerhaltung in den Aktien- und GmbH-Rechten der EWG, 1964; Noack, Gesellschaftervereinbarungen bei Kapitalgesellschaften, 1994; Teichmann, Gestaltungsfreiheit in Gesellschaftsverträgen, 1970; Tieves, Der Unternehmensgegenstand der Kapitalgesellschaft, 1998; H. P. Westermann, Das Verhältnis von Satzung und Nebenordnungen in der Kapitalgesellschaft, 1994; Wiedemann, Die Übertragung und Vererbung von Mitgliedschaftsrechten bei Handelsgesellschaften, 1965. Schrifttum zum vereinfachten Gründungsverfahren s. Vor Rdnr. 96.

I. Überblick 1 § 2 regelt die Form des Gesellschaftsvertrages. Der Gesellschaftsvertrag bedarf danach der notariellen Form und muss von sämtlichen Gesellschaftern unterzeichnet werden (§ 2 Abs. 1; Rdnr. 13 ff.). Die Gesellschafter können sich bei dem Abschluss zwar vertreten lassen; jedoch ist dann die Vollmacht zum Abschluss des Vertrages abweichend von § 167 Abs. 2 BGB nach § 2 Abs. 2 ebenfalls formbedürftig, um die ordnungsmäßige Legitimation des für einen Gesell-

82

Emmerich

§2

Form des Gesellschaftsvertrages

schafter bei Abschluss des Gesellschaftsvertrages tätig gewordenen Vertreters sicherzustellen (Rdnr. 23 ff.). Eine im Wesentlichen übereinstimmende Regelung findet sich in § 4 Abs. 3 öGmbHG. Der Inhalt des Gesellschaftsvertrages ergibt sich im Einzelnen aus § 1 und aus den §§ 3 bis 5. § 2 Abs. 1a, der das so genannte vereinfachte Gründungsverfahren regelt, ist erst durch das MoMiG von 2008 mit Wirkung vom 1.11.2008 in das Gesetz eingefügt worden (s. Rdnr. 96 ff.). Der Abschluss des Gesellschaftsvertrages in der durch § 2 vorgeschriebenen 2 Form ist nach dem Gesetz die erste Stufe des Prozesses, der schließlich zur Entstehung einer GmbH führt. Mit Abschluss des Gesellschaftsvertrages ist die Gesellschaft errichtet (s. § 29 AktG), wodurch eine so genannte Vorgesellschaft entsteht (s. im Einzelnen unten § 11 Rdnr. 27 ff.). Die nächste Stufe umfasst die Bestellung der Geschäftsführer (§ 6) sowie die Leistung der Einlagen in dem durch § 7 umschriebenen Mindestumfang. Erst danach ist die Anmeldung der Gesellschaft zum Handelsregister gemäß den §§ 7 und 8 möglich. Darauf folgt die Prüfung der Anmeldung durch das Registergericht (§ 9c). Erst wenn diese Prüfung positiv ausfällt, wird die Gesellschaft in das Handelsregister eingetragen (§ 10), womit der Gründungsvorgang abgeschlossen ist (§§ 11, 13). Eine GmbH kann außerdem nach dem UmwG durch Spaltung oder Formwechsel gegründet werden. § 2 gilt dafür nicht; jedoch ergeben sich für diese Fälle aus dem UmwG meistens entsprechende Formvorschriften (s. insbesondere die §§ 6, 36, 37, 135 Abs. 2, 158, 193, 197, 217 ff. UmwG).

II. Gesellschaftsvertrag 1. Rechtsnatur a) Der Gesellschaftsvertrag hat eine doppelte Funktion1: Er regelt als erstes die 3 „Grundlage“ der angestrebten Gesellschaft, d.h. ihre „Verfassung“ im Sinne des § 25 BGB, und schafft damit letztlich (zusammen mit weiteren Tatbestandsmerkmalen wie der Eintragung der Gesellschaft) einen organisatorischen Rahmen, der grundsätzlich für alle gegenwärtigen und zukünftigen Mitglieder der Gesellschaft sowie für Dritte wie insbesondere die Gläubiger der Gesellschaft gleichermaßen verbindlich ist. Der Vertrag begründet außerdem (zweitens) ein Rechtsverhältnis zwischen den Gründern (die so genannte „Vorgesellschaft“), aus dem sich für alle Gründer gegenseitige Rechte und Pflichten ergeben und das deshalb – jedenfalls auch – ein Schuldverhältnis unter den Gründern darstellt (§§ 241, 705 BGB; s. unten § 11 Rdnr. 52). Hervorzuheben sind die Pflicht zur Leistung der Einlagen und zur Mitwirkung bei der Herbeiführung der Eintragung der Gesellschaft2. In den §§ 3 Abs. 1 Nr. 4, 3 Abs. 2, 5 Abs. 4, 7 Abs. 2 Satz 1 und 7 Abs. 3 geht das Gesetz selbst ausdrücklich von dem Bestand solcher Pflichten aus, deren Erfüllung daher im Gründungsstadium nicht nur die Vorgesellschaft (durch die möglicherweise bereits bestellten Geschäftsführer), sondern, und zwar in erster Linie, auch jeder Gründer von den anderen Gründern verlangen kann, so dass auch jeder bei einer Verletzung dieser Pflichten nach § 280 Abs. 1 BGB Schadensersatz verlangen kann.

1 So J. Mayer, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 4. 2 S. unten § 11 Rdnr. 52; OGH SZ Bd. 68 II (1995) Nr. 129, S. 23, 31 = JBl. 1996, 528.

Emmerich

83

§2

Form des Gesellschaftsvertrages

4 Die Treuepflicht trifft die Gesellschafter (selbstverständlich) gleichfalls bereits in diesem Stadium (§§ 241 Abs. 2, 242, 705 BGB; s. unten § 13 Rdnr. 36 ff.). Daraus können sich weitere Pflichten der Gründer untereinander ergeben. Folgerichtig hat die Rechtsprechung anerkannt, dass die Gesellschafter bei unabweisbaren Änderungen des Gesellschaftsvertrages, etwa nach einer Beanstandung der Firma durch das Registergericht, von Fall zu Fall sogar verpflichtet sein können, notwendigen Änderungen oder Ergänzungen des Vertrags zuzustimmen1. 5 Die angedeutete Doppelfunktion des Gesellschaftsvertrages (oben Rdnr. 3 f.) kommt auch in der schwankenden Terminologie zum Ausdruck2. Soweit man (mit dem Gesetz) vom „Gesellschaftsvertrag“ spricht, hat man in der Regel wohl vorrangig die genannte zweite Funktion des Vertrages im Auge, zunächst einmal ein auf die endgültige Gründung der Gesellschaft gerichtetes Rechtsverhältnis (die „Vorgesellschaft“) zwischen den Gründern zu schaffen, aus dem sich – ganz entsprechend § 705 BGB – (unter anderem) wechselseitige Rechte und Pflichten der Gründer ergeben können. Soweit man dagegen mehr die in die Zukunft weisende Funktion des Vertrages betonen möchte, nach Eintragung der Gesellschaft deren „Verfassung“ im Sinne des § 25 BGB zu regeln, wird im Schrifttum vielfach im Anschluss an das BGB (s. die §§ 25, 26 Abs. 1 Satz 3, 33 BGB usw.) und an das AktG (s. die §§ 5, 23 AktG usw.) der Begriff „Satzung“ oder gelegentlich auch „Statut“ bevorzugt. Das GmbHG spricht jedoch durchgängig nur von dem „Gesellschaftsvertrag“. Deshalb soll auch hier allein dieser (zudem in der Sache völlig zutreffende) Begriff verwandt werden. 6 b) Mit der doppelten Funktion des Gesellschaftsvertrages bei der GmbH (oben Rdnr. 3 f.) hängt wohl auch die nicht abreißende Diskussion über die Rechtsnatur des Gesellschaftsvertrages zusammen3. In dieser Frage stehen sich im Wesentlichen drei Meinungen gegenüber, für die sich die Bezeichnungen Vertrags-, Normen- und modifizierte Normentheorie eingebürgert haben. Während nach der Vertragstheorie der Gesellschaftsvertrag ein normaler Vertrag wie andere auch ist (s. § 705 BGB), schaffen nach der Normentheorie die Gründer (kraft staatlicher Delegation) mit der Feststellung der Satzung objektives Recht4. Eine vermittelnde Position nimmt schließlich die modifizierte Normentheorie ein, nach der zwar der Abschluss des Gesellschaftsvertrags rechtsgeschäftlichen Regeln untersteht, der fertige Gesellschaftsvertrag jedoch ab Eintragung der Gesellschaft wie ein Gesetz behandelt wird. Besonderheiten gelten (naturgemäß) für die Gründung einer Einpersonengesellschaft, weil es bei dieser überhaupt an einem Vertrag fehlt (s. oben § 1 Rdnr. 31 ff.).

1 BGH, LM § 1 GmbHG Nrn. 3 und 4 = NJW 1987, 189 und 3192; s. im Einzelnen unten § 13 Rdnr. 36 ff. 2 S. auch Karsten Schmidt, GesR, § 5 I 2 (S. 80 ff.). 3 S. zu dieser Diskussion zuletzt eingehend J. Mayer, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 5 ff.; Michalski, in: Michalski, Rdnr. 4 ff.; D. Reuter, in: MünchKomm. BGB, 6. Aufl. 2012, § 25 BGB Rdnr. 16 ff.; Karsten Schmidt, GesR, § 5 I 1 (S. 75 ff.); Weick, in: Staudinger, 2004, Vorbem. 35 ff. vor § 21 BGB. 4 Grdleg. O. v. Gierke, Genossenschaftstheorie, 1887, S. 132 ff.; O. v. Gierke, Deutsches Privatrecht Bd. I, S. 150 f., 486; Feine, in: Ehrenbergs Hdb. III/3, S. 160 ff.; Meyer-Cording, Die Vereinsstrafe, 1957, S. 43, 46 ff.; D. Reuter, in: MünchKomm. BGB, 6. Aufl. 2012, § 25 BGB Rdnr. 17 ff.

84

Emmerich

§2

Form des Gesellschaftsvertrages

Im Schrifttum überwiegt heute deutlich die Vertragstheorie, wobei freilich zu- 7 gleich durchweg die Besonderheit des Gesellschaftsvertrages betont wird, spätestens nach Entstehung der Gesellschaft durch Eintragung ins Handelsregister, „gesetzesgleich“ als Organisationsstatut der Gesellschaft zu dienen, weshalb der Gesellschaftsvertrag häufig auch als „Organisationsvertrag“ bezeichnet wird1, während die Rechtsprechung zu der modifizierten Normentheorie tendiert2. Die praktische Bedeutung der Kontroverse wird heute in der Regel nur noch als gering eingestuft3. In der Tat zeichnet sich mittlerweile in den meisten früheren Streitfragen eine weitgehende Übereinstimmung in Literatur und Rechtsprechung ab (Rdnr. 8). Deshalb mag die Feststellung genügen, dass nach der gesetzlichen Regelung eigentlich nicht ernstlich zweifelhaft sein kann, dass zumindest der Abschluss des Gesellschaftsvertrages rechtsgeschäftlichen Regeln untersteht (unten Rdnr. 8). Aus dem Gesetz ergibt sich außerdem kein Anhaltspunkt für eine Delegation von Rechtssetzungsbefugnissen an die Gründer von Körperschaften, wie die Vertreter der Normentheorie annehmen müssen. Ebenso wenig zwingen die überwiegend befürwortete objektive Auslegung und die Revisibilität der Verträge von Körperschaften (s. unten Rdnr. 33 ff.) zu einer anderen Beurteilung, da beides auch sonst, z.B. bei Publikumsgesellschaften oder bei allgemeinen Geschäftsbedingungen vorkommt, ganz abgesehen davon, dass in beiden Punkten Bedenken gegen die heutige Praxis bestehen (s. unten Rdnr. 38 ff.). Dem Gesetz entspricht somit allein die Vertragstheorie. c) Für den Gesellschaftsvertrag gelten folglich grundsätzlich die Vorschriften des 8 BGB über die Abgabe von Willenserklärungen und den Abschluss von Verträgen (§§ 105 ff., 116 ff., 125, 134, 138, 145 ff. BGB). Im Ergebnis dürfte das im Wesentlichen unstreitig sein, ebenso wie der Umstand, dass im Einzelfall mit Rücksicht auf die Besonderheiten von Gesellschaftsverträgen nicht anders als bei den Personengesellschaften Modifikationen der genannten Vorschriften erforderlich sein können, insbesondere in der Zeit nach „Vollzug“ der Vorgesellschaft (s. unten Rdnr. 62 ff.). Aus der Qualifizierung des Gesellschaftsvertrages als „Organisationsvertrag“ 9 (oben Rdnr. 7) wird überwiegend der Schluss gezogen, dass auf den Gesellschaftsvertrag – trotz der abweichenden Formulierung des § 705 BGB (i.V.m. den §§ 105 Abs. 3 und 161 Abs. 2 HGB) – die Vorschriften über gegenseitige Verträge (§§ 320 bis 326 BGB) keine Anwendung finden könnten4. Nicht geleugnet wird 1 Insbes. Flume, Juristische Person, S. 315 ff.; Michalski, in: Michalski, Rdnr. 4, bes. 6 f.; Nitschke, Die körperschaftlich strukturierte Personengesellschaft, 1970, S. 157 ff.; Noack, Gesellschaftervereinbarungen, S. 105 ff.; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/SchmidtLeithoff, Rdnr. 2; Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 10; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 4 f.; Karsten Schmidt, GesR, § 5 I 1c (S. 77 f.); Weick, in: Staudinger, 2004, Vorbem. 35 ff. von § 21 BGB, § 25 BGB Rdnr. 15; Wiedemann, GesR Bd. I, S. 159 ff. 2 RGZ 165, 140, 143 f.; BGHZ 21, 370, 373 ff. = NJW 1956, 1793; BGHZ 47, 172, 179 f. = NJW 1967, 1268; OLG Frankfurt a.M., WM 1985, 1466, 1468; zustimmend J. Mayer, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 9; Ellenberger, in: Palandt, § 25 BGB Rdnr. 3; R. Veil, Unternehmensverträge, 2003, S. 194 ff. 3 J. Mayer, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 8. 4 Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 6; J. Mayer, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 9; Michalski, in: Michalski, Rdnr. 7; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/SchmidtLeithoff, Rdnr. 2; Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 10.

Emmerich

85

§2

Form des Gesellschaftsvertrages

jedoch, dass der Gesellschaftsvertrag von Anfang an (auch) schuldrechtliche Pflichten unter den Gesellschaftern begründet (s. oben Rdnr. 3 f.). Unter diesen Umständen bestehen – entgegen der ganz herrschenden Meinung – ebenso wenig wie bei den Personengesellschaften Bedenken, in geeigneten Fällen, da es sich nun einmal um gegenseitige Pflichten der Gründer untereinander handelt, ergänzend die §§ 320 bis 326 BGB über gegenseitige Verträge anzuwenden1. Auf jeden Fall gilt dies in der Zeit zwischen Abschluss des Gesellschaftsvertrages und Vollzug der Vorgesellschaft. Es ist nicht erkennbar, was in dieser Zeitspanne der Anwendung des § 273 BGB oder besser: der des § 320 BGB entgegenstehen sollte, wenn einzelne Gesellschafter ihre im Gesellschaftsvertrag übernommenen Pflichten nicht erfüllen, z.B. ihre Einlagen nicht erbringen, auf jeden Fall bei Zweipersonengesellschaften2.

2. Inhalt 10

a) Den zwingenden Mindestinhalt des Gesellschaftsvertrages regelt § 3 i.V.m. § 1. Danach bildet anders als bei der AG (vgl. §§ 23 und 29 AktG) auch die Beteiligungserklärung der Gründer durch Übernahme eines Geschäftsanteils einen notwendigen Bestandteil des Gesellschaftsvertrages (§ 3 Abs. 1 Nr. 4)3.

11

b) Für den Abschluss des Gesellschaftsvertrages der GmbH besteht im Übrigen grundsätzlich Vertragsfreiheit (§ 311 Abs. 1 BGB), so dass die Gesellschafter beliebige Regelungen über den Mindestinhalt des § 3 hinaus (oben Rdnr. 10) in den Vertrag aufnehmen können. Die Folge ist eine große Typenvielfalt bei der GmbH, zumal bei Berücksichtigung des Umstandes, dass eine GmbH nach § 1 für jeden beliebigen gesetzlich zulässigen Zweck gegründet werden kann (§ 1 Rdnr. 4 ff.). Die im Gesellschaftsvertrag getroffenen Regelungen brauchen weder genereller noch dauernder Natur zu sein; vielmehr sind auch Bestimmungen möglich, die nur für einzelne Gesellschafter oder für Einzelfälle gelten. Durch den Gesellschaftsvertrag können ferner Rechte Dritter gegen einzelne Gesellschafter (§ 328 BGB) und wohl auch gegen die zukünftige Gesellschaft begründet werden4. Freilich sind nicht alle diese Bestimmungen zugleich echte (materielle) Vertragsbestandteile, so dass sie z.B. nur noch nach den §§ 53 ff. abgeändert werden könnten und außerdem spätere Mitglieder an sie gebunden wären; vielmehr kann es sich bei ihnen ebenso gut um bloße schuldrechtliche Vertragsbestandteile handeln, die auch außerhalb des Gesellschaftsvertrages getroffen werden könnten. Die Abgrenzung ist häufig schwierig (s. unten § 3 Rdnr. 102 ff.).

12

c) Die §§ 305 bis 310 BGB über AGB finden nach § 310 Abs. 4 Satz 1 BGB keine Anwendung auf Gesellschaftsverträge. Dies hat jedoch die Rechtsprechung 1 Vgl. schon für die Personengesellschaften Emmerich, in: Heymann, § 105 HGB Rdnr. 6 ff.; ebenso ausführlich Hüttemann, Leistungsstörungen bei Personengesellschaften, 1998; dagegen insbesondere U. Huber, Leistungsstörungen Bd. II, 1999, § 47 IV (S. 483 ff.). 2 Ebenso J. Mayer, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 9; Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 14. 3 Vgl. BGHZ 29, 300, 303 = NJW 1959, 934; M. Lutter, Kapital, S. 90; J. Mayer, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 13; anders Feine, in: Ehrenbergs Hdb. III/3, S. 165 ff. 4 So die h.M.; anders RGZ 169, 65, 82 f.; Ulmer, in: FS Werner, 1984, S. 911, 923 ff.

86

Emmerich

§2

Form des Gesellschaftsvertrages

nicht an einer (beschränkten) Inhaltskontrolle gegenüber den Gesellschaftsverträgen von Publikumsgesellschaften gehindert1. Eine vergleichbare Inhaltskontrolle ist bei solchen Vereinen oder Verbänden anerkannt, die im wirtschaftlichen und sozialen Bereich eine überragende Machtstellung innehaben2. Für die GmbH kann nichts anderes gelten3, zumindest dann, wenn es sich um Publikumsgesellschaften oder um vergleichbare Gesellschaften mit einem großen, nicht mehr persönlich verbundenen Gesellschafterkreis handelt4. In Literatur und Rechtsprechung werden mit Rücksicht auf den Zweck der §§ 305 ff. BGB und die Richtlinie über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen vom 5.4.19935 noch wesentlich weiter gehende Einschränkungen des offenbar zu weit geratenen § 310 Abs. 4 Satz 1 BGB diskutiert, vor allem für die Beziehungen der Gesellschaft zu Verbrauchern im Sinne des § 13 BGB6.

3. Form a) Der Gesellschaftsvertrag bedarf nach § 2 Abs. 1 Satz 1 der notariellen Form 13 (ebenso § 4 Abs. 3 Satz 1 öGmbHG). Das Gesetz verfolgt damit verschiedene Zwecke7. Im Vordergrund steht die Gewährleistung der Rechtssicherheit, daneben aber auch eine gewisse Warnfunktion zu Gunsten der Gesellschafter. Schließlich soll über die (freilich verzichtbare) Belehrungspflicht des Notars (§ 17 BeurkG; §§ 14, 19, 24 BNotO) noch eine (beschränkte) Richtigkeitsgewähr erreicht werden8. b) Das Formerfordernis des § 2 gilt gleichermaßen für den obligatorischen wie 14 für den fakultativen Inhalt des Gesellschaftsvertrages, d.h. für alle Abreden der Parteien, die nach ihrem Willen im Unterschied zu ergänzenden, schuldrechtlichen Abreden (oben Rdnr. 11) einen Bestandteil des (auch für Dritte maßgeblichen) Gesellschaftsvertrages bilden sollen9. Sämtliche Regelungen, die für die Gesellschaft oder für spätere Mitglieder verbindlich sein sollen, müssen mit anderen Worten in der Urkunde enthalten sein. Beispiele sind die Begründung von Sonderrechten10 oder von Wettbewerbsverboten für einzelne Gesellschaf1 S. BGH, LM Nr. 61 zu § 133 (B) BGH = NJW 2000, 1270, 1271. 2 BGHZ 63, 282, 285 = NJW 1975, 771; BGHZ 105, 306, 318 f. = NJW 1989, 1724. 3 Flume, Juristische Person, S. 320 f.; Michalski, in: Michalski, Rdnr. 13; Wiedemann, GesR I, S. 172 ff. 4 LG Münster, NJW-RR 1996, 676 f.; J. Mayer, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 18; Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 15. 5 ABl. Nr. L 95 v. 21.4.1993, S. 29. 6 S. im Einzelnen OLG Oldenburg, NZG 1999, 896, 897; Basedow, in: MünchKomm. BGB, 5. Aufl. 2007, § 310 BGB Rdnr. 80–86; Becker, in: Bamberger/Roth, § 310 BGB Rdnr. 28–33; Heinrichs, NJW 1996, 2190, 2191 f.; Heinrichs, in: Palandt, § 310 BGB Rdnr. 50. 7 S. ausführlich J. Mayer, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 20–23; Kießling, Vorgründungs- und Vorgesellschaften, 1999, S. 20 ff. 8 In diesem Sinne wohl BGHZ 105, 324, 338 = NJW 1989, 295 – „Supermarkt“; BGH, LM Nr. 12 zu § 2 GmbHG = NJW-RR 1988, 288 = GmbHR 1988, 98; OGH SZ Bd. 62 (1989 I) Nr. 28, S. 167, 178 f. = GesRZ 1989, 225 = RdW 1989, 191; J. Mayer, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 22. 9 Str., für die Formbedürftigkeit aller Abreden der Gesellschafter insbesondere J. Mayer, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 38–43. 10 RGZ 170, 358, 368; BGH, LM Nr. 4 zu § 35 BGB = NJW 1969, 131.

Emmerich

87

§2

Form des Gesellschaftsvertrages

ter1 sowie die Verpflichtung kündigender Gesellschafter, ihren Gesellschaftsanteil zu bestimmten Bedingungen an Mitgesellschafter oder von der Gesellschaft benannte Dritte zu übertragen2. Keine Anwendung findet § 2 dagegen, jedenfalls nach ganz h.M., wenn die Gründer untereinander oder gegenüber der Gesellschaft (§ 328 BGB) weitere schuldrechtliche Verpflichtungen übernehmen, wenn sie sich z.B. verpflichten, bestimmte zusätzliche Leistungen an die Gesellschaft zu erbringen. Solche Nebenabreden, an die spätere Gesellschafter nicht gebunden sind, sind auch formlos möglich3. 15

c) Der Gesellschaftsvertrag bedarf nach § 2 Abs. 1 Satz 1 notarieller Form. Das Gesetz verweist damit auf § 128 BGB und auf die §§ 6 bis 35 BeurkG von 19694. Der Gesellschaftsvertrag kann danach entweder zu Protokoll erklärt oder dem Protokoll als Anlage beigefügt werden, insbesondere, wenn sich die Gesellschafter schon zuvor auf einen Vertragstext geeinigt hatten. Üblich ist die zweite Vorgehensweise, d.h. die auch äußerliche Trennung zwischen dem so genannten „Mantel“ und dem diesem als Anlage beigefügten Gesellschaftsvertrag. Diese Vorgehensweise empfiehlt sich vor allem, wenn die Gesellschafter zusätzliche schuldrechtliche Verpflichtungen eingehen, um diese auch äußerlich vom Gesellschaftsvertrag getrennt in dem „Mantel“ beurkunden zu können. Der Vertragstext und die Beitrittserklärungen können außerdem auf verschiedene Urkunden aufgeteilt werden (unten Rdnr. 16), sofern nur durch Bezugnahme und Beifügung ein einheitlicher Vertragstext entsteht. Denn allein ein solcher kann nach § 8 Abs. 1 Nr. 1 zum Handelsregister eingereicht werden (s. unten § 8 Rdnr. 6 ff.). Möglich ist ferner eine Abfassung des Gesellschaftsvertrages in einer fremden Sprache, sofern der Notar dieser Sprache mächtig ist (§ 5 Abs. 2 BeurkG). Der Anmeldung der Gesellschaft muss in diesem Fall eine deutsche Übersetzung beigefügt werden5.

16

d) Die Urkunde muss (nach ihrer Verlesung durch den Notar und ihrer Genehmigung durch die Gesellschafter) von sämtlichen Gründern unterschrieben werden (§ 2 Abs. 1 Satz 2 GmbHG, § 13 BeurkG). Daraus folgt aber nicht, dass gleichzeitige Anwesenheit aller Gründer bei demselben Notar erforderlich wäre; vielmehr können die Gründer auch nacheinander vor verschiedenen Notaren unterschreiben6. Ausgeschlossen wird jedoch durch die gesetzliche Regelung eine Stufengründung, wie sie bis 1965 bei der AG zulässig war. Eine GmbH kann nicht so gegründet werden, dass zunächst mehrere Gründer einen formgerechten Gesellschaftsvertrag feststellen und sodann andere Interessenten in notariel-

1 RG, JW 1930, 2676. 2 BGH, LM Nr. 7 zu § 2 GmbHG = NJW 1969, 2049. 3 RGZ 83, 216, 219; RGZ 170, 358, 367 f.; RG, JW 1930, 2675 f.; BGH, LM Nr. 8 zu § 2 GmbHG = WM 1969, 1321; BGH, WM 1965, 1075, 1076; dagegen mit Rücksicht auf die umfassende Belehrungspflicht des Notars J. Mayer, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 40–43. 4 S. im Einzelnen Heinrich, in: MünchHdb. III, § 5 Rdnr. 40 f. (S. 54 f.); J. Mayer, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 27 f.; Michalski, in: Michalski, Rdnr. 16–20; Winkler, DNotZ 1980, 578; Röll, DNotZ 1981, 16. 5 LG Düsseldorf, GmbHR 1999, 609, 610; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 36. 6 S. oben Rdnr. 15; KG, OLGE 3, 262; J. Mayer, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 29 ff.

88

Emmerich

§2

Form des Gesellschaftsvertrages

ler Form ihren Beitritt zu der Gesellschaft erklären1. Es müssen vielmehr sämtliche Gründer in dem Gesellschaftsvertrag einen Geschäftsanteil übernehmen und dann, gegebenenfalls auch nacheinander, den Gesellschaftsvertrag unterschreiben (Einheits- oder Simultangründung)2. Der Vertrag kommt in diesem Fall mit der Beurkundung der Unterzeichnung des Vertrages durch den letzten im Gesellschaftsvertrag bereits genannten Gründer zustande. e) Die Zuständigkeit des Notars für Beurkundungen im Inland richtet sich nach 17 § 20 BNotO. Eine Überschreitung der Grenzen seines Amtsbezirks (§ 11 BNotO) macht die Beurkundung jedoch nicht unwirksam (§ 11 Abs. 3 BNotO; § 2 BeurkG), außer wenn sie im Ausland erfolgt. Zuständig für die Beurkundung von Gesellschaftsverträgen sind außerdem die deutschen Konsuln im Ausland3 sowie gegebenenfalls die Gerichte im Rahmen des § 127a BGB.

4. Ausländische Notare Schrifttum: Bredthauer, Zur Wirksamkeit gesellschaftsrechtlicher Beurkundungen im Kanton Zürich, BB 1986, 1864; A. Dignas, Auslandsbeurkundung, 2004; Geimer, Auslandsbeurkundungen im Gesellschaftsrecht – Bemerkungen zum Urteil des BGH v. 16.2.1981 – II ZB 8/80, DNotZ 1981, 406; Goette, Auslandsbeurkundungen im Kapitalgesellschaftsrecht, in: FS Boujong, 1996, S. 131 = DStR 1996, 709 = MittRhNotK 1997, 2; Heckschen, Auslandsbeurkundung und Richtigkeitsgewähr, DB 1990, 161; H.-J. Hellwig, in: Hommelhoff/Röhricht, Gesellschaftsrecht 1997, 1998, S. 285; St. Kröll, Beurkundung gesellschaftsrechtlicher Vorgänge durch einen ausländischen Notar, ZGR 2000, 111; Löber, Beurkundung von Gesellschafterbeschlüssen einer deutschen GmbH vor spanischen Notaren, RIW 1989, 94; Mohr, Auslandsbeurkundung bei der deutschen GmbH, GmbH-StB 2011, 310; van Randenborgh/Kallmeyer, Pro und Contra – Beurkundung gesellschaftsrechtlicher Rechtsgeschäfte durch ausländische Notare?, GmbHR 1996, 908 und 910; A. Reuter, in: Hommelhoff/Röhricht, Gesellschaftsrecht 1997, 1998, S. 277; Schervier, Beurkundung GmbH-rechtlicher Vorgänge im Ausland, NJW 1992, 593; Sick/A. Schwarz, Auslandsbeurkundungen im Gesellschaftsrecht, NZG 1998, 540; Tomat, Einreichung der Gesellschafterliste durch Schweizer Notar, GmbH-StB 2011, 207.

a) Das Gesetz schreibt in § 2 Abs. 1 Satz 1 für Gesellschaftsverträge die notariel- 18 le Form vor. Noch nicht entschieden ist damit, ob diesem Erfordernis allein eine Beurkundung gerade durch einen deutschen Notar genügt oder ob generell oder doch von Fall zu Fall auch eine Beurkundung durch einen ausländischen Notar oder eine gleichstehende Urkundsperson ausreichen kann. Diese Frage beurteilt sich nach überwiegender Meinung nicht mehr nach § 2 Abs. 1 Satz 1, sondern unabhängig davon nach Art. 11 EGBGB4, nach dessen Abs. 1 ein Rechtsgeschäft sowohl dann formgültig ist, wenn es den Formerfordernissen des Rechts genügt, das auf das seinen Gegenstand bildende Rechtsverhältnis anzuwenden ist (sog. Geschäfts- oder Wirkungsstatut), als auch dann, wenn es die Formerfordernisse des Rechts desjenigen Staates erfüllt, in dem es vorgenommen wird (sog. Ortsta1 RGZ 54, 418; RGZ 83, 256, 258 ff.; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 11; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 15; J. Mayer, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 31; Roth, in: Roth/ Altmeppen, Rdnr. 19 f. 2 Zum Ein- und Austritt von Gründern noch vor Eintragung s. unten Rdnr. 22 ff. 3 S. das Konsulargesetz vom 11.9.1974, BGBl. I 1974, 2317. 4 OLG Düsseldorf, GmbHR 2011, 417; anders z.B. Goette, in: FS Boujong, S. 131, 135 ff.; J. Mayer, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 44, 52 ff.

Emmerich

89

§2

Form des Gesellschaftsvertrages

tut). In dem Referentenentwurf für ein Gesetz zum Internationalen Privatrecht der Gesellschaften von 2008 ist freilich eine Ergänzung des Art. 11 EGBGB um einen neuen Abs. 6 geplant, nach dem sich die Formerfordernisse eines die Verfassung der GmbH betreffenden Rechtsgeschäfts nach dem Recht desjenigen Staates bestimmen sollen, in dem diese in ein öffentliches Register eingetragen ist. Diese Regelung würde wohl zur ausschließlichen Zuständigkeit deutscher Notare für die Beurkundung der Gesellschaftsverträge deutscher Gesellschaften führen1. 18a

b) Geht man mit der bisher noch überwiegenden Meinung von der grundsätzlichen Anwendbarkeit des Art. 11 Abs. 1 EGBGB aus (oben Rdnr. 18), so stellt sich die weitere Frage, ob auch beim Abschluss eines Gesellschaftsvertrages im Ausland die Gesellschafter die Wahl zwischen dem Wirkungs- und dem Ortstatut haben2. Überwiegend wird dies mit Rücksicht auf den Zweck der gesetzlichen Regelung (oben Rdnr. 13) verneint, woraus dann der weitere Schluss gezogen wird, dass der Gesellschaftsvertrag in jedem Fall nur wirksam ist, wenn er (wie immer) notariell beurkundet ist (§ 2 Abs. 1 GmbHG i.V.m. Art. 11 Abs. 1 EGBGB), – woraus sich sodann unmittelbar die weitere Frage ergibt, ob dem § 2 allein eine Beurkundung durch deutsche Notare genügt oder ob auch eine solche durch ausländische Notare ausreichend ist. Eine beachtliche Meinung entscheidet die Frage im ersten Sinne (Zuständigkeit allein deutscher Notare) mit der Begründung, die mit dem Erfordernis der notariellen Beurkundung verfolgten Zwecke (oben Rdnr. 13) seien notwendigerweise allein bei einer Beurkundung durch deutsche Notare gegeben3.

18b Der BGH und mit ihm die h.M. lassen dagegen auch die Beurkundung durch einen ausländischen Notar dem § 2 genügen, sofern sie der deutschen gleichwertig ist, weil die ausländische Urkundsperson nach Vorbildung und Stellung im Rechtsleben eine der Tätigkeit des deutschen Notars entsprechende Funktion ausübt und für die Errichtung der Urkunde ein dem deutschen vergleichbares Verfahrensrecht zu beachten ist. Für Österreich, für die Mehrzahl der Schweizer Kantone und für die Länder des sog. Lateinischen Notariats wird das meistens bejaht4. In 1 Ebenso J. Mayer, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 45. 2 Bejahend Michalski, in: Michalski, Rdnr. 23; Sick/A. Schwarz, NZG 1998, 540, 542. 3 LG Augsburg, GmbHR 1996, 941, 942 = NJW-RR 1997, 420; AG Köln, GmbHR 1990, 172 (Zürich); AG Fürth, GmbHR 1991, 24; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 18 ff.; Bredthauer, BB 1986, 1864; Geimer, DNotZ 1981, 406; Goette, in: FS Boujong, S. 135, 138 ff.; Heckschen, DB 1990, 161; H.-J. Hellwig, in: Hommelhoff/Röhricht, Gesellschaftsrecht 1997, 1998, S. 285; J. Mayer, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 44, 52 ff.; Priester, ZGR 1990, 420, 446; ablehnend auch für die Beurkundung der Hauptversammlung einer AG im Ausland OLG Hamburg, AG 1993, 384 f. 4 BGHZ 80, 76, 78 f. = NJW 1981, 1160 = GmbHR 1981, 238; BGH, LM Nr. 5 zu § 719 BGB (Bl. 4) = NJW-RR 1989, 1259, 1261; OLG München, GmbHR 1998, 46 = NJW-RR 1998, 758 = NZG 1998, 156, 157 (Basel); OLG Düsseldorf, NJW 1989, 2200 = GmbHR 1990, 169 (Niederlande); OLG Düsseldorf, GmbHR 2011, 417 (Schweiz); LG Köln, GmbHR 1990, 171 = DB 1989, 2214 (Zürich); LG Nürnberg-Fürth, NJW 1992, 633 (Basel); Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 9; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 17a; St. Kröll, ZGR 2000, 111, 125 ff., 150; Löber, RIW 1989, 94; Michalski, in: Michalski, Rdnr. 22; A. Reuter, in: Hommelhoff/Röhricht, Gesellschaftsrecht 1997, 1998, S. 277; Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 22; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 40–44; Sick/A. Schwarz, NZG 1998, 540, 542 ff.; Schervier, NJW 1992, 593; enger Großfeld, in: Staudinger, BGB, 13. Aufl. 1998, Internationales Gesellschaftsrecht, Rdnr. 471 ff.

90

Emmerich

§2

Form des Gesellschaftsvertrages

dieselbe Richtung tendiert die Praxis in Österreich1. Die Heftigkeit der Diskussion über diese Frage erklärt sich allein aus den materiellen Interessen der Betroffenen, weil die Gebühren bei einer Auslandsbeurkundung durchweg deutlich niedriger als in Deutschland sind.

5. Formmängel Ein Verstoß gegen die Formvorschriften des § 2 führt vor Eintragung der Gesell- 19 schaft ins Handelsregister zur Nichtigkeit des Gesellschaftsvertrages (§ 125 BGB), so dass das Registergericht die Eintragung des Vertrages ablehnen muss (§ 9c). Schon erbrachte Leistungen können kondiziert werden (§ 812 Abs. 1 Satz 1 BGB). Anders ist die Rechtslage nur, wenn die Gründer die Vorgesellschaft bereits in Vollzug gesetzt hatten, weil sich in diesem Fall ihre Auseinandersetzung nach den Regeln über die fehlerhafte Gesellschaft richtet2. Nach Eintragung der Gesellschaft ins Handelsregister scheidet eine Nichtigkeit der Gesellschaft wegen etwaiger Formmängel des Gesellschaftsvertrages aus, weil § 75 Abs. 1 Verstöße gegen § 2 nicht unter den Nichtigkeitsgründen erwähnt. Durch die Eintragung im Handelsregister werden mithin Formmängel des Vertrages geheilt3. Die abweichende frühere Rechtsprechung des RG dürfte überholt sein4.

20

6. Änderungen a) Änderungen und Ergänzungen des Gesellschaftsvertrages richten sich in der 21 Zeit zwischen Abschluss des Gesellschaftsvertrages und Eintragung der Gesellschaft ins Handelsregister nach § 311 Abs. 1 BGB, so dass die Zustimmung sämtlicher Gründer in der Form des § 2 erforderlich ist5. Anders verhält es sich nur, wenn nach dem Gesellschaftsvertrag bereits im Gründungsstadium, d.h. noch vor Eintragung der Gesellschaft, Änderungen durch Mehrheitsbeschluss möglich sein sollen6. Einstimmigkeit ist außerdem entsprechend den §§ 46 1 OGH SZ Bd. 62 (1989 I) Nr. 28, S. 167, 178 = GesRZ 1989, 225 = RdW 1989, 191; OGH, EvBl. 1991 Nr. 93 = ÖJZ 1991, 419, 420; Koppensteiner, öGmbHG, § 4 Rdnr. 23; str. 2 Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 14; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/ Schmidt-Leithoff, Rdnr. 48. 3 KG, RJA 1, 116; KGJ 23 A 101; KartGer, KartRdsch. 1928, 20; ebenso offenbar BGHZ 21, 378, 381 = NJW 1957, 19 (für den Fall des Scheingeschäfts); ausdrücklich OGH SZ Bd. 57 (1984) Nr. 174, S. 850, 852 f.; sowie die ganz herrschende Meinung: z.B. Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 15; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 26; Bayer, in: Lutter/ Hommelhoff, Rdnr. 28; J. Mayer, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 63; Michalski, in: Michalski, Rdnr. 26 f.; Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 34; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 48 f. 4 S. RGZ 54, 418; RGZ 83, 256, 259; RG, LZ 1911, 779; für § 2 Abs. 2 s. unten Rdnr. 32. 5 RG, GmbHR 1910, 446; RG, LZ 1918, 856; BGH, LM Nr. 1 zu § 11 GmbHG = GmbHR 1953, 10 = BB 1952, 990; KG, OLGE 42, 219; OLG Köln, GmbHR 1995, 725 = MDR 1995, 888 = WM 1996, 207 = DB 1995, 2413 = NJW-RR 1996, 550 (dort fälschlich OLG Düsseldorf zugeordnet); OGH SZ Bd. 68 II (1995) Nr. 129, S. 23, 31 = JBl. 1996, 528; Winkler, DNotZ 1980, 578, 590 ff.; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 27; J. Mayer, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 57; Michalski, in: Michalski, Rdnr. 38 ff.; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 47; Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 25. 6 Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 47.

Emmerich

91

§2

Form des Gesellschaftsvertrages

Nr. 5 und 47 Abs. 1 entbehrlich für die Bestellung und Abberufung von Geschäftsführern1 sowie für die Auflösung der Vorgesellschaft (analog § 60 Abs. 1 Nr. 2). Die registerrechtliche Behandlung von Vertragsänderungen im Gründungsstadium, d.h. vor Eintragung der Gesellschaft, richtet sich nach dem entsprechend anwendbaren § 54 Abs. 1 Satz 2, so dass nach jeder Änderung ein neuer vollständiger Gesellschaftsvertrag in einem Schriftstück zum Handelsregister einzureichen ist, weil bei dem Registergericht stets der aktuelle Satzungstext in einer Urkunde vorhanden sein muss2. Keine Anwendung findet dagegen in diesem Stadium § 54 Abs. 1 Satz 1, so dass eine erneute formelle Anmeldung der Vertragsänderung entbehrlich ist3. 21a

Eine Vertragsänderung in der Form des § 2 mit Zustimmung aller Gesellschafter ist zum Beispiel erforderlich bei einer Änderung der Firma, bei einer Erhöhung oder Herabsetzung des Kapitals der Gesellschaft sowie (nach h.M.) bei Änderungen im Mitgliederbestand vor Eintragung der Gesellschaft durch den Ein- und Austritt von Gesellschaftern4. Das soll auch für die „Übertragung“ eines Anteils von einem Strohmann oder einem sonstigen Treuhänder auf den hinter ihm stehenden Treugeber gelten5. Nach der Gegenmeinung ist dagegen auch schon vor Eintragung der Gesellschaft Raum für die Anwendung des § 15, so dass ebenso wie bei anderen Gesellschaften durchaus eine Verfügung über die Mitgliedschaft möglich ist (s. unten § 11 Rdnr. 50).

22

b) Von der Übertragung der Mitgliedschaft in der Vorgesellschaft ist die aufschiebend bedingte Übertragung der zukünftigen Mitgliedschaft nach Entstehung der Gesellschaft durch ihre Eintragung ins Handelsregister zu unterscheiden, für die unmittelbar § 15 gilt6. § 41 Abs. 4 Satz 1 AktG findet keine entsprechende Anwendung. Die Rechtsstellung der Gründer vor Eintragung der Gesellschaft ist ferner vererblich (§ 1922 BGB); der oder die Erben treten daher ohne weiteres an Stelle des Erblassers in die Vorgesellschaft ein (§ 11 Rdnr. 51, § 15 Rdnr. 24 ff.).

1 BGHZ 80, 212, 214 f. = GmbHR 1982, 67 = NJW 1981, 2125; Michalski, in: Michalski, Rdnr. 38. 2 BayObLGZ 1988, 281, 285 f. = BB 1988, 21, 98 = DB 1988, 2354; ebenso OLG Köln, GmbHR 1973, 11; OLG Kiel, GmbHR 1975, 183 f.; OLG Hamm, GmbHR 1986, 311 f.; OLG München, NZG 1998, 156, 157; KG, GmbHR 1997, 412, 413; OLG Zweibrücken, NJW-RR 2001, 31 f.; H.-J. Hellwig, in: Hommelhoff/Röhricht, Gesellschaftsrecht 1997, 1998, S. 285; J. Mayer, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 58; A. Reuter, in: Hommelhoff/ Röhricht, Gesellschaftsrecht 1997, 1998, S. 277; Karsten Schmidt, GmbHR 1997, 869, 873. 3 BayObLG, DB 1978, 880; OLG Zweibrücken, NJW-RR 2001, 31 f.; str. 4 BGHZ 15, 204, 206 = NJW 1955, 219; BGHZ 21, 242, 246 = NJW 1956, 1435; BGHZ 29, 300, 303 = NJW 1959, 934; BGH, NJW 1997, 1507 = GmHR 1997, 405, 406 (insoweit nicht in BGHZ 134, 333, 334 abgedruckt); beiläufig auch BGH, WM 1971, 306, 307; BGH, WM 1983, 230 = ZIP 1983, 299; OGH SZ Bd. 68 II (1995) Nr. 129, S. 23, 31 = JBl. 1996, 528; OLG Frankfurt a.M., GmbHR 1997, 896, 987; KG, KGJ 51, 130; J. Mayer, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 57. 5 BGH, WM 1971, 306; s. unten § 15 Rdnr. 227 ff. 6 BGHZ 21, 242, 245 = NJW 1956, 1435; BGHZ 21, 378, 383 = NJW 1957, 19; BGHZ 141, 207, 212 = NJW 1999, 2954 = ZIP 1999, 925; BGH, LM Nr. 10 zu § 267 BGB (Bl. 1 R) = NJW 1995, 128 = ZIP 1994, 1855.

92

Emmerich

§2

Form des Gesellschaftsvertrages

7. Vertretung a) Form aa) Die Gründungsgesellschafter können sich nach § 2 Abs. 2 bei der Unterzeichnung des Gesellschaftsvertrages durch Bevollmächtigte (§§ 164, 167 BGB) vertreten lassen; abweichend von § 167 Abs. 2 BGB muss in diesem Fall jedoch die Vollmacht entweder notariell errichtet oder notariell beglaubigt sein (s. dazu § 129 BGB i.V.m. §§ 39 f. BeurkG). Eine vergleichbare, freilich noch engere Regelung findet sich in § 4 Abs. 3 Satz 2 öGmbHG.

23

Durch diese Vorschriften sollen spätere Zweifel und Streitigkeiten über die Legi- 24 timation des Vertreters abgeschnitten werden1. Deshalb sieht die h.M. in § 2 Abs. 2 keine bloße Ordnungsvorschrift, sondern ein echtes Wirksamkeitserfordernis für die Vollmachterteilung2. Zugleich ergibt sich daraus, dass in engen Grenzen Ausnahmen von § 2 Abs. 2 denkbar sind, wenn die Legitimation des Vertreters auf andere Weise eindeutig sichergestellt ist, z.B. durch die öffentliche Urkunde einer öffentlichen Behörde3. Die öffentliche Beglaubigung durch Bundeskonsuln oder durch ausländische 25 Notare steht derjenigen durch deutsche Notare gleich4. Ist die formgerechte Bevollmächtigung des Vertreters in einer Urkunde mit anderen Erklärungen verbunden, so wird sie in ihrer Wirksamkeit i.d.R. durch die Ungültigkeit der anderen Erklärungen nicht berührt, weil die Bevollmächtigung eine selbständige Willenserklärung darstellt5. Bei ausländischen Gesellschaften, die sich an einer deutschen GmbH beteiligen, ist § 2 Abs. 2 sinngemäß anzuwenden. Grundsätzlich sollte deshalb zum Nachweis der nötigen Vollmacht ein beglaubigter Registerauszug vorgelegt werden und genügen, dem jedoch eine beglaubigte Übersetzung beigefügt werden muss. Die Praxis behilft sich wegen dieser Schwierigkeiten in der Regel durch die Einsetzung deutscher Treuhänder für etwaige ausländische Gründer. bb) Inhaltlich muss die Vollmacht gerade zum Abschluss des Gesellschaftsver- 26 trages einer GmbH ermächtigen. Ob dies der Fall ist, kann nur im Einzelfall entschieden werden. Anders als in Österreich6 muss die Vollmacht jedoch nicht speziell auf die konkrete Gesellschaftsgründung abgestellt sein; es genügt vielmehr, wenn sie – u.a. – hierzu ermächtigt. Die Vollmacht braucht auch die Höhe der Stammeinlage des Vollmachtgebers nicht zu umgrenzen7.

1 BGH, LM Nr. 6 zu § 2 GmbHG = NJW 1968, 1856 = GmbHR 1969, 177. 2 Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 27 f.; J. Mayer, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 65; Michalski, in: Michalski, Rdnr. 28; Reinicke, NJW 1969, 1830. 3 OLG Düsseldorf, MittRhNotK 1997, 436 = GmbHR 1998, 238 (nur Leitsatz); allgemeine Meinung: z.B. Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 16; Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 29; J. Mayer, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 67. 4 § 10 KonsG; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 16. 5 RG, JW 1908, 655. 6 S. § 4 Abs. 3 Satz 2 öGmbHG und dazu OLG Wien, NZ 1994, 217 = HS 24.139. 7 KG, KGJ 19 A 17.

Emmerich

93

§2

Form des Gesellschaftsvertrages

27

Eine Generalvollmacht wird daher regelmäßig zum Abschluss eines GmbH-Gesellschaftsvertrages ermächtigen1. Die Prokura für ein Handelsgeschäft umfasst gleichfalls grundsätzlich die Befugnis zur Beteiligung an der Gründung einer GmbH (§ 49 Abs. 1 HGB), wobei zum Nachweis einer im Handelsregister eingetragenen Prokura ein Handelsregisterauszug genügt2. Nicht ausreichend ist dagegen eine bloße Handlungsvollmacht nach § 54 HGB3.

28

cc) Dem Bevollmächtigten kann das Selbstkontrahieren, etwa das gleichzeitige Auftreten für mehrere Gründer, gestattet werden (§ 181 BGB). In diesem Fall bedarf nach dem Zweck der Regelung (oben Rdnr. 24) die Gestattung des Selbstkontrahierens gleichfalls der besonderen Form des § 2 Abs. 24. Wird die Vollmacht zum Abschluss oder zur Änderung des Gesellschaftsvertrages einem anderen Gründer erteilt, so liegt darin im Zweifel zugleich die Gestattung des Selbstkontrahierens, immer vorausgesetzt, dass die Form des § 2 Abs. 2 gewahrt wurde5. Entsprechendes gilt für spätere Vertragsänderungen in der Zeit zwischen Errichtung und Eintragung der Gesellschaft6, sowie in der Folgezeit zumindest für vertragsändernde Beschlüsse (s. im Einzelnen 10. Aufl., § 47 Rdnr. 177 ff.). Bei dem Widerruf der Vollmacht sind die §§ 172 Abs. 2 und 173 BGB zu beachten, so dass die Vollmacht trotz ihres Widerrufs grundsätzlich bestehen bleibt, bis die Vollmachtsurkunde (s. § 2 Abs. 2) dem Vollmachtgeber zurückgegeben oder für kraftlos erklärt wird7.

29

dd) Das besondere Formerfordernis des § 2 Abs. 2 gilt nur für die Vollmacht, d.h. für die rechtsgeschäftlich erteilte Vertretungsmacht (§ 167 BGB), nicht also für die Fälle gesetzlicher und organschaftlicher Vertretungsmacht. Gesetzliche Vertreter weisen sich durch ihre Standesamtsurkunden, z.B. durch die Geburtsurkunden ihrer Kinder, aus, Vormünder, Betreuer, Pfleger, Nachlassverwalter und Insolvenzverwalter durch ihre gerichtliche Bestallungsurkunde, Vorstandsmitglieder und Geschäftsführer von Handelsgesellschaften durch einen Registerauszug8. Nur wenn das Register bei demselben Gericht geführt wird, das über die Eintragung der Gesellschaft zu entscheiden hat, genügt ein Verweis auf das Handelsregister. Bei Vertretern von Körperschaften des öffentlichen Rechts ist eine Legitimationsurkunde schließlich nur erforderlich, wenn ihre Vertretungsmacht beschränkt ist9. Ebenso behandelt werden im Ergebnis Prokuristen, obwohl es sich bei ihnen an sich um Bevollmächtigte i.S. des § 2 Abs. 2 handelt (§ 48 HGB; s. Rdnr. 27).

1 2 3 4

5 6 7 8 9

S. oben Rdnr. 26; RGZ 102, 17; J. Mayer, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 69. KGJ 49, 273. Michalski, in: Michalski, Rdnr. 33. S. KG, OLGE 19, 29; OLG Celle, NJW 1948, 524; OLG Wien, NZ 1994, 217 = HS 24.139; Kreß, LZ 1911, 346; Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 31; J. Mayer, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 70. OLG Wien, NZ 1994, 217 = HS 24.139; Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 31. S. Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 31. S. Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 55. J. Mayer, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 71; Michalski, in: Michalski, Rdnr. 30; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 53. S. oben Rdnr. 24; KG, OLGE 3, 259.

94

Emmerich

§2

Form des Gesellschaftsvertrages

b) Mängel aa) In der Zeit zwischen Errichtung und Eintragung der Gesellschaft gilt bei Feh- 30 len ebenso wie bei Formungültigkeit der Vollmacht § 177 BGB. Der Gesellschaftsvertrag ist mithin schwebend unwirksam, so dass das Registergericht die Eintragung der Gesellschaft ablehnen muss (§ 9c Abs. 1 Satz 1); stattdessen kann das Gericht jedoch auch in geeigneten Fällen den Gründern eine Frist zur Beibringung einer ordnungsgemäßen Vollmacht bestimmen (§ 382 Abs. 4 Satz 1 FamFG). Ausreichend ist außerdem gemäß § 177 BGB die rechtzeitige Genehmigung des 31 Auftretens des angeblichen Vertreters durch den Vertretenen1. Umstritten ist in diesem Fall, ob für die Genehmigung die Formvorschrift des § 2 Abs. 2 gilt2 oder ob gemäß § 182 Abs. 2 BGB die Genehmigung formlos, z.B. konkludent durch Betätigung in der Gesellschaft, erfolgen kann3. Für die Anwendbarkeit des § 2 Abs. 2 spricht hier in der Tat der Zweck der Regelung (oben Rdnr. 24). Ausreichend ist ferner die nachträgliche formgerechte Beglaubigung der Vollmacht, weil darin zugleich die Genehmigung des bisherigen Auftretens des Vertreters zu sehen ist. Ein Anspruch der anderen Gesellschafter auf Genehmigung der von dem Vertreter ohne Vertretungsmacht vorgenommenen Rechtsgeschäfte kann sich nur im Einzelfall aus einem vorausgegangenen wirksamen Vorvertrag ergeben. § 2 Abs. 2 gilt außerdem noch für die Genehmigung des von einem Minderjährigen abgeschlossenen Gesellschaftsvertrages durch den gesetzlichen Vertreter, nicht jedoch für die Genehmigung des Vertrages durch den Minderjährigen selbst nach Eintritt der Volljährigkeit gemäß § 108 Abs. 3 BGB, weil die besondere „Legitimation“ eines nunmehr Volljährigen nach Sinn und Zweck der ganzen Regelung entbehrlich ist4. bb) Nach Eintragung der Gesellschaft ins Handelsregister (§ 11) muss man nach 32 ganz überwiegender Meinung unterscheiden, ob der angebliche Vertreter überhaupt keine Vollmacht hatte oder ob die Vollmacht „lediglich“ wegen des Verstoßes gegen § 2 Abs. 2 formnichtig war (§ 125 BGB). In dem zuletzt genannten Fall soll der Mangel durch die Eintragung geheilt werden, weil der Verstoß gegen die Formvorschrift des § 2 Abs. 2 nicht unter den Nichtigkeitsgründen des § 75 Abs. 1 aufgeführt ist5. In dem anderen Fall, d.h. bei gänzlichem Fehlen einer Vollmacht, hat dagegen der Vertrag auch nach Eintragung der Gesellschaft ins 1 KG, OLGE 3, 262. 2 So OLG Köln, GmbHR 1995, 725 = MDR 1995, 888 = WM 1996, 207 = DB 1995, 2413 = NJW-RR 1996, 550 (hier fälschlich als Beschluss des OLG Düsseldorf bezeichnet); Hueck/ Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 18; Michalski, in: Michalski, Rdnr. 34; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 21; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 27a; Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 28; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 56. 3 H. Schmidt, MDR 1995, 889. 4 S. unten Rdnr. 44; BGH, LM Nr. 4 zu § 108 BGB = WM 1980, 866 = MDR 1980, 737 = BB 1980, 857 = DB 1980, 1885; Goette, GmbH, § 1 Rdnr. 13 (S. 5); Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 16; anders J. Mayer, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 72. 5 S. oben Rdnr. 20 sowie Feine, in: Ehrenbergs Hdb. III/3, S. 212; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 19; J. Mayer, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 78; Michalski, in: Michalski, Rdnr. 37; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 41; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/ Schmidt-Leithoff, Rdnr. 57.

Emmerich

95

§2

Form des Gesellschaftsvertrages

Handelsregister keine Wirkung gegenüber dem angeblich Vertretenen (§ 177 BGB). Davon wird freilich die Wirksamkeit der Gesellschaft im Übrigen nicht berührt. Da jedoch der Geschäftsanteil des angeblich Vertretenen nicht entstanden ist, greift jetzt das Beanstandungs- und Auflösungsverfahren nach § 399 Abs. 4 FamFG ein, sofern nicht ein anderer Gesellschafter den Geschäftsanteil des angeblich Vertretenen übernimmt1.

8. Auslegung Schrifttum: Brandes, Die Rechtsprechung des BGH zur GmbH, WM 1983, 286; Coing, Zur Auslegung der Verträge von Personengesellschaften, ZGR 1978, 659; Grunewald, Die Auslegung von Gesellschaftsverträgen und Satzungen, ZGR 1995, 68; Hoffmann-Becking, Der Einfluss schuldrechtlicher Gesellschaftervereinbarungen auf die Rechtsbeziehungen in der Kapitalgesellschaft, ZGR 1994, 442; Lüderitz, Die Auslegung von Rechtsgeschäften, 1966, S. 194 ff.; Nitschke, Die körperschaftlich strukturierte Personengesellschaft, 1970, S. 166 ff.; Noack, Gesellschaftervereinbarungen bei Kapitalgesellschaften, 1994, S. 80 ff.; Ostheim, Zur Auslegung des Gesellschaftsvertrages bei der Gesellschaft mit beschränkter Haftung, in: FS Demelius, 1973, S. 381; Teichmann, Gestaltungsfreiheit in Gesellschaftsverträgen, 1970, S. 127 ff.; H. P. Westermann, Das Verhältnis von Satzung und Nebenordnungen in der Kapitalgesellschaft, 1994, S. 43 ff.; Wiedemann, Die Auslegung von Satzungen und Gesellschaftsverträgen, DNotZ 1977, Sonderheft S. 99.

33

a) Der Gesellschaftsvertrag ist, wie gezeigt (oben Rdnr. 3 ff.), keine Rechtsnorm, sondern – entsprechend seinem Namen – ein „Vertrag“, freilich ein Vertrag mit der doppelten Funktion, gleichzeitig ein Schuldverhältnis zwischen den Parteien, gerichtet auf die Gründung der GmbH, zu begründen, und die Grundlage dieser Gesellschaft selbst, d.h. ihren organisatorischen Rahmen zu schaffen. Unmittelbar mit dieser Doppelfunktion des Gesellschaftsvertrages hängt die Auseinandersetzung um die Auslegung des Gesellschaftsvertrages zusammen: Soweit der Gesellschaftsvertrag Schuldvertrag ist, steht außer Frage, dass sich seine Auslegung allein nach den §§ 133 und 157 BGB zu richten hat2. Fraglich kann daher im Grunde nur sein, ob dasselbe auch für den Gesellschaftsvertrag in seiner Funktion als Grundlage der von den Gründern angestrebten juristischen Person gilt. Vielfach spricht man insoweit auch von den körperschaftlichen (oder körperschaftsrechtlichen) Regelungen des Gesellschaftsvertrages im Gegensatz zu den individualrechtlichen.

33a

Für die körperschaftlichen Regelungen des Gesellschaftsvertrages wird überwiegend eine so genannte „objektive“, d.h. gesetzesgleiche Auslegung befürwortet. Maßgebend ist dafür weniger die Stellungnahme zu der Auseinandersetzung um die Rechtsnatur des Gesellschaftsvertrages (oben Rdnr. 3 ff.) als der Hinweis auf die Besonderheiten solcher Regelungen in Gesellschaftsverträgen, die vor allem darin gesehen werden, dass sie auch für zukünftige Gesellschafter (die die Vorstellungen der Gründer und die von ihnen verfolgten Zwecke möglicherweise überhaupt nicht mehr kennen) sowie für Dritte einschließlich insbesondere der Gläubiger maßgebend sind. Deshalb könnten, so die Argumentation, für die 1 So Michalski, in: Michalski, Rdnr. 37; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 57. 2 Anders auch insoweit aber offenbar D. Reuter, in: MünchKomm. BGB, 6. Aufl. 2012, § 25 BGB Rdnr. 23; Würdinger, Aktienrecht, S. 39 ff.

96

Emmerich

§2

Form des Gesellschaftsvertrages

Auslegung des Gesellschaftsvertrages insoweit nur diejenigen Umstände maßgebend sein, die auch späteren Gesellschaftern und Dritten ohne weiteres erkennbar sind. Die Folge ist die Bevorzugung einer „objektiven“, d.h. primär am Wortlaut und Sinnzusammenhang des Vertragstextes orientierten Auslegung1. Eine weitere Differenzierung etwa zwischen notwendigen und fakultativen körperschaftlichen Satzungsbestimmungen oder zwischen personalistischen und kapitalistischen Gesellschaften wird dagegen – mit gutem Grund – als nicht praktikabel überwiegend abgelehnt2. Die Stellungnahme der Rechtsprechung hat geschwankt. Das RG war zwar 34 grundsätzlich von der Geltung der §§ 133 und 157 BGB ausgegangen, indessen mit der wichtigen Einschränkung, dass der Auslegung hier engere Grenzen als sonst gezogen seien, weil der Gesellschaftsvertrag für die Allgemeinheit bestimmt sei. Das RG hatte daraus den Schluss gezogen, dass die wesentlichen Erfordernisse der formbedürftigen Erklärungen in der Urkunde selbst niedergelegt sein müssten, da sie sonst durch den Inhalt der Urkunde nicht mehr gedeckt seien. Deshalb hatte es solche Nebenabreden als unwirksam behandelt, die sich nicht aus der Urkunde ergaben (§ 2 GmbHG i.V.m. § 125 BGB), sowie Deutungen des Vertrags abgelehnt, die für Außenstehende nicht erkennbar sind. Soweit aber die Bestimmungen des Gesellschaftsvertrages unklar oder mehrdeutig sind, wurde eine Auslegung unter Heranziehung der auch sonst üblichen Erkenntnismittel gebilligt3. Der BGH hat die Rechtsprechung des RG zu der weithin gebilligten Unterschei- 35 dung zwischen individualrechtlichen und körperschaftlichen Bestimmungen weiterentwickelt, wobei Unterscheidungskriterium sein soll, ob die fragliche Bestimmung nur für das Verhältnis der Gründer untereinander sowie zur Gesellschaft oder auch für spätere Gesellschafter und die Gläubiger Bedeutung hat. Während für die individualrechtlichen Bestimmungen die §§ 133 und 157 BGB uneingeschränkt ihre Gültigkeit behalten, wird bei den körperschaftlichen Bestimmungen mit Rücksicht auf ihre einheitliche und gleichmäßige Geltung für gegenwärtige und zukünftige Gesellschafter sowie für die Gläubiger eine „normähnliche“ Auslegung bevorzugt4. Diese Grundsätze gelten auch für personalisti-

1 So Goette, GmbH, § 1 Rdnr. 22 f. (S. 8); Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 141 ff.; Koppensteiner, öGmbHG, § 3 Rdnr. 17; Michalski, in: Michalski, Rdnr. 41–50; Ostheim, in: FS Demelius, S. 381; Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 16–18; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/ Schmidt-Leithoff, Rdnr. 78–83; Karsten Schmidt, GesR, § 5 I 4 (S. 87 ff.); Wiedemann, GesR I, S. 166 ff.; Wiedemann, DNotZ 1977, Sonderheft, S. 99 ff.; mit Einschränkungen auch J. Mayer, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 164–168. 2 Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 26; str. 3 RGZ 141, 204, 206; RGZ 159, 272, 278; RGZ 159, 321, 326; RGZ 164, 129, 140; RGZ 165, 68, 73; RGZ 170, 358, 366 ff. 4 BGHZ 14, 25, 36 f. = NJW 1954, 1401; BGHZ 36, 296, 314 = NJW 1962, 864; BGHZ 48, 141, 143 f. = NJW 1967, 2159; BGHZ 96, 245, 250 = NJW 1986, 1033; BGHZ 116, 359, 364, 366 = NJW 1992, 892 = GmbHR 1992, 257; BGHZ 123, 347, 350, 352 = NJW 1994, 51 = AG 1994, 78 = ZIP 1993, 1709 – „IBH/Powell Duffryn“; BGH, LM Nr. 20 zu § 47 GmbHG = NJW 1973, 1039; LM Nr. 21 zu § 47 GmbHG = GmbHR 1974, 107; BGH, LM Nr. 32 zu § 47 GmbH = NJW 1983, 1910; LM Nr. 25 zu § 549 ZPO = MDR 1954, 734; BGH, LM Nr. 54 zu § 157 (D) BGB = NJW-RR 1990, 226; ebenso für Österreich OGH SZ Bd. 70 II (1997) Nr. 24, S. 704, 719 ff. = HS 28.080 = AG 1998, 199 f.

Emmerich

97

§2

Form des Gesellschaftsvertrages

sche oder Familiengesellschaften, schon weil der spätere Beitritt anderer Gesellschafter niemals ausgeschlossen werden kann1. 36

Dies bedeutet, dass Ausgangspunkt der Auslegung – ebenso wie auch sonst (§§ 133, 157 BGB) – (natürlich) der Wortlaut der fraglichen körperschaftlichen Vertragsbestimmung zu sein hat. Dieser ist indessen nicht allein maßgebend; vielmehr müssen ergänzend der Sinnzusammenhang des Vertrages und der erkennbare Zweck der fraglichen Bestimmung berücksichtigt werden. Dabei kann auch auf Umstände außerhalb der Vertragsurkunde zurückgegriffen werden, vorausgesetzt, dass sie wie namentlich die sonstigen Handelsregisterakten für außenstehende Dritte gleichfalls ohne weiteres erkennbar sind2. Eine einzelne Bestimmung des Gesellschaftsvertrages kann infolgedessen durchaus auch gegen ihren Wortlaut ausgelegt werden3. Kollidieren zwei Bestimmungen des Gesellschaftsvertrages, weil es bei einer späteren Vertragsänderung verabsäumt wurde, den geänderten Text mit dem früheren Text abzustimmen, so sind die Regeln über sich widersprechende Gesetze aus verschiedenen Zeiten anzuwenden, so dass z.B. eine als generell gedachte Erhöhung der Mehrheitserfordernisse für Vertragsänderungen abweichende, speziellere frühere Regelungen verdrängt4. Selbst eine ergänzende Vertragsauslegung zur Schließung von Lücken im Gesellschaftsvertrag ist – in dem angegebenen Rahmen – möglich, sofern damit nur der Zweck verfolgt wird, die schon in der Vertragsurkunde selbst angelegte Regelung zu einem sinnvollen Ganzen „weiterzudenken“5. Ausgeschlossen ist dagegen ein Rückgriff auf solche Umstände, die wie die Entstehungsgeschichte, Vorentwürfe und nicht nach außen hervorgetretene Motive der Gründer außenstehenden Dritten notwendigerweise verborgen sind6. Auf keinen Fall darf schließlich die Auslegung zu unterschiedlichen Ergebnissen im Innen- und Außenverhältnis führen; sie muss vielmehr für alle Beteiligten einheitlich und gleichmäßig erfolgen7.

37

Körperschaftliche (oder: körperschaftsrechtliche) Bestimmungen sind zunächst die Bestimmungen, die schon nach dem Gesetz zum notwendigen oder fakultativen Vertragsinhalt gehören, allen voran also die Bestimmungen der §§ 3 bis 58. Hervorzuheben sind die Bestimmungen über den Unternehmensgegenstand 1 BGHZ 14, 25, 37 = NJW 1954, 1401; BGH, BB 1981, 926 f. = WM 1981, 438; BGH, GmbHR 1983, 129, 130; Brandes, WM 1983, 286, 287. 2 Vgl. für bei den Handelsregisterakten befindliche frühere Fassungen der Satzung BGHZ 116, 359, 366 = NJW 1992, 892 = GmbHR 1992, 257; BayObLGZ 1979, 97 = GmbHR 1979, 139; OLG Köln, NZG 1999, 1222, 1223 f. 3 RGZ 101, 246 f.; RG, JW 1930, 3735, 3737. 4 OGH SZ. Bd. 70 II (1997) Nr. 242, S. 704, 721 ff. = HS 28.080 = AG 1998, 199, 200. 5 BGH, LM Nr. 54 zu § 157 (D) BGB = NJW-RR 1990, 226 (Ausdehnung eines Wettbewerbsverbotes auf weitere Fälle); OLG Düsseldorf, BB 1982, 1574 f. 6 OLG Köln, NZG 1999, 1222, 1223 f.; OGH SZ Bd. 70 II (1997) Nr. 242, S. 704, 719 ff. = HS 28.080 = AG 1998, 199 f. 7 RGZ 101, 246 f.; RGZ 127, 186, 192; RG, JW 1930, 3735, 3736; RG, JW 1939, 354; BGHZ 14, 25, 36 f. = NJW 1954, 1401; BGHZ 36, 296, 315 = NJW 1962, 864; BGH, LM Nr. 25 zu § 549 ZPO = MDR 1954, 734; BGH, LM Nr. 20 zu § 47 GmbHG = NJW 1973, 1039; Brandes, WM 1983, 286, 287. 8 S. im Einzelnen Goette, GmbH, § 1 Rdnr. 23 (S. 8 m.N.); J. Mayer, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 157; Michalski, in: Michalski, Rdnr. 45.

98

Emmerich

§2

Form des Gesellschaftsvertrages

sowie über die Kapitalausstattung einschließlich der Zulassung von Sacheinlagen, außerdem Bestimmungen über die Vinkulierung von Geschäftsanteilen, über das Stimmrecht der Gesellschafter und über die Gewinnverteilung sowie z.B. noch Bestimmungen über die Voraussetzungen von Vertragsänderungen einschließlich der Bestimmungen über die Mehrheits- und die Formerfordernisse1, ferner Bestimmungen über Sonderbeschlüsse einzelner Gesellschaftergruppen2, überhaupt alle Bestimmungen über die Zuständigkeit der Gesellschafterversammlung3, sowie z.B. Bestimmungen über Gerichtsstandsklauseln4, über Sonderrechte von Gesellschaftern5, über die Wirksamkeitsvoraussetzungen einer Abtretung (§ 15 Abs. 5)6, über die Gewinnverteilung7, über die Abfindung einzelner Gesellschafter8 und über ein Stimmverbot für einzelne Gesellschafter9, weiter etwa Bestimmungen über eine besondere Vergütung für Sacheinlagen10 sowie schließlich Bestimmungen über einen Beirat11. Individualrechtlich sind dagegen z.B. Bestimmungen eines Gesellschaftsvertrages über die Bestellung der Geschäftsführer, über deren Vergütung und über die Versorgung ihrer Hinterbliebenen12. Dasselbe gilt für zusätzliche schuldrechtliche Abreden zwischen den Gründern, selbst wenn sie zu Gunsten der zukünftigen Gesellschaft getroffen worden sind13. Aus der Unterscheidung zwischen körperschaftlichen und individualrechtlichen 37a Satzungsbestandteilen wird schließlich noch der Schluss gezogen, dass allein die ersteren der freien Nachprüfung durch das Revisionsgericht unterliegen. Dagegen ist die Auslegung von Satzungsbestimmungen mit individualrechtlichem Charakter ebenso wie die sonstiger Verträge in der Revisionsinstanz nur beschränkt nachprüfbar14.

1 BGHZ 14, 25, 36 f. = NJW 1954, 1401; BGHZ 48, 141, 143 f. = NJW 1967, 2159; OGH SZ Bd. 70 II (1997) Nr. 242, S. 704, 721 ff. = HS 28.080 = AG 1998, 199, 200. 2 BGHZ 36, 296, 314 = NJW 1962, 864. 3 BGH, LM Nr. 20 zu § 47 GmbHG = NJW 1973, 1039. 4 Grdlg. BGHZ 123, 347, 350 = NJW 1994, 51 = AG 1994, 78 = ZIP 1993, 1709. 5 BGH, LM Nr. 4 zu § 35 BGB = NJW 1969, 131. 6 OGH SZ Bd. 70 II (1997) Nr. 242, S. 704, 721 ff. = HS 28.080 = AG 1998, 199, 200. 7 OLG Düsseldorf, GmbHR 1983, 124, 126. 8 BGHZ 116, 359, 364 = NJW 1992, 892 = GmbHR 1992, 257; OLG Köln, NZG 1999, 1222, 1223 f. 9 BGH, LM Nr. 21 zu § 47 GmbHG = GmbHR 1974, 107. 10 BayObLGZ 1979, 97 = GmbHR 1979, 139. 11 OLG Düsseldorf, BB 1982, 1574. 12 BGH, LM Nr. 25 zu § 549 ZPO = MDR 1954, 734; anders aber offenbar BGH, GmbHR 1973, 279, 280 = WM 1973, 1295. 13 S. oben Rdnr. 11; ausführlich Noack, Gesellschaftervereinbarungen, S. 84 ff. 14 RGZ 159, 321, 326; RGZ 164, 129, 140; RGZ 165, 68, 74; RGZ 170, 358, 366 f.; BGHZ 14, 25, 36 f. = NJW 1954, 1401; BGHZ 36, 296, 314 = NJW 1962, 864; BGHZ 48, 141, 144 = NJW 1967, 2159; BGHZ 96, 245, 250 = NJW 1986, 1033; BGHZ 116, 359, 364 = NJW 1992, 892 = GmbHR 1992, 257; BGHZ 123, 347, 350 = NJW 1994, 51 = AG 1994, 78; BGH, LM Nr. 32 zu § 47 GmbHG = NJW 1983, 1910; J. Mayer, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 168.

Emmerich

99

§2

Form des Gesellschaftsvertrages

38

b) Die geschilderte Praxis ist nicht unbedenklich1, da die Kriterien zur Abgrenzung der individualrechtlichen von den körperschaftlichen Bestandteilen des Gesellschaftsvertrages im Grunde bis heute unklar geblieben sind. Außerdem ist nicht einzusehen, wieso die gebotene Berücksichtigung der Interessen Dritter generell Abweichungen von den sonst maßgeblichen Auslegungsregeln erzwingen soll; wenn überhaupt, so können doch solche Abweichungen höchstens dort angebracht sein, wo tatsächlich die Interessen Dritter hereinspielen, im Wesentlichen also nur im Falle des späteren Beitritts neuer Gesellschafter (unten Rdnr. 39). Solange sich dagegen der Gesellschafterkreis auf die Gründer und deren Erben beschränkt, rechtfertigt nichts eine Abweichung von den §§ 133, 157, 242 BGB. Maßgebend ist mit anderen Worten dann in erster Linie ihr Verständnis der betreffenden Bestimmungen, wozu auch eine entsprechende Praxis der Gesellschafter herangezogen werden kann. Dasselbe gilt für schuldrechtliche Nebenabreden der Gesellschafter2.

39

Einschränkungen der vorstehend entwickelten Regeln (oben Rdnr. 38) werden erst erforderlich, sobald tatsächlich Interessen Dritter tangiert werden, wobei weniger an die Interessen der Gläubiger (die jede Satzungsregelung hinnehmen müssen) als an die neuer Gesellschafter zu denken ist. (Nur) sofern diese nicht über das Verständnis der Gründer, ihre Handhabung der Satzung und über die Existenz ergänzender schuldrechtlicher Abreden informiert sind, muss der Gesellschaftsvertrag zu ihrem Schutze mit anderen Worten (ausnahmsweise) in dem genannten Sinne „objektiv“ ausgelegt werden. Die fragliche Bestimmung des Gesellschaftsvertrages gilt dann folglich in dem Sinne, den sie nach den den neuen Gesellschaftern erkennbaren Umständen hat, und nicht nach einem möglicherweise abweichenden Verständnis der Gründer und der anderen informierten Gesellschafter (§§ 133, 157, 242 BGB).

III. Gesellschafter Schrifttum: Bartl, Bestellung eines Ausländers zum Geschäftsführer, BB 1977, 571; Biddermann, Die Rechtsstellung des minderjährigen GmbH-Gesellschafters bei Fehlen der vormundschaftsgerichtlichen Genehmigung zum Gründungsvertrag und zum Erwerb von Geschäftsanteilen, GmbHR 1966, 4; Brüggemann, Der sperrige Katalog, FamRZ 1990, 5, 124; H. C. Doelle, Die Beteiligung der Gesellschaft bürgerlichen Rechts an einer GmbH, 1984; Flume, Gesamthand und juristische Person, in: FS L. Raiser, 1974, S. 27; Grothus, Die Übernahme einer GmbH-Stammeinlage durch eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts, GmbHR 1958, 156; B. Grunewald, Die Rechtsfähigkeit der Erbengemeinschaft, AcP 197 (1997), 305; Haegele, GmbH und Verfügungsbeschränkungen der Zugewinngemeinschaft, GmbHR 1965, 187; Haegele, Vertragliche Güterrechte und GmbH, GmbHR 1968, 69, 95, 138; Haegele, Geschäftsunfähige und beschränkt Geschäftsfähige im GmbH-Recht, GmbHR 1971, 198; U. Koch, Die Beteiligung einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts an der GmbH-Gründung, ZHR 146 (1982), 118; Kobei, Die Übernahme einer Stammeinlage oder Aktie 1 Ebenso Grunewald, ZGR 1995, 68, 85 ff.; Noack, Gesellschaftervereinbarungen, S. 80 ff.; Karsten Schmidt, GesR, § 5 I 4 (S. 87 ff.); H. P. Westermann, Das Verhältnis von Satzung und Nebenordnungen, S. 43 ff.; ähnlich auch Hoffmann-Becking, ZGR 1994, 442; J. Mayer, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 164 ff. 2 Ebenso im Wesentlichen Grunewald, Noack, Karsten Schmidt und H. P. Westermann (vorige Fn.); J. Mayer, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 165 f.; anders Hoffmann-Becking, ZGR 1994, 442, 455 f.

100

Emmerich

§2

Form des Gesellschaftsvertrages

bei Gründung einer GmbH oder AG durch eine Personenmehrheit, GmbHR 1960, 84; G. Kurz, Die Problematik des § 1822 BGB, NJW 1992, 1798; Kußmaul, Zivilrechtliche Gestaltungsmöglichkeiten bei der Einbeziehung von Kindern, GmbHR 1983, 118; Maiberg, Übernahme einer Stammeinlage durch eine Erbengemeinschaft bei Erhöhung des Stammkapitals einer GmbH, DB 1975, 53; G. Miller, Eintragung ausländischer GmbH-Geschäftsführer und Gründung einer GmbH durch Ausländer, DB 1983, 977; W. Müller, Zur vormundschaftsgerichtlichen Genehmigung bei GmbHBeteiligungen von Minderjährigen, JR 1961, 326; Petzoldt, Gesellschaftsvertrag und Erbrecht, GmbHR 1977, 25; Priester, Nachfolgeklauseln im GmbH-Vertrag, GmbHR 1981, 206; Ripfel, Übernahme einer Stammeinlage durch eine Personenmehrheit, GmbHR 1956, 7; Rosenau, Beteiligung Minderjähriger an gesellschaftsrechtlichen Unternehmensformen, BB 1965, 1393; Roth, Die Ehegatten-GmbH in Recht und Praxis, FamRZ 1984, 328; Karsten Schmidt, Die GmbH-Beteiligung von Gesellschaften bürgerlichen Rechts als Publizitätsproblem, BB 1983, 1697; Karsten Schmidt, Die BGB-Außengesellschaft: rechts- und parteifähig, NJW 2001, 993; Tountopoulos, Ausländerrecht und Handelsregister, Rpfleger 1997, 457; Ulmer, Die höchstrichterlich „enträtselte“ Gesellschaft bürgerlichen Rechts, ZIP 2001, 585; Wachter, Ausländer als GmbH-Gesellschafter und Geschäftsführer ZIP 1999, 1577; Wilhelm, Fehlerhafte Gesellschaftsverträge mit minderjährigen Kindern, BB 1966, 395; Winkler, Die Genehmigung des Vormundschaftsgerichts zu gesellschaftsrechtlichen Akten bei Beteiligung Minderjähriger, ZGR 1973, 177; M. Wolf, GmbH-Gründung mit einer Erbengemeinschaft, in: FS Schippel, 1996, S. 533; Zelz, Der Minderjährige in der GmbH, GmbHR 1959, 91; – zur Treuhand s. unten bei Rdnr. 54 und § 15 Rdnr. 227.

Gesellschafter einer deutschen GmbH kann jede natürliche oder juristische Per- 40 son sein. Angehörige der Mitgliedstaaten der Europäischen Union stehen insoweit deutschen Staatsangehörigen in jeder Hinsicht gleich. Besonderheiten gelten lediglich für Angehörige so genannter Drittstaaten (unten Rdnr. 41 ff.). Auch hinsichtlich der Zahl der Gesellschafter gibt es weder eine Unter- noch eine Obergrenze (§ 1). Das Spektrum möglicher Gestaltungsformen reicht daher von der Einpersonengesellschaft bis zu Publikumsgesellschaften mit einer Vielzahl persönlich nicht verbundener Gesellschafter.

1. Ausländer Für Angehörige von Drittstaaten bestehen grundsätzlich keine Beschränkungen 41 hinsichtlich einer Beteiligung an einer deutschen GmbH. Sie können selbst dann Gesellschafter werden, wenn sie im Inland weder einen Wohnsitz noch einen Aufenthaltsort haben. Auch das Ausländerrecht zieht ihrer Beteiligung an einer deutschen GmbH keine Schranken. Erst, wenn Angehörige von Drittstaaten ihren Aufenthalt im Bundesgebiet nehmen, bedurften sie dazu früher nach dem Ausländergesetz (AuslG) von 19901 einer Aufenthaltsgenehmigung (§ 3 Abs. 1 AuslG), die auch mit Auflagen verbunden werden konnte. Die zuständige Behörde hat dagegen heute nur noch die Möglichkeit, die Aufnahme einer selbständigen Erwerbstätigkeit im Inland zu verbieten2. Daraus ergibt sich im vorliegenden Zusammenhang die Frage, welche Rechtsfolgen eintreten, wenn sich ein Drittstaatler ohne Aufenthaltserlaubnis oder (so jetzt) ohne Erlaubnis der

1 BGBl. I 1990, 1354. 2 Wegen der Einzelheiten s. J. Mayer, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 82; Tountopoulos, Rpfleger 1997, 457; Wachter, ZIP 1999, 1577, 1578.

Emmerich

101

§2

Form des Gesellschaftsvertrages

Aufnahme einer Erwerbstätigkeit im Inland an der Gründung einer deutschen GmbH beteiligt. 41a

Unproblematisch ist eine derartige Beteiligung nach nahezu allgemeiner Meinung nur, wenn sich der Ausländer lediglich so geringfügig an der Gründung beteiligt, dass ein Einfluss auf die Geschäftsführung von vornherein ausgeschlossen ist. Umstritten ist die Rechtslage dagegen bei einer maßgeblichen Beteiligung des Ausländers. Nach einer verbreiteten Meinung verfolgt die Gesellschaft in diesem Fall wegen der Gefahr einer „Umgehung“ der ausländerrechtlichen Verbote gesetzwidrige Zwecke (§ 134 BGB), so dass sie nicht ins Handelsregister eingetragen werden dürfe1. Die Anwendung der §§ 134 und 138 Abs. 1 BGB ist indessen nur gerechtfertigt, wenn mit der Gründung der GmbH tatsächlich vorrangig der Zweck verfolgt wird, etwaige ausländerrechtliche Beschränkungen für die Betätigung der an der Gründung beteiligten Ausländer im Inland zu umgehen2. Solche Annahme setzt jedoch voraus, dass der Zweck der Gesetzesumgehung bei der Gründung der Gesellschaft so eindeutig im Vordergrund steht, dass das ganze Gründungsvorhaben davon geprägt wird und deshalb als sittenwidrig eingestuft werden muss (§ 138 BGB)3. Ein Beispiel ist die Gründung einer GmbH allein oder überwiegend durch Ausländer, gegen die ein Tätigkeitsverbot ausgesprochen wurde4. Von solchen Ausnahmefällen abgesehen, stehen dagegen ausländerpolizeiliche Verbote oder Beschränkungen für die Tätigkeit von Ausländern im Inland ihrer Beteiligung an der Gründung einer deutschen GmbH grundsätzlich nicht entgegen, schon weil die Tätigkeit der Gesellschaft von der ihrer Mitglieder getrennt werden muss. Ohnhin ist die Anwendbarkeit der Vorschriften des Ausländerrechts von der Gründung der GmbH völlig unabhängig. Weder ein Aufenthalts- noch ein Betätigungsverbot auf Grund des Ausländerrechts wird durch die Gründung der GmbH tangiert, so dass der Meinung zu folgen ist, nach der die Beteiligung von Ausländern an der Gründung einer GmbH mit Rücksicht auf das Ausländerrecht – von den genannten Umgehungsfällen abgesehen – grundsätzlich keinen Bedenken begegnet5.

2. Minderjährige 42

a) Minderjährige und andere in der Geschäftsfähigkeit beschränkte Personen bedürfen zum Abschluss des Gesellschaftsvertrages nach § 107 BGB der Einwilligung ihres gesetzlichen Vertreters, weil sie durch den Abschluss des Gesellschaftsvertrages mit Rücksicht auf die damit verbundenen Haftungsrisiken

1 S. § 1 Rdnr. 17 ff.; OLG Stuttgart, OLGZ 1984, 143 = GmbHR 1984, 156; OLG Celle, DB 1977, 993 = MDR 1977, 758; KG, GmbHR 1997, 412, 413 f. = DZWiR 1997, 120 = DB 1997, 270; LG Hannover, GmbHR 1976, 111; LG Köln, GmbHR 1983, 48; LG Krefeld, GmbHR 1983, 48 f. = DNotZ 1983, 676; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/SchmidtLeithoff, Rdnr. 8 und § 1 Rdnr. 47; Tountopoulos, Rpfleger 1997, 457, 458 ff. 2 J. Mayer, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 82. 3 Zutreffend Wachter, ZIP 1999, 1577, 1583 f. 4 Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 4. 5 LG Ulm, Rpfleger 1982, 228; Bartel, BB 1977, 571, 573 f.; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/ Hueck, § 1 Rdnr. 16, 29; Ulmer, in: Ulmer, § 1 Rdnr. 42 f.; Michalski, in: Michalski, Rdnr. 83; G. Miller, DB 1983, 977, 978 f.; Roth, in: Roth/Altmeppen, § 1 Rdnr. 22; Wachter, ZIP 1999, 1577, 1582 f.; Waldner, Rpfleger 1997, 389, 390.

102

Emmerich

§2

Form des Gesellschaftsvertrages

(§§ 24 und 31) in keinem Fall lediglich einen „rechtlichen Vorteil“ erlangen, auch nicht im Falle der Schenkung der Beteiligung seitens der übrigen Gründer1. Wird der Minderjährige bei dem Abschluss dagegen von seinem gesetzlichen Vertreter vertreten, so muss, sofern sich der gesetzliche Vertreter selbst neben dem Minderjährigen an dem Vertragsabschluss beteiligt, für den Minderjährigen ein Pfleger bestellt werden (vgl. §§ 181, 1629 Abs. 2 Satz 1, 1795 Abs. 2, 1909 BGB). Falls der gesetzliche Vertreter mehrere Personen, z.B. mehrere Kinder vertritt, ist außerdem für jede vertretene Person ein besonderer Pfleger zu bestellen; das Familiengericht kann nicht eine mehrfache Vertretung gestatten2. Zu beachten ist, dass dies alles nur für den Abschluss des Gesellschaftsvertrages gilt. Nach wirksamem Vertragsabschluss werden Minderjährige dagegen in der Gesellschaft durch ihren gesetzlichen Vertreter vertreten, wobei § 181 BGB jedenfalls auf Abstimmungen in den laufenden Geschäften keine Anwendung findet (s. im Einzelnen 10. Aufl., § 47 Rdnr. 178 ff.). b) Eine andere Frage ist, ob der gesetzliche Vertreter nach den §§ 1643 Abs. 1 43 und 1822 BGB zu dem Abschluss des Gesellschaftsvertrages bzw. zu der Einwilligung nach § 107 BGB bei Abschluss des Vertrages durch den Minderjährigen selbst3 der Genehmigung des Familiengerichts bedarf. In Betracht kommt insbesondere die Anwendung der Nrn. 3 und 10 des § 1822 BGB. Nach § 1822 Nr. 3 BGB ist die Genehmigung des Familiengerichts unter anderem für den Abschluss eines Gesellschaftsvertrages erforderlich, der zum Betrieb eines Erwerbsgeschäfts eingegangen wird. Schon daraus wird sich in der Mehrzahl der Fälle die Genehmigungsbedürftigkeit des Vertragsabschlusses ergeben, da es keine Rolle spielt, ob der Vertrag unentgeltlich oder entgeltlich abgeschlossen wird4 oder ob es sich um einen Gesellschaftsvertrag zur Gründung einer Personengesellschaft oder zur Gründung einer Kapitalgesellschaft handelt5. Anwendbar ist außerdem in jedem Fall der Gründung einer GmbH, also auch 43a dann, wenn die Gesellschaft ideelle Zwecke verfolgt, die Vorschrift des § 1822 Nr. 10 BGB, nach dem die Genehmigung des Familiengerichts auch zur Übernahme einer fremden Verbindlichkeit erforderlich ist. Die Gründung einer GmbH fällt schon deshalb darunter, weil mit ihr immer die Gefahr einer persönlichen Haftung für die Verbindlichkeiten der Vorgesellschaft sowie einer persönlichen Inanspruchnahme auf Grund der §§ 24 und 31 verbunden ist6. Man sollte hier auch keine Ausnahme für den Fall machen, dass sämtliche Geschäftsantei1 Unstreitig, z.B. J. Mayer, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 87; Michalski, in: Michalski, Rdnr. 84. 2 RGZ 71, 164; BGHZ 21, 229 = NJW 1956, 1433; J. Mayer, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 88; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 14; str. 3 S. oben Rdnr. 42; statt aller Heinrichs, in: Palandt, § 107 BGB Rdnr. 10. 4 Brüggemann, FamRZ 1990, 124, 127. 5 Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 5; Diederichsen, in: Palandt, § 1822 BGB Rdnr. 9; Brüggemann, FamRZ 1990, 5, 124, 127; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 21 ff.; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 73; J. Mayer, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 89; Michalski, in: Michalski, Rdnr. 85 f.; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 15; Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 12; Karsten Schmidt, GesR, § 34 II 1 (S. 1000); anders G. Kurz, NJW 1992, 1798, 1800. 6 OLG Stuttgart, OLGZ 1978 426, 427 f. = Justiz 1979, 19 = GmbHR 1980, 102; ebenso schon KGJ 30 A 149; KGJ 44 A 142; KG, JW 1927, 2578; Brüggemann, FamRZ 1990, 124,

Emmerich

103

§2

Form des Gesellschaftsvertrages

le (zunächst) voll eingezahlt werden1, weil dadurch eine Haftung des Minderjährigen auf Grund seiner Beteiligung an der Vorgesellschaft ebenso wenig wie eine spätere persönliche Haftung auf Grund der §§ 24 und 31 ausgeschlossen wird2. Handelt es sich um eine Einpersonengründung, so ist dagegen in der Tat nur Raum für die Anwendung des § 1822 Nr. 3 BGB3. 43b c) Entsprechendes gilt im Falle der Betreuung, sofern ein Einwilligungsvorbehalt nach § 1903 Abs. 1 BGB angeordnet ist. Ein Unterschied zu den Fällen der gesetzlichen Vertretung (oben Rdnr. 42 f.) besteht in diesem Falle nur insofern, als bei der Verhinderung des Betreuers nach § 181 BGB keine Ergänzungspflegschaft mehr in Betracht kommt; an ihre Stelle tritt vielmehr jetzt die Bestellung eines weiteren Betreuers nach § 1899 Abs. 4 BGB4. Besteht kein Einwilligungsvorbehalt, so konkurrieren dagegen die Zuständigkeit des Betreuten und des Betreuers (§ 1902 BGB i.V.m. den §§ 1908, 1795 und 1822 BGB), so dass es zu widersprüchlichen Willenserklärungen kommen kann. In diesem Fall hat diejenige Willenserklärung den Vorrang, die als erste den Mitgesellschaftern bei der Gründung zugeht (§ 130 BGB)5. 44

d) Beteiligt sich ein Minderjähriger ohne Genehmigung des gesetzlichen Vertreters oder des Familiengerichts an einer GmbH, so ist der Gesellschaftsvertrag schwebend unwirksam (§ 107 BGB). Hieran ändert sich auch durch die Eintragung der Gesellschaft ins Handelsregister nichts. Die Gesellschaft ist in diesem Fall zwar nicht nichtig (§ 75); aber die Beteiligung des Minderjährigen bleibt unwirksam, weil der Minderjährigenschutz Vorrang vor dem Verkehrsschutz hat (s. unten Rdnr. 73). Der Beitritt kann jedoch noch nachträglich von dem gesetzlichen Vertreter (mit Genehmigung des Familiengerichts) und nach Volljährigkeit von dem Minderjährigen selbst genehmigt werden (§ 108 Abs. 3 BGB), und zwar von dem Minderjährigen auch konkludent; die Form des § 2 Abs. 2 braucht insoweit nicht beachtet zu werden (s. oben Rdnr. 31). Anders ist die Rechtslage lediglich bei einer Einpersonengründung, die ohne Einwilligung des gesetzlichen Vertreters oder ohne Genehmigung des Familiengerichts unheilbar nichtig ist (§§ 111 Satz 1, 1831 Satz 1 und 1903 Abs. 1 Satz 2 BGB)6.

3. Eheleute 45

Eheleute sind jederzeit allein imstande, sich an der Gründung einer GmbH zu beteiligen. Aus dem Ehegüterrecht können sich lediglich Beschränkungen hinsichtlich ihrer Einlageverpflichtung ergeben. Insoweit sind bei Zugewinnge-

1 2 3 4

5 6

125; Diederichsen, in: Palandt, § 1822 BGB Rdnr. 25; Pleyer, GmbHR 1962, 49 f.; offen gelassen in BGHZ 41, 71, 78 f. = NJW 1964, 766. So aber BGHZ 107, 23, 26 f. = NJW 1989, 1926; KG, NJW 1962, 54, 55; Ebbing, in: Michalski, § 24 Rdnr. 7. Brüggemann, FamRZ 1990, 124, 125; Michalski, in: Michalski, Rdnr. 85. Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 24; dagegen auch hier für die entsprechende Anwendung der Nr. 10 des § 1822 BGB Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 12. Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, § 1 Rdnr. 26; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 6; J. Mayer, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 90: Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/ Schmidt-Leithoff, Rdnr. 17. Im Einzelnen str., s. Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, § 1 Rdnr. 26. J. Mayer, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 91.

104

Emmerich

§2

Form des Gesellschaftsvertrages

meinschaft namentlich § 1365 BGB sowie bei Gütergemeinschaft die §§ 1423 f. und 1437 f. BGB zu beachten1. Eheleute, die in Gütergemeinschaft leben, können sowohl im Wege der Einpersonengründung (s. oben § 1 Rdnr. 29) als auch durch Abschluss eines normalen Gesellschaftsvertrages zwischen ihnen nach § 2 eine GmbH gründen2. Der Geschäftsanteil gehört dann zum Gesamtgut (§ 1416 BGB). Dieselben Regeln gelten für so genannte gleichgeschlechtliche Lebenspartner aufgrund des Gesetzes von 2004 (BGBl. I 2004, 3396).

4. Kaufleute Ein Einzelkaufmann kann einer GmbH unter seinem bürgerlichen Namen oder 46 unter seiner Firma beitreten (§ 17 HGB)3. Nach früher herrschender Meinung konnte er indessen mit Rücksicht auf § 5 Abs. 2 a.F. nicht beide Namen gleichzeitig in der Weise verwenden, dass er mehrere Stammeinlagen übernimmt4. Nach Streichung der genannten Vorschrift durch das MoMiG wird die Frage heute jedoch z.T. anders beurteilt5. Verwendet er für den Beitritt seine Firma, so folgt daraus, dass es sich bei dem Beitritt um ein Handelsgeschäft handelt (§§ 343 f. HGB).

5. Testamentsvollstrecker a) Schon bestehende GmbH Bei der Testamtensvollstreckung müssen verschiedene Fallgestaltungen unter- 47 schieden werden6. Unproblematisch ist zunächst der Fall, dass der Erbfall erst nach Eintragung der GmbH ins Handelsregister eintritt. In diesem Fall geht der Geschäftsanteil des Erblassers mit dem Nachlass auf den oder die Erben über und unterliegt infolgedessen der Verwaltung des Testamentsvollstreckers, der mit ihm nach den Anordnungen des Erblassers zu verfahren hat (§ 2203 BGB). Dabei ist vor allem danach zu unterscheiden, ob es sich lediglich um eine Auseinandersetzungsvollstreckung (§ 2204 BGB)7 oder um eine Verwaltungsvollstreckung im Sinne des § 2205 BGB handelt. Im zweiten Fall kann der Testamentsvollstrecker sämtliche Rechtshandlungen in der Gesellschaft vornehmen, die die Gesellschaftereigenschaft des oder der Erben mit sich bringt, einschließlich der Ausübung des Stimmrechts8, sofern nicht der Gesellschaftsvertrag aus1 J. Mayer, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 83–85. 2 Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, § 1 Rdnr. 27, 37; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 57; J. Mayer, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 84; Michalski, in: Michalski, Rdnr. 87; Roth, in: Roth/Altmeppen, § 1 Rdnr. 24; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 9 f.; früher sehr str. 3 OLG Dresden, KGJ 49, 272. 4 OLG Frankfurt a.M., GmbHR 1962, 157. 5 J. Mayer, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 92. 6 Vgl. zum Folgenden insbes. Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, § 1 Rdnr. 45–48; J. Mayer, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 102–114; wegen weiterer Einzelfragen s. außerdem 10. Aufl., § 47 Rdnr. 76 ff. 7 S. dazu J. Mayer, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 105. 8 S. unten § 15 Rdnr. 250–253; BGH, LM Nr. 3–5 zu § 2205 BGB = NJW 1959, 1820; KG, NJW 1962, 54; BayObLGZ 1976, 67, 87 ff. = NJW 1976, 1693; BayObLGZ 1991, 127, 135 = NJW-RR 1991, 1252 = GmbHR 1991, 572; J. Mayer, in: MünchKomm. GmbHG,

Emmerich

105

§2

Form des Gesellschaftsvertrages

nahmsweise wirksam etwas anderes bestimmt (s. im Einzelnen 10. Aufl., § 47 Rdnr. 77, 155 und 159) und sofern nicht mit der Ausübung der Verwaltungsrechte durch den Testamentsvollstrecker eine persönliche Verpflichtung der Erben verbunden ist (§§ 2206, 2207 BGB)1. Bedeutung hat diese Beschränkung vor allem für die Beteiligung des oder der Erben an einer Kapitalerhöhung gegen Einlagen. Verwehrt sind dem Testamentsvollstrecker ferner richtiger Meinung nach Eingriffe in den so genannten Kernbereich der Mitgliedschaft der Erben2. 47a

War die GmbH bei dem Tod des Erblassers noch nicht ins Handelsregister eingetragen, so tritt der Testamentsvollstrecker in die Gründerposition ein und hat – im Rahmen der ihm vom Erblasser übertragenen Befugnisse – alle Handlungen vorzunehmen, die erforderlich sind, die Eintragung der Gesellschaft herbeizuführen, wozu auch die Leistung der Einlage gehört, soweit aus den Mitteln des Nachlasses möglich. Im Übrigen trifft die Erben die Haftung für diese Nachlassverbindlichkeit, freilich mit der Möglichkeit der erbrechtlichen Haftungsbeschränkung (§§ 1967, 1975 BGB). b) Gründung einer GmbH

48

Davon zu trennen ist die Frage, ob sich der Testamentsvollstrecker, der mit der Verwaltung des Nachlasses betraut ist (§§ 2205, 2209 BGB), selbst für den Nachlass und damit für die Erben an der Gründung einer GmbH durch Abschluss eines neuen Gesellschaftsvertrages beteiligen kann. Probleme ergeben sich hier insbesondere aus der nur beschränkten Verpflichtungsmacht des Testamentsvollstreckers (§§ 2206, 2207, 2209 BGB). Unproblematisch ist die Rechtslage infolgedessen lediglich, wenn die Erben dem Beitritt zustimmen. Ohne solche Zustimmung der Erben ist die Rechtslage dagegen bis heute umstritten. Im wesentlichen drei Meinungen werden zu dem Fragenkreis vertreten. Nach der wohl herrschenden Meinung besitzt der Testamentsvollstrecker nicht die Befugnis zur Beteiligung als Gründer an dem Vertragsabschluss, in erster Linie mit Rücksicht auf die mögliche persönliche Haftung der Gesellschafter nach § 243, während andere darauf abstellen wollen, ob noch eine persönliche Haftung der Gesellschafter und Erben nach den §§ 3 Abs. 2 und 24 in Betracht kommt, so dass im Falle der Volleinzahlung der Geschäftsanteile der Testamentsvollstrecker (vorbehaltlich des § 3 Abs. 2) für die Erben an der Gründung einer GmbH mitwirken könnte4. Zu folgen ist in dieser Kontroverse zum Schutze der Erben gegen unabsehbare Verpflichtungen aus der Beteiligung an einer GmbH der Auffassung, die dem Testamentsvollstrecker generell die Befugnis abspricht, sich für die Erben auch ohne deren Mitwirkung an der Gründung einer GmbH zu betei-

1 2 3

4

Rdnr. 106 ff.; Michalski, in: Michalski, Rdnr. 91; Bergmann, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, § 15 Rdnr. 127–133; Priester, in: FS Stimpel, 1985, S. 463. S. J. Mayer, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 111; Priester, in: FS Stimpel, 1985, S. 477 ff. J. Mayer, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 114. KG, RJA 8, 127; KG, RJA 16, 102, 104; KGJ 33, 135; Fischer, JZ 1954, 427; Hueck/ Fastrich, in: Baumbach/Hueck, § 1 Rdnr. 45–48; Michalski, in: Michalski, Rdnr. 94; Roth, in: Roth/Altmeppen, § 1 Rdnr. 26. So BayObLGZ 1976, 67, 86 = NJW 1976, 1693; BayObLGZ 1991, 127, 134 f. = NJW-RR 1991, 1252 = GmbHR 1991, 572; J. Mayer, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 103.

106

Emmerich

§2

Form des Gesellschaftsvertrages

ligen. Denn die Möglichkeit einer Haftungsbeschränkung nach § 1975 BGB besteht keineswegs in jedem in Betracht kommenden Fall.

6. Juristische Personen In- und ausländische juristische Personen des Privatrechts und des öffentlichen 49 Rechts können sich gleichfalls an einer GmbH beteiligen. Schranken können sich nur im Einzelfall aus einer Beschränkung der Vertretungsmacht der Organe der juristischen Person ergeben (vgl. § 26 Abs. 1 Satz 3 BGB)1. Juristischen Personen eröffnet sich dergestalt ein vielfältig genutzter Weg, auf dem Weg der Gründung immer neuer Tochtergesellschaften in der Rechtsform einer GmbH Restriktionen zu „umgehen“, denen die Gesellschaft selbst möglicherweise nach dem Gesetz oder ihrem Gesellschaftsvertrag unterliegt. Ein Beispiel sind die ausufernden GmbH-Konzerne mit einem Idealverein als Konzernspitze, da nach herrschender Meinung (zu Unrecht) die wirtschaftliche Tätigkeit solcher Tochtergesellschaften in der Rechtsform z.B. einer GmbH dem Idealverein als Konzern-Holding nicht zugerechnet wird, so dass kein Raum für die Anwendung des § 22 BGB ist2.

7. OHG und KG Für die OHG, die KG und die Partnerschaftsgesellschaft gilt dasselbe wie für 50 juristische Personen (oben Rdnr. 49), da sie im Außenverhältnis ebenso wie diese behandelt werden (§§ 105, 124, 161 HGB; § 7 Abs. 2 PartGG). Eine OHG oder KG kann außerdem zusammen mit einem ihrer Gesellschafter eine GmbH gründen. Personenhandelsgesellschaften haben ferner seit dem 1.1.1981 die Möglichkeit der Einpersonengründung3. § 18 ist auf diese Fälle nicht anwendbar (s. unten § 18 Rdnr. 3a). Die Haftung der Gesellschafter für die Kapitalaufbringung richtet sich vielmehr nach den allgemeinen Vorschriften (insbesondere §§ 128 und 171 HGB). Juristischen Personen stehen schließlich noch die VorGmbH und die Vor-AG gleich (s. unten § 11 Rdnr. 34, 66 ff.). Nur an ihrer eigenen Gründung kann sich die Vor-GmbH (natürlich) nicht beteiligen (sog. Verbot der Selbstzeichnung)4. Nach Eintragung der Gesellschaft gilt dagegen § 33.

8. Sonstige Gesamthandsgemeinschaften a) Für die Beteiligung einer BGB-Außengesellschaft an einer GmbH enthält das 51 Gesetz in § 18 eine besondere Regelung, die jedoch erst nach Eintragung der Ge1 S. für juristische Personen des öffentlichen Rechts BGHZ 20, 119, 124 ff. = NJW 1956, 746; für ausländische juristische Personen LG Saarbrücken, GmbHR 1991, 581; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 9; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 20–22; Michalski, in: Michalski, Rdnr. 95. 2 Wegen der Einzelheiten s. Emmerich/Habersack, Konzernrecht, 9. Aufl. 2008, § 37 Rdnr. 20 f. (S. 540 f.). 3 S. oben § 1 Rdnr. 29; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, § 1 Rdnr. 32; Roth, in: Roth/ Altmeppen, § 1 Rdnr. 28; Michalski, in: Michalski, Rdnr. 96; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 23. 4 Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, § 1 Rdnr. 31; Roth, in: Roth/Altmeppen, § 1 Rdnr. 33; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, § 5 Rdnr. 10.

Emmerich

107

§2

Form des Gesellschaftsvertrages

sellschaft ins Handelsregister eingreift (s. unten § 18 Rdnr. 6 ff.). Aus diesem Grund war die Rechtslage früher umstritten. Unstreitig war lediglich, dass sich eine BGB-Gesellschaft nachträglich, d.h. nach Entstehung der Gesellschaft durch Eintragung ins Handelsregister (§§ 11, 13), an einer GmbH beteiligen kann, sei es durch rechtsgeschäftlichen Erwerb eines Anteils unter Lebenden, sei es durch Erwerb von Todes wegen. Dagegen wurde die weiter gehende Fähigkeit, sich auch als Gründer an dem Abschluss des Gesellschaftsvertrages zu beteiligen, der BGB-Gesellschaft früher im Gegensatz zu OHG und KG (oben Rdnr. 50) häufig mit Rücksicht auf das Fehlen der nötigen Sicherungen für die Aufbringung des Stammkapitals abgesprochen1. 52

Mittlerweile wird jedoch nicht mehr bestritten, dass sich eine BGB-Außengesellschaft auch an der Gründung einer GmbH beteiligen kann, ebenso wie sie in der Lage ist, nachträglich einen Gesellschaftsanteil zu erwerben. In jedem Fall wird der Gesellschaftsanteil dann Bestandteil des Gesellschaftsvermögens und steht den Gesellschaftern zur gesamten Hand zu (§§ 718, 719 BGB)2. Endgültig erledigt hat sich die Frage, seitdem die Rechtsprechung (mit weitgehender Billigung des Schrifttums) der BGB-Außengesellschaft entsprechend § 14 Abs. 2 BGB und § 124 HGB dieselbe weit gehende Rechtsfähigkeit wie den Personenhandelsgesellschaften (oben Rdnr. 50) zubilligt3. Entsprechend § 128 HGB (und § 18 Abs. 2 GmbHG) haften jedoch die Gesellschafter der BGB-Gesellschaft unbeschränkt persönlich für die Aufbringung der Stammeinlage; abweichende Vereinbarungen sind nicht möglich, weder in dem Gesellschaftsvertrag der GmbH noch durch den Vertrag der BGB-Gesellschaft4.

53

Die Anerkennung der Rechtsfähigkeit der BGB-Außengesellschaft (oben Rdnr. 52) hat die Frage aufgeworfen, wie die (rechtsfähige) BGB-Außengesellschaft von der BGB-Innengesellschaft (der die Rechtsfähigkeit nach wie vor abgeht) abzugrenzen ist, insbesondere, wenn sich der Zweck der Gesellschaft auf das Halten der Beteiligung an einer GmbH beschränkt. Selbst der BGH zögert offenkundig, in solchem Fall von einer „echten“ Außengesellschaft zu sprechen5. Mit Rücksicht auf § 18 dürfte für die GmbH die Frage jedoch nur selten praktisch werden, so dass sie hier nicht weiter zu vertiefen ist. 1 So KGJ 33 A 135, 138 = OLGE 14, 322; OLG Stuttgart, KGJ 22 D 22 = RJA 2, 130; OLG Hamburg, LZ 1908, 476. 2 BGHZ 78, 311, 313 ff. = GmbHR 1981, 188 = NJW 1981, 682; BGHZ 116, 86, 88 = NJW 1992, 499 = LM Nr. 56 zu § 705 BGB; BGHZ 118, 83, 99 f. = NJW 1992, 2222 = AG 1992, 312 = LM Nr. 87 zu § 828 BGB „BuM“; BGHZ 148, 270, 276 ff. = NJW 2002, 68 („außer Zweifel“); BGHZ 148, 291, 293 f. = NJW 2001, 3121 („steht heute nicht mehr in Frage“); BGH, LM Nr. 67 zu § 705 BGB = NJW 1998, 376 = WM 1997, 2220; Brandes, WM 1983, 286; U. Koch, ZHR 146 (1982), 118 J. Mayer, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 98; Karsten Schmidt, BB 1983, 1697; Karsten Schmidt, NJW 2001, 993; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 80 ff.; Ulmer, ZIP 2001, 585, 587; Roth, in: Roth/Altmeppen, § 1 Rdnr. 30–32; – ebenso für die Beteiligung einer KG BGHZ 148, 291 = NJW 2001, 3121; Wertenbruch, BB 2001, 737. 3 BGHZ 142, 315 = NJW 1999, 3483 = ZIP 1999, 1755; BGHZ 146, 341 = NJW 2001, 1056. 4 BGHZ 142, 315 = NJW 1999, 3483 = ZIP 1999, 1755; BGHZ 146, 341 = NJW 2001, 1056; ebenso schon BGHZ 78, 311, 316 f. = NJW 1981, 682 = GmbHR 1981, 188; OLG Hamm, NJW-RR 1996, 482, 483 = GmbHR 1996, 363; s. unten § 18 Rdnr. 6 ff. 5 BGHZ 148, 270, 277 = NJW 2002, 68; s. Karsten Schmidt, NJW 2001, 992, 1001 f.; Ulmer, ZIP 2001, 585, 592 ff.

108

Emmerich

§2

Form des Gesellschaftsvertrages

Probleme ergeben sich im vorliegenden Zusammenhang vor allem aus der man- 53a gelnden Registerpublizität der BGB-Gesellschaft. Deshalb wird zu Recht angenommen, dass – ungeachtet der „Rechtsfähigkeit“ der BGB-Außengesellschaft – auf die Beteiligung einer solcher Gesellschaft an einer GmbH die §§ 8 Abs. 1 Nr. 3 und 40 entsprechend anzuwenden sind, so dass in der Gesellschafterliste die Gesellschafter der BGB-Gesellschaft und nicht etwa nur diese aufzuführen sind. Ist die Gesellschaft an der Gründung der GmbH beteiligt, so müssen die Gesellschafter außerdem in dem Gesellschaftsvertrag genannt werden. Bei späteren Veränderungen in dem Gesellschafterkreis der BGB-Außengesellschaft ist schließlich § 40 entsprechend anzuwenden1. Aus dem Gesagten ergibt sich schließlich noch, dass der BGB-Außengesellschaft heute mit Rücksicht auf § 1 selbst die Einpersonengründung wohl nicht mehr verwehrt werden kann (s. oben § 1 Rdnr. 29). b) Für den nichtrechtsfähigen Verein gilt mit Rücksicht auf § 54 BGB dasselbe 53b wie für die BGB-Außengesellschaft (Rdnr. 51 ff.). Auch ihm steht mithin die Beteiligung an der Gründung einer GmbH offen2. Die Folge ist freilich die unbeschränkte und unbeschränkbare persönliche Haftung der Vereinsmitglieder für die aus der Beteiligung resultierenden Verpflichtungen (§ 128 HGB)3. c) Bei der Erbengemeinschaft der §§ 2032 ff. BGB ist eine vergleichbare Entwick- 53c lung wie bei der Gesellschaft und dem Verein festzustellen (oben Rdnr. 51 ff., 53b): Während schon immer anerkannt war, dass sie sich an einer bestehenden Gesellschaft beteiligen kann, sei es durch rechtsgeschäftlichen Erwerb eines Anteils unter Lebenden, sei es durch Erwerb von Todes wegen4, wurde ihr früher verbreitet die Möglichkeit zur Beteiligung auch an der Gründung einer Gesellschaft abgesprochen. Diese restriktive Haftung ist jedoch ebenfalls allgemein aufgegeben5. Der Anteil fällt dann nach Entstehung der Gesellschaft kraft Surrogation gemäß § 2041 BGB in den Nachlass. Für die damit verbundenen Verbindlichkeiten müssen die Miterben im Interesse der Kapitalaufbringung freilich unbeschränkt und unbeschränkbar persönlich haften.

1 BGHZ 148, 270, 276 f., 279 f. = NJW 2002, 68; BGHZ 148, 291, 295 ff. = NJW 2001, 3121 (für die KG); OLG Hamm, NJW-RR 1996, 482, 483 f. = GmbHR 1996, 363; J. Mayer, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 100; Michalski, in: Michalski, Rdnr. 103; Karsten Schmidt, GesR, § 34 II 1 (S. 1000); Karsten Schmidt, NJW 2001, 993, 1002. 2 Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, § 1 Rdnr. 35; J. Mayer, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 101. 3 Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, § 1 Rdnr. 35; str. 4 BGH, LM Nr. 3–5 zu § 2205 BGB = NJW 1959, 1820; KG, NJW 1962, 54; BayObLGZ 1991, 127, 134 f. = NJW-RR 1991, 1252, 1254; OLG Hamm, OLGZ 1975, 164 = GmbHR 1975, 83; BayObLG, AG 1968, 330; Grunewald, AcP 197 (1997), 305, 310 f.; M. Wolf, in: FS Schippel, S. 533, 534 f. 5 S. KG, NJW 1962, 54 f.; J. Mayer, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 101; Michalski, in: Michalski, Rdnr. 103; Roth, in: Roth/Altmeppen, § 1 Rdnr. 30–32; Grunewald, AcP 197 (1997), 305, 310 f.; M. Wolf, in: FS Schippel, S. 533, 534 ff.; enger noch BayObLGZ 1991, 127, 135 = NJW-RR 1991, 1252, 1254.

Emmerich

109

§2

Form des Gesellschaftsvertrages

9. Treuhänder Schrifttum: S. unten § 15 Rdnr. 227–237 sowie Armbrüster, Die treuhänderische Beteiligung an Gesellschaften, 2001; Armbrüster, Zur Beurkundungsbedürftigkeit von Treuhandabreden über GmbH-Anteile, DNotZ 1997, 762; Armbrüster, Treuhänderische GmbH-Beteiligungen, Teile I und II, GmbHR 2001, 941, 1021; Ballerstedt, Zur Rechtsstellung des Auftraggebers eines Strohmannes, JZ 1960, 513; U. Bälz, Treuhandkommanditist, Treuhänder der Kommanditisten und Anlegerschutz, ZGR 1980, 1; Beuthien, Treuhand an Gesellschaftsanteilen, ZGR 1974, 26; Blaurock, Unterbeteiligung und Treuhand an Gesellschaftsanteilen, 1981; Eden, Treuhandschaft an Unternehmen und Unternehmensanteilen, 1981; Ehlke, Zur Rechtsstellung von Treugeber und Treuhänder, DB 1985, 795; Geyrhalter, Grenzüberschreitende Treuhandvereinbarungen bei GmbH-Beteiligungen, ZIP 1999, 647; Gernhuber, Die fiduziarische Treuhand, JuS 1988, 355; Gruber, Treuhandbeteiligung an Gesellschaften, 2001; Grundmann, Der Treuhandvertrag, 1997; Hassemer, Treuhandverhältnis zwischen Auftraggeber und Strohmann bei der GmbH, GmbHR 1962, 10; D. Köhl, Die Ausfallhaftung von Hintermännern bzw. Treugebern, GmbHR 1998, 119; O. Kuhn, Strohmanngründung bei Kapitalgesellschaften, 1964; Reich-Rohrwig, GmbH-Recht, S. 566 f.; Rhode, Juristische Person und Treuhand, 1932; Roth/Thöni, Treuhand und Unterbeteiligung, in: FS 100 Jahre GmbHG, 1992, S. 245; Schiemann, Haftungsprobleme bei der Treuhand an Gesellschaftsanteilen, in: FS Zöllner I, 1998, S. 503; Schönle, Die Einmann- und Strohmanngesellschaft, 1957; Schönle, Rechtsprobleme der Gründung einer Strohmann-GmbH, GmbHR 1960, 17; Siebert, Das rechtsgeschäftliche Treuhandverhältnis, 2. Aufl. 1933; J. Tebben, Unterbeteiligung und Treuhand an Gesellschaftsanteilen, 2000; J. Tebben, Die qualifizierte Treuhand im Personengesellschaftsrecht, ZGR 2001, 586; Ulmer, Zur Treuhand an GmbH-Anteilen, ZHR 156 (1992), 377; Ulmer, Zur Treuhand an GmbH-Anteilen – Notwendige Differenzierung zwischen einfacher (verdeckter) und qualifizierter (offener) Treuhand, in: FS Odersky, 1996, S. 873; Weigel, Anwendungs- und Problemfelder der stillen Gesellschaft, DStR 1999, 1568; Weimar, Zur Ausbildungsförderung – Rechtsfragen zur Einmann-GmbH, MDR 1981, 816.

a) Überblick 54

Als Treuhänder bezeichnet man Gesellschafter, die sich im eigenen Namen, aber für fremde Rechnung und in fremdem Interesse an einer Gesellschaft beteiligen. Derartige Treuhandverhältnisse sind in der GmbH-Praxis aus unterschiedlichen Gründen offenbar weit verbreitet1. Nur eine besondere Erscheinungsform der Treuhand an GmbH-Anteilen ist die jedenfalls früher beliebte so genannte Strohmanngründung (s. dazu schon oben § 1 Rdnr. 26). Die Motive für die Einschaltung von Treuhändern reichen von dem Wunsch des Treugebers, anonym zu bleiben, bis hin zur Erzielung steuerlicher Vorteile. Von der Treuhand ist vor allem die Unterbeteiligung zu unterscheiden, auf die im vorliegenden Zusammenhang nicht näher einzugehen ist2.

1 S. zum Folgenden insbesondere Armbrüster, Die treuhänderische Beteiligung; Armbrüster, GmbHR 2001, 941; J. Mayer, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 117–149; Reichert/ Weller, in: MünchKomm. GmbHG, § 15 Rdnr. 192–241; Schiemann, in: FS Zöllner I, S. 503, 505 f.; E. Schmitz, in: Freundesgabe Weichler, S. 129 ff.; Tebben, Unterbeteiligung und Treuhand, S. 33 ff.; Ulmer, in: FS Odersky, S. 873, 875 ff. 2 S. unten § 15 Rdnr. 224 ff.; Emmerich, in: Heymann, § 105 HGB Rdnr. 57 ff.; Reichert/ Weller, in: MünchKomm. GmbHG, § 15 Rdnr. 242–273; Karsten Schmidt, GesR, § 63 (S. 1865 ff.).

110

Emmerich

§2

Form des Gesellschaftsvertrages

In der Literatur finden sich unterschiedliche Einteilungen für die in der Praxis 55 vorkommenden Treuhandverhältnisse1. Je nach der Art der Rechtsstellung des Treuhänders unterscheidet man zunächst die fiduziarische Treuhand, bei der der Treuhänder Inhaber des Geschäftsanteils wird, sowie die Ermächtigungsund die Vollmachtstreuhand. Im vorliegenden Zusammenhang interessiert allein die fiduziarische oder Vollrechtstreuhand. Bei dieser wird sodann weiter je nach den von den Parteien verfolgten Zwecken zwischen der Nutzungs-, der Sicherungs- und der Verwaltungstreuhand unterschieden. Auch die hier allein betrachtete Verwaltungstreuhand kommt in verschiedenen Erscheinungsformen vor. Wichtig ist vor allem die Unterscheidung zwischen der verdeckten und der offenen Treuhand, je nachdem, ob das Treuhandverhältnis den Mitgesellschaftern offen gelegt wird oder nicht. Die Terminologie schwankt. Innerhalb der offenen Treuhand wird gelegentlich noch weiter zwischen einer einfachen und einer qualifizierten Treuhand unterschieden, wobei Unterscheidungskriterium ist, ob dem Treugeber eigene Rechte in der Gesellschaft eingeräumt werden oder nicht (s. unten Rdnr. 58b)2. An der grundsätzlichen Zulässigkeit aller genannten Abreden besteht auf dem Boden der Vertragsfreiheit (§ 311 Abs. 1 BGB) keine Zweifel (Rdnr. 56, 58). b) Begründung Treuhandverhältnisse können auf unterschiedliche Weise begründet werden. 55a Unter diesem Gesichtspunkt hat man vor allem die Übertragungstreuhand, die Vereinbarungstreuhand und die Erwerbstreuhand zu unterscheiden: Während bei der Übertragungstreuhand der Geschäftsanteil vom Treugeber auf den Treuhänder übertragen wird, ist das Kennzeichen der Erwerbstreuhand, dass der Treuhänder im Auftrag und für Rechnung des Treugebers einen Geschäftsanteil bei der Gründung oder später von einem Dritten oder bei einer Kapitalerhöhung erwirbt. Von einer Vereinbarungstreuhand spricht man schließlich, wenn sich ein Gesellschafter vertraglich gegenüber dem Treugeber verpflichtet, den von ihm gehaltenen Geschäftsanteil fortan für Rechnung und im Auftrag des Treugebers zu halten. Dabei müssen vor allem die Formvorschriften des § 15 Abs. 3 und 4 beachtet werden: Nach § 15 bedarf sowohl der Abtretungsvertrag (Abs. 3) als auch das der Abtre- 55b tung zugrundeliegende Rechtsgeschäft (Abs. 4) der notariellen Form. Daraus ergeben sich unterschiedliche Formerfordernisse für die Begründung von Treuhandverhältnissen3: Bei der Übertragungstreuhand, die durch Übertragung des fraglichen Geschäftsanteils von dem Treugeber auf den Treuhänder begründet wird (oben Rdnr. 55a), muss nach durchaus h.M. § 15 Abs. 3 und 4 beachtet wer-

1 S. Emmerich, in: Heymann, § 105 HGB Rdnr. 47–49; J. Mayer, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 119 ff.; Karsten Schmidt, GesR, § 61 III 1b/c (S. 1827 f.). 2 S. J. Mayer, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 120; Ulmer, in: FS Odersky, S. 873. 3 S. unten § 15 Rdnr. 227 ff. sowie noch Armbrüster, DNotZ 1997, 762; Armbrüster, DNotZ 1999, 758; Armbrüster, GmbHR 2001, 941, 945 f.; zur Rechtsform bei grenzüberschreitenden Verträgen gemäß Art. 11 EGBGB s. außerdem Tebben, Unterbeteiligung und Treuhand, S. 228 ff.; Geyrhalter, ZIP 1999, 647.

Emmerich

111

§2

Form des Gesellschaftsvertrages

den1. Für die Erwerbstreuhand wird nach Gründung der Gesellschaft durch Abschluss des Gesellschaftsvertrages gewöhnlich ebenso entschieden, obwohl die Verpflichtung des Treuhänders, den Geschäftsanteil nach Vertragsende gemäß § 667 BGB herauszugeben, nicht auf Vertrag (§ 15), sondern auf Gesetz beruht2. Maßgebend für diese Entscheidung sind der Zweck des § 15, einen formlosen Handel mit GmbH-Anteilen zu verhindern, sowie die sich aus der Treuhandabrede ergebende Erwerbspflicht des Treuhänders spätestens bei der Beendigung der Treuhand3. Noch nicht endgültig geklärt ist die Rechtslage nach Eintragung der Gesellschaft ins Handelsregister; aber auch insoweit nimmt offenbar die Tendenz zur entsprechenden Anwendung des § 15 zu4. Bei der Vereinbarungstreuhand hat sich die Rechtsprechung gleichfalls für eine entsprechende Anwendung des § 15 Abs. 3 und 4 entschieden, um Umgehungen der Formvorschriften zu vermeiden. Das soll auch schon in der Gründungsphase, d.h. in der Zeit nach Abschluss des Gesellschaftsvertrages gelten, während in der Zeit davor die Treuhandvereinbarung (noch) formlos abgeschlossen werden kann5. 56

An der grundsätzlichen Zulässigkeit der Verwaltungstreuhand in ihren verschiedenen Spielarten (Rdnr. 54 ff.) besteht kein Zweifel. Die Folge ist, dass der Treuhänder im Außenverhältnis gegenüber der Gesellschaft allein Gesellschafter mit allen Rechten und Pflichten eines solchen wird. Davon zu trennen ist sein Innenverhältnis zum Treugeber, in dem ihn unterschiedliche Pflichten bei der Ausübung seiner Rechte in der Gesellschaft treffen können (Rdnr. 58a). Dies gilt insbesondere auch für die Strohmanngründung, zumal nach Zulassung der Einpersonengründung (§ 1), selbst wenn sich der Strohmann von vornherein verpflichtet, seinen Anteil nach Entstehung der Gesellschaft an den Treugeber abzutreten6. Es spielt außerdem keine Rolle, ob an der Strohmanngründung noch Dritte oder lediglich neben dem Strohmann der Treugeber oder ein anderer Strohmann desselben Treugebers beteiligt sind. Insbesondere handelt es sich in keinem Fall um ein Scheingeschäft im Sinne des § 117 BGB, weil die Beteiligten die Gründung ernsthaft wollen.

57

Etwaigen Missbräuchen kann im Einzelfall wirksamer als mit § 117 BGB über die Anwendung des § 24 sowie der §§ 138 und 826 BGB begegnet werden. § 138 BGB greift z.B. ein, wenn durch den Treuhandvertrag die Rechte und Pflichten zwischen dem Treuhänder und dem Treugeber ganz einseitig zum Nachteil des 1 S. unten § 15 Rdnr. 230; BayObLGZ 1991, 127, 132 f. = NJW-RR 1991, 1252, 1254 = GmbHR 1991, 572; J. Mayer, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 124; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 29; anders jedoch Armbrüster, GmbHR 2001, 941, 946. 2 RGZ 54, 75, 78 f. (für BGB); Ulmer, in: FS Odersky, S. 873, 883 f. 3 BGHZ 141, 207 = NJW 1999, 2594, 2595 = GmbHR 1999, 907; Armbrüster, GmbHR 2001, 941, 945 f.; J. Mayer, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 126. 4 J. Mayer, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 126 m.N. 5 BGHZ 141, 207, 211 ff. = NJW 1999, 2954 = ZIP 1999, 925 = GmbHR 1999, 907; OLG Bamberg, NZG 2001, 509, 510; s. dazu Armbrüster, DNotZ 1999, 758; Armbrüster, GmbHR 2001, 941, 946; Goette, DStR 1999, 863; J. Mayer, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 125; Karsten Schmidt, GesR, § 61 III 2 (S. 1828 f.); Fr. Wagner, NZG 1999, 657. 6 S. schon oben § 1 Rdnr. 26 sowie RGZ 28, 75, 77; RGZ 41, 13; RGZ 84, 17, 21; BGHZ 21, 378, 381 = NJW 1957, 19; BGHZ 31, 258, 263 = GmbHR 1960, 43, 63 = NJW 1960, 285; BayObLGZ 1991, 127, 133 = NJW-RR 1991, 1252, 1254.

112

Emmerich

§2

Form des Gesellschaftsvertrages

Treuhänders und zum Vorteil des Treugebers verteilt sind oder wenn durch das Vertragswerk nach Möglichkeit die wirklichen Machtverhältnisse zum Schaden Dritter verschleiert werden sollen1. Zu beachten bleibt, dass etwaige Verstöße gegen die §§ 117 und 138 BGB spätestens durch die Eintragung der Gesellschaft geheilt würden, weil es sich dabei um keinen der in § 75 abschließend aufgezählten Nichtigkeitsgründe handelt2. c) Rechtsstellung aa) Bei der Rechtsstellung des Treuhänders muss man das Außenverhältnis ge- 58 genüber der Gesellschaft und deren Gläubigern von dem Innenverhältnis des Treuhänders zum Treugeber unterscheiden. Im Außenverhältnis gegenüber der Gesellschaft ist Gesellschafter mit allen Rechten und Pflichten allein der Treuhänder3. Deshalb kann er auch den Geschäftsanteil wirksam auf Dritte übertragen, selbst wenn er damit seinen Pflichten aus dem Innenverhältnis zu seinem Auftraggeber zuwiderhandelt; eine Ausnahme gilt allein in Kollusionsfällen (§ 826 BGB). Im Schrifttum wird stattdessen zum Schutze des Treugebers häufig eine Anwendung der weiter gehenden Grundsätze über den Missbrauch der Vertretungsmacht befürwortet4. Dem ist die Rechtsprechung jedoch unter Berufung auf § 137 BGB nicht gefolgt5. Vor allem deshalb finden sich im neueren Schrifttum vielfältige Vorschläge, den Treugeber durch entsprechende Vertragsgestaltungen zusätzlich gegen vertragswidrige Verfügungen des Treuhänders abzusichern. Dabei wird insbesondere an aufschiebend bedingte Verfügungen über den Geschäftsanteil schon im Treuhandvertrag zu Gunsten des Treugebers gedacht; die Durchsetzbarkeit solcher Abreden ist indessen gerade in den kritischen Fällen problematisch6. Im Verhältnis zur Gesellschaft stehen dem Treuhänder außerdem die Ver- 58a mögensrechte zu; jedoch kann sich der Treugeber die Ansprüche darauf im Voraus abtreten lassen, so dass dann seine Gläubiger in diese Ansprüche vollstrecken können (§§ 828 f. ZPO). Der Treuhänder übt ferner das Stimmrecht in der Gesellschaft aus, muss dabei jedoch (nur im Innenverhältnis) die Weisungen des Treugebers beachten (§ 665 BGB). Möglich ist auch eine Stimmrechtsvollmacht für den Treugeber (§ 47 Abs. 3). Umstritten sind die Rechtsfolgen, wenn der

1 OLG Brandenburg, GmbHR 1997, 168, 169. 2 BGHZ 21, 378, 382 f. = NJW 1957, 19; KG, OLGZ 1968, 477, 481 = GmbHR 1968, 182; OLG Brandenburg, GmbHR 1997, 168, 170 f. 3 Rdnr. 56 sowie BGHZ 21, 378, 382 = NJW 1957, 19; BGHZ 31, 258, 263 f. = NJW 1960, 285; BGH, WM 1971, 306; BGH, WM 1976, 736; BGH, WM 1977, 73, 75; BayObLGZ 1991, 127, 133 f. = NJW-RR 1991, 1252 = GmbHR 1991, 572; KG, JW 1934, 986; DR 1940, 459; OLGZ 1968, 477 = GmbHR 1968, 182; OGH SZ Bd. 46 (1973) Nr. 46, S. 205, 207; Armbrüster, Treuhänderische Beteiligung, passim, bes. S. 198 ff.; Armbrüster, GmbHR 2001, 1021 ff.; Karsten Schmidt, GesR, § 61 III 3 (S. 1829 ff.); Tebben, Unterbeteiligung und Treuhand, passim, bes. S. 103, 175, 216 ff. 4 S. Schaub, DStR 1996, 65; Karsten Schmidt, GesR, § 61 III 3a (S. 1829). 5 BGH, LM Nr. 30 zu § 164 BGB = NJW 1986, 1471 (mit ablehnender Anm. Kötz) = MDR 1968, 564 = JZ 1968, 428 m. Anm. U. Huber, S. 791; BGH, WM 1977, 525, 527. 6 S. im Einzelnen Schaub, DStR 1996, 65; E. Schmitz, in: Freundesgabe Weichler, S. 129, 135 ff.

Emmerich

113

§2

Form des Gesellschaftsvertrages

Treuhänder das Stimmrecht weisungswidrig ausübt1. Von den Fällen der Kollusion und des evidenten Missbrauchs (§§ 138 und 826 BGB) abgesehen, führt jedoch hier kein Weg an der Wirksamkeit der weisungswidrigen Stimmabgabe des Treuhänders vorbei. Das ist die notwendige Folge der von den Beteiligten frei gewählten rechtlichen Konstruktion. Ebenso zu beurteilen ist die Rechtslage hinsichtlich der Informationsrechte der Gesellschafter (§ 51a). Dagegen ist anerkannt, dass für die Ausschließung eines Treuhänders nicht nur Umstände in dessen Person, sondern auch solche in der des Treugebers bedeutsam sein können, wenn und solange der letztere die Möglichkeit hat, aus dem Hintergrund auf die gesellschaftlichen Verhältnisse einzuwirken oder an Stelle des Treuhänders (wieder) in die Gesellschaft einzutreten (s. unten § 15 Rdnr. 229). Unter bestimmten Voraussetzungen können schließlich noch Umstände aus der Person des Treugebers zum Stimmrechtsausschluss nach § 47 Abs. 4 zu Lasten des Treuhänders führen (s. 10. Aufl., § 47 Rdnr. 138). Wegen dieser Verschränkung der Rechte des Treugebers und des Treuhänders (s. auch unten Rdnr. 58b) ist schließlich anzunehmen, dass der Treuhänder aufgrund seiner Treuepflicht in der Regel verpflichtet ist, seine treuhänderische Rechtsstellung den Mitgesellschaftern, jedenfalls auf Nachfrage, offenzulegen2. 58b bb) Im Gesellschaftsvertrag kann die Rechtsstellung des Treugebers mit Rücksicht auf § 45 über den geschilderten Rahmen (oben Rdnr. 58) hinaus verstärkt werden. Mit Zustimmung der Mitgesellschafter ist es insbesondere möglich, dem Treugeber neben dem Treuhänder oder sogar allein die Mitverwaltungsrechte in der Gesellschaft einzuräumen (so genannte qualifizierte Treuhand)3. Im Schrifttum wächst darüber hinaus die Tendenz, den Treugeber in unterschiedlichem Umfang in das Gesellschaftsverhältnis mit seinen Rechten und Pflichten einzubeziehen4. Jedoch ist die Entwicklung insoweit noch offen. 58c

cc) Von dem Verhältnis des Treuhänders zu den Mitgesellschaftern muss das Innenverhältnis des Treuhänders zum Treugeber unterschieden werden. In diesem findet im Regelfall Auftragsrecht Anwendung (§§ 675 Abs. 1, 662 ff. BGB), so dass der Treuhänder verpflichtet ist, den Weisungen des Treugebers Folge zu leisten (§ 665 BGB), ihm jederzeit Auskunft zu erteilen und Rechenschaft zu legen (§ 666 BGB) und ihm auf dessen Verlangen bei Vertragsende den Geschäftsanteil zu übertragen (§ 667 BGB), wobei wieder § 15 zu beachten ist5. Zum Ausgleich kann der Treuhänder Aufwendungsersatz verlangen (§ 670 BGB).

58d Kritisch ist die Situation des Treugebers insbesondere in der Insolvenz des Treuhänders. Hier wird i.d.R. aus dem so genannten Unmittelbarkeitsprinzip der Schluss gezogen, dass der Treugeber in der Insolvenz des Treuhänders nur dann 1 S. J. Mayer, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 135. 2 OLG Hamburg, GmbHR 1993, 507 = WM 1993, 1098 = NJW-RR 1993, 868; Emmerich, in: Heymann, § 105 HGB Rdnr. 48 f. m.N. 3 S. Ulmer, ZHR 156 (1992), 377, 386; Ulmer, in: FS Odersky, S. 873, 877 f., 893 ff. 4 So insbes. Ulmer, ZHR 156 (1992), 377, 386; Ulmer, in: FS Odersky, S. 873, 877 f., 893 ff.; M. Gruber, Treuhandbeteiligung, S. 180 ff.; Tebben, Unterbeteiligung und Treuhand, S. 103, 175, 216 ff.; dagegen differenzierend Armbrüster, Die treuhänderische Beteiligung, S. 190 ff.; Armbrüster, GmbHR 2001, 1021 ff. 5 Wegen der Einzelheiten s. Armbrüster, GmbHR 2001, 1021 ff.; Beuthien, ZGR 1974, 26; Emmerich, in: Heymann, § 105 HGB Rdnr. 51 ff.

114

Emmerich

§2

Form des Gesellschaftsvertrages

ein Aussonderungsrecht (§ 47 InsO) hat, wenn der Treuhänder den Geschäftsanteil unmittelbar vom Treugeber übertragen erhalten hat, also grundsätzlich nur in den Fällen der Übertragungstreuhand, nicht dagegen in den Fällen der Erwerbs- und der Vereinbarungstreuhand1. Als Ausweg kommt in den zuletzt genannten Fällen vor allem eine aufschiebend bedingte Rückübertragung des Anteils bereits im Treuhandvertrag für den Fall der Insolvenz des Treuhänders oder für den Fall von Vollstreckungsmaßnahmen dessen Gläubigern in den Anteil in Betracht (§ 767 ZPO; oben Rdnr. 58). d) Haftung Da im Außenverhältnis gegenüber der Gesellschaft und den Gläubigern allein 59 der Treuhänder Gesellschafter ist (Rdnr. 56 und 58), trifft an sich grundsätzlich auch ihn allein die Haftung für die Aufbringung und Erhaltung des Stammkapitals. Dies gilt indessen heute nur noch mit wesentlichen Einschränkungen. Bereits nach dem Gesetz (§ 9a Abs. 4) trifft die Gründerhaftung für falsche Angaben auch den Treugeber. Die Rechtsprechung wendet außerdem die Vorschriften, die die Aufbringung und Erhaltung des Stammkapitals sichern sollen (§§ 19 Abs. 2, 24, 30 und 31), entsprechend § 9a Abs. 4 auch auf den Treugeber an, so dass er (neben dem Treuhänder) für die Aufbringung des Stammkapitals nach den §§ 19 und 24 sowie für dessen Erhaltung im Rahmen der §§ 30, 31 und früher der §§ 32a und 32b a.F. zu sorgen hat2. Im Schrifttum ist diese Form des „Durchgriffs“ auf den Treugeber zur Sicherung der Kapitalaufbringung und Kapitalerhaltung vielfach kritisiert worden, vor allem, weil die Praxis zu einer schwer erklärlichen Verdoppelung der Zahl der Haftungspflichtigen führt und weil außerdem die Notwendigkeit für den Durchgriff auf den Treugeber bezweifelt wird, wenn die Aufbringung des Stammkapitals bereits durch den Zugriff auf das Vermögen des Treuhänders sichergestellt werden kann, wobei zu beachten ist, dass zu diesem Vermögen auch der Anspruch gegen den Treugeber auf Aufwendungsersatz gehört (§ 670 BGB)3. In der Tat spricht manches dafür, den Durchgriff auf den Treugeber auf Fälle zu beschränken, in denen von dem Treuhänder die Stammeinlage nicht ohne weiteres zu erlangen ist (s. unten § 13 Rdnr. 110 ff.).

10. Besondere Eigenschaften a) Der Gesellschaftsvertrag kann die Gesellschaftereigenschaft an den Besitz be- 60 sonderer Eigenschaften wie Alter, Geschlecht, Staatsangehörigkeit oder Beruf knüpfen (vgl. auch § 15 Abs. 5). Insoweit besteht Vertragsfreiheit (§ 45 GmbHG; 1 BGH, WM 1964, 179; ausführlich E. Schmitz, in: Freundesgabe Weichler, S. 129 ff.; str., s. Gernhuber, JuS 1988, 355, 360 f. m.N. 2 S. unten § 24 Rdnr. 11 m.N. zustimmend im Ergebnis D. Köhl, GmbHR 1998, 119, 122; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, § 24 Rdnr. 12; Pentz, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, § 24 Rdnr. 18. 3 S. Armbrüster, GmbHR 2001, 1021, 1026 ff.; Ehlke, DB 1985, 795; Michalski, in: Michalski, Rdnr. 99; Geyrhalter, ZIP 1999, 647, 648 f.; Ulmer, ZHR 156 (1992), 377, 381 ff.; Ulmer, in: FS Odersky, S. 873, 891 ff.; Roth/Thöni, in: FS 100 Jahre GmbHG, 1992, S. 245, 267 f.; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 31; Schaub, DStR 1996, 65, 67; Karsten Schmidt, GesR, § 61 III 3d (S. 1030 ff.).

Emmerich

115

§2

Form des Gesellschaftsvertrages

§ 311 Abs. 1 BGB)1. Jedoch kommt derartigen Bestimmungen mit Rücksicht auf die §§ 134 und 137 BGB keine Außenwirkung zu, so dass sie vom Registergericht bei der Prüfung der Eintragungsvoraussetzungen nach § 9c nicht zu berücksichtigen sind2. 61

b) Das Fehlen der vom Vertrag vorgeschriebenen Eigenschaften bei einem Gesellschafter (oben Rdnr. 60) kann einem Mitgesellschafter vor Eintragung der Gesellschaft ein Recht zur Anfechtung seiner Beitrittserklärung geben (§§ 119, 123 BGB), an deren Stelle nach Vollzug der Vorgesellschaft deren Auflösung aus wichtigem Grunde tritt (§ 723 Abs. 1 Satz 2 BGB). Nach Eintragung der Gesellschaft kann dagegen das Fehlen der fraglichen Eigenschaften bei einem Gesellschafter allenfalls zu dessen Ausschließung oder zur Auflösung der Gesellschaft führen (§ 61), während § 75 nicht anwendbar ist. War den Gründern bei Abschluss des Gesellschaftsvertrages bekannt, dass bei einem oder mehreren Gründern die vom Vertrag geforderten Voraussetzungen fehlen, so ist außerdem für den Regelfall anzunehmen, dass die betreffenden Voraussetzungen überhaupt nur für später beitretende Gesellschafter gelten sollten3. Und wenn ein Gesellschafter nachträglich die erforderliche Qualifikation verliert, kommt ebenfalls nur seine Ausschließung aus wichtigem Grund oder die Einziehung seines Anteils in Betracht.

IV. Mängel des Gesellschaftsvertrages Schrifttum: S. die Erläuterungen zu § 75 sowie Anton, Nichtige GmbH-Satzung, GmbHR 1973, 75; E. Dörr, Die fehlerhafte GmbH, 1989; Gonella, Neubildung eines Anteils an Stelle eines nicht entstandenen Geschäftsanteils, GmbHR 1965, 30; Habersack/Verse, Europäisches Gesellschaftsrecht, 4. Aufl. 2011; Hahn, Der Einfluss von Willensmängeln auf Gründungs- und Beitrittserklärungen zu juristischen Personen, 1911; Kort, Bestandsschutz fehlerhafter Strukturänderungen im Kapitalgesellschaftsrecht, 1998; Kort, Bestandsschutz fehlerhafter Strukturänderungen, DStR 2004, 185; Lobedanz, Der Einfluss von Willensmängeln auf Gründungs- und Beitrittsgeschäfte, 1938; Moses, Über unwirksamen Beitritt zu einer GmbH, JherJb 53 (1908), 395; Paschke, Die fehlerhafte Korporation, ZHR 155 (1991), 1; Ruth, Eintritt und Austritt von Mitgliedern, ZHR 88 (1926), 454; C. Schäfer, Die Lehre vom fehlerhaften Verband, 2002; O. Schultz, Das Kontinuitätsprinzip im Gesellschaftsrecht, NZG 1999, 89; O. Schultz, Die Behebung einzelner Mängel von Organisationsakten in Kapitalgesellschaften, 1997; Tieves, Der Unternehmensgegenstand der Kapitalgesellschaften, 1998; Wünsch, Die Bedeutung des FGG für die GmbH und deren Eintragungen im Handelsregister, GesRZ 1982, 155.

1. Überblick 62

Der Gesellschaftsvertrag ist ein normaler Vertrag wie andere auch (oben Rdnr. 6), für dessen Abschluss daher grundsätzlich alle Vorschriften des BGB 1 Das AGG gilt hier grundsätzlich nicht (§§ 2 Abs. 1 Nr. 1, 6 Abs. 3 AGG); dazu Schroeder/Diller, NZG 2006, 728; str.). 2 Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 85; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, § 1 Rdnr. 38; J. Mayer, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 115; Michalski, in: Michalski, Rdnr. 105 f.; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 25 f.; anders Feine, in: Ehrenbergs Hdb. III/3, S. 67. 3 J. Mayer, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 116; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/ Schmidt-Leithoff, Rdnr. 26.

116

Emmerich

§2

Form des Gesellschaftsvertrages

über die Abgabe von Willenserklärungen und über den Abschluss von Verträgen gelten (Rdnr. 8). Ebenso anwendbar sind im Prinzip die Vorschriften über die Nichtigkeit oder Anfechtbarkeit von Willenserklärungen und Verträgen (§§ 119, 120, 123, 125, 134, 138 BGB). Für die Zeit unmittelbar nach Abschluss des Gesellschaftsvertrages ist dies auch im Wesentlichen unstreitig. Jedoch darf nicht übersehen werden, dass spätestens mit Entstehung der Gesellschaft durch ihre Eintragung ins Handelsregister (§§ 11 und 13) im Interesse der Verkehrssicherheit gewisse Modifikationen bei der Anwendung der allgemeinen Vorschriften über die Nichtigkeit oder Anfechtbarkeit von Willenserklärungen und Verträgen geboten sein können. Bereits die Verfasser des HGB von 1897 hatten sich deshalb auf den Standpunkt gestellt, auch einer an sich nichtigen AG müsse doch nach ihrer Eintragung ins Handelsregister „eine gewisse Rechtsbeständigkeit beigelegt“ werden, da sie auf Grund der Eintragung tatsächlich ins Leben getreten sei und möglicherweise bereits ihren Betrieb aufgenommen habe; all’ dies könne nicht einfach als ungeschehen behandelt werden (s. §§ 309–311 HGB a.F.)1. Der Bestandsschutz an sich nichtiger Kapitalgesellschaften ist durch die Gesetzgebung in der Folgezeit immer weiter verstärkt worden (s. 10. Aufl., § 75 Rdnr. 1 ff.). Die wichtigsten Stationen auf diesem Weg waren das AktG von 1965 sowie die Publizitätsrichtlinie vom 9.3.19682, die in den Art. 10 bis 12 die Beachtlichkeit von Nichtigkeitsgründen im Interesse der Rechtssicherheit stark einschränken. Das GmbHG wurde bereits 1969 an die Richtlinie durch Änderung des § 75 angepasst3. § 75 Abs. 1 bestimmt seitdem, dass die Gesellschaft auf Antrag eines Gesell- 63 schafters, eines Geschäftsführers oder des Mitglieds eines etwaigen Aufsichtsrats „im Wege der Klage“, d.h. durch Urteil, (nur) für nichtig erklärt werden kann, wenn der Gesellschaftsvertrag keine Bestimmungen über die Höhe des Stammkapitals oder über den Gegenstand des Unternehmens enthält oder wenn die Bestimmungen des Gesellschaftsvertrages über den Gegenstand des Unternehmens nichtig sind. § 76 fügt hinzu, dass ein Mangel, der die Bestimmungen über den Gegenstand des Unternehmens betrifft, durch einstimmigen Beschluss der Gesellschafter geheilt werden kann. Nach § 77 Abs. 1 finden schließlich nach Eintragung der Nichtigkeit der Gesellschaft in das Handelsregister zum Zwecke der Abwicklung ihrer Verhältnisse die für den Fall der Auflösung geltenden Vorschriften entsprechende Anwendung. Die Wirksamkeit der im Namen der Gesellschaft mit Dritten vorgenommenen Rechtsgeschäfte wird durch die Nichtigkeit der Gesellschaft nicht berührt (§ 77 Abs. 2). Vergleichbare Bestimmungen enthalten das AktG in den §§ 275 bis 277 und das GenG in den §§ 94 bis 97. Nach dem FamFG (§§ 395, 397) kommt außerdem (nur) in diesen Fällen eine Amtslöschung in Betracht (s. 10. Aufl., § 75 Rdnr. 24 ff.). Ergänzende Anwendung findet außerdem bei Nichtigkeit einzelner Bestimmungen des Gesellschaftsvertrages § 242 Abs. 2 AktG, so dass in diesem Fall die Nichtigkeitsklage

1 S. die Denkschrift des RJA zum HGB von 1895, S. 155 (wieder abgedruckt bei Schubert/ Schmiedel/Krampe, Quellen zum HGB von 1897 Bd. II/1, 1987, S. 155). 2 ABl. Nr. L 65 v. 14.3.1968, S. 8 mit späteren Änderungen. 3 BGBl. I 1969, 1146.

Emmerich

117

§2

Form des Gesellschaftsvertrages

binnen dreier Jahre erhoben werden muss; geschieht dies nicht, so wird die Nichtigkeit hier durch Zeitablauf geheilt1. 64

Der geschilderte, weit gehende Bestandsschutz für „fehlerhafte Verbände“ (oben Rdnr. 63) betrifft allein bereits in das Handelsregister eingetragene Gesellschaften. Er kann deshalb, weil für ihn die Eintragung in das Handelsregister konstitutiv ist2, nicht auf noch nicht in das Handelsregister eingetragene „Vorgesellschaften“, d.h. auf die Zeitspanne zwischen dem Abschluss des Gesellschaftsvertrages und der Eintragung der Gesellschaft in das Handelsregister übertragen werden3. Dadurch hat sich jedoch die überwiegende Meinung nicht davon abhalten lassen, auch in der Zeit vor Eintragung der Gesellschaft in das Handelsregister vom Zeitpunkt des „Vollzugs“ der Vorgesellschaft ab die Regeln über die fehlerhafte Gesellschaft anzuwenden4.

65

Bei der Betrachtung von Mängeln des Gesellschaftsvertrages muss man infolgedessen genau genommen vier Zeitabschnitte oder Phasen unterscheiden. Die erste Phase umfasst den Zeitraum zwischen der Errichtung der Gesellschaft durch Abschluss des Gesellschaftsvertrages und dem Vollzug der Vorgesellschaft (unten Rdnr. 67 f.), die zweite die Zeitspanne zwischen dem Vollzug der Vorgesellschaft und der Eintragung der Gesellschaft ins Handelsregister (unten Rdnr. 69 ff.), die dritte die Zeit nach Eintragung der Gesellschaft ins Handelsregister (unten Rdnr. 71 ff.) und die vierte Phase die Zeit nach Ablauf der Dreijahresfrist des auch im GmbH-Recht entsprechend anwendbaren § 242 Abs. 2 Satz 1 AktG (Rdnr. 63). Außerdem ist es üblich geworden, jeweils weiter zwischen so genannten Mängeln des Gesellschaftsvertrages und „bloßen“ Mängeln der Beitrittserklärungen einzelner Gesellschafter zu unterscheiden, weil die Rechtsfolgen von Fall zu Fall, nicht generell, unterschiedlich sein können:

66

Bei „Mängeln des Gesellschaftsvertrages“ hat man in erster Linie Verstöße des Vertrags gegen die §§ 125, 134 und 138 BGB im Auge, Fälle also, in denen der Verstoß des Vertrages gegen eine der genannten Vorschriften zur Nichtigkeit des Vertrages insgesamt führt. Der praktisch bedeutsamste Fall ist ein etwaiger Formverstoß des Gesellschaftsvertrages (s. oben Rdnr. 19 f.). Mit Mängeln der Beitrittserklärungen der einzelnen Gründer meint man dagegen vorrangig Verstöße gegen die §§ 105 ff., 116 ff., 119, 120 und 123 BGB. Paradigma ist hier der Beitritt eines Minderjährigen ohne Einwilligung des gesetzlichen Vertreters oder des Familiengerichts. Formverstöße kommen hier gleichfalls in Betracht, vor allem in Gestalt eines Verstoßes gegen § 2 Abs. 2 (s. oben Rdnr. 30 ff.). Ähnliche Differenzierungen sind in Österreich üblich5.

1 So BGHZ 144, 365, 368 = NJW 2000, 2819 = GmbHR 2000, 822 = AG 2000, 515; Goette, GmbH, § 1 Rdnr. 30; s. dazu kritisch Karsten Schmidt, 10. Aufl., § 75 Rdnr. 19. 2 S. Kort, Bestandsschutz, S. 24 ff.; C. Schäfer, Die Lehre vom fehlerhaften Verband, S. 63, 113, 139 ff.; Karsten Schmidt, GesR, § 6 (S. 136 ff.). 3 BGH, LM Nr. 2 zu KapErhG (Bl. 2) = NJW 1996, 659 = ZIP 1996, 225 = AG 1996, 173 = GmbHR 1996, 125, 126; OLG Dresden, GmbHR 1997, 746, 748. 4 Anders z.B. OLG Dresden, GmbHR 1997, 746, 748. 5 Koppensteiner, öGmbHG, § 3 Rdnr. 10 ff., § 4 Rdnr. 26 ff.; Reich-Rohrwig, GmbH, S. 63 f.; Wünsch, öGmbHG, § 1 Anm. 29 ff.; Wünsch, GesRZ 1982, 155, 157 ff.

118

Emmerich

§2

Form des Gesellschaftsvertrages

2. Gründungsphase Die erste Phase ist die möglicherweise kurze Zeitspanne zwischen der Errich- 67 tung der Gesellschaft durch Abschluss des Gesellschaftsvertrages und dem Vollzug der Vorgesellschaft durch Aufnahme ihrer Tätigkeit oder Leistung der Einlagen (s. unten Rdnr. 69). (Nur) in dieser Zeitspanne besitzen die Vorschriften des BGB über die Nichtigkeit oder Vernichtbarkeit von Willenserklärungen oder Verträgen uneingeschränkte Gültigkeit1. Für Verstöße gegen die Formvorschriften des § 2 Abs. 1 und 2 (§ 125 BGB) ist das schon im Einzelnen ausgeführt worden (oben Rdnr. 19, 30 f.). In diesem Zeitabschnitt wird auch noch nicht zwischen den Mängeln des Gesellschaftsvertrages und „bloßen“ Mängeln der Beitrittserklärungen der einzelnen Gründer unterschieden; vielmehr zieht jeder Mangel, der nach dem BGB die Nichtigkeit eines Vertrages zur Folge hat, auch die Nichtigkeit des Gesellschaftsvertrages nach sich. In der Gründungsphase ist ferner noch eine Anfechtung der Beitrittserklärungen durch einen oder mehrere Gründer nach den §§ 119, 120 oder 123 BGB mit der Folge möglich, dass der Vertrag ex tunc nichtig ist, da bereits die Nichtigkeit der Willenserklärung eines einzigen Gründers zur Nichtigkeit des gesamten Gesellschaftsvertrages führt (§ 142 Abs. 1 BGB). Anders kann es nur im Einzelfall bei Verstößen einzelner Klauseln des Gesellschaftsvertrages gegen die §§ 134 und 138 BGB sein, wenn anzunehmen ist, dass nach dem Willen der Gesellschafter davon die Gültigkeit des Vertrages im Übrigen nicht berührt werden soll (§ 139 BGB)2. Nach § 9c Abs. 2 Nr. 3 sind die genannten Mängel auch vom Registergericht zu 68 beachten und ziehen die Ablehnung des Eintragungsantrags nach sich, da sie ohne Ausnahme die Nichtigkeit des Gesellschaftsvertrages nach den Regeln des BGB zur Folge haben. Viele der genannten Mängel werden jedoch durch eine Eintragung des Gesellschaftsvertrages ins Handelsregister geheilt (unten Rdnr. 71 ff.). Gesellschafter, die dies verhindern und den Gesellschaftsvertrag z.B. anfechten wollen, müssen deshalb zur Vermeidung von Rechtsverlusten noch rechtzeitig der Eintragung des Vertrags ins Handelsregister entgegentreten. Möglich ist das vor allem durch Erwirkung einer entsprechenden einstweiligen Verfügung nach den §§ 935 ff. ZPO3.

3. Vollzug der Vorgesellschaft Von der Gründungsphase (oben Rdnr. 67 f.) ist nach überwiegender Meinung die 69 Zeitspanne zwischen dem Vollzug der Vorgesellschaft und der Eintragung der Gesellschaft ins Handelsregister zu unterscheiden4. Zwar sind in dieser Zeit noch nicht die Vorschriften des Gesetzes über den Bestandschutz eingetragener Gesellschaften entsprechend anwendbar (§§ 75 ff.), wohl aber – mit sachbedingten Modifikationen – die Regeln über fehlerhafte Personengesellschaften in der 1 Unstr., s. Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 34; Michalski, in: Michalski, Rdnr. 54; Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 47. 2 Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 37. 3 RGZ 82, 375, 379 f.; LG Heilbronn, AG 1971, 372; s. im Einzelnen Littbarski, Einstweiliger Rechtsschutz im Gesellschaftsrecht, 1996. 4 Gegen einen Bestandsschutz vor Eintragung aber OLG Dresden, GmbHR 1997, 746, 748.

Emmerich

119

§2

Form des Gesellschaftsvertrages

Zeit nach Vollzug des Gesellschaftsvertrages1. Die Einzelheiten sind jedoch noch wenig geklärt. Hervorzuheben sind folgende Punkte: Der Vollzug der Vorgesellschaft tritt spätestens ein, wenn sie im Außenverhältnis ihre Tätigkeit aufgenommen hat, wozu bereits der Abschluss von Vorbereitungsgeschäften genügt2. Im Innenverhältnis wird außerdem überwiegend auch schon die Leistung der Mindesteinlagen gemäß § 7 Abs. 2 als ausreichend angesehen3. Darüber hinaus genügt es nach der gegenwärtigen Praxis ganz allgemein, wenn „das Organisationsgefüge in Gang gesetzt worden ist“, d.h. wenn die Gesellschaft zu leben begonnen hat, insbesondere durch die Fassung von Beschlüssen in Gesellschafterversammlungen4. 70

Sobald die Vorgesellschaft in dem genannten Sinne in Vollzug gesetzt ist (oben Rdnr. 69), finden die Regeln über fehlerhafte Personengesellschaften – mit durch die Natur der Vorgesellschaft bedingten Modifikationen – entsprechende Anwendung5. Dies bedeutet vor allem, dass Willensmängel und sonstige Nichtigkeitsgründe fortan grundsätzlich nur noch zur Auflösung der Vorgesellschaft ex nunc mit der Folge ihrer Abwicklung führen, sofern sie nicht mittlerweile geheilt sind. Umstritten ist, welchen Weg die Gesellschafter einschlagen müssen, wenn sie die Mängel des Gesellschaftsvertrages oder einer Beitrittserklärung geltend machen wollen. Nach bisher überwiegender Meinung genügt dafür eine Kündigung aus wichtigem Grunde gegenüber den Mitgesellschaftern gemäß § 723 Abs. 1 Satz 2 BGB, nach der sich die Abwicklung der Gesellschaft nach den §§ 730 ff. BGB, nach anderen dagegen gemäß den analog anwendbaren §§ 66 ff. zu richten hat6. Nach einer im Vordringen begriffenen Gegenmeinung finden dagegen bereits in diesem Stadium die §§ 61 ff. und möglicherweise auch § 75 entsprechende Anwendung, sofern nicht der Gesellschaftsvertrag etwas anderes bestimmt hat (s. unten § 11 Rdnr. 64 f.). Ohne Rücksicht darauf hat ferner auch nach Vollzug der Vorgesellschaft das Registergericht bei Vorliegen eines Mangels des Gesellschaftsvertrages die Eintragung der Gesellschaft abzulehnen (§ 9c), solange nicht die Gesellschafter den Mangel beseitigt haben (s. oben Rdnr. 30, 67). Die Gesellschafter haben deshalb nach wie vor die Möglichkeit, durch Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung die Eintragung der Ge1 S. unten § 11 Rdnr. 28 sowie für Formmängel schon oben Rdnr. 19; OLG Dresden, GmbHR 1998, 186, 188 f.; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 35; Goette, GmbH, § 1 Rdnr. 31 (S. 11 f.); Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 24; Kort, Bestandsschutz, S. 31, 43, 46 f.; Michalski, in: Michalski, Rdnr. 56 f.; Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 47; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 65; C. Schäfer, Die Lehre vom fehlerhaften Verband, S. 149 ff.; Karsten Schmidt, GesR, § 6 II 1d (S. 143). 2 S. Emmerich, in: Heymann, § 105 HGB Rdnr. 78 f. 3 RGZ 166, 51, 59; BGHZ 13, 320, 321 f. = NJW 1954, 1562; BGHZ 51, 30, 33 f. = NJW 1969, 509; J. Mayer, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 174; Michalski, in: Michalski, Rdnr. 57. 4 BGHZ 116, 37, 40 = NJW 1992, 505; Karsten Schmidt, GesR, § 6 III 1b (S. 148). 5 Wegen der Einzelheiten s. deshalb Emmerich, in: Heymann, § 105 HGB Rdnr. 80, bes. 90 ff. 6 Für die Anwendung der §§ 730 ff. BGB BGHZ 51, 30, 34 = NJW 1969, 509; ebenso Kort, Bestandsschutz, S. 46; J. Mayer, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 176; Michalski, in: Michalski, Rdnr. 56; dagegen für die Anwendung der §§ 66 ff. BGH, LM Nr. 49 zu § 50 ZPO = NJW 1998, 1079, 1080 = GmbHR 1998, 185; Goette, GmbH, § 1 Rdnr. 31 (S. 12), Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 47.

120

Emmerich

§2

Form des Gesellschaftsvertrages

sellschaft in das Handelsregister zu verhindern, um eine Heilung der Mehrzahl der Mängel des Gesellschaftsvertrages oder einer Beitrittserklärung durch Eintragung der Gesellschaft zu verhindern (Rdnr. 68).

4. Nach Eintragung Nach Eintragung der Gesellschaft kommt eine Nichtigkeit der Gesellschaft 71 nach dem Gesetz nur noch in den in § 75 GmbHG (= § 275 Abs. 1 AktG) aufgezählten Fällen in Betracht, während die anderen Mängel des Gesellschaftsvertrages und der Beitrittserklärungen grundsätzlich durch die Eintragung der Gesellschaft ins Handelsregister „geheilt“ werden1. Für Formmängel (§ 2 GmbHG i.V.m. § 125 BGB) ist das schon im Einzelnen gezeigt worden (oben Rdnr. 20, 32). Ein Amtslöschungsverfahren nach § 397 Satz 2 FamFG scheidet dann gleichfalls aus2. Dasselbe gilt für eine Amtslöschung wegen anderer Mängel nach § 395 FamFG. Möglich bleibt aber in bestimmten weiteren Fällen das Beanstandungsverfahren nach § 399 FamFG3. Ob es noch weitere Ausnahmen von dem grundsätzlichen Bestandsschutz zu Gunsten einmal in das Handelsregister eingetragener Gesellschaften auf Grund des § 75 GmbHG sowie des § 275 AktG gibt, ist umstritten. Im Mittelpunkt des Interesses stehen dabei etwaige Mängel der Beitrittserklärungen einzelner Gründer (unten Rdnr. 72, 80 ff.). a) Beitrittserklärungen besonderer schutzwürdiger Personen In einer Reihe besonders schwer wiegender Mängel von Beitrittserklärungen 72 einzelner Gründer ist nach bisher h.M. selbst nach Eintragung der Gesellschaft ins Handelsregister Nichtigkeit (oder ausnahmsweise Vernichtbarkeit) der Willenserklärung anzunehmen. Die Nichtigkeit beschränkt sich dann aber grundsätzlich auf die fragliche Willenserklärung; § 139 BGB findet m.a.W. keine Anwendung4. Für eine Amtslöschung nach § 397 Satz 2 FamFG ist hier gleichfalls kein Raum, jedenfalls, solange wenigstens eine wirksame Beitrittserklärung übrig bleibt (s. unten Rdnr. 77); der Fall ist dann nicht anders als eine Einpersonengründung nach § 1 zu beurteilen5. Paradigma ist die Nichtigkeit der Beitrittserklärung einer in der Geschäftsfähigkeit beschränkten Person infolge mangelnder Einwilligung des gesetzlichen Vertreters oder wegen fehlender Genehmigung des Familiengerichts (§§ 105, 107, 1822 Nrn. 3 und 10 BGB; s. oben Rdnr. 44)6. Gleich steht die Beteiligung eines Betreuten bei Anordnung eines 1 S. unten Rdnr. 66 ff. sowie unten 10. Aufl., § 75 Rdnr. 12; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 37; Kort, Bestandsschutz, S. 38, 45 f.; J. Mayer, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 181; C. Schäfer, Die Lehre vom fehlerhaften Verband, S. 139, 282 ff. 2 RGZ 82, 288, 291 f.; RGZ 114, 77, 80; BGHZ 21, 378, 381 f. = NJW 1957, 19; KG, KGJ 23 A 100 = RJA 3, 16 = OLGE 4, 254; OLGZ 1968, 477, 482 ff. = GmbHR 1968, 182. 3 Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 36; J. Mayer, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 180. 4 RGZ 73, 429, 431; RGZ 128, 1, 5; KG, KGJ 23 A 100 = RJA 3, 16 = OLGE 4, 254. 5 S. 10. Aufl., § 75 Rdnr. 1; KG, OLGZ 1968, 477, 483 = GmbHR 1968, 182; C. Schäfer, Die Lehre von fehlerhaften Verband, S. 167; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 96 f. 6 In diesem Sinne RGZ 68, 344, 352; RGZ 145, 155, 159; RGZ 147, 257, 271 f.; BGHZ 17, 160, 166 f. = NJW 1955, 1067; BGH, LM Nr. 4 zu § 108 BGB = BB 1980, 857 = WM 1980, 866; LM Nr. 59 zu § 705 BGB = NJW 1992, 1503, 1504; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/ Hueck, Rdnr. 38; Michalski, in: Michalski, Rdnr. 64; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff,

Emmerich

121

§2

Form des Gesellschaftsvertrages

Einwilligungsvorbehalts ohne Mitwirkung des Betreuers oder Genehmigung des Familiengerichts (§§ 1903 Abs. 1, 1908i Abs. 1, 1822 Nrn. 3 und 10 BGB; s. oben Rdnr. 43b). 73

Nach anderen reicht es dagegen zum Schutze Minderjähriger aus, eine persönliche Verpflichtung entsprechend § 1629a BGB zu verneinen1. Für die Einpersonengründung einer geschäftsunfähigen Person hat diese Meinung auch bereits einmal die Billigung der Rechtsprechung gefunden2. Der unbedingte Vorrang des Minderjährigenschutzes vor allen Erwägungen der Rechtssicherheit ist indessen ein feststehender Grundsatz des deutschen Privatrechts, der auch im vorliegenden Zusammenhang keine Einschränkungen duldet. Die Beteiligung einer in der Geschäftsfähigkeit beschränkten Person ist und bleibt unter den genannten Voraussetzungen nichtig. Ist der Minderjährige der einzige Gesellschafter, so handelt es sich um eine Scheingesellschaft, die von Amts wegen zu löschen ist (s. unten Rdnr. 77).

74

Ebenso zu behandeln sind das Fehlen einer dem angeblichen Gründer überhaupt zurechenbaren Willenserklärung, z.B. im Falle der Fälschung seiner Unterschrift oder des Auftretens eines Vertreters ohne Vertretungsmacht3, sowie die Erzwingung einer Willenserklärung durch Gewalt oder Drohung mit Gewalt (§ 123 BGB)4. Gleich steht ferner das Fehlen der Zustimmung des anderen Ehegatten in den Fällen der §§ 1365, 1423 und 1487 BGB, jedenfalls, wenn die Verpflichtung eines Gesellschafters zur Erbringung einer Sacheinlage, für die anderen Gesellschafter erkennbar, sein gesamtes Vermögens oder das Gesamtgut umfasst5, während in den Fällen der §§ 1424 und 1487 BGB einfach an die Stelle der unwirksamen Verpflichtung zur Einbringung eines Grundstücks die Pflicht zu einer entsprechenden Geldeinlage tritt.

75

Den bisher behandelten Ausnahmefällen (oben Rdnr. 72 f.) ist in der früheren Rechtsprechung gelegentlich der Fall gleichgestellt worden, dass eine Beitrittserklärung unter einer Bedingung oder Befristung abgegeben wird, weil die Beitrittserklärung bedingungsfeindlich ist, so dass die Vereinbarung einer Bedingung oder Befristung die Nichtigkeit der Erklärung nach sich zieht (s. im Einzelnen unten § 3 Rdnr. 55 m.N.). Diese Meinung gilt indessen heute als überholt. Es bleibt zwar dabei, dass eine bedingte oder befristete Beitrittserklärung nichtig ist, so dass ein Eintragungshindernis vorliegt, solange die Bedingung noch nicht eingetreten oder die Frist noch nicht abgelaufen ist (§ 9c; s. unten § 3 Rdnr. 55). Wird jedoch die Gesellschaft unter Verkennung der Rechtslage gleich-

1 2 3

4 5

Rdnr. 29; Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 39, 47; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/ Schmidt-Leithoff, Rdnr. 73. C. Schäfer, Die Lehre vom fehlerhaften Verband, S. 165, 302 ff.; Karsten Schmidt, GesR, § 6 III 3c, cc (S. 152 ff.). KG, NJW-RR 2001, 1117 = ZIP 2000, 2253 = NZG 2001, 225, 226. KG, OLGZ 1968, 477, 481 ff. = GmbHR 1968, 182; – anders J. Mayer, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 191; für den Fall des bloßen Widerrufs oder der bloßen Anfechtung der Vollmacht. RGZ 68, 349, 352; RGZ 147, 257, 271 f. Enger J. Mayer, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 190.

122

Emmerich

§2

Form des Gesellschaftsvertrages

wohl eingetragen, so wird der Mangel geheilt, weil es sich nicht um einen Fall des § 75 handelt1. In den verbleibenden Fällen, insbesondere also bei Beteiligung eines Minderjäh- 76 rigen ohne die erforderliche Einwilligung des gesetzlichen Vertreters oder die Genehmigung des Familiengerichtes, ist als erstes zu prüfen, ob der Mangel in der Zwischenzeit geheilt worden ist, da eine Genehmigung des Beitritts durch den gesetzlichen Vertreter oder das Familiengericht sowie nach Volljährigkeit durch den Minderjährigen selbst auch noch nach Eintragung der Gesellschaft in das Handelsregister möglich ist (s. oben Rdnr. 44). Wird der Mangel nicht geheilt, so bleibt es dabei, dass der Minderjährige oder die sonst betroffene, besonders schutzwürdige Person in keiner Beziehung Gesellschafter wird, während die Gültigkeit der Gesellschaft selbst unberührt bleibt (oben Rdnr. 72)2. Eine abweichende Beurteilung kommt jedoch nach bisher h.M. in Betracht, 77 wenn sämtliche Beitrittserklärungen aus einem der genannten Gründe unwirksam sind. In diesem Fall entsteht danach weder eine Vorgesellschaft noch durch Eintragung eine GmbH. Die „Scheingesellschaft“ ist vielmehr als „gegenstandslos“ von Amts wegen zu löschen (§ 397 FamFG)3. Anders hat nur einmal das KG für den Grenzfall einer Einpersonengründung durch einen Geschäftsunfähigen entschieden, weil es sich dabei nicht um einen Fall des § 75 handele, so dass hier das Interesse der Allgemeinheit an dem Bestandsschutz den Vorrang haben müsse4. Besonderer Betrachtung bedürfen die weiteren Rechtsfolgen der nichtigen Betei- 78 ligung eines Minderjährigen oder einer anderen gleichstehenden Person: Wenn der vermeintliche Gesellschafter bereits Leistungen auf seine Stammeinlage erbracht hatte, kann er diese nach § 812 BGB kondizieren5; dasselbe gilt umgekehrt für Leistungen der Gesellschaft an den vermeintlichen Gesellschafter. Die Einschränkungen der §§ 30 ff. gelten hier nicht, da der Betreffende rechtlich in keiner Hinsicht als Gesellschafter zu behandeln ist (str.). Aus der Nichtigkeit der Stammeinlage folgt, dass nunmehr entgegen § 5 Abs. 3 79 Satz 2 die Stammkapitalziffer und die Summe der wirksam übernommenen Stammeinlagen auseinander fallen. Die übrigen Gesellschafter haften in diesem Fall nicht für den Ausfall nach § 24, weil der betreffende Gesellschaftsanteil nie

1 Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 38 und § 3 Rdnr. 21–23; J. Mayer, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 192; Michalski, in: Michalski, Rdnr. 66; Roth, in: Roth/ Altmeppen, Rdnr. 41; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 72. 2 Michalski, in: Michalski, Rdnr. 67; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 74; anders C. Schäfer, Die Lehre vom fehlerhaften Verband, S. 284, 302 ff.; Karsten Schmidt, GesR, § 6 III 3c, cc (S. 152 ff.). 3 Hueck/Faststrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 40; J. Mayer, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 195; Paschke, ZHR 155 (1991), 1, 8; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 71; ebenso zumindest für den Fall der Fälschung aller Beitrittserklärungen C. Schäfer, Die Lehre vom fehlerhaften Verband, S. 167 ff. 4 KG, NZG 2001, 225, 226 = NJW-RR 2001, 1117 = GmbHR 2001, 33 = ZIP 2000, 2253; zustimmend für diesen Fall C. Schäfer, Die Lehre vom fehlerhaften Verband, S. 285 f. 5 Ebenso J. Mayer, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 196.

Emmerich

123

§2

Form des Gesellschaftsvertrages

entstanden ist1. Außerdem greift hier das Beanstandungsverfahren nach § 399 Abs. 4 FamFG ein, wodurch den Gesellschaftern die Möglichkeit gegeben wird, den Mangel noch rechtzeitig zu beheben2. Hierzu ist erforderlich, dass einer der bisherigen Gesellschafter oder ein neuer Gesellschafter analog § 55 den offenen Geschäftsanteil übernimmt. Streitig ist, ob es hierzu einer vorgängigen Kapitalherabsetzung bedarf; doch ist dafür nach Eintragung der Gesellschaft ins Handelsregister kein Grund mehr zu erkennen3. Aber nichts hindert die Gesellschafter, den Mangel im Wege einer Kapitalherabsetzung zu beheben. Außerdem findet § 30 Anwendung, so dass Zahlungen an die übrigen Gesellschafter erst nach Deckung der Stammkapitalziffer in Betracht kommen4. b) Grundsätzliche Heilung sonstiger Mängel 80

Der Kreis der Mängel einer Beitrittserklärung, die über § 75 hinaus auch nach Eintragung der Gesellschaft noch beachtlich sind, ist nach dem Gesagten klein (oben Rdnr. 72 ff.). Sämtliche anderen Mängel der Beitrittserklärung haben dagegen nach Eintragung der Gesellschaft ebenso wie Mängel des Gesellschaftsvertrages grundsätzlich keine Auswirkungen mehr auf die Gültigkeit der Gesellschaft5. Sie werden vielmehr durch die Eintragung in dem Sinne „geheilt“, dass sie ihre Beachtlichkeit für die Existenz der Gesellschaft verlieren. Für Formmängel (§ 2 GmbHG i.V.m. § 125 BGB) ist das schon im Einzelnen ausgeführt worden (oben Rdnr. 20, 32). Die „Heilung“ solcher Mängel bedeutet indessen nicht, dass sie fortan als nicht geschehen anzusehen seien; vielmehr können die Mängel in anderen Beziehungen nach wie vor Rechtsfolgen nach sich ziehen, wobei in erster Linie an Schadensersatzansprüche des betroffenen Gesellschafters aus c.i.c. (§ 311 Abs. 2 BGB) oder unerlaubter Handlung zu denken ist (unten Rdnr. 85). Je nach Fallgestaltung kommen außerdem ein Austritt des betroffenen Gesellschafters aus wichtigem Grunde oder die Ausschließung anderer Gesellschafter in Betracht.

81

Das Gesagte (oben Rdnr. 80) gilt insbesondere für die Anfechtbarkeit von Beitrittserklärungen nach den §§ 119, 120 und 123 BGB mit der einen Ausnahme der Anfechtung wegen Drohung. Von diesem Ausnahmefall abgesehen, führt die Eintragung der Gesellschaft selbst dann zur „Heilung“ des fraglichen Willensmangels, wenn ein Gründer noch nicht einmal erkannt haben sollte, dass es sich bei seiner Erklärung um eine Beitrittserklärung handelt6. Es spielt außer1 Michalski, in: Michalski, Rdnr. 67; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 75. 2 Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 39; Michalski, in: Michalski, Rdnr. 67. 3 Ebenso schon KG, DR 1943, 1230 f. Nr. 8; J. Mayer, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 199 f.; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 30. 4 Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 39; Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 39. 5 Ebenso Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 37; J. Mayer, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 202 f.; Michalski, in: Michalski, Rdnr. 68; Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 38 ff.; C. Schäfer, Die Lehre vom fehlerhaften Verband, passim, bes. S. 282 ff.; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 72; besonders weitgehend KG, NZG 2001, 225, 226 = NJW-RR 2001, 1117 = GmbHR 2001, 33 = ZIP 2000, 2253. 6 Grdlg. RGZ(VZS) 57, 292, 297 ff.; RGZ 88, 187 ff.; RGZ 123, 202, 207; RGZ 124, 279, 297 f.; BGH, LM Nr. 1 zu § 15 GenG = MDR 1976, 737 = AG 1976, 241; J. Mayer, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 203; Michalski, in: Michalski, Rdnr. 69.

124

Emmerich

§2

Form des Gesellschaftsvertrages

dem keine Rolle, ob die Anfechtung bereits vor Eintragung der Gesellschaft erklärt worden ist; kommt es trotz der Erklärung der Anfechtung gegenüber den anderen Gründern (§ 143 Abs. 1 BGB) zur Eintragung der Gesellschaft ins Handelsregister, so entsteht die Gesellschaft, wodurch die bereits erklärte Anfechtung ihre Wirkung einbüßt1. Der anfechtende Gesellschafter muss deshalb durch die Erwirkung einer einstweiligen Verfügung das Registergericht an der Eintragung der Gesellschaft hindern, will er die „Heilung“ des Willensmangels durch Eintragung vermeiden (s. oben Rdnr. 68). Ebenso zu behandeln sind Willenserklärungen, die unter einer Bedingung (oben 82 Rdnr. 75) oder unter einem geheimen Vorbehalt oder zum Schein abgegeben oder nicht ernstlich gemeint sind (§§ 116 bis 118 BGB)2. Dabei wird auch nicht danach unterschieden, ob nur eine, mehrere oder sogar alle Willenserklärungen der Gründer von den genannten Mängeln betroffen sind. Folglich können sich die Gesellschafter, selbst wenn sie ihre Erklärungen ohne Ausnahme nur zum Schein abgegeben haben sollten, nach Eintragung der Gesellschaft ins Handelsregister darauf nicht mehr berufen; die „Scheingesellschaft“ ist vielmehr von diesem Zeitpunkt ab eine vollgültige Gesellschaft. Die Folge ist vor allem, dass die Gesellschafter jetzt zur Einzahlung ihrer Geschäftsanteile verpflichtet sind3. Entsprechende Grundsätze gelten bei Mängeln einer Kapitalerhöhung (s. 10. Aufl., § 55 Rdnr. 83 f.), nicht dagegen bei Mängeln der Anteilsabtretung (s. unten § 15 Rdnr. 103 f.). Zu dem zuletzt genannten Fall ist jedoch § 16 zu beachten, durch den die Wirkungen einer Anfechtung im Verhältnis zur Gesellschaft stark relativiert werden4.

83

Umstritten ist die Rechtslage, wenn der Gesellschaftsvertrag wegen eines Ver- 84 stoßes gegen die §§ 134 oder 138 BGB nichtig ist (s. dazu schon oben § 1 Rdnr. 18 ff.). Das Problem rührt daher, dass jedenfalls bei schwer wiegenden Verstößen gegen die §§ 134 und 138 BGB, insbesondere bei Verfolgung gesetz- oder sittenwidriger Zwecke durch eine Gesellschaft selbst, fehlerhaften Personengesellschaften auch nach Vollzug des Gesellschaftsvertrages grundsätzlich die Anerkennung versagt wird5. Das dürfte auch bei einer Vorgesellschaft nicht anders zu beurteilen sein (str.). Fraglich ist jedoch, wie sich die Rechtslage gestaltet, wenn die Gesellschaft – trotz Nichtigkeit des Gesellschaftsvertrages – ins Handelsregister eingetragen wird. Im Schrifttum finden sich dazu sehr unterschiedliche Lösungen. Nach einer verbreiteten Meinung soll auch die Nichtigkeit des Gesellschaftsvertrages aufgrund der §§ 134 und 138 BGB grundsätzlich durch

1 RGZ 82, 376, 378 f., str. 2 RGZ (VZS) 57, 292, 297; RGZ 124, 279, 287 f.; RG, JW 1904, 563 f.; RG, JW 1935, 3613; BGHZ 21, 378, 381 = NJW 1957, 19; KG, OLGZ 1968, 477, 481 = GmbHR 1968, 182. 3 OGH SZ Bd. 13 (1931) Nr. 232, S. 807, 810; Bd. 46 (1973) Nr. 46, S. 205, 207. 4 Grdlg. BGH, LM Nr. 6 zu § 16 GmbHG (Bl. 2 R) = NJW 1990, 1915 = GmbHR 1990, 164; BGH, ZIP 2005, 253 = WM 2005, 282; OLG Hamburg, GmbHR 1998, 591, 592 f. = NZG 1998, 591; anders noch BGH, LM Nr. 12 zu § 15 GmbHG (Bl. 2) = WM 1975, 512 = GmbHR 1975, 154. 5 S. Emmerich, in: Heymann, § 105 HGB Rdnr. 83 ff.

Emmerich

125

§2

Form des Gesellschaftsvertrages

die Eintragung der Gesellschaft ins Handelsregister „geheilt“ werden1. Nach manchen soll das sogar für Gesellschaften gelten, die gegen das Kartellverbot verstoßen (§ 1 GWB; Art. 101 AEUV)2. Dieser Meinung ist nicht zu folgen; vielmehr ist in den genannten Fällen von der unmittelbaren oder entsprechenden Anwendung des § 75 GmbHG und des § 275 AktG auszugehen, weil hier der richtig verstandene Unternehmensgegenstand nichtig ist3. Anwendbar ist außerdem § 397 FamFG4. Auf keinen Fall darf außerdem bis zur Erhebung der Nichtigkeitsklage der gesetzwidrige oder sittenwidrige Zweck verfolgt werden (§ 134 BGB; § 1 GWB; Art. 101 AEUV)5. Von dem Fall eines getzwidrigen oder sittenwidrigen Zwecks oder Gegenstandes der Gesellschaft muss außerdem der Fall unterschieden werden, dass nur einzelne Bestimmungen des Gesellschaftsvertrages gegen die §§ 138 und 134 BGB verstoßen. In diesem Fall sind und bleiben die fraglichen Bestimmungen nichtig, ohne dass dies jedoch einen Einfluss auf die Wirksamkeit des Gesellschaftsvertrages im Übrigen und damit auf die wirksame Entstehung der Gesellschaft hätte (§ 139 BGB)6. – Besonderheiten gelten schließlich für die Gläubiger- und Insolvenzanfechtung nach dem AnfG und der InsO (§§ 129 ff. InsO)7. c) Schadensersatzansprüche 85

Aus der Heilung der meisten Mängel durch Eintragung der Gesellschaft ins Handelsregister (oben Rdnr. 80 ff.) folgt, dass die betroffenen Gesellschafter auch keine Schadensersatzansprüche aus c.i.c. (§ 311 Abs. 2, 3 BGB) oder Delikt gegen die Gesellschaft geltend machen können. Unberührt bleiben jedoch Ansprüche gegen Dritte, insbesondere gegen Mitgründer, die z.B. für die arglistige Täuschung eines Gründers verantwortlich sind8. Außerdem kommt ein Austritt des geschädigten Gründers in Betracht, wenn ihm die weitere Mitgliedschaft in der Gesellschaft nicht mehr zuzumuten ist (s. im Einzelnen unten Anh. § 34 Rdnr. 1 ff.). Schließlich ist von Fall zu Fall noch an eine Auflösung der Gesellschaft nach § 61 zu denken. Diese Grundsätze gelten entsprechend bei mangelhafter Beteiligung an einer Kapitalerhöhung (oben Rdnr. 83).

1 RGZ 123, 102, 106 ff.; RGZ 124, 279, 287 ff.; RGZ 127, 186, 191; KG, OLGZ 1968, 477, 481 = GmbHR 1968, 182; J. Mayer, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 182; C. Schäfer, Die Lehre vom fehlerhaften Verband, S. 282 ff.; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/ Schmidt-Leithoff, Rdnr. 72. 2 S. Kort, Bestandsschutz, S. 38 ff.; C. Schäfer, Die Lehre vom fehlerhaften Verband, S. 282 ff.; Karsten Schmidt, GesR, § 6 III 3b (S. 150 f.); Karsten Schmidt, in: FS Mestmäcker, 1996, S. 763. 3 J. Mayer, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 183. 4 Kort, Bestandsschutz, S. 38 ff. 5 Weitergehend Paschke, ZHR 155 (1991), 1, 16 ff. 6 BGH, NJW 2003, 347; Emmerich, ZHR 139 (1975), 476, 512 ff.; Steindorff, in: FS Hefermehl, 1971, S. 177; Ulmer, in: FS Steindorff, 1990, S. 799. 7 J. Mayer, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 206 f. 8 RGZ 82, 375, 381; RGZ 88, 187 f.; RGZ 123, 102, 104 ff.; BGH, LM Nr. 1 zu § 15 GenG = MDR 1976, 737 = AG 1976, 241 f.

126

Emmerich

§2

Form des Gesellschaftsvertrages

V. Vorvertrag Schrifttum: Cebulla, Haftungsmodelle bei der GmbH-Gründung, NZG 2001, 972; R. Fischer, Ist der Vorvertrag bei der Errichtung einer GmbH formbedürftig?, GmbHR 1954, 129; Flume, Die werdende juristische Person, in: FS Geßler, 1971, S. 3; Gehrlein, Die Haftung in den verschiedenen Gründungsphasen einer GmbH, DB 1996, 561; Gehrlein, Keine schlüssige Zustimmung des Gläubigers in Schuldübernahme, NJW 1998, 2651; S. Grottke, Die Vorgründungsgesellschaft der GmbH – Rechtliche Struktur und Haftungsfragen, 1992; Henrich, Vorvertrag, Optionsvertrag, Vorrechtsvertrag, 1965; E. Kießling, Vorgründungs- und Vorgesellschaft, 1999; Kort, Die Haftung der Beteiligten im Vorgründungsstadium einer GmbH, DStR 1991, 1317; Michalski/Sixt, Die Haftung in der Vorgründungs-GmbH, in: FS Boujong, 1996, S. 349; Noack, Gesellschaftervereinbarungen bei Kapitalgesellschaften, 1994, S. 299 ff.; Priester, Das Gesellschaftsverhältnis im Vorgründungsstadium – Einheit oder Dualismus?, GmbHR 1995, 481; Reinicke, Die Formbedürftigkeit einer Vollmacht zum Abschluss eines GmbH-Vorvertrages, NJW 1969, 1830; Karsten Schmidt, Rechtsgrundlagen der Mitunternehmerschaft im Vorgründungsstadium der GmbH, GmbHR 1982, 6 = GesRZ 1983, 1; Karsten Schmidt, Haftung aus Rechtsgeschäften vor Errichtung der GmbH, GmbHR 1998, 613.

1. Überblick Aus den §§ 2 und 11 Abs. 1 folgt, dass man bei der Entstehung einer GmbH 86 mehrere Zeitabschnitte oder Phasen zu unterscheiden hat, wobei die Errichtung der Gesellschaft durch Abschluss des Gesellschaftsvertrages in notarieller Form (§ 2) und die Eintragung der Gesellschaft ins Handelsregister (§ 11 Abs. 1) das Ende der einzelnen Zeitabschnitte markieren. Die erste Phase umfasst den Zeitraum vor dem formgerechten Abschluss des Gesellschaftsvertrages (§ 2). Häufig wird diese Phase auch als Gründungsphase bezeichnet (s. schon oben Rdnr. 67 ff.). Die zweite Phase umfasst den Zeitraum zwischen dem formgerechten Abschluss des Gesellschaftsvertrages (§ 2) und der Eintragung der Gesellschaft ins Handelsregister (§ 11 Abs. 1). In dieser Zeitspanne besteht zwar noch nicht die GmbH „als solche“ (§ 11 Abs. 1), wohl aber schon eine so genannte Vorgesellschaft oder Vor-GmbH, auf die in verschiedenen Beziehungen bereits das Recht der zukünftigen GmbH angewandt wird (s. im Einzelnen unten § 11 Rdnr. 27 ff.). Anders verhält es sich dagegen mit der Gründungsphase. Mangels Abschlusses des Gesellschaftsvertrages (§ 2) besteht in dieser Zeitspanne noch keine Vorgesellschaft oder Vor-GmbH (unstr.). Auf der anderen Seite hindert die Gesellschafter natürlich nichts, bereits jetzt, d.h. noch vor Abschluss des Gesellschaftsvertrages (§ 2), rechtsgeschäftliche Vereinbarungen mit Bezug auf die von ihnen geplante Errichtung einer GmbH zu treffen (§§ 311 Abs. 1, 705 BGB). In Betracht kommen insbesondere der Abschluss eines Vorvertrages und die Gründung einer „Vorgründungsgesellschaft“. Die mit Vorgründungsgesellschaften zusammenhängenden Fragen sind vielfältig 87 umstritten. Wegen der Einzelheiten ist insoweit auf die Ausführungen weiter unten zu verweisen (unten § 11 Rdnr. 6–26). Im Folgenden werden ausführlich nur die mit dem Abschluss von Vorverträgen zusammenhängenden Fragen behandelt (unten Rdnr. 88 ff.).

Emmerich

127

§2

Form des Gesellschaftsvertrages

2. Begriff, Voraussetzungen 88

Unter einem Vorvertrag versteht man eine „schuldrechtliche Vereinbarung, durch die für beide Teile oder auch nur für einen von ihnen die Verpflichtung begründet wird, demnächst einen anderen schuldrechtlichen Vertrag, den Hauptvertrag zu schließen“1. Die Besonderheit des Vorvertrages besteht darin, dass aus ihm notfalls auf Abschluss des Hauptvertrages geklagt werden kann, wobei sich dann die Vollstreckung eines der Klage stattgebenden Urteils nach § 894 ZPO richtet. Nach h.M. entsteht durch den Abschluss eines derartigen Vorvertrages zugleich zwischen den Gründern eine so genannte Vorgründungsgesellschaft, deren Zweck in der Errichtung der zukünftigen GmbH gesehen wird (§ 705 BGB). Um die Vollstreckung des auf den Abschluss des Hauptvertrages gerichteten Urteils zu ermöglichen (§ 894 ZPO), muss der Vorvertrag so bestimmt sein, dass ihm der notwendige Mindestinhalt des geplanten Hauptvertrages, hier des von den Parteien des Vorvertrages in Aussicht genommenen Gesellschaftsvertrages, entnommen werden kann2. Deshalb muss schon im Vorvertrag die geplante Gesellschaftsform (GmbH) festgelegt werden3. Erforderlich sind außerdem als Mindestinhalt gemäß § 3 Abs. 1 die Regelung der Firma und des Sitzes der Gesellschaft sowie die Bestimmung des Gegenstandes des Unternehmens, des Betrags des Stammkapitals sowie die Zahl und die Nennbeträge der Geschäftsanteile, die jeder Gesellschafter gegen Einlage auf das Stammkapital übernimmt4. Fehlt es hieran und lässt sich dieser Mangel auch nicht beheben (unten Rdnr. 89), so scheidet die Annahme eines Vorvertrages aus; von den Parteien bereits getroffene Vereinbarungen haben in diesem Fall höchstens die Bedeutung einer so genannten Punktation5.

89

Für die Bestimmtheit und Vollständigkeit des Vorvertrages gelten nicht dieselben strengen Maßstäbe wie bei dem endgültigen Gesellschaftsvertrag, so dass etwaige Lücken in diesem Stadium durchaus auch im Wege ergänzender Vertragsauslegung geschlossen werden können (§§ 133, 157 BGB)6. So kann z.B. ein Vorvertrag von Erben über die Fortführung eines ererbten Einzelunternehmens in der Rechtsform einer GmbH dahin auszulegen sein, dass die bisherige Firma und der Sitz beibehalten werden sollen, während das Stammkapital nach dem vorhandenen Eigenkapital und die Geschäftsanteile nach dem Verhältnis der Erbanteile zu bemessen sind7. Entsprechend wird zu verfahren sein, wenn sich die Gesellschafter einer Personengesellschaft verpflichten, diese in Zukunft in 1 So BGHZ 102, 384, 388 = NJW 1988, 1261; BGH, LM Nr. 9 zu Vorbem. zu § 145 BGB = NJW 1962, 1812; BGH, LM Nr. 20/21 zu Vorbem. zu § 145 = NJW 1986, 2820; BGH, NJW 1990, 1233; Emmerich, in: Staudinger, 2011, Vor § 535 BGB Rdnr. 91 ff. 2 BGH (vorige Fn.); Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 30; Kießling, S. 16 ff.; J. Mayer, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 214; Michalski, in: Michalski, Rdnr. 74; Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 63. 3 RGZ 106, 174, 177; OLG München, GmbHR 1958, 194. 4 RGZ 30, 94, 95 f.; RGZ 41, 281, 283; RGZ 66, 116, 120 f.; RGZ 156, 129, 138; OLG München, GmbHR 1958, 195. 5 Ebenso Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 65 f. 6 RGZ 66, 116, 121; RGZ 156, 129, 138; BGH, LM Nr. 6 zu § 2 GmbHG = NJW 1969, 1856 = GmbHR 1969, 177; J. Mayer, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 214. 7 OGH, EvBl. 1955 Nr. 86 = ÖJZ 1955, 143, 144; Koppensteiner, öGmbHG, § 3 Rdnr. 18; Wünsch, öGmbHG, § 3 Anm. 28.

128

Emmerich

§2

Form des Gesellschaftsvertrages

eine GmbH umzuwandeln1. Maßgebend sind jedoch immer die Umstände des Einzelfalles (§ 242 BGB). Ändert sich z.B. nach Abschluss des „Vorvertrages“ die Zulässigkeit einer Abrede infolge einer Gesetzesänderung, wird etwa jetzt das gesetzlich vorgeschriebene Mindestkapital erhöht, so dass die vereinbarten Geschäftsanteile nicht mehr ausreichen, so wird man nur in Ausnahmefällen eine Verpflichtung der Gründer zu einer entsprechenden Änderung des Vorvertrages annehmen können (§ 242 BGB); in der Regel wird vielmehr in diesem Fall von der Unwirksamkeit oder doch der Kündbarkeit des Vorvertrages (analog § 314 BGB) auszugehen sein2. Der Vorvertrag kann die Bestimmung der Einzelheiten späteren Mehrheitsbeschlüssen der Gründer oder der Entscheidung eines einzelnen Gründers oder auch eines Dritten überlassen (§§ 315, 317 BGB)3. Nach dem Zweck der §§ 2 und 3 ist dann jedoch zu fordern, dass der mögliche Umfang der Pflichten der zukünftigen Gesellschafter von vornherein durch den Vorvertrag begrenzt wird und dass auch die Art ihrer Beitragsleistung bereits festgelegt ist4. Bei der Bestimmung der Einzelheiten ist außerdem der schon in diesem Stadium geltende Gleichbehandlungsgrundsatz zu beachten.

90

3. Form a) Die Frage der Formbedürftigkeit von Vorverträgen zu formbedürftigen Haupt- 91 verträgen (s. hier § 2) lässt sich nicht einheitlich beantworten; maßgebend ist vielmehr, ob nach dem Zweck der für den Hauptvertrag geltenden Formvorschrift die Erstreckung des Formerfordernisses auf einen Vorvertrag geboten erscheint. Zweck des § 2 ist, wie ausgeführt (oben Rdnr. 13), neben der Beweissicherung vor allem der Schutz der Gesellschafter vor einem übereilten Vertragsabschluss. Daraus wird überwiegend der Schluss gezogen, dass entsprechend § 2 Abs. 1 auch ein Vorvertrag zu einem Gesellschaftsvertrag der notariellen Beurkundung bedarf5. Ebenso wird die Rechtslage überwiegend in Österreich beurteilt6. Formbedürftig

1 2 3 4

J. Mayer, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 214 OGH, EvBl. 1955 Nr. 86 = ÖJZ 1955, 143, 144. RGZ 156, 129, 138. Feine, in: Ehrenbergs Hdb. III/3, S. 189; J. Mayer, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 215. 5 S. unten § 11 Rdnr. 13; RGZ 66, 116, 120 f.; RGZ 106, 174, 176; RGZ 130, 73, 75; RGZ 149, 385, 395; RGZ 156, 129, 138; RG, JW 1929, 645, 647; BGH, LM Nr. 12 zu § 2 GmbHG = NJW-RR 1988, 288 = GmbHR 1988, 98 = WM 1988, 163; BGH, LM Nr. 11 zu § 434 BGB = NJW 1992, 362, 363; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 29; Goette, GmbH, § 1 Rdnr. 14 (S. 5); Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 32; J. Mayer, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 209; Michalski, in: Michalski, Rdnr. 75 und § 11 Rdnr. 7; Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 63; anders nur Feine, in: Ehrenbergs Hdb. III/3, S. 188; Flume, in: FS Geßler, 1971, S. 3, 18 f.; Kießling, S. 18 ff. 6 OGH SZ Bd. 13 (1931) Nr. 146, S. 531, 533 ff.; OGH SZ Bd. 22 (1949) Nr. 55, S. 132, 135; OGH SZ Bd. 54 (1981) Nr. 69, S. 318, 320 ff. = GesRZ 1981, 178 m. Anm. Ostheim; WiBl. 1992, 374 (für die Übertragung von Gesellschaftsanteilen); Koppensteiner, öGmbHG, § 3 Rdnr. 18; Reich-Rohrwig, GmbH-Recht, S. 64 f.; Wünsch, öGmbHG, § 2 Anm. 26.

Emmerich

129

§2

Form des Gesellschaftsvertrages

ist außerdem infolge entsprechender Anwendbarkeit des § 2 Abs. 2 eine Vollmacht zum Abschluss eines Vorvertrages1. 92

b) Vorverträge sind ausgesprochen selten. Ihre Annahme kommt nur in Betracht, wenn besondere Gründe vorliegen, die ausnahmsweise die Parteien veranlassen können, bereits vor Zustandekommen des Hauptvertrags eine Bindung einzugehen2. Bei Vorverträgen zu einem Gesellschaftsvertrag für eine GmbH kommt erschwerend noch das Formerfordernis des § 2 hinzu (oben Rdnr. 91), das in aller Regel nicht beachtet wird3, so dass insgesamt wirksame Vorverträge auf Abschluss eines Gesellschaftsvertrages für eine GmbH äußerst selten sein dürften. Denn wenn die Form des § 2 bei Abschluss des Vorvertrages nicht beachtet wurde, ist der Vorvertrag nichtig (§ 125 BGB). In diesem Fall darf mit Rücksicht auf den Grundsatz der Vertragsfreiheit selbst aus langwierigen und umfangreichen Verhandlungen der Parteien nicht unter dem Gesichtspunkt der c.i.c. (§ 311 Abs. 2 BGB) mittelbar eine Bindung der Parteien abgeleitet werden, etwa über die Annahme von Schadensersatzansprüchen bei „grundlosem“ Abbruch der Vertragsverhandlungen4. Eine andere Beurteilung kommt nur bei vorsätzlichen Treuepflichtverletzungen, d.h. bei so schwer wiegenden Verstößen gegen die Treuepflicht in Betracht, dass die Berufung auf die Formnichtigkeit ausnahmsweise treuwidrig ist (§ 242 BGB)5.

93

c) Das Formerfordernis für Vorverträge entsprechend § 2 (oben Rdnr. 91) besteht nur im Hinblick auf die sich aus einem wirksamen Vorvertrag ergebende Verpflichtung zum Abschluss des Hauptvertrages, hier des Gesellschaftsvertrages (oben Rdnr. 88). Verzichten die Parteien auf eine derartige Verpflichtung, so hindert sie nichts, ihre Beziehungen auch schon in der Gründungsphase im Übrigen formlos vertraglich zu regeln6. Darauf beruht die verbreitete Annahme, dass Nebenabreden, die nicht Bestandteil des geplanten Gesellschaftsvertrages werden sollen, bereits in der Gründungsphase formlos vereinbart werden können7. Anders aber im Ergebnis, wenn (wie wohl häufig) die Einigung über die Nebenabreden unter der Bedingung steht, dass es schließlich zum Abschluss des Gesellschaftsvertrages kommt. Hier hängt daher alles von den Umständen des Falles ab8. 1 Reinicke, NJW 1969, 1830; J. Mayer, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 210; Michalski, in: Michalski, Rdnr. 76 (anders § 11 Rdnr. 7); anders für einen Sonderfall BGH, LM Nr. 6 zu § 2 GmbHG = NJW 1969, 1856 = GmbHR 1969, 177; Goette, GmbH, § 1 Rdnr. 13 (S. 5). 2 S. Emmerich, in: Staudinger, BGB, 2011, Vorbem. 91 zu § 535 BGB m.N. 3 J. Mayer, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 210; Priester, GmbHR 1995, 481 f. 4 So noch BGH, LM Nr. 12 zu § 2 GmbHG = NJW-RR 1988, 288 = GmbHR 1988, 98. 5 S. unten § 11 Rdnr. 8; BGH, LM Nr. 144 zu § 276 (Fa) BGB (Bl. 2) = NJW 1996, 1884, 1885; BGH, LM Nr. 11 zu § 225 BGB (Bl. 3) = NJW 2001, 2713, 2714; Emmerich, in: MünchKomm. BGB, 6. Aufl 2012, § 311 BGB Rdnr. 182. 6 So für ein Wettbewerbsverbot in Verbindung mit einer Vertragsstrafenabrede OGH, SZ Bd. 54 (1981) Nr. 69, S. 318, 322 = GesRZ 1981, 178; Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 65 f.; Karsten Schmidt, GesR, § 34 III 2a (S. 1012); s. auch unten § 11 Rdnr. 13. 7 Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 31; J. Mayer, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 209; Michalski, in: Michalski, Rdnr. 75, 77, § 11 Rdnr. 7; Michalski/Sixt, in: FS Boujong, S. 349, 358 f. 8 Ebenso OGH, SZ Bd. 54 (1981) Nr. 69, S. 318, 321 f.

130

Emmerich

§2

Form des Gesellschaftsvertrages

Vereinbaren die Gründer außerdem die sofortige Geschäftsaufnahme (so dass 94 zwischen ihnen eine BGB-Gesellschaft oder einer OHG entsteht, so wird in aller Regel die etwaige Formnichtigkeit des Vorvertrages (entgegen § 139 BGB) nicht auch auf diese Personengesellschaft erstreckt – einfach wohl aus zwingenden praktischen Erwägungen heraus1. Aus vergleichbaren Erwägungen heraus verzichtet die Rechtsprechung ferner in der Regel auf die Beachtung der Form des § 2 für Abreden, die nicht direkt zur Gründung einer GmbH verpflichten, sondern diese lediglich als Voraussetzung oder Bezug für eine andere Regelung wählen. Der BGH hat daraus den Schluss gezogen, dass Verträge, in denen sich jemand für den Fall der Gründung einer GmbH zur Beteiligung daran oder zur Erbringung von Leistungen verpflichtet2, ebenso wie Treuhandverträge mit Bezug auf zukünftige Geschäftsanteile formlos möglich seien3. Das soll sogar für Verträge gelten, durch die jemand die Verpflichtung übernimmt, für den Vertragspartner als Strohmann an der Gründung einer GmbH mitzuwirken4. Diese Praxis kann jedoch, soweit sich aus den genannten Verträgen zumindest mittelbar eine Verpflichtung zur Mitwirkung an der Errichtung einer GmbH ergibt, nach dem Gesagten (oben Rdnr. 91) keine Billigung finden (unten § 11 Rdnr. 14).

VI. Vorgründungsgesellschaft 95

S. dazu ausführlich die Erl. zu § 11 Rdnr. 6 ff.

VII. Vereinfachtes Gründungsverfahren (§ 2 Abs. 1a) Schrifttum: Bayer/Hoffmann, Die Musterprotokoll-Unternehmer-Gesellschaft (haftungsbeschränkt), GmbHR 2009, R 225; Bayer/Hoffmann/Schmidt, Satzungskomplexität und Mustersatzung. Eine Untersuchung vor dem Hintergrund des Regierungsentwurfs zum MoMiG, GmbHR 2007, 953; Heckschen, Gründungserleichterung nach dem MoMiG – Zweifelsfragen in der Praxis, DStR 2009, 166; Heidinger/Blath, Das Musterprotokoll – Mehr Fluch als Segen? Teil 1: Die Gründung, ZNotP 2010, 376; Heidinger/Blath, Das Musterprotokoll – Mehr Fluch als Segen? Teil 2: Folgeprobleme der Musterprotokollgründung, ZNotP 2010, 402; Herrler/König, Aktuelle Praxisfragen zur GmbH-Gründung im vereinfachten Verfahren (Musterprotokoll), DStR 2010, 2138; Katschinski/Rawert, Stangenware versus Maßanzug: Vertragsgestaltung im GmbH-Recht nach Inkrafttreten des MoMiG, ZIP 2008, 1993; Melchior, Das Musterprotokoll nach Eintragung der GmbH, notar 2010, 305; Preuss, Kampf der Kulturen – Die Bedeutung der vorsorgenden Rechtspflege im reformierten GmbH-Recht, RNotZ 2009, 529; Ries, Brauchen wir die „Unternehmergesellschaft“ und den Verzicht auf die notarielle Beurkundung des GmbH-Gesellschaftsvertrages?, NotBZ 2007, 244; Ries, Muster ohne Wert?, NZG 2009, 739; Römermann, Die vereinfachte Gründung mittels Musterprotokoll, in: Römermann/Wachter (Hrsg.), GmbH-Beratung nach dem MoMiG, GmbHR-Sonderheft MoMiG, 2008, S. 16; Sikora/Regler/ Tiedtke, Die Auswirkungen des MoMiG auf die Notarkosten, MittBayNot 2008, 437; Tebben, Die Reform der GmbH – das MoMiG in der notariellen Praxis, RNotZ 2008, 441; Wachter, Aktuelle Rechtsprechung zum MoMiG, GmbHR 2009, 785; Wälzholz, 1 J. Mayer, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 212 und 219. 2 BGH, WM 1969, 291 f. = BB 1969, 772; WM 1973, 68. 3 BGHZ 19, 69, 70 = NJW 1956, 58; BGHZ 141, 207, 213 = NJW 1999, 2954 = ZIP 1999, 925 = GmbHR 1999, 907; BGH, WM 1971, 306 = BB 1971, 368. 4 BGH (vorige Fn.).

Wicke

131

§2

Form des Gesellschaftsvertrages

Das MoMiG kommt: Ein Überblick über die neuen Regelungen, GmbHR 2008, 841; Wicke, Abweichungen und Änderungen beim Musterprotokoll, DNotZ 2012, 15; Wicke, Gründung, Satzungsgestaltung und Anteilsabtretung nach der GmbH-Reform, NotBZ 2009, 1.

1. Überblick 96

Nach § 2 Abs. 1a kann die GmbH, auch in ihrer Variante der Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt), im sog. vereinfachten Verfahren gegründet werden, sofern sie maximal drei Gesellschafter und einen Geschäftsführer hat (§ 2 Abs. 1a Satz 1). Die durch das MoMiG1 eingeführte Vorschrift hat zum Ziel, die Gründung in unkomplizierten Standardfällen zu erleichtern und auf diese Weise die Wettbewerbsfähigkeit der GmbH im Vergleich zu Auslandsgesellschaften zu erhöhen2. Die Vereinfachung soll dadurch erreicht werden, dass ein sog. Musterprotokoll verwendet wird (§ 2 Abs. 1a Satz 2), das dem GmbHG als Anlage in zwei Fassungen, für die Einpersonengesellschaft und für die Mehrpersonengesellschaft mit zwei oder drei Gesellschaftern, beigefügt ist. Es handelt sich um den „Blankoentwurf“3 eines Gründungsdokuments, das nach den allgemeinen Grundsätzen der §§ 8 ff. BeurkG der notariellen Beurkundung bedarf (§ 2 Abs. 1a Satz 5) und neben dem Gesellschaftsvertrag und der Geschäftsführerbestellung auch gleichzeitig die Gesellschafterliste enthält, die abweichend von § 8 Abs. 1 Nr. 3 nicht gesondert zu erstellen ist (§ 2 Abs. 1a Satz 4). Neben dem Musterprotokoll ist lediglich eine Anmeldung zum Handelsregister erforderlich, deren Inhalt nicht vorvormuliert ist. Der Gesetzgeber hat zudem in § 41d KostO bewusst eine kostenrechtliche Privilegierung vorgesehen, die insbesondere bei der Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt) zu einer messbaren, wenn auch geringfügigen Reduzierung der Gründungskosten führen kann. Inhaltlich beschränkt sich das Musterprotokoll (abgesehen von zwingenden beurkundungsrechtlichen Vorgaben) auf Bestimmungen zum Mindestinhalt des § 3 Abs. 1, zum Gründungsaufwand (§ 5 Rdnr. 111) und die Bestellung des Geschäftsführers. Weitere, vom Gesetz abweichende Bestimmungen dürfen bei der Gründung nicht getroffen werden (§ 2 Abs. 1a Satz 4), für spätere Satzungsänderungen gelten hingegen die allgemeinen Vorschriften der §§ 53 f.4.

2. Positionen im Gesetzgebungsverfahren 97

Während der Referentenentwurf zum MoMiG noch keinen Vorschlag zur Änderung des § 2 enthielt, sah der Regierungsentwurf, einer Forderung von Teilen der Wirtschaft folgend, in einer Anlage zum GmbHG eine Mustersatzung vor, bei deren Verwendung als Ausnahme zum Beurkundungserfordernis des § 2 Abs. 1 die Schriftform und Unterschriftsbeglaubigung der Gesellschafter genügen sollten und die durch ein Muster für die Handelsregisteranmeldung flankiert wur-

1 Gesetz zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen (MoMiG) vom 23.10.2008, BGBl. I 2008, 2026. 2 Vgl. Begr. RegE, zitiert nach Goette, Einführung in das neue GmbH-Recht, 2008, S. 149 sowie Begr. RA, zitiert nach Goette, Einführung in das neue GmbH-Recht, S. 156. 3 Tebben, RNotZ 2008, 441, 442. 4 S. auch Wicke, Rdnr. 13 ff.

132

Wicke

§2

Form des Gesellschaftsvertrages

de1. Der Verzicht auf die Beurkundung sollte Signalwirkung haben, dass die GmbH sich ebenso „einfach und unbürokratisch“ gründen lasse wie die englische Limited oder andere vergleichbare Auslandsgesellschaften. Die notarielle Beglaubigung der Unterschriften wurde zur rechtssicheren Identifizierung der Gesellschafter für erforderlich erachtet, um sicherzustellen, dass Transparenz über die Anteilseignerstrukturen der GmbH geschaffen und Geldwäsche verhindert wird2. Der Ansatz des Regierungsentwurfs wurde vielfach und vehement kritisiert, u.A. durch den Bundesrat in einer umfangreichen Stellungnahme. Nach Auffassung des Bundesrats würde die Verwendung von Mustersatzungen die GmbH-Gründung nicht merkbar beschleunigen, die damit einhergehende Verringerung der Gründungsberatung durch den Notar und die fehlende Flexibilität der Mustersatzung im jeweiligen Einzelfall würden jedoch zu erheblichen Nachteilen führen. Eine Mustersatzung würde zu unreflektierter Übernahme unpassender Regelungen ohne Berücksichtigung der individuellen Verhältnisse verleiten. Die notwendigen Zusatzregelungen würden in beratungs- und kostenintensiven schuldrechtlichen Nebenvereinbarungen oder nachfolgenden Satzungsänderungen getroffen. Darüber hinaus seien die Essentialia der Gründung wie Firma, Gegenstand, Höhe und Verteilung der Geschäftsanteile auch bei der Gründung mit Mustersatzung klärungsbedürftig und häufig auch beratungsintensiv. Würde dieser Bereich ohne notarielle Vorprüfung den Gründern überlassen, käme es zu einer Mehrbelastung der Gerichte und zu einer Verzögerung des Gründungsverfahrens. Die damit einher gehende Verlagerung von Aufgaben auf die öffentliche Hand widerspreche allgemeinen Politikzielen. Die individuelle Ausarbeitung des Gesellschaftsvertrags durch den Notar diene der Berücksichtigung der Interessen aller Beteiligten und beuge späteren Streitigkeiten über Inhalt, Wirksamkeit und Auslegung vor. Damit erhielten insbesondere Kleinunternehmer und Mittelstand anlässlich der Beurkundung eine häufig notwendige, vergleichsweise kostengünstige und kompetente Beratung. Die mit der Verwendung von Mustersatzungen einher gehende Abkehr vom Prinzip der Satzungsautonomie stelle im Ergebnis einen maßgeblichen Systembruch im Recht der GmbH dar. Das nunmehr in § 2 Abs. 1a vorgesehene beurkundungspflichtige Musterprotokoll stellt sich vor diesem Hintergrund als eine Kompromisslösung unterschiedlicher Strömungen im Gesetzgebungsverfahren dar. Zu einer rechtspolitischen und rechtspraktischen Würdigung s. unten Rdnr. 121 ff.

3. Voraussetzungen (§ 2 Abs. 1a Satz 1) a) Allgemeines Das vereinfachte Verfahren ist eröffnet, wenn die GmbH maximal drei Gesell- 98 schafter und einen Geschäftsführer hat. Dieser Beschränkung liegt die Überlegung zugrunde, dass bei Gesellschaften mit einer geringen Zahl von Organvertretern regelmäßig weniger komplexe Gestaltungen erforderlich sind und eine standardisierte Gründung daher eher erfolgen kann. Sind die Voraussetzungen 1 S. dazu Goette, Einführung in das neue GmbH-Recht, S. 149 ff.; vgl. auch Römermann, in: GmbHR-Sonderheft MoMiG, 2008, S. 16. 2 Eine noch weiter gehende Auffassung im Gesetzgebungsverfahren sprach sich für eine Online-Lösung nach englischem Vorbild aus, vgl. Protokoll der 85. Sitzung des Rechtsausschusses zur öffentlichen Anhörung von Sachverständigen vom 23.1.2008, 8, 20.

Wicke

133

§2

Form des Gesellschaftsvertrages

erfüllt, besteht ein Wahlrecht, das vereinfachte Verfahren ggf. mit entsprechenden Kostenvorteilen einzuschlagen, oder eine normale GmbH-Gründung unter Ausnutzung der weiter gehenden inhaltlichen Gestaltungsmöglichkeiten vorzunehmen1. Bei der Gründung im vereinfachten Verfahren ist zwingend eines der beiden gemäß § 2 Abs. 1a Satz 2 in der Anlage zum GmbHG für die Einpersonengesellschaft bzw. die Mehrpersonengesellschaft aufgeführten Musterprotokolle zu verwenden, die sich nur redaktionell voneinander unterscheiden. Darüber hinaus dürfen keine vom Gesetz abweichenden Bestimmungen getroffen werden (§ 2 Abs. 1a Satz 3). Das Musterprotokoll gliedert sich in einleitende allgemeine Angaben betreffend den Eingang der Urkunde und sieben Unterpunkte, welche die Errichtungserklärung, Angaben zum Mindestinhalt im Sinne des § 3 Abs. 1, die Bestellung des Geschäftsführers und die Vertretungsregelung, die Gründungskosten, Urkundsabschriften und Notarhinweise regeln. Zu Erläuterungszwecken wurden in vier Fußnoten Hinweise aufgenommen, die allerdings angesichts der zwingenden Einschaltung eines Notars überflüssig erscheinen. Die vervollständigten Texte bedürfen der Beurkundung nach Maßgabe der §§ 8 ff. BeurkG. Die praxisübliche Aufspaltung der Gründungsurkunde in ein Mantelprotokoll mit den rechtsgeschäftlichen Erklärungen über die Errichtung der Gesellschaft und den eigentlichen Satzungswortlaut, der gemäß § 9 Abs. 1 Satz 2 BeurkG als Anlage beigefügt wird2, ist nicht vorgesehen3. Da das Musterprotokoll die Gründungserklärungen, den Gesellschaftsvertrag, die Geschäftsführerbestellung und die Gesellschafterliste in einem einheitlichen Dokument zusammen fasst, bedarf es daneben nur noch der Anmeldung zum Handelsregister, die in der geltenden Gesetzesfassung im Unterschied zum Regierungsentwurf nicht vorformuliert ist. b) Gesellschafter 99

Als Gründer kommen im Rahmen des vereinfachten Verfahrens sowohl natürliche als auch juristische Personen in Betracht4. Entsprechendes ist für im Handels- oder Partnerschaftsregister eingetragene Personengesellschaften anzunehmen, wenn auch die im Formular und den Anmerkungen hierzu vorgegebenen Alternativen („Herr/Frau“, „Juristische Person“) in dieser Beziehung nicht eindeutig sind5. Für die Ermittlung der zulässigen Gründerzahl ist nur die juristische Person oder Personengesellschaft selbst zu zählen und nicht die an ihr beteiligten Gesellschafter6. Zu weitgehend wäre es, das vereinfachte Verfahren auch sonstigen, nicht in einem öffentlichen Register eingetragene Gesellschaften oder Personenmehrheiten zu eröffnen. Dies betrifft insbesondere die Gesellschaft bürgerlichen Rechts, auch wenn deren (Teil-)Rechtsfähigkeit von der 1 J. Mayer, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 230; Römermann, in: GmbHR-Sonderheft MoMiG, 2008, S. 16, 18. 2 S. dazu Wicke, in: MünchKomm. GmbHG, § 3 Rdnr. 6. 3 Vgl. Wälzholz, MittBayNot 2008, 425, 428; J. Mayer, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 234. 4 Vgl. auch Schäfer, in: Bork/Schäfer, Rdnr. 51: auch Minderjährige und Betreute. 5 H.M., vgl. J. Mayer, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 230; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 39; a.A. Noack, DB 2007, 1395, 1398 zur Mustersatzung nach dem Regierungsentwurf. 6 Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 17.

134

Wicke

§2

Form des Gesellschaftsvertrages

Rechtsprechung anerkannt ist1. Die Führung eines hinreichenden Existenz- und Vertretungsnachweises in öffentlich beglaubigter Form ist bei der Gesellschaft bürgerlichen Rechts in der Praxis regelmäßig mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden, die dem mit dem Musterprotokoll verfolgten Vereinfachungszweck zuwider laufen würden2. Erst recht ist die Erbengemeinschaft als nicht rechtsfähige Gesamthandsgemeinschaft vom vereinfachten Verfahrens ausgeschlossen3. Im Übrigen ist für die Bestimmung der Höchstgrenze formal auf die Zahl von Gesellschaftern als die Personen abzustellen, die Geschäftsanteile übernehmen und in der Gesellschafterliste aufgeführt werden. Daher sind Treuhandverhältnisse oder Unterbeteiligungen, auch wenn sie gegenüber einer Vielzahl von Berechtigten bestehen, nicht zu berücksichtigen4. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Ermittlung der zulässigen Gründerzahl ist derjenige der Eintragung der GmbH im Handelsregister. Es wäre daher auch möglich, dass einer vierten Person aufschiebend bedingt auf den Zeitpunkt der Eintragung der mit Musterprotokoll gegründeten Gesellschaft ein Teilgeschäftsanteil abgetreten würde5. Ein Rechtsmissbrauch liegt darin nicht, zumal es praktisch kaum vorstellbar ist, dass dieser seinerseits mit Kosten verbundene Weg gezielt eingeschlagen würde, um in den Genuss der sehr begrenzten Vorteile des vereinfachten Verfahrens zu gelangen. Die Gründung kann auch durch bevollmächtigte Vertreter erfolgen. c) Geschäftsführer und Vertretung Die GmbH darf bei der Gründung im Rahmen des vereinfachten Verfahrens ma- 100 ximal einen Geschäftsführer haben. Dies gilt auch im Fall einer Mehrpersonengesellschaft. Möglich wäre es aber, unmittelbar nach Errichtung der Vor-GmbH und aufschiebend bedingt durch Eintragung der GmbH im Handelsregister weitere Geschäftsführer zu bestellen6. Eine Satzungsänderung wäre hierzu nicht er-

1 BGH, NJW 2001, 1056. 2 Wie hier etwa Michalski, in: Michalski, Rdnr. 108; Wicke, Rdnr. 16; in diese Richtung auch Wälzholz, GmbHR 2008, 841, 842; a.A. aber die h.M., vgl. nur Bayer, in: Lutter/ Hommelhoff, Rdnr. 39; J. Mayer, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 2328; Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 6; Pfisterer, in: Saenger/Inhester, Rdnr. 46. Nach einer Praxisauffassung werden im Fall der Beteiligung einer GbR für die Ermittlung der zulässigen Höchstzahl auch deren Gesellschafter mitgerechnet. 3 Vgl. Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 7, der auch Ehegatten in Gütergemeinschaft (wohl nicht zutreffend) und Bruchteilsgemeinschaften (wohl zutreffend) vom vereinfachten Verfahren ausschließt. Nach Schäfer, in: Bork/Schäfer, Rdnr. 51, 53 sollen sich Gesamthandsgemeinschaften generell am vereinfachten als Gründer beteiligen können und nur als ein Gründer zu zählen sein. 4 Römermann, in: GmbHR-Sonderheft MoMiG, 2008, S. 16, 17; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 17. 5 Heidinger/Blath, ZNotP 2010, 376, 379; J. Mayer, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 229; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 38; Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 58; einschränkend Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 8. 6 So auch Heidinger/Blath, ZNotP 2010, 402, allerdings nur in den Grenzen des Rechtsmissbrauchs; weiter gehend J. Mayer, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 245; Tebben, RNotZ 2008, 441, 444: Bestellung durch Gesellschafterbeschluss der Vor-GmbH (und wohl unabhängig von deren Eintragung); enger wohl Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 56; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 47: Bestellung erst nach Eintragung.

Wicke

135

§2

Form des Gesellschaftsvertrages

forderlich1. Die Begrenzung auf einen Geschäftsführer ist wiederum formal zu verstehen2. Etwaige faktische Geschäftsführer sind daher nicht zu berücksichtigen, auch ist es möglich, einen oder mehrere Prokuristen bei Gründung anzumelden und deren Vertretung nach allgemeinen Grundsätzen (Einzelvertretung, Gesamtvertretung, Erlaubnis von Grundstücksgeschäften gemäß § 48 Abs. 2 HGB) zu regeln3. Für die persönlichen Anforderungen an den Geschäftsführer gelten die allgemeinen Grundsätze (§ 6), insbesondere können auch Fremdgeschäftsführer berufen werden. Die Bestellung des Geschäftsführers erfolgt „im Gesellschaftsvertrag“ im Sinne von § 6 Abs. 3 Satz 2 und darf daher bei Anwendung des vereinfachten Verfahrens nicht außerhalb der Satzung erfolgen4. Nach allgemeinen Grundsätzen bedeutet die Bestellung des Geschäftsführers im Rahmen des Gründungsprotokolls nicht, dass es sich um einen sog. echten Satzungsbestandteil mit der Folge handelt, dass eine spätere Abberufung oder die Bestellung weiterer Geschäftsführer nur im Wege der Satzungsänderung durchgeführt werden könnten5. Wenn der im Rahmen des Musterprotokolls bestellte Geschäftsführer gleichzeitig Gesellschafter ist, liegt darüber hinaus kein Sonderrecht im Sinne des § 35 BGB vor mit der Konsequenz, dass die Abberufung des Betreffenden nur aus wichtigem Grund zulässig wäre6. 101 Ebenso wie die Abberufung des ersten Geschäftsführers ist daher auch die nachträgliche Bestellung von weiteren Geschäftsführern nach der Eintragung der Gesellschaft ohne Änderung des Gesellschaftsvertrags zulässig. Zu beachten ist aber, dass das Musterprotokoll keine allgemeine Vertretungsregelung enthält. Sofern die Gesellschaft daher über mehrere Geschäftsführer verfügt, sind diese nach der gesetzlichen Regelung des § 35 Abs. 2 Satz 1 alle nur gemeinschaftlich zur Vertretung befugt7. Demgemäß gilt die Alleingeschäftsführungsbefugnis des ersten Geschäftsführers nur solange, wie kein weiterer Geschäftsführer ernannt ist8. Die gesetzliche Gesamtvertretungsbefugnis ist daher nach allgemeinen Grundsätzen (§ 8 Rdnr. 35 ff.) auch als abstrakte Vertretungsregelung – neben der konkreten Vertretungsbefugnis des bestellten Geschäftsführers – in die An-

1 Vgl. OLG Hamm, NZG 2009, 1431; OLG Rostock, GmbHR 2010, 872; a.A. Armbruster, Rpfleger 2009, 389. 2 Michalski, in: Michalski, Rdnr. 110. 3 Heckschen, Das MoMiG in der notariellen Praxis, Rdnr. 335. 4 J. Mayer, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 246. 5 H.M., vgl. DNotI-Report 2010, 16; OLG Stuttgart, NZG 2009, 754; OLG Bremen, NZG 2009, 1193; OLG Hamm, NZG 2009, 1431; OLG Rostock, GmbHR 2010, 872, 873; Heidinger/Blath, ZNotP 2010, 376, 382; Melchior, notar 2010, 305, 306; LG Ulm, Rpfleger 2009, 388, 389; Tebben, RNotZ 2008, 444; Wicke, NotBZ 2009, 1, 9; Klutzny, NotBZ 2009, 255, 258; Pfisterer, in: Saenger/Inhester, Rdnr. 50; a.A. Weigl, notar 2008, 378. Zur Unterscheidung zwischen echten und unechten Bestandteilen vgl. auch Wicke, DNotZ 2006, 419. 6 OLG Rostock, GmbHR 2010, 872, 873; Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 21; Böhringer, BWNotZ 2008, 104; Wicke, NotBZ 2009, 1, 9; s. auch § 6 Rdnr. 82. 7 OLG Stuttgart, NZG 2009, 754, 755; OLG Celle, GmbHR 2011, 305, 306; OLG Hamm, NZG 2011, 705; OLG Düsseldorf, DStR 2011, 2106, 2107; Ries, NZG 2009, 1293, 1294; Michalski, in: Michalski, Rdnr. 111; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 47; Wicke, Rdnr. 17; Katschinski/Rawert, ZIP 2008, 1993, 1999. 8 Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 22.

136

Wicke

§2

Form des Gesellschaftsvertrages

meldung aufzunehmen und im Handelsregister einzutragen1. Da die Vertretungsbefugnis allein aus dem Handelsregister ablesbar sein muss, genügt für die Anmeldung der abstrakten Vertretungsregelung die Bezugnahme auf die gesetzliche Vertretungsregelung allein nicht2. Die Anmeldung der konkreten Vertretungsbefugnis des Geschäftsführers kann im Hinblick auf § 35 Abs. 2 nicht mit dem Zusatz verbunden werden, dieser sei einzelvertretungsberechtigt, da bei Bestellung weiterer Geschäftsführer zwingend gemäß § 35 Abs. 2 Gesamtvertretungsbefugnis besteht3. Möglich ist es aber, dass sich mehrere gesamtvertretungsberechtigte Geschäftsführer entsprechend § 78 Abs. 4 AktG gegenseitig zur alleinigen Vornahme bestimmter Geschäfte oder bestimmter Arten von Geschäften ermächtigen4. Die Anmeldung des Geschäftsführers und der Vertretung kann wie folgt formuliert werden: „Die Vertretung der Gesellschaft ist allgemein wie folgt geregelt: Ist nur ein Geschäftsführer bestellt, so vertritt er die Gesellschaft allein. Sind mehrere Geschäftsführer bestellt, sind alle nur gemeinsam zur Vertretung der Gesellschaft berechtigt. Zum Geschäftsführer ist bestellt: … Der bestellte Geschäftsführer vertritt die Gesellschaft gemäß der allgemeinen Vertretungsregelung und ist von den Beschränkungen des § 181 BGB befreit.“5 Der Gründungsgeschäftsführer ist nach dem Wortlaut des Musterprotokolls von 102 den Beschränkungen des § 181 BGB befreit. Dies bedeutet, dass er die Gesellschaft sowohl bei Rechtsgeschäften mit sich selbst (Selbstkontrahieren), als auch mit einem von ihm vertretenen Dritten vertreten kann (Doppel- oder Mehrvertretung). In zahlreichen Konstellationen, wie insbesondere in Konzernsachverhalten, bei Mehrpersonengesellschaften oder auch bei Fremdgeschäftsführern wird dies regelmäßig nicht den Vorstellungen der Gesellschafter entsprechen, da § 181 BGB gerade möglichen Interessenkonflikten beim Vertreterhandeln für mehrere Personen begegnen soll6. Es bleibt insoweit nur die Möglichkeit, die damit verbunden Risiken (zumindest vorübergehend) hinzunehmen oder den Weg des normalen Gründungsverfahrens einzuschlagen7. Nicht abschließend geklärt ist, ob entsprechend der Regelung des Gründungsformulars auch für weitere Geschäftsführer die Befreiung von § 181 BGB gilt oder ob eine Befreiung von § 181 BGB entsprechend den allgemeinen Grundsätzen erfolgt (10. Aufl., § 35 Rdnr. 98 ff.), also nach h.M. zumindest einer Satzungsgrundlage bedürfte. Die gesetzliche Regelung erscheint in dieser Hinsicht nicht hinreichend klar. Es empfiehlt sich daher, die Frage anlässlich der Bestellung weiterer Geschäftsführer ausdrücklich in der Satzung zu regeln8. Der Wortlaut des Musterprotokolls spricht aber dafür, dass die Befreiung von den Beschränkungen des § 181 BGB konkret und personenbezogen nur auf den ersten Geschäftsführer gemünzt ist. Da das Verbot des § 181 BGB dem gesetzlichen Regelfall der Verhinderung von 1 OLG Stuttgart, NZG 2009, 754; OLG Hamm, NZG 2009, 1431; OLG Bremen, NJW 2010, 542; OLG Celle, GmbHR 2011, 305; Formulierung bei Wicke, NotBZ 2009, 1, 9. 2 LG Stralsund, NZG 2009, 915, 916; Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 25. 3 Wälzholz, GmbHR 2008, 841, 842. 4 J. Mayer, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 245; Wälzholz, GmbHR 2008, 841, 842 m.w.N. 5 Vgl. Wicke, NotBZ 2009, 1, 9; s. dazu auch OLG Stuttgart, NZG 2009, 754, 755. 6 Heidinger/Blath, ZNotP 2010, 376, 383. 7 J. Mayer, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 247. 8 S. auch Plückelmann, GWR 2009, 385.

Wicke

137

§2

Form des Gesellschaftsvertrages

Interessenkonflikten entspricht, kann ohne eindeutige abweichende Regelung nicht von einer Befreiung auch für einen anderen Geschäftsführer ausgegangen werden, gleich ob dieser ergänzend zu dem ursprünglichen Geschäftsführer oder als Nachfolger an dessen Stelle tritt1. Die Befreiung des ersten Geschäftsführers von den Beschränkungen des § 181 BGB ist demgemäß als eine einmalige durch das Musterprotokoll angeordnete Suspendierung des Verbots des In-Sich-Geschäfts zu begreifen, der insoweit eine begrenzte materielle Satzungsqualität zukommt2. Die ursprünglich bestehende Befreiung des ersten Geschäftsführers von den Beschränkungen des § 181 BGB kann daher auch nachträglich durch einfachen Gesellschafterbeschluss aufgehoben werden3. Nach Auffassung des OLG Stuttgart soll bei späterer Bestellung weiterer Geschäftsführer die dem ersten Geschäftsführer erteilte Befreiung sogar automatisch entfallen4. Demgegenüber ist mit der h.M. in der Literatur davon auszugehen, dass die Befreiung des ersten Geschäftsführers von den Beschränkungen des § 181 BGB in Ermangelung einer abweichenden Beschlussfassung auch nach Bestellung weiterer Geschäftsführer fort gilt, da sich für eine auflösend bedingte Befreiung weder im Wortlaut des Musterprotokolls, noch in den Gesetzesmaterialien eine Stütze findet und eine entsprechende Regelung nicht praxiskonform wäre5.

4. Weitere Einzelheiten des „vereinfachten Verfahrens“ a) Urkundeneingang 103 Da die Gründung auch im vereinfachten Verfahren der notariellen Beurkundung bedarf, beginnt der Text des Musterprotokolls mit den üblichen Angaben zum Urkundseingang, der Nummer der Urkundenrolle, dem Datum der Errichtung der Niederschrift, den Personen der Erschienenen sowie dem Namen und dem Amtssitz des Notars. Neben der Bezeichnung des oder der Gesellschafter und den Angaben zur notariellen Identitätsfeststellung sind nach den gesetzlichen Anmerkungen zu dem Musterprotokoll ggf. der Güterstand und die Zustimmung des Ehegatten sowie die Angaben zu einer etwaigen Vertretung zu vermerken. Aus beurkundungsrechtlichen Gründen sind weitere Ergänzungen vorzunehmen, die je nach Fallgestaltung variieren können und mit dem vereinfachten Verfahren gemäß § 2 Abs. 1a vereinbar sind (s. unten Rdnr. 112)6. Nach 1 So im Ergebnis auch die inzwischen ganz h.M., vgl. OLG Stuttgart, NZG 2009, 754, 755; OLG Hamm, GmbHR 2011, 87; Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 23; abweichend Sandhaus, NJW Spezial 2009, 607, 608; für einen nachfolgenden Alleingeschäftsführer auch Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 56. 2 Vgl. auch Melchior, notar 2010, 305, 306; Herrler, GmbHR 2010, 960, 964. 3 Tebben, RNotZ 2008, 441, 444; a.A. Heidinger/Blath, ZNotP 2010, 402, 404 sowie Sandhaus, NJW Spezial 2009, 607. Nach Aufhebung der Befreiung kann angesichts des einmaligen Charakters der Anordnung im Musterprotokoll ohne Satzungsänderung nachträglich nicht erneut Befreiung erteilt werden. 4 OLG Stuttgart, NZG 2009, 754; in diese Richtung auch Westermann, in: Scholz, 10. Aufl. 2010, Nachtrag MoMiG § 2 Abs. 1a Rdnr. 9. 5 S. Ries, NZG 2009, 739, 740; Miras, DB 2010, 2488; Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 24; Wachter, GmbHR 2009, 785, 791; Plückelmann, GWR 2009, 385. 6 J. Mayer, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 236 f.; Jaeger, in: BeckOK, Rdnr. 74; Heckschen, DStR 2009, 166, 168; Römermann, in: GmbHR-Sonderheft MoMiG, 2008, S. 16, 19; Tebben, RNotZ 2008, 441, 444.

138

Wicke

§2

Form des Gesellschaftsvertrages

§ 9 Abs. 2 BeurkG soll die Niederschrift den Ort der Verhandlung enthalten, der nicht mit dem Amtssitz übereinstimmen muss. Wenngleich es sich um eine „Sollvorschrift“ handelt, deren Verletzung nicht zur Unwirksamkeit der Beurkundung führt, folgt hieraus doch eine Amtspflicht des Notars, die von diesem strikt zu beachten ist1. Aus der Niederschrift „soll“ gemäß § 10 Abs. 2 BeurkG zudem hervorgehen, ob der Notar die Beteiligten kennt oder wie er sich Gewissheit über ihre Person verschafft hat2. Bei der Feststellung der Beteiligten ist nicht nur § 26 DONot zu beachten, sondern ebenso die erweiterte Identifizierungspflicht nach dem Geldwäschebekämpfungsgesetz (GWG)3. Aufzunehmen ist gemäß § 13 Abs. 1 Satz 2 BeurkG ferner die Schlussformel. Als weitere beurkundungsrechtlich geforderte Angaben können Vermerke zu Zweifeln hinsichtlich der Geschäftsfähigkeit, über die Zuziehung von Zeugen oder eines Dolmetschers und bei Anwaltsnotaren über das Fehlen einer Vorbefassung nach § 3 Abs. 1 Nr. 7 BeurkG zu ergänzen sein. b) Errichtung der Gesellschaft, Firma und Sitz (Nr. 1) Dem Urkundeneingang folgen die Erklärungen des bzw. der Erschienenen zur 104 Errichtung der Gesellschaft mit beschränkter Haftung unter Angabe von deren Firma und Sitz und unter ausdrücklicher Bezugnahme auf § 2 Abs. 1a als Regelungsstandort des vereinfachten Verfahrens. Mit der Benennung als „Gesellschaft mit beschränkter Haftung“ wird sowohl die „klassische“ GmbH, als auch die Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt) zutreffend bezeichnet, die nach Maßgabe des § 5a als Rechtsformvariante der GmbH zu begreifen ist4. Hinsichtlich der Firmierung gelten die allgemeinen Grundsätze (vgl. § 4), der Rechtsformzusatz GmbH oder Gesellschaft mit beschränkter Haftung bzw. Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt) oder UG (haftungsbeschränkt) ist beizufügen. Dem Notar fällt bei der Beratung der Beteiligten über die Zulässigkeit der Firmenwahl und die insoweit bestehenden, nicht unkomplizierten rechtlichen Fragestellungen, die er ggf. mit dem Handelsregister und der Industrie- und Handelskammer abstimmen kann, eine wesentliche Funktion zu, die auch im Gesetzgebungsverfahren als wichtiges Argument für die Beibehaltung der Beurkundungspflicht im vereinfachten Gründungsverfahren angesehen wurde5. Als Sitz der Gesellschaft ist entsprechend den Vorgaben des § 4a der Satzungssitz anzugeben und nicht ein etwa davon abweichender Verwaltungssitz, der nach neuer Rechtslage auch im Ausland liegen kann6.

1 Vgl. Limmer, in: Eylmann/Vaasen, 3. Aufl. 2011, § 9 BeurkG Rdnr. 26. 2 Winkler, § 10 BeurkG Rdnr. 48. 3 J. Mayer, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 236; s. dazu Winkler, § 10 BeurkG Rdnr. 25 ff. 4 Römermann, in: GmbHR-Sonderheft MoMiG, 2008, S. 16, 20; J. Mayer, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 239; s. auch unten Rdnr. 112. 5 Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 14; Wälzholz, MittBayNot 2008, 425, 427; Römermann, in: GmbHR-Sonderheft MoMiG, 2008, S. 16, 20. 6 Heckschen, Das MoMiG in der notariellen Praxis, Rdnr. 286; Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 14.

Wicke

139

§2

Form des Gesellschaftsvertrages

c) Unternehmensgegenstand (Nr. 2) 105 Der Unternehmensgegenstand kann bei der Gründung im vereinfachten Verfahren frei gewählt werden und ist entsprechend den üblichen Vorgaben hinreichend zu individualisieren1. Die Mustersatzung nach dem Regierungsentwurf hatte hingegen lediglich drei Varianten für den Unternehmensgegenstand vorgesehen, von denen (nur) eine durch Ankreuzen auszuwählen war. Jede der vorgegebenen Alternativen („Erbringung von Dienstleistungen“, „Handel mit Waren“ und „Produktion von Waren“) war so allgemein gefasst, dass sie nach geltendem Recht nicht eintragungsfähig gewesen wären2. Damit wären auch die Anforderungen an die Individualisierung des Unternehmensgegenstands generell in Frage gestellt worden, wie sie von der Rechtsprechung im Laufe der Jahrzehnte heraus gebildet wurden, und angesichts der geringen Aussagekraft der zur Auswahl stehenden Varianten der Sinn einer entsprechenden Angabe überhaupt. Der Gesetzgeber hat daher zu Recht von seinem ursprünglichen Vorhaben wieder Abstand genommen3. d) Stammkapital, Geschäftsanteil, Einlage (Nr. 3) 106 Das Stammkapital muss auf volle Euro lauten und kann im Fall der UG (haftungsbeschränkt) zwischen 1 und 24 999 Euro liegen, bei der klassische GmbH muss es 25 000 Euro oder mehr betragen. Eine Obergrenze ist für das Stammkapital auch im vereinfachten Verfahren nicht vorgesehen4. Abweichend von § 5 Abs. 2 Satz 2 kann jeder Gesellschafter bei Verwendung des Musterprotokolls nur einen Geschäftsanteil übernehmen5. Eine nachträgliche Teilung der Geschäftsanteile nach Maßgabe von § 46 Nr. 4 ist dadurch aber nicht ausgeschlossen6. Die Bezeichnung als „Geschäftsanteil Nr. 1“ (bzw. als Nr. 2 und 3 bei der Mehrpersonengründung) ist darauf zurück zu führen, dass dem Musterprotokoll gleichzeitig die Funktion der Gesellschafterliste zukommt, bei welcher die Anteile gemäß § 8 Abs. 1 Nr. 3 und § 40 Abs. 1 Satz 1 im Interesse ihrer eindeutigen Identifizierung und zur Vermeidung von Übertragungsmängeln zu nummerieren sind7. Nach allgemeinen Grundsätzen müssen die Geschäftsanteile auf volle Euro lauten (§ 5 Abs. 2 Satz 1) und die Summe der Nennbeträge sämtlicher Geschäftsanteile dem Betrag des Stammkapitals entsprechen (§ 5 Abs. 3 Satz 2).

1 S. i.e. dazu Wicke, in: MünchKomm. GmbHG, § 3 Rdnr. 13 ff. 2 Vgl. Schröder/Cannivé, NZG 2008, 1; Heckschen, DStR 2007, 1442, 1444. 3 Vgl. auch Heckschen, Das MoMiG in der notariellen Praxis, Rdnr. 290; Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 15; Wicke, in: MünchKomm. GmbHG, § 3 Rdnr. 12. 4 Römermann, in: GmbHR-Sonderheft MoMiG, 2008, S. 16, 21; anders insoweit etwa die spanische Sociedad Limitada Nueva Empresa (SLNE), vgl. Müller/Müller, GmbHR 2006, 583, 586. 5 Soweit eine Mehrpersonengründung nicht durch drei, sondern nur durch zwei Gesellschafter erfolgt, ist das dritte für einen weiteren Gesellschafter vorgesehene Feld zu streichen, auch wenn dies nicht ausdrücklich aus dem Musterprotokoll und den amtlichen Hinweisen hervor geht. Vgl. Römermann, in: GmbHR-Sonderheft MoMiG, 2008, S. 16, 24; J. Mayer, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 251. 6 Wicke, Rdnr. 16; J. Mayer, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 242. 7 Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 16; Römermann, in: GmbHR-Sonderheft MoMiG, 2008, S. 16, 21; ferner Wicke, MittBayNot 2010, 283.

140

Wicke

§2

Form des Gesellschaftsvertrages

Die Einlagen sind nach dem Wortlaut des Musterprotokolls in Geld zu erbrin- 107 gen, eine Sachgründung im Sinne des § 5 Abs. 4 ist damit ausgeschlossen. Werden dennoch anstelle der Bareinlagen verdeckte Sacheinlagen erbracht, ist zu differenzieren. Bei der klassischen GmbH beurteilen sich die Rechtsfolgen nach zutreffender Auffassung gemäß der Vorschrift des § 19 Abs. 4, da es sich bei dem Musterprotokoll und den darin enthaltenen Regelungen lediglich um eine aus Kostengründen angeordnete Verfahrensvereinfachung handelt; demgegenüber ist das für die UG (haftungsbeschränkt) maßgebliche Sacheinlageverbot des § 5a Abs. 2 Satz 2 auch im Gläubigerinteresse begründet1. Ein Hin- und Herzahlen der Bareinlage ist im vereinfachten Verfahren bei der klassischen GmbH unter den Voraussetzungen des § 19 Abs. 5 zulässig2, nach zutreffender Auffassung aber nicht bei der UG (haftungsbeschränkt)3. Die Einlagen sind alternativ in voller Höhe oder zur Hälfte sofort, im Übrigen nach Einforderung durch die Gesellschafterversammlung zu zahlen; abweichend von § 7 Abs. 2 Satz 1 genügt daher die Einzahlung von einem Viertel des Nennbetrags des übernommenen Geschäftsanteils nicht. Im Fall der UG (haftungsbeschränkt) sind die Einlagen gemäß § 5a Abs. 2 Satz 1 zwingend vollständig zu leisten. e) Geschäftsführer und Vertretung (Nr. 4) 108

S. dazu oben Rdnr. 100 ff. f) Gründungskosten (Nr. 5)

Die Kosten der Gründung einer GmbH müssen entsprechend § 26 AktG in ih- 109 rem zu erwartenden Gesamtumfang in der Satzung beziffert sein, sofern den Gesellschaftern ein Erstattungsanspruch gegen die GmbH zustehen soll4. Demgemäß ist unter Nr. 5 des Musterprotokolls vorgesehen, dass die Gesellschaft die mit der Gründung verbundenen Kosten trägt, allerdings nur bis zu einem Gesamtbetrag von 300 Euro bzw. höchstens bis zum Betrag des Stammkapitals. Darüber hinausgehende Kosten tragen der oder die Gesellschafter. Sinn dieser Begrenzung ist es zu verhindern, dass die Gesellschaft von vornherein überschuldet in den Rechtsverkehr tritt und den Geschäftsführer unmittelbar eine Insolvenzantragspflicht trifft5. Mithilfe des Gesamtbetrags von 300 Euro bzw. einem darunter liegenden Stammkapital können aber im Wesentlichen nur die

1 Vgl. auch Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 54; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 17; Wicke, Rdnr. 16; Witt, ZIP 2009, 1102; Römermann, in: GmbHR-Sonderheft MoMiG, 2008, S. 16, 21; Schäfer, in: Bork/Schäfer, Rdnr. 58; Schall, ZGR 2009, 126, 152; Herrler/König, DStR 2010, 2138, 2141; a.A. Bormann/Urlichs, in: GmbHR-Sonderheft MoMiG, 2008, S. 37, 42; zur Problematik im Rahmen des § 5a Abs. 2 Satz 2 s. Wicke, § 5a Rdnr. 8; ferner unten § 5a Rdnr. 16 ff. 2 Heidinger/Blath, ZNotP 2010, 376, 380; J. Mayer, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 243. 3 Vgl. auch Westermann, unten § 5a Rdnr. 17; Wicke, § 5a Rdnr. 7; Weber, BB 2009, 845; a.A. Roth, in: Roth/Altmeppen, § 5a Rdnr. 12; Rieder, in: MünchKomm. GmbHG, § 5a Rdnr. 24. 4 Vgl. OLG Hamburg, GmbHR 2011, 766; OLG Frankfurt, NZG 2010, 593; BGH, NJW 1989, 1610; Wicke, § 5 Rdnr. 19. 5 Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 48; Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 26; Tebben, RNotZ 2008, 441, 444.

Wicke

141

§2

Form des Gesellschaftsvertrages

Kosten von Notar und Registergericht1, nicht aber sonstige Aufwendungen, wie insbesondere Honorare für Rechtsanwälte oder Steuerberater beglichen werden, die im Übrigen zwingend von den Gründern aufzubringen sind2. Anzugeben ist lediglich der Gesamtbetrag der Gründungskosten, eine Einzelaufstellung ist nicht vorgesehen und damit auch nicht zulässig3. Die Bestimmung in der Satzung über den Gründungsaufwand muss auch bei einer mit Musterprotokoll gegründeten Gesellschaft für die Dauer von fünf Jahren beibehalten werden4. Das Änderungsverbot innerhalb der Sperrfrist steht aber redaktionellen Änderungen und sprachlichen Neufassungen der ursprünglichen Festsetzung nicht entgegen, sofern nur deren substanzieller Inhalt, nämlich der Höchstbetrag des von der Gesellschaft zu tragenden Aufwands, unverändert bleibt5. g) Erteilung von Ausfertigungen und Abschriften (Nr. 6) 110 Das Musterprotokoll legt unter Nr. 6 fest, wer Ausfertigungen und (beglaubigte) Abschriften erhalten soll (§ 51 Abs. 1, 3 BeurkG) und trägt damit gleichzeitig notariellen Mitteilungspflichten Rechnung (§ 51 Abs. 4 BeurkG). Entgegen den Vorgaben der Vorschrift des § 54 EStDV ist (wohl als Folge eines Redaktionsversehens des Gesetzgebers) vorgesehen, dass das Finanzamt für Körperschaften nur eine einfache und nicht eine beglaubigte Abschrift erhalten soll6. Die Beteiligten können weitere Ausfertigungen und Abschriften verlangen, eine Aufnahme in das Musterprotokoll erfolgt insoweit aber nicht7. h) Notarielle Hinweise (Nr. 7) 111 Unter Nr. 7 des Musterprotokolls wird schließlich die Möglichkeit eröffnet, dass die vom Notar anlässlich der Beurkundung gegebenen Hinweise dokumentiert werden. Die Belehrungspflicht des Notars nach Maßgabe des § 17 BeurkG besteht aufgrund der Beurkundung des Musterprotokolls ebenso wie die Vollzugspflicht gemäß § 53 BeurkG im Rahmen des vereinfachten Verfahrens ohne Einschränkungen8. Da der Notar hinsichtlich der Ausgestaltung des Beurkundungsverfahrens grundsätzlich frei ist und sich die erforderlichen Belehrungen auch bei einem standardisierten Gründungsprozess nicht abstrakt für alle Fälle antizipieren lassen, sieht das Musterprotokoll von einer Vorformulierung ent-

1 Bei der Mehrpersonengründung einer klassischen GmbH wird dieser Betrag bereits durch Beurkundungskosten (168 Euro zzgl. Mwst. und Auslagen) und Eintragungskosten (150 Euro) überschritten. Vgl. auch J. Mayer, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 251. 2 J. Mayer, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 248; Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 26. 3 Vgl. auch Weiler, DNotZ 2011, 462; Wachter, NZG 2010, 734, 736. 4 Vgl. OLG München, ZIP 2010, 2096; a.A. Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, § 5 Rdnr. 57: zehn Jahre. 5 Vgl. OLG München, ZIP 2010, 2096, 2097: Neufassung der ursprünglichen Ziffer 5 des Musterprotokolls nach einer Kapitalerhöhung von 2 Euro auf 10 Euro, wie folgt, zulässig: „Die mit der Errichtung der Gesellschaft verbundenen Kosten und Gebühren hat die Gesellschaft bis zu einem Höchstbetrag von 2 Euro zu tragen.“ 6 Heckschen, DStR 2009, 166, 167; Heidinger/Blath, ZNotP 2010, 376, 380. 7 Heckschen, Das MoMiG in der notariellen Praxis, Rdnr. 300; anders wohl J. Mayer, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 249. 8 Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 17; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 19.

142

Wicke

§2

Form des Gesellschaftsvertrages

sprechender Hinweise ab1. Die Bedeutung von Belehrungsvermerken liegt vornehmlich darin, im Fall der Geltendmachung von Amtshaftungsansprüchen gegen den Notar aufgrund § 19 BNotO Beweis darüber zu erbringen, dass eine gebotene Belehrung tatsächlich erfolgt ist2. Es empfiehlt sich vor diesem Hintergrund, die für die „klassische“ GmbH schon bislang üblichen Hinweise auch bei der Gründung im vereinfachten Verfahren aufzunehmen. In der Literatur werden darüber hinaus überwiegend Belehrungen über die Risiken einer Verwendung des Musterprotokolls, etwa im Hinblick auf die Befreiung des Geschäftsführers von den Beschränkungen des § 181 BGB oder die Unzulänglichkeiten des Musterprotokolls als solche, für erforderlich gehalten3. Tatsächlich wird in der Praxis, vom Fall der Gründung einer UG (haftungsbeschränkt) mit nur einem Gesellschafter-Geschäftsführer abgesehen, von der Verwendung des Musterprotokolls regelmäßig abzuraten sein und der Notar die Beteiligten hierüber entsprechend aufklären müssen4. Da der Gesetzgeber aber ausdrücklich ein eigenständiges Musterprotokoll für mehrere Personen mit einer Befreiung des Geschäftsführers von den Beschränkungen des § 181 BGB vorgesehen hat, dürften aus dem Unterbleiben eines entsprechenden Hinweises im Normalfall keine Haftungskonsequenzen resultieren. Bei Gründung einer UG (haftungsbeschränkt) mit nur sehr geringem Stammkapital wird grundsätzlich (und unabhängig vom vereinfachten Verfahren) eine Belehrung über die Insolvenzantragspflicht im Fall der Überschuldung bzw. Zahlungsunfähigkeit geboten sein.

5. Abweichungen vom Musterprotokoll (§ 2 Abs. 1a Satz 3) a) Keine „vom Gesetz abweichenden Bestimmungen“ Bei Verwendung des Musterprotokolls dürfen nach § 2 Abs. 1a Satz 3 darüber hi- 112 naus „keine vom Gesetz abweichenden Bestimmungen“ getroffen werden. Diese Formulierung ist mehrdeutig und bedarf der Auslegung. Gemeint sind damit nicht etwa Änderungen gegenüber dem GmbH-Gesetz im Allgemeinen, vielmehr sind Abweichungen und auch Ergänzungen grundsätzlich nur zulässig, wenn dies im Musterprotokoll ausdrücklich vorgesehen ist und keine zwingenden gesetzlichen Vorschriften entgegenstehen5. So würde die Zulassung weiterer Regelungen, wie eine Einziehungsklausel oder eine umfassendere Vertretungsregelung in der Satzung oder die Aufnahme von Abwicklungsvollmachten den Unterschied zwischen vereinfachtem Verfahren und normaler GmbH-Gründung verwischen und die Zielsetzung des Gesetzgebers, eine schnelle Gründung ohne größere Prüfung durch das Registergericht zu ermöglichen, konterkarieren6. Kei-

1 Vgl. J. Mayer, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 250. 2 Vgl. dazu Hertel, in: Staudinger, Vorbemerkungen zu §§ 127a und 128: Beurkundungsgesetz, Neubearbeitung 2012, Rdnr. 537 ff. 3 Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 57; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 50; J. Mayer, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 250; Römermann, in: GmbHR-Sonderheft MoMiG, 2008, S. 16, 24. 4 S. unten Rdnr. 122. 5 Römermann, in: GmbHR-Sonderheft MoMiG, 2008, S. 16, 24; J. Mayer, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 232. 6 Römermann, in: GmbHR-Sonderheft MoMiG, 2008, S. 16, 24; J. Mayer, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 232.

Wicke

143

§2

Form des Gesellschaftsvertrages

ne abweichenden Bestimmungen im Sinne des § 2 Abs. 1a Satz 3 liegen aber vor, soweit es sich um beurkundungsrechtlich gebotene Zusätze handelt1. Entsprechendes gilt, wenn der Urkundeneingang aus Zweckmäßigkeitsgründen anders formuliert oder die Notarurkunde mit einer Überschrift versehen wird2. Keine unzulässigen Änderungen des Musterprotokolls stellen nach der Rechtsprechung des OLG München und des OLG Düsseldorf ferner völlig unbedeutende Abwandlungen bei Zeichensetzung, Satzstellung und Wortwahl dar, die keinerlei Auswirkungen auf den Inhalt haben3. Dies wäre etwa beim Einsatz der weiblichen Form („Die Erschienene“) oder Abkürzungen („geb.“) und u.U. auch bei Schreibfehlern anzunehmen4. Unschädlich sind auch das Weglassen der vom Gesetzgeber in den Fußnoten gegebenen Erläuterungen, die Änderung der äußeren Gestaltung der Urkunde oder die Verwendung einer anderen Schriftart oder Schriftgröße, da der in der Verfahrensbeschleunigung liegende Zweck von vornherein nicht berührt wird5. Generell nicht vereinbar mit dem vereinfachten Verfahren ist es hingegen, den Text des Musterprotokolls umzuformulieren oder andere als die im Musterprotokoll vorgesehenen oder das Beurkundungsverfahren betreffende Ergänzungen vorzunehmen6. Problematisch ist daher insbesondere jede Änderung der die Gründung der GmbH betreffenden Erklärungen in den Ziffern 1 bis 5, soweit sie nicht rein äußerlich-formaler Art sind, sondern Auswirkungen auf den Inhalt haben. Bei Gründung einer UG (haftungsbeschränkt), die keine eigenständige Rechtsform ist, sondern nur eine Rechtsformvariante der GmbH, wird vertreten, dass in Ziffer 1 des Musterprotokolls die Worte „Gesellschaft mit beschränkter Haftung“ nicht durch „Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt)“ ersetzt werden dürften7. b) Rechtsfolgen 113 In Fällen einer unzulässigen Abweichung vom Musterprotokoll, wie etwa bei einer Gründung durch mehr als drei Gesellschafter, bei Vorhandensein von zwei oder mehreren Geschäftsführern oder bei einem höher festgesetzten Gründungsaufwand, liegt eine „normale“ GmbH-Gründung vor, für welche die Erleichterungen des § 2 Abs. 1a nicht gelten, sondern die allgemeinen Regelungen für die 1 OLG Düsseldorf, DStR 2011, 2106; Wicke, NotBZ 2009, 1, 8; Heidinger/Blath, ZNotP 2010, 376, 378; Heckschen, Das MoMiG in der notariellen Praxis, Rdnr. 304. 2 So LG Chemnitz, ZIP 2010, 34; OLG München, GmbHR 2010, 1262; im Ergebnis zustimmend Wachter, EWiR, § 2 GmbHR 1/10, Rdnr. 19; noch weitergehend wohl Tebben, RNotZ 2008, 441, 444: Feststellungen und Erklärungen in der Urkunde, die den Inhalt des Gesellschaftsvertrags sowie die Bestimmungen über die Geschäftsführung nicht betreffen, sind keine „abweichenden Bestimmungen“. 3 S. OLG München, GmbHR 2010, 1262; vorgesehen waren u.a. Spiegelstriche statt Klammern bei der Angabe der Nennbeträge, „in Worten“ war nicht abgekürzt, sondern ausgeschrieben, die Adresse des Geschäftsführers wurde nicht wiederholt, der gleichzeitig Gesellschafter war; zustimmend OLG Düsseldorf, DStR 2011, 2106; s. auch Wicke, Rdnr. 18. 4 Heckschen, Das MoMiG in der notariellen Praxis, Rdnr. 302. 5 Heidinger/Blath, ZNotP 2010, 376, 379; Herrler/König, DStR 2010, 2138, 2140. 6 Herrler/König, DStR 2010, 2138, 2140; Heckschen, Das MoMiG in der notariellen Praxis, Rdnr. 302. 7 Herrler/König, DStR 2010, 2138, 2140; OLG Düsseldorf, DStR 2011, 2106, 2107: „Einpersonen-Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt)“.

144

Wicke

§2

Form des Gesellschaftsvertrages

Gründung einer GmbH Anwendung finden1. Da § 2 Abs. 1a Satz 4 keine Anwendung findet, ist als Folge zusätzlich eine Gesellschafterliste einzureichen, zudem entfällt die kostenrechtliche Privilegierung des § 41d KostO. Weiter gehende Sanktionen, wie die Annahme von Nichtigkeit der abweichenden Bestimmung gemäß § 134 BGB oder gar nach § 139 BGB des gesamten Gründungsakts erscheinen nicht gerechtfertigt, zumal dies dem generellen Anliegen des Reformgesetzgebers, GmbH-Gründungen zu beschleunigen, zuwider laufen würde2. Demgegenüber soll nach Auffassung des OLG München auch ein neuer Gesell- 114 schaftsvertrag vorzulegen sein. Das Musterprotokoll könne im „normalen“ Verfahren“ zur Gründung einer GmbH nicht Grundlage für den Nachweis der darin zusammen gefassten Dokument sein, für die Befreiung des Geschäftsführers vom Verbot des Selbstkontrahierens gemäß § 181 BGB bedürfe es nach h.M. zudem einer satzungsmäßigen Grundlage3. Dem ist entgegen zu halten, dass das Musterprotokoll sämtliche Anforderungen an den Mindestinhalt des Gesellschaftsvertrags gemäß § 3 Abs. 1 erfüllt. Eine zwingende gesetzliche Vorschrift, die eine Zusammenfassung von Gründungsakt, Satzung und Geschäftsführerbestellung zu einem einheitlichen Dokument verbieten würde, besteht nicht4, in den Text des Statuts einer GmbH können wohl unstreitig auch sog. unechte Satzungsbestandteile aufgenommen werden, die materiell nicht die Qualität einer gesellschaftsvertraglichen Regelung haben5. Der Befreiung des ersten Geschäftsführers von den Beschränkungen des § 181 BGB im Rahmen des Musterprotokolls kommt als eine einmalig angeordnete Suspendierung des Verbots des In-Sich-Geschäfts entgegen der Auffassung des OLG München durchaus eine begrenzte materielle Satzungsqualität zu6. Dem Verweis im Musterprotokoll auf § 2 Abs. 1a kann darüber hinaus nicht der objektive Erklärungswert beigelegt werden, die Gesellschafter wünschten die Errichtung im Wege des vereinfachten Verfahrens auch um den Preis der fehlenden Eintragungsfähigkeit7; die Beseitigung etwaiger daraus resultierender Unklarheiten, die lediglich interne Bedeutung für die Gesellschafter haben, kann durch das Registergericht auf der Grundlage des § 9c auch nicht verlangt werden, selbst wenn die Auslegung nicht zu einem eindeutigen Verständnis führt8.

1 Insoweit wohl allgemeine Auffassung, vgl. nur Wicke, Rdnr. 18; J. Mayer, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 233; Michalski, in: Michalski, Rdnr. 123; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 55. 2 H.M. in der Literatur, vgl. J. Mayer, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 233; Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 32; Tebben, RNotZ 2008, 441, 444; Römermann, in: GmbHR-Sonderheft MoMiG, 2008, 16, 19; Heidinger/Blath, ZNotP 2010, 376, 385; Schäfer, in: Bork/Schäfer, Rdnr. 56; Michalski, in: Michalski, Rdnr. 123; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 18; Pfisterer, in: Saenger/Inhester, Rdnr. 54. 3 OLG München, GmbHR 2010, 755 m. krit. Komm. Wachter. 4 Römermann, in: GmbHR-Sonderheft MoMiG, 2008, S. 16, 19. 5 Vgl. Wicke, DNotZ 2006, 419; Herrler, GmbHR 2010, 960, 964. 6 S. oben Rdnr. 102. 7 Herrler, GmbHR 2010, 960, 964; Heidinger/Blath, ZNotP 2010, 376, 385; Heckschen, Das MoMiG in der notariellen Praxis, Rdnr. 306. 8 Vgl. Wicke, in: MünchKomm. GmbHG, § 9c Rdnr. 9 m.w.N.

Wicke

145

§2

Form des Gesellschaftsvertrages

6. Satzungsänderungen a) Anwendung der allgemeinen Vorschriften (§§ 53 f.) und Kostenprivileg (§ 41d KostO) 115 Im Fall einer Änderung der im Musterprotokoll enthaltenen gesellschaftsvertraglichen Regelungen sind die allgemeinen Vorgaben der §§ 53 f. einzuhalten1. Die Kostenprivilegierung des § 41d KostO kommt bei Satzungsänderungen unter der Voraussetzung zur Anwendung, dass von dem Musterprotokoll „nicht abgewichen wird“. Es besteht daher auch insoweit Wahlfreiheit der Gesellschafter, ob sie sich bei einer Satzungsänderung weiter im engen Rahmen des Musterprotokolls mit Kostenprivileg bewegen möchten oder ob sie ein maßgeschneidertes Rechtsgewand unter Aufgabe des Kostenprivilegs bevorzugen2. b) Anpassung des Texts des Musterprotokolls? 116 Nicht abschließend geklärt ist allerdings, wie die Formulierung nachträglicher Änderungen zu gestalten ist, ohne die durch das Musterprotokoll vorgegebenen Grenzen überschreiten zu müssen3. Nach einer zutreffenden Entscheidung des OLG Düsseldorf kann eine vollständige Neufassung des Gesellschaftsvertrags nicht verlangt werden4. Die Verwendung des Musterprotokolls bei der Gründung der Gesellschaft zwingt hingegen nach Auffassung des OLG München nicht dazu, bei späteren Änderungen der Satzung die nur auf die Gründung bezogenen Formulierungen beizubehalten, obwohl diese später inhaltlich falsch und irreführend sind. Vielmehr könne insoweit vom Registergericht zur Vermeidung von Widersprüchen sogar eine redaktionelle Anpassung der sprachlichen Fassung verlangt werden5. Dies wurde insbesondere für Firma und Sitz bejaht, da diese Angaben im Musterprotokoll im selben Satz enthalten sind mit dem – einmalig – die Errichtung der Gesellschaft erfolgt6. Entsprechendes wird auch für eine spätere Änderung des Unternehmensgegenstands oder des Stamm-

1 OLG München, GmbHR 2010, 40; Heidinger/Blath, ZNotP 2010, 402, 407; Wicke, Rdnr. 19; Michalski, in: Michalski, Rdnr. 122; Jaeger, in: BeckOK, Rdnr. 74a. 2 Omlor/Spies, GmbHR 2010, 759, 760. 3 Kallweit, GmbHR 2010, 312, 313; Herrler/König, DStR 2010, 2138, 2143; Wicke, Rdnr. 19. 4 OLG Düsseldorf, GmbHR 2010, 757 m. zust. Komm. Omlor/Spies. Zustimmend auch Herrler/König, DStR 2010, 2138, 2143. Das Registergericht hatte hingegen bei einer Änderung des Unternehmensgegenstands verlangt, „durch Erstellung einer geänderten Satzung mit Notarbescheinigung gemäß § 54 Abs. 1 mit den Mindestbestandteilen nach Maßgabe des § 3 Abs. 1 bzw. durch Wiedergabe lediglich der Ziffer 1 bis 5 des Musterprotokolls – unter Streichung aller auf die Gründung verweisenden Formulierungen“ möglichen Missverständnissen zu begegnen; a.A. auch Heckschen, Das MoMiG in der notariellen Praxis, Rdnr. 324. 5 OLG München, GmbHR 2010, 312; OLG München, GmbHR 2010, 922; OLG München, GmbHR 2010, 1263. 6 Die Nummer 1 des Musterprotokolls könnte demgemäß etwa wie folgt umformuliert werden: „Die Gesellschaft führt die Firma X GmbH und hat ihren Sitz in M“ (s. auch Herrler/König, DStR 2010, 2138, 2143). Zur Regelung der Gründungskosten s. auch OLG München, GmbHR 2010, 1263 und oben S. 142 Fn. 5.

146

Wicke

§2

Form des Gesellschaftsvertrages

kapitals1 angenommen, da sich der Einleitungssatz auf den gesamten nachfolgenden Text beziehe2. Für nicht ausreichend zur Beseitigung von Unklarheiten hielt das OLG München bei einer Kapitalerhöhung neben dem bloßen Austausch der Kapitalziffer eine Formulierung zu den neuen Gesellschaftern, wonach diese die Geschäftsanteile „halten“ und nicht „übernehmen“, solange die neue Satzung noch die Überschrift „Errichtung einer Unternehmergesellschaft“ und die Fassung des Eingangssatzes „wird errichtet“ beibehält3. Der Ansatz des OLG München ist so zu begreifen, dass regelmäßig lediglich die punktuelle Abänderung einzelner Formulierungen des Musterprotokolls und nicht die Neufassung des gesamten Gesellschaftsvertrags verlangt werden kann und steht damit nicht im Widerspruch zur Rechtsprechung des OLG Düsseldorf4. Die Auffassung des OLG München verdient Zustimmung, soweit das Gericht die Änderung der nur auf die Gründung bezogenen Formulierungen zulässt, sie erscheint aber nicht zwingend, soweit eine entsprechende Anpassung für erforderlich gehalten wird, da auch bei einer normalen GmbH Gründung mit separater Satzung häufig Angaben beibehalten werden, obwohl sie im Laufe der Zeit unrichtig geworden sind5. In der Praxis ist als Folge dieser Rechtsprechung genau auf eine widerspruchsfreie Formulierung des gesamten Musterprotokolls auch bei der Änderung nur einzelner Satzungsbestimmungen zu achten. Es dürfte andererseits noch im Rahmen der mit § 41d KostO vereinbaren Abweichungen liegen und im Interesse erhöhter Rechtsklarheit und Praktikabilität damit auch empfehlenswert sein, eine Neufassung des Gesellschaftsvertrags mit den weiterhin gültigen gesellschaftsvertraglichen Regelungen des ursprünglichen Musterprotokolls unter Streichung aller auf die Gründung verweisenden Formulierungen zu beschließen6. Aufrechterhalten werden müsste demgemäß der Mindestinhalt des § 3 Abs. 1, wahlweise ohne Übernahmeerklärung(en), die Regelung über die Gründungskosten und ggf. die Bestimmung über den ersten Geschäftsführer und dessen Befreiung von den Beschränkungen des § 181 BGB, sofern diese noch Gültigkeit hat, im Wesentlichen also die Ziffern 1 bis 5 des Musterprotokolls7. 1 OLG München, GmbHR 2010, 922. § 41d KostO gilt für den Kapitalerhöhungsbeschluss allerdings nicht, da die Vorschrift lediglich Beschlüsse mit unbestimmtem Geldwert betrifft, vgl. Bengel/Tiedtke, § 41d KostO Rdnr. 17; Herrler/König, DStR 2010, 2138, 2144. 2 Herrler/König, DStR 2010, 2138, 2143. 3 OLG München, GmbHR 2010, 922, 924. Das OLG München weist aber in der Entscheidung zutreffend darauf hin, dass die Angaben zu den ursprünglichen Geschäftsanteilen und ihren Übernehmern gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 4 in späteren Satzungen entfallen können; s. dazu Wicke, in: MünchKomm. GmbHG, § 3 Rdnr. 55 m.N. zum Streitstand; einschränkend etwa Melchior, notar 2010, 305, 306: Aufhebung nur bei Volleinzahlung oder fünf Jahre nach Eintragung. 4 Vgl. auch OLG Düsseldorf, GmbHR 2010, 757, 758. 5 Vgl. Heidinger/Blath, ZNotP 2010, 402, 406; dies gilt für die Angaben zu den Gründungsgesellschaftern und generell für unechte Satzungsbestandteile, s. Wicke, in: MünchKomm. GmbHG, § 3 Rdnr. 55, 108. 6 Vgl. nunmehr auch Streifzug durch die Kostenordnung, 9. Aufl. 2012, Rdnr. 982. 7 A.A. Herrler/König, DStR 2010, 2138, 2143 und 2144 Fn. 62 (vollständige Satzungsneufassung nicht privilegiert); ebenso DNotI-Report 2010, 217, 219; noch weiter einschränkend Krafka, NotBZ 2010, 110, 111, wonach auch redaktionelle Änderungen in den Variablen des Musterprotokolls nicht privilegiert sind.

Wicke

147

§2

Form des Gesellschaftsvertrages

c) Beifügung von Satzungstext und Satzungsbescheinigung 117 Bei Anmeldung der Satzungsänderung ist gemäß § 54 Abs. 1 Satz 2 der vollständige Wortlaut des Gesellschaftsvertrags mit Notarbescheinigung beizufügen. Es genügt folglich nicht, lediglich die Niederschrift der Gesellschafterversammlung vorzulegen, die im Rahmen der Beschlussfassung über die Änderung auch die neue Fassung der entsprechenden Bestimmungen des Musterprotokolls enthält1. Nicht abschließend geklärt ist die Frage, wie in einem solchen Fall die Satzungsbescheinigung des § 54 Abs. 1 Satz 2 auszugestalten ist. Nach zutreffender Auffassung ist es zulässig, die Satzungsbescheinigung über das vollständige Musterprotokoll in der nunmehr geänderten Form zu erstellen2. Einer Gegenansicht zufolge darf der bescheinigte Satzungstext nur die statutarischen Bestimmungen, verstanden als die Ziffern 1 bis 5, enthalten3. Zu berücksichtigen ist allerdings, dass nach h.M. hinsichtlich überholter bzw unechter Satzungsbestandteile eine Anpassung im Rahmen der Zusammenstellung des Satzungstextes nur erfolgen darf, wenn über die Anpassung ein Gesellschafterbeschluss gefasst worden ist4. Ein solcher Gesellschafterbeschluss wäre nach hier vertretener Auffassung möglich, ohne dass darin eine „Abweichung“ vom Musterprotokoll zu sehen wäre5. d) Satzungsänderungen vor Eintragung 118 Änderungen des Musterprotokolls vor Eintragung der GmbH ins Handelsregister erfolgen nach allgemeinen Grundsätzen durch entsprechende Vereinbarung sämtlicher Gesellschafter6. Soweit Abweichungen gegenüber dem Musterprotokoll erfolgen sollen, führt dies zum Übergang ins normale Gründungsverfahren. Halten sich die Änderungen hingegen im Rahmen des Musterprotokolls, ist eine Nachtragsurkunde mit Satzungsbescheinigung gemäß § 54 Abs. 1 Satz 2 zum Handelsregister einzureichen; es wird aber auch eine Neuausfertigung des Musterprotokolls für zulässig erachtet7.

1 H.M., vgl. OLG München, GmbHR 2010, 40; DNotI-Report 2010, 217, 218; Wicke, Rdnr. 19; Trölitzsch, in: BeckOK, § 54 Rdnr. 5; a.A. Wälzholz, GmbHR 2008, 841, 843; Zöllner, in: Baumbach/Hueck, § 54 Rdnr. 10a. 2 Wicke, NotBZ 2009, 1, 10; Jaeger, in: BeckOK, Rdnr. 74a; Krafka, NotBZ 2010, 110, 111; Melchior, notar 2010, 305, 307. 3 Vgl. DNotI-Report 2010, 217, 218; s. auch Herrler/König, DStR 2010, 2138, 2143; ferner Heckschen, Das MoMiG in der notariellen Praxis, Rdnr. 324: Satzungsbescheinigung nur bei Neufassung der Satzung möglich; s. auch Hasselmann, AnwBl. 2008, 659, 661. 4 Inhester, in: Saenger/Inhester, § 54 Rdnr. 14; Zöllner, in: Baumbach/Hueck, § 54 Rdnr. 11; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, § 54 Rdnr. 4; Priester/Veil, in: Scholz, 10. Aufl., § 54 Rdnr. 18; vgl. auch OLG Düsseldorf, GmbHR 2010, 757, 758; OLG München, GmbHR 2010, 312; a.A. Ulmer, in: Ulmer, § 54 Rdnr. 19; im vorliegenden Zusammenhang auch Herrler/König, DStR 2010, 2138, 2143. 5 S. oben Rdnr. 116. 6 S. oben Rdnr. 21; Wicke, § 2 Rdnr. 6. 7 Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 61; Jaeger, in: BeckOK, Rdnr. 74a; s. zur Problematik ferner Heidinger/Blath, ZNotP 2010, 376, 386.

148

Wicke

§2

Form des Gesellschaftsvertrages

7. Gesellschafterliste und Registeranmeldung (§ 2 Abs. 1a Satz 4) Das Musterprotokoll gilt nach § 2 Abs. 1a Satz 4 zugleich als Gesellschafterliste 119 im Sinne des § 8 Abs. 1 Nr. 3. Eine separate Gesellschafterliste ist daher bei der Gründung im vereinfachten Verfahren nicht zum Handelsregister einzureichen. Dies gilt ebenso im Fall der Bestellung eines Fremdgeschäftsführers, der auch nicht etwa das Musterprotokoll unterzeichnen muss1. Die Gesellschafter sind im Musterprotokoll entsprechend den Anforderungen des § 8 Abs. 1 Nr. 3 mit Namen, Geburtsdatum und Wohnort zu bezeichnen2. In der Eigenschaft als Gesellschafterliste bildet das Musterprotokoll im Sinne des § 16 Legitimationsbasis für das Rechtsverhältnis der GmbH zu ihren Gesellschaftern und auch den Rechtsscheinträger für einen gutgläubigen Erwerb von Geschäftsanteilen3. Kommt es nachträglich zu einer Veränderung in den Personen der Gesellschafter oder des Umfangs ihrer Beteiligung, z.B. durch Beschluss einer Kapitalmaßnahme oder aufgrund Abtretung eines Geschäftsanteils, ist nach den allgemeinen Grundsätzen des § 40 eine neue separate Gesellschafterliste zum Handelsregister einzureichen4, nicht hingegen bei einer Satzungsänderung ohne Einfluss auf das Kapital oder die Beteiligungen5. Die Anmeldung der Gründung im vereinfachten Verfahren hat nach allgemeinen Vorgaben zu erfolgen6. Sie ist als separates Schriftstück zusammen mit dem Musterprotokoll elektronisch in öffentlich beglaubigter Form zum Handelsregister einzureichen (§ 12 HGB) und wurde vom Gesetzgeber nicht eigens vorformuliert. Weitere Dokumente neben der Anmeldung und dem Musterprotokoll sind, abgesehen von etwaigen Vollmachten (§ 8 Abs. 1 Nr. 1) und Vertretungsnachweisen, nicht vorzulegen7.

8. Kostenprivilegierung Der maßgebliche Vorteil des vereinfachten Verfahrens liegt in einer möglichen 120 Kostenprivilegierung bei Gründung und Satzungsänderungen gemäß § 41d KostO8. Demzufolge kommt nicht der Mindestwert des § 39 Abs. 5 KostO9 von 25 000 Euro zur Anwendung, vielmehr ist bei der Gründung als Geschäftswert der Nominalbetrag des Stammkapitals anzusetzen, der aber nur bei der UG (haftungsbeschränkt) unterhalb der vorgenannten Mindestschwelle liegt. Bei Gründung einer UG (haftungsbeschränkt) mit einem Stammkapital bis zu 1000 Euro fällt für die Beurkundung damit im Fall der Einpersonengesellschaft eine 10/10 1 2 3 4 5 6 7 8

9

DNotI-Report 2011, 149; a.A. Heidinger/Blath, ZNotP 2010, 376, 384. Schäfer, in: Bork/Schäfer, Rdnr. 59. Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 34; Wicke, § 16 Rdnr. 2. Vgl. OLG München, GmbHR 2010, 40; DNotI-Report 2010, 217, 218; Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 34. Jaeger, in: BeckOK, Rdnr. 74a. OLG Düsseldorf, DStR 2011, 2106, 2107. Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 62. Eingehend dazu Sikora/Regler/Tiedtke, MittBayNot 2008, 437, 438 ff.; ferner Wachter, in: GmbHR-Sonderheft MoMiG, 2008, S. 25, 27 ff.; Römermann, in: GmbH-Sonderheft MoMiG, 2008, S. 16 f., 25; Heckschen, Das MoMiG in der notariellen Praxis, Rdnr. 308 ff.; J. Mayer, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 226; Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 37 ff. Bzw. § 41a Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 4 Nr. 1 KostO, auch in Verbindung mit § 41c Abs. 1 KostO.

Wicke

149

§2

Form des Gesellschaftsvertrages

Gebühr gemäß § 36 Abs. 1 KostO in Höhe von 10 Euro an, im Fall der Mehrpersonengesellschaft eine 20/10 Gebühr gemäß § 36 Abs. 2 KostO in Höhe von 20 Euro, während sich bei einer normalen Gründung Gebühren von 84 bzw. 168 Euro ergeben würden1. Für Entwurf und Beglaubigung der Handelsregisteranmeldung wären bei einem Stammkapital bis zu 1000 Euro im vereinfachten Verfahren Gebühren von 10 Euro zu zahlen, bei der normalen Gründung von 42 Euro2. Ein weiterer Kostenvorteil des vereinfachten Verfahrens liegt (insoweit unabhängig vom Stammkapital) darin, dass die Geschäftsführerbestellung als Teil des Musterprotokolls, obgleich sie vom Notar mitbeurkundet wurde, nicht gesondert bewertet wird3, und auch mögliche Kosten für die Erstellung der Gesellschafterliste durch den Notar entfallen4. Bei einer Satzungsänderung im Rahmen des Musterprotokolls, die nicht mit einer Änderung des Stammkapitals verbunden ist, führt die Nichtanwendung der Mindestwertbestimmung dazu, dass als Geschäftswert ein Prozent des Stammkapitals zugrunde zu legen ist mit der Folge, dass sich das Kostenprivileg des § 41d KostO insoweit auch bei der klassischen GmbH auswirkt5.

9. Rechtspraktische und -politische Bewertung a) Rechtspolitischer Kompromiss 121 Das nunmehr in § 2 Abs. 1a vorgesehene beurkundungspflichtige Musterprotokoll stellt einen Kompromiss zwischen unterschiedlichen Strömungen im Gesetzgebungsverfahren dar, die von einer Beibehaltung des status quo ante ohne Einführung von Gründungsmustern bis hin zur Schaffung ausführlicherer gesetzlicher Formulartexte nach angelsächsischem Vorbild reichten. Die Befürworter einer beurkundungsfreien Mustersatzung entsprechend der Position des Regierungsentwurfs waren von der Sorge geleitet, dass in der gesetzlichen Vorgabe schriftlicher Gründungsformulare ein Systemvorteil der englischen Limited liegen könnte, der zu einem weiteren Zuwachs dieser Rechtsform gegenüber der GmbH führen könnte. Wie jüngere Zahlen belegen, hat sich diese Sorge aber als unbegründet erwiesen6, die Bedeutung der Limited auf dem inländischen Markt ist spätestens mit Einführung der Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt) vollständig in den Hintergrund getreten. Im Ergebnis hat sich jedenfalls die Erkenntnis durchgesetzt, dass Beratungsbedarf und die Notwendigkeit einer präventiven Rechtskontrolle selbst bei der Verwendung einer Mustersatzung, insbesondere im Hinblick auf die individuell festzulegenden Angaben besteht. Ein wesentlicher Gesichtspunkt, der in der Debatte für eine Beibehaltung der Beurkundungspflicht geltend gemacht wurde, war neben der vorfilternden Funktion die Vollzugspflicht des Notars im Falle der Beurkundung (§ 53 BeurkG) und damit die komplette Abwicklung durch den Notar als „Schnittstelle“ 1 Streifzug durch die Kostenordnung, 9. Aufl. 2012, Rdnr. 998. 2 Zur Anmeldung einer Satzungsänderung im Rahmen des Musterprotokolls s. auch Streifzug durch die Kostenordnung, 9. Aufl. 2012, Rdnr. 793. 3 S. OLG Celle, DNotZ 2011, 70. 4 Sikora/Regler/Tiedtke, MittBayNot 2008, 437, 440, 441; Streifzug durch die Kostenordnung, 9. Aufl. 2012, Rdnr. 754, 1005. 5 Streifzug durch die Kostenordnung, 9. Aufl. 2012, Rdnr. 793, 908. 6 Vgl. Kornblum, GmbHR 2011, 692, 698; Niemeier, in: FS Roth, 2011, S. 533.

150

Wicke

§2

Form des Gesellschaftsvertrages

zur registergerichtlichen Kontrolle („One-Stop-Shop“)1. Unter diesem Gesichtspunkt wäre zu befürchten gewesen, dass der im Regierungsentwurf befürwortete Ansatz einer ungeprüften Satzung zu einer nicht unerheblichen Verzögerung des Eintragungsverfahrens und volkswirtschaftlich betrachtet zu einer Kostenerhöhung geführt hätte. b) Musterprotokoll als Fremdkörper im System Aber auch in der geltenden Fassung wird das Musterprotokoll mit guten Grün- 122 den als „Fremdkörper im System“ kritisiert2. Für Mehrpersonengesellschaften ist das Formular ungeeignet, da in der Praxis regelmäßig eine Reihe zusätzlicher Regelungen, wie insbesondere Vinkulierungsklauseln (im Sinne des § 15 Abs. 5), Bestimmungen zur Erbfolge, Güterstandsklauseln, Zustimmungsvorbehalte der Gesellschafterversammlung, Kündigungs- und Einziehungsklauseln oder auch Vereinbarungen zur Vermeidung von Pattsituationen, erforderlich werden, die den Rahmen des Musterprotokolls überschreiten3. Eine erwägenswerte Alternative kann das Musterprotokoll bei der Einpersonengesellschaft in Form der Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt) angesichts der bei geringem Stammkapital bestehenden Kostenvorteile darstellen. Eine genaue Einzelfallbetrachtung ist aber auch in dieser Konstellation keinesfalls entbehrlich. So kann die Befreiung von § 181 BGB bei Bestellung eines Fremdgeschäftsführers unerwünscht sein, die Beschränkung der von der Gesellschaft zu tragenden Gründungskosten auf 300 Euro nachteilig sein oder bei absehbaren Änderungen der Gesellschaftsstruktur eine individuelle Satzung von vornherein einen passenderen und flexibleren Rahmen bieten. c) Keine Beschleunigung des Eintragungsverfahrens Zu einer Beschleunigung des Gründungsverfahrens hat das Musterprotokoll ne- 123 ben der Kostenprivilegierung nicht geführt. Unmittelbar nach Inkrafttreten des MoMiG wurden sogar längere Eintragungszeiten für Gründungen im vereinfachten Verfahren ermittelt4, was indessen eher auf vorüber gehende Kinderkrankheiten des neuen Modells, insbesondere aufgrund gewisser handwerklicher Mängel im Bereich der Vertretungsregelung zurück zu führen sein dürfte. Im Übrigen ist zu berücksichtigen, dass durch die mit dem EHUG eingeführte elektronische Registerführung Eintragungszeiten zwischen ein bis zwei Wochen – noch ohne Hinweis auf eine bestehende Eilbedürftigkeit – nunmehr die Regel sind. Eine bevorzugte und aufgrund gesetzlicher Anordnung beschleunigte Bearbeitung von GmbH-Gründungen im vereinfachten Verfahren durch das Registergericht hat der Gesetzgeber zu Recht nicht vorgesehen. Für einen routinierten Registerrichter dürfte die Überprüfung einer einmal vorliegenden durchschnittlichen GmbH-Satzung ohnehin in überschaubarem Zeitrahmen möglich sein. Wenn rechtspolitisch in der Frage der Gründungsdauer im europäischen Ver1 Preuß, RNotZ 2009, 529, 531. 2 Preuß, RNotZ 2009, 529, 531; s. auch Pfisterer, in: Saenger/Inhester, Rdnr. 55: eher unausgegorenes Konstrukt. 3 Heckschen, DStR 2007, 1445; Freitag/Riemenschneider, ZIP 2007, 1487; Wicke, Rdnr. 15. 4 Bayer/Hoffmann, GmbHR 2009, R 225, 226.

Wicke

151

§2

Form des Gesellschaftsvertrages

gleich Spitzenzeiten gewünscht werden, sollte über einen anderen Ansatz nachgedacht werden: Würde man, wie dies etwa in Luxemburg der Fall ist, bereits dem notariellen Gründungsprotokoll konstitutive Wirkung zukommen lassen, könnte eine Gründung künftig binnen weniger Stunden erfolgen1. d) Reformvorschlag 124 Als Fazit ist daher festzuhalten, dass sich das Musterprotokoll letztlich als nicht notwendige, aber auch nicht als eine in jeder Hinsicht unpraktikable Reformmaßnahme darstellt. Im Fall einer möglichen künftigen Revision des GmbHRechts kann guten Gewissens über eine Streichung von § 2 Abs. 1a oder über eine Beschränkung auf die Einpersonengesellschaft nachgedacht werden. Sollte man sich hierzu nicht durchringen können, würde es sich empfehlen, die aufgetretenen Mängel, insbesondere im Bereich der Vertretungsregelung und bei späteren Satzungsänderungen zu beseitigen. Eine geänderte Fassung des Musterprotokolls in der für die Einpersonengesellschaft anwendbaren Variante, welche die Defizite des geltenden Rechts vermeiden würde, könnte (ohne die beurkundungsrechtlichen Vorgaben) wie folgt formuliert werden: Der/die Beteiligte errichtet hiermit eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung nach Maßgabe dieser Niederschrift und der ihr als Anlage beigefügten Satzung. Zum Geschäftführer der Gesellschaft wird Herr/Frau …, geboren am …, wohnhaft in … bestellt. Der Geschäftsführer vertritt die Gesellschaft stets einzeln und ist von den Beschränkungen des § 181 des Bürgerlichen Gesetzbuchs befreit. Von dieser Urkunde erhält eine Ausfertigung der Gesellschafter, beglaubigte Ablichtungen das Finanzamt – Körperschaftsteuerstelle – und das Registergericht (in elektronischer Form). Der/die Beteiligte wurde vom Notar/von der Notarin insbesondere auf Folgendes hingewiesen: Anlage Satzung 1. Die Gesellschaft führt die Firma … 2. Sie hat ihren Sitz in … 3. Gegenstand des Unternehmens ist… 4. Das Stammkapital der Gesellschaft beträgt … u (i.W. … Euro) und wird vollständig von … (Geschäftsanteil Nr. 1) übernommen. Die Einlage ist in Geld zu erbringen, und zwar sofort in voller Höhe/zu 50 Prozent sofort, im Übrigen sobald die Gesellschafterversammlung ihre Einforderung beschließt. 5. Die Vertretung ist wie folgt geregelt: Ist nur ein Geschäftsführer bestellt, so vertritt dieser die Gesellschaft allein. Sind mehrere Geschäftsführer bestellt, wird die Gesellschaft entweder durch zwei Geschäftsführer oder durch einen Geschäftsführer zusammen mit einem Prokuristen vertreten. Einzelvertretungsbefugnis und Befreiung von den Beschränkungen des § 181 BGB können erteilt werden. 6. Die Gesellschaft trägt die mit der Gründung verbundenen Kosten bis zu einem Gesamtbetrag von 300 u, höchstens jedoch bis zum Betrag ihres Stammkapitals. 1 S. auch Wicke, Rdnr. 20.

152

Wicke

Anhang § 2

Musterprotokoll

Anhang § 2

125

Musterprotokoll Anlage 1 (zu Artikel 1 Nr. 50 des MoMiG vom 23.10.2008, BGBl. I 2026) a) Musterprotokoll für die Gründung einer Einpersonengesellschaft UR. Nr. … Heute, den …, erschien vor mir, …, Notar/in mit dem Amtssitz in …, Herr/Frau1 … … …2. 1. Der Erschienene errichtet hiermit nach § 2 Abs. 1a GmbHG eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung unter der Firma … mit dem Sitz in … 2. Gegenstand des Unternehmens ist … 3. Das Stammkapital der Gesellschaft beträgt … t (i.W. … Euro) und wird vollständig von Herrn/Frau1 … (Geschäftsanteil Nr. 1) übernommen. Die Einlage ist in Geld zu erbringen, und zwar sofort in voller Höhe/zu 50 % sofort, im Übrigen sobald die Gesellschafterversammlung ihre Einforderung beschließt3. 4. Zum Geschäftsführer der Gesellschaft wird Herr/Frau4 …, geboren am …, wohnhaft in …, bestellt. Der Geschäftsführer ist von den Beschränkungen des § 181 des Bürgerlichen Gesetzbuchs befreit. 5. Die Gesellschaft trägt die mit der Gründung verbundenen Kosten bis zu einem Gesamtbetrag von 300 t, höchstens jedoch bis zum Betrag ihres Stammkapitals. Darüber hinausgehende Kosten trägt der Gesellschafter. 6. Von dieser Urkunde erhält eine Ausfertigung der Gesellschafter, beglaubigte Ablichtungen die Gesellschaft und das Registergericht (in elektronischer Form) sowie eine einfache Abschrift das Finanzamt – Körperschaftsteuerstelle –. 7. Der Erschienene wurde vom Notar/von der Notarin insbesondere auf Folgendes hingewiesen: … ______________ Hinweise: 1 Nicht Zutreffendes streichen. Bei juristischen Personen ist die Anrede Herr/Frau wegzulassen. 2 Hier sind neben der Bezeichnung des Gesellschafters und den Angaben zur notariellen Identitätsfeststellung ggf. der Güterstand und die Zustimmung des Ehegatten sowie die Angaben zu einer etwaigen Vertretung zu vermerken.

Wicke

153

Anhang § 2

Musterprotokoll

3 Nicht Zutreffendes streichen. Bei der Unternehmergesellschaft muss die zweite Alternative gestrichen werden. 4 Nicht Zutreffendes streichen.

b) Musterprotokoll für die Gründung einer Mehrpersonengesellschaft mit bis zu drei Gesellschaftern UR. Nr. … Heute, den …, erschienen vor mir, …, Notar/in mit dem Amtssitz in …, Herr/Frau1 … … …2. Herr/Frau1 … … …2. Herr/Frau1 … … …2. 1. Die Erschienenen errichten hiermit nach § 2 Abs. 1a GmbHG eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung unter der Firma … mit dem Sitz in … 2. Gegenstand des Unternehmens ist … 3. Das Stammkapital der Gesellschaft beträgt … t (i.W. … Euro) und wird wie folgt übernommen: Herr/Frau1… übernimmt einen Geschäftsanteil mit einem Nennbetrag in Höhe von … t (i.W. … Euro) (Geschäftsanteil Nr. 1), Herr/Frau1 … übernimmt einen Geschäftsanteil mit einem Nennbetrag in Höhe von … t (i.W. … Euro) (Geschäftsanteil Nr. 2), Herr/Frau1 … übernimmt einen Geschäftsanteil mit einem Nennbetrag in Höhe von … t (i.W. … Euro) (Geschäftsanteil Nr. 3). Die Einlagen sind in Geld zu erbringen, und zwar sofort in voller Höhe/zu 50 % sofort, im Übrigen sobald die Gesellschafterversammlung ihre Einforderungen beschließt3. 4. Zum Geschäftsführer der Gesellschaft wird Herr/Frau4 …, geboren am …, wohnhaft in …, bestellt. Der Geschäftsführer ist von den Beschränkungen des § 181 des Bürgerlichen Gesetzbuchs befreit. 154

Wicke

§3

Inhalt des Gesellschaftsvertrages

5. Die Gesellschaft trägt die mit der Gründung verbundenen Kosten bis zu einem Gesamtbetrag von 300 t, höchstens jedoch bis zum Betrag ihres Stammkapitals. Darüber hinausgehende Kosten tragen die Gesellschafter im Verhältnis der Nennbeträge ihrer Geschäftsanteile. 6. Von dieser Urkunde erhält eine Ausfertigung jeder Gesellschafter, beglaubigte Ablichtungen die Gesellschaft und das Registergericht (in elektronischer Form) sowie eine einfache Abschrift das Finanzamt – Körperschaftsteuerstelle –. 7. Die Erschienenen wurden vom Notar/von der Notarin insbesondere auf Folgendes hingewiesen: … ______________ Hinweise: 1 Nicht Zutreffendes streichen. Bei juristischen Personen ist die Anrede Herr/Frau wegzulassen. 2 Hier sind neben der Bezeichnung des Gesellschafters und den Angaben zur notariellen Identitätsfeststellung ggf. der Güterstand und die Zustimmung des Ehegatten sowie die Angaben zu einer etwaigen Vertretung zu vermerken. 3 Nicht Zutreffendes streichen. Bei der Unternehmergesellschaft muss die zweite Alternative gestrichen werden. 4 Nicht Zutreffendes streichen.

§3

Inhalt des Gesellschaftsvertrages (1) Der Gesellschaftsvertrag muss enthalten: 1. die Firma und den Sitz der Gesellschaft, 2. den Gegenstand des Unternehmens, 3. den Betrag des Stammkapitals, 4. die Zahl und die Nennbeträge der Geschäftsanteile, die jeder Gesellschafter gegen Einlage auf das Stammkapital (Stammeinlage) übernimmt. (2) Soll das Unternehmen auf eine gewisse Zeit beschränkt sein oder sollen den Gesellschaftern außer der Leistung von Kapitaleinlagen noch andere Verpflichtungen gegenüber der Gesellschaft auferlegt werden, so bedürfen auch diese Bestimmungen der Aufnahme in den Gesellschaftsvertrag. Abs. 1 Nr. 4 geändert durch das MoMiG vom 23.10.2008 (BGBl. I 2008, 2026), Text im Übrigen seit 1892 unverändert.

Inhaltsübersicht I. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1

II. Mängel. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

5

III. Gegenstand des Unternehmens (§ 3 Abs. 1 Nr. 2) . . . . . . . . . . . . . . . 9 1. Zweck der Regelung . . . . . . . . . . 10 Emmerich

155

§3

Inhalt des Gesellschaftsvertrages

5. Die Gesellschaft trägt die mit der Gründung verbundenen Kosten bis zu einem Gesamtbetrag von 300 t, höchstens jedoch bis zum Betrag ihres Stammkapitals. Darüber hinausgehende Kosten tragen die Gesellschafter im Verhältnis der Nennbeträge ihrer Geschäftsanteile. 6. Von dieser Urkunde erhält eine Ausfertigung jeder Gesellschafter, beglaubigte Ablichtungen die Gesellschaft und das Registergericht (in elektronischer Form) sowie eine einfache Abschrift das Finanzamt – Körperschaftsteuerstelle –. 7. Die Erschienenen wurden vom Notar/von der Notarin insbesondere auf Folgendes hingewiesen: … ______________ Hinweise: 1 Nicht Zutreffendes streichen. Bei juristischen Personen ist die Anrede Herr/Frau wegzulassen. 2 Hier sind neben der Bezeichnung des Gesellschafters und den Angaben zur notariellen Identitätsfeststellung ggf. der Güterstand und die Zustimmung des Ehegatten sowie die Angaben zu einer etwaigen Vertretung zu vermerken. 3 Nicht Zutreffendes streichen. Bei der Unternehmergesellschaft muss die zweite Alternative gestrichen werden. 4 Nicht Zutreffendes streichen.

§3

Inhalt des Gesellschaftsvertrages (1) Der Gesellschaftsvertrag muss enthalten: 1. die Firma und den Sitz der Gesellschaft, 2. den Gegenstand des Unternehmens, 3. den Betrag des Stammkapitals, 4. die Zahl und die Nennbeträge der Geschäftsanteile, die jeder Gesellschafter gegen Einlage auf das Stammkapital (Stammeinlage) übernimmt. (2) Soll das Unternehmen auf eine gewisse Zeit beschränkt sein oder sollen den Gesellschaftern außer der Leistung von Kapitaleinlagen noch andere Verpflichtungen gegenüber der Gesellschaft auferlegt werden, so bedürfen auch diese Bestimmungen der Aufnahme in den Gesellschaftsvertrag. Abs. 1 Nr. 4 geändert durch das MoMiG vom 23.10.2008 (BGBl. I 2008, 2026), Text im Übrigen seit 1892 unverändert.

Inhaltsübersicht I. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1

II. Mängel. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

5

III. Gegenstand des Unternehmens (§ 3 Abs. 1 Nr. 2) . . . . . . . . . . . . . . . 9 1. Zweck der Regelung . . . . . . . . . . 10 Emmerich

155

§3

Inhalt des Gesellschaftsvertrages

2. Individualisierung. . . . . . . . . . . . . 12 3. Änderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18 IV. Vorratsgründung und Mantelkauf 1. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Vorratsgründung a) Zulässigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . b) Wirtschaftliche Neugründung . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Registerrecht . . . . . . . . . . . . . . . d) Unterbilanzhaftung . . . . . . . . . 3. Mantelkauf . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

21 26 27 30 33 37

V. Stammkapital (§ 3 Abs. 1 Nr. 3) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 VI. Zahl und Nennbetrag der Geschäftsanteile (§ 3 Abs. 1 Nr. 4) 1. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 2. Änderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56 3. Person der Gesellschafter . . . . . . 59 VII. Fakultative Vertragsbestandteile (§ 3 Abs. 2) . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 VIII. Zeitbestimmung . . . . . . . . . . . . . . 62 IX. Nebenleistungspflichten 1. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68

2. Geldleistungen . . . . . . . . . . . . . . . 3. Sachleistungen . . . . . . . . . . . . . . . 4. Handlungen und Unterlassungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Entgelt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Übergang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Leistungsstörungen, Kündigung 8. Beendigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9. Insbesondere Wettbewerbsverbot a) Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Gesellschaftsvertrag . . . . . . . . c) Treuepflicht . . . . . . . . . . . . . . . d) Geschäftschancenlehre . . . . .

74 76 77 78 80 82 87

88 89 92 98

X. Sonderrechte der Gesellschafter 100 XI. 1. 2. 3. 4. XII. 1. 2. 3.

Unechte Satzungsbestandteile Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zulässigkeit, Beispiele . . . . . . . . Abgrenzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . Rechtsfolgen . . . . . . . . . . . . . . . . .

102 105 107 110

Gesellschaftervereinbarungen Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114 Rechtliche Behandlung . . . . . . . 118 Trennungsgrundsatz . . . . . . . . . . 120

I. Überblick 1 § 3 regelt in Abs. 1 i.d.F. des MoMiG den obligatorischen Mindestinhalt des Gesellschaftsvertrages. Dazu gehören auch die Beitritts- oder Beteiligungserklärungen der Gründer (s. oben § 2 Rdnr. 10). Abs. 2 des § 3 fügt hinzu, dass bestimmte andere Regelungen, wenn sie für die Gesellschaft Gültigkeit haben sollen, ebenfalls der Aufnahme in den Gesellschaftsvertrag bedürfen (sog. fakultativer Vertragsinhalt). Vergleichbare Regelungen finden sich an zahlreichen anderen Stellen des Gesetzes; hervorzuheben sind die §§ 5 Abs. 4 Satz 1, 15 Abs. 5, 26 Abs. 1, 34 Abs. 1, 52 Abs. 1 und 60 Abs. 2. Die Gesellschafter können außerdem beliebige andere Fragen mit Bezug auf ihr Verhältnis und auf ihr Verhältnis zur Gesellschaft in dem Gesellschaftsvertrag regeln, da insoweit Vertragsfreiheit besteht (s. oben § 2 Rdnr. 11). Bei solchen Regelungen ist jeweils zu prüfen, ob sie nur individualrechtliche oder körperschaftliche Bedeutung haben sollen, so dass sie auch zukünftige Gesellschafter binden und nur im Wege der Satzungsänderung geändert werden können (s. oben § 2 Rdnr. 37 ff.). 2 Aus dem Gesagten (oben Rdnr. 1) folgt, dass man (zumindest) die folgenden drei Vertragsbestandteile zu unterscheiden hat, nämlich 1. den zwingenden Mindestinhalt des Gesellschaftsvertrages (§ 3 Abs. 1), 2. die weiteren echten, aber fakultativen Vertragsbestandteile (s. dazu unten Rdnr. 60 ff.) sowie 3. die unechten 156

Emmerich

§3

Inhalt des Gesellschaftsvertrages

Vertragsbestandteile, die ihre Regelung genauso gut außerhalb des Vertrags finden könnten. Hinzutreten schließlich noch 4. sonstige Nebenabreden der Gesellschafter, die von vornherein außerhalb des Gesellschaftsvertrages (der Satzung) getroffen werden, heute meistens Gesellschaftervereinbarungen oder -absprachen genannt (s. unten Rdnr. 114 ff.). Ebenso ist die Rechtslage in Österreich, wie sich im Einzelnen aus den §§ 4 Abs. 1, 5 Abs. 4 und § 8 öGmbHG ergibt. Üblich sind in der Praxis – über die §§ 3 bis 5 hinaus – vor allem noch Abreden über die Übernahme der Gründungskosten durch die Gesellschaft, die Festsetzung des Geschäftsjahres1, Bestimmungen über die Vinkulierung der Anteile, über Austritts- und Ausschließungsrechte, über die Abfindung ausgeschiedener Gesellschafter, über die Geschäftsführung und Vertretung sowie über das Gesellschaftsblatt.

3

Ergänzende Vorschriften zur Firma und zum Sitz der Gesellschaft (s. § 3 Abs. 1 4 Nr. 1) sowie zum Stammkapital (s. § 3 Abs. 1 Nr. 3) finden sich in den §§ 4, 4a, 5 und 5a. Wegen der Einzelheiten ist auf die Erläuterungen zu diesen Vorschriften zu verweisen. Im Zuge der Reformüberlegungen, die schließlich im Jahr 2008 zur Verabschiedung des MoMiG geführt haben, sind noch weitere Änderungen beabsichtigt gewesen, auf die jedoch schließlich verzichtet wurde2. So kam es letztlich nur zu einer Anpassung der Nr. 4 des § 3 Abs. 1 an die sonstigen Änderungen des Gesetzes durch das MoMiG.

II. Mängel 1. Die Einhaltung des § 3 wird im Eintragungsverfahren vom Registergericht ge- 5 prüft. Jeder Verstoß gegen § 3 führt zur Ablehnung der Eintragung (§ 9c Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 1)3. Kommt es jedoch, aus welchen Gründen auch immer, trotz des Verstoßes gegen § 3 zur Eintragung der Gesellschaft, so wird die Mehrzahl der Mängel geheilt (s. oben § 2 Rdnr. 80 ff.). Etwas anderes gilt nach § 75 nur, wenn der Gesellschaftsvertrag überhaupt keine Bestimmungen über die Höhe des Stammkapitals oder über den Gegenstand des Unternehmens enthält oder wenn die Bestimmungen des Gesellschaftsvertrages über den Gegenstand des Unternehmens nichtig sind (s. § 3 Abs. 1 Nrn. 2 und 3 GmbHG i.V.m. §§ 134 und 138 BGB). Nur in diesen Fällen kommt auch nach § 397 Satz 2 FamFG eine Amtslöschung in Betracht. Nach § 76 können jedoch Mängel, die die Bestimmungen über den Gegenstand des Unternehmens betreffen, durch einstimmigen Beschluss der Gesellschafter geheilt werden. Anders ist die Rechtslage, wenn Angaben über die Firma und den Sitz der Ge- 6 sellschaft oder über die Nennbeträge der Geschäftsanteile fehlen oder wenn die hierauf bezüglichen Bestimmungen des Gesellschaftsvertrages nichtig sind. In diesen Fällen ist ebenso wenig wie bei der Nichtigkeit sonstiger Bestimmungen des Gesellschaftsvertrages Raum für die Anwendung des § 75 GmbHG oder des 1 OGH SZ Bd. 70 II (1997), Nr. 151, S. 145, 148 = GesRZ 1998, 39 = WiBl. 1997, 489. 2 S. z.B. O. Schröder/Cannive, NZG 2008, 1, 3 f. 3 S. Michalski, in: Michalski, Rdnr. 3 f.; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 4 f.

Emmerich

157

§3

Inhalt des Gesellschaftsvertrages

§ 397 Satz 2 FamFG; möglich bleibt jedoch seit 1969 das Beanstandungsverfahren nach § 399 FamFG i.V.m. § 60 Abs. 1 Nr. 6 GmbHG. 7 2. Von den bisher behandelten Fällen (oben Rdnr. 5 f.) muss ferner der Fall unterschieden werden, dass die Angabe des Unternehmensgegenstandes (§ 3 Abs. 1 Nr. 2) lediglich der nötigen Individualisierung ermangelt, etwa, weil sie unvollständig oder ungenau oder zu allgemein ist (s. unten Rdnr. 12 ff.). In diesem Fall liegt – mangels Anwendbarkeit der §§ 134 oder 138 BGB – grundsätzlich kein Nichtigkeitsgrund vor, solange nicht die Grenze des § 117 BGB überschritten ist (unten Rdnr. 9, 13). Man spricht in solchen Fällen häufig auch von einem bloßen Ordnungsmangel, bei dem es sich nur um ein Eintragungshindernis handelt (§ 9c Abs. 1 und 2 Nr. 1; Rdnr. 9). Kommt es gleichwohl zur Eintragung der Gesellschaft, so wird jedoch der Mangel geheilt. Für eine Anwendung des § 75 GmbHG oder des § 397 Satz 2 FamFG ist kein Raum1. 8 3. Bei einem Vorvertrag werden nicht dieselben strengen Anforderungen an die Bestimmtheit des Vertrages wie bei dem endgültigen Gesellschaftsvertrag auf Grund des § 3 gestellt (s. oben § 2 Rdnr. 86 ff.). Von Fall zu Fall kann deshalb ein gegen § 3 verstoßender und deshalb vom Registergericht zurückgewiesener Gesellschaftsvertrag als Vorvertrag aufrechterhalten werden, woraus sich dann die Verpflichtung der Gesellschafter ergibt, an einer Änderung des Vertrages, die den Vertrag eintragungsfähig macht, mitzuwirken. Generell kann dies aber nicht angenommen werden2.

III. Gegenstand des Unternehmens (§ 3 Abs. 1 Nr. 2) 9 Nach § 3 Abs. 1 Nr. 2 muss der Gesellschaftsvertrag den Gegenstand des Unternehmens (der Gesellschaft) enthalten (ebenso § 23 Abs. 3 Nr. 2 Halbsatz 1 AktG; § 4 Abs. 1 Nr. 2 öGmbHG). Die Gesetzesverfasser haben dieser Angabe besondere Bedeutung beigemessen, wie daran deutlich wird, dass bei ihrem Fehlen oder bei ihrer Nichtigkeit die Gesellschaft auf Klage für nichtig erklärt werden kann (§ 75 Abs. 1; § 275 Abs. 1 Satz 1 AktG). Außerdem kann die Gesellschaft dann von Amts wegen gelöscht werden (§ 397 Satz 2 FamFG). Nichtig ist die Bestimmung des Unternehmensgegenstandes vor allem, wenn sie gesetz- oder sittenwidrig ist (§§ 134, 138 BGB) oder nur zum Schein erfolgte (§ 117 BGB; Rdnr. 7, 13; 10. Aufl., § 75 Rdnr. 11). Davon zu unterscheiden ist der Fall einer bloß unvollständigen oder ungenauen Angabe des Unternehmensgegenstandes, in dem lediglich ein Eintragungshindernis vorliegt (§ 9c, Rdnr. 7), jedoch nach Eintragung der Gesellschaft kein Raum mehr für die Anwendung des § 75 GmbHG oder des § 397 Satz 2 FamFG ist (oben Rdnr. 7).

1. Zweck der Regelung 10

Wie bereits ausgeführt (s. oben § 1 Rdnr. 2), versteht man unter dem Unternehmensgegenstand (im Gegensatz zum Gesellschaftszweck) den Tätigkeitsbereich

1 Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 10; Michalski, in: Michalski, Rdnr. 15; Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 9. 2 Anders wohl Michalski, in: Michalski, Rdnr. 4.

158

Emmerich

§3

Inhalt des Gesellschaftsvertrages

der Gesellschaft, d.h. die Aktivitäten, mittels derer die Gesellschaft ihren erwerbswirtschaftlichen oder sonstigen Zweck verfolgt. Mit dem Erfordernis, (nur) den Gegenstand bereits im Gesellschaftsvertrag festzulegen, verfolgt das Gesetz unterschiedliche Zwecke1. Zunächst wird erreicht, dass die Entscheidung über den Tätigkeitsbereich der Gesellschaft – als grundlegende Strukturentscheidung – in der Hand der Gesellschafter bleibt. Die Kehrseite ist die Beschränkung der Geschäftsführungsbefugnis (nicht der Vertretungsmacht) der Geschäftsführer auf den von den Gesellschaftern durch den Gegenstand definierten Tätigkeitsbereich der Gesellschaft (§ 37 Abs. 1), nicht zuletzt im Interesse des Schutzes der Minderheit gegen eine unkontrollierbare Vergrößerung ihrer Risiken (sog. Verbot der Über- oder Unterschreitung des Unternehmensgegenstandes). Außerdem sollen die beteiligten Verkehrskreise auf Grund der Eintragung des Gegenstandes ins Handelsregister zumindest in den Grundzügen über den Tätigkeitsbereich der Gesellschaft informiert werden. Insoweit kommt der Angabe des Unternehmensgegenstandes im Gesellschaftsvertrag auch eine gewisse Publizitätsfunktion zu. Die Angabe des Gegenstandes soll ferner dem Registergericht die Prüfung ermöglichen, ob die Gesellschaft einen erlaubten Zweck verfolgt (s. § 9c)2. Schließlich kommt der Angabe des Gegenstandes der Gesellschaft in dem Gesellschaftsvertrag auch noch für die Konkretisierung der Treuepflicht der Gesellschafter (s. unten § 13 Rdnr. 36 ff.) eine nicht zu unterschätzende Bedeutung zu3. Der vertragliche Gegenstand der Gesellschaft umschreibt insbesondere auch die Reichweite des Wettbewerbsverbots der Geschäftsführer. Wegen dieser zentralen Funktionen der (möglichst konkreten) Angabe des Gegenstandes der Gesellschaft in dem Gesellschaftsvertrag sind Bestrebungen abzulehnen, die Anforderungen an die Angabe des Gegenstandes im Gesellschaftsvertrag gegenüber der bisherigen Praxis zu lockern4. Im Gegensatz zum Unternehmensgegenstand (§ 3 Abs. 1 Nr. 2) braucht der von 11 diesem zu unterscheidende Zweck der Gesellschaft im Vertrag grundsätzlich nicht genannt zu werden5. Zu erwägen ist jedoch mit Rücksicht auf das legitime Informationsinteresse der Allgemeinheit und der später hinzutretenden Gesellschafter eine Ausnahme, wenn die Gesellschaft einen unüblichen, aus dem Rahmen fallenden Zweck wie z.B. gemeinnützige oder religiöse Zwecke verfolgt6. Zu beachten ist außerdem, dass nach Steuerrecht die Anerkennung gemeinnüt1 S. Tieves, Unternehmensgegenstand, S. 68 ff.; Wicke, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 12 ff. 2 BGH, BB 1981, 450 = WM 1981, 163 (insoweit nicht in BGHZ 78, 311 abgedruckt); BayObLGZ 1975, 447 f.; BayObLGZ 1993, 319, 320 f. = NJW-RR 1994, 227 = GmbHR 1994, 60; BayObLGZ 1994, 224, 225 f. = GmbHR 1994, 705 = NJW-RR 1995, 31 = ZIP 1994, 1528 = BB 1994, 1811; BayObLG, GmbHR 1995, 722 = NJW-RR 1996, 413 = BB 1995, 1814; BayObLG, GmbHR 2000, 872 = NJW-RR 2001, 898 = NZG 2000, 987, 988; OLG Düsseldorf, GmbHR 2010, 1261; OGH SZ 63 I (1990) Nr. 87 S. 431, 436; OGH, GesRZ 1991, 46, 48 = RdW 1990, 444; Tieves, Unternehmensgegenstand, S. 45, 68 ff. 3 Goette, GmbH, § 1 Rdnr. 19 (S. 7). 4 Zutreffend Wicke, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 12; gegen Heckschen, GmbHR 2007, 198 f.; O. Schröder/Cannive, NZG 2008, 1, 4. 5 S. oben § 1 Rdnr. 3; OLG Wien, NZ 1983, 94 = HS 12.314. 6 Ebenso Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 5; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 5; Wicke, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 9; noch weiter gehend Flume, Juristische Person, § 9 II (S. 323 f.).

Emmerich

159

§3

Inhalt des Gesellschaftsvertrages

ziger Gesellschaften davon abhängt, dass ihr besonderer Zweck möglichst präzise in dem Vertrag genannt wird (§§ 59 und 60 Abs. 1 AO; s. § 1 Rdnr. 3).

2. Individualisierung 12

a) Das Gesetz beschränkt sich in § 3 Abs. 1 Nr. 2 (ebenso wie in § 6 Nr. 2 GenG) darauf, (ganz allgemein) die Angabe des Gegenstandes des Unternehmens im Gesellschaftsvertrag zu verlangen. Dagegen ist nach § 23 Abs. 3 Nr. 2 Halbsatz 2 AktG zusätzlich erforderlich, dass bei Industrie- und Handelsunternehmen namentlich die Art der Erzeugnisse und Waren, die hergestellt und gehandelt werden sollen, näher angegeben werden. Wegen dieser unterschiedlichen Fassung des § 3 Abs. 1 Nr. 2 GmbHG und des § 23 Abs. 3 Nr. 2 AktG ist umstritten, mit welcher Genauigkeit im Gesellschaftsvertrag einer GmbH der Unternehmensgegenstand, d.h. der konkrete Tätigkeitsbereich der Gesellschaft zu nennen ist. Die ältere Praxis war in dieser Beziehung ausgesprochen großzügig1. Dagegen wird heute meistens in Anlehnung an § 23 Abs. 3 Nr. 2 Halbsatz 2 AktG und unter Berufung auf den Zweck der Regelung (oben Rdnr. 10) die nähere Individualisierung und Konkretisierung der Angaben über den Unternehmensgegenstand verlangt, so dass zumindest der Schwerpunkt der Geschäftstätigkeit der Gesellschaft für die Beteiligten aus den Angaben im Gesellschaftsvertrag erkennbar sein muss. Die Angaben müssen mit anderen Worten (zumindest) so konkret sein, dass die interessierten Verkehrskreise aus dem Vertrag ablesen können, in welchem Geschäftszweig (Branche) und auf welche Weise sich die Gesellschaft betätigen will2.

13

Die Angabe des Unternehmensgegenstandes muss außerdem der Wahrheit entsprechen (sog. Grundsatz der Gegenstandswahrheit)3. Das folgt schon aus § 117 BGB, nach dem die Angabe eines fiktiven Unternehmensgegenstandes zur Nichtigkeit der betreffenden Klausel (oben Rdnr. 9) und damit grundsätzlich auch zur Nichtigkeit des Gesellschaftsvertrages führt (§ 75)4. Gleich steht der Fall, dass die Gesellschafter auf absehbare Zeit gar nicht die Absicht haben, die als Unternehmensgegenstand bezeichnete Tätigkeit zu verfolgen5. 1 RGZ 62, 96, 98; RG, JW 1916, 745. 2 BGH, BB 1981, 450 = WM 1982, 163; BayObLGZ 1975, 447, 448; BayObLGZ 1993, 224, 226 f. = NJW-RR 1994, 227 = GmbHR 1994, 60; BayObLGZ 1994, 224, 225 f. = GmbHR 1994, 705 = NJW-RR 1995, 31; BayObLG, GmbHR 1995, 722 = NJW-RR 1996, 413; BayObLG, GmbHR 1996, 360; BayObLG, GmbHR 2000, 872 = NJW-RR 2001, 898 = NZG 2000, 987, 988; BayObLG, Rpfleger 2003, 301 = GmbHR 2003, 414; OLG Hamburg, NZG 2005, 930, 931; OLG Frankfurt, OLGZ 1987, 40 = NJW-RR 1987, 287 = GmbHR 1987, 131; OLG Düsseldorf, GmbHR 2010, 1261; OLG Rostock, GmbHR 2011, 829, 831; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 8; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 6; Michalski, in: Michalski, Rdnr. 8 f.; Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 6 f.; Tieves, Unternehmensgegenstand, S. 118 ff.; Wicke, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 13; Beispiele s. unten Rdnr. 16. 3 Tieves, Unternehmensgegenstand, S. 118 f. 4 S. oben Rdnr. 9; BGHZ 117, 323, 333 ff. = NJW 1992, 1824 = AG 1992, 227 = GmbHR 1992, 451. 5 BGHZ 117, 323, 333 ff. = NJW 1992, 1824 = AG 1992, 227 = GmbHR 1992, 451; BayObLG, GmbHR 2000, 872 = NJW-RR 2001, 898 = NZG 2000, 987, 988; Tieves, Unternehmensgegenstand, S. 120 ff.

160

Emmerich

§3

Inhalt des Gesellschaftsvertrages

b) In Österreich wird die Rechtslage überwiegend ebenso wie in Deutschland beurteilt1. Jedoch tendiert der OGH neuerdings wohl dazu, geringere Anforderungen an die Individualisierung des Unternehmensgegenstandes im Gesellschaftsvertrag zu stellen, da er sich in einzelnen Fällen bereits mit einer ganz allgemeinen Umschreibung der geplanten Tätigkeit, etwa entsprechend der GewO begnügt hat2.

14

c) Dieselben Anforderungen wie vorstehend entwickelt (oben Rdnr. 12 f.) gelten 15 für Zusätze zu den eigentlichen Angaben über den Unternehmensgegenstand. Auch diese müssen daher so konkret sein, dass sie den damit der Gesellschaft zusätzlich eröffneten Geschäftszweig erkennen lassen. Dies bedeutet, dass der Zusatz auf den (eigentlichen) Gegenstand des Unternehmens der Gesellschaft Bezug nehmen und diesen in einzelnen Beziehungen einschränken, präzisieren oder erweitern muss, indem z.B. der (zulässige) Tätigkeitsbereich (Gegenstand) der Gesellschaft auf benachbarte Gebiete ausgedehnt wird3. Inhaltslose Zusätze wie etwa die Erlaubnis „aller sonstigen Geschäfte“ dürfen dagegen nicht eingetragen werden4, während nach h.M. der heute nahezu in jedem Gesellschaftsvertrag anzutreffende Zusatz über die Erlaubnis von Beteiligungen an anderen Gesellschaften zulässig sein soll5. Das ist ohne weitere Präzisierung hinsichtlich der Obergrenze der Beteiligung oder deren Art als Finanzanlage oder unternehmerische Beteiligung bei Berücksichtigung des Zwecks der Regelung (oben Rdnr. 10) nicht unbedenklich6. Keine Bedenken hat die überwiegende Meinung ferner gegen so genannte negative Zusätze, d.h. Zusätze, durch die bestimmte Tätigkeitsbereiche generell vom Gegenstand des Unternehmens der Gesellschaft ausgeschlossen werden7. Ein Beispiel ist der Zusatz, dass Tätigkeiten, die einer staatlichen Genehmigung bedürfen, nicht ausgeübt werden sollen8. d) Erlaubt sind nach dem Gesagten z.B. die Angaben „Betrieb von Gaststätten“9 16 oder „Erfüllung eines mit einem Dritten abgeschlossenen Ingenieurvertrages zur Fertigstellung eines bestimmten Klinikums“10, weiter die Angabe „Betrieb einer Klinik nach § 30 GewO mit dem Schwerpunkt auf ambulanten Eingriffen“11 sowie noch die Angabe „Gewerbliche Vermietung und Verpachtung von Wirtschaftsgütern aller Art“12. Nicht zulässig ist dagegen der inhaltslose Zusatz: 1 Arnold, GesRZ 1991, 18; Koppensteiner, öGmbHG, § 4 Rdnr. 6; Reich-Rohrwig, GmbH-Recht, S. 14; Wünsch, öGmbHG, § 4 Anm. 14. 2 OGH SZ 63 I (1990) Nr. 87, S. 431, 436 f.; OGH, GesRZ 1991, 46, 48 = RdW 1990, 444 = HS 20.191; s. dazu Arnold, GesRZ 1991, 18; weitere Beispiele s. unten Rdnr. 16. 3 Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 6; Michalski, in: Michalski, Rdnr. 10; Wicke, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 18. 4 OLG Köln, OLGZ 1981, 428, 430 f.; BayObLG, Rpfleger 2003, 301 = GmbHR 2003, 424; Tieves, Unternehmensgegenstand, S. 132 ff.; großzügiger Heckschen, GmbHR 2007, 198, der den Zusatz „und verwandte Geschäfte“ für zulässig hält. 5 OLG Frankfurt, OLGZ 1987, 40 f. = NJW-RR 1987, 287 = GmbHR 1987, 231. 6 Ebenso Wicke, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 19. 7 Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 8; Michalski, in: Michalski, Rdnr. 10. 8 BayObLGZ 1993, 319, 322 f. = GmbHR 1994, 60 = NJW-RR 1994, 227. 9 OLG Frankfurt, OLGZ 1979, 493, 495. 10 BGH, BB 1981, 450 = WM 1981, 163. 11 BayObLG, GmbHR 2000, 872 = NJW-RR 2001, 898 = NZG 2000, 987. 12 öVwGH, WiBl. 1994, 215 = HS 24.138; weitere Beispiele bei Michalski, in: Michalski, Rdnr. 9.

Emmerich

161

§3

Inhalt des Gesellschaftsvertrages

„Die Gesellschaft ist zu allen Geschäften und Rechtshandlungen befugt, die ihren Zwecken dienlich sind“1. Ebenso wenig zulässig sind Angaben wie „jegliche gesetzliche käufmännische Tätigkeit“2, „Handel mit Waren aller Art“3, „Produktion von Waren aller Art“4, „Betrieb von Handelsgeschäften“5 oder „Handel und Vertrieb von Verbrauchs- und Konsumgütern“6. 17

e) Schwierigkeiten ergeben sich aus dem Gesagten (oben Rdnr. 12 ff.) für die Angabe des Unternehmensgegenstandes in dem Gesellschaftsvertrag einer Komplementär-GmbH. Häufig wird angenommen, dass in deren Gegenstand mit Rücksicht auf § 3 Abs. 1 Nr. 2 auch der von der KG beabsichtigte Tätigkeitsbereich genannt werden müsse7. Nach überwiegender Meinung genügt es dagegen, wenn als Gegenstand die Übernahme der Vertretung und Geschäftsführung bei einer bestimmten KG oder bei einer Mehrzahl von Kommanditgesellschaften bezeichnet wird8.

3. Änderung 18

Eine Änderung des Unternehmensgegenstandes ist nur durch Änderung des Gesellschaftsvertrages möglich (§§ 53 f.). Daraus ergibt sich das Problem, wie bloße tatsächliche Änderungen des Unternehmensgegenstandes ohne entsprechende Änderung des Gesellschaftsvertrages zu behandeln sind. Ein derartiger Fall liegt z.B. vor, wenn eine Gesellschaft, die nach ihrem Vertrag den Handel mit bestimmten Produkten betreibt, zur Produktion ganz anderer Produkte übergeht oder sich in eine Holding verwandelt9. Dagegen genügt es für die Annahme einer tatsächlichen Änderung des Unternehmensgegenstandes noch nicht, wenn die Gesellschaft ihre Tätigkeit lediglich einschränkt oder sogar vorübergehend ganz einstellt, sofern nur für die Zukunft die Wiederaufnahme der vertragsmäßigen Tätigkeit geplant ist10.

19

Bei einer tatsächlichen Änderung des Unternehmensgegenstandes stellt sich vor allem die Frage, ob Raum für eine Anwendung des § 75 und des § 397 Satz 2 FamFG ist. Beide Vorschriften stellen auf die Nichtigkeit der Bestimmungen des Gesellschaftsvertrages über den Unternehmensgegenstand ab. Darum handelt es sich hier indessen nicht, weil sich die Nichtigkeit eines Rechtsgeschäfts nur 1 2 3 4 5 6 7 8

9 10

OLG Köln, OLGZ 1981, 428, Tieves, Unternehmensgegenstand, S. 118, 132 ff. OGH, NZ 1972, 222. BayObLG, Rpfleger 2003, 301 = GmbHR 2003, 414; OGH, NZ 1981, 8. BayObLGZ 1994, 224, 226 f. = GmbHR 1994, 705 = ZIP 1994, 1528 = NJW-RR 1995, 31. BayObLG, GmbHR 1995, 722 = NJW-RR 1996, 413; BayObLG, GmbHR 1996, 360. OLG Düsseldorf, GmbHR 2010, 1261. BayObLGZ 1975, 447, 448 ff.; OLG Hamburg, GmbHR 1968, 118 = BB 1968, 267; Jeck, DB 1978, 862; Sachs, DNotZ 1976, 355. BayObLG, GmbHR 1995, 722 = NJW-RR 1996, 413, 414; BayObLG, GmbHR 1996, 360; OLG Düsseldorf, GmbHR 1970, 123; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 9; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 19; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 6; Michalski, in: Michalski, Rdnr. 11; Petzoldt, DB 1977, 1783; Sudhoff, GmbHR 1969, 242; 1977, 218; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 11. Vgl. auch öVwGH, WiBl. 1994, 215 = HS 24.138. RG, DR 1939, 721.

162

Emmerich

§3

Inhalt des Gesellschaftsvertrages

nach dem Zeitpunkt seines Abschlusses beurteilt, zu diesem Zeitpunkt der Gesellschaftsvertrag jedoch wirksam war. Eine nachträglich eintretende Nichtigkeit eines Vertrages kennt das Bürgerliche Recht nicht1. In Betracht kommt daher allenfalls eine entsprechende Anwendung der genannten Vorschriften, die auch tatsächlich im Schrifttum verbreitet befürwortet wird, jedenfalls, wenn die Änderung des Unternehmensgegenstandes zur Folge hat, dass, wenn die jetzige Tätigkeit bereits bei Vertragsabschluss ausgeübt worden wäre, mit Rücksicht darauf die abweichende Bestimmung des Gesellschaftsvertrages (da fiktiv) nichtig gewesen wäre (§ 117 BGB)2. Anders jedoch bisher ebenso wie im Falle der tatsächlichen Sitzverlegung (s. dazu unten § 4a Rdnr. 20) die Rechtsprechung unter Berufung auf den Wortlaut des § 75 GmbHG und des § 399 FamFG3. Aus dem Gesagten (oben Rdnr. 19) darf nicht der Schluss gezogen werden, dass 20 den Geschäftsführern jederzeit eine sogar vollständige Veränderung des Unternehmensgegenstandes sanktionslos möglich wäre; denn die Geschäftsführer überschreiten ihre Geschäftsführungsbefugnis, wenn sie nachträglich ohne vorhergehende Änderung des Gesellschaftsvertrags den Tätigkeitsbereich der Gesellschaft verändern (§ 37 Abs. 1), so dass die Gesellschaft von ihnen Schadensersatz verlangen kann (§ 43 Abs. 2)4. Außerdem kann die nachträgliche Änderung der Gesellschaftstätigkeit zur Folge haben, dass die Firma der Gesellschaft unzulässig wird, weil sie jetzt täuschend ist (§ 5 UWG; § 18 Abs. 2 HGB).

IV. Vorratsgründung und Mantelkauf Schrifttum (Auswahl): Altmeppen, Zur Verwendung eines alten GmbH-Mantels, DB 2003, 2050; Bärwaldt/Balda, Praktische Hinweise für den Umgang mit Vorrats- und Mantelgesellschaften – Teil 1: Vorratsgesellschaften, GmbHR 2004, 50; Bayer, Neue und gebrauchte Mäntel, in: FS Goette, 2011, S. 15; Habersack, Wider das Dogma von der unbeschränkten Gesellschafterhaftung bei wirtschaftlicher Neugründung einer AG oder GmbH, AG 2010, 845; Heerma, Mantelverwendung und Kapitalaufbringungspflichten, 1997; Heidenhain, Anwendung der Gründungsvorschriften des GmbH-Gesetzes auf die wirtschaftliche Neugründung einer Gesellschaft, NZG 2003, 1051; Heidinger, Die wirtschaftliche Neugründung, ZGR 2005, 101; Heidinger/Meyding, Der Gläubigerschutz bei der „wirtschaftlichen Neugründung“ von Kapitalgesellschaften, NZG 2003, 1129; H. Herchen, Vorratsgründung, Mantelverwendung und geräuschlose Beseitigung der GmbH, DB 2003, 2211; Hüffer, Die Haftung bei wirtschaftlicher Neugründung unter Verstoß gegen die Offenlegungspflicht, NJW 2011, 1772; Hüffer, Wirtschaftliche Neugründung und Haftung des geschäftsführers, NZG 2011, 1257; Kantak, Mantelgründung und Mantelverwendung bei der GmbH, 1988; Kober, Sonderformen des Beteiligungskaufes: Der Mantelkauf, 1995; Krolop, Zur Begrenzung der Unterbilanzhaftung bei der Vorrats- und Mantelgründung, ZIP 1 S. für die Sitzverlegung BayObLGZ 1982, 140, 142 = GmbHR 1983, 152. 2 Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 10; Michalski, in: Michalski, Rdnr. 17 f.; Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 11; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 21; Wicke, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 23; Wünsch, öGmbHG, § 4 Anm. 20; s. für die Sitzverlegung auch unten § 4a Rdnr. 20. 3 BayObLGZ 1979, 207, 208 f.; BayObLGZ 1982, 140, 141 ff. = WM 1982, 521 = BB 1982, 578 = GmbHR 1983, 152; BayObLG, WM 1981, 1396 = BB 1981, 870 = GmbHR 1982, 95 = Rpfleger 1981, 308; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 12. 4 Vgl. BGH, LM Nr. 7 zu § 37 GmbHG = NJW 1991, 1681 = AG 1991, 235 = GmbHR 1991, 197; OGH, GesRZ 1984, 217 f. für die Ausgliederung des gesamten Produktionsbetriebes aus der Gesellschaft; Wicke, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 23.

Emmerich

163

§3

Inhalt des Gesellschaftsvertrages

2011, 305; Lieder, Zur Anwendbarkeit der Grundsätze der Mantelverwendung, NZG 2010, 410; Th. Meyding, Die Mantel-GmbH im Gesellschafts- und Steuerrecht, 1989; Meyding/Heidinger, Der Gläubigerschutz bei der wirtschaftlichen Neugründung von Kapitalgesellschaften, in: 10 Jahre Deutsches Notarinstitut, 2003, S. 257; Peetz, Wirtschaftliche Neugründung einer GmbH und Haftung, GmbHR 2011, 178; Peetz, Noch einmal – Die Mantelverwendung, GmbHR 2004, 1429; B. Peters, Der GmbH-Mantel als gesellschaftsrechtliches Problem, Köln 1989; Podewils, Offene Fragen zur wirtschaftlichen Neugründung, GmbHR 2010, 684; Priester, in: FS 100 Jahre GmbHG, 1992, S. 159; Schaub, Vorratsgesellschaften vor dem Aus?, NJW 2003, 2125; Schaub, Zur Anwendung der Gründungsvorschriften auf Vorratsgesellschaften, DNotZ 2003, 447; Karsten Schmidt, Vorratsgründung, Mantelkauf und Mantelverwendung, NJW 2004, 1345; Swoboda, Die Anwendung der Vorschriften zur „verschleierten Sachgründung“ im Zusammenhang mit der „wirtschaftlichen Neugründung“ von Vorratsgesellschaften, GmbHR 2005, 649; Thaeter/St. Meyer, Vorratsgesellschaften – Folgerungen für die Praxis aus der Entscheidung des BGH v. 9.12.2002, DB 2003, 539; Tieves, Der Unternehmensgegenstand der Kapitalgesellschaft, 1998, S. 173 ff.; St. Ulrich, Gesellschafter: Keine Vorratsgründung bei Aufnahme nach außen gerichteter Geschäftstätigkeit, GmbHR 2010, 474; R. Werner, Haftungsvermeidung bei Aktivierung einer Mantelgesellschaft, GmbHR 2010, 804; R. Wilhelmi, Zur Begründung und den Konsequenzen der analogen Anwendung der Gründungsvorschriften auf die Verwendung eines gebrauchten GmbH-Mantels, DZWiR 2004, 177.

1. Überblick 21

Unter einer Vorratsgründung versteht man die Gründung einer Gesellschaft ohne konkrete Absicht der Gründer, in absehbarer Zeit mit der GmbH am Geschäftsverkehr teilzunehmen, so dass sich die Tätigkeit der Gesellschaft zunächst auf die „Verwaltung“ ihres in der Regel geringfügigen Vermögens beschränkt, bis sich ein „echter“ Verwendungszweck („Gegenstand“) für sie findet. Im Einzelnen hat man die offene und die verdeckte Vorratsgründung zu unterscheiden, je nachdem, ob der Gesellschaftsvertrag bereits selbst den „Vorratscharakter“ der Gründung erkennen lässt oder nicht. Die Zulässigkeit der offenen Vorratsgründung ist im Jahr 1992 vom BGH geklärt worden1. Seitdem werden offene Vorratsgründungen von Gesellschaften in der Rechtsform einer GmbH von darauf spezialisierten Personen und Unternehmen in großem Umfang „gewerbsmäßig“ praktiziert zu dem Zweck, anschließend Interessenten bereits ins Handelsregister eingetragene Gesellschaften mbH für beliebige Zwecke (versteht sich: gegen Entgelt) zur Verfügung stellen zu können. In der Zwischenzeit bis zur Veräußerung der Anteile der Vorratsgründung an Interessenten wird außerdem häufig das bereits eingezahlte Stammkapital wieder an die Gründer als Darlehen zurückgezahlt, um es in der Zwischenzeit zinsbringend anlegen zu können. Unmittelbar vor Veräußerung der Anteile der Vorrats-GmbH wird sodann das Darlehen zurückgezahlt, damit die Gesellschaft mit dem nötigen Stammkapital ausgestattet ist. Die Zulässigkeit dieser Praxis ist umstritten, insbesondere unter dem Gesichtspunkt des verbotenen Hin- und Herzahlens, wobei jetzt § 19 Abs. 5 zu beachten ist2. Wegen der Einzelheiten ist auf die Erläuterungen zu dieser Vorschrift zu verweisen.

1 BGHZ 117, 323 = NJW 1992, 1824 = AG 1992, 227 = GmbHR 1992, 451. 2 Gegen die Zulässigkeit BGH, GmbHR 2008, 256 = NZG 2008, 511, 512; OLG Schleswig, GmbHR 2000, 1045.

164

Emmerich

§3

Inhalt des Gesellschaftsvertrages

Von der Vorratsgründung (oben Rdnr. 21) ist die sonstige Mantelverwendung 22 durch Mantelkauf zu unterscheiden (dazu im Einzelnen unten Rdnr. 37 ff.). Einen fest umrissenen Begriff des Mantelkaufs gibt es nicht. In erster Linie hat man dabei Fälle im Auge, die dadurch charakterisiert sind, dass eine GmbH, die kein Unternehmen mehr betreibt und in der Regel auch über kein (nennenswertes) Vermögen mehr verfügt, dazu verwandt wird, im Wege der Vertragsänderung – sozusagen „unter ihrem Mantel“ – wirtschaftlich ein neues Unternehmen zu gründen, möglicherweise ohne jeden eigenen Kapitaleinsatz. Mantelkauf und Vorratsgründung unterscheiden sich dadurch, dass die letztere nicht notwendig einen Gesellschafterwechsel voraussetzt, wie er für den Mantelkauf charakteristisch ist. Den Gegensatz zu ihr bildet die „bloße“ Umstrukturierung des von einer Gesellschaft (noch) betriebenen Unternehmens, selbst wenn es sich um eine grundlegende Sanierung durch die Zuführung neuer Mittel durch neue Gesellschafter handelt. Die Abgrenzung ist naturgemäß schwierig; tatsächlich handelt es sich sogar um einen stufenlosen Übergang. Gleichwohl werden beide Fälle – die „bloße“ Umstrukturierung und die weiter gehende Mantelverwendung – neuerdings ganz unterschiedlich behandelt, da allein die Mantelverwendung, nicht dagegen die (weniger weit gehende) Umstrukturierung einer Gesellschaft der wirtschaftlichen Neugründung gleichgestellt wird (unten Rdnr. 37 ff.). Vorratsgründung (Rdnr. 21), Mantelkauf und sonstige Mantelverwendung sind nur verschiedene Erscheinungsformen desselben Phänomens, nämlich der Verwendung einer GmbH ohne eigene gewerbliche Aktivitäten, d.h. „ohne Unternehmen“, für den zukünftigen Betrieb eines Unternehmens. Deshalb wird für alle genannten Vorgänge auch häufig der Begriff der Mantelverwendung als Oberbegriff vewandt, zumal diese Vorgänge im Ergebnis heute auch im Wesentlichen rechtlich gleich behandelt werden (Rdnr. 25). Die mit einer Mantelverwendung (als Oberbegriff für Vorratsgründung und Man- 23 telkauf) verfolgten Zwecke sind unterschiedlich: Im Vordergrund dürfte das Bestreben stehen, durch Verwendung einer bereits früher auf Vorrat gegründeten oder als bloßer Mantel erworbenen oder auch vorgehaltenen GmbH das oft langwierige Eintragungsverfahren abzukürzen. Damit verbindet sich häufig oder sogar i.d.R. der weitere Zweck, die den Gründern drohende Unterbilanzhaftung bei Aufnahme der Geschäftstätigkeit vor Eintragung der Gesellschaft (s. unten § 11 Rdnr. 86 ff.) ebenso wie die dann den Geschäftsführern drohende Handelndenhaftung des § 11 Abs. 2 in der Zwischenzeit bis zur Eintragung der Gesellschaft nach Möglichkeit zu vermeiden1. Früher wurde mit einer Mantelverwendung, insbesondere in Form des Mantel- 24 kaufs ferner in zahlreichen Fällen versucht, bei der Gründung neuer Unternehmen steuerlich einen etwaigen Verlustvortrag auszunutzen. Diesen Bestrebungen war die Rechtsprechung der Finanzgerichte in den achtziger Jahren weit entgegengekommen2. Die Folge war jedoch ein lebhafter Handel mit „GmbH1 S. statt aller Heerma, Mantelverwendung, S. 1 ff.; Heidinger, ZGR 2005, 101; Heyer/A. Reichert-Clauß, NZG 2005, 193; C. Peetz, GmbHR 2004, 1429; Karsten Schmidt, NJW 2004, 1345; Karsten Schmidt, GesR, § 4 III 1b (S. 68); Tieves, Unternehmensgegenstand, S. 174 ff.; H. Wicke, NZG 2005, 409 f.; Wicke, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 26 f. 2 BFHE 148, 153, 157 f. = BStBl. II 1987, 310 = NJW 1988, 1286 = GmbHR 1987, 175; BFHE 148, 158, 161 ff. = GmbHR 1987, 173.

Emmerich

165

§3

Inhalt des Gesellschaftsvertrages

Mänteln“, der den Gesetzgeber bereits 1988 zum Eingreifen veranlasste1. Die in der Folgezeit wiederholt verschärfte Regelung fand sich zunächst in § 8 Abs. 4 KStG, an dessen Stelle mittlerweile § 8c KStG getreten ist. Nach dieser Vorschrift ist ein Verlustausgleich bereits ausgeschlossen, wenn innerhalb von fünf Jahren unmittelbar oder mittelbar eine Beteiligung von mehr als 25 % an einen Erwerber übertragen wurde. Der Handel mit „GmbH-Mänteln“ hat seitdem erheblich an praktischer Bedeutung eingebüßt. Von Fall zu Fall kann eine Mantelverwendung ferner noch sinnvoll sein, wenn sie die Ausnutzung einer nicht übertragbaren Betriebserlaubnis durch die neuen Träger des Unternehmens gestattet. 25

Die mit einer Vorratsgründung und einem Mantelkauf zusammenhängenden Fragen sind durch mehrere höchstrichterliche Entscheidungen in den Brennpunkt des Interesses gerückt (s. im Einzelnen unten Rdnr. 28). Die größte Aufmerksamkeit beanspruchen dabei naturgemäß die Beschlüsse des BGH vom 9.12.2002 (II ZB 12/02)2 sowie vom 7.7.2003 (II ZB 4/02)3. In dem zuerst genannten Beschluss von 2002 hat der BGH entschieden, dass „die Verwendung des Mantels einer zunächst auf Vorrat gegründeten GmbH … wirtschaftlich eine Neugründung“ darstellt4. In dem Beschluss von 20035 hat der BGH diese Grundsätze sodann auf den Mantelkauf erstreckt und dabei zugleich weit reichende Ausführungen zur Unterbilanzhaftung der Gesellschafter und zur Handelndenhaftung der Geschäftsführer in den Fällen der Vorratsgründung und der Mantelverwendung gemacht. An der Gleichsetzung von Vorratsgründung und Mantelverwendung mit einer Neugründung hat die Rechtsprechung bisher grundsätzlich festgehalten6, während im Schrifttum die Meinungen nach wie vor geteilt sind (Rdnr. 27 f.). Soweit die Rechtsprechung kritisiert wird, steht die Überlegung im Vordergrund, dass kein sachlicher Grund erkennbar sei, der es rechtfertigen könne, die Mantelverwendung völlig anders als sonstige Umstrukturierungen von Gesellschaften zu behandeln, zumal sich beide Fälle ohnehin in der Praxis kaum unterscheiden ließen7. Im Folgenden soll zunächst zur Vorratsgründung (unten Rdnr. 26 ff.) und erst im Anschluss daran zur Mantelver-

1 BGBl. I 1988, 1093; s. dazu St. Kudert/K. Saakel, BB 1988, 1229; J. Thiel, GmbHR 1990, 223. 2 BGHZ 153, 158 = NJW 2003, 892 = ZIP 2003, 251 = GmbHR 2003, 227; Vorinstanz: OLG Celle, OLGR 2002, 221 = GmbHR 2002, 1066 (nur Leitsatz). 3 BGHZ 155, 318 = NJW 2003, 3118 = GmbHR 2003, 1125 = ZIP 2003, 1698 = AG 2003, 684; Vorinstanz: OLG Brandenburg, GmbHR 2002, 851 = NJW-RR 2002, 971. 4 Ebenso zuvor schon BGHZ 117, 323, 331 = NJW 1992, 1824 = AG 1992, 227 = GmbHR 1992, 451 auf Vorlage des OLG Stuttgart, ZIP 1992, 250 = DB 1992, 133; – anders zuvor insbesondere BayObLGZ 1999, 87, 89 ff. = NJW-RR 2000, 112 = GmbHR 1999, 607. 5 BGHZ 155, 318 = NJW 2003, 3118 = GmbHR 2003, 1125 = AG 2003, 684; ebenso sodann OLG Düsseldorf, ZIP 2003, 1501 = NZG 2004, 380; OLG Celle, GmbHR 2005, 1496, 1497; LG Berlin, ZIP 2003, 1398 = GmbHR 2003, 1062 (nur Leitsatz). 6 S. zuletzt BGH, AG 2008, 83 = NZG 2008, 309; BGH, NJW 2010, 1459 = GmbHR 2010, 474 = NZG 2010, 427; BGH, ZIP 2011, 1761 = GmbHR 2011, 1032 Rdnr. 9; KG, GmbHR 2010, 476; OLG München, GmbHR 2010, 425; OLG Schleswig, NZG 2007, 75; OLG Jena, ZIP 2007, 124; OLG Köln, ZIP 2008, 973; aus der Literatur s. zuletzt Lieder, NZG 2010, 410; Podewils, GmbHR 2010, 684; R. Werner, GmbHR 2010, 804; Wicke, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 24 ff. 7 S. unten Rdnr. 28 sowie statt aller Kleindiek, in: FS Priester, 2007, S. 369, 379 ff.

166

Emmerich

§3

Inhalt des Gesellschaftsvertrages

wendung (unten Rdnr. 37 ff.) Stellung genommen werden, weil im Schrifttum z.T. eine unterschiedliche Behandlung beider Fälle favorisiert wird, während in der Rechtsprechung beide Fälle, wie bereits betont (Rdnr. 22), grundsätzlich gleichbehandelt werden.

2. Vorratsgründung a) Zulässigkeit Die grundsätzliche Zulässigkeit der offenen Vorratsgründung (oben Rdnr. 21) 26 steht außer Frage, da eine GmbH zu jedem gesetzlich zulässigen Zweck und daher auch zu dem Zweck der Verwaltung des eigenen Vermögens gegründet werden kann (§ 1, s. oben § 1 Rdnr. 4 ff.). Die Gründung einer Gesellschaft, bei der als Gegenstand des Unternehmens (zutreffend) die Verwaltung der Einlagen oder ihres Vermögens genannt wird, ist daher unbedenklich, weil die Angabe des (erlaubten) Unternehmensgegenstandes zutreffend ist (§ 3 Abs. 1 Nr. 2)1. Anders zu beurteilen ist die verdeckte Vorratsgründung, d.h. die Gründung einer GmbH mit einem Unternehmensgegenstand, den die Gründer gar nicht ernsthaft verfolgen (oben Rdnr. 21) und der deshalb fiktiv ist (§ 117 BGB; oben Rdnr. 13). Dieser Mangel wird auch durch die Eintragung der Gesellschaft ins Handelsregister nicht geheilt, so dass die Gesellschaft auf Klage hin aufzulösen ist, bis dahin aber besteht (§ 75 GmbHG; § 275 AktG; § 397 Satz 2 FamFG)2. Gleichzustellen ist der Fall, dass die Gründer jedenfalls auf absehbare Zeit nicht ernstlich die Absicht haben, den von ihnen angegebenen Unternehmensgegenstand zu verfolgen, da auch in diesem Fall der wirkliche Unternehmensgegenstand (die Verwaltung des eigenen Vermögens der Gesellschaft) im Gesellschaftsvertrag nicht genannt ist3. b) Wirtschaftliche Neugründung Die Besonderheit der Vorratsgründung besteht darin, dass hier zunächst eine 27 GmbH entsteht, die in der Mehrzahl der Fälle lediglich mit dem Mindestkapital des § 5 Abs. 1 ausgestattet ist, (nahezu) keine Aktivitäten entfaltet und erst bei Bedarf aktiviert wird, entweder durch die Gründer selbst, oder indem sie Dritten im Wege der Abtretung des oder der Geschäftsanteile überlassen wird, die darauf hin durch Änderung des Gesellschaftsvertrags einen neuen Gegenstand des Unternehmens der Gesellschaft (§ 3 Abs. 1 Nr. 2) und die dazu passende Firma (§ 3 Abs. 1 Nr. 1) bestimmen sowie neue Geschäftsführer bestellen. Die zutref1 BGHZ 117, 323, 330 ff. = NJW 1992, 1824 = AG 1992, 227 = GmbHR 1992, 451 = ZIP 1992, 689; statt aller Karsten Schmidt, GesR, § 4 III 2b, bb (S. 70); Karsten Schmidt, NJW 2004, 1345, 1346 f.; Tieves, Unternehmensgegenstand, S. 184 ff., Wicke, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 28. 2 BGHZ 117, 323, 333 ff. (vorige Fn.); ebenso schon früher KG, JFG 1, 200 = OLGE 43, 296; JFG 3, 193; 10, 152; OLG Köln, OLGZ 1987, 403, 405 = GmbHR 1988, 25 = NJW-RR 1987, 1059; Ahrens, DB 1998, 1069, 1072; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 11; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 7; Karsten Schmidt, NJW 2004, 1345, 1352; Wicke, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 28. 3 BGHZ 117, 323, 334 ff. = NJW 1992, 1824 = GmbHR 1992, 451; Tieves Unternehmensgegenstand, S. 183 f.; dagegen A. Kraft, DStR 1993, 101, 103 ff.; Ebenroth/Müller, DNotZ 1994, 75.

Emmerich

167

§3

Inhalt des Gesellschaftsvertrages

fende rechtliche Behandlung dieser Fälle war und ist umstritten. Im Wesentlichen drei Meinungen stehen sich gegenüber1. Während nach der wohl überwiegenden Meinung ein „gestreckter“ Gründungsvorgang anzunehmen ist, so dass es sich der Sache nach um eine „wirtschaftliche Neugründung“ der Gesellschaft handelt2, liegt nach anderen in derartigen Fällen der Sache nach nichts anderes als eine jederzeit mögliche Vertragsänderung vor, wobei auch auf die großen Abgrenzungsschwierigkeiten hingewiesen wird3. Daneben gibt es noch verschiedene vermittelnde Meinungen, die sich gegen einzelne besonders weit gehende Konsequenzen der herrschenden Meinung wenden; es geht dabei vor allem um die Haftungsfragen, die auch in der Rechtsprechung noch kontrovers diskutiert werden (Rdnr. 34 f.). 28

Wie bereits ausgeführt (Rdnr. 25), hatte sich der BGH bereits 1992 für eine Einstufung der späteren Verwendung einer Vorratsgesellschaft als „wirtschaftliche Neugründung“ ausgesprochen4. Die endgültige Bestätigung dieser Qualifizierung der Verwendung einer Vorratsgesellschaft brachten dann die beiden erwähnten Beschlüsse von 2002 und von 20035, woran die Rechtsprechung bis heute im Grundsatz festgehalten hat (Rdnr. 25). Auch durch das MoMiG haben sich, jedenfalls im Prinzip, keine Änderungen ergeben. Die Konsequenzen der geschilderten Rechtsprechung sind erheblich. Sie reichen von Fragen der Auslegung des Gesellschaftsvertrages über das Registerrecht (Rdnr. 29 ff.) bis zu Haftungsfragen (Rdnr. 33 ff.). Deshalb bedarf es in jedem Fall zunächst einer sorgfältigen Abgrenzung der Vorratsgründung oder der sonstigen Mantelverwendung von bloßen Umstrukturierungen einer Gesellschaft, auf die die Regeln über die Mantelverwendung keine Anwendung finden (s. schon Rdnr. 25, 27 und 29).

29

Die Abgrenzung der Mantelverwendung von der „bloßen“ (als solcher unproblematischen) Umstrukturierung einer bestehenden Gesellschaft hat sich als ausgesprochen schwierig erwiesen, weil es sich bei den Begriffen „Vorratsgesellschaft“, „Mantelverwendung“ und „bloße Umstrukturierung“ um „Typusbegriffe“ handelt6, die sich allenfalls idealtypisch umgrenzen, aber kaum genau definieren und infolgedessen auch nicht trennscharf voneinander abgrenzen lassen, – worin, wie schon mehrfach bemerkt, einer der Hauptkritikpunkte der Literatur an der Rechtsprechung des BGH besteht. Die Rechtsprechung stellt 1 S. Kleindiek, in: FS Priester, 2007, S. 369, 373. 2 In diesem Sinne etwa Ahrens, DB 1998, 1069; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 13; Goette, GmbH, § 1 Rdnr. 20 f. (S. 7 f.); Goette, DStR 2003, 300; Goette, DStR 2003, 887, 890; Krolop, ZIP 2011, 305; Lübbert, BB 1998, 221. 3 S. schon Rdnr. 25 sowie z.B. Banerjea, GmbHR 1998, 814; Banerjea, NZG 1999, 1817; Bärwaldt/Schabacker, GmbHR 1998, 1005, 1008; Göz/Gehlich, ZIP 1999, 1653, 1657; Habersack, AG 2010, 845; Heerma, Mantelverwendung, passim, bes. S. 91 ff.; Heerma, GmbHR 1999, 640; Hüffer, NJW 2011, 1772; Kuleisa, DB 2010, 575; Kleindiek, in: FS Priester, 2007, S. 369, 379 ff.; Meller-Hannich, ZIP 2000, 354; Peetz, GmbHR 2011, 178; Schaub, NJW 2003, 2125, 2129; Schaub, DNotZ 2003, 447; Karsten Schmidt, NJW 2004, 1345, 1352 f.; Thaeter/St. Meyer, DB 2003, 539, 541. 4 BGHZ 117, 323, 331 = NJW 1992, 1824 = GmbHR 1992, 451. 5 BGHZ 153, 158, 160 = NJW 2003, 892 = GmbHR 2003, 227, 228 = ZIP 2003, 251 (unter III 1); BGHZ 155, 318, 321 = NJW 2003, 3118 = GmbHR 2003, 1125 = AG 2003, 684 (unter II 1). 6 Zutreffend Heidinger, ZGR 2005, 101, 103.

168

Emmerich

§3

Inhalt des Gesellschaftsvertrages

zur Abgrenzung in erster Linie darauf ab, ob die Gesellschaft eine „leere Hülse“ ist, d.h. kein aktives Unternehmen (mehr) betreibt, an das die Fortführung des Geschäftsbetriebes, und sei es auch nach einer wesentlichen Umstrukturierung des Tätigkeitsgebiets der Gesellschaft, „in irgendeiner wirtschaftlich noch gewichtbaren (d.h. erkennbaren) Weise“ anknüpfen kann1. Diese Voraussetzung für die Annahme einer Vorratsgesellschaft oder eines Gesellschaftsmantels ist bereits dann nicht mehr erfüllt, wenn eine Gesellschaft nach ihrer Gründung, wenn auch in geringem Umfang und über einen längeren Zeitraum hinweg, Vorbereitungshandlungen zur Verwirklichung ihres geplanten Unternehmensgegenstandes entfaltet hat, z.B. durch die Entwicklung von Geschäftsplänen und vergleichbare Tätigkeiten2. Entscheidend ist mit anderen Worten nicht so sehr die Vermögenslosigkeit der fraglichen Gesellschaft, sondern ihre „Unternehmenslosigkeit“, d.h. der Umstand, dass sie in keiner erkennbaren Form einen Geschäftsbetrieb (mehr) entfaltet, so dass sie tatsächlich nur noch eine „leere Hülse“ darstellt, die sich als Rahmen für eine beliebige zukünftige Geschäftstätigkeit eignet3. Die Abgrenzung ist und bleibt aber schwierig, so dass vor allem die Registergerichte in Zweifelsfällen durchweg auf Indizien angewiesen sind4. Als solche werden z.B. genannt die (ggf. gleichzeitige) Änderung des Unternehmensgegenstandes, die entsprechende Neufassung der Firma und die Verlegung des Gesellschaftssitzes sowie die Einsetzung neuer Geschäftsführer5. Weitere Indizien sind die Veräußerung des gesamten Anlagevermögens der Gesellschaft in Verbindung mit der anschließenden Beschränkung auf die Verwaltung des verbliebenen Vermögens der Gesellschaft oder mit der Veräußerung sämtlicher Anteile an Dritte6. Aus den angedeuteten Abgrenzungsschwierigkeiten erklärt sich auch unmittelbar die vom BGH postulierte Offenlegungspflicht der Neugründung gegenüber dem Registergericht (Rdnr. 30). c) Registerrecht Die Mantelverwendung ist, wie ausgeführt, im Sinne der §§ 5 bis 9c als „wirt- 30 schaftliche Neugründung“ zu behandeln, die einer besonderen „registergerichtlichen Präventivkontrolle“7 unterliegt. Basis dieser Kontrolle ist die Offenlegung der Tatsache einer wirtschaftlichen Neugründung gegenüber dem Registergericht in Verbindung mit der (wiederholten) Anmeldeversicherung gemäß § 8 Abs. 2. Zu diesem Zweck müssen alle (neuen) Geschäftsführer (§ 78) gemäß § 8 Abs. 2 versichern, dass die in § 7 Abs. 2 und 3 bezeichneten Leistungen auf die Geschäftsanteile bewirkt sind, das satzungsmäßige Stammkapital zum Zeitpunkt 1 BGH, NJW 2010, 1459 = GmbHR 2010, 474 Rdnr. 6; im Anschluss an BGHZ 155, 318, 324. 2 BGH, NJW 2010, 1459 = GmbHR 2010, 474 Rdnr. 8. 3 Ebenso Lieder, NZG 2010, 410, 412; Podewils, GmbHR 2010, 684, 686 f.; St. Ulrich, GmbHR 2010, 475 f.; R. Werner, GmbHR 2010, 804, 805 f. 4 Das betonen z.B. auch OLG Schleswig, NZG 2007, 75, 67; R. Werner, GmbHR 2010, 804, 805 f. 5 BGHZ 153, 158, 163 (unter III 1d). 6 OLG Schleswig, NZG 2007, 75, 77; LG Berlin, EWiR 2008, 401; LG Köln, RNotZ 2005, 239. 7 So ausdrücklich BGHZ 155, 318, 323 f. = AG 2003, 684, 685 (unter II 3); s. unten Rdnr. 32.

Emmerich

169

§3

Inhalt des Gesellschaftsvertrages

der Anmeldung der „wirtschaftlichen Neugründung“ noch wertmäßig durch das vorhandene Vermögen gedeckt ist und in Höhe der Mindesteinzahlung von einem Viertel, mindestens aber 12 500 Euro zur freien Verfügung der Geschäftsführung steht (Rdnr. 31). Diese Versicherung wird in der Regel die Aufstellung einer Stichtagsbilanz zum Tag der Offenlegung erforderlich machen. Offen ist, ob die vom BGH geforderte „Offenlegung“ des Vorgangs der „wirtschaftlichen Neugründung“ mit der Anmeldeversicherung identisch ist oder ein zusätzliches Erfordernis darstellt1. Entscheidend dürfte sein, ob sich aus der Anmeldeversicherung bereits ohne Weiteres der Tatbestand einer Mantelverwendung ergibt. Ist dies nicht der Fall, so ist der Vorgang der wirtschaftlichen Neugründung durch Verwendung einer Vorratsgesellschaft oder durch sonstige Mantelverwendung ausdrücklich „offenzulegen“, um Haftungsrisiken zu vermeiden2. 31

Die „Anmeldeversicherung“ nach § 8 Abs. 2 hat sich nicht etwa an dem gesetzlichen Mindeststammkapital zu orientieren, sondern, an dem gesellschaftsvertraglichen Stammkapital, wobei Stichtag der der Offenlegung des Vorgangs gegenüber dem Registergericht ist3. Die Versicherung der (aller) Geschäftsführer muss sich mithin darauf beziehen, dass die Gesellschaft im Zeitpunkt der Offenlegung noch ein Mindestvermögen in Höhe der gesellschaftsvertraglichen Stammkapitalziffer besitzt, von dem sich ein Viertel – wenigstens aber 12 500 Euro – wertmäßig in der freien Verfügung der Geschäftsführer befindet4. Im Falle der Sachgründung sind außerdem § 7 Abs. 3 sowie § 8 Abs. 2 und § 9 zu beachten. Die Einzelheiten sind streitig, insbesondere, was die Analogiefähigkeit der Vorschriften zur Sachgründung betrifft5.

32

Die „Anmeldeversicherung“ nach § 8 Abs. 2 ist anschließend vom Registergericht entsprechend § 9c Abs. 1 zu prüfen6. Ergibt die Prüfung Anhaltspunkte für eine Unrichtigkeit der Versicherungen und damit für das Vorliegen einer Unterbilanz im Augenblick der Offenlegung des Vorgangs durch die Anmeldung (oben Rdnr. 31), so hat das Registergericht diesen Bedenken gemäß § 26 FamFG nachzugehen7. Wenn die Geschäftsführer gegen ihre Anmeldepflicht verstoßen, haften sie nach § 9a, während für die Anwendung der Strafvorschrift des § 82 Abs. 1 Nr. 1 mit Rücksicht auf das strafrechtliche Analogieverbot (Art. 103 GG) wohl kein Raum ist8. Außerdem ist § 11 Abs. 2 zu beachten (unten Rdnr. 36).

1 Dies betont auch R. Werner, GmbHR 2010, 804, 805 f. 2 Heidinger, ZGR 2005, 101, 108 ff.; R. Werner, GmbHR 2010, 804, 805 f. 3 BGHZ 155, 318, 325 f. = AG 2003, 684, 685 (unter II 3b); BGH, ZIP 2011, 1761 = GmbHR 2011, 1032 Rdnr. 13. 4 Ebenso z.B. Krafka, ZGR 2003, 577, 585 f.; s. schon oben Rdnr. 30. 5 S. zum Meinungsstand OLG Hamburg, GmbHR 2005, 164 = NZG 2005, 483; LG Hagen, GmbHR 2003, 845 = NZG 2003, 828; Heidinger, ZGR 2005, 101, 115 ff.; Krafka, ZGR 2003, 577, 586. 6 Zur Anwendbarkeit des § 9c Abs. 2 s. Heidinger, ZGR 2005, 101, 106; Swoboda, GmbHR 2005, 649. 7 BGHZ 153, 158, 162 (unter III 1c); BGHZ 155, 318, 326 f. (unter II 4). 8 Heidinger, ZGR 2005, 101, 108, 110; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 13; Krafka, ZGR 2003, 577, 584; Thaeter/St. Meyer, DB 2003, 539, 540.

170

Emmerich

§3

Inhalt des Gesellschaftsvertrages

d) Unterbilanzhaftung Als Unterbilanzhaftung bezeichnet man die unbeschränkte persönliche Haftung 33 der Gesellschafter pro rata für eine etwaige Unterbilanz der Gesellschaft im Augenblick ihrer Eintragung ins Handelsregister, die vor allem dann akut wird, wenn die Gesellschaft mit ihren Geschäften vor ihrer Eintragung begonnen hatte, so dass sie bereits im Augenblick ihrer Eintragung mit den daraus resultierenden Verbindlichkeiten der Vorgesellschaft belastet ist (s. unten § 11 Rdnr. 86 ff.). Im Schrifttum war lange Zeit umstritten, ob diese Unterbilanzhaftung entsprechend auf die „wirtschaftliche Neugründung“ einer Vorratsgesellschaft durch ihre erstmalige Verwendung für einen konkreten unternehmerischen Gegenstand erstreckt werden kann. Vielfach wurde die Frage verneint, weil die Fälle im Grunde nicht vergleichbar seien1. Die überwiegende Meinung folgerte dagegen aus dem vom BGH bereits 1992 bejahten Vorliegen einer wirtschaftlichen Neugründung (oben Rdnr. 28), dass hier auch Raum für die entsprechende Anwendung der Grundsätze über die Unterbilanzhaftung ist; umstritten blieb jedoch auch innerhalb der Vertreter der h.M., ob die Unterbilanzhaftung hier an das gesetzliche Mindestkapital des § 5 oder das vertragliche Stammkapital der Vorratsgesellschaft anknüpfen sollte; meistens wurde der Unterbilanzhaftung die vertragliche Stammkapitalziffer zugrundegelegt2. Der zuletzt genannten Meinung hat sich 2003 auch der BGH angeschlossen3, 34 wobei Stichtag der der Offenlegung des Tatbestandes einer wirtschaftlichen Neugründung gegenüber dem Registergericht ist. Für eine Gewährleistung der Unversehrtheit des Stammkapitals über diesen Zeitpunkt hinaus ist dagegen kein Raum4. Dies bedeutet konkret, dass die Gesellschafter vor Offenlegung des Tatbestandes der wirtschaftlichen Neugründung durch Mantelverwendung eine etwaige Unterbilanz, bezogen auf das vertragliche Stammkapital, ausgleichen müssen, wenn sie eine persönliche Haftung für die Differenz zwischen dem vertraglichen Stammkapital und dem vorhandenen bilanziellen Vermögen der Gesellschaft vermeiden wollen5. Die Einzelheiten dieser (durchaus problematischen) zeitlich unbegrenzten Unterbilanzhaftung der Gesellschafter im Falle eines Verstoßes gegen ihre Offenlegungspflicht (Rdnr. 33) waren auch innerhalb der Rechtsprechung lange nicht endgültig geklärt. Ein Teil der Gerichte verstand die Rechtsprechung des BGH dahin, dass die Gesellschafter bei einem Verstoß gegen die Offenlegungspflicht in jedem Fall eine zeitlich und der Höhe nach un1 Zuletzt Schaub, NJW 2003, 2125, 2129; Schaub, DNotZ 2003, 447; Thaeter/St. Meyer, DB 2003, 539, 541. 2 In diesem Sinne Ahrens, DB 1998, 1069, 1071; Goette, DStR 2003, 887, 890; Krafka, ZGR 2003, 577, 585 f.; Lübbert, BB 1998, 2221, 2224; Peetz, GmbHR 2003, 231. 3 BGHZ 155, 318, 327 = NJW 2003, 3118 = GmbHR 2003, 1125 = AG 2003, 684, 685 f. (unter II 4); BGH, ZIP 2011, 1761 = GmbHR 2011, 1083 Rdnr. 10; noch offen gelassen in BGHZ 153, 158, 161 f. = NJW 2003, 892 = GmbHR 2003, 227, 228. 4 BGHZ 155, 318 = NJW 2003, 3118 = GmbHR 2003, 1125. 5 S. dazu z.B. (überwiegend kritisch) Altmeppen, DB 2003, 2050; Bärwaldt/S. Balda, GmbHR 2004, 50, 52; Habersack, AG 2010, 845; Heidinger, ZGR 2005, 101, 111 ff.; Heidinger/Meyding, NZG 2003, 1129, 1133; Heidenhain, NZG 2003, 1051, 1053; H. Herchen, DB 2003, 2211, 2216; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 13; Peetz, GmbHR 2003, 1128, 1129; Karsten Schmidt, NJW 2004, 1345, 1347 ff.; Thaeter, DB 2003, 2112, 2114 f.

Emmerich

171

§3

Inhalt des Gesellschaftsvertrages

begrenzte Vorbelastungshaftung – als Sanktion – treffe, und zwar selbst dann, wenn zum Stichtag das nötige Kapital an sich vorhanden war, jedoch später Verluste eintreten1. Andere Gerichte lehnten dagegen eine Haftung der Gesellschafter ab, wenn bei Mantelverwendung das Stammkapital tatsächlich noch vorhanden war2, während sich wieder andere mit einer bloßen Unterbilanzhaftung der Gesellschafter, bezogen auf den Stichtag der Mantelverwendung, begnügten3. Jüngst hat der BGH für Klärung gesorgt und entschieden, dass es für eine etwaige Unterbilanzhaftung darauf ankomme, ob im Zeitpunkt der wirtschaftlichen Neugründung eine Deckungslücke zwischen dem Vermögen der Gesellschaft und dem satzungsmäßigen Stammkapital bestanden hat4. 35

Umstritten ist ferner, ob die wie immer umschriebene Haftung der Gesellschafter für einen Verstoß gegen die Offenlegungspflicht auch etwaige Anteilserwerber trifft. In der Rechtsprechung wird dies zum Teil gemäß § 16 bejaht5, – wogegen freilich die Änderung dieser Vorschrift durch das MoMiG spricht (§ 16 Abs. 2). Ungeklärt ist ferner, welche Bedeutung in diesem Rahmen der Regelung der Verjährung durch § 9 Abs. 2 zukommt. Richtiger Meinung nach sollte die Verjährung bereits mit dem Verstoß gegen die Offenlegungspflicht und nicht erst mit der später nachgeholten Offenlegung beginnen6.

36

Nach § 11 Abs. 2 löst ein Handeln im Namen der Gesellschaft vor ihrer Eintragung eine persönliche und solidarische Haftung der Handelnden, in erster Linie also der (zukünftigen) Geschäftsführer aus. Auch die Anwendbarkeit dieser Regelung auf die Verwendung einer Vorratsgesellschaft wird vom BGH bejaht, wenn vor Offenlegung der wirtschaftlichen Neugründung als maßgeblichem Stichtag die Geschäfte aufgenommen werden, ohne dass dem alle Gesellschafter zugestimmt haben7. Die praktische Bedeutung der entsprechenden Anwendung des § 11 Abs. 2 auf die „wirtschaftliche Neugründung“ durch Verwendung einer Vorratsgesellschaft wird überwiegend als gering eingestuft.

3. Mantelkauf 37

a) Von einem Mantelkauf spricht man üblicherweise, wenn eine GmbH, die früher einmal ein Unternehmen betrieb, dieses aber aufgegeben hat und seitdem über kein (nennenswertes) Vermögen mehr verfügt, dazu verwandt wird, als „Mantel“ oder Rahmen für ein neues Unternehmen zu dienen (oben Rdnr. 22). Als typische Merkmale werden in der Regel genannt neben der endgültigen Auf1 OLG Schleswig, NZG 2007, 75, 76; OLG Jena, GmbHR 2004, 1468; OLG Jena, ZIP 2007, 124 f.; OLG Köln, ZIP 2008, 973 f. 2 KG, GmbHR 2010, 476, 477 = NZG 2010, 387; zustimmend Habersack, AG 2010, 845; dagegen Podewils, GmbHR 2010, 684, 687. 3 OLG München, GmbHR 2010, 425, 427 f.; s. dazu auch Wachter, BB 2010, 1242; Werner, GmbHR 2010, 804, 807. 4 BGH v. 6.3.2012 – II ZR 56/10, bei Drucklegung noch nicht veröffentlicht. 5 OLG München, GmbHR 2010, 425, 428; ebenso Werner, GmbHR 2010, 804, 808; dagegen zutreffend Podewils, GmbHR 2010, 684, 688 f. 6 So aber offenbar OLG Köln, ZIP 2008, 973, 974 f.; dagegen wie hier OLG Schleswig, NZG 2007, 75, 76. 7 So wörtlich BGH, GmbHR 2011, 1032 = ZIP 2011, 1761 Rdnr. 11 ff.; BGHZ 155, 318, 327 = NJW 2003, 3118; kritisch dazu z.B. Karsten Schmidt, NJW 2004, 1345, 1349 f.

172

Emmerich

§3

Inhalt des Gesellschaftsvertrages

gabe der bisherigen Aktivität der Gesellschaft (ihres ursprünglichen Gegenstandes): die (weit gehende) Vermögenslosigkeit der Gesellschaft, ihre Ausrichtung auf einen neuen Gegenstand durch Änderung des Gesellschaftsvertrages, insbesondere nach Veräußerung der Geschäftsanteile und Einsetzung neuer Geschäftsführer, sowie die Ausstattung der Gesellschaft mit neuem Kapital. Der Mantelkauf ist nur eine besondere Erscheinungsform der allgemeinen Man- 38 telverwendung, zu der insbesondere noch die bereits behandelte Vorratsgründung gehört (Rdnr. 22). In der Rechtsprechung werden deshalb heute sämtliche Erscheinungsformen der Mantelverwendung grundsätzlich gleich behandelt (Rdnr. 22, 25). Die Ausführungen zur Vorratsgründung können deshalb ohne Einschränkung auf den Mantelkauf übertragen werden (Rdnr. 22–36). Wenn im Folgenden gleichwohl nochmals gesondert in der gebotenen Kürze auf den Mantelkauf eingegangen wird, so nur deshalb, weil speziell der Mantelkauf lange Zeit im Mittelpunkt der Diskussion über die Mantelverwendung gestanden hat. Wegen der Einzelheiten dieser Diskussion kann im Übrigen auf die Darstellung in der 10. Auflage verwiesen werden (Rdnr. 37–46 mit zahlr. Nachw.). b) Der Mantelkauf muss ebenso wie die anderen Formen der Mantelverwendung 39 insbesondere von einer bloßen Umstrukturierung der Gesellschaft nach Anteilsveräußerung unterschieden werden, weil beide Vorgänge, obwohl in der Praxis nur schwer unterscheidbar, rechtlich verschieden behandelt werden. Die Abgrenzungskriterien sind in sämtlichen Fällen dieselben; entscheidend ist mit anderen Worten die „Unternehmenslosigkeit“ der fraglichen Gesellschaft. Nur eine Gesellschaft, die keinerlei betriebliche Aktivitäten mehr entfaltet, kann m.a.W. Gegenstand eines Mantelkaufs im rechtlichen Sinne sein – mit weit reichenden Konsequenzen (Rdnr. 29). In diesem Sinne hat der BGH bereits im Jahr 2003 entschieden, für die Abgrenzung sei darauf abzustellen, ob die Gesellschaft in dem maßgeblichen Zeitpunkt ihrer „Wiederbelebung“ nach dem Mantelkauf noch ein aktives Unternehmen betrieb, an das die Fortführung des Geschäftsbetriebs, und sei es auch unter wesentlicher Umgestaltung, in wirtschaftlich noch gewichtbarer Weise anknüpfen kann, oder ob es sich tatsächlich um einen „leer gewordenen Gesellschaftsmantel ohne Geschäftsbetrieb“ handelt, der seinen neuen Gesellschaftern nur dazu dient, ihnen eine Möglichkeit zu eröffnen, unter Vermeidung der rechtlichen Neugründung einer Kapitalgesellschaft eine gänzlich neue Geschäftstätigkeit aufzunehmen1. Die Dauer der „Stilllegung“ der Gesellschaft spielt dabei prinzipiell keine Rolle; entscheidend ist nur die endgültige Aufgabe des Willens der Gesellschafter, das bisherige Unternehmen fortzuführen2. c) Die Zulässigkeit des Mantelkaufs war in der Rechtsprechung früher häufig 40 wegen der damit verbundenen Gefahren für die Gesellschaftsgläubiger verneint worden (§ 138 BGB)3. Mittlerweile ist die Frage jedoch zu Recht im positiven 1 So BGHZ 155, 318, 324 = NJW 2003, 3118 = GmbHR 2003, 1125 = AG 2003, 684, 685 (unter II 3a, aa); ebenso z.B. OLG Jena, GmbHR 2004, 1468, 1469 f.; Heidinger, ZGR 2005, 101, 105. 2 S. zu dieser wenig geklärten Frage insbes. Altmeppen, NZG 2003, 145, 147 ff.; Altmeppen, DB 2003, 2050, 2053 f. 3 KG, JW 1924, 1535 f.; KG, JW 1925, 635 = JFG 2, 206; KG, JFG 10, 152 = HRR 1933 Nr. 833; KG, JW 1934, 988; OLG Hamburg, GmbHR 1983, 219 = ZIP 1983, 570; OLG Hamburg,

Emmerich

173

§3

Inhalt des Gesellschaftsvertrages

Sinne geklärt. Es gibt keinen Grund, den Mantelkauf, d.h. den Erwerb der Anteile einer bestehenden GmbH, nur deshalb als nichtig zu behandeln, weil der Erwerber beabsichtigt, unter dem „Mantel“ dieser Gesellschaft ein neues Unternehmen zu gründen1. 41

Die Diskussion konzentriert sich heute statt dessen auf die (wichtigere) Frage, wie in diesen Fällen der gebotene Gläubigerschutz sichergestellt werden kann. Der BGH greift auch insoweit auf die Regeln zurück, die er für den vergleichbaren Fall der Vorratsgründung entwickelt hat2. Dies bedeutet, dass der Mantelkauf ebenso wie die Vorratsgründung als „wirtschaftliche Neugründung“ zu behandeln ist – mit allen geschilderten Konsequenzen, d.h. mit der Pflicht zur Offenlegung des Tatbestandes gegenüber dem Registergericht, Anmeldeversicherung der Geschäftsführer (Rdnr. 30 ff.), Unterbilanzhaftung der Gesellschafter (Rdnr. 33 ff.) und gegebenenfalls Handelndenhaftung der Geschäftsführer (Rdnr. 36). Wie bereits gezeigt (Rdnr. 25), hält die Rechtsprechung hieran bis heute fest – trotz der verbreiteten Kritik des Schrifttums3.

42

d) Die registerrechtliche Behandlung des Mantelkaufs entspricht heute ebenfalls der der Vorratsgründung (s. im Einzelnen oben Rdnr. 30–32). Seit dem Beschluss des BGH vom 7.7.20034 wird deshalb auch der Mantelkauf einer „registergerichtlichen Präventivkontrolle“ unterworfen, weil es sich bei einem Mantelkauf der Sache nach gleichfalls um eine „wirtschaftliche Neugründung“ in Gestalt der Verwendung eines alten „Mantels für die Gründung einer neuen Gesellschaft“ handele. Dies bedeutet, dass die Tatsache der Wiederverwendung eines zwischenzeitlich „leergewordenen Gesellschaftsmantels“ gegenüber dem Registergericht offenzulegen ist in Verbindung mit der Versicherung gemäß § 8 Abs. 2, dass die in § 7 Abs. 2 und 3 bezeichneten Leistungen auf die Geschäftsanteile bewirkt sind und dass der Gegenstand der Leistungen sich zu diesem Zeitpunkt, d.h. im Zeitpunkt der Offenlegung und der Abgabe der Anmeldeversicherung gegenüber dem Registergericht, endgültig in der freien Verfügung der Geschäftsführer befindet5.

1

2 3

4 5

GmbHR 1987, 477 = BB 1987, 505; – für die Zulässigkeit des Mantelkaufs dagegen schon früher OLG Dresden, JFG 8, 157; OLG Karlsruhe, DB 1978, 1219, 1220 f.; LG Ravensburg, NJW 1964, 597 = GmbHR 1964, 137; offen gelassen in RG, JW 1934, 27. BGHZ 155, 318 = NJW 2003, 3118 = GmbHR 2003, 1125 = ZIP 2003, 1698 = AG 2003, 684; ebenso der Sache nach bereits BGH, LM Nr. 10 zu § 302 AktG = NJW 1997, 943 = AG 1997, 180 = GmbHR 1997, 258, 259 f.; LG Kleve, NZG 2002, 587; ebenso schon Feine, in: Ehrenbergs Hdb. III/3, S. 445 ff.; Bommert, GmbHR 1983, 209; Kober, Mantelkauf, S. 52, 114 ff. BGH, LM Nr. 10 zu § 302 AktG = NJW 1997, 943 = AG 1997, 180 = GmbHR 1997, 258, 259 f. S. im Einzelnen 10. Aufl., Rdnr. 40 sowie insbesondere Altmeppen, DB 2003, 2050; Heyer/A. Reichert-Clauß, NZG 2005, 193, 195 f.; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 18 f.; Heidenhain, NZG 2003, 1051; Heidinger/Meyding, NZG 2003, 1129; H. Herchen, DB 2003, 2211; Karsten Schmidt, NJW 2004, 1345, 1348 ff.; Thaeter, DB 2003, 2112; H. Wicke, NZG 2005, 409, 411 f.; R. Wilhelmi, DZWiR 2004, 177, 179 ff. BGHZ 155, 318, 323 f. = NJW 2003, 3118 = GmbHR 2003, 1125 = ZIP 2003, 1698 = AG 2003, 684, 685 (unter II 3). BGHZ 155, 318, 325 f. (unter II 3b); ebenso OLG Jena, GmbHR 2004, 1468, 1470 ff.; ausführlich Heidinger, ZGR 2005, 101, 118 ff.

174

Emmerich

§3

Inhalt des Gesellschaftsvertrages

Die Versicherung gemäß § 8 Abs. 2 hat sich an dem vertragsmäßigen Stamm- 43 kapital auszurichten. Die Gesellschaft muss folglich im Zeitpunkt der Offenlegung noch ein Mindestvermögen in Höhe der gesellschaftsvertraglichen Stammkapitalziffer besitzen, von dem sich ein Viertel, wenigstens aber 12 500 Euro, wertmäßig in der freien Verfügung der Geschäftsführer zu befinden hat1. e) Hinsichtlich der Haftung der Gesellschafter im Falle eines Mantelkaufs folgt 44 die Rechtsprechung gleichfalls den für die Vorratsgründung entwickelten Regeln, gekennzeichnet durch eine Unterbilanz- oder Vorbelastungshaftung der Gesellschafter im Falle eines Verstoßes gegen ihre Offenlegungspflicht (s. im Einzelnen oben Rdnr. 33–35). Die reale Kapitalaufbringung ist danach bei der Mantelverwendung ebenso wie bei der Aktivierung einer Vorratsgesellschaft „durch entsprechende Anwendung des Haftungsmodells der Unterbilanzhaftung sicherzustellen“2. Dadurch soll erreicht werden, dass im Anmeldezeitpunkt die geschuldeten Einlagen nicht bereits wieder ganz oder teilweise aufgezehrt sind, wobei Stichtag der der Offenlegung in Verbindung mit der Anmeldeversicherung gegenüber dem Handelsregister ist. Ergänzend greift die Handelndenhaftung der Geschäftsführer analog § 11 Abs. 2 ein. Die Anmeldeversicherung der Geschäftsführer (§ 8 Abs. 2) muss sich auf das ver- 45 tragliche Stammkapital beziehen, so dass die Unterbilanzhaftung der Gesellschafter eingreift, wenn das tatsächliche, durch eine Stichtagsbilanz ermittelte Vermögen der Gesellschaft hinter dem Stammkapital zurückbleibt. In Höhe dieser Differenz besteht dann auch die Pflicht zur Wiederauffüllung des Stammkapitals, bei deren Verletzung ebenso wie im Falle eines Verstoßes gegen die Offenlegungspflicht die Unterbilanzhaftung eingreift3. Die bloße Übernahme einer Verlustausgleichsverpflichtung der Gesellschafter dürfte nicht ausreichen4. Die Haftung besteht auch gegenüber den Altgläubigern, d.h. gegenüber den Gläubigern der früher aktiven, später aber stillgelegten Gesellschaft, deren „Mantel“ für die Neugründung verwendet wird5. Sie trifft außerdem etwaige spätere Anteilserwerber (Rdnr. 35) – und stellt infolgedessen insgesamt eine erhebliche Gefahr für sämtliche Gesellschafter einer GmbH dar, wobei man bedenken muss, dass eine trennscharfe Abgrenzung des Mantelkaufs von einer bloßen Umstrukturierung der Gesellschaft nach Anteilserwerb nur schwer möglich ist, – wenn überhaupt.

V. Stammkapital (§ 3 Abs. 1 Nr. 3) Nach § 3 Abs. 1 Nr. 3 muss der Gesellschaftsvertrag den Betrag des Stammkapitals enthalten. Die Einzelheiten regelt das Gesetz in § 5 sowie in der Übergangs1 BGHZ 155, 318, unter III 3b. 2 BGHZ 155, 318, 326 f. = NJW 2003, 3118 = GmbHR 2003, 1125 = AG 2003, 684, 685 f. (unter II 4); OLG Jena, GmbHR 2004, 1468, 1470 f. S. auch BGH v. 6.3.2012 – II ZR 56/10, bei Drucklegung noch nicht veröffentlicht, wonach es für eine Unterbilanzhaftung darauf ankommt, ob im Zeitpunkt der wirtschaftlichen Neugründung eine Deckungslücke zwischen dem Vermögen der Gesellschaft und dem satzungsmäßigen Stammkapital bestanden hat. 3 S. insbes. Bärwaldt/Balda, GmbHR 2004, 350, 353; Heidinger, ZGR 2005, 101, 119, 129 ff.; Peetz, GmbHR 2004, 1429, 1432 ff. 4 Anders Peetz, GmbHR 2004, 1429, 1432 ff. 5 Kritisch dazu Heidinger, ZGR 2005, 101, 124 f.

Emmerich

175

46

§3

Inhalt des Gesellschaftsvertrages

vorschrift des § 1 EGGmbHG i.d.F. des MoMiG. Das Stammkapital ist danach zumindest ursprünglich identisch mit der Summe der Nennbeträge der Geschäftsanteile der Gesellschafter (§ 5 Abs. 3 Satz 1), der so genannten Stammeinlagen, d.h. der Beiträge der Gesellschafter im Sinne des § 705 BGB (§ 5 Abs. 1), so dass das Stammkapital letztlich die ursprüngliche Eigenkapitalausstattung der Gesellschaft anzeigt, weshalb das Gesetz durch eine Fülle von Vorschriften die Aufbringung und Erhaltung dieses Garantiefonds für die Gläubiger sichert (s. unten § 5 Rdnr. 16). Dahinter steht der Gedanke, dass nur bei strikter Beachtung der Vorschriften über die Kapitalaufbringung und -erhaltung die Haftungsbeschränkung zu Gunsten der Gesellschafter (§ 13 Abs. 2) sachlich gerechtfertigt ist, weil nur dann (in beschränktem Umfang) gewährleistet ist, dass wenigstens das Stammkapital als Garantie- oder Haftungsfonds immer für die Gläubiger zur Verfügung steht. Das ist auch der Grund, weshalb das Gesetz der Angabe des Stammkapitals in dem Gesellschaftsvertrag in § 3 Abs. 1 Nr. 3 dieselbe Bedeutung wie der des Unternehmensgegenstandes (§ 3 Abs. 1 Nr. 2) beimisst, so dass ihr Fehlen zur Nichtigkeit der Gesellschaft führt (§ 75) und die Amtslöschung erlaubt (§ 397 Satz 2 FamFG). 47

Ergänzende Vorschriften finden sich aufgrund des MoMiG von 2008 insbesondere in § 55a, der nach dem Vorbild des AktG (§ 202) erstmals ein genehmigtes Kapital zulässt, sowie in § 1 EGGmbHG für Altgesellschaften, deren Stammkapital noch auf DM lautet. Zu beachten ist, dass die Bedeutung des Stammkapitals als Mindestkapitalausstattung der Gesellschaft (Rdnr. 46) durch die Einführung der Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt) durch § 5a sowie durch die Abschaffung des Eigenkapitalersatzrechts durch das MoMiG erheblich relativiert wurde.

48

Das Stammkapital muss ziffernmäßig in Euro, und zwar in bestimmter Höhe angegeben werden. Der Mindestbetrag beträgt 25 000 Euro (§ 5 Abs. 1); eine Obergrenze besteht nicht. Ungenaue Angaben oder bloße Höchstbeträge für das Stammkapital sind unzulässig.

49

Die Stammkapitalziffer muss jedenfalls ursprünglich mit dem Gesamtbetrag der Nennbeträge der Geschäftsanteile der Gesellschafter, der so genannten Stammeinlagen übereinstimmen (§ 5 Abs. 3 Satz 2). Daraus wird häufig der Schluss gezogen, dass es auch ausreiche, wenn sich die Stammkapitalziffer aus dem Gesellschaftsvertrag nur mittelbar als Summe der Nennbeträge der Geschäftsanteile ergebe1. Dem ist jedoch nicht zu folgen, weil das Gesetz zwischen beiden Angaben trennt und außerdem in § 75 Abs. 1 die Bedeutung der gesonderten Angabe des Stammkapitals noch besonders unterstreicht2. Das gilt jedenfalls bei Gründung der Gesellschaft – nach dem jetzigen Wortlaut des Gesetzes (§ 5 Abs. 3 Satz 2) aber wohl auch später. Gleichwohl dürfte bei späteren Veränderungen in der Zahl oder der Höhe der Geschäftsanteile eine großzügigere Haltung vertretbar sein, wenn die Stammkapitalziffer nicht immer sofort der Sum1 KG, OLGE 40, 194; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 15; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 24. 2 Ebenso Michalski, in: Michalski, Rdnr. 27; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 9; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 15; Wicke, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 46; Wünsch, öGmbHG, § 4 Anm. 24.

176

Emmerich

§3

Inhalt des Gesellschaftsvertrages

me der Nennbeträge der Geschäftsanteile angepasst wird1. Unvereinbar mit dem Gesetz ist es ferner, wenn die Höhe des Stammkapitals nur aus anderen zum Handelsregister eingereichten Urkunden in Verbindung mit dem Gesellschaftsvertrag erschlossen werden kann2. Da die Angabe des Stammkapitals zum notwendigen Inhalt des Gesellschafts- 50 vertrages gehört, ist für eine Änderung des Stammkapitals vor Eintragung der Gesellschaft ins Handelsregister ein Änderungsvertrag unter Mitwirkung aller Gesellschafter in der Form des § 2 erforderlich (§ 311 Abs. 1 BGB)3. Nach Eintragung der Gesellschaft handelt es sich dagegen um eine Änderung des Gesellschaftsvertrages nach Maßgabe der §§ 53 und 554. Im Gesellschaftsvertrag braucht dann nur noch das neue (erhöhte) Stammkapital genannt zu werden, während der ursprüngliche Stammkapitalbetrag weggelassen werden kann5.

VI. Zahl und Nennbetrag der Geschäftsanteile (§ 3 Abs. 1 Nr. 4) 1. Überblick Zum obligatorischen Mindestinhalt des Gesellschaftsvertrages gehören nach § 3 51 Abs. 1 Nr. 4 schließlich noch die Zahl und die Nennbeträge der Geschäftsanteile, die jeder Gesellschafter gegen Einlage auf das Stammkapital (Stammeinlage) übernimmt. In ihrer ursprünglichen Fassung hatte die Vorschrift dagegen lediglich bestimmt, dass der Gesellschaftsvertrag den Betrag der von jedem Gesellschafter auf das Stammkapital zu leistenden Einlage (Stammeinlage) enthalten muss. Die gegenwärtige Fassung der Vorschrift beruht auf dem MoMiG von 2008. Die Einzelheiten ergeben sich aus den §§ 5, 7 Abs. 2, 14 und 15 i.d.F. des MoMiG (s. im Einzelnen unten § 5 Rdnr. 19 ff.). Aus diesen Vorschriften ergibt sich insgesamt der Wille der Verfasser des MoMiG, den Gesellschaftern bei der Gestaltung ihrer Kapitalverhältnisse eine größere Freiheit als früher einzuräumen. Zwar ist auf die ursprünglich beabsichtigte Absenkung des Mindeststammkapitals verzichtet worden (§ 5 Abs. 1); jedoch kann jetzt der Nennbetrag des Geschäftsanteils auf einen beliebigen Betrag in vollen Euro lauten, gegebenenfalls also auch lediglich auf einen Euro (§ 5 Abs. 2 Satz 1). Außerdem kann heute jeder Gesellschafter – ebenfalls in Abweichung von der früheren Rechtslage – bereits bei der Errichtung der Gesellschaft mehrere Geschäftsanteile übernehmen. § 14 Satz 1 und 2 fügt hinzu, dass auf jeden Geschäftsanteil eine Einlage zu leisten ist, deren Höhe sich nach dem bei der Errichtung der Gesellschaft im Gesellschaftsvertrag festgesetzten Nennbetrag des Geschäftsanteils richtet. Aus diesen Vorschriften folgt zugleich i.V.m. § 46 Nr. 4, dass die Gesellschafter jederzeit mit einfacher Mehrheit die Teilung und die Zusammenlegung von Geschäftsanteilen beschließen können, freilich wohl nur mit Zustimmung 1 Wicke, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 45 f. 2 KGJ 51, 130. 3 S. oben § 2 Rdnr. 21; OGH, HS 2243; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 15; Wicke, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 48; Wünsch, öGmbHG, § 4 Anm. 25. 4 RGZ 72, 152, 154 f. 5 S. KG, JW 1937, 2655 f.; BayObLGZ 1971, 242 ff.; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 15; Priester, GmbHR 1973, 169; Wicke, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 48; s. auch unten Rdnr. 57.

Emmerich

177

§3

Inhalt des Gesellschaftsvertrages

des betroffenen Gesellschafters1. Das Gesagte macht ferner deutlich, dass das MoMiG bewusst den Begriff des Geschäftsanteils gegenüber dem als überholt angesehenen Begriff der Stammeinlage in den Vordergrund gerückt hat2. Insbesondere die Einlagepflicht wird jetzt bereits durch die Übernahme des Geschäftsanteils begründet, die jeder Gesellschafter im Gesellschaftsvertrag erklären muss (§§ 3 Abs. 1 Nr. 4, 14 Satz 1)3. In der Begründung zu § 3 wird hervorgehoben, die Änderung des § 3 Abs. 1 Nr. 4 und des § 14 habe zur Folge, dass der im Gesellschaftsvertrag angegebene Betrag der „Stammeinlage“, d.h. der Nennbetrag des Geschäftsanteils immer gleich bleibe und dass bei einer Kapitalerhöhung die Gesellschafter einen neuen Geschäftsanteil übernehmen (§ 14)4. Folglich kann die Höhe der Einlageverpflichtung in den Gesellschaftsvertrag aufgenommen werden. 52

Die Stammeinlage oder besser: der Nennbetrag des Geschäftsanteils, den jeder Gesellschafter gegen Einlage auf das Stammkapital übernimmt (§ 3 Abs. 1 Nr. 4 i.V.m. § 14 Satz 1), ist der Sache nach nichts anderes als der von jedem Gesellschafter zu leistende Beitrag zum Stammkapital i.S. des § 705 BGB5. Dieser Beitrag ist die Basis der Beteiligung jedes Gesellschafters an der GmbH als einer Kapitalgesellschaft (§§ 13, 14; s. unten Rdnr. 59), so dass ausnahmslos eine Fassung des Gesellschaftsvertrages gewählt werden muss, die jede Unklarheit über die Höhe des Stammkapitals und der zu leistenden Einlagen ausschließt6. Aus denselben Gründen muss die Leistung des Beitrags, der Einlage, an die Gesellschaft, d.h. in deren Vermögen erfolgen. „Nebenleistungen“ i.S. des § 3 Abs. 2 genügen dafür ebenso wenig wie ein Darlehen oder eine Schenkung7. Auch aus einem von der Gesellschaft aufgenommenen Darlehen kann die Leistung des Geschäftsanteils nicht erbracht werden8.

53

Als Einlagen kommen Geld- oder Sacheinlagen in Betracht, wobei im zweiten Fall § 5 Abs. 4 sowie § 7 Abs. 2 und 3 zu beachten sind. Wenn nichts anderes bestimmt ist, handelt es sich bei den Geschäftsanteilen um Geldeinlagen. Ihre Fälligkeit richtet sich in erster Linie nach dem Gesellschaftsvertrag (§ 45 Abs. 1). Bei Fälligkeit ist es dann Aufgabe der Geschäftsführer, die Geschäftsanteile einzufordern. Fehlt eine Regelung, so unterliegt nach § 46 Nr. 2 die Einforderung von Einzahlungen der Bestimmung der Gesellschafter. Entsprechend § 9 dürfen dabei die zu leistenden Einlagen nicht niedriger als die im Gesellschaftsvertrag festgesetzten Nennbeträge der Geschäftsanteile bestimmt werden (Verbot der Unterpari-Emission; s. § 5 Rdnr. 28). Unbedenklich ist dagegen eine ÜberpariEmission. Sie liegt vor, wenn die Gesellschafter – neben dem Geschäftsanteil – 1 Gehrlein, Der Konzern 2007, 771, 774; Wälzholz, in: Tillmann/Schiffers/Wälzholz, Die GmbH im Gesellschafts- und Steuerrecht, 5. Aufl. 2009, Rdnr. 871.2 (S. 276); – anders freilich die Begr. RegE, BT-Drucks. 16/6140, S. 45. 2 Begr. RegE, BT-Drucks. 16/6140, S. 28 f.; Gehrlein, Der Konzern 2007, 771, 773; Wachter, in: GmbHR-Sonderheft MoMiG, 2008, S. 1, 10. 3 Begr. RegE, BT-Drucks. 16/6140, S. 28, 37; Gehrlein, Der Konzern 2007, 771, 773. 4 Begr. RegE, BT-Drucks. 16/6140, S. 29; Gehrlein, Der Konzern 2007, 771, 773. 5 Vgl. KGJ 35 A 175. 6 BayObLGZ 1971, 242, 245 ff. 7 KGJ 51, 130; OLG Oldenburg, GmbHR 1997, 69; Wicke, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 50. 8 BGHZ 28, 77, 78 = NJW 1958, 1351.

178

Emmerich

§3

Inhalt des Gesellschaftsvertrages

die Verpflichtung zur Leistung weiterer Beiträge in Gestalt von Nebenleistungen oder Nachschüssen übernehmen (§§ 3 Abs. 2, 26 ff.; s. unten Rdnr. 74 f., § 5 Rdnr. 21). Nach § 14 Satz 1 ist auf jeden Geschäftsanteil eine Einlage zu leisten, deren Hö- 54 he sich gemäß § 14 Satz 2 nach dem bei der Errichtung der Gesellschaft festgesetzten Nennbetrag des Geschäftsanteils (§ 3 Abs. 1 Nr. 4) richtet. Der Nennbetrag des Geschäftsanteils, den nach dem Gesagten jeder Gesellschafter bei der Gründung der Gesellschaft als Einlage übernehmen muss, wird zugleich in § 3 Abs. 1 Nr. 4 (vorerst noch) als Stammeinlage bezeichnet. Aus der Sicht der Gesellschaft ist die Stammeinlage zunächst nicht mehr als eine Forderung gegen die Gesellschafter1. Das Verhältnis der Nennbeträge der Geschäftsanteile spiegelt damit zugleich das Maß der Beteiligung der einzelnen Gesellschafter wider2. Die Übernahme der Geschäftsanteile muss unbedingt und unbefristet erfolgen 55 (s. dazu schon oben § 2 Rdnr. 75). Hieraus ist früher häufig der Schluss gezogen worden, dass eine dem Stammeinlageversprechen eines Gründers beigefügte Bedingung oder Befristung die Nichtigkeit des Gesellschaftsvertrages nach sich ziehe, solange nicht der Mangel durch Verzicht auf die Bedingung oder die Befristung geheilt ist3. Hieran ist richtig lediglich, dass ein Eintragungshindernis vorliegt, solange die Bedingung noch nicht eingetreten oder ausgefallen oder die Frist nicht abgelaufen ist (§ 9c)4. Sobald aber eine aufschiebende Bedingung eingetreten oder eine auflösende Bedingung ausgefallen oder die Frist abgelaufen ist, hindert nichts die Eintragung der Gesellschaft. Ebenso unbedenklich ist die Vereinbarung, dass die Beteiligung eines Gründers unverbindlich werden soll, falls die Gesellschaft nicht bis zu einem bestimmten Zeitpunkt durch Eintragung ins Handelsregister entstanden ist (§ 311 Abs. 1 BGB)5. Die verbleibenden Gründer müssen dann lediglich den Vertrag der veränderten Sachlage anpassen, wenn sie gleichwohl noch die Eintragung der Gesellschaft betreiben wollen. Wird aber die Gesellschaft schon vorher, d.h. trotz noch schwebender Bedingung oder Frist eingetragen, so ist der Mangel geheilt, weil § 75 keine Anwendung findet; der betreffende Gesellschafter ist folglich jetzt unbedingt zur Leistung des Geschäftsanteils verpflichtet (§ 2 Rdnr. 75).

2. Änderung a) Die Geschäftsanteile können in der Zeit vor Eintragung der Gesellschaft nur 56 durch Vertrag in der Form des § 2 geändert werden (§ 311 Abs. 1 BGB). Nach Eintragung der Gesellschaft ist dagegen ihre vertragliche Änderung oder die vertragliche Umwandlung von Bareinlagen in Sacheinlagen nicht mehr möglich6. In Betracht kommen stattdessen jetzt nur noch eine Kapitalerhöhung nach den §§ 55 ff. oder eine Kapitalherabsetzung nach den §§ 58 ff. (s. unten Rdnr. 58). 1 2 3 4 5 6

Koppensteiner, öGmbHG, § 4 Rdnr. 13. Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 28. RGZ 33, 93; RGZ 78, 359; RGZ 83, 256, 258 f.; KG, KGJ 51, 133; OLGZ 1968, 477, 483. Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 19–21. Ebenso Wicke, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 50. BayObLGZ 1970, 285, 289; BayObLG, MittBayNotK 1978, 21 = GmbHR 1978, 132 = BB 1978, 422.

Emmerich

179

§3

Inhalt des Gesellschaftsvertrages

57

b) § 3 Abs. 1 Nr. 4 regelt nur den Mindestinhalt des ursprünglichen Gesellschaftsvertrages. Daraus wird der Schluss gezogen, dass bei späteren Änderungen die Angabe der ursprünglichen Geschäftsanteile nicht nur dann weggelassen werden kann, wenn sie eingezahlt sind (unstr.), sondern generell, also auch dann, wenn noch Zahlungen auf die Geschäftsanteile offen stehen. Die Gläubiger werden dadurch nicht gefährdet, da die Personen der Einlagenschuldner jederzeit der bei den Handelsregisterakten befindlichen, ursprünglichen Fassung des Gesellschaftsvertrages entnommen werden können1. Das Gesagte gilt auch für Sacheinlagen, wobei freilich die entsprechend anwendbare Sperrfrist des § 26 Abs. 4 AktG (i.V.m. § 27 Abs. 5 AktG) zu beachten ist2.

58

c) § 3 Abs. 1 Nr. 4 bezieht sich nur auf die ursprünglichen Geschäftsanteile. Die Vorschrift gilt daher auch nicht für neue, bei einer Kapitalerhöhung nach den §§ 55 f. übernommene Geschäftsanteile. In diesem Falle genügt es daher, wenn die fraglichen Beträge in den Übernahmeerklärungen der neuen Gesellschafter (§ 55 Abs. 1) sowie in der Liste der Übernehmer (§ 57 Abs. 3 Nr. 2) genannt werden3.

3. Person der Gesellschafter 59

Bei Errichtung der Gesellschaft muss nach § 3 Abs. 1 Nr. 4 jeder Gründer einen oder mehrere Geschäftsanteile übernehmen. Wer keinen Geschäftsanteil übernimmt, kann nicht Gesellschafter werden (s. oben Rdnr. 52). Deshalb müssen im Gesellschaftsvertrag mit den Geschäftsanteilen auch die Übernehmer der Geschäftsanteile, d.h. die Gründer der Gesellschaft bezeichnet werden, dies auch, weil sie die Parteien des Gesellschaftsvertrages sind4. Erst bei späteren Änderungen des Gesellschaftsvertrages kann ihre Angabe weggelassen werden5. Umstritten ist, ob im Gesellschaftsvertrag später statt der Gründer diejenigen Personen genannt werden dürfen, die in diesem Zeitpunkt gerade Inhaber der Geschäftsanteile sind. Obwohl dies häufig bestritten wird6, ist nicht zu erkennen, was die Gesellschafter daran hindern sollte, zu einem beliebigen Zeitpunkt

1 BayObLGZ 1991, 365 = GmbHR 1992, 42, 43 = NJW-RR 1992, 736 = DB 1991, 2537; BayObLG, GmbHR 1997, 73, 74 = NJW-RR 1997, 485 = ZIP 1996, 2109; OLG Rostock, GmbHR 2011, 992; wohl auch BGH, LM Nr. 4 zu § 17 GmbHG (Bl. 2 R) = NJW 1989, 168 = GmbHR 1988, 337; Wicke in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 55; ausführlich Kl.-J. Müller, GmbHR 1997, 923, 924 f. 2 S. KG, JFG 2, 257; KG, JFG 14, 308; KG, JFG 16, 117; KG, JW 1937, 2655; LG Hamburg, GmbHR 1968, 207; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, § 5 Rdnr. 49; Roth, in: Roth/ Altmeppen, Rdnr. 18; anders Michalski, in: Michalski, Rdnr. 30. 3 BayObLGZ 1970, 285, 288 f.; BayObLGZ 1971, 242, 245 f.; BayObLGZ 1981, 312, 316 ff. = NJW 1982, 1400; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 18; Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 19. 4 BGHZ 29, 300, 303 = NJW 1959, 934; KG, OLGE 40, 194; KGJ 51, 30; OLG Hamm, OLGZ 1986, 159, 160 = NJW 1987, 263 = GmbHR 1986, 311; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 13; Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 17; Wicke, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 54. 5 S. oben Rdnr. 57; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 13; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 21. 6 KG, DR 1941, 2128 = HRR 1941 Nr. 958; LG Hamburg, GmbHR 1952, 155; LG Köln, DNotZ 1953, 106; LG Hannover, NdsRpfleger 1971, 283; Groß, Rpfleger 1972, 126.

180

Emmerich

§3

Inhalt des Gesellschaftsvertrages

im Vertrag klarzustellen, wer gerade Gesellschafter ist; Interessen Dritter können dadurch nicht beeinträchtigt werden.

VII. Fakultative Vertragsbestandteile (§ 3 Abs. 2) Nach § 3 Abs. 2 bedürfen eine etwaige Beschränkung des Unternehmens der Ge- 60 sellschaft „auf eine gewisse Zeit“ (s. unten Rdnr. 62 ff.) sowie die Verpflichtung der Gesellschafter zur Erbringung zusätzlicher Nebenleistungen (s. unten Rdnr. 68 ff.) der Aufnahme in den Gesellschaftsvertrag. Bei einer Zeitbestimmung handelt es sich mithin ebenso wie bei der Begründung von Nebenleistungspflichten um so genannte fakultative Vertragsbestandteile oder -bestimmungen. Man versteht darunter Regelungen, deren Aufnahme in den Vertrag den Gesellschaftern im Gegensatz zu dem zwingenden Mindestinhalt des § 3 Abs. 1 freisteht, die jedoch, wenn die Gesellschafter entsprechende Abreden treffen wollen, in den Gesellschaftsvertrag aufgenommen werden müssen, vorausgesetzt, dass sie – als körperschaftliche Regelungen – für die Gesellschaft und zukünftige Gesellschafter bindend sein sollen. Mit § 3 Abs. 2 vergleichbare Bestimmungen finden sich noch an zahlreichen anderen Stellen des Gesetzes (s. schon oben Rdnr. 1 ff.). Dieser Katalog hat zudem keinen abschließenden Charakter, da das GmbHG keine dem § 23 Abs. 5 AktG vergleichbare Bestimmung enthält; vielmehr besteht hier – im Rahmen der zwingenden Bestimmungen des Gesetzes – Vertragsfreiheit (§ 311 Abs. 1 BGB), so dass die Gesellschafter, über die genannten Bestimmungen des Gesetzes hinaus, auch noch vielfältige sonstige Regelungen im Gesellschaftsvertrag mit bindender Wirkung für die Gesellschaft und zukünftige Gesellschafter, d.h. als körperschaftliche Regelungen treffen können. Einige Beispiele für derartige Regelungen sind bereits weiter oben genannt worden (oben Rdnr. 3). Weitere Beispiele sind die Bestimmung von Gesellschaftsblättern, die Einrichtung zusätzlicher Organe wie eines fakultativen Aufsichtsrats oder eines Beirats, Bestimmungen über die Geschäftspolitik der Gesellschaft, Regeln über die Gewinnverwendung, außerdem Abtretungsbeschränkungen (§ 15 Abs. 5), weiter Bestimmungen über besondere Eigenschaften der Gesellschafter oder der Geschäftsführer, Regeln für die Durchführung der Gesellschafterversammlung oder über die Vertretung der Gesellschafter in der Gesellschafterversammlung, ferner die Begründung von Sonderrechten für einzelne Gesellschafter (unten Rdnr. 100), Abreden über das Stimmrecht der Gesellschafter, Gerichtsstands-, Schieds- und Finanzierungsklauseln sowie Kündigungsklauseln (s. 10. Aufl., § 60 Rdnr. 77 ff.). Für die Nichtigkeit und für die Erheblichkeit von Willensmängeln gelten hin- 61 sichtlich der fakultativen Vertragsbestandteile (oben Rdnr. 60) bis zur Eintragung der Gesellschaft in das Handelsregister die allgemeinen Regeln (s. § 2 Rdnr. 62 ff.). Bis zu diesem Zeitpunkt beurteilen sich somit die Auswirkungen der etwaigen Nichtigkeit einer der genannten fakultativen Vertragsbestimmungen auf den Gesamtvertrag nach § 139 BGB (oben § 2 Rdnr. 67). Folglich liegt (nur) dann ein Eintragungshindernis nach § 9c Abs. 2 Nr. 3 vor, wenn die Nichtigkeit der fraglichen Bestimmung gemäß § 139 BGB (ausnahmsweise) die des gesamten Gesellschaftsvertrages nach sich zieht, sonst also nicht1. Sobald je1 Wicke, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 58.

Emmerich

181

§3

Inhalt des Gesellschaftsvertrages

doch einmal die Gesellschaft in das Handelsregister eingetragen ist, kommt es auf diese Frage nicht mehr an. § 75 GmbHG und die §§ 397 und 399 FamFG finden keine Anwendung, so dass die Wirksamkeit der Gesellschaft durch den etwaigen Mangel nicht mehr berührt wird. In schwer wiegenden Fällen kommt nur die Auflösungsklage des § 61 in Betracht1.

VIII. Zeitbestimmung 62

1. Zu den fakultativen Vertragsbestandteilen gehört nach § 3 Abs. 2 zunächst eine Bestimmung, nach der das Unternehmen der Gesellschaft auf eine gewisse Zeit beschränkt sein soll. Gesetzliche Regel ist folglich bei der GmbH die Vereinbarung der Gesellschaft auf unbestimmte Zeit; in diesem Fall greifen allein die Auflösungsgründe des § 60 Abs. 1 Nr. 2 bis 7 sowie etwaige zusätzliche, vertragliche Auflösungsgründe ein (§ 60 Abs. 2). So erklärt sich zugleich die Bestimmung des § 10 Abs. 2 Satz 1, nach der die Befristung der Gesellschaft (als Ausnahme von der Regel) in das Handelsregister (mit deklaratorischer Wirkung) einzutragen und bekannt zu machen ist. Mit Ablauf der im Gesellschaftsvertrag bestimmten Zeit wird dann die Gesellschaft von selbst aufgelöst (§ 60 Abs. 1 Nr. 1) und ist abzuwickeln (wegen der Einzelheiten s. 10. Aufl., § 60 Rdnr. 9–11). Der Gesellschaftsvertrag kann noch weitere Auflösungsgründe vorsehen, wobei vor allem an eine auflösende Bedingung oder an Kündigungsrechte der Gesellschafter zu denken ist (§ 60 Abs. 2; wegen der Einzelheiten s. 10. Aufl., § 60 Rdnr. 74, 77 ff.).

63

2. Die Befristung der Gesellschaft kann, muss aber nicht die Bedeutung der Vereinbarung einer Mindestdauer haben2. Ist dies (ausnahmsweise) der Fall, so hat die Befristung die weitere Wirkung, dass während der vereinbarten Mindestdauer auch ein Auflösungsbeschluss mit qualifizierter Mehrheit ausgeschlossen ist. Die Zulässigkeit einer derartigen Abrede folgt daraus, dass das Gesetz in § 60 Abs. 1 Nr. 2 ausdrücklich abweichende Abreden erlaubt, so dass auch die Abrede möglich ist, dass ein vorzeitiger Auflösungsbeschluss nur mit Zustimmung aller Gesellschafter erfolgen kann (s. 10. Aufl., § 60 Rdnr. 19).

64

3. Das Gesetz verlangt in § 3 Abs. 2 für eine Bestimmung über die Befristung der Gesellschaft die „Aufnahme in den Gesellschaftsvertrag“ (ebenso § 60 Abs. 1 Nr. 1). Das bedeutet, dass sich aus dem Gesellschaftsvertrag selbst die Befristung ergeben muss, wofür die bloße Bezugnahme auf andere Urkunden nicht genügt3. Dagegen besagt die gesetzliche Regelung nicht, dass die Zeitbestimmung außerdem ausdrücklich im Gesellschaftsvertrag erfolgen müsse; im Einzelfall kann sich die Zeitbestimmung vielmehr durchaus auch konkludent aus dem Gesellschaftsvertrag ergeben4. Erforderlich ist ferner, dass der Eintritt des fraglichen Ereignisses sicher ist, mag auch der genaue Zeitpunkt ungewiss sein. Es genügt mit anderen Worten, wenn der Zeitpunkt der Beendigung der Gesell1 Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 24; Michalski, in: Michalski, Rdnr. 36; Wicke, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 58. 2 S. Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 25. 3 RGZ 79, 418, 422 f.; Wicke, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 59. 4 RGZ 79, 418, 422 f.; RG, JW 1912, 878 f.; Michalski, in: Michalski, Rdnr. 52; s. oben § 2 Rdnr. 33 ff.

182

Emmerich

§3

Inhalt des Gesellschaftsvertrages

schaft (§ 60 Abs. 1 Nr. 1) lediglich bestimmbar ist, während es sich nicht mehr um eine Befristung handelt, wenn der Eintritt des auflösenden Ereignisses wie im Falle der Vereinbarung einer auflösenden Bedingung ungewiss ist (§ 60 Abs. 2; zur Kündigung s. unten § 10 Rdnr. 14 und 10. Aufl., § 60 Rdnr. 77 f.). Eine Befristung im Sinne des § 3 Abs. 2 und des § 60 Abs. 1 Nr. 1 enthält daher z.B. auch die Vereinbarung der Dauer der Gesellschaft für die Zeit des Bestandes eines gewerblichen Schutzrechtes oder eines Pachtvertrages oder für die Lebenszeit eines Gesellschafters oder eines Geschäftsführers (s. 10. Aufl., § 60 Rdnr. 9). 4. Durch den Ablauf der für die Gesellschaft bestimmten Zeit wird die Gesell- 65 schaft automatisch aufgelöst (§ 60 Abs. 1 Nr. 1) und muss abgewickelt werden. Soll die Gesellschaft dagegen fortgesetzt werden, so bedarf es einer Satzungsänderung durch einen so genannten Fortsetzungsbeschluss, der gleichermaßen vor wie nach Eintritt des auflösenden Ereignisses, hier des Endtermins der Gesellschaft gefasst werden kann (s. im Einzelnen 10. Aufl., § 60 Rdnr. 9, 79, 87 ff.; zu der erforderlichen Mehrheit s. auch unten Rdnr. 66). Eine Verlängerung der Gesellschaft durch stillschweigende Fortsetzung gibt es demgegenüber grundsätzlich nicht; § 134 HGB gilt nicht, auch nicht entsprechend1. 5. Eine nachträgliche Änderung der im Gesellschaftsvertrag festgesetzten Zeit- 66 dauer der Gesellschaft ist nur durch Vertragsänderung mit qualifizierter Mehrheit möglich (§§ 53 f.). Das gilt gleichermaßen für eine Verkürzung wie für eine Verlängerung der ursprünglich vereinbarten Vertragsdauer (wegen der Einzelheiten s. 10. Aufl., § 60 Rdnr. 9 f.). Nur wenn sich aus dem Gesellschaftsvertrag ergibt, dass alle oder doch einzelne Gesellschafter ein unentziehbares Recht auf Auflösung der Gesellschaft zu einem bestimmten Zeitpunkt haben sollen, ist die Zustimmung aller oder doch der begünstigten Gesellschafter zu der Änderung der im Gesellschaftsvertrag festgesetzten Zeitdauer erforderlich; diese Annahme liegt besonders nahe bei Vereinbarung von Nebenleistungspflichten (§ 53 Abs. 3)2. Von Fall zu Fall kann jedoch der begünstigte Gesellschafter aufgrund seiner Treuepflicht zur Zustimmung verpflichtet sein (§ 242 BGB; s. 10. Aufl., § 60 Rdnr. 10). 6. Treffen die Gesellschafter außerhalb des Gesellschaftsvertrages Vereinbarun- 67 gen über die Dauer der Gesellschaft, so hat der Ablauf der vereinbarten Zeit mangels Anwendbarkeit der §§ 3 Abs. 2 und 60 Abs. 1 Nr. 1 nicht automatisch die Auflösung der Gesellschaft zur Folge. Aus den Abreden kann sich jedoch die Verpflichtung der daran beteiligten Gesellschafter ergeben, an einem Auflösungsbeschluss nach § 60 Abs. 1 Nr. 2 mitzuwirken oder doch dem Ausscheiden derjenigen Gesellschafter zuzustimmen, die dies nach Ablauf der vereinbarten Zeit wünschen3.

1 S. 10. Aufl., § 60 Rdnr. 9; Michalski, in: Michalski, Rdnr. 55; Wicke, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 64. 2 RGZ 136, 185, 188; RG, Recht 1908 Nr. 2498; RG, LZ 1914, 571; OLG Hamburg, GmbHR 1941, 41; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 29 f.; Michalski, in: Michalski, Rdnr. 54; anders – bloßes Austrittsrecht – Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 35. 3 Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 21.

Emmerich

183

§3

Inhalt des Gesellschaftsvertrages

IX. Nebenleistungspflichten Schrifttum (Auswahl): M. Dürr, Nebenabreden im Gesellschaftsrecht, 1994; Finke, Die Sonderleistungspflichten bei der GmbH, 1931; Immenga, Die personalistische Kapitalgesellschaft, 1970; Joussen, Gesellschafterabsprachen neben Satzung und Gesellschaftsvertrag, 1995; U. Noack, Gesellschaftervereinbarungen bei Kapitalgesellschaften, 1994; R. Rohrer, Die Nebenleistungspflichten des GmbH-Gesellschafters, 1991; H. P. Westermann, Das Verhältnis von Satzung und Nebenordnungen in der Kapitalgesellschaft, 1994; Winkler, Die Lückenausfüllung des GmbH-Rechts durch das Recht der Personengesellschaften, 1967.

1. Überblick 68

Nach § 3 Abs. 2 bedürfen Bestimmungen, durch die den Gesellschaftern außer der Leistung von Kapitaleinlagen – neben einer Beschränkung der Dauer der Gesellschaft (Rdnr. 62 ff.) – auch noch andere Verpflichtungen gegenüber der Gesellschaft auferlegt werden sollen, der Aufnahme in den Gesellschaftsvertrag. § 53 Abs. 3 fügt hinzu, dass eine Vermehrung der den Gesellschaftern nach dem Gesellschaftsvertrag obliegenden Leistungen nachträglich nur mit Zustimmung sämtlicher beteiligten Gesellschafter beschlossen werden kann.

69

a) Die §§ 3 Abs. 2 und 53 Abs. 3 regeln die Voraussetzungen, unter denen den Gesellschaftern im Gesellschaftsvertrag mit körperschaftlicher oder korporativer Wirkung Nebenleistungspflichten auferlegt werden können. Das GmbH-Recht unterscheidet sich insoweit grundlegend vom Aktienrecht. Denn während § 55 Abs. 1 AktG nur unter engen Voraussetzungen als Nebenleistungspflicht der Aktionäre die Verpflichtung zulässt, neben den Einlagen auf das Grundkapital wiederkehrende, nicht in Geld bestehende Leistungen zu erbringen, kennt das GmbH-Recht (§ 3 Abs. 2) keine derartige Beschränkung der Zulässigkeit von Nebenleistungspflichten, so dass zu ihrem Gegenstand alles gemacht werden kann, was überhaupt Gegenstand einer schuldrechtlichen Verpflichtung sein kann (unten Rdnr. 74 ff.). In der Praxis wird von dieser Möglichkeit offenbar in erheblichem Umfang Gebrauch gemacht. Dies kann so weit gehen, dass die Nebenleistungspflichten wirtschaftlich zu den Hauptpflichten der Gesellschafter werden, neben denen die rechtlich die Hauptpflicht bildende Stammeinlageverpflichtung in ihrer Bedeutung ganz zurücktritt. Im Ergebnis kann die GmbH damit weitgehend einer Personengesellschaft angenähert werden1. Zu beachten bleibt, dass den Gesellschaftern vergleichbare Pflichten außerdem auch noch außerhalb des Gesellschaftsvertrages durch besondere schuldrechtliche Abreden auferlegt werden können (unten Rdnr. 114 ff.).

70

b) Die Nebenleistungspflichten des § 3 Abs. 2 bilden einen Bestandteil der Mitgliedschaft, so dass sie bei einer Abtretung des Geschäftsanteils grundsätzlich auf den Erwerber übergehen (unten Rdnr. 80). So erklärt sich die Notwendigkeit, entsprechende Abreden in den Gesellschaftsvertrag selbst aufzunehmen (§ 3 Abs. 2), inbesondere mit der Folge, dass eine Bezugnahme auf ergänzende Urkunden ausscheidet2. Auf denselben Grundgedanken beruht § 5 Abs. 4 Satz 1. 1 BGH, WM 1958, 1132 = DB 1958, 1038; Immenga, Kapitalgesellschaft, S. 101 ff.; Wicke, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 65 ff.; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 54 ff. 2 Oben § 2 Rdnr. 13 ff.; RGZ 79, 332, 335 f.; RGZ 85, 216, 218; RG, JW 1937, 2836; OLG Dresden, GmbHR 1997, 746, 747; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 37.

184

Emmerich

§3

Inhalt des Gesellschaftsvertrages

Aus ihm ergibt sich weiter, dass die Bestimmungen über die Nebenleistungspflichten in dem Gesellschaftsvertrag so weit konkretisiert sein müssen, dass der verpflichtete Gesellschafter ebenso wie zukünftige Gesellschafter das Ausmaß der auf sie zukommenden Verpflichtungen zu überschauen vermögen1. Dazu ist im Regelfall erforderlich, dass der fraglichen Klausel eine betragsmäßige und zeitliche Eingrenzung der den Gesellschaftern auferlegten Pflichten entnommen werden kann2. Unbestimmte oder grenzenlose Verpflichtungen verstoßen gegen die guten Sit- 71 ten und sind deshalb nichtig (§ 138 BGB)3, wodurch jedoch (entgegen § 139 BGB) die Wirksamkeit des Gesellschaftsvertrages im Übrigen grundsätzlich nicht berührt wird; Ausnahmen sind freilich im Falle der Nichtigkeit zentraler Nebenleistungspflichten denkbar. Ein Beispiel für eine unbestimmte und infolgedessen nichtige Nebenleistungspflicht ist eine den Gesellschaftern im Gesellschaftsvertrag zeitlich und der Höhe nach unbegrenzt auferlegte Verpflichtung zur Übernahme von Verlusten der Gesellschaft (vgl. § 128 HGB)4. Ebenso zu behandeln sind inhaltslose, allgemeine Verpflichtungen wie z.B. die „Pflicht“, die Gesellschaft „mit Rat und Tat“ oder „mit Bürgschaften oder Sicherheiten“ zu unterstützen, weil zukünftige Gesellschafter daraus nicht zu erkennen vermögen, was im Einzelfall auf sie zukommen kann5. Unschädlich ist jedoch ein gewisses Maß vorläufiger Unbestimmtheit, da in solchen Fällen die §§ 315 ff. BGB anwendbar sind6. Im Gesellschaftsvertrag kann außerdem bestimmt werden, dass die weitere Konkretisierung der jeweils geschuldeten Nebenleistungen – in dem genannten Rahmen – einem Gesellschafterbeschluss vorbehalten bleiben soll, durch den die Nebenleistungen eingefordert werden7. c) Die auf die Nebenleistungspflichten erbrachten Leistungen der Gesellschafter 72 sind nicht zur Bildung des gesetzlichen Garantiefonds der Gesellschaft, des Stammkapitals, bestimmt, so dass die Nebenleistungspflichten – anders als die Stammeinlageverpflichtungen – mit Bedingungen oder Fristen versehen werden können. Ihre Fälligkeit kann außerdem von einem Einforderungsbeschluss der Gesellschafterversammlung abhängig gemacht werden (oben Rdnr. 71). Zulässig sind ferner sonstige Einschränkungen, z.B. ein Recht zum Rücktritt oder zur Kündigung. Die Gesellschafter besitzen insoweit Vertragsfreiheit (§ 45 Abs. 1 GmbHG; § 311 Abs. 1 BGB).

1 BGH, LM Nr. 4 zu § 3 GmbHG = GmbHR 1989, 151 = NJW-RR 1989, 228; BGH, GmbHR 2008, 258 Rdnr. 4 = NZG 2008, 118; Noack, Gesellschaftervereinbarungen, S. 78 ff.; Rohrer, Nebenleistungspflichten, S. 25 ff.; Wicke, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 68. 2 BGH, LM Nr. 4 zu § 3 GmbHG = GmbHR 1989, 151 = NJW-RR 1989, 228; Michalski, in: Michalski, Rdnr. 44. 3 S. RGZ 87, 261, 265 f. 4 BGH, GmbHR 2008, 258 Rdnr. 4 = NZG 2008, 118 (Vorinstanz: OLG Brandenburg, NZG 2006, 756). 5 KartG, JW 1924, 724. 6 S. RGZ 87, 261, 265 f.; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 78 f.; Schilling/Winter, in: FS Stiefel, 1987, S. 665. 7 U. Stein, ZGR 1990, 357, 363 f.

Emmerich

185

§3 73

Inhalt des Gesellschaftsvertrages

d) Die Anwendbarkeit der Vorschriften des BGB über die Nichtigkeit oder Vernichtbarkeit von Willenserklärungen auf gesellschaftsvertragliche Bestimmungen über die Begründung von Nebenleistungspflichten ist umstritten. Die Rechtsprechung hatte hier zwar schon früh nach Eintragung der Gesellschaft ins Handelsregister vergleichbare Beschränkungen insbesondere für eine Anfechtung der Erklärungen der Gesellschafter wegen Willensmängeln (§§ 119 und 123 BGB) oder unter Berufung auf das Vorliegen eines Scheingeschäfts (§ 117 BGB) wie bei den notwendigen Bestimmungen des Gesellschaftsvertrages aufgrund des § 3 Abs. 1 (s. Rdnr. 5 ff.) angenommen1. Diese Auffassung galt jedoch später weithin als überholt, da hier für einen Vertrauensschutz Dritter (an sich) kein Raum ist. Die Anfechtung der Erklärungen eines Gesellschafters war daher sogar noch nach Eintragung der Gesellschaft ins Handelsregister meistens zugelassen worden2. Diese Auffassung hat indessen nicht die Billigung des BGH gefunden. Zumindest für die Vereinbarung eines Agios, bei Aufnahme in den Gesellschaftsvertrag in der Regel eine korporative Nebenleistungspflicht im Sinne des § 3 Abs. 2, hat er vielmehr entschieden, dass die Vereinbarung nach Eintragung der Gesellschaft ins Handelsregister nicht mehr unter Berufung auf die §§ 117 und 119–123 BGB mit Erfolg angegriffen werden könne3. Im neueren Schrifttum hat diese Auffassung (wieder) überwiegend Zustimmung gefunden, in erster Linie wohl unter Gläubigerschutzgesichtspunkten, weil der Sache nach auch ein im Handelsregister verlautbartes Agio zu dem Garantiefonds der Gesellschaft gehöre4. Ebenso dürfte wohl zu entscheiden sein, wenn die Nebenleistungspflicht untrennbar mit einer Einlageverpflichtung verbunden ist5. Ob diese Auffassung auch auf sonstige Nebenleistungspflichten der Gesellschafter übertragen werden kann, ist noch offen; zu begrüßen wäre solche erneute Abwendung vom BGB jedenfalls nicht, auf jeden Fall nicht jenseits von Geldleistungspflichten (Rdnr. 74 f.).

2. Geldleistungen 74

Beschränkungen hinsichtlich des Inhalts von Nebenleistungspflichten bestehen im deutschen GmbH-Recht anders als im Aktienrecht (s. § 55 Abs. 1 Satz 1 AktG) und im österreichischen Recht (s. § 8 Abs. 1 öGmbHG) nicht (s. oben Rdnr. 69). Den Gesellschaftern können deshalb insbesondere auch Geldleistungspflichten als Nebenleistungspflichten auferlegt werden6. Beispiele sind die Verpflichtung der Gesellschafter zur Übernahme bestimmter Gesellschaftsschulden, zur Zahlung eines Aufgeldes (Agios) im Falle einer Überpariemission7, zur Gewährung von Darlehen an die Gesellschaft8, zur „Einstellung“ ausge1 RGZ 88, 187, 188 ff.; OLG Rostock, OLGE 22, 12. 2 10. Aufl., Rdnr. 73; ebenso auch Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 32. 3 BGH, GmbHR 2008, 147, 149 Rdnr. 22 = NZG 2008, 73 unter Berufung auf RGZ 82, 376, 377 ff. 4 H. Herchen, GmbHR 2008, 149 ff.; Wicke, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 77, 89. 5 Wicke, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 89. 6 RGZ 83, 216, 218 f.; Michalski, in: Michalski, Rdnr. 58. 7 BGH, GmbHR 2008, 147, 149 Rdnr. 13 ff. = NZG 2008, 73; BGH v. 15.10.2007 – II ZR 271/06; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 39; H. Herchen, GmbHR 2008, 149 ff.; Wicke, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 77. 8 RFHE 6, 156, 160; BGH, LM Nr. 4 zu § 3 GmbHG = GmbHR 1989, 151.

186

Emmerich

§3

Inhalt des Gesellschaftsvertrages

schütteter Gewinne in freie Rücklagen1, zur Deckung von Verlusten, soweit inhaltlich begrenzt (Rdnr. 71)2 sowie zur jährlichen Zahlung von Deckungsbeiträgen, entweder in fester Höhe oder abhängig von dem erwirtschafteten Gewinn3. Alle genannten Geldleistungen (Rdnr. 74) und insbesondere ein Agio können 74a zwar auch auf rein schuldrechtlicher Basis geschuldet sein (Rdnr. 114 ff.). Bei der Aufnahme der Vereinbarung in den Gesellschaftsvertrag spricht indessen eine Vermutung dafür, dass es sich um eine körperschaftliche (oder korporative) Regelung handelt, durch die auch zukünftige Gesellschafter gebunden werden sollen. Handelt es sich danach um ein so genanntes korporatives Agio, so ist dieses in die Kapitalrücklage nach § 272 Abs. 2 Nr. 1 HGB einzustellen; die Vorschriften über die Kapitalaufbringung und Kapitalerhaltung finden dagegen keine Anwendung4. Die Einforderung des Agios setzt, wenn der Gesellschaftsvertrag nichts anderes bestimmt, analog § 46 Nr. 2 einen Gesellschafterbeschluss voraus. In der Insolvenz der Gesellschaft entfällt jedoch die Notwendigkeit eines derartigen Beschlusses, so dass die Einforderung fortan Sache des Insolvenzverwalters ist, sofern anzunehmen ist, dass die Verpflichtung zur Leistung des Agios auch in der Insolvenz der Gesellschaft bestehen bleiben soll5. Die Abgrenzung derartiger Nebenleistungspflichten von der Stammeinlagever- 75 pflichtung und von Nachschusspflichten kann im Einzelfall Schwierigkeiten bereiten6. In derartigen Fällen ist davon auszugehen, dass sich die Leistung der Geschäftsanteile dadurch von anderen Leistungen unterscheiden, dass sie in das Vermögen der Gesellschaft gerade auf das im Gesellschaftsvertrag genannte Stammkapital erbracht werden, so dass die Summe der Nennbeträge der Geschäftsanteile mit dem Stammkapital übereinstimmt (§ 5 Abs. 3 Satz 2), und dass die Geschäftsanteile ebenso wie das Stammkapital ausdrücklich als solche im Gesellschaftsvertrag genannt werden müssen (§ 3 Abs. 1 Nr. 3 und 4; s. dazu oben Rdnr. 51). Die Geschäftsanteile dürften sich anhand dieser Merkmale i.d.R. leicht von Nebenleistungspflichten unterscheiden lassen. Was sodann die Abgrenzung zu den Nachschüssen angeht, so ist zu beachten, dass die Einforderung von Nachschüssen im Gegensatz zu der von Nebenleistungen nach § 26 immer eines Gesellschafterbeschlusses bedarf (§ 46 Nr. 2) und dass die gezahlten Nachschüsse gemäß § 42 Abs. 2 Satz 3 in die Kapitalrücklage einzustellen sind und nur in den Grenzen des § 30 Abs. 2 an die Gesellschafter zurückgezahlt werden dürfen (s. unten § 26 Rdnr. 6a).

1 Esch, NJW 1978, 2529, 2531; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 33. 2 BGH, GmbHR 2008, 258 Rdnr. 4 = NZG 2008, 148; Gasteyer, BB 1983, 934. 3 BGH, LM Nr. 5 zu § 3 GmbHG = NJW-RR 1993, 607 = MDR 1993, 430 = GmbHR 1993, 214. 4 BGH, GmbHR 2008, 147, 149 Rdnr. 13 = NZG 2008, 73; BFH, GmbHR 2010, 156; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 77; weitergehend offenbar H. Herchen, GmbHR 2008, 149 ff. 5 S. unten Rdnr. 79; BGH, GmbHR 2008, 147, 149 Rdnr. 16 ff. = NZG 2008, 73 (Vorinstanz: OLG Brandenburg, NZG 2006, 756). 6 S. unten § 26 Rdnr. 6a; Michalski, in: Michalski, Rdnr. 57 f.; Immenga, Kapitalgesellschaft, S. 104; Noack, Gesellschaftervereinbarungen, S. 313; Rohrer, Nebenleistungspflichten, S. 48; Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 30; Wünsch, öGmbHG, § 8 Anm. 4.

Emmerich

187

§3

Inhalt des Gesellschaftsvertrages

3. Sachleistungen 76

Gegenstand von Nebenleistungspflichten können außer Geldleistungen (oben Rdnr. 74 f.) ferner Sachleistungen beliebiger Art sein. Beispiele sind die Leihe oder die Vermietung beweglicher oder unbeweglicher Sachen, Andienungs- und Bezugspflichten, soweit kartellrechtlich zulässig, sowie die Überlassung von Schutzrechten1. Derartige Nebenleistungspflichten sind sorgfältig von den Sacheinlageverpflichtungen zu unterscheiden, weil allein für die letzteren die Vorschriften des § 5 Abs. 4 und des § 7 Abs. 3 gelten. Dadurch wird es aber nicht ausgeschlossen, im Einzelfall Nebenleistungspflichten mit einer Sacheinlageverpflichtung zu verbinden. Ein Beispiel ist eine Abrede, durch die ein Gesellschafter, der zur Deckung seines Geschäftsanteils ein Handelsgeschäft einbringt, zugleich die Garantie für den Eingang der zu dem eingebrachten Handelsgeschäft gehörenden Außenstände übernimmt oder ein Wettbewerbsverbot eingeht2. Im Schrifttum wird auch für derartige Fälle vielfach eine Einschränkung der sonst möglichen Anfechtung von Nebenleistungsverpflichtungen angenommen (oben Rdnr. 73).

76a

Eine besondere Erscheinungsform derartiger auf Sachleistungen gerichteter Nebenleistungspflichten der Gesellschafter sind so genannte Vorkaufs- oder Vorerwerbsrechte der Gesellschaft sowie Ankaufsrechte der Gesellschaft oder von Mitgesellschaftern (§ 328 BGB) hinsichtlich der Geschäftsanteile aller oder einzelner Gesellschafter, die im Einzelfall durchaus auch die Funktion von Ausschließungsrechten haben können3. Legt man in diesen Fällen die Betonung dagegen mehr auf die Pflicht der Gesellschafter, den Geschäftsanteil der Gesellschaft oder anderen Gesellschaftern unter bestimmten Voraussetzungen anzubieten, so kann man hier durchaus auch von auf die Vornahme von Handlungen gerichteten Nebenleistungspflichten sprechen4. Für die rechtliche Beurteilung solcher Nebenleistungspflichten macht dies keinen Unterschied. Zu beachten ist, dass Ankaufs- oder Vorkaufsrechte der Gesellschaft, da sie auf Nebenleistungspflichten der Gesellschafter beruhen, grundsätzlich nur schuldrechtliche Wirkungen besitzen; eine quasi-dingliche Wirkung können sie nur bei Verbindung mit einer Vinkulierung der Anteile nach § 15 Abs. 5 erlangen5. Im Einzelnen gibt es sehr unterschiedliche Gestaltungen derartiger Abreden. Der BGH hat es z.B. einmal zugelassen, im Gesellschaftsvertrag zu vereinbaren, dass im Falle der Kündigung eines Gesellschafters aufschiebend bedingt dessen Geschäftsanteil den anderen Gesellschaftern mit dinglicher Wirkung anfallen soll6. Im Einzelfall können durch derartige Abreden ferner zugleich Sonderrechte anderer Gesellschafter begründet werden7. 1 S. Rohrer, Nebenleistungspflichten, S. 34 ff. 2 RGZ 79, 271, 273. 3 Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 44; G. Hueck, in: FS Larenz, 1973, S. 749; Noack, Gesellschaftervereinbarungen, S. 15, 284 ff.; H. P. Westermann/D. Klingberg, in: FS Quack, 1991, S. 545; Wicke, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 79 ff. 4 S. 10. Aufl., Rdnr. 77. 5 S. im Einzelnen unten § 15 Rdnr. 117 f.; BGH, LM Nr. 72 zu § 123 BGB = NJW 1992, 300; OLG Schleswig, NZG 1998, 656 m. Anm. Rottnauer = GmbHR 1999, 35 (nur Leitsatz); Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 36; Kowalski, GmbHR 1992, 347. 6 BGH, NJW-RR 2003, 1265 = GmbHR 2003, 1062, 1064 = NZG 2003, 871. 7 S. OLG Stuttgart, GmbHR 1997, 1108; Wicke, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 98 f.

188

Emmerich

§3

Inhalt des Gesellschaftsvertrages

4. Handlungen und Unterlassungen Als Nebenleistungspflichten kommen ferner sonstige Pflichten jeder Art ein- 77 schließlich insbesondere der Verpflichtung zur Vornahme oder Unterlassung von Handlungen in Betracht. Wichtige Beispiele sind die Erbringung von Dienstleistungen, sofern es sich nicht bei den von einzelnen Gesellschaftern geschuldeten Dienstleistungen um abhängige Arbeitsleistungen handelt1, sowie Wettbewerbsverbote (Rdnr. 88 ff.). Abgrenzungsschwierigkeiten zu den Stammeinlageverpflichtungen werden hier im Regelfall nicht auftreten, da Dienstleistungen als Gegenstand der Stammeinlageverpflichtung ausscheiden2. Der wichtigste hierher gehörende Fall ist die gesellschaftsvertragliche Verpflichtung einzelner Gesellschafter zur Übernahme der Geschäftsführung, sofern es sich nicht nur (wie meistens) um eine bei Gelegenheit des Vertragsabschlusses erfolgte Ernennung zum Geschäftsführer handelt (s. unten Rdnr. 109). Weitere Beispiele sind die Pflicht zur Inanspruchnahme von Leistungen der Gesellschaft3 oder zur Einbringung eines Vertrages4, sonstige Unterlassungspflichten sowie noch Stimmrechtsbindungen, etwa in Gestalt der Verpflichtung zur Unterlassung der Stimmabgabe in bestimmten Fällen oder zur Mitwirkung bei der Abstimmung generell oder zumindest bei besonderen Anlässen5.

5. Entgelt Die Übernahme von Nebenleistungspflichten durch die Gesellschafter kann 78 entgeltlich oder unentgeltlich erfolgen. Bei Warenlieferungen oder Dienstleistungen ist im Zweifel die Vereinbarung eines üblichen Entgelts anzunehmen (vgl. §§ 612, 632 BGB). Die Einzelheiten dürften bei entgeltlichen Leistungen gewöhnlich in zusätzlichen Ausführungsverträgen geregelt sein; notwendig ist dies jedoch nicht. Bei entgeltlichen Nebenleistungen der Gesellschafter ist zu beachten, dass überhöhte Gegenleistungen der Gesellschaft als verdeckte Gewinnausschüttungen gegen § 30 Abs. 1 verstoßen können6. Erfolgen die Nebenleistungen seitens der Gesellschafter dagegen unentgeltlich, so handelt es sich doch nicht um eine Schenkung, so dass die Leistungen bei der Gesellschaft steuerrechtlich gewinnneutral sind7. Dies gilt allgemein bei causa societatis erbrachten Leistungen der Gesellschafter, daher selbst im Falle der freiwilligen Übernahme von Verlusten, so dass die Form des § 518 BGB in keinem Fall für derartige Abreden beachtet werden muss8.

1 S. BAG, AP Nr. 137 zu § 1 TVG Tarifverträge Bau = GmbHR 1991, 460 = NZA 1991, 392 = ZIP 1991, 817, 818 f.; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 43. 2 S. (abweichend) Skibbe, GmbHR 1980, 73. 3 BGHZ 103, 219, 222 f. = NJW 1988, 1729. 4 OLG Dresden, GmbHR 1997, 746, 747. 5 Wicke, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 86 f. 6 S. unten § 29 Rdnr. 115 ff.; BGHZ 103, 219, 223 = NJW 1988, 1729; BGH, LM Nr. 6 zu § 29 GmbHG = NJW 1996, 589 = GmbHR 1996, 11; Rohrer, Nebenleistungspflichten, S. 43. 7 Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 29. 8 BGH, NZG 2006, 543 Rdnr. 9 bis 11 = ZIP 2006, 1199; BGH, NJW 2008, 1589 Rdnr. 17 = ZIP 2008, 453.

Emmerich

189

§3 79

Inhalt des Gesellschaftsvertrages

In der Insolvenz der Gesellschaft ist der Gesellschafter mit seiner Gegenleistungsforderung für bereits vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens erbrachte Leistungen einfacher Gläubiger. Ist der Gesellschafter nach Treu und Glauben ausnahmsweise verpflichtet, Nebenleistungen auch noch in der Insolvenz der Gesellschaft zu erbringen1, so ist der Gesellschafter dagegen für die nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens erbrachten Leistungen als Massegläubiger zu behandeln (§§ 103, 55 Abs. 1 Nr. 2 InsO)2. Ebenso zu behandeln ist umgekehrt die Nebenleistungsforderung der Gesellschaft in der Insolvenz des Gesellschafters3.

6. Übergang 80

a) Selbst wenn der Gesellschaftsvertrag Nebenleistungspflichten der Gesellschafter eingeführt hat, bleibt der Anteil doch grundsätzlich frei veräußerlich, da mit der Vereinbarung von Nebenleistungspflichten anders als im Aktienrecht (§ 55 Abs. 1 AktG) und im österreichischen Recht (§ 8 Abs. 2 öGmbHG) nicht automatisch eine Vinkulierung der Anteile im Sinne des § 15 Abs. 5 verbunden ist. Im Falle der Veräußerung des Anteils gehen daher die Nebenleistungspflichten, sofern sie nicht höchstpersönlicher Art sind oder der Gesellschaftsvertrag etwas anderes bestimmt, grundsätzlich auf den Rechtsnachfolger über4. Ebenso ist die Rechtslage im Falle des Todes eines Gesellschafters5. Vor allem in diesem Punkt unterscheiden sich die gesellschaftsrechtlichen (korporativen) Nebenleistungspflichten des § 3 Abs. 2 von den durch zusätzliche, schuldrechtliche Verträge übernommenen Nebenleistungspflichten der Gesellschafter, die an die Person des Gesellschafters gebunden sind und deren Übergang auf einen Rechtsnachfolger daher nur im Wege der Vertragsübernahme möglich ist, an der alle drei Beteiligten – der alte und der neue Gesellschafter sowie die Gesellschaft als Gläubigerin – mitwirken müssen (§§ 311 Abs. 1, 398, 414 und 415 BGB)6.

81

b) Mit dem Übergang der Nebenleistungspflichten auf den Anteilserwerber (oben Rdnr. 80) wird der Veräußerer grundsätzlich frei; lediglich für bereits fällige, rückständige Nebenleistungen haftet er neben dem Erwerber weiter (§ 16 Abs. 2)7. Veräußert ein Gesellschafter dagegen nur den Betrieb, aus dem er bisher die Nebenleistungen zu erbringen hatte, so ändert dies nichts an seiner Verpflichtung (s. § 26 HGB); hinsichtlich des Erwerbers ist § 25 HGB zu beachten. Einen Schutz des guten Glaubens gibt es insoweit nicht.

1 Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 52; Michalski, in: Michalski, Rdnr. 55; für das korporative Agio s. schon oben Rdnr. 74a sowie insbesondere BGH, GmbHR 2008, 147, 149 Rdnr. 16 ff. = NZG 2008, 73. 2 Wicke, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 97. 3 Rohrer, Nebenleistungspflichten, S. 119, 129 ff.; anders Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 96. 4 Wicke, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 95. 5 RGZ 80, 175, 179. 6 BGH, LM Nr. 5 zu § 3 GmbHG = NJW-RR 1993, 607 = MDR 1993, 430 = GmbHR 1993, 214. 7 RG, DR 1940, 2013 = HRR 1940 Nr. 1204; weiter gehend RG, JW 1914, 477; Rohrer, Nebenleistungspflichten, S. 88 ff.

190

Emmerich

§3

Inhalt des Gesellschaftsvertrages

7. Leistungsstörungen, Kündigung a) Die nähere Ausgestaltung der Nebenleistungspflicht hinsichtlich Gegenleis- 82 tung der Gesellschaft, Fälligkeit und Umfang der einzelnen Leistungen kann bereits im Gesellschaftsvertrag erfolgen. Fehlt es hieran, so müssen diese Fragen in ergänzenden schuldrechtlichen Verträgen zwischen der Gesellschaft und dem verpflichteten Gesellschafter, so genannten Ausführungsverträgen geregelt werden. Je nach Art der fraglichen Nebenleistung kann es sich dabei um Kauf-, Darlehens-, Miet-, Dienst- oder Werkverträge handeln; ebenso kommen aber auch Lizenz- oder Leasingverträge in Betracht. In jedem Fall handelt es sich um normale schuldrechtliche Verträge, die grundsätzlich dem BGB unterstehen (§§ 433, 488, 535, 611 und 631 ff. BGB)1. Besonderheiten bestehen insoweit nicht. Lediglich für die Anwendung der §§ 305 ff. BGB über die Inhaltskontrolle gegenüber AGB ist hier grundsätzlich kein Raum (§ 310 Abs. 4 Satz 1 BGB)2. Noch nicht endgültig geklärt ist, welche Folgerungen sich aus dem Gesagten 83 (oben Rdnr. 82) für das ordentliche Kündigungsrecht des Gesellschafters bei Darlehens-, Miet- und Dienstverträgen auf Grund der §§ 488 Abs. 3, 580a, 624 und 627 BGB ergeben. Zum Teil wird angenommen, dass, sofern die Parteien nicht ausdrücklich oder konkludent etwas anderes vereinbart haben, diese Kündigungsrechte auch den Gesellschaftern zustehen, sofern nicht im Einzelfall die Kündigung gegen ihre Treuepflicht verstößt (§ 242 BGB)3. Nach überwiegender Meinung kann sich dagegen der Gesellschafter nicht einseitig durch ordentliche Kündigung von den gesellschaftsvertraglich übernommenen Nebenleistungspflichten lösen4. In der Tat dürfte der Gesellschaftsvertrag in der Regel in diesem Sinne zu interpretieren sein (zur außerordentlichen Kündigung aus wichtigem Grunde s. unten Rdnr. 85). Und auch sonst können sich von Fall zu Fall aus der Treuepflicht Schranken für die den Gesellschaftern nach dem BGB (oben Rdnr. 82) zustehenden Rechte ergeben. b) Die Behandlung von Leistungsstörungen richtet sich gleichfalls grundsätzlich 84 nach dem BGB, d.h. nach den §§ 275, 280 und 320 ff. BGB, freilich wiederum modifiziert durch die Treuepflicht (§ 242 BGB)5. Im Einzelnen wird man dabei zwischen Leistungsstörungen auf der Seite der Gesellschaft und solchen auf der Seite der Gesellschafter zu unterscheiden haben. Auf der Seite der Gesellschaft kommt als Leistungsstörung wohl in erster Linie ein Zahlungsverzug bei entgeltlichen Nebenleistungen (oben Rdnr. 78) in Betracht. Die Treuepflicht wird dem Gesellschafter hier in der Regel gebieten, sich auf die Forderung nach Ersatz seines Verzugsschadens zu beschränken (§§ 280 Abs. 2, 286 BGB), während für einen Rücktritt oder eine Kündigung wegen des Zahlungsverzugs in solchen 1 RGZ 87, 261, 265; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 41 f.; Wicke, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 88 ff. 2 BGHZ 113, 219, 224 = NJW 1988, 1729; BGH, LM Nr. 10 zu § 23 AGBG = NJW 1992, 379; Michalski, in: Michalski, Rdnr. 47. 3 RGZ 128, 1, 17; Feine, in: Ehrenbergs Hdb. III/3, S. 345 f.; Noack, Gesellschaftervereinbarungen, S. 316 ff.; Rohrer, Nebenleistungspflichten, S. 69 ff. 4 Michalski, in: Michalski, Rdnr. 67 f. m.N.; Wicke, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 93 (anders aber für § 624 BGB). 5 S. Michalski, in: Michalski, Rdnr. 62 ff.; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 42 f.; Wicke, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 90 ff.

Emmerich

191

§3

Inhalt des Gesellschaftsvertrages

Fällen in der Regel kein Raum sein dürfte (§§ 242, 314, 323, 490 und 543 Abs. 2 Nr. 3 BGB). Vergleichbare Überlegungen sind bei Leistungsstörungen auf der Seite des Gesellschafters anzustellen: Handelt es sich um wiederkehrende Pflichten der Gesellschafter und betrifft die Leistungsstörung nur einzelne Leistungen, so sollten mit Rücksicht auf die gesellschaftsrechtliche Verbundenheit der Parteien die Rechtsfolgen der Leistungsstörungen nach Möglichkeit auf die bereits erbrachten Teilleistungen beschränkt werden, sofern der Vertrag für die Zukunft noch weiter durchgeführt werden kann1. 85

Besonderheiten gelten jedoch, falls es sich um besonders schwer wiegende Leistungsstörungen handelt, die dem anderen Teil – der Gesellschaft oder dem Gesellschafter – die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses unzumutbar machen. Liegt die Leistungsstörung auf der Seite des Gesellschafters, so wird dann in erster Linie an seine Ausschließung aus wichtigem Grunde zu denken sein2. Bei Leistungsstörungen auf der Seite der Gesellschaft stellt sich dagegen die Frage, ob der Gesellschafter gleichfalls auf gesellschaftsrechtliche Rechtsbehelfe wie die Auflösungsklage des § 61 oder den Austritt aus wichtigem Grunde beschränkt ist3 oder ob er statt dessen auch aus wichtigem Grunde die Nebenleistungspflicht kündigen kann (§§ 314, 543 Abs. 1, 626 BGB)4. Angesichts der Wertungen, die in den §§ 314, 543 Abs. 1 und 626 BGB zum Ausdruck kommen, wird man ihm in der Tat in besonders schwer wiegenden Fällen, in denen ihm nach den ganzen Umständen die weitere Erbringung der Nebenleistungspflichten schlechthin unzumutbar ist, ein Kündigungsrecht aus wichtigem Grunde schwerlich versagen können. Dabei wird es sich jedoch um besonders gelagerte Ausnahmefälle handeln, während im Regelfall die Parteien schon auf Grund der Treuepflicht verpflichtet sein dürften, nach einer für beide Seite akzeptablen Lösung zu suchen5.

86

c) Den Gesellschaftern steht es frei, die Rechtsfolgen etwaiger Leistungsstörungen, generell oder im Einzelfall abweichend vom BGB zu regeln (§ 311 Abs. 1 BGB; § 45 GmbHG). Verbreitet ist offenbar die Vereinbarung von Vertragsstrafen (§§ 339 ff. BGB; s. § 8 Abs. 1 öGmbHG). Außerdem kann z.B. bestimmt werden, dass die Gesellschaft das Recht zur Ausschließung des Gesellschafters bei einem Verstoß gegen seine Nebenleistungspflichten haben soll oder dass der vertragsbrüchige Gesellschafter entsprechend den §§ 21 ff. kaduziert werden kann (s. unten § 21 Rdnr. 6). Soweit im Gesellschaftsvertrag ein Schiedsgericht eingesetzt ist, ist im Zweifel anzunehmen, dass sich seine Zuständigkeit auf derartige Streitigkeiten über Nebenleistungspflichten erstrecken soll6. 1 Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 48; Feine, in: Ehrenbergs Hdb III/3., S. 349 ff.; Wünsch, in: FS Demelius, 1973, S. 509; Wicke, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 91. 2 Wicke, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 94. 3 S. unten Anh. § 34 Rdnr. 6 ff.; so Michalski, in: Michalski, Rdnr. 49, 53; Karsten Schmidt, GesR, § 35 I 2b (S. 1035). 4 RGZ 114, 212, 215 ff.; RGZ 125, 114, 116 ff.; RGZ 128, 1, 15 ff.; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 50 f.; Bergmann, ZHR 99 (1934), 373; Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 33; Schwerdtner, GmbHR 1976, 101, 106 ff. 5 Ebenso im Ergebnis RGZ 128, 1, 17 f.; Karsten Schmidt, GesR, § 35 I 2b (S. 1035). 6 OLG Königsberg, GmbHR II § 3 Nr. 19; Kornmeier, DB 1980, 193; Wicke, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 92.

192

Emmerich

§3

Inhalt des Gesellschaftsvertrages

8. Beendigung Die Nebenleistungspflichten können jederzeit durch Satzungsänderung wieder 87 aufgehoben werden (§ 53). Auch kann die Gesellschaft (unter Beachtung des Gleichbehandlungsgebots) einem Gesellschafter im Einzelfall seine Nebenleistungspflicht erlassen (§ 397 BGB). Einseitig kann sich der Gesellschafter dagegen von der ihm obliegenden Nebenleistungspflicht grundsätzlich nicht durch Kündigung lösen (s. oben Rdnr. 83, 85); auch für eine entsprechende Anwendung des § 27 ist hier nach h.M. grundsätzlich kein Raum. Notfalls muss der Gesellschafter nach § 61 vorgehen. Möglich bleibt außerdem im Einzelfall ein Austritt aus wichtigem Grunde (s. oben Rdnr. 85). Eine Kündigung aus wichtigem Grunde bei Unzumutbarkeit der weiteren Erbringung der Nebenleistungen kommt nach den §§ 314, 543 und 626 BGB nur in besonders gelagerten Ausnahmefällen in Betracht (oben Rdnr. 85).

9. Insbesondere Wettbewerbsverbot Schrifttum: Bouchon, Konzerneingangsschutz im GmbH- und Aktienrecht, 2002; Ivens, Das Konkurrenzverbot der GmbH-Gesellschafter und § 1 GWB, DB 1988, 215; L. Lawall, Das ungeschriebene Wettbewerbsverbot des GmbH-Gesellschafters, 1996; N. Polley, Wettbewerbsverbot und Geschäftschancenlehre, 1993; Salfeld, Wettbewerbsverbot im Gesellschaftsrecht, 1987; M. Winter, Mitgliedschaftliche Treuebindungen im GmbH-Recht, 1988, S. 239 ff.

a) Überblick Von einem Wettbewerbsverbot spricht man, wenn den Gesellschaftern – gene- 88 rell oder in einem begrenzten Umfang – verboten ist, der Gesellschaft in einem bestimmten Geschäftskreis Konkurrenz zu machen. Anders als bei den Personengesellschaften (§§ 112, 113, 161 Abs. 2 und 165 HGB) fehlt bei der GmbH eine gesetzliche Regelung. Üblich ist eine Regelung im Gesellschaftsvertrag. Sieht der Gesellschaftsvertrag dementsprechend ein Wettbewerbsverbot für die Gesellschafter vor, so handelt es sich dabei, wie bereits ausgeführt (Rdnr. 77 f.), um eine Nebenleistungspflicht im Sinne des § 3 Abs. 2, wenn das Wettbewerbsverbot als körperschaftliche (korporative) Verpflichtung, d.h. als Bestandteil des Geschäftsanteils gedacht ist, das grundsätzlich auch etwaige Erwerber des Geschäftsanteils treffen soll. Soll das Wettbewerbsverbot für die Gesellschafter auch nach ihrem Ausscheiden aus der Gesellschaft gelten, so spricht man von einem nachvertraglichen Wettbewerbsverbot. Es liegt auf der Hand, dass Wettbewerbsverbote und insbesondere nachvertragliche Verbote für die Gesellschafter eine schwerwiegende Belastung darstellen können, so dass derartige Verbote nur in engen Grenzen zugelassen werden können (Art. 12 GG; § 138 BGB; s. unten Rdnr. 89a). Weitere substantielle Schranken für Wettbewerbsverbote in Gesellschaftsverträgen ergeben sich aus dem Kartellrecht, insbesondere, wenn auch nicht allein aus dem Kartellverbot des Art. 101 AEUV und § 1 GWB (Rdnr. 89). Von Fall zu Fall ist daneben auch an die Anwendung der Vorschriften über die Fusionskontrolle zu denken (FKVO; §§ 35 ff. GWB). Eine wieder andere Frage ist, ob die Gesellschafter im Einzelfall auch ohne Regelung der Frage im Gesellschaftsvertrag allein aufgrund ihrer Treuepflicht gegenüber der Gesellschaft und den Mitgesellschaftern ein Wettbewerbsverbot treffen kann Emmerich

193

§3

Inhalt des Gesellschaftsvertrages

(Rdnr. 92 ff.). Von dem allemal problematischen Wettbewerbsverbot für die Gesellschafter ist schließlich noch das allgemein anerkannte, die Geschäftsführer treffende Wettbewerbsverbot zu unterscheiden (s. dazu 10. Aufl., § 43 Rdnr. 126 ff.). b) Gesellschaftsvertrag 89

Wettbewerbsverbote sind nichts anderes als Unterlassungspflichten und können daher ohne weiteres durch den Gesellschaftsvertrag nach § 3 Abs. 2 als Nebenleistungspflichten begründet werden, und zwar ausdrücklich oder im Einzelfall auch konkludent (§§ 133, 157, 242 BGB)1. Dies gilt jedoch, wie bereits angedeutet (Rdnr. 88), nicht schrankenlos. Schranken für die Zulässigkeit gesellschaftsvertraglicher Wettbewerbsverbote ergeben sich vielmehr zunächst aus dem Kartellrecht. Wegen der Einzelheiten ist auf die Darstellungen des Kartellrechts zu verweisen. Hier genügen folgende Hinweise2: Am Anfang der kartellrechtlichen Prüfung einer GmbH-Gründung hat die Frage zu stehen, ob der Abschluss des Gesellschaftsvertrages einen Zusammenschluss im Sinne des Art. 3 FKVO und des § 37 GWB darstellt, wobei weitere Besonderheiten zu beachten sind, wenn es sich, wie häufig, bei der Gründung um ein Gemeinschaftsunternehmen der Gründer handelt. Unabhängig davon ist die Frage, ob ein etwaiges Wettbewerbsverbot für die Gesellschafter gegen das Kartellverbot verstößt (Art. 101 AEUV und § 1 GWB). Die Grenzziehung zwischen Kartellrecht und Gesellschaftsrecht ist hier besonders schwierig. Maßgebend sind immer die Umstände des Einzelfalls, insbesondere die Marktverhältnisse sowie die von den Beteiligten verfolgten Zwecke. Im Prinzip anerkannt ist jedoch, dass ein Wettbewerbsverbot für die Gesellschafter einer GmbH in beschränktem Umfang erforderlich sein kann, um das Unternehmen der Gesellschaft in seinem Bestand und seiner Funktionsfähigkeit zu erhalten und davor zu schützen, dass ein Gesellschafter es von innen heraus aushöhlt oder gar zerstört. Ein ohne Not weitergehendes Wettbewerbsverbot für die Gesellschafter der GmbH verstößt dagegen auch in einem Gesellschaftsvertrag gegen das Kartellverbot und ist deshalb nichtig (§ 134 BGB), so dass es nicht befolgt werden darf – ungeachtet des Umstandes, dass kein Fall des § 75 vorliegt, so dass die Nichtigkeit des Wettbewerbsverbotes wegen des Verstoßes gegen das Kartellverbot nicht die des Gesellschaftsvertrages insgesamt nach sich zieht3. Bei der danach in jedem Einzelfall erforderlichen Prüfung der Zulässigkeit eines Wettbewerbsverbotes in einem Gesellschaftsvertrag kommt es insbesondere auch darauf an, ob der jeweils betroffene Gesellschafter einen wesentlichen Einfluss auf die Geschäftsführung der Gesellschaft hat. Ist das nicht der Fall, so spricht dieser Umstand deutlich dafür, dass bei der Aufnahme des Wettbewerbsverbotes in den Gesellschaftsvertrag wettbewerbsbeschränkende Zwecke der Beteiligten im Vordergrund standen – mit der Folge der An1 S. oben Rdnr. 77; RG, LZ 1912, 850; BGH, GmbHR 2010, 256, 257 Rdnr. 13; BGH, NJWRR 2010, 615 Rdnr. 17 = NZG 2010, 76; BFHE 149, 167, 178 ff. = GmbHR 1987, 323; OGH, WiBl. 1992, 264 f. (nur Leitsatz); OLG Wien, NZ 1993, 128; Seydel, GmbHR 1950, 154; Torggler, GesRZ 1995, 233, 235. 2 Überblick z.B. bei Emmerich, JuS 2010, 547. 3 S. BGHZ 104, 246, 251 f. = NJW 1988, 2937 = GmbHR 1988, 334 – Neuform; BGH, GmbHR 2010, 256, 257; BGH, NJW-RR 2010, 657 Rdnr. 17 f. = NZG 2010, 76 = ZIP 2009, 2263; OLG Frankfurt a.M., GmbHR 2009, 884.

194

Emmerich

§3

Inhalt des Gesellschaftsvertrages

wendbarkeit des Kartellverbotes. Dies alles gilt zudem immer nur für so genannte kartellrechtsneutrale Gesellschaften. Verfolgen die Beteiligten dagegen mit der Gründung der Gesellschaft selbst wettbewerbsbeschränkende Zwecke, so führt dies in jedem Fall, und zwar auch, wenn zugleich ein Zusammenschluss vorliegt, ohne weiteres zur Anwendbarkeit des Kartellverbotes. Unabhängig von der kartellrechtlichen Prüfung des Wettbewerbsverbots ist die 89a Prüfung dessen Vereinbarkeit mit § 138 BGB in Verbindung mit Art. 12 GG. Das Wettbewerbsverbot ist danach nichtig, wenn es sich nicht räumlich, zeitlich und gegenständlich auf das unbedingt notwendige Maß zum Schutze der Gesellschaft gegen ein treuwidriges Verhalten der Gesellschafter beschränkt, sondern darüber hinaus geht. Diese Frage hat zwar besondere Bedeutung für nachvertragliche Wettbewerbsverbote (Rdnr. 90); jedoch ist auch sonst Raum für die Anwendung des § 138 BGB auf Wettbewerbsverbote in Gesellschaftsverträgen1. Ein vertragliches Wettbewerbsverbot erlischt grundsätzlich mit der Beendigung 90 der Mitgliedschaft des betroffenen Gesellschafters, sei es durch seinen Ausschluss, seinen Austritt, eine Kündigung oder durch die Veräußerung des Geschäftsanteils (§ 15). Macht der Gesellschafter von einem vertraglichen Kündigungsrecht Gebrauch, so gilt die Befreiung von dem Verbot auch schon für die Zeit bis zu seinem endgültigen Ausscheiden aus der Gesellschaft, so dass er von der Gesellschaft jetzt nicht mehr an dem Verbot festgehalten werden kann2. Die Gesellschafter können jedoch etwas anderes vereinbaren, d.h. bestimmen, dass ein Gesellschafter selbst nach seinem Ausscheiden aus der Gesellschaft noch für eine bestimmte Zeit an das Wettbewerbsverbot gebunden bleiben soll3. Derartige nachvertragliche Wettbewerbsverbote stellen indessen eine besonders gravierende Belastung für die betroffenen Gesellschafter dar, so dass die Schranken, die für alle Wettbewerbsverbote in Gesellschaftsverträgen gelten (Rdnr. 89 f.), hier besonders strikt zu handhaben sind. Das gilt gleichermaßen für § 138 BGB wie für das Kartellverbot. Aus § 138 BGB folgt zunächst, dass sich das Wettbewerbsverbot mit Rücksicht auf Art. 12 Abs. 1 GG zeitlich, räumlich und gegenständlich genau auf ein mit den legitimen Interessen des ausgeschiedenen Gesellschafters vereinbares Maß beschränken muss, so dass es grundsätzlich nicht über eine Dauer von ungefähr zwei bis drei Jahren und über den Gegenstand der Gesellschaft hinaus ausgedehnt werden darf (§§ 138, 242 BGB)4. Eine über diesen Rahmen hinausgehende Ausdehnung des nachvertraglichen Wettbewerbsverbotes für ausgeschiedene Gesellschafter kann, Spürbarkeit vorausgesetzt, zugleich in Konflikt mit dem Kartellverbot des § 1 GWB und des Art. 101 AEUV geraten. Das Wettbewerbsverbot hindert deshalb den Gesellschafter auch nicht daran, bereits kurze Zeit vor Ablauf des Verbots mit der Vorbereitung eines späteren Konkurrenzunternehmens zu beginnen (§ 242 BGB)5. 1 S. z.B. BGH, GmbHR 2010, 256 Rdnr. 13; BGH, NJW-RR 2010, 615, 617 f. Rdnr. 31 = NZG 2010, 76; OLG München, WuW/E DER 3126, 3127 f. 2 BGH, GmbHR 2010, 256 Rdnr. 16 ff. 3 RG, GmbHR 1918, 253; OLG Hamm, GmbHR 1989, 259 f.; Kirchner, GmbHR 1962, 26. 4 S. im Einzelnen BGH, WM 2003, 2334 = ZIP 2003, 2251 = NJW 2004, 66; BGH, WM 2005, 1752; J.-H. Bauer/Diller, GmbHR 1999, 885; s. unten Rdnr. 93. 5 RGZ 90, 98, 100; BGH, GmbHR 1961, 144.

Emmerich

195

§3 91

Inhalt des Gesellschaftsvertrages

Die Gesellschafter können einem Gesellschafter Befreiung von einem vertraglichen Wettbewerbsverbot im Einzelfall oder generell erteilen. Die Mehrheitserfordernisse hängen in erster Linie davon ab, ob bereits der Gesellschaftsvertrag selbst eine so genannte Öffnungsklausel vorsieht oder nicht. Man versteht darunter Bestimmungen im Gesellschaftsvertrag, nach denen einem Gesellschafter im Einzelfall oder generell Befreiung von dem Wettbewerbsverbot des Vertrages erteilt werden kann. Enthält der Vertrag eine derartige Klausel, so dürfte für den Regelfall davon auszugehen sein, dass für den Befreiungsbeschluss die einfache Mehrheit der Gesellschafter ausreicht. Andernfalls, d.h. bei Fehlen einer Öffnungsklausel in dem Gesellschaftsvertrag, kommt jedoch eine Befreiung nur durch vertragsändernden Beschluss nach Maßgabe der §§ 53 und 54 in Betracht, weil die Befreiung von dieser Nebenleistungspflicht auf eine Änderung des Gesellschaftsvertrages hinausläuft1. Umstritten ist, ob in diesem Fall Raum für die Anwendung des § 47 Abs. 4 Satz 1 ist, so dass der betroffene Gesellschafter kein Stimmrecht hat (s. dazu 10. Aufl., § 47 Rdnr. 98, 123 ff.) sowie, ob der begünstigte Gesellschafter, der von dem Wettbewerbsverbot befreit wird, dafür der Gesellschaft eine Gegenleistung erbringen muss, wie es aus steuerrechtlichen Gründen gelegentlich angenommen wird2. Im Einzelfall kann auch § 112 Abs. 2 HGB entsprechend angewandt werden. c) Treuepflicht

92

Nach dem Gesetz obliegt den Gesellschaftern einer GmbH ebensowenig wie den Kommanditisten (§ 165 HGB) ein Wettbewerbsverbot. Für die Kommanditisten ist jedoch anerkannt, dass sich für sie auch ohne Regelung im Gesellschaftsvertrag aus ihrer Treuepflicht je nach den Umständen des Falles etwas anderes ergeben kann, insbesondere, wenn ihnen durch den Gesellschaftsvertrag die Geschäftsführungsbefugnis übertragen ist, so dass ihre Stellung im Innenverhältnis mit der eines Komplementärs vergleichbar ist, weiter, wenn sie nach dem Gesellschaftsvertrag über besonders weit gehende Informations- und Einsichtsrechte verfügen sowie, wenn der Kommanditist, vor allem auf Grund einer Mehrheitsbeteiligung, über einen beherrschenden Einfluss auf die Gesellschaft verfügt3. Mit Rücksicht auf diese gefestigte Praxis zur KG verbietet es sich, aus dem Schweigen des GmbHG zu einem Wettbewerbsverbot des Gesellschafters allzu weit reichende Folgerungen zu ziehen. Aus der gesetzlichen Regelung ergibt sich vielmehr nur, dass für die Gesellschafter einer GmbH – anders als für die Gesellschafter einer OHG (§§ 112, 113 HGB) – ebenso wie für die Kommanditisten (§ 165 HGB) jedenfalls kein generelles Wettbewerbsverbot besteht. Eine andere Frage ist dagegen, ob sich für sie aus ihrer Treuepflicht im Einzelfall et-

1 Armbrüster, ZIP 1997, 1269, 1275 f.; Lawall, Wettbewerbsverbot, S. 126 ff.; SchulzeOsterloh, FR 1993, 73, 79 f.; M. Winter, Treuebindungen, S. 258 ff.; von der Osten, GmbHR 1989, 450, 454; Tillmann, in: FS Felix, 1989, S. 507, 514 f.; Timm, GmbHR 1981, 147. 2 S. Lawall, Wettbewerbsverbot, S. 159 ff. 3 BGHZ 89, 162, 165 f. = NJW 1984, 1351 = GmbHR 1984, 203 – „Heumann/Ogilvy“; OLG Frankfurt a.M., GmbHR 2009, 884, 885 f.; OGH SZ Bd. 59 (1986) Nr. 153, S. 770, 774 f. = WiBl. 1987, 13 = RdW 1987, 132; Horn, in: Heymann, § 165 HGB Rdnr. 4; Torggler, GesRZ 1995, 233, 235 f.

196

Emmerich

§3

Inhalt des Gesellschaftsvertrages

was anderes ergeben kann. Dies wird in der Tat von der überwiegenden Meinung angenommen. Weit gehend anerkannt ist, dass sich für GmbH-Gesellschafter aus ihrer Treue- 93 pflicht jedenfalls dann ein Wettbewerbsverbot entsprechend den §§ 112 und 113 HGB ergibt, wenn sie, insbesondere auf Grund ihrer Mehrheitsbeteiligung oder auf Grund entsprechender vertragsmäßiger Sonderrechte, in der Lage sind, auf die Gesellschaft einen beherrschenden Einfluss auszuüben, so dass sie dann nicht der Gesellschaft in ihrem Handelszweig (s. unten Rdnr. 95) unmittelbar oder mittelbar Konkurrenz machen dürfen1. Überwiegend wird in solchem Wettbewerbsverbot für einen beherrschenden Gesellschafter zugleich ein besonders effektiver Ansatz für eine Konzernbildungskontrolle im GmbH-Recht gesehen (s. deshalb unten § 13 Anh. Konzernrecht Rdnr. 55 m.N.). In anderen Fällen wird ein gesetzliches Wettbewerbsverbot zu Lasten von GmbH-Gesellschaftern allein auf Grund ihrer Treuepflicht gegenüber der Gesellschaft jedoch meistens verneint, insbesondere bei Minderheitsgesellschaftern, die nicht über ein vertragliches Sonderrecht auf Mitwirkung an der Geschäftsführung verfügen; das soll sogar für Gesellschafter gelten, die gerade mit 50 % an der Gesellschaft beteiligt sind2. Erst recht besteht für Gesellschafter auf Grund ihrer Treuepflicht kein nachvertragliches Wettbewerbsverbot, so dass sie nach ihrem Ausscheiden in ihrer wirtschaftlichen Betätigungsfreiheit nicht mehr beschränkt sind. Kein Wettbewerbsverbot trifft außerdem nach überwiegender Meinung den einzigen Gesellschafter einer Einpersonengesellschaft, einfach deshalb weil er sich ohnehin jederzeit Befreiung von einem etwaigen Wettbewerbsverbot erteilen könnte3. Im Schrifttum wird diskutiert, ob ein gesetzliches Wettbewerbsverbot (als Aus- 94 fluss der Treuepflicht der Gesellschafter gegenüber der Gesellschaft) auch in anderen Fällen in Betracht kommt. Im Mittelpunkt des Interesses stehen dabei personalistische Gesellschaften wegen ihrer Nähe zu den Personengesellschaften4. Gegen diese Auffassung spricht jedoch die Unschärfe des Begriffs der personalistischen GmbH, die die Gefahr einer unkontrollierten Ausdehnung des Wettbewerbsverbotes für die GmbH-Gesellschafter begründet5. Etwas anderes mag nach Treu und Glauben für die Gesellschaften gelten, in denen alle Gesellschafter persönlich unternehmerisch tätig sind; hier liegt in der Tat die Parallele

1 BGHZ 89, 162, 166 f. = NJW 1984, 1351 = GmbHR 1984, 203; OLG Frankfurt a.M., GmbHR 2009, 884, 885 f. 2 BGH, GmbHR 1987, 302, 303; OLG Köln, NJW-RR 1991, 1316, 1317 = GmbHR 1991, 366; OLG Frankfurt a.M., GmbHR 1992, 668, 669 = DB 1991, 2489 (Kommanditist); OLG Karlsruhe, GmbHR 1999, 539 f.; LG Bochum, NJW-RR 1991, 1315, 1316. 3 BGH, GmbHR 2008, 757 Rdnr. 15 = NJW-RR 2008, 629 = NZG 2008, 187; Armbrüster, ZIP 1997, 1269, 1277; Schulze-Osterloh, FR 1993, 73, 80; dagegen Burgard, ZIP 2002, 827, 836; anders früher BFHE 156, 452, 455 f. = GmbHR 1989, 431; BFHE 156, 484, 487 f. = GmbHR 1989, 433; BFHE 157, 138, 140 f.; BFHE 160, 237, 240; aufgegeben durch BFHE 178, 371, 373 f. = NJW 1996, 950 = GmbHR 1996, 58. 4 Dafür Lawall, Wettbewerbsverbot, S. 102 ff. m.N.; Lutter/Timm, NJW 1982, 409, 418 ff.; Schulze-Osterloh, FR 1993, 73, 77; noch weiter Burgard, ZIP 2002, 827, 836. 5 Armbrüster, ZIP 1997, 1269, 1273; M. Winter, Treuebindungen, S. 251 f.

Emmerich

197

§3

Inhalt des Gesellschaftsvertrages

zu den §§ 112 und 113 HGB nahe, wenn man nicht in solchen Fällen schon dem Gesellschaftsvertrag konkludent ein Wettbewerbsverbot entnehmen will1. 95

Soweit nach dem Gesagten (Rdnr. 92–94) ein „gesetzliches“ Wettbewerbsverbot zu Lasten der GmbH-Gesellschafter auf Grund ihrer Treuepflicht gegenüber der Gesellschaft zu bejahen ist, richtet sich sein Umfang mangels abweichender Abreden der Parteien nach dem entsprechend anwendbaren § 112 HGB. Es beschränkt sich danach auf den (vertraglichen) Handelszweig der Gesellschaft, ist in diesem Rahmen aber umfassend. Der der Gesellschaft auf diese Weise reservierte „Handelszweig“ (§ 112 Abs. 1 HGB) richtet sich grundsätzlich nach dem vertraglichen Unternehmensgegenstand2. In Konzernfällen kann das aus der Treuebindung des beherrschenden Gesellschafters hergeleitete Wettbewerbsverbot außerdem auf die den beherrschenden Gesellschafter ihrerseits beherrschenden Muttergesellschaft ausdehnt werden (§§ 242, 311 Abs. 3, 328 BGB)3.

96

Die Diskussion um das Wettbewerbsverbot von GmbH-Gesellschaftern hat auch steuerrechtliche Relevanz, da der BFH dahin tendiert, eine verdeckte Gewinnausschüttung im Sinne des § 8 Abs. 3 KStG anzunehmen, wenn ein Gesellschafter unter Verstoß gegen ein Wettbewerbsverbot im Handelszweig der Gesellschaft (oben Rdnr. 95) tätig wird und die Gesellschaft gleichwohl gegen ihn keine Schadensersatzansprüche geltend macht. In dem Verzicht auf diese Ersatzansprüche sieht die steuerrechtliche Praxis dann eine gesellschaftsrechtlich vermittelte Vermögensmehrung bei dem betreffenden Gesellschafter, d.h. eine verdeckte Gewinnausschüttung mit den entsprechenden steuerrechtlichen Konsequenzen. Etwas anderes gilt nur, wenn der Gesellschafter wirksam von dem Wettbewerbsverbot generell oder im Einzelfall befreit ist (s. oben Rdnr. 91)4.

97

Bei einem Verstoß des Gesellschafters gegen ein aus der Treuepflicht hergeleitetes Wettbewerbsverbot kommen in erster Linie Schadensersatz- und Unterlassungsansprüche in Betracht (§§ 280 Abs. 1, 249 BGB). Wegen der großen Schwierigkeit des Schadensnachweises findet nach überwiegender Meinung außerdem § 113 Abs. 1 Halbsatz 2 HGB entsprechende Anwendung, so dass die Gesellschaft auch ein Eintrittsrecht hat5. Als Hilfsanspruch wird der Gesellschaft außerdem in der Regel ein Auskunftsanspruch gegen den Gesellschafter hinsicht-

1 M. Winter, Treuebindungen, S. 251 f. 2 Im Einzelnen str.; s. Emmerich, in: Heymann, § 112 HGB Rdnr. 12 ff.; Armbrüster, ZIP 1997, 1269, 1274; Sina, GmbHR 2001, 661, 662 f.; Wassermeyer, GmbHR 1993, 329, 330; M. Winter, Treuebindungen, S. 252 ff. 3 BGHZ 89, 162, 165 = NJW 1984, 1351 = GmbHR 1984, 203 – „Heumann/Ogilvy“; Torggler, GesRZ 1985, 233, 238 f.; M. Winter, Treuebindungen, S. 254 ff. 4 Wegen der Einzelheiten s. BMF v. 4.2.1992, BStBl. I 1992, 137 = NJW 1993, 247 = GmbHR 1992, 191; BMF v. 15.12.1992, BStBl. I 1992, 24 = NJW 1993, 248; BMF v. 29.6.1993, BStBl. I 1993, 556 = DStR 1993, 1146 und BMF v. 20.12.1993, BB 1994, 12 sowie Knobbe-Keuk, GmbHR 1992, 333; Lawall, Wettbewerbsverbot, S. 41, 236 ff.; Mertens/Cahn, in: FS Heinsius, 1991, S. 545 ff.; J. Tiehl, GmbHR 1992, 338; Wassermeyer, GmbHR 1993, 329, 639; G. Wichmann, GmbHR 1993, 635; zum Geschäftsführer s. auch 10. Aufl., § 43 Rdnr. 143 ff.; zur verdeckten Gewinnausschüttung allgemein s. unten § 29 Rdnr. 115 ff. 5 BGHZ 89, 162, 171 f. = NJW 1984, 1351 = GmbHR 1984, 203 – „Heumann/Ogilvy“; Lawall, Wettbewerbsverbot, S. 190 ff.; Merkt, ZHR 159 (1995), 423, 446 f.

198

Emmerich

§3

Inhalt des Gesellschaftsvertrages

lich des Umfangs der von ihm getätigten Geschäfte unter Verstoß gegen das Wettbewerbsverbot zugebilligt (§ 242 BGB)1. d) Geschäftschancenlehre Schrifttum: N. Polley, Wettbewerbsverbot und Geschäftschancenlehre, 1993; M. Winter, Mitgliedschaftliche Treuebindungen im GmbH-Recht, 1988, S. 242 ff.; Weisser, Corporate Opportunities, 1991.

Nach einer verbreiteten Meinung ergibt sich aus der Treuepflicht der Gesell- 98 schafter (unten § 13 Rdnr. 36 ff.) unter im Einzelnen umstrittenen Voraussetzungen ferner die Pflicht, Geschäftschancen, die bereits eindeutig der Gesellschaft „zugeordnet“ sind, nicht treuwidrig auf sich überzuleiten und für sich persönlich auszunutzen. Vorbild ist die im amerikanischen Recht entwickelte Corporate Opportunity-Doktrin2. In der Rechtsprechung hat diese Auffassung ebenfalls bereits wiederholt Anklang gefunden, insbesondere, wenn der betreffende Gesellschafter von der Geschäftschance überhaupt nur auf Grund seiner Stellung in der Gesellschaft Kenntnis erlangen konnte oder wenn die Gesellschaft für die Erlangung der Geschäftschance bereits erhebliche Vorleistungen erbracht hatte. Paradigma ist der Fall, dass ein Gesellschafter ein Grundstück, das die Gesellschaft dringend benötigt und das sie erwerben oder mieten kann, im eigenen Namen erwirbt oder mietet, um es anschließend mit Gewinn der Gesellschaft zu überlassen3. Die geschilderte Praxis hat im Schrifttum überwiegend Billigung gefunden, wo- 99 bei jedoch bis heute die Kriterien umstritten geblieben sind, unter denen anzunehmen ist, dass eine Geschäftschance bereits in solchem Maße als der Gesellschaft „zugeordnet“ anzusehen ist, dass den Gesellschaftern auf Grund ihrer Treuepflicht ein Eingriff in diese Chance im eigenen Interesse untersagt ist4. Entscheidend dürfte vor allem sein, ob der Gesellschafter von der Geschäftschance allein auf Grund seiner Stellung als Gesellschafter Kenntnis erlangen konnte, ob die Gesellschaft für die Erlangung der Geschäftschance bereits Aufwendungen getätigt hatte oder ob die Gesellschaft nach den ganzen Umständen für ihren Fortbestand oder ihre Entwicklung dringend selbst auf die Wahrnehmung dieser Geschäftschance angewiesen ist. Übt der Gesellschafter unter diesen Umständen die Geschäftschance selbst aus, so verletzt er in der Tat seine Treuepflicht gegenüber der Gesellschaft und ist ihr schadensersatzpflichtig (§§ 242, 280, 249, 252 BGB). Entsprechend § 113 Abs. 1 HGB steht der Gesell1 BGH, GmbHR 2010, 256, 258 Rdnr. 20. 2 S. N. Polley, Wettbewerbsverbot, S. 32 ff.; Timm, GmbHR 1981, 177. 3 S. im Einzelnen RGZ 82, 10, 13 f.; BGH, LM Nr. 12 zu § 687 BGB = GmbHR 1977, 43; BGH, LM Nr. 7 zu § 46 GmbHG (Bl. 2 R f.) = GmbHR 1977, 129 = MDR 1977, 560; BGH, LM Nr. 2 zu § 156 HGB = WM 1971, 412; BGH, LM Nr. 2 zu § 113 HGB = WM 1972, 1229; BGH, LM Nr. 54 zu § 105 HGB (Bl. 3) = NJW 1986, 584 = GmbHR 1986, 42; BGH, LM Nr. 1 zu § 165 HGB (Bl. 1 R f.) = NJW 1989, 2687; BGH, WM 1957, 1228, 1229 f. = BB 1957, 874; OLG Düsseldorf, NJW-RR 1986, 1294, 1296; NZG 2000, 475 f. m. Anm. Grunewald. 4 S. insbes. Karsten Schmidt, GesR, § 20 V 3 (S. 599 f.); M. Winter, Treuebindungen, S. 242 ff., 244; Timm, GmbHR 1981, 177; kritisch jedoch Merkt, ZHR 159 (1995), 423, 435 f., 448; Schulze-Osterloh, FR 1993, 73, 78.

Emmerich

199

§3

Inhalt des Gesellschaftsvertrages

schaft außerdem ein Eintrittsrecht zu. Zugleich kann sie von dem Gesellschafter Auskunft und Rechnungslegung über die von ihm unter Verstoß gegen seine Treuepflicht selbst getätigten Geschäfte verlangen (§ 242 BGB).

X. Sonderrechte der Gesellschafter 100 Ebenso wie der Gesellschaftsvertrag Nebenleistungspflichten der Gesellschafter begründen kann (§ 3 Abs. 2), kann er auch Sonderrechte der Gesellschafter i.S. des § 35 BGB vorsehen1. Man versteht darunter mitgliedschaftliche Vorrechte einzelner Gesellschafter, die diesen eine Vorzugsstellung vor anderen Gesellschaftern verschaffen (s. unten § 14 Rdnr. 19 ff.). Sonderrechte können den unterschiedlichsten Inhalt haben, bilden aber in jedem Fall einen Bestandteil der Mitgliedschaft. Dadurch unterscheiden sie sich von den so genannten Sondervorteilen, die einzelnen Gesellschaftern unabhängig von ihrer Mitgliedschaft gewährt werden, etwa in Gestalt einer Pensionszusage für einzelne Gründer. Sollen die Gesellschafter einen Anspruch auf Ersatz des Gründungsaufwandes gegen die Gesellschaft haben, so bedarf diese Regelung (analog § 26 AktG) gleichfalls der Aufnahme in den Gesellschaftsvertrag2. 101 Sonderrechte wie Sondervorteile sind gegenüber der Gesellschaft nur wirksam, wenn sie in der Form des § 2 in den Gesellschaftsvertrag aufgenommen werden (entsprechend § 3 Abs. 2). Werden sie erst nachträglich im Wege der Änderung des Gesellschaftsvertrages eingeführt (§§ 53 f.), so bedarf der betreffende Beschluss zudem der Zustimmung aller anderen Gesellschafter; andernfalls verstößt er gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz (s. unten § 14 Rdnr. 20 ff.). Schranken ergeben sich aus den zwingenden Regeln des Gesetzes, insbesondere aus den §§ 30 ff. (s. unten § 14 Rdnr. 21). Treffen Sonderrechte mit Nebenleistungspflichten zusammen, so spricht man auch von Pflichtrechten. Außerhalb des Gesellschaftsvertrages können wirksam weder Sonderrechte der Gesellschafter mit Wirkung gegen die Gesellschaft noch zusätzliche Verpflichtungen der Gesellschaft begründet werden3. Dies ändert indessen nichts daran, dass durch Vereinbarungen der Gesellschafter außerhalb des Gesellschaftsvertrages in mancher Hinsicht vergleichbare Wirkungen wie durch die Begründung von Sonderrechten oder Sondervorteilen im Gesellschaftsvertrag erreicht werden können, indessen eben ohne Wirkung gegen die Gesellschaft oder Einzelrechtsnachfolger der Gesellschafter (§ 311 Abs. 1 BGB).

XI. Unechte Satzungsbestandteile Schrifttum (Auswahl): Chr. Berger, Nebenverträge im GmbH-Recht, Diss. Münster 1995; M. Dürr, Nebenabreden im Gesellschaftsrecht, 1994; Ehrenberg/Feine, Hdb., S. 73 ff.; Goette, Satzungsdurchbrechung und Beschlussanfechtung, in: Gesellschafts1 Gegen die (an sich selbstverständliche) Anwendbarkeit des § 35 BGB (ohne Begründung) van Venrooy, GmbHR 2010, 841. 2 Wicke, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 100. 3 RGZ 113, 241, 244 f.; RGZ 125, 323, 335; RGZ 165, 129, 131 f.; BGH, LM Nr. 4 zu § 35 BGB = NJW 1969, 131 = MDR 1969, 704; BGH, GmbHR 1982, 129, 130 = BB 1981, 926; OLG Hamm, OLGZ 1984, 46 f.; OLG Düsseldorf, NJW 1990, 1122 = GmbHR 1990, 219; H. Ullrich, ZGR 1985, 235, 240 ff.

200

Emmerich

§3

Inhalt des Gesellschaftsvertrages

recht 1995, RWS-Forum 8, 1996, S. 113; Janke, Die Nebenleistungspflichten bei der GmbH, 1996; E. Joussen, Gesellschafterabsprachen neben Satzung und Gesellschaftsvertrag, 1995; Noack, Gesellschaftervereinbarungen bei Kapitalgesellschaften, 1994; Wälzholz, Gesellschaftervereinbarungen neben der Satzung, GmbHR 2010, 1030; W. Weber, Der side-letter zum GmbH-Vertrag als Grundlage und Grenze von Gesellschafterbeschlüssen, 1996; H. P. Westermann, Das Verhältnis von Satzung und Nebenordnungen in der Kapitalgesellschaft, 1994; M. Winter, Satzung und schuldrechtliche Gesellschaftervereinbarungen, in: Gesellschaftsrecht 1995, RWS-Forum 8, 1996, S. 131; Zöllner, Wechselwirkungen zwischen Satzung und schuldrechtlichen Gesellschaftervereinbarungen ohne Satzungscharakter, in: Gesellschaftsrecht 1995, RWS-Forum 8, 1996, S. 89.

1. Überblick Das GmbHG regelt in § 3 Abs. 1 nur den unabdingbaren Mindestinhalt eines 102 Gesellschaftsvertrages (der Satzung) einer Gesellschaft, dessen Fehlen oder Nichtigkeit nach § 9c Abs. 2 Nr. 1 zugleich ein Eintragungshindernis darstellt (oben Rdnr. 1 ff. und 5 ff.). Das Gesetz bestimmt außerdem an zahlreichen Stellen, dass, wenn bestimmte Regelungen mit Wirkung für und gegen die (zukünftige) Gesellschaft sowie zukünftige Gesellschafter getroffen werden sollen, solche Regelungen gleichfalls nur wirksam sind, wenn sie in den Gesellschaftsvertrag aufgenommen werden. Die wichtigsten Beispiele finden sich außer in § 3 Abs. 2 (Zeitbestimmung und Nebenleistungspflichten, s. oben Rdnr. 62, 68 ff.) in den §§ 5 Abs. 4 (Sacheinlagen), 15 Abs. 5 (Vinkulierung), 26 Abs. 1 (Nachschusspflicht), 34 Abs. 1 (Einziehung, Amortisation), 52 Abs. 1 (Bestellung eines Aufsichtsrats) und 60 Abs. 2 (weitere Auflösungsgründe). In einer Reihe weiterer Fälle steht eine Abänderung der gesetzlichen Regelung und damit des gesetzlichen Normalstatuts unter so genanntem Satzungsvorbehalt, ist also ebenfalls nur im Gesellschaftsvertrag möglich. Beispiele finden sich in den §§ 28 Abs. 1 Satz 1, 29 Abs. 1 Satz 1, 35 Abs. 2 Satz 1, 37 Abs. 1, 38 Abs. 2 Satz 1 sowie insbesondere in den §§ 45 Abs. 2, 53 Abs. 2 Satz 2 und 60 Abs. 1 Nr. 2. Darüber hinaus steht es den Gesellschaftern – im Rahmen des Gesetzes – frei, auch noch weitere Abreden über die Verfassung der Gesellschaft sowie ihre Rechte und Pflichten mit Wirkung für die Gesellschaft und zukünftige Gesellschafter, d.h. als so genannte „echte“ Vertragsbestandteile in den Vertrag aufzunehmen. Beispiele sind Abreden über die Einsetzung eines Beirats oder anderer zusätzlicher Organe, Gerichtsstands- und Schiedsklauseln, die Begründung von Sonderrechten zu Gunsten einzelner Gesellschafter (oben Rdnr. 100 f.), Bestimmungen über die Auswahl der Geschäftsführer, über deren Rechtsverhältnisse oder über die zu verfolgende Geschäftspolitik sowie noch Stimmrechtsbeschränkungen. Die Aufnahme der fraglichen Abreden (oben Rdnr. 102) unter die „echten“, d.h. 103 die Gesellschaft sowie zukünftige Gesellschafter bindenden Vertragsbestandteile hat in den Augen der Gesellschaftspraxis freilich verschiedene Nachteile. Hervorzuheben sind die mit der Aufnahme der Abreden in den Gesellschaftsvertrag verbundene Publizität (s. § 8 Abs. 1 Nr. 1 GmbHG i.V.m. § 9 Abs. 1 HGB), das Prüfungsrecht des Registergerichts (§ 9c) sowie die Abänderbarkeit der betreffenden Abreden allein im Wege der förmlichen Vertragsänderung nach Maßgabe der §§ 53 und 54. Deshalb ist es weithin üblich geworden, die fraglichen Abreden, soweit rechtlich zulässig (unten Rdnr. 105), nicht unter die echten VertragsEmmerich

201

§3

Inhalt des Gesellschaftsvertrages

bestandteile aufzunehmen, sondern an deren Stelle ergänzende schuldrechtliche Abreden (mit Wirkung allein unter den beteiligten Gesellschaftern) zu treffen. Dafür gibt es zwei Gestaltungsformen, entweder die Aufnahme dieser ergänzenden schuldrechtlichen Abreden in den Gesellschaftsvertrag (unten Rdnr. 114 ff.) oder den Abschluss eines zusätzlichen Vertrages neben dem Gesellschaftsvertrag. Im ersten Fall spricht man von „unechten“, gelegentlich auch von individualrechtlichen, formellen oder nicht-korporativen Vertragsbestandteilen (im Gegensatz zu den echten, körperschaftsrechtlichen oder korporativen Vertragsbestandteilen), im zweiten Fall dagegen meistens von Nebenverträgen oder – so in der Regel – von Gesellschaftervereinbarungen oder -absprachen (unten Rdnr. 114 ff.). Rechtliche Unterschiede werden damit nicht bezeichnet; vielmehr deckt sich die rechtliche Behandlung der unechten Vertragsbestandteile in den wichtigsten Punkten mit der der Gesellschaftervereinbarungen (unten Rdnr. 114, 118 ff.). 104 Als Gründe für die Verbreitung ergänzender Abreden (oben Rdnr. 103) werden insbesondere die Formlosigkeit derartiger Vereinbarungen sowie ihre mangelnde Publizität genannt1, beides freilich Gründe, die allein für die Gesellschaftervereinbarungen, nicht jedoch für die unechten Vertragsbestandteile zutreffen. Das Nebeneinander von echten und unechten Vertragsbestandteilen sowie von Gesellschaftervereinbarungen wirft eine Reihe von Fragen auf, für die noch nicht durchweg befriedigende Antworten gefunden sind. Im Vordergrund steht die (schwierige) Abgrenzung der echten Vertragsbestandteile von den anderen, lediglich schuldrechtlich wirkenden Abreden unter den Gesellschaftern (unten Rdnr. 107). Offen ist weiter die vor allem für die Gesellschaftervereinbarungen diskutierte Frage, in welchem Umfang von solchen Abreden Rückwirkungen auf die „korporative Ebene“ möglich sind (unten Rdnr. 120 f.).

2. Zulässigkeit, Beispiele 105 a) Nach überwiegender Meinung haben die Gesellschafter, soweit nicht zwingende gesetzliche Regelungen wie insbesondere die §§ 3 Abs. 1 und 5 Abs. 4 entgegenstehen, grundsätzlich die Wahl, die hier interessierenden Abreden (oben Rdnr. 102) als echte oder unechte Vertragsbestandteile oder als ergänzende Gesellschaftervereinbarungen auszugestalten2. Doch trifft das in dieser Allgemeinheit schwerlich zu. Einigkeit besteht zunächst, dass sich die Gesellschafter nicht durch zusätzliche schuldrechtliche Abreden über zwingende gesetzliche Regelungen wie die §§ 42a Abs. 2 Satz 2, 51a Abs. 3 und 53 Abs. 2 Satz 2 hinwegsetzen können3. Weitere Schranken sollen dagegen nach überwiegender Meinung nicht bestehen4. Das ist jedenfalls dann bedenklich, wenn durch die 1 S. insbes. Priester, in: FS Claussen, 1997, S. 319 ff.; Zöllner, in: Gesellschaftsrecht 1995, S. 89, 90 ff. 2 S. zum Folgenden insbesondere OLG Karlsruhe, NZG 2000, 264, 268 f.; A. Jäger, DStR 1996, 1935 ff.; Noack, Gesellschaftervereinbarungen, S. 119 ff.; Priester, in: FS Claussen, 1997, S. 319, 328 ff.; H. Ullrich, ZGR 1985, 235, 250 ff.; M. Winter, in: Gesellschaftsrecht, 1995, S. 131, 135 ff.; Wicke, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 124 ff.; Zöllner, in: Gesellschaftsrecht, 1995, S. 89, 101 ff. 3 A. Jäger, DStR 1996, 1935 ff. 4 S. statt aller Zöllner, in: Gesellschaftsrecht 1995, S. 89.

202

Emmerich

§3

Inhalt des Gesellschaftsvertrages

fraglichen Abreden – neben einem auf die Mindestbestandteile des § 3 Abs. 1 reduzierten Gesellschaftsvertrag – überhaupt erst der Gegenstand, der Zweck und die Organisation der Gesellschaft näher mit Leben gefüllt werden. In solchen Fällen spricht die gesetzliche Regelung, insbesondere § 9c, mit Rücksicht auf die Interessen späterer Gesellschafter und der Gesellschaftsgläubiger dafür, zumindest eine Aufnahme der genannten zentralen Abreden unter die echten Vertragsbestandteile zu verlangen, widrigenfalls die Abreden, häufig schon mangels Beachtung der Form des § 2, nichtig sind1. Auch Pflichten der Gesellschaft können (im Gegensatz zu Rechten der Gesellschaft, § 328 BGB) nicht durch unechte Vertragsbestandteile begründet werden. b) Innerhalb der geschilderten Grenzen (oben Rdnr. 105) verfügen die Gesell- 106 schafter über einen weiten Gestaltungsspielraum hinsichtlich des Inhalts ergänzender schuldrechtlicher Abreden, sei es in Gestalt von unechten Vertragsbestandteilen, sei es in Form von zusätzlichen Gesellschaftervereinbarungen (Nebenabreden)2. Die größte praktische Bedeutung kommt offenbar Abreden über die Ausübung des Stimmrechtes in der Gesellschafterversammlung zu, wobei ebenso an einfache Stimmbindungsverträge (10. Aufl., § 47 Rdnr. 35 ff.), wie an Konsortial- oder Poolverträge zu denken ist, meistens zu dem Zweck, den dauernden Einfluss eines oder mehrerer Gesellschafter sicherzustellen, häufig mit der Folge der Abhängigkeit der Gesellschaft von einem oder mehreren Gesellschaftern (§ 17 Abs. 1 AktG; s unten § 13 Anh. Rdnr. 28). Weitere Beispiele für mögliche unechte Vertragsbestandteile (oder Gesellschaftervereinbarungen) sind Abreden der Gesellschafter über die Beschränkung des Gesellschafterkreises oder den Umfang der Geschäftsführungsbefugnis der Geschäftsführer (§ 37 Abs. 1) sowie über Andienungspflichten und Erwerbsvorrechte der Gesellschafter oder der Gesellschaft hinsichtlich der Gesellschaftsanteile3, Verlustdeckungszusagen4, die Einführung einer Geschäftsordnung für die Geschäftsführer, die Regelung der personellen Zusammensetzung eines Beirats5, die Präzisierung der im Gesellschaftsvertrag nur allgemein umschriebenen Nebenleistungspflichten6, die Gesellschafter persönlich und deshalb möglicherweise auch noch nach ihrem Ausscheiden aus der Gesellschaft treffende Wettbewerbsverbote7 sowie zusätzliche Sachleistungspflichten der Gesellschafter neben ihrer Stammeinlageverpflichtung, selbst wenn es sich dabei wirtschaftlich um die

1 Ebenso im Ergebnis OLG Dresden, GmbHR 1997, 746, 747 für die Vereinbarung besonders wichtiger Nebenpflichten; Noack, Gesellschaftervereinbarungen, S. 119 ff., und H. Ullrich, ZGR 1985, 235, 250 ff.; Wicke, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 117. 2 S. zum Folgenden insbesondere M. Dürr, Nebenabreden, S. 5 ff.; Joussen, Gesellschafterabsprachen, S. 5 ff.; Noack, Gesellschaftervereinbarungen, S. 13, 191 ff.; Priester, in: FS Claussen, 1997, S. 319, 320 ff.; Wicke, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 124 ff.; Zöllner, in: Gesellschaftsrecht 1995, S. 89, 90 ff. 3 S. G. Hueck, in: (1.) FS Larenz, 1973, S. 749; Noack, Gesellschaftervereinbarungen, S. 15, 284 ff.; H. P. Westermann/D. Klingberg, in: FS Quack, 1991, S. 545. 4 BGH, LM Nr. 5 zu § 3 GmbHG = NJW-RR 1993, 607 = GmbHR 1993, 214 = ZIP 1993, 432 = MDR 1993, 430. 5 S. aber BGH, LM Nr. 8 zu § 109 HGB = NJW 1970, 706. 6 RGZ 87, 261, 265 ff.; RG, JW 1937, 2836; W. Schilling/M. Winter, in: FS Stiefel, 1987, S. 685. 7 S. oben Rdnr. 88 ff.; RG, DR 1940, 2013 = HRR 1940 Nr. 1204.

Emmerich

203

§3

Inhalt des Gesellschaftsvertrages

„Hauptleistungspflicht“ der Gesellschafter handelt1. Schiedsklauseln können gleichfalls korporativen oder individualrechtlichen Charakter haben (s. unten § 13 Rdnr. 29 ff.).

3. Abgrenzung 107 Die Unterscheidung echter und unechter Vertragsbestandteile kann im Einzelfall schwierig sein, wenn der Gesellschaftsvertrag nicht mit genügender Deutlichkeit zwischen den verschiedenen Abreden unterscheidet. Eindeutig ist die Zuordnung nur bei denjenigen Abreden, die zu dem gesetzlich vorgeschriebenen Mindestinhalt des Gesellschaftsvertrages nach § 3 Abs. 1 und § 5 Abs. 4 gehören: Sie sind immer echte Satzungsbestandteile, die auch gegen spätere Mitglieder wirken (unten Rdnr. 114). Umgekehrt sind Abreden, an denen – trotz ihrer Aufnahme in den Gesellschaftsvertrag – nur einzelne, nicht aber alle Gesellschafter beteiligt sind, mit Notwendigkeit nur schuldrechtliche (unechte) Vertragsbestandteile2. 108 Bei anderen Abreden haben die Gesellschafter – in den genannten Grenzen (oben Rdnr. 105) – dagegen meistens die Wahl, ob sie sie – bei Aufnahme in den Gesellschaftsvertrag – als echte oder unechte Vertragsbestandteile ausgestalten oder in einer ergänzenden Gesellschaftervereinbarung treffen wollen (unten Rdnr. 114 ff.), durch die dann von Fall zu Fall noch eine besondere BGB-Gesellschaft neben der GmbH gegründet wird3. Was jeweils gewollt ist, ist eine Frage der Auslegung4. Die Aufnahme der fraglichen Abreden in den Gesellschaftsvertrag ist jedoch regelmäßig ein Indiz dafür, dass die Abrede als echter Vertragsbestandteil gewollt ist5. Zwingend ist dieser Schluss freilich nur bei den durch die §§ 3 Abs. 1 und 5 Abs. 4 vorgeschriebenen Mindestangaben sowie bei solchen Abreden, die die Rechtsstellung der Gesellschaft, ihre Organisation sowie ihre Beziehungen zu den Gesellschaftern regeln6. Für eine körperschaftsrechtliche Regelung spricht es außerdem, wenn ein Gesellschafter, der durch den Vertrag zur Erbringung einer wertvollen Leistung verpflichtet wird, dafür keine besondere Gegenleistung über die Beteiligung hinaus erhalten soll7. 109 Unechte Satzungsbestandteile sind nach dem Gesagten (oben Rdnr. 107 f.) namentlich solche Abreden, die allein die Gründer persönlich und nicht auch spä1 BGH, LM Nr. 8 zu § 2 GmbHG = WM 1969, 1321 = GmbHR 1970, 10. 2 Anders Wicke, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 117. 3 BGHZ 103, 219, 221 f. = NJW 1988, 1729; BGHZ 123, 347, 352 = NJW 1994, 51 = AG 1994, 78 = ZIP 1993, 1709; BGH, LM Nr. 5 zu § 3 GmbHG = NJW-RR 1993, 607 = MDR 1993, 430 = GmbHR 1993, 214 = ZIP 1993, 432; OLG Dresden, GmbHR 1997, 746, 747; OLG Karlsruhe, NZG 2000, 264, 268 f.; ausführlich Joussen, Gesellschafterabsprachen; Noack, Gesellschaftervereinbarungen. 4 OLG Karlsruhe, NZG 2000, 264, 268 f.; Wicke, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 124 ff. 5 Michalski, in: Michalski, Rdnr. 72; Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 48; Wicke, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 124; anders Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 53 ff.; zu der Geschäftsführerbestellung s. unten Rdnr. 109. 6 S. oben Rdnr. 105; Noack, Gesellschaftervereinbarungen, S. 119 ff. 7 So OLG Dresden, GmbHR 1997, 746, 747; Wicke, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 117.

204

Emmerich

§3

Inhalt des Gesellschaftsvertrages

tere Mitglieder der Gesellschaft binden sollen wie z.B. die Übernahme zusätzlicher Verpflichtungen durch einzelne Gründer gegenüber anderen Gründern1 oder gegenüber der Gesellschaft (§ 328 BGB). Die Bestellung der Geschäftsführer oder die Festsetzung ihrer Vergütung schon im Gesellschaftsvertrag (vgl. § 6 Abs. 3 Satz 2) wird gleichfalls in der Regel einen unechten Vertragsbestandteil bilden2. Im Einzelfall kann aber auch eine andere Auslegung in Betracht kommen mit der Folge dann, dass die Ernennung zum Geschäftsführer durch den Gesellschaftsvertrag für den Gesellschafter zugleich ein Sonderrecht auf die Geschäftsführung begründet3. Zwingende unechte Vertragsbestandteile sind ferner Abreden mit Dritten über deren Beziehungen zu der Gesellschaft, und zwar nicht nur (unstreitig), wenn den Dritten Pflichten gegenüber der Gesellschaft auferlegt werden, sondern auch, wenn ihnen Rechte in der Gesellschaft, z.B. Entsendungsrechte oder Zustimmungsvorbehalte eingeräumt werden. Als körperschaftliche oder korporative Regelungen sind derartige Abreden nicht vorstellbar, weil sie weder die Organisation der Gesellschaft noch deren Beziehungen zu den Gesellschaftern betreffen4.

4. Rechtsfolgen a) Liegt nach dem Gesagten ein unechter Vertragsbestandteil vor (oben 110 Rdnr. 107 ff.), so handelt es sich, rechtlich gesehen, um einen normalen schuldrechtlichen Vertrag (nur) zwischen den an der Abrede jeweils beteiligten Gesellschaftern (§ 311 Abs. 1 BGB), der nicht den besonderen Regeln für Gesellschaftsverträge unterliegt (§§ 2 ff.), sondern nur den allgemeinen Regeln des BGB (so genanntes Trennungsprinzip)5. Dies wirkt sich zunächst bei Willensmängeln aus: Während bei den echten Vertragsbestandteilen die Regeln des BGB über die Nichtigkeit oder die Vernichtbarkeit von Willenserklärungen jedenfalls nach Eintragung der Gesellschaft ins Handelsregister nur mit Einschränkungen anwendbar sind (s. oben § 2 Rdnr. 62 ff.), gelten sie für die unechten Vertragsbestandteile grundsätzlich ohne Einschränkung6. Vor Eintragung der Gesellschaft ins Handelsregister kann ihre Nichtigkeit über § 139 BGB außerdem die des gesamten Gesellschaftsvertrags nach sich ziehen, vorbehaltlich der sich aus einem etwaigen Vollzug der Vorgesellschaft ergebenden Einschränkungen. Spätestens aber nach Eintragung der Gesellschaft ist kein Raum mehr für die Anwendung des § 139 BGB, ohne dass dies freilich etwas an der weiteren Nichtigkeit oder Vernichtbarkeit der fraglichen unechten Vertragsbestandteile nach den Vorschriften des BGB änderte; zu beachten bleibt jedoch die Heilungsmöglichkeit nach § 242 Abs. 2 Satz 1 AktG7.

1 A.M. BayObLGZ 1903, 319 = OLGE 5, 281 für die Garantie einer Mindestdividende durch einen Gründer zu Gunsten eines anderen. 2 BGHZ 18, 205, 207 f. = NJW 1955, 1716; BGH, GmbHR 1982, 129, 130 = BB 1981, 926; OLG Karlsruhe, NZG 2000, 264, 269; Wicke, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 127. 3 S. oben Rdnr. 100 f. sowie BGH, GmbHR 1982, 129, 130 = BB 1981, 926. 4 Wicke, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 120 ff. 5 Ausführlich Wicke, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 104–113. 6 Wicke, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 106. 7 BGHZ 144, 365, 367 f. = NJW 2000, 2819 = GmbHR 2000, 822 = AG 2000, 515 = ZIP 2000, 1294; Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 41.

Emmerich

205

§3

Inhalt des Gesellschaftsvertrages

111 b) Die Auslegung der unechten Vertragsbestandteile richtet sich nach den allgemeinen Regeln (§§ 133, 157 BGB)1. Die häufig angenommenen besonderen Regeln über die Auslegung der körperschaftrechtlichen Bestandteile des Gesellschaftsvertrages finden auf sie keine Anwendung (s. oben § 2 Rdnr. 33 ff.). Die Abänderung der unechten Vertragsbestandteile richtet sich ebenfalls nicht nach den §§ 53 ff., sondern nach dem BGB (§ 311 Abs. 1 BGB). Erforderlich ist m.a.W. ein Vertrag aller an der fraglichen Abrede beteiligten Gesellschafter2. Ebenso wenig ist die Formvorschrift des § 2 anwendbar3. Daher ist bei einer späteren Vertragsänderung auch nicht etwa eine Anpassung des Vertragstextes hinsichtlich der unechten Bestandteile erforderlich. Beide Bestandteile des Gesellschaftsvertrages gehen vielmehr jetzt getrennte Wege4. 112 c) Da es sich bei den unechten Vertragsbestandteilen um normale schuldrechtliche Abreden der Gründer handelt, bilden die sich daraus ergebenden Verpflichtungen anders als die Nebenleistungspflichten des § 3 Abs. 2 keinen Bestandteil der Mitgliedschaft (§ 14). Bei einer Veräußerung des Anteils gehen sie daher nicht automatisch auf den Erwerber über; ein Übergang ist vielmehr nur durch Abtretung, Schuldübernahme oder Schuldbeitritt sowie durch Vertragsübernahme möglich (§§ 398, 414, 415, 311 Abs. 1 BGB)5. Anders verhält es sich nur im Falle der Gesamtrechtsnachfolge, da der Erbe eines Geschäftsanteils gemäß § 1967 BGB auch in die sich aus den unechten Vertragsbestandteilen ergebenden Verpflichtungen des Erblassers eintritt6. 113 d) Bei den Sanktionen für Verstöße gegen echte und unechte Vertragsbestandteile bestehen ebenfalls Unterschiede: Während bei Verstößen gegen gesellschaftsrechtliche Pflichten, beruhend auf echten Vertragsbestandteilen, etwa vorgesehene gesellschaftsvertragliche Sanktionen wie ein Ausschluss des Gesellschafters eingreifen können, hat eine Verletzung von Pflichten aus unechten Vertragsbestandteilen grundsätzlich nur die Folgen jeder Pflichtverletzung, wobei in erster Linie an Schadensersatzansprüche der aus der Abrede berechtigten Mitgesellschafter sowie gegebenenfalls der Gesellschaft gegen den betreffenden Gesellschafter zu denken ist (§§ 280, 281, 328 BGB). Ob daneben auch gesellschaftsvertragliche Sanktionen, namentlich in Gestalt der Ausschließung des betreffenden Gesellschafters oder der Anfechtung abredewidriger Beschlüsse in Betracht kommen, ist umstritten (s. für die Auslegung der Satzung schon oben § 2 Rdnr. 33 ff., für die Anfechtung von Gesellschafterbeschlüssen unten Rdnr. 121 ff.).

1 Michalski, in: Michalski, Rdnr. 72. 2 S. Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 54; Wicke, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 108. 3 Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 115; s. Joussen, Gesellschafterabsprachen, S. 135 ff. 4 S. Priester, DB 1979, 681, 684 f.; Ulmer, in: FS Werner, S. 911, 914 f.; Winkler, DNotZ 1980, 578, 586 ff. 5 Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 54; Noack, Gesellschaftervereinbarungen, S. 171 ff.; Wicke, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 111. 6 Noack, Gesellschaftervereinbarungen, S. 184; Priester, DB 1979, 681, 685 f.

206

Emmerich

§3

Inhalt des Gesellschaftsvertrages

XII. Gesellschaftervereinbarungen Schrifttum: S. oben vor Rdnr. 102.

1. Überblick Als Gesellschaftervereinbarungen oder -absprachen oder auch Nebenverträge be- 114 zeichnet man Vereinbarungen aller oder einzelner Gesellschafter über Fragen, die ihr gesellschaftsrechtliches Verhältnis betreffen, die jedoch nicht in den Gesellschaftsvertrag aufgenommen werden, sondern „selbständig“ neben den Gesellschaftsvertrag treten. Ihre rechtliche Behandlung entspricht im Wesentlichen der der so genannten unechten Vertragsbestandteile (oben Rdnr. 102, 107 ff.), da die Gesellschafter in der Mehrzahl der Fälle die Wahl haben, ob sie die betreffenden Fragen im Gesellschaftsvertrag (als echte oder unechte Bestandteile des Vertrags) oder außerhalb des Gesellschaftsvertrages in zusätzlichen oder ergänzenden Verträgen regeln wollen (s. schon oben Rdnr. 105 ff.). Ausgenommen von dieser Wahlfreiheit sind lediglich diejenigen Punkte, deren Regelung zwingend dem Gesellschaftsvertrag vorbehalten ist (s. insbesondere §§ 3 Abs. 1 und 5 Abs. 4). Gesellschaftervereinbarungen, die im Widerspruch zu derartigen Abreden stehen, die zum zwingenden Inhalt des Gesellschaftsvertrages nach den §§ 3 Abs. 1 und 5 Abs. 4 gehören, binden die Gesellschafter nicht und können außerdem zur Folge haben, dass die entsprechenden Festsetzungen im Gesellschaftsvertrag als Scheingeschäfte nichtig sind (§ 117 BGB)1. Im Übrigen können jedoch Gesellschaftervereinbarungen durchaus auch von dem Gesellschaftsvertrag abweichen2. Gesellschaftervereinbarungen „neben dem Vertrag“ erfreuen sich offenbar gro- 115 ßer Beliebtheit, wofür in erster Linie ihre mangelnde Publizität sowie ihre Formfreiheit maßgeblich sein dürften3. An Gesellschaftervereinbarungen können alle oder nur einzelne Gesellschafter beteiligt sein. Im Falle der Beteiligung aller Gesellschafter spricht man auch (hochtrabend) von „omnilateralen“ Gesellschaftervereinbarungen. Vor allem bei ihnen stellt sich die Frage, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang von ihnen Rückwirkungen auf die korporative Ebene ausgehen können (unten Rdnr. 120 f.). Die Gesellschaft ist an Gesellschaftervereinbarungen dagegen im Regelfall nicht beteiligt. Soweit sie aus Gesellschaftervereinbarungen unmittelbare Rechte erwerben soll, handelt es sich um Verträge zu ihren Gunsten im Sinne von §§ 328 ff. BGB4. Pflichten der Gesellschaft können dagegen durch solche Vereinbarungen ohne Mitwirkung der Gesellschaft nicht begründet werden, da Verträge zu Lasten Dritter unzulässig sind. Eine Beteiligung Dritter, d.h. von Personen, die keine Gesellschafter sind, an Gesellschaftervereinbarungen ist zwar denkbar, aber offenbar unüblich.

1 Wicke, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 132. 2 BGH, GmbHR 2010, 980 Rdnr. 7 m. Anm. Podewils. 3 S. Hoffmann-Becking, ZGR 1994, 442, 445 f.; A. Jäger, DStR 1996, 1935; Priester, in: FS Claussen, 1997, S. 319, 322; M. Winter, in: Gesellschaftsrecht 1995, S. 131 ff.; Wicke, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 130; Zöllner, in: Gesellschaftsrecht 1995, S. 89, 93 ff. 4 RGZ 83, 216, 219; RG, JW 1930, 2675; BGH, LM Nr. 8 zu § 2 GmbHG = GmbHR 1970, 10; BGH, GmbHR 2010, 980 Rdnr. 8.

Emmerich

207

§3

Inhalt des Gesellschaftsvertrages

116 Als Gegenstand von Gesellschaftervereinbarungen kommen grundsätzlich sämtliche Abreden in Betracht, die auch zum Gegenstand unechter Vertragsbestandteile gemacht werden können (s. oben Rdnr. 102, 107 ff.). Paradigmata sind außer den üblichen Grundvereinbarungen der Mütter aus Anlass der Gründung eines Gemeinschaftsunternehmens in der Rechtsform einer GmbH die verbreiteten Stimmrechtsbindungs-, Konsortial- und Poolverträge, mit denen einzelne Gesellschafter oder Gesellschaftergruppen versuchen, ihren Einfluss auf die Gesellschaft auf Dauer schuldrechtlich abzusichern (s. 10. Aufl., § 47 Rdnr. 35 ff.). Im Einzelfall können solche Abreden ein derartiges Gewicht haben, dass sie die Gefahr der Abhängigkeit der Gesellschaft von einzelnen Gesellschaftern oder einer Gesellschaftergruppe begründen (§ 17 Abs. 1 AktG), sofern diese Unternehmensqualität im Sinne des Konzernrechts besitzen, eine Frage, die gerade mit Rücksicht auf Pools, Familien und Familiengesellschaften noch keineswegs endgültig geklärt ist1. Hat die Gesellschaftervereinbarung den Zweck, den Beteiligten, gegebenenfalls unter Einbeziehung der Geschäftsführer persönlich in die Vereinbarung, einen weit gehenden Einfluss auf die Geschäftsführung der Gesellschaft zu sichern (so genannte Shareholders Agreements), so kann sich von Fall zu Fall ferner die Frage stellen, ob sich nicht hinter oder besser: unter der (formlos möglichen) Gesellschaftervereinbarung ein formbedürftiger (und deshalb im gegebenen Fall nichtiger) Beherrschungsvertrag verbirgt (§§ 291 und 294 AktG). Derartige verdeckte Beherrschungsverträge scheinen sich in jüngster Zeit insbesondere unter dem Einfluss ausländischer Investoren zunehmender Beliebtheit zu erfreuen2. 117 Weitere Beispiele für Gesellschaftervereinbarungen sind Abreden über die Verpflichtung der Gesellschafter zur Leistung von Zuschüssen oder zur Gewährung von Darlehen an die Gesellschaft (§ 328 BGB)3 sowie über die Verpflichtung zur Erbringung weiterer Sachleistungen ohne Anrechnung auf die Einlage4 oder zur Übernahme von Verlusten5, ferner die Gesellschafter persönlich treffende Wettbewerbsverbote6, die Verpflichtung zur Abtretung des Geschäftsanteils7, Voroder Ankaufsrechte der Gesellschaft oder anderer Gesellschafter8, weiter eine vom Gesellschaftsvertrag abweichende Gewinnverteilung zwischen den Beteiligten9, eine Vereinbarung der Gesellschafter über die Begrenzung der ihnen nach dem Gesellschaftsvertrag zustehenden Abfindungsansprüche im Interesse 1 S. unten § 13 Anh. Rdnr. 14 ff. sowie im Einzelnen Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, 6. Aufl. 2010, § 15 Rdnr. 20 ff. 2 OLG Schleswig, AG 2006, 120; Emmerich, in: FS Hüffer, 2010, S. 179, 183 ff.; Kienzle, Verdeckte Beherrschungsverträge im Aktienrecht, 2010. 3 RGZ 83, 216, 219; RG, JW 1914, 94. 4 BGH, LM Nr. 8 zu § 2 GmbHG = GmbHR 1970, 10 = WM 1969, 1321; andernfalls Geschäftsanteil i.S. des § 3 Abs. 1 Nr. 4. 5 BGH, LM Nr. 5 zu § 3 GmbHG = NJW-RR 1993, 607 = GmbHR 1993, 214; OLG Nürnberg, GmbHR 1981, 242 f. = ZIP 1981, 862 f.; OLG Hamm, GmbHR 1978, 271 f.; Gasteyer, BB 1983, 934; Noack, Gesellschaftervereinbarungen, S. 311 ff. 6 RG, JW 1930, 2675. 7 RG, LZ 1913, 785. 8 BGHZ 38, 155 = NJW 1963, 203; G. Hueck, in: (1.) FS Larenz, 1973, S. 749; Noack, Gesellschaftervereinbarungen, S. 15, 284 ff.; H. P. Westermann/D. Klingberg, in: FS Quack, 1991, S. 545. 9 KG, OLGE 24, 153; Noack, Gesellschaftervereinbarungen, S. 324 f.

208

Emmerich

§3

Inhalt des Gesellschaftsvertrages

der Gesellschaft1, überhaupt Abreden über die Auslegung des Gesellschaftsvertrages in einem bestimmten Sinne2, außerdem Liefer- und Bezugspflichten der Gesellschafter oder ihre Verpflichtung zur Benutzung der Einrichtungen der Gesellschaft3, Mitarbeiterbeteiligungsvereinbarungen4 sowie schließlich der Zusammenschluss Einzelner oder aller Gesellschafter zu einer BGB-Gesellschaft zwecks Unterstützung der Gesellschaft durch die Erbringung bestimmter weiterer Beiträge (§ 705 BGB).

2. Rechtliche Behandlung a) Die rechtliche Behandlung von Gesellschaftervereinbarungen entspricht im 118 Wesentlichen der der unechten Vertragsbestandteile (s. deshalb im Einzelnen oben Rdnr. 102 ff.). Dies bedeutet, dass sich ihre rechtliche Behandlung grundsätzlich nach den allgemeinen zivilrechtlichen Regeln für schuldrechtliche Verträge richtet5. § 2 findet auf Gesellschaftervereinbarungen keine Anwendung, so dass sie grundsätzlich formlos möglich sind, solange die Beteiligten darauf verzichten, die fragliche Abrede – als echten Vertragsbestandteil (s. oben Rdnr. 102 ff.) – zum Inhalt der Mitgliedschaft zu machen6. Auch für die Auslegung, die Änderung und die Aufhebung von Gesellschaftervereinbarungen gelten die allgemeinen Regeln (§ 311 Abs. 1 BGB), während die §§ 53 und 54 keine Anwendung finden7. Die Beurteilung von Willensmängeln richtet sich gleichfalls nach den allgemeinen Grundsätzen (§ 117, 119 und 123 BGB)8. b) Die Rechte und Pflichten eines Gesellschafters aus einer Gesellschafterver- 119 einbarung bilden keinen Teil der Mitgliedschaft, weil sie auf selbstständigen, vom Gesellschaftsvertrag getrennten schuldrechtlichen Abreden beruhen. Bei einer Veräußerung des Geschäftsanteils gehen sie daher nicht automatisch auf den Erwerber über. Ein Übergang ist vielmehr nur im Einzelfall durch Vertragseintritt des Erwerbers unter Mitwirkung aller Beteiligten (§ 311 Abs. 1 BGB) oder durch Abtretung, Schuldübernahme oder Schuldbeitritt möglich (§§ 398, 414, 415 BGB)9. Solche Abreden können zwischen den Beteiligten auch konklu1 BGH, GmbHR 2010, 980. 2 BGH, LM Nr. 35 zu § 47 GmbHG = NJW 1987, 1890, 1892 = GmbHR 1987, 94; H. P. Westermann, Das Verhältnis von Satzung und Nebenordnungen in der Kapitalgesellschaft, 1994, S. 25 ff. 3 BGHZ 103, 219, 221 ff. = NJW 1988, 1729; BGH, LM Nr. 10 zu § 23 AGBG = NJW-RR 1992, 379. 4 Wälzholz, GmbHR 2009, 1020, 1021. 5 Wicke, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 135 ff. 6 S. oben § 2 Rdnr. 14 sowie RGZ 79, 333, 335; RGZ 82, 299, 302 f.; RGZ 83, 216, 218; RGZ 112, 273, 275 ff.; RGZ 151, 321, 324; RGZ 158, 248, 252 f.; RG, DR 1940, 2013 = HRR 1940 Nr. 1204; BGHZ 123, 15, 20 = NJW 1993, 2246 = GmbHR 1993, 497; BGH, LM Nr. 8 zu § 2 GmbHG = WM 1969, 1321 = GmbHR 1970, 10; BGH, WM 1965, 1076 = DB 1965, 1661; BGH, GmbHR 2010, 980 Rdnr. 17; A. Jäger, DStR 1996, 1935, 1936; Priester, in: FS Claussen, 1997, S. 319, 328 ff., 332; Wicke, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 134. 7 Priester, in: FS Claussen, 1997, S. 319, 328 ff. 8 Wicke, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 135. 9 S. oben Rdnr. 112; Noack, Gesellschaftervereinbarungen, S. 171 ff.; Priester, in: FS Claussen, 1997, S. 319, 334; Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 49; Wälzholz, GmbHR 2009, 1020, 1024.

Emmerich

209

§3

Inhalt des Gesellschaftsvertrages

dent aus Anlass der Veräußerung des Anteils abgeschlossen werden. Ob dies der Fall ist, ist eine Frage der Auslegung ihrer Erklärungen im Einzelfall, wobei es vor allem darauf ankommen wird, ob der Erwerber des Anteils die zusätzliche Gesellschaftervereinbarung kannte und ob er sich mit ihr in irgendeiner Form einverstanden erklärt hat. Von dem Eintritt des Erwerbers in die Vereinbarung wird es dann auch abhängen, ob der Veräußerer des Anteils von den übrigen Beteiligten aus der Vereinbarung entlassen wird. Bleibt er gebunden, z.B. an ein Wettbewerbsverbot, so ist zu beachten, dass solche Bindung nur in engen Grenzen zulässig ist (§ 138 BGB; § 1 GWB; Art. 101 AEUV; oben Rdnr. 89). Weitere Besonderheiten gelten, wenn durch die Gesellschaftervereinbarung zwischen den Beteiligten zusätzlich eine BGB-Innengesellschaft begründet wird1. Im Einzelfall ist es ferner möglich, z.B. einen wegen eines Formmangels unwirksamen Gesellschafterbeschluss als Gesellschaftervereinbarung aufrechtzuerhalten (§ 140 BGB)2.

3. Trennungsgrundsatz 120 Gesellschaftervereinbarungen begründen grundsätzlich Rechte und Pflichten nur zwischen den an ihnen beteiligten Gesellschaftern, so dass, soweit nicht im Einzelfall § 328 BGB eingreift, Erfüllung der übernommenen Pflichten von einem Gesellschafter nur die anderen an der Abrede beteiligten Gesellschafter verlangen können. Bei einer Verletzung der Pflichten können sie außerdem Schadensersatz fordern (§§ 280 Abs. 1, 281 BGB). Das gilt auch für Stimmrechtsbindungsverträge mit der Folge, dass eine abredewidrige Stimmabgabe in der Gesellschafterversammlung grundsätzlich wirksam ist und im Regelfall lediglich Schadensersatzansprüche der anderen an der Abrede beteiligten Gesellschafter nach sich ziehen kann3. Davon zu trennen ist die Frage der Durchsetzbarkeit von Stimmrechtsbindungsverträgen durch Klage und Zwangsvollstreckung (§ 894 ZPO), die heute grundsätzlich anerkannt ist4. Eine wieder andere Frage ist, ob – gegebenenfalls unter zusätzlichen Voraussetzungen – eine abredewidrige Stimmabgabe zur Anfechtung des fraglichen Beschlusses führen kann. 121 Die Rechte und Pflichten der Gesellschafter aus Gesellschaftervereinbarungen stehen grundsätzlich selbständig neben der Mitgliedschaft (sog. Trennungsgrundsatz)5. Daher rührt der Streit, ob unter bestimmten Voraussetzungen die an sich nur inter partes wirkenden Gesellschaftervereinbarungen unter Durchbrechung des Trennungsprinzips doch Auswirkungen auf die Gesellschaftsebene äußern können. Wegen der Einzelheiten ist auf die Ausführungen an anderer Stelle zu verweisen (s. 10. Aufl., § 45 Rdnr. 116 ff., § 47 Rdnr. 52 ff.). Hier genügt 1 S. Joussen, GmbHR 1996, 574; Wicke, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 135. 2 BGH, GmbHR 2010, 980 Rdnr. 9; anders OGH, RdW 1999, 410 = NZG 1999, 723. 3 OGH SZ Bd. 66 (1993) Nr. 56, S. 295, 299 = EvBl. 1993 Nr. 199 = ÖJZ 1999, 848 = AG 1994, 43; RdW 1996, 165 = AG 1996, 329; wegen der Einzelheiten s. 10. Aufl., § 45 Rdnr. 116 ff., 10. Aufl., § 47 Rdnr. 53 ff. 4 BGHZ 48, 163, 169 ff. = NJW 1967, 1963; s. im Einzelnen 10. Aufl., § 47 Rdnr. 55 ff. 5 S. oben Rdnr. 110; Joussen, Gesellschafterabsprachen, S. 97 ff.; Wicke, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 139 ff.; differenzierend aber Noack, Gesellschaftervereinbarungen, S. 116 ff. u. passim; H. P. Westermann, Das Verhältnis von Satzung und Nebenordnungen in der Kapitalgesellschaft, 1994.

210

Emmerich

§4

Firma

der Hinweis, dass diese Frage insbesondere für die Anfechtbarkeit von Gesellschafterbeschlüssen, die auf einer abredewidrigen Stimmabgabe beruhen1, für die Auslegung des Gesellschaftsvertrages sowie für die Präzisierung der Treuepflicht der Gesellschafter diskutiert wird, immer vorausgesetzt, dass an der Abrede alle Gesellschafter beteiligt sind.

§4

Firma Die Firma der Gesellschaft muss, auch wenn sie nach § 22 des Handelsgesetzbuchs oder nach anderen gesetzlichen Vorschriften fortgeführt wird, die Bezeichnung „Gesellschaft mit beschränkter Haftung“ oder eine allgemein verständliche Abkürzung dieser Bezeichnung enthalten. Text i.d.F. des Handelsrechtsreformgesetzes vom 22.6.1998 (BGBl. I 1998, 1474, 1479).

§ 18 HGB (1) Die Firma muss zur Kennzeichnung des Kaufmanns geeignet sein und Unterscheidungskraft besitzen. (2) Die Firma darf keine Angaben enthalten, die geeignet sind, über geschäftliche Verhältnisse, die für die angesprochenen Verkehrskreise wesentlich sind, irrezuführen. Im Verfahren vor dem Registergericht wird die Eignung zur Irreführung nur berücksichtigt, wenn sie ersichtlich ist.

Inhaltsübersicht

5 6

III. Sachfirma. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Rechtszustand vor dem Handelsrechtsreformgesetz . . . . . . . . 2. Rechtszustand seit dem Handelsrechtsreformgesetz . . . . . . . . 3. Änderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

18 19

II. Grundsätze der Firmenbildung 1. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 2. Kennzeichnungseignung und Unterscheidungskraft . . . . . . . . . 8 3. Einzelfragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12

IV. Irreführungsverbot (§ 18 Abs. 2 HGB). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Eignung zur Irreführung . . . . . . . 3. Beispiele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

20 21 22 23

I. 1. 2. 3.

Überblick Geschichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Name . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Unternehmensbezogene Geschäfte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Firmeneinheit . . . . . . . . . . . . . . . .

1 4

15 16

1 Anfechtbarkeit bejaht durch BGH, LM Nr. 32 zu § 47 GmbHG = NJW 1983, 1910 = GmbHR 1983, 196; BGH, LM Nr. 35 zu § 47 GmbHG = NJW 1987, 1890, 1892 = GmbHR 1987, 94; zurückhaltend OGH, RdW 1996, 165 = AG 1996, 329 = WiBl. 1996, 125 (nur Leitsatz); ablehnend OLG Stuttgart, DB 2001, 854, 859 = NZG 2001, 416 (nur Leitsatz) – „Dornier“.

Emmerich

211

§4

Firma

der Hinweis, dass diese Frage insbesondere für die Anfechtbarkeit von Gesellschafterbeschlüssen, die auf einer abredewidrigen Stimmabgabe beruhen1, für die Auslegung des Gesellschaftsvertrages sowie für die Präzisierung der Treuepflicht der Gesellschafter diskutiert wird, immer vorausgesetzt, dass an der Abrede alle Gesellschafter beteiligt sind.

§4

Firma Die Firma der Gesellschaft muss, auch wenn sie nach § 22 des Handelsgesetzbuchs oder nach anderen gesetzlichen Vorschriften fortgeführt wird, die Bezeichnung „Gesellschaft mit beschränkter Haftung“ oder eine allgemein verständliche Abkürzung dieser Bezeichnung enthalten. Text i.d.F. des Handelsrechtsreformgesetzes vom 22.6.1998 (BGBl. I 1998, 1474, 1479).

§ 18 HGB (1) Die Firma muss zur Kennzeichnung des Kaufmanns geeignet sein und Unterscheidungskraft besitzen. (2) Die Firma darf keine Angaben enthalten, die geeignet sind, über geschäftliche Verhältnisse, die für die angesprochenen Verkehrskreise wesentlich sind, irrezuführen. Im Verfahren vor dem Registergericht wird die Eignung zur Irreführung nur berücksichtigt, wenn sie ersichtlich ist.

Inhaltsübersicht

5 6

III. Sachfirma. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Rechtszustand vor dem Handelsrechtsreformgesetz . . . . . . . . 2. Rechtszustand seit dem Handelsrechtsreformgesetz . . . . . . . . 3. Änderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

18 19

II. Grundsätze der Firmenbildung 1. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 2. Kennzeichnungseignung und Unterscheidungskraft . . . . . . . . . 8 3. Einzelfragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12

IV. Irreführungsverbot (§ 18 Abs. 2 HGB). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Eignung zur Irreführung . . . . . . . 3. Beispiele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

20 21 22 23

I. 1. 2. 3.

Überblick Geschichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Name . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Unternehmensbezogene Geschäfte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Firmeneinheit . . . . . . . . . . . . . . . .

1 4

15 16

1 Anfechtbarkeit bejaht durch BGH, LM Nr. 32 zu § 47 GmbHG = NJW 1983, 1910 = GmbHR 1983, 196; BGH, LM Nr. 35 zu § 47 GmbHG = NJW 1987, 1890, 1892 = GmbHR 1987, 94; zurückhaltend OGH, RdW 1996, 165 = AG 1996, 329 = WiBl. 1996, 125 (nur Leitsatz); ablehnend OLG Stuttgart, DB 2001, 854, 859 = NZG 2001, 416 (nur Leitsatz) – „Dornier“.

Emmerich

211

§4

Firma

4. Rechtsformzusatz . . . . . . . . . . . . . 24 VIII. GmbH-Zusatz. . . . . . . . . . . . . . . . 5. Geographische Zusätze . . . . . . . . 25 IX. Rechtsscheinhaftung V. Personenfirma 1. Firmenführungspflicht . . . . . . . . 1. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 2. Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . 2. Rechtszustand vor dem Han3. Anwendungsbereich . . . . . . . . . . delsrechtsreformgesetz . . . . . . . . 29 X. Allgemeines Firmenrecht . . . . . 3. Rechtszustand seit dem Han1. Zusätze. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . delsrechtsreformgesetz 2. Zweigniederlassung . . . . . . . . . . a) Namen dritter Personen . . . . . 31 b) Namensrecht. . . . . . . . . . . . . . . 34 3. Erlöschen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Name . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 4. Vorgesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . 4. Akademische Grade oder Titel . 40 XI. Unzulässigkeit der Firma 5. Änderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 1. Vor Eintragung . . . . . . . . . . . . . . . VI. Phantasiefirmen . . . . . . . . . . . . . . 42 2. Nach Eintragung . . . . . . . . . . . . . VII. Abgeleitete Firma . . . . . . . . . . . . . 46 3. Löschung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . 47 2. Rechtsfolgen . . . . . . . . . . . . . . . . . 50

51 53 54 56 57 58 59 61 62 63 64 67

Schrifttum zum früheren Recht, soweit heute noch bedeutsam: Bußmann, Name, Firma, Marke, 1937; Emmerich, in: Heymann, 2. Aufl. 1995, §§ 17–37 HGB; I. Heinrich, Firmenwahrheit und Firmenbeständigkeit, 1982; Jordan, Kleines Handbuch des Firmenrechts, 1966; Klippel, Der zivilrechtliche Schutz des Namens, 1985; Knaak, Das Recht der Gleichnamigen, 1979; Knaak, Firma und Firmenschutz, 1986; Kraft, Die Führung mehrerer Firmen, 1966; Krause, Die Entwicklung des Firmenrechts im 19. Jahrhundert, 1995; Pöpel, Die unwahr gewordene Firma – Irreführungsverbot versus Bestandsschutz, 1995; Troller, Kollisionen zwischen Firma, Handelsnamen und Marken, 1980; Wamser, Die Firmeneinheit, 1997; S. Weber, Das Prinzip der Firmenwahrheit im HGB und die Bekämpfung irreführender Firmen nach dem UWG, 1984. Schrifttum (Auswahl): Ammon, Gesellschaftsrechtliche und sonstige Neuerungen im Handelsrechtsreformgesetz, DStR 1998, 1474; Th. Beyerlein, Die Firma, WRP 2005, 582; Bokelmann, Die Neuregelungen im Firmenrecht nach dem RegE des Handelsrechtsreformgesetzes, GmbHR 1998, 57; Bokelmann, Das Recht der Firmen und Geschäftsbezeichnungen, 5. Aufl. 2000; L. Bülow/P. Baronikians, Marken- und firmenrechtliche Beratung bei der Unternehmensgründung, MittBayNot 2002, 137; Goette, GmbH, § 1 Rdnr. 24–27 (S. 5 f.); P. Jung, Firmen von Personenhandelsgesellschaften, ZIP 1998, 677; St. Kögel, Neues Firmenrecht und alte Zöpfe: Auswirkungen der HGB-Reform, BB 1998, 1645; St. Kögel, Sind geographische Zusätze im Firmennamen entwertet?, GmbHR 2002, 642; St. Kögel, Zulässigkeit von Fremdnamen und unrichtigen Personenzusätzen in der Firma der GmbH, GmbHR 2011, 16; Lutter/ Welp, Das neue Firmenrecht der Kapitalgesellschaften, ZIP 1999, 1073; D. Möller, Das neue Firmenrecht in der Rechtsprechung, DNotZ 2000, 830; D. Möller, Neues Kaufmanns- und Firmenrecht, 1998; P.-H. Müther, Überlegungen zum neuen Firmenbildungsrecht bei der GmbH, GmbHR 1998, 1058; W.-H. Roth, Zum Firmenrecht der juristischen Personen im Sinne des § 33 HGB, in: FS Lutter, 2000, S. 651; W.-H. Roth, in: Die Reform des Handelsstandes und der Personengesellschaften, 1999, S. 31; Schaefer, Handelsrechtsreformgesetz, 1999; Karsten Schmidt, Das Handelsrechtsreformgesetz, NJW 1998, 2161; Schulenburg, Die Abkürzung im Firmenrecht der Kapitalgesellschaften, NZG 2000, 1156; Chr. Schulte/R. Warnke, Das neue Firmenrecht der GmbH im Handelsregisterverfahren, GmbHR 2002, 626; Wessel/Zwernemann/ Kögel, Die Firmengründung, 7. Aufl. 2001, Rdnr. 100, 403 ff. (S. 93, 312 ff.).

212

Emmerich

§4

Firma

I. Überblick 1. Geschichte § 4 bestimmt in Ergänzung zu § 3 Abs. 1 Nr. 1 (s. oben § 3 Rdnr. 4), dass die Firma 1 der Gesellschaft, auch wenn sie nach § 22 HGB oder nach anderen gesetzlichen Vorschriften fortgeführt wird, die Bezeichnung „Gesellschaft mit beschränkter Haftung“ oder eine allgemein verständliche Abkürzung dieser Bezeichnung enthalten muss. Eine Sonderregelung für die so genannte Unternehmergesellschaft (haftungbeschränkt) findet sich in § 5a Abs. 1 (wegen der Einzelheiten s. § 5a Rdnr. 14 f.). § 4 geht auf das Handelsrechtsreformgesetz von 1998 zurück, das am 1.7.1998 in Kraft getreten ist1, während § 5a erst durch das MoMiG von 2008 in das Gesetz eingefügt wurde. Eine dem § 4 entsprechende Regelung enthält das AktG ebenfalls in § 4. Ergänzend bestimmt noch § 35a Abs. 1 Satz 1, dass auf allen Geschäftsbriefen der Gesellschaft an einen bestimmten Empfänger neben der Firma der Gesellschaft (s. § 37a HGB) insbesondere die Rechtsform und der Sitz der Gesellschaft angegeben werden müssen. § 4 ist Ausdruck der Liberalisierung des Firmenrechts durch das Handelsrechts- 1a reformgesetz von 19982. Nach der früheren Fassung des § 4 Abs. 1 von 1892 musste die Firma der Gesellschaft dagegen entweder von dem Gegenstand des Unternehmens entlehnt sein oder die Namen der Gesellschafter oder den Namen wenigstens eines derselben mit einem das Vorhandensein eines Gesellschaftsverhältnisses andeutenden Zusatz enthalten; die Namen anderer Personen als der Gesellschafter durften, vorbehaltlich des § 22 HGB, nicht in die Firma aufgenommen werden. § 4 Abs. 2 a.F. fügte noch hinzu, dass die Firma der Gesellschaft in allen Fällen die zusätzliche Bezeichnung „mit beschränkter Haftung“ enthalten musste. Eine in jeder Hinsicht mit dem früheren § 4 übereinstimmende Regelung fand sich bis 2006 für Österreich in den Abs. 1 und 2 des § 5 öGmbHG i.d.F. von 1993. Heute entspricht § 5 Abs. 1 öGmbHG im Kern dem § 4. Ergänzend zu § 4 gelten über § 13 Abs. 3 GmbHG i.V.m. § 6 Abs. 1 HGB die fir- 2 menrechtlichen Vorschriften des HGB (§§ 17–37a). Durch die Handelsrechtsreform von 1998 haben sie noch an Bedeutung für die GmbH gewonnen, da sich jetzt auch bei dieser die Firmenbildung grundsätzlich nach § 18 HGB richtet. Aus § 4 ergibt sich lediglich die zusätzliche Verpflichtung der Gesellschafter, in jedem Fall in die Firma einen strengen Rechtsformzusatz aufzunehmen. Wegen der Einzelheiten der Firmenbildung ist daher grundsätzlich auf die Erläuterungen zu § 18 HGB zu verweisen3, während im vorliegenden Zusammenhang lediglich noch auf die Grundzüge der Firmenbildung und einige GmbH-rechtliche Besonderheiten einzugehen ist (unten Rdnr. 7 ff.). Eine Übergangsregelung für so genannte Altfirmen, d.h. für vor dem 1.7.1998 ins Handelsregister eingetragene Firmen, fand sich in Art. 38 Abs. 1 EGHGB.

1 BGBl. I 1998, 1474, 1479. 2 S. dazu die Begr. RegE, BT-Drucks. 13/8444, S. 36 ff., 74 f.; Ausschussbericht, BT-Drucks. 13/10332 = ZIP 1998, 712; RefE, ZIP 1996, 1401, 1445, 1485. 3 S. ausführlich Ammon/Ries, in: Röhricht/Graf von Westphalen, § 18 HGB Rdnr. 9 ff.

Emmerich

213

3

§4

Firma

Die Altfirmen durften danach bis zum 31.3.2003 weitergeführt werden, soweit sie nach dem bisherigen Recht zulässig waren. Spätestens zum 1.4.2003 waren sie dem neuen Recht anzupassen. Die praktische Bedeutung dieser Regelung für die GmbH war gering, da wohl ohne Ausnahme alle schon nach dem früheren engeren Recht zulässigen Firmen (erst recht) nach dem neuen großzügigeren Recht zulässig sind. Allenfalls für den Gesellschaftszusatz konnte in Einzelfällen die Übergangsregelung eine gewisse Bedeutung erlangen. 3a

Die mit § 4 n.F. bezweckte Liberalisierung des Firmenrechts hat für die GmbH vor allem zweierlei gebracht, einmal die generelle Zulassung von Phantasiefirmen neben den bisher schon zulässigen Personen- und Sachfirmen (Rdnr. 42 ff.) sowie zum anderen den Fortfall des früheren strengen Entlehnungsgebots bei der Wahl einer Sachfirma (Rdnr. 18 ff.)1. Soweit sich jedoch aus anderen Gesetzen wie insbesondere dem KWG (§§ 39, 40 und 41), der BRAO (§ 59k), der Patentanwaltsordnung (§ 52k), der WPO (§ 31) und dem Steuerberatungsgesetz (§ 53) strengere Anforderungen an die Firmenbildung ergeben, hat es dabei ohne Rücksicht auf die Änderung des § 4 auch für die GmbH sein Bewenden2. Diese Vorschriften haben nicht zuletzt den Zweck, den allgemeinen Rechtsverkehr gegen jede Irreführung wegen des zumal Banken und Rechtsanwälten (früher) entgegengebrachten Vertrauens zu schützen, so dass sie grundsätzlich streng auszulegen sind3. Die österreichische Praxis sieht in den genannten Vorschriften sogar Schutzgesetze, deren schuldhafte Verletzung Ersatzansprüche getäuschter Anleger nach sich ziehen kann4.

2. Name 4 Die Firma ist der Name der Gesellschaft, unter dem sie im Verkehr allein auftreten kann (vgl. §§ 4, 13 Abs. 3 GmbHG i.V.m. den §§ 6 Abs. 1 und 17 Abs. 1 HGB). Einen anderen Namen hat sie nicht5. Die Firma hat daher ebenso wie der bürgerliche Name bei natürlichen Personen die Aufgabe, die Gesellschaft im Rechtsverkehr zu individualisieren und dadurch von anderen zu unterscheiden. Diese zentrale Funktion der Firma wird jetzt von § 18 Abs. 1 HGB besonders betont, war aber im Kern schon immer anerkannt, so dass bereits nach früheren Recht jede Firma Unterscheidungskraft besitzen und aus aussprechbaren Wörtern bestehen musste6.

1 Begr. RegE, BT-Drucks. 13/8444, S. 37. 2 Begr. RegE, BT-Drucks. 13/8444, S. 37 (r.Sp.); Michalski, in: Michalski, Rdnr. 70; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 53. 3 Vgl. für die Firma „Rechtsanwalts-GmbH“ OLG Rostock, GmbHR 2007, 377. 4 OGH SZ Bd. 68 II (1995) Nr. 242, S. 806, 822 ff. = RdW 1996, 310 – Sparkasse Bregenz Treuhand- und Immobilien GmbH; OGH, EvBl. 1997 Nr. 162 = ÖJZ 1997, 789, 790 = GesRZ 1997, 252 = HS 28.082. 5 BayObLGZ 2001, 83, 84 = NJW 2001, 2337 = GmbHR 2001, 476 = NZG 2001, 608 – „@“; KG, NJW-RR 2001, 173. 6 BGHZ 14, 155, 160 = NJW 1954, 1681; KG, JW 1930, 1742 f.; BayObLGZ 1967, 272, 274; P.-H. Müther, GmbHR 1998, 1058.

214

Emmerich

§4

Firma

3. Unternehmensbezogene Geschäfte Wird im Geschäftsverkehr eine Firma verwandt, so wird Vertragspartner grund- 5 sätzlich der Inhaber des mit der Firma bezeichneten Geschäfts (§ 17 HGB). Es spielt keine Rolle, ob der andere Teil den Inhaber kennt und ob er ihn sich richtig vorstellt sowie ob die Firma richtig oder falsch, erlaubt oder unzulässig verwandt wird. Immer wird Vertragspartner (nur) der wirkliche Geschäftsinhaber oder Unternehmensträger. Dies gilt auch für das Auftreten einer Person, z.B. eines Geschäftsführers, unter der Firma einer GmbH, so dass dann Vertragspartner ebenfalls die Gesellschaft wird, selbst wenn der andere Teil irrtümlich den Geschäftsführer für seinen Vertragspartner gehalten hat1. Unberührt bleibt jedoch § 164 Abs. 2 BGB, so dass die Anwendung der Regeln über unternehmensbezogene Geschäfte voraussetzt, dass die Unternehmensbezogenheit des Geschäfts überhaupt deutlich hervorgetreten ist; andernfalls tritt an die Stelle der Haftung der Gesellschaft die persönliche Haftung des jeweils für die Gesellschaft Handelnden2. Eine wieder andere Frage ist, ob der Geschäftsführer neben der Gesellschaft persönlich haften kann, etwa, wenn er die Firma unzulässigerweise ohne den zwingend vorgeschriebenen GmbH-Zusatz im Geschäftsverkehr verwendet (s. unten Rdnr. 53 ff.).

4. Firmeneinheit Ebenso wie eine natürliche Person kann auch eine Gesellschaft immer nur ei- 6 nen Namen, d.h. eine einzige Firma haben (Grundatz der Firmeneinheit)3. Selbst wenn die Gesellschaft mehrere Unternehmen besitzt, darf sie daher für diese nicht verschiedene Firmen verwenden4. Will die Gesellschaft die Firma eines hinzuerworbenen Handelsgeschäfts neben ihrer Firma fortführen (§ 4 GmbHG i.V.m. § 22 HGB), so muss sie deshalb entweder das hinzuerworbene Geschäft als Zweigniederlassung unter besonderer Firma betreiben (s. §§ 13 Abs. 1, 30 Abs. 3, 50 Abs. 3 HGB; unten Rdnr. 59) oder das hinzuerworbene Geschäft in eine Tochtergesellschaft einbringen oder beide Firmen vereinen (unten Rdnr. 50a). In Österreich wird die Rechtslage überwiegend ebenso beurteilt5.

1 BGHZ 62, 216, 219 = NJW 1974, 1191; BGHZ 64, 11, 14 = NJW 1975, 1106; BGHZ 92, 259, 268 = NJW 1985, 136; BGH, LM Nr. 79 zu § 164 BGB = NJW 1996, 2645 = GmbHR 1996, 764; BGH, NJW-RR 1995, 991; BGH, LM Nr. 13 zu § 4 GmbHG = NJW 1991, 2627; BGH, LM Nr. 79 zu § 164 BGB = NJW 1996, 2645; BGH, NJW 2007, 1525 Rdnr. 12 = GmbHR 2007, 593; OLG Naumburg, GmbHR 1997, 445; OLG Brandenburg, NZM 1999, 1097, 1098 f. = NJW-RR 1999, 1606. 2 BGH, LM Nr. 24 zu § 151 BGB (Bl. 2 R) = NJW 2000, 2984. 3 Ammon, DStR 1994, 325; Bokelmann, Firmen- und Geschäftsbezeichnungen, Rdnr. 391 ff.; Emmerich, in: Heymann, § 17 HGB Rdnr. 26; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 3; kritisch Wamser, Die Firmeneinheit, 1997. 4 BGHZ 64, 11, 17 = NJW 1975, 1106; BGHZ 67, 166 = NJW 1976, 2163; BayObLGZ 1970, 235, 237; BayObLGZ 1970, 243, 246; BayObLGZ 1992, 59 = AG 1992, 455 = NJW-RR 1992, 1052; OLG Hamm, OLGZ 1973, 406. 5 OGH, NZ 1965, 59; OLG Wien, NZ 1970, 68; 1972, 13; Koppensteiner, öGmbHG, § 5 Rdnr. 4, 18; großzügiger Wünsch, öGmbHG, § 5 Anm. 28; Wünsch, JBl. 1963, 237; OGH SZ 47 (1974) Nr. 90, S. 394, 403 = JBl. 1975, 151; OLG Graz, NJW 1962, 208.

Emmerich

215

§4

Firma

II. Grundsätze der Firmenbildung 1. Einleitung 7 a) Die bei der Firmenbildung der GmbH zu beachtenden Grundsätze ergeben sich gemäß § 13 Abs. 3 GmbHG und § 6 Abs. 1 HGB heute in erster Linie aus den §§ 18 und 30 HGB sowie aus einigen allgemeinen Grundsätzen, die mit der Namensfunktion der Firma zusammenhängen (§ 17 Abs. 1 HGB). Die Firma muss danach 1. zur Kennzeichnung der Gesellschaft geeignet sein und 2. Unterscheidungskraft besitzen (§ 18 Abs. 1 HGB; dazu unten Rdnr. 8 ff.). Sie darf außerdem 3. keine Angaben enthalten, die geeignet sind, über geschäftliche Verhältnisse irrezuführen, die für die angesprochenen Verkehrskreise wesentlich sind (so genanntes Täuschungs- oder Irreführungsverbot des § 18 Abs. 2 Satz 1 HGB; dazu unten Rdnr. 23 ff.). Sie muss 4. einen eindeutigen Rechtsformzusatz enthalten (s. § 4 und dazu unten Rdnr. 51 ff.). Nach § 30 Abs. 1 HGB muss sich eine neue Firma ferner 5. von allen an demselben Ort oder in derselben Gemeinde bereits bestehenden und in das Handelsregister oder in das Genossenschaftsregister eingetragenen Firmen deutlich unterscheiden. Die Firma darf schließlich 6. nicht gegen gesetzliche Verbote, die öffentliche Ordnung oder das Sittengesetz verstoßen (§§ 134 und 138 BGB) und muss 7. insgesamt Namensfunktion besitzen. Besonderheiten gelten 8. für fortgeführte oder abgeleitete Firmen auf Grund der §§ 21, 22 und 24 HGB i.V.m. §§ 4 und 13 Abs. 3 GmbHG (unten Rdnr. 46 ff.). 7a

b) § 4 GmbHG sowie die §§ 18 ff. HGB regeln allein das so genannte formelle Firmenrecht, worunter man die Gesamtheit der Bestimmungen versteht, die bei der Firmenbildung zu beachten sind (oben Rdnr. 7). Den Gegensatz bildet das materielle Firmenrecht, das seine Regelung in erster Linie in den §§ 5 und 15 MarkenG sowie ergänzend noch in § 12 BGB und § 5 UWG gefunden hat. Die Firma gehört danach zu den Unternehmenskennzeichen, die zusammen mit den Werktiteln die geschäftlichen Bezeichnungen bilden (§ 5 Abs. 2 Satz 1 MarkenG) und an denen dem Inhaber ein ausschließliches Recht zusteht (§ 15 Abs. 1 MarkenG). Der Schutz dieses ausschließlichen Rechts gegen Dritte richtet sich heute vorrangig nach § 15 MarkenG sowie ergänzend nach den §§ 12, 823 Abs. 1, 1004 BGB und § 3 UWG. Eine allgemeine Schranke für die Zulässigkeit von Firmen ergibt sich außerdem aus dem Irreführungsverbot des § 5 UWG, das sich heute nicht mehr voll mit § 18 Abs. 2 HGB deckt, sondern in einzelnen Beziehungen darüber hinausgeht.

2. Kennzeichnungseignung und Unterscheidungskraft 8 Wichtigste Zulässigkeitsvoraussetzung für eine Firma ist seit der Reform von 1998, dass die Firma zur Kennzeichnung des Kaufmanns geeignet ist und Unterscheidungskraft besitzt (§ 18 Abs. 1 HGB). Das Gesetz bringt damit zum Ausdruck, dass die Firma – als Name der Gesellschaft (§ 17 Abs. 1 HGB; s. Rdnr. 4 f.) – ihrer Art nach geeignet sein muss, die Gesellschaft zu individualisieren, d.h. mit den Mitteln der Sprache von anderen zu unterscheiden. Das gilt ohne Einschränkung auch für die GmbH (§ 13 Abs. 3 GmbHG i.V.m. § 6 Abs. 1 und § 18 Abs. 1 HGB).

216

Emmerich

§4

Firma

Aus der Namensfunktion der Firma war früher schon allgemein gefolgert wor- 9 den, dass jede Firma Kennzeichnungs- oder Unterscheidungskraft besitzen muss1. Damit sollte zum Ausdruck gebracht werden, dass die gewählte Bezeichnung etwas Besonderes oder Individuelles an sich haben muss, das sich bereits seiner Art nach dazu eignet, den Träger der Bezeichnung von anderen Personen zu unterscheiden2. An diese Tradition (oben Rdnr. 9) knüpft § 18 Abs. 1 HGB an, indem er be- 10 stimmt, dass die Firma gleichzeitig zur Kennzeichnung des Kaufmanns geeignet sein und Unterscheidungskraft besitzen muss. Das Gesetz stellt mithin jetzt Kennzeichnungseignung und Unterscheidungskraft als zwei selbständige Voraussetzungen für die Firmenbildung nebeneinander, während früher die Begriffe der Kennzeichnungseignung und Unterscheidungskraft wohl meistens synonym verwandt wurden. Daraus hat sich die Frage ergeben, wie sich beide Begriffe fortan zueinander verhalten3. Einigkeit besteht lediglich darüber, dass sie eng verwandt sind, so dass die Grenze zwischen ihnen fließend ist und es sich wohl eher um eine unterschiedliche Akzentsetzung handelt. Überwiegend wird die Abgrenzung derart vorgenommen, dass man bei der Kenn- 11 zeichnungseignung die Namensfunktion der Firma in den Vordergrund rückt, bei der Unterscheidungskraft dagegen ihre Individualisierungsfunktion. Gemeint ist damit Folgendes: Aus dem Erfordernis der Kennzeichnungseignung folgt, dass als Firma nur solche Zeichen geeignet sind, die im Verkehr überhaupt Namensfunktion besitzen, woraus, da sich Menschen bisher jedenfalls allein durch Sprache verständigen, vor allem die Notwendigkeit der Aussprechbarkeit oder Artikulierbarkeit der Firmen folgt, so dass sonstige Zeichen wie insbesondere bloße Bilder, unaussprechbare Kürzel, Computerzeichen und dergleichen mehr für die Verwendung als Firmen ausscheiden. Hinzu kommen muss nach § 18 Abs. 1 HGB noch, dass das fragliche Zeichen außerdem Unterscheidungskraft aufweist, d.h. seiner Art nach (generell) zur Individualisierung des Kaufmanns im Unterschied zu anderen Kaufleuten geeignet ist4. Zeichen ohne jede Individualisierungsfunktion scheiden m.a.W. als Firmen aus. Von diesem Verständnis des § 18 Abs. 1 HGB geht offenbar auch die Rechtsprechung aus, da der BGH im Jahr 2008 betont hat, dass mit der Kennzeichnungseignung in § 18 Abs. 1 HGB die Eignung einer Firma gemeint sei, überhaupt als Name eines Unternehmens im Rechtsverkehr zu fungieren, während eine Firma Unterscheidungskraft im Sinne des § 18 Abs. 1 HGB besitze, wenn sie ihrer Art nach geeignet sei, die Gesellschaft von anderen Unternehmen zu unterscheiden und damit zu individualisie-

1 S. Frhr. v. Gamm, WM 1985, 849, 853; Koppensteiner, Österreichisches und europäisches Wettbewerbsrecht, 1997, § 29 Rdnr. 36 (S. 609); Knaak, in: Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht in Deutschland Bd. II, 1991, S. 971, 988. 2 S. BGH, LM Nr. 10 zu § 5 MarkenG = NJW-RR 1997, 1402 = GRUR 1997, 845 – „ImmoData“; OGH, ÖBl. 1995, 126, 127; OGH, ÖBl. 1995, 219, 222; OGH, ÖBl. 1996, 143, 146 f. 3 S. Michalski, in: Michalski, Rdnr. 8; J. Mayer, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 22 ff.; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 9 ff. 4 BayObLG, GmbHR 2003, 1003, 1004 = NZG 2003, 1029 – „Profi-Handwerker“; OLG Frankfurt, AG 2005, 403, 404 – „Hessen-Nassauische Grundbesitz AG“; Kochendörfer, WRP 2009, 239.

Emmerich

217

§4

Firma

ren1. Zu beachten ist, dass von der abstrakt verstandenen Unterscheidungskraft die konkrete Unterscheidungskraft im Sinne des § 30 Abs. 1 HGB unterschieden werden muss, nach dem die Zulässigkeit jeder Firma zusätzlich davon abhängt, dass sie sich von allen an demselben Ort oder in derselben Gemeinde bereits bestehenden und in das Handelsregister oder in das Genossenschaftsregister eingetragenen Firmen deutlich unterscheidet.

3. Einzelfragen 12

a) Aus der Namensfunktion der Firma (§ 17 Abs. 1 HGB) und dem daraus abgeleiteten Erfordernis der Kennzeichnungseignung der gewählten Zeichen (§ 18 Abs. 1 HGB; s. Rdnr. 4, 11) folgt als erstes, dass die Firma allein aus den in Deutschland ausschließlich üblichen lateinischen Buchstaben bestehen darf2, verbunden lediglich mit den allgemein verständlichen, üblichen und aussprechbaren Satzzeichen3. Jede andere Schrift scheidet aus, weil sie in Deutschland nicht lesbar und aussprechbar ist. Chinesische, japanische oder arabische Schriftzeichen können daher in Deutschland nicht zur Bildung einer Firma verwandt werden4. Dasselbe gilt für bloße Bilder und sonstige Zeichen, weil sie nicht – als Name – lesbar und aussprechbar sind, so dass z.B. aus reinen Computerzeichen keine Firma gebildet werden kann5. Die Einzelheiten sind umstritten. Im Mittelpunkt des Interesses steht das bekannte @. Vielfach wird die Auffassung vertreten, wegen seiner Verbreitung und Üblichkeit sei dieses Zeichen (als „a“ oder „at“) verständlich und deshalb zur Firmenbildung geeignet6. Gerade die Mehrdeutigkeit des @-Zeichens spricht indessen gegen seine Eignung zur Firmenbildung; es ist weder verständlich noch aussprechbar noch hat es eine übliche Bedeutung, so dass es als Firmenbestandteil ungeeignet ist7.

13

b) Aus der Namensfunktion der Firma wurde früher überwiegend der Schluss gezogen, dass eine Firma grundsätzlich nur aus als solchen aussprechbaren Buchstabenkombinationen bestehen dürfe, weil nicht aussprechbare Zeichenfolgen weder Kennzeichnungseignung noch Unterscheidungskraft besäßen. Eine Ausnahme war lediglich für Buchstabenfolgen anerkannt, die wie etwa die Zeichen 1 BGH, NJW-RR 2007, 327 = NZG 2007, 192 = GmbHR 2007, 248, 249 Rdnr. 9 f. mit Anm. Lamsa – „HM & A“; ebenso KG, GmbHR 2008, 146 = Rpfleger 2008, 85 – „Autodienst Berlin Limited“. 2 Dazu gehört auch die sog. deutsche oder gotische Schrift, bei der es sich lediglich um eine Variante der lateinischen Schrift handelt (Bokelmann, Rdnr. 100 [S. 96]). 3 BayObLGZ 2001, 83, 84 = GmbHR 2001, 476 = NJW 2001, 2337, 2338 = NZG 2001, 608; Michalski, in: Michalski, Rdnr. 10. 4 BGH, NJW-RR 2007, 327 = NZG 2007, 192 = GmbHR 2007, 248, 249 Rdnr. 10. 5 BGH, NJW-RR 2007, 327 = NZG 2007, 192 = GmbHR 2007, 248, 249 Rdnr. 10; J. Mayer, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 28. 6 LG Berlin, GmbHR 2004, 428, 429 (m. zust. Komm. M. Thomas/D. Bergs) = NZG 2004, 532 = NJW-RR 2004, 835 = GRUR-RR 2004, 123; LG Cottbus, CR 2002, 135; Th. Beyerlein, WRP 2005, 582; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 19; Odersky, MittBayNot 2000, 533; Th. Wachter, Komm., GmbHR 2001, 477; Fr. Wagner, Anm., NZG 2001, 802. 7 BayObLGZ 2001, 83, 84 f. = NJW 2001, 2337, 2338 = GmbHG 2001, 476 = NZG 2001, 608; OLG Braunschweig, OLGR 2001, 31; Lutter/Welp, ZIP 1999, 1073, 1077; J. Mayer, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 29; D. Möller, DNotZ 2000, 830, 842.

218

Emmerich

§4

Firma

„VW“, „BMW“ oder „BASF“ Verkehrsgeltung besitzen1. An diesen Grundsätzen wird bisher im materiellen Zeichenrecht, d.h. im Rahmen der §§ 5 und 15 MarkenG sowie des § 12 BGB im Kern festgehalten, wenn auch Lockerungstendenzen hier ebenfalls unübersehbar sind2. Im Rahmen des § 18 Abs. 1 HGB ist dagegen mittlerweile auch vom BGH anerkannt, dass beliebigen Buchstabenkombinationen nicht grundsätzlich die Kennzeichnungseignung und Unterscheidungskraft abzusprechen ist, sofern sie aussprechbar oder artikulierbar sind, so dass sie zur Firmenbildung verwandt werden dürfen, immer vorbehaltlich der Vereinbarkeit mit dem Irreführungsverbot des § 18 Abs. 2 Satz 1 HGB. Gegen eine „ABC“-Firma bestehen danach heute im Grundsatz keine Bedenken mehr3. Verkehrsgeltung ist dafür, anders als früher, keine Voraussetzung mehr4. Eine Ausnahme gilt lediglich für eine sinnlose Aneinanderreihung von Buchstabenblöcken wie z.B. „AAAA …“, womit allein der Zweck verfolgt wird, in Adressbüchern und Firmenverzeichnissen nach Möglichkeit die erste Position einzunehmen5. Für Ziffern wird im Schrifttum dieselbe großzügige Behandlung empfohlen, so dass selbst Firmen, die aus einer bloßen Kombination von Buchstaben und Ziffern bestehen, keinen Bedenken mehr begegnen6. c) Ein noch nicht endgültig geklärtes Problem stellt die Verwendung fremd- 14 sprachlicher Begriffe in der Bildung deutscher Firmen dar. Im Schrifttum finden sich in diesem Zusammenhang zahlreiche, nur schwer nachvollziehbare Differenzierungen7, während in der Rechtsprechung offenbar die Bereitschaft wächst, fremdsprachliche Bezeichnungen, soweit sie nur Kennzeichnungseignung und Unterscheidungskraft besitzen, als Firmen einzutragen8. Dem ist zu folgen, soweit die fremdsprachliche Bezeichnung im deutschen Verkehr wie ein Phantasiewort wirkt. Soweit dagegen die fremdsprachlichen Begriffe wie z.B. „Software“ allgemein verständlich sind, sollten sie ebenso wie deutsche Begriffe behandelt werden, so dass z.B. fremdsprachliche Gattungsbezeichnungen genauso wie deutsche von der Firmenbildung ausgeschlossen sind9. 1 BGHZ 14, 155, 160 = NJW 1954, 1681 – „Farina“; KG, JW 1930, 1742; BayObLGZ 1967, 272, 274. 2 BGHZ 145, 279, 280 ff. = NJW 2001, 1868 – „DB Immobilienfonds“; G. Plaß, WRP 2001, 661. 3 BGH, NJW-RR 2009, 327 Rdnr. 5, 9 f. = NZG 2009, 192 = GmbHR 2009, 249 – „HM&A“; OLG Hamm, OLGR 2008, 351 = GmbHR 2008, 707; OLG Frankfurt a.M., OLGR 1998, 381; OLG Frankfurt a.M., Rpfleger 2002, 365 = GmbHR 2002, 647; OLG Köln, MMR 2000, 161; OLG München, GmbHR 2010, 1153 – „TXXX Constructions GmbH“; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 15 ff.; Lutter/Welp, ZIP 1999, 1073, 1077 f.; Michalski, in: Michalski, Rdnr. 24–28; J. Mayer, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 29; D. Möller, DNotZ 2000, 830, 831; Schulenburg, NZG 2000, 1156. 4 BGH, NJW-RR 2009, 327 Rdnr. 13 = NZG 2009, 192 = GmbHR 2009, 249 – „HM&A“. 5 OLG Celle, NJW-RR 1999, 543 = GmbHR 1999, 412 = BB 1999, 40 – „AAA“; OLG Frankfurt, GmbHR 2002, 647 = Rpfleger 2002, 365 f. – „A.A.A. …“; wohl auch KG, NJW-RR 2001, 173. 6 So Michalski, in: Michalski, Rdnr. 29; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 17; Lutter/ Welp, ZIP 1999, 1073, 1078; J. Mayer, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 27; SchmidtLeithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 15, 18. 7 S. im Einzelnen Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 12; Lutter/Welp, ZIP 1999, 1073, 1075; Michalski, in: Michalski, Rdnr. 20–22. 8 LG Darmstadt, GmbHR 1999, 482, 483 – „Printware supplies“. 9 S. unten Rdnr. 17, 19 f.; J. Mayer, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 43.

Emmerich

219

§4

Firma

III. Sachfirma 15

Ebenso wie früher kommen heute neben Personen- und Phantasiefirmen wohl in erster Linie Sachfirmen für eine GmbH in Betracht (§ 4 und § 13 Abs. 3 GmbHG i.V.m. den §§ 6 Abs. 1 und 18 Abs. 1 HGB). Jedoch sind seit 1998 die strengen Anforderungen an die Bildung derartiger Firmen entfallen, die früher überwiegend aus dem Entlehnungsgebot des § 4 Abs. 1 Satz 1 GmbHG a.F. hergeleitet wurden (unten Rdnr. 16 ff.). Deshalb besteht im Ergebnis Übereinstimmung darüber, dass jedenfalls sämtliche bereits nach dem früheren strengeren Recht zulässigen Sachfirmen heute (erst recht) nach dem neuen großzügigeren Firmenrecht erlaubt sind (Rdnr. 18).

1. Rechtszustand vor dem Handelsrechtsreformgesetz 16

Nach früherem Recht (§ 4 Abs. 1 Satz 1 GmbHG a.F.) musste die Sachfirma „von dem Gegenstand des Unternehmens entlehnt sein“. Gemeint war damit der satzungsmäßige Gegenstand der Gesellschaft im Sinne des § 3 Abs. 1 Nr. 21. Diesem Gegenstand war die Firma (nur) „entlehnt“, wenn sie den Gegenstand „im Wesentlichen“ für die angesprochenen Verkehrskreise erkennbar machte2. Der Gegenstand der Gesellschaft musste folglich in der Firma zwar nicht genau, vollständig und umfassend wiedergegeben, aber doch im Kern zutreffend charakterisiert werden, wozu bei einem Unternehmen mit breitem Tätigkeitsbereich auch eine zusammenfassende, schlagwortartige Bezeichnung genügen konnte3.

17

Bei der Frage, ob die Firma den Unternehmensgegenstand im Wesentlichen erkennbar machte, war von den Verständnismöglichkeiten der angesprochenen Verkehrskreise auszugehen. Wandte sich die Firma in erster Linie an Fachleute, so genügte es, wenn sie für diese, nicht aber möglicherweise für die Allgemeinheit den Gegenstand der Gesellschaft erkennen ließ4. Außerdem waren etwaige Verkehrssitten zu berücksichtigen, die für den Verkehr den Sinngehalt von Begriffen prägen. Fremdsprachliche Bezeichnungen konnten ebenfalls verwandt werden, sofern sie nur für die angesprochenen Verkehrskreise verständlich sind5.

1 BayObLGZ 1989, 44 = GmbHR 1989, 291 – „Treuhand“; BayObLGZ 1997, 187, 189 = NJW-RR 1998, 40 = GmbHR 1997, 1063 – „Das Bad“. 2 Ammon, DStR 1994, 325, 326. 3 BayObLGZ 1988, 194 = NJW 1988, 2480 = AG 1989, 98; BayObLGZ 1989, 44 = GmbHR 1989, 291 = NJW-RR 1989, 867 – „Treuhand“; zusammenfassend BayObLGZ 1997, 187, 189 = GmbHR 1997, 1063 = NJW-RR 1998, 40 – „Das Bad“; sehr großzügig BGH, LM Nr. 10 zu § 4 GmbHG = NJW 1982, 2446 – „Schwarzwälder Bauernspezialitäten“. 4 OLG Stuttgart, OLGZ 1974, 337, 338 für die Firma „Concordia Fluidtechnik“. 5 S. oben Rdnr. 14; BayObLGZ 1977, 112, 116 – „Telepromotion“; OLG Frankfurt a.M., OLGZ 1979, 392, 393 – „Food und Nonfood“; OLG Zweibrücken, OLGZ 1981, 394, 396 – „Tabak Crew“; OLG Stuttgart, OLGZ 1974, 337, 338 – „Fluidtechnik“; OLG Karlsruhe, OLGE 43, 324 – „Frumentum“; OGH, ÖBl. 1984, 158 = HS 14.266 – „Consulting Engineer“; OGH, ÖBl. 1986, 69 = HS 16.222 – „H. analytical“; OGH, NZ 1987, 185 = HS 16.223 – „Combustion Engineering“.

220

Emmerich

§4

Firma

2. Rechtszustand seit dem Handelsrechtsreformgesetz a) Soweit eine Sachfirma nach dem Gesagten (oben Rdnr. 16 f.) bereits nach früherem Recht zulässig war, ist sie dies (erst recht) auch heute (oben Rdnr. 15). Daraus folgt z.B., dass es auf jeden Fall genügt, wenn eine Sachfirma den Geschäftszweig der Gesellschaft zutreffend erkennen lässt, während nicht erforderlich ist, dass aus der Firma außerdem die Betriebsart oder Betriebstätigkeit erkennbar wird. Die Firma muss insbesondere keine Aussage darüber enthalten, ob sich das betreffende Unternehmen in der Herstellung oder im Handel mit den Produkten betätigt1.

18

b) Streitig geworden ist unter dem neuen Recht vor allem die Zulässigkeit reiner 18a Branchen- oder Gattungsbezeichnungen als Firma. Unter dem früheren Recht wurde ihre Zulässigkeit überwiegend verneint, weil derartige Firmen keine Unterscheidungskraft aufweisen. Beispiele waren Firmen wie „Handelsgesellschaft mbH“2, „Kaufhof GmbH“ für ein Schuhwarengeschäft3, „Transportbeton GmbH“4, „Staplervermietungs GmbH“5, „Mineralölvertrieb GmbH“6 oder „Gebäudereinigungs GmbH“7. Eine andere Beurteilung war nur möglich, wenn der Branchen- oder Gattungsbezeichnung individualisierende Zusätze hinzugefügt wurden, wofür in erster Linie Buchstabenkombinationen, Phantasiebezeichnungen oder gelegentlich auch Ortsnamen in Betracht kamen. Als zulässig wurden hiernach z.B. angesehen die Firmen „inter-handel-GmbH“8 und „das Bad … alles aus einer Hand GmbH“9. Ob an diesen Grundsätzen heute noch in jeder Hinsicht festzuhalten ist, ist of- 18b fen. Zum Teil wird die Auffassung vertreten, nach neuem Firmenrecht müssten auch Gattungsbezeichnungen als Firmen zugelassen werden, weil dadurch andere Unternehmen nicht daran gehindert würden, ihrerseits dieselben Gattungsbegriffe, wenn auch in Verbindung mit einem unterscheidungskräftigen Zusatz, als Firmen zu verwenden10. Nach überwiegender Meinung dürfen dagegen reine Gattungs- und Branchenbezeichnungen auch weiterhin nicht als Sachfirmen ins Handelsregister eingetragen werden, einmal mangels Unterscheidungskraft, zum andern mit Rücksicht auf das nötige Freihaltebedürfnis des Verkehrs, da solche Begriffe, auf die der Verkehr angewiesen ist, nicht für einzelne Unternehmen auf dem Weg über ihre Eintragung ins Handelsregister monopolisiert werden dürfen (s. § 15 Abs. 1 MarkenG)11. Davon geht auch die Rechtsprechung aus,

1 So schon BGH, LM Nr. 10 zu § 4 GmbHG = NJW 1982, 2464; BayObLGZ 1988, 194 = AG 1989, 98 = NJW 1988, 2480; BayObLGZ 1997, 187, 190 = GmbHR 1997, 1063; OLG Zweibrücken, OLGZ 1981, 394, 395; Ammon, DStR 1994, 325, 327. 2 KG, OLGE 43, 278 f. 3 KG, GmbH Rspr. IV, § 3 R. 23. 4 OLG Hamm, GmbHR 1961, 163. 5 OLG Düsseldorf, BB 1971 Beil. Nr. 9, 15. 6 LG Hannover, BB 1969, Beil. 10, 14. 7 LG Aachen, BB 1971, Beil. 9, 15. 8 BayObLGZ 1972, 388. 9 BayObLGZ 1997, 187 = GmbHR 1997, 1063 = NJW-RR 1998, 40. 10 Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 15. 11 Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 6; Bokelmann, Rdnr. 506 ff. (S. 305 ff.); St. Kögel, BB 1998, 1645; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 10; Lutter/Welp, ZIP

Emmerich

221

§4

Firma

wobei festzustellen ist, dass die Anforderungen an die individualisierenden Zusätze offenbar – im Zuge der fortschreitenden Liberalisierung des Firmenrechts – immer weiter herabgesetzt werden1. Denn während Firmen wie „Profi-Handwerker GmbH“2 oder „Hessen-Nassauische Grundbesitz AG“3 und zuletzt auch „Zahnarztpraxis GmbH“4, „Camping-Akademie“5 und „Outlets.de GmbH“6 als unzulässig angesehen wurden, wurde in jüngerer Zeit für die Firmen „Autodienst Berlin Limited“7 oder „Hausverwaltung Rhein-Main“8 anders entschieden. Branchen- oder Gattungsbezeichnungen können ferner dann als Firmen verwandt werden, wenn die Firma Verkehrsgeltung besitzt, d.h. auch als bloße Branchenbezeichnung in dem betroffenen Wirtschaftsraum als Herkunftshinweis auf ein bestimmtes Unternehmen verstanden wird9, sowie dann, wenn die gewählte Bezeichnung, obwohl dem Gegenstand des Unternehmens entlehnt, letztlich als (zulässige) Phantasiebezeichnung erscheint10 oder ausnahmsweise wegen ihres speziellen Zuschnitts zur Individualisierung geeignet ist. 18c

c) Aus dem Irreführungsverbot des § 18 Abs. 2 HGB folgt außerdem, dass die Angaben auch zutreffen müssen, wenn die Sachfirma Angaben über den Gegenstand des betreffenden Unternehmens enthält. Zu beachten bleibt aber die grundsätzliche Zulässigkeit von Phantasiefirmen. Nichtssagende Wortschöpfungen sind daher unbedenklich, selbst wenn sie in einem entfernten Zusammenhang mit dem Unternehmensgegenstand stehen11. Zweifelhaft ist die Rechtslage dagegen, wenn die aus dem Unternehmensgegenstand abgeleitete Firma mehrdeutig ist, d.h. auf verschiedene Unternehmensgegenstände hindeuten kann. Nach dem BayObLG bestehen freilich auch dann keine Bedenken gegen die Firmenbildung, weil mehrdeutige Bezeichnungen Phantasiebezeichnungen gleichständen12.

18d d) Besonderheiten gelten bei einer nachträglichen Änderung des Unternehmensgegenstandes. Ist die Folge, dass die dem alten Gegenstand der Gesellschaft entlehnte Sachfirma fortan nicht mehr zutrifft, so ist früher vielfach angenommen worden, die Sachfirma werde nachträglich unzulässig. Dabei war jedoch über-

1

2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12

1999, 1073, 1074 f.; Michalski, in: Michalski, Rdnr. 18; Müther, GmbHR 1998, 1058, 1059; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 27 f. BayObLGZ 1999, 114, 117 = NJW-RR 2000, 111 = NZG 1999, 761 – „Meditec“; BayObLG, GmbHR 2003, 1003, 1004 = NZG 2003, 1029 – „Profi-Handwerker“; OLG Frankfurt a.M., AG 2005, 403 – „Hessen-Nassauische Grundbesitz AG“; KG, GmbHR 2008, 146 = Rpfleger 2008, 85 – „Autodienst Berlin Limited“; OLG Frankfurt a.M., GmbHR 2009, 214, 216 – „Hausverwaltung Rhein-Main“. BayObLGZ 1999, 114, 117 = NJW-RR 2000, 111 = NZG 1999, 761 – „Meditec“; BayObLG, GmbHR 2003, 1003, 1004 = NZG 2003, 1029 – „Profi-Handwerker“. OLG Frankfurt a.M., AG 2005, 403 f. OLG München, GmbHR 2010, 1156, 1157. OLG Rostock, GmbHR 2011, 829, 831. OLG Frankfurt a.M., GmbHR 2011, 202. KG, GmbHR 2008, 146 = Rpfleger 2008, 85. OLG Frankfurt a.M., GmbHR 2009, 214, 216. BayObLG, GmbHR 2003, 1003, 1004 = NZG 2003, 1029. BayObLGZ 1999, 114, 116 f. = NJW-RR 2000, 111 = NZG 1999, 761 – „Meditec“; OLG Saarbrücken, NJWE-WettbR 1998, 258 f. – „Floratec“; s. aber unten Rdnr. 21. So OLG Saarbrücken, NJWE-WettbR 1999, 258 f. für die Firma „Floratec“. BayObLGZ 1999, 114, 116 f. = NJW-RR 2000, 111 = NZG 1999, 761 für den Firmenbestandteil „Meditec“; dagegen D. Möller, DNotZ 2000, 830, 836 f.

222

Emmerich

§4

Firma

sehen worden, dass es für die Anwendung des § 399 FamFG allein auf die Nichtigkeit des Gesellschaftsvertrages wegen eines etwaigen Verstoßes gegen den § 4 ankommt, an der es hier fehlt, weil sich die Nichtigkeit eines Vertrages nur nach den Verhältnissen bei seinem Abschluss beurteilt1. Unabhängig davon ist jedoch die registerrechtliche Beurteilung der jetzt täuschenden Firma (§ 18 Abs. 2 Satz 1 HGB)2. Die Folge ist, dass das Registergericht gegen nachträglich täuschend gewordene Sachfirmen immer noch nach § 37 HGB (i.V.m. § 393 FamFG) oder nach § 395 FamFG einschreiten kann3. Anwendbar bleibt außerdem in jedem Fall § 5 UWG.

3. Änderung Die Änderung der Sachfirma mit Rücksicht auf eine Veränderung des Gegen- 19 standes der Gesellschaft beurteilt sich allein nach § 53. Rechtlich gesehen, handelt es sich dabei um eine Neubildung der Firma nach § 4 GmbHG und § 18 HGB, so dass es auf die Zulässigkeit oder Unzulässigkeit der alten Firma fortan nicht mehr ankommt; maßgeblich ist vielmehr allein, ob die neue Firma den Anforderungen des § 18 HGB und des § 4 GmbHG entspricht4.

IV. Irreführungsverbot (§ 18 Abs. 2 HGB) Das Irreführungsverbot des § 18 Abs. 2 Satz 1 HGB gilt auch für die Firma der 20 GmbH (§ 13 Abs. 3 GmbHG i.V.m. § 6 Abs. 1 HGB). Die wie immer gebildete Firma der Gesellschaft darf folglich keine Angaben enthalten, die geeignet sind, über geschäftliche Verhältnisse, die für die angesprochenen Verkehrskreise wesentlich sind, irrezuführen. Sach-, Personen- und Phantasiefirmen machen insoweit keinen Unterschied. Naturgemäß hat aber das Irreführungsverbot bei Sachfirmen die größte Bedeutung. Deshalb mag der Fragenkreis schwerpunktmäßig im vorliegenden Zusammenhang behandelt werden. Zu beachten ist, dass neben § 18 HGB immer auch das Irreführungsverbot des materiellen Firmenrechts aus § 5 UWG anwendbar bleibt, das jedoch im Eintragungsverfahren mit seinen weitergehenden Anforderungen an die Firmenbildung grundsätzlich nicht berücksichtigt wird.

1. Verfahren Die Eignung einer Firma zur Irreführung wird im Verfahren vor dem Registerge- 21 richt nur berücksichtigt, wenn sie „ersichtlich“ ist (§ 18 Abs. 2 Satz 2 HGB im Anschluss an § 37 Abs. 3 MarkenG). Durch diese Vorschrift soll die Ermittlungspflicht des Registergerichts gegenüber § 26 FamFG eingeschränkt werden, um die Registergerichte zu entlasten. Im Eintragungsverfahren wird daher heute ein mög-

1 BayObLGZ 1979, 207, 208 = GmbHR 1980, 11; BayObLGZ 1983, 310, 311; BayObLGZ 1984, 129, 131; BayObLGZ 1988, 194 = NJW 1988, 2480 = AG 1989, 98; str. 2 Vgl. BGHZ 10, 196, 201 = NJW 1953, 1348 – „Dun-Europa“; BayObLGZ 1975, 332, 335. 3 S. unten Rdnr. 64 ff.; BayObLGZ 1979, 207, 210 = GmbHR 1980, 11; BayObLGZ 1988, 194 = NJW 1988, 2480 = AG 1989, 98; OLG Frankfurt a.M., OLGZ 1979, 318, 321. 4 BayObLGZ 1983, 310, 311; BayObLGZ 1984, 129, 131; KG, GmbHR 1991, 318 = NJWRR 1991, 859.

Emmerich

223

§4

Firma

licher Verstoß der angemeldeten Firma gegen das Irreführungsverbot des § 18 Abs. 2 Satz 1 HGB nur noch berücksichtigt, wenn er ohne weiteres aus den Akten und den sonstigen Umständen ersichtlich, d.h. erkennbar ist. Sobald aber der Verdacht eines Verstoßes gegen das Irreführungsverbot besteht, bleibt es bei der umfassenden Prüfungspflicht des Registergerichts im Rahmen des § 26 FamFG1.

2. Eignung zur Irreführung 22

Nach § 18 Abs. 2 Satz 1 HGB darf die Firma keine Angaben enthalten, die geeignet sind, über geschäftliche Verhältnisse, die für die angesprochenen Verkehrskreise wesentlich sind, irrezuführen. Der Begriff der geschäftlichen Verhältnisse ist hier ebensoweit wie die Beispiele in § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1–7 UWG zu verstehen. Gemeint sind damit folglich im Grunde sämtliche Umstände, die irgendwie eine gewerbliche Tätigkeit im Wettbewerb zu fördern vermögen, wobei im vorliegenden Zusammenhang insbesondere an die Größe, den Sitz und den Gegenstand des Unternehmens der Gesellschaft zu denken ist.

22a

Das Irreführungsverbot (§ 18 Abs. 2 Satz 1 HGB) greift ein, wenn die fraglichen Angaben über geschäftliche Verhältnisse (oben Rdnr. 22) in der Firma für die angesprochenen Verkehrskreise wesentlich und zu ihrer Irreführung geeignet sind. Mit den angesprochenen Verkehrskreisen meint das Gesetz die Adressaten der Firma, entweder das allgemeine Publikum oder engere Verkehrskreise wie z.B. Fachleute. Werden wie in der Mehrzahl der Fälle allgemein die Verbraucher angesprochen, so ist heute bei der Prüfung der Irreführungsgefahr im Rahmen des § 18 Abs. 2 HGB nicht mehr wie früher auf ein mögliches Missverständnis durch einen nicht völlig unerheblichen Teil der Verbraucher abzustellen, sondern auf das Verständnis eines durchschnittlich verständigen und informierten Verbrauchers2 – entsprechend dem neuen Verbraucherleitbild, das sich im Anschluss an die Rechtsprechung des EuGH im UWG und MarkenG durchgesetzt hat (Stichwort: „situationsadäquate Aufmerksamkeit des Durchschnittsverbrauchers“)3. Hinzu kommen muss noch, dass die fraglichen, grundsätzlich zur Irreführung geeigneten Angaben für die angesprochenen Verkehrskreise auch wesentlich, d.h. relevant und nicht nur nebensächlich sind4. Soweit § 5 UWG demgegenüber strengere Anforderungen an eine Firma stellen sollte, bleibt es den Konkurrenten überlassen, gegen die Firma vorzugehen (§§ 5, 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG).

3. Beispiele 23

Wie schon ausgeführt (Rdnr. 18), folgt aus dem Irreführungsverbot bei Wahl einer Sachfirma durch die Gesellschafter richtiger Meinung nach, dass die Sachfir1 BayObLGZ 1999, 114, 116 = NJW-RR 2000, 111 = NZG 1999, 761 – „Medictec“; OLG Stuttgart, NJW-RR 2001, 755, 756 – „Grobraster“; J. Mayer, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 58 ff. 2 OLG Stuttgart, NJW-RR 2001, 755, 756; OLG Düsseldorf, NJW-RR 2002, 472; OLG Jena, GmbHR 2010, 1094; LG Passau, Rpfleger 2000, 397; LG Passau, MittBayNot 2002, 397; J. Mayer, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 56; Michalski, in: Michalski, Rdnr. 49 f. 3 BGH, LM Nr. 429 zu § 3 UWG (Bl. 3 R f.) = NJW-RR 2000, 1490 – „Orientteppichmuster“. 4 BayObLGZ 1999, 114, 116 = NJW-RR 2000, 111 = NZG 1999, 761.

224

Emmerich

§4

Firma

ma den Kern des Unternehmensgegenstandes im Wesentlichen zutreffend wiedergeben muss, dass sich aus der Firma jedoch nicht zu ergeben braucht, ob sich das Unternehmen in der betreffenden Branche auf der Stufe der Herstellung oder des Handels betätigt1. Jedoch bleibt es bei der Anwendbarkeit des § 18 Abs. 2 Satz 1 HGB, wenn die Sachfirma z.B. den irrtümlichen Eindruck erweckt, die Gesellschaft stelle die fraglichen Produkte selbst her, während sie sich tatsächlich auf den Handel damit beschränkt. Ebenso wenig darf z.B. ein Finanzvermittler durch entsprechende Firmenbildung den Eindruck erwecken, er gewähre selbst Kredite und betätige sich damit ebenso wie ein Kreditinstitut2. Die Firma darf ferner keinen falschen Eindruck über das Alter oder die Größe des Unternehmens der Gesellschaft hervorrufen (§ 18 Abs. 2 Satz 1 HGB). In der früheren Praxis wurden daraus verhältnismäßig enge Grenzen für die Zulässigkeit von Firmenzusätzen wie „Zentrale, Fabrik, Werk und Industrie“ hergeleitet3. Auch hier setzt sich jedoch fortschreitend eine großzügigere Beurteilung als früher durch, nicht zuletzt wegen der Inflationierung solcher Zusätze4.

23a

4. Rechtsformzusatz Das Irreführungsverbot des § 18 Abs. 2 Satz 1 HGB gilt für die gesamte Firma 24 einschließlich des Rechtsformzusatzes (§ 4 GmbHG; § 19 HGB). In die Firma der Gesellschaft dürfen deshalb keine Angaben aufgenommen werden, die zur Täuschung der angesprochenen Verkehrskreise über die Rechtsform der Gesellschaft geeignet sind5. Daraus folgt vor allem das Verbot von Bezeichnungen, die auf die Buchstaben „ag“ oder „AG“ enden, weil dadurch der Anschein einer Aktiengesellschaft begründet werden kann6. Die Zusätze „Partnerschaft“7 oder „und Partner“ (in welcher Schreibweise auch immer) sind außerdem nach § 11 Abs. 1 Satz 1 PartGG Partnerschaften im Sinne des genannten Gesetzes vorbehalten, so dass sie nicht von anderen Gesellschaften und daher auch nicht von einer GmbH geführt werden dürfen8. Dasselbe gilt für das Wort „Partner“ allein, vorausgesetzt, dass das Wort in der Firma den Eindruck eines Rechts1 2 3 4

5

6 7

8

Im Einzelnen str., s. z.B. J. Mayer, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 83 ff. Bokelmann, GmbHR 1998, 57, 62. S. im Einzelnen Emmerich, in: Heymann, § 18 HGB Rdnr. 40 f. S. Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 29; Lutter/Welp, ZIP 1999, 1073, 1079 f.; J. Mayer, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 85 f.; Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 17; anders weiterhin Schulte/Warnke, GmbHR 2002, 626, 630. Emmerich, in: Heymann, § 18 HGB Rdnr. 26 f.; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 33; Michalski, in: Michalski, Rdnr. 47; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 47, 49, 51. BGHZ 22, 88, 90 = NJW 1956, 1873 – „Indrohag“; BayObLG, BB 1979, 1465 – „Trebag“; BayObLG, MDR 1982, 940 – „BAG“. Nach dem RefE des BMJ eines Gesetzes zur Einführung einer Parnerschaftsgesellschaft mit beschränkter Berufshaftung … (Stand 15.2.2012) sollen diese Gesellschaften den Zusatz „mit beschränkter Berufshaftung“ oder eine allgemeinverständliche Abkürzung dieser Bezeichnung führen. BGH, LM Nr. 1 zu § 2 PartGG = NJW 1997, 1854; OLG Karlsruhe, NJW 1998, 1160; OLG Stuttgart, ZIP 2000, 1108 = Rpfleger 2000, 336 = GmbHR 2000, 875 (nur Leitsatz); OLG München, NJW-RR 2007, 761 = GmbHR 2007, 266 mit Anm. R. Wolf, GmbHR 2007, 1032; OLG Düsseldorf, GmbHR 2010, 38; D. Möller, DNotZ 2000, 830, 837 f.; zum Übergangsrecht (§ 11 Abs. 1 Satz 2, 3 PartGG) s. BayObLG, GmbHR 2003, 475.

Emmerich

225

§4

Firma

formzusatzes hervorruft, so dass eine andere Beurteilung in Betracht kommt, wenn das Wort mit einem anderen Wort verbunden wird, sofern dadurch dem Eindruck eines Rechtsformzusatzes entgegengewirkt wird1. – Eine etwaige Kombination von Rechtsformzusätzen darf gleichfalls nicht täuschend wirken; diese Gefahr droht vor allem bei der Verbindung des GmbH-Zusatzes mit dem Zusatz „& Co.“, freilich nur, wenn nach dem Gesamtbild der Firma infolgedessen bei den angesprochenen Verkehrskreisen der Eindruck entstehen kann, es handele sich um eine KG2. Jenseits dieser fortgeltenden Regeln sind jedoch auch hier Auflockerungstendenzen unübersehbar3. So gilt z.B. neuerdings der Zusatz „genossenschaftlich“ unter bestimmten Voraussetzungen bei einer GmbH als unbedenklich4, während der Zusatz „Institut“ ohne Zusatz nach wie vor auf eine öffentliche oder unter öffentlicher Aufsicht stehende, der Allgemeinheit und der Wissenschaft dienende Einrichtung mit wissenschaftlich geschultem Personal hinweisen soll5. Der Zusatz „gemeinnützig“, auch in der Form „gGmbH“, ist schließlich nur zulässig, wenn die Gesellschaft die nach § 52 AO erforderliche Anerkennung des Finanzamts besitzt6.

5. Geographische Zusätze 25

Geographische Zusätze7 erfreuen sich nach wie vor großer Beliebtheit bei der Bildung einer Firma. Ihre Zulässigkeit ist unter dem neuen Rechtszustand noch nicht endgültig geklärt. Der Grund liegt einmal in dem ständigen Bedeutungswandel, dem derartige Zusätze unterworfen sind, zum anderen in der mit der Handelsrechtsreform von 1998 angestrebten Liberalisierung des Firmenrechts, deren Auswirkungen auf die Zulässigkeit geographischer Zusätze noch nicht geklärt sind. Unter dem früheren Rechtszustand ging man zuletzt überwiegend davon aus, dass derartige Zusätze in erster Linie auf den Sitz und den Tätigkeitsbereich der Gesellschaft hinweisen, häufig aber auch eine weiter gehende Bedeutung haben, indem sie für das fragliche Unternehmen eine herausragende oder doch zumindest führende Stellung in dem fraglichen Gebiet in Anspruch nehmen. Für Zusätze wie „deutsch“ oder „österreichisch“ herrschte dementsprechend zuletzt die Auffassung vor, das betreffende Unternehmen müsse nach Ausstattung und Umsatz auf den deutschen oder österreichischen Markt zugeschnitten sein8. Ähnlich wurden meistens Zusätze wie „Europa“, „Euro“ oder 1 OLG München, NJW-RR 2007, 761 = GmbHR 2007, 266 mit Anm. R. Wolf, GmbHR 2007, 1032 – „GV-Parner“; OLG Düsseldorf, GmbHR 2010, 38; kritisch J. Mayer, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 65 f. 2 S. LG Bremen, GmbHR 2004, 186: zulässig danach die Firmierung „X & Co. GmbH“; zum Rechtsformzusatz s. im Übrigen unten Rdnr. 51–52a. 3 Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 21. 4 OLG Frankfurt a.M., BB 1992, 2541 gegen KG, OLGE 40, 93. 5 OLG Frankfurt a.M., NJW-RR 2002, 459; s. Emmerich, in: Heymann, § 18 HGB Rdnr. 34; Bokelmann, Rdnr. 259 ff. (S. 189 ff.); wesentlich großzügiger für „Bürgerzentrum“ jedoch OLG Naumburg, GmbHR 1998, 236, 238. 6 OLG München, GmbHR 2010, 267; J. Mayer in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 71. 7 S. im Einzelnen Ammon/Ries, in: Röhricht/Graf von Westphalen, § 18 HGB Rdnr. 65–73; Bokelmann, Rdnr. 124 ff. (S. 109 ff.); St. Kögel, GmbHR 2002, 642; J. Mayer, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 96–104; D. Möller, DNotZ 2000, 830, 834 f. 8 OGH SZ Bd. 73 (2000) Nr. 12, S. 61, 62 = JBl. 2000, 384 = AG 2000, 154 – „Energie AG Oberösterreich“.

226

Emmerich

§4

Firma

„international“ behandelt1. Maßgebend waren jedoch letztlich die Umstände des Einzelfalls. In der jüngeren Praxis sind auch insoweit Auflockerungstendenzen festzustel- 26 len2. Ein Ortszusatz soll z.B. bereits zulässig sein, sofern nur die Gesellschaft überhaupt ihren Sitz in der fraglichen Region hat, während es auf den Sitz in der betreffenden Gemeinde oder in einer Nachbargemeinde nicht ankommt3. Eine Frage des Einzelfalles soll es jetzt ferner sein, ob mit dem geographischen Zusatz zugleich eine besondere Größe oder Bedeutung des Unternehmens in Anspruch genommen wird4. Erforderlich ist aber auf jeden Fall, dass die Tätigkeit des betreffenden Unternehmens einen realen Bezug zu dem in der Firma angegebenen Gebiet aufweist, dass die Tätigkeit m.a.W. auf das Gebiet zugeschnitten ist, das in der Firma in Bezug genommen wird5. Weitergehende Anforderungen bestehen für Zusätze wie „Europa“, „Europäisch“ oder „European“ dagegen in der Regel nicht mehr; insbesondere ist nicht eine besondere Größe oder Bedeutung des Unternehmens erforderlich6, während für den Zusatz „deutsch“ nach wie vor ein auf Deutschland als ganzes zugeschnittenes Unternehmen mit entsprechender Größe und Aufgabenstellung gefordert wird7. Für den Zusatz „International“ wird es schließlich heute wegen der Inflationierung derartiger Zusätze als ausreichend angesehen, wenn sich das Unternehmen überhaupt „international“, d.h. grenzüberschreitend betätigt8.

V. Personenfirma 1. Überblick An Stelle einer Sachfirma (oben Rdnr. 15 ff.) können die Gesellschafter ebenso 27 wie früher auch eine Personenfirma wählen. Für diesen Fall bestimmte § 4 Abs. 1 Satz 1 a.F., dass die Firma die Namen der Gesellschafter oder die Namen wenigstens eines Gesellschafters mit einem das Vorhandensein eines Gesellschaftsverhältnisses andeutenden Zusatz enthalten musste; die Namen anderer

1 S. im Einzelnen Emmerich, in: Heymann, § 18 HGB Rdnr. 44–48; St. Kögel, GmbHR 2002, 642. 2 OLG Stuttgart, NJW-RR 2001, 755, 756 f. = DB 2001, 697 = Rpfleger 2001, 186; LG Heilbronn, Rpfleger 2002, 158; zustimmend J. Mayer, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 98 ff.; kritisch dazu St. Kögel, GmbHR 2002, 642; offen gelassen aber in OLG Frankfurt a.M., AG 2005, 403, 404 – „Hessen-Nassauische Grundbesitz AG“. 3 OLG Stuttgart, NJW-RR 2001, 755, 756 f. = DB 2001, 697 = Rpfleger 2001, 186. 4 OLG Stuttgart, NJW-RR 2001, 755, 757 = DB 2001, 697 = Rpfleger 2001, 186; OLG Hamm, OLGR 1999, 343 = NZG 1999, 994 = DB 1999, 2002 = DNotZ 1999, 482 = NJWRR 1999, 1710 = GmbHR 1999, 1254 (nur Leitsatz); verneint für „Bietigheimer M. GmbH“ von LG Heilbronn, Rpfleger 2002, 158; offen gelassen in OLG Frankfurt a.M., AG 2005, 403, 404. 5 J. Mayer, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 97; verneint für „Hessen-Nassauische Grundbesitz AG“ in OLG Frankfurt a.M., AG 2005, 403, 404. 6 OLG Hamm, OLGR 1999, 343 = NZG 1999, 994 = DB 1999, 2002 = DNotZ 1999, 482 = NJW-RR 1999, 1710 = GmbHR 1999, 1254 (nur Leitsatz). 7 KG, NJWE-WettbR 2000, 33, 34 = GRUR 1999, 1039; J. Mayer, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 102. 8 LG Darmstadt, GmbHR 1999, 482, 483; LG Stuttgart, BB 2000, 1213.

Emmerich

227

§4

Firma

Personen als der Gesellschafter durften dagegen in die Firma nicht aufgenommen werden (s. im Einzelnen unten Rdnr. 28 f.). 28

Die geschilderte Regelung (oben Rdnr. 27) ist durch das Handelsrechtsreformgesetz von 1998 ersatzlos gestrichen worden. Die Zulässigkeit einer Personenfirma beurteilt sich seitdem allein nach § 18 Abs. 1 und 2 HGB i.V.m. § 4 GmbHG (s. § 13 Abs. 3 GmbHG i.V.m. § 6 Abs. 1 HGB). Entscheidend ist folglich nur, ob die Firma die nötige Kennzeichnungseignung und Unterscheidungskraft aufweist (§ 18 Abs. 1 HGB) und nicht täuschend ist (§ 18 Abs. 2 Satz 1 HGB; unten Rdnr. 31 ff.).

2. Rechtszustand vor dem Handelsrechtsreformgesetz 29

a) Nach früherem Recht genügte, wenn die Firma aus dem Namen nur eines Gesellschafters gebildet wurde, als Gesellschaftszusatz (§ 4 Abs. 1 Satz 1 a.F.) der ohnehin zwingend vorgeschriebene Rechtsformzusatz „GmbH“ (§ 4 Abs. 2 a.F.). Ein weiterer Gesellschaftszusatz wie etwa „& Co.“ oder „& Cie.“ war in diesem Fall nicht erforderlich, aber auch nicht verboten1. Wurden hingegen die Namen sämtlicher Gesellschafter in die Firma aufgenommen, so war ein weiterer Gesellschaftszusatz (außer dem GmbH-Zusatz), weil täuschend, unzulässig (§ 18 Abs. 2 HGB). Nur wenn also die Firma lediglich die Namen einiger, aber nicht aller Gesellschafter enthielt, war ein weiterer Gesellschaftszusatz nötig, um der Gefahr einer Täuschung über die Zahl der Gesellschafter vorzubeugen (§ 18 Abs. 2 HGB)2.

30

b) Die Personen, deren Namen zur Firmenbildung der Gesellschaft verwandt wurden, mussten ferner (zumindest) im Zeitpunkt der Eintragung der Gesellschaft ins Handelsregister Gesellschafter sein (§ 4 Abs. 1 Satz 2 a.F.). Schieden sie schon vorher aus der Vorgesellschaft wieder aus, so verstieß die Verwendung ihrer Namen zur Firmenbildung gegen § 4 Abs. 1 Satz 1 a.F. und machte den Gesellschaftsvertrag nichtig (§ 134 BGB), so dass die Gesellschaft nicht eingetragen werden durfte (§ 9c Abs. 2 Nr. 1). Dagegen war es unbedenklich, wenn ein namensgebender Gesellschafter alsbald nach Eintragung der Gesellschaft diese wieder verließ, selbst wenn die Abtretung des zukünftigen Gesellschaftsanteils schon zuvor, d.h. noch vor Eintragung der Gesellschaft vereinbart worden war. Es genügte, wenn die namensgebende Person wenigstens einmal bei Eintragung Gesellschafter war. Denn auf mehr konnte der Verkehr angesichts der Firma in keinem Fall vertrauen.

3. Rechtszustand seit dem Handelsrechtsreformgesetz a) Namen dritter Personen 31

Die Bestimmungen des früheren § 4 über Personenfirmen sind durch das Handelsrechtsreformgesetz von 1998 ersatzlos gestrichen worden (Rdnr. 27). Daraus ergibt sich als erstes die Frage, ob in die Firma einer Gesellschaft fortan auch die 1 KG, RJA 7, 35, 36; KG, JFG 1, 197, 199; KG, JW 1924, 1120; BayObLGZ 1984, 167, 169 = GmbHR 1985, 117; LG Itzehoe, GmbHR 1988, 348. 2 BGHZ 65, 89, 91 = NJW 1975, 2293; KG, JFG 1, 197; KG, RJA 7, 35.

228

Emmerich

§4

Firma

Namen von Personen aufgenommen werden dürfen, die der Gesellschaft niemals angehört haben, oder ob in dieser Frage mit Rücksicht auf das Irreführungsverbot des § 18 Abs. 2 Satz 1 HGB an dem früheren Rechtszustand jedenfalls im Grundsatz festzuhalten ist, nach dem in die Firma der Gesellschaft nur die Namen von Gesellschaftern im Augenblick der Eintragung der Gesellschaft ins Handelsregister aufgenommen werden durften (s. oben Rdnr. 30). Die Frage ist umstritten. Im Schrifttum findet sich gleichermaßen die Auffassung, dass auch weiterhin die Firma grundsätzlich nur aus Namen von Gesellschaftern gebildet werden darf1, wie die Auffassung, dass insoweit heute, von dem Irreführungsverbot abgesehen, keine Schranken mehr bestehen2. Von der grundsätzlichen Zulässigkeit der Aufnahme beliebiger Personennamen in die Firma wird aber meistens – in unterschiedlichem Umfang – wieder eine Ausnahme für die Namen noch lebender Personen gemacht, sofern diese dem Verkehr bekannt sind. I.d.R. wird dann verlangt, dass diese Personen der Gesellschaft angehören oder ihr doch nahe stehen (Paradigma: „Claudia Schiffer GmbH“ für ein beliebiges Modegeschäft)3. Die zuletzt genannte Auffassung (grundsätzliche Zulässigkeit mit Ausnahmen) 31a scheint sich auch in der Rechtsprechung langsam durchzusetzen. Danach ist jedenfalls die Aufnahme des Namens fiktiver Personen in die Firma zulässig, sofern damit nicht im Einzelfall eine Irreführungsgefahr verbunden ist, wie insbesondere bei der Verwendung der Namen noch lebender bekannter Personen zur Firmenbildung4. Im Rahmen des § 5 UWG hat der BGH sogar einmal die Auffassung vertreten, dass mit Zustimmung eines Dritten dessen Name durchaus zur Firmenbildung verwandt werden dürfe, sofern damit nicht eine besondere, über das in solchen Fällen unvermeidliche Maß hinausgehende Irreführungsgefahr für den Verkehr verbunden sei5. Es findet sich jedoch nach wie vor auch die gegenteilige Auffassung, dass die Verkehrserwartung bei Verwendung eines Namens in der Firma gewöhnlich dahin gehe, die genannte Person sei Gesellschafter6 oder doch wenigstens Geschäftsführer, jedenfalls, wenn es sich um den Namen einer den angesprochenen Verkehrskreisen bekannten Person handelt7. Die Entscheidung hängt letztlich davon ab, welche Erwartungen die angespro- 32 chenen Verkehrskreise heute normalerweise mit der Nennung eines Namens in 1 St. Kögel, BB 1998, 1645, 1647; St. Kögel, GmbHR 2011, 16; P. Jung, ZIP 1998, 677, 680 f.; D. Möller, DNotZ 2000, 830, 836; D. Möller, GmbHR 2002, 967. 2 Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 12; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 34 f.; J. Mayer, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 80 ff. 3 Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 35; Lutter/Welp, ZIP 1999, 1073, 1081; J. Mayer, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 81; Michalski, in: Michalski, Rdnr. 63 f.; Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 12; Schulte/Warnke, GmbHR 2002, 626, 629 f. 4 OLG Jena, GmbHR 2010, 1094 = NZG 2010, 1354; OLG Karlsruhe, GmbHR 2010, 1096; LG Landshut, MittBayNot 2000, 333 f. – „Frischhut Immobilien GmbH“; LG Wiesbaden, NJW-RR 2004, 1106 – „Prinz Verwertungsges“. 5 BGH, LM Nr. 67 zu § 12 BGB (Bl. 3 R f.) = NJW 2002, 2093 = ZIP 2000, 1501 – „Vossius & Partner“. 6 LG Passau, MittBayNot 2000, 332; LG Passau, Rpfleger 2000, 397 – „Schwarzmüller“. 7 LG Frankfurt/Oder, GmbHR 2002, 966 – „D. Kaiser Filialbetriebe“; dagegen D. Möller, GmbHR 2002, 967 f.

Emmerich

229

§4

Firma

einer Gesellschaftsfirma verbinden (§ 18 Abs. 2 Satz 1 HGB; § 5 UWG)1. Da sich die Mehrzahl der Firmen an die Verbraucher wendet, kommt es mit anderen Worten darauf an, wie der durchschnittlich vernünftige und informierte Verbraucher eine Personenfirma in der Regel versteht (oben Rdnr. 22a). Danach dürfte wohl in der Tat davon auszugehen sein, dass der Verkehr bei der Nennung der Namen als solcher bekannter und noch lebender Personen in einer Firma annimmt, dass die betreffenden Personen einmal der Gesellschaft angehört haben2. Die Firma ist folglich grundsätzlich täuschend, wenn die betreffende Person, mag sie auch der Verwendung ihres Namens zur Firmenbildung zugestimmt haben (§ 12 BGB), bei der Eintragung der Gesellschaft ins Handelsregister dieser nicht angehörte und auch nicht als Geschäftsführer in ihr an leitender Stelle tätig war (§ 18 Abs. 2 HGB). 33

Anders verhält es sich dagegen in aller Regel bei der Verwendung als solcher erkennbarer Phantasienamen sowie bei der Verwendung von Namen aus der Mythologie (z.B. „Zeus-GmbH“) oder längst verstorbener, historischer Persönlichkeiten, von denen niemand mehr annimmt, dass sie mit einer heutigen Gesellschaft irgendetwas zu tun haben könnten (Beispiel: „Mozart GmbH“)3. Dasselbe gilt, wenn durch Zusätze in der Firma klargestellt wird, dass die genannte Persönlichkeit nicht Gesellschafter ist, etwa, wenn die Firma zum Ausdruck bringt, dass die Gesellschaft nur die Verwertung der Produkte oder die Auswertung einer Erfindung der genannten Persönlichkeit zum Gegenstand hat4. b) Namensrecht

34

Das formelle Firmenrecht entbindet nicht von der Beachtung des Namensrechts (§ 12 BGB). Die Aufnahme des Namens eines Gesellschafters in die Firma der Gesellschaft bedarf deshalb dessen Zustimmung (§ 12 BGB). Bei einem Gründungsgesellschafter wird diese freilich in aller Regel bereits in seiner Mitwirkung bei dem Abschluss des Gesellschaftsvertrages liegen5. Anders dagegen, wenn der Name eines Gesellschafters erst nachträglich durch Vertragsänderung in die Firma aufgenommen wird: In diesem Fall ist, wenn der betreffende Gesellschafter dem Änderungsbeschluss nicht zugestimmt hat, seine gesonderte Zustimmung nach § 12 BGB erforderlich. Keine Anwendung findet jedoch auf die GmbH § 24 Abs. 2 HGB, so dass bei einem späteren Ausscheiden des namensgebenden Gesellschafters dessen Einwilligung in die Fortführung der mit

1 LG Passau, MittBayNot 2000, 332; LG Passau, Rpfleger 2000, 397 – „Schwarzmüller“; LG Frankfurt/Oder, GmbHR 2002, 966 – „D. Kaiser Filialbetriebe“; LG Wiesbaden, NJW-RR 2004, 1106 – „Prinz Verwertungsges.“; J. Mayer, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 80 ff.; D. Möller, DNotZ 2000, 830, 836; D. Möller, GmbHR 2002, 967. 2 Großzügiger LG Wiesbaden, NJW-RR 2004, 1106. 3 Ebenso schon KG, KGJ 19 A 15; KG, KGJ 35 A 167, 170; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 35. 4 KG, JFG 7, 190 = JW 1930, 2716; a.M. KG, KGJ 35 A 167 – „The Berlitz School of Languages GmbH“; OGH, EvBl. 1965 Nr. 146 = ÖJZ 1965, 207, 209. 5 J. Mayer, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 37; Koppensteiner, öGmbHG, § 5 Rdnr. 7.

230

Emmerich

§4

Firma

seinem Namen gebildeten Personenfirma grundsätzlich nicht mehr erforderlich ist, vorbehaltlich abweichender Vereinbarungen der Gesellschafter1. Wenn die Gesellschafter nichts anderes vereinbart haben, ist es der Gesellschaft 35 außerdem im Zweifel gestattet, ihr Unternehmen mit der Personenfirma zu veräußern oder ihre Firma zur Bildung von Firmen für Zweigniederlassungen zu verwenden, selbst wenn der namensgebende Gesellschafter inzwischen ausgeschieden ist2. Damit ist freilich für den Regelfall auch schon die äußerste Grenze des Zulässigen erreicht. Eine weiter gehende Vervielfältigung der Firma wird durch die Zustimmung des früheren Gesellschafters zur Verwendung seines Namens zur Firmenbildung im Zweifel nicht mehr gedeckt. Der Gesellschaft ist es daher (vorbehaltlich abweichender Vereinbarungen mit dem ausgeschiedenen Gesellschafter) verwehrt, die unter Verwendung dessen Namens gebildete Firma dadurch weiter zu vervielfältigen, dass verschiedene Zweigniederlassungen mit der Firma selbständig veräußert werden3. c) Name § 4 Abs. 1 Satz 1 a.F. meinte mit dem „Namen des Gesellschafters“ allein dessen 36 Familiennamen, so, wie er sich aus dem Personenstandsregister ergibt, so dass nur dieser und kein anderer Name von der Gesellschaft als Personenfirma geführt werden durfte. Entbehrlich war dagegen der Vorname des Gesellschafters, wodurch aber die Gesellschafter natürlich nicht daran gehindert wurden, auch ihre Vornamen in ausgeschriebener oder abgekürzter Form in die Firma aufzunehmen. Da das Gesetz heute insoweit keine Vorgaben mehr enthält, sind die Gesell- 37 schafter nicht anders als früher (oben Rdnr. 36) bei Verwendung des Namens einer Person zur Firmenbildung frei darin, ob sie allein den Familiennamen oder zusätzlich auch einen oder mehrere Vornamen in ausgeschriebener oder abgekürzter Form in die Firma aufnehmen wollen, immer vorausgesetzt, dass die Firmenbildung mit § 18 Abs. 1 und 2 HGB vereinbar ist. Die Firma muss also insbesondere Kennzeichnungseignung und Unterscheidungskraft besitzen. Probleme ergeben sich daraus vor allem bei der Verwendung so genannter Allerweltsnamen wie „Müller, Meier oder Schulze“ zur Firmenbildung. Nach einer verbreiteten Meinung fehlt derartigen Namen jede Kennzeichnungseignung, so dass sie jedenfalls in Alleinstellung (Beispiel: „Müller GmbH“) nicht zur Firmenbildung verwandt werden dürfen; anders natürlich bei Hinzufügung unterscheidungskräftiger Zusätze, wofür von Fall zu Fall bereits ein (gegebenenfalls

1 BGHZ 58, 322, 324 = NJW 1972, 1419; BGHZ 85, 221, 224 = NJW 1983, 755; BGH, LM Nr. 3 zu § 23 HGB = MDR 1977, 1000; BGH, LM Nr. 11 zu § 24 HGB = MDR 1981, 207; BGH, WM 1969, 1321; BGH, NJW 1985, 59, 60 (insoweit nicht in BGHZ 92, 79 abgedruckt); BayObLGZ 1984, 129, 132; OLG Düsseldorf, NJW 1980, 1284; OLG München, GmbHR 1993, 102; OLG Rostock, GmbHR 1997, 1064; s. Emmerich, in: Heymann, § 24 HGB Rdnr. 10. 2 BGHZ 85, 221, 224 = NJW 1983, 755; BayObLGZ 1997, 328, 332 ff. = NJW 1998, 1158, 1159 f. – „Vossius I“; Emmerich, in: Heymann, § 22 HGB Rdnr. 14. 3 BGHZ 85, 221, 225 = NJW 1983, 755; BGH, LM Nr. 11 zu § 24 HGB = MDR 1981, 207 = WM 1980, 1360.

Emmerich

231

§4

Firma

abgekürzter) Vorname genügen kann (Beispiel: „Josef Müller GmbH“)1. Das Problem ist in erster Linie wohl ein solches des § 30 HGB, weil es in jeder Stadt mehrere „Müller“ usw. gibt, so dass schon deshalb unterscheidungskräftige Zusätze in aller Regel erforderlich sein werden. Dasselbe gilt (erst recht) für Vornamen in Alleinstellung. Auch sie kommen für die Firmenbildung nur in Betracht, wenn unterscheidungskräftige Zusätze hinzugefügt werden oder der Vorname ausnahmsweise Verkehrsgeltung besitzt, weil er sich im Verkehr zur Bezeichnung einer Person durchgesetzt hat2. 38

Unbedenklich ist die Verwendung von Künstlernamen oder Pseudonymen zur Firmenbildung3. Trägt ein Gesellschafter (zulässigerweise) einen ausländischen Namen, so darf auch dieser zur Bildung der Personenfirma verwandt werden. Es ist lediglich erforderlich, dass der Name in lateinischer Schrift und in lesbarer Form wiedergegeben wird4. Bei Doppelnamen soll es schließlich statthaft sein, nur eine Hälfte des Namens zur Firmenbildung zu verwenden5.

39

Kaufleute dürfen zur Firmenbildung ferner ihre Firma verwenden (§ 17 Abs. 1 HGB)6. Ebenso verhält es sich, wenn sich eine Handelsgesellschaft oder eine juristische Person an der Gründung einer GmbH beteiligt7. Dasselbe dürfte heute für eine BGB-Außengesellschaft gelten, sofern sie einen eigenen Namen führt8. Rechtsformzusätze wie AG oder GmbH in der Firma der Gesellschafterin müssen in diesem Fall freilich weggelassen werden, weil das sonst unvermeidliche Zusammentreffen von Rechtsformzusätzen verwirrend wirken kann (§ 18 Abs. 2 Satz 1 HGB)9. Zwischen inländischen und ausländischen Gesellschaften wird dabei nicht unterschieden. Die (zulässige) Firma einer ausländischen Gesellschaft darf mithin ebenso wie eine deutsche Firma zur Bildung der Firma der Gesellschaft verwandt werden. Unerheblich ist, ob die ausländische Firma überhaupt als solche erkennbar ist oder den Eindruck einer Phantasiebezeichnung erweckt10. Aus § 18 Abs. 2 Satz 1 HGB ergibt sich jedoch häufig die Notwendigkeit, ausländische Gesellschafts- und Rechtsformzusätze bei der Bildung der GmbH-Firma fortzulassen11. Diese Grundsätze sind auch zu beachten, wenn eine englische Gesellschaft in der Rechtsform einer Limited in Deutschland eine

1 Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 6; Michalski, in: Michalski, Rdnr. 15; wohl auch J. Mayer, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 33 f.; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/ Schmidt-Leithoff, Rdnr. 21; noch großzügiger Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 6–8. 2 Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 6–8. 3 J. Mayer, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 34; anders früher KG, KGJ 35 A 150; KG, KGJ 38 A 158; KGJ 39 A 115; HRR 1939 Nr. 92; BayObLGZ 1954, 203 = NJW 1954, 1933. 4 BayObLGZ 1973, 211, 212 = NJW 1973, 1886 – „Mesirca“ gegen BayObLGZ 1972, 277, 282 = NJW 1972, 2185 – „Celdis“. 5 LG Passau, MittBayNot 2000, 332; LG Passau, Rpfleger 2000, 397 – „Schwarzmüller“; D. Möller, DNotZ 2000, 830, 836. 6 LG Berlin, JR 1950, 669; LG Hamburg, GmbHR 1953, 189. 7 BayObLGZ 1970, 297, 298 – „Dortmunder Union“. 8 J. Mayer, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 36. 9 BayObLG, BB 1979, 1465 – „Trebag“. 10 BayObLGZ 1973, 211, 212; OLG Düsseldorf, DNotZ 1956, 611; KG, DNotZ 1958, 522. 11 S. Bokelmann, ZGR 1994, 325, 331; Bokelmann, GmbHR 1994, 356, 358; sehr eng BayObLGZ 1986, 57, 66; LG Gießen, GmbHR 1990, 352.

232

Emmerich

§4

Firma

Zweigniederlassung gründen und zur Firmenbildung ihre englische Firma verwenden will1.

4. Akademische Grade oder Titel Akademische Grade oder Titel sind keine Namensbestandteile. Die Berechti- 40 gung zu ihrer Führung richtet sich nach einer Reihe verstreuter Gesetze, unter denen früher das freilich 2007 aufgehobene Gesetz über die Führung akademischer Grade vom 7. Juni 1939 hervorzuheben war2. Soweit danach eine Person zur Führung eines akademischen Grades oder Titels, z.B. des Doktorgrades oder der Bezeichnungen „Diplomingenieur“ berechtigt ist, darf sie sich dieser Titel oder Grade grundsätzlich auch zur Firmenbildung bedienen, soweit dem nicht im Einzelfall (ausnahmsweise) § 18 Abs. 2 Satz 1 HGB entgegensteht. Besonderheiten gelten insoweit für die Firmenbildung bei der GmbH nicht, so dass wegen der Einzelheiten auf die Ausführungen zu § 18 HGB zu verweisen ist3. Hier genügt der Hinweis, dass in Doktorfirmen häufig ein Fakultätszusatz gefordert wird, wenn die Verwendung der Doktorfirma andernfalls täuschend wäre, d.h. wenn die angesprochenen Verkehrskreise aus der Verwendung des Doktortitels in der Firma auf eine besondere wissenschaftliche Qualifikation des betreffenden, in der Gesellschaft in herausgehobener Stellung tätigen Gesellschafters schließen. Bei einer abgeleiteten Firma (§ 22 HGB) muss außerdem, wenn der jetzige Inhaber des Unternehmens den Doktortitel nicht führen darf, dieser Umstand gegebenenfalls durch entsprechende Zusätze wie z.B. „Nachf.“ klargestellt werden4; andernfalls muss der Zusatz gestrichen werden.

5. Änderung Die Personenfirma kann nach Eintragung der Gesellschaft ebenso wie die Sach- 41 firma nur im Wege der Vertragsänderung geändert werden (§§ 3 Abs. 1 Nr. 1, 4, 53; s. oben Rdnr. 19). Rechtlich gesehen, handelt es sich dabei um eine Neubildung der Firma nach § 4 GmbHG und § 18 HGB unter Aufgabe der bisherigen Firma, die infolgedessen (endgültig) erlischt5.

VI. Phantasiefirmen 1. Weder aus § 18 Abs. 1 HGB noch aus § 4 GmbHG ergibt sich eine Beschrän- 42 kung der Gesellschaft bei ihrer Firmenbildung auf Personen- oder Sachfirmen (oben Rdnr. 15, 27 ff.). Daraus wird heute allgemein die generelle Zulässigkeit 1 OLG München, GmbHR 2007, 979; OLG Hamm, OLGR 2008, 736 = GmbHR 2009, 148; OLG Frankfurt, GmbHR 2009, 214, 216. 2 RGBl. I 1939, 985. 3 S. Bokelmann, Rdnr. 282 ff. (S. 201 ff.); Emmerich, in: Heymann, § 18 HGB Rdnr. 29–31; Hoffmann, JuS 1972, 233; Hönn, ZHR 153 (1989), 386; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 32; J. Mayer, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 75–79; Riegger, DB 1984, 441; Wessel, BB 1965, 1379. 4 S. unten Rdnr. 50b sowie BGH, LM Nr. 10 zu § 15 MarkenG (Bl. 3 f.) = NJW 1998, 1150. 5 BayObLGZ 1983, 310, 311; BayObLGZ 1984, 129, 132; BayObLG, GmbHR 2003, 475, 476; OLG Stuttgart, OLGR 2000, 248 = NJW-RR 2000, 1128 = ZIP 2000, 1108, 1109.

Emmerich

233

§4

Firma

von Phantasiefirmen abgeleitet1. Phantasiefirmen sind Firmen, die sich schon ihrem äußeren Erscheinungsbild nach weder als Sach- noch als Personenfirmen darstellen. Zu denken ist hier in erster Linie an sinnbildliche Bezeichnungen, Abkürzungen, mythologische und Phantasienamen sowie an die Verwendung von Buchstabenkombinationen, Ziffern und Werbesprüchen (Slogans) zur Firmenbildung (Beispiel: „Nix wie hin – GmbH“). Alle derartigen Firmen sind heute grundsätzlich zulässig, soweit im Einzelfall die Voraussetzungen des § 18 Abs. 1 HGB erfüllt sind, die Firma nicht gegen die §§ 18 Abs. 2 Satz 1 und 30 Abs. 1 HGB verstößt und der Firmenbildung auch nicht die §§ 134 und 138 BGB entgegenstehen. Problematisch ist vor allem die Kennzeichnungseignung von Firmen, die lediglich aus Buchstaben oder Ziffern gebildet werden (s. dazu oben Rdnr. 12 ff.). 42a

2. Nach früherem Recht waren Phantasiefirmen nur unter der Voraussetzung erlaubt, dass der Unternehmensgegenstand nach den Umständen für die angesprochenen Verkehrskreise noch hinreichend erkennbar blieb. Als zulässig wurden mit dieser Begründung z.B. angesehen: „Orlow, Gesellschaft für elektrische Beleuchtung mbH“2, „Kosmopharm Vertriebs GmbH“ als Abkürzung für Kosmetik und Pharmazeutik3, „Nagel Baupart GmbH“ für eine Firma, die mit Baumaterialen handelt, und dies, obwohl „Nagel“ ursprünglich einmal ein Personennamen war4, nicht dagegen unverständliche Abkürzungen wie „Parkota“ für eine Firma, die Parfümerien, Kosmetika und Toilettenartikel vertreibt5, „Aeriola GmbH“ für eine Firma, die Rundfunkapparate herstellt6, „Bauhelf GmbH“ für eine Firma, die den Großhandel mit Baumaschinen und Baugeräten betreibt7, sowie „TarafinGmbH“ für eine Firma, die Schläuche, Folien und Profile aus Kunststoffen herstellt und vertreibt8. Ebenso negativ beurteilt wurden früher ferner unverständliche Phantasiebezeichnungen wie etwa „Haus Nazareth GmbH“ für ein Genesungsheim9, „Wille und Weg“ für einen politischen Verlag10 und „Santo GmbH“ für einen Staubsaugerhersteller11.

43

3. Die Bedenken, die die ältere Praxis teilweise gegen die Verwendung von Phantasiebezeichnungen hatte (s. oben Rdnr. 42a), sind infolge der Handelsrechtsreform von 1998 gegenstandslos. Phantasiefirmen sind seitdem ohne Beschränkungen erlaubt, sofern sie die nötige Kennzeichnungseignung und Unterscheidungskraft aufweisen (§ 18 Abs. 1 HGB) und nicht täuschend sind (§ 18 Abs. 2 Satz 1 HGB). Dabei ist zu beachten, dass gerade Phantasiebezeichnungen häufig eine besonders ausgeprägte Unterscheidungskraft haben. Unter den ge1 S. die Begr. RegE, BT-Drucks. 13/8444, S. 74 f.; LG Landshut, MittBayNot 2000, 333 – „Frischhut Immobilien GmbH“ (wobei Frischhut ein Phantasiename ist); Lutter/Welp, ZIP 1999, 1073; Schulenburg, NZG 2000, 1156. 2 KG, KGJ 19 A 15 (weil Orlow bekanntermaßen der zweitgrößte Diamant der Welt sei). 3 KG, GmbHR 1927, 718 = JW 1927, 130; zust. OLG Stuttgart, OLGZ 1974, 337, 338. 4 OLG Hamm, NJW-RR 1996, 1184 = GmbHR 1996, 360. 5 OLG Köln, bei: Wellmann, DNotZ 1954, 127. 6 KG, JFG 2, 247 = GmbHR 1925, 368 = JW 1925, 639. 7 OLG Neustadt, NJW 1962, 2208 = Rpfleger 1963, 54. 8 LG Aachen, BB 1969, Beil. Nr. 10, 13; zust. OLG Stuttgart, OLGZ 1974, 337, 338. 9 KG, KGJ 20 A 102; BayObLG, GmbHR 1990, 464 (nur Leitsatz). 10 KG, JFG 4, 194 = OLGE 46, 284. 11 Anders KG, KGJ 52, 95.

234

Emmerich

§4

Firma

nannten Voraussetzungen bestehen jetzt auch keine Bedenken mehr gegen die Aufnahme von Wortmarken (Warenzeichen) in die Firma der Gesellschaft. 4. Bereits nach früherem Recht bestanden richtiger Meinung nach ferner grund- 44 sätzlich keine Bedenken gegen die Kombination einer Personen- und einer Sachfirma, sofern nur einer der beiden Bestandteile dem § 4 a.F. entsprach und der andere Bestandteil (als Zusatz) nicht täuschend wirkte1. Dasselbe gilt (erst recht) nach neuem Recht. In den Grenzen des § 18 HGB sind heute Kombinationen aus Sach-, Personen- und Phantasiebestandteilen in einer Firma unbedenklich. Zusätzliche Schwierigkeiten ergaben sich früher, wenn die (bereits gemischte) 45 Firma einer Gesellschafterin zur Firmenbildung der GmbH verwandt wurde. Für diesen Fall wurde aus § 4 Abs. 1 a.F. überwiegend die Notwendigkeit hergeleitet, die volle gemischte Firma der Gesellschafterin in die Firma der GmbH zu übernehmen, sofern dem nicht im Einzelfall § 18 Abs. 2 HGB entgegenstand2. Auch diese Probleme sind mit der Reform von 1998 entfallen, da bei der Firmenbildung seitdem lediglich noch die Vorgaben des § 18 HGB zu beachten sind.

VII. Abgeleitete Firma Schrifttum: Bokelmann, Das Recht der Firmen- und Geschäftsbezeichnungen, 5. Aufl. 2000, Rdnr. 647 ff. (S. 369 ff.); Kessen, Die Firma als selbständiges Verkehrsobjekt, Diss. Bayreuth 2011; D. Möller, Das neue Firmenrecht in der Rechtsprechung – eine kritische Bestandsaufnahme, DNotZ 2000, 830; Wessel/Zwernemann/Kögel, Die Firmengründung, 7. Aufl. 2001, Rdnr. 524 ff. (S. 443 ff.); Weßling, Der Einwilligungsvorbehalt für eine Firmenfortführung bei Ausscheiden des namensgebenden Gesellschafters, GmbHR 2004, 487.

Nach § 4 muss die Firma der Gesellschaft, auch wenn sie nach § 22 HGB oder 46 nach anderen gesetzlichen Vorschriften fortgeführt wird, die Bezeichnung „Gesellschaft mit beschränkter Haftung“ oder eine allgemein verständliche Abkürzung dieser Bezeichnung enthalten. § 22 Abs. 1 HGB bestimmt, dass derjenige, der ein bestehendes Handelsgeschäft unter Lebenden oder von Todes wegen erwirbt, für dieses Geschäft die bisherige Firma, auch wenn sie den Namen des bisherigen Geschäftsinhabers enthält, mit oder ohne Beifügung eines Nachfolgezusatzes fortführen darf, vorausgesetzt, dass der bisherige Geschäftsinhaber oder dessen Erben in die Fortführung der Firma ausdrücklich einwilligen. Gleich steht die Übernahme eines Handelsgeschäftes auf Grund eines Nießbrauchs, eines Pachtvertrages oder eines ähnlichen Verhältnisses (§ 22 Abs. 2 HGB). Soweit § 4 daneben noch auf entsprechende andere gesetzliche Vorschriften Bezug nimmt, sind damit in erster Linie die vergleichbaren Bestimmungen des UmwG

1 BayObLGZ 1972, 277, 282 – „Celdis“; BayObLGZ 1981, 88, 91 – „Hyper-Dämmtechnik X GmbH“; BayObLG, MDR 1980, 938 = MittBayNot. 1980, 169 – „X Betonwerke GmbH“; OLG Bremen, OLGZ 1978, 42 = GmbHR 1978, 111 – „Industrie- und Städteservice X GmbH“; OLG Stuttgart, GmbHR 1990, 351 = Rpfleger 1990, 301 – „W. Anlagentechnik GmbH“; enger dagegen KG, RJA 7, 35; OLG Stuttgart, OLGZ 1971, 230 – „Pasche GmbH Industrievertretungen“; OLG Hamm, GmbHR 1986, 89 = Rpfleger 1985, 495; OLG Innsbruck, NZ 1971, 79. 2 S. KG, OLGE 43, 324; KG, JW 1929, 1401.

Emmerich

235

§4

Firma

gemeint1. Hervorzuheben sind die §§ 18 Abs. 1, 36 Abs. 1 Satz 1, 125 Satz 1 und 200 UmwG, die die Fälle der Verschmelzung durch Aufnahme oder Neugründung, der Ausgliederung und des Formwechsels regeln. Im Folgenden soll lediglich ein kurzer Überblick über die bei der Anwendung des § 22 HGB zu beachtenden Punkte gegeben werden.

1. Voraussetzungen 47

a) Eine Firmenfortführung nach § 22 HGB setzt als erstes den Erwerb eines schon bestehenden Handelsgeschäftes unter Lebenden oder von Todes wegen voraus. Es genügt dabei, wenn nur der Kern des Geschäfts auf die Gesellschaft übergeht, so dass der Gesellschaft eine Fortführung des Geschäfts in seinen wesentlichen Eigenschaften möglich ist. Es muss sich aber um ein schon bestehendes Handelsgeschäft im Sinne der §§ 1 f. HGB handeln, so dass § 22 HGB bei der Fortführung des Geschäfts eines (nicht eingetragenen) Kleingewerbetreibenden durch die Gesellschaft keine Anwendung findet2. Bei einer gesonderten Veräußerung von Zweigniederlassungen und Hauptniederlassung steht dagegen nichts der Anwendbarkeit des § 22 HGB auf die einzelnen Veräußerungen entgegen.

48

Die Art des Erwerbs unter Lebenden spielt keine Rolle. Neben dem Kauf oder der Pacht des Handelsgeschäfts (s. § 22 Abs. 2 HGB) kommt hier insbesondere dessen Einbringung in die Gesellschaft, etwa bei der Gründung, in Betracht kommt. Der Gesellschaft wird dadurch von Anfang an die Fortführung eines eingebrachten Handelsgeschäfts unter der bisherigen Firma ermöglicht.

49

b) Zweite Voraussetzung des Rechts der Gesellschaft zur Firmenfortführung ist nach § 22 Abs. 1 HGB eine ausdrückliche Einwilligung des bisherigen Geschäftsinhabers oder seiner Erben (s. §§ 413, 398 BGB)3. Will die Gesellschaft die Firma einer Personengesellschaft fortführen, so bedarf sie dazu folglich der Einwilligung sämtlicher Gesellschafter, während bei Kapitalgesellschaften die Einwilligung von den gesetzlichen Vertretern der Gesellschaft erklärt wird. Analog § 179a AktG wird in aller Regel außerdem die Zustimmung der Hauptversammlung oder der Gesellschafterversammlung hinzukommen müssen4.

2. Rechtsfolgen 50

Sind die genannten Voraussetzungen (oben Rdnr. 47–49) erfüllt, so begründet § 22 HGB lediglich ein Recht, nicht etwa eine Pflicht zur Firmenfortführung. Macht die Gesellschaft von diesem Recht Gebrauch, so bedeutet dies zugleich die Aufgabe ihrer bisherigen Firma mit der Folge, dass eine Vertragsänderung er-

1 S. LG Berlin, GmbHR 1993, 502; J. Mayer, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 121b – 123; Michalski, in: Michalski, Rdnr. 76; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 41. 2 LG Berlin, NZG 2005, 443 f.; str. 3 Zur Einwilligung s. BayObLGZ 1997, 328, 331 ff. = NJW 1998, 1158, 1159 – „Vossius I“. 4 S. Emmerich, in: Heymann, § 22 HGB Rdnr. 12; J. Mayer, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 114; Michalski, in: Michalski, Rdnr. 73; Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 39.

236

Emmerich

§4

Firma

forderlich ist (§ 53)1. Wenn die Gesellschaft dagegen ihre bisherige Firma beibehält, erlischt die erworbene Firma2. Der bisherige Geschäftsinhaber verliert durch die Veräußerung des Handelsgeschäfts mit Firma das Recht zur weiteren Führung seiner bisherigen Firma, so dass er eine neue Firma annehmen muss; vorübergehende Ausnahmen kommen nur im Falle der Insolvenz des Veräußerers in Betracht3. Die Gesellschaft, die ein Handelsgeschäft mit Firma erwirbt, steht nach dem 50a Gesagten (oben Rdnr. 50) grundsätzlich vor der Wahl, ob sie ihre bisherige Firma fortführen oder die erworbene Firma im Wege der Vertragsänderung annehmen will. Als dritte Möglichkeit kommt noch hinzu, die beiden Firmen zu vereinigen, vorausgesetzt, dass infolgedessen kein Zweifel an der Identität der Firmen aufkommen kann (§ 18 Abs. 2 Satz 1 HGB). Durch die Vereinigung der beiden Firmen entsteht dann eine neue Firma mit der Folge, dass das alte Firmenrecht an der übernommenen Firma ebenfalls untergeht und deshalb auch bei einer späteren Trennung der beiden Geschäfte nicht wiederauflebt4. Von dem soeben behandelten Sonderfall der Firmenvereinigung abgesehen (oben 50b Rdnr. 50a), muss die Gesellschaft, wenn sie sich für die Annahme der erworbenen Firma im Wege der Vertragsänderung entscheidet, die erworbene Firma grundsätzlich unverändert fortführen, nur ergänzt um den durch § 4 zwingend vorgeschriebenen Rechtsformzusatz (s. unten Rdnr. 51 ff.). Dadurch werden jedoch geringfügige Modifikationen der erworbenen Firma, die an der Identität der fortgeführten Firma keinen Zweifel lassen, nicht ausgeschlossen. Im Einzelfall kann sich die Notwendigkeit solcher Änderungen auch aus dem Irreführungsverbot des § 18 Abs. 2 Satz 1 HGB ergeben5. Zu denken ist dabei vor allem an jetzt nicht mehr zutreffende Branchenbezeichnungen und Rechtsformzusätze sowie an akademische Grade und Titel in einer Personenfirma6. Derartige Modifikationen beeinträchtigen nicht die Identität der Firma und tangieren daher auch nicht das Firmenfortführungsrecht des Erwerbers7. Zu beachten bleibt, dass im Falle der Firmenfortführung durch die Gesellschaft grundsätzlich auch die Haftungsregelung des § 25 HGB eingreift.

1 BGHZ 67, 166, 171 = NJW 1976, 21, 63. 2 KG, OLGZ 1965, 315, 318; BayObLGZ 1971, 163, 165; OLG Celle, OLGZ 1974, 343, 345; OGH SZ 43 (1970) Nr. 181, S. 647, 649. 3 OGH, RdW 2000, 476 = NZG 2000, 1130, 1132. 4 RGZ 152, 365, 368; RGZ 159, 211, 220; RG, LZ 1912, 316; RG, Recht 1937, Sp. 35 Nr. 374; OLG Dresden, JW 1916, 1550; anders OLG Frankfurt, OLGZ 1971, 50, 52. 5 S. im Einzelnen Emmerich, in: Heymann, § 22 HGB Rdnr. 19 ff. und J. Mayer, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 116 f. sowie BayObLGZ 1997, 328, 332 = NJW 1998, 1158, 1159 – „Vossius I“; BayObLG, Rpfleger 2002, 572; BayObLG, Rpfleger 2003, 371 = GmbHR 2003, 475; OLG Rostock, GmbHR 1997, 1064, 1065; OLG Hamm, NZG 2000, 866 = NJW-RR 2000, 1330, 1331; OGH, RdW 2000, 476 = NZG 2000, 1130. 6 S. dazu schon oben Rdnr. 40 sowie BGH, LM Nr. 10 zu § 15 MarkenG (Bl. 3 ff.) = NJW 1998, 1150 – „Dr. St. Nachf.“. 7 Zur Fortführung des Zusatzes „und Partner“ s. ablehnend OLG Karlsruhe, NJW 1998, 1160; OLG Stuttgart, OLGR 2000, 248 = ZIP 2000, 1108 = NJW-RR 2000, 1128 = GmbHR 2000, 875 (nur Leitsatz) und dagegen BayObLG, GmbHR 2003, 475 = Rpfleger 2003, 371.

Emmerich

237

§4

Firma

VIII. GmbH-Zusatz Schrifttum: Haas, Die Vertreterhaftung bei Weglassen des Rechtsformzusatzes nach § 4 Abs. 2 GmbHG, NJW 1997, 2854; Haas, Gesellschaftsrecht: Geschäftsführerhaftung wegen Weglassens des Rechtsformzusatzes, DStR 2000, 84; Sternberg, Der Gesellschaftszusatz in der Handelsfirma, 1975; Winkler, Ist die Eintragung einer GmbH unter der abgekürzten Bezeichnung „GmbH“ in das Handelsregister zulässig?, GmbHR 1969, 77.

51

Nach § 4 muss die Firma der Gesellschaft in jedem Fall, also auch, wenn die Firma nach § 22 HGB oder nach anderen gesetzlichen Vorschriften fortgeführt wird (s. oben Rdnr. 46 ff.), die Bezeichnung „Gesellschaft mit beschränkter Haftung“ oder eine allgemein verständliche Abkürzung dieser Bezeichnung enthalten. Entsprechende Bestimmungen finden sich in § 4 AktG, in § 3 GenG sowie in § 5 Abs. 1 öGmbHG. Sinngemäß übereinstimmend bestimmte bereits § 4 Abs. 2 a.F., dass die Firma der Gesellschaft in allen Fällen die zusätzliche Bezeichnung „mit beschränkter Haftung“ enthalten müsse, übereinstimmend deshalb, weil zu § 4 Abs. 2 a.F. bereits überwiegend die Auffassung vertreten wurde, dass grundsätzlich zusätzlich das Wort „Gesellschaft“ in die Firma aufgenommen werden muss und dass allgemein verständliche Abkürzungen wie namentlich „GmbH“ oder „Gesellschaft mbH“ zulässig sind1.

51a

§ 4 muss im Zusammenhang mit § 19 HGB gesehen werden, der ebenso wie § 4 durch das Handelsrechtsreformgesetz 1998 neu gefasst wurde. Dann wird deutlich, dass in dem neuen Firmenrecht dem Rechtsformzusatz, gleichsam als Gegengewicht zu der Liberalisierung der Firmenbildung im Übrigen, zentrale Bedeutung zukommt, weil (nur) durch ihn unter dem neuen Firmenrecht zumindest die Rechts- und Haftungsverhältnisse in jedem Fall eindeutig klargestellt werden. Zutreffend wird daraus die Notwendigkeit abgeleitet, § 4 GmbHG ebenso wie § 19 HGB und § 4 AktG streng auszulegen2.

52

Der Rechtsformzusatz darf daher nur in der vom Gesetz in § 4 erlaubten Weise verwandt werden, d.h. also nur in der Form „Gesellschaft mit beschränkter Haftung“ oder in Gestalt einer allgemein verständlichen Abkürzung. Als solche kommt natürlich in erster Linie die in Deutschland übliche Abkürzung „GmbH“ in Betracht, mit oder ohne Punktierung. Das Gesetz schließt an sich andere Abkürzungen wie z.B. Ges.mbH nicht aus, vorausgesetzt, dass die Abkürzung „allgemein verständlich“ ist, d.h. für jedermann ohne weiteres auf das Vorliegen einer GmbH hinweist, – woraus indessen heute mit Recht überwiegend der Schluss gezogen wird, dass grundsätzlich nur noch die Abkürzung „GmbH“ in Betracht kommt3. Unverzichtbar ist heute ferner das Wort „Gesellschaft“ oder eine allgemein verständliche Abkürzung wie „Ges.“. Andere Worte dürfen dagegen in dem Rechtsformzusatz nicht mehr verwandt werden. Das gilt gleichermaßen für fremdsprachliche Bezeichnungen wie für Wörter wie „Company“ oder Ähnliches anstatt von „Gesellschaft“. Ebenso wenig darf z.B. das 1 BGHZ 62, 230, 232 = NJW 1974, 1088; ebenso die Begr. von 1998, BT-Drucks. 13/8444, S. 75 (l.Sp. oben). 2 OLG München, GmbHR 2010, 167; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 25; J. Mayer, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 13 ff.; Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 46. 3 OLG München, GmbHR 2010, 267; J. Mayer, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 13.

238

Emmerich

§4

Firma

Wort „Haftung“ in „Haftpflicht“ abgewandelt werden1. Daraus folgt zugleich, dass selbst in fremdsprachlichen Firmen der Rechtsformzusatz immer nur in deutscher Fassung entsprechend § 4 verwandt werden darf. Unerheblich ist dagegen, wo der Zusatz steht. Das Gesetz schreibt nicht vor, dass der Zusatz der Firma am Ende hinzugefügt werden muss; deshalb darf der Zusatz auch an anderen Stellen in die Firma eingefügt werden, vorausgesetzt, dass diese dadurch nicht unklar oder täuschend wird (§ 18 Abs. 2 HGB)2. Überwiegend wird aus dem Gesagten (oben Rdnr. 52) ferner der Schluss gezogen, 52a die Bestandteile „Gesellschaft“ und „mit beschränkter Haftung“ dürften getrennt werden, wobei das Wort „Gesellschaft“ zugleich mit anderen Wörtern zusammengefasst werden dürfe (Beispiel: „Handelsgesellschaft X mbH“)3. Dies ist indessen heute mit Rücksicht auf den insoweit wohl eindeutigen Wortlaut des Gesetzes nicht mehr zweifelsfrei4. Deshalb ist außerdem zweifelhaft, ob an der früheren Auffassung festgehalten werden kann, dass der Rechtsformzusatz, aus welchen Gründen immer, in Klammern gesetzt werden dürfe5. Die geschilderten Regeln über den Rechtsformzusatz gelten schließlich auch für Einpersonengesellschaften, da das Gesetz sie in § 1 den anderen Gesellschaften gleichstellt6. Aus dem Zusammenhang der gesetzlichen Regelung folgt zugleich, dass allen anderen Gesellschaften die Führung von Rechtsformzusätzen, die mit denen einer GmbH im Sinne des § 4 verwechselt werden können, untersagt ist (§ 18 Abs. 2 Satz 1 HGB)7.

IX. Rechtsscheinhaftung 1. Firmenführungspflicht Die Firma ist der Name der GmbH; einen anderen Namen hat sie nicht und darf 53 sie auch nicht führen (§§ 17, 18, 37 HGB; § 5 UWG). Daraus ist der Schluss zu ziehen, dass sich die GmbH, wenn sie am Rechtsverkehr teilnimmt, immer ihrer (ganzen) Firma einschließlich insbesondere des Rechtsformzusatzes bedienen muss. Sie darf nicht unter einer anderen Bezeichnung auftreten (§ 37 Abs. 1 HGB; § 5 UWG)8. Wegen dieser so genannten Firmenführungspflicht müssen die Geschäftsführer insbesondere bei der Unterzeichnung von Erklärungen im Namen der GmbH stets die ganze Firma einschließlich des GmbH-Zusatzes ver1 Michalski, in: Michalski, Rdnr. 37; Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 47; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 55. 2 LG Köln, GmbHR 1978, 256 f.; LG Bremen, GmbHR 2004, 186; ebenso (für die AG) OGH SZ Bd. 73 (2000) Nr. 12, S. 61, 63 ff. = JBl. 2000, 384 = AG 2001, 154, 155 = NZG 2000, 593 – „Energie AG Oberösterreich“; J. Mayer, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 16. 3 Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 14; J. Mayer, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 116; Michalski, in: Michalski, Rdnr. 38; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/SchmidtLeithoff, Rdnr. 55. 4 Anders auch Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 47. 5 So noch KG, KGJ 19, 15 – „Orlow“. 6 Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 14; Michalski, in: Michalski, Rdnr. 42; Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 45. 7 Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 48. 8 KG, KGJ 31 A 206, 216; Emmerich, in: Heymann, § 17 HGB Rdnr. 11 ff.

Emmerich

239

§4

Firma

wenden (§ 4; s. § 35 Abs. 3 a.F.). Auf Geschäftsbriefen ist gleichfalls die vollständige Firma anzugeben, damit im rechtsgeschäftlichen Verkehr keine Zweifel über die Rechts- und Haftungsverhältnisse der Gesellschaft aufkommen können (§ 35a Abs. 1 Satz 1 GmbHG; vgl. § 37a HGB). 53a

Verstöße der Geschäftsführer und der sonstigen für die Gesellschaft tätigen Personen gegen die Firmenführungspflicht (s. oben Rdnr. 53) ändern zwar bei unternehmensbezogenen Geschäften nichts daran, dass Vertragspartner die Gesellschaft wird, sofern nur das Handeln der für die Gesellschaft auftretenden Personen als Vertreter in der nötigen Weise nach außen hervorgetreten ist (§ 164 Abs. 2 BGB)1; sie können jedoch in verschiedenen Fällen zugleich zur persönlichen Haftung dieser Personen führen (s. unten Rdnr. 54). Außerdem ist dann § 37 HGB anwendbar. Diese Grundsätze gelten auch für das Handeln für eine Vor-GmbH unter der Firma der zukünftigen GmbH, wenn dies ohne Zusätze geschieht, die auf die besonderen Haftungsverhältnisse bei der Vor-GmbH hindeuten wie z.B. „GmbH i.G.“2.

2. Voraussetzungen 54

Eine persönliche Haftung des jeweils für die Gesellschaft Handelnden (das kann ein Geschäftsführer oder ein sonstiger Vertreter sein) kommt – neben der Haftung der Gesellschaft (Rdnr. 55) – im Falle der Verletzung der Firmenführungspflicht durch den Vertreter der Gesellschaft im Wesentlichen in zwei Fällen in Betracht:

54a

a) Der erste Fall liegt vor, wenn ein Geschäftsführer oder ein sonstiger Vertreter gerade unter der Firma der Gesellschaft, aber ohne GmbH-Zusatz auftritt, vorausgesetzt, dass er dadurch den Rechtsschein einer persönlichen Haftung des Vertreters hervorruft, weil sein Auftreten bei gutgläubigen Geschäftspartnern den Eindruck erwecken muss, der Vertreter der Gesellschaft, insbesondere also der Geschäftsführer, sei selbst der Geschäftsinhaber und hafte deshalb als solcher persönlich. Das gilt auch bei Verwendung einer Sachfirma, weil Einzelkaufleute und Personengesellschaften heute gleichfalls solche Firmen führen dürfen (§§ 18, 22, 24 HGB).

54b b) Eine persönliche Haftung des jeweils für die Gesellschaft Handelnden einschließlich insbesondere der Geschäftsführer kommt kraft Gewohnheitsrechts (analog § 179 Abs. 2 BGB) ferner in Betracht (der zweite Fall), wenn sich der Handelnde (zwar nicht wie im ersten Fall als Inhaber des Geschäfts, sondern durchaus) als Vertreter geriert, jedoch durch die Fortlassung des Rechtsformzusatzes den Eindruck erweckt, der (von der handelnden Person) verschiedene Geschäftsinhaber hafte persönlich. Auch dann haftet also der Geschäftsführer oder der sonstige Vertreter persönlich. Dies wird in entsprechender Anwendung des § 179 Abs. 2 BGB aus dem Zweck des § 4 gefolgert, dem insoweit der Vor-

1 S. oben Rdnr. 5; insbesondere BGH, LM Nr. 24 zu § 151 BGB (Bl. 2 f.) = NJW 2000, 2984. 2 S. unten Rdnr. 62; BGH, LM Nr. 79 zu § 164 BGB = NJW 1996, 2645 = GmbHR 1996, 764 = ZIP 1996, 511.

240

Emmerich

§4

Firma

rang vor § 15 Abs. 2 HGB zugebilligt wird1. Dies gilt, wie besonderer Hervorhebung bedarf, auch wenn ein anderer Vertreter, in erster Linie also ein Angestellter, für die Gesellschaft unter deren Firma ohne GmbH-Zusatz auftritt, so dass den Vertreter dann ebenfalls eine persönliche Haftung trifft2. Die persönliche Haftung der für die Gesellschaft tätig gewordenen Personen aus 55 Rechtsschein (s. oben Rdnr. 54 f.) beschränkt sich auf die jeweils handelnden Personen und erfasst nicht zugleich andere Vertreter der Gesellschaft, die selbst gar nicht tätig geworden sind und daher auch keinen Rechtsschein der persönlichen Haftung begründen konnten3. Das gilt auch für den Vollmachtgeber der jeweils als Vertreter tätig gewordenen Person und für sonstige „Hintermänner“: In keinem Fall kann die Rechtsscheinhaftung auf diese zusätzlichen Personen erstreckt werden4. Die Haftung ist vom Verschulden des Handelnden unabhängig (analog § 179 Abs. 2 BGB), setzt aber – als Rechtsscheinhaftung – Kausalität des Rechtsscheins für den Vertragsabschluss sowie Gutgläubigkeit des Vertragspartners voraus, wobei freilich die Beweislast für das Fehlen dieser Voraussetzungen den Geschäftsführer oder den sonstigen Vertreter trifft, der persönlich in Anspruch genommen wird. Gelingt dieser Beweis nicht, so tritt die Haftung der genannten Personen neben die der GmbH. Die persönliche Haftung ist nicht etwa subsidiär gegenüber der der Gesellschaft; beide haften vielmehr als Gesamtschuldner5. Jedoch wird im Innenverhältnis der Beteiligten im Zweifel, d.h. jenseits von Missbrauchsfällen, die Gesellschaft die volle Haftung übernehmen müssen6. Ebenso wird die Rechtslage grundsätzlich in Österreich beurteilt7.

1 BGHZ 62, 216, 222 = NJW 1974, 1191; BGHZ 64, 11, 17 = NJW 1975, 1106; BGHZ 71, 354, 356 = NJW 1978, 2030; BGH, LM Nr. 8 zu § 4 GmbHG = NJW 1981, 2569; BGH, LM Nr. 67 zu § 164 BGB = NJW 1990, 2678 = GmbHR 1990, 212; BGH, LM Nr. 13 zu § 4 GmbHG = NJW 1991, 2627 = GmbHR 1991, 360 = ZIP 1991, 1004; BGH, LM Nr. 79 zu § 164 BGB = NJW 1996, 2645 = GmbHR 1996, 764 = ZIP 1996, 1511; BGH, NJW 2007, 1525 Rdnr. 14 ff. = GmbHR 2007, 593; OLG Hamm, NJW-RR 1988, 1308; OLG Naumburg, NJW-RR 1997, 1324 = GmbHR 1997, 445; OLG Zweibrücken, NZG 1998, 939; LG Heidelberg, GmbHR 1997, 446; Brandes, WM 1983, 286, 296; Bühler, GmbHR 1991, 356; J. Mayer, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 145 ff.; Michalski, in: Michalski, Rdnr. 108 ff.; kritisch Haas, NJW 1997, 2854; Haas, DStR 2000, 84. 2 BGH, LM Nr. 13 zu § 4 GmbHG = NJW 1991, 2627 = GmbHR 1991, 360 = ZIP 1991, 1004; BGH, LM Nr. 79 zu § 164 BGB = NJW 1996, 2645 = GmbHR 1996, 764 = ZIP 1996, 511; BGH, NJW 2007, 1525 Rdnr. 14 ff. = GmbHR 2007, 593; LG Aachen, NJW-RR 1988, 1174, 1175; Canaris, NJW 1991, 2628; Noack, Anm., LM Nr. 79 zu § 164 BGB; Roth, Anm., LM Nr. 13 zu § 4 GmbHG. 3 BGH, LM Nr. 79 zu § 164 BGB = NJW 1996, 2564 = GmbHR 1996, 764; BGH, NJW 2007, 1525 Rdnr. 14 ff. = GmbHR 2007, 593; OLG Oldenburg, OLGR 2000, 204 = GmbHR 2000, 822 (nur LS). 4 BGH, NJW 2007, 1525 = GmbHR 2007, 593 Rdnr. 15, 18. 5 BGH, LM Nr. 67 zu § 164 BGB = NJW 1990, 2678 = GmbHR 1990, 212; BGH, LM Nr. 13 zu § 4 GmbHG = NJW 1991, 2627 = GmbHR 1991, 360 = ZIP 1991, 1004; Goette, GmbH, § 1 Rdnr. 27 (S. 10). 6 J. Mayer, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 149. 7 OGH, EvBl. 1987 Nr. 202 = ÖJZ 1987, 755, 756 = WiBl. 1987, 277 = HS 18.244; Koppensteiner, öGmbHG, § 5 Rdnr. 12.

Emmerich

241

§4

Firma

3. Anwendungsbereich 56

Die Firmenführungspflicht, deren Verletzung zur Rechtsscheinhaftung führen kann (s. oben Rdnr. 54 f.), gilt grundsätzlich nur im schriftlichen rechtsgeschäftlichen Verkehr, wie aus § 35a Abs. 1 zu folgern ist1. Mündliche Erklärungen von Geschäftsführern und sonstigen Vertretern der Gesellschaft in deren Namen, aber unter Weglassung des GmbH-Zusatzes führen grundsätzlich nicht zur Rechtsscheinhaftung, weil im mündlichen Verkehr niemand mit der Verwendung der vollen Firma seines Verhandlungspartners rechnet2. Anders verhält es sich aber z.B., wenn auf konkrete Nachfrage die Haftungsbeschränkung bestritten wird (§§ 823 Abs. 2, 826 BGB). Je nach den Umständen des Falles kann eine persönliche Haftung des Handelnden ferner etwa bei der Verwendung von Visitenkarten im Rahmen von Verhandlungen in Betracht kommen, auf denen die Firma der GmbH ohne den zwingend vorgeschriebenen GmbH-Zusatz vermerkt ist3.

X. Allgemeines Firmenrecht 57

Für die Gesellschaft gilt neben § 4 ergänzend über § 13 Abs. 3 GmbHG i.V.m. § 6 Abs. 1 HGB das gesamte Firmenrecht des HGB (§§ 17 bis 37a) und des MarkenG. Im Folgenden ist nur kurz auf einige für die GmbH besonders wichtige Punkte einzugehen.

1. Zusätze 58

Die Gesellschaft darf ihrer Firma beliebige Zusätze hinzufügen, vorausgesetzt, dass sie nicht täuschend sind (§ 18 Abs. 2 HGB)4. Unzulässig sind insbesondere solche Zusätze, die auf eine andere Gesellschaftsform als die der GmbH hindeuten. Ein Beispiel ist der Zusatz „Partner“ (oder ähnlich), der Partnerschaftsgesellschaften vorbehalten ist (Rdnr. 24).

2. Zweigniederlassung 59

Eine GmbH kann an beliebigen Orten Zweigniederlassungen errichten (§ 13 HGB). Die Firmenbildung richtet sich in diesem Fall nach § 4 GmbHG i.V.m. §§ 13 Abs. 1 Satz 1, 30 Abs. 3 und 50 Abs. 3 HGB5. Aus diesen Vorschriften folgt, dass die Firmen der Haupt- und der Zweigniederlassung identisch sein können, aber nicht sein müssen. Vor allem, wenn für die Zweigniederlassung die Firma 1 J. Mayer, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 148; dagegen nur Haas, NJW 1997, 2854. 2 BGH, LM Nr. 79 zu § 164 BGB = NJW 1996, 2645 = GmbHR 1996, 764 = ZIP 1996, 1511; OLG Hamm, NJW-RR 1988, 1308, 1309; OLG Naumburg, GmbHR 1997, 445; LG Heidelberg, GmbHR 1997, 446, 447; LG Aachen, NJW-RR 1988, 1174, 1175. 3 OLG Naumburg, GmbHR 1997, 445; LG Aachen, NJW-RR 1988, 1174, 1175. 4 S. Bokelmann, Firmen und Geschäftsbezeichnungen, Rdnr. 114 ff. (S. 102 ff.); Emmerich, in: Heymann, § 18 HGB Rdnr. 14 ff.; für Österreich Koppensteiner, öGmbHG, § 5 Rdnr. 13–15. 5 Wegen der Einzelheiten s. Ammon, DStR 1994, 325; Ammon/Ries, in: Röhricht/Graf von Westphalen, § 13 HGB Rdnr. 12 f.; Emmerich, in: Heymann, § 17 HGB Rdnr. 28 f.; I. Heinrich, in: Ulmer, Rdnr. 90 ff.; Michalski, in: Michalski, Rdnr. 85–89; zur Veräußerung der Zweigniederlassung mit Firma s. schon oben Rdnr. 40.

242

Emmerich

§4

Firma

eines übernommenen Handelsgeschäfts nach § 4 GmbHG i.V.m. § 22 HGB fortgeführt wird, kann für die Zweigniederlassung auch eine von der Firma der Hauptniederlassung abweichende Firma gewählt werden; in diesem Fall muss jedoch durch Zusätze klargestellt werden, dass es sich gerade um die Firma einer Zweigniederlassung der Gesellschaft handelt1. In jedem Fall muss außerdem in die Firma der Zweigniederlassung, wie immer sie im Übrigen gebildet wird, nach § 4 der GmbH-Zusatz aufgenommen werden2. Eine von der Firma der Hauptniederlassung abweichende Firmenbildung bei der 60 Zweigniederlassung bedarf gemäß § 3 Abs. 1 der Regelung im Gesellschaftsvertrag. Dies gilt nur dann nicht, wenn für die Zweigniederlassung dieselbe Firma wie für die Hauptniederlassung, jedoch mit dem Zusatz „Zweigniederlassung X“, verwandt wird3. Sind die Firma von Haupt- und Zweigniederlassung identisch, so erstreckt sich eine Änderung der Firma der Hauptniederlassung automatisch auch auf die der Zweigniederlassung4.

3. Erlöschen Das Firmenrecht (§ 15 Abs. 1 MarkenG) besteht so lange, wie die Gesellschaft 61 besteht und sie die fragliche Firma gebraucht, d.h. führt5. Das Firmenrecht erlischt dagegen, sobald die Gesellschaft im Wege der Vertragsänderung (§ 53) eine neue Firma bildet oder wenn sie das unter der Firma betriebene Unternehmen endgültig und nicht nur vorübergehend einstellt, während die Auflösung oder die Insolvenz der Gesellschaft nicht automatisch zum Erlöschen der Firma führen, so dass der Insolvenzverwalter das Unternehmen immer noch mit Firma veräußern kann, wozu er selbst dann nicht der Zustimmung der Gesellschafter bedarf, wenn ihr Name in der Firma der Gesellschaft enthalten ist6. Die Firma erlischt in diesen Fällen erst mit der tatsächlichen Beendigung der Liquidation oder der sonstigen Auseinandersetzung. Dieselbe Wirkung haben die Löschung der Gesellschaft wegen Vermögenslosigkeit (§ 60 Abs. 1 Nr. 7) sowie der Untergang der Gesellschaft durch Verschmelzung und Umwandlung, sofern der neue Rechtsträger die bisherige Firma der Gesellschaft nicht fortführt. Für die Eintragung des Erlöschens im Handelsregister gilt § 31 HGB mit § 393 FamFG.

4. Vorgesellschaft Auch die Vor-GmbH führt bereits eine Firma, sofern sie ein Handelsgeschäft be- 62 treibt. Grundsätzlich ist dies die Firma der zukünftigen GmbH mit einem auf 1 BayObLGZ 1990, 151, 158 = BB 1990, 1364; BayObLGZ 1992, 59 = AG 1992, 455 = DB 1992, 1080. 2 J. Mayer, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 126; Michalski, in: Michalski, Rdnr. 86. 3 BayObLGZ 1990, 151, 158 = BB 1990, 1364; BayObLGZ 1992, 59 = AG 1992, 455 = DB 1992, 1080. 4 BayObLGZ 1990, 151, 158 = BB 1990, 1364; BayObLGZ 1992, 59 = AG 1992, 455 = DB 1992, 1080; LG Nürnberg-Fürth, BB 1984, 1066. 5 S. Emmerich, in: Heymann, § 17 HGB Rdnr. 16 ff.; Michalski, in: Michalski, Rdnr. 91–95. 6 BGHZ 85, 221, 224 = NJW 1983, 755; BGHZ 109, 364, 367 = NJW 1990, 1605 – „Benner“; s. Emmerich, in: Heymann, § 17 HGB Rdnr. 38 ff.

Emmerich

243

§4

Firma

den besonderen Status der Vor-GmbH hindeutenden Zusatz (s. unten § 11 Rdnr. 38). Verbreitet ist namentlich der Zusatz „in Gründung“ oder (abgekürzt) „i.G.“. Wird dieser Zusatz im Rechtsverkehr weggelassen, so kommt unter den genannten Voraussetzungen (Rdnr. 54 ff.) eine persönliche Haftung des jeweils für die Vor-GmbH auftretenden Vertreters in Betracht (Rdnr. 53a). Zur Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt) s. oben Rdnr. 1.

XI. Unzulässigkeit der Firma 1. Vor Eintragung 63

Wenn die von der Gesellschaft gewählte Firma gegen § 4 GmbHG oder gegen die §§ 18 und 30 HGB verstößt, ist der Gesellschaftsvertrag nichtig, weil es sich bei den genannten Vorschriften um gesetzliche Verbote handelt (§§ 134, 139 BGB)1. Das Registergericht hat dies von Amts wegen zu prüfen (§ 9c Abs. 2 Nr. 1 GmbHG; § 26 FamFG) und die Eintragung abzulehnen, sofern der Mangel trotz Beanstandung im Wege einer Zwischenverfügung nicht beseitigt wird (§ 382 Abs. 4 FamFG). Umstritten ist dies lediglich für Verstöße gegen § 30 HGB; doch gilt für diesen nichts anderes als etwa für § 18 Abs. 2 HGB2.

2. Nach Eintragung 64

Nach Eintragung der Gesellschaft wird die Wirksamkeit der Gesellschaft durch die Nichtigkeit der die Firma betreffenden Gesellschaftsvertragsbestimmungen nicht mehr berührt (§ 75 Abs. 1). Dies ändert jedoch nichts an der Unzulässigkeit der Firma nach Registerrecht (§ 4 GmbHG; §§ 18, 30 HGB), so dass das Registergericht gegen den Gebrauch einer derartigen unzulässigen Firma immer noch einschreiten kann. Hierfür stehen ihm zwei Wege zur Verfügung:

65

a) Der Gebrauch der unzulässigen Firma verstößt zunächst gegen § 37 Abs. 1 HGB (§§ 4 und 13 Abs. 3 GmbHG i.V.m. § 6 Abs. 1 HGB). Unter § 37 Abs. 1 HGB fallen insbesondere auch die Fälle einer nur nachträglichen Unzulässigkeit der Firma (s. oben Rdnr. 22). Das Verfahren richtet sich nach § 392 FamFG i.V.m. den §§ 388–391 FamFG3.

66

b) Statt nach § 37 HGB kann das Registergericht gegen die unzulässige Firma auch in dem besonderen Amtsauflösungs- oder Beanstandungsverfahren des § 399 Abs. 4 und 1 FamFG vorgehen. Ziel dieses Verfahrens ist nicht die „Löschung“ der Firma, sondern deren Änderung in einer Weise, durch die der Mangel des Gesellschaftsvertrages behoben wird. Nur wenn die Gesellschafter zu ei-

1 Z.B. J. Mayer, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 138. 2 J. Mayer, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 138; Michalski, in: Michalski, Rdnr. 97; Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 58 f.; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 47; dagegen Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 28; I. Heinrich, in: Ulmer, Rdnr. 101; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 66; Wälzholz, in: GmbH-Handbuch, Rdnr. I 181. 3 BayObLGZ 1989, 44 = NJW-RR 1989, 867 = GmbHR 1989, 291, 292; OLG Hamm, OLGZ 1979, 1, 3; OLG Frankfurt, OLGZ 1979, 318, 321; Emmerich, in: Heymann, § 37 HGB Rdnr. 14; J. Mayer, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 140 f.

244

Emmerich

§ 4a

Sitz der Gesellschaft

ner derartigen Satzungsänderung nicht bereit sind, kommt es zur Auflösung der Gesellschaft (§ 60 Abs. 1 Nr. 6)1.

3. Löschung Eine Löschung der Firma im Handelsregister gibt es nur in wenigen Fällen. Her- 67 vorzuheben ist § 43 Abs. 2 KWG. Das Verfahren richtet sich nach § 395 FamFG2. In diesem Verfahren ist ausnahmsweise auch eine (sonst nicht mögliche) Teillöschung unzulässiger Firmenzusätze möglich3. Die Firma wird außerdem gelöscht bei Sitzverlegung sowie bei rechtskräftiger Verurteilung der Gesellschaft zur Löschung ihrer Firma, insbesondere nach § 12 BGB und § 15 MarkenG.

§ 4a

Sitz der Gesellschaft Sitz der Gesellschaft ist der Ort im Inland, den der Gesellschaftsvertrag bestimmt. Eingefügt durch Art. 9 Nr. 2 des Handelsrechtsreformgesetzes vom 22.6.1998 (BGBl. I 1998, 1474, 1479); Abs. 1 geändert, Abs. 2 aufgehoben durch das MoMiG vom 23.10.2008 (BGBl. I 2008, 2026).

Inhaltsübersicht I. Geschichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1

II. Der Sitz der Gesellschaft 1. Satzungs- und Verwaltungssitz . 2. Bedeutung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

7 8

III. 1. 2. 3. 4.

Bestimmung des Satzungssitzes Ort im Inland . . . . . . . . . . . . . . . . . Wahlfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . Doppelsitz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zweigniederlassung . . . . . . . . . . .

11 13 15 17

IV. Mängel. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18

V. Sitzverlegung im Inland . . . . . . . VI. Sitzverlegung vom oder ins Ausland 1. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Verlegung des Satzungssitzes a) Verlegung des Satzungssitzes ins Ausland . . . . . . . . . . . . . . . b) Zuzugsfälle . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Verlegung des Verwaltungssitzes a) Verlegung des Verwaltungssitzes ins Ausland . . . . . . . . . . b) Zuzugsfälle . . . . . . . . . . . . . . . .

21

22

26 27

28 30

1 Dazu eingehend BayObLGZ 1989, 44 = NJW-RR 1989, 867 = GmbHR 1989, 291, 292; Wälzholz, in: GmbH-Handbuch, Rdnr. I 181; zur Auswirkung einer nachträglichen Veränderung der Verhältnisse auf eine Sachfirma s. schon oben Rdnr. 22. 2 S. BayObLGZ 1988, 32; BayObLGZ 1989, 44 = NJW-RR 1989, 867 = GmbHR 1989, 291, 292. 3 BayObLGZ 1983, 54, 58; BayObLG, WM 1984, 1569, 1570; J. Mayer, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 144.

Emmerich

245

§ 4a

Sitz der Gesellschaft

ner derartigen Satzungsänderung nicht bereit sind, kommt es zur Auflösung der Gesellschaft (§ 60 Abs. 1 Nr. 6)1.

3. Löschung Eine Löschung der Firma im Handelsregister gibt es nur in wenigen Fällen. Her- 67 vorzuheben ist § 43 Abs. 2 KWG. Das Verfahren richtet sich nach § 395 FamFG2. In diesem Verfahren ist ausnahmsweise auch eine (sonst nicht mögliche) Teillöschung unzulässiger Firmenzusätze möglich3. Die Firma wird außerdem gelöscht bei Sitzverlegung sowie bei rechtskräftiger Verurteilung der Gesellschaft zur Löschung ihrer Firma, insbesondere nach § 12 BGB und § 15 MarkenG.

§ 4a

Sitz der Gesellschaft Sitz der Gesellschaft ist der Ort im Inland, den der Gesellschaftsvertrag bestimmt. Eingefügt durch Art. 9 Nr. 2 des Handelsrechtsreformgesetzes vom 22.6.1998 (BGBl. I 1998, 1474, 1479); Abs. 1 geändert, Abs. 2 aufgehoben durch das MoMiG vom 23.10.2008 (BGBl. I 2008, 2026).

Inhaltsübersicht I. Geschichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1

II. Der Sitz der Gesellschaft 1. Satzungs- und Verwaltungssitz . 2. Bedeutung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

7 8

III. 1. 2. 3. 4.

Bestimmung des Satzungssitzes Ort im Inland . . . . . . . . . . . . . . . . . Wahlfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . Doppelsitz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zweigniederlassung . . . . . . . . . . .

11 13 15 17

IV. Mängel. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18

V. Sitzverlegung im Inland . . . . . . . VI. Sitzverlegung vom oder ins Ausland 1. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Verlegung des Satzungssitzes a) Verlegung des Satzungssitzes ins Ausland . . . . . . . . . . . . . . . b) Zuzugsfälle . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Verlegung des Verwaltungssitzes a) Verlegung des Verwaltungssitzes ins Ausland . . . . . . . . . . b) Zuzugsfälle . . . . . . . . . . . . . . . .

21

22

26 27

28 30

1 Dazu eingehend BayObLGZ 1989, 44 = NJW-RR 1989, 867 = GmbHR 1989, 291, 292; Wälzholz, in: GmbH-Handbuch, Rdnr. I 181; zur Auswirkung einer nachträglichen Veränderung der Verhältnisse auf eine Sachfirma s. schon oben Rdnr. 22. 2 S. BayObLGZ 1988, 32; BayObLGZ 1989, 44 = NJW-RR 1989, 867 = GmbHR 1989, 291, 292. 3 BayObLGZ 1983, 54, 58; BayObLG, WM 1984, 1569, 1570; J. Mayer, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 144.

Emmerich

245

§ 4a

Sitz der Gesellschaft

Schrifttum zum früheren Rechtszustand (Auswahl): Berg, Die GmbH im Strudel der Sitztheorie?, GmbHR 1997, 1136; S. Bandehzadeh/Thoß, Die nachträgliche Verlagerung des tatsächlichen Sitzes einer GmbH, NZG 2002, 803; Borsch, Die Zulässigkeit des inländischen Doppelsitzes für Gesellschaften mbH, GmbHR 2003, 258; Brödermann, Der europäische GmbH-Gerichtsstand, ZIP 1996, 491; H. Bungert, Entwicklungen im internationalen Gesellschaftsrecht Deutschlands, AG 1995, 489; Katschinski, Die Begründung eines Doppelsitzes bei Verschmelzung, ZIP 1997, 620; Knobbe-Keuk, Umzug von Gesellschaften in Europa, ZHR 154 (1990), 325; St. Kögel, Der Sitz der GmbH und seine Bezugapunkte, GmbHR 1998, 1108; J. König, Doppelsitz einer Kapitalgesellschaft – Gesetzliches Verbot oder zulässiges Mittel der Gestaltung einer Fusion?, AG 2000, 18; Lierse, Der Sitz der juristischen Person, 1934; Pluskat, Die Zulässigkeit des Mehrfachsitzes und die Lösung der damit verbundenen Probleme, WM 2004, 601; Ringe, Keine Eintragung der Verlegung des Satzungssitzes einer GmbH in das EU Ausland in das deutsche Handelsregister, GmbHR 2005, 487; Stieb, Die Verlegung des Sitzes einer GmbH GmbHR 2004, 492; P. Ulmer, Rechtsfolgen nachträglicher Diskrepanz zwischen Satzungssitz und tatsächlichem Sitz der GmbH – § 4a Abs. 2 GmbHG als Schlag ins Wasser?, in: FS Th. Raiser, 2005, S. 439. Schrifttum zum neuen Recht (Auswahl): Franz, Internationales Gesellschaftsrecht und deutsche Kapitalgesellschaften im In- bzw. Ausland, BB 2009, 1250; Franz/Laeger, Die Mobilität deutscher Kapitalgesellschaften nach Umsetzung des MoMiG unter Einbeziehung des Referentenentwurfs zum internationalen Gesellschaftsrecht, BB 2008, 678; Grigoleit/Rieder, GmbH-Recht nach dem MoMiG, 2009, Rdnr. 67 ff. (S. 24 ff.); Grohmann/Gruschinske, Die identitätswahrende grenzüberschreitende Sitzverlegung in Europa – Schein oder Realität?, GmbHR 2008, 27; Hellgardt/Illmer, Wiederauferstehung der Sitztheorie?, NZG 2009, 94; J. Hoffmann, Die stille Bestattung der Sitztheorie durch den Gesetzgeber, ZIP 2007, 1581; Kindler, GmbH-Reform und internationales Gesellschaftsrecht, AG 2007, 721; Kindler, Ende der Diskussion über die so genannte Wegzugsfreiheit, NZG 2009, 130; Kindler, in: Goette/Habersack, Das MoMiG in Wissenschaft und Praxis, 2009, S. 233 ff.; Knof/Mock, Das MoMiG und die Auslandsinsolvenz haftungsbeschränkter Gesellschaften, GmbHR 2007, 852; Kobelt, Internationale Optionen deutscher Kapitalgesellschaften, GmbHR 2009, 808; Koch/Eickmann, Gründungs- oder Sitztheorie? Eine „never ending story“?, AG 2009, 73; Leible/Hoffmann, Cartesio – fortgeltende Sitztheorie, grenzüberschreitender Formwechsel und Verbot materiellrechtlicher Wegzugsbeschränkungen, BB 2009, 58; Lieder/Kliebisch, Nichts Neues im Internationalen Gesellschaftsrecht: Anwendbarkeit der Sitztheorie auf Gesellschaften aus Drittstaaten?, BB 2009, 338; S. Otte/Rietschel, Freifahrschein für grenzüberschreitenden Rechtsformwechsel nach „Cartesio“?, GmbHR 2009, 983; Paefgen, „Cartesio“: Niederlassungsfreiheit minderer Güte – Zum Urteil des EuGH vom 16.12.2008 („Cartesio“) = WM 2009, 223 ff., WM 2009, 529; C. Peters, Verlegung des tatsächlichen Verwaltungssitzes der GmbH ins Ausland. Aufgabe der Sitztheorie durch das MoMiG?, GmbHR 2008, 245; N. Preuß, Die Wahl des Satzungssitzes im geltenden Gesellschaftsrecht und nach dem MoMiG-Entwurf, GmbHR 2007, 57; Prinz, „Teilwegzug“ von Unternehmen in das europäische Ausland, GmbHR 2007, 966; Sethe/Winzer, Der Umzug von Gesellschaften in Europa nach dem Cartesio-Urteil, WM 2009, 536; Chr. Teichmann, Cartesio: Die Freiheit zum formwechselnden Wegzug, ZIP 2009, 393; Wachter, Die GmbH nach MoMiG im internationalen Rechtsverkehr, in: Römermann/Wachter (Hrsg.), GmbH-Beratung nach dem MoMiG, GmbHR-Sonderheft MoMiG, 2008, S. 80; R. Werner, Das deutsche Internationale Gesellschaftsrecht nach Cartesio und Trabrennbahn, GmbHR 2009, 191; R. Werner, Der Nachweis des Verwaltungssitzes ausländischer juristischer Personen, 1997; Zimmer/Naendrup, Das Cartesio-Urteil des EuGH: Rück- oder Fortschritt für das internationale Gesellschaftsrecht?, NJW 2009, 545.

246

Emmerich

§ 4a

Sitz der Gesellschaft

I. Geschichte Nach § 4a ist der Sitz der Gesellschaft im Sinne des § 3 Abs. 1 Nr. 1 der Ort im 1 Inland, den der Gesellschaftsvertrag bestimmt. § 4a ist erst durch Art. 9 Nr. 2 des Handelsrechtsreformgesetzes von 1998 mit Wirkung vom 1.1.1999 ab in das Gesetz eingefügt worden1. Die geltende Fassung der Vorschrift beruht auf dem MoMiG von 2008, durch das der ursprüngliche Abs. 1 der Vorschrift durch die Einfügung der Worte „im Inland“ geändert und der frühere Abs. 2 der Vorschrift ersatzlos gestrichen wurden. § 4a Abs. 2 a.F. bestimmte, dass der Gesellschaftsvertrag als Sitz der Gesellschaft in der Regel den Ort zu bestimmen hat, an dem die Gesellschaft einen Betrieb hat, oder den Ort, an dem sich die Geschäftsleitung befindet oder die Verwaltung geführt wird. Vorbild der Vorschrift war § 5 AktG a.F. von 1965 gewesen, der auf § 5 AktG von 1937 zurückging2. Ursprünglich hatte das GmbHG lediglich bestimmt, dass im Gesellschaftsver- 2 trag der Sitz der Gesellschaft geregelt werden muss (§ 3 Abs. 1 Nr. 1). Da das Gesetz für die Sitzwahl keine weiteren Vorgaben enthielt, ging die herrschende Meinung zunächst davon aus, dass sich der Sitz der Gesellschaft zwar immer im Inland befinden müsse, dass aber im Übrigen bis zur Grenze des Missbrauchs Wahlfreiheit in der Bestimmung des Gesellschaftssitzes bestehe. Als unzulässig galt lediglich eine geradezu willkürliche Sitzwahl, insbesondere die Wahl eines Ortes, zu dem die Gesellschaft keinerlei tatsächliche Beziehungen hatte3. Dies wurde vor allem angenommen, wenn die Gesellschaft an dem angegebenen Ort postalisch oder auf andere Weise überhaupt nicht erreichbar war4, während ein Missbrauch verneint wurde, wenn die Gesellschaft dort bereits Geschäftsräume gemietet und Firmenschilder angebracht hatte5 oder wenn an dem fraglichen Ort der Geschäftsführer wohnte6. Diese Wahlfreiheit der Gesellschafter bei der Bestimmung des Gesellschaftssit- 3 zes (Rdnr. 2) wurde erst im Jahre 1998 durch das Handelsrechtsreformgesetz im Anschluss an das Aktienrecht (§ 5 AktG von 1965 a.F.) (vorübergehend) beseitigt, und zwar durch die Bestimmung des § 4a Abs. 2 a.F., dass der Gesellschaftsvertrag als Sitz der Gesellschaft „in der Regel“ den Ort zu bestimmen hat, an dem die Gesellschaft einen Betrieb hat oder an dem sich die Geschäftsleitung befindet oder die Verwaltung geführt wird. Damit wurde vornehmlich der Zweck verfolgt, im Interesse des Gläubigerschutzes und einer effektiven Registerführung die früher umstrittene Frage zu klären, in welchem Ausmaß die Gesellschafter bei der Bestimmung des Gesellschaftssitzes Wahlfreiheit besitzen7. Deshalb wurde eine Regelung gewählt, die sicherstellen sollte, dass der tatsäch1 BGBl. I 1998, 1474, 1479; s. dazu die Begr., BT-Drucks. 13/8444; den Ausschussbericht, BT-Drucks. 13/10332. 2 S. die Begr., BT-Drucks. 13/8444, S. 75. 3 RGZ 59, 106; KG, KGJ 44, 125; BayObLGZ 1982, 140, 141; BayObLGZ 1987, 267 = NJWRR 1988, 96 = GmbHR 1988, 23; OLG Zweibrücken, GmbHR 1991, 317 = NJW-RR 1991, 1509. 4 BayObLGZ 1987, 267 = NJW-RR 1988, 96, 97 = GmbHR 1988, 23; OLG Stuttgart, GmbHR 1991, 316 = NJW-RR 1991, 1510. 5 OLG Köln, GmbHR 1988, 25 = NJW-RR 1987, 1059 = ZIP 1987, 712. 6 OLG Schleswig, GmbHR 1994, 557 = NJW-RR 1994, 610. 7 S. die Begr., BT-Drucks. 13/8444, S. 75.

Emmerich

247

§ 4a

Sitz der Gesellschaft

liche und der vertragliche Sitz der Gesellschaft grundsätzlich zusammenfallen. Die Gesetzesverfasser wollten dadurch zugleich im Interesse eines verbesserten Gläubigerschutzes Missbräuche durch willkürliche Sitzverlegungen bekämpfen und die postalische Erreichbarkeit der Gesellschaft unter allen Umständen sicherstellen1. Die Neuregelung galt seit dem 1.1.1999 gleichermaßen für alle schon bestehenden und neuen Gesellschaften, da das Handelsrechtsreformgesetz keine Übergangsvorschriften enthielt2. In den seinerzeit schon bestehenden Gesellschaften musste daher der Gesellschaftsvertrag dem neuen § 4a angepasst werden. Verstieß die Regelung des Sitzes der Gesellschaft im Gesellschaftsvertrag von Anfang an gegen § 4a (a.F.), so war der Gesellschaftsvertrag nichtig (§ 134 BGB); dasselbe galt für eine spätere Änderung des Gesellschaftsvertrages unter Verstoß gegen § 4a, während eine bloße tatsächliche Verlegung des Sitzes ohne gleichzeitige Änderung des Gesellschaftsvertrages zur Anwendung des § 399 FamFG führte3. 4 Die geschilderte Regelung des § 4a a.F. führte auf Grund der Rechtsprechung des EuGH zur Niederlassungsfreiheit in der Europäischen Union zu einer gewissen „Bevorzugung“ ausländischer Gesellschaften gegenüber deutschen Gesellschaften: Während ausländische Gesellschaften bei dem Zuzug aus einem Mitgliedstaat der Europäischen Union in Deutschland anerkannt werden mussten, hinderte § 4a deutsche Gesellschaften daran, von dieser Freiheit gleichfalls Gebrauch zu machen, da sie nach § 4a a.F. grundsätzlich ihren deutschen Verwaltungssitz beibehalten mussten. Die darin liegende Beschränkung der Wegzugsfreiheit von Gesellschaften in der Europäischen Union hat zwar noch 2008 grundsätzlich, d.h. vom bestimmten Fällen abgesehen (str.), in dem Urteil „Cartesio“ die Billigung des EuGH gefunden4. Die Verfasser des MoMiG sahen darin gleichwohl eine sachlich nicht gerechtfertigte Benachteiligung deutscher Gesellschaften und strichen deshalb 2008 ersatzlos den bisherigen § 4a Abs. 2 (ebenso wie § 5 Abs. 2 AktG), hielten jedoch zugleich daran fest, dass sich der gesellschaftsvertragliche Sitz der Gesellschaft, der so genannte Satzungssitz, weiterhin stets im Inland befinden muss, wie in § 4a durch die Einfügung der Worte „im Inland“ ebenso wie in § 5 AktG klargestellt wurde. 5 Zur Begründung der Änderung des § 4a haben die Verfasser des MoMiG ausgeführt, um eine Benachteiligung deutscher Gesellschaften gegenüber Gesellschaften aus einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union zu vermeiden, könnten deutsche Gesellschaften fortan einen Verwaltungssitz im In- oder Ausland wählen, der nicht mit dem Satzungssitz übereinstimmt. Deutschen Konzernen werde es dadurch ermöglicht, ihre ausländischen Tochtergesellschaften in der Rechtsform einer deutschen GmbH zu führen und zu betreiben5. Im Ausschussbericht heißt es ergänzend, durch die Eröffnung dieser Wegzugsmöglichkeit sei keine „Flucht aus der Mitbestimmung“ zu befürchten, da die fragliche Gesellschaft eine deutsche Gesellschaft bleibe und deshalb weiterhin 1 2 3 4

S. statt aller Ulmer, in: FS Th. Raiser, S. 439 ff. S. BayObLG, NZG 2002, 828 = GmbHR 2002, 490. S. unten Rdnr. 18 ff.; BGH, NJW 2008, 2914 = GmbHR 2008, 990 Rdnr. 7 ff. EuGH, Slg. 2008, I-9664 = GmbHR 2009, 86 = AG 2009, 79 = NJW 2009, 569 Rdnr. 104 ff. 5 Begr. BT-Drucks. 16/6140, S. 29.

248

Emmerich

§ 4a

Sitz der Gesellschaft

der deutschen Mitbestimmung unterliege, sofern die Voraussetzungen dafür im Inland erfüllt seien1. Die geschilderte Entwicklung (Rdnr. 1–5) und insbesondere die Rechtsprechung 6 des EuGH zu dem Fragenkreis haben zu einer breiten Diskussion über die Grundsätze des deutschen internationalen Gesellschaftsrechts (Stichworte: Sitzvs. Gründungstheorie) sowie über die Zuzugs- und Wegzugsfreiheit von Gesellschaften in der EU (sowie im EWIR und im Verhältnis zu den USA) geführt, wobei üblicherweise noch zwischen der Verlegung des Satzungs- und der des Verwaltungssitzes ins Ausland und vom Ausland ins Inland unterschieden wird. Die Einzelheiten gehören in die Darstellung des Internationalen Gesellschaftsrechts im Anh. zu § 4a. Im Folgenden wird auf diese Diskussion nur insoweit eingegangen, wie es zum Verständnis der Erläuterungen des § 4a erforderlich erscheint.

II. Der Sitz der Gesellschaft 1. Satzungs- und Verwaltungssitz Bei der Anwendung des § 4a muss man den Satzungs- von dem Verwaltungssitz 7 unterscheiden. Der Satzungssitz wird durch den Gesellschaftsvertrag bestimmt (§ 3 Abs. 1 Nr. 1) und muss sich wie bisher an einem (beliebigen) Ort im Inland befinden (§ 4a; vgl. auch § 8 Abs. 4 Nr. 1). Der Satzungssitz hat in vielfältigen Beziehungen Bedeutung, vor allem bei der Bestimmung des Gerichtsstandes der Gesellschaft (s. Rdnr. 8). Als Verwaltungssitz bezeichnet man demgegenüber den Ort, von dem aus die Gesellschaft tatsächlich geleitet wird, wo sich nach einer immer wieder verwandten Formel der Tätigkeitsort der Geschäftsleitung und der dazu berufenen Gesellschaftsorgane befindet, wo mit anderen Worten die grundlegenden Entscheidungen der Geschäftsführung effektiv in die laufende Geschäftsführung umgesetzt werden2. Dieser Verwaltungssitz braucht heute nicht mehr mit dem Satzungssitz zusammenzufallen, sondern kann beliebig gewählt werden, und zwar im Inland oder im Ausland (h.M., str., s. unten Rdnr. 14, Rdnr. 28 f.), von Anfang an oder nachträglich. Die Funktion des Satzungssitzes kann sich infolgedessen darauf reduzieren, eine Geschäftsadresse für die Gesellschaft zu bezeichnen, die, weil mit Notwendigkeit im Inland belegen (§ 4a n.F.), immer und für jedermann erreichbar ist. Die rechtliche Bedeutung des Satzungssitzes geht indessen wesentlich weiter.

2. Bedeutung a) Der Satzungssitz hat in vielfältigen rechtlichen Beziehungen Bedeutung. Er bestimmt insbesondere die Zuständigkeit des Registergerichts (§ 7 Abs. 1) und des Prozessgerichts (§ 17 ZPO; s. unten § 13 Rdnr. 26). Hat die Gesellschaft ihre werbende Tätigkeit eingestellt, so richtet sich außerdem die Zuständigkeit des Insolvenzgerichts nach dem vertraglichen Sitz der Gesellschaft (§§ 3, 4 InsO)3. 1 Ausschussbericht, BT-Drucks. 16/9737, S. 54 f. „Zu Art. 1 Nr. 4 (§ 4a)“. 2 Sog. Sandrock’sche Formel, z.B. J. Mayer, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 8. 3 BayObLG, ZIP 1999, 1714 = NJW-RR 2000, 349 = GmbHR 2000, 39 (nur Leitsatz); OLG Köln, ZIP 2000, 672, 673; OLG Braunschweig, ZIP 2000, 1118; str.

Emmerich

249

8

§ 4a

Sitz der Gesellschaft

Am Sitz der Gesellschaft findet ferner im Zweifel die Gesellschafterversammlung statt, sofern der Gesellschaftsvertrag keine abweichende Regelung enthält (ebenso ausdrücklich § 121 Abs. 5 Satz 1 AktG; § 36 Abs. 1 öGmbHG). Hat die Gesellschaft Zweigniederlassungen, so bestimmt der im Gesellschaftsvertrag festgelegte Sitz der Gesellschaft zugleich den Sitz der Hauptniederlassung, so dass alle anderen Niederlassungen mit Notwendigkeit Zweigniederlassungen sind (§ 13 Abs. 1 Satz 1 HGB; s. unten Rdnr. 17). Für die Sitzverlegung ist ergänzend § 13h HGB (i.V.m. §§ 53 und 54 GmbHG) zu beachten (s. unten Rdnr. 21) 9 b) Die Bedeutung des vom Satzungssitz sorgfältig zu unterscheidenden Verwaltungssitzes liegt demgegenüber in erster Linie im Internationalen Privatrecht (s. Anh. zu § 4a), weil sich nach dem Verwaltungssitz gemäß der jedenfalls früher in Deutschland herrschenden Sitztheorie die Nationalität der Gesellschaft richtete, während es keine Rolle spielte, nach welchem Recht sie gegründet worden war (so genannte Gründungstheorie). Dies hatte fatale Folgen für eine Sitzverlegung ins Ausland, wobei man wiederum genau zwischen dem Satzungs- und dem Verwaltungssitz unterscheiden muss (Rdnr. 7): 10

Nach herkömmlichen Verständnis führte sowohl die Verlegung des Satzungssitzes als auch die des Verwaltungssitzes ins Ausland zur Auflösung und Liquidation der Gesellschaft. Für die Verlegung des Satzungssitzes ins Ausland war (und ist) dafür vor allem die Überlegung maßgebend, dass eine deutsche GmbH, genauer: eine Gesellschaft, die dem deutschen GmbH-Gesetz untersteht, mit Notwendigkeit einen Sitz im Inland haben und in das deutsche Handelsregister eingetragen sein müsse (§§ 4a, 11 Abs. 1 und 13). Abweichende Bestimmungen im Gesellschaftsvertrag sind nicht möglich (§ 134 BGB) und dürfen nicht ins Handelsregister eingetragen werden (§ 9c). Geschieht dies doch, so führt dies zwar nicht zur Nichtigkeit der Gesellschaft (§ 75), ändert aber auch nichts an der Nichtigkeit der entsprechenden Vertragsbestimmung, so dass das Beanstandungs- oder Amtslöschungsverfahren nach § 399 Abs. 4 FamFG einzuleiten ist. Es spielt dabei keine Rolle, ob es sich um den ursprünglichen Gesellschaftsvertrag oder eine nachträgliche Änderung des Vertrags handelt. Die Rechtsfolge ist immer die Nichtigkeit des Vertrages oder der Vertragsänderung. Das Registergericht muss nach § 399 FamFG vorgehen1. Daraus ergibt sich, dass eine Sitzverlegung ins Ausland von vornherein nicht ins Handelsregister eingetragen werden darf2. Ebenso wurde im Ergebnis – früher – überwiegend die Verlegung des vom Satzungssitz zu unterscheidenden Verwaltungssitzes (s. Rdnr. 7) ins Ausland beurteilt, wofür unterschiedliche Gründe angeführt wurden. Im Vordergrund stand wohl die Erwägung, dass eine Gesellschaft, die ihre Geschäfte vom Ausland aus betreibt, keinen sinnvollen Anknüpfungspunkt mehr für das deutsche Sachrecht bietet. Jedenfalls insoweit hat jedoch die Änderung des § 4a durch das MoMiG nach überwiegender Meinung einen Paradigmenwechsel eingeleitet (s. unten Rdnr. 28 f.); aber auch dies ist nach wie vor umstritten.

1 BGH, NJW 2008, 2914 = GmbHR 2008, 990 Rdnr. 7 f. 2 BayObLG, GmbHR 2004, 490, 491 f. = NJW-RR 2004, 836; OLG Brandenburg, GmbHR 2005, 484, 485 ff.; OLG Hamm, NJW 2001, 2183 = GmbHR 2001, 440; OLG München, GmbHR 2007, 1273.

250

Emmerich

§ 4a

Sitz der Gesellschaft

III. Bestimmung des Satzungssitzes 1. Ort im Inland Nach § 4a ist (zwingend) Sitz der Gesellschaft (ausschließlich) der Ort im In- 11 land, den der Gesellschaftsvertrag, wenn auch möglicherweise zu Unrecht, dazu bestimmt. Vorläufer der Bestimmung war § 5 AktG, der seinerzeit gerade zu dem Zweck in das AktG aufgenommen worden war, den unbedingten Vorrang des vertraglichen, satzungsmäßigen oder auch statutarischen Gesellschaftssitzes, des sog. Satzungssitzes, vor dem tatsächlichen Sitz, dem sog. Verwaltungssitz, zum Ausdruck zu bringen1. Aus § 4a folgt zugleich, dass als Satzungssitz der Gesellschaft ausschließlich ein genau bestimmter Ort im Sinne einer politischen Gemeinde (allein) im Inland gewählt werden kann2. Das Erfordernis, dass die fragliche Gemeinde im Inland liegen muss, ist zwar erst im Jahre 2008 durch das MoMiG ausdrücklich im Gesetz verankert worden, war aber in der Sache schon vorher allgemein anerkannt3. Es ist genau dies der Grund, warum die Sitzverlegung aus dem Inland ins Ausland bisher nach deutschem Recht nicht zugelassen wurde (oben Rdnr. 10), weil eben jede juristische Person nach deutschem Recht zwingend einen Sitz im Inland haben muss. In dieselbe Richtung weist die Regelung des § 7 Abs. 1, der bestimmt, dass sich nach dem Sitz der Gesellschaft die Zuständigkeit des Registergerichts richtet. Damit ist aber eine Verlegung des Satzungssitzes ins Ausland nur schwer zu vereinbaren. Handelt es sich bei der als Gesellschaftssitz bestimmten Gemeinde (oben 12 Rdnr. 11) um eine Großstadt, die in mehrere Amtsgerichtsbezirke aufgeteilt ist, so sollte in dem Gesellschaftsvertrag außerdem angegeben werden, in welchem Amtsgerichtsbezirk die Gesellschaft ihren Sitz hat (vgl. § 35a Abs. 1)4. Geschieht das nicht, so ist in Berlin das AG Schöneberg zuständig, während sich in anderen Großstädten in diesem Fall die Zuständigkeit des Amtsgerichts nach der Gesellschaftsadresse richtet5. Es bestehen ferner keine Bedenken dagegen, auch die Angabe einzelner Gemeindeteile als Sitz der Gesellschaft zuzulassen6.

2. Wahlfreiheit Seit der Änderung des § 4a durch das MoMiG von 2008 enthält das Gesetz keine 13 Vorgaben mehr für die Auswahl des Satzungssitzes im Inland durch die Gesellschafter, so dass insoweit wieder Wahlfreiheit wie schon in der Zeit von 1892 bis 1998 besteht. Dagegen besaßen die Gesellschafter nach § 4a Abs. 2 a.F. in der Zwischenzeit bis 2008 (vorübergehend) bei der Wahl des Satzungssitzes allein die Wahl zwischen drei verschiedenen Orten. Es waren dies der Reihe nach der 1 S. die Begr. RegE AktG von 1965, bei Kropff, AktG, 1965, S. 20. 2 S. RGZ 59, 106, 109; KG, KGJ 39, 119; BayObLGZ 1987, 267 = NJW-RR 1988, 96, 97. 3 BGHZ 19, 102, 105 = NJW 1956, 183; BGHZ 29, 320, 328 = NJW 1959, 1126; KG, KGJ 13 A 42; BayObLG, GmbHR 2004, 490, 491 = NJW-RR 2004, 836; OLG Brandenburg, GmbHR 2005, 484, 485. 4 Heider, in: MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, § 5 AktG Rdnr. 25; anders Brändel, in: Großkomm. AktG, 4. Aufl. 1992, § 5 AktG Rdnr. 12. 5 Wiesner, in: MünchHdb. IV, § 8 Rdnr. 5 (S. 66). 6 OGH, RdW 1992, 372 = WiBl. 1993, 94 = AG 1993, 176; Heider, in: MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008 § 5 AktG Rdnr. 25; str.

Emmerich

251

§ 4a

Sitz der Gesellschaft

Ort, an dem die Gesellschaft „einen Betrieb“ hat, weiter der Ort, an dem sich „die Geschäftsleitung“ befindet, sowie schließlich der Ort, an dem „die Verwaltung geführt wird“. Dies galt jedoch nur „in der Regel“, so dass unter im Einzelnen umstrittenen Voraussetzungen auch die Wahl anderer als der genannten drei Orte möglich blieb1. 14

Diese strikte Regelung ist im Jahre 2008 durch das MoMiG, wie schon im Einzelnen ausgeführt (Rdnr. 4 ff.), im Aktien- ebenso wie im GmbH-Recht wieder abgeschafft worden, um deutschen Gesellschaften – im Wettbewerb der Rechtsformen in der EU – ebenso wie Gesellschaften aus den anderen Mitgliedstaaten die Möglichkeit zu eröffnen, einen beliebigen, vom Satzungssitz abweichenden Verwaltungssitz im Inland oder im Ausland zu wählen, wenn ihnen dies, etwa zur einheitlichen Leitung von Konzernen, sinnvoll erscheint (s. Rdnr. 4 f.). Bis zur Grenze des Rechtsmissbrauchs besteht somit wieder Wahlfreiheit bei der Bestimmung des Verwaltungssitzes jedenfalls im Inland (zum Ausland s. unten Rdnr. 28 f.), wobei bisher offen ist, wann tatsächlich (ausnahmsweise) die Wahl eines vom Satzungssitz abweichenden Verwaltungssitzes im Inland (!) als missbräuchlich zu qualifizieren ist. Die alleinige Existenz einer bloßen „Briefkastenfirma“ an dem im Gesellschaftsvertrag bestimmten Satzungssitz reicht dafür nach überwiegender Meinung ebenso wenig aus wie der Wunsch der Gesellschafter, über die Bestimmung des Satzungssitzes die Zuständigkeit eines von ihnen als besonders effektiv oder auch als „besonders großzügig“ eingeschätzten Registergerichts zu begründen2, – wobei es sich ohnehin in aller Regel um eine abwegige Wunschvorstellung der Gesellschafter handeln dürfte. Da auch nur schwer vorstellbar ist, dass es im Bundesgebiet Orte geben sollte, die postalisch nicht erreichbar sind, ist bisher nicht erkennbar, wann die Wahl eines vom Satzungssitz abweichenden Verwaltungssitzes im Inland tatsächlich als missbräuchlich zu qualifizieren sein sollte, während die Wahl eines Verwaltungssitzes im Ausland durchaus missbräuchlich sein kann, wenn durch diese Wahl Interessen der Gläubiger, der Mitarbeiter oder der Abnehmer ernsthaft gefährdet werden, etwa, weil die Erreichbarkeit der Gesellschaft übermäßig erschwert wird.

3. Doppelsitz 15

Das GmbHG (§ 4a) regelt ebenso wenig wie das AktG (§ 5) oder das BGB (§§ 24, 55) die Frage, ob die Gesellschaft nur einen Sitz oder auch mehrere Sitze haben kann. Alle genannten Vorschriften verwenden jedoch das Wort „Sitz“ im Singular3. Mit der gewählten Formulierung wollte der Gesetzgeber des AktG seinerzeit auch in der Tat zum Ausdruck bringen, dass als Sitz der Gesellschaft grundsätzlich nur ein einziger Ort im Bundesgebiet in Betracht kommt. Von einem generellen Verbot des Doppelsitzes sah man gleichwohl ab, weil es „außergewöhnliche Fälle“ gebe, in denen eine andere Entscheidung geboten sei4. Die Gesetzesverfasser hatten dabei in erster Linie die besonderen Verhältnisse der 1 2 3 4

S. dazu im Einzelnen 10. Aufl., Rdnr. 10–15. KG, ZIP 2011, 1566. S. § 4a: „Sitz der Gesellschaft ist …“ im Anschluss an den gleich lautenden § 5 AktG. S. die Begr. RegE des AktG von 1965, bei Kropff, AktG, S. 20 f.

252

Emmerich

§ 4a

Sitz der Gesellschaft

Nachkriegszeit im Auge, so dass die einschlägigen Entscheidungen dazu nicht verallgemeinert werden dürfen1. Heute ist die Haltung der Rechtsprechung gespalten: Ein Teil der Gerichte hat bei Vorliegen eines besonderen Interesses der Gesellschaft nach wie vor keine Bedenken gegen die Eintragung eines Doppelsitzes; das gilt vor allem für Fusionsfälle, wenn die beteiligten Gesellschaften, vorwiegend wohl aus Gründen der Tradition, nach Möglichkeit an ihren unterschiedlichen bisherigen Sitzen festhalten wollen2. Von anderen Gerichten wird dagegen bis heute die Zulässigkeit eines Doppelsitzes generell oder doch für den Regelfall bestritten3. Im Schrifttum lassen sich im Wesentlichen drei Meinungen unterscheiden4. 16 Während die einen, nicht zuletzt aus verfassungs- oder europarechtlichen Gründen, für die generelle Zulässigkeit eines Mehrfachsitzes juristischer Personen eintreten5, lehnt eine verbreitete Meinung nach wie vor die Zulässigkeit eines Doppelsitzes, vor allem aus praktischen Erwägungen heraus, ab6. Daneben findet sich aber auch vielfach die Meinung, dass in Ausnahmefällen, d.h. bei Vorliegen eines überwiegenden berechtigten Interesses der Gesellschaft, § 4a ebenso wie § 5 AktG durchaus Raum für die Zulassung eines Doppel- oder gar Mehrfachsitzes lasse7. Für die Richtigkeit dieser Meinung spricht nicht nur die Auffassung, die die Gesetzesverfasser zu § 5 AktG vertreten haben8, sondern auch die Tatsache, dass es in der Praxis eine Vielzahl von Doppelsitzen gibt, ohne dass die davon immer wieder befürchteten Unzuträglichkeiten eingetreten wären9. Soweit danach (ausnahmsweise) ein Doppelsitz zulässig ist, stehen die Registergerichte an den verschiedenen Sitzen der Gesellschaft selbständig nebeneinander10. Erst die Register aller zuständigen Registergerichte zusammen bilden dann „das Handelsregister“ der Gesellschaft, so dass jede Eintragung von jedem Registergericht selbständig geprüft und vorgenommen werden muss. 1 OLG Düsseldorf, WM 1950, 155; OLG Stuttgart, NJW 1953, 748; BayObLGZ 1962, 107 = NJW 1962, 1014; KG, OLGZ 1973, 272 = NJW 1973, 1201; KG, OLGZ 1975, 62, 66; KG, NJW-RR 1991, 1507; OLG Düsseldorf, AG 1988, 50 = NJW-RR 1988, 354 – „Deutsche Bank (Altbank)“; OLG Hamm, Rpfleger 1965, 120; Katschinski, ZIP 1997, 620; J. König, AG 2000, 18, 19 ff. 2 LG Hamburg, DB 1973, 2237 – „Hapag Lloyd“; LG Essen, AG 2001, 429, 430 = ZIP 2001, 1632 – „Thyssen Krupp“; AG Bremen, DB 1976, 1810 f. 3 KG, KGJ 39, 118; KG, MDR 1950, 740; OLG Hamburg, MDR 1972, 417 (für einen Verein); BayObLGZ 1985, 111 = AG 1986, 48 – „EVO“. 4 S. U. Borsch, GmbHR 2003, 258, 259 f.; S. Pluskat, WM 2004, 601, 602 f. 5 U. Borsch, GmbHR 2003, 258, 260 f.; S. Pluskat, WM 2004, 601, 604 ff. 6 Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 6; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/ Schmidt-Leithoff, Rdnr. 15; Karl, AcP 159 (1960), 302; Kögel, GmbHR 1998, 1108, 1110; ebenso für die AG Brändel, in: Großkomm. AktG, 4. Aufl. 1992, § 5 AktG Rdnr. 29–37; Heider, in: MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, § 5 AktG Rdnr. 46; Hüffer, § 5 AktG Rdnr. 10. 7 Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 6; J. Mayer, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 11; Katschinski, ZIP 1997, 620; J. König, AG 2000, 18, 28 ff.; Michalski/Funke, in: Michalski, Rdnr. 104; Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 10; Löbbe, in: Ulmer, Erg.-Band MoMiG, Rdnr. 29 ff. 8 S. die Begr. bei Kropff, AktG, 1965, S. 20 f. 9 S. S. Pluskat, WM 2004, 601, 604 ff. 10 S. ausführlich Heider, in: MünchKomm. AktG, 3. Aufl.2008, § 5 AktG Rdnr. 49–58; S. Pluskat, WM 2004, 601, 604 ff.

Emmerich

253

§ 4a

Sitz der Gesellschaft

Lehnt auch nur eines der mehreren zuständigen Registergerichte die Eintragung ab, so kann sie nicht erfolgen1. Eine weitere Folge eines Doppelsitzes ist, dass eine etwaige Anfechtung von Beschlüssen der Gesellschafterversammlung gleichzeitig vor verschiedenen, gleichermaßen zuständigen Gerichten möglich ist2.

4. Zweigniederlassung 17

Wenn die Gesellschaft an einem bestimmten Ort ihren Satzungssitz hat, besitzen Geschäftsstellen an anderen Orten, selbst wenn sie noch so bedeutsam für die Gesellschaft sein mögen, ohne Ausnahme lediglich die Bedeutung von Zweigniederlassungen3. Das Verfahren bei ihrer Einrichtung richtet sich (nach der Aufhebung des früheren § 12) nach § 13 HGB. Für den Fall, dass Satzungsund Verwaltungssitz auseinanderfallen, ist daraus der Schluss zu ziehen, dass der Satzungssitz immer die Hauptniederlassung darstellt, so dass es sich bei dem davon verschiedenen Verwaltungssitz in aller Regel, wenn nicht sogar immer, um eine Zweigniederlassung handeln wird, die nach § 13 HGB zur Eintragung ins Handelsregister anzumelden ist4. Das folgt schon daraus, dass § 13 HGB offenkundig bei Kapitalgesellschaften zur Bestimmung der Hauptniederlassung auf den Satzungssitz abstellt – ungeachtet des Umstandes, dass im Übrigen eine gesetzliche Definition der Begriffe Haupt- und Zweigniederlassung fehlt. Über den Zwang zur Eintragung des Verwaltungssitzes als Zweigniederlassung (§ 13 HGB) wird damit zugleich die nötige Publizität des Auseinanderfallens von Satzungs- und Verwaltungssitz sichergestellt.

IV. Mängel 18

1. Die Vorschriften des § 3 Abs. 1 Nr. 1 und des § 4a sind zwingendes Recht, so dass der Gesellschaftsvertrag nichtig ist, wenn die Angabe des Sitzes fehlt oder gegen § 4a verstößt. Es wird sich dabei freilich – anders als unter der ursprünglichen Fassung des § 4a von 1998 – angesichts der heutigen Wahlfreiheit der Gesellschafter bei der Bestimmung des Satzungs- und des Verwaltungssitzes (Rdnr. 13) um Ausnahmefälle handeln. In Betracht kommen im Wesentlichen nur drei gleichermaßen unwahrscheinliche Fallgestaltungen, nämlich erstens das völlige Fehlen einer Bestimmung des Satzungssitzes im Gesellschaftsvertrag unter Verstoß gegen § 3 Abs. 1 Nr. 1, zweitens die Angabe eines gänzlich unbestimmten oder unzulässigen, weil z.B. im Ausland belegenen Satzungssitzes im Gesellschaftsvertrag unter Verstoß gegen § 4a sowie drittens die missbräuchliche Wahl eines Satzungssitzes (Rdnr. 14). In diesen Fällen hat das Registergericht die Eintragung der Gesellschaft ins Handelsregister abzulehnen (§ 9c 1 OLG Düsseldorf, AG 1988, 50, 51 = NJW-RR 1988, 354 – „Deutsche Bank (Altbank)“; KG, OLGZ 1973, 272 = NJW 1973, 1201; KG, OLGZ 1975, 62, 66; OLG Hamm, Rpfleger 1965, 120. 2 KG, AG 1996, 421; LG Berlin, AG 1995, 44 – „Viag“; Heider, in: MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, § 5 AktG Rdnr. 56. 3 KG, OLGE 27, 395; KGJ 39, 118; Hüffer, § 5 AktG Rdnr. 2; Ulmer, in: FS Th. Raiser, S. 439, 444. 4 Ammon/Ries, in: Röhricht/Graf von Westphalen, § 13 HGB Rdnr. 1 f.; J. Mayer, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 87; Michalski/Funke, in: Michalski, Rdnr. 11; Löbbe, in: Ulmer, Erg.-Band MoMiG, Rdnr. 15; str.

254

Emmerich

§ 4a

Sitz der Gesellschaft

Abs. 2 Nr. 1). Wird die Gesellschaft gleichwohl eingetragen, etwa, weil das Gericht den Verstoß gegen § 4a übersieht, so greift zwar nicht § 75, wohl aber das Amtsauflösungs- oder Beanstandungsverfahren nach § 399 Abs. 4 FamFG ein, das zur Amtslöschung nach § 60 Abs. 1 Nr. 6 führen kann1. Bis zur Änderung des Gesellschaftsvertrages ist weiter von § 4a auszugehen, so dass es vorerst bei der Maßgeblichkeit des gesellschaftsvertraglichen Sitzes der Gesellschaft bleibt. 2. Ebenso ist die Rechtslage bei einer späteren Änderung der Bestimmungen des 19 Gesellschaftsvertrages über den Sitz der Gesellschaft (Rdnr. 21). Verstößt der Änderungsbeschluss gegen § 4a, so ist er nichtig (§ 241 Nr. 3 Fall 3 AktG analog) und darf nicht ins Handelsregister eingetragen werden2. Wird der Beschluss gleichwohl eingetragen, so kommt eine Amtslöschung nach § 399 Abs 4 FamFG in Betracht, so dass es wiederum bei dem bisherigen Gesellschaftssitz verbleibt3. 3. Von der Sitzverlegung durch Änderung des Gesellschaftsvertrages (oben 20 Rdnr. 19) muss die bloße nachträgliche Verlegung des Sitzes der Gesellschaft ohne Änderung des Gesellschaftsvertrages unterschieden werden. Vor allem die zutreffende Behandlung dieser Fälle war früher (unter der Geltung des § 4a von 1998) umstritten, wobei man insbesondere Fallgestaltungen wie die Verlegung des Ortes, an dem sich die Verwaltung oder die Geschäftsleitung befindet, im Auge hatte, sofern dieser Ort seinerzeit im Gesellschaftsvertrag zugleich als Sitz der Gesellschaft bestimmt worden war. Für diesen Fall wurden in Literatur und Rechtsprechung sehr unterschiedliche Lösungen diskutiert4. Durchgesetzt hatte sich zuletzt die Auffassung, die für die entsprechende Anwendbarkeit des § 399 Abs. 4 FamFG eintrat5. Angesichts der Wahlfreiheit, die das Gesetz heute in § 4a den Gesellschaftern bei der Festlegung des Verwaltungssitzes einräumt (Rdnr. 13), sind einschlägige Fälle jedoch kaum mehr vorstellbar, so dass sich weitere Ausführungen erübrigen.

V. Sitzverlegung im Inland Die Regelung des Satzungssitzes der Gesellschaft ist nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 und 21 § 4a zwingender Bestandteil des Gesellschaftsvertrages. Eine Verlegung des Satzungssitzes ist daher nur im Wege der Änderung des Gesellschaftsvertrages möglich (§ 53), so dass sie erst mit Eintragung der Sitzverlegung ins Handelsregister wirksam wird (§ 54)6. Das Verfahren regelt im Einzelnen § 13h HGB (= 1 BGH, NJW 2008, 2914 Rdnr. 7 = GmbHR 2008, 990; J. Mayer, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 77 ff.; Löbbe, in: Ulmer, Erg.-Band MoMiG, Rdnr. 32 f. 2 BGH, NJW 2008, 2914 Rdnr. 8 = GmbHR 2008, 990; KG, ZIP 2011, 1566; Ulmer, in: FS Th. Raiser, S. 439, 445. 3 Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 8; Brändel, in: Großkomm. AktG, 4. Aufl. 1992, § 5 AktG Rdnr. 42; Heider, in: MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, § 5 AktG Rdnr. 64; Hüffer, § 5 AktG Rdnr. 9. 4 S. 10. Aufl., Rdnr. 21 f. 5 BGH, NJW 2008, 2914 Rdnr. 10, 12 = GmbHR 2008, 990. 6 S. Rdnr. 19; BayObLG, ZIP 1999, 1714 = NJW-RR 2000, 349; OLG Köln, ZIP 2000, 155, 156; OLG Köln, ZIP 2000, 672, 673; OLG Braunschweig, ZIP 2000, 1118; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 7; J. Mayer, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 12 f.; Michalski/ Funke, in: Michalski, Rdnr. 14 f.

Emmerich

255

§ 4a

Sitz der Gesellschaft

§ 13c HGB a.F.). Die Sitzverlegung ist danach bei dem bisher zuständigen Registergericht zur Eintragung ins Handelsregister anzumelden (§ 13h Abs. 1 HGB). Dieses hat die Sitzverlegung dem in Zukunft zuständigen Registergericht mitzuteilen, das (nur) die Wirksamkeit der Sitzverlegung, d.h. ihre Vereinbarkeit mit § 4a GmbHG und § 30 HGB, prüft (§ 13h Abs. 2 Satz 1 und 3 HGB). Ein weiteres Prüfungsrecht steht dem neuen Registergericht nicht zu1. Wenn jedoch zusammen mit der Sitzverlegung weitere Vertragsänderungen angemeldet werden, so kann das neue Registergericht seine Prüfung auch auf diese Vertragsänderungen erstrecken2. Von dem genannten Fall abgesehen, beschränkt sich jedoch die Prüfung der angemeldeten Sitzverlegung durch das neue Registergericht auf die Vereinbarkeit mit § 4a sowie auf die möglichen Auswirkungen der Sitzverlegung auf die Firma der Gesellschaft (§ 30 HGB). Die Eintragung der Sitzverlegung ist außerdem abzulehnen, wenn sie rechtsmissbräuchlich ist, etwa, weil die Sitzverlegung nach Auflösung der Gesellschaft beschlossen wird3.

VI. Sitzverlegung vom oder ins Ausland 1. Überblick 22

Das Gesetz enthält keine ausdrückliche Regelung der umstrittenen Frage, ob und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen die Gesellschaft ihren Sitz, den Satzungs- oder den Verwaltungssitz, ins Ausland verlegen kann und unter welchen Voraussetzungen das deutsche Recht „umgekehrt“ die Verlegung des Sitzes einer ausländischen Gesellschaft ins Inland zulässt. Zwar war es einer der Zwecke, die mit der Änderung des § 4a durch das MoMiG verfolgt wurden, deutschen Gesellschaften eine Verlegung jedenfalls des Verwaltungssitzes ins Ausland zu ermöglichen (s. oben Rdnr. 5). Im Wortlaut des § 4a ist dies indessen nicht zum Ausdruck gelangt, so dass die Frage umstritten geblieben ist.

23

Die mit einer Sitzverlegung vom oder ins Ausland zusammenhängenden Fragen sind Gegenstand einer ausgebreiteten Diskussion im deutschen internationalen Gesellschaftsrecht. Insoweit ist auf die Darstellung des Fragenkreises im Anh. zu § 4a Rdnr. 73 ff. zu verweisen. Hier soll darauf, wie bereits eingangs der Kommentierung betont (Rdnr. 6), nur eingegangen werden, soweit dies zum Verständnis der Erläuterungen des § 4a erforderlich erscheint. Deshalb beschränken sich die folgenden Ausführungen auf einen Überblick über die verschiedenen in Betracht kommenden Fallgestaltungen und die wichtigsten dazu vertretenen Lösungsansätze4.

1 OLG Köln, BB 1984, 1065; OLG Hamm, GmbHR 1996, 858 = NJW-RR 1997, 167, 168. 2 OLG Hamm, GmbHR 1991, 321 = Rpfleger 1991, 317; OLG Frankfurt a.M., GmbHR 1991, 426 (nur Leitsatz); OLG Zweibrücken, GmbHR 1992, 678; Ziegler, Rpfleger 1991, 485. 3 LG Berlin, GmbHR 1999, 720 (nur Leitsatz). 4 Wegen der Einzelheiten s. im Übrigen noch die Übersichten bei Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 9, 15 ff.; Kindler, in: Goette/Habersack, Das MoMiG in Wissenschaft und Praxis, 2009, S. 233 ff.; Kobelt, GmbHR 2009, 808; J. Mayer, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 14 ff.; Michalski/Funke, in: Michalski, Rdnr. 16 ff.; R. Werner, GmbHR 2009, 191; Wachter, in: Römermann/Wachter, GmbHR-Sonderheft MoMiG, 2008, S. 80 ff.

256

Emmerich

§ 4a

Sitz der Gesellschaft

In der Frage der Nationalität einer Gesellschaft folgt Deutschland nach wie vor 24 (nur) im Prinzip der Sitztheorie, womit gemeint ist, dass sich die Nationalität einer Gesellschaft nicht nach ihrem Gründungsstatut (so die Gründungstheorie), sondern nach dem Recht an dem Ort ihres tatsächlichen Verwaltungssitzes richtet1. Etwas anderes gilt jedoch für Gesellschaften, die nach dem Recht eines Mitgliedstaates der EU (oder des EWR oder der USA) wirksam gegründet wurden. Denn auf diese Gesellschaften ist heute – als Auswirkung der Niederlassungsfreiheit in der Europäischen Union (Art. 49, 54 AEUV) – die Gründungstheorie anwendbar, so dass sie im Inland als wirksam anzuerkennen sind, und zwar nach Maßgabe ihres Gründungsstatuts, selbst wenn sie ihren Verwaltungssitz im Inland haben. Eine nach englischem Recht wirksam gegründete Limited bleibt mithin eine solche, auch wenn sie ihre Geschäfte vom Inland aus betreibt2. Etwas anderes gilt nur unter engen, noch nicht endgültig geklärten Voraussetzungen in Missbrauchsfällen sowie generell für Gesellschaften aus Drittstaaten wie z.B. der Schweiz. In Bezug auf solche Gesellschaften bleibt es mithin bei der Sitztheorie, so dass sie ihren Status als Kapitalgesellschaften einbüßen, sobald sie ihren Verwaltungssitz ins Inland verlegen; sie bestehen dann jedoch gegebenenfalls als Personengesellschaften fort (§ 705 BGB; § 105 HGB)3. Dies vorausgeschickt (Rdnr. 24), hat man vor allem die folgenden (durchweg 25 umstrittenen) Fälle zu unterscheiden: Die erste Fallgruppe umfasst die so genannten Wegzugsfälle, gekennzeichnet durch die Verlegung des Satzungs- oder des Verwaltungssitzes einer deutschen Gesellschaft ins Ausland (Rdnr. 26, 28). Die zweite große Fallgruppe bilden die so genannten Zuzugsfälle. Ihr Merkmal ist der Zuzug ausländischer Gesellschaften, wobei man nicht nur zwischen der Verlegung des Satzungs- oder des Verwaltungssitzes ins Inland unterscheiden muss, sondern auch danach, ob die betreffende Gesellschaft aufgrund der Niederlassungsfreiheit in Deutschland unter dem Schutz der Gründungstheorie steht oder aus einem Drittstaat wie z.B. der Schweiz stammt (s. Rdnr. 24, 27 und 30).

2. Verlegung des Satzungssitzes a) Verlegung des Satzungssitzes ins Ausland Nach § 4a i.d.F. des MoMiG muss sich der Satzungssitz einer deutschen Gesell- 26 schaft im Inland befinden, weil sie hier zum Handelsregister anzumelden ist (§ 7 Abs. 1) und weil sie nur durch Eintragung in das deutsche Handelsregister Rechtspersönlichkeit erlangen kann (§ 11 Abs. 1; Rdnr. 11 ff.). Daraus wird überwiegend der Schluss gezogen, dass eine Verlegung des Satzungssitzes ins Ausland (einschließlich der übrigen Mitgliedstaaten der Europäischen Union) aus1 BGHZ 178, 192, 194 ff. = NJW 2009, 281 = AG 2009, 84 Rdnr. 13 ff. – „Trabrennbahn“; BGH, GmbHR 2010, 819 Rdnr. 16 f. 2 So z.B. BGH, GmbHR 2010, 211 Rdnr. 4 f.; BGH, GmbHR 2010, 819 = AG 2010, 545 Rdnr. 15, 18; KG, GmbHR 2010, 316 = ZIP 2010, 204; BGH, GmbHR 2011, 1094, 1095 Rdnr. 17 ff.; OLG Düsseldorf, ZIP 2010, 1852; – anders aber für Zweigniederlassungen einer englischen Gesellschaft OLG München, GmbHR 2010, 1156. 3 BGHZ 178, 192 = NJW 2009, 281 = AG 2009, 84 = GmbHR 2009, 138 – „Trabrennbahn“ (Schweiz); BGH, GmbHR 2010, 211 = AG 2010, 79 (Singapur).

Emmerich

257

§ 4a

Sitz der Gesellschaft

scheidet; ein entsprechender Beschluss ist nicht ins Handelsregister einzutragen und als Auflösungsbeschluss zu qualifizieren1. Die Frage ist jedoch streitig geworden, weil der EuGH in dem Cartesio-Urteil vom 16.12.20082 für bestimmte Fallgestaltungen gegenteilig entschieden hat. Denn danach darf der Gründungsstaat eine Gesellschaft nicht an einem ihre Identität wahrenden Wegzug in einen anderen Mitgliedstaat unter Änderung des auf sie anwendbaren Rechts hindern, vorausgesetzt, dass solcher Zuzug nach dem Recht des Zuzugsstaates möglich ist, immer von Missbrauchsfällen abgesehen. Damit steht fest, dass ein identitätswahrender Wegzug unter Wechsel der Nationalität der Gesellschaft grundsätzlich möglich ist, während alle Einzelheiten nach wie vor offen sind, so dass insoweit die weitere Entwicklung abzuwarten ist3. b) Zuzugsfälle 27

Eine Gesellschaft, die nach dem Recht eines Mitgliedstaates der Europäischen Union (oder des EWR oder der USA) wirksam gegründet wurde (wobei es darauf ankommt, ob dieser Staat der Sitz- oder der Gründungstheorie folgt), genießt in Deutschland Niederlassungsfreiheit. Soweit der Wegzugsstaat dies zulässt, kann die Gesellschaft daher ihren Satzungssitz nach Deutschland verlegen, ohne ihre Rechtspersönlichkeit einzubüßen; sie lebt vielmehr weiter nach ihrem Gründungsstatut, z.B. als englische oder niederländische Gesellschaft, selbst wenn es sich bei ihr um eine so genannte Scheinauslandsgesellschaft handelt, die ihre gesamte Tätigkeit vom Inland aus betreibt4. Umstritten ist, ob dies auch zu gelten hat, wenn die fragliche Gesellschaft von vorneherein als Scheinauslandsgesellschaft gegründet wurde. Jedoch handelt es sich dabei um eine künstliche Unterscheidung, für die kein sachlicher Grund erkennbar ist. Für Gesellschaften aus Drittstaaten gilt dagegen keine Niederlassungsfreiheit, so dass es im Verhältnis zu ihnen bei der Sitztheorie verbleibt. Die Verlegung des Satzungssitzes ins Inland führt infolgedessen im Zweifel zur Umqualifizierung der Gesellschaft zur Personengesellschaft, jedenfalls, wenn der Verwaltungssitz der Gesellschaft ebenfalls ins Inland verlegt wird (Rdnr. 30)5.

3. Verlegung des Verwaltungssitzes a) Verlegung des Verwaltungssitzes ins Ausland 28

Die Verfasser des MoMiG wollten durch die Streichung des früheren § 4a Abs. 2 von 1998 (sowie des § 5 Abs. 2 AktG) deutschen Gesellschaften die Verlegung 1 Z.B. OLG München, GmbHR 2007, 1273; Grohmann/Gruschinske, GmbHR 2008, 27; J. Mayer, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 66; Preuß, GmbHR 2007, 57; R. Werner, GmbHR 2009, 191, 193 f. 2 EuGH, Slg. 2008, I-9664 = GmbHR 2009, 86, 91 Rdnr. 111 ff. = NJW 2009, 569 = ZIP 2009, 24 = AG 2009, 79. 3 S. Kobelt, GmbHR 2009, 808, 812 f.; Otte/Rietschel, GmbHR 2009, 983, 985 f. 4 BGHZ 178, 192, 198 = NJW 2009, 281 = AG 2009, 84 Rdnr. 22; BGH, NJW 2011, 3372, 3373 Rdnr. 19; J. Mayer, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 21 ff.; Michalski/Funke, in: Michalski, Rdnr. 23 ff.; Otte/Rietschel, GmbHR 2009, 983, 984, 986; R. Werner, GmbHR 2009, 191, 192. 5 BGHZ 178, 192, 198 = NJW 2009, 281 = AG 2009, 84 Rdnr. 22; R. Werner, GmbHR 2009, 191, 192.

258

Emmerich

§ 4a

Sitz der Gesellschaft

ihres Verwaltungssitzes ins Ausland ermöglichen, – vorausgesetzt, dass der Zuzugsstaat dies zulässt, entweder, weil er der Gründungstheorie folgt oder weil im Verhältnis zu ihm Niederlassungsfreiheit besteht (Rdnr. 5). Obwohl diese Entscheidung der Gesetzesverfasser im Wortlaut des § 4a nicht zum Ausdruck gelangt ist, wird doch seitdem im Schrifttum heute deutschen Gesellschaften überwiegend mit Rücksicht auf den Willen der Gesetzesverfasser grundsätzliche Wegzugsfreiheit zugebilligt1, immer vorausgesetzt, dass der Zuzugsstaat „mitspielt“. Das ist jedenfalls unproblematisch im Fall der nachträglichen Verlagerung des Verwaltungssitzes einer deutschen Gesellschaft in einen anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union, weil für diese Fälle nach der Rechtsprechung des EuGH der Niederlassungsfreiheit des Vertrages der Vorrang vor abweichenden Regelungen des nationalen Rechts zukommt, so dass die Mitgliedstaaten die zuziehende Gesellschaft als ausländische Kapitalgesellschaft im Inland anerkennen müssen, mögen sie im Übrigen der Sitz- oder der Gründungstheorie folgen. Bei einer Verlagerung des Verwaltungssitzes in einem Drittstaat mit Sitztheorie kommt es dagegen weiterhin zu einem Statutenwechsel. Umstritten ist, ob dasselbe zu gelten hat, wenn die Gesellschaft von vornherein 29 mit einem ausländischen Verwaltungssitz gegründet wird. In diesem Fall ergeben sich zwar heute aus dem deutschen Recht keine Hindernisse mehr, sofern man der überwiegend vertretenen Auslegung des § 4a im Anschluss an die Äußerungen der Gesetzesverfasser folgt. Eine andere Frage ist jedoch, wie es sich mit dem Recht des Zuzugsstaates verhält, in dem der Verwaltungssitz eingerichtet werden soll. Hindernisse aus dem Recht dieses Staates bestehen nur dann nicht, wenn er der Gründungstheorie folgt. Anders dagegen, wenn er wie z.B. Belgien an der Sitztheorie festhält. Denn dann ist nicht auszuschließen, dass er die fragliche Gesellschaft wegen des Verwaltungssitzes in seinem Gebiet als inländische Gesellschaft behandelt, so dass es zu einem Statutenwechsel kommt und die Änderung des § 4a ohne Wirkung bleibt. Aus der Rechtsprechung des EuGH zur Niederlassungsfreiheit ergibt sich im Verhältnis der Mitgliedstaaten der Europäischen Union wohl nichts anderes, weil sich diese bisher allein auf die so genannten Zuzugsfälle bezieht (str.). b) Zuzugsfälle Eine Gesellschaft, die wirksam nach dem Recht eines Mitgliedstaats der Euro- 30 päischen Union (oder des EWR oder der USA) gegründet wurde, kommt in Deutschland in den Genuss der Niederlassungsfreiheit2. Deutschland folgt mit anderen Worten insoweit jetzt der Gründungstheorie, so dass die Gesellschaft ihren Verwaltungssitz unter Beibehaltung ihres Statuts ins Inland verlegen kann. Für Gesellschaften aus Drittstaaten gilt dies dagegen nicht, so dass es insoweit bei der Sitztheorie verbleibt3. 1 Kobelt, GmbHR 2009, 808; J. Mayer, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 67 ff.; Michalski/Funke, in: Michalski, Rdnr. 62 ff.; Preuß, GmbHR 2007, 57, 60 f.; – anders aber z.B. R. Werner, GmbHR 2009, 191, 194 ff. 2 BGHZ 178, 192, 198 = NJW 2009, 281 = AG 2009, 84 Rdnr. 22; J. Mayer, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 22 ff. 3 BGHZ 178, 192, 198 = NJW 2009, 281 = AG 2009, 84 Rdnr. 19, 22; kritisch J. Mayer, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 31.

Emmerich

259

Anhang § 4a

Die GmbH im internationalen Privatrecht

Anhang § 4a

Die GmbH im internationalen Privatrecht Inhaltsübersicht I. Der rechtliche Status grenzüberschreitend tätiger Gesellschaften 1. Kollisions- und Gemeinschaftsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Kollisions- und Fremdenrecht . . 3. Gesellschaften betreffende völkerrechtliche Verträge . . . . . . . . . II. Die kollisionsrechtlichen Grundkonzeptionen und die Auswirkungen des Gemeinschaftsrechts 1. Sitz- und Gründungstheorie . . . . 2. Reformvorhaben . . . . . . . . . . . . . . 3. Verhältnis zum Gemeinschaftsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Frühere Judikatur des EuGH . b) Der Fall „Centros“ . . . . . . . . . . c) Die Fortführung durch „Überseering“ . . . . . . . . . . . . . . d) Die Verfestigung der Grundkonzeption durch „Inspire Art“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Neuere Sonderfälle im System der gemeinschaftsrechtlichen Niederlassungsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1 4 5

10 15 16 17 18 20 22

24

III. Inhalt des Personalstatuts im Einzelnen 1. Allgemeine Kriterien – Qualifikation, Gesellschaftssitz, der ordre-public-Vorbehalt . . . . . . . . . 25

2. Entstehung und Rechtsfähigkeit von Gesellschaften . . . . . . . . . . . 3. Eintragung ins Handelsregister. 4. Die Firmierung der Gesellschaft 5. Exkurs: Missbrauchsgefahren . . 6. Die Gründung der Gesellschaft 7. Kapitalaufbringung . . . . . . . . . . . 8. Willensbildung innerhalb der Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . 9. Das Recht der Kapitalerhaltung, insbesondere: Gesellschafterdarlehen, Bedeutung des Insolvenzstatuts . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10. Zur Form gesellschaftsrechtlicher Rechtsgeschäfte . . . . . . . . 11. Zur Rechnungslegung von Gesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12. Grenzüberschreitende Beteiligungen, Typenvermischungen und Konzerne . . . . . . . . . . . . . . . . 13. Haftungsfragen, insbesondere in der Insolvenz und in Insolvenznähe a) Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die Haftungstatbestände. . . . c) Durchgriffshaftung . . . . . . . . . d) Haftung bei Insolvenz, Insolvenzverfahren . . . . . . . . . . . . . 14. Die Sitzverlegung. . . . . . . . . . . . . 15. Grenzüberschreitende Verschmelzung . . . . . . . . . . . . . . . . . .

29 33 36 41 43 45 47

49 53 57

59

64 65 67 70 73 77

Schrifttum: Behrens, in: Ulmer, GmbHG, Bd. I Einl. B, 2005; Eidenmüller, Ausländische Kapitalgesellschaften im deutschen Recht, 2004; Großfeld, in: Staudinger, Internationales Gesellschaftsrecht, 13. Aufl. 1998; Hirte/Bücker, Grenzüberschreitende Gesellschaften, 2. Aufl. 2006; Hohloch, in: Erman, BGB, 13. Aufl. 2011; Kindler, in: Münchener Kommentar zum BGB, 5. Aufl. 2010, IntGesR; Leible, in: Michalski, 2. Aufl. 2010, Syst. Darst. 2; Lutter, Europäische Auslandsgesellschaften in Deutschland, 2005; Sandrock/Wetzler, Deutsches Gesellschaftsrecht im Wettbewerb der Rechtsordnungen, 2004; Schröder, Die GmbH im europäischen Vergleich, 2005; Spahlinger/Wegen, Internationales Gesellschaftsrecht in der Praxis, 2005; Süß/Wachter, Handbuch des internationalen GmbH-Rechts, 2006; Weller, in: Münchener Kommentar zum GmbHG, 2010, Einleitung Internationales Gesellschaftsrecht.

260

H.-P. Westermann

Die GmbH im internationalen Privatrecht

Anhang § 4a

I. Der rechtliche Status grenzüberschreitend tätiger Gesellschaften 1. Kollisions- und Gemeinschaftsrecht Eine grenzüberschreitende Tätigkeit einer Gesellschaft kommt praktisch im 1 Wesentlichen vor, wenn eine Gesellschaft in einem anderen Staat (und mithin unter einer anderen Rechtsordnung) unternehmerisch tätig wird als in dem, in dem sie bis dahin ihren Sitz hatte oder in dem sie gegründet worden ist. Die dabei auftretende Frage, welcher nationalen Rechtsordnung die privatrechtlichen – bei einer Gesellschaft also: die gesellschaftsrechtlichen – Normen zu entnehmen sind, die das Verhältnis der Gesellschafter zueinander und der Gesellschaft bzw. auch ihrer Gesellschafter zu Dritten bestimmen, ist nach herkömmlichem Verständnis nach dem internationalen Privatrecht der betreffenden Staaten, das auch als Kollisionsrecht (im Gegensatz zu dem ebenfalls nationalen Sachrecht) bezeichnet wird, zu beantworten. Maßgebend ist danach das Gesellschafts- oder Personalstatut, das sind die Regeln über die Voraussetzungen der Anerkennung eines Verbandes als rechtsfähig, die Ordnung des weiteren Lebens des einmal entstandenen Verbandes, seinen Untergang (u.a. auch durch Insolvenz), die an einen typisierten Teil des Sachverhalts anknüpfen mit dem Ziel, die engste Verbindung zwischen den hier zu behandelnden Interessen (und eventuell Konflikten) und einer der betroffenen nationalen Rechtsordnungen zu finden1. Zum Personalstatut gehören nach der überwiegend vertretenen Einheitslehre2 alle gesellschaftsrechtlichen Fragen, damit die Organisationsverfassung, das Außenverhältnis und namentlich das Haftungsstatut, wobei einzuräumen ist, dass die Anknüpfung an mehr oder weniger typisierte Kriterien wie etwa die Staatsangehörigkeit einer Person oder den Sitz bzw. die Gründung oder Registrierung einer Gesellschaft geschieht. Die Anknüpfung ist als Frage des nationalen Kollisionsrechts spezialgesetzlicher Regelung unterworfen, das deutsche Recht kennt allerdings bisher (zu Reformbestrebungen Rdnr. 15) keine solche, so dass sie durch eine manchmal als gewohnheitsrechtlich3 gekennzeichnete, freilich nicht unumstrittene Handhabung der Rechtsprechung und h.M. entschieden wird. Das war unvermeidbar, da Art. 37 Nr. 2 EGBGB auch in der Reform des Jahres 1996 die gesellschaftsrechtlichen Fragen aus dem Anwendungsbereich der Art. 27 ff. EGBGB bewusst4 ausgenommen hat. Etwa in Staatsverträgen niedergelegtes Völkerrecht ist für das Gesellschaftsrecht meist unergiebig5, es gibt allerdings mehrere für die Praxis besonders der deutschen Unternehmen bedeutsame bilaterale sowie multilaterale Verträge mit Regelungen über die Anknüpfung des Personalstatuts (näher Rdnr. 5 ff.).

1 Dazu Eidenmüller, in: Eidenmüller, § 1 Rdnr. 1; Weller, in: MünchKomm. GmbHG, Einl. Rdnr. 315; Behrens, in: Ulmer, Einl. B Rdnr. 1; Leible, in: Michalski, Syst. Darst. 2 Rdnr. 3; zur Methode auch Kindler, in: MünchKomm. BGB, IntGesR Rdnr. 1. 2 RGZ 83, 369; BGHZ 25, 134, 144 und ständig: BGH, BB 2000, 1106; OLG Düsseldorf, WM 1995, 808, 810; Behrens, in: Ulmer, Einl. B Rdnr. 95; Zöllner, GmbHR 2006, 1, 2; Wegen, in: Spahlinger/Wegen, Abschnitt B Rdnr. 21; abw. z.T. Altmeppen/Wilhelm, DB 1083, 1086. 3 Etwa Hohloch, in: Erman, BGB, Anh. II Art. 12 (Internationales Gesellschaftsrecht) Rdnr. 2. 4 S. Begr. RegE EGBGB, BT-Drucks. 10/504, S. 920. 5 Knobbe-Keuk, ZHR 154 (1990), 325, 341 f.; Eidenmüller, in: Eidenmüller, § 2 Rdnr. 4.

H.-P. Westermann

261

Anhang § 4a

Die GmbH im internationalen Privatrecht

2 Die kollisionsrechtliche Bestimmung eines Personalstatuts und der dazu gehörigen Normen ist in Europa seit geraumer Zeit durch die vom EuGH gezogenen Folgerungen aus der gemeinschaftsrechtlichen Niederlassungsfreiheit gewissermaßen überlagert, nach manchmal vertretener Ansicht1 auch durch eine versteckte Verweisung auf das Recht ergänzt, nach dem die Gesellschaft gegründet wurde. Daran ist richtig, dass aus der gemeinschaftsrechtlichen Grundfreiheit direkte Konsequenzen für die Anwendbarkeit und (vor allem auch) Nichtanwendbarkeit von Regeln des nationalen Sachrechts folgen, die zu einer nicht gerechtfertigten Einschränkung dieser Freiheit führen würden, wenn man über das nationale Kollisionsrecht zu ihrer Geltung käme. Konkret gilt dies für das Vordringen der Anknüpfung an den Ort der rechtlich durchgeführten Gründung der Gesellschaft, die das Personalstatut bestimmt und auch bei einem Wechsel des Zentrums der unternehmerischen Tätigkeit in ein anderes Mitgliedsland gewissermaßen mitgenommen wird. Im Schrifttum ist z.T. von einer europarechtlichen Gründungstheorie die Rede2, in etwas anderer Formulierung wird in der Gründungstheorie selbst eine auf Art. 49, 54 AEUV basierende versteckte Kollisionsnorm gesehen, was sich allerdings auf die Gerichtszuständigkeit gemäß Art. 22 Nr. 2 Satz 1, 4. Var. EUGVO bezieht3. Wenn eine Gesellschaft in einem Staat tätig wird, der das Personalstatut nach dem Sitz oder dem Zentrum der unternehmerischen Aktivitäten bestimmt, könnte es sein, dass die in einem anderen Staat durch Gründung erlangte rechtliche Selbständigkeit nicht anerkannt wird, so dass die Gesellschaft im neuen Sitzstaat als nicht existent angesehen und neu errichtet werden muss oder ihre Tätigkeiten behindernden Vorschriften, etwa über die Höhe des Stammkapitals, unterworfen werden kann. Das ist dann möglicherweise ein Verstoß gegen die in Europa gewährleistete Niederlassungsfreiheit, so dass im Ergebnis der Sitzstaat die Entscheidung „seines“ Kollisionsrechts nicht anwenden darf, obwohl er Gründe haben mag, das „eigene“ Sachrecht als wertungsmäßig überlegen zu betrachten. Wenn der EuGH demgegenüber die Anknüpfung an das Gründungsrecht durchsetzt, wirkt dies in der Tat wie eine übergeordnete Kollisionsnorm, aber es kommt insoweit nur auf eine Beschränkung der Niederlassungsfreiheit an, ohne Rücksicht darauf, ob diese dem nationalen Kollisionsrecht oder einem ebenfalls nationalen Sachrecht entspringt4. Dabei ist klar, dass nicht alle kollisionsrechtlich vorgegebenen Verwei1 Allgemein v. Bar/Mankowski, Internationales Privatrecht I, 2. Aufl. 2003, § 3 Rdnr. 43; Wiedemann, in: FS Kegel, 1977, S. 187, 201; von einem „gemeinschaftsrechtlichen Gesellschaftskollisionsrecht“ ist bei Weller, in: MünchKomm. GmbHG, Einl. Rdnr. 53 die Rede; für volle Weitergeltung der kollisionsrechtlichen Sitztheorie unabhängig von europäischen Entwicklungen Kindler, in: MünchKomm. BGB, IntGesR Rdnr. 122 ff.; Nachweise und Diskussion der Frage bei Eidenmüller/Rehm, ZGR 2004, 159, 165; Mansel, RabelsZ 70 (2006), 651, 671 ff.; Basedow, RabelsZ 59 (1991), 1 ff.; zuletzt bei Teichmann, ZGR 2011, 639, 671 ff. sowie Weller, ZGR 2010, 679, 693 ff.; s. auch Kindler, IPrax 2010, 272 ff. 2 Leible/Hoffmann, RIW 2002, 925, 930; s. auch Eidenmüller, ZIP 2002, 2233, 2238; Behrens, IPRax 2003, 200 ff. 3 So versteht Thomale, NZG 2011, 1290 ff. die Entscheidung des BGH (NZG 2010, 581 mit Anm. v. Kindler S. 576 f.; dazu auch Mankowski, ZIP 2010, 800), im Rahmen des Art. 22 Nr. 2 Satz 1, 4. Variante EUGVO die gerichtliche Zuständigkeit nach dem Gründungsrecht zu bestimmen; zu diesem Problem Rdnr. 25. 4 Teichmann, ZGR 2011, 639, 678; zum Zusammenspiel von Sach- und Kollisionsnormen in diesem Rahmen Leible, in: Michalski, Syst. Darst. 2 Rdnr. 37.

262

H.-P. Westermann

Die GmbH im internationalen Privatrecht

Anhang § 4a

sungen auf ein bestimmtes Sachrecht europarechtlich überspielt werden können, sondern nur solche, die nicht vor dem Gebot der Niederlassungsfreiheit gerechtfertigt werden können; auch geht das Europarecht nicht darauf ein, ob eine Gesellschaft, die sich auf die Niederlassungsfreiheit beruft, im Gründungsland wirksam errichtet wurde und eigene Rechtsfähigkeit erlangt hat, freilich, ohne dass der Sitzstaat angesichts der europarechtlichen Anforderungen dies in Zweifel ziehen kann1. Eines Akts der Anerkennung von Rechts- oder auch Parteifähigkeit einer im europäischen Ausland gegründeten Gesellschaft durch das Recht des Sitzstaats bedarf es also nicht2. Im Ergebnis entsteht also im europäischen Raum eine Gemengelage von kollisionsrechtlichen und den Grundfreiheiten des AEUV zu entnehmenden Anwendungsge- und -verboten, die man dem Verbands- und Gesellschaftsrecht zuzuordnen hat; zum Vorrang des Gemeinschaftsrechts in diesem Zusammenhang siehe auch den seit dem 11.1.2009 geltenden Art. 3 EGBGB3. Die Niederlassungsfreiheit ist im engeren Sinn keine Kollisionsnorm, aber sie verhindert bestimmte sachrechtliche Beschränkungen, die aufgrund kollisionsrechtlicher Verweisungen an sich zum Zuge kommen würden4. Vor diesem Hintergrund ist klar, dass das Rechtsstatut einer grenzüberschreitend 3 tätigen Gesellschaft sich nicht allein nach dem Ausmaß der europäischen Grundfreiheiten richtet, die, wie die frühere Judikatur des EuGH und auch des BGH zeigt, durchaus Entscheidungsspielraum für kollisionsrechtliche Anknüpfungen lassen. Auch ist im Verhältnis zu Gesellschaften aus dem außer-europäischen Bereich uneingeschränkt das internationale Privatrecht maßgebend5. Ferner sind die Mitgliedsstaaten, wenn und soweit ihr Sachrecht kollisionsrechtlich berufen ist, nicht in allen Belangen gehindert, an ausländische Gesellschaften, etwa ihre Zweigniederlassungen oder an ihre Haftungsverfassung, dieselben Anforderungen zu stellen wie an im Inland gegründete Gesellschaften, nur darf sich hieraus nicht eine Diskriminierung der Auslandsgründung ergeben. Das für die GmbH entwickelte deutsche Kollisionsrecht, namentlich auch die in der Praxis bedeutsame Abgrenzung zwischen dem Gesellschafts- und dem Delikts- sowie dem Insolvenzstatut, müssen folglich stets geprüft werden – auch in Bezug auf ihre Vereinbarkeit mit dem Gemeinschaftsrecht. Das ist auch deshalb wichtig, weil die in Deutschland herrschende Sitzanknüpfung sich auf die Kapitalgesellschaften bezieht und Innengesellschaften, die es auch im Gesellschafterkreis einer GmbH durchaus geben kann, ebenso Treuhandkonstruktionen und damit auch stille Beteiligungen an einer GmbH oder die Funktion einer GmbH als stille Gesellschafterin oder Komplementärin einer Personengesellschaft nicht oder jedenfalls nicht

1 Auch dazu Teichmann, ZGR 2011, 639, 679. 2 Leible, in: Michalski, Syst. Darst. 2 Rdnr. 39. 3 Das bedeutet praktisch, dass immer zuerst dieses zu prüfen ist, sodann ein eventuell bestehender völkerrechtlicher Vertrag mit gesellschaftskollisionsrechtlichem Inhalt, schließlich das nationale Kollisionsrecht, dazu etwa BGH, NJW 2009, 289 – „Trabrennbahn“; Weller, in: MünchKomm. GmbHG, Einl. Rdnr. 349. 4 Kindler in: MünchKomm. BGB, IntGesR Rdnr. 136; ähnlich schon Ebke, RIW 2004, 740, 742; Ulmer, NJW 2004, 1201, 1205; W.-H. Roth, in: FS Heldrich, 2005, S. 973, 976; ähnlich Mansel, RabelsZ 70 (2006), 651, 674. 5 OLG Hamburg, NZG 2007, 597; Kindler in: MünchKomm. BGB, IntGesR Rdnr. 5; Hohloch, in: Erman, BGB, Anh. II Art. 12 (Internationales Gesellschaftsrecht) Rdnr. 11; Weller, in: MünchKomm. GmbHG, Einl. Rdnr. 371, 372.

H.-P. Westermann

263

Anhang § 4a

Die GmbH im internationalen Privatrecht

voll erfasst1. Auch werden zur „Sitztheorie“ in neuerer Zeit einschränkende Tendenzen erkennbar (Rdnr. 11). Schließlich hat das MoMiG durch die ersatzlose Streichung des § 4a Abs. 2 für deutsche Gesellschaften die Möglichkeit eingeführt, einen vom Satzungssitz abweichenden Verwaltungssitz zu wählen, was zu der Frage führt, ob dies auch eine Sitzverlegung im europäischen oder sogar außereuropäischen Ausland rechtfertigt (näher dazu § 4a), wie überhaupt der „Wegzug“ von Gesellschaften, dem auch die gemeinschaftsrechtliche Niederlassungsfreiheit nicht uneingeschränkt förderlich ist (Rdnr. 75), Sonderanknüpfungen an Normen des bisherigen Sitzstaats, auch solche steuerrechtlicher Natur, hervorgerufen hat.

2. Kollisions- und Fremdenrecht 4 Vom Kollisionsrecht ist ein – nicht auf die Tätigkeit von Personenverbänden beschränktes – Fremdenrecht zu unterscheiden. Man versteht darunter materielle Sonderregeln (Sachnormen), z.T. öffentlich-rechtlicher Natur, über die rechtliche Behandlung ausländischer Rechtssubjekte, deren Anwendung aber eine Entscheidung über die grundsätzliche Anwendbarkeit des inländischen oder eines bestimmten ausländischen Rechts auf diese Subjekte, also die kollisionsrechtliche Behandlung, bereits voraussetzt2. Das betrifft etwa Vorschriften über die Niederlassung ausländischer juristischer Personen, ihre Registrierung (auch: von Zweigniederlassungen) im Handelsregister (s. etwa §§ 13d ff. HGB), möglicherweise auch über die Notwendigkeit der Tätigkeit inländischer natürlicher Personen in den Gesellschaftsorganen oder auch die Voraussetzungen der Gleichstellung mit inländischen Gesellschaften. Aber die Mitgliedsstaaten der EU sind nicht völlig frei darin, durch fremdenrechtliche Bestimmungen, etwa durch einen Zwang zur Bestellung inländischer Rechtssubjekte als Geschäftsführer, mittelbar die Niederlassungsfreiheit ausländischer Gesellschaften zu beschränken, so dass sich fremdenrechtliche Normen ebenfalls an den Anforderungen der Niederlassungsfreiheit messen lassen müssen3. Fremdenrechtliche Regeln können die hierfür maßgebliche Ausländereigenschaft eines Subjekts an die Gründung oder an den Sitz anknüpfen4. Die ebenfalls zum Fremdenrecht gehörenden Regeln über diplomatischen Schutz von Gesellschaften, ihrer Gesellschafter und ihres Vermögens sowie umgekehrt über den Schutz von Vermögensgütern inländischer juristischer Personen im Ausland gehören dem Völkerrecht an. Schließlich wäre es denkbar gewesen, ausländischen juristischen Personen, etwa bei der Verteidigung von subjektiven Rechten, in Deutschland Grundrechtsschutz angedeihen zu lassen, was jedoch die Rechtsprechung abgelehnt hat5. In den Zusammenhang frem1 Hohloch, in: Erman, BGB, Anh. II Art. 12 (Internationales Gesellschaftsrecht) Rdnr. 15; zum Verhältnis von Kollisions- und Gemeinschaftsrecht bei Personengesellschaften Paefgen, in: Westermann, Handbuch Personengesellschaften, Rdnr. I 4105 ff. 2 Behrens, in: Ulmer, Einl. B Rdnr. 156; Großfeld, in: Staudinger, Internationales Gesellschaftsrecht Rdnr. 559 ff.; Leible, in: Michalski, Syst. Darst. 2 Rdnr. 2. 3 Ähnlich Kindler, in: MünchKomm. BGB, IntGesR Rdnr. 13, 14. § 6 schließt die Bestellung von Ausländern als Geschäftsführer nicht aus, Ulmer, in: Ulmer, § 6 Rdnr. 12 ff. 4 Behrens, in: Ulmer, Einl. B Rdnr. 157; Kindler, in: MünchKomm. BGB, IntGesR Rdnr. 917. 5 So das BVerfG, BVerfGE 21, 207, 209; BVerfGE 23, 229, 236; s. aber auch BGH, WM 1980, 714, 716.

264

H.-P. Westermann

Anhang § 4a

Die GmbH im internationalen Privatrecht

denrechtlicher Bestimmungen gehören auch § 13a GewO über den inländischen Gewerbebetrieb einer ausländischen juristischen Person sowie § 33 WZG mit den Bestimmungen über ausländische Schutzrechtsinhaber ohne inländische Niederlassung, s. auch § 96 MarkenG, § 58 GeschmMG, § 25 PatG, die die Berechtigungen ausländischer Rechtsinhaber ohne Niederlassung im Inland regeln; fremdenrechtlich sind etwa auch §§ 110 Abs. 1, 116 Abs. 1 Satz 2 ZPO. Bis zu einem gewissen Grade können auch börsenrechtliche Vorschriften über die Zulassung ausländischer Papiere zum Börsenhandel, also kapitalmarktrechtliche Regeln, die Tätigkeiten ausländischer Gesellschaften im Inland berühren. Daraus folgt dann aber auch, dass europarechtliche Grundsätze wie die Niederlassungsfreiheit (Art. 49, 54 AEUV) oder Regeln über die Freiheit des Kapitalverkehrs (Art. 55 AEUV) hier eingreifen können, wobei die Letzteren hauptsächlich das Recht einer im Inland ansässigen Person schützen, Geschäftsanteile an einer im Ausland gegründeten oder dort ansässigen Gesellschaft zu erwerben1.

3. Gesellschaften betreffende völkerrechtliche Verträge Kollisions- wie fremdenrechtliche Regeln des nationalen Rechts werden durch 5 völkerrechtliche Verträge, aus denen sich Pflichten der Vertragsstaaten zur Anerkennung ausländischer Gesellschaften, möglicherweise auch weitere Kriterien für die Anknüpfung kollisionsrechtlicher Entscheidungen ergeben können, in ihrer Wirkung verdrängt2, die Rede ist von völkerrechtlichem Gesellschaftskollisionsrecht3. Das gilt für die zahlreichen bilateralen sowie für multilaterale Verträge, von denen es aber nur sehr wenige gibt, und die sich in einerseits Freundschafts- und Niederlassungsabkommen und andererseits Kapitalanlage- und Kapitalschutzabkommen einteilen lassen; unter den Ersteren ragen Abkommen mit den USA, Spanien, Frankreich, Griechenland, Iran, Italien, Japan, den Niederlanden und der Türkei hervor4. Innerhalb der EG werden hierdurch die Grundfreiheiten innerhalb der Europäischen Union und im Europäischen Wirtschaftsraum verwirklicht5. Die Bedeutung der bilateralen Abkommen liegt zum großen Teil darin, dass dort Regelungen über die Anknüpfung des Personalstatus an den Sitz oder die Gründung der betreffenden Gesellschaft getroffen sind, die namentlich für die Rechtsbeziehungen deutscher Rechtssubjekte zu Gesellschaften aus außereuropäischen Staaten die Abwägung und die Kollision zwischen Gründungs- und Sitztheorie (Rdnr. 10 ff.) abschwächen. Von naheliegender praktischer Bedeutung ist vor allem Art. XXV Abs. 5 Satz 2 des schon vom Jahre 1954 datierenden Freundschafts-, Handels- und Schifffahrtsvertrages zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den USA (FCN-Vertrag)6, der fest1 Dazu Rdnr. 77 in der in Rdnr. 20 zu besprechenden „Überseering“-Entscheidung des EuGH. 2 Zum Vorrang der Abkommen vor der allgemein kollisionsrechtlichen Anknüpfung (Art. 3 Abs. 2 Satz 1 EGBGB) in diesem Bereich s. Bungert, ZVglRWiss 93 (1994), 117, 133 f.; Rehm, in: Eidenmüller, § 2 Rdnr. 10; Spahlinger, in: Spahlinger/Wegen, Abschnitt B Rdnr. 230. 3 Weller, in: MünchKomm. GmbHG, Einl. Rdnr. 369. 4 Nachw. im Einzelnen bei Spahlinger, in: Spahlinger/Wegen, Abschnitt B Rdnr. 253 ff. 5 Zum Charakter als Völkervertragsrecht hier nur Rehm, in: Eidenmüller, § 2 Rdnr. 3. 6 BGBl. II 1956, 487; hierzu näher Dammann, RabelsZ 6 (2004), 607 ff.; Bungert, DB 2003, 1043 ff.; Spahlinger, in: Spahlinger/Wegen, Abschnitt B 232 ff.; Leible, in: Michalski, Syst. Darst. 2 Rdnr. 63.

H.-P. Westermann

265

Anhang § 4a

Die GmbH im internationalen Privatrecht

legt, dass im Verhältnis zwischen diesen beiden Ländern für das Personalstatut von Gesellschaften nicht die – seinerzeit in Deutschland ganz herrschende – Sitztheorie, sondern die Gründungstheorie anzuwenden ist. Das bedeutet praktisch, dass für US-amerikanische Gesellschaften auf das Recht des Bundesstaats abzustellen ist, nach dem die Gesellschaft gegründet worden ist, was die auch in den USA überragende Bedeutung der besonders liberalen Rechtsordnung von Delaware1 ins Kollisionsrecht überträgt. Der FCN-Vertrag, der an sich nur die Maßgeblichkeit des Gründungsrechts für die Bestimmung des Personalstatuts verfügt, regelt nach der Judikatur des BGH nicht nur die Anerkennung der Rechtsfähigkeit, sondern auch die Handlungs- und Verpflichtungsbefugnisse der für die Gesellschaft agierenden Personen2, ferner die Haftungsverfassung3; darüber hinaus geht die h.M. davon aus, dass mit der Anerkennung die Anwendbarkeit des gesamten Gesellschaftsstatuts verbunden ist4. Zum EWR-Abkommen s. Rdnr. 14. Zahlreiche Staatsverträge haben durch die Anwendung der Gründungstheorie für das deutsche Recht konstitutive Bedeutung5, der Sache nach handelt es sich dann um eine Kollisionsnorm6. 6 Die bilateralen Staatsverträge (meist Kapitalschutzabkommen genannt) unterscheiden sich hauptsächlich danach, ob sie beiderseitig oder halbseitig geltende Kollisionsnormen aufstellen, was die Geltung nationaler Rechte für die Bestimmung des Personalstatuts anbelangt. Beide Typen kommen in der Vertragspraxis der Bundesrepublik vor7. Der erstere Typ, etwa in den Abkommen mit Irland, Spanien, der Türkei, mit gewissen Abwandlungen bezüglich der näheren Ausgestaltung der Gesellschaften mit ausländischem Vertragsstatut auch Israel und China, sieht die Anerkennung von Gesellschaften, die im jeweils anderen Vertragsstaat gegründet, registriert und möglicherweise zur wirtschaftlichen Zusammenarbeit mit ausländischen Geschäftspartnern autorisiert sind, im anderen Vertragsstaat vor, wobei bisweilen zusätzliche Erfordernisse der behördlichen Kontrolle oder der Mitwirkung von Inländern in den Gesellschaftsorganen aufgestellt sind. Maßgeblich ist danach für die „Anerkennung“ jeweils das Gründungsrecht. Bei den halbseitig auf das Gründungsrecht abstellenden Vereinbarungen akzeptiert das deutsche Recht, dass im anderen Vertragsstaat wirksam gegründete Gesellschaften unabhängig von ihrem tatsächlichen Verwaltungssitz ihrem Gründungsrecht unterliegen, während in Deutschland gegründete Gesellschaften im Vertragsstaat nur anerkannt werden, wenn sie ihren Sitz in Deutsch1 Hinzuweisen ist daher auf die eingehende Darstellung dieses Gesellschaftsrechts in den Arbeiten von Rehm, in: Eidenmüller, § 11; Spahlinger/Wegen, in: Spahlinger/Wegen, Abschnitt E Rdnr. 1296 ff. 2 BGH, NJW 2003, 1607 = DB 2003, 818 f. mit Anm. Bungert; dazu auch Paefgen, DZWiR 2003, 441; Bungert, ZVglRWiss 93 (1994), 117, 132 ff. 3 BGH, NJW-RR 2004, 1618; dazu Spahlinger, in: Spahlinger/Wegen, Abschnitt B Rdnr. 247. 4 Kindler, in: MünchKomm. BGB, IntGesR Rdnr. 318, 322; Rehm, JZ 2005, 304, 305; Ebenroth/Bippus, DB 1988, 842, 844; Behrens, ZGR 1978, 499, 511; s. ferner Spahlinger, in: Spahlinger/Wegen, Abschnitt B Rdnr. 260. 5 Übersicht bei Kindler, in: MünchKomm. BGB, IntGesR Rdnr. 328 ff. 6 So BGH, NZG 2005, 44 = JZ 2005, 298 m. Anm. Ebke; BGHZ 135, 353, 356. 7 Eingehende und weltweite Nachweise bei Rehm, in: Eidenmüller, § 2 Rdnr. 14 ff. auf dem Stand vom 31.12.2003; andere Angaben bei Kindler, in: MünchKomm. BGB, IntGesR Rdnr. 329 ff.

266

H.-P. Westermann

Die GmbH im internationalen Privatrecht

Anhang § 4a

land haben. Diese – praktisch wenig befriedigende – Lösung gilt etwa im Verhältnis zu Gesellschaften in Bolivien, Hongkong, Indonesien, Pakistan, Serbien und Montenegro oder Singapur. In zahlreichen anderen Abkommen ist dagegen die Sitztheorie für maßgeblich erklärt, so mit Griechenland, Italien, Japan, Kroatien, Lettland, Litauen, den Niederlanden, Polen, Portugal, Rumänien, Slowenien, Tschechien, Ukraine, Ungarn. Liegen die in den Abkommen bezeichneten Voraussetzungen vor, so besteht eine Pflicht der Vertragsstaaten zur Anerkennung der betreffenden Gesellschaft, was bedeutet, dass sie als rechts- und parteifähig zu betrachten ist. Kollisionsrechtlich ist aber die „Anerkennung“ nur ein Teilaspekt der Prüfung des Personalstatuts der Gesellschaft1, was aus dem Bestreben folgt, die Fragen des Außenverhältnisses, namentlich Vertretung und Haftung, tunlichst nicht getrennt von der inneren Handlungsverfassung beurteilen zu müssen, besonders auch Gründungsanforderungen und Voraussetzungen der Haftungsbeschränkung nach einem einheitlichen Statut entscheiden zu können. Die Abkommen der verschiedenen Typen können Anwendungsprobleme auf- 7 werfen, wenn die darin vereinbarte Methode der Anknüpfung des Personalstatuts an die Gründung oder den Sitz der Gesellschaft von anderen Normen abweicht. Ist beiderseitige Maßgeblichkeit des Gründungsrechts vereinbart, so haben die im jeweiligen Inland wirksam gegründeten Gesellschaften die Sicherheit, im anderen Vertragsstaat anerkannt zu werden, wobei freilich über Begrenzungen dieses Rechts nachgedacht wird, wenn eine im Gründungsstaat an sich gültig entstandene Gesellschaft dort keinen Sitz hat und keine geschäftlichen Aktivitäten entfaltet. Dieses Problem hat in der Rechtsprechung des EuGH zur Tragweite der Niederlassungsfreiheit in Europa eine herausragende Rolle gespielt (Rdnr. 18 ff.), es kann aber auch im Rahmen von Abkommen mit Verweisung auf das Gründungsstatut auftreten. Eine Ausnahme von der Anerkennungspflicht ist im Fall einer in Florida gegründeten Gesellschaft ohne eine tatsächliche Verbindung zum Gründungsstaat angenommen worden2; diese Einschränkung durch das Erfordernis eines über die Gründung nach seinem Recht hinausgehenden „genuine link“ zum Gründungsstaat wird allerdings nicht durchweg befolgt. So hat der BFH im Fall einer nach dem Recht von Delaware gegründeten Gesellschaft ihr die Fähigkeit zuerkannt, Organträgerin einer inländischen GmbH zu sein3, in einem Urteil des BGH ging es um eine Gesellschaft mit Satzungssitz in den USA, die den tatsächlichen Verwaltungssitz ins Inland verlegt hatte (doppelansässige Kapitalgesellschaft)4. In einer weiteren Entschei1 Großfeld, in: Staudinger, Internationales Gesellschaftsrecht Rdnr. 2045 ff. 2 OLG Düsseldorf, NJW-RR 1995, 1124; zust. Kindler, in: MünchKomm. BGB, IntGesR Rdnr. 342 ff.; im Grundsatz zustimmend, aber mit abweichender Beurteilung des Einzelfalls, Ebenroth/Kemmner/Willburger, ZIP 1995, 972, 974; krit. Paefgen, DZWiR 2003, 441; M. Stürner, IPRax 2005, 305, 307; zust. offenbar auch BGHZ 153, 353, 356; s. ferner BGH, ZIP 2004, 2230, 2232 und dazu Kleinert, GmbHR 2005, 56; Mankowski, EWiR 2003, 661; im Ergebnis auch Merkt, RIW 2004, 458 f.; Rehm, in: Eidenmüller, § 2 Rdnr. 34. 3 BFH, GmbHR 2003, 722 und zu dieser Frage Meilicke, GmbHR 2005, 68; Sedemund, BB 2003, 1362. 4 BGH, RIW 2003, 627; zu dieser Deutung Rehm, in: Eidenmüller, § 2 Rdnr. 29; abweichend Kindler, BB 2003, 812. Die Urteile des BFH und des BGH vom 29.1.2003 werden als Reaktion auf „Überseering“ gedeutet bei Pacher, DStR 2003, 949 ff.; zur Doppelansässigkeit näher Kleinert/Xylander, RIW 2003, 630 ff., die wie Paefgen, DZWiR 2003,

H.-P. Westermann

267

Anhang § 4a

Die GmbH im internationalen Privatrecht

dung des BGH zu einer Delaware-Gesellschaft wurde als „genuine link“ das Weiterbestehen eines broker-Vertrages mit einem US-amerikanischen Partner angesehen1, so dass der Versuch eines inländischen Gläubigers, einen Partner der Gesellschaft, die in Deutschland aktiv war, in entsprechender Anwendung des § 128 HGB in Anspruch zu nehmen, an der Anerkennung der Gesellschaft als „incorporated“ mit Haftungsbeschränkung scheiterte. 8 Eine andere Frage betrifft die Anwendbarkeit der Gründungstheorie im Falle von Gesellschaften, mit deren Heimatstaat im Abkommen die Anknüpfung an den Sitz vereinbart ist. Da Gesellschaften, auf deren Sitz abgestellt wird, in diesen Fällen stets auch nach dem Sitzrecht gegründet sein werden, besteht zwar nicht die Pflicht, wohl aber das Recht zu ihrer Anerkennung auch dann, wenn die vertraglichen Voraussetzungen einer Anknüpfung an den Sitz – etwa wegen der Anforderungen an das Vorliegen eines „Sitzes“ im Vertragsstaat – nicht erfüllt sind. Das läuft auf die Überlegung hinaus, ob der Vertragsstaat mit der Anknüpfung an den Sitz „seiner“ Gesellschaften ein Interesse verbindet, dass im anderen Vertragsstaat Gesellschaften, die nicht die vertraglichen Voraussetzungen erfüllen, doch „unter Anknüpfung an das Gründungsrecht“ anerkannt werden. Dies wird man i.d.R. nicht anzunehmen haben2, es kommt aber wohl auf die Auslegung des ganzen Vertrages an. Soweit eine Anknüpfung an den Sitz in Staatsverträgen mit einem Land vereinbart ist, für dessen Kollisionsrecht die Anforderungen aus dem Europarecht gelten, stellt die vertragliche Regelung kein Hindernis dar, auf das Gründungsrecht abzustellen3. In den Fällen der Abkommen mit halbseitiger „Anwendung“ der Gründungstheorie (Rdnr. 6) ist für die Anerkennungsfähigkeit deutscher Gesellschaften im anderen Vertragsstaat am Erfordernis eines dortigen Sitzes nicht vorbeizukommen. Auch hier liegt es aber nahe, für die Anerkennung der ausländischen Gesellschaften, die dort keinen Sitz haben, nach Maßgabe ihres Gründungsrechts Sicherheiten bezüglich ihrer Handlungsverfassung zu fordern, was bis zu einem gewissen Grade durch Registrierung im Handelsregister und durch Anforderungen an die Firmierung geschehen kann (dazu näher Rdnr. 33 ff., 36 ff.), die freilich nicht die Niederlassungsfreiheit unverhältnismäßig beschneiden dürfen. 9 Der FCN-Vertrag (in Art. VII Nr. 4), aber auch einige andere „Kapitalschutzabkommen“ enthalten kollisionsrechtliche Meistbegünstigungsklauseln, nach denen Gesellschaften aus dem Vertragsstaat zu behandeln sind wie der bestbehandelte Dritte4. Das wird in manchen Fällen der vertraglichen Zugrundelegung einer Sitzanknüpfung darauf hinauslaufen, dass doch von einem für die Gesellschaft günstigeren Gründungsrecht ausgegangen werden kann. Allerdings kommt es hierfür im Einzelnen auf die Regelung in dem Abkommen an, die auch so gemeint sein kann, dass für die reine Anerkennung einer in einem Ver-

1 2 3 4

411 f. und Rehm, in: Eidenmüller, § 2 Rdnr. 29 auf die Verbindung mit dem ÜberseeringUrteil des EuGH (Rdnr. 20) hingewiesen haben. BGH, BB 2002, 1868 mit zust. Anm. Melbert, S. 1869. Ein diesbezügliches schutzwürdiges Interesse leugnet Rehm, in: Eidenmüller, § 2 Rdnr. 19 ff. Auch dazu Rehm, in: Eidenmüller, § 2 Rdnr. 19. Nachw. bei Kindler, in: MünchKomm. BGB, IntGesR Rdnr. 331, der aber eine kollisionsrechtliche Gründungsanknüpfung in diesen Fällen leugnet.

268

H.-P. Westermann

Anhang § 4a

Die GmbH im internationalen Privatrecht

tragsstaat begünstigten Gesellschaft im anderen Vertragsstaat ein Sitz im Gründungsstaat erforderlich sein soll. Das ist dann eine vorrangige Regelung des Problems der „Anerkennung“, die Meistbegünstigungsklausel bezieht sich somit auf andere Aspekte des Gesellschafts-Kollisionsrechts1.

II. Die kollisionsrechtlichen Grundkonzeptionen und die Auswirkungen des Gemeinschaftsrechts 1. Sitz- und Gründungstheorie Da die Kodifikation des Internationalen Privatrechts in Deutschland hinsichtlich 10 der Anknüpfung des Personalstatuts von Gesellschaften nach wie vor eine Lücke lässt, wurde insoweit lange Zeit ein Theorienstreit ausgetragen, in dessen Mittelpunkt die Sitz- und die Gründungstheorie standen, jeweils mit verschiedenen Varianten. Die früher eindeutig herrschende Sitztheorie knüpft das Personalstatut an den tatsächlichen Sitz der Hauptverwaltung der gesellschaftsrechtlichen Tätigkeit an, wo die grundlegenden Entscheidungen der Unternehmensleitung effektiv in Akte mit Außenwirkung umgesetzt werden. Dieser „Verwaltungssitz“ ist mit dem in der Satzung genannten Satzungssitz nicht unbedingt identisch. Das scheint dem „klassischen“ Gedanken des internationalen Privatrechts am ehesten zu entsprechen2. Die Sitztheorie ist in Deutschland hauptsächlich von der Rechtsprechung durchgesetzt worden3 und war auch im Schrifttum herrschend4. Sie wird freilich auch mit der Modifikation vertreten, dass es nicht auf den tatsächlichen Verwaltungssitz ankomme, sondern auf den Schwerpunkt derjenigen Tätigkeiten, durch die die Bürger eines Staats am stärksten betroffen werden5. Damit ist der Gedanke des Schutzes der an der Gründung unbeteiligten Dritten, die ein ausländisches Gründungsrecht und die Satzung der Gesellschaft nicht kennen können (spätere Kapitalanleger, vor allem aber Gläubiger einschließlich Arbeitnehmer) angesprochen, der es erfordere, den Gründern einer Gesellschaft die Wahl eines beliebigen, mit dem Sitzstaat nicht verbundenen Aus-

1 Rehm, in: Eidenmüller, § 2 Rdnr. 25. 2 Zur Frage „Savigny contra Gründungstheorie“ oder gar „Sitzrecht contra Savigny“ s. näher Sandrock, BB 2004, 897 ff. 3 RGZ 117, 215, 217; RGZ 153, 200, 205 f.; BGHZ 25, 134, 144; BGHZ 53, 181, 183; BGHZ 78, 218, 343; BGHZ 97, 269; BGHZ 151, 204; BGH, BB 2000, 1106; OLG Celle, ZIP 1984, 594, 600; OLG Oldenburg, NJW 1990, 1422; OLG Frankfurt, NJW 1990, 2204; OLG Brandenburg, NJW-RR 2001, 29, 31; OLG Düsseldorf, NJW-RR 1995, 1124; zul. BGH, NJW 2009, 289 – „Trabrennbahn“ in Bezug auf eine AG schweizerischen Rechts; w.N. bei Leible, in: Michalski, Syst. Darst. 2 Rdnr. 4. 4 v. Bar, Internationales Privatrecht II, 1991, Rdnr. 620; Kegel/Schurig, Internationales Privatrecht, 9. Aufl. 2004, § 17 II 1; Kindler, in: MünchKomm. BGB, IntGesR Rdnr. 420 ff.; Großfeld, in: Staudinger, Internationales Gesellschaftsrecht Rdnr. 61; Zöllner, in: KölnKomm. AktG, 1. Aufl. 1984, Einl. Rdnr. 190; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/SchmidtLeithoff, Einl. Rdnr. 299; Hohloch, in: Erman, BGB, Anh. II Art. 12 (Internationales Gesellschaftsrecht) Rdnr. 2, 3; Ebenroth/Bippus, JZ 1988, 677; Karsten Schmidt, ZGR 1999, 20, 22. 5 Wiedemann, GesR I, § 14 III 2; in der Rspr. OLG Oldenburg, NJW 1990, 1422; krit. aber OLG Frankfurt, NJW 1999, 2204; Leible, in: Michalski, Syst. Darst. 2 Rdnr. 4; dagegen wiederum Weller, in: MünchKomm. GmbHG, Einl. Rdnr. 322.

H.-P. Westermann

269

Anhang § 4a

Die GmbH im internationalen Privatrecht

landsrechts nicht ohne weiteres freizustellen1. Die Sitztheorie wird als allseitige Kollisionsnorm gehandhabt, sie gilt für Gesellschaften mit Verwaltungssitz im In- und Ausland2. Damit muss eine Gesellschaft, um unter einer der Sitztheorie folgenden Rechtsordnung Rechtsfähigkeit zu erlangen, nach den Vorschriften eines Staats gegründet sein und dort ihren Verwaltungssitz haben. Umgekehrt kann eine Gesellschaft, die nach ausländischem Recht gegründet wurde und danach auch leben soll, in einem die Sitztheorie anwendenden Land nicht als wirksam entstanden anerkannt werden, sondern müsste neu gegründet werden, allerdings vorbehaltlich der seit einiger Zeit angenommenen begrenzten Anerkennung des tatsächlich bestehenden Verbandes als nicht rechtsfähige Personengesellschaft (Rdnr. 12). Im Ausland kann somit nicht eine Gesellschaft mit deutschem Verwaltungssitz gegründet werden, ebensowenig in Deutschland eine Gesellschaft mit ausländischem Verwaltungssitz3. Neben den auf der Hand liegenden Folgen in Gestalt des Verlustes einer im Gründungsrecht verankerten Haftungsbeschränkung wurden auch die Konsequenzen für eine Sitzverlegung als schwerwiegend betrachtet, insoweit ist aber eine Sondersituation gegeben; jedenfalls kommt man nicht daran vorbei, dass der mit der Sitztheorie bezweckte Schutz des inländischen Rechtsverkehrs mit einem Verlust an Mobilität erkauft wird4. Die Kontrollfunktion, die auf diese Weise dem Recht des Sitzstaats zugebilligt wird, muss allerdings nicht unbedingt dazu führen, dass im inländischen Handelsregister andere als die deutschen Gesellschaftstypen von der Eintragungsfähigkeit ausgeschlossen werden, das ist auch eine Konsequenz des numerus clausus der eintragungsfähigen Gesellschaftsformen5. Als Problem kommt hinzu, dass dann, wenn ein nicht der Sitz-, sondern der Gründungstheorie (Rdnr. 12) folgendes ausländisches Recht der Verlegung des Verwaltungssitzes in einen die Sitztheorie anwendenden Staat nicht entgegensteht, sich die Frage stellt, ob wirklich entgegen dem Gründungsrecht lediglich wegen des inländischen Sitzes nur noch die Regeln des Sitzstaats diese Gesellschaft beherrschen sollen, die zur Nichtigkeit der Gesellschaft führen. Jedenfalls in solchen Fällen wäre auch eine Registrierung der Auslandsgründung im deutschen Handelsregister nicht von vornherein zu verwerfen. Dennoch stehen hinter der Sitztheorie so viele nachvollziehbare Belange und Bedürfnisse auch einer entwickelten Rechtsordnung, dass sie trotz des europarechtlich motivierten Vordringens der Gründungstheorie nicht als erledigt zu betrachten ist. 11

Die Sitztheorie muss allerdings im Hinblick auf einige Problempunkte flexibel angewendet werden, deren Lösung man dann auch als Schwäche betrachten 1 In diesem Sinne etwa Großfeld, RabelsZ 81 (1967), 1, 28 ff.; vor einer Überschätzung der Schutzmöglichkeiten warnend Behrens, in: Ulmer, Einl. B Rdnr. 25; krit. zur „Schutztheorie“ bes. Eidenmüller, ZIP 2002, 2233, 2236; Halbhuber, ZEuP 2003, 418, 424 f. 2 OLG Oldenburg, IPRspr Nr. 77, Nr. 5; Großfeld, in: Staudinger, Internationales Gesellschaftsrecht Rdnr. 70, 85; Kindler, in: MünchKomm. BGB, IntGesR Rdnr. 420; anders aber Wiedemann, GesR I, S. 70 ff. 3 RGZ 88, 53, 55; BGHZ 25, 134, 144; BGHZ 53, 181; BGHZ 97, 269, 271. 4 Leible, in: Michalski, Syst. Darst. 2 Rdnr. 6; Weller, in: MünchKomm. GmbHG, Einl. Rdnr. 325. 5 OLG Zweibrücken, BB 2003, 864 gegen LG Frankenthal, NJW 2003, 762; zum numerus clausus Weller, in: MünchKomm. GmbHG, Einl. Rdnr. 325; zum „Wächteramt“ des Sitzstaats Müller, in: Spindler/Stilz, AktG, 2. Aufl. 2010, IntGesR Rdnr. 2.

270

H.-P. Westermann

Die GmbH im internationalen Privatrecht

Anhang § 4a

kann, die zur Anwendung der Gründungstheorie führen kann1. Zum einen ist es naturgemäß manchmal schwierig, bei einer im Inland agierenden Gesellschaft zu beweisen, dass hiermit der Verwaltungssitz nicht mehr im Gründungsstaat liegt, so dass das Gebilde im Inland nicht als rechtsfähig anerkannt werden kann und für gemeinsames kaufmännisches Handeln der Gesellschafter tatsächlich die OHG-Regeln eingreifen müssten2. Die deutsche Rechtsprechung hat hier eine Beweislastregel des Inhalts angewendet, dass gegen die Existenz des effektiven Verwaltungssitzes der Gesellschaft in einem anderen Land als dem, nach dessen Recht das Gebilde erkennbar organisiert ist, eine Vermutung spreche, die also widerlegen müsste, wer sich auf das Auseinanderklaffen von Verwaltungssitz und Gründungsrecht beruft3. Ob diese Lösung allerdings mit den Interessen des inländischen Rechtsverkehrs verträglich ist, muss man bezweifeln, denn die „tatsächliche Organisationsstruktur“ einer Gesellschaft ist aus hiesiger Sicht wahrscheinlich schwerer zu erkennen als das Gründungsrecht einer als solcher firmierenden und registrierten Auslandsgesellschaft. Hinzu kommen die Folgen einer möglichen Rück- und Weiterverweisung4. So findet, wenn der Verwaltungssitz der juristischen Person sich in einem ausländischen Staat befindet, im Zuge einer Gesamtverweisung dessen IPR Anwendung, das auch auf das Recht eines dritten Gründungsstaats verweisen kann, was das deutsche Recht zu beachten hat5. Auch kann es sein, dass eine Gesellschaft, die nach dem der Sitztheorie folgenden Recht eines Staats gegründet worden ist, ihren Sitz in das Gebiet eines die Gründungstheorie anwendenden Staats verlegt, woraus sich dann eine Rückverweisung auf das Recht des Gründungsstaats ergibt6, näher Rdnr. 74. Die Rechtsfolgen einer strikten Anwendung der Sitztheorie hat der BGH abzumildern versucht, indem er eine als rechtsfähige juristische Person nicht anzuerkennende Gesellschaft als – nach neuerem Verständnis ebenfalls rechtsfähige – Personengesellschaft für aktiv und passiv parteifähig erklärt hat7, was ebenso gelten muss, wenn nach der Art des ausgeübten Gewerbes eine OHG vorliegen könnte. Diese manchmal so genannte „Wechselbalgtheorie“ passt besonders wegen der Haftungsfolgen aber nicht für Publikumsgesellschaf1 Zum Folgenden sehr eingehend Behrens, in: Ulmer, Einl. B Rdnr. 23 ff. 2 Zu dieser Konsequenz das Urteil BGHZ 151, 204 = GmbHR 2002, 1021, von dem das Gericht aber später aufgrund der Inspire-Art-Entscheidung des EuGH im Urteil GmbHR 2003, 527 mit Anm. Eidenmüller, JZ 2003, 538 ff. abgerückt ist; s. dazu auch Schulz, NJW 2003, 2705 f. 3 OLG München, NJW 1986, 2197 f.; OLG Oldenburg, NJW 1990, 1422; zurückhaltend aber OLG Hamm, NJW-RR 1995, 469 f. 4 Dazu auch Eidenmüller, in: Eidenmüller, § 1 Rdnr. 4; Behrens, in: Ulmer, Einl. B Rdnr. 20. 5 S. dazu den Fall OLG Frankfurt, RIW 1990, 583; ferner OLG Hamm, RIW 1995, 875; OLG Hamm, NZG 2001, 563; Ebenroth/Eyles, IPRax 1989, 1, 9; Hohloch, in: Erman, BGB, Anh. II Art. 12 (Internationales Gesellschaftsrecht) Rdnr. 14. 6 Näher Großfeld, in: Staudinger, Internationales Gesellschaftsrecht Rdnr. 118 ff. 7 BGH, NJW 2002, 3539; BGH, NJW 2009, 289; dazu Goette, DStR 2002, 1679 f.; Leible/ Hoffmann, DB 2002, 2203; Kindler, IPRax 2003, 41; abweichend aber BGHZ 145, 185 = NJW 2003, 1461 = JZ 2003, 526 m. Anm. Eidenmüller = IPRax 2003, 324 m. Anm. Weller; s. auch Merkt, RIW 2003, 458; ebenso LG Hannover, NZG 2003, 1072; OLG München, NJW-RR 1995, 703 f.; zum Ganzen auch Wertenbruch, NZG 2003, 618; Dubovitskaja, GmbHR 2003, 694; Spahlinger, in: Spahlinger/Wegen, Abschnitt B Rdnr. 173 ff.; Paefgen, in: Westermann, Handbuch Personengesellschaften, Rdnr. I 4108.

H.-P. Westermann

271

Anhang § 4a

Die GmbH im internationalen Privatrecht

ten mit großem Gesellschafterkreis, auch ist die Gefahr nicht von der Hand zu weisen, dass durch das Auseinanderklaffen der fortbestehenden Rechtsfähigkeit im Gründungsrecht und der Umqualifizierung zur Personengesellschaft mit akzessorischer Haftung der Gesellschafter ein hinkendes Rechtsverhältnis entsteht1. 12

Die Gründungs- (auch:) Inkorporationstheorie unterstellt die juristische Person grundsätzlich dem Recht des Staats, nach dessen Recht sie gegründet worden ist, was unabhängig von ihrem tatsächlichen Sitz auf den Ort der Registereintragung verweist, der gewöhnlich durch den satzungsmäßigen Sitz bestimmt ist2. Es gibt eine Reihe von Modifikationen, indem statt des eigentlichen Gründungsrechts auch auf das Recht abgestellt wird, nach dem die Gesellschaft aktuell tatsächlich organisiert ist, möglicherweise auch auf ein davon noch abweichendes Recht am Ort der Registereintragung3. Auch sehen die Vertreter der Gründungstheorie durchaus, dass schützenwerten Interessen des Staats, mit dem die Gesellschaft aufgrund ihres tatsächlichen Verwaltungssitzes eng verbunden ist, Rechnung getragen werden muss4. Die Gründungstheorie, der gegenüber der Sitztheorie die höhere Rechtssicherheit zukommt, wird auch als die liberalere Lösung empfunden, die den nach dem Recht eines Staats einmal wirksam gegründeten Gesellschaften tendenziell eine Abwanderung in eine andere Rechtsordnung erlaubt, sie also nicht im Gründungsstaat „einmauert“5. Auch die tatsächlichen Probleme um die Anknüpfung an den effektiven Verwaltungssitz, die es in der Praxis gibt, entfallen oder werden wesentlich abgeschwächt6. Andererseits geht auch der EuGH, der selbst keine ausdrücklichen Einschränkungen oder gar die Beseitigung der Sitztheorie ausgesprochen hat, davon aus, dass die Anwendung des Gründungsrechts auf Auslandsgesellschaften Schranken unterliegt, indem die Mitgliedstaaten aus vorrangig wichtigen Allgemeininteressen besonders solche nach einem ausländischen Recht gegründeten Gesellschaften, die ihre geschäftliche Aktivität allein im Inland ausüben, gewissen gesetzlichen Kontrollen unterwerfen können (näher zu den Kriterien Rdnr. 23). Dabei werden einzelne Schutz1 Krit. daher Weller, in: MünchKomm. GmbHG, Einl. Rdnr. 331; die Rechtsprechung wird als „anachronistisch“ gerügt von Körber, in: Bürgers/Körber, AktG, 2. Aufl. 2010, Einl. Rdnr. 25a. 2 Darstellung der Gründungstheorie, die in Deutschland fast nirgends uneingeschränkt vertreten wird, bei Behrens, in: Ulmer, Einl. B Rdnr. 37; Spahlinger, in: Spahlinger/Wegen, Abschnitt B Rdnr. 59; Kindler, in: MünchKomm. BGB, IntGesR Rdnr. 359 ff.; Leible, in: Michalski, Syst. Darst. 2 Rdnr. 7 ff.; Bedeutungslosigkeit für die deutsche Praxis nimmt Hohloch, in: Erman, BGB, Anh. II Art. 12 (Internationales Gesellschaftsrecht), Rdnr. 3 an. 3 Nachweise bei Eidenmüller, in: Eidenmüller, § 1 Rdnr. 3; Hoffmann, ZVglRWiss 101 (2002), 283 ff. mit Beispielen aus dem schweizerischen und dem dänischen Recht. In diesem Sinne der Vorschlag des Deutschen Rats für Internationales Privatrecht, Sonnenberger/Bauer, RIW Beil. 4/2006, S. 1, 8. 4 Knobbe-Keuk, ZHR 154 (1990), 325, 345 ff.; Leible, in: Michalski, Syst. Darst. 2 Rdnr. 9; Behrens, in: Ulmer, Einl. B Rdnr. 41. 5 Für Anwendung der Gründungstheorie daher auch Koppensteiner, Internationale Unternehmen, S. 105, 121 ff.; Knobbe-Keuk, ZHR 154 (1990), 325, 353 ff. (im Hinblick auf die Europäische Niederlassungsfreiheit); ausführlich Behrens, in: Ulmer, Einl. B Rdnr. 37 ff.; Balthasar, RIW 2009, 221. 6 Behrens, in: Ulmer, Einl. B Rdnr. 39; für die umfassende Anwendung der Gründungstheorie nunmehr Eidenmüller, ZIP 2002, 2244; Leible/Hoffmann, ZIP 2003, 930.

272

H.-P. Westermann

Die GmbH im internationalen Privatrecht

Anhang § 4a

gedanken, die auch der Sitztheorie zugrunde liegen, zumindest in Extremfällen in Gestalt von Sonderanknüpfungen1 oder über den Gedanken des ordre public zur Geltung kommen, so dass insgesamt die Einflüsse des EuGH auf das internationale Gesellschaftsrecht nicht auf die Unterschiede zwischen Gründungs- und Sitztheorie reduziert werden können, der EuGH wohl auch nicht in die kollisionsrechtliche Auseinandersetzung eingreifen wollte, während der BGH im so genannten „Trabrennbahn-Urteil“ in Kenntnis der Rechtsprechung zur Niederlassungsfreiheit, allerdings mit Blick auf eine schweizerische AG, die Sitztheorie angewendet hat2. Ob wirklich § 4a i.d.F. des MoMiG als Hinwendung zur Gründungstheorie betrachtet werden kann3, bleibt abzuwarten. Schließlich ist nicht zu bestreiten, dass das Problem der Behandlung bloßer „Briefkasten-Gesellschaften“, gegen die der EuGH für den europäischen Bereich nicht die Instrumente der Sitztheorie einsetzen wollte, auf der Grundlage der Gründungstheorie schwierig zu bewältigen ist4. Die zumindest für die nähere Zukunft vor allem unter dem Einfluss des Ge- 13 meinschaftsrechts gegebene Gemengelage zwischen Sitz- und Gründungstheorie könnte ein Interesse an schon früher vertretenen vermittelnden Theorien begründen. Von ihnen hat sich freilich die sogenannte Differenzierungslehre5, nach der für das Innenverhältnis das Gründungsrecht und für das Außenverhältnis das Vornahme-, Wirkungs- oder u.U. das Organisationsstatut maßgebend sein sollen, nicht durchsetzen können, weil eine saubere Trennung der das Außen- und das Innenverhältnis betreffenden Rechtsfragen schwierig ist und in komplexen Problemlagen den international-privatrechtlichen Entscheidungseinklang gefährden würde6. Eher aussichtsreich schien insoweit vor der Rechtsprechung des EuGH die sogenannte Überlagerungstheorie, die zwar die Geltung zwingenden Rechts des Sitzstaats durchsetzen, aber abdingbares Recht des Gründungsrechts akzeptieren wollte7. Auch hier dürfte es Schwierigkeiten machen, das Personalstatut aus verschiedenen Sachrechtsteilen zusammenzusetzen, und für den europäischen Bereich sind an Korrekturen des prinzipiell anwendbaren Gründungsstatuts durch die Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten andere Maßstäbe anzulegen8. Da dabei also vom Gründungsrecht auszugehen ist, das allenfalls in Einzelpunkten ergänzt oder überlagert werden kann, gibt 1 Eingehend Behrens, in: Ulmer, Einl. B Rdnr. 44 ff. 2 BGH, NJW 2009, 289 und dazu Kieninger, NJW 2009, 295; zu diesem Urteil auch Gottschalk, ZIP 2009, 948; Leible, in: FS Werner, 2009, S. 256, 263. 3 Leible, in: Michalski, Syst. Darst. 2 Rdnr. 8. 4 Kindler, in: MünchKomm. BGB, IntGesR Rdnr. 371. 5 Vertreten von Grasmann, System des internationalen Gesellschaftsrechts, 1970, S. 343 ff. 6 Abl. etwa Koppensteiner, Internationale Unternehmen, S. 102 ff.; Wiedemann, GesR I, § 14 II 1b; Spahlinger, in: Spahlinger/Wegen, Abschnitt B Rdnr. 68; Leible, in: Michalski, Syst. Darst. 2 Rdnr. 13; ausführlich auch H. P. Westermann, ZGR 1975, 68, 74 ff. 7 Zunächst Sandrock, RabelsZ 42 (1978), 226, 250 ff.; mit Blick auf die Vereinheitlichung in Europa auch Sandrock/Austmann, RIW 1989, 249, 152; auch das später (Rdnr. 18) zu besprechende „Centros“-Urteil wurde als Weg zu einer „Überlagerungstheorie für Europa“ untersucht, Höfling, DB 1999, 1206. 8 Von einer Schrumpfung der Überlagerungstheorie sprach daher später Sandrock, ZVerglWiss 102 (2003), 80; Wiedemann, GesR I, § 14 II 1b; s. auch Behrens, in: Ulmer, Einl. B Rdnr. 43.

H.-P. Westermann

273

Anhang § 4a

Die GmbH im internationalen Privatrecht

auch die sogenannte Kombinationstheorie, die von der grundsätzlichen Geltung des Gründungsstatus auf das Sitzrecht übergehen will, wenn substantielle Verbindungen nur zum Sitzstaat bestehen1, keine Gewähr, ohne tatsächliche Unsicherheit über den Sitz und die Anforderungen an „substantielle“ Verbindungen zum Sitzstaat oder -recht zu klaren Entscheidungen kommen zu können; auch ist kaum anzunehmen, dass sich eine solche Vorgehensweise mit den Prinzipien der Niederlassungsfreiheit vereinbaren lässt. 14

Für die Praxis wichtig ist unter diesen Umständen, welche Nachbarstaaten und Handelspartner die eine oder andere Theorie anwenden. Der Sitztheorie folgten in Europa bisher Frankreich, Belgien, Luxemburg, Portugal und Griechenland, Italien nur für Gesellschaften mit Sitz im Inland, vor einiger Zeit gehörte auch Österreich in diese Reihe, doch haben die österreichischen Gerichte unter dem Eindruck der EuGH-Rechtsprechung eine Schwenkung vollzogen, ohne dabei allerdings über Einzelpunkte wie die Eintragung von Zweigniederlassungen und die Umwandlung über die Grenze hinaus eine neue Gesamtkonzeption zu entwickeln2. Die Gründungstheorie, entwickelt in England im 18. Jahrhundert, gilt in den anglo-amerikanischen Rechtsordnungen, aber auch in den Niederlanden, der Schweiz, in Dänemark und Spanien3, wobei bemerkenswert ist, dass gerade das der Gründungstheorie folgende niederländische Recht mit gesetzlichen Einschränkungen der Tätigkeit „formal ausländischer Gesellschaften“ das EuGHUrteil „Inspire-Art“ hervorgerufen hat. In den EWR-Staaten Norwegen, Island und Liechtenstein (die Schweiz hat nicht ratifiziert) gelten aufgrund des Art. 31 des EWR-Abkommens vom Jahre 1992, in Kraft getreten am 1.1.19944, ähnliche Verhältnisse, indem den nach dem Recht eines EFTA-Staats gegründeten Gesellschaften Niederlassungsfreiheit im gesamten EWR-Raum gewährt wird, aber ähnliche Einschränkungen wie die vom EuGH zugelassenen erlaubt sind5. Eine Entscheidung des OLG Hamm, die im Verhältnis zur Schweiz das Gründungsrecht angewendet wissen will, wird angegriffen6 und würde auch nach dem Trabrennbahn-Urteil des BGH7 nicht zu halten sein. Die Judikatur des EuGH zur gemeinschaftsrechtlichen Niederlassungsfreiheit hat in Deutschland vorübergehend ein großes Interesse für die englische Ltd. ausgelöst, das aber inzwi1 In diesem Sinne Zimmer, Internationales Gesellschaftsrecht, 1996, S. 232 ff.; krit. Eidenmüller, in: Eidenmüller, § 1 Rdnr. 9; Behrens, in: Ulmer, Einl. B Rdnr. 42; sympathisierend offenbar Leible in: Michalski, Syst. Darst. 2 Rdnr. 15. 2 Zunächst OGH Wien, EuZW 2000, 156 und NZG 2000, 418; sodann OGH, ZfRV 2000, 113; Landesgericht Salzburg, ZIP 2001, 460; zur Umwandlung OGH Wien, ZIP 2003, 1068 und dazu Paefgen, IPRax 2004, 132 ff.; Doralt, NZG 2004, 396 ff.; s. ferner Höfling, EuZW 2000, 145; Mäsch, JZ 2000, 201 f.; Lurger, IPRax 2001, 346 ff.; ausführlich Spahlinger, in: Spahlinger/Wegen, Abschnitt B Rdnr. 183 ff. 3 Übersichten bei Ebenroth/Neiß, BB 1990, 145, 151 in Fn. 90; weltweite Übersicht über die Anwendung von Gründungs- und Sitztheorie bei Spahlinger, in: Spahlinger/Wegen, Abschnitt E Rdnr. 1462 ff.; zur Schweiz Weller, in: MünchKomm. GmbHG, Einl. Rdnr. 368; Großfeld, in: Staudinger, Internationales Gesellschaftsrecht Rdnr. 158. 4 BGBl. II 1993, 267; BGBl. II 1993, 1294. 5 S. OLG Frankfurt, IPRax 2004, 26; BGH, GmbHR 2005, 1483 m. Anm. Wachter; Baudenbacher/Wunschle, IPRax 2004, 26 ff.; Spahlinger, in: Spahlinger/Wegen, Abschnitt B Rdnr. 227 ff. 6 OLG Hamm, ZIP 2006, 1822; dazu Goette, in: VGR, Gesellschaftsrecht in der Diskussion 2007, 2008, S. 5; Jung, NZG 2008, 684. 7 BGH, NJW 2009, 289 m. Anm. Kieninger.

274

H.-P. Westermann

Die GmbH im internationalen Privatrecht

Anhang § 4a

schen so zurückgegangen ist, dass eine auf ihre Gründung gerichtete Empfehlung als Beratungsfehler bezeichnet wird; das hängt allerdings auch mit dem überraschend starken Interesse an der Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt) zusammen, dazu § 5a Rdnr. 1.

2. Reformvorhaben Der Deutsche Rat für Internationales Privatrecht hat angeregt, die das Gesell- 15 schaftsrecht betreffende Lücke im EGBGB durch ein Gesetz zum Internationalen Privatrecht der Gesellschaften zu schließen, was durch einen RefE vom 7.1.2008 aufgegriffen wurde1. Würde der Entwurf Gesetz, so würde die allgemeine Anknüpfungsregel nach der Gründungs- statt bisher nach der Sitztheorie bestimmt, bei fehlender Eintragung in ein öffentliches Register nach dem Recht der Organisation, hilfsweise dem Kollisionsrecht vertraglicher Schuldverhältnisse. Das soll für alle Gesellschaften und Verbände des Privatrechts (also auch Stiftungen) unabhängig von ihrer Gründung in oder außerhalb der europäischen Gemeinschaft gelten. Wie auch nach heute h.M. zum geltenden Recht soll es bei einer einheitlichen Anknüpfung aller gesellschaftsrechtlichen Sachverhalte bleiben. Als Besonderheit ist der Vorschlag eines Vertrauensschutzes inländischer Vertragspartner einer ausländischen Gesellschaft im Hinblick auf die Rechtsfähigkeit und die Handlungsbefugnisse der Organe vorgesehen2. Angesichts der h.M. im nationalen Bereich und der Klärung einer Reihe von Fragen durch die Judikatur des EuGH verwundert es nicht, dass dieses Vorhaben derzeit nicht weiter vorangetrieben wird3. Auf Gemeinschaftsebene ist eine – an sich vorzugswürdige4 – Regelung des gesamten Gesellschafts-Kollisionsrechts derzeit nicht geplant, die EU befasst sich aber in Gestalt von Richtlinien u.a. mit der Sitzverlegung und – eher am Rande – mit dem Fortbestehen von Haftungsverhältnissen und Mitbestimmungsstrukturen5. Derartige Rechtsangleichungen werden sich aber nicht auf das reine Gesellschaftsrecht beschränken lassen, sondern werden auch die Publizität, den Kapitalschutz, die Bilanzierung sowie Fragen der Übernahme und der Verschmelzung erfassen, die aber vielleicht keine große kollisionsrechtliche Bedeutung haben werden6.

3. Verhältnis zum Gemeinschaftsrecht Die Judikatur des EuGH zu den gesellschaftsrechtlichen und gesellschafts-kollisionsrechtlichen Folgen der Niederlassungsfreiheit, also auf der Grundlage der 1 Zu den Vorüberlegungen des Deutschen Rats Sonnenberger/Bauer, RIW 2006, Beil. 1 zu Heft 4; zum RefE Bollacker, RIW 2008, 200; Schneider, BB 2008, 566; Wagner/Timm, IPRax 2008, 81; Hohloch, in: Erman, BGB, Anh. II Art. 12 (Internationales Gesellschaftsrecht) Rdnr. 8; Leible, in: Michalski, Syst. Darst. 2 Rdnr. 16 ff. 2 Dazu Wagner/Timm, IPRax 2008, 81 ff. 3 Hohloch, in: Erman, BGB, Anh. II Art. 12 (Internationales Gesellschaftsrecht) Rdnr. 8: Bedenken gegen zu weitgehende Ersetzung überlieferter Regelungsmechanismen. 4 Schneider, BB 2008, 566 ff.; zum Regelungsauftrag der EG in Bezug auf das internationale Gesellschaftsrecht Teichmann, ZGR 2011, 639, 651 f. 5 Dazu Neye, GmbHR 1997, R 181; van Hulle, ZGR 2004, 484 ff.; zur Sitzverlegung noch Rdnr. 75. 6 Kindler, in: MünchKomm. BGB, IntGesR Rdnr. 32 ff., 70.

H.-P. Westermann

275

16

Anhang § 4a

Die GmbH im internationalen Privatrecht

Art. 49, 54 AEUV, beruht auf der Vorstellung des Allgemeininteresses am freien Marktzugang1. Daraus fließt die Freiheit jedes Angehörigen eines Mitgliedslands zur Gründung und zum Betreiben eines Unternehmens in einem anderen Mitgliedsstaat, die nach Art. 54 AEUV auch Gesellschaften zusteht, die ihren Satzungssitz, ihre Hauptniederlassung oder ihre Hauptverwaltung innerhalb der Gemeinschaft haben; das ist für natürliche Personen und Gesellschaften die primäre Niederlassungsfreiheit. Aus ihr leitet sich auch das Recht ab, in dem anderen Mitgliedsstaat über rechtlich selbständige Tochtergesellschaften oder unselbständige Agenten oder Zweigniederlassungen tätig zu sein (sekundäre Niederlassungsfreiheit), die aber Personen und Gesellschaften aus Drittstaaten nicht zusteht2. Der Grundansatz des EuGH (dazu schon Rdnr. 2) besteht darin, kollisions- und sachrechtliche Regelungen der Mitgliedsstaaten auf das Vorliegen nicht durch zwingende Allgemeininteressen gerechtfertigter Beschränkungen der genannten Freiheiten zu überprüfen; das hat eindeutig zu manchen Umorientierungen des Kollisionsrechts geführt, ohne eigentlich eine Kollisionsregel zu geben. So erklärt sich auch, dass der EuGH am Anfang seiner Rechtsprechung noch auf dem Boden der Sitztheorie zu stehen schien, dann Elementen der Gründungstheorie Raum gewährte, denen er in letzter Zeit aber keine ausschließliche Tragweite zuzuerkennen scheint. a) Frühere Judikatur des EuGH 17

Ob der EuGH europarechtliche Vorgaben für das Gesellschafts-Kollisionsrecht sehen werde, war aufgrund des Daily-Mail-Urteils aus dem Jahre 19893, das als bewusste Respektierung nationaler Kollisionsrechte verstanden wurde4, längere Zeit nicht angenommen worden. Es ging dabei um die gewünschte Sitzverlegung einer Gesellschaft von England in die Niederlande, die gesellschaftsrechtlich, da beide Staaten der Gründungstheorie folgen, die Existenz der Gesellschaft nicht hätte antasten können, aber nach englischem Recht einer Zustimmung der dortigen Steuerbehörden bedurfte. Ausgangsthese des EuGH war (Rdnr. 15), dass das Recht zur Niederlassung in einem Gemeinschaftsstaat nicht nur Bürgern, sondern auch juristischen Personen zusteht, was inzwischen nicht nur für Kapital-, sondern auch für Personengesellschaften ohne Rücksicht auf die Anerkennung ihrer selbständigen Rechtsfähigkeit angenommen werden kann5. Weiter ging der EuGH davon aus, dass der Herkunftsstaat die Niederlassung einer nach seinem Recht gegründeten Gesellschaft in einem anderen Mitgliedsstaat nicht behindern dürfe (Rdnr. 16). Die ihr zustehende sekundäre Niederlassungsfreiheit behindere aber das englische Recht nicht, da es lediglich für die Sitzverlegung ins Ausland unter Beibehaltung ihrer Rechtspersönlichkeit und weiterer Anerkennung ihrer Eigenschaft als Gesellschaft englischen Rechts 1 W.-H. Roth, in: Gedächtnisschrift Knobbe-Keuk, 1997, S. 729 ff.; Teichmann, ZGR 2011, 639, 647 ff. 2 Zur systematischen Bedeutung dieses Begriffspaars Leible, in: Michalski, Syst. Darst. 2 Rdnr. 20. 3 EuGH, NJW 1989, 2186 = RIW 1989, 304; dazu Ebenroth/Eyles, DB 1989, 363; Sandrock/ Austmann, RIW 1989, 249 ff.; Behrens, IPRax 1989, 354 ff. 4 Großfeld/Luttermann, JZ 1989, 386. 5 Näher Teichmann, ZGR 2011, 639, 659 ff.; zu den Personengesellschaften eingehend Paefgen, in: Westermann, Handbuch Personengesellschaften, Rdnr. I 3001 ff.

276

H.-P. Westermann

Die GmbH im internationalen Privatrecht

Anhang § 4a

die Zustimmung der Finanzverwaltung fordere. Kernsatz der Begründung, mit der die Klage abgewiesen wurde, ist sodann die Feststellung (Rdnr. 20, 21), der EG-Vertrag nehme Rücksicht auf den Umstand, dass in einigen Mitgliedstaaten nicht nur der Satzungssitz, sondern der effektive Verwaltungssitz im Hoheitsgebiet liegen müsse, während andere Staaten ihren Gesellschaften das Recht zugestünden, ihre Geschäftsleitung ins Ausland zu verlegen. Bei der Definition der Gesellschaften, denen die Niederlassungsfreiheit zugutekommt, würden der satzungsmäßige Sitz, die Hauptverwaltung und die Hauptniederlassung „als Anknüpfung“ gleichgeachtet. Damit scheint ausgesprochen zu sein, dass die Niederlassungsfreiheit die Probleme, die sich aus der unterschiedlichen Anknüpfung des Gesellschaftsstatuts ergeben, nicht eigentlich betrifft, so dass eine Lösung der Modalitäten der Sitzverlegung einen Akt der Rechtsetzung erfordere, an dem es bis dahin fehlte (Rdnr. 23). Das würde dann nicht nur den Wegzug einer Gesellschaft, sondern auch den Zuzug betreffen1. Angesichts dieser Argumentation wurde sowohl die Deutung als bewusste Respektierung mitgliedstaatlicher Kollisionsrechte als auch diejenige als eigenständige Regelung der Kollisionsfrage i.S. eines Ausschlusses der Sitztheorie vertreten2; jedenfalls wurde hierdurch die Anwendung der Sitztheorie nicht wesentlich eingeschränkt3. b) Der Fall „Centros“ Das Centros-Urteil vom 9.3.19994 wird allgemein als Umschwung empfunden, 18 obwohl auch hier Vertreter sowohl der Gründungs- als auch der Sitztheorie ihre Ansicht bestätigende Feststellungen fanden. Das Urteil wurde ferner als Etappensieg für die Überlagerungstheorie (Rdnr. 13) angesehen5, aber auch schon (vor allem durch einige Gerichte) als Ende der Sitztheorie6 oder als Durchbruch der Gründungstheorie, wenn auch insoweit noch Zweifel geäußert wurden7 und beklagt wurde, dass viele Fragen offen blieben8. Als bedenklich wurde z.T. angesehen, dass der Weg für ausländische „Briefkastengesellschaften“ in die europäischen Mitgliedstaaten nunmehr freigemacht sei und die diesbezügliche Zurück1 So die Schlussanträge des Generalanwalts Colomer im Inspire-Art-Verfahren, Slg. 2002, 1, 9928 Tz. 25 f.; s. auch W.-H. Roth, in: Lutter, S. 386. 2 Wessel/Ziegenhain, GmbHR 1988, 423, 427; Niessen, AG 1986, 116; s. auch Behrens, RabelsZ 52 (1988), 498, 517 f. 3 Aus der Rspr. BayObLG, DB 1998, 2318; OLG Hamm, RIW 1997, 874; dazu auch Koch, NJW 1992, 412; Ebenroth/Auer, JZ 1993, 374. 4 EuGH, NJW 1999, 2027 = EuZW 1999, 216 mit Bspr. durch Freitag; dazu auch Leible, NZG 1999, 298; Ebke, JZ 1999, 656; Roth, ZIP 1999, 861; Kindler, NJW 1999, 1193; Sonnenberger/Großerichter, RIW 1999, 721; Forsthoff, EuR 2000, 167; G. Roth, RIW 1999, 381 ff.; W.-H. Roth, ZGR 2000, 311; s. auch die Monographie von v. Halen, Das Gesellschaftsstatut nach der Centros-Entscheidung des EuGH, 2001; Zusammenstellung des überreichen Schrifttums bei Hohloch, in: Erman, BGB, Anh. II Art. 12 (Internationales Gesellschaftsrecht) Rdnr. 6; Leible, in: Michalski, Syst. Darst. 2 Rdnr. 24 m. Fn. 58. 5 Sandrock, BB 1999, 1337 ff.; s. auch Höfling, DB 1999, 1206. 6 Aus der Rspr. OLG München, ZIP 1999, 1558; LG München, ZIP 1999, 1680; OLG Zweibrücken, RIW 2001, 373; OGH Wien, RIW 2000, 378; im Schrifttum Hülk/Timme, JuS 1999, 1055 ff.; Forsthoff, BB 2002, 318. 7 Görk, GmbHR 1999, 793 ff.; Puszkajler, IPRax 2000, 79; Borges, RIW 2000, 167 ff. 8 Zimmer, ZHR 164 (2000), 23 ff.; Kindler, NJW 1999, 1993, 1996; dagegen aber Ebke, JZ 1999, 660.

H.-P. Westermann

277

Anhang § 4a

Die GmbH im internationalen Privatrecht

haltung des EuGH im Daily-Mail-Urteil überholt sei1. Dass das Letztere zutrifft, zeigen zumindest Teile der Begründung, bei der es wiederum nicht um eine Entscheidung zwischen Sitz- und Gründungstheorie ging, weil beide beteiligten Mitgliedstaaten die Letztere befolgen, sondern um Voraussetzungen der „sekundären Niederlassungsfreiheit“, d.h. der Möglichkeit einer nach dem Recht der Gründung und Registrierung wirksam errichteten Gesellschaft, in einem anderen Staat eine Zweigniederlassung zu errichten, deren Tätigkeit durch das Land ihres – erwünschten – Sitzes behindert wurde. Die Gründung der Gesellschaft in England durch zwei dänische Staatsangehörige sollte den Umstand ausnutzen, dass das englische Recht der Ltd. nicht die Aufbringung eines Mindeststammkapitals fordert, die Geschäftstätigkeit der Gesellschaft sollte erklärtermaßen allein über eine in Dänemark zu errichtende Zweigniederlassung erfolgen. Nur die Weigerung der dänischen Behörden, diese Zweigniederlassung zu registrieren, war Gegenstand der Vorlage zum EuGH; dass die in England gegründete Gesellschaft durch die Übertragung der wesentlichen Geschäftstätigkeit auf die dänische Zweigniederlassung in ihrer Rechtsfähigkeit nicht berührt war, stand angesichts der Anwendung der Gründungstheorie in beiden Staaten nicht zur Diskussion. Das erklärt, weshalb das Centros-Urteil wiederum auch von Teilen der Rechtsprechung und h.M. noch nicht als endgültige Ablehnung der Sitztheorie erklärt wurde2. Auf die Folgerungen, die der Generalanwalt in der aktuellen Rechtssache „Vale“ für eine grenzüberschreitende Neugründung (mit Statutenwechsel) gezogen hat3, ist in Rdnr. 24a näher einzugehen. 19

Danach darf kein Mitgliedstaat eine in einem anderen Mitgliedstaat gegründete Gesellschaft daran hindern, auf seinem Territorium eine Zweigniederlassung zu gründen, und zwar auch dann nicht, wenn über diese die gesamte Geschäftstätigkeit der Gesellschaft abgewickelt werden soll. Dabei ging das Gericht davon aus, dass die in den Mitgliedstaaten nach Maßgabe der 11. Richtlinie der EU4 vorgesehene Offenlegung der wichtigsten Verhältnisse einer Zweigniederlassung einen gewissen Gläubigerschutz gewähre, der auch nicht dadurch in Frage gestellt werde, dass die Gesellschaft auch im Gründungsstaat noch eine geschäftliche Tätigkeit entfalten sollte (Rdnr. 53)5. Die Gesellschaft als solche wird danach in ihrer Zugehörigkeit zu einem Mitgliedstaat nach wie vor nach ihrem Satzungssitz, ihrer Hauptverwaltung oder ihrer Hauptniederlassung bestimmt, aber die Ausdehnung ihrer (auch: gesamten) Geschäftstätigkeit auf den Sitz der Zweigniederlassung ist vom Gemeinschaftsrecht gedeckt, darf also durch die 1 S. etwa Geyrhalter, EWS 1999, 201 ff., während Teichmann (ZGR 2011, 639, 670) bezweifelt, ob es sich überhaupt um eine Frage der Niederlassungsfreiheit und nicht um eine solche des Registerrechts handelt. 2 Zur Fragestellung des Urteils Lange, DNotZ 1999, 599 ff.; Mäsch, JZ 2000, 201; Borges, RIW 2000, 167 ff.; Leible, NZG 2001, 460. In der Rechtsprechung gegen eine endgültige Abkehr von der Sitztheorie OLG Brandenburg, ZIP 2000, 1616; LG Potsdam, RIW 2000, 145; OLG Düsseldorf, NZG 2001, 506; OLG Hamm, NZG 2001, 562. 3 Schlussanträge des Generalanwalts Jääskinen vom 15.12.2011 in der Rechtssache Rs. C-378/10, ZIP 2012, 465 ff. 4 Richtlinie 89/666 vom 21.12.1989 über die Offenlegung von Zweigniederlassungen, die in einem Mitgliedstaat von Gesellschaften bestimmter Rechtsform errichtet werden, die dem Recht eines anderen Mitgliedstaats unterliegen, ABl. EG Nr. L 395 v. 21.12.1989, S. 36 ff.; Wendt, in: Spahlinger/Wegen, Abschnitt D Rdnr. 829. 5 Zustimmend Kieninger, ZGR 1999, 724, 740.

278

H.-P. Westermann

Die GmbH im internationalen Privatrecht

Anhang § 4a

nach dem Sitzrecht nicht oder nur unter erschwerten Bedingungen mögliche Registrierung nicht behindert werden, wenn es sich bei ihrem Vorgehen nicht um Missbrauch handelt. Einen solchen stellt es aber noch nicht dar, wenn die alleinige Geschäftstätigkeit der Gesellschaft am Sitz der Zweigniederlassung ausgeübt wird. Hierin wird die Öffnung der Handlungsmöglichkeiten für „Pseudo-ForeignCorporations“ gesehen (dazu Rdnr. 42), deren einzige Verbindung zum Ausland in der Gründung nach dortigem Recht liegt, die aber durch die Erfüllung der damit gegebenen Voraussetzungen die Anforderungen umgehen, die bei einer Gründung nach dem Recht des Sitzes der Zweigniederlassung oder (darüber hinaus) des Verwaltungssitzes im Inland durch das inländische Sachrecht gestellt würden1: Das ist dann die Niederlassungsfreiheit für „Schein-Auslandsgesellschaften“2. Eine Einschränkung der liberalen Behandlung von Briefkastengesellschaften wird bisweilen in der späteren Cadbury-Schweppes-Entscheidung des EuGH gesehen3. Es ging dabei allerdings – insoweit ähnlich wie im Fall Daily Mail – um die Gründung zweier irischer Tochtergesellschaften durch die englische Mutter, die mit dem Ziel der Zurechnung von Gewinnen der Mutter zu den – eine Geschäftstätigkeit in Irland nicht entfaltenden – Töchtern erfolgte, was der englische Fiskus nicht hinnehmen wollte. Darin wurde er vom EuGH mit dem Argument bestärkt, hier werde die an sich auch solche Fälle erfassende Niederlassungsfreiheit im Rahmen einer rein künstlichen Gestaltung gebraucht. Zugespitzt gesagt, geht es weniger um die Niederlassungsfreiheit der Tochtergesellschaften als um die Gestaltungsmöglichkeiten ihrer Mutter4; einzelne Gesichtspunkte kehren im Urteil „National Grid“ wieder5, das einen Fall der Wegzugsbesteuerung betrifft. c) Die Fortführung durch „Überseering“ Die Entscheidung im Fall „Überseering“6 betraf den Kern des kollisionsrecht- 20 lichen Fragenkreises. Der von einem deutschen Gericht vorgelegte Rechtsstreit beruhte auf der Klage einer im Jahre 1990 in Holland gegründeten (der deutschen GmbH vergleichbaren) B.V., die die Rechte aus einem mit einem deutschen Unternehmen geschlossenen Vertrag geltend machen wollte, nachdem – jedenfalls war dies tatsächlich so angenommen worden – im Zuge der Veräußerung ihrer sämtlichen Geschäftsanteile an Deutsche der Verwaltungssitz der Gesellschaft nach Deutschland verlegt worden war. Nach der Sitztheorie hätte dies die Anwendung deutschen Gesellschaftsrechts und damit einen dem deutschen GmbHG genügenden Gründungsvorgang erforderlich gemacht, an dem es fehlte, so dass die Gesellschaft nach dem damals noch herrschenden Verständnis der Sitztheorie (zu Modifizierungen Rdnr. 11) als nunmehr als solche nicht mehr

1 S. dazu die Besprechungen des Urteils durch Werlauff, ZIP 1999, 867 ff.; Ebke, JZ 1999, 656 ff.; Ulmer, JZ 1999, 662; Sonnenberger/Großerichter, RIW 1999, 721 ff. 2 Krit. Kindler, NJW 1999, 1993 ff. 3 EuGH, Rs. C-196/04, Slg. 2006, I 7995 und dazu Kindler, in: MünchKomm. BGB, IntGesR Rdnr. 128; Koberski/Heuschmid, RdA 2010, 207, 211; Teichmann, ZIP 2009, 393, 396. 4 So auch Teichmann, ZGR 2011, 639, 671 f. 5 EuGH, NZG 2012, 114 und dazu Berth/Schall, NZG 2012, 414. 6 EuGH, GmbHR 2002, 1117 = NJW 2002, 3614; s. auch die Schlussanträge des Generalanwalts Colomer, NZG 2002, 16; reiche Schrifttumsangaben bei Leible, in: Michalski, Syst. Darst. 2 Rdnr. 27 Fn. 71.

H.-P. Westermann

279

Anhang § 4a

Die GmbH im internationalen Privatrecht

existent den Rechtsstreit nicht hätte fortsetzen können1. Das betraf nach damaligem Verständnis unmittelbar die Aufrechterhaltung der vom Gründungsrecht gewährten Rechts- und Parteifähigkeit nach Verlegung des Verwaltungssitzes in ein dem Sitzrecht folgendes Land2, damit sicher eines der zentralen Anliegen der Sitztheorie3. Der EuGH verlangt also keine Form der Anerkennung der ausländischen juristischen Person, sondern betont die Verpflichtung der Mitgliedstaaten, die der Gesellschaft von ihrem Gründungsstatut gewährte Rechts- und Parteifähigkeit zu achten, wobei freilich im Fall einer Sitzverlegung der Wegzugsstaat in seinem (Gründungs-)Recht mit der Aberkennung der Rechtsfähigkeit soll reagieren dürfen4. Für den Zuzugsstaat bleibt es bei der Verpflichtung zur Anerkennung, die sich aus dem Kollisionsrecht ergebe5. Dass danach auch kein Gründungsakt mehr erforderlich ist, bedeutet praktisch, dass die auf die Gründung bezogenen Schutzmaßnahmen des deutschen Sachrechts nicht eingreifen6. In diesem Zusammenhang wurde (in Rdnr. 62) noch darauf hingewiesen, es sei ein Unterschied, ob der Gründungsstaat „seiner“ Gesellschaft bei der Sitzverlegung unter Wahrung der ihr hier zuerkannten Rechtspersönlichkeit Schwierigkeiten macht oder ob ein anderer Mitgliedstaat einer im Ausland wirksam gegründeten Gesellschaft die Anerkennung versagt. Als diskriminierend wurde schließlich (Rdnr. 85) auch die Behandlung deutscher Gesellschaften betrachtet, die ihren tatsächlichen Verwaltungssitz aus Deutschland heraus verlegten. Damit wurde die Frage entschieden, inwieweit ein Sitzstaat das ausländische Gründungsstatut durch eigene, die Gründung oder die unternehmerische Tätigkeit betreffende Regulierungen behindern darf. 21

Großes Gewicht kommt dem auch im Cadbury-Schweppes-Fall (Rdnr. 19) relevanten Gesichtspunkt zu, dass die Niederlassungsfreiheit von den Auslandsgesellschaften nicht missbraucht werden darf, was geschehe, wenn durch ihre Tätigkeit zwingende Gründe des von einem nationalen Recht verfolgten Allgemeinwohls Beschränkungen fordern, die also zur Erreichung dieser Ziele unerlässlich sind und dafür geeignet sind, ohne diskriminierend zu wirken. Diesen Maßstäben muss sich also eine Auslandsgesellschaft stellen, was u.a. auf eine Prüfung der Rechtsinstitute des Gründungsrechts hinausläuft, die auf denselben 1 Zu diesen Konsequenzen Meilicke, GmbHR 2003, 793 ff.; Ehlers, in: Sandrock/Wetzler, Deutsches Gesellschaftsrecht im Wettbewerb der Rechtsordnungen, 2004, S. 2 ff.; zum Sachverhalt OLG Düsseldorf, JZ 2000, 203; Spahlinger, in: Spahlinger/Wegen, Abschnitt B Rdnr. 154. 2 S. die Vorlageentscheidung des BGH in EuZW 2000, 412 und dazu Kindler, RIW 2000, 649; Luttermann, EWS 2000, 375; Kieninger, NZG 2001, 610. 3 S. etwa v. Halen, EWS 2002, 107 ff.; Schulz, EWS 2002, 545 ff.; Knapp, DNotZ 2003, 85 ff.; zur grundlegenden Bedeutung des Urteils Behrens, IPRax 2003, 191 ff.; Lutter, BB 2003, 7 ff.; Eidenmüller, ZIP 2002, 2233; Zimmer, BB 2003, 1 ff.; Leible/Hoffmann, RIW 2002, 925 ff.; Paefgen, DB 2003, 487 ff.; Wertenbruch, NZG 2003, 618; Schanze/ Jüttner, AG 2003, 30 ff.; Roth, IPRax 2003, 117 ff., Behrens, in: Ulmer, Einl. B Rdnr. 30. 4 Zu diesem Gesichtspunkt (Rdnr. 61–73) Leible, in: Michalski, Syst. Darst. 2 Rdnr. 29; zur Abgrenzung zu „Daily Mail“ W.-H. Roth, in: Lutter, S. 286, 289 ff. Zum Fall der Löschung im Register des Wegzugsstaats (Fall „Vale“) s. Rdnr. 24a. 5 BGH, NJW 2003, 1461 = JZ 2003, 525 m. Anm. Eidenmüller; BayObLG, NZG 2003, 290; OLG Celle, GmbHR 2003, 532; KG, NZG 2004, 49, 51; Forsthoff, DB 2003, 970; Wertenbruch, NZG 2003, 618; Schulz, NJW 2003, 2705 f. 6 Eidenmüller, ZIP 2002, 2233, 2244.

280

H.-P. Westermann

Anhang § 4a

Die GmbH im internationalen Privatrecht

oder vergleichbaren Schutzbedürfnissen beruhen. Die hier geforderte vierstufige Verhältnismäßigkeitsprüfung1 schließt an die Cassis de Dijon-Doktrin an, die auch schon im Centros-Urteil als Legitimation für Beschränkungen der Niederlassungsfreiheit genannt worden war2. Die Verhältnismäßigkeitsprüfung wird im Überseering-Urteil (Rdnr. 92) weiter dahin konkretisiert, dass es um den Schutz der Gläubiger, der Minderheitsgesellschafter, der Arbeitnehmer oder auch des Fiskus zu gehen habe. Es ist aber davor zu warnen, aus dem Kriterium der zwingenden Allgemeininteressen generell die Geltung des Gesellschaftsrechts des Sitzstaats abzuleiten, was gegenüber dem Grundsatz der Niederlassungsfreiheit kaum verhältnismäßig wäre und jedenfalls nicht durchweg als erforderlich angesehen werden kann, da auch das Gesellschaftsrecht des Gründungsstaats in aller Regel die Interessen von Gründern und Gesellschaftern gegen die Allgemeininteressen abgewogen hat. Gerade aus deutscher Sicht richtig ist allerdings, dass die Rechtsordnungen einiger europäischer Mitgliedstaaten, namentlich Englands, dem Gesichtspunkt des Schutzes der privaten Gläubiger nicht denselben Rang zuerkennen wie das deutsche Recht; dies rechtfertigt aber die Anwendung nationalen Rechts auf Auslandsgesellschaften nur, wenn besondere Schutzlücken auftreten, die aus der Sicht des Sitzstaats untragbar sind3. Das steht dann auch der verschiedentlich geforderten Durchsetzung zahlreicher normativer Wertungen des inländischen Rechts durch systematisch immer mögliche kollisionsrechtliche Sonderanknüpfungen entgegen4, die folglich auf Ausnahmefälle beschränkt bleiben müssen. d) Die Verfestigung der Grundkonzeption durch „Inspire Art“ Dass das „Überseering“-Urteil die Anwendung einer reinen Sitztheorie als ge- 22 meinschaftswidrig erklärt hat, ist eine folgerichtige Fortsetzung des im „Centros“-Urteil eingeschlagenen Weges, wobei aber noch offen blieb, in welchen vom Gesellschaftsstatut – also durch das Kollisionsrecht – geregelten, aber nicht die Rechts- und Parteifähigkeit der Gesellschaft betreffenden Fragen ebenfalls die Niederlassungsfreiheit und damit das Gründungsrecht maßgebend sein sollte. Immerhin können für eine allein im Inland tätige, als voll rechtsfähig zu akzeptierende Gesellschaft einige Anforderungen des den Sitz beherrschenden nationalen Rechts zu beachten und durchzusetzen sein, etwa die Kapitalerhaltungsbestimmungen einschließlich der Regeln über Kapitalersatz, oder auch die Durchbrechungen des Haftungsprivilegs5. Offen war auch noch, ob einige bisher 1 Von einer „differenzierten Verhältnismäßigkeitsprüfung“ spricht auch Karsten Schmidt, in: Lutter, S. 15, 23; zu den Maßstäben der Beschränkungen der Niederlassungsfreiheit Eidenmüller/Rehm, ZGR 2004, 159, 178 ff.; Kieninger, ZEuP 2004, 685, 698; s. auch Generalanwalt Jääskinen, ZIP 2012, 465, 469. 2 Zur Cassis de Dijon-Doktrin s. EuGHE 1979, 649; zur Bezugnahme darauf s. Rdnr. 34–38 des „Centros“-Urteils. Zu dem „Vier-Punkte-Test“ besonders deutlich die etwas spätere Entscheidung „Inspire-Art“ EuGH, NJW 2003, 3331, 3334 in Rdnr. 133. 3 Eingehend Behrens, in: Ulmer, Einl. B Rdnr. 34; Spahlinger, in: Spahlinger/Wegen, Abschnitt B Rdnr. 197. 4 Kieninger, ZEuP 2004, 685, 697; Heckschen, GmbHR 2004, R 25; Kleinert/Probst, DB 2003, 2217 f.; Horn, NJW 2004, 893, 898 f.; Mankowski, RIW 2004, 481, 483; Eidenmüller, NJW 2005, 1618, 1620 f.; Spahlinger, in: Spahlinger/Wegen, Abschnitt B Rdnr. 219 ff.; anders noch Forsthoff, DB 2002, 2471, 2476; Großerichter, DStR 2003, 159, 168. 5 Hierzu und zum Folgenden etwa Ulmer, JZ 1999, 662, 664; Goette, ZIP 2006, 541.

H.-P. Westermann

281

Anhang § 4a

Die GmbH im internationalen Privatrecht

zum Gesellschaftsstatut gerechnete Normen künftig nicht mehr gesellschaftsrechtlich zu qualifizieren sind, was ihr Verhältnis zum Gründungsrecht beeinflussen könnte. Diese Fragen sind durch die Verfestigung der EuGH-Rechtsprechung im Urteil „Inspire Art“1 teilweise geklärt, z.T. einer Lösung näher gebracht worden. Das Urteil betraf eine in England gegründete private limited company, die ihr Geschäft – Handel mit Kunstgegenständen – ausschließlich über eine in Holland errichtete Zweigniederlassung betreiben wollte – also im Ausgangspunkt ein „Centros“-Fall, auch insoweit, als beide beteiligte Mitgliedstaaten der Gründungstheorie folgen. Die Niederlande hatten aber – offenbar durch „Centros“ angeregt – ein Gesetz über „formal ausländische Gesellschaften“ (WFBV) erlassen, in dem solchen ausländischen Gesellschaften, die in ihrem Gründungsstaat keine nennenswerte Tätigkeit entfalten, eine Handelsregistereintragung mit dem ausdrücklichen Zusatz zur Pflicht gemacht wurde, dass es sich um eine formal ausländische Gesellschaft handle. Ferner sollten Angaben über einen Alleingesellschafter im Handelsregister des Aufnahmestaats gemacht werden müssen. Auch waren entsprechende Pflichtangaben auf Schriftstücken der Gesellschaft vorgeschrieben, u.a. über das Kapital, das mit mindestens 18 000 Euro dem einer niederländischen B.V. entsprechen sollte. Die Kontrolle der Einhaltung dieses Regelwerks sollte auf der Grundlage von durch Wirtschaftsprüfer abzugebenden Erklärungen erfolgen, die Gesellschaften sollten gehalten sein, beim Handelsregister ihre Eintragung im Register ihres Gründungsstaats nachzuweisen und alljährlich eine Bescheinigung der dort fortbestehenden Eintragung zu hinterlegen. Bei Verletzung dieser Pflichten sollte eine persönliche Haftung der Geschäftsführer eingreifen, wie sie das niederländische Recht schon bisher bei unseriösen Praktiken der Gesellschaft zum Nachteil des Steuerfiskus und der Sozialversicherungen (einschließlich des faktischen Wegzugs ins Ausland) eintreten ließ2. 23

Es konnte nicht überraschen, dass diese gesamte Regelung vor den Augen des EuGH keine Gnade fand. Die Begründung ist allerdings zweigleisig3: Zum einen wird wieder die Niederlassungsfreiheit als Maßstab herangezogen, dies aber in Verbindung mit der Zweigniederlassungsrichtlinie der EU, weil die Mitgliedstaaten (so Rdnr. 67) hinsichtlich der Offenlegungspflichten, die der Zweigniederlassung einer Auslandsgesellschaft auferlegt werden, nicht über das in der Richtlinie vorgeschriebene hinausgehen dürfen. Dies dient also dem Ziel, Gesellschafter- und Gläubigerschutz unter Wahrung der Niederlassungsfreiheit (Rdnr. 68) in den Mitgliedstaaten gleichwertig auszugestalten, während bisher durch eine besondere Auslegung sollte festgestellt werden müssen, ob die Schaffung gleicher Rahmenbedingungen die Qualifikation gemeinschaftsrechtlicher Vorgaben als Höchststandard erfordert4 oder ob die Mitgliedstaaten über diese 1 EuGH, NJW 2003, 3331 mit Anm. Paefgen, WuB II N Art. 43 EG 2.04 = EuZW 2003, 687; aus dem reichhaltigen Schrifttum hier nur: Sandrock, BB 2003, 2588; Spindler/Berner, RIW 2003, 949 ff.; Leible/Hoffmann, EuZW 2003, 677; Behrens, IPRax 2004, 29; Eidenmüller, JZ 2004, 24 ff.; Wachter, GmbHR 2004, 88 ff.; Riegger, ZGR 2004, 510 ff.; Altmeppen, NJW 2004, 97; Bayer, BB 2003, 2357; Zimmer, NJW 2003, 3585. 2 Dazu näher Akveld/Ebben/H.P. Westermann, RIW 1995, 720 ff. 3 Paefgen, Anm. WuB II N Art. 43 EG 2.04; Ehlers, in: Sandrock/Wetzler, S. 10 f. 4 Lutter, JZ 1992, 514, 606; zu den Äußerungen zu „Inspire-Art“ insoweit besonders Meilicke, GmbHR 2004, 1271 ff.; Schanze/Jüttner, AG 2003, 661 f.; Wachter, GmbHR 2004, 88, 90.

282

H.-P. Westermann

Anhang § 4a

Die GmbH im internationalen Privatrecht

Forderungen hinausgehen dürfen. Die Richtlinie ist jedenfalls hinsichtlich der Offenlegungsvorschriften als abschließende Regelung mit Mindest- und Maximalgrenzen der notwendigen Publizität zu verstehen. Ungerechtfertigt war danach die Forderung nach der ausdrücklichen Bezeichnung als „formal ausländische Gesellschaft“ und Hinterlegung von Wirtschaftsprüfer-Bescheinigungen über das gezeichnete und eingezahlte Mindestkapital, der Gerichtshof (Rdnr. 100) wendete sich gegen die Behauptung, durch die Anwendung dieser Regelungen auf ausländische Gesellschaften werde deren Niederlassungsfreiheit nicht tangiert. Dies gelte auch für die Vorschriften über die Haftung der Geschäftsführer (Rdnr. 101). Was sodann die Rechtfertigung derartiger Maßnahmen durch zwingende Allgemeininteressen betrifft, so bekräftigt der Gerichtshof seine im „Überseering“-Urteil und schon im „Centros“-Urteil (dort Rdnr. 139) eingeschlagene Linie hinsichtlich der eine Einschränkung der Niederlassungsfreiheit ausnahmsweise rechtfertigenden Allgemeininteressen (Rdnr. 21) und konkretisiert dies durch die Feststellung, die inländischen Gläubiger seien dadurch genügend geschützt, dass Inspire Art als Gesellschaft des englischen und nicht des niederländischen Rechts auftrat1. Als Verstoß gegen die Niederlassungsfreiheit werden schließlich auch die Bestimmungen der WFBV über die Haftung der Geschäftsführer und Gesellschafter bei Verletzung der Offenlegungspflichten qualifiziert (Rdnr. 21). Insgesamt ist somit der Spielraum für Sonderanknüpfungen eng, und auch die vom BGH vorgenommene Reduzierung der Rechtsfolgen der Sitztheorie (Rdnr. 11) bleibt nicht unangefochten2. Jedenfalls wurde in der Abschlussentscheidung zur Sache „Überseering“ festgehalten, dass eine nach dem Recht eines Mitgliedsstaats gegründete Gesellschaft Kraft der Niederlassungsfreiheit berechtigt sei, in jedem Mitgliedsstaat vertragliche Rechte geltend zu machen, wenn und soweit sie nach ihrem Gründungsstatut dazu befähigt ist3. Diese mit Blick auf eine niederländische BV angesprochene Feststellung wurde auf Gesellschaften des englischen Rechts unter Einschluss des Rechts der British Virgin Islands übertragen4. e) Neuere Sonderfälle im System der gemeinschaftsrechtlichen Niederlassungsfreiheit Die EuGH-Rechtsprechung bis einschließlich „Inspire Art“ hat ungeachtet eini- 24 ger nicht ganz eindeutiger Begründungswege zu einer weitgehenden Ausschaltung der Konsequenzen der Sitztheorie geführt5, was auch für das Verhältnis zu den USA gilt, und auch solche Staaten, die die Gründungstheorie anwenden, dürfen nur in sehr begrenztem Umfang Auslandsgesellschaften den Schutz des 1 Zur Firmierung wird freilich nicht ausdrücklich Stellung genommen, dazu Karsten Schmidt, in: Lutter, S. 24. 2 Leible, in: Michalski, Syst. Darst. 2 Rdnr. 32. 3 BGH (VII. Senat), NJW 2003, 1461; dazu Eidenmüller, JZ 2003, 526; Weller, IPRax 2003, 324. 4 BGH (II. Senat), NJW 2005, 1648; BGH, NJW 2004, 3706; zur kollisionsrechtlichen Tragweite dieser Rechtsprechung Weller, in: MünchKomm. GmbHG, Einl. Rdnr. 355; zur Kasuistik in diesem Zusammenhang auch Goette, DStR 2005, 179 ff.; Bitter, WM 2004, 2190 ff. 5 So schon Behrens, IPRax 2004, 20 ff.; Sandrock, BB 2004, 897; Maul/Schmidt, BB 2003, 2297 ff.

H.-P. Westermann

283

Anhang § 4a

Die GmbH im internationalen Privatrecht

inländischen Rechtsverkehrs dienenden Vorschriften unterwerfen, die zum Gründungsstatut in einer die Niederlassungsfreiheit tangierenden Weise nicht passen würden. Das betrifft Normen des Sachrechts, aber auch Sonderanknüpfungen, auch soweit sie zum Sitzrecht führen sollen. Dabei hat „Inspire Art“ diese Sichtweise nicht nur auf Fragen der Gründung – wie etwa der Aufbringung eines bestimmten Mindestkapitals – beschränkt, sondern sie auch auf andere gesellschaftsrechtliche Vorschriften wie die fortdauernden Mitteilungspflichten nach der Gründung oder auf die Haftung von Gesellschaften und Geschäftsführern erstreckt1. Das würde bedeuten, dass für die Organisationsverfassung der Gesellschaft ganz das Gründungsrecht maßgebend ist, da dem überragend wichtige Gemeinschaftsinteressen kaum entgegenstehen dürften2. Weiter wird aber – jeweils problemspezifisch – zu untersuchen sein, ob die in einem Mitgliedsstaat bisweilen auch in Reaktion auf die EuGH-Rechtsprechung verfolgten Allgemeininteressen, namentlich auch das des Gläubigerschutzes, durch nicht als gesellschaftsrechtlich zu qualifizierende Normen etwa des Insolvenz-, Deliktsoder Vertragsrechts, vielleicht auch des Kapitalmarktrechts, in die Wertung nach dem Gründungsstatut eingebracht werden dürfen3. Zu einigen besonderen Konstellationen hat auch der EuGH Lösungen entwickelt, die es erschweren, eine ganz einheitliche Linie auszumachen. Das betrifft nicht die Sevic-Entscheidung zur grenzüberschreitenden Verschmelzung, die die Eintragung der abwicklungslosen Verschmelzung einer Luxemburgischen Gesellschaft auf eine deutsche AG und die Übertragung des gesamten Vermögens auf die deutsche Gesellschaft unter Beibehaltung ihrer Firma betraf4, näher Rdnr. 77. Die Weigerung des deutschen Registergerichts, die mit dem Hinweis begründet war, dass das Verschmelzungsrecht des UmwG nur auf Rechtsträger mit Sitz in Deutschland ausgerichtet sei, verwarf der EuGH als Verletzung der Niederlassungsfreiheit. Das ist systematisch bedeutsam gegenüber dem Einwand, die übertragende Gesellschaft könne sich nicht auf die Niederlassungsfreiheit berufen5, aber ob die Verschmelzung aus der Sicht der aufnehmenden Gesellschaft mit der Errichtung einer Zweigniederlassung und damit als Ausübung der sekundären Niederlassungsfreiheit verglichen werden kann6, erscheint eher zweifelhaft, so dass die Dinge in erster Linie auf die in der Überseering-Entscheidung angewendete Unterscheidung zwischen Wegzug und Zuzug (Rdnr. 20) hinauszulaufen schien. Überraschung hat schließlich die zur Verlegung des operativen Sitzes einer Ge-

1 Dies betont Behrens, IPRax 2004, 20 ff. 2 Dazu Riegger, ZGR 2004, 510 ff. 3 Zum Deliktsrecht etwa Lieder, DZWiR 2005, 309; zu § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. Strafrecht Goette, DStR 2005, 197 ff.; Spindler/Berner, RIW 2004, 7; zum Insolvenzrecht Goette, DStR 2005, 197; Vallender, ZGR 2006, 425 ff.; zum internationalen Kapitalmarktrecht eingehend Kindler, in: MünchKomm. BGB, IntGesR Rdnr. 27 ff.; zum Ganzen auch Teichmann, ZGR 2011, 639, 673 und zu den methodischen Folgen Weller, ZGR 2010, 679, 695 f. 4 EuGH, Slg. 2005, I – 10805, GmbHR 2006, 140 m. Komm. Haritz; dazu Behrens, EuZW 2006, 65; Bayer/Schmidt, ZIP 2006, 210; Lutter/Drygala, JZ 2006, 770; Koppensteiner, Der Konzern 2006, 40; w.N. bei Leible, in: Michalski, Syst. Darst. 2 Rdnr. 33 m. Fn. 96. 5 Kindler, in: MünchKomm. BGB, IntGesR Rdnr. 878. 6 Behrens, EuZW 2006, 69; Paefgen, GmbHR 2004, 463, 469; dem folgend Leible, in: Michalski, Syst. Darst. 2 Rdnr. 34.

284

H.-P. Westermann

Anhang § 4a

Die GmbH im internationalen Privatrecht

sellschaft von Ungarn nach Italien ergangene Cartesio-Entscheidung1 ausgelöst. Der Antrag auf Eintragung der Verlegung des (ungarischen) Sitzes ins dortige Handelsregister war mit der der Sitztheorie entsprechenden Begründung abgelehnt worden, durch den Wegzug verliere die Gesellschaft ihre Existenz2. Der EuGH akzeptierte Rechtsvorschriften eines Mitgliedsstaats, die einer nach seinem Recht gegründeten Gesellschaft einen Wegzug unter Wahrung ihres Gesellschaftsstatuts verbieten, ließ aber solche Maßnahmen des Wegzugsstaats nicht gelten, die bei einer formwechselnden Sitzverlegung eine über den Verlust des Gesellschaftsstatuts hinausgehende Beschränkung vorsehen. Zu prüfen ist auch, ob der Zuzugsstaat eine grenzüberschreitende Umwandlung ermöglicht3. Trotz mancher Ähnlichkeit mit „Daily Mail“ muss gesagt werden, dass zwischen der Änderung der Rechtsform durch den Wegzug und der Anknüpfung von Rechtsfolgen an den Verwaltungssitz oder das Zentrum der unternehmerischen Aktivitäten ein Gleichlauf nicht besteht. Zur Regelung der Materie durch das MoMiG s. § 4a Rdnr. 26, 28. Die demnächst zu erwartende Entscheidung des EuGH im Fall Vale-Costruzioni4 24a kann voll auf der Regel aufbauen, dass Art. 49, 54 AEUV einer nach dem Recht eines Mitgliedstaats gegründeten Gesellschaft gestatten, in einem anderen Mitgliedstaat nach Wegzug und Löschung im Gründungsstaat im Zuge einer Neugründung im Aufnahmestaat ins Register eingetragen zu werden. Dabei geht es praktisch darum, sicherzustellen, dass die neu gegründete Gesellschaft, obwohl ihre Gesellschafter mit denen der im Gründungsstaat erloschenen nicht identisch sind, als Rechtsnachfolger der früheren deren Vermögen übernehmen kann. Das muss nach Ansicht des Generalanwalts der Aufnahmestaat akzeptieren, kann dies allerdings mit Verpflichtungen nicht diskriminierender Art verbinden. Dazu soll auch gehören, dass der Aufnahmestaat die neu gegründete Gesellschaft nicht als Rechtsnachfolgerin anerkennen muss, solange nicht die Löschung im Gründungsstaat aufgehoben ist; das scheint freilich mehr eine Folge des Verständnisses der juristischen Persönlichkeit eines Verbandes zu sein5. Im Übrigen wird die Übereinstimmung dieser Überlegungen mit „Cartesio“ und „Sevic“ betont.

III. Inhalt des Personalstatuts im Einzelnen 1. Allgemeine Kriterien – Qualifikation, Gesellschaftssitz, der ordre-public-Vorbehalt Nach dem jetzigen Stand des internationalen Gesellschaftsrechts kann das Personalstatut ausländischer Gesellschaften in Deutschland nicht uneingeschränkt nach dem ausländischen Gründungsrecht und erst recht nicht mehr nach (inländischem) Sitzrecht bestimmt werden. Vielmehr sind – soweit nicht eines der 1 EuGH, NJW 2009, 569 = GmbHR 2009, 86 m. Komm. Meilicke = JZ 2009, 409 m. Anm. Wilhelmi, dazu auch Campos Nave, BB 2009, 870; Leible/Hoffmann, BB 2009, 58; Paefgen, WM 2009, 529; Zimmer/Naendrup, NJW 2009, 545; Teichmann, ZIP 2009, 393; w.N. bei Leible, in: Michalski, Syst. Darst. 2 Rdnr. 35 m. Fn. 105. 2 Anders die Schlussanträge des Generalanwalts Maduro (ZIP 2008, 1067 m. Anm. Richter). 3 Zu diesem Vorgehen Leible, in: Michalski, Syst. Darst. 2 Rdnr. 35. 4 S. dazu eingehend die Schlussanträge des Generalanwalts Jääskinen, ZIP 2012, 465 ff.; weiterführend die Anmerkungen von Barthel, EWiR 2012, 161. 5 Dazu näher die Schlussanträge in Rdnr. 46, 47.

H.-P. Westermann

285

25

Anhang § 4a

Die GmbH im internationalen Privatrecht

zahlreichen völkerrechtlichen Abkommen eingreift, wie es allerdings beim FCN-Vertrag zu inzwischen etablierten Regeln geführt hat (Rdnr. 5, 9) – im europäischen Raum vom Gründungsstatut der Gesellschaft ausgehend die möglicherweise zusätzlich in Betracht kommenden und dafür zu qualifizierenden Rechtsinstitute des deutschen Sachrechts auf ihre Anwendbarkeit zu prüfen. Eine gewisse Schwierigkeit besteht dabei darin, dass dieser Fragenkreis bis vor kurzem ganz von der Sichtweise der Sitztheorie beherrscht war; unabhängig davon behandelt aber das Personalstatut die juristische Person „in voller Breite“1. Die Kautelarpraxis, die bei der Beratung inländischer Unternehmensgründer oder bestehender Unternehmen (einschließlich Unternehmensgruppen) die Freiheit hat, ein ausländisches Gesellschaftsstatut zu wählen2, darf einen solchen Entschluss nicht nur nach sorgfältiger Analyse des ausländischen Gesellschaftsrechts, sondern auch unter Abwägung der vom deutschen Recht legitimerweise zu stellenden Ansprüche treffen. Im gerichtlichen Verfahren besteht damit häufiger die Notwendigkeit einer Anwendung ausländischen Gesellschaftsrechts, etwa bei der Prüfung der Vertretungsbefugnis von Organpersonen, des Minderheitenschutzes bei der Willensbildung einer im Ausland gegründeten, aber in Deutschland geschäftsansässigen Gesellschaft, bei der Inanspruchnahme des Geschäftsführers einer solchen Gesellschaft durch diese selbst oder ihre Gesellschafter, neuerdings auch im Zusammenhang mit dem in England entwickelten, auch auf deutsche Gesellschaften anwendbaren Solvent Scheme of Arrangement, das von deutschen Gerichten anerkannt werden soll3. Die Anwendung ausländischen Rechts, die vom Kollisions- oder auch vom Gemeinschaftsrecht vorgeschrieben sein kann, kann sich auch auf Vor- oder Teilfragen beziehen, was im Gesellschaftsrecht der Grundtypenvermischung (dazu näher Rdnr. 60) Schwierigkeiten verursachen kann, es ist aber auch in diesem Fall unausweichlich, wenn auch die Gerichte gelegentlich zögern4. 26

Das Personalstatut umfasst alle gesellschaftsrechtlichen Fragen, die, bevor sie als solche qualifiziert werden können, gegen eine Zuordnung zu anderen Materien des Sachrechts abgegrenzt werden müssen. Das betrifft praktisch vor allem delikts- und insolvenzrechtliche Normen, die anderen Kollisionsnormen unterliegen, mit geringerem Gewicht Regeln zum Vertragsrecht. Jeweils geht es um die Erfassung des konkret in Rede stehenden Lebenssachverhalts mit dem in einer Kollisionsnorm für maßgeblich erklärten Tatbestandselement, was sich etwa bei der Frage zeigt, ob die Existenzvernichtungshaftung, die zu einem Durchgriff der Gesellschaftsgläubiger gegen den verantwortlichen Gesellschafter führen kann, gesellschaftsrechtlicher Natur ist und folglich bei einer nicht dem deutschen Gesellschaftsrecht unterliegenden Auslandsgesellschaft nicht zum 1 Eidenmüller, in: Eidenmüller, § 4 Rdnr. 1; Kegel/Schurig, Internationales Privatrecht, 9. Aufl. 2004, § 17 II 2; BGH, ZIP 2009, 967, 968 – „Überseering“; BGH, NJW 2005, 1648; Weller, in: MünchKomm. GmbHG, Einl. Rdnr. 388; Großfeld, in: Staudinger, Internationales Gesellschaftsrecht Rdnr. 16. 2 Dazu Wachter, GmbHR 2004, 88 ff. 3 Hierzu s. etwa OLG Celle, ZIP 2009, 1968; Paulus, ZIP 2011, 1077; Eidenmüller/Frobenius, WM 2011, 1210, 1214; gegen die Anerkennung BGH, ZIP 2012, 740; zu den übrigen Beispielen instruktiv Thole, ZHR 176 (2012), 15 ff. 4 S. etwa den Fall BGH, NJW 2005, 1648 und zum Problemkreis Thole, ZHR 176 (2012), 15 ff.

286

H.-P. Westermann

Die GmbH im internationalen Privatrecht

Anhang § 4a

Zuge kommt, oder ob es sich um ein deliktsrechtliches Institut handelt, das nach Maßgabe von Art. 4 Rom I-VO an den Ort des Schadenseintritts anzuknüpfen ist; es kommt auch eine Mehrfach- oder Doppelqualifikation in Betracht1. Dasselbe gilt auch für die gerade aus der Sicht des deutschen Rechts wichtigen Regeln über Insolvenzverschleppung, deren insolvenzrechtliche Qualifikation zum Erfordernis eines Insolvenzverfahrens führen würde, worauf es bei gesellschaftsrechtlicher Qualifikation nicht entscheidend ankäme2; bei insolvenzrechtlicher Qualifikation ist kollisionsrechtlich dann zunächst die EuInsVO anzuwenden. Die Qualifikationsfrage zwingt somit allgemein dazu, jedes im Zusammenhang mit dem Innen- oder Außenverhältnis einer Gesellschaft und ihrer Anteilseigner auftretende Sachproblem auf seine Zuordnung zu einer bestimmten Kollisionsnorm und das dadurch berufene Sachrecht zu untersuchen. Schon wegen der fortbestehenden Bedeutung der Sitztheorie (Rdnr. 11), insoweit 27 auch der meisten bilateralen Abkommen (Rdnr. 8), kommt es in vieler Hinsicht auf die Bestimmung des Sitzes einer Gesellschaft an. Dies ist nicht der in der Satzung festgelegte Ort, sondern der effektive Verwaltungssitz, der sich vom Satzungssitz unterscheiden kann, aber nicht muss. Die deutsche Rechsprechung stellt auf den Tätigkeitsort der Geschäftsführung und der Vertretungsorgane ab3, wobei die Annahme, dass hier die aus der Sicht der Sitztheorie ja entscheidenden Kontakte zum inländischen Rechtsleben stattfinden, nicht immer zutreffen muss, so dass es naheliegen könnte, mehr auf den tatsächlichen Schwerpunkt der wirtschaftlichen Betätigung abzustellen4. Jedenfalls reicht aber eine bloße Betriebsstätte für die Anknüpfung des Personalstatuts nach der Sitztheorie nicht aus. Eine andere Lösung hätte den Vorzug, häufig mit der Maßgeblichkeit des Mittelpunkts der hauptsächlichen wirtschaftlichen Interessen des Schuldners (Comi) zusammenzufallen, der für das Insolvenzstatut maßgebend ist5. Im Hinblick auf die Sitzverlegung ins Ausland, die bei Anwendung der Sitztheorie zu einem Statutenwechsel führt, ist zu betonen, dass ein Doppelsitz nicht anerkannt wird, so dass in solchen Fällen auf den Ort abzustellen ist, an dem die zentralen Verwaltungsentscheidungen fallen6. Zur Beweislast und zu den dafür entwickelten Vermutungen Rdnr. 11. Die allgemeinen Regeln des internationalen Privatrechts gebieten es, unter den 28 in Art. 6 EGBGB genannten Voraussetzungen vom „ordre-public-Vorbehalt“7 Ge1 Zum Ganzen Kindler, in: MünchKomm. BGB, IntGesR Rdnr. 667 ff.; Zimmer, Internationales Gesellschaftsrecht, S. 192; Weller, in: MünchKomm. GmbHG, Einl. Rdnr. 400, 401. 2 Großfeld, in: Staudinger, Internationales Gesellschaftsrecht Rdnr. 373, 380; Leible, in: Michalski, Syst. Darst. 2 Rdnr. 147 ff. 3 BGHZ 97, 269, 272; OLG Hamburg, RIW 1988, 816; OLG Köln, ZIP 2007, 535; ebenso Großfeld, in: Staudinger, Internationales Gesellschaftsrecht Rdnr. 228; Behrens, in: Ulmer, Einl. B Rdnr. 18; Kindler, in: MünchKomm. BGB, IntGesR Rdnr. 434. 4 So OLG Oldenburg, NJW 1990, 1422 f.; KG, NJW 1989, 3100; Weller, in: MünchKomm. GmbHG, Einl. Rdnr. 322; abl. aber OLG Frankfurt, NJW 1990, 2204; Leible, in: Michalski, Syst. Darst. 2 Rdnr. 72; Kindler, in: MünchKomm. BGB, IntGesR Rdnr. 441. 5 So auch Weller, in: MünchKomm. GmbHG, Einl. Rdnr. 322. 6 OLG Frankfurt, NZG 1999, 1097; Leible, in: Michalski, Syst. Darst. 2 Rdnr. 75. 7 Zum Folgenden Großfeld, in: Staudinger, Internationales Gesellschaftsrecht Rdnr. 130 ff.; Behrens, in: Ulmer, Einl. B Rdnr. 154; Weller, in: MünchKomm. GmbHG, Einl. Rdnr. 431.

H.-P. Westermann

287

Anhang § 4a

Die GmbH im internationalen Privatrecht

brauch zu machen, was praktisch freilich kaum in Betracht kommen wird, wenn und soweit die Sitztheorie angewendet wird. Aber auch auf der Grundlage der Gründungstheorie können kraft dieser Ausnahmeregelung zwar Regeln des ausländischen Rechts von der Geltung für inländische Sachverhalte ausgeschlossen werden (sog. negative Funktion des ordre-public), nicht aber ohne weiteres Vorschriften, etwa Grundlagen für eine Geschäftsführer- oder Gesellschafterhaftung, auf einen einem ausländischen Sachrecht unterliegenden Sachverhalt angewendet werden (positive Funktion des ordre-public). Das ist eine generelle Streitfrage zum ordre-public1. Nun muss sich im europäischen Bereich eine diese Anwendung des Gründungsstatuts einschränkende Norm des Sitzrechts nach der Rechtsprechung den klaren Anforderungen an die Rechtfertigung aus dringenden Allgemeininteressen stellen, was auch für Sonderanknüpfungen gilt2, und ohnehin wird von den Möglichkeiten nach Art. 6 EGBGB zurückhaltend Gebrauch gemacht. So scheiterte die Rechtsfähigkeit ausländischer Staatsunternehmen, auch der sozialistischen Länder, auch dann nicht am ordre public, wenn es das Vermögen eines enteigneten Privatbetriebes fortführte3. Demgegenüber kann es dabei bleiben, dass Art. 6 EGBGB eingreifen kann, wenn Hauptzweck der Gesellschaftsgründung Steuerhinterziehung ist, wobei im Übrigen die steuerrechtliche Behandlung der pseudo-foreign-corporation in Europa nicht allein von der Judikatur zur Niederlassungsfreiheit geprägt ist4. Nicht über den ordre-publicVorbehalt durchsetzbar waren schon nach früherer Rechtsprechung5 Mindestkapitalvorschriften des deutschen Gesellschaftsrechts, wohl auch nicht die §§ 30, 316. Der Streit um die Anerkennung der Rechtsfähigkeit einer allein aus Haftungsgründen errichteten Liechtensteinischen juristischen Person7 ist jetzt wie bei EU-Auslandsgesellschaften zu entscheiden, da Art. 31 und 34 des EWRAbkommens den Regeln des EG-Vertrages über die Niederlassungsfreiheit entsprechen (Rdnr. 14).

2. Entstehung und Rechtsfähigkeit von Gesellschaften 29

Sowohl nach der Sitz- wie nach der Gründungstheorie, auch in ihrer gemeinschaftsrechtlichen Version, gibt es keinen förmlichen Akt der Anerkennung, sondern nur eine kollisionsrechtliche Entscheidung für das Personalstatut einer 1 Ablehnend für das Gesellschaftsrecht Weller, in: MünchKomm. GmbHG, Einl. Rdnr. 434 ff.; allgemein überwiegt aber die Ansicht, dass negative und positive Funktion zwei Seiten derselben Sache sind, Hohloch in: Erman, BGB, Art. 6 EGBGB Rdnr. 2, 3. 2 So auch Paefgen, ZIP 2004, 2053; Hohloch, in: Erman, BGB, Art. 6 EGBGB Rdnr. 59; Behrens, in: Ulmer, Einl. B Rdnr. 155; zur engen Auslegung des Art. 6 EGBGB Weller, in: MünchKomm. GmbHG, Einl. Rdnr. 435. 3 BGH, NJW 1965, 1064; OLG Frankfurt, IPRspr 1962/63 Nr. 38. 4 Sehr zurückhaltend in Bezug auf die steuerlich motivierte Gründung einer Liechtensteinischen Anstalt BGH, WM 1979, 692, 693; krit. zum Einfluss der Rechtsprechung des EuGH auf direkte Steuern Fischer, FR 2005, 457 ff.; eingehend Prinz, Der Konzern 2004, 318 ff. Zu einer fraudulösen Verwendung eines Anknüpfungspunkts in Liechtenstein BGHZ 78, 318; ähnlich AG Hamburg, MDR 1964, 1009. 5 OLG Hamburg, RIW 1998, 816; anders noch LG Hamburg, IPRRspr 1996 Nr. 17. 6 Schumann, DB 2004, 741, 743. 7 Dagegen noch (bei deutschem Sitz) BGHZ 53, 181, 183; OLG Frankfurt, NJW 1964, 2355; anders dann aber BGH, WM 1977, 1637; BGH, GmbHR 2005, 1483; schon vorher OLG Stuttgart, NJW 1965, 1139.

288

H.-P. Westermann

Die GmbH im internationalen Privatrecht

Anhang § 4a

Gesellschaft, die unterschiedlich ausfallen kann, je nachdem, ob die Gesellschaft im Inland oder im europäischen oder außereuropäischen Raum gegründet wurde1. Die Gesellschaft ist damit nach Maßgabe ihres Gründungsstatuts (oft auch bestimmt durch völkerrechtliche Abkommen) oder ihres Verwaltungssitzes rechtsfähig. Das kann im Anwendungsbereich der Sitztheorie dazu führen, dass eine im Ausland nach dortigem Recht gegründete Gesellschaft, wenn sie ihren Verwaltungssitz in Deutschland hat oder ihn hierhin verlegt, hier nicht als rechtsfähige juristische Person anerkannt werden kann, solange sie nicht nach hiesigem Recht wirksam (neu) gegründet ist2, allerdings ist die von der neuen Rechtsprechung vollzogene „Mutation“ einer als solcher nicht anerkannten ausländischen juristischen Person zur Personengesellschaft mit der neuartigen Rechtsfähigkeit der Gesellschaft bürgerlichen Rechts mit akzessorischer Gesellschafterhaftung (Rdnr. 11) zu beachten3. Soweit die Gründungstheorie gilt, also auch im EU-Bereich, behält die Gesellschaft also trotz des Auseinanderfallens von Satzungs- und Verwaltungssitz ihre Rechtsfähigkeit nach Maßgabe ihres Gründungsstatuts. Auch dies gilt dann unabhängig davon, ob die Gesellschaft ihren Verwaltungssitz nachträglich verlegt oder ihn niemals im Gründungsstaat gehabt hat. Fehlt der juristischen Person überhaupt ein Sitz, so kann Gründungsrecht angewendet werden4. Nach dem Gründungsrecht bestimmen sich Anfang und Ende sowie der Umfang 30 der Rechtsfähigkeit, damit auch eine etwaige Teilrechtsfähigkeit5. Das führt zu Problemen im inländischen Rechtsverkehr, wenn und soweit das maßgebliche Gründungsrecht einer Gesellschaft Beschränkungen ihrer Rechtsfähigkeit kennt, die nicht lediglich ihre durch Organhandeln zu gewährleistende Geschäftsfähigkeit betreffen. Praktisch kommt dies für die Anwendung der in den USA früher verbreiteten ultra-vires-Lehre in Betracht, die besagt, dass eine juristische Person nur solche Geschäfte vornehmen darf, die ihr nach ihrer Satzung erlaubt sind, so dass darüber hinausgehende Rechtsgeschäfte nichtig sind6. Die hiervon ausgehende Bedrohung der Sicherheit des Rechtsverkehrs ist aber inzwischen auch in den USA gesehen worden, so dass einerseits eine Heilung der Nichtigkeit durch die Gesellschafter erlaubt worden ist, andererseits eine in einem Bundesstaat inkorporierte Gesellschaft sich außerhalb auf eine satzungs1 Kindler, in: MünchKomm. BGB, IntGesR Rdnr. 207 ff.; Behrens, in: Ulmer, Einl. B Rdnr. 109; Kegel/Schurig, Internationales Privatrecht, 9. Aufl. 2004, § 17 II 2; Leible, in: Michalski, Syst. Darst. 2 Rdnr. 82; Rehm, in: Eidenmüller, § 2 Rdnr. 7; anders aber Großfeld, in: Staudinger, Internationales Gesellschaftsrecht Rdnr. 177 ff. 2 BGH, EuZW 2000, 412 mit Anm. Bous, NZG 2000, 1025; Zimmer, BB 2000, 1261; Behrens, EuZW 2000, 385. 3 Leible, in: Michalski, Syst. Darst. 2 Rdnr. 83 (dort Rdnr. 84) auch zu der Frage, ob eine nicht anerkannte ausländische Kapitalgesellschaft in Deutschland als Vorgesellschaft behandelt und somit für die Praxis einem einigermaßen gesicherten Statut unterworfen werden kann. 4 OLG Frankfurt, NJW-RR 2000, 1226; mit KurzKomm. Kindler, EWIR 1999, 1081. 5 BGHZ 78, 318, 334; BGHZ 128, 41, 44; BGH, NJW 1998, 2452; BGH, EuZW 2000, 412; BGH, IPRax 1985, 221, 223; BGH, NJW 1989, 2452; Spahlinger, in: Spahlinger/Wegen, Abschnitt C Rdnr. 270; OLG Hamburg, RIW 1988, 816. 6 Näher dazu Zimmer, Internationales Gesellschaftsrecht, S. 241 ff.; Merkt/Göthel, USamerikanisches Gesellschaftsrecht, 2. Aufl. 2006, Rdnr. 254 ff.; Hess, RIW 1992, 638; Spahlinger/Wegen, in: Spahlinger/Wegen, Abschnitt C Rdnr. 271.

H.-P. Westermann

289

Anhang § 4a

Die GmbH im internationalen Privatrecht

mäßige Beschränkung ihrer Rechtsfähigkeit nicht mehr berufen kann; in England ist diese Lehre gänzlich aufgegeben worden1. Soweit sich aus ihr Beschränkungen der Vertretungsmacht der Organe ergeben können, müssen sie in Europa mit Art. 9 Abs. 1 der Publizitätsrichtlinie vereinbar sein, was kaum in Betracht kommen wird2. Wenn das berufene Auslandsrecht die Rechtsfähigkeit in einer dem inländischen Vornahmestatut unter Gesichtspunkten des Verkehrsschutzes abträglichen Weise einschränkt, ist ferner an eine Sonderanknüpfung analog Art. 12 EGBGB zu denken, der zwar unmittelbar nur die Rechtsfähigkeit natürlicher Personen betrifft, aber bei den i.d.R. schwieriger zu erkennenden Beschränkungen der Rechtsfähigkeit einer juristischen Person erst recht gelten muss. Vorausgesetzt ist freilich, dass die Teilnehmer des Rechtsgeschäfts sich bei seiner Vornahme im selben Staat befunden haben und der Vertragspartner gutgläubig war3. Wenn eine im Inland gänzlich unbekannte und keiner hiesigen Rechtsform vergleichbare Gesellschaft auftritt, wird dem Rechtsverkehr eine gewisse Erkundigungsobliegenheit auferlegt werden können, er kann nicht ohne weiteres auf die Rechtsfähigkeit nach dem maßgeblichen Recht oder auch die Handlungsmacht der für die Gebilde auftretenden Personen vertrauen; auch genügt nicht die bloße – heute durch den Gebrauch ersichtlich ausländischer Firmierungen naheliegende – Kenntnis des ausländischen Ursprungs der Gesellschaft4. Art. 12 EGBGB ist eine allseitige Kollisionsnorm5. 31

Besondere Rechtsfähigkeiten, d.h. die Fähigkeit zur Teilnahme an bestimmten Arten von Rechtsgeschäften oder zur Innehabung bestimmter Rechte und Pflichten, können sich aus dem jeweiligen Wirkungsstatut etwa im Recht des Belegenheitsortes einer Sache ergeben, sind aber auch zu beachten, wenn sie aus dem Gesellschaftsstatut folgen6. Praktisch wird dies u.U. für die Möglichkeit zum Grundstückserwerb (Art. 86 EGBGB), die durch die lex rei sitae beschränkt werden kann, während andere Beschränkungen sich aus dem Gründungsrecht ergeben können, besonders demjenigen früherer zentralplanwirtschaftlicher Ordnungen. Dasselbe gilt für öffentlich-rechtliche Regulierungen7, die auch zum Fremdenrecht (Rdnr. 4) gehören können. Die nach deutschem Recht für ju1 Kegel/Schurig, Internationales Privatrecht, 9. Aufl. 2004, § 17 II 2; Leible, in: Michalski, Syst. Darst. 2 Rdnr. 109. 2 Spahlinger/Wegen, in: Spahlinger/Wegen, Abschnitt C Rdnr. 271. 3 Zum Ganzen BGH, IPRax 1999, 104; OLG Nürnberg, WM 1985, 259; Großfeld, in: Staudinger, Internationales Gesellschaftsrecht Rdnr. 192; Spahlinger/Wegen, in: Spahlinger/ Wegen, Abschnitt C Rdnr. 271; Leible, in: Michalski, Syst. Darst. 2 Rdnr. 110.; Behrens, in: Ulmer, Einl. B Rdnr. 69; abl. Soergel/Lüderitz, Art. 10 EGBGB Anh. Rdnr. 20; OLG Stuttgart, NJW 1974, 1672. Zur entsprechenden Anwendung des Art. 12 auf die „ultravires“-Lehre BGH, NJW 1998, 2452 (allerdings offenlassend); Kegel/Schurig, Internationales Privatrecht, 9. Aufl. 2004, § 17 II 2; Großfeld, in: Staudinger, Internationales Gesellschaftsrecht, Rdnr. 276; Paefgen, in: Westermann, Handbuch Personengesellschaften, Rdnr. I 4141. 4 Kegel/Schurig, Internationales Privatrecht, 9. Aufl. 2004, § 17 II 2; Großfeld, in: Staudinger, Internationales Gesellschaftsrecht Rdnr. 195; a.M. noch OLG Hamburg, IPRspr Nr. 32, Nr. 14 betreffend die Vertretungsmacht. 5 Kegel/Schurig, Internationales Privatrecht, 9. Aufl. 2004, § 17 Rdnr. II 2; Leible, in: Michalski, Syst. Darst. 2 Rdnr. 111. 6 Behrens, in: Ulmer, Einl. B Rdnr. 71; Kindler, in: MünchKomm. BGB, IntGesR Rdnr. 547; Leible, in: Michalski, Syst. Darst. 2 Rdnr. 113. 7 Kegel/Schurig, Internationales Privatrecht, 9. Aufl. 2004, § 17 Rdnr. II 2.

290

H.-P. Westermann

Die GmbH im internationalen Privatrecht

Anhang § 4a

ristische Personen kaum zweifelhafte Fähigkeit zur Beteiligung an anderen Personenverbänden ist dem jeweiligen Personalstatut zu entnehmen1, dazu im Einzelnen Rdnr. 60. Die Fähigkeiten zum Umgang mit Wechseln und Schecks, zur Inhaberschaft an Marken und sonstigen gewerblichen Schutzrechten oder zur Eintragung ins Grundbuch spielen für als rechtsfähig anzuerkennende ausländische Personenverbände keine Rolle2, die Schwierigkeiten, die sich insoweit im deutschen Sachrecht im Hinblick auf die Gesellschaft bürgerlichen Rechts ergeben haben3, werden sich bei Anwendung eines ausländischen Gründungsstatuts wohl vermeiden lassen. Die Deliktsfähigkeit einer juristischen Person beurteilt sich nicht nach dem Personalstatut, sondern nach dem Recht des Schadens- (Art. 4 Rom II-VO) oder des Begehungsorts (Art. 3 Nr. 2 lit. a, 40 EGBGB)4. Es bedarf dann noch einer Norm, nach der das unerlaubte Handeln natürlicher Personen der Gesellschaft zugerechnet wird, wofür nach deutschen Vorstellungen (§ 31 BGB) notwendig ist, dass die schadenstiftende Handlung in einem Zusammenhang mit den der natürlichen Person zugewiesenen Aufgaben steht5. Dies schließt allerdings nicht aus, dem Gesellschaftsstatut (und möglicherweise sogar dem trotz des Gründungsrechts ausnahmsweise anwendbaren Sitzrecht) gewisse Möglichkeiten eines gläubigerschützenden Durchgriffs zu entnehmen, was aber ein Problem der Qualifikation und der daraus folgenden Haftungsverfassung ist, näher Rdnr. 71. Dem Personalstatut sind schließlich auch die Normen über Verantwortlichkeit der Organe gegenüber der Gesellschaft zu entnehmen. Zu gewerberechtlichen Anforderungen an den Geschäftsführer Rdnr. 4. Seit dem Urteil „Überseering“ (Rdnr. 20, 21) ist klar, dass auch die Prozess- und 32 Parteifähigkeit sich nach dem Personalstatut, u.U. also dem ausländischen Gründungsrecht richtet; die genaue Art der Anknüpfung ist allerdings in der Lehre umstritten. Früher wurde gefragt, ob das Recht des Forums auf der Grundlage des § 50 ZPO dem nach seinem Gründungsrecht rechtsfähigen Personenverband auch die Parteifähigkeit zubilligt6; von anderen wird aufgrund entsprechender Anwendung des § 50 ZPO oder in direkter Anwendung einer (nicht kodifizierten) prozessrechtlichen Kollisionsnorm das Gesellschaftsstatut für die Parteifähigkeit zugrunde gelegt7. Diese Lösung greift auch ein, wenn das maß1 BayObLGZ 86, 61, 66; OLG Saarbrücken, JZ 1989, 904 f., KG, RIW 1997, 599 und dazu Bungert, IPRax 1989, 339. 2 Die Grundbuchfähigkeit einer englischen Ltd. wurde von BayObLG, ZfIR 2003, 200 mit Anm. Mankowski, EWiR Art. 43 EGV 1/2003 anerkannt; s. auch BayObLG, ZIP 2003, 389 mit Anm. Dümig, ZfIR 2003, 191; Leible, NZG 2003, 359 f.; Schaub, DStR 2003, 654. 3 Näher H. P. Westermann, in: Erman, § 705 BGB Rdnr. 71, 72; H. P. Westermann, in: FS Säcker, 2011, S. 543 ff. 4 Ahrens, IPRax 1986, 355, 358; Großfeld, in: Staudinger, Internationales Gesellschaftsrecht Rdnr. 229; Leible, in: Michalski, Syst. Darst. 2 Rdnr. 117; Behrens, in: Ulmer, Einl. B Rdnr. 73; aus der Rechtsprechung OLG Köln, NZG 1989, 350. 5 OLG Köln, NZG 1989, 350; BGHZ 98, 148, 152. 6 BGH, NJW 1965, 1666 f.; BGH, EuZW 2000, 412 f.; OLG Frankfurt, NJW 1990, 2204; OLG Düsseldorf, NJW-RR 1993, 999; OLG Zweibrücken, RIW 2000, 373. 7 RGZ 117, 215, 217; BGHZ 51, 27 f.; BGHZ 53, 383, 385; BGH, IPRax 2000, 21; OLG Hamm, RIW 1997, 236 f.; Pagenstecher, ZZP 64 (1951), 249 ff.; Großfeld, in: Staudinger, Internationales Gesellschaftsrecht Rdnr. 209; Leible, in: Michalski, Syst. Darst. 2 Rdnr. 118.

H.-P. Westermann

291

Anhang § 4a

Die GmbH im internationalen Privatrecht

gebliche Auslandsrecht die Parteifähigkeit der juristischen Person abweichend von ihrer Rechtsfähigkeit regelt1, das läuft dann auf eine alternative Anknüpfung hinaus2. Ein nach seinem Personalstatut weder rechts- noch parteifähiger Verband kann hier unter den Voraussetzungen des § 50 Abs. 2 ZPO verklagt werden. Soweit deutsches Sitzrecht maßgeblich ist, kann also eine nach einem ausländischen Recht gegründete Gesellschaft mit Verwaltungssitz in Deutschland hier als Personen- oder Personenhandelsgesellschaft klagen und verklagt werden3; das ließe sich auch mit einer entsprechenden Anwendung des § 55 ZPO begründen. Entscheidend ist dabei, inländischen Dritten die prozessuale Durchsetzung eines Anspruchs zu ermöglichen, und zwar unter Einschluss der Vollstreckung des Urteils im Forumsstaat. Die Prozessfähigkeit ist eine Frage der Willensbildung und -äußerung der juristischen Person, deshalb richtet sie sich ebenfalls nach dem Personalstatut, wobei wiederum keine Anknüpfung über § 52 ZPO zu erfolgen braucht, sondern direkt das die Organisation der Gesellschaft bestimmende Personalstatut anwendbar ist4. Fehlt der Gesellschaft nach ihrem Personalstatut die Prozessfähigkeit, ist im Forumsstaat aber § 55 ZPO entsprechend anzuwenden. Nach dem Personalstatut richtet sich auch das Ende der Rechtsfähigkeit einschließlich aller Regeln über Auflösung und Liquidation, was besonders auch dann praktisch wird, wenn eine Auslandsgesellschaft im Inland in wirtschaftliche Schwierigkeiten gerät. Das hat ein sehr reichhaltiges Anwendungsfeld bei der Insolvenz einer in Deutschland ansässigen Auslandsgründung oder einer Briefkastengesellschaft, näher dazu Rdnr. 70 ff.

3. Eintragung ins Handelsregister 33

Bei den Fragen zur Registrierung und Publizität kommen neben einem – u.U.: ausländischen – Personalstatut Anforderungen des Sitzrechts in höherem Maße zum Tragen. Ist die Sitztheorie anzuwenden, so ist, soweit der Verwaltungssitz einer Gesellschaft sich im Ausland befindet, die Eintragung zu verweigern, soweit nicht eine Rückverweisung in Betracht kommt5. Für das Eintragungsverfahren gilt die lex fori6. Soll eine Gesellschaft mit ausländischem Personalstatut eingetragen werden, so ist zunächst der Grundsatz des numerus clausus der in ein inländisches Register vorzunehmenden Eintragungen zu beachten, obwohl dieser schon im allgemeinen Registerrecht nicht gänzlich ohne Durchbrechungen bleiben muss7. Damit könnte man den Ausgangspunkt des die Registrierung 1 BGHZ 51, 27 f. betreffend eine im Handelsregister gelöschte und deshalb nicht parteifähige, aber wegen eines verbliebenen Aktivvermögens noch rechtsfähige schweizerische AG; ähnlich schon OLG Stuttgart, NJW 1974, 1627 f. 2 Zur „alternativen Anknüpfung“ Leible, in: Michalski, Syst. Darst. 2 Rdnr. 118; s. ferner Thorn, IPRax 2001, 102, 107; Kindler, in: MünchKomm. BGB, IntGesR Rdnr. 562. 3 BGH, NZG 2002, 1001; Leible, in: Michalski, Syst. Darst. 2 Rdnr. 119; für eine luxemburgische Kapitalgesellschaft mit Satzungssitz in Luxemburg, aber Verwaltungssitz in Deutschland ebenso BGH, NJW 2003, 2609 mit Anm. Thode, WuB VII B Artikel 5 EuGVÜ 1.03 = ZIP 2003, 1417; dazu auch Lehmann, IPRax 2005, 109 ff. 4 OLG Düsseldorf, IPRax 1996, 423 f.; BGH, NJW 2003, 1607. 5 BGHZ 19, 102, 105; BGHZ 29, 320, 328; Großfeld, in: Staudinger, Internationales Gesellschaftsrecht Rdnr. 264; Kindler, in: MünchKomm. BGB, IntGesR Rdnr. 549; zur Rückverweisung Kindler, in: MünchKomm. BGB, IntGesR Rdnr. 506 ff. 6 BayObLGZ 1965, 294, 295. 7 Näher dazu H. P. Westermann, in: FS Mestmäcker, 1990, S. 969 ff.

292

H.-P. Westermann

Die GmbH im internationalen Privatrecht

Anhang § 4a

ausländischer Gesellschaften betreffenden Fragenkreises anzweifeln, dass nämlich das deutsche Handelsregister keinen Platz für die Eintragung von Personenverbänden einer nicht deutschen Rechtsform habe1. Das deutsche Registerrecht, das z.T. dem öffentlichen Recht zugerechnet wird, knüpft weitgehend an den Ort der kaufmännischen Niederlassung an (s. etwa §§ 105, 377 Abs. 1 FamFG, §§ 13d Abs. 1, 29, 106 Abs. 1 HGB)2, so dass eine Verpflichtung einer im Inland unternehmerisch aktiven Gesellschaft anzunehmen ist, sich im Register eintragen zu lassen, insbesondere wenn die in ihr zusammengeschlossenen natürlichen Personen nicht oder nur beschränkt haften. Das Informationsbedürfnis des inländischen Rechtsverkehrs, das gegenüber Gesellschaften mit ausländischem Personalstatut, aber (ausschließlich) inländischem Verwaltungssitz besteht, erklärt die Annahme, dass eine ausländische, nach dortigem Recht gegründete und somit nach jenen Regeln im Ausland registrierte Gesellschaft hier als Zweigniederlassung i.S. der §§ 13d ff. HGB behandelt werden muss3, wobei Hauptniederlassung dann der Satzungssitz ist. Das genügt jedenfalls, um die Zugehörigkeit des Unternehmensträgers zur Rechtsordnung eines anderen Staats zu belegen. Dies gilt insbesondere auch dann, wenn die Gesellschaft allein im Inland eine effektive unternehmerische Tätigkeit entfaltet, so dass nach den Maßstäben des deutschen Rechts eigentlich nicht das Vordringen einer bloßen Zweigniederlassung angenommen werden könnte4; dies erscheint überwindbar und die Eintragungspflicht sachlich geboten, wenn eine inländische Tätigkeit von gewisser Dauer gegeben ist5. Demgemäß lässt sich auch aus der Rechtsprechung des EuGH, namentlich dem „Centros“-Urteil (Rdnr. 18), folgern, dass die Errichtung einer Verwaltungszentrale, von der aus die gesamte unternehmerische Tätigkeit geleitet und ausgeführt werden soll, von der „sekundären Niederlassungsfreiheit“ umfasst ist, und auch in den folgenden EuGH-Urteilen war klar, dass sich die vom Gerichtshof reklamierte Rechtsposition voll auf die jeweilige inländische Niederlassung bezog, die dort tätig war und ihr ausländisches Gründungsstatut, also auch die Registereintragung nach diesem Recht, „mitbringen“ konnte. Dann noch eine zweite inländische Eintragung als „Hauptniederlassung“ zu verlangen, obwohl die §§ 13d ff. HGB diese Fälle erfassen können,

1 So aber Rehberg, in: Eidenmüller, § 5 Rdnr. 17; Lutter, in: Lutter, S. 2; Süß, DNotZ 2005, 180. 2 Kindler, in: MünchKomm. BGB, IntGesR Rdnr. 213. 3 Rehberg, in: Eidenmüller, § 5 Rdnr. 18; Lutter, in: Lutter, S. 4 ff.; Kindler, in: MünchKomm. BGB, IntGesR Rdnr. 215; zum Anspruch solcher Gesellschaften auf Eintragung OLG Zweibrücken, RIW 2003, 542 = WM 2003, 1329; OLG Naumburg, GmbHR 2003, 533; AG Duisburg, NZG 2003, 1072 f.; KG, ZIP 2002, 2297 mit KurzKomm. Mankowski, EWiR 2004, 185 = GmbHR 2004, 119 mit Anm. Mildner; s. auch OLG SachsenAnhalt, IPRspr. 2002 Nr. 22 (zur Entkräftung der Sitztheorie); KG, BB 2003, 2644; OLG Celle, GmbHR 2003, 532; OLG Düsseldorf, ZIP 2006, 806 m. Kurzkomm. Wachter, EWiR 2006, 345 (Eintragung auch ohne Vorlage eines Beschlusses über Gründung einer Zweigniederlassung); Riedemann, GmbHR 2004, 345, 348; Riegger, ZGR 2004, 510, 512; Wachter, GmbHR 2003, 1254; Leible/Hoffmann, EuZW 2003, 677, 679; Spahlinger/Wegen, in: Spahlinger/Wegen, Abschnitt C Rdnr. 550 ff.; im Einzelnen auch Herchen, RIW 2005, 529 ff.; Klose/Mokroß, DStR 2005, 1013 ff.; Süß, DNotZ 2005, 180 ff.; a.M. Liese, NZG 2006, 201; Wernicke, BB 2006, 843. 4 Rehberg, in: Eidenmüller, § 5 Rdnr. 21, 22. 5 Näher dazu Kindler, in: MünchKomm. BGB, IntGesR Rdnr. 215.

H.-P. Westermann

293

Anhang § 4a

Die GmbH im internationalen Privatrecht

erschiene unnötig1. Eine im Ansatz umgekehrte, im Ergebnis aber jedenfalls gleichlaufende Argumentation2 interpretiert die Zweigniederlassungsrichtlinie dahin, dass die Hauptniederlassung europarechtlich nur am Ort des Satzungssitzes liegen kann, so dass jede andere Niederlassung nur Zweigniederlassung ist, in welchem Sinne dann auch das deutsche Handelsregisterrecht auszulegen sei3. Somit besteht eine Eintragungspflicht und ein gleichlaufender Anspruch für Gesellschaften mit ausländischem Gründungsstatut. Bedenken ergeben sich allerdings daraus, dass nach deutschem Recht nicht einmal die Eintragung als Kapitalgesellschaft und z.T. (§ 105 Abs. 2 HGB) auch nicht eine solche als Personenhandelsgesellschaft unbedingt einen kaufmännischen Geschäftsbetrieb voraussetzen; man wird also die Ansprüche an den Organisationsgrad und den Umfang der Tätigkeit der „Zweigniederlassung“ nicht übertreiben dürfen4. 34

Obwohl Zweigniederlassungen im eigentlichen Sinne fast niemals eigene Rechtsfähigkeit haben, wird für die Eintragung einer Auslandsgesellschaft verbreitet ein Nachweis der nach ihrem Gründungsrecht erlangten Rechtsfähigkeit gefordert5; ein bloßer Auszug aus dem Companies Register (für eine englische Ltd.) wird nicht für ausreichend gehalten, da sich daraus die Vertretungsverhältnisse nicht ergeben6. Einzureichen ist auch eine beglaubigte Fassung des Gesellschaftsvertrags7. Wenn nach dem Gründungsrecht öffentlich-rechtliche Genehmigungen erforderlich sind, ist auch darüber ein Nachweis zu verlangen8. Wenn es heißt, dass eine Zweigniederlassung nicht vorliege, wenn der in der Anmeldung genannte Gegenstand ihrer Tätigkeit in der Beschreibung des Unternehmensgegenstandes in der Satzung der Hauptniederlassung nicht enthalten ist9, so gilt dies nur für „echte“ Zweigniederlassungen einer in einem anderen EUStaat errichteten Gesellschaft; jedenfalls ist es aber nicht zu beanstanden, wenn für die deutsche Niederlassung einer englischen Ltd. eine gegenüber deren weitgefasstem Unternehmensgegenstand eingeschränkte konkretisierende Beschrei-

1 Dazu namentlich Rehberg, in: Eidenmüller, § 5 Rdnr. 18. 2 OLG Zweibrücken, NZG 2003, 537 f.; Wachter, GmbHR 2004, 88, 93; Riegger, ZGR 2004, 510, 513. 3 So auch KG, GmbHR 2004, 116, 118; OLG Naumburg, GmbHR 2003, 533; OLG Celle, GmbHR 2003, 532; OLG Zweibrücken, NZG 2003, 537. 4 In diesem Sinne auch Leible/Hoffmann, EuZW 2003, 677, 689; Hirsch/Britain, NZG 2003, 1100, 1101; Binger/Thölke, DNotZ 2004, 21, 24. 5 KG, ZIP 2005, 989 mit Besprechung Grohmann, GmbHR 2005, 774 f. (Vorlage des Certificate of Incorporation sowie einer aktuellen Bescheinigung des Gesellschaftsregisters bei einer Private Company Limited by Shares); LG Wiesbaden, GmbHR 2005, 1134; das LG Berlin (ZIP 2004, 2380 mit Bspr. Wachter, ZIP 2004, 2795 ff.; Heckschen, BNotZ 2005, 24 ff.) lässt eine Bescheinigung der zuständigen Registerbehörde über die Gründung (anstatt der Gründungsurkunde selbst) genügen, dies auch für den Nachweis der Vertretungsberechtigung. Zur Stellungnahme der IHK Wachter, in: Süß/Wachter, § 2 Rdnr. 45. 6 Anders LG Berlin, NotBZ 2005, 41. 7 Dazu LG Leipzig v. 14.9.2004 (06 HKT 3146/64) mit Kurzkomm. Wachter, EWiR 2005, 655. 8 OLG Celle, GmbHR 2003, 532 f.; Riegger, ZGR 2004, 510, 513. 9 LG Bielefeld, GmbHR 2005, 98 m. Komm. Wachter; s. auch OLG Jena, GmbHR 1999, 822 f.

294

H.-P. Westermann

Die GmbH im internationalen Privatrecht

Anhang § 4a

bung gewählt worden ist1. Mit der Anmeldung der Zweigniederlassung ist auch der Geschäftsführer anzumelden, und zwar grundsätzlich durch Vorlage des seine Bestellung betreffenden Gesellschafterbeschlusses und etwaiger weiterer zur Überprüfung der Wirksamkeit erforderlicher Unterlagen2; das ist, wenn es nach dem Gründungsstatut eines Beschlusses nicht bedarf (etwa bei Bestellung in der Satzung), weit zu verstehen. Die Vertretungsbefugnis kann sich aus dem Gründungsrecht ergeben; bestehen danach Wahlmöglichkeiten, so ist die Vertretungsregelung zu bezeichnen3. Der ausgeschiedene „ständige Vertreter“ der Niederlassung ist nicht mehr zu Anmeldungen berechtigt4. Ob ein Gewerbeverbot gegen den (ausländischen) Geschäftsführer die Eintragung einer Zweigniederlassung verhindert, ist umstritten5; die vom EuGH geforderten Kriterien für eine Einschränkung der Niederlassungsfreiheit könnten hier aber wohl vorliegen. Klar ist auch, dass ausländische Gesellschaften Genehmigungserfordernisse, die sich aus ihrem Unternehmensgegenstand ergeben (§ 13e Abs. 2 Satz 2 HGB), beachten müssen. Die Anforderungen des § 6 an einen ausländischen Geschäftsführer, die sich durch die Aufhebung des § 4a Abs. 2 entspannt haben6, müssen auch bei Gesellschaften mit ausländischem Gesellschaftsstatut beachtet werden, auch wenn sie als Zweigniederlassung behandelt werden; anders wird es verbreitet gesehen, wenn der Betreffende praktisch ausschließlich im Ausland tätig sein soll7. Streitig ist die Möglichkeit, für einen Geschäftsführer die Befreiung vom Verbot des Selbstkontrahierens einzutragen8; auch wenn das Grün1 LG Ravensburg, GmbHR 2005, 489 und dazu den Kurzkomm. Wachter, EWiR 2005, 423, s. auch Heckschen, in: Schröder, S. 4 unter Hinweis auf die Kosten; OLG Düsseldorf, ZIP 2006, 806. 2 KG, ZIP 2003, 2297 mit Kurzkomm. Mankowski, EWiR 2004, 185 = GmbHR 2004, 119 mit Bspr. Mildner. Zur Eintragung des englischen „directors“ als ständiger Vertreter i.S. des § 13e Abs. 1 Nr. 3 HGB Schall, NZG 2006, 54; Wachter, Kurzkomm. EWiR § 13d HGB 2/06 (OLG Düsseldorf, ZIP 2006, 806 ff.). 3 So mit Blick auf die englische Ltd. Schaub, NZG 2000, 953, 959; Wachter, NotBZ 2004, 41, 45; Heckschen, in: Schröder, S. 102. Zu den Anforderungen im Einzelnen OLG Karlsruhe, GmbHR 2011, 1324. 4 Der neu Bestellte muss seine Anmeldeberechtigung nachweisen, OLG München, NZG 2011, 1072; anders bei Identität mit einem neuen Organträger, OLG München, GmbHR 2006, 603. 5 Das OLG Jena (BB 2006, 1181 = GmbHR 2006, 541 m. Komm. Wachter, S. 544; ebenso im Ergebnis OLG München, GmbHR 2006, 603), das die Ablehnung der Eintragung nicht als Verstoß gegen Europarecht ansieht, hat dem BGH vorgelegt; der Erlass einer GewerbeUntersagungsverfügung gegen den Geschäftsführer wird zugelassen von OVG Münster (BB 2005, 2259 m. Kurzkomm. Just, EWiR 2000, 17; a.M. OLG Oldenburg, GewArch. 2002, 430; dagegen OLG Dresden, ZIP 2006, 1097), was eine Lösung auch dann darstellen könnte, wenn die Gesellschaft eingetragen wird (Mankowski, BB 2006, 1173 ff.). 6 Dazu LG Berlin, GmbHR 2004, 951; LG Magdeburg, NotBZ 2004, 362; hier § 6 Rdnr. 15 ff. 7 OLG Düsseldorf, GmbHR 2009, 776; Heßeler, GmbHR 2009, 759, 761; Tebben, in: Michalski, § 6 Rdnr. 32; zur grundsätzlichen Anwendbarkeit auf ausländische Kapitalgesellschaften mit inländischer Zweigniederlassung Kleindiek, in: Goette/Habersack, Das MoMiG in Wissenschaft und Praxis, 2009, Rdnr. 8.54. 8 Dafür LG Freiburg, GmbHR 2005, 168; LG Ravensburg, GmbHR 2005, 489; a.M. LG Augsburg, NZG 2005, 356 sowie Wachter, NZG 2005, 338 ff. und Wachter, GmbHR 2005, 169; Wachter, NotBZ 2005, 409 (zu OLG München); krit. aber Schall, NZG 2006, 54; LG Leipzig v. 14.9.2004 mit zust. Kurzkomm. Wachter, EWiR § 181 BGB 1/05; OLG Düsseldorf, ZIP 2006, 806; Klose/Mokroß, DStR 2005, 2013, 1015.

H.-P. Westermann

295

Anhang § 4a

Die GmbH im internationalen Privatrecht

dungsrecht ein solches Verbot nicht kennt, spricht für die Eintragungsfähigkeit der Umstand, dass hierdurch die Informationsmöglichkeit des inländischen Rechtsverkehrs verbessert wird, was die Betreiber der „Zweigniederlassung“ durchaus anstreben könnten. Nach § 13g Abs. 2 Satz 1 HGB ist der Anmeldung auch eine öffentlich beglaubigte Abschrift des Gesellschaftsvertrages beizufügen, was bei einem fremdsprachigen Text weiter voraussetzt, dass eine befugte Urkundsperson die Richtigkeit der Übersetzung bestätigt1. Die Zweigniederlassung ist im Register zu löschen, wenn dies im ausländischen Register geschehen ist, bis zur Beendigung der Liquidation bleibt sie aber beschwerdebefugt2. 35

Wenn die Pflichten einer ausländischen Gesellschaft zur Registrierung ihrer Verhältnisse nicht erfüllt werden, kommt als Sanktion ein Zwangsgeld nach § 14 HGB in Betracht, wobei aber zu bedenken ist, dass für ausländische Personen ein Vollzug im Ausland nicht für möglich gehalten wird3. Demgemäß wurde jedenfalls nach dem Aufkommen der Ltd. beklagt, dass viele dieser Gesellschaften der Pflicht zur Anmeldung nicht nachkämen, der BGH hat aber eine persönliche Haftung der Geschäftsführer für diese Unterlassung entsprechend § 11 Abs. 2 abgelehnt4. § 14 HGB sieht als Adressaten der Anmeldepflichten bezüglich juristischer Personen nicht diese, sondern die verantwortlichen Organpersonen an5. Die Anwendung dieser und anderer verfahrensrechtlicher Bestimmungen der lex fori (Rdnr. 33) lassen sich, da die unternehmerischen Aktivitäten, die am inländischen Sitz einer im Ausland gegründeten Gesellschaft stattfinden, als diejenigen einer Zweigniederlassung behandelt werden, auf die ausländische Gesellschaft mit Verwaltungssitz nur in Deutschland anwenden. Allerdings kann bezüglich der Rechtsform dieser Art von Zweigniederlassungen nur diejenige des Gründungsrechts in Frage kommen, deren Bezeichnung dann aber im Wege einer Substitution zum inländischen Registerrecht an die vergleichbare Rechtsform des deutschen Gesellschaftsrechts angepasst werden muss6. Andererseits ist nach der Entscheidung „Inspire Art“ des EuGH (Rdnr. 22) die Obergrenze dessen, was an Angaben von Zweigniederlassungen ausländischer Gesellschaften gefordert werden kann, aus Art. 2 und 3 der Zweigniederlassungsrichtlinie zu entnehmen. Das bedeutet, dass das am Ort des Registergerichts geltende Recht insoweit richtlinienkonform (u.U. einschränkend) auszulegen ist und auch weitergehende Offenlegungspflichten, die das Gründungsrecht vorsieht, vom inländischen Register nicht mehr anzuwenden sind7. Allerdings befreit eine Eintragung der Zweigniederlassung in Deutschland die Gesellschaft nicht etwa von Registrierungspflichten nach dem Gründungsrecht, auch ist nach Art. 12 der Zweigniederlassungsrichtlinie davon auszugehen, dass alle Mitglied1 Zu den Anforderungen eingehend Heckschen, in: Schröder, S. 111 f. 2 KG, NZG 2012, 230. 3 Hierzu und zum Folgenden Lutter in: Lutter, S. 9 ff.; Wachter, GmbHR 2004, 88, 89; Rehberg, in: Eidenmüller, § 5 Rdnr. 82. 4 BGH, ZIP 2005, 805 m. Anm. Wand, BB 2005, 1016; zur Versäumung der Anmeldung Wachter, in: Süß/Wachter, § 2 Rdnr. 31 ff. 5 BayObLG, NJW-RR 1986, 1480; BGH, DB 1988, 2623; allerdings nicht unstreitig. Dasselbe gilt in England, s. Hirsch/Britain, NZG 2003, 1100, 1102. 6 Zur Substitution allgemein Großfeld, in: Staudinger, Internationales Gesellschaftsrecht Rdnr. 992. KG, NZG 2012, 353 zum Rechtsformwechsel nach spanischem Recht. 7 Dazu näher Rehberg, in: Eidenmüller, § 5 Rdnr. 74.

296

H.-P. Westermann

Die GmbH im internationalen Privatrecht

Anhang § 4a

staaten die bestehenden Offenlegungspflichten mit geeigneten Maßnahmen des jeweils am Ort der Registrierung geltenden Rechts durchzusetzen suchen, so dass § 13d HGB und auch die Bestimmungen über die Verhängung von Zwangsgeld im Grundsatz uneingeschränkt anwendbar sind. Eine wieder andere Frage, nämlich die nach der Zulässigkeit (angesichts der Niederlassungsfreiheit) der Forderung eines Kostenvorschusses für die Eintragung, der sich nach den zu erwartenden Kosten der Veröffentlichung des Geschäftsgegenstandes der Gesellschaft richtet, ist vom EuGH bejaht worden1, da die Regelung kaum diskriminierend angewendet werden kann und das Gerichtskostenrecht dem öffentlichen Recht zumindest nahesteht.

4. Die Firmierung der Gesellschaft Die Firmierung einer „Zweigniederlassung“ sowie die Publizität durch Angaben 36 auf Geschäftsbriefen (dazu Rdnr. 40) muss auch bei grundsätzlichem Respekt vor dem Gründungsrecht den Zielen Rechnung tragen, die der inländische Gesetzgeber angesichts einer ausländischen Gesellschaft, die Träger eines inländischen Unternehmens ist2, zum Schutz des inländischen Rechtsverkehrs verfolgt und unter gemeinschaftsrechtlichen Aspekten verfolgen darf. Das ist außerhalb der EU eine Frage der international-privatrechtlichen Anknüpfung von Regeln über die Firmenbildung und den Inhalt der Registervermerke, in Europa geht die anzustellende Untersuchung von der nach dem Personalstatut gebildeten Firma3 aus, deren Richtigkeit nicht geprüft wird, wohl aber, ob Bestimmungen des Sitzrechts über die Führung dieser Firma im Inland und ihre Registrierung im hiesigen Handelsregister die Niederlassungsfreiheit der ausländischen in einer nicht mit den Maßstäben der EuGH-Rechtsprechung zu vereinbarenden Weise beschränken4; ist dies nicht der Fall, so gelten diese Regeln. Da die Firma die Identität der Gesellschaft, häufig auch die Haftungsverhältnisse bezeichnet, ist sie Kernbestandteil der gesellschaftsrechtlichen Verfassung der Gesellschaft. Wo also die Sitztheorie auf Eintragungswünsche oder -verpflichtungen anzuwenden ist, wird eine mit den Regeln des deutschen Firmenrechts nicht zu vereinbarende Firmierung und ihre Registereintragung nicht in Betracht kommen. Das gilt insbesondere für solche Beschränkungen in der Firmenwahl, die wettbewerbsrechtliche Ziele verfolgen, aber auch für die Grundsätze der Firmenwahrheit und -klarheit5, die zum ordre public gerechnet werden können. Unter diesen Vo1 EuGH, ZIP 2006, 1293. 2 So plastisch Karsten Schmidt, in: Lutter, S. 16; hierzu und zum Folgenden Behrens, in: Ulmer, Einl. B Rdnr. 74. 3 BayObLGZ 1986, 61, 64; BGH, NJW 1971, 1522 ff.; schon früher BGH, NJW 1958, 17 ff.; a.M. aber Kindler, in: MünchKomm. BGB, IntGesR Rdnr. 146; Spahlinger/Wegen, in: Spahlinger/Wegen, Abschnitt C Rdnr. 554; Leible, in: Michalski, Syst. Darst. 2 Rdnr. 133. 4 Eingehend dazu Karsten Schmidt, in: Lutter, S. 25 ff.; Bitter, WM 2004, 2190 f.; Schön, ZHR 168 (2004), 268, 293; Krafka, in: MünchKomm. HGB, 3. Aufl. 2010, § 13d HGB Rdnr. 18 ff.; zum Ausgangspunkt beim Gesellschaftsstatut Rehberg, in: Eidenmüller, § 5 Rdnr. 28; Leible/Hoffmann, EuZW 2003, 677, 680; stärker auf das Sitzrecht verweisen aber Kindler, NJW 2003, 1073, 1079; Borges, ZIP 2004, 733, 736; Ebert/Levedag, GmbHR 2003, 1337, 1339. 5 Behrens, in: Ulmer, Einl. B Rdnr. 74; Spahlinger/Wegen, in: Spahlinger/Wegen, Abschnitt C Rdnr. 555; Wachter, in: Süß/Wachter, § 2 Rdnr. 148.

H.-P. Westermann

297

Anhang § 4a

Die GmbH im internationalen Privatrecht

raussetzzungen ist einer ausländischen Gesellschaft im Inland Namens- und Firmenschutz in demselben Maße zu gewähren wie nach deutschem Recht1. Das sollte allerdings noch davon abhängen, dass das ausländische Unternehmen im Inland durch Geschäfte entsprechenden Umfangs unter seiner Firmenbezeichnung eine dauernde Geschäftstätigkeit aufgenommen hat; ein weitergehender, aber auch ein engerer Schutz durch das Heimatrecht werden nicht beachtet, das inländische Recht bestimmt insoweit die Höchstgrenzen2. 37

Was die Kennzeichnungsfähigkeit und die Unterscheidungskraft der Firma unter Beachtung des Irreführungsverbots und der hinlänglichen Unterscheidbarkeit von bestehenden Firmen anbelangt, so sind die Bestimmungen des § 18 Abs. 2 HGB europarechtskonform anzuwenden3. Ob die betreffende ausländische Gesellschaft die Voraussetzungen des Kaufmannsbegriffs nach deutschem Recht erfüllt, ist dagegen nicht maßgeblich. Der größte Teil der Auslandsgesellschaften wird in der Art ihrer Tätigkeit einer ein Handelsgewerbe i.S. des § 1 Abs. 2 HGB betreibenden inländischen Gesellschaft vergleichbar sein, so dass eine Eintragung der Firma nötig und möglich ist. Aber auch wo insoweit Zweifel bestehen, kann eine im Ausland als solche gegründete und registrierte Kapitalgesellschaft den Fällen des § 6 HGB gleichgestellt werden, und es wäre eine Diskriminierung gegenüber der inländischen Behandlung von Gesellschaften als Formkaufleute (§ 3 Abs. 1 AktG, § 13 Abs. 3 GmbHG), wenn ausländischen Gesellschaften die Eintragung nur bei Vorhandensein eines kaufmännischen Gewerbes gestattet würde4. Was die Firmengestaltung im Einzelnen betrifft, so haben sich im Anwendungsbereich der Sitztheorie Gesellschaften auch mit einer nach ihrem Gründungsrecht zulässigen Firma voll der Prüfung nach §§ 18, 19 HGB zu stellen5. Im gemeinschaftsrechtlich bestimmten Bereich oder sonst bei Anwendung der Gründungstheorie kann eine ausländische Firma grundsätzlich nicht verboten werden, wohl sind solche Normen des Sitzrechts wie die Anmeldepflicht bezüglich bestimmter Tatsachen zu beachten, die ordnungsrechtlichen Charakter haben6, die also von der Anknüpfung an das Gründungsrecht nicht umfasst sind. Darüber hinaus ist auch in diesem Zusammenhang wieder zu prüfen, ob das trotz seiner Liberalisierung im internationalen Vergleich noch immer etwas strengere deutsche Firmenrecht, wenn seine Beachtung der Zweigniederlassung 1 BGHZ 8, 318, 319; BGH, NJW 1971, 1522, 1523. 2 Zum Problemkreis BGH, WM 1980, 1120; OLG Düsseldorf, RIW 1990, 404; BayObLG, NJW 1986, 3029; Leible, in: Michalski, Syst. Darst. 2 Rdnr. 135; J.F. Baur, AcP 167 (1967), 538 f., der aber für den Namensschutz wie auch für die materielle Namensberechtigung an den Verletzungsort anknüpfen will. 3 Zum Grundsatz Bokelmann, DB 1990, 1021, 1025 ff.; Spahlinger/Wegen, in: Spahlinger/ Wegen, Abschnitt C Rdnr. 558; Karsten Schmidt, in: Lutter, S. 29 geht freilich davon aus, dass die Firmenvorschriften des reformierten HGB generell den Anforderungen des EuGH an nationale Beschränkungen der Niederlassungsfreiheit entsprechen. 4 „Die Auslandsgesellschaft ist gleichsam Formkaufmann“, Karsten Schmidt, in: Lutter, S. 20; auf § 6 HGB verweist auch Rehberg, in: Eidenmüller, § 5 Rdnr. 15. 5 RGZ 82, 167; RGZ 117, 215, 218; BGHZ 75, 171, 176; BayObLG, NJW 1986, 3029; OLG Hamm, DB 1987, 1245; Kindler, in: MünchKomm. BGB, IntGesR Rdnr. 246; Spahlinger/ Wegen, in: Spahlinger/Wegen, Abschnitt C Rdnr. 555; das bedeutet aber nicht, dass nur eine nach deutschem Recht zulässige Firma gewählt werden dürfte (Römermann, GmbHR 2006, 262 gegen LG Limburg, GmbHR 2006, 261). 6 Karsten Schmidt, in: Lutter, S. 27.

298

H.-P. Westermann

Die GmbH im internationalen Privatrecht

Anhang § 4a

einer ausländischen Gesellschaft zur Pflicht gemacht wird, die Niederlassungsfreiheit beeinträchtigt1. In Anwendung des Erfordernisses der Kennzeichnungskraft der Firma wird ge- 38 fordert, es müsse deutlich gemacht werden, dass es sich um eine Zweigniederlassung einer Gesellschaft ausländischen Rechts handelt2, wobei allerdings die Firma der Hauptniederlassung ihrem Gründungsstatut unterliegt3. Ein Interesse, den Charakter als Zweigniederlassung nicht offenlegen zu müssen, sollte nicht anerkannt werden4. Dem entspricht, dass auch fremdsprachige Bezeichnungen verwendet werden dürfen und müssen. Man wird aber jedenfalls bei Bezeichnungen in einer fremden, durchschnittlichen Teilnehmern am Rechtsverkehr nicht geläufigen Sprache (erst recht bei Verwendung eines anderen als des römischen Alphabets) die Unterscheidbarkeit kritisch zu beurteilen haben5. Wenn von ihrer Kennzeichnungskraft her problematische Firmen durch einen Rechtsformzusatz mit Hinweiskraft auf ein ausländisches Gründungsrecht ergänzt werden, erleichtert dies die firmenrechtliche Handhabung, wobei freilich fremdsprachliche Bezeichnungen und Abkürzungen für einen solchen Zusatz gegen das Irreführungsverbot verstoßen können6, ebenso, wenn ein im Ausland in der dortigen Sprache mit einem feststehenden Inhalt verbreitetes Wort verwendet wird, dessen deutschsprachige Version andersartige Vorstellungen wecken muss. Das Bestreben, Missverständnisse durch eine dem hiesigen Sprachgebrauch Rechnung tragende Firmierung zur vermeiden, kann auch eine Anwendung der vom EuGH akzeptierten Ausnahmen begründen, ebenso wie die Durchsetzung des in § 30 HGB niedergelegten Gebots der Unterscheidbarkeit der einzutragenden Firmen von bereits bestehenden7. In besonderem Maße beziehen sich die Verkehrsinteressen auf den im Rahmen 39 der § 19 Abs. 2 HGB, § 4 AktG, § 4 GmbHG obligatorischen Rechtsformzusatz, wie ihn auch Art. 2 Abs. 1d der Publizitätsrichtlinie vorschreibt. Da diese sich nicht zu den Einzelheiten der Firmierung und Registrierung äußert, sind insoweit die allgemeinen Grundsätze des Gemeinschaftsrechts anzuwenden. Das bedeutet, dass zunächst von der (u.U. auch: abgekürzten) Fassung des Rechtsformzusatzes nach Maßgabe des Gründungsrechts auszugehen und sodann zu untersuchen ist, ob hierdurch Irreführungs-, namentlich Verwechslungsgefahr verursacht wird8. In der Folge heißt es dann auch, dass ein – deutschsprachiger – 1 Für uneingeschränkte Anwendbarkeit des Sitzrechts auf Schein-Auslandsgesellschaften daher Rehberg, in: Eidenmüller, § 5 Rdnr. 41, großzügiger aber Karsten Schmidt, in: Lutter, S. 30. 2 Spahlinger/Wegen, in: Spahlinger/Wegen, Abschnitt C Rdnr. 157; Krafka, in: MünchKomm. HGB, 3. Aufl. 2010, § 13d HGB Rdnr. 21; Mankowski, in: Hirte/Bücker, § 12 Rdnr. 70; großzügiger insoweit (eigene Firma der Zweigniederlassung erlaubt) Kögel, Rpfleger 1993, 9, 10; Heckschen, in: Schröder, S. 108. 3 Heckschen, in: Schröder, S. 106 f. 4 So auch Kindler, in: MünchKomm. BGB, IntGesR Rdnr. 246 gegen Wachter, BB 2005, 1290. 5 Karsten Schmidt, in: Lutter, S. 30 ff. 6 Karsten Schmidt, in: Lutter, S. 31; zu Bespielen s. Kögel, DB 2004, 1763, 1765. 7 Ebenso Karsten Schmidt, in: Lutter, S. 32. 8 Leible/Hoffmann, EuZW 2003, 677, 680 f.; Wachter, GmbHR 2003, 1254, 1256; Eidenmüller/Rehm, ZGR 2004, 159, 183; der EuGH (GmbHR 2003, 1260) lässt das bloße

H.-P. Westermann

299

Anhang § 4a

Die GmbH im internationalen Privatrecht

Hinweis auf eine Haftungsbeschränkung und die Rechtsordnung, nach der die Gesellschaft gegründet ist und lebt, nicht allgemein verlangt werden kann1; dies könnte sich aber bei einem – bisher nicht zu beobachtenden – starken Ansteigen fremdsprachlicher Rechtsformzusätze ändern. Im Wesentlichen dasselbe gilt für Angaben über das „Herkunftsland“ der Gesellschaft, die sicher nicht in der etwas warnenden Form als „formal ausländische Gesellschaft“ verlangt werden dürfen, die im „Inspire Art“-Urteil vom EuGH missbilligt wurde (Rdnr. 22), die aber, neutral formuliert, eine Diskriminierung nicht erkennen lassen, so dass eine Herkunftsangabe an sich keine spürbare Einschränkung der Niederlassungsfreiheit bedeutet2. Dagegen spricht allerdings, dass die Zweigniederlassungsrichtlinie in Art. 8c eine Herkunftsangabe nur für Auslandsgesellschaften aus Drittländern verlangt, was im Hinblick auf ihren abschließenden Charakter weitergehende Erfordernisse des nationalen Rechts ausschließe3. Schließlich muss auch eine „echte“ Auslandsgesellschaft, wenn sie von dem bestehenden Sitz ihrer ausländischen Hauptniederlassung aus im Inland auftritt, nicht deutlich machen, woher sie kommt; auch wird der inländische Rechtsverkehr aus der Firma einschließlich dem Rechtsformzusatz die nötigen Rückschlüsse ziehen können. Insgesamt erscheinen die Informationsmöglichkeiten auch ohne Herkunftslandangabe ausreichend, so dass die Mitgliedstaaten insoweit nicht frei in ihren Anforderungen sind4, wenn nicht ohne solche klärenden Zusätze Verwechslungs- oder Irreführungsgefahr besteht. 40

Art. 6 der Publizitätsrichtlinie verlangt ferner bestimmte Angaben auf Geschäftsbriefen der Gesellschaften, auch wenn sie nicht im Register des Landes ihrer Niederlassung eingetragen sind. Diese Anforderungen sind für die GmbH in § 35a Abs. 4 umgesetzt worden. Die Verweisung auf die Absätze 1 bis 3 dieser Vorschrift wird dahin verstanden, dass die dort geforderten Angaben auch eine Auslandsgesellschaft betreffen5, was allerdings nicht bedeutet, dass auf den Geschäftsbriefen ein eingeführtes Kürzel wie „Ltd.“ nicht verwendet werden dürfte6.

1

2 3

4 5

6

Rechtsformkürzel genügen (dazu auch Wachter, MDR 2004, 611, 614; zur Ltd. & Co. KG Werner, GmbHR 2005, 288, 289 f.). LG Göttingen v. 12.7.2005 (3 T 1/05) mit Kurzkomm. Wachter, EWiR § 13d HGB 1/05, was für den Zusatz „Ltd.“ bedeutet, dass nicht offengelegt zu werden braucht, ob es sich um eine Gesellschaft englischen, schottischen oder irischen Rechts handelt, ebenso Leible/Hoffmann, EuZW 2003, 677, 681; Spahlinger/Wegen, in: Spahlinger/Wegen, Abschnitt C Rdnr. 561. A.M. insoweit aber Weller, Europäische Rechtsformwahlfreiheit und Gesellschaftsrecht, 2004, S. 102 f.; zu weitergehenden Forderungen aus der Zeit vor „Inspire Art“ Bärwaldt/Scharbacher, AG 1996, 461 f. Paefgen, DB 2003, 487, 490; Borges, ZIP 2004, 733, 736. Leible/Hoffmann, EuZW 2003, 677, 680; Schanze/Jüttner, AG 2003, 661, 663; Eidenmüller/Rehm, ZGR 2004, 159, 183; gegen den Schluss aus der Richtlinie aber Rehberg, in: Eidenmüller, § 5 Rdnr. 64. Im Ergebnis ebenso Karsten Schmidt, in: Lutter, S. 40; a.M. aber Rehberg, in: Eidenmüller, § 5 Rdnr. 65. Näher dazu Kindler, AG 2007, 721, 730; Kleindiek, in: Lutter/Hommelhoff, § 35a Rdnr. 4; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, § 35a Rdnr. 6; Lücke/Simon, in: Saenger/Inhester, § 35a Rdnr. 16. So aber LG Göttingen v. 12.7.2005 (3 T 1/05) und dazu krit. Kurzkomm. Wachter, EWiR § 13d HGB 1/05.

300

H.-P. Westermann

Die GmbH im internationalen Privatrecht

Anhang § 4a

5. Exkurs: Missbrauchsgefahren Der Zwiespalt zwischen den Anwendungsformen der auf Schutz des Inlandsver- 41 kehrs ausgerichteten Sitztheorie und der die Mobilität zumindest in Europa, aber auch zwischen den Vertragsstaaten bilateraler Abkommen fördernden Gründungstheorie hat zeitweise zu der Befürchtung geführt, die tendenzielle Überlagerung des Kollisionsrechts durch die Ausprägungen der europäischen Niederlassungsfreiheit begründe die Gefahr von Missbräuchen. Das betrifft zunächst die sogenannten Briefkastengesellschaften, deren Gründer durch die Errichtung einer Gesellschaft in einem Mitgliedsstaat das Ziel verfolgen, sich in Wahrheit in einem anderen Mitgliedsstaat niederzulassen. Hierbei müssen sie die Vorschriften des Gründungsstaats beachten und genießen insoweit keine besonderen Freiheiten, während die in dem anderen Mitgliedsstaat tätig werdende Gesellschaft in Anwendung der sekundären Niederlassungsfreiheit den Marktzugang beanspruchen kann1. Der etwas pejorativ gedachte Ausdruck „Briefkastengesellschaft“ betrifft den im Centros-Urteil behandelten Fall der Errichtung einer Gesellschaft in einem Mitgliedsstaat, deren Angehörige die Gründer nicht einmal zu sein brauchen, in der Absicht, eine Geschäftstätigkeit allein in einem anderen Mitgliedsstaat – dem ihrer Staatsangehörigkeit – auszuüben, wobei es darum ging, von den für die Gründer vorteilhaften Gründungsvoraussetzungen des Gründungsstaats zu profitieren. Dies ist kein Missbrauch der Niederlassungsfreiheit2, der aber anzunehmen ist, wenn der Gründungs- oder Herkunftsstaat der Gesellschaft eine rein künstliche Trennung von Gründungs- und Verwaltungssitz aus der Sicht seiner Wirtschafts- und Sozialordnung nicht hinnimmt – so die Cadbury-Schweppes-Entscheidung (Rdnr. 19), die aber die Niederlassungsfreiheit im Sitzstaat nicht tangiert, so dass das Phänomen der Briefkastengesellschaft weiter bestehen wird3. Nicht als Kampf gegen solche Gründungen, sondern nur als konsequente Reaktion des Sitzstaats auf die gezielte Teilnahme der Gesellschaft am inländischen Geschäftsverkehr ist die Trennung des Insolvenzstatuts vom Gesellschaftsstatut zu verstehen, wobei freilich die Neigung der nationalen Rechtsordnungen, ihre dem Gesellschaftsrecht zugehörigen Sachnormen insolvenzrechtlich „umzuqualifizieren“, vielleicht nicht die Niederlassungsfreiheit einschränken4, aber das Kollisionsrecht in den Dienst anderer Interessen stellen will. In schlechtem Ruf steht auch die Praxis der sogenannten pseudo-foreign-corpo- 42 rations, das sind Gesellschaften, die sich der Rechtsform des Gründungsstaats bedienen, aber dort keine wirtschaftliche Tätigkeit ausüben, hier also gewissermaßen eine Adresse haben, aber in einem anderen Mitgliedsstaat, dessen Gründungsrecht sie zu vermeiden trachten, wirtschaftlich tätig werden5. Der zeitweise stark um sich greifende Gebrauch der englischen Ltd. in Deutschland, auch in Gestalt der Ltd. & Co., war mit Instrumenten des Kollisionsrechts nicht zu verhindern, hat aber offensichtlich durch das Angebot der Gründung einer UG (haftungsbeschränkt) in Deutschland an Aktualität eingebüßt, ohne dass freilich 1 2 3 4 5

Teichmann, ZGR 2011, 639, 669 f. Wachter, in: Süß/Wachter, § 2 Rdnr. 48. Teichmann, ZGR 2011, 639, 672. Auch dazu Teichmann, ZGR 2011, 639, 673. Näher Borges, ZIP 2004, 733 f.; Altmeppen, NJW 2004, 97; Weller, IPRax 2003, 207.

H.-P. Westermann

301

Anhang § 4a

Die GmbH im internationalen Privatrecht

die Probleme der Haftung für wrongful trading (nach dem Gründungsrecht) und der Insolvenzverschleppung sowie neuerdings der missbräuchlichen Praktiken der „Firmenbestattung“ nach deutschem Recht erledigt wären1. Es ist streitig, ob und in wieweit es sich dabei kollisionsrechtlich um einen Normenmangel handelt, weil die beteiligten Sachrechtsordnungen zwar Vorkehrungen gegen solche Praktiken enthalten, die aber in jeweils anderen Staaten nicht anwendbar sind2, oder ob durch eine insolvenz- oder deliktsrechtliche Qualifikation seitens des Sitzrechts abgeholfen werden kann – das ist wohl der erwünschte deutsche Weg (näher Rdnr. 68) Auch bei der Kapitalaufbringung sind Missbrauchsfälle vorstellbar, so etwa, wenn etwa ein ausländisches Gesellschaftsrecht Sacheinlagen durch Einbringung eines nach inländischen Vorstellungen nicht einlagefähigen Gegenstandes gestattet, deren Unverwertbarkeit die inländischen Gläubiger nicht erkennen können3, ohne dass das Gründungsrecht für solche Fälle Relativierungen der Haftungsbeschränkung kennt. Dagegen wäre die Vermeidung einer registerrechtlichen Kontrolle von Sachgründungen – auch bei der nach h.M. in Deutschland unter diese Regeln fallenden Verwendung von GmbH-Mänteln4 – nur die Ausnutzung der geringeren Regelungsintensität des Gründungsrechts, die nach der EuGH-Rechtsprechung erlaubt ist. Den Gläubigern muss nicht auf diesem Wege Schutz gegen den Verlust eines ihnen in seiner Höhe bekannten Stammkapitals durch Vorgänge geboten werden, die nicht Auskehrungen an Gesellschafter darstellen5. Die Verwendung eines bereits stark überschuldeten Mantels wird aber häufig als Gläubigertäuschung deliktsrechtlich und mit der Figur der culpa in contrahendo erfasst werden können; wenn die Gesellschaft schon im Ausland, dessen Recht das zulässt, als „Mantel“ gegründet wurde, muss sie trotzdem im Sitzland anerkannt werden6. Zu weiteren mit der Gründung und Kapitalaufbringung zusammenhängenden Problemfragen Rdnr. 44, 45.

6. Die Gründung der Gesellschaft 43

Der notwendige und mögliche Inhalt des „Gründungsrechts“ bestimmt sich nach dem Personalstatut7, desgleichen die Begründung von Mitgliedschaftsrech1 Dazu und zur kollisionsrechtlichen Behandlung Oelschlegel, Die transnationale GmbHBestattung, 2010. 2 So Eidenmüller, in: Eidenmüller, § 3 Rdnr. 71; Wachter, in: Süß/Wachter, § 3 Rdnr. 27. 3 Grenzfall ist hier wohl die Einbringung von Forderungen des Inferenten gegen die Gesellschaft, H.P. Westermann, GmbHR 2005, 4, 12 unter Hinweis auf BGHZ 132, 141, 147; unbedenklich wäre dagegen das Schütt-aus-hol-zurück-Verfahren. 4 BGHZ 153, 158, 162; BGHZ 155, 318; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, § 3 Rdnr. 13 zur „wirtschaftlichen Neugründung“; abw. KG, NZG 2010, 387; Wahl/Schult, NZG 2010, 291; Schall, NZG 2011, 656; Gegenkritik zur wirtschaftlichen Neugründung bei Bachmannn, NZG 2011, 441 ff.; Ulmer, in: Ulmer, § 3 Rdnr. 126 ff.; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, § 3 Rdnr. 8 ff. 5 H.P. Westermann, ZIP 2005, 1849, 1855 f.; s. auch Sandrock/Wetzler, S. 67. 6 Dies schließt Karsten Schmidt, in: Lutter, S. 16 aus der Rechtsprechung des EuGH in den Fällen Centros und Inspire Art. 7 RGZ 73, 366 f.; RGZ 83, 367; BGHZ 53, 181, 183; Leible, in: Michalski, Syst. Darst. 2 Rdnr. 85; Behrens, in: Ulmer, Einl. B Rdnr. 63; Eidenmüller, in: Eidenmüller, § 4 Rdnr. 5; Großfeld, in: Staudinger, Internationales Gesellschaftsrecht Rdnr. 258; Kindler, in: MünchKomm. BGB, IntGesR Rdnr. 548.

302

H.-P. Westermann

Die GmbH im internationalen Privatrecht

Anhang § 4a

ten durch Zeichnung und Übernahme1 und die daraus folgenden Pflichten zur Aufbringung von Einlagen oder zur Erbringung von Beiträgen. Das bedeutet im Rahmen der Sitztheorie, dass die verhältnismäßig strengen Bestimmungen des GmbHG über die Haftung bei mangelhafter Kapitalaufbringung zum Zuge kommen müssen2. Soweit das Personalstatut sich nach dem Gründungsrecht bestimmt, also im Wesentlichen auch im europäischen Raum, sind aber die deutschen Regeln über Kapitalaufbringung, insbesondere auch durch Sacheinlagen, einschließlich der aus ihnen folgenden Haftungsrisiken für die Gesellschafter für Auslandsgründungen im Grundsatz unanwendbar, was allerdings schwerwiegende Bedenken ausgelöst hat, ob nicht insoweit die Ausnahmekriterien der EuGHRechtsprechung zur Geltung gebracht werden müssen3. Freilich ist für eine Haftung der Gründer gegenüber der Gesellschaft (etwa bei unrichtigen Erklärungen über die Verfügbarkeit der geleisteten Einlagen) auch an eine deliktsrechtliche Anknüpfung zu denken4. Formerfordernisse für den Gründungsakt bestimmt ebenfalls das Personalstatut; ob sich allerdings die Erfüllung solcher Erfordernisse nur nach dem Gründungsrecht richtet oder allein nach dem Recht des Vornahmeorts, oder ob sogar beide ausreichen, ist eine Frage zu Art. 11 EGBGB, die nicht nur bei der Gründung einer Gesellschaft, sondern auch bei der Anteilsübertragung, der Beurkundung von Gesellschafterbeschlüssen, speziell auch bei Umwandlungsakten auftreten kann5 und daher allgemeiner behandelt werden muss (Rdnr. 53 ff.). Neben der Errichtung der Satzung können Nebenabreden der Gesellschafter getroffen werden. Auch wenn sie nicht in die Satzung aufgenommen werden, können sie aufgrund ihrer schuldrechtlichen Wirkung unter den Vertragschließenden Bindungen in Bezug auf ihr gesellschaftsrechtliches Verhalten schaffen6, so dass sich vertreten ließe, sie deshalb auch in gewisser Hinsicht trotz ihrer grundsätzlichen Unterscheidung von den Satzungsregeln gesellschaftsrechtlich zu qualifizieren. An der Schuldrechtsnatur der Verträge ändert das nichts, sie sind nach den Regeln des internationalen Schuldvertragsrechts anzuknüpfen. Allerdings liegt es i.d.R. nahe, dass es dem konkludenten Parteiwillen entspricht, sie dem Recht zu unterstellen, das das Personalstatut bestimmt. Für die Behandlung eines Gründungsvorvertrages das Schuldvertragsstatut für maßgeblich zu halten7, übergeht den Umstand, dass sich die Zulässigkeit, der 1 BGH, NJW 1994, 939 f.; Spahlinger/Wegen, in: Spahlinger/Wegen, Abschnitt C Rdnr. 265; Behrens, in: Ulmer, Einl. B Rdnr. 79; anders noch BGH, WM 1975, 387; Großfeld, in: Staudinger, Internationales Gesellschaftsrecht Rdnr. 257. 2 Insoweit findet auch keine Sonderanknüpfung statt, ausführlich dazu Behrens, in: Ulmer, Einl. B Rdnr. 83. 3 Für Aufrechterhaltung und Stärkung des Gläubigerschutzes gerade angesichts der Schein-Auslandsgesellschaft Zöllner, GmbHR 2006, 1, 11 ff. 4 Zur deliktsrechtlich eingeordneten Handelndenhaftung BGH, NJW 2005, 1648, 1650. 5 Zur Fragestellung Kindler, in: MünchKomm. BGB, IntGesR Rdnr. 554; Eidenmüller, in: Eidenmüller, § 4 Rdnr. 5. 6 Dazu im Einzelnen Hoffmann-Becking (ohne Stellungnahme zum Kollisionsrecht), ZGR 1994, 446; Habersack, ZGR 1994, 354 ff.; H.P. Westermann, Das Verhältnis von Satzung und Nebenabreden in der Kapitalgesellschaft, 1994; Noack, Gesellschaftervereinbarungen bei Kapitalgesellschaften, 1994; für Beibehaltung des Trennungsgrundsatzes Ulmer, in: FS Röhricht, 2005, S. 633 ff.; zur schuldrechtlichen Qualifikation Leible, in: Michalski, Syst. Darst. 2 Rdnr. 87. 7 BGH, WM 1975, 387; Großfeld, in: Staudinger, Internationales Gesellschaftsrecht Rdnr. 257; Kindler, in: MünchKomm. BGB, IntGesR Rdnr. 547.

H.-P. Westermann

303

44

Anhang § 4a

Die GmbH im internationalen Privatrecht

notwendige Inhalt und die sonstigen Erfordernisse des Vorvertrages nur aus dem Recht ergeben können, das über die vorgesehene Gründung entscheidet1; auch hier müsste man schon von der rein schuldvertraglichen Betrachtung her zu dem Schluss kommen, dass der Parteiwille i.d.R. auf das Gesellschaftsstatut hinweist. Die Behandlung der Vorstadien der GmbH-Gründung, also der Vorgründungsgesellschaft und der Vor-GmbH (§ 11 Rdnr. 6 ff., 27 ff.) könnte danach unterscheiden, ob bereits die Satzung errichtet oder nur vereinbart ist, eine GmbH zu gründen, wobei die letztere Verabredung dem Schuldvertragsstatut unterläge. Besser ist, auch hier nach dem Gesellschaftsstatut vorzugehen, weil jedenfalls im Stadium der Vor-GmbH eine Ordnung erforderlich ist, die die Regelungen für die Vertretung, die Aufbringung des bei Gründung nachzuweisenden Kapitals und die Folgen der Beendigung des Vorhabens enthält. Das ist das Statut des in Aussicht genommenen Verwaltungssitzes2 bzw. das vorgesehene Gründungsrecht. Streitig ist die Einordnung der Handelndenhaftung analog § 11 Abs. 2; der BGH hat in Bezug auf eine englische Ltd. mit Verwaltungssitz in Deutschland, die allerdings keine eingetragene Zweigniederlassung betrieb, die Anwendung dieser Regeln abgelehnt3. Die Vertretungsregelung nach Maßgabe des von den Gesellschaftern beabsichtigten Sitzes oder Gründungsrechts den Normen über den nicht rechtsfähigen Verein oder die Personengesellschaft zu entnehmen4, würde dem Umstand nicht genügend Rechnung tragen, dass die Vorgesellschaft ein eigenständiges Gebilde ist, dessen rechtliche Behandlung tunlichst einem geschlossenen Konzept eines Sachrechts folgen sollte.

7. Kapitalaufbringung 45

Die Anforderungen des deutschen Sachrechts bezüglich der Höhe des Stammkapitals der GmbH und seiner Aufbringung, die bei Anwendung der Sitztheorie auch gegenüber im Ausland gegründeten, hier als Zweigniederlassung einzutragenden Gesellschaften Bestandteil des Personalstatuts sind5, sind bei Anwendung der Gründungstheorie nicht mehr durchsetzbar und erschienen nach verbreiteter Ansicht auch nach der EuGH-Rechtsprechung in aus deutscher Sicht für manche besorgniserregender Weise6 gefährdet. Daher ist auf verschiedenen Wegen versucht worden, auch in Europa bei grundsätzlicher Anerkennung der „Mitnahme“ ihres Gründungsstatuts durch (auch: ausschließlich) im Inland tätige Auslandsgesellschaften im Interesse des Schutzes der hiesigen Gläubiger 1 So auch Behrens, in: Ulmer, Einl. B Rdnr. 64; Leible, in: Michalski, Syst. Darst. 2 Rdnr. 88. 2 So noch BGH, IPRspr 1966/67 Nr. 14; BayObLGZ 1965, 294, 299; Kindler, in: MünchKomm. BGB, IntGesR Rdnr. 418; Großfeld, in: Staudinger, Internationales Gesellschaftsrecht Rdnr. 257. 3 BGH, NJW 2005, 1648 m. krit. Anm. Leible/Hoffmann, RIW 2005, 542; abl. Kindler, in: MünchKomm. BGB, IntGesR Rdnr. 551; s. weiter Eidenmüller, NJW 2005, 1618; abl. auch OLG Hamm, NZG 2006, 826. 4 RGZ 159, 33, 42 (Sitztheorie). 5 RGZ 73, 366, 367 f.; Behrens, in: Ulmer, Einl. B Rdnr. 80; zur Wirksamkeit von Sacheinlagen BGH, NJW 1991, 1414; v. Bar, IPRax 1992, 20, 23; Leible, in: Michalski, Syst. Darst. 2 Rdnr. 61; Eidenmüller, in: Eidenmüller, § 4 Rdnr. 10; zu den Folgen auch bereits H.P. Westermann, GmbHR 2005, 4, 12 f. 6 Etwa Kindler, NJW 2003, 1073, 1078; Altmeppen, NJW 2004, 1201 ff.; Barta, GmbHR 2005, 657 ff.

304

H.-P. Westermann

Die GmbH im internationalen Privatrecht

Anhang § 4a

für die hiermit zusammenhängenden Fragen doch das deutsche Recht zugrunde zu legen1, was z.T. über eine insolvenz- oder auch eine deliktsrechtliche Anknüpfung begründet wird2. Es kommt aber auch in Betracht, zumindest Teile des Rechts der Kapitalaufbringung zu den Ausnahmeregelungen zu zählen, die als Einschränkung der Niederlassungsfreiheit mit den Forderungen des Gemeinschaftsrechts vereinbar sind. Dies scheidet nach der „Inspire Art“-Entscheidung (Rdnr. 22) für die Forderung nach einem gesetzlichen Mindestkapital aus, weil sich hinsichtlich der Höhe des konkreten Stammkapitals die Gläubiger ausreichend informieren könnten; auch „Centros“ (Rdnr. 18) betraf die Vermeidung der Aufbringung eines Mindestkapitals, wie es das dänische Recht den Gründern abverlangt haben würde. An der Maßgeblichkeit des Gründungsrechts ist auch angesichts der allgemeinen Zweifel an der Gläubigerschutzfunktion eines Mindestkapitals3, denen auch das deutsche Recht im Rahmen des § 5a entgegengekommen ist, nicht vorbeizukommen. Deshalb ist auch eine Inländer-Diskriminierung hier nicht zu befürchten, so dass dahinstehen kann, ob europarechtlich ein solches Verbot überhaupt besteht4. Hinsichtlich anderer Bestimmungen zur Kapitalaufbringung ist zu überlegen, ob Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit im Sinne der EuGH-Kriterien gegeben sind, wobei namentlich die Erforderlichkeit zu bejahen sein kann, wenn das ausländische Gründungsrecht im Hinblick auf die mit den deutschen Vorschriften verfolgten Zwecke erhebliche Schwächen aufweist5. Dafür genügt es freilich noch nicht, wenn das Gründungsrecht ein Rechtsinstitut (wie etwa die andernorts unbekannte6 Regelung der verdeckten Sacheinlage) nicht enthält, vielmehr muss die Behandlung des gesamten Problemkomplexes durch das betreffende Recht gewürdigt werden. Ganz wird man also nicht ausschließen können, dass im Einzelfall, dessen Gewicht aber dasjenige der Cadbury-Schweppes-Rule (Rdnr. 19) erreichen müsste, spezielle Interessen wie etwa dasjenige an einer richterlichen Gründungs- oder nur Sacheinlagenprüfung gegenüber der gemeinschaftsrechtlichen Niederlassungsfreiheit zurückstehen müssen7. Die Entwicklung dürfte aber insgesamt dahin gehen, dass die Vorschriften des 46 GmbHG über die Überbewertung von Sacheinlagen (§ 9c Abs. 1 Satz 2), über die 1 So Altmeppen/Wilhelm, BB 2004, 1083 ff.; in diesem Punkt trotz grundsätzlicher Befolgung der Gründungstheorie auch Ulmer, NJW 2004, 1201 ff. 2 Gegen jede Sonderanknüpfung zum Recht der Kapitalaufbringung Behrens, in: Ulmer, Einl. B Rdnr. 83. 3 Übersicht und Würdigung bei Kuhner, ZGR 2005, 753 ff.; Wilhelmi, GmbHR 2006, 13 ff.; Triebel/Otte, ZIP 2006, 311 f.; Kleindiek, ZGR 2006, 335 ff. 4 Dagegen Kieninger, ZEuP 2004, 685, 700; Fischer, ZIP 2004, 1477, 1479; Borges, ZIP 2004, 733, 735; Meilicke, GmbHR 2003, 793, 805; Fleischer, in: Lutter, S. 114; Weller, IPRax 2003, 520, 523; Leible/Hoffmann, EuZW 2003, 677, 682; Sandrock/Wetzler, Deutsches Gesellschaftsrecht im Wettbewerb der Rechtsordnungen, 2004, S. 65; Bayer, BB 2003, 2357, 2364; Horn, NJW 2004, 893, 899; Spahlinger/Wegen, in: Spahlinger/Wegen, Abschnitt C Rdnr. 361; Zöllner, GmbHR 2006, 1, 5; a.M. v. Halen, WM 2003, 571, 577; Kindler, NJW 2003, 1073, 1078 f. 5 Ähnlich Spahlinger/Wegen, in: Spahlinger/Wegen, Abschnitt C Rdnr. 317; gegen diese Art der Vergleichsprüfung Altmeppen/Wilhelm, DB 2004, 1083 ff.; vorsichtig auch Ulmer, NJW 2004, 1201, 1208; dagegen wiederum Eidenmüller, in: Eidenmüller, § 3 Rdnr. 45 ff. 6 So zum französischen Recht Recq-Hoffmann, GmbHR 2004, 1070, 1072. 7 Ebenso Zöllner, GmbHR 2006, 1, 5.

H.-P. Westermann

305

Anhang § 4a

Die GmbH im internationalen Privatrecht

Folgen einer nicht endgültig freien Verfügbarkeit der eingelegten Werte (§ 7 Abs. 3) sowie des § 19 Abs. 2 zur Befreiung von der Einlagepflicht auf Gesellschaften mit einem anderen als dem deutschen Gründungsrecht nicht anwendbar sind1. Missbräuchlich sind auch nicht ohne weiteres im Zuge der Gründung (oder Kapitalerhöhung) erbrachte Leistungen eines einlagepflichtigen Gesellschafters auf ein debitorisches Konto der Gesellschaft, die der BGH nicht hat gelten lassen2. Nur selten wird die „Umqualifizierung“ von Regeln des Gesellschaftsrechts ins Deliktsstatut eine Änderung bringen, indem etwa bei der Einbringung fragwürdiger Forderungen als Sacheinlage der Vorwurf einer deliktisch relevanten Gläubigertäuschung erhoben wird, abgesehen davon, dass nach den hierzu entwickelten besonderen Regeln ein zur Umgehung der Sachgründungsregeln verabredetes Verkehrsgeschäft unwirksam sein kann. Wird dieses grenzüberschreitend vorgenommen, wirken also die gesellschaftsrechtlichen Regeln auf ein schuld- und sachenrechtliches Rechtsgeschäft ein, was bei einer nach deutschem Gründungsrecht lebenden Gesellschaft hinzunehmen, bei ausländischen Gesellschaften europarechtlich bedenklich ist3. Deutsche Gerichte können bei Briefkasten- und Schein-Auslandsgesellschaften (Rdnr. 41) u.U. auch aus dem Gründungsrecht einen Gläubigerschutz herleiten; so ist nach englischem Recht eine Gesellschaft verpflichtet, jährlich dem Handelsregister ihre Kapitalverhältnisse offenzulegen; daran schließt sich eine Staatsaufsicht und das Recht der Gläubiger an, die gerichtliche Auflösung der Gesellschaft zu verlangen4. Ähnliches gilt auch in Bezug auf US-amerikanische Gründungen unter der Geltung des FCN-Abkommens (dazu Rdnr. 5)5.

8. Willensbildung innerhalb der Gesellschaft 47

Die Organisation der Gesellschaft einschließlich der Bestellung der Organe und der Vertretung durch sie sowie der Willensbildung richtet sich nach dem Personalstatut, im europäischen Raum also nach dem Gründungsrecht6, bei Anwendung der Sitztheorie gilt im Ausgangspunkt ebenfalls das Personalstatut7. Wenn allerdings das anwendbare Auslandsrecht den Umfang der Vertretungsmacht eines Organs gegenüber der Rechtslage bei vergleichbaren inländischen 1 Bayer, BB 2003, 2357, 2362; Fischer, ZIP 2004, 1477, 1479; Paefgen, DB 2003, 487, 489; Sandrock, ZVglRWiss 102 (2003), 447, 473 ff.; Schumann, DB 2004, 743; Bitter, ZHR 168 (2004), 320 ff.; Fleischer, in: Lutter, S. 114; Eidenmüller, in: Eidenmüller, § 4 Rdnr. 13; Zimmer, Internationales Gesellschaftsrecht, 1996, S. 292. 2 BGH, JZ 2004, 684 mit krit. Anm. Ulmer; hierzu auch H.P. Westermann, ZIP 2005, 1849, 1856. 3 Näher zur kollisionsrechtlichen Behandlung verdeckter Sacheinlagen Lappe/Schefold, GmbHR 2005, 585 mit besonderer Betonung der Regeln über eine Statutenkollision. 4 Näher dazu Ulmer, JZ 1999, 642, 644; Hirsch/Britain, NZG 2003, 1100 ff.; Schumann, DB 2004, 743, 744 ff. 5 Fleischer, in: Lutter, S. 115. 6 Bayer, BB 2003, 2357, 2369; Ulmer, NJW 2004, 1201, 1206; Rehm, in: Eidenmüller, § 4 Rdnr. 41; Leible, in: Michalski, Syst. Darst. 2 Rdnr. 117; s. auch Riegger, ZGR 2004, 510 ff. 7 RGZ 83, 367; BGHZ 32, 256, 258, BGH, IPRax 1985, 221; BGH, NJW-RR 1992, 618 mit Kurzkomm. Schlechtriem, EWiR 1991, 1176; BGH, NJW 1995, 1032; BGH, NJW 2001, 305 f.; v. Bar, JZ 1992, 881; Spahlinger/Wegen, in: Spahlinger/Wegen, Abschnitt E Rdnr. 288; Kindler, in: MünchKomm. BGB, IntGesR Rdnr. 582.

306

H.-P. Westermann

Die GmbH im internationalen Privatrecht

Anhang § 4a

Gesellschaftsformen atypisch bestimmt, so ist zum Schutz des inländischen Rechtsverkehrs eine Sonderanknüpfung zu diskutieren, die zu einer dem deutschen Rechtszustand entsprechenden Vertretungsmacht führen würde1; im Hinblick auf die Anwendung der ultra-vires-Lehre s. dazu schon Rdnr. 30. Im europäischen Raum müssen solche Normen des Personalstatuts an Art. 9 Abs. 2 der Publizitätsrichtlinie gemessen werden, während die Lösungsmöglichkeit über den ordre public-Vorbehalt (Art. 6 EGBGB) auch hier mit Zurückhaltung zu beurteilen ist, so dass insgesamt erhebliche Gefährdungen des Rechtsverkehrs vermieden werden können. Soweit es um rechtsgeschäftliche Vollmachten geht, ebenso im Hinblick auf das Vorliegen einer Anscheins- oder Duldungsvollmacht, ist dagegen im Grundsatz das Vollmachtsstatut maßgebend2. Die Geschäftsführungsbefugnis richtet sich allein nach dem Personalstatut. Das Sitzrecht kann im europäischen Raum auch nicht festlegen, was für Organe eine Kapitalgesellschaft haben muss3. Bezüglich der sonstigen Regelung des Innenverhältnisses, vor allem der Gewichtsverteilung unter den Organen und der Art ihrer Einschaltung, der Willensbildung in- und außerhalb der Gesellschafterversammlung, der Stimmkraft der Gesellschafter, der Gültigkeitsvoraussetzungen von Beschlüssen und ihrer Anfechtung, zeigt sich deutlich, dass unabhängig von der Anwendbarkeit von Sitz- oder Gründungstheorie zur Bestimmung des Personalstatuts das Gründungsrecht den Vorzug verdient, weil sich die Gesellschafter auf seine Normen bei der Gründung bewusst eingelassen haben. Das verstärkt sich in der Praxis dadurch, dass der BGH für die Klage eines Geschäftsführers einer im europäischen Ausland gegründeten, in Deutschland als KGKomplementärin fungierenden Ltd. gegen seine Abberufung die deutschen Gerichte für international unzuständig erklärt hat4. Bedenklich sind jedenfalls für den europäischen Raum Versuche zu Sonderan- 48 knüpfungen bezüglich des Schutzes von Minderheitsgesellschaftern. Das Personalstatut bestimmt, wer Mitglied ist und wie seine Stellung in der Gesellschaft ausgestaltet ist5, somit auch, ob ein einzelner Gesellschafter oder eine Gesellschaftergruppe sich gegen Majorisierung bei Abstimmungen und Beschlüssen wehren kann. Eingriffe von Seiten des Sitzrechts in solche Regeln, etwa im Wege einer Sonderanknüpfung, verbieten sich schon deshalb, weil im Bereich der kleinen Kapitalgesellschaft die Beteiligung auf freiwilliger Basis zustandezukommen pflegt. Deshalb ist auch zweifelhaft, ob nicht die Möglichkeiten zur Information über die Stellung als Minderheitsgesellschafter ausreichen, um die Erforderlichkeit eines Eingriffs in das Gründungsstatut abzu1 So unter Hinweis auf den Rechtsgedanken des Art. 12 Satz 1 EGBGB Kindler, in: MünchKomm. BGB, IntGesR Rdnr. 584; für die insoweit gleiche Lage bei der Personengesellschaft Paefgen, in: Westermann, Handbuch Personengesellschaften, Rdnr. I 4141, 4142. 2 BGHZ 43, 21, 27; Großfeld, in: Staudinger, Internationales Gesellschaftsrecht Rdnr. 285; Kindler, in: MünchKomm. BGB, IntGesR Rdnr. 585, 586. 3 Rehm, in: Eidenmüller, § 4 Rdnr. 42; s. weiter Bous, NZG 2000, 595, 596 ff.; Leible, in: Michalski, Syst. Darst. 2 Rdnr. 127. 4 BGH, NZG 2011, 1114; krit. Thomale, NZG 2011, 1290 ff. 5 So (noch unter Anwendung der Sitztheorie) RG, IPRspr 1934 Nr. 11; LG Hamburg, IPRspr 1976 Nr. 210; Kegel/Schurig, Internationales Privatrecht, 9. Aufl. 2004, § 17 II 2; Leible, in: Michalski, Syst. Darst. 2 Rdnr. 139; Spahlinger/Wegen, in: Spahlinger/Wegen, Abschnitt C Rdnr. 298.

H.-P. Westermann

307

Anhang § 4a

Die GmbH im internationalen Privatrecht

lehnen1. Der Fall, dass jemand einer Gesellschaft, insbesondere einer ausländischen, beitritt, ohne Gelegenheit zu haben, sich über den Gesellschaftsvertrag und das „Heimatrecht“ der Gesellschaft zu informieren, ist nicht leicht vorstellbar. Manche Rechtsordnungen gewähren dem in die Minderheit geratenen Gesellschafter ein Austrittsrecht oder das Recht, seine Anteile dem Mehrheitsgesellschafter zu vertretbaren Konditionen anzudienen; ein solches Recht durch eine dem Gedanken des Minderheitenschutzes entsprechende Rechtsfortbildung dem Personalstatut gewissermaßen zu inkorporieren2, widerspräche der Forderung nach Verhältnismäßigkeit, zumal auch Mehrheitsgesellschafter in ihrem Vertrauen darauf geschützt werden müssen, einen ihren Kapitaleinsatz entsprechenden Einfluss auf die Führung der Gesellschaft erwerben und behalten zu können. Welche Voraussetzungen es für eine Anteilsübertragung gibt (Zustimmung der Gesellschafterversammlung oder des Geschäftsführers), und die Stückelung der Anteile legt ebenfalls das Personalstatut fest3, während das für den Kaufvertrag als solchen maßgebliche Recht der Parteiautonomie unterliegt4. Hinsichtlich der Übertragung der Anteile kommen bei einigen ausländischen Gesellschaftsformen möglicherweise auch wertpapierrechtliche Bestimmungen in Betracht. Zu den Formfragen Rdnr. 53 ff.

9. Das Recht der Kapitalerhaltung, insbesondere: Gesellschafterdarlehen, Bedeutung des Insolvenzstatuts 49

Die Bestimmungen zur Kapitalerhaltung hängen mit dem Regelwerk zur Verfassung der Körperschaft eng zusammen, was für ihre Zugehörigkeit zum Personalstatut spricht. Andererseits stehen hinter den §§ 30, 31 sowie hinter den Normen über Kapitalersatz neben den Interessen der Gesellschaft an Erhaltung ihrer Kapitaldecke starke Bedürfnisse des Gläubigerschutzes. Es nimmt daher nicht wunder, dass überlegt wird, ob die wichtigsten Institute des deutschen Rechts der Kapitalerhaltung, soweit sie auf eine Pflicht zur Rückführung zu Unrecht ins Vermögen von Gesellschaftern geflossener Werte hinauslaufen, auch auf Gesellschaften mit einem ausländischen Personalstatut angewendet werden können5. Überwiegend wird freilich die Unanwendbarkeit der deutschen Regeln über Kapitalerhaltung auf Auslandsgesellschaften angenommen6. Obwohl die praktische Bedeutung der Kapitalerhaltung sinkt, wenn die Gesellschaft kein 1 S. auch Eidenmüller, in: Eidenmüller, § 4 Rdnr. 45; Kleinert/Probst, DB 2003, 2217 f.; Behrens, IPRax 1993, 323, 328; Kieninger, ZGR 1999, 724 f.; Paefgen, DZWiR 2003, 441, 446. 2 In diese Richtung Überlegungen von Sandrock, ZVerglRWiss 102 (2003), 477, 479 ff.; dagegen Eidenmüller, in: Eidenmüller, § 4 Rdnr. 47. 3 Leible, in: Michalski, Syst. Darst. 2 Rdnr. 140; OLG Celle, WM 1984, 494, 500; Großfeld, in: Staudinger, Internationales Gesellschaftsrecht Rdnr. 341; Spahlinger/Wegen, in: Spahlinger/Wegen, Abschnitt C Rdnr. 320, 321. 4 OLG Düsseldorf, RIW 1994, 420; BGH, WM 1996, 1467; Reichert/Weller, DStR 2005, 219, 225 ff. 5 So – mit unterschiedlichen Begründungen – Eisner, ZInsO 2005, 20 ff.; Altmeppen/Wilhelm, DB 2004, 1083 ff.; Ulmer, NJW 2004, 1201, 1209; s. auch Bitter, WM 2004, 2190, 2194 f.; ähnlich Karsten Schmidt, ZHR 166 (2004), 493, 498 ff. 6 BGHZ 148, 167 f. für §§ 30, 31; Bayer, BB 2003, 2357, 2364; Paefgen, DB 2003, 487, 489 f.; Sandrock, ZVerglRWiss 102 (2003), 447, 473 ff.; Eidenmüller/Rehm, ZGR 2004, 459, 181 f.; Drygala, ZEuP 2004, 337, 347 f.; Fischer, ZIP 2004, 1477, 1479; G.H. Roth,

308

H.-P. Westermann

Die GmbH im internationalen Privatrecht

Anhang § 4a

Mindeststammkapital (oder, wie es jetzt auch in Deutschland möglich ist, so gut wie keines) zu haben braucht, liegt doch auf der Hand, dass eine den Gläubigern nicht erkennbare Ausschüttung der Werte, die die Gesellschaft ausweislich des Handelsregisters als Einlagen erhalten haben soll, an die Gesellschafter (auch) Gesellschafterbelange bedroht. Auch der frühere, teilweise in §§ 32a, 32b a.F. niedergelegte Gedanke, dass es nicht angehe, zunächst die in einer Krise befindliche, anderweit kreditunwürdige Gesellschaft mit Gesellschafterdarlehen aufrechtzuerhalten, dann aber die Mittel beliebig zurückzuziehen, wenn der Gesellschafter/Darlehensgeber – in der Regel eher als die Gläubiger – erkennt, dass der Zusammenbruch der Gesellschaft nicht aufzuhalten ist, hängt nicht unbedingt mit der Höhe eines Mindeststammkapitals zusammen1. Andererseits sind Vorschriften wie §§ 30 und 31 und die ihnen zugrundeliegende Betrachtungsweise des zur Erhaltung des Stammkapitals erforderlichen Aktivvermögens (§ 30 Rdnr. 52) so eng mit der Finanzierung des von der Gesellschaft betriebenen Unternehmens verbunden, dass sie, auch wegen ihrer Ausdehnung auf Geschäfte mit nicht gesellschaftsangehörigen Personen (§ 30 Rdnr. 35 ff.), nicht gut mit einem u.U. andersartigen Gesellschaftsstatut in Einklang gebracht werden können. Es kommt hinzu, dass die Regeln über die Niederlassungsfreiheit nicht nur den Gründungsakt, sondern auch das Fortbestehen der Gesellschaft erfassen2. Richtet sich die Entscheidung der Streitfrage, wie es grundsätzlich richtig ist, nach den Kriterien der EuGH-Rechtsprechung für ein überragendes Allgemeininteresse des Sitzstaats, so kann schon bei der Prüfung der Erforderlichkeit einer Anwendung seiner Regeln nicht außer Betracht bleiben, welche gläubigerschützenden Instrumente das jeweilige Gründungsrecht bereit hält und wie sie im Sitzstaat kontrolliert und durchgesetzt werden können3. Zumindest über die englische Ltd. und die US-amerikanischen Delaware-Gesellschaften, aber auch über die französische SARL, liegen inzwischen so viele verhältnismäßig leicht zugängliche Informationen vor4, dass zur Erforderlichkeit und auch zur Eignung eines deutschen Rechtsinstituts, Schutzlücken des Gründungsrechts zu schließen, konkrete Folgerungen gezogen werden können5. Wo derartige Feststellungen schwieriger sind, oder wo das ausländische Recht eine diesen Problembereich betreffende Richtlinie wie die Kapitalrichtlinie nicht korrekt umgesetzt hat6, ist auch noch zu berücksichtigen, dass Vertragspartner einer solchen Gesellschaft sich i.d.R. nicht ohne Vorsichtsmaßnahmen auf Verträge mit eigener Vorleistungspflicht einlassen werden. Missbräuchen, die darauf hinauslaufen,

1 2 3 4

5

6

in: FS Doralt, 2004, S. 479, 490 f.; U. Huber, in: Lutter, S. 131, 146 ff.; Behrens, in: Ulmer, Einl. B Rdnr. 84; im Ergebnis auch Fleischer, in: Lutter, S. 115 ff. So auch Fleischer, in: Lutter, S. 116. Anders insoweit Altmeppen/Wilhelm, DB 2004, 1083, 1089 f.; krit. unter Hinweis auf Rdnr. 104 des „Inspire-Art-Urteils“ Fleischer, in: Lutter, S. 117. Weiterführende Hinweise in dieser Richtung bei Kuhner, ZGR 2005, 753, 776 ff. Im Einzelnen dazu die Länderberichte in Süß/Wachter, Handbuch des internationalen GmbH-Rechts, 2006. Zur Ltd. auch Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Anh. II zu § 4a; Servatius, in: Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, IntGesR Rdnr. 40–224; Heckschen, Private Limited Company, 2. Aufl. 2007. S. dazu auch schon die Studien von Schumann, DB 2004, 743 ff. (wonach im englischen Recht durchaus unzulässige Ausschüttungen zurückgezahlt werden müssen) und Fleischer, in: Lutter, S. 47 ff.; ebenso Zöllner, GmbHR 2006, 1, 6 ff. Zum Fall, dass das berufene ausländische Recht kein Äquivalent enthält, s. Ulmer, NJW 2004, 1205, 1209. Dazu Schumann, DB 2004, 745; Ulmer, NJW 2004, 1201, 1209.

H.-P. Westermann

309

Anhang § 4a

Die GmbH im internationalen Privatrecht

die Gesellschaft ausbluten zu lassen oder sie „auszunehmen“, muss mit einzelfallabhängigen Mitteln wie der Existenzvernichtungshaftung und verschiedenen Wegen der Durchgriffshaftung begegnet werden, was mit gesellschaftsrechtlichen oder deliktsrechtlichen Anspruchsgrundlagen anzugehen ist, zu ihrer Qualifikation (unter Einschluss des Insolvenzrechts) Rdnr. 64 ff. 50

Eine andere materiell-rechtliche Lage muss über die kollisionsrechtliche Behandlung von Gesellschafterdarlehen entscheiden, wobei zunächst zwischen Fällen unterschieden wird, die nach den vor dem Inkrafttreten des MoMiG geltenden Regeln zu beurteilen sind, und solchen, die unter das neue Recht fallen. Die erste Gruppe zerfiel in die sogenannten „Novellen-Darlehen“, die über §§ 32a, 32b a.F. im Wesentlichen zur Anwendung der insolvenzrechtlichen Regeln der §§ 39 Abs. 1 Nr. 5 und 135 InsO a.F. führten1, also zur Anfechtung der Rückgewähr kapitalersetzender Darlehen, und solchen Finanzierungen, die nach der rechtsfortbildenden Rechtsprechung analog §§ 30, 31 a.F. eine Rückzahlungspflicht unabhängig vom Vorliegen eines Insolvenzverfahrens bedeuteten. Demgegenüber hat die Neuregelung, die für Ansprüche im Rahmen eines nach dem Inkrafttreten des MoMiG eröffneten Insolvenzverfahrens gilt, die Materie ganz ins Insolvenz- und Anfechtungsrecht eingestellt und erfasst hierbei jedes Gesellschafterdarlehen unabhängig von seiner Gewährung in einer Krise, ferner werden alle diese Darlehen in der Insolvenz einem Nachrang gemäß § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO unterworfen2. Die früher praktisch besonders wichtige analoge Anwendung der Kapitalerhaltungsregeln der §§ 30, 31 entfällt (§ 30 Abs. 1 Satz 3), die §§ 32a, 32b sind aufgehoben (zu den Grundzügen dieser Gesetzgebung Einl. Rdnr. 62). Kollisionsrechtlich war für das frühere Recht zu entscheiden, ob und inwieweit das Gesellschafts- oder das Insolvenzstatut anzuwenden ist, wobei gemeinschaftsrechtlich zunächst von Art. 4 EuInsVO auszugehen ist, der nach Art. 288 Abs. 1 AEUV unmittelbar gilt und autonom auszulegen ist. Der BGH sieht die Normen der VO als europa-einheitliches Kollisionsrecht an, das auf Insolvenzrecht verweist und nationales IPR verdrängt3, woraus folge, dass Regelungen, die nach der EuInsVO als anwendbares Insolvenzrecht anzusehen sind, in einem in einem Mitgliedsstaat eröffneten Hauptinsolvenzverfahren nicht deshalb unanwendbar sind, weil sie nach dem nationalen Recht anders, etwa gesellschaftsrechtlich, qualifiziert werden4. Regeln des deutschen Sachrechts, die den Rang von Forderungen im Insolvenzverfahren bestimmen, sind danach (Rdnr. 19 des PIN-Urteils) in dem in Deutschland eröffneten Insolvenzverfahren anwendbar; das bezieht der BGH auf die § 32a GmbHG a.F., § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO a.F., und zwar in einem Verfahren, das in Deutschland über das Vermögen einer in 1 Zu dieser Einteilung Goette/Kleindiek, Eigenkapitalersatzrecht, Rdnr. 7 ff.; Goette, ZHR 162 (1998), 223 ff.; Habersack, ZGR 2000, 384, 389 ff. 2 Nach Art. 103d EGInsO sind die bisherigen Regeln auch in „neuen“ Verfahren auf solche vor Inkrafttreten des MoMiG vorgenommenen Rechtshandlungen anwendbar, die nach bisherigem Recht der Insolvenzanfechtung nicht oder in geringerem Umfang unterworfen waren; das hat zur Folge, dass bisher nur wenige Fälle der Anwendung des „neuen“ Rechts vor die Gerichte gelangt sind. 3 BGH, NJW 2011, 3784 (PIN-Urteil). 4 Bezugnahme auf Ulmer, NJW 2004, 1201, 1207; Walterscheid, DZWiR 2006, 95, 98; Behrens, IPRax 2010, 230 f. Gegen den Schluss des BGH von der Qualifikation auf den sachrechtlichen Anwendungsbereich aber Schall, NJW 2011, 3745, 3746.

310

H.-P. Westermann

Die GmbH im internationalen Privatrecht

Anhang § 4a

Luxemburg gegründeten Holding-Gesellschaft eröffnet worden war, wobei betont wird, dass das Gesellschaftsstatut der Schuldnerin sich nach luxemburgischem Recht richtet. Im nächsten Schritt unterscheidet der BGH hinsichtlich der Qualifikation des bisherigen Kapitalersatzrechts zwischen den Rechtsprechungs- und den Novellenregeln, wobei die Letzteren, da die Rechtsfolgen insolvenzrechtlicher Natur seien, trotz ihrer im Ausgangspunkt gesellschaftsrechtlichen Zuordnung nur im Insolvenzverfahren zum Zuge kämen und deshalb insolvenzrechtlich zu qualifizieren und im nationalen Insolvenzrecht auch auf Auslandsgesellschaften anzuwenden seien1. Schließlich geht der BGH davon aus, dass auch die insolvenzspezifische europarechtliche Anordnung des Art. 4 EuInsVO die Niederlassungsfreiheit nicht berührt (Rdnr. 45). Im Rahmen dieses Konzepts müssen die Voraussetzungen eines Rangrücktritts 51 nach § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO a.F. im Einzelnen geprüft werden, also u.a. die kapitalersetzende Funktion des Darlehens2. Die Eröffnungstatbestände und die Insolvenzantragspflicht sind ebenfalls dem Recht des Staats der Verfahrenseröffnung zu entnehmen3, während das Zahlungsverbot, das in entsprechender Anwendung des § 30 entwickelt wurde, nach wie vor als gesellschaftsrechtlich zu qualifizieren und folglich nicht auf Auslandsgesellschaften anwendbar ist. Da die Kapitalerhaltung wie die Gründung und die Kapitalaufbringung Bestandteile des Personalstatuts sind, verbietet es sich, diesen sehr eigenständig ausgestalteten Instituten Elemente eines fremden nationalen Sachrechts einzufügen4. Das gilt dann auch für die Erweiterung der „Finanzierungsfolgenverantwortung“ etwa auf die kapitalersetzende Grundstücksüberlassung. Im Bereich von Unternehmensgruppen stellt sich zusätzlich die Frage, wie weit man mit der Überwindung der rechtlichen Selbständigkeit der einzelnen GruppenGlieder gehen und beispielsweise Finanzierungsmaßnahmen sowie den Abfluss von Mitteln aus dem Vermögen einer Tochtergesellschaft der Konzernspitze zurechnen kann; dies allein vom Sitzrecht einer Tochtergesellschaft aus zu tun, kann bei einer multinationalen Unternehmensgruppe nicht ohne weiteres überzeugen, zur Kapitalerhaltung im Konzern s. Rdnr. 63. Auch die aus der Rechtsprechung des EuGH ersichtlichen Ausnahmekriterien rechtfertigen nicht schon die Annahme, dass beim Zurückbleiben des Gründungsrechts hinter den Bestrebungen des Sitzrechts eine durch das Letztere zu schließende Lücke bestehe5. Wenn dies so wäre, könnte aber auch „echten“ Auslandsgesellschaften, die im inländischen Rechtsverkehr auftreten, Satzungs- und Verwaltungssitz aber im Gründungsstaat haben, die Anwendung inländischer Gläubigerschutzvor1 So auch Mankowski, NZI 2010, 1004; U. Huber, in: Lutter, S. 31, 140 ff.; Ulmer, KTS 2004, 291, 299; anders aber Behrens, in: Ulmer, Einl. B Rdnr. 86 f.; Wachter, GmbHR 2004, 88, 92; Paefgen, ZIP 2004, 2253, 2261. 2 So auch der BGH in Rdnr. 52 ff. 3 Schall, NJW 2011, 3745, 3747; s. auch Weller, in: MünchKomm. GmbHG, Einl. Rdnr. 403. 4 Anders Ulmer, NJW 2004, 1201, 1209; wie hier aber U. Huber, in: Lutter, S. 156; im Ergebnis auch Zimmer, NJW 2003, 3585, 3589; Borges, ZIP 2004, 733, 744; Müller, NZG 2003, 414, 417; Paefgen, DB 2003, 487, 490; Altmeppen, NJW 2004, 97, 103; Eidenmüller, in: Eidenmüller, § 9 Rdnr. 43. 5 Ulmer, NJW 2004, 1201, 1208 f.; Altmeppen/Wilhelm, DB 2004, 1083, 1087 f.; dagegen Forsthoff, DB 2002, 2471, 2477; W.-H. Roth, IPRax 2002, 117, 125; Eidenmüller, JZ 2004, 24, 28.

H.-P. Westermann

311

Anhang § 4a

Die GmbH im internationalen Privatrecht

schriften nicht erspart bleiben. Deshalb spitzt sich die Entscheidung am Ende doch wieder darauf zu, ob man Gesellschaften mit ausschließlich inländischem Verwaltungssitz wegen des Verdachts, die inländischen Gläubigerschutznormen umgehen zu wollen, anders behandeln darf1. 52

Was das neue Recht der Gesellschafterdarlehen betrifft, so ist wiederum von Art. 4 Abs. 1 EuInsVO auszugehen, der das Insolvenzverfahren und die Wirkung seiner Eröffnung dem Insolvenzstatut, also dem Recht des Staats, in dem das Verfahren eröffnet worden ist, zuordnet. Zu den Wirkungen, die sich jetzt im Insolvenzverfahren zeigen, gehört auch die Frage, welche Rechtshandlungen nichtig oder anfechtbar sind2. Gesellschaftsrechtlich ist die Gewährung eines Gesellschafterdarlehens oder einer wirtschaftlich gleichwertigen Finanzierung von Gesellschafterseite nicht verboten, eine unzeitige Zurückführung kann wiederum zur Insolvenzanfechtung führen, so dass der Vorgang kollisionsrechtlich dem Gesellschaftsstatut entzogen ist.

10. Zur Form gesellschaftsrechtlicher Rechtsgeschäfte 53

Im Hinblick auf die Form gesellschaftsrechtlicher Rechtsgeschäfte ist die kollisionsrechtliche Ausgangslage durch das Nebeneinander der tradierten Regel „locus regit formam actus“ (Art. 11 EGBGB), des Art. 11 Abs. 1 Rom I–VO und der Bemühungen um eine Aufrechterhaltung der an einem möglichen Formmangel leidenden Geschäfte gekennzeichnet; auch das Europäische Schuldvertragsübereinkommen3 spielt eine Rolle4. Welche auf Gesellschaften oder Beteiligungen bezogenen Geschäfte unter die verschiedenen hiermit angesprochenen Statute fallen, ist somit nicht ganz klar. Gegenüber den grundlegenden Regeln in Art. 11 Abs. 1 bis 3 EGBGB vorrangig ist die Formkollisionsregel des Art. 11 Rom I-VO, deren Geltung für Personengesellschaften und juristische Personen mit Rücksicht auf die Bereichsausnahme nach Art. 1 Abs. 2 f Rom I-VO nicht alle Gesellschaften umfasst. Jedenfalls sind von ihr Gesellschaften ohne eine nach außen sichtbare Organisation ausgenommen, also etwa BGB-Innengesellschaften, für die also die Kollisionsregeln des Art. 11 EGBGB unverändert gelten, der für andere Verbandsformen nach verbreiteter Meinung nicht angewendet werden soll5, so dass insoweit Art. 11 Rom I-VO gilt. Diese erfasst aber nicht als gesellschaftsrechtlich, sondern als vertragsrechtlich zu qualifizierende Vorgänge, so dass das Schuldvertragsstatut eingreifen müsste, allerdings mit der Maßgabe (Art. 11 Abs. 1 EGBGB) einer alternativen Anknüpfung an das Orts- oder das Wirkungsstatut6. Das ermöglicht es, bei Unergiebigkeit des Ortsrechts, das etwa für ein 1 Einwand von U. Huber, in: Lutter, S. 157 ff. 2 Weller, in: MünchKomm. GmbHG, Einl. Rdnr. 406. 3 EU-Übereinkommen über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anwendbare Recht, BGBl. II 1986, 810. 4 Zur Ausgangslage Leible, in: Michalski, Syst. Darst. 2 Rdnr. 90, 91; Hohloch, in: Erman, BGB, Art. 11 EGBGB Rdnr. 3, 13. Zur Behandlung von Innengesellschaften im Kollisionsrecht Paefgen, in: Westermann, Handbuch Personengesellschaften, Rdnr. I 4134. 5 Goette, in: FS Boujong, 1996, S. 131; Heckschen, DB 1990, 161; Kröll, ZGR 2000, 111, 115. 6 Hohloch in: Erman, BGB, Art. 11 EGBGB Rdnr. 8; Leible, in: Michalski, Syst. Darst. 2 Rdnr. 91, 98.

312

H.-P. Westermann

Die GmbH im internationalen Privatrecht

Anhang § 4a

Rechtsgeschäft im Bereich von Gesellschaften keine Formvorschrift vorsieht, auf das Wirkungsstatut zurückzugreifen; umgekehrt kann, wenn das Ortsrecht eine dem Wirkungsstatut vergleichbare Formvorschrift enthält, bei Einhaltung ihrer Erfordernisse über Mängel aus der Sicht des Wirkungsstatuts hinweggesehen werden1. Somit kann auch bei gesellschaftsrechtlichen Vorgängen das Recht des Vornameorts angewendet werden2, es ist aber auf die alternative Anknüpfung zu achten, da die Formerfordernisse des Ortsstatuts nicht die Situation im internationalen Gesellschaftsrecht im Auge haben und manche gesellschaftsrechtlichen Formvorschriften nur spezielle Zwecke (wie etwa die Erschwerung eines freien Handels in Geschäftsanteilen) verfolgen3. Die ausschließliche Anwendung der Ortsform ginge daran vorbei, dass Geschäfte, die unmittelbar in die Verfassung der juristischen Person eingreifen, so Abschluss und Änderung des Gesellschaftsvertrages, nicht gut einer anderen Form als der des Gesellschaftsstatuts unterliegen können4. Freilich ist deswegen das Ortsstatut nicht ganz irrelevant, da es auch Formerfordernisse gibt, die nicht speziell gesellschaftsrechtlichen Zielen dienen, so die gewöhnlichen Funktionen der Schriftform, so dass man etwa in Bezug auf § 5 Abs. 4 das, was „schriftlich“ ist, nach dem Recht des Vornahmeorts bestimmen kann. Es ist davon auszugehen, dass der Terminus „Form des Rechtsgeschäfts“ in Art. 11 Abs. 1 EGBGB in demselben Sinne zu lesen ist wie in der der Begriffsbildung zugrundeliegenden Kodifikation des BGB5. Deshalb ist der wohl überwiegenden Meinung darin zuzustimmen, dass gewöhnlich die Erfordernisse des Ortsstatuts zu beachten sind und ausreichen, und dass das Personalstatut nur für solche Geschäfte den Vorzug verdient, die sich unmittelbar auf die Verfassung der Gesellschaft beziehen6. Das wirkt sich praktisch hauptsächlich bei der Beurkundung aus (Rdnr. 55). Gegenüber Versuchen, die alternative Anwendung des Ortsrechts als Formerschleichung unbeachtet zu lassen, ist angesichts der heutigen Ausgangslage Zurückhaltung geboten7. 1 „Favor negotii“ oder „Favor validitatis“, Hohloch, in: Erman, Art. 11 EGBGB Rdnr. 10; Leible, in: Michalski, Syst. Darst. 2 Rdnr. 91; s. auch Spellenberg, in: MünchKomm. BGB, Art. 11 EGBGB Rdnr. 72. 2 BayObLG, NJW 1978, 500; OLG Stuttgart, IPRax 1983, 79; OLG Köln, RIW 1989, 565; OLG Düsseldorf, NJW 1989, 2000; OLG München, RIW 1998, 147; Wiedemann, GesR I, § 14 IV 2b; Goette, DStR 1996, 709, 711; Gätsch/Schulte, ZIP 1999, 1954; Kröll, ZGR 2000, 111, 122 ff.; Behrens, in: Ulmer, Einl. B Rdnr. 137; a.M. Großfeld/Berndt, RIW 1996, 625. 3 Für die Maßgeblichkeit des Gesellschaftsstatuts Geimer, DNotZ 1981, 406, 408; Brambring, NJW 1975, 1255; Großfeld, in: Staudinger, Internationales Gesellschaftsrecht Rdnr. 467; in der Rechtsprechung OLG Karlsruhe, RIW 1979, 567 f.; OGH Wien, IPRax 1990, 242; zum Ganzen auch Schütze, DB 1992, 1970. 4 OLG Karlsruhe, RIW 1979, 567 f.; im Ergebnis auch OLG Hamm, NJW 1974, 1057; LG Augsburg, GmbHR 1996, 941; Goette, DStR 1996, 709, 711; Menke, BB 2004, 1807, 1809; Spahlinger/Wegen, in: Spahlinger/Wegen, Abschnitt C Rdnr. 363. 5 S. BGHZ 29, 129, 139. 6 Kropholler, ZHR 140 (1976), 394, 402; Ebenroth/Wilkens, JZ 1991, 1061, 1064; Schervier, NJW 1992, 593 f.; Goette, DStR 1996, 709, 711; aus der Rechtsprechung AG Köln, GmbHR 1990, 24 (Verschmelzung); OLG Hamburg, WM 1993, 1186 (Hauptversammlung); dazu krit. v. Bar/Grothe, IPRax 1994, 291; LG Augsburg, GmbHR 1996, 941 mit Anm. Kallmeyer, S. 910 (zur Verschmelzung); wohl auch BGH, NZG 2005, 41 f. 7 Leible, in: Michalski, Syst. Darst. 2 Rdnr. 93 gegen Geimer, DNotZ 1981, 406, 410; Bredthauer, BB 1986, 1864.

H.-P. Westermann

313

Anhang § 4a 54

Die GmbH im internationalen Privatrecht

Danach ist für die Gültigkeit der Satzung und die Wirksamkeit von Änderungen oder Umstrukturierungen der Gesellschaft das Personalstatut maßgebend1, ebenso für die Beschlussfassung in einer Mitgliederversammlung2. Bei der Übertragung von Geschäftsanteilen muss zwischen dem obligatorischen Vertrag und der eigentlichen Verfügung unterschieden werden. Zumindest der Verpflichtungsvertrag berührt die Verfassung der Gesellschaft nicht, so dass man meinen könnte, es komme für die Form allein auf Art. 11 Abs. 1 EGBGB an3. Doch muss jetzt Art. 11 Rom I-VO beachtet werden, der nicht ausschließt, dass die Parteien den Vertrag ausdrücklich oder konkludent deutschem Recht unterstellen, so dass § 15 Abs. 4 anwendbar wird, der allerdings (im Zuge der alternativen Anknüpfung) durch ein formgünstigeres Ortsrecht überspielt werden kann4. Vor Inkrafttreten der Rom IVO kam eine Anwendung des § 15 Abs. 4 auch über den früheren Art. 28 EGBGB in Betracht5, was aber unberücksichtigt lässt, dass hinter § 15 Abs. 4 u.a. die Vorstellung des deutschen Gesetzgebers steht, einem freien Handel in GmbH-Geschäftsanteilen entgegenzuwirken, was ein spezifisch gesellschaftsrechtliches Ziel ist, das für Gesellschaften mit ausländischem Personalstatut nicht gilt. Daher ist zu differenzieren. Beim Verkauf von Anteilen an einer deutschen GmbH ist das schuldrechtliche Geschäft nach dem ausdrücklich oder schlüssig bestimmten Vertragsstatut zu beurteilen, wobei es dem Parteiwillen gewöhnlich entsprechen wird, dass dies das Gesellschaftsstatut sein soll. Findet der Vertragsschluss im Ausland statt, kommen neben den zum Gesellschaftsstatut gehörenden Formvorschriften die Regeln der Ortsform zum Zuge, was besonders von Interesse ist, wenn diese geringere Anforderungen stellen als das Gesellschaftsstatut6. Bei Übertragung von Anteilen an einer ausländischen Gesellschaft wird oft ebenfalls die Form des Gesellschaftsstatuts gewollt sein; werden die Anforderungen der (deutschen) Ortsform nicht eingehalten, so schadet dies nicht, wenn das Gesellschaftsstatut geringere Anforderungen stellt7. Das dingliche Übertragungsgeschäft berührt unmittelbar die Beteiligungsstrukturen innerhalb der Gesellschaft, was für die Anwendung des Wirkungsstatuts und somit des § 15 Abs. 4 spricht, so dass auch die Übertragung von Geschäftsanteilen an einer in Deutschland gegründeten Gesellschaft mit Verwaltungssitz im europäischen Ausland formbedürftig ist8. Auch dies ist aber nicht unstreitig, überwiegend wird auch in1 Kronke, ZGR 1994, 31; Großfeld, AG 1996, 302; Kallmeyer, ZIP 1996, 535; Behrens, in: Ulmer, Einl. B Rdnr. 136. 2 Dazu Kaligin, DB 1985, 1449, 1453. 3 RGZ 88, 227, 231; BayObLG, NJW 1978, 500; OLG München, BB 1989, 125 f. mit Kurzkomm. Mankowski, EWiR 1989, 309; s. auch BGH, IPRax 1988, 27; BGH, WM 1996, 1467; Maier-Reimer, BB 1974, 1230, 1233. 4 Reithmann, GmbHR 2009, 699, 700; Leible, in: Michalski, Syst. Darst. 2 Rdnr. 99; Reuter, BB 1998, 116, 119; anders noch Großfeld, in: Staudinger, Internationales Gesellschaftsrecht Rdnr. 498; van Randenborgh, GmbHR 1996, 908. 5 OLG Celle, NJW-RR 1991, 1126 f. 6 OLG Stuttgart, DB 2000, 1218 f.; Behrens, in: Ulmer, Einl. B Rdnr. 138; Süß, in: Süß/ Wachter, § 1 Rdnr. 108 ff. Zur Anwendung der Ortsform auf das Verpflichtungsgeschäft Mankowski, NZG 2010, 1576, 1582; Reithmann, GmbHR 2009, 699. 7 Gärtner/Rosenbauer, DB 2002, 1871 ff. 8 OLG München, NJW-RR 1993, 998 mit Anm. Bungert, DZWiR 1993, 494; Merkt, ZIP 1994, 1417, 1425; Rehm, in: Eidenmüller, § 4 Rdnr. 5; Reichert/Weller, DStR 2005, 219 f.; Behrens, in: Ulmer, Einl. B Rdnr. 139; anders aber OLG Celle, NJW-RR 1992, 1126 (Ortsform maßgeblich).

314

H.-P. Westermann

Die GmbH im internationalen Privatrecht

Anhang § 4a

sofern die Einhaltung der Ortsform für ausreichend gehalten1, was auf Widerstand namentlich dann stößt, wenn das Ortsrecht eine privatschriftliche Übertragung zulässt oder gar kein Formerfordernis enthält2. Auch kann es sein, dass das Ortsstatut einen der GmbH vergleichbaren Gesellschaftstyp nicht kennt, so dass Regeln für die Übertragung nicht verbriefter Beteiligungen nicht existieren, dann kann nur das Gesellschaftsstatut maßgeblich sein3. Gänzlich dem Personalstatut unterworfen sind Übertragungsvorgänge, die sich nicht aus einem Vertrag ergeben, sondern aus anderen rein gesellschaftsrechtlichen Vorgängen wie etwa der Einziehung eines Geschäftsanteils. Diese Überlegungen sind wohl auch anwendbar, wenn das Ortsrecht der Sitztheorie folgt, da dies nicht bedeuten kann, dass gesellschaftsrechtliche Zwecksetzungen des Gründungsrechts überlagert werden oder unbeachtet bleiben können. Soweit danach eine Beurkundung eines Rechtsgeschäfts erforderlich oder verein- 55 bart ist, stellt sich die Frage nach der Gleichwertigkeit einer Auslandsbeurkundung. Die Frage hat keinen speziellen gesellschaftsrechtlichen Einschlag, da die Zwecke einer vorgeschriebenen Beurkundung, also die verlässliche Dokumentation des Erklärten und Gewollten, vor allem aber die Notwendigkeit einer neutralen und sachkundigen Aufklärung und Belehrung durch die Urkundsperson, im Grundsatz unabhängig vom Inhalt des beurkundungspflichtigen Geschäfts sind. Die Beurteilung unterscheidet sich auch nicht danach, ob in Deutschland ein Vorgang im Rahmen einer Auslandsgesellschaft oder im Ausland ein auf eine deutsche Gesellschaft bezügliches Geschäft beurkundet wird4. In jedem Fall stellt sich das Problem der Gleichwertigkeit der Beurkundung durch eine ausländische Urkundsperson im Hinblick auf ihre Qualifikation und die Art der Durchführung mit einer Beurkundung durch einen deutschen Notar. Anerkannt ist zunächst, dass deutsches Recht einer Beurkundung im Ausland, die zwingend nicht durch einen deutschen Notar erfolgen kann, nicht generell entgegensteht5, dass es aber – besonders im Hinblick auf die Belehrung der Vertragschließenden – darauf ankommt, ob die ausländische Urkundsperson nach Vorbildung und Stellung im Rechtsleben, insbesondere auch Haftung und Standes-, namentlich Disziplinarrecht, eine der Tätigkeit des deutschen Notars entsprechende Funktion erfüllt und ob sie für die Errichtung der Urkunde ein Verfahren beachten muss, das in den Grundzügen dem deutschen Beurkundungsverfahren gleichkommt6. Das ist 1 BayObLG, DB 1997, 2320; OLG Düsseldorf, GmbHR 1990, 169; Winter/Löbbe, in: Ulmer, § 15 Rdnr. 138; Goette, in: FS Boujong, 1996, S. 131, 138; Benecke, RIW 2002, 280, 282; in diese Richtung deutend BGH, GmbHR 2005, 53; Diskussion bei Albers, GmbHR 2011, 1078 ff. 2 So mit Blick auf Art. 785 OR Weller, BB 2005, 1807 ff.; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, § 15 Rdnr. 28; anders aber auch hier Trendelenburg, GmbHR 2008, 644 ff.; Saenger/ Scheuch, BB 2008, 65, 68. 3 Näher zu diesem Phänomen der „Formenleere“, Süß, in: Süß/Wachter, § 1 Rdnr. 104–106 anhand des Urteils OLG Stuttgart, GmbHR 2000, 721 m. Komm. Emde. 4 Kindler, in: MünchKomm. BGB, IntGesR Rdnr. 563. 5 BGHZ 80, 76; OLG Stuttgart, IPRspr 1981 Nr. 10a; OLG Karlsruhe, RIW 1979, 567 f.; OLG Hamm, NJW 1974, 1037; BGH, RIW 1989, 649; OLG Düsseldorf, RIW 1989, 225; OLG München, RIW 1998, 948; im Schrifttum Kropholler, ZHR 140 (1976), 394, 310; Wolfsteiner, DNotZ 1978, 532; Behrens, in: Ulmer, Einl. B Rdnr. 141. 6 Reichert/Weller, DStR 2005, 252; Altmeppen, in Roth/Altmeppen, § 15 Rdnr. 88; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, § 15 Rdnr. 27; Rowedder/Bergmann, in: Rowedder/Schmidt-

H.-P. Westermann

315

Anhang § 4a

Die GmbH im internationalen Privatrecht

für das deutsche Aktienrecht wahrscheinlich weniger leicht zu bejahen als für das GmbH-Recht, obwohl im letzteren Bereich zahlreiche (neue) Haftungsrisiken, gerade bei Kapitalerhöhungen, insoweit Zweifel erwecken können. Immerhin sind Auslandsbeurkundungen anerkannt worden, die durch österreichische und englische1, durch niederländische und israelische Notare2 sowie durch Vertreter der lateinischen Notariats (im romanischen Rechtskreis)3 vorgenommen wurden. Die praktisch besonders häufigen Beurkundungen in der Schweiz („Beurkundungstourismus“4) sind zwar nach Kanton zu unterscheiden, im Allgemeinen werden sie aber ebenfalls anerkannt5, trotz gewisser Zweifel wegen der Reform des Schweizer Obligationenrechts6. 56

Im Einzelfall ist davon auszugehen, dass Kleinlichkeit den Bedürfnissen und Tendenzen des internationalen Rechtsverkehrs widerspräche7. Die tatsächliche und rechtliche Bedeutung der notariellen Belehrung, die nur Sollerfordernis der Beurkundung ist (§ 17 Abs. 1 BeurkG) und zur Disposition der Parteien steht8, darf für die Äquivalenzprüfung nicht überbewertet werden, wie auch die Einschränkung der Belehrungspflicht für deutsche Notare bei Anwendbarkeit ausländischen Rechts (§ 17 Abs. 3 BeurkG) bestätigt9. Ein dem deutschen Recht vergleichbares Beurkundungsverfahren ist nicht gegeben, wenn sich der Notar ohne Befassung mit dem Inhalt der Urkunde und ohne Verlesung ihres Textes auf die bloße Unterzeichnung und/oder das Beifügen eines Stempels beschränkt und nach dem Ortsstatut gewöhnlich beschränken darf, s. schon Rdnr. 54. Auch wo die Mitwirkung des Notars weiter geht, ist einzuräumen, dass es Vorgänge gibt, deren rechtliche Implikationen nicht durch einen Blick ins deutsche Gesetz oder leicht zugängliches Erläuterungsschrifttum erkannt werden können10, etwa die im Ausland z.T. ganz unbekannten Unternehmensverträge, ebenso Umwandlung und Verschmelzung11. Manche durch das MoMiG eingeführte Änderungen, so die mögliche Gründung mit einem Musterprotokoll, dürften schon wegen des umstrittenen Mindest- und Höchstinhalts (s. § 2 Rdnr. 96 ff.) im Ausland noch weitgehend unbekannt sein, so dass Gleichwertig-

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11

Leithoff, § 15 Rdnr. 53; Süß, in: Süß/Wachter, § 1 Rdnr. 98; schon früher Stephan, NJW 1974, 1596; Rothoeft, in: FS Esser, 1975, S. 112; Schervier, NJW 1992, 595; zurückhaltend aber Heckschen, Rpfleger 1990, 122; s. auch Goette, DStR 1996, 709 ff. BayObLG, NJW 1978, 500; LG Augsburg, NJW-RR 1997, 420. Lijtens, DNotZ 1965, 12 ff.; zu Israel Scheftelowitz, DNotZ 1978, 145 ff. Hohloch, in: Erman, Art. 11 EGBGB Rdnr. 20; gegen pauschale Gleichstellung Spahlinger/Wegen, in: Spahlinger/Wegen, Abschnitt C Rdnr. 669. Süß, in: Süß/Wachter, § 1 Rdnr. 95. Nachw. bei Hohloch, in: Erman, Art. 11 EGBGB Rdnr. 20; Abrell, NZG 2007, 60. OLG Düsseldorf, GmbHR 2011, 417 und dazu Albers, GmbHR 2011, 1078, 1081. OLG Hamburg, IPRspr 1979 Nr. 9; OLG Hamm, NJW 1974, 1057. BGHZ 80, 76 unter Hinweis auf den Verzichtswillen, der in der Beauftragung eines ausländischen Notars liegt; a.M. H. Schmidt, DB 1974, 1216, 1218. Kropholler, ZHR 140 (1976), 394, 409; Benecke, RIW 2002, 280, 285; Kröll, ZGR 2000, 111, 113 ff.; anspruchsvoller Goette, DStR 1996, 709, 713. S. zu diesem Kriterium BGH, IPRspr 1970 Nr. 191, S. 557 f.; Großfeld, in: Staudinger, Internationales Gesellschaftsrecht Rdnr. 484. Anders aber LG Kiel, BB 1998, 120 für die Verschmelzung von Genossenschaften; für die Verschmelzung ablehnend AG Fürth, GmbHR 1991, 24 mit zust. Anm. Heckschen; anders aber wieder LG Nürnberg/Fürth, GmbHR 1991, 582 (zur Beurkundung in Basel, die der deutschen vergleichbar ist); zu § 53 Abs. 2 s. BGHZ 80, 76; BGHZ 82, 188, 193.

316

H.-P. Westermann

Die GmbH im internationalen Privatrecht

Anhang § 4a

keit der Einschaltung eines ausländischen Notars nicht gesichert ist. Desgleichen sollte auch bei der Beurkundung eines nicht bloß schematischen Gesellschaftsvertrages oder seiner maßgeblichen Änderung auf eine eingehende Belehrung nicht verzichtet werden1. Zuzustimmen ist der Rechtsprechung, die für eine in der Schweiz vorgenommene Anteilsübertragung die Einhaltung der Ortsform hat ausreichen lassen2, was auch für Unternehmenskaufverträge oder Vergleichsverträge, die eine Übertragung von GmbH-Geschäftsanteilen beinhalten, praktisch werden kann, während bei Satzungsänderungen im dargestellten Sinn zu differenzieren ist3. Die Beurkundung nach § 53 Abs. 2 kann auch ein entsprechend qualifizierter ausländischer Notar vornehmen4. Dass eine Anteilsübertragung die Übergabe einer Urkunde erfordert, was kollisionsrechtlich zur lex cartae sitae führen würde5, kommt bei der GmbH nicht in Betracht und kann auch Regeln über die Ortsform nicht entnommen werden, s. Rdnr. 54.

11. Zur Rechnungslegung von Gesellschaften Die Frage, nach welchem Sachrecht sich die Inhalte der Pflicht der Gesellschaft 57 zur Rechnungslegung richten, ist unter verschiedenen Aspekten umstritten. Zum einen wird den gesetzlichen Vorschriften über die Rechnungslegung der GmbH, obwohl sie im HGB stehen, also privatrechtlich qualifiziert werden könnten, im Hinblick auf den mit der Pflicht zur Selbstkontrolle eines Kaufmanns erstrebten mittelbaren Gläubigerschutz ein starker öffentlich-rechtlicher Einschlag beigelegt6, was die kollisionsrechtliche Einordnung dahin bestimmen würde, dass unabhängig vom Gründungsrecht eine im Inland ansässige Gesellschaft nach Maßgabe des am Ort ihres Verwaltungssitzes geltenden Rechts zu bilanzieren, zu dokumentieren und ihre Bücher zu führen hat, allerdings wohl nur in Bezug auf die Ergebnisse der inländischen „Zweigniederlassung“. Das zeigt aber zugleich, dass die Rechnungslegung nach dem Sitzrecht nicht eine vom Gründungsrecht vorgeschriebene ersetzen wird, die wahrscheinlich auch die Geschäfte und Verhältnisse am Verwaltungssitz erfassen wird. Auch deshalb ist zu prüfen, ob nicht doch auch für diesen Problemkreis das Personalstatut und damit – zumindest innerhalb Europas – das Gründungsrecht maßgebend sein muss, wie eine verbreitete Ansicht annimmt7. Für Gesellschaften aus dem europäischen Ausland kommt § 325a HGB i.V.m. Art. 3 der Publizitätsrichtlinie 1 Zu den vorigen noch Kuntze, DB 1975, 193 f.; dagegen aber Stephan, NJW 1974, 1596, 1598; Mann, ZHR 138 (1974), 448, 453 ff.; Kropholler, ZHR 140 (1976), 394, 406 ff. 2 RGZ 160, 225; OLG Frankfurt, RIW 1981, 552; BayObLG, Rpfleger 1978, 58. 3 Für Gleichwertigkeit OLG Stuttgart, IPRax 1983, 79; OLG Düsseldorf, RIW 1989, 225 gegen OLG Hamm, NJW 1974, 1057; OLG Karlsruhe, RIW 1979, 567. 4 So BGH, ZIP 1998, 1052, 1054; OLG Düsseldorf, RIW 1989, 225. 5 BGH, NJW 1994, 939 f.; Großfeld, in: Staudinger, Internationales Gesellschaftsrecht Rdnr. 341. 6 Crezelius, ZGR 1999, 252, 255 ff.; Röhricht, in: Röhricht/Graf von Westphalen, HGB, Einl. Rdnr. 52; Kindler, in: MünchKomm. BGB, IntGesR Rdnr. 253; speziell zur GmbH Ebert/Levedag, GmbHR 2003, 1337, 1339; Riegger, ZGR 2004, 510; für eine gesellschaftsrechtliche Qualifikation Zimmer, Internationales Gesellschaftsrecht, S. 179 ff.; Großfeld, in: Staudinger, Internationales Gesellschaftsrecht Rdnr. 362; Behrens, in: Ulmer, Einl. B Rdnr. 95; Leible, in: Michalski, Syst. Darst. 2 Rdnr. 121. 7 Zimmer, Internationales Gesellschaftsrecht, S. 183; Rehberg, in: Eidenmüller, § 5 Rdnr. 108; Großfeld, in: Staudinger, Internationales Gesellschaftsrecht Rdnr. 362.

H.-P. Westermann

317

Anhang § 4a

Die GmbH im internationalen Privatrecht

in Betracht. Die Regelung ist zwar für „Zweigniederlassungen“ bestimmt, doch wird man sie ähnlich wie die Vorschriften über die Registereintragung auch anzuwenden haben, wenn es sich um die praktische Hauptniederlassung einer EUAuslandsgesellschaft handelt1. Daraus folgt weiter, dass der Inhalt der Rechnungslegung sich nach dem für die Hauptniederlassung maßgeblichen Recht richtet, das ist also das Gründungsrecht2. Das ist zweckmäßig, weil die Vorgänge, die in das Rechenwerk eingehen, und die Schlussfolgerungen, die aus den einzelnen Teilen der gesamten Rechnungslegung gezogen werden können und sollen, stets einen Bezug zu den rechtlichen Anforderungen des nationalen Sachrechts haben, nach denen die Gesellschaft lebt. Deswegen sollte nicht über § 325a HGB hinaus eine Unterwerfung auch ausländischer Gesellschaften unter solche Anforderungen des inländischen Rechts erwogen werden, die nicht mindestens die vom EuGH entwickelten Ausnahmevoraussetzungen von den Geboten der Niederlassungsfreiheit erfüllen3. Im Geltungsbereich der Sitztheorie gilt für die Rechnungslegung ebenfalls das Personalstatut. 58

Aus denselben Gründen müssen sich auch die Abschlussprüfung gemäß §§ 316 bis 324, 340h HGB und die Art der Erstellung des Jahresabschlusses nach dem Personalstatut richten4. Wenn das Inlandsrecht in dieser Hinsicht eine Befreiung vorsieht, kann sich also eine vom Gründungsrecht weitergehend verpflichtete Gesellschaft darauf nicht berufen, umgekehrt darf sich eine Auslandsgesellschaft auf das einstellen, was ihr Gründungsrecht vorschreibt. Praktisch muss also eine Auslandsgesellschaft eine mit dem Gründungsrecht vertraute WP-Gesellschaft mit der Aufstellung des Abschlusses befassen, u.U. sogar noch einen besonderen Abschlussprüfer5. Die Anforderungen des Steuerrechts an die Rechnungslegung und die Abschlussprüfung können nur davon abhängen, welcher Staat nach Maßgabe seines materiellen Steuerrechts unter Einbeziehung von internationalen Abkommen die Gesellschaft (und gegebenenfalls ihre Teilhaber) als sein Steuersubjekt behandeln kann; danach regeln sich auch die Anforderungen an die Vorlage einer Steuerbilanz. In dieser Hinsicht kann es also – auch ohne Verstoß gegen die Grundsätze der Niederlassungsfreiheit – dazu kommen, dass eine Auslandsgesellschaft über die handelsrechtlichen Vorschriften des Gründungsrechts hinaus Bestimmungen des am Verwaltungssitz geltenden Steuerrechts beachten muss, was dann auch den Umfang der Maßgeblichkeit handelsrechtlicher Ansätze und Bewertungsmethoden für die steuerrechtliche Behandlung beeinflusst6.

1 Zimmer, Internationales Gesellschaftsrecht, S. 185 f.; Riegger, ZGR 2004, 510, 516; Spahlinger/Wegen, in: Spahlinger/Wegen, Abschnitt C Rdnr. 565. 2 Riegger, ZGR 2004, 510, 516; Leible, in: Michalski, Syst. Darst. 2 Rdnr. 160; Süß, in: Süß/Wachter, § 1 Rdnr. 136. 3 Hierzu und zum folgenden Rehberg, in: Eidenmüller, § 5 Rdnr. 111. 4 Binge/Thölke, DNotZ 2004, 21, 31 f.; Hirsch/Britain, NZG 2003, 1100, 1102; Kaligin, DB 1985, 1449, 1544; Rehberg, in: Eidenmüller, § 5 Rdnr. 114, 115; Großfeld, in: Staudinger, Internationales Gesellschaftsrecht Rdnr. 366 ff.; Leible, in: Michalski, Syst. Darst. 2 Rdnr. 162; a.M. Kindler, in: MünchKomm. BGB, IntGesR Rdnr. 258. 5 Riegger, ZGR 2004, 510, 517. 6 Ebenso Rehberg, in: Eidenmüller, § 5 Rdnr. 112.

318

H.-P. Westermann

Die GmbH im internationalen Privatrecht

Anhang § 4a

12. Grenzüberschreitende Beteiligungen, Typenvermischungen und Konzerne Sowohl durch Maßnahmen einer im Inland tätigen Auslandsgesellschaft (mit 59 und ohne Verwaltungssitz im Inland) als auch durch Beteiligungen deutscher Gesellschaften an ausländischen kann es zu grenzüberschreitenden Beteiligungen von GmbH und zum Eintritt in Unternehmensverbindungen i.S. der §§ 15 ff. AktG kommen. Bei der kollisionsrechtlichen Beurteilung solcher Vorgänge sind mehrere Personalstatute betroffen, da es um die Fähigkeit der eine Beteiligung erwerbenden oder anstrebenden Gesellschaft zu diesen Geschäften (Beteiligungsfähigkeit) und zugleich um das Recht der Zielgesellschaft geht, eine Gesellschaft der konkreten Art als Gesellschafter aufzunehmen1, sodann um die Behandlung des Verhältnisses der beteiligten Gesellschaften im Rahmen eines (vertraglich geordneten oder faktischen) Über- und Unterordnungskonzerns. Erwerbs- oder Beitrittsbeschränkungen können eine Frage des Gesetzesrechts, also des Gesellschafts- oder Berufsrechts (etwa bei einer Anwalts-GmbH) sein, aber auch der Satzung. Auf der Seite der Erwerbergesellschaft kann das Gründungsstatut die Rechts- oder Handlungsfähigkeit dahin einschränken, dass ein Anteilserwerb an ausländischen Gesellschaften verboten oder von bestimmten Voraussetzungen, u.U. auch steuerrechtlicher Art2, abhängig ist. Dies kann auch als Einschränkung der Rechtsfähigkeit konzipiert sein3; zur „ultra-vires-Lehre“ im anglo-amerikanischen Recht s. Rdnr. 30. Ein Einklang der diesbezüglichen Regeln für die Erwerber- und die Zielgesellschaft ist vor allem notwendig, um „hinkende“ Rechtsverhältnisse zu vermeiden. Wenn ein Sachrecht die Beteiligungsfähigkeit einschränkt, wird dies regelmäßig auch den Anteilserwerb an ausländischen Gesellschaften betreffen4. Bei der Maßgeblichkeit des Personalstatuts sowohl der Erwerber- als auch der Zielgesellschaft kann es bleiben, solange nicht das Sitzrecht der Zielgesellschaft durch die Art der Erwerbsbeschränkungen die Niederlassungsfreiheit in einer Weise beeinträchtigt, die nicht auf die Ausnahmevoraussetzungen des EuGH (Rdnr. 21) gestützt werden kann5. Unter gemeinschaftsrechtlichen Aspekten unwirksam wäre danach eine Regelung, die die Beteiligungsfähigkeit einer ausländischen Erwerber-Gesellschaft vom Vorhandensein eines Verwaltungssitzes außerhalb des Sitzstaats abhängig machte6. Im deutschen Recht stellt sich aufgrund der andernorts weithin unbekannten 60 Grundtypenvermischung die Frage, ob eine ausländische Kapitalgesellschaft – mit oder ohne Verwaltungssitz im Inland – die Rolle einer Komplementärin in einer KG übernehmen kann, sog. grenzüberschreitende Typenvermischung. Nach den Grundsätzen des Kollisionsrechts heißt das, dass die beiden Gesell1 Großfeld, in: Staudinger, Internationales Gesellschaftsrecht Rdnr. 304, 306; Leible, in: Michalski, Syst. Darst. 2 Rdnr. 124; Spahlinger/Wegen, in: Spahlinger/Wegen, Abschnitt C Rdnr. 274; Behrens, in: Ulmer, Einl. B Rdnr. 71. 2 Darum ging es in der oben Rdnr. 17 erörterten Daily-Mail-Entscheidung des EuGH, bei der allerdings ein Wegzug einer Gesellschaft in Rede stand, wobei ebenfalls steuerrechtliche Hindernisse des Heimatstaats respektiert wurden. 3 OLG Saarbrücken, JZ 1989, 904. 4 Über Ausnahmen Spahlinger/Wegen, in: Spahlinger/Wegen, Abschnitt C Rdnr. 275. 5 Etwas anders anscheinend Rehm, in: Eidenmüller, § 4 Rdnr. 51: „Überseering“ habe an der Anerkennung der Beteiligungsfähigkeit einer Auslandsgesellschaft nichts geändert. 6 Dazu Binz/Mayer, GmbHR 2003, 249, 255.

H.-P. Westermann

319

Anhang § 4a

Die GmbH im internationalen Privatrecht

schaften nach verschiedenen Personalstatuten leben, was zu unübersichtlichen Rechtsverhältnissen führen kann, etwa bei der „mittelbaren“ Geschäftsführung der Personengesellschaft durch Organe der Komplementärin. Über diese Bedenken1 haben sich aber Rechtsprechung und h.M. im Schrifttum hinweggesetzt2. Bei unklaren Vertretungsverhältnissen kommt wie generell bei der Organverfassung (Rdnr. 30) eine analoge Anwendung des durch Art. 12 EGBGB bewirkten Verkehrsschutzes in Betracht, zur Firmenbezeichnung der Komplementärin s. Rdnr. 37. Freilich kann es im Anwendungsbereich der Sitztheorie vorkommen, dass eine Komplementärin, um nicht im Inland ihre Rechts- und Beteiligtenfähigkeit zu verlieren, ihren Sitz im Gründungsstaat beibehalten muss3. Eine solche Mischung der Personalstatuten von Personengesellschaft und Komplementärin findet auch statt, wenn das Gründungsrecht der Letzteren ohne Rücksicht auf die Lage des Verwaltungssitzes für sie maßgeblich bleibt4. Dies ist aber im europäischen Raum wegen der weitgehenden Publizität der nach Auslandsrecht gegründeten Komplementär-Gesellschaft, wenn sie als Zweigniederlassung im deutschen Register eingetragen wird, durchaus hinzunehmen, was in diesem Fall ja auch dem Registergericht bekannt wird. Ob allerdings eine Ltd. als Komplementärin als Zweigniederlassung anzusehen und dann gemäß § 13d Abs. 2 Satz 1 HGB ins Handelsregister einzutragen ist, ist noch umstritten5. Eine solche Pflicht würde verstärkt durch die in §§ 177a, 125a HGB festgelegten Angaben auf Geschäftsbriefen6. Ferner können im deutschen Register auch dann die Vertretungsverhältnisse offengelegt werden, wenn das Gründungsrecht dies nicht vorschreibt7. Praktische Schwierigkeiten im Verhältnis unter den Beteiligten, wie sie sich insbesondere ergeben mögen, wenn die Beteiligungsverhältnisse und die Satzungen in der KG und der Komplementärin nicht aufeinander abgestimmt sind, beruhen letztlich auf dem autonomen Entschluss der Gesellschafter, den zu korrigieren das internationale Privatrecht nicht der Ort ist8. 1 Ebenroth/Auer, DNotZ 1990, 139; Ebke, ZGR 1997, 245, 265 ff.; Großfeld/Johannesmann, IPRax 1994, 271; Kindler, in: MünchKomm. BGB, IntGesR Rdnr. 552. 2 BayObLG, NJW 1986, 3029, 3031; OLG Saarbrücken, NJW 1999, 647; OLG Stuttgart, WM 1995, 928; im Schrifttum Zimmer, Internationales Gesellschaftsrecht, S. 208 ff.; Bungert, AG 1995, 489, 503; Kronke, IPRax 1995, 377; Mülsch/Nohlen, ZIP 2008, 1358; Leible, in: Michalski, Syst. Darst. 2 Rdnr. 200; zur darin liegenden Einschränkung der Sitztheorie Blaum, in: Westermann, Handbuch Personengesellschaften, Rdnr. I 3458 ff. 3 Ebenroth/Happ, JZ 1989, 883, 889; Großfeld/Piesbergen, in: FS Mestmäcker, 1996, S. 881, 885 f.; Kindler, in: MünchKomm. BGB, IntGesR Rdnr. 439. 4 Dies war für das AG Bad Oeynhausen (GmbHR 2005, 692) ein Grund, die Ltd. & Co. KG als unzulässig abzulehnen; zu diesen Fragen Werner, GmbHR 2005, 288 und auch bereits Binz/Sorg, GmbHR 2003, 249. Die Entscheidung wurde aber vom LG Bielefeld (GmbHR 2006, 89 und dazu Wachter, GmbHR 2006, 705 ff.) zu Recht aufgehoben; im Ergebnis ebenso Süß, GmbHR 2005, 673. 5 Dafür Wachter, GmbHR 2006, 79, 80; dagegen OLG Frankfurt, GmbHR 2008, 707; Süß, GmbHR 2005, 673; Blaum, in: Westermann, Handbuch Personengesellschaften, Rdnr. I 3464. 6 S. auch noch den krit. Kurzkommentar von Wachter, EWiR § 161 HGB 2/05 zu dem Beschluss des AG Bad Oeynhausen, GmbHR 2005, 692; zur Gründung und Firmierung eingehend Werner, GmbHR 2005, 288, 291. 7 So schon das BayObLG in dem Fall Landshuter Druckhaus Ltd., GmbHR 1986, 305 = NJW 1986, 3029. 8 Wie Wachter (EWiR § 161 HGB 2/05) darlegt, könnte sogar die Einheits-GmbH & Co. KG zugelassen werden, wobei die KG die Anteile an der Komplementär-Gesellschaft

320

H.-P. Westermann

Die GmbH im internationalen Privatrecht

Anhang § 4a

Auch bei Unternehmensverbindungen ist von verschiedenen Personalstatuten 61 der beteiligten Gesellschaften auszugehen, was die Frage nach der Zulässigkeit von Maßnahmen der Konzernleitung und Ansprüchen bzw. Verteidigungsmöglichkeiten einer abhängigen Gesellschaft zwei Statuten unterwirft, wenn nicht – was gesetzlich nicht geregelt ist – dem Statut der hauptsächlich betroffenen Gesellschaft der Vorrang zukommt. Das ist für den Schutz der abhängigen Gesellschaft, ihrer Gesellschafter und Gläubiger deren Personalstatut, für den Schutz der Gesellschafter der Obergesellschaft vor den Folgen der Konzernbildung und -leitung deren Personalstatut. Beim Gleichordnungskonzern entstehen durch die Anwendbarkeit des Personalstatuts der beteiligten Gesellschaften erhebliche Anpassungsprobleme1. Das alles gilt unabhängig von der Bildung des Konzerns durch Vertrag oder faktischen Einfluss aufgrund von Beteiligungen2. Die Vorstellung, hierdurch Schutzvorkehrungen für das im internationalen Vergleich stark ausgebaute deutsche Konzernrecht zu gewährleisten, muss allerdings Abstriche machen insofern, als auch hier wieder Auslandsgesellschaften mit Verwaltungssitz im Inland wegen der Niederlassungsfreiheit nicht unter das deutsche Reglement fallen, das Auseinanderfallen von Satzungs- und Verwaltungssitz bewirkt keine abweichende Beurteilung3. Freilich gilt für den Schutz einer inländischen abhängigen Gesellschaft deren Personalstatut, desgleichen muss eine inländische herrschende Gesellschaft im Hinblick auf ein von ihr abhängiges ausländisches Unternehmen die diesbezüglichen Regeln des ausländischen Rechts beachten4. Praktisch sind freilich die Schutzvorkehrungen des deutschen Rechts, etwa die Weigerung der Geschäftsführung, nachteilige Maßnahmen ohne Ausgleich durchzuführen, gegenüber einer ausländischen Mutter nicht immer sehr effektiv5. Der Schutz der Gesellschafter einer inländischen Muttergesellschaft, etwa im Rahmen der Konzernbildungskontrolle, folgt deutschem Recht6. Bei der kollisionsrechtlichen Behandlung der Unternehmensverträge können dieselben Schutzgedanken passen, jedenfalls wenn durch sie Abhängigkeit entsteht und soweit in die Willensbildung innerhalb der Gesellschaft eingegriffen wird. Nach dem Stand des wissenschaftlichen Schrifttums ist für grenzüberschreitende Beherrschungs- und Gewinnabführungsverträge einer ausländischen Mutter- mit einer inländischen Tochtergesellschaft deren Gesellschaftsstatut

1 2

3 4 5 6

hält, als Ausweg aus rechtlichen Schwierigkeiten der „normalen“ GmbH & Co. KG scheint dies aber nicht nötig. Dazu Spahlinger/Wegen, in: Spahlinger/Wegen, Abschnitt C Rdnr. 403. Zimmer, Internationales Gesellschaftsrecht, S. 366, 370, 410; Koppensteiner, Internationale Unternehmen im Gesellschaftsrecht, 1971, S. 175 ff.; Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, § 291 AktG Rdnr. 35, 36; Kindler, in: MünchKomm. BGB, IntGesR Rdnr. 731; Behrens, in: Ulmer, Einl. B Rdnr. 97; Leible, in: Michalski, Syst. Darst. 2 Rdnr. 218; Süß, in: Süß/Wachter, § 1 Rdnr. 138. Spahlinger/Wegen, in: Spahlinger/Wegen, Abschnitt C Rdnr. 394; Leible, in: Michalski, Syst. Darst. 2 Rdnr. 218. Lutter, in: Lutter/Hommelhoff, Anh. § 13 Rdnr. 93; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Anh. § 13 Rdnr. 161; Spahlinger/Wegen, in: Spahlinger/Wegen, Abschnitt C Rdnr. 390. Hierzu Maul, NZG 1999, 741. Leible, in: Michalski, Syst. Darst. 2 Rdnr. 220.

H.-P. Westermann

321

62

Anhang § 4a

Die GmbH im internationalen Privatrecht

maßgebend1. Das sieht wohl auch die Rechtsprechung so2. Angesichts der gewöhnlichen Art des Zustandekommens solcher Verträge leuchtet es ein, dass eine Rechtswahl, etwa für das Recht der Muttergesellschaft, als unzulässig erklärt wird3. Zum Sachrecht gehört sodann die Frage, ob die grenzüberschreitende Unterwerfung durch einen derartigen Vertrag hingenommen werden kann, was vielfach geleugnet oder zum Anlass von Modifikationen in Gestalt einer Störung der Möglichkeiten des Widerstands gegen Weisungen der herrschenden Gesellschaft genommen wird4, wodurch zum Teil aber auch einer Vermeidung der deutschen Mitbestimmung entgegengewirkt werden soll5. Dies und auch die Befürchtungen, die Folgen aus den Schutznormen des deutschen Sachrechts im Ausland oftmals nur schwer durchsetzen zu können6, was auch durch die Notwendigkeit einer Klage vor einem ausländischen Gerichtsstand verursacht werde7, hat aber nicht zur Bildung einer h.M. geführt, die den grenzüberschreitenden Unternehmensvertrag zulässt8, wobei das häufig aufgestellte Erfordernis der Wahl deutschen Sachrechts9 sich angesichts der behaupteten Unzulässigkeit der Wahl eines ausländischen Sachrechts nicht gut begründen lässt. Unternehmensverträge einer deutschen Obergesellschaft mit einer ausländischen Tochter müssten mit dem ausländischen Sachrecht vereinbar sein, das aber derartige Vertragstypen durchweg nicht kennt. Betriebsüberlassungs- und Teilgewinnabführungsverträge werden von der h.M. ebenfalls dem Personalstatut zugeordnet, was zutreffen dürfte, wenn sie zur Strukturierung einer ganzen Unternehmensgruppe dienen10; in anderen Fällen liegt eine Qualifikation als Schuldvertrag näher.

1 Koppensteiner, Internationale Unternehmen im deutschen Gesellschaftsrecht, 1971, S. 245 ff.; Behrens, in: Ulmer, Einl. B Rdnr. 97; Kindler, in: MünchKomm. BGB, IntGesR Rdnr. 774; Leible, in: Michalski, Syst. Darst. 2 Rdnr. 221. 2 Zu den Urteilen BGHZ 119, 1 und BGHZ 138, 136 in diesem Sinne Kindler, in: MünchKomm. BGB, IntGesR Rdnr. 774; krit. aber Bayer, ZGR 1993, 599, 611 ff. 3 Bärwaldt/Schabacker, AG 1998, 182, 186; Bayer, ZGR 1992, 599, 612. 4 Gegen die Zulässigkeit Ebenroth/Offenloch, RIW 1997, 1, 12; Martens, ZHR 138 (1974), 179, 194 f.; für eine Modifikation des § 308 AktG Koppensteiner, Internationale Unternehmen im deutschen Gesellschaftsrecht, S. 245 ff.; für Einschränkungen des Weisungsrechts einer Mutter, die ihren durch das Personalstatut der Tochter begründeten Pflichten nicht nachkommt, Koppensteiner, in: KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1987, § 291 AktG Rdnr. 195; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Anh. § 13 Rdnr. 170. 5 Däubler, RabelsZ 39 (1975), 444, 446. 6 Ebenroth/Offenloch, RIW 1997, 1, 12; Maul, NZG 1999, 741. 7 Hiergegen im Hinblick auf die dienende Funktion des Prozessrechts Leible, in: Michalski, Syst. Darst. 2 Rdnr. 222; zur Verweisung eines nach einem ausländischen Sachrecht zu entscheidenden Rechtsstreits an ein Gericht des betreffenden Staats Rdnr. 47 a.E. 8 Einsele, ZGR 1996, 40, 46; Lutter, in: Lutter/Hommelhoff, Anh. § 13 Rdnr. 93; Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, § 291 AktG Rdnr. 37a; Leible, in: Michalski, Syst. Darst. 2 Rdnr. 222; Kindler, in: MünchKomm. BGB, IntGesR Rdnr. 759; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Anh. § 13 Rdnr. 171. 9 Großfeld, in: Staudinger, Internationales Gesellschaftsrecht Rdnr. 575; Wiedemann, in: FS Kegel, 1977, S. 187, 207; Leible, in: Michalski, Syst. Darst. 2 Rdnr. 222. 10 Generell für gesellschaftsrechtliche Qualifikation Einsele, ZGR 1996, 40, 50; Spahlinger/Wegen, in: Spahlinger/Wegen, Abschnitt C Rdnr. 370; Großfeld, in: Staudinger, Internationales Gesellschaftsrecht Rdnr. 522; zögernd aber Leible, in: Michalski, Syst. Darst. 2 Rdnr. 222 Fn. 720.

322

H.-P. Westermann

Die GmbH im internationalen Privatrecht

Anhang § 4a

Auch konzerninterne Finanzierungsmaßnahmen können grenzüberschreitend 63 angewendet werden. Soweit sie, wie die Anweisungen im Rahmen eines cashpool, mit den Regeln des deutschen Sachrechts über Kapitalaufbringung und -erhaltung in Konflikt geraten könnten, etwa weil der Rückzahlungsanspruch aus einem upstream-Darlehen nicht fälliggestellt werden kann oder gänzlich ungesichert ist (näher § 30 Rdnr. 76 ff.), gilt das Personalstatut des zur Auszahlung oder Festlegung von Geldmitteln angehaltenen Gruppen-Unternehmens. Die Säumnis bei der Einrichtung eines Risiko-Überwachungssystems kann für die verantwortlichen Organe eine gesellschaftsrechtlich zu qualifizierende Haftung begründen, s. auch Rdnr. 64. Zur kollisionsrechtlichen Behandlung von Gesellschafterdarlehen Rdnr. 50, 51, 52.

13. Haftungsfragen, insbesondere in der Insolvenz und in Insolvenznähe a) Überblick Die unternehmerischen Aktivitäten ausländischer Gesellschaften können Fragen 64 der Gesellschafter- und Geschäftsführerhaftung unter verschiedenen Gesichtspunkten aufwerfen. Eine Einstandspflicht kann entstehen für die Verbindlichkeiten, die im Rahmen des Geschäftsbetriebs einer Auslandsgesellschaft begründet worden sind, wenn hierfür die betroffenen natürlichen Personen (nicht notwendig: ausländische Staatsangehörige) haften. Das droht dann, wenn die Gesellschaft als rechtsfähiges Haftungssubjekt anerkannt ist; anders in den Fällen, in denen – etwa wegen der Herkunft der Gesellschaft aus einem Nicht-EU-Staat – ein nach seinem Gründungsrecht rechtsfähiger Verband im Sitzstaat als Personengesellschaft, u.U. mit voller akzessorischer Haftung, behandelt wird (Rdnr. 11) – „Trabrennbahn“. Wird dagegen die im Ausland erworbene Rechtsfähigkeit im Sitzstaat anerkannt, so bedarf es eines Tatbestandes der Durchgriffshaftung, der dann aber kollisionsrechtlich neben dem Personalstatut der Gesellschaft zur Geltung kommen muss (dazu Rdnr. 71). Weniger bedeutsam sind in diesem Zusammenhang Ansprüche, die sich aus Verstößen gegen die deutschen Bestimmungen über Kapitalaufbringung und Kapitalerhaltung ergeben können, solange insoweit auf eine Auslandsgesellschaft nicht ausnahmsweise doch das Recht des inländischen Verwaltungssitzes angewendet wird; im Geltungsbereich der Sitztheorie sind diese Anspruchsgrundlagen als zum Personalstatut gehörig anwendbar. Zur Haftung im Vorstadium einer GmbH-Gründung s. Rdnr. 44. Große praktische Bedeutung können die Schadensersatzfolgen von Verstößen gegen die Pflicht zur rechtzeitigen Stellung eines Insolvenzantrags (Insolvenzverschleppungshaftung) gewinnen, die freilich voraussetzen, dass das Verhalten eines Geschäftsleiters dem deutschen Insolvenzrecht unterliegt. Unter allen diesen Aspekten bedarf es also einer ständigen Abgrenzung des Gesellschaftsstatuts vom Delikts- und Insolvenzstatut1. Einige Auslandsrechte, die infolge der fortdauernden Anwendung des Gründungsrechts auf die nach ihren Normen gegründeten Gesellschaften auch bei Tätigkeit im Inland zum Zuge kommen können, enthalten ihrerseits Haftungstatbestände, die somit auch für inländische Gläubiger von Interesse sein

1 Eidenmüller, in: Eidenmüller, § 4 Rdnr. 8; Horn, NJW 2004, 893 ff.; Bitter, WM 2004, 2190 ff.

H.-P. Westermann

323

Anhang § 4a

Die GmbH im internationalen Privatrecht

können, besonders wenn auch sie deliktsrechtlich zu qualifizieren sein sollten1. Anders zu beurteilen ist schließlich die Haftung von Organpersonen einer in- oder ausländischen Gesellschaft für Pflichtverletzungen gegenüber der Gesellschaft bei unternehmerischer Tätigkeit im Inland oder auch nach einer Sitzverlegung ins Ausland. Dies ist allerdings eine besondere Fragestellung insofern, als es dabei um den Schutz der Gesellschaft und ihrer Gesellschafter geht, während im Allgemeinen die Probleme der Haftung im Schwerpunkt unter Gesichtspunkten des Gläubigerschutzes vorwiegend im Hinblick auf den inländischen Rechtsverkehr gesehen werden. Die Haftung wegen Nichtabführung von Sozialversicherungsbeiträgen ist nicht gesellschaftsrechtlich, sondern deliktsrechtlich ausgestaltet, somit gilt das inländische Deliktsstatut2. b) Die Haftungstatbestände 65

Eine Haftung wegen Beteiligung oder Leitung einer nicht regelgerecht in Deutschland gegründeten ausländischen Kapitalgesellschaft kommt nur noch in Missbrauchsfällen in Betracht. Wie gezeigt, scheidet eine Sonderanknüpfung für die verschuldensunabhängigen Haftungstatbestände, die sich aus Grundsätzen der Kapitalaufbringung und -erhaltung ergeben, im europäischen Bereich aus3, ist andererseits im Geltungsbereich der Sitztheorie nicht notwendig. Das bedeutet für die Praxis in Europa, dass die Gesellschafter- und Geschäftsleiterhaftung sich nach den – durchaus vielfältigen – gesellschaftsrechtlichen Anspruchsgrundlagen des Gründungsstatuts richtet, was bedeutet, dass allenthalben zunächst von der Haftungsbeschränkung auf das Gesellschaftsvermögen auszugehen ist4, ein allgemeines Zurücktreten dieser Lösung hinter Verkehrsschutzinteressen ist nicht anzunehmen5, mit Ausnahme nicht hinnehmbarer Missbrauchstatbestände, die sich unter Einbeziehung strafrechtlicher Schutzgesetze6 ins Deliktsrecht einordnen lassen, daneben Tatbestände der Insolvenzverschleppung7 (näher Rdnr. 70). Als Fall einer Deliktshaftung wird der Betrieb einer materiell unterkapitalisierten Gesellschaft diskutiert8, was allerdings angesichts der Undurchsetzbarkeit von 1 Die Durchsetzung dieser Ansprüche, womöglich unter Fortbildung der Anspruchsgrundlagen des ausländischen Rechts, will die deutsche Rechtsprechung zulassen, dazu Goette, ZGR 2006, 261, 279. 2 Dazu Hirte, ZInsO 2005, 403. 3 Spindler/Berner, RIW 2004, 7 ff.; Kleinert/Probst, DB 2003, 2217 f.; Meilicke, GmbHR 2003, 1271 f.; Spahlinger/Wegen, in: Spahlinger/Wegen, Abschnitt C Rdnr. 324; Behrens, in: Ulmer, Einl. B Rdnr. 99; Leible, in: Michalski, Syst. Darst. 2 Rdnr. 142; Weller, in: MünchKomm. GmbHG, Einl. Rdnr. 397, 398. Zum Grundsatz in der Rechtsprechung BGHZ 124, 146, 148; BAG, ZIP 1992, 1566; OLG Brandenburg, ZInsO 2009, 1695. 4 Spindler/Berner, RIW 2004, 7 ff.; Eidenmüller, in: Eidenmüller, § 4 Rdnr. 16; Behrens, in: Ulmer, Einl. B Rdnr. 88. 5 Leible, in: Michalski, Syst. Darst. 2 Rdnr. 143 gegen Großfeld, in: Staudinger, Internationales Gesellschaftsrecht, Rdnr. 350. 6 Hierzu mit Blick auf die Haftung der Direktoren einer in Deutschland ansässigen Ltd. Rönnau, ZGR 2005, 832 ff. 7 Goette, DStR 2005, 1997 ff.; Spindler/Berner, RIW 2004, 7 ff.; Ulmer, NJW 2004, 1201, 1207 f.; Borges, ZIP 2004, 733; U. Huber, in: Lutter, S. 307, 317 ff. 8 Borges, ZIP 2004, 733, 741 ff.; Ulmer, NJW 2004, 1201, 1208; Zimmer, NJW 2003, 3585, 3588 f.; Bitter, WM 2004, 2190, 2197 f.; Lutter, BB 2003, 7, 10; W.-H. Roth, IPRax 2003, 117, 125.

324

H.-P. Westermann

Die GmbH im internationalen Privatrecht

Anhang § 4a

Forderungen auf Bereitstellung eines bestimmten Mindestkapitals allenfalls dann in Betracht kommt, wenn durch die Art des Geschäftsbetriebs vorsätzlich das Vorhandensein von über die publizierte Kapitalausstattung deutlich hinausgehenden Eigenmitteln vorgetäuscht wird. Das wird sich, da auch der subjektive Tatbestand eines Vorsatzdelikts vorliegen muss, auf Extremfälle beschränken und tangiert dann auch nicht die Niederlassungsfreiheit1, was bei einem generellen und abstrakten Verständnis des Missbrauchsbegriffs wohl zu befürchten wäre2. Wenn statt der korrekten und heute zulässigen (Rdnr. 36 ff.) ausländischen Firma eine Firma mit dem Rechtsformzusatz „GmbH“ verwendet wird, kann es sich um einen Fall deliktischer Haftung handeln3. Dagegen stellen die von einigen hierher gerechneten Fälle der Vermögensvermischung nicht ohne weiteres einen Missbrauchs- oder Durchgriffstatbestand dar, jedenfalls dann nicht, wenn das Gründungsrecht Vertrauen bezüglich der klaren Trennung von Gesellschafter- und Gesellschaftsvermögen begründet, was es durchaus gibt4, ohne dass dabei aus Gläubigersicht spürbare Lücken bleiben. Auch hier sind Ausnahmen für krasse Fälle der Gläubigertäuschung denkbar5, die sich auch mit einer Unterkapitalisierung berühren werden. Anwendbar sind schließlich auch die Regeln über culpa in contrahendo, die bekanntlich vertragsrechtlich ansetzen, ohne einen perfekten Vertrag zu erfordern, und die praktisch insofern interessant sein können, als für einen Ersatzanspruch hier Fahrlässigkeit genügen kann. Bei Verstößen gegen die Registerpublizität soll es in Deutschland eine Schadens- 66 ersatzhaftung verantwortlicher Organe, die über die Sanktion durch das Zwangsgeld hinausgeht, nicht geben (Rdnr. 35), doch bleiben gewisse Zweifel. Immerhin haben nach Art. 12 der Zweigniederlassungsrichtlinie die Mitgliedstaaten für den Fall, dass Auslandsgesellschaften ihre Offenlegungspflichten verletzen, dafür zu sorgen, dass Verstöße gegen Gemeinschaftsrecht nach ähnlichen sachlichen und verfahrensrechtlichen Regeln geahndet werden wie vergleichbare Verstöße gegen nationales Recht. Der EuGH legte Wert darauf, dass diese Sanktionen wirksam und abschreckend, aber auch verhältnismäßig zu sein hätten6. Darin liegt aber keine Festlegung, ob eine dem § 11 Abs. 2 des deutschen GmbHGesetzes vergleichbare Norm des niederländischen WFBV mit der Niederlassungsfreiheit vereinbar war. Entscheidend ist somit, ob trotz des Fehlens einer Haftungsregelung im Gründungsrecht auf die Auslandsgesellschaften hinlänglicher Druck zur Erfüllung der Offenlegungspflicht ausgeübt wird7, wobei z.T. 1 Paefgen, ZIP 2004, 2353, 2360; Fleischer, in: Lutter, S. 119, 121; ähnlich Leible/Hoffmann, RIW 2002, 925, 930; Schanze/Jüttner, AG 2003, 661, 669; abl. für den Fall der Unterkapitalisierung aber Weller, IPRax 2003, 520, 523; Eidenmüller, in: Eidenmüller, § 4 Rdnr. 28. 2 In diese Richtung die Schlussanträge des Generalanwalts Alber in der Sache „Inspire Art“, NZG 2003, 263; s. auch Bayer, BB 2003, 2357, 2364. 3 Beckemper, GmbHR 2002, 465 ff. 4 So etwa das niederländische Gesellschaftsrecht, das auf den Tatbestand der Vermögensvermischung einen Haftungsdurchgriff im Konzern stützte, s. H.P. Westermann, AG 1985, 201 ff.; zum englischen Recht in diesem Zusammenhang Fleischer, in: Lutter, S. 123; zum US-amerikanischen Recht Fleischer, in: Lutter, S. 122. 5 Schanze/Jüttner, AG 2003, 661, 669; weitergehend Schön, ZHR 168 (2004), 268, 294; Zimmer, NJW 2003, 3585, 3588. 6 S. das Urteil „Inspire Art“ (Rdnr. 22) in Rdnr. 25 und 59–64. 7 Dies verneinen Borges, ZIP 2004, 773, 776; Leible/Hoffmann, EuZW 2003, 677, 679.

H.-P. Westermann

325

Anhang § 4a

Die GmbH im internationalen Privatrecht

auch noch zwischen der Neugründung einer Gesellschaft und der Eröffnung der Zweigniederlassung unterschieden wird1. Da die Zweigniederlassungsrichtlinie eine abschließende Regelung trifft, ist auch fraglich, ob aus der Niederlassungsfreiheit gefolgert werden kann, dass der für eine inländische Gesellschaft vor der Eintragung Handelnde schlechter stehen darf als bei Auslandsgesellschaften2. Die Entscheidung spitzt sich somit auf die auch vom BGH erkannte Frage zu, ob Art. 7 der Publizitätsrichtlinie eine Rechtsfortbildung in diese Richtung erfordert, da in Deutschland eine Handelndenhaftung etabliert ist, die als Sanktion für die Nichteinhaltung der Gründungspublizität konzipiert ist3. Der BGH sah hier nicht die Notwendigkeit, über die Ausnahmevoraussetzungen nach dem Vier-Punkte-Test hinauszugehen; im Schrifttum4 ist auch noch darauf hingewiesen worden, dass § 11 Abs. 2 sich auf die Versäumung einer konstitutiven Registereintragung beziehe und für die Eintragung einer Zweigniederlassung einer bereits im Gründungsstaat registrierten Gesellschaft nicht passe. c) Durchgriffshaftung 67

Wenn die grundsätzlichen Züge der Haftungsverfassung dahin gekennzeichnet werden können, dass die gesellschaftsrechts-akzessorischen, allein auf objektiven Kriterien beruhenden Anspruchsgrundlagen des deutschen Rechts auf EUAuslandsgesellschaften und weitere Gesellschaften, die auch im Inland nach ihrem Gründungsrecht leben können, nicht anzuwenden sind, so muss sich besondere Aufmerksamkeit auf Anspruchsgrundlagen richten, die delikts- oder insolvenzrechtlich angeknüpft werden könnten, also die Haftung wegen Existenzvernichtung. Dabei kommt es freilich nicht nur auf die kollisionsrechtliche Beurteilung dieser Ansprüche an, sondern – gerade im Hinblick auf die Existenzvernichtungshaftung – auf die Frage, ob bei Anwendbarkeit des deutschen Sachrechts außer den bekannten Tatbeständen der Ausplünderung des Gesellschaftsvermögens (im Einzelnen dazu § 13 Rdnr. 152 ff.) schon das Betreiben und die Fortführung einer Auslandsgesellschaft mit dem nach ihrem Gründungsrecht vorgeschriebenen Kapital in der Gründungsphase und auch in einer Unternehmenskrise als Durchgriffsfall auf der Grundlage der beiden genannten Rechtsinstitute angesehen werden kann, oder ob eine solche Haftung doch auf eine Beeinträchtigung der Niederlassungsfreiheit schließen lässt. Beide Aspekte sind umstritten, sie sind für die Existenzvernichtungs- und die Insolvenzerschleppungshaftung getrennt zu betrachten5.

68

Die vom BGH in Abkehr vom Konzept des „qualifizierten faktischen Konzerns“ rechtsfortbildend entwickelte Haftung von Gesellschaftern und Geschäftsführern wegen Eingriffen in das Vermögen und die Geschäftschancen der Gesellschaft, auf1 Leible/Hoffmann, EuZW 2003, 677, 679; dagegen Paefgen, GmbHR 2005, 957, 962. 2 Auch hierzu Leible/Hoffmann, EuZW 2003, 678, Borges, ZIP 2004, 736. 3 So eingehend Paefgen, GmbHR 2005, 957, 962 ff.; s. auch Leible/Hoffmann, EuZW 2003, 677, 679. 4 Lutter, in: Lutter, S. 1, 13. 5 Zu dieser zweigeteilten Fragestellung schon das AG Bad Segeberg, GmbHR 2005, 844 m. Komm. Dichtl, GmbHR 2005, 886, während das aufhebende Urteil des LG Kiel (ZIP 2006, 1248) allein von der nach deutschem Recht zu beurteilenden Verletzung der Insolvenzantragspflicht (Rdnr. 150) ausging.

326

H.-P. Westermann

Die GmbH im internationalen Privatrecht

Anhang § 4a

grund deren sie außerstande ist, ihren Verbindlichkeiten nachzukommen, ohne dass eine nach §§ 30, 31 geschuldete Rückführung abgezogener Werte diese Fähigkeit wieder herstellen kann (§ 13 Rdnr. 161 ff.), hätte, wie es bei dem ursprünglichen konzernrechtlichen Ansatz auch der Fall war, mit dem Gedanken der missbräuchlichen Nutzung des Haftungsprivilegs gemäß § 13 Abs. 2 gesellschaftsrechtlich begründet und damit entsprechend qualifiziert werden können. Im Sachrecht konnte dabei auf Verschuldenselemente sicher nicht ganz verzichtet werden, direkter Vorsatz oder Bewusstsein der Sittenwidrigkeit, wie sie zu den Voraussetzungen der jetzt bevorzugten Anspruchsgrundlage in § 826 BGB1 gehören, müsste dabei nicht gefordert werden. Solange der Anspruch als ein solcher der Gesellschaft gesehen wird, also nur einen mittelbaren Schutz der Gläubiger bewirken kann, was im Sachrecht kritisiert wird2, und im Hinblick darauf, dass die neue Judikatur des BGH mit einer Lückenhaftigkeit des gesellschaftsrechtlichen Schutzsystems im Rahmen der §§ 30, 31 begründet wurde, das auf der Ebene des Deliktsrechts ergänzt werden müsse3, wäre eine gesellschaftsrechtliche Qualifikation angebracht4. Dass eine verbreitete Ansicht stattdessen eine Anknüpfung ans Deliktsrecht vertritt5, dürfte nicht zuletzt daran liegen, dass es dann (Art. 4 Abs. 1 Rom II-VO) auf den Ort des Schadenseintritts ankommt und nicht mehr überlegt werden muss, ob die Haftung bei grundsätzlicher Maßgeblichkeit des Gründungsstatuts mit dem ordre-public-Vorbehalt6 oder mit einer Sonderanknüpfung7 zur Geltung gebracht werden kann. Erwogen wird auch eine Doppel- oder Mehrfachqualifikation8, in die auch das Insolvenzstatut einbezogen werden könnte9, die – ebenfalls ganz ergebnisbezogen – wie die deliktsrechtliche Anknüpfung zum Insolvenzrecht führen würde, aber daran vorbeigeht, dass ein Insolvenztatbestand nicht vorliegen muss, es muss sich gerade nicht um einen insolvenzauslösenden Eingriff10 handeln. Es geht auch nicht, wie bei insolvenzrechtlichen Anfechtungstatbeständen, nur um Rückführung missbräuchlich entnommener Werte. Somit sollte für die Qualifikation, in Bezug auf die derzeit noch kein einhelliger Meinungsstand festgestellt werden kann, der Gedanke der Durchbrechung des Haftungsprivilegs und somit ein gesellschaftsrechtliches Instrument den Ausschlag 1 BGHZ 173, 246 – „Trihotel“; BGHZ 179, 344; 176, 204 – „Gamma“; BGH, NJW-RR 2008, 1417. 2 Dauner/Lieb, ZGR 2006, 2034, 2041; Veil, in: VGR, Gesellschaftsrecht in der Diskussion 2005, 2006, S. 103, 114; Kleindiek, ZGR 2007, 276, 302 ff. 3 Trihotel-Entscheidung Rdnr. 16, 19 und dazu Weller, in: MünchKomm. GmbHG, Einl. Rdnr. 413, 414. 4 Behrens, in: Ulmer, Einl. B Rdnr. 91; Weller, in: MünchKomm. GmbHG, Einl. Rdnr. 423. 5 Staudinger, AnwBl. 2008, 316; Gehrlein, WM 2008, 761, 769; Bayer, BB 2003, 2357, 2365; Zimmer, NJW 2003, 3585; Spahlinger/Wegen, in: Spahlinger/Wegen, Abschnitt C Rdnr. 339 ff.; Leible, in: Michalski, Syst. Darst. 2 Rdnr. 131. 6 Paefgen, DB 2003, 487, 490; Ulmer, JZ 1999, 662, 665. 7 Ablehnend aber Behrens, in: Ulmer, Einl. B Rdnr. 93. 8 Weller, in: MünchKomm. GmbHG, Einl. Rdnr. 423; warnend in Bezug auf Doppel- oder Mehrfachqualifikationen, die kollisionsrechtlich wenig erforscht seien, Fleischer, in: Lutter, S. 84 f.; s. auch v. Bar/Mankowski, Internationales Privatrecht I, 2. Aufl. 2003, § 7 Rdnr. 178. 9 Kindler, in: FS Jayme, S. 409, 417; G.H. Roth, NZG 2003, 1081, 1085; Zimmer, NJW 2003, 3585 Fn. 339; für ausschließlich insolvenzrechtliche Qualifikation Weller, Europäische Rechtsformwahlfreiheit, 2004, S. 267 ff.; zögernd Zöllner, GmbHR 2006, 1, 8. 10 Ulmer, JZ 2002, 1049, 1051; Lutter/Banerjea, ZGR 2003, 402, 418.

H.-P. Westermann

327

Anhang § 4a

Die GmbH im internationalen Privatrecht

geben1. Im Einzelfall mag es aber vorkommen, dass die vollen Voraussetzungen des § 826 BGB festgestellt werden können, was eine mindestens bedingt vorsätzliche Gläubigerschädigung2 und nicht nur einen Versuch erfordert, zu retten, was zu retten ist. Gegen einen reinen Deliktsanspruch ist auch eingewendet worden, dass es nicht um die Verletzung von jedermann treffenden Pflichten, sondern um die Inanspruchnahme von Gesellschaftern und Geschäftsleitern einer Kapitalgesellschaft geht3. Die vom BGH angenommene Innenhaftung lässt sich schließlich dem deutschen Gesellschaftsstatut besser einfügen als dem Insolvenzstatut; Zweifel bestehen aber natürlich im Hinblick auf die Bewältigung solcher Fälle mit einem ausländischen Gründungsstatut, das aber, wie etwa die Regeln des englischen Rechts zum „wrongful trading“, auch von deutschen Gerichten angewendet werden könnte. Es bleibt freilich zu wünschen, dass die in einem Fall abgelehnte Zuständigkeit der deutschen Gerichte für die Inanspruchnahme einer ausländischen Gesellschaft (Rdnr. 47 a.E.) für die Existenzvernichtungshaftung überdacht, jedenfalls nicht ohne weiteres hierher übertragen wird. Eine rein insolvenzrechtliche Anknüpfung müsste mit einer – möglicherweise gemeinschaftsrechtlich geforderten – Vereinheitlichung der legislativen Ziele des Insolvenz- und des Gesellschaftsrechts jedenfalls in einer Krise der Gesellschaft begründet werden, was durch die Regelung in Art. 4 Abs. 2 Satz 2 der EuInsVO nicht vorgegeben ist4. 69

Unabhängig von der kollisionsrechtlichen Einordnung muss das Institut der Existenzvernichtungshaftung mit den Anforderungen der Niederlassungsfreiheit vereinbar sein5. Das lässt sich nicht einfach damit begründen, dass die Beendigung der Gesellschaft und die haftungsrechtlichen Folgen daraus nicht die Niederlassungsfreiheit beeinträchtigten. Der EuGH hat nämlich auch mitgliedstaatliche Regelungen der Auflösung von Gesellschaften als Beschränkungen der Kapitalverkehrsfreiheit angesehen6. Es erscheint auch nicht selbstverständlich, dass es eine Marktzugangsbeschränkung darstellt, wenn die Gesellschafter befürchten müssen, bei Begründung eines Sitzes in Deutschland einer Haftung der hier erörterten Art unterworfen zu werden7. Ein Vertrauen darauf, bei Scheitern des von der Gesellschaft betriebenen Unternehmens dieses wirtschaftlich auszuräumen und die Gläubiger auf anderweitige Befriedigung ihres Sicherungsbedürfnisses verweisen zu können, muss freilich nicht unbedingt geschützt werden. Dass auf EU-Auslandsgesellschaften die Regeln über die Existenzvernichtungshaftung 1 Zu den Vorigen noch Karsten Schmidt, ZHR 168 (2004), 493, 498; Fleischer, in: Lutter, S. 89 ff. 2 Goette, DStR 2004, 2115; zur Anwendung des § 826 BGB auf planmäßigen Vermögensentzug ohne Rücksicht auf die bestehenden Schulden BGH, ZIP 2004, 2138 sowie das Centros-Urteil Rdnr. 18 in Rdnr. 39. So auch Zöllner, GmbHR 2006, 1, 8. 3 Eidenmüller, in: Eidenmüller, § 4 Rdnr. 21. 4 Ulmer, KTS 2004, 291, 303 f. 5 So auch Behrens, in: Ulmer, Einl. B Rdnr. 94. In manchen Überlegungen zur insolvenzrechtlichen Qualifikation einiger bisher gesellschaftsrechtlich anzuknüpfender Instrumente des Gläubigerschutzes scheint die Vorstellung mitzuwirken, auf diese Weise den Anforderungen der Niederlassungsfreiheit entgehen zu können, dazu H.P. Westermann, ZIP 2005, 1849, 1853. 6 EuGH v. 13.5.2003 – Rs C 463/60, Slg. 2003 I-4581 Rdnr. 54, 58 ff.; dazu Fleischer, in: Lutter, S. 125. 7 Eidenmüller, in: Eidenmüller, § 4 Rdnr. 25; Leible, in: Michalski, Syst. Darst. 2 Rdnr. 151.

328

H.-P. Westermann

Die GmbH im internationalen Privatrecht

Anhang § 4a

auch unter gemeinschaftsrechtlichen Gesichtspunkten nicht anwendbar sein sollen1, ist danach nicht allgemein überzeugend, sondern nur dann, wenn die inländische Praxis die Anwendung dieser Anspruchsgrundlage auf andere als Extremfälle einer missbräuchlichen Ausnutzung eines Regelungsgefälles in Europa bzw. ernsthafter Schutzlücken im Gründungsrecht ausdehnen sollte. d) Haftung bei Insolvenz, Insolvenzverfahren Eine in Insolvenznähe (Zahlungsunfähigkeit) drohende Haftung folgt aus der 70 Verletzung von Zahlungsverboten gemäß § 64. Die internationale Zuständigkeit, die Zugehörigkeit von Werten zur Insolvenzmasse oder auch die Befugnisse des Insolvenzverwalters, im letzteren Bereich also an sich Gegenstände des nationalen Sachrechts, bestimmen sich nach dem Internationalen Insolvenzrecht der seit dem 31.5.2002 geltenden EuInsVO2, die also Kollisionsrecht enthält. Für die Eröffnung des Verfahrens besteht die internationale Zuständigkeit der Gerichte des Staats, in dem der Mittelpunkt der hauptsächlichen wirtschaftlichen Interessen des Schuldners (COMI – Centre of main interest) liegt, vorausgesetzt, dass die in Art. 3 Abs. 1 Satz 2 EuInsVO aufgestellte Vermutung, wonach dieser Ort mit dem Satzungssitz übereinstimmt, nicht widerlegt ist, andernfalls kommt es doch auf den Satzungssitz an3. Diese Kriterien wurden im Rahmen einer Gesamtbetrachtung der Umstände konkretisiert4, was auch bei Satzungssitzverlegung und Einstellung des Geschäftsbetriebs anzuwenden ist5. Nach der Eröffnung des Verfahrens bestimmt das europäische Recht weiterhin über die Insolvenzfähigkeit, die Antragsberechtigten, die Eröffnungsgründe sowie über die Durchführung und Beendigung des Verfahrens, nicht aber über die gesellschaftsrechtlichen Auswirkungen der Insolvenz insbesondere auf die Haftung der Gesellschafter und den Fortbestand – oder die automatische Auflösung – der Gesellschaft6. Hier entstehen also Qualifikationsfragen. Soweit dann auf der Grundlage des Art. 4 Abs. 1 EuInsVO Auslandsgesellschaften mit Sitz im Inland auch im Hinblick auf den Gläubigerschutz nach dem deutschen Insolvenzrecht beurteilt werden können, müssen diese Normen allerdings wiederum dem Grundsatz der Niederlassungsfreiheit entsprechen7. Daher ist mit Überlegungen wie derjenigen, 1 Eidenmüller/Rehm, ZGR 2004, 159, 182; Paefgen, DB 2003, 487, 490 f.; Spindler/Berner, RIW 2000, 11; Ziemons, ZIP 2003, 1913, 1917; a.M. aber Bayer, BB 2003, 2357, 2364; Borges, ZIP 2004, 733, 741 ff.; Schön, ZHR 168 (2004), 268, 273 ff.; Weller, IPRax 2002, 2009; Altmeppen, NJW 2004, 97, 101 f. 2 Dazu im Einzelnen Eidenmüller, IPRax 2001, 2; Paulus, DStR 2005, 334; zum territorialen Anwendungsbereich Huber, ZZP 114 (2001), 133 ff.; zu den Ausführungsvorschriften der §§ 335–358 der deutschen InsO Kindler, in: MünchKomm. BGB, IntGesR Rdnr. 940. 3 Leible, in: Michalski, Syst. Darst. 2 Rdnr. 169; krit. zu dieser Regelung noch Leible/ Staudinger, KTS 2000, 533, 544; zu den Prüfungskompetenzen der nationalen Gerichte Huber, ZZP 114 (2001), 133, 141. 4 EuGH, ZIP 2011, 2153 m. Kurzkomm. Paulus, EWiR 2011, 745 (Interedil); näher dazu Bayer/J. Schmidt, BB 2012, 3, 11. 5 Dazu Lutter/Bayer/J. Schmidt, Europäisches Unternehmens- und Kapitalmarktrecht, § 16 Rdnr. 22; zur Einstellung des Geschäftsbetriebs BGH, NJW 2012, 936 im Anschluss an „Interedil“. 6 Kuntz, NZI 2005, 424 f.; Weller, in: MünchKomm. GmbHG, Einl. Rdnr. 403, 404; Leible, in: Michalski, Syst. Darst. 2 Rdnr. 167. 7 Bitter, WM 2004, 2190, 2191 f.; Fleischer, in: Lutter, S. 112.

H.-P. Westermann

329

Anhang § 4a

Die GmbH im internationalen Privatrecht

dass etwa die Insolvenzantragspflichten, obwohl gesellschaftsrechtlich kodifiziert, in Wahrheit insolvenzrechtlicher Natur seien1, aus denselben Gründen Vorsicht geboten, die der insolvenzrechtlichen Qualifikation der Existenzvernichtungshaftung entgegenstehen (Rdnr. 68). Dass die Haftung der Gesellschaft und ihren Gläubigern Ansprüche geben kann, die über die Rückabwicklung masseschmälernder Vorgänge hinausgehen, stärker noch die Konzentration der Verantwortlichkeit auf die Nichterfüllung gesellschaftsrechtlicher Pflichten, deuten auf eine gesellschaftsrechtliche Qualifikation, kollisionsrechtlich dann vielleicht auch auf die Behandlung als Vorfrage des Deliktsanspruchs2, hin. Qualifiziert man diesen Haftungsfall insolvenzrechtlich, wofür auch eine Entscheidung des EuGH zur französischen „action en comblement du passif“ – einem Einzelverfahren neben dem Insolvenzverfahren – spricht3, in der Kriterien für die insolvenzrechtliche Qualifikation dieses Anspruchs genannt werden, so folgt daraus die Anwendbarkeit des Regelungskomplexes auch auf die Auslandsgesellschaften4 und die internationale Zuständigkeit für Haftungsansprüche gegen ausländische Gesellschafter5. Bei grundsätzlich gesellschaftsrechtlicher Qualifikation kommt dagegen eine Sonderanknüpfung6 oder eine deliktsrechtliche Lösung7 in Betracht. Voraussetzung ist freilich, dass das Gründungsrecht der Gesellschaft keine dem Sitzrecht – auch in der Art der Rechtsfolgen der Pflichtverletzung – vergleichbaren Anspruchsgrundlagen kennt, was namentlich beim englischen Recht in Betracht kommt. Dann aber dürfte die Bedrohung der Verantwortlichen mit einer derartigen Haftung nicht in der Gefahr schweben, als gemeinschafsrechtlich unzulässige Marktzugangsschranke gewertet zu werden8; das gilt auch, soweit nach dem deutschen Sachrecht die Sanktion der Insolvenzantragspflicht deliktsrechtlich gestaltet ist. 71

In mehreren Punkten berühren sich die Ansprüche wegen Insolvenzverschleppung mit den gesellschafts- oder deliktsrechtlich zu qualifizierenden Tatbestän1 Röhricht, ZIP 2005, 505 ff.; Ulmer, NJW 2004, 1201, 1208; U. Huber, in: Lutter, S. 307 ff.; Vallender, ZGR 2006, 425, 455; im Ergebnis auch Zöllner, GmbHR 2006, 1, 7; krit. Dichtl, GmbHR 2005, 868, 888. 2 U. Huber, in: Lutter, S. 319 ff.; dagegen Spindler/Berner, RIW 2004, 7, 12; Ulmer, NJW 2004, 1201, 1207; Altmeppen/Wilhelm, DB 2004, 1083, 1088; Mock/Westhoff, DZWiR 2004, 23, 27; für insolvenzrechtliche Qualifikation Wachter, GmbHR 2003, 1254, 1257; Borges, ZIP 2004, 733, 740; Weller, IPRax 2003, 520, 524; G.H. Roth, NZG 2003, 1081, 1085; Mock/Schildt, ZInsO 2003, 396, 399; U. Huber, in: Lutter, S. 348, 351 ff. 3 EuGH v. 22.2.1979 – Rs. Gourdain/Nadler, 133/78, Slg. 1979/733 Rdnr. 3; dazu Fleischer, in: Lutter, S. 113; Taupitz, ZZP 1992, 218; Haubold, IPRax 2002, 157; Weller, in: MünchKomm. GmbHG, Einl. Rdnr. 407. 4 Eidenmüller, in: Eidenmüller, § 9 Rdnr. 25 ff.; Elsner, ZInsO 2005, 20 ff.; Borges, ZIP 2004, 733, 740; Paulus, ZIP 2002, 729, 734; Ulmer, KTS 2004, 291, 300; Müller, NZG 2003, 414, 416; Bayer, BB 2003, 2357, 2359; Goette, in: FS Kraft, 2004, S. 53, 55; Bitter, WM 2004, 2190, 2198, Riedemann, GmbHR 2004, 345, 348. 5 OLG Köln, NZG 2012, 233; zur Vorinstanz Haas, NZG 2010, 495. 6 Eingehend zu der dafür notwendigen Gesamtanalogie zu allen die Insolvenzantragspflicht betreffenden Normen U. Huber, in: Lutter, S. 328 ff. 7 Dafür Bayer, BB 2003, 2365; Schanze/Jüttner, AG 2003, 665, 670; Kindler, NZG 2003, 1086, 1090; dagegen aber U. Huber, in: Lutter, S. 319 ff.; Ulmer, NJW 2004, 1201, 1204, 1207. 8 Dies nimmt – zu Recht – für die Anwendung des § 64 (durch das LG Kiel, ZIP 2006, 1248) Schilling an (Kurzkomm. EWiR Art. 43 EG 3/06).

330

H.-P. Westermann

Die GmbH im internationalen Privatrecht

Anhang § 4a

den der „Durchgriffshaftung“. Das zeigt der Fall des AG Bad Segeberg vom 24.3.20051, der eine in England mit einem Gründungskapital von 2 Pfund errichtete Ltd. betraf, die in Deutschland zwar als Betriebsstätte angemeldet, aber nicht im Handelsregister eingetragen war. Die Gesellschaft hatte in Deutschland Verbindlichkeiten begründet, die sie nicht begleichen konnte; ihr Gesellschafter wurde von einer Gläubigerin auf Zahlung in Anspruch genommen, weil die Gesellschaft schon mit Zahlung der Gründungskosten überschuldet und zahlungsunfähig gewesen sei, der Beklagte hafte aber auch aus den Gesichtspunkten der Existenzvernichtung und der Insolvenzverschleppung. Das Gericht wies die Klage ab: die Ausstattung mit geringem Gründungskapital bedeute keinen Missbrauch, auch dann nicht, wenn die Gesellschaft nur zu dem Zweck gegründet worden war, die günstigen Gründungsvorschriften des englischen Rechts auszunutzen2, und das bloße Betreiben eines solchen Unternehmens stelle – mangels Eingriffs in das Vermögen der Gesellschaft – kein existenzvernichtendes Verhalten dar3, s. dazu auch schon Rdnr. 67. In der Unterkapitalisierung liege auch keine Insolvenzverschleppung, wobei das Gericht – gut vertretbar – zu einer gesellschaftsrechtlichen Qualifikation der Insolvenzantragspflichten neigt und im Übrigen meint, die Gläubiger auf die keineswegs versagenden Ansprüche nach dem englischen Gründungsrecht verweisen zu können, s. allerdings auch Rdnr. 70. Die der Gesellschafterhaftung vorgelagerte Frage der insolvenzrechtlichen Behandlung der Auslandsgesellschaft hängt zunächst von der „formellen“ Insolvenzfähigkeit ab, die grundsätzlich zu bejahen ist4, auch wenn die Gründung nur zum Zweck der Niederlassung im derzeitigen Sitzstaat erfolgt ist. Ob dies freilich der Fall ist, und ob daraus womöglich eine Nichtanerkennung der Gesellschaft und sogar Haftungsansprüche folgen, soll das Insolvenzgericht nicht zu prüfen haben5. Insoweit bleibt es also wiederum bei dem Vorgehen aufgrund der Anspruchsgrundlagen des englischen Gesellschafts- und Insolvenzrechts. Auch hier zeigt sich eine Tendenz, Haftungstatbestände, die im Zusammenhang mit einer Unternehmenskrise vorgekommen sein könnten, nach dem Gründungsrecht zu behandeln6.

1 AG Bad Segeberg, GmbHR 2005, 884 ff. mit Anm. Dichtl, S. 886 ff. und Kurzkomm. Mock, EWiR Art. 43 EG 2/05; zweifelnd auch Leutner/Langner, ZInsO 2005, 575 ff. Das Urteil wurde durch das LG Kiel aufgehoben (ZIP 2006, 1248 m. zutr. Anm. Just, S. 1251; zweifelnd aber Schilling, Kurzkomm. EWiR Art. 43 EG 3/06 wegen der Missachtung der Niederlassungsfreiheit). 2 Das wird zutreffend aus der Judikatur des EuGH belegt; zust. Mock, EWiR Art. 43 EG 2/05. 3 Diesen Gesichtspunkt, der das abweichende Urteil des LG Kiel (ZIP 2006, 1248) hätte verstärken können, greift das LG nicht auf (Just in der Anmerkung S. 1253). 4 AG Duisburg, NZG 2003, 1167; AG Saarbrücken, EWiR Art. 3 EuInsVO 5/05 mit Kurzkomm. Pannen/Riedemann, S. 701; a.M. AG Hamburg, ZIP 2003, 1008. 5 Ebenso AG Saarbrücken v. 25.2.2005 – 106 N 3/05, m. zust. Kurzkomm. Pannen, EWiR Art. 3 EuInsVO 5/05, das annimmt, der Insolvenzverwalter könne das Entfallen der Haftungsbeschränkung wegen missbräuchlicher Gründung in anderen Verfahren geltend machen; zur internationalen Zuständigkeit anders Huber, ZZP 114 (2001), 133, 141; Leible, in: Michalski, Syst. Darst. 2 Rdnr. 169 m.w.N. 6 Bemerkenswert dazu die Warnungen von Schall (Kurzkomm. EWiR 2005, 709, 711), wonach das mit Haftungssanktion bedrohte Verbot für einen Direktor einer Ltd., mit deren Firma nach Insolvenz eine neue Ltd. zu gründen, auch für deutsche Ltd.-Gesellschafter eingreifen kann, s. auch Schall, ZIP 2005, 965, 972.

H.-P. Westermann

331

Anhang § 4a 72

Die GmbH im internationalen Privatrecht

Das Insolvenzverfahren, für das die internationale Zuständigkeit in Art. 3 Abs. 1 EuInsVO geregelt ist, und das grundsätzlich nach dem Recht des Staats der Verfahrenseröffnung (lex fori concursus) durchgeführt wird, kann Auswirkungen auf laufende Vertragsbeziehungen des Schuldners und ihre Erfüllung, das Verhältnis der Rechte des Schuldners zum Verwalter und die Verteilung des Erlöses (u.a. an gesicherte Gläubiger) haben. Diese Fragen werden gemäß Art. 4 Abs. 2 EuInsVO nach der lex fori concursus behandelt1. Anfechtungsklagen des Insolvenzverwalters gegen einen durch eine Rechtshandlung des Schuldners begünstigten Anfechtungsgegner sind zweckmäßigerweise vor den Gerichten des Staats der Verfahrenseröffnung auszutragen, und zwar auch dann, wenn der Beklagte seinen Sitz in einem anderen Mitgliedsstaat hat2. Dies kann auch praktisch werden, wenn ein Teilnehmer eines konzernweiten cash-pool insolvent wird (Rdnr. 63). Wenn in diesen, aber auch in anderen Fällen neben Tochtergesellschaften auch die Konzernspitze insolvent wird, fehlt es an Regelungen über ein einheitliches Verfahren der Konzerninsolvenz, zu der es nur kommen kann, wenn tatsächlich der COMI einzelner oder gar aller Konzernunternehmen am Sitz der Muttergesellschaft liegt, was aber wohl nur bei einer straffen und in die Einzelheiten des Geschäftsgebarens gehenden Konzernleitung angenommen werden kann3. Aus der EG-VO 1346/2000 vom 29.5.2000 folgert der EuGH4, dass das Gericht des Hauptinsolvenzverfahrens dieses Verfahren auf eine zweite Gesellschaft mit Satzungssitz in einem anderen Mitgliedsstaat ausdehnen kann, wenn nachgewiesen wird, dass sich der COMI der zweiten Gesellschaft im Mitgliedsstaat der Eröffnung des Hauptinsolvenzverfahrens befindet; dafür reiche aber eine bloße Vermögensvermischung nicht aus5.

14. Die Sitzverlegung 73

Die Sitzverlegung von Kapitalgesellschaften ist, solange in Europa nicht eine Rechtsvereinheitlichung stattgefunden hat, wiederum differenziert auf der Grundlage der Sitz- oder der Gründungstheorie zu behandeln, wobei die Kollisions- oder Sachrechte beider betroffenen Staaten zu beachten sind. Im Text des durch das MoMiG (in Gestalt der Aufhebung seines Abs. 2) geänderten § 4a ist das Problem einer Sitzverlegung über die Grenze hinweg nicht ausdrücklich geregelt, obwohl dem deutschen Gesetzgeber vorschwebte, deutschen Gesellschaften zu ermöglichen, einen nicht mehr notwendig mit dem Satzungssitz übereinstimmenden Verwaltungssitz zu wählen und damit die Möglichkeit zu schaffen, ihre Geschäftstätigkeit durch eine Zweigniederlassung, die alle Geschäftsaktivitäten erfasst, auch außerhalb Deutschlands zu entfalten6. Dem steht aber kollisionsrechtlich entgegen, dass die Verlegung des Verwaltungssitzes nach der Sitztheorie 1 Leible, in: Michalski, Syst. Darst. 2 Rdnr. 173. 2 EuGH, NJW 2009, 2189, dazu näher Gundlach/Frenzel/Strandmann, DStR 2009, 697. 3 S. aber immerhin einen Beschluss des Tribunale di Parma (ZIP 2004, 1220), ferner AG München, ZIP 2004, 962; AG Köln, NZI 2008, 257 – in dem später vom BGH behandelten Insolvenzverfahren der PIN-Gruppe (dazu Rdnr. 50 Fn. 3). W.N. bei Leible, in: Michalski, Syst. Darst. 2 Rdnr. 170. 4 EuGH, NZG 2012, 150 m. Anm. Fehrenbach, LMK 2012, 3285701 (Rastelli). 5 Das englische Verfahren zu einem „Scheme of Arrangement“ (dazu kürzlich High Court of Justice, ZIP 2012, 440) erkennt der BGH (ZIP 2012, 740) aber nicht an. 6 Begr. RegE BR Drucks. 354/07, S. 65.

332

H.-P. Westermann

Die GmbH im internationalen Privatrecht

Anhang § 4a

einen Statutenwechsel nach sich ziehen kann und bei Verwaltungssitz im Ausland die Anwendung des deutschen Gründungsrechts nicht unbedingt gesichert ist. Innerhalb der europäischen Gemeinschaft ist aber davon auszugehen, dass ein etwaiges Auseinanderklaffen von Satzungs- und Verwaltungssitz, wie es sich im Zuge des Wegzugs einer Gesellschaft ergeben kann, sich nach dem Gründungsstatut bemessen muss, auch das ist aber nicht unproblematisch, wenn das Gründungsrecht auf einen Wegzug mit nachteiligen Konsequenzen reagiert1. Gewöhnlich soll es nach dem Willen der Beteiligten nicht zu einer Auflösung der Gesellschaft im Wegzugs- und einer Neugründung im Zuzugsstaat kommen, sondern Identität und Rechtsfähigkeit sollen erhalten bleiben. Das spricht im Bereich der Gründungstheorie das Recht des Wegzugsstaats an, dessen Sachrecht die Übertragung einer im Inland erworbenen Rechtsfähigkeit in einen neuen Sitzstaat gestatten muss, während das Kollisionsrecht des Zuzugsstaats in diesem Fall die Sitzverlegung nicht als Wechsel des Personalstatuts behandeln darf, was verbreitet als unerwünscht empfunden wird. Das praktische Interesse an einer identitätswahrenden Sitzverlegung tut sich häufig im Zusammenhang mit durch die Sitzverlegung vorbereiteten Konzernierungsmaßnahmen auf2, ähnlich nach Veräußerung der Geschäftsanteile an Ausländer. Dabei und auch sonst steht die Verlegung des Verwaltungssitzes im Vordergrund der praktischen Interessen, der Satzungssitz bleibt oftmals unverändert3. Vor der Änderung des § 4a konnte man annehmen, die Verlegung von Satzungs- und Verwaltungssitz sei in erster Linie ein Problem des Sachrechts, da für eine nach deutschem Recht lebende GmbH das Gesetz zwingend einen inländischen Satzungssitz fordert. Diese Sichtweise ist heute nicht mehr unbestritten; der h.M., die nach wie vor von einer rein sachrechtlichen Aussage ausgeht4, stehen Stimmen gegenüber, die eine versteckte einseitige Kollisionsnorm annehmen, die für die deutsche GmbH – im Einklang mit den gemeinschaftsrechtlichen Entwicklungen – an die Gründung anknüpfe5. Eine sachrechtliche Aussage, ob eine deutsche Gesellschaft ihren Satzungssitz ins Ausland verlegen kann, enthält § 4a jedenfalls nicht6. Da auch „Cartesio“ nur einen Einzelaspekt entschieden hat, muss zwischen den verschiedenen Gestaltungen nach allgemeinem Kollisions- und Gemeinschaftsrecht differenziert werden (s. auch § 4a Rdnr. 22 ff.). Nach dem bisherigen deutschen Kollisionsrecht war bei der Verlegung des Verwaltungssitzes einer nach deutschem Recht gegründeten Gesellschaft ins Ausland zu unterscheiden, ob der neue Sitzstaat der Sitz- oder der Gründungstheorie folgt. Die Verweisung auf ein ausländisches Recht ist nach Art. 4 Abs. 1 Satz 1

1 Zur Fragestellung Leible, in: Michalski, Syst. Darst. 2 Rdnr. 108, 176; im Personengesellschaftsrecht, das eine Regelung über den Sitz nicht enthält, stellen sich die Probleme daher anders, näher Paefgen, in: Westermann, Handbuch Personengesellschaften, Rdnr. I 4126. 2 Dazu Kallmeyer, AG 1989, 88. 3 Um eine Verlegung von Verwaltungs- und Satzungssitz ging es in den Urteilen RGZ 88, 53, BayObLG, ZIP 1992, 842; OLG Brandenburg, GmbHR 2005, 484; zur Verlegung nur des Verwaltungssitzes aber RG, IPRspr 1934 Nr. 14. 4 Hirte, NZG 2008, 761, 766; Kindler, IPRax 2009, 199, 202; König/Bormann, DNotZ 2008, 199, 202; Lieder/Kliebisch, BB 2009, 338, 343. 5 Tebben, RNotZ 2008, 441, 447; J. Hoffmann, ZIP 2007, 1581, 1583; DAV, NZG 2007, 211 f.; Paefgen, WM 2009, 529, 530; Leible, in: Michalski, Syst. Darst. 2 Rdnr. 8. 6 Kindler, in: Goette/Habersack, Das MoMiG in Wissenschaft und Praxis, Kap. 7.13.

H.-P. Westermann

333

74

Anhang § 4a

Die GmbH im internationalen Privatrecht

EGBGB eine Gesamtverweisung auch auf das ausländische Kollisionsrecht. Wenn also die Rechtsordnung des Zuzugsstaats der Gründungstheorie folgt, geht er mithin davon aus, dass sich der Gründungssitz weiterhin im Wegzugsstaat befindet1. Somit findet eine Rückverweisung statt, die das deutsche Recht nach Art. 4 Abs. 1 Satz 2 EGBGB auch annimmt2, während der Zuzugsstaat die durch die Gründung erworbene Rechtsfähigkeit anerkennt. Damit wäre ein Statutenwechsel vermieden, das Ergebnis – eine deutsche Gesellschaft mit Sitz im Ausland – ist sachrechtlich noch nicht allgemein akzeptiert (Rdnr. 75). Folgt der Zuzugsstaat der Sitztheorie, so richtet sich nach seinem Sachrecht auch das Personalstatut, nach seinem Kollisionsrecht die Frage, ob die Verweisung durch das Gründungsrecht angenommen wird. Ist das Letztere der Fall, so wird gewöhnlich nach dem Recht des Sitzstaats, dessen Gründungsvorschriften nicht beachtet wurden, Nichtigkeit der Gesellschaft angenommen und eine Neugründung gefordert3. Das setzt allerdings weiter voraus, dass das Sachrecht des neuen Sitzstaats überhaupt die Verlegung eines Verwaltungssitzes in sein Gebiet als gegeben ansieht und im Übrigen eine Wandelbarkeit des Personalstatuts anerkennt. Ist dies nicht der Fall, so kommt wiederum eine Rückverweisung auf das deutsche Gründungsrecht in Betracht, so dass es bei der Anwendung des deutschen Rechts bleibt, was auch gelten sollte, wenn ein an sich der Sitztheorie folgender Mitgliedsstaat Rücksicht auf die Niederlassungsfreiheit nimmt4. Wird zugleich mit dem Verwaltungs- auch der Satzungssitz verlegt, so beeinflusst dies angesichts der kollisionsrechtlichen Maßgeblichkeit des Verwaltungssitzes die international-privatrechtliche Beurteilung nicht, möglicherweise aber die sachrechtliche im Gründungsrecht. Eine Verlegung des Satzungssitzes ändert an der Anwendung des Gründungsrechts nichts, es gibt also keinen Statutenwechsel5. Allerdings wird die Neufassung des § 4a bisweilen dahin verstanden, dass das Sachrecht zwingend einen inländischen Geschäftssitz fordert, was bedeuten würde, dass die Verlegung des Satzungssitzes als Auflösungsbeschluss gewertet wird6. 75

Allerdings müssen solche Lösungen des Sachrechts, wenn man nicht § 4a (auch) als Kollisionsnorm begreift7, sich mit dem Grundsatz der Niederlassungsfreiheit vereinbaren lassen. Das ist zum Teil wieder eine gemeinschaftsrechtliche Frage nach der Anwendung der Ausnahmekriterien; im Übrigen ist aber fraglich, ob wirklich die Abwicklung der Gesellschaft gefordert werden muss. Zwar hat das Cartesio-Urteil des EuGH dem Gründungsstaat untersagt, den identitätserhalten1 Kindler, in: MünchKomm. BGB, IntGesR Rdnr. 523. 2 OLG Hamm, NJW 2001, 2183; Kieninger, NZG 2001, 610; Leible, in: Michalski, Syst. Darst. 2 Rdnr. 178. 3 BayObLGZ 1992, 113, 116; OLG Düsseldorf, NZG 2001, 506; OLG Hamm, NZG 2001, 562; Kindler, in: MünchKomm. BGB, IntGesR Rdnr. 508; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, § 4a Rdnr. 9. 4 Kindler, in: MünchKomm. BGB, IntGesR Rdnr. 522 mit Rücksicht auf den internationalen Entscheidungseinklang. 5 W.-H. Roth, in: Lutter, S. 382 f.; Großfeld, in: Staudinger, Internationales Gesellschaftsrecht Rdnr. 650; Leible, in: Michalski, Syst. Darst. 2 Rdnr. 179. 6 BayObLGZ 1992, 113, 116; OLG Hamm, NZG 2001, 562; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, § 4a Rdnr. 10; Roth, in: Roth/Altmeppen, § 4a Rdnr. 8; krit. W.-H. Roth, in: FS Heldrich, 2005, S. 973, 980 ff.; Leible, in: Michalski, Syst. Darst. 2 Rdnr. 179. 7 Werner, GmbHR 2009, 191, 193; Preuß, GmbHR 2007, 57; Ebenroth/Eyles, DB 1989, 363, 368.

334

H.-P. Westermann

Die GmbH im internationalen Privatrecht

Anhang § 4a

den Wegzug in ein anderes Mitgliedsland zu behindern, wenn der Zuzugsstaat eine solche Gesellschaft anerkennt. Daraus wird verbreitet geschlossen, dass die Verlegung des Verwaltungssitzes ins Ausland zuzulassen ist1. Aber auch sachrechtlich ist die Lösung über einen fingierten Auflösungsbeschluss nicht unangreifbar. Denn bei der Umdeutung in einen Auflösungsbeschluss wird der Gesellschafterwille, der gerade auf Fortführung der Gesellschaft geht, missachtet2, und auch für Nichtigkeit des Beschlusses ist die Begründung aus § 4a angesichts der eindeutig anderslautenden Vorstellung des Gesetzgebers nicht leicht. Auch wenn es heißt, dass die Verlegung des Satzungs- und Verwaltungssitzes einer deutschen GmbH ins europäische Ausland hier nicht ins Register eingetragen werden kann3, so begründet dies Abstriche an der Niederlassungsfreiheit4, wenn man auch sehen muss, dass der EuGH, wie nicht nur „Cartesio“ zeigt, sondern auch ein etwas früheres Urteil5, Wegzugsbeschränkungen des nationalen Gesellschaftsrechts nicht allgemein als europarechtswidrig verwirft6. Ob und mit welchem Ergebnis der EuGH diese Fragen im Fall „Vale“ aufgreifen wird (Rdnr. 24a), bleibt abzuwarten. Rechtspolitisch betrachtet, wäre es nicht unangemessen, wenn die Gläubiger einer „wegziehenden“ Gesellschaft nach § 17 Abs. 1 ZPO weiterhin am Satzungssitz gegen sie vorgehen könnten, und angesichts der Publizität der Verhältnisse ist eine Flucht der Gesellschaft vor ihren Gläubigern praktisch erschwert. Dass einer Verlegung des Verwaltungssitzes u.U. inländische Regeln des Steuer-, Arbeits- und Sozialrechts entgegenstehen, ist von der Rechtsprechung des EuGH wohl gedeckt. Wenn im Einzelfall doch ein Statutenwechsel eintritt, wird man kaum daran vorbeikommen, dass die dadurch verursachten kollisions- und sachrechtlichen Probleme sich nicht durch ein vordringliches Allgemeininteresse rechtfertigen lassen, zumindest nicht die Vernichtung der wegziehenden Gesellschaft bei (bloßer) Verlegung des Verwaltungssitzes. Das kann aber bei der Verlegung des Satzungssitzes angesichts des Entfallens der gerade gemeinschaftsrechtlich wichtigen Register-Publizität abweichend beurteilt werden7. Gerade dieser Punkt wäre möglicher Gegenstand einer vielleicht demnächst kommenden Sitzverlegungsrichtlinie, wobei dann weiter die nach dem Daily-Mail- und dem Cartesio-Urteil noch nicht abschließend geklärten Fragen geklärt werden könnten, welche Behinderungen eines Wegzugs durch den Gründungs- oder Sitzstaat der Niederlassungsfreiheit widersprechen8. Manche Probleme können möglicherweise durch Regelungen zur Umwandlung in eine dem Recht des neuen Satzungssitzes unterliegende Gesellschaft gelöst werden9.

1 Preus, GmbHR 2007, 57, 60; Kobeck, GmbHR 2009, 808; a.A. Werner GmbHR 2009, 191, 194. 2 So auch W.-H. Roth, in: Lutter, S. 393. 3 OLG Brandenburg, GmbHR 2005, 484 m. zust. Komm. Ringe, S. 487; Triebel/v. Hase, BB 2003, 2409, 2414. 4 Knobbe-Keuk, ZHR 154 (1990), 325; Behrens, EuZW 1991, 97. 5 EuGH, NJW 2004, 2439 = GmbHR 2004, 504 m. Komm. Meilicke – „de Lasteyrie du Saillant“. 6 OLG Brandenburg, GmbHR 2005, 484; auch insoweit zust. Ringe, S. 488. 7 W.-H. Roth, in: Lutter, S. 399 f. sieht in diesem Punkt die Mitgliedstaaten für verpflichtet an, eine gesetzliche Regelung zu treffen. 8 Dazu näher Leible, ZGR 2004, 430 ff.; Koppensteiner, in: FS Lutter, 2000, S. 141 ff.; die Entwürfe sind in ZIP 1997, 1721 veröffentlicht; Bedenken wegen der Subsidiarität einer gemeinschaftsrechtlichen Regelung bei Bechtel, IPRax 1998, 348. 9 Auch dazu W.-H. Roth, in: Lutter, S. 400 f.

H.-P. Westermann

335

Anhang § 4a 76

Die GmbH im internationalen Privatrecht

Der Zuzug von ausländischen Gesellschaften nach Deutschland begegnet kollisions- und sachrechtlichen Problemen, die Gesellschaft kann sich aber innerhalb der EU auf die Niederlassungsfreiheit berufen, die bisher allerdings nur die Gründung einer die Geschäfte voll und allein betreibenden „Zweigniederlassung“ ermöglicht hat, nicht schon die Verlegung des Verwaltungs- oder gar des Satzungssitzes. Die letztere Maßnahme wird aus der Sicht des Zuzugsstaats davon abhängig gemacht, dass sein Sachrecht die zuziehende Gesellschaft in ihrer bisherigen Identität akzeptiert und ihr auch die Registereintragung ermöglicht, was mit Rücksicht auf den numerus clausus nicht selbstverständlich ist1. Dies und die automatische Umwandlung in eine Personengesellschaft, wie sie der BGH im Zuge der Wechselbalgtheorie annimmt (Rdnr. 11), stoßen mehr und mehr auf Widerstand gerade unter dem Gesichtspunkt der Niederlassungsfreiheit, da zwischen einer offenen Verlegung des Verwaltungssitzes und der Fortführung der Gesellschaft als „Schein-Auslandsgesellschaft“ kein so großer Unterschied besteht und die Möglichkeit einer Registrierung in Deutschland nicht versperrt ist2. Für Gesellschaften aus anderen als EU-Staaten bleibt es aber bei den Folgen aus der Sitztheorie, d.h. dass eine Neugründung erforderlich ist. Die Konsequenzen einer Verlegung des Satzungssitzes nach Deutschland hängen zunächst davon ab, welcher kollisionsrechtlichen Theorie der Gründungsstaat folgt. Ist es die Sitztheorie, auf die ja auch das deutsche Kollisionsrecht verweist, so kommt es nicht zu einem Statutenwechsel, wohl aber ist zu prüfen, ob das Sachrecht des Gründungsstaats eine Verlegung des Satzungssitzes gestattet3. Anders, wenn der Gründungsstaat der Gründungstheorie folgt und auf den dann eintretenden Statutenwechsel nicht mit Aberkennung der Rechtsfähigkeit reagiert; dann kommt es darauf an, ob der Zuzugsstaat die Rechtsfähigkeit der Gesellschaft akzeptiert und ihre Eintragung in seine Register möglich ist4. Ein Zuzug ausländischer Kapitalgesellschaften unter identitätswahrendem Formwechsel in eine Kapitalgesellschaft deutschen Rechts verstößt nach der Rechtsprechung gegen Kollisions- und Sachrecht und wird auch nicht von der Niederlassungsfreiheit gefordert5. Insgesamt ist rechtliche Klarheit im Hinblick auf die grenzüberschreitende Sitzverlegung kaum ohne weitere klärende EuGH-Urteile oder eine Rechtsvereinheitlichung mindestens in Europa, wie sie mit einer Richtlinie zur Sitzverlegung zeitweise geplant war, zu erwarten6.

15. Grenzüberschreitende Verschmelzung 77

Zu den im UmwG geregelten Strukturmaßnahmen gehört in erster Linie die Verschmelzung, bei der der aufnehmende Rechtsträger ohne Einzelübertragung von

1 So noch BGHZ 97, 269, 271; OLG Nürnberg, WM 1985, 253; OLG Zweibrücken, NJW 1990, 392; Michalski, NZG 1998, 762, 764; Kindler, in: MünchKomm. BGB, IntGesR Rdnr. 512; Behrens, in: Ulmer, Einl. B Rdnr. 119. 2 Eidenmüller, JZ 2004, 24 f.; Leible, ZGR 2004, 531 ff. gegen Kindler, NZG 2003, 1086, 1089; s. auch Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, § 4a Rdnr. 10. 3 Kindler, in: MünchKomm. BGB, IntGesR Rdnr. 513. 4 Dies bezweifelt allerdings Leible, in: Michalski, Syst. Darst. 2 Rdnr. 186. 5 BayObLG, ZIP 2004, 806; OLG Nürnberg, ZIP 2012, 572; anders im Hinblick auf die Sevic-Entscheidung (Rdnr. 24) OLG Nürnberg, ZIP 2012, 572. 6 Skeptisch auch Otte/Rietschel, GmbHR 2009, 983, 985 f.

336

H.-P. Westermann

Die GmbH im internationalen Privatrecht

Anhang § 4a

Gegenständen als Gesamtrechtsnachfolger das Vermögen des übertragenden Rechtsträgers, der hierdurch erlischt, übernehmen kann. § 1 Abs. 1 UmwG regelt diesen Vorgang für – auf beiden Seiten stehende – inländische Rechtsträger. Daraus könnte, wenn kollisionsrechtlich auf das UmwG als anwendbares Sachrecht verwiesen wird, geschlossen werden, eine Verschmelzung nach dieser Vorschrift sei nur möglich, wenn beide beteiligten Rechtsträger ihren Sitz im Inland haben, wobei noch Differenzierungen danach möglich erscheinen, ob auf den Satzungsoder den Verwaltungssitz abgestellt wird1. Das ist unter verschiedenen Gesichtspunkten überholt. Nach heute h.M., inzwischen bestätigt durch Art. 4 Abs. 1b der Verschmelzungsrichtlinie 2005/56 EG vom 26.10.20052, sind bei der Verschmelzung über die Grenze die Statuten des übertragenden und sich dabei auflösenden wie des übernehmenden Rechtsträgers zu beachten, was also Voraussetzungen, Verfahren und Wirkungen der Verschmelzung einer Statutenkumulierung unterwirft, die auf eine Sonderanknüpfung an die beteiligten Sachrechte hinausläuft3. Das betrifft also namentlich die Verschmelzungsfähigkeit eines Rechtsträgers, die Notwendigkeit eines Gesellschafterbeschlusses und seiner Vorbereitung durch innergesellschaftliche Transparenz, die Prüfung, die Art des Vermögensübergangs und die Beteiligung der Gesellschafter des übertragenden am übernehmenden Rechtsträger, jeweils differenziert nach „Hinaus“- oder „Hineinverschmelzung“. Die Verweisung auf die nationalen Sachrechte ist aber vor dem Hintergrund der gemeinschaftsrechtlichen Beschränkungen der Gestaltungsfreiheit zu sehen. Das Verständnis des deutschen Rechts, nach dem eine Hinausverschmelzung als grenzüberschreitende Sitzverlegung und damit womöglich (Rdnr. 74, 75) als Auflösung zu werten wäre4, während die Hineinverschmelzung verbreitet, wenn auch umstritten, als zulässig angesehen wurde5, ist mit der Grundtendenz der Rechsprechung des EuGH kaum zu vereinbaren. So wurde im Fall Sevic (Rdnr. 24) entschieden, dass die Niederlassungsfreiheit einer mitgliedstaatlichen Regelung entgegenstehe, die die Eintragung einer Verschmelzung durch Auflösung ohne Abwicklung einer Gesellschaft und Übertragung ihres Vermögens als Ganzes auf eine andere Gesellschaft in das nationale Handelsregister verweigert, wenn eine der beiden Gesellschaften ihren Sitz in einem anderen Mitgliedsstaat hat6. Der EuGH greift allerdings in dem entschie1 Kallmeyer, ZIP 1994, 1746, 1752; Kreuzer, EuZW 1994, 917, 919; Schaumburg, GmbHR 1996, 501, 502; Paefgen, GmbHR 2004, 463, 465; Kindler, in: MünchKomm. BGB, IntGesR Rdnr. 872 ff.; für Maßgeblichkeit des Verwaltungssitzes Engert, in: Eidenmüller, § 4 Rdnr. 76 f. 2 ABl. EG Nr. L 310 v. 25.11.2005, S. 1. 3 Sog. Vereinigungstheorie, Behrens, ZGR 1994, 1, 13; Engert, in: Eidenmüller, § 4 Rdnr. 100 ff.; Wenglorz, BB 2006, 83; Schmidt/Maul, BB 2006, 13; Paefgen, GmbHR 2004, 463; Horn, ZIP 2000, 473, 476; Koppensteiner, Internationale Unternehmen im deutschen Gesellschaftsrecht, S. 255 ff.; Spahlinger/Wegen, in: Spahlinger/Wegen, Abschnitt C Rdnr. 514; Leible, in: Michalski, Syst. Darst. 2 Rdnr. 204; Kindler, in: MünchKomm. BGB, IntGesR Rdnr. 848. 4 Großfeld, in: Staudinger, Internationales Gesellschaftsrecht Rdnr. 690 ff.; Kindler, in: MünchKomm. BGB, IntGesR Rdnr. 911. 5 Ebenroth/Wilken, ZVglRWiss 90 (1991), 235, 260; Großfeld, in: Staudinger, Internationales Gesellschaftsrecht Rdnr. 697; Leible, in: Michalski, Syst. Darst. 2 Rdnr. 213; a.M. Schaumburg, GmbHR 1996, 501; Kindler, in: MünchKomm. BGB, IntGesR Rdnr. 909. 6 EuGH, NJW 2006, 425 – „Sevic“ = RIW 2006, 140 mit Komm. Pahl, S. 142; dazu Leible/ Hoffmann, RIW 2006, 161 ff.; Oechsler, NJW 1006, 812; Schmidt/Maul, BB 2006, 13;

H.-P. Westermann

337

Anhang § 4a

Die GmbH im internationalen Privatrecht

denen Fall, der eine „Hineinverschmelzung“ nach Deutschland betraf, einer Regelung durch die nationalen Gesetzgeber vor, ohne jedoch die sachrechtliche Regelung dieses Vorgangs im Einzelnen zu behandeln und ohne erkennen zu lassen, wie der Fall der „Hinausverschmelzung“ zu behandeln ist1. Das hat sich in der Praxis auch bereits gezeigt, als das OLG München über eine Verschmelzung einer deutschen GmbH auf die inländische „Zweigniederlassung“ (in Wahrheit eine „Schein-Auslandsgesellschaft“) einer englischen Ltd. zu entscheiden hatte; dies wurde auch in Kenntnis der Sevic-Entscheidung des EuGH abgelehnt, weil die beantragte Registereintragung nicht im Register der Zweigniederlassung erfolgen könne2. Demgegenüber wird die Verschmelzungsrichtlinie, wenn sie Gleichbehandlung grenzüberschreitender mit internen Verschmelzungen fordert, auch dahin verstanden, dass sie über „Sevic“ hinaus – und durchaus folgerichtig – die Hinein- wie die Hinausverschmelzung ermöglichen wolle3. 78

Zuzugeben ist, dass weder die Sevic-Entscheidung noch die Richtlinie unzweifelhaft erkennen lassen, inwieweit in das nationale Sachrecht, hier die Beschränkung des § 1 UmwG auf inländische Rechtsträger, eingegriffen werden soll. Es kommt hinzu, dass aus der Sicht eines übertragenden Rechtsträgers zu prüfen ist, ob die Niederlassungsfreiheit auch die Freiheit zur Selbstaufgabe (durch Erlöschen – corporate suicide) umfasst4. Der EuGH bemerkt im Übrigen, die Kompetenz zur Sachentscheidung folge aus dem Fehlen einschlägiger Abkommen; das ist insbesondere vor dem Hintergrund des Umstandes unbefriedigend, dass der Generalanwalt Tizzano in seinen Schlussanträgen, die ebenfalls von einem Verstoß gegen die Niederlassungsfreiheit (und gegen die Kapitalverkehrsfreiheit) ausgingen, auf den Fall der Hinausverschmelzung hingewiesen und dabei eine Auseinandersetzung mit dem Daily-Mail-Urteil (Rdnr. 17) angeregt hatte5. Immerhin hatte die Entscheidung des EuGH in Bezug auf die Hinausverschmelzung weithin Zustimmung erfahren6, obwohl der Gesichtspunkt als gegenläufig betrachtet werden könnte, dass das durch die Umsetzung der Zweigniederlassungsrichtlinie entstandene deutsche Recht (§§ 13d, 13e, 13g HGB) eine Eintragung der Verschmelzung nicht vorsieht, so dass insoweit an eine im Wege der

1

2 3

4 5

6

Bayer/J. Schmidt, ZIP 2006, 210; Meilicke/Rabback, GmbHR 2006, 122 ff.; Wachter, GmbHR 2006, 601. Kritisch, besonders auch zur Enthaltsamkeit des EuGH in Bezug auf die vom nationalen Gesetzgeber zu beachtenden Allgemeinwohl-Kriterien, Oechsler, NJW 2006, 812 ff.; Leible/Hoffmann, RIW 2006, 163. OLG München, GmbHR 2006, 600, m. zust. Komm. Wachter, S. 601 f. Leible, in: Michalski, Syst. Darst. 2 Rdnr. 215; über einen bei der Hinausverschmelzung erreichbaren Formwechsel Forsthoff, DStR 2006, 613 f.; das Bedürfnis nach reibungslosem Ablauf bei allen Formen der Verschmelzung betonen auch Wachter, GmbHR 2006, 601, 602; Teichmann, ZIP 2006, 355, 362. Paal, RIW 2006, 142, 143. ZIP 2005, 1327; dazu schon Drygala, ZIP 2005, 1995; Kuntz, EuZW 2005, 524; Heckschen, NotBZ 2005, 315; Geyrhalter/Weber, NZG 2005, 837; zur Anpassung des UmwG an die Anforderungen der Niederlassungsfreiheit Kallmeyer, ZIP 1996, 535, 537; s. auch Paefgen, GmbHR 2004, 463, 471. Paal, RIW 2006, 142 ff.; Schmidt/Maul, BB 2006, 13 f.; Meilicke/Rabback, GmbHR 2006, 123 ff.; Leible/Hoffmann, RIW 2006, 161 ff.; Teichmann, ZIP 2006, 355; krit. aber Oechsler, NJW 2006, 812 ff.

338

H.-P. Westermann

Die GmbH im internationalen Privatrecht

Anhang § 4a

Substitution als maßgeblich anzunehmende Eintragung im Register der übernehmenden (ausländischen) Gesellschaft gedacht werden muss1. Lässt man trotz der weiterhin bestehenden Bedenken die „Hineinverschmel- 79 zung“ zu, so ist, soweit auf einen deutschen Rechtsträger verschmolzen werden soll, von §§ 4 ff. UmwG auszugehen2, so dass insbesondere nach § 19 UmwG eine Eintragung im Register der (ausländischen) übertragenden Gesellschaft abzuwarten ist, die allerdings, wenn das ausländische Recht Derartiges nicht vorsieht, substituiert werden kann, ehe die Eintragung im Register der aufnehmenden deutschen Gesellschaft stattfinden darf3. Eine ähnliche Frage stellt sich im Hinblick auf Abfindungsansprüche widersprechender Gesellschafter, wobei bei Übernahme durch einen ausländischen Rechtsträger die prozessualen Verteidigungsmöglichkeiten des deutschen Rechts (Spruchstellenverfahren, Registersperre) gewöhnlich nicht in Betracht kommen werden4. Die Kautelarjurisprudenz steht in der gesamten Materie derzeit vor kaum einwandfrei und sicher lösbaren Problemen, da der Widerstand inländischer Registergerichte kaum zu überwinden sein wird. Das gilt dann auch für die Steuerfolgen5. Die Möglichkeiten grenzüberschreitender Aufspaltung des Vermögens eines 80 Rechtsträgers auf andere Rechtsträger, wobei die Gesellschafter des übertragenden an dem oder den übernehmenden beteiligt werden, sowie der Abspaltung eines Teils des Vermögens eines Rechtsträgers auf einen anderen, an dem dann die Inhaber des übertragenden beteiligt werden, sind trotz eines bestehenden Bedürfnisses an solchen Strukturmaßnahmen6 rechtlich nicht besser geklärt als die Formen der Verschmelzung. Im Gegensatz zur bloßen Vermögensübertragung ohne Gewährung von Anteilsrechten i.S. des § 174 Abs. 2 UmwG zwingt die Kombination von Vermögensveräußerungen mit der Aufnahme von neuen Gesellschaftern durch den „übernehmenden“ Rechtsträger zur Prüfung der Kollisions- und Sachrechte der beiden beteiligten Gesellschaften7.

1 Zur Substitution Wachter, GmbHR 2006, 603. 2 C. Schmidt/Maul, BB 2006, 13 f.; J. Schmidt/Bayer, BB 2006, 210, 212; Bungert, BB 2006, 53, 54 f.; zu zahlreichen Einzelfragen der Gestaltung – allerdings vor der Sevic-Entscheidung – von Busekist, GmbHR 2004, 653 ff. 3 Leible/Hoffmann, RIW 2006, 161, 164 f.; für den österreichischen Fall OGH, ZIP 2003, 1086, der die „Vereinigungstheorie“ (Rdnr. 77 Fn. 3) nicht akzeptierte, hat Paefgen eine „Unbedenklichkeitsbescheinigung“ des österreichischen Registergerichts zur Vorlage beim deutschen Registergericht vorgeschlagen, IPRax 2004, 132, 136. 4 Eine entsprechende Anwendung des Art. 25 Abs. 3 der SE-VO empfiehlt daher Oechsler, NJW 2006, 812, 813. 5 Näher Haritz, GmbHR 2006, 143 f.; Meilicke/Rabback, GmbHR 2006, 123, 126. Auch die Fusionssteuerrichtlinie vom Jahr 1990 wurde bisher nicht umgesetzt, Leible/Hoffmann, RIW 2006, 161, 165; von Busekist, GmbHR 2004, 650, 654 ff.; zu den Gesetzentwürfen für steuerliche Begleitmaßnahmen, die auch Umwandlungsvorgänge betreffen, Hahn, GmbHR 2006, 617 ff. 6 Ebenroth/Offenloch, RIW 1997, 1 ff. 7 Kindler, in: MünchKomm. BGB, IntGesR Rdnr. 840; Leible, in: Michalski, Syst. Darst. 2 Rdnr. 203.

H.-P. Westermann

339

§5

Stammkapital; Geschäftsanteil

§5

Stammkapital; Geschäftsanteil (1) Das Stammkapital der Gesellschaft muss mindestens fünfundzwanzigtausend Euro betragen. (2) Der Nennbetrag jedes Geschäftsanteils muss auf volle Euro lauten. Ein Gesellschafter kann bei Errichtung der Gesellschaft mehrere Geschäftsanteile übernehmen. (3) Die Höhe der Nennbeträge der einzelnen Geschäftsanteile kann verschieden bestimmt werden. Die Summe der Nennbeträge aller Geschäftsanteile muss mit dem Stammkapital übereinstimmen. (4) Sollen Sacheinlagen geleistet werden, so müssen der Gegenstand der Sacheinlage und der Nennbetrag des Geschäftsanteils, auf den sich die Sacheinlage bezieht, im Gesellschaftsvertrag festgesetzt werden. Die Gesellschafter haben in einem Sachgründungsbericht die für die Angemessenheit der Leistungen für Sacheinlagen wesentlichen Umstände darzulegen und beim Übergang eines Unternehmens auf die Gesellschaft die Jahresergebnisse der beiden letzten Geschäftsjahre anzugeben. Abs. 4 neu gefasst durch Gesetz vom 4.7.1980 (BGBl. I 1980, 836), Abs. 1 und 3 Satz 2 geändert durch Gesetz vom 9.6.1998 (BGBl. I 1998, 1242), Abs. 1 geändert, Abs. 2 und 3 neu gefasst, Abs. 4 geändert durch das MoMiG vom 23.10.2008 (BGBl. I 2008, 2026).

Inhaltsübersicht I. 1. 2. 3.

Allgemeines Regelungsinhalt und -zwecke . . Gesetzesänderungen . . . . . . . . . . Geltungsbereich . . . . . . . . . . . . . .

II. Stammkapital 1. Begriff und Funktionen a) Begriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Gläubigerschutz . . . . . . . . . . . . c) Gesellschaftsverhältnis . . . . . 2. Höhe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Festsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . b) Mindesthöhe . . . . . . . . . . . . . . . c) Bemessung des Stammkapitals . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Sondervorschriften. . . . . . . . . . 3. Rechtsfolgen eines Verstoßes . . .

1 2 4

7 8 10 11 13 15 17 18

III. Geschäftsanteile . . . . . . . . . . . . . . . 1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 2. Bildung der Geschäftsanteile . . . . a) Mehrere Geschäftsanteile . . . 22

340

Veil

b) Höhe der Geschäftsanteile . . c) Gesamtbetrag der Geschäftsanteile . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Verbot der Unterpari-Ausgabe. . 4. Rechtsfolgen eines Verstoßes . . IV. Sacheinlagen 1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Sacheinlage im engeren Sinne a) Begriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Sacheinlagevereinbarung . . . c) Gegenstand der Sacheinlage . d) Einzelfälle aa) Sachen . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Forderungen . . . . . . . . . . . . cc) Andere Rechte und Vermögenswerte . . . . . . . . . . . dd) Dienst- und Werkleistungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ee) Sach- und Rechtsgesamtheiten . . . . . . . . . . . . . . . . .

24 27 28 29 30

34 35 37 40 45 49 51 52

§5

Stammkapital; Geschäftsanteil

e) Verfügungsbefugnis des Sacheinlegers. . . . . . . . . . . . . . . f) Anrechnungsbetrag aa) Festsetzung . . . . . . . . . . . . . bb) Obergrenze . . . . . . . . . . . . . cc) Rechtsfolgen . . . . . . . . . . . . g) Leistungsstörungen und Mängel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Unmöglichkeit . . . . . . . . . . bb) Verzug . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Rechts- und Sachmängel . h) Lasten und Verbindlichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Sachübernahme a) Begriff und Bedeutung . . . . . . . aa) Aufnahme in Gesellschaftsvertrag . . . . . . . . . . . bb) Sachgründungsbericht . . . cc) Sachübernahmevertrag. . . b) Sachübernahmen ohne Anrechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Gemischte Sacheinlage . . . . . . . . 5. Die Festsetzung im Gesellschaftsvertrag (§ 5 Abs. 4) a) Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . b) Notwendige Angaben aa) Person des Sacheinlegers .

55 56 57 60 62 63 68 69 72 73 75 78 79 80 81

86 87

bb) Gegenstand der Sacheinlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Nennbetrag des Geschäftsanteils. . . . . . . . . . . dd) Belastungen und Schulden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Mängel der Sacheinlagevereinbarung aa) Verstoß gegen § 5 Abs. 4 Satz 1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Sonstige Mängel . . . . . . . . cc) Heilung . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Sachgründungsbericht . . . . . . . . a) Erstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Form. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Inhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Änderung der Einlagedeckung a) Umwandlung von Geld- in Sacheinlagen . . . . . . . . . . . . . . b) Austausch von Sacheinlagen c) Umwandlung von Sach- in Geldeinlagen . . . . . . . . . . . . . . d) Wahlrecht . . . . . . . . . . . . . . . . .

88 89 92

93 96 97 98 99 102 103

106 108 109 110

V. Gründungsaufwand 1. Kosten und Gründerlohn . . . . . . 111 2. Sondervorteile . . . . . . . . . . . . . . . 115

Schrifttum: Angermayer, Die aktienrechtliche Prüfung von Sacheinlagen, 1994; Ballerstedt, Kapital, Gewinn und Ausschüttung bei Kapitalgesellschaften, 1949; Barz, Know-how als Einbringungsgegenstand, in: FS W. Schmidt, 1959, S. 157; Battes, Die Überbewertung von Sacheinlagen im in- und ausländischen GmbH-Recht und bei der englischen Private Company, 1967; Bayer, Unwirksame Leistungen auf die Stammeinlage und nachträgliche Erfüllung – Zugleich Besprechung der Entscheidung des BGH v. 2.12.2002 – II ZR 101/02, GmbHR 2004, 445; Blaurock, Mindestkapital und Haftung bei der GmbH, in: FS Raiser, 2005, S. 3; Boehme, Kapitalaufbringung durch Sacheinlagen, insbesondere obligatorische Nutzungsrechte, 1999; Bongen/Renaud, Sachübernahmen, GmbHR 1992, 100; Bork, Die Einlagefähigkeit obligatorischer Nutzungsrechte, ZHR 154 (1990), 205; Büchel, Kapitalaufbringung, insbesondere Regelung der verdeckten Sacheinlage nach dem Regierungsentwurf des MoMiG, GmbHR 2007, 1065; Delmas, Die Bewertung von Sacheinlagen in der Handelsbilanz von AG und GmbH, 1997; Döllerer, Das Kapitalnutzungsrecht als Gegenstand der Sacheinlage bei Kapitalgesellschaften, in: FS Fleck, 1988, S. 35; Eidenmüller/Engert, Rechtsökonomik des Mindestkapitals im GmbH-Recht, GmbHR 2005, 433; Ekkenga, Zur Aktivierungs- und Einlagefähigkeit von Nutzungsrechten nach Handelsbilanz- und Gesellschaftsrecht, ZHR 161 (1997), 599; Emde, Zur Frage der Verdoppelung der Einlagepflicht der Gesellschafter einer Vorrats-GmbH bei unmittelbarer Rückzahlung des Einlagebetrages, GmbHR 2006, 308; Ensslin/Stauder, Rechtsfragen bei mangelhafter Sacheinlage in die GmbH, GmbHR 1968, 155; Fabricius, Das Stammkapital der GmbH, GmbHR 1970, 137; Fabricius, Vermögensbindung in AG und GmbH – tiefgreifender Unterschied oder grundsätzliche Identität?, ZHR 144 (1980), 628; Festl-Wietek, Bewertung von Sacheinlagen, Umwandlungen und Verschmelzungen, BB 1993, 2410; Flume, Der Gesellschafter und das Vermögen der Kapitalgesellschaft und die Problematik der verdeckten Gewinnausschüttung, ZHR 144 (1980), 18; Frey, Einlagen in Kapitalgesellschaften, 1990; Gersch/Herget/Marsch/ Veil

341

§5

Stammkapital; Geschäftsanteil

Stützle, GmbH-Reform 1980; Gessler, Die Umwandlung von Krediten in haftendes Kapital, in: FS Möhring, 1975, S. 173; Günthner, Probleme bei der Sachgründung einer GmbH, NJW 1975, 524; Haas, Gesellschaftsrechtliche Kriterien für die Sacheinlagefähigkeit von obligatorischen Nutzungsrechten, in: FS Döllerer, 1988, S. 169; Habersack, Die gemischte Sacheinlage, in: FS Konzen, 2006, S. 179; Hachenburg, Gemischte Sacheinlage bei der GmbH, LZ 1907, 278; Happ, Deregulierung der GmbH im Wettbewerb der Rechtsformen, ZHR 169 (2005), 6; Heidenhain, Katastrophale Rechtsfolgen verdeckter Sacheinlagen, GmbHR 2006, 455; Henkel, Die verdeckte Sacheinlage im GmbH-Recht unter Beteiligung von dem Gesellschafter nahestehenden Personen, GmbHR 2005, 1589; Herchen, Agio und verdecktes Agio im Recht der Kapitalgesellschaften, 2004; Hommelhoff, Das Risikokapital der GmbH, in: G. Roth, Die Zukunft der GmbH, 1983, S. 15; Hügel, Die Bewertung von Sacheinlagen im Handelsrecht und Steuerrecht, GesRZ 1993, 29; Joost, Kapitalbegriff und Reichweite der Bindung des aufgebrachten Vermögens in der GmbH, GmbHR 1983, 284; Joost, Grundlagen und Rechtsfolgen der Kapitalerhaltungsregeln in der GmbH, ZHR 148 (1984), 27; Kleindiek, Krisenvermeidung in der GmbH: Gesetzliches Mindestkapital, Kapitalschutz und Eigenkapitalersatz, ZGR 2006, 335; Kleindiek, Reform des gesellschaftsrechtlichen Gläubigerschutzes, Referat zum 66. Deutschen Juristentag, 2006, P 55; Knobbe-Keuk, Obligatorische Nutzungsrechte als Sacheinlagen in Kapitalgesellschaften, ZGR 1980, 214; Knobbe-Keuk, „Umwandlung“ eines Personenunternehmens in eine GmbH und verschleierte Sachgründung, ZIP 1986, 885; Krüger, Mindestkapital und Gläubigerschutz, 2005; Kußmaul, Sind Nutzungsrechte Vermögensgegenstände bzw. Wirtschaftsgüter, BB 1987, 2053; Langner, Verdeckte Sacheinlagen bei der GmbH – Die unendliche Geschichte des richtigen Einbringungsgegenstandes, GmbHR 2004, 298; Lutter, Kapital, Sicherung der Kapitalaufbringung und Kapitalerhaltung in den Aktien- und GmbH-Rechten der EWG, 1964; Lutz/ Matschke, Zur Bewertung von Sacheinlagen bei Gründung und Kapitalerhöhung unter dem Aspekt des Gläubigerschutzes, WPg 1992, 741; Meilicke, Obligatorische Nutzungsrechte als Sacheinlage, BB 1991, 579; Möhring, Erbringung von Stammeinlagen bei einer GmbH durch Aufrechnung, in: FS R. Schmidt, 1976, S. 85; H. P. Müller, Differenzierte Anforderungen für die Leistung von Sacheinlagen in das Eigenkapital von Kapitalgesellschaften, in: FS Heinsius, 1991, S. 591; W. Müller, Die Verwendung von Gesellschafterforderungen zur Erfüllung von Einlageverpflichtungen bei Gründung und von Übernahmeverpflichtungen bei Erhöhung des Stammkapitals der GmbH, WPg 1968, 173; Noack, Reform des deutschen Kapitalgesellschaftsrechts: Das Gesetz zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen, DB 2006, 1465; Pentz, Neues zur verdeckten Sacheinlage, ZIP 2002, 2093; Pentz, Zu den GmbH-rechtlichen Änderungsvorschlägen des MoMiG aus Sicht eines Praktikers, in: VGR, Gesellschaftsrecht in der Diskussion 2006, 2007, S. 115; Pfister, Das technische Geheimnis „Know-how“ als Vermögensrecht, 1974; Priester, Die Verwendung von Gesellschafterforderungen zur Kapitalerhöhung bei der GmbH, DB 1976, 1801; Priester, Die Festsetzung im GmbH-Vertrag bei Einbringung von Unternehmen, BB 1980, 19; Priester, Ansatz des originären Firmenwertes in Einbringungs- und Umwandlungsbilanzen, in: FS Nirk, 1992, S. 893; Priester, Mindestkapital und Sacheinlageregeln, in: VGR, Die GmbHReform in der Diskussion, 2006, S. 1; Raiser, Die neuen Gründungs- und Kapitalerhöhungsvorschriften für die GmbH, in: Das neue GmbH-Recht in der Diskussion, 1980, S. 21; Römermann, Der Entwurf des „MoMiG“ – die deutsche Antwort auf die Limited, GmbHR 2006, 673; von Rössing, Die Sachgründung nach der GmbH-Novelle 1980, 1984; Rogusch, Mindesteigenkapital, Haftungsbeschränkung und Gläubigerschutz bei der GmbH, 1979; Schall, Kapitalaufbringung nach dem MoMiG, ZGR 2009, 126; Schall, Kapitalgesellschaftsrechtlicher Gläubigerschutz, 2009; Schärtl, Die Doppelfunktion des Stammkapitals im europäischen Wettbewerb, 2006; Karsten Schmidt, Obligatorische Nutzungsrechte als Sacheinlagen, ZHR 154 (1990), 237; Schmidt-Troschke, Einbringung einer Generallizenz in eine Kapitalgesellschaft gegen Gewährung von Gesellschafterrechten, BB 1996, 1530; Siegelmann, Die Grundstückssacheinlage im Recht der GmbH, GmbHR 1968, 115; Skibbe, Dienstleistun-

342

Veil

§5

Stammkapital; Geschäftsanteil

gen als Sacheinlage bei der GmbH, GmbHR 1980, 73; Sosnitza, Die Einlagefähigkeit von Domain-Namen, GmbHR 2002, 821; Steinbeck, Obligatorische Nutzungsrechte als Sacheinlagen und Kapitalersatz, ZGR 1996, 116; Ströber, Valutaforderungen zur Erfüllung von Stammeinlageverbindlichkeiten bei der GmbH zu Zeiten von Währungsschwankungen, DNotZ 1975, 17; Sudhoff/Sudhoff, Die Sacheinlage bei Gründung einer GmbH, NJW 1982, 129; Trölitzsch, Differenzhaftung für Sacheinlagen in Kapitalgesellschaften, 1998; Ulmer, Gesellschafterdarlehen und Unterkapitalisierung, in: FS Duden, 1979, S. 661; Ulmer, Freigabe der Stückelung von Stammeinlagen/Geschäftsanteilen im Zeitpunkt der GmbH-Gründung – ein empfehlenswertes Reformanliegen?, in: Liber amicorum Happ, 2006, S. 325; J. Vetter, Reform des gesellschaftsrechtlichen Gläubigerschutzes, Referat zum 66. Deutschen Juristentag, 2006, P 76; Wiedemann, Sacheinlagen in der GmbH, in: FS Hirsch, 1968, S. 257; J. Wilhelm, Die Vermögensbindung bei der Aktiengesellschaft und der GmbH und das Problem der Unterkapitalisierung, in: FS Flume, Bd. II, 1978, S. 337; Wilhelmi, Der Grundsatz der Kapitalerhaltung im System des GmbH-Rechts, 2001; Wohlschlegel, Gleichbehandlung von Sacheinlagen und Sachübernahmen im Gründungsrecht der GmbH, DB 1995, 2053. S. auch die Literaturangaben zu § 13 Rdnr. 138 (Unterkapitalisierung).

I. Allgemeines 1. Regelungsinhalt und -zwecke Die Vorschrift legt eine Mindesthöhe für das Stammkapital fest (§ 5 Abs. 1) und 1 bestimmt, dass die Summe der Nennbeträge aller Geschäftsanteile mit dem im Gesellschaftsvertrag festgesetzten Stammkapital übereinstimmen muss (§ 5 Abs. 3 Satz 2). Diese Regelungen dienen dem Gläubigerschutz. Außerdem legt die Vorschrift fest, welche Anforderungen zu beachten sind, wenn Sacheinlagen geleistet werden sollen (§ 5 Abs. 4), nämlich die Festsetzung des Gegenstands der Sacheinlage im Gesellschaftsvertrag und die Erstellung eines Sachgründungsberichts. Diese Vorgaben sollen in erster Linie die Gesellschaftsgläubiger, aber auch die Anteilsinhaber im Hinblick auf die möglichen Gefährdungen der Kapitalaufbringung bei Sachgründungen informieren (Warnfunktion)1 und dem Registergericht die Kontrolle des Vorgangs gemäß § 9c ermöglichen2. Falsche Angaben können eine Schadensersatzpflicht (§ 9a) sowie Strafbarkeit (§ 82 Abs. 1 Nr. 1 u. 2) zur Folge haben.

2. Gesetzesänderungen Die größten Änderungen der Vorschrift erfolgten durch die GmbH-Novelle 1980 und das MoMiG 20083. Die GmbH-Novelle 1980 verfolgte das Ziel, den Gläubigerschutz zu verbessern4. Dazu setzte sie mit Wirkung zum 1.1.1981 das Mindeststammkapital von 20 000 DM auf 50 000 DM herauf (§ 5 Abs. 1). Es ist mit der Einführung der Europawährung unter annähernder wertmäßiger Anpassung ab dem 1.1.1999 auf 25 000 Euro festgesetzt worden (Art. 3 § 3 Nr. 1a EuroEG). 1 RGZ 114, 77, 81; RG, LZ 1918, 918; BGH, NJW 1979, 216; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 1. 2 Priester, BB 1980, 19, 21; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 1. 3 S. zu den Änderungen der Stammkapitalziffer infolge der verschiedenen Währungsreformen Rdnr. 13. 4 Vgl. Begr. RegE, BT-Drucks. 8/1347, S. 27; Bericht des Rechtsausschusses, BT-Drucks. 8/3908, S. 66.

Veil

343

2

§5

Stammkapital; Geschäftsanteil

Mit der GmbH-Novelle von 1980 wurde außerdem § 5 Abs. 4 Satz 1 neu gefasst1 und in § 5 Abs. 4 Satz 2 eine Pflicht der Gesellschafter zur Erstattung eines Sachgründungsberichts eingeführt. Den Vorschlag einer obligatorischen Gründungsprüfung bei bestimmten Sacheinlagen (§ 5d RegE) griff der Gesetzgeber zwar nicht auf2. Es ist aber inzwischen anerkannt, dass der Registerrichter bei begründeten Zweifeln an der Bewertung ein Sachverständigengutachten einholen oder weiter gehende Prüfungen anordnen kann (s. § 9c Rdnr. 14 und 34). 3 § 5 hat sodann durch das MoMiG eine Reihe an Änderungen erfahren. Diese sind zunächst dadurch bedingt, dass ein Gesellschafter einer GmbH nach neuem Recht keine Stammeinlagen, sondern Geschäftsanteile gegen Einlage auf das Stammkapital übernimmt. § 3 Abs. 1 Nr. 4 verlangt deshalb nicht mehr die Angabe des Betrags der Stammeinlage im Gesellschaftsvertrag, sondern der Nennbeträge der Geschäftsanteile. Dementsprechend regelt § 5 nicht wie früher die Bildung der Stammeinlagen, sondern die Bildung der Geschäftsanteile. Die inhaltlichen Änderungen des § 5 verfolgen den Zweck, die Handhabung und Übertragung von Geschäftsanteilen zu erleichtern3. So konnte ein Gesellschafter früher bei der Errichtung einer GmbH nur eine Stammeinlage übernehmen (§ 5 Abs. 2 a.F.); heute ist es ihm gestattet, mehrere Geschäftsanteile zu übernehmen (§ 5 Abs. 2 Satz 2). Ferner musste die Stammeinlage jedes Gesellschafters vor der Reform mindestens hundert Euro betragen (§ 5 Abs. 1 a.F.) und ihr Betrag in Euro durch fünfzig teilbar sein (§ 5 Abs. 3 Satz 1 a.F.); jetzt begnügt sich das Gesetz mit der Vorgabe, dass der Nennbetrag jedes Geschäftsanteils auf volle Euro lauten muss (§ 5 Abs. 2 Satz 1). Keine Änderung hat das Erfordernis eines Stammkapitals von mindestens 25 000 Euro (§ 5 Abs. 1) erfahren. Die geänderten Bestimmungen traten zum 1.11.2008 in Kraft.

3. Geltungsbereich 4 Die Vorschriften des § 5 sind auch auf die Entstehung einer GmbH durch Umwandlung anwendbar. Der Mindeststammkapitalbetrag gemäß § 5 Abs. 1 gilt auch hier (§§ 36 Abs. 2 Satz 1, 135 Abs. 2 Satz 1, 197 Satz 1 UmwG). Die umwandlungsrechtlichen Sondervorschriften zu den Mindestbeträgen der Anteile und zu deren Teilung (vgl. §§ 46 Abs. 1 Satz 3, 56, 125 Satz 1, 243 Abs. 3 Satz 2 UmwG a.F.) gelten seit dem MoMiG nicht mehr4. Bei der Verschmelzung und Spaltung findet § 5 Abs. 4 Satz 1 Anwendung (§§ 36 Abs. 2 Satz 1, 135 Abs. 2 Satz 1 UmwG)5. Außerdem sind diesbezügliche Festsetzungen bis zum Ablauf der für sie geltenden Fristen6 aus den Gesellschaftsverträgen der übertragenden bzw. formwechselnden Rechtsträger zu übernehmen (§§ 57, 125 Satz 1, 243 Abs. 1 Satz 2 UmwG). Ein Sachgründungsbericht i.S. des § 5 Abs. 4 Satz 2 ist bei der Spaltung stets erforderlich (§ 138 UmwG), während er bei der Verschmel1 2 3 4 5

Bericht des Rechtsausschusses, BT-Drucks. 8/3908, S. 69. Bericht des Rechtsausschusses, BT-Drucks. 8/3908, S. 70. Begr. RegE MoMiG, BT-Drucks. 16/6140, S. 29. Vgl. M. Winter, in: Lutter, 4. Aufl. 2009, § 56 UmwG Rdnr. 21. Vgl. zu den notwendigen Angaben bei der Verschmelzung durch Neugründung M. Winter, in: Lutter, 4. Aufl. 2009, § 56 UmwG Rdnr. 21. 6 Für die AG und KGaA beträgt die Frist 30 Jahre (§§ 26 Abs. 5, 27 Abs. 5, 278 Abs. 3 AktG), für die GmbH zehn Jahre ab Eintragung in das Handelsregister (s. Rdnr. 86).

344

Veil

§5

Stammkapital; Geschäftsanteil

zung und beim Formwechsel nur zu erstellen ist, wenn der übertragende bzw. formwechselnde Rechtsträger keine Kapitalgesellschaft oder eingetragene Genossenschaft ist (§§ 58 Abs. 2, 245 Abs. 4, 264 Abs. 2 UmwG). Im Sachgründungsbericht sind bei der Umwandlung auch der Geschäftsverlauf und die Lage der übertragenden bzw. formwechselnden Rechtsträger darzulegen (§§ 58 Abs. 1, 125 Satz 1, 220 Abs. 2 UmwG). Bei einer ordentlichen Kapitalerhöhung gelten die Bestimmungen des § 5 Abs. 2 5 und 3 auch für die neu gebildeten Geschäftsanteile (§ 55 Abs. 4). Für die Festsetzungen im Erhöhungsbeschluss und in der Übernahmeerklärung betreffend Sacheinlagen gilt nach § 56 Abs. 1 Entsprechendes wie bei der Gründung. Einen Sacherhöhungsbericht der Gesellschafter schreibt das Gesetz in Abweichung von § 5 Abs. 4 Satz 2 nicht vor. Neue oder erhöhte Geschäftsanteile aus einer Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln müssen gemäß § 57h Abs. 1 Satz 2 auf einen Betrag gestellt werden, der auf volle Euro lautet. Weitergehende Anforderungen sind seit dem MoMiG nicht mehr vorgesehen. Daher können nun auch mehrere neue Geschäftsanteile an einen Gesellschafter zugeteilt werden (s. Rdnr. 22 f.). Bei einer Herabsetzung des Stammkapitals darf der in § 5 Abs. 1 bestimmte 6 Mindestbetrag nicht unterschritten werden (§ 58 Abs. 2 Satz 1). Erfolgt sie zum Zweck der Zurückzahlung von Einlagen oder zum Zweck des Erlasses zu leistender Einlagen, dürfen die verbleibenden Nennbeträge der Geschäftsanteile nicht unter den in § 5 Abs. 2 und 3 bezeichneten Betrag herabgehen (§ 58 Abs. 2 Satz 2). Für die vereinfachte Kapitalherabsetzung schreibt § 58a Abs. 3 Satz 2 ebenfalls ausdrücklich vor, dass die Geschäftsanteile auf einen Betrag gestellt werden müssen, der auf volle Euro lautet.

II. Stammkapital 1. Begriff und Funktionen a) Begriff Das GmbHG verwendet den Terminus Stammkapital in zahlreichen Vorschrif- 7 ten1. Darunter ist eine durch den Gesellschaftsvertrag betragsmäßig zu bestimmende feste Größe2 zu verstehen, die die Gesamthöhe der mindestens aufzubringenden Gesellschaftereinlagen sowie der bei der Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln (§§ 57c ff.) „umgewandelten Rücklagen“ der Gesellschaft angibt. Sie bezeichnet zugleich die rechnerische Grenze, unterhalb der das Gesellschaftsvermögen durch Leistungen an die Gesellschafter als solche nicht geschmälert werden darf3 (Grundsatz der Kapitalerhaltung). Der Stammkapitalbegriff meint daher nicht Kapital im kredit- oder betriebswirtschaftlichen Sinne. Er ist insbesondere nicht identisch mit dem betriebswirtschaftlichen und im 1 §§ 3 Abs. 1 Nr. 3, 5 Abs. 1 u. 3, 5a Abs. 1 und 5, 7 Abs. 2, 10 Abs. 1, 30, 33, 43 Abs. 3, 55 ff., 61 Abs. 2, 75, 82 Abs. 2 Nr. 1. 2 RGZ 68, 309, 312 spricht irrig von einem „im Gesellschaftsvertrage festgesetzten Sollvermögen“. 3 Vgl. Lutter, Kapital, S. 42 ff.; Märtens, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 27; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 9.

Veil

345

§5

Stammkapital; Geschäftsanteil

Handelsbilanzrecht verwandten Begriff des Eigenkapitals der Gesellschaft, das schon, beispielsweise im Falle der Einbringung eines Betriebes, bei der Gründung vom Stammkapital abweichen und sich danach anders als dieses ständig verändern kann. Auch die gebräuchlichen Kennzeichnungen als „Garantiekapital“ oder als „Haftungsfonds“ sind missverständlich1; sie bringen nur zum Ausdruck, dass das Stammkapital angreifende Auszahlungen an Gesellschafter verboten sind (vgl. § 30). b) Gläubigerschutz 8 Das Stammkapital hat nach der ursprünglichen Konzeption des Gesetzes eine zentrale Bedeutung für den Gläubigerschutz2. Es soll den Gesellschaftsgläubigern als Haftungsfonds zur Verfügung stehen3. Diese Vorstellung mag bei Einführung der GmbH im Jahre 1892 berechtigt gewesen sein4. Der seinerzeit gesetzlich vorgeschriebene Mindestbetrag von 20 000 Reichsmark5 war beträchtlich6. Für den heute gültigen Mindestbetrag von 25 000 Euro trifft dies nicht mehr zu. Vor allem aber kann gesetzlich nicht sichergestellt werden, dass der Betrag des Stammkapitals den Gläubigern nach der Eintragung dauerhaft zur Verfügung steht. Die von den Gesellschaftern eingelegten Mittel werden bald nach der Gründung im operativen Geschäft eingesetzt und können verloren gehen. Verfehlt ist es deshalb, von einem Garantiekapital zu sprechen. Das im Gesellschaftsvertrag festgesetzte Stammkapital wird heute als Preis verstanden, den die Gründer für das Haftungsprivileg aufzubringen haben7 und das an die Gläubiger ein Seriositätssignal8 sendet. Der Sinn der zwingenden Vorschriften über Kapitalaufbringung und -erhaltung liegt unter diesen Umständen (nur) darin, die mit beschränkter Haftung operierenden Gesellschafter zu zwingen, den versprochenen Betrag der Gesellschaft wirklich zur Verfügung zu stellen und ihn nicht später (auch außerhalb von Krisenzeiten) aus dem Reinvermögen der Gesellschaft herauszunehmen, wenn dieses dadurch unter den Betrag des Stammkapitals sinkt oder schon gesunken ist. Die handelsgerichtliche Publizität (vgl. § 10) gewährleistet, dass Dritte sich über das „geschützte“ Vermögen der Gesellschaft zum Zeitpunkt der Eintragung der Gesellschaft in das Handelsregister informieren können. Wie wichtig dem Gesetzgeber diese Publizität ist, zeigt sich an der Regelung der Nichtigkeitsklage: Enthält der Gesellschaftsvertrag keine Bestimmungen über die Höhe des Stammkapitals, so kann die Gesellschaft für nichtig erklärt werden (§ 75 Abs. 1). 9 Das Gesetz sorgt durch die weit gehende Einschränkung der Unwirksamkeit der Beteiligungserklärungen der Gesellschafter (s. § 2 Rdnr. 66, 72 ff.), die strengen 1 2 3 4 5

Zutreffend Joost, GmbHR 1983, 285 f. Vgl. Schärtl, S. 25 ff.; Wilhelmi, S. 16 ff., 44 ff. Vgl. Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 9. Vgl. Schärtl, S. 16 ff. Das Mindeststammkapital wurde 1923 auf 5000 GoldM, 1926 auf 20 000 RM und 1948 auf 20 000 DM festgesetzt. Vgl. Zeidler, in: Michalski, Rdnr. 5. 6 Er entsprach dem Wert eines Einfamilienhauses. Vgl. Grunewald/Noack, GmbHR 2005, 189 ff.; Schärtl, S. 18. 7 Vgl. Schäfer, in: Bork/Schäfer, Rdnr. 5; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 9. 8 Vgl. Schall, ZGR 2009, 126, 128 ff.

346

Veil

§5

Stammkapital; Geschäftsanteil

und zwingenden Vorschriften über die Erbringung der Einlagen (§§ 5, 7 Abs. 2 u. 3, 8 Abs. 1 u. 2, 9 ff., 19 ff., 33 Abs. 1, 43 Abs. 3, 55 ff., 82, 84) und durch die Sicherungen bei der Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln (§§ 57c ff.) dafür, dass mindestens ein der festgesetzten Stammkapitalziffer entsprechendes Reinvermögen der Gesellschaft aufgebracht wird (sog. Grundsatz der Sicherung der Kapitalaufbringung) und dass Dritte über die Leistung nicht in Geld bestehender Einlagegegenstände unterrichtet werden (§ 5 Abs. 4)1. Folgerichtig macht es die Herabsetzung des Stammkapitals von der Einhaltung besonderer Gläubigerschutzvorschriften abhängig (§§ 58 ff.). c) Gesellschaftsverhältnis Neben der Gläubigerschutzfunktion kommt dem Stammkapital Bedeutung für das interne Gesellschaftsverhältnis zu. Die auf die Geschäftsanteile geleisteten Einlagen sind (wenn auch nicht notwendig die alleinigen) Beiträge der Gesellschafter zur Erreichung des Gesellschaftszwecks, die der Gesellschaft im Rahmen des Kapitalerhaltungsgrundsatzes zu belassen sind. Das Stammkapital zeigt außerdem die Höchstgrenze an, bis zu der jeder Gesellschafter eine Deckungspflicht für Einlagen gegenüber der GmbH haben kann (§ 24), auch und gerade beim Ausfallen eines seiner Mitgesellschafter, und ist teilweise eine Bezugsgröße für die Ausübung von Gesellschafterrechten (§§ 50, 61 Abs. 2, 66 Abs. 2)2.

10

2. Höhe a) Festsetzung Die Festsetzung des Stammkapitals hat im Gesellschaftsvertrag in Euro zu erfol- 11 gen (§ 3 Abs. 1 Nr. 3) und kann nur durch Satzungsänderung nach den Sonderregeln über die Kapitalerhöhung (§§ 55 ff.) sowie über die Kapitalherabsetzung (§§ 58 ff.) geändert werden. Die Satzungsautonomie zur Bestimmung der Stammkapitalhöhe schränkt das GmbHG durch eine zwingende Untergrenze (§ 5 Abs. 1) ein3. Darin artikuliert sich die ordnungspolitische Entscheidung, die Verwendung der GmbH wegen der auf das Gesellschaftsvermögen beschränkten Haftung von einem bestimmten Mindesteinsatz an Risikokapital durch die Beteiligten abhängig zu machen und damit den Gesellschaftsgläubigern einen gewissen Mindestschutz zu geben4. Der Gesetzgeber hat an dieser Entscheidung bei der Reform durch das MoMiG 12 zwar festgehalten. Die mit dem MoMiG eingeführte Unternehmergesellschaft relativiert aber die Bedeutung der Kapitalaufbringung. Eine Obergrenze für die Stammkapitalhöhe sieht das GmbHG nicht vor, so dass auch Großunternehmen sich der Rechtsform der GmbH bedienen können und bedienen. 1 Die früher durch § 10 Abs. 3 sichergestellte Publizität von Sacheinlagen wurde durch das EHUG aufgehoben. S. § 10 Rdnr. 1 und 29. 2 Ausführlich hierzu bei § 14 Rdnr. 8b. 3 Weitergehende spezialgesetzliche Einschränkungen der Bestimmungsfreiheit bestehen für Gesellschaften des Kreditgewerbes, s. Rdnr. 17. 4 Vgl. Bericht des Rechtsausschusses, BT-Drucks. 8/3908, S. 68 f. und dazu insbesondere Karsten Schmidt, NJW 1980 1769, 1770; Kreuzer, ZIP 1980, 597, 598 f.; Priester, DNotZ 1980, 515, 517; Raiser, S. 22 ff.

Veil

347

§5

Stammkapital; Geschäftsanteil

b) Mindesthöhe 13

Das Stammkapital muss mindestens 25 000 Euro betragen (§ 5 Abs. 1). Diese durch das EuroEG v. 9.6.1998 (BGBl. I 1998, 1242) in Anlehnung an das frühere Recht1 festgelegte Untergrenze gilt für Neugründungen ab dem 1.1.1999. Eine andere Währungseinheit als Euro ist unzulässig2. Der RegE MoMiG hatte den Betrag auf 10 000 Euro absenken wollen3 und damit der Kritik von Praxis und Wissenschaft an der Höhe und Sinnhaftigkeit des Mindeststammkapitals (s. Rdnr. 8) Rechnung tragen wollen4. Auf dem 66. Deutschen Juristentag fand der Antrag „Eine Reduzierung des für die GmbH geltenden Mindestkapitals von 25 000 Euro wird befürwortet.“ aber keine Mehrheit5. Ebenso entwickelte sich das Meinungsbild in der rechtswissenschaftlichen Reformdebatte6. Der Gesetzgeber nahm daraufhin von seinem Vorhaben mit Rücksicht auf die Sorge des deutschen Mittelstandes um das Ansehen der bereits gegründeten GmbHs Abstand7. Außerdem sah er auf Grund der Einführung der Unternehmergesellschaft keinen Reformdruck mehr, Unternehmen mit geringem Kapitalbedarf die Gründung einer GmbH zu ermöglichen8. Die rechtspolitische Diskussion sollte damit jedoch nicht beendet sein. Es wird abzuwarten sein, wie sich die Unternehmergesellschaft als „Abart“ der GmbH (s. § 5a Rdnr. 7) entwickelt.

14

Wenn die Gesellschafter nach Abschluss des Gesellschaftsvertrags einen geringen Stammkapitalbetrag aufbringen wollen, können sie den Gesellschaftsvertrag vor der Eintragung der Gesellschaft in das Handelsregister ändern und ein unter 25 000 Euro liegendes Stammkapital festlegen. Damit gründen sie eine Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt)9. c) Bemessung des Stammkapitals

15

Die Bestimmung der Höhe des statutarisch festzusetzenden Stammkapitals (Rdnr. 13) steht, abgesehen von dem Mindestbetrag von 25 000 Euro (§ 5 Abs. 1), 1 Nach früherem Recht betrug das Mindeststammkapital 50 000 DM. S. Rdnr. 2 und zum Übergangsrecht ausführlich 10. Aufl., Rdnr. 16 f. 2 Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 2; Zeidler, in: Michalski, Rdnr. 11. 3 Schon der RegE MindestKapG vom 1.6.2005 hatte die Absenkung des Mindeststammkapitals auf den Betrag von 10 000 Euro vorgesehen. Vgl. dazu Stellungnahme des Handelsrechtsausschusses DAV (abrufbar unter http://www.anwaltverein.de). 4 Begr. RegE MoMiG, BT-Drucks. 16/6140, S. 29. 5 Der Antrag wurde mit 58:112:10 Stimmen abgelehnt; vgl. Beschlüsse der Abteilung Wirtschaftsrecht des 66. Deutschen Juristentags, I.3. (abrufbar unter http://www.djt.de/ files/djt/66/66_DJT_Beschluesse.pdf). 6 Ablehnend Büchel, GmbHR 2007, 1065, 1066; Goette, WPg 2008, 231, 234; Pentz, in: VGR, Gesellschaftsrecht in der Diskussion 2006, 2007, S. 115, 122; Kleindiek, P 47 ff.; Priester, in: VGR, Gesellschaftsrecht in der Diskussion 2005, 2006, S. 1, 5 ff.; Raiser, ZGR 2006, 494, 497 („unbedachter Hüftschuss“); Schärtl, GmbHR 2007, 344, 348; kritisch auch J. Vetter, P 83 f.; eine Reduktion bzw. Abschaffung befürwortend Blaurock, in: FS Raiser, 2005, S. 3 ff.; Grunewald/Noack, GmbHR 2005, 189; Eidenmüller/Engert, GmbHR 2005, 433. 7 Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses, BT-Drucks. 16/9737, S. 94. 8 Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses, BT-Drucks. 16/9737, S. 94; dazu auch Seibert/Decker, ZIP 2008, 1208; Wedemann, WM 2008, 1381. 9 OLG Frankfurt a.M., GmbHR 2011, 984.

348

Veil

§5

Stammkapital; Geschäftsanteil

im freien Ermessen der Gesellschafter. Zwar wird vereinzelt vertreten, die Gesellschafter hätten eine Pflicht zur Festsetzung eines dem Geschäftszweck und Geschäftsumfang „angemessenen Stammkapitals“1. Eine solche Pflicht hat aber keine Grundlage im geltenden Recht2 und ist auch nicht rechtsfortbildend aus den gesetzlichen Kapitalschutzvorschriften herzuleiten. Diese Regeln sollen lediglich gewährleisten, dass die Aufbringung eines Vermögensgrundstockes in Höhe des bekanntgemachten Stammkapitalbetrages gesichert ist und das Gesellschaftsvermögen bis zur Höhe dieses Betrages nicht durch Leistungen an die Gesellschafter als solche geschmälert wird (Rdnr. 8). Es entspricht vielmehr dem gesetzgeberischen Willen, es der Finanzierungsfreiheit der Gesellschafter zu überlassen, in welcher Form (Einlagen, Nachschüsse, Nebenleistungen, Rücklagen) das erforderliche Eigenkapital bereitgestellt und welcher Teil als Stammkapital aufgebracht werden soll (§ 3 Abs. 1 Nr. 3, 4 und Abs. 2; § 5; §§ 26 ff., 29 Abs. 1, 42 Abs. 1)3. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus den mittlerweile im Insolvenzrecht vorzufindenden Regeln über Gesellschafterdarlehen (§§ 39, 135, 143 InsO), die in keiner sachlichen Beziehung zur Stammkapitalhöhe stehen. Zwar liegt ihnen die Vorstellung zugrunde, dass Gesellschafter auch als Fremdkapitalgeber eine besondere Finanzierungsverantwortung tragen. Sie betreffen aber die ganz andere Frage, unter welchen Voraussetzungen die Rückgewähransprüche der Gesellschafter über die der GmbH gegebenen Fremdmittel trotz dieses Rechtscharakters im Insolvenzfalle gegenüber den Forderungen anderer Gläubiger nachrangig sein sollen. Einen rechtlichen Bewertungsmaßstab, nach dem sich die Angemessenheit des Stammkapitals bestimmen ließe, kann ihnen nicht entnommen werden. Die Gesellschafter trifft nach der gesetzlichen Ausgestaltung der GmbH keine 16 über die Aufbringung des gesetzlich vorgeschriebenen Mindeststammkapitals hinausgehende „Finanzausstattungspflicht“4. Es wäre nicht möglich, eine solche Pflicht rechtssicher zu bestimmen. Die Vorschriften über die Handelsregisteranmeldung (§§ 7 und 8) fordern keine Unterlagen über die geplante Unternehmensfinanzierung und machen damit deutlich, dass diese nicht Gegenstand der registerrichterlichen Prüfung und die unzulängliche Eigenkapitalausstattung kein Eintragungshindernis sein sollte5. Aus den Kapitalschutzvorschriften lässt sich eine Beschränkung der Satzungsautonomie zur Bestimmung der Stamm1 So vor allem Wiedemann, in: Die Haftung des Gesellschafters in der GmbH, 1968, S. 17 f.; Wiedemann, WM 1975 Beil. IV, 19; Wiedemann, GesR I, S. 226, 565 ff.; vgl. auch BSG, GmbHR 1996, 604, 606 (es müsse „eine gewisse Relation zwischen dem nach Art und Umfang der beabsichtigten oder der tatsächlichen Geschäftstätigkeit bestehenden Finanzbedarf und dem haftenden Eigenkapital gewährleistet sein“). 2 H.M.; vgl. BGHZ 31, 258, 268; BGHZ 68, 312, 319; BGHZ 76, 326, 334; BGHZ 90, 381, 389; BGHZ 127, 23; BAG, ZIP 1999, 24, 26; BAG, ZIP 1999, 878, 880; Ulmer, in: FS Duden, 1977, S. 661, 667; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 5; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 8; Wilhelm, Rechtsform und Haftung bei der juristischen Person, 1981, S. 308 ff. 3 Vgl. Begr. RegE, BT-Drucks. 8/1347, S. 43. 4 BGHZ 176, 204, 215 Rdnr. 23. A.A. Lutter/Hommelhoff, ZGR 1979, 31, 57 ff.; Lutter, ZGR 1982, 244, 249 f.; Ulmer, in: FS Duden, S. 669 ff. 5 Nur wenn feststeht, dass die Gesellschaftsgründung nach den Gesamtumständen auf eine vorsätzliche, sittenwidrige Schädigung anderer angelegt ist, kommt eine Zurückweisung des Eintragungsantrages in Betracht; s. § 9c Rdnr. 36.

Veil

349

§5

Stammkapital; Geschäftsanteil

kapitalhöhe jedenfalls nicht herleiten1. Der BGH lehnt es daher zu Recht ab, eine allgemeine gesellschaftsrechtliche Haftung der Gesellschafter wegen materieller Unterkapitalisierung im Wege der Rechtsfortbildung anzuerkennen2. Eine andere Frage ist, ob eine deliktische Haftung gemäß § 826 BGB begründet sein kann3. d) Sondervorschriften 17

Einer Kapitalanlagegesellschaft in der Rechtsform der GmbH muss mit einem Anfangskapital von mindestens 300 000 Euro ausgestattet sein (§ 11 Abs. 1 Nr. 1 InvG). Sondervorschriften gelten außerdem für Institute, die dem KWG unterliegen. Diese Institute müssen „im Interesse ihrer Verpflichtungen gegenüber ihren Gläubigern, insbesondere im Interesse der Sicherheit der ihnen anvertrauten Vermögenswerte, angemessene Eigenmittel haben“ (vgl. § 10 Abs. 1 Satz 1 KWG) und ein bestimmtes Anfangskapital aufweisen (vgl. § 33 Abs. 1 Satz 1 KWG)4. Die Prüfung dieser Voraussetzungen obliegt der BaFin. Das Registergericht darf die Gesellschaft nur eintragen, wenn ihm die Erlaubnis nachgewiesen worden ist (§ 43 Abs. 1 KWG). Ein eigenes Prüfungsrecht bezüglich der angeführten Erlaubnisvoraussetzungen hat es nicht5.

3. Rechtsfolgen eines Verstoßes 18

Die Verletzung der Vorschrift über das Mindeststammkapital (§ 5 Abs. 1) führt zur Nichtigkeit der statutarischen Stammkapitalfestsetzung6. Sie ist ein vom Registergericht zu beachtendes Eintragungshindernis (s. § 9c Rdnr. 16 ff.). Wird die Gesellschaft dennoch eingetragen, so ist das Amtsauflösungsverfahren gemäß § 399 Abs. 4 FamFG gegeben. Die Nichtigkeitsklage gemäß § 75 Abs. 1 und die Amtslöschung gemäß § 397 FamFG beschränken sich dagegen auf den Fall, dass der Gesellschaftsvertrag keine Bestimmung über die Höhe des Stammkapitals enthält oder, was dem gleichsteht, die Angabe unklar ist7. Andere Mängel der Stammkapitalfestsetzung genügen dagegen nicht.

1 Vgl. Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 6; Wilhelm, Rechtsform und Haftung bei der juristischen Person, 1981, S. 308 ff. 2 BGHZ 176, 204, 216 Rdnr. 24. 3 Der BGH hat in BGHZ 176, 204, 216 Rdnr. 25 offen gelassen, ob „Anlass und Raum ist für die Bildung einer besonderen Fallgruppe der ‘Haftung wegen Unterkapitalisierung einer GmbH‘, bei der der Haftungstatbestand und dessen Rechtsfolgen einer bestimmten generalisierenden Einordnung zugänglich sein müssten“. S. hierzu die Erl. zu § 13 Rdnr. 138 ff. 4 Näher hierzu Fischer, in: Boos/Fischer/Schulte-Mattler, 3. Aufl. 2008, § 33 KWG Rdnr. 6 ff. 5 Vgl. zu den Mitwirkungsrechten der BaFin beim Eintragungsverfahren § 43 Abs. 3 KWG. 6 Märtens, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 51; Zeidler, in: Michalski, Rdnr. 20. 7 Märtens, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 22; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 22.

350

Veil

§5

Stammkapital; Geschäftsanteil

III. Geschäftsanteile 1. Allgemeines Das Stammkapital ist seit dem MoMiG nicht mehr in Stammeinlagen, sondern 19 in Geschäftsanteile zerlegt. Folglich steht der Begriff des Geschäftsanteils im Zentrum des Gründungs- und Kapitalerhöhungsrechts. Auf den Begriff des Geschäftsanteils wird zunächst in § 3 Abs. 1 Nr. 4 Bezug genommen. Nach dieser Vorschrift muss der Gesellschaftsvertrag die Zahl und die Nennbeträge der Geschäftsanteile, die jeder Gesellschafter gegen Einlage auf das Stammkapital (Stammeinlage) übernimmt, enthalten. Ferner ist in § 14 Satz 1 bestimmt, dass auf jeden Geschäftsanteil eine Einlage zu leisten ist. Die Höhe der zu leistenden Einlage richtet sich gemäß § 14 Satz 2 nach dem bei der Errichtung der Gesellschaft im Gesellschaftsvertrag festgesetzten Nennbetrag des Geschäftsanteils bzw. im Fall der Kapitalerhöhung gemäß § 14 Satz 3 nach dem in der Übernahmeerklärung festgesetzten Nennbetrag des Geschäftsanteils. Mit diesen Regelungen wollte der Gesetzgeber klarstellen, dass die Erhöhung des Nennbetrags der Geschäftsanteile nach § 57h Abs. 1 im Rahmen einer Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln oder die Erhöhung des Nennbetrags der Geschäftsanteile im Zuge einer Einziehung gemäß § 34 keine Erhöhung der Einlageverpflichtung zur Folge hat1. Einen Geschäftsanteil muss jeder Gesellschafter übernehmen (§ 3 Abs. 1 Nr. 4). 20 Auf jeden Geschäftsanteil ist eine Einlage zu leisten (§ 14 Satz 1). Der Nennbetrag des Geschäftsanteils ist im Gesellschaftsvertrag in Euro betragsmäßig festzusetzen (§ 3 Abs. 1 Nr. 4 und § 5 Abs. 1 u. Abs. 2 Satz 1). Die Einlageleistung kann in Geld inländischer Währung oder in sonstigen Gegenständen bestehen, soweit sie zur Aufbringung des Stammkapitals geeignet sind (sog. Sacheinlagen; s. Rdnr. 30 ff.). Wenn der Gesellschaftsvertrag nicht ausdrücklich etwas anderes bestimmt (§ 5 Abs. 4 Satz 1), hat die Einlageleistung in Geld zu erfolgen. Als Übernehmer des Geschäftsanteils kommt grundsätzlich jede Person in Betracht. Allein die Gesellschaft selbst kann einen Geschäftsanteil nicht übernehmen2. Außer der Einlage können für alle oder für einzelne Gesellschafter auch andere 21 Beitragsleistungen im Gesellschaftsvertrag in der Form von sog. Nebenleistungs- oder von Nachschusspflichten (§§ 3 Abs. 2, 26 ff.) vereinbart werden, die nicht der Aufbringung des Stammkapitals dienen und deren Leistung daher nicht den speziellen Gläubigerschutzvorschriften unterliegt. Die Nachschüsse, die nur in Geld zulässig sind (§ 26 Abs. 1: „Einzahlungen“), haben ebenfalls den Charakter von Leistungen auf das Eigenkapital der Gesellschaft, während das für die sog. Nebenleistungen, die in Geld oder in anderen Gegenständen bestehen können, der Fall sein kann, aber nicht sein muss. Praktisch relevant sind insoweit vor allem Aufgeldzahlungen (Agio). Es handelt sich dabei um die Vereinbarung einer den Nennbetrag des Geschäftsanteils überschreitenden Einlageforderung. Das Agio ist nicht als eine Zahlung auf den Geschäftsanteil, son-

1 Begr. RegE MoMiG, BT-Drucks. 16/6140, S. 37. 2 Märtens, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 40.

Veil

351

§5

Stammkapital; Geschäftsanteil

dern als eine Nebenleistungspflicht zu qualifizieren1. In der Bilanz der Gesellschaft sind die eingeforderten Nachschüsse nach § 42 Abs. 2 Satz 3 und die Nebenleistungen auf das Eigenkapital nach § 272 Abs. 2 HGB auf der Passivseite in dem Posten „Kapitalrücklage“ auszuweisen2. Die Rückgewähr solcher Leistungen unterliegt, soweit sie nach dem Gesellschaftsvertrag zulässig ist, nicht der Kapitalbindung gemäß §§ 30, 313, wohl aber bei Nachschüssen den Einschränkungen des § 30 Abs. 2 Satz 2 und 3. Etwas anderes gilt insoweit grundsätzlich für die Nebenleistungsvereinbarungen i.S. des § 3 Abs. 2, die die Gesellschafter lediglich zur Bereitstellung von Fremdmitteln (Darlehen, Sachleihe) oder zum Abschluss sonstiger Geschäfte verpflichten; bei der Befriedigung oder Sicherung von Ansprüchen auf Darlehensrückgewähr können die Sondervorschriften der InsO über Gesellschafterdarlehen eingreifen (vgl. § 39 Abs. 1 Nr. 5 und § 135 InsO); auch kommt eine Qualifizierung als „Finanzplankredit“ in Betracht.

2. Bildung der Geschäftsanteile a) Mehrere Geschäftsanteile 22

Der Gesetzgeber hatte bei Erlass des GmbHG im Jahre 1892 noch gemeint, die für die Aktiengesellschaft erleichterte Veräußerlichkeit der Beteiligung sei auf die GmbH nicht zu übertragen; deshalb sei in der Gründungsphase die Einheitlichkeit der Mitgliedschaft festzulegen4. Das seinerzeitige Anliegen ist heute nur noch von begrenzter Überzeugungskraft. In der Reformdiskussion hat sich daher die Ansicht durchgesetzt, jedenfalls die Bildung der Geschäftsanteile in der Gründungsphase zu liberalisieren5. Dies wirkt sich auf die für notwendig gehaltene Unterscheidbarkeit der Rechtsformen GmbH und AG nicht aus; denn die Geschäftsanteile sind wegen des Erfordernisses einer notariellen Beurkundung für die Abtretung weiterhin nicht in derselben Weise fungibel wie Aktien einer AG. Hinzu kam, dass ein Gesellschafter schon nach altem Recht durch den Erwerb weiterer Geschäftsanteile nach der Eintragung der Gesellschaft in das Handelsregister, im Zuge einer Kapitalerhöhung oder auf Grund Teilung (§ 17 a.F.) über mehrere Stammeinlagen (und damit gemäß § 14 a.F. über mehrere Geschäftsanteile) verfügen konnte. Es war nicht einzusehen, warum dies in der Gründungsphase nicht zulässig sein sollte6.

23

Der Gesetzgeber hat daher mit dem MoMiG zu Recht das Verbot der Übernahme mehrerer Geschäftsanteile aufgehoben. Dies folgt bereits aus § 3 Abs. 1 Nr. 4, ist aber in § 5 Abs. 2 Satz 2 nunmehr auch ausdrücklich festgelegt: Ein

1 Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 11; Märtens, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 50; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 183. A.A. Herchen, S. 139 ff. 2 Für das Agio Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 11; Märtens, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 50. 3 Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 183. 4 Amtl. Begr. zum Entwurf eines GmbHG v. 11.2.1892, RT-Drucks. Nr. 660, S. 3724, 3729. 5 Happ, ZHR 169 (2005), 6, 17 f.; Noack, DB 2006, 1475, 1477; Römermann, GmbHR 2006, 673, 676. 6 So bereits H. Winter/H. P. Westermann, 10. Aufl., Rdnr. 2; Begr. RegE MoMiG, BTDrucks. 16/6140, S. 30.

352

Veil

§5

Stammkapital; Geschäftsanteil

Gesellschafter kann bei Errichtung der Gesellschaft mehrere Geschäftsanteile übernehmen. In der Konsequenz dieser Liberalisierung hat der Gesetzgeber die Teilung von Geschäftsanteilen erleichtert, indem er § 17 durch das MoMiG aufgehoben hat. Die Teilung ist jetzt uneingeschränkt zulässig und erfolgt ebenso wie die Zusammenlegung von Geschäftsanteilen durch Beschluss der Gesellschafter (§ 46 Nr. 4). b) Höhe der Geschäftsanteile Bis zum MoMiG musste die Stammeinlage jedes Gesellschafters mindestens 24 hundert Euro betragen (§ 5 Abs. 1 a.F.). Dieses Erfordernis hat der Gesetzgeber gestrichen und stattdessen bestimmt, dass der Nennbetrag jedes Geschäftsanteils auf volle Euro lauten muss (§ 5 Abs. 2 Satz 1)1. Aus diesen beiden Änderungen folgt, dass ein Geschäftsanteil – wie eine Aktie (vgl. § 8 Abs. 2 Satz 1 AktG) – auf den Nennbetrag von einem Euro lauten kann. Der Gesetzgeber hat diese Gestaltungsautonomie mit der treffenden Erwägung gerechtfertigt, dass der frühere Mindestnennbetrag von 100 Euro zum Schutz der Gesellschaftsgläubiger nichts beitrage2. Die Höhe des Nennbetrags hat in der Tat lediglich die Funktion einer Rechengröße, die bei der Ausfallhaftung der Mitgesellschafter (§ 24 und § 31 Abs. 3) relevant wird. Schließlich trägt § 47 Abs. 2 der in § 5 Abs. 2 Satz 1 getroffenen Regelung Rechnung und bestimmt, dass jeder Euro eines Geschäftsanteils eine Stimme gewährt. Weitere Anforderungen sind bei der Bildung der Geschäftsanteile nicht zu 25 beachten. Insbesondere ist das frühere Erfordernis, dass der Betrag der Stammeinlage in Euro durch fünfzig teilbar sein muss (§ 5 Abs. 3 Satz 2 a.F.), ersatzlos gestrichen worden. Der Gesetzgeber ist damit einer Forderung der Wirtschaftsverbände nachgekommen, die in der Teilbarkeitsregel eine unnötige Belastung bei Erbauseinandersetzungen und Vorgängen der vorweggenommenen Erbfolge gesehen hatten3. Rechtlich nicht zwingend geboten ist eine Nummerierung der Geschäftsanteile im Gesellschaftsvertrag4. In der bei der Anmeldung einzureichenden Liste sind die Anteile ohnehin zu nummerieren (vgl. § 8 Abs. 1 Nr. 3), so dass dies praktischerweise bereits im Gesellschaftsvertrag erfolgen kann. Die Höhe der Nennbeträge der einzelnen Geschäftsanteile kann verschieden be- 26 stimmt werden (§ 5 Abs. 3 Satz 1). Ein Gesellschafter kann folglich mehrere Geschäftsanteile mit unterschiedlichen Nennbeträgen (bspw. 1, 3, 5, 10 Euro etc.) übernehmen. c) Gesamtbetrag der Geschäftsanteile Nach altem Recht musste der Gesamtbetrag der Stammeinlagen mit dem 27 Stammkapital übereinstimmen. Über das Gründungsstadium hinaus war aber keine Übereinstimmung von Stammkapital und Summe der Geschäftsanteile

1 2 3 4

Dies noch ablehnend Happ, ZHR 169 (2005), 6, 20. Begr. RegE MoMiG, BT-Drucks. 16/6140, S. 30. Begr. RegE MoMiG, BT-Drucks. 16/6140, S. 30. Märtens, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 47.

Veil

353

§5

Stammkapital; Geschäftsanteil

gefordert1. Dies hat der Gesetzgeber mit dem MoMiG ändern wollen. So bestimmt nunmehr § 5 Abs. 3 Satz 2, dass die Summe der Nennbeträge aller Geschäftsanteile mit dem Stammkapital übereinstimmen muss2. Dieses Korrespondenzgebot gilt nach dem Willen des Gesetzgebers sowohl für die Gründungsphase als auch für den weiteren Verlauf der Gesellschaft3, was auch im Wortlaut der Vorschrift („muss“) deutlich zum Ausdruck kommt. Wird ein Geschäftsanteil eines Gesellschafters gemäß § 34 eingezogen, müssen die Gesellschafter vermeiden, dass entgegen § 5 Abs. 3 Satz 2 die Summe der Nennbeträge aller Geschäftsanteile mit dem Stammkapital nicht mehr übereinstimmt (s. § 34 Rdnr. 62 ff.)4.

3. Verbot der Unterpari-Ausgabe 28

Ein Verbot der Unterpari-Ausgabe ist in § 5 – anders als in § 9 Abs. 1 AktG – nicht vorgesehen. Schon nach altem Recht war daraus aber nicht zu schließen, dass Geschäftsanteile gegen einen geringeren Betrag als den Nennbetrag ausgegeben werden dürfen5. Dies hat der BGH in seiner Entscheidung vom 14.3.1977 damit begründet, dass das GmbH-Recht von dem Grundsatz beherrscht ist, dass im Interesse des redlichen Rechtsverkehrs die Aufbringung und Erhaltung des Stammkapitals als der Haftungs- und Kreditgrundlage der Gesellschaft unbedingt gesichert werden muss. Dieser Grundsatz lasse es nicht zu, Geschäftsanteile gegen eine unter dem Nennbetrag liegende Einlage mit der Folge einzuräumen, dass die Summe der Stammeinlagen das im Gesellschaftsvertrag ausgewiesene und in das Handelsregister einzutragende Stammkapital wertmäßig nicht erreicht6. Das MoMiG hat zwar das Kapitalaufbringungsrecht an zahlreichen Stellen geändert; die Grundrichtung des Gesetzes ist aber unverändert geblieben. Die Unterpari-Ausgabe von Geschäftsanteilen ist daher weiterhin unzulässig7. Im Falle eines Verstoßes darf die Gesellschaft nicht eingetragen werden. Wird die Gesellschaft dennoch eingetragen, so ist der Gesellschafter verpflichtet, seine Einlage in voller Höhe des Nennbetrags zu erbringen8. 1 Vgl. H. Winter/H. P. Westermann, 10. Aufl., Rdnr. 31 f. 2 Die Neuregelung gilt nicht für Sachverhalte vor Inkrafttreten des MoMiG am 1.11.2008. Vgl. OLG München, GmbHR 2012, 398. 3 Begr. RegE MoMiG, BT-Drucks. 16/6140, S. 31. 4 In Rechtsprechung und Schrifttum ist umstritten, welche Rechtsfolgen es hat, wenn ein Einziehungsbeschluss gegen § 5 Abs. 3 Satz 2 verstößt. So wird zum Teil angenommen, der Beschluss sei nichtig; vgl. OLG München v. 21.9.2011 – 7 U 2413/11 und v. 15.11.2011 – 7 U 2413/11, jeweils abrufbar unter www.juris.de; LG Essen, NZG 2010, 867 ff.; LG Neubrandenburg, ZIP 2011, 1214. Nach a.A. hat ein Verbot des späteren Auseinanderfallens von Stammkapital und Nennbeträgen der Geschäftsanteile im Wortlaut des § 5 Abs. 3 Satz 2 keinen Niederschlag gefunden, es sei daher auch nicht anzunehmen, dass der Beschluss nichtig sei; vgl. Braun, NJW 2010, 2700 f.; Haberstroh, NZG 2010, 1094 ff.; Märtens, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 44; Meyer, NZG 2009, 1201 ff.; Wanner-Laufer, NJW 2010, 1499 ff.; in der Tendenz auch OLG Saarbrücken, GmbHR 2012, 209 (i.E. aber offen gelassen). 5 H. Winter/H. P. Westermann, 10. Aufl., Rdnr. 34 m.w.N. 6 BGHZ 68, 191, 195. 7 Märtens, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 49. 8 Märtens, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 49; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 186.

354

Veil

§5

Stammkapital; Geschäftsanteil

4. Rechtsfolgen eines Verstoßes Die Vorschriften über die Bildung der Geschäftsanteile (§ 5 Abs. 1 bis 3) sind 29 zwingend. Ein Verstoß gegen eine der Vorschriften hat die Nichtigkeit der entsprechenden Bestimmung des Gesellschaftsvertrags (vgl. § 3 Abs. 1 Nr. 4) zur Folge und begründet ein – vom Registergericht nach Maßgabe von § 9c zu überprüfendes – Eintragungshindernis. Kommt es dennoch zur Eintragung der Gesellschaft, so hat das Registergericht gemäß § 399 Abs. 1 i.V.m. Abs. 4 FamFG vorzugehen1; wird der Mangel nicht behoben, so wird die Gesellschaft aufgelöst.

IV. Sacheinlagen 1. Allgemeines Die zur Beschaffung des Stammkapitals erforderlichen Einlagen der Gesellschaf- 30 ter können in Geld oder durch andere Vermögenswerte erbracht werden (Rdnr. 20). Zulässig und nicht selten ist die Verbindung beider Arten, zwischen denen freie Wahl besteht. Das Gesetz geht davon aus, dass mangels einer anderen Bestimmung im Gesellschaftsvertrag die Einlage in Geld deutscher Währung zu leisten ist. Das ist auch bei der Auslegung des Statuts zu berücksichtigen. Im Zweifel ist stets eine Geldeinlageschuld anzunehmen. § 5 Abs. 4 verwendet seit der Reform 1980 nicht mehr den Begriff der Sachüber- 31 nahme, sondern nur noch den Begriff der „Sacheinlage“. Eine Legaldefinition dieses Terminus sieht die Vorschrift nicht vor. Die Änderung hat ausweislich der Gesetzesmaterialien2 keine inhaltliche Bedeutung. Insbesondere sollte das geltende Recht inhaltlich nicht geändert werden. Der Terminus „Sacheinlagen“ i.S. des § 5 Abs. 4 ist daher als Oberbegriff zu verstehen, der die Sacheinlagen i.e.S., d.h. die Pflicht zur Einlage von Sachwerten (Rdnr. 34 ff.), und, wie § 19 Abs. 2 Satz 2 zeigt, die Sachübernahmen, d.h. die Tilgung der Geldeinlagepflicht durch die Verrechnung mit der Vergütung für von der Gesellschaft übernommene Sachwerte (Rdnr. 73 ff.), umfasst3. Sachübernahmen ohne Verrechnungsabrede (vgl. § 27 Abs. 1 AktG) erfasst die Vorschrift des § 5 Abs. 4 dagegen wie früher nicht (Rdnr. 75)4. Sie können im Einzelfall aber als eine verdeckte Sacheinlage (vgl. § 19 Abs. 4) zu beurteilen sein. Die Sachgründung kann für die Gesellschaft wirtschaftlich zwar wesentlich vor- 32 teilhafter sein als eine bloße Geldgründung, aber sie ist andererseits erfahrungsgemäß mit Gefahren für die Aufbringung des verlautbarten Stammkapitals verbunden, denen das Gesetz durch Sondervorschriften Rechnung zu tragen sucht. Es schreibt bestimmte Angaben über Sacheinlagen im Gesellschaftsvertrag (§§ 5

1 Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 13; Märtens, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 54. 2 Vgl. Bericht des Rechtsausschusses, BT-Drucks. 8/3908, S. 69; näher dazu Wohlschlegel, DB 1995, 2053 ff. 3 Vgl. Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 38; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 16; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 18. 4 Die weitergehenden Vorschläge der §§ 5b, 12a RegE sind nicht Gesetz geworden; vgl. dazu Bericht des Rechtsausschusses, BT-Drucks. 8/3908, S. 69 u. 73.

Veil

355

§5

Stammkapital; Geschäftsanteil

Abs. 4 Satz 1, 19 Abs. 2 Satz 2) vor, verlangt einen Sachgründungsbericht der Gesellschafter (§ 5 Abs. 4 Satz 2), gebietet die Einbringung der Einlagegegenstände vor der Anmeldung zum Handelsregister (§ 7 Abs. 3), fordert die Einreichung der zugrunde liegenden oder zur Ausführung geschlossenen Verträge (§ 8 Abs. 1 Nr. 4) sowie von Unterlagen über den Wert der Sacheinlagen (§ 8 Abs. 1 Nr. 5), sieht eine Differenzhaftung bei Überbewertungen vor (§ 9) und begründet für das Registergericht eine besondere Prüfungspflicht bezüglich der Überbewertung (§ 9c Abs. 1 Satz 2). Unrichtige Angaben über Sacheinlagen ziehen darüber hinaus die Gründerhaftung (§§ 9a f.) und Strafbarkeit (§ 82 Abs. 1 Nr. 1 bis 3) nach sich. 33

Die GmbH-Novelle 1980, die einen Teil dieser Vorschriften eingeführt oder erweitert hat, hat die Anforderungen an die Sachgründung deutlich verschärft, um die Gläubiger möglichst wirksam zu schützen. Das MoMiG hat den Gläubigerschutz zwar im Kapitalaufbringungsrecht an einigen Stellen aufgeweicht. Dies ändert aber nichts daran, dass die Vorschriften weiterhin dem Gläubigerschutz verpflichtet und streng auszulegen sind1.

2. Die Sacheinlage im engeren Sinne a) Begriff 34

Sacheinlagen i.e.S. sind Beiträge der Gesellschafter zur anteiligen Aufbringung eines dem Stammkapital entsprechenden Vermögens, die in anderen Vermögensgegenständen als Geld bestehen. Von den Nebenleistungspflichten gemäß § 3 Abs. 2, die ebenfalls die Verschaffung von Sachwerten betreffen können, unterscheiden sie sich durch den vorgenannten Bestimmungszweck (Rdnr. 21). An dem im Schrifttum angeführten weiteren Unterscheidungsmerkmal, dass sie im Gegensatz zur Sacheinlage nicht zum Erwerb von Beteiligungsrechten führen könnten2, ist zutreffend, dass der Erwerb der Mitgliedschaft notwendigerweise die Übernahme eines Geschäftsanteils voraussetzt; der Umfang der Beteiligungsrechte kann sich dagegen sehr wohl nach den Gesellschafterbeiträgen in Form von Nebenleistungen bestimmen (s. § 14 Rdnr. 6). Das Gesetz stellt den Gesellschaftern im Übrigen frei, welchen Weg sie zur Einbringung von Sachwerten in die Gesellschaft wählen wollen; es können auch rein schuldrechtliche Vereinbarungen ohne Einfluss auf das Mitgliedschaftsrecht getroffen werden. Die Vereinbarung einer entsprechenden Nebenleistungspflicht kann deshalb nicht ohne weiteres als eine verdeckte Sacheinlage gewertet werden3. b) Sacheinlagevereinbarung

35

Die Sacheinlagevereinbarung ist im Gesellschaftsvertrag zu treffen (§ 5 Abs. 4 Satz 1). Sie ist ein unselbständiger und notwendiger Bestandteil des Gesell-

1 Vgl. Märtens, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 63; zur früheren Rechtslage bereits RGZ 141, 204, 212; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 26; für eine neue „Kapitalteleologie“ Schall, ZGR 2009, 126, 128 ff. 2 So Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 27. 3 Vgl. auch BGH, GmbHR 1970, 10; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 17.

356

Veil

§5

Stammkapital; Geschäftsanteil

schaftsvertrages und nicht ein zum Gesellschaftsvertrag hinzutretendes gesondertes Rechtsgeschäft (sog. Illationsvertrag)1. Die Abrede ist ein Teil der Beteiligungserklärung des Gesellschafters und regelt seine mitgliedschaftliche Beitragspflicht zur Aufbringung des Stammkapitals. Die Sacheinlagevereinbarung betrifft die Begründung der Einlagepflicht. Nur sie 36 und nicht das Vollzugsgeschäft ist im Gesellschaftsvertrag zu regeln. Die Sacheinlagen müssen aber vor der Anmeldung der Gesellschafter zur Eintragung in das Handelsregister an sie so bewirkt sein, dass sie endgültig zur freien Verfügung der Geschäftsführer stehen (§ 7 Abs. 3). Das dazu erforderliche Rechtsgeschäft kann schon in den Gesellschaftsvertrag aufgenommen werden2, was sich vor allem bei formbedürftigen Einbringungsakten empfiehlt; zwingend ist dies aber nicht. Die erwerbende Vorgesellschaft wird in diesem Fall durch die Gründungsgesellschafter repräsentiert3. Das Verfügungsgeschäft verändert durch die Aufnahme in den Gesellschaftsvertrag aber nicht seinen eigenständigen Rechtscharakter4. Näheres zur Einbringung der Sacheinlagen bei § 7 (Rdnr. 18 ff.). c) Gegenstand der Sacheinlage Die Eignung eines nicht in Geld bestehenden Gegenstandes zur Einlage regelt 37 das GmbHG nicht ausdrücklich. Sie ist deshalb nach dem Zweck der Vorschriften über die Kapitalaufbringung zu bestimmen, im Interesse der Gesellschafter und ihrer Gläubiger sicherzustellen, dass mindestens ein dem festgesetzten Stammkapital entsprechendes Gesellschaftsvermögen aufgebracht wird (Rdnr. 8, 13 und 30). Es kommen danach, wie § 27 Abs. 2 AktG für das Aktienrecht ausdrücklich vorschreibt, grundsätzlich nur verkehrsfähige Vermögensgegenstände mit einem feststellbaren wirtschaftlichen Wert in Betracht5. Der Begriff „Vermögensgegenstand“ umfasst, über § 90 BGB hinausgehend, nicht nur Sachen und Rechte, sondern alle Güter, die ihrer Natur nach verkehrsfähig sind, einen eigenen gegenwärtigen Vermögenswert haben und in die Gesellschaft zur freien Verfügung eingebracht werden können (Rdnr. 39)6. Entscheidend für die Sacheinlagefähigkeit ist die Gleichwertigkeit (Äquivalenz) der Sach- mit einer Geldeinlage7.

1 Vgl. BGHZ 45, 338, 345; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 13; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 21; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 23; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 29. A.A. Mülbert, in: FS Priester, S. 485, 493 f. (Sacheinlagepflicht als eine nichtmitgliedschaftliche Verpflichtung). 2 BGHZ 45, 338, 342; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 22; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 27; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 31. 3 Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 31. 4 Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 21; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 32. 5 BGHZ 29, 300, 304; BGHZ 144, 290; BGH, ZIP 2004, 1642 f. 6 Vgl. Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 14; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 23; Schäfer, in: Bork/Schäfer, Rdnr. 25; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 45. 7 Grundlegend Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 46; zustimmend die h.M.; vgl. Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 23; Märtens, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 68.

Veil

357

§5

Stammkapital; Geschäftsanteil

38

Die Bilanzfähigkeit (Aktivierungsfähigkeit) eines Gegenstandes ist kein zusätzliches selbständiges Erfordernis der Sacheinlage1, denn die bilanzrechtlichen Kriterien beruhen nicht unbedingt auf der Realisierbarkeit eines Werts aus der Sicht des Gläubigerschutzes. Die Bilanzierbarkeit eines Gegenstandes ist vielmehr Folge seiner Einlagefähigkeit. Andererseits kann eine anerkannte Praxis der Bilanzierungsfähigkeit eines Gegenstandes ein Indiz für seine Einlagefähigkeit sein2.

39

Der Einlagegegenstand muss zur Einbringung in die Gesellschaft geeignet sein, d.h. er muss übertragbar sein, so dass die Gesellschaft ihn nutzen kann. Zweifelhaft ist, ob er darüber hinaus durch die Gesellschaft übertragbar sein muss. Im Schrifttum wird teilweise eine weitergehende Übertragbarkeit in dem Sinne gefordert, dass der Gegenstand zur Weiterveräußerung oder Überlassung an Dritte geeignet sein müsse. Denn nur dann sei er ein geeignetes Zugriffsobjekt für die Gesellschaftsgläubiger3. Diese Auslegung ist abzulehnen4. Das Gesetz will die Aufbringung eines realen Gesellschaftsvermögens sichern, enthält aber keinen Anhaltspunkt für die Forderung, dass das Gesellschaftsvermögen sich bei der Anmeldung und später mindestens bis zur Stammkapitalhöhe nur aus Gegenständen zusammensetzen dürfe, die einer Einzelverwertung durch die Gläubiger zugänglich sind. Die Gläubigerschutzfunktion der Kapitalaufbringung liegt nicht in der Eröffnung von Vollstreckungsmöglichkeiten in konkrete Gegenstände, sondern in der Beibringung eines realen Gesellschaftsvermögens zur Unternehmenssicherung5. Die obige Einschränkung würde zudem für das Gesellschaftsunternehmen u.U. besonders bedeutsame Gegenstände (z.B. Firma, einfache Lizenzen, Knowhow, Vertretungen, Bierlieferungsrecht, etc.) ausschließen, deren Einlagefähigkeit die Praxis seit langem zu Recht bejaht (s. Rdnr. 49). Die Gläubiger sind in diesen Fällen dadurch ausreichend geschützt, dass die Gegenstände im Rahmen des Gesellschaftsunternehmens nutzbar sind und sie damit eine Tilgung der Verbindlichkeiten ermöglichen. Die Gegenstände brauchen deshalb nicht selbständig übertragbar, sondern müssen nur so beschaffen sein, dass sie der Gesellschaft endgültig zur freien Verfügung (§ 7 Abs. 3) überlassen werden können6. Soweit es sich um Rechte gegenüber dem Sacheinleger handelt, muss aus diesen Gründen auch eine Aussonderung aus dessen Vermögen erfolgen7. Eine bloße obligatorische Ver1 Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 23; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/ Schmidt-Leithoff, Rdnr. 26; Märtens, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 70; Schäfer, in: Bork/Schäfer, Rdnr. 25; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 41. A.A. Knobbe-Keuk, ZGR 1989, 216; Ekkenga, ZHR 161 (1997), 599, 618. 2 Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 43; zustimmend Märtens, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 72. 3 Lutter, Kapital, S. 232; Haas, in: FS Döllerer, S. 169, 180 f.; Ekkenga, ZHR 161 (1997), 599, 620; vgl. auch Karsten Schmidt, ZHR 154 (1990), 237, 251. 4 Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 23; Märtens, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 75 f.; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 26; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 45; Brandes, ZGR 1989, 244, 247; Döllerer, in: FS Fleck, S. 35, 42; Bork, ZHR 154 (1990), 205, 228 f.; Meilicke, BB 1991, 579 f.; Steinbeck, ZGR 1996, 116, 122 f. 5 Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 45; Bork, ZHR 154 (1990), 205, 228 f. 6 Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 23; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 45; Bork, ZHR 154 (1990), 205, 224 f. 7 Lutter, Kapital, S. 231; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 46; Bork, ZHR 154 (1990), 205, 224 m.w.N.

358

Veil

§5

Stammkapital; Geschäftsanteil

pflichtung eines Gesellschafters ist deshalb kein geeigneter Einlagegegenstand1 (s. aber § 19 Abs. 5 zum Forderungsaustausch). d) Einzelfälle aa) Sachen Einlagefähig sind das Eigentum an beweglichen und unbeweglichen Sachen so- 40 wie grundstücksgleiche Rechte, z.B. das Erbbaurecht (§ 1 ErbbauRG) oder das Bergwerkseigentum (vgl. § 9 BBergG). Künftige Sachen kommen nur in Betracht, wenn sie bis zur Anmeldung entstanden sind2. Belastungen hindern nicht, sind aber bei der Wertfestsetzung (Rdnr. 56 ff.) mindernd zu berücksichtigen. Ebenso geeignet sind dingliche Rechte3, insbesondere können auch Nießbrauchsrechte oder beschränkt persönliche Dienstbarkeiten für die Gesellschaft bestellt4 oder ihr anderenfalls, da unübertragbar, jedenfalls zur Ausübung überlassen werden (§§ 1059 ff., 1092 BGB).

41

Ein obligatorisches Gebrauchsrecht an einer Sache kann ein zulässiger Ein- 42 lagegegenstand sein5. Dies gilt grundsätzlich auch dann, wenn die Sache dem Einleger gehört. Anders ist es aber zu beurteilen, wenn das Nutzungsrecht kurzfristig beseitigt werden kann oder wenn die Gesellschaft den Besitz der Sache, den sie gegen Zugriffe Dritter verteidigen könnte, nicht innehat. Dann ist es schwerlich möglich, einen wirtschaftlichen Wert des Nutzungsrechts zu ermitteln. Deshalb ist ein längerfristig unkündbares und mit Besitz verbundenes Gebrauchsrecht zu verlangen6, das auch nicht aus rechtlichen Gründen vorzeitig erlöschen kann. Auch obligatorische Nutzungsrechte an Grundstücken scheiden nicht von vor- 43 neherein als taugliche Sacheinlage aus7. Zwar wird im Schrifttum teilweise ar1 BGHZ 180, 38, 42 Rdnr. 10; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 15; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 24; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 46. 2 Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 16; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 25; Märtens, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 79; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 51. 3 Zur isolierten Grundschuld vgl. LG Koblenz, GmbHR 1987, 482. 4 BGHZ 45, 338, 344; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 19; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 25; Märtens, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 82; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 52; einschr. Lutter, Kapital, S. 232. 5 BGHZ 144, 290, 294 (zur AG); Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 22; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 52; Döllerer, ZGR 1979, 355 u. FS Fleck, 1988, S. 35 ff.; Brandes, ZGR 1989, 244, 246 f.; Frey, S. 76, 96 f.; Steinbeck, ZGR 1996, 116, 127 ff.; Bork, ZHR 154 (1990), 205 ff.; einschr. auf Nutzungsrechte an beweglichen Sachen Karsten Schmidt, ZHR 154 (1990), 235, 254 ff. 6 BGHZ 144, 290, 294 (zur AG); BGH, NZG 2004, 910 (zur GmbH); Haas, in: FS Döllerer, 1988, S. 178 f.; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 25; Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 39; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 53; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/SchmidtLeithoff, Rdnr. 28; gegen die Einlagefähigkeit bei Verbleiben des Eigentums beim Einleger aber Knobbe-Keuk, ZGR 1980, 214, 217; Ekkenga, ZHR 161 (1997), 599, 618 ff.; weitergehende Anforderungen bei Karsten Schmidt, ZHR 154 (1990), 237, 253 ff. 7 Bork, ZHR 154 (1990), 205, 217 f.; Döllerer, in: FS Fleck, 1988, S. 35, 44; Märtens, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 87. A.A. Karsten Schmidt, ZHR 154 (1990), 237, 253 ff.; Zeidler, in: Michalski, Rdnr. 103.

Veil

359

§5

Stammkapital; Geschäftsanteil

gumentiert, die mangelnde Vollstreckungsfestigkeit bzw. der mangelhafte Schutz der Gesellschaft vor Verfügungen des Inferenten würde dem entgegenstehen. Praktisch bedeutsam ist hier namentlich der Fall der Veräußerung eines Grundstücks durch den Eigentümer ohne Weitergabe der aus der Nutzungsvereinbarung sich ergebenden Pflicht, ferner der Fall der Zwangsversteigerung des Grundstücks, bei der die Gesellschaft gegenüber dem Dritterwerber nicht geschützt ist. Die Gesellschaft ist nicht geschützt, weil eine analoge Anwendung der §§ 566, 581 Abs. 2, 593b BGB ausscheidet1. Die aus einer Verfügung und einer Zwangsversteigerung resultierenden Risiken können aber bei der Bewertung (Rdnr. 57 ff.) angemessen berücksichtigt werden2. Wird die Sachnutzung vor Ablauf der vereinbarten Dauer für die Gesellschaft unmöglich, so greifen die allgemeinen Regeln des Schuldrechts über Pflichtverletzungen ein, die zu einer anstelle der Sacheinlage zu erbringenden Geldeinlage führen können (Rdnr. 62 ff.). 44

Schließlich ist auch ein Kapitalnutzungsrecht, d.h. die zinslose Überlassung von Geldkapital an die Gesellschaft auf Zeit, sacheinlagefähig, wenn es sinngemäß die vorstehenden Erfordernisse erfüllt3. bb) Forderungen

45

Forderungen des Sacheinlegers mit einem feststellbaren wirtschaftlichen Wert sind grundsätzlich einlagefähig, selbst wenn sie bestritten oder zweifelhaft sind4. Doch sind diese Umstände bei der Bewertung (Rdnr. 56 ff.) zu berücksichtigen. Auch Forderungen gegen einen Mitgesellschafter, beispielsweise gegen ein mit dem Gesellschafter verbundenes Unternehmen, sind einlagefähig5. Von der Bonität her, die sich bei der Bewertung auswirkt, sind Unterschiede zu Forderungen gegen außenstehende Dritte nicht ersichtlich, und da der Inferent nach § 24 für ausstehende Einlagen seiner Mitgesellschafter aufzukommen hat, erhöht sich das Risiko für die Gesellschaft, eine als Einlage eingebrachte Forderung gegen einen Mitgesellschafter akzeptieren zu müssen, im Vergleich zur Einbringung von Forderungen gegen Dritte nicht; dem Aussonderungserfordernis (Rdnr. 39) ist auch dann durch die Abtretung genügt. Im Falle der Zustimmungsbedürftigkeit der Abtretung (§ 399 BGB) muss die erforderliche Erklärung des Schuldners spätestens bis zur Anmeldung zum Handelsregister vorliegen 1 Bork, ZHR 154 (1990), 205, 217 f.; Boehme, S. 121 ff., 149 f.; Karsten Schmidt, ZHR 154 (1990), 237, 257; Märtens, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 87. A.A. Döllerer, in: FS Fleck, 1988, S. 35, 43 f.; Götting, AG 1999, 1, 5. 2 Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 22; Döllerer, ZGR 1979, 355, 356; Märtens, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 88; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 53; vgl. auch BGHZ 144, 294 (zu Lizenzrechten). 3 Döllerer, in: FS Fleck, 1988, S. 35, 44 ff.; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 53; Bayer, in: Lutter/ Hommelhoff, Rdnr. 23; Boehme, S. 145 f., 152 f., 163, 168; Märtens, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 93. A.A. Karsten Schmidt, GesR, § 20 II 3a, cc. 4 Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 17; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 27; Märtens, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 114; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 29; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 54. 5 Ebenso zur AG Röhricht, in: Großkomm. AktG, 4. Aufl. 1996, § 27 AktG Rdnr. 73; offen Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 17; a.A. LG Krefeld, GmbHR 1987, 310, 311; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 24; Märtens, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 115; Zeidler, in: Michalski, Rdnr. 88.

360

Veil

§5

Stammkapital; Geschäftsanteil

(§ 7 Abs. 3)1. Aufschiebend bedingte oder in ihrer Entstehung von weiteren Voraussetzungen abhängige Forderungen sind ebenfalls nur dann einlagefähig, wenn bis zu dem genannten Zeitpunkt die Bedingung eingetreten bzw. die Voraussetzung erfüllt ist2. Das gilt nicht für feststehende, aber aufschiebend befristete Forderungen, bei denen aber ein Bewertungsabschlag geboten ist. Auflösend bedingte Forderungen sind wegen des ihnen anhaftenden besonderen Risikos ungeeignet, soweit nicht ausnahmsweise der Bedingungseintritt als völlig unwahrscheinlich einzuschätzen ist. Befristete Forderungen, bei denen der Leistungszeitpunkt ungewiss ist, können unter Berücksichtigung eines entsprechenden Bewertungsabschlags eingebracht werden3. Allgemein ungeeignet sind dagegen Forderungen, die Dienstleistungen oder unvertretbare Werkleistungen zum Gegenstand haben (Rdnr. 51). Auch Forderungen des Gesellschafters gegenüber der Gesellschaft, die die vor- 46 genannten Voraussetzungen (Rdnr. 45) erfüllen, sind zulässige Sacheinlagegegenstände4. In der Gründungsphase dürfte die Einbringung solcher Forderungen zwar eher die Ausnahme sein. Praktisch relevant kann aber die Einbringung von Forderungen eines Gesellschafters gegen die Gesellschaft (Beispiel: Darlehensrückzahlung) bei einer Kapitalerhöhung sein. Der im Gesellschaftsvertrag begründete Anspruch auf Erstattung verauslagter Gründungskosten oder auch auf Zahlung eines angemessenen Gründerlohns (s. Rdnr. 113) kann als Sacheinlage verwendet werden, was für die Erstattung von Kosten und Auslagen anerkannt ist, für eine Gründervergütung aber nur gebilligt werden kann, wenn nicht die Zahlung als Einlagenrückgewähr i.S. der §§ 30, 31 gewertet werden muss5. Die Forderung kann durch Abtretung oder durch Erlassvertrag eingebracht werden, die jeweils zu einer Reinvermögenserhöhung infolge des Schulduntergangs führen. Wenn ein Gesellschafter seine Forderung gegen die Gesellschaft einbringen kann, geschieht dies grundsätzlich zu ihrem Nennwert. Fraglich ist, ob dies unabhängig von der Vermögenssituation der Gesellschaft gilt. Dafür könnte sprechen, dass die einzubringende Forderung in der Bilanz der Gesellschaft als Verbindlichkeit mit ihrem Nennwert bilanziert ist6. In der Bilanz der Gesellschaft wirkt sich die Einbringung der Forderung zu ihrem Nennwert aus (Bilanzverkürzung). Diese Auslegung wird aber dem Zweck effektiver Kapitalaufbringung nicht gerecht7. Der Gesetzgeber hat zwar mit dem MoMiG 1 Märtens, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 114; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 54. 2 Vgl. OLG Oldenburg, AG 1997, 424, 427 (zur AG); Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 55; Märtens, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 116; wohl auch Hueck/Fastrich, in: Baumbach/ Hueck, Rdnr. 27; a.A. Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 17. Der BGH hat in BB 1978, 1635 f. eine vorabgesprochene Aufrechnung gegen eine Lohnforderung für unzulässig erklärt, zur Einlagefähigkeit einer künftigen Forderung aber nicht Stellung genommen. 3 Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 17; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 27; Märtens, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 116; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 55. 4 BGHZ 15, 52, 60; BGHZ 90, 370, 374; BGHZ 110, 47, 60; BGHZ 113, 335, 340; BGHZ 132, 141, 143; BGH, NJW 1970, 469; OLG Düsseldorf, GmbHR 1997, 606; OLG Schleswig, NZG 2001, 566; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 28; Märtens, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 124; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 56. 5 Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 59; s. auch Rdnr. 114. 6 Für eine Berücksichtigung zum Nennwert daher Geßler, in: FS Möhring, 1975, S. 173, 191; Reuter, BB 1978, 1195; Meilicke, DB 1989, 1069, 1072 ff. 7 Märtens, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 127.

Veil

361

§5

Stammkapital; Geschäftsanteil

eine bilanzielle Betrachtungsweise für maßgeblich erklärt. Ein Gesellschafter wird aber nur dann von seiner Einlagepflicht frei, wenn er eine vollwertige Sache einbringt (vgl. § 19 Abs. 2, 4 und 5). Folglich kann ein Gesellschafter eine ihm zustehende Forderung gegen die Gesellschaft nur dann zu deren Nennwert einbringen, wenn die Forderung fällig, vollwertig und liquide ist1. Für eine nicht fällige, vollwertige und/oder liquide Forderung ist ein Bewertungsabschlag vorzunehmen2. 47

Zweifelhaft ist, ob auch ein Anspruch aus einem kapitalersetzenden Darlehen einlagefähig ist. Diese Frage stellt sich weiterhin, weil das mit dem MoMiG abgeschaffte Eigenkapitalersatzrecht in Gestalt der sog. Novellenregeln (§§ 32a, 32b a.F.) und der Rechtsprechungsregeln (§§ 30, 31 analog) gemäß § 103d EGInsO auf Altfälle, in denen das Insolvenzverfahren vor Inkrafttreten des MoMiG eröffnet worden ist, als zur Zeit der Verwirklichung des Entstehungstatbestandes des Schuldverhältnisses geltendes „altes“ Gesetzesrecht weiterhin Anwendung findet3. Zur Beantwortung der Frage nach der Einlagefähigkeit ist zu differenzieren. Ein nach den „Rechtsprechungsregeln“ analog § 30 „gesperrter“ Anspruch auf Rückzahlung des Darlehens kann nicht eingelegt werden4, sehr wohl aber ein Anspruch, der in der Insolvenz gemäß § 32a GmbHG, § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO a.F. nachrangig wäre5. Es ist im letzteren Fall auch grundsätzlich nicht erforderlich, der Gefahr einer Zurückstufung in der Insolvenz durch einen Bewertungsabschlag Rechnung zu tragen6.

48

Eine Forderung gegen den Gesellschafter ist nicht einlagefähig (Rdnr. 39 a.E.)7. Etwas anderes gilt aber für den in § 19 Abs. 5 geregelten Fall, in dem es zu einem Forderungsaustausch kommt (Einlage- gegen Darlehensforderung; s. § 19 Rdnr. 171). Anders ist es schließlich zu beurteilen, wenn mit der Forderung die Hingabe einer dinglichen Sicherheit (Hypothek, Pfandrecht, Sicherungsübereignung) oder mit der Besitzverschaffung der zu nutzenden Sache (Rdnr. 41) verbunden ist8. cc) Andere Rechte und Vermögenswerte

49

Zulässig ist die Einbringung von Immaterialgüterrechten, obwohl gerade bei ihnen der Einlagewert oft sehr schwierig zu ermitteln ist, und zwar Urhe-

1 Märtens, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 127; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 57. 2 Für Abschlag (offenbar nur bei fehlender Vollwertigkeit) LG Berlin, BB 1977, 213; ohne Berücksichtigung der Fälligkeit OLG Oldenburg, AG 1997, 424, 426. 3 BGHZ 179, 249 Leitsatz 1. S. zu den früheren Regelungen für eigenkapitalersetzende Darlehen die Erl. zu § 30 Rdnr. 107 ff. 4 OLG Schleswig, NZG 2001, 568; Priester, in: FS Döllerer, 1988, S. 475, 483 ff.; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 58; vgl. auch BGHZ 90, 370, 374 ff. (zur Verrechnung). 5 Märtens, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 109; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 58. 6 Märtens, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 109. A.A. 10. Aufl.; ferner Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 58. 7 BGHZ 180, 38, 42 Rdnr. 10; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 24; Märtens, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 109; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 58. 8 Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 24; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 78; gegen Einlagefähigkeit selbst bei dinglicher Sicherung durch den Gesellschafter oder Dritter Cahn, ZHR 166 (2002), 278, 296.

362

Veil

§5

Stammkapital; Geschäftsanteil

ber-1, Verlags- und Geschmacksmusterrechte sowie Markenrechte und Logos2, auch nicht patentierte oder angemeldete, jedoch keine zukünftigen Erfindungen3, geheime Fabrikationsverfahren4 und sonstiges Know-how5, auch wenn dieses rechtlich nicht spezifisch geschützt ist; desgleichen Lizenzen an den vorgenannten Schutzrechten6. Vorausgesetzt ist immer, dass die Vorkehrungen und die Kenntnis um sie gerade für das zu gründende Unternehmen Wert haben. Nicht selbstständig einbringbar sind die Firma (§ 23 HGB), geschäftliche Bezeichnungen (§ 5 MarkenG), die Kundschaft oder der so genannte Goodwill, wohl aber wenn sie zusammen mit dem Unternehmen übertragen werden7. Sacheinlagen können ferner sein Aktien und GmbH-Geschäftsanteile, Gesellschaftsanteile an einer OHG oder KG dann, wenn deren Gesellschafter zustimmen oder die Abtretung im Gesellschaftsvertrag allgemein oder für diesen Fall gestattet ist. Die erforderlichen Zustimmungen, auch bei vinkulierten Namensaktien oder Geschäftsanteilen, müssen spätestens bei der Anmeldung zum Handelsregister erteilt sein8. Die Übernahme einer Schuld der Gesellschaft (§ 414 BGB) oder deren Tilgung 50 durch den Gesellschafter sind zulässige Einlagegegenstände. Auch wenn es sich um Geldschulden der Gesellschaft handelt, befreit die Tilgung durch den Gesellschafter ihn nur dann von seiner Mindesteinzahlungspflicht (§ 7 Abs. 3), wenn eine entsprechende Sacheinlagevereinbarung getroffen worden ist (s. auch § 7 Rdnr. 33)9. Ein Schuldbeitritt oder eine Bürgschaftsübernahme für Gesellschaftsschulden sind dagegen als Sacheinlagen ungeeignet. Bindende Vertragsangebote können ausnahmsweise10 als zulässiger Gegenstand angesehen werden, wenn sie einen über die Gegenleistung hinausgehenden Wert haben11. dd) Dienst- und Werkleistungen Die Verpflichtung zu einer Dienstleistung ist ohne Rücksicht darauf, ob sie den 51 Einlageschuldner oder einen Dritten treffen soll, analog § 27 Abs. 2 AktG wegen der Schwierigkeit ihrer Durchsetzung gegen den Willen des Verpflichteten kein

1 BGHZ 29, 300, 304. 2 BGHZ 144, 290; zur Einlagefähigkeit von Domain-Namen zweifelnd Sosnitza, GmbHR 2002, 821. 3 Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 63. 4 RG, JW 1936, 42. 5 Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 19; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 26; Märtens, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 94; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 31; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 69. 6 BGHZ 28, 314, 315 (ob. dict.); Götting, AG 1999, 1, 5 ff.; Märtens, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 96. 7 BGHZ 145, 150; Märtens, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 96; Priester, in: FS Nirk, 1992, S. 893, 899 ff.; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 72. Gegen einen Ansatz für den Firmenwert auch LG Köln, GmbHR 1959, 133. 8 Märtens, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 98. 9 BGH, NJW 1986, 989; OLG Stuttgart, DB 1986, 1514; OLG Düsseldorf, BB 1988, 2126, 2127; OLG Köln, ZIP 1989, 238, 239; Märtens, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 135. 10 RG, SeuffA 87 Nr. 71; KG, RJA 12, 58. 11 Märtens, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 136; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/ Schmidt-Leithoff, Rdnr. 31.

Veil

363

§5

Stammkapital; Geschäftsanteil

geeigneter Sacheinlagegegenstand1. Bei personenbezogenen Ansprüchen auf Herstellung eines Werkes kann ausnahmsweise eine andere Beurteilung geboten sein. Eine (vertretbare) Werkleistungspflicht wirft keine vollstreckungsrechtlichen Probleme auf (vgl. § 887 ZPO) und ist daher als einlagefähig anzusehen2. ee) Sach- und Rechtsgesamtheiten 52

Sach- und Rechtsgesamtheiten können als solche Gegenstand einer Leistungspflicht und damit auch einer Sacheinlage sein3, soweit deren sonstige Voraussetzungen (Rdnr. 37 ff.) erfüllt sind. Beispiele sind die Einbringung des Warenlagers oder der Außenstände eines Unternehmens, einer Geschäfts- oder Fabrikeinrichtung, einer Nachlass- oder Insolvenzmasse und vor allem eines Unternehmens im Ganzen oder in Teilen (insbesondere bei einer so genannten Betriebsaufspaltung). Gegenstände, die ihrer Natur nach nicht einlagefähig sind, z.B. Ansprüche auf Dienstleistungen und bestimmte Werkleistungen (Rdnr. 51), können auch nicht als Bestandteil einer Sach- oder Rechtsgesamtheit zur Sacheinlage verwendet werden. Umgekehrt liegt es bei den Gegenständen, die, wie z.B. die Firma oder eine geschäftliche Bezeichnung (§ 5 MarkenG), nicht gesondert, wohl aber als Teil der Sachgesamtheit eingebracht werden können (Rdnr. 49). Der Vollzug der Sacheinlagevereinbarung erfolgt bei Sach- und Rechtsgesamtheiten nicht durch die „Übertragung“ eines einheitlichen Gegenstandes, sondern der ihnen zuzurechnenden einzelnen Sachen, Rechte und sonstigen Vermögenswerte nach Maßgabe der für sie jeweils geltenden Vorschriften4. Die Einbringung durch einen einheitlichen Rechtsakt (z.B. Globalabtretung der Außenstände eines Unternehmens) ist dadurch allerdings nicht ausgeschlossen.

53

Die Sacheinlage eines Unternehmens oder von Unternehmensteilen (Betrieben) durch einen oder mehrere Gründer ungeachtet der Bewertungsschwierigkeiten ist seit langem allgemein anerkannt und in § 5 Abs. 4 Satz 2 ausdrücklich erwähnt. Bei Unternehmen einer Personenhandelsgesellschaft und bestimmter juristischer Personen, insbesondere AG, KGaA und eG besteht alternativ5 die Möglichkeit zur formwechselnden Umwandlung in eine GmbH (§§ 190 ff. UmwG), an der sich dann freilich alle Gesellschafter beteiligen müssen. Die Einbringung von Unternehmen oder Unternehmensteilen in eine zu gründende Gesellschaft kann auch durch einen Einzelkaufmann mittels Ausgliederung (§§ 125, 135 ff., 1 BGHZ 180, 38, 42 Rdnr. 9; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 18; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 24; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 29; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 60. A.A. Märtens, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 122 f. (die aus persönlichem Charakter resultierenden Risiken seien bei der Bewertung zu berücksichtigen). 2 Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 18. 3 RG, LZ 1916, 742; RG, LZ 1918, 918; RGZ 155, 211; BGHZ 45, 338; BGHZ 68, 191, 196; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 20; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 29; Märtens, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 99; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 33; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 65 ff. 4 Märtens, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 100. 5 Das UmwG schränkt die herkömmlichen allgemeinen zivil- und handelsrechtlichen Umstrukturierungsmethoden nicht ein; s. Begr. z. RegE, abgedr. bei Schaumburg/Rödder, UmwG, UmwStG, 1995, S. 35. Vgl. dazu auch Lutter/Drygala, in: Lutter, 4. Aufl. 2009, § 1 UmwG Rdnr. 34 ff.

364

Veil

§5

Stammkapital; Geschäftsanteil

152 ff. UmwG) und durch andere Rechtsträger mittels Verschmelzung und Spaltung erfolgen (§§ 36 ff., 56 ff., 125, 135 ff. UmwG). Die Umwandlungen bieten im Vergleich zur Sacheinlage vor allem den Vorteil des Fortbestehens des Rechtsträgers bzw. der (vollen oder partiellen) Gesamtrechtsnachfolge (§§ 20 Abs. 1 Nr. 1, 131 Abs. 1 Nr. 1, 202 Abs. 1 Nr. 1 UmwG). Die Pflicht zur Einlage eines Unternehmens umfasst alle ihm wirtschaftlich zu- 54 zurechnenden Vermögenswerte, die nicht im Gesellschaftsvertrag von der Übertragung besonders ausgenommen worden sind1; nicht ausreichend ist dagegen eine aus dem Gesellschaftsvertrag oder aus einer zu ihm gehörenden Anlage (z.B. Übernahmebilanz) nicht ersichtliche Nebenabrede der Gründungsgesellschafter. Ebenfalls im Gesellschaftsvertrag ist hinreichend deutlich zu regeln, ob die Verbindlichkeiten des einzubringenden Unternehmens, was zulässig ist2, von der Gesellschaft übernommen werden sollen. Ohne eine entsprechende Festsetzung ist das Unternehmensvermögen unbelastet einzubringen3. Bei der Einlage eines Handelsgeschäfts mit Firma ist aber, abgesehen vom Sonderfall der Gründung einer Auffanggesellschaft durch den Insolvenzverwalter4, im Zweifel anzunehmen, dass auch die Übernahme der Verbindlichkeiten gewollt war5, anders bei Übernahme eines Unternehmens aus einer Insolvenzmasse. Ergibt sich aus dem Gesellschaftsvertrag (auch konkludent, z.B. aus der Bewertung) ein entsprechender Übernahmewille, so bezieht er sich im Zweifel auf alle Geschäftsverbindlichkeiten, soweit sie nicht durch besondere Bestimmung ausgeschlossen sind oder soweit es sich nicht um unbekannte Verbindlichkeiten handelt, die in den Büchern oder Schriften hätten ausgewiesen werden müssen. Die GmbH haftet bei der Fortführung eines eingebrachten Handelsgeschäfts unter seiner bisherigen Firma (ungeachtet des Rechtsformzusatzes) nach § 25 Abs. 1 HGB den Gläubigern für die Geschäftsverbindlichkeiten des Sacheinlegers, wenn nicht eine abweichende statutarische Regelung in der durch § 25 Abs. 2 HGB bestimmten Weise bekannt gemacht worden ist. Die Gesellschaft tritt bei Einbringung eines Betriebes oder Betriebsteils nach der zwingenden Vorschrift des § 613a BGB in die Rechte und Pflichten aus bestehenden Arbeitsverhältnissen ein. e) Verfügungsbefugnis des Sacheinlegers Eigentümer der einzubringenden Sache muss der Einlageschuldner selbst nicht 55 sein, die Sacheinlage kann auch von einem Dritten geleistet werden, der nicht 1 OLG Düsseldorf, GmbHR 1996, 214, 215; Priester, BB 1980, 20; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 20; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 30. 2 RG, LZ 1916, 742; RGZ 155, 211; BGHZ 45, 338, 342. 3 RG, JW 1905, 214; RG, Recht 1909, 2528; OLG Düsseldorf, GmbHR 1993, 441, 442; Priester, BB 1980, 20; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 30. 4 Auch die gesetzliche Haftung für bestehende Verbindlichkeiten nach § 25 HGB (RGZ 58, 166, 168; BGHZ 104, 151, 153 f.) entfällt bei einer Veräußerung durch den Insolvenzverwalter. Für bestehende Arbeitsverhältnisse gilt § 613a BGB mit der Einschränkung, dass der Erwerber nicht für die bei Insolvenzeröffnung bestehenden Verpflichtungen haftet (BAGE 32, 326; BAGE 53, 380; BAGE 62, 224; st. Rspr.). Im Übrigen ist § 128 InsO anwendbar. 5 Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 30; Märtens, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 103; anders RG, LZ 1916, 742.

Veil

365

§5

Stammkapital; Geschäftsanteil

Gründungsgesellschafter ist1, was dann gewöhnlich für Rechnung eines Gründers geschehen wird. Der Gesellschafter kann sich im Gesellschaftsvertrag auch verpflichten, die einem Dritten (Mitgesellschafter oder Nichtgesellschafter) gehörende Sache einzulegen2. Überträgt er den fremden Gegenstand später der Gesellschaft, so bedarf er der Zustimmung des Berechtigten (§ 185 BGB), die zwar nicht notwendig schon im Gesellschaftsvertrag, aber noch vor der Anmeldung erteilt sein muss (§ 7 Abs. 3) und dem Registergericht nachzuweisen ist3. Für den Erwerb von einem nichtberechtigten Sacheinleger (§§ 932 ff. BGB), der ausreicht4, kommt es nach § 166 BGB auf die Gutgläubigkeit des Geschäftsführers und nicht der Mitgründer an5. Die Erfüllung der Sacheinlagevereinbarung kann auch durch eine unmittelbare Übertragung seitens des Dritten an die Gesellschaft erfolgen, der dabei für Rechnung des Einlageschuldners handelt6. f) Anrechnungsbetrag aa) Festsetzung 56

Nach § 5 Abs. 4 Satz 1 ist im Gesellschaftsvertrag der Nennbetrag des Geschäftsanteils festzusetzen, auf den sich die Sacheinlage bezieht (s. dazu Rdnr. 89 f.). Die Gesellschafter sind in der Bestimmung dieses Anrechnungsbetrages nicht frei. Aus dem Sinn der Vorschriften über die Sicherung der Aufbringung eines der Stammkapitalhöhe entsprechenden Gesellschaftsvermögens folgt, dass der Anrechnungsbetrag den Wert des Sacheinlagegegenstandes (Rdnr. 57 ff.) nicht überschreiten darf. Die §§ 9, 9c Abs. 1 Satz 2, in denen der Grundgedanke der angeführten Vorschriften speziell für den Fall der Überbewertung von Sacheinlagen zum Ausdruck gekommen ist, bestätigen diese Einschränkung der Satzungsautonomie durch die Differenzhaftung des Einlegers und durch das entsprechende Eintragungshindernis (Rdnr. 60). Die Unterschreitung des Wertes des Sacheinlagegegenstandes bei der Festsetzung des Anrechnungsbetrages ist den Gesellschaftern dagegen gestattet7, auch wenn dadurch stille Reserven gebildet werden8. bb) Obergrenze

57

Das Gesetz regelt nicht ausdrücklich, welcher Wert des Sacheinlagegegenstandes als Obergrenze für den auf den Nennbetrag des Geschäftsanteils anzurech1 BayObLG, NotBZ 2005, 405; s. auch OLG Köln, ZIP 2002, 713 f. 2 RGZ 118, 113, 120; RG, JW 1936, 42; Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 41; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 23; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 26. 3 RGZ 118, 113, 120. 4 OLG Köln, ZIP 2002, 713; BGH, ZIP 2003, 30 f. 5 Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 48. A.A. noch Uwe H. Schneider/H. P. Westermann, 10. Aufl. (Gutgläubigkeit der Mitgründer, wenn diese auf die Art der Erbringung von Sacheinlagen Einfluss genommen hätten). 6 OLG Köln, ZIP 2002, 713, 715; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 47. 7 OLG Stuttgart, GmbHR 1982, 109, 110; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 33; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 35; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 81. 8 A.A. Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 27; Märtens, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 143; Schulze-Osterloh, ZGR 1993, 420, 429 ff.

366

Veil

§5

Stammkapital; Geschäftsanteil

nenden Betrag verbindlich ist (Rdnr. 56). Die Bestimmung des Wertes ergibt sich aber daraus, dass der Einlagegegenstand einen Teil des der betrieblichen Nutzung gewidmeten Gesellschaftsvermögens bilden soll. Es ist deshalb im Hinblick auf den vergleichbaren Bewertungszweck auf den Wert abzustellen, der in einer handelsrechtlichen Eröffnungsbilanz als Höchstwert angemessen wäre1. Er entspricht also, da die Anschaffungs- und Herstellungskosten als Maßstab ausscheiden, dem nach den bilanzrechtlichen Bewertungsvorschriften zu ermittelnden Zeitwert, der zugleich auch den Erfordernissen des Gläubigerschutzes genügt2. Wenn der Einlagegegenstand als Anlagevermögen dienen soll, ist demzufolge regelmäßig auf seinen Wiederbeschaffungs- oder Reproduktionskostenwert3 oder, soweit diese Maßstäbe wegen der einmaligen Natur des Gegenstandes (z.B. Patent, Gebrauchsmuster, Know-how u.Ä.) nicht anwendbar sind, auf seinen zu schätzenden Ertragswert abzustellen4. Das Vorsichtsprinzip rechtfertigt, auch nicht für die zuletzt genannten Einlagegegenstände, keine generellen Bewertungsabschläge5. Die Einlagegegenstände, die dem Umlaufvermögen der Gesellschaft dienen sollen, sind wegen ihres typischen Bestimmungszwecks im Allgemeinen mit dem unter Berücksichtigung der noch zu erwartenden spezifischen Aufwendungen und der wahrscheinlichen Erlöseinbußen zu ermittelnden Veräußerungswert als Höchstwert anzusetzen6. Unternehmen sind nach ihrem Ertragswert zuzüglich der geschätzten Nettoeinzelveräußerungspreise der nicht betriebsnotwendigen Vermögensgegenstände, mindestens nach ihrem Liquidationswert zu bemessen7 (s. zur Frage eines Beurteilungsermessens § 9 Rdnr. 12). Wie sich aus der gesetzlichen Regelung über die Differenzhaftung des Sacheinlegers (§ 9 Abs. 1) ergibt, ist der Zeitwert am Tage der Anmeldung der Gesellschaft 1 Ballerstedt, S. 96; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 82; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 34. 2 OLG Düsseldorf, GmbHR 1992, 112, 113; OLG München, GmbHR 1994, 712; OLG Köln, GmbHR 1998, 42, 43; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 25; Märtens, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 145; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 82; auf den steuerrechtlichen Begriff des „Teilwerts“ eines Gegenstandes im Gesamtvermögen abstellend Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 36. 3 OLG Düsseldorf, GmbHR 1992, 112, 113; OLG München, GmbHR 1994, 712; Festl-Wietek, BB 1993, 2410, 2412; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 34; Sina, GmbHR 1994, 387, 388; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 36; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 82. 4 OLG Köln, GmbHR 1998, 42, 43; Wiedemann, in: FS Hirsch, S. 257, 263; ähnlich Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 25. 5 So aber BGHZ 29, 300, 308 f.; abschwächend BGH, NJW 1999, 143, während Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 82, beim Fehlen bisheriger Verwertungserfolge generell nur einen geringen Wert für angemessen hält; zum Firmenwert vgl. Priester, in: FS Nirk, 1992, S. 893, 911 f. 6 Vgl. OLG München, GmbHR 1994, 712; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 34; Sina, GmbHR 1994, 387, 388; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 36; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 82; vgl. auch RG, LZ 1912, 666 (Warenlager); a.M. v. Rössing, S. 57. 7 KG, GmbHR 1997, 1066, 1067 (ob. dict.); Angermayer, S. 283 ff.; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 25; Märtens, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 150; Urban, in: FS Sandrock, 1995, S. 305, 309 ff.; Trölitzsch, S. 208 ff.; missverständlich OLG München, GmbHR 1994, 712.

Veil

367

58

§5

Stammkapital; Geschäftsanteil

zum Handelsregister maßgebend1; nur dann kann bei Eintragung die Werthaltigkeit gesichert sein. Die Wertverhältnisse im Zeitpunkt der Sacheinlagevereinbarung sind nicht entscheidend. Da der Zeitwert die Anrechnungsfähigkeit von Sacheinlagen zwingend nach oben begrenzt (Rdnr. 56), kann auch der Gesellschaftsvertrag für ihn keinen abweichenden Bewertungsstichtag bestimmen (s. aber Rdnr. 59). Das Auseinanderfallen des Vertragsabschlusses und des Bewertungsstichtages führt zu Problemen bei der Einlage von Gegenständen mit starken Wertschwankungen, insbesondere von Unternehmen (Rdnr. 54). Der Ungewissheit über den höchstzulässigen Anrechnungswert des Einlagegegenstandes kann in diesen Fällen durch die statutarische Vereinbarung Rechnung getragen werden, dass der Sacheinleger eine nach dem maßgeblichen Zeitwert des Einlagegegenstandes sich ergebende Unterdeckung des Nennbetrags des Geschäftsanteils durch eine Geldleistung auszugleichen hat; dann kann eingetragen werden2. Darin liegt keine so genannte Mischeinlage (s. § 7 Rdnr. 21 und unten Rdnr. 81)3, für die nach §§ 5 Abs. 4 Satz 1, 7 Abs. 2 und 3 im Interesse des Gläubigerschutzes eine genaue ziffernmäßige Aufteilung des Nennbetrags des Geschäftsanteils geboten ist, sondern eine zur Sacheinlagevereinbarung gehörende Wertgarantie4, deren Erfüllung bis zur Anmeldung zu erfolgen hat (§ 7 Abs. 3) und durch den Geschäftsführer zu versichern ist (§ 8 Abs. 2 Satz 1). Die Gesellschafter können untereinander für den Fall der stichtagsbedingten Verminderung des Anrechnungsbetrages der Sacheinlage einen Ausgleich durch eine schuldrechtliche Nebenabrede festlegen5. Umgekehrt kann für den Fall einer Überdeckung des Nennbetrages des Geschäftsanteils durch den maßgeblichen Zeitwert des Einlagegegenstandes im Gesellschaftsvertrag auch vereinbart werden, dass der Sacheinleger den Überschussbetrag vergütet erhalten soll (so genannte gemischte Sacheinlage, vgl. Rdnr. 81 ff.). Der Vergütungsbetrag braucht nicht ziffernmäßig genau6 oder schätzungsweise7 im Statut angegeben zu werden, sondern es ist ausreichend, dass er für den Bewertungsstichtag bestimmbar festgelegt und in der Anmeldung konkretisiert wird (Rdnr. 83)8. Zum Nachweis des Zeitwertes gegenüber dem Registergericht vgl. § 8 Rdnr. 14 und § 9c Rdnr. 34. 59

Der Zeitwert am Tage der Anmeldung ist nur eine unabdingbare Obergrenze für den Anrechnungsbetrag (Rdnr. 56, 58), schließt also nicht aus, dass die Sacheinlagevereinbarung innerhalb dieser Grenze einen anderen Stichtagswert zugrunde 1 OLG Düsseldorf, WM 1991, 1670; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 28; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 34; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 36; Trölitzsch, S. 202 f.; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 83; auf den Zeitpunkt der Eintragung abstellend Spiegelberger/Walz, GmbHR 1998, 761, 763. 2 BGH, GmbHR 1999, 232; OLG Zweibrücken, GmbHR 1981, 214, 215; OLG Köln, GmbHR 1998, 42, 44; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 26; Priester, BB 1980, 19, 20. 3 A.A. Priester, BB 1980, 20. 4 Die Garantie schließt mangels gegenteiliger Anhaltspunkte aber keine nach der Eintragung eintretenden Entwertungen ein; vgl. BGH, GmbHR 1999, 232. 5 Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 83. 6 So Günthner, NJW 1975, 524, 526; Sudhoff, NJW 1982, 132. 7 OLG Stuttgart, GmbHR 1982, 109, 111. 8 OLG Zweibrücken, GmbHR 1981, 214, 215; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 27; Priester, BB 1980, 22 f.; Priester, GmbHR 1982, 112 f.; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 121.

368

Veil

§5

Stammkapital; Geschäftsanteil

legt. Das ist vor allem für die in der Praxis gebräuchlichen Formen der Sacheinlage von Unternehmen oder von Teilunternehmen (Rdnr. 54) bedeutsam. Die verbreitet übliche Einbringung eines Unternehmens zum Buchwert der letzten Jahresbilanz mit der Abrede, dass es ab diesem Zeitpunkt rückwirkend als für Rechnung der Vorgesellschaft geführt gilt1, ist brauchbar, solange nicht durch von ihr danach zu tragende zwischenzeitliche Verluste der vom Einbringungsbuchwert zu unterscheidende Zeitwert des Unternehmens bei Anmeldung (Rdnr. 57 f.) unterschritten wird2; für den zuletzt genannten Fall kann aber durch die Vereinbarung einer Ausgleichungspflicht der Differenz zwischen dem Zeitwert und dem Stammeinlagebetrag in Geld Vorsorge getroffen werden (Rdnr. 58); auch sollte der Sacheinleger keine Ausgleichsansprüche haben. Die Jahresbilanz ist jedoch dann keine ausreichende Wertunterlage i.S. des § 8 Abs. 1 Nr. 5 mehr, wenn sie – auch unter Berücksichtigung der aus ihr ersichtlichen Risiken und der Angaben im Sachgründungsbericht (§ 5 Abs. 4 Satz 2) – nicht zeitnah genug ist, weil sich dadurch eine Rückwirkung zu Lasten der Gesellschaft ergeben kann, die dem heutigen Verständnis der Kapitalaufbringung nicht entspricht3. Bei der vorgenannten Methode der Einlage von Unternehmen sind ferner die Schranken einer steuerrechtlichen Anerkennung der vereinbarten Rückbeziehung auf einen vor der Einbringung des Unternehmens liegenden Stichtag zu beachten (s. § 20 Abs. 6 Satz 3 UmwStG). Der Gesellschaftsvertrag kann auch bestimmen, dass eine auf den Tag der Einbringung zu erstellende Bilanz maßgebend sein und eine Ausgleichungspflicht der Beteiligten bestehen soll, wonach der einbringende Gesellschafter eine sich ergebende Unterdeckung des Nennbetrags des Geschäftsanteils in Geld nachzuzahlen oder die Gesellschaft ihm eine entsprechende Überdeckung zu erstatten hat (Rdnr. 58)4; bei dieser Lösung ist eine Bewertung für den Registerrichter u.U. einfacher, aber nur bei einem gewissen Zeitabstand zwischen dem Gesellschaftsvertrag und der Errichtung der Einbringungsbilanz, der es ermöglicht, den eventuell zu leistenden Ausgleichsbetrag einigermaßen zuverlässig zu schätzen5. Der Vorbehalt, dass der Zeitwert des Unternehmens bei Anmeldung nicht überschritten werden darf (Rdnr. 56, 58), gilt dieser Einbringungsmethode gegenüber ebenfalls. Wegen der zeitnäheren Wertansätze in der Einbringungsbilanz ist diese aber regelmäßig als eine geeignete Bewertungsunterlage i.S. des § 8 Abs. 1 Nr. 5 anzusehen (s. § 8 Rdnr. 18). cc) Rechtsfolgen Unterschreitet der Zeitwert des Einlagegegenstandes bei Anmeldung den durch 60 seine Leistung aufzubringenden Stammeinlagebeitrag (für gemischte Sacheinla1 Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 30; Bedenken bei Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 89. 2 Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 31; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/ Schmidt-Leithoff, Rdnr. 35; s. im Übrigen auch Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 86 ff. 3 Anders noch BGHZ 45, 338, 349 f., inzwischen aber überholt, vgl. Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 89 mit Fn. 148. 4 OLG Zweibrücken, GmbHR 1981, 214; OLG Stuttgart, GmbHR 1982, 109; Priester, GmbHR 1982, 112 f.; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 87. 5 Dies ließ OLG Stuttgart, GmbHR 1982, 109, 111, genügen; schärfere Anforderungen hinsichtlich der Genauigkeit der Angaben (Günthner, NJW 1975, 524, 526) überfordern die Beteiligten, die ohnehin mit der Differenzhaftung rechnen müssen.

Veil

369

§5

Stammkapital; Geschäftsanteil

gen vgl. Rdnr. 85), so darf das Registergericht die Gesellschaft nicht eintragen (s. § 9c Rdnr. 32, 40) und der Sacheinleger ist von Gesetzes wegen zur Leistung des Fehlbetrages in Geld verpflichtet (§ 9). Darüber hinaus können weiter gehende Schadensersatzansprüche nach §§ 9a, 9b und nach den allgemeinen Vorschriften bestehen. 61

Die Unterdeckung des Nennbetrags des Geschäftsanteils hat nicht die Nichtigkeit der Sacheinlagevereinbarung zur Folge1. Die nach früherem Recht für offensichtliche und willkürliche Überbewertungen vertretene abweichende Ansicht2 ist überholt, weil das Gesetz, wie auch die Materialien ergeben3, die bei einem Verstoß gegen das Verbot der Unterpari-Ausgabe (Rdnr. 28) in Erwägung zu ziehende Nichtigkeitsfolge durch die Differenzhaftung (§ 9) gerade vermeiden will, die einerseits der Gläubigerschutzfunktion voll gerecht wird, aber zugleich auch das Interesse der Gesellschaft an dem u.U. unentbehrlichen Einlagegegenstand berücksichtigt. Die Nichtigkeit der Sacheinlagevereinbarung aus anderen Gründen, z.B. wegen eines Verstoßes der Anrechnungsabrede gegen § 138 BGB, ist dadurch nicht ausgeschlossen; der Gesellschafter hat dann den Nennbetrag in voller Höhe in Geld zu entrichten, soweit die Einlageschuld nicht analog § 19 Abs. 4 durch Anrechnung erloschen ist (Rdnr. 95). g) Leistungsstörungen und Mängel

62

Die bürgerlich-rechtlichen Vorschriften über Leistungsstörungen sowie Sachund Rechtsmängel können nicht ohne weiteres angewandt werden4. Die vereinbarte Sacheinlagepflicht ist kein Kauf der einzulegenden Sache durch die Gesellschaft und kann auch nicht als ein gegenseitiger, auf Austausch gerichteter Vertrag verstanden werden. Sie erfolgt vielmehr in Erfüllung korporativer Verpflichtungen. Eine Besonderheit besteht auch darin, dass die Sacheinlagepflicht die Geldeinlagepflicht substituiert und die Geldeinlagepflicht im Interesse einer wirksamen Kapitalaufbringung wiederauflebt, wenn die eingebrachte Sache nicht werthaltig ist (vgl. § 9). Diese Aspekte sind zu berücksichtigen, wenn über die Anwendbarkeit des Leistungsstörungsrechts zu entscheiden ist. aa) Unmöglichkeit

63

Wenn die Erbringung einer vereinbarten Sacheinlage unmöglich ist, so entfällt die Einbringungspflicht nach § 275 Abs. 1 BGB ohne Rücksicht darauf, ob die Unmöglichkeit vor (anfängliche Unmöglichkeit) oder nach Abschluss der Sacheinlagevereinbarung (nachträgliche Unmöglichkeit) eintritt5. Die Sacheinlagevereinbarung ist nicht nichtig; dies gilt seit der Reform des Schuldrechts auch für die Fälle anfänglicher objektiver Unmöglichkeit (vgl. § 311a Abs. 1 BGB). 1 Geßler, BB 1980, 1385, 1387; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 35; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 94; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 37. 2 BGHZ 29, 300, 307. 3 Begr. RegE, BT-Drucks. 8/1347, S. 35. 4 Darüber besteht Einigkeit; vgl. Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 96 ff.; Zeidler, in: Michalski, Rdnr. 166. 5 Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 40; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 105; Zeidler, in: Michalski, Rdnr. 172 f.

370

Veil

§5

Stammkapital; Geschäftsanteil

Der Beitritt des Gesellschafters ist nicht unwirksam1. An die Stelle der Pflicht zur Leistung einer Sacheinlage tritt von Gesetzes wegen die Pflicht zur Leistung der Bareinlage2 (s. aber zur anfänglichen Unmöglichkeit Rdnr. 64). Darüber hinaus können der Gesellschaft schuldrechtliche Ansprüche zustehen; 64 im Falle anfänglicher Unmöglichkeit kann sie gemäß § 311a Abs. 2 Satz 1 BGB Schadensersatz statt der Leistung verlangen, im Falle nachträglicher Unmöglichkeit ebenfalls Schadensersatz statt der Leistung gemäß §§ 280, 283 BGB3. Diese Ansprüche sind, wenn der wahre Wert des vorgesehenen Einlagegegenstandes höher ist als der Anrechnungsbetrag (Rdnr. 56), für die Gesellschaft vorteilhafter als der von Gesetzes wegen bestehende Bareinlageanspruch. Die Mindesthöhe des Schadensersatzanspruchs ist wegen des Verbots der UnterpariEmission der Nennbetrag des Geschäftsanteils4. Der vertragsrechtliche Schadensersatzanspruch kann wahlweise neben dem Erfüllungsanspruch auf die Geldeinlage erhoben werden5. Ein Rücktrittsrecht entsprechend §§ 323, 326 Abs. 5 BGB besteht nach zutreffender Ansicht nicht6. Es besteht kein Bedürfnis für einen Rücktritt, da die Gesellschaft bereits von Gesetzes wegen ein Bareinlageanspruch hat (s. Rdnr. 63). Möchten die Gesellschafter sich vom mit einer Sacheinlage gescheiterten Gesellschafter trennen, können sie ihn ausschließen7.

65

Schwierige Fragen werden aufgeworfen, wenn die Gesellschaft die Unmöglich- 66 keit ganz oder teilweise zu vertreten hat. Wegen des Gebots effektiver Kapitalaufbringung ist § 326 Abs. 2 BGB nicht anwendbar, so dass der Gesellschafter nicht von seiner Leistungspflicht befreit wird. Allerdings kann ihm ein Schadensersatzanspruch gegen die Gesellschaft gemäß §§ 280, 283 BGB zustehen8. Das Gebot effektiver Kapitalaufbringung steht dem nicht entgegen. Dem Gesellschafter ist es freilich gemäß § 19 Abs. 2 Satz 2 verwehrt, mit seinem Schadensersatzanspruch gegen die Einlageforderung der Gesellschaft aufzurechnen. Er muss den Anspruch also ggf. klageweise geltend machen9. Stellt sich die Unmöglichkeit vor der Eintragung der Gesellschaft heraus, ist der 67 Gesellschafter daher nach den bereits dargestellten Grundsätzen zur Bareinlage verpflichtet. Es sind jedoch Fälle denkbar, in denen der Gesellschafter (oder auch 1 Märtens, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 162; Zeidler, in: Michalski, Rdnr. 172. 2 Märtens, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 162; Schäfer, in: Bork/Schäfer, Rdnr. 30; ebenso bereits vor der Schuldrechtsmodernisierung BGHZ 45, 448, 345; BGH, GmbHR 1997, 545. 3 Märtens, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 165; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 105. 4 Märtens, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 165. 5 Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 38; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/ Schmidt-Leithoff, Rdnr. 40; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 106. 6 Märtens, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 166; Zeidler, in: Michalski, Rdnr. 174. A.A. noch die 10. Aufl. 7 Zeidler, in: Michalski, Rdnr. 174. 8 Märtens, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 168; wohl auch Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 40. 9 Vgl. auch Märtens, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 168: Gesellschafter müsse sich seinen anteiligen Haftungsbetrag aus einer Vorbelastungshaftung entgegenhalten lassen.

Veil

371

§5

Stammkapital; Geschäftsanteil

die Gesellschaft) an dem Beitritt nur ein Interesse hat, wenn die spezielle Sacheinlage erbracht wird. Dann kann der Gesellschafter nicht das durch § 275 BGB begründete Recht verlieren, sich auf die Undurchführbarkeit der Sacheinlagevereinbarung zu berufen und so die Eintragung der Gesellschaft zu verhindern1. bb) Verzug 68

Ein Sachinferent kommt gemäß §§ 280 Abs. 2, 286 ff. BGB in Verzug. Er schuldet dann Verzugsschaden, der sich hauptsächlich daraus ergeben kann, dass wegen § 7 Abs. 3 die Eintragung der Gesellschaft nicht erfolgen kann2. Wenn die Gesellschaft dem Einleger erfolglos eine Nachfrist gesetzt hat, kann sie neben der Erfüllung der Bareinlagepflicht Schadensersatz fordern3. Ein Rücktrittsrecht besteht grundsätzlich nicht4. Eine andere Beurteilung ist aber geboten, wenn die Gesellschaft vor der Eintragung gemäß § 323 Abs. 1 BGB zurücktreten will; zwingende Gründe gegen die Zulässigkeit eines Rücktritts gibt es in der Vorgesellschaft nicht5. Das praktische Bedürfnis für einen Rücktritt besteht vor allem dann, wenn die Gesellschaft ein besonderes Interesse an der Einbringung des versprochenen Gegenstandes hatte. Der Gesellschaftsvertrag kann auch für den Fall der nicht rechtzeitigen Leistung eine Vertragsstrafe vorsehen (§ 339 BGB). cc) Rechts- und Sachmängel

69

Die Rechtsprechung hat vor der Schuldrechtsmodernisierung bürgerlich-rechtliche Schadensersatzansprüche der Gesellschaft gegen den Inferenten wegen Sachmängel bejaht6. Auch für die Zeit nach der Schuldrechtsmodernisierung wird im Schrifttum verschiedentlich die Ansicht vertreten, das kaufrechtliche Sachund Rechtsmängelgewährleistungsrecht sei anwendbar, wobei teilweise danach differenziert wird, um welche Art von Ansprüchen es sich handelt7. So sollen etwa Rücktritts- und Minderungsrecht wegen des Kapitalaufbringungsgrundsatzes ausgeschlossen sein, nicht aber Schadensersatzansprüche8, die unabhängig von der konkurrierenden Differenzhaftung gemäß § 438 BGB verjähren würden9.

70

Vorzugswürdig ist es, in der Regelung der Differenzhaftung (§ 9) eine abschließende Sonderregelung zu sehen10. Denn die Vorschriften über die Sachmängel1 Märtens, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 171; ebenso Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 101 für den Fall des nicht geheilten Formmangels. 2 Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 38; Zeidler, in: Michalski, Rdnr. 175. 3 Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 107. 4 Märtens, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 174; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 107. 5 Märtens, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 175. A.A. wohl Schäfer, in: Bork/Schäfer, Rdnr. 30; Zeidler, in: Michalski, Rdnr. 175. 6 RGZ 68, 271, 274; RGZ 86, 210, 215; RG, JW 1934, 3196; vgl. auch BGHZ 45, 338, 345 zur Rechtsmängelhaftung. 7 Vgl. 10. Aufl.; ferner Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 39; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 109. 8 Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 109; weitergehend aber Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 39. 9 Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 39. 10 Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 30; Märtens, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 179; Zeidler, in: Michalski, Rdnr. 176 f.

372

Veil

§5

Stammkapital; Geschäftsanteil

gewährleistung sind für Austauschverträge konzipiert. Dies kommt auch in den abgestuften Rechtsfolgen im Falle von Sach- und Rechtsmängeln zum Ausdruck (Nacherfüllung; Minderung; Rücktritt und Schadensersatz). Die Einbringung von Sacheinlagen ist aber ein körperschaftsrechtlicher Vorgang, mit dem der Inferent seine Einlagepflicht erfüllt. Dies wird im Interesse einer effektiven Kapitalaufbringung durch die einen Sachmangel nicht voraussetzende verschuldensunabhängige Differenzhaftung des § 9 gewährleistet1. Eine andere Beurteilung der Frage nach der Anwendbarkeit des bürgerlich-rechtlichen Gewährleistungsrechts ist nur dann geboten, wenn die Funktionstauglichkeit der Sache durch den Mangel erheblich beeinträchtigt ist2. Dann besteht, ebenso wie im Falle der Unmöglichkeit (s. Rdnr. 63), von Gesetzes wegen ein Bareinlageanspruch3. Außerdem kann der Gesellschaft dann ein (über die Differenzhaftung hinausgehender) Schadensersatzanspruch entsprechend § 437 Nr. 3 BGB zustehen4. Schließlich kann die Gesellschaft einen Schadensersatzanspruch wegen einer Nebenpflichtverletzung gemäß § 280 Abs. 1 BGB haben5. Handelt es sich bei der Sacheinlage um eine vertretbare Sache, ist der Gesellschafter verpflichtet, eine Sache von mittlerer Art und Güte zu leisten (§ 243 Abs. 1 BGB). Ist sie dies nicht, hat die Gesellschaft aus dem Sacheinlageversprechen heraus einen Anspruch auf Leistung einer solchen6. Bei Rechtsmängeln finden die Vorschriften des BGB über die Rechtsmängelhaftung gleichfalls grundsätzlich keine Anwendung7. Wenn ein einzubringendes Recht nicht besteht, handelt es sich allerdings um einen Fall der Unmöglichkeit, so dass der Bareinlageanspruch von Gesetzes wegen besteht8.

71

h) Lasten und Verbindlichkeiten Dingliche Lasten des Sachgutes bleiben bestehen, sofern nicht im Einzelfall die 72 Gutgläubigkeit des Geschäftsführers und der Mitgründer zum Erlöschen führt (z.B. nach § 936 BGB), wobei nicht ausgeschlossen ist, nach § 166 Abs. 1 BGB im Einzelfall der juristischen Person das Wissen des Inferenten zuzurechnen9. Persönliche Verbindlichkeiten, mit dem Einlagegegenstand verknüpft, z.B. die Passiven einer eingebrachten Sachgesamtheit, kann die GmbH nur übernehmen, wenn es im Gesellschaftsvertrag bestimmt ist; anderenfalls verbleiben sie dem Inferenten (s. dazu Rdnr. 54, 92). Hat der Inferent Gewähr für den Eingang von Außenständen übernommen oder der GmbH Befreiung von Verbindlichkeiten zugesagt, die diese zu erfüllen hat, so ist dies keine Sonderleistungspflicht i.S.

1 2 3 4 5 6 7

Karsten Schmidt, GesR, § 20 III 4. d) (S. 585). Märtens, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 181; Zeidler, in: Michalski, Rdnr. 176. Märtens, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 181; Zeidler, in: Michalski, Rdnr. 176. Märtens, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 181. Zeidler, in: Michalski, Rdnr. 178. Märtens, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 183. Märtens, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 184; Zeidler, in: Michalski, Rdnr. 177. A.A. 10. Aufl.; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 39; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 41. 8 Märtens, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 185. 9 Ehlers, GmbHR 2005, 934 ff.

Veil

373

§5

Stammkapital; Geschäftsanteil

des § 3 Abs. 2, sondern Nebenverbindlichkeit zur Einlagepflicht. Daher ist ein Erlass dieser Pflichten gemäß § 19 Abs. 2 unzulässig; denn dies würde zur Minderung der Einlagen führen. Anders liegt es bei einem ernstlichen Vergleich1.

3. Sachübernahme a) Begriff und Bedeutung 73

Die Sachübernahme ist in § 5 Abs. 4 Satz 1 seit der GmbH-Novelle 1980 nicht mehr ausdrücklich erwähnt, wird aber durch den vom Gesetz in einem erweiterten Sinne gebrauchten Sacheinlagebegriff als Oberbegriff mit umfasst (Rdnr. 31). Es ist darunter in Übereinstimmung mit der früheren Legaldefinition (§ 5 Abs. 4 a.F.) die Gestaltung zu verstehen, dass die Vergütung für Vermögensgegenstände, die die Gesellschaft übernimmt, auf Einlagen „angerechnet“ (Rdnr. 73) werden soll2. Von der Sacheinlage i.e.S. (Rdnr. 34 ff.) unterscheidet sie sich also dadurch, dass der Gegenstand der übernommenen Einlagepflicht nicht in anderen Vermögenswerten, sondern wie regelmäßig in Geld besteht und nur ausnahmsweise die Möglichkeit eröffnet wird, die Geldeinlagepflicht durch Anrechnung der Vergütung aus Sachübernahmen zu tilgen (vgl. § 19 Abs. 2 Satz 2). Die Sachübernahme wirft wie die Sacheinlage i.e.S. das Problem auf, dass eine effektive Kapitalaufbringung zu gewährleisten ist. Auf die Einlagepflicht sind daher, unbeschadet der getroffenen Anrechnungsabrede (Rdnr. 73), im Übrigen die für Geldeinlage geltenden Vorschriften (§§ 7 Abs. 2, 8 Abs. 2, 9a Abs. 1 u. 2, 19 ff.) anwendbar.

74

Die Anrechnung der Vergütung aus Sachübernahmen auf die Geldeinlagepflicht des Gesellschafters unterliegt, da sie wirtschaftlich vergleichbar die Aufbringung des Stammkapitals gefährdet, voll den Sachgründungsvorschriften des GmbHG ohne Rücksicht darauf, ob beim Abschluss des Gesellschaftsvertrags fest mit der vergütungspflichtigen Sachübernahme und dem Vollzug der Verrechnungsabrede gerechnet werden konnte oder nicht. Auch das Erfordernis der Leistung vor der Anmeldung (§ 7 Abs. 3) gilt mit der Maßgabe, dass die Einlagepflicht bis zu diesem Zeitpunkt durch die vollzogene Anrechnung rechtswirksam getilgt sein muss3. Die Anmeldung ist anderenfalls zurückzuweisen, wenn nicht auf die Anrechnung verzichtet und die vorgeschriebene Mindesteinzahlung (§ 7 Abs. 2) geleistet worden ist4. Eine differenzierende rechtliche Behandlung von Sacheinlagen und Sachübernahmen ist wegen deren jeweiliger Eigenart bei Mängeln des Vertragsabschlusses und bei Leistungsstörungen erforderlich (Rdnr. 75 f.).

1 RGZ 79, 273. 2 RGZ 41, 120, 125; BGHZ 28, 314, 318; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 38; Bongen/ Renaud, GmbHR 1992, 100, 101; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 16; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 18, 42; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 110. 3 Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 41; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/ Schmidt-Leithoff, Rdnr. 42; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 113. 4 Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 113.

374

Veil

§5

Stammkapital; Geschäftsanteil

aa) Aufnahme in Gesellschaftsvertrag Die Vereinbarung über die Anrechnungsmöglichkeit der Vergütung aus Sach- 75 übernahmen der Gesellschaft auf die Einlagepflicht bedarf zu ihrer Wirksamkeit der Aufnahme in den Gesellschaftsvertrag (§ 5 Abs. 4 Satz 1). Über die erforderlichen einzelnen Festsetzungen vgl. Rdnr. 86 ff. Unter „Anrechnung“ ist die Tilgung der Einlagepflicht sowohl durch Aufrechnung (§ 387 BGB) als auch durch vertragliche Verrechnung (Aufrechnungsvertrag) zu verstehen. Von § 5 Abs. 4 Satz 1 werden demgemäß auch Verrechnungsvereinbarungen mit Dritten und/ oder Vergütungen aus Sachübernahmeverträgen mit ihnen erfasst1, was allerdings bei einer Sachübernahmevereinbarung mit Dritten nur die Anrechnungsvereinbarung betreffen kann2. Von der Sachübernahme zu unterscheiden ist der Fall, dass die Gesellschaft bereits bei der Gründung unabhängig von der Einlagepflicht einen Leistungsanspruch gegen einen Gründer erhalten soll. Dies ist vorbehaltlich der Regelungen über verdeckte Sacheinlagen zulässig. Die konkrete Umsetzung erfolgt dann in der Satzung durch Vereinbarung einer Nebenleistungspflicht3. Die zwingend enthaltene Anrechnungsabrede ist nur wirksam, wenn die von der 76 Gesellschaft übernommenen Vermögensgegenstände, für die die anzurechnende Vergütung gewährt wird, auch zur Sacheinlage geeignet sind (Rdnr. 37 ff.)4. Da die Verrechnung vor der Anmeldung der Gesellschaft endgültig zu bewirken ist (§ 7 Abs. 3), scheiden solche Vermögensgegenstände aus, die erst danach entstehen oder geleistet werden sollen5. Die anzurechnende Vergütung darf ferner nicht den Zeitwert der übernommenen Vermögensgegenstände am Anmeldetag überschreiten (Rdnr. 57 ff.). Anderenfalls greift die Differenzhaftung gemäß § 9 ein6. Die Unwirksamkeit der statutarischen Anrechnungsvereinbarung wegen Form- 77 mangels, fehlender Eignung des Vermögensgegenstandes, anfänglicher Unmöglichkeit der Verrechnung (§ 311a BGB) oder eines ihr speziell anhaftenden sonstigen Vertragsmangels (zur begrenzten Zulässigkeit der Teilanfechtung s. Rdnr. 94) hat zur Folge, dass eine Anrechnung der Vergütung unzulässig (§ 19 Abs. 2 Satz 2) und die Einlage in Geld zu leisten ist7.

1 RGZ 41, 120, 125; BGHZ 45, 338, 343; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 40; Märtens, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 193; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/ Schmidt-Leithoff, Rdnr. 44; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 114; im Ergebnis auch Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 32. 2 Zweifelnd am Ergebnis der Aufnahme in die Satzung daher Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 33. 3 Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 30; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 111. 4 Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 39; Märtens, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 195; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 44; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 114. 5 Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 39; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 41. 6 Märtens, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 196. 7 RGZ 86, 291, 292 f.; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 40; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 42.

Veil

375

§5

Stammkapital; Geschäftsanteil

bb) Sachgründungsbericht 78

Auch im Falle einer Sachübernahme ist ein Sachgründungsbericht i.S. des § 5 Abs. 4 Satz 2 erforderlich1. Zwar verweist § 19 Abs. 2 Satz 2 nicht auf § 5 Abs. 4 Satz 2. Daraus lässt sich aber nicht schließen, dass der Gesetzgeber einen Sachgründungsbericht bei der Sachübernahme für entbehrlich hielt. cc) Sachübernahmevertrag

79

Der Sachübernahmevertrag ist ein schuldrechtlicher Austauschvertrag i.S. der §§ 320 ff. BGB, z.B. ein Kaufvertrag2, zwischen der Gesellschaft und dem Gesellschafter oder einem Dritten (Rdnr. 73, 75). Er ist, soweit sich aus den allgemeinen Formvorschriften nichts anderes ergibt, nicht formbedürftig und wird auch nicht deswegen zum Bestandteil des Gesellschaftsvertrages, weil nach § 5 Abs. 4 Satz 1 die dort genannten Umstände der Verrechnungsabrede in die Urkunde aufzunehmen sind3. Die Rechtsfolgen bei Mängeln des Sachübernahmevertrages und bei Leistungsstörungen bestimmen sich grundsätzlich nach den allgemeinen Vorschriften4. Dies bedeutet, dass die Gesellschaft aus der schuldrechtlichen Übernahmevereinbarung Rechte, auch Gewährleistungsansprüche und Ansprüche wegen Leistungsstörungen, gegen den Gesellschafter ableiten kann, bei deren Scheitern die Verrechnung ausgeschlossen und folglich die Geldeinlage zu leisten ist. Die Unwirksamkeit der statutarischen Anrechnungsvereinbarung (Rdnr. 75) berührt den Sachübernahmevertrag nur, wenn, was aber nicht ohne weiteres anzunehmen ist, die Voraussetzungen des § 139 BGB gegeben sind. Wenn und soweit die Vergütungsforderung des Veräußerers danach entfällt, ist die Einlagepflicht mangels verrechenbarer Forderung durch den Gesellschafter in Geld zu erfüllen; bei einer Unterdeckung des Einlagebetrages infolge wertmindernder Sachmängel besteht auch die Differenzhaftung gemäß § 9 Abs. 15. Der im Falle einer von der Gesellschaft zu vertretenden Unmöglichkeit bestehende Vergütungsanspruch des Veräußerers (§ 326 Abs. 2 BGB) kann im Hinblick auf die vorrangige Sicherung der Kapitalaufbringung nicht gegen die Einlageforderung aufgerechnet oder verrechnet werden6. Dasselbe gilt bei vertraglichen Gewährleistungsausschlüssen, soweit durch eine Anrechnung wegen der unzureichenden Gegenleistung des Veräußerers das aufzubringende Stammkapital geschmälert würde.

1 Märtens, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 199; i.E. auch Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 40. 2 RGZ 86, 291, 292; RGZ 141, 204, 208; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 110; Bayer, in: Lutter/ Hommelhoff, Rdnr. 38; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 40; Roth, in: Roth/ Altmeppen, Rdnr. 51; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 43. 3 Knobbe-Keuk, ZIP 1986, 885, 886 f., 888; Bongen/Renaud, GmbHR 1992, 100, 101 f.; Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 51; Märtens, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 194; zweifelnd Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 40. A.A. BGHZ 45, 338, 343; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 44; Spiegelberger/Walz, GmbHR 1998, 761, 772 f. 4 Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 42; Märtens, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 201; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 117. 5 Märtens, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 207; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 116. 6 Märtens, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 207.

376

Veil

§5

Stammkapital; Geschäftsanteil

b) Sachübernahmen ohne Anrechnung Die Sachübernahmen ohne Anrechnung auf Einlagen unterwirft das GmbHG 80 wegen der unterschiedlichen Interessenlage im Gegensatz zum AktG (vgl. § 27 Abs. 1 Satz 1 AktG) bewusst nicht den Sondervorschriften über die Sachgründung1, insbesondere ist ihre Wirksamkeit, soweit sie nicht als so genannte Nebenleistungspflicht i.S. des § 3 Abs. 2 gewollt sind, nicht von einer Festsetzung der wesentlichen Umstände im Gesellschaftsvertrag abhängig, s. aber Rdnr. 75. Daran ändert auch nichts, wenn die Vergütung auf andere Gesellschafterbeiträge als Einlagen (Rdnr. 21) angerechnet werden soll. Aus den vorgenannten Gründen enthält das Gesetz konsequenterweise auch keine ergänzende Bestimmung über Nachgründungsverträge (vgl. § 52 AktG). Statt dieser Regelungen hat es, um die Einhaltung der Sachgründungsvorschriften zu sichern und die ungeschmälerte Aufbringung der Einlage zu gewährleisten, durch § 19 Abs. 2 Satz 2 ein erheblich erweitertes Aufrechnungsverbot eingeführt2. Die Vorschrift schließt beiderseits die Aufrechnung der Vergütungsforderung aus einem vor oder nach der Eintragung der Gesellschaft abgeschlossenen Sachübernahmevertrag gegen den Einlageanspruch aus, wenn sie nicht in Ausführung einer gemäß § 5 Abs. 4 Satz 1 getroffenen Bestimmung des Gesellschaftsvertrages erfolgt3. Ebenso ist danach eine Verrechnungsvereinbarung oder die Annahme an Erfüllungs statt (§ 364 BGB) unzulässig.

4. Gemischte Sacheinlage Eine gemischte Sacheinbringung bzw. Sacheinlage liegt vor, wenn der Gesell- 81 schafter sich in der Weise zur Leistung eines Vermögensgegenstandes verpflichtet, dass sie nur zum Teil auf die Einlage erfolgen oder die für ihn zu gewährende Vergütung nur zum Teil auf die Einlage verrechnet werden soll, während der überschießende Teil ihm in Geld oder in anderen Vermögenswerten vergütet werden soll4. Es handelt sich somit um eine Verbindung von Sacheinlage und Sachübernahme. Die Gestaltung ist nicht zu verwechseln mit der Mischeinlage, bei der die Einlage sowohl in Geld als auch in anderen Vermögensgegenständen zu leisten ist (s. § 7 Rdnr. 21).

1 Entw. I, 52. Vgl. auch Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 17; Knobbe-Keuk, ZIP 1986, 885, 886 ff.; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 43; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 111. 2 Entw. I, 52, 67. Vgl. Knobbe-Keuk, ZIP 1986, 885, 886; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/ Hueck, Rdnr. 18; Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 33; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 110. 3 Vgl. RGZ 86, 291; RGZ 141, 204, 210; RG, JW 1935, 2890; RG, DR 1944, 775; BGHZ 15, 52, 58; BGHZ 28, 314, 319; BGHZ 113, 335, 340 f.; BGHZ 125, 141, 149 f.; BGH, GmbHR 1996, 351, 352. 4 BGHZ 175, 265, 272 (zur AG); BGHZ 173, 145, 152 f. (zur AG); BGHZ 170, 47, 52 (zur AG); RGZ 159, 321, 326 f.; Habersack, in: FS Konzen, 2006, S. 179, 180; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 20; Märtens, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 208; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 46; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 118; weitergehend Zeidler, in: Michalski, Rdnr. 56 (alle Fälle, in denen zwischen vereinbarter Einlage und vereinbarungsgemäß erbrachter Sacheinlage eine Wertdifferenz besteht).

Veil

377

§5

Stammkapital; Geschäftsanteil

82

Die Vereinbarung über eine gemischte Sacheinbringung ist als ein einheitliches Rechtsgeschäft zu behandeln, auf das im Ganzen die für die Sachgründung geltenden Vorschriften anzuwenden sind1. Handelt es sich um eine kraft Parteivereinbarung unteilbare Leistung, unterliegt das Rechtsgeschäft insgesamt den für Sacheinlagen geltenden Vorschriften2. Die Aufspaltung des Geschäfts widerspräche dem Gründerwillen und wäre vor allem mit dem Schutzzweck der Sachgründungsvorschriften unvereinbar. Es würde ein irreführendes oder jedenfalls unvollständiges Bild über das durch die Einlage aufzubringende Gesellschaftsvermögen vermitteln und ebenfalls dem Sinn des § 5 Abs. 4 Satz 1 zuwiderlaufen, wenn bei der danach erforderlichen Festsetzung des Betrages der Einlage, auf die sich die Sacheinlage bezieht, nur der zu ihrer Deckung verwendete Wertteil und nicht auch der an den Einleger in Geld oder anderweitig zu vergütende Teil im Gesellschaftsvertrag vermerkt würde.

83

Außer den nach § 5 Abs. 4 Satz 1 sonst erforderlichen Angaben (Rdnr. 87 ff.) muss sich also aus dem Gesellschaftsvertrag selbst ergeben, dass ein über den Anrechnungsbetrag auf die Einlage hinausgehender Mehrwert des Einlagegenstandes dem Einleger oder einem Dritten vergütet werden soll3. Es bedarf jedoch nicht notwendig ausdrücklicher Hervorhebung des Vergütungsanspruchs, sondern er kann sich auch aus dem übrigen Vertragsinhalt durch Auslegung ergeben4. Er muss darüber hinaus Bestimmungen sowohl über die Art der zu gewährenden Vergütung (z.B. Zahlungsanspruch, Darlehensgutschrift, Schuldübernahme u.a.) als auch über die Höhe enthalten5. Es ist dabei, was insbesondere für die Einbringung von Unternehmen bedeutsam ist, aber nicht erforderlich, dass die Vergütung im Gesellschaftsvertrag betragsmäßig genau beziffert6 oder jedenfalls mit einem Schätzbetrag7 angegeben wird, sondern es genügt den Informations- und Kontrollinteressen der Gesellschaftsgläubiger und des Registergerichts, wenn er objektiv bestimmbar festgesetzt wird in einer Weise, die eine ziffernmäßige Konkretisierung auf den Anmeldezeitpunkt anhand der eingereichten Unterlagen unschwer ermöglicht8. Auf diesem Wege kann dann die – meist erst nach Vertragsschluss festgestellte – Einbringungsbilanz berücksichtigt werden9. 1 RGZ 159, 321, 326; BGH, GmbHR 1998, 588, 590; Habersack, in: FS Konzen, S. 179, 181; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 120; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 20; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 47. 2 BGHZ 173, 145, 152; KG, JW 1928, 1822; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 41; Märtens, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 210; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 120. 3 RGZ 125, 323, 329; RGZ 159, 321, 327; BGHZ 45, 338, 342. 4 RGZ 159, 321, 327; BayObLG, DB 1979, 1075 f.; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 20; Märtens, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 211; Priester, BB 1980, 19, 20; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 121. 5 RGZ 114, 77, 81; BGHZ 45, 338, 342 f.; OLG Stuttgart, GmbHR 1982, 109, 111; Hueck/ Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 20; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 121. 6 Das verlangt Günthner, NJW 1975, 524, 526. 7 So OLG Stuttgart, GmbHR 1982, 109, 111 m. krit. Anm. von Priester. 8 OLG Zweibrücken, GmbHR 1981, 214, 215; Märtens, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 213; Priester, BB 1980, 19, 22 f.; Priester, GmbHR 1982, 113; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 20; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 122; Zeidler, in: Michalski, Rdnr. 58; dahingestellt von OLG Düsseldorf, GmbHR 1996, 214, 215. 9 Habersack, in: FS Konzen, 2006, S. 179, 184, der dies allerdings auf die Einbringung unteilbarer Gegenstände beschränkt.

378

Veil

§5

Stammkapital; Geschäftsanteil

Beim Fehlen der statutarischen Festsetzungen über die zu gewährende Ver- 84 gütung (Rdnr. 83) ist zwar die Beteiligungserklärung und die Sacheinlagevereinbarung rechtswirksam, doch nur so wie beurkundet. Ein Vergütungsanspruch steht dem Einleger gegen die Gesellschaft nicht zu1. Willigen die Mitgesellschafter bei einer versehentlich unterlassenen Festsetzung nicht in eine Änderung des Gesellschaftsvertrages ein, so steht dem Einleger u.U. ein außerordentliches Austrittsrecht aus wichtigem Grunde (s. Anh. § 34 Rdnr. 6 ff.) zu, ggf. auch ein Bereicherungsanspruch gegen die Mitgründer (§§ 812, 815 BGB). Die nachträgliche Einfügung der unterlassenen Festsetzung in die Satzung kann nur unter Anwendung der Regeln über eine Kapitalherabsetzung (§ 58) erfolgen, da die in der Satzung nicht vermerkte Gewährung einer Vergütung an den Sacheinleger aus Gläubigersicht wie eine teilweise Rückgewähr der Einlage wirkt2. In Betracht kommt aber auch eine anderweitige Ausgleichsregelung, etwa eine Nachzahlung des Inferenten, der von seinen Mitgesellschaftern, um den Risiken aus der fehlenden statutarischen Festsetzung zu entgehen, eine Mitwirkung an der Heilungsmaßnahme verlangen kann3. Die außerhalb der Satzung erfolgte Zusicherung des Mehrbetrages durch die Mitgesellschafter kann als Garantie- oder Schuldübernahmevertrag unter den Beteiligten wirksam sein4. Die Summe der auf die Einlage anzurechnenden und der als Vergütung an den 85 Gesellschafter zu gewährenden Beträge darf den Zeitwert des Einlagegegenstandes (Rdnr. 57 ff.) nicht überschreiten. Die Gesellschafter können statutarisch vereinbaren, dass ein eventueller Minderwert einseitig zu Lasten der Vergütung gehen soll, aber im Zweifel ist das nicht anzunehmen5. Das Registergericht hat deshalb bei ungenügender Wertabdeckung der Summe die Eintragung abzulehnen (§ 9c Abs. 1 Satz 2). Kommt es dennoch zur Eintragung, gilt § 19 Abs. 4, so dass der Gesellschafter zur Bareinlage verpflichtet ist6. Für Vertragsmängel und Leistungsstörungen gelten im Übrigen die allgemeinen Grundsätze für Sacheinlagen i.e.S. oder für Sachübernahmen mit Anrechnungsabrede.

5. Die Festsetzung im Gesellschaftsvertrag (§ 5 Abs. 4) a) Grundlagen Sollen Einlagen nicht in Geld, sondern durch Sachwerte (Sacheinlagen i.w.S.; s. 86 Rdnr. 31) gedeckt werden, so müssen im Gesellschaftsvertrag7 zwecks Aufklärung der Gesellschaftsgläubiger über die Zusammensetzung des aufzubringen1 RGZ 118, 113, 117 f.; RGZ 125, 323, 328 f.; RGZ 159, 321, 327; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 123. 2 Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 124. 3 Die Mitwirkung muss allerdings einstimmig geschehen, Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 124. 4 RG, GmbHRspr. II § 2 R. 9; IV § 5 R. 13. 5 OLG Düsseldorf, GmbHR 1996, 214, 215; Märtens, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 215; Trölitzsch, Differenzhaftung für Sacheinlagen in Kapitalgesellschaften, 1998, S. 34 f., 255 ff. A.A. Priester, GmbHR 1982, 113. 6 Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 41. 7 Die Aufnahme in eine Anlage, die dem notariellen Protokoll beigefügt ist (§ 9 Abs. 1 Satz 2 BeurkG), genügt nicht; vgl. Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 126; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 43; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 55; a.M. wohl Röhl, GmbHR 1982, 252.

Veil

379

§5

Stammkapital; Geschäftsanteil

den Stammkapitals und zur Ermöglichung der registergerichtlichen Kontrolle die Person des verpflichteten Gesellschafters (Rdnr. 87), der Gegenstand der Sacheinlage (Rdnr. 88) und der Nennbetrag des Geschäftsanteils (Rdnr. 89 ff.) festgesetzt werden (§ 5 Abs. 4 Satz 1). Die statutarische Regelung muss deshalb alle Gesichtspunkte enthalten, die nach Maßgabe der einschlägigen Auslegungsgrundsätze zu einer zutreffenden und zweifelsfreien Unterrichtung über die angegebenen Vertragsbestandteile notwendig sind. Nebenabreden, die für die Einschätzung der Wertverhältnisse der einzubringenden Gegenstände aussagekräftig sind, müssen aufgenommen werden, da sie sonst – abgesehen von der unabhängig davon bestehenden Gültigkeit der Sacheinlagevereinbarung – der Gesellschaft gegenüber nicht wirksam sind1. Nicht geregelt ist, ab wann Festsetzungen durch Satzungsänderung beseitigt werden können. Der Gesetzgeber hat die Frage bei der GmbHNovelle 1980 nicht beantwortet2. In Betracht kommt, die §§ 27 Abs. 5, 26 Abs. 5 AktG analog anzuwenden. Dadurch würden allerdings Fristen in das GmbHRecht übertragen, die (mit dreißig Jahren) für die Praxis einer mehr personalistischen Gesellschaft deutlich zu lang sind3. Vorzugswürdig ist es, entsprechend § 9 Abs. 2 von einer Frist von zehn Jahren auszugehen4. b) Notwendige Angaben aa) Person des Sacheinlegers 87

Die Angabe der Person des Sacheinlegers ist, abweichend vom früheren Recht, in der Neufassung des § 5 Abs. 4 Satz 1 nicht mehr ausdrücklich erwähnt, aber an ihrer Notwendigkeit hat sich sachlich nichts geändert5. Dem Erfordernis genügt jede individualisierende Bezeichnung, die es ermöglicht, den Sacheinleger eindeutig zu bestimmen, was auch durch Auslegung geschehen kann6. bb) Gegenstand der Sacheinlage

88

Der Gegenstand der Sacheinlage ist im Gesellschaftsvertrag so zu bezeichnen, dass jeder Zweifel an seiner Identität ausgeschlossen ist. Bei Sachgesamtheiten (Rdnr. 52 f.) genügt regelmäßig eine verkehrsübliche, objektiv individualisierende Bezeichnung; die Angabe der zu ihr gehörenden einzelnen Gegenstände ist

1 Vgl. RGZ 117, 77, 81; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 129. 2 Der Vorschlag in § 5b Abs. 4 RegE, wonach die Festsetzungen gemäß § 5 Abs. 4 Satz 1 fünf Jahre nach der Abwicklung der Vereinbarungen durch Satzungsänderung beseitigt werden dürfen, ist vom Rechtsausschuss, BT-Drucks. 8/3908, S. 69 f., unter Hinweis auf die geltende Praxis mangels Bedürfnisses nicht in das Gesetz übernommen worden. 3 Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 49; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 130. A.A. LG Hamburg, GmbHR 1968, 207. 4 Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 49; Märtens, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 220; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 130. A.A. 10. Aufl. (fünf Jahre). 5 Vgl. Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 31; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 44; Märtens, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 221; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 58 (nicht dagegen die Person eines dritten Sachübernehmers); Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 133. 6 Beispiele bei Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 133.

380

Veil

§5

Stammkapital; Geschäftsanteil

nicht erforderlich1, bei einer bloßen Mehrheit von Gegenständen genügt dagegen keine nur zusammenfassende Beschreibung ohne Nennung der Zahlen2. Eine genaue Beschreibung braucht sich auch nicht aus einer Anlage zum Gesellschaftsvertrag zu ergeben, insbesondere muss bei Unternehmen, die mit Handelsregisternummer und Firma bezeichnet werden können, keine Einbringungsbilanz beigefügt werden3, es sei denn, bestimmte Werte sollen nicht mit eingelegt werden4; die Einbringungsbilanz braucht also erst bei der Anmeldung vorzuliegen. Den Bedürfnissen der Unterrichtung der Öffentlichkeit und der registergerichtlichen Kontrolle ist Genüge getan, wenn entsprechende zusätzliche Unterlagen mit der Anmeldung eingereicht werden (vgl. auch §§ 5 Abs. 4 Satz 2, 8 Abs. 1 Nr. 4, 5). Unzureichend ist danach etwa die Bestimmung, dass die Außenstände eines Unternehmens bis zu einem angegebenen Höchstbetrag eingebracht werden, da unklar bleibt, welche Forderungen übergehen sollen5. Vertretbare Gegenstände sind nach Art und Menge anzugeben6. Die Art der einzubringenden Gattungssache kann sich aber möglicherweise schon aus den Umständen, z.B. dem Gegenstand des betreffenden Unternehmens, ergeben7. Allerdings müssen entweder die Einzelstücke näher gekennzeichnet oder die Zahl der artgleichen Stücke angegeben werden, oder es muss vermerkt werden, dass es sich um alle Stücke einer Sachgesamtheit handelt8. Unvertretbare Sachen, somit auch Immobilien, ferner auch Rechte müssen, soweit sich das nicht auf Grund von Besonderheiten erübrigt, ausreichend individualisierend gekennzeichnet, aber nicht vollständig beschrieben werden9. Bei Forderungen sind i.d.R. der Schuldner, der Gegenstand der Forderung und der Schuldgrund anzugeben, doch kann, wenn dadurch die Identifizierung nicht ausgeschlossen wird, u.U. eines dieser Merkmale fehlen10. cc) Nennbetrag des Geschäftsanteils Schließlich ist die Angabe des Nennbetrages des Geschäftsanteils erforderlich, 89 auf den sich die Sacheinlage bezieht. Festzusetzen ist der durch die Sacheinbringung zu deckende Einlagebetrag, nicht dagegen der Wert des Einlagegegenstan-

1 OLG Düsseldorf, GmbHR 1996, 214, 215; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 45; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 137. 2 S. etwa OLG Kiel, JR 1948, 325. 3 Priester, BB 1980, 19, 20 ff.; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 45; Märtens, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 224; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 59; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 140. A.A. Sudhoff, NJW 1982, 131, 133; v. Rössing, S. 30 f. 4 BGH, DB 2000, 2260; RG, LZ 1918, 918; OLG München, OLG 32, 135, 136; OLG Düsseldorf, GmbHR 1996, 214, 215; Priester, BB 1980, 19, 20. 5 Vgl. auch Vogel, GmbHR 1953, 47. 6 Märtens, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 225; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 135; s. auch Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 59. 7 RGZ 141, 204, 207. 8 KGJ 38, 166; KGJ 44, 146; OLG Breslau, GmbHRspr. IV § 5 R. 12. 9 Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 136; s. auch Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 45; Märtens, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 223. 10 Märtens, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 226; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 138.

Veil

381

§5

Stammkapital; Geschäftsanteil

des1. Eine derartige Wertangabe ist rechtlich bedeutungslos, solange nicht durch die Nennung eines überhöhten Betrages ein unrichtiger Eindruck über das aufgebrachte Gesellschaftsvermögen vermittelt wird; die Anmeldung ist in diesem Fall auch dann zu beanstanden, wenn die Einlage an sich durch den Zeitwert des Gegenstandes gedeckt ist2, wenn nicht aus der Regelung klar hervorgeht, dass eine Überpari-Emission gewollt oder, wie bei der gemischten Sacheinlage (Rdnr. 84, 91), der Mehrbetrag dem Einleger vergütet werden soll. Bei der Einbringung mehrerer Vermögensgegenstände braucht der Anrechnungsbetrag nicht für jeden gesondert, sondern kann einheitlich festgesetzt werden3. Festzusetzen ist der Betrag der zu deckenden Einlage. Es genügt deshalb – anders als für einen herauszuzahlenden Mehrwert bei der gemischten Sacheinlage (Rdnr. 91) – nach dem Gesetzeswortlaut nicht, dass ihre Größe nur bestimmbar angegeben wird, sondern sie muss ziffernmäßig genau in Euro festgelegt werden4. Unzulässig wäre z.B. auch die Einlage „sicherer kautionsfähiger Wertpapiere zum Geldkurs“ im Zeitpunkt der Anmeldung. 90

Entsprechendes gilt für die Sachübernahme (Rdnr. 73) mit der Modalität, dass der Nennbetrag des Geschäftsanteils anzugeben ist, der durch die Verrechnung mit der Vergütung für den veräußerten Vermögensgegenstand getilgt werden soll. Nach dem Gesetzeswortlaut muss sich auch dieser Betrag aus dem Gesellschaftsvertrag ergeben, so dass sich die genaue Festsetzung des Betrages auch durch Schlüsse aus den übrigen Angaben der Satzung ergeben kann. Es reicht also die Angabe eines spätestens zum Zeitpunkt der Anmeldung bestimmbaren Betrags aus5. Da der Gesellschaftsvertrag, wie auch § 19 Abs. 2 Satz 2 zeigt, nur die Möglichkeit einer Tilgung der Geldeinlagepflicht durch die Verrechnung mit der Vergütung vorzusehen braucht, bestehen keine Bedenken gegen eine zusätzliche Bestimmung, die die Verrechnung durch weiter gehende Kriterien einschränkt. Die Verrechnung muss aber bis zur Anmeldung erfolgt sein (§ 7 Abs. 3) und in der Anmeldung mit genauer Betragsangabe versichert werden (§ 8 Abs. 2). Die Höhe der Vergütung für die Sachübernahme sollte im Gesellschaftsvertrag angegeben werden6, ist aber jedenfalls im Sachgründungsbericht (§ 5 Abs. 4 Satz 2) zu erwähnen (vgl. auch § 8 Abs. 1 Nr. 4). Unvermeidlich ist eine genaue Angabe, wenn die Vergütungspflicht für die zu übernehmenden Vermögensgegenstände bereits im Gesellschaftsvertrag begründet werden soll (Rdnr. 75). 1 KGJ 38, 161, 170; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 46; Märtens, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 227; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 60; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 141; Zeidler, in: Michalski, Rdnr. 132. A.A. Bayer, in: Lutter/ Hommelhoff, Rdnr. 31: Einlagewert; Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 53. 2 Eine Irreführung kann sich auch durch die Angabe einer Agio-Leistung ergeben, wenn der Zeitwert des Einlagegegenstandes nicht den Einlagebetrag zuzüglich des Agios erreicht. 3 KGJ 36, 133, 134; BayObLG, SeuffA 62 Nr. 75 (Zubehör); Hueck/Fastrich, in: Baumbach/ Hueck, Rdnr. 46; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 144; Zeidler, in: Michalski, Rdnr. 159. 4 Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 46; Zeidler, in: Michalski, Rdnr. 132. A.A. Märtens, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 227 (Anrechnungsbetrag könne auch in Form eines bestimmten Bruchteils des Nennbetrags des Geschäftsanteils angegeben werden). 5 Märtens, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 232; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 145. 6 Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 60.

382

Veil

§5

Stammkapital; Geschäftsanteil

Ein dem Sacheinleger zu vergütender Mehrwert muss sich aus der Satzung erge- 91 ben (sog. gemischte Sacheinbringung). Es genügt die bestimmbare Festsetzung der Vergütung1. dd) Belastungen und Schulden Belastungen und Schulden, die in Zusammenhang mit der Sacheinbringung von 92 der Gesellschaft übernommen werden sollen, erwähnt § 5 Abs. 4 Satz 1 zwar nicht besonders. Nach Sinn und Zweck der Vorschrift ist die Angabe aber ebenfalls erforderlich2. Überdies können Übernahmepflichten der Gesellschaft bei ihrer Errichtung rechtswirksam nur im Gesellschaftsvertrag begründet werden3, da es sich sonst um einen Vertrag zu Lasten der Gesellschaft handeln würde. c) Mängel der Sacheinlagevereinbarung aa) Verstoß gegen § 5 Abs. 4 Satz 1 Enthält der Gesellschaftsvertrag die nach dieser Vorschrift erforderlichen Fest- 93 setzungen nicht oder nur unvollständig oder ermangeln sie der notwendigen Bestimmtheit (Rdnr. 86 ff.), so ist die Sacheinlagevereinbarung rechtsunwirksam (§ 125 Satz 1 BGB). Das Registergericht hat die Eintragung der nicht ordnungsgemäß errichteten Gesellschaft abzulehnen (§ 9c Abs. 1 Satz 1), wenn der Mangel, was bis zu diesem Zeitpunkt zulässig ist, nicht durch eine Vertragsänderung behoben wird. Fraglich ist, ob wegen des Mangels auch die Beteiligungserklärung unwirksam 94 ist. Vorzugswürdig ist es, dies vor Eintragung der Gesellschaft in das Handelsregister nach § 139 BGB zu beurteilen4: Wenn der betreffende Gesellschafter nur wegen seiner Sacheinlage aufgenommen wurde oder wenn er nur wegen der Möglichkeit der Erbringung der Sacheinlage eine Beteiligung übernehmen wollte, führt der Mangel zur Nichtigkeit seiner Beteiligungserklärung und damit zur Nichtigkeit der Gesellschaft. Im Übrigen ist seine Beteiligung als wirksam anzusehen. Selbst wenn die Beteiligung und damit die Gesellschaft gemäß § 139 BGB nichtig ist, kann sie im Interesse des Gesellschafter- und Gläubigerschutzes nach den Grundsätzen der fehlerhaften Gesellschaft als vorläufig wirksam zu behandeln sein, vorausgesetzt, dass sie in Vollzug gesetzt wurde5. Nach der Eintragung der Gesellschaft ist § 139 BGB nicht mehr anzuwenden. 95 Ein Mangel berührt aus Gründen des Gesellschafter- und Gläubigerschutzes die 1 Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 46. 2 RG, JW 1905, 214; OLG Düsseldorf, GmbHR 1993, 441, 442; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 45; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 147. 3 RG, JW 1905, 214; RG, Recht 1909 Nr. 2528; BGHZ 45, 338, 342; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 147. 4 Märtens, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 236; Zeidler, in: Michalski, Rdnr. 137. Teilweise wird angenommen, dass die Beteiligungserklärung generell wirksam und der Gesellschafter zur Bareinlage verpflichtet sei; vgl. Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 32; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 39; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 150. In der 10. Aufl. wurde vertreten, die Beteiligungserklärung sei generell unwirksam. 5 Märtens, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 236; Zeidler, in: Michalski, Rdnr. 138.

Veil

383

§5

Stammkapital; Geschäftsanteil

Beteiligungserklärung nicht mehr1. Bislang ist die h.M. davon ausgegangen, dass der Gesellschafter dann zu einer Geldeinlage verpflichtet ist2. Seit der Neuregelung der Kapitalaufbringung durch das MoMiG ist die Frage analog § 19 Abs. 4 zu beantworten: Wenn schon eine verdeckte Sacheinlage den Inferenten teilweise befreit, muss dies erst recht für den Fall gelten, dass eine formunwirksame Sacheinlage erbracht wird3. In der Höhe des Wertes der eingebrachten Sache wird der Gesellschafter also von seiner Einlagepflicht frei. bb) Sonstige Mängel 96

Eine Sacheinlagevereinbarung kann auch aus anderen Gründen fehlerhaft sein. In Betracht kommen beispielsweise die mangelnde Eignung des versprochenen Einlagegegenstandes, die Sittenwidrigkeit der Anrechnungsvereinbarung oder das Fehlen einer behördlichen Genehmigung bezüglich einer genehmigungspflichtigen Sacheinlagevereinbarung4. Es handelt sich um die Sacheinlagevereinbarung als solche betreffende spezielle Unwirksamkeitsgründe. Die Rechtsprechung hat in diesen Fällen angenommen, dass der Gesellschafter nach der Eintragung der Gesellschaft zur Leistung der Einlage in Geld verpflichtet ist5. Seit der Neuregelung durch das MoMiG kann aber auch in diesen Fällen eine analoge Anwendung des § 19 Abs. 4 Satz 1 geboten sein. cc) Heilung

97

Die rückwirkende Heilung unwirksamer Sacheinlagevereinbarungen durch Satzungsänderung ist ausgeschlossen. Das ergibt sich aber aus dem Sinn der Sachgründungsvorschriften. Zulässig ist dagegen eine Heilung mit Wirkung für die Zukunft. Sie kann anerkanntermaßen durch eine Kapitalherabsetzung zwecks Aufhebung der bestehenden Geldeinlage mit anschließender Sachkapitalerhöhung (§§ 53, 55, 58)6 oder in umgekehrter Reihenfolge7 geschehen. Das Verfahren ist allerdings kompliziert, kostenaufwändig und wegen der eingreifenden Einschränkungen des § 58 Abs. 1 Nr. 1 bis 38 problematisch. Als einfachere Heilungsmöglichkeit kommt daneben die entgegen der früheren Rechtslage nun1 RGZ 82, 299, 303 f.; RGZ 86, 291, 293 f.; RGZ 118, 113, 117 f.; BGHZ 28, 314, 316; BGHZ 45, 338, 343; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 32; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 51; Märtens, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 237; Roth, in: Roth/ Altmeppen, Rdnr. 56; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 39; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 150; Zeidler, in: Michalski, Rdnr. 139. 2 BGHZ 28, 314, 316; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 150. 3 Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 32; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 51; Märtens, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 240. A.A. wohl Zeidler, in: Michalski, Rdnr. 139 (Bareinlagepflicht). 4 Zeidler, in: Michalski, Rdnr. 135. 5 BGHZ 28, 314, 316; BGHZ 45, 338, 345; BGH, GmbHR 1997, 545, 546. A.A. RGZ 68, 271, 276; RGZ 86, 210, 213. 6 BayObLG, DB 1978, 337; Lenz, Die Heilung verdeckter Sacheinlagen, S. 95 ff. m.w.N. 7 Vgl. dazu Wegmann, BB 1991, 1006, 1009 f. 8 Eine diesbezügliche teleologische Reduktion der Vorschrift befürworten zu Unrecht Wegmann, BB 1991, 1006, 1009 u. Sigel, GmbHR 1995, 487, 492 f. Ebenso bedenklich ist die von Lenz, Die Heilung verdeckter Sacheinlagen, S. 117 ff. vorgeschlagene teilweise analoge Anwendung der §§ 58a ff.; s. dazu auch BGHZ 132, 141, 154.

384

Veil

§5

Stammkapital; Geschäftsanteil

mehr von der h.M. zugelassene nachträgliche Umwandlung der Geld- in eine Sacheinlage durch normale Satzungsänderung (§§ 53 f.) in Betracht, für die die gesetzlichen Sicherungen bei Sacheinlagen analog oder sinngemäß gelten (s. Rdnr. 106 f.).

6. Sachgründungsbericht Die Pflicht zur Erstattung eines Sachgründungsberichts durch die Gesellschafter 98 (§ 5 Abs. 4 Satz 2) ist durch die GmbH-Novelle 1980 eingeführt worden. Sein Zweck ist es, die Kapitalaufbringung bei Sachgründungen zum Schutze der Gesellschaftsgläubiger besser zu sichern und dem Registergericht die Prüfung der Ordnungsmäßigkeit der Gesellschaftsgründung zu erleichtern1. Der Bericht ist der Anmeldung zum Handelsregister beizufügen (§ 8 Abs. 1 Nr. 4). Fehlt er, so ist die Eintragung abzulehnen, wenn auch ihre Beanstandung keine Abhilfe bewirkt hat. Die Gesellschafter sind für seine Richtigkeit und Vollständigkeit nach § 9a zivilrechtlich und nach § 82 Abs. 1 Nr. 1 strafrechtlich verantwortlich. a) Erstellung Der Sachgründungsbericht ist durch alle Gesellschafter zu erstatten (§ 5 Abs. 4 99 Satz 2). Es müssen also auch diejenigen Gesellschafter mitwirken, die nicht selbst Sacheinlagen zu leisten haben. Maßgebend ist zunächst die Zusammensetzung der Gründer zur Zeit der Anmeldung. Ändert sich aber später vor der Eintragung der Gründerkreis durch einen Gesellschafterwechsel oder durch den Hinzutritt weiterer Gesellschafter, so haben, wenn sie selber Sacheinlagen leisten, die neuen Gesellschafter einen – mit der Anmeldung der Vertragsänderung nachzureichenden (s. § 8 Rdnr. 12) – Sachgründungsbericht zu erstellen2, während der des ausgeschiedenen Gesellschafters gegenstandslos wird3. Der Sachgründungsbericht ist durch die Gesellschafter persönlich zu erstatten. 100 Eine rechtsgeschäftliche Vertretung ist unzulässig4. Juristische Personen und Personenhandelsgesellschaften handeln durch ihre organschaftlichen Vertreter in vertretungsberechtigter Zahl5. Für nicht voll geschäftsfähige Gründungsgesellschafter kann nur ihr gesetzlicher Vertreter tätig werden. Die Gesellschafter sind nach dem Gesellschaftsvertrag untereinander, nicht ge- 101 genüber dem Registergericht, zur Mitwirkung bei der Berichterstattung verpflichtet6. Beim Tod eines Gesellschafters trifft die Pflicht seine in der Gründerorganisation verbleibenden Erben. 1 Begr. RegE, BT-Drucks. 8/3908, S. 30; BayObLG, ZIP 1999, 968, 969. 2 Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 34; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 54; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 15 f. 3 Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 158. 4 Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 34; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 54; Priester, DNotZ 1980, 515, 520 f.; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/SchmidtLeithoff, Rdnr. 63; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 159; Zeidler, in: Michalski, Rdnr. 150. 5 OLG Naumburg, GmbHR 1998, 385; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 159. 6 Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 158.

Veil

385

§5

Stammkapital; Geschäftsanteil

b) Form 102 Der Sachgründungsbericht ist von den Gesellschaftern schriftlich abzufassen und von ihnen zu unterzeichnen (§ 126 Abs. 1 BGB)1. Dies ist zwar in § 5 Abs. 4 Satz 2, anders als in § 32 Abs. 1 AktG, nicht ausdrücklich festgelegt. Die genannten Erfordernisse ergeben sich aber aus dem Gesetzeszweck und können auch aus § 8 Abs. 1 Nr. 4 abgeleitet werden. Nicht erforderlich ist es, dass der Bericht in einer Urkunde enthalten ist; getrennte Berichterstattung der Gründungsgesellschafter, die aber inhaltlich nicht voneinander abweichen darf, ist möglich2. Der Sachgründungsbericht ist nicht Bestandteil des Gesellschaftsvertrages und unterliegt deshalb auch nicht der Form des § 2 Abs. 1 Satz 1. Von den Geschäftsführern ist er nicht zu unterzeichnen3. c) Inhalt 103 Die Anforderungen an den Inhalt des Sachgründungsberichts umschreibt § 5 Abs. 4 Satz 2 – abgesehen von den zusätzlichen Angaben bei der Einbringung eines Unternehmens (Rdnr. 105) – nur allgemein dahingehend, dass „die für die Angemessenheit der Leistungen für Sacheinlagen wesentlichen Umstände darzulegen“ sind. Ein bestimmter Mindestinhalt, wie in § 32 Abs. 2 AktG verlangt, ist für die GmbH nicht vorgeschrieben, sondern der notwendige Berichtsinhalt richtet sich nach den Gegebenheiten des Einzelfalls (Rdnr. 104)4, wobei also die Darstellung von Einzelheiten hinter dem vom AktG Geforderten zurückbleiben kann. Sonstige Angaben über die Gründung, die für die Angemessenheit keine Bedeutung haben, sind nicht aufzunehmen. 104 Der Bericht hat alle Umstände anzuführen, die für die sachgemäße Beurteilung erforderlich sind, ob die Nennbeträge der Geschäftsanteile, soweit sie nicht in Geldleistungen zu erbringen sind, durch den Zeitwert des eingebrachten Vermögensgegenstandes (Rdnr. 57 ff.) gedeckt werden oder ob die auf die Einlageforderung verrechnete Vergütung für einen von der Gesellschaft übernommenen Vermögensgegenstand (Rdnr. 73 ff.) dessen Zeitwert nicht übersteigt. Ein Sachübernahmevertrag, aus dem die Vergütung hergeleitet wird, ist mit seinem wesentlichen Inhalt wiederzugeben5, was auch durch Verweisung auf die beigefügte Vertragskunde (§ 8 Abs. 1 Nr. 4) geschehen kann. Bei einer gemischten Sacheinlage (Rdnr. 81 ff.) sind auch der dem Gesellschafter zu vergütende Betrag und die wertmäßige Aufteilung der Sacheinlage darzule1 Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 34; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 54; Priester, DNotZ 1980, 515, 520; Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 59; SchmidtLeithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 63; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 160; s. auch OLG Naumburg, GmbHR 1998, 385. I.E. auch Zeidler, in: Michalski, Rdnr. 157 (Unterschrift entsprechend § 245 HGB als zusätzliches gesetzliches Erfordernis und nicht als Wirksamkeitserfordernis). 2 Priester, DNotZ 1980, 515, 521; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 160. 3 Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 54; Priester, DNotZ 1980, 515, 520. 4 Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 55; Märtens, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 248; Priester, DNotZ 1980, 515, 521; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/SchmidtLeithoff, Rdnr. 63; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 161; für sinngemäße Heranziehung des § 32 Abs. 2 Nr. 1 u. 2 AktG Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 60. 5 Märtens, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 250; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 161.

386

Veil

§5

Stammkapital; Geschäftsanteil

gen1. Die eingebrachten Vermögensgegenstände sind im Bericht in einem Umfang näher zu beschreiben, wie das im Einzelfall zur sachgerechten Ermittlung des Zeitwertes (Rdnr. 57 ff.) notwendig ist, z.B. Art und Menge, Alter, Beschaffenheit, Herstellungskosten, geschätzter Nutzen eines Immaterialgüterrechts2. Auch Zusicherungen über die Beschaffenheit des Gegenstandes3 oder Wertgarantien sind zu erwähnen. Auf beigefügte Unterlagen (z.B. Einbringungsbilanz, Inventarverzeichnis, Kaufverträge mit technischen Beschreibungen) darf in der Weise Bezug genommen werden, dass die Gesellschafter sich die darin enthaltenen Angaben ohne Vorbehalt zu Eigen machen. Der Bericht muss schließlich die angewandte Bewertungsmethode erkennen lassen und die zugrunde zu legenden Wertmaßstäbe (z.B. Marktpreis, Reproduktionskosten) angeben4. Bei der Einbringung oder der Übernahme eines Unternehmens sind unter ande- 105 rem die Jahresergebnisse der beiden letzten Geschäftsjahre (§ 5 Abs. 4 Satz 2 Halbsatz 2) vor der Anmeldung5 oder, wenn es noch nicht so lange besteht, die bisher erzielten Unternehmensergebnisse anzugeben6. Doch scheiden Zeiträume von weniger als einem Jahr wegen ihrer zu geringen Aussagekraft aus. Unter „Jahresergebnis“ ist der nach den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung zu ermittelnde Jahresüberschuss oder -fehlbetrag i.S. des § 275 Abs. 2 Nr. 20 bzw. Abs. 3 Nr. 19 HGB zu verstehen7, die Beifügung einer Bilanz wird dann regelmäßig nicht nötig sein. Soweit das Ergebnis durch außergewöhnliche Umstände wesentlich beeinflusst worden ist, muss das vermerkt werden. Im Falle der Einbringung eines Unternehmensteils, der selbständig fortführbar ist, sind die für ihn maßgeblichen Jahresergebnisse zu nennen8.

7. Änderung der Einlagedeckung a) Umwandlung von Geld- in Sacheinlagen Die nachträgliche Umwandlung der Geldeinlage in eine Sacheinlage durch Sat- 106 zungsänderung (§§ 53, 54) galt früher als unzulässig9. In BGHZ 132, 141 ist der BGH dem im Schrifttum entwickelten Vorschlag10 gefolgt, eine Heilung durch 1 Märtens, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 250; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 161. 2 Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 33; Geßler, BB 1980, 1385, 1387; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 55; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 63; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 161. 3 RGZ 18, 56, 68. 4 Deutler, GmbHR 1980, 145, 148; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 55; Märtens, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 249; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/SchmidtLeithoff, Rdnr. 63; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 161. 5 Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 65; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 162. 6 Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 33; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 162. 7 OLG Naumburg, GmbHR 1998, 385; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 33; Märtens, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 252; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 65. 8 Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 162. 9 KGJ 47, 108; KG, JW 1937, 321; OLG Braunschweig, OLG 32, 140; BayObLG, DB 1978, 337; OLG Frankfurt, DB 1983, 1249. 10 Vgl. Priester, DB 1990, 1753, 1758 ff.; Lutter/Gehling, WM 1989, 1453, 1455; Roth, NJW 1991, 1913, 1918; Volhard, ZGR 1995, 286.

Veil

387

§5

Stammkapital; Geschäftsanteil

einen satzungsändernden Beschluss der Gesellschafter zu ermöglichen, durch den die statt der unwirksamen Sacheinlage geltende Bareinlagepflicht in eine Pflicht zur Sacheinlage umgewandelt wird. In dem Beschluss sind die betreffenden Gesellschafter und der Inhalt der Sacheinlage anzugeben. Weiter ist ein Bericht über die Umwandlung der Einlage zu erstatten. Die Vollwertigkeit der Sacheinlage muss durch eine von Wirtschaftsprüfern testierte aktuelle Bilanz nachgewiesen werden. Die Geschäftsführer müssen die Werthaltigkeit und den Empfang der Sacheinlage versichern. Die Eintragung des Beschlusses bewirkt eine Heilung ex nunc. An dieser Lösung hat sich durch das MoMiG nichts geändert; die Heilung einer verdeckten Sacheinlage ist weiterhin zulässig1. Ausgeschlossen ist sie allein in der Insolvenz der Gesellschaft2. Die praktische Bedeutung einer Heilung dürfte aber aufgrund der Neuregelung der verdeckten Sacheinlage in § 19 Abs. 4 nur noch sehr gering sein. 107 Der notariell zu beurkundende Gesellschafterbeschluss (§ 53 Abs. 2) hat im Falle der vollständigen oder teilweisen Änderung der bei der Gründung übernommenen Geld- in eine bestimmte Sacheinlagepflicht neben dieser Regelung auch die nach § 5 Abs. 4 Satz 1 notwendigen Festsetzungen im Gesellschaftsvertrag (Rdnr. 86 ff.) zu treffen3. Die Einlagefähigkeit der Sacheinlage und ihr höchstzulässiger Anrechnungswert bestimmen sich nach den in Rdnr. 37 ff., 56 ff. dargelegten allgemeinen Erfordernissen. Die Satzungsänderung bedarf eines satzungsändernden, also nicht einstimmigen Gesellschafterbeschlusses4. Zwar berührt der Austausch der gesellschaftsvertraglich bestimmten Einlageleistung schutzwürdige Interessen aller Gründungsgesellschafter, die durch eine bloße externe Äquivalenzkontrolle nicht abgedeckt werden; diese Risiken sind aber nicht unbedingt höher einzuschätzen als die allgemeine Mithaftung der Mitgesellschafter bei Kapitalaufbringung (§ 24) und Kapitalerhaltung (§ 31 Abs. 3). Mit Rücksicht auf die für den Inferenten gravierenden Rechtsfolgen kann u.U. die Treuepflicht eine Zustimmung gebieten5. Die betroffenen Gesellschafter6 haben analog § 5 Abs. 4 Satz 2 einen Sacheinlagebericht mit dem dort vorgeschriebenen Inhalt zu erstatten. Der Anmeldung der Satzungsänderung zum Handelsregister, die durch sämtliche Geschäftsführer zu bewirken ist (analog § 78 Abs. 2), sind folgende Unterlagen beizufügen: Der Gesellschafterbeschluss, der mit der notariellen Bescheinigung versehene vollständige Wort1 Märtens, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 256. 2 Krieger, ZGR 1996, 674, 688; Märtens, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 257. 3 Die Festsetzungen sind nach KG, NZG 2005, 183 f., entgegen Schiessl/Rosengarten, GmbHR 1997, 772, 775 auch dann erforderlich, wenn die Einlagenänderung fünf Jahre nach Gesellschaftseintragung erfolgt; einschr. Priester, ZIP 1996, 1025, 1029. 4 BGHZ 132, 141, 154; Groß, GmbHR 1996, 721, 723; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/ Hueck, Rdnr. 53; Lutter/Gehling, WM 1989, 1455; Märtens, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 257; Volhard, ZGR 1995, 286, 296; für Einstimmigkeit aber Krieger, ZGR 1996, 674, 685 f.; Ulmer, in: Ulmer, § 19 Rdnr. 138. 5 BGHZ 155, 329, 337; Krieger, ZGR 1996, 674, 686; Pentz, ZIP 2003, 2093, 2096. 6 Märtens, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 258; a.A. Volhard, ZGR 1995, 286, 309 ff. (alle zum Zeitpunkt der Anmeldung vorhandenen Gesellschafter). Bei der Einlagenänderung aus einer Kapitalerhöhung ist der Bericht nach BGHZ 132, 141, 155 von allen Geschäftsführern und den betroffenen Gesellschaftern zu erstatten; zust. Priester, ZIP 1996, 1025, 1029; Krieger, ZGR 1996, 674, 687; abw. Brauer, BB 1997, 269, 276; Groß, GmbHR 1996, 721, 724 f.

388

Veil

§5

Stammkapital; Geschäftsanteil

laut des Gesellschaftsvertrages (§ 54 Abs. 1 Satz 2), die den Festsetzungen gemäß § 5 Abs. 4 Satz 1 zugrunde liegenden oder zu ihrer Ausführung geschlossenen Verträge (§ 8 Abs. 1 Nr. 4), der Sacheinlagebericht (§ 8 Abs. 1 Nr. 4), Wertnachweise zu den Sacheinlagen (§ 8 Abs. 1 Nr. 5)1 und die Versicherung der Geschäftsführer, dass die Sacheinlage geleistet ist und zu ihrer freien Verfügung steht (analog § 8 Abs. 2 Satz 1)2. Die Gesellschafter und die Geschäftsführer haften entsprechend §§ 9a, 57 Abs. 4 für die zum Zwecke der Einlagenänderung gemachten falschen Angaben. Die Differenzhaftung gemäß § 9 gilt analog3. b) Austausch von Sacheinlagen Eine Satzungsänderung, durch die die im Gesellschaftsvertrag festgesetzte Sach- 108 einlage durch eine andere Sacheinlage ersetzt werden soll, ist ebenfalls nur unter Beachtung der in Rdnr. 106 f. dargelegten Erfordernisse zulässig4. Es ist dabei unerheblich, ob die neue Sacheinlage gleichwertig ist oder nicht. Auch ein solcher Austausch verstößt gegen § 5 Abs. 4 Satz 1, weil nachträglich an die Stelle des verlautbarten und geprüften ein anderer Vermögensgegenstand mit möglicherweise höherem Bewertungsrisiko und einer größeren Gefahr der Überbewertung gesetzt wird. Der Austausch des einzulegenden Vermögensgegenstandes kann darüber hinaus im Wege der Kapitalherabsetzung mit nachfolgender Kapitalerhöhung erfolgen. c) Umwandlung von Sach- in Geldeinlagen Die nachträgliche Umwandlung der im Gründungsstatut wirksam vorgesehenen 109 Sacheinlage in eine Geldeinlage ist ebenfalls zulässig5, wird allerdings kaum praktisch werden, da die Sacheinlage spätestens bei Anmeldung der Gesellschaft zum Handelsregister geleistet sein muss (§ 7 Abs. 3). Bedenken bestehen gegen diese Änderung des Einlagegegenstandes nicht. Die Gläubiger haben jedenfalls kein schützenswertes Interesse daran, dass die Gesellschaft den im Gesellschaftsvertrag bestimmten Vermögensgegenstand erhält6. Es ist nicht erforderlich, den erforderlichen Satzungsänderungsbeschluss gemäß § 53 Abs. 3 von der Zustimmung aller Mitglieder abhängig zu machen. Das für eine Zustimmung aller Gesellschafter angeführte Argument, nach der Umwandlung in eine Geldeinlage könne eine Mithaftung der übrigen Gesellschafter begründet sein (§ 24)7, überzeugt nicht, da 1 Noch weitergehend BGHZ 132, 141, 155; krit. dazu Lutter, JZ 1996, 912, 913; Krieger, ZGR 1996, 674, 688; Brauer, BB 1997, 269, 276 u.a. 2 Für die darüber hinausgehend von BGHZ 132, 141, 155 geforderte Versicherung der Werthaltigkeit fehlt eine Rechtsgrundlage; zutr. Krieger, ZGR 1996, 674, 689; Priester, ZIP 1996, 1025, 1031; Brauer, BB 1997, 269, 276 f. 3 BGHZ 132, 141, 152/154. 4 Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 153; Märtens, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 262; Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 64; für ein weiteres Anwendungsfeld der Austauschmöglichkeit auch OLG Stuttgart, ZIP 1996, 277. 5 KG, JW 1937, 321; BayObLG, DB 1978, 337; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 53; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 24; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 33; vgl. auch RG, JW 1936, 42. 6 Zutr. KG, JW 1937, 322. 7 KG, JW 1937, 322; Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 64; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 34; satzungsändernde Mehrheit genügt nach Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 53.

Veil

389

§5

Stammkapital; Geschäftsanteil

die Mitgesellschafter auch von der Minderwertigkeit einer Sacheinlage nicht unberührt bleiben. Die Rechtsvorgänger haften nicht (§ 22), außer wenn im Gründungsstatut die Umwandlung derart vorgesehen war, dass alle Gründer als hiermit einverstanden angesehen werden können. Der Satzungsänderungsbeschluss wird nur dann im Handelsregister eingetragen werden dürfen, wenn die Sacheinlage noch nicht geleistet war, aber spätestens bei der Anmeldung an Geldeinlage so viel eingezahlt ist, als auf die übrigen Geldeinlagen einzuzahlen war (die in § 7 Abs. 2 bestimmten Mindesteinzahlungen müssen gegebenenfalls also überschritten werden1). Die erforderliche Einzahlung muss bei der Anmeldung der Satzungsänderung analog § 8 Abs. 2 durch die Geschäftsführer versichert werden2. Schließlich ist zu beachten, dass die Gesellschafter nach der Eintragung an das Erlassverbot (§ 19 Abs. 2 Satz 1) gebunden sind. Es ist ihnen daher verwehrt, für die Bareinlage einen geringeren Nennbetrag des Geschäftsanteils festzusetzen. Unproblematisch ist es dagegen, wenn der Wert des Sacheinlagegenstandes über dem Nennbetrag liegt. Es ist allerdings zu prüfen, ob durch den Wegfall des Mehrwerts das gebundene Vermögen angegriffen und dadurch § 30 verletzt wird3. d) Wahlrecht 110 Ein statutarisches Wahlrecht zwischen Geld- oder Sacheinlage oder zwischen einer Sacheinlage und einer anderen wird vom Schrifttum als zulässig angesehen. Bedenken dagegen bestehen nicht, aber das Wahlrecht muss vor der Anmeldung der Gesellschaft ausgeübt werden, da anderenfalls ein Eintragungshindernis gegeben wäre. Denn vor Eintragung der GmbH im Handelsregister müssen die erforderlichen Mindesteinzahlungen erbracht (§ 7 Abs. 2) und die Sacheinlagen endgültig zur Verfügung geleistet sein (§ 7 Abs. 3). Unter derselben Voraussetzung ist auch ein Wahlrecht zwischen mehreren Vermögensgegenständen nicht zu beanstanden, wenn sich dies aus dem Gesellschaftsvertrag mit hinreichender Deutlichkeit ergibt und die Angaben im Gesellschaftsvertrag über die wahlweisen Einlagegegenstände dem § 5 Abs. 4 Satz 1 entsprechen4.

V. Gründungsaufwand 1. Kosten und Gründerlohn 111 Als Gründungsaufwand sind die mit der Errichtung der Gesellschaft und der Einbringung der Einlagen verbundenen Kosten sowie der Gründerlohn (die Vergütungen für Gründer oder Dritte wegen beratender Tätigkeiten aus Anlass der Gründung) zu verstehen5. Er ist zu unterscheiden von den Betriebsaufwendungen der Vorgesellschaft, die ihr durch die Vorbereitung und die Aufnahme der Unternehmenstätigkeit entstehen; diese Kosten gehören nicht zum Gründungsaufwand6. 1 2 3 4

KG, JW 1937, 321, 322; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 35. KG, JW 1937, 322. KG, JW 1937, 322; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 35. Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 48; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/ Schmidt-Leithoff, Rdnr. 25; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 37. 5 OLG Hamm, BB 1984, 87, 88; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 67; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 214. 6 BGH, NZG 2004, 773, 884; Jürgenmeyer/Maier, BB 1996, 2135; Märtens, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 274; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 215.

390

Veil

§5

Stammkapital; Geschäftsanteil

Das GmbHG enthält anders als das Aktienrecht (§ 26 Abs. 2 AktG) keine aus- 112 drückliche Bestimmung darüber, dass die Übernahme des Gründungsaufwandes zu Lasten der Gesellschaft der statutarischen Festsetzung bedarf. Es geht aber, wie sich andeutungsweise aus §§ 9a, 82 Abs. 1 Nr. 1 entnehmen lässt und zudem aus der Entstehungsgeschichte der GmbH-Novelle 1980 ergibt, von deren Notwendigkeit aus. Die Aufnahme einer entsprechenden ausdrücklichen Regelung, wie sie § 5a Abs. 2 RegE vorsah, ist nur wegen eines Missverständnisses unterblieben1. Die unbeabsichtigte Gesetzeslücke ist durch die analoge Anwendung des § 26 Abs. 2 AktG zu schließen2, da der Gesetzeszweck, die Belastung des von den Gesellschaftern aufzubringenden Anfangsvermögens mit dem Gründungsaufwand nur dann zuzulassen, wenn das im Gesellschaftsvertrag offen gelegt worden ist, auch für das GmbH-Recht zutrifft. Der Gesellschaftsvertrag muss danach unter Angabe des Gesamtbetrages regeln, 113 ob und in welcher Höhe die Gesellschaft den Gründungsaufwand tragen soll3. Die bloße Angabe der Kostenarten ohne eine betragsmäßige Festsetzung genügt auch dann nicht, wenn die Kostenhöhe durch außenstehende Dritte ohne weiteres zu ermitteln ist4. Andererseits bedarf es auch keiner Einzelaufstellung der übernommenen Kosten; sie ist erforderlichenfalls bei der Anmeldung vorzulegen5. Die Festsetzung ist auch für den Gründungsaufwand erforderlich, den die Gesellschaft nach anderen gesetzlichen Vorschriften im Außenverhältnis selbst schuldet, wie beispielsweise die Kosten der Handelsregisteranmeldung6. Der Einwand, dass § 26 Abs. 2 AktG nur den Ausgleich zwischen der AG und den Gründern als Gesamtschuldner regele und seiner analogen Anwendung auf die GmbH z.B. bezüglich der Anmelde- und Eintragungskosten deshalb die fehlende Gesamtschuldnerstellung der Gründungsgesellschafter entgegenstehe7, verkennt den weiter gehenden Gesetzeszweck, die Vorbelastungen des Grundkapitals durch Gründungsaufwand im Interesse des Gläubigerschutzes in der Satzung offen zu legen8. Unterbliebene oder fehlerhafte Festsetzungen können 1 Der Rechtsausschuss, BT-Drucks. 8/3908, S. 70, nahm irrig an, dass der vorgeschlagene § 5a RegE nur „geltendes ungeschriebenes Recht“ wiedergebe; dazu aber Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 216. 2 BGHZ 107, 1, 5 f.; OLG Hamm, BB 1984, 87, 88; OLG Düsseldorf, GmbHR 1987, 59; OLG Düsseldorf, GmbHR 1991, 20, 21; BayObLG, BB 1988, 2195, 2196; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 57; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 59; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 216. Krit. Schmidt-Troschke, GmbHR 1986, 253, 254. 3 BGHZ 107, 1, 6 f.; OLG Hamm, BB 1984, 87, 88; OLG Düsseldorf, GmbHR 1987, 59; OLG Düsseldorf, GmbHR 1991, 20, 21; BayObLG, BB 1988, 2195, 2196; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 57; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 67; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 217. A.A. Schmidt-Troschke, GmbHR 1986, 253 ff. 4 BGHZ 107, 1, 6 f. 5 BGHZ 107, 1, 2; BayObLG, DB 1988, 2351; OLG Düsseldorf, GmbHR 1987, 59; Jürgenmeyer/Maier, BB 1996, 2135, 2137 f.; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 217; Zeidler, in: Michalski, Rdnr. 200; weitergehend werden in der Rechtsprechung (BGH, NJW 1988, 233; LG Essen, GmbHR 2003, 471) Angaben über die Einzelkosten verlangt. 6 BGHZ 107, 1, 4 ff.; OLG Hamm, BB 1984, 87, 88; OLG Düsseldorf, GmbHR 1987, 59 f.; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 218; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 57; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 68; a.A. BayObLG, BB 1988, 2195, 2196 f. 7 BayObLG, BB 1988, 2195 f.; Schmidt-Troschke, GmbHR 1986, 253. 8 BGHZ 107, 1, 5 f.; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 218.

Veil

391

§5

Stammkapital; Geschäftsanteil

nur bis zur Eintragung der Gesellschaft durch Satzungsänderung nachgeholt oder geheilt werden (s. § 26 Abs. 3 Satz 2 AktG)1. 114 Die Gründungsgesellschafter können aufgrund der Festsetzung des Gründungsaufwands im Gesellschaftsvertrag von der Gesellschaft die Übernahme der jeweiligen Kosten im Zeitpunkt der Eintragung verlangen2 (s. auch § 7 Rdnr. 41). Der ordnungsgemäß festgesetzte Gründungsaufwand wird in der für die Feststellung einer Unterbilanzhaftung aufzustellenden Vorbelastungsbilanz nicht zu Lasten des zu deckenden Stammkapitals berücksichtigt3. Im Falle ordnungsgemäßer Festsetzung steht die Vorschrift des § 30 der Zahlung des notwendigen Gründungsaufwands einschließlich eines Gründerlohns durch die Gesellschaft nicht entgegen, soweit diese notwendig und betragsmäßig angemessen sind; bei späteren diesbezüglichen Ausschüttungen ist aber § 30 voll zu beachten.

2. Sondervorteile 115 Als Sondervorteile sind Vergünstigungen zu verstehen, die einem Gesellschafter oder Dritten aus Anlass der Gründung zu Lasten der Gesellschaft eingeräumt werden und für die der Gesellschafter oder Dritte keine Gegenleistung erbringen muss4. Anders als die Sonderrechte (s. § 3 Rdnr. 100) sind sie nicht an die Mitgliedschaft geknüpft (können aber u.U. nur einem Gesellschafter eingeräumt werden) und unabhängig von ihr übertragbar. Beispiele sind Ansprüche auf einen Gewinnanteil, Umsatzprovisionen, Vorkaufsrechte oder Naturalleistungen der Gesellschaft, die auch für jeden Dritten vorgesehen werden können, sowie Informations- oder sonstige Kontrollrechte5. 116 Sondervorteile bedürfen analog § 26 Abs. 1 AktG der Aufnahme in den Gesellschaftsvertrag6. Die Sondervorteile sind im Gesellschaftsvertrag einzeln und unter Bezeichnung des Berechtigten festzusetzen (analog § 27 Abs. 1 AktG). Ein zwischen der Gesellschaft und dem Berechtigten geschlossener schuldrechtlicher Vertrag über den Sondervorteil braucht nicht aufgenommen zu werden7. 117 Rechtsfolge ist, dass der Gesellschafter bzw. Dritte einen Anspruch auf Leistung der Sondervorteile erhält. Die Aufnahme ist also Voraussetzung für das Entstehen des Anspruchs. Anders als der Gründungsaufwand wird der Sondervorteil in der Vorbelastungsbilanz berücksichtigt8. Auszahlungen an einen Gesellschafter sind nur zulässig, wenn darin kein Verstoß gegen § 30 Abs. 1 liegt9. 1 Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 57; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 217; a.A. Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 72. 2 BGHZ 107, 1, 5; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 57; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 217. 3 BGH, ZIP 1997, 2008; BGHZ 80, 129, 141; Märtens, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 277. 4 Märtens, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 278; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 202. 5 Märtens, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 278. 6 RGZ 165, 129, 135; BGH, NJW 1969, 131; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 57; Märtens, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 280; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 209; Zeidler, in: Michalski, Rdnr. 204. 7 Märtens, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 280. 8 Märtens, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 281. 9 Märtens, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 281; Zeidler, in: Michalski, Rdnr. 204.

392

Veil

§ 5a

Unternehmergesellschaft

§ 5a

Unternehmergesellschaft (1) Eine Gesellschaft, die mit einem Stammkapital gegründet wird, das den Betrag des Mindeststammkapitals nach § 5 Abs. 1 unterschreitet, muss in der Firma abweichend von § 4 die Bezeichnung „Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt)“ oder „UG (haftungsbeschränkt)“ führen. (2) Abweichend von § 7 Abs. 2 darf die Anmeldung erst erfolgen, wenn das Stammkapital in voller Höhe eingezahlt ist. Sacheinlagen sind ausgeschlossen. (3) In der Bilanz des nach §§ 242, 264 des Handelsgesetzbuchs aufzustellenden Jahresabschlusses ist eine gesetzliche Rücklage zu bilden, in die ein Viertel des um einen Verlustvortrag aus dem Vorjahr geminderten Jahresüberschusses einzustellen ist. Die Rücklage darf nur verwandt werden 1. für Zwecke des § 57c; 2. zum Ausgleich eines Jahresfehlbetrags, soweit er nicht durch einen Gewinnvortrag aus dem Vorjahr gedeckt ist; 3. zum Ausgleich eines Verlustvortrags aus dem Vorjahr, soweit er nicht durch einen Jahresüberschuss gedeckt ist. (4) Abweichend von § 49 Abs. 3 muss die Versammlung der Gesellschafter bei drohender Zahlungsunfähigkeit unverzüglich einberufen werden. (5) Erhöht die Gesellschaft ihr Stammkapital so, dass es den Betrag des Mindeststammkapitals nach § 5 Abs. 1 erreicht oder übersteigt, finden die Absätze 1 bis 4 keine Anwendung mehr; die Firma nach Absatz 1 darf beibehalten werden. Eingefügt durch das MoMiG vom 23.10.2008 (BGBl. I 2008, 2026).

Inhaltsübersicht I. Normzweck und Entstehungsgeschichte 1. Die Anreize zur Schaffung der „Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt)“ . . . . . . . . . . . . 2. Die Zielgruppe der gesetzlichen Regelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Verwirklichung der Zielsetzung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Grundstruktur und anwendbare Rechtsnormen 1. Grundsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Folgerungen (Finanzierung, Gläubigerschutz, Innenverhältnis). . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1 3 5

7

8

III. Gründung der Unternehmergesellschaft 1. Die Geschäftsanteile . . . . . . . . . . 2. Verwendung des Musterprotokolls . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Firmierung und Publizität der Unternehmergesellschaft (§ 5a Abs. 1) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Zur Volleinzahlung des Stammkapitals, insbesondere: Sacheinlagen (§ 5a Abs. 2) . . . . . . . . . . . . IV. Kapitalaufbringung und -erhaltung bei der Unternehmergesellschaft 1. Zur Systematik des Gesetzes . . 2. Die gesetzliche Rücklage (§ 5a Abs. 3) . . . . . . . . . . . . . . . . . . H. P. Westermann

11 12

14

16

23 24

393

§ 5a

Unternehmergesellschaft

a) Die Pflicht zur Bildung der gesetzlichen Rücklage. . . . . . . b) Verstöße und Umgehungsversuche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Gerechtfertigte Nutzung der Rücklage . . . . . . . . . . . . . . . 3. Die Kapitalerhöhung aus der Rücklage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Die Pflicht zur Einberufung der Gesellschafterversammlung (§ 5a Abs. 4) . . . . . . . . . . . . . . . . . .

25 26 28 29

V. Die Unternehmergesellschaft als Gestaltungsinstrument 1. Gründungsphase . . . . . . . . . . . . . 2. Die UG im Umwandlungsrecht 3. Die UG als Konzerngesellschaft 4. Die UG als Komplementärin einer KG. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

34 35 38 40

33

Schrifttum: Bayer, „MoMiG II“ – Plädoyer für eine Fortsetzung der GmbH-Reform, GmbHR 2010, 1289; Bayer/Hoffmann, Die Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt) des MoMiG zum 1.1.2009 – eine erste Bilanz, GmbHR 2009, 124; Bayer/ Hoffmann „Was ist aus der ersten Generation von Unternehmergesellschaften geworden?, GmbHR 2011, R 321; Berninger, Aufstieg der UG (haftungsbeschränkt) zur vollwertigen GmbH, GmbHR 2011, 953; Berninger, Die Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt) – Sachkapitalerhöhungsverbot und Umwandlungsrecht, GmbHR 2010, 63; Bormann, Die Kapitalaufbringung nach dem Regierungsentwurf des MoMiG, GmbHR 2007, 897; Bormann/Urlichs, Kapitalaufbringung und Kapitalerhaltung nach dem MoMiG, in: Römermann/Wachter (Hrsg.), GmbH-Beratung nach dem MoMiG, GmbHR-Sonderheft MoMiG, 2008, S. 37; Drygala, Zweifelsfragen im Regierungsentwurf zum MoMiG, NZG 2007, 561; Freitag/Riemenschneider, Die Unternehmergesellschaft – „GmbH light“ als Konkurrenz für die Limited?, ZIP 2007, 1485; Gehrlein, Der aktuelle Stand des neuen GmbH-Rechts, Der Konzern 2007, 771; Goette, Chancen und Risiken der GmbH-Novelle, WPg 2008, 231; Heckschen, Die GmbH-Reform – Wege und Irrwege, DStR 2007, 1442; Heckschen, Das MoMiG in der notariellen Praxis, 2009; Heinemann, Die Unternehmergesellschaft als Zielgesellschaft von Formwechsel, Verschmelzung und Spaltung nach dem Umwandlungsgesetz, NZG 2008, 820; Herrler, Fehlgeschlagene Gründung im vereinfachten Verfahren als herkömmliche GmbH-Gründung?, GmbHR 2010, 960; Holzner, Die Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt) im Wettbewerb der Gesellschaftsrechtsformen, 2011; Joost, Unternehmergesellschaft, Unterbilanz und Verlustanzeige, ZIP 2007, 2242; Kleindiek, Aspekte der GmbH-Reform, DNotZ 2007, 200; Klose, Die Stammkapitalerhöhung bei der Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt), GmbHR 2009, 294; Kock/Vater/Mraz, Die Zulässigkeit einer UG (haftungsbeschränkt) & Co. KG auch bei Gewinnausschluss zu Lasten der Komplementärin, BB 2009, 848; Lange, Wenn die UG erwachsen werden soll – „Umwandlung“ in die GmbH, NJW 2010, 3686; Leuering, Die Unternehmergesellschaft als Alternative zur Limited, NJW-Spezial 2007, 315; Lieder/Hoffmann, Upgrades von Unternehmergesellschaften – Der Übergang von der UG zur Voll-GmbH: Rechtstatsachen und Streitfragen, GmbHR 2011, 561; Meckbach, Haftungsfolgen einer unrechtmäßigen Firmierung einer UG (haftungsbeschränkt)?, NZG 2011, 968; Miras, Die neue Unternehmergesellschaft, 2. Aufl. 2011; Niemeier, Die „Mini-GmbH“ (UG) trotz Marktwende bei der Limited?, ZIP 2007, 1794; Niemeier, „Triumph“ und Nachhaltigkeit deutscher Ein-Euro-Gründungen – Rechtstatsachen zur Limited und ein Zwischenbericht zur Unternehmergesellschaft, in: FS G.H. Roth, 2011, S. 533; Noack, Der Regierungsentwurf des MoMiG – Die Reform des GmbH-Rechts geht in die Endrunde, DB 2007, 1395; Pentz, Die verdeckte Sacheinlage im GmbH-Recht nach dem MoMiG, in: FS Karsten Schmidt, 2009, S. 1265; Pentz, Verdeckte Sacheinlage und UG (haftungsbeschränkt), in: FS Goette, 2011, S. 359; Priester, Kapitalbildung bei der UG (haftungsbeschränkt) – einer GmbH mit erneut zunehmenden Sonderrechten –, FS Günter H. Roth, 2011, S. 573; Priester, Mindestkapital und Sacheinlageregeln, in: Gesellschaftsrechtliche Vereinigung (VGR), Die GmbH-Reform in der Diskussion, 2006,

394

H. P. Westermann

§ 5a

Unternehmergesellschaft

S. 1; Priester, Kapitalaufbringung nach Gutdünken?, ZIP 2008, 55; Ries, Brauchen wir die „Unternehmergesellschaft“ und den Verzicht auf die notarielle Beurkundung des GmbH-Gesellschaftsvertrages?, NotBZ 2007, 244; Römermann/Passarge, Die GmbH & Co. KG ist tot – es lebe die UG & Co. KG!, ZIP 2009, 1497; Rubel, Konzerneinbindung einer UG (haftungsbeschränkt) durch Gewinnabführungsverträge, GmbHR 2010, 470; Schäfer, Rechtsprobleme bei Gründung und Durchführung einer UG, ZIP 2011, 53; Schulte, Zwei Jahre MoMiG, GmbHR 2011, 1128; Seibert, Der Regierungsentwurf des MoMiG und die haftungsbeschränkte Unternehmergesellschaft, GmbHR 2007, 673; Seibert/Decker, Die GmbH-Reform kommt!, ZIP 2008, 1208; Stenzel, Die Pflicht zur Bildung einer gesetzlichen Rücklage bei der UG (haftungsbeschränkt) und die Folgen für die Wirksamkeit des Gesellschaftsvertrages einer UG (haftungsbeschränkt), NZG 2009, 168; Tettinger, UG (umwandlungsbeschränkt?) – Die Unternehmergesellschaft nach dem MoMiG-Entwurf und das UmwG, Der Konzern 2008, 75; Ulmer, Sacheinlageverbote im MoMiG – umgehungsfest?, GmbHR 2010, 1298; Veil, Die Unternehmergesellschaft nach dem Regierungsentwurf des MoMiG, GmbHR 2007, 1080; Veil, Die Unternehmergesellschaft im System der Kapitalgesellschaften, ZGR 2009, 623; Wachter, Die neue Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt), in: Römermann/Wachter (Hrsg.), GmbH-Beratung nach dem MoMiG, GmbHR-Sonderheft MoMiG, 2008, S. 25; Wachter, Sacheinlagen bei der Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt), NJW 2011, 2620; Waldenberger/Sieber, Die Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt) jenseits der „Existenzgründer“. Rechtliche Besonderheiten und praktischer Nutzen, GmbHR 2009, 114; Wälzholz, Die „Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt)“ als Alternative zur GmbH?, GmbH-StB 2007, 319; Weber, Die Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt), BB 2009, 842; Werner, Aktuelle Entwicklungen des Rechts der Unternehmergesellschaft, GmbHR 2010, 449; H. P. Westermann, Das neue GmbH-Recht (i.d.F. des MoMiG) im Überblick, DZWiR 2008, 485; H. P. Westermann, Wohin steuert die GmbH? – Benutzerkreis und Verwendungszwecke der Rechtsform im künftigen deutschen Gesellschaftsrecht, in: FS Priester, 2007, S. 835; Wilhelm, „Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt)“ – Der neue § 5a GmbH-Gesetz in dem RegE zum MoMiG, DB 2007, 1510.

I. Normzweck und Entstehungsgeschichte 1. Die Anreize zur Schaffung der „Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt)“ Die Vorschrift enthält eine stark umstrittene Neuerung der im MoMiG durch- 1 geführten Reform des GmbH-Rechts, deren Eignung für längerfristig angelegtes (und erfolgreiches) unternehmerisches Wirtschaften auch mehr als zwei Jahre nach ihrer Einführung noch grundsätzlich bezweifelt wird, und der manche für die Zukunft eine ähnlich schlechte Prognose stellen wie der Tätigkeit der englischen Ltd. in Deutschland1. Die Rechtsform steht im Zusammenhang mit den Überlegungen zur Zulassung einer rechtsfähigen Gesellschaft ohne Stammkapital, was die Heftigkeit der Diskussionen um ihre Einführung2 erklärt, auch wenn diese erst als Reaktion auf das Aufkommen von Schein-Auslandsgesell1 Mit vielfältigem Zahlenmaterial und empirischen Erhebungen in diesem Sinne Niemeier, in: FS G.H. Roth, S. 533 ff.; anders aber Bayer/Hoffmann/Lieder, GmbHR 2010, 9 ff.; Bayer/Hoffmann, GmbHR 2010, R 161 („Triumphzug“); Paura, in: Ulmer, Erg.-Band MoMiG, Rdnr. 23; von einem „festen Platz im Wirtschaftsleben“ spricht Priester, in: FS G.H. Roth, 2011, S. 573. 2 Priester, ZIP 2005, 921; Veil, GmbHR 2007, 1080 ff.; Niemeier, ZIP 2007, 1794; Zöllner, GmbHR 2006, 1; a.M. Eidenmüller/Engert, GmbHR 2005, 433; Paura, in: Ulmer, Erg.Band MoMiG, Rdnr. 21.

H. P. Westermann

395

§ 5a

Unternehmergesellschaft

schaften im deutschen Recht durchsetzbar erschien. Die UG wurde erst im Regierungsentwurf vorgeschlagen1, und trat dadurch an die Stelle einer von dem Bundestagsabgeordneten Dr. Gehb vorgeschlagenen „Unternehmensgründer-Gesellschaft“, die ohne Mindestkapital auskommen sollte und bedeutende formale Erleichterungen gegenüber der GmbH vorsah2. Obwohl der RegE nicht auf eine ganz neue Rechtsform, sondern nur auf eine – allerdings in wesentlichen Punkten – abgewandelte GmbH hinauswollte, wurde in der Kritik das Bedürfnis für diese Rechtsform geleugnet, der auch schädliche Tendenzen anhafteten3; der Kritik standen nur wenige, wenn auch gewichtige befürwortende Stimmen4gegenüber, und inzwischen zeigt sowohl die Zahl der UG-Gründungen (Ende 2010 über 40 000) als auch die der vor die Gerichte gelangten Kapitalerhöhungen, dass die Rechtsform keineswegs nur als Briefkasten, wenn auch häufig als Komplementärin einer KG5, unternehmerisch genutzt wird. Das weitere Vorhaben, die deutsche GmbH gegenüber der Ltd. wieder konkurrenzfähig zu machen6, erscheint angesichts des vielfach beobachtenden Scheiterns von Ltd. als erledigt7. Die Zahlen über Insolvenzen und Löschungen von UG, die ähnlich hoch sein sollen wie bei der Ltd.8, erscheinen angesichts der nach wie vor erheblichen Bedeutung masseloser Insolvenzen bei der GmbH nicht allzu aussagekräftig9. Das Zahlenmaterial zur Kapitalausstattung der UG hat sehr verschiedene Durchschnittsgrößen ergeben10, man muss wohl davon ausgehen, dass Beträge zwischen wenigen hundert und einigen tausend Euro vorkommen, so dass der 1 Entwurf vom 23.5.2007, BT-Drucks. 16/6140; auch abgedruckt in: ZIP 2007, Beil. 23/2007, 5 ff.; zu diesem Entwurf Noack, DB 2007, 1395, der die UG als „Balg“ bezeichnete; Seibert, GmbHR 2007, 673 ff.; Römermann, GmbHR 2007, R 193. 2 Dazu Gehb/Drange/Heckelmann, NZG 2006, 88 ff.; zurückhaltend befürwortend Priester, in: Gesellschaftsrechtliche Vereinigung (VGR), Die GmbH-Reform in der Diskussion, S. 11; s. auch Lutter, BB Beilage 7/2006, 2; Priester, BB 2005, 13. Frühere Überlegungen in dieser Richtung bei Bachmann, ZGR 2001, 351, 365 ff. 3 Schaden befürchteten etwa Wachter, Status Recht Beil. 7/2007, 245; Bormann, GmbHR 2007, 897, 899; für Entbehrlichkeit etwa Goette, Status Recht Beil. 7/2007, S. 236; Freitag/Riemenschneider, ZIP 2007, 1485 ff.; krit. auch Heckschen, DStR 2007, 1442. 4 Deutscher Richterbund, abrufbar unter http://www.dhr.de (ims) iudex. Plp id. = 98; s. auch Lutter, BB Beilage 7/2006, 2; Lutter, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 1; nach Wicke, Rdnr. 1, handelt es sich um den Änderungsvorschlag mit den geringsten Nachteilen für das bestehende Gesellschaftsrechtssystem. 5 Bayer/Hoffmann, GmbHR 2010, 9, 11; Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 2. 6 Dies hält Werner, GmbHR 2011, 459, 464 für erreicht; s. auch Miras, in: Michalski, Rdnr. 2; zu den UG-Gründungen Westhoff, GmbHR 2007, 474, 478; Weber, BB 2009, 842; Paura, in: Ulmer, Erg.-Band MoMiG, Rdnr. 4. 7 Schäfer, ZIP 2011, 53 meint, die Empfehlung, eine Ltd. zu gründen, stelle eine „flagrante“ Verletzung der Beratungspflicht dar. Zum Scheitern der Ltd. auch Heckschen, Das MoMiG in der notariellen Praxis, 2009, S. 73. 8 Niemeier, in: FS G.H. Roth, S. 542 ff.; genauere Angaben bei Bayer/Hoffmann, GmbHR 2011, R 321. 9 Paura, in: Ulmer, Erg.-Band MoMiG, Rdnr. 18; über Monate hinweg wies die Rubrik „Konkurse und Vergleiche“ in der Tagespresse (FAZ) als Gemeinschuldner nur GmbH und GmbH & Co. KG, keine UG (haftungsbeschränkt) auf. 10 Nach Niemeier, in: FS G.H. Roth, S. 546 ff., 548 ist die Kapitalisierung der UG „keinen Deut besser“ als bei der Ltd.; die abweichenden Zahlen von Bayer/Hoffmann, GmbHR 2009, R 225 sowie GmbHR 2010, 9, 11 beruhten „auf einer anderen Datenaufbereitung“.

396

H. P. Westermann

§ 5a

Unternehmergesellschaft

Einsatz im Vergleich zur Mindesteinzahlung von 12 500 Euro bei der GmbH von dieser nicht geradezu dramatisch abweicht. Auffällig ist die hohe Zahl von „upgrades“ von der UG zur GmbH1. Daraus folgt, dass die UG, wenn sie nicht nur als Komplementärin fungiert, vorwiegend für Unternehmen wie etwa reine Dienstleister ohne nennenswerten Kapitalbedarf genutzt wird, wobei aber auch die Gefahr im Auge zu behalten ist, dass sie von Anfang an (schon durch die Pflicht zur Aufbringung der Gründungskosten) überschuldet oder sonst für unternehmerische Aktivitäten ganz unzulänglich ausgestattet sein kann2. Die Erleichterung der GmbH-Gründung durch eine Liberalisierung der Formalitäten, ebenfalls ein zentrales Anliegen der Reform3, kommt bei der regelmäßigen GmbH wie bei der UG zum Tragen. Manche der kennzeichnenden Merkmale der UG (Volleinzahlungspflicht, Ver- 2 bot von Sacheinlagen, Hinweise auf die Haftungsbeschränkung in der Firma) verstehen sich nicht nur als Elemente des Wettbewerbs der Rechtsordnungen4, sondern sind auch aus den rechtspolitischen Diskussionen um die Zukunft der GmbH in der Gestalt bisherigen Rechts in Deutschland erklärlich. So sind Vorschläge, das Mindeststammkapital der GmbH erheblich heraufzusetzen5, nicht Gesetz geworden, so dass der nach einer solchen Maßnahme wohl mit einiger Sicherheit zu erwartende „run“ auf die UG angesichts der Differenz zwischen 1 und 25 000 Euro jedenfalls nicht aus diesem Grunde stattgefunden hat. Dennoch stellt die Regelung des Stammkapitals bei der UG, die sich mit Vorschlägen zum gänzlichen Verzicht auf dieses Erfordernis auch bei der GmbH6 berührt, einen Vorzug der UG dar, wenn nicht die Befürchtung um sich greift oder herbeigeschrieben wird, mit der Wahl der Form der UG zwar einigen Beratungsbedarf auszulösen, dafür aber keinen besonderen Gewinn an Seriosität zu erzielen. Ob die neue Rechtsform, wie gehofft7, zufriedenstellen und – was damit zusammenhängt – im internationalen Vergleich bestehen wird, ist angesichts mancher ziemlich düsterer Vorhersagen8 zumindest unsicher. Allerdings springen die für die zeitweilige „Welle“ an Ltd.-Gründungen ursächlichen Vorteile einer einfachen, praktisch online von zu Hause aus „zu bestellenden“ und innerhalb weniger Tage „per Post gelieferten“ Ltd. angesichts der deutlich reduzierten Anforderungen an die Gründung einer UG nicht mehr so ins Auge (zu den Kosten der Gründung einer UG s. Rdnr. 12). Im Übrigen wurde bei der Ltd. die durchaus be-

1 2 3 4

5

6 7 8

Dazu Lieder/Hoffmann, GmbHR 2011, 561. Leyendecker, GmbHR 2008, 302, 304; Schäfer, ZIP 2011, 53. Begr. RegE BT-Drucks. 16/6140, S. 25. S. dazu Grunewald/Noack, GmbHR 2005, 189; Merkt, RIW 2004, 1; Karsten Schmidt, ZHR 168 (2004), 493 ff.; Zöllner, GmbHR 2006, 1 ff.; Paura, in: Ulmer, Erg.-Band MoMiG, Rdnr. 12; Schäfer, in: Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, Rdnr. 2. So Priester, in: Gesellschaftsrechtliche Vereinigung (VGR), Die GmbH-Reform in der Diskussion, 2006, S. 1, 7 ff.; s. auch Wilhelmi, GmbHR 2006, 13; dagegen Grunewald/ Noack, GmbHR 2005, 189 f.; Fastrich, DStR 2006, 156, 160. Zu dieser Diskussion Eidenmüller, ZGR 2007, 168, 184; Schall, ZGR 2009, 126 ff.; Schön, Der Konzern 2004, 162, 166. Seibert, GmbHR 2007, 673, 677; Seibert/Decker, ZIP 2008, 1208. Niemeier, in: FS G.H. Roth, S. 546 ff.; skeptisch auch Bayer/Hoffmann/Lieder, GmbHR 2010, 9 ff.

H. P. Westermann

397

§ 5a

Unternehmergesellschaft

stehende Kontrolle ihres Finanzgebarens1 anfänglich stark unterschätzt, so dass es wahrscheinlich bei der Konkurrenz zwischen der „echten“ und der „abgewandelten“ GmbH bleiben wird, zumal die SPE, an die viele Erwartungen geknüpft waren2, nach dem gegenwärtigen Stand der europäischen Entwicklung3 nicht zu kommen scheint.

2. Die Zielgruppe der gesetzlichen Regelung 3 Die Zielgruppe des § 5a sind in erster Linie Unternehmensgründer, die nur ein begrenztes und jedenfalls den Betrag des gesetzlichen Mindestkapitals deutlich unterschreitendes Kapital in der Gesellschaft binden wollen, wobei die Art der Bindung derjenigen der „normalen“ GmbH entspricht, die aber Anreize zu einer Kapitalerhöhung erhalten sollen. Im Vordergrund steht also die – legitime – Haftungsbeschränkung bei geringem Kapitaleinsatz, was aber nicht nur bei „jungen“ Unternehmensgründern eine Rolle spielen dürfte, sondern auch bei Vorratsgründungen im Zuge einer mittelfristigen Nachfolgeplanung, wobei die UG als künftige Komplementärin einer Familien-KG vorgesehen werden könnte (zu den Zweifeln an der Komplementär-Fähigkeit Rdnr. 40). Es ist auch denkbar, dass im Zusammenhang mit Mitarbeiterbeteiligungsprogrammen für die Arbeitnehmer ein Investitionsvehikel in Form einer (haftungsbeschränkten) Kapitalgesellschaft eingesetzt werden könnte. Sodann könnte die Möglichkeit der Gründung einer Gesellschaft mit einem vorerst nur minimalen Kapitaleinsatz, der später zweckentsprechend erhöht werden kann4, mit Blick auf einen zukünftigen Einsatz im Rahmen einer Unternehmensgruppe interessant sein. Das könnte auch bei der Gestaltung eines einzelnen Unternehmens aus der Sicht derjenigen gelten, die es angesichts der Ungewissheit über die spätere „Verwendung“ dieser Gesellschaft vermeiden wollen, ein bei der Gründung zwangsläufig aufzubringendes Kapital untätig auf einem Bankkonto der Gesellschaft zu binden. Dabei werden dann freilich vor allem Gesellschaften entstehen, die – möglicherweise auch für längere Zeit – ohne eigene unternehmerische Aktivität gewissermaßen auf Abruf vorgehalten werden5, während außerhalb des reinen, vielleicht ohne erheblichen Kapitaleinsatz offenstehenden Dienstleistungssektors die Möglichkeit, sich der UG zu bedienen, die Zahl „echter“ Betriebsgründungen nicht erhöhen wird, abgesehen von den auch bei der „echten“ GmbH häufigen Fällen nur sehr kurzer Lebensdauer6. Bei der wirksam gegründeten UG wird es 1 Zum Vergleich mit der UG Leuering, NJW-Spezial 2007, 315; Schumann, DB 2004, 743; zur Ltd. in Deutschland Heckschen, Private Limited Company, 2. Aufl. 2007; Joost, Die englische Limited in der Praxis, 3. Aufl. 2008; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Anh. II zu § 4a; zum „wrongful trading“ Hirte, ZGR 2004, 71 ff. 2 Dazu Cannivé/Seebach, GmbHR 2009, 519; Hommelhoff/Teichmann, DStR 2008, 925; Bormann/König, RIW 2010, 111 ff.; zweifelnd H.P. Westermann, in: FS Uwe H. Schneider, 2011, S. 1437, 1448. 3 Dazu Ulrich, GmbHR 2011, R 241; Bayer/Schmidt, BB 2012, 3 ff. 4 Ähnliche Überlegungen bei Paura, in: Ulmer, Erg.-Band MoMiG, Rdnr. 29; Pfisterer, in: Saenger/Inhester, Rdnr. 1. Für Verstärkung des Gläubigerschutzes Schäfer, in: Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, Rdnr. 2, 5. 5 Zur Gründung als Vorratsgesellschaft Rieder, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 9; Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 15. 6 Zur Interessenbekundung zahlreicher Existenzgründer Seibert/Decker, ZIP 2008, 1208; s. auch die Befragungsstudie von Bayer/Hoffmann, GmbHR 2007, 414 ff.; Zahlen zu

398

H. P. Westermann

§ 5a

Unternehmergesellschaft

manchmal – wegen des sehr begrenzten eingelegten Kapitals – zu einer unternehmerischen Aktivität nicht oder nach ersten Anfängen nicht mehr kommen; dann kann die UG als „Mantel“ dienen, was aber wie bei der normalen GmbH die Grundsätze der „wirtschaftlichen Neugründung“ zur Anwendung bringt1. Klar ist auch, dass eine Gründung mit einem minimalen Stammkapital die Gefahr schon sehr kurzfristig eintretender Überschuldung mit sich bringt2 (dazu näher Rdnr. 22). Der weitere Gedanke3, den Gläubigerschutz dadurch zu bewerkstelligen, dass die Gesellschaft Gewinne nicht ausschütten darf, sondern durch teilweise Einstellung in eine Rücklage zu thesaurieren hat, bis das Eigenkapital die Höhe des gesetzlichen Mindestkapitals erreicht, legt es nahe, dass „Unternehmer“ im Sinne dieser Neuerung nur Personen sein sollten und vermutlich sein werden, die zumindest in den ersten Jahren nach der Gründung nicht auf Ausschüttungen bedacht sind, wobei sie dann allerdings, wenn sie hauptberuflich tätig sein wollen, auf Geschäftsführervergütungen angewiesen sind4; das sind eben die Personen am Anfang ihrer Tätigkeit als „Unternehmer“, an die in diesem Zusammenhang häufiger gedacht wird. Dieser Zielgruppe hätte freilich der eingangs erwähnte Vorschlag einer „Unternehmensgründergesellschaft“ in der Bezeichnung eher entsprochen. Für den nun Gesetz gewordenen Gesellschaftstyp kommen als Nutzer – wie all- 4 gemein für die GmbH – auch die Gestalter von Unternehmensgruppen in Betracht5, die in Einzelfällen mit einer sehr niedrigen Kapitalausstattung der Gesellschaft auszukommen glauben und ihr Funktionen beilegen wollen, die zunächst oder sogar auf Dauer keine Gewinnerzielung erfordern, denen andererseits die Pflicht zur Volleinzahlung der gewählten Einlage nichts ausmacht (näher Rdnr. 16). Die Verwendbarkeit der UG als Komplementärin einer KG oder gar einer KGaA ist kaum noch zweifelhaft (Rdnr. 40), für sie spricht mit einigem Gewicht die Möglichkeit, die zunächst benötigten Gelder sogleich ins KG-Vermögen einzulegen und so die Schwierigkeiten, die sonst bei der Weitergabe der GmbH-Einlagen an die KG auftreten, zu vermeiden6 (zu Möglichkeiten der Umwandlung s. Rdnr. 35 ff.). Zu erörtern ist in diesem Zusammenhang auch die Frage eines Wechsels bestehender GmbH oder Ltd. in die neue Rechtsform, dazu Rdnr. 37. Es könnte nach alledem sein, dass die den Verhältnissen in der GmbH entsprechende Haftungsbeschränkung, die ja bei der UG mit einer Liberalisie-

1

2 3 4 5

6

den Vorratsgründungen bei Bayer/Hoffmann, GmbHR 2009, 124, 125. Zu den nach vorliegenden Erkenntnissen bisher als Stammkapital der UG eingesetzten Mitteln Wachter, in: Goette/Habersack, Das MoMiG in Wissenschaft und Praxis, Rdnr. 1.151; Niemeier, in: FS G.H. Roth, S. 546 ff.; Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 2: 80 % mit bis zu 1000 Euro. Rieder, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 9; zur wirtschaftlichen Neugründung zuletzt BGH, NZG 2011, 1066; dazu auch Bayer, GmbHR 2011, 1034; Bachmann, NZG 2011, 441; Peetz, GmbHR 2011, 178. Drygala, NZG 2007, 561 ff.; Lutter, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 11. Seibert/Decker, ZIP 2008, 1208; anerkennend (Kunstgriff) Joost, ZIP 2007, 2242, 2245. S. auch dazu Begr. RegE, BT-Drucks. 16/6140, S. 31. Zur Verwendung der UG als Holding- und Zielgesellschaft für Wagnisbeteiligungen näher Waldenberger/Sieber, GmbHR 2009, 121 f.; Veil, ZGR 2009, 623, 640 f.; neuerdings Rubel, GmbHR 2010, 470. Römermann/Passarge, ZIP 2009, 1497, 1498 unter Hinweis auf BGH, ZIP 2008, 174 mit Bespr. Karsten Schmidt, S. 481.

H. P. Westermann

399

§ 5a

Unternehmergesellschaft

rung der Regeln zur Kapitalaufbringung und einer zeitlichen Verkürzung des Gründungsvorgangs – obwohl dies empirisch nicht ganz gesichert ist – einhergeht1, den Blick eines erstmalig in die Selbständigkeit drängenden Unternehmensgründers, aber auch mancher Versuche zur risikoarmen Realisierung einer neuen unternehmerischen Idee, auf die UG gelenkt und ihre so nicht ganz erwarteten Anfangserfolge verursacht hat. Soweit von der noch im RefE vorgesehenen Verwendung einer „Mustersatzung“, die jetzt durch die Möglichkeit eines „Musterprotokolls“ (§ 2 Abs. 1a) ersetzt ist und für eine Gesellschaft – nicht nur eine UG – mit nicht mehr als drei Gesellschaftern in Betracht kommt, eine Erleichterung der Gründung erwartet wird2, ist dies für die mit der UG angesprochene Zielgruppe nur mittelbar bedeutsam. Es sollte auch nicht gefördert werden, da der Beratungsbedarf bei der neuen Rechtsform nicht unterschätzt werden darf, der sich aus dem – bei Gründung allein nach dem Musterprotokoll zwangsläufigen – Fehlen eines Gesellschaftsvertrages ergibt.

3. Verwirklichung der Zielsetzung? 5 Die Verwirklichung der rechtspolitischen Ziele, die mit der Einführung der UG verfolgt wurden, ist insofern geglückt, als sich in der bisherigen – durch die hohe Zahl kurzfristig gegründeter Gesellschaften herausgeforderten – Praxis keine unüberwindlichen Hindernisse für Gründung und Betreiben der UG herausgestellt haben. Übersichten über die von den Registergerichten zu treffenden Entscheidungen3 zeigen, dass es einen gewissen Bedarf an relativ kurzfristigen, manchmal schon vor der Eintragung greifenden Änderungen der im Musterprotokoll zu dokumentierenden Umstände gibt, nicht nur im Bereich von Kapitalerhöhungen, also etwa im Hinblick auf die Zahl der Gesellschafter und der Geschäftsführer. Unter den Satzungsänderungen steht die Kapitalerhöhung im Vordergrund, zum einen im Hinblick auf die hierbei beizubringenden Unterlagen, hauptsächlich aber in der Frage, ob hierbei Sacheinlagen, die grundsätzlich nicht zugelassen sind, möglich sind, jedenfalls wenn durch sie das regelmäßige Stammkapital der „echten“ GmbH aufgebracht werden soll (dazu näher Rdnr. 18, 19). Es verwundert nicht, dass das genannte Verbot und die Möglichkeiten seiner Umgehung auch sonst viel Aufmerksamkeit geweckt haben (näher Rdnr. 20); auf dieser Linie liegen auch sonstige Fragen zur Kapitalaufbringung. Erhebliche Bedeutung haben offenbar die verschiedenen Formen des Rechtsformwechsels, einerseits von der UG in die GmbH mit der Frage, wann das Sonderrecht der UG außer Kraft tritt, zuletzt auch im Zusammenhang mit Umwandlungsvorgängen wie der Neugründung durch Abspaltung (näher Rdnr. 11). Schließlich hat das Fehlen von Regeln über die Folgen von Verstößen gegen die die UG kennzeichnenden Normen auch außerhalb der registerrechtlichen Reaktionen Fragen aufgeworfen. Demgegenüber scheint die Berechtigung der UG zur Einnahme einer Komplementärstellung in einer KG keine großen Zweifel auf1 Skeptisch gerade auch für die UG Freitag/Riemenschneider, ZIP 2007, 1485, 1492; Wachter, in: GmbHR-Sonderheft MoMiG, 2008, S. 25, 26; grundsätzlich krit. Priester, ZIP 2008, 55 f. 2 Dazu Seibert/Decker, ZIP 2008, 1208, 1209; so schon die Begr. RegE, BT-Drucks. 16/6140, S. 27; krit. zur Mustersatzung Freitag/Riemenschneider, ZIP 2007, 1485, 1487. 3 Schulte, GmbHR 2010, 1128; Werner, GmbHR 2011, 449 ff.; Schäfer, ZIP 2011, 53, 54.

400

H. P. Westermann

§ 5a

Unternehmergesellschaft

geworfen zu haben, obwohl dies in der Reformdiskussion umstritten war. Insgesamt ist bisher ein ausgeprägter Argwohn gegenüber vermeintlich missbräuchlichen Praktiken bei der Kapitalaufbringung und -erhaltung und bei der obligatorischen Rücklagenbildung1 nicht zu beobachten. Eine andere Frage wird sein, ob die „typischen“ Gesellschafter und Geschäftsführer einer UG tatsächlich die Erfahrungen und Kenntnisse haben werden, die notwendig sind, um den gegenüber der „normalen“ GmbH keineswegs niedrigeren Anforderungen an ihre Fähigkeit zur Bewältigung von Rechtsfragen genügen zu können2. Zumindest ein Gesellschafter-Geschäftsführer wird aber auch einige Jahre nach der Reform bei Notaren und Rechtsanwälten, Kammern und Verbänden genügende Beratung erhalten können und auf ihre Notwendigkeit aufmerksam gemacht werden. Hinsichtlich des Erfolgs des in der neuen Spielart der GmbH liegenden Angebots 6 wäre es zu eng, allein auf die haftungsbeschränkenden Rechtsformen zu blicken, ebenso wichtig ist die Stimmigkeit im Verhältnis der Regeln über die zur Wahl stehenden Typen3. Diese war nicht leicht herzustellen, etwa in Bezug auf die Frage, ob in einem für die Gründung verwendeten Musterprotokoll, das bei einer UG zunächst nur einen Geschäftsführer vorsehen darf, die hier zugelassene Befreiung vom Verbot des Selbstkontrahierens auch für später bestellte weitere Geschäftsführer gilt, oder ob dann § 35 Abs. 2 zum Zuge kommt4. Aber auch die Firmierung der UG, bei der es darum ging, das Publikum zu warnen, scheint mit dem allgemeinen Firmenrecht des HGB nicht perfekt abgestimmt, was bei der hohen Bedeutung der UG als Komplementärin von KG nicht hingenommen werden sollte5. Sodann musste bei neuen Regelungsansätzen wie der zur Aufwertung des Ansehens der UG eingeführten „Zwangsthesaurierung“ durch Rücklagenbildung anstelle von Ausschüttungen mit Umgehungsversuchen gerechnet werden, die als Reaktion eine Art „Rücklagenersatzrecht“ hervorrufen könnten6. Schließlich wirft die Einführung einer „transitorischen Rechtsform“ die Frage auf, wann das Sonderrecht der UG endet7; unter diesem Aspekt fällt der eine oder andere Lichtstrahl auf die Phase des Übergangs von der UG in die „echte“ GmbH oder in andere Rechtsformen. Insgesamt sind dies freilich Probleme der Rechtstechnik, wie sie jeder Rechtsfortbildung anhaften, und die Rechtsprechung und Wissenschaft bewältigen können, ohne dass Katastrophenmeldungen ergehen müssten.

1 S. etwa Freitag/Riemenschneider, ZIP 2007, 1485, 1488; Heckschen, DStR 2007, 1442, 1446; Bormann, GmbHR 2007, 897, 899. 2 Hierzu – ohne Begrenzung auf die Gesellschafter und Geschäftsführer einer UG, aber im Hinblick auf die GmbH-Reform – H.P. Westermann, in: FS Priester, S. 835, 838 ff., 850 ff. 3 H.P. Westermann, in: FS Uwe H. Schneider, 2011, S. 1437, 1440 ff. 4 Übersicht über die Rechtsprechung verschiedener OLG bei Werner, GmbHR 2011, 459, 460; zu den Anforderungen an das Musterprotokoll auch Heckschen, Das MoMiG in der notariellen Praxis, 2009 S. 75 f. 5 Zur Firma der UG & Co. KG Wachter, NZG 2009, 1253 ff. 6 Dazu H.P. Westermann, in: FS Uwe H. Schneider, 2011, S. 1437, 1445 f. 7 Dazu Priester, ZIP 2010, 2182 ff.; Hoffmann/Lieder, GmbHR 2011, 561 ff.

H. P. Westermann

401

§ 5a

Unternehmergesellschaft

II. Grundstruktur und anwendbare Rechtsnormen 1. Grundsatz 7 Für die Rechtsanwendung klar ist, dass die UG eine Variante der haftungsbeschränkten Gesellschaftsformen ist1, also eine GmbH, für die einige vom GmbHG abweichende Bestimmungen gelten2, obwohl sie, was eine Merkwürdigkeit ist, nicht als GmbH firmieren darf3. Damit ist nicht nur das eigentliche GmbH-Recht auf die UG anwendbar, sondern das gesamte auch für die GmbH geltende deutsche Recht4, so dass sie Formkaufmann und Unternehmer i.S. des § 14 Abs. 1 BGB ist5. Namentlich gelten auch die Regeln zur Stellung des Geschäftsführers in seinem Verhältnis zur Gesellschafterversammlung, zu seiner fachlichen und persönlichen Qualifikation, zu seinen Pflichten in Bezug auf eine mögliche Insolvenz; allenfalls sind zur Umwandlungsfähigkeit und zur Möglichkeit der Verwendung der UG als Komplementärin einer KG vielleicht Einschränkungen notwendig. Die UG wird also vermutlich nicht so wie die „normale“ GmbH ein Allzweck-Instrument werden6, weil angesichts ihres zumindest am Anfang wohl deutlich unter 25 000 Euro bleibenden Stammkapitals bedeutende unternehmerische Ziele mit entsprechendem Investitionsbedarf nicht auf diesem Wege verfolgt werden können. Andererseits sind die Gesellschafter bezüglich des Einsatzes der vorhandenen Mittel frei; so müssen sie, auch wenn an sich aus der Rücklage durch Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln ein Stammkapital gebildet werden könnte, das das Mindeststammkapital einer „normalen“ GmbH übersteigt, nicht in die Regelform wechseln, was insbesondere nicht im Zuge einer automatischen Umwandlung geschieht7. Näher dazu Rdnr. 29, 31.

2. Folgerungen (Finanzierung, Gläubigerschutz, Innenverhältnis) 8 In Bezug auf die Finanzierung müssen die Gründer darauf achten, dass nicht schon durch die Gründungs- und sonstigen Anlaufkosten Überschuldung oder Zahlungsunfähigkeit eintritt8, was die vom Gesetz eingeräumte Beliebigkeit der 1 Begr. RegE, BT-Drucks. 16/6140, S. 31. 2 Veil, GmbHR 2007, 1080, 1081; Noack, DB 2007, 1395 f.; Wilhelm, DB 2007, 1510; Gehrlein, Der Konzern 2007, 771, 778; Weber, BB 2009, 842 f.; Lutter, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 4; Pfisterer, in: Saenger/Inhester, Rdnr. 4; Priester, in: FS G.H. Roth, 2011, S. 573, 574. 3 Hinweis von Joost, ZIP 2007, 2242, 2243; krit. insoweit auch Wilhelm, DB 2007, 1510, 1511. 4 So auch die Begr. RegE, BT-Drucks. 16/6140, S. 31; Wicke, Rdnr. 3; Übersicht bei Lutter, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 4. 5 Miras, in: Michalski, Rdnr. 4, 5. 6 Dazu H.P. Westermann, Die GmbH – ein „Allzweck-Instrument“?, in: Pro GmbH, Analysen und Perspektiven des Gesellschafts- und Steuerrechts der GmbH, hrsg. von der Centrale für GmbH, 1980, S. 23 ff. 7 Veil, GmbHR 2007, 1080, 1081: Die UG „muss nicht erwachsen werden“; Wachter, in: GmbHR-Sonderheft MoMiG, 2008, S. 25, 34; Weber, BB 2009, 842, 846; krit. Handelsrechtsausschuss des DAV, NZG 2007, 737; dagegen wieder Gehrlein, Der Konzern 2007, 771, 781. 8 Etwa Kindler, NJW 2008, 2249 f.; Wachter, in: GmbHR-Sonderheft MoMiG, 2008, S. 25, 30 f.; Lutter, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 32.

402

H. P. Westermann

§ 5a

Unternehmergesellschaft

Wahl der Stammkapitalziffer einschränkt (s. Rdnr. 22). Davon abgesehen gibt es aber keine Vorgabe hinsichtlich des Stammkapitals, das lediglich den Betrag gemäß § 5 unterschreiten muss, also von mindestens einem vollen Euro (§ 5 Abs. 2 Satz 1) bis zu 24 999 Euro reichen kann, die Gesellschafter haben insoweit die volle Freiheit1. Das kann dazu verführen, dass die Gründer unternehmerische, auch gewerbliche Zwecke mit durchaus unzulänglichen Eigenmitteln zu verfolgen beginnen, was im Fall des Scheiterns die Frage nach ihrer Haftung wegen materieller Unterkapitalisierung aufwirft2. Nun gibt es bekanntlich bei der „normalen“ GmbH bis heute keine festen, vor allem keine für eine Prognose im Einzelfall nachvollziehbaren Vorstellungen über die Höhe der angemessenen Kapitalausstattung. Dies könnte aber für die UG gerade anders gesehen werden3, so dass möglicherweise Anlass besteht, über einen Haftungsdurchgriff wegen Unterkapitalisierung nachzudenken4. Für die GmbH, bei der ein Missverhältnis zwischen eigentlich benötigten und tatsächlich eingesetzten Eigenmitteln keine Seltenheit ist, und auch sonst im Verbandsrecht, hat die Rechtsprechung aber sowohl eine Ausfallhaftung der Gesellschafter als auch einen direkten Durchgriff auf sie stets abgelehnt5, womit auch der Ansatz bei einem Missbrauch der Haftungsbeschränkung, der zur persönlichen Haftung entsprechend § 128 HGB führen würde6, nicht generell eingreift, sondern einer einzelfallbezogenen Haftung wegen (schuldhaft verursachter) Gläubigerschädigung weichen muss7, was dann auch für die UG gilt8. Angesichts der positiven gesetzlichen Regelung kann allein die Tatsache eines extrem niedrigen Kapitals also für einen Durchgriff nicht ausreichen, auch weil bei manchen Gesellschaften, etwa reinen Projektgesellschaften, in der Tat am Anfang kein hohes Kapital bereitgestellt werden muss. Wohl ist damit zu rechnen, dass die Insolvenzantragspflichten hier von der Praxis besonders scharf gehandhabt werden9. Auch der Gläubigerschutz beruht bei der „Variante“ der GmbH auf durchaus ei- 9 genständigen Erwägungen, wobei es überraschend wirken kann, dass eine Gesellschaft mit einem vorgesehenen Stammkapital von 24 500 Euro – freilich ein eher theoretischer Fall – dieses bei der Gründung voll in bar aufbringen muss, während ab einem Kapital von 25 000 Euro die Möglichkeit einer Teileinzahlung (§ 7 Abs. 2) besteht und Sacheinlagen zugelassen sind. Die nach § 30 für Auszahlungen an Gesellschafter maßgebliche Bestimmung einer Unterbilanz richtet 1 Miras, in: Michalski, Rdnr. 23. 2 Dazu aus neuerer Zeit etwa Ehricke, AcP 199 (1999), 257, 275 ff.; Karsten Schmidt, GesR, § 9 IV 4c; Raiser, in: Ulmer, § 13 Rdnr. 153 ff. 3 Joost, ZIP 2007, 2242, 2244; Lutter, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 11; Miras, in: Michalski, Rdnr. 22. 4 S. etwa Goette, Status Recht Beil. 7/2007, S. 236 f.; Gehrlein, WM 2008, 761, 768; Wachter, in: GmbHR-Sonderheft MoMiG, 2008, S. 25, 31, allerdings im Ergebnis ablehnend. 5 BGHZ 54, 222, 224; BGH, WM 1979, 2104; grundlegend in der „Gamma“-Entscheidung BGH, ZIP 2008, 1232 ff. = GmbHR 2008, 805; praktisch vorbereitet durch Stimpel, in: FS Goerdeler, 1987, S. 601, 606 ff. 6 Lutter, in: Lutter/Hommelhoff, § 13 Rdnr. 15; Wiedemann, GesR I, S. 224. 7 Lutter, in: Lutter/Hommelhoff, § 13 Rdnr. 18. 8 Paura in: Ulmer, Erg.-Band MoMiG, Rdnr. 25, anders aber Miras, in: Michalski, Rdnr. 24. 9 Pfisterer, in: Saenger/Inhester, Rdnr. 9; Rieder, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 116; Schäfer, in: Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, Rdnr. 2.

H. P. Westermann

403

§ 5a

Unternehmergesellschaft

sich bei der UG nach denselben Regeln; wenn aber das von den Gründern gewählte Kapital besonders niedrig ist, kann sich das Erfordernis, dass eine Auszahlung an Gesellschafter nur erlaubt ist, wenn der entsprechende Betrag durch Aktivvermögen gedeckt ist, im Sinne einer größeren Kapitalflexibilität nur auswirken, wenn praktisch keine Verbindlichkeiten vorhanden sind. Auf der anderen Seite weicht die Rücklage, die gemäß § 5a Abs. 3 Satz 1 zu bilden ist, die also eine gesetzliche ist, von der nach § 150 Abs. 2 AktG zu bildenden sowohl in Bezug auf die Art der Inanspruchnahme des Jahresüberschusses als auch hinsichtlich der Begrenzung der Höhe nach ab1. Es handelt sich dabei um einen im Gesellschaftsrecht neuen Fall der Kapitalaufholung2, dessen gläubigerschützende Wirkung allerdings nicht über jeden Zweifel erhaben ist, da sich nicht ausschließen lässt, dass die Gesellschafter einer UG sich nach Jahren korrekter Bedienung der gesetzlichen Rücklage in Krisenzeiten nach Möglichkeiten (vielleicht auch: missbräuchlicher Art) umsehen werden, doch einen teilweisen Rückfluss des eingesetzten Kapitals zu erreichen, obwohl die Regeln über Kapitalaufbringung und -erhaltung auch hier gelten. Eine Besonderheit ist weiter die in § 5a Abs. 4 vorgesehene Pflicht zur unverzüglichen Einberufung der Gesellschafterversammlung bei drohender Zahlungsunfähigkeit (näher Rdnr. 33); ob von ihr gläubigerschützende Wirkungen ausgehen oder in ihr auch nur ein Seriositätsindiz liegt, ist aber fraglich. 10

Im Innenverhältnis der UG gilt ebenfalls uneingeschränkt das Gesetzesrecht der GmbH, in den durch einzelne zwingende Bestimmungen gesetzten Grenzen also auch Vertragsfreiheit. Danach sind gläubigerschützende Regeln zwingend, was nach der Formulierung des § 5a Abs. 3 Satz 2 für die Verwendung der hiernach gebildeten Rücklage gilt, aber nach dem Zweck der Regelung wohl nicht eine Kapitalerhöhung i.S. des § 5a ausschließen kann (näher dazu Rdnr. 28, 29). Daher sind vertragliche Absprachen über den auf diese Weise zu bewirkenden Übergang in die „normale“ GmbH wirksam. Da aber eine Pflicht der Gesellschafter, bei genügender Höhe der Rücklage durch Kapitalerhöhung in die GmbH überzuwechseln, nach allgemeiner Meinung (Rdnr. 7 a.E.) nicht besteht, wird man auch eine Pflicht des einzelnen Gesellschafters, an einem solchen Schritt mitzuwirken, nicht annehmen können. Probleme mit der Zulässigkeit von Vereinbarungen können sich auch bei der Festlegung von Geschäftsführervergütungen ergeben, wenn hierdurch – trotz u.U. durchaus angemessener Höhe der Vergütung – die vorgeschriebene Rücklagenbildung verhindert oder stark verzögert wird. Dies schlechthin als Umgehung zu kennzeichnen3, würde die Gesellschafter zwingen, praktisch umsonst zu arbeiten, die Thesaurierungspflicht gilt nach dem Wortlaut nur für ein Viertel des Jahresüberschusses. Weder in der „normalen“ GmbH noch in der UG sind im bisherigen Recht die Pflichten von Geschäftsführern und Gesellschaftern in Krisenzeiten im Verhältnis zueinander genau festgelegt, auf die es im Rahmen der vermutlich häufig von Anfang an kapitalschwachen UG entscheidend ankommen kann. Die bei dro1 Auch dazu Joost, ZIP 2007, 2242, 2245; zum Charakter als gesetzliche Rücklage auch Weber, BB 2009, 842, 845; Waldenberger/Sieber, GmbHR 2009, 114, 117; abweichend aber Lutter, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 16. 2 Noack, DB 2007, 1395 f. 3 Veil, GmbHR 2007, 1080, 1081; Freitag/Riemenschneider, ZIP 2007, 1485, 1488; Bormann, GmbHR 2007, 897, 899; Römermann, GmbHR 2007, R 193.

404

H. P. Westermann

§ 5a

Unternehmergesellschaft

hender Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft vorgesehene Pflicht zur Einberufung der Gesellschafterversammlung (§ 5a Abs. 4) löst allein dieses Problem nicht, so dass Satzungsregeln über Handlungs- und Verhaltenspflichten der Gesellschafter zweckmäßig erscheinen, gerade auch für die UG, ohne dass es deshalb als unabdingbar erschiene, schon in die für die Gründung benötigte Satzung umfangreiche – und beratungsintensive – Bestimmungen über Verhaltenspflichten von Gesellschaftern und Geschäftsführern in Krisenzeiten aufzunehmen, die ja auch in normalen GmbH-Satzungen selten sind.

III. Gründung der Unternehmergesellschaft 1. Die Geschäftsanteile Die Änderungen des GmbHG in Bezug auf den Nennbetrag eines Geschäfts- 11 anteils (§ 5 Abs. 2 Satz 1), wonach der Betrag auf volle Euro zu lauten hat, gelten auch für die UG, bei der sie, da das Stammkapital auf jeden Betrag zwischen 1 und 24 999 Euro festgesetzt werden kann, praktische Bedeutung insofern haben, als jeder Gründer einen Geschäftsanteil von mindestens 1 Euro übernehmen muss1. Das bedeutet auch, dass die 1 Euro-UG nur von einem Gesellschafter gegründet und gehalten werden kann. Im Übrigen gelten für den Gründungsvorgang, der im vereinfachten Verfahren nach § 2 Abs. 1a stattfinden kann, aber nicht muss, keine Besonderheiten. Allerdings ist eine Gründung durch Abspaltung ausgeschlossen. Das war im Schrifttum unstreitig, weil es gegen das Sacheinlageverbot gemäß § 5a Abs. 2 Satz 2 verstoßen würde, aus dem Vermögen des gründenden Rechtsträgers Gegenstände auf die nun zu errichtende UG zu übertragen, wobei auch davon ausgegangen wurde, dass das Sacheinlageverbot nicht durch umwandlungsrechtliche Sonderregeln verdrängt wird2. Der BGH ist dem in vollem Umfang gefolgt3, wobei entscheidend auf die Parallele zu § 138 UmwG abgestellt würde4. Der andere Rechtsträger ist aber nicht gehindert, bei einer Bargründung mit einem für die UG passenden Betrag als Gründer aufzutreten, welche Rolle nicht auf natürliche Personen beschränkt ist. Auch kann bei der UG wie bei jeder GmbH die Höhe der Geschäftsanteile verschieden bestimmt werden, § 5 Abs. 3 Satz 1. Die Neuregelung ermöglicht es damit, selbst bei extrem niedrigem Stammkapital und auch bei einer ungeraden Zahl von Gesellschaftern Paritäten nach Maßgabe der Geschäftsanteile zu bilden, was auch bei einem Zusammengehen mehrerer Beteiligungsgesellschaften – ein möglicherweise keineswegs unpraktischer Fall – eine verhältnismäßige Aufteilung des Stammkapitals ermöglicht. Auch kann nach § 5 Abs. 2 Satz 2 jeder Gesellschafter mehrere Geschäftsanteile übernehmen, was praktikabel erscheint, 1 Lutter, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 9, Pfisterer, in: Saenger/Inhester, Rdnr. 9; s. auch Drygala, NZG 2007, 561; Joost, ZIP 2007, 2242. 2 Rieder, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 52; Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 30; Römermann/Passarge, ZIP 2009, 1497, 1500; Berninger, GmbHR 2010, 63, 69; Miras, in: Michalski, Rdnr. 13; s. auch Priester, in: Lutter, § 138 UmwG Rdnr. 3. 3 BGH, ZIP 2011, 1054 = GmbHR 2011, 701; s. auch schon OLG Frankfurt, ZIP 2010, 1798 = GmbHR 2010, 920. Zust. Walter, NJW 2011, ZG 21; Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 17; Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 30; a.A. Lutter, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 33 f. 4 Im Ergebnis zustimmend Bachmann, Anm. WuB II C § 5a GmbHG 2.11, der darauf hinweist, dass es sich eigentlich um eine Bargründung gehandelt hat.

H. P. Westermann

405

§ 5a

Unternehmergesellschaft

wenn die Absicht besteht, demnächst noch weitere Gesellschafter zu gewinnen. Auch im Hinblick auf Treuhandverhältnisse, die schon bei der Gründung bestehen, sind damit keine besonderen gesellschaftsrechtlichen Vorkehrungen nötig1. Die Zahl und die Nennbeträge der Geschäftsanteile, die jeder Gesellschafter gegen Einlage auf das Stammkapital übernimmt, nach der Definition in § 3 Abs. 1 Nr. 4 also die Stammeinlage jedes Gesellschafters, muss in der Satzung genannt sein. Insgesamt nimmt also die UG an den Erleichterungen für die Gründung einer GmbH teil, sie kann also, muss aber nicht im „vereinfachten“ Verfahren gemäß § 2 Abs. 1a gegründet werden, was insbesondere ausscheidet, wenn mehr als drei Gesellschafter oder mehr als ein Geschäftsführer vorgesehen sind.

2. Verwendung des Musterprotokolls 12

Das betrifft vor allem die Verwendung des Musterprotokolls gemäß § 2 Abs. 1a Satz 1 und 2, das auch und gerade für die UG vorgesehen wurde2. Es umfasst Satzung, Geschäftsführerbestellung und Gesellschafterliste, und da nach § 2 Abs. 1a Satz 5 die Vorschriften über den Gesellschaftsvertrag entsprechende Anwendung finden, bedarf es einer notariellen Beurkundung3, ohne dass im Musterprotokoll die Formalien des BeurkG vollständig erwähnt sind4. Da das Musterprotokoll nicht um weitere Bestimmungen ergänzt werden darf (§ 2 Abs. 1a Satz 3) und es somit nicht möglich ist, weitere bei einer Mehrpersonengesellschaft gewöhnlich unerlässliche Vertragsbestimmungen aufzunehmen, wird dieser Weg nur bei Einmann-Gründungen benutzt5. Probleme hat in diesem Zusammenhang auch die Bestimmung in Nr. 5 des Musterprotokolls über die Tragung der Gründungskosten bereitet, wonach die Gesellschaft diese nur bis zu einem Gesamtbetrag von 300 Euro, höchstens aber bis zur Höhe des Stammkapitals, zu tragen hat, wobei eine kostenrechtliche Besserstellung gemäß § 41d KostO nur bei der vereinfachten Gründung einer Gesellschaft mit einem unter 25 000 Euro liegenden Stammkapital vorgesehen ist. Das OLG München hielt eine Ergänzung des Musterprotokolls dahin, dass die Gesellschaft auch eine die 300 Euro übersteigende Kostenschuld übernehmen sollte, für unzulässig6. Auch das trägt dazu bei, dass die Verwendung des Musters praktisch nur bei der Gründung einer UG in Betracht kommt7. Allerdings hängen die Gründungskosten, und zwar sowohl die Gebühren der Registrierung und die Kosten der Bekanntmachung als auch diejenigen für die rechtliche Beratung und die Erstellung des Gesellschaftsvertrages8, von der Höhe des Stammkapitals, der Beteiligung nur einer oder mehrerer 1 Heckschen, DStR 2007, 1442, 1445. 2 Seibert/Decker, ZIP 2008, 1208, 1209. 3 Seibert/Decker, ZIP 2008, 1209 l.Sp.; s. auch Heckschen, DStR 2009, 166; Verspay, MDR 2009, 117; Böhringer, BWNotZ 2008, 104. 4 Kritisch daher – auch wegen des Fehlens von Klauseln zur Kündigung und Abfindung – Waldenberger/Sieber, GmbHR 2009, 114, 118. 5 LG Chemnitz, NotBZ 2009, 378; Werner, GmbHR 2011, 459, 460; Schäfer, ZIP 2011, 53, 54. 6 OLG München, GmbHR 2010, 755 = ZIP 2010, 1081 und dazu Schäfer, ZIP 2011, 53, 55; Werner, GmbHR 2011, 459, 460. 7 Auch dazu Seibert/Decker ZIP 2008, 1209. 8 Umfassend dazu Wachter, in: GmbHR-Sonderheft MoMiG, 2008, S. 25, 27 ff.

406

H. P. Westermann

§ 5a

Unternehmergesellschaft

Personen an der Gründung und vom Umfang der Vollzugstätigkeit der Urkundsperson ab. Eine – allerdings geringe – Kostenersparnis wird tatsächlich bei Verwendung des Musterprotokolls erreicht1, andererseits ist darauf hinzuweisen, dass bei einer kurzfristig vorgesehenen „Umwandlung“ der Gesellschaft in eine „normale“ GmbH weitere Kosten anfallen werden. Das kann freilich dazu führen, dass in die notarielle Beratung, die nach § 17 BeurkG die steuerrechtlichen und insolvenzrechtlichen Umstände nicht zwingend mitumfasst, nicht allzu viel Arbeit investiert wird. Für den Urkundsnotar ist die Gebührenregelung, wenn er umfassend beraten soll, also nicht leicht hinnehmbar. Zur Befürchtung, dass bereits durch die Gründungskosten Überschuldung eintritt, s. Rdnr. 22. Hinsichtlich der stärker auf den konkreten Einzelfall bezogenen Verwendung 13 des Musterprotokolls haben sich – auch im Zusammenhang mit der notariellen Praxis – einige weitere Fragen ergeben. Das betrifft z.T. Äußerlichkeiten2, wobei inzwischen wohl klar ist, dass völlig unbedeutende Abweichungen in Zeichensetzung, Satzstellung und Wortwahl zulässig sind3. Unklarheiten hat es aber in Bezug auf die Bestimmungen über die Vertretungsmacht des oder der Geschäftsführer gegeben (s. dazu schon Rdnr. 6). Nr. 4 Satz 2 des Musterprotokolls sieht für den im Musterprotokoll selbst bestellten Gründungsgeschäftsführer eine Befreiung vom Verbot des Selbstkontrahierens vor, die in diesem Stadium auch passend ist, aber so nicht ohne weiteres fortgelten kann, wenn später ein anderer Alleingeschäftsführer oder ein weiterer Geschäftsführer bestellt werden. Hierzu wurde entschieden, dass in diesem Fall § 35 Abs. 2 mit der Folge grundsätzlicher Gleichstellung der Geschäftsführer zum Zuge kommt und Sonderbefugnisse eines einzelnen ausdrücklich in der Satzung niedergelegt sein müssen4. Andere Instanzgerichte folgen dem nicht, sondern wollen die dem Gründungsgeschäftsführer erteilte Befreiung auch weiteren Geschäftsführern zugute kommen lassen5. Im Schrifttum wird, da die Befreiung des Geschäftsführers von § 181 BGB und auch die Ermächtigung dazu ein echter Satzungsbestandteil sei, anders als die bloße Bestellung des ersten Geschäftsführers, die unechter Satzungsbestandteil und daher jederzeit mit einfacher Mehrheit änderbar sein soll6, eine Ausdehnung des Privilegs als Satzungsänderung qualifiziert7, was das allgemei1 Schon beim gesetzlichen Mindestkapital betragen die gesamten Gründungskosten weniger als 150 Euro (Wachter, in: Goette/Habersack, Das MoMiG in Wissenschaft und Praxis, Rdnr. 1, 148). 2 Zur Verwendung eines „Wappendeckblatts“ oder dem Weglassen von „Erläuterungsfußnoten“ Schulte, GmbHR 2010, 1128 und im Einzelnen § 2 Rdnr. 103, 112 dort auch zu verschiedenen aus Gründen des Beurkundungsrechts erfolgenden Ergänzungen des Protokolls. 3 OLG München, GmbHR 2010, 1263. 4 OLG Stuttgart, GmbHR 2009, 827 und dazu Wachter, in: GmbHR-Sonderheft MoMiG, 2008, S. 785, 790; so auch OLG München, GmbHR 2010, 736. 5 OLG Hamm, GmbHR 2009, 1334; OLG Bremen, GmbHR 2009, 1210. 6 OLG Bremen, GmbHR 2009, 1210; OLG Rostock, GmbHR 2010, 872; Heckschen, DStR 2009, 166 f.; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, § 2 Rdnr. 18; Mayer, in: MünchKomm. GmbHG, § 2 Rdnr. 246; Roth, in: Roth/Altmeppen, § 2 Rdnr. 56; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, § 2 Rdnr. 47. 7 Herrler, GmbHR 2010, 960, 964; Miras, BB 2010, 2488 f.; Schäfer, ZIP 2011, 53, 55; Werner, GmbHR 2011, 461; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, § 2 Rdnr. 47; a.M. aber Ries, NZG 2009, 739, 740.

H. P. Westermann

407

§ 5a

Unternehmergesellschaft

ne Problem der Satzungsänderung nach ursprünglicher Verwendung eines Musterprotokolls berührt (s. § 2 Rdnr. 115 ff.). Die bei der Schaffung der Rechtsform und ihrer Regelung über das Musterprotokoll befürchteten1 Abweichungen einzelner Satzungsvereinbarungen vom Muster haben somit Gültigkeitshindernisse offenbar nicht verursacht. Soll eine UG mehr als einen Geschäftsführer haben, liegt es danach nahe, den zweiten nach Eintragung der Gesellschaft zu bestellen und darüber ein privatschriftliches Protokoll aufzunehmen. Genaue Beobachtung dieser Regeln ist auch für die Anmeldung zum Register erforderlich, so dass bei Bestellung mehrerer Geschäftsführer mit möglicherweise verschieden ausgestalteter Vertretungsmacht – wenn man dies zulässt – auch entsprechend angemeldet werden muss2. Verstöße können sich ergeben, wenn entgegen § 2 Abs. 1a Satz 1 das Musterprotokoll bei einer Gesellschaft mit mehr als drei Gesellschaftern oder mehr als einem Geschäftsführer verwendet wird oder die Angabe der Gesellschafter im Vertrag, der nach § 2 Abs. 1a Satz 4 zugleich als Gesellschafterliste gilt, unrichtig ist, ähnlich bei unzulässigen Ergänzungen oder Streichungen im Text des Musterprotokolls. Die Rechtsfolgen sind umstritten, z.T. wird angenommen, dass es sich um eine normale GmbH-Gründung handelt, für die dann aber ohne Zuhilfenahme des Musterprotokolls die gesetzlichen Erfordernisse in Bezug auf Satzungsinhalt und Organbestellung vorliegen müssen3. Dem wird entgegengehalten, dass das Musterprotokoll alle unerlässlichen Bestandteile einer Satzung enthalte, so dass nur die fehlenden oder unkorrekt wiedergegebenen Umstände, etwa die Gesellschafterliste, nachgereicht werden müssten4. Jedenfalls ist dann die Gründung nicht nichtig.

3. Firmierung und Publizität der Unternehmergesellschaft (§ 5a Abs. 1) 14

§ 5a Abs. 1 regelt die Firmierung der Gesellschaft in der Weise, dass abweichend von § 4 die Bezeichnung5 „Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt)“ oder „UG (haftungsbeschränkt)“ verwendet werden muss. Dies ist als zwingender Rechtsformzusatz zu verstehen6, im Übrigen ist für den bezeichnenden Teil der Firma, besonders den Firmenkern, für den § 4 gilt, die Frage der hinreichenden Unterscheidungskraft der Firma nach dem GmbH-Recht der Firmenbildung zu entscheiden7. Das bedeutet, dass u.U. auch eine bereits bestehende Firma übernommen werden und dann mit dem Rechtsformzusatz versehen

1 Dazu eingehend Freitag/Riemenschneider, ZIP 2007, 1485, 1486 f. 2 Werner, GmbHR 2011, 459, 461. 3 OLG München, GmbHR 2010, 755 mit Anm. Wachter; Wachter, ZNotP 2009, 82, 96; s. auch OLG Rostock, GmbHR 2010, 872. 4 Herrler, GmbHR 2010, 960, 964; Wachter, ZNotP 2009, 82, 96; Werner, GmbHR 2011, 459, 461. 5 Hier war früher vorgesehen, im Gesetzestext von einem besonderen „Rechtsformzusatz“ zu sprechen; dies wurde durch das Wort „Bezeichnung“ ersetzt, um den Eindruck zu vermeiden, bei der Unternehmergesellschaft handele es sich um eine besondere Rechtsform. 6 Begr. RegE, BT-Drucks. 16/6140, S. 31 r.Sp.; von „Rechtsformzusatz“ spricht auch das Schrifttum, s. etwa Wagner, BB 2009, 842, 843; Lutter, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 2, 26; Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 7. 7 Paura, in: Ulmer, Erg.-Band MoMiG, Rdnr. 39; Roth, in: Roth/Altmeppen, § 4 Rdnr. 4; Holzner, Die Unternehmergesellschaft, S. 162.

408

H. P. Westermann

§ 5a

Unternehmergesellschaft

werden kann1. Der Zusatz, in dem das Wort „haftungsbeschränkt“ das Ziel der Warnung des Publikums mit einiger Sicherheit voll erreichen wird, ist dennoch irreführend insofern, als auch bei der normalen GmbH eine Haftungsbeschränkung, die auch aus dem Rechtsformzusatz ersichtlich ist, vorgesehen ist, so dass es nahe läge, wie dort auch bei der UG die Haftungsbeschränkung in einem Kürzel gewissermaßen zu verstecken. Das aber ist unzulässig, was für alle im Gesetzgebungsverfahren diskutierten Ersatzformulierungen („Ein-Euro-GmbH“) oder „GmbH oM – ohne Mindestkapital“) gilt2, insbesondere darf der die Haftungsbeschränkung erwähnende Teil des Zusatzes nicht abgekürzt werden3. In der Praxis sind bisher noch zahlreiche, manchmal fast skurrile Fehler eingetragener Firmen zu beobachten gewesen4. Davon abgesehen sind Verbindungen des Teils „Unternehmergesellschaft“ mit einem den Unternehmensgegenstand bezeichnenden Wort (z.B. „Unternehmergesellschaft für schlüsselfertiges Bauen“), die z.T. für zulässig erklärt werden5, da sie mit der Warnung „haftungsbeschränkt“ kombiniert werden müssen, jedenfalls unpraktisch. Umstritten ist die Sanktion der Verwendung einer danach unzulässigen Firma. Bei Eintragung der Gesellschaft mit einer unzulässigen Firma entsteht zwar die Gesellschaft, es besteht aber Anlass zu einem Amtslöschungsverfahren nach § 399 Abs. 4 FamFG, § 60 Abs. 1 Nr. 6 GmbHG (s. im Übrigen § 4 Rdnr. 66). Wenn daraus die unbeschränkte persönliche Haftung der Gesellschafter gefolgert wird6, so geht dies an dem Umstand vorbei, dass eine falsche Firmierung nicht ohne weiteres einen die Gesellschafter persönlich betreffenden Rechtsschein setzt, während die Gesellschaft selber (deren Haftung meist wertlos sein wird7) sowie der Geschäftsführer, der mit der Firma im Verkehr auftritt, u.U. aus culpa in contrahendo haften8. Nun wird eine nicht (mehr) bestehende Befriedigungsmöglichkeit etwa bei unzulässiger Verwendung des Rechtsformzusatzes mit „GmbH“ nicht suggeriert9, so dass auch ein Schadensersatzanspruch gegen den Geschäfts-

1 Lutter, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 5, zugleich mit der Warnung, im Zuge der Übernahme eines Handelsgeschäfts für die UG verbotene Sacheinlagen zu leisten. Zu Verstößen aus der ersten Zeit nach dem Inkrafttreten des MoMiG Bayer/Hoffmann, GmbHR 2004, 124. 2 Lutter, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 16; Paura, in: Ulmer, Erg.-Band MoMiG, Rdnr. 40; Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 7. 3 Miras, in: Michalski, Rdnr. 53; Pfisterer, in: Saenger/Inhester, Rdnr. 8. 4 Bericht von Bayer/Hoffmann, GmbHR 2010, R 369. 5 Holzner, Die Unternehmergesellschaft, S. 173; päpstlicher aber OLG Hamburg, GmbHR 2011, 657; s. auch Wicke, Rdnr. 6. 6 Freitag/Riemenschneider, ZIP 2007, 1485 f.; Gehrlein, Der Konzern 2007, 771, 780; Wagner, BB 2009, 842, 844; Lutter, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 26; Wicke, Rdnr. 6; anders Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 8; dem zustimmend Pfisterer, in: Saenger/Inhester, Rdnr. 8; zu Verstößen aus der ersten Zeit nach Inkrafttreten des MoMiG Bayer/Hoffmann, GmbHR 2004, 124. 7 Meckbach, NZG 2011, 968. 8 Altmeppen, ZIP 2007, 889, 894 f.; Rieder, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 17; Paura, in: Ulmer, Erg.-Band MoMiG, Rdnr. 41, 42; Schäfer, in: Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, Rdnr. 15. 9 So auch Veil, GmbHR 2007, 1080, 1082; eingehend Holzner, Die Unternehmergesellschaft, S. 183 ff.; anders Rieder, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 16; Meckbach, NZG 2011, 968, 971.

H. P. Westermann

409

§ 5a

Unternehmergesellschaft

führer aus § 823 Abs. 2 BGB, wenn man § 5a als Schutzgesetz ansieht1, an der Kausalität scheitern kann. Da auch bei der GmbH das Stammkapital verbraucht sein kann, ist auch eine Haftung auf die Differenz zum Stammkapital einer GmbH nicht angebracht2. Zur Firmierung der UG & Co. KG s. Rdnr. 40. Ob „das Publikum“ aus dem Rechtsformzusatz den Schluss auf eine besonders geringe Kapitalaustattung ziehen wird, wie der Gesetzgeber annimmt, ist zwar nicht sicher, aber angesichts der Publizität des Stammkapitalbetrages (Rdnr. 15) wohl auch nicht entscheidend, und ob der Rechtsverkehr überhaupt ein Interesse an der Information darüber hat, dass eine konkrete Gesellschaft (vielleicht) nur eine „Einstiegsvariante“ auf dem Weg zur „echten“ GmbH ist3, ist kaum abzusehen. 15

Die Publizität der Gesellschaftsfirma ergibt sich aus der Eintragung im Handelsregister, (dazu näher § 10). Auch hierfür gelten keine Besonderheiten, und die anfänglich diskutierte Verpflichtung, das Stammkapital auf den Geschäftsbriefen anzugeben, ist nicht Gesetz geworden4. § 37a HGB gilt aber, so dass bezüglich der Firma, die dabei auch nicht verändert oder durch ein Kürzel ersetzt werden kann, und der anderen aus dem Register ersichtlichen Umstände Publizität besteht. Auch hier ist ein Verstoß denkbar, wenn etwa eine als UG gegründete und als solche im Handelsregister eingetragene Gesellschaft im Rechtsverkehr dennoch als „GmbH“ auftritt. Dann ist möglich, dass Gutgläubige entgegen dem – richtigen – Handelsregister vom Bestehen einer GmbH ausgehen, woraus sie aber, was die Kapitalisierung der Gesellschaft betrifft, allenfalls folgern können, dass ihre konkrete Vertragspartnerin einmal unter Beachtung der §§ 5 Abs. 1, 7 Abs. 2 gegründet worden ist, so dass mindestens 12 500 Euro eingezahlt sind und im Übrigen noch eine Einlagepflicht der Gesellschafter bestehen kann. Das muss bei der UG nicht so sein, aber die eingelegten Geldbeträge können hier wie in der normalen GmbH nach der Gründung durch Geschäfte investiert oder verloren worden sein, und ein Schutz des guten Glaubens, dass die Beträge im Vermögen der Gesellschaft noch vorhanden sind, ist nicht vorstellbar. Daher ist auch die vorgeschlagene Sanktion einer Haftung des Geschäftsführers bis zur Höhe des Mindeststammkapitals nicht angebracht5. Möglich ist auch der umgekehrte Fall, dass eine nach § 5a Abs. 5 in eine „normale“ GmbH umgewandelte UG, die ja nach dem Halbsatz 2 des § 5a Abs. 5 ihre Firma beibehalten haben kann, im Rechtsverkehr weiterhin als UG betrachtet wird, woraus dann möglicherweise auf Volleinzahlung der Einlage geschlossen wird (s. dazu näher Rdnr. 31).

4. Zur Volleinzahlung des Stammkapitals, insbesondere: Sacheinlagen (§ 5a Abs. 2) 16

Die Zulassung der Variante der GmbH mit einem deutlich unter 25 000 Euro liegenden, möglicherweise wirtschaftlich unbedeutenden Stammkapital wurde 1 Meckbach, NZG 2011, 968, 970; zurückhaltend aber Weber, BB 2009, 842, 844 (Haftung bis zur Höhe des Mindestkapitals); Bedenken bei Altmeppen, ZIP 2007, 889, 894. 2 Paura, in: Ulmer, Erg.-Band MoMiG, Rdnr. 42; gegen Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 8; Weber, BB 2009, 842, 844; Seibert, GmbHR 2007, 673, 676. 3 Seibert, GmbHR 2007, 673, 676. 4 Dazu Seibert, GmbHR 2007, 673, 677; Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 9; krit. dennoch Wilhelm, DB 2007, 1510, 1512. 5 Anders wiederum Gehrlein, Der Konzern 2007, 771, 778, 780; s. auch Wicke, Rdnr. 6; Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 8.

410

H. P. Westermann

§ 5a

Unternehmergesellschaft

bisweilen nur für vertretbar gehalten im Hinblick auf die in § 5a Abs. 2 Satz 1 vorgeschriebene Volleinzahlung des gesamten Stammkapitals, die im Einzelfall dazu führen kann, dass das konkret eingezahlte Kapital einer UG dasjenige einer GmbH mit dem gesetzlichen Mindestbetrag, bei der von der Möglichkeit der Halbeinzahlung Gebrauch gemacht wurde, übersteigt. Gründer, die die UG nur als erleichterten Einstieg in die GmbH mit ihrem nicht ganz unbedeutenden Mindeststammkapital empfinden, werden eine Kapitalhöhe wählen, bei der die Pflicht zur Volleinzahlung keine Belastung darstellt1. Die Einzahlung auf ein Konto der Gesellschaft kann schon vor der Anmeldung erfolgen, da die nach der Schaffung der Satzung bestehende Vor-Unternehmergesellschaft kontofähig ist2. Die erfolgte Einzahlung hat der Geschäftsführer bei der Anmeldung zu versichern. Wenn die UG vor der Eintragung ihre geschäftliche Tätigkeit aufnimmt, ist fraglich, wie sich hiernach die vom BGH für die Vor-GmbH entwickelte gesellschaftsinterne Verlustdeckungs- und Unterbilanzhaftung3, insbesondere bezüglich der unbegrenzten Höhe der Verpflichtung, entwickeln wird. Nun muss bei der UG wie bei jeder GmbH das Stadium einer Vor-Gesellschaft durchlaufen werden, mag es auch wegen der hier geltenden Art der Kapitalaufbringung kürzer sein als bei vielen GmbH-Gründungen, so dass das Problem möglicherweise weniger praktische Bedeutung hat, auch weil ein Wirtschaften mit völlig unzureichenden Mitteln schon im Frühstadium zur Insolvenz führen kann. Wenn der als Geschäftsführer Vorgesehene nicht erklären kann (§ 8 Abs. 2), dass die Einlagen geleistet und auch noch vorhanden sind, darf nicht eingetragen werden. Die für richtig gehaltene4 Übertragung der – im Einzelnen heftig umstrittenen – Rechtslage der Vor-GmbH auf eine Vor-UG muss wahrscheinlich häufiger das theoretische Problem der Einpersonen-Vor-GmbH5 lösen, bei dem die eingezahlten Mittel, die es ja bei der UG nach ihrer Eintragung geben muss, im Zuge der Abwicklung ihres Scheiterns nicht an den Eigner des Gesellschaftsvermögens, also den Einmann-Gesellschafter, zurückfallen dürfen6. Ohnehin wird es aber bei der UG, deren Geschäftsbetrieb mit unzulänglichen Mitteln im Gründungsstadium aufgenommen wurde, häufiger bei der so genannten unechten Vorgesellschaft bleiben7. Auch die Rechtsfragen um die Effektivität einer Einzahlung, etwa bei Ver- 17 buchung auf einem debitorisch geführten Konto oder bei alsbaldiger Rückzahlung an den Inferenten („Hin- und Herzahlen“) sind im Grundsatz nach den allgemeinen (§ 19 Abs. 5) und durch die Reform um § 8 Abs. 2 Satz 2 erweiterten Regeln zu beurteilen, die die Prüfungspflicht und -möglichkeit hinsichtlich der tatsächlich erfolgten Einlagezahlung erweitern8. Daneben stellt sich die Frage, 1 Joost, ZIP 2007, 2242, 2245. 2 BGHZ 45, 347; OLG Naumburg, GmbHR 1998, 239 (für GmbH); Lutter, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 10. 3 BGHZ 134, 333, 336. 4 Rieder, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 13. 5 Dazu eingehend Michalski/Funke, in: Michalski, § 11 Rdnr. 74 ff. 6 BGH, NJW 2006, 509 = GmbHR 2006, 43. 7 Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, § 11 Rdnr. 32; Karsten Schmidt, unten § 11 Rdnr. 162; Michalski/Funke, in: Michalski, § 11 Rdnr. 79. 8 Dass die Erweiterung der Möglichkeiten, Nachweise über die Erbringung der Sacheinlagen zu fordern, für das allgemeine GmbH-Recht nicht mehr stattgefunden hat, gehört

H. P. Westermann

411

§ 5a

Unternehmergesellschaft

ob für den Fall, dass tatsächlich eine in bar erbrachte Einlage abredegemäß alsbald wieder, möglicherweise als Darlehen, dem Gesellschafter zurückgezahlt wird, wie bei der „normalen“ GmbH nach § 19 Abs. 5 zu verfahren ist, ebenso bei Aufrechnung gegen die Einlageforderung mit einer vollwertigen Forderung der UG gegen den Inferenten. Sieht man in der Regelung auch eine Vorkehrung für eine Mindestliquidität der Gesellschaft im Sinne des Einlageversprechens, so ist auch ein jederzeit fälliger und werthaltiger Anspruch gegen den Inferenten kein Äquivalent für die effektive Einzahlung, so dass es vorzuziehen ist, diese Art der Einlageleistung als mit § 5a Abs. 2 nicht vereinbar anzusehen1. Hierfür spricht auch, dass die Gesellschafter frei sind, das Stammkapital der Gesellschaft ihren Wünschen entsprechend festzusetzen, so dass es ihnen zugemutet werden kann, es auch effektiv einzuzahlen und der Gesellschaft zu belassen. Andererseits ist dem § 19 Abs. 5 eine Einschränkung bezüglich seiner Anwendbarkeit auf eine UG nicht zu entnehmen, und es liegt nicht sehr nahe, dass dem Gesetzgeber bei der rechtspolitisch durchaus umstrittenen Entscheidung, eine Leistung an den Gesellschafter zuzulassen, wenn der Rückzahlungsanspruch vollwertig ist, nicht auch die Verhältnisse bei der UG vor Augen gestanden haben sollten2; also ist § 19 Abs. 5 uneingeschränkt anzuwenden. 18

Die Ablehnung der Kapitalaufbringung durch Sacheinlagen hat weiter zu Fragen über die Anwendbarkeit der – gegenüber diesem Finanzierungsmittel auch kritischen – diesbezüglichen Regeln des GmbH-Rechts gehört, die zum einen die Verwendung bei Kapitalerhöhungen betrafen. Dieselbe Frage stellt sich im Hinblick auf die Volleinzahlungspflicht bei der Gründung. In beiderlei Hinsicht ist wahrscheinlich zu differenzieren. Noch nicht höchstrichterlich geklärt, aber in der Lösung vorhersehbar ist der Fall einer Bargründung einer UG mit einem sehr niedrigen Stammkapital, das ebenfalls durch Bareinzahlung von 25 000 Euro erhöht werden soll, wobei aber wie bei der Gründung einer „normalen“ GmbH zunächst nur eine Vierteleinzahlung stattfinden soll. Das kann darauf hinauslaufen, dass am Ende das Stammkapital der GmbH weniger als die Hälfte des gesetzlichen Mindestkapitals beträgt. Das würde bedeuten, dass die Regeln über die Gründung einer normalen GmbH durch den Umweg über die UG überspielt werden; deshalb empfiehlt sich für diesen Fall eine analoge Anwendung des § 7 Abs. 2 Satz 23, so dass die durch Umwandlung aus der UG entstandene GmbH die Hälfte des gesetzlichen Mindestkapitals zur Verfügung haben muss, eine Teileinzahlung verbunden mit dem bloßen Leistungsversprechen genügt dann nicht4. Zweifelhaft ist aber, ob das Sonderrecht der UG auch für den Fall gilt, in dem das Kapital auf 25 000 Euro oder mehr erhöht werden soll. Diese beiden Schritte werden auch bei der Kapitalerhöhung mit Sacheinlagen unterschieden. Bei enger Auslegung

1 2 3 4

nach Heckschen, DStR 2007, 1442, 1447, zu den begrüßenwerten Entscheidungen des Reformgesetzgebers. Weber, BB 2009, 842, 845; Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 12; Lutter, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 8; Priester, in: FS G.H. Roth, 2011, S. 573, 578. Holzner, Die Unternehmergesellschaft, S. 245 ff.; Rieder, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 24; anders noch H.P. Westermann, DZWiR 2008, 485. Miras, Die neue Unternehmergesellschaft, Rdnr. 166; Berninger, GmbHR 2011, 953, 955. Anders OLG Hamm, GmbHR 2011, 655; zust. Wachter, NJW 2011, 2620, 2623; abw. Klose, GmbHR 2009, 294, 296; Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 33.

412

H. P. Westermann

§ 5a

Unternehmergesellschaft

bezieht sich § 5a Abs. 2 Satz 2 nur auf die Anmeldung der neu gegründeten Gesellschaft zum Handelsregister, so das für eine Kapitalerhöhung §§ 56a, 7 Abs. 2 Satz 1 gelten und damit die Möglichkeit der Übernahme lediglich eines Viertels des Nennbetrages einer Bareinlage und möglicherweise auch einer Erfüllung der Einlageschuld durch die Sacheinlage bestehen würde1. Das letztere erscheint bedenklich, da dann weiterhin gemäß § 5a Abs. 3 die Rücklage aufzubringen wäre, was durch eine Kapitalerhöhung mit Sacheinlagen auch nicht umgangen werden darf2 und auch die Volleinzahlungspflicht weiterhin rechtfertigt. Deshalb wird vertreten, dass auch bei einer beabsichtigten Kapitalerhöhung auf 25 000 Euro oder mehr eine bloße Teileinzahlung nicht genüge, da das Sonderrecht für Kapitalerhöhungen bis zur Mindestkapitalziffer erst dann außer Betracht bleiben könne, wenn wenigstens dieser Betrag effektiv eingezahlt ist; anders also nur dann, wenn durch die Erfüllung der bei der Erhöhung übernommenen Einlagepflicht, auch wenn sie nur teilweise in bar erfolgt, der insgesamt effektiv eingezahlte Betrag die Mindestgrenze erreicht3. Der Einwand4, die Gesellschafter würden hierdurch beim Übergang von der UG zur normalen GmbH schlechter gestellt als bei einer normalen GmbH-Gründung, leuchtet an sich ein, und auch die Vorstellung, dies sei ein systembedingter Preis für die erleichterte Einstiegsmöglichkeit über die UG in die „echte“ GmbH5, überzeugt nicht voll, wenn einmal die für die UG erforderliche Barleistung erbracht ist. Hierbei sollte es in Bezug auf die Volleinzahlungspflicht verbleiben, nachdem nach einer Grundsatzentscheidung des BGH für die Kapitalerhöhung mit Sacheinlagen das Verbot gemäß § 5a Abs. 2 Satz 2 nicht mehr angewendet werden soll, wenn eine die Mindestkapitalgrenze erreichende Erhöhung hierdurch bewirkt werden soll6. Das Wortlaut-Argument, wonach § 5a Abs. 5 auf den Fall anspielt, dass die Gesellschaft ihr Kapital „erhöht“ und nicht „erhöht hat“7, wird allein für die Ent-

1 Hennrichs, NZG 2009, 1161 f.; Paura, in: Ulmer, Erg.-Band MoMiG, Rdnr. 49, 66; krit. gegen eine Besserstellung der UG Wachter, NJW 2011, 2620, 2624. 2 OLG München, NJW 2011, 464; zust. Campos/Nave, BB 2010, 2531; Gehrlein, Der Konzern 2007, 771, 779; Fastrich, in Baumbach/Hueck, Rdnr. 33; Schäfer, in: Henssler/ Strohn, Gesellschaftsrecht, Rdnr. 17. 3 So noch OLG München, NJW 2011, 464; ähnlich OLG Stuttgart BB 2011, 2690 (nur Leitsatz) und OLG Hamm, GmbHR 2011, 655; zustimmend Priester, in: FS G.H. Roth, S. 573, 575; Lieder/Hoffmann, GmbHR 2011, 561, 564; a.M. aber Miras, DB 2010, 2488, 2490; Klose, GmbHR 2010, 1212 f. 4 Bayer/Hoffmann/Lieder, GmbHR 2010, 9, 12; Klose, GmbHR 2010, 1212, 1213; Rieder, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 40; Freitag/Riemenschneider, ZIP 2007, 1485, 1491; Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 26. 5 Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 33; Pfisterer, in: Saenger/Inhester, Rdnr. 26. 6 BGH, ZIP 2011, 955 = GmbHR 2011, 699 m. Komm. Bremer, S. 703 f.; in diesem Sinne auch OLG Hamm, GmbHR 2011, 655; jetzt auch OLG Stuttgart, NZG 2012, 22; ebenso Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 25, Wicke, Rdnr. 7; Waldenberger/Sieber, GmbHR 2009 114; Schäfer, ZIP 2011, 53, 56; Berninger, GmbHR 2010, 63, 66; Wachter, NJW 2011, 2620, 2622; jetzt auch Priester, in: FS G.H. Roth, S. 579; Berninger, GmbHR 2011, 754, 958; dagegen aber Heckschen, DStR 2009, 166, 170; Pfisterer, in: Saenger/Inhester, Rdnr. 26; Gehrlein, Der Konzern 2007, 771, 779; so auch schon Lieder/Hoffmann, GmbHR 2011, 561, 565. 7 Der BGH (ZIP 2011, 955, 956 = GmbHR 2011, 699) bezieht sich in diesem Zusammenhang auf Priester, ZIP 2010, 2182, 2184; Klose, GmbHR 2010, 1212; Lange, NJW 2010, 3686 f.; Miras, DB 2010, 2488, 2491.

H. P. Westermann

413

§ 5a

Unternehmergesellschaft

scheidung der dem Gesetzgeber vielleicht nicht bewussten Streitfrage1 nicht genügen. Eher überzeugt es, dass die UG generell in ihrer Funktion als Einstiegsvariante der GmbH bei ihrem Übergang in die GmbH, zu dem sie Rücklagen nicht immer wird nutzen können, ganz auf Bareinlagen verwiesen werden soll. Mit Recht weist der BGH2 auch darauf hin, dass die grundsätzliche Zulassung von Sacheinlagen die Kontrollfunktion des Verfahrens nach §§ 56 ff. nicht beseitigt. Zum Wegfall der für die Unternehmergesellschaft geltenden Sonderregeln durch eine Kapitalerhöhung gemäß § 5a Abs. 5 s. Rdnr. 29 ff. 19

Neben dem Gebot der Volleinzahlung steht das Verbot, die Einzahlungspflicht durch Sacheinlagen zu erfüllen, was eine Besonderheit allein der Unternehmergesellschaft ist, weil der Gesetzgeber3 eine derartige Finanzierung hier nicht für erforderlich hielt. Eine „offene“ Vereinbarung einer Sacheinlage, auch wenn sie in der Satzung festgelegt wird, wäre wegen des Verstoßes gegen § 5a Abs. 2 Satz 2 nach § 134 BGB nichtig4. Da die Finanzierung ein Teil der Satzung ist, ohne den die anderen Vereinbarungen nicht aufrechtzuerhalten sind, müsste vielfach Gesamtnichtigkeit angenommen werden, was aber schon für das Einlageversprechen nur insoweit bejaht werden sollte, als es als Geldeinlagepflicht aufrechterhalten bleiben kann5. Der Mangel erfasst auch nicht den sonstigen Gesellschaftsvertrag, so dass, wenn trotz des Fehlers eingetragen wird, die Gesellschaft existiert.

20

Die Vorstellung, dass mit § 5a Abs. 2 Satz 2 das Phänomen der sog. verdeckten Sacheinlage gänzlich erledigt sei, weil es nicht mehr auftreten könne6, erscheint voreilig; im Gegenteil hat sich das wissenschaftliche Schrifttum der Frage, ob die „Anrechnungslösung“ des § 19 Abs. 4 oder die frühere Nichtigkeitssanktion für die UG gelten soll, mit großem Aufwand angenommen, obwohl auffällt, dass von den vom BGH zur Anrechnungslösung entschiedenen Fällen7 keiner eine UG betraf und auch sonst keine obergerichtlichen Urteile bekanntgeworden sind8. Im Ausgangspunkt beruht § 19 Abs. 4 auf der Annahme, dass die Vereinbarung einer verdeckten Sacheinlage, deren Begriffsverständnis sich durch die Neuregelung nicht geändert hat9, im Gegensatz zum früheren Recht nicht unwirksam ist, wenn auch eine solche Handhabung den Gesellschafter nicht von seiner Einlagepflicht befreit. Das hat zur Folge, dass der Inferent zwar nicht mehr in vollem Umfang erneut leisten muss, aber sich auf eine „Anrechnung“ 1 2 3 4

5 6 7

8 9

Seibert, GmbHR 2007, 673, 677. ZIP 2011, 955, 957 = GmbHR 2011, 699, 701. Begr. RegE, BT-Drucks. 16/6140, S. 32. Freitag/Riemenschneider, ZIP 2007, 1485, 1486; Gehrlein, Der Konzern 2007, 771, 779; Weber, BB 2009, 842, 845; Priester, in: FS G.H. Roth, 2011, S. 573, 576; Lutter, in: Lutter/ Hommelhoff, Rdnr. 12; Pfisterer, in: Saenger/Inhester, Rdnr. 13. Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 14; Rieder, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 21; Pfisterer, in: Saenger/Inhester, Rdnr. 13. So Joost, ZIP 2007, 2242, 2244; anders schon Lutter, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 13. BGHZ 180, 38 = NJW 2009, 2375 = GmbHR 2009, 540; BGH, NJW 2010, 343; BGH, NJW 2010, 1948 = GmbHR 2010, 700. Die Entscheidungen betreffen die Folgen der Einbringung von Werten, die als Geldeinlage nicht in Betracht kamen. Zum Auseinanderklaffen von wissenschaftlichen Stellungnahmen und bisheriger praktischer Relevanz in diesem Problemkreis Ulmer, GmbHR 2010, 1298. BGHZ 180, 138; Pentz, in: FS Karsten Schmidt, S. 1265, 1273.

414

H. P. Westermann

§ 5a

Unternehmergesellschaft

des Werts der geleisteten Sache berufen kann. Nun ist über den Zweck des § 19 Abs. 4, der ja an sich auf die UG als GmbH anwendbar sein müsste, bei einer Zusammenschau mit dem Sacheinlageverbot des § 5a Abs. 2 Satz 2 auch nach intensiven Studien der Gesetzesmaterialien kaum Einigkeit zur erzielen, wenn man es nicht genügen lässt, dass es bei der UG (haftungsbeschränkt) um eine Erleichterung des Gründungsvorgangs für junge Unternehmensgründer gehen sollte, die hierbei nämlich angesichts der geringen Kapitalanforderungen, wie der Gesetzgeber meinte, Sacheinlagen nicht benötigten, die deshalb als „ausgeschlossen“ erklärt wurden1. Hiernach tritt sogleich die Frage auf, ob es dann systemgerecht sein kann, die Erleichterungen, die § 19 Abs. 4 für den Fall einer Umgehung der Formalien der Sacheinlage im Auge hat, den Gründern einer UG zu versagen2; andererseits muss man sehen, dass das in § 19 Abs. 4 liegende „Umgehungsprivileg“3 nicht auf ein Verbot von Sacheinlagen, wie es für die UG verfügt wurde, sondern auf das Unterlaufen der für solche Finanzierungsmaßnahmen geltenden Vorschriften über Offenlegung und Prüfung reagiert, so dass die Lage bei der UG tatsächlich eine etwas andere ist als bei der normalen GmbH4. Der Unterschied ist freilich nicht groß, da im Fall des § 5a Abs. 2 Satz 2 der Inferent eine Bareinlage schuldet, weil eine Sacheinlage ausgeschlossen ist, während § 19 Abs. 4 davon ausgeht, dass der Inferent auf eine grundsätzlich geschuldete Bareinlage den Wert einer – wirksam – erbrachten Sacheinlage angerechnet bekommt. Dass dem Reformgesetz in dieser Beziehung keine geschlossene Konzeption zugrunde liegt, zeigt sich auch an den Rechtsfolgen der einen oder anderen Lösung: Einerseits erscheint es mit dem Grundansatz des Reformgesetzgebers bei der Einführung sowohl des „Umgehungsprivilegs“ als auch der kapitalschwachen UG schwer vereinbar, bei der UG die Folgen der Vereinbarung einer verdeckten Sacheinlage ganz am bisherigen, den Inferenten stark belastenden Rechtszustand auszurichten, ihn also insbesondere der Gefahr der Doppelzahlung auszusetzen. Dann muss man die gegenüber dem vor dem MoMiG geltenden Recht erleichternde „Anrechnungslösung“ gemäß § 19 Abs. 4 auch auf die UG anwenden5. Versteht man andererseits § 5a Abs. 2 Satz 2 so, dass eine Sacheinlage gar nicht, auch nicht mit den ihre Erfüllungswirkung begrenzenden Folgen des § 19 Abs. 4, vereinbart und geleistet werden kann, so trifft dieses Verbot auch die Absprache über eine Verdeckung der in Wahrheit gemeinten Sachdurch eine Bareinlage. Dann können die Gründer einer UG nicht in den Genuss der gegenüber der bisherigen Rechtsprechung erleichternden Rechtsfolgenbe-

1 Zur Auseinandersetzung mit der Entstehungsgeschichte eingehend Goette, Einführung in das neue GmbH-Recht, 2008, S. 174 ff.; Ulmer, GmbHR 2010, 1298, 1301 f.; Pentz, in: FS Goette, S. 355, 359 ff. 2 Dies bezweifeln Lutter, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 13 und Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 15. 3 Ulmer, GmbHR 2010, 1298, 1301, 1303. 4 Dazu besonders Ulmer, GmbHR 2010, 1298, 1301, 1303; gerade in diesem Punkt anders die auf eine analoge Anwendung des § 19 Abs. 4 für die UG hinauslaufenden Überlegungen von Pentz, in: FS Goette, S. 363 ff. 5 Dafür Lutter, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 13; Veil, ZGR 2009, 623, 631; Römermann/ Passarge, ZIP 2009, 1497, 1502; dagegen Bormann/Urlichs, in: GmbHR-Sonderheft MoMiG, 2008, S. 37, 38 f., 42; Weber, BB 2009, 842, 845; Miras, Die neue Unternehmergesellschaft, S. 43, Wicke, Rdnr. 8. Für Gültigkeit der Beitrittserklärung Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 14.

H. P. Westermann

415

§ 5a

Unternehmergesellschaft

stimmung gemäß § 19 Abs. 4 kommen, sondern müssen wegen mangelnder Erfüllungswirkung der „vorgesehenen“ Bareinlage in vollem Umfang noch einmal, diesmal korrekterweise in bar, leisten und müssen im Insolvenzfall die geleistete „Sache“ als Gegenstand einer Insolvenzforderung zurückzuholen versuchen1. Dass dieser Schutz, dessen Nutzen für die Gläubiger bei Kapitaleinlageversprechen wie in der „normalen“ GmbH (und auch der AG) einleuchten würde, wenn er auch jetzt als überzogen angesehen und durch die Entscheidung für die zivilrechtliche Wirksamkeit des Einbringungsvorgangs modifiziert wurde, nun bei der UG nötig sein soll, ist ein zwar ergebnisbezogenes, aber dennoch zu beachtendes Argument für die Annahme, dass § 19 Abs. 4 auf die UG entsprechend anzuwenden ist2. 21

Das betrifft dann allerdings in erster Linie die Situation nach der Eintragung einer UG, deren Gründer die Verdeckung der an sich gewollten Sach- statt einer Bareinlage gelungen ist; hier verbleibt es bei der „Anrechnungslösung“, während der Registerrichter, dem die Absicht der Gründer bekannt ist, angesichts des Sacheinlageverbots nicht eintragen darf, wobei auch eine nachträgliche Heilung durch eine satzungsändernde Offenlegung der wahren Sachlage nicht in Betracht kommt3. Eine höchstrichterliche Entscheidung würde unter diesen Umständen nicht als Rechtsfortbildung, sondern als Lückenfüllung i.S. der Lösung einer vom Gesetzgeber übersehenen Frage zu betrachten sein. Sollte sie im Sinne der „liberaleren“4 Ansicht ausfallen, die § 19 Abs. 4 anwenden will, so läge dies auf der Linie des MoMiG, die man allerdings für reformbedürftig halten mag5. Unabhängig hiervon muss der Geschäftsführer, auch mit Rücksicht auf die Strafdrohung in § 82 Abs. 1 Nr. 1, den Gesellschaftern klar machen, dass derzeit das Risiko, mehr als die Differenzzahlung gemäß § 19 Abs. 4 erbringen zu müssen, nicht ausgeräumt werden kann6.

22

Vor der Eintragung der Gesellschaft ist nach allgemeinem, für die UG nicht modifiziertem Recht auch zu prüfen, ob die Gesellschaft nicht überschuldet ist. Der in diesem Tatbestand liegende Insolvenzgrund kann aber auch kurz nach der Eintragung auftreten und liegt insbesondere bei einer mit einem sehr niedrigen Startkapital angetretenen Gesellschaft durch erste Investitionen und mögliche Gründungskosten tatsächlich ziemlich nahe. Das Problem wurde schon vor Abschluss der parlamentarischen Beratung mit dem Hinweis auf Änderungs-

1 So auch Freitag/Riemenschneider, ZIP 2007, 1485, 1486; Bormann, GmbHR 2007, 897, 901; Joost ZIP 2007, 2242, 2244. 2 Gehrlein, Der Konzern 2007, 771, 779; Habersack, DB 2008, 2347, 2349; Veil, ZGR 2009, 623, 631 f.; Römermann, NJW 2010, 905, 907; Wälzholz, GmbHR 2008, 841, 842; Pentz, in: FS Goette, S. 359 ff.; Pfisterer, in: Saenger/Inhester, Rdnr. 14; a.M. aber Bormann, GmbHR 2007, 897, 901; Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 12; Ulmer, GmbHR 2010, 1298, 1301 ff.; Priester, in: FS G.H. Roth, 2011, S. 573, 577 f.; Miras, in: Michalski, Rdnr. 42 ff.; Weber, BB 2009, 842, 845; Schäfer, in: Bork/Schäfer, Rdnr. 23. 3 Insoweit ist UImer, GmbHR 2010, 1298, 1299, 1303 f. zu folgen. 4 Kritische (?) Charakterisierung durch Ulmer, GmbHR 2010, 1298, 1301; dem zust. Priester, in: FS G.H. Roth, 2011, S. 573, 577. 5 Grundsätzlich Bayer, GmbHR 2010, 1289 ff. 6 Paura, in: Ulmer, Erg.-Band MoMiG, Rdnr. 51.

416

H. P. Westermann

§ 5a

Unternehmergesellschaft

oder Klarstellungsbedarf beim RegE aufgeworfen1, eine generelle gesetzliche Lösung fehlt aber. Allerdings sind im Hinblick auf die Notarkosten die Gründer selber Schuldner gemäß § 2 KostO2, und eine Überwälzung der Kosten auf die Gesellschaft ist nur begrenzt zulässig (Rdnr. 12). Wendet man also die gewöhnlichen Regeln an3, so ist im Ausgangspunkt klar, dass auch bei der UG das von den Parteien festgesetzte Mindestkapital durch Aktivvermögen oder Rücklagen gedeckt sein muss4, und dass auch nach der Reform dann, wenn das Vermögen die bestehenden Verbindlichkeiten nicht (mehr) deckt, Überschuldung vorliegt; allerdings ist jetzt auch § 19 Abs. 2 InsO anwendbar, der eine durch das FinanzmarktstabilisierungsG veranlasste Neubestimmung des Überschuldungsbegriffs enthält5. Gesellschafterdarlehen, die in diese Berechnung einbezogen werden sollen, müssen mit Rangrücktritt versehen sein6, und für die Bewertung kommt es wie auch sonst auf die Fortführungsprognose an, die naturgemäß bei einem sehr niedrigen Stammkapital nur positiv ausfallen kann, wenn und solange unübersehbare unternehmerische Risiken nicht eingegangen werden. Dass bei erheblichen Unsicherheiten die Gründer bisweilen lieber zur Errichtung einer „normalen“ GmbH greifen werden, hat immerhin zur Folge, dass ein Problem um die Gründungskosten nicht mehr entstehen kann.

IV. Kapitalaufbringung und -erhaltung bei der Unternehmergesellschaft 1. Zur Systematik des Gesetzes Die Regeln über die Effektivität der Kapitalaufbringung gehören zu den Teilen 23 des GmbH-Rechts, die trotz seiner grundsätzlichen Anwendbarkeit auf die UG (Rdnr. 7) nicht unbesehen hierher übertragen werden können. Das ist für das Gebot der Volleinzahlung (Rdnr. 16) und für das Verbot von Sacheinlagen (Rdnr. 19) bereits als Besonderheit der Gründung festgelegt, wodurch auch die Erleichterung in Gestalt des Verzichts auf ein seriöses Mindestkapital in etwa aufgewogen wird7. Im Übrigen treten natürlich Probleme wie etwa die gültige Kapitalaufbringung angesichts von Praktiken wie der Einbringung von Einlagen in einen die Gesellschaft umfassenden Cash-Pool auch bei der UG auf. Vor diesem Hintergrund kann es auch sein, dass bei einem sehr niedrigen Stammkapital Verstöße gegen die Regeln der Kapitalaufbringung eine mögliche Pflicht ei1 Von Drygala, NZG 2007, 561, 565 ff.; zum geltenden Recht in diesem Sinne Lutter, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 11; Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 18; Schäfer, in: Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, Rdnr. 11. 2 Wachter, GmbHR 2008, 1296 ff.; Paura, in: Ulmer, Erg.-Band MoMiG, Rdnr. 44. 3 Bei der UG gibt es kein Problem einer „notwendigen Überschuldung“, Rieder, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 12. 4 Dazu Joost, ZIP 2007, 2242, 2246; Rieder, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 12. 5 Eingehend dazu mit Blick auf die UG Wachter, GmbHR 2008, 1296 ff.; Hirte/Knof/ Mock, ZInsO 2008, 1217; Bitter, ZInsO 2008, 1097; Veil, ZGR 2009, 623, 628 f. unter Hinweis auf die Folgen der Finanzmarktkrise; s. dazu auch Rieder, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 12; aus insolvenzrechtlicher Sicht dazu Karsten Schmidt, DB 2008, 2467 ff. 6 Veil, ZGR 2009, 623, 628; Rieder, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 12. 7 Lutter, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 14: die Prämisse der Aufbringung eines Mindestkapitals werde nicht aufgegeben, sondern nur zeitlich getrennt verwirklicht.

H. P. Westermann

417

§ 5a

Unternehmergesellschaft

nes Gesellschafters begründen, ein zweites Mal auf seine Einlagepflicht zu leisten (Rdnr. 20). Dies muss dann aber keine so tief greifenden Folgen nach sich ziehen, wie es bei Gesellschaften mit einem dem Umfang des Geschäfts einigermaßen entsprechenden Kapital der Fall sein kann1. Das gilt dann auch im Rahmen von Konzernverhältnissen, in die die UG ebenfalls einbezogen sein kann (Rdnr. 38).

2. Die gesetzliche Rücklage (§ 5a Abs. 3) 24

Eine Besonderheit der UG im Hinblick auf Kapitalaufbringung und -erhaltung kann sich aus dem Gebot (§ 5a Abs. 3 Satz 1) ergeben, in jedem Jahresabschluss ein Viertel des um einen Verlustvortrag geminderten Jahresüberschusses in eine gesetzliche Rücklage einzustellen. Dieses Instrument des Gläubigerschutzes, der durch eine Stärkung der Eigenkapitaldecke des Unternehmens in Gestalt einer Ausschüttungssperre erreicht werden soll2, kann auch zu der Notwendigkeit führen, bei wirtschaftlichen Rückschlägen immer wieder neue Mittel „anzusparen“3, kann aber auf der anderen Seite auch zu einer Neigung der Gesellschafter führen, doch einen gewissen Rückfluss der eingelegten Mittel an die Gesellschafter zu veranlassen. Dabei könnte ein Spannungsfeld zwischen der Freiheit der Wahl eines unter 25 000 Euro liegenden Stammkapitals und den Grundsätzen der Kapitalerhaltung entstehen. a) Die Pflicht zur Bildung der gesetzlichen Rücklage

25

Die Pflicht zur Bildung einer besonderen gesetzlichen Rücklage soll bewirken, dass die Gesellschaft innerhalb einiger Jahre die möglicherweise bei der Gründung bestehende Kapitalschwäche durch Thesaurierung und Entstehung einer höheren Eigenkapitalausstattung überwindet4. Den Gesellschaftern wird also ein teilweiser Verzicht auf Ausschüttungen bezüglich eines Teils des nach den gewöhnlichen Regeln (§§ 242, 246 HGB) zu ermittelnden Jahresüberschusses zugemutet, wobei die Begründung von der Annahme ausgeht, bei diesem Gesellschaftstyp werde es häufig Identität von Gesellschaftern und Geschäftsführern geben, so dass diese Personen ihren Lebensunterhalt von den Geschäftsführergehältern bestreiten könnten. Natürlich kann hier das Problem einer verdeckten Gewinnausschüttung auftreten, was aber bei angemessenen Vergütungen nicht zu besorgen ist5. Des weiteren ist nach dem Wortlaut auch klar, dass die Rücklage nur für die in § 5a Abs. 3 Satz 2 Nr. 1–3 aufgeführten Zwecke, also für eine 1 So Joost, ZIP 2007, 2242, 2243. 2 Von einem „Kunstgriff“ des Gesetzgebers, der einerseits eine „GmbH-Light“ habe zulassen, andererseits „das bewährte Kapitalschutzsystem der GmbH“ möglichst habe beibehalten wollen, spricht Joost, ZIP 2007, 2242, 2245. Von „Kapitalaufholung“ spricht Noack, DB 2007, 1395, 1396; dem folgend Paura, in: Ulmer, Erg.-Band MoMiG, Rdnr. 52; skeptisch bezüglich des Gläubigerschutzes Waldenberger/Sieber, GmbHR 2009, 114, 117; s. auch Veil, ZGR 2009, 623, 633 ff.; Schäfer, ZIP 2011, 53; Fastrich, in: Baumbach/ Hueck, Rdnr. 22. 3 Paura, in: Ulmer, Erg.-Band MoMiG, Rdnr. 52; ähnlich Miras, in: Michalski, Rdnr. 68. 4 Begr. RegE, BT-Drucks. 16/6140, S. 32. 5 Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 22; Paura, in: Ulmer, Erg.-Band MoMiG, Rdnr. 54.

418

H. P. Westermann

§ 5a

Unternehmergesellschaft

Kapitalerhöhung nach § 57c sowie zum Ausgleich von Jahresfehlbeträgen und Verlustvorträgen, also nicht zur Gewinnausschüttung, herangezogen werden darf1. Damit erinnert die Zweckbindung der Rücklage an diejenige der gesetzlichen Rücklage gemäß § 150 Abs. 3 AktG, nur dass zu ihrer Bildung ein bedeutend größerer Teil des Jahresüberschusses herangezogen werden muss. Auch darf die Rücklage unabhängig von ihrer jeweiligen Höhe für die zugelassenen Zwecke eingesetzt werden2, und eine betragsmäßige Obergrenze ist nicht vorgesehen. Die Rücklage muss also weiter bedient werden, auch wenn sie zusammen mit dem Stammkapital das gesetzliche Mindeststammkapital der GmbH übersteigt3, was aus der Sicht der Gesellschafter nachteilig sein4 und dazu führen kann, dass bei Erreichen des Mindeststammkapitals die Rücklage zu einer Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln benutzt wird, was § 5a Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 auch erlaubt5. Ebenso wenig gilt eine zeitliche Begrenzung der Rücklagenbildung vor ihrer Verwendung für eine Kapitalerhöhung (dazu Rdnr. 29 ff.). Die die Gesellschafter disziplinierende Kraft einer solchen Regelung mag man höher einschätzen als ihre gläubigerschützende Wirkung, weil zumindest in den ersten Jahren nach der Gründung Gewinne, die die zu zahlenden Geschäftsführervergütungen deutlich übersteigen, alles andere als sicher sind. Es liegt also etwas daran, dem Thesaurierungsgedanken zuwiderlaufende Zugriffe auf die Rücklage zu verhindern, zumal der „Jahresüberschuss“ nicht unbedingt immer eine real vorhandene Größe ist. Er ist grundsätzlich allein aus effektiv erzielten Jahresüberschüssen zu bilden, Verlustvorträge und Gewinnvorträge gehen in die Berechnung nicht ein6, sie dürfen allerdings aus einer bestehenden Rücklage ausgeglichen werden7. Von dem so ermittelten Jahresüberschuss ist dann ein Viertel in die Rücklage einzustellen. (Zur Folge von Verstößen s. Rdnr. 26). Dass u.U. längere Zeit gar keine Gewinne gemacht, solche auch nicht ernstlich angestrebt werden, gehört zu den vom Gesetz akzeptierten Besonderheiten des Wirtschaftens in einer UG. Nicht sonderlich realitätsnah erscheint unter diesen Umständen auch eine – zweifellos zulässige8 – Satzungsbestimmung, die eine höhere Zuwendung an die Rücklage vorschreibt. Zur gerechtfertigten Nutzung der Rücklage näher Rdnr. 28.

1 Veil, GmbHR 2007, 1080, 1082; Weber, BB 2009, 842, 845; Lutter, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 15; Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 20; Miras, in: Michalski, Rdnr. 71; zu den Verwendungszwecken eingehend Müller, ZGR 2012, 81, 84 ff. Zweifel von Freitag/ Riemenschneider, ZIP 2007, 1485, 1488 (ähnl. Veil, GmbHR 2007, 1080, 1082, 1083), ob die Rücklage überhaupt zur Deckung von Verlusten dienen darf, sind durch die letzte Gesetzesfassung beseitigt. 2 Wachter, in: GmbHR-Sonderheft MoMiG, 2008, S. 25, 34; s. auch Lutter, in: Lutter/ Hommelhoff, Rdnr. 20 ff. 3 Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 22; Paura, in: Ulmer, Erg.-Band MoMiG, Rdnr. 52. 4 Veil, ZGR 2009, 623, 635. 5 Joost, ZIP 2007, 2242, 2245; Paura, in: Ulmer, Erg.-Band MoMiG, Rdnr. 52. 6 Paura, in: Ulmer, Erg.-Band MoMiG, Rdnr. 53. 7 Näher Miras, in: Michalski, Rdnr. 77, 78. 8 Lutter, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 17 mit der Ergänzung, dass dies auch durch Gesellschafterbeschluss geschehen kann.

H. P. Westermann

419

§ 5a

Unternehmergesellschaft

b) Verstöße und Umgehungsversuche 26

Wie erläutert, haben die Gesellschafter die Möglichkeit, durch Vergütungsansprüche, die sie selbst festsetzen, den Jahrsüberschuss und damit die Rücklage zu vermindern1. Das kann Geschäftsführergehälter, aber auch andere Verträge eines Gesellschafters oder seiner nahen Angehörigen mit der Gesellschaft betreffen, etwa Darlehen, Beratungsverträge, Vermietung und Verpachtung, Lizenzierung. Wenn und soweit derartige Leistungen an Gesellschafter gegen die Kapitalbindung nach Maßgabe des § 30 verstoßen, weil sie dem hier anzustellenden Drittvergleich nicht standhalten (§ 30 Rdnr. 19), bestehen die Rückgewähransprüche der Gesellschaft aus § 312. Wenn diese Begrenzung der Ausschüttung eingehalten ist, bleibt als Reaktion auf die gewinnmindernde Berücksichtigung überhöhter und dem arms-length-Maßstab nicht entsprechender Aufwendungen in der Bilanz nur eine bilanzrechtliche Sanktion. Im Übrigen kommen für Verstöße schuldund gesellschaftsrechtliche Folgen verschiedener Art in Betracht. Die Begründung des RegE geht davon aus, ein Verstoß gegen § 5a Abs. 3 bei der Bilanzierung ziehe die Nichtigkeit der Feststellung des Jahresabschlusses entsprechend § 256 AktG sowie die Nichtigkeit des darauf folgenden Gewinnverwendungsbeschlusses nach sich3. Doch kann – und muss – die Gesellschafterversammlung, wenn die ihr vorzulegende Bilanz die Pflicht zur Bildung der Rücklage nicht berücksichtigt hat, diese ändern und veranlassen, dass verbotswidrig erfolgte Zahlungen nach §§ 30, 31 oder auch gemäß § 812 BGB4 zurückgefordert werden. Kein hierher gehörender Fall liegt vor, wenn andere Buchungsvorgänge, die nicht korrekt sind, den Jahresüberschuss sinken lassen. Freilich ist die Sanktion der Nichtigkeit von Jahresabschluss und Gewinnfeststellung, da die Gesellschafter und zumeist auch der Geschäftsführer hier unter sich sind, nicht unbedingt sehr einschneidend, auch nicht aus der Perspektive des Gläubigerschutzes. Ein – etwa an die Behandlung eigenkapitalersetzender Mittel angeglichenes – „Rücklagenersatzrecht“ bedürfte einer speziellen gesetzlichen Regelung5. Das Vorliegen einer verdeckten Gewinnausschüttung i.S. des Steuerrechts wird den Gläubigern nicht ohne weiteres bekannt werden, zumal deswegen, wenn die Leistungen tatsächlich aufwandswirksam sind, möglicherweise die Bilanz nicht unrichtig ist. 1 Bormann, GmbHR 2007, 897, 899; Freitag/Riemenschneider, ZIP 2007, 1485, 1488; Veil, GmbHR 2007, 1080, 1083; Wicke, Rdnr. 11; s. auch Joost, ZIP 2007, 2242, 2245; Priester, in: FS G.H. Roth, 2011, S. 573, 581. 2 Gehrlein, Der Konzern 2007, 771, 780; Joost, ZIP 2007, 2242, 2247; Weber, BB 2009, 842, 845; Lutter, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 16; Pfisterer, in: Saenger/Inhester, Rdnr. 22; Paura, in: Ulmer, Erg.-Band MoMiG, Rdnr. 54; a.M. Noack, DB 2007, 1195 f. Zu der Frage, ob im Übrigen die Kapitalerhaltung nach § 30 außer dem zur Deckung des Stammkapitals erforderlichen Vermögen auch die zur Deckung der Rücklage nötigen Mittel erfasst, s. Rdnr. 28. 3 Begr. RegE, BT-Drucks. 16/6140, S. 32; dem folgend Gehrlein, Der Konzern 2007, 771, 780; Freitag/Riemenschneider, ZIP 2007, 1485, 1488; Pfisterer, in: Saenger/Inhester, Rdnr. 22; Lutter, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 16; Paura, in: Ulmer, Erg.-Band MoMiG, Rdnr. 60; Miras, in: Michalski, Rdnr. 80; Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 23. 4 Im Einzelnen Müller, ZGR 81, 92 f. Damit kommt es auch dann zur Rückforderung, wenn die Anwendung der §§ 30, 31 aus theoretischen Gründen abgelehnt wird, Paura, in: Ulmer, Erg.-Band MoMiG, Rdnr. 60. Zu Schadensersatzansprüchen zurückhaltend Müller, ZGR 2012, 81, 95. 5 Paura, in: Ulmer, Erg.-Band MoMiG, Rdnr. 55 gegen Römermann/Passarge, ZIP 2009, 1497, 1502.

420

H. P. Westermann

§ 5a

Unternehmergesellschaft

Solange die UG „kleine Kapitalgesellschaft“ i.S. des § 267 Abs. 1 HGB ist, unter- 27 liegt ihr Jahresabschluss auch keiner Pflichtprüfung, § 316 Abs. 1 HGB. Die Pflicht auch solcher Gesellschaften zur Einreichung und Veröffentlichung des Jahresabschlusses, also Bilanz und Anhang, nicht aber der Gewinn- und Verlustrechnung (§§ 325 Abs. 1, 326 HGB), wird regelmäßig ebenfalls nicht ohne weiteres zur Aufdeckung von Manipulationen zu Lasten des Jahresüberschusses und damit der Thesaurierung führen1. Ohnehin werden derartige Sachverhalte meistens erst bei Streitigkeiten unter den Gesellschaftern sowie in der Insolvenz der Gesellschaft zum Gegenstand von Ansprüchen gegen die Gesellschafter werden. Ein Informationsrecht einzelner Gläubiger, die möglicherweise die Rückgewähransprüche der Gesellschaft pfänden wollen, müsste angesichts der hierfür zu engen Formulierung der §§ 809, 810 BGB durch Gesetz eingeführt werden2; das ist nicht geschehen. c) Gerechtfertigte Nutzung der Rücklage Der Funktion der Rücklage im Rahmen der Finanzierung der UG entspricht als 28 Grundsatz eine Ausschüttungssperre, die auch nicht davon abhängt, ob der zurückgelegte Betrag die Höhe von 25 000 Euro erreicht oder überschreitet3; auch auf die Kriterien des § 30 kommt es nicht an4. Die zulässigen Verwendungszwecke sind in § 5a Abs. 3 Satz 2 abschließend genannt, wobei der Einsatz für eine Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln (§ 57c) hauptsächlich dem „Hineinwachsen“ der UG in die „normale“ GmbH dient. Ein Einsatz der Rücklage im Rahmen eines „Schütt-aus-Hol-zurück-Verfahrens“ geht ebenfalls nicht an5. Die in § 5a Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 zugelassene Verwendung zum Ausgleich eines Jahresfehlbetrags, soweit er nicht durch einen Gewinnvortrag aus dem Vorjahr gedeckt ist (Nr. 2), muss offen auf Positionen aus dem konkret aufzustellenden und festzustellenden Jahresabschluss und seinen Vorgängern gestützt werden; der Geschäftsführer hat bei der Aufstellung der Bilanz, ebenso die Gesellschafterversammlung bei ihrer Feststellung, den Fehlbetrag durch Ausbuchung aus der Rücklage abzudecken6. Nicht gestattet ist, unterjährig die Rücklage zur Ausgleichung aufgetretener Verluste einzusetzen. Dasselbe gilt für den Fall des Ausgleichs eines Verlustvortrags aus dem Vorjahr, soweit er nicht durch einen Jahresüberschuss aufgewogen ist (Nr. 3). Ein Jahresabschluss darf also immerhin, bevor die Rücklage in Höhe von einem Viertel bedient ist, zum Ausgleich eines im Vorjahr gebildeten Verlustvortrags benutzt werden7, nicht etwa müssen vorher alle Rücklagen angegriffen worden sein8. Wenn die Rücklage zur Verlustdeckung angegriffen wird, bleibt es für die Folgezeit bei der Notwendigkeit, aus etwaigen Gewinnen weiterhin zu thesaurieren, was erst endet, wenn durch Ka1 2 3 4

5 6 7 8

Auch dazu Freitag/Riemenschneider, ZIP 2007, 1485, 1488. Das forderten Freitag/Riemenschneider, ZIP 2007, 1485, 1489. Paura, in: Ulmer, Erg.-Band MoMiG, Rdnr. 56; Miras, in: Michalski, Rdnr. 68. Pfisterer, in: Saenger/Inhester, Rdnr. 21; auch eine Unterscheidung nach Maßgabe des § 150 Abs. 3 und 4 AktG findet nicht statt, Paura, in: Ulmer, Erg.-Band MoMiG, Rdnr. 56. Pfisterer, in: Saenger/Inhester, Rdnr. 21; Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 20. Lutter, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 20; Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 21. Lutter, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 21; Pfisterer, in: Saenger/Inhester, Rdnr. 21. Paura, in: Ulmer, Erg.-Band MoMiG, Rdnr. 59.

H. P. Westermann

421

§ 5a

Unternehmergesellschaft

pitalerhöhung das gesetzliche Mindestkapital erreicht ist. Daneben ist die Frage gestellt worden, ob die gesetzliche Rücklage auch unter dem Schutz des Kapitalerhaltungsgebots gemäß § 30 steht1. Da das Gesetz die umfassende Zweckbindung der Rücklage mit dem Wort „nur“ so ausgedrückt hat, dass die in § 5a Abs. 3 Satz 2 Nr. 1–3 genannten Verwendungszwecke neben der Benutzung zur Kapitalerhöhung als abschließende Aufzählung zu betrachten sind, und da es für die Reichweite der Ausschüttungssperre nicht auf die Entstehung von Unterbilanz oder auf das Vorhandensein eines Jahresüberschusses im Jahr der Auskehrung ankommt, scheint eine Notwendigkeit, die Rücklage wie das Stammkapital bilanziell durch Aktivvermögen zu decken, bevor Ausschüttungen an die Gesellschafter möglich sind, nicht gegeben. Dies ginge auch über die insoweit klare Formulierung des § 30, die sich nur auf den Schutz des Stammkapitals bezieht, deutlich hinaus. Natürlich sind aber verdeckte Gewinnausschüttungen, die die Pflicht zur Rücklagenbildung umgehen, auch dann verboten, wenn sie nicht zu Unterbilanz i.S. des § 30 führen. Insgesamt ist somit die Pflicht zur Bildung und Aufrechterhaltung der gesetzlichen Rücklage mit einer erheblichen Einschränkung der Kapitalflexibilität verbunden2.

3. Die Kapitalerhöhung aus der Rücklage 29

Wenn die Rücklage, ihrem hauptsächlichen Zweck entsprechend, zur Kapitalerhöhung verwendet wird und das Kapital die gesetzliche Mindesthöhe von 25 000 Euro erreicht hat oder übersteigt, so wird die Gesellschaft (auch wenn die Kapitalerhöhung nicht aus der Rücklage finanziert wurde) künftig nach dem gewöhnlichen GmbH-Recht behandelt. § 5a Abs. 5 drückt dies so aus, dass hinfort die Absätze 1–4 der Vorschrift keine Anwendung mehr finden, ohne dass sich die Firmierung ändern muss. Das gilt also auch, wenn die Kapitalerhöhung durch Einlagen der Gesellschafter finanziert worden ist3. Es genügt hierfür nicht, dass die Rücklage den Betrag des Mindeststammkapitals erreicht, sondern es kommt darauf an, dass das Stammkapital auf dem hierfür gesetzlich vorgesehenen Weg, also durch Gesellschafterbeschluss und Registereintragung, auf diesen Betrag erhöht worden ist, wozu nach § 5a Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 die Rücklage verwendet werden darf; da es sich hierbei um eine Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln handelt, müssen auch deren sonstige Voraussetzungen vorliegen (Rdnr. 30); zum Einsatz von Sacheinlagen in diesem Zusammenhang Rdnr. 18, 19. Der Einsatz eines genehmigten Kapitals i.S. des § 55a ist zwar möglich, wird aber praktisch kaum in Betracht kommen4. Eine zeitliche Begrenzung der Kapi1 Dagegen Noack, DB 2007, 1395 f.; Wachter, in: GmbHR-Sonderheft MoMiG, 2008, S. 25, 34; Waldenberger/Sieber, GmbHR 2009, 114, 118; Paura, in: Ulmer, Erg.-Band MoMiG, Rdnr. 69; a.M. aber Joost, ZIP 2007, 2242, 2247; Wälzholz, GmbH-StB 2007, 316, 324; Schäfer, ZIP 2011, 53, 58; Miras, in: Michalski, Rdnr. 81; wohl auch Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 22. 2 Für eine Verschärfung der Verhaltenshaftung anstelle der Anwendung des § 30 Noack, DB 2007, 1395, 1397; krit. zum Umfang der Kapitalaufholung aber Lutter, BB/Beil. 7/2006, S. 1, 3. 3 So Begr. RegE zu § 5a Abs. 5, BT-Drucks. 16/6140, S. 32; ebenso Joost, ZIP 2007, 2242, 2246; Veil, ZGR 2009, 623, 626; Wicke, Rdnr. 14; Paura, in Ulmer, Erg.-Band MoMiG, Rdnr. 66; Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 26; Pfisterer, in: Saenger/Inhester, Rdnr. 25. 4 Paura, in: Ulmer, Erg.-Band MoMiG, Rdnr. 68.

422

H. P. Westermann

§ 5a

Unternehmergesellschaft

talaufholung ist vom Gesetz nicht gewollt, ebensowenig eine Obergrenze für die Höhe der Rücklage, was praktisch bedeutet, dass die Gesellschafter nicht verpflichtet sind, durch Kapitalerhöhung die Sonderregeln des § 5a, damit also auch die Pflicht zur weiteren Bedienung der Rücklage aus Jahresüberschüssen, „abzuschütteln“1. Sie können also auch auf Dauer nach den Regeln über die UG weiterleben, diese „muss nicht erwachsen werden“2. Der Vorgang des Eintretens in die GmbH wird bisweilen als „Umwandlung“ bezeichnet, wobei aber klar ist, dass es sich nicht um einen Fall nach dem UmwG handelt3, da die Veränderung automatisch durch die gültig herbeigeführte Bildung des erhöhten Stammkapitals geschieht. Die Gesellschaft ist vor und nach diesem Vorgang eine GmbH, es findet also auch keine Gesamtrechtsnachfolge statt4, und die „Umwandlung“ ist steuerneutral5. Allerdings ändert sich die Finanzverfassung, so dass von einem Formwechsel gesprochen werden kann6, ohne dass aus dieser Formulierung aber Schlüsse auf die nunmehr anwendbaren Rechtsnormen gezogen werden sollten. Am besten ist der Vorgang als das Entfallen eines bis dahin geltenden Sonderrechts zu kennzeichnen7. Wenn die Rücklage für eine Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln einge- 30 setzt wird, kommt über § 57c Abs. 4 auch § 57d zum Zuge, dessen Abs. 1 verlangt, dass die Rücklage in der letzten Jahresbilanz vor dem Kapitalerhöhungsbeschluss ausgewiesen sein muss, und nach dessen Abs. 2 die Umwandlung der Rücklage nicht stattfinden darf, wenn die Bilanz einen Verlust oder einen Verlustvortrag ausweist. Das würde heißen, dass selbst nach guten Jahren, in denen eine zur Umwandlung ausreichende Rücklage gebildet worden ist, nach einem (einzigen) Verlustjahr nicht einmal dann, wenn der Verlust die Rücklage nicht unter die 25 000 Euro absinken lässt, dieser Weg in die „normale“ GmbH eröffnet wäre8. Das leuchtet indessen nicht ein, vielmehr sollte § 57d Abs. 2 auch in diesem Zusammenhang so verstanden werden, dass die zur Kapitalerhöhung bestimmte Rücklage um den ausgewiesenen Bilanzverlust zu kürzen ist (s. 10. Aufl., § 57d Rdnr. 9)9, was den Wechsel aus der UG, wenn das Mindeststammkapital gemäß § 5 erreicht werden kann, offen hält. Auch können die Gesellschafter bei der Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln u.U. den Ausweis eines Bilanzverlusts durch Verrechnung mit Rücklagen vermeiden. Zur Frage, 1 Veil, GmbHR 2007, 1080, 1082; Wachter, in: GmbHR-Sonderheft MoMiG, 2008, S. 25, 34; Weber, BB 2009, 842, 846; Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 20, 25. 2 Formulierung von Veil, GmbHR 2007, 1080, 1081; zust. Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 25; Miras, in: Michalski, Rdnr. 110; Pfisterer, in: Saenger/Inhester, Rdnr. 20; krit. noch der Handelsrechtsausschuss DAV, NZG 2007, 737. 3 Freitag/Riemenschneider, ZIP 2007, 1485, 1490 f.; so auch die Begr. RegE zu § 5a Abs. 5, BT-Drucks. 16/6140, S. 32; der Vorgang wird auch als „upgrade“ bezeichnet, Lieder/Hoffmann, GmbHR 2011, 561. 4 Veil, GmbHR 2007, 1080, 1081. 5 Rieder, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 37; Miras, in: Michalski, Rdnr. 117. 6 Freitag/Riemenschneider, ZIP 2007, 1485, 1490 f. 7 Vom „Wegfall der Sondervorschriften“ sprechen Wicke, Rdnr. 14 und Weber, BB 2009, 842, 846; s. auch Pfisterer, in: Saenger/Inhester, Rdnr. 25; Schäfer, in: Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, Rdnr. 29. 8 Klose, GmbHR 2009, 294, 298; Freitag/Riemenschneider, ZIP 2007, 1485, 1487. 9 Veil, GmbHR 2007, 1080, 2082; ebenso Wachter, in: GmbHR-Sonderheft MoMiG, 2008, S. 25, 34.

H. P. Westermann

423

§ 5a

Unternehmergesellschaft

ob die Kapitalerhöhung auch durch Sacheinlagen geschehen kann, die differenziert zu beantworten ist, s. Rdnr. 18, 19. Jedenfalls muss die Einlageleistung durch Sacheinlagen wie auch sonst bei Gründung oder Kapitalerhöhung bei der Anmeldung angegeben werden. Formell geschieht die Umwandlung in Gestalt eines Beschlusses der Gesellschafterversammlung, wie den Abs. 2 und 3 des § 57c zu entnehmen ist, und für den nach dem gemäß § 57c Abs. 4 anzuwendenden § 53 Abs. 2 eine notarielle Beurkundung erforderlich ist. Die Beschlussfassung in der Gesellschafterversammlung unterliegt, da es sich um eine Satzungsänderung handelt, nach § 53 Abs. 2 dem Erfordernis einer Dreiviertelmehrheit, so dass es zu Konflikten zwischen Mehrheit und Minderheit kommen kann1, bei deren Beurteilung dann die Motive eine Rolle spielen, die einen Gesellschafter dazu veranlassen können, trotz vorhandener Finanzierungsmöglichkeiten für eine Umwandlung in der Form der UG verbleiben zu wollen, wobei als Ausgangspunkt klar ist, dass es einen Zwang, die UG zu verlassen, nicht gibt. Da es sich um eine Satzungsänderung handelt, tritt die Wirksamkeit mit der Eintragung im Handelsregister ein2. 31

Das Gesetz äußert sich nicht ausdrücklich zu allen Folgen der „Umwandlung“ der UG in eine „normale“ GmbH, die sich zunächst durch das Entfallen der Sonderregeln kennzeichnen lassen, abgesehen davon, dass nach § 5a Abs. 5 Halbsatz 2 die Firma der UG (Rdnr. 14) beibehalten werden darf. Daran wird freilich kaum jemals ein Interesse bestehen. Andererseits ist im Firmenrecht der Grundsatz der Firmenkontinuität stark genug ausgeprägt, dass der Rechtsverkehr aus der Firmierung nicht den Schluss ziehen könnte, in der Gesellschaft werde weiterhin regelmäßig ein (nicht unerheblicher) Teil des Gewinns in eine Rücklage eingestellt; bzgl. der Höhe des Stammkapitals besteht ohnehin Registerpublizität3. Nach heute wohl klar h.M.4 darf die Rücklage, soweit sie nicht für die Erhöhung des Stammkapitals verwendet werde, nunmehr aufgelöst werden. Der Einwand, die Gläubiger hätten sich auf die Existenz der in der Bilanz ausgewiesenen Rücklage verlassen, so dass die Gesellschafter, wenn sie die Mittel als Gewinn ausschütten wollen, zunächst mit sämtlichen zurückgelegten Mitteln eine Kapitalerhöhung durchführen und anschließend eine Kapitalherabsetzung nach §§ 58, 58b vorzunehmen hätten, ließe die Freiheit unberücksichtigt, in der „normalen“ GmbH mit der Rücklage nach Gesetz und Satzung, im Übrigen nach unternehmerischer Einschätzung zu verfahren, soweit nicht das Gebot der Kapitalerhaltung entgegensteht. Allerdings kann eine Überführung von Werten ins Privatvermögen der Gesellschafter unter Auflösung der Rücklage im Einzelfall einen Tatbestand der Existenzvernichtungshaftung erfüllen; von der Schaffung einer auf die UG 1 Veil, GmbHR 2007, 1080, 1083. 2 Klose, GmbHR 2009, 294, 297; Rieder, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 38. 3 Freitag/Riemenschneider, ZIP 2007, 1485, 1491 kritisieren dennoch ein Irreführungspotential. Für Beibehaltung des Rechtsformzusatzes in der Firma Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 28; Pfisterer, in: Saenger/Inhester, Rdnr. 28; wie hier auch Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 35; anders Goette, Einführung in das neue GmbH-Recht, 2008, Rdnr. 47. 4 Der Begr. RegE, BT-Drucks. 16/6140, S. 32 l.Sp. folgend Joost, ZIP 2007, 2242, 2247; Gehrlein, Der Konzern 2007, 781; Hennrichs, NZG 2009, 1161, 1166; Veil, ZGR 2009, 623, 632; Wicke, Rdnr. 14; Lutter, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 23; Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 25.

424

H. P. Westermann

§ 5a

Unternehmergesellschaft

oder auch nur auf ihren Wechsel in die „normale“ GmbH bezogenen Durchgriffshaftung wurde aber mit Recht abgesehen, da dies kein auf die UG beschränktes Problem ist1, und auch eine Pflicht, das Kapital bei höheren Bedürfnissen des Unternehmens „mitwachsen“ zu lassen, besteht nicht, da der Gesetzgeber unmissverständliche Regeln über das Mindestkapital getroffen hat. Zur offenen oder gar gezielten Unterkapitalisierung s. Rdnr. 8. Das Gesetz befasst sich nicht mit dem Fall des Wechsels einer GmbH in eine 32 UG. Nun liegt dies sicher nicht im Sinne der gesetzlichen Neuschöpfung, die als Einstiegsvariante gedacht war2. Entscheidend ist aber, dass eine Kapitalherabsetzung unter das gesetzliche Mindeststammkapital nach § 58 Abs. 2 Satz 1 (s. auch § 58a Abs. 4 Satz 1) nicht zulässig ist3. Bedenklich wäre es auch, wenn die durch die Umwandlung entstehende UG außer ihrem – möglicherweise geringen – Stammkapital nicht auch eine Rücklage haben würde, die dann hinfort nur noch zu den in § 5a Abs. 3 genannten Zwecken verwendet werden darf, auch wenn nach § 58b die aus einer Kapitalherabsetzung genommenen Beträge in die Kapitalrücklage eingestellt werden müssen. Möglich – abgesehen von Fällen mit Manipulationsverdacht – wäre, dass die GmbH eine Tochter in der Rechtsform der UG gründet und sich sodann auf diese verschmilzt4; dies alles ist allerdings mit Rücksicht auf die Publizität der Vorgänge gewiss nicht praktikabel. Anders ist die Rechtslage bei einem Versuch beurteilt worden, eine als GmbH gegründete Vorgesellschaft, die (aus der Zeit vor dem MoMiG stammend) über Jahre hinweg nicht zur Eintragung angemeldet worden war, jetzt durch Satzungsänderung zu einer UG mit einem deutlich niedrigeren, aber voll eingezahlten Stammkapital werden zu lassen. Dies hat das OLG Frankfurt, da es sich um eine Vor-GmbH handelte, nicht als Herabstufung einer GmbH zur UG, sondern als Neugründung gelten lassen5, obwohl die Regeln über eine Neugründung gerade nicht eingehalten waren6. In der Tat scheint angesichts der fortbestehenden Haftung der Gründer ein Verbot unter Gesichtspunkten des Gläubigerschutzes nicht erforderlich. Kaum zu überwinden ist aber das Bedenken, dass angesichts des offenbar lange zurückliegenden Entschlusses, die Gründung der GmbH nicht weiterzubetreiben, diese als Kapitalgesellschaft untergegangen war und eine Umwandlung der Personengesellschaft in eine UG durch bloßen Beschluss nicht in Betracht kommt7. 1 Ebenso Veil, GmbHR 2007, 1080, 1085; zur Einstellung der Rechtsprechung hier nur Pfisterer, in: Saenger/Inhester, Rdnr. 28; Paura, in: Ulmer, Erg.-Band MoMiG, Rdnr. 69; Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 33; a.M. nur Freitag/Riemenschneider, ZIP 2007, 1485, 1491. 2 Wachter, in: GmbHR-Sonderheft MoMiG, 2008, S. 25, 34; Tettinger, Der Konzern 2008, 75, 77; Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 30; Lutter, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 33; Schäfer, in: Henssler/Strohn, Gesellschafrsrecht, Rdnr. 30. 3 So wohl Lutter, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 34; Tebben, DNotZ 2008, 441, 446; Heckschen, DStR 2009, 166; Rieder, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 9; Paura, in: Ulmer, Erg.-Band MoMiG, Rdnr. 72; s. auch Römermann/Passarge, ZIP 2009, 1497, 1499; abweichend Veil, GmbHR 2007, 1080, 1084. 4 Römermann/Passarge, ZIP 2009, 1497, 1500; folgend Paura, in: Ulmer, Erg.-Band MoMiG, Rdnr. 72. 5 OLG Frankfurt, GmbHR 2011, 984. 6 Einwand von Wachter, GmbHR 2011, 986. 7 Insoweit ist Wachter, GmbHR 2011, 986, 987 zu folgen.

H. P. Westermann

425

§ 5a

Unternehmergesellschaft

4. Die Pflicht zur Einberufung der Gesellschafterversammlung (§ 5a Abs. 4) 33

Eine Besonderheit der UG ist die in § 5a Abs. 4 dem Geschäftsführer vorgeschriebene unverzügliche Einberufung der Gesellschafterversammlung bei drohender Zahlungsunfähigkeit. Damit ist neben dem ohnehin stets zu beachtenden § 49 Abs. 2 offensichtlich der in § 18 Abs. 2 InsO angesprochene Zeitpunkt gemeint1, auf den es also ankommen soll, weil bei der UG die Information der Gesellschafter über eine so schwere Krisensituation zum sofortigen Handeln zwingen soll, wofür die Anknüpfung an den Verlust der Hälfte des Stammkapitals (im Sinne des § 49 Abs. 3) nicht genüge2. Für eine Rettung der Gesellschaft ist dieser Zeitpunkt gewiss der letztmögliche3. Das ändert nichts daran, dass auch ein Tatbestand gemäß § 49 Abs. 3 eine Krise signalisiert, was gemäß § 49 Abs. 2 Anlass zu einer Einberufung der Gesellschafterversammlung sein kann. Wenn deshalb im Schrifttum – wenn auch hauptsächlich in der Vorstellung, dass der Zeitpunkt der Zahlungsunfähigkeit i.d.R. zur Bekämpfung der Krise zu spät liegen wird – die Forderung erhoben wird, dass durch § 5a Abs. 4 die Verlustanzeigepflicht gemäß § 49 Abs. 3 nicht verdrängt werden dürfe4, so ist einzuräumen, dass bei der UG, die ja eine GmbH ist, die Anwendung der Norm sinnvoll erscheint. Der Wortlaut des § 5a Abs. 4, der die Anzeigepflicht bei drohender Zahlungsunfähigkeit abweichend von § 49 Abs. 3 begründet, lässt sich – bei einiger Bereitschaft zur Rechtsfortbildung – auch als Kumulation beider Regelungen interpretieren. Schließlich wird der Geschäftsführer schon in Beachtung seiner allgemeinen Pflichten bei einer für die Gesellschafter nicht schon mit Händen zu greifenden Krisensituation die Gesellschafterversammlung einberufen und auf Maßnahmen der hierfür zuständigen Anteilseigner zu drängen haben5. Bei drohender Zahlungsunfähigkeit muss dann eine Prognose über die künftige Liquiditätsentwicklung stattfinden, bezogen auf die Fälligkeit der bei der Einberufung übersehbaren Verbindlichkeiten6. Die Einberufung einer besonderen Versammlung ist entbehrlich, wenn alle Gesellschafter zugleich Geschäftsführer sind7. Zu den Folgen von Verstößen gegen die Einberufungspflicht s. 10. Aufl., § 49 Rdnr. 34 ff.

1 Veil, GmbHR 2007, 1080, 1083; Joost, ZIP 2007, 2242, 2248; Weber, BB 2009, 842, 846; Paura, in: Ulmer, Erg.-Band MoMiG, Rdnr. 62; zu den Gründen auch Römermann/Passarge, ZIP 2009, 1497, 1502. 2 Begr. RegE, BT-Drucks. 16/6140, S. 32. 3 Joost, ZIP 2007, 1080, 1082; Veil, ZGR 2009, 6213, 627; Lutter, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 28. 4 Noch de lege ferenda Freitag/Riemenschneider, ZIP 2007, 1485, 1489; Joost, ZIP 2007, 2242, 2247; schon de lege lata Weber, BB 2009, 842, 846; für eine Verdrängung des § 49 Abs. 3 Goette, WPg 2008, 231, 237. 5 Dazu Veil, ZGR 2006, 374 ff.; H.P. Westermann, DZWiR 2006, 158 ff.; für eine Abweichung von § 49 Abs. 3 Paura, in: Ulmer, Erg.-Band MoMiG, Rdnr. 62; Miras, in: Michalski, Rdnr. 106; Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 27; Schäfer, in: Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, Rdnr. 27. 6 Lutter, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 28. 7 Paura, in: Ulmer, Erg.-Band MoMiG, Rdnr. 61.

426

H. P. Westermann

§ 5a

Unternehmergesellschaft

V. Die Unternehmergesellschaft als Gestaltungsinstrument 1. Gründungsphase Neben der in Rdnr. 32 erörterten „Umwandlung“ einer Vor-GmbH in eine UG 34 kann die gesetzliche Verfassung der UG in einigen Punkten Anreize zu Gestaltungen bieten, die schon aus dem allgemeinen GmbH-Recht bekannt sind. Da der finanzielle Aufwand für die Gründung der UG nicht hoch zu sein braucht, ist sie u.U. interessant für Vorratsgründungen1, zumal ein Erwerber keine großen Schwierigkeiten haben wird, später eine Umwandlung in eine „normale“ GmbH mit einer weniger hinderlichen Firmierung und ohne die Pflicht zur Bildung der gesetzlichen Rücklage durch Einlage von Kapital zu vollziehen. Allerdings sind für die eigentliche Gründung die Anforderungen an die Angabe des Unternehmensgegenstandes (s. § 3 Rdnr. 9 ff.) zu beachten, und der entstandene Mantel muss bei seiner späteren Verwendung im Einklang mit den gerade in jüngster Zeit deutlich präzisierten Anforderungen der Handelndenhaftung bei einer „wirtschaftlichen Neugründung“2 wie auch mit den Gründungserfordernissen einer UG stehen und gehalten werden. Das bedeutet namentlich, dass nur Bareinzahlung der Einlagen in Betracht kommt und das bei Errichtung der Vorratsgesellschaft vorhandene Stammkapital nicht angetastet werden darf (im Einzelnen zur Vorratsgründung § 3 Rdnr. 21 ff.). Wenn aber das für die UG bei ihrer Entstehung vereinbarte Stammkapital nicht hoch ist, dürfte die Einhaltung dieser Ansprüche einschließlich der Hindernisse bei einer Rückzahlung der Bareinlage möglich sein. Auch wenn ein „gebrauchter“ UG-Mantel erworben wird, was zugelassen wird3, bleiben die Regeln über die Bar- und die Volleinzahlung in vollem Umfang relevant. Wenn es sich hierbei um einen so genannten „leeren Mantel“ handelt, wird auch die Notwendigkeit, Gründungsformalitäten nachzuholen (§ 3 Rdnr. 30 ff.), ein Hindernis für die „Belebung“ des Mantels kaum bilden. Ein formales Vorgehen ist aber besonders im Hinblick auf das Misstrauen, das einer UG sicher auch zur Zeit auch noch entgegengebracht wird, durchaus zu empfehlen. Ohnehin dürfte aber die Vollgründung einer UG meistens gegenüber dem Erwerb eines Mantels, insbesondere wenn dieser über den kommerziellen Handel mit Vorratsgesellschaften geschieht, der einfachere Weg sein.

2. Die UG im Umwandlungsrecht Die UG kann Gegenstand von Umwandlungen nach Maßgabe des UmwG sein4, 35 auch von solchen, die mehr sind als ein Wechsel von der Einstiegsvariante in die vollwertige GmbH (dazu Rdnr. 29 ff.). Dies gilt auch in Bezug auf einen Formwechsel gemäß § 190 UmwG, weil der Weggang aus der UG einen Formwechsel 1 So auch Joost, ZIP 2007, 2242, 2248; Waldenberger/Sieber, GmbHR 2009, 114, 122; Heckschen, Das MoMiG in der notariellen Praxis, 2009, S. 85 f. 2 BGH, GmbHR 2011, 1032 mit Komm. Bayer, S. 1034. 3 Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 5; Wicke, Rdnr. 4. 4 Zum Grundsatz Bormann, GmbHR 2007, 897, 899; Weber, BB 2009, 842, 846; Hennrichs, NZG 2009, 1161, 1163; Paura, in: Ulmer, Erg.-Band MoMiG, Rdnr. 73 ff.; Lutter, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 33; Wicke, Rdnr. 18; Pfisterer, in: Saenger/Inhester, Rdnr. 17; Miras, in: Michalski, Rdnr. 12 ff.; Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 30; eingehend Heckschen, Das MoMiG in der notariellen Praxis, 2009, S. 87 ff.

H. P. Westermann

427

§ 5a

Unternehmergesellschaft

in diesem Sinne nicht darstellt1. Denn das Verfahren mit Umwandlungsbericht und Umwandlungsbeschluss scheint nicht erforderlich, wenn durch eine bloße Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln, der es ja auch bedürfte, um künftig als GmbH existieren zu können, dieser Wechsel ermöglicht wird. Im Übrigen ist zu unterscheiden zwischen einer formwechselnden (mit der UG als Zielrechtsform) und einer übertragenden Umwandlung, in deren Zug die UG aufgelöst wird, und der Heranziehung einer UG als aufnehmender oder neu zu gründender Rechtsträger2. Dabei besteht das Grundproblem darin, dass bei Umwandlungen in eine UG die Regeln über die Sachgründung und das Stammkapital der Kapitalgesellschaft einzuhalten sind. Eine Umwandlung aus der UG als selbständigem Rechtsträger in eine Personenhandelsgesellschaft ist möglich, da die Personengesellschaften kein bestimmtes gebundenes Haftkapital erfordern3, wobei ein Formwechsel sich nach §§ 247, 243 UmwG richtet. Auch eine Verschmelzung einer UG als übertragendem Rechtsträger auf eine Personenhandelsgesellschaft oder eine andere Form der Kapitalgesellschaft, bei der es also zu einer Aufgabe der Rechtsform der UG als Einstiegsvariante der GmbH kommt, ist danach aus der Sicht der übertragenden UG möglich4, während es beim aufnehmenden Rechtsträger zu einer Sachgründung kommt, die bei einer UG an § 5a Abs. 2 Satz 2 scheitern kann, wenn es sich um eine Verschmelzung durch Neugründung handeln sollte5 (ähnlich zur Gründung durch Abspaltung Rdnr. 11). Anders u.U., wenn eine bereits bestehende UG als Zielgesellschaft an einer Verschmelzung durch Aufnahme (§ 2 Nr. 1 UmwG) oder Spaltung durch Aufnahme (§ 123 Abs. 1 Nr. 1 UmwG) beteiligt werden soll. Soweit hier – etwa für die Zuteilung von Anteilen an die Gesellschafter der übertragenden UG – eine Kapitalerhöhung erforderlich ist, sind jetzt die Regeln über Bar- und Sachkapitalerhöhung auf ein Stammkapital unter oder über 25 000 Euro (Rdnr. 18) anzuwenden6; dies ist nach der Judikatur zur Gründung der UG durch Abspaltung (Rdnr. 11) trotz der Argumente aus dem Umwandlungsrecht wohl als h.M. anzunehmen. Verbreitet wird auch die Möglichkeit einer Umwandlung von Kapitalgesellschaften in eine UG verneint, was bei GmbH und AG daran liegt, dass mit dem für diese Rechtsformen erforderlichen Stammkapital die für die UG gesetzte Höchstgrenze von 25 000 Euro überschritten würde7, so dass bei einer Kapitalge1 Freitag/Riemenschneider, ZIP 2007, 1185, 1491; Tettinger, Der Konzern, 2008, 75, 76; Heckschen, DStR 2009, 166, 171; Berninger, GmbHR 2011, 953, 958; Rieder, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 50; Pfisterer, in: Saenger/Inhester, Rdnr. 18. 2 Heinemann, NZG 2008, 820; Weber, BB 2009, 842, 846; Römermann/Passarge, ZIP 2009, 1497, 1500; Berninger, GmbHR 2011, 953, 958 ff.; Werner, GmbHR 2011, 460, 463; Paura, in: Ulmer, Erg.-Band MoMiG, Rdnr. 79; Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 18. 3 Berninger, GmbHR 2011, 953, 958; Heinemann, NZG 2008, 820 ff. 4 Paura in: Ulmer, Erg.-Band MoMiG, Rdnr. 76; Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 19; Lutter, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 33; Pfisterer, in: Saenger/Inhester, Rdnr. 18; Wicke, Rdnr. 16. 5 Berninger, GmbHR 2011, 953, 960; Miras, in: Michalski, Rdnr. 13; Schäfer, in: Henssler/ Strohn, Gesellschaftsrecht, Rdnr. 32. 6 Berninger, GmbHR 2011, 953, 960; Werner, GmbHR 2011, 460, 463; Römermann/Passarge, ZIP 2009, 1497, 1500; Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 30; Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 17; a.M. Paura, in: Ulmer, Erg.-Band MoMiG, Rdnr. 73. 7 Näher Heinemann, NZG 2008, 820 f.; Weber, BB 2009, 842, 847; Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 5; Wicke, Rdnr. 16.

428

H. P. Westermann

§ 5a

Unternehmergesellschaft

sellschaft eine Kapitalherabsetzung stattfinden müsste, durch die ebenfalls eine reguläre GmbH oder AG entstehen würde1. Bezüglich des Wechsels aus einer Personengesellschaft in eine UG besteht das Bedenken darin, dass die Einbringung des von der Personengesellschaft gehaltenen Vermögens in die UG und die damit zu bewerkstelligende Aufbringung des Stammkapitals der UG gegen das Verbot von Sacheinlagen verstieße2; es bleibt dann nur, bei dieser Gelegenheit die UG zur GmbH „heraufzustufen“. In den Fällen des § 54 UmwG, also hauptsächlich bei einem up-stream oder ei- 36 nem down-stream-merger, darf der übernehmende Rechtsträger für die Verschmelzung keine Kapitalerhöhung durchführen, so dass hier eine Umwandlung auf die UG möglich sein muss3. Die Zweifel, ob der Einsatz einer UG als aufnehmender Rechtsträger mit ihrem „transitorischen Charakter“ vereinbar ist4, lassen sich angesichts der Möglichkeit, trotz einer hinreichend hohen Rücklage länger in der Sonderform der UG zu verbleiben (Rdnr. 29), was ja auch auf Uneinigkeit der Gesellschafter beruhen kann, wohl überwinden, wenn auch die Zweckmäßigkeit derartiger Maßnahmen so lange zweifelhaft ist, als die UG im Rechtsverkehr noch nicht etabliert ist. Immerhin mag im Rahmen einer Unternehmensgruppe für einen begrenzten Zeitraum auch die nur einem speziellen Ziel dienende Verwendung eines solchen Rechtsträgers sinnvoll sein. Es könnte sein, dass nach dem erfolgreichen Start der UG ins deutsche Recht 37 Überlegungen angestellt werden, eine bereits bestehende, mit nur sehr geringem Stammkapital ausgestattete Ltd. englischen Rechts, deren Ansehen in der Praxis gelitten hat, in eine UG deutschen Rechts umzuwandeln. Dies stößt auf mehrere Bedenken. § 1 Abs. 1 UmwG geht davon aus, dass das Gesetz nur „Rechtsträger mit Sitz im Inland“ betrifft, was die Anwendbarkeit der Regeln auf Rechtsträger mit einem Satzungssitz in Deutschland beschränkt5. Für Verschmelzungen, Aufund Abspaltungen ist die Beschränkung der Teilnahmefähigkeit auf Gesellschaften mit Satzungssitz im Inland unter dem Gesichtspunkt der europarechtlichen Überlagerung der Sitztheorie durch Judikatur des EuGH problematisch. Die Vorstellung, insoweit sei das Recht beider beteiligten Gesellschaften zu beachten6, kann sich auf Hinweise in der Judikatur des EuGH berufen, wonach Art. 49 und 54 AEUV anwendbar sind, wenn die beteiligten Unternehmen ihren Sitz in der Europäischen Union haben7. Dies ist aber nach der Sevic-Entscheidung und der Umsetzung der 10. Richtlinie durch das 2. Gesetz zur Änderung des UmwG durch 1 Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 18. 2 Heinemann, NZG 2008, 820, 821; zust. Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 30; über Ausnahmen für den Fall einer Mutter-Tochter-Verschmelzung (down-stream-merger) Römermann/Passarge, ZIP 2009, 1497, 1500; Paura, in: Ulmer, Erg.-Band MoMiG, Rdnr. 75; zur Lösung über ein „Anwachsungsmodell“ Tettinger, Der Konzern 2008, 75, 78; Wicke, Rdnr. 18. 3 Berninger, GmbHR 2011, 953, 960; Miras, in: Michalski, Rdnr. 16, jeweils auf der Grundlage der durch die Einfügung des § 54 Abs. 1 Satz 3 UmwG entstandenen Rechtslage. 4 Freitag/Riemenschneider, ZIP 2007, 1485, 1491; anders wohl Veil, GmbHR 2007, 1080, 1084. 5 So Lutter/Drygala, in: Lutter, § 1 UmwG Rdnr. 4. 6 OLG München, ZIP 2006, 1049; Leible/Hoffmann, RIW 2006, 161; Spahlinger/Wegen, NZG 2006, 721. 7 EuGH, NJW 2006, 425 Rdnr. 19; dazu Leible/Hoffmann, RIW 2006, 161; Oechsler, NJW 2006, 812.

H. P. Westermann

429

§ 5a

Unternehmergesellschaft

die Einführung der §§ 122a bis l UmwG überholt, so dass es jetzt näher liegt, beim Formwechsel eines einzigen Rechtsträgers, der die Niederlassungsfreiheit nicht berührt, jedenfalls innerhalb Europas von der Gründungstheorie auszugehen und das deutsche Umwandlungsrecht als Teil des Gesellschaftsrechts nur auf einen nach deutschem Recht gegründeten und hier weiterhin inkorporierten Rechtsträger anzuwenden1. Die Richtlinie zur Verschmelzung von Kapitalgesellschaften aus verschiedenen Mitgliedstaaten, die am 15.12.2005 in Kraft getreten ist2, erfasst die Umwandlung, an der nur ein Rechtsträger beteiligt ist, nicht ausdrücklich.

3. Die UG als Konzerngesellschaft 38

Die Einsetzbarkeit einer UG in einem Konzern, angesichts ihres Charakters als Kapitalgesellschaft grundsätzlich möglich3, wird im Hinblick auf einen Vertragskonzern für fraglich gehalten4, weil Weisungsrechte in die Handhabung der Sonderregelung der UG, namentlich das Thesaurierungsgebot, eingreifen könnten. Es kann aber für eine solche Gestaltung durchaus praktische Gründe geben. Zum Gewinnabführungsvertrag s. Rdnr. 39. Soweit über die Mitgliedschaft „faktische“ Verbindungen vermittelt werden, ist die Entstehung von Abhängigkeit nicht zu vermeiden, sowohl mit einer UG als herrschendem als auch abhängigem Unternehmen. Damit besteht auch das Bedürfnis nach einer Reglementierung der hieraus fließenden Einwirkungsmöglichkeit im Interesse außenstehender Gesellschafter und Gläubiger einer abhängigen Gesellschaft, obwohl auch hier wie bei der GmbH eine grundsätzlich nicht verbotene Leitungsmacht aus der Ausübung der Mitgliedschaftsrechte entstehen kann. Die Gesellschafter, auch ein „herrschender“, müssen sich allerdings sowohl beim Aufbau der Gesellschaft als auch bei der Führung des Unternehmens an die besonderen Regeln über die UG halten. Dies steht einem Abziehen von Mitteln für Konzernzwecke ebenso entgegen wie die stärkere Bindung der Rücklage (Rdnr. 25). Umgekehrt ist bei einer Verwendung der UG als Holding zu beachten, dass Leistungen der Töchter an die Konzernspitze angesichts der bei ihr dann regelmäßig bestehenden Kapitalschwäche unter dem Aspekt der Kapitalerhaltung (§ 30) oft bedenklich sein werden.

39

Bei einem Gewinnabführungsvertrag, aufgrund dessen die UG ihren gesamten Gewinn abzuführen hat, kann dem Thesaurierungsgebot nicht mehr Genüge getan werden; der Folgerung, darum einen solchen Unternehmensvertrag ganz abzulehnen, steht freilich der Umstand entgegen, dass die abhängige UG nunmehr nach § 302 AktG gegen das herrschende Unternehmen den Anspruch auf Verlustausgleich hat, so dass aus der bloßen Gewinnabführungspflicht keine Gläubigergefährdung folgt5. Ein Teil-Gewinnabführungsvertrag mag unter Be1 Im Einzelnen dazu Lutter/Drygala, in: Lutter, § 1 UmwG Rdnr. 4 ff., 15. 2 Dazu Neye, ZIP 2005, 1893; Teichmann, ZIP 2006, 361. 3 Paura, in: Ulmer, Erg.-Band MoMiG, Rdnr. 86; Lutter, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 35; Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 37. 4 Veil, GmbHR 2007, 1080, 1084; a.M. wegen der entsprechenden Anwendbarkeit des § 300 AktG auf die UG Römermann/Passarge, ZIP 2009, 1497, 1503, dem folgend Paura, in: Ulmer, Erg.-Band MoMiG, Rdnr. 86; s. auch Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 37. 5 Lutter, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 36 gegen Veil, GmbHR 2007, 1080, 1084, dem auch Weber, BB 2009, 842, 847 gefolgt ist; dieselbe Situation hat bezüglich der gesetzlichen Rücklage bei der AG keine Beschränkungen begründet; s. auch Rubel, GmbHR 2010, 470.

430

H. P. Westermann

§ 5a

Unternehmergesellschaft

rücksichtigung des Thesaurierungsgebots vorstellbar sein, auch kann die Rücklagenbildung nach dem Gebot des § 300 Nr. 1 AktG entsprechend herangezogen werden1, doch werden die steuerrechtlichen Zwecke, die gewöhnlich mit dem Ergebnisabführungsvertrag verbunden sind, bei einer solchen Beschränkung der abzuführenden Beträge nicht mehr gesichert sein2. Ferner ist auch hier nicht anzunehmen, dass es gestattet sein könnte, durch Entnahmen aus den Rücklagen den Jahresüberschuss und damit den abzuführenden Betrag zu erhöhen3. Aufgrund eines bloßen Beherrschungsvertrages könnte das herrschende Unternehmen Weisungen erteilen, die sich auf die Ermittlung des für die Rücklagenbildung maßgeblichen Jahresüberschusses beziehen könnten, ohne damit gleich einen Jahresfehlbetrag zu begründen; da somit auch nicht ohne weiteres eine Ausgleichungspflicht i.S. des § 302 AktG entstünde, sind solche Weisungen gegenüber einer abhängigen UG rechtswidrig und dürfen nicht befolgt werden.

4. Die UG als Komplementärin einer KG Der UG wird für die Rolle als Komplementärin einer KG eine gewisse Zukunft 40 vorhergesagt4. Das ist angesichts der großen Freiheit in der Bestimmung ihres „haftenden“ Stammkapitals plausibel. Allerdings wird verbreitet angenommen, die häufige, wohl schon gängige gesellschaftsvertragliche Regelung, dass die Komplementärin am Kapital der KG nicht beteiligt ist, schließe eine Beteiligung am Gewinn der KG, die die UG für die Bildung eines eigenen Jahresüberschusses und damit zur Rücklagenbildung einsetzen soll, aus5, was sich auch dann nur unwesentlich ändert, wenn der Komplementärin ein Anspruch auf Erstattung ihrer Kosten, etwa in einer ihr geschuldeten Geschäftsführervergütung, eingeräumt wird. Man könnte allerdings auch eine solche Kostenerstattung im Einzelfall als Gewinn i.S. des § 5a Abs. 3 betrachten6, was allerdings kaum dem gesetzlichen Vorstellungsbild und dem transitorischen Charakter der UG entspricht. Richtig ist aber, dass die UG durch § 5a Abs. 3 nicht verpflichtet werden sollte (und konnte), Jahresüberschüsse zu erwirtschaften, und dass ihr Zweck als Komplementärin einer KG auch dann nicht verfehlt wird, wenn sie es ist, die im eigenen Namen, wenn auch für Rechnung der KG, Geschäfte abschließt, die die Entstehung eines Jahresüberschusses bei ihr verhindern7. Unter diesen Umständen gin1 Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 37; Paura, in: Ulmer, Erg.-Band MoMiG, Rdnr. 86; dort auch zu einer – rechtsfortbildenden – Verlängerung der Frist auf 10 Jahre. 2 So auch Veil, GmbHR 2007, 1080, 1084. 3 Dazu allgemein für den Gewinnabführungsvertrag Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, 6. Aufl. 2010, § 301 AktG Rdnr. 12; für die konzernrechtliche Beurteilung aus der Sicht der UG Römermann/Passarge, ZIP 2009, 1497, 1503. 4 Römermann/Passarge, ZIP 2009, 1497 ff.; Berninger GmbHR 2011, 953; s. auch schon Wachter, NZG 2009, 1263 ff.; Karsten Schmidt, DB 2006, 1096, 1098. 5 S. dazu Veil, GmbHR 2007, 1080, 1084; Gehrlein, Der Konzern 2007, 771, 779; Wachter, in: GmbHR-Sonderheft MoMiG, 2008, S. 35, 33; krit. auch Heeg, DB 2009, 719 ff.; Priester, in: FS G.H. Roth, 2011, S. 573, 583; dagegen aber Paura, in: Ulmer, Erg.-Band MoMiG, Rdnr. 83; Miras, in: Michalski, Rdnr. 99; Pfisterer, in: Saenger/Inhester, Rdnr. 29; im Ergebnis auch Müller, ZGR 2012, 81, 103. 6 Kock/Vater/Mraz, BB 2009, 848, 849; im Ergebnis ähnlich Schäfer, in: Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, Rdnr. 8. 7 Stenzel, GmbHR 2009, 168, 170 f.; ähnlich Kock/Vater/Mraz, BB 2009, 848, 850; s. auch Hirte, ZInsO 2008, 933, 935; Veil, ZGR 2009, 623, 641.

H. P. Westermann

431

§6

Geschäftsführer

ge es nicht an, die Regelung eines KG-Gesellschaftsvertrages, in dem eine Gewinnbeteiligung der Komplementärin ausgeschlossen wird, als Verstoß gegen § 5a Abs. 3 als eine Verbotsnorm i.S. des § 134 BGB zu qualifizieren, zumal sich die Norm kaum gegen die Kommanditisten richtet1 und ein Thesaurierungsgebot in der KG, solange keine Einlagenrückgewähr stattfindet, nicht besteht. Sodann können sich die Gläubiger einer GmbH & Co. KG, was die Leistungsfähigkeit der Komplementärin anbelangt, auch nur darauf verlassen, dass das aus dem Register ersichtliche Stammkapital einmal effektiv aufgebracht worden ist. Es erscheint auch nicht angebracht, die UG durch Zuweisungen zu der Zwangsrücklage gewissermaßen „komplementär-fähig“ zu machen, was u.U. totes Kapital schaffen würde2. Deshalb spricht mehr dafür, die Figur der UG & Co. KG zuzulassen3, so dass es insbesondere keiner Vertragsregelung bedarf – an die man sonst hätte denken können –, die der Komplementärin zwar eine Gewinnbeteiligung, aber keinen Kapitalanteil und kein Stimmrecht einräumen würde. Die Firmierung der KG muss die Position der Komplementärin durch die volle Firma der UG einschließlich des Rechtsformzusatzes verlautbaren4, auch um der Gefahr einer Rechtsscheinshaftung wegen unzulässiger Firmierung (Rdnr. 14) zu entgehen.

§6

Geschäftsführer (1) Die Gesellschaft muss einen oder mehrere Geschäftsführer haben. (2) Geschäftsführer kann nur eine natürliche, unbeschränkt geschäftsfähige Person sein. Geschäftsführer kann nicht sein, wer 1. als Betreuter bei der Besorgung seiner Vermögensangelegenheiten ganz oder teilweise einem Einwilligungsvorbehalt (§ 1903 des Bürgerlichen Gesetzbuchs) unterliegt, 2. aufgrund eines gerichtlichen Urteils oder einer vollziehbaren Entscheidung einer Verwaltungsbehörde einen Beruf, einen Berufszweig, ein Gewerbe oder einen Gewerbezweig nicht ausüben darf, sofern der Unternehmensgegenstand ganz oder teilweise mit dem Gegenstand des Verbots übereinstimmt, 3. wegen einer oder mehrerer vorsätzlich begangener Straftaten a) des Unterlassens der Stellung des Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens (Insolvenzverschleppung),

1 Auch dazu Stenzel, GmbHR 2009, 168 ff. 2 Müller, ZGR 2012, 81, 105. 3 In diesem Sinne auch Lutter, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 18 zur „gewinnlosen“ UG; ebenso im Ergebnis Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 19, eingehend Römermann/Passarge, ZIP 2009, 1497, 1499; stark einschränkend dagegen Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 36: entsprechende Anwendung des § 300 Abs. 1 AktG mit Dotierung der Rücklage während des Zeitraums von 10 Jahren; dagegen aber Müller, ZGR 2012, 81, 105. 4 Bormann, GmbHR 2007, 897, 899; gegen Umgehungsversuche KG, NZG 2009, 1159 mit Bespr. Wachter, S. 1263 ff.; Schulte, GmbHR 2010, 1121, 1129.

432

Uwe H. Schneider/Sven H. Schneider

§6

Geschäftsführer

ge es nicht an, die Regelung eines KG-Gesellschaftsvertrages, in dem eine Gewinnbeteiligung der Komplementärin ausgeschlossen wird, als Verstoß gegen § 5a Abs. 3 als eine Verbotsnorm i.S. des § 134 BGB zu qualifizieren, zumal sich die Norm kaum gegen die Kommanditisten richtet1 und ein Thesaurierungsgebot in der KG, solange keine Einlagenrückgewähr stattfindet, nicht besteht. Sodann können sich die Gläubiger einer GmbH & Co. KG, was die Leistungsfähigkeit der Komplementärin anbelangt, auch nur darauf verlassen, dass das aus dem Register ersichtliche Stammkapital einmal effektiv aufgebracht worden ist. Es erscheint auch nicht angebracht, die UG durch Zuweisungen zu der Zwangsrücklage gewissermaßen „komplementär-fähig“ zu machen, was u.U. totes Kapital schaffen würde2. Deshalb spricht mehr dafür, die Figur der UG & Co. KG zuzulassen3, so dass es insbesondere keiner Vertragsregelung bedarf – an die man sonst hätte denken können –, die der Komplementärin zwar eine Gewinnbeteiligung, aber keinen Kapitalanteil und kein Stimmrecht einräumen würde. Die Firmierung der KG muss die Position der Komplementärin durch die volle Firma der UG einschließlich des Rechtsformzusatzes verlautbaren4, auch um der Gefahr einer Rechtsscheinshaftung wegen unzulässiger Firmierung (Rdnr. 14) zu entgehen.

§6

Geschäftsführer (1) Die Gesellschaft muss einen oder mehrere Geschäftsführer haben. (2) Geschäftsführer kann nur eine natürliche, unbeschränkt geschäftsfähige Person sein. Geschäftsführer kann nicht sein, wer 1. als Betreuter bei der Besorgung seiner Vermögensangelegenheiten ganz oder teilweise einem Einwilligungsvorbehalt (§ 1903 des Bürgerlichen Gesetzbuchs) unterliegt, 2. aufgrund eines gerichtlichen Urteils oder einer vollziehbaren Entscheidung einer Verwaltungsbehörde einen Beruf, einen Berufszweig, ein Gewerbe oder einen Gewerbezweig nicht ausüben darf, sofern der Unternehmensgegenstand ganz oder teilweise mit dem Gegenstand des Verbots übereinstimmt, 3. wegen einer oder mehrerer vorsätzlich begangener Straftaten a) des Unterlassens der Stellung des Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens (Insolvenzverschleppung),

1 Auch dazu Stenzel, GmbHR 2009, 168 ff. 2 Müller, ZGR 2012, 81, 105. 3 In diesem Sinne auch Lutter, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 18 zur „gewinnlosen“ UG; ebenso im Ergebnis Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 19, eingehend Römermann/Passarge, ZIP 2009, 1497, 1499; stark einschränkend dagegen Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 36: entsprechende Anwendung des § 300 Abs. 1 AktG mit Dotierung der Rücklage während des Zeitraums von 10 Jahren; dagegen aber Müller, ZGR 2012, 81, 105. 4 Bormann, GmbHR 2007, 897, 899; gegen Umgehungsversuche KG, NZG 2009, 1159 mit Bespr. Wachter, S. 1263 ff.; Schulte, GmbHR 2010, 1121, 1129.

432

Uwe H. Schneider/Sven H. Schneider

§6

Geschäftsführer

b) nach den §§ 283 bis 283d des Strafgesetzbuches (Insolvenzstraftaten), c) der falschen Angaben nach § 82 dieses Gesetzes oder § 399 des Aktiengesetzes, d) der unrichtigen Darstellung nach § 400 des Aktiengesetzes, § 331 des Handelsgesetzbuchs, § 313 des Umwandlungsgesetzes oder § 17 des Publizitätsgesetzes oder e) nach den §§ 263 bis 264a oder den §§ 265b bis 266a des Strafgesetzbuchs zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist; dieser Ausschluss gilt für die Dauer von fünf Jahren seit der Rechtskraft des Urteils, wobei die Zeit nicht eingerechnet wird, in welcher der Täter auf behördliche Anordnung in einer Anstalt verwahrt worden ist. Satz 2 Nr. 3 gilt entsprechend bei einer Verurteilung im Ausland wegen einer Tat, die mit den in Satz 2 Nr. 3 genannten Taten vergleichbar ist. (3) Zu Geschäftsführern können Gesellschafter oder andere Personen bestellt werden. Die Bestellung erfolgt entweder im Gesellschaftsvertrag oder nach Maßgabe der Bestimmungen des dritten Abschnitts. (4) Ist im Gesellschaftsvertrag bestimmt, dass sämtliche Gesellschafter zur Geschäftsführung berechtigt sein sollen, so gelten nur die der Gesellschaft bei Festsetzung dieser Bestimmung angehörenden Personen als die bestellten Geschäftsführer. (5) Gesellschafter, die vorsätzlich oder grob fahrlässig einer Person, die nicht Geschäftsführer sein kann, die Führung der Geschäfte überlassen, haften der Gesellschaft solidarisch für den Schaden, der dadurch entsteht, dass diese Person die ihr gegenüber der Gesellschaft bestehenden Obliegenheiten verletzt. Abs. 2 eingefügt durch Gesetz vom 4.7.1980 (BGBl. I 1980, 836). Abs. 2 Satz 2 eingefügt durch § 33 BtG vom 12.9.1990 (BGBl. I 1990, 2002); Abs. 2 Satz 2 und 3 geändert und Abs. 5 eingefügt durch das MoMiG vom 23.10.2008 (BGBl. I 2008, 2026). Inhaltsübersicht I. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1

II. Der Geschäftsführer als notwendiges Handlungsorgan . . . . .

3

III. Die Zahl der Geschäftsführer . . .

7

IV. Gesetzliche Eignungsvoraussetzungen 1. Natürliche, unbeschränkt geschäftsfähige Personen. . . . . . . 2. Nichtgesellschafter . . . . . . . . . . . 3. Ausländer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Spezialgesetzliche Eignungsvoraussetzungen . . . . . . . . . . . . . .

11 14 15 21

V. Gesetzliche Ausschlussgründe . 1. Betreuung (§ 6 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Berufs- und Gewerbeausübungsverbote (§ 6 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Vorsätzlich begangene Straftaten (§ 6 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3) . . a) Insolvenzverschleppung . . . . b) Verurteilung wegen einer Insolvenzstraftat . . . . . . . . . . . c) Verurteilung wegen Verletzung von Erklärungspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Unrichtige Darstellung . . . . . e) Betrug/Untreue . . . . . . . . . . . .

Uwe H. Schneider/Sven H. Schneider

22 23

25 28 30 32 33 34 35

433

§6

Geschäftsführer

2. Bestellung und Amt als Sonderrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Die Bestellung durch Nichtgesellschafter . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Die Auslegungsregel des § 6 Abs. 4 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Die Bestellung nach den Bestimmungen des dritten Abschnitts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Pflicht zur Übernahme der Organstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . .

4. Aufsichtsratsmitglieder als Geschäftsführer . . . . . . . . . . . . . . . 36 VI. 1. 2. 3.

Rechtsfolgen Anmeldung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . Unwirksame Bestellung . . . . . . . Haftung der Gesellschafter (§ 6 Abs. 5) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Eigenständiger Haftungstatbestand . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Haftende Gesellschafter . . . . . c) Führung der Geschäfte . . . . . . d) Überlassung an inhabile Personen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Auswahlverschulden . . . . . . . . f) Darlegungs- und Beweislast . . g) Zu ersetzender Schaden . . . . . h) Verjährung . . . . . . . . . . . . . . . . . i) Erlass. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

37 38 39 40 42 45

86 90

91 93

X. Der Notgeschäftsführer 1. Gerichtliche Bestellung . . . . . . . 94 2. Geschäftsführungs- und Vertretungsmacht . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 3. Die persönliche Stellung . . . . . . 104 4. Beendigung, Abberufung . . . . . . 107

53 55 57 58 61 62

VII. Grundsatz der Gleichbehandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63

79

XI. Wegfall oder Verhinderung im Prozess . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110

VIII. Satzungsrechtliche EignungsXII. Der Geschäftsführer in der mitvoraussetzungen bestimmten GmbH . . . . . . . . . . . 112 1. Zulässige Gestaltungen . . . . . . . . 69 XIII. Der faktische Geschäftsführer . 114 2. Fehlen und Wegfall einer Eignungsvoraussetzung . . . . . . . . . . . 73 XIV. Die Stellung des Geschäftsführers außerhalb des GmbH-GeIX. Bestellung setzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117 1. Bestellung durch Gesellschafterversammlung oder Aufsichtsrat . 74 Schrifttum: Bauer, Der Notgeschäftsführer in der GmbH, 2006; Bauer/Arnold, AGGProbleme bei vertretungsberechtigten Organmitgliedern, ZIP 2008, 993; Bauer/Göpfert/Krieger, Diskriminierungsrisiken bei Organmitgliedern, DB 2005, 595; Beuthien/ Gätsch, Vereinsautonomie und Satzungsrechte Dritter, ZHR 156 (1992), 459; Beuthien/Gätsch, Einfluss Dritter auf die Organbesetzung und Geschäftsführung bei Vereinen, Kapitalgesellschaften und Genossenschaften, ZHR 157 (1993), 483; Deutler, „Betreute“ als Geschäftsführer-Versicherungen bei der Anmeldung, GmbHR 1992, 252; Dinkhoff, Der faktische Geschäftsführer in der GmbH, 2003; Drygala, Zur Neuregelung der Tätigkeitsverbote für Geschäftsleiter von Kapitalgesellschaften, ZIP 2005, 423; Erdmann, Ausländische Staatsangehörige in Geschäftsführungen und Vorständen deutscher GmbHs und AGs, NZG 2002, 503; Eßler/Baluch, Bedeutung des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes für Organmitglieder, NZG 2007, 321; Fleischer, Juristische Personen als Organmitglieder im Europäischen Gesellschaftsrecht, RIW 2004, 16; Fleischer, Bestellungshindernisse und Tätigkeitsverbote von Geschäftsleitern im Aktien-, Bank- und Kapitalmarktrecht, WM 2004, 157; Gehrlein/Witt, GmbH-Recht in der Praxis, 2. Aufl. 2008; Gesmann-Nuissl, Quo vadis GmbH? – zum Entwurf des Gesetzes zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen (MoMiG), WM 2006, 1756; Gustavus, Probleme mit der GmbH ohne Geschäftsführer, GmbHR 1992, 15; Haas, Die Disziplinierung des GmbH-Geschäftsführers im Interesse der Gesellschaftsgläubiger, WM 2006, 1369, 1417; Haas, Rechtsfolgen bei Beeinträchtigung von Sonderrechten in der personalistischen GmbH, LMK 2004, 131; Hammen, Zur Begründung von (organschaftlichen)

434

Uwe H. Schneider/Sven H. Schneider

§6

Geschäftsführer

Rechten Dritter im Gesellschaftsvertrag einer GmbH, WM 1994, 765; Heckschen, Die GmbH-Reform – Wege und Irrwege, DStR 2007, 1442; Helmschrott, Der Notgeschäftsführer – eine notleidende Regelung, ZIP 2001, 636; Heßeler, Amtsunfähigkeit von GmbH-Geschäftsführern gemäß § 6 Abs. 2 GmbHG, 2009; Heßeler, Der „Ausländer als Geschäftsführer“ – das Ende der Diskussion durch das MoMiG?, GmbHR 2009, 759; Himmelbach/Achsnick, Faktische Geschäftsführung durch Banken: Gefahr oder Scheinproblem?, NZI 2003, 355; Hohlfeld, Der Notgeschäftsführer der GmbH, GmbHR 1986, 181; Jäger, Der Betreuer als gesetzlicher Vertreter des Gesellschafter-Geschäftsführers und des Gesellschafters, DStR 1996, 108; Kleindiek, Unternehmensleiter als Verbraucher, in: FS Otte, 2005, S. 185; Kögel, Die Not mit der Notgeschäftsführung, NZG 2000, 20; Langenbucher, Frauenquote und Gesellschaftsrecht, JZ 2011, 1038; Leistikow, Das neue GmbH-Recht, 2009; Lutter, Anwendbarkeit der Altersbestimmung des AGG auf Organpersonen, BB 2007, 725; Melchior, Ausländer als GmbH-Geschäftsführer, DB 1997, 413; Miller, Eintragung ausländischer GmbH-Geschäftsführer und Gründung einer GmbH durch Ausländer, DB 1983, 977; Münch, Amtniederlegung, Abberufung und Geschäftsunfähigkeit des Geschäftsführers einer GmbH, DStR 1993, 916; Noack, Reform des deutschen Kapitalgesellschaftsrechts: Das Gesetz zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen, DB 2006, 1475; Reichold/Heinrich, Zum Diskriminierungsschutz des GmbH-Geschäftsführers, in: FS H. P. Westermann, 2008, S. 1315; Ries, Der ausländische Geschäftsführer, NZG 2010, 298; Schiedermair, Der ausländische Geschäftsführer einer GmbH, in: FS Bezzenberger, 2000, S. 393; Seibert, Die rechtsmissbräuchliche Verwendung der GmbH in der Krise, in: FS Röhricht, 2005, S. 585; Seibert, GmbH-Reform: Der Referentenentwurf eines Gesetzes zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen – MoMiG, ZIP 2006, 1157; Siegmann/Vogel, Die Verantwortlichkeit des Strohmanngeschäftsführers einer GmbH, ZIP 1994, 1821; Stein, Das faktische Organ, 1984; Stein, § 6 Abs. 2 Satz 2 GmbHG, § 76 Abs. 3 Satz 2 AktG: Verfassungswidrige Berufsverbote?, AG 1987, 165; Swoboda, Ausländerrecht und Handelsregister, Rechtspfleger 1983, 138; Triebel/Otte, Reform des GmbH-Rechts: MoMiG – ein vernünftiger Schritt zur Stärkung der GmbH im Wettbewerb oder Kompromiss auf halber Strecke?, ZIP 2006, 1321; Ulmer, Begründung von Rechten für Dritte in der Satzung einer GmbH?, in: FS Werner, 1984, S. 911; Voerste, Nochmals: § 6 Abs. 2 S. 2 GmbHG, § 76 Abs. 3 S. 2 AktG: Verfassungswidrige Berufsverbote?, AG 1987, 376; Wachter, Der Entwurf des MoMiG und die Auswirkungen auf inländische Zweigniederlassungen von Auslandsgesellschaften, GmbHR 2006, 793; Wachter, Ausländer als GmbH-Gesellschafter und -Geschäftsführer, ZIP 1999, 1577; Waldenberger, Sonderrechte der Gesellschafter einer GmbH – ihre Arten und ihre rechtliche Behandlung, GmbHR 1997, 49; Weimar, Grundprobleme und offene Fragen um den faktischen GmbH-Geschäftsführer, GmbHR 1997, 473 und 538; H. P. Westermann, Der Notgeschäftsführer der GmbH – der Mann zwischen den Fronten, in: FS Kropff, 1997, S. 681; Winter, Satzung und schuldrechtliche Gesellschaftervereinbarungen: Die Sicht der Praxis, in: Henze/ Timm/Westermann (Hrsg.), Gesellschaftsrecht 1995, 1996, S. 31; Ziegler, Rechtsanwalt und Steuerberater als GmbH-Geschäftsführer, Rechtspfleger 1988, 350. Weitere Lit.-Nachw. bei § 35, § 37, § 38, § 39 und § 46.

I. Überblick § 6 ist im Zusammenhang mit den §§ 35 ff. und mit § 46 Nr. 5 zu lesen. § 6 ist hierbei die Grundnorm, die den Geschäftsführer als zwingendes Handlungsorgan der Gesellschaft vorschreibt. Er ist nicht nur „Vollstrecker der Gesellschafterinteressen“, sondern auch „Garant eines Mindestmaßes an seriöser Geschäftsführung“1. Die Stellung des § 6 im Abschnitt über die Errichtung der 1 Drygala, ZIP 2005, 431.

Uwe H. Schneider/Sven H. Schneider

435

1

§6

Geschäftsführer

Gesellschaft erklärt sich daraus, dass schon die werdende GmbH eines für sie im Außenverhältnis handlungsberechtigten Organs bedarf (s. Rdnr. 3). Die Geschäftsführung und die Vertretung der Gesellschaft sind im Übrigen in den §§ 35 ff. geregelt; von der Bestellung und Abberufung der Geschäftsführer handeln auch die §§ 38, 39, 46 Nr. 5; zur Anmeldung zum Handelsregister s. §§ 39, 78 und bei § 7; zur Eintragung der Namen der Geschäftsführer sowie ihrer Vertretungsbefugnis s. § 10 Abs. 1 sowie § 39; zur zivilrechtlichen Verantwortlichkeit s. §§ 9, 37, 43, 44; zur strafrechtlichen Verantwortlichkeit s. §§ 82 ff. Das im GmbHG nicht geregelte Anstellungsverhältnis der Geschäftsführer ist bei § 35 kommentiert. 2 Durch das Gesetz zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen (MoMiG) vom 23.10.2008 (BGBl. I 2008, 2026) wurden die Ausschlussgründe in § 6 Abs. 2 erweitert und übersichtlicher gefasst. Mit diesen Änderungen hat der Gesetzgeber die Vorschläge des Bundesrats für ein Gesetz zur Sicherung von Werkunternehmeransprüchen und zur verbesserten Durchsetzung von Forderungen (FoSiG)1 aufgegriffen und in modifizierter Form umgesetzt2. Neben den bereits in der alten Fassung enthaltenen Straftaten nach §§ 283 bis 283d StGB sind weitere Straftatbestände in den Katalog eingefügt worden, deren Verwirklichung gegen die Eignung des Betreffenden als Geschäftsführer spricht. Danach begründen auch Verurteilungen wegen Insolvenzverschleppung oder nach § 82 GmbHG, §§ 399 f. AktG, § 331 HGB, § 313 UmwG, § 17 PublG ein Bestellungshindernis. Darüber hinaus führt auch eine Verurteilung nach §§ 263 bis 264a oder nach §§ 265b bis 266a des Strafgesetzbuches zur Inhabilität, wenn eine Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verhängt wurde. Der neu gefasste § 6 Abs. 2 Satz 3 erstreckt das Bestellungshindernis auf Verurteilungen wegen vergleichbarer Straftaten im Ausland. Ob die Verurteilung im Ausland wegen einer Tat erfolgte, die mit denen in § 6 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 vergleichbar ist, ist durch Rechtsgutachten zu ermitteln3. Zudem wurde in § 6 Abs. 5 ein Schadensersatzanspruch der GmbH gegen ihre Gesellschafter eingeführt, wenn diese vorsätzlich oder grob fahrlässig einer amtsunfähigen Person „die Führung der Geschäfte überlassen“ haben und diese Person die ihr gegenüber der Gesellschaft bestehenden „Obliegenheiten“ verletzt hat.

II. Der Geschäftsführer als notwendiges Handlungsorgan 3 Die GmbH hat zwei gesetzlich notwendige Handlungsorgane, nämlich die Gesellschafter und die Geschäftsführer. Die Gesellschaft muss Geschäftsführer auch schon vor der Eintragung der GmbH haben, und zwar insbesondere zur Empfangnahme und zur Verwaltung der von den Gesellschaftern vor der Eintragung zu bewirkenden Einlagen und zur Anmeldung der Gesellschaft, §§ 7, 8, 78. Die Anmeldung durch einen Nichtgeschäftsführer hat der Registerrichter zurückzuweisen. Die Eintragung darf nicht erfolgen; auch wenn die Geschäftsführer nach der Anmeldung und nach der Versicherung nach § 8 Abs. 2 und 3, aber vor der Eintragung wegfallen, darf der Registerrichter nicht eintragen. Die An1 BR-Drucks. 16/511, S. 10. 2 Begr. RegE MoMiG, BT-Drucks. 16/6140, S. 32. 3 Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, 7. Aufl., Rdnr. 20; Weyand, ZInsO 2008, 702, 703.

436

Uwe H. Schneider/Sven H. Schneider

§6

Geschäftsführer

meldung bleibt zwar wirksam1, die Eintragung kann aber erst dann erfolgen, wenn ein neuer Geschäftsführer bestellt ist. Wurde die GmbH gleichwohl eingetragen, so ist sie aber wirksam entstanden2. Eine Amtslöschung wegen Mangels einer wesentlichen Voraussetzung wäre unzulässig, § 395 FamFG. Fallen alle Geschäftsführer nach der Eintragung der Gesellschaft weg, so ist die 4 Gesellschaft entstanden. Sie ist nur ohne organschaftliche Vertretung. Der Wegfall der Geschäftsführer führt auch nicht zum Übergang der den Geschäftsführern zustehenden Befugnisse auf andere Organe der Gesellschaft. Die Verjährungsfrist wird nicht gehemmt. § 210 BGB ist zu Gunsten der GmbH, deren Geschäftsführer weggefallen ist, nicht anwendbar3. Der Registerrichter hat darauf hinzuwirken, dass wieder Geschäftsführer bestellt werden. Er kann aber weder von Amts wegen, also ohne dass ein Antrag vorliegt, einen Geschäftsführer bestellen, noch kann er die Gesellschafter durch Ordnungsstrafen zur Schaffung einer gesetzlichen Vertretung anhalten4. Der Geschäftsführer ist kein Kaufmann i.S. von §§ 1 ff. HGB5. Er ist, wenn er 5 ein Geschäft im eigenen Namen abschließt, Verbraucher i.S. des § 13 BGB (s. Rdnr. 118 f.)6. Die Bezeichnung „Geschäftsführer“ im Geschäftsverkehr ist nicht zwingend. 6 Sie kann durch die Gesellschafter im Gesellschaftsvertrag oder durch Gesellschafterbeschluss geändert werden7. Unbedenklich ist etwa die Bezeichnung des Geschäftsführers im Geschäftsverkehr als „Direktor“. So können Geschäftsführer des herrschenden Unternehmens im Konzern diesen Titel weiterführen, auch wenn sie als Geschäftsführer einer Tochtergesellschaft handeln. Ihr Auftreten als „Direktor“ weist jedoch im Zweifel darauf hin, dass sie für das herrschende Unternehmen handeln. Titel, die einen Irrtum begründen können, dürfen aber nicht geführt werden. Unzulässig ist daher die Bezeichnung im Geschäftsverkehr als „Vorstand“, weil dies zu Verwechslungen mit der Aktiengesellschaft führt8. Bei der Bestellung muss aber klar erkennbar sein, dass die Person zum Geschäftsführer der GmbH berufen werden sollte. Das Registergericht muss bei der Eintragung stets die Bezeichnung „Geschäftsführer“ gebrauchen. Auch auf den Geschäftsbriefen müssen die Geschäftsführer als solche aufgeführt und bezeichnet werden, § 35a. 1 2 3 4 5 6 7 8

Zur unvollständigen Anmeldung: KG, BB 1972, 10. Ebenso: Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 5; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 3. RGZ 156, 300; BGH, NJW 1968, 692; BGH, BB 1971, 369. KG, KGJ 45, 180; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 6; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 4. BGHZ 133, 71, 77; BGHZ 165, 43; BGH, NZG 2007, 820, 821 = GmbHR 2007, 1154; Tebben, in: Michalski, Rdnr. 17. BGH, NZG 2007, 820, 821 = GmbHR 2007, 1154; BAG, GmbHR 2010, 1142; unten auch Rdnr. 118. A.A. Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 4: nur im Gesellschaftsvertrag. Zöllner/Noack, in: Baumbach/Hueck, § 35 Rdnr. 2; Wicke, Rdnr. 2; anders: SchmidtLeithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 4: zulässig, wenn im Gesellschaftsvertrag besonders bestimmt; Kleindiek, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 4: zulässig ist „Vorstand einer GmbH“; Tebben, in: Michalski, Rdnr. 10: evtl. mit dem Zusatz „der XY GmbH“.

Uwe H. Schneider/Sven H. Schneider

437

§6

Geschäftsführer

III. Die Zahl der Geschäftsführer 7 Das GmbHG verlangt nur, dass mindestens ein Geschäftsführer bestellt wird. Nach oben ist die Zahl aber nicht begrenzt. Die Satzung kann daher auch jede höhere Zahl festlegen, z.B. eine bestimmte Zahl, eine Mindest- oder eine Höchstzahl vorschreiben. Aus der Bestellung mehrerer Geschäftsführer im Gesellschaftsvertrag kann jedoch allein nicht gefolgert werden, dass damit eine verbindliche Festlegung der Zahl auch für die Zukunft gewollt war. Ergibt dagegen die Auslegung des Gesellschaftsvertrags, dass eine bestimmte Zahl vorhanden sein muss oder nicht überschritten werden darf, kann davon nur nach der Änderung der Satzung abgewichen werden1. Wird die in der Satzung festgesetzte Zahl von Geschäftsführern überschritten, so ist die Bestellung zwar wirksam; der Gesellschafterbeschluss aber ist anfechtbar2. Erfolgt die Bestellung durch ein nicht zuständiges Organ, so ist die Bestellung unwirksam3. 8 Beim Fehlen einer ausdrücklichen Regelung in der Satzung entscheiden die nach § 46 Nr. 5 für die Bestellung zuständigen Gesellschafter mit einfacher Mehrheit auch darüber, wie viele Geschäftsführer ernannt werden sollen4. Ein ausdrücklicher Beschluss über die Zahl der zu bestellenden Geschäftsführer ist bei Fehlen einer Regelung in der Satzung nicht erforderlich. Die Gesellschafter können vielmehr auch mittelbar durch Bestellung bestimmter Geschäftsführer deren Zahl festlegen und dadurch u.a. von einer früheren Praxis abweichen, indem sie nur eine geringere Zahl an Geschäftsführern bestellen5. Ist nach dem Gesellschaftsvertrag für die Bestellung der Geschäftsführer ein anderes Organ zuständig, so ist insbesondere unter Berücksichtigung des Zwecks der getroffenen Zuständigkeitsregelung durch Auslegung zu ermitteln, ob es auch die Zahl der Geschäftsführer bestimmen kann; im Zweifel ist das nicht anzunehmen6. 9 Das DrittelbG enthält keine Vorschriften über die Zahl oder die Qualifikation der Geschäftsführer. Fällt die GmbH aber in den Anwendungsbereich des MitbestG, so muss sie mindestens zwei Geschäftsführer haben, wovon ein Geschäftsführer zum Arbeitsdirektor zu bestellen ist7. Auch in diesem Fall kann die Satzung aber jede darüber hinausgehende Zahl an Geschäftsführern bestimmen. 10

Unabhängig von den gesellschafts- und unternehmensrechtlichen Bestimmungen kann sich aus gewerberechtlichen Vorschriften ergeben, dass die Gesellschaft mindestens zwei Geschäftsführer haben muss, s. etwa § 33 Abs. 1 Nr. 5 KWG8 und § 7b Nr. 2 InvG. 1 2 3 4

5 6 7 8

Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 5. Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 6; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 5. Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 6; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 5. OLG Stuttgart, GmbHR 1999, 537, 538; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 5; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 6; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 7; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, 7. Aufl., Rdnr. 3; Tebben, in: Michalski, Rdnr. 16; Goette, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 8. Ebenso Goette, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 8. Offen gelassen von Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 5. H.M.; a.A. nur Overlack, ZHR 141 (1977), 125 ff. VG Frankfurt a. M., WM 2004, 2157; Ulmer/Habersack, in: Ulmer/Habersack/Henssler, Mitbestimmungsrecht, 2. Aufl. 2006, § 31 MitbestG Rdnr. 10; Habersack, WM 2005, 2360.

438

Uwe H. Schneider/Sven H. Schneider

§6

Geschäftsführer

IV. Gesetzliche Eignungsvoraussetzungen 1. Natürliche, unbeschränkt geschäftsfähige Personen Geschäftsführer können nur natürliche, unbeschränkt geschäftsfähige Personen 11 sein. Mit der Neufassung des § 6 Abs. 2 Satz 1 durch die Novelle 1980 ist die Frage entschieden, dass Minderjährige auch mit Zustimmung des gesetzlichen Vertreters nicht zum Geschäftsführer bestellt werden können1. Auch juristische Personen und sonstige Personenvereinigungen können nicht zum Geschäftsführer bestellt werden2. Wird eine nicht unbeschränkt geschäftsfähige Person zum Geschäftsführer be- 12 stellt, ist die Bestellung unwirksam. Der Verlust der Geschäftsfähigkeit führt automatisch zum Verlust der Organstellung3. Hat ein Geschäftsführer durch den Verlust seiner unbeschränkten Geschäftsfähigkeit sein Amt verloren, so erlangt er es nicht kraft Gesetzes wieder, wenn er die unbeschränkte Geschäftsfähigkeit zurückgewinnt4. Vielmehr bedarf es erneuter Bestellung. Ist der Geschäftsführer eingetragen, aber geschäftsunfähig, so können sich Dritte nicht auf § 15 HGB berufen; denn die fehlende Geschäftsfähigkeit ist keine einzutragende Tatsache5. Keine Eignungsvoraussetzungen im gesellschaftsrechtlichen Sinne enthalten ge- 13 setzliche Vorschriften, die wegen der Innehabung eines öffentlichen Amtes die Ausübung der Geschäftsführung ausschließen oder von einer Genehmigung abhängig machen, wie etwa Art. 55 Abs. 2, 66 GG (Bundespräsident, Bundeskanzler, Bundesminister)6, §§ 97 ff. BBG sowie die entsprechenden Vorschriften der Landesverfassungen und der Landesbeamtengesetze7. Der Registerrichter darf die Anmeldung daher nicht beanstanden. Dasselbe gilt für etwaige berufsständische Vorschriften, die der Übernahme des Geschäftsführeramtes entgegenstehen oder sie von einer Genehmigung abhängig machen, wie etwa § 7 Nr. 8 BRAO, § 8 Abs. 3 Nr. 2 BNotO, § 43a Abs. 3 Nr. 2 WPO, § 57 Abs. 4 Nr. 1 StBerG8. 1 OLG Hamm, DB 1992, 1401; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, 7. Aufl., Rdnr. 6; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 10; Kleindiek, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 11; Tebben, in: Michalski, Rdnr. 19; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 9; Hueck/ Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 9. 2 Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 8; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 9; s. aber auch Brandes, Juristische Personen als Geschäftsführer der Europäischen Privatrechtsgesellschaft, 2003. 3 BGH, JZ 1992, 152 mit Anm. Lutter/Gehling; BayObLG, GmbHR 1989, 371; OLG München, GmbHR 1991, 63; OLG Düsseldorf, GmbHR 1994, 114; OLG Köln, GmbHR 2003, 360; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 10; Kleindiek, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 12; Tebben, in: Michalski, Rdnr. 19; Jäger, DStR 1996, 108; Goette, DStR 1998, 939. 4 BayObLG, DStR 1993, 407. 5 BGH, JZ 1992, 152. 6 Tw. str., s. dazu Herzog, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, Stand: 2008, Art. 66 GG Rdnr. 41 ff.; Achterberg, ZStW 126 (1970), 344 ff. 7 Schuster/Lorenzen, in: Hoppe/Uechtritz, Handbuch kommunale Unternehmen, 2. Aufl. 2007, § 12 E II. 8 A.A. LG Köln, DB 1964, 365; zur Zulassung eines GmbH-Geschäftsführers als Rechtsanwalt: BGHZ 68, 397; BGH, NJW 1979, 430; BGH, AnwBl. 1982, 445; BGH, BRAKMitt. 1983, 134.

Uwe H. Schneider/Sven H. Schneider

439

§6

Geschäftsführer

2. Nichtgesellschafter 14

Zu Geschäftsführern können Gesellschafter und Personen, die nicht Gesellschafter sind (Fremdgeschäftsführer), bestellt werden (Grundsatz der Drittorganschaft) (§ 6 Abs. 3 Satz 1). Im GmbHG wird auch im Übrigen nicht danach unterschieden, ob ein Geschäftsführer Gesellschafter ist oder nicht. Gesellschafter müssen ebenso wie Nichtgesellschafter durch einen besonderen Akt bestellt werden. Unabhängig hiervon werden aber Gesellschafter-Geschäftsführer und Fremdgeschäftsführer in vielfacher Weise unterschiedlich behandelt, s. dazu bei § 35. Eine besondere Quote für die Bestellung von Frauen, Ausländern, Behinderte, etc. ist im Gesetz nicht vorgesehen (zur Anwendbarkeit des AGG s. Rdnr. 63).

3. Ausländer 15

Das GmbH-Gesetz verlangt weder, dass der Geschäftsführer die deutsche Staatsangehörigkeit hat, noch einen Wohnsitz im Inland1 oder deutsche Sprachkenntnisse. Die Beherrschung der deutschen Sprache kann aber durch das Aufsichtsrecht geboten sein. Auch wenn die Gesellschaft mehrere Geschäftsführer hat, ist nicht erforderlich, dass mindestens einer der Geschäftsführer deutscher Staatsangehöriger ist2.

16

Nur für die Steuerberatungs-GmbH verlangt § 50 Abs. 1 Satz 2 StBerG ausdrücklich, dass mindestens ein Steuerberater, der Geschäftsführer ist, „seine berufliche Niederlassung am Sitz der Gesellschaft oder in deren Nahbereich hat“. Das Entsprechende gilt nach § 28 Abs. 1 Satz 4 WPO für WirtschaftsprüfungsGmbHs.

17

Teilweise wird die Ansicht vertreten, die Aufenthaltsgenehmigung bzw. die Aufenthaltserlaubnis EU zwecks Einreisemöglichkeit seien keine Bestellungsvoraussetzungen3. Eine planwidrige Lücke, die eine entsprechende Anwendung von § 6 Abs. 2 rechtfertige, bestehe nicht4. Geschäftsführer könnten ihre Tätigkeit auch vom Ausland aus ausüben5. Die Registergerichte seien zur Überprüfung der ausländerrechtlichen Vorschriften nicht befugt6. Die Eintragung eines 1 OLG Köln, GmbHR 1999, 182, 183. 2 Unstreitig: OLG Frankfurt, NJW 1977, 1595; LG Braunschweig, DB 1983, 706; LG Köln, GmbHR 1983, 48; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 12; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 9; Miller, DB 1983, 978. Zum Ganzen Wachter, ZIP 1999, 1577; Erdmann, NZG 2002, 503. 3 OLG Dresden, GmbHR 2003, 537; OLG Düsseldorf, GmbHR 2009, 776; OLG München, NZG 2010, 157 = GmbHR 2010, 210; OLG Zweibrücken, GmbHR 2010, 1260; LG Berlin, GmbHR 2004, 951; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 15 f.; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/ Hueck, Rdnr. 9; Kleindiek, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 15; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, 7. Aufl., Rdnr. 39, 41; Tebben, in: Michalski, Rdnr. 32; Goette, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 20 f.; Wachter, ZIP 1999, 534; Schiedermair, in: FS Bezzenberger, 2000, S. 393; Erdmann, NZG 2003, 503, 505; Heßeler, GmbHR 2009, 759; Ries, NZG 2010, 298. 4 Wachter, BB 2010, 268, 270; a.A. Heßeler, GmbHR 2009, 759. 5 Zur Verlegung des Verwaltungssitzes bei tatsächlicher Leitung im Ausland: OLG Köln, GmbHR 1999, 184; Mankowski, Anm. zu LG Köln, EWiR § 6 GmbHG 1995, 673. 6 LG Hildesheim, GmbHR 1995, 656; Melchior, DB 1997, 413; Rawert, Anm. zu OLG Köln, EWiR § 6 GmbHG 1999, 461; Goette, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 20.

440

Uwe H. Schneider/Sven H. Schneider

§6

Geschäftsführer

ausländischen Geschäftsführers in das Handelsregister sei nur abzulehnen, wenn sie von dort aus ihren gesetzlichen Pflichten nicht gerecht werden1 oder wenn sich konkrete Hinweise ergeben, dass ausländerrechtliche Vorschriften oder andere gewerbliche Vorschriften umgangen werden sollen2. Dem ist nicht zu folgen. Das hat sachliche Gründe. Missbräuchliche Gestaltungen3 in jüngerer Zeit haben gelehrt, dass ausländische Geschäftsführer aus dem Ausland heraus erhebliche Schäden im Inland verursacht und damit das Vertrauen in die GmbH unterhöhlt haben. Erleichterte Zustellungsmöglichkeiten, die Probleme der Firmenbestattung lösen sollen, erleichtern allenfalls die Geltendmachung bereits entstandener Schäden4. Nach §§ 284, 288 SGB III, § 9 Nr. 1 ArbeitsgenehmigungsVO i.V.m. § 5 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG bedürfen Ausländer zwar keiner Arbeitsgenehmigung, wenn sie zu Vertretern juristischer Personen bestellt werden. Ausländer benötigen aber u.U. eine Aufenthaltsgenehmigung. Ein Rechtsanspruch besteht auf die Erteilung der Aufenthaltsgenehmigung in der Regel nicht. Daher ist zu unterscheiden: Für einen EU-Bürger gilt dasselbe wie für Inländer, auch wenn der Betreffende im Inland keinen Wohnsitz hat5; denn für EU-Bürger besteht innerhalb der Union Freizügigkeit. EU-Bürger können zu Geschäftsführern bestellt werden.

18

Für Nicht-EU-Bürger ist weiter zu unterscheiden. Besteht auf Grund besonderer 19 gesetzlicher Regelungen zeitlich begrenzt keine Visumspflicht, z.B. für drei Monate6, so bestehen keine Bedenken gegen ihre Bestellung7. Für Nicht-EU-Bürger, für die ein solcher begrenzter Zeitraum für einen Aufenthalt ohne Visum nicht besteht, begründet eine fehlende Aufenthaltsgenehmigung ein Bestellungshindernis, und zwar nicht nur, wenn der betreffende Ausländer zum einzigen Geschäftsführer bestellt werden soll, sondern auch, wenn der Nicht-EU-Bürger neben einem oder mehreren EU-Bürgern zum Geschäftsführer bestellt werden soll8. Durch die Bestellung des Geschäftsführers soll die GmbH handlungsfähig gemacht werden. Aus dem normativen Zusammenhang lässt sich hierzu ent1 LG Köln, GmbHR 1995, 656. 2 OLG Frankfurt, NJW 1977, 1595; OLG Celle, DB 1977, 993; OLG Düsseldorf, GmbHR 1978, 110; LG Braunschweig, DB 1983, 706; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 17; Bartl, DB 1977, 571, 575; Miller, DB 1983, 978; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, 7. Aufl., Rdnr. 41. 3 Seibert, in: FS Röhricht, 2005, S. 585, 594; Goette, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 20 Fn. 54 und Rdnr. 21; Kuhn, Die GmbH-Bestattung, 2011. 4 A.A. Tebben, in: Michalski, Rdnr. 32. 5 EuGH, NZG 1998, 809. 6 § 15 Aufenthaltsverordnung i.V.m. Art. 1 Abs. 2 der EU-VO Nr. 539/2001 vom 15.3.2001 („EU-Visum-VO“). In Anhang II der EU-Visum-VO werden die jeweiligen Länder gesondert aufgeführt. 7 OLG Frankfurt, NZG 2001, 757 mit Anm. Mankowski, EWiR § 6 GmbHG 2001, 813; Boujong, NZG 2003, 503. 8 OLG Köln, GmbHR 1999, 183 = EWiR § 6 GmbHG 1999, 261 (Mankowski): Keine Bestellung eines Nicht-EU-Bürgers zum Alleingeschäftsführer; OLG Hamm, ZIP 1999, 1919; OLG Zweibrücken, GmbHR 2001, 435; OLG Frankfurt, GmbHR 2001, 433; OLG Celle, NZG 2007, 634 = GmbHR 2007, 657; Haase, GmbHR 1999, 1091; Teichmann, IPRax 2000, 100; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 13; Paefgen, in: Ulmer, Erg.-Band MoMiG, Rdnr. 13.

Uwe H. Schneider/Sven H. Schneider

441

§6

Geschäftsführer

nehmen, dass nur solche Personen zu Geschäftsführern bestellt werden können, die auch die der Gesellschaft und ihnen persönlich in ihrer Eigenschaft als Geschäftsführer auferlegten gesetzlichen Pflichten erfüllen können. Zahlreiche dem Geschäftsführer obliegende gesetzliche Pflichten verlangen aber eine Tätigkeit und ein persönliches Erscheinen vor Gerichten und Behörden im Inland. Das gilt auch, wenn die Gesellschaft ihren Verwaltungssitz im Ausland hat1. Eine Vertretung ist ausgeschlossen2. Ein persönliches Tätigwerden ist aber NichtEU-Bürgern, denen die Genehmigung zum wenigstens zeitweisen Aufenthalt im Inland fehlt, verwehrt. Hinzu kommt, dass Berufsverbote, die durch ausländische Verwaltungsbehörden ausgesprochen wurden, im Inland nicht greifen (s. Rdnr. 27). Daher können die genannten Nicht-EU-Bürger auch nicht neben EUBürgern zum Geschäftsführer bestellt werden. Der Registerrichter hat bei NichtEU-Bürgern den Nachweis zu verlangen, dass der Geschäftsführer die Erlaubnis zum wenigstens zeitweisen Aufenthalt im Inland hat3. 20

Verliert ein Nicht-EU-Bürger, der zum Geschäftsführer bestellt ist, die Berechtigung zum Aufenthalt im Inland, wird er ausgewiesen, so erlischt seine Organstellung4; denn er ist nicht mehr in der Lage, seinen gesetzlichen Pflichten nachzukommen.

4. Spezialgesetzliche Eignungsvoraussetzungen 21

Werden in berufs- und gewerberechtlichen Vorschriften bestimmte Anforderungen an den Geschäftsführer gestellt, z.B. die fachliche Eignung, § 33 Abs. 1 Nr. 4 i.V.m. Abs. 2, § 35 Abs. 2 Nr. 3, § 36 Abs. 1 KWG, §§ 7a, 8 VAG, so darf das Gericht bei Fehlen dieser Voraussetzungen die Eintragung nicht ablehnen5. Die Bestellung ist wirksam. Die Rechtsfolgen ergeben sich vielmehr allein aus den jeweiligen Sondergesetzen. Rechtsanwaltsgesellschaften müssen von Rechtsanwälten verantwortlich geführt werden. Die Geschäftsführer müssen mehrheitlich Rechtsanwälte sein, § 59f Abs. 1 Satz 2 BRAO. Hat die Rechtsanwaltsgesellschaft mehrere Geschäftsführer, so bestehen besondere Beschränkungen für die Vertretung und Geschäftsführung6.

V. Gesetzliche Ausschlussgründe 22

Das MoMiG hat die gesetzlichen Ausschlussgründe für Geschäftsführer in § 6 Abs. 2 Satz 2 neu geordnet. Für Gesellschafter gibt es keine gesetzlichen Aus1 A.A. OLG Düsseldorf, GmbHR 2009, 776. 2 A.A. mit eingehender Begründung Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 16. 3 OLG Köln, GmbHR 1999, 183; OLG Köln, BB 1999, 493 = NZG 1999, 269 = EWiR § 6 GmbHG 1999, 461 (mit abl. Anm. Rawert); LG Köln, GmbHR 1983, 48; LG Köln, GmbHR 1984, 157; a.A. Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 9; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 16; Schiedermair, in: FS Bezzenberger, 2000, S. 393. 4 A.A. Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, 7. Aufl., Rdnr. 41; Goette, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 20; widersprüchlich Tebben, in: Michalski, Rdnr. 32: Dem Geschäftsführer muss es möglich sein, seine Mindestpflichten zu erfüllen. Aber er brauche keine Aufenthaltsgenehmigung. 5 Vgl. etwa Fischer, in: Boos/Fischer/Schulte-Mattler, 3. Aufl. 2008, § 36 KWG Rdnr. 54. 6 Zuck, Anwalts-GmbH, 1999, § 59f Rdnr. 11 ff.

442

Uwe H. Schneider/Sven H. Schneider

§6

Geschäftsführer

schlussgründe. Nicht ins Gesetz aufgenommen wurde die Anregung des Bundesrats1, den Ausschluss des Geschäftsführers von der Geschäftsführertätigkeit „als solche“ aufzunehmen. § 6 Abs. 2 bezieht sich vielmehr nur auf drei Fallgruppen, nämlich den Ausschluss des Betreuten bei der Besorgung seiner Vermögensangelegenheiten (1. Fallgruppe), die Personen, die einem Berufs- oder Gewerbeausübungsverbot unterliegen (2. Fallgruppe) und die wegen einer oder mehrerer vorsätzlich begangener Straftaten verurteilt worden sind (3. Fallgruppe).

1. Betreuung (§ 6 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1) Zum Geschäftsführer kann nicht bestellt werden, wer als Betreuter nach § 1896 BGB bei der Besorgung seiner Vermögensangelegenheiten ganz oder teilweise einem Einwilligungsvorbehalt gemäß § 1903 BGB unterliegt.

23

Durch das Betreuungsgesetz vom 12.9.1990 (BGBl. I 1990, 2002) wurde § 6 24 Abs. 2 Satz 2 a.F. eingeführt2. Die Vorschrift wurde in der Folgezeit durch § 6 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 ersetzt. Die Vorschrift in der alten Fassung ist am 1.1.1992 in Kraft getreten. Notwendig war die Änderung, weil § 104 Nr. 3 BGB aufgehoben wurde. Hiernach war bestimmt, dass geschäftsunfähig ist, wer wegen Geisteskrankheit entmündigt ist, und beschränkt geschäftsfähig ist, wer wegen Geistesschwäche, Verschwendung, Trunksucht und Rauschgiftsucht entmündigt oder unter vorläufige Vormundschaft gestellt ist. Auf Grund des Wegfalls dieser Vorschrift hätten demgemäß solche Personen künftig als Geschäftsführer bestellt werden können; denn die Bestellung eines Betreuers lässt die Geschäftsfähigkeit unberührt. Nur bei Anordnung eines so genannten Einwilligungsvorbehalts hat dies Auswirkungen, die mit denen bei beschränkter Geschäftsfähigkeit vergleichbar sind, § 1903 BGB. Das Gesetz hat im Blick hierauf davon abgesehen, alle Betreuten vom Amt eines Geschäftsführers auszuschließen. Anders ist die Lage bei Anordnung eines so genannten Einwilligungsvorbehalts. Der Betreute, der seine eigenen Vermögensangelegenheiten nicht ohne Einwilligung eines Betreuers vornehmen kann, ist auch als Geschäftsführer nicht geeignet, § 6 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1. Die persönliche Versicherungserklärung des Geschäftsführers hat sich nicht auf das Nichtvorliegen des Ausschlussgrundes nach § 6 Abs. Satz 2 Nr. 1 oder des Ausschlussgrundes nach § 6 Abs. 2 Satz 2 zu beziehen3.

2. Berufs- und Gewerbeausübungsverbote (§ 6 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2) Einen weiteren Ausschlussgrund vom Geschäftsführeramt bilden die Untersa- 25 gungen der Ausübung eines Berufs, Berufszweigs, Gewerbes oder Gewerbezweigs durch gerichtliches Urteil oder durch vollziehbare Entscheidung einer Verwaltungsbehörde (§ 6 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2)4. Entscheidend ist der satzungsmäßige und der tatsächliche Unternehmensgegenstand5. Wer die Leitung des Gewerbebetriebs einer GmbH einem gewerberechtlich unzuverlässigen Stroh-

1 2 3 4 5

BR-Drucks. 354/05, S. 8. Näher hierzu Deutler, GmbHR 1992, 252; Jaeger, DStR 1996, 108. OLG Hamm, GmbHR 2011, 30. BVerwG, DVBl. 1996, 808. KG Berlin, GmbHR 2012, 91, 92.

Uwe H. Schneider/Sven H. Schneider

443

§6

Geschäftsführer

mann überlässt, ist seinerseits unzuverlässig i.S. von § 35 GewO1. Der Ausschluss vom Geschäftsführeramt auf Grund der vorgenannten Untersagungen ist auf die Gesellschaften beschränkt, deren satzungsmäßiger oder tatsächlicher Unternehmensgegenstand ganz oder teilweise mit dem Gegenstand des Verbots übereinstimmt. Er gilt für die Dauer des Verbots2. Die in § 6 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 am Ende genannte fünfjährige Ausschlussfrist ist nicht entsprechend anzuwenden. Setzt das Gericht das Berufsverbot nach § 70a StGB zur Bewährung aus, so ist auch kein Ausschlussgrund i.S. des § 6 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 gegeben. 26

Die einem Geschäftsführer durch eine deutsche Verwaltungsbehörde untersagte Gewerbeausübung stellt keinen Verweigerungsgrund für die Eintragung einer mit diesem geführten inländischen Zweigniederlassung einer ausländischen Kapitalgesellschaft dar3. Personen, die in Deutschland nach § 6 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 nicht Geschäftsführer sein können, dürfen daher als Geschäftsführer einer ausländischen Gesellschaft über deren inländische Zweigniederlassung ihre Geschäfte im Inland weiter betreiben4. Befriedigend ist das Ergebnis nicht.

27

Berufsverbote oder Gewerbeausübungsverbote durch ein ausländisches Gericht stehen einer Verurteilung durch ein inländisches Gericht gleich (§ 6 Abs. 2 Satz 3). Dabei kann es sich um einen Auslandssachverhalt handeln, der zu dem Verbot geführt hat. Voraussetzung ist nur, dass die Verurteilung auf vergleichbaren Tatbeständen beruht und das gerichtliche Verfahren dem Mindeststandard eines rechtsstaatlichen Verfahrens entspricht5, also etwa das Recht auf Gehör gewährt wird, die Richter nicht korrupt sind, usw. Berufsverbote und Gewerbeausübungsverbote durch eine ausländische Verwaltungsbehörde stellen demgegenüber keinen gesetzlichen Ausschlussgrund dar6. Gefordert war die Gleichstellung in einer Stellungnahme des Bundesrats7 mit dem Hinweis, nach dem Company Directors Disqualification Act englischen Rechts könne derjenige von der Geschäftsführung ausgeschlossen werden, der bereits Direktor oder faktischer Geschäftsführer einer insolventen Gesellschaft war. Abgelehnt wurde diese Forderung von der Bundesregierung8 als „zu weitgehend“. Es erscheine zur Einschränkung der Berufsfreiheit angemessener, auf die zugrundeliegende Straftat und nicht auf die Rechtsfolge abzustellen. Dem ist zu folgen; denn im Ausland ist vielfach das Recht auf Gehör bei Verwaltungsbehörden nicht gewahrt. Ausübungsverbote werden auch aus Gründen, die nicht in der Person des Betroffenen liegen, ausgesprochen. Das spricht gegen eine Gleichstellung mit Ausübungsverboten deutscher Verwaltungsbörden.

1 2 3 4 5

Hess. VGH, DB 1993, 2021. KG Berlin, GmbHR 2012, 91, 92. OLG Oldenburg, RIW 2001, 863; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 20. So ausdrücklich der 2. Leitsatz, OLG Oldenburg, RIW 2001, 863. Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, 7. Aufl., Rdnr. 20; Tebben, in: Michalski, Rdnr. 21; Paefgen, in: Ulmer, Erg.-Band MoMiG, Rdnr. 12; Gehrlein, Der Konzern 2007, 771, 793. 6 Ebenso Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, 7. Aufl., Rdnr. 20; Kleindiek, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 20; Wicke, Rdnr. 5. 7 BT-Drucks.16/6140, S. 64. 8 BT-Drucks. 16/6140, S. 75.

444

Uwe H. Schneider/Sven H. Schneider

§6

Geschäftsführer

3. Vorsätzlich begangene Straftaten (§ 6 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3) § 6 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 nennt eine Reihe von Straftaten, die, wenn es zu einer 28 Verurteilung kommt, dazu führen, dass der Verurteilte von der Bestellung zum Geschäftsführer ausgeschlossen ist. Durch das MoMiG wurde die Zahl der möglichen Straftaten ausgeweitet. Nicht berücksichtigt wurde aber die Anregung, auch Steuerstraftaten i.S. des § 369 AO i.V.m. den Einzelsteuergesetzen aufzunehmen1. Ausdrücklich klar gestellt wurde, dass nur Verurteilungen wegen vorsätzlich begangener Straftaten zum Ausschluss vom Geschäftsführeramt führen. Fahrlässig verwirklichte Delikte hindern die Bestellung des Betreffenden zum Geschäftsführer dagegen nicht. Das Bestellungsverbot gilt auch hier für die Dauer von fünf Jahren nach Rechtskraft des Urteils, wobei Zeiten, in denen der Täter auf behördlicher Anordnung in einer Anstalt verwahrt wurde, nicht eingerechnet werden. Bereits zur vorherigen Fassung wurde vertreten, dass auch Verurteilungen wegen vergleichbarer Auslandsstraftaten ein Bestellungshindernis zur Folge haben. Das hat der Gesetzgeber nun ausdrücklich in § 6 Abs. 2 Satz 3 geregelt. Maßgebend ist die Bestellung nach dem 1.11.2008 (§ 3 Abs. 2 Satz 1 EGGmbHG) und die Verurteilung nach Inkraftttreten des MoMiG.

29

a) Insolvenzverschleppung Nach der Neufassung des § 6 durch das MoMiG stellen strafrechtliche Verurtei- 30 lungen wegen Verletzung der Insolvenzantragspflicht ein Bestellungshindernis dar. Die im Referentenentwurf2 vorgesehene Regelung wurde in den Stellungnahmen kritisiert, da dort nur die Straftatbestände der § 84 GmbHG a.F. und § 401 AktG ausdrücklich erfasst waren. Der Gesetzgeber nahm das zum Anlass, die Insolvenzantragspflicht nunmehr rechtsformunabhängig in der Insolvenzordnung zu regeln3. In § 15a Abs. 4 InsO wurde dazu auch ein allgemeiner Straftatbestand geschaffen, der die einzelgesetzlich geregelten Strafvorschriften ablöste. Verurteilungen auf der Grundlage der früheren § 84 Abs. 1 Nr. 2 GmbHG, § 401 Abs. 1 Nr. 2 AktG oder § 130b HGB führen aber trotzdem zur Inhabilität, wenn der Geschäftsführer nach dem 1.11.2008 bestellt worden ist und auch die Rechtskraft des Urteils erst nach diesem Termin eintritt (§ 3 Abs. 2 EGGmbHG)4. Das Gesetz unterscheidet nicht danach, in welcher Eigenschaft die Antrags- 31 pflicht verletzt wurde, nämlich als Geschäftsführer oder als Gesellschafter oder als Aufsichtsratsmitglied einer führungslosen GmbH (§ 15a Abs. 3 InsO i.V.m. § 15a Abs. 4 InsO). Nach dem Wortlaut von § 6 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3a bezieht sich der Ausschließungsgrund nur auf Straftaten „des Unterlassens der Stellung des Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens“. Nicht ausdrücklich erwähnt ist die verspätete Stellung des Antrags, obgleich dieser rechtstatsächlich wichti1 So die Anregung des Bundesrats: BR-Drucks. 354/07, S. 11. 2 RefE zum MoMiG vom 29.5.2006, abgedruckt in: Goette, Einführung in das neue GmbH-Recht, S. 184 ff. 3 Begr. RegE MoMiG, BT-Drucks. 16/6140, S. 55. 4 Begr. RegE MoMiG, BT-Drucks. 16/6140, S. 32.

Uwe H. Schneider/Sven H. Schneider

445

§6

Geschäftsführer

ge Fall auch nach § 15a Abs. 4 InsO strafbar ist. Den Antrag nicht gestellt hat indessen auch, wer nicht „rechtzeitig“ stellt. Daher macht auch eine Verurteilung wegen nicht rechtzeitiger oder unrichtiger Stellung des Insolvenzantrags inhabil1. b) Verurteilung wegen einer Insolvenzstraftat 32

Auf die Dauer von 5 Jahren seit der Rechtskraft des Urteils kann nicht Geschäftsführer sein, wer wegen einer vorsätzlich begangenen Straftat nach den §§ 283 bis 283d StGB (Insolvenzdelikte) verurteilt worden ist. Die Regelung dient dem Schutz der Gesellschaft sowie der gegenwärtigen und künftigen Gläubiger vor Wiederholungstaten; sie ist verfassungsrechtlich unbedenklich2. Das gilt auch bei einer Verurteilung im Ausland auf Grund vergleichbarer Tatbestände3. Ohne Bedeutung ist es, ob sich der Gesellschaftszweck und der Gegenstand des Unternehmens entsprechen. Es kommt auch nicht darauf an, ob das Gericht gegen den Betreffenden ein Berufsverbot (§ 70 StGB) verhängt hat. In der Anmeldung haben die Geschäftsführer die gesetzlichen Bestellungshindernisse im Einzelnen aufzuführen und deren Vorliegen zu verneinen, § 8 Abs. 34. Die gleichwohl vorgenommene Bestellung ist nichtig5. Die früher vorgenommene Bestellung wird wirkungslos mit Rechtskraft eines entsprechenden Strafurteils6. c) Verurteilung wegen Verletzung von Erklärungspflichten

33

Als Geschäftsführer ist ungeeignet, wer als Gesellschafter oder als Geschäftsführer im Zusammenhang mit der Gründung einer Gesellschaft, der Erhöhung oder Herabsetzung des Stammkapitals oder in öffentlichen Mitteilungen vorsätzlich falsche Angaben macht. Daher hindern auch Verurteilungen nach den Straftatbeständen des § 82 GmbHG und des § 399 AktG die Bestellung des Betreffenden als Geschäftsführer. d) Unrichtige Darstellung

34

Wer wegen einer unrichtigen Darstellung nach § 400 AktG, also wer als Mitglied des Vorstands oder des Aufsichtsrats oder als Abwickler die Verhältnisse einer Aktiengesellschaft einschließlich ihrer Beziehungen zu verbundenen Unternehmen in Darstellungen oder Übersichten über den Vermögensgegenstand, in Vorträgen oder Auskünften in der Hauptversammlung unrichtig wiedergibt 1 Kleindiek, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 23; Goette, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 33; Gundlach/Müller, NZI 2011, 480; a.A. Römermann, NZI 2008, 641, 646. 2 OLG Naumburg, GmbHR 2000, 378, 380; Tebben, in: Michalski, Rdnr. 26; SchmidtLeithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 16, Fn. 29; Fleischer, WM 2004, 157, 165 f. A.A. Stein, AG 1987, 165 (Verstoß gegen das Übermaßverbot und Art. 12 GG); Voerste, AG 1987, 376. 3 OLG Naumburg, ZIP 2000, 622; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 18; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 14; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, 7. Aufl., Rdnr. 15. 4 BayObLG, WM 1982, 168; BayObLG, WM 1983, 1170 m.w.N. sowie bei § 8. 5 Amtl. Begr. BT-Drucks. 8/1347, S. 31; OLG Naumburg, ZIP 2000, 622, 624 = GmbHR 2000, 378; BayObLG, WM 1983, 1170; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 17; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 19. 6 BayObLG, WM 1983, 1170; BayObLG, DB 1987, 1882.

446

Uwe H. Schneider/Sven H. Schneider

§6

Geschäftsführer

oder verschleiert und deshalb verurteilt wurde, ist als Geschäftsführer ungeeignet. Das Entsprechende gilt bei unrichtiger Darstellung nach § 331 HGB, § 313 UmwG und § 17 PublG. Anders als nach § 6 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3e fehlt die Voraussetzung, dass mindestens eine Freiheitsstrafe von einem Jahr verwirkt wurde. e) Betrug/Untreue Eine strafrechtliche Verurteilung wegen Betrug und Untreue stand vor der Ände- 35 rung des § 6 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3e einer Bestellung zum Geschäftsführer nicht entgegen. Das war wenig überzeugend; denn eine entsprechende Verurteilung ist Ausdruck wirtschaftlicher Unzuverlässigkeit. Diese Rechtslage hat sich mit dem MoMiG geändert. In der Reformdiskussion war dies streitig1. Nunmehr stellen eine Verurteilung wegen Betrug (§ 263 StGB), Computerbetrug (§ 263a StGB), Subventionsbetrug (§ 264 StGB) sowie Kapitalanlagebetrug (§ 264a StGB) und wegen Kreditbetrug (§ 265b StGB), Untreue (§ 266 StGB) sowie Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt (§ 266a StGB) gesetzliche Bestellungshindernisse dar. Voraussetzung ist, dass eine Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr vorliegt. Eine Verurteilung wegen Diebstahl, Einbruch oder Raub reicht nicht aus.

4. Aufsichtsratsmitglieder als Geschäftsführer 36

S. dazu bei § 52.

VI. Rechtsfolgen 1. Anmeldung In der Anmeldung der Gesellschaft haben die Geschäftsführer zu versichern, dass keine Umstände vorliegen, die ihrer Bestellung nach § 6 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 und 3 sowie Satz 3 entgegenstehen (§ 8 Abs. 3 Satz 1)2.

37

2. Unwirksame Bestellung Liegt ein gesetzlicher Ausschlussgrund vor, so ist die Bestellung unwirksam. 38 Tritt der Ausschlussgrund erst nachträglich ein, so verliert der Geschäftsführer automatisch sein Amt3. Die Anordnung der Verwaltungsbehörde muss nicht unanfechtbar sein, sondern es genügt, dass sie sofort vollziehbar ist4. Das Berufsverbot durch die Verwaltungsbehörde gegenüber einem Geschäftsführer kann auf § 35 Abs. 1 Satz 2 GewO oder eine der spezialgesetzlichen gewerberecht1 LG Köln, NJW-RR 1995, 553; zur Begründung s. Bericht des BT-Rechtsausschusses, BTDrucks. 8/3908, S. 70. 2 Zum Inhalt der Versicherung: OLG Frankfurt, GmbHR 2011, 1156. 3 BGHZ 115, 78, 80; OLG Frankfurt, GmbHR 1994, 802; OLG Düsseldorf, GmbHR 1994, 114; KG Berlin, GmbHR 2012, 91; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, 7. Aufl., Rdnr. 23; Tebben, in: Michalski, Rdnr. 23 und 89; Goette, DStR 1998, 939; Drygala, ZIP 2005, 423, 428; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 19. 4 Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 21: Kein Ausschlussgrund, solange das Verbot in Folge Widerspruchs oder Anfechtungsklage nicht vollziehbar ist (vgl. § 80 VwGO).

Uwe H. Schneider/Sven H. Schneider

447

§6

Geschäftsführer

lichen Vorschriften gestützt sein1. Eine Untersagung nach § 16 Abs. 3 HandwO reicht aber nicht aus2. Nicht ausreichend ist ein vorläufiges Berufsverbot nach § 132a StPO. Auch bewirkt ein nur gegenüber der GmbH ergangenes Gewerbeverbot keinen Ausschlussgrund3. Fällt der gesetzliche Ausschlussgrund nachträglich weg, war die Bestellung unwirksam und es bedarf erneuter Bestellung. Ist ein Geschäftsführer im Handelsregister eingetragen, obwohl ein Ausschlussgrund vorliegt, so ist die Eintragung von Amts wegen zu löschen4. Handelt der Geschäftsführer, obwohl seine Bestellung unwirksam ist, so wird der gutgläubige Dritte nach § 15 Abs. 1, 3 HGB geschützt5. Das gilt jedoch nicht bei fehlender Geschäftsfähigkeit des bestellten Geschäftsführers6. Die Geschäftsfähigkeit ist keine einzutragende Tatsache, auf die ein Dritter vertrauen könnte. Der Ansicht, der Dritte könne sich auf allgemeine Rechtsscheinsgrundsätze berufen, ist nicht zu folgen7. Zwar wendet sich der Rechtsschein nicht gegen den geschäftsunfähigen Geschäftsführer, sondern gegen die GmbH8. Nichtig ist aber nicht nur die Willenserklärung eines Geschäftsunfähigen, die dieser im eigenen Namen abgibt, sondern auch die Erklärung des geschäftsunfähigen Vertreters. Auch in diesem Fall werden Dritte nicht geschützt9.

3. Haftung der Gesellschafter (§ 6 Abs. 5) 39

Die bereits im FoSiG10 angeregte Binnenhaftung der Gesellschafter für ein Auswahlverschulden wurde noch im Regierungsentwurf des MoMiG als Durchbrechung der Gesetzessystematik abgelehnt. Eine Haftung für unternehmerische Fehlentscheidungen des faktischen Geschäftsführers widerspreche dem Grundsatz des GmbH-Rechts, da die Gesellschafter grundsätzlich nicht für einen Schaden verantwortlich seien, den sie innerhalb der Grenzen der Kapitalerhaltungsregeln und § 826 BGB der Gesellschaft unmittelbar oder mittelbar zufügen11. Eine Haftung der Gesellschafter sei weder effektiv noch mit der Gesetzessystematik vereinbar. Der Bundesrat betonte dagegen in seiner Stellungnahme zum Regierungsentwurf abermals die Notwendigkeit dieser Haftungsnorm, um einer Umgehung der Ausschlusstatbestände durch die Einschaltung eines Strohmannes zu begegnen12, so dass die Vorschrift doch Eingang ins Gesetz fand. 1 2 3 4 5 6 7 8 9

10 11 12

BVerfG, GewA 1977, 14. BayObLG, GmbHR 1987, 20. BayObLG, GmbHR 1987, 20 (kein Durchgriff). OLG Zweibrücken, NZG 2001, 857; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, 7. Aufl., Rdnr. 23. Begr. RegE, BT-Drucks. 8/1347, S. 32. BGHZ 115, 78, 81 = GmbHR 1991, 358; Wicke, Rdnr. 6; Dreher, DB 1991, 533. So aber BGHZ 115, 78, 82 = GmbHR 1991, 358; BGH, ZIP 2002, 1895, 1897 = GmbHR 2002, 972. W. Roth, JZ 1990, 1030. Ebenso Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, 7. Aufl., Rdnr. 25; a.A. Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 17: Haftung wegen zurechenbarer Veranlassung oder Aufrechterhaltung des Anscheins rechtswirksamer Vertretung; Lutter/Gehling, JZ 1992, 154. BT-Drucks. 16/511. Begr. RegE MoMiG, BT-Drucks. 16/6140, S. 33; Heßeler, Amtsunfähigkeit von GmbHGeschäftsführern gemäß § 6 Abs. 2 GmbHG, 2009, S. 307. BR-Drucks. 354/07, S. 10; vgl. Gesetzentwurf des Bundesrats zum FoSiG, BT-Drucks. 16/511, S. 25.

448

Uwe H. Schneider/Sven H. Schneider

§6

Geschäftsführer

a) Eigenständiger Haftungstatbestand Es bleibt dabei, dass den Gesellschaftern weder gegenüber der Gesellschaft1 40 noch gegenüber Dritten2 eine Pflicht obliegt, Geschäftsführer zu bestellen. Sie haften auch nicht, wenn sie einen unzuverlässigen und/oder fachlich nicht geeigneten Geschäftsführer bestellen, dieser seine Leitungspflichten verletzt und der Gesellschaft hierdurch Schaden entstanden ist. Die Grenze bildet § 826 BGB. Dieser Grundsatz wird aber eingeschränkt. § 6 Abs. 5 begründet einen eigenen 41 Haftungstatbestand allerdings nur im Verhältnis zur Gesellschaft (Innenhaftung)3, nicht aber im Verhältnis zu Dritten. § 6 Abs. 5 ergänzt damit § 43 Abs. 2. Die Vorschrift begründet aber keine Außenhaftung. Die Innenhaftung dient jedoch nicht zuvörderst dem allgemeinen Schutz des Vermögens der GmbH4. Es geht nicht um eine Haftung für „geschäftliche Fehlentscheidungen“. Sie hat vielmehr vor allem gläubigerschützende Wirkung5. Es handelt sich „um eine die Kapitalerhaltungsinteressen stärkende Haftung der Gesellschafter“ für ein Auswahlverschulden6. Daran fehlt es, wenn die Gesellschafter selbst in die Verantwortung gehen. Erteilen die Gesellschafter dem inhabilen faktischen Geschäftsführer eine Weisung, so mag zwar zweifelhaft sein, ob eine Folgepflicht besteht; denn ein solcher Geschäftsführer ist nicht wirksam bestellt. Führt er aber die Weisung aus, so entfällt seine Haftung, weil er keine Pflicht verletzt hat. Entsprechend entfällt die Haftung der Gesellschafter nach § 6 Abs. 5. Dies gilt jedoch nicht für Weisungen, die gläubigerschützende Vorschriften verletzen (s. Rdnr. 59). Und die Gesellschafter können nachträglich auch auf Ansprüche der Gesellschaft wegen schuldhafter Verletzung der Leitungspflichten verzichten. Das führt dann auch zum Wegfall der Haftung der Gesellschafter. Das gilt aber nur, wenn dem nicht Gläubigerinteressen entgegenstehen7. Die Vorschrift will missbräuchliche GmbH-Bestattungen verhindern8. In den Missbrauchsfällen machen die Gesellschafter die GmbH führungslos oder sie steuern mit dubiosen Geschäftsführern aus dem Hintergrund, verlegen mehrfach den Sitz der Gesellschaft, um dann die GmbH im rechtlichen Nirwana verschwinden zu lassen. In solchen Fällen sollen wenigstens die Gesellschafter haften. Die Haftung nach § 6 Abs. 5 ist nicht subsidiär. b) Haftende Gesellschafter Voraussetzung für eine Haftung ist, dass die Gesellschafter einer inhabilen Person die Führung der Geschäfte überlassen. 1 Wicke, Rdnr. 20; a.A. Oetker, in: Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, Rdnr. 12. 2 Ebenso Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck Rdnr. 6. 3 Dafür schon Hirte, ZInsO 2003, 833, 838; Haas, GmbHR 2006, 729, 239; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, 7. Aufl., Rdnr. 28; dagegen Drygala, ZIP 2005, 423, 430. 4 So aber wohl Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, 7. Aufl., Rdnr. 30. 5 BR-Drucks. 354/07, S. 10. 6 BR-Drucks. 354/07, S. 10. 7 S. auch Kleindiek, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 56; Schäfer, in: Bork/Schäfer, Rdnr. 23. 8 Seibert, in: FS Röhricht, 2005, S. 585 ff.; Goette, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 49; Kuhn, Die GmbH-Bestattung, 2011.

Uwe H. Schneider/Sven H. Schneider

449

42

§6

Geschäftsführer

43

Haftende Gesellschafter können natürliche Personen sein, Mehrheitsgesellschafter, Minderheitsgesellschafter1, konzernfreie Gesellschafter oder Konzernunternehmen. Jeder Gesellschafter kann somit in die Haftung geraten. Voraussetzung ist nur, dass der Gesellschafter an der Überlassung der Geschäftsführung aktiv mitwirkt oder ein Einschreiten in Kenntnis der Amtsunfähigkeit und der Geschäftsführung unterlassen hat. Das spricht dafür, dass auch ein Gesellschafter eines Gesellschafters, also der mittelbar beteiligte Gesellschafter, unabhängig von der Höhe seiner Beteiligung nach § 6 Abs. 5 haftet, wenn er seinen Einfluss geltend gemacht hat, dass eine amtsunfähige Person in der Geschäftsführung wirkt2. Im Konzern bedeutet dies, dass nach § 6 Abs. 5 eine fehlerhafte konzernweite Personalpolitik zur Haftung des mittelbar beteiligten herrschenden Unternehmens führen kann.

44

Schadensersatzpflichtig können auch Mitglieder des Aufsichtsrats sein3. Sie haften nach § 52 GmbHG i.V.m. § 116 AktG. Diese Haftung kann jedoch ausgeschlossen werden. Dann gewinnt die Analogie zu § 6 Abs. 5 praktische Bedeutung; denn vom Wortlaut des § 6 Abs. 5 ist eine Haftung der Mitglieder eines Aufsichtsrats nicht gedeckt. Eine analoge Anwendung ist jedoch gerechtfertigt, wenn der Aufsichtsrat für die Bestellung der Geschäftsführer zuständig ist und er seinerseits die Führung der Geschäfte dem inhabilen Geschäftsführer überlässt. Davon geht auch die Regierungsbegründung zum MoMiG4 aus. Dort heißt es, die Aufsichtsratsmitglieder verletzten bei der Bestellung oder durch Gewährenlassen einer amtsunfähigen Person ihre Pflichten und haften auf Schadensersatz. Dies gelte gemäß § 52 auch für die GmbH. c) Führung der Geschäfte

45

§ 6 Abs. 5 knüpft den Anspruch auf Schadensersatz nicht an die Bestellung eines inhabilen Geschäftsführers. Das allein genügt nicht. Ein Anspruch auf Schadensersatz der Gesellschaft entsteht vielmehr, wenn die Gesellschafter dem inhabilen Geschäftsführer die Führung der Geschäfte überlassen. Der Begriff „Überlassung der Führung der Geschäfte“ ist dabei weit auszulegen. Die Überlassung kann durch positives Tun oder durch Unterlassen erfolgen. In Betracht kommt die Mitwirkung des Gesellschafters an dem Beschluss zur Bestellung des inhabilen Geschäftsführers. Allerdings haftet in diesem Fall nur der Gesellschafter, der der Bestellung zugestimmt hat. Er haftet nicht, wenn er an dem Beschluss nicht mitgewirkt, nicht zugestimmt oder widersprochen hat5. An der Überlassung mitgewirkt hat aber auch ein Gesellschafter, der zwar der Bestel1 Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, 7. Aufl., Rdnr. 30; Schäfer, in: Bork/Schäfer, Rdnr. 21; a.A. Paefgen, in: Ulmer, Erg.-Band MoMiG, Rdnr. 19. 2 Ebenso Goette, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 53; Paefgen, in: Ulmer, Erg.-Band MoMiG, Rdnr. 21; Wicke, Rdnr. 22. 3 Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, 7. Aufl., Rdnr. 34; Wicke, Rdnr. 22; Oetker, in: Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, Rdnr. 64; Goette, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 54; a.A. Paefgen, in: Ulmer, Erg.-Band MoMiG, Rdnr. 22; Tebben, in: Michalski, Rdnr. 99. 4 Begr. RegE MoMiG, BT-Drucks. 16/6140, S. 33. 5 Ebenso Paefgen, in: Ulmer, Erg.-Band MoMiG, Rdnr. 20; a.A. Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, 7. Aufl., Rdnr. 30; Römermann, in: Römermann/Wachter, GmbH-Beratung nach dem MoMiG, GmbHR-Sonderheft MoMiG, 2008, S. 62, 69.

450

Uwe H. Schneider/Sven H. Schneider

§6

Geschäftsführer

lung widersprochen hat, der aber in der Folge unter Vernachlässigung seiner Minderheitenrechte nicht alles unternommen hat, z.B. durch Einberufung der Gesellschafterversammlung, um die Unternehmensleitung durch den inhabilen Geschäftsführer zu verhindern. Auch der gleichgültige Gesellschafter verletzt somit seine Pflichten durch Unterlassen, wenn die anderen Gesellschafter einen inhabilen Geschäftsführer einsetzen1, er aber nicht alles Notwendige unternimmt, um ein Tätigwerden des inhabilen Geschäftsführers zu verhindern. Es fehlt nicht nur am Verschulden2. Dem erfolglosen Minderheitsgesellschafter, der alles unternommen hat, um die Geschäftsführung durch den inhabilen Dritten zu verhindern, werden aber die schadensstiftenden Maßnahmen nicht zugerechnet. Er haftet nicht. Die Überlassung der Geschäftsführung verlangt keinen formalen Bestellungs- 46 akt3. Daher ist auch nicht erforderlich, dass die inhabile Person als Geschäftsführer eingetragen ist oder als Geschäftsführer bezeichnet wird. Entscheidend ist vielmehr, dass der inhabilen Person tatsächlich Leitungsaufgaben übertragen, überlassen sind oder deren Wahrnehmung geduldet wird4. – Möglich ist daher, dass die Gesellschafter eine inhabile Person mit der Leitung beauftragen und dass diese Person über die Maßnahmen entscheidet, sie umsetzt und im Außenverhältnis auftritt (1. Fallgruppe).

47

– Es genügt auch, dass die Gesellschafter die inhabile Person als StrohmannGeschäftsführer bestellen und zur Ausführung von Maßnahmen benutzen und sie ihrerseits aber die Unternehmensleitung aus dem Hintergrund steuern (2. Fallgruppe).

48

– Möglich ist endlich, dass die amtsunfähige Person, z.B. der Mehrheitsgesellschafter, mit Billigung der Mitgesellschafter über die Maßnahmen der Geschäftsführung entscheidet, diese aber durch einen amtsfähigen Geschäftsführer umgesetzt werden (3. Fallgruppe)5.

49

Die Person, der die Geschäfte überlassen werden, muss demnach nicht im Au- 50 ßenverhältnis auftreten. Ihr muss keine rechtsgeschäftliche Vollmacht erteilt sein. Organschaftliche Vertretungsmacht hat der inhabile Dritte ohnehin nicht; denn eine Bestellung wäre unwirksam. Ist die inhabile Person weisungsabhängiger leitender Angestellter, so sind ihr aber keine Geschäfte übertragen; denn verlangt ist eine gewisse Selbständigkeit in der Entscheidungsbefugnis. Tritt die Amtsunfähigkeit erst nach der Übertragung der Geschäfte ein, so ver- 51 liert ein bestellter Geschäftsführer automatisch seine Organstellung. Unabhän-

1 Ähnlich Goette, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 53. 2 So Schäfer, in: Bork/Schäfer, Rdnr. 21. 3 Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck Rdnr. 19 f.; Paefgen, in: Ulmer, Erg.-Band MoMiG, Rdnr. 16; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, 7. Aufl., Rdnr. 28; Kleindiek, in: Lutter/Hommelhof, Rdnr. 48; Oetker, in: Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, Rdnr. 61; Goette, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 51; Tebben, in: Michalski, Rdnr. 100. 4 Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, 7. Aufl., Rdnr. 28. 5 Ebenso Schäfer, in: Bork/Schäfer, Rdnr. 19; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, 7. Aufl., Rdnr. 28; a.A. Tebben, in: Michalski, Rdnr. 101.

Uwe H. Schneider/Sven H. Schneider

451

§6

Geschäftsführer

gig davon müssen die Gesellschafter nach Eintritt der Amtsunfähigkeit einschreiten, um eine weitere tatsächliche Geschäftsführung zu verhindern1. 52

Kein Überlassen der Geschäftsführung liegt vor, wenn die Gesellschafter keinen Geschäftsführer bestellen und sie auch sonst niemandem die Führung der Geschäfte übertragen, also die Dinge hängen lassen. Entsprechend liegt kein Überlassen der Geschäftsführung vor, wenn die Gesellschafter einen Geschäftsführer abberufen, ohne einen neuen Geschäftsführer zu bestellen, und sie auch sonst die Geschäftsführung keinem Dritten überlassen. Das Fehlen von Bestellungspflichten mit der Folge einer führungslosen Gesellschaft mag zwar der gesetzlichen Intention widersprechen. Das begründet aber keinen Haftungstatbestand. Kein Überlassen liegt ferner vor, wenn ein krimineller Gesellschafter selbst die Geschäfte der Gesellschaft führt oder steuert, die Geschäftsführung ihm aber nicht von den Gesellschaftern in ihrer Gesamtheit überlassen ist2. Zweifelhaft ist nur der Fall, in dem ein inhabiler Alleingesellschafter die Geschäfte führt und er zu diesem Zweck einen amtsfähigen Geschäftsführer für die Vertretung im Außenverhältnis bestellt hat. Der Gesetzeszweck spricht für seine Haftung. d) Überlassung an inhabile Personen

53

Überlassen sein muss die Geschäftsführung Personen, die aus gesetzlichen Gründen, die in § 6 Abs. 2 aufgelistet sind, nicht Geschäftsführer sein können. Fehlen dem Geschäftsführer die statutarischen oder die aufsichtsrechtlichen Eignungsvoraussetzungen, z.B. nach § 33 KWG oder § 7a VAG, greift § 6 Abs. 5 nicht3. Nach dem Wortlaut ist dies zwar zweifelhaft; denn eine solche Begrenzung fehlt im Text. Sie ergibt sich aber durch einschränkende Auslegung nach dem Sinn und Zweck der Vorschrift. § 6 Abs. 5 soll nur greifen, um die gesetzlichen Ausschlussgründe durchzusetzen. Sinn und Zweck der Haftung nach § 6 Abs. 5 besteht nicht darin, die satzungsmäßigen oder gewerberechtlichen/aufsichtsrechtlichen Bestellungsvoraussetzungen zu verwirklichen.

54

Aus diesem Grund liegt auch keine Überlassung an eine inhabile Person i.S. von § 6 Abs. 5 vor, wenn der faktische Geschäftsführer aus sonstigen Gründen unzuverlässig und ungeeignet ist. Dazu gehören Gründe aus dem öffentlichen Dienstrecht, ein Wettbewerbsverbot aus einem Dienstvertrag mit einem Dritten, usw. e) Auswahlverschulden

55

§ 6 Abs. 5 begründet für die Gesellschafter eine Verschuldenshaftung. Sie findet ihren Grund in einer schuldhaft fehlerhaften Auswahl der Geschäftsführer (Auswahlverschulden). Die Gesellschafter haften gesamtschuldnerisch4.

1 2 3 4

Ebenso Paefgen, in: Ulmer, Erg.-Band MoMiG, Rdnr. 18. So zutr. Begr. RegE MoMiG, BT-Drucks. 16/6140, S. 633. A.A. wohl Oetker, in: Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, Rdnr. 60. BR-Drucks. 354/07, S. 8: Gesprochen wird dort von „gesamthänderischer Haftung“. Gemeint ist aber wohl „gesamtschuldnerische Haftung“.

452

Uwe H. Schneider/Sven H. Schneider

§6

Geschäftsführer

Der Gesellschafter haftet nur bei Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit. Das bedeu- 56 tet, dass der Gesellschafter seine Pflichten bei der Überlassung der Führung der Geschäfte vorsätzlich oder grob fahrlässig verletzt hat. Der Gesellschafter handelt nicht grob fahrlässig, wenn er nicht bei jeder Bestellung oder Wiederbestellung nachprüft, ob die Voraussetzungen für einen Ausschlussgrund vorliegen. Er handelt nur dann grob fahrlässig, wenn Anhaltspunkte bestehen, die die Vermutung aufkommen lassen, es gäbe ein Ermittlungsverfahren oder es liege eine Vorstraftat vor. In diesem Fall muss der Gesellschafter nachprüfen, ob die betreffende Person inhabil ist1. f) Darlegungs- und Beweislast Wie § 43 steht § 6 Abs. 5 für einen besonderen Fall der Organhaftung. Daraus 57 lässt sich ableiten, dass die Regeln über die Darlegungs- und Beweislast, die für § 43 gelten, hier entsprechend anzuwenden sind. Das bedeutet, dass die Gesellschafter die Darlegungs- und Beweislast dafür tragen, dass sie ihren Sorgfaltspflichten nachgekommen sind oder sie kein Verschulden trifft oder dass der Schaden auch bei pflichtgemäßem Alternativverhalten, also bei pflichtgemäßer Bestellung der Geschäftsführer, eingetreten wäre2. Dem steht nicht entgegen, dass zwar der Geschäftsführer über alle Informationen verfügt, um einen Vorwurf pflichtwidrigen Verhaltens bei der Unternehmensleitung abzuwehren. Für den Gesellschafter trifft dies in dieser Weise nicht zu. Er kann sich die Informationen aber besorgen. g) Zu ersetzender Schaden Die pflichtvergessenen Gesellschafter haften der Gesellschaft als Gesamt- 58 schuldner auf Ersatz des entstandenen Schadens. Dabei ist aber nicht jeder durch den faktischen Geschäftsführer verursachte Schaden zu ersetzen, sondern nur der Schaden, der dadurch entstanden ist, dass diese Person die ihr gegenüber der Gesellschaft bestehenden Obliegenheiten verletzt hat. Schuldhaft muss die inhabile Person hierbei nicht gehandelt haben3. Mit der Formulierung „Obliegenheit“ knüpft § 6 Abs. 5 an die Formulierung in § 43 Abs. 2 an. § 43 Abs. 2 meint dabei die Pflichten, die dem Geschäftsführer im Verhältnis zur Gesellschaft auferlegt sind. Nun obliegen zwar auch dem faktischen Geschäftsführer gegenüber der Gesellschaft Pflichten, deren schuldhafte Verletzung zur Haftung führt. Teilweise wird allerdings eine Haftung des faktischen Geschäftsführers nur angenommen, wenn die Person auch im Außenverhältnis auftritt. Das ist im Rahmen von § 6 Abs. 5 jedoch nicht erforderlich4. 1 Schäfer, in: Bork/Schäfer, Rdnr. 22. 2 Kleindiek, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 60; Paefgen, in: Ulmer, Erg.-Band MoMiG, Rdnr. 28; allgemein: Kurzwelly, in: Krieger/Uwe H. Schneider, Hdb. Managerhaftung, 2. Aufl. 2010, S. 337, 340. 3 Kleindiek, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 61; anders aber in Rdnr. 54: Haftung nur, wenn auch „entsprechende Verantwortlichkeit eines (amtsunfähigen) faktischen Geschäftsführers“ besteht; Paefgen, in: Ulmer, Erg.-Band MoMiG, Rdnr. 25; Altmeppen, in: Roth/ Altmeppen, 7. Aufl., Rdnr. 33. 4 Kleindiek, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 54: Haftung nur entsprechend Verantwortlichkeit eines (amtsunfähigen) faktischen Geschäftsführers.

Uwe H. Schneider/Sven H. Schneider

453

59

§6

Geschäftsführer

Zu fragen ist vielmehr, ob ein wirksam bestellter Geschäftsführer seine Pflichten verletzt hätte, wenn er an Stelle der inhabilen Person die Aufgaben wahrgenommen hätte. Mit dem Verweis auf die Pflichtverletzung des Geschäftsführers verknüpft § 6 Abs. 5 die Haftung der Gesellschafter zugleich auch mit den allgemeinen Regeln zur Haftungsfreistellung des Geschäftsführers1. Dazu gehören insbesondere die Haftungsfreistellung bei rechtmäßigen Weisungen oder einem offenen oder stillschweigenden Einverständnis der Gesellschafter (s. 10. Aufl., § 43 Rdnr. 121). Sie führen auch zur Freistellung des faktischen Geschäftsführers. Dabei genügt für den Weisungsbeschluss eine einfache Mehrheit der Gesellschafter2. Bei ihm liegt keine Obliegenheitsverletzung vor, wenn die angewiesene Maßnahme zu Schaden führt mit der Folge, dass auch die Gesellschafter nicht nach § 6 Abs. 5 haften3. Eine Haftungsfreistellung erfolgt freilich nur, wenn die Weisung rechtmäßig ist. Dies ist nicht der Fall, wenn die angewiesene Maßnahme gegen Vorschriften zur Kapitalerhaltung oder gegen das Verbot des existenzvernichtenden Eingriffs4 oder sonstiges zwingendes Recht verstößt (s. 10. Aufl., § 43 Rdnr. 124). Und eine Haftungsfreistellung ergibt sich nicht bei fehlerhafter Ausführung. 60

Zu ersetzen sind auch Schäden, die auf einer Verletzung von Loyalitätspflichten beruhen, sofern die Verletzung im Zusammenhang mit der Überlassung der Geschäftstätigkeit steht. Die Gesellschafter haften daher auch für eine Nichtbeachtung des Wettbewerbsverbots des faktischen Geschäftsführers, für das Ansichziehen von Geschäftschancen, die der Gesellschaft zustehen, und für Schäden durch Griff in die Kasse der Gesellschaft. Die Gesellschafter haften nur dann ausnahmsweise der Gesellschaft nicht, wenn die schadensverursachende Handlung auf einer allgemeinen Sorgfaltspflichtverletzung beruht. Zu denken ist an die Beschädigung eines PKW anlässlich einer Dienstfahrt5. Zum Ersatz des Schadens Dritter sind die Gesellschafter nur verpflichtet, wenn der Dritte seinerseits gegen die Gesellschaft Anspruch auf Schadensersatz hat. Bejaht man ein eigenes Verfolgungsrecht Dritter gegen die Gesellschafter in entsprechender Anwendung von § 93 Abs. 5 AktG6, so kann der Dritte Zahlung an sie verlangen. h) Verjährung

61

Nicht gesetzlich geregelt ist, zu welchem Zeitpunkt der Anspruch aus § 6 Abs. 5 verjährt. Eine Analogie zu § 43 Abs. 4 spricht für eine Verjährung des entsprechenden Anspruchs in 5 Jahren7.

1 Allgemein dazu Uwe H. Schneider/Sven H. Schneider, GmbHR 2005, 1229. 2 A.A. Kleindiek, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 55; Paefgen, in: Ulmer, § 43 Rdnr. 115. 3 Goette, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 55; Kleindiek, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 56; a.A. Paefgen, in: Ulmer, Erg.-Band MoMiG, Rdnr. 25. 4 BGHZ 149, 10, 16 = GmbHR 2001, 1036; BGH, GmbHR 2002, 549. 5 Ebenso zum letzteren Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, 7. Aufl., Rdnr. 33. 6 So Kleindiek, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 59; Schäfer, in: Bork/Schäfer, Rdnr. 24. 7 Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 24; Paefgen, in: Ulmer, Erg.-Band MoMiG, § 6 Rdnr. 29; Wicke, Rdnr. 23.

454

Uwe H. Schneider/Sven H. Schneider

§6

Geschäftsführer

i) Erlass Wegen der gläubigerschützenden Wirkung von § 6 Abs. 5 können die Gesellschafter nicht von Anfang an durch die Satzung auf die Haftung der Gesellschafter verzichten. Sie können aber nachträglich auf den Anspruch verzichten, soweit dem nicht Gläubigerinteressen entgegenstehen.

62

VII. Grundsatz der Gleichbehandlung Nach § 6 i.V.m. § 7 Abs. 1 AGG dürfen „Beschäftigte“ nicht wegen eines in § 1 63 AGG genannten Grundes, also aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder der Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität, behindert werden. Nach § 6 Abs. 3 AGG gelten diese Vorschriften auch für Geschäftsführer, soweit es die Bedingungen für den Zugang zur Erwerbstätigkeit sowie den beruflichen Aufstieg betrifft. Eine bestimmte Quote, etwa im Blick auf die Religionszugehörigkeit des Geschäftsführers oder der ethnischen Herkunft1 ist nicht vorgesehen. Teilweise wird die Ansicht vertreten, dass sich das Gleichbehandlungsgebot nur auf den Anstellungsvertrag, nicht aber die Bestellung bezieht2. Ein Verstoß gegen die Vorschriften des AGG liege nur vor, wenn dem bestellten Geschäftsführer der Abschluss eines Anstellungsvertrags verweigert werde3.

64

Mit dem Wortlaut von § 6 Abs. 3 AGG sowie dem Sinn und Zweck des Gesetzes ist eine solche einschränkende Auslegung nicht vereinbar. Voraussetzung für den Zugang zum Amt des Geschäftsführers ist die Bestellung und nicht die Anstellung4. Das Gebot der Gleichbehandlung gilt daher auch für die Bestellung und deren Fortführung5.

65

Für Fremdgeschäftsführer wird zudem darauf hingewiesen, dass sie zwar nach 66 deutschem Recht nach h.M. keine Arbeitnehmer seien (s. dazu aber auch 10. Aufl., § 35 Rdnr. 167). Die Vorschriften des AGG seien jedoch im Lichte des europäischen Gleichbehandlungsrechts auszulegen und das europäische Recht qualifiziere Fremdgeschäftsführer als Arbeitnehmer6. Das schließt nicht aus, dass die Bewerber auch im Blick auf das Gesellschaftsinteresse bewertet werden und ein Bewerber deshalb bestellt und ausgewählt wird, weil er für das Amt besser geeignet ist. So ist es ein anerkennenswertes Kriterium, dass der Geschäftsführer Gesellschafter ist. Der Grundsatz der Gleichbehandlung hat daher vor allem für Fremdgeschäftsführer etwa bei Kon1 Zu Geschlechterquoten: Langenbucher, JZ 2011, 1038; Hirte, Der Konzern 2011, 519. 2 So Bauer/Göpfert/Krieger, 3. Aufl. 2011, § 2 AGG Rdnr. 16, § 6 AGG Rdnr. 27; Bauer/Arnold, ZIP 2008, 991, 997; a.A. Lutter, BB 2007, 725, 726; Krause, AG 2007, 392, 394; Eßer/Baluch, NZG 2007, 320, 328. 3 Bauer/Arnold, ZIP 2008, 993, 998. 4 Ebenso Kleindiek, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 34; Eßer/Baluch, NZG 2007, 321, 328; Krause, AG 2007, 392, 394; Lutter, BB 2007, 725, 726. 5 BGH v. 23.4.2012 – II ZR 163/10, bei Drucklegung noch nicht veröffentlicht. 6 EuGH, DB 1996, 35; EuGH, NJW 2005, 1481; Kleindiek, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 34; Reichold/Heinrich, in: FS H. P. Westermann, 2008, S. 1315, 1322.

Uwe H. Schneider/Sven H. Schneider

455

67

§6

Geschäftsführer

zernunternehmen praktische Bedeutung. Der Schutz des Geschäftsführers erstreckt sich nach § 6 Abs. 3 AGG aber nur auf den Zugang zur Erwerbstätigkeit und den beruflichen Aufstieg, nicht aber auf die Beschäftigungsbedingungen, die Vergütung, die Vereinbarungen über das Ausscheiden usw.1. Mit Geschäftsführern von Tochtergesellschaften können daher unterschiedliche Vergütungen vereinbart werden, ohne dass der Vorwurf der Ungleichbehandlung zu befürchten ist. 68

Rechtswidrig ist insoweit nur die Diskriminierung aufgrund der genannten Merkmale. Für das Alter ist zudem in § 10 AGG vorgesehen, das eine unterschiedliche Behandlung zulässig ist, wenn sie objektiv und angemessen und durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt ist. Im Rahmen des Einzelfalles ist aber eine unterschiedliche Behandlung wegen des Alters im Rahmen von § 10 Satz 3 AGG zulässig. So kann in der Satzung ein Mindestalter für Geschäftsführer bestimmt werden. Und Geschäftsführer können mit dem Hinweis auf ihr fortgeschrittenes Alter abberufen werden2. Anzuwenden ist die Beweislastregel nach § 22 AGG. Der Bewerber muss nur beweisen, dass eine Diskriminierung vorliegt. Indizien genügen. Die Gesellschaft muss beweisen, dass der Bewerber nicht wegen seines Alters benachteiligt wurde3.

VIII. Satzungsrechtliche Eignungsvoraussetzungen 1. Zulässige Gestaltungen 69

In der Satzung kann festgelegt werden, dass nur Personen, die bestimmte Voraussetzungen erfüllen, zu Geschäftsführern ernannt werden dürfen, z.B. nur Gesellschafter, nur Mitglieder einer bestimmten Familie, nur Personen, die ein bestimmtes Alter4, oder eine qualifizierte Vorbildung und Berufserfahrung haben. Es besteht insoweit volle Satzungsfreiheit. Soll hiervon abgewichen werden, so bedarf es zunächst einer Satzungsänderung5. Der Beschluss der Gesellschafter, durch den ein Geschäftsführer bestellt wird, der die Voraussetzungen nicht erfüllt, ist anfechtbar, selbst wenn eine satzungsändernde Mehrheit bestand.

70

Solche satzungsrechtlichen Eignungsklauseln finden aber ihre Grenze an den Vorschriften des AGG (s. dazu Rdnr. 63 ff.). Nach § 6 Abs. 3 AGG gilt das Gleichbehandlungsgebot auch für Geschäftsführer, soweit es die Bedingungen für den Zugang zur Erwerbstätigkeit und den beruflichen Aufstieg betrifft. Der teilweise vertretenen Ansicht, dass sich das Gleichbehandlungsgebot nur auf den Anstellungsvertrag bezieht6, ist nicht zu folgen. Dem widersprechen der

1 Weitergehend Reichold/Heinrich, in: FS H. P. Westermann, 2008, S. 1315, 1329: Arbeitsrechtlicher Teil des AGG ist auf Fremdgeschäftsführer analog anzuwenden. 2 Zum Ganzen: Lutter, BB 2007, 725. 3 BGH v. 23.4.2012 – II ZR 163/10, bei Drucklegung noch nicht veröffentlicht. 4 Erdmann, NZG 2002, 503; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, 7. Aufl., Rdnr. 43; Goette, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 40; s. aber auch Lutter, BB 2007, 725; Oetker, in: Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, Rdnr. 34. 5 Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 8. 6 So Bauer/Göpfert/Krieger, 3. Aufl. 2011, § 2 AGG Rdnr. 16 und § 6 AGG Rdnr. 27; Bauer/Arnold, ZIP 2008, 991, 997.

456

Uwe H. Schneider/Sven H. Schneider

§6

Geschäftsführer

Wortlaut von § 6 Abs. 3 AGG und der Sinn und Zweck der Vorschrift. Voraussetzung für den Zugang zum Amt des Geschäftsführers ist die Bestellung und nicht die Anstellung1. Daher sind satzungsmäßige Eignungsklauseln, wonach nur Personen eines bestimmten Geschlechts zum Geschäftsführer bestellt werden dürfen, rechtswidrig. Das schließt aber nicht aus, dass solche Eignungsklauseln im Lichte des Gesellschaftsinteresses formuliert werden können, also etwa, dass der Geschäftsführer Gesellschafter oder der deutschen Sprache mächtig sein muss. Anforderungen an ein Mindestalter oder ein Höchstalter sind nach § 10 AGG 71 zulässig, wenn sie objektiv und angemessen und durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt sind2. So kann in der Satzung eine Regel-Pensionsgrenze festgelegt werden. Unzulässig sind aber zwingende Altersgrenzen, zu denen üblicherweise noch kein Antrag auf Rente wegen Erreichens der Altersgrenze gestellt werden kann, § 10 Satz 3 Nr. 5 AGG. Die Festlegung solcher Eignungsvoraussetzungen in der Satzung ist auch in der 72 nach dem MitbestG und nach dem DrittelbG mitbestimmten GmbH zulässig. Der Gestaltungsspielraum ist bei der GmbH größer als bei der AG. Voraussetzung für eine Satzungsregelung ist aber, dass die Eignungsvoraussetzung sachlich begründbar ist und dass für den mitbestimmten Aufsichtsrat noch eine angemessene Auswahlmöglichkeit besteht3. In Betracht kommen insb. Eignungsvoraussetzungen hinsichtlich Alter, Zuverlässigkeit, fachliche Eignung, Wohnsitz und Zugehörigkeit zu einer Familie.

2. Fehlen und Wegfall einer Eignungsvoraussetzung Fehlen einem Geschäftsführer die erforderlichen Eignungsvoraussetzungen, so 73 ist seine Bestellung gleichwohl wirksam4. Überstimmte Gesellschafter können jedoch den die Satzung verletzenden Beschluss anfechten bzw. die Abberufung verlangen. Fällt eine Eignungsvoraussetzung nachträglich weg, z.B. die Zugehörigkeit zur Familie auf Grund Ehescheidung, beendet dies gleichfalls nicht die Geschäftsführerstellung. Begründet ist jedoch ein wichtiger Grund zur Abberufung.

1 Ebenso Kleindiek, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 34; Oetker, in: Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, Rdnr. 34; Eßer/Baluch, NZG 2007, 321, 328; Krause, AG 2007, 392, 394; Lutter, BB 2007, 725, 726. 2 Oetker, in: Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, Rdnr. 34; weitergehend Goette, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 40; zum Ganzen Lutter, BB 2007, 725. 3 Str., Einzelheiten für MitbestG: Tebben, in: Michalski, Rdnr. 66; Ulmer/Habersack, in: Ulmer/Habersack/Henssler, Mitbestimmungsrecht, 2. Aufl. 2006, § 31 MitbestG Rdnr. 10 ff.; Martens, AG 1976, 120; Wiedemann, ZGR 1977, 168; Immenga, ZGR 1977, 255; Raiser/Veil, 5. Aufl. 2009, § 31 MitbestG Rdnr. 9; enger: Wlotzke/Wißmann/Koberski/Kleinsorge, Mitbestimmungsrecht, 4. Aufl. 2011, § 31 MitbestG Rdnr. 11 ff.: äußerst begrenzte Zulässigkeit; Oetker, in: Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, Rdnr. 33. 4 Zustimmend: Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, 7. Aufl., Rdnr. 43; Oetker, in: Henssler/ Strohn, Gesellschaftsrecht, Rdnr. 35; Goette, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 47.

Uwe H. Schneider/Sven H. Schneider

457

§6

Geschäftsführer

IX. Bestellung 1. Bestellung durch Gesellschafterversammlung oder Aufsichtsrat 74

Zu den Aufgaben der Gesellschafter gehört es, für handlungsfähige Organe zu sorgen, also auch Geschäftsführer zu berufen. Zuständig ist die Gesellschafterversammlung, § 46 Nr. 5. Sie entscheidet durch Beschluss (Einzelheiten bei § 46). Die Bestellung kann befristet oder unbefristet sein. Sie darf aber weder an eine aufschiebende Bedingung, entgegen der höchstrichterlichen Rechtsprechung1, noch an eine auflösende Bedingung geknüpft werden2. Denn durch eine bedingte Bestellung oder die bedingte Beendigung der Organstellung entsteht Rechtsunsicherheit. Zu bedenken ist auch, dass ins Handelsregister Tatsachen, die erst in der Zukunft entstehen, nämlich der Eintritt der Bedingung, nicht eingetragen werden können3. Die Folge wäre, wenn man der höchstrichterlichen Rechtsprechung folgt, dass bei Eintritt der auflösenden Bedingungen das Handelsregister unrichtig wird. Der Rechtsverkehr müsste sich in diesem Fall außerhalb des Registers informieren.

75

Zulässig ist nur die Bestellung mit Gremienvorbehalt, also die Bestellung vorbehaltlich der Zustimmung durch ein anderes Organ. Zur Verknüpfung der Bestellung mit dem Anstellungsvertrag s. bei § 35.

76

Ist die Gesellschaft nach dem DrittelbeteiligungsG mitbestimmt, so richten sich die Zuständigkeiten des Aufsichtsrats nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 DrittelbG i.V.m. den dort aufgeführten aktienrechtlichen Vorschriften. Im Übrigen bleibt es aber bei den Bestimmungen des GmbHG. Das bedeutet, dass die Geschäftsführer weiterhin durch die Gesellschafterversammlung bestellt4 und angestellt werden5; denn § 1 Abs. 1 Nr. 3 DrittelbG verweist nicht auf § 84 AktG (Einzelheiten bei § 52). Ist die Gesellschaft nach dem MitbestG mitbestimmt, bestellt der Aufsichtsrat die Geschäftsführer, §§ 1 Abs. 1 Nr. 1, § 31 MitbestG i.V.m. § 84 AktG (Einzelheiten insbesondere zur Anstellung bei § 52).

77

Sowohl bei der mitbestimmungsfreien GmbH wie bei der GmbH mitbestimmt nach dem DrittelbG kann die Zuständigkeit zur Bestellung des Geschäftsführers durch die Satzung auf den Aufsichtsrat oder ein anderes Kreationsorgan, das durch die Satzung geschaffen werden kann, übertragen werden.

1 BGH, GmbHR 2006, 46 = ZIP 2005, 2255. 2 Wie hier: Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, 7. Aufl., Rdnr. 68; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 29; Kleindiek, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 41; Marsch-Barner/Diekmann, in: MünchHdb. III, § 42 Rdnr. 39; Theusinger/Liese, EWiR 2006, 113 f.; a.A. Zöllner/Noack, in: Baumbach/Hueck, § 38 Rdnr. 85; Tebben, in: Michalski, Rdnr. 86; Koppensteiner, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, § 38 Rdnr. 39; Wicke, Rdnr. 14; Gehrlein, GmbH-Recht in der Praxis, S. 223; Goette, DStR 1998, 939. 3 DNotI-Report 2009, 113; Wicke, Rdnr. 3; Krafka/Willer/Kühn, Registerrecht, 8. Aufl. 2010, Rdnr. 146. 4 Boewer/Gaul/Otto, GmbHR 2004, 1065, 1066. 5 BGH, ZIP 2000, 1442, 1443 für MitbestG: Annexkompetenz; Oetker, in: ErfK, 12. Aufl. 2012, § 1 DrittelbG Rdnr. 17.

458

Uwe H. Schneider/Sven H. Schneider

§6

Geschäftsführer

Sofern sich aus dem Gesellschaftsvertrag nichts anderes ergibt, ist davon aus- 78 zugehen, dass die Bestellung nur bei Gelegenheit im Rahmen des Abschlusses und der Beurkundung des Gesellschaftsvertrags erfolgen sollte1. Es handelt sich aber nur um einen unechten Satzungsbestandteil mit der Folge, dass sich die Dauer der Bestellung, die Abberufung, die Amtsniederlegung und die Neubestellung von Geschäftsführern nach den allgemeinen Regeln über die Bestellung usw. richten. Für die Abberufung des in dieser Weise bestellten Geschäftsführers und für die Neubestellung genügt demnach die einfache Mehrheit2.

2. Bestellung und Amt als Sonderrecht Die Zuständigkeit zur Bestellung3 und Abberufung, aber auch die Organstellung 79 selbst können einem Gesellschafter als Sonderrecht zugewiesen werden4. Dabei sind die vielfältigsten Gestaltungen möglich, und zwar in der Form anteilsgebundener Sonderrechte oder höchstpersönlicher Sonderrechte, als befristete oder als dauerhafte mitgliedschaftliche Bevorrechtigung5. Das Ernennungsrecht kann einem Familienstamm, einem Partner eines Gemeinschaftsunternehmens oder einer Kommune (nicht Behörde) zustehen. Inhalt und Umfang des Sonderrechts ist durch Auslegung zu ermitteln. In Be- 80 tracht kommt ein Vorschlagsrecht („Präsentationsrecht“), ein Benennungsrecht, das Recht zur Abberufung nur bei wichtigem Grund6 und das Recht, selbst als Geschäftsführer tätig zu werden. Ist einem Gesellschafter das Recht, als Geschäftsführer tätig zu sein, eingeräumt, so bleibt er Geschäftsführer bis zu dem in der Satzung genannten Zeitpunkt (z.B. Altersgrenze). Er kann nur aus wichtigem Grund abberufen werden7. Ist einem Gesellschafter auch das Recht eingeräumt, bei einer Tochtergesellschaft als Geschäftsführer tätig zu sein, so darf deren Geschäftstätigkeit nicht ausgehöhlt werden. Bei gleichzeitiger Tätigkeit als Geschäftsführer bei der Mutter- und bei der Tochtergesellschaft kann in der Satzung festgelegt werden, dass nur eine einheitliche Vergütung bezahlt wird8. Fehlt eine Satzungsregelung, so ist eine getrennte Vergütung zulässig, wenn die Gesellschaften auf unterschiedlichen Gebieten tätig sind und für den Geschäftsführer unterschiedliche Haftungsrisiken bestehen9.

1 Priester, DB 1979, 681. 2 BGHZ 18, 205; BGH, NJW 1961, 507; BGH, NJW 1969, 131; BGH, GmbHR 1982, 129; OLG Hamm, ZIP 1986, 1188 mit Anm. Lutter; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 26; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 25; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, 7. Aufl., Rdnr. 64; Tebben, in: Michalski, Rdnr. 49. 3 RG, LZ 1909, 76; OLG Stuttgart, GmbHR 1999, 537. 4 BGH, GmbHR 2004, 739 = ZIP 2004, 804; OLG Stuttgart, GmbHR 1999, 537; allgemein Aker, Sonderrecht von GmbH-Gesellschaftern, 2002, S. 155 ff.; van Venrooy, GmbHR 2010, 841, 847. 5 Waldenberger, GmbHR 1997, 49, 52; s. auch bei § 14 Rdnr. 19 ff. 6 S. auch OLG Hamburg, BB 1954, 978; a.A. Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 26. 7 BGHZ 86, 177, 179 = GmbHR 1983, 149; BGH, WM 1968, 1350; BGH, WM 1981, 438; BGH, WM 1984, 29; Henze, Handbuch zum GmbH-Recht, Rdnr. 1160. 8 BGH, GmbHR 2004, 739; mit Anm. Haas, LMK 2004, 131. 9 Zum Anstellungsvertrag im Konzern: Uwe H. Schneider, GmbHR 1993, 10; s. auch 10. Aufl., § 35 Rdnr. 167.

Uwe H. Schneider/Sven H. Schneider

459

§6

Geschäftsführer

81

Ob einem Gesellschafter das Sonderrecht zur Geschäftsführung eingeräumt ist, muss sich zwar nicht ausdrücklich aus der Satzung ergeben; es müssen sich jedoch im Gesellschaftsvertrag selbst deutliche Anhaltspunkte finden1. Im Zweifel ist sein Bestehen aber zu verneinen2. Und im Zweifel ist der Umfang einschränkend auszulegen3. Dies folgt – auch – aus der Auslegungsregel des § 6 Abs. 4 (s. Rdnr. 90).

82

Ist ein Gesellschafter im Gesellschaftsvertrag zum ersten Geschäftsführer ernannt4 oder wird für die Abberufung der Geschäftsführer durch die Satzung das Vorliegen eines wichtigen Grundes verlangt, so reicht dies für die Annahme eines Sonderrechts in der Regel noch nicht aus5. Auch sind keine ausreichenden Anhaltspunkte für ein Sonderrecht die Bezeichnung eines Gesellschafters als Geschäftsführer6, eine Mehrheitsbeteiligung7 oder – in der zweigliedrigen GmbH – das Einstimmigkeitserfordernis für alle Beschlüsse8.

83

Ein mitgliedschaftliches Geschäftsführungsrecht in der Form eines Sonderrechts ist aber in der Regel anzunehmen, wenn dem Geschäftsführer die Stellung im Gesellschaftsvertrag auf Lebenszeit oder auf die Dauer seiner Mitgliedschaft vorbehalten ist9. Ebenso ist die Bestellung im Gesellschaftsvertrag auszulegen, wenn aus dem Sinn der Gesamtregelung hervorgeht, dass alle Gesellschafter dieselben Sonderrechte haben sollen (strikte Parität), aber nur für einen Gesellschafter ausdrücklich das Sonderrecht zur Geschäftsführung erwähnt wird10, oder wenn die Ernennung als Bestandteil einer vertraglichen Gestaltung des Gesellschaftsverhältnisses nach Art einer Personengesellschaft zu verstehen ist11.

84

Sonderrechte können nur Gesellschaftern, aber nicht Dritten, eingeräumt werden12. Möglich und zulässig ist auch die Verknüpfung mit dem Geschäftsanteil13. Bedeutung hat dies bei Gemeinschafts- und Familienunternehmen. Ist einem Gesellschafter ein Sonderrecht eingeräumt, so ist im Zweifel davon auszugehen, dass es der Person als höchstpersönliches Recht zustehen soll, dass die1 BGHZ 18, 205; BGH, DB 1968, 1399; BGH, WM 1981, 438 = GmbHR 1982, 129; Goette, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 69. 2 BGHZ 18, 205; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 26. 3 Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, 7. Aufl., Rdnr. 64. 4 BGH, GmbHR 1969, 38; BGH, GmbHR 1982, 129 = WM 1981, 438. 5 BGH, WM 1992, 201; OLG Hamm, GmbHR 2002, 431; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 26; Marsch-Barner/Diekmann, in: MünchHdb. III, § 42 Rdnr. 22; Goette, Die GmbH nach der BGH-Rechtsprechung, S. 186; zweifelnd: Immenga, Die personalistische Kapitalgesellschaft, 1970, S. 95. 6 Goette, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 70. 7 RG, LZ 1909, 76. 8 BGH, WM 1984, 29. 9 RG, LZ 1914, 1762; RG, LZ 1919, 597; OLG Hamburg, GmbHR 1954, 188; BGH, DB 1968, 2166; BGH, WM 1981, 438; Goette, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 69. 10 BGH, GmbHR 1982, 129. 11 R. Fischer, GmbHR 1953, 132; R. Fischer, in: FS W. Schmidt, 1959, S. 121; Winkler, Die Lückenausfüllung des GmbH-Rechts durch das Recht der Personengesellschaften, 1967, S. 24; Immenga, Die personalistische Kapitalgesellschaft, 1970, S. 95. 12 Str.; wie hier Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 27; eingehend Ulmer, in: FS Werner, 1984, S. 917 m.w.N. 13 Goette, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 71.

460

Uwe H. Schneider/Sven H. Schneider

§6

Geschäftsführer

ses Sonderrecht aber weder vererbbar ist, noch dass es bei Übertragung des Geschäftsanteils auf einen Dritten mit übergeht1. Mit dem Sonderrecht zur Geschäftsführung kann aber auch das mitgliedschaftliche Recht verbunden sein, den Nachfolger zu benennen2. Die Beeinträchtigung oder Aufhebung satzungsmäßiger Sonderrechte kann nur 85 durch Satzungsänderung erfolgen. Dabei ist die Zustimmung des berechtigten Gesellschafters erforderlich (s. 10. Aufl., § 53 Rdnr. 48). Wird das Sonderrecht durch einen Mitgesellschafter beeinträchtigt, so hat der Inhaber des Sonderrechts einen Unterlassungsanspruch3.

3. Die Bestellung durch Nichtgesellschafter a) Einigkeit besteht, dass Nichtgesellschaftern durch schuldrechtlichen Vertrag 86 keine organisationsrechtlichen Bestellungs- und/oder Abberufungskompetenzen eingeräumt oder übertragen werden können4. Die Gesellschaft kann sich aber verpflichten, bestimmte Personen zu berufen oder auf Verlangen des Dritten, z.B. eines Kreditinstituts, den Geschäftsführer abzuberufen. Pflichtverletzungen haben jedoch nur schuldrechtliche Folgen; ein Anspruch auf Erfüllung besteht nicht. b) Einem Nichtgesellschafter kann auch in der Satzung ein persönliches Sonder- 87 recht als Individualrecht (ad personam) mit der Maßgabe, nach eigenem Ermessen den Geschäftsführer zu bestellen oder abzuberufen, nicht eingeräumt werden5. Die Einzelheiten sind streitig. Auch die Gegenansicht geht davon aus, die Gesellschafter könnten jederzeit die Zuständigkeit wieder an sich ziehen6. Das Sonderrecht wäre damit wesentlich eingeschränkt. Selbst eine solche Gestaltung widerspricht indessen dem Grundsatz der Selbstorganisation. c) Zulässig ist aber folgende Gestaltung: Die Satzungsfreiheit erlaubt den Gesell- 88 schaftern, neben der Gesellschafterversammlung und neben den Geschäftsführern und gegebenenfalls neben dem Aufsichtsrat zusätzliche Organe zu schaffen. Diesem zusätzlichen Organ kann auch die Bestellungs- und Abberufungskompetenz sowie die Anstellungskompetenz zugewiesen werden. Wie dieses zusätzliche Organ besetzt wird, liegt gleichfalls in der Gestaltungsfreiheit der Gesellschafter. Berufen werden können Gesellschafter, aber auch Nichtgesellschafter. Die Berufung kann durch Beschluss der Gesellschafterversammlung oder auch in der Satzung erfolgen.

1 2 3 4 5

Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 27; auch Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 26. BGH, GmbHR 1973, 279. BGH, ZIP 2004, 804, 805. Beuthien/Gätsch, ZHR 157 (1993), 483, 488. Wie hier: Teichmann, Gestaltungsfreiheit bei Gesellschaftsverträgen, 1971, S. 196; Priester, in: FS Werner, 1984, S. 665; Ulmer, in: FS Werner, 1984, S. 911, 922; Ulmer, in: FS Wiedemann, 2002, S. 1297; a.A. Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 31; SchmidtLeithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 18; Tebben, in: Michalski, Rdnr. 63; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, 7. Aufl., Rdnr. 59; Hammen, WM 1994, 765; Herfs, Einwirkung Dritter auf den Willensbildungsprozess der GmbH, 1994, S. 117. 6 Flume, in: FS Coing, II, 1982, S. 97, 99 ff.; Tebben, in: Michalski, Rdnr. 63.

Uwe H. Schneider/Sven H. Schneider

461

§6 89

Geschäftsführer

Erfolgt die Berufung eines Nichtgesellschafters in der Satzung, so ist dies in der Weise zu verstehen, dass erstens ein zusätzliches Organ gebildet wird und der Nichtgesellschafter zweitens durch unechten Satzungsbestandteil mit der Folge bestellt ist, dass der Dritte mit einfacher Mehrheit abberufen werden kann1. Die Abberufbarkeit kann allerdings auf wichtige Gründe beschränkt werden. Im Ergebnis bedeutet dies, dass durch die Satzung ein besonderes fakultatives Verbandsorgan geschaffen werden kann, dass diesem Organ die Bestellungs- und Abberufungskompetenz zugewiesen, ein Nichtgesellschafter zum alleinigen Organmitglied berufen und dieser gegebenenfalls nur bei Vorliegen eines wichtigen Grundes abberufen werden kann2. Das auf diese Weise bestellte Organmitglied wird nicht als außenstehender Dritter tätig, sondern es nimmt als Geschäftsführer organschaftliche Befugnisse wahr und ist entsprechend verpflichtet.

4. Die Auslegungsregel des § 6 Abs. 4 90

§ 6 Abs. 4 enthält eine Auslegungsregel. Ist im Gesellschaftsvertrag bestimmt, dass sämtliche Gesellschafter zur Geschäftsführung berechtigt sein sollen, so sind damit nur diejenigen Gesellschafter gemeint, die der Gesellschaft bei Festsetzung dieser Bestimmung Gesellschafter sind. Werden später in die Gesellschaft weitere Gesellschafter aufgenommen, werden Anteile übertragen, so werden die neuen Gesellschafter nicht ohne weitere Bestellung auch Geschäftsführer.

5. Die Bestellung nach den Bestimmungen des dritten Abschnitts 91

Fehlt in der Satzung eine Bestellung der Geschäftsführer, so erfolgt sie – und dies ist die Regel – nach Maßgabe des dritten Abschnittes des Gesetzes, d.h. durch einfachen Mehrheitsbeschluss der Gesellschafter, § 46 Nr. 5, §§ 47 ff. (Bestellungsbeschluss). Ein mit der Mehrheit der abgegebenen Stimmen gefasster Gesellschafterbeschluss genügt zur Bestellung des Geschäftsführers auch dann, wenn die GmbH noch nicht im Handelsregister eingetragen ist3. Die Bestellung wird aber erst wirksam, wenn das Beschlussergebnis gegenüber dem Bestellten erklärt ist (Bestellungserklärung) und der Berufene sich zur Übernahme der Organstellung bereit erklärt hat (Bereiterklärung)4. Einzelheiten bei 10. Aufl., § 46 Rdnr. 79.

92

Durch die Satzung kann die Zuständigkeit zur Bestellung des Geschäftsführers, aber auch einem anderen Gesellschaftsorgan zugewiesen werden, s. bei 10. Aufl., § 52 Rdnr. 164. Zur Bestellung der Geschäftsführer bei der mitbestimmten GmbH s. gleichfalls bei 10. Aufl., § 52 Rdnr. 165, 169. 1 Ausdrücklich Ulmer, in: FS Werner, 1984, S. 911, 923. 2 Beuthien/Gätsch, ZHR 157 (1993), 483, 492 ff.; Hammen, WM 1994, 765: analoge Anwendung von § 328 BGB; Fleck, ZGR 1988, 121; wohl auch Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 31; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 28; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, 7. Aufl., Rdnr. 64; Tebben, in: Michalski, Rdnr. 64. 3 BGHZ 80, 212 = WM 1981, 645; OLG Hamm, DB 1996, 369; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, 7. Aufl., Rdnr. 48, 61. 4 Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 25; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, 7. Aufl., Rdnr. 62; Tebben, in: Michalski, Rdnr. 41.

462

Uwe H. Schneider/Sven H. Schneider

§6

Geschäftsführer

6. Pflicht zur Übernahme der Organstellung Die Gesellschafter sind in der Regel weder gegenüber der Gesellschaft noch ge- 93 genüber den Gläubigern der Gesellschaft verpflichtet, das Amt des Geschäftsführers zu übernehmen1. Das gilt auch dann, wenn weder ein Dritter noch ein Mitgesellschafter hierzu bereit ist2. Im Gesellschaftsvertrag kann aber die mitgliedschaftliche Pflicht3, in einem Anstellungsvertrag kann eine schuldrechtliche Pflicht zur Übernahme des Geschäftsführeramtes begründet werden. Die Bestellung eines Gesellschafters im Gesellschaftsvertrag nach § 6 Abs. 3 Satz 2 verpflichtet ihn nicht, auf Dauer das Amt beizubehalten; doch kann die fristlose Amtsniederlegung treuwidrig sein; zur Amtsniederlegung s. 10. Aufl., bei § 38 Rdnr. 85. Ob eine mitgliedschaftliche Pflicht mit dem Sonderrecht auf Übernahme der Geschäftsführerstellung verknüpft ist, ist durch Auslegung zu ermitteln; s. dazu bei § 3 Rdnr. 109.

X. Der Notgeschäftsführer 1. Gerichtliche Bestellung Es gehört zwar zu den Aufgaben der Gesellschafter, Geschäftsführer zu bestel- 94 len. Sie waren bisher hierzu weder gegenüber den Gläubigern noch gegenüber dem Registergericht verpflichtet4. Ob dies nach Einführung von § 6 Abs. 5 noch gilt, ist zweifelhaft, aber abzulehnen. Hat die GmbH jedoch keinen Geschäftsführer, der die der Gesellschaft und dem Geschäftsführer obliegenden gesetzlichen Pflichten wahrnehmen und der sie vertreten kann, hat sie nicht die für die Vertretung erforderliche Zahl an Geschäftsführern (s. auch 10. Aufl., § 35 Rdnr. 114) oder ist der Geschäftsführer in der Vertretung tatsächlich oder rechtlich verhindert, so findet kein automatischer Übergang der Vertretungsbefugnis auf ein anderes Organ der Gesellschaft statt5. Es kann aber nach § 29 BGB, der sinngemäß auf die GmbH anwendbar ist, durch das Amtsgericht des Sitzes der Gesellschaft (Registergericht) auf Antrag ein Notgeschäftsführer bestellt werden6. Eine § 85 AktG entsprechende Vorschrift fehlt im GmbH-Gesetz. Sie war in § 68 RegE 1971 zwar vorgesehen; die Novelle 1980 hat die gerichtliche Bestellung aber nicht geregelt.

1 BGH, GmbHR 1985, 149. 2 A.A. Gustavus, GmbHR 1992, 15, 18: Bestellung eines Gesellschafters zum Notgeschäftsführer auch gegen seinen Willen. 3 OLG Hamm, GmbHR 2002, 429; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 27. 4 OLG Naumburg, GmbHR 2002, 1237: Keine Strafbarkeit der Gesellschafter nach § 266a StGB, wenn keine Geschäftsführer bestellt werden; Fleck, Anm. zu BGH, EWiR, § 6 GmbHG 1/85, 97; Bauer, Der Notgeschäftsführer in der GmbH, 2006, S. 87; Gustavus, GmbHR 1992, 17: kein Zwangsgeld. 5 BGHZ 58, 115 = DB 1972, 475. 6 BayObLG, ZIP 1997, 1786; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 32; SchmidtLeithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 32; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, 7. Aufl., Rdnr. 49; Tebben, in: Michalski, Rdnr. 72; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 30; Hohlfeld, GmbHR 1986, 181; Gustavus, GmbHR 1992, 15 ff.

Uwe H. Schneider/Sven H. Schneider

463

§6

Geschäftsführer

95

Gesellschafter und erst recht Dritte sind zur Annahme einer Bestellung als Notgeschäftsführer nicht verpflichtet1. Sie machen sich auch nicht schadensersatzpflichtig, wenn sie das Amt als Notgeschäftsführer ablehnen. Hat der Antragsteller niemand als Notgeschäftsführer vorgeschlagen und haben auch die Organe des Handelsstandes gemäß § 380FamFG keine Person vorgeschlagen, so kann das Gericht den Antrag auf Bestellung eines Notgeschäftsführers ablehnen2.

96

Die gerichtliche Notbestellung erfolgt nur „in dringenden Fällen für die Zeit bis zur Behebung des Mangels auf Antrag eines Beteiligten“3. Es handelt sich um eine subsidiäre Maßnahme. Da durch die gerichtliche Bestellung tief in die Zuständigkeit des Gesellschafters eingegriffen wird, kommt sie nur in Betracht, wenn es die einzige Möglichkeit ist, die Vertretung der Gesellschaft zu sichern. Daher ist der Antrag des Gesellschafters einer Einpersonen-GmbH auf Bestellung eines Notgeschäftsführers nicht begründet4. Die Verhinderung kann tatsächlich oder rechtlich begründet, sie kann auf Dauer bestehen, aber auch auf einen Einzelfall beschränkt sein, z.B. wegen § 181 BGB5.

97

Voraussetzung für eine gerichtliche Bestellung ist die Erforderlichkeit und ein dringender Fall. Sie ist erforderlich, wenn ein Geschäftsführer fehlt6 oder der Geschäftsführer rechtlich oder tatsächlich verhindert ist. Hinzu kommen muss, dass die Gesellschaftsorgane nicht selbst in der Lage sind, den Mangel in angemessener Frist zu beseitigen (Grundsatz der Subsidiarität)7. So ist die Bestellung eines Notgeschäftsführers zulässig, wenn sich die Gesellschafter nicht einigen können8. Die Weigerung des Geschäftsführers, einzelne Geschäftsführungsakte vorzunehmen, ist aber kein Grund für eine Notbestellung; anders bei grundsätzlicher Ablehnung der Geschäftsführungstätigkeit9. § 29 BGB gibt auch keine Befugnis, nachlässige Geschäftsführer zu entlassen oder durch andere zu ersetzen, wenn nicht der Fall tatsächlicher oder rechtlicher Behinderung vorliegt10. Verlangt die Satzung, dass die Gesellschaft durch mindestens zwei Geschäftsführer 1 BGH, GmbHR 1985, 149; OLG Hamm, DB 1996, 369; KG Berlin, GmbHR 2000, 600; OLG Frankfurt, GmbHR 2001, 435. 2 OLG Frankfurt, GmbHR 2006, 204. 3 RGZ 68, 180; RGZ 116, 118; RGZ 138, 101; BGHZ 33, 193; BayObLG, NJW 1981, 955; U. Hübner, Interessenkonflikt und Vertretungsmacht, 1977, S. 258; Hohlfeld, GmbHR 1986, 181; allgemein zum Verhältnis zwischen Notbestellung von Organmitgliedern und Pflegschaft: Beitzke, in: FS Ballerstedt, 1975, S. 185 ff. 4 OLG Frankfurt, GmbHR 1963, 232. 5 BGHZ 33, 189, 193 = GmbHR 1961, 27; H. P. Westermann, in: FS Kropff, 1997, S. 690. 6 OLG Braunschweig, GmbHR 2009, 1276, 1279. 7 BayObLG, DB 1995, 1364; BayObLG, ZIP 1997, 1786; BayObLG, GmbHR 1998, 1125; Bauer, Der Notgeschäftsführer in der GmbH, 2006, S. 125, 129: Grundsatz der Erforderlichkeit; a.A. OLG Frankfurt, GmbHR 2001, 436; Happ, Die GmbH im Prozess, 1997, S. 43. 8 A.A. OLG München, GmbHR 2007, 1271; Tebben, in: Michalski, Rdnr. 75; Kleindiek, in: Lutter/Hommelhoff, Vor § 35 Rdnr. 16; wie hier für Zweipersonen-GmbH: BayObLG, GmbHR 1998, 1123; BayObLG, NZG 2000, 41; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, 7. Aufl., Rdnr. 49. 9 KG, JW 1937, 1730; OLG Frankfurt, GmbHR 1966, 141; OLG Frankfurt, BB 1986, 1601; Helmschrott, ZIP 2001, 636. 10 OLG Frankfurt, GmbHR 1966, 141; OLG Frankfurt, BB 1986, 1601.

464

Uwe H. Schneider/Sven H. Schneider

§6

Geschäftsführer

vertreten wird, und fällt einer der beiden Geschäftsführer weg, so ist ein Notgeschäftsführer „erforderlich“, um die Vertretung zu sichern1. Das gilt auch bei fehlender Vertretungsbefugnis wegen § 181 BGB2. Keine Erforderlichkeit besteht, wenn die Gesellschaft durch einen Geschäftsführer vertreten werden kann. Das gilt auch dann, wenn das Mitbestimmungsrecht zwei Geschäftsführer verlangt3. Tatsächliche Behinderung ist z.B. durch schwere Krankheit, durch Tod, durch Abberufung4, nicht aber durch hohes Alter5 oder durch vorübergehenden Auslandsaufenthalt gegeben, wenn dieser jederzeit beendet werden kann. Dagegen ist § 29 BGB anwendbar, wenn der Geschäftsführer aus Furcht vor Strafverfolgung im Ausland weilt6, wenn er sich in Strafhaft befindet oder bei ausländischen Geschäftsführern nicht einreisen darf. Unzulässig ist die Bestellung eines Notgeschäftsführers ferner bei unwirksamer Abberufung des bisherigen Geschäftsführers7, bei rechtsmissbräuchlicher Amtsniederlegung8 und wenn ein Prozess- oder Verfahrenspfleger bestellt wurde und dies ausreicht, um drohende Schäden abzuwehren9.

98

Als antragsberechtigte Beteiligte gelten sowohl Gesellschafter10 als auch Gläu- 99 biger11, ein Geschäftsführer, wenn nach der Satzung ein zweiter oder weiterer Geschäftsführer notwendig oder wenn zweifelhaft ist, ob eine Abberufung wirksam ist12, ein Aufsichtsratsmitglied13, eine Verwaltungsbehörde, die sicherstellen muss, dass die der Gesellschaft obliegenden öffentlich-rechtlichen Pflichten wahrgenommen werden14. Der Antragsteller kann geeignete Persönlichkeiten zur Bestellung vorschlagen15. Das Registergericht ist an solche Vorschläge aber nicht gebunden16. Es darf aber nur solche Personen bestellen, die die gesetzlichen, und soweit dies möglich ist, auch die statutarischen Voraussetzungen für

1 Goette, Die GmbH nach der BGH-Rechtsprechung, 1997, S. 189; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 21; Tebben, in: Michalski, Rdnr. 73; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 30. 2 BGHZ 33, 189, 193: Alleingeschäftsführer einer Einpersonen-GmbH. 3 Tebben, in: Michalski, Rdnr. 73; a.A. für AG: Oetker, in: Großkomm. AktG, 4. Aufl. 1999, § 33 MitbestG Rdnr. 8. 4 OLG Bremen, NJW 1955, 1925. 5 OLG Frankfurt, BB 1986, 1601; Tebben, in: Michalski, Rdnr. 74. 6 KG, GmbHRspr. IV § 6 R. 13. 7 BayObLG, ZIP 1999, 1845. 8 BayObLG, ZIP 1999, 1599; OLG Düsseldorf, ZIP 2001, 25; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, 7. Aufl., Rdnr. 51. 9 A.A. OLG Köln, ZIP 2000, 280, 283; wie hier: OLG Zweibrücken, ZIP 2001, 973; Kutzer, ZIP 2000, 654. 10 BayObLG, ZIP 1997, 1785; BayObLG, GmbHR 1998, 1124. 11 OLG Hamm, GmbHR 1996, 210; Tebben, in: Michalski, Rdnr. 77; Helmschrott, GmbHR 2001, 637. 12 KG, JW 1932, 752; BayObLG, NJW 1981, 995, 996; BayObLGZ 1993, 349; BayObLG, GmbHR 1998, 1125. 13 Kleindiek, in: Lutter/Hommelhoff, Vor § 35 Rdnr. 18; Tebben, in: Michalski, Rdnr. 77. 14 Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, 7. Aufl., Rdnr. 49; Bauer, Der Notgeschäftsführer in der GmbH, 2006, S. 92 Fn. 401. 15 OLG Hamm, GmbHR 1996, 210: zur Ermittlung geeigneter Personen, wenn Antragsteller keine Person benennt. 16 KG, GmbHRspr. II § 39 R 2; KG, JW 1932, 752.

Uwe H. Schneider/Sven H. Schneider

465

§6

Geschäftsführer

das Geschäftsführeramt erfüllen1. Im Übrigen hat es bei der Auswahl nach pflichtgemäßem Ermessen zu verfahren2. Die Gesellschafter sind vor der gerichtlichen Entscheidung anzuhören3. Die Organstellung erlangt der Betreffende erst mit der Annahme. Eine Pflicht hierzu besteht nicht. Auch Gesellschafter, Rechtsanwälte, Wirtschaftsprüfer usw. sind zur Übernahme des Geschäftsführeramts nicht verpflichtet4. 100 Ist die Gesellschaft nach MitbestG mitbestimmt, so gehört es zu den Pflichten des Aufsichtsrats, einen Geschäftsführer zu bestellen. Verletzt der Aufsichtsrat seine Pflichten, so hat in dringenden Fällen das Gericht auf Antrag eines Beteiligten das Mitglied zu bestellen5. § 31 Abs. 1 MitbestG verweist auf § 85 AktG. Beteiligter ist, wer ein rechtliches Interesse an der Bestellung eines Notgeschäftsführers hat, z.B. einzelne Gesellschafter und Gläubiger. 101 Ist die Gesellschaft im Anwendungsbereich des DrittelbG, so bleibt es bei den allgemeinen Regelungen, die auch für die mitbestimmungsfreie GmbH bestehen.

2. Geschäftsführungs- und Vertretungsmacht 102 Der gerichtlich bestellte Notgeschäftsführer hat alle Zuständigkeiten, Befugnisse und Pflichten wie ein durch die zuständigen Gesellschaftsorgane bestellter Geschäftsführer6. Durch das Gericht kann allerdings die Geschäftsführungsbefugnis beschränkt werden7. Fehlt es an einer gerichtlichen Beschränkung, so richtet sich die Art und der Umfang der Geschäftsführungsbefugnis nach dem Gesellschaftsvertrag. Der Notgeschäftsführer ist an Weisungen der Gesellschafter gebunden. Zustimmungsvorbehalte der Gesellschafter sind zu beachten. Die Grenze von Weisungen bilden Notmaßnahmen8. 103 Seine organschaftliche Vertretungsmacht ist unbeschränkt und gerichtlich unbeschränkbar, und zwar auch dann, wenn der Notgeschäftsführer nur für bestimmte „Wirkungskreise“ bestellt wurde9. Das Gericht ist aber an satzungsrechtliche Bestimmungen über die Mindestzahl der Geschäftsführer bei der Vertretung gebunden; gegebenenfalls ist daher die Bestellung mehrerer Notgeschäftsführer erforderlich. Das Gericht kann jedoch auch anordnen, dass ei1 BayObLG, NJW 1981, 995; Marsch-Barner/Diekmann, in: MünchHdb. III, § 42 Rdnr. 15; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 32; Fichtner, BB 1964, 868; Hoffmann/Neumann, GmbHR 1976, 184. 2 BayObLG, DB 1978, 2165; BayObLG, GmbHR 1998, 1125. 3 BayObLG, NJW 1981, 996. 4 BGH, GmbHR 1985, 149; KG Berlin, GmbHR 2000, 660; OLG Frankfurt, GmbHR 2001, 436; Helmschrott, ZIP 2001, 638. 5 Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 38. 6 BayObLGZ 1980, 306 = DB 1980, 2435; H. P. Westermann, in: FS Kropff, 1997, S. 691. 7 BayObLG, GmbHR 1986, 189; BayObLG, GmbHR 1998, 1125; LG Frankenthal, GmbHR 2003, 586; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, 7. Aufl., Rdnr. 55: Daher ist das Gericht verpflichtet, die Geschäftsführungsbefugnis des Notgeschäftsführers auf das Notwendige zu beschränken. 8 H. P. Westermann, in: FS Kropff, 1997, S. 694; Tebben, in: Michalski, Rdnr. 79; Bauer, Der Notgeschäftsführer in der GmbH, 2006, S. 192. 9 BayObLG, DB 1986, 422 = EWiR, § 37 GmbHG 1/86, 163 (Miller).

466

Uwe H. Schneider/Sven H. Schneider

§6

Geschäftsführer

nem Notgeschäftsführer Einzelvertretungsbefugnis an Stelle von Gesamtvertretungsbefugnis zustehen soll1. Bei sachlichem Bedürfnis kann auch von den Beschränkungen des § 181 BGB befreit werden2.

3. Die persönliche Stellung Mit der Bestellung entsteht ein Geschäftsbesorgungsverhältnis zwischen dem 104 Notgeschäftsführer und der Gesellschaft3. Der hierdurch begründete Anspruch auf Vergütung richtet sich nur gegen die GmbH, nicht aber gegen die Gesellschafter, auch nicht gegen den Antragsteller4 und auch nicht subsidiär gegen die Staatskasse5. Mangels Vereinbarung mit der Gesellschaft richtet sich die Vergütung nach § 612 BGB6. Außerdem hat der Notgeschäftsführer Anspruch auf Ersatz seiner notwendigen Auslagen7. Dazu gehört auch die Prämie für eine im eigenen Namen abgeschlossene D&O-Versicherung.

105

Zweifelhaft ist, ob die Höhe der Vergütung für den Notgeschäftsführer durch das 106 Registergericht schon bei der Bestellung wirksam festgesetzt werden kann8. Für eine einseitige Festsetzung in entsprechender Anwendung des § 85 Abs. 3 Satz 2 AktG ist entgegen teilweise vertretener Ansicht nur ausnahmsweise dann Raum, wenn dies ausdrücklich angeordnet wird, wie dies etwa für die mitbestimmte GmbH gemäß § 31 MitbestG der Fall ist. Im Übrigen liegt es nicht in der Zuständigkeit des Registergerichts, schon im Rahmen der Bestellung die Höhe der Vergütung festzusetzen9. Können sich die Gesellschaft, vertreten durch die Gesellschafter, und der Notgeschäftsführer über die Höhe der Vergütung nicht einigen, so kann der Notgeschäftsführer seinen Anspruch nur im ordentli1 BayObLG, GmbHR 1998, 1125: wenn in Satzung vorgesehen; a.A. Bauer, Der Notgeschäftsführer in der GmbH, 2006, S. 164, 170. 2 OLG Düsseldorf, NZG 2002, 338. 3 A.A. Karsten Schmidt, 10. Aufl., § 66 Rdnr. 50 für Liquidator: besonderer Abschluss erforderlich. 4 BGH, GmbHR 1985, 149 = WM 1985, 52 mit Anm. Fleck, EWiR, § 6 GmbHG, 1/85, 97; BayObLG, NJW 1981, 995; LG Hamburg, MDR 1971, 291. 5 So aber Eickmann, ZIP 1982, 22; Kögel, NZG 2000, 23; a.A. Helmschrott, ZIP 2001, 636, 639: analog §§ 1835 Abs. 4, 1835a Abs. 3, 1836a BGB n.F.; Bauer, Der Notgeschäftsführer in der GmbH, 2006, S. 226. 6 BayObLGZ 1975, 260, 262; BayObLG, NJW 1981, 995 f. 7 S. aber auch OLG Karlsruhe, GmbHR 2003, 39. Zur Vertretung einer GmbH bei einer von Amts wegen bewirkten Löschung im Handelsregister s. BGHZ 53, 264 = WM 1970, 520 und BGH, WM 1985, 870. 8 Dafür: LG Hamburg, MDR 1971, 298; Kleindiek, in: Lutter/Hommelhoff, Vor § 35 Rdnr. 24; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, 7. Aufl., Rdnr. 57; Marsch-Barner/Diekmann, in: MünchHdb. III, § 24 Rdnr. 36; H. P. Westermann, in: FS Kropff, 1997, S. 687, 688; Karsten Schmidt (für Liquidator), 10. Aufl., § 66 Rdnr. 50: Gericht kann Vergütung analog § 265 Abs. 4 AktG festsetzen. Ablehnend: BayObLG, BB 1975, 1037; BayObLG, DB 1988, 1945; Uwe H. Schneider, EWiR 1988, 999; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/ Schmidt-Leithoff, Rdnr. 37. Differenzierend: Tebben, in: Michalski, Rdnr. 80: Nur bei einer nach MitbestG mitbestimmten GmbH legt das Registergericht gemäß § 85 Abs. 3 AktG die Vergütung fest. Offen gelassen: Zöllner/Noack, in: Baumbach/Hueck, § 35 Rdnr. 7, Fn. 11. 9 BayObLG, DB 1988, 1945; Uwe H. Schneider, EWiR 1988, 999.

Uwe H. Schneider/Sven H. Schneider

467

§6

Geschäftsführer

chen Rechtsweg geltend machen. Das Registergericht gilt nach § 85 Abs. 3 AktG nur bei der GmbH im Anwendungsbereich des MitbestG zuständig.

4. Beendigung, Abberufung 107 Das Amt des gerichtlich bestellten Geschäftsführers endet mit der Bestellung eines Geschäftsführers durch das zuständige Organ, insbesondere also bei Bestellung durch die Gesellschafter. Einer Abberufung bedarf es in diesem Fall nicht1. 108 Ist noch kein Geschäftsführer bestellt, so kann ein Notgeschäftsführer bei Vorliegen eines wichtigen Grundes abberufen werden. Nur Wegfall der Erforderlichkeit oder lange Zeitdauer genügen nicht2. Für die Abberufung ist nur das Registergericht zuständig3. Die Gesellschafter sind zur Abberufung des Notgeschäftsführers nicht befugt, auch nicht bei Vorliegen eines wichtigen Grundes4. Es kann lediglich die Abberufung aus wichtigem Grund beim Registergericht beantragt werden5. 109 Gegen die Abberufung besteht die Möglichkeit der einfachen Beschwerde6. Der Notgeschäftsführer kann – wie jeder Geschäftsführer – jederzeit ohne wichtigen Grund sein Amt niederlegen7.

XI. Wegfall oder Verhinderung im Prozess 110 Ist in einem Prozess bereits ein Prozessbevollmächtigter bestellt, so steht der Wegfall oder die Verhinderung eines Geschäftsführers dem Fortgang des Rechtsstreits nicht entgegen, § 246 Abs. 1 ZPO8. Der Prozessbevollmächtigte der GmbH, nicht jedoch der Prozessgegner, kann aber beantragen, dass das Verfahren ausgesetzt wird, §§ 246 Abs. 1, 248 ff. ZPO. 111 Im Aktivprozess ist bei Fehlen eines Geschäftsführers die Bestellung eines Notgeschäftsführers zulässig. Ist im laufenden Verfahren noch kein Prozessbevollmächtigter bestellt, so wird der Rechtsstreit nach § 241 Abs. 1 ZPO kraft Gesetzes unterbrochen, wenn der Geschäftsführer wegfällt oder dauerhaft verhindert ist. Fällt der Geschäftsführer während des Rechtsstreits weg und bewirkt dies eine Verfahrensaussetzung oder eine Verfahrensunterbrechung, so kann nach h.A. 1 Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 36; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, 7. Aufl., Rdnr. 54; Tebben, in: Michalski, Rdnr. 82; a.A. H. P. Westermann, in: FS Kropff, 1997, S. 687. Eingehend zum Stand der Diskussion: Bauer, Der Notgeschäftsführer in der GmbH, 2006, S. 279 ff. 2 OLG Düsseldorf, ZIP 1997, 846; H. P. Westermann, in: FS Kropff, 1997, S. 689. 3 KG, NJW 1967, 933; BayObLG, GmbHR 1978, 306; OLG München, GmbHR 1994, 259; OLG Düsseldorf, ZIP 1997, 846. 4 Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, 7. Aufl., Rdnr. 54. 5 OLG München, GmbHR 1994, 259; OLG Düsseldorf, ZIP 1997, 846; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 32. 6 BayObLG, ZIP 1999, 1845; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 36. 7 Ebenso Hohlfeld, GmbHR 2002, 162. 8 OLG Hamburg, FamRZ 1983, 1262; Happ, Die GmbH im Prozess, 1997, S. 36.

468

Uwe H. Schneider/Sven H. Schneider

§6

Geschäftsführer

in unmittelbarer oder entsprechender Anwendung von § 57 Abs. 1 ZPO ein Prozesspfleger bestellt werden1. Die Bestellung eines Prozesspflegers hindert aber nicht die gerichtliche Bestellung eines Notgeschäftsführers2. Umgekehrt ist die Bestellung eines Prozesspflegers auch nicht davon abhängig, dass zugleich ein Notgeschäftsführer bestellt wird und sich die Bestellung des Notgeschäftsführers durch das zuständige Gericht verzögert3; denn der Prozesspfleger vertritt die Gesellschaft lediglich im Prozess. Er hat darüber hinaus keine organschaftlichen Befugnisse4.

XII. Der Geschäftsführer in der mitbestimmten GmbH Die GmbH kann in unterschiedlicher Weise mitbestimmt sein. Dies hat Folgen 112 für die Zusammensetzung des Aufsichtsrats, dessen Zuständigkeit insbesondere zur Bestellung der Geschäftsführer, die Zahl der Geschäftsführer (s. Rdnr. 9), die Zulässigkeit von statutarischen Eignungsvoraussetzungen (s. Rdnr. 72) und für die Grenzen der Gestaltungsfreiheit (zum Ganzen bei 10. Aufl., § 52 Rdnr. 68). Unterliegt die GmbH dem Anwendungsbereich des MontanMitbestG 1951, des MontanMitbestErgG 1956 oder des MitbestG 1976, so erfolgt nach h.M. die Bestellung der Geschäftsführung durch den Aufsichtsrat (s. 10. Aufl., § 52 Rdnr. 164). Dabei müssen mindestens zwei Geschäftsführer bestellt werden, wovon ein Geschäftsführer zum Arbeitsdirektor zu bestellen ist (s. oben Rdnr. 9). Die Stellung der Geschäftsführer ist in diesen Fällen gestärkt; denn sie werden nicht auf unbestimmte Zeit, sondern auf Zeit berufen; und eine Abberufung ist nur aus wichtigem Grund zulässig. In dem nach dem DrittelbG mitbestimmten GmbHs ist weiterhin die Gesellschafterversammlung für die Bestellung zuständig. Die Feststellung, nach welchen Vorschriften der Aufsichtsrat einer mitbestimmten GmbH zusammenzusetzen ist, kann nur in einem besonderen Verfahren, nämlich dem sog. Statusverfahren, getroffen werden. Dabei sind zwei Arten zu unterscheiden, nämlich – das einfache Statusverfahren. Hiernach haben die Geschäftsführer im Wege der einfachen Bekanntmachung offen zu legen, nach welchen Vorschriften der Aufsichtsrat zusammengesetzt werden soll. Davon abhängig sind dann auch seine Zuständigkeiten, das Verfahren zur Bestellung der Geschäftsführer, usw.; – das gerichtliche Statusverfahren nach § 98 AktG. Voraussetzung ist, dass „streitig oder ungewiss ist, nach welchen gesetzlichen Vorschriften der Aufsichtsrat zusammenzusetzen ist“. 1 LAG Niedersachsen, MDR 1985, 170; OLG Dresden, GmbHR 2002, 163; OLG Zweibrücken, GmbHR 2007, 544; Bork, MDR 1991, 97, 99; Vollkommer, in: Zöller, 29. Aufl. 2012, § 57 ZPO Rdnr. 1a. 2 Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 32; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 32; SchmidtLeithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 39; a.A. für Passivprozess: Bergwitz, GmbHR 2008, 225, 228. 3 Str.; a.A. Tebben, in: Michalski, Rdnr. 83; zum Streitstand: Happ, Die GmbH im Prozess, 1997, S. 38. 4 OLG Dresden, GmbHR 2002, 16.

Uwe H. Schneider/Sven H. Schneider

469

113

§6

Geschäftsführer

XIII. Der faktische Geschäftsführer 114 Wer, ohne als Geschäftsführer bestellt zu sein, die Geschicke einer Gesellschaft durch eigenes Handeln, nicht nur durch interne Einwirkung auf die Gesellschaft, sondern durch eigenes Handeln im Außenverhältnis, das die Tätigkeit des Geschäftsführungsorgans nachhaltig prägt, maßgeblich in die Hand nimmt, wird als „faktischer Geschäftsführer“ bezeichnet1. Maßgeblich sind somit zwei Merkmale, nämlich eigenes Handeln im Außenverhältnis und nachhaltige Einwirkung im Innenverhältnis. Wer nur intern auf die Geschäftsführung Einfluss nimmt, ist daher nicht faktischer Geschäftsführer; denn seine Weisungsabhängigkeit von der Gesellschafterversammlung ist ein typisches Merkmal der GmbH. Liegt aber zugleich ein eigenes Handeln im Außenverhältnis vor, so ist das Gesamterscheinungsbild maßgebend unter Berücksichtigung insbesondere seines Einflusses auf die Unternehmenspolitik, die Unternehmensorganisation und wesentliche Maßnahmen der Geschäftsführung, die Entscheidung in Steuerangelegenheiten sowie die Einstellung von Mitarbeitern. Im Einzelnen weichen die Definitionen freilich voneinander ab. So wird teilweise etwa danach unterschieden, ob ein fehlerhafter Anstellungsvertrag2 oder ein tatsächlicher, wenn auch rechtsunwirksamer Bestellungsakt vorliegt3 oder ob de facto ohne Bestellungsakt Zuständigkeiten wahrgenommen werden4. 115 Dabei handelt es sich aber nicht um ein gesetzlich anerkanntes oder von der Rechtsprechung und von der Lehre voll ausgebildetes Rechtsinstitut. Vielmehr geht es nur um ein Zurechnungsproblem, und insbesondere um die Frage, ob bestimmte Befugnisse dem Betreffenden zustehen und ob Rechte und vor allem Pflichten, die den Geschäftsführer treffen, auf den faktischen Geschäftsführer auszudehnen sind. Es handelt sich daher um ein Normanwendungsproblem, so dass jeweils im Einzelfall zu prüfen ist, ob sich die Rechtsfolgen übertragen lassen. 116 Im Blick hierauf wird auf die Einzelkommentierungen verwiesen, s. etwa zur Haftung des faktischen Geschäftsführers5 bei § 43, zur Einberufung der Gesellschafterversammlung durch den faktischen Geschäftsführer bei § 49, zur Insolvenzanmeldepflicht und zum Antragsrecht des faktischen Geschäftsführers bei 1 BGH, ZIP 2005, 1414, 1415 = BB 2005, 1869 mit Anm. Gehrlein sowie schon BGHZ 104, 44, 48; BGHZ 150, 61, 69 = EWiR 1988, 905 (Karsten Schmidt); BGH, NZI 2002, 395 = GmbHR 2002, 549; Himmelsbach/Achsnick, NZI 2003, 355; zum Ganzen auch: Dinkhoff, Der faktische Geschäftsführer in der GmbH, 2003. 2 BGHZ 41, 282, 287; BGHZ 47, 341, 343; BGH, ZIP 2005, 1414 = GmbHR 2005, 1126; Gerlach, AG 1965, 251, 257. 3 Reich, DB 1967, 1663, 1666; Jarzembowski, Fehlerhafte Organakte nach deutschem und amerikanischem Aktienrecht unter besonderer Berücksichtigung des Instituts des de facto officer, 1982, S. 104; Mertens/Cahn, in: KölnKomm. AktG, 3. Aufl. 2010, § 93 AktG Rdnr. 43; zum Ganzen Stein, Das faktische Organ, 1984, S. 33 ff.; Stein, ZHR 148 (1984), 207. 4 BayObLG, GmbHR 1997, 453; Zöllner/Noack, in: Baumbach/Hueck, § 35 Rdnr. 8; zum Ganzen auch Weimar, GmbHR 1997, 473, 538. 5 BGH, ZIP 2005, 1414 = GmbHR 2005, 1126; BGH, GmbHR 1994, 318; OLG Brandenburg, NZG 2001, 807; Zöllner/Noack, in: Baumbach/Hueck, § 43 Rdnr. 3; Geißler, GmbHR 2003, 1106; Drygala, ZIP 2005, 423, 429; Siegmann/Vogel, ZIP 1994, 1821; Fleischer, GmbHR 2011, 337 sowie 10. Aufl., § 43 Rdnr. 22.

470

Uwe H. Schneider/Sven H. Schneider

§6

Geschäftsführer

§ 641, zur strafrechtlichen Verantwortung des faktischen Geschäftsführers bei §§ 82 ff.2, zum faktischen Geschäftsführer im Recht der Unfallverhütung3 und zum herrschenden Unternehmen im Konzern als faktischer Geschäftsführer im Anhang Konzernrecht.

XIV. Die Stellung des Geschäftsführers außerhalb des GmbH-Gesetzes Der Geschäftsführer ist kein „Unternehmer“ i.S. des § 14 Abs. 1 BGB; denn er 117 übt keine gewerbliche Tätigkeit aus. Er ist auch nicht selbstständig beruflich tätig, sondern er handelt in Ausübung einer unselbständigen, nämlich angestellten beruflichen Tätigkeit4. Ob dies ausnahmslos gilt, entscheidet auch darüber, unter welchen Vorausset- 118 zungen der Geschäftsführer als „Verbraucher“ ein Rechtsgeschäft abschließt. Voraussetzung für § 13 BGB ist, dass das Rechtsgeschäft weder seiner gewerblichen noch seiner selbständigen beruflichen Tätigkeit zugerechnet werden kann. Bedeutung hat dies insbesondere für die Anwendbarkeit der §§ 305 ff. BGB und damit vor allem für die Inhaltskontrolle von Anstellungsverträgen. Zu bedenken ist dabei, dass nach h.A. Anstellungsverträge nicht als Verträge „auf dem Gebiet des Gesellschaftsrechts“, § 310 Abs. 4 Satz 1 BGB, angesehen werden5. Teils wird die Ansicht vertreten, der Geschäftsführer handle, wenn er im eigenen Namen Rechtsgeschäfte abschließt, unselbständig und in angestellter beruflicher Tätigkeit6. Er sei in jedem Fall „Verbraucher“. Geht man dagegen davon aus, dass er in bestimmten Fällen selbständig beruflich tätig sei, ist zweifelhaft, ob er bei Abschluss des Anstellungsvertrags den Vertrag zu einem Zweck abschließt, der seiner gewerblichen oder selbständigen beruflichen Tätigkeit zuzurechnen ist. Teilweise wird die Ansicht vertreten, der Geschäftsführer handle zwar nicht als „Verbraucher“ i.S. von § 13 BGB, wenn er über eine Sperrminorität verfüge und Leitungsmacht über die Gesellschaft ausübe7. Er handle aber als „Verbraucher“, wenn er Fremdgeschäftsführer sei oder Gesellschafter-Geschäftsführer mit einer Beteiligung unterhalb der Sperrminorität8. Stellungnahme: § 13 BGB denkt die betreffenden Personen in ihren jeweiligen Rollen. Das gilt auch für Organwalter. Wenn dieser im eigenen Interesse tätig 1 S. dazu etwa BGH, GmbHR 1988, 299; BayObLG, GmbHR 1997, 453. 2 S. dazu BGH, BB 1983, 788; OLG Düsseldorf, GmbHR 1988, 191 = NStZ 1988, 369 mit Anm. Hoyer; Kratzsch, ZGR 1985, 506. 3 Robrecht, GmbHR 2003, 762. 4 BGHZ 133, 71, 78; BGHZ 144, 370, 380; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, 7. Aufl., Rdnr. 5; Wicke, Rdnr. 2. 5 Grüneberg, in: Palandt, 71. Aufl. 2012, § 310 BGB Rdnr. 49; Schmitt-Rolfes, in: FS Hromadka, 2008, S. 395; Bauer/Arnold, ZIP 2006, 2337. 6 BGHZ 144, 370, 380; Micklitz, in: MünchKomm. BGB, 5. Aufl. 2006, § 13 BGB Rdnr. 49. 7 So BAG, GmbHR 2010, 1142. 8 Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, 7. Aufl., Rdnr. 5; Mülbert, in: FS Hadding, 2004, S. 575, 579: wenn Ausübung des Weisungsrechts der Gesellschaftergesamtheit determiniert werden kann; a.A. kein Verbraucher: Mülbert, in: FS Goette, 2011, S. 333, 337; Bauer/Arnold, ZIP 2006, 2337, 2339.

Uwe H. Schneider/Sven H. Schneider

471

119

§7

Anmeldung der Gesellschaft

wird, handelt er nicht in Ausübung seiner gewerblichen oder selbständigen beruflichen Tätigkeit. Das gilt auch, wenn er Allein-Gesellschafter und Allein-Geschäftsführer ist. Er ist auch in den letztgenannten Fällen Verbraucher. 120 Der Geschäftsführer übt als Organ der Gesellschaft deren Arbeitgeberfunktion aus1. Auch mitbestimmungs- und betriebsverfassungsrechtlich steht der Geschäftsführer auf der Arbeitgeberseite. Er wird aufgrund seiner Stellung als Organ einer GmbH aber nicht Kaufmann, da er nicht im eigenen Namen gewerbsmäßig Handelsgeschäfte betreibt (§ 1 HGB)2. Er kann zum Handelsrichter (§ 109 Abs. 1 GVG), zum Arbeitsrichter (§§ 22, 37, 43 ArbGG) und zum Sozialrichter (§§ 16, 47 SGG) – in den letzten beiden Fällen jeweils auf Arbeitgeberseite – ernannt werden. Er ist auch wählbar für die Vollversammlung der Industrie- und Handelskammer3. 121 Die Qualifizierung eines Geschäftsführers im Einkommen-, Gewerbe- und Umsatzsteuerrecht nämlich, ob es sich um eine selbständige oder unselbständige Tätigkeit handelt, ist streitig. Der VIII. Senat des BFH hat in einer Entscheidung vom 20.10.20104 die Ansicht vertreten, die Frage der Selbständigkeit sei jeweils nach denselben Grundsätzen zu bewerten. GmbH-Geschäftsführer seien regelmäßig Selbständige, wenn sie zugleich Geschäftsführer der Gesellschaft sind und mindestens 50 % des Stammkapitals innehaben.

§7

Anmeldung der Gesellschaft (1) Die Gesellschaft ist bei dem Gericht, in dessen Bezirk sie ihren Sitz hat, zur Eintragung in das Handelsregister anzumelden. (2) Die Anmeldung darf erst erfolgen, wenn auf jeden Geschäftsanteil, soweit nicht Sacheinlagen vereinbart sind, ein Viertel des Nennbetrags eingezahlt ist. Insgesamt muss auf das Stammkapital mindestens soviel eingezahlt sein, dass der Gesamtnennbetrag der eingezahlten Geldeinlagen zuzüglich des Gesamtnennbetrags der Geschäftsanteile, für die Sacheinlagen zu leisten sind, die Hälfte des Mindeststammkapitals gemäß § 5 Abs. 1 erreicht. (3) Die Sacheinlagen sind vor der Anmeldung der Gesellschaft zur Eintragung in das Handelsregister so an die Gesellschaft zu bewirken, dass sie endgültig zur freien Verfügung der Geschäftsführer stehen. Text des Abs. 1 geändert 1898; Abs. 2 geändert und Abs. 3 hinzugefügt durch Gesetz vom 4.7.1980 (BGBl. I 1980, 836); Abs. 2 geändert durch Gesetz vom 9.6.1998 (BGBl. I 1998, 1242); Überschrift geändert, Abs. 2 Sätze 1 und 2 geändert, Satz 3 aufgehoben durch das MoMiG vom 23.10.2008 (BGBl. I 2008, 2026). 1 BGHZ 10, 187; BGHZ 12, 1, 8 = NJW 1954, 505; BGHZ 36, 142; BGHZ 49, 30; Peltzer, BB 1976, 1252; Henze, Handbuch zum GmbH-Recht, Rdnr. 1239 f. 2 BGHZ 133, 71, 74; BGHZ 144, 370, 380; BGHZ 165, 43 = GmbHR 2006, 148; BGH, NZG 2007, 820, 821 = GmbHR 2007, 1154. 3 Vgl. Wahlordnung der jeweiligen Industrie- und Handelskammer. 4 BFH, GmbHR 2011, 313; Seer, GmbHR 2011, 225; Seifried/Böttcher, DStR 2011, 11.

472

Veil

§7

Anmeldung der Gesellschaft

wird, handelt er nicht in Ausübung seiner gewerblichen oder selbständigen beruflichen Tätigkeit. Das gilt auch, wenn er Allein-Gesellschafter und Allein-Geschäftsführer ist. Er ist auch in den letztgenannten Fällen Verbraucher. 120 Der Geschäftsführer übt als Organ der Gesellschaft deren Arbeitgeberfunktion aus1. Auch mitbestimmungs- und betriebsverfassungsrechtlich steht der Geschäftsführer auf der Arbeitgeberseite. Er wird aufgrund seiner Stellung als Organ einer GmbH aber nicht Kaufmann, da er nicht im eigenen Namen gewerbsmäßig Handelsgeschäfte betreibt (§ 1 HGB)2. Er kann zum Handelsrichter (§ 109 Abs. 1 GVG), zum Arbeitsrichter (§§ 22, 37, 43 ArbGG) und zum Sozialrichter (§§ 16, 47 SGG) – in den letzten beiden Fällen jeweils auf Arbeitgeberseite – ernannt werden. Er ist auch wählbar für die Vollversammlung der Industrie- und Handelskammer3. 121 Die Qualifizierung eines Geschäftsführers im Einkommen-, Gewerbe- und Umsatzsteuerrecht nämlich, ob es sich um eine selbständige oder unselbständige Tätigkeit handelt, ist streitig. Der VIII. Senat des BFH hat in einer Entscheidung vom 20.10.20104 die Ansicht vertreten, die Frage der Selbständigkeit sei jeweils nach denselben Grundsätzen zu bewerten. GmbH-Geschäftsführer seien regelmäßig Selbständige, wenn sie zugleich Geschäftsführer der Gesellschaft sind und mindestens 50 % des Stammkapitals innehaben.

§7

Anmeldung der Gesellschaft (1) Die Gesellschaft ist bei dem Gericht, in dessen Bezirk sie ihren Sitz hat, zur Eintragung in das Handelsregister anzumelden. (2) Die Anmeldung darf erst erfolgen, wenn auf jeden Geschäftsanteil, soweit nicht Sacheinlagen vereinbart sind, ein Viertel des Nennbetrags eingezahlt ist. Insgesamt muss auf das Stammkapital mindestens soviel eingezahlt sein, dass der Gesamtnennbetrag der eingezahlten Geldeinlagen zuzüglich des Gesamtnennbetrags der Geschäftsanteile, für die Sacheinlagen zu leisten sind, die Hälfte des Mindeststammkapitals gemäß § 5 Abs. 1 erreicht. (3) Die Sacheinlagen sind vor der Anmeldung der Gesellschaft zur Eintragung in das Handelsregister so an die Gesellschaft zu bewirken, dass sie endgültig zur freien Verfügung der Geschäftsführer stehen. Text des Abs. 1 geändert 1898; Abs. 2 geändert und Abs. 3 hinzugefügt durch Gesetz vom 4.7.1980 (BGBl. I 1980, 836); Abs. 2 geändert durch Gesetz vom 9.6.1998 (BGBl. I 1998, 1242); Überschrift geändert, Abs. 2 Sätze 1 und 2 geändert, Satz 3 aufgehoben durch das MoMiG vom 23.10.2008 (BGBl. I 2008, 2026). 1 BGHZ 10, 187; BGHZ 12, 1, 8 = NJW 1954, 505; BGHZ 36, 142; BGHZ 49, 30; Peltzer, BB 1976, 1252; Henze, Handbuch zum GmbH-Recht, Rdnr. 1239 f. 2 BGHZ 133, 71, 74; BGHZ 144, 370, 380; BGHZ 165, 43 = GmbHR 2006, 148; BGH, NZG 2007, 820, 821 = GmbHR 2007, 1154. 3 Vgl. Wahlordnung der jeweiligen Industrie- und Handelskammer. 4 BFH, GmbHR 2011, 313; Seer, GmbHR 2011, 225; Seifried/Böttcher, DStR 2011, 11.

472

Veil

§7

Anmeldung der Gesellschaft

Inhaltsübersicht I. 1. 2. 3.

Grundlagen Regelungsinhalt und -zweck . . . Anwendungsbereich. . . . . . . . . . . Reformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1 2 3

II. 1. 2. 3. 4. 5. 6.

Die Anmeldung (§ 7 Abs. 1) Anmeldeerfordernis . . . . . . . . . . . Zuständiges Gericht . . . . . . . . . . . Anmeldebefugnis . . . . . . . . . . . . . Rechtsnatur, Form und Inhalt . . Mängel der Anmeldung . . . . . . . . Verantwortlichkeit . . . . . . . . . . . .

5 8 10 12 15 17

III. Einlageleistungen vor der Anmeldung (§ 7 Abs. 2) 1. Mindesteinlageleistungen. . . . . . 18 a) Ein Viertel auf jeden Geschäftsanteil . . . . . . . . . . . . . . . 19

b) Vollständige Leistung der Sacheinlagen . . . . . . . . . . . . . . c) Gesamtbetrag. . . . . . . . . . . . . . d) Zuwiderhandlungen gegen § 7 Abs. 2. . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Einzahlungen a) Voraussetzungen . . . . . . . . . . . b) Zahlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Freie Verfügung . . . . . . . . . . . . d) Mindesteinzahlung und Gründungsaufwand . . . . . . . . 3. Leistung der Sacheinlagen (§ 7 Abs. 3) a) Bewirken . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Freie Verfügung . . . . . . . . . . . . 4. Mehrleistungen . . . . . . . . . . . . . .

22 23 25 26 30 34 41

42 45 46

Schrifttum: Barz, Geldeinlage-Zahlungen der Gesellschafter vor Eintragung der GmbH, GmbHR 1962, 189; Bergmann, Die verschleierte Sacheinlage bei AG und GmbH, AG 1987, 57, 75 ff.; Blecker, Die Leistung der Mindesteinlage in Geld zur „endgültig freien Verfügung“ der Geschäftsleitung bei AG und GmbH im Fall der Gründung und Kapitalerhöhung, 1995; Cahn, Kapitalaufbringung im Cash Pool, ZHR 166 (2002), 278; Feine, in: von Ehrenberg (Hrsg.), Handbuch des gesamten Handelsrechts, Band III, 1929; Frey, Einlagen in Kapitalgesellschaften, 1990; Gröning, Wird ein GmbH-Gesellschafter von seiner Geldeinlageverbindlichkeit befreit, wenn er Einzahlungen auf seine Stammeinlage leistet, bevor die GmbH in das Handelsregister eingetragen ist?, 1966; Habetha, Verdeckte Sacheinlage, endgültig freie Verfügung, Drittzurechnung und „Heilung“ fehlgeschlagener Bareinzahlungen im GmbH-Recht, ZGR 1998, 305; Henze, Erfordernis der wertgleichen Deckung bei Kapitalerhöhung mit Bareinlagen?, BB 2002, 955; Hofmann, Voreinzahlungen auf Anteile an Kapitalgesellschaften und Genossenschaften, AG 1963, 261 u. 299; Hommelhoff/Kleindiek, Schuldrechtliche Verwendungspflichten und „freie Verfügung“ bei der Barkapitalerhöhung, ZIP 1987, 477; Ihrig, Die endgültige freie Verfügung über die Einlage von Kapitalgesellschaften, 1991; Joost, Vorbelastungshaftung und Leistung der Bareinlage in das Vermögen der Vor-GmbH vor Fälligkeit, ZGR 1989, 554; Kreuels, Abgrenzung der Lehre von der verdeckten Sacheinlage zum Grundsatz endgültig freier Verfügung, 1996; Lutter, Das überholte Thesaurierungsgebot bei Eintragung einer Kapitalgesellschaft im Handelsregister, NJW 1989, 2649; Meilicke, Die „verschleierte“ Sacheinlage, 1989; Meister, Zur Vorbelastungsproblematik und zur Haftungsverfassung der Vorgesellschaft bei der GmbH, in: FS Werner, 1984, S. 521; Melber, Zur Kaduzierung des GmbH-Gesellschafters trotz freiwilliger vollständiger Einlageleistung vor Eintragung der GmbH, GmbHR 1991, 563; Mildner, Bareinlage, Sacheinlage und ihre „Verschleierung“ im Recht der GmbH, 1989; Mülbert, Das „Magische Dreieck der Barkapitalaufbringung“, ZHR 154 (1990), 145; Pleyer, Freiwillige Zahlungen auf die Stammeinlage vor Eintragung der GmbH in das Handelsregister, GmbHR 1962, 156; Römermann, Der Entwurf des „MoMiG“ – die deutsche Antwort auf die Limited, GmbHR 2006, 673; von Rössing, Die Sachgründung nach der GmbH-Novelle 1980, 1984; G. H. Roth, Die freie Verfügung über die Einlage, in: FS Semler, 1993, S. 299; G. H. Roth, Die wertgleiche Deckung als Eintragungsvoraussetzung, ZHR 167 (2003), 89; Karsten Schmidt, Veil

473

§7

Anmeldung der Gesellschaft

Barkapitalaufbringung und „freie Verfügung“ bei der Aktiengesellschaft und der GmbH, AG 1986, 106; Karsten Schmidt, Unterbilanzhaftung – Vorbelastungshaftung – Gesellschafterhaftung, ZHR 156 (1992), 93; Seibert, GmbH-Reform: Der Referentenentwurf eines Gesetzes zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen – MoMiG, ZIP 2006, 1157; Ulbrich, Bedeutung und Anrechnung von Leistungen auf GmbH-Stammeinlagen im Gründungsstadium, 1965; Ulbrich, Anrechnung freiwilliger Voreinzahlungen, wenn dafür Sachwerte zufließen, GmbHR 1966, 249; Ulmer, Rechtsfragen der Barkapitalerhöhung bei der GmbH, GmbHR 1993, 189; Wachter, Verschlankung des Registerverfahrens bei der GmbH-Gründung. Zwölf Vorschläge aus der Praxis, in: Gesellschaftsrechtliche Vereinigung (VGR), Die GmbHReform in der Diskussion, 2006, S. 55; Wedemann, Das neue GmbH-Recht, WM 2008, 1381; Wilhelm, Kapitalaufbringung und Handlungsfreiheit der Gesellschaft nach Aktien- und GmbH-Recht, ZHR 152 (1988), 333.

I. Grundlagen 1. Regelungsinhalt und -zweck 1 § 7 Abs. 1 bestimmt, dass die Gesellschaft zur Eintragung in das Handelsregister anzumelden ist (Anmeldepflicht). Ferner legt sie die Bedingungen für die Anmeldung fest. Die inhaltlichen Anforderungen an eine Anmeldung sind in § 8 normiert. Von Bedeutung für die Anmeldung sind ferner die in § 78 niedergelegten Regeln über die Anmeldepflichtigen. Dagegen findet § 79 über die Festsetzung eines Zwangsgelds keine Anwendung. Soweit das GmbHG keine abweichenden Bestimmungen trifft, gelten für das Eintragungsverfahren die allgemeinen Vorschriften über das Handelsregister (§§ 8 ff. HGB, §§ 376, 379 und 387 FamFG und Handelsregisterverordnung vom 12.8.1937, zuletzt geändert durch Gesetz vom 11.8.2009). Aus § 7 Abs. 2 und 3 folgt, dass die Gesellschafter vor der Anmeldung bestimmte Mindestleistungen erbringen müssen. Das Gesetz will dadurch sicherstellen, dass die Gesellschaft nicht ohne ein reales eigenes Gesellschaftsvermögen ins Leben tritt. Auch soll eine gewisse Garantie für die Ernstlichkeit der Beteiligungen der Gesellschafter geschaffen werden. Die in § 7 Abs. 3 vorgesehene Anordnung zur vollständigen Leistung der Sacheinlagen soll darüber hinaus einen Ausgleich für die fehlende Gründungsprüfung bilden sowie die Aufbringung des durch Sacheinlagen gedeckten Teils des Stammkapitals sicherstellen1.

2. Anwendungsbereich 2 Die Vorschrift findet teilweise auch bei einer Kapitalerhöhung Anwendung. So bestimmt § 56a, dass für die Leistungen der Einlagen auf das neue Stammkapital § 7 Abs. 2 Satz 1 und Abs. 3 entsprechende Anwendung finden. Auch bei der Aktivierung einer Vorrats- oder Mantelgesellschaft sind diese Regelungen nach der Rechtsprechung des BGH anzuwenden (s. Erl. zu § 3 Rdnr. 26 ff., 37 ff.). Abweichende Bestimmungen sind für die Unternehmergesellschaft vorgesehen. Deren Anmeldung darf abweichend von § 7 Abs. 2 erst erfolgen, wenn das Stammkapital in voller Höhe eingezahlt ist (§ 5a Abs. 2 Satz 1). Außerdem sind Sacheinlagen ausgeschlossen (§ 5a Abs. 2 Satz 2), so dass die Anforderungen des § 7 Abs. 3 für eine Unternehmergesellschaft nicht relevant werden. 1 Begr. RegE, BT-Drucks. 8/1347, S. 32 f.

474

Veil

§7

Anmeldung der Gesellschaft

3. Reformen Die Vorschrift stand bereits bei der GmbH-Novelle von 1980 im Blickpunkt der 3 rechtspolitischen Debatte. Der Gesetzgeber hatte mit dieser Reform das Anliegen verfolgt, einen effektiveren Gläubigerschutz zu verwirklichen. Dazu wurden die Anforderungen an eine Anmeldung der Gesellschaft verschärft. Es müssen seitdem vor der Anmeldung auf jede Geldeinlage mindestens ein Viertel eingezahlt (§ 7 Abs. 2 Satz 1) und insgesamt einschließlich der vollständig zu leistenden Sacheinlagen (§ 7 Abs. 3) mindestens die Hälfte des gesetzlichen Mindeststammkapitals geleistet sein (§ 7 Abs. 2 Satz 2). Eine Erweiterung gegenüber dem früheren Recht trat auch für die Erbringung der Sacheinlagen insofern ein, als die Sachübernahmen mit Anrechnungsabrede einbezogen wurden1. Das EuroEG vom 9.6.1998 (BGBl. I 1998, 1242) hat den früheren Begriff der Gesamtmindesteinlageleistungen durch den Begriff des Mindeststammkapitals ersetzt. Dies hatte aber keine nennenswerten inhaltlichen Konsequenzen. Die Änderungen des § 7 Abs. 2 Satz 1 und 2 durch das MoMiG sind dadurch be- 4 dingt, dass nach neuem Recht das Stammkapital in Geschäftsanteile zerlegt ist; statt des Begriffs der Stammeinlage stellt § 3 Abs. 1 Nr. 4 auf den Nennbetrag der Geschäftsanteile ab (s. § 3 Rdnr. 51 und § 5 Rdnr. 19). Dementsprechend stellt § 7 Abs. 2 Satz 1 hinsichtlich der Mindesteinzahlung auf den Geschäftsanteil ab; ebenso bezieht sich § 7 Abs. 2 Satz 2 für die zu erbringende Sacheinlage auf den Geschäftsanteil2. Das MoMiG hat ferner § 7 Abs. 2 Satz 3 aufgehoben. Der Gesetzgeber hatte diese Regelung im Jahre 1980 eingeführt und sie damit begründet, dass im Fall der Gründung einer Einmann-Gesellschaft nur ein Gesellschafter vorhanden sei, also keine weiteren Gesellschafter für die Leistung aller Einlagen gemäß § 24 haften würden; die Aufbringung des Stammkapitals solle dadurch gesichert werden, dass der einzige Gesellschafter für den die nach den Sätzen 1 und 3 vorgeschriebenen Einzahlungen übersteigenden Teil der Geldeinlage eine Sicherung bestellen müsse3. In der Praxis hat man die Vorschrift als verzichtbar angesehen4. Der Gesetzgeber hat sie daher 28 Jahre später ersatzlos gestrichen, um eine unnötige Komplizierung der GmbH-Gründung zu vermeiden5. Dies bedeutet, dass es auch im Falle einer Einmann-Gründung ausreicht, wenn auf das Stammkapital mindestens so viel eingezahlt wird, dass der Gesamtbetrag der eingezahlten Geldeinlagen zuzüglich des Gesamtnennbetrags der Geschäftsanteile, für die Sacheinlagen zu leisten sind, die Hälfte des Mindeststammkapitals gemäß § 5 Abs. 1 erreicht (§ 7 Abs. 2 Satz 2)6. In den Altfäl-

1 Die Regelung des § 7 Abs. 2 und 3 fand erstmals für Gesellschaften Anwendung, die ab dem 1.1.1981 zur Eintragung in das Handelsregister angemeldet wurden (Art. 12 § 3 GmbH-Novelle). 2 Begr. RegE MoMiG, BT-Drucks. 16/6140, S. 33. 3 Begr. RegE, BT-Drucks. 8/1347, S. 32. 4 BDI/Hengeler, Die GmbH im Wettbewerb der Rechtsformen, Februar 2006, S. 76: Vorschriften zur Sicherheitsleistung seien „kaum je praktisch geworden“ (abrufbar unter www.bdi-online.de/Dokumente/Recht-Wettbewerb-Versicherungen/DieGmbHimWettbe werbDerRechtsformen.pdf); Römermann, GmbHR 2006, 673, 675. 5 Begr. RegE MoMiG, BT-Drucks. 16/6140, S. 33; vgl. auch Seibert, ZIP 2006, 1157, 1164. 6 Vgl. aus der registergerichtlichen Praxis OLG Nürnberg, GmbHR 2011, 582.

Veil

475

§7

Anmeldung der Gesellschaft

len einer Einmann-GmbH sind mit Inkrafttreten des MoMiG die bestellten Sicherungen allerdings nicht automatisch frei geworden1.

II. Die Anmeldung (§ 7 Abs. 1) 1. Anmeldeerfordernis 5 Die Anmeldung ist die Voraussetzung für die Eintragung der GmbH in das Handelsregister und damit für ihr rechtswirksames Entstehen (§ 11 Abs. 1). Eine Pflicht zur Anmeldung begründet § 7 Abs. 1 trotz seines missverständlichen Wortlauts nach übereinstimmender Auffassung nicht2. Es ist vielmehr den Gründungsgesellschaftern überlassen, ob sie die GmbH zur Entstehung bringen wollen oder nicht. Aus diesem Grund ist gemäß § 79 Abs. 2 auch die Festsetzung eines Zwangsgeldes (vgl. § 14 HGB) gegen Geschäftsführer ausgeschlossen. Die Verzögerung der Anmeldung hat aber Rechtsnachteile in Form der Fortdauer der Handelndenhaftung der Geschäftsführer (§ 11 Abs. 2) und unter Umständen der Verlustdeckungspflicht der Gesellschafter (im Falle des Scheiterns der Eintragung) bzw. Vorbelastungshaftung der Gesellschafter (bei Eintragung der Gesellschaft). 6 Die Geschäftsführer sind allerdings gegenüber der Gesellschaft auf Grund ihrer durch das Einverständnis mit der Bestellung begründeten Organstellung verpflichtet, die Gesellschaft unverzüglich zur Eintragung anzumelden, wenn keine Eintragungshindernisse gegeben sind und die Gründungsgesellschafter keine abweichende Weisung erteilen3. Sie haften bei einer schuldhaften Verzögerung auf Schadensersatz (§ 43) und können – u.U. auch bei Einschränkung der Abberufbarkeit wegen Vorliegens eines wichtigen Grundes – abberufen werden. Der Anspruch auf Vornahme der Anmeldung ist darüber hinaus im Klagewege durchsetzbar4. Die Schutzfunktion der Anmeldevorschriften wird dadurch nicht beeinträchtigt, da die Begründetheit der Klage vom Vorliegen der Anmeldevoraussetzungen (§ 7 Abs. 2 und 3) abhängt und die Geschäftsführer nicht gehindert sind, die ihnen obliegenden Versicherungen (§ 8 Abs. 2 und 3) wahrheitsgemäß abzugeben. Die Vollstreckung des Urteils erfolgt nicht nach § 894 ZPO i.V.m. § 16 HGB, sondern nach § 888 ZPO5. Dies folgt aus dem Umstand, dass

1 Tebben, in: Michalski, Rdnr. 38. A.A. Bormann/Urlichs, in: GmbHR-Sonderheft MoMiG, 2008, S. 38. 2 Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 2; Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 3; Schaub, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 7; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/SchmidtLeithoff, Rdnr. 5; Tebben, in: Michalski, Rdnr. 9; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 5. 3 Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 1; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 2; Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 4; Schaub, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 8; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 6; Tebben, in: Michalski, Rdnr. 10; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 6; vgl. auch OLG Hamm, GmbHR 1984, 343. 4 Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 1; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 2; Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 4; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 6; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 9. 5 Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 1; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 2; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 6; Schaub, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 9; Ulmer, in: Ulmer Rdnr. 9.

476

Veil

§7

Anmeldung der Gesellschaft

die Anmeldung nach § 7 Abs. 1 als eine von den Geschäftsführern persönlich vorzunehmende, also unvertretbare Handlung zu qualifizieren ist (s. Rdnr. 11). Auch die Gründungsgesellschafter sind untereinander verpflichtet, die ihrerseits als Voraussetzung für die Anmeldung notwendigen Handlungen vorzunehmen und erforderlichenfalls an Maßnahmen gegen die Geschäftsführer zur Erzwingung der unbegründet verzögerten oder verweigerten Anmeldung mitzuwirken1. Im Einzelfall kann ein Gesellschafter aufgrund seiner mitgliedschaftlichen Treuepflicht auch gehalten sein, sich mit der Beseitigung von Mängeln des Gesellschaftsvertrages einverstanden zu erklären2.

7

2. Zuständiges Gericht Für die Anmeldung ist das Amtsgericht zuständig, in dessen Bezirk die GmbH 8 ihren Sitz hat. Maßgebend ist der im Gesellschaftsvertrag (§ 3 Abs. 1 Nr. 1) bestimmte Gesellschaftssitz. Dieser Sitz muss im Inland liegen. Der Verwaltungssitz kann dagegen seit dem MoMiG auch im Ausland liegen (s. § 4a Rdnr. 14). Die örtliche Zuständigkeit regelt § 7 Abs. 1 zwingend. Die Eintragung durch ein 9 unzuständiges Registergericht ist aber ohne Einfluss auf ihre Wirksamkeit (§ 2 Abs. 3 FamFG). Eine Amtslöschung gemäß § 395 FamFG aus diesem Grund ist ausgeschlossen (s. auch Rdnr. 15)3.

3. Anmeldebefugnis Die Anmeldung hat namens der Gesellschaft (der Vor-GmbH) durch die Ge- 10 schäftsführer zu erfolgen4. Es müssen sämtliche Geschäftsführer mitwirken, auch die Stellvertreter, auch bei statutarischer Einzelvertretungsbefugnis, jedoch nicht notwendig gleichzeitig (§ 78)5. Die Unwirksamkeit der Bestellung zum Geschäftsführer, z.B. wegen fehlender Eignung gemäß § 6 Abs. 2, schließt die Anmeldebefugnis aus. Notwendig ist darüber hinaus, dass die Anmeldung durch die Geschäftsführer 11 persönlich erfolgt6. Die gewillkürte Vertretung lässt sich insbesondere nicht auf die allgemeine Vorschrift des § 12 Abs. 1 Satz 2 HGB stützen7. Die Regelungen über die zivil- und strafrechtliche Verantwortlichkeit für die Richtigkeit der zum Zwecke der Eintragung gemachten Angaben (§§ 9a Abs. 1, 82 Abs. 1 Nr. 1 und 4) zeigen, dass das Gesetz der persönlichen Mitwirkung der Geschäftsführer 1 Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 6; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 7. 2 Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 7; Tebben, in: Michalski, Rdnr. 10. 3 Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 2; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 4; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 17. A.A. Schaub, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 37. 4 BGHZ 105, 324, 327; BGHZ 117, 323, 325 ff. 5 Vgl. BayObLG, WM 1984, 638; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 1; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 7; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 10, 16. 6 BayObLG, NJW 1987, 136; BayObLG, DB 1987, 215, 216; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 1; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 3; Schaub, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 28; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 8; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 11 f.; dahingestellt in BGHZ 116, 190, 199. 7 A.A. KG, JW 1932, 2626; OLG Köln, BB 1986, 2088; Feine, S. 145.

Veil

477

§7

Anmeldung der Gesellschaft

bei der Abgabe der zur Anmeldung erforderlichen Erklärungen eine entscheidende Bedeutung beimisst, um die Ordnungsmäßigkeit der Gründung zu gewährleisten. Die Sicherungen wären weitgehend entwertet, wenn die Geschäftsführer sich ihnen durch die Einschaltung von Bevollmächtigten ganz oder teilweise entziehen könnten. Der Notar, der die Anmeldeerklärung der Geschäftsführer beurkundet oder beglaubigt hat, ist nach § 378 FamFG ermächtigt, die Anmeldung beim Gericht einzureichen1. Hat er nur den Gesellschaftsvertrag beurkundet, so ist er nicht befugt, die Anmeldung als solche zu beantragen; § 378 FamFG findet dann keine Anwendung2.

4. Rechtsnatur, Form und Inhalt 12

Die Anmeldung ist ein verfahrensrechtlicher Antrag an das zuständige Registergericht (Rdnr. 8) auf Eintragung der Gesellschaft3. Die Vorschriften des BGB über Rechtsgeschäfte sind daher nicht unmittelbar anwendbar, sondern können nur, soweit die Rechtsnatur der Anmeldung als Verfahrenshandlung nicht entgegensteht, analog herangezogen werden. So erfordert die Anmeldung entsprechend §§ 104 ff. BGB die unbeschränkte Geschäftsfähigkeit, die im Übrigen ohnehin Voraussetzung für die rechtswirksame Bestellung der Geschäftsführer ist (§ 6 Abs. 2 Satz 1). Die Anmeldung wird mit Zugang beim Registergericht wirksam4. Die Wirksamkeit der Anmeldung wird nicht davon beeinflusst, dass ein Geschäftsführer nach ihrer Abgabe seine Geschäftsfähigkeit verliert, verstirbt oder aus einem anderen Grund aus dem Amt ausscheidet (§ 130 Abs. 2 BGB analog)5. Die Anmeldung kann ferner nicht durch Bedingungen oder Befristungen eingeschränkt und auch nicht wegen Willensmängeln angefochten werden6. Bis zur Eintragung ist aber jederzeit formlos der Widerruf der Anmeldung zulässig. Sind mehrere Geschäftsführer vorhanden und widerruft nur einer von ihnen, so wird gleichwohl wegen der Notwendigkeit seiner Mitwirkung (Rdnr. 10) die Anmeldung wirkungslos7. Auch eine Berichtigung der Anmeldung ist bis zur Eintragung möglich8, muss aber in der vorgeschriebenen Form (Rdnr. 13) durch sämtliche Geschäftsführer erfolgen.

13

Die Anmeldung bedarf der öffentlich beglaubigten Form (§ 12 Abs. 1 HGB, § 129 BGB). Zulässig ist auch die notarielle Beurkundung (§ 129 Abs. 2 BGB) oder die 1 BayObLG, DB 1978, 880; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 1; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 3; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 8; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 14. 2 Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 3; Schaub, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 34; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 8; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 14. 3 Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 1; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 4; nach Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 19 ist sie „organschaftlicher Akt“ (ebenso BayObLG, DB 1985, 1223, 1224). 4 OLG Hamm, DNotZ 1981, 707, 709; Tebben, in: Michalski, Rdnr. 11. 5 Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 10. 6 BayObLG, GmbHR 1992, 672, 674; Tebben, in: Michalski, Rdnr. 11. 7 Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 1; Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 13; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 21. 8 Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 13; Tebben, in: Michalski, Rdnr. 11, 13; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 22.

478

Veil

§7

Anmeldung der Gesellschaft

Protokollierung der Erklärung bei einem gerichtlichen Vergleich (§ 127a BGB). Seit dem EHUG ist die Anmeldung dem Registergericht elektronisch einzureichen (§ 12 Abs. 1 Satz 1 HGB). Wie dies im Einzelnen vonstatten zu gehen hat, ist in den Verordnungen über die elektronische Registerführung der Länder (vgl. § 8a Abs. 2 HGB)1 geregelt. Diese Verordnungen sehen vor, dass die Anmeldungen über das Elektronische Gerichts- und Postfach (EGVP) einzureichen sind2. Der Gegenstand der Anmeldung ist nach § 7 Abs. 1 nur „die Gesellschaft“. Die weiteren Anforderungen an ihren Inhalt und an beizufügende Unterlagen ergeben sich aus § 8. Es handelt sich dabei im Verhältnis zu § 29 HGB um Spezialvorschriften3. Eine besondere Anmeldung der „Firma“ oder des „Ortes der Handelsniederlassung“, wie sie § 29 HGB verlangt, erübrigt sich daher.

14

5. Mängel der Anmeldung Soweit Mängel nicht behebbar sind oder auf die Beanstandung des Registerrich- 15 ters nicht behoben werden, verpflichten Mängel zur Ablehnung der Eintragung (s. § 9c Rdnr. 39). Wird die Gesellschaft dennoch eingetragen, so werden die Mängel des Anmeldeverfahrens grundsätzlich geheilt4, insbesondere die örtliche Unzuständigkeit des Registergerichts (Rdnr. 8 f.), Inhalts- und Formmängel der Anmeldung (Rdnr. 12 ff.), die fehlende Befugnis zur Einreichung der Anmeldung (Rdnr. 10 f.) und die Unvollständigkeit der einzureichenden Unterlagen (s. § 8 Rdnr. 38). Auch eine Amtslöschung der GmbH gemäß § 395 FamFG kommt grundsätzlich nicht in Betracht5. Anders ist es zu beurteilen, wenn das Eintragungsverfahren ohne einen dahin- 16 gehenden Willen der Geschäftsführer eingeleitet oder durchgeführt worden ist. Wenn eine Anmeldung nicht erfolgt ist, durch einen Unbefugten ohne Zustimmung der Geschäftsführer oder durch einen Geschäftsführer ohne Zustimmung eingereicht worden ist, ist eine Amtslöschung gemäß § 395 FamFG möglich6. Das Registergericht wird allerdings zuvor zu prüfen haben, ob die Geschäftsführer sich nachträglich mit der Anmeldung einverstanden erklären. Dann wäre der Mangel geheilt.

1 Die von den Landesjustizverwaltungen verabschiedeten Verordnungen können abgerufen werden unter http://elrv.info/de/elektronischer-rechtsverkehr/rechtsgrundlagen/in dex.php. 2 Vgl. zu den Einzelheiten des technischen Ablaufs Müther, Rpfleger 2008, 233; Melchior, NotBZ 2006, 409; Mödl/Schmidt, ZIP 2008, 2332; Wicke, in: MünchKomm. GmbHG, § 9c Rdnr. 44 f. 3 Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 1; Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 11; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 23. 4 Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 3; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 4; Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 14; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 16; Tebben, in: Michalski, Rdnr. 16. 5 Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 3; Tebben, in: Michalski, Rdnr. 16; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 11. 6 Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 2; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 4; Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 14; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 16; Tebben, in: Michalski, Rdnr. 17; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 11.

Veil

479

§7

Anmeldung der Gesellschaft

6. Verantwortlichkeit 17

Die Verantwortlichkeit der Gesellschafter und der Geschäftsführer für die Richtigkeit der Anmeldung und der beizufügenden Unterlagen folgt aus §§ 9a, 82 Abs. 1 Nr. 1, 2 und 4. Daneben können auch Schadensersatzansprüche Dritter nach den allgemeinen Vorschriften des Bürgerlichen Rechts gegeben sein.

III. Einlageleistungen vor der Anmeldung (§ 7 Abs. 2) 1. Mindesteinlageleistungen 18

Das GmbHG setzt für die Anmeldung der Gesellschaft zum Handelsregister zwingend voraus, dass auf die übernommenen Geschäftsanteile bestimmte Einlageleistungen bereits erbracht worden sind (§ 7 Abs. 2 und 3). Der Gesellschaftsvertrag kann zwar höhere Einzahlungen vor der Anmeldung oder bis zur Eintragung vorsehen (Rdnr. 46), nicht aber die gesetzlichen Anforderungen herabsetzen. Die Geschäftsführer haben in der Anmeldung zu versichern, dass die gesetzlich geforderten Mindesteinlageleistungen bewirkt sind und die Gegenstände der Leistungen sich endgültig in ihrer freien Verfügung befinden (§ 8 Abs. 2 Satz 1). Die registergerichtliche Prüfung bezieht sich auch nur auf die Mindesteinlageleistungen1. a) Ein Viertel auf jeden Geschäftsanteil

19

Für jeden Geschäftsanteil ist mindestens ein Viertel des statutarisch festgesetzten Einlagebetrages (§ 3 Abs. 1 Nr. 4) einzuzahlen (§ 7 Abs. 2 Satz 1). Wenn beispielsweise ein Geschäftsanteil einen Nennbetrag von einem Euro hat2, ist auf ihn mindestens ein Betrag von 0,25 Euro einzuzahlen. Es genügt nicht, dass auf einen oder einzelne Geschäftsanteile gezahlt wird, mag damit auch insgesamt ein Viertel des Geschäftsanteils gedeckt sein3.

20

Sowohl bei der Berechnung der Quote als auch bei der Mindesteinzahlung ist ein statutarisch gefordertes Aufgeld (s. § 5 Rdnr. 21) unberücksichtigt zu lassen. Auch die Versicherung der Geschäftsführer (§ 8 Abs. 2 Satz 1) und die registergerichtliche Kontrolle (§ 9c) beziehen sich nicht auf ein Agio4. Es ist mangels einer erkennbaren gegenteiligen Bestimmung des Gesellschafters regelmäßig davon auszugehen, dass dieser mit einer Einzahlung zuerst die gesetzlich geforderte

1 OLG Stuttgart, BB 2011, 1858. 2 Siehe zu den notwendigen Angaben des Geschäftsführers bezüglich der Leistung der Mindesteinlage auf einen Geschäftsanteil mit einem Nennbetrag von einem Euro die Erl. zu § 8 Rdnr. 26. 3 RGSt. 33, 252, 253; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 5; Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 19; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 18; Tebben, in: Michalski, Rdnr. 20; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 26. 4 Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 3; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 5; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 21; Tebben, in: Michalski, Rdnr. 20; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 26. A.A. Gienow, in: FS Semler, 1993, S. 165, 173 ff.; Herchen, Agio und verdecktes Agio im Recht der Kapitalgesellschaften, 2004, S. 148 ff. Anders ist die Rechtslage im Aktienrecht; vgl. §§ 36a Abs. 1, 37 Abs. 1 AktG.

480

Veil

§7

Anmeldung der Gesellschaft

Mindesteinlageleistung und erst danach andere fällige Gesellschafterpflichten gegenüber der Gesellschaft, z.B. ein Aufgeld, tilgen will1. Bei der so genannten Mischeinlage – es handelt sich um die Kombination einer 21 Bar- mit einer Sacheinlage (s. § 5 Rdnr. 81) –, ist die gesetzlich geforderte Mindesteinzahlung (§ 7 Abs. 2 Satz 1) nicht von dem Gesamtbetrag des Geschäftsanteils, sondern nur von dem in Geld zu entrichtenden Teil zu berechnen2. b) Vollständige Leistung der Sacheinlagen Die Sacheinlagen sind vor der Anmeldung an die Gesellschaft vollständig so zu 22 bewirken, dass sie endgültig zur freien Verfügung der Geschäftsführer stehen (§ 7 Abs. 3). Der Gesetzesbegriff der Sacheinlage umfasst dabei wie in den übrigen Bestimmungen in Abweichung vom früheren Recht (§ 5 Abs. 4 a.F.) auch die Sachübernahmen mit Anrechnungsabrede (s. § 5 Rdnr. 31, 73 ff.), die demgemäß ebenfalls vorher in der genannten Weise zu bewirken (Rdnr. 44) sind3. Die Erweiterung war, wie die Entstehungsgeschichte des § 7 Abs. 3 zeigt4, gewollt und wird überdies durch den Zweck der Norm (Rdnr. 1) gefordert. c) Gesamtbetrag Außerdem verlangt § 7 Abs. 2 Satz 2, dass der Gesamtbetrag der eingezahlten 23 Geldeinlagen zuzüglich der Summe der Einlagen, die durch Sachwerte zu decken sind, mindestens die Hälfte des gesetzlichen Mindeststammkapitals (12 500 Euro) erreichen muss. Bei der Berechnung, ob diese Anforderung erfüllt ist, sind wiederum die nicht auf die Geschäftsanteile geleisteten Beitragszahlungen der Gesellschafter (s. § 5 Rdnr. 21) unberücksichtigt zu lassen (Rdnr. 20) und ist auch bei den Sacheinlagen nicht der – möglicherweise höhere – Wert des geleisteten Einlagegegenstandes, sondern der durch ihn zu tilgende Betrag des Geschäftsanteils anzusetzen. Ein danach sich ergebender Minderbetrag ist zusätzlich von einem oder mehreren Geldeinlageschuldnern vor der Anmeldung zu erbringen. Das Gesetz schreibt nicht vor, ob und wie der einzuzahlende Minderbetrag unter 24 mehreren Geldeinlageschuldnern aufzuteilen ist, sondern überlässt die Bestimmung der Zahlungspflicht dem Gesellschaftsvertrag5. Mangels einer entsprechenden Vereinbarung ist entsprechend § 19 Abs. 1 die erforderliche Zusatzein-

1 Vgl. aber für einen Sonderfall BGH, DNotZ 1991, 828, 832 (bez. Resteinlage). 2 RGSt. 48, 153, 160; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 4; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 5; Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 19; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 19; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 28. 3 Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 4; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 12; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 19; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 27. 4 Die dahingehende ausdrückliche Bestimmung des § 7b Abs. 1 Satz 1 RegE ist nur wegen der diese Sachübernahmen einbeziehenden Erweiterung des Sacheinlagebegriffs i.S. des § 5 Abs. 4 Satz 1 angepasst worden; vgl. Bericht des Rechtsausschusses, BT-Drucks. 8/3908, S. 71. 5 Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 29.

Veil

481

§7

Anmeldung der Gesellschaft

zahlung nach dem Verhältnis der in Geld aufzubringenden Geschäftsanteile zu leisten1. d) Zuwiderhandlungen gegen § 7 Abs. 2 25

Bei einer Zuwiderhandlung gegen § 7 Abs. 2 hat das Registergericht die Eintragung abzulehnen (§ 9c Abs. 1 Satz 1). Die trotzdem eingetragene GmbH ist aber nicht nichtig (§ 75)2. Auch die Amtslöschung nach § 395 FamFG scheidet aus. Bei unrichtigen Angaben über die Mindestleistungen finden die §§ 9a, 82 Abs. 1 Nr. 1, 4 Anwendung.

2. Einzahlungen a) Voraussetzungen 26

Aus § 8 Abs. 2 folgt, dass die in § 7 Abs. 2 und 3 bezeichneten Leistungen auf die Geschäftsanteile bewirkt sein und dass der Gegenstand der Leistungen sich endgültig in der freien Verfügung des Geschäftsführers befinden muss. Diese Vorschriften sind zusätzlich zu den allgemeinen Vorschriften der §§ 362 ff. BGB zu beachten, denn sie stellen aus Gläubigerschutzgründen strengere Voraussetzungen an eine Erfüllung auf3. Das GmbHG enthält anders als das Aktienrecht (§ 54 Abs. 3 AktG) darüber hinaus keine näheren Bestimmungen über die Art und Weise der vor der Anmeldung zu erbringenden Mindesteinzahlungen der Gesellschafter. Sie sind vom Gesetzgeber als entbehrlich angesehen worden4. Es muss daher nicht verwundern, dass die Gerichte sich bis heute mit zahlreichen Auslegungsfragen beschäftigen mussten.

27

Der Anspruch auf Leistung der Mindesteinzahlungen steht bis zur Eintragung der GmbH der Vorgesellschaft zu. Diese ist kontofähig, so dass der Gesellschafter mit Zahlung auf das Konto der Vor-GmbH frei wird. Zahlungen, die an eine sog. Vorgründungsgesellschaft (s. § 11 Rdnr. 6 ff.) oder auf ein vor Abschluss des Gesellschaftsvertrages für die künftige GmbH i.Gr. eingerichtetes Konto geleistet werden, erfüllen die Einlagepflicht nicht und genügen nicht den gesetzlichen Anforderungen an Mindesteinzahlungen5. Die vorgeschriebene Einlageleistung

1 Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 5; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 9; Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 20; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 20; Tebben, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 23; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 29. 2 RGZ 82, 288, 289 f.; RGZ 82, 375, 382; RG, JW 1913, 1043; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 31. 3 Vgl. BGH, GmbHR 1992, 601, 602; BGH, GmbHR 1986, 115 f.; OLG Hamburg, GmbHR 1982, 157, 158; OLG Frankfurt, WM 1984, 1448; Tebben, in: Michalski, Rdnr. 19. 4 Die Begr. I, 55 und II, 44 hielt eine gesetzliche Festlegung wegen der geringeren Missbrauchsgefahr für unnötig; die Beurteilung habe nach „den Umständen des einzelnen Falles unter Berücksichtigung allgemeiner Verkehrsgewohnheiten“ zu erfolgen, wobei jedenfalls die „freie Verfügung der Geschäftsführer“ hergestellt sein müsse. Die Einfügung einer dem § 54 Abs. 3 AktG entsprechenden Bestimmung ist bei der GmbH-Novelle 1980 als überflüssig abgelehnt worden, weil dies dem bereits geltenden (Richter-)Recht entspreche; vgl. Bericht des Rechtsausschusses, BT-Drucks. 8/3908, S. 71. 5 BGH, GmbHR 1992, 601, 602; OLG Köln, ZIP 1989, 238, 239; OLG Hamm, GmbHR 1992, 750, 751; OLG Düsseldorf, GmbHR 1994, 398, 399; OLG Stuttgart, GmbHR 1995, 115, 118; Schaub, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 69.

482

Veil

§7

Anmeldung der Gesellschaft

ist in diesen Fällen erst dann erbracht, wenn der geschuldete Geldbetrag ungeschmälert an die Vorgesellschaft zur freien Verfügung ihrer Geschäftsführer weitergeleitet worden ist. Im Falle einer GmbH & Co. KG wird der Gesellschafter der GmbH durch Zahlung auf ein Konto der KG nicht von seiner Mindesteinlagepflicht befreit (s. auch § 19 Rdnr. 42)1. Der Eintritt der Erfüllungswirkung einer Zahlung kann wie auch sonst durch 28 Tilgungsbestimmungen des Gesellschafters, z.B. die Angabe eines anderen Zahlungszwecks oder die Hinzufügung von Vorbehalten oder Bedingungen ausgeschlossen sein. Einer besonderen Zweckbestimmung bedarf es aber regelmäßig nicht, wenn der Gesellschafter nur die Einlage schuldet2. Stehen der Vorgesellschaft jedoch außer der Einlageforderung noch andere Geldforderungen gegen den Gesellschafter zu und behält sich dieser bei der Zahlung eine spätere Zweckbestimmung (§ 366 Abs. 1 BGB) vor, so wird bei der nachträglichen Benennung der Einlageschuld diese nur getilgt, wenn und soweit die eingezahlten Mittel in diesem Zeitpunkt für den Einlagezweck wertmäßig noch verfügbar sind3. Im Übrigen kommt es beim Bestehen weiterer Geldschulden gegenüber der Gesellschaft primär auf die auch konkludent mögliche4 eindeutige Leistungsbestimmung des Gesellschafters5 oder, wenn diese fehlt, auf die in § 366 Abs. 2 BGB bestimmten Kriterien an, ob die Einlageschuld durch die Zahlung erfüllt worden ist6 (s. zur Zahlungsverwendung bei Vereinbarung eines Aufgelds Rdnr. 20). Erfüllungswirkung tritt folglich auch dann ein, wenn im Falle mehrerer durch die Zahlung nicht vollständig gedeckter Verbindlichkeiten für den Empfänger ersichtlich ist, dass eine bestimmte Forderung nach dem Willen des Leistenden getilgt werden soll. Dies ist etwa anzunehmen, wenn gerade der Betrag der Schuldsumme gezahlt wird7. Die Beweislast für die ordnungsgemäße Einlageleistung trifft den Gesellschaf- 29 ter8. Für die Beweisführung gelten die allgemeinen Regeln9, insbesondere besteht keine Beschränkung der Beweismittel auf die Vorlage von Zahlungsbelegen10. Die Verweisung auf die Versicherung der Geschäftsführer (§ 8 Abs. 2 Satz 1) reicht zum Nachweis nicht aus.

1 Schaub, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 68; Tebben, in: Michalski, Rdnr. 26. 2 BGH, GmbHR 1991, 152, 153; OLG Hamburg, GmbHR 1994, 468, 469. 3 BGHZ 51, 157, 160 ff.; OLG Hamburg, GmbHR 1994, 468, 470; OLG Dresden, GmbHR 1999, 233, 234; Tebben, in: Michalski, Rdnr. 27; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 31. 4 OLG Frankfurt, GmbHR 1991, 102, 103; OLG Dresden, GmbHR 1999, 233, 234. 5 Vgl. dazu BGH, GmbHR 1991, 152, 153; BGH, GmbHR 1992, 601, 602; BGH, GmbHR 1995, 119, 120; BGH, GmbHR 1992, 601, 602; BGH, NJW 2001, 1647, 1648. 6 Tebben, in: Michalski, Rdnr. 27. 7 Vgl. BGH, ZIP 2001, 1997, 1998. 8 St. Rspr.; vgl. BGH, GmbHR 1992, 601, 603; OLG Naumburg, GmbHR 1999, 1037, 1038; OLG Köln, ZIP 1989, 174, 176; zu den Anforderungen an die Darlegungs- und Beweislast für den Vortrag, der Geschäftsführer sei in Höhe des Kreditbetrags des Kontos dispositionsbefugt, vgl. OLG Naumburg, NZG 2001, 230, 231. 9 BGH, GmbHR 1992, 601, 603. 10 KG, GmbHR 1991, 64, 65. A.A. OLG Hamm, GmbHR 1984, 317, 318.

Veil

483

§7

Anmeldung der Gesellschaft

b) Zahlung 30

§ 7 Abs. 2 Satz 1 verlangt, dass mindestens ein Viertel des Nennbetrags des Geschäftsanteils „eingezahlt“ wird. Dieser Begriff ist nach Maßgabe des Normzwecks des § 7 Abs. 2 zu bestimmen. „Einzahlung“ ist danach nicht gleichbedeutend mit Barzahlung an die Vorgesellschaft, die selbstverständlich darunter fällt, wenn sie mittels inländischer gesetzlicher Zahlungsmittel erfolgt1. Es genügt vielmehr jede Leistung, die nach der Verkehrsgewohnheit der Barzahlung gleich zu erachten ist und die jederzeit mit Sicherheit ohne Wertverlust in Geld umgesetzt werden kann2. Die Vorschrift des § 54 Abs. 3 AktG ist zwar nicht analog anzuwenden3. Sie kann aber bei der Auslegung wegen der weitgehend übereinstimmenden Zielsetzung und Problemlage sinngemäß mit herangezogen werden4.

31

Die vorstehenden Voraussetzungen erfüllen die vorbehaltlose Gutschrift auf einem inländischen Bankkonto, das für die Gesellschaft oder den Geschäftsführer in dieser Eigenschaft (also nicht als Privatkonto) eingerichtet worden ist5. Anders liegt es nur, wenn ernsthafte Zweifel bezüglich der Bonität des Kreditinstituts bestehen. Unerheblich ist es dagegen, dass das Konto der Gesellschaft einen Schuldsaldo aufweist, wenn dadurch nicht die freie Verfügung der Geschäftsführer im Zahlungszeitpunkt eingeschränkt ist (vgl. dazu Rdnr. 40)6. Auch eine Einlagezahlung auf ein Konto der GmbH, das in kurzen Zeitabständen schwankende Kontenstände aufweist, kann haftungsbefreiend wirken7. Ebenso wenig steht entgegen, dass das betreffende Kreditinstitut zugleich Mitgründer ist8. Es kann unter den oben bezeichneten Voraussetzungen auch die eigene Mindesteinzahlung durch Gutschrift auf ein bei ihm geführtes Konto leisten9. Der Einwand, dass die Einbuchung nicht als Zahlung angesehen werden könne, weil sie nur den einen Schuldgrund durch einen anderen ersetze10, ist nicht wertungs1 OLG Frankfurt, GmbHR 1992, 531, 533; OLG Düsseldorf, GmbHR 1998, 235, 236. 2 Vgl. RGZ 41, 120, 122; RGZ 72, 266, 268; RGSt. 32, 82; RGSt. 36, 186; RGSt. 72, 832. 3 Für eine Analogie LG Frankenthal, GmbHR 1996, 356, 358; Mülbert, ZHR 154 (1990), 145, 158; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 32. A.A. Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, § 7 Rdnr. 11; Karsten Schmidt, AG 1986, 106 ff. 4 Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 7; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/ Schmidt-Leithoff, Rdnr. 23; Tebben, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 29; wohl auch Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 19. 5 BGH, GmbHR 1991, 152; BGH, GmbHR 1990, 554, 555; BGH, GmbHR 1962, 233; OLG Hamm, GmbHR 1985, 326; OLG Frankfurt, GmbHR 1992, 604; OLG Köln, GmbHR 1994, 470; OLG Naumburg, GmbHR 1998, 239; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 11; Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 25 f.; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/ Schmidt-Leithoff, Rdnr. 23; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 34 f. 6 BGHZ 113, 335, 346 f.; BGH, GmbHR 1990, 554, 555; BGH, GmbHR 1991, 152; BGH, ZIP 1996, 1466, 1467; BGH, GmbHR 2002, 545, 546; BGH, GmbHR 2005, 229, 230; Karsten Schmidt, AG 1986, 106, 110; Priester, DB 1987, 1473 ff.; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 34. 7 OLG Oldenburg, GmbHR 2008, 1270. 8 Geßler, in: FS Möhring, 1975, S. 173, 174 ff.; Heinsius, in: FS Fleck, 1988, S. 89, 102 ff.; Wimmer, GmbHR 1997, 827; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 11; Tebben, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 31. A.A. Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 20. 9 Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 11; Heinsius in: FS Fleck, 1998, S. 89, 102 ff.; Wimmer, GmbHR 1997, 827; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 35. 10 Vgl. RG, Holdh. 14 (1904), 142.

484

Veil

§7

Anmeldung der Gesellschaft

gerecht, da die Gutschrift im Hinblick auf § 7 Abs. 2 dieselbe Wirkung hat wie in den übrigen Fällen. Eine wirksame Einlageleistung liegt weiterhin auch dann vor, wenn der Kontoinhaber nicht die (Vor-)Gesellschaft, sondern ein für sie tätiger Verwaltungstreuhänder (Notar) ist1. Vor allem im Falle einer EinmannGmbH kann es zweifelhaft sein, ob eine Einzahlung auch erfolgt ist. Der zur Einlagezahlung bestimmte Bargeldbetrag muss aus dem Privatvermögen des Gründungsgesellschafters (und Geschäftsführers) weggegeben werden, der Bargeldbetrag in das Sondervermögen der zu gründenden GmbH gelangen und die Zugehörigkeit zum Vermögen der zu gründenden GmbH für einen Außenstehenden objektiv erkennbar werden2. Die Hingabe eines Schecks oder Wechsels ist nicht als Einzahlung i.S. des § 7 32 Abs. 2 zu werten3. Eine Ausnahme wurde bislang wegen der gesetzlichen Einlösungspflicht der Bank für einen bestätigten Bundesbankscheck (§ 23 BBankG) angenommen4. Seitdem der Bundesbankscheck nicht mehr als zulässiges Zahlungsmittel in § 54 Abs. 3 AktG aufgeführt ist5, ist diese Auslegung aber nicht mehr überzeugend6. Eine wirksame Einlageleistung liegt daher bei der Hingabe eines Schecks oder Wechsels nur vor, wenn und soweit die Gesellschaft eine Zahlung in zulässiger Form (Rdnr. 30 f.) erhalten hat und nicht (wie bei einer Diskontierung des Wechsels) mit dem Risiko der Rückgriffshaftung belastet ist7. Auch wenn die Gesellschaft den übereigneten Scheck unmittelbar zur Bezahlung eigener Verbindlichkeiten verwendet, tritt die Erfüllung der Einlageschuld nicht schon mit der Weiterbegebung, sondern erst mit seiner Einlösung ein8; der getilgte Einlagebetrag bemisst sich dann nach dem Scheckerlös und nicht etwa nach dem Wert der erfüllten Gesellschaftsverbindlichkeit oder der dafür gewährten Gegenleistung, da ein eventueller Verlust aus der Geschäftstätigkeit nicht im Zusammenhang mit der Einlageleistung steht und erforderlichenfalls im Rahmen der Vorbelastungshaftung aller Gesellschafter auszugleichen ist. Die Leistung ausländischer Zahlungsmittel genügt der Mindesteinzahlungspflicht gemäß § 7 Abs. 2 nicht9; sie können ebenfalls nur erfüllungshalber (s. Rdnr. 33) entgegengenommen werden.

1 Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 9; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 6; Lutter, in: FS Heinsius, 1991, S. 497 ff.; Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 26; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 37; Wimmer, GmbHR 1997, 827 f. 2 OLG Oldenburg, GmbHR 2007, 1043, 1045. 3 RG, JW 1912, 950; OLG Düsseldorf, BB 1988, 2126; OLG Frankfurt, GmbHR 1993, 652, 653 f.; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 13; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 7; Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 25; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/SchmidtLeithoff, Rdnr. 23; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 39. A.A. RGZ 41, 120, 123. 4 Vgl. etwa OLG Naumburg, GmbHR 1999, 1037, 1038. 5 Die Änderung des § 54 Abs. 3 AktG erfolgte durch Art. 4 Nr. 1 Begleitgesetz zum Gesetz zur Umsetzung von EG-Richtlinien zur Harmonisierung bank- und wertpapierrechtlicher Vorschriften vom 22.10.1997, BGBl. I 1997, 2567. 6 Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 39; Schaub, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 70. A.A. Tebben, in: Michalski, Rdnr. 32. 7 RGSt. 36, 185. 8 Vgl. OLG Dresden, ZIP 1999, 1885, 1886. 9 Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 13; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 23; Tebben, in: Michalski, Rdnr. 32.

Veil

485

§7 33

Anmeldung der Gesellschaft

In einer anderen Form als durch Zahlung im oben dargelegten Sinne können die durch § 7 Abs. 2 vorgeschriebenen Mindestgeldeinlagepflichten nicht erfüllt werden. Die Vorschrift schließt die Annahme einer anderen Leistung an Erfüllungs statt (§ 364 Abs. 1 BGB) und – über § 19 Abs. 2 Satz 2 hinausgehend – beiderseits jede Aufrechnung aus1. Dies gilt unabhängig von der Werthaltigkeit der Forderung des Gesellschafters2. Schließlich kann die erforderliche Mindesteinzahlung auch nicht nach § 362 Abs. 2 BGB mit Ermächtigung der Geschäftsführer befreiend an einen Dritten zwecks Erfüllung einer fälligen Gesellschaftsverbindlichkeit geleistet werden3. Andernfalls wäre die notwendige registergerichtliche Kontrolle der Ordnungsmäßigkeit der Gesellschafterleistung gefährdet. Die vereinzelt vertretene Gegenmeinung4 weist zwar zu Recht auf die gläubigerschützende Funktion der Vorbelastungshaftung hin. Sie wird aber nicht hinreichend dem Anliegen der Kapitalaufbringungsvorschriften gerecht, die Gesellschaft mit einem effektiv verfügbaren Anfangsvermögen auszustatten. Ein Gesellschafter einer als Komplementärin agierenden Vor-GmbH kann daher seine Mindesteinzahlungsverpflichtung nicht durch Zahlung an die KG erfüllen5 (s. auch Rdnr. 27 und § 19 Rdnr. 42). Ist die Leistung an die Gesellschaft erfolgt, spricht aus der Sicht des Gründungsrechts aber nichts dagegen, dass der Geschäftsführer die Forderungen der Gesellschaftsgläubiger begleicht6. Schließlich genügt es nicht, wenn der Gesellschafter der GmbH einen Bankkredit verschafft7. Begleicht der Gesellschafter seine Einlageschuld mit Mitteln, die er zuvor von der Gesellschaft aufgrund eines Darlehens erhalten hat (sog. Hin- und Herzahlen), ist das gesetzliche Erfordernis der Leistung zur endgültigen freien Verfügung des Geschäftsführers nicht erfüllt (s. Rdnr. 38). c) Freie Verfügung

34

aa) Aus dem Gesetzeszweck und der Entstehungsgeschichte des § 7 Abs. 28 sowie aus dem Wortlaut des § 8 Abs. 2 Satz 1 folgt, dass die vorgeschriebenen Mindestgeldeinlagen bis zur Anmeldung zur endgültigen freien Verfügung der Geschäftsführer bewirkt sein müssen. Damit ist festgelegt, wie die Mittel aufzubringen sind. Es handelt sich um eine – vom Gesetzgeber mit dem MoMiG unverändert gelassene – Voraussetzung für die wirksame Erfüllung der gesetzli1 Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 13; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 7; Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 27; Tebben, in: Michalski, Rdnr. 33; im Grundsatz ebenso Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 41. A.A. Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 24. 2 Tebben, in: Michalski, Rdnr. 33; anders für den Betrag, der über den Betrag der Mindesteinlage hinausgeht, s. Rdnr. 34. 3 BGH, GmbHR 1986, 115 f.; OLG Stuttgart, DB 1986, 1514; OLG Düsseldorf, BB 1988, 2126, 2127; OLG Köln, ZIP 1989, 238, 239; OLG Naumburg, NJW-RR 1999, 1641, 1642; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, § 19 Rdnr. 11; Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 27; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 42; s. auch BGHZ 119, 177, 188 ff. zur AG. 4 Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 16; Bayer, GmbHR 2004, 445. 5 Vgl. BGH, GmbHR 1986, 115 f.; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 43. A.A. Karsten Schmidt, DB 1985, 1986. Abweichendes gilt für die Resteinlageschuld; vgl. BGH, GmbHR 1986, 115 f.; OLG Stuttgart, GmbHR 1996, 349, 350; OLG Düsseldorf, GmbHR 1994, 122. 6 Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 42. 7 BGH, GmbHR 1952, 108; OLG Köln, GmbHR 1994, 470. 8 Vgl. Begr. I S. 55, II S. 44 u. dazu RGZ 41, 120, 121 f.

486

Veil

§7

Anmeldung der Gesellschaft

chen Mindesteinzahlungspflichten der Gesellschafter (Rdnr. 26). Sie ist außerdem Gegenstand der vom Geschäftsführer bei der Anmeldung abzugebenden Versicherung (§ 8 Abs. 2 Satz 1; s. hierzu § 8 Rdnr. 26). Für den über den Mindestbetrag hinausgehenden Betrag (Resteinlage) gilt das gesetzliche Erfordernis nicht, so dass sich die Erfüllung nach § 362 Abs. 2 BGB richtet1; außerdem ist insoweit § 19 Abs. 2 zu beachten. Anforderungen an die Verwendung der eingezahlten Mittel können aus dem Er- 35 fordernis der Leistung zur freien Verfügung nicht abgeleitet werden. Es ist weder erforderlich, dass die Beträge bis zur Anmeldung noch bis zur Eintragung im Gesellschaftsvermögen vorhanden sind2. Die wohl h.A. beurteilt diese Frage aber anders und verlangt, dass die Beträge noch wertmäßig vorhanden sein müssten3. Danach wären also nur wertneutrale Geschäfte möglich. Diese Auslegung überzeugt nicht. Zwar folgt aus dem Wortlaut des Gesetzes, dass der Geschäftsführer versichern muss, die Beträge seien zur endgültigen freien Verfügung bewirkt. Daraus folgt jedoch nur, dass ein Rückfluss der Beträge an den Gesellschafter unzulässig ist. Das Erfordernis der Leistung der Einlage zur endgültigen freien Verfügung muss im Gesamtkontext des Gründungsrechts ausgelegt werden. Dabei ist zu berücksichtigen, dass der BGH mit der Entscheidung BGHZ 80, 129 das Vorbelastungsverbot aufgegeben und statt dessen ein wohl abgewogenes System der Gesellschafterhaftung in Gestalt einer Verlustdeckungs- und Vorbelastungshaftung entwickelt hat, das den Belangen der Gläubiger angemessen Rechnung trägt. Es besteht daher kein Bedürfnis mehr dafür, zumindest den Vorbehalt einer wertgleichen Deckung zu verlangen4. Den gesetzlichen Anforderungen an die Leistung der Einlage ist genügt, wenn der Gesellschafter die Leistung zu irgendeinem Zeitpunkt (bis zur Anmeldung der Gesellschaft) ordnungsgemäß zur freien Verfügung des Geschäftsführers erbringt und ein späterer Rückfluss an ihn nicht erfolgt5. bb) Die freie Verfügung ist gegeben, wenn die Geldeinlagen derart geleistet werden, dass die Geschäftsführer tatsächlich und rechtlich in der Lage sind, die eingezahlten Mittel uneingeschränkt für die Gesellschaft verwenden zu können6. Die Einzahlung in einer gesetzlich zulässigen Form kann im Allgemeinen wegen der erforderlichen unbedingten Übereignung oder vorbehaltlosen Kontogutschrift zwar dazu führen, dass zugleich auch dem Erfordernis der Leistung zur freien Verfügung genügt ist7. Im Einzelfall können aber besondere Umstände eine abweichende Beurteilung gebieten. 1 BGH, GmbHR 1986, 115; Schaub, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 77. 2 Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 19. 3 BGHZ 119, 177 (zur Kapitalerhöhung in einer AG); Hueck/Fastrich, in: Baumbach/ Hueck, Rdnr. 8; G. H. Roth, ZHR 167 (2003), 89, 97; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/ Schmidt-Leithoff, Rdnr. 25; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 55. 4 So noch BGHZ 119, 177, 187 zur Kapitalerhöhung; insoweit aber nun für die Kapitalerhöhung aufgegeben durch BGHZ 150, 197, 199. 5 Vgl. für die Kapitalerhöhung BGHZ 150, 197, 201. Das Urteil erlaubt allerdings keine zwingenden Rückschlüsse darauf, ob der BGH die Frage auch für das Gründungsrecht im betreffenden Sinne entscheiden würde. S. auch § 8 Rdnr. 27. 6 Vgl. BGH, GmbHR 1962, 233; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 19; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 53, 59. 7 Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 59.

Veil

487

36

§7

Anmeldung der Gesellschaft

37

Die Erfüllung der gesetzlichen Mindesteinzahlungspflicht scheitert bei Scheineinzahlungen regelmäßig schon daran, dass die Voraussetzungen einer ordnungsmäßigen Zahlung (Rdnr. 26 ff.) mangels Rechtsübergangs nicht erfüllt sind1 oder die Beteiligten die Tilgung der Einlageschuld nicht ernstlich gewollt haben (§ 117 BGB)2. Daneben stehen die übergebenen Mittel auch nicht zur freien Verfügung. Entsprechendes gilt für den in der Rechtsprechung genannten Fall, dass der Gesellschafter lediglich einen ihm persönlich eingeräumten Bankkredit zur Verfügung gestellt hat (s. Rdnr. 31)3.

38

Eine Einzahlung zur freien Verfügung ist ferner dann nicht gegeben, wenn die Beteiligten bei Zahlung die schuldrechtliche Abrede getroffen haben, dass die gezahlten Mittel generell oder beim Eintritt bestimmter Voraussetzungen unmittelbar oder mittelbar wieder an den Einleger zurückfließen sollen4. Es ist dabei irrelevant, ob die Abrede rechtswirksam ist oder nicht5. Die größte praktische Bedeutung haben die Fälle des sog. Hin- und Herzahlens sowie Her- und Hinzahlens, in denen der Gesellschafter seine Einlage erbringt und die Beträge sodann aufgrund eines Darlehensvertrags von der Gesellschaft zurückerhält (oder umgekehrt). Der Gesetzgeber hat diese Fälle zwar mit dem MoMiG in § 19 Abs. 5 geregelt. Er hat aber verlangt, dass der Vorgang bei der Anmeldung offengelegt wird (vgl. § 19 Abs. 5 Satz 2). Wenn dies nicht geschieht oder wenn die strengen Voraussetzungen des § 19 Abs. 5 Satz 1 nicht vorliegen, wird der Gesellschafter nicht von seiner Einlagepflicht gemäß § 19 Abs. 5 Satz 1 befreit. Es bleibt dann dabei, dass der Gesellschafter nach den höchstrichterlichen Grundsätzen seine Einlage nicht endgültig zur freien Verfügung der Gesellschaft geleistet hat (s. § 19 Rdnr. 190). Es ist auch nicht ausreichend, wenn die Leistung aus einem von der Gesellschaft bei einem Dritten aufgenommenen Kredit bewirkt wird6 oder wenn die Gesellschaft für ein dem Einzahlungspflichtigen gewährtes Darlehen mithaftet oder Sicherheiten stellt7. Ebenso ist zu entscheiden, wenn der GesellschafterGeschäftsführer das von einem anderen Gesellschafter ihm Eingezahlte zur Erfüllung seiner eigenen Einzahlungspflicht verwendet8 oder wenn mit der Zahlung zugleich der Erlass einer Gegenforderung der GmbH verbunden ist9. Keine Bedenken bestehen dagegen, dass der Gesellschafter seine Einlagepflicht ohne eine derartige Beteiligung der Gesellschaft mit Fremdmitteln tilgt (s. auch § 5 Rdnr. 55)

1 Vgl. RGSt. 24, 287; RGSt. 30, 300; RGZ 157, 213, 225; RG, JW 1911, 514; RG, JW 1927, 1698. 2 Vgl. RG, JW 1915, 356; BayObLG, GmbHR 1994, 551 f.; vgl. auch BGHZ 28, 314, 316. 3 Vgl. BGH, GmbHR 1952, 108; OLG Köln, GmbHR 1994, 470. 4 BGHZ 166, 8, 11; BGHZ 165, 352, 356; BGHZ 165, 113, 116 (zur AG); BGHZ 113, 335, 348; BGH, GmbHR 1990, 554, 555; BGH, GmbHR 1992, 601, 603; BGH, AG 1978, 166, 167. 5 BGHZ 165, 113, 117 zur AG (Unwirksamkeit der Darlehensabrede wegen Verstoßes gegen die Kapitalaufbringungsvorschriften); BGHZ 113, 335, 349. 6 RGZ 47, 180, 185; BGHZ 28, 77, 78. 7 BGH, GmbHR 1962, 233; OLG Köln, WM 1984, 740, 742; vgl. auch Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 27; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 24; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 44 f. 8 Nichtig nach § 138 Abs. 1 BGB; vgl. RGZ 159, 321, 331. 9 OLG Hamburg, GmbHR 1986, 230, 232.

488

Veil

§7

Anmeldung der Gesellschaft

oder die Zahlung unmittelbar durch einen Dritten erfolgt1. Schließlich fehlt es bei Geldleistungen, die zur Ausführung einer Vereinbarung über verdeckte Sacheinlagen erbracht werden, an der erforderlichen freien Verfügung2. Die Neuregelung durch das MoMiG in § 19 Abs. 4 ändert daran nichts3. Schließlich ist auch keine andere rechtliche Beurteilung der Vorgänge geboten, wenn die Gesellschaftsversammlung den Geschäftsführer zur Rückzahlung der Mittel angewiesen hat. Schuldrechtliche Verwendungsabsprachen zwischen der Gesellschaft und dem 39 Einleger oder einem Dritten, die den Einsatz der eingezahlten Mittel für andere Unternehmensmaßnahmen festlegen, hindern dagegen die freie Verfügung i.S. der §§ 7 Abs. 2, 8 Abs. 2 grundsätzlich nicht, da sie nicht mehr die ordnungsgemäße Leistung auf die Geldeinlage, sondern nur noch die Mittelverwendung betreffen4. Auch innergesellschaftliche Weisungen an den Geschäftsführer sind in diesem Bereich unschädlich5. Bei der Zahlung durch Kontogutschrift eines Kreditinstituts (Rdnr. 31) mangelt 40 es an der erforderlichen freien Verfügung, wenn das Konto in diesem Zeitpunkt gesperrt6 oder das Guthaben in einer den Einzahlungsbetrag einschließenden Höhe gepfändet ist7 oder einen Debetsaldo aufweist und die Bank den Gutschriftbetrag wegen ungenehmigter Kontoüberziehung oder wegen Kündigung oder Rückführung des Kreditrahmens sofort verrechnen kann, so dass der Geschäftsführer keine rechtliche Möglichkeit erhält, über die eingezahlten Mittel in entsprechender Höhe zu disponieren8. Es genügt nicht, dass die Überziehung nur tatsächlich geduldet ist9. Unberührt bleibt die freie Verfügung dagegen, wenn die Gesellschaft selbst einen ihr erfüllungshalber übergebenen Scheck des Inferenten (Rdnr. 32) zur Gutschrift auf einem solchen Konto eingereicht und damit von ihrer Verfügungsmöglichkeit bereits vorher Gebrauch gemacht hat10. Ebenso liegt es, wenn die Gesellschaft der Bank vor der Kontogutschrift den Auftrag zur Weiterüberweisung des Einzahlungsbetrages an einen Dritten erteilt hat, es sei denn, dass dieser ihn wirtschaftlich für Rechnung des Einlegers erhal1 BGH, GmbHR 1995, 119, 120; KG, GmbHR 1961, 64, 65; OLG Frankfurt, GmbHR 1991, 102, 103; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 24; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 45. 2 BGHZ 165, 113, 116 (zur AG); BGHZ 113, 335, 347 f. 3 Tebben, in: Michalski, Rdnr. 51. 4 BGH, GmbHR 1992, 601, 603; BGH, GmbHR 1990, 554, 555; Ihrig, Die endgültige freie Verfügung über die Einlage von Kapitalgesellschaften, S. 248. 5 BGH, GmbHR 1992, 601, 603; BGH, GmbHR 1990, 554, 555; Gehling, DNotZ 1991, 833, 839 ff. 6 BGH, GmbHR 1962, 233; BayObLG, GmbHR 1998, 736, 737; OLG Köln, GmbHR 1994, 470, 472; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 21; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 59. 7 Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 21; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 59. 8 BGH, GmbHR 1991, 152; BGH, GmbHR 1990, 554, 555; OLG Düsseldorf, WM 1984, 596, 597 f.; OLG Düsseldorf, GmbHR 1993, 292, 293; OLG Frankfurt, ZIP 1984, 836, 837; OLG Hamm, BB 1990, 1223, 1224; OLG Köln, GmbHR 1994, 470, 472; OLG Köln, GmbHR 1998, 143, 146; OLG Stuttgart, GmbHR 1995, 115, 119; BayObLG, GmbHR 1998, 736, 737. 9 LG Frankenthal, GmbHR 1996, 356, 358; Spindler, ZGR 1997, 537, 547; Wimmer, GmbHR 1997, 827, 828. A.A. offenbar OLG Hamm, GmbHR 1992, 750, 751; Priester, DB 1987, 1473, 1474 f. 10 BGH, GmbHR 1990, 554, 555.

Veil

489

§7

Anmeldung der Gesellschaft

ten soll1. Auch faktische Beschränkungen der Verfügungsmöglichkeit der Gesellschaft über die gutgeschriebene Einzahlung können u.U. der freien Verfügung entgegenstehen2. d) Mindesteinzahlung und Gründungsaufwand 41

Der Gründungsaufwand geht nur bei entsprechender Festsetzung im Gesellschaftsvertrag zu Lasten der Gesellschaft (s. § 5 Rdnr. 113 ff.). Wenn und soweit sie erfolgt ist, dürfen analog § 36 Abs. 2 AktG3 die bei der Gründung anfallenden Steuern und Gebühren aus den gesetzlich geforderten Mindesteinzahlungen der Gesellschafter bestritten werden4. Anders ist es zu beurteilen, wenn die Aufwandsübernahme im Gesellschaftsvertrag nicht entsprechend festgelegt ist. Auch wenn die Gesellschaft im Außenverhältnis die Steuer- und Kostenschuldnerin ist, haben ihr dann die Gesellschafter die verauslagten Beträge spätestens bis zur Anmeldung zu erstatten, wenn sie über kein die gesetzlichen Mindestleistungen übersteigendes Gesellschaftsvermögen verfügt. Anderenfalls ist die Anmeldevoraussetzung des § 7 Abs. 2 nicht erfüllt und die Versicherung der Geschäftsführer gemäß § 8 Abs. 2, die die fehlenden Beträge nicht erwähnt, unrichtig mit der Haftungsfolge des § 9a Abs. 1.

3. Leistung der Sacheinlagen (§ 7 Abs. 3) a) Bewirken 42

Die Sacheinlagen sind vor der Anmeldung so zu bewirken, dass sie endgültig zur freien Verfügung der Geschäftsführer stehen (§ 7 Abs. 3). Unter „Bewirken“ sind bei den Sacheinlagen i.e.S. (s. § 5 Rdnr. 34 ff.) die zur Erfüllung der statutarisch übernommenen Einlagepflicht von Vermögensgegenständen erforderlichen Rechtsakte zu verstehen. Die Anforderungen bestimmen sich nach dem Inhalt der vereinbarten Leistungspflicht. Bewegliche Sachen, an denen das Vollrecht eingebracht werden soll, sind also nach §§ 929 ff. BGB der Vorgesellschaft zu übereignen5; eine nur aufschiebend bedingte Übereignung genügt nicht6. Einzulegende Forderungen und Rechte sind ihr nach den jeweils maßgebenden Vorschriften (§§ 398, 413, 1032, 1069, 1153 f. BGB) zu übertragen; auch Zustimmungen Dritter, von denen der Rechtsübergang abhängt (z.B. §§ 185, 399 BGB, § 15 Abs. 5 GmbHG), müssen spätestens bei der Anmeldung vorliegen. Bei den 1 Ähnlich Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 56, 59. 2 BGHZ 96, 231, 241 f.; BGH, AG 1978, 166, 167; OLG Hamm, ZIP 1989, 1398, 1400; Hommelhoff/Kleindiek, ZIP 1987, 477, 491. 3 Eine dementsprechende Bestimmung enthielt § 7a Abs. 3 RegE, der mangels Regelungsbedürfnisses gestrichen worden ist (vgl. Bericht des Rechtsausschusses, BT-Drucks. 8/3908, S. 71). 4 BGH, DNotZ 1997, 495, 496; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 25; Roth, in: Roth/ Altmeppen, § 8 Rdnr. 24; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 25; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 64; s. auch BGHZ 119, 177, 188 zur AG. 5 BGHZ 45, 338, 347 f.; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 17; Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 39; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 36; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 61. 6 Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 61; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 36. A.A. BGH, GmbHR 1959, 94.

490

Veil

§7

Anmeldung der Gesellschaft

zum Gebrauch einzulegenden Sachen ist der Vorgesellschaft der unmittelbare Besitz zu verschaffen1. Fabrikationsgeheimnisse müssen den Geschäftsführern zugänglich gemacht sein2; die Übergabe einer Beschreibung genügt. Auch das Eigentum an einzubringenden Grundstücken oder anderer einzubrin- 43 gender Rechte, deren Begründung oder Übertragung die Eintragung in ein öffentliches Register erfordert, muss nach § 7 Abs. 3 vor der Anmeldung auf die Vorgesellschaft übergegangen sein. Dies ist möglich, weil die Vorgesellschaft bereits grundbuchfähig ist und Grundstücksrechte erwerben kann (s. § 11 Rdnr. 41). Dagegen soll nach einer verbreiteten Meinung für Grundstücke und andere Immobiliarrechte eine bindende Einigung (§§ 873 Abs. 2, 925 BGB) zusammen mit der Eintragungsbewilligung und dem erforderlichen rangwahrenden Eintragungsantrag oder die Eintragung einer Erwerbsvormerkung (§ 883 BGB) ausreichend sein3. Zur Begründung werden vor allem Praktikabilitätserwägungen (Beschleunigung der Anmeldung, Entbehrlichkeit der Grundbuchberichtigung) angeführt. Ferner wird geltend gemacht, dass der Erwerbsanspruch der Gesellschaft auch grundstücksrechtlich gesichert sei (§ 17 GBO, §§ 883, 888 BGB). Diese Argumente sind nicht überzeugend. In den genannten Konstellationen ist die geschuldete Einlage noch nicht „bewirkt“ und der Einlagegegenstand steht auch noch nicht „endgültig zur freien Verfügung der Geschäftsführer“4. Die Gesellschaft erhält nicht die vorgeschriebene uneingeschränkte Verfügungsmöglichkeit über das Grundstück zur Veräußerung oder Belastung. Auch die Entstehungsgeschichte der Vorschrift spricht für eine strenge Auslegung der gesetzlichen Anforderungen an die Erbringung einer Sacheinlage. Die Ausnahmeregelung des § 7b Abs. 2 RegE, welche die Eintragung einer Vormerkung für ausreichend erklärte, ist bewusst nicht Gesetz worden. Auch bei der Einbringung von Grundstücken als Sacheinlage besteht, so die Vorstellung des Rechtsausschusses, ein Interesse daran, dass die Sacheinlagen möglichst voll erbracht werden und endgültig zur Verfügung der Geschäftsführer stehen. Darüber hinaus auch die Vormerkung zuzulassen, würde zu Unsicherheiten führen5. Bei den Sachübernahmen mit Anrechnungsabrede (s. § 5 Rdnr. 73 ff.), die eben- 44 falls dem § 7 Abs. 3 unterliegen (Rdnr. 3, 22), erfordert das „Bewirken“, dass vor der Anmeldung der Sachübernahmevertrag abgeschlossen worden, der danach geschuldete Vermögensgegenstand der Vorgesellschaft geleistet und die Aufrechnung oder Verrechnung der Vergütungsforderung gegen die Einlageforderung vorgenommen sein muss6. Diese Erfordernisse ergeben sich aus dem Zweck des § 7 Abs. 3, die Aufbringung des Stammkapitals durch die angeordnete Vollleistung der Sacheinlagen zu sichern. Auch in § 7 Abs. 2 Satz 2 geht das Gesetz von

1 Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 39; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 51. 2 Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 61. 3 Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 17; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 14; Priester, DNotZ 1980, 515, 523; Tebben, in: Michalski, Rdnr. 43 f.; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 51. 4 Hüffer, ZHR 148 (1984), 74, 76; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 36. 5 Vgl. Bericht des Rechtsausschusses, BT-Drucks. 8/3908, S. 71. 6 Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 37; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 49.

Veil

491

§7

Anmeldung der Gesellschaft

ihrem Vorliegen aus, da die Sachübernahmen bei der Berechnung des durch Einlagen aufzubringenden Mindestvermögens von 12 500 Euro mit berücksichtigt werden. b) Freie Verfügung 45

Die Voraussetzung, dass die Sacheinlagen „endgültig zur freien Verfügung der Geschäftsführer“ stehen (§ 7 Abs. 3), ist im Allgemeinen zugleich mit dem ordnungsgemäßen „Bewirken“ (Rdnr. 42 ff.) erfüllt. Zusätzliche Abreden und Einschränkungen, die dies in Frage stellen können, sind unzulässig. Die Ausführungen oben Rdnr. 34 ff. gelten insoweit sinngemäß.

4. Mehrleistungen 46

Das Gesetz regelt nur die Mindesteinlageleistungen. Der Gesellschaftsvertrag kann bestimmen, dass die Gesellschafter bei der Gründung höhere Einzahlungen zu leisten haben1. Das entspricht dem Sinn der Vorschrift, die die Geldeinlageleistungen vor der Eintragung nicht etwa auf die genannten Beträge beschränken, sondern im Gegenteil erreichen will, dass die Gesellschaft schon vor der Anmeldung mit einem realen Gesellschaftsvermögen ausgestattet und ein Mindestmaß an finanzieller Leistungsfähigkeit durch die aufgebrachten Einlagen nachgewiesen ist (Rdnr. 1). Von einer gesetzlichen Vollleistungspflicht aller Geldeinlagen vor der Anmeldung ist nur deswegen abgesehen worden, weil die unwirtschaftliche Anlage nicht benötigten Kapitals vermieden und kein Anreiz zur Festsetzung eines zu niedrigen Stammkapitals gegeben werden sollte. Mit Recht wird daher seit langem nahezu einhellig angenommen, dass die Einlageschuld durch Mehrleistungen der Gesellschafter, die auf einer statutarischen Anordnung beruhen, erlischt (§ 362 BGB)2.

47

Zweifelhaft ist, ob eine Befreiungswirkung auch bei einer freiwilligen Mehrleistung des Gesellschafters eintritt. Der BGH vertrat ursprünglich die Ansicht, dass eine Mehrleistung nur dann zur Tilgung der Einlageschuld führe, wenn das eingezahlte Geld bei Eintragung noch unverbraucht oder jedenfalls in Form eines Gegenwertes vorhanden ist oder das Gesellschaftsvermögen das Stammkapital deckt3. Diese restriktive Ansicht hat der zweite Zivilsenat mittlerweile unter Berufung auf die Vorbelastungshaftung der Gründungsgesellschafter aufgegeben4. Nicht geklärt ist allerdings, ob die Mehrleistung, wenn sie durch die Satzung nicht festgelegt bzw. erlaubt ist, zumindest im Einvernehmen aller Gesellschafter erbracht worden sein muss. Diese Einschränkung wird von einem Teil der Literatur wegen der Vorbelastungshaftung, die alle Gesellschafter treffe, gefordert5. 1 RGZ 149, 293, 302; BGHZ 15, 66, 68; BGHZ 37, 75, 77 f.; BGHZ 80, 129, 137; BGH, GmbHR 1967, 145; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 46. 2 Vgl. RGZ 83, 370, 374 ff.; RG, JW 1922, 94; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 7; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 5; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/SchmidtLeithoff, Rdnr. 26. 3 Vgl. BGHZ 37, 75, 77 f.; BGHZ 51, 157, 159; BGHZ 80, 129, 137. 4 BGHZ 105, 300, 301 ff. 5 Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 9; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 5; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 46.

492

Veil

§8

Inhalt der Anmeldung

Sie ist abzulehnen1. Eine freiwillige Mehrleistung, die ordnungsgemäß zur freien Verfügung der Gesellschaft erbracht worden ist, führt im Zweifel (§ 271 Abs. 2 BGB) zum Erlöschen der Einlageschuld. Denn es ist schwerlich einleuchtend, dass das Risiko für die gleichermaßen zu gemeinschaftlichen Zwecken verwendeten Mittel bei den gesetzlich oder statutarisch angeordneten Einlageleistungen vor Eintragung allen Gesellschaftern, bei anderen darüber hinausgehenden Einlageleistungen aber allein dem betreffenden Gesellschafter aufgebürdet werden soll. Entscheidend gegen die Einschränkung der Erfüllungswirkung spricht ferner, dass die die effektive Aufbringung der Einlageleistung sichernde Vorschrift (§ 7 Abs. 2) sich nicht auf die Verwendung der in Übereinstimmung mit ihr eingezahlten Mittel durch die Gesellschaft bezieht. Es besteht daher kein hinreichender Grund dafür, die Erfüllungswirkung der Mehrleistungen beim Fehlen einer Satzungsregelung von der Zustimmung aller Gesellschafter abhängig zu machen. Und schließlich: Die Vorbelastungshaftung wird nicht durch die freiwillige Mehrleistung, sondern durch die Aufnahme der Geschäftstätigkeit ausgelöst und im Wesentlichen auch umfangmäßig bestimmt2. Die Erfüllungswirkung von freiwilligen Mehrleistungen tritt demzufolge nur dann nicht ein, wenn sich aus der Satzung oder besonderen Umständen des Einzelfalls etwas anderes ergibt3. Die Leistung der statutarisch erforderlichen Mehrbeträge ist keine Anmeldevoraussetzung. Die Versicherung nach § 8 Abs. 2 hat sich auf sie und etwaige freiwillige Mehrleistungen (Rdnr. 47) nicht zu erstrecken4.

§8

Inhalt der Anmeldung (1) Der Anmeldung müssen beigefügt sein: 1. der Gesellschaftsvertrag und im Fall des § 2 Abs. 2 die Vollmachten der Vertreter, welche den Gesellschaftsvertrag unterzeichnet haben, oder eine beglaubigte Abschrift dieser Urkunden, 2. die Legitimation der Geschäftsführer, sofern dieselben nicht im Gesellschaftsvertrag bestellt sind, 3. eine von den Anmeldenden unterschriebene Liste der Gesellschafter, aus welcher Name, Vorname, Geburtsdatum und Wohnort der letzteren sowie die Nennbeträge und die laufenden Nummern der von einem jeden derselben übernommenen Geschäftsanteile ersichtlich sind, 4. im Fall des § 5 Abs. 4 die Verträge, die den Festsetzungen zugrunde liegen oder zu ihrer Ausführung geschlossen worden sind, und der Sachgründungsbericht, 1 Roth in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 22; Tebben, in: Michalski, Rdnr. 55. 2 Stimpel, in: FS Fleck, S. 345, 347 f. 3 Stimpel, in: FS Fleck, S. 345, 348; Melber, GmbHR 1991, 563, 566 (der aber zu Unrecht einen Widerspruch der Mitgesellschafter gegen den Geschäftsbeginn als beachtlichen Umstand ansieht). 4 OLG Stuttgart, BB 2011, 1858.

Veil

493

48

§8

Inhalt der Anmeldung

Sie ist abzulehnen1. Eine freiwillige Mehrleistung, die ordnungsgemäß zur freien Verfügung der Gesellschaft erbracht worden ist, führt im Zweifel (§ 271 Abs. 2 BGB) zum Erlöschen der Einlageschuld. Denn es ist schwerlich einleuchtend, dass das Risiko für die gleichermaßen zu gemeinschaftlichen Zwecken verwendeten Mittel bei den gesetzlich oder statutarisch angeordneten Einlageleistungen vor Eintragung allen Gesellschaftern, bei anderen darüber hinausgehenden Einlageleistungen aber allein dem betreffenden Gesellschafter aufgebürdet werden soll. Entscheidend gegen die Einschränkung der Erfüllungswirkung spricht ferner, dass die die effektive Aufbringung der Einlageleistung sichernde Vorschrift (§ 7 Abs. 2) sich nicht auf die Verwendung der in Übereinstimmung mit ihr eingezahlten Mittel durch die Gesellschaft bezieht. Es besteht daher kein hinreichender Grund dafür, die Erfüllungswirkung der Mehrleistungen beim Fehlen einer Satzungsregelung von der Zustimmung aller Gesellschafter abhängig zu machen. Und schließlich: Die Vorbelastungshaftung wird nicht durch die freiwillige Mehrleistung, sondern durch die Aufnahme der Geschäftstätigkeit ausgelöst und im Wesentlichen auch umfangmäßig bestimmt2. Die Erfüllungswirkung von freiwilligen Mehrleistungen tritt demzufolge nur dann nicht ein, wenn sich aus der Satzung oder besonderen Umständen des Einzelfalls etwas anderes ergibt3. Die Leistung der statutarisch erforderlichen Mehrbeträge ist keine Anmeldevoraussetzung. Die Versicherung nach § 8 Abs. 2 hat sich auf sie und etwaige freiwillige Mehrleistungen (Rdnr. 47) nicht zu erstrecken4.

§8

Inhalt der Anmeldung (1) Der Anmeldung müssen beigefügt sein: 1. der Gesellschaftsvertrag und im Fall des § 2 Abs. 2 die Vollmachten der Vertreter, welche den Gesellschaftsvertrag unterzeichnet haben, oder eine beglaubigte Abschrift dieser Urkunden, 2. die Legitimation der Geschäftsführer, sofern dieselben nicht im Gesellschaftsvertrag bestellt sind, 3. eine von den Anmeldenden unterschriebene Liste der Gesellschafter, aus welcher Name, Vorname, Geburtsdatum und Wohnort der letzteren sowie die Nennbeträge und die laufenden Nummern der von einem jeden derselben übernommenen Geschäftsanteile ersichtlich sind, 4. im Fall des § 5 Abs. 4 die Verträge, die den Festsetzungen zugrunde liegen oder zu ihrer Ausführung geschlossen worden sind, und der Sachgründungsbericht, 1 Roth in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 22; Tebben, in: Michalski, Rdnr. 55. 2 Stimpel, in: FS Fleck, S. 345, 347 f. 3 Stimpel, in: FS Fleck, S. 345, 348; Melber, GmbHR 1991, 563, 566 (der aber zu Unrecht einen Widerspruch der Mitgesellschafter gegen den Geschäftsbeginn als beachtlichen Umstand ansieht). 4 OLG Stuttgart, BB 2011, 1858.

Veil

493

48

§8

Inhalt der Anmeldung

5. wenn Sacheinlagen vereinbart sind, Unterlagen darüber, dass der Wert der Sacheinlagen den Nennbetrag der dafür übernommenen Geschäftsanteile erreicht. (2) In der Anmeldung ist die Versicherung abzugeben, dass die in § 7 Abs. 2 und 3 bezeichneten Leistungen auf die Geschäftsanteile bewirkt sind und dass der Gegenstand der Leistungen sich endgültig in der freien Verfügung der Geschäftsführer befindet. Das Gericht kann bei erheblichen Zweifeln an der Richtigkeit der Versicherung Nachweise (unter anderem Einzahlungsbelege) verlangen. (3) In der Anmeldung haben die Geschäftsführer zu versichern, dass keine Umstände vorliegen, die ihrer Bestellung nach § 6 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 und 3 sowie Satz 3 entgegenstehen, und dass sie über ihre unbeschränkte Auskunftspflicht gegenüber dem Gericht belehrt worden sind. Die Belehrung nach § 53 Abs. 2 des Bundeszentralregistergesetzes kann schriftlich vorgenommen werden; sie kann auch durch einen Notar oder einen im Ausland bestellten Notar, durch einen Vertreter eines vergleichbaren rechtsberatenden Berufs oder einen Konsularbeamten erfolgen. (4) In der Anmeldung ist ferner anzugeben 1. eine inländische Geschäftsanschrift 2. Art und Umfang der Vertretungsbefugnis der Geschäftsführer. (5) Für die Einreichung von Unterlagen nach diesem Gesetz gilt § 12 Abs. 2 des Handelsgesetzbuchs entsprechend. Text von 1892; Abs. 4 eingefügt durch Gesetz vom 15.8.1969 (BGBl. I 1969, 1146); Abs. 1 Nr. 4 u. 5, Abs. 3 eingefügt sowie Abs. 2 geändert durch Gesetz vom 4.7.1980 (BGBl. I 1980, 836); Abs. 3 Satz 1 geändert durch Gesetz vom 12.9.1990 (BGBl. I 1990, 2002); Abs. 1 Nr. 3 geändert durch Gesetz vom 22.6.1998 (BGBl. I 1998, 1474); Abs. 5 neu gefasst durch Gesetz vom 10.11.2006 (BGBl. I 2006, 2553); Abs. 1 Nr. 3 und 5 geändert, Nr. 6 aufgehoben, Abs. 2 Satz 1 geändert, Satz 2 neu gefasst, Abs. 3 Satz 1 geändert, Satz 2 neu gefasst, Abs. 4 neu gefasst durch das MoMiG vom 23.10.2008 (BGBl. I 2008, 2026).

Inhaltsübersicht I. Grundlagen 1. Regelungsinhalt und -zweck . . . 2. Reformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1 4

II. Anlagen zur Anmeldung (§ 8 Abs. 1) 1. Gesellschaftsvertrag . . . . . . . . . . . 6 2. Legitimation der Geschäftsführer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 3. Liste der Gesellschafter . . . . . . . . 10 4. Verträge über Sacheinlagen und Sachgründungsbericht . . . . . . . . . 14 5. Unterlagen über den Wert der Sacheinlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . 18

494

Veil

6. Bestellung des Aufsichtsrates . . 7. Weitere Angaben und Unterlagen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8. Nicht mehr erforderlich: Genehmigungsurkunde . . . . . . . III. Versicherungen der Geschäftsführer (§ 8 Abs. 2 und 3) 1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Inhalt der Versicherungen a) Gesetzliche Mindestleistungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Ausschlussgründe vom Geschäftsführeramt . . . . . . . .

19 20 21

22

26 29

§8

Inhalt der Anmeldung

IV. Angaben zur Geschäftsanschrift und Vertretungsbefugnis (§ 8 Abs. 4) 1. Angaben zur Geschäftsanschrift (§ 8 Abs. 4 Nr. 1) . . . . . . . . . . . . . . 33 2. Angaben zur Vertretungsbefugnis (§ 8 Abs. 4 Nr. 2) . . . . . . . . . . . 35

V. Einreichung von Unterlagen (§ 8 Abs. 5) . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

37

VI. Sonstiges 1. Registergerichtliche Kontrolle . 2. Sanktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . .

38 39

Schrifttum: Bärwaldt, Die Anmeldung „zukünftiger“ Tatsachen zum Handelsregister, GmbHR 2000, 421; Bärwaldt, Der Zeitpunkt der Richtigkeit der Versicherung der Geschäftsführung über die Leistung der Stammeinlagen und deren endgültig freie Verfügbarkeit, GmbHR 2003, 524; Böhringer, Das neue GmbH-Recht in der Notarpraxis, BWNotZ 2008, 104; Geßler, Die GmbH-Novelle, BB 1980, 1385; Katschinski/ Rawert, Stangenware versus Maßanzug: Vertragsgestaltung im GmbH-Recht nach Inkrafttreten des MoMiG, ZIP 2008, 1993; Lutter, Die GmbH-Novelle und ihre Bedeutung für die GmbH, die GmbH & Co KG und die Aktiengesellschaft, DB 1980, 1317; Maier-Reimer/Wenzel, Kapitalaufbringung in der GmbH nach dem MoMiG, ZIP 2008, 1449; Mayer, Aufwertung der Gesellschafterliste durch das MoMiG – Fluch oder Segen?, ZIP 2009, 1037; Mödl, Die ausländische Kapitalgesellschaft in der notariellen Praxis, RNotZ 2008, 1; von Rössing, Die Sachgründung nach der GmbHNovelle 1980, 1984; Schaub, Stellvertretung bei Handelsregisteranmeldungen, DStR 1999, 1699; Schwerin, Die Behandlung der Urschrift einer Handelsregisteranmeldung nach Einführung des elektronischen Registerverkehrs durch das EHUG, RNotZ 2007, 27; Seibert, GmbH-Reform: Der Referentenentwurf eines Gesetzes zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen – MoMiG, ZIP 2006, 1157; Seibert/Decker, Die GmbH-Reform kommt!, ZIP 2008, 1208; Spiegelberger/Walz, Die Prüfung der Kapitalaufbringung im Rahmen der GmbH-Gründung, GmbHR 1998, 761; Ulbert, Die GmbH im Handelsregisterverfahren, 1997; Wachter, Verschlankung des Registerverfahrens bei der GmbH-Gründung. Zwölf Vorschläge aus der Praxis, in: Gesellschaftsrechtliche Vereinigung (VGR), Die GmbH-Reform in der Diskussion, 2006, S. 55; Wachter, GmbH-Reform: Auswirkungen auf die Gründung einer klassischen GmbH, NotBZ 2008, 361.

I. Grundlagen 1. Regelungsinhalt und -zweck Die Vorschrift regelt die inhaltlichen Anforderungen an die Anmeldung der Gesellschaft zum Handelsregister. So bestimmt sie, welche Anlagen beizufügen und welche Versicherungen abzugeben sind. Sie will damit die Seriosität des Gründungsvorgangs gewährleisten. Ihr Zweck liegt im Gläubigerschutz; sie ist zwingend.

1

Die Anmeldung hat in elektronischer Form zu erfolgen (§ 12 Abs. 1 HGB). Auch 2 die Unterlagen sind elektronisch einzureichen (§ 8 Abs. 5 i.V.m. § 12 Abs. 2 HGB). Diese Dokumente werden in einen elektronischen Registerordner aufgenommen und sind in der zeitlichen Folge ihres Eingangs und nach der Art des jeweiligen Dokuments abrufbar zu halten (§ 9 Abs. 1 Satz 1 und 2 HRV). Sie können von jedermann eingesehen werden (vgl. § 9 HGB). Die Urschrift der Anmeldung verbleibt in der Regel beim Notar1.

1 Schwerin, RNotZ 2007, 27; Tebben, in: Michalski, Rdnr. 1.

Veil

495

§8

Inhalt der Anmeldung

3 § 8 ist im Verhältnis zu § 29 HGB lex specialis. Die Vorschrift ist bei Aktivierung einer Vorratsgesellschaft und einer Mantelgesellschaft entsprechend anwendbar (s. Erl. zu § 3 Rdnr. 26 ff., 37 ff.). Für Satzungsänderungen (§ 54) und Kapitalerhöhungen (§ 57) sieht das GmbHG eigene Vorschriften über die Anmeldung vor.

2. Reformen 4 Die Vorschrift ist mehrfach geändert worden. Das Erfordernis der Angabe der Vertretungsbefugnis der Geschäftsführer (§ 8 Abs. 4) wurde durch das KoordG vom 15.8.1969 eingeführt. Sodann erfolgten umfangreichere Änderungen durch die GmbH-Novelle 1980. Die Bestimmung des § 8 Abs. 2 über die Versicherung der Einlagemindestleistungen vor Anmeldung wurde den geänderten Voraussetzungen des § 7 Abs. 2 Satz 1, 2 und Abs. 3 angepasst. Ferner wurde in § 8 Abs. 3 eine zusätzliche Versicherung über das Nichtvorliegen von Ausschlussgründen für die bestellten Geschäftsführer sowie in § 8 Abs. 1 Nr. 4 und 5 die Einreichung zusätzlicher Unterlagen bei Sachgründungen eingeführt. Der Gesetzgeber verfolgte mit diesen Änderungen das Ziel, die gerichtliche Prüfung der Ordnungsmäßigkeit der Gründung zu ermöglichen und zu erleichtern und dadurch den Gläubigerschutz zu verstärken1. Das EHUG vom 1.1.2007 hat die in § 8 Abs. 5 a.F. vorgesehene Pflicht der Geschäftsführer, in der Anmeldung selbst oder in einem gesonderten Dokument jeweils handschriftlich in notariell beglaubigter Form ihre Unterschrift anzugeben, aufgehoben. Eine solche Pflicht ist auch nicht in anderen Gesetzen vorgesehen. 5 Die strengen Anforderungen an die Anmeldung und gerichtliche Prüfung führten dazu, dass sich das Registerverfahren über mehrere Monate hinziehen und erhebliche Kosten verursachen konnte. Der Gesetzgeber entschloss sich daher, die Vorschrift mit dem MoMiG zu reformieren. Die Änderungen des § 8 Abs. 1 Nr. 3 und 5 sowie des § 8 Abs. 2 sind im Wesentlichen darauf zurückzuführen, dass nach neuem Recht das Stammkapital in Geschäftsanteile zerlegt ist; das Gesetz spricht vom Nennbetrag der Geschäftsanteile und nicht mehr von den Stammeinlagen (s. § 3 Rdnr. 51; § 5 Rdnr. 19). Die Aufhebung des § 8 Abs. 1 Nr. 6 und die Einfügung des § 8 Abs. 2 Satz 2 sind dem Ziel verpflichtet, eine schnelle und kostengünstige Eintragung der Gesellschaft zu ermöglichen2. Die Streichung des § 8 Abs. 2 Satz 2 a.F. ist eine Folge der Aufhebung des § 7 Abs. 2 Satz 3 über die Sicherung bei einer Einmann-Gründung (s. § 7 Rdnr. 4). Die Änderung des § 8 Abs. 3 Satz 1 ist eine Folge der Änderung des § 6. Dagegen dient die Neufassung des § 8 Abs. 2 Satz 2 der Klarstellung, dass die Belehrung über die unbeschränkte Auskunftspflicht schriftlich erfolgen und auch durch einen ausländischen Notar oder einen deutschen Konsularbeamten vorgenommen werden kann. Die Änderung des § 8 Abs. 4 ist Bestandteil eines Maßnahmenpakets, das Missbräuchen im Zusammenhang mit der Verwendung einer GmbH entgegenwirken soll. Der RegE MoMiG hatte in § 8 Abs. 2 die von der Rechtsprechung entwickelte Fallgruppe des sog. „Hin- und Herzahlens“, bei der es zu einem Rückfluss des Einlagebetrags durch ein Darlehen an den Gesellschafter 1 Begr. RegE, BT-Drucks. 8/1347, S. 33 f.; s. auch BayObLG, GmbHR 1994, 62. 2 Vgl. zum Problem der langen Eintragungsdauer Wachter, in: Gesellschaftsrechtliche Vereinigung (VGR), Die GmbH-Reform in der Diskussion, 2006, S. 55, 58 f.

496

Veil

§8

Inhalt der Anmeldung

kommt, regeln wollen1. Aus systematischen Gründen wurde die vorgesehene Vorschrift in § 19 Abs. 5 verschoben2 (zu den Einzelheiten s. § 19 Rdnr. 187). Allerdings ist der Vorgang auch für die Anmeldung relevant. Denn eine solche Leistung oder die Vereinbarung einer solchen Leistung ist gemäß § 19 Abs. 5 Satz 2 in der Anmeldung nach § 8 anzugeben (s. Rdnr. 28).

II. Anlagen zur Anmeldung (§ 8 Abs. 1) 1. Gesellschaftsvertrag Der Anmeldung muss (in elektronischer Form) gemäß § 8 Abs. 1 Nr. 1 der Ge- 6 sellschaftsvertrag in Urschrift oder in beglaubigter Abschrift beigefügt sein. Mit dem Begriff des Gesellschaftsvertrags ist das gesamte Errichtungsgeschäft gemeint3. Beizufügen ist also die Satzung sowie das Gründungsprotokoll über die Feststellung der Satzung und Übernahme der Geschäftsanteile durch die Gründer. Dazu ist – als einheitliches Schriftstück (vgl. § 9 Abs. 1 Satz 2 BeurkG) – das Gründungsprotokoll zusammen mit der Satzung als Anlage einzureichen4. Es ist aber nicht zwingend erforderlich, dass eine Urkunde vorgelegt wird. Wenn – was zulässig ist (s. die Erl. zu § 2 Rdnr. 15) – aus zeitlichen oder örtlichen Gründen mehrere Urkunden errichtet worden sind, sind Abschriften dieser Urkunden einzureichen5. Der Anmeldung muss entsprechend § 54 Abs. 1 Satz 2 „der vollständige Wortlaut des Gesellschaftsvertrags“ beigefügt werden. Seine Bestimmungen müssen vollständig in einem Schriftstück beurkundet sein6. Wurde die Gesellschaft im vereinfachten Verfahren gegründet, ist das Musterprotokoll einzureichen (vgl. § 2 Abs. 1a Satz 5). Wenn der Gesellschaftsvertrag nicht in deutscher Sprache verfasst und beurkundet ist (vgl. § 5 Abs. 2 BeurkG), muss eine deutsche Übersetzung eingereicht7 und die Übereinstimmung durch eine Bescheinigung des beurkundenden Notars oder eine Bestätigung eines öffentlich bestellten Übersetzers nachgewiesen werden8. Etwaige schuldrechtliche Nebenabreden sind nicht beizufügen9. Bei Änderungen des Gesellschaftsvertrages vor der Eintragung sind auch die 7 Ausfertigung oder eine beglaubigte Abschrift der darüber errichteten Urkunde und in entsprechender Anwendung des § 54 Abs. 1 Satz 2 der vollständige Wortlaut des Gesellschaftsvertrages in der geltenden Fassung mit einer entsprechenden abgewandelten Bescheinigung des Notars einzureichen10. Die Herstellung 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10

Vgl. Begr. RegE MoMiG, BT-Drucks. 16/6140, S. 82. Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses, BT-Drucks. 16/9737, S. 96. Schaub, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 3; Tebben, in: Michalski, Rdnr. 3. Schaub, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 3; Tebben, in: Michalski, Rdnr. 3. Tebben, in: Michalski, Rdnr. 3. OLG Köln, GmbHR 1973, 11; OLG Schleswig-Holstein, GmbHR 1975, 183; OLG Stuttgart, DNotZ 1979, 359, 360; OLG Frankfurt, Rpfleger 1981, 309. LG Düsseldorf, GmbHR 1999, 609, 610. Schaub, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 11; Tebben, in: Michalski, Rdnr. 8. Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 2; Schaub, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 3; Tebben, in: Michalski, Rdnr. 3. OLG Köln, GmbHR 1973, 11; OLG Schleswig-Holstein, GmbHR 1975, 183; BayObLG, Rpfleger 1978, 143; BayObLG, BB 1988, 2198; BayObLG, GmbHR 1994, 62 f.; OLG Stuttgart, DNotZ 1979, 359; OLG Frankfurt, Rpfleger 1981, 309; OLG Hamm, GmbHR 1986, 311; KG, GmbHR 1997, 412, 413; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 3.

Veil

497

§8

Inhalt der Anmeldung

des vollständigen Vertragstextes obliegt den Geschäftsführern1. Eine erneute Beurkundung des gesamten Gesellschaftsvertrages, die überdies zu einer unnötigen Kostenbelastung führen würde, erfordert der Gesetzeszweck dagegen nicht. Wird der Gesellschaftsvertrag nach der Anmeldung geändert, so genügt die Nachreichung der genannten Unterlagen; einer erneuten Anmeldung bedarf es nicht2. 8 Soweit ein Gesellschafter beim Abschluss des Gesellschaftsvertrages durch einen Bevollmächtigten vertreten war, ist nach § 8 Abs. 1 Nr. 1 auch die Vollmacht in Urschrift bzw. in einer Ausfertigung oder in beglaubigter Abschrift beizufügen. Entsprechendes gilt für die Genehmigungserklärung im Falle vollmachtloser Vertretung. Bei gesetzlicher Vertretung ist die Legitimation nach den jeweils einschlägigen Vorschriften zu belegen, z.B. durch beglaubigten Handelsregisterauszug, eine Bestallungsurkunde des Betreuers, eine Notarbescheinigung gemäß § 21 BNotO oder entsprechend § 32 GBO durch Bezugnahme auf die Registerakten desselben Gerichts3. Die Vorlage einer schriftlichen Genehmigung des Familiengerichts (früher: Vormundschaftsgerichts) ist zwar nicht erforderlich4, schadet aber auch nicht. Eine juristische Person des öffentlichen Rechts kann die Vertretungsmacht ihrer gesetzlichen Vertreter meist selbst bestätigen5. Ist eine ausländische Gesellschaft als Gründerin aufgetreten, kommen als Nachweis eine beglaubigte Auskunft des Heimatregisters oder des Notars des Gründungsstaats in Betracht6.

2. Legitimation der Geschäftsführer 9 Der Anmeldung muss gemäß § 8 Abs. 1 Nr. 2 die Legitimation der Geschäftsführer beigefügt sein, sofern dieselben nicht im Gesellschaftsvertrag bestellt sind. Die Bestellung erfolgt in der Regel durch einen Gesellschafterbeschluss in der notariellen Mantelurkunde, so dass ein entsprechender Nachweis meist nicht erforderlich sein dürfte7. Wenn dies nicht der Fall ist, müssen die Urkunden über den Bestellungsakt des zuständigen Gesellschaftsorgans in elektronischer Form (vgl. § 8 Abs. 5 i.V.m. § 12 Abs. 2 HGB) eingereicht werden. Eine besondere Form für die Bestellung schreibt das Gesetz nicht vor; die Schriftform ist ausreichend8. War die Bestellung zulässigerweise mündlich vorgenommen worden, muss sie durch Mitglieder des Gesellschaftsorgans oder die nach dem Gesellschaftsvertrag für die Mitteilung seiner Entscheidungen maßgeblichen

1 OLG Zweibrücken, GmbHR 2000, 1204; BayObLG, BB 1988, 2198; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 3. A.A. OLG Schleswig, DNotZ 1973, 482, 483 (Gesellschafter) und OLG Celle, OLGZ 1982, 317, 318 (Notar). 2 BayObLG, Rpfleger 1978, 143; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 2; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 3. 3 Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 2; Tebben, in: Michalski, Rdnr. 7; Schaub, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 8; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 5. 4 Schaub, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 9; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/SchmidtLeithoff, Rdnr. 3; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 5. A.A. Tebben, in: Michalski, Rdnr. 7. 5 Tebben, in: Michalski, Rdnr. 7; Schaub, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 9. 6 Tebben, in: Michalski, Rdnr. 7; ausführlich Mödl, RNotZ 2008, 1, 10 ff. 7 Schaub, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 12. 8 Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 5; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 6.

498

Veil

§8

Inhalt der Anmeldung

Personen (z.B. den Versammlungsleiter) schriftlich bestätigt werden1. Dabei sind auch das Geburtsdatum und der Wohnort anzugeben (vgl. § 43 Nr. 4 HRV). Der Nachweis, dass die Geschäftsführer das Amt angenommen haben, ergibt sich aus ihrer Anmeldung. Änderungen in den Personen der Geschäftsführer, die nach der Anmeldung eintreten, sind analog § 39 unter Beifügung der entsprechenden Legitimationen nachzumelden2.

3. Liste der Gesellschafter Der Anmeldung muss gemäß § 8 Abs. 1 Nr. 3 eine von den Anmeldenden unter- 10 schriebene Liste der Gesellschafter beigefügt sein, aus welcher Name, Vorname (Rufname), Geburtsdatum und Wohnort (ohne Angabe der Straße) ersichtlich sind. Die Angabe des Berufs wird seit der Änderung der Vorschrift durch das HRefG vom 22.6.1998 nicht mehr gefordert. Sind Handelsgesellschaften als Gesellschafter bei der GmbH beteiligt, so sind statt Name, Geburtsdatum und Wohnort die Firma und der Gesellschaftssitz anzugeben. Dies gilt auch für die eingetragene OHG oder KG; die Aufführung der Gesellschafter einer Handelsgesellschaft ist nicht erforderlich. Handelt es sich dagegen um eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts oder eine nicht rechtsfähige Personengemeinschaft, so ist unter Angabe der Gemeinschaftsform die Einzelaufführung zur Identifizierung nötig3. Dies folgt aus der fehlenden Registerpublizität einer (mittlerweile als teilrechtsfähig anerkannten) GbR oder einer Erbengemeinschaft. Im Übrigen ist es sachgemäß, die Gesellschafter so zu bezeichnen, wie es im Gründungsstatut geschehen ist. Ist ein Einzelkaufmann als Mitgründer unter seiner Firma aufgetreten und bezeichnet (dazu § 2 Rdnr. 46), so ist er in die Gesellschafterliste mit gleicher Bezeichnung aufzunehmen; sein bürgerliche Name braucht nicht angegeben zu werden, da sowohl die Liste wie der Gesellschaftsvertrag beim Registergericht von jedermann eingesehen werden können (§ 9 HGB) und der Geschäftsverkehr daher über die Person Aufschluss erlangen kann4. In der Gesellschafterliste sind keine Angaben über Treuhandverhältnisse oder Belastungen zu machen5. Aus der Liste müssen seit dem MoMiG außerdem die Nennbeträge und die laufenden Nummern der von einem jeden der Gesellschafter übernommenen Geschäftsanteile ersichtlich sein. Die durchgehende Nummerierung der Geschäftsanteile soll deren eindeutige Bezeichnung vereinfachen und Anteilsüber1 Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 3; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 5; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 6. 2 Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 5; Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 3. 3 OLG Hamm, BB 1975, 292, 293 (Erbengemeinschaft); OLG Hamm, GmbHR 1996, 363, 365 (GbR); Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 4; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/ Hueck, Rdnr. 6; Schaub, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 15; Tebben, in: Michalski, Rdnr. 12; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 7; vgl. auch BGHZ 148, 291, 295 zur Anmeldung gemäß § 106 Abs. 2 HGB. A.A. Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 4 (identifizierende Gesamtbezeichnung genüge). 4 Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 5; Tebben, in: Michalski, Rdnr. 12. A.A. Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 6; Schaub, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 15; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 7. 5 Mayer, ZIP 2009, 1037, 1039; Schaub, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 16. A.A. LG Aachen, GmbHR 2009, 1218 (Nießbrauch sei eintragungsfähig).

Veil

499

11

§8

Inhalt der Anmeldung

tragungen praktisch erleichtern1. Mit der Angabe der Nennbeträge der von den Gesellschaftern übernommenen Geschäftsanteile soll ebenfalls deren Zuordnung erleichtert werden2. Beispiel: Hat ein Gesellschafter zehn Geschäftsanteile mit einem Nennbetrag von jeweils 100 Euro übernommen, so sind alle Anteile mit ihrer Nummerierung anzugeben. Nicht ausreichend ist es, wenn in der Liste angegeben wird, dass der Gesellschafter Anteile über insgesamt 1000 Euro hält. Sach- oder Geldeinlage und bewirkte Einzahlung brauchen aus der Liste nicht hervorzugehen3. 12

Die Liste muss den Mitgliederstand zur Zeit der Anmeldung enthalten4, also die seit der Feststellung des Gründungsstatuts eingetretenen Veränderungen berücksichtigen. Nach jeder späteren Veränderung in den Personen der Gesellschafter oder des Umfangs ihrer Beteiligung haben die Geschäftsführer unverzüglich eine von ihnen unterschriebene Liste der Gesellschafter zum Handelsregister einzureichen, aus der u.a. die Nennbeträge und die laufenden Nummern der von einem jeden derselben übernommenen Geschäftsanteile zu entnehmen sind5.

13

Im Falle einer vereinfachten Gründung gilt das Musterprotokoll zugleich als Gesellschafterliste (vgl. § 2 Abs. 1a Satz 4), so dass eine Gesellschafterliste gemäß § 8 Abs. 1 Nr. 3 nicht eingereicht zu werden braucht6.

4. Verträge über Sacheinlagen und Sachgründungsbericht 14

Der Anmeldung ebenfalls beizufügen sind die Verträge, die den Festsetzungen über Sacheinlagen zugrunde liegen oder zu ihrer Ausführung geschlossen worden sind (§ 8 Abs. 1 Nr. 4). Damit sind die schuldrechtlichen und dinglichen Verträge gemeint, die zwischen dem Gesellschafter und der Gesellschaft über die Einbringung einer Sacheinlage geschlossen wurden. § 8 Abs. 1 Nr. 4 schreibt eine Form nicht selbst vor7. Daher sind die Verträge nur vorzulegen, wenn sie auf Grund einer gesetzlichen Bestimmung oder freiwillig schriftlich oder in notarieller Form abgeschlossen worden sind. Wenn schriftliche Verträge nicht vorliegen, ist in der Anmeldung darauf hinzuweisen8.

15

Die Vorschrift findet auch bei Sachübernahmen (s. § 5 Rdnr. 73) Anwendung. Der Anmeldung sind in diesem Fall die Verträge über den Erwerb der Ver-

1 Begr. RegE MoMiG, BT-Drucks. 16/6140, S. 34. 2 Begr. RegE MoMiG, BT-Drucks. 16/6140, S. 34. 3 Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 6; Schaub, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 16; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 9. 4 Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 4; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 6; Tebben, in: Michalski, Rdnr. 11; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 8. 5 Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 6; Schaub, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 17; Tebben, in: Michalski, Rdnr. 11; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 8. 6 Schaub, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 18. 7 Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 5; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 7; Tebben, in: Michalski, Rdnr. 16; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 10. 8 Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 5; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 7; Tebben, in: Michalski, Rdnr. 16; vgl. auch Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/SchmidtLeithoff, Rdnr. 7: „empfehlenswert“.

500

Veil

§8

Inhalt der Anmeldung

mögensgegenstände und über die Verrechnung des Entgelts mit der Einlageforderung beizufügen1. Anders als nach § 37 Abs. 4 Nr. 2 AktG sind die Verträge über den von der Gesell- 16 schaft übernommenen Gründungsaufwand nicht einzureichen2. Das Registergericht kann aber bei der Prüfung der Versicherung über die Mindesteinzahlungen (§ 8 Abs. 2) deren Vorlage verlangen, soweit aus ihnen der Gründungsaufwand bestritten worden ist. Einzureichen ist weiter der nach § 5 Abs. 4 Satz 2 zu erstattende Sachgründungs- 17 bericht (§ 8 Abs. 1 Nr. 4). Er muss von allen zur Zeit der Anmeldung beteiligten Gründungsgesellschaftern abgefasst und unterzeichnet sein (s. § 5 Rdnr. 99, 102). Tritt danach ein Gesellschafterwechsel ein, so braucht der hinzukommende Gesellschafter einen eigenen Bericht nicht nachzureichen3. Anders ist es zu beurteilen, wenn der neue Gesellschafter selbst eine Sacheinlage übernimmt. In diesem Fall muss er darüber einen (zusätzlichen) Sachgründungsbericht erstatten und nachreichen (s. § 5 Rdnr. 99 ff.).

5. Unterlagen über den Wert der Sacheinlagen Der Anmeldung sind im Falle der Vereinbarung einer Sacheinlage auch Unterla- 18 gen darüber beizufügen, dass der Wert der Sacheinlagen den Nennbetrag der dafür übernommenen Geschäftsanteile erreicht (§ 8 Abs. 1 Nr. 5). Welche Unterlagen im Einzelnen erforderlich sind, bestimmt sich nach der Art des Vermögensgegenstandes4. Es kommen Kaufverträge, Rechnungen, Nachweise der Herstellungskosten, Preislisten, Kurszettel, Tarife, etc. in Betracht5. Bei der Sacheinlage von Unternehmen ist eine Einbringungsbilanz beizufügen6, die regelmäßig dann ausreicht, wenn die Einbringung zu Buchwerten erfolgen soll, der Bilanzstichtag zeitnah genug ist und die Ordnungsmäßigkeit der Bilanzierung durch einen Angehörigen der wirtschaftsprüfenden oder steuerberatenden Berufe bescheinigt ist7. Abweichende Einbringungswerte sind dagegen gesondert zu belegen. Die Vorlage der Jahresabschlüsse für vorausgehende Geschäftsjahre 1 Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 5; Schaub, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 20. 2 Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 7; Tebben, in: Michalski, Rdnr. 17. 3 Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, § 5 Rdnr. 33; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, § 5 Rdnr. 54; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 11. 4 Begr. RegE, BT-Drucks. 8/1347, S. 34; BayObLG, GmbHR 1995, 52, 53; Bayer, in: Lutter/ Hommelhoff, Rdnr. 6; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 8; Roth, in: Roth/ Altmeppen, Rdnr. 6; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 8; Tebben, in: Michalski, Rdnr. 18; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 12; 5 Geßler, BB 1980, 1385, 1387; Deutler, GmbHR 1980, 145, 148; Priester, DNotZ 1980, 515, 522; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 6; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 8; Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 6; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/SchmidtLeithoff, Rdnr. 8; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 12. 6 Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 6; Priester, DNotZ 1980, 515, 522; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 8; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 12; einschr. Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 8 (zweckmäßig, nur in schwierigen Fällen unerlässlich). 7 Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 6; Priester, DNotZ 1980, 515, 522; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 8; Spiegelberger/Walz, GmbHR 1998, 761, 764; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 12.

Veil

501

§8

Inhalt der Anmeldung

kann im Allgemeinen nicht verlangt werden1. Der Wert mancher Sacheinlagegegenstände lässt sich grundsätzlich nur durch ein Sachverständigengutachten ausreichend belegen, so z.B. für gewerbliche Schutzrechte und Urheberrechte, Lizenzrechte, Grundstücke und Gebäude2 und Beteiligungen an anderen Unternehmen3. Ausnahmsweise kann es in diesen Fällen entbehrlich sein, wenn der Kaufvertrag über einen nur kurze Zeit zurückliegenden Erwerb von einem unbeteiligten Dritten vorgelegt wird4. In der Praxis ist es üblich (und für die registergerichtliche Kontrolle ausreichend), dass ein Wirtschaftsprüfer bestätigt, die Sacheinlage erreiche mindestens den betreffenden Nennbetrag des Geschäftsanteils5. In der Regel wird es ausreichend sein, wenn der Bewertungsstichtag nicht länger als sechs Monate zurückliegt6.

6. Bestellung des Aufsichtsrates 19

Der Anmeldung beizufügen ist weiterhin die Urkunde über die Bestellung des Aufsichtsrates, wenn sie vor der Eintragung der GmbH erfolgt ist (§ 52 Abs. 2 GmbHG i.V.m. § 37 Abs. 4 Nr. 3 AktG); Schriftform ist ausreichend. Es ist dabei unerheblich, ob es sich um einen fakultativen oder um einen obligatorischen Aufsichtsrat handelt7. Es sind in der Anmeldung der Name, Vorname, Beruf und Wohnort der Mitglieder des Aufsichtsrates anzugeben (§ 52 Abs. 2 GmbHG i.V.m. § 40 Abs. 1 Nr. 4 AktG)8. Keine Einreichungspflichten bestehen, wenn die Gesellschaft einen Beirat hat, es sei denn, dieser ist in Wirklichkeit ein Aufsichtsrat im Sinne des Gesetzes9.

7. Weitere Angaben und Unterlagen 20

Nach § 24 Abs. 2 Satz 1 HRV (i.d.F. durch das MoMiG) soll die Lage der Geschäftsräume der Gesellschaft in der Anmeldung angegeben werden. Dies gilt gemäß § 24 Abs. 2 Satz 2 HRV nicht, wenn die Lage der Geschäftsräume als inländische Geschäftsanschrift zur Eintragung in das Handelsregister eingetragen wird oder bereits in das Handelsregister eingetragen worden ist. Dies dürfte in der Regel der Fall sein, so dass die Vorschrift nur dann aktuell wird, wenn die Lage der Geschäftsräume sich von der angemeldeten bzw. eingetragenen inländischen Geschäftsanschrift unterscheidet (weil sie sich im Ausland befinden)10. 1 Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 8; Tebben, in: Michalski, Rdnr. 18; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 12. A.A. Lutter, DB 1980, 1317, 1318. 2 Vgl. BayObLG, GmbHR 1995, 52, 53. 3 Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 6; Geßler, BB 1980, 1385, 1387; Priester, DNotZ 1980, 515, 522; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 8; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 12; zur Einbringung von Geschäftsanteilen vgl. LG Freiburg, GmbHR 2009, 1106. 4 Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 12; Tebben, in: Michalski, Rdnr. 18. 5 Tebben, in: Michalski, Rdnr. 18. 6 Schaub, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 27 (entsprechend § 33a Abs. 1 Nr. 2 AktG). 7 Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 8; Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 13; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 22. 8 Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 8; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 10; Tebben, in: Michalski, Rdnr. 23; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 22. 9 Tebben, in: Michalski, Rdnr. 23. 10 Tebben, in: Michalski, Rdnr. 25.

502

Veil

§8

Inhalt der Anmeldung

8. Nicht mehr erforderlich: Genehmigungsurkunde Nach früherem Recht musste der Anmeldung eine Genehmigungsurkunde bei- 21 gefügt werden, falls eine „staatliche Genehmigung“ für den Gegenstand des Unternehmens erforderlich ist (§ 8 Abs. 1 Nr. 6 a.F.). Der Gesetzgeber hat mit dem MoMiG diese Vorschrift ersatzlos gestrichen (s. Rdnr. 5). Daraus folgt, dass das Vorliegen einer etwaig erforderlichen Genehmigung im Registerverfahren nicht mehr kontrolliert wird.

III. Versicherungen der Geschäftsführer (§ 8 Abs. 2 und 3) 1. Allgemeines Der Geschäftsführer hat gemäß § 8 Abs. 2 und 3 zwei Versicherungen abzugeben. Unter dem Begriff der „Versicherung“ i.S. dieser Vorschriften ist die Abgabe einer Erklärung über das Vorliegen oder Nichtvorliegen dort bestimmter tatsächlicher oder rechtlicher Umstände zu verstehen.

22

Die Versicherung muss in der Anmeldung abgegeben werden (§ 8 Abs. 2 und 3). 23 Das bedeutet nicht, dass sie im Eintragungsantrag selbst enthalten sein muss. Es ist auch die Abgabe in einem gesonderten Schriftstück zulässig, das aber ebenfalls der öffentlich beglaubigten Form (§ 12 Abs. 1 HGB; § 126 BGB) bedarf1. Die Verwendung des Ausdrucks „versichern“ ist nicht zwingend. Es genügt jede Wendung (beispielsweise „erklären“, „angeben“), die hinreichend erkennen lässt, dass es sich um eine eigenverantwortliche Bekundung des Betreffenden handelt2. Maßgeblicher Zeitpunkt für die mitzuteilenden Umstände ist der Eingang der 24 Anmeldung beim Registergericht3. Erfahren die Geschäftsführer nach ihrer Abgabe, dass sie sich über die zu berücksichtigenden Umstände (auch unverschuldet) geirrt haben, so sind sie verpflichtet, die Versicherung zu berichtigen4. Anderenfalls haften sie nach § 9a Abs. 1. Eine spätere Änderung der tatsächlichen Verhältnisse löst dagegen keine Mitteilungspflicht aus5. Die Versicherung ist aber unter Berücksichtigung derartiger Umstände erneut abzugeben, wenn wegen berechtigter Beanstandungen des Registergerichts (s. § 9c Rdnr. 37) eine neue Anmeldung erfolgt6. Bezüglich des nachträglichen Eintritts von Ausschlussgründen i.S. des § 8 Abs. 3 s. Rdnr. 31.

1 Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 9; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 11; Tebben, in: Michalski, Rdnr. 34; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 27. 2 BayObLG, BB 1987, 2119, 2120; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 9; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 11; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 27. 3 RGSt. 43, 323; RGSt. 43, 431; RG, LZ 1916, 617; OLG Köln, GmbHR 1988, 227; BayObLG, GmbHR 1992, 109, 110; LG Gießen, GmbHR 2003, 543; Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 19; Tebben, in: Michalski, Rdnr. 30; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 27. 4 Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 25. 5 Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 6; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 14; Jäger, MDR 1995, 1184, 1185; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 25. A.A. Lieb, in: FS Zöllner, S. 347, 360; Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 21. 6 LG Gießen, GmbHR 1986, 162; LG Gießen, GmbHR 1995, 453, 454; Bayer, in: Lutter/ Hommelhoff, Rdnr. 9; Jäger, MDR 1995, 1184, 1185; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 27; vgl. auch OLG Frankfurt, GmbHR 1992, 531, 532.

Veil

503

§8 25

Inhalt der Anmeldung

Alle Geschäftsführer, einschließlich der Stellvertreter, haben die Versicherung abzugeben, und zwar persönlich (s. § 7 Rdnr. 11). Eine Vertretung ist unzulässig. Es ist ohne Einfluss auf die Anmeldung, wenn der Geschäftsführer nach dem Eingang der Versicherung beim Registergericht aus seinem Amt ausscheidet (s. § 7 Rdnr. 12). Die Versicherung nach § 8 Abs. 3 muss, wie aus § 39 Abs. 3 folgt, auch durch einen nach der Anmeldung bestellten neuen Geschäftsführer abgegeben werden. Dagegen braucht dieser nicht die Versicherung nach § 8 Abs. 2 zu wiederholen1, zumal er von den maßgeblichen Verhältnissen im Zeitpunkt der Anmeldung keine eigene Kenntnis haben kann. Anders liegt es, wenn der Anmeldevorgang bei seiner Bestellung noch nicht abgeschlossen, z.B. die Anmeldung unvollständig war2. Die Geschäftsführer sind für die Richtigkeit der Versicherung zivilrechtlich nach § 9a und strafrechtlich nach § 82 Abs. 1 Nr. 1, 4 verantwortlich.

2. Inhalt der Versicherungen a) Gesetzliche Mindestleistungen 26

Die Versicherung nach § 8 Abs. 2 Satz 1 hat sich darauf zu beziehen, dass die gesetzlich vorgeschriebenen Mindestleistungen auf die Geschäftsanteile vor der Anmeldung bewirkt worden sind (s. § 7 Rdnr. 26 ff., 42 ff.) und die Leistungsgegenstände sich endgültig in der freien Verfügung der Geschäftsführer befinden. Eine Erklärung, die lediglich pauschal oder unter wörtlicher oder sinngemäßer Wiedergabe des Gesetzestextes angibt, dass die vorgeschriebenen Mindestleistungen erfüllt seien, genügt dafür nicht. Es sind vielmehr die tatsächlichen Umstände anzugeben, die dem Registergericht ein Urteil über die Anmeldevoraussetzungen des § 7 Abs. 2 und 3 ermöglichen3. Es muss ersichtlich sein, welcher Gesellschafter die Leistung erbracht und welchen ziffernmäßig anzugebenden Betrag er eingezahlt oder welche – zumindest durch Bezugnahme auf andere Anmeldeunterlagen (Gesellschaftsvertrag, Ausführungsverträge, Sachgründungsbericht) zu kennzeichnende – Sacheinlagen er eingebracht hat. Es muss deutlich werden, wie hoch der auf den Geschäftsanteil geleistete Betrag ist. Werden bei der Gründung einer GmbH Geschäftsanteile mit Nennbeträgen von jeweils einem Euro gebildet, muss die Versicherung des Geschäftsführers bei der Anmeldung der GmbH sich auf die Tatsachen erstrecken, die für die Beurteilung der Tilgungswirkung einer einheitlich erfolgten, jedoch nur einen Teilbetrag deckenden Zahlung auf das übernommene Stammkapital maßgeblich sind, also ob eine Tilgungsbestimmung getroffenen worden ist und ggf. welche4. Einzelangaben über die bewirkten Geldeinlagen erübrigen sich dann, wenn die Versiche1 Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 10; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 11; Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 19; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 26; weitergehend Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 16. 2 KG, NJW 1972, 951; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 10; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 11; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 26. 3 BayObLG, DB 1980, 438 u. 439; BayObLG, GmbHR 1994, 116, 117; OLG Hamm, GmbHR 1983, 102; OLG Hamm, WM 1987, 405; OLG Celle, GmbHR 1986, 309; OLG Düsseldorf, GmbHR 1986, 267; LG Münster, NJW 1987, 264; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 11; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 12; Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 14; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 29 f. 4 OLG Hamm, GmbHR 2011, 652.

504

Veil

§8

Inhalt der Anmeldung

rung auf beigefügte Belege verweist1 oder die Volleinzahlung aller Geschäftsanteile angibt2. Bei Sachübernahmen mit Anrechnungsabrede (s. § 5 Rdnr. 73 ff.) muss die Versicherung außer der konkreten Kennzeichnung des Übernahmevertrages (s. § 5 Rdnr. 79) und der Leistung des Vermögensgegenstandes (s. § 7 Rdnr. 42 f.) auch enthalten, ob und in welcher Höhe die Vergütungsforderung gegen die Einlageschuld verrechnet worden ist (s. § 7 Rdnr. 44)3. Es ist im Allgemeinen nicht erforderlich, die Art und Weise der Geld- und Sacheinlageleistungen näher darzulegen4. Auch eine Vorlage von Nachweisen über die Einlageleistungen verlangt das GmbHG grundsätzlich nicht5. Das Registergericht kann gemäß § 8 Abs. 2 Satz 2 i.d.F. durch das MoMiG bei erheblichen Zweifeln an der Richtigkeit der Versicherung Nachweise, unter anderem Einzahlungsbelege, verlangen6. Unzulässig ist folglich die routinemäßige Anforderung, wie sie vor dem MoMiG in der registergerichtlichen Praxis teilweise erfolgte7. Es ist ausdrücklich zu versichern, dass sich der Gegenstand der gesetzlich vor- 27 geschriebenen Mindesteinlageleistungen (§ 7 Abs. 2 und 3) endgültig in der freien Verfügung der Geschäftsführer befindet (§ 8 Abs. 2 Satz 1). Die abzugebende Versicherung beinhaltet nach dem Wortlaut und Zweck der Vorschrift zunächst, dass die Einlagen wirksam durch Leistung zur freien Verfügung der Geschäftsführer bewirkt worden sind (s. dazu § 7 Rdnr. 34 ff.). Nach h.M. soll sie sich ferner darauf beziehen, dass die freie Verfügung über das aufgebrachte Eigenkapital im Zeitpunkt der Anmeldung zum Handelsregister noch besteht8. Zur Begründung führt sie an, das Gesetz wolle zum Schutze der Gesellschaftsgläubiger sicherstellen, dass die Gesellschaft am Stichtag der Anmeldung mit einem Mindestbestand frei verfügbarer eigener Mittel real ausgestattet sei. Die Aufgabe des

1 Teilweise wird angenommen, eine unvollständige Versicherung genüge, wenn die nicht angegebenen Tatsachen dem Registergericht bekannt oder sonst nachgewiesen sein; vgl. OLG Düsseldorf, GmbHR 1986, 266 f., Gustavus, GmbHR 1988, 47, 49; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 11; Tebben, in: Michalski, Rdnr. 33. A.A. Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 12 unter Hinweis auf die sichernden zivil- und strafrechtlichen Sanktionen. 2 OLG Düsseldorf, GmbHR 1986, 267; OLG Frankfurt, GmbHR 1992, 531, 532; Gustavus, GmbHR 1988, 47, 49; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 11; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 12; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 19. 3 Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 12; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 30. 4 OLG Frankfurt, GmbHR 1992, 531, 532; Baumann, DNotZ 1986, 182 f.; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 12; Tebben, in: Michalski, Rdnr. 32; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 29. A.A. BayObLG, DB 1980, 438; OLG Hamm, GmbHR 1983, 102 f.; OLG Düsseldorf, GmbHR 1986, 266. 5 Der Vorschlag in § 8 Abs. 2 RegE ist nicht in die GmbH-Novelle 1980 übernommen worden; vgl. dazu Bericht des Rechtsausschusses, BT-Drucks. 8/3908, S. 71. 6 Schon vor dem MoMiG gingen Rechtsprechung und Schrifttum davon aus, dass nur unter bestimmten Voraussetzungen Nachweise verlangt werden können. Vgl. BGHZ 113, 335, 352; OLG Düsseldorf, GmbHR 1986, 267; OLG Düsseldorf, GmbHR 1997, 70, 71; OLG Düsseldorf, GmbHR 1998, 235, 236; BayObLG, BB 1988, 716, 717; BayObLG, GmbHR 1994, 116, 117; OLG Frankfurt, GmbHR 1992, 531, 532; OLG Hamm, GmbHR 1993, 95, 96; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 29. 7 Vgl. Tebben, in: Michalski, Rdnr. 38. 8 Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 13; Tebben, in: Michalski, Rdnr. 35.

Veil

505

§8

Inhalt der Anmeldung

für Bargründungen früher geltenden sog. Vorbelastungsverbots1 rechtfertige keine Einschränkung dieser inhaltlichen Anforderung an die Versicherung gemäß § 8 Abs. 2 Satz 1. Das Erfordernis der endgültigen freien Verfügbarkeit sei der zwischenzeitlichen Rechtsentwicklung sinngemäß lediglich dahingehend anzupassen, dass die Einlagen am Anmeldestichtag nicht mehr gegenständlich2, sondern wertmäßig uneingeschränkt zur freien Verfügung der Geschäftsführer stehen müssten3. Die Versicherung enthalte demgemäß ohne Weiteres auch die Angaben, dass der Vermögenswert des aufgebrachten Einlagekapitals nicht aus irgendeinem Grunde (z.B. durch eine Verwendung ohne ausreichenden Gegenwert, Verlust oder Beschädigung der Einlagegegenstände, Wertveränderung von Sacheinlagen) unter dem gesetzlich bestimmten Mindestbetrag (§ 7 Abs. 2 und 3) liege, keine dies bewirkenden Pflichten der Vorgesellschaft begründet worden seien und ihr Vermögen nicht sonst in einer Höhe belastet sei, die die Deckung des Stammkapitals durch die bewirkten und ausstehenden Einlagen nicht mehr gewährleiste4. Lediglich die Bezahlung des im Gesellschaftsvertrag festgesetzten Gründungsaufwandes sei unschädlich (s. § 7 Rdnr. 41). Diese Auffassung ist abzulehnen5. Sie trägt nicht ausreichend Rechnung, dass der BGH das Vorbelastungsverbot aufgegeben und zum Schutz der Gesellschaftsgläubiger eine ab der Eintragung der Gesellschaft in das Handelsregister bestehende Haftung der Gesellschafter für Vorbelastungen entwickelt hat. Diese Haftung verwirklicht den erforderlichen Gläubigerschutz (s. bereits § 7 Rdnr. 35). Die Geschäftsführer haben somit (nur) zu versichern, dass keine Vorbelastungen entstanden sind oder aber durch Leistungen der Gesellschafter ausgeglichen sind6. 28

Die Versicherung nach § 8 Abs. 2 Satz 1 enthält auch die Erklärung, dass die Mindesteinlage nicht an die Gesellschafter zurückgezahlt wurde und auch keine Vereinbarung über eine spätere Rückzahlung geschlossen wurde7. Seit dem MoMiG kann aber in den Fällen eines Hin- und Herzahlens oder Her- und Hinzahlens eine Befreiung von der Einlageschuld erfolgen, wenn die Voraussetzungen des § 19 Abs. 5 Satz 1 erfüllte sind und „eine solche Leistung oder die Vereinbarung einer solchen Leistung … in der Anmeldung nach § 8“ angegeben wird (§ 19 Abs. 5 Satz 2). Eine gesetzliche Pflicht, in einem solchen Fall entsprechen1 BGHZ 80, 129, 133 ff. 2 So aber noch BayObLG, GmbHR 1988, 215 f.; OLG Köln, GmbHR 1988, 227; OLG Köln, ZIP 1989, 238, 240; weitergehend LG Gießen, GmbHR 1986, 163 (auch nach Anmeldung). 3 Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 13; Jäger, MDR 1995, 1184; Roth, in: Roth/ Altmeppen, Rdnr. 28; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 20; Spiegelberger/Walz, GmbHR 1998, 761, 766; Ulmer, in: Ulmer, § 7 Rdnr. 62; vgl. auch BGHZ 119, 177, 189 f.; BGH, ZIP 1996, 1466, 1467. 4 BayObLG, BB 1991, 2391, 2392; LG Bonn, GmbHR 1988, 193; Fleck, GmbHR 1983, 5, 11 f.; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 13; Priester, ZIP 1982, 1141, 1143 f.; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 20; Ulmer, in: Ulmer, § 7 Rdnr. 62. 5 Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 12; vgl. auch Karsten Schmidt, AG 1986, 106, 115; Gustavus, GmbHR 1988, 47, 49 f.; Lutter, NJW 1989, 2649, 2652 f. 6 Insoweit auch Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 31 und Schaub, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 41; vgl. das Beispiel für eine Formulierung von Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 12. 7 Tebben, in: Michalski, Rdnr. 36.

506

Veil

§8

Inhalt der Anmeldung

de Unterlagen einzureichen, hat der Gesetzgeber mit dem MoMiG nicht geschaffen. Allerdings wird das Registergericht in eine Prüfung nur eintreten können, wenn es über den Darlehensvertrag und Nachweise über die Kreditfähigkeit des Gesellschafters verfügt. Es kann daher im Regelfall entsprechende Unterlagen einfordern, anhand derer es die Liquidität und Vollwertigkeit des Rückgewähranspruchs prüfen kann (s. auch § 19 Rdnr. 188)1. b) Ausschlussgründe vom Geschäftsführeramt Die Geschäftsführer haben in der Anmeldung ferner nach § 8 Abs. 3 Satz 1 zu 29 versichern, dass keine Umstände vorliegen, die ihrer Bestellung nach § 6 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 und 3 sowie Satz 3 entgegenstehen, und dass sie über ihre unbeschränkte Auskunftspflicht gegenüber dem Gericht belehrt worden sind. Die Versicherung ist zwar ebenfalls von sämtlichen Geschäftsführern abzugeben, aber anders als die nach § 8 Abs. 2 von jedem nur für seine Person2. Die Abweichung, die auch durch § 39 Abs. 3 bestätigt wird, hat ihren Grund in der eingeschränkten Erkenntnismöglichkeit. Die Gerichte hatten zunächst sehr strenge Anforderungen an die Versicherung 30 gestellt. So sollte die pauschale Angabe über das Nichtvorliegen der Ausschlussgründe des § 6 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 und 3 sowie Satz 3 nicht den gesetzlichen Anforderungen genügen, es müsse unter Bezugnahme auf den Unternehmensgegenstand jeder Ausschlussgrund einzeln angeführt und verneint werden3. Der BGH hat mit Blick auf den Wortlaut der Vorschrift und deren Sinn und Zweck eine Pflicht zur Benennung der einzelnen Katalogstraftatbestände abgelehnt. Der Versicherung kommt danach nicht die Funktion zu, dass sie erkennen lässt, dem Erklärenden seien Inhalt und Umfang seiner Erklärungspflicht bewusst. Die vom Geschäftsführer in der Anmeldung zum Handelsregister gemäß § 8 Abs. 3 abgegebene Versicherung, er sei „noch nie, weder im Inland noch im Ausland, wegen einer Straftat verurteilt worden“, genügt nach Ansicht des BGH den gesetzlichen Anforderungen. Es sei weder erforderlich, die in § 6 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 genannten Straftatbestände noch die in Rede stehenden vergleichbaren Bestimmungen des ausländischen Rechts in der Versicherung im Einzelnen aufzuführen4. Im Hinblick darauf, dass die Geschäftsführer die Ausschlussgründe dem Regis- 31 tergericht nur dann unbeschränkt offenbaren müssen, wenn sie darüber besonders belehrt worden sind (§ 53 Abs. 2 BZRG), ist auch die entsprechende Belehrung zu versichern. Die Belehrung kann durch einen Notar vorgenommen werden (§ 8 Abs. 3 Satz 2); seit der Neufassung der Vorschrift durch das MoMiG

1 OLG München, GmbHR 2011, 422 f. (als Bonitätsnachweis komme die positive Bewertung des Rückgewährschuldners durch eine anerkannte Ratingagentur in Betracht). 2 Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 35. 3 OLG München, GmbHR 2009, 829; OLG Düsseldorf, GmbHR 1997, 71, 72; OLG Thüringen, GmbHR 1995, 453; BayObLG, BB 1984, 238; BayObLG, BB 1982, 200. A.A. LG Kassel, Rpfleger 1982, 229. 4 BGH, GmbHR 2010, 812, 813 f.; zustimmend OLG Hamm, GmbHR 2011, 587; OLG Hamm, GmbHR 2011, 30; nach OLG Frankfurt, GmbHR 2011, 1156, 1158 f. muss die Versicherung aber umfassend und eindeutig formuliert sein.

Veil

507

§8

Inhalt der Anmeldung

kann sie auch durch einen im Ausland bestellten Notar1, durch einen Vertreter eines vergleichbaren rechtsberatenden Berufs oder einen Konsularbeamten erfolgen2. Sie kann also auch durch einen Rechtsanwalt erfolgen3. Diese Möglichkeiten einer Belehrung werden in Zukunft noch bedeutsamer werden; denn einer GmbH ist es aufgrund der Streichung des § 4a Abs. 2 durch das MoMiG möglich, ihren Verwaltungssitz in das Ausland zu verlegen (s. § 4a Rdnr. 14). Ein Notar ist nicht schon deswegen zur Belehrung verpflichtet, weil er mit der Beglaubigung der Registeranmeldung beauftragt worden ist; er muss darum ersucht werden4. Der Gesetzgeber wollte mir der Neuregelung schließlich klarstellen, dass die Belehrung über die unbeschränkte Auskunftspflicht schriftlich erfolgen kann. Eine Belehrung durch Telefax oder Email genügt folglich nicht5. Fehlt in der zunächst beim Registergericht eingereichten Anmeldung die Versicherung des Geschäftsführers zur Belehrung über die unbeschränkte Auskunftspflicht und wird diese vom Notar nachträglich in derselben Urkunde ohne erneute Beglaubigung ergänzt, kann das Registergericht die Eintragung ablehnen6. 32

Nach der Anmeldung eintretende Ausschlussgründe aus § 6 Abs. 2 Satz 3 und 4 führen ipso iure zum Verlust des Geschäftsführeramtes; es greift daher die Anmeldepflicht gemäß § 39 Abs. 1 ein7 (s. zur Bestellung eines neuen Geschäftsführers nach Anmeldung, aber vor Eintragung Rdnr. 25).

IV. Angaben zur Geschäftsanschrift und Vertretungsbefugnis (§ 8 Abs. 4) 1. Angaben zur Geschäftsanschrift (§ 8 Abs. 4 Nr. 1) 33

Die in § 8 Abs. 4 Nr. 1 vorgesehene Pflicht, eine inländische Geschäftsanschrift anzugeben, wurde durch das MoMiG eingeführt. Unter der Anschrift kann nunmehr an den oder die Vertreter der Gesellschaft zugestellt werden. Hintergrund dieser Regelung sind die immer wieder beklagten Zustellungsprobleme zu Lasten der Gläubiger einer GmbH8. Als inländische Geschäftsanschrift kommen zunächst die Anschrift des Geschäftslokals, des Sitzes der Hauptverwaltung oder des maßgeblichen Betriebs in Betracht9. Besitzt die Gesellschaft solche Einrichtungen nicht oder, etwa aufgrund der Verlegung ihrer Hauptverwaltung in das Ausland (s. § 4a Rdnr. 22 ff.), nicht mehr, können die inländische Wohnanschrift eines Geschäftsführers, eines Gesellschafters oder eines als Zustel1 Die Belehrung durch einen ausländischen Notar genügte vor dem MoMiG nach einer verbreiteten Meinung nicht (vgl. LG Ulm, Rpfleger 1988, 108; Wolf, GmbHR 1998, 35 f.; dagegen aber LG Nürnberg, Rpfleger 1994, 360; Bartovics, GmbHR 1998, 778 f.). 2 Begr. RegE MoMiG, BT-Drucks. 16/6140, S. 35. 3 Begr. RegE MoMiG, BT-Drucks. 16/6140, S. 35. 4 Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 18; Priester, DNotZ 1980, 515, 525 f.; SchmidtLeithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 25; Tebben, in: Michalski, Rdnr. 46; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 36. 5 Wachter, NotBZ 2008, 361, 380. 6 OLG München, GmbHR 2010, 983 (zur Unternehmergesellschaft). 7 Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 18; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 16; Tebben, in: Michalski, Rdnr. 47; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 35. 8 Begr. RegE MoMiG, BT-Drucks. 16/6140, S. 35. 9 Begr. RegE MoMiG, BT-Drucks. 16/6140, S. 35 f.

508

Veil

§8

Inhalt der Anmeldung

lungsbevollmächtigten eingesetzten Vertreters (Steuerberater, Rechtsanwalt) angegeben werden1. Eine c/o-Adresse im Inland reicht aus2, nicht jedoch ein Postfach3. Anzugeben sind die Straße und Hausnummer und der Ort mit Postleitzahl4. Die Pflicht, die Änderung einer inländischen Geschäftsanschrift anzugeben, ist in § 31 HGB normiert. Diese Pflicht kann mit Zwangsgeld (§ 14 HGB; §§ 388 ff. FamFG) durchgesetzt werden5. Die Pflicht, die inländische Geschäftsanschrift in das Handelsregister anzumel- 34 den, gilt auch für Gesellschaften, die bei Inkrafttreten des MoMiG bereits in das Handelsregister eingetragen waren, es sei denn, die inländische Geschäftsanschrift ist dem Gericht bereits nach § 24 Abs. 2 HRV (s. Rdnr. 20) mitgeteilt worden und hat sich anschließend nicht geändert (§ 3 Abs. 1 Satz 1 EGGmbHG)6. Allerdings ist die inländische Geschäftsanschrift dann bei der nächsten Anmeldung, spätestens aber bis zum 31.10.2009 anzumelden (§ 3 Abs. 1 Satz 2 EGGmbHG). Geschieht auch dies nicht, trägt das Gericht von Amts wegen und ohne Überprüfung die ihm nach § 24 Abs. 2 HRV bekannte inländische Anschrift als Geschäftsanschrift in das Handelsregister ein (§ 3 Abs. 1 Satz 3 EGGmbHG).

2. Angaben zur Vertretungsbefugnis (§ 8 Abs. 4 Nr. 2) Nach § 8 Abs. 4 Nr. 2 sind Art und Umfang der Vertretungsbefugnis der Ge- 35 schäftsführer anzugeben. Es reicht nicht aus, dass die Vertretungsbefugnis aus anderen Anlagen zur Anmeldung (Gesellschaftsvertrag, Bestellungsbeschluss) hervorgeht7. Die Angabe muss unabhängig davon erfolgen, ob die Vertretungsbefugnis sich nach dem Gesetz (§ 35 Abs. 2 Satz 2), dem Gesellschaftsvertrag oder dem Bestellungsakt bestimmt. Sie hat für jeden – auch den einzigen8 – Geschäftsführer zu ergeben, ob er einzel- oder gesamtvertretungsberechtigt und gegebenenfalls in welcher Form er Letzteres ist. Bei Abweichungen von einer generellen Regelung für einzelne Geschäftsführer ist das zu vermerken9. Aus der (durch das MoMiG eingeführten) gesetzlichen Vorgabe, den Umfang der Vertre1 Begr. RegE MoMiG, BT-Drucks. 16/6140, S. 36. 2 OLG Hamm, GmbHR 2011, 595 (Kanzleianschrift des Insolvenzverwalters); OLG Rostock, GmbHR 2011, 30 (Angabe einer c/o Adresse genügt nur dann als inländische Geschäftsanschrift einer GmbH, wenn eine sichere und zuverlässige Zustellung an diese Adresse erfolgen könne, was nicht der Fall sei bei einer juristischen Person, deren Geschäftsbetrieb im Ankauf, der Sanierung und Abwicklung insolvenzbedrohter GmbH bestehe). 3 OLG Naumburg, GmbHR 2009, 832. 4 Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 21. 5 OLG Hamburg, GmbHR 2011, 828; Tebben, in: Michalski, Rdnr. 50. 6 Dazu OLG Köln, FGPrax 2010, 203; OLG München, GmbHR 2009, 380. 7 BayObLG, DNotZ 1975, 117; BayObLG, GmbHR 1981, 59; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 21; Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 30; Tebben, in: Michalski, Rdnr. 52; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 38. 8 BGHZ 63, 261, 264 f.; BayObLG, GmbHR 1981, 59; BayObLG, GmbHR 1997, 741; OLG Düsseldorf, NJW 1989, 3100; Tebben, in: Michalski, Rdnr. 52; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 38. 9 BayObLG, BB 1974, 291; BayObLG, BB 1997, 741; OLG Köln, DNotZ 1970, 748; OLG Frankfurt, GmbHR 1994, 117 f.; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 38.

Veil

509

§8

Inhalt der Anmeldung

tungsbefugnis anzugeben, folgt nicht, dass die sachliche Reichweite der Vertretungsbefugnis anzumelden ist1. Eine solche Angabe würde keinen Sinn machen, denn die Vertretungsbefugnis ist unbeschränkt (vgl. § 37 Abs. 2). Auch die Befreiung vom Verbot des Selbstkontrahierens (§ 181 BGB) muss wörtlich2 angegeben werden3, nicht jedoch auch die bloße statutarische Ermächtigung hierzu4. Die Angabe „in der Anmeldung“ erfordert (wie nach § 8 Abs. 2; s. oben Rdnr. 23) nicht, dass sie in derselben Urkunde enthalten sein muss; doch ist die Form des § 12 Abs. 1 HGB einzuhalten5. 36

Wird eine GmbH im vereinfachten Verfahren mit Musterprotokoll gegründet (vgl. § 2 Abs. 1a), muss der Geschäftsführer die abstrakte und konkrete Vertretungsbefugnis angeben6. Es gilt zwingend die gesetzliche Vertretungsregelung des § 35 Abs. 2 Satz 1 (s. § 2 Rdnr. 101). Nach dieser Vorschrift vertreten bei Vorhandensein mehrerer Geschäftsführer diese die Gesellschaft nur gemeinschaftlich. Auch wenn bei Vorhandensein nur eines einzigen Geschäftsführers dieser die Gesellschaft naturgemäß allein vertritt, ist die generalisierende Formulierung in der Anmeldung, der Geschäftsführer vertrete die Gesellschaft „stets einzeln“, nicht zutreffend7. Das Musterprotokoll enthält die Gestattung von InSich-Geschäften für den Fall des alleinigen Geschäftsführers. Deshalb ist auch die Anmeldung der konkreten Vertretungsbefugnis erforderlich8.

V. Einreichung von Unterlagen (§ 8 Abs. 5) 37

§ 8 Abs. 5 bestimmt klarstellend, dass für die Einreichung von Unterlagen § 12 Abs. 2 HGB entsprechend gilt. Nach § 12 Abs. 2 Satz 1 HGB sind Dokumente elektronisch einzureichen. Ist eine Urschrift oder eine einfache Abschrift einzureichen oder ist für das Dokument die Schriftform bestimmt, genügt nach § 12 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 1 HGB die Übermittlung einer elektronischen Aufzeichnung. Dies betrifft beispielsweise die gemäß § 8 Abs. 1 Nr. 3 einzureichende Gesellschafterliste oder die gemäß § 8 Abs. 1 Nr. 5 einzureichenden Unterlagen über den Wert einer Sacheinlage. Ist ein notariell beurkundetes Dokument oder eine öffentlich beglaubigte Abschrift einzureichen, so ist gemäß § 12 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 2 HGB ein mit einem einfachen elektronischen Zeugnis (§ 39a BeurkG) versehenes Dokument zu übermitteln. Diese Vorgabe wird für den Ge1 Tebben, in: Michalski, Rdnr. 56. 2 OLG Hamm, WM 1987, 406; LG Münster, NJW 1987, 264. 3 BGHZ 87, 59, 61; BayObLG, BB 1980, 597; BayObLG, WM 1982, 1033, 1034; OLG Köln, DB 1980, 1390; OLG Köln, GmbHR 1996, 218, 219; OLG Frankfurt, NJW 1983, 944; OLG Frankfurt, GmbHR 1997, 348; OLG Stuttgart, Justiz 1985, 312; OLG Düsseldorf, GmbHR 1995, 51. 4 BayObLG, WM 1982, 1033, 1034; BayObLG, WM 1990, 213, 214; OLG Frankfurt, BB 1984, 238; OLG Frankfurt, GmbHR 1988, 65, 66; OLG Frankfurt, GmbHR 1994, 118; OLG Hamm, GmbHR 1993, 500; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 38; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 22; Tebben, in: Michalski, Rdnr. 55. 5 Tebben, in: Michalski, Rdnr. 52. 6 LG Stalsund, NZG 2009, 915; Schaub, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 65; ausführlich Katschinski/Rawert, ZIP 2008, 1999; Wicke, NotBZ 2009, 9. 7 OLG Celle, GmbHR 2011, 305 f. (Geschäftsführer sei nur einzelvertretungsberechtigt, solange er alleiniger Geschäftsführer sei und nicht „stets“). 8 OLG Stuttgart, GmbHR 2009, 827.

510

Veil

§9

Überbewertung der Sacheinlagen

sellschaftsvertrag relevant, der gemäß § 8 Abs. 1 Nr. 1 der Anmeldung beizufügen ist. Die Unterlagen verbleiben bei den Handelsregisterakten, wo sie von jedermann eingesehen werden können (§ 9 HGB).

VI. Sonstiges 1. Registergerichtliche Kontrolle Fehlen die erforderlichen Anlagen oder sind sie fehlerhaft, so darf der Register- 38 richter nicht eintragen (s. § 7 Rdnr. 15)1. Er wird regelmäßig durch Zwischenverfügung eine Frist zur Nachholung setzen unter Androhung der Zurückweisung der Anmeldung. Aufgabe des Registerrichters ist es, auch für die Beobachtung der formalen Ordnungsvorschriften zu sorgen (s. § 9c Rdnr. 5 f.). Mit Zwangsgeld kann er freilich nicht vorgehen. Denn es besteht keine öffentlich-rechtliche Pflicht zur Anmeldung der GmbH und daher auch nicht zur Einreichung der Unterlagen (s. § 7 Rdnr. 5). Unterbleibt diese, so ist lediglich die mit der Anmeldung beantragte Eintragung abzulehnen. Ist aber trotzdem, also versehentlich, die GmbH eingetragen, so besteht sie als Rechtsperson und ohne wegen des Mangels der Einreichung mit der Amtslöschung bedroht zu sein (s. § 7 Rdnr. 15). Da die Anmeldenden ihr Ziel aber nur unter Beachtung des § 8 erreichen durften, kann jetzt, d.h. nach der Eintragung, der Registerrichter die Nachreichung der fehlenden Urkunden gegen die Geschäftsführer, die angemeldet haben, durch Zwangsgeldfestsetzung erzwingen (s. 10. Aufl., § 79 Rdnr. 17).

2. Sanktionen Im Falle unrichtiger Angaben oder Versicherungen können sich die Geschäfts- 39 führer und Gesellschafter strafbar machen (§ 82 Abs. 1 Nr. 1 und 5). Außerdem können sie gemäß § 9a zum Schadensersatz verpflichtet sein.

§9

Überbewertung der Sacheinlagen (1) Erreicht der Wert einer Sacheinlage im Zeitpunkt der Anmeldung der Gesellschaft zur Eintragung in das Handelsregister nicht den Nennbetrag des dafür übernommenen Geschäftsanteils, hat der Gesellschafter in Höhe des Fehlbetrags eine Einlage in Geld zu leisten. Sonstige Ansprüche bleiben unberührt. (2) Der Anspruch der Gesellschaft nach Abs. 1 Satz 1 verjährt in zehn Jahren seit der Eintragung der Gesellschaft in das Handelsregister. Eingefügt durch Gesetz vom 4.7.1980 (BGBl. I 1980, 836); Abs. 2 geändert durch Gesetz vom 9.12.2004 (BGBl. I 2004, 3214); Abs. 1 Satz 1 geändert, Satz 2 angefügt und Abs. 2 geändert durch das MoMiG vom 23.10.2008 (BGBl. I 2008, 2026).

1 Vgl. BayObLG, ZIP 1999, 968, 969 betr. Sachgründungsbericht.

Veil

511

§9

Überbewertung der Sacheinlagen

sellschaftsvertrag relevant, der gemäß § 8 Abs. 1 Nr. 1 der Anmeldung beizufügen ist. Die Unterlagen verbleiben bei den Handelsregisterakten, wo sie von jedermann eingesehen werden können (§ 9 HGB).

VI. Sonstiges 1. Registergerichtliche Kontrolle Fehlen die erforderlichen Anlagen oder sind sie fehlerhaft, so darf der Register- 38 richter nicht eintragen (s. § 7 Rdnr. 15)1. Er wird regelmäßig durch Zwischenverfügung eine Frist zur Nachholung setzen unter Androhung der Zurückweisung der Anmeldung. Aufgabe des Registerrichters ist es, auch für die Beobachtung der formalen Ordnungsvorschriften zu sorgen (s. § 9c Rdnr. 5 f.). Mit Zwangsgeld kann er freilich nicht vorgehen. Denn es besteht keine öffentlich-rechtliche Pflicht zur Anmeldung der GmbH und daher auch nicht zur Einreichung der Unterlagen (s. § 7 Rdnr. 5). Unterbleibt diese, so ist lediglich die mit der Anmeldung beantragte Eintragung abzulehnen. Ist aber trotzdem, also versehentlich, die GmbH eingetragen, so besteht sie als Rechtsperson und ohne wegen des Mangels der Einreichung mit der Amtslöschung bedroht zu sein (s. § 7 Rdnr. 15). Da die Anmeldenden ihr Ziel aber nur unter Beachtung des § 8 erreichen durften, kann jetzt, d.h. nach der Eintragung, der Registerrichter die Nachreichung der fehlenden Urkunden gegen die Geschäftsführer, die angemeldet haben, durch Zwangsgeldfestsetzung erzwingen (s. 10. Aufl., § 79 Rdnr. 17).

2. Sanktionen Im Falle unrichtiger Angaben oder Versicherungen können sich die Geschäfts- 39 führer und Gesellschafter strafbar machen (§ 82 Abs. 1 Nr. 1 und 5). Außerdem können sie gemäß § 9a zum Schadensersatz verpflichtet sein.

§9

Überbewertung der Sacheinlagen (1) Erreicht der Wert einer Sacheinlage im Zeitpunkt der Anmeldung der Gesellschaft zur Eintragung in das Handelsregister nicht den Nennbetrag des dafür übernommenen Geschäftsanteils, hat der Gesellschafter in Höhe des Fehlbetrags eine Einlage in Geld zu leisten. Sonstige Ansprüche bleiben unberührt. (2) Der Anspruch der Gesellschaft nach Abs. 1 Satz 1 verjährt in zehn Jahren seit der Eintragung der Gesellschaft in das Handelsregister. Eingefügt durch Gesetz vom 4.7.1980 (BGBl. I 1980, 836); Abs. 2 geändert durch Gesetz vom 9.12.2004 (BGBl. I 2004, 3214); Abs. 1 Satz 1 geändert, Satz 2 angefügt und Abs. 2 geändert durch das MoMiG vom 23.10.2008 (BGBl. I 2008, 2026).

1 Vgl. BayObLG, ZIP 1999, 968, 969 betr. Sachgründungsbericht.

Veil

511

§9

Überbewertung der Sacheinlagen

Inhaltsübersicht I. 1. 2. 3.

Grundlagen Regelungsinhalt und -zweck . . . Anwendungsbereich. . . . . . . . . . . Rechtsnatur . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1 3 5

II. Anspruchsvoraussetzungen 1. Sacheinlage. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 2. Unterdeckung . . . . . . . . . . . . . . . . 7 a) Nennbetrag des Geschäftsanteils . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8 b) Wert der Sacheinlage . . . . . . . . 11 c) Ausgleich eines Negativwertes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 d) Beweislast . . . . . . . . . . . . . . . . . 18

3. 4. 5. 6.

Kein Verschulden. . . . . . . . . . . . . Entstehung . . . . . . . . . . . . . . . . . . Höhe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Fälligkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

19 20 22 23

III. Verjährung (§ 9 Abs. 2) . . . . . . . .

24

IV. Verhältnis zu anderen Ansprüchen 1. Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Bürgerlich-rechtliche Ansprüche wegen Schlechterfüllung . . 3. Gründungshaftung . . . . . . . . . . . 4. Vorbelastungshaftung . . . . . . . . .

26 28 29 30

Schrifttum: Gienow, Zur Differenzhaftung nach § 9 GmbHG, in: FS Semler, 1993, S. 165; Herchen, Agio und verdecktes Agio im Recht der Kapitalgesellschaften, 2004; Ihrig, Gläubigerschutz durch Kapitalaufbringung bei Verschmelzung und Spaltung nach neuem Umwandlungsrecht, GmbHR 1995, 622; Kallmeyer, Differenzhaftung bei Verschmelzung mit Kapitalerhöhung und Verschmelzung im Wege der Neugründung, GmbHR 2007, 1121; Kind, Die Differenzhaftung im Recht der Gesellschaft mit beschränkter Haftung, 1984; Lieb, Zum Spannungsverhältnis zwischen Vorbelastungshaftung und Differenzhaftung – Versuch einer Harmonisierung, in: FS Zöllner, 1998, S. 347; Karsten Schmidt, Die Differenzhaftung des Sacheinlegers, GmbHR 1978, 5; Schoop, Die Haftung für die Überbewertung von Sacheinlagen bei der Aktiengesellschaft und der Gesellschaft mit beschränkter Haftung, 1981; Trölitzsch, Differenzhaftung für Sacheinlagen in Kapitalgesellschaften, 1998; Urban, Die Differenzhaftung des GmbH-Gesellschafters im Zusammenhang mit der Überbewertung von Sacheinlagen, in: Festg. Sandrock, 1995, S. 305; Wartlsteiner, Zur Beweislast bei der Differenzhaftung im GmbH-Recht, GesRZ 1993, 147.

I. Grundlagen 1. Regelungsinhalt und -zweck 1 Die Vorschrift bezweckt die Sicherung der Kapitalaufbringung bei Sachgründungen1. Sie begründet eine ergänzende Geldeinlagepflicht des Gesellschafters, wenn und soweit der Wert einer Sacheinlage- oder eines Sachübernahmegegenstandes im Zeitpunkt der Anmeldung der Gesellschaft zum Handelsregister nicht den Betrag des dafür übernommenen Geschäftsanteils erreicht. Die Vorschrift dient dem Gläubigerschutz und ist zwingend. Sie wurde durch die GmbH-Novelle 1980 in das GmbHG eingeführt. Der Gesetzgeber begründete sie mit der Erwägung, es lasse sich nicht ausschließen, dass eine Überbewertung von Sacheinlagen unentdeckt bleibe und die Gesellschaft trotzdem durch Eintragung zur Entstehung gelange. Außerdem wollte er klarstellen, dass Sacheinlageverpflichtungen nicht allein wegen einer Überbewertung der Sacheinlage un-

1 Ausführlich zum Haftungsgrund Trölitzsch, Differenzhaftung, S. 102 ff., 145 f.

512

Veil

§9

Überbewertung der Sacheinlagen

wirksam sind1. Dass der Sacheinleger im Falle einer Überbewertung für die Differenz einzustehen hat, hatte die Rechtsprechung bereits vorher entschieden2. Die neue Vorschrift stellte daher vor allem die Rechtslage klar3. Außerdem klärte sie die zuvor umstrittene Frage, zu welchem Zeitpunkt eine Differenzhaftung begründet ist4. Die erste Änderung der Vorschrift erfolgte durch das Gesetz zur Anpassung von 2 Verjährungsvorschriften an das Gesetz zur Modernisierung des Schuldrechts vom 9.12.2004, mit dem die bislang fünfjährige Frist auf zehn Jahre verlängert wurde. Sodann wurde durch das MoMiG Abs. 1 Satz 1 der Vorschrift geändert und Satz 2 angefügt. Die Änderung des Satzes 1 – statt „Betrag der dafür übernommenen Stammeinlage“ heißt es nun „Nennbetrag des dafür übernommenen Geschäftsanteils“ – ist darauf zurückzuführen, dass nach neuem Recht im Gesellschaftsvertrag der Nennbetrag der Geschäftsanteile und nicht mehr der Nennbetrag der Stammeinlagen anzugeben ist (s. § 3 Rdnr. 51). Neu aufgenommen hat der Gesetzgeber die in Satz 2 getroffene Vorschrift, dass sonstige Ansprüche unberührt bleiben.

2. Anwendungsbereich Die Vorschrift findet nur bei Sacheinlagen Anwendung (s. Rdnr. 6). Bei einer Ka- 3 pitalerhöhung mit Sacheinlagen findet sie entsprechende Anwendung (vgl. § 56 Abs. 2). Sie gilt nicht für verdeckte Sacheinlagen. Nach dem RegE MoMiG sollte die Vorschrift zwar entsprechend anwendbar sein, wenn eine Sache verdeckt eingebracht wird (vgl. § 19 Abs. 4 RegE). Doch wurde diese Lösung zugunsten einer anderen Regelung – der Anrechnung des Werts der verdeckt eingebrachten Sache – verworfen (s. die Erläuterung hierzu § 19 Rdnr. 118). Außerdem ist die Vorschrift entsprechend anwendbar bei der zur Durchführung 4 einer Verschmelzung oder Spaltung erfolgten Kapitalerhöhung der aufnehmenden GmbH (§§ 55, 125 Satz 1 UmwG)5. Auch bei der Verschmelzung oder Spaltung auf eine neue GmbH (§§ 36 Abs. 2, 135 Abs. 2 UmwG) ist sie entsprechend heranzuziehen6. Beim Rechtsformwechsel in eine GmbH ist zu differenzieren. Handelt es sich um eine Personenhandelsgesellschaft, kann eine Differenzhaftung begründet sein (§ 197 Satz 1 UmwG)7. Dagegen besteht beim Formwechsel einer Kapitalgesellschaft in eine Kapitelgesellschaft anderer Rechtsform kein Bedürfnis, die Werthaltigkeit erbrachter Einlagen erneut durch eine Differenzhaf1 Vgl. Begr. RegE, BT-Drucks. 8/1347, S. 35. Dass der Sacheinleger im Falle einer Überbewertung für die Differenz einzustehen hat, hatte die Rechtsprechung bereits vorher entschieden. 2 Vgl. BGHZ 68, 191, 195 f.; zur AG auch BGHZ 64, 52, 62; aus dem Schrifttum Karsten Schmidt, GmbHR 1978, 5. 3 Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 3. 4 Märtens, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 1. 5 Ihrig, GmbHR 1995, 622, 642; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 6; Trölitzsch, Differenzhaftung, S. 318 ff. 6 Ihrig, GmbHR 1995, 622, 633 ff.; M. Winter, in: Lutter, § 56 UmwG Rdnr. 26; Priester, in: Lutter, § 138 UmwG Rdnr. 10; Trölitzsch, Differenzhaftung, S. 388 ff. 7 Decher, in: Lutter, § 197 UmwG Rdnr. 37; Joost, in: Lutter, § 219 UmwG Rdnr. 4; a.A. Trölitzsch, Differenzhaftung, S. 352 f.

Veil

513

§9

Überbewertung der Sacheinlagen

tung sicherzustellen1. Für den Fehlbetrag haften in den genannten Umwandlungsfällen die Anteilsinhaber des übertragenden bzw. formwechselnden Rechtsträgers nach Maßgabe ihrer verhältnismäßigen Beteiligung.

3. Rechtsnatur 5 § 9 Abs. 1 gewährt der GmbH einen Zahlungsanspruch gegen den Sacheinleger. Es handelt sich um einen die Sacheinlage ergänzenden gesetzlichen Geldeinlageanspruch2. Die Nachzahlungspflicht ist nach Ansicht des Gesetzgebers Ausfluss der im Einlageversprechen des Gesellschafters enthaltenen Deckungszusage3. Auf den Anspruch sind die allgemeinen Vorschriften über Geldeinlagen anwendbar4. Dies bedeutet, dass er nicht gestundet, erlassen oder durch Aufrechnung getilgt werden kann (§ 19 Abs. 2 und 3). Bei nicht rechtzeitiger Zahlung sind Verzugszinsen zu leisten (§ 20). Ferner ist die Kaduzierung des Geschäftsanteils möglich (§§ 21 ff.). Die Mitgesellschafter können einer Ausfallhaftung unterliegen (§ 24). Im Falle der Anteilsveräußerung gilt § 16 Abs. 25.

II. Anspruchsvoraussetzungen 1. Sacheinlage 6 Voraussetzung für eine Differenzhaftung ist, dass eine Sacheinlage im Gesellschaftsvertrag vereinbart worden ist (§ 9 Abs. 1 Satz 1). Der Begriff der Sacheinlage ist in demselben Sinne wie in § 5 Abs. 4 Satz 1 zu verstehen, erfasst also sowohl die Sacheinlage i.e.S., d.h. die Vereinbarung einer anderen Einlageleistung als Geld (s. § 5 Rdnr. 34), als auch die Sachübernahme mit Anrechnungsabrede, d.h. die Vereinbarung über die Zulässigkeit der Aufrechnung oder Verrechnung der Vergütung aus einer Sachübernahme gegen einen Geldeinlageanspruch (s. § 5 Rdnr. 73). Ebenfalls fallen darunter gemischte Sacheinlagen (s. § 5 Rdnr. 81 und unten Rdnr. 10). Sind die Sacheinlage- oder die Anrechnungsvereinbarung oder der zugrunde liegende Sachübernahmevertrag unwirksam, findet § 9 Abs. 1 keine Anwendung. Der Gesellschafter ist dann verpflichtet, die gesamte Einlage in Geld zu leisten6. Handelt es sich um eine verdeckte Sacheinlage, kommt eine Anrechnung gemäß § 19 Abs. 4 Satz 3 in Betracht7; eine Differenzhaftung nach § 9 kann dagegen nicht begründet sein (s. Rdnr. 3).

1 Busch, AG 1995, 555, 559; Decher, in: Lutter, § 197 UmwG Rdnr. 39. A.A. Meister/Klöcker, in: Kallmeyer, § 197 UmwG Rdnr. 44. 2 Vgl. Begr. RegE, BT.-Drucks. 8/1347, S. 35; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 4. 3 Vgl. Begr. RegE, BT-Drucks. 8/1347, S. 35. 4 Vgl. Begr. RegE, BT-Drucks. 8/1347, S. 35; Märtens, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 6; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 4. 5 Märtens, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 6; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 4. 6 BGH, NZG 2000, 1226, 1227; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 2; SchmidtLeithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 2. 7 Hueck/Fastrich, in: Bauchbach/Hueck, Rdnr. 2.

514

Veil

§9

Überbewertung der Sacheinlagen

2. Unterdeckung Voraussetzung ist zweitens, dass der Wert der Sacheinlage nicht den Nennbetrag des dafür übernommenen Geschäftsanteils erreicht.

7

a) Nennbetrag des Geschäftsanteils Der erforderlichen Vergleichsberechnung ist bei einer Sacheinlage i.e.S. (Rdnr. 6) 8 der im Gesellschaftsvertrag nach § 5 Abs. 4 Satz 1 festgesetzte Nennbetrag oder, wenn eine Mischeinlage (s. § 5 Rdnr. 81) vereinbart worden ist, der Teilnennbetrag zugrunde zu legen, der durch die Leistung eines anderen Vermögensgegenstandes als Geld zu erfüllen ist (s. § 5 Rdnr. 83). Anders liegt es bei einer Sachübernahme (Rdnr. 6), für die im Gesellschaftsvertrag der Betrag des Geschäftsanteils festgesetzt wird, der durch die Aufrechnung oder Verrechnung mit der Vergütung für einen zu veräußernden Vermögensgegenstand getilgt werden darf, aber nicht muss. Wird die Aufrechnung oder Verrechnung später mit einem geringeren Betrag vorgenommen, so ist deshalb nach dem Wortlaut und Zweck des § 9 Abs. 1 der ihm entsprechende, nicht aber der im Gesellschaftsvertrag festgesetzte Betrag maßgebend. Ein im Gesellschaftsvertrag vereinbartes Aufgeld bzw. Agio (s. § 5 Rdnr. 21), das 9 mit der Leistung des Vermögensgegenstandes ebenfalls abgegolten sein soll, bleibt bei der Vergleichsberechnung außer Ansatz1. § 9 Abs. 1 soll nur die Aufbringung eines das festgesetzte Stammkapital deckenden Gesellschaftsvermögens sicherstellen und erfasst daher nicht die weitergehenden Beitragspflichten der Gesellschafter. Dementsprechend erstreckt sich auch die Kapitalerhaltung (§ 30 Abs. 1) nicht auf ein vom Gesellschafter versprochenes Aufgeld (s. dazu § 30 Rdnr. 52 ff.). Bei einer gemischten Sacheinbringung (s. § 5 Rdnr. 81 ff.) muss der Wert des Ver- 10 mögensgegenstandes nach Abzug der dem Gesellschafter oder einem Dritten herauszuzahlenden oder gutzubringenden Vergütung den festgesetzten Betrag des Geschäftsanteils erreichen2. Vorbehaltlich einer abweichenden Bestimmung des Gesellschaftsvertrages, die hinreichend deutlich zum Ausdruck kommen muss3, ist es also nicht möglich, zu Gunsten des Einlageanteils die herauszuzahlende Vergütung zu kürzen. Die Gesellschaft kann aber mit dem ihr zustehenden Einlageergänzungsanspruch gegen den Vergütungsanspruch des Gesellschaftersaufrechnen oder wegen ihres Anspruchs das Zurückbehaltungsrecht ausüben4, während dies dem Gesellschafter wegen des in § 19 Abs. 2 normierten Aufrechnungsverbots versagt ist (s. § 19 Rdnr. 83 ff.).

1 Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 4; Märtens, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 13; Trölitzsch, Differenzhaftung, S. 211 ff.; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 12; Wachter, in: Bork/ Schäfer, Rdnr. 9; vgl. auch Begr. RegE MoMiG, BT-Drucks. 16/6140, S. 36. A.A. Gienow, in: FS Semler, S. 165, 175; Herchen, Agio und verdecktes Agio, S. 161; wohl auch LG Bonn, GmbHR 1999, 1291. 2 So auch Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 11; Trölitzsch, Differenzhaftung, S. 255 ff.; s. auch OLG Düsseldorf, BB 1996, 338, 339. 3 A.A. Priester, GmbHR 1982, 112, 113 (im Zweifel sei die Kürzung des Mehrbetrages gewollt). 4 Vgl. OLG Köln, GmbHR 1999, 288, 293.

Veil

515

§9

Überbewertung der Sacheinlagen

b) Wert der Sacheinlage 11

Für die Berechnung, ob der Betrag des Geschäftsanteils durch die Sacheinlage gedeckt ist, kommt es nach § 9 Abs. 1 auf den objektiven Wert des einzulegenden oder zu übernehmenden Vermögensgegenstandes im Zeitpunkt der Anmeldung der Gesellschaft, d.h. am Tage ihres Eingangs beim Registergericht an. Es ist der unter Berücksichtigung der bezweckten betrieblichen Nutzung des Gegenstandes zu ermittelnde Zeitwert anzusetzen (Näheres s. § 5 Rdnr. 57)1. Er ist unabhängig von den der statutarischen Festsetzung des Anrechnungsbetrages zugrunde gelegten Wertvorstellungen der Gründungsgesellschafter durch das Prozessgericht nach den maßgeblichen Bewertungsgrundsätzen (s. § 5 Rdnr. 57) festzustellen.

12

Zweifelhaft ist, ob der Sachinferent sich auf einen Bewertungsspielraum berufen kann. Der BGH hatte vor Einführung des § 9 die (auf der Kapitaldeckungszusage des Inferenten beruhende) Differenzhaftung entsprechend eingeschränkt. Es bestehe für die Bewertung von Sacheinlagen und namentlich von Handelsgeschäften ein gewisser Beurteilungsspielraum. Jedes Überschreiten dieses Spielraums müsse die Differenzhaftung des Einlegers auslösen, weil nur so die gesetzmäßige Kapitalgrundlage der Gesellschaft zu sichern sei2. Bei der Auslegung des § 9 ist das Schrifttum aber strenger und lehnt es ab, einen Bewertungsspielraum zugunsten des Inferenten anzuerkennen3. Dieser Auslegung ist im Grundsatz zuzustimmen. Denn sie wird dem Zweck der Vorschrift, einen wirksamen Gläubigerschutz sicherzustellen, gerecht. Andererseits wäre es verfehlt, anzunehmen, dass Sachen immer einen bestimmten objektiven Wert haben. Besonders komplex erweist sich die Bewertung von Unternehmen; mit der Ertragswertmethode und der Discounted Cash Flow-Methode haben sich in jüngerer Zeit zwei Methoden herauskristallisiert, die nach Ansicht der Wirtschaftsprüfer gleichermaßen zur Unternehmensbewertung herangezogen werden können. Ein später mit einer Differenzhaftung befasstes Prozessgericht wäre bei der Bewertung einer eingebrachten Sache allerdings nicht an die vom Gesellschafter gewählte Bewertungsmethode gebunden. Noch ungeklärt ist, ob Gerichte auch alle einzelnen Aspekte der Unternehmensbewertung, insbesondere die getroffenen Prognosen, eigenständig beurteilen dürfen. Diese Frage wird vor allem bei den Abfindungsrechten von Aktionären und Gesellschaftern in Konzernverhältnissen diskutiert4. Die zu den Abfindungsrechten erzielten Erkenntnisse können auch für die Differenzhaftung nutzbar gemacht werden. Demnach wären steuerrechtliche Fragen voll überprüfbar, Planungen der Geschäftsleitung dagegen nur eingeschränkt. Sofern diese vernünftigerweise annehmen darf, ihre Planung sei realistisch, darf diese durch die Gerichte nicht durch eine andere Annahme ersetzt werden.

13

Der Grund für die Wertabweichung ist nach § 9 Abs. 1 unerheblich. Die Vorschrift soll nicht nur Überbewertungen durch die Gesellschafter verhindern,

1 OLG Düsseldorf, GmbHR 1992, 112, 113; OLG München, GmbHR 1994, 712; OLG Köln, GmbHR 1998, 42, 43. 2 BGHZ 68, 191, 196. 3 Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 4; Märtens, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 15; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 13; Trölitzsch, Differenzhaftung, S. 205 f. 4 Vgl. etwa OLG Stuttgart, AG 2008, 783, 788; OLG Stuttgart, AG 2007, 705, 706; OLG Stuttgart, AG 2007, 596, 597 f.; OLG Stuttgart, AG 2006, 420, 425.

516

Veil

§9

Überbewertung der Sacheinlagen

sondern, wie insbesondere der festgesetzte Bewertungsstichtag zeigt1, darüber hinausgehend sicherstellen, dass der für den Geschäftsanteil übernommene Betrag im Anmeldezeitpunkt durch Einlagepflichten des Gesellschafters wertmäßig voll abgedeckt ist. Der Minderwert kann daher auch auf die Berücksichtigung erst später erkennbar gewordener Sachmängel, auf der Abnutzung oder Beschädigung des Vermögensgegenstandes oder auf der Änderung anderer wertungsrelevanter tatsächlicher Umstände des Vermögensgegenstandes oder der Bewertungsmaßstäbe beruhen2. Das gilt auch für Werteinbußen, die durch ein schuldhaftes Verhalten des Geschäftsführers oder eines Mitgesellschafters verursacht und nicht durch eine Ersatzleistung des Schädigers oder einer Versicherung ausgeglichen worden sind3. Der Sacheinleger kann in einem solchen Fall bei Zahlung der ergänzenden Geldeinlage von der Gesellschaft die Abtretung eines Ersatzanspruchs gegen den Schädiger verlangen. Eine Wertminderung ist nicht allein deshalb zu verneinen, weil der Gesellschaft auch Sachmängelgewährleistungsansprüche (s. Rdnr. 28) zustehen4. Die bis zur Anmeldung eintretenden Werterhöhungen, die nicht auf Verbes- 14 serungen der Gesellschaft beruhen, können einen etwaigen Fehlbetrag ausgleichen5; sie kommen daher dem Gesellschafter zugute. Übersteigt der erhöhte Wert den für den Geschäftsanteil übernommenen Einlagebetrag, kann der Gesellschafter den Mehrbetrag allerdings nur herausverlangen, wenn dies im Gesellschaftsvertrag bestimmt ist. Wertveränderungen, die erst nach der Anmeldung eintreten, berühren die Differenzhaftung gemäß § 9 dagegen nicht (s. aber § 9c Rdnr. 33)6. Bei mehreren Sacheinlagegegenständen eines Gesellschafters ist deren Gesamt- 15 wert maßgebend7. Auch wenn für sie gesonderte Anrechnungsbeträge im Gesellschaftsvertrag genannt sind, kann danach die Überbewertung oder die Wertminderung eines Einlagegegenstandes durch den Wert anderer kompensiert werden, z.B. im Falle der unterschiedlichen Marktpreisentwicklung eingebrachter Warenvorräte. Bei der Einlage von Gegenständen mit starken Wertschwankungen wird häufig vereinbart, dass der Sacheinleger eine sich ergebende Unterdeckung des für den Geschäftsanteil übernommenen Betrags durch eine Geldleistung auszugleichen

1 Nach der Begr. RegE, BT-Drucks. 8/1347, S. 35 sollte das Risiko von Wertminderungen in der Zeit zwischen Vertragsabschluss und Eintragung zu Gunsten der Gesellschaftsgläubiger möglichst eingeschränkt werden, was den Sacheinlegern auch zumutbar sei, da sie es regelmäßig in der Hand hätten, ob sie schon längere Zeit vor der Anmeldung leisten wollten. 2 Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 5; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 11. 3 Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 15. 4 Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 5; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 11. 5 Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 4; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/ Schmidt-Leithoff, Rdnr. 5; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 15; Trölitzsch, Differenzhaftung, S. 202 f. 6 Vgl. OLG Köln, GmbHR 1998, 42, 43; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 5; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 4; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 16. 7 OLG Düsseldorf, GmbHR 1992, 112, 113; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 5; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 5.

Veil

517

16

§9

Überbewertung der Sacheinlagen

hat. Diese gesellschaftsvertraglich begründete Pflicht des Sacheinlegers zum Ausgleich einer Wertdifferenz in Geld ist bei der Vergleichsberechnung zu berücksichtigen. Soweit sie reicht, scheidet eine Anwendung des § 9 aus. c) Ausgleich eines Negativwertes 17

Die Differenzhaftung umfasst nach überwiegender Ansicht auch den Negativwert eines Einlagegegenstandes1, wie er sich z.B. bei der Einbringung eines überschuldeten Unternehmens oder eines Grundstücks mit Altlasten ergeben kann2. Diese Auslegung entspricht dem Wortlaut des § 9 Abs. 1 Satz 1 und wird auch dem Zweck der Vorschrift gerecht, sicherzustellen, dass bei Sacheinlagen ein dem Stammkapital entsprechendes Vermögen aufgebracht ist. Anders liegt es aber bei Sachübernahmen (Rdnr. 6), da die Aufrechnungs- bzw. Verrechnungsmöglichkeit durch den Betrag der geschuldeten Geldeinlage begrenzt ist (Rdnr. 6). d) Beweislast

18

Nach den allgemeinen Regeln der Beweislastverteilung trifft die Gesellschaft grundsätzlich die Beweislast für das Vorliegen einer Unterdeckung und für deren Höhe3. Das ist im Hinblick auf die vorangehenden Werthaltigkeitsprüfungen durch die Gesellschaft und durch das Registergericht auch sachgerecht4. Die Darlegung begründeter Zweifel am Anrechnungswert kann deshalb keine Beweislastumkehr rechtfertigen5. Auch bei der Einbringung eines ehemals sicherungsübereigneten Gegenstands ist es nicht gerechtfertigt, dem Gesellschafter die Darlegungs- und Beweislast aufzubürden, dass das Eigentum an dem Gegenstand bereits vor der Eintragung zurückübertragen war6. Lediglich in besonders gelagerten Ausnahmefällen, insbesondere bei Vorlage unzureichender oder falscher Wertnachweise durch den Sacheinleger, können Beweiserleichterungen angezeigt sein7.

3. Kein Verschulden 19

Ein Verschulden des Sacheinlegers ist nach § 9 Abs. 1 nicht erforderlich8. Die Vorschrift soll nicht eine schuldhafte unrichtige Bewertung des Einlagegegen1 BGHZ 80, 129, 140; BGH, GmbHR 1982, 235 (ob. dict.); Gienow, in: FS Semler, S. 165, 171 ff.; Urban, in: Festg. Sandrock, S. 305, 312 f.; G. Schneider, MittRhNotK 1992, 165, 173, 179; s. auch schon BGHZ 68, 191, 198; a.A. Hohner, DB 1975, 629, 631; Trölitzsch, Differenzhaftung, S. 228 ff. 2 Zu den Anwendungsfällen vgl. Trölitzsch, Differenzhaftung, S. 221 ff. 3 OLG München, GmbHR 1994, 712; OLG Köln, GmbHR 1998, 42, 43; OLG Naumburg, GmbHR 1998, 385; 386; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 14. A.A. Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 4. 4 Trölitzsch, Differenzhaftung, S. 284 ff. 5 A.A. OLG Naumburg, GmbHR 1998, 385, 386; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 10; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 8; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 14; vgl. auch OLG Düsseldorf, GmbHR 1992, 112, 113. 6 A.A. LG Bonn, GmbHR 1999, 1291; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 10. 7 OLG München, GmbHR 1994, 712 (sehr weitgehend). 8 Vgl. Begr. RegE, BT-Drucks. 8/1347, S. 35; OLG Köln, GmbHR 1998, 42, 43; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 5; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 10.

518

Veil

§9

Überbewertung der Sacheinlagen

standes beim Vertragsabschluss oder die Schlechterfüllung der Einlagepflicht sanktionieren, sondern die Aufbringung der für den Geschäftsanteil übernommenen Beträge durch eine ergänzende Geldeinlagepflicht wertmäßig sichern. Auch bei einer Wertunterdeckung, die von anderen (Gesellschafter, Geschäftsführer, Dritte) verschuldet worden ist, greift sie deshalb ein.

4. Entstehung Der Anspruch entsteht, wenn die gesetzlichen Anspruchsvoraussetzungen erfüllt 20 sind. Die Eintragung der Gesellschaft ist keine solche Voraussetzung. Die ergänzende Geldeinlagepflicht ist von der Eintragung grundsätzlich nicht abhängig1. Es entspricht auch dem Gesetzeszweck des § 9, den Betrag des übernommenen Geschäftsanteils für den Anmeldezeitpunkt durch den Anspruch auf Zahlung des Fehlbetrages abzudecken. Das entgegenstehende Interesse des Sacheinlegers kann eine teleologische Restriktion der Vorschrift nicht rechtfertigen. Die Differenzhaftung kann bei der zulässigen Aufnahme der Geschäftstätigkeit schon im Gründungsstadium erheblich werden und schließt eine Schlechterstellung der Gläubiger und Mitgesellschafter im Vergleich zur Bargründung aus. Der Sacheinleger hat seinerseits die Möglichkeit, beim Bekanntwerden der Unterdeckung durch den Einlagegegenstand die Auflösung der Vorgesellschaft zu betreiben und die Eintragung der Gesellschaft zu verhindern. Anders ist es aber zu beurteilen, wenn die Gründung der GmbH scheitert. Dies 21 kann beispielsweise der Fall sein, wenn das Registergericht die Bewertung der Sacheinlage beanstandet und die Gründer danach die Eintragung aufgeben. In einem solchen Fall besteht kein Bedürfnis mehr dafür, die Kapitalaufbringung zu sichern2. Eine Differenzhaftung nach § 9 ist daher nicht mehr notwendig. Im Übrigen werden die Gläubiger durch die Verlustdeckungshaftung der Gründer (im Falle einer gescheiterten Vor-GmbH, s. § 11 Rdnr. 88) oder durch die unbeschränkte Haftung der Gründer (im Falle einer unechten Vor-GmbH, s. § 11 Rdnr. 100) angemessen und ausreichend geschützt. Der Anwendungsbereich des § 9 Abs. 1 ist daher teleologisch dahingehend zu reduzieren, dass die Vorschrift mit dem endgültigen Scheitern der Gründung keine Anwendung findet.

5. Höhe Die Höhe des Geldeinlageanspruchs bemisst sich nach dem Fehlbetrag der Einlagedeckung im Zeitpunkt der Anmeldung der Gesellschaft (Rdnr. 5 ff.). Spätere Wertveränderungen des Einlagegegenstandes können nach dieser ausdrücklichen gesetzlichen Entscheidung, die sinngemäß mit § 7 Abs. 3 übereinstimmt, den Anspruch weder erhöhen noch vermindern (Rdnr. 11).

1 Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 7; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 8; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 6; Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 7; Wachter, in: Bork/Schäfer, Rdnr. 17. A.A. Geßler, BB 1980, 1385, 1387; Märtens, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 26 f.; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 8; vgl. auch Trölitzsch, Differenzhaftung, S. 148 ff., der selbst bis zur Eintragung eine schuldrechtliche Pflicht annimmt. 2 Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 8.

Veil

519

22

§9

Überbewertung der Sacheinlagen

6. Fälligkeit 23

Die Fälligkeit des Anspruchs regelt das Gesetz nicht. Der Anwendung der allgemeinen Fälligkeitsbestimmung des § 46 Nr. 2 steht die Funktion des Anspruchs entgegen, die vor der Anmeldung zu bewirkende Sacheinlageleistung (§ 7 Abs. 3) zu ergänzen. Hieraus könnte zu schließen sein, dass der ergänzende Geldeinlageanspruch sofort fällig wird1. Dagegen spricht aber, dass erst bei der Anmeldung feststeht, in welcher Höhe ein Anspruch begründet ist. Ab diesem Zeitpunkt ist er daher fällig2. Auf die Einforderung kommt es nicht an. Ebensowenig bedarf es eines Gesellschafterbeschlusses3. Der Sacheinleger kann aber vor der Eintragung der Gesellschaft deren Auflösung verlangen (Rdnr. 20) und in diesem Falle die Zahlung verweigern, wenn und soweit sie nicht zur Befriedigung der Gesellschaftsgläubiger erforderlich ist (Rdnr. 21). Die Stundung der Einlageschuld ist dagegen ausgeschlossen (§ 19 Abs. 2). Nach der vergeblichen Einforderung sind auch Verzugszinsen zu entrichten (§ 20)4.

III. Verjährung (§ 9 Abs. 2) 24

Der Anspruch verjährt in zehn Jahren seit der Eintragung der Gesellschaft (§ 9 Abs. 2). Die früher geltende fünfjährige Verjährungsfrist beruhte auf der Erwägung, dass bis zum Ablauf dieser Frist erfahrungsgemäß feststeht, ob sich eine Überbewertung von Sacheinlagen zum Nachteil der Gläubiger ausgewirkt hat. Auch hatte der Gesetzgeber gemeint, dass eine danach erfolgende Wertfeststellung regelmäßig mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden wäre5. Die mit dem Gesetz zur Anpassung von Verjährungsvorschriften an das Gesetz zur Modernisierung des Schuldrechts vom 9.12.2004 erfolgte Verlängerung der Verjährungsfrist auf zehn Jahre beruht auf dem Ziel, eine einheitliche Frist im Recht der Kapitalaufbringung und Kapitalerhaltung festzulegen6.

25

Für die Fristberechnung sind die §§ 187 ff. BGB maßgebend. Die Hemmung und die Unterbrechung der Verjährung bestimmen sich nach den allgemeinen Vorschriften. Die Verjährungsfrist kann wegen des zwingenden Charakters der Vorschrift (Rdnr. 1) nicht vertraglich abgekürzt werden7; die Verlängerung ist zulässig (§ 202 Abs. 2 BGB), in der Praxis aber unüblich8.

1 Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 7. A.A. Trölitzsch, Differenzhaftung, S. 152 ff.: Eintragung. 2 Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 7; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 8; Wachter, in: Bork/Schäfer, Rdnr. 17. 3 Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 7; Märtens, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 31; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 9. A.A. teilweise die ältere Lit., vgl. Meyer-Landrut, Rdnr. 10 und Steinrücke, GmbHR 1992, R 73. 4 Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 8; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 9. 5 Begr. RegE, BT-Drucks. 8/1347, S. 35. Vgl. auch BGHZ 105, 300, 305; BGHZ 118, 83, 101 f. 6 Vgl. Begr. RegE, BT-Drucks. 15/3653, S. 20; zur Übergangsregelung vgl. Art. 229 § 12 Abs. 1 EGBGB i.V.m. Art. 229 § 6 Abs. 3 EGBGB. 7 Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 8; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 10; Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 12; 8 Wachter, in: Bork/Schäfer, Rdnr. 19.

520

Veil

§9

Überbewertung der Sacheinlagen

IV. Verhältnis zu anderen Ansprüchen 1. Grundlagen Ist eine Sacheinlage nicht unwesentlich überbewertet, hat das Gericht die Ein- 26 tragung abzulehnen (§ 9c Abs. 1 Satz 2), obwohl gemäß § 9 Abs. 1 ein Einlageergänzungsanspruch besteht. Das Eintragungshindernis entfällt nach teleologischer Auslegung der Vorschrift aber dann, wenn der Sacheinleger den Fehlbetrag vor der Eintragung zahlt und die Geschäftsführer dies analog § 8 Abs. 2 dem Registergericht gegenüber versichern1. Mit der Zahlung, die der Kapitalbindung gemäß § 30 unterliegt, ist dem bezweckten Gläubigerschutz Rechnung getragen. Die durch das MoMiG in § 9 Abs. 1 Satz 2 neu eingeführte Vorschrift bestimmt, 27 dass sonstige Ansprüche unberührt bleiben. Dies können nach der Vorstellung des Gesetzgebers Ansprüche auf ein durch den Wert der Sacheinlage nicht vollständig gedecktes Agio sein2. Die Vorschrift ist ferner von Bedeutung für schuldrechtliche Ansprüche wegen Schlechterfüllung (s. Rdnr. 28) und Schadensersatzansprüche gemäß § 9a Abs. 1 und 2 gegen die Geschäftsführer und Gesellschafter (s. Rdnr. 29). Auch deliktsrechtliche Ansprüche (§ 826 BGB; § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 263 StGB) kommen in Betracht.

2. Bürgerlich-rechtliche Ansprüche wegen Schlechterfüllung Beruht die Unterdeckung des für den Geschäftsanteil übernommenen Betrags 28 auf einer durch den Sacheinleger zu vertretenden Schlechterfüllung, so können der Gesellschaft neben dem Einlageergänzungsanspruch aus § 9 auch Ansprüche wegen Leistungsstörungen gemäß § 280 BGB (s. § 5 Rdnr. 62 ff.) zustehen, die im Falle der Vereinbarung einer den Nennbetrag wertmäßig übersteigenden Leistung für sie vorteilhafter sein können3. Der Gesellschaft steht es frei, welchen Anspruch sie geltend machen will4.

3. Gründungshaftung Auch Schadensersatzansprüche gegen die Geschäftsführer oder die Mitgesell- 29 schafter aus § 9a Abs. 1 oder 2 können mit dem Einlageergänzungsanspruch des § 9 zusammentreffen. Der von diesen Vorschriften vorausgesetzte Schaden ist nicht deshalb abzulehnen, weil die Gesellschaft einen Anspruch gemäß § 9 hat. Es entsteht zwischen den Ersatzpflichtigen und dem Einlageschuldner ein Gesamtschuldverhältnis (str.; s. § 9a Rdnr. 42).

1 Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 19. 2 Begr. RegE MoMiG, BT-Drucks. 16/6140, S. 36. 3 Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 9; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/ Schmidt-Leithoff, Rdnr. 11; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 21; Trölitzsch, Differenzhaftung, S. 277 ff. 4 Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 21.

Veil

521

§ 9a

Ersatzansprüche der Gesellschaft

4. Vorbelastungshaftung 30

Die Regelung des § 9 schließt Ansprüche gegen die Gründungsgesellschafter aus der von der Rechtsprechung entwickelten Vorbelastungshaftung1 wegen der Wertminderung von Sacheinlagen nicht generell aus. Diese greift beim Vorliegen der übrigen Voraussetzungen dann ein, wenn die Wertminderung im Zusammenhang mit der Geschäftsaufnahme durch die Vorgesellschaft steht, also z.B. der Wert des Einlagegegenstandes durch seine Nutzung oder Beschädigung geschmälert worden oder der Wert des fortgeführten Unternehmens nach seiner Einbringung abgesunken ist2. Sind solche Wertminderungen vor der Anmeldung eingetreten, so besteht daneben der ergänzende Geldeinlageanspruch gegen den Sacheinleger aus § 93; dieser kann aber im Falle seiner Inanspruchnahme intern von den übrigen Gründungsgesellschaftern anteilig nach Maßgabe ihrer Stammkapitalbeteiligung4 einen Ausgleich verlangen, da die Risiken aus der Geschäftsaufnahme vor der Eintragung gemeinschaftlich zu tragen sind (s. § 11 Rdnr. 148). Die Vorbelastungshaftung der Gründungsgesellschafter und ihre Ausgleichshaftung sind dagegen nicht gegeben, wenn die Wertminderung eingebrachter Sachen ohne oder unabhängig von der Geschäftsaufnahme eingetreten ist oder wenn ihre sonstigen Voraussetzungen nicht vorliegen5. Der Sacheinleger haftet in diesen Fällen – vorbehaltlich des § 24 (Rdnr. 5) – allein, jedoch nur für die bis zur Anmeldung entstandenen Wertminderungen (Rdnr. 14).

§ 9a

Ersatzansprüche der Gesellschaft (1) Werden zum Zweck der Errichtung der Gesellschaft falsche Angaben gemacht, so haben die Gesellschafter und Geschäftsführer der Gesellschaft als Gesamtschuldner fehlende Einzahlungen zu leisten, eine Vergütung, die nicht unter den Gründungsaufwand aufgenommen ist, zu ersetzen und für den sonst entstehenden Schaden Ersatz zu leisten. (2) Wird die Gesellschaft von Gesellschaftern durch Einlagen oder Gründungsaufwand vorsätzlich oder aus grober Fahrlässigkeit geschädigt, so sind ihr alle Gesellschafter als Gesamtschuldner zum Ersatz verpflichtet. (3) Von diesen Verpflichtungen ist ein Gesellschafter oder ein Geschäftsführer befreit, wenn er die die Ersatzpflicht begründenden Tatsachen weder kannte

1 BGHZ 80, 129, 140 ff.; BGHZ 105, 300, 303; BGH, WM 1982, 40. Näheres dazu s. Erl. zu § 11. 2 Märtens, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 37; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 22; SchulzeOsterloh, in: FS Goerdeler, 1987, S. 543; Karsten Schmidt, ZHR 156 (1992), 93, 130. 3 Märtens, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 37. A.A. (Vorrang der Haftung gemäß § 9) Stimpel, in: FS Fleck, 1988, S. 345, 349; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, § 11 Rdnr. 28. 4 BGHZ 80, 129, 141. 5 Vgl. dazu Meister, in: FS Werner, 1984, S. 521; Karsten Schmidt, ZHR 156 (1992), 93, 130; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 22.

522

Veil

§ 9a

Ersatzansprüche der Gesellschaft

4. Vorbelastungshaftung 30

Die Regelung des § 9 schließt Ansprüche gegen die Gründungsgesellschafter aus der von der Rechtsprechung entwickelten Vorbelastungshaftung1 wegen der Wertminderung von Sacheinlagen nicht generell aus. Diese greift beim Vorliegen der übrigen Voraussetzungen dann ein, wenn die Wertminderung im Zusammenhang mit der Geschäftsaufnahme durch die Vorgesellschaft steht, also z.B. der Wert des Einlagegegenstandes durch seine Nutzung oder Beschädigung geschmälert worden oder der Wert des fortgeführten Unternehmens nach seiner Einbringung abgesunken ist2. Sind solche Wertminderungen vor der Anmeldung eingetreten, so besteht daneben der ergänzende Geldeinlageanspruch gegen den Sacheinleger aus § 93; dieser kann aber im Falle seiner Inanspruchnahme intern von den übrigen Gründungsgesellschaftern anteilig nach Maßgabe ihrer Stammkapitalbeteiligung4 einen Ausgleich verlangen, da die Risiken aus der Geschäftsaufnahme vor der Eintragung gemeinschaftlich zu tragen sind (s. § 11 Rdnr. 148). Die Vorbelastungshaftung der Gründungsgesellschafter und ihre Ausgleichshaftung sind dagegen nicht gegeben, wenn die Wertminderung eingebrachter Sachen ohne oder unabhängig von der Geschäftsaufnahme eingetreten ist oder wenn ihre sonstigen Voraussetzungen nicht vorliegen5. Der Sacheinleger haftet in diesen Fällen – vorbehaltlich des § 24 (Rdnr. 5) – allein, jedoch nur für die bis zur Anmeldung entstandenen Wertminderungen (Rdnr. 14).

§ 9a

Ersatzansprüche der Gesellschaft (1) Werden zum Zweck der Errichtung der Gesellschaft falsche Angaben gemacht, so haben die Gesellschafter und Geschäftsführer der Gesellschaft als Gesamtschuldner fehlende Einzahlungen zu leisten, eine Vergütung, die nicht unter den Gründungsaufwand aufgenommen ist, zu ersetzen und für den sonst entstehenden Schaden Ersatz zu leisten. (2) Wird die Gesellschaft von Gesellschaftern durch Einlagen oder Gründungsaufwand vorsätzlich oder aus grober Fahrlässigkeit geschädigt, so sind ihr alle Gesellschafter als Gesamtschuldner zum Ersatz verpflichtet. (3) Von diesen Verpflichtungen ist ein Gesellschafter oder ein Geschäftsführer befreit, wenn er die die Ersatzpflicht begründenden Tatsachen weder kannte

1 BGHZ 80, 129, 140 ff.; BGHZ 105, 300, 303; BGH, WM 1982, 40. Näheres dazu s. Erl. zu § 11. 2 Märtens, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 37; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 22; SchulzeOsterloh, in: FS Goerdeler, 1987, S. 543; Karsten Schmidt, ZHR 156 (1992), 93, 130. 3 Märtens, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 37. A.A. (Vorrang der Haftung gemäß § 9) Stimpel, in: FS Fleck, 1988, S. 345, 349; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, § 11 Rdnr. 28. 4 BGHZ 80, 129, 141. 5 Vgl. dazu Meister, in: FS Werner, 1984, S. 521; Karsten Schmidt, ZHR 156 (1992), 93, 130; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 22.

522

Veil

§ 9a

Ersatzansprüche der Gesellschaft

noch bei Anwendung der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes kennen musste. (4) Neben den Gesellschaftern sind in gleicher Weise Personen verantwortlich, für deren Rechnung die Gesellschafter Geschäftsanteile übernommen haben. Sie können sich auf ihre eigene Unkenntnis nicht wegen solcher Umstände berufen, die ein für ihre Rechnung handelnder Gesellschafter kannte oder bei Anwendung der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes kennen musste. Eingefügt durch Gesetz vom 4.7.1980 (BGBl. I 1980, 836); Abs. 4 Satz 1 geändert durch das MoMiG vom 23.10.2008 (BGBl. I 2008, 2026).

Inhaltsübersicht I. Grundlagen 1. Regelungsinhalt und -zweck . . . 2. Anwendungsbereich. . . . . . . . . . .

1 3

II. 1. 2. 3. 4.

4 6 7 8

Die Gründungshaftung Anspruchsberechtigte . . . . . . . . . Rechtsnatur des Anspruchs . . . . Zwingendes Recht . . . . . . . . . . . . Kein Schutzgesetz . . . . . . . . . . . . .

III. Haftung für falsche Angaben (§ 9a Abs. 1) 1. Objektive Haftungsvoraussetzungen a) Angabe zum Zweck der Errichtung . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Urheber und Adressat . . . . . . . c) Form der Angaben . . . . . . . . . . d) Art der Angaben . . . . . . . . . . . . e) Falsche Angaben. . . . . . . . . . . . 2. Haftpflichtige Personen a) Geschäftsführer und Gesellschafter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Umwandlung . . . . . . . . . . . . . . c) Hintermänner . . . . . . . . . . . . . . 3. Verschulden . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Art und Umfang der Haftung a) Schadensersatz . . . . . . . . . . . . . b) Mitverschulden . . . . . . . . . . . .

9 10 12 13 20

23 25 26 27

IV. Haftung für Schädigung durch Einlagen oder Gründungsaufwand (§ 9a Abs. 2) 1. Anwendungsbereich . . . . . . . . . . 2. Haftungsvoraussetzungen a) Schädigung durch Einlagen oder Gründungsaufwand . . . . b) Vorsätzliches oder grob fahrlässiges Handeln . . . . . . . . . . . c) Verschulden der übrigen Gesellschafter . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Haftungsschuldner . . . . . . . . . . . 4. Haftungsumfang . . . . . . . . . . . . .

35

36 37 38 39 40

V. Gesamtschuldnerische Haftung 1. Mehrere Verantwortliche . . . . . . 2. Verhältnis zum Einlageschuldner . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

42

VI. Sonstige Ansprüche 1. Gesellschaft a) Haftung analog § 37 Abs. 1 Satz 4 AktG . . . . . . . . . . . . . . . b) Anspruch aus § 43. . . . . . . . . . c) Sonstige Ersatzansprüche . . . 2. Gesellschafter und Dritte . . . . .

43 47 48 49

41

30 34

Schrifttum: Dreher, Die Gründungshaftung bei der GmbH, DStR 1992, 33; Haas/ Wünsch, Die Haftung der Gesellschafter und Geschäftsführer nach § 9a Absatz 1 GmbHG, NotBZ 1999, 109; Lowin, Die Gründungshaftung bei der GmbH nach § 9a GmbHG, 1987; Trölitzsch, Differenzhaftung für Sacheinlagen in Kapitalgesellschaften, 1998; van Venrooy, Vertrauen des Geschäftsführers bei der Anmeldung einer Sachkapitalerhöhung und die Folgen enttäuschten Vertrauens, GmbHR 2002, 701.

Veil

523

§ 9a

Ersatzansprüche der Gesellschaft

I. Grundlagen 1. Regelungsinhalt und -zweck 1 Die Vorschrift bestimmt die Voraussetzungen der Gründungshaftung. Sie wurde mit der GmbH-Novelle von 1980 eingeführt. Ihr Zweck besteht im Gläubigerschutz1. Dem Gesetzgeber war dieses Regelungsziel so wichtig, dass er die Gründerhaftung erheblich verschärfte. Bis zur GmbH-Novelle von 1980 kannte das GmbH-Gesetz einen besonderen Haftungstatbestand nur für die anmeldenden Geschäftsführer. Der Gesetzgeber sah es als unbefriedigend an, dass namentlich die Gesellschafter, die die Gesellschaft errichten, eine nur sehr beschränkte Verantwortlichkeit für den Gründungsvorgang und insbesondere für die Deckung und Aufbringung des Stammkapitals betraf, obwohl in ihren Händen die Errichtung der Gesellschaft liegt und sie maßgebenden Einfluss auf die gesamte Gründung haben2. Bei der inhaltlichen Ausgestaltung orientierte er sich an den entsprechenden Haftungsvorschriften des Aktienrechts (§§ 46–51 AktG), da sich diese bewährt hätten und die Interessenlage für beide Gesellschaftsformen weitgehend dieselbe sei3. 2 Die Gesellschafter und die Geschäftsführer sind der GmbH für jedwede falsche Angaben zum Zwecke der Errichtung der Gesellschaft zivilrechtlich verantwortlich. Außerdem haften die Gesellschafter gemäß § 9a Abs. 2 für eine vorsätzliche oder grob fahrlässige Schädigung der Gesellschaft durch Einlagen und durch Gründungsaufwand. Die Schadensersatzsanktion soll – neben der Strafbarkeit falscher Angaben (§ 82 Abs. 1 Nr. 1, 2 und 4) – die Ordnungsmäßigkeit der Gründung sichern4. Um Umgehungen durch die Einschaltung vermögensloser Strohmanngründer zu verhindern, erstreckt das Gesetz die Gründungshaftung auch auf die Personen, für deren Rechnung die Gesellschafter Geschäftsanteile übernommen haben (§ 9a Abs. 4 Satz 1), und rechnet ihnen deren Kenntnis oder fahrlässige Unkenntnis von Umständen zu (§ 9a Abs. 4 Satz 2). Darüber hinaus besteht analog § 37 Abs. 1 Satz 4 AktG auch eine Haftung der Kreditinstitute für die Richtigkeit einer Bestätigung über die Einzahlungen auf die Einlage (s. Rdnr. 43). Die Änderung des § 9a Abs. 4 Satz 1 durch das MoMiG – statt „Stammeinlagen“ heißt es „Geschäftsanteile“ – ist darauf zurückzuführen, dass ein Gesellschafter nach neuer Terminologie nicht mehr eine Stammeinlage, sondern einen Geschäftsanteil übernimmt (s. § 3 Rdnr. 51).

2. Anwendungsbereich 3 Auf die Entstehung einer GmbH durch Umwandlung (Verschmelzung, Spaltung und Rechtsformwechsel) ist die Vorschrift des § 9a entsprechend anwendbar (§§ 36 Abs. 2, 135 Abs. 2, 197 Satz 1 UmwG)5. Nach § 57 Abs. 4 gelten bei einer Kapitalerhöhung für die Verantwortlichkeit der Geschäftsführer die Vorschriften des § 9a Abs. 1 und 3 entsprechend; eine Haftung der Gesellschafter ist dagegen 1 2 3 4 5

Begr. RegE, BT-Drucks. 8/1347, S. 27. Begr. RegE, BT-Drucks. 8/1347, S. 35. Begr. RegE, BT-Drucks. 8/1347, S. 35. Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 1, 5. Zur abweichenden Bestimmung der Verantwortlichen in diesen Fällen s. Rdnr. 25.

524

Veil

§ 9a

Ersatzansprüche der Gesellschaft

nicht vorgesehen. Schließlich findet die Vorschrift auch bei Aktivierung einer Vorratsgesellschaft oder Mantelgesellschaft analog Anwendung (s. dazu § 3 Rdnr. 26 ff., 37 ff.). Versichert der Geschäftsführer bei der Offenlegung der wirtschaftlichen Neugründung der Wahrheit zuwider, dass sich das Stammkapital endgültig in seiner freien Verfügung befindet, haftet er analog § 9a Abs. 11.

II. Die Gründungshaftung 1. Anspruchsberechtigte Der Schadensersatzanspruch aus § 9a steht der Gesellschaft zu. Er entsteht mit 4 der Eintragung der Gesellschaft in das Handelsregister2. Dies folgt aus dem Zweck des § 9a, die Aufbringung des Stammkapitals sicherzustellen. Darüber hinaus kann die Gesellschaft weitere Ansprüche haben, wenn die Beteiligten falsche Angaben gemacht haben. In Betracht kommen Ansprüche aus Vertragsverletzung gegen die Gründungsgesellschafter (Rdnr. 48) oder, wenn die Gründung scheitert, aus § 43 gegen die Geschäftsführer (Rdnr. 47). Auch setzen die Straftatbestände des § 82 Abs. 1 Nr. 1, 2 und 4 die Eintragung nicht voraus. Die Gesellschaftsgläubiger sind daher bereits im Vorfeld der Eintragung durch deliktische Schadensersatzersatzansprüche gemäß § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 82 Abs. 1 geschützt. Die Geltendmachung der Ersatzansprüche aus § 9a gegen einen Gesellschafter 5 oder einen Geschäftsführer erfordert grundsätzlich einen Gesellschafterbeschluss (§ 46 Nr. 8), der nicht Sachurteils-, sondern Anspruchsvoraussetzung ist und dessen Fehlen deshalb zur Abweisung der Klage mangels Begründetheit führt. Der betroffene Gesellschafter hat dabei kein Stimmrecht (§ 47 Abs. 4 Satz 2). Erforderlichenfalls ist zugleich ein besonderer Prozessvertreter zu bestellen. Im Insolvenzverfahren der Gesellschaft entscheidet dagegen der Insolvenzverwalter allein (§ 80 InsO). Nur er kann den zur Insolvenzmasse gehörenden Ersatzanspruch der GmbH geltend machen. Ebenso ist die Geltendmachung durch einen Pfändungsgläubiger nicht von einem Gesellschafterbeschluss abhängig3. Die Inanspruchnahme des Hintermannes eines Gesellschafters gemäß § 9a Abs. 4 setzt keinen Gesellschafterbeschluss voraus4; § 46 Nr. 8 ist nicht analog anwendbar.

2. Rechtsnatur des Anspruchs Die Vorschrift begründet eine verschuldensabhängige Schadensersatzpflicht 6 (§ 9a Abs. 1 bis 3)5. Die Bestimmung des nach § 9a Abs. 1 ersatzfähigen Scha1 BGH, GmbHR 2011, 1032, 1034. 2 OLG Rostock, GmbHR 1995, 658, 659; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 1; Hueck/ Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 19; Lowin, Gründungshaftung, S. 9 ff.; Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 12; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 20; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 9; Wachter, in: Bork/Schäfer, Rdnr. 18. 3 RG, LZ 1918, 856; RG, LZ 1929, 1460; Schaub, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 13. 4 Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 1; Schaub, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 14; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 10. 5 OLG Köln, GmbHR 1998, 42, 44; Raiser/Veil, Kapitalgesellschaften, § 26 Rdnr. 142; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 11.

Veil

525

§ 9a

Ersatzansprüche der Gesellschaft

dens unterliegt allerdings nach dem Schutzzweck der Gründungshaftung einigen Besonderheiten (Rdnr. 30 ff.), die dem Anspruch insoweit gewisse garantieähnliche Züge geben1. Die Haftung gemäß § 9a soll nach h.M. einen deliktsähnlichen Charakter aufweisen2. Vorzugswürdig ist aber eine gesellschaftsrechtliche Interpretation. Ihren Ausgangspunkt bilden die aus dem Gesellschaftsverhältnis bzw. der Organstellung fließenden Pflichten der Geschäftsführer bzw. der Gesellschafter gegenüber der GmbH, keine falschen Angaben zu machen oder die Gesellschaft nicht durch Einlagen oder Gründungsaufwand zu schädigen3. Daher ist § 32 ZPO (über den Gerichtsstand der unerlaubten Handlung) nicht anwendbar; stattdessen sind §§ 12 und 22 ZPO heranzuziehen4.

3. Zwingendes Recht 7 § 9a ist zwingendes Recht5. Die Gründungshaftung kann im Voraus vertraglich weder ausgeschlossen noch abgemildert werden. Ein nachträglicher Verzicht oder Vergleich wirkt nur in den Grenzen des § 9b Abs. 1 (s. § 9b Rdnr. 4 ff.). Eine Aufrechnung durch die Gesellschaft ist nur nach Maßgabe des § 19 Abs. 2 zulässig6.

4. Kein Schutzgesetz 8 Es sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass der Gesetzgeber mit § 9a die vermögensrechtlichen Interessen der Gläubiger hatte schützen wollen. In den Materialien zur GmbH-Novelle kommt vielmehr die Vorstellung des Gesetzgebers zum Ausdruck, dass die Gründerhaftung „nur der Gesellschaft gegenüber“ bestehen würde7. Dass der Gesetzgeber dies hatte ändern wollen, wird aus der Begründung des RegE nicht ersichtlich. Die Vorschrift des § 9a ist daher kein Schutzgesetz i.S. des § 823 Abs. 2 BGB zu Gunsten der Gesellschaftsgläubiger. Auch die Gesellschafter können keine Ansprüche gemäß § 823 Abs. 2 BGB geltend machen. Der Anspruch der Gesellschaft kann aber für einen Gesellschaftsgläubiger gepfändet werden (§§ 829, 835 ZPO). Soweit er sich auf den Ersatz von Einlagebeträgen richtet (Rdnr. 31 f.), gelten aber dieselben Einschränkungen wie für deren Pfändung (s. dazu § 19 Rdnr. 105 ff.)8.

1 Schaub, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 15; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/SchmidtLeithoff, Rdnr. 17; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 11. 2 Vgl. OLG Düsseldorf, GmbHR 1992, 373, 374; Schaub, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 16; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 34. 3 Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 1; Raiser/Veil, Kapitalgesellschaften, § 26 Rdnr. 142; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 11; a.A. Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 8 (Rechtsschein- oder Vertrauenshaftung). 4 Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 1; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 1. 5 Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 1; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 4. 6 OLG Hamm, DB 1993, 1763. 7 Begr. RegE, BT-Drucks. 8/1347, S. 35 zur Rechtslage vor der GmbH-Novelle 1980. 8 Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 8.

526

Veil

§ 9a

Ersatzansprüche der Gesellschaft

III. Haftung für falsche Angaben (§ 9a Abs. 1) 1. Objektive Haftungsvoraussetzungen a) Angabe zum Zweck der Errichtung Eine Haftung gemäß § 9a Abs. 1 setzt voraus, dass Angaben zum Zweck der Er- 9 richtung der Gesellschaft gemacht wurden. Der Ausdruck „Errichtung“ ist nicht in dem engen rechtstechnischen Sinne des Abschlusses des Gesellschaftsvertrages zu verstehen, sondern umfasst entsprechend der Abschnittsüberschrift des GmbHG den gesamten Gründungsvorgang. Die Vorschrift bezieht sich danach nur auf die Angaben, die vor der Eintragung der Gesellschaft gemacht werden1. Auf nachzureichende fehlende Unterlagen gemäß § 8 bei einer versehentlichen Eintragung (s. dazu § 8 Rdnr. 24) ist sie aber analog anzuwenden2. Erforderlich ist außerdem ein sachlicher Zusammenhang der Angaben mit dem Gründungsverfahren. Die betreffende Angabe braucht zwar nicht gesetzlich vorgeschrieben oder für die Eintragung ursächlich zu sein. Doch folgt aus dem Gesetzeszweck (Rdnr. 1), dass die Angabe für die Ordnungsmäßigkeit der Gründung erheblich sein können muss3. Dies ist bei einer Angabe, die außerhalb des Gründungsverfahrens (z.B. bei Kreditverhandlungen, Geschäftsabschlüssen der Vorgesellschaft u.ä.) gemacht worden ist, nicht der Fall. Die Vorstellung des Äußernden, dass die Angabe für die Gründung bedeutsam sein könnte, ist weder erforderlich noch ausreichend. b) Urheber und Adressat Es ist für die Haftung nach § 9a Abs. 1 nicht entscheidend, von wem die Angabe 10 stammt4. Ein Gesellschafter oder Geschäftsführer ist nicht nur für die Richtigkeit seiner eigenen Angaben, sondern auch für die aller anderen Gesellschafter und Geschäftsführer verantwortlich. Es kommt auch nicht darauf an, wer von ihnen nach den Gründungsvorschriften die betreffende Angabe zu machen hat. So haben einerseits die Geschäftsführer für die Angaben der Gesellschafter über die Übernahme der Geschäftsanteile (Rdnr. 14) oder im Sachgründungsbericht (Rdnr. 17) und andererseits die Gesellschafter, wie die Gesetzesmaterialien ausdrücklich hervorheben5, für die Angaben der Geschäftsführer in der Anmeldung (Rdnr. 16) einzustehen6. Die strenge Zurechnung soll die Prüfung der Ordnungs1 Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 3; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 5 ff.; Raiser/Veil, Kapitalgesellschaften, § 26 Rdnr. 141; Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 4; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 6; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 12. 2 A.A. Schaub, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 18; Tebben, in: Michalski, Rdnr. 5. 3 Vgl. Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 3; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 11; von Rössing, Sachgründung, S. 115; Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 4; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 12. 4 Vgl. Karsten Schmidt, NJW 1980, 1769, 1771; Deutler, GmbHR 1980, 145, 148; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 2; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/ Schmidt-Leithoff, Rdnr. 7. 5 Bericht des Rechtsausschusses, BT-Drucks. 8/3908, S. 71. 6 Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 3; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 2; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 8; Schaub, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 38. A.A. Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 33 f.: Gesellschafter ohne maßgebliche Beteiligung haften nur, wenn sie die Angabe selbst gemacht oder veranlasst haben.

Veil

527

§ 9a

Ersatzansprüche der Gesellschaft

mäßigkeit der Gründung durch alle Verantwortlichen (Rdnr. 23 ff.) gewährleisten (Rdnr. 1). Sie wird allerdings (nur) durch das Verschuldenserfordernis (Rdnr. 27 ff.) begrenzt1. Eine Haftung kann ebenfalls durch die Angabe eines Dritten (z.B. Auskunftspersonen, Berater, Bewertungssachverständige, Belegaussteller u.a.) begründet werden, wenn er am Gründungsverfahren mit Kenntnis zumindest eines Verantwortlichen (Rdnr. 23 ff.) mitgewirkt oder ein Verantwortlicher sie sich zu eigen gemacht hat2. 11

Der nach § 9a Abs. 1 relevante Adressatenkreis der Angabe beschränkt sich nicht auf das Registergericht, sondern umfasst auch die Geschäftsführer, die Mitgesellschafter und andere am Gründungsverfahren Beteiligte, z.B. die Organe des Handels- und des Handwerksstandes bei ihrer Mitwirkung am Eintragungsverfahren (§ 380 FamFG), hinzugezogene Bewertungssachverständige oder der beurkundende Notar3. Voraussetzung ist allein, dass die Angaben „zum Zweck der Errichtung der Gesellschaft“ gemacht werden. Dass auch die Mitgesellschafter als taugliche Empfänger in Betracht kommen, ergibt sich aus dem Umstand, dass das Gesetz ihnen die Sorge für die Ordnungsmäßigkeit der Gründung übertragen hat und damit die richtige gegenseitige Unterrichtung voraussetzt. Die Angaben gegenüber der für eine staatliche Genehmigung des Unternehmensgegenstandes zuständigen Behörde fallen dagegen nicht unter § 9a Abs. 14. Denn seit dem MoMiG ist die Vorlage einer Genehmigungsurkunde im Eintragungsverfahren entbehrlich (s. § 8 Rdnr. 21). c) Form der Angaben

12

Die Einhaltung der gesetzlichen Form der Angabe ist für die Haftung aus § 9a Abs. 1 unerheblich. Sie greift deshalb z.B. auch dann ein, wenn die Geschäftsführer die Versicherung nach § 8 Abs. 2 nicht in öffentlich beglaubigter Form (s. § 8 Rdnr. 23) abgegeben haben und die Gesellschaft dennoch versehentlich eingetragen worden ist. Es kommen im Übrigen nicht nur schriftliche, sondern auch mündliche Angaben, z.B. gegenüber dem Bewertungssachverständigen (Rdnr. 11) in Betracht5, soweit sie erkennbar verbindlich sein sollten und für die Gründung erheblich sein können (Rdnr. 9). Sie müssen nicht ausdrücklich erfolgen. Haftungsbegründend kann schließlich auch das Unterlassen einer Angabe sein6; es muss allerdings eine gesetzliche Pflicht bestanden haben, eine entsprechende Angabe zu machen.

1 Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 3; Schaub, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 39. 2 Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 3; Raiser/Veil, Kapitalgesellschaften, § 26 Rdnr. 142; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 8; enger Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 33. 3 Vgl. OLG Köln, GmbHR 1998, 42, 44; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 3; Schaub, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 48; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 8; Wachter, in: Bork/Schäfer, Rdnr. 12. 4 Schaub, in: MünchKomm. GmbHG, 2010, Rdnr. 49. 5 Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 3; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 12. 6 Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 5; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 15.

528

Veil

§ 9a

Ersatzansprüche der Gesellschaft

d) Art der Angaben Die Art der Angaben, für deren Richtigkeit gehaftet wird, bestimmt das Gesetz, 13 abweichend vom Aktienrecht (§ 46 Abs. 1 Satz 1 AktG), nicht näher. Die h.M. nimmt daher an, dass alle für das Eintragungsverfahren relevanten Angaben eine Haftung nach § 9a Abs. 1 begründen können1. Dagegen ist in der 9. Auflage vertreten worden, die Vorschrift des § 9a Abs. 1 könne trotz der allgemein gehaltenen Wortfassung nicht dahingehend ausgelegt werden, dass alle möglichen zum Zwecke der Gesellschaftserrichtung gemachten Angaben einschränkungslos einbezogen werden sollten. Eine derartige uferlose Ausdehnung des Anwendungsbereichs sei wertungsmäßig nicht zu rechtfertigen und widerspreche dem Sinn der herkömmlichen Gründungshaftung, die das Gesetz wegen der weitgehend übereinstimmenden Interessenlage in Anlehnung an die einschlägigen aktienrechtlichen Bestimmungen mit wenigen rechtsformspezifischen Besonderheiten nur habe übernehmen wollen2. Die abschließende Aufzählung der haftungserheblichen Angaben in § 9a Abs. 1 Satz 1 RegE, die dem Rechnung trug3, sei ausweislich der Gesetzesmaterialien nicht aus sachlichen, sondern nur aus redaktionellen Gründen weggelassen worden. Die Haftung sei daher unter Restriktion des Gesetzeswortlautes wie im Aktienrecht auf die Angaben zu beschränken, die die Übernahme sowie die Aufbringung des Stammkapitals und den Gründungsaufwand betreffen. An dieser Ansicht wird seit der 10. Auflage nicht mehr festgehalten. Es besteht sehr wohl ein Bedürfnis dafür, auch andere Sachverhalte zu erfassen. In Betracht kommen etwa Angaben über den Unternehmensgegenstand4, über die Eignung der Geschäftsführer (§ 8 Abs. 3 Satz 1; § 6 Abs. 2)5 und über Vorbelastungen aus der Aufnahme der Geschäftstätigkeit6. Dass diese Vorgänge nicht zu einer Gründungshaftung führen sollen, lässt sich den Gesetzesmaterialien nicht entnehmen. Hinzu kommt, dass teleologische Gesichtspunkte nicht zu einer sklavisch an § 46 AktG orientierten Auslegung zwingen. aa) Erheblich sind die Angaben über die Übernahme der Geschäftsanteile, die im 14 Gesellschaftsvertrag erfolgen müssen (§ 3 Abs. 1 Nr. 4) und sich aus der einzureichenden Gesellschafterliste ergeben (§ 8 Abs. 1 Nr. 3). Das betrifft zunächst deren Vollständigkeit und Rechtswirksamkeit, für die insbesondere die Angaben über die Vertretungsmacht, über die Geschäftsfähigkeit und eine eventuell notwendige Zustimmung des Ehegatten bedeutsam werden können (s. § 2 Rdnr. 32, 72), während die Scheinübernahme wegen der Unbeachtlichkeit dieses Erklärungsmangels nach Eintragung (s. § 2 Rdnr. 83) und des daher fehlenden Gesellschaftsschadens regelmäßig keine Haftung nach § 9a Abs. 1 auslösen kann. Bei der Strohmanngründung (s. § 2 Rdnr. 54 ff.) braucht dieser Umstand nicht offen1 Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 10; Raiser/Veil, Kapitalgesellschaften, § 26 Rdnr. 141; Schaub, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 19; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 15; Wachter, in: Bork/Schäfer, Rdnr. 9; wohl auch Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/ Schmidt-Leithoff, Rdnr. 6. 2 Begr. RegE, BT-Drucks. 8/1347, S. 35 f. 3 Bericht des Rechtsausschusses, BT-Drucks. 8/3908, S. 71. 4 Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 4. 5 Raiser/Veil, Kapitalgesellschaften, § 26 Rdnr. 141; Schaub, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 34; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 15. 6 Vgl. Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 8. S. hierzu sogleich unter Rdnr. 26.

Veil

529

§ 9a

Ersatzansprüche der Gesellschaft

gelegt zu werden1. Seit dem MoMiG sind auch Angaben zu den Nennbeträgen und den laufenden Nummern der Geschäftsanteile zu machen (s. § 8 Rdnr. 11); auch diese können falsch sein und eine Haftung begründen. 15

Bedeutsam sind ferner Angaben über den Gegenstand der Einlage und seine Verfügbarkeit. So müssen die Geschäftsführer in der Anmeldung die Versicherung abgeben, dass die in § 7 Abs. 2 und 3 bezeichneten Leistungen auf die Geschäftsanteile bewirkt sind und dass der Gegenstand der Leistungen sich endgültig in der freien Verfügung der Geschäftsführer befindet (§ 8 Abs. 2 Satz 1). Eine falsche Angabe liegt folglich vor, wenn eine Zahlung nicht oder nicht in der angegebenen Höhe erfolgt ist2. Ein weiterer zum Schadensersatz verpflichtender Fall liegt vor, wenn die Barbeträge an den Gesellschafter zurückgeflossen sind, etwa im Rahmen einer verdeckten Sacheinlage (vgl. § 19 Abs. 4) oder im Rahmen eines Darlehens (sog. Hin- und Herzahlen, vgl. § 19 Abs. 5)3. Unrichtige Zusagen über Eigenschaften eines Sacheinlage- oder Sachübernahmegegenstandes, das Verschweigen offenbarungspflichtiger Mängel oder von Belastungen des Gegenstandes (Rdnr. 17) können nach § 9a Abs. 1 haftbar machen4.

16

bb) Die Gründungshaftung bezieht sich auf alle in der Versicherung gemäß § 8 Abs. 2 oder in sonstigen Erklärungen (z.B. im Gesellschaftsvertrag) gemachten Angaben über die vor der Anmeldung geleisteten Einlagen. Es ist unerheblich, ob es sich um die gesetzlich vorgeschriebenen Mindestleistungen (§ 7 Abs. 2 und 3) oder um statutarisch geforderte oder freiwillige Mehrleistungen (s. § 7 Rdnr. 46) handelt5. Zwar erstreckt sich die registergerichtliche Prüfung nicht auf solche Mehrleistungen (s. § 9c Rdnr. 30). Der Gesetzgeber hat aber die Gründungshaftung bei der GmbH-Novelle 1980 tatbestandlich weit konzipiert und die in der früheren Vorschrift (vgl. § 9 Abs. 1 a.F.) vorgesehene Bezugnahme auf Angaben über die Leistungen der gesetzlich vorgeschriebenen Mindesteinlagen aufgegeben6. Die Angaben über die Einzahlungen und die Sacheinlageleistungen müssen nach ihrem Umfang, ihrem Gegenstand und der Art der Bewirkung zutreffen. Bei einer Sachübernahme mit Anrechnungsabrede (s. § 5 Rdnr. 73 ff.) gilt das außerdem für die Wiedergabe des wesentlichen Inhalts des Übernahmevertrages im Sachgründungsbericht und die beigefügten Vertragsabschriften (s. § 8 Rdnr. 15). Die Versicherung, wonach der Gegenstand der Geld- und Sacheinlageleistungen sich endgültig in der freien Verfügung der Geschäftsführer befindet (§ 8 Abs. 2), beinhaltet auch (s. dazu § 7 Rdnr. 34, 36), dass keine Pflichten oder Zusagen zur Rückzahlung, keine Verwendungsabreden zugunsten des Einlageschuldners oder ihm nahestehender Personen oder keine Haftungsrisiken aus der Mittelbeschaffung für die Gesellschaft bestehen (s. § 7 Rdnr. 32). Dagegen ist

1 Schaub, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 25; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 19. 2 Schaub, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 27. 3 Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 4; Schaub, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 27 und 29; Wachter, in: Bork/Schäfer, Rdnr. 9. 4 Schaub, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 30. 5 Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 8; Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 8; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 20; vgl. auch OLG Düsseldorf, GmbHR 1995, 582, 583; OLG Celle, NZG 2000, 1178, 1179 und Schaub, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 28: nur bei statutarisch vereinbarten Mehrleistungen. 6 Vgl. Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 20.

530

Veil

§ 9a

Ersatzansprüche der Gesellschaft

ihr nicht der Erklärungsinhalt beizumessen, dass die eingezahlten Beträge bei der Anmeldung wertmäßig noch ungeschmälert vorhanden sind1. Nach zutreffendem Verständnis kommt der Versicherung nur die Bedeutung zu, dass die Einlagen einmal wirksam geleistet worden und an den Gesellschafter nicht zurückgeflossen sind. Hat die Gesellschaft bereits vor der Anmeldung ihre Geschäfte begonnen und Verluste erlitten, ist der Geschäftsführer allerdings verpflichtet, für den Ausgleich der Vorbelastungen zu sorgen. Auch hat er bei der Anmeldung zu erklären, dass das Nettovermögen nicht geringer ist als das ausgewiesene Stammkapital (s. dazu § 8 Rdnr. 27). Diese Versicherung kann ebenfalls eine Haftung nach § 9a Abs. 1 auslösen2. cc) Die Angaben im Gesellschaftsvertrag (§ 8 Abs. 1 Nr. 1), im Sachgründungs- 17 bericht (§§ 5 Abs. 4 Satz 2, 8 Abs. 1 Nr. 4), in den beigefügten Wertunterlagen (§ 8 Abs. 1 Nr. 5) und in sonstigen Erklärungen über den Wert der Sacheinlage- oder Sachübernahmegegenstände unterliegen § 9a Abs. 1. Sie können die wertungserheblichen Umstände des Gegenstandes betreffen, die angewandte Bewertungsmethode, die zugrunde gelegten Maßstäbe und mitgeteilten Werturteile anderer. Der Sachgründungsbericht gemäß § 5 Abs. 4 Satz 2 hat alle für die Angemessenheit der Leistungen für Sacheinlagen wesentlichen Umstände darzulegen (s. dazu § 5 Rdnr. 103 ff.), darf also keine unvollständigen Angaben machen, wenn er sich mit der Bewertung des Gegenstandes befasst. Die beigefügten Wertunterlagen (§ 8 Abs. 1 Nr. 5) müssen nicht nur selbst inhaltlich richtig sein, sondern müssen auch auswahlmäßig ein zutreffendes Bild über die durch sie belegten Umstände, z.B. den Marktpreis des Gegenstandes (s. § 8 Rdnr. 18), vermitteln. Seit dem MoMiG sind keine Angaben über die Sicherungen für ausstehende Geldeinlagen bei Einmann-Gründungen (§ 8 Abs. 2 Satz 2 a.F.) mehr zu machen, so dass eine Gründungshaftung insoweit nicht mehr entstehen kann.

18

dd) Ferner sind Angaben über den von der Gesellschaft zu übernehmenden Gründungsaufwand haftungsbewehrt; dies ist in § 9a Abs. 1 ausdrücklich festgelegt. Zweck dieser Vorschrift ist es, die nicht erwähnte Belastung der Gesellschaft durch Zahlung im Außenverhältnis geschuldeter Aufwendungen (s. § 5 Rdnr. 112) oder durch gesetzwidrige Zahlung zu verhindern3.

19

e) Falsche Angaben Eine falsche Angabe i.S. des § 9a Abs. 1 liegt nicht nur dann vor, wenn die aus- 20 drückliche oder konkludente Mitteilung für sich genommen inhaltlich objektiv unrichtig ist, sondern ist auch dann gegeben, wenn durch das Verschweigen von Einzelumständen insgesamt ein mit der Wirklichkeit objektiv nicht übereinstimmender Sinn vermittelt wird4, z.B. wenn in der Versicherung über die end1 Vgl. Karsten Schmidt, AG 1986, 106, 114 f. A.A. LG Bonn, GmbHR 1988, 193; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 21. 2 So wohl auch BGHZ 80, 182, 185. 3 Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 5; Schaub, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 33; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 29. 4 OLG Bremen, GmbHR 1998, 40, 41; Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 5; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 16.

Veil

531

§ 9a

Ersatzansprüche der Gesellschaft

gültige freie Verfügbarkeit der eingezahlten Geldeinlage (§ 8 Abs. 2) die Abrede über deren Verwendung zum Erwerb eines Vermögensgegenstandes von dem Einleger (Rdnr. 15 f.) oder im Sachgründungsbericht bei der Darlegung der Angemessenheit eine wertmindernde Eigenschaft des Vermögensgegenstandes (Rdnr. 17) übergangen wird. Soweit das Gesetz keine speziellen Anforderungen stellt, bestimmt sich der Umfang der offenbarungspflichtigen Umstände nach ihrer Erheblichkeit für eine zutreffende Beurteilung des Aussagegegenstandes durch einen außenstehenden Adressaten. Andererseits müssen bei der Ermittlung des Aussageinhaltes einer Einzelangabe auch die sonstigen Erklärungen und die eingereichten Unterlagen mit herangezogen werden. Ergibt sich aus ihnen zweifelsfrei, dass sich der Betreffende bei der Angabe nur missverständlich oder falsch ausgedrückt, aber das Richtige gemeint hat, so greift § 9a Abs. 1 nicht ein1. 21

Für die Beurteilung, ob die Angabe falsch ist, kommt es auf die Verhältnisse im Zeitpunkt der Mitteilung an2. Spätere Änderungen sind unerheblich. Ebenso wenig besteht eine generelle Pflicht des Betreffenden, beim Eintritt von Änderungen der tatsächlichen Verhältnisse jeweils erneut tätig zu werden3. Die Beanstandungen der Anmeldung durch eine Zwischenverfügung des Registergerichts müssen dagegen unter Berücksichtigung der eingetretenen Änderungen erledigt werden. Anderenfalls greift für die zu ihrer Behebung gemachten Angaben § 9a Abs. 1 ein4.

22

Die Berichtigung falscher Angaben ist bis zur Eintragung der Gesellschaft in das Handelsregister möglich5, muss allerdings in einer für Außenstehende ohne Weiteres ersichtlichen unzweideutigen Weise in der für die betreffende Mitteilung vorgeschriebenen Form geschehen. Eine Haftung aus § 9a Abs. 1, die von der Eintragung abhängig ist (Rdnr. 4), entfällt dann, kann aber nach anderen Vorschriften bestehen6.

2. Haftpflichtige Personen a) Geschäftsführer und Gesellschafter 23

Die Haftung trifft die Geschäftsführer und die Gesellschafter (§ 9a Abs. 1). Sie erstreckt sich auch auf einen Geschäftsführer, dessen Bestellung unwirksam

1 RGZ 127, 186, 193 f. 2 OLG München, BB 1990, 1151, 1152; OLG Bremen, GmbHR 1998, 40, 41 f.; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 5; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 12; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 17. A.A. (Zeitpunkt der Eintragung) OLG Rostock, GmbHR 1995, 658, 659; Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 10; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 12; offengelassen von OLG Köln, ZIP 1999, 399, 401. 3 OLG München, BB 1990, 1151, 1152; OLG Bremen, GmbHR 1998, 40, 42; OLG Rostock, GmbHR 1995, 658, 659; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 5; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 8; Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 10; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 12; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 17. 4 Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 17. 5 Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 12; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/ Schmidt-Leithoff, Rdnr. 11; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 18. 6 Schaub, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 37; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 18.

532

Veil

§ 9a

Ersatzansprüche der Gesellschaft

war, der das Amt aber in der Gründungszeit tatsächlich ausgeübt hat1. Es ist dabei nicht von Bedeutung, wer von ihnen die Angabe zu machen hatte und ob der Haftpflichtige an ihr persönlich mitgewirkt hat (Rdnr. 10). Aufsichtsratsmitglieder fallen nicht unter § 9a, können aber nach allgemeinen Vorschriften haften (§ 52 GmbHG, §§ 93 Abs. 1 u. 2, 116 AktG)2. Ein vor der Eintragung ausgeschiedener Geschäftsführer oder Gesellschafter haftet nicht nach § 9a Abs. 13. Der Anspruch entsteht nämlich erst mit der Eintragung der Gesellschaft in das Handelsregister (Rdnr. 4). In Betracht kommen aber Schadensersatzansprüche gegen den früheren Gesellschafter aus anderen Rechtsgründen und seine strafrechtliche Verantwortlichkeit (§ 82 Abs. 1 Nr. 1, 2) für das eigene Fehlverhalten. Ein während der Gründungszeit beitretender neuer Gesellschafter haftet uneingeschränkt nach § 9a Abs. 1, da seine Prüfungspflicht sich auch auf die Vorgänge vor seinem Beitritt bezieht4.

24

b) Umwandlung Die Haftung aus § 9a trifft bei der Gründung einer GmbH im Wege der Ver- 25 schmelzung oder Spaltung die zur Registeranmeldung berufenen Mitglieder des Vertretungsorgans des übertragenden Rechtsträgers (§§ 38 Abs. 2, 137 Abs. 1 UmwG) und diesen selbst als Gründer (§§ 36 Abs. 2 Satz 2, 135 Abs. 2 Satz 2 UmwG)5, nicht dagegen die Gesellschafter der GmbH6. Eine Abweichung ergibt sich für die Ausgliederung zur Neugründung aus dem Vermögen eines Einzelkaufmanns, bei der er persönlich und der Geschäftsführer der GmbH haften (§§ 135 Abs. 2, 160 Abs. 1 UmwG). Beim Formwechsel einer Personenhandelsgesellschaft in eine GmbH sind deren Geschäftsführer (§ 222 Abs. 1 Satz 1 UmwG) und die der Umwandlung zustimmenden Gesellschafter des formwechselnden Rechtsträgers verantwortlich (§ 219 UmwG), während beim Formwechsel einer AG oder KGaA in eine GmbH die Verantwortlichkeit nur die Mitglieder des Vertretungsorgans des formwechselnden Rechtsträgers trifft (§ 246 Abs. 1 UmwG) und, wie der Umkehrschluss aus § 245 UmwG ergibt, eine Gründerhaftung der Gesellschafter entfällt7. 1 Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 2; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 2; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 32. 2 Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 4. 3 OLG Rostock, GmbHR 1995, 658, 660; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 2; Hueck/ Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 2; von Rössing, Sachgründung, S. 116; Schaub, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 38; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 12; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 32. A.A. Münzel, BB 1994, 2164, 2165; Roth, in: Roth/ Altmeppen, Rdnr. 15, der bei vorher ausgeschiedenen Gesellschaftern aber § 9a Abs. 3 für gegeben hält. Noch weitergehend Lowin, Gründungshaftung, S. 81 ff. 4 Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 2; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 2; Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 15; einschr. Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 35: Haftung nur für Angaben nach seinem Beitritt. 5 Für den Ersatzanspruch gilt die Fortbestehensfiktion des übertragenden Rechtsträgers gemäß §§ 25 Abs. 2, 125 Satz 1 UmwG. 6 Kallmeyer, ZIP 1994, 1746, 1753; Ihrig, GmbHR 1995, 662, 634. A.A. M. Winter, in: Lutter, § 56 UmwG Rdnr. 26. 7 Decher, in: Lutter, § 197 UmwG Rdnr. 35; Happ/Göthel, in: Lutter, § 245 UmwG Rdnr. 26.

Veil

533

§ 9a

Ersatzansprüche der Gesellschaft

c) Hintermänner 26

Die Haftung erweitert § 9a Abs. 4 Satz 1 durch die Einbeziehung von Personen, für deren Rechnung die Gesellschafter Geschäftsanteile übernommen haben. Die Vorschrift ist § 46 Abs. 5 AktG nachgebildet1 und soll verhindern, dass sich jemand der Verantwortlichkeit durch das Vorschieben eines vermögenslosen Strohmannes entzieht. Nach einem Teil der Lit. sollen solche Personen auszunehmen sein, die keine oder nur eine unwesentliche Einflussmöglichkeit auf die Gründung haben2. Als Beispiel wird der Fall genannt, dass kraft testamentarischer Anordnung eine vom Erben unabhängige Person für ihn einen Geschäftsanteil übernehmen und für eine gewisse Zeit treuhänderisch halten soll. Auch bei einem Unterbeteiligungsverhältnis soll eine teleologische Reduktion der Vorschrift erfolgen3. Die restriktive Auslegung überzeugt nicht und ist daher abzulehnen4. Sie wird dem Zweck der Vorschrift, einer Umgehung der haftungsrechtlichen Verantwortlichkeiten zu begegnen, nicht gerecht.

3. Verschulden 27

Die Haftung setzt ein Verschulden des betreffenden Geschäftsführers oder Gesellschafters voraus (§ 9a Abs. 3). Der Anspruchsgegner muss schuldfähig sein (§§ 827 f. BGB)5 und haftet für Vorsatz und Fahrlässigkeit. Maßstab der anzuwendenden Sorgfalt ist die eines ordentlichen Geschäftsmannes (§ 9a Abs. 3). Die Beteiligten können sich deshalb nicht damit entschuldigen, dass ihnen die erforderliche Ausbildung oder Erfahrung gefehlt habe6. Alle Verantwortlichen haben für die Ordnungsmäßigkeit der zwecks Errichtung der Gesellschaft gemachten Angaben zu sorgen. Die Berufung darauf, dass der Geschäftsführer oder Gesellschafter für die Angaben nicht zuständig gewesen sei, keine Kenntnis von ihr gehabt habe oder selbst durch einen Mitbeteiligten oder Dritten getäuscht worden sei, entlastet ihn daher nur, wenn er trotz Anwendung der erforderlichen Sorgfalt von ihr nichts wissen und/oder deren Unrichtigkeit nicht erkennen konnte7. Bedient sich ein Gesellschafter eines Gehilfen, so muss er sich dessen Verschulden analog § 9a Abs. 4 Satz 2 zurechnen lassen8. Der maßgebliche Zeitpunkt für die Kenntnis oder fahrlässige Unkenntnis der Angabe und ihrer Unrichtigkeit ist die Eintragung der Gesellschaft9. Der Geschäftsführer oder Ge1 Vgl. Bericht des Rechtsausschusses, BT-Drucks. 8/3908, S. 35 f. 2 Karsten Schmidt, NJW 1980, 1769, 1771; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 36; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 4; ebenso die 10. Aufl. 3 Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 36. 4 Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 13; Schaub, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 42; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 28; Wachter, in: Bork/Schäfer, Rdnr. 25. 5 Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 6. 6 Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 6; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 38. 7 Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 6; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 17; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 14; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 38. 8 Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 12; Schaub, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 59; teilweise wird angenommen, dass sich die Zurechnung nach § 166 Abs. 2 BGB beurteile, vgl. Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 21 und Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/SchmidtLeithoff, Rdnr. 15. 9 KG, NZG 2000, 841, 843; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 40.

534

Veil

§ 9a

Ersatzansprüche der Gesellschaft

sellschafter haftet auch, wenn die genannten Umstände nach der Abgabe, aber vor der Eintragung ihm bekannt oder erkennbar werden und er die unrichtige Angabe nicht berichtigt oder die Berichtigung oder die Rücknahme der Anmeldung nicht veranlasst1. Das Verschulden wird beim Vorliegen der objektiven Haftungsvoraussetzungen (Rdnr. 9 ff.) gesetzlich vermutet (§ 9 Abs. 3). Ein Geschäftsführer oder Gesellschafter wird also nur von der Haftung frei, wenn er seinerseits den Entlastungsbeweis führt.

28

Der Hintermann, für dessen Rechnung ein anderer den Geschäftsanteil über- 29 nommen hat (Rdnr. 26), haftet für das Verschulden dieses Gesellschafters und für eigenes Verschulden (§ 9a Abs. 4). Er kann sich also nur durch den Nachweis entlasten (Rdnr. 28), dass weder er noch der für seine Rechnung handelnde Gesellschafter die Angabe und ihre Unrichtigkeit kannte oder bei gebotener Sorgfalt kennen konnte (Rdnr. 27)2.

4. Art und Umfang der Haftung a) Schadensersatz Der Anspruch geht auf den Ersatz des der Gesellschaft durch die falsche Angabe 30 entstandenen Schadens. Sein Umfang bestimmt sich nach dem Schutzzweck des § 9a Abs. 1, die Ordnungsmäßigkeit der Gründung der GmbH sicherzustellen3. Die Gesellschaft ist deshalb so zu stellen, wie sie stehen würde, wenn die betreffende Angabe zutreffend gewesen wäre4. Der Einwand, dass ein ersatzfähiger Schaden deswegen nicht bestehe, weil die GmbH ohne die falsche Angabe gar nicht entstanden wäre, ist danach unbeachtlich. Der Anspruch umfasst den gesamten durch die Falschangabe adäquat verursachten Schaden der Gesellschaft einschließlich eines ihr entgangenen Gewinnes5. aa) Beziehen sich die unrichtigen Angaben auf die Einlageleistung, so sind die 31 fehlenden Einzahlungen geschuldet (§ 9a Abs. 1). Die fortbestehende Einlagepflicht schließt einen ersatzfähigen Schaden auch dann nicht aus, wenn der Gesellschafter zahlungsfähig ist6. Die Gesellschaft braucht ihn nicht vorrangig in Anspruch zu nehmen7. Es besteht ein Gesamtschuldverhältnis. Daneben ist auch der sonstige Schaden zu ersetzen (Rdnr. 30), der sich z.B. daraus ergeben kann, dass die Gesellschaft zur Erfüllung von Verpflichtungen außerstande ist8. 1 Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 40. 2 Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 17; Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 20; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 39. 3 Vgl. dazu RGZ 144, 348, 356; BGHZ 64, 52, 58 betr. die Gründerhaftung bei der AG. 4 RGZ 144, 348, 356 f. (AG); KG, NZG 2000, 841, 842; OLG Rostock, GmbHR 1995, 658, 660; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 13; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 41. 5 Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 7; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 16; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 41. 6 OLG Hamm, GmbHR 1994, 399, 401; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 6; Hueck/ Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 14; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 42 f. 7 BGHZ 113, 335, 355 f.; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 43. 8 BGHZ 64, 52, 61 (AG); OLG Rostock, GmbHR 1995, 658, 600; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 41.

Veil

535

§ 9a

Ersatzansprüche der Gesellschaft

32

bb) Entsprechendes gilt, obwohl der Gesetzeswortlaut das nicht ausdrücklich erwähnt, auch bei unrichtigen Angaben über die Leistung der Sacheinlagen1. Sind sie entgegen der Versicherung (§ 8 Abs. 2) nicht erbracht worden, haben die Haftpflichtigen (Rdnr. 23 ff.), wenn nach den allgemeinen Vorschriften (§§ 249 ff. BGB) eine Naturalherstellung durch die Bewirkung der vereinbarten Sacheinlage ausscheidet, Geldersatz in Höhe ihres vollen Werts zu leisten, soweit er nach dem Gesellschaftsvertrag der GmbH zu Gute kommen sollte. Bei gemischten Sacheinbringungen (s. § 5 Rdnr. 81 ff.) ist also der dem Einlagepflichtigen zu vergütende Teilbetrag abzuziehen. Bei unrichtigen Angaben über die Bewertung von Sacheinlagen ist Geldersatz in Höhe der Differenz zwischen dem tatsächlichen Wert des Einlagegegenstandes (s. § 5 Rdnr. 57 ff.) und dem Wert zu leisten, der sich ergeben würde, wenn die Angabe zuträfe, jedoch begrenzt durch den der Gesellschaft nach dem Gesellschaftsvertrag zustehenden Einlagewert. Er kann, wenn ausdrücklich oder konkludent ein Agio vereinbart war (s. § 5 Rdnr. 21), über dem Betrag des Geschäftsanteils liegen2. Der Ersatzanspruch aus § 9a Abs. 1 wird in diesen Fällen genauso wenig wie bei fehlenden Einzahlungen (Rdnr. 31) davon berührt, dass der Einlageschuldner zur Leistung des Einlagegegenstandes oder des Fehlbetrages bei Überbewertung (§ 9 Abs. 1) in der Lage ist3.

33

cc) War eine Vergütung, die im Gesellschaftsvertrag nicht unter dem Gründungsaufwand aufgenommen worden ist (s. dazu § 5 Rdnr. 112 ff.), für diesen Zweck von der Gesellschaft geleistet worden, so haben die Haftpflichtigen (Rdnr. 23 ff.) ohne Rücksicht darauf Ersatz zu leisten, ob sie vom Empfänger zurückgefordert werden kann4. Das gilt auch dann, wenn die Mittel dafür nicht den gesetzlichen Mindesteinzahlungen (§ 7 Abs. 2), sondern den freiwilligen Mehrleistungen (s. § 7 Rdnr. 47) oder anderen Gesellschafterbeiträgen als Einlageleistungen (s. § 5 Rdnr. 21) entnommen worden sind. Dass die Versicherung nach § 8 Abs. 2 sich nicht auf sie bezieht, ist unerheblich. b) Mitverschulden

34

Die Berufung auf ein mitwirkendes Verschulden der Gesellschaft bei der Entstehung des Schadens (§ 254 Abs. 1 BGB) ist nach dem Schutzzweck des § 9a Abs. 1 ausgeschlossen5. Wohl aber kann, wenn die Obliegenheit zur Schadensminderung nach der Eintragung der Gesellschaft durch andere Geschäftsführer als die Haftpflichtigen verletzt wird, die Vorschrift des § 254 Abs. 2 BGB eingreifen6. Die Weisungsgebundenheit der Geschäftsführer schließt die Anwendung 1 KG, NZG 2000, 841, 842; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 7; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 14; Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 16; Trölitzsch, Differenzhaftung, S. 272 f.; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 42. 2 Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 43 a.E.; Trölitzsch, Differenzhaftung, S. 273; einschränkend wohl Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 7 und Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/ Schmidt-Leithoff, Rdnr. 18, die wie nach § 9 Abs. 1 haften lassen. 3 Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 7; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 43, 46. 4 Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 42. 5 RGZ 154, 276, 286; BGHZ 64, 52, 60 f. betr. AG; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 8; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 45; vgl. auch BGHZ 113, 335, 355 für die Haftung aus § 37 Abs. 1 Satz 4 AktG. 6 RGZ 154, 276, 286; BGHZ 64, 52, 60 f. betr. AG; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 21; zweifelnd Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 45.

536

Veil

§ 9a

Ersatzansprüche der Gesellschaft

dieser Vorschrift nicht generell aus. Allerdings kann im Falle einer verbindlichen Weisung durch die Gesellschafter der Vorwurf eines fahrlässigen Verhaltens hinsichtlich der Schadensentstehung ausscheiden.

IV. Haftung für Schädigung durch Einlagen oder Gründungsaufwand (§ 9a Abs. 2) 1. Anwendungsbereich Wird die Gesellschaft von Gesellschaftern durch Einlagen oder Gründungsauf- 35 wand vorsätzlich oder aus grober Fahrlässigkeit geschädigt, so sind ihr alle Gesellschafter als Gesamtschuldner zum Ersatz verpflichtet (§ 9a Abs. 2). Die Vorschrift ist gegenüber § 9a Abs. 1 subsidiär1. Sie soll bei solchen Schädigungen der Gesellschaft durch Einlagen oder Gründungsaufwand eingreifen, die nicht durch falsche Angaben verursacht worden sind2. Die praktische Bedeutung des Haftungstatbestandes, der § 46 Abs. 2 AktG nachgebildet ist, ist gering.

2. Haftungsvoraussetzungen a) Schädigung durch Einlagen oder Gründungsaufwand Erforderlich ist eine Schädigung der Gesellschaft durch Einlagen oder Grün- 36 dungsaufwand. Sie muss abweichend von § 9a Abs. 1 auf anderen Ursachen als falschen Angaben beruhen (Rdnr. 35), kann aber andererseits auch nach der Eintragung der Gesellschaft erfolgt sein3. Die Voraussetzungen können deshalb insbesondere bei statutarisch vorgesehenen Mehrleistungen auf die Geschäftsanteile (s. § 7 Rdnr. 46 ff.) erfüllt sein, die nicht von der Versicherung gem. § 8 Abs. 2 umfasst werden (s. § 7 Rdnr. 48, § 8 Rdnr. 26 f.), z.B. wenn sie aus Mitteln eines Darlehens bewirkt worden sind, für das die Gesellschaft mithaftet oder Sicherheiten gestellt hat. Ebenso können unter § 9a Abs. 2 die Fälle von verdeckten Sacheinlagen subsumiert werden, in denen der Zeitpunkt der Verabredung und deshalb die Unrichtigkeit der Versicherung gem. § 8 Abs. 2 nicht nachweisbar ist4. Ein weiterer Anwendungsfall des § 9a Abs. 2 kann darin liegen, dass der Einlagegegenstand zwar zutreffend bewertet, aber für die Gesellschaft völlig unbrauchbar ist5. Ebenso ist der Tatbestand erfüllt, wenn der Gesellschaft statutarisch ein völlig unangemessen hoher Gründungsaufwand (s. § 5 Rdnr. 112) auferlegt worden ist6. Im Übrigen wird eine Schädigung durch die Überbewertung von Sacheinlagen wegen der notwendigen Angaben im Sachgründungsbericht (§ 5 Abs. 4 Satz 2) und in den Bewertungsunterlagen (§ 8 Abs. 1 Nr. 5) im Allgemeinen von § 9a Abs. 1 erfasst7. 1 Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 15; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 18; Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 19; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 47. 2 Bericht des Rechtsausschusses, BT-Drucks. 8/3908, S. 71 f. 3 Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 19; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 22. 4 Schaub, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 71; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 48. 5 Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 9; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 18. 6 Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 9; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 18; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 22; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 49. 7 Schaub, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 71; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 48. A.A. wohl Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 22.

Veil

537

§ 9a

Ersatzansprüche der Gesellschaft

b) Vorsätzliches oder grob fahrlässiges Handeln 37

Die Schädigung muss durch ein vorsätzliches oder grob fahrlässiges Handeln wenigstens eines Gesellschafters erfolgt sein (§ 9a Abs. 2). Es ist nicht notwendig, dass diese Voraussetzung beim Einlageschuldner oder dem Empfänger des Gründungsaufwandes vorliegt; es genügt, wenn ein anderer Gesellschafter vorsätzlich oder grob fahrlässig gehandelt hat1. Es ist analog § 9a Abs. 4 Satz 1 auch als ausreichend anzusehen, dass die Voraussetzung beim Auftraggeber gegeben ist, für dessen Rechnung der Gesellschafter gehandelt hat2. Die Beweislast für das Vorliegen von Vorsatz oder grober Fährlässigkeit trägt die Gesellschaft3. c) Verschulden der übrigen Gesellschafter

38

Die Haftung setzt schließlich ein Verschulden der ersatzpflichtigen anderen Gesellschafter voraus (§ 9a Abs. 3). Es ist insoweit einfache Fahrlässigkeit ausreichend, die sich nur auf den objektiven Schädigungstatbestand (Rdnr. 36), nicht dagegen auch auf den Vorsatz oder die grobe Fahrlässigkeit des Einlegers (Rdnr. 37) zu beziehen braucht4. Im Übrigen gelten für das Verschulden und den Entlastungsbeweis, auch bezüglich der Hintermänner (§ 9a Abs. 4), die Ausführungen oben Rdnr. 27 ff.

3. Haftungsschuldner 39

Haftungsschuldner können nach § 9a Abs. 2 nur Gesellschafter und ihre Auftraggeber sein, für deren Rechnung sie die Geschäftsanteile übernommen haben (§ 9a Abs. 4 Satz 1). Für Geschäftsführer kommt lediglich eine Ersatzpflicht gemäß § 43 in Betracht.

4. Haftungsumfang 40

Es ist der gesamte Schaden zu ersetzen, der der Gesellschaft durch die schädigende Handlung (Rdnr. 36 ff.) entstanden ist. Soweit er im Ausfall von Einlagebeträgen oder in der Vergütung von unangemessenem Gründungsaufwand besteht (Rdnr. 36), ist es auch für den Anspruch aus § 9a Abs. 2 unerheblich, ob der Einlage- oder Erstattungsschuldner zahlungsfähig ist oder nicht (Rdnr. 31 ff.)5.

V. Gesamtschuldnerische Haftung 1. Mehrere Verantwortliche 41

Mehrere Geschäftsführer, Gesellschafter und deren Hintermänner, die nach § 9a Abs. 1, 2 und 4 für denselben Schaden verantwortlich sind, haften der Gesell1 Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 10; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 18; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 51. 2 Schaub, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 74; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 51. 3 Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 10; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 51. 4 Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 51. 5 Lowin, Gründungshaftung, S. 124 ff.; Schaub, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 78; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 52. A.A. Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 11; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 25; zum früheren Recht Karsten Schmidt, GmbHR 1978, 5, 7.

538

Veil

§ 9a

Ersatzansprüche der Gesellschaft

schaft als Gesamtschuldner. Der Ausgleich unter ihnen bestimmt sich nach § 426 BGB. Sie sind also im Verhältnis zueinander zu gleichen Anteilen verpflichtet, sofern nichts anderes bestimmt ist. Die Beteiligungsquote der Gesellschafter ist für den internen Ausgleich wegen des Haftungsgrundes (Sanktionierung eines pflichtwidrigen Verhaltens) ohne Bedeutung1. Eine abweichende interne Beteiligung bis zur Freistellung einzelner, z.B. im Falle ihrer Täuschung durch die anderen, kann sich dagegen insbesondere aus dem analog anzuwendenden § 254 BGB ergeben, wonach auf das Ausmaß der Mitverursachung und auf den unterschiedlichen Verschuldensgrad abzustellen ist2.

2. Verhältnis zum Einlageschuldner Soweit die Schadensersatzpflicht aus § 9a mit der Einlagepflicht des Gesellschaf- 42 ters zusammentrifft (Rdnr. 31 f., 40), besteht nach h.M. eine unechte Gesamtschuldnerschaft des Einlageschuldners und Ersatzpflichtigen gegenüber der Gesellschaft3. In der 9. Auflage ist dagegen vertreten worden, es fehle an der erforderlichen Gleichrangigkeit der Verpflichtungen4. An dieser Sichtweise wird seit der 10. Auflage nicht mehr festgehalten. Sowohl die Einlagepflicht als auch die Schadensersatzpflicht betreffen dieselbe Leistung und sind demselben Ziel verpflichtet. Befriedigt der Einlageschuldner die GmbH, so entfällt eine Haftung gegenüber der Gesellschaft5. Umgekehrt hat die Ersatzleistung die Tilgung der Einlageschuld zur Folge. Der Ersatzpflichtige hat dann aber gegenüber dem säumigen Gesellschafter einen Regressanspruch aus dem Gesamtschuldverhältnis; ferner geht der Einlageanspruch auf ihn über (§ 426 Abs. 2 BGB).

VI. Sonstige Ansprüche 1. Gesellschaft a) Haftung analog § 37 Abs. 1 Satz 4 AktG Ein Kreditinstitut, das den Geschäftsführern zwecks Vorlage beim Handelsregis- 43 ter schriftlich bestätigt hat, dass die Einzahlung auf einen Geschäftsanteil durch Gutschrift auf dem Konto der Gesellschaft oder der Geschäftsführer geleistet worden sei und endgültig zu ihrer freien Verfügung stehe, haftet der Gesellschaft analog § 37 Abs. 1 Satz 4 AktG für die Richtigkeit dieser Bestätigung, wenn sie dem Registergericht bei der Anmeldung oder danach im Rahmen des Eintra-

1 Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 5; Schaub, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 80; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 31. A.A. Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 53. 2 Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 5; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/ Schmidt-Leithoff, Rdnr. 31; Schaub, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 80; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 46. 3 Vgl. OLG Hamm, GmbHR 1994, 399, 401; OLG Celle, NZG 2000, 1178, 1179; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 7; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 6; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 54. 4 H. Winter, in: 9. Aufl., § 9a Rdnr. 42; zustimmend auch Trölitzsch, Differenzhaftung, S. 281 ff. 5 Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 6.

Veil

539

§ 9a

Ersatzansprüche der Gesellschaft

gungsverfahrens eingereicht worden ist1. Das GmbHG verlangt zwar anders als das AktG (§ 37 Abs. 1 Satz 3) nicht generell die Vorlage eines derartigen Nachweises über die erbrachten Einlageleistungen (§ 8)2. Die Bankbestätigung hat aber, wenn sie auf Grund einer Beanstandung des Registergerichts (s. § 9c Rdnr. 14, 37) oder auch freiwillig vorgelegt wird, für die registergerichtliche Kontrolle der Eintragungsvoraussetzungen im Wesentlichen dieselbe Tragweite und Bedeutung wie im Aktienrecht und muss deshalb in analoger Anwendung des § 37 Abs. 1 Satz 4 AktG auch mit derselben Haftungssanktion verbunden werden. 44

Es ist im Einzelfall durch Auslegung der Bankbestätigung festzustellen, ob sie nur die Gutschrift des Betrages oder darüber hinausgehend auch seine freie Verfügbarkeit für die Geschäftsführer bescheinigen soll; dabei ist eine ihr zugrunde gelegte registergerichtliche Anforderung zu berücksichtigen3. Ohne hinreichend deutliche Anhaltspunkte in der Bescheinigung ist für das GmbH-Recht nicht anzunehmen, dass eine umfassende Bankbestätigung i.S. des § 37 Abs. 1 Satz 3 AktG gewollt war4. Auch wenn Letzteres zutrifft, beschränkt sie sich inhaltlich aber ausschließlich auf Umstände aus der Sphäre des Bankbereichs5. Für die Beurteilung der Richtigkeit ist der Zeitpunkt der Ausstellung maßgebend6.

45

Die Gewährleistungshaftung des Kreditinstituts für die Erfüllung der entgegen der ausgestellten Bestätigung offenstehenden Geldeinlageforderung setzt kein Verschulden voraus7. Ebenso ist der Einwand mitwirkenden Verschuldens der Gesellschaft gemäß § 254 BGB wegen des Zwecks und der Rechtsnatur des Anspruchs ausgeschlossen8.

46

Der Anspruch umfasst den gesamten Fehlbetrag ohne Rücksicht darauf, ob die falsche Bankbestätigung sich auf die gesetzlich vorgeschriebenen Mindesteinzahlungen (§ 7 Abs. 2) oder auf darüber hinausgehende Leistungen bezieht9; ein weitergehender Schaden aus der Nichteinzahlung der Einlage ist dagegen nicht zu ersetzen. Die Haftung des Kreditinstituts ist gegenüber der fortbestehenden Einlagepflicht nicht subsidiär, sondern besteht neben ihr10; für das Verhältnis 1 BGHZ 113, 335, 351 ff.; BGHZ 119, 177, 180 f.; BGH, GmbHR 1997, 255, 256; Hueck/ Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 3; Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 13; Spindler, ZGR 1997, 537, 539 ff. 2 Vgl. dazu Bericht des Rechtsausschusses, BT-Drucks. 8/3908, S. 67, 71. 3 BGH, GmbHR 1997, 255 f.; Goette, DStR 1997, 378, 379; Spindler, ZGR 1997, 537, 543 f. 4 Spindler, ZGR 1997, 537, 545 f. 5 Vgl. dazu Ihrig, Die endgültige freie Verfügung über die Einlage von Kapitalgesellschaften, S. 227 f.; Ulmer, GmbHR 1993, 189, 196 f.; Kübler, ZHR 157 (1993), 196, 212; Appel, ZHR 157 (1993), 213, 216 ff.; Hüffer, ZGR 1993, 474, 468 f.; Röhricht, in: FS Boujong, 1996, S. 457, 473 f.; Spindler, ZGR 1997, 537, 548. Offengelassen in BGHZ 113, 335, 356. 6 Ulmer, GmbHR 1993, 189. 7 BGHZ 113, 335, 355; BGHZ 119, 177, 180 f.; Ulmer, GmbHR 1993, 189, 196; Kübler, ZHR 157 (1993), 196, 211 f.; Hüffer, ZGR 1993, 474, 485 f. A.A. Rümker, ZBB 1991, 176, 178; Priester, in: FS 100 Jahre GmbHG, 1992, S. 159, 164. 8 BGHZ 113, 335, 355. 9 BGHZ 113, 335, 356 f.; Spindler, ZGR 1997, 537, 541. 10 BGHZ 113, 335, 355 f.

540

Veil

§ 9a

Ersatzansprüche der Gesellschaft

zum Einlageschuldner gelten sinngemäß die Ausführungen in Rdnr. 42. Mit den nach § 9a Abs. 1, 4 verantwortlichen Geschäftsführern, Gesellschaftern und Hintermännern haftet das Kreditinstitut gesamtschuldnerisch. Die Aufrechnung mit Gegenforderungen ist, soweit die Leistung zur Befriedigung der Gesellschaftsgläubiger erforderlich ist, wegen des Sicherungszwecks der Haftung analog § 19 Abs. 2 Satz 2 ausgeschlossen1. Die Verjährungsfrist beträgt analog § 9b Abs. 2 fünf Jahre2. b) Anspruch aus § 43 Der Gesellschaft können gegen die Geschäftsführer wegen Pflichtverletzungen 47 im Gründungsstadium auch Ersatzansprüche aus § 43 zustehen. Soweit die Pflichtverletzung in den durch § 9a Abs. 1 erfassten Handlungen besteht, geht diese spezielle Vorschrift aber der allgemeinen Haftungsnorm des § 43 vor3. Der Anwendungsbereich der allgemeinen organschaftlichen Haftung ist daher marginal. Nach h.M. scheidet eine Haftung nach § 9a Abs. 1 aus, wenn es nicht zur Eintragung kommt (s. Rdnr. 4). Dann kann aber eine Haftung nach § 43 begründet sein4. Abweichend von der speziellen Gründungshaftung (s. Rdnr. 7) schließt das Einverständnis aller Gesellschafter mit der schädigenden Handlung außer bei einem Verstoß gegen § 30 die Ersatzpflicht nach § 43 aus. Ebenso ist, von dem genannten Ausnahmefall abgesehen (§ 43 Abs. 3 Satz 2), der Verzicht auf den Schadensersatzanspruch ohne die Einschränkungen des § 9b Abs. 1 möglich (s. § 9b Rdnr. 2). c) Sonstige Ersatzansprüche Außerdem können sowohl gegen Geschäftsführer als auch gegen Gesellschafter 48 deliktische Ansprüche (§ 823 Abs. 2 BGB i.V.m. §§ 263, 266 StGB, § 826 BGB) gegeben sein. Diese Ansprüche werden durch § 9a nicht ausgeschlossen. Gegenüber Gesellschaftern können darüber hinaus Schadensersatzansprüche aus der Verletzung gesellschaftsvertraglicher Pflichten in Betracht kommen.

2. Gesellschafter und Dritte Ihnen können Schadensersatzansprüche wegen Gründungsschwindels vor allem 49 aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 82 Abs. 1 Nr. 1, 2 u. 4 GmbHG zustehen5. Die genannten Strafvorschriften sind, wie die Rechtsprechung für die entsprechenden aktienrechtlichen Regelungen anerkannt hat6, als Schutzgesetze zugunsten des genannten Personenkreises anzusehen (s. 10. Aufl., § 82 Rdnr. 13). Daneben kommen auch Ansprüche aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. §§ 263, 266 StGB, § 826 BGB und – für die Gesellschafter untereinander – u.U. aus der Verletzung ver1 Im Hinblick auf die Regelung des § 9b Abs. 1 zu weitgehend BGHZ 113, 335, 357 f. 2 Vgl. dazu Hüffer, ZGR 1993, 474, 487 f. 3 OLG Rostock, GmbHR 1995, 658, 660; OLG Celle, NZG 2000, 1178, 1179; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 15; Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 17; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 56. 4 Schaub, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 83; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 56. 5 Vgl. OLG München, NJW-RR 1988, 290; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 59 ff. 6 Vgl. RGZ 157, 213, 217; RGZ 159, 211, 224; BGHZ 96, 231, 243.

Veil

541

§ 9b

Verzicht auf Ersatzansprüche

traglicher Vereinbarungen in Betracht1. Ein Schaden der Gesellschafter oder Dritter entfällt, wenn der Täter nach § 9a durch die Gesellschaft in Anspruch genommen worden ist2. Umgekehrt befreit die Befriedigung jener nicht von der Haftung aus § 9a; eine doppelte Inanspruchnahme wegen desselben Schadens kann er aber durch die Leistung an die Gesellschaft vermeiden3.

§ 9b

Verzicht auf Ersatzansprüche (1) Ein Verzicht der Gesellschaft auf Ersatzansprüche nach § 9a oder ein Vergleich der Gesellschaft über diese Ansprüche ist unwirksam, soweit der Ersatz zur Befriedigung der Gläubiger der Gesellschaft erforderlich ist. Dies gilt nicht, wenn der Ersatzpflichtige zahlungsunfähig ist und sich zur Abwendung des Insolvenzverfahrens mit seinen Gläubigern vergleicht oder wenn die Ersatzpflicht in einem Insolvenzplan geregelt wird. (2) Ersatzansprüche der Gesellschaft nach § 9a verjähren in fünf Jahren. Die Verjährung beginnt mit der Eintragung der Gesellschaft in das Handelsregister oder, wenn die zum Ersatz verpflichtende Handlung später begangen worden ist, mit der Vornahme der Handlung. Eingefügt durch Gesetz vom 4.7.1980 (BGBl. I 1980, 836); Abs. 1 Satz 2 geändert durch Gesetz vom 5.10.1994 (BGBl. I 1994, 2911).

Inhaltsübersicht I. Grundlagen 1. Regelungsinhalt und -zweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Anwendungsbereich. . . . . . . . . . . 3. Andere Gläubigerschutzvorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Verzicht und Vergleich (§ 9b Abs. 1) 1. Grundsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1 2 3

4

2. Unwirksamkeit . . . . . . . . . . . . . . . a) Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . b) Rechtsfolgen . . . . . . . . . . . . . . 3. Ausnahme bei Insolvenz des Ersatzpflichtigen . . . . . . . . . . . . . . . a) Abwendung des Insolvenzverfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Regelung im Insolvenzverfahren. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Verjährung (§ 9b Abs. 2) . . . . . . .

5 6 10 12 13 15 16

Schrifttum: Cahn, Vergleichsverbote im Gesellschaftsrecht, 1996.

1 Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 1; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/ Schmidt-Leithoff, Rdnr. 36; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 59 ff., 63. 2 Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 62. Vgl. auch RGZ 115, 289, 296; RGZ 157, 213, 216 betr. die AG. 3 Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 62.

542

Veil

§ 9b

Verzicht auf Ersatzansprüche

traglicher Vereinbarungen in Betracht1. Ein Schaden der Gesellschafter oder Dritter entfällt, wenn der Täter nach § 9a durch die Gesellschaft in Anspruch genommen worden ist2. Umgekehrt befreit die Befriedigung jener nicht von der Haftung aus § 9a; eine doppelte Inanspruchnahme wegen desselben Schadens kann er aber durch die Leistung an die Gesellschaft vermeiden3.

§ 9b

Verzicht auf Ersatzansprüche (1) Ein Verzicht der Gesellschaft auf Ersatzansprüche nach § 9a oder ein Vergleich der Gesellschaft über diese Ansprüche ist unwirksam, soweit der Ersatz zur Befriedigung der Gläubiger der Gesellschaft erforderlich ist. Dies gilt nicht, wenn der Ersatzpflichtige zahlungsunfähig ist und sich zur Abwendung des Insolvenzverfahrens mit seinen Gläubigern vergleicht oder wenn die Ersatzpflicht in einem Insolvenzplan geregelt wird. (2) Ersatzansprüche der Gesellschaft nach § 9a verjähren in fünf Jahren. Die Verjährung beginnt mit der Eintragung der Gesellschaft in das Handelsregister oder, wenn die zum Ersatz verpflichtende Handlung später begangen worden ist, mit der Vornahme der Handlung. Eingefügt durch Gesetz vom 4.7.1980 (BGBl. I 1980, 836); Abs. 1 Satz 2 geändert durch Gesetz vom 5.10.1994 (BGBl. I 1994, 2911).

Inhaltsübersicht I. Grundlagen 1. Regelungsinhalt und -zweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Anwendungsbereich. . . . . . . . . . . 3. Andere Gläubigerschutzvorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Verzicht und Vergleich (§ 9b Abs. 1) 1. Grundsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1 2 3

4

2. Unwirksamkeit . . . . . . . . . . . . . . . a) Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . b) Rechtsfolgen . . . . . . . . . . . . . . 3. Ausnahme bei Insolvenz des Ersatzpflichtigen . . . . . . . . . . . . . . . a) Abwendung des Insolvenzverfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Regelung im Insolvenzverfahren. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Verjährung (§ 9b Abs. 2) . . . . . . .

5 6 10 12 13 15 16

Schrifttum: Cahn, Vergleichsverbote im Gesellschaftsrecht, 1996.

1 Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 1; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/ Schmidt-Leithoff, Rdnr. 36; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 59 ff., 63. 2 Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 62. Vgl. auch RGZ 115, 289, 296; RGZ 157, 213, 216 betr. die AG. 3 Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 62.

542

Veil

§ 9b

Verzicht auf Ersatzansprüche

I. Grundlagen 1. Regelungsinhalt und -zweck Die Vorschrift ist durch die GmbH-Novelle 1980 in das Gesetz eingefügt wor- 1 den, änderte aber das frühere Recht (§ 9 Abs. 2 und 3 a.F.) nur unwesentlich. Sie schränkt in § 9b Abs. 1 Satz 1 die Rechtswirksamkeit eines Verzichts auf Ersatzansprüche aus § 9a oder eines Vergleichs über sie ein, soweit der Ersatz zur Befriedigung der Gläubiger erforderlich ist. Ausgenommen ist ein Vergleich, den der Ersatzpflichtige zur Abwendung oder zur Beseitigung des Insolvenzverfahrens mit seinen Gläubigern geschlossen hat. § 9b Abs. 1 Satz 2 ist durch Art. 48 Nr. 1 EGInsO an die Neuregelung des Insolvenzverfahrens angepasst worden (s. Rdnr. 12 ff.). § 9b Abs. 2 regelt den Beginn und die Dauer der Verjährungsfrist für die Ersatzansprüche aus § 9a. Die Vorschrift dient ausschließlich dem Gläubigerschutz. Daher hat der Gesetzgeber anders als im Aktienrecht (vgl. § 50 AktG) weder eine Sperrfrist noch ein Widerspruchsrecht einer Gesellschafterminderheit gegen den Verzicht oder Vergleich vorgesehen1. Die Vorschrift ist ebenso wie § 9a zwingend.

2. Anwendungsbereich § 9b ist auf die gleichartigen Ersatzansprüche in den Fällen der Kapitalerhöhung 2 (§ 57 Abs. 4) und der Umwandlung (§§ 36 Abs. 2 Satz 1, 135 Abs. 2 Satz 1, 197 Satz 1 UmwG) entsprechend anwendbar. Die Vorschrift gilt dagegen nicht für sonstige Schadensersatzansprüche der Gesellschaft gegen die Geschäftsführer oder die Gesellschafter aus Anlass der Gründung (vgl. dazu § 9a Rdnr. 47 ff.). Schranken für den Verzicht und den Vergleich ergeben sich bei diesen Ansprüchen aber aus anderen Gläubigerschutzvorschriften (Rdnr. 3). Eine Ausnahme besteht für Schadensersatzansprüche gegen die Geschäftsführer wegen Verstoßes gegen die §§ 30, 33, auf die § 9b Abs. 1 entsprechend anzuwenden ist (§ 43 Abs. 3 Satz 2)2. Zur analogen Anwendung der Vorschrift bei Vorratsgründungen und der Aktivierung einer Mantelgesellschaft s. § 3 Rdnr. 26 ff., 37 ff.

3. Andere Gläubigerschutzvorschriften Die Vorschrift schließt die Anwendbarkeit anderer Gläubigerschutzvorschriften 3 auf einen Verzicht auf die Schadensersatzansprüche aus § 9a oder auf einen Vergleich über sie nicht aus. So sind entsprechende Vereinbarungen nach § 30 unzulässig, wenn dadurch das zur Erhaltung des Stammkapitals erforderliche Gesellschaftsvermögen zugunsten eines haftpflichtigen Gesellschafters oder Hintermannes geschmälert wird3. Ebenfalls möglich, neben § 9b Abs. 1 allerdings meist entbehrlich ist die Anfechtung nach §§ 129 ff. InsO und nach den Vorschriften des AnfG4. Beim Hinzutreten besonderer Umstände kann ein Verzicht oder Vergleich auch gemäß § 138 BGB nichtig sein.

1 2 3 4

Begr. RegE, BT-Drucks. 8/1347, S. 36. Vgl. hierzu BGH, NZG 2008, 314, 315. Schaub, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 7; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 2. Tebben, in: Michalski, Rdnr. 1.

Veil

543

§ 9b

Verzicht auf Ersatzansprüche

II. Verzicht und Vergleich (§ 9b Abs. 1) 1. Grundsatz 4 Die Gesellschaft kann grundsätzlich auf ihren Ersatzanspruch aus § 9a verzichten oder sich über ihn vergleichen, allerdings nicht im Voraus1. Die Entscheidung darüber steht, wenn der Ersatzpflichtige ein Gesellschafter oder ein amtierender Geschäftsführer ist, der Gesellschafterversammlung zu (§ 46 Nr. 8)2. Der betroffene Gesellschafter hat dabei kein Stimmrecht (§ 47 Abs. 4 Satz 2). Besondere Schutzvorschriften zugunsten der dem Verzicht oder Vergleich widersprechenden Gesellschafterminderheit bestehen abweichend vom Aktienrecht (§ 50 AktG) nicht. Der Beschluss kann im Einzelfall aber wegen Verstoßes gegen die mitgliedschaftliche Treuepflicht anfechtbar sein. Ob ein mit einem gesamtschuldnerisch haftenden Beteiligten (s. § 9a Rdnr. 41) vereinbarter Verzicht zugunsten aller Mitverpflichteten wirkt, beurteilt sich nach § 423 BGB. Auch die Erfüllung eines Vergleiches (§ 779 BGB) kann nach dem Willen der Vertragsschließenden gesamtbefreiend wirken3.

2. Unwirksamkeit 5 Ein Verzicht und ein Vergleich sind unwirksam, soweit der Ersatz zur Befriedigung der Gläubiger der Gesellschaft erforderlich ist (§ 9b Abs. 1 Satz 1). Die Vorschrift ist nach ihrem Schutzzweck (Rdnr. 1) auf andere Rechtsgeschäfte entsprechend anwendbar, die eine vergleichbare Wirkung wie ein Vergleich oder ein Verzicht haben. Dazu gehören insbesondere die Annahme einer unzureichenden Leistung an Erfüllungs statt (§ 364 Abs. 1 BGB)4 und die Abtretung des Ersatzanspruches ohne angemessene Gegenleistung5. a) Voraussetzungen 6 aa) Unter Verzicht i.S. des § 9b Abs. 1 sind der Erlassvertrag (§ 397 Abs. 1 BGB) und das vertragliche negative Schuldanerkenntnis (§ 397 Abs. 2 BGB) zu verstehen. Ferner fällt darunter die Verzichtswirkung der Entlastung (§ 46 Nr. 5)6. Es genügt, wenn er sich auf einen Teilbetrag des Ersatzanspruches aus § 9a bezieht oder nur einen der Gesamtschuldner betrifft7. Gleichzustellen ist ein nicht nur für einen kurzen Zeitraum wirkendes sogenanntes pactum de non petendo mit dem Ersatzpflichtigen oder einem Dritten, das den Bestand des Ersatzanspruches zwar nicht berührt, aber dem Schuldner ein Leistungsverweigerungsrecht gibt8. 1 2 3 4 5

6 7 8

Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 10. Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 1; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 2. Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 7. Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 1; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 8; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 12. Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 1; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 8; a.A. Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 12, der im Einzelfall unter Umgehungsgesichtspunkten entscheiden will; vgl. auch OLG Hamm, NZG 2001, 1144 (Unwirksamkeit der Abtretung eines Anspruchs aus §§ 43 Abs. 3, 31 Abs. 6). BGH, NZG 2008, 314, 315; BGH, ZIP 1987, 1050, 1052; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/ Hueck, Rdnr. 2; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 9. Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 5; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 9. Schaub, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 17; Tebben, in: Michalski, Rdnr. 3.

544

Veil

§ 9b

Verzicht auf Ersatzansprüche

Die Stundung des Ersatzanspruches erfasst § 9b Abs. 1 Satz 1 im Allgemeinen nicht (abweichend von § 19 Abs. 2 betr. die Einlageschuld)1, aber nach dem Schutzzweck der Vorschrift (Rdnr. 1) ist eine analoge Anwendung dann gerechtfertigt, wenn die Fälligkeit längerfristig hinausgeschoben wird2. Der Prozessverzicht der Gesellschaft (§ 306 ZPO) fällt ebenfalls unter § 9b Abs. 1 Satz 1. Da er die Dispositionsbefugnis der Partei über den Streitgegenstand voraussetzt, ist er beim Vorliegen der Voraussetzungen des § 9b Abs. 1 Satz 1 unwirksam; ein Verzichtsurteil darf nicht erlassen werden. Entsprechendes gilt für das prozessuale Anerkenntnis der Gesellschaft (§ 307 ZPO) im Falle einer negativen Feststellungsklage des Haftpflichtigen. Zur Urteilswirkung s. im Übrigen unter Rdnr. 11. bb) Der Begriff des Vergleichs i.S. des § 9b Abs. 1 ergibt sich aus § 779 BGB. Er- 7 forderlich ist, dass die Parteien einen Streit oder eine Ungewissheit über den Ersatzanspruch im Wege des gegenseitigen Nachgebens beseitigt haben. Betroffen sind nach dem Schutzzweck des § 9b Abs. 1 Satz 1 alle Vergleiche, die die Geltendmachung des vollen Ersatzanspruchs einschränken. Bloße Stundungs- und Ratenzahlungsvergleiche über den Anspruch unterliegen der Vorschrift unter den in Rdnr. 6 genannten Voraussetzungen. Das Vorstehende gilt auch für einen Prozessvergleich (§ 794 Abs. 1 Nr. 1 ZPO), der aufgrund seiner Doppelnatur als Prozesshandlung und materiell-rechtliches Rechtsgeschäft die Wirksamkeitsvoraussetzungen beider erfüllen muss und deshalb von der Dispositionsbefugnis der verfügenden Prozesspartei abhängig ist. cc) Der erlassene oder der die Vergleichssumme übersteigende Ersatzbetrag ist 8 zur Befriedigung der Gesellschaftsgläubiger erforderlich, wenn die Gesellschaft ohne ihn überschuldet wäre oder wenn sie zahlungsunfähig ist3. Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens (§ 27 InsO) ist nicht notwendig. Darüber hinausgehend ist die genannte Voraussetzung auch schon dann gegeben, wenn die Gesellschaft nicht nur kurzfristig behebbare Zahlungsschwierigkeiten hat4 und die Mittel zur Tilgung fälliger Gesellschaftsverbindlichkeiten benötigt werden5. Ein allgemeines Interesse der Gesellschaftsgläubiger an der Bereitstellung von ihrem Zugriff unterliegenden oder erleichternden Vermögensmitteln reicht dagegen nicht aus6. Andererseits verlangt § 9b Abs. 1 Satz 1 nicht, dass die Erforderlichkeit des Ersatzes beim Abschluss des Verzichts- oder Vergleichsvertrages vorhersehbar oder durch den Erlass mit verursacht worden war7.

1 Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 10. 2 Schaub, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 17; noch weitergehend Tebben, in: Michalski, Rdnr. 3 (Stundung sei generell von § 9b Abs. 1 Satz 1 erfasst). 3 Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 2; Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 3; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 9; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 13; vgl. aus der Rechtsprechung (i.E. eine Erforderlichkeit ablehnend) BGH, NZG 2008, 314, 316. 4 Zum Begriff der Zahlungsstockung vgl. BGH, GmbHR 2005, 1117. 5 Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 2; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 2; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 9; Tebben, in: Michalski, Rdnr. 7; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 13. 6 Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 13. 7 Schaub, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 18; Tebben, in: Michalski, Rdnr. 7. A.A. Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 13.

Veil

545

§ 9b

Verzicht auf Ersatzansprüche

9 dd) Beweislast. Der Abschluss des Verzichts- oder Vergleichsvertrages (Rdnr. 6 f.) ist durch die haftpflichtigen Gesellschafter und Geschäftsführer darzulegen und zu beweisen, während die Gesellschaft die Darlegungs- und Beweislast dafür hat, dass der erlassene oder die Vergleichssumme übersteigende Ersatzbetrag zur Befriedigung der Gesellschaftsgläubiger erforderlich ist (Rdnr. 8)1. Hat ein Gesellschaftsgläubiger den Anspruch aus § 9a pfänden und sich zur Einziehung überweisen lassen (§§ 829 ff. ZPO; vgl. dazu § 9a Rdnr. 8), so beweist dieser Umstand allein noch nicht, dass der Ersatzbetrag zur Befriedigung notwendig ist2. b) Rechtsfolgen 10

Der Verzicht oder Vergleich ist beim Vorliegen oder dem späteren Eintritt der in § 9b Abs. 1 Satz 1 genannten Voraussetzung (Rdnr. 6) ohne Weiteres der Gesellschaft und ihren Gläubigern gegenüber unwirksam, soweit der Ersatz zur Befriedigung der Gesellschaftsgläubiger erforderlich ist. Die Vereinbarungen stehen also, bis zur vollendeten Verjährung (Rdnr. 16 ff.), stets unter dieser (auflösenden) gesetzlichen Bedingung3. Die Unwirksamkeit ist demzufolge weder von der Klageerhebung noch von einer sonstigen Erklärung der Gesellschaft abhängig. Auch der Haftpflichtige kann sich, vorbehaltlich eines Rechtsmissbrauchs, auf sie berufen4. Bei einer Teilunwirksamkeit der Vereinbarung gilt für die Auswirkung auf die übrigen Vertragsbestandteile die allgemeine Auslegungsregel des § 139 BGB5.

11

Ein die Klage auf Zahlung des erlassenen Ersatzbetrags abweisendes rechtskräftiges Urteil steht der erneuten klageweisen Geltendmachung des Anspruchs nicht entgegen, wenn der Unwirksamkeitsgrund (s. Rdnr. 8, 10), auf den die Gesellschaft sich stützt, erst nach der letzten mündlichen Verhandlung des Vorprozesses eingetreten ist6. Der Berufung auf die Rechtskraft eines sachlich unrichtigen klageabweisenden Urteils kann dagegen bei einer erneuten Inanspruchnahme nur in besonderen Ausnahmefällen mit dem Arglisteinwand (§ 826 BGB) begegnet werden7. Das gilt auch für ein Versäumnisurteil gegen die GmbH, dessen Zulässigkeit § 9b Abs. 1 Satz 1 nicht ausschließt8. Die GmbH ist in diesen Fällen auf Schadensersatzansprüche gegen ihren Geschäftsführer oder den bestellten Prozessvertreter (§ 46 Nr. 8) wegen pflichtwidriger Prozessführung beschränkt.

1 Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 14. 2 Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 2 a.E. 3 Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 2; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 2; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 9; Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 3; Tebben, in: Michalski, Rdnr. 12; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 15. 4 Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 10; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 15. 5 Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 9; Tebben, in: Michalski, Rdnr. 12; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 16. 6 Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 24. 7 Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 23. 8 Schaub, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 23; Tebben, in: Michalski, Rdnr. 8; zweifelnd Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 24.

546

Veil

§ 9b

Verzicht auf Ersatzansprüche

3. Ausnahme bei Insolvenz des Ersatzpflichtigen § 9b Abs. 1 Satz 2 schränkt das weitreichende Verzichts- und Vergleichsverbot 12 im Interesse der Gläubigergleichbehandlung in der Insolvenz des Schuldners ein. Die Vorschrift setzt voraus, dass der Ersatzpflichtige zahlungsunfähig ist und sich zur Abwendung des Insolvenzverfahrens mit seinen Gläubigern vergleicht. Ferner gilt das Verzichts- und Vergleichsverbot nicht, wenn die Ersatzpflicht in einem Insolvenzplan geregelt wird. a) Abwendung des Insolvenzverfahrens Die erste Ausnahme von der Beschränkung des § 9b Abs. 1 Satz 1 setzt voraus, 13 dass der Ersatzpflichtige zahlungsunfähig i.S. des § 17 Abs. 2 InsO ist. Die Überschuldung ist in § 9b Abs. 1 Satz 2 nicht genannt, obwohl sie nach der Erweiterung des Personenkreises der Verantwortlichen durch den neuen § 9a für eine als Gesellschafterin oder als Hintermann (s. § 9a Rdnr. 23 ff., 39) haftpflichtige juristische Person oder GmbH & Co. KG ebenfalls als Insolvenzgrund in Betracht kommen kann (§§ 11, 19 InsO, § 98 GenG). Bei der unveränderten Übernahme des § 9 Abs. 2 a.F. wurde diese Erweiterung versehentlich nicht berücksichtigt1. Soweit die Überschuldung bei dem haftpflichtigen Gesellschafter oder Hintermann einen Insolvenzgrund darstellt, kommt nach dem Gesetzeszweck des § 9b Abs. 1 Satz 2 der Ausnahmetatbestand entsprechend zur Anwendung2. Die drohende Zahlungsunfähigkeit reicht dagegen nur aus, wenn auf Antrag des Schuldners das Insolvenzverfahren eröffnet worden ist (§ 18 InsO)3. Weiteres Erfordernis ist, dass der Vergleich zur Abwendung oder Beseitigung des 14 Insolvenzverfahrens mit den Gläubigern geschlossen worden ist. Es kommt nur der außergerichtliche Vergleich in Betracht4. Es genügt, dass der Schuldner sich mit seinen Gläubigern derart auseinandersetzt, dass das Insolvenzverfahren vermieden wird5. Es ist nicht notwendig, dass alle Gläubiger an dem Vergleich beteiligt sind. In diesem Fall muss der Schuldner aber jedenfalls den Willen haben, die Gläubiger als Gesamtheit abzufinden. Dass er dann einzelne Gläubiger ausnimmt, ist für die Anwendung des § 9b Abs. 1 Satz 2 unschädlich. Wenn das Insolvenzverfahren bereits eröffnet ist, kann es nur mit Zustimmung aller Gläubiger eingestellt werden (vgl. 213 InsO). Ein solcher Vergleich ist ebenfalls unter § 9b Abs. 1 Satz 2 zu subsumieren6. b) Regelung im Insolvenzverfahren Ein Insolvenzplan kann Forderungen der Gläubiger kürzen, stunden oder sonst regeln (§§ 217 ff. InsO). Voraussetzung für seine Wirksamkeit ist, dass die Gläu1 Vgl. Bericht des Rechtsausschusses, BT-Drucks. 8/3908, S. 36. 2 Schaub, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 26; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/SchmidtLeithoff, Rdnr. 7; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 19. 3 Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 17. 4 Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 20. 5 Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 3; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 20. A.A. Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 7 a.E. (Beteiligung der Gesamtheit der Gläubiger). 6 Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 20.

Veil

547

15

§ 9b

Verzicht auf Ersatzansprüche

biger ihn mehrheitlich angenommen haben (§ 244 InsO). Außerdem muss er rechtskräftig durch das Insolvenzgericht bestätigt werden (§§ 248, 254 InsO). Aus § 9b Abs. 1 Satz 2 folgt, dass Ersatzforderungen nach § 9a in den Insolvenzplan aufgenommen werden können.

III. Verjährung (§ 9b Abs. 2) 16

Die Sonderregelung des § 9b Abs. 2 über die Verjährung erfasst nur die Ersatzansprüche aus § 9a, nicht auch andere Schadensersatzansprüche gegen die Gesellschafter, ihre Hintermänner und die Geschäftsführer aus Anlass der Gründung (s. § 9a Rdnr. 47 ff.). Die abweichende Regelung betrifft lediglich den Beginn und die Dauer der Verjährung, während im Übrigen, soweit der Sinn dieser Bestimmung nicht entgegensteht, die allgemeinen Vorschriften des BGB gelten.

17

Die Verjährungsfrist für die Ersatzansprüche aus § 9a beträgt fünf Jahre und beginnt regelmäßig mit der Eintragung der Gesellschaft in das Handelsregister (§ 9b Abs. 2). Der maßgebliche Tag ist der zu datierenden Eintragung (§ 382 Abs. 2 FamFG) zu entnehmen. Wird die schädigende Handlung, was bei den Haftungsfällen des § 9a Abs. 2, nicht aber bei denen des § 9b Abs. 1 (s. § 9a Rdnr. 9) möglich ist, erst nach der Eintragung begangen, so beginnt die Verjährung mit ihrer Vornahme (§ 9b Abs. 2). Auf den Zeitpunkt des Schadenseintritts kommt es dagegen nicht an1. Ebenso wenig ist erheblich, ob die für die Entscheidung über die Geltendmachung des Ersatzanspruches zuständigen Personen (s. § 9a Rdnr. 4) von den ihn begründenden Umständen Kenntnis hatten.

18

Die Hemmung und Unterbrechung der Verjährung bestimmt sich nach den allgemeinen Vorschriften des BGB (§§ 203 ff.). Der Verjährungsablauf ist aber bei einem Forderungserlass nicht bis zum Eintritt der Unwirksamkeitsbedingung des § 9b Abs. 1 Satz 1 (Rdnr. 10) gehemmt. Ebenso kann ein Vergleich über die Ersatzforderung, soweit er nach der zitierten Bestimmung rechtsunwirksam ist, die Verjährung weder unterbrechen noch hemmen2. Auch das Fehlen eines gesetzlichen Vertreters der GmbH ist kein Hemmungsgrund, da eine entsprechende Anwendung des § 206 BGB auf juristische Personen nicht möglich ist. Ebensowenig tritt eine Hemmung deswegen ein, weil der Ersatzpflichtige während dieser Zeit weiter Geschäftsführer war; seiner Verjährungseinrede steht in der Regel auch nicht der Einwand von Treu und Glauben entgegen3.

19

Die Vorschrift des § 9b Abs. 2 ist zwingend (s. Rdnr. 1). Die Verjährung kann also nicht vertraglich verkürzt werden4.

20

Für einen rechtskräftig festgestellten Ersatzanspruch aus § 9a gilt die dreißigjährige Verjährungsfrist (§ 197 Abs. 1 Nr. 3 BGB). Dasselbe gilt, wenn über ihn ein nach Abs. 1 wirksamer gerichtlicher Vergleich abgeschlossen worden ist (§ 197

1 2 3 4

Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 25. Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 14; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 27. BGH, GmbHR 1961, 145. Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 4; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 4; Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 8; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 12; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 28.

548

Veil

§ 9c

Ablehnung der Eintragung

Abs. 1 Nr. 4 BGB). Bei einem außerhalb eines gerichtlichen Verfahrens geschlossenen Vergleichs bestimmt sich die Verjährung dagegen nach § 9b Abs. 21; ihr Neubeginn folgt aus § 212 Abs. 1 BGB2.

§ 9c

Ablehnung der Eintragung (1) Ist die Gesellschaft nicht ordnungsgemäß errichtet und angemeldet, so hat das Gericht die Eintragung abzulehnen. Dies gilt auch, wenn Sacheinlagen nicht unwesentlich überbewertet worden sind. (2) Wegen einer mangelhaften, fehlenden oder nichtigen Bestimmung des Gesellschaftsvertrages darf das Gericht die Eintragung nach Absatz 1 nur ablehnen, soweit diese Bestimmung, ihr Fehlen oder ihre Nichtigkeit 1. Tatsachen oder Rechtsverhältnisse betrifft, die nach § 3 Abs. 1 oder aufgrund anderer zwingender gesetzlicher Vorschriften in dem Gesellschaftsvertrag bestimmt sein müssen oder die in das Handelsregister einzutragen oder von dem Gericht bekanntzumachen sind, 2. Vorschriften verletzt, die ausschließlich oder überwiegend zum Schutze der Gläubiger der Gesellschaft oder sonst im öffentlichen Interesse gegeben sind, oder 3. die Nichtigkeit des Gesellschaftsvertrages zur Folge hat. Eingefügt durch Gesetz vom 4.7.1980 (BGBl. I 1980, 836); Abs. 2 angefügt durch Gesetz vom 22.6.1998 (BGBl. I 1998, 1474); Abs. 1 Satz 2 geändert durch das MoMiG vom 23.10.2008 (BGBl. I 2008, 2026). Inhaltsübersicht I. Grundlagen 1. Regelungsinhalt und -zweck . . . 2. Anwendungsbereich. . . . . . . . . . .

1 3

II. Prüfungspflicht des Registergerichts 1. Rechtsgrundlage . . . . . . . . . . . . . . 4 2. Inhalt und Umfang . . . . . . . . . . . . 5 a) Gegenstand . . . . . . . . . . . . . . . . 7 b) Umfang. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8 3. Einzelne Prüfungsgegenstände a) Anmeldung . . . . . . . . . . . . . . . . 15 b) Gesellschaftsvertrag . . . . . . . . 16 c) Geschäftsführerbestellung . . . 24

d) e) f) g)

Aufsichtsratsbestellung. . . . . Einlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bewertung der Sacheinlagen. Genehmigungsbedürftigkeit des Unternehmensgegenstandes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . h) Wirtschaftliche und finanzielle Unternehmensgrundlagen

27 28 32 35 36

III. Entscheidungen des Registergerichts 1. Beanstandungen der Anmeldung 37 2. Ablehnung der Eintragung . . . . . 39 3. Beschwerde . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41

1 Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 14; Tebben, in: Michalski, Rdnr. 15; wohl auch Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 26; unklar Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 7. 2 Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 26.

Veil

549

§ 9c

Ablehnung der Eintragung

Abs. 1 Nr. 4 BGB). Bei einem außerhalb eines gerichtlichen Verfahrens geschlossenen Vergleichs bestimmt sich die Verjährung dagegen nach § 9b Abs. 21; ihr Neubeginn folgt aus § 212 Abs. 1 BGB2.

§ 9c

Ablehnung der Eintragung (1) Ist die Gesellschaft nicht ordnungsgemäß errichtet und angemeldet, so hat das Gericht die Eintragung abzulehnen. Dies gilt auch, wenn Sacheinlagen nicht unwesentlich überbewertet worden sind. (2) Wegen einer mangelhaften, fehlenden oder nichtigen Bestimmung des Gesellschaftsvertrages darf das Gericht die Eintragung nach Absatz 1 nur ablehnen, soweit diese Bestimmung, ihr Fehlen oder ihre Nichtigkeit 1. Tatsachen oder Rechtsverhältnisse betrifft, die nach § 3 Abs. 1 oder aufgrund anderer zwingender gesetzlicher Vorschriften in dem Gesellschaftsvertrag bestimmt sein müssen oder die in das Handelsregister einzutragen oder von dem Gericht bekanntzumachen sind, 2. Vorschriften verletzt, die ausschließlich oder überwiegend zum Schutze der Gläubiger der Gesellschaft oder sonst im öffentlichen Interesse gegeben sind, oder 3. die Nichtigkeit des Gesellschaftsvertrages zur Folge hat. Eingefügt durch Gesetz vom 4.7.1980 (BGBl. I 1980, 836); Abs. 2 angefügt durch Gesetz vom 22.6.1998 (BGBl. I 1998, 1474); Abs. 1 Satz 2 geändert durch das MoMiG vom 23.10.2008 (BGBl. I 2008, 2026). Inhaltsübersicht I. Grundlagen 1. Regelungsinhalt und -zweck . . . 2. Anwendungsbereich. . . . . . . . . . .

1 3

II. Prüfungspflicht des Registergerichts 1. Rechtsgrundlage . . . . . . . . . . . . . . 4 2. Inhalt und Umfang . . . . . . . . . . . . 5 a) Gegenstand . . . . . . . . . . . . . . . . 7 b) Umfang. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8 3. Einzelne Prüfungsgegenstände a) Anmeldung . . . . . . . . . . . . . . . . 15 b) Gesellschaftsvertrag . . . . . . . . 16 c) Geschäftsführerbestellung . . . 24

d) e) f) g)

Aufsichtsratsbestellung. . . . . Einlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bewertung der Sacheinlagen. Genehmigungsbedürftigkeit des Unternehmensgegenstandes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . h) Wirtschaftliche und finanzielle Unternehmensgrundlagen

27 28 32 35 36

III. Entscheidungen des Registergerichts 1. Beanstandungen der Anmeldung 37 2. Ablehnung der Eintragung . . . . . 39 3. Beschwerde . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41

1 Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 14; Tebben, in: Michalski, Rdnr. 15; wohl auch Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 26; unklar Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 7. 2 Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 26.

Veil

549

§ 9c

Ablehnung der Eintragung

Schrifttum: Ammon, Die Prüfungsbefugnis des Registergerichts bei GmbH-Anmeldungen – besteht Reformbedarf?, DStR 1995, 1311; Baur, Zur Beschränkung der Entscheidungsbefugnis des Registerrichters durch einstweilige Verfügung, ZGR 1972, 421; Bormann/Appelbaum, Handelsregister und GmbH-Gründung als „Best Practice“ im Vergleich zum anglo-amerikanischen Rechtskreis, ZIP 2007, 946; Braasch, Gründungsprobleme bei der GmbH. Eine Untersuchung über die Prüfungspraxis beim Registergericht Hamburg, 1975; Buschmann, Die Kontrollmöglichkeiten des Registerrichters bei der Eintragung von Gesellschaften mit beschränkter Haftung, DRiZ 1974, 90; Gustavus, Handelsregister-Anmeldungen, 7. Aufl. 2009; Heinemann, Die Reform der freiwilligen Gerichtsbarkeit durch das FamFG und ihre Auswirkungen auf die notarielle Praxis, DNotZ 2009, 6; Herchen, Agio und verdecktes Agio im Recht der Kapitalgesellschaften, 2004; Holzer, Die inhaltliche Kontrolle des Gesellschaftsvertrages der GmbH – Ein Beitrag zu Prüfungsrecht und Prüfungspflicht des Registergerichts, WiB 1997, 290; Keilbach, Die Prüfungsaufgaben der Registergerichte, MittRhNotK 2000, 365; Klepsch, Prüfungsrecht und Prüfungspflicht der Registergerichte, 2002; Lappe, Änderungen des Registerrechts der GmbH, GmbHR 1970, 9; Menold, Das materielle Prüfungsrecht des Handelsregisterrichters, 1966; Müller, Zur Prüfungspflicht des Handelsregisterrichters und -rechtspflegers, Rpfleger 1970, 375; Nüther, Prüfungspflichten des Registergerichts im elektronischen Handelsregister, Rpfleger 2008, 233; Rawert, Prüfungspflichten des Registerrichters nach dem Entwurf des Handelsrechtsreformgesetzes, in: Hommelhoff/Röhricht, RWS-Forum 10, Gesellschaftsrecht 1997, 1998, S. 81; von Rössing, Die Sachgründung nach der GmbH-Novelle 1980, 1984; Rühl, Rechtstatsachen zur Sachgründung im GmbHRecht, 1987; Schäfer-Gölz, Die Lehre vom Vorbelastungsverbot und die Differenzhaftung der Gründer, 1983; Spiegelberger/Walz, Die Prüfung der Kapitalaufbringung im Rahmen der GmbH-Gründung, GmbHR 1998, 761; Stumpf, Das Handelsregister nach der HGB-Reform, BB 1998, 2380; Trölitzsch, Differenzhaftung für Sacheinlagen in Kapitalgesellschaften, 1998; Ulbert, Die GmbH im Handelsregisterverfahren, 1997; Ullrich, Registergerichtliche Inhaltskontrolle von Gesellschaftsverträgen und Satzungsänderungsbeschlüssen. Eintragungsverfahren gemäß § 9c Abs. 2 GmbHG, 2006; Wiener, Das Prüfungsrecht und die Prüfungspflicht des Registerrichters des Handelsregisters, 1933.

I. Grundlagen 1. Regelungsinhalt und -zweck 1 Die durch die GmbH-Novelle 1980 eingefügte Vorschrift bestimmt die Voraussetzungen, unter denen das Registergericht die Eintragung der Gesellschaft abzulehnen hat. Ablehnungsgründe sind danach die nicht ordnungsgemäße Errichtung und Anmeldung (§ 9c Abs. 1 Satz 1). Konkretisierend bestimmt das Gesetz zusätzlich, dass dies auch bei einer nicht unwesentlichen Überbewertung von Sacheinlagen gilt (§ 9c Abs. 1 Satz 2). Die Regelung soll sicherstellen, dass nur solche Gesellschaften als GmbH zur Entstehung gelangen (§ 11 Abs. 1), die die zwingenden gesetzlichen Gründungsvoraussetzungen erfüllen. Die Prüfungspflicht des Registergerichts ist zwar im Gesetz nicht ausdrücklich erwähnt. Sie ergibt sich aber zwangsläufig aus § 9c (Rdnr. 4)1. Die Einführung einer obligatorischen Gründungsprüfung durch sachverständige Gründungsprüfer, wie sie § 5d RegE für bestimmte Sachgründungen vorgesehen hatte, lehnte der Gesetzgeber im Hinblick auf die sonstigen Sicherungen letztlich als zu weitgehend ab2. Das

1 Bericht des Rechtsausschusses, BT-Drucks. 8/3908, S. 72; BayObLG, BB 1983, 83. 2 Bericht des Rechtsausschusses, BT-Drucks. 8/3908, S. 70.

550

Veil

§ 9c

Ablehnung der Eintragung

Registergericht kann aber im Rahmen seiner allgemeinen Prüfungspflicht sachverständige Prüfer hinzuziehen, wenn dies ihm nötig erscheint (Rdnr. 14, 34). Die Vorschrift des Abs. 2 ist durch das HRefG vom 22.6.1998 (BGBl. I 1998, 2 1474) eingefügt worden. Der Gesetzgeber wollte durch sie die inhaltliche Prüfung des Gesellschaftsvertrages einschränken (s. Rdnr. 19 ff.) und das Eintragungsverfahren vereinfachen sowie beschleunigen1. Sie ist am 1.7.1998 in Kraft getreten (Art. 29 Abs. 4 HRefG). Schließlich hat das MoMiG in § 9c Abs. 1 Satz 2 die Wörter „nicht unwesentlich“ eingefügt. Damit hat es die Werthaltigkeitskontrolle des Registergerichts bei Sacheinlagen an die Rechtslage bei der AG (vgl. § 38 Abs. 2 Satz 2 AktG) angepasst. Der Gesetzgeber wollte einen „inhaltlich nicht begründbaren Widerspruch zwischen AktG und GmbHG“ beseitigen und die Eintragung einer Gesellschaft beschleunigen. Dazu sah er sich auch wegen einer höchst unterschiedlichen Registergerichtspraxis veranlasst2. Die Änderungen durch das MoMiG traten zum 1.11.2008 in Kraft.

2. Anwendungsbereich Die Vorschrift des § 9c betrifft die Gründung einer GmbH. Sie gilt auch für die 3 Verschmelzung und Spaltung eines Rechtsträgers auf eine neu zu gründende GmbH (§§ 36 Abs. 2 Satz 1, 135 Abs. 2 Satz 1 UmwG) und für den Formwechsel eines Rechtsträgers anderer Rechtsform in eine GmbH (§ 197 Satz 1 UmwG). Die entsprechende Anwendung des § 9c Abs. 1 ist ferner ausdrücklich für die ordentliche Kapitalerhöhung angeordnet (§ 57a). Die Eintragungskontrolle durch das Registergericht gemäß § 9c Abs. 1 Satz 1 gilt darüber hinaus für die Anmeldung anderer Satzungsänderungen entsprechend, soweit sie nicht durch Spezialvorschriften eingeschränkt ist3. Auch bei einer wirtschaftlichen Neugründung – durch Aktivierung einer Vorratsgesellschaft oder eines Mantels – ist § 9c entsprechend anwendbar (s. § 3 Rdnr. 30 ff., 42).

II. Prüfungspflicht des Registergerichts 1. Rechtsgrundlage Die Prüfungspflicht des Registergerichts ist im GmbHG nicht ausdrücklich be- 4 stimmt. Sie folgt aber implizit aus § 9c Abs. 1 Satz 1, wonach das Gericht die Eintragung einer nicht ordnungsgemäß errichteten und angemeldeten Gesellschaft abzulehnen hat. Der Sinn der Bestimmung, eine GmbH nach Maßgabe des geltenden Normativsystems durch die konstitutive Eintragung in das Handelsregister nur dann entstehen zu lassen, wenn sie die vorgeschriebenen rechtlichen Anforderungen erfüllt (Rdnr. 1), setzt notwendigerweise deren registergerichtliche Prüfung voraus. Die Erforderlichkeit dieser Kontrolle ergibt sich ferner aus den für die Gründungsgesellschafter und für Dritte einschneidenden

1 Vgl. Begr. RegE, BT-Drucks. 340/97, S. 77 f. 2 Vgl. Begr. RegE MoMiG, BT-Drucks. 16/6140, S. 36. 3 RGZ 148, 175, 187; KG, GmbHR 1997, 708, 709; BayObLG, GmbHR 1993, 167, 168; OLG Hamm, FGPrax 1996, 71, 72; OLG Naumburg, GmbHR 1997, 1152, 1153; Hueck/ Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 1; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 3.

Veil

551

§ 9c

Ablehnung der Eintragung

Rechtswirkungen der Eintragung, die die Geltendmachung von Gründungsmängeln weitgehend ausschließt (s. § 10 Rdnr. 21 ff.)1. Die Prüfungspflicht ist dagegen nicht aus dem Grundsatz der Amtsermittlung (§ 26 FamFG) abzuleiten, der für das Eintragungsverfahren gilt (Rdnr. 13), aber nicht den prüfungspflichtigen Tatbestand regelt2.

2. Inhalt und Umfang 5 Das Gericht hat, wie § 9c Abs. 1 Satz 1 indirekt festlegt (Rdnr. 4), die Ordnungsmäßigkeit der Errichtung und der Anmeldung der Gesellschaft zu prüfen. Die Merkmale umschreiben Inhalt und Umfang der Pflicht und des Rechts zur Prüfung. Eine Differenzierung zwischen beiden ist wegen der gewollten Verknüpfung mit den Ablehnungsgründen3 nicht möglich4. Die Prüfung muss sich auf die Ordnungsmäßigkeit des Vorgangs erstrecken. Sie darf darüber nicht hinausgehen. Denn die Beteiligten haben grundsätzlich einen Anspruch auf unverzügliche Eintragung, wenn die Voraussetzungen hierfür vorliegen5. Entsprechendes gilt demgemäß auch für das Ermittlungsrecht, das nur in dem sachlich gebotenen Umfange ausgeübt und nicht nach dem Ermessen des Gerichts erweitert werden darf (Rdnr. 12 ff.). 6 Der Gesetzeswortlaut des § 9c Abs. 1 Satz 1 lehnt sich an das Aktienrecht (§ 38 Abs. 1 AktG) an. Die Vorschrift will die für das frühere Recht praeter legem entwickelte Prüfungspflicht des Registergerichts, die schon mit der analogen Anwendung der zitierten aktienrechtlichen Vorschrift begründet worden ist, anerkennen und bestätigen6. Zweifel über die Gegenstände und den Umfang der Prüfung klärt das Gesetz, abgesehen von den Fällen des Inhalts des Gesellschaftsvertrags (§ 9c Abs. 2) und der Überbewertung von Sacheinlagen (§ 9c Abs. 1 Satz 2), nicht. In beiden Beziehungen bedürfen die angeführten Voraussetzungen (Rdnr. 5) der Konkretisierung nach Maßgabe des Prüfungszwecks. a) Gegenstand 7 Die Prüfung der Ordnungsmäßigkeit der Errichtung und Anmeldung erfordert, dass alle formellen und materiellen gesetzlichen Eintragungsvoraussetzungen einzubeziehen sind (dazu näher Rdnr. 15 ff.)7. Unter „Errichtung“ ist nicht nur der Abschluss des Gesellschaftsvertrages zu verstehen, sondern der Gesetzesbegriff erfasst, wie die Abschnittsüberschrift des GmbHG zeigt, die Gesamtheit der zwingend vorgeschriebenen Gründungsvoraussetzungen einer GmbH, ins1 2 3 4

Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 7. Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 7; Wicke, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 3. Bericht des Rechtsausschusses, BT-Drucks. 8/3908, S. 72. Vgl. dazu Braasch, Gründungsprobleme, S. 24; Menold, Prüfungsrecht, S. 67 f.; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 8. A.A. Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 6; offen lassend BGHZ 113, 335, 351. 5 BGHZ 113, 335, 352; KG, GmbHR 1998, 786, 787; OLG Frankfurt, BB 1992, 1160; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 3; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 2. 6 Bericht des Rechtsausschusses, BT-Drucks. 8/3908, S. 72. 7 BGHZ 113, 335, 351; OLG Düsseldorf, GmbHR 1998, 235, 236; Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 2; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 9.

552

Veil

§ 9c

Ablehnung der Eintragung

besondere auch die Bestellung der Geschäftsführer (§ 6) und die erforderlichen Einlageleistungen der Gesellschafter (§ 7 Abs. 2 und 3). Die Beschränkung der Prüfung auf die eintragungspflichtigen Umstände (§ 10) ist nach dem Sinn des Eintragungserfordernisses (Rdnr. 1) unzulässig1. Dem Registergericht steht auch kein Ermessen zur Bestimmung der Prüfungsgegenstände zu. Es darf seine Kontrolle einerseits nicht auf einzelne, z.B. erfahrungsgemäß besonders kritische Eintragungsvoraussetzungen beschränken und andererseits nicht auf Umstände ausdehnen, von denen rechtlich eine Eintragung nicht abhängt. Letzteres gilt vor allem für die wirtschaftlichen und finanziellen Grundlagen des Unternehmens der GmbH, die seiner Prüfungskompetenz nicht unterliegen (Rdnr. 36). b) Umfang Die Ordnungsmäßigkeit der Errichtung und der Anmeldung der Gesellschaft ist 8 durch das Registergericht nicht nur in formeller, sondern auch in materieller Hinsicht zu prüfen. Die im Grundsatz seit langem allgemein anerkannte2, in den Einzelheiten aber umstrittene materielle Prüfungspflicht folgt aus dem Zweck des Eintragungserfordernisses. Eine Bestätigung findet sie in § 9c Abs. 1 Satz 2 und Abs. 23. Sie umfasst die Kontrolle der Rechtmäßigkeit der Gesellschaftserrichtung (Rdnr. 9 ff.) und der inhaltlichen Richtigkeit des für die Eintragung angemeldeten rechtserheblichen Sachverhalts (Rdnr. 12 f.). Die materielle Rechtmäßigkeitskontrolle (Rdnr. 8) hat sich darauf zu beziehen, 9 dass die zwingenden gesellschaftsrechtlichen Anforderungen an die Gründung der GmbH eingehalten worden sind4, die notwendigen Gründungsakte nicht ganz oder teilweise wegen Verstoßes gegen andere (auch außergesellschaftsrechtliche) Vorschriften nichtig oder unwirksam sind und die Vor-GmbH, wovon mangels gegenteiliger Anhaltspunkte aber auszugehen ist, nicht aufgelöst ist. Das Registergericht hat sie umfassend vorzunehmen, soweit sich nicht aus Abs. 2 Einschränkungen ergeben (s. Rdnr. 2, 20 ff.)5. Es darf Gründungsmängel nicht deswegen unbeachtet lassen, weil sie durch Eintragung der Gesellschaft geheilt werden (s. § 10 Rdnr. 21 ff.) oder durch eine salvatorische Klausel des Gesellschaftsvertrages erfasst werden. Auch der Umstand, dass der Notar die zu beurkundenden Erklärungen der Gründungsgesellschafter (§ 2 Abs. 1) auf ihre

1 BayObLG, BB 1983, 83. 2 Vgl. RGZ 140, 174, 180; RGZ 148, 175; BGHZ 113, 335, 351; KG, GmbHR 1997, 708; OLG Karlsruhe, NJW 1967, 832; OLG Stuttgart, GmbHR 1967, 232; BayObLGZ 1974, 479; BayObLGZ 1978, 282; BayObLG, GmbHR 1982, 210; BayObLG, BB 1983, 83; BayObLG, BB 1985, 546; BayObLG, BB 1991, 2103, 2104; OLG Köln, GmbHR 1982, 187; OLG Hamburg, BB 1984, 1763; OLG Düsseldorf, GmbHR 1998, 235, 236. 3 Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 3; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 2; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 9. 4 OLG Stuttgart, GmbHR 1967, 232; BayObLG, BB 1975, 250; BayObLG, BB 1983, 83; BayObLG, BB 1985, 546; BayObLG, BB 1991, 2103, 2104; OLG Köln, GmbHR 1982, 187; 1997, 945; OLG Hamburg, BB 1984, 1763 f.; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 3; Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 3; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/SchmidtLeithoff, Rdnr. 7; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 9. 5 Kritisch zu diesen durch das HRefG eingefügten Einschränkungen Bayer, in: Lutter/ Hommelhoff, Rdnr. 13.

Veil

553

§ 9c

Ablehnung der Eintragung

Rechtswirksamkeit zu prüfen und bestehende Zweifel in der Niederschrift zu vermerken hat (§ 17 Abs. 2 BeurkG), ändert an der Prüfungspflicht des Registergerichts nichts1. 10

Die Kontrolle der Satzungsregelungen auf inhaltliche Klarheit gehört dagegen grundsätzlich nicht zu den Aufgaben des Registergerichts (§ 9 Abs. 2)2. Es ist unerheblich, ob die Bestimmungen lediglich das interne Gesellschaftsverhältnis betreffen oder auch für außenstehende Dritte bedeutsam sind3. Eine Ausnahme ist nur bei solchen Unklarheiten gerechtfertigt, die zugleich eine naheliegende Gefahr der Irreführung über die für Außenstehende wichtigen Umstände der Gesellschaft begründen4.

11

Eine Zweckmäßigkeitskontrolle der Gründungsakte, die nicht nur die Satzungsautonomie der Gesellschafter unzulässig beeinträchtigen, sondern auch in den grundgesetzlich geschützten Kernbereich der Vereinigungsfreiheit (Art. 9 Abs. 1 GG) eingreifen würde5, ist ausgeschlossen6. Der Registerrichter darf also eine Anmeldung nicht deshalb zurückweisen oder beanstanden, weil er eine rechtswirksame Satzungsbestimmung für unzweckmäßig oder bedenklich hält7 oder weil sie nach seiner Ansicht einen möglichen Konflikt nicht interessegerecht8 oder unvollständig regelt. Er darf auch nicht die redaktionelle oder sprachliche Fassung des Gesellschaftsvertrages oder die wörtliche oder sinngemäße Wiedergabe von Gesetzesvorschriften beanstanden. Er handelt pflichtwidrig, wenn er durch unangebrachte Ratschläge oder Belehrungen in diesen Bereichen die Eintragung der Gesellschaft verzögert.

12

Die Prüfungspflicht bezieht sich ferner auf die inhaltliche Richtigkeit des angemeldeten entscheidungserheblichen Sachverhalts (Rdnr. 8). Auch insoweit hängt sie nicht von zusätzlichen Voraussetzungen, z.B. einem besonderen Anlass zu Zweifeln oder Bedenken9 ab, sondern gilt uneingeschränkt für alle Anmeldungen10. Die Prüfung ist anhand der beigefügten Anmeldeunterlagen (§ 8)

1 Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 13. 2 OLG Köln, GmbHR 1982, 187; BayObLGZ 1971, 242, 245; BayObLG, BB 1985, 546; BayObLG, GmbHR 1993, 167, 168; LG Frankfurt, Rpfleger 1976, 251; Bayer, in: Lutter/ Hommelhoff, Rdnr. 5; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 12. 3 Für den zuletzt genannten Fall a.A. BayObLGZ 1971, 242, 245; BayObLG, BB 1985, 546; BayObLG, GmbHR 1993, 167, 168. 4 Vgl. BayObLGZ 1971, 242, 245; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 12. 5 BayObLGZ 1982, 368, 373; BayObLG, BB 1983, 83, 84; BayObLG, BB 1985, 546; BayObLG, GmbHR 1993, 167, 168. 6 Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 11. 7 OLG Stuttgart, GmbHR 1967, 232; DJ 1980, 354, 355; BayObLGZ 1974, 479, 483; BayObLG, BB 1983, 83, 84; BayObLG, BB 1985, 546; BayObLG, GmbHR 1993, 167, 168; OLG Köln, GmbHR 1982, 187; OLG Karlsruhe, GmbHR 1993, 101, 102; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 11. 8 BayObLG, BB 1983, 83, 84; BayObLG, BB 1985, 546; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 11. 9 So RGZ 140, 174, 181; OLG Hamburg, BB 1984, 1763 f.; Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 6. 10 Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 15; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 13.

554

Veil

§ 9c

Ablehnung der Eintragung

vorzunehmen1. Das Gericht kann in zweifelhaften Fällen außerdem die berufsständischen Organe anhören, soweit dies zur Vornahme der gesetzlich vorgeschriebenen Eintragungen sowie zur Vermeidung unwichtiger Eintragungen in das Register erforderlich ist (§ 380 Abs. 2 FamFG). In der Praxis wird allerdings nicht nur in Zweifelsfällen, sondern regelmäßig Gutachten der Industrieund Handelskammer bezüglich der firmenrechtlichen Zulässigkeit eingeholt2. Die volle Überzeugung oder die Gewissheit über das Vorliegen der maßgeblichen Tatsachen brauchen die Unterlagen dem Registergericht nicht zu verschaffen3. Es ist vielmehr, wie die Entstehungsgeschichte der Vorschrift4 und die gesetzlichen Anforderungen an die Anmeldeunterlagen (§ 8) bestätigen, lediglich erforderlich, dass die Prüfung keine sachlich berechtigten Zweifel an der Richtigkeit der Anmeldung ergibt5. Eine Pflicht des Registergerichts zu weiteren Sachverhaltsermittlungen (§ 26 13 FamFG) besteht deshalb nur, wenn und soweit nach den Umständen des Einzelfalls derartige Zweifel gegeben sind, weil die eingereichten Anmeldeunterlagen unklar, widersprüchlich oder inhaltlich für die zu belegende Tatsache (z.B. den Einlagewert einer Sacheinlage) unzureichend oder wenn konkrete Anhaltspunkte für mögliche Unrichtigkeiten oder Unvollständigkeiten des angemeldeten Sachverhalts vorhanden sind. Die Ermittlungspflicht darf nicht überspannt werden. Ganz entfernt liegende Bedenken genügen nicht; vielmehr müssen begründete Zweifel gegeben sein6. Es besteht auch kein Ermessen des Registergerichts, ohne Rücksicht auf das Vorliegen der genannten Voraussetzung weitere Ermittlungen vorzunehmen7. Nach der Entstehungsgeschichte der GmbH-Novelle 1980 widerspräche es insbesondere den Intentionen des Gesetzes, beim Fehlen eines konkreten Anlasses zum Zweifel an der Richtigkeit der Anmeldung für die den Gegenstand der Versicherungen nach § 8 Abs. 2 und 3 bildenden Umstände die Vorlage von Nachweisen (z.B. Zahlungsbelegen oder Bankbestätigungen) zu verlangen oder eine Gründungsprüfung anzuordnen8.

1 BGHZ 113, 335, 352; OLG Düsseldorf, GmbHR 1996, 214, 216; OLG Düsseldorf, GmbHR 1998, 235, 236; KG, GmbHR 1997, 708, 709; KG, GmbHR 1998, 786, 787; s. auch schon RGZ 140, 174, 181. 2 Wicke, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 11. 3 A.A. die ältere Lit.; vgl. Baums, StuW 1980, 299; Braasch, Gründungsprobleme, S. 4 ff., 20 ff., 78; Menold, Das materielle Prüfungsrecht, S. 68, 90 ff.; Groß, Rpfleger 1976, 237. 4 Bericht des Rechtsausschusses, BT-Drucks. 8/3908, S. 72. 5 BGHZ 113, 335, 352; BayObLG, GmbHR 1982, 210, 211; OLG Düsseldorf, GmbHR 1996, 214, 216; KG, GmbHR 1997, 709; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 4; Hueck/ Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 2; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 13. 6 Vgl. KG, GmbHR 1997, 708, 710; KG, GmbHR 1998, 786, 787; OLG Hamburg, BB 1984, 1763 f.; BayObLG, GmbHR 1988, 269; BayObLG, GmbHR 1994, 116, 117; OLG Frankfurt, GmbHR 1992, 531, 532; OLG Hamm, GmbHR 1993, 95, 96; OLG Düsseldorf, GmbHR 1997, 70, 71; OLG Düsseldorf, GmbHR 1998, 235, 236; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 18; Priester, DNotZ 1980, 515, 523. 7 Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 8; Groß, Rpfleger 1976, 237; a.A. Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 6. 8 Vgl. Bericht des Rechtsausschusses, BT-Drucks. 8/3908, S. 70, 71, 72; BGHZ 113, 335, 352; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 2; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 4; Spindler, ZGR 1997, 537, 541 f.

Veil

555

§ 9c 14

Ablehnung der Eintragung

Über die Mittel zur weiteren Sachverhaltsaufklärung entscheidet das Registergericht nach pflichtgemäßem Ermessen. Es hat von mehreren geeigneten Maßnahmen nach dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz möglichst diejenige zu wählen, die voraussichtlich unnötige Verfahrensverzögerungen oder Kostenbelastungen der Beteiligten vermeidet1. Es kann von der Gesellschaft auf Grund ihrer Mitwirkungspflicht zusätzliche Aufklärungen über den Sachverhalt und die Vorlage geeigneter Nachweise verlangen, aber auch die erforderlichen Ermittlungen selbst vornehmen. Vor allem wenn Anhaltspunkte dafür bestehen, dass Sacheinlagen nicht unwesentlich überbewertet sind (§ 9c Abs. 1 Satz 2), kann es geboten sein, einen Sachverständigen hinzuzuziehen oder, wenn das den Umständen nach erforderlich erscheint, eine umfassendere Gründungsprüfung durch sachverständige Prüfer anzuordnen2. Die Feststellungslast bei nicht aufklärbaren Sachverhalten trägt die Antragstellerin3.

3. Einzelne Prüfungsgegenstände a) Anmeldung 15

Das Registergericht hat die Anmeldung darauf zu prüfen, ob seine örtliche Zuständigkeit für die Eintragung (Amtsgericht des statutarischen Sitzes) gegeben ist, die erforderliche Form (§ 12 HGB) gewahrt ist, sämtliche Geschäftsführer einschließlich der Stellvertreter persönlich angemeldet haben (§ 78), diese ausreichend legitimiert und nicht amtsunfähig (§ 6 Abs. 2) sind, die vorgeschriebenen Unterlagen (§ 8 Abs. 1) beigefügt sind und sie sowie der Eintragungsantrag auch im Übrigen den formellen und inhaltlichen Anforderungen des Gesetzes genügen. Nachträgliche Änderungen in den Personen der Geschäftsführer oder ihrer Vertretungsbefugnis sind unter Beifügung der entsprechenden Urkunden anmeldepflichtig (§ 39 Abs. 1 und 2). Die Anmeldung neuer Geschäftsführer muss die Angabe über ihre Vertretungsbefugnis enthalten (§ 8 Abs. 4); sie müssen die Versicherung über das Nichtvorhandensein von Ausschlussgründen abgeben (§ 8 Abs. 3), nicht aber die Versicherung über die vorher bewirkten Einlageleistungen (§ 8 Abs. 2) wiederholen (s. § 8 Rdnr. 25). Wenn eine Person, die für Willenserklärungen und Zustellungen an die Gesellschaft empfangsberechtigt ist, mit einer inländischen Anschrift zur Eintragung in das Handelsregister angemeldet wird, sind auch diese Angaben zu prüfen. Auch jede nachträgliche Änderung im Gesellschafterbestand ist unter Vorlage des Gesellschaftsvertrags mitzuteilen4. Eine Mitteilungspflicht gegenüber dem Registergericht über sonstige nachträgliche Änderungen besteht dagegen nicht5, wohl aber muss eine un-

1 Geßler, BB 1980, 1385, 1387; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 15; Wicke, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 14. 2 Vgl. Bericht des Rechtsausschusses, BT-Drucks. 8/3908, S. 72; BayObLG, GmbHR 1995, 52, 53; Geßler, BB 1980, 1385, 1387; Priester, DNotZ 1980, 515, 523; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 16. 3 KG, GmbHR 1997, 412; BayObLGZ 1978, 319, 323; Menold, Das materielle Prüfungsrecht, S. 110 ff.; Wicke, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 14. 4 Wicke, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 15. 5 Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 19; Wicke, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 30. A.A. Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 12.

556

Veil

§ 9c

Ablehnung der Eintragung

richtige oder unvollständige Anmeldung berichtigt oder eine rechtserhebliche Änderung auf die Anfrage des Gerichts angegeben werden1. b) Gesellschaftsvertrag aa) Das rechtswirksame Zustandekommen des Gesellschaftsvertrages ist zu prü- 16 fen. Die Regelung des § 9c Abs. 2 betrifft nur die Inhaltskontrolle des Vertrages (s. Rdnr. 19 ff.), schränkt aber im Übrigen die Prüfungspflicht nicht ein2. Es ist demgemäß festzustellen, ob die allgemeinen Voraussetzungen des Vertragsabschlusses (§§ 145 ff. BGB) erfüllt sind, die vorgeschriebene notarielle Form (§ 2 Abs. 1 Satz 1) ordnungsgemäß eingehalten ist und sämtliche Gesellschafter den Vertrag unterzeichnet haben (§ 2 Abs. 1 Satz 2). Ebenso sind die Beteiligungserklärungen der Gesellschafter auf ihre formelle und materielle Ordnungsmäßigkeit zu prüfen3, z.B. die Beteiligungsfähigkeit ausländischer Gesellschaften4, die ordnungsgemäße Vertretung eines Gesellschafters beim Vertragsabschluss und die hinreichende Legitimation des Vertreters (§§ 2 Abs. 2, 8 Abs. 1 Nr. 1), das Vorliegen notwendiger Genehmigungen des Familiengerichts (§ 1822 Nr. 3, 10 BGB) oder Zustimmungserklärungen des Ehegatten (§§ 1365, 1423 BGB) und Hinweise auf vorhandene Erklärungsmängel. Die Anfechtung der Beteiligungserklärung eines Gesellschafters hat das Registergericht zu berücksichtigen (§ 142 Abs. 1 BGB); es kann das Eintragungsverfahren erforderlichenfalls nach §§ 21, 381 FamFG aussetzen (Rdnr. 38)5. Ausländerrechtliche Vorschriften hat das Registergericht nicht zu prüfen6. Mängel des Gesellschaftsvertrages sind nicht deswegen unbeachtlich, weil die 17 Vorgesellschaft bereits in Vollzug gesetzt worden war (s. § 2 Rdnr. 69 f.) oder weil eine Eintragung der Gesellschaft sie heilt oder ihre Rechtsfolge verändert (s. § 2 Rdnr. 71 ff.). Anders liegt es bei Vertragsmängeln, die vor der Eintragung entweder durch die Gesellschafter beseitigt oder sonst gegenstandslos werden. Das trifft bei bedingten oder befristeten Beitrittserklärungen zu, wenn sich die Beschränkung, was nachzuweisen ist, bis zur Eintragung durch Verzicht oder aus tatsächlichen Gründen erledigt hat7. Nachträgliche Änderungen des Gesellschaftsvertrages sind vom Registergericht 18 nur zu beachten, wenn die erforderlichen Urkunden (s. § 8 Rdnr. 6) durch die Geschäftsführer eingereicht werden. Diese sind, sofern insoweit keine Eintragungshindernisse bestehen, der Gesellschaft, nicht aber dem Gericht gegenüber zur Einreichung verpflichtet8.

1 2 3 4 5

Wicke, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 30. Begr. RegE, BR-Drucks. 340/97, S. 77 f.; Wicke, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 15. Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 24 f. LG Saarbrücken, GmbHR 1991, 581, 582; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 25. Tebben, in: Michalski, Rdnr. 11; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 25; Wicke, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 16. 6 Sehr str.; näher § 2 Rdnr. 41a. 7 Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, § 3 Rdnr. 22. A.A. Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 25. 8 Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 19.

Veil

557

§ 9c

Ablehnung der Eintragung

19

bb) Die Inhaltskontrolle des Gesellschaftsvertrages regelt § 9c Abs. 2 abschließend1. Die Eintragung der Gesellschaft darf danach wegen einer mangelhaften, fehlenden oder nichtigen Satzungsbestimmung nur abgelehnt werden, wenn einer der in den Nr. 1 bis 3 des § 9c Abs. 2 festgelegten Tatbestände erfüllt ist (Rdnr. 20 ff.). Das Registergericht ist diesbezüglich zur inhaltlichen Prüfung des Gesellschaftsvertrages verpflichtet. Es darf weitergehende Beanstandungen wegen Inhaltsmängel nicht vornehmen (Rdnr. 5). Im Einzelnen gilt Folgendes:

20

Die Prüfungspflicht bezieht sich als erstes auf das Fehlen und den Inhalt von Satzungsbestimmungen über Tatsachen oder Rechtsverhältnisse, die nach § 3 Abs. 1 oder aufgrund anderer zwingender gesetzlicher Vorschriften im Gesellschaftsvertrag festgesetzt sein müssen oder die in das Handelsregister einzutragen oder vom Gericht bekanntzumachen sind (§ 9c Abs. 2 Nr. 1). Es ist also zu untersuchen, ob der Gesellschaftsvertrag den zwingenden Mindestinhalt aufweist (§ 3 Abs. 1) und ob dieser den gesetzlichen Anforderungen genügt, insbesondere die gewählte Firma (§ 4 GmbHG, §§ 18, 30 HGB) sowie der bestimmte Gesellschaftssitz (§ 4a) zulässig sind, der Unternehmensgegenstand nicht gesetzes- oder sittenwidrig und ausreichend individualisiert ist (s. dazu § 3 Rdnr. 9 ff.), das Stammkapital ordnungsgemäß festgesetzt ist (§§ 3 Abs. 1 Nr. 4, 5 Abs. 1) und die Vereinbarungen über die Geschäftsanteile dem Gesetz entsprechen (§§ 3 Abs. 1 Nr. 4, 5 Abs. 1 bis 3). Die Eignung von Firmenbestandteilen zur Irreführung über geschäftliche Verhältnisse ist in einem registergerichtlichen Verfahren nur zu berücksichtigen, wenn sie „ersichtlich“ ist (§ 18 Abs. 2 Satz 2 HGB), d.h. ohne weitere Nachforschungen aus der Angabe hervorgeht. Der Prüfung unterliegt auch, ob der Gesellschaftsvertrag die erforderlichen Festsetzungen zur Übernahme des Gründungsaufwands (analog § 26 Abs. 2 AktG) und über Sacheinlagevereinbarungen der Gesellschafter enthält (§ 5 Abs. 4 Satz 1)2, der Einlagegegenstand geeignet (s. § 5 Rdnr. 37 ff.) und die Vereinbarung nicht aus anderen Gründen unwirksam ist (s. § 5 Rdnr. 93 ff.; zur sog. Überbewertung von Sacheinlagen vgl. Rdnr. 32 ff.). Bestehen Gründe für die Annahme, dass die Sachgründungsvorschriften umgangen werden (zur verdeckten Sachgründung s. § 19 Rdnr. 120 und zum sog. Hin- und Herzahlen § 19 Rdnr. 171)3, so muss das Registergericht dem nachgehen (Rdnr. 13 f.). Ebenfalls zu prüfen sind die nach § 10 einzutragenden Satzungsbestimmungen über die Vertretungsbefugnis der Geschäftsführer (s. dazu noch Rdnr. 24 f.), über die Zeitdauer der Gesellschaft und über das genehmigte Kapital4 (s. § 10 Rdnr. 15)5.

21

Die Bestimmungen des Gesellschaftsvertrages sind ferner daraufhin zu prüfen, ob sie Vorschriften verletzen, die „ausschließlich oder überwiegend zum Schutze der Gläubiger oder sonst im öffentlichen Interesse gegeben sind“ (§ 9c Abs. 2 1 Begr. RegE, BR-Drucks. 340/97, S. 77 f. 2 Vgl. Rawert, S. 81, 89; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 7; Wicke, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 21. 3 BGHZ 113, 335, 351 f.; OLG Köln, GmbHR 1996, 682; Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 3a. 4 Wicke, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 22. 5 Die Vorschrift soll insoweit verhindern, dass das Registergericht an der Eintragung oder Veröffentlichung unrichtiger Tatsachen mitwirkt, vgl. Begr. RegE, BR-Drucks. 340/97, S. 78.

558

Veil

§ 9c

Ablehnung der Eintragung

Nr. 2). Ebenso wie in § 241 Nr. 3 AktG, dem die zitierte Formulierung entnommen ist1, meint das Gesetz mit dem Ausdruck „überwiegend“, dass die betreffende Vorschrift wesentliche Bedeutung für den Gläubigerschutz haben muss und dieser nicht nur untergeordnete Nebenwirkung sein darf. Gläubigerschutzvorschriften in diesem Sinne enthalten vor allem die Regelungen über die Aufbringung und Erhaltung des Stammkapitals (§§ 7, 9 ff., 16 Abs. 2, 18 Abs. 2, 19, 22, 24, 30 ff.; s. auch Rdnr. 20). Eine Sittenwidrigkeit gemäß § 138 BGB wegen sittenwidriger Kapitalausstattung der Gesellschaft (s. auch Rdnr. 36) oder der unzulässigen Beschränkung des Einziehungsentgelts bei Pfändung und Insolvenz ist entsprechend den Vorstellungen des Gesetzgebers2 nicht zu prüfen3. Der Begriff des öffentlichen Interesses gemäß § 9c Abs. 2 Nr. 2 bezieht sich 22 nicht nur auf die Belange der Allgemeinheit, sondern ist nach seiner Herkunft und dem Regelungszusammenhang in einem weiteren Sinne zu verstehen4. Die Abgrenzung im Einzelnen ist zweifelhaft. Das öffentliche Interesse muss für die zwingende Anordnung der betreffenden Norm von maßgeblicher Bedeutung sein. Das trifft im Hinblick auf den möglichen Satzungsinhalt beispielsweise zu für einzelne Strafvorschriften (§ 82), für einschlägige zwingende öffentlich-rechtliche Vorschriften, insbesondere § 1 GWB, für die meisten Vorschriften über die Rechnungslegung (§§ 41 ff. GmbHG, §§ 239 ff. HGB) und für wesentliche Vorschriften des MitbestG5. Auch die zwingenden Vorschriften des GmbHG sind grundsätzlich schwerpunktmäßig im öffentlichen Interesse gegeben, es sei denn, es handelt sich um solche, die ausschließlich die Rechte der Gesellschafter untereinander betreffen6. Schließlich hat das Registergericht zu untersuchen, ob das Fehlen oder die Nich- 23 tigkeit einer einzelnen Satzungsbestimmung die Nichtigkeit des ganzen Gesellschaftsvertrages zur Folge hat (§ 9c Abs. 2 Nr. 3). Diese Rechtsfolge tritt ohne weiteres bei Fehlen oder Nichtigkeit einer nach § 3 Abs. 1 notwendigen Bestimmung ein7; in diesem Fall gilt zusätzlich § 9c Abs. 2 Nr. 1 (s. Rdnr. 20). Bei Nichtigkeit sonstiger Vertragsbestimmungen ist die Auslegungsregel des § 139 BGB anwendbar8.

1 Begr. RegE, BR-Drucks. 340/97, S. 78. 2 Begr. RegE, BR-Drucks. 340/97, S. 78. 3 A.A. 10. Aufl., § 9c Rdnr. 21; ferner Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 53; Tebben, in: Michalski, Rdnr. 19; wie hier Wicke, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 24. 4 OLG München, GmbHR 2010, 870; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 54. 5 BGHZ 83, 106, 109 ff.; BGHZ 83, 151, 152 f.; BGHZ 89, 48, 50; OLG Karlsruhe, AG 1981, 102 f.; OLG Hamburg, WM 1983, 130, 132. A.A. Rawert, S. 81, 93. 6 OLG München, GmbHR 2010, 870 (§§ 48, 51a, § 50 Abs. 1 und 2, § 61 Abs. 2, § 66 Abs. 2 und 3 nicht im öffentlichen Interesse); Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 10; Tebben, in: Michalski, Rdnr. 20; Wicke, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 25; anders noch 10. Aufl., § 9c Rdnr. 22. 7 Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, § 2 Rdnr. 34. 8 Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 11; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, § 2 Rdnr. 34; Roth, in: Roth/Altmeppen, § 2 Rdnr. 44. A.A. Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 55 f. und § 2 Rdnr. 87; Wicke, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 26.

Veil

559

§ 9c

Ablehnung der Eintragung

c) Geschäftsführerbestellung 24

Die Bestellung der Geschäftsführer (§ 6 Abs. 3 Satz 2) ist durch das Registergericht auf ihre Wirksamkeit zu prüfen. Es hat zu beachten, ob die gesetzlichen Eignungsvoraussetzungen (§ 6 Abs. 2 Satz 1 und 2) vorliegen, keine zwingenden Ausschlussgründe gegeben sind (§ 6 Abs. 2 und 3)1, die Bestellung im Gesellschaftsvertrag oder durch gesonderten Akt des zuständigen Organs nicht wegen anderer Mängel unwirksam ist und der Betreffende, was sich regelmäßig aus seiner Mitwirkung bei der Anmeldung ergibt (s. § 8 Rdnr. 9), das Amt angenommen hat. Die Abweichung von statutarischen Eignungsvoraussetzungen ist nur zu beanstanden, wenn der Bestellungsbeschluss angefochten worden ist.

25

Die Prüfung hat grundsätzlich anhand der gemäß § 8 Abs. 1 Nr. 1, 2 beizufügenden Unterlagen (s. § 8 Rdnr. 6 ff.) und der gemäß § 8 Abs. 3 abzugebenden Versicherung der Geschäftsführer (s. § 8 Rdnr. 22 ff.) zu erfolgen (zur Anmeldepflicht eines späteren Geschäftsführerwechsel s. oben Rdnr. 15). Sind die Unterlagen inhaltlich unzureichend oder bestehen begründete Zweifel an ihrer Richtigkeit, muss das Gericht weitere Ermittlungen anstellen2, z.B. zusätzliche Aufklärung verlangen oder eine Auskunft aus dem Zentralregister einholen (Rdnr. 12 ff.). Der ausländerrechtliche Status der Geschäftsführer ist grundsätzlich nicht in die Prüfung einzubeziehen, es sei denn, dass im Einzelfall Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass bei der Amtsausübung ausländerrechtliche Vorschriften umgangen werden sollen3. Die meisten Instanzgerichte vertraten außerdem vor dem MoMiG die Ansicht, dass dem Geschäftsführer die jederzeitige Einreise möglich sein müsse4. Seit der Reform des GmbH-Rechts durch das MoMiG kann dies aber nicht mehr gefordert werden5, so dass entsprechende registergerichtliche Prüfungen nicht mehr veranlasst sind.

26

Der Kontrolle unterliegt ferner, ob die in der Anmeldung angegebene Vertretungsbefugnis der Geschäftsführer (§ 8 Abs. 4) den gesetzlichen Anforderungen genügt sowie dem Gesellschaftsvertrag und, wenn Besonderheiten des Einzelfalles das erfordern, dem Bestellungsbeschluss entspricht (§ 10 Rdnr. 11 ff.). d) Aufsichtsratsbestellung

27

Die Bestellung des Aufsichtsrates ist ebenfalls auf ihre Rechtswirksamkeit zu prüfen. Sie ist zwar nicht Eintragungsvoraussetzung, aber das Gesetz verlangt, wenn sie vor der Eintragung erfolgt ist, die Beifügung der Urkunde über die Aufsichtsratsbestellung (§ 52 Abs. 2 GmbHG i.V.m. § 37 Abs. 4 Nr. 3 AktG) und geht damit auch von der Notwendigkeit ihrer Prüfung aus. Dagegen hat das Gericht nicht zu prüfen, ob aufgrund der Mitbestimmungsgesetze ein Aufsichtsrat

1 BayObLG, GmbHR 1982, 210. 2 BayObLG, GmbHR 1982, 210, 211. 3 KG, GmbHR 1997, 412, 413; OLG Düsseldorf, GmbHR 1978, 110; OLG Frankfurt, NJW 1977, 1595; OLG Celle, DB 1977, 993; Tebben, in: Michalski, Rdnr. 40. A.A. LG Hildesheim, GmbHR 1995, 655, 656; LG Köln, GmbHR 1983, 48. 4 OLG Celle, GmbHR 2007, 657 (russischer Staatsangehöriger mit Wohnsitz in Russland); OLG Köln, GmbHR 1999, 343; OLG Köln, GmbHR 1998, 182, 183. 5 OLG München, GmbHR 2010, 210; OLG Düsseldorf, NZG 2009, 678.

560

Veil

§ 9c

Ablehnung der Eintragung

zu bilden ist1; diese Frage wird im Statusverfahren geklärt. Auch die Bestellung eines Beirats unterliegt nicht der registergerichtlichen Kontrolle, es sei denn, dass das als Beirat bezeichnete Organ in Wirklichkeit ein Aufsichtsrat ist2. e) Einlagen Die Prüfungspflicht bezieht sich auch auf die notwendigen Leistungen auf die Ge- 28 schäftsanteile (§ 7 Abs. 2 Satz 1, 2 und Abs. 3). Das Registergericht hat also festzustellen, ob die vorgeschriebenen Mindesteinlageleistungen (s. § 7 Rdnr. 18 ff.) vor der Anmeldung endgültig zur freien Verfügung der Geschäftsführer erbracht sind (s. § 7 Rdnr. 34 ff.) und ob zum Zeitpunkt der Anmeldung Vorbelastungen bestehen. Die Versicherungen der Geschäftsführer müssen die tatsächlichen Umstände der Einlageleistungen hinreichend genau darlegen, so dass dem Registergericht die Prüfung des Vorliegens der gesetzlichen Voraussetzungen möglich ist. Bei begründeten Zweifeln an der Richtigkeit der Angaben kann es Nachweise über die Leistung fordern (Rdnr. 14) und erforderlichenfalls auch andere Ermittlungen anstellen (§ 26 FamFG), so z.B. wenn der Verdacht besteht, dass die Einzahlung in Ausführung einer verdeckten Sachgründung erfolgt3. Die Verwendung der ordnungsgemäß bewirkten Einlageleistungen durch die Ge- 29 schäftsführer nach der Anmeldung unterliegt dagegen nicht der Kontrolle des Registergerichts. Das gilt auch für die Frage, ob im Eintragungszeitpunkt zeitweise oder dauernde Vorbelastungen des Stammkapitals durch die Verwendung von Einlagemitteln oder sonst durch die Geschäftstätigkeit der Vorgesellschaft bestehen4. Dies wird in der Rechtsprechung und im Schrifttum teilweise zwar anders gesehen. So sollen nach dem Anmeldezeitpunkt entstandene Vorbelastungen bei Bargründungen5 oder allgemein6 ein Eintragungshindernis sein. Diese Auslegung überzeugt aber nicht. Denn sie hat keine Grundlage im GmbHG. Die Vorschriften über die Kapitalaufbringung erklären die Anmeldung als relevanten Zeitpunkt (vgl. §§ 7 Abs. 2 und 3, 8 Abs. 2). Auf den Zeitpunkt der Eintragung stellt keine der Vorschriften ab, auch nicht § 9c Abs. 1 Satz 1 und 2. Es gibt auch kein Bedürfnis dafür, die registergerichtliche Kontrolle auf den 1 Tebben, in: Michalski, Rdnr. 42; Wicke, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 32. 2 Tebben, in: Michalski, Rdnr. 43; Wicke, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 32. 3 BayObLG, GmbHR 1988, 269; BayObLG, GmbHR 1994, 116, 117; OLG Frankfurt, GmbHR 1992, 531, 532; OLG Hamm, GmbHR 1993, 95, 96; OLG Düsseldorf, GmbHR 1997, 70, 71; OLG Düsseldorf, GmbHR 1998, 235, 236; Wicke, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 33. 4 Vgl. Ulmer, ZGR 1981, 593, 607 f. sowie Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 34; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 12; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 19; Priester, ZIP 1982, 1141, 1143 f.; Heidenhain, NJW 1988, 401; Karsten Schmidt, ZHR 156 (1992), 93, 128 f.; Henze, ZHR 161 (1997), 851, 853 f.; Ihrig, Die endgültige freie Verfügung über die Einlage von Kapitalgesellschaften, 1991, S. 102 ff.; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 19; Wicke, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 41; vgl. auch LG Gießen, GmbHR 1986, 193. 5 BGHZ 80, 129, 143; BGHZ 80, 182, 184 f.; dem deutlich zuneigend auch BayObLG, BB 1991, 2391, 2392. 6 OLG Frankfurt, GmbHR 1992, 531, 532; OLG Hamm, GmbHR 1993, 95, 96; OLG Düsseldorf, GmbHR 1997, 70, 71; BayObLG, GmbHR 1998, 1225, 1226; Fleck, GmbHR 1983, 5, 11 f.; Roth, DNotZ 1989, 3, 8 f.; Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 13; Meister, in: FS Werner, 1984, S. 534 f.; Gustavus, GmbHR 1988, 47, 52.

Veil

561

§ 9c

Ablehnung der Eintragung

Zeitpunkt der Eintragung zu erstrecken. Den Belangen der Gläubiger wird angemessen durch die auf den Eintragungszeitpunkt sich erstreckende Vorbelastungshaftung Rechnung getragen. Schließlich wäre diese Kontrolle in den Hauptanwendungsfällen der Unternehmenstätigkeit der Vorgesellschaft regelmäßig unpraktikabel und machte die Eintragung wegen des Fehlens geeigneter Prüfungsunterlagen sowie der Zufälligkeit des Eintragungszeitpunktes zu einem Lotteriespiel. Etwas anderes kann somit nur gelten, wenn sich, etwa wegen der Vermögensverhältnisse der Gründer, ernsthafte Zweifel bestehen, dass die Vorbelastungshaftung auch tatsächlich realisiert wird1. Ein Eintragungshindernis ist nach der gesetzlichen Wertung (§§ 15a, 17, 19 InsO) bei Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung der Vorgesellschaft gegeben. 30

Das Registergericht hat auch nicht zu prüfen, ob die nach der Satzung vor der Anmeldung oder Eintragung fälligen Mehrleistungen auf die Geschäftsanteile (s. § 7 Rdnr. 46) ordnungsgemäß erbracht worden sind (Rdnr. 7)2. Entsprechendes gilt für die Erfüllung der im Gesellschaftsvertrag festgelegten sonstigen Beitragspflichten der Gesellschafter einschließlich eines auf den Geschäftsanteil zu leistenden Aufgelds3. Einzuschreiten hat das Gericht in diesen Fällen nur, wenn die Anmeldeunterlagen irreführende Angaben über deren Leistung enthalten.

31

Die Prüfung der Solvenz des Einlageschuldners bezüglich der nach der Eintragung zu bewirkenden Geldeinlagen gehört grundsätzlich nicht zu den Aufgaben des Registergerichts. Die Solvenz eines Gesellschafters ist nicht gesetzliche Eintragungsvoraussetzung. Die Kapitalaufbringung wird durch die Haftung der Mitgesellschafter (§ 24) gesichert. Anders ist es aber zu beurteilen, wenn schwerwiegende Zweifel daran bestehen, dass die ausstehenden Einlagen erbracht werden können und die Mithaftung nach § 24 realisiert werden kann4. Einen weiteren Ausnahmefall bilden die Fälle des sog. Hin- und Herzahlens, in denen ein Gesellschafter nur dann von seiner Einlageverpflichtung befreit wird, wenn die Leistung (der Gesellschaft) durch einen vollwertigen Rückgewähranspruch (gegen den Gesellschafter) gedeckt ist5. Der Vorgang muss bei der Anmeldung offen gelegt werden (§ 19 Abs. 5 Satz 2). Der Registerrichter muss überprüfen, ob

1 BayObLG, BB 1991, 2391, 2392; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 19; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 34; Wicke, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 43 (bei schwerwiegenden Zweifeln an der Bonität der Gründer und der Durchsetzbarkeit der Vorbelastungshaftung). 2 OLG Stuttgart, GmbHR 2011, 1101 f.; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 35; offen gelassen von BGHZ 113, 335, 356. 3 Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 17; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 7; LG Augsburg, GmbHR 1996, 216; einschränkend Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 36; Geßler, BB 1980, 1385, 1387 bei Verbindung mit Sacheinlage. A.A. Herchen, Agio und verdecktes Agio im Recht der Kapitalgesellschaften, S. 158. 4 Koch, ZHR 146 (1982), 136 f.; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 19; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 6; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 33; Wicke, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 43. 5 Die Fälle des Hin- und Herzahlens sind typischer Weise Darlehenskonstellationen, in denen ein Gesellschafter zunächst seine Einlage in Bar erbringt und diesen Betrag anschließend aufgrund eines Darlehens von der Gesellschaft zurück erhält. Alternativ kommt in Betracht, dass die Gesellschaft dem Gesellschafter zunächst den Darlehensbetrag auszahlt und der Gesellschaft dann seine Einlage erbringt. Ausführlich s. § 19 Rdnr. 178.

562

Veil

§ 9c

Ablehnung der Eintragung

der Rückgewähranspruch werthaltig ist1. Um ihm dies zu ermöglichen, hat der Gesellschafter entsprechend § 8 Abs. 1 Nr. 5 Unterlagen darüber, dass der Rückgewähranspruch vollwertig, ist, einzureichen. In Betracht kommen Bescheinigungen eines Steuerberaters oder Wirtschaftsprüfers2. Aus den Unterlagen muss sich außerdem ergeben, ob der Rückgewähranspruch jederzeitig fällig ist oder durch fristlose Kündigung durch die Gesellschaft fällig gestellt werden kann (vgl. zu diesen Anforderungen des § 19 Abs. 5 Satz 1 die Erl. zu § 19 Rdnr. 186). Dies wird es im Regelfall erforderlich machen, auch den Darlehensvertrag bei der Anmeldung einzureichen3. f) Bewertung der Sacheinlagen Die Eintragungskontrolle umfasst außerdem die Bewertung der Sacheinlagen. 32 Sie hat aber entgegen dem missverständlichen Gesetzeswortlaut des § 9c Abs. 1 Satz 2 regelmäßig nur daraufhin zu erfolgen, ob der Wert des Einlagegegenstandes den Nennbetrag des Geschäftsanteils und, wenn eine gemischte Sacheinbringung (s. § 5 Rdnr. 81 ff.) vereinbart ist, auch den Betrag der dem Gesellschafter zu gewährenden Vergütung (s. § 5 Rdnr. 85)4 nicht unterschreitet. Seit dem MoMiG hindert eine unwesentliche Überbewertung die Eintragung nicht (s. auch Rdnr. 2). Es ist nicht zu prüfen, ob der Wert der Sacheinlage den im Gesellschaftsvertrag angenommenen Mehrwert erreicht (s. § 5 Rdnr. 89) oder ein durch den Sacheinleger zu leistendes Aufgeld vereinbarungsgemäß abdeckt5. Es darf aber auch hier nicht durch die Angaben über die bewirkte Sacheinlage ein unrichtiger Eindruck darüber vermittelt werden, dass das Aufgeld damit wertmäßig getilgt ist (Rdnr. 30). Die Vorschrift des § 9c Abs. 1 Satz 2 enthält keine Aussage darüber, welcher Be- 33 wertungsstichtag maßgebend ist. Die h.M. stellt auf den Eintragungszeitpunkt ab und hält deshalb die nach der Anmeldung eingetretenen Wertveränderungen des Einlagegegenstandes ohne Rücksicht auf deren Ursache für beachtlich6. Das Verbot der Unterpari-Ausgabe, auf das sie sich beruft, betrifft aber nur die Vereinbarung einer den Nennbetrag des Geschäftsanteils unterschreitende Gegenleistung (s. § 5 Rdnr. 28). Es rechtfertigt keine weiteren Schlussfolgerungen. Entscheidend steht der von der h.M. vertretenen Auslegung die gesetzliche Wertung der §§ 7 Abs. 2 und 3, 8 Abs. 2, 9 Abs. 1 entgegen. Diese Vorschriften legen aus Gründen der Praktikabilität, aber auch, wie sich insbesondere aus § 9 Abs. 1 ergibt, aufgrund einer materiellen Interessenwertung den Anmeldezeitpunkt zugrunde. Spätere Wertveränderungen stellen daher grundsätzlich kein Eintragungs1 Katschinski/Rawert, ZIP 2008, 1993, 2000; Wicke, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 38. 2 Katschinski/Rawert, ZIP 2008, 1993, 2000; Wicke, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 38. 3 Ähnlich Wicke, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 38 (Registergericht könne nach pflichtgemäßem Ermessen die Vorlage verlangen). 4 OLG Düsseldorf, GmbHR 1996, 214, 215; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 38; Haslinger, MittBayNot 1996, 278, 279; Spiegelberger/Walz, GmbHR 1998, 761, 764 f. 5 LG Augsburg, GmbHR 1996, 216, 217; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 17; Hueck/ Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 7; Spiegelberger/Walz, GmbHR 1998, 761, 765. 6 BGHZ 80, 129, 136 f.; BayObLG, GmbHR 1992, 109, 110; Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 9 ff.; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 21, 41; Trölitzsch, Differenzhaftung, S. 204 f.

Veil

563

§ 9c

Ablehnung der Eintragung

hindernis dar1. Etwas anderes gilt nur dann, wenn ihre Ursachen bereits im Anmeldezeitpunkt vorlagen2. Die bloße Möglichkeit einer nachträglichen Wertveränderung reicht für eine ausnahmsweise andere Beurteilung der Rechtsfrage aber nicht aus3. Entscheidend für die Frage einer nicht bloß unwesentlichen Überbewertung der Sacheinlage ist also in der Regel der Zeitpunkt der Anmeldung. 34

Die Grundlage für die Wertprüfung der Sacheinlagen- und Sachübernahmegegenstände bilden die Festsetzungen im Gesellschaftsvertrag (§ 5 Abs. 4 Satz 1), der Sachgründungsbericht (§ 5 Abs. 4 Satz 2), die Verträge über Sacheinlagen (§ 8 Abs. 1 Nr. 4) und die Unterlagen über den Wert der Sacheinlagen (§ 8 Abs. 1 Nr. 5)4. Das Registergericht hat auf Grund seines eigenen Werturteils5 festzustellen, ob der Zeitwert der Einlage- oder Übernahmegegenstände am Tage der Anmeldung (s. Rdnr. 33) den Nennbetrag des Geschäftsanteils und bei gemischten Sacheinbringungen auch die dem Gesellschafter zu gewährende Vergütung deckt (Rdnr. 32). Ein Eintragungshindernis ist im zuletzt genannten Fall aber nicht gegeben, wenn nach der Satzung ein eventueller Minderwert ausschließlich zu Lasten der Vergütung gehen soll. Bestehen nach den eingereichten Unterlagen an der Wertdeckung begründete Zweifel, so hat das Registergericht zusätzliche Ermittlungen anzustellen (§ 26 FamFG) und kann dabei nach pflichtgemäßem Ermessen auch Sachverständige hinzuziehen bzw. gemäß § 380 Abs. 2 FamFG von der IHK oder einer anderen öffentlich-rechtlichen Kammer ein Gutachten einholen (Rdnr. 14). Die Fragwürdigkeit des Wertansatzes der Gründungsgesellschafter genügt allein nicht, wenn gleichwohl die erforderliche Deckung unzweifelhaft ist. Erst recht würde es dem Gesetz widersprechen, routinemäßig die genannten Ermittlungsmaßnahmen zu treffen (Rdnr. 13)6. g) Genehmigungsbedürftigkeit des Unternehmensgegenstandes

35

Das MoMiG hat die früher in § 8 Abs. 1 Nr. 6 vorgesehene Regelung aufgehoben, um das Eintragungsverfahren zu beschleunigen (s. § 8 Rdnr. 21). Die Genehmigungsbedürftigkeit des Unternehmensgegenstandes ist daher nicht mehr im Registerverfahren zu überprüfen. Dann ist es folgerichtig, dass die Gerichte etwaige gesetzliche Vorgaben zur Gründung einer GmbH durch Angehörige freier Berufe nicht mehr kontrollieren7. h) Wirtschaftliche und finanzielle Unternehmensgrundlagen

36

Die Prüfungskompetenz des Registergerichts bezieht sich nicht auf die Entscheidungen der Gesellschafter über die wirtschaftlichen und finanziellen 1 Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 16; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 8; Tebben, in: Michalski, Rdnr. 34; Wicke, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 41 f.; aus dem älteren Schrifttum bereits Geßler, BB 1980, 1385, 1387; von Rössing, Sachgründung, S. 141 ff.; Schäfer-Gölz, Vorbelastungsverbot, S. 131 ff.; vgl. auch für die Kapitalerhöhung OLG Düsseldorf, GmbHR 1996, 214, 216. 2 Geßler, BB 1980, 1385, 1387; Tebben, in: Michalski, Rdnr. 36. 3 Tebben, in: Michalski, Rdnr. 36. 4 Näheres dazu s. § 8 Rdnr. 10 ff. 5 Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 38; Tebben, in: Michalski, Rdnr. 27. 6 OLG Düsseldorf, GmbHR 1996, 214, 216; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 40. 7 Wicke, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 29. A.A. Leitzen, GmbHR 2009, 480.

564

Veil

§ 9c

Ablehnung der Eintragung

Grundlagen des von der GmbH betriebenen Unternehmens (Rdnr. 7). Es darf den Eintragungsantrag insbesondere weder wegen vermeintlicher wirtschaftlicher Unangemessenheit des festgesetzten Stammkapitals1 noch wegen einer nach seiner Ansicht verfehlten Wahl der Formen der Unternehmensfinanzierung beanstanden. Auch ein die Eintragung hinderndes Verbot der (eindeutigen) materiellen Unterkapitalisierung2 ist nach geltendem Recht nicht anzuerkennen3 und wäre zudem rechtspolitisch verfehlt. Anders zu entscheiden ist nur, wenn nach den Gesamtumständen feststeht, dass die Gesellschaftsgründung auf eine sittenwidrige Gläubigerschädigung angelegt ist4.

III. Entscheidungen des Registergerichts 1. Beanstandungen der Anmeldung Das Registergericht hat beim Vorliegen behebbarer Anmeldemängel zunächst ei- 37 ne Zwischenverfügung zu erlassen, durch die es den anmeldenden Geschäftsführern unter Setzung einer angemessenen Frist die Gelegenheit zu ihrer Beseitigung gibt (vgl. § 382 Abs. 4 FamFG). Entsprechend verfährt es, wenn es zur Aufklärung begründeter Zweifel an dem angemeldeten Sachverhalt (Rdnr. 13) nach seinem pflichtgemäßen Ermessen von den Geschäftsführern Auskünfte oder die Vorlage von zusätzlichen Unterlagen verlangen will. Es kann insoweit aber auch eigene Ermittlungen anstellen, insbesondere einen Sachverständigen mit der Bewertung einer Sacheinlage beauftragen (§§ 26, 29 FamFG). In der Praxis ist es verbreitet, dass das Gericht das Gutachten gemäß § 380 Abs. 2 FamFG von der IHK einholt5. Bei Streitigkeiten zwischen den Beteiligten kann das Registergericht die Ent- 38 scheidung über die Eintragung bis zur Erledigung des Rechtsstreits aussetzen (§§ 21 Abs. 1, 381 ff. FamFG). Es kann auch, wenn ein Rechtsstreit noch nicht anhängig ist, einem der Beteiligten eine Frist zur Klageerhebung setzen (§ 381 Satz 2 FamFG). Die Entscheidung über die Aussetzung ist von Amts wegen nach pflichtgemäßem Ermessen zu treffen6. Sie sollte in der Regel dann erfolgen, wenn ein Gründungsgesellschafter den Gesellschaftsvertrag oder seine Beteiligungserklärung angefochten und die rechtzeitige Abgabe der Anfechtungserklärung sowie der Anfechtungsgründe hinreichend glaubhaft (eine eigene eidesstattliche Versicherung genügt dafür nicht) gemacht hat7. Der Registerrichter muss bei seiner Ermessensentscheidung andererseits aber auch berücksichtigen, ob der Gesellschaft durch die Aussetzung nicht schwerwiegende und unersetzli1 Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 6; Tebben, in: Michalski, Rdnr. 45; einschränkend wohl Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 33. 2 So Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 33; Koch, ZHR 146 (1982), 136, jedoch mit Differenzierungen im Einzelnen. 3 Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 6; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/ Schmidt-Leithoff, Rdnr. 18 f.; Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 4. 4 Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 19; Tebben, in: Michalski, Rdnr. 45; ähnlich auch Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 6. 5 Tebben, in: Michalski, Rdnr. 46. 6 Tebben, in: Michalski, Rdnr. 49; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 57 ff.; Wicke, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 49. 7 Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 59.

Veil

565

§ 9c

Ablehnung der Eintragung

che Nachteile entstehen können1. Die Aussetzung der Eintragung kann im Übrigen auch durch das Prozessgericht im Wege einer einstweiligen Verfügung angeordnet werden (§ 16 Abs. 2 HGB)2.

2. Ablehnung der Eintragung 39

Sie muss erfolgen, wenn die Anmeldung – gegebenenfalls nach einer ergebnislosen Zwischenverfügung (Rdnr. 37) – formell mangelhaft ist (Rdnr. 15) oder wenn die materiellen Eintragungsvoraussetzungen (Rdnr. 16 ff.) nicht erfüllt sind. Die Ablehnung kann nicht auf fehlerhafte Teile der Satzung (s. Rdnr. 16 ff.) beschränkt werden, sondern hat sich auch in diesem Fall auf den gesamten Eintragungsantrag zu beziehen3. Nach den erforderlichen Ermittlungen verbleibende Zweifel am Vorliegen der Voraussetzungen gehen zu Lasten der Anmelder4. Vor der Ablehnung hat das Gericht rechtliches Gehör zu geben5. Die Entscheidung ist zu begründen (§§ 38, 382 Abs. 3, 49 ff. FamFG).

40

Ein Ablehnungsgrund liegt, wie § 9c Abs. 1 Satz 2 ausdrücklich klarstellt, auch darin, dass Sacheinlagen überbewertet worden sind, d.h. ihr Zeitwert bei Anmeldung nicht zur Deckung des Nominalbetrages der durch sie zu tilgenden Stammeinlage oder bei gemischten Sacheinbringungen auch der dem Gesellschafter zu gewährenden Vergütung ausreicht (Rdnr. 32 ff.). Bis zum MoMiG schadete jede Unterdeckung ohne Rücksicht darauf, ob es sich um einen „nicht unwesentlichen“ Betrag handelte. Nach neuer Rechtslage hindern unwesentliche Überbewertungen die Eintragung nicht. Das Eintragungshindernis der Überbewertung entfällt nach dem Sinn des § 9c Abs. 1 Satz 2 dann, wenn der Einlageschuldner den zur Deckung erforderlichen Differenzbetrag vor der Eintragung eingezahlt hat und die Geschäftsführer dies analog § 8 Abs. 2 versichert haben6. Einer Änderung des Gesellschaftsvertrages bedarf es dafür nicht. Ob die Gesellschaft oder die Mitgesellschafter sich mit der Ergänzungszahlung begnügen oder mögliche weitergehende Rechte (z.B. Anfechtung wegen Täuschung oder nach der Eintragung die Ausschließung, Ansprüche aus Gewährleistung u.a.) geltend machen wollen, kann ihnen überlassen bleiben. Die Differenzhaftung gemäß § 9 schließt dagegen das Eintragungshindernis nicht aus.

3. Beschwerde 41

Gegen die Ablehnung der Eintragung und gegen Zwischenverfügungen ist die Beschwerde (§§ 58 ff. FamFG) statthaft. Beschwerdeberechtigt ist die Vorgesell-

1 Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 59; Wicke, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 49. 2 RGZ 82, 375, 380; OLG München, NZG 2007, 152; LG Heilbronn, AG 1971, 372; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 37. 3 BayObLG, WM 1987, 502; LG München, GmbHR 1991, 270; LG Dresden, GmbHR 1994, 555 f.; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 60; Wicke, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 48. 4 KG, GmbHR 1997, 412; BayObLGZ 1978, 319, 322 f.; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 60; Wicke, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 48. 5 Wicke, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 48. 6 Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 21; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 26; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 43.

566

Veil

§ 10

Inhalt der Eintragung

schaft als Antragstellerin (s. § 7 Rdnr. 10)1. Die Beschwerde ist durch die Geschäftsführer in vertretungsberechtigter Zahl einzulegen2. Die Gesellschafter und die Geschäftsführer haben kein eigenes Beschwerderecht3. Die Organe des Handels- und Handwerkstandes und die berufsständischen Organe von Anwalts-, Steuerberatungs- und Wirtschaftsprüfungsgesellschaften sind nur bei Zurückweisung ihrer Gegenanträge, dagegen nicht bei Beanstandungen der Anmeldung durch eine Zwischenverfügung oder bei der Ablehnung der Eintragung beschwerdeberechtigt (§ 380 Abs. 5 FamFG)4. Als Rechtsmittel gegen eine ablehnende Entscheidung steht die Rechtsbeschwerde zur Verfügung, wenn das Beschwerdegericht sie zugelassen hat (vgl. §§ 70 ff. FamFG). Die erfolgte Eintragung in das Handelsregister kann nicht durch eine Beschwerde angegriffen werden5. Es kann jedoch ein Amtslöschungs- oder Amtsauflösungsverfahren angeregt werden, das aber nur in Ausnahmefällen durchgreift (§§ 397, 399 FamFG).

§ 10

Inhalt der Eintragung (1) Bei der Eintragung in das Handelsregister sind die Firma und der Sitz der Gesellschaft, eine inländische Geschäftsanschrift, der Gegenstand des Unternehmens, die Höhe des Stammkapitals, der Tag des Abschlusses des Gesellschaftsvertrages und die Personen der Geschäftsführer anzugeben. Ferner ist einzutragen, welche Vertretungsbefugnis die Geschäftsführer haben. (2) Enthält der Gesellschaftsvertrag Bestimmungen über die Zeitdauer der Gesellschaft oder über das genehmigte Kapital, so sind auch diese Bestimmungen einzutragen. Wenn eine Person, die für Willenserklärungen und Zustellungen an die Gesellschaft empfangsberechtigt ist, mit einer inländischen Anschrift zur Eintragung in das Handelsregister angemeldet wird, sind auch diese Angaben einzutragen; Dritten gegenüber gilt die Empfangsberechtigung als fortbestehend, bis sie im Handelsregister gelöscht und die Löschung bekannt gemacht worden ist, es sei denn, dass die fehlende Empfangsberechtigung dem Dritten bekannt war. Fassung von 1898; Abs. 1 Satz 2 eingefügt und Abs. 2 neu gefasst durch KoordG vom 15.8.1969 (BGBl. I 1969, 1146); Abs. 3 geändert durch Gesetz vom 4.7.1980 (BGBl. I 1980, 836); Abs. 3 aufgehoben durch Gesetz vom 10.11.2006 (BGBl. I 2006, 2553); Überschrift geändert, Abs. 1 Satz 2 geändert, Abs. 2 Satz 2 angefügt durch das MoMiG vom 23.10.2008 (BGBl. I 2008, 2026); Abs. 2 Satz 1 geändert durch das ARUG vom 30.7.2009 (BGBl. I 2009, 2479). 1 BGHZ 117, 323, 325 ff. (zur AG); BGHZ 107, 1 f.; OLG Frankfurt, BB 1992, 1160; BayObLG, GmbHR 1995, 722; KG, GmbHR 1997, 412; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 62; Tebben, in: Michalski, Rdnr. 48. 2 BGHZ 117, 323, 327 ff.; vgl. Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 62. 3 OLG Hamm, BB 1997, 753; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 3. 4 BayObLGZ 1982, 153, 155; BayObLG, BB 1996, 2324 f.; BayObLG, BB 1984, 171, 172; OLG Oldenburg, NJW 1957, 349; Tebben, in: Michalski, Rdnr. 49. 5 BGHZ 104, 61, 63; BayObLGZ 1986, 540; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 63.

Veil

567

42

§ 10

Inhalt der Eintragung

schaft als Antragstellerin (s. § 7 Rdnr. 10)1. Die Beschwerde ist durch die Geschäftsführer in vertretungsberechtigter Zahl einzulegen2. Die Gesellschafter und die Geschäftsführer haben kein eigenes Beschwerderecht3. Die Organe des Handels- und Handwerkstandes und die berufsständischen Organe von Anwalts-, Steuerberatungs- und Wirtschaftsprüfungsgesellschaften sind nur bei Zurückweisung ihrer Gegenanträge, dagegen nicht bei Beanstandungen der Anmeldung durch eine Zwischenverfügung oder bei der Ablehnung der Eintragung beschwerdeberechtigt (§ 380 Abs. 5 FamFG)4. Als Rechtsmittel gegen eine ablehnende Entscheidung steht die Rechtsbeschwerde zur Verfügung, wenn das Beschwerdegericht sie zugelassen hat (vgl. §§ 70 ff. FamFG). Die erfolgte Eintragung in das Handelsregister kann nicht durch eine Beschwerde angegriffen werden5. Es kann jedoch ein Amtslöschungs- oder Amtsauflösungsverfahren angeregt werden, das aber nur in Ausnahmefällen durchgreift (§§ 397, 399 FamFG).

§ 10

Inhalt der Eintragung (1) Bei der Eintragung in das Handelsregister sind die Firma und der Sitz der Gesellschaft, eine inländische Geschäftsanschrift, der Gegenstand des Unternehmens, die Höhe des Stammkapitals, der Tag des Abschlusses des Gesellschaftsvertrages und die Personen der Geschäftsführer anzugeben. Ferner ist einzutragen, welche Vertretungsbefugnis die Geschäftsführer haben. (2) Enthält der Gesellschaftsvertrag Bestimmungen über die Zeitdauer der Gesellschaft oder über das genehmigte Kapital, so sind auch diese Bestimmungen einzutragen. Wenn eine Person, die für Willenserklärungen und Zustellungen an die Gesellschaft empfangsberechtigt ist, mit einer inländischen Anschrift zur Eintragung in das Handelsregister angemeldet wird, sind auch diese Angaben einzutragen; Dritten gegenüber gilt die Empfangsberechtigung als fortbestehend, bis sie im Handelsregister gelöscht und die Löschung bekannt gemacht worden ist, es sei denn, dass die fehlende Empfangsberechtigung dem Dritten bekannt war. Fassung von 1898; Abs. 1 Satz 2 eingefügt und Abs. 2 neu gefasst durch KoordG vom 15.8.1969 (BGBl. I 1969, 1146); Abs. 3 geändert durch Gesetz vom 4.7.1980 (BGBl. I 1980, 836); Abs. 3 aufgehoben durch Gesetz vom 10.11.2006 (BGBl. I 2006, 2553); Überschrift geändert, Abs. 1 Satz 2 geändert, Abs. 2 Satz 2 angefügt durch das MoMiG vom 23.10.2008 (BGBl. I 2008, 2026); Abs. 2 Satz 1 geändert durch das ARUG vom 30.7.2009 (BGBl. I 2009, 2479). 1 BGHZ 117, 323, 325 ff. (zur AG); BGHZ 107, 1 f.; OLG Frankfurt, BB 1992, 1160; BayObLG, GmbHR 1995, 722; KG, GmbHR 1997, 412; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 62; Tebben, in: Michalski, Rdnr. 48. 2 BGHZ 117, 323, 327 ff.; vgl. Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 62. 3 OLG Hamm, BB 1997, 753; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 3. 4 BayObLGZ 1982, 153, 155; BayObLG, BB 1996, 2324 f.; BayObLG, BB 1984, 171, 172; OLG Oldenburg, NJW 1957, 349; Tebben, in: Michalski, Rdnr. 49. 5 BGHZ 104, 61, 63; BayObLGZ 1986, 540; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 63.

Veil

567

42

§ 10

Inhalt der Eintragung

Inhaltsübersicht I. Grundlagen 1. Regelungsinhalt und -zweck . . . 2. Anwendungsbereich. . . . . . . . . . . II. 1. 2. 3. 4. 5.

1 3

Eintragung der GmbH Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4 Notwendiger Eintragungsinhalt 6 Bestimmungen über Zeitdauer . 14 Genehmigtes Kapital . . . . . . . . . . 15 Fakultativ angemeldete empfangsberechtigte Person . . . . 16

III. Wirkung und Mängel der Eintragung 1. Entstehung der GmbH . . . . . . . . . 18

2. Eintragungsmängel a) Unrichtige Eintragungen . . . . b) Verfahrensmängel . . . . . . . . . . c) Nicht ordnungsgemäße Gesellschaftserrichtung . . . . IV. 1. 2. 3.

21 23 24

Veröffentlichung Bekanntmachung . . . . . . . . . . . . . Inhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wirkungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . .

27 29 30

V. Eintragungs- und Bekanntmachungskosten . . . . . . . . . . . . .

31

VI. Amtshaftung . . . . . . . . . . . . . . . . .

32

Schrifttum: Kort, Paradigmenwechsel im deutschen Registerrecht. Das elektronische Handels- und Unternehmensregister – eine Zwischenbilanz, AG 2007, 801; Liebscher/Scharff, Das Gesetz über elektronische Handelsregister und Genossenschaftsregister sowie das Unternehmensregister, NJW 2006, 3745; Spindler, Abschied vom Papier? Das Gesetz über elektronische Handelsregister und Genossenschaftsregister sowie das Unternehmensregister, WM 2006, 109; Steffek, Zustellungen und Zugang von Willenserklärungen nach dem Regierungsentwurf zum MoMiG. Inhalt und Bedeutung der Änderungen für GmbHs, AGs und ausländische Kapitalgesellschaften, BB 2007, 2077.

I. Grundlagen 1. Regelungsinhalt und -zweck 1 Die Vorschrift regelt den Inhalt der Eintragung der GmbH in das Handelsregister. Sie ist durch das KoordG vom 15.8.1969 dahingehend erweitert worden, dass die Angabe über die Vertretungsbefugnis der Geschäftsführer stets eingetragen werden muss. Aufgrund des Gesetzes über elektronische Handelsregister und Genossenschaftsregister sowie das Unternehmensregister (EHUG) wird seit dem 1.1.2007 die Handelsregistereintragung elektronisch bekannt gemacht (vgl. § 8 Abs. 1 HGB). Entsprechend dem Grundsatz des Verzichts auf Zusatzbekanntmachung wurde daher § 10 Abs. 3 – die Vorschrift war zuvor durch die GmbHNovelle 1980 geändert worden – zu diesem Zeitpunkt aufgehoben1. Die Änderung des Abs. 1 Satz 2 durch das MoMiG ist eine Folgeänderung zu § 8 Abs. 4 (s. § 8 Rdnr. 33 ff.); die bei der Anmeldung anzugebende inländische Geschäftsanschrift ist in das Handelsregister einzutragen. Der durch das MoMiG neu eingefügte § 10 Abs. 2 Satz 2 bestimmt, dass eine Person in das Handelsregister eingetragen werden kann, die den Gläubigern als zusätzlicher Zustellungsbevollmächtigter dient, und normiert die Dauer der Empfangsberechtigung. Schließlich hat das ARUG durch Änderung des § 10 Abs. 2 Satz 1 die Eintragung

1 Begr. RegE EHUG, BT-Drucks. 16/960, S. 66.

568

Veil

§ 10

Inhalt der Eintragung

auf gesellschaftsvertragliche Bestimmungen über ein genehmigtes Kapital (§ 55a) erstreckt. Die Eintragung in das Handelsregister hat konstitutive Bedeutung für die Ent- 2 stehung der GmbH (§ 11 Abs. 1). Sie dient nicht nur Publizitätszwecken, sondern soll durch die vorgeschaltete registergerichtliche Prüfung (§ 9c) gewährleisten, dass nur ordnungsgemäß errichtete Gesellschaften als GmbH entstehen können. Die Eintragung hat im Interesse des Gläubiger- und Bestandschutzes die Einschränkung der Beachtlichkeit von Gründungsmängeln und/oder eine Modifizierung ihrer Rechtswirkungen zur Folge.

2. Anwendungsbereich § 10 gilt für die Neugründung einer GmbH. Die Vorschrift ist ferner gemäß §§ 36 3 Abs. 2 Satz 1, 135 Abs. 2 Satz 1, 197 Satz 1 UmwG bei einer Verschmelzung, Spaltung und einem Rechtsformwechsel anwendbar. Andere Fälle einer Eintragung sind die Änderung des Gesellschaftsvertrags (§ 54), die Änderung der Vertretungsbefugnis (§ 39) und die Auflösung der GmbH (§ 65). Schließlich wird auch die Zweigniederlassung eingetragen (§ 13 HGB).

II. Eintragung der GmbH 1. Allgemeines Die Eintragung der Gesellschaft ist in Abt. B des Handelsregisters vorzunehmen (§§ 3 Abs. 3, 43 HRV). Ihren Inhalt legt § 10 Abs. 1 und 2 abschließend fest1. Das Gesetz unterscheidet zwischen den notwendigen Eintragungsgegenständen (Rdnr. 6 ff.) und den möglichen weiteren Angaben (Rdnr. 14 ff.)2. Die Eintragung sonstiger Umstände der Gesellschaft ist unzulässig und, wenn sie versehentlich erfolgt ist, von Amts wegen zu löschen3.

4

Jede Eintragung soll den Tag, an dem sie vorgenommen worden ist, angeben und 5 mit der elektronisch signierten Unterschrift des betreffenden Urkundsbeamten der Geschäftsstelle versehen sein (§ 382 Abs. 2 FamFG, § 27 Abs. 4 und § 28 HRV). Die Datumsangabe ist wegen des Entstehungszeitpunkts der GmbH (§ 11 Abs. 1), des Verjährungsbeginns für die Nachzahlungspflicht bei der Überbewertung von Sacheinlagen (§ 9 Abs. 2) und für die zivilrechtliche Haftung der Gründer und Geschäftsführer (§ 9b Abs. 2 Satz 2) von Bedeutung. Die Eintragung soll, ausgenommen bei Verzicht, dem Antragsteller bekanntgemacht werden (§ 383 Abs. 1 FamFG). Sie ist unanfechtbar (s. § 9c Rdnr. 42).

1 BGH, GmbHR 1998, 181, 182; BayObLG, GmbHR 1997, 410; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 3. 2 Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 3. 3 OLG Karlsruhe, GmbHR 1964, 78; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 21.

Veil

569

§ 10

Inhalt der Eintragung

2. Notwendiger Eintragungsinhalt 6 a) Einzutragen sind zunächst die Firma und der Sitz der Gesellschaft, wie im Gesellschaftsvertrag angegeben (vgl. § 3 Abs. 1 Nr. 1). Bei einer Unternehmergesellschaft muss die Firma die Bezeichnung „Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt)“ oder „UG (haftungsbeschränkt)“ führen. Die Firma ist in Spalte 2 unter dem Buchstaben a) einzutragen (vgl. § 43 Nr. 2 a) HRV) und der Sitz in Spalte 2 unter dem Buchstaben b) (§ 43 Nr. 2 b) HRV). Ferner muss seit der Änderung des § 10 Abs. 1 Satz 1 durch das MoMiG die inländische Geschäftsanschrift eingetragen werden (s. auch § 8 Rdnr. 20 ff.). Sie ist ebenfalls in Spalte 2 unter dem Buchstaben b) einzutragen (§ 43 Nr. 2 b) HRV). 7 b) Bei der Eintragung in das Handelsregister ist ferner der Gegenstand des Unternehmens der Gesellschaft (vgl. § 3 Abs. 1 Nr. 2) anzugeben. Erforderlich ist die wörtliche Wiedergabe der maßgeblichen Satzungsbestimmungen. Eine abgekürzte sinngemäße Angabe genügt nicht1. Insbesondere ist es angesichts des klaren und eindeutigen Wortlauts sowie der Publizitätsfunktion der Eintragung nicht zulässig, angebliche Leerformeln (wie beispielsweise die Bestimmung, dass die „Gesellschaft berechtigt ist, alle Geschäfte vorzunehmen und alle Maßnahmen zu ergreifen, die mit dem Gegenstand des Unternehmens zusammenhängen oder ihm unmittelbar oder mittelbar förderlich sind“) wegzulassen2. Der Gegenstand des Unternehmens ist in Spalte 2 unter Buchstabe c) einzutragen (§ 43 Nr. 2 c) HRV). 8 c) Einzutragen ist weiterhin die Höhe des Stammkapitals (vgl. § 3 Abs. 1 Nr. 3), d.h. sein im Gesellschaftsvertrag festgesetzter Betrag. Dies geschieht in Spalte 3 der Abteilung B des Handelsregister (vgl. § 43 Nr. 3 HRV). Nicht einzutragen sind die einzelnen Geschäftsanteile bzw. deren Nennbeträge3 und die Namen der Gesellschafter. Ebenso wenig sind Angaben über Sacheinlagen zu machen4 (über die Bekanntmachung s. aber Rdnr. 29). Die Umstände sind aber den der Einsicht unterliegenden (§ 9 HGB) Anmeldeunterlagen zu entnehmen (s. § 8 Rdnr. 37). 9 d) Bei der Eintragung in das Handelsregister ist auch der Tag des Abschlusses des Gesellschaftsvertrages, anzugeben. Die Eintragung erfolgt in Spalte 6 unter Buchstabe a) (vgl. § 43 Nr. 6 a) HRV). Der Tag des Abschlusses ergibt sich regelmäßig aus der notariellen Urkunde (§ 9 Abs. 2 BeurkG). Es kann vorkommen, dass die Beteiligungserklärungen der Gesellschafter an verschiedenen Tagen abgegeben wurden. In Betracht kommt dies beispielsweise, wenn ein vollmachtlos vertretener Gründer die notarielle Urkunde im Nachhinein genehmigt5. Da in

1 OLG Köln, WM 1981, 805; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 7; Tebben, in: Michalski, Rdnr. 6; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 8a. 2 A.A. BayObLG, GmbHR 1994, 60, 62; Schaub, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 20; Tebben, in: Michalski, Rdnr. 6; vgl. auch LG München, GmbHR 1991, 270. 3 RGZ 78, 359, 361; RGZ 83, 256, 265; RG, JW 1911, 779; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/ Hueck, Rdnr. 2; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 3, 8. 4 RGZ 78, 359, 362; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 8; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 3. 5 Schaub, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 25.

570

Veil

§ 10

Inhalt der Eintragung

einem solchen Fall die Genehmigung rückwirkt (vgl. § 184 BGB), ist der Tag der Errichtung der notariellen Gründungsurkunde einzutragen1. e) Ferner sind die Personen der Geschäftsführer einzutragen, und zwar aller ein- 10 schließlich der Stellvertreter (§ 44)2, die aber nicht als solche bezeichnet werden können3. Sie sind mit Familiennamen, Vornamen, Geburtsdatum und Wohnort in Spalte 4 unter Buchstabe b) einzutragen (§ 43 Nr. 4 b) HRV). f) Einzutragen ist auch die Vertretungsbefugnis der Geschäftsführer. Sie ist seit 11 der Neuregelung des § 10 Abs. 1 Satz 2 durch das KoordG vom 15.8.1969 ohne Einschränkung immer und nicht mehr wie nach früherem Recht (§ 10 Abs. 2 a.F.) nur dann einzutragen, wenn sie von der gesetzlichen Regelung des § 35 Abs. 2 Satz 2 abweicht. Das gilt auch dann, wenn nur ein Geschäftsführer bestellt ist und dieser die Gesellschaft allein vertreten kann4. Die Eintragung erfolgt in Spalte 4 unter Buchstabe a) (vgl. § 43 Nr. 4 a) HRV). Einzutragen ist grundsätzlich die nach dem GmbHG oder, wenn der Gesell- 12 schaftsvertrag abweicht, die nach ihm geltende generelle Regelung der Vertretungsbefugnis der Geschäftsführer5. Es ist anzugeben, ob Einzel-6 oder Gesamtvertretungsmacht besteht und wie diese im Einzelnen ausgestaltet ist. Lediglich dann, wenn für jeden oder für einzelne Geschäftsführer Besonderheiten bestehen, muss bei ihrer Eintragung die jeweilige spezielle Vertretungsbefugnis angegeben werden7. Die Vertretungsbefugnis muss im Übrigen ohne Zuhilfenahme der Anmeldeunterlagen und ohne Kenntnis sonstiger tatsächlicher Umstände aus dem Handelsregister selbst eindeutig ersichtlich sein8. Unzulässig ist deshalb z.B. die Eintragung, dass den Geschäftsführern, die zugleich Gesellschafter sind, Einzelvertretungsmacht zustehe. Die Beifügung von Bedingungen oder Be1 Schaub, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 25. Nach a.A. soll die Angabe des Datums der letzten Erklärung genügen, vgl. Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 2; Tebben, in: Michalski, Rdnr. 8; auch 10. Aufl. 2 BGH, GmbHR 1998, 181, 182; Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 3; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 8. 3 BGH, GmbHR 1998, 181, 182; BayObLG, GmbHR 1997, 410; inzwischen auch h.L.; vgl. Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 2; Schaub, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 27; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 8; a.A. teilweise die ältere Rspr., vgl. OLG Stuttgart, NJW 1960, 2150; OLG Düsseldorf, GmbHR 1969, 108. 4 EuGHE 1974, 1201; BGHZ 63, 261, 264 f.; BayObLG, BB 1980, 597; OLG Düsseldorf, NJW 1989, 3100; OLG Naumburg, GmbHR 1994, 119; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 6; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 9; a.A. noch OLG Frankfurt, BB 1971, 797. 5 BGHZ 87, 59, 63; BayObLG, BB 1974, 291; BayObLG, BB 1980, 597; BayObLG, WM 1980, 473, 474; BayObLG, GmbHR 1997, 741; OLG Köln, Rpfleger 1970, 172; OLG Frankfurt, BB 1970, 370; OLG Frankfurt, BB 1973, 677; OLG Frankfurt, Rpfleger 1971, 359; OLG Frankfurt, Rpfleger 1987, 419; OLG Hamm, NJW 1972, 1763; OLG Zweibrücken, GmbHR 1993, 97; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 3; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 9. 6 Der stattdessen teilweise verwendete Ausdruck „Alleinvertretungsmacht“ wird von OLG Zweibrücken, GmbHR 1993, 97 f.; OLG Frankfurt, DB 1993, 2174; OLG Naumburg, GmbHR 1994, 119 als irreführend beanstandet. 7 Vgl. OLG Hamm, GmbHR 2011, 708, 709; OLG Frankfurt, GmbHR 1994, 117 f.; Schaub, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 29. 8 BGHZ 87, 59, 63; BayObLG, WM 1980, 473, 474; OLG Frankfurt, BB 1984, 238 f.; OLG Zweibrücken, GmbHR 1993, 97; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 10.

Veil

571

§ 10

Inhalt der Eintragung

fristungen ist nur möglich, wenn deren Eintritt aus dem Handelsregister hervorgeht1. Die satzungsmäßige Ermächtigung eines Gesellschaftsorgans, die Vertretungsbefugnis der Geschäftsführer zu bestimmen (z.B. Befreiung vom Verbot des Selbstkontrahierens, Einräumung einer Einzelvertretungsmacht), ist als solche nicht eintragungsfähig2; eine solche Eintragung würde nicht die bestehende Vertretungsbefugnis, sondern nur die statutarischen Möglichkeiten der Vertretungsbefugnis angeben und daher nur Verwirrung stiften3. Es kann nur die für den bestellten Geschäftsführer getroffene Entscheidung des Gesellschaftsorgans eingetragen werden. Schließlich ist es unzulässig, zusätzlich eine den Rechtsverkehr verwirrende konkrete Vertretungsregelung einzutragen, wonach der Geschäftsführer einzelvertretungsbefugt ist, nur weil er derzeit der einzige Geschäftsführer ist4. 13

Die Gestattung des Selbstkontrahierens (§ 181 BGB) ist eine eintragungspflichtige Regelung der Vertretungsbefugnis i.S. des § 10 Abs. 1 Satz 25, soweit sie sich nicht nur auf ein konkretes Einzelgeschäft bezieht6. Unerheblich ist dabei, ob sie alle Geschäfte mit der Gesellschaft oder nur bestimmte Geschäftsarten umfasst und welche Bedeutung die gestatteten Insichgeschäfte für die Gesellschaft haben7. Die Eintragung muss derart erfolgen, dass die Zulässigkeit des Selbstkontrahierens durch den Geschäftsführer vollständig aus dem Handelsregister zu entnehmen ist (Rdnr. 12)8. Sie darf also z.B. nicht dahingehend lauten, dass einem Gesellschafter-Geschäftsführer das Selbstkontrahieren gestattet sei9, sondern muss bei dem bestellten Geschäftsführer, der diese statutarische Voraussetzungen erfüllt, uneingeschränkt die ihm speziell zustehende Befugnis angeben10. Die bloße statutarische Ermächtigung eines Gesellschaftsorgans, dem 1 Kanzleiter, Rpfleger 1984, 1, 3; Schaub, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 32; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 12. 2 BayObLGZ 1982, 41, 45; BayObLG, BB 1984, 1117, 1118; OLG Karlsruhe, BB 1984, 238; OLG Frankfurt, BB 1984, 238, 239; OLG Frankfurt, GmbHR 1994, 118 f.; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 6; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 11. 3 Das übersehen OLG Zweibrücken, GmbHR 1993, 97; LG Köln, GmbHR 1993, 501, 502. Die Eintragungsfähigkeit offen lassend OLG Hamm, GmbHR 1993, 500. 4 OLG Hamm, GmbHR 2011, 708, 709 (bezüglich der Anmeldung bei einer nach Mustersatzung gegründeten GmbH). 5 BGHZ 87, 59, 61 f.; BGHZ 114, 167, 170; BayObLG, BB 1980, 597; BayObLG, BB 1981, 869; BayObLG, BB 1982, 577; BayObLG, BB 1984, 1117 f.; OLG Frankfurt, BB 1983, 146; OLG Frankfurt, GmbHR 1994, 118 f.; OLG Köln, GmbHR 1980, 129; OLG Köln, GmbHR 1996, 218, 219; OLG Düsseldorf, GmbHR 1995, 51; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 7; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 13. A.A. teilweise die ältere Rechtsprechung, vgl. OLG Karlsruhe, GmbHR 1964, 78; LG Oldenburg, BB 1972, 769; LG Köln, DB 1980, 922. 6 Vgl. Bühler, DNotZ 1983, 588, 593; Schaub, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 35; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 14. 7 OLG Düsseldorf, GmbHR 1995, 51, 52; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 13. 8 BGHZ 87, 59, 63; OLG Frankfurt, BB 1984, 238, 239; OLG Düsseldorf, GmbHR 1995, 51; OLG Köln, GmbHR 1996, 218, 219; Schaub, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 36; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 13. 9 BGHZ 87, 59, 63; OLG Frankfurt, BB 1984, 238, 239; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 13. 10 OLG Stuttgart, GmbHR 2007, 1270 (bei der Befreiung vom Selbstkontrahierungsverbot mit Beschränkung auf Geschäfte mit bestimmten Dritten sind diese bei der Anmeldung konkret zu benennen und einzutragen); OLG Köln, GmbHR 1996, 218, 219; OLG Düsseldorf, GmbHR 1995, 51, 52; Tebben, in: Michalski, Rdnr. 11.

572

Veil

§ 10

Inhalt der Eintragung

Geschäftsführer das Selbstkontrahieren zu gestatten, kann nicht in das Handelsregister eingetragen werden (s. auch Rdnr. 12)1. Ebenso wenig eintragungsfähig ist die überflüssige und deshalb unzulässige (Rdnr. 4) zusätzliche Angabe, dass die Erlaubnis zum Selbstkontrahieren auch für den Fall der Vereinigung aller Geschäftsanteile in einer Hand gelten solle2.

3. Bestimmungen über Zeitdauer Nach § 10 Abs. 2 Satz 1 ist auch eine Bestimmung des Gesellschaftsvertrages 14 über die Zeitdauer der Gesellschaft in das Handelsregister einzutragen. Es sind damit die in § 3 Abs. 2 geregelten Vereinbarungen gemeint, dass die Gesellschaft, abweichend von der gesetzlichen Regel, „auf eine gewisse Zeit beschränkt sein“ soll3. Eine die Gesetzeslage wiedergebende Bestimmung, wonach die Gesellschaft auf unbestimmte Zeit bestehen soll, ist demzufolge nicht eintragungsfähig4. Auch die Vereinbarung eines Kündigungsrechts der Gesellschafter fällt nicht unter § 10 Abs. 2 ohne Rücksicht darauf, ob die Kündigung zur Auflösung der Gesellschaft führt oder nicht5. Die Eintragung erfolgt in Spalte 6 unter Buchstabe b) (vgl. § 43 Nr. 6 b) aa) HRV). Die fehlende Eintragung über die Zeitdauer der Gesellschaft berührt nicht die Rechtswirksamkeit der Satzungsbestimmung6.

4. Genehmigtes Kapital Das ARUG vom 30.7.2009 hat § 10 Abs. 2 Satz 1 dahingehend geändert, dass 15 auch Bestimmungen über das genehmigte Kapital einzutragen sind. Die Möglichkeit einer Kapitalerhöhung durch ein „genehmigtes Kapital“ wurde bereits durch das MoMiG in § 55a eingeführt. Anders als bei der Aktiengesellschaft fehlte jedoch eine Vorschrift, die eine Eintragung des genehmigten Kapitals im Handelsregister sicherstellt. Auf Vorschlag des Bundesrates wurde daher § 10 Abs. 1 Satz 2 entsprechend geändert, um die nötige Publizität zu gewährleisten7. Die Eintragung erfolgt in Spalte 6 unter Buchstabe b); einzutragen ist das Bestehen eines genehmigten Kapitals unter Angabe des Beschlusses der Hauptver1 BayObLGZ 1982, 41, 45; BayObLGZ 1984, 109, 111 f.; BayObLG, GmbHR 1990, 213, 214; OLG Frankfurt, GmbHR 1994, 118; OLG Stuttgart, OLGZ 1985, 37; OLG Hamm, WM 1987, 405, 406; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 4; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 11, 13. A.A. LG Köln, GmbHR 1993, 501, 502; offen lassend OLG Hamm, GmbHR 1993, 500. 2 Vgl. BGH, BB 1991, 925; OLG Düsseldorf, GmbHR 1991, 161; AG Köln, GmbHR 1991, 161; Reinicke/Tiedtke, GmbHR 1991, 200; Tiedtke, ZIP 1991, 355. A.A. BayObLG, GmbHR 1990, 213, 216. 3 Schaub; in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 39; Tebben, in: Michalski, Rdnr. 12. 4 Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 15; Schaub; in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 39; Tebben, in: Michalski, Rdnr. 12. 5 BayObLG, BB 1975, 249, 250; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 3; SchmidtLeithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 14; Schaub; in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 39; Tebben, in: Michalski, Rdnr. 12. A.A. RGZ 79, 418, 422; OLG Hamm, GmbHR 1971, 57, 59; auch Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 4 bezüglich der Bestimmung, dass die Gesellschaft beim Ausscheiden eines Gesellschafters aufgelöst ist. 6 OLG Hamm, GmbHR 1971, 57, 59; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 4; Schaub; in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 39; Tebben, in: Michalski, Rdnr. 12. 7 Begr. RegE ARUG, BT-Drucks. 16/13098, S. 43.

Veil

573

§ 10

Inhalt der Eintragung

sammlung oder Gesellschafterversammlung, der Höhe des genehmigten Kapitals und des Zeitpunktes, bis zu dem die Ermächtigung besteht (vgl. § 43 Nr. 6 b) hh) HRV).

5. Fakultativ angemeldete empfangsberechtigte Person 16

Einer GmbH ist es seit dem MoMiG gestattet, eine Person in das Handelsregister eintragen zu lassen, die den Gläubigern als zusätzlicher Zustellungsbevollmächtigter neben den Vertretern der Gesellschaft dient. Nach Ansicht des Gesetzgebers werden von dieser Option nur solche Gesellschaften Gebrauch machen, die Bedenken haben, ob die eingetragene Geschäftsanschrift tatsächlich ununterbrochen für Zustellungen geeignet sein wird und sich dadurch Risiken aus öffentlichen Zustellungen ergeben könnten1. In Betracht kommen beispielsweise Gesellschafter, Rechtsanwälte oder Notare2. Wenn eine solche Person, die für Willenserklärungen und Zustellungen an die Gesellschaft empfangsberechtigt ist, mit einer inländischen Anschrift zur Eintragung in das Handelsregister angemeldet wird, sind gemäß § 10 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 1 auch diese Angaben einzutragen. Die Eintragung hat dann zur Folge, dass eine öffentliche Zustellung ausscheidet3 (s. aber Rdnr. 17 a.E.).

17

Die Zustellung an eine empfangsberechtigte Person müsste scheitern, wenn die Gesellschaft die Empfangsberechtigung gegenüber der empfangsberechtigten Person mittlerweile widerrufen hat. Um Dritte im Vertrauen auf die Registerpublizität zu schützen, reicht der Gutglaubensschutz des § 15 Abs. 1 HGB nicht aus. Denn diese Vorschrift findet nur bezüglich eintragungspflichtiger Tatsachen Anwendung. Die Anmeldung einer zusätzlichen empfangsberechtigten Person steht aber im Ermessen der Gesellschaften. § 10 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 2 schließt nach dem Vorbild des § 15 HGB die Schutzlücke und bestimmt, dass Dritten gegenüber die Empfangsberechtigung als fortbestehend gilt, bis sie im Handelsregister gelöscht und die Löschung bekannt gemacht worden ist, es sei denn, dass die fehlende Empfangsberechtigung dem Dritten bekannt war. Dieser Gutglaubensschutz hilft nicht weiter, wenn ein Zustellversuch an die eingetragene Person unter der eingetragenen Anschrift aus tatsächlichen Gründen scheitert, etwa weil die Anschrift nicht mehr existiert; dann muss der Gläubiger einen öffentlichen Zustellversuch (§ 185 ZPO n.F.) unternehmen4.

III. Wirkung und Mängel der Eintragung 1. Entstehung der GmbH 18

Mit der Eintragung in das Handelsregister entsteht die GmbH als solche (§ 11 Abs. 1). Sie schließt also den Gründungsprozess ab: Die durch den Abschluss des Gesellschaftsvertrages (§ 2) gegründete und bereits rechtsfähige Gesellschaft

1 Begr. RegE MoMiG, BT-Drucks. 16/6140, S. 37. 2 Schaub, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 41. 3 Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 4; Schaub, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 41. 4 Begr. RegE MoMiG, BT-Drucks. 16/6140, S. 37.

574

Veil

§ 10

Inhalt der Eintragung

wird zur juristischen Person (§ 13 Abs. 1); die Vorschriften des GmbHG sind nunmehr auf sie uneingeschränkt anwendbar. Maßgebend für den Eintritt dieser Rechtswirkungen ist der Tag der Eintragung 19 (§ 382 Abs. 2 FamFG, § 27 Abs. 4 HRV). Der Beweis, dass die Datumsangabe unrichtig sei, ist zulässig1. Auch § 15 HGB greift nicht ein. Die versehentlich unzutreffende Datumsangabe ist von Amts wegen zu berichtigen (§ 17 HRV). Die Bekanntmachung der Eintragung (§ 10 Abs. 1 HGB) ist ohne Einfluss auf die 20 Entstehung der GmbH. Die Publizitätswirkungen ergeben sich aus § 15 HGB.

2. Eintragungsmängel a) Unrichtige Eintragungen Das Gesetz regelt nicht, ob die Entstehung der GmbH (Rdnr. 18) durch einen 21 Verstoß gegen § 10 Abs. 1 und 2 berührt wird. Die Vorschriften über die Nichtigkeitsklage (§ 75 GmbHG), die Amtslöschung (§§ 395, 397 FamFG) und die Amtsauflösung (§ 399 FamFG) sind nicht anwendbar2. Anders ist nur zu entscheiden, wenn nach dem Inhalt des Handelsregisters ernsthafte Zweifel an der Identität der Gesellschaft bestehen3, weil die Entstehung einer juristischen Person aus Gründen der Rechts- und Verkehrssicherheit nicht an eine derartige funktionswidrige Registereintragung geknüpft werden kann. Ob die genannte Voraussetzung gegeben ist, kann nicht schematisch, sondern muss durch objektive Auslegung des Eintragungsinhalts im Einzelfall bestimmt werden4. Regelmäßig wird sie vorliegen, wenn die Firma der Gesellschaft überhaupt nicht oder in einer ihre Identifizierung ausschließenden Weise entstellt eingetragen ist5. Die fehlende oder unrichtige Eintragung des Sitzes oder des Unternehmensgegenstandes wird meist nicht ausreichen, um ernsthafte Identitätszweifel zu begründen6. Die GmbH entsteht im obigen Falle erst, wenn die Eintragung entsprechend berichtigt wird7. Andere Unvollständigkeiten und Unrichtigkeiten der Registereintragung hindern nicht die Entstehung der GmbH und haben auch nicht die Unwirksamkeit der betreffenden Satzungsbestimmung zur Folge8. Das Registergericht ist von

1 Schaub, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 45; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 5. 2 Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 10; Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 8; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 17. 3 Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 10; Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 8; Schaub, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 49; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 19; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 19. 4 Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 19. 5 Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 19; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 19. 6 Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 19; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 19. 7 Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 8; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 19; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 19. 8 OLG Hamm, GmbHR 1971, 57, 59 betr. eine statutarische Bestimmung über die Zeitdauer.

Veil

575

22

§ 10

Inhalt der Eintragung

Amts wegen zur Berichtigung des Eintragungsmangels befugt und verpflichtet (§ 17 HRV)1. Die Gesellschaft kann durch eine Beschwerde (§ 59 Abs. 2 FamFG) oder durch einen formlosen Antrag auf sie hinwirken; die Anwendung des § 14 HGB kommt dagegen nicht in Betracht. War die unrichtige Eintragung bekanntgemacht worden (Rdnr. 27 ff.), kann ein Dritter sie der Gesellschaft entgegensetzen, wenn er die Unrichtigkeit nicht kannte (§ 15 Abs. 3 HGB). b) Verfahrensmängel 23

Mängel des Eintragungsverfahrens haben auf die Entstehung der GmbH keine Auswirkung (s. § 7 Rdnr. 15 f., § 8 Rdnr. 38). Das gilt auch für die Eintragung durch ein örtlich unzuständiges Registergericht (s. § 7 Rdnr. 9, 15). Ebenso wenig ist wegen dieses Verfahrensmangels die Amtslöschung zulässig (s. § 7 Rdnr. 9, 15). Der Mangel ist vielmehr in sinngemäßer Anwendung der Vorschriften über die Sitzverlegung (§ 13h Abs. 2 HGB) zu beheben2. Die Amtslöschung hat dagegen dann zu erfolgen, wenn die Eintragung ohne einen dahingehenden Willen der anmeldebefugten Geschäftsführer vorgenommen worden ist (s. § 7 Rdnr. 16). Die durch die Eintragung entstandene Gesellschaft ist alsdann abzuwickeln. c) Nicht ordnungsgemäße Gesellschaftserrichtung

24

Die materiell-rechtlich nicht ordnungsgemäße Gesellschaftserrichtung (§ 9c) hindert grundsätzlich nicht die rechtswirksame Entstehung der GmbH durch die Eintragung in das Handelsregister. Eine Ausnahme ist nur angezeigt, wenn alle Beteiligungserklärungen an einem auch nach der Eintragung beachtlichen Unwirksamkeitsmangel leiden (s. § 2 Rdnr. 77); die vorliegende Scheingesellschaft ist dann von Amts wegen zu löschen3.

25

Im Übrigen ist bezüglich der Rechtsfolgen von Errichtungsmängeln zu unterscheiden. Besonders schwerwiegende Mängel des Gesellschaftsvertrages, die das Gesetz abschließend bestimmt, führen zur Vernichtbarkeit (§§ 75 ff.) und zur Amtslöschung der GmbH mit Auflösungswirkung oder rechtfertigen die Einleitung des Amtsauflösungsverfahrens.

26

Sonstige Errichtungsmängel sind dagegen regelmäßig ohne Einfluss auf den Bestand der GmbH. Formmängel des Gesellschaftsvertrages (§ 2 Abs. 1) oder der Abschlussvollmachten (§ 2 Abs. 2) werden durch die Eintragung geheilt (s. § 2 Rdnr. 20); § 139 BGB ist auf die Nichtigkeit einzelner Beteiligungserklärungen oder Satzungsbestimmungen nicht anwendbar (s. 10. Aufl., § 75 Rdnr. 4). Fehler einer Beteiligungserklärung können nach der Eintragung, soweit nicht bestimmte überwiegende schutzwürdige Interessen betroffen sind (s. § 2 Rdnr. 72 ff.), nicht mit der Unwirksamkeitsfolge (s. § 2 Rdnr. 80 ff.), sondern im Falle ihres 1 Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 10; Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 8; SchmidtLeithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 21; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 18; s. auch OLG Köln, GmbHR 1996, 218 (betr. Ergänzung). 2 Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 19; ähnlich auch Ulmer, in: Ulmer, § 7 Rdnr. 17. 3 Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, § 2 Rdnr. 40; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/ Schmidt-Leithoff, § 2 Rdnr. 71. A.A. Roth, in: Roth/Altmeppen, § 2 Rdnr. 42; C. Schäfer, Die Lehre vom fehlerhaften Verband, 2002, S. 285; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 97.

576

Veil

§ 10

Inhalt der Eintragung

Fortwirkens nur noch mit anderen Mitteln (Austritt, Ausschließung, u.U. auch Auflösungsklage) geltend gemacht werden. Bei der Unwirksamkeit von Sacheinlagevereinbarungen ist der Gesellschafter zur Geldeinlage (s. § 5 Rdnr. 93 ff.) und bei der Überbewertung von Sacheinlagen zur Ergänzungszahlung verpflichtet (§ 9). Errichtungsmängel können darüber hinaus Haftungsfolgen für Gesellschafter und Geschäftsführer haben (§§ 9a, 9b).

IV. Veröffentlichung 1. Bekanntmachung Die Bekanntmachung der Eintragung der GmbH in das Handelsregister ist durch 27 das Gericht von Amts wegen unverzüglich zu veranlassen (§ 10 HGB, § 32 HRV). Entsprechendes gilt für die Berichtigung einer Eintragung (§ 17 Abs. 1 HRV). Der Verzicht auf die Bekanntmachung durch die Anmeldenden ist nicht möglich. Die Bekanntmachung der Eintragung erfolgt gem. § 10 HGB in dem von der Lan- 28 desjustizverwaltung bestimmten elektronischen Informations- und Kommunikationssystem. Die Länder haben gemäß § 9 Abs. 1 Satz 4 HGB länderübergreifend ein einheitliches System bestimmt. Es ist unter der Internetpräsenz www.handelsregisterbekanntmachungen.de einsehbar.

2. Inhalt Der Inhalt der Veröffentlichung ist gesetzlich abschließend geregelt: Soweit 29 nicht ein Gesetz etwas anderes vorschreibt, werden die Eintragungen ihrem ganzen Inhalt nach veröffentlicht (§ 10 Satz 2 HGB). Dazu gehört auch die inländische Geschäftsanschrift (vgl. § 34 Satz 2 HRV). In den Bekanntmachungen ist das Gericht und der Tag der Eintragung zu bezeichnen, einer Unterschrift bedarf es nicht (§ 33 Abs. 2 HRV). Da das EHUG die in § 10 Abs. 3 getroffene Regelung aufgehoben hat (s. Rdnr. 1), sind weder die nach § 5 Abs. 4 Satz 1 im Gesellschaftsvertrag getroffenen Festsetzungen über Sacheinlagen noch die Bestimmungen des Gesellschaftsvertrages über die Form der öffentlichen Bekanntmachungen der GmbH bekanntzumachen. Schließlich hat das EHUG auch § 40 Abs. 1 Nr. 4 AktG aufgehoben (die Vorschrift war gemäß § 52 Abs. 2 Satz 1 anwendbar), so dass die Mitglieder eines bereits bestellten Aufsichtsrats mit Name, Beruf und Wohnort nicht mehr bekanntzumachen sind.

3. Wirkungen Die Bekanntmachung ist bezüglich der konstitutiven Wirkungen der Eintragun- 30 gen irrelevant. Insbesondere hängt das Entstehen der GmbH nicht von ihr ab (Rdnr. 18). Die Bekanntmachung hat vor allem die Funktion, die Öffentlichkeit über die Eintragung zu informieren. Die Öffentlichkeit genießt nach Maßgabe des § 15 HGB Vertrauensschutz. Die Veröffentlichung muss erneut vorgenommen werden, wenn sie unvollständig oder unrichtig erfolgt war.

Veil

577

§ 11

Rechtszustand vor der Eintragung

V. Eintragungs- und Bekanntmachungskosten 31

Die Kosten bestimmen sich nach der HRegGebV, zuletzt geändert durch Verordnung vom 29.11.2010. Die HRegGebV legt fest, dass im Falle der Ersteintragung einer GmbH (außer aufgrund einer Umwandlung nach dem UmwG) Eintragungsgebühren in Höhe von 150 Euro anfallen (Nr. 2100), im Falle der Leistung mindestens einer Sacheinlage in Höhe von 240 Euro (Nr. 2101) und für die Entgegennahme der Liste der Gesellschafter 30 Euro (Nr. 5002). Wird das Musterprotokoll verwendet, ist eine Gebührenermäßigung nicht vorgesehen. Für eine Veröffentlichung fällt eine Gebühr in Höhe von 1 Euro an (§ 137 Abs. 1 Nr. 4a KostO). Das Registergericht kann einen Kostenvorschuss verlangen (vgl. § 8 KostO).

VI. Amtshaftung 32

Für fehlerhafte Eintragungen und Bekanntmachungen, die auf einer schuldhaften Pflichtverletzung des Registerrichters beruhen, ist die Amtshaftung nach § 839 Abs. 1 BGB allen Personen gegenüber gegeben, für die die Eintragung oder die Veröffentlichung vermöge der mit ihnen verbundenen Wirkungen von Bedeutung ist oder werden kann1. Ebenso besteht sie gegenüber der Gesellschaft bei schuldhaften Verzögerungen der Eintragung oder der Bekanntmachung. Das Richterprivileg des § 839 Abs. 2 Satz 1 BGB greift nicht ein2. Die Gesellschaft, deren Geschäftsführern die Eintragung bekanntgemacht wird, verliert ihren Anspruch aber insoweit, als sie es schuldhaft unterlässt, den Schaden durch entsprechende Berichtigungsbegehren abzuwenden (§ 839 Abs. 3 BGB). Entsprechendes gilt bei fehlerhaften Bekanntmachungen3.

§ 11

Rechtszustand vor der Eintragung (1) Vor der Eintragung in das Handelsregister des Sitzes der Gesellschaft besteht die Gesellschaft mit beschränkter Haftung als solche nicht. (2) Ist vor der Eintragung im Namen der Gesellschaft gehandelt worden, so haften die Handelnden persönlich und solidarisch. Abs. 1 i.d.F. von 1898, Abs. 2 von 1892.

1 Vgl. RGZ 140, 174, 184; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 13; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 30; einschr. BGHZ 84, 285, 287: kein Gesellschaftsschutz bei Eintragung einer unzulässigen Firma. 2 BGHZ 10, 55, 60; BGHZ 13, 142, 144; BGH, NJW 1956, 1716; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 13; Tebben, in: Michalski, Rdnr. 29; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 30. 3 RG, JW 1938, 593; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 31.

578

Karsten Schmidt

§ 11

Rechtszustand vor der Eintragung

V. Eintragungs- und Bekanntmachungskosten 31

Die Kosten bestimmen sich nach der HRegGebV, zuletzt geändert durch Verordnung vom 29.11.2010. Die HRegGebV legt fest, dass im Falle der Ersteintragung einer GmbH (außer aufgrund einer Umwandlung nach dem UmwG) Eintragungsgebühren in Höhe von 150 Euro anfallen (Nr. 2100), im Falle der Leistung mindestens einer Sacheinlage in Höhe von 240 Euro (Nr. 2101) und für die Entgegennahme der Liste der Gesellschafter 30 Euro (Nr. 5002). Wird das Musterprotokoll verwendet, ist eine Gebührenermäßigung nicht vorgesehen. Für eine Veröffentlichung fällt eine Gebühr in Höhe von 1 Euro an (§ 137 Abs. 1 Nr. 4a KostO). Das Registergericht kann einen Kostenvorschuss verlangen (vgl. § 8 KostO).

VI. Amtshaftung 32

Für fehlerhafte Eintragungen und Bekanntmachungen, die auf einer schuldhaften Pflichtverletzung des Registerrichters beruhen, ist die Amtshaftung nach § 839 Abs. 1 BGB allen Personen gegenüber gegeben, für die die Eintragung oder die Veröffentlichung vermöge der mit ihnen verbundenen Wirkungen von Bedeutung ist oder werden kann1. Ebenso besteht sie gegenüber der Gesellschaft bei schuldhaften Verzögerungen der Eintragung oder der Bekanntmachung. Das Richterprivileg des § 839 Abs. 2 Satz 1 BGB greift nicht ein2. Die Gesellschaft, deren Geschäftsführern die Eintragung bekanntgemacht wird, verliert ihren Anspruch aber insoweit, als sie es schuldhaft unterlässt, den Schaden durch entsprechende Berichtigungsbegehren abzuwenden (§ 839 Abs. 3 BGB). Entsprechendes gilt bei fehlerhaften Bekanntmachungen3.

§ 11

Rechtszustand vor der Eintragung (1) Vor der Eintragung in das Handelsregister des Sitzes der Gesellschaft besteht die Gesellschaft mit beschränkter Haftung als solche nicht. (2) Ist vor der Eintragung im Namen der Gesellschaft gehandelt worden, so haften die Handelnden persönlich und solidarisch. Abs. 1 i.d.F. von 1898, Abs. 2 von 1892.

1 Vgl. RGZ 140, 174, 184; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 13; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 30; einschr. BGHZ 84, 285, 287: kein Gesellschaftsschutz bei Eintragung einer unzulässigen Firma. 2 BGHZ 10, 55, 60; BGHZ 13, 142, 144; BGH, NJW 1956, 1716; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 13; Tebben, in: Michalski, Rdnr. 29; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 30. 3 RG, JW 1938, 593; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 31.

578

Karsten Schmidt

§ 11

Rechtszustand vor der Eintragung

Inhaltsübersicht I. Grundlagen 1. Gegenstand der Regelung . . . . . . 2. Rechtsfortbildung und Funktionswandel . . . . . . . . . . . . . . . . . .

2 4

II. Rechtsverhältnisse im Vorgründungsstadium . . . . . . . . . . . . 6 1. Das Vorgründungsstadium . . . . . 7 2. Der Gründungsvorvertrag . . . . . . 9 3. Die Mitunternehmerschaft im Vorgründungsstadium . . . . . . . . . 15 4. Die Haftungsverhältnisse im Vorgründungsstadium . . . . . . . . . 17 5. Der Einfluss der Errichtung und Eintragung der GmbH auf die Rechtsverhältnisse aus dem Vorgründungsstadium . . . . . . . . . 25 III. Die Vorgesellschaft als Rechtsträgerin und als Organisation 1. Begriff, Tatbestand, Rechtsnatur und Gesellschaftszweck . . . . . . . 27 2. Die Vorgesellschaft als Rechtsträgerin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 3. Die Kontinuität zwischen Vorgesellschaft und GmbH und die Überwindung des Vorbelastungsverbots. . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 IV. Das Innenrecht der Vorgesellschaft 1. Grundsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Mitgliedschaft . . . . . . . . . . . . 3. Die Organisationsverfassung . . . 4. Die Kapital- und Haftungsverfassung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Auflösung der Vorgesellschaft . . V. Das Außenrecht der Vorgesellschaft 1. Grundsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Stellvertretung bei Rechtsgeschäften und in Prozessen . . . . 3. Besitzausübung, Verschuldenszurechnung, Haftung für fremdes Handeln, Wissenszurechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Die Haftungsverhältnisse im Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

VI. Die Haftung der Gesellschafter 1. Unbeschränkte Vor-Gesellschafterhaftung . . . . . . . . . . . . . . 2. Außenhaftung oder Innenhaftung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Die unbeschränkte Gründerhaftung für Verbindlichkeiten der Vorgesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . 4. Regressansprüche . . . . . . . . . . . . 5. Haftungsfolgen der Eintragung oder des Scheiterns der Eintragung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII. Die Haftung der Handelnden nach § 11 Abs. 2 . . . . . . . . . . . . . . 1. Grundlagen der Handelndenhaftung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Sachlicher Anwendungsbereich: nur bei Vorgesellschaften . . . . . . 3. Persönlicher Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Das Handeln im Namen der Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Geschützter Gläubigerkreis . . . 6. Haftungsfolgen . . . . . . . . . . . . . . . 7. Regressansprüche der Handelnden. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8. Haftung aus § 179 BGB? . . . . . . . 9. Das Erlöschen der Haftung . . . .

85 86 88

93 97

98 101 102 107 112 117 120 123 126 129 130

47 VIII. Vorbelastungen der GmbH und ihre Folgen 48 1. Der Unversehrtheitsgrundsatz . 134 54 2. Das Eintragungsverbot . . . . . . . . 136 62 3. Die Vorbelastungshaftung (Differenzhaftung, Unterbilanz64 haftung) der Gründer. . . . . . . . . . 139 66 68

76 79

IX. Folgen der Eintragung oder ihrer Versagung 1. Folgen der Eintragung für die Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Folgen der Eintragung für die persönliche Haftung . . . . . . . . . . 3. Folgen der Eintragungsverweigerung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Fortführung der Vorgesellschaft ohne Eintragungsabsicht (sog. unechte Vorgesellschaft) . . . . . . Karsten Schmidt

151 157 159

162

579

§ 11

Rechtszustand vor der Eintragung

X. Die Einpersonen-Vorgesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Grundlagen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Verfassung der Einpersonen-Vor-GmbH . . . . . . . . . . . . . 3. Haftungsverhältnisse . . . . . . . . . . 4. Die Eintragung der Einpersonengesellschaft und ihre Folgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

164 165 169 174

177

XI. Gründungsstadien der GmbH & Co. KG. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180 1. Grundlagen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181

2. Situation A: Die GmbH ist eingetragen, aber noch nicht die KG 185 3. Situation B: Die KG ist eingetragen, aber noch nicht die GmbH 187 4. Situation C: Beide Gesellschaften sind noch nicht eingetragen 189 XII. 1. 2. 3. 4. 5.

Steuerrecht (Crezelius) Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ertragsteuern . . . . . . . . . . . . . . . . Umsatzsteuer . . . . . . . . . . . . . . . . Grunderwerbsteuer . . . . . . . . . . . Erbschaft- und Schenkungsteuer

192 193 203 204 207

1 Schrifttum (vgl. auch Rdnr. 6, 85, 101, 164, 180): Altmeppen, Konkursantragspflicht in der Vor-GmbH?, ZIP 1997, 273; Beuthien, Die Vorgesellschaft im Privatrechtssystem, ZIP 1996, 305 (Teil I) und 360 (Teil II); Binz, Haftungsverhältnisse im Gründungsstadium der GmbH & Co. KG, 1976; v. Bismarck, Rechtsnatur und Haftungsverhältnisse der Gründungs-GmbH, Diss. Kiel 1963; Böhringer, Zur Grundbuchfähigkeit einer GmbH im Gründungsstadium, Rpfleger 1988, 846; Büttner, Identität und Kontinuität bei der Gründung juristischer Personen, Diss. Erlangen 1967; Butt, Probleme der Vorgesellschaft nach französischem, belgischem, englischem und deutschem Recht, Diss. Mainz 1970; Derwisch-Ottenberg, Die Haftungsverhältnisse der Vor-GmbH, 1988; Dilcher, Rechtsfragen der sog. Vorgesellschaft, JuS 1966, 89; Dregger, Haftungsverhältnisse bei der Vorgesellschaft, 1951; Drygala, Praktische Probleme der Vor-GmbH, JURA 2003, 433; Eckhardt, Die Vor-GmbH im zivilprozessualen Erkenntnisverfahren und in der Einzelvollstreckung, 1990; Fabricius, Vorgesellschaften bei der Aktiengesellschaft und der Gesellschaft mit beschränkter Haftung: ein Irrweg?, in: FS Kastner, 1972, S. 85; Fichtelmann, Die prozessuale Stellung der Vorgesellschaft nach ihrer Auflösung – Anmerkungen und Beratungshinweise zu dem Urteil des OLG Köln vom 27.2.1997 – 7 U 178/96, GmbHR 1997, 995; Fleck, Die neuere Rechtsprechung des BGH zur Vorgesellschaft und zur Haftung des Handelnden, ZGR 1975, 212; Fleck, Neueste Entwicklungen in der Rechtsprechung zur Vor-GmbH, GmbHR 1983, 5; Flume, Die juristische Person, 1983; Flume, Die werdende juristische Person, in: FS Geßler, 1971, S. 3; Flume, Zur Enträtselung der Vorgesellschaft, NJW 1981, 1753; Gaerths, Die Rechtsnatur der Gründungsgesellschaft, Diss. Göttingen 1933; Ganßmüller, Zur Rechtsnatur der Vorgesellschaften, NJW 1956, 1186; Ganßmüller, Wieder einmal: zur Vor-GmbH, GmbHR 1970, 170; Gehrlein, Die Haftung in den verschiedenen Gründungsphasen einer GmbH, DB 1996, 561; Gummert, Die Vorgesellschaft, in: Priester/Mayer (Hrsg.), Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, Bd. III, 3. Aufl. 2009, § 16; Haas, Vor-GmbH und Insolvenz, DStR 1999, 985; Haberkorn, Rechtliche Struktur der werdenden Kapitalgesellschaft, BB 1962, 1408; Hansis, Zur Rechtsnatur der GmbH zwischen Errichtung und Eintragung, Diss. Tübingen 1967; Heidinger, Die Haftung und die Vertretung in der Gründungsphase der GmbH im Vergleich zur (kleinen) Aktiengesellschaft, GmbHR 2003, 189; Heymann, Die nicht eingetragene Gesellschaft mit beschränkter Haftung im deutsch-ausländischen Rechtsverkehr, JherJ 75 (1925), 408; Horn, Die Vorgesellschaft in der höchstrichterlichen Rechtsprechung, NJW 1964, 86; U. Huber, Haftungsprobleme der GmbH & Co. KG im Gründungsstadium, in: FS Hefermehl, 1976, S. 127; Hubert, Die rechtliche Natur einer im Entstehen begriffenen Gesellschaft mit beschränkter Haftung und die Wirkung der von ihr abgeschlossenen Verträge, Diss. Erlangen 1915; Hueck, Vorgesellschaft, in: FS 100 Jahre GmbH-Gesetz, 1992, S. 127; John, Die organisierte Rechtsperson, 1977; Kießling, Vorgründungs- und Vorgesellschaft, 1999; Knoche, Gründerhaftung und Interessenausgleich bei der Vor-GmbH,

580

Karsten Schmidt

§ 11

Rechtszustand vor der Eintragung

1990; G. Kuhn, Die Vorgesellschaft, WM-Sonderbeil. 5/1956; Lieb, Meilenstein oder Sackgasse? Bemerkungen zum Stand von Rechtsprechung und Lehre zur Vorgesellschaft, in: FS Stimpel, 1985, S. 399; de Lousanoff, Partei- und Prozessfähigkeit der unechten und fehlgeschagenen Vor-GmbH, NZG 2008, 490; Meister, Zur Vorbelastungsproblematik und zur Haftungsverfassung der Vorgesellschaft bei der GmbH, in: FS Werner, 1984, S. 521; Murawo, Die unechte Vorgesellschaft im GmbH- und Aktienrecht, 2006; Nitschke, Die körperschaftlich strukturierte Personengesellschaft, 1970; Ostheim, Probleme der Vorgesellschaft bei der GmbH, JurBl. 1978, 337; Ostheim, Gedanken zu § 2 GmbHG idF. der Novelle 1980, GesRZ 1982, 124; Rittner, Die werdende juristische Person, 1973; Schäfer-Gölz, Die Lehre vom Vorbelastungsverbot und die Differenzhaftung der Gründer, Diss. Bonn 1983; Schaffner, Die Vorgesellschaft als Gesellschaft sui generis, 2003; Karsten Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl. 2002; Karsten Schmidt, Zur Stellung der oHG im System der Handelsgesellschaften, 1972; Karsten Schmidt, Zum Vorbelastungsverbot im Gründungsrecht der Kapitalgesellschaften, NJW 1973, 1595; Karsten Schmidt, Die Vor-GmbH als Unternehmerin und als Komplementärin, NJW 1981, 1345; Karsten Schmidt, Theorie und Praxis der Vorgesellschaft nach gegenwärtigem Stand, GmbHR 1987, 77; Karsten Schmidt, Zur Übertragung von Vor-Gesellschaftsanteilen, GmbHR 1997, 869; Karsten Schmidt, Umwandlung von Vorgesellschaften, in: FS Zöllner, 1998, S. 521; Karsten Schmidt, Unbeschränkte Außenhaftung/unbschränkte Innenhaftung, in: FS Goette, 2011, S. 459; Schultz, Rechtsfragen der Vor-GmbH im Lichte der höchstrichterlichen Rechtsprechung, JuS 1982, 732; Schultze-v. Lasaulx, Die unechte Vorgesellschaft, JZ 1952, 390; Schultze-v. Lasaulx, Gedanken zur Rechtsnatur der sog. Vorgesellschaft, in: FS Olivecrona, 1964, S. 576; Schumann, Der Ausgleich zwischen GmbH-Gründern. Zum Innenrecht der Vor-GmbH, 2004; Servatius, Der Anfang vom Ende der unechten Vorgesellschaft, NJW 2001, 1696; Stoppel, Vinkulierungsklauseln in der Vorgesellschaft und bei Umwandlung, WM 2008, 147; Thelen/Trimborn, Haftungssituationen in der GmbH in den Staaten des Europäischen Wirtschaftsraums (EWR) und der Schweiz, GmbHR 1994, 782; Theobald, Vor-GmbH und Gründerhaftung, 1984; Ulmer, Die Gründung der GmbH, in: Probleme der GmbH-Reform, 1970; Ulmer, Das Vorbelastungsverbot im Recht der GmbH-Vorgesellschaft – notwendiges oder überholtes Dogma?, in: FS Ballerstedt, 1975, S. 279; Ulmer, Abschied vom Vorbelastungsverbot im Gründungsstadium der GmbH, ZGR 1981, 593; Wacker, Die Vorgesellschaften als Gesellschaften besonderer Art, Diss. Würzburg 1963; Waldecker, Studien über die Rechtsverhältnisse der sog. nicht eingetragenen Genossenschaft, Gruch 59 (1915), 961; Wallner, Die Liquidatoren der Vor-GmbH i.L., GmbHR 1998, 1168; Werneburg, Die GmbH vor Eintragung im Handelsregister, SächsA 1929, 244; Wiedemann, Das Rätsel Vorgesellschaft, JurA 1970, 439; Wimmer, Gründung und Beendigung von juristischen Personen (Teil I), DStR 1995, 1838; Zöllner, Die sog. Gründerhaftung. Bemerkungen zum Rätsel Vorgesellschaft, in: FS Wiedemann, 2002, S. 1383. Zur „wirtschaftlichen Neugründung“ durch Mantelverwendung: Altmeppen, Zur Verwendung eines alten GmbH-Mantels, DB 2003, 2050; Bachmann, Abschied von der „wirtschaftlichen Neugründung“?, NZG 2011, 441; Habersack, Wider das Dogma von der unbeschränkten Gesellschafterhaftung bei wirtschaftlicher Neugründung einer AG oder GmbH, AG 2010, 845; Heidenhain, Anwendung der Gründungsvorschriften des GmbH-Gesetzes auf die wirtschaftliche Neugründung einer Gesellschaft, NZG 2003, 1051; Herresthal/Servatius, Grund und Grenzen der Haftung bei der wirtschaftlichen Neugründung einer GmbH, ZIP 2012, 197; Hüfer, Wirtschaftliche Neugründung und Haftung des Geschäftsführers, NZG 2011, 1257; Kallmeyer, Kapitalaufbringung und Kapitalerhaltung nach dem MoMiG, DB 2007, 2755; Keller, Aktuelle Haftungsrisiken bei Mantelkauf, Mantelverwendung und Vorratsgründung, DZWiR 2005, 133; Kleindiek, Mantelverwendung und Mindestkapitalerfordernis, in: FS Priester, 2007, S. 369; Peetz, Wirtschaftliche Neugründung einer GmbH und Haf-

Karsten Schmidt

581

§ 11

Rechtszustand vor der Eintragung

tung, GmbHR 2011, 178; Peters, Der GmbH-Mantel als gesellschaftsrechtliches Problem, 1989; Podewils, Offene Fragen zur wirtschaftlichen Neugründung, GmbHR 2010, 684; Priester, Beginn der Rechtsperson – Vorräte und Mäntel, ZHR 168 (2004), 247; Karsten Schmidt, Vorratsgründung, Mantelkauf und Mantelverwendung, NJW 2004, 1345; Karsten Schmidt, Die Verwendung von GmbH-Mänteln und ihre Haftungsfolgen, ZIP 2010, 857; Wicke, Risiko Mantelverwendung, NZG 2005, 409.

I. Grundlagen 1. Gegenstand der Regelung 2 a) Die Vorschrift befasst sich mit den Rechtsverhältnissen vor der Eintragung der GmbH. Diese sind darin freilich nur fragmentarisch geregelt. Aus § 11 Abs. 1 geht hervor, dass die GmbH vor der Eintragung „als solche“ noch nicht besteht. § 11 Abs. 2 regelt die Haftung derer, die vor der Eintragung im Namen der Gesellschaft gehandelt haben. Historisch knüpfte der Gesetzgeber mit dieser Regelung an die aktienrechtliche Bestimmung des Art. 211 ADHGB an1. Die Gesetzesbegründung nahm hierauf lediglich Bezug2 und betonte, dass die Eintragung „die notwendige Voraussetzung für die rechtswirksame Entstehung der GmbH als solcher“ bilde. Immerhin sind in der fragmentarischen Regelung die Hauptprobleme der GmbH vor der Eintragung angesprochen: der Status der Gesellschaft (Abs. 1) und die Haftungsverhältnisse (Abs. 2). Ein in sich stimmiges Konzept konnte allerdings erst in Ergänzung und Fortbildung dieser Regeln entwickelt werden. Über Auslandsrechte vgl. rechtsvergleichend 9. Aufl., § 11 Rdnr. 185. Die Reform von 2008 (MoMiG) ließ § 11 unberührt. 3 b) Nur Gründungsfälle sind von der Regelung erfasst. Umstritten ist demgemäß die entsprechende Anwendung auf Umwandlungsfälle (Rdnr. 28), Mantelverwendungen (Rdnr. 29, 84, 109) und auf nicht als inländische Zweigniederlassungen eingetragene Auslandsgesellschaften (Rdnr. 10). Sonderregeln galten in den neuen Bundesländern für die „GmbH im Aufbau“ (vgl. dazu noch 9. Aufl., Rdnr. 186).

2. Rechtsfortbildung und Funktionswandel 4 a) Das dem historischen Gesetzgeber vorschwebende gesetzliche Rechtsbild der GmbH vor der Eintragung war vor allem durch folgende Charakterzüge bestimmt: durch die Leugnung einer Vorgesellschaft als Rechtsträgerin (vgl. § 11 Abs. 1); durch die konsequente Ablehnung einer Kontinuität zwischen der in Gründung befindlichen und der eingetragenen GmbH; durch das Vorbelastungsverbot, das grundsätzlich keine Belastung der fertigen GmbH mit vor der Eintragung begründeten Gesellschaftsverbindlichkeiten gestattete (dazu Rdnr. 44 f.); durch die Annahme, man müsse den auf Geschäfte der noch nicht existierenden Gesellschaft vertrauenden Rechtsverkehr durch eine Haftung schützen, die dem heutigen § 179 BGB ähnelt (vgl. § 11 Abs. 2). Der vor der Eintragung im Namen der Gesellschaft Handelnde (vgl. § 11 Abs. 2) tritt nach dieser Vorstellung als Vertreter eines in Wahrheit noch nicht vorhandenen Rechtsträgers auf. 1 Vgl. näher Rittner, S. 130 ff.; Karsten Schmidt, oHG, S. 276 ff.; Schäfer-Gölz, S. 9 ff.; Fabricius, in: FS Kastner, S. 89 ff. 2 Begründung 1891, S. 57.

582

Karsten Schmidt

§ 11

Rechtszustand vor der Eintragung

b) Rechtsfortbildung. Im Lauf der Jahrzehnte hat das Recht der Vorgesellschaft 5 einen Institutionalisierungsprozess durchlaufen, der von der Literatur ausging1 und in der Rechtsprechung zunächst nur zögernd aufgegriffen wurde. Eine dem Stand der Rechtswissenschaft im Grundsätzlichen entsprechende Praxis kann seit dem Urteil BGHZ 80, 129 = NJW 1981, 1373 = GmbHR 1981, 114 konstatiert werden2. Das Urteil wurde ergänzt durch BGHZ 134, 333 = NJW 1997, 1507 = GmbHR 1997, 405, wo die persönliche Haftung der Gründer für Gesellschaftsverbindlichkeiten klargestellt (allerdings in das Innenverhältnis verlegt) wurde (dazu Rdnr. 86 f.)3. Hauptzüge dieser Rechtsfortbildung sind: die Anerkennung der Vorgesellschaft als Rechtsträgerin (Rdnr. 34 ff.); die Bejahung einer Kontinuität der Rechtsverhältnisse zwischen der gegründeten und der eingetragenen GmbH (Rdnr. 31, 151 ff.); die Beseitigung des Vorbelastungsverbots (Rdnr. 45); der Funktionswandel der neben eine Haftung der Vorgesellschaft tretenden Haftung der Handelnden nach § 11 Abs. 2 (Rdnr. 102); die Klärung der Frage, inwieweit die Gründer als Gesellschafter gegenüber den Gläubigern (Rdnr. 86 f.) bzw. gegenüber der Gesellschaft (Rdnr. 139 ff.) für Schulden aus Vorbelastungen der GmbH haften. Die nachfolgende Kommentierung basiert auf dieser für das gegenwärtige Verständnis grundlegenden Entwicklungsgeschichte. Sie verzichtet darauf, gesicherte Ergebnisse nochmals ausführlich zu begründen, und beschränkt sich insofern auf Bemerkungen, die entweder für das Verständnis des geltenden Rechtszustandes oder für die Klärung bestehender Zweifelsfragen oder für einzelne Abweichungen von der h.M. noch von Bedeutung sind.

II. Rechtsverhältnisse im Vorgründungsstadium Schrifttum (vgl. zunächst die Angaben bei Rdnr. 1): Grottke, Die Vorgründungsgesellschaft der GmbH …, 1991; Kappet, Das Vorgründungsstadium von Kapitalgesellschaften, 2006; Kort, Die Haftung der Beteiligten im Vorgründungsstadium einer GmbH, DStR 1991, 1317; Michalski/Sixt, Die Haftung in der Vorgründungs-GmbH, in: FS Boujong, 1996, S. 349; Nordhues, Gesellschafterhaftung in der Vorgesellschaft und Vorgründungsgesellschaft, 2003; Priester, Die Vorgründungsgesellschaft, in: Priester/Mayer (Hrsg.), Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, Bd. III, 3. Aufl. 2009, § 15; Priester, Das Gesellschaftsverhältnis im Vorgründungsstadium – Einheit oder Dualismus?, GmbHR 1995, 481; Karsten Schmidt, Rechtsgrundlagen der Mitunternehmerschaft im Vorgründungsstadium der GmbH, GmbHR 1982, 6 = GesRZ 1983, 1; Karsten Schmidt, Haftung aus Rechtsgeschäften vor Errichtung einer GmbH, GmbHR 1998, 613.

1 Grundlegend zunächst in der RG-Epoche Otto Schreiber, Die KGaA, 1925; Feine, in: Ehrenbergs Hdb. III/3, 1929; sodann in der BGH-Epoche vor allem: Büttner, Dregger, Flume, Karsten Schmidt, Rittner, Ulmer und Wiedemann, alle a.a.O.; abl. Fabricius, a.a.O.; Kießling, a.a.O. (im Schrifttum). 2 Vgl. zu diesem Urteil besonders Flume, NJW 1981, 1753; Fleck, GmbHR 1983, 5; Meister, in: FS Werner, 1984, S. 521; Priester, ZIP 1982, 1141; Karsten Schmidt, NJW 1981, 1345; Ulmer, ZGR 1981, 593; Zöllner, in: FS Wiedemann, 2002, S. 1383 ff. 3 Zu diesem Urteil Sandberger, in: FS Fikentscher, 1998, S. 389 ff.; Zöllner, in: FS Wiedemann, 2002, S. 1383 ff.; Altmeppen, NJW 1997, 1509; Flume, DB 1998, 46; Gummert, DStR 1997, 1007; Kleindiek, ZGR 1996, 427; Krebs/Klerx, JuS 1998, 991; Lübbert, BB 1998, 2222; Monhemius, JA 1997, 913; Karsten Schmidt, ZIP 1997, 61; Wiegand, BB 1998, 1065.

Karsten Schmidt

583

6

§ 11

Rechtszustand vor der Eintragung

1. Das Vorgründungsstadium 7 a) Abgrenzung. Als Vorgründungsstadium wird hier der Zeitraum vor der Errichtung der GmbH durch förmlichen Abschluss des Gesellschaftsvertrages (besser: durch Satzungsfeststellung) nach § 2 bezeichnet. In diesem Stadium kann, muss aber nicht, eine Vorgründungsgesellschaft vorhanden sein (Begriffsbestimmung in Rdnr. 9). Jeder GmbH-Gründung geht notwendig ein Vorgründungsstadium, allerdings nicht in jedem Fall auch eine Vorgründungsgesellschaft, voraus. In vielen Fällen binden sich die Beteiligten vor der Errichtung der GmbH nicht vertraglich. In anderen Fällen wollen sie sich vertraglich binden, aber es fehlt für einen wirksamen Vorgründungsvertrag an der erforderlichen Bestimmtheit oder Form (dazu Rdnr. 12 f.). Ein Vorgründungsvertrag ist in diesen Fällen entweder nicht vorhanden oder nicht wirksam. Trotzdem kann man von einem Vorgründungsstadium sprechen, sobald die prospektiven Gründer der GmbH in ein Planungs- und Verhandlungsstadium zueinander getreten sind. 8 b) Das Vorgründungsstadium begründet auch ohne förmlichen Vertragsschluss bereits Sonderrechtsbeziehungen unter den prospektiven Gründern. Damit entstehen unabhängig vom Bestehen einer wirksamen vorvertraglichen Bindung (dazu Rdnr. 9 ff.) Treupflichten und Schutzpflichten, deren Verletzung zum Schadensersatz verpflichten kann1. Ob es sich hierbei um culpa in contrahendo (Verletzung vorvertraglicher Pflichten, bezogen auf die GmbH-Errichtung) oder um eine positive Vertragsverletzung (bezogen auf einen schon bestehenden Vorgründungsvertrag) handelt, wird vielfach im Ergebnis ohne Bedeutung sein (vgl. §§ 241, 311 BGB). Nach § 311 Abs. 2 BGB schließt das Fehlen eines formgerecht vereinbarten Gründungs-Vorvertrags die Annahme von Treupflichten und das Entstehen von Schadensersatzpflichten nicht aus. Ohne wirksamen Vorgründungsvertrag können die prospektiven Gründungsgesellschafter zwar grundsätzlich nicht zur Errichtung der geplanten GmbH, zur Einbringung der in Aussicht gestellten Einlagen oder sonst zur Erfüllung der Verpflichtungen aus dem künftigen GmbH-Vertrag angehalten werden. Jede Rechtsverfolgung in Erfüllungsrichtung ist ausgeschlossen2, ebenso auch ein Schadensersatz wegen Nichterfüllung3. Wohl aber sind die Verhandlungspartner einander zu vorvertraglicher Rücksicht verpflichtet und dürfen das Vertrauen der prospektiven Mitgründer nicht missbrauchen. Wer schuldhaft gegen die sich hieraus ergebenden Nebenpflichten verstößt, ist zum Ersatz des Vertrauensschadens verpflichtet4.

1 Vgl. BGH, LM Nr. 12 zu § 2 GmbHG = GmbHR 1988, 98 = BB 1988, 159 = NJW-RR 1988, 208; LG Aachen, NJW-RR 1986, 662; Karsten Schmidt, GesR, § 34 III 2a; Priester, in: MünchHdb. III, § 15 Rdnr. 27; Kappet, S. 51 ff.; vgl. zur formlosen Vorbereitung der Gründung auch Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, § 2 Rdnr. 35 f.; zum Anteilskauf OLG Stuttgart, DB 1989, 1817; LG Heilbronn, DB 1989, 1227. 2 Bedenklich die Annahme einer bereits wirksamen Vertragsstrafevereinbarung im Fall OGH Wien, GesRZ 1981, 178 m. krit. Anm. Ostheim. 3 Vgl. BGH, LM § 2 GmbHG Nr. 12 = BB 1988, 159 = NJW-RR 1988, 288. 4 BGH, LM Nr. 12 zu § 2 GmbHG = BB 1988, 159 = NJW-RR 1988, 288; LG Aachen, NJWRR 1986, 662, 663; Karsten Schmidt, GesR, § 34 III 2a.

584

Karsten Schmidt

§ 11

Rechtszustand vor der Eintragung

2. Der Gründungsvorvertrag a) Begriff und Rechtsnatur. aa) Von einem Gründungsvorvertrag ist zu sprechen, 9 wenn sich die Gründer einer GmbH – oder ein Teil dieser Gründer – durch schuldrechtlichen Vertrag zur Gründung verpflichtet haben1. Dieser rein schuldrechtliche Gründungs-Vorvertrag2 ist sowohl von der noch fehlenden Vorgesellschaft (Rdnr. 27 ff.) als auch von einer von Fall zu Fall entstehenden Mitunternehmerschaft im Vorgründungsstadium (Rdnr. 15 ff.) streng zu unterscheiden3. Aus einem wirksamen Gründungsvorvertrag ergibt sich die klagbare Pflicht zum Abschluss des GmbH-Gesellschaftsvertrags sowie eine allgemeine Förderungs- und Loyalitätspflicht. Möglich ist allerdings auch der Abschluss eines Vertrags, der nur auf die Vorbereitung einer GmbH-Gründung zielt und nicht bereits zum Abschluss verpflichtet4. Für einen solchen Vertrag gelten die bei Rdnr. 11 ff. dargestellten strengen Grundsätze nicht, denn er ist nur ein Projektvertrag und kein Vorvertrag (vgl. auch Rdnr. 13). bb) Seiner Rechtsnatur nach ist der Gründungsvorvertrag gleichzeitig Gesell- 10 schaftsvertrag und Vorvertrag und begründet zugleich ein Gesellschaftsverhältnis und ein Vorvertragsverhältnis5. Beides schließt einander nicht aus6, denn das eine hat mit der Struktur des Vertragsverhältnisses etwas zu tun, das andere mit dem Inhalt der von den Gesellschaftern übernommenen Vertragspflichten. Um einen Gesellschaftsvertrag handelt es sich insofern, als ein schuldrechtlicher Vertrag mit gemeinsamem Zweck vorliegt, mithin eine Innengesellschaft bürgerlichen Rechts gemäß § 705 BGB. Gemeinsamer Zweck ist die Errichtung der GmbH. Hierauf, also auf den Abschluss eines GmbH-Gesellschaftsvertrages, zielen die von den Gesellschaftern zu leistenden Beiträge (insbesondere die auf Grund des Vorvertrags abzugebenden Willenserklärungen). Gemäß diesem Inhalt hat der Vorgründungsvertrag Vorvertragscharakter, weil eine rein schuldrechtliche Bindung (kein Verband) vorliegt. Als rein vorvertragliches Schuldverhältnis kann diese Innengesellschaft nicht selbst Trägerin eines etwa schon vorhandenen Unternehmens sein (Rdnr. 15 f.)7. Sie kann auch nicht Inhaberin

1 Vgl. zur Terminologie auch Karsten Schmidt, GesR, § 34 III 2a; Karsten Schmidt, in: Großkomm. AktG, 4. Aufl. 2003, § 41 AktG Rdnr. 19, 22 ff.; zust. Kappet, S. 15 ff.; ähnlich jetzt Priester, in MünchHdb. III, § 15 Rdnr. 6 ff.: Vorvertrag versus „Vorgründungsvertrag“; Michalski/Funke, in: Michalski, Rdnr. 4: Gründungsvorvertrag versus Vorgründungsgesellschaftsvertrag. 2 Vgl. insbesondere Michalski/Sixt, in: FS Boujong, S. 364 ff.; Priester, GmbHR 1995, 481 ff. 3 So jetzt der Sache nach auch Michalski/Funke, in: Michalski, Rdnr. 7 ff. 4 Vgl. der Sache nach Priester, in: MünchHdb. III, § 15 Rdnr. 18 ff.; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, § 2 Rdnr. 36; Michalski/Funke, in: Michalski, Rdnr. 4: „Vorgründungsgesellschaftsvertrag“. 5 Näher Karsten Schmidt, GesR, § 34 III 2a; Karsten Schmidt, GmbHR 1982, 7; Karsten Schmidt, GmbHR 1998, 614; übereinst. Ulmer, in: MünchKomm. BGB, 5. Aufl. 2009, vor § 705 BGB Rdnr. 25. 6 A.M. Michalski/Funke, in: Michalski, Rdnr. 10 ff.; Michalski/Sixt, in: FS Boujong, S. 366 f.; krit. auch Priester, in: MünchHdb. III, § 15 Rdnr. 15 ff.; für ein rein theoretisches Problem wird die Frage gehalten von Priester, GmbHR 1995, 483. 7 A.M. Kießling, S. 356 ff.; Priester, in: MünchHdb. III, § 15 Rdnr. 29.

Karsten Schmidt

585

§ 11

Rechtszustand vor der Eintragung

eines Gesellschaftsvermögens sein1. Wird bereits ein Gesellschaftsvermögen gebildet oder sogar schon ein gemeinschaftliches Unternehmen betrieben, so entsteht neben dem Vorgründungsvertragsverhältnis eine Mitunternehmerschaft in Gestalt einer vom Vorvertrag zu unterscheidenden Außengesellschaft (sog. dualistisches Modell; vgl. Rdnr. 15)2. 11

b) Die Wirksamkeit des Gründungsvorvertrags richtet sich zunächst nach den allgemeinen rechtsgeschäftlichen Regeln. Als rein schuldrechtlicher Vertrag setzt der Gründungsvorvertrag die Beteiligung von mindestens zwei Parteien voraus. Dies müssen nicht alle Gründer sein, doch ist i.d.R. eine vertragliche Bindung erst gewollt, wenn sich alle Gründer rechtswirksam zur Errichtung der GmbH verpflichtet haben. Die Grundsätze über fehlerhafte Gesellschaftsverträge gelten nicht3. Das hängt mit dem Fehlen einer Verbandsstruktur zusammen. Sie werden auch nicht benötigt, weil eine Verpflichtung zur Gesellschaftsgründung bei fehlerhafter Vertragsgrundlage nicht zu rechtfertigen ist und ein freiwilliger Fortgang der Gründung durch die Fehlerhaftigkeit ebenso wenig gehindert wird wie ein Ersatz des Vertrauensschadens (Rdnr. 8). Ist nur die Vertragserklärung eines Gründers unwirksam, so bestimmt sich die Wirksamkeit der anderen nach § 139 BGB4.

12

aa) Um eine Rechtspflicht zum Abschluss des Gesellschaftsvertrags auszulösen, bedarf der Gründungsvorvertrag (nicht auch ein zur Teilnahme an der Gründung nicht verpflichtender Projektvertrag; vgl. Rdnr. 9) eines Mindestmaßes an Bestimmtheit (§ 2 Rdnr. 89 f.). Die Gründer müssen sich über einen Mindestinhalt der in Aussicht genommenen Gründung einig geworden sein5. Im Grundsatz gilt, was BGH, LM Nr. 3 zu § 705 BGB = BB 1953, 97 in folgenden Leitsatz fasst: „Ein Vorvertrag muss zu seiner Wirksamkeit so vollständig sein, dass der Inhalt des demnächst abzuschließenden Gesellschaftsvertrages hinreichend bestimmt oder bestimmbar ist. Dabei ist es nicht erforderlich, dass der Vorvertrag die gleiche Vollständigkeit aufweist, die für den vorgesehenen Gesellschaftsvertrag zu verlangen ist; es genügt, wenn die notwendige Ergänzung nach dem vermutlichen Parteiwillen möglich ist.“ Zur ergänzenden Vertragsauslegung und zur Ergänzung des Vertrags durch Beschlüsse vgl. § 2 Rdnr. 89 f. Es sind also an die Bestimmbarkeit keine allzu strengen Maßstäbe anzulegen. Es genügt, dass der Hauptinhalt der Satzung im Prozessfall (§ 894 ZPO!) bestimmbar ist.

13

bb) Kaum noch umstritten ist, ob die Form des § 2 beachtet werden muss. Soweit der Vertrag zur Errichtung der GmbH und nicht bloß zur Vorbereitung und Planung verpflichten soll (dazu Rdnr. 9), ist diese Frage mit der auch bei § 2 1 A.M. Kießling, S. 39 f., 378; Priester, in: MünchHdb. III, § 15 Rdnr. 17; Merkt, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 106; wohl auch Ulmer, in: Ulmer, § 2 Rdnr. 50; für Unterscheidung zwischen Vorvertrag und „Vorgründungsvertrag“ (?) jetzt aber Priester, in: MünchHdb. III, § 15 Rdnr. 4 f., 6 ff., 18 ff. 2 Ausführlich Karsten Schmidt, GmbHR 1982, 6 ff.; zust. Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/ Schmidt-Leithoff, § 2 Rdnr. 87; a.M. Merkt, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 102 ff.; Priester, GmbHR 1995, 481 ff. 3 Krit. deshalb Priester, in: MünchHdb. III, § 15 Rdnr. 16. 4 Zust. Michalski/Funke, in: Michalski, Rdnr. 8. 5 RGZ 66, 116, 121; RGZ 149, 385, 395; RGZ 156, 129, 138; BGH, LM Nr. 3 zu § 705 BGB; OLG München, BB 1958, 187; Kappet, S. 44 ff.; Kießling, S. 17; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, § 2 Rdnr. 34; Ulmer, in: Ulmer, § 2 Rdnr. 48.

586

Karsten Schmidt

§ 11

Rechtszustand vor der Eintragung

Rdnr. 93 vertretenen Auffassung zu bejahen. Dieser Standpunkt entspricht der ständigen Rechtsprechung1 und der ganz herrschenden Lehre2. Ein heilender Vollzug durch Beitragsleistungen, der einen formlos vereinbarten Gründungsvorvertrag nach den Regeln über fehlerhafte Gesellschaften wirksam machen könnte, ist bei diesem rein schuldrechtlichen Vertragsverhältnis nicht anzuerkennen3. Ein Abschluss des Vorvertrags in notarieller Form (§ 2 Abs. 1) wird in der Praxis kaum anzutreffen sein, und auch die vereinfachte Form mit Musterprotokoll (§ 2 Abs. 1a) eignet sich wenig für eine vorvertragliche Bindung. Deshalb sind wirksame Gründungsvorverträge eine Seltenheit4. Allerdings gilt das Formerfordernis nur für diejenigen Abreden, die Satzungsbestandteile werden sollen. Abreden, die nicht auf den Abschluss oder auf einen bestimmten Inhalt des GmbH-Vertrages, sondern auf Nebenpflichten zielen, sind formfrei (§ 2 Rdnr. 93). Formfrei ist demgemäß auch ein Projektvertrag, der nicht die Verpflichtung zur Errichtung der GmbH umfasst (Rdnr. 9). Ist der Vorvertrag formnichtig, so kann die Wirksamkeit solcher formfreier Nebenabreden nach § 139 BGB beurteilt werden. Hiervon zu unterscheiden ist die Frage des Schadensersatzes bei Nichteinhaltung formnichtiger Gründungszusagen (vgl. Rdnr. 8). c) Die Beendigung des Vorvertragsverhälnisses folgt den allgemeinen Regeln der 14 Innengesellschaft. Das Gründungsvorvertragsverhältnis endet bei einem zeitlich begrenzten Vorvertrag mit Ablauf der vereinbarten Zeit (ein ernsthaftes Erfüllungsverlangen kann fristwahrend wirken). Das Vorgründungsvertragsverhältnis endet außerdem mit der Erreichung oder Vereitelung des gemeinsamen Zwecks (§ 726 BGB). Wann der gemeinsame Zweck erreicht ist, hängt von den vereinbarten Vertragspflichten ab. Sofern sich die Vertragspflichten in der Gründung der GmbH erschöpfen, beendet nicht erst die Eintragung der GmbH, sondern schon deren Errichtung das Vorgründungsvertragsverhältnis (Rdnr. 25)5. Dies muss als die Regel gelten6. Unmöglichkeit der Zweckerreichung setzt satzungsmäßige grundsätzlich objektive Unmöglichkeit voraus. Ob die vorvertragliche Verpflichtung eines Beteiligten mit dessen Tod endet (§ 727 BGB), hängt vom Einzelfall ab7. Eine Liquidation dieser reinen Innengesellschaft findet nicht statt

1 RGZ 43, 136, 139; RGZ 66, 116, 120; RGZ 106, 174, 176; RGZ 130, 73, 75; RGZ 149, 385, 395; RGZ 156, 129, 138; BGH, LM Nr. 12 zu § 2 GmbHG = BB 1988, 159 = NJW-RR 1988, 288; ebenso OLG München, BB 1958, 787; LG Aachen, NJW-RR 1986, 662. 2 Priester, in: MünchHdb. III, § 15 Rdnr. 10; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 4; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, § 2 Rdnr. 33; Michalski/Funke, in: Michalski, Rdnr. 7; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, § 2 Rdnr. 85; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 30, § 2 Rdnr. 44; Ulmer, in: MünchKomm. BGB, 5. Aufl. 2009, vor § 705 BGB Rdnr. 25; Rob. Fischer, GmbHR 1954, 133; a.M. Kappet, S. 25 ff.; Kießling, S. 19 ff.; Flume, in: FS Geßler, 1971, S. 3, 18. 3 A.M. anscheinend BGH, NZG 2002, 725, 727. 4 Richtig Priester, GmbHR 1995, 483 f.; krit. Michalski/Sixt, in: FS Boujong, S. 357 f. 5 Ulmer, in: Ulmer, § 2 Rdnr. 49; Karsten Schmidt, GesR, § 34 III 2b; Karsten Schmidt, GmbHR 1982, 7; Gehrlein, DB 1996, 561; a.M. Feine, in: Ehrenbergs Hdb. III/3, S. 190; Hadding, in: Soergel, 13. Aufl., vor § 705 BGB Rdnr. 39. 6 Übereinstimmend Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, § 2 Rdnr. 36; Merkt, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 111; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 30; a.M. Michalski/Funke, in: Michalski, Rdnr. 10; Michalski/Sixt, in: FS Boujong, S. 369, die unrichtig annehmen, dann müsste die Gesellschaft nach §§ 730 ff. BGB bzw. 145 ff. HGB liquidiert werden. 7 Vgl. auch Merkt, in: MünchKomm GmbHG, Rdnr. 113.

Karsten Schmidt

587

§ 11

Rechtszustand vor der Eintragung

(Rdnr. 25). Besondere Pflichten, die wirksam bleiben sollen, werden dann i.d.R. als satzungsmäßige Nebenpflichten vereinbart. Der Vorvertrag kann für die ergänzende Auslegung des GmbH-Vertrags bedeutsam bleiben. Loyalitätspflichten, die sich aus dem Vorvertragsverhältnis ergeben haben, können fortbestehen. Ausnahmsweise kann auch das Vorgründungsvertragsverhältnis neben der errichteten GmbH fortbestehen (vgl. dazu auch Rdnr. 25)1. Ein Recht zu jederzeitiger ordentlicher Kündigung nach § 723 Abs. 1 BGB besteht i.d.R. nicht2. Möglich ist aber eine außerordentliche Kündigung3, z.B. bei unzumutbarer Verzögerung der Gesellschaftserrichtung4. Die durch den Vorvertrag gebildete rein schuldrechtliche Innengesellschaft lebt noch nicht nach dem Recht der künftigen GmbH. Insbesondere § 15 gilt nicht (statt dessen nur Vertragsübernahme oder Vertragsbeitritt Dritter in allseitigem Einverständnis). Möglich sind aber Vorverträge über künftige Geschäftsanteilsübertragungen, die richtigerweise auch schon der Form des § 15 Abs. 4 bedürfen (vgl. § 15 Rdnr. 50; a.M. für Treuhandabrede im Vorgründungsstadium BGHZ 141, 207, 213 = ZIP 1999, 925, 926 = GmbHR 1999, 707).

3. Die Mitunternehmerschaft im Vorgründungsstadium 15

a) Rechtsformzwang. Betreiben die Gründer bereits im Vorgründungsstadium nach außen hin gemeinschaftlich als Mitunternehmer das von der künftigen GmbH zu betreibende Unternehmen – wovon dringend abgeraten werden muss –, so entsteht unter ihnen kraft Rechtsformzwangs eine oHG bzw., wenn kein kaufmännisches Handelsgewerbe i.S. von § 1 Abs. 2 HGB betrieben wird, eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts5. BGH, DB 2004, 1359 = JuS 2004, 727 (Karsten Schmidt) = ZIP 2004, 1208 hat dazu schon die Eröffnung eines Bankkontos für die „GmbH in Gründung“ als Vorbereitungsgeschäft ausreichen lassen6. Diese Gesellschaft ist eine Außengesellschaft, und sie ist weder mit der künftigen Vor-GmbH identisch (vgl. Rdnr. 26) noch mit dem etwa durch Abschluss eines Gründungsvorvertrags entstandenen Innen-Gesellschaftsverhältnis (vgl. Rdnr. 9; s. auch § 2 Rdnr. 86 ff.)7. Mit Recht entschied deshalb RG, JW 1929, 645 m. Anm. Bing, dass diese unternehmenstragende Gesellschaft wirksam sein kann, 1 2 3 4

Vgl. insofern Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 39. Ulmer, in: Ulmer, § 2 Rdnr. 53. Vgl. nur BGH, NZG 2002, 725, 727 (arglistige Täuschung). Ausführlich Ulmer, in: Ulmer, § 2 Rdnr. 49; die h.M. beruft sich auf den Kapitalerhöhungsfall RGZ 87, 164. 5 H.M.; vgl. nur BGH, BB 1983, 1433 = NJW 1983, 2822 = GmbHR 1984, 41; BGH, DB 2004, 1359 = JuS 2004, 727 (Karsten Schmidt) = ZIP 2004, 1208; BAG, DB 2006, 1146, 1147 = GmbHR 2006, 756, 757 = ZIP 2006, 1044, 1045; OLG Düsseldorf, GmbHR 2002, 1067 = NZG 2002, 910; LG Düsseldorf, DB 1986, 958, 959 = GmbHR 1986, 235; FG Niedersachsen, GmbHR 1992, 391; Kübler/Assmann, GesR, § 25 I 2c; Karsten Schmidt, GesR, § 11 II 2c, § 34 III 2b; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 2; Merkt, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 106; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, § 2 Rdnr. 87; Ulmer, in: Ulmer, § 2 Rdnr. 50, 51; Schroeter, in: Bork/Schäfer, Rdnr. 5. 6 Anders noch in der Vorinstanz OLG Stuttgart, GmbHR 2002, 1067 (LS) = NZG 2002, 910. 7 Eingehend zur Richtigkeit der Unterscheidung Karsten Schmidt, oHG, S. 261 ff.; Karsten Schmidt, GmbHR 1982, 8 f.; zust. Michalski/Funke, in: Michalski, Rdnr. 22 f.; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 2; a.M. Kießling, S. 37 ff., 352 ff.; Nordhues, S. 203 ff.; Merkt, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 103 ff.; Priester, GmbHR 1995, 481 ff.

588

Karsten Schmidt

§ 11

Rechtszustand vor der Eintragung

auch wenn der Vorgründungsvertrag wegen Formmangels nichtig ist. Diese Entscheidung wird zu Unrecht als widersprüchlich kritisiert1. Es ist nichts Widersprüchliches darin, wenn die unternehmenstragende Außengesellschaft als vorhanden und wirksam, ein schuldrechtliches Vorgründungsvertragsverhältnis i.S. von Rdnr. 9 ff. dagegen nicht als vereinbart oder ein abgeschlossener Gründungsvorvertrag als unwirksam angesehen wird. b) Die Trennung zwischen dem obligatorischen Gründungsvorvertragsverhältnis 16 und der unternehmenstragenden Gesellschaft hilft bei der Klärung vieler schwieriger Fragen2. Die durch den Gründungsvorvertrag entstehende BGB-Innengesellschaft als bloßes Schuldverhältnis kann nicht Trägerin von Rechten und Pflichten sein (Rdnr. 10), sich auch nicht in eine Außengesellschaft und Unternehmensträgerin verwandeln3. An ihr sind zwar in aller Regel, jedoch nicht denknotwendig, alle Gründer beteiligt (Rdnr. 11). Die Mitunternehmerschaft im Vorgründungsstadium kann formlos entstehen und setzt keinen wirksamen Vorvertrag (an dem es meist fehlt) voraus4. Es kann eine Mitunternehmerschaft ohne Vorvertrag (Rdnr. 15) und auch umgekehrt ein Vorgründungsvertragsverhältnis ohne unternehmerische Tätigkeit geben. Ist beides nebeneinander gegeben, so handelt es sich um unterschiedliche Rechtsverhältnisse (Rdnr. 15). Die Gesellschafter können den Gründungsvorvertrag in diesem Fall erfüllen, indem sie entweder eine GmbH gründen und ihre Anteile an der entstandenen oHG bzw. BGB-Gesellschaft (Rdnr. 15) in diese GmbH einbringen (Sachgründung) oder indem sie die durch Mitunternehmerschaft im Vorgründungsstadium entstandene Gesellschaft als oHG eintragen lassen und diese Gesellschaft nach §§ 190 ff. UmwG in eine GmbH umwandeln (Formwechsel).

4. Die Haftungsverhältnisse im Vorgründungsstadium a) Haftungsverhältnisse bei vorweggenommener Mitunternehmerschaft. Wird 17 schon im Vorgründungsstadium ein Unternehmen von sämtlichen Gründern in Mitunternehmerschaft betrieben, so liegt eine oHG oder eine unternehmenstragende Gesellschaft bürgerlichen Rechts vor (Rdnr. 15). Wird in diesem Fall unternehmensbezogen kontrahiert, so wird diese Gesellschaft Vertragspartnerin. Wer unternehmensbezogene Rechtsgeschäfte abschließt, handelt im Namen des wahren Unternehmensträgers, ohne dass es auf dessen richtige Bezeichnung ankommt5. Im Zweifel besteht, wenn die mitunternehmerische Tätigkeit schon beginnt, Einzelvertretungsmacht jedes Gründers, sei es nach § 125 HGB, sei es – bei fehlender Kaufmannseigenschaft – in entsprechender Anwendung dieser Bestimmung auf die unternehmenstragende Gesellschaft bürgerlichen

1 Vgl. nur Keßler, in: Staudinger, 12. Aufl., vor § 705 BGB Rdnr. 118; Fischer, GmbHR 1954, 131. 2 Zust. Michalski/Funke, in: Michalski, Rdnr. 23; abl. aber Priester, in: MünchHdb. III, § 15 Rdnr. 17; Merkt, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 103 ff. 3 Dafür aber Priester, in: MünchHdb. III, § 15 Rdnr. 29. 4 Ungenau aufgrund der „monistischen“ Betrachtungsweise Schroeter, in: Bork/Schäfer, Rdnr. 5: Formbedürftiger Gesellschaftsvertrag nur, „wenn er die Gründer bereits zur Errichtung der GmbH verpflichten soll“. 5 Karsten Schmidt, HandelsR, § 5 III 1.

Karsten Schmidt

589

§ 11

Rechtszustand vor der Eintragung

Rechts1. Die im Vorgründungsstadium mitunternehmerisch handelnden Gesellschafter verpflichten im Zweifel die oHG (bzw. die Gesellschaft bürgerlichen Rechts) und ihre persönlich haftenden Gesellschafter, auch wenn dem Anschein nach im Namen einer „GmbH in Gründung“ kontrahiert wurde. Richtig heißt es bei BGHZ 91, 148, 152 = BB 1984, 1315, 1316 = NJW 1984, 2164 = GmbHR 1984, 316, 317, es handele sich dann um einen der im Geschäftsleben vielfältig vorkommenden Fälle, in denen der Rechtsträger des Unternehmens, für das gehandelt wird, lediglich falsch bezeichnet ist2. Vertreten wird dann nach der Terminologie des BGH statt der noch nicht bestehenden „GmbH in Gründung“ „die Vorgründungsgesellschaft“3. Gemeint ist aber nicht die durch den Gründungsvorvertrag entstehende BGB-Innengesellschaft (Rdnr. 10), sondern vertreten wird die neben dem Gründungsvorvertrag bestehende Außengesellschaft (Rdnr. 15 f.). Hinsichtlich der Haftungskonsequenzen ist dem BGH deshalb zuzustimmen. Auch aus gesetzlichen Schuldverhältnissen (Delikt, UWG, ungerechtfertigte Bereicherung, Gewerbesteuer etc.) kann die oHG oder GbR bereits haften. Daneben haften die Gründer für die Unternehmensverbindlichkeiten unbeschränkt, sofern nicht mit den einzelnen Gläubigern abweichende Vereinbarungen getroffen werden4. Die unbeschränkte Gesellschafterhaftung ergibt sich aus § 128 HGB, im Fall eines nicht-kaufmännischen Unternehmens aus analoger Anwendung des § 128 HGB auf die in diesem Fall bestehende Gesellschaft bürgerlichen Rechts5. Eine Haftung der Handelnden nach § 11 Abs. 2 greift daneben nicht ein (Rdnr. 24). 18

b) Sonstiges Handeln im Vorgründungsstadium. Wird das Unternehmen nicht oder noch nicht in Mitunternehmerschaft von den Gründern betrieben, wurde aber schon „im Namen der Gesellschaft“ gehandelt, so muss zunächst gefragt werden, ob der für die Gründer Handelnde als Vertreter der künftigen Vor-GmbH und GmbH (dann § 11 GmbHG) oder im Namen einer angeblich schon vorhandenen, in Wahrheit noch inexistenten, (Vor-)GmbH (dann §§ 177, 179 BGB) oder im Namen der Gründungsbeteiligten oder im eigenen Namen auftrat6.

19

aa) Deckt der Handelnde die Verhältnisse auf, teilt er also dem Geschäftspartner mit, dass die Gesellschaft noch nicht errichtet ist, so kann er im eigenen Namen handeln7. In diesem eher seltenen Fall sind die Rechtsfolgen einfach. Der Han1 A.M. für Vorgründungsgesellschaft als GbR OLG Stuttgart, GmbHR 2002, 1067 = NZG 2002, 910 (Anwendung der §§ 709, 714 BGB); für analoge Anwendung des § 125 HGB dagegen Karsten Schmidt, in: MünchKomm. HGB, 3. Aufl. 2011, § 125 HGB Rdnr. 26. 2 Bestätigend BGH, GmbHR 1992, 164; wie hier jetzt Schroeter, in: Bork/Schäfer, Rdnr. 6. 3 In gleicher Richtung BGH, GmbHR 1998, 633, 634 = NJW 1998, 1645 = NZG 1998, 382 m. Anm. v. Reinersdorff = ZIP 1998, 646, 647; Merkt, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 106. 4 Vgl. Karsten Schmidt, GmbHR 1998, 616; über Belehrungspflichten des Notars vgl. Jäger, MDR 1996, 657. 5 So auch Michalski/Funke, in: Michalski Rdnr. 29; Merkt, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 107; die entsprechende Anwendung des § 128 HGB auf die persönliche Haftung von BGB-Außengesellschaften ist gesichert seit BGHZ 146, 341 = NJW 2001, 1056. 6 Eingehend Karsten Schmidt, GesR, § 34 III 2c. 7 Vgl. auch BGH, GmbHR 1998, 633 = NJW 1998, 1645 = NZG 1998, 382 m. Anm. v. Reinersdorff = ZIP 1998, 646; OLG Koblenz, NZG 2003, 32 = GmbHR 2002, 1239; OLG Stuttgart, NJW-RR 1992, 994 = WM 1993, 33: bei Eigeninteresse des Handelnden (Gründers).

590

Karsten Schmidt

§ 11

Rechtszustand vor der Eintragung

delnde verpflichtet sich selbst und nur sich selbst. Ein Handeln im eigenen Namen liegt auch vor, wenn ein Gründungsbeteiligter ein Unternehmen, das in die künftige GmbH eingebracht werden soll, z.B. als einzelkaufmännisches Unternehmen, führt und – unter welcher Bezeichnung auch immer (vgl. Rdnr. 38) – unternehmensbezogene Geschäfte abschließt1. Selbst wenn dieser Gründungsbeteiligte für Rechnung der künftigen Gesellschaft handeln will, dies aber nicht durch eine aufschiebende Bedingung verdeutlicht, berechtigt und verpflichtet er sich im Außenverhältnis selbst2. bb) Gesamtschuldnerische Verpflichtung. Schließen mehrere Gründungsbetei- 20 ligte oder schließt ein Bevollmächtigter in ihrem Namen einen Vertrag ab, der schon vor der Errichtung der GmbH wirksam sein soll, so verpflichten sich die Gründungsbeteiligten im Zweifel selbst als Gesamtschuldner nach § 427 BGB3. Beispielsweise haften die Gründer und nicht die künftige GmbH, wenn die Gründer einen Maklervertrag abschließen, der der künftigen GmbH den Erwerb eines Grundstücks ermöglichen soll4. cc) Im Namen der künftigen (Vor-)GmbH wird gehandelt, wenn vereinbart wird, 21 dass der Vertrag erst die gegründete oder eingetragene GmbH berechtigen und verpflichten soll5. Da diese Gesellschaft noch nicht wirksam vertreten werden kann, muss sie den Vertrag gemäß § 177 BGB noch genehmigen. Vor der Errichtung bzw. Eintragung der GmbH wird dann gar keine Verbindlichkeit, also auch keine persönliche Haftung, begründet. Ein solches Handeln nur für die künftige Gesellschaft setzt Offenlegung des Sachverhalts und Vereinbarung einer aufschiebenden Bedingung voraus; das bloße Auftreten unter einer GmbH-Firma genügt nicht6. dd) Wer im Namen einer vorgeblich schon gegründeten „GmbH i.G.“ oder gar 22 vorgeblich schon fertigen „GmbH“ handelt, ohne deren fehlende Gründung offenzulegen, haftet, da er im Namen einer nicht vorhandenen Rechtsträgerin handelt, entsprechend § 179 BGB, solange nicht die GmbH entstanden ist und das Geschäft wirksam genehmigt hat7. 1 Vgl. OLG Düsseldorf, BB 1987, 1624 = GmbHR 1987, 430; OLG Karlsruhe, GmbHR 1988, 482, 483. 2 Vgl. Karsten Schmidt, GmbHR 1998, 615 zu BGH, GmbHR 1998, 633 = NJW 1998, 1645 = ZIP 1998, 646; vgl. auch OLG Hamm, GmbHR 1993, 105 (Einpersonengründung). 3 Im Ergebnis richtig deshalb BGH, LM Nr. 32 zu § 11 GmbHG = BB 1983, 1433 = GmbHR 1984, 41 = NJW 1983, 861 = ZIP 1983, 933; BGH, VersR 1996, 583 = WM 1996, 722; BGH, GmbHR 1998, 633 = NJW 1998, 1645 = ZIP 1998, 646; OLG Hamm, NJW-RR 1989, 616 = GmbHR 1989, 335; eingehend Karsten Schmidt, GmbHR 1998, 615 f.; wie hier jetzt Michalski/Funke, in: Michalski, Rdnr. 33. 4 BGH, VersR 1996, 583 = WM 1996, 722. 5 OLG Stuttgart, GmbHR 2001, 200 = NZG 2001, 86. 6 Charakteristisch BGH, GmbHR 1998, 633 = NJW 1998, 1645 = ZIP 1998, 646: Kauf einer Maschine im Namen einer noch nicht gegründeten GmbH; OLG Hamm, NJW-RR 1989, 616 = GmbHR 1989, 335: Mietvertrag im Namen der noch nicht errichteten „S & B GmbH“ verpflichtet „die Vorgründungsgesellschaft“. 7 OLG Koblenz, NZG 2003, 32 = GmbHR 2002, 1239; Ulmer, in: Ulmer, § 2 Rdnr. 51; missverständlich, aber wohl in gleicher Richtung Michalski/Funke, in: Michalski, Rdnr. 39 (wo die Voraussetzung, dass die fehlende Errichtung einer GmbH nicht offengelegt ist, nicht deutlich wird).

Karsten Schmidt

591

§ 11

Rechtszustand vor der Eintragung

23

ee) Soll die vorhandene Gesellschaft Vertragspartnerin sein, was bei einer Innengesellschaft rechtlich nicht möglich ist, so vertritt der Handelnde die Gründungsbeteiligten im Rahmen der ihm erteilten Vertretungsmacht (anders wohlgemerkt nach Rdnr. 17 bei mitunternehmerischem Handeln)1. Das Urteil BGH, LM Nr. 32 zu § 11 GmbHG = BB 1983, 1433 = GmbHR 1984, 41 = NJW 1983, 2822 = WM 1983, 861 = ZIP 1983, 933 entscheidet treffend: „Eine rechtsgeschäftliche persönliche Haftung der GmbH-Gesellschafter für Verbindlichkeiten, die sie vorweg für die erst noch zu gründende GmbH eingegangen sind, endet mit Gründung oder Eintragung der GmbH im Handelsregister nur, wenn das mit dem Gläubiger so vereinbart ist; eine solche Vereinbarung muss der Haftungsschuldner beweisen.“ Dieser Standpunkt entspricht heute der h.M. (enger noch BGH, BB 1982, 69 = GmbHR 1982, 183 = NJW 1982, 932 = WM 1981, 1300)2. Auch die Genehmigung eines unter Verwendung ihrer Firma, jedoch nicht aufschiebend bedingt vereinbarten Rechtsgeschäfts durch die später gegründete oder sogar eingetragene GmbH lässt eine im Vorgründungsstadium entstandene persönliche Haftung nicht entfallen3.

24

c) Keine Handelndenhaftung. Es gibt im Vorgründungsstadium keine Handelndenhaftung nach § 11 Abs. 24. Dies war bis 1984 der Standpunkt der Minderheit5 gegen eine damals ganz h.M.6. Demgegenüber hat BGHZ 91, 148 = GmbHR 1984, 316 = NJW 1984, 2164 = JZ 1984, 943 m. Anm. John richtig entschieden: „Die in § 11 Abs. 2 GmbHG bestimmte Haftung dessen, der für eine noch nicht in das Handelsregister eingetragene GmbH handelt, greift nicht ein, solange nicht der Gesellschaftsvertrag oder die Errichtungserklärung des einzigen Gesellschafters notariell beurkundet worden ist; die bisherige Rechtsprechung, die

1 A.M. Schroeter, in: Bork/Schäfer, Rdnr. 7: im Namen der Gesellschaft und mit akzessorischer persönlicher Haftung. 2 Zustimmend OLG Hamm, GmbHR 1993, 105; Karsten Schmidt, GesR, § 34 III 2c; Priester, in: MünchHdb. III, § 15 Rdnr. 38; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 37; Merkt, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 108; Ulmer, in: Ulmer, § 2 Rdnr. 51; Kort, DStR 1991, 1319 f.; s. auch BGH, GmbHR 1992, 164; BGH, DStR 1996, 1015 m. Anm. Goette; BGH, GmbHR 1998, 633 = NJW 1998, 1645 = ZIP 1998, 646; OLG Düsseldorf, BB 1987, 1624 = GmbHR 1987, 430; OLG Karlsruhe, GmbHR 1988, 482. 3 BGH, GmbHR 1998, 633 = NJW 1998, 1645 = ZIP 1998, 646. 4 BGHZ 91, 148 = GmbHR 1984, 316 = NJW 1984, 2164 = JZ 1984, 943 m. Anm. John; BGH, WM 1985, 479; DStR 1996, 1015 m. Anm. Goette; OGH Wien, NZG 1998, 595 = ecolex 1998, 636 m. Anm. Fantur; BAG, AG, 2006, 796 = NJW 2006, 3230 = ZIP 2006, 1672 (betr. Vor-AG; Vorinstanz LAG Köln, AG 2006, 171); OLG Hamburg, BB 1987, 505 = GmbHR 1987, 477 = NJW-RR 1987, 811; OLG Stuttgart, GmbHR 2001, 200 = NZG 2001, 86; LG Düsseldorf, DB 1986, 958, 959; Priester, in: MünchHdb. III, § 15 Rdnr. 40; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 2; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 50; Merkt, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 109; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/SchmidtLeithoff, Rdnr. 109; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 30, 131; Schroeter, in: Bork/Schäfer, Rdnr. 8; Kappet, S. 110 ff.; Kort, DStR 1991, 1319; bestätigend auch BGH, WM 1985, 479; krit. Kießling, S. 393; Nordhues, S. 221 ff.; Koppensteiner, GmbHG, 2. Aufl., § 2 Rdnr. 7. 5 Karsten Schmidt, oHG, S. 266 ff.; Karsten Schmidt, GmbHR 1982, 8; Ulmer, in: Hachenburg, 7. Aufl., Rdnr. 20. 6 RGZ 122, 172, 174 (dazu W. Schmidt, Lion und Abraham, JW 1929, 648 und 1372); BGH, LM Nr. 11 zu § 11 GmbHG = JZ 1963, 63; LM Nr. 25 = NJW 1980, 287; BGH, LM Nr. 30 zu § 11 GmbHG = NJW 1982, 932; zust. bis 1984 die ganz überwiegende Literatur.

592

Karsten Schmidt

§ 11

Rechtszustand vor der Eintragung

Handlungshaftung könne auch schon im Vorgründungsstadium entstehen, wird aufgegeben.“ Der II. Zivilsenat hat die damit vollzogene Änderung seiner Praxis später bekräftigt1. Dieser Rechtsprechung ist ungeachtet der in den Vorauflagen abgelehnten Begründung (die Handelndenhaftung solle sicherstellen, dass neben der nur beschränkten Haftung der Gesellschafter einer Vorgesellschaft wenigstens eine verantwortliche Person unbeschränkt hafte) im Ergebnis zuzustimmen, denn im Vorgründungsstadium besteht für die Handelndenhaftung weder Bedürfnis noch Rechtfertigung: Kontrahiert der Handelnde im eigenen Namen, so verpflichtet er sich selbst; kontrahiert er im Namen der Gründer, so verpflichtet er diese als Gesamtschuldner (§ 427 BGB), wenn er Vertretungsmacht hat (§ 164 BGB)2, sonst sich selbst (§ 179 BGB)3; kontrahiert er im Namen der noch einzutragenden künftigen GmbH, so entsteht keine persönliche Haftung, aber dies setzt voraus, dass er die tatsächlichen Verhältnisse aufdeckt (vgl. zu diesen Varianten Rdnr. 19–23)4.

5. Der Einfluss der Errichtung und Eintragung der GmbH auf die Rechtsverhältnisse aus dem Vorgründungsstadium a) Beendigung des Vorgründungsstadiums. Mit der Errichtung der (Vor-)GmbH 25 (Rdnr. 28) endet das Vorgründungsstadium, und das Gründungsstadium beginnt (Rdnr. 27 ff.). Das im Fall eines wirksamen Gründungsvorvertrags entstandene Innen-Gesellschaftsverhältnis wird i.d.R. durch Zweckerreichung aufgelöst (§ 726 BGB), wenn die Satzung errichtet und dadurch eine Vor-GmbH entstanden ist (vgl. Rdnr. 14). Eine Liquidation findet nicht statt, weil der GründungsVorvertrag kein Gesellschaftsvermögen und keine Außenbeziehungen begründet (Rdnr. 10)5. Soweit unter den Gründern bereits ein Gesellschaftsvermögen gebildet wurde – der Hauptfall ist der der Mitunternehmerschaft im Vorgründungsstadium (Rdnr. 15) – kann dessen Auseinandersetzung geboten sein6, doch ist dies keine Liquidation der durch den Gründungsvorvertrag entstandenen Innengesellschaft. Diese kommt einfach als Schuldvertrag zur Beendigung. Nur soweit Pflichten aus dem Vorvertrag neben der gegründeten GmbH fortbestehen sollen, treten beide Vertragsverhältnisse – GmbH-Satzung und Vorgründungsvertrag – nebeneinander (vgl. auch hierzu Rdnr. 14). b) Keine Identität mit der (Vor-)GmbH. Die Vorgründungsgesellschaft kann nicht 26 mit der Vor-GmbH und mit der später eingetragenen GmbH identisch sein7. Das 1 BGH, WM 1985, 479; BGH, DStR 1996, 1015 m. Anm. Goette. 2 Vgl. LAG Köln v. 2.11.2006 – 6 (10) Sa 350/05 (im Nachgang zu BAG, AG 2006, 796 = NJW 2006, 3230 = ZIP 2006, 1672). 3 Dazu BAG, AG 2006, 796 = NJW 2006, 3230 = ZIP 2006, 1672. 4 Vgl. Karsten Schmidt, GmbHR 1998, 615; zur Haftung nach § 179 BGB LAG Köln, GmbHR 1988, 341 = DB 1988, 864. 5 A.M. Ulmer, in: Ulmer, § 2 Rdnr. 50: Abwicklung, wenn Gesellschaftsvermögen gebildet wurde; ebenso Priester, in: MünchHdb. III, § 15 Rdnr. 43 (zur „Vorgründungsgesellschaft“); vollends unrichtig Michalski/Sixt, in: FS Boujong, S. 369. 6 Nur dies meinen die soeben genannten Gegenstimmen. 7 BGHZ 91, 148, 151 = BB 1984, 1315, 1316 = NJW 1984, 2164 = WM 1984, 929 = GmbHR 1984, 316, 317; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 2; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/ Hueck, Rdnr. 38; Schroeter, in: Bork/Schäfer, Rdnr. 9; Kappet, S. 118 ff.; Karsten Schmidt, GesR, § 34 III 2b; Karsten Schmidt, GmbHR 1982, 8; a.M. Kießling, S. 352 ff.

Karsten Schmidt

593

§ 11

Rechtszustand vor der Eintragung

gilt sowohl für ein durch Gründungsvorvertrag entstandenes (Innen-) Gesellschaftsverhältnis (Rdnr. 10) als auch für eine durch vorweggenommene Mitunternehmerschaft entstandene (Außen-)Gesellschaft (Rdnr. 15). Leistungen der Gründer zu Gunsten der Vorgründungsgesellschaft befreien sie nicht von ihren Einlagepflichten gegenüber der (Vor-)GmbH1. Treffend heißt es bei BGHZ 91, 148, 151 = BB 1984, 1315, 1316 = GmbHR 1984, 316, 317 = NJW 1984, 2164 = WM 1984, 929, dass keine Kontinuität zwischen der Vorgründungsgesellschaft einerseits und der Vor-GmbH bzw. der später eingetragenen GmbH andererseits besteht. Es gehen keine Rechte und Pflichten der Vorgründungsgesellschaft auf die spätere GmbH über2. Die Gründer können solche Rechte und Pflichten nur durch Einbringungsgeschäfte auf eine (Vor-)GmbH überführen, z.B. auch konkludent durch Fortführung eines „Gesellschaftskontos“ bei der Bank3. Auch der Firmenschutz der eingetragenen GmbH reicht nicht ohne weiteres – d.h. nur im Fall des derivativen Erwerbs eines in die Gesellschaft mit Firma eingebrachten Unternehmens – in das Vorgründungsstadium zurück4. Eine im Vorgründungsstadium begründete persönliche Haftung der Gründer (Rdnr. 17–24) endet nicht mit der Gründung oder Eintragung der GmbH5 und auch nicht mit deren bloßer Genehmigung. Enthaftend wirkt nur ein Verzicht oder Erlass seitens des Gläubigers oder die Zustimmung zu einer befreienden Schuldübernahme seitens der (Vor-)GmbH6. Da es sich um eine Eigenhaftung der Gründer handelt, kommt § 13 Abs. 2 nicht haftungsbeschränkend zum Zuge.

III. Die Vorgesellschaft als Rechtsträgerin und als Organisation Schrifttum: vgl. Rdnr. 1.

1. Begriff, Tatbestand, Rechtsnatur und Gesellschaftszweck 27

a) Begriff und Tatbestand. aa) Als Vor-GmbH (oder: Vorgesellschaft) bezeichnet man die nach § 2 formgerecht errichtete, aber noch nicht eingetragene GmbH, also die GmbH im Gründungsstadium. Auch die als „Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt)“ nach § 5a gegründete sog. Vor-Unternehmergesellschaft7 ist in diesem Sinne eine Vor-GmbH (keine eigenständige Rechtsform; vgl. § 5a Rdnr. 16). Der Status der GmbH als Vorgesellschaft beginnt mit dem Abschluss und Wirksamwerden des Gesellschaftsvertrags (§§ 2 f.) und endet, sofern nicht die Vor-GmbH umgewandelt oder liquidiert oder ihre Eintragung rechtskräftig abgelehnt wird, mit der Eintragung der GmbH im Handelsregister (§ 10). Das

1 Vgl. OLG Köln, ZIP 1989, 238; s. auch Kort, DStR 1991, 1320. 2 BGHZ 91, 148, 152 = NJW 1984, 2164, 2165 = GmbHR 1984, 316; BGH, GmbHR 1998, 633, 634 = NJW 1998, 1645; BGH, GmbHR 2001, 293 = NZG 2001, 561; OLG Dresden, GmbHR 1997, 215, 216; OLG Brandenburg, OLG-NL 2005, 56, 66; Merkt, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 110. 3 Vgl. OLG Hamm, GmbHR 1997, 602. 4 Vgl. LG Düsseldorf, NJW-RR 1987, 874. 5 BGH, GmbHR 2001, 293 = NZG 2001, 561; Kappet, S. 122 ff. 6 Vgl. Kappet, S. 125 ff. 7 Dazu Paura, in: Ulmer, Erg.-Band MoMiG, § 5a Rdnr. 35; Rieder, in: MünchKomm. GmbHG, § 5a Rdnr. 13.

594

Karsten Schmidt

§ 11

Rechtszustand vor der Eintragung

Gründungsstadium und damit der Status der Vor-GmbH umfasst den gesamten von § 11 beschriebenen Zeitraum bis zur Eintragung. Soweit der Registeranmeldung Bedeutung für die Haftung zukommt (Rdnr. 141), braucht nicht deshalb ein neues Gesellschaftsstadium erfunden zu werden1. Das Stadium der Vorgesellschaft ist ein notwendiges Stadium jeder GmbH, die durch Gründung – nicht durch Formwechsel nach §§ 190 ff. UmwG – zu Stande kommt (vgl. zum Umwandlungsrecht Rdnr. 28). Der Begriff der Vorgesellschaft setzt nicht mehr voraus als die Errichtung einer GmbH gemäß §§ 1 ff. Vielfach wird noch betont, dass die Gesellschafter außerdem die Absicht haben müssen, die Gesellschaft in das Handelsregister eintragen zu lassen2. Dieser Wille ist aber in der Errichtung der GmbH notwendig enthalten. Nicht das Fehlen der Eintragungsabsicht, sondern nur ihr nachträglicher Fortfall ist von praktischem Interesse (dazu Rdnr. 162). bb) Die Vorgesellschaft entsteht durch förmlichen Abschluss des Gesellschafts- 28 vertrags gemäß §§ 2 ff. (also durch Feststellung der Satzung). Die Rechtsgrundsätze über fehlerhafte Gesellschaften finden Anwendung3. Im Fall der Umwandlung ist zu unterscheiden: Der Formwechsel eines bereits vollwirksamen Rechtsträgers in die Rechtsform der GmbH (§§ 190 ff. UmwG) lässt keine interimistische Vorgesellschaft entstehen4. Anderes gilt nach h.M. für die Überführung eines Gesellschaftsvermögens auf eine neu entstehende GmbH im Fall der Verschmelzung durch Neugründung (§§ 36 ff. UmwG) und der Spaltung zur Neugründung (§ 123 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 Nr. 2, Abs. 3 Nr. 2, §§ 135 ff. UmwG)5, denn dies ist der Sache nach eine vereinfachte Sachgründung. Praktische Folgen, insbesondere Haftungsfolgen, hat diese Annahme allerdings i.d.R. nicht (Rdnr. 110), denn es wird nicht im Namen der Vorgesellschaft gehandelt6. Wenig diskutiert worden ist die Frage, ob ein Vor-e.V. oder eine Vorgenossenschaft durch Vertragsänderung in eine Vor-GmbH umgewandelt werden kann, damit der schon errichtete Verband als GmbH eingetragen wird. Die Frage sollte bejaht werden7. Sie hilft, wenn ein bereits errichteter Rechtsträger in einer anderen als der zunächst vereinbarten und zur Eintragung angemeldeten Rechtsform eingetragen werden soll (z.B. weil die Eintragung als e.V. verweigert wurde8), über den Liquidationszwang und über den numerus clausus des § 1 UmwG hinweg9. 1 A.M. Baumann, JZ 1998, 597 ff.: vor der Anmeldung nur „GmbH in Anwartschaft“; wie hier jetzt Merkt, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 5. 2 Vgl. BGHZ 143, 314, 319 = NJW 2000, 1193, 1194 = ZIP 2000, 411, 421; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 32; Schroeter, in: Bork/Schäfer, Rdnr. 12. 3 Vgl. RG, JW 1941, 1080; BGHZ 13, 320, 324; Ulmer, in: Ulmer, § 2 Rdnr. 92 f. 4 BGH, NJW-RR 1999, 1554, 1555 = GmbHR 1999, 612. 5 Vgl. Lutter/Drygala, in: Lutter, § 4 UmwG Rdnr. 17; Winter, in: Lutter, § 56 UmwG Rdnr. 7, 28; Mayer, in: Widmann/Mayer, § 135 UmwG Rdnr. 75; Ihrig, GmbHR 1995, 633; Dieter Mayer, DB 1995, 862; s. auch BGH, NJW-RR 1999, 1554, 1555 = GmbHR 1999, 612; a.M. noch Vossius, in: Widmann/Mayer, § 131 UmwG Rdnr. 18; vgl. auch zur formwechselnden Umwandlung früheren Rechts Karsten Schmidt, GmbHR 1987, 79. 6 Vgl. BGH, NJW-RR 1986, 115 = WM 1985, 1364 = GmbHR 1986, 225. 7 Karsten Schmidt, in: FS Zöllner, S. 529 ff.; zust. Michalski/Funke, in: Michalski, Rdnr. 71. 8 Karsten Schmidt, Verbandszweck und Rechtsfähigkeit im Vereinsrecht, 1984, S. 309 ff. 9 Karsten Schmidt, in: FS Zöllner, 1998, S. 534.

Karsten Schmidt

595

§ 11

Rechtszustand vor der Eintragung

Nach den bei Rdnr. 56 f. zur Satzungsänderung entwickelten Grundsätzen sind zwei Varianten der Umwandlung im Stadium der Vor-GmbH möglich: die durch allseitigen Vertrag aller Gesellschafter mit Sofortwirkung vollzogene Umwandlung der Vor-GmbH z.B. in eine Vor-AG oder Vor-Genossenschaft und die auf den Zeitpunkt der Eintragung aufschiebend bedingte Umwandlung durch qualifizierten Mehrheitsbeschluss1. 29

cc) Keine Vorgesellschaft ist die im Handelsregister eingetragene Vorrats- oder Mantelgesellschaft. Seit den Beschlüssen BGHZ 153, 158 = NJW 2003, 892 und BGHZ 155, 318 = NJW 2003, 3198 unterwirft der BGH die Verwendung solcher Vorrats- bzw. Mantelgesellschaften für Zwecke der Unternehmensträgerschaft als „wirtschaftliche Neugründung“ allerdings dem Gründungsrecht (dazu § 3 Rdnr. 27 ff., 37 ff.). Im Jahr 2010 hat der BGH den Tatbestand der „wirtschaftlichen Neugründung“ klarstellend auf Fälle begrenzt, in denen die für die „wirtschaftliche Neugründung“ verwendete Gesellschaft eine „leere Hülse“ ist, also kein aktives Unternehmen betreibt, an das die Fortführung des Geschäftsbetriebs – sei es auch unter wesentlicher Umgestaltung, Einschränkung oder Erweiterung seines Tätigkeitsgebiets – in irgendeiner wirtschaftlich noch gewichtbaren Weise anknüpfen kann2. Im Jahr 2011 hat der BGH herausgestellt, dass Strukturänderungen, die vor der Eintragung der Gesellschaft vollzogen worden sind, gleichfalls nicht ausreichen3. Eine sich hinschleppende Gründungsphase, an deren Ende das Unternehmen ein anderes als das geplante Gesicht hat, ist nach dieser Entscheidung kein Fall der „wirtschaftlichen Neugründung“. Auch mit dieser Maßgabe wird diese Rechtsprechung verschiedentlich als in den Rechtsfolgen zu weitgehend kritisiert4. Nach der hier vertretenen, noch weitergehenden Auffassung bestehen gegen die Verwendung der gründungsrechtlichen (Haftungs-)Regeln Bedenken grundsätzlicher Art (vgl. zur Gesellschafterhaftung Rdnr. 67, 84, 140; zur Handelndenhaftung Rdnr. 99)5. Literatur zu den Mantelgesellschaften Rdnr. 1.

30

b) Rechtsnatur der Vor-GmbH. aa) Streitstand. Die Rechtsnatur ist bis heute umstritten, jedoch hat sich ein wesentlicher Teil der hiermit verbundenen Streitfragen erledigt. Ältere Stimmen sahen die Vorgesellschaft als einen nichtrechtsfähigen Verein6 oder als eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts7 an. Heute herrscht die auf Otto Schreiber und Hans Erich Feine zurückgehende Auffassung vor, es handele sich bereits um eine Vorstufe der fertigen GmbH, um eine Gesellschaft, die bereits dem Recht der GmbH unterliegt, soweit dieses nicht 1 2 3 4

Karsten Schmidt, in: FS Zöllner, 1998, S. 527 ff., 538. BGH, GmbHR 2010, 474 = NJW 2010, 1454 = NZG 2010, 427 = ZIP 2010, 621. BGH, GmbHR 2011, 1032 m. Komm. Bayer = ZIP 2011, 1761. Vgl. Bachmann, NZG 2011, 441 ff.; Habersack, AG 2010, 845 ff.; Herresthal/Servatius, ZIP 2012, 197 ff.; Hüffer, NZG 2011, 1257; Keller, DZWiR 2005, 133 ff.; Peetz, GmbHR 2011, 178 ff.; Priester, ZHR 168 (2004), 248 ff.; Wicke, NZG 2005, 409 ff. 5 Vgl. Kleindiek, in: FS Priester, S. 368 ff.; Karsten Schmidt, NJW 2004, 1345 ff.; Karsten Schmidt, ZIP 2010, 857 ff.; teilweise auch Priester, ZHR 168 (2004), 248 ff.; in gleicher Richtung jetzt Merkt, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 160 f. 6 Schultze-v. Lasaulx, in: FS Olivecrona, S. 605 ff.; Paul, NJW 1947/48, 417 ff.; Bayer, JZ 1952, 551 f.; Haberkorn, BB 1962, 1411; vgl. seither noch Beuthien, ZIP 1996, 307. 7 RGZ 58, 56; 82, 290; 105, 229; 151, 91; LAG Bremen, DB 1979, 407; Brodmann, Anm. 1a; Liebmann/Saenger, Anm. 1; Franz Scholz, JW 1938, 3149 m.w.N.

596

Karsten Schmidt

§ 11

Rechtszustand vor der Eintragung

die Eintragung voraussetzt1. Die Vorgesellschaft gilt als Rechtsform sui generis2. Der Bundesgerichtshof3 bezeichnet die Vorgesellschaft als „notwendige Vorstufe zur juristischen Person“ (dem wird hier zugestimmt) und als ein „Rechtsgebilde mit einer zeitlich und sachlich eng begrenzten Aufgabenstellung“ (dem wird hier widersprochen; vgl. zum Zweck der Vorgesellschaft Rdnr. 32 f.). Im Einzelnen ist die Rechtsstruktur der Vor-GmbH immer noch ohne letzte Klärung. Nach der wohl immer noch h.M. handelt es sich, da noch keine GmbH als juristische Person besteht, um eine Gesamthandsgesellschaft4. Die Eintragung einer GmbH, die nach Abs. 1 zuvor nicht „als solche“ bestand, hätte hiernach den Effekt eines Formwechsels von der Gesamthand in die Rechtsform der juristischen Person. Diese Deutung der Vorgesellschaft hat nicht nur bei der Anerkennung der Einpersonen-Vorgesellschaft unberechtigte Schwierigkeiten bereitet (Rdnr. 166 f.), sondern sie wirkt sich auch bei der rechtlichen Behandlung der Vor-GmbH insgesamt störend aus. Das Rechtsinstitut der Vorgesellschaft resultiert aus einer Auflehnung von Praxis und Lehre gegen den aus § 11 Abs. 1 sprechenden Willen des historischen Gesetzgebers (vgl. Rdnr. 4 f.). Diese Entwicklung gestattet es, dem Willen der Gründer, eine Körperschaft zu errichten, schon vor der Eintragung Rechnung zu tragen5. Die Vorgesellschaft als werdende juristische Person ist bereits eine Körperschaft6. Aus dem Gegensatz zwischen „juristischer Person“ und „Gesamthand“ dürfen keine generalisierenden Folgerungen abgeleitet werden7. 1 Vgl. mit Unterschieden im Einzelnen BGHZ 21, 242, 246 = NJW 1956, 1435; BGHZ 45, 338, 347 = NJW 1966, 1311, 1313; BGHZ 51, 30, 32 = NJW 1969, 509; BGHZ 72, 45, 48 f. = NJW 1978, 1978, 1979; BGHZ 80, 129, 132 = NJW 1981, 1373, 1374; BAG, NJW 1963, 680; BAG AP Nr. 2 zu § 11 GmbHG m. Anm. Rittner/Krell = NJW 1973, 1904; Schaffner, S. 157 ff. („Gesellschaft sui generis“); Gummert, in: MünchHdb. III, § 16 Rdnr. 6; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 5 ff. („Gesellschaft sui generis“); Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 6; Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 39 („Rechtsform eigener Art“); Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 13; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 10; Raiser/Veil, Kapitalgesellschaften, § 26 Rdnr. 98; Hueck, in: FS 100 Jahre GmbHG, S. 146; Karsten Schmidt, GmbHR 1973, 148 f.; Fleck, GmbHR 1983, 7. 2 BGHZ 21, 242, 246 = NJW 1956, 1435; BGHZ 51, 30, 32 = NJW 1969, 509 = GmbHR 1969, 80; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 5; Michalski/Funke, in: Michalski, Rdnr. 43. 3 BGHZ 117, 323, 326 = NJW 1992, 1824 = GmbHR 1992, 451; BGH, NJW 1983, 2822 = BB 1983, 1433 = GmbHR 1984, 42; Konzeptionslosigkeit wird der h.M. vorgeworfen bei John, Rechtsperson, S. 309 ff. 4 BGH, WM 1980, 955, 956; Kießling, S. 104 ff.; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 6 f. (Personenvereinigung eigener Art); Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 38; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 41, 59; s. auch Beuthien, ZIP 1996, 307 (nichtrechtsfähiger Wirtschaftsverein als Gesamthand); zum Streitstand Merkt, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 8 ff. 5 A.M. Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 12; zur Einpersonen-Vorgesellschaft ebd., Rdnr. 24; diese Auffassung setzt, ähnlich wie die Terminologie des 19. Jahrhunderts, die Begriffe „Körperschaftsbildung“ und Bildung einer „juristischen Person“ weitgehend gleich. 6 Vgl. Rittner, S. 142 ff., 331 ff.; Karsten Schmidt, GesR, § 11 IV 2, § 34 III 3; Karsten Schmidt, in: Großkomm. AktG, 4. Aufl. 2003, § 41 AktG Rdnr. 42; Karsten Schmidt, GmbHR 1987, 79; s. auch Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 61: „Sondervermögen eigener Art“; distanziert gegenüber dem hier vertretenen Standpunkt dann aber ebd. Rdnr. 74. 7 S. auch Theobald, S. 10; insoweit auch Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 61, 74.

Karsten Schmidt

597

§ 11

Rechtszustand vor der Eintragung

31

bb) Das Verhältnis zwischen Vorgesellschaft und eingetragener GmbH. Die Vorgesellschaft ist mit der später eingetragenen GmbH identisch (Rdnr. 152)1. Die Frage hatte in früheren Jahren erhebliche Bedeutung, weil über zweierlei gestritten wurde: darüber, ob die Gesellschaft schon vor der Eintragung als Rechtsträgerin anzuerkennen ist (dazu Rdnr. 34 ff.), und darüber, ob Rechte und Pflichten von der Vorgesellschaft automatisch auf die fertige GmbH „übergehen“ oder ob es hierfür eines Rechtsgeschäfts der GmbH bedarf (dazu Rdnr. 152 ff.). Die sog. Identitätstheorie2 suchte den automatischen Übergang apriorisch aus der Identität der Gesellschaften abzuleiten. Das war methodisch bedenklich3, aber nachdem der automatische „Übergang“ unter Berücksichtigung aller in Frage stehenden Interessen als geklärt gelten kann, darf man dieses Ergebnis mit der Formel der Identitätstheorie verallgemeinern4: Es besteht Identität im Sinne vollständiger Kontinuität der Rechtsverhältnisse (Rdnr. 46)5. Im Augenblick der Eintragung setzt sich die Gesellschaft unter Einschluss aller Mitgliedschaftsrechte und aller Aktiva und Passiva als GmbH fort (vgl. Rdnr. 151 ff.). Diese Identitätsformel vereinfacht eine ganze Reihe sonst unnötig komplizierter Fragen.

32

c) Der gemeinsame Zweck der Vorgesellschaft. aa) Meinungsstreit. Der Gesellschaftszweck ist nicht auf die Gründung beschränkt, sondern er ist bereits deckungsgleich mit dem Zweck der späteren GmbH6. Vgl. auch vice versa die Erl. zu § 69 für das Liquidationsstadium vertreten). Anders sah es die ältere, noch vom Vorbelastungsverbot beherrschte Rechtsprechung7. Diese Sichtweise ist bis 1 Vgl. BFHE 109, 190; BFH, BStBl. II 1993, 352 = NJW 1993, 1222; Karsten Schmidt, GesR, § 11 IV 2c; Raiser/Veil, Kapitalgesellschaften, § 26 Rdnr. 111; Gummert, in: MünchHdb. III, § 16 Rdnr. 13; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 5; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 15; a.M. Merkt, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 58 (relativierend Rdnr. 150); Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 12 (s. aber Rdnr. 90); Hueck, in: FS 100 Jahre GmbHG, S. 148 ff. 2 Feine, in: Ehrenbergs Hdb. III/3, 1929, S. 201 ff.; Dregger, S. 50 ff., 63 ff.; Dilcher, JuS 1966, 92 ff. 3 Vgl. Büttner, S. 128 ff.; Flume, in: FS Geßler, S. 25 f.; Rittner, S. 105; Karsten Schmidt, oHG, S. 261 ff.; Ulmer, in: FS Ballerstedt, S. 286; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/ Schmidt-Leithoff, Rdnr. 15. 4 Vgl. Karsten Schmidt, GesR, § 11 IV 2c, § 11 IV 4; zum Sieg der Identitätstheorie vgl. auch Karsten Schmidt, NJW 1981, 1346; Karsten Schmidt, GmbHR 1987, 78; Zuflucht zu den §§ 190 ff. UmwG sucht überflüssigerweise Kießling, S. 324 ff. 5 Der Sache nach ebenso auch Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 89 f. mit verbleibenden Konzessionen an die frühere h.M. („nicht voll identisch, aber durch … Kontinuität geprägt“) und mit Sonderbehandlung der Einpersonengründung (Rdnr. 95). 6 Vorsichtig in dieser Richtung schon Karsten Schmidt, oHG, S. 299; entschieden dann Karsten Schmidt, GesR, § 11 IV 2b, § 34 III 3a; Karsten Schmidt, GmbHR 1987, 79; Karsten Schmidt, in: Großkomm. AktG, 4. Aufl. 2003, § 41 AktG Rdnr. 51; zust. Gummert, in: MünchHdb. III, § 16 Rdnr. 11 f.; Michalski/Funke, in: Michalski, Rdnr. 45; Schroeter, in: Bork/Schäfer, Rdnr. 54; immer noch kritisch Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 12 (jedoch in Widerspruch zu Rdnr. 90); die dort kritisierte Vernachlässigung der Strukturunterschiede zwischen Gesamthand und juristischer Person ist aus der hier vertretenen Sicht kein schlagender Einwand; abgesehen von den Bedenken gegen die Gesamthandsnatur der Vorgesellschaft ist darauf hinzuweisen, dass sich dieser Einwand auch bei der Umwandlungsgesetzgebung als ein überwindbarer Hemmschuh erwiesen hat; Nachweise bei Karsten Schmidt, AcP 191 (1991), 506 ff. 7 RGZ 83, 370, 373; RGZ 105, 228, 229; RGZ 134, 121, 122; aus der Literatur besonders nachdrücklich Horn, NJW 1964, 88.

598

Karsten Schmidt

§ 11

Rechtszustand vor der Eintragung

heute nicht überwunden1. Immer noch herrscht die Auffassung vor, Hauptzweck oder „spezifischer“ Zweck der Vorgesellschaft sei die Vollendung des Gründungsvorgangs2. Nach dieser angeblichen „lex lata“3 können die Gründer durch den Gesellschaftsvertrag oder durch einen einstimmigen Beschluss den gemeinsamen Zweck der Vorgesellschaft erweitern, insbesondere die Geschäftsführer ermächtigen, bereits Vorbereitungsgeschäfte der werbenden GmbH zu tätigen4, auch bereits die werbende Tätigkeit der Vorgesellschaft selbst auf diese Weise zum gemeinsamen Zweck erheben5. Diese angebliche Zweckerweiterung kann nach BGHZ 80, 129 = NJW 1981, 1373 = GmbHR 1981, 114 formlos geschehen6. Aber diese h.M. ist immer noch zu eng. Sie verwechselt das absehbare Ziel der Gründung und den bis dahin schon zugelassenen Tätigkeitsrahmen mit dem Verbandszweck7 und mit dem Gegenstand des Unternehmens (dazu § 3 Abs. 1 Nr. 2 und Erl. zu § 3). Verbandszweck und Unternehmensgegenstand der GmbH sind bereits vorhanden8. Insbesondere die Zustimmung zur Aufnahme des Geschäftsbetriebs ist keine Veränderung des Verbandszwecks, sondern nur eine Erweiterung der Geschäftsführerbefugnisse (vgl. unten Rdnr. 58 f.)9. Auch Bareinlagen muss die Gesellschaft nicht treuhänderisch für die spätere GmbH verwalten, sondern sie kann diese bereits im Rahmen ihres eigenen Zwecks für den Erwerb von Gütern oder für sonstige Geschäfte verwenden10. bb) Bedeutung. Im Wesentlichen spielt die angebliche Zweckbegrenzung der 33 Vorgesellschaft unter drei Gesichtspunkten eine Rolle und hat hier eine scheinbare Berechtigung: bei der Verpflichtung der Gründer, das für die Eintragung Erforderliche zu tun (Rdnr. 52), bei der Verpflichtung der Geschäftsführer, nicht ohne Zustimmung der Gesellschafter mit der werbenden Tätigkeit zu beginnen (Rdnr. 58 f.), und bei der Auflösung der Gesellschaft, wenn die Eintragung scheitert (Rdnr. 159). Keine dieser Rechtsfolgen braucht aber damit erklärt zu werden, dass nur die Herbeiführung der Eintragung als GmbH gemeinsamer Zweck der Vorgesellschaft ist (ausführlich noch in der 10. Aufl.).

1 Charakteristisch Merkt, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 15. 2 BGHZ 80, 129, 139 = NJW 1981, 1373, 1375 = GmbHR 1981, 114, 116; BayObLG, NJW 1965, 2254, 2256; OLG Hamm, NZG 2006, 754 = ZIP 2006, 2031. Kießling, S. 75 ff.; Schumann, S. 114 ff.; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 36; Merkt, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 15; Schroeter, in: Bork/Schäfer, Rdnr. 11 i.V.m. Rdnr. 19; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 34. 3 Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 85 a.E. 4 RGZ 58, 55, 56; RGZ 83, 370, 373; Flume, Juristische Person, § 5 III 2; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 37. 5 Theobald, S. 20. 6 Zust. Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 14; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 20; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 37; Karsten Schmidt, NJW 1984, 1345; Fleck, GmbHR 1983, 9; Bedenken noch bei John, BB 1982, 512; Ulmer, in: FS Ballerstedt, S. 291; Ulmer, ZGR 1981, 599 ff. 7 Vgl. Karsten Schmidt, GmbHR 1979, 79; zum Verbandszweck vgl. Karsten Schmidt, GesR, § 4 II. 8 Hiergegen Merkt, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 24: „abzulehnende Gegenansicht“. 9 Wie hier Gummert, in: MünchHdb. III, § 16 Rdnr. 12. 10 Vgl. Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 5; Lutter, NJW 1989, 2649.

Karsten Schmidt

599

§ 11

Rechtszustand vor der Eintragung

2. Die Vorgesellschaft als Rechtsträgerin 34

a) Rechtsfähigkeit. Entgegen überkommener, jedoch überholter Auffassung (vgl. auch Rdnr. 5) wird die Vorgesellschaft heute als Trägerin von Rechten und Pflichten anerkannt1. Ihre Qualifikation als „teilrechtsfähig“2 ist eine ängstliche Verdeckung der zwischen § 11 Abs. 1 und dem praktizierten Recht bestehenden Kluft3. Den entscheidenden Schritt hat nach jahrzehntelangen Vorarbeiten der Bundesgerichtshof durch sein Urteil vom 9.3.1981 getan4. Heute kann aber die Vorgesellschaft ohne weiteres als Rechtsträgerin bezeichnet werden.

35

Die Vorgesellschaft ist damit vollwertige Rechtsträgerin. Sie hat sogleich ein Gesellschaftsvermögen, bestehend aus den Ansprüchen auf Leistung der gezeichneten Stammeinlagen. Diese müssen nach § 7 jedenfalls teilweise schon an die Vorgesellschaft geleistet werden. Über die dogmatische Einordnung besteht aufgrund der unklaren Rechtsnatur der Vorgesellschaft (Rdnr. 30) ein sich aus heutiger Sicht akademisch ausnehmender Streit. Die traditionelle Sicht spricht teils von einem Gesamthandsvermögen5, teils von einem Sondervermögen6, teils orientiert sie sich an der Rechtsfigur der Teilrechtsfähigkeit (vgl. soeben Rdnr. 34). Hier genügt die Feststellung, dass eines entscheidend ist: Man muss Ernst machen mit der Vorstellung, dass bereits ein echtes Gesellschaftsvermögen vorliegt, weil die Vor-GmbH, obwohl noch nicht fertige juristische Person, bereits mit der einzutragenden GmbH zweckidentisch (Rdnr. 31 f.) und bereits Rechtsträgerin ist (Rdnr. 34).

36

b) Die Vor-GmbH kann als Trägerin eines Unternehmens fungieren und Kaufmann sein7. Das war bereits früh anerkannt für den Fall, dass im Wege der Sachgründung ein Unternehmen in die Gesellschaft eingebracht wird, das naturgemäß nicht bis zur Eintragung stillgelegt werden kann8. Heute ist die Fähigkeit 1 BGHZ 80, 129, 132 = NJW 1981, 1373, 1374 = GmbHR 1981, 114, 115; BGHZ 117, 323, 326 = NJW 1992, 1824; BGH, LM Nr. 49 zu § 50 ZPO = NJW 1998, 1079, 1080; BayObLG, DB 1986, 106; Gummert, in: MünchHdb. III, § 16 Rdnr. 45; John, Rechtsperson, S. 311 ff.; Raiser/Veil, Kapitalgesellschaften, § 26 Rdnr. 105; Wicke, Rdnr. 3; Karsten Schmidt, GesR, § 11 IV 2b, § 34 III 3a; Karsten Schmidt, GmbHR 1987, 80 f.; Hueck, in: FS 100 Jahre GmbHG, S. 157; zusammenfassend Merkt, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 47; Schroeter, in: Bork/Schäfer, Rdnr. 24. 2 Vgl. Büttner, S. 109 ff.; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 45; s. auch Rittner, S. 321 ff.; SchmidtLeithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 74 („beschränkte Rechtsfähigkeit“); Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 59 mit Fn. 111 (nicht „vollwertige Trägerin von Rechten und Pflichten“); zum zweifelhaften Aussagewert der Rechtsfigur der Teilrechtsfähigkeit vgl. Karsten Schmidt, GesR, § 8 V 1. 3 Vgl. zur Entwicklung Rittner, S. 130 ff.; Karsten Schmidt, oHG, S. 302 ff.; krit. vor allem Schultze-v. Lasaulx, in: FS Olivecrona, S. 591 ff.; Fabricius, in: FS Kastner, S. 96. 4 BGHZ 80, 129 = NJW 1981, 1373 = GmbHR 1981, 114. 5 BGHZ 80, 129, 135 = NJW 1981, 1373, 1374 = GmbHR 1981, 114, 115; Kießling, S. 104 ff.; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 41, 59. 6 Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 61. 7 Karsten Schmidt, HandelsR, § 5 I 3a; Karsten Schmidt, in: MünchKomm. HGB, 3. Aufl. 2010, § 1 HGB Rdnr. 40; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 13; Merkt, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 51; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 75 f.; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 61; ausführlich M. Scholz, S. 9 f.; Merkt, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 50; unrichtig OLG Düsseldorf, NJW-RR 1999, 615, 616. 8 Vgl. BGHZ 45, 338, 349 f. = NJW 1966, 1311, 1314; BGHZ 51, 30, 32 = NJW 1969, 509.

600

Karsten Schmidt

§ 11

Rechtszustand vor der Eintragung

der Vorgesellschaft, Trägerin eines Unternehmens zu sein, auch für den Fall der Bargründung anerkannt1. Der Verbandszweck der Vorgesellschaft deckt nicht nur den Gründungsvorgang, sondern auch den Geschäftsbetrieb der künftigen GmbH (vgl. Rdnr. 32 f.). Damit ist vor allem die ältere Lehre von der „unechten Vorgesellschaft“2 abgelehnt, soweit sie besagt, dass sich die Vorgesellschaft, weil der Unternehmensträgerschaft unfähig, je nach Art des Unternehmens automatisch in eine oHG oder in eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts verwandelt, wenn die GmbH bereits im Gründungsstadium mit dem Betrieb eines Gesellschaftsunternehmens beginnt3. Eine solche automatische Umwandlung kommt erst in Betracht, wenn die Eintragung gescheitert ist oder nicht mehr betrieben wird (Rdnr. 162). Als Trägerin eines Unternehmens kann die Vorgesellschaft auch bereits Arbeitgeberin sein4. Ob die Vor-GmbH Handelsgesellschaft (§ 6 HGB) und damit Kaufmann ist, rich- 37 tet sich nach §§ 1 ff. HGB, so dass eine Kaufmannseigenschaft nur unter der Voraussetzung des § 1 Abs. 2 HGB in Betracht kommt; Formkaufmann nach § 13 Abs. 3 ist die Vorgesellschaft nicht5. Als solche – d.h. als Vorgesellschaft – wird die noch in Gründung befindliche GmbH auch nicht in das Handelsregister eingetragen (zur Eintragung als Gesellschafterin vgl. Rdnr. 40)6. Sie unterliegt aber bereits der kaufmännischen Buchführungspflicht nach §§ 238 ff. HGB, wenn sie ein Handelsgewerbe nach § 1 Abs. 2 HGB betreibt, das nach Art und Umfang einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb erfordert. Im Hinblick auf die Bilanzkontinuität zwischen Vorgesellschaft und GmbH wird man jedoch auch in anderen Fällen die Geschäftsführer den kapitalgesellschaftsrechtlichen Rechnungslegungspflichten unterwerfen müssen7. Ist die Vorgesellschaft bereits Kaufmann, so unterliegen ihre Geschäfte auch den §§ 343 ff. HGB. Betreibt sie kein unter § 1 Abs. 2 HGB fallendes oder ein sonstiges nicht unter § 1 HGB fallendes Unternehmen, so kann sich die im Handelsrecht umstrittene Frage stellen, inwieweit die §§ 343 ff. HGB trotz (noch) fehlender Kaufmannseigenschaft Anwendung finden8.

1 Vgl. Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 61; grundlegend John, Rechtsperson, S. 338. 2 Vertreten vor allem von Schultze-v. Lasaulx, JZ 1952, 390 ff.; vgl. auch OLG Frankfurt, NJW 1947/48, 429; OLG Celle, NJW 1951, 36; OLG Hamburg, GmbHR 1952, 138; OLG Oldenburg, BB 1955, 713 = JR 1956, 104; BayObLG, GmbHR 1979, 14, 15; BayObLG, DB 1986, 106, 107. 3 Vgl. gegen diese herkömmliche Lehre von der unechten Vorgesellschaft BGHZ 51, 30, 32 = NJW 1969, 509; Karsten Schmidt, oHG, S. 285 ff.; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/ Schmidt-Leithoff, Rdnr. 25; Kuhn, WM-Beilage 5/1956, S. 15 f. m.w.N. 4 Vgl. BAG, NJW 1996, 2678 (allerdings zu § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG); unrichtig OLG Frankfurt, GmbHR 1994, 708. 5 Karsten Schmidt, HandelsR, § 10 II 2b; Karsten Schmidt, in: MünchKomm. HGB, 3. Aufl. 2010, § 6 HGB Rdnr. 12; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 8; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 76; a.M. Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 44. 6 BayObLG, NJW 1965, 2254, 2257; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 8; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 61; Karsten Schmidt, JZ 1973, 303. 7 Vgl. nur Heuser, in: GmbH-Hdb., Rdnr. II 6. 8 Bejahend Heymann/Jung, 2. Aufl. 1999, § 238 HGB Rdnr. 18; vgl. auch Karsten Schmidt, in: MünchKomm. HGB, 3. Aufl. 2012, § 343 HGB Rdnr. 12.

Karsten Schmidt

601

§ 11

Rechtszustand vor der Eintragung

38

c) Die Vorgesellschaft hat bereits eine Firma bzw., wenn sie kein kaufmännisches Unternehmen betreibt, einen Namen1. Ihre Firma bzw. der Name ist identisch mit der gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 1 im Gesellschaftsvertrag enthaltenen, zum Handelsregister anzumeldenden und dem § 4 entsprechenden Firma2. Üblicherweise und korrekterweise wird sie bis zur Eintragung mit dem Zusatz „in Gründung“ (auch abgekürzt „i.G.“) verwendet (§ 4 Rdnr. 62)3. Aus dem zu eng formulierten Katalog des § 19 HGB ist zu folgern, dass jeder kaufmännisch tätige Rechtsträger einen Rechtsformzusatz in der Firma bzw. als Firmenanhang führen muss. Geschieht dies nicht, so käme eine Vertrauenshaftung wegen irreführenden Firmengebrauchs in Betracht (Vortäuschung einer GmbH, die bereits eingetragen ist). In der Regel wird jedoch das Weglassen des Zusatzes „in Gründung“ i.d.R. kein besonderes Haftungsvertrauen begründen. Ohne Rücksicht auf Kausalität und Verschulden haftet allerdings der für die Vor-GmbH Handelnde nach den bei § 4 Rdnr. 53 ff. geschilderten Grundsätzen, wenn er auch den warnenden Firmenzusatz „GmbH“ weglässt und z.B. nur für die von der Vor-GmbH betriebene „Firma X“ auftritt4. Diese Haftung tritt neben die der Gesellschaft und erlischt auch nicht mit deren Eintragung (Rdnr. 158). Firma und Name sind nach § 37 HGB, § 12 BGB geschützt. Die Gegenansicht, wonach sich ein durch Verkehrsgeltung und Prioritätsschutz gerechtfertigter Firmenschutz nicht mit der fehlenden Eintragung verträgt5, beruht auf Vorstellungen, die nach Rdnr. 5, 27 ff. der Vergangenheit angehören sollten. Man wird einen Firmenschutz gemäß § 37 HGB sogar zu Gunsten solcher Vorgesellschaften bejahen können, die noch nicht kaufmännisch tätig sind6. Denn auch eine solche Gesellschaft kann schon durch unerlaubte Firmenführung in ihren Rechten verletzt sein. Mehr setzt § 37 Abs. 2 HGB nicht voraus.

39

d) Materielles Recht. Die Rechtsfähigkeit der Vor-GmbH (Rdnr. 34 f.) erstreckt sich zunächst auf das ganze materielle Recht7. Die Vorgesellschaft kann Eigentümerin, Gläubigerin und Schuldnerin sein (auch aus übernommenen Altverbindlichkeiten; vgl. Rdnr. 81). Die Vor-GmbH kann Gesellschafterin einer anderen Gesellschaft sein (wichtig für die Einbringung von Anteilen)8. Auch ihre

1 BGHZ 120, 103, 106 = NJW 1993, 459, 460 = GmbHR 1993, 103, 104; BGH, LM Nr. 49 zu § 50 ZPO = NJW 1998, 1079, 1080; Rittner, S. 352 f.; Merkt, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 48; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 75 ff.; Schroeter, in: Bork/Schäfer, Rdnr. 13; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 61; Karsten Schmidt, GmbHR 1987, 80 f.; a.M. OLG München, GmbHR 1991, 63; für Anerkennung als Firma auch ohne kaufmännische Tätigkeit Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 41. 2 Ziemlich theoretisch ist deshalb die Kontroverse, ob der Name der Vor-GmbH auch ohne kaufmännische Tätigkeit bereits Firma im Rechtssinne der §§ 17 ff. HGB ist; dafür Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 42. 3 OLG Celle, NJW 1990, 398, 399; Binz, S. 178 f.; Büttner, S. 79; Rittner, S. 352 f.; Heinrichs, in: Ulmer, § 4 Rdnr. 85. 4 OLG Celle, GmbHR 1990, 398. 5 OLG München, BB 1990, 1153 = GRUR 1990, 697 = WM 1990, 1965 = GmbHR 1991, 63; vorsichtig zweifelnd LG Düsseldorf, NJW-RR 1987, 874. 6 Karsten Schmidt, GmbHR 1987, 81; so im Ergebnis schon Winter in der 6. Aufl. (Rdnr. 4) im Anschluss an Flume, in: FS Geßler, S. 37. 7 Wie hier jetzt Merkt, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 49. 8 BGHZ 80, 129 = NJW 1981, 1373 = GmbHR 1981, 114.

602

Karsten Schmidt

§ 11

Rechtszustand vor der Eintragung

Fähigkeit, bereits an einer Gesellschaftsgründung – insbesondere einer (GmbH & Co.) KG – beteiligt zu sein, wird seit dem Grundlagenurteil BGHZ 80, 129 = NJW 1981, 1373 = GmbHR 1981, 114 wohl allgemein bejaht. Die Vor-GmbH ist schon patent- und markenrechtsfähig (§ 7 MarkenG)1. Ihre Kontofähigkeit2 bedeutet, dass ein bereits eingerichtetes Konto im Rechtssinne ein eigenes Konto der Gesellschaft (und nicht der Gesellschafter) ist. Die Vorgesellschaft ist auch aktiv und passiv wechselrechtsfähig und scheckrechtsfähig3. e) Formelles Recht. aa) Die Vor-GmbH ist beteiligungsfähig im Verfahren der 40 freiwilligen Gerichtsbarkeit4. Die Anmeldung der Gesellschaft zu ihrer ersten Eintragung im Handelsregister erfolgt durch die Vertretungsorgane in ihrem Namen5. Auch andere Registeranmeldungen, z.B. die Eintragung eines Unternehmensvertrags, können bereits im Namen der Gesellschaft erfolgen6. Die VorGmbH ist hier überall Verfahrensbeteiligte. Sie kann ggf. auch Rechtsmittel einlegen. Gleiches gilt für die Eintragung von Grundstücksrechten der VorGmbH im Grundbuch (Rdnr. 41) und für die Eintragung als Gesellschafterin einer Handelsgesellschaft im Handelsregister (§§ 106, 162 HGB), z.B. wenn Kommanditanteile in die Vor-GmbH eingebracht sind. bb) Die Vor-GmbH ist bereits grundbuchfähig7, und zwar nicht nur für grün- 41 dungsnotwendige Sacheinlagen, sondern auch für sonstigen Erwerb von Grundstücksrechten8. Insbesondere kann schon eine Auflassungsvormerkung für die Vor-GmbH eingetragen werden9. Das ist praktisch von großer Bedeutung (nach Eintragung der Vor-GmbH im Handelsregister wird nur der Gründungszusatz im Grundbuch beseitigt!).

1 Vgl. Ingerl/Rohnke, 3. Aufl. 2010, § 7 MarkenG Rdnr. 9. 2 BGHZ 45, 338, 347 = NJW 1966, 1311, 1313 = GmbHR 1966, 139, 140; OLG Naumburg, NJW-RR 1998, 1648; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 62. 3 BGHZ 117, 323, 326 = NJW 1992, 1824; Baumbach/Hefermehl/Casper, WG und SchG, 23. Aufl. 2008, Einl. WG Rdnr. 21; Binz, S. 198; Büttner, S. 120; Karsten Schmidt, oHG, S. 304; M. Scholz, S. 62 f.; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 9; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 15; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 62; a.M. noch BGH, NJW 1962, 1008; Ulmer, in: Hachenburg, 7. Aufl., Rdnr. 51. 4 BGHZ 117, 323 = GmbHR 1992, 451 = NJW 1992, 1824 = ZIP 1992, 689 (betr. Vor-AG); Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 9. 5 BGHZ 117, 323 = GmbHR 1992, 451 = NJW 1992, 1824 = ZIP 1992, 689; so auch der Vorlagebeschluss OLG Stuttgart, ZIP 1992, 250; für die GmbH OLG Hamm, DB 1992, 264. 6 BGHZ 105, 324, 328 = GmbHR 1989, 25 = NJW 1989, 295, 296. 7 BGHZ 45, 338, 348 = NJW 1966, 1311, 1313; BayObLGZ 1979, 172 = DB 1979, 1500 = DNotZ 1979, 502; BayObLG, DB 1986, 106; OLG Hamm, OLGZ 1981, 410 = DB 1981, 1973 = DNotZ 1981, 582; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 14; Michalski/ Funke, in: Michalski, Rdnr. 59; Merkt, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 53; SchmidtLeithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 80; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 62; M. Scholz, S. 63; eingehend Böhringer, Rpfleger 1988, 446 ff.; s. auch Schmitz, JuS 1995, 334. 8 Vgl. BayObLGZ 1979, 172 = DB 1979, 1500 = DNotZ 1979, 502; OLG Hamm, OLGZ 1981, 410 = DB 1981, 1973 = DNotZ 1981, 582. 9 BayObLG, DB 1986, 106; OLG Hamm, OLGZ 1981, 410 = DB 1981, 1973 = DNotZ 1981, 582; LG Nürnberg-Fürth, GmbHR 1986, 48 = DNotZ 1986, 377.

Karsten Schmidt

603

§ 11

Rechtszustand vor der Eintragung

42

cc) Die Vorgesellschaft ist im Zivilprozess parteifähig1, und zwar nicht nur passiv2, sondern auch aktiv parteifähig3. Sie kann also, vertreten durch ihre Geschäftsführer, als Klägerin oder Beklagte an Zivilprozessen teilnehmen. Allgemeiner Gerichtsstand ist nach § 17 ZPO ihr Satzungssitz4. Zur Zwangsvollstreckung in das Gesellschaftsvermögen ist ein gegen die Vor-GmbH gerichteter Titel ausreichend5, aber auch erforderlich. Auch Beteiligte an einem Verwaltungsverfahren (§§ 11, 13 VwVfG) oder an einem Verwaltungsprozess (§§ 61, 63 VwGO) kann die Vorgesellschaft sein. Dasselbe gilt im finanzbehördlichen (§ 79 AO) bzw. finanzgerichtlichen (§§ 57 f. FGO) Verfahren.

43

dd) Die Vorgesellschaft ist insolvenzrechtsfähig6 bzw. für die bis 1998 eröffneten Verfahren konkursfähig7. Es ist für die Praxis ohne Belang, ob man die VorGmbH bereits als insolvenzrechtliche (werdende) juristische Person i.S. von § 11 Abs. 1 InsO ansieht8 oder als Gesellschaft ohne Rechtspersönlichkeit i.S. von § 11 Abs. 2 Nr. 1 InsO9. Soweit die Gesellschafter der Vorgesellschaft persönlich für deren Verbindlichkeiten haften (Rdnr. 91 ff.), kann der Verwalter diese Haftung geltend machen (§ 93 InsO; dazu auch Rdnr. 92). Insolvenzgrund ist die Zahlungsunfähigkeit (§ 17 InsO) bzw. die bevorstehende Zahlungsunfähigkeit (§ 18 InsO). Überschuldung scheidet als Insolvenzgrund nach h.M. aus, ebenso die Insolvenzantragspflicht nach § 15a InsO (näher im Anh. nach § 64, str.)10. Das ist bedenklich11 und beruht auf der (nicht unproblematischen!) Beschränkung des Überschuldungstatbestands und der Insolvenzantragspflichten auf Gesellschaften ohne unbeschränkte Gesellschafterhaftung. Ein über das Vermögen ei1 BGH, LM Nr. 49 zu § 50 ZPO m. Anm. Langenfeld = NJW 1998, 1079; BGH, BB 2008, 1249 m. Anm. Weiß = GmbHR 2008, 654 = NJW 2008, 2441 = WuB II C § 11 GmbHG 1.08 m. Anm. Lange/Widmann; Demuth, BB 1998, 966; M. Scholz, S. 65 f.; Karsten Schmidt, GesR, § 34 III 3a; Merkt, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 53; Michalski/ Funke, in: Michalski, Rdnr. 60. 2 Dazu BGHZ 79, 239, 241 = NJW 1981, 873; BAG, NJW 1963, 680; OLG Hamburg, BB 1973, 1505. 3 BGH, LM Nr. 49 zu § 50 ZPO m. Anm. Langenfeld = NJW 1998, 1079; BGH, BB 2008, 1249 m. Anm. Weiß = GmbHR 2008, 654 = NJW 2008, 2441 = WuB II C § 11 GmbHG 1.08 m. Anm. Lange/Widmann; OLG Köln, GmbHR 1997, 601; OLG Brandenburg, NZG 2004, 100 = GmbHR 2003, 1488; LG Köln, NJW-RR 1993, 1385; Bayer, in: Lutter/ Hommelhoff, Rdnr. 5; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 17; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 81; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 64. 4 OLG Brandenburg, NZG 2004, 100 = GmbHR 2003, 1488. 5 Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 17; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 64 (mit unrichtigem Hinweis auf § 735 ZPO). 6 BGH, NJW-RR 2004, 258 = GmbHR 2003, 1488; Merkt, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 54; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 64. 7 BayObLG, NJW 1965, 2254, 2257 (für AG); OLG Nürnberg, AG 1967, 362, 363 (für AG); Ulmer, in: Hachenburg, Rdnr. 50; Baumbach/Hueck, 16. Aufl., Rdnr. 16; Kilger/Karsten Schmidt, Insolvenzgesetze, KO/VglO/GesO, 17. Aufl. 1997, § 207 KO Anm. 2; Skrotzki, KTS 1962, 139. 8 So offenbar Haas, DStR 1999, 985 ff. 9 Wie hier Michalski/Funke, in: Michalski, Rdnr. 61; für Einordnung als Gesellschaft ohne Rechtspersönlichkeit Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 64. 10 Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Vorb. § 64 Rdnr. 10; Merkt, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 54; Altmeppen, ZIP 1997, 273 ff.; ebenso mit unhaltbarer Begründung Bittmann/Pikarski, wistra 1995, 92; a.M. Haas, DStR 1999, 985 ff. 11 Für Anwendung des § 15a InsO vgl. auch 10. Aufl., Anh. § 64 Rdnr. 17.

604

Karsten Schmidt

§ 11

Rechtszustand vor der Eintragung

ner Vor-GmbH eröffnetes Insolvenzverfahren kann im (unwahrscheinlichen) Fall ihrer Eintragung gegenüber der eingetragenen GmbH fortgesetzt werden.

3. Die Kontinuität zwischen Vorgesellschaft und GmbH und die Überwindung des Vorbelastungsverbots a) Die Überwindung des sog. Vorbelastungsverbots erlaubt es, die Vorgesell- 44 schaft als identisch und zweckidentisch mit der später eingetragenen GmbH anzusehen (Rdnr. 31 ff.). Das Vorbelastungsverbot besagte, dass nur Verbindlichkeiten, die ihre Grundlage im Gesetz oder in der Satzung haben oder sonst gründungsnotwendig sind, das Vermögen der Vorgesellschaft belasten und automatisch auf die spätere GmbH „übergehen“ können1. Das Vorbelastungsverbot hatte eine doppelte Grundlage: Aus der Sicht der fertigen GmbH basierte es auf dem Unversehrtheitsgrundsatz, nach dem das Vermögen der GmbH im Zeitpunkt ihrer Eintragung unversehrt zu sein hat2. Aus der Sicht der Vorgesellschaft basierte es auf dem angeblich beschränkten Zweck dieser Gesellschaft3. Ob es auf dem unter dem ADHGB von 1861 zunächst noch geltenden, heute überholten, Konzessionssystem beruhte4 oder auf einer gleichfalls überholten Theorie der juristischen Person5, ist für die vorliegende Kommentierung irrelevant. Für die Würdigung von Nachwirkungen relevant sind aber die rechtstechnischen Folgerungen: Der Gesellschaftszweck ist bis zur Eintragung beschränkt (dazu Rdnr. 32). Es gibt auch noch keine unbeschränkte Organvertretungsmacht der Geschäftsführer (dazu Rdnr. 72 f.). Es gibt ferner keine gesetzliche Haftungszurechnung nach § 31 BGB (dazu Rdnr. 77). Verbindlichkeiten aus dem Gründungsstadium können die später eingetragene GmbH nicht automatisch belasten. b) Dieses Vorbelastungsverbot ist überholt. Seit dem Urteil BGHZ 80, 129 = 45 NJW 1981, 1373 = GmbHR 1981, 114 ist es im Grundsatz aufgegeben. Die ersten Leitsätze des Urteils lauten: „Eine Vorgesellschaft wird durch Geschäfte, die ihr Geschäftsführer mit Ermächtigung aller Gesellschafter im Namen der Gesellschaft abschließt, auch dann verpflichtet, wenn nach der Satzung nur Bareinlagen vereinbart sind. Die Rechte und Pflichten aus solchen Geschäften gehen mit der Eintragung der GmbH voll auf diese über (kein sog. Vorbelastungsverbot).“ Das entspricht nunmehr einer gefestigten Rechtsprechung6 und der h.M. in der Literatur7. Der Erklärung bedarf nach diesem Umschwung der Rechtspre1 Vgl. nur RGZ 58, 55, 56; RGZ 83, 370, 373; RGZ 105, 228, 229; RGZ 134, 121, 122; RGZ 141, 204, 209; RGZ 143, 368, 372; RGZ 149, 293, 303; RGZ 151, 89, 91; BGHZ 17, 385, 391; BGHZ 53, 210, 212; BGH, LM Nr. 6 zu § 11 GmbHG = NJW 1955, 1228; BGH, NJW 1973, 798; umfassende Literaturnachweise noch bei Winter in der 6. Aufl., Rdnr. 7. 2 Charakteristisch RGZ 149, 293, 303; BGHZ 53, 210, 212. 3 Charakteristisch RGZ 105, 228, 230; RGZ 134, 121, 122. 4 Vgl. Ulmer, in: FS Ballerstedt, S. 282; s. auch Karsten Schmidt, oHG, S. 276. 5 Vgl. Schäfer-Gölz, S. 31 ff. 6 Bestätigend BGHZ 91, 148, 151; BGHZ 134, 333, 338 f. = LM Nr. 38 zu § 11 m. Anm. Noack = DStR 1997, 625, 627 m. Anm. Goette = GmbHR 1997, 405, 408 = NJW 1997, 1507, 1508. 7 Zur heute h.M. vgl. statt vieler Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 66, 99 ff. m.w.N.; zu dem Ausgangsurteil vgl. die Stellungnahmen von Flume, NJW 1981, 1753 ff.; Meister, in: FS Wer-

Karsten Schmidt

605

§ 11

Rechtszustand vor der Eintragung

chung die Verbindung des Vorbelastungsverbots mit dem Unversehrtheitsgrundsatz (vgl. zu diesem Rdnr. 44, 134 f.). Dieser gehört nach wie vor zu den Grundlagen des Gründungsrechts. Aber er ist nicht mehr durch ein Vorbelastungsverbot sanktioniert, sondern durch ein Eintragungsverbot (Rdnr. 138) und durch die Vorbelastungshaftung (Rdnr. 139 ff.). An die Stelle des Vorbelastungsverbots ist ein Vorbelastungsrisiko getreten1. 46

c) Der Fortfall des Vorbelastungsverbots erlaubt eine vollständige Kontinuität der Rechtsverhältnisse zwischen Vorgesellschaft und GmbH (vgl. zu den diesbezüglichen Folgen der Eintragung Rdnr. 151 ff.). Es ist aus diesem Grunde erlaubt, von einem Verhältnis der Identität zwischen Vorgesellschaft und GmbH zu sprechen (Rdnr. 31).

IV. Das Innenrecht der Vorgesellschaft Schrifttum: Rdnr. 1.

1. Grundsatz 47

Grundsätzlich unterliegt die Vorgesellschaft hinsichtlich der unter den Gesellschaftern und zwischen ihnen und der Gesellschaft bestehenden Verhältnisse schon denjenigen Rechtsregeln, die für die fertige GmbH gelten. Ausgenommen sind diejenigen Bestimmungen, die eine Eintragung voraussetzen2. Das gilt auch für die Bestimmungen des Gesellschaftsvertrags (der Satzung)3. Die Satzung gibt der Vorgesellschaft bereits eine körperschaftliche Verfassung (Rdnr. 30; str.). Auch die Auslegung des Gesellschaftsvertrages bestimmt sich schon nach den für die fertige GmbH geltenden Grundsätzen4. Soweit dem entgegengehalten wird, dass sich die Gesellschaft vor der Eintragung noch nicht vom persönlichen Zusammenschluss der Gründer zur Kapitalgesellschaft entwickelt hat5, ist dem nach Rdnr. 30 ff. nicht zu folgen. Es kann zwar ein Bedürfnis danach bestehen, bei einer noch unverändert aus den Gründern zusammengesetzten jungen GmbH in verstärktem Maße subjektive Momente in die Bestimmung von Rechten und Pflichten der Gesellschafter einzubeziehen, aber dies hängt nicht von der Nichteintragung der Gesellschaft im Handelsregister ab. Es handelt sich vielmehr um einen Gesichtspunkt, dem auch noch nach der Eintragung Rechnung zu tragen ist.

1 2 3 4

5

ner, S. 521 ff.; Priester, ZIP 1982, 1141 ff.; Karsten Schmidt, NJW 1981, 1345 ff.; Ulmer, ZGR 1981, 593 ff.; Hueck, in: FS 100 Jahre GmbHG, S. 155; krit. noch Priester, ZIP 1982, 1145. Karsten Schmidt, GesR, § 34 III 4c. BGHZ 21, 242, 246 = NJW 1956, 1435; BGHZ 51, 30, 32 = NJW 1969, 509; BGHZ 80, 212, 214 = NJW 1981, 2125, 2126 = GmbHR 1982, 67. Vgl. statt vieler Merkt, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 13; Stoppel, WM 2008, 147, 148. Ostheim, JurBl. 1978, 350; zust. auch Gummert, in: MünchHdb. III, § 16 Rdnr. 22; a.M. Kießling, S. 272; Merkt, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 14; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 32. Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 32.

606

Karsten Schmidt

§ 11

Rechtszustand vor der Eintragung

2. Die Mitgliedschaft a) Die Mitgliedschaft in der Vorgesellschaft wird originär erworben durch Teil- 48 nahme am Gründungsgeschäft. Sie setzt sich automatisch als Mitgliedschaft in der GmbH fort, wenn diese eingetragen wird. Soll ein Gesellschafter ersatzlos ausscheiden oder soll ein Gesellschafter mit einem neuen Geschäftsanteil hinzutreten, so bedarf es – im Gegensatz zur Anteilsübertragung nach Rdnr. 49 – einer Neufassung der Satzung und einer Änderung der Registeranmeldung1. Ein Austritt aus wichtigem Grund bzw. eine Ausschließung aus wichtigem Grund ist in Anlehnung an die im Anhang § 34 dargestellten Grundsätze möglich2. Der wichtige Grund setzt voraus, dass eine Fortsetzung des Gesellschaftsverhältnisses für den betreffenden Gesellschafter bzw. mit dem betreffenden Gesellschafter im Gründungsstadium definitiv unzumutbar ist. Eine Ausschließung durch bloße Hinauskündigung (vgl. § 737 BGB) ist ohne Satzungsgrundlage nicht möglich3. b) Übertragbarkeit. Nach der noch h.M. gibt es vor der Eintragung noch keine 49 übertragbaren Geschäftsanteile4. Es kann durch satzungsändernden Vertrag aller Gründer ein zusätzlicher Gesellschafter beitreten5 oder ein Gründer ausscheiden6. Aber auch die Anteilsübertragung – ein vom Aus- und Eintritt zu unterscheidender Vorgang – erfordert nach h.M. einen satzungsändernden Vertrag aller Gründer7. Die Gestaltungspraxis muss sich auf diese h.M. einrichten. Allerdings versucht die Gerichtspraxis, notariell beurkundete Anteilsübertragungen bei Vorgesellschaften in Satzungsänderungen umzudeuten, sofern die Gegebenheiten des Falls dies zulassen8. Daneben lässt die h.M. die vorweggenommene Abtretung des Anteils in der Form des § 15 zu, sieht dies aber nur als Übertragung eines zukünftigen Geschäftsanteils an, der erst mit der Eintra-

1 Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 63 f. 2 OLG Dresden, GmbHR 1997, 746; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 63; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 50. 3 OLG Hamm, GmbHR 1994, 706, 707 (aber auch S. 708). 4 BGH, GmbHR 1997, 405 = NJW 1997, 1507 = ZIP 1997, 67 = GmbHR 2005, 354 = NJWRR 2005, 469; OLG Dresden, GmbHR 1997, 186, 189; OLG Frankfurt a.M., GmbHR 1997, 896 = NJW-RR 1997, 1062; LG Dresden, GmbHR 1993, 590; Bayer, in: Lutter/ Hommelhoff, Rdnr. 11; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, § 15 Rdnr. 2; Michalski/ Funke, in: Michalski, Rdnr. 51; Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 63; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 48; M. Scholz, S. 52; Wiedemann, Übertragung und Vererbung von Mitgliedschaftsrechten …, 1965, S. 56; zur überholten Prämisse des Gesetzes vgl. aber auch Raiser, in: Ulmer, § 14 Rdnr. 2. 5 BGHZ 15, 204, 206 = NJW 1955, 219. 6 BGHZ 21, 242, 245 f. = NJW 1956, 1435. 7 BGHZ 29, 300, 303 = NJW 1959, 934, 935 = GmbHR 1959, 149, 150 m. Anm. Rau; BGH, WM 1971, 306, 307; BGHZ 134, 333 = GmbHR 1997, 405 = NJW 1997, 1507 = ZIP 1997, 97; OLG Frankfurt a.M., GmbHR 1997, 896 = NJW-RR 1997, 1062; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, § 2 Rdnr. 13; Michalski/Funke, in: Michalski, Rdnr. 51; Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 63; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 63; Schroeter, in: Bork/Schäfer, Rdnr. 40; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 48. 8 Vgl. BGHZ 134, 333 = GmbHR 1997, 405 = NJW 1997, 1507 = ZIP 1997, 97; OLG Frankfurt a.M., GmbHR 1997, 896; OLG Dresden, NZG 1998, 311 = GmbHR 1998, 186; Michalski/Funke, in: Michalski, Rdnr. 51; krit. Karsten Schmidt, GmbHR 1998, 869 f.

Karsten Schmidt

607

§ 11

Rechtszustand vor der Eintragung

gung übergehen kann1. Vinkulierungsklauseln (§ 15 Abs. 5) gelten selbstverständlich schon für diese Übertragung2. Auch § 2 Rdnr. 21a ff. der vorliegenden Kommentierung folgt dieser lange Zeit unangefochtenen Auffassung. 50

bb) Der Standpunkt der h.M. ist überholt3. Im Gegensatz zu § 41 Abs. 4 Satz 1 AktG braucht das GmbH-Gesetz im Fall der Vor-GmbH keine Vorsorge zu treffen, um den Handel mit verbrieften Anteilen vor der Eintragung zu verhindern4. Die h.M. geht auf die Zeit vor der GmbH-Novelle 1980 zurück. Es herrschte damals die Ansicht vor, dass abtretbare Geschäftsanteile erst mit der Eintragung entstehen und dass insbesondere bei der Strohmanngründung einer Einpersonen-GmbH der Geschäftsanteil des Strohmanns erst nach der Eintragung oder, wenn vorher, jedenfalls nur aufschiebend bedingt auf den Zeitpunkt der Eintragung auf den Einpersonengesellschafter übertragen werden könne5. Die GmbH sollte jedenfalls für die Dauer einer „logischen Sekunde“ als Mehrpersonengesellschaft eingetragen sein. Für diese Beschränkung ist heute, nach Zulassung der Einpersonen-Gründung, jede Rechtfertigung entfallen. Da die Gesellschafter nicht in das Handelsregister eingetragen zu werden brauchen (vgl. § 10), besteht zu einer Vertragsänderung kein Anlass. Vielmehr trifft der Grundsatz des § 15 Abs. 1 bereits auf die Vor-GmbH zu. Auf der anderen Seite müssen, solange die Eintragung noch nicht gesichert ist, die Mitgründer – ähnlich wie bei einer Personengesellschaft – gegen die Beteiligung ihnen unbekannter Dritter geschützt werden, nicht zuletzt wegen der bei Rdnr. 86 ff. behandelten persönlichen Haftung und wegen der Ausfallhaftung nach § 24. Deshalb sind die Geschäftsanteile, wie Anteile an Personengesellschaften, mangels entgegenstehender Klausel im Gesellschaftsvertrag automatisch vinkuliert6. Die Anteilsübertragung muss wegen dieser Besonderheit nicht als ein aliud gegenüber dem Fall des § 15 angesehen werden7. Nur bedarf es keiner besonderen Satzungsklausel nach § 15 Abs. 5, um die Abtretung vor der Eintragung der Gesellschaft an die Zustimmung der Mitgesellschafter zu binden. Das bedeutet: Die Geschäftsanteile sind veräußerlich (§ 15 Abs. 1)8; die Veräußerung und die Verpflichtung zur Veräußerung bedürfen eines in notarieller Form geschlossenen Vertrages (§ 15 Abs. 3, 4);

1 BGHZ 21, 242, 245 = NJW 1956, 1435 = LM § 11 GmbHG Nr. 8; BGHZ 21, 378, 383 = NJW 1957, 19 = LM § 75 GmbHG Nr. 1; BGH, NJW 1995, 128, 129; FG Münster, EFG 2005, 1259 = WPg 2005, 1301; aus der Literatur etwa Hueck/Fastrich, in: Baumbach/ Hueck, § 2 Rdnr. 13; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 48; Stoppel, WM 2008, 147, 151. 2 Ausführlich Stoppel, WM 2008, 147 ff. 3 Eingehend Karsten Schmidt, GmbHR 1997, 869 ff.; dieser Standpunkt wird hier seit der 7. Aufl. vertreten; zust. Schaffner, S. 91; Merkt, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 40; sympathisierend Gummert, in: MünchHdb. III, § 16 Rdnr. 24; unklar OLG Düsseldorf, MittRhNotK 1996, 189 m. Anm. Wochner; schwer einzuordnen Kießling, S. 168 ff. 4 Zum Argumentationswert des § 41 Abs. 4 AktG vgl. Karsten Schmidt, GmbHR 1997, 872. 5 Vgl. BGHZ 21, 378, 383 = NJW 1957, 19, 20; Schopp, GmbHR 1977, 54 f. 6 Karsten Schmidt, GmbHR 1997, 870 m.w.N. 7 So aber, noch der älteren Auffassung verhaftet, Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 48; wohl auch Kießling, S. 168 ff. 8 Karsten Schmidt, GmbHR 1987, 82; 1997, 870; der Sache nach kaum noch anders Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 48; in dieser Richtung schon OLG Frankfurt, NJW 1947/48, 229, 230.

608

Karsten Schmidt

§ 11

Rechtszustand vor der Eintragung

das gilt, wie der BGH im Jahr 1999 entschieden hat, auch für die Begründung eines Treuhandverhältnisses in Gestalt der Vereinbarungstreuhand zwischen der Errichtung und der Eintragung der GmbH1. Vor der Eintragung der Gesellschaft kann die Abtretung von Geschäftsanteilen nur wirksam werden, wenn sie im Gesellschaftsvertrag zugelassen ist oder wenn sämtliche Mitgesellschafter zustimmen. Daneben bleibt die bisher anerkannte Methode der Satzungsänderung zulässig (vgl. dazu Rdnr. 56 f.). Sie ist vorerst noch der sichere Weg zur Neuformierung des Gründerkreises. Zu hoffen ist, dass die Gerichtspraxis künftig den Weg der Anteilsübertragung eröffnet. Erst dann wird sich auch die Gestaltungspraxis auf diese Möglichkeit verlassen. c) Die Vererblichkeit der Mitgliedschaft (vgl. § 15 Abs. 1) ist bereits anerkannt2. 51 Die Vererbung erfolgt nach allgemeinen erbrechtlichen Grundsätzen, nicht im Wege der sog. Sondererbfolge wie bei einem Anteil an einer Personengesellschaft3. Die Gesellschaft besteht mit dem Erben (ggf. sogar als Einpersonengesellschaft) fort. Auch eine Erbengemeinschaft kann Gesellschafterin werden. Ungebräuchlich, aber zulässig ist eine Regelung über die Unvererblichkeit der Vorgesellschafts-Anteile im Gesellschaftsvertrag (der Satzung). Im Fall einer solchen Unvererblichkeitsklausel muss sorgsam geprüft werden, ob eine automatische Auflösung der Vorgesellschaft im Todesfall gewollt ist oder nur ein außerordentlicher Ausschließungs- oder Auflösungsgrund. In diesem Fall werden die Erben vorläufige Gründungsgesellschafter. Zur Frage, ob die Auflösung aus wichtigem Grund durch Kündigung oder durch Klage herbeigeführt wird, vgl. Rdnr. 64. d) Die Pflichten der Gründer gehen nicht nur auf die Leistung fälliger Einlagen. 52 Die Gründer sind verpflichtet, das zur Herbeiführung der Eintragung Erforderliche zu tun4. Sie können u.U. auch verpflichtet sein, Eintragungshindernisse durch Satzungsänderung zu beseitigen5. Um diese selbstverständlichen Pflichten zu begründen, braucht man nicht die Eintragung der GmbH zum gemeinsamen Zweck der Vorgesellschaft zu erklären (vgl. zu dieser h.M. krit. Rdnr. 32 f.). Der Anspruch auf Mitwirkung steht jedem Gründer gegen jeden Gründer zu6. Die Gründer unterliegen auch bereits der gesellschaftlichen Treupflicht7. e) Rechte der Gründer sind insbesondere die Teilhaberechte (Stimmrecht, Anfechtungsrecht etc.). Über Gesellschafterbeschlüsse in der Vorgesellschaft vgl. Rdnr. 55. Die Vorschrift des § 51a über Informationsrechte findet bereits An-

1 BGHZ 141, 207, 211 f. = NJW 1999, 2594 = GmbHR 1999, 707 = ZIP 1999, 925; bestätigend BGH, ZIP 2004, 2324, 2325 = GmbHR 2005, 53, 54. 2 Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, § 2 Rdnr. 13; Merkt, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 41; Michalski/Funke, in: Michalski, Rdnr. 51; a.M. Kießling, S. 179. 3 Gummert, in: MünchHdb. III, § 16 Rdnr. 26. 4 RGZ 58, 55, 56; Gummert, in: MünchHdb. III, § 16 Rdnr. 29; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 8; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 39; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 39. 5 Zust. Gummert, in: MünchHdb. III, § 16 Rdnr. 29; über Vertragsänderungspflichten vgl. Karsten Schmidt, GesR, § 5 IV. 6 Zust. Gummert, in: MünchHdb. III, § 16 Rdnr. 29. 7 Martin Weber, Vormitgliedschaftliche Treubindungen, 1999, S. 122, 226.

Karsten Schmidt

609

53

§ 11

Rechtszustand vor der Eintragung

wendung1, denn sie ist weder von der Eintragung der GmbH noch von deren „Rechtsnatur“ (Rdnr. 30) abhängig. Auch das Informationserzwingungsverfahren unterliegt bereits der Sonderbestimmung des § 51b2. Wäre es anders, so müsste der Gesellschafter vor der Eintragung den Weg des Zivilprozesses einschlagen, und dieser könnte nach der Eintragung nicht fortgesetzt werden. Es bestehen auch schon Rechte auf Gewinnbezug und auf die Liquidationsquote im Fall einer Auflösung der Vorgesellschaft.

3. Die Organisationsverfassung 54

a) Die Gesellschafter. aa) Oberstes Organ sind die Gesellschafter in ihrer Gesamtheit3. Die übliche Redeweise von der „Gesellschafterversammlung“ als Gesellschaftsorgan ist ungenau (vgl. 10. Aufl., § 45 Rdnr. 1).

55

bb) Für Beschlüsse gelten die §§ 45 ff.4. Insbesondere gilt schon das Mehrheitsprinzip des § 47 Abs. 15, und es gelten die Grundsätze über den Ausschluss vom Stimmrecht nach § 47 Abs. 46. Mit Recht erkennt die h.M. an, dass die Grundsätze über die Anfechtbarkeit und Nichtigkeit von Beschlüssen bereits vor der Eintragung gelten7. Eine Anfechtungsklage ist gegen die Gesellschaft zu erheben (zu ihrer Parteifähigkeit vgl. Rdnr. 42); der Anfechtungsprozess kann ohne weiteres fortgeführt werden, wenn die Gesellschaft eingetragen worden ist (vgl. Rdnr. 156).

56

b) Änderungen des Gesellschaftsvertrags, die schon vor der Eintragung wirksam werden sollen, bedürfen – naturgemäß! – keiner Eintragung in das Handelsregister. § 54 Abs. 3 ist also für diese Art Vertragsänderung unanwendbar. Der Gesellschaftsvertrag wird einfach in seiner geänderten Fassung der Anmeldung der Gesellschaft beigefügt bzw. nachgereicht. Nach h.M. ist aber auch § 53 unanwendbar: Eine Änderung des Gesellschaftsvertrages vor der Eintragung soll sich nach § 2 durch Vertrag aller Gesellschafter in notarieller Form vollziehen8; nur 1 Zust. Gummert, in: MünchHdb. III, § 16 Rdnr. 29; Michalski/Funke, in: Michalski, Rdnr. 52; Schaffner, S. 104. 2 Zust. Gummert, in: MünchHdb. III, § 16 Rdnr. 29. 3 Gummert, in: MünchHdb. III, § 16 Rdnr. 30; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/SchmidtLeithoff, Rdnr. 43; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 45. 4 Merkt, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 31; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/SchmidtLeithoff, Rdnr. 40; zum Folgenden vgl. jetzt durchgehend in Übereinstimmung mit dem Text Gummert, in: MünchHdb. III, § 16 Rdnr. 30 ff. 5 BGHZ 80, 212, 214 f. = GmbHR 1982, 67; Raiser/Veil, Kapitalgesellschaften, § 26 Rdnr. 101; Schaffner, S. 99; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 9; Merkt, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 31; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 45; a.M. Bayer, in: Lutter/ Hommelhoff, Rdnr. 12 (wegen der Gefahren aus der Vorbelastungshaftung); differenzierend nach Bar- und Sachgründung Flume, Juristische Person, § 5 III 2 (S. 159); Kießling, S. 258 ff. 6 Schaffner, S. 99; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 46. 7 BGHZ 80, 212, 215 ff. = NJW 1981, 2125, 2126 f.; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/ Schmidt-Leithoff, Rdnr. 42; a.M. Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 46. 8 BGH, LM Nr. 1 zu § 11 GmbHG = BB 1952, 990; vgl. auch BGHZ 21, 242, 246 = NJW 1956, 1435; Zöllner, in: Baumbach/Hueck, § 53 Rdnr. 82; Merkt, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 33 f.; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 47; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/ Schmidt-Leithoff, Rdnr. 62; im Ausgangspunkt wohl auch Michalski/Funke, in: Michalski, Rdnr. 50; unentschieden OLG Hamm, GmbHR 1994, 706, 707.

610

Karsten Schmidt

§ 11

Rechtszustand vor der Eintragung

für die Auflösung soll analog § 60 Abs. 1 Nr. 2 eine Dreiviertelmehrheit genügen1. Diese h.M. wird mit der Überlegung begründet, dass die Gesellschafter einer Vor-GmbH nur Partner eines Gesellschaftsvertrags und noch nicht Glieder einer körperschaftlichen Organisation seien, weil der GmbH-Vertrag mangels Eintragung noch nicht zur körperschaftlichen GmbH-Satzung geworden sei2. Nur wenn der Vertrag (die Satzung) vom Einstimmigkeitsprinzip abweiche, könnten satzungsändernde Mehrheitsbeschlüsse gefasst werden3. Eine Satzungsklausel, die dies bewirken solle, müsse sich aber speziell auf die Vorgesellschaft beziehen4. Solche Regelungen wird man in GmbH-Satzungen nicht finden. Im praktischen Ergebnis wäre danach eine mehrheitliche Satzungsänderung ausgeschlossen. Abhilfe ist nur durch Zustimmungspflichten (Treupflichten) möglich5. Stellungnahme: Die h.M. ist von der Gestaltungspraxis vorerst zu beachten6. 57 Aber sie verdient Kritik. Die notariell errichtete Gesellschaft ist bereits Körperschaft (Rdnr. 30), ihr Gesellschaftsvertrag als Satzung bereits Grundlage ihrer körperschaftlichen Verfassung (Rdnr. 47). Der Verfasser hat in diesem Kommentar seit der 7. Aufl. (dort § 11 Rdnr. 47) zur Korrektur der h.M. aufgerufen7. Das Mehrheitsprinzip des § 53 beruht nicht auf der Eintragung, sondern darauf, dass die Rechtsform und Verfassung einer GmbH gewählt worden ist8. Die VorGmbH unterliegt dem Recht der GmbH-Verfassung (Rdnr. 47). Es genügt deshalb schon im Gründungsstadium entsprechend § 53 Abs. 2 ein in notarieller Form mit Dreiviertelmehrheit gefasster Beschluss. Allerdings wird dieser Mehrheitsbeschluss nach § 54 Abs. 3 erst wirksam, wenn er (und damit auch die Gesellschaft) in das Handelsregister eingetragen ist9. Konsequenz: Die Gesellschafter haben die Wahl10: Sie können durch allseitige Vertragsänderung entsprechend der bisher h.M. den Gesellschaftsvertrag (die Satzung) mit sofortiger Wirkung einverständlich ändern. Dann ist die GmbH mit dem wirksam geänderten Vertrag anzumelden und auf dieser Grundlage einzutragen. Die Gesellschafter können aber auch einen Beschluss nach § 53 fassen. Dann sollte zunächst die GmbH auf der Grundlage der unveränderten Satzung und dann 1 Vgl. Flume, Juristische Person, § 5 III 2 (S. 158); Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/ Schmidt-Leithoff, Rdnr. 42; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 53. 2 Ausführlich Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 47 sowie § 2 Rdnr. 20. 3 Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 42; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 47. 4 Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 47. 5 Vgl. Michalski/Funke, in: Michalski, Rdnr. 50 (mit zweifelhafter Berufung auf OLG Karlsruhe, ZIP 1998, 1961). 6 Vgl. auch, wenngleich der hier vorgetragenen Kritik folgend, Gummert, in: MünchHdb. III, § 16 Rdnr. 33. 7 Zugrunde lagen die Beiträge von Priester, ZIP 1987, 280; Karsten Schmidt, GmbHR 1987, 82 f.; dazu auch Gummert, in: MünchHdb. III, § 16 Rdnr. 33; Bayer, in: Lutter/ Hommelhoff, § 47 Rdnr. 3; unklar Michalski/Funke, in: Michalski, Rdnr. 50 (Mehrheitsbeschluss? Zustimmungspflicht?); umständlich Schaffner, S. 101 ff. 8 Fast wörtlich wie hier Schaffner, S. 102. 9 Karsten Schmidt, GmbHR 1987, 83; Karsten Schmidt, in: FS Zöllner, S. 525 f.; a.M. Priester, ZIP 1987, 284; die hier vertretene Auffassung macht die Bedenken von Ulmer, in: Ulmer, § 2 Rdnr. 20, weitgehend gegenstandslos. 10 Karsten Schmidt, GmbHR 1987, 83; Karsten Schmidt, in: FS Zöllner, S. 526; zust. Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, § 47 Rdnr. 3.

Karsten Schmidt

611

§ 11

Rechtszustand vor der Eintragung

sogleich deren mehrheitlich beschlossene Änderung eingetragen werden1. Für die Praxis bedeutet dies, dass die Satzungsänderung mit der Eintragung der Gesellschaft wirksam wird. Dies wird durch die doppelte Eintragung zunächst der GmbH und sodann der Satzungsänderung dokumentiert. Dieses Verfahren kann praktisch bedeutsam werden, wenn eine allseitige formgerechte Vertragsänderung vor der Eintragung z.B. an fehlender Gesellschafterpräsenz scheitert und statt dessen ein förmlicher satzungsändernder Mehrheitsbeschluss gefasst wird. Dieser braucht nach der Eintragung nicht noch einmal gefasst zu werden. Das gilt auch für Kapitalerhöhungen. Scheitert allerdings die Eintragung der GmbH (Rdnr. 159 ff.), so wird die Gesellschaft mangels einstimmiger Vertragsänderung auf der Basis der unveränderten Satzung abgewickelt. Auch für die Umwandlung einer Vorgesellschaft sollten diese Grundformen der Satzungsänderung anerkannt werden (Rdnr. 28). Beispielsweise kann die Vor-GmbH unter Wahrung der in § 23 Abs. 1 AktG vorgeschriebenen Form in eine Vor-AG umgewandelt werden (str.). 58

c) Die Vorgesellschaft muss bereits einen oder mehrere Geschäftsführer haben (§ 6). aa) Die Bestellung erfolgt nach § 6 Abs. 3 durch den Vertrag oder durch Beschluss, und zwar – wie hier auf Grund von § 6 Abs. 3 Satz 2 allgemein anerkannt ist – durch Mehrheitsbeschluss2. Von der Bestellung ist die Anstellung der Geschäftsführer zu unterscheiden; sie macht die Geschäftsführer nicht zu Arbeitnehmern der Gesellschaft (§ 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG)3.

59

bb) Innenverhältnis: Die Geschäftsführungsbefugnis (Innenverhältnis!) ist grundsätzlich noch beschränkt (vgl. dagegen zum Außenverhältnis Rdnr. 72 f.)4. Die Geschäftsführer haben das Gründungsstadium durch Eintragung zu beenden und alle Maßnahmen zu ergreifen, die erforderlich sind, um die Einlagen einzufordern, zu verwalten etc. Eine Aufnahme werbender unternehmerischer Tätigkeit ist den Geschäftsführern gestattet, wenn eine Sachgründung mit Unternehmenseinbringung vorliegt oder wenn alle Gründer der Aufnahme der werbenden Tätigkeit zustimmen5. Im Einzelfall kann eine Pflicht für Minderheitsgesellschafter bestehen, sich der Mehrheit anzuschließen und die Zustimmung zu erteilen, wenn die Aufnahme der Tätigkeit vor der Eintragung sachgerecht ist und nennenswerte Haftungsrisiken nicht zu erwarten sind. Die Haftung der Geschäftsführer richtet sich bereits nach § 436. Die Haftung für falsche Angaben

1 Diese Zweistufigkeit wird für überflüssig gehalten von KG, GmbHR 1997, 412, 413; Schaffner, S. 103. 2 BGHZ 80, 212, 214 = NJW 1981, 2125, 2126 = GmbHR 1982, 67 f.; Michalski/Funke, in: Michalski, Rdnr. 53; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 44. 3 BAG, BB 1996, 1774 = EWiR 1996, 773 (Bormann) = NJW 1996, 2678. 4 Wie hier jetzt Gummert, in: MünchHdb. III, § 16 Rdnr. 37 f.; Michalski/Funke, in: Michalski, Rdnr. 54 f.; vgl. auch Merkt, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 24. 5 Insofern – für das Innenverhältnis! – richtig BGHZ 80, 129, 139 = NJW 1981, 1373, 1375 = GmbHR 1981, 114, 116; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 10; Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 47; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 45. 6 BGH, WM 1986, 789; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 46; Ulmer, in: Ulmer, § 9a Rdnr. 56; a.A. Kion, BB 1984, 864 f.: Haftung aus § 43 erst nach Eintragung möglich, davor aus § 9a.

612

Karsten Schmidt

§ 11

Rechtszustand vor der Eintragung

ergibt sich aus § 9a. Zur Insolvenzverschleppungshaftung nach § 15a InsO vgl. Rdnr. 43. cc) Im Außenverhältnis können die Geschäftsführer bereits in Vertretung der 60 Gesellschaft handeln, weil diese schon Partei von Rechtsgeschäften sein kann. Wegen der Einzelheiten, insbesondere zur Vertretungsmacht, vgl. Rdnr. 71 ff. Im Gegensatz zur Rechtsprechung wird hier für eine unbeschränkte Vertretungsmacht gemäß § 37 eingetreten. Schon wegen der im Innenverhältnis beschränkten Kompetenz wird der Geschäftsführer allerdings Genehmigungen für Rechtsgeschäfte und Maßnahmen einholen, die nicht gründungsnotwendig sind. d) Einen Aufsichtsrat schreibt das Gesetz nicht ausdrücklich vor. § 52 über den 61 fakultativen Aufsichtsrat findet bereits Anwendung1. Umstritten ist die Anwendung der Mitbestimmungsvorschriften der §§ 1, 4 DrittelbG, §§ 1, 6 MitbestG. Diese wird teils bejaht2, teils verneint3, teils wird auf §§ 30, 31 AktG verwiesen4. Die Frage ist nicht begrifflich, sondern teleologisch-praktisch zu entscheiden. Die klarste Lösung ist, dass erst nach der Eintragung ein obligatorischer Aufsichtsrat zu bilden ist (in praxi kann man dies freilich vorwegnehmen). Die Eintragung kann scheitern mit der Folge, dass die Gesellschaft aufgelöst oder als Personengesellschaft fortgeführt wird (Rdnr. 159 ff.)5. Der Mitbestimmungsstatus der Gesellschaft steht also vor der Eintragung nicht endgültig fest. Auch ist zu bedenken, dass die Gesellschaft, obschon bereits werdende juristische Person (Rdnr. 30) und bereits körperschaftlich verfasst (Rdnr. 47), wenn sie mit der Geschäftstätigkeit vor der Eintragung beginnt, dem Haftungsstatus einer Personengesellschaft unterliegt (Rdnr. 93 ff.). Vollends auszuschließen ist eine auf das Vorhandensein eines mitbestimmten Aufsichtsrats gerichtete Prüfungspflicht des Handelsregistergerichts bei der Eintragung der GmbH6.

4. Die Kapital- und Haftungsverfassung a) Die Vorschriften über die Aufbringung und Erhaltung des Stammkapitals 62 (§§ 19 ff., 30 f.) sind nach h.M. noch nicht unmittelbar und uneingeschränkt anwendbar7. Man wird differenzieren müssen: Die materiellen Kapitalaufbrin-

1 Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 64; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 48; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 44. 2 Vgl. für § 76 BetrVG insbes. Raiser, in: Hachenburg, § 52 Rdnr. 160; für das MitbestG Koppensteiner, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, § 52 Rdnr. 22; Th. Raiser, MitbestG, 3. Aufl. 1998, § 1 Rdnr. 22. 3 Vgl. für §§ 1, 4 DrittelbG Habersack, in: Ulmer/Habersack/Henssler, Mitbestimmungsrecht, 2. Aufl. 2006, § 1 DrittelbG Rdnr. 22; für § 77 BetrVG BayObLG, ZIP 2000, 1445; für das MitbestG Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 64; Ulmer/Habersack, in: Ulmer/Habersack/Henssler, Mitbestimmungsrecht, 2. Aufl. 2006, § 6 MitbestG Rdnr. 7. 4 Zöllner/Noack, in: Baumbach/Hueck, § 52 Rdnr. 158; Michalski/Funke, in: Michalski, Rdnr. 57; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 53. 5 Zust. Gummert, in: MünchHdb. III, § 16 Rdnr. 41; ausführlich und i.Erg. ebenso jetzt Merkt, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 29 ff. 6 Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 57. 7 BGHZ 80, 129, 133 = NJW 1981, 1373, 1374 = GmbHR 1981, 114, 115; BGH, WM 1980, 955, 956; Schumann, S. 280 ff.; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 13.

Karsten Schmidt

613

§ 11

Rechtszustand vor der Eintragung

gungs- und -erhaltungsgrundsätze gelten bereits1. Es gilt z.B. § 19 Abs. 2 (Erlassverbot, Aufrechnungsverbot, Verbot des Zurückbehaltungsrechts), und es gilt § 30 (Ausschüttungsverbot)2. Anwendbar sind aber auch schon die §§ 24, 31 einschließlich der Ausfallhaftungsregeln in §§ 24 und 31 Abs. 33. Insbesondere dem Kapitalschutz nach §§ 30, 31 können die Gründer nur entgehen, wenn sie auf die Eintragungsfähigkeit der Vorgesellschaft als GmbH durch deren Auflösung oder durch Umwandlung in eine oHG oder GbR verzichten. 63

b) Die Haftungsverfassung ist eine Frage des Außenverhältnisses. Sie ist bei Rdnr. 79 ff. eingehend erläutert. Dabei wird klar zwischen der Haftung der Gesellschaft, der Haftung der handelnden Organe und der Haftung der Gesellschafter zu unterscheiden sein.

5. Auflösung der Vorgesellschaft 64

a) Auflösungsgrund ist zunächst die rechtskräftige Ablehnung des Eintragungsantrags (s. auch Rdnr. 159)4. Die h.M. begründet dies mit § 726 BGB und beruft sich auf den angeblichen Zweck der Vorgesellschaft, die Eintragung zum Abschluss zu bringen (dagegen aber Rdnr. 32 f.). Richtigerweise beruht die Auflösung darauf, dass die Gesellschaft nach der Ablehnung nicht mehr ohne Änderungen in der Organisation und Haftung fortgesetzt werden kann5. Weitere Auflösungsgründe sind: der Zeitablauf (§ 60 Abs. 1 Nr. 1; nicht praktisch), der Auflösungsbeschluss der Gesellschafter (§ 60 Abs. 1 Nr. 2)6, im Fall eines wichtigen Grundes eine Kündigung7 oder ein Auflösungsurteil (dazu sogleich in dieser Rdnr.) oder eine Auflösungsverfügung der Verwaltungsbehörde (§ 60 Abs. 1 Nr. 3), die Eröffnung des Insolvenzverfahrens (§ 60 Abs. 1 Nr. 4)8 bzw. die Ablehnung der Eröffnung mangels Masse (§ 60 Abs. 1 Nr. 5)9. Ein Auflösungsbeschluss kann nach § 60 Abs. 1 Nr. 2 bereits mit Dreiviertelmehrheit gefasst werden10. Wird im Benehmen aller Gesellschafter die Eintragungsabsicht aufgegeben, so

1 2 3 4

5

6

7 8 9 10

Theobald, S. 95 ff.; Karsten Schmidt, GmbHR 1987, 83. Priester, ZIP 1982, 1147 f.; s. aber Theobald, S. 106 ff.: erst ab Anmeldung. Ausführlicher noch in der 9. Aufl.; zust. Gummert, in: MünchHdb. III, § 16 Rdnr. 42. Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 30; Merkt, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 42; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 66; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 52. Auch ein Vorverein ist aufgelöst und besteht nicht ohne weiteres als nichtrechtsfähiger Verein fort, wenn die Eintragung unter Berufung auf § 22 BGB abgelehnt wird; vgl. Karsten Schmidt, Verbandszweck und Rechtsfähigkeit im Vereinsrecht, 1984, S. 24, 311 ff. Flume, Juristische Person, § 5 III 2; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 20; Merkt, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 43; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 66; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 53; M. Scholz, S. 73. Vgl. BGHZ 169, 270, 275 ff. = NJW 2007, 589, 590. Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 66; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 53. Überholt Ulmer, in: Hachenburg, § 60 Anh. §§ 1, 2 LöschG Rdnr. 2: nur bei eingetragener GmbH. Zust. Schaffner, S. 104; vgl. auch Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 20; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 30; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 66.

614

Karsten Schmidt

§ 11

Rechtszustand vor der Eintragung

kann dies ein konkludenter Auflösungsbeschluss sein1. Dasselbe gilt, wenn einvernehmlich gegen die Kapitalbindung verstoßen und dadurch die Eintragungsfähigkeit beseitigt wird (Rdnr. 62). Die Gesellschaft muss, um den Status als Vorgesellschaft in Liquidation zu behalten, die Liquidation auch betreiben2. Bleibt die Gesellschaft im Einverständnis der Gesellschafter ohne Eintragung als GmbH unternehmerisch tätig, so kann es sich um eine Fortsetzung als Personengesellschaft handeln (Rdnr. 162). Umstritten ist, ob im Fall des § 61 die Auflösungsklage oder eine außergerichtliche Kündigung angezeigt ist3. Nicht zuletzt aus § 133 HGB wurde gefolgert, der Gesetzgeber gebe der Klage bei einer Handelsgesellschaft allgemein den Vorzug, sofern nicht der Gesellschaftsvertrag diese nicht selten als unzweckmäßig empfundene Regelung im Sinne eines Kündigungsrechts abändere. Inzwischen hat aber das Urteil BGHZ 169, 270 = NJW 2007, 589 = JZ 2007, 995 m. Anm. Drygala für die Vor-AG entschieden, dass die Vorgesellschaft im Fall eines wichtigen Grundes durch bloße Kündigung aufgelöst werden kann. Keine gesetzlichen Auflösungsgründe sind der Tod (Rdnr. 51) oder das Insolvenzverfahren eines Gesellschafters4. Nach der hier in der 10. Aufl. vertretenen Ansicht ist eine Auflösung durch bloße Kündigung ohne entsprechende Satzungsvorschrift nicht möglich5. b) Die Abwicklung vollzieht sich, soweit nicht die Vorschriften des Gesetzes die 65 Eintragung in das Handelsregister voraussetzen, nach §§ 65 ff.6. Die traditionelle Praxis und Lehre wendete die §§ 730 ff. BGB analog an7. Danach wären im Zweifel sämtliche Gesellschafter als Liquidatoren berufen8. Das passt in Fällen, bei denen die Gesellschaft zwischen dem Gründungsstadium und dem Auflösungsstadium als Personengesellschaft fortgeführt worden ist (vgl. insbes. Rdnr. 162). Handelt es sich dagegen um die Auflösung einer Vor-GmbH als solcher, so sind gemäß § 66 die Geschäftsführer als Liquidatoren berufen, sofern nicht andere

1 So offenbar auch BGH, BB 2008, 1249 m. Anm. Weiß = GmbHR 2008, 654 = NJW 2008, 2441 = WuB II C § 11 GmbHG 1.08 m. Anm. Lange/Widmann. 2 In diesem Sinne auch BGH, BB 2008, 1249 m. Anm. Weiß = GmbHR 2008, 654 = NJW 2008, 2441 = WuB II C § 11 GmbHG 1.08 m. Anm. Lange/Widmann; Merkt, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 178. 3 Für Auflösungsurteil Rittner, S. 347; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 66 mit (ungenauer) Berufung auf OLG Hamm, DB 1994, 1232 = GmbHR 1994, 706; für außerordentliche Kündigung BGHZ 169, 270, 275 ff. = NJW 2007, 589, 590 = JZ 2007, 995 m. Anm. Drygala; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 20; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 30; Merkt, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 44; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 53. 4 Vgl. RGZ 82, 288, 290 (Konkurs); Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 67; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 54; diese Rechtslage stand bis 1998 in Gegensatz zu den §§ 727 f. BGB, § 131 HGB. 5 OLG Hamm, DB 1994, 1232 = GmbHR 1994, 706. 6 BGH, LM Nr. 49 zu § 50 ZPO = NJW 1998, 1079, 1080; BAG, NJW 1963, 680, 681 = AP Nr. 1 zu § 11 GmbHG m. krit. Anm. Hueck; Rittner, S. 348 f.; Gummert, in: MünchHdb. III, § 16 Rdnr. 44; Merkt, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 46; SchmidtLeithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 69; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 55. 7 BGH, LM Nr. 12 zu § 11 GmbHG; BGHZ 51, 30, 34 = NJW 1969, 509, 510; BGHZ 86, 122, 127 = NJW 1983, 876, 878 = GmbHR 1983, 46, 47; OLG Düsseldorf, GmbHR 1994, 178; Kießling, S. 210 ff.; Fleck, ZGR 1975, 215. 8 Vgl. BGHZ 51, 30, 34 = NJW 1969, 509; OLG Düsseldorf, GmbHR 1994, 178.

Karsten Schmidt

615

§ 11

Rechtszustand vor der Eintragung

Personen bestellt werden1. Auch eine Bestellung von Liquidatoren durch das Gericht nach § 66 Abs. 2 ist möglich2. Die Auflösung der Vorgesellschaft führte nach früher h.M. als solche nicht zu einer persönlichen Haftung der Gesellschafter3. Nach der älteren Rechtsprechung gab es auch im Innenverhältnis keine allgemeine Nachschuss- und Verlustausgleichspflicht zum Ausgleich einer Unterdeckung und zur Bereitstellung einer vollständigen Liquidationsmasse gemäß § 735 BGB4. Seit dem Grundlagenurteil BGHZ 134, 333 = LM Nr. 38 zu § 11 = NJW 1997, 1507 m. Anm. Altmeppen löst allerdings die Auflösung wie die Eintragung eine Unterbilanzhaftung aus (Rdnr. 86 ff.), während hier sogar für eine Außenhaftung der Gründer plädiert wird (Rdnr. 93 ff.). Folgerichtig sollte man im Fall der Auflösung der Gesellschaft auch die Regel des § 735 BGB sinngemäß anwenden, denn diese Regel beruht nicht auf der Rechtsnatur der Personengesellschaft, sondern auf der persönlichen Haftung der Gesellschafter5. Sie regelt die Geltendmachung der persönlichen Haftung im Liquidationsfall und erlaubt eine Haftungsabwicklung über die Liquidationsmasse (vgl. auch Rdnr. 43, 161). Die Haftung der Gründer einer bereits unternehmerisch tätigen Vorgesellschaft bleibt zwar eine Außenhaftung (str.; vgl. Rdnr. 86 f., 91), aber sie kann im Liquidationsfall durch Nachschüsse in die Liquidationsmasse und durch Gläubigerbefriedigung aus dieser Masse abgewickelt werden6. Im Fall der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens folgt die Abwicklung den Regeln der InsO (Rdnr. 43, 92).

V. Das Außenrecht der Vorgesellschaft Schrifttum: Rdnr. 1.

1. Grundsatz 66

a) Grundlage ist die Rechtsträgerschaft der Vorgesellschaft (Rdnr. 34 ff.). Die Vorgesellschaft kann Eigentümerin von beweglichen und unbeweglichen Sachen, Inhaberin dinglicher Rechte, Gläubigerin und Schuldnerin sein. Sie kann Besitz an Sachen ausüben (Rdnr. 76). Im öffentlichen Recht kann die Vorgesellschaft gebühren- und steuerpflichtig sein. Sie unterliegt der ordnungsrechtlichen Störer- oder Nicht-Störerhaftung. Sie kann Beteiligte in Verwaltungsverfahren und Verwaltungsprozessen, Klägerin und Beklagte sein. Die Vorgesellschaft ist, wenn ein Vollstreckungstitel gegen sie vorliegt, taugliche Vollstreckungsschuldnerin. Sie kann als Schuldnerin oder Gläubigerin an einem Insolvenzverfahren teilnehmen (näher Rdnr. 43).

1 BAG, NJW 1963, 680, 681 = AP Nr. 1 zu § 11 GmbHG m. krit. Anm. Hueck; SchmidtLeithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 70 (für Analogie); Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 55; M. Scholz, S. 78; Wallner, GmbHR 1998, 1168 ff. (mit kaum haltbarer Ableitung aus der Haftungsrechtsprechung). 2 Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 55; a.M. Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 70. 3 Lutter/Hommelhoff, 15. Aufl., Rdnr. 10. 4 BGHZ 86, 122, 125 = NJW 1983, 876, 877 = GmbHR 1983, 46, 47; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 71. 5 Ähnlich jetzt Schumann, S. 228 ff. 6 Karsten Schmidt, ZHR 156 (1992), 119 f.

616

Karsten Schmidt

§ 11

Rechtszustand vor der Eintragung

b) Die Rechtsgrundsätze für Vorgesellschaften gelten nicht für sog. Vorrats- oder 67 Mantelverwertungen (dazu § 3 Rdnr. 21 ff.). Vorrats- und Mantelgesellschaften sind eingetragene, wenn auch häufig unterkapitalisierte Gesellschaften. Die Anwendung von Gründungsvorschriften in der Praxis des BGH ist bedenklich (Rdnr. 29, 87, 109). Sie folgt dem irreführenden Grundgedanken, dass die Neuverwendung einer bereits eingetragenen, aber „leeren“ GmbH als „wirtschaftliche Neugründung“ der Gründung einer neuen GmbH rechtlich gleichsteht1.

2. Stellvertretung bei Rechtsgeschäften und in Prozessen a) Handeln im Namen der Gesellschaft. aa) Herkömmlicherweise unterschied 68 man zwischen einem „Handeln im Namen der Vor-GmbH“ und einem „Handeln im Namen der künftigen GmbH“2. Hiervon wurde wiederum der Fall unterschieden, dass sowohl im Namen der Vorgesellschaft als auch im Namen der GmbH gehandelt wird3. Diese Unterscheidung ist missverständlich4. Wie bei Rdnr. 25 ausgeführt, handelt es sich bei der Vor-GmbH und der fertigen GmbH nicht um zwei unterschiedliche Rechtsträger, sondern um eine und dieselbe Gesellschaft. Deshalb hat der Vertreter gar nicht die Wahl, ob er nur im Namen einer dieser „beiden“ Gesellschaften oder im Namen „beider“ handelt (vgl. sogleich Rdnr. 69 f.). Entscheidend ist nur, ob er erkennbar im Namen der Gesellschaft (Rdnr. 69 f.) oder im eigenen Namen oder im Namen einzelner Gründer handelt, z.B. auch bei der Einrichtung eines Girokontos5. bb) Ausdrücklich oder konkludent kann im Namen der Vor-GmbH gehandelt 69 werden. Die Geschäftsführer handeln im Namen der Vor-GmbH, wenn sie erkennbar für ein von dieser bereits betriebenes Unternehmen handeln6 oder wenn sie die Firma der (künftigen) GmbH verwenden7. In beiden Fällen handeln sie im Namen eines gegenwärtigen Rechtsträgers, selbst wenn sie die Gesellschaft schon als „GmbH“ ohne den Zusatz „in Gründung“ bezeichnen. Auch wenn sie selbst diesen Zusatz weglassen und nur „für Firma X“ handeln, vertre1 Dagegen Merkt, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 160 f.; Kleindiek, in: FS Priester, S. 368 ff.; Priester, ZHR 168 (2004), 248; Karsten Schmidt, NJW 2004, 1345 ff.; Karsten Schmidt, ZIP 2010, 857 ff. 2 Vgl. besonders BGH, NJW 1973, 798; BGH, NJW 1974, 1284; BGHZ 65, 378, 382 = NJW 1976, 419, 420 m. Anm. Karsten Schmidt = GmbHR 1976, 65, 66; BGHZ 72, 45, 47 = NJW 1978, 1978, 1979 m. Anm. Karsten Schmidt = GmbHR 1978, 232. 3 BGHZ 53, 210, 211 = NJW 1970, 806, 807; BAG, AP Nr. 2 zu § 11 GmbHG m. Anm. Rittner/Krell = NJW 1973, 1904 = WM 1973, 1330 = JR 1974, 108 m. Anm. Karsten Schmidt. 4 Mit Recht abl. Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 89; Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 28; vgl. schon Karsten Schmidt, NJW 1973, 1595 ff.; Karsten Schmidt, JR 1974, 109. 5 OLG Naumburg, NJW-RR 1998, 1648 = GmbHR 1998, 239. 6 Vgl. BGH, GmbHR 1990, 206; OLG Celle, GmbHR 1990, 398; LAG Köln, NZA-RR 2001, 129 (Arbeitsvertrag); Karsten Schmidt, GmbHR 1987, 84; Merkt, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 68; zur Stellvertretung des Unternehmensträgers vgl. konzeptionell Karsten Schmidt, HandelsR, § 5 III; Karsten Schmidt, in: MünchKomm. HGB, 3. Aufl. 2012, § 343 HGB Rdnr. 12; Karsten Schmidt, JuS 1987, 425. 7 OLG Celle, GmbHR 1990, 398; OLG Naumburg, NJW-RR 1998, 1648; Flume, Juristische Person, § 5 III 3; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 18; Merkt, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 68; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 73.

Karsten Schmidt

617

§ 11

Rechtszustand vor der Eintragung

ten sie die Vor-GmbH1, wobei in diesem Fall noch eine persönliche Vertrauenshaftung wegen täuschenden Firmengebrauchs hinzukommen kann (Rdnr. 38). Ein Geschäftskonto wird im Zweifel selbst dann als Konto der (Vor-) GmbH eingerichtet, wenn es von den Gründern in Rechtsunkenntnis als „Gemeinschaftskonto“ bezeichnet wird23, Da die Vor-GmbH und die später eingetragene GmbH identisch sind (Rdnr. 31), wirken die im Namen der Vor-GmbH wirksam abgegebenen Willenserklärungen ohne weiteres für und gegen die fertige GmbH (und umgekehrt)4. 70

cc) Hiervon zu unterscheiden ist die Vereinbarung der Eintragung als aufschiebende Bedingung. Wenn der Gegensatz zwischen dem Handeln „im Namen der Vorgesellschaft“ und „im Namen der GmbH“ (Rdnr. 68) einen Sinn haben soll, kann dieser nur darin bestehen, dass je nach den getroffenen Vereinbarungen diese eine (zunächst noch nicht eingetragene, später eingetragene) Gesellschaft einmal schon vor der Eintragung, ein andermal dagegen erst nach der Eintragung berechtigt und verpflichtet sein soll5. Es wird also nicht im Namen unterschiedlicher Gesellschaften gehandelt, sondern es wird einmal mit sofortiger Wirkung, ein andermal unter einer aufschiebenden Bedingung kontrahiert. Eine solche aufschiebende Bedingung ist ohne weiteres zulässig6. Unrichtig nahm BGH, NJW 1973, 798 m. Anm. Karsten Schmidt NJW 1973, 1595 an, dass im letzten Fall die §§ 177 ff. BGB analog anwendbar seien, weil im Namen eines noch nicht existenten Rechtsträgers gehandelt werde. Zu dem für §§ 177 ff. BGB verbleibenden Anwendungsspielraum vgl. noch Rdnr. 129 ff.

71

b) Steht fest, dass im Namen der Vorgesellschaft gehandelt wurde, so kommt es weiter auf die Vertretungsmacht an. Ist sie gegeben, so wird aus dem Rechtsgeschäft die Vorgesellschaft berechtigt und verpflichtet (§ 164 BGB), und die Rechte und Pflichten setzen sich im Eintragungsfall bei der GmbH fort (Rdnr. 151 ff.); ist sie nicht gegeben, so gelten die §§ 177, 179 BGB (vgl. Rdnr. 129).

72

aa) Organschaftliche Vertreter der Vorgesellschaft sind die Geschäftsführer (§ 35), im Auflösungsfall die Liquidatoren (§ 70). Die Vertretungsmacht der Geschäftsführer ist bereits unbeschränkt i.S. von §§ 35, 37 (näher Rdnr. 73)7. Diese Auffassung wird hier bereits seit der 6. Auflage vertreten. Sie findet zunehmen-

1 Vgl. OLG Celle, GmbHR 1990, 398; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 73. 2 Vgl. OLG Naumburg, NJW-RR 1998, 1648. 3 Zur Frage der Mithaftung eines die Kontoeröffnung mitunterschreibenden Gesellschafters vgl. OLG Brandenburg, NZG 2002, 182 = GmbHR 2002, 109. 4 Vgl. auch für das Gebot in der Zwangsversteigerung LG München II, NJW-RR 1987, 1519. 5 Karsten Schmidt, GesR, § 34 III 3b aa; Karsten Schmidt, NJW 1973, 1596; übereinstimmend M. Scholz, S. 141; Merkt, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 69. 6 RGZ 32, 97, 99; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 90; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 74; Jula, BB 1995, 1600. 7 Vgl. Binz, S. 134 ff.; Gummert, in: MünchHdb. III, § 16 Rdnr. 50; Raiser/Veil, Kapitalgesellschaften, § 26 Rdnr. 107; Karsten Schmidt, GesR, § 34 III 3b bb; Karsten Schmidt, GmbHR 1987, 84; Schaffner, S. 107; M. Scholz, S. 29 f.; Theobald, S. 27 ff.; Michalski/ Funke, in: Michalski, Rdnr. 63 (z.T. undeutlich); Wulf-Henning Roth, ZGR 1984, 609; Weimar, GmbHR 1988, 292; Beuthien, NJW 1997, 565 ff.; s. auch Jäger, Die persönliche Gesellschafterhaftung in der werdenden GmbH, 1994, S. 81 ff.

618

Karsten Schmidt

§ 11

Rechtszustand vor der Eintragung

de, wenn auch zögerliche Zustimmung. Die bisher noch h.M. tritt für eine beschränkte Vertretungsmacht ein1. Die begrenzte Vertretungsmacht entspricht vor allem dem Standpunkt der Rechtsprechung. Nach BGHZ 80, 129, 139 = NJW 1981, 1373, 1375 = GmbHR 1981, 114, 116 und BGHZ 80, 182, 183 ist die Vertretungsmacht grundsätzlich durch den Gründungszweck auf gründungsnotwendige Geschäfte beschränkt. Bei Sachgründungen soll sich diese Vertretungsbefugnis zwar „praktisch weitgehend“ mit derjenigen nach §§ 35 ff. decken; aber bei Bargründungen beschränkt sie sich nach Auffassung des BGH im Allgemeinen auf Rechtshandlungen, die für die Herbeiführung der Eintragung unerlässlich sind. Die Vertretungsmacht kann allerdings durch den Gesellschaftsvertrag oder – auch formlos – durch eine von den Gründern zu erteilende Ermächtigung erweitert werden2. Fehlt es daran, so kann nach der Rechtsprechung z.B. nicht einmal ein wirksamer Arbeitsvertrag zwischen einem Angestellten und der Gesellschaft abgeschlossen werden, der später die GmbH bindet3. Auch können die Gesellschafter, wenn man diese Ansicht zugrunde legt, die Vertretungsmacht beliebig einengen oder erweitern4. In Betracht gezogen wird allerdings eine Vertrauenshaftung der GmbH bzw. der Gesellschafter, wenn diese das eigenmächtige Handeln des Geschäftsführers geduldet haben5. Die Gestaltungspraxis muss sich vorerst auf diese Rechtsprechung einrichten. Stellungnahme6: Die hier vertretene Auffassung (unbeschränkte Vertretungs- 73 macht, vgl. Rdnr. 72) bedarf der Begründung. Ausgangspunkt ist die Geltung der GmbH-Verfassung und damit der §§ 35, 37. Solange die Rechtsprechung noch am Vorbelastungsverbot festhielt (Rdnr. 44), war die Beschränkung der organschaftlichen Vertretungsmacht einleuchtend, denn es sollte ja weder die Vorgesellschaft noch die spätere Kapitalgesellschaft ohne weiteres aus beliebigen Rechtsgeschäften verpflichtet werden. Dieses Argument hat sich seit dem

1 BGHZ 80, 129, 139 = NJW 1981, 1373, 1375; OLG Naumburg, DtZ 1996, 320; OLG Brandenburg, NZG 2002, 869 (AG); Hess. LAG, DB 2002, 644; Kießling, S. 250 ff.; Schumann, S. 245 ff.; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 14; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 19; Merkt, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 59 ff.; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 85; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 68 f.; Schroeter, in: Bork/ Schäfer, Rdnr. 19; Wicke, Rdnr. 5; Ulmer, ZGR 1981, 596 ff.; Fleck, GmbHR 1983, 8 f.; Beuthien, GmbHR 1996, 563; Lachmann, NJW 1998, 2263; vgl. auch schon RGZ 32, 97, 98; RGZ 83, 370, 373; RGZ 105, 228, 229; aus der älteren Literatur vgl. besonders Scholz, JW 1938, 3153; unklar Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 47. 2 Vgl. BGHZ 80, 129, 139 = NJW 1981, 1373, 1375 = GmbHR 1981, 114; LAG Hamm, ZIP 1983, 312; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 20; Merkt, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 63; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 87; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 68 f.; Fleck, GmbHR 1983, 9; Gehrlein, DB 1996, 563; gegen Formlosigkeit noch Ulmer, in: FS Ballerstedt, S. 291; wie der BGH aber schon John, Rechtsperson, S. 320, 323, 345. 3 Vgl. LAG Hamm, ZIP 1983, 312. 4 A.M. Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 70: Die Gründer könnten nur zwischen der Nicht-Erweiterung oder der typisierten Erweiterung der Vertretungsmacht wählen (Verlegenheitslösung). 5 Vgl. Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 88; a.M. Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 73, mit Hinweis auf das zur Personengesellschaft ergangene Urteil BGHZ 61, 56, 64 ff. 6 Vgl. auch Karsten Schmidt, GesR, § 34 III 3b bb; Karsten Schmidt, GmbHR 1987, 84.

Karsten Schmidt

619

§ 11

Rechtszustand vor der Eintragung

Grundlagenurteil des Bundesgerichtshofs vom 9.3.19811 erledigt. Auch die ultravires-Doktrin, nach der die Organvertretungsmacht durch den Verbandszweck beschränkt sein soll, ist als Rechtfertigung der h.M. nicht anzuerkennen2, ganz abgesehen davon, dass der Zweck der Vorgesellschaft überhaupt nicht in der von der h.M. angenommenen Weise beschränkt ist (vgl. Rdnr. 32 f.). Auch der oft hervorgehobene Schutz der Gründer gegen eine persönliche Inanspruchnahme auf Grund von Geschäften der Geschäftsführer3 ist kein durchschlagendes Argument. Wer eine Organisation ins Leben ruft, die bereits nach dem Recht der GmbH lebt, kann das Risiko eines pflichtwidrigen Geschäftsführerhandelns nicht dem Rechtsverkehr aufbürden. Es ist deshalb zwischen dem internen Dürfen und dem externen Können der Geschäftsführer zu unterscheiden. Die h.M. verlegt die Argumente, mit denen die Binnen-Kompetenz der weisungsgebundenen Geschäftsführer beschränkt werden kann (Geschäftsführung), unberechtigterweise ins Außenverhältnis (Vertretung). Intern dürfen die Geschäftsführer nicht ohne allseitige Billigung vor der Eintragung mit der Geschäftstätigkeit beginnen (Rdnr. 59). Extern geht es nur darum, ob die organschaftliche Vertretungsmacht gemäß §§ 35 ff. schon vorhanden ist. Da die sich aus den Gesellschaftsverbindlichkeiten ergebende Gesellschafterhaftung (Rdnr. 86 ff.) ebenso wie die Vertretungsmacht nach §§ 35, 37 eine gesetzliche ist, kommt es auch nicht auf die Frage an, ob die Vertretungsmacht der Geschäftsführer ausreicht, um eine persönliche Haftung der Gesellschafter zu begründen4. Selbst eine ausdrückliche Beschränkung der Vertretungsmacht durch die Gründer hat nach den Regeln des § 37 Abs. 2 keine direkte Außenwirkung5. Sofern Geschäftsführer evident eigenmächtig handeln, die Pflichtwidrigkeit ihres Handelns also dem Geschäftspartner bekannt oder nur infolge grober Fahrlässigkeit unbekannt ist, sind die Gesellschaft und die Gesellschafter durch die Grundsätze über den Missbrauch der Vertretungsmacht (vgl. Erl. § 37) geschützt6. Dabei ist zu beachten, dass ein Dritter, dem die fehlende Eintragung bekannt ist, nicht in jedem Fall davon ausgehen darf, dass die Geschäftsführer bereits zu unbeschränktem Vertreterhandeln befugt sind. Bei typischen Anlaufgeschäften kann aber der Dritte regelmäßig auf die gesetzliche Vertretungsmacht vertrauen. 74

bb) Die Vorgesellschaft kann nicht nur durch die Geschäftsführer vertreten werden, sondern auch durch Bevollmächtigte, im Fall einer kaufmännischen Tätig-

1 BGHZ 80, 129 = NJW 1981, 1373 = GmbHR 1981, 114. 2 Vgl. Karsten Schmidt, GesR, § 8 V 2 und § 34 III 3b bb; Karsten Schmidt, AcP 184 (1984), 529 ff. 3 Deutlich Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 14; s. insoweit auch Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 68; extrem Wiegand, BB 1998, 1071, wonach die hier vertretene Auffassung „nach dem neuen Modell der Gründerhaftung unhaltbar“ sein dürfte; das „neue Modell“ (unbeschränkte Gesellschafterhaftung) wurde hier jedoch schon in den Vorauflagen vertreten, die Anwendung des § 37 Abs. 2 aber gleichwohl für „haltbar“ erachtet. 4 Ausführlicher noch 9. Aufl.; überholt BGHZ 72, 45, 49 f. = NJW 1978, 1978, 1979 m. Anm. Karsten Schmidt = GmbHR 1978, 232; BGHZ 86, 122, 125 = NJW 1983, 876, 877 = GmbHR 1983, 46, 47. 5 Karsten Schmidt, GesR, § 34 III 3b bb; enger (nur bei Beginn kaufmännischer Fähigkeit) Beuthien, NJW 1997, 566 f.; a.M. Wiegand, BB 1998, 1071: „unhaltbar“. 6 Vgl. Karsten Schmidt, GesR, § 34 III 3b bb; näher zum Missbrauch der Vertretungsmacht, ebd., § 10 II 2.

620

Karsten Schmidt

§ 11

Rechtszustand vor der Eintragung

keit (Rdnr. 37) auch durch Prokuristen1. Die Vertretungsmacht wird dann durch die Geschäftsführer als Organe der Gesellschaft erteilt. Die Wirksamkeit einer solchen Bevollmächtigung hängt also wiederum davon ab, ob die Geschäftsführer ihrerseits die Gesellschaft wirksam vertreten können. Insbesondere eine Prokura oder Handlungsvollmacht wäre nach der bisher h.M. nur wirksam erteilt, wenn eine Sachgründung vorliegt oder wenn die Gesellschafter die Geschäftsführer zur Unternehmensführung ermächtigen2. Diese h.M. ist aus den bei Rdnr. 73 dargelegten Gründen abzulehnen. Die Geschäftsführer können bereits auf Grund ihrer organschaftlichen Vertretungsmacht Prokuristen und Handlungsbevollmächtigte bestellen. Ob sie dies intern dürfen, ist eine Frage ihrer Geschäftsführungsbefugnis (Rdnr. 59). Im Außenverhältnis kann die Prokura sogleich wirksam werden und mit der Anmeldung der GmbH zur Eintragung im Handelsregister angemeldet werden (die Eintragung nach § 53 Abs. 1 HGB wirkt nicht konstitutiv). cc) Im Prozess wird die Vor-GmbH durch ihre Geschäftsführer vertreten (§ 35 75 Abs. 1). Zustellungen gehen an die Geschäftsführer, im Fall der Führungslosigkeit an die Gesellschafter (§ 35 Abs. 1 Satz 2). Die Geschäftsführer werden nicht als Zeugen, sondern als Partei vernommen. Dasselbe gilt im Auflösungsfall für die Liquidatoren.

3. Besitzausübung, Verschuldenszurechnung, Haftung für fremdes Handeln, Wissenszurechnung a) Den Besitz an beweglichen und unbeweglichen Sachen übt die Gesellschaft 76 durch ihre Geschäftsführer aus (Organbesitz), sowie durch Hilfspersonen als Besitzdiener3. b) Ein Organverschulden wird der Gesellschaft analog § 31 BGB zugerechnet4. 77 Sie haftet also ohne Entlastungsmöglichkeit für ein Verschulden ihrer Geschäftsführer oder Liquidatoren. Im Rahmen von Sonderrechtsverhältnissen, insbesondere von Verträgen, haftet die Vorgesellschaft nach § 278 BGB für ihre Erfüllungsgehilfen. Für unerlaubte Handlungen ihrer Verrichtungsgehilfen haftet die Vorgesellschaft als Geschäftsherrin nach § 831 BGB aus vermutetem Auswahl- und Überwachungsverschulden (Rdnr. 80)5. Im Ordnungsrecht (sog. Polizeirecht) wie auch im Recht der privatrechtlichen Unterlassungsansprüche kann die Vorgesellschaft auf Grund eines Verhaltens ihrer Geschäftsführer als Handlungsstörer haften6. Strafrechtlich können tatbestandsrelevante Merkmale,

1 Ebenso Merkt, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 67; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/ Schmidt-Leithoff, Rdnr. 77. 2 So konsequent Merkt, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 67. 3 Dazu vgl. Karsten Schmidt, GesR, § 10 III. 4 Vgl. OLG Stuttgart, NJW-RR 1989, 637, 638; M. Scholz, S. 80; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 22; Merkt, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 97; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 105; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 85; Beuthien, BB 1996, 1337 f. 5 Im Ergebnis zust. Beuthien, BB 1996, 1339. 6 Vgl. zum UWG OLG Frankfurt, OLGZ 1987, 435.

Karsten Schmidt

621

§ 11

Rechtszustand vor der Eintragung

die bei der GmbH vorliegen, den Geschäftsführern nach § 14 StGB zugerechnet werden1. 78

c) Auch für die Wissenszurechnung gelten die allgemeinen gesellschaftsrechtlichen Grundsätze2. Grundsätzlich werden Kenntnis und Irrtum, guter und böser Glaube der Geschäftsführer oder Liquidatoren der Gesellschaft unmittelbar zugerechnet. Die Wissenszurechnung bei Bevollmächtigten richtet sich nach § 166 BGB.

4. Die Haftungsverhältnisse im Überblick 79

a) Haftung der Vorgesellschaft. aa) Die Vorgesellschaft kann selbst aus Rechtsgeschäften haften, wenn sie rechtswirksam vertreten worden ist (Rdnr. 68 ff.) oder ein ohne Vertretungsmacht vorgenommenes Rechtsgeschäft genehmigt (§ 177 BGB). Im Fall von Leistungsstörungen durch Vertragsverletzungen kann sich eine Haftung der Vorgesellschaft aus einer Verschuldenszurechnung nach §§ 31, 278 BGB ergeben (Rdnr. 77).

80

bb) Auch aus gesetzlichen Schuldverhältnissen haftet die Vorgesellschaft bereits nach allgemeinen Regeln. Sie kann als nichtberechtigter Besitzer (§§ 987 ff. BGB) oder als Empfänger einer ungerechtfertigten Bereicherung (§ 812 BGB) oder als nichtberechtigt Verfügender (§ 816 BGB) haften. Sie kann Geschäftsherr im Rahmen einer Geschäftsführung ohne Auftrag gemäß §§ 677 ff. BGB sein. Sie kann als Halterin eines Kraftfahrzeugs (§ 7 StVG) oder eines Tiers (§ 833 BGB) oder als Grundstücksbesitzerin (§ 836 BGB) haften und der Produkthaftung (§ 1 ProdHG) unterliegen. Sie kann Geschäftsherrin i.S. von § 831 BGB sein (vgl. Rdnr. 77). Sie kann aus § 8 UWG auf Unterlassung in Anspruch genommen werden3. Für ein Verschulden ihrer Organe – insbesondere also der Geschäftsführer – haftet sie bereits entsprechend § 31 BGB (vgl. Rdnr. 77).

81

cc) Nicht nur für Verbindlichkeiten, die im Gründungsstadium begründet worden sind, sondern auch für Altverbindlichkeiten kann die Vorgesellschaft haften, wenn hierfür eine gesetzliche oder vertragliche Grundlage besteht. Von besonderer Bedeutung ist § 25 HGB4, wenn ein Unternehmen in die Gesellschaft eingebracht (Sachgründung) oder von ihr entgeltlich erworben wird (Bargründung bzw. verdeckte Sachgründung). Da § 25 HGB und nicht § 28 HGB einschlägig ist5, greift die Haftung nach h.M. allerdings nur ein, wenn die Vorgesellschaft das eingebrachte Unternehmen mit dessen bisheriger Firma fortführt6. Anders entscheiden diejenigen, die im Fall der GmbH-Sachgründung gegen den Wort-

1 Nach wohl h.M. aber nur aus § 14 Abs. 1 Nr. 2 StGB; vgl. KG, GmbHR 2003, 591; Bittmann/Pikarski, wistra 1995, 92 f.; bedenklich! 2 Vgl. zu diesen Karsten Schmidt, GesR, § 10 V. 3 Vgl. OLG Frankfurt, DB 1985, 1334 = GmbHR 1985, 331. 4 Dazu eingehend Karsten Schmidt, HandelsR, § 8. 5 Vgl. nur BGHZ 18, 248, 250 = NJW 1955, 1916; BGH, BB 1982, 888 = NJW 1982, 1647 m. Anm. Karsten Schmidt; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, § 5 Rdnr. 30; SchmidtLeithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 103; Ulmer, in: Ulmer, § 5 Rdnr. 75. 6 BGHZ 18, 248, 250 = NJW 1955, 1916; BGH, BB 1982, 888 = NJW 1982, 1647 m. Anm. Karsten Schmidt.

622

Karsten Schmidt

§ 11

Rechtszustand vor der Eintragung

laut des Gesetzes § 28 HGB anwenden1 oder mit der vom Verfasser vertretenen Ansicht gegen den Wortlaut des Gesetzes § 25 HGB auch bei Unternehmensfortführung ohne Firmenfortführung anwenden2. Aus § 25 HGB ergibt sich nur eine Haftung der Gesellschaft3; die Gesellschafterhaftung folgt den Rdnr. 86 ff. Auch Arbeitsverhältnisse gehen im Fall der Sach-Einbringung eines Unternehmens nach § 613a BGB auf die Vorgesellschaft über4. Zur Frage, ob die Gesellschafter im Fall der Geschäftsfortführung auch persönlich haften, vgl. Rdnr. 95. b) Von der Haftung der Vorgesellschaft ist die persönliche Außenhaftung der Be- 82 teiligten zu unterscheiden. Sie kann insbesondere begründet sein: (aa) als Gesellschafterhaftung der Gründer neben der Vorgesellschaft (dazu Rdnr. 85 ff.), (bb) als Haftung der Handelnden neben der Vorgesellschaft gemäß § 11 Abs. 2 (dazu Rdnr. 101 ff.), (cc) als Haftung von Vertretern ohne Vertretungsmacht gemäß § 179 BGB an Stelle der Vorgesellschaft (dazu Rdnr. 69 ff., 129). c) Von der Außenhaftung beteiligter Personen ist wiederum die seit BGHZ 80, 83 129 = NJW 1981, 1373 = GmbHR 1981, 114 praktizierte Vorbelastungshaftung (Unterbilanzhaftung oder Differenzhaftung) der Gründer als Innenhaftung nach Eintragung der Gesellschaft zu unterscheiden. Sie begründet Nachschusspflichten der Gründer im Innenverhältnis und keine unmittelbare Haftung gegenüber den Gläubigern (eingehend Rdnr. 139 ff.). d) Nach der hier vertretenen Auffassung finden die Haftungsgrundsätze keine 84 Anwendung auf die Mantel- oder Vorratsverwertung (Rdnr. 29, 67, 109, 140). Die abweichenden, auf den Gedanken der „wirtschaftlichen Neugründung“ gestützten Urteile BGHZ 153, 158 = NJW 2003, 892 und BGHZ 155, 318 = NJW 2003, 3198 verdienen keine Zustimmung5. Die Praxis muss sie allerdings respektieren, solange der BGH daran festhält (eingehend § 3 Rdnr. 25 ff.). Eine Entschärfung enthält das Urteil BGH, ZIP 2012, 817 Rdnr. 140.

VI. Die Haftung der Gesellschafter Schrifttum: (vgl. zunächst die Angaben bei Rdnr. 1): Ahrens, Kapitalgesellschaftliche Mantelverwertung und Vorgesellschafterhaftung, DB 1998, 1069; Altmeppen, Das unvermeidliche Scheitern des Innenhaftungskonzepts in der Vor-GmbH, NJW 1997, 3272; Bayer/Lieder, Vorbelastungshaftung und Vorbelastungsbilanz, insbesondere bei späterer Auffüllung des Haftungsfonds, ZGR 2006, 875; Baumann, Die GmbH in Anwartschaft – ein neues Konzept zur Gründerhaftung, JZ 1998, 597; Beuthien, Haftung bei gesetzlichen Schuldverhältnissen einer Vorgesellschaft, BB 1996, 1337; Beuthien, Vorgesellschafterhaftung nach innen oder außen? Zum Vorlagebeschluss des

1 Dafür m.w.N. Thiessen, in: MünchKomm. HGB, 3. Aufl. 2010, § 28 HGB Rdnr. 10; Servatius, NJW 2001, 1696; nach dieser Auffassung müsste im Fall der Sacheinlage die GmbH unbedingt haften, im Fall der Sachübernahme nur, wenn sie auch die Firma des erworbenen Unternehmens führt. 2 Karsten Schmidt, HandelsR, § 8 II 1c. 3 A.M. Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 91 ff., 103 m. N. 4 Vgl. zur Anwendung des § 613a BGB auf Unternehmens-Sacheinlagen Müller-Glöge, in: MünchKomm. BGB, 5. Aufl. 2009, § 613a BGB Rdnr. 64 m.w.N. 5 Priester, ZHR 168 (2004), 248 ff.; Karsten Schmidt, NJW 2004, 1345 ff.; Karsten Schmidt, ZIP 2010, 857 ff.; zust. Merkt, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 160 f.

Karsten Schmidt

623

85

§ 11

Rechtszustand vor der Eintragung

BGH vom 4.3.1996, GmbHR 1996, 309; Beuthien, Zum Haftungsprivileg der Vorgesellschafter, in: FS Hadding, 2004, S. 309; Binz, Haftungsverhältnisse im Gründungsstadium der GmbH & Co. KG, 1976; Brinkmann, Begrenzte Haftung der Einmann-GmbH in Gründung?, GmbHR 1982, 269; Chebulla, Haftungsmodelle bei der GmbH-Gründung, NZG 2001, 972; Dauner-Lieb, Haftung und Risikoverteilung in der Vor-GmbH, GmbHR 1996, 82; Derwisch-Ottenberg, Die Haftungsverhältnisse der Vor-GmbH, 1988; Dregger, Haftungsverhältnisse bei der Vorgesellschaft, 1951; Dreher, Die Gründungshaftung bei der GmbH, DStR 1992, 33; von Einem, Haftung der Gesellschafter einer Vorgesellschaft für Beitragsschulden, DB 1987, 621; Ensthaler, Haftung der Gesellschafter einer Vor-GmbH: Innenhaftung oder Außenhaftung?, BB 1997, 257; Fantur, Das Haftungssystem der GmbH-Vorgesellschaft, Wien 1997; Fleck, Die neuere Rechtsprechung zur Vorgesellschaft und zur Haftung der Handelnden, ZGR 1975, 212; Flume, Die Rechtsprechung zur Haftung der Gesellschafter der Vor-GmbH und die Problematik der Rechtsfortbildung, DB 1998, 45; Gehrlein, Die Haftung in den verschiedenen Gründungsphasen einer GmbH, DB 1996, 561; Gehrlein, Von der Differenz- zur Verlustdeckungshaftung, NJW 1996, 1193; Gummert, Die Haftungsverfassung der Vor-GmbH nach der jüngsten Rechtsprechung des BGH, DStR 1997, 1007; Hartmann, Gründerhaftung in der Vor-GmbH, WiB 1997, 66; Hennerkes/Binz, Zur Handelndenhaftung im Gründungsstadium der GmbH & Co., DB 1982, 1971; Hey, Haftung des Gründungsgesellschafters der Vor-GmbH – KG, WM 1994, 1288, JuS 1995, 484; Huber, Die Vorgesellschaft mbH, in: FS Fischer, 1979, S. 263; Jäger, Die persönliche Gesellschafterhaftung in der werdenden GmbH, 1994; Kellermann, Zur Gesellschafterhaftung in der Vor-GmbH, in: FS Röhricht, 2005, S. 291; Kind, Die Differenzhaftung im Recht der GmbH, Diss. Mainz 1984; Kleindiek, Zur Gründerhaftung in der Vor-GmbH – Besprechung der Entscheidung BGH ZIP 1997, 679 –, ZGR 1997, 427; Knoche, Gründerhaftung und Interessenausgleich bei der Vor-GmbH, 1990; Kort, Die Gründerhaftung in der Vor-GmbH – Überlegungen anlässlich des Vorlagebeschlusses des BAG vom 23. August 1995 an den GmS OGB, ZIP 1995, 1892, ZIP 1996, 109; Krebs/Klerx, Die Haftungsverfassung der VorGmbH, JuS 1998, 991; Lieb, Meilenstein oder Sackgasse? Bemerkungen zum Stand von Rechtsprechung und Lehre zur Vorgesellschaft, in: FS Stimpel, 1985, S. 399; Lutter, Haftungsrisiken bei der Gründung einer GmbH, JuS 1998, 1073; Maulbetsch, Haftung für Verbindlichkeiten der Vorgründungsgesellschaft und der Vorgesellschaft einer GmbH, DB 1984, 1561; Meister, Zur Vorbelastungsproblematik und zur Haftungsverfassung der Vorgesellschaft bei der GmbH, in: FS Werner, 1984, S. 521; Michalski/Barth, Außenhaftung der Gesellschafter einer Vor-GmbH, NZG 1998, 525; Nordhues, Gesellschafterhaftung in der Vor-GmbH und Vorgründungsgesellschaft, 2003; Paefgen, Handelndenhaftung bei europäischen Auslandsgesellschaften, GmbHR 2005, 957; Petersen, Spannungsverhältnis zwischen Gründerhaftung und Handlungshaftung …, Diss. Mainz 1985; Priester, Die Unversehrtheit des Stammkapitals bei Eintragung der GmbH – ein notwendiger Grundsatz?, ZIP 1982, 1141; Raab, Die Haftung der Gesellschafter der Vor-GmbH im System der Gesellschaft, WM 1999, 1596; Raiser/Veil, Die Haftung der Gesellschafter einer Gründungs-GmbH – Zum Vorlagebeschluss des BGH vom 4. März 1996 an den Gemeinsamen Senat der Obersten Gerichtshöfe des Bundes, BB 1996, 1349 ff., BB 1996, 1344; Günter Reinicke, Die Stellung der Mitglieder in der Vorgesellschaft unter besonderer Berücksichtigung ihrer Haftung, Diss. Köln 1960; Riedel/Rabe, Die Vorhaftung bei der Vorgesellschaft, NJW 1966, 1004; NJW 1968, 873; Wulf-Henning Roth, Die Gründerhaftung im Recht der Vorgesellschaft, ZGR 1984, 597; Sandberger, Die Haftung bei der Vorgesellschaft, in: FS Fikentscher, 1998, S. 389; Schäfer-Gölz, Die Lehre vom Vorbelastungsverbot und die Differenzhaftung der Gründer, Diss. Bonn 1983; Karsten Schmidt, Zur Stellung der oHG im System der Handelsgesellschaften, 1972; Karsten Schmidt, Unterbilanzhaftung, Vorbelastungshaftung, Gesellschafterhaftung, ZHR 156 (1992), 93; Karsten Schmidt, Zur Haftungsverfassung der Vor-GmbH – Bemerkungen zum Urteil des BGH vom 27. Januar 1997, ZIP 1997, 679, ZIP 1997, 671; Karsten Schmidt, Außenhaftung und Innenhaftung bei der Vor-GmbH – Der BGH

624

Karsten Schmidt

§ 11

Rechtszustand vor der Eintragung

und der Vorlagebeschluss des Bundesarbeitsgerichts, ZIP 1996, 353; Karsten Schmidt, Unbeschränkte Außenhaftung/unbeschränkte Innenhaftung – Stimmigkeitsprobleme der Haftungsabwicklung, in: FS Goette, 2011, S. 459 ff.; Franz Scholz, Die Haftung der Gründergesellschaft, JW 1938, 3149; Michael Scholz, Die Haftung im Gründungsstadium der GmbH, 1979; Schütz, Enträtselung des Rätsels Vorgesellschaft? Die Haftungsverfassung der Vor-GmbH nach dem Vorlagebeschluss des BGH vom 4.3.1996 – II ZR 123/94, GmbHR 1996, 727; Schumann, Der Ausgleich zwischen GmbH-Gründern, 2004; Schwarz, Offene Fragen bei der so genannten unechten VorGmbH, ZIP 1996, 2005; Theobald, Vor-GmbH und Gründerhaftung, 1984; Stimpel, Unbeschränkte oder beschränkte, Außen- oder Innenhaftung der Gesellschafter der Vor-GmbH?, in: FS Fleck, 1988, S. 345; Ulmer, Abschied zum Vorbelastungsverbot im Gründungsstadium der GmbH, ZGR 1981, 593; Ulmer, Zur Haftungsverfassung in der Vor-GmbH – Erwiderung auf Karsten Schmidt, ZIP 1996, 353 und ZIP 1996, 593, ZIP 1996, 733; Weimar, Abschied von der Gesellschafter- und Handelnden-Haftung im GmbH-Recht?, GmbHR 1988, 289; Wiedenmann, Zur Haftungsverfassung der Vor-AG: Der Gleichlauf von Gründerhaftung und Handelnden-Regress – Zugleich eine Besprechung des Urteils des Landgerichts Heidelberg vom 11. Juni 1997, ZIP 1997, 2045, ZIP 1997, 2029; Wiegand, Offene Fragen zur neuen Gründerhaftung in der Vor-GmbH, BB 1998, 1065; Wilhelm, Die Haftung des Gesellschafters der durch Gesellschaftsvertrag errichteten GmbH auf Grund der gewerblichen Betätigung vor der Eintragung der GmbH, DB 1996, 461; Wilhelm, Das Innenhaftungskonzept geht in sich, DStR 1998, 457; Wilken, Gesellschafterhaftung in der echten Vor-GmbH, ZIP 1995, 1163; Wünsch, Die Haftung der Gründer einer GmbH, GesRZ 1984, 1; Zöllner, Die sog. Gründerhaftung, in: FS Wiedemann, 2002, S. 1383.

1. Unbeschränkte Vor-Gesellschafterhaftung a) Die persönliche Haftung der Gesellschafter ist unbeschränkt. Bis zu dem 86 Grundsatzurteil BGHZ 134, 333 = LM Nr. 38 zu § 11 = NJW 1997, 1507 war die Frage umstritten1. Die engste Auffassung lehnte eine persönliche Außenhaftung der Gesellschafter ab2. Diese fehlende Außenhaftung wurde von einzelnen Autoren durch eine sich an § 735 BGB anlehnende Innenhaftung für den Ausgleich von Anlaufverlusten neutralisiert (Rdnr. 65)3. Die Gegenauffassung sprach sich – teils generell, teils unter der Voraussetzung, dass die Gesellschaft schon Unternehmensgeschäfte betreibt – für eine unbeschränkte Gesellschafterhaftung aus4. Dem folgte, wenn auch beschränkt auf den Fall, dass bereits unter-

1 Zum Folgenden jetzt auch Merkt, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 73. 2 OLG Dresden, DB 1996, 178 = WiB 1995, 908 = ZIP 1996, 718; Binz, Haftungsverhältnisse, S. 233 ff.; Huber, in: FS Fischer, S. 282 ff.; Lutter/Hommelhoff, 13. Aufl., Rdnr. 7; Jäger, S. 113 ff., 123 f.; M. Scholz, S. 81 ff.; Weimar, GmbHR 1988, 294 f.; Dreher, DStR 1992, 35; im Grundsatz auch Priester, ZIP 1982, 1151 f.; s. auch Fleck, GmbHR 1983, 7. 3 Stimpel, in: FS Fleck, S. 358 ff., 361 ff.; dem folgend Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 75 ff.; in dieser Richtung zuvor schon Meister, in: FS Werner, 1984, S. 549 f.; Lieb, in: FS Stimpel, 1985, S. 414 f. 4 BSG, DB 1986, 1291 = ZIP 1986, 645; Flume, in: FS Geßler, S. 33 f.; Flume, JurP, § 5 III 3; Flume, NJW 1981, 1754; John, Die organisierte Rechtsperson, S. 324; Raiser/Veil, Kapitalgesellschaften, § 26 Rdnr. 108 ff.; Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 55; Wulf-Henning Roth, ZGR 1984, 597 ff.; Karsten Schmidt, oHG, S. 317 ff.; Karsten Schmidt, in: FS Goette, S. 459, 462; Karsten Schmidt, GesR, § 34 III 3c; Karsten Schmidt, NJW 1978, 1980; Karsten Schmidt, NJW 1981, 1347; Karsten Schmidt, ZHR 156 (1992), 107 ff.; Theobald, S. 113, 121 ff.; s. auch Brinkmann, GmbHR 1982, 209 ff.; v. Einem, DB 1987, 623 f.

Karsten Schmidt

625

§ 11

Rechtszustand vor der Eintragung

nehmerische Geschäfte betrieben wurden, die vorliegende Kommentierung (8. Aufl., Rdnr. 80 ff.). Zwischen beiden Standpunkten lag die bis 1997 vom Bundesgerichtshof vertretene und damals wohl herrschende vermittelnde Auffassung, nach der die Haftung auf den Betrag der noch ausstehenden Einlagen beschränkt ist1. Diese vermittelnde Auffassung war unausgewogen (eingehende Kritik hier in der 8. Aufl.). Sie vertrug sich insbesondere nicht mit der seit BGHZ 80, 129 = GmbHR 1981, 114 = NJW 1981, 1373 praktizierten Unterbilanzhaftung im Eintragungsfall. Diese Haftung kann nicht am Eintragungsstichtag aus dem Nichts entstehen, und es geht auch nicht an, die Gründer im Eintragungsfall haften zu lassen, nicht dagegen bei einer scheiternden Gründung. Mit Recht hat deshalb der II. Senat diese Rechtsprechung aufgegeben. 87

b) Die gegenwärtige Praxis wird bestimmt durch das am 27.1.1997 ergangene Grundsatzurteil BGHZ 134, 333 = LM Nr. 38 zu § 11 = NJW 1997, 1507 m. Anm. Altmeppen: „Die Gesellschafter einer Vor-GmbH haften für die Verbindlichkeiten dieser Gesellschaft unbeschränkt.“ Damit steht fest, dass der auf den Eintragungsstichtag bezogenen Vorbelastungshaftung der Gesellschafter eine ihrem Umfang nach gleiche Gründerhaftung bei der Vorgesellschaft vorgelagert ist2. Das Urteil hat den zuvor vermissten Haftungsgleichlauf vor und nach der Eintragung geschaffen. Bundesarbeitsgericht und Bundessozialgericht haben sich diesem Standpunkt angeschlossen3. Mit diesem hier in der 7. und 8. Auflage eingeforderten Rechtsprechungswandel tragen die Gerichte einem Haftungsbedürfnis Rechnung, das in früheren Jahrzehnten durch Einbeziehung der Gesellschafter in den Kreis der nach § 11 Abs. 2 haftenden Handelnden erfüllt werden sollte (dazu Rdnr. 116). Diese Anwendung des § 11 Abs. 2 auf die Gesellschafterhaftung war Gläubigerschutz mit falschen Mitteln4. Aber das rechtspolitische Haftungsbedürfnis war klar erkannt. Ihm wird heute mit einer von § 11 Abs. 2 unabhängigen gesetzlichen (jedoch ungeschriebenen) Gesellschafterhaftung Rechnung getragen.

2. Außenhaftung oder Innenhaftung? 88

a) Herrschende Auffassung. aa) Umstritten ist, ob die in der neuen Rechtsprechung anerkannte persönliche Haftung eine Außenhaftung oder eine Innenhaftung ist. Der Bundesgerichtshof folgt in dem Grundsatzurteil vom 27.1.1997 ei-

1 BGHZ 65, 378, 382 ff. = NJW 1976, 419, 420 m. Anm. Karsten Schmidt; BGHZ 72, 45, 48 f. = NJW 1978, 1978, 1979 m. Anm. Karsten Schmidt; BGHZ 80, 129, 135 = NJW 1981, 1373, 1376 (zweifelnd); BGHZ 91, 148, 152 = NJW 1984, 2164; BGH, WM 1980, 955, 956; BayObLG, DB 1986, 106; OLG Hamburg, WM 1986, 738, 739 = NJW-RR 1986, 116, 117; KG, WM 1994, 1288; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 23 ff.; Meyer-Landrut, Rdnr. 14; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 31, 91 ff.; Meister, in: FS Werner, S. 546 ff.; Hüffer, JuS 1980, 488; s. auch noch Ulmer, in: Hachenburg, 7. Aufl., Rdnr. 60 ff.; Ulmer, ZGR 1981, 593, 608 ff. 2 BGHZ 134, 333 = LM Nr. 38 zu § 11 m. Anm. Noack = DStR 1997, 625 m. Anm. Goette = GmbHR 1997, 405 = NJW 1997, 1507 = ZIP 1997, 679; vgl. schon BGH, GmbHR 1996, 279 = DStR 1996, 515 m. Anm. Goette = NJW 1996, 1210 = ZIP 1996, 590. 3 BAG, NJW 1996, 3165 = NZA 1996, 101 = ZIP 1996, 1548; BSG, ZIP 1996, 1548. 4 Vgl. näher 8. Aufl., Rdnr. 82; Karsten Schmidt, oHG, S. 327 ff.; Karsten Schmidt, GmbHR 1973, 146 ff. m.w.N.

626

Karsten Schmidt

§ 11

Rechtszustand vor der Eintragung

nem zuvor in der Literatur entwickelten1 Binnenhaftungsmodell2: „Es besteht eine einheitliche Gründerhaftung in Form einer bis zur Eintragung der Gesellschaft andauernden Verlustdeckungshaftung und einer an die Eintragung geknüpften Vorbelastungs-(Unterbilanz-)haftung … Die Verlustdeckungshaftung ist ebenso wie die Vorbelastungs-(Unterbilanz-)haftung eine Innenhaftung.“ Dem folgt ein erheblicher Teil der Literatur3. Auch die anderen Bundesgerichte haben sich dem Binnenhaftungskonzept des BGH im Ausgangspunkt angeschlossen4. Folge des Binnenhaftungskonzepts ist, dass die Gründerhaftung eine mit zunehmenden Verbindlichkeiten allmählich anwachsende Vorbelastungshaftung ist: Die Gründer haften zwischen der Gründung und Eintragung anteilig nach Maßgabe ihrer Geschäftsanteile für jede Unterbilanz. Die Haftung trifft sie nach dieser h.M. als Teilschuldner, nicht als Gesamtschuldner5. Für Ausfälle eines Gesellschafters haften sie entsprechend § 246. Der Zeitpunkt des Haftungsbeginns ist noch nicht ausdiskutiert. Das BGH-Ur- 89 teil vom 27.1.1997 geht noch davon aus, dass die Binnenhaftung „erst mit dem Scheitern der Eintragung entsteht“7. Es ist in diesem Punkt noch nicht zu Ende gedacht und wohl durch neuere Rechtsprechung überholt, nach der die Binnenhaftung beim Scheitern der Gründung zur Außenhaftung wird (Rdnr. 90). Der Sache nach läuft das Innenhaftungsmodell der Rechtsprechung der Vorgesell-

1 Stimpel, in: FS Fleck, S. 358 ff., 361 ff.; dem folgend Fantur, S. 140; Ulmer, in: Hachenburg, Rdnr. 65; in dieser Richtung schon Meister, in: FS Werner, 1984, S. 549 f.; Lieb, in: FS Stimpel, 1985, S. 414 f. 2 BGHZ 134, 133 = NJW 1997, 1507 = GmbHR 1997, 405 = ZIP 1997, 679; vgl. auch für die Vor-Genossenschaft BGHZ 149, 273 = NJW 2002, 824. 3 Kießling, S. 157 ff.; Schumann, S. 261 ff.; Goette, § 1 Rdnr. 50; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 25 f.; Merkt, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 79; Schroeter, in: Bork/Schäfer, Rdnr. 27 ff., 35 ff.; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 80 ff.; Wicke, Rdnr. 7; Koppensteiner, 2. Aufl., § 2 Rdnr. 26; Dauner-Lieb, GmbHR 1996, 91; Gehrlein, NJW 1996, 1193; Goette, DStR 1996, 517 ff.; Hartmann, WiB 1997, 71; Kellermann, in: FS Röhricht, S. 293 ff.; Kort, ZIP 1996, 114; Lutter, JuS 1998, 1077; Schütz, GmbHR 1996, 733; Ulmer, ZIP 1996, 733; Wiedenmann, ZIP 1997, 2029, 2032 f.; Wiegand, BB 1998, 1065 ff.; Wilken, ZIP 1995, 1163 ff. 4 BAGE 83, 283 = NJW 1996, 3165 = ZIP 1997, 1544; BAGE 86, 38, 41 = NJW 1998, 628, 629 = GmbHR 1998, 39, 40 = ZIP 1997, 2199, 2201; BFHE 185, 356, 359 ff. = DStR 1998, 1129, 1131 m. Anm. Goette = NJW 1998, 2926, 2927 = GmbHR 1998, 854, 855 f. = ZIP 1998, 1149, 1150 f.; BSG, KTS 1996, 599; s. auch OLG Dresden, GmbHR 1998, 186 = NZG 1998, 311, 312; OLG Koblenz, ZIP 1998, 1670, 1671 = EWiR 1998, 979 (Bähr/Nölle); OLG Oldenburg, NZG 2001, 811, 812 = GmbHR 2001, 973; LAG Thüringen, NZARR 2001, 121; LAG Köln, NZA-RR 2001, 129; LG Heidelberg, ZIP 1997, 2045, 2047 f. = NZG 1998, 392 f.; AG Holzminden, NJW-RR 1997, 781, 782 = GmbHR 1997, 895; FG Köln, GmbHR 1997, 867 = EFG 1997, 934. 5 BGHZ 134, 333, 340 = NJW 1997, 1507, 1509 = GmbHR 1997, 405, 408 = ZIP 1997, 679, 681 f.; Schroeter, in: Bork/Schäfer, Rdnr. 38. 6 KG, NJW-RR 1994, 494, 495 = GmbHR 1993, 647 = WM 1994, 1288 = WiB 1994, 354 m. Anm. Gummert; Schroeter, in: Bork/Schäfer, Rdnr. 38; Gummert, DStR 1997, 1009; Hey, JuS 1995, 487; Karsten Schmidt, ZIP 1997, 672; s. auch für die Unterbilanzhaftung BGHZ 80, 129, 131 = NJW 1981, 1373, 1376. 7 BGHZ 134, 333, 340 = NJW 1997, 1507, 1509 = GmbHR 1997, 405, 408 = ZIP 1997, 679, 681 f.; ähnlich Schumann, S. 271 f.; kritisch wie hier aber Michalski/Funke, in: Michalski, Rdnr. 69.

Karsten Schmidt

627

§ 11

Rechtszustand vor der Eintragung

schafter auf eine kontinuierliche Verlustausgleichspflicht hinaus1. Mit der Eintragung in das Handelsregister bzw. mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens steht die Höhe des Verlustausgleichs endgültig fest. Für die Verjährung gilt nach der Rechtsprechung § 9 Abs. 2 sinngemäß (vgl. für den Fall der Eintragung auch Rdnr. 143)2. Überzeugender ist eine entsprechende Anwendung der §§ 159, 160 HGB (Rdnr. 149)3. 90

bb) Ausnahmen von der Innenhaftung, also ihr Umschlagen in eine Außenhaftung hatte der Bundesgerichtshof in seinem Grundsatzurteil vom 21.1.1997 zunächst offen gelassen4. Solche Ausnahmen werden mittlerweile anerkannt. Die Gründer haften im Außenverhältnis unbeschränkt, wenn die Eintragungsabsicht aufgegeben oder ihre Verwirklichung unmöglich geworden ist (vgl. zur „unechten Vorgesellschaft“ auch Rdnr. 162 f.)5. Nach BGHZ 152, 290 = NJW 2003, 429 = JZ 2003, 626 m. Anm. Langenbucher bleibt in einem solchen Fall der Vorzug der Binnenhaftung nur erhalten, wenn die Geschäftstätigkeit sofort beendet und die Vorgesellschaft abgewickelt wird. Anderenfalls geht die unbeschränkte Innenhaftung (Verlustdeckungshaftung) in eine unbeschränkte Außenhaftung über. Insbesondere im Fall der masselosen Insolvenz soll die Außenhaftung gelten6. Auch für den Fall der Einpersonengründung wird eine Ausnahme angenommen7. Schließlich wird vertreten, dass die Gesellschafter unmittelbar im Außenverhältnis haften, wenn die Vorgesellschaft vermögenslos8 oder geschäftsführerlos („führungslos“ i.S. von § 35 Abs. 1 Satz 2) und insol-

1 Dafür namentlich Dauner-Lieb, GmbHR 1996, 89 f.; Lutter, JuS 1997, 1076; Schütz, GmbHR 1996, 733. 2 Vgl. BGHZ 149, 273 = NJW 2002, 824 (betr. Vor-Genossenschaft). 3 Vgl. Karsten Schmidt, in: FS Goette, S. 459, 470. 4 BGHZ 134, 333, 341 = NJW 1997, 1507, 1509 = GmbHR 1997, 405, 408 = ZIP 1997, 679, 682; zust. BFHE 185, 356, 359 ff. = DStR 1998, 1129, 1131 m. Anm. Goette = NJW 1998, 2926, 2927 = ZIP 1998, 1149, 1150 f. 5 BGHZ 152, 290 = NJW 2003, 429 = JZ 2003, 626 m. Anm. Langenbucher; BAGE 86, 38, 42 = NJW 1998, 628, 629 = GmbHR 1998, 39, 40 = ZIP 1997, 2199, 2201; BFHE 185, 356, 359 = DStR 1998, 1129 m. Anm. Goette = NJW 1998, 2926, 2927 = GmbHR 1998, 854, 855 = ZIP 1998, 1149, 1150; LAG Berlin, NZG 1999, 355; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 33; Merkt, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 81; Kort, ZIP 1996, 111; Lutter, JuS 1998, 1077 f.; Monhemius, GmbHR 1997, 391; Wiegand, BB 1998, 1070. 6 BAG, NZG 2006, 507; Ulmer, in: Hachenburg, Rdnr. 67; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 27; Dauner-Lieb, GmbHR 1996, 91; Ulmer, ZIP 1996, 735; s. auch Gummert, DStR 1997, 1010. 7 BGHZ 134, 333, 341 = NJW 1997, 1507, 1509 = GmbHR 1997, 405, 408 = ZIP 1997, 679, 682; BGH, GmbHR 2001, 432 = NJW 2001, 2092; LG Braunschweig, GmbHR 2001, 920; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 27; Merkt, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 82; Schroeter, in: Bork/Schäfer, Rdnr. 36; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 84; Lutter, JuS 1998, 1077; Ulmer, ZIP 1996, 737; Wiegand, BB 1998, 1069. 8 BAGE 86, 38 = NJW 1998, 628 = GmbHR 1998, 39 = ZIP 1997, 2199; BFHE 185, 356 = DStR 1998, 1129 m. Anm. Goette = NJW 1998, 2926 = GmbHR 1998, 854 = ZIP 1998, 1149; BAG, DB 2006, 1146 = ZIP 2006, 1144; Merkt, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 84; Schroeter, in: Bork/Schäfer, Rdnr. 36; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 83; nur für die Unterbilanzhaftung nach Eintragung anders BGH, BB 2005, 2773 m. Anm. Gehrlein = DZWiR 2006, 118 m. Anm. Bräuer = EWiR 2006, 143 (Wilhelm) = GmbHR 2006, 88 = WuB II C § 11 GmbHG 1.06 m. Anm. Hennrich/Wojcik.

628

Karsten Schmidt

§ 11

Rechtszustand vor der Eintragung

vent1 ist oder wenn nur ein Gläubiger vorhanden ist (ein wohl rein theoretischer Fall)2. Eine Schwierigkeit soll allerdings darin liegen, dass der Gläubiger die zur Außenhaftung führende Sondersituation darlegen und im Streitfall beweisen muss3, weshalb nur im Fall der Einpersonengründung und der masselosen Insolvenz zur Inanspruchnahme der Gesellschafter geraten wird4. Diese Einschätzung deckt sich nicht mit der Realität. In der Mehrzahl der praktischen Haftungsfälle führt die Rechtsprechung deshalb im Ergebnis zur Außenhaftung, die nur aufgrund der Innenhaftungsprämisse als Ausnahmesituation ausgegeben wird. Dass ein Gläubiger, wenn er kein Scheitern der Gründung und Eintragung befürchtet, vernünftigerweise nicht gegen die Gründer klagt (und genau so wenig nach § 11 Abs. 2 gegen die Geschäftsführer), hat seinen ganz einfachen Grund darin, dass es im Fall der Eintragung keine Außenhaftung mehr gibt (Rdnr. 98, 130). b) Das Außenhaftungsmodell. Die hier bereits in den Vorauflagen vertretene Ge- 91 genansicht (8./9. Aufl., Rdnr. 80 ff.) spricht sich für unmittelbare und unbeschränkte Außenhaftung der Gründer zwischen der Gründung und der Eintragung der Gesellschaft aus5. Diese Außenhaftungslösung führt rechnerisch nicht zu einer schärferen Haftung als die Innenhaftungslösung, weil der Gesellschafter zur Regressnahme bei seinen Mitgesellschaftern befugt ist. Sie erlegt aber das Haftungs- und Regressrisiko von vornherein jedem Gründer auf. Dieses Konzept wurde mehrfach ausführlich begründet6. § 13 Abs. 2, wonach den Gläubigern nur das Gesellschaftsvermögen haftet, gilt erst von der Eintragung an. Die nun auch vom Bundesgerichtshof für unentbehrlich gehaltene unbeschränkte Gründerhaftung kann nur als Außenhaftung sinnvoll verwirklicht werden. Nach dem Binnenhaftungskonzept müsste der Gläubiger aus einem erst gegen die VorGmbH zu erwirkenden Titel in deren Forderungen gegen die einzelnen als Teil1 Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 83. 2 Dazu BGHZ 134, 333 = NJW 1997, 1507, 1509 = GmbHR 1997, 405, 408 = ZIP 1997, 679, 682; BAG, NZA 2001, 1247; OLG Dresden, GmbHR 1998, 186, 188; Merkt, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 83; Schroeter, in: Bork/Schäfer, Rdnr. 36; Lutter, JuS 1999, 1077; krit. Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 56. 3 Merkt, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 86; Schroeter, in: Bork/Schäfer, Rdnr. 36. 4 Merkt, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 86. 5 OLG Thüringen, GmbHR 1999, 772; LAG Köln, NZA 1997, 1053 = GmbHR 1997, 1148 = ZIP 1997, 1921 = DStR 1998, 179 m. Anm. Goette; LSG Stuttgart, NJW-RR 1997, 1463 = GmbHR 1997, 893 = ZIP 1997, 1651 m. Anm. Altmeppen; Nordhues, S. 102 ff., 124 ff.; Karsten Schmidt, GesR, § 34 III 3c; Raiser/Veil, Kapitalgesellschaften, § 26 Rdnr. 108 ff.; Wilhelm, Kapitalgesellschaftsrecht, Rdnr. 184; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 19; Michalski/Funke, in: Michalski, Rdnr. 67; Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 55 (aber unklar); Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 98 a.E.; Sandberger, in: FS Fikentscher, S. 408 ff.; Zöllner, in: FS Wiedemann, S. 1405 ff., 1412; Altmeppen, NJW 1997, 3272; Altmeppen, ZIP 1997, 273; Beuthien, GmbHR 1996, 312 ff.; Beuthien, BB 1996, 1340; Beuthien, ZIP 1996, 319; Flume, DB 1998, 45; Flume, Juristische Person, § 5 III 3 (S. 164); Kleindiek, ZGR 1997, 427; Michalski/Barth, NZG 1998, 527 f.; Raab, WM 1999, 1596 ff.; Raiser/Veil, BB 1996, 1344; Schwarz, ZIP 1996, 2007; Wilhelm, DB 1996, 922; Wilhelm, DStR 1998, 457 ff. 6 Karsten Schmidt, GesR, § 34 III 3c; Karsten Schmidt, in: Großkomm. AktG, 4. Aufl. 2003, § 41 AktG Rdnr. 84; Karsten Schmidt, in: FS Goette, 2011, S. 459, 463. Karsten Schmidt, ZHR 156 (1992), 93 ff.; Karsten Schmidt, ZIP 1996, 353 ff.; 1996, 593; 1997, 672 f.; zustimmend: Gummert, in: MünchHdb. III, § 16 Rdnr. 110, 113 ff.; Sandberger, in: FS Fikentscher, S. 409.

Karsten Schmidt

629

§ 11

Rechtszustand vor der Eintragung

schuldner haftenden Gründer in Höhe der (ihm nicht ohne weiteres bekannten) Geschäftsanteile vollstrecken und bei fruchtloser Vollstreckung neuerlich die Ausfallhaftungsforderungen nach § 24 geltend machen1. Einstweiliger Rechtsschutz direkt gegen die Gesellschafter wäre nicht zu erlangen. Das ist unbefriedigend. Auch die von der Rechtsprechung konzedierten Ausnahmen vom Binnenhaftungskonzept (Rdnr. 90) machen die Sache nicht besser. Institutionell und ex post belegen sie ein Versagen des Binnenhaftungsmodells (Außenhaftung in der Mehrzahl der praktischen Fälle); im Einzelfall und ex ante sind sie keine effektive Hilfe für die Gläubiger, weil diese nicht immer imstande sind, die angeblichen Voraussetzungen der Außenhaftung darzulegen. Besonders gilt dies für die Fälle der Vermögenslosigkeit oder des Vorhandenseins nur eines Gläubigers. Die Vermögenslosigkeit wird der Gläubiger häufig erst nach erfolgloser Vollstreckung oder nach erfolglosem Insolvenzantrag feststellen, und das Fehlen weiterer Gläubiger ist ein Zustand, der sich noch während des Prozesses ändern kann. Die Haftung ist also, wenn sie gebraucht wird, nur als Außenhaftung praktikabel. 92

Es besteht auch kein rechtfertigender Grund, die Gründer vor den Gefahren der Außenhaftung zu schützen2. Diese ist rechnerisch nicht strenger als die Binnenhaftung, denn auch bei dieser trifft bei Ausfall aller Mitgesellschafter die Gründerhaftung den einzig solventen Gründer nach § 24 voll. Der Unterschied zwischen Außen- und Binnenhaftung liegt in der Haftungsabwicklung. Er besteht nur darin, dass sich das „Regresskarussell“3 umkehrt (vgl. zum Regress bei der Außenhaftung Rdnr. 97)4. Soweit die Haftungsgefahr, wie warnend betont wird, GmbH-Gründungen verhindern sollte5, ist zu bedenken, dass eine GmbH, deren Gründer nicht einmal die vor der Eintragung auflaufenden Ingangsetzungsverluste tragen wollen, es nicht besser verdient hat6. Schließlich braucht auch kein Gründer vor einer mutwilligen Inanspruchnahme durch Gesellschaftsgläubiger geschützt zu werden. Da nämlich die Außenhaftung mit der Eintragung der GmbH entfällt (Rdnr. 157), wird ein Gläubiger die Gründer nicht mitverklagen, wenn er der Solvenz und Ertragsfähigkeit der Vor-GmbH traut7. Die angebliche Gefahr eines Gläubigerwettlaufs im Insolvenzfall8 spricht gleichfalls nicht gegen die Außenhaftung, denn bei eröffnetem Insolvenzverfahren führt § 93 InsO zu einer Innen-Abwicklung (Rdnr. 43), und bei Verfahrensablehnung mangels Masse wird gerade auch von den Befürwortern des Binnenhaftungskonzepts eine Außenhaftung bejaht (Rdnr. 90). Soweit schließlich „Strukturprinzipien des 1 Ebd. 2 Karsten Schmidt, ZIP 1996, 357, 593; zust. LAG Köln, NZA 1997, 1053 = GmbHR 1997, 1148 = ZIP 1997, 1921 = DStR 1998, 179 m. Anm. Goette; a.M. Merkt, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 79 („Schutz der Investoren“); Ulmer, ZIP 1996, 736. 3 Terminus des Verf.; vgl. ZIP 1996, 357, 599 und öfter; zusammenfassend Karsten Schmidt, in: FS Goette, S. 459, 461. 4 Karsten Schmidt, GesR, § 34 III 3c aa; Karsten Schmidt, in: Großkomm. AktG, 4. Aufl. 2003, § 41 AktG Rdnr. 84; Karsten Schmidt, in: FS Goette, S. 459, 463; Karsten Schmidt, ZIP 1996, 357, 599 (auch zum Terminus „Regress-Karussell“); zust. Sandberger, in: FS Fikentscher, S. 411. 5 Kort, ZIP 1996, 113. 6 Karsten Schmidt, ZIP 1996, 356. 7 Karsten Schmidt, ZIP 1996, 357. 8 Vgl. BGH, ZIP 1996, 590, 592.

630

Karsten Schmidt

§ 11

Rechtszustand vor der Eintragung

GmbH-Rechts“ gegen die Außenhaftung ins Feld geführt werden1, ist zu erwidern: Das seit BGHZ 134, 333 = GmbHR 1997, 405 = LM Nr. 38 zu § 11 = NJW 1997, 1507 gerade von der Rechtsprechung zugrunde gelegte „Strukturprinzip“ des Kapitalgesellschaftsrechts (wenn dieses große Wort auf die Haftungsdiskussion passt) besteht in der Abhängigkeit der Haftungsbeschränkung von der durch Registereintragung dokumentierten Prüfung der gesetzlichen Eintragungsvoraussetzungen2.

3. Die unbeschränkte Gründerhaftung für Verbindlichkeiten der Vorgesellschaft a) Die Voraussetzungen der unbeschränkten Haftung ergeben sich aus 93 Rdnr. 86 ff.: Es muss eine Vorgesellschaft und eine Verbindlichkeit der Vorgesellschaft vorliegen. Mehr ist nicht zu verlangen. Es muss sich nicht um unternehmerische, über das Gründungsnotwendige hinausgehende Geschäfte handeln (allerdings wird dies, wenn die Haftungsfrage praktisch wird, i.d.R. gegeben sein). Der Haftende muss eine unternehmerische Tätigkeit in Anbetracht der bei Rdnr. 73 mitgeteilten Wertungsgrundlagen auch nicht gebilligt oder auch nur gekannt und geduldet haben (anders noch 7. Aufl.), denn hierauf kommt es nur für das Innenverhältnis an. Die hier angenommene Außenhaftung ist eine gesetzliche akzessorische Haftung3. Sie ist am Modell der §§ 128 ff. HGB orientiert. Auf das abweichende Konzept der Rechtsprechung wurde bei Rdnr. 88 f. hingewiesen: Nach BGHZ 134, 333 = LM Nr. 38 zu § 11 GmbHG m. Anm. Noack = DStR 1997, 625 m. Anm. Goette = GmbHR 1997, 405 = NJW 1997, 1507 handelt es sich um eine Innenhaftung gegenüber der Gesellschaft, die aber in eine Außenhaftung umschlagen kann (Rdnr. 90). b) Der Umfang der Haftung erfasst einheitlich sämtliche Verbindlichkeiten der 94 Vorgesellschaft. Als gesetzliche Haftung ist die unbeschränkte Haftung der Gründer für rechtsgeschäftliche wie für gesetzliche Verbindlichkeiten der Gesellschaft einheitlich zu begründen4. Es bedarf bei rechtsgeschäftlichen Verbindlichkeiten keiner Doppelverpflichtung der Gesellschaft und der Gründer durch den Geschäftsführer (§§ 164, 727 BGB), um die persönliche Haftung zu begründen5. Es bedarf also auch nicht einer Vertretungsmacht für die Gründer6. Erfasst sind nicht nur rechtsgeschäftliche Verbindlichkeiten, sondern auch Verbindlichkeiten aus gesetzlichen Schuldverhältnissen, z.B. auch Beitrags- und Steuer-

1 Ulmer, ZIP 1996, 736. 2 Zust. LAG Köln, NZA 1997, 1053 = GmbHR 1997, 1148 = ZIP 1997, 1921 = DStR 1998, 179 m. Anm. Goette. 3 Karsten Schmidt, oHG, S. 335 ff.; Theobald, S. 80 ff., 135; Gummert, in: MünchHdb. III, § 16 Rdnr. 81. 4 Zust. OLG Frankfurt, GmbHR 1994, 708; Gummert, in: MünchHdb. III, § 16 Rdnr. 84. 5 Vgl. demgegenüber noch Ulmer, in: Hachenburg, 7. Aufl., Rdnr. 61. Ulmer hat die Doppelverpflichtungslehre inwischen sogar bei der Gesellschaft bürgerlichen Rechts aufgegeben (Ulmer, ZIP 1999, 563 ff.). 6 Vgl. Theobald, S. 76 ff.; aber str.; a.M. früher noch BGHZ 65, 378, 382 = NJW 1976, 419, 420 = GmbHR 1976, 65, 66; BGHZ 72, 45, 49 = NJW 1978, 1978, 1979 = GmbHR 1978, 232; BGHZ 86, 122, 125 = NJW 1983, 876, 877 = GmbHR 1976, 46, 47; BayObLG, DB 1986, 106.

Karsten Schmidt

631

§ 11

Rechtszustand vor der Eintragung

schulden der Gesellschaft (vgl. Rdnr. 201)1. Dazu braucht man nicht die Gründer zu Steuerschuldnern, Arbeitgebern etc. zu erklären (zur Vorgesellschaft als Arbeitgeberin vgl. Rdnr. 36)2, vielmehr geht es nur um ihre Haftung für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft als Steuerschuldnerin, Arbeitgeberin etc. Erfasst sind nicht nur Verbindlichkeiten, die nach der Aufnahme unternehmerischer Tätigkeit eingegangen wurden, sondern auch Altverbindlichkeiten, sogar solche, die die Vorgesellschaft gemäß § 25 HGB, § 613a BGB von einem Rechtsvorgänger übernommen hat (dazu Rdnr. 81)3. Der gesetzliche Grundgedanke, dass sich die einmal eingetretene unbeschränkte Haftung ohne Unterschied auf alle neuen und alten Gesellschaftsverbindlichkeiten beziehen soll (vgl. § 130 HGB), passt auch hier4. Ansprüche von Mitgesellschaftern aus Drittleistungsverhältnissen sind unter denselben Voraussetzungen erfasst wie bei einer oHG5. 95

c) Die unbeschränkte akzessorische Haftung unterliegt allgemeinen Grundsätzen der persönlichen Gesellschafterhaftung, wie sie den §§ 128–130 HGB sinngemäß entnommen werden können6. Sie ist eine Außenhaftung, kann also von den Gläubigern unmittelbar geltend gemacht werden (Rdnr. 91; zur Innenhaftung im Liquidations- oder Insolvenzfall vgl. Rdnr. 43, 65, 92). Sie ist eine Primärhaftung7. Sie ist eine gesamtschuldnerische: Im Verhältnis zur Gesellschaftsschuld besteht Akzessorietät (Rdnr. 83), im Verhältnis der Gesellschafter untereinander besteht eine Gesamtschuld (a.M. das bei Rdnr. 88 f. geschilderte Innenhaftungskonzept: Haftung pro rata mit Ausfallhaftung analog § 24)8. Der unbeschränkt haftende Vorgesellschafter kann Einwendungen und Einreden unter denselben Voraussetzungen geltend machen wie der Gesellschafter einer oHG (vgl. § 129 HGB)9. Wer durch Eintritt oder Anteilserwerb (Rdnr. 49) neu hinzukommt, haftet, wenn die Haftungsvoraussetzungen nach Rdnr. 93 erfüllt sind, unbeschränkt auch für Altverbindlichkeiten der Vorgesellschaft (vgl. sinngemäß § 130 HGB). Aus dem handelsrechtlichen Haftungssystem der §§ 25, 28, 130 wird man sogar zu folgern haben, dass die persönliche Gesellschafterhaftung der Vor-Gesellschafter die nach § 25 HGB auf die Gesellschaft übergegangenen Altverbindlichkeiten eines eingebrachten Unternehmens (Rdnr. 72) mit um1 Vgl. für Umsatzsteuerschulden FG Hannover, GmbHR 1984, 51; für Beiträge zur gesetzlichen Unfallversicherung BSG, DB 1986, 1291 = ZIP 1986, 645 = EWiR § 11 GmbHG 1/86 m. abl. Anm. Fleck; BSG, DB-Beil. 27/1986, S. 6; LAG Frankfurt, GmbHR 1992, 178; OLG Saarbrücken, GmbHR 1992, 307, 308 m. Anm. Jestaedt; im Ergebnis auch OLG Frankfurt, GmbHR 1994, 708 (Sozialversicherung); v. Einem, DB 1987, 612 ff.; eingehend Beuthien, BB 1996, 1337 ff. 2 So aber OLG Frankfurt, GmbHR 1994, 708. 3 Wie hier im Ergebnis OLG Saarbrücken, JZ 1952, 35 m. Anm. Weipert; Theobald, S. 138 ff.; a.M. noch Karsten Schmidt, oHG, S. 340: nur bei Umwandlung der Gesellschaft in eine nicht eingetragene Dauergesellschaft. 4 A.M. noch Karsten Schmidt, oHG, S. 338 ff. 5 Karsten Schmidt, oHG, S. 340. 6 Zu dieser Konsequenz der hier vertretenen Ansicht vgl. auch Merkt, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 93. 7 A.M. Wulf-Henning Roth, ZGR 1984, 626 f.; eines Schutzes durch eine Einrede der Vorausklage bedarf es nicht; in praxi wird jede Gesellschafterhaftung wie eine Ausfallhaftung abgewickelt, aber geklagt werden kann sofort und unbedingt. 8 Für eine bloße Teilschuld-Haftung ohne Ausfallhaftung nach § 24 vereinzelt Beuthien, in: FS Hadding, S. 320 ff. 9 Vgl. zur Akzessorietät der Haftung Karsten Schmidt, oHG, S. 343 ff.

632

Karsten Schmidt

§ 11

Rechtszustand vor der Eintragung

fasst, wenn dieses Unternehmen von der noch nicht eingetragenen (Vor-) GmbH fortgeführt wird (Rdnr. 44). Als Außenhaftung unterliegt die Haftung im Fall der Auflösung der Vor-GmbH entsprechend § 159 Abs. 1 HGB einer fünfjährigen Enthaftungsfrist1. Eine Verjährung analog § 9 Abs. 2 bzw. § 160 HGB (Rdnr. 149) kommt erst nach der Eintragung der Gesellschaft in Betracht (dazu Rdnr. 143)2. Auf die Außenhaftung passt sie nicht. d) Eine Haftungsbeschränkung kann nicht durch den Gesellschaftsvertrag, wohl 96 aber durch Rechtsgeschäft mit dem individuellen Gläubiger herbeigeführt werden3. Entgegen BGHZ 72, 45, 50 = NJW 1978, 1978, 1979 = GmbHR 1978, 232 genügt hierfür nicht, dass der Vertreter im Namen einer „GmbH“ handelt. Die hier in den Vorauflagen kritisierte ältere Rechtsprechung über die Haftungsbeschränkung durch erkennbares Handeln für eine Vor-GmbH ist durch das Grundsatzurteil BGHZ 134, 333 = LM Nr. 38 zu § 11 GmbHG m. Anm. Noack = DStR 1997, 625 m. Anm. Goette = GmbHR 1997, 405 = NJW 1997, 1507 ausdrücklich aufgegeben worden. Die Tatsache allein, dass der Handelnde das Interesse der Gesellschafter an beschränkter Haftung zum Ausdruck bringt, genügt nicht für die Haftungsbeschränkung. Auch ein ausdrückliches Handeln im Namen einer „GmbH i.G.“ beschränkt die Haftung nicht (vgl. auch zur Handelndenhaftung Rdnr. 118). Dieses Auftreten unterstreicht im Gegenteil den haftungsbegründenden Tatbestand. Um eine Vertrauenshaftung, die durch Information des Vertragsgegners behoben würde, handelt es sich nicht.

4. Regressansprüche Ein Rückgriffsanspruch (vor Zahlung: ein Befreiungsanspruch) der Gesellschaf- 97 ter besteht im Fall ihrer persönlichen Haftung (Rdnr. 90 ff.) entsprechend § 110 HGB gegenüber der Gesellschaft4. Allerdings gilt dies nur, soweit nicht die Vorbelastungshaftung nach Rdnr. 139 ff. Platz greift. Das bedeutet: Die Gesellschafter haben im Innenverhältnis Anlaufverluste in Gestalt von Haftungsverbindlichkeiten, die eine Unterbilanz herbeiführen oder verschärfen, zu tragen und können insoweit keinen Regress bei der Gesellschaft nehmen (vgl. zur Geltung der Kapitalschutzregeln Rdnr. 62)5. Diese dann regresslose Haftung ist deckungsgleich mit der vom BGH angenommenen Binnenhaftung der Gründer (zu ihr vgl. Rdnr. 88 f.). Erst wenn die Unterbilanz behoben ist, kann der Regressanspruch wieder geltend gemacht werden (die Gesellschaft schuldet Regress aus dem zur Erhaltung des Stammkapitals nicht erforderlichen Reinvermögen; vgl. auch die Wertung bei Rdnr. 150). Die Gesellschafter untereinander können sich nach § 426 BGB ausgleichen6. Es haften die Mitgesellschafter als Teilschuldner nach Maßgabe ihrer Beteiligung am Gewinn und Verlust, also regelmäßig nach 1 A.M. BGHZ 149, 273, 275 = NJW 2002, 824 f. (betr. Vor-Genossenschaft). 2 A.M. BGHZ 149, 273, 275 = NJW 2002, 824 f. (betr. Vor-Genossenschaft). 3 Karsten Schmidt, oHG, S. 345; zust. Gummert, in: MünchHdb. III, § 16 Rdnr. 87; s. auch Merkt, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 94. 4 Karsten Schmidt, oHG, S. 356 f.; Karsten Schmidt, GmbHR 1973, 152; zust. Gummert, in: MünchHdb. III, § 16 Rdnr. 91; vgl. auch noch Ulmer, in: Hachenburg, 7. Aufl., Rdnr. 67; krit. Theobald, S. 142. 5 Insoweit überzeugend Theobald, S. 142. 6 Karsten Schmidt, oHG, S. 357; Theobald, S. 142.

Karsten Schmidt

633

§ 11

Rechtszustand vor der Eintragung

Maßgabe der übernommenen Stammeinlagen. Sind alle Gründer solvent, so haften sie im Ergebnis nicht anders als nach dem Binnenhaftungskonzept des BGH. Auch wenn haftende Gründer ausfallen, besteht im Ergebnis kein Unterschied (Rdnr. 88–92). Nur das Regresskarussell dreht sich anders herum (Rdnr. 92): Nach der hier vertretenen Ansicht tritt der vom Gläubiger in Anspruch genommene Gründer gleichsam in Vorlage und muss selbst den Regress bei den Mitgründern suchen. Soweit die Gesellschaft analog § 110 HGB selbst in Regress genommen werden kann, ist die Regresshaftung der Mitgesellschafter nur eine subsidiäre1. Wer haftet, obwohl er dem Geschäftsbeginn nicht zugestimmt hatte (Rdnr. 93), kann auch den Handelnden (§ 11 Abs. 2) in Regress nehmen.

5. Haftungsfolgen der Eintragung oder des Scheiterns der Eintragung 98

a) Eintragung: Wird die Gesellschaft eingetragen, so endet eine nach Rdnr. 93 ff. begründete unbeschränkte persönliche Außenhaftung2. Im Außenverhältnis gilt nunmehr § 13 Abs. 2: Für die Verbindlichkeiten der GmbH haftet nur noch das Gesellschaftsvermögen. Der Entstehungsgrund dieser Außenhaftung, die Unternehmensführung ohne legitimierte Haftungsbeschränkung, entfällt, und es besteht kein Grund mehr, die Altgläubiger der bisherigen Vor-GmbH gegenüber den Neugläubigern der GmbH durch eine persönliche Gesellschafterhaftung zu privilegieren. Wer schon Ansprüche gegen die Vorgesellschaft hatte, kann deshalb nicht mehr, ohne mit den Neugläubigern der GmbH zu konkurrieren, direkt gegen die Gesellschafter vorgehen. Die Enthaftung tritt allerdings nur im Außenverhältnis ein. Unter den bei Rdnr. 141 ff. geschilderten Voraussetzungen setzt sie sich als Vorbelastungshaftung gegenüber der GmbH fort3. Diese Vorbelastungshaftung tritt als Innenhaftung an die Stelle der vor der Eintragung bestehenden Außenhaftung (nach dem bei Rdnr. 88 f. geschilderten Innenhaftungsmodell des BGH ist sie nichts anderes als die akkumulierte persönliche Gründer-Innenhaftung). Der von Kritikern der hier vertretenen Auffassung befürchtete „Verlust an Haftungsmasse“ tritt nach dieser Lösung nicht ein4.

99

b) Scheitern der Eintragung: Das Scheitern der Eintragung führt auch nach dem bei Rdnr. 88 f. dargestellten Binnenhaftungskonzept der Rechtsprechung zur unbeschränkten Außenhaftung (vgl. Rdnr. 90). Unbeschränkt haften die Gesellschafter unstreitig dann, wenn sie das Unternehmen in diesem Fall ohne Liqui1 Krit. Theobald, S. 142. 2 Vgl. teils unter Annahme einer beschränkten Außenhaftung, BGHZ 80, 129, 144 = NJW 1981, 1373, 1376 = GmbHR 1981, 114, 118; BGH, BB 1983, 1433; FG Hannover, GmbHR 1984, 51; Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 50; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/ Schmidt-Leithoff, Rdnr. 33, 104; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 32; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 66; Fleck, GmbHR 1983, 13 f.; Flume, in: FS v. Caemmerer, S. 528 f.; Karsten Schmidt, oHG, S. 347 ff.; Karsten Schmidt, GmbHR 1973, 151; Karsten Schmidt, NJW 1981, 1347; Karsten Schmidt, ZHR 156 (1992), 121 ff.; Theobald, S. 140; Zöllner, in: FS Wiedemann, S. 1413; Wiedemann, JurA 1970, 456 f.; Dreher, DStR 1992, 37; a.M. OLG Saarbrücken, GmbHR 1992, 307, 308 f. m. Anm. Jestaedt; Schultz, JuS 1982, 738 f.; Beuthien, ZIP 1996, 362. 3 Insofern jetzt ähnlich Merkt, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 95; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 121. 4 Vgl. Karsten Schmidt, ZHR 156 (1992), 124 f., in Reaktion auf Stimpel, in: FS Fleck, S. 351 f.

634

Karsten Schmidt

§ 11

Rechtszustand vor der Eintragung

dationsanstrengungen fortführen (Rdnr. 162 f.). Aber es wurde auch schon vor 1997 vertreten, dass das Scheitern der Eintragung per se zur unbeschränkten Haftung führt1. Dies ließ die Frage entstehen, ob die unbeschränkte Außenhaftung nur Neuverbindlichkeiten erfasst, oder ob die Haftung rückwirkend eintritt2. Vorgeschlagen wurde auch eine interne Verlustausgleichshaftung der Gesellschafter gegenüber der in Liquidation befindlichen Vorgesellschaft3. Seit dem Urteil BGHZ 134, 333 = LM Nr. 38 zu § 11 = NJW 1997, 1507 m. Anm. Altmeppen steht fest, dass nach Scheitern der Eintragung für alle, auch für die schon bestehenden Verbindlichkeiten, unbeschränkt gehaftet wird (Rdnr. 88 ff.). Nach BGHZ 152, 290 = NJW 2003, 429 tritt unbeschränkte Außenhaftung ein, wenn nicht die Geschäftstätigkeit im Fall eines Scheiterns der Eintragung sofort eingestellt wird, und zwar für alle, auch die bereits vorhandenen Geschäftsverbindlichkeiten. Nach der hier vertretenen Auffassung bedarf es dieser Überlegungen nicht. Für alle Gesellschaftsverbindlichkeiten haften die Gesellschafter persönlich und unbeschränkt (Rdnr. 93 ff.). Diese Haftung entsteht nicht erst mit dem Scheitern des Eintragungsantrags (Rdnr. 88 f.). Sie ist eine Außenhaftung (Rdnr. 91 f.). Aber sie kann im Liquidations- oder Insolvenzfall in Gestalt von Nachschussforderungen zu Gunsten der Masse geltend gemacht werden (Rdnr. 43, 65, 92, 160). c) Fall der „unechten Vorgesellschaft“: Setzen die Gesellschafter ohne Eintra- 100 gungsabsicht die als GmbH errichtete Gesellschaft fort, betreiben sie z.B. ein Unternehmen unter der Firma einer „GmbH in Gründung“, so haften sie auch nach der h.M. unbeschränkt im Außenverhältnis. Dieser Fall, der meist mit dem Schlagwort „unechte Vorgesellschaft“ belegt wird, wird vor allem dann praktisch, wenn die GmbH-Gründung scheitert, aber keine Liquidation stattfindet (vgl. Rdnr. 162). Nach der hier vertretenen Ansicht (Rdnr. 91 f.) bedarf es für die Außenhaftung nicht des Beweises, dass die Eintragungsabsicht fehlt oder dass die Eintragung objektiv unmöglich ist.

VII. Die Haftung der Handelnden nach § 11 Abs. 2 Schrifttum: (vgl. zunächst die Angabe bei Rdnr. 1, 85): Bergmann, Die HandelndenHaftung als Ausgleich fehlender Registerpublizität, GmbHR 2003, 563; Beuthien, Regeln die Vorschriften über die Handelndenhaftung einen Sonderfall des Handelns ohne Vertretungsmacht? – Zum Verhältnis der §§ 54 S. 2 BGB, 11 Abs. 2 GmbHG, 41 Abs. 1 S. 2 AktG zu § 179 BGB, GmbHR 1996, 561; Brock, Die Haftungssituation des Geschäftsführers der GmbH und ihre Begrenzung im Bereich der Vorgesellschaft, 1987; Fantur, Das Haftungssystem der GmbH-Vorgesellschaft, Wien 1997; Fleck, Die neuere Rechtsprechung zur Vorgesellschaft und zur Haftung der Handelnden, ZGR 1975, 212; Heerma, Die Haftung des Handelnden beim Mantelkauf, GmbHR 1999, 640; Hennerkes/Binz, Zur Handelndenhaftung im Gründungsstadium der GmbH & Co., DB 1982, 1971; Jestaedt, Weitere Einschränkungen der Haftung aus § 11 Abs. 2 GmbH-Gesetz?, MDR 1996, 541; Jula, Gestaltungsmöglichkeiten des Geschäftsfüh-

1 Knoche, S. 185 ff.; Huber, in: FS Fischer, S. 283 f. (als Vorschlag de lege ferenda); Priester, ZIP 1982, 1151 f.; einschränkend Fleck, GmbHR 1983, 15; Maulbetsch, DB 1984, 1563. 2 Für Rückwirkung Merkt, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 96; Priester, ZIP 1982, 1152; Maulbetsch, DB 1984, 1563. 3 Baumbach/Hueck, 15. Aufl., Rdnr. 30; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 91; Lieb, in: FS Stimpel, S. 414.

Karsten Schmidt

635

101

§ 11

Rechtszustand vor der Eintragung

rers einer GmbH i.G. zum Ausschluss oder zur Abschwächung der Handelndenhaftung, BB 1995, 1597; Klein, Der Rückgriffsanspruch des Handelnden gegen die Gründer einer Vor-GmbH, 1993; Lieb, Abschied von der Handlungshaftung, DB 1970, 961; André Meyer, Die Abhängigkeit der Haftung des Handelnden von der Vertretungsmacht für die Vor-GmbH, GmbHR 2002, 1176; Michalski/Funke, Haftung nach § 11 II GmbHG für rechtsgeschäftsähnliches Handeln, NZG 1998, 248; Petersen, Spannungsverhältnis zwischen Gründerhaftung und Handlungshaftung …, Diss. Mainz 1985; Riedel/Rabe, Die Vorhaftung bei der Vorgesellschaft, NJW 1966, 1004; 1968, 873; Wulf-Henning Roth, Die Gründerhaftung im Recht der Vor-GmbH, ZGR 1984, 597; Hubert Schmidt, Der Regressanspruch des Fremdgeschäftsführers gegen die Gesellschafter der Vor-GmbH, GmbHR 1988, 129; Karsten Schmidt, Der Funktionswandel der Handelndenhaftung im Recht der Vorgesellschaft, GmbHR 1973, 146; Michael Scholz, Die Haftung im Gründungsstadium der GmbH, 1979; Theobald, Vor-GmbH und Gründerhaftung, 1984; Thümmel/Sparberg, Haftungsrisiken der Vorstände, Geschäftsführer, Aufsichtsräte und Beiräte sowie deren Versicherbarkeit, DB 1995, 1013; Weimar, Abschied von der Gesellschafter- und Handelndenhaftung im GmbH-Recht?, GmbHR 1988, 289; Weimar, Grundprobleme und offene Fragen um den faktischen GmbH-Geschäftsführer (I), GmbHR 1997, 473; Werner, Mantelgründung und Handelndenhaftung – Stellungnahme zu KG, NZG 1998, 731 f., NZG 1999, 146.

1. Grundlagen der Handelndenhaftung 102 a) Nach § 11 Abs. 2 haften die Handelnden persönlich und solidarisch, wenn vor der Eintragung im Namen der Gesellschaft gehandelt worden ist. Die Vorschrift ist auf Grund von überholten gesetzlichen Grundlagen entstanden. Der Gesetzgeber von 1892 hat die aus dem Aktienrecht bekannte Haftung kommentarlos übernommen1. Historische Grundlage ist deshalb Art. 211 ADHGB, der ursprünglich auf das Vorbelastungsverbot im Konzessionssystem zugeschnitten war (Rdnr. 2, 44) und das Handeln im Namen einer nicht konzessionierten Kapitalgesellschaft unterbinden sollte2. Diese historische Grundlage war nicht ohne Einfluss auf den früher angenommenen Normzweck. Sie erklärt die früher angenommene sog. Straffunktion des § 11 Abs. 23. Danach war die Haftung eine Reaktion des Zivilrechts auf unerlaubtes Handeln im Namen einer vor dem Recht noch nicht bestehenden juristischen Person. Schon in der Rechtsprechung des RG trat dann immer mehr die Sicherungsfunktion des § 11 Abs. 2 in Erscheinung. Diese Sicherungsfunktion wurde traditionellerweise darin erblickt, dass den Gläubigern an Stelle der GmbH jedenfalls ein Schuldner, nämlich der Handelnde, zur Verfügung stehen solle4. Hierauf beruht die Annahme, es handle sich um eine der Regel des § 179 BGB (Haftung des Vertreters ohne Vertretungsmacht) nahe stehende Regelung5. Auch diese Deutung ist seit der Aufgabe des 1 Begründung 1891, S. 57; rechtsvergleichend zum Aktienrecht Heller, RIW 2010, 139 ff. 2 Vgl. eingehend Rittner, S. 111 ff., 365; Karsten Schmidt, oHG, S. 328 ff.; Reuter, in: MünchKomm. BGB, 6. Aufl. 2012, §§ 21, 22 BGB Rdnr. 103. 3 Vgl. dazu RGZ 47, 1, 2; RGZ 55, 302, 304; RGZ 70, 296, 301; vgl. noch Riedel, BB 1974, 1459. 4 BGHZ 47, 25, 29 f.; BGHZ 53, 210, 214; BGHZ 65, 378, 380 f.; BGHZ 66, 359, 360; BGHZ 69, 95, 103; BGHZ 76, 320, 323; OLG Brandenburg, ZIP 1998, 2095 = GmbHR 1998, 1031. 5 So heute noch mit Hinweis auf die auch hier betonte ungenügende Sicherung des GmbH-Vermögens Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 21 (vgl. auch ebd. Rdnr. 23: Handeln für die „noch nicht existierende GmbH“).

636

Karsten Schmidt

§ 11

Rechtszustand vor der Eintragung

Vorbelastungsverbots durch BGHZ 80, 129 = NJW 1981, 1373 = GmbHR 1981, 114 (Rdnr. 45) überholt, denn der Handelnde haftet, jedenfalls in der Regel, nicht an Stelle einer noch nicht vorhandenen Gesellschaft, sondern er haftet neben der vorhandenen und nur noch nicht eingetragenen GmbH1. b) Der Sinn und Zweck der Handelndenhaftung ist von einem Funktionswandel 103 der Handelndenhaftung bestimmt2. Aus heutiger Sicht steht die Funktion im Vordergrund, die vor der Eintragung noch ungesicherte Erfüllung der Normativbestimmungen durch die Haftung jedenfalls einer Person auszugleichen und hierdurch den Gläubiger zu sichern3. Besonders vordringlich muss diese Haftungsfunktion denjenigen erscheinen, die die Gründer (wie bis 1996 der BGH) als Gesellschafter nur beschränkt oder überhaupt nicht haften lassen (Rdnr. 86). Bei BGHZ 91, 148, 152 = NJW 1984, 2164, 2165 = GmbHR 1984, 316, 317 wurde sogar ganz maßgeblich auf den Ersatz für die, nach der damaligen Rechtsprechung des BGH ja fehlenden, unbeschränkten Gesellschafterhaftung abgestellt. Im Ergebnis kommt der gläubigersichernden Funktion auch dann maßgebliche Bedeutung zu, wenn man die persönliche Haftung der Gesellschafter bejaht, denn es geht um ein Handeln im Namen einer zwar schon existierenden, aber noch nicht endgültig auf Einhaltung der gesetzlichen Normativbestimmungen geprüften Gesellschaft4. Umstritten ist, ob § 11 Abs. 2 daneben auch die Funktion hat, die Organe der Vorgesellschaft zu einer Beschleunigung des Eintragungsverfahrens anzuhalten (sog. Druckfunktion). Diese Nebenfunktion ist zu bejahen5. Sie wird von einer zunehmend vertretenen Ansicht in Zweifel gezogen6, dies insbesondere mit dem Hinweis, dass die Organe die Dauer des Eintragungsverfahrens nicht bestimmen können7. So richtig das aber ist, so unleugbar ist doch das Interesse des Rechtsverkehrs an raschen und ordentlichen Anmeldungen bzw. Reaktionen auf Zwischenverfügungen. Das Betreiben des Eintra1 Vgl. BGHZ 80, 129, 136 = NJW 1981, 1373, 1374 = GmbHR 1981, 114, 116; Karsten Schmidt, GmbHR 1973, 149; Karsten Schmidt, NJW 1981, 1347; zust. Theobald, S. 41; John, BB 1982, 512. 2 Zusammenfassend BGH, NJW 2004, 2519 = ZIP 2004, 1409 (zu § 41 Abs. 1 Satz 2 AktG); eingehend Karsten Schmidt, GmbHR 1973, 146 ff.; vgl. seither etwa Merkt, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 117 ff.; Beuthien, GmbHR 1996, 561 ff.; Bergmann, GmbHR 2003, 563 ff. 3 BGHZ 80, 129, 133 = NJW 1981, 1373, 1374 = GmbHR 1981, 114, 115; BGHZ 80, 182, 184 = NJW 1981, 1452 = GmbHR 1981, 192, 193; BGHZ 91, 148, 152 = NJW 1984, 2164, 2165 = GmbHR 1984, 316, 317; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 24; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 45; Michalski/Funke, in: Michalski, Rdnr. 85; Ostheim, JurBl. 1978, 347 ff.; Ostheim, GesRZ 1982, 125. 4 Vgl. Karsten Schmidt, GesR, § 34 III 3d; Derwisch-Ottenberg, S. 55 ff.; Klein, S. 24 f.; Michalski/Funke, in: Michalski, Rdnr. 88; Bergmann, GmbHR 2003, 563; vgl. auch Merkt, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 119: „Ausgleichsfunktion“. 5 Vgl. BGH, LM Nr. 10 zu § 11 GmbHG; BGHZ 47, 25, 29 = NJW 1967, 828, 829; OLG Karlsruhe, GmbHR 1998, 239 = ZIP 1998, 958; Dregger, S. 107; Karsten Schmidt, oHG S. 358; Karsten Schmidt, GmbHR 1973, 146, 152; zust. Gummert, in: MünchHdb. III, § 16 Rdnr. 92; vgl. auch Ostheim, GesRZ 1982, 125; nur referierend Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 45; Michalski/Funke, in: Michalski, Rdnr. 86; ablehnend offenbar BGH, NJW 2004, 2519 = ZIP 2004, 1409 (zu § 41 Abs. 1 Satz 2 AktG). 6 BGHZ 69, 95, 103 = NJW 1977, 1683, 1685 = GmbHR 1977, 246, 248; Klein, S. 20 („ungewollte Nebenwirkung“); Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 124; Fleck, GmbHR 1983, 5, 13. 7 Dazu auch Merkt, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 120.

Karsten Schmidt

637

§ 11

Rechtszustand vor der Eintragung

gungsvorgangs ist vor allem auch für die Enthaftung der Gründungsbeteiligten von erheblicher Bedeutung (vgl. dazu Rdnr. 98). Sie müssen die Haftungsrisiken aus Geschäften im Gründungsstadium tragen (Rdnr. 88 f.) und sind auf schleunige Eintragung angewiesen. Mindestens als rechtspolitischer Nebeneffekt bleibt deshalb die Druckfunktion von Belang. 104 c) Die Handelndenhaftung ist eine Organhaftung1. Nur wer als Geschäftsführer bestellt ist oder als faktischer Geschäftsführer die Aufgaben eines Geschäftsführers wahrnimmt, kann nach § 11 Abs. 2 haften (Rdnr. 112 ff.). Als Organhaftung ist die Handelndenhaftung systematisch streng von der bei Rdnr. 86 ff. besprochenen Gesellschafterhaftung zu unterscheiden2. Sie tritt ggf. nicht nur neben die Haftung der Gesellschaft, sondern unter den bei Rdnr. 90 ff. besprochenen Voraussetzungen auch neben die persönliche Haftung der Gesellschafter3. Ein Gesellschafter-Geschäftsführer kann aus beiden Anspruchsgrundlagen persönlich haften. 105 d) Die Handelndenhaftung ist keine Rechtsscheinhaftung (Vertrauenshaftung). Sie dient dem Verkehrsschutz beim Handeln im Namen einer noch nicht eingetragenen GmbH, aber es kommt nicht darauf an, ob der Vertragspartner die Gesellschaft für bereits eingetragen hielt (vgl. auch Rdnr. 112, 121). Verkehrsschutz und Vertrauenshaftung sind nicht dasselbe. 106 e) Rechtspolitisch wird die Haftungsbestimmung vielfach kritisiert4. Richtig ist, dass sie nicht mehr dieselbe Berechtigung und Tragweite haben kann wie noch im Jahr 1892 (Rdnr. 5, 102). Aber der Sinnwandel der Bestimmung (Rdnr. 103) lässt die Haftung auch heute nicht als obsolet oder völlig verfehlt erscheinen5. Wie in der Literatur betont wird, könnte eine Beseitigung der Haftungsbestimmung sogar gegen Art. 7 der Ersten gesellschaftsrechtlichen Richtlinie der EG (Publizitätsrichtlinie)6 verstoßen. De lege lata abzulehnen ist jedenfalls die im Schrifttum vorgetragene Forderung, § 11 Abs. 2 solle von der Rechtsprechung nicht mehr angewandt werden7. Diese These verwechselt die Lehre vom Wandel der Normsituation mit dem hier nicht zum Zuge kommenden Grundsatz „cessante ratione legis cessat lex ipsa“.

1 Karsten Schmidt, GesR, § 34 III 3d aa; Karsten Schmidt, oHG, S. 350; Karsten Schmidt, GmbHR 1973, 147; Gummert, in: MünchHdb. III, § 16 Rdnr. 94; Theobald, S. 31 m.w.N. 2 Vgl. dazu Karsten Schmidt, GmbHR 1973, 149 ff. 3 Vgl. Theobald, S. 43. 4 Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 124; Lieb, DB 1970, 967; Lieb, in: FS Stimpel, S. 405; Fleck, LM Nr. 20 zu § 11 GmbHG; Weimar, GmbHR 1988, 289; Weimar, AG 1992, 77; s. auch Fantur, S. 30; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 107. 5 Wie hier jetzt Merkt, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 121. 6 ABl. EG L Nr. 65 v. 14.3.1968, S. 8 = Lutter, Europäisches Unternehmensrecht, 4. Aufl. 1996, S. 107 ff.; dazu Lutter/Hommelhoff, 13. Aufl., Rdnr. 17; Klein, S. 32 f.; Sandberger, in: FS Fikentscher, S. 417; Werner, NZG 1999, 148. 7 So Weimar, GmbHR 1988, 289 f.; Weimar, GmbHR 1997, 478 Fn. 47.

638

Karsten Schmidt

§ 11

Rechtszustand vor der Eintragung

2. Sachlicher Anwendungsbereich: nur bei Vorgesellschaften a) Voraussetzung der Haftung ist, dass für eine Vorgesellschaft gehandelt wurde. 107 Im Vorgründungsstadium gilt § 11 Abs. 2, wie seit geraumer Zeit auch der BGH1 anerkennt, nicht (Rdnr. 24). Umgekehrt gilt § 11 Abs. 2 nicht, wenn die GmbH bereits eingetragen ist2. Dies gilt auch dann, wenn der Geschäftspartner glaubt, die Gesellschaft sei noch nicht eingetragen, z.B. weil der Geschäftsführer sie noch als „GmbH i.G.“ bezeichnet hatte. Weder ist § 11 Abs. 2 selbst ein Rechtsscheintatbestand (Rdnr. 105), noch kann sich ein Dritter darauf berufen, er habe mit dieser Haftung gerechnet. Es kommt nur auf den objektiven Haftungstatbestand an, und dieser kann nicht mehr eintreten, wenn die GmbH bereits in das Handelsregister eingetragen ist. Allenfalls wenn eine persönliche Haftung der Gesellschafter aktiv vorgetäuscht wird, kann der Handelnde haften, dann aber nicht aus § 11 Abs. 2, sondern aus culpa in contrahendo (§ 311 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 3 BGB). b) Nicht anzuwenden ist § 11 Abs. 2 auf den Fall der Satzungsänderung, insbesondere der Kapitalerhöhung. Rechtsgeschäfte einer schon eingetragenen Gesellschaft, die zwischen einem Satzungsänderungs- oder Kapitalerhöhungsbeschluss und dessen Eintragung vorgenommen werden, lösen keine Handelndenhaftung aus. Das gilt auch dann, wenn die Gesellschafter der Satzungsänderung das Gewicht einer „Umgründung“ geben und wenn sich die Gesellschafter schon vor der Eintragung der von ihnen beschlossenen Satzungsänderungen im Sinne dieser „Umgründung“ unternehmerisch betätigen3. Auch wenn dieser Vorgang mit einer Änderung der Firma und des Unternehmensgegenstands einhergeht, ist das Handeln vor der Eintragung dieser Satzungsänderungen kein Fall des § 11 Abs. 2 (zur „wirtschaftlichen Neugründung“ vgl. auch Rdnr. 109)4.

108

c) Mantelverwendung? Das Recht der Mantelverwendung ist seit den Urteilen 109 BGHZ 153, 158 = NJW 2003, 892 und BGHZ 155, 318 = NJW 2003, 3198 neuerlich umstritten (näher § 3 Rdnr. 37 ff.). Der BGH versteht die Verwendung von Vorrats- und Mantelgesellschaften als eine „wirtschaftliche Neugründung“ und wendet gründungsrechtliche Bestimmungen an. Nach BGHZ 155, 318 = NJW 2003, 3198 kommt nicht nur die Unterbilanzhaftung (Rdnr. 140), sondern daneben auch eine Handelndenhaftung analog § 11 Abs. 2 in Betracht, wenn vor Offenlegung der wirtschaftlichen Neugründung die Geschäfte aufgenommen werden, ohne dass alle Gesellschafter zugestimmt haben5. Diese bei § 3 Rdnr. 37 ff. ausführlich behandelte Rechtsprechung ist abzulehnen (Rdnr. 29, 67, 84, 140)6. 1 BGHZ 91, 148 = NJW 1984, 2164 = GmbHR 1984, 316; bestätigt bei BGH, WM 1985, 479. 2 BGH, GmbHR 1980, 55. 3 Vgl. OLG Hamburg, BB 1987, 505 = GmbHR 1987, 477 = NJW-RR 1987, 811; insoweit zust. Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 131. 4 Vgl. OLG Koblenz, BB 1989, 315 = GmbHR 1989, 374. 5 So auch BGH, GmbHR 2011, 1032 m. Komm. Bayer = ZIP 2011, 1761; Bayer, in: Lutter/ Hommelhoff, Rdnr. 25; Hueck/Fastrich, in Baumbach/Hueck, Rdnr. 46; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 130; Gornstedt, BB 2003, 2082 f. 6 Karsten Schmidt, NJW 2004, 1345 ff.; Karsten Schmidt, ZIP 2010, 857 ff.; krit. auch Altmeppen, DB 2003, 2050; Priester, ZHR 168 (2004), 248 ff.; Kallmeyer, GmbHR 2003, 322; Schaub, NJW 2003, 2125, 2128; s. auch Kesseler, ZIP 2003, 1790 ff.; unentschieden Gummert, in: MünchHdb. III, § 16 Rdnr. 152 f.

Karsten Schmidt

639

§ 11

Rechtszustand vor der Eintragung

Schon vorher wurde allerdings die Anwendbarkeit des § 11 Abs. 2 verschiedentlich bejaht1, hier dagegen verneint (Rdnr. 29, 67, 84, 140)2. Allerdings hat das OLG Hamburg3 eine Haftung bei einem Fall der Mantelverwertung in einem Einzelfall mit Recht bejaht. Die Haftung konnte jedoch, wie später wohl auch das OLG Hamburg4 erkannt hat, nicht auf die Geltung des § 11 Abs. 2 bei Mantelverwertungen gestützt werden, sondern sie ergab sich aus den Besonderheiten des damaligen Falls. Im zu entscheidenden Fall hatte der Beklagte, als Geschäftsführer einer noch nicht eingetragenen X-GmbH handelnd, Aufträge vergeben. Er hatte dann die Geschäftsanteile einer Y-GmbH erworben und eine Satzungs- und Firmenänderung dieser zukünftigen X-GmbH beschlossen. Zur Eintragung der Satzungsänderung kam es nicht mehr, weil die GmbH Konkursantrag stellen musste. Hier musste der Beklagte haften, aber nicht aus § 11 Abs. 2, sondern aus § 179 BGB (wenn er ohne Vertretungsmacht gehandelt hatte) oder auf Grund einer Vertrauenshaftung (wenn er über die Identität des Vertragspartners getäuscht hatte)5. Mit § 11 Abs. 2 hatte der Haftungsfall entgegen der Auffassung des OLG nichts zu tun. 110 d) Umwandlung, Sitzverlegung? In Fällen der Umwandlung kommt eine Haftung nach § 11 Abs. 2 praktisch kaum in Betracht. Beim Formwechsel gibt es keine Vorgesellschaft (Rdnr. 28). Der Handelnde kann nur im Namen der Gesellschaft alter oder neuer Rechtsform handeln. Im Fall der Verschmelzung ist eine Haftung nach § 11 Abs. 2 nur möglich, wenn eine Vorgesellschaft entsteht, also bei der Verschmelzung durch Neubildung (Rdnr. 28). Auch hierbei kommt eine Haftung aber nur in dem eher theoretischen Fall in Betracht, dass vor der Eintragung der Verschmelzung im Namen der Vorgesellschaft gehandelt wird (vgl. Rdnr. 69 f.). So wird es sich kaum je verhalten. Wer nach einem notariellen Verschmelzungsvertrag bereits unter der Firma der neuen GmbH Geschäfte abschließt, handelt – je nach dem Zeitpunkt, in dem die Geschäfte wirksam werden sollen – im Namen der gegenwärtigen oder der künftigen eingetragenen GmbH als Unternehmensträgerin6; eine Haftung nach § 11 Abs. 2 kommt dann nicht in Betracht7. Ähnliches gilt im Fall der Spaltung. Selbst in den wenigen Umwandlungsfällen, in denen nach h.M. eine Vorgesellschaft zur Entstehung gelangt, wird demnach kaum je ohne aufschiebende Bedingung im Namen der künftigen Gesellschaft gehandelt. Analog anzuwenden ist § 11 Abs. 2 dagegen in Fällen der Sitzverlegung, wenn im Namen einer nach deutschem Recht nicht anerkannten Auslandsgesellschaft gehandelt wird8. Die in einem Rest-Anwen1 Für Anwendbarkeit OLG Hamburg, BB 1983, 1116 = GmbHR 1983, 219 = ZIP 1983, 570 (anders OLG Hamburg, BB 1987, 505 = GmbHR 1987, 477); KG, GmbHR 1998, 789 = NZG 1998, 731; LG Hamburg, NJW 1985, 2426; GmbHR 1997, 895; Ulmer, BB 1983, 1124; unentschieden OLG Koblenz, BB 1989, 315 = GmbHR 1989, 374. 2 10. Aufl., Rdnr. 99 mit umfangreichen Nachweisen. 3 BB 1983, 1116 = GmbHR 1983, 219 = ZIP 1983, 570. 4 BB 1987, 505 = GmbHR 1987, 477 = NJW-RR 1987, 811. 5 Karsten Schmidt, GesR, § 4 III 3e. 6 Vgl. zum rechtsgeschäftlichen Handeln für ein Unternehmen, Karsten Schmidt, HandelsR, § 5 III. 7 Vgl. auch BGH, NJW-RR 1986, 115 = WM 1985, 1364. 8 Vgl. mit Unterschieden im Einzelnen OLG Hamburg, NJW 1986, 2199; KG, NJW 1989, 3100; OLG Oldenburg, GmbHR 1990, 346 = NJW 1990, 1422; OLG Düsseldorf, GmbHR 1995, 595 = NJW-RR 1995, 1124 = ZIP 1995, 1009; LG Marburg, NJW-RR 1993, 222; LG

640

Karsten Schmidt

§ 11

Rechtszustand vor der Eintragung

dungsbereich noch vertretene Sitztheorie (Anh. § 4a Rdnr. 76) lässt die Auslandsgesellschaft nicht als eine zwar bereits existente Gesellschaft erscheinen, die aber die Normativbestimmungen des deutschen Gesellschaftsrechts nicht erfüllt hat1. Nicht anzuwenden ist dagegen § 11 Abs. 2 im Geltungsbereich der Artt. 49, 54 AEUV (vormals Artt. 43, 48 EG), also auf eine durch die EuGHRechtsprechung „Centros“, „Überseering“ und „Inspire Art“ gedeckte2, jedoch im Inland nicht eingetragene Auslandsgesellschaft3. e) Abgrenzung zur Rechtsscheinhaftung. Von dem nach § 11 Abs. 2 haftungs- 111 begründenden Handeln im Namen der (Vor-)Gesellschaft zu unterscheiden ist das Handeln im Namen einer in Wahrheit inexistenten bzw. nicht als Rechtsträgerin anerkannten Gesellschaft. Nur die heute überholte Auffassung, nach der auch die Vorgesellschaft noch keine Rechtsträgerin, sondern eine noch inexistente GmbH sein sollte (Rdnr. 4 f.), konnte diese Fälle einander gleichstellen. Die Haftung beim Handeln im Namen einer überhaupt nicht vorhandenen GmbH ergibt sich entsprechend § 179 BGB (Rdnr. 19–24)4. Diese Fälle sind selten. Rechtsgeschäfte, die für ein existierendes Unternehmen abgeschlossen werden, sind i.d.R. Rechtsgeschäfte im Namen des wahren – sei es auch unrichtig bezeichneten – Unternehmensträgers5. Selbst wenn die Firma einer nicht oder noch nicht existierenden GmbH verwendet wird, liegt regelmäßig kein Handeln im Namen eines Nicht-Rechtssubjekts, sondern ein Handeln im Namen des existierenden Unternehmensträgers vor. Die Haftung nach des § 179 BGB hängt dann nur davon ab, ob Vertretungsmacht für diesen falsch bezeichneten Unternehmensträger vorliegt. Im Fall einer täuschend verwendeten Firma kommt an Stelle des § 11 Abs. 2 oder des § 179 BGB eine Rechtsscheinhaftung oder eine Haftung aus culpa in contrahendo (§§ 280 Abs. 1, 311 Abs. 2 BGB) in Betracht.

3. Persönlicher Anwendungsbereich Als Organhaftung (Rdnr. 104) erfasst die Handelndenhaftung nur solche Personen, die als Geschäftsführer der Vorgesellschaft bestellt sind, oder, ohne Geschäftsführer zu sein, wie solche handeln (sog. faktische Geschäftsführer)6.

1 2

3

4 5 6

Stuttgart, NJW-RR 2002, 463, 466; Kruse, Sitzverlegung von Kapitalgesellschaften in der EG, 1997, S. 41 ff.; Bogler, DB 1991, 848; Eidenmüller/Rehm, ZGR 1997, 99 f.; Karsten Schmidt, ZGR 1999, 25; a.M. Merkt, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 126; H.-F. Müller, ZIP 1997, 1053 f. Karsten Schmidt, ZGR 1999, 22 ff.; str. EuGH, Slg. 1999, I-1459 = GmbHR 1999, 474 – „Centros“; EuGH, Slg. 2002, I-9919 = GmbHR 2002, 1137 – „Überseering“; EuGH, Slg. 2003, 3331 = GmbHR 2003, 1260 – „Inspire Art“. BGH, NJW 2005, 1648 = GmbHR 2005, 630; ZIP 2005, 805 = RIW 2005, 542 m. Anm. Leible/Hoffmann; Merkt, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 126; Wicke, Rdnr. 15; eingehend Eidenmüller, NJW 2005, 1618 ff.; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, § 12 Rdnr. 25; ausführlich und kritisch zu dem BGH-Urteil aber auch Paefgen, GmbHR 2005, 630 ff. Zust. Merkt, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 127. Karsten Schmidt, HandelsR, § 5 III; Karsten Schmidt, in: MünchKomm. HGB, 3. Aufl. 2012, § 344 HGB Rdnr. 3. BGHZ 51, 30, 35; BGHZ 66, 359, 360; BGHZ 80, 129, 135; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 47; Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 30; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 110 ff.; Schroeter, in: Bork/Schäfer, Rdnr. 69; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 133.

Karsten Schmidt

641

112

§ 11

Rechtszustand vor der Eintragung

113 a) Wer Geschäftsführer ist, kann als Handelnder haften1. Geschäftsführer ist, wer nach § 6 Abs. 3 oder nach § 46 Nr. 5 bestellt (nicht notwendig auch angestellt) ist. 114 Der Geschäftsführer muss nicht selbst und nicht allein gehandelt haben. Hat er einen Bevollmächtigten nach seiner Weisung handeln lassen, so haftet er selbst2. Auch ein gesamtvertretungsberechtigter Geschäftsführer, der seinen Mitgeschäftsführer zum Alleinhandeln ermächtigt hat, kann nach § 11 Abs. 2 haften3. Gleiches gilt, wenn ein Geschäftsführer ein bereits wirksames Geschäft der Vorgesellschaft durch Erklärung genehmigt4. Die bloß passive Billigung eines Geschäfts, die nach der seit BGHZ 47, 25 ständigen Praxis auch den Gesellschafter nicht zum Handelnden macht (Rdnr. 116), ist dagegen nicht ausreichend5. Haben zwei Geschäftsführer Einzelvertretungsmacht und lässt der eine den anderen gewähren, so ist dies kein Handeln i.S. von § 11 Abs. 2. Ob diese Passivität im Verhältnis zur Gesellschaft (§ 43!) eine Haftung rechtfertigt, ist im Verhältnis zu Dritten ohne Belang. 115 b) „Faktische Geschäftsführer“ sind mit erfasst. Wer wie ein Geschäftsführer auftritt, ohne als solcher bestellt zu sein, haftet gleichfalls nach § 11 Abs. 26. Ob der Handelnde mit oder ohne Vertretungsmacht aufgetreten ist, ist dann ohne Belang7. Die Haftung gilt auch dann, wenn der Geschäftsführer selbst vermögenslos ist8. 116 c) Nicht „Handelnder“ i.S. von § 11 Abs. 2 ist, wer weder Geschäftsführer ist noch als solcher auftritt. Bevollmächtigte, auch Prokuristen, haften nicht nach § 11 Abs. 29. Dasselbe gilt für Hilfspersonen, die zwar im Wortsinn für die Gesellschaft „gehandelt“ haben, aber nicht als Gesellschaftsorgane aufgetreten sind. Ebenso wenig haftet, wer nach dem Abschluss des Vertrags mit dem Geschäftspartner Gespräche führt10. Auch die Eigenschaft als Gesellschafter, selbst als Mehrheitsgesellschafter, genügt als solche nicht. Die Handelndenhaftung ist keine Gesellschafterhaftung. Die ältere Rechtsprechung, wonach ein Gesell1 BGHZ 66, 359, 360; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 133. 2 BGHZ 53, 206, 208 = NJW 1970, 1043, 1044; OLG Hamburg, WM 1986, 738 = NJW-RR 1986, 116; OLG Hamm, GmbHR 1997, 602; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/SchmidtLeithoff, Rdnr. 115; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 138. 3 BGH, NJW 1974, 1284, 1285; Schroeter, in: Bork/Schäfer, Rdnr. 69; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 138. 4 Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 139. 5 OLG Hamburg, WM 1986, 738 = NJW-RR 1986, 116; s. auch Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 115. 6 BGHZ 65, 378, 380 = NJW 1976, 419; BGHZ 66, 359, 360 = NJW 1976, 1685; BGH, NJW 1980, 287; Schroeter, in: Bork/Schäfer, Rdnr. 69; vgl. auch obiter BGH, WM 1980, 955; s. auch Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 26, Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 133, 135; zur Gleichstellung mit einem Geschäftsführer Weimar, GmbHR 1997, 478 (der aber die Anwendung des § 11 Abs. 2 prinzipiell bekämpft). 7 H.M.; vgl. (unter Einschluss der Geschäftsführer) Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 135. 8 BGH, WM 1980, 955. 9 BGHZ 66, 359 = NJW 1976, 1685; BGH, WM 1980, 955; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/ Hueck, Rdnr. 47; Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 30; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 134; Beuthien, ZIP 1996, 368. 10 BGH, WM 1980, 955.

642

Karsten Schmidt

§ 11

Rechtszustand vor der Eintragung

schafter, der schon seine Zustimmung zur Aufnahme der Geschäfte gegeben hat, als Handelnder haften sollte1, ist seit BGHZ 47, 25 = NJW 1967, 828 überholt2. Erst recht gilt dies für die nachträgliche Billigung von Geschäften; sie macht den, der diese Geschäfte billigt, noch nicht zum Handelnden3. Die Gesellschafterhaftung (Rdnr. 86 ff.) ist keine Handelndenhaftung. Auch Aufsichtsratsmitglieder haften den Gläubigern nicht4. Die Duldung von Geschäftsführungshandlungen macht sie noch nicht zu faktischen Geschäftsführern.

4. Das Handeln im Namen der Gesellschaft a) Nur ein rechtsgeschäftliches Handeln löst die Haftung nach § 11 Abs. 2 aus5. 117 § 11 Abs. 2 begründet keine Haftung für gesetzliche Schuldverhältnisse. Insbesondere folgt aus § 11 Abs. 2 auch keine allgemeine Haftung der schon für die Vor-GmbH tätigen Geschäftsführer für Steuern6, Gebühren und Beiträge7. Ebenso wenig sind rechtsgeschäftlich begründete Verbindlichkeiten erfasst, die nicht von dem Geschäftsführer begründet werden, sondern z.B. nach § 25 HGB oder § 613a BGB auf die Vor-GmbH übergegangen sind8. Auch rechtsgeschäftsähnliche Handlungen – insbesondere eine Geschäftsführung ohne Auftrag – genügen nach herrschender und wohl richtiger Auffassung nicht und begründen keine Handelndenhaftung für gesetzliche Verbindlichkeiten9. Beispielsweise geht es nicht an, den Geschäftsführer nach § 11 Abs. 2 für die Folgen einer unberechtigten Zahlungsaufforderung oder Mahnung und der dadurch hervorgerufenen rechtsgrundlosen Zahlung an die Vorgesellschaft haften zu lassen10. Anders verhält es sich bei Verfahrenshandlungen, die, wie etwa Anträge auf Leistungen der öffentlichen Hand, selbst als Rechtsgeschäfte behandelt werden. Nimmt der Ge1 RGZ 55, 302, 304; RGZ 70, 296, 301; BGH, LM Nr. 6 zu § 11 GmbHG = NJW 1955, 1228 = BB 1955, 618; s. auch noch Beuthien, ZIP 1996, 313. 2 Vgl. auch BGHZ 72, 45, 46 = NJW 1978, 1978, 1979 = GmbHR 1978, 232; KG, NJW-RR 1994, 494; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 26; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/ Schmidt-Leithoff, Rdnr. 111; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 135. 3 BGHZ 47, 25, 28 = NJW 1967, 828; BGH, LM Nr. 9 zu § 11 GmbHG = NJW 1957, 1359 = BB 1957, 726. 4 Vgl. OLG Köln, NZG 2002, 1066. 5 Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 49; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/ Schmidt-Leithoff, Rdnr. 115; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 127, 136; Beuthien, BB 1996, 1339. 6 Vgl. BFH, GmbHR 1997, 188. 7 Vgl. für Beiträge zur gesetzlichen Renten- oder Unfallversicherung BAGE 85, 94, 97 = NJW 1997, 3331, 3332 = GmbHR 1997, 694, 695; BSG, ZIP 1986, 645, 646; OLG Saarbrücken, GmbHR 1992, 307 m. Anm. Jestaedt; LAG Frankfurt/M., GmbHR 1992, 178; s. auch Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 35; Michalski/Funke, NZG 1998, 248; a.M. Jestaedt, MDR 1996, 543. 8 Vgl. für § 613a BGB LAG Thüringen, NZA-RR 2001, 121; zust. auch Bayer, in: Lutter/ Hommelhoff, Rdnr. 27. 9 Vgl. RG, LZ 1927, 1473, 1474; a.M. OLG Karlsruhe, ZIP 1998, 958 = GmbHR 1998, 239; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 27; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 120; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 136 a.E.; Michalski/Funke, NZG 1998, 248 f.; a.M. Wicke, Rdnr. 13. 10 A.M. OLG Karlsruhe, ZIP 1998, 958 = GmbHR 1998, 239; zustimmend Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 27; Michalski/Funke, NZG 1998, 249; Schroeter, in: Bork/Schäfer, Rdnr. 71.

Karsten Schmidt

643

§ 11

Rechtszustand vor der Eintragung

schäftsführer solche Leistungen für die Gesellschaft in Anspruch, so haftet er aus dem hierdurch entstandenen Rechtsverhältnis1. 118 b) Ein Handeln „im Namen der Gesellschaft“ liegt nach der früher wohl herrschenden, insbesondere in der älteren Rechtsprechung vertretenen Auffassung nur vor, wenn im Namen der „künftigen“, noch nicht eingetragenen GmbH gehandelt wird2. Diese Rechtsprechung nimmt an, es könne beim Handeln im Namen der noch nicht eingetragenen GmbH „auch“ die Vorgesellschaft berechtigt und verpflichtet werden3. Das ist nach dem bei Rdnr. 68 ff. Gesagten unklar und spätestens seit der Aufgabe des Vorbelastungsverbots durch den BGH (Rdnr. 45) auch für die Praxis überholt. Wenn es überhaupt noch einen Sinn hat, das „Handeln im Namen der Vorgesellschaft“ und das „Handeln im Namen der künftigen GmbH“ voneinander zu unterscheiden, dann kann dieser Sinn – wie bei Rdnr. 69 f. dargelegt – nur darin bestehen, dass die Gesellschaft im einen Fall bereits vor der Eintragung berechtigt und verpflichtet werden soll („Handeln im Namen der Vorgesellschaft“), im anderen Fall erst nach der Eintragung („Handeln im Namen der künftigen GmbH“). In diesem Sinne kann nur ein „Handeln im Namen der Vorgesellschaft“ die Haftung begründen4. Wegen der Abgrenzung ist auf Rdnr. 69 f. zu verweisen. Nur wenn der Handelnde erkennbar werden lässt, dass erst die noch einzutragende Gesellschaft aufschiebend bedingt berechtigt und verpflichtet werden soll (vielleicht sogar den Vertragsschluss noch genehmigen muss, vgl. Rdnr. 153), fehlt es am haftungsbegründenden Handeln im Namen der Vorgesellschaft (vgl. Rdnr. 70)5. Wird keine solche aufschiebende Bedingung vereinbart, ist dies ein „Handeln im Namen der Gesellschaft“ i.S. von § 11 Abs. 2. 119 c) Nicht erforderlich ist Vertretungsmacht6. Die Haftung beruht auf dem Gesetz und ist keine rechtsgeschäftliche. So wenig wie § 11 Abs. 2 ein Rechtsscheintatbestand ist (Rdnr. 105), wird die Bestimmung durch Rechtsscheintatbestände verdrängt, auch nicht durch § 179 BGB. Anderenfalls stünde der ohne Vertretungsmacht Handelnde besser da als der nach § 11 Abs. 2 Handelnde (vgl. § 179 Abs. 3 BGB). Umgekehrt schützt vorhandene Vertretungsmacht den Handelnden nicht vor der Haftung7. 1 Vgl. für Fernmeldegebühren LG Karlsruhe, BB 1987, 1697. 2 Vgl. RGZ 70, 296, 298; RGZ 143, 368, 373; BGHZ 72, 45, 47 = NJW 1978, 1978, 1979 = GmbHR 1978, 232; BAG, AP Nr. 2 zu § 11 GmbHG mit Anm. Rittner/Krell = JR 1984, 108 mit Anm. Karsten Schmidt; Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 24. 3 BGHZ 65, 378, 382 = NJW 1976, 419, 420 = GmbHR 1976, 65; BGHZ 72, 45, 47 = NJW 1978, 1978, 1979 = GmbHR 1978, 232; BAG, AP Nr. 2 zu § 11 GmbHG mit Anm. Rittner/Krell = JR 1984, 108 m. Anm. Karsten Schmidt. 4 Vgl. heute besonders Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 48; Merkt, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 133; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 118; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 137; Jula, BB 1995, 1599; vgl. schon Karsten Schmidt, GmbHR 1973, 149 f.; Karsten Schmidt, NJW 1973, 1596; Karsten Schmidt, JR 1974, 110. 5 Jetzt h.M.; vgl. nur Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 118; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 137; Jula, BB 1995, 1599 f.; im Ergebnis richtig schon RGZ 32, 97, 99. 6 BGHZ 80, 182 = NJW 1981, 1452 = GmbHR 1981, 192; Merkt, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 135; a.M. Beuthien, GmbHR 1996, 561 ff.; Meyer, GmbHR 2002, 1176. 7 H.M.; vgl. nur Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 26; a.M. LAG Köln, NZA-RR 2001, 129.

644

Karsten Schmidt

§ 11

Rechtszustand vor der Eintragung

5. Geschützter Gläubigerkreis a) Nach h.M. sind nur Dritte geschützt, Gesellschafter sind auch dann nicht ge- 120 schützt, wenn es um eine Drittgläubigerforderung geht1. Diese h.M. ist nicht zweifelsfrei2. Die der Haftung zukommende Druckfunktion (Rdnr. 103) könnte auch die Gesellschaft schützen. Aber die entscheidende Gläubigerschutzfunktion (Rdnr. 103) passt kaum auf einen Gesellschafter, der z.B. ein Darlehen an die Gesellschaft gibt. Praktisch würde die Haftung gegenüber einem Gesellschafter auch kaum zum Tragen kommen. Dem Gesellschafter haftet der Handelnde, selbst wenn man die Haftung im Grundsatz bejaht, jedenfalls nur subsidiär und unter Berücksichtigung der Haftungsquote des Gläubiger-Gesellschafters3. b) Die Haftung ist keine Vertrauenshaftung (Rdnr. 105). Sie setzt nicht voraus, 121 dass der Vertragspartner die Gesellschaft für eingetragen hält4; ein ausdrückliches Handeln im Namen einer „GmbH i. Gr.“ genügt also nicht, um die Haftung auszuschließen (vgl. schon Rdnr. 118); es ist allerdings erforderlich, um eine die Eintragung überdauernde Vertrauenshaftung nach § 4 Rdnr. 53 ff. auszuschließen. Ebenso wenig setzt die Haftung voraus, dass der Vertragspartner mit einer persönlichen Haftung rechnet. Auch ein ausdrückliches Handeln im Namen einer „GmbH“, die in Wahrheit noch nicht eingetragen ist, beseitigt die Haftung also nicht. Hiervon zu unterscheiden sind die Fälle, bei denen das Rechtsgeschäft aufschiebend bedingt für den Fall der Eintragung verabredet wird. Es liegt dann kein haftungsbegründendes Handeln im Namen der Vorgesellschaft vor (Rdnr. 118). c) Die Haftung aus § 11 Abs. 2 ist eine abdingbare Haftung5. Die ältere Recht- 122 sprechung war in der Annahme eines vertraglichen Haftungsausschlusses großzügig6. Weitgehend handelte es sich dabei um Scheinargumente, mit denen die in der älteren Rechtsprechung überdehnte und sodann als zu weit empfundene Haftungsregelung eingeschränkt werden sollte. Diese Rechtsprechung ist überholt (vgl. zum engen Anwendungsbereich des § 11 Abs. 2 Rdnr. 112 ff., 117 ff.). Nur wenn eine klare Vereinbarung besteht oder wenn besondere Umstände des Einzelfalls auf einen entsprechenden Vertragswillen beider Teile hindeuten, 1 Vgl. RGZ 105, 152, 153; BGHZ 15, 204, 206 = NJW 1955, 219, 220; BGHZ 76, 320, 325 = NJW 1980, 1630, 1631 = GmbHR 1980, 202; BGH, LM Nr. 10 zu § 11 GmbHG; OLG Hamm, NJW 1974, 1472; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 28; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 49; Merkt, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 136; SchmidtLeithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 121; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 140. 2 Vgl. Karsten Schmidt, oHG, S. 341 f.; strikt gegen die Rechtsprechung vor allem Riedel, NJW 1970, 404 ff. 3 Karsten Schmidt, oHG, S. 342. 4 BGH, LM Nr. 10 zu § 11 GmbHG; öOGH, SZ 60, 221; OGH, WBl. 1995, 207; OLG Hamburg, GmbHR 1963, 50; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 28; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 48; Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 27 (doch wohl in Widerspruch mit Rdnr. 24: Annäherung an § 179 BGB); Ostheim, GesRZ 1982, 127. 5 BGHZ 53, 210, 213 = NJW 1970, 806, 807 = GmbHR 1970, 154; BGH, NJW 1973, 798 = GmbHR 1973, 101; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 28; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 126; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 148; eingehend Jula, BB 1995, 1597 ff. 6 Charakteristisch RGZ 116, 71, 74.

Karsten Schmidt

645

§ 11

Rechtszustand vor der Eintragung

kann die Haftung als ausgeschlossen gelten. Ein stillschweigender Ausschluss wird nicht vermutet1. Ein Ausschluss durch Allgemeine Geschäftsbedingungen ist nach § 307 BGB unwirksam2.

6. Haftungsfolgen 123 a) Die Haftung ist eine akzessorische Haftung3. Sie tritt i.d.R. inhaltsgleich neben die Haftung der Gesellschaft (vgl. Rdnr. 125). Die Vorgesellschaft wird durch das Handeln in ihrem Namen in aller Regel wirksam verpflichtet (Rdnr. 72 f.). Der Gläubiger kann deshalb auch nicht, wie nach § 179 Abs. 1 BGB, zwischen Erfüllung und Schadensersatz wählen4. Schadensersatz wegen Nichterfüllung kann er nur verlangen, wenn auch die Gesellschaft Schadensersatz schuldet (z.B. nach §§ 280 Abs. 1, 3, 283 BGB). Auch ein Wahlrecht, wonach der Gläubiger gegenüber der Gesellschaft vom Geschäft Abstand nimmt, aber gleichwohl den Handelnden in voller Höhe in Anspruch nimmt, kann dem Gläubiger nach dem Normzweck (Rdnr. 102 ff.) nicht zugestanden werden5. Der Handelnde haftet im Außenverhältnis nicht bloß subsidiär6. Er haftet inhaltsgleich neben der Vorgesellschaft für die von ihm begründete Verbindlichkeit (bei fehlender Vertretungsmacht [vgl. Rdnr. 119] für die hypothetische Gesellschaftsverbindlichkeit7). Die Gläubiger sollen aber hinsichtlich des Haftungsinhalts nicht besser gestellt werden, als wäre der Vertrag mit der fertigen GmbH abgeschlossen8. Der Handelnde kann deshalb Einwendungen und Einreden, die der Gesellschaft zustünden, auch selbst geltend machen9. Z.B. kann er trotz fehlender Gegenseitigkeit die Leistung verweigern, wenn die Gesellschaft aufrechnen könnte. Auch die Verjährung des gegen die Gesellschaft gerichteten Anspruches kommt ihm zugute10. Handlungen, die die Verjährung gegenüber der Gesellschaft hemmen, wirken allerdings nicht ohne weiteres gegen den nach § 11 Abs. 2 haftenden Handelnden11. Die Grundsätze des § 129 HGB lassen sich sinngemäß auf die Handelndenhaftung anwenden12. Die Handelnden haften nicht nur für die Erfüllungsansprüche aus dem abgeschlossenen Rechtsgeschäft, sondern auch für Ansprüche aus Rücktritt, Wandlung oder ungerechtfertigter Bereicherung sowie für

1 Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 148. 2 Klein, S. 44 ff.; differenzierend Jula, BB 1995, 1602 (zu § 9 AGBG). 3 Vgl. Karsten Schmidt, oHG, S. 354 f.; Merkt, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 137; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 141. 4 Differenzierend, teils a.M. Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 37. 5 A.M. Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 29. 6 A.M. vereinzelt Beuthien, in: FS Hadding, S. 309 f. 7 Verf. spricht hier von hypothetischer Akzessorietät; andere Terminologie bei Merkt, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 138: „keine Akzessorietät“. 8 RGZ 75, 203, 206; BGHZ 53, 210, 214; BGHZ 69, 104; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 28; Merkt, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 137. 9 Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 125; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 144. 10 RGZ 75, 203, 205 f.; BGHZ 69, 95, 104 = NJW 1977, 1683, 1685 = GmbHR 1977, 246; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 28; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 144. 11 Vgl. LAG Berlin, DB 1985, 1536 = GmbHR 1985, 218; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 144. 12 Merkt, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 141; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 144; Ostheim, GesRZ 1982, 127.

646

Karsten Schmidt

§ 11

Rechtszustand vor der Eintragung

Schadensersatzansprüche wegen Nicht- oder Schlechterfüllung, soweit sie auf dem Rechtsgeschäft beruhen1. Für Verbindlichkeiten, die sich erst mittelbar aus dem abgeschlossenen Rechtsgeschäft ergeben wie etwa für jeden Soll-Saldo aus einem vom Geschäftsführer begründeten Girokonto, wird nicht gehaftet2. Der Handelnde haftet auch nicht für jede von ihm nicht begangene Verletzung von Vertragspflichten3. b) Die Haftung ist unbeschränkt4. Sie folgt kraft Akzessorietät (Rdnr. 123) der 124 Höhe der Gesellschaftsverbindlichkeit aus dem durch das Handeln begründeten Rechtsgeschäft und kann auch über den Betrag des Stammkapitals oder der noch ausstehenden Einlagen hinausgehen. Der Handelnde kann auch im Fall einer Überschuldung nicht einwenden, den Gläubigern dürfe nicht mehr als aus einer bereits eingetragenen (und überschuldeten!) GmbH zufließen5. c) Das Verhältnis zur Haftung der Gesellschaft und anderer beteiligter Personen 125 ist das Folgende: Die Haftung neben der Gesellschaft ist eine Primärhaftung, keine bloße Ausfallhaftung6. Die Haftung setzt zwar nicht in jedem Fall voraus, dass der Handelnde mit Vertretungsmacht gehandelt und eine Gesellschaftsverbindlichkeit begründet hat (vgl. Rdnr. 119); ist dies aber der Fall, so haften die Gesellschaft und der Handelnde unmittelbar und primär nebeneinander. Die Handelndenhaftung begründet im Verhältnis zu der Haftung der Gesellschaft keine Gesamtschuld i.S. der §§ 421 ff. BGB7, sondern eine akzessorische Haftung ähnlich wie beim Bürgen und beim Gesellschafter einer oHG (vgl. schon Rdnr. 123). Neben der Handelndenhaftung kann eine Gesellschafterhaftung eintreten, soweit die bei Rdnr. 93 ff. besprochenen Voraussetzungen erfüllt sind. Dann haften die Gesellschafter und die Handelnden als Gesamtschuldner. Gesamtschuldner sind auch mehrere, die gemeinschaftlich i.S. von § 11 Abs. 2 gehandelt haben.

7. Regressansprüche der Handelnden a) Gegen die Gesellschaft stehen den Handelnden gemäß §§ 611, 675, 670 BGB 126 Befreiungs- und Regressansprüche zu, wenn sie pflichtgemäß gehandelt, die Gesellschaft also durch ihr Handeln nicht rechtswidrig geschädigt haben8. Diese Ansprüche richten sich auf Freistellung bzw. Regress aus dem Gesellschaftsver-

1 Vgl. Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 136. 2 So OLG Koblenz, ZIP 1998, 1670; anders aber wohl bei einem Kontokorrentkredit. 3 Im Ergebnis richtig deshalb BAG, NZG 1998, 776: Keine Haftung des Geschäftsführers für Verletzung des von ihm geschlossenen Vertrags nach seinem eigenen Ausscheiden. 4 Vgl. LG Hamburg, GmbHR 1996, 763; Theobald, S. 44; eine Haftungsbeschränkung wird erwogen bei Meister, in: FS Werner, S. 553 f. 5 Vgl. LG Hamburg, GmbHR 1996, 763. 6 Vgl. aber Lieb, in: FS Stimpel, S. 405 f.; Beuthien, ZIP 1996, 367. 7 So aber RGZ 72, 401, 406; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 128; wie hier jetzt Merkt, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 137. 8 BGHZ 86, 122 = NJW 1983, 876 = GmbHR 1983, 46; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/ Hueck, Rdnr. 54; Merkt, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 144; Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 34; Wulf-Henning Roth, ZGR 1984, 619 ff.

Karsten Schmidt

647

§ 11

Rechtszustand vor der Eintragung

mögen1. Sie können auch dann bestehen, wenn die Geschäftsführer zum Handeln im Namen der Vor-GmbH nicht besonders ermächtigt worden sind (zur Wirksamkeit des Geschäfts in diesem Fall vgl. Rdnr. 72 f.), vorausgesetzt das Handeln im Namen der Vor-GmbH entsprach auch ohne besondere Ermächtigung den Geschäftsführerpflichten (vgl. § 52)2. Die Regresshaftung der Gesellschaft ist im Gesetz zwar nicht angelegt (der Gesetzgeber ging von einer ausschließlichen Haftung der Handelnden und Nichtexistenz der Gesellschaft aus; vgl. Rdnr. 102). Sie entspricht aber der Abstandsnahme vom Vorbelastungsverbot (Rdnr. 45): Vorbelastungen, die rechtmäßig herbeigeführt worden sind, treffen auch im Innenverhältnis die Gesellschaft. 127 b) Ein Regressanspruch des Handelnden gegen die Gründer persönlich ist umstritten. Der Streit ist Spiegelbild der umstrittenen Frage, ob die Gründer im Außenverhältnis haften. Eine Regresshaftung der Gründer wird von einem Teil der Literatur bejaht3. Erwogen wird auch, dass eine solche Haftung dann besteht, wenn die Geschäftsführer auf Weisung der Gesellschafter gehandelt haben4. Die herkömmliche Auffassung verneint eine Regresshaftung der Gründer5. Nach BGHZ 86, 122 = NJW 1983, 876 = GmbHR 1983, 46 kann der haftende Geschäftsführer die Gründer grundsätzlich nur in Höhe der von ihnen versprochenen Einlagen in Regress nehmen. Das müsste bedeuten, dass der Handelnde ohne Regressmöglichkeit dastünde, wenn eine Regressnahme bei der Gesellschaft scheitert. Die herkömmliche Auffassung beruhte auf der Prämisse, dass die Gründer für Schulden der Vor-GmbH nicht über ihre Einlagen hinaus (und dann auch nicht im Regresswege) haften (dazu Rdnr. 86) Um nicht die Geschäftsführer strenger haften zu lassen als die Gesellschafter, musste diese Ansicht mit vertraglichen Befreiungszusagen operieren6. 128 c) Stellungnahme: Dieser hier schon in den Vorauflagen attackierte Standpunkt ist überholt. Er beruhte auf der durch BGHZ 134, 333 = NJW 1997, 1507 = GmbHR 1997, 405 überholten Rechtsprechung, wonach die Gründer für Schulden der Vor-Gesellschaft nicht über ihre Einlagen hinaus haften sollten (dazu Rdnr. 86 f.). Die Regressproblematik muss nach diesem Urteil von der Recht-

1 Karsten Schmidt, GmbHR 1973, 152; Wulf-Henning Roth, ZGR 1984, 620; Klein, S. 84 ff.; wie hier auch Gummert, in: MünchHdb. III, § 16 Rdnr. 101; Wiedenmann, ZIP 1997, 2029, 2035. 2 Für Geschäftsführung ohne Auftrag in diesem Fall Gummert, in: MünchHdb. III, § 16 Rdnr. 101; aber es kommt nur darauf an, ob der Geschäftsführer die Aufwendungen für erforderlich halten darf (§ 670 BGB); a.M. wohl Merkt, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 144. 3 Karsten Schmidt, oHG, S. 321 f., 355 ff.; Gummert, in: MünchHdb. III, § 16 Rdnr. 103; Flume, NJW 1981, 1755; Meister, in: FS Werner, S. 551 ff.; Lieb, in: FS Stimpel, S. 403 f.; Wulf-Henning Roth, ZGR 1984, 621; Hubert Schmidt, GmbHR 1988, 133; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 30. 4 BGHZ 86, 122, 126 = GmbHR 1983, 46; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 54; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 30. 5 Vgl. nur Merkt, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 145; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 151; Dreher, DStR 1992, 36; Heidinger, GmbHR 2003, 191. 6 Vgl. Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 129; s. auch Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 151.

648

Karsten Schmidt

§ 11

Rechtszustand vor der Eintragung

sprechung neu durchdacht werden1. Man muss sich darüber klar sein, dass die Regressproblematik ein Spiegelbild der Haftungsproblematik ist. Das Gesetz, das noch von einer ausschließlichen Haftung der Handelnden ausging (Rdnr. 102), kennt keine persönliche Regresshaftung der Gründer gegenüber den Handelnden2. Sie lässt sich weder auf eine Sonderrechtsbeziehung zwischen dem Gesellschafter und dem Handelnden noch auf eine Anwendung des § 11 Abs. 2 gegenüber den Gesellschaftern3 stützen. Seit eine persönliche Haftung der Gesellschafter für Gesellschaftsverbindlichkeiten anerkannt ist (Rdnr. 86 ff.), stellt sich die Frage neu. Allerdings ist das Binnenhaftungsmodell des BGH (Rdnr. 88 f.) keine gute Basis für eine Direkthaftung gegenüber dem Geschäftsführer. In dem hier befürworteten Modell einer Gesellschafter-Außenhaftung (Rdnr. 91 f.) stellt sich die Frage, ob die Regressverbindlichkeit der Gesellschaft eine solche Außenhaftung trägt. Das wird hier bereits seit der 8. Auflage bejaht. Danach haften die Gesellschafter für Regressansprüche der Geschäftsführer4, so wie sie auch sonst für die Gesellschaftsverbindlichkeiten haften, vorausgesetzt, der Geschäftsführer hat i.S. von Rdnr. 72 f. pflichtgemäß gehandelt und kann Regress bei der Gesellschaft suchen5. Weiterhin sind die Gesellschafter dem Handelnden stets dann zum Regress verpflichtet, wenn sie ihn zu dem rechtsgeschäftlichen Handeln ausdrücklich oder stillschweigend ermächtigt haben (zur Frage, ob dies Wirksamkeitsvoraussetzung für das Handeln im Namen der Vor-GmbH ist, vgl. Rdnr. 72 f.). Weisen ihn die Gesellschafter zum Handeln an, so kann hierin auch eine konkludente Haftungsfreistellung seitens der Gesellschafter zu erblicken sein6.

8. Haftung aus § 179 BGB? Eine Haftung aus § 179 BGB wegen Handelns als Vertreter ohne Vertretungs- 129 macht kommt nur ausnahmsweise in Betracht. Nach § 179 BGB haftet, wer für eine vorhandene Vor-GmbH ohne Vertretungsmacht (dazu aber Rdnr. 72 ff.) handelt (was eine Haftung nach § 11 Abs. 2 nicht ausschließt; vgl. Rdnr. 119). Entsprechend § 179 BGB haftet auch, wer im Rechtsverkehr als Vertreter einer überhaupt nicht errichteten, also auch nicht als Vor-GmbH existenten GmbH auftritt (Rdnr. 18 ff.)7. Im Stadium der Vorgesellschaft kommen Anwendungsfälle des § 179 grundsätzlich nicht vor. Überholt ist die Auffassung8, die ein Handeln im Namen der noch nicht eingetragenen GmbH als Handeln im Namen ei1 Dazu auch Wiedenmann, ZIP 1997, 2029 ff.: Innenhaftungsmodell auch beim Handelndenregress. 2 Vgl. Karsten Schmidt, GmbHR 1973, 152. 3 So aber Klein, S. 153: Haftung der Gründer nach § 11 Abs. 2 gegenüber dem Geschäftsführer wegen Abschluss des Gesellschaftsvertrages. 4 Vgl. Karsten Schmidt, oHG, S. 321 f., 355 ff.; Gummert, in: MünchHdb. III, § 16 Rdnr. 103; Wulf-Henning Roth, ZGR 1984, 620; s. auch Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 30 (Haftung auf der Grundlage des Außenhaftungskonzepts zu bejahen); a.M. Lutter/Hommelhoff, 15. Aufl., Rdnr. 17; Wiedenmann, ZIP 1997, 2029, 2036. 5 Zu dieser Voraussetzung vgl. auch Merkt, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 145 a.E. 6 Vgl. insofern noch Ulmer, in: Hachenburg, Rdnr. 123; distanziert jetzt Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 151. 7 LAG Köln, GmbHR 1988, 341 = DB 1988, 864; zust. Gummert, in: MünchHdb. III, § 16 Rdnr. 104. 8 So noch Haberkorn, MDR 1964, 555.

Karsten Schmidt

649

§ 11

Rechtszustand vor der Eintragung

ner inexistenten Person1 ansah (Rdnr. 102). Handelt der Vertreter unter dem Vorbehalt, dass die künftige GmbH den Vertrag noch genehmigen muss (vgl. Rdnr. 155), so scheidet jede Haftung aus § 179 BGB aus2. Handelt er ohne solchen Vorbehalt im Namen der Vorgesellschaft oder im Namen der künftigen GmbH, so liegt jedenfalls kein Handeln im Namen einer inexistenten Gesellschaft vor3. Zum Handeln im Namen der Vor-GmbH und der GmbH vgl. im Übrigen Rdnr. 68 ff. Es kommt dann darauf an, ob der Vertreter mit oder ohne Vertretungsmacht gehandelt hat. Nach der bei Rdnr. 72 f. zum Umfang der Geschäftsführer-Vertretungsmacht vertretenen Auffassung wird ein Handeln eines Geschäftsführers ohne Vertretungsmacht im Außenverhältnis kaum vorkommen4. Ein Handeln ohne Vertretungsmacht kann vorliegen, wenn ein Nichtgeschäftsführer ohne wirksame Bevollmächtigung im Namen der (Vor-)GmbH auftritt5. Im Übrigen kann eine Haftung aus § 179 BGB in Betracht kommen, wenn über die Identität der Gesellschaft getäuscht wird, der Vertreter der Vorgesellschaft also im Namen einer von ihr verschiedenen Gesellschaft handelt6.

9. Das Erlöschen der Haftung 130 a) Die Handelndenhaftung erlischt mit der Eintragung7. Diese automatische Beendigung der Haftung wird immer wieder bestritten8. Aber der Sicherungszweck dieser Haftung (Rdnr. 103) entfällt in diesem Augenblick, und es besteht kein Grund mehr, von nun an die Altgläubiger aus der Zeit vor der Eintragung besser als die Neugläubiger aus der Zeit nach der Eintragung zu behandeln9. Klarstellend heißt es bei BGHZ 80, 182 = NJW 1981, 1452 = GmbHR 1981, 192: „Die Haftung des Handelnden aus Geschäften, die er mit Ermächtigung aller Gründer im Namen der Gesellschaft abgeschlossen hat, erlischt ohne Rücksicht darauf,

1 Dazu BGHZ 63, 45, 47 = NJW 1974, 1905; Schramm, in: MünchKomm. BGB, 6. Aufl. 2012, § 179 BGB Rdnr. 11. 2 Karsten Schmidt, NJW 1973, 1597. 3 Unklar BGH, NJW 1973, 798 = GmbHR 1973, 101. 4 Vgl. für die Gegenansicht Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 128, wo aber § 179 BGB als durch § 11 Abs. 2 verdrängt angesehen wird. 5 Wie hier Gummert, in: MünchHdb. III, § 16 Rdnr. 104. 6 Vgl. BGH, WM 1985, 1364, 1365 = NJW-RR 1986, 115; s. auch LAG Köln, GmbHR 1988, 341 = DB 1988, 864. 7 BGHZ 69, 95, 103 f. = NJW 1977, 1683, 1685 mit Anm. Karsten Schmidt = GmbHR 1977, 246; BGHZ 70, 132, 139 ff. = NJW 1978, 636, 637 f. = GmbHR 1978, 152; BGHZ 76, 320, 323 = NJW 1980, 1630, 1631 = GmbHR 1980, 202; BGHZ 80, 182 = BB 1981, 750 = GmbHR 1981, 192 = NJW 1981, 1452; BAG, ZIP 2005, 350 (AG); LG Düsseldorf, DB 1986, 958, 959 = GmbHR 1986, 235; LG Bonn, MDR 1997, 759; Karsten Schmidt, GesR, § 34 III 4b; Gummert, in: MünchHdb. III, § 16 Rdnr. 129; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 29; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 53; Merkt, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 146; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 130, 140; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 146; Karsten Schmidt, oHG, S. 347 ff.; Theobald, S. 44; Fleck, GmbHR 1983, 14; Hüffer, JuS 1983, 168; Dreher, DStR 1992, 37. 8 Vgl. LG Münster, GmbHR 1983, 73 m. krit. Anm. Karsten Schmidt; M. Scholz, S. 156 ff.; Schäfer-Gölz, S. 175 f.; Sudhoff, GmbHR 1965, 109; Schultz, JuS 1982, 738 f.; s. auch OLG Düsseldorf, BB 1987, 1624 = GmbHR 1987, 430, wo aber die Haftung nicht auf § 11 Abs. 2 zu stützen gewesen wäre. 9 Vgl. Karsten Schmidt, GmbHR 1973, 150.

650

Karsten Schmidt

§ 11

Rechtszustand vor der Eintragung

ob es sich um eine Sach- oder um eine Bargründung handelt, mit der Eintragung der GmbH“. Die ältere Rechtsprechung, die noch eine befreiende Schuldübernahme seitens der Gesellschaft verlangte1, ist überholt. Überholt ist auch der Meinungsstreit, ob die Haftung aus Dauerschuldverhältnissen fortbesteht2. Die Frage ist klar zu verneinen3. b) Die Handelndenhaftung erlischt allerdings nur, wenn diese nämliche Gesell- 131 schaft, für die gehandelt wurde, eingetragen wird. Wer als Geschäftsführer einer Vorgesellschaft haftungsbegründend gehandelt hat, haftet weiter, wenn diese erste GmbH-Gründung gescheitert und eine neue GmbH gegründet und eingetragen worden ist4. c) Die Handelndenhaftung besteht nach einer verbreiteten Auffassung fort, 132 wenn und soweit die später eingetragene GmbH ausnahmsweise nicht verpflichtet wird5. Gemeint sind Fälle, in denen der Handelnde mangels Vertretungsmacht weder die Vorgesellschaft noch die spätere GmbH verpflichten konnte und diese das Rechtsgeschäft auch nicht genehmigt. Ob es diesen Fall überhaupt gibt, ist zweifelhaft. Folgt man der hier hinsichtlich der Organvertretungsmacht vertretenen Auffassung (Rdnr. 73), so kann der Fall jedenfalls bei einem Handeln eines Geschäftsführers nicht eintreten. Eine Forthaftung auch nach der Eintragung kann in Betracht kommen, wenn ein Nichtgeschäftsführer als Handelnder auftritt (Rdnr. 129). Aber diese fortbestehende Haftung beruht nicht auf § 11 Abs. 2. In diesem Fall ist neben § 11 Abs. 2 auch § 179 BGB anwendbar (Rdnr. 71 und 129). Die Haftung nach § 11 Abs. 2 erlischt. Die Haftung nach § 179 BGB – das Vorliegen ihrer Voraussetzungen unterstellt – erlischt nicht.

VIII. Vorbelastungen der GmbH und ihre Folgen Schrifttum: vgl. Rdnr. 85; außerdem Bayer/Lieder, Vorbelastungshaftung und Vorbelastungsbilanz, insbesondere bei späterer Auffüllung des Haftungsfonds, ZGR 2006, 875; Fleischer, Unterbilanzhaftung und Unternehmensbewertung, GmbHR 1999, 752; Habersack/Lüssow, Vorbelastungshaftung, Vorbelastungsbilanz und Unternehmensbewertung, NZG 1999, 629; Hennrichs, Vorbelastungshaftung und Unternehmensbewertung nach der Ertragswertmethode, ZGR 1999, 837; Hüttemann, Vorbelastungshaftung, Vorbelastungsbilanz und Unternehmensbewertung, in: FS Huber, 2006, S. 757; Joost, Vorbelastungshaftung und Leistung der Bareinlage in das Vermögen der Vor-GmbH vor Fälligkeit, ZGR 1989, 554; Lieb, Zum Spannungsverhältnis zwischen Vorbelastungshaftung und Differenzhaftung, in: FS Zöllner, 1998, S. 347; Monhemius, Bilanzrecht, Gründerhaftung und Scheitern der Vor-GmbH, GmbHR 1997, 384; Priester, Vorbelastungshaftung und anschließende Gewinne, in: FS Ulmer, 2003, S. 477; Zöllner, Die sog. Gründerhaftung, in: FS Wiedemann, 2002, S. 1383.

1 2 3 4 5

BGH, LM Nr. 2 zu § 11 GmbHG = NJW 1953, 219 = GmbHR 1953, 11. Vgl. dazu noch BGHZ 70, 132, 141 = NJW 1978, 636, 638 = GmbHR 1978, 152. Vgl. schon 6. Aufl. (Winter), Rdnr. 28; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 28. Vgl. BGH, ZIP 1983, 299; zust. auch Merkt, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 146. Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 29; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 53; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 147.

Karsten Schmidt

651

133

§ 11

Rechtszustand vor der Eintragung

1. Der Unversehrtheitsgrundsatz 134 a) Verhältnis zum Vorbelastungsverbot. Nach der älteren Rechtsprechung konnte die GmbH vor ihrer Eintragung nur mit satzungsmäßig zugelassenen oder gründungsnotwendigen Verbindlichkeiten belastet werden (Rdnr. 44). Diese Rechtsprechung ist seit dem Grundlagenurteil BGHZ 80, 129 = NJW 1981, 1373 = GmbHR 1981, 114 überholt (vgl. Rdnr. 45). Die Folgen dieses Sinnwandels sind aber nur teilweise geklärt. Als Grundsatz muss gelten: Das Vorbelastungsverbot ist überholt; nicht überholt ist dagegen der Unversehrtheitsgrundsatz. Es ist dafür zu sorgen, dass das Garantiekapital nicht schon durch Vorbelastungen aus dem Gründungsstadium geschmälert wird. Das Vorbelastungsverbot war eine prohibitive Sanktion des Unversehrtheitsgrundsatzes. An seine Stelle sind als Vorbelastungsrisiko (Rdnr. 45) zwei andere Sanktionen getreten: die Vorbelastungshaftung der Gründer (Rdnr. 139 ff.) und das Eintragungsverbot bei unausgeglichener Unterbilanz (Rdnr. 136). 135 b) Zweifelhaft ist noch der genaue Inhalt des Unversehrtheitsgrundsatzes sowie die Frage, ob der Unversehrtheitsgrundsatz auf den Zeitpunkt der Anmeldung oder auf den Zeitpunkt der Eintragung bezogen werden soll. Die Frage wird vor allem für den Bereich der Vorbelastungshaftung diskutiert (Rdnr. 141), aber sie stellt sich sowohl für das Eintragungsverbot (Rdnr. 136) als auch für die Vorbelastungshaftung (Rdnr. 139 ff.). Nach Auffassung des BGH1 und der h.L.2 entscheidet der Zeitpunkt der Eintragung. In diesem Moment muss das Gesellschaftsvermögen das Stammkapital decken. Diese h.M. basiert auf der Tradition des Unversehrtheitsgrundsatzes und der kaum je überprüften Prämisse, dass die Eintragung der GmbH ein am Eintragungsstichtag ungeschmälertes Vermögen garantiert3. Ihr steht eine Gegenauffassung gegenüber, nach der es auf den Anmeldungszeitpunkt ankommt4. Diese hier in der 7. Aufl. vertretene Auffassung wurde in der 8. Aufl. modifiziert und neu begründet. Sie versteht die Vorbelastungshaftung der Gründer als Spiegelbild ihres unternehmerischen Haftungsrisikos vor der Eintragung (Rdnr. 91 ff.). Dieses muss zwar nicht mit der Differenzhaftung des Sacheinlegers nach § 9 Abs. 1 koordiniert werden; aus § 9 kann aber entnommen werden, dass das Gesetz eine strikte Vollwertigkeit des Gesellschaftsvermögens nur am Anmeldungsstichtag sicherstellen will5. Das schließt, wie zu zeigen sein wird, eine zusätzliche Vorbelastungshaftung nicht aus. Eine dritte Ansicht stellt hinsichtlich der Vorbelastungshaftung auf den Eintragungs1 BGHZ 80, 129, 141 = NJW 1981, 1373, 1376 = GmbHR 1981, 114, 117; BGHZ 80, 182, 184 = NJW 1981, 1452, 1453 = GmbHR 1981, 192, 193; BGHZ 134, 333, 338 = NJW 1997, 1507, 1508 = GmbHR 1997, 405, 407. 2 Vgl. – z.T. allerdings nur hinsichtlich der Haftung – Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 32; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 63; Merkt, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 163; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 28; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 103; M. Scholz, S. 132; Theobald, S. 65; Hüffer, JuS 1983, 167. 3 Vgl. nur BGHZ 80, 129, 136 = NJW 1981, 1373, 1374 = GmbHR 1981, 114, 116; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 32; Theobald, S. 57 ff.; Fleck, GmbHR 1983, 10; eingehende Kritik bei Karsten Schmidt, ZHR 156 (1992), 99 ff. 4 So hier die 7. Aufl.; Priester, ZIP 1982, 1146 ff.; Schultz, JuS 1982, 736 f.; s. auch Karsten Schmidt, NJW 1981, 1346; gegen diese Auffassung vgl. insbesondere die Ausführungen von Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 104; Stimpel, in: FS Fleck, 1988, S. 357 f. 5 Dazu Karsten Schmidt, ZHR 156 (1992), 106.

652

Karsten Schmidt

§ 11

Rechtszustand vor der Eintragung

zeitpunkt, hinsichtlich des Eintragungshindernisses dagegen auf den Anmeldungszeitpunkt ab, so dass Verluste der Vorgesellschaft die Eintragung nicht hindern, aber die Vorbelastungshaftung auslösen1. Die Gerichtspraxis wird sich zunächst auf die erste, evtl. auch auf die dritte Ansicht einstellen. Nach ihr ist volle Kapitalaufbringung im Eintragungszeitpunkt gesichert, aber diese Kapitalaufbringungsgarantie wird bei Verlusten der Vorgesellschaft nicht durch eine Verweigerung der Eintragung sichergestellt, sondern sie wird nach der Eintragung durch die Vorbelastungshaftung der Gründer sichergestellt. Diese Auffassung ist, was das Eintragungsverfahren anlangt, praktikabel (Rdnr. 138). Haftungsrechtlich geht dieser Unversehrtheitsgrundsatz mit einem doppelten Konzept einher: mit einer strikten Differenzhaftung auf den Anmeldungsstichtag und mit einer Vorbelastungshaftung auf den Eintragungsstichtag (Rdnr. 141)2. Klarheit sollte darüber bestehen, dass nur eine eintragungsreife Anmeldung ausreicht, nicht eine Anmeldung, die unvollständig oder mangelhaft ist. Vorbelastungen, die diesem Zeitpunkt nachfolgen, können eine Vorbelastungshaftung nach Rdnr. 139 ff. begründen, dies aber nur, soweit die Gesellschafter nach Rdnr. 88 ff. auch persönlich haften3.

2. Das Eintragungsverbot a) Grundsatz. Ein Eintragungsverbot wegen Vorbelastungen besteht nach h.M., 136 wenn das Vermögen der Gesellschaft im Zeitpunkt der Eintragung bereits durch vorbelastende Rechtsgeschäfte unter den Betrag des Stammkapitals geschmälert ist (dazu oben § 9c Rdnr. 29)4. Ausstehende Einlagen sind dabei dem Aktivvermögen der Gesellschaft zuzurechnen (für etwaige Ausfälle wird nach § 24, nicht im Wege der Unterbilanzhaftung gehaftet). Der Registerrichter kann also die Einforderung aller ausstehenden Einlagen nicht verlangen (dies wäre mit § 7 unvereinbar). Die Unterbilanzhaftung (Rdnr. 139 ff.) soll dagegen als Aktivum nicht ausreichen, um das Eintragungsverbot auszuschalten5. Von den Gründern wird deshalb verlangt, dass sie eine vor der Eintragung bemerkte Unterbilanz alsbald ausgleichen, um die Eintragung zu ermöglichen (über Zweifel an dieser

1 Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 37, 31; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, § 9c Rdnr. 11 f., § 11 Rdnr. 63; Ulmer, in: Ulmer, § 9c Rdnr. 34, § 11 Rdnr. 108; Ulmer, ZGR 1981, 603 f., 606 f. 2 Näher Karsten Schmidt, ZHR 156 (1992), 120 ff.; dazu auch Gummert, in: MünchHdb. III, § 16 Rdnr. 110 ff. 3 Vgl. ebd. 4 BGHZ 80, 129, 143 = NJW 1981, 1373, 1376 = GmbHR 1981, 114, 117; BGHZ 80, 182, 184 f. = NJW 1981, 1452, 1453 = GmbHR 1981, 192, 193; BayObLG, BB 1991, 2391 = GmbHR 1992, 109 = WM 1992, 695; BayObLG, BB 1998, 2439; OLG Frankfurt, OLGZ 1992, 388 = DNotZ 1992, 744; OLG Hamm, DB 1993, 86 = GmbHR 1993, 95 = NJW-RR 1993, 1381; OLG Düsseldorf, ZIP 1996, 1705 = GmbHR 1997, 70; LG Gießen, GmbHR 1986, 163; Merkt, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 171, 172 a.E.; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, § 9c Rdnr. 30; Theobald, S. 67; Meister, in: FS Werner, S. 526; Schultz, JuS 1982, 733 ff.; Fleck, GmbHR 1983, 11; Gustavus, GmbHR 1988, 52; G. H. Roth, DNotZ 1989, 8 f. 5 Vgl. BGHZ 80, 129, 143 = NJW 1981, 1373, 1376 = GmbHR 1981, 114, 117; BayObLG, GmbHR 1992, 109 = WM 1992, 695; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, § 9c Rdnr. 30.

Karsten Schmidt

653

§ 11

Rechtszustand vor der Eintragung

Rechtsprechung s. sogleich im Text). Wegen der Feststellung der Unterbilanz ist auf Rdnr. 139 zu verweisen. 137 b) Zweifelhaft ist der Stichtag, auf den diese Unterbilanz zu beziehen ist (vgl. Rdnr. 135). Der BGH, der allerdings regelmäßig nur im Rahmen von Haftungsprozessen Inzidentausführungen über das Eintragungsverfahren macht, stellt auf den Eintragungszeitpunkt ab1. Nach einer Gegenansicht kommt es auf den Anmeldungszeitpunkt an. Verluste der Vorgesellschaft rechtfertigen nach dieser Ansicht nicht die Ablehnung der Registereintragung2. Dieser Standpunkt der 7. Aufl. (Rdnr. 122)3 wurde hier seit der 8. Aufl. modifiziert4: 138 Eine schon auf den Anmeldungszeitpunkt festgestellte, auf Vorbelastungen beruhende Unterbilanz muss vor der Eintragung durch Zahlung oder durch vollwertige Schuldanerkenntnisse der Gesellschafter ausgeglichen werden5. Spätere, d.h. der Anmeldung nachfolgende, Vorbelastungen stellen grundsätzlich kein Eintragungshindernis dar6. Grundsätzlich genügt, dass der Geschäftsführer die Forderung aus der Vorbelastungshaftung (Rdnr. 139 ff.) einbucht. Die Rechtsprechung verlangt allerdings die Versicherung, dass das Reinvermögen der Gesellschaft (ggf. zuzüglich Gründungskosten) das Stammkapital deckt (§ 9c Rdnr. 28). Daraus sollte indes keine Verpflichtung zum sofortigen Ausgleich der Unterbilanz abgeleitet werden (str.; vgl. § 9c Rdnr. 29)7. Soweit eine Vorbelastungshaftung entstanden ist (Rdnr. 91 ff., 139 ff.), bedarf es keiner Einzahlung vor der Eintragung, denn die Vorbelastungshaftung ist nicht Bestandteil der Einlagepflichten (Rdnr. 139), und eine vollwertige Forderung aus der Vorbelastungshaftung wird dem Aktivvermögen der Gesellschaft hinzugerechnet (str.)8. Für etwaige Ausfälle haften die Mitgesellschafter analog § 24. Der Registerrichter kann auch, wenn die Geltendmachung der Haftungsforderung (also ihre Berücksichtigung in der Bilanz) zweifelhaft ist, eine entsprechende Versicherung von den Geschäftsführern verlangen9. Bestehen Anhaltspunkte dafür, dass der De-

1 BGHZ 80, 129, 141 = NJW 1981, 1373, 1376 = GmbHR 1981, 114, 117; übereinstimmend Fleck, GmbHR 1983, 12. 2 Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 41, § 9c Rdnr. 19; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/ Hueck, § 9c Rdnr. 11 f.; Tebben, in: Michalski, § 9c Rdnr. 29; Ulmer, in: Ulmer, § 9c Rdnr. 34; Ulmer, ZGR 1981, 603 f. 3 Vgl. auch Karsten Schmidt, GmbHR 1987, 86. 4 Herausgearbeitet bei Karsten Schmidt, ZHR 156 (1992), 129. 5 Ausgleich durch Zahlung verlangen Ulmer, in: Ulmer, § 7 Rdnr. 62; Bayer, in: Lutter/ Hommelhoff, § 8 Rdnr. 12. 6 Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 41, § 8 Rdnr. 12; Tebben, in: Michalski, § 9c Rdnr. 29; s. auch Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, § 9c Rdnr. 30; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 113, § 9c Rdnr. 34; Priester, ZIP 1982, 1143. 7 So wohl BayObLG, BB 1991, 2391 = GmbHR 1992, 109 = WM 1992, 695; BayObLG, BB 1998, 2439 = DB 1998, 2359 = GmbHR 1998, 1225 = NZG 1999, 27; BayObLG, BB 1999, 971 = DB 1999, 954; OLG Frankfurt, OLGZ 1992, 388 = DNotZ 1992, 744 = GmbHR 1992, 531; OLG Hamm, DB 1993, 86 = GmbHR 1993, 95 = NJW-RR 1993, 1381; OLG Düsseldorf, ZIP 1996, 1705 = GmbHR 1997, 70. 8 Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 41; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 113 ff.; Ulmer, ZGR 1981, 604; a.M. Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, § 9c Rdnr. 30. 9 Vgl. auch BayObLG, GmbHR 1992, 109 = WM 1992, 695; anders wohl Bayer, in: Lutter/ Hommelhoff, § 8 Rdnr. 12.

654

Karsten Schmidt

§ 11

Rechtszustand vor der Eintragung

ckungsanspruch nicht vollwertig ist, so kann er ausnahmsweise den Nachweis der Vollwertigkeit, ggf. sogar einen Barausgleich in der bereits festgestellten Höhe, verlangen (a.M. Veil, oben § 9c Rdnr. 13 f.)1. Unabhängig vom Bestand einer Vorbelastungshaftung ist eine Überschuldung stets ein Eintragungshindernis.

3. Die Vorbelastungshaftung (Differenzhaftung, Unterbilanzhaftung) der Gründer a) An die Stelle des Vorbelastungsverbots ist seit BGHZ 80, 129 eine Vorbelas- 139 tungshaftung (Differenzhaftung; Unterbilanzhaftung) der Gründer getreten. Der Leitsatz des BGH lautet: „Für die Differenz, die sich durch solche Überlastungen zwischen dem Stammkapital und dem Wert des Gesellschaftsvermögens zum Zeitpunkt der Eintragung ergibt, haften die Gesellschafter anteilig.“ Dies ist ständige Rechtsprechung2. Die Maßgeblichkeit des satzungsmäßigen Stammkapitals gilt auch für die Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt). Die Haftung wird im Grundsatz von der h.L. gebilligt3. Sie wurde durch die bei Rdnr. 86 f. dargestellte persönliche Haftung der Gründer stimmig ergänzt. Aus systematischer Sicht erscheint sie als Resultat dieser vom BGH allerdings erst nachträglich anerkannten Gründerhaftung. Der Rechtsprechung und der h.L. ist im Grundsatz zuzustimmen. Die Haftung ist keine heimliche Fortschreibung des überholten Vorbelastungsverbots, sondern sie ist eine sachgerechte Sanktion des fortgeltenden Unversehrtheitsgrundsatzes. Ihrer Rechtsnatur nach wird man die Haftung nicht, wie die Differenzhaftung im Fall des § 9, als Teil oder Ergänzung der Einlagepflichten anzusehen haben4. Sie begründet aber, wie die Haftung aus § 9, Zahlungsansprüche der Gesellschaft. Bedenklich ist allerdings, dass der BGH in seinem Grundsatzurteil § 9 für die Begründung der Haftung herangezogen hat5. Von dieser Vorschrift, die nur das Differenzhaftungsrisiko des Sacheinlegers betrifft, ist die Vorbelastungshaftung gerade zu unterscheiden (Rdnr. 135). Sie ist nicht Bestandteil der Kapitaldeckungspflicht jedes Einlegers,

1 BayObLG, GmbHR 1992, 109 = WM 1992, 695; ähnlich Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 41; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, § 9c Rdnr. 12; s. auch ebd., § 9c Rdnr. 19; Tebben, in: Michalski, § 9c Rdnr. 33; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 116. 2 BGHZ 80, 129 = NJW 1981, 1373 = GmbHR 1981, 114; BGHZ 80, 182 = NJW 1981, 1452 = GmbHR 1981, 192; BGHZ 105, 300, 303 = LM Nr. 35 zu § 11 GmbHG = NJW 1989, 710, 711 = BB 1989, 169; BGH, NJW 1982, 932 = GmbHR 1982, 183; BGHZ 134, 333, 335 = NJW 1997, 1507 = GmbHR 1997, 405, 406; BGHZ 165, 391 = GmbHR 2006, 482 m. Komm. Werner = NZG 2006, 390 (Bespr. Luttermann/Linge, NZG 2006, 454). 3 Vgl. nur Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 61; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 32; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 99; M. Scholz, S. 124 ff.; Theobald, S. 53 ff.; Flume, NJW 1981, 1753; Meister, in: FS Werner, S. 538 f.; Karsten Schmidt, NJW 1981, 1346; Ulmer, ZGR 1981, 593 f.; Hüffer, JuS 1983, 167; Dreher, DStR 1992, 36; Sandberger, in: FS Fikentscher, S. 394 ff.; im Ergebnis auch Beuthien, ZIP 1996, 363 ff. (Herleitung aus dem insolvenzrechtlichen Gebot der Vorverlustfreiheit); grundlegend schon Ulmer, in: FS Ballerstedt, S. 294 ff.; abl. Schäfer-Gölz, S. 170 ff.; Dreßel, Kapitalaufbringung und -erhaltung in der GmbH, 1988, S. 64; krit. Priester, ZIP 1982, 1141 ff. 4 So noch die 8. Aufl. mit Hinweis auf Meister, in: FS Werner, S. 538; s. auch Fleck, GmbHR 1983, 11. 5 Vgl. die unterschiedliche Kritik bei Schäfer-Gölz, S. 131 ff.; Theobald, S. 58 ff.; Beuthien, ZIP 1996, 360; Karsten Schmidt, NJW 1981, 1346; Ulmer, ZGR 1981, 603 ff.; John, BB 1982, 510.

Karsten Schmidt

655

§ 11

Rechtszustand vor der Eintragung

sondern sie ist eine aus der Satzung nicht ableitbare gesetzliche Haftung (Rdnr. 138). Es handelt sich um einen Akt der richterlichen Rechtsfortbildung1. Das Ergebnis dieser Rechtsfortbildung besteht darin, dass das Vorbelastungsverbot durch eine Vorbelastungshaftung ersetzt wird. 140 b) Nur bei der Ersteintragung der GmbH greift die Unterbilanzhaftung ein, nicht bei der Kapitalerhöhung2, und entgegen der h.M. nicht bei der Mantelverwendung (Rdnr. 29, 67, 84, 109; eingehend zu dieser vgl. § 3 Rdnr. 22 ff., 44 ff.)3, denn die Registereintragung bei der Mantelverwertung dokumentiert als bloße Satzungsänderung nicht ein unversehrtes Stammkapital. Die gegenteilige Rechtsprechungslinie (BGHZ 153, 158 = NJW 2003, 892 = GmbHR 2003, 227; BGHZ 155, 318 = NJW 2003, 3198 = GmbHR 2003, 1125) führte nach dem Verständnis der h.M. zu unverhältnismäßigen Haftungsrisiken. Mit Recht wurde aber im Grundlagenurteil vom 6.3.20124 erkannt, dass auch auf der Basis der Theorie der „wirtschaftlichen Neugründung“ (Rdnr. 29) eine Unterbilanzhaftung nicht auf den Stichtag der Offenlegung der „wirtschaftlichen Neugründung“5, sondern nur auf den Zeitpunkt des Vollzugs der Mantelverwendung bezogen sein kann6. Sie sollte auch auf das satzungsmäßige Stammkapital beschränkt sein7. Aber diese Entschärfung der Rechtsprechung ist nur ein halber Schritt. Die Lehre von der „wirtschaftlichen Neugründung“ und den mit ihr verbundenen Risiken sollte aufgegeben werden (vgl. Rdnr. 29, 67, 84, 109). In Fällen der Umwandlung nach dem Umwandlungsgesetz soll dagegen die Ersteintragung der GmbH zur Unterbilanzhaftung führen8. 141 c) Umstritten ist auch in Fällen der Ersteintragung der Stichtag, auf den die Vorbelastung und Unterbilanz zu beziehen ist. Der BGH und die wohl herrschende Ansicht stellen auf den Eintragungsstichtag ab9. Jede auf diesen Stichtag berechnete Unterbilanz ist auszugleichen. Nach einer Gegenansicht ist Haftungsstich1 Vgl. nur Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 32; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/ Schmidt-Leithoff, Rdnr. 28; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 62; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 100; Wank, ZGR 1988, 340 ff. 2 7. Aufl., § 56 Anm. 69 (Priester); Zimmermann, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, § 56 Rdnr. 17; Karsten Schmidt, AG 1986, 106, 115; Karsten Schmidt, ZGR 1982, 529. 3 Eingehend Karsten Schmidt, NJW 2004, 1349; Karsten Schmidt, ZIP 2010, 857, 863 ff.; Hornstein, GmbHR 1998, 231; vgl. jetzt auch Merkt, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 161. 4 BGH, ZIP 2012, 817. 5 In diesem Sinne OLG München, BB 2010, 1240 = NZG 2010, 544 = ZIP 2010, 579; zust. Wachter, BB 2010, 1243 f. 6 In diesem Sinne KG, GmbHR 2010, 476 = ZIP 2010, 582; Hilfslösung auch nach Karsten Schmidt, ZIP 2010, 862 f.; s. auch Peetz, GmbHR 2011, 178 ff. 7 Kleindiek, in: FS Priester, S. 369 ff.; Karsten Schmidt, NJW 2004, 1345 ff.; Karsten Schmidt, ZIP 2010, 857 ff. 8 Vgl. Sandberger, in: FS Fikentscher, S. 400; zur Frage, ob eine umwandlungsrechtliche Unterbilanzhaftung eingreift, vgl. auch Winter und Joost, in: Lutter, § 56 UmwG Rdnr. 30, § 220 UmwG Rdnr. 22. 9 BGHZ 80, 129, 141 = NJW 1981, 1373, 1376 = GmbHR 1981, 114, 117; BGHZ 80, 182, 184 = NJW 1981, 1452, 1453 = GmbHR 1981, 192, 193; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 32; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 63; Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 12; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 103; M. Scholz, S. 132; Theobald, S. 65; Kind, S. 116 ff.; Ulmer, ZGR 1981, 603 f.; Hüffer, JuS 1983, 167; Fleck, GmbHR 1993, 551.

656

Karsten Schmidt

§ 11

Rechtszustand vor der Eintragung

tag der Tag, an dem eine eintragungsreife Anmeldung vorgelegen hat. Alle nach diesem Stichtag anfallenden Vorbelastungen gehen nicht mehr auf Kosten der Gründer, sondern der GmbH1. Diesem Standpunkt hatte sich hier die 7. Aufl. angeschlossen. Er ist, wie bei Rdnr. 135 bemerkt wurde, nicht der vorherrschende. Es geht um ein Wertungsproblem2: Die h.M. erklärt sich daraus, dass aus dem historischen Ansatz des § 11 Abs. 1 noch der Gedanke herübergerettet wird, wonach am Eintragungsstichtag das satzungsmäßige Garantiekapital vollständig vorhanden sein muss; die Haftung stellt nur dann einen vollen Ersatz für das Vorbelastungsverbot dar, wenn der Eintragungsstichtag den Ausschlag gibt. Sieht man dagegen das Konzept des § 11 Abs. 1 als vollends veraltet an (die GmbH entsteht als operative Einheit eben nicht erst mit der Eintragung!), so lässt sich eine Unversehrtheitsgarantie am Eintragungsstichtag nicht mehr rechtfertigen3. Das führt zu einer Unterscheidung zwischen der Unterbilanzhaftung und der Vorbelastungshaftung4, die meist nur als verschiedene Begriffsbildungen für dieselbe Haftung verstanden werden. Es besteht folgender Unterschied: Die Unterbilanzhaftung wird rein bilanziell ermittelt und fragt nicht nach den Ursachen der Unterbilanz; dagegen ist die Vorbelastungshaftung nur die zur Innenhaftung mutierte akkumulierte Haftung der Gründer für Verbindlichkeiten der Gesellschaft (also die nicht durch realisierbare Regressansprüche gedeckte [Rdnr. 97] Außenhaftung vor der Eintragung). Eine strenge Unterbilanzhaftung lässt sich, ebenso wie ein strenges Eintragungsverbot wegen Vorbelastungen (Rdnr. 136), nur für den Anmeldungszeitpunkt rechtfertigen (vgl. auch Rdnr. 146). Vorbelastungen aus der Zeit zwischen der Anmeldung und der Eintragung können eine Vorbelastungshaftung nur rechtfertigen, soweit eine solche Haftung bereits vor der Eintragung entsteht (dazu Rdnr. 88 ff.)5. Die Vorbelastungshaftung beschränkt sich insoweit auf die operativen Verluste durch Verbindlichkeiten der Gesellschaft, während reine Wertverluste des Anlagevermögens aus der Zeit nach der Anmeldung entgegen dem Standpunkt des BGH nicht auszugleichen sind6. Die Innenhaftung nach der Eintragung setzt sich also aus zwei Elementen zusammen: aus einer strengen Unterbilanzhaftung auf den Anmeldungsstichtag und aus einer darüber hinausgehenden Vorbelastungshaftung im Fall der Geschäftstätigkeit zwischen Anmeldung und Eintragung (näher Rdnr. 144 f.)7.

1 So namentlich Fischer, GmbHG, 10. Aufl. 1983, Anm. 4; Priester, ZIP 1982, 1146 ff.; Schultz, JuS 1982, 736 f.; sympathisierend Joost, ZGR 1989, 562. 2 A.M. möglicherweise Merkt, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 160: „nach der eindeutigen Regelung des § 11 Abs. 1 gelangt die GmbH erst mit der Eintragung zur Entstehung und nicht mit der Anmeldung …“. 3 Krit. gegenüber der h.M. schon Winter, hier in der 6. Aufl., Anm. 38; s. seither auch Sandberger, in: FS Fikentscher, S. 394 ff. 4 Karsten Schmidt, ZHR 156 (1992), 97, 99, 107 ff., 132; Karsten Schmidt, GesR, § 34 III 4c; Karsten Schmidt, in: Großkomm. AktG, 4. Aufl. 2003, § 41 AktG Rdnr. 119; zust. Gummert, in: MünchHdb. III, § 16 Rdnr. 113 ff. 5 Näher Karsten Schmidt, ZHR 156 (1992), 109, 120 f. 6 Vgl. mit Unterschieden im Detail Karsten Schmidt, GesR, § 34 III 4c; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 107; Koppensteiner, 2. Aufl., § 2 Rdnr. 37; gegen solche Begrenzung wohl Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 39. 7 Dazu Karsten Schmidt, ZHR 156 (1992), 125 f.; teilweise übereinstimmend jetzt Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 37; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 107; abl. Michalski/Funke,

Karsten Schmidt

657

§ 11

Rechtszustand vor der Eintragung

142 d) Die Unterbilanz- bzw. Vorbelastungshaftung begründet einen Anspruch der Gesellschaft gegen die Gesellschafter. Sie ist eine Innenhaftung und bleibt dies auch im Fall nachträglicher Insolvenz oder Vermögenslosigkeit1. Dieser Anspruch entsteht nach der auf das Grundsatzurteil BGHZ 80, 129 = NJW 1991, 1373 = GmbHR 1991, 114 zurückgehenden Praxis und Lehre mit der Eintragung2. Seit dem Grundsatzurteil BGHZ 134, 333, 337 ff. = NJW 1997, 1507, 1508 = GmbHR 1997, 405, 407 wird man den Zusammenhang zwischen der Gesellschafterhaftung im Gründungsstadium (Rdnr. 86 f.) und der Unterbilanzhaftung dahin zu deuten haben, dass am Eintragungsstichtag eine fixierbare Unterbilanzhaftung (Rdnr. 139), im Fall der Eintragungsverweigerung dagegen eine der Höhe nach ungewisse Innenhaftung entsteht (Rdnr. 86 f.). Die Haftungssituation vor der Eintragung oder ihrer Verweigerung ist immer noch offen. Nach der hier vertretenen Ansicht entsteht der Anspruch, soweit er auf Ausgleich einer Unterbilanz auf den Anmeldungsstichtag geht (Rdnr. 141 a.E.), mit der Anmeldung, kann also schon vor der Eintragung gegenüber den Gesellschaftern durchgesetzt werden und dient zugleich der Behebung des Eintragungshindernisses der Vorbelastung (Rdnr. 138). Diese Leistung wird von den Gründern schon während des Eintragungsverfahrens geschuldet3. Ob auch schon vor der Eintragung gezahlt werden muss, ist str. (Rdnr. 138). Hat der Registerrichter Grund zu der Annahme, dass eine die Eintragung hindernde Vorbelastung vorliegt (oben Rdnr. 136 ff.), so kann er auf die Beseitigung dieses Eintragungshindernisses mittels einer Zwischenverfügung dringen. Der Geschäftsführer kann den Nachschuss einfordern. Auch soweit die Vorbelastungshaftung die operativen Verluste der Gesellschaft zwischen der Anmeldung und der Eintragung umfasst (Rdnr. 141 a.E.), entsteht sie nicht als neues Haftungsrisiko der Gründer mit der Eintragung, sondern es handelt sich nur darum, dass sich die bisherige Außenhaftung der Gründer in das Innenverhältnis verlagert (Rdnr. 98): Vor der Eintragung kann sich eine Gesellschafter-Außenhaftung (Rdnr. 91) mit Binnenregress gegen das freie Vermögen der Gesellschaft (Rdnr. 97) aufbauen; diese wird mit der Eintragung, soweit sie nicht aus freien Mitteln zu decken ist, als Vorbelastungs-Binnenhaftung endgültig fixiert. 143 e) Zahlungspflichtig sind die Gesellschafter. Die Vorbelastungshaftung trifft die Gesellschafter anteilig nach dem Verhältnis der von ihnen übernommenen Stammeinlagen4. Sie ist weder auf den Betrag des Stammkapitals noch – für die einzelnen Gründer – auf den Betrag der übernommenen Stammeinlagen be-

1

2

3

4

in: Michalski, Rdnr. 137; Lieb, in: FS Zöllner, S. 353 ff.; Zöllner, in: FS Wiedemann, S. 1399. BGH, BB 2005, 2773 m. Anm. Gehrlein = DZWiR 2006, 118 m. Anm. Bräuer = EWiR 2006, 143 (Wilhelm) = GmbHR 2006, 88 = WuB II C § 11 GmbHG 1.06 m. Anm. Hennrichs/Wojcik. BGHZ 80, 129, 141 = NJW 1981, 1373, 1376 = GmbHR 1981, 114, 117; BGHZ 134, 333 = NJW 1997, 1507 = GmbHR 1997, 405; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 63; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 28; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 103; Kind, S. 132 ff. Insofern wie hier Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 37; insoweit für den Fall des Scheiterns der Gründung auch Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 121 (Geschäftsbeginn genüge; vgl. demgegenüber jedoch Rdnr. 103 für die Unterbilanzhaftung). Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 64; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 112; Meister, in: FS Werner, S. 528; a.M. Kind, S. 172 ff.

658

Karsten Schmidt

§ 11

Rechtszustand vor der Eintragung

schränkt und kann auch zum Ausgleich einer Überschuldung führen1. Die Vorbelastungshaftung ist Bestandteil der strengen Kapitalsicherungsregeln im GmbH-Recht. Sie unterliegt deshalb den strengen Regeln der Kapitalaufbringung, insbesondere denen des § 192. Für Ausfälle bei einzelnen Gesellschaftern haften die Mitgesellschafter anteilig nach § 243. Der Anspruch der Gesellschaft ist in ihrer Jahresbilanz (nicht auch im Unterbilanzstatus nach Rdnr. 144) zu aktivieren4. Er unterliegt nach h.M. analog § 9 Abs. 2 einer zehnjährigen Verjährung, die mit der Eintragung beginnt, nach der hier vertretenen Ansicht einer fünfjährigen Verjährung analog § 160 HGB (Rdnr. 149)5. Die Darlegungs- und Beweislast hinsichtlich des Anspruchs trifft die Gesellschaft als Gläubigerin, im Insolvenzfall den Verwalter6. f) Haftungsumfang. aa) Der Umfang der Haftung (Rdnr. 124) ist bilanziell zu 144 ermitteln7. Die Bilanz ist eine Vermögensbilanz (ein Unterbilanzstatus)8. Die Aktiven werden, sofern die Gesellschaft am Bewertungsstichtag nicht im Rechtssinne überschuldet, das Unternehmen also nicht fortführungsunfähig war, zu Fortführungswerten angesetzt9. Ist die Fortführungsprognose dagegen negativ, so ist das Gesellschaftsvermögen nicht zu Fortführungs-, sondern zu

1 BGH, GmbHR 1982, 235 = WM 1982, 40; BGHZ 105, 300, 303 = LM Nr. 35 zu § 11 GmbHG = NJW 1989, 710 = BB 1989, 169 = GmbHR 1989, 74; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 33; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 64; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 28; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 105; Theobald, S. 62; Fleck, GmbHR 1983, 10; Flume, NJW 1981, 1755 ff.; Ulmer, ZGR 1981, 603, Fn. 48. 2 BGHZ 124, 282, 283 = GmbHR 1994, 176 = LM Nr. 36 zu § 11 GmbHG m. Anm. Roth = NJW 1994, 724; Merkt, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 166; a.M. Bayer, in: Lutter/ Hommelhoff, Rdnr. 38. 3 BGHZ 80, 129, 141 = NJW 1981, 1373, 1376 = GmbHR 1981, 114, 117; LG Gießen, GmbHR 1986, 163; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 38; Merkt, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 166; die Beschränkung dieser Ausfallhaftung auf den ausfallenden Einlagebetrag (Karsten Schmidt, BB 1985, 154 f.) versteht sich hier unter Einrechnung der Vorbelastungshaftung. 4 Eingehend Schulze-Osterloh, in: FS Goerdeler, S. 544 ff. 5 BGHZ 105, 300, 304 ff. = LM Nr. 35 zu § 11 GmbHG = NJW 1989, 710, 711 = GmbHR 1989, 74; bestätigend BGHZ 149, 273, 275 = NJW 2002, 824 f. (Innenhaftung bei der Genossenschaft). 6 BGH, LM Nr. 39 zu § 11 GmbHG = DStR 1997, 1857 m. Anm. Goette = GmbHR 1997, 1145 = NJW 1998, 233 = ZIP 1997, 2008; OLG Köln, BB 1995, 793 = GmbHR 1995, 449 = NJW-RR 1995, 930; OLG Frankfurt, BB 1992, 1082 = GmbHR 1992, 609; OLG Düsseldorf, GmbHR 1993, 587; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 40; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 117. 7 Vgl. BGHZ 124, 282 = GmbHR 1994, 176 = LM Nr. 36 zu § 11 GmbHG m. Anm. Roth = NJW 1994, 724; BGHZ 140, 35 = NJW 1999, 283 = NZG 1999, 70 = ZIP 1998, 2151 = GmbHR 1999, 31; BGH, LM Nr. 39 zu § 11 GmbHG = GmbHR 1997, 1115 = NJW 1998, 102 = ZIP 1997, 2008; eingehend Merkt, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 165 ff.; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 108 ff.; Priester, ZIP 1982, 1142. 8 Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 108; Schulze-Osterloh, in: FS Goerdeler, S. 533 ff., 537; Hüttemann, in: FS Huber, S. 757, 767 (aber auch S. 781). 9 So auch BGHZ 140, 35 = NJW 1999, 283 = NZG 1999, 70 = ZIP 1998, 2151 = GmbHR 1999, 31; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 108; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 33; Hüttemann, in: FS Huber, S. 757, 768; gegen einen Vorrang der Ertragswertmethode Habersack/Lüssow, NZG 1999, 633.

Karsten Schmidt

659

§ 11

Rechtszustand vor der Eintragung

Veräußerungswerten zu bilanzieren1. Hat die Ingangsetzung der Vorgesellschaft bereits zu einer unternehmerischen Organisationseinheit geführt, so kann diese als ganzes (also einschließlich des sog. Firmenwerts) nach der Ertragswertmethode bewertet werden2. Ein separater Ansatz des Firmenwerts ist dann nicht erforderlich3. Die Ansetzung des Unternehmenswerts als Ertragswert setzt voraus, dass sich das Unternehmen bereits als fortführungsfähige Organisationseinheit am Markt etabliert hat4. Auf der Passivseite sind alle Verbindlichkeiten der (Vor-)Gesellschaft zu verbuchen5. Darauf, ob die Gesellschafter (Gründer) hierzu ihr Einverständnis gegeben hatten, kommt es nicht an (vgl. auch zur Vertretungsmacht der Geschäftsführer Rdnr. 72 f.)6. Zu passivieren sind auch Gesellschafterdarlehen7. Eine Rangrücktrittsvereinbarung ändert hieran nichts8, denn der bloße Nachrang im Insolvenzfall lässt den Tatbestand der Unterbilanz nicht entfallen. Die für die Überschuldungsfeststellung geltenden Grundsätze (§ 19 Abs. 2 Satz 2 InsO n.F. und dazu Erl. vor § 64) gelten nicht für die Feststellung der Unterbilanz, weil es hier nicht um die Fortführungsfähigkeit des Unternehmens, sondern um die Kapitaldeckung geht. 145 Gründungsaufwand schmälert das Gesellschaftsvermögen und darf in der Vorbelastungsbilanz nur dann aktiviert werden, wenn die Gesellschaft ihn durch förmliche Satzungsregelung übernommen hat9. Wertsteigerungen des Aktivvermögens, die vor dem Bewertungsstichtag liegen, kommen den Gesellschaftern haftungsrechtlich zugute, auch wenn sie nicht auf der Geschäftstätigkeit der Gesellschaft beruhen10. Umstritten ist demgegenüber, welche Vermögenseinbußen haftungserheblich sind. Der Meinungsstreit hängt mit Unsicherheiten und 1 BGH, LM Nr. 39 zu § 11 GmbHG = DStR 1997, 1857 m. Anm. Goette = GmbHR 1997, 1115 = NJW 1998, 102 = ZIP 1997, 2008; BGH, GmbHR 2006, 482 m. Komm. Werner = NZG 2006, 390 (Bespr. Luttermann/Linge, NZG 2006, 454); Hüttemann, in: FS Huber, S. 757, 768; weitere Nachweise bei Wilken, EWiR 1998, 34; grundsätzlich für eine vorgezogene Einzelbewertung Fleischer, GmbHR 1999, 755; Habersack/Lüssow, NZG 1999, 632. 2 BGHZ 140, 35 = NJW 1999, 283 = NZG 1999, 70 = ZIP 1998, 2151 = GmbHR 1999, 31; s. auch OLG Frankfurt, DB 1992, 1335, 1336 = GmbHR 1992, 604, 605; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 34; a.M. Hennrichs, ZGR 1999, 837 ff.; für Einzelbewertung auch Fleischer, GmbHR 1999, 752; Hornstein, GmbHR 1998, 230. 3 Wie hier Hüttemann, in: FS Huber, S. 757, 770; a.M. Fleischer, GmbHR 1999, 752, 755. 4 BGHZ 140, 35 = NJW 1999, 283 = NZG 1999, 70 = ZIP 1998, 2151 = GmbHR 1999, 31; BGHZ 165, 391 = BB 2006, 907 m. Anm. Gehrlein = DStR 2006, 711 m. Anm. Goette = EWiR 2006, 565 (Naraschewski) = GmbHR 2006, 482 m. Komm. Werner = NZG 2006, 390; dazu Luttermann/Linge, NZG 2006, 454 ff.; Bayer/Lieder, ZGR 2006, 875, 894 f. 5 Vgl. Winnefeld, BilanzHdb., 4. Aufl. 2006, Rdnr. N 191 ff.; Wicke, Rdnr. 8; Weitemeyer, NZG 2006, 648. 6 A.M. Merkt, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 159; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 102. 7 BGHZ 124, 282 = LM Nr. 36 zu § 11 GmbHG m. Anm. Roth = NJW 1994, 724. 8 Wie hier OLG Naumburg, GmbHR 1999, 665 (LS) = NZG 1999, 316; Bayer, in: Lutter/ Hommelhoff, Rdnr. 36; unterschieden insofern BGHZ 124, 282 = LM Nr. 36 zu § 11 GmbHG m. Anm. Roth = NJW 1994, 724; a.M. Priester, ZIP 1994, 417; zweifelnd Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 36. 9 BGH, LM Nr. 39 zu § 11 GmbHG = DStR 1997, 1857 m. Anm. Goette = GmbHR 1997, 1115 = NJW 1998, 102 = ZIP 1997, 2008. 10 Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 109; Schulze-Osterloh, in: FS Goerdeler, S. 543; s. aber Messer, in: FS Werner, S. 541.

660

Karsten Schmidt

§ 11

Rechtszustand vor der Eintragung

Divergenzen hinsichtlich der Haftungszwecke und Haftungsgrundlagen zusammen. Die strengste (vorherrschende!) Auffassung geht dahin, dass die Haftung eine echte Unterbilanzhaftung ist und dass deshalb jede irgendwie begründete Differenz zwischen dem Stammkapital und dem Vermögen auszugleichen ist1. Nach einer Gegenansicht begrenzt sich die Haftung auf solche Verluste, die durch einzelne Rechtsgeschäfte (z.B. den Erwerb eines Unternehmens im Fall der Bargründung) oder durch die Vorwegnahme der Geschäftstätigkeit (in Gestalt eines Wertverlusts des Unternehmens) herbeigeführt wurden2. Eine dritte Auffassung will die Ingangsetzungskosten von der Vorbelastungshaftung ausnehmen3. Eine Stellungnahme muss von dem bei Rdnr. 134, 139 dargestellten Normzweck 146 und dem bei Rdnr. 141 entwickelten Haftungsumfang ausgehen. Der Normzweck verbietet es, der dritten Ansicht zu folgen4. Die Ingangsetzungskosten sind ein geradezu charakteristischer Haftungsfall. Aus Rdnr. 141, 142 ergibt sich weiter, dass die Haftung aus zwei Elementen besteht: Sie umfasst eine auf den Anmeldungsstichtag zu errechnende Unterbilanz (Unterbilanzhaftung) sowie die sich bis zum Eintragungsstichtag ergebenden Anlaufverluste aus Gesellschaftsverbindlichkeiten, insbesondere aus operativer Tätigkeit der Vorgesellschaft (Vorbelastungshaftung)5. Entgegen der h.M. ist nämlich eine Garantiehaftung für jedwede Unterbilanz nur auf den Anmeldungs-, nicht auf den Eintragungsstichtag zu rechtfertigen (Rdnr. 141). Daneben tritt die akkumulierte Haftung der Gründer für die Vorbelastung mit Verbindlichkeiten bis zum Eintragungsstichtag. Das bedeutet: Die Unterbilanzhaftung lässt die Gründer ohne Entlastungsmöglichkeit für jede Unterdeckung am Anmeldungsstichtag haften; die Vorbelastungshaftung ist eine die Außenhaftung für Gesellschaftsverbindlichkeiten (Rdnr. 93) ablösende Innenhaftung der Gesellschafter für die durch die operative Tätigkeit entstandenen Wertverluste im Gesellschaftsvermögen. In der Praxis wird – z.B. vom Insolvenzverwalter – allerdings die gesamte Unterbilanz am Eintragungsstichtag geltend gemacht. Das genügt für die schlüssige Darlegung des Anspruchs, und es ist Sache der Gesellschafter, darzulegen, inwieweit die vom Insolvenzverwalter dargelegte und im Streitfall zu beweisende Unterbilanz keine Vorbelastungshaftung auslöst. Die Minderung des Ertragswerts eines bereits eingebrachten oder sonst von der Vor-GmbH erworbenen und von ihr fortgeführten Unternehmens ist haftungsschädlich6. Dagegen ist ei1 So BGHZ 105, 300, 303 = LM Nr. 35 zu § 11 GmbHG = NJW 1989, 710 = BB 1989, 169; Flume, Juristische Person, § 5 III 4; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 33; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 64; Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 10–17; Theobald, S. 63 f. 2 So Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 107; s. auch Karsten Schmidt, GesR, § 34 III 4c; SchulzeOsterloh, in: FS Goerdeler, S. 543; unklar Michalski/Funke, in: Michalski, Rdnr. 141. 3 Priester, ZIP 1982, 1142 f.; abl. Merkt, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 163. 4 Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 35; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 107; eingehend Schulze-Osterloh, in: FS Goerdeler, S. 540 ff.; Hüttemann, in: FS Huber, S. 757, 761. 5 Vgl. Karsten Schmidt, ZHR 156 (1992), 124 ff.; Karsten Schmidt, in: Großkomm. AktG, 4. Aufl. 2003, § 41 AktG Rdnr. 116 ff.; teilweise ähnlich Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 107 ff.; ablehnend freilich Michalski/Funke, in: Michalski, Rdnr. 137; Lieb, in: FS Zöllner, S. 353 ff.; Zöllner, in: FS Wiedemann, S. 1399. 6 Vgl. Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 107; Schulze-Osterloh, in: FS Goerdeler, S. 543.

Karsten Schmidt

661

147

§ 11

Rechtszustand vor der Eintragung

ne Unterbilanz, die sich ohne unternehmerische Tätigkeit der Vorgesellschaft nach dem Anmeldungszeitpunkt nur aus Wertverlusten im Anlagevermögen ergeben könnte, nicht auszugleichen1. Ein solcher Wertverlust braucht also im Vorbelastungsstatus nicht berücksichtigt zu werden. Zweifelhaft ist, welche Abzüge von dieser Haftung erlaubt sind. Nach der Rechtsprechung sollen nur Vorbelastungen schaden, die sich weder aus dem Gesetz noch aus der Satzung ergeben2. Hieraus wird teilweise gefolgert, dass im Fall einer Sachgründung mit Unternehmenseinbringung die aus der Fortführung des Handelsgeschäfts resultierenden Vorbelastungen nicht ausgeglichen werden müssen3. Dem ist nicht zu folgen4. Allenfalls für den Gründungsaufwand (vgl. § 26 Abs. 2 AktG) kann gelten, dass er – soweit durch Gesetz oder Satzung gedeckt – bei der Feststellung einer Unterbilanz außer Betracht gelassen werden kann5. Die ganze Abgrenzungsdiskussion erklärt sich immer noch aus dem überholten Vorbelastungsverbot, das – um nicht zu sinnwidrigen Ergebnissen zu führen – für gesetzlich oder satzungsgemäß legitimierte Vorbelastungen durchlöchert werden musste. Diese Denkweise sollte nicht auf die Vorbelastungshaftung übertragen werden. Die Rechtsprechung sollte nur noch den satzungsmäßig gedeckten Gründungsaufwand bei der Feststellung einer Unterbilanz unberücksichtigt lassen6, und auch dies nur, wenn er auch der Höhe nach festgesetzt ist7. Es wird sogar vertreten, alle Gründungskosten seien ausnahmslos den Gründern zusätzlich zum Stammkapital aufzubürden8. Diese Auffassung ist in sich konsequent. Gegen sie spricht allerdings, dass sie die GmbH-Gründer strenger behandelt als die Gründer einer AG. 148 g) Zweifelhaft ist das Verhältnis zwischen der Vorbelastungshaftung und der Differenzhaftung des Sacheinlegers nach § 9, wenn ein Unternehmen oder ein verlustbringender Gegenstand eingebracht wird. Praktisch läuft dies auf die Frage hinaus, ob ein Anspruch aus § 9 im Unterbilanzstatus (Rdnr. 144) zu aktivieren ist. Grundsätzlich hat die Haftung nach § 9 Vorrang vor der Vorbelastungshaftung9. Haftet der Sacheinleger nach § 9, so ist die Unterbilanz auf den Anmeldungsstichtag in Höhe dieser einbringlichen Forderung durch seine Haftung beseitigt; die Mitgesellschafter haften nur subsidiär (§ 24)10. Das gilt insbesondere auch für Verluste, die der Sacheinleger vor der Einbringung eines Un1 A.M. z.B. Theobald, S. 65; Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 15 f.; zweifelnd Raiser/ Veil, Kapitalgesellschaften, § 26 Rdnr. 121. 2 BGHZ 80, 129, 137 = NJW 1981, 1373, 1375 = GmbHR 1981, 114, 116; Meister, in: FS Werner, S. 529. 3 Meister, in: FS Werner, S. 529 f.; s. auch Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 30; Fleck, GmbHR 1983, 11; s. auch, für den Zeitraum nach Anmeldung, Kind, S. 159 ff. 4 Vgl. auch Raiser/Veil, Kapitalgesellschaften, § 26 Rdnr. 121; Ulmer, in: Hachenburg, 7.II Aufl., Rdnr. 86. 5 Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 64; Raiser/Veil, Kapitalgesellschaften, § 26 Rdnr. 121. 6 Vgl. auch Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 110, § 5 Rdnr. 220; Karsten Schmidt, AG 1986, 115. 7 Vgl. zu diesem Erfordernis OLG Hamm, BB 1984, 87 = GmbHR 1984, 155. 8 So M. Scholz, S. 129 f.; Theobald, S. 63. 9 Insoweit wie hier Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 39; Merkt, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 170; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 30. 10 Stimpel, in: FS Fleck, S. 349.

662

Karsten Schmidt

§ 11

Rechtszustand vor der Eintragung

ternehmens als Sacheinlage erwirtschaftet hat. Soweit Verluste auszugleichen sind, die zwischen der Anmeldung und der Eintragung zu Stande kommen (Rdnr. 135, 141, 144 ff.), unterliegen diese Verluste von vornherein nicht der Haftung nach § 9. Sie können aber die Vorbelastungshaftung auslösen1. Diese trifft alle Gesellschafter anteilig (Rdnr. 143). Soweit es um Verluste zwischen der Einbringung des Unternehmens und der eintragungsfähigen Anmeldung geht, schulden die Mitgesellschafter dem nach § 9 unbeschränkt nachschusspflichtigen Sacheinleger im Innenverhältnis Ausgleich; der Geschäftsführer wird sie grundsätzlich primär in Anspruch nehmen2. Die Ansicht, § 9 verdränge allgemein die Vorbelastungshaftung3, überzeugt gerade in diesem Fall nicht. Es geht nur um das richtige Verhältnis zwischen dem Risiko des Einlegers und den gemeinschaftlichen Risiken aller Gründer. In der Regel wollen diese die Gefahr von der Einbringung an gemeinsam tragen4. Dann hat im Innenverhältnis die Vorbelastungshaftung Vorrang vor der Sacheinlegerhaftung, nicht umgekehrt. h) Die Eintragung bringt die Vorbelastungshaftung nicht zum Erlöschen (nach 149 der bis 1997 praktizierten Rechtsprechung sogar erst zum Entstehen!). Sie sorgt nur dafür, dass der Umfang der Vorbelastungshaftung endgültig fixiert wird (und dass nach dem hier vertretenen Außenhaftungsmodell aus der gesamtschuldnerischen Außenhaftung der Gründer eine anteilige Vorbelastungs-Innenhaftung wird; vgl. Rdnr. 91 f.). Die Verjährungsfrist für den Haftungsanspruch wird von der bisher h.M. analog § 9 Abs. 2 bestimmt5. Diese Verjährung beruht auf dem Gedanken, dass die Feststellung der Unterbilanz zunehmend schwierig wird6. Aus heutiger Sicht ist die Analogiebasis zu bestreiten. Die Frist nach § 9 Abs. 2 lief bis 2004 fünf Jahre ab Eintragung, und dies war gegenüber der vormaligen Regelfrist (30 Jahre) ein Privileg. Heute stellt die Abweichung von § 195 BGB eine Verschärfung dar, und diese Verschärfung wurde im Jahr 2004 parallel zu § 19 Abs. 6 noch weiter ausgebaut (10 statt 5 Jahre). Die Analogiebasis ist bezüglich der Vorbelastungshaftung (Rdnr. 141) nicht mehr bei § 9 Abs. 2 zu suchen, sondern bei den Nachhaftungsregeln der §§ 26, 159, 160 HGB, § 736 Abs. 2 BGB, §§ 45, 131 Abs. 3, 224 UmwG. Damit ist es bei der fünfjährigen Verjahrungsfrist ab Eintragung geblieben7. Wird die Haftung erst binnen der Frist des § 9 Abs. 2 geltend gemacht, so muss, was kaum gelingen wird, eine Unterbilanz schon am 1 A.M. noch Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 28; Meister, in: FS Werner, S. 529 f. 2 Näher Karsten Schmidt, ZHR 156 (1992), 130. 3 Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 30; dagegen auch Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 39. 4 Der Text ist als Erfahrungsresultat gemeint, nicht als Unterstellung; so aber wohl die Wahrnehmung bei Merkt, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 170. 5 BGHZ 105, 300 = LM Nr. 35 zu § 11 GmbHG = NJW 1989, 710 = BB 1989, 169 = GmbHR 1989, 74; LG Ravensburg, GmbHR 1985, 25; M. Scholz, S. 132; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 38; Merkt, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 168; SchmidtLeithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 28 a.E.; Schroeter, in: Bork/Schäfer, Rdnr. 65; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 64; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 118; Priester, ZIP 1982, 1143; Fleck, GmbHR 1983, 13; Bayer/Lieder, ZGR 2006, 875, 889 f. 6 BGHZ 105, 300, 305 = LM Nr. 35 zu § 11 GmbHG = NJW 1989, 710, 711 = BB 1989, 169 = GmbHR 1989, 74. 7 Näher Karsten Schmidt, in: FS Goette, S. 459, 470.

Karsten Schmidt

663

§ 11

Rechtszustand vor der Eintragung

Anmeldungsstichtag dargelegt und ggf. bewiesen werden (Rdnr. 141). Wurde die Forderung nicht in die Bilanz aufgenommen (Rdnr. 143 a.E.), so ist die Berufung auf ihre Verjährung deshalb noch nicht arglistig1. Die Geschäftsführer sind verpflichtet, die Haftung geltend zu machen und einen Verjährungseintritt zu verhindern2. Der Eintritt der Verjährung wird dadurch verhindert, dass der Haftungsanspruch in der Bilanz aktiviert wird und jährlich der Bilanzfeststellung unterliegt. Die Bilanzfeststellung hat nach § 212 BGB die Wirkung eines Neubeginns der Verjährung3, doch sollte in Anbetracht einer diese Folge im Personengesellschaftsrecht verneinenden BGH-Entscheidung4 der Neubeginn durch separate Erklärung der Gesellschafter gesichert werden5. Schädigt der Geschäftsführer die Gesellschaft durch Nichtrealisierung oder durch Verjährenlassen der Haftung, so kann er nach § 43 zum Ersatz verpflichtet sein6. 150 i) Der Anspruch der Gesellschaft auf Beseitigung der Unterbilanz wird vom BGH wie ein Einlageanspruch dem Kapitalaufbringungsrecht des § 19 unterstellt7. Das gilt auch für das Aufrechnungsverbot des § 19 Abs. 28. Daraus folgt in den Augen des BGH auch, dass die Haftung nicht durch nachträgliche Beseitigung oder Verringerung der Unterbilanz automatisch erlischt bzw. sich verringert9. Im Gegensatz zu der einschlägigen Judikatur zum Anspruch aus § 31 (dazu § 31 Rdnr. 25) ist dies zu bezweifeln10. Der Anspruch aus der Vorbelastungshaftung (Rdnr. 141) ist keine Einlageforderung der Gesellschaft (Rdnr. 139) und unterscheidet sich gerade in dieser Hinsicht auch von dem Anspruch des § 911. So wie die Gesellschafter wegen der Außenhaftung aus freiem Gesellschaftsvermögen hätten Regress nehmen können (Rdnr. 97), werden sie mit der Beseitigung der Unterbilanz frei. Der Anspruch basiert auf einer Unterbilanz und fällt mit dieser fort. Deshalb muss auch die Aufrechnung oder Verrechnung mit vollwertigen

1 BGHZ 105, 300, 306 = LM Nr. 35 zu § 11 GmbHG = NJW 1989, 710, 711 = BB 1989, 169 = GmbHR 1989, 74; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 118. 2 Joost, ZGR 1989, 562; Priester, ZIP 1982, 1143; Meister, in: FS Werner, S. 539 f. 3 Ulmer, in: Hachenburg, Rdnr. 94; Schulze-Osterloh, in: FS Goerdeler, S. 457; anders Schulze-Osterloh, in: FS Westermann, 2008, S. 1487 ff. 4 BGH, GmbHR 2010, 814, 815. 5 Verf. bereitet eine kritische Stellungnahme vor. 6 Zust. Merkt, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 168. 7 BGHZ 165, 391 = BB 2006, 907 m. Anm. Gehrlein = DStR 2006, 711 m. Anm. Goette = EWiR 2006, 565 (Naraschewski) = GmbHR 2006, 482 m. Komm. Werner = NZG 2006, 390 mit Hinweis auf BGHZ 124, 282, 286 = GmbHR 1994, 176 = NJW 1994, 724; krit. Bayer/Lieder, ZGR 2006, 875, 880 ff. 8 BGHZ 165, 391 = BB 2006, 907 m. Anm. Gehrlein = DStR 2006, 711 m. Anm. Goette = EWiR 2006, 565 (Naraschewski) = GmbHR 2006, 482 m. Komm. Werner = NZG 2006, 390; zust. Schroeter, in: Bork/Schäfer, Rdnr. 65; krit. Bayer/Lieder, ZGR 2006, 875, 887 ff. 9 BGHZ 165, 391 = BB 2006, 907 m. Anm. Gehrlein = DStR 2006, 711 m. Anm. Goette = EWiR 2006, 565 (Naraschewski) = GmbHR 2006, 482 m. Komm. Werner = NZG 2006, 390 mit umfangreichen Nachweisen; referierend Merkt, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 169; zust. Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 64; a.M. Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 38; Bayer/Lieder, ZGR 2006, 875, 883 ff. 10 So die 9. Aufl., Rdnr. 131a; ebenso Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 38; Priester, in: FS Ulmer, S. 477 ff. 11 Dazu Karsten Schmidt, GesR, § 37 II 3c.

664

Karsten Schmidt

§ 11

Rechtszustand vor der Eintragung

Ansprüchen der haftenden Gesellschafter zulässig sein1. Ein Verzicht oder Erlass seitens der Gesellschaft ist dagegen nicht möglich, weil er die Unterbilanz nicht behebt2. Doch ist dies nicht der Standpunkt des BGH.

IX. Folgen der Eintragung oder ihrer Versagung Schrifttum: vgl. Rdnr. 1, Rdnr. 133; außerdem Murawo, Die unechte Vorgesellschaft im GmbH- und Aktienrecht, 2006; de Lousanoff, Partei- und Prozessfähigkeit der unechten und fehlgeschlagenen Vorgesellschaft, NZG 2008, 490; Servatius, Der Anfang vom Ende der unechten Vorgesellschaft, NJW 2001, 1696.

1. Folgen der Eintragung für die Gesellschaft a) Mit der Eintragung ins Handelsregister entsteht, wie es § 11 Abs. 1 ausdrückt, 151 die GmbH „als solche“. Das bedeutet im Ergebnis: Aus der Vor-GmbH wird eine fertige GmbH, die in jeder Hinsicht dem GmbHG unterliegt. Die Gesellschaft kommt nicht als neuer Rechtsträger zur Entstehung, sondern die Eintragung führt nur einen Statuswechsel der in ihrer Identität unveränderten Gesellschaft herbei: aus der werdenden juristischen Person wird eine fertige juristische Person (Rdnr. 46). b) Mit der Eintragung der GmbH im Handelsregister sind alle Rechte und Pflich- 152 ten der Vor-GmbH ohne weiteres Rechte und Pflichten der GmbH3. Die rechtsdogmatische Einordnung des Vorgangs gelingt am besten mit der Rechtsfigur der Identität4. Die Eintragung bewirkt einen Formwechsel des identisch bleibenden Rechtsträgers von der Vor-GmbH zur fertigen GmbH (Rdnr. 31). Vielfach ist immer noch von einem „Übergang“ der Rechte und Pflichten auf die GmbH die Rede5, bisweilen auch von einer „Gesamtrechtsnachfolge“6. Diese Formeln

1 Vgl. Bayer/Lieder, ZGR 2006, 875, 887 ff. 2 So im Ergebnis auch Bayer/Lieder, ZGR 2006, 875, 886 f. 3 BGHZ 80, 129, 140 = NJW 1981, 1373, 1375 = GmbHR 1981, 114, 116 f.; BGHZ 91, 148, 151 = NJW 1984, 2164 = GmbHR 1984, 316, 317; BGHZ 120, 103, 107 = GmbHR 1993, 103 = NJW 1993, 459, 460; BGH, GmbHR 1982, 235 = WM 1982, 40; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 56; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 90; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 135 ff. 4 Vgl. Flume, Juristische Person, § 5 III 4; Raiser/Veil, Kapitalgesellschaften, § 26 Rdnr. 111; Karsten Schmidt, GesR, § 11 IV 2c; Karsten Schmidt, in: Großkomm. AktG, 4. Aufl. 2003, § 41 AktG Rdnr. 99 f.; krit. Gummert, in: MünchHdb. III, § 16 Rdnr. 13; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 135; Ulmer, in: Hachenburg, Rdnr. 73; unklar jetzt Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 89 ff. („nicht voll identisch“; „die VorGmbH setzt sich mit allen Aktiva und Passiva als GmbH fort“). 5 Vgl. nur BGHZ 80, 129, 140 = NJW 1981, 1373, 1375 = GmbHR 1981, 114, 116 f.; BGHZ 120, 103, 107 = NJW 1993, 459, 460 = GmbHR 1993, 103, 104; Raiser/Veil, Kapitalgesellschaften, § 26 Rdnr. 111; Ulmer, in: Hachenburg, Rdnr. 74; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 56; Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 6; unklar jetzt Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 90, 158. 6 Vgl. BGH, NJW 1982, 932 = GmbHR 1982, 183, 184; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 56; Merkt, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 58, Hueck, in: FS 100 Jahre GmbHG, S. 152; Hüffer, JuS 1983, 167; distanziert jetzt Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 90: Es werde „nach wie vor nicht selten von Gesamtrechtsnachfolge gesprochen“.

Karsten Schmidt

665

§ 11

Rechtszustand vor der Eintragung

sind, wenngleich im Ergebnis unschädlich1, Ausdruck eines veralteten, die Identität von Vor-GmbH und Kapitalgesellschaft noch ausschließenden Verständnisses der Vorgesellschaft als Organisation (vgl. Rdnr. 44)2. Geht man von der Identität beider Gesellschaften aus (Rdnr. 31), so bedarf es keines Überganges. Die Kontinuität der Rechtsverhältnisse ist ein Teil dieser Identität. Der Rechtsträger bleibt derselbe; nur sein rechtlicher Status ändert sich3. Firmen und Geschäftsbezeichnungen, die von der Gesellschaft vor und nach ihrer Eintragung geführt werden, behalten ihre zuvor vorhandene Priorität4. Dasselbe gilt für gewerbliche Schutzrechte. Die automatische Fortsetzung von Rechten und Pflichten durch die fertige GmbH setzt keinen Übertragungsakt voraus und ist auch keine gesetzliche Rechtsnachfolge. Insbesondere werden Grundbucheintragungen nur durch Beseitigung des Gründungszusatzes richtig gestellt5. Es fällt auch keine Grunderwerbsteuer an6. War ein Grundstück an die Vor-GmbH aufgelassen, diese aber noch nicht im Grundbuch eingetragen, so wird nunmehr die GmbH ohne Gründungszusatz eingetragen7. Auch in der Zwangsversteigerung kann der GmbH auf Grund eines noch von der Vor-GmbH erklärten Gebots der Zuschlag erteilt werden8. Waren Kommanditanteile in die Vorgesellschaft eingebracht, so ist nunmehr die fertige GmbH Kommanditistin, eine etwa schon erfolgte Registereintragung wird nur berichtigt. 153 c) Auch die Verbindlichkeiten der Vorgesellschaft sind nunmehr Verbindlichkeiten der GmbH9. Das gilt für die gesetzlichen Verbindlichkeiten ebenso wie für die vertraglichen10. Die ältere Rechtsprechung, die einen automatischen „Übergang“ nur bei satzungsgemäßen oder gründungsnotwendigen Geschäften anerkannte11, ist mit der Beseitigung des Vorbelastungsverbots überholt (Rdnr. 45, 134). Jede Haftung der Vorgesellschaft, wann immer sie wirksam begründet wurde, wird im Augenblick der Eintragung zu einer Haftung der fertigen GmbH. Die ältere Rechtsprechung und Lehre verlangte noch eine Genehmigung oder Vertragsübernahme der GmbH, soweit nicht ein satzungsnotwendiges oder gründungsnotwendiges Geschäft in Frage stand. Soweit noch die beschränkte 1 Vgl. Merkt, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 150 a.E.: Streit von „eher dogmatischer Natur und nur von geringer praktischer Bedeutung“. 2 Ausführlich noch 9. Aufl., Rdnr. 133. 3 Vgl. Büttner, S. 134; Dregger, S. 81; Flume, Juristische Person, § 5 III 4; Karsten Schmidt, GesR, § 11 IV 2c, § 34 III 4a; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 135; Schroeter, in: Bork/Schäfer, Rdnr. 54. 4 Vgl. BGHZ 120, 103, 107 = NJW 1993, 459, 460 = GmbHR 1993, 103, 104. 5 Munzig, in: Kuntze/Ertl/Herrmann/Eickmann, GrundbuchR, 5. Aufl. 1999, § 20 Rdnr. 32, 68; nach Böhringer, Rpfleger 1988, 449 ist dies nicht einmal ein Grundbuchberichtigungsverfahren i.S. des § 22 GBO. 6 BFH, BStBl. III 1957, 28; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 158; Henninger, GmbHR 1974, 269. 7 Vgl. Böhringer, Rpfleger 1988, 449. 8 LG München II, NJW-RR 1987, 1519. 9 BGHZ 80, 129, 144 = NJW 1981, 1373, 1376 = GmbHR 1981, 114, 118; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 57; Merkt, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 152; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 136; Ostheim, GesRZ 1982, 128. 10 Vgl. Büttner, S. 134. 11 Vgl. RGZ 58, 55, 56; RGZ 83, 370, 373; RGZ 105, 228, 229 f.; RGZ 134, 121, 122; RGZ 151, 86, 91; BGHZ 17, 385, 391 f.; BGHZ 20, 281, 287; Scholz, JW 1938, 3152; Fleck, ZGR 1975, 219.

666

Karsten Schmidt

§ 11

Rechtszustand vor der Eintragung

Vertretungsmacht der Geschäftsführer vertreten wird (Rdnr. 72), wird konsequenterweise eine Genehmigung seitens der Gesellschaft verlangt, soweit die Gesellschafter dem Geschäftsbeginn vor der Eintragung nicht zugestimmt hatten (dazu aber Rdnr. 73)1. Heute ist eine Genehmigung nur unter engen Voraussetzungen zu verlangen: entweder wenn ein Vertreter ohne Vertretungsmacht bzw. unter evidentem Missbrauch der Vertretungsmacht für eine Vorgesellschaft tätig gewesen ist, und dies ist ein seltener Fall (vgl. Rdnr. 73, 74, 129), oder wenn „im Namen der künftigen GmbH“ gehandelt oder das Geschäft unter die Bedingung ihrer Zustimmung gestellt wurde (dazu sogleich Rdnr. 154). d) Rechtsgeschäfte, die „im Namen der künftigen GmbH“, d.h. unter der aufschiebenden Bedingung der Eintragung abgeschlossen wurden (vgl. zu diesem Handeln im Namen der künftigen GmbH Rdnr. 69 f.), können automatisch wirksam werden. Sie werden im Rahmen der Vertretungsmacht des für die Gesellschaft Handelnden (Rdnr. 71 ff.) automatisch wirksam, sofern nicht die Genehmigung durch die Gesellschaft beim Geschäftsabschluss vorbehalten wurde. Die vormals entgegenstehende h.M.2 ist mit der Aufgabe des Vorbelastungsverbotes obsolet. Sie wird nach der Rechtsprechung kompensiert durch die strenge Vorbelastungshaftung (Rdnr. 139 ff.). Nach wie vor ist es auch möglich, dass Rechtsgeschäfte unter dem Vorbehalt späterer Genehmigung durch die eingetragene GmbH abgeschlossen werden (sog. Potestativbedingung)3. Dann lösen sie weder eine Haftung der Geschäftsführer nach § 11 Abs. 2 noch eine Haftung nach § 179 BGB aus (Rdnr. 121, 129).

154

e) Die Kontinuität wirkt umfassend und erfasst ganze Rechtsverhältnisse, nicht 155 nur einzelne Ansprüche und Verbindlichkeiten. Der „Übergang“ solcher Rechtsverhältnisse auf die GmbH ist nicht mit §§ 571, 613a BGB, §§ 25 ff. HGB etc. zu begründen, sondern er ergibt sich von selbst aus der Identität der Gesellschaft vor und nach der Eintragung (vgl. Rdnr. 31, 152). f) Prozesse werden automatisch von der GmbH fortgesetzt4. Dies ist kein Partei- 156 wechsel, sondern es ist nur eine Berichtigung des Rubrums erforderlich. Der Rechtsstreit wird auch nicht unterbrochen. Rechtskräftige Urteile, die zu Gunsten oder zu Lasten der Vorgesellschaft ergangen sind, wirken für und gegen die fertige GmbH. Vollstreckungstitel, die gegen die Vor-GmbH erstritten wurden, können ohne eine gemäß § 727 ZPO im Fall eines Rechtsübergangs erforderliche Titelumschreibung für die Vollstreckung gegen die GmbH verwendet werden5. An Stelle des Titelumschreibungsverfahrens genügt eine formlose Änderung des Rubrums im Vollstreckungstitel.

1 2 3 4 5

Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 91. Vgl. die Darstellung bei Karsten Schmidt, NJW 1973, 1595 f. Vgl. BGH, NJW 1973, 798; dazu Karsten Schmidt, NJW 1973, 1597. RGZ 85, 256, 259 (für den Vor-e.V.); Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 90. OLG Stuttgart, NJW-RR 1989, 637; ebenso jetzt Merkt, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 152.

Karsten Schmidt

667

§ 11

Rechtszustand vor der Eintragung

2. Folgen der Eintragung für die persönliche Haftung 157 a) Die persönliche Außenhaftung der Gründer und der Handelnden erlischt (vgl. Rdnr. 98 und 130). Der Haftungszweck einer solchen Außenhaftung hat sich erledigt, und es besteht nach der Eintragung kein Anlass mehr, die Altgläubiger, deren Forderungen schon gegen die Vor-GmbH gerichtet waren, gegenüber den Gläubigern der fertigen GmbH zu begünstigen. Die Gründer haften ggf. nach Rdnr. 141 ff. im Innenverhältnis weiter. Haben die Gründer allerdings auf Grund ihrer persönlichen Haftung gezahlt, so kann zweifelhaft sein, ob der Rechtsgrund der Haftung mit der Wirkung des § 812 Abs. 1 Satz 2 BGB entfällt. Die Frage ist grundsätzlich zu verneinen. Wer vor der Eintragung an einen Gläubiger der Gesellschaft gezahlt hat, hat mit Rechtsgrund gezahlt (über Regressfragen vgl. Rdnr. 126 ff.). Anders verhält es sich, wenn der Gründer oder der Handelnde lediglich verurteilt ist. Hier kann grundsätzlich geltend gemacht werden, dass die Haftung fortgefallen ist (ggf. § 767 ZPO). Ist gegen einen Gründer allerdings ein Anerkenntnisurteil ergangen, so kann er sich nach Auffassung des LAG Hamm1 nicht im Wege der Vollstreckungsgegenklage auf den Fortfall der Haftung berufen. Dieser Standpunkt ist schon deshalb bedenklich, weil das Anerkenntnis auf § 93 ZPO beruht haben kann. Der Gründer hat eine Klagforderung anerkannt, die im Zeitpunkt des Anerkenntnisses bestand und nachträglich fortgefallen ist. 158 b) Das Erlöschen gilt nur für die auf der fehlenden Eintragung beruhende Außenhaftung. Damit kommt zunächst eine gegenüber der Gesellschaft entstandene Innenhaftung nicht zum Erlöschen. Ein sich aus § 9 oder aus §§ 19 ff. ergebender Anspruch der Gesellschaft gegen die Gründer sowie eine etwa nach Rdnr. 139 ff. entstandene Vorbelastungshaftung bleibt bestehen. Zur Verjährung des Haftungsanspruchs vgl. Rdnr. 149. Nicht zum Erlöschen kommt aber auch eine Außenhaftung, die auf anderer Anspruchsgrundlage beruht, so die Culpa-in-contrahendo-Haftung bei Überschuldung der Vor-GmbH (Rdnr. 38, 69 f. sowie Erl. § 64) oder die bei § 4 Rdnr. 54 ff. dargestellte Vertrauenshaftung bei Nicht-Verwendung des warnenden GmbH-Zusatzes (auch dazu vgl. Rdnr. 38, 69)2. Auch eine durch Bürgschaft oder Garantie oder gemeinschaftliche Kontoeröffnung rechtsgeschäftlich begründete Außenhaftung kann fortbestehen3.

3. Folgen der Eintragungsverweigerung 159 a) Auflösungsfolgen. Eine Ablehnung des Eintragungsantrags kann die Geschäftsführer nach Lage des Falls zur Einlegung von Rechtsmitteln (im Namen der Gesellschaft, vgl. Rdnr. 40) und die Gesellschafter zur Beseitigung von Eintragungshindernissen verpflichten4. Scheitert die Eintragung endgültig, so ist

1 ZIP 1983, 63, 577. 2 Vgl. OLG Celle, GmbHR 1990, 398. 3 Vgl. OLG Braunschweig, NZG 2003, 175 (Mithaftung aus Mietvertrag); zu den Grenzen einer solchen Außenhaftung (Kontoeröffnung) vgl. OLG Braunschweig, NZG 2002, 182. 4 Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 38 f.; vgl. allgemein zu den Gründerpflichten RGZ 151, 86, 91; Flume, Juristische Person, § 5 III 2.

668

Karsten Schmidt

§ 11

Rechtszustand vor der Eintragung

die Vorgesellschaft aufgelöst1. Die h.M. begründet dies mit der Erwägung, dass die Herbeiführung der Eintragung gemeinsamer Zweck der Vorgesellschaft sei. Diese Begründung ist abzulehnen (Rdnr. 32 f.), aber die Verfehlung der von den Gründern bezweckten Rechtsform bringt die Grundlage des Gesellschaftsverhältnisses in Fortfall (s. auch Rdnr. 64). b) Die aufgelöste Vor-GmbH muss auseinandergesetzt werden. Betreiben die Ge- 160 sellschafter die Liquidation, so besteht die Gesellschaft nunmehr als Vorgesellschaft in Liquidation fort2. Anders als im Fall der Einpersonengründung (Rdnr. 168) tritt kein automatischer Wegfall der Vor-GmbH als Rechtsträgerin ein, und das Gesellschaftsvermögen fällt auch nicht automatisch den Gründern an3. Die aufgelöste Vor-GmbH unterliegt dem Liquidationsrecht des GmbHG, soweit dieses nicht die Eintragung voraussetzt (Rdnr. 65). Sie bleibt Trägerin von Rechten und Pflichten4. Auch ihre Parteifähigkeit bleibt erhalten5. Insbesondere gilt § 66, wonach im Zweifel die Geschäftsführer als Liquidatoren berufen sind, analog (Rdnr. 65; str.). Nach der anfänglichen, heute überholten BGH-Praxis sollte es dann bei der angeblich beschränkten Haftung der Gründer bleiben (dazu Rdnr. 86 f.)6. Die nunmehr vorherrschende Rechtsprechungslösung (Rdnr. 88 ff.) wirft nicht mehr die Frage auf, ob die Haftung zu bejahen oder zu verneinen ist, sondern die Frage ist nur, ob sich die Gründerhaftung von einer Innenhaftung in eine Außenhaftung verwandelt (Rdnr. 90, 99). Das hier vertretene Außenhaftungskonzept lässt die Frage als einfach erscheinen. Denn danach haften die Gründer schon während des Eintragungsverfahrens unbeschränkt gesamtschuldnerisch (Rdnr. 91), und dies gilt selbstverständlich auch im Fall der Liquidation (Rdnr. 65; str.)7. Im Insolvenzverfahren wird die Haftung dagegen über die Masse abgewickelt. Der Grund besteht allerdings nicht darin, dass die Haftung eine Innenhaftung ist, sondern er liegt in § 93 InsO (dazu Rdnr. 43, 92). c) Zweifelhaft ist, ob die Gesellschafter einander zum Verlustausgleich ver- 161 pflichtet sind. BGHZ 86, 122 = NJW 1983, 876 = GmbHR 1983, 46 hatte dies mit der Begründung verneint, eine allgemeine Nachschuss- und Verlustausgleichspflicht im Auflösungsfall (§ 735 BGB) gebe es nicht, weil die Gründer einer GmbH grundsätzlich kein Risiko über den Verlust der übernommenen Stamm-

1 Vgl. Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 20; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 30; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 66; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 52. 2 BGHZ 51, 30, 32 = NJW 1969, 509 = GmbHR 1969, 80; BGH, LM Nr. 49 zu § 50 ZPO = NJW 1998, 1079, 1080; vgl. BGHZ 80, 129, 142 = NJW 1981, 1373, 1376 = GmbHR 1981, 114, 117; BayObLG, DB 1986, 106 f. = GmbHR 1986, 118; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 31. 3 Im Ansatz unrichtig die Gründe des (in casu aber eine Einpersonengesellschaft betreffenden) Beschlusses des BayObLG, NJW-RR 1987, 812 = GmbHR 1987, 393 m. Anm. Hubert Schmidt; dazu näher Karsten Schmidt, GmbHR 1988, 89 ff.; gleichfalls im Ansatz unrichtig, aber eine Einpersonengesellschaft betreffend und deshalb in casu richtig OLG Köln, GmbHR 1997, 601: Wegfall der Parteifähigkeit. 4 BGH, LM Nr. 49 zu § 50 ZPO = NJW 1998, 1079, 1080. 5 Fichtelmann, GmbHR 1997, 905 gegen OLG Köln, GmbHR 1997, 601. 6 BGHZ 80, 129, 142 f. = NJW 1981, 1373, 1376 = GmbHR 1981, 114, 117. 7 Vgl. Karsten Schmidt, oHG, S. 284; s. auch Theobald, S. 51 f.; Brinkmann, GmbHR 1982, 269 f.

Karsten Schmidt

669

§ 11

Rechtszustand vor der Eintragung

einlagen hinaus eingehen wollen (zum Streitstand vgl. Rdnr. 65). Dem kann nur mit der Einschränkung zugestimmt werden, dass Verluste, die nicht zur persönlichen Haftung der Gründer führen, aus dem Gesellschaftsvermögen beglichen werden müssen (vgl. auch Rdnr. 144 ff.). Soweit dagegen die Gesellschafter im Außenverhältnis unbeschränkt haften (Rdnr. 91), können sie nicht nur nach § 426 BGB untereinander Regress suchen, sondern sie schulden auch Beiträge zur Schuldenabwicklung. § 735 BGB ist dann entsprechend anzuwenden (vgl. Rdnr. 65).

4. Fortführung der Vorgesellschaft ohne Eintragungsabsicht (sog. unechte Vorgesellschaft) 162 a) Tatbestand. Von dem Liquidationsverfahren zu unterscheiden ist die Fortführung der Gesellschaft nach Scheitern oder Aufgabe der Eintragungsabsicht. Wird die Gesellschaft ohne Eintragungsabsicht als werbende (nicht Liquidations-)Gesellschaft betrieben, so entfallen die Voraussetzungen des Rechts der Vor-GmbH. Vielfach wird dann von einer „unechten Vorgesellschaft“ gesprochen1, was im Hinblick auf die bei Rdnr. 32 f. geschilderte, heute überholte Lehre von der „unechten Vorgesellschaft“ (dazu Rdnr. 36) terminologisch nicht ohne Probleme ist. Die Aufnahme der Unternehmenstätigkeit durch die Vor-GmbH macht diese noch nicht zu einer „unechten Vorgesellschaft“ (Rdnr. 36). Ebenso wenig genügt eine bloße Verzögerung der Liquidation2. Führen die Gründer aber ein in die VorGmbH eingebrachtes oder von ihr in Gang gesetztes Unternehmen fort, ohne die Eintragung oder die Liquidation zu betreiben3, so wird aus der Vorgesellschaft je nach der Art und Umfang des Unternehmens eine oHG (§§ 1, 105 HGB) oder eine unternehmenstragende Gesellschaft bürgerlichen Rechts4. Diese bleibt rechts1 Vgl. nur BayObLG, DB 1986, 106 f. = GmbHR 1986, 118; BFHE 185, 356 = DStR 1998, 1129 m. Anm. Goette = GmbHR 1998, 854 = NJW 1998, 2926 = ZIP 1998, 1149; OLG Koblenz, WM 2002, 182, 183; FG Hamburg, GmbHR 1990, 189; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 32; Merkt, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 177; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 8, 22; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 27; s. auch Theobald, S. 50, 133. 2 OLG Celle, GmbHR 1996, 688 = EWiR 1996, 1083 (Veil); nur scheinbar a.M. BGHZ 152, 290 = NJW 2003, 429 (die Entscheidung handelt von der Außenhaftung und basiert auf dem Innenhaftungsmodell des BGH). 3 Zu dieser Abgrenzung vgl. Karsten Schmidt, oHG, S. 358; nicht weiterführend Murawo, S. 60 ff. (Gedanke des Eigenkapitalersatzrechts). 4 So im Ergebnis die h.M.; vgl. BGHZ 80, 129, 142 = NJW 1981, 1373, 1376 = GmbHR 1981, 114, 117; BGH, LM Nr. 49 zu § 50 ZPO = NJW 1998, 1079, 1080; BGH, BB 2008, 1249 m. Anm. Weiß = GmbHR 2008, 654 = NJW 2008, 2441 = WuB II C § 11 GmbHG 1.08 m. Anm. Lange/Widmann; BayObLG, NJW 1965, 2254, 2256; BayObLG, DB 1986, 106 f. = ZIP 1985, 1487; OLG Dresden, GmbHR 1998, 186, 188; OLG Jena, GmbHR 1999, 772, 773 = NZG 1999, 461; OLG Koblenz, WM 2002, 182 = GmbHR 2001, 433; LG Dresden, GmbHR 2002, 549; BFH, GmbHR 1988, 404; BFHE 185, 356, 360 = GmbHR 1998, 854, 856 = NJW 1998, 2926, 2928; FG Berlin, GmbHR 2002, 450, 451; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 21; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 32 f.; Merkt, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 96; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 22; Schroeter, in: Bork/Schäfer, Rdnr. 45, 48; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 26; Gummert, in: MünchHdb. III, § 16 Rdnr. 18; Theobald, S. 50 f.; Schwarz, ZIP 1996, 2007; unentschieden BGHZ 134, 333, 341 = LM Nr. 38 zu § 11 GmbHG m. Anm. Noack = GmbHR 1997, 405, 407 = NJW 1997, 1507, 1509.

670

Karsten Schmidt

§ 11

Rechtszustand vor der Eintragung

und parteifähig1. Sie kann aber nicht mehr als werdende juristische Person (Rdnr. 30) durch schlichte Eintragung in das Stadium der fertigen GmbH überführt werden, ist vielmehr Personengesellschaft und bedürfte, soll aus ihr doch noch eine GmbH werden, der Umwandlung. Eine definitive Aufgabe der Eintragungs- oder Abwicklungsabsicht ist für die Verwandlung in eine „unechte Vorgesellschaft“ nicht erforderlich; ihre nachhaltige Vernachlässigung durch alle Gründer genügt2. Vor allem die bestandskräftige Versagung der Eintragung (Rdnr. 159) zwingt die Gesellschafter zur Liquidation der Vorgesellschaft, wenn sie nicht die Rechtsfolgen der „unechten Vorgesellschaft“ in Kauf nehmen wollen. b) Die Gesellschafterhaftung bei der „unechten Vorgesellschaft“ ist eine unbe- 163 schränkte persönliche Außenhaftung (vgl. § 128 HGB)3. Für die eine solche Haftung bei der „echten“ Vor-GmbH verneinende h.M. (Rdnr. 79 ff.) bringt die Umwandlung in eine Personengesellschaft eine gravierende haftungsrechtliche Veränderung mit sich, deren tatbestandliche Voraussetzungen nicht immer einfach nachzuweisen sind. Die Gesellschafter haften für Altschulden (aus der Zeit vor der Umwandlung) wie für Neuschulden unbeschränkt4. Folgt man der hier vertretenen Ansicht, so setzt sich die vorläufige Außenhaftung der Vorgesellschafter bei der „unechten Vorgesellschaft“ einfach als endgültige Außenhaftung fort. Wer vor der Umwandlung in eine oHG oder Gesellschaft bürgerlichen Rechts aus der Vorgesellschaft ausscheidet, unterliegt nach der h.M. überhaupt keiner Außenhaftung5. Nach der hier vertretenen Auffassung entfällt bei einem solchen Gesellschafter nur die Haftung für die nach seinem Ausscheiden begründeten Verbindlichkeiten (vgl. sinngemäß § 160 HGB).

X. Die Einpersonen-Vorgesellschaft Schrifttum: (vgl. zunächst die Angaben bei Rdnr. 1, 85): W. Albach, Die Einmanngründung der GmbH, Diss. Bonn 1986; Brinkmann, Begrenzte Haftung der EinmannGmbH in Gründung?, GmbHR 1982, 269; Bode, Die gescheiterte Gründung der Einmann-GmbH, Diss. Hannover 1994; Fezer, Die Einmanngründung der GmbH, JZ 1981, 608; Flume, Die Gründung der Einmann-GmbH nach der Novelle zum GmbHGesetz, DB 1980, 1781; Flume, Die GmbH-Einmanngründung, ZHR 146 (1982), 205; Heil, Die Rechtsnatur der Einpersonen-Vor-GmbH, 2007; Hüffer, Zuordnungsprobleme und Sicherung der Kapitalaufbringung bei der Einmanngründung der GmbH, ZHR 145 (1981), 521; Hüffer, Vorgesellschaft und Einmanngründung, in: Die Zukunft der GmbH, 1983, S. 167; John, Die Gründung der Einmann-GmbH, 1986; John, Zur Problematik der Vor-GmbH, insbesondere bei der Einmann-Gründung, BB 1982, 505; 1 BGH, BB 2008, 1249 m. Anm. Weiß = GmbHR 2008, 654 = NJW 2008, 2441 = WuB II C § 11 GmbHG 1.08 m. Anm. Lange/Widmann; dazu de Lousanoff, NZG 2008, 490. 2 Karsten Schmidt, oHG, S. 358; zust. Merkt, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 177; vgl. im Ergebnis auch Fleck, GmbHR 1983, 15; Maulbetsch, DB 1984, 1563; die Gegenansicht muss den inneren Willen aus denselben Indizien erschließen; vgl. Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 27. 3 Ebenso Murawo, S. 147 ff.; Merkt, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 179. 4 Vgl. nur BAGE 86, 38 = NJW 1998, 628 = GmbHR 1998, 39 = ZIP 1997, 2199; BFHE 185, 356 = NJW 1998, 2926 = GmbHR 1998, 854 = ZIP 1998, 1149; BayObLG, DB 1986, 106 f.; FG Brandenburg, GmbHR 1998, 392; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 28; Lutter, JuS 1999, 1077 f. 5 Vgl. OLG Düsseldorf, GmbHR 1995, 823.

Karsten Schmidt

671

164

§ 11

Rechtszustand vor der Eintragung

John, Die doppelstöckige Einmanngründung, BB 1985, 626; Kleberger, Die rechtliche Behandlung von Sicherungen bei der Gründung der Einmann-GmbH, Diss. Gießen 1986; Koppensteiner, Zur Neuregelung der Einmann-GmbH in Österreich, in: FS Claussen, 1997, S. 213; Kusserow, Die Einmann-GmbH in Gründung, 1986; Merkt, Die Einpersonen-Vor-GmbH im Spiegel der rechtswissenschaftlichen Diskussion, in: FS Karsten Schmidt, 2009, S. 1161; Petersen, Die fehlgeschlagene Einmanngründung – liquidationsloses Erlöschen oder Fiktion des Fortbestehens?, NZG 2004, 400; Karsten Schmidt, Einmanngründung und Einmann-Vorgesellschaft, ZHR 145 (1981), 540; Karsten Schmidt, Die Rechtslage der gescheiterten Einmann-Vor-GmbH, GmbHR 1988, 89; Albert Schröder, Die Einmann-Vorgesellschaft, 1990; Ulmer, Die Einmanngründung der GmbH – ein Danaergeschenk?, BB 1980, 1001; Ulmer/Ihrig, Die Rechtsnatur der Einmann-Gründungsorganisation, GmbHR 1988, 373; Winter, Gründungs- und Satzungsprobleme bei der Einmann-GmbH nach der GmbH-Novelle, in: Pro GmbH, 1980, S. 191.

1. Grundlagen 165 Nach § 1 kann eine GmbH auch durch einen Gründer als Einpersonen-GmbH geschaffen werden (eingehend § 1 Rdnr. 26 ff.). Dieser einzige Gründer kann eine natürliche Person, eine juristische Person oder eine rechtsfähige Personengesellschaft sein. Das Errichtungsgeschäft ist dann trotz des ungenauen Wortlauts des § 2 Abs. 1 kein Vertrag, sondern eine einseitige Willenserklärung (§ 1 Rdnr. 31). Die durch das Errichtungsgeschäft geschaffene Rechtslage ist umstritten: 166 a) Meinungsstand: Ein Teil der Literatur nimmt an, dass durch die Einpersonengründung zwar schon die Verfassung der künftigen Einpersonen-Gesellschaft, aber vorerst weder ein Sondervermögen noch ein selbständiger Rechtsträger geschaffen wird1. Andere Stimmen sehen die errichtete, aber noch nicht eingetragene Gesellschaft als ein Sondervermögen des Gründers an, so dass dieser bereits Einlagen leisten kann, indem er Vermögensgegenstände aus seinem Privatvermögen auf das Sondervermögen überführt2. Eine dritte, inzwischen vorherrschende Auffassung erkennt die Einpersonen-Vorgesellschaft als Rechtsträgerin an3.

1 So insbes. Ulmer, BB 1980, 1003 f.; Hüffer, ZHR 145 (1981), 522 f., 532; eingehende Kritik bei Schröder, S. 38 ff. 2 Vgl. mit Unterschieden im Einzelnen Flume, Juristische Person, § 5 IV 2; Heil, S. 40 ff.; Flume, DB 1981, 1783; Flume, ZHR 146 (1982), 208; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 23 ff.; Fezer, JZ 1981, 615 f.; Fleck, GmbHR 1983, 17; vgl. auch Merkt, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 187; Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 81; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 142, 146 f. 3 Vgl. mit Unterschieden im Einzelnen OLG Dresden, GmbHR 1997, 215, 217 = DZWir 1997, 200, 203 m. Anm. Mutter; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 42; Raiser/Veil, Kapitalgesellschaften, § 26 Rdnr. 87; Raiser, in: Das neue GmbH-Recht in der Diskussion, 1981, S. 38; Gummert, in: MünchHdb. III, § 16 Rdnr. 130; Schröder, S. 151 ff.; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 31; Michalski/Funke, in: Michalski, Rdnr. 74; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 143 f.; Roth, in: Roth/ Altmeppen, Rdnr. 75 ff.; Karsten Schmidt, GesR, § 40 II 2a; Karsten Schmidt, NJW 1980, 1774 f. und ZHR 145 (1981), 560; John, Die Gründung der Einmann-GmbH, S. 37 ff.; John, BB 1982, 513; Koppensteiner, in: FS Claussen, S. 215 f.; Winter, in: Pro GmbH, S. 200 f.; Albach, S. 132 ff., 170 f.; Kleberger, S. 189 f.

672

Karsten Schmidt

§ 11

Rechtszustand vor der Eintragung

b) Stellungnahme: Die dritte Auffassung wird in diesem Kommentar seit der 167 7. Aufl. vertreten1. Indem der Gesetzgeber die Einpersonengründung zugelassen hat (§ 1), hat er die Einpersonen-Vorgesellschaft der Mehrpersonen-Vorgesellschaft in diesem entscheidenden Punkt gleichgestellt. Die Sondervermögenslösung bleibt auf halbem Wege stehen. Sie kann zwar die Rechtslage beim Scheitern der Gründung besser erklären (dazu Rdnr. 168), nicht aber den Status der Vorgesellschaft und die Rechtsfolgen der Eintragung2. Insbesondere zeigt sich dies, wenn ein Einzelunternehmen in die Gesellschaft eingebracht wird (ein Fall, in dem sich freilich die Ausgliederung nach §§ 158 ff. UmwG empfiehlt) oder wenn sonst schon unternehmerische Rechtsgeschäfte mit Dritten abgeschlossen werden. Es gibt kein Unternehmen ohne Unternehmensträger3, und es gibt keinen Unternehmensträger, der nicht fähig wäre, Träger von Rechten und Pflichten zu sein4. Die Einpersonen-Vorgesellschaft als rechtsfähige Organisation (Rdnr. 169) erfüllt diese Voraussetzungen. Die Einpersonen-Vorgesellschaft kann auch bereits als Komplementärin an einer KG-Gründung teilnehmen (Rdnr. 182), oder selbst eine GmbH gründen5. c) Eine Schwierigkeit besteht, wenn die GmbH-Gründung scheitert und die Ein- 168 tragungsabsicht nicht mehr verfolgt wird. Schulmäßig müsste dann der Gründer einen Auflösungsbeschluss fassen und die Gesellschaft abwickeln, indem er die Gläubiger befriedigt und das Restvermögen von seiner Gesellschaft zurückerwirbt. Richtig ist, dass der Gründer die Einpersonen-Vorgesellschaft auflösen kann (Rdnr. 173). Aber dies gibt keinen hinreichenden Schutz gegen schlichte Passivität des Gründers. Man wird aus diesem rechtspolitischen Grund, auch wenn dies rechtsdogmatisch schwer zu erklären ist, annehmen müssen, dass die Einpersonen-Vorgesellschaft in diesem Fall automatisch erlischt und dass alle Rechte und Pflichten wieder dem Gesellschafter – nach der Sondervermögenstheorie: seinem Privatvermögen – zufallen6. Die wirksam errichtete (Vor-)Gesellschaft verliert ihre Rechts- und Parteifähigkeit7. Eine Liquidation findet

1 Vgl. ausführlicher in der 8./9. Aufl.; s. auch Karsten Schmidt, GesR, § 40 II 2a; dieser Standpunkt wurde ausführlicher entwickelt bei Karsten Schmidt, ZHR 145 (1981), 541 ff.; sympathisierend Merkt, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 187; Merkt, in: FS Karsten Schmidt, 2009, S. 1161, 1167 f. 2 Das wird eingeräumt bei Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 24. 3 Karsten Schmidt, HandelsR, § 4 IV 2a. 4 Karsten Schmidt, HandelsR, § 5 II 1. 5 Vgl. zur doppelstöckigen Einmann-Gründung ausführlich John, BB 1985, 626 ff. 6 BGH, DStR 1999, 943, 944 = NZG 1999, 962 m. Anm. Grießenbeck = ZIP 1999, 489; LG Berlin, GmbHR 1988, 71 = Rpfleger 1987, 460; BFH, BStBl. II 2002, 210 = GmbHR 2002, 223; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 31; Michalski/Funke, in: Michalski, Rdnr. 76; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 151; eingehend Karsten Schmidt, ZHR 145 (1981), 563; Karsten Schmidt, GmbHR 1988, 89 ff.; ausführlich und zustimmend Gummert, in: MünchHdb. III, § 16 Rdnr. 145; John, Die Gründung der Einmann-GmbH, S. 58 ff.; s. auch Heil, S. 145 f.; Merkt, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 204; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 57 (im Ergebnis wie hier); Schröder, S. 151 ff.; Fichtelmann, GmbHR 1997, 996; vgl. aber Albach, S. 112 ff.; Bode, S. 125 ff.; Böhringer, Rpfleger 1988, 450. 7 Insofern richtig, wenn auch im Grundsätzlichen verfehlt, OLG Köln, GmbHR 1997, 601; dazu treffend Fichtelmann, GmbHR 1997, 995 f.

Karsten Schmidt

673

§ 11

Rechtszustand vor der Eintragung

nicht statt1. Eingebrachte Vermögensgegenstände fallen automatisch dem Gründer im Wege der Gesamtrechtsnachfolge zu; das gilt auch für im Grundbuch eingetragene Rechte und für vormerkungsgesicherte Forderungen2, während eine Eintragung, die erst für die bereits erloschene Vor-GmbH erfolgt, ins Leere gehen müsste3, sofern man sie nicht als Eintragung für den Gründer als Gesamtrechtsnachfolger aufrechterhält4. Auch der Vor-GmbH zustehende Gesellschaftsanteile fallen dem Gründer zu (war er einziger Kommanditist einer Einpersonen-GmbH & Co. KG in Gründung, so erlischt diese Gesellschaft). Einlageforderungen der Vor-GmbH gegen ihren Gründer erlöschen durch Konfusion; etwa schwebende Prozesse werden vom Gründer als Gesamtrechtsnachfolger fortgeführt5; Titel, die schon gegen die Vorgesellschaft erwirkt worden sind, werden nach § 727 ZPO umgeschrieben6. Hatte ein Gläubiger einen Titel gegen den Gründer erwirkt, so kann er nunmehr aus diesem Titel in das bisherige Gesellschaftsvermögen vollstrecken, ohne dass hiergegen eine Drittwiderspruchsklage (§ 771 ZPO) gegeben wäre7.

2. Die Verfassung der Einpersonen-Vor-GmbH 169 a) Die Rechtsstruktur der Einpersonen-Vor-GmbH ist theoretisch(!) umstritten. Soweit die Mehrpersonen-Vorgesellschaft als Gesamthandsgesellschaft angesehen wird, liegt die Folgerung nahe, die Einpersonen-Vorgesellschaft könne nicht dieselbe Rechtsnatur haben8. Dem ist nicht zu folgen9. Als Einpersonengesellschaft hat zwar die Einpersonen-Vor-Gesellschaft eine andere Organisationsstruktur als eine Mehrpersonen-Vorgesellschaft, aber ihre Rechtsnatur ist dieselbe (vgl. schon Rdnr. 30)10: Sie ist eine werdende juristische Person11. Die 1 Im Ergebnis wie hier Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 57 (auf der Basis der Sondervermögenslehre); a.M. Bode, S. 142 ff.; Koppensteiner, 2. Aufl., § 2 Rdnr. 45; Petersen, NZG 2004, 400 f. 2 Karsten Schmidt, GmbHR 1988, 91. 3 Insofern richtig BayObLG, NJW-RR 1987, 812 = GmbHR 1987, 393 m. zu Recht krit. Anm. Hubert Schmidt. 4 Vgl. dazu Karsten Schmidt, GmbHR 1988, 90 f.; s. auch Hubert Schmidt, GmbHR 1987, 394. 5 A.M. OLG Köln, GmbHR 1997, 601: Weder Rubrumsberichtigung noch Parteiwechsel sei möglich; für analoge Anwendung des § 239 ZPO Fichtelmann, GmbHR 1997, 996. 6 Karsten Schmidt, ZHR 145 (1981), 563 f. 7 LG Berlin, GmbHR 1988, 71 = Rpfleger 1987, 460. 8 Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 22; Ulmer/Ihrig, GmbHR 1988, 374 ff. 9 Nur der Abwehr dieses Arguments diente die vom Verf. vertretene Auffassung, wenn man an der Gesamthandsnatur der Vorgesellschaft festhalte, müsse man sich an die Möglichkeit einer Einpersonen-Gesamthand gewöhnen; vgl. Karsten Schmidt, NJW 1980, 1775; Karsten Schmidt, ZHR 145 (1981), 557; vgl. auch John, Die Gründung der Einmann-GmbH, S. 35 f.; gegen dieses Argument Winter, in: Pro GmbH, S. 201; Michalski/Funke, in: Michalski, Rdnr. 74; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 143 f. 10 Von einer unbegründbaren „organisationsrechtlichen Bevorzugung“ der Einmann-VorGmbH (Ulmer/Ihrig, GmbHR 1988, 376) kann nur sprechen, wer die Gesamthand-Natur der Mehrpersonen-Vor-GmbH ungeprüft als Prämisse nimmt. 11 Karsten Schmidt, GesR, § 11 IV 2b; dazu Ulmer/Ihrig, GmbHR 1988, 384: „sachlich nicht weiterführender Formelkompromiss“; dieser Einwand wird hier an die Leerformel vom „Sondervermögen“ zurückgegeben, deren „Theoriedefizit“ von Ulmer/Ihrig

674

Karsten Schmidt

§ 11

Rechtszustand vor der Eintragung

Einpersonen-Vorgesellschaft kann Trägerin von Rechten und Pflichten sein (Rdnr. 167)1. Sie kann wie eine Mehrpersonen-Vorgesellschaft (Rdnr. 67 ff.) am Rechtsverkehr teilnehmen, kann Inhaberin eines Bankkontos sein, ist grundbuchfähig, wechselrechtsfähig, parteifähig und insolvenzfähig2. Einlageforderungen gegen den Gründer sind Forderungen der Gesellschaft. Aus einem gegen den Gesellschafter gerichteten Titel kann nicht in das Vermögen der Gesellschaft vollstreckt werden und umgekehrt (zum Durchgriff vgl. § 13 Rdnr. 76 ff., 98 ff., 143 ff.); dies kann durch Klage nach § 771 ZPO geltend gemacht werden. Der Pfändung unterliegt allerdings die Mitgliedschaft an der Vorgesellschaft3. Mittelbar kann so der Gläubiger so auf das gesamte Gesellschaftsvermögen zugreifen4, wobei die Verwertung außer durch Auflösung auch durch Erwerb des Anteils5 erfolgen kann. b) Wie eine Mehrpersonen-Vorgesellschaft (Rdnr. 47 ff.) unterliegt die Gesell- 170 schaft bereits dem Recht der fertigen GmbH, soweit dieses nicht die Eintragung voraussetzt. Sie muss gemäß § 6 mindestens einen Geschäftsführer haben. Das wird meist der Alleingesellschafter sein, der sich ohne Verstoß gegen § 181 BGB, § 47 Abs. 4 GmbHG selbst durch Satzung oder Beschluss zum Geschäftsführer bestellen kann (vgl. 10. Aufl., § 47 Rdnr. 105)6. Der Geschäftsführer (auch der Gesellschafter-Geschäftsführer) vertritt die bereits als Rechtssubjekt vom Gründervermögen gesonderte Vor-GmbH7. Die Vertretungsmacht der Geschäftsführer wird auch hier vielfach als beschränkt auf den Gründungszweck angesehen8. Dem ist aus den bei Rdnr. 72 f. genannten Gründen nicht zu folgen. Die organschaftliche Vertretungsmacht ist unbeschränkt. § 35 Abs. 4 ist bereits zu beachten9; anzuwenden ist auch schon § 48 Abs. 310.

1 2 3

4 5 6 7 8 9

10

kritiklos konstatiert wird; diese bezeichnen die hier vertretene Ansicht in problemlosen Fällen als „unschädlich“, in Problemfällen dagegen als „nicht geeignet, Lösungsvorschläge aufzuzeigen“; der Text enthält indes solche Vorschläge. Für „Teilrechtsfähigkeit“ John, Die Gründung der Einmann-GmbH, S. 11 f., 35; John, BB 1982, 508; Kleberger, S. 189 f.; Winter, in: Pro GmbH, S. 201. John, Die Gründung der Einmann-GmbH, S. 37, 47; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/ Hueck, Rdnr. 43; s. auch Albach, S. 101. Nach der Sondervermögenslehre ist Zugriffsgegenstand „die der Mitgliedschaft bei der Mehrpersonen-Gründung entsprechende Position des Gründers als des gegenüber dem Geschäftsführer der Einmann-Gründungsorganisation weisungsbefugten Inhabers des Sondervermögens“; vgl. Merkt, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 191; Ulmer/Ihrig, GmbHR 1988, 383. Wie hier Merkt, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 191. John, Die Gründung der Einmann-GmbH, S. 43 ff.; im Einzelnen noch nicht ausdiskutiert. Zust. Merkt, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 188. So im Ergebnis auch, jedoch mit Konstruktionsschwierigkeiten, die Sondervermögenslehre; vgl. Ulmer/Ihrig, GmbHR 1988, 378. John, Die Gründung der Einmann-GmbH, S. 38 m.w.N.; Merkt, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 189; Ulmer/Ihrig, GmbHR 1988, 378. Ebenso John, Die Gründung der Einmann-GmbH, S. 39; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 43; a.M. Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 148 unter Berufung auf Ekkenga, AG 1985, 45 f. Ebenso Merkt, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 188; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/ Schmidt-Leithoff, Rdnr. 148.

Karsten Schmidt

675

§ 11

Rechtszustand vor der Eintragung

171 c) Einlagen erbringt der Gesellschafter durch Leistung an die Vor-GmbH1. Es handelt sich dabei nicht nur um die Überführung der zu leistenden Gegenstände in ein dem Gesellschafter gehörendes Sondervermögen, sondern um regelrechte Übertragungsgeschäfte zwischen dem Gesellschafter und der Gesellschaft (Zahlung, Übereignung etc.)2. 172 d) Verfügungen über die Mitgliedschaft (Übertragung, Belastung, Pfändung) sind nach der hier vertretenen Auffassung bereits vor der Eintragung möglich (Rdnr. 50). Nach h.M. gibt es dagegen noch keine nach § 15 übertragbaren Geschäftsanteile3. Dem ist aus denselben Gründen wie bei der Mehrpersonengesellschaft (Rdnr. 50) zu widersprechen. Verfügungen in notarieller Form sind schon vor der Eintragung wirksam. 173 e) Die Einpersonen-Vorgesellschaft kann, wie jede Gesellschaft, aufgelöst und liquidiert werden4. Nur beim Scheitern der Gründung kann das Vermögen automatisch dem Gründer anfallen (vgl. Rdnr. 168).

3. Haftungsverhältnisse 174 a) Die Einpersonen-Vorgesellschaft kann als Rechtsträgerin auch Schuldnerin sein. Sie kann, vertreten durch ihren Geschäftsführer oder durch Bevollmächtigte, rechtsgeschäftliche Verbindlichkeiten eingehen und gesetzlichen Haftungstatbeständen unterliegen5. Ist im Wege der Sachgründung ein Unternehmen eingebracht worden, so gilt der allgemeine Grundsatz, dass unternehmensbezogene Rechtsgeschäfte den Unternehmensträger verpflichten (vgl. Rdnr. 69), hier also die Einpersonen-Vorgesellschaft. Auch die Haftungszurechnungsregeln für Organverschulden (§ 31 BGB) und für Gehilfenverschulden (§ 278 BGB) finden Anwendung, ebenso § 831 BGB (Rdnr. 77). 175 b) Neben der Vorgesellschaft haftet der Gesellschafter den Gläubigern der Vorgesellschaft unbeschränkt (vgl. sinngemäß Rdnr. 91)6. Das wird auch von den Befürwortern einer Innenhaftung (Rdnr. 88 f.) im Fall der Einpersonengründung anerkannt (Rdnr. 90), insbesondere in dem Urteil BGHZ 134, 333, 341 = NJW 1997, 1507, 1509 = GmbHR 1997, 405, 408. Nur durch Abrede mit dem einzelnen Gläubiger kann diese unbeschränkte Haftung ausgeschlossen oder beschränkt werden. Dazu genügt nicht ein Auftreten im Namen einer „GmbH 1 Albach, S. 22; John, Die Gründung der Einmann-GmbH, S. 25 ff.; Karsten Schmidt, ZHR 145 (1981), 560; im Ergebnis ähnlich Merkt, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 192. 2 Ausführlich jetzt Merkt, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 196. 3 John, Die Gründung der Einmann-GmbH, S. 50; zust. Gummert, in: MünchHdb. III, § 16 Rdnr. 133. 4 John, Die Gründung der Einmann-GmbH, S. 62 ff. 5 Eingehend John, Die Gründung der Einmann-GmbH, S. 40 f. 6 Vgl. mit Unterschieden im Einzelnen Merkt, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 198; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 84; Flume, Juristische Person, § 5 Fn. 78; Flume, DB 1980, 1782; Flume, NJW 1981, 1756; Karsten Schmidt, GesR, § 34 III 3c; Karsten Schmidt, ZHR 145 (1981), 561 f.; Gummert, in: MünchHdb. III, § 16 Rdnr. 142; John, Die Gründung der Einmann-GmbH, S. 40 f.; John, BB 1982, 511; Brinkmann, GmbHR 1982, 270 ff.; Ulmer, BB 1980, 1005; Ulmer/Ihrig, GmbHR 1988, 382.

676

Karsten Schmidt

§ 11

Rechtszustand vor der Eintragung

i.G.“ oder einer „GmbH“. Die Rechtslage ist ähnlich umstritten wie bei der mehrköpfigen Vorgesellschaft1. Das bei Rdnr. 96 Gesagte gilt sinngemäß. Scheitert die Gründung, so bleibt die zunächst nur vorläufig unbeschränkte Haftung bestehen (nach der bei Rdnr. 86 f. dargestellten Auffassung entsteht erst in diesem Fall eine unbeschränkte Haftung). Wird die Einpersonengesellschaft eingetragen, so erlischt die unbeschränkte Außenhaftung (Rdnr. 178). Zur Vorbelastungshaftung (Unterbilanzhaftung, Differenzhaftung) vgl. Rdnr. 179. c) Unter den in Rdnr. 102 ff. im Einzelnen dargelegten Voraussetzungen tritt 176 auch bei der Einpersonen-Vorgesellschaft eine Handelndenhaftung nach § 11 Abs. 2 ein2. Sie trifft i.d.R. nur den Geschäftsführer der Einpersonen-Vor-GmbH (über die Haftung anderer Personen nach § 11 Abs. 2 vgl. Rdnr. 115 f.). Ist dies – was der Regelfall ist – der Gründer selbst, so konkurriert die Handelndenhaftung mit der bei Rdnr. 175 besprochenen Haftung des Gesellschafters. Auch die Handelndenhaftung bei der Einpersonen-Vor-GmbH erlischt mit der Eintragung der Gesellschaft (Rdnr. 157). Hatte der Gründer allerdings im Fall einer Sachgründung sein Unternehmen noch nicht in die Gesellschaft eingebracht und hatte er deshalb bei Unternehmensgeschäften im eigenen Namen gehandelt, so beruht seine Haftung weder auf der Gründereigenschaft noch auf der Handelndeneigenschaft nach § 11 Abs. 2 und erlischt mangels entsprechender Vereinbarung mit dem Gläubiger nicht3.

4. Die Eintragung der Einpersonengesellschaft und ihre Folgen a) Mit der Eintragung wird die Einpersonengesellschaft zur juristischen Person. 177 An der Identität der Gesellschaft ändert sich hierdurch nichts (Rdnr. 31)4. Alle Rechte und Pflichten der Gesellschaft sind nunmehr ohne weiteres Rechte und Pflichten der GmbH, ohne dass man von einem „Übergang“ dieser Rechte und Pflichten5 sprechen sollte (vgl. sinngemäß Rdnr. 152). Es braucht deshalb auch nicht, wie bei der Einpersonen-Umwandlung, eine Liste der übergehenden Vermögensgegenstände eingereicht zu werden6. Die §§ 152 ff. UmwG sind hier ohne Parallele, denn sie regeln den Erwerb in das Gesellschaftsvermögen (Gesamtrechtsnachfolge statt Einzeleinbringung), um den es bei der Eintragung der nach § 1 gegründeten Einpersonen-GmbH nicht mehr geht.

1 Für Haftungsbeschränkung auch bei der Einpersonengründung 6. Aufl. (Winter) Anm. 43; Fleck, GmbHR 1983, 17; im Ergebnis auch Gersch/Herget/Marsch/Stützle, GmbHReform, 1980, Rdnr. 146. 2 BGHZ 91, 148, 149 = NJW 1984, 2164 = GmbHR 1984, 316; John, Die Gründung der Einmann-GmbH, S. 46; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 31; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 43; Merkt, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 201; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 150; Ulmer, BB 1980, 1004. 3 Im Ergebnis richtig OLG Düsseldorf, BB 1987, 1624 = GmbHR 1987, 430. 4 Wie hier jetzt Schroeter, in: Bork/Schäfer, Rdnr. 75. 5 So aber bei der Einpersonengründung John, Die Gründung der Einmann-GmbH, S. 55; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 43; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/ Schmidt-Leithoff, Rdnr. 151; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 95; Kleberger, S. 193; unentschieden Merkt, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 202. 6 A.M. Ulmer, in: Hachenburg, Rdnr. 78; vgl. auch noch Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 95.

Karsten Schmidt

677

§ 11

Rechtszustand vor der Eintragung

178 b) Die sich aus Rdnr. 175 und 176 ergebende persönliche Außenhaftung des Gesellschafters und der handelnden Geschäftsführer erlischt mit der Eintragung (Rdnr. 157). Dieser allgemeine Grundsatz gilt auch für die Einpersonengründung1. Er gilt auch hier nicht für etwaige Ansprüche der Gesellschaft gegen ihren Gesellschafter aus §§ 9, 19 ff. oder für die Vorbelastungshaftung. 179 c) Die bei Rdnr. 139 ff. dargestellte Vorbelastungs- oder Unterbilanzhaftung kann auch bei der Einpersonengesellschaft eintreten2: Deckt das Aktivvermögen im Zeitpunkt der eintragungsfähigen Anmeldung – nach der bisherigen Rechtsprechung: im Zeitpunkt der Eintragung (dazu Rdnr. 141) – nicht mehr das Stammkapital, so muss der Gesellschafter die Differenz in bar nachschießen. Diese Haftung kann vor allem in der Insolvenz der Einpersonengesellschaft eine nicht unbeträchtliche Rolle spielen. Nach der hier vertretenen Auffassung ist sie auf die operativen Verluste beschränkt (Rdnr. 144 ff.).

XI. Gründungsstadien der GmbH & Co. KG 180 Schrifttum: (vgl. zunächst die Angaben bei Rdnr. 1 und 85): Beuthien, Systemfragen des Handelsrechts – Gibt es Personengesellschaften?, in: Festgabe Zivilrechtslehrer 1934/1935, 1999, S. 39; Binz, Haftungsverhältnisse im Gründungsstadium der GmbH & Co. KG, 1976; Binz, Haftungsverhältnisse bei werbender Tätigkeit der Vor-GmbH & Co. KG, GmbHR 1976, 29; Binz, Zur Handelndenhaftung im Gründungsstadium der GmbH & Co. KG, DB 1982, 1971; Binz/Sorg, Die GmbH & Co. KG, 11. Aufl. 2010; Hesselmann/Tillmann/Mueller-Thuns, Handbuch GmbH & Co. KG, 20. Aufl. 2009; Huber, Haftungsprobleme der GmbH & Co. KG im Gründungsstadium, in: FS Hefermehl, 1976, S. 127; Hüffer, Gesellschafterhaftung und Geschäftsführerhaftung in der Vor-GmbH & Co. KG, JuS 1980, 485; Kuhn, Zur werdenden GmbH & Co. KG, in: FS Hefermehl, 1976, S. 159; Schaffner, Die Vorgesellschaft als Gesellschaft sui generis, 2003; Karsten Schmidt, Haftungsverhältnisse bei werbender Tätigkeit in den Gründungsstadien der GmbH & Co., NJW 1975, 665; Karsten Schmidt, Die VorGmbH als Unternehmerin und als Komplementärin, NJW 1981, 1345.

1. Grundlagen 181 a) Auch bei der GmbH & Co. KG treten Vorgesellschaftsprobleme auf. Hier ist die Schwierigkeit eine mehrfache, weil zwei Gesellschaften zu gründen und einzutragen sind: die GmbH und die Kommanditgesellschaft. Die Nichteintragung hat bei beiden Gesellschaften eine sehr unterschiedliche Bedeutung. Eine noch nicht im Handelsregister eingetragene Komplementär-GmbH ist eine VorGmbH (Rdnr. 27 ff.), ggf. auch eine Einpersonen-Vorgesellschaft (Rdnr. 164 ff.). Eine noch nicht im Handelsregister eingetragene KG ist in den Fällen der §§ 2, 3, 105 Abs. 2, 161 Abs. 2 HGB nur eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts, im Fall des § 1 Abs. 2 HGB dagegen bereits eine Handelsgesellschaft (vgl. auch §§ 123, 162 Abs. 2 HGB). Von einer Vorgesellschaft i.S. von Rdnr. 27 ff. ist hier allerdings nicht zu sprechen3. Die Personengesellschaft ist, sei es bereits als KG

1 Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 95. 2 Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 31; vgl. bereits John, Die Gründung der EinmannGmbH, S. 14; Fleck, GmbHR 1983, 17. 3 So auch Beuthien, in: FS Zivilrechtslehrer, S. 39 ff.; eine kaum weiterführende Diskussion um die „Vor-Partnerschaft“ findet sich bei Schaffner, S. 165 ff.

678

Karsten Schmidt

§ 11

Rechtszustand vor der Eintragung

(§§ 1, 123 Abs. 2, 161 Abs. 2 HGB), sei es als Gesellschaft bürgerlichen Rechts (§§ 123 Abs. 1, 161 Abs. 2 HGB) „fertige“ Personengesellschaft, nicht Vorgesellschaft. Anders sieht es der Gesetzgeber in Österreich. § 123 UGB (Unternehmensgesetzbuch) von 2005 lautet: „(1) Die offene Gesellschaft entsteht mit der Eintragung in das Firmenbuch. (2) Handeln Gesellschafter oder zur Vertretung der Gesellschaft bestellte Personen nach Errichtung, aber vor Entstehung der Gesellschaft in deren Namen, so werden alle Gesellschafter daraus berechtigt und verpflichtet. Dies gilt auch dann, wenn ein handelnder Gesellschafter nicht, nicht allein oder nur beschränkt vertretungsbefugt ist, der Dritte den Mangel der Vertretungsmacht aber weder kannte noch kennen musste. Die Gesellschaft tritt mit Eintragung in das Firmenbuch in die Rechtsverhältnisse ein.“ b) Mit dem Urteil BGHZ 80, 129 = NJW 1981, 1373 = GmbHR 1981, 114 hat 182 der Bundesgerichtshof anerkannt, dass die Vor-GmbH bereits komplementärfähig ist1. Einwände und Komplikationen, wie sie zuvor vorgetragen worden waren2, haben sich damit erledigt. Entgegen einer überholten älteren Gerichtspraxis3 kann die Kommanditgesellschaft vor der GmbH in das Handelsregister eingetragen werden4. Die Komplementär-GmbH muss hierfür nur errichtet sein, braucht aber noch nicht eingetragen zu sein. Als Komplementärin ist dann die GmbH mit dem Firmenzusatz „in Gründung“ (oder: „i.Gr.“) einzutragen. Diese Eintragung braucht nur berichtigt zu werden, wenn die Komplementär-GmbH durch ihre Eintragung zur juristischen Person wird. All diese Ausführungen gelten auch für die Einpersonen-GmbH, da die Einpersonen-Vorgesellschaft wie eine Mehrpersonen-Vorgesellschaft Trägerin von Rechten und Pflichten sein kann (vgl. Rdnr. 167). Da die bisher h.M. Zweck und organschaftliche Vertretungsmacht bei der Vor-GmbH auf die gründungsnotwendigen Geschäfte begrenzt sieht (Rdnr. 72), nimmt sie mit BGHZ 80, 129, 139 = NJW 1981, 1373, 1375 an, dass die Komplementärtätigkeit der GmbH vor der Eintragung nicht ohne entsprechende Ermächtigung seitens der Gesellschafter möglich ist5. Dem ist aus den bei Rdnr. 32 f., 72 f. geschilderten Gründen nicht zu folgen. Die Beteiligung der GmbH als Komplementärin einer KG ist zwar eine 1 So schon vor dem Urteil des BGH Binz, Haftungsverhältnisse, S. 145 ff., 213; Huber, in: FS Hefermehl, S. 147 ff.; Ulmer, in: Hachenburg, 7. Aufl., Rdnr. 102; Hüffer, JuS 1980, 487; seit dem Urteil z.B. Binz/Sorg, GmbH & Co. KG, § 3 Rdnr. 67; Lüke, in: Hesselmann/Tillmann/Mueller-Thuns, § 3 Rdnr. 34, 208; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/ Hueck, Rdnr. 68; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 8, 13; Merkt, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 207; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 167; Schroeter, in: Bork/Schäfer, Rdnr. 23; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 160; Karsten Schmidt, NJW 1981, 1347. 2 Vgl. Kuhn, in: FS Hefermehl, S. 169 f.; Karsten Schmidt, NJW 1975, 665 ff. 3 BayObLG, GmbHR 1967, 9, 10; BayObLG, GmbHR 1969, 22, 23; OLG Hamm, DB 1976, 1859 = GmbHR 1976, 241. 4 BGH, NJW 1985, 736, 737 = BB 1985, 880, 881 m. Anm. Wessel; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 70; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 170; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 163; Fleck, GmbHR 1983, 16; Karsten Schmidt, NJW 1981, 1347. 5 Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 70; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/ Schmidt-Leithoff, Rdnr. 172 f.; Lüke, in: Hesselmann/Tillmann/Mueller-Thuns, Handbuch GmbH & Co. KG, § 3 Rdnr. 211.

Karsten Schmidt

679

§ 11

Rechtszustand vor der Eintragung

strukturelle, der Zustimmung der Gesellschafter und ggf. der Beschlussfassung über den Unternehmensgegenstand vorbehaltene Maßnahme. Die Geschäftsführertätigkeit ist aber hiervon zu unterscheiden. Ob die Geschäftsführer der GmbH vor deren Eintragung schon Komplementäraufgaben wahrnehmen dürfen, ist eine Frage des Innenverhältnisses und hängt von der Lage des Einzelfalls, ggf. von der Zustimmung der Gesellschafter ab (Rdnr. 59); betreibt die KG als Personengesellschaft bereits das Gesellschaftsunternehmen, handelt es sich z.B. um die „Umwandlung“ einer KG in eine GmbH & Co. KG (Rdnr. 187), so bedarf es einer besonderen Zustimmung i.d.R. nicht. Aber diese Differenzierungen betreffen nicht die Vertretungsmacht, sondern nur die Geschäftsführungsbefugnisse der GmbH-Geschäftsführer. Nach außen können sie bereits wirksam handeln. 183 c) Von der Vor-GmbH ist auch hier die sog. Vorgründungsgesellschaft zu unterscheiden (Rdnr. 6 ff.)1. Diese Gesellschaft – hier jetzt zur Klarstellung als bloßer Gründungsvorvertrag bezeichnet (Rdnr. 9) – ist als bloßer Vorvertrag und als bloße Innengesellschaft keine taugliche Komplementärin. Schließen die Gründer schon vor der Errichtung der GmbH einen KG-Vertrag und werden sie für die noch nicht eingetragene „Kommanditgesellschaft“ tätig, so wird es sich regelmäßig um eine oHG bzw. Gesellschaft bürgerlichen Rechts handeln (was sich nach § 1 Abs. 2 HGB entscheidet) und jedenfalls nicht um eine KG, weil es am Komplementär fehlt; die Gesellschafter haften unbeschränkt, soweit nicht ein anderes mit dem Gläubiger vereinbart ist2. Ist an der Gründung nur ein Kommanditist beteiligt, so kann er in diesem Stadium nur als Einzelperson handeln (eine Gesellschaft, die durch Eintragung KG werden könnte, gibt es noch nicht). Treten mehrere Gründer bereits vor der Errichtung der GmbH und vor der Gründung der KG im Rechtsverkehr gemeinsam auf, so gelten die bei Rdnr. 18 ff. dargestellten Grundsätze sinngemäß: Es haften im Zweifel die Gründer gesamtschuldnerisch (§ 427 BGB), oder es haftet der für sie vollmachtlos Handelnde nach § 179 BGB, doch kann die Haftung durch Vereinbarung mit dem Gläubiger oder durch Information über die Vertretungsverhältnisse beschränkt bzw. ausgeschlossen werden3. 184 d) Die Haftungsverhältnisse bei der nicht eingetragenen GmbH & Co. KG lassen sich danach ordnen, ob es nur an der Eintragung der KG oder nur an der Eintragung der GmbH oder an der Eintragung beider Gesellschaften fehlt.

2. Situation A: Die GmbH ist eingetragen, aber noch nicht die KG 185 a) In diesem Fall ist die Personengesellschaft ihrem Rechtsstatus nach entweder Kommanditgesellschaft (Fall des § 1 HGB) oder Gesellschaft bürgerlichen Rechts (Fälle der §§ 2, 3, 105 Abs. 2 HGB; vgl. Rdnr. 181). Sie ist nicht bloß Vorgesellschaft (vgl. demgegenüber zu § 123 des österreichischen UGB Rdnr. 181). Die GmbH ist persönlich haftende Gesellschafterin. Für die Geschäftsführungs-

1 Lüke, in: Hesselmann/Tilmann/Mueller-Thuns, Handbuch GmbH & Co. KG, § 3 Rdnr. 205 f. 2 Vgl. Karsten Schmidt, in: MünchKomm. HGB, 3. Aufl. 2012, § 176 HGB Rdnr. 52. 3 BGH, DStR 1996, 1015 m. Anm. Goette.

680

Karsten Schmidt

§ 11

Rechtszustand vor der Eintragung

und Vertretungsverhältnisse gilt in jedem Fall bereits das Recht der KG, dies also auch, wenn vorläufig noch eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts vorliegt1. b) Die Haftungsverhältnisse folgen dem Recht der Kommanditgesellschaft, so- 186 fern nach §§ 1, 123, 161 HGB trotz fehlender Eintragung bereits eine KG vorliegt. Eine unbeschränkte Kommanditistenhaftung gemäß § 176 Abs. 12 kann vermieden werden, indem die Haftungsverhältnisse durch Verwendung der GmbH & Co. KG-Firma offen gelegt werden3. Erfüllt die Personengesellschaft nicht die Merkmale des § 1 Abs. 2 HGB, so liegt keine Kommanditgesellschaft vor, sondern eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (Rdnr. 181, 185). Die ältere Rechtsprechung gestattete auch hier eine Haftungsbeschränkung zu Gunsten der „Kommanditisten“ durch offen gelegte Beschränkung der „Komplementär“-Vertretungsmacht4, so dass nach ihr ein Auftreten als „GmbH & Co. KG in Gründung“ ausreichen konnte, um die Haftung zu beschränken5. Dies ist überholt durch BGHZ 142, 315 = NJW 1999, 3483 = GmbHR 1999, 1134 = ZIP 1999, 1755 m. Anm. Altmeppen: „Für die im Namen einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts begründeten Verpflichtungen haften die Gesellschafter kraft Gesetzes auch persönlich. Diese Haftung kann nicht durch einen Namenszusatz oder einen anderen, den Willen, nur beschränkt für diese Verpflichtungen einzustehen, verdeutlichenden Hinweis beschränkt werden, sondern nur durch eine individualvertragliche Vereinbarung ausgeschlossen werden.“ Das ist anders im Fall des § 176 HGB, womit entgegen früherer Sichtweise aus einer als überzogen geltenden Haftungsnorm6 eine Haftungsprivilegierung geworden ist7. Da dieses Privileg alle nach §§ 161, 105 HGB eintragbaren Kommanditgesellschaften erfasst8,

1 Vgl. zu den Einzelheiten Karsten Schmidt, in: MünchKomm. HGB, 3. Aufl. 2012, § 176 HGB Rdnr. 55. 2 Die Vorschrift gilt auch für die GmbH & Co. KG; vgl. BGH, NJW 1980, 54 = GmbHR 1979, 223; BGH, BB 1983, 1118 = NJW 1983, 2258 m. Anm. Karsten Schmidt; eingehend Karsten Schmidt, in: MünchKomm. HGB, 3. Aufl. 2012, § 176 HGB Rdnr. 49 f.; a.M. Priester, BB 1980, 913 f. 3 So für Fälle seit 1981 BGH, BB 1983, 1118 = NJW 1983, 2258 m. Anm. Karsten Schmidt; dieselbe Rechtslage galt auch für ältere Fälle; vgl. LG Ravensburg, ZIP 1984, 1232; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 71; Ulmer, in: Ulmer, § 11 Rdnr. 171; Karsten Schmidt, in: MünchKomm. HGB, 3. Aufl. 2012, § 176 HGB Rdnr. 50 m.w.N.; eingehend Binz/Sorg, GmbH & Co. KG, § 5 Rdnr. 36 ff.; a.M. BGH, NJW 1980, 54 = GmbHR 1979, 223; Flume, Die Personengesellschaft, 1977, § 16 IV 5; Crezelius, BB 1983, 12. 4 BGHZ 72, 267; BGHZ 74, 240 m. Anm. Hommelhoff, JR 1979, 505 und Ulmer, JZ 1980, 354; BGH, NJW 1981, 1213; BGH, NJW 1985, 619 = ZIP 1985, 98 = JuS 1985, 643 m. Anm. Karsten Schmidt; eingehend Ulmer, in: FS Rob. Fischer, 1979, S. 785 ff.; krit. Flume, Die Personengesellschaft, 1977, § 16 IV. 5 Vgl. Binz, Haftungsverhältnisse, S. 31 ff.; Binz/Sorg, GmbH & Co. KG, § 5 Rdnr. 16 ff., § 3 Rdnr. 99; Ulmer, in: Hachenburg, Rdnr. 144; Karsten Schmidt, in: MünchKomm. HGB, 3. Aufl. 2012, § 176 HGB Rdnr. 50. 6 Vgl. BGHZ 78, 114, 117 = NJW 1981, 175. 7 Vgl. zum Funktionswandel des § 176 HGB Karsten Schmidt, in: MünchKomm. HGB, 3. Aufl. 2012, § 176 HGB Rdnr. 3; Karsten Schmidt, GmbHR 2002, 341 ff.; Dauner-Lieb, in: FS Lutter, 2000, S. 835. 8 Karsten Schmidt, in: MünchKomm. HGB, 3. Aufl. 2012, § 176 HGB Rdnr. 5 f.; vgl. auch Karsten Schmidt, GmbHR 2002, 341 ff.; in gleicher Richtung schon Dauner-Lieb, in: FS Lutter, 2000, S. 849; Wagner, NJW 2001, 1112; zust. Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 94; sehr str.

Karsten Schmidt

681

§ 11

Rechtszustand vor der Eintragung

wirkt dieses Privileg flächendeckend: Die Gründung einer GmbH & Co. KG wirkt bereits haftungsbeschränkend, wenn Geschäftsbriefe gemäß § 125a HGB mit Angaben über die GmbH und ihre Geschäftsführer verwendet werden1.

3. Situation B: Die KG ist eingetragen, aber noch nicht die GmbH 187 a) Auf Grund der bei Rdnr. 182 geschilderten Rechtsprechung kann die KG vor der GmbH eingetragen werden. Es liegt dann eine fertige Kommanditgesellschaft vor mit der einzigen Besonderheit, dass die Komplementärin noch eine Vor-GmbH ist. Diese Situation kann nicht nur bei der Neugründung einer GmbH & Co. KG entstehen, sondern auch bei der „Umwandlung“ einer regulären KG (oder sogar oHG) in eine GmbH & Co. KG. In diesem Fall tritt der bisherige Komplementär (oder es treten die bisherigen oHG-Gesellschafter) in die Kommanditistenstellung zurück, und es wird eine Vor-GmbH als neue Komplementärin aufgenommen2. Wird dieser Beitritt zur KG schon vor der Eintragung der GmbH im Teil B des Handelsregisters wirksam, so liegt die Situation B vor. 188 b) Die Haftungsverhältnisse ergeben sich aus dem Recht der KG und der VorGmbH. Die Kommanditisten haften nur nach Maßgabe der §§ 171 ff. HGB. Als Komplementärin haftet die Vor-GmbH. Die im Namen der KG für die VorGmbH als Komplementärin Handelnden – also die Geschäftsführer der Komplementär-Vor-GmbH – haften nach § 11 Abs. 23. Ob daneben sämtliche Gesellschafter der Vor-GmbH haften, bestimmt sich nach deren umstrittenem Haftungsstatus (dazu Rdnr. 86 ff.). Nach der hier vertretenen Auffassung haften die GmbH-Gründer unbeschränkt und gesamtschuldnerisch für alle Verbindlichkeiten der Vor-GmbH, und damit wegen § 128 HGB auch der Kommanditgesellschaft4. Diese Außenhaftung endet ebenso wie die Handelndenhaftung5, wenn die Komplementär-GmbH in das Handelsregister eingetragen wird (vgl. Rdnr. 157). Die Außenhaftung der GmbH-Gesellschafter wird dann durch eine Vorbelastungs-Innenhaftung (Rdnr. 139 ff.) abgelöst (Rdnr. 157)6. Die Leitentscheidung zur Differenzhaftung betraf gerade eine Vor-GmbH & Co. KG (BGHZ 80, 129 = NJW 1981, 1373). Soweit die Vorbelastung auf Verbindlichkeiten der

1 Karsten Schmidt, in: MünchKomm. HGB, 3. Aufl. 2012, § 176 HGB Rdnr. 50, 55; zum Streitstand Merkt, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 218. 2 Dazu vgl. eingehend Lüke, in: Hesselmann/Tillmann/Mueller-Thuns, § 3 Rdnr. 53 ff. 3 Für unmittelbare Anwendung Flume, Die Personengesellschaft, 1977, § 16 IV; Huber, in: FS Hefermehl, S. 144, 156; Karsten Schmidt, NJW 1981, 1346 f. (gegen den früher vertretenen Standpunkt); für analoge Anwendung BGHZ 80, 129, 133 = NJW 1981, 1373, 1374 = GmbHR 1981, 114; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 13; Merkt, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 213; Schroeter, in: Bork/Schäfer, Rdnr. 71; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 167; Überblick bei Lüke, in: Hesselmann/Tillmann/Mueller-Thuns, § 3 Rdnr. 216 ff.; gegen die Haftung Binz/Sorg, § 3 Rdnr. 93. 4 Karsten Schmidt, in: MünchKomm. HGB, 3. Aufl. 2012, § 176 HGB Rdnr. 53; zust. Gummert, in: MünchHdb. III, § 16 Rdnr. 140. 5 Zu dieser vgl. bei der GmbH & Co. KG BGHZ 69, 95, 102 ff. = NJW 1977, 1683, 1685 = GmbHR 1977, 246; BGHZ 70, 132, 138 ff. = NJW 1978, 636, 637 f. = GmbHR 1978, 152; BGHZ 76, 320, 323 = NJW 1980, 1630, 1631 = GmbHR 1980, 202. 6 Lüke, in: Hesselmann/Tillmann/Mueller-Thuns, § 3 Rdnr. 211; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 175; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 169.

682

Karsten Schmidt

§ 11

Rechtszustand vor der Eintragung

KG beruht, ist die Vorbelastungshaftung durch Leistung an die KG – im Insolvenzfall also: in die Masse des KG-Insolvenzverfahrens – zu begleichen1.

4. Situation C: Beide Gesellschaften sind noch nicht eingetragen a) Da bereits die Vor-GmbH Komplementärin sein kann (Rdnr. 182), kann auch 189 in diesem Fall bereits eine Kommanditgesellschaft bestehen (§§ 1, 123, 161 HGB). Handelt es sich um eine unter § 2 oder § 3 oder § 105 Abs. 2 HGB fallende Gesellschaft, so ist diese allerdings auch hier wieder eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (Rdnr. 181, 186). Im Fall des § 1 Abs. 2 HGB ist die Gesellschaft bereits KG. Bloße Vorgesellschaft ist sie als Personengesellschaft in keinem Fall (vgl. dagegen zur Neufassung des § 123 UGB in Österreich Rdnr. 181). b) Die Haftung der Kommanditisten ergibt sich im Fall eines unter § 1 Abs. 2 190 HGB fallenden vollkaufmännischen Gewerbes aus §§ 171 ff. HGB; eine unbeschränkte Haftung gemäß § 176 HGB kann durch den Gebrauch einer GmbH & Co. KG-Firma abgewendet werden (Rdnr. 186). Auch für die Haftung im Fall einer unter § 2 oder § 3 oder § 105 Abs. 2 HGB fallenden Gesellschaft gilt das bei Rdnr. 185, 186 Gesagte sinngemäß. c) Für die Haftung der GmbH-Gründer und der für die Komplementär-GmbH Handelnden gelten die Ausführungen bei Rdnr. 188.

191

XII. Steuerrecht Schrifttum: Blümich, EStG/KStG/GewStG, Loseblatt; Crezelius, Die werdende Kapitalgesellschaft im Körperschaftsteuerrecht, in: FS Wassermeyer, 2005, S. 15; Dötsch/ Jost/Pung/Witt, Die Körperschaftsteuer, Loseblatt; Ernst & Young, KStG, Loseblatt; Frotscher/Maas, KStG, Loseblatt; Gosch, KStG, 2. Aufl. 2009; Pahlke/Franz, GrEStG, 4. Aufl. 2010; Schmidt, EStG, 31. Aufl. 2012; Troll/Gebel/Jülicher, ErbStG, Loseblatt.

1. Grundlagen Für die werdende GmbH ergibt sich die steuerrechtliche Problematik aus dem 192 dualistischen Konzept der Unternehmensbesteuerung. Nach derzeitiger Rechtslage wird danach differenziert, ob es um eine natürliche Person als Steuersubjekt geht (§ 1 Abs. 1 Satz 1 EStG) oder ob ein Körperschaftsteuersubjekt gegeben ist (§ 1 Abs. 1 KStG). Auch wenn an einem personenrechtlichen Zusammenschluss Kapitalgesellschaften beteiligt sind, ist wegen § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG Einkommensteuerrecht anwendbar, wenn das Gebilde als Mitunternehmerschaft zu qualifizieren ist. An die Frage, ob die werdende GmbH dem EStG oder dem KStG unterliegt, knüpfen sich zahlreiche Konsequenzen2: Geht es um Gewinne in der Phase der werdenden GmbH, dann ist zu entscheiden, ob es zu einer Gewinnzurechnung auf den einzelnen Gesellschafter entsprechend dem Konzept des § 15 EStG kommt oder ob allein eine Körperschaft Zurechnungssubjekt ist. Ist die Körperschaftsqualität nach § 1 Abs. 1 KStG zu bejahen, dann ist der Anteilseigner nur bei ausgeschütteten Gewinnen berührt, und zwar nach 1 Vgl. Karsten Schmidt, ZHR 156 (1992), 118 f. 2 Vgl. BFH, BStBl. II 1990, 91 = GmbHR 1990, 235.

Crezelius

683

§ 11

Rechtszustand vor der Eintragung

den Grundsätzen des Teileinkünfteverfahrens nach § 3 Nr. 40 Satz 1 EStG. Ist der Anteilseigner (wiederum) Körperschaft, dann kommt es insoweit zur Anwendung des § 8b KStG, und zwar mit der Folge, dass von den ausgeschütteten Gewinnen im Ergebnis 95 % außer Ansatz bleiben (§ 8b Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 Satz 1 KStG). Ergeben sich bei der werdenden GmbH Verluste, dann führt das Regime des EStG zur unmittelbaren Verlustzurechnung beim Gesellschafter, demgegenüber bei Anwendung des KStG die Verluste der Gesellschaft allein Verluste auf Körperschaftsebene darstellen. Bei realisierten Verlusten mit der Beteiligung kommt es bei natürlichen Personen als Gesellschafter zur Anwendung des Teilabzugsverfahrens des § 3c Abs. 2 Satz 1 EStG, bei einer Körperschaft als Beteiligter dazu, dass der Verlust unberücksichtigt bleibt (§ 8b Abs. 3 Satz 3 KStG). Weitere Probleme der steuerrechtlichen Qualifikation der werdenden GmbH sind u.a. folgende Fragen: Ist der Gewinn der werdenden Kapitalgesellschaft vor Eintragung in das Handelsregister nach den Grundsätzen der verdeckten Gewinnausschüttung des § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG (§ 29 Rdnr. 115 ff.) zu ermitteln? Kann die Gründungsgesellschaft Subjekt einer steuerrechtlichen Organschaft sein? Kommt es dann, wenn die Handelsregistereintragung scheitert, zur Liquidation des bisherigen Gebildes nach den Grundsätzen des § 11 KStG?

2. Ertragsteuern 193 a) In Anlehnung an die gesellschaftsrechtlichen Vorgaben bestimmt § 1 Abs. 1 KStG die der Körperschaftsteuer unterliegenden Steuersubjekte abschließend. Die danach gegebene Vorgreiflichkeit des Zivilrechts hat für die Steuersubjektqualität einer Körperschaft zur Folge, dass auch bei der Abgrenzung des EStG vom KStG zwischen der Vorgründungsgesellschaft einerseits und der Vorgesellschaft andererseits zu unterscheiden ist1. Aufgrund dessen ist die Vorgründungsgesellschaft, das Gebilde vor Errichtung der GmbH, als Personengesellschaft/ Mitunternehmerschaft zu beurteilen, wenn denn eine gewerbliche Tätigkeit nach § 15 Abs. 2 EStG ausgeübt wird2. Die Behandlung der Vorgründungsgesellschaft als Personengesellschaft/Mitunternehmerschaft ist zutreffend, und zwar nicht nur deswegen, weil § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG, § 1 Abs. 1 KStG an das Zivilrecht anknüpfen. Auch steuerrechtlich ist dies gerechtfertigt, denn wenn im Rahmen der Phase vor der Gründung der GmbH Personengesellschaftsrecht Anwendung findet, dann sind die einkommensteuerrechtlichen Elemente der Mitunternehmerinitiative und des Mitunternehmerrisikos gegeben, die den Mitunternehmerbegriff prägen3. Unter Hinweis auf eine ältere Entscheidung des BFH4 wird vertreten, dass auch die Vorgründungsgesellschaft nach § 1 Abs. 1 Nr. 5 KStG körperschaftsteuerpflichtig sein könne, wenn sie wegen der großen Zahl der Beteiligten körperschaftlich strukturiert sei5. Dem ist nicht zu folgen, 1 BFH, BStBl. II 1990, 91, 92 = GmbHR 1990, 235; BFH, BStBl. II 1990, 468, 469 = GmbHR 1990, 314; Lambrecht, in: Gosch, § 1 KStG Rdnr. 32 ff. 2 BFH, BStBl. II 1990, 91; Graffe, in: Dötsch/Jost/Pung/Witt, Die Körperschaftsteuer, § 1 KStG Rdnr. 106; Kalbfleisch, in: Ernst & Young, § 1 KStG Rdnr. 122; Lambrecht, in: Gosch, § 1 KStG Rdnr. 34. 3 Statt aller Wacker, in: Schmidt, § 15 EStG Rdnr. 262 ff. 4 BStBl. III 1952, 172. 5 Graffe, in: Dötsch/Jost/Pung/Witt, Die Körperschaftsteuer, § 1 KStG Rdnr. 106; Lambrecht, in: Gosch, § 1 KStG Rdnr. 34.

684

Crezelius

§ 11

Rechtszustand vor der Eintragung

da die Rechtsprechung des BFH1 allen Tendenzen eine Absage erteilt hat, wonach Publikumsgesellschaften als nichtrechtsfähige Vereine und damit als körperschaftsteuerpflichtige Gebilde qualifiziert werden sollen. Das Steuerrecht zieht keine Folgerungen aus dem im Zivilrecht entwickelten Sonderrecht für Publikumsgesellschaften. b) Ist der Gründungsakt der GmbH vollzogen, liegt also zivilrechtlich eine Vor- 194 gesellschaft vor, dann liegt es unbestrittenermaßen so, dass ein Körperschaftsteuersubjekt gegeben ist, wenn die Eintragung in das Handelsregister nachfolgt und die Vorgesellschaft nach außen in Erscheinung tritt2. Eine Mindermeinung, die den Katalog des § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG nicht erweitern möchte, weil die Vorgesellschaft keine fertige juristische Person sei3, hat sich angesichts der zivilrechtlichen Qualifizierung der Vorgesellschaft nicht durchgesetzt. Gleichwohl sollte beachtet werden, dass die Vorgesellschaft zwar im Grundsatz ohne weiteres als steuerrechtliche Körperschaft qualifiziert werden soll, demgegenüber bei einer ausländischen Kapitalgesellschaft differenziertere Kriterien angelegt werden4. Im Ergebnis ist § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG anwendbar, denn wenn sich die Vorgesellschaft von der fertigen GmbH im Wesentlichen dadurch unterscheidet, dass die Eintragung in das Handelsregister fehlt, dann besteht kein Grund, sie nicht wie eine fertige GmbH zu behandeln, wenn sie denn nach außen in Erscheinung tritt. Auch steuerrechtlich wird die Vorgesellschaft nur dann von vornherein nach 195 KStG behandelt, wenn die Eintragung als konstituierendes Merkmal der Rechtsfähigkeit tatsächlich nachfolgt. Infolgedessen macht (auch) steuerrechtlich die gescheiterte/unechte Vorgesellschaft Schwierigkeiten. Während einerseits die Körperschaftsteuerpflicht in dieser Variante generell verneint wird5, wird andererseits danach unterschieden, ob die Gründung ernsthaft beabsichtigt war oder nicht6. Im Einzelnen sollte wie folgt differenziert werden: Hatten die Gesellschafter der werdenden GmbH von Anfang an nicht die Ab- 196 sicht, die Eintragung ernsthaft zu betreiben7, dann handelt es sich nicht um eine im Entstehen begriffene juristische Person, die es rechtfertigt, die Regelungen des KStG anzuwenden. Auf ein derartiges Gebilde sind die Steuernormen anzuwenden, die für die Gesellschaftsform gelten, die tatsächlich betrieben wird, also Personengesellschaftsrecht8. Allerdings dürfte es praktisch schwer nachzuweisen sein, dass die Gesellschafter tatsächlich eine Scheingründung beabsichtigt haben. 1 GrS, BStBl. II 1984, 751 = GmbHR 1984, 355. 2 BFH, BStBl. II 1973, 568; BFH, BStBl. II 1983, 247 = GmbHR 1983, 129; BFH, BStBl. II 1990, 91 = GmbHR 1990, 235; BFH, BStBl. II 1993, 352 = GmbHR 1993, 171; Kalbfleisch, in: Ernst & Young, § 1 KStG Rdnr. 123 ff.; Lambrecht, in: Gosch, § 1 KStG Rdnr. 35. 3 Z.B. Schuhmann, GmbHR 1981, 196. 4 Vgl. RFH, RStBl. 1930, 444. 5 Vgl. Graffe, in: Dötsch/Jost/Pung/Witt, Die Körperschaftsteuer, § 1 KStG Rdnr. 110; Kalbfleisch, in: Ernst & Young, § 1 KStG Rdnr. 125; Lambrecht, in: Gosch, § 1 KStG Rdnr. 35. 6 Rengers, in: Blümich, § 1 KStG Rdnr. 183. 7 Vgl. FG Brandenburg, ZIP 2004, 169. 8 FG Brandenburg, ZIP 2004, 169.

Crezelius

685

§ 11

Rechtszustand vor der Eintragung

Scheitert die Eintragung der ernsthaft gegründeten Vorgesellschaft, dann kommt es darauf an, ob von Anfang an ein personengesellschaftsrechtliches Gebilde mit Anwendung des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG existiert hat oder ob die Regeln der Liquidation, insbesondere des § 11 KStG, anzuwenden sind, so dass vorher zwangsläufig Körperschaftsteuerrecht gilt. Nach Auffassung des BFH1 ist eine Vorgesellschaft (zur GmbH), die später nicht als juristische Person eingetragen wurde, von vornherein nicht Körperschaftsteuersubjekt. Dies soll nicht dem Prinzip der Tatbestandsmäßigkeit der Besteuerung widersprechen, obwohl dann die steuerrechtlichen Konsequenzen einer wirtschaftlichen Betätigung von einem zukünftigen Ereignis, nämlich der Handelsregistereintragung abhängen. Im Ergebnis behandelt die Rechtsprechung demnach eine gescheiterte Vorgesellschaft von Anfang an als Mitunternehmerschaft. Es kommt zu einer Ergebniszurechnung bei den Gesellschaftern. Die Ansicht des BFH ist nicht unproblematisch. Es geht darum, ob das gleiche Regelungssystem wie bei der Vorgründungsgesellschaft auch bei der gescheiterten Vorgesellschaft gelten soll, obwohl die Gesellschafter hier die Kapitalgesellschaft ordnungsgemäß und wirksam gegründet haben. Die Vorgesellschaft hat wirksam existiert, so dass sich der rückwirkend eintretende Charakter der Gesellschaft als steuerrechtliche Mitunternehmerschaft nicht ohne weiteres begründen lässt. Für die rückwirkende Besteuerung als Personengesellschaft/Mitunternehmerschaft spricht der eher praktische Gesichtspunkt, dass die Beendigung der Eintragungsabsicht als innere Tatsache schwer feststellbar ist2. Steuerrechtlich könnte auch die Auffassung des BGH durchschlagen, dass bei der gescheiterten Vorgesellschaft die Gründer für sämtliche Verbindlichkeiten der Vorgesellschaft von Anfang an nach personengesellschaftsrechtlichen Grundsätzen einzustehen haben3. Letztlich ist dies alles nicht überzeugend. Liegt eine wirksame Vorgesellschaft vor, dann kommt es im Zeitpunkt der nachfolgenden Eintragung zur Rechtsidentität zwischen Vorgesellschaft und fertiger GmbH. Im Umkehrschluss folgt daraus, dass im Falle des Scheiterns der Gründung zwischen der (gegründeten) Vorgesellschaft und der durch die Gründer fortgesetzten (Personen-)Gesellschaft keine Rechtsidentität bestehen kann4. Nach allem sollte die wirksam gegründete Vorgesellschaft bis zum Zeitpunkt des Scheiterns als Kapitalgesellschaft behandelt werden. Ab diesem Zeitpunkt ist eine Liquidationsbesteuerung vorzunehmen, und in Zukunft gilt das Recht der Mitunternehmerbesteuerung. 197 c) Für die in der Praxis der Körperschaftsbesteuerung bedeutsame verdeckte Gewinnausschüttung des § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG (§ 29 Rdnr. 115 ff.), die dazu führen soll, dass der „richtige Gewinn“ eines Körperschaftsteuersubjekts ermittelt wird, gilt Folgendes: Die Annahme einer verdeckten Gewinnausschüttung setzt nicht voraus, dass die GmbH nach den Maßstäben des Gesellschaftsrechts entstanden ist. Auch die Vorgesellschaft, die mit der später entstandenen Körperschaft identisch ist, fällt in den Anwendungsbereich des § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG5. Auf die Vorgründungsgesellschaft sind die Regeln der verdeckten Gewinnaus-

1 2 3 4 5

BFH, BStBl. II 2010, 991 = GmbHR 2010, 764. Lambrecht, in: Gosch, § 1 KStG Rdnr. 35. BGHZ 152, 290 = GmbHR 2003, 97 m. Komm. Karsten Schmidt. Vgl. auch BFH, BStBl. II 2002, 210 = GmbHR 2002, 223. Gosch, in: Gosch, § 8 KStG Rdnr. 203.

686

Crezelius

§ 11

Rechtszustand vor der Eintragung

schüttung nicht anwendbar, weil sie als Mitunternehmerschaft eingeordnet wird1. Andererseits gelten die Regeln der verdeckten Gewinnausschüttung uneingeschränkt, wenn sich die Körperschaft in Liquidation befindet. d) Die fertige GmbH hat nach § 8 Abs. 2 KStG zwingend gewerbliche Einkünfte, 198 und im Gewerbesteuerrecht (§ 2 Abs. 2 Satz 1 GewStG) hat die Kapitalgesellschaft einen einheitlichen Gewerbebetrieb, so dass es nicht darauf ankommt, ob die Gesellschaft originär gewerbliche oder vermögensverwaltende Tätigkeiten ausübt. Der gewerbesteuerrechtliche Betrieb der Kapitalgesellschaft entsteht spätestens mit der Eintragung der Gesellschaft ins Handelsregister. Tritt allerdings die Vorgesellschaft schon vor diesem Zeitpunkt nach außen auf, so bildet sie mit der später eingetragenen Gesellschaft einen einheitlichen Steuergegenstand2. Das gilt selbst dann, wenn es in der Phase der Vorgesellschaft zu einem Wechsel im Gesellschafterbestand kommt. Entsprechend dem Zweck der Gewerbesteuer muss es sich aber schon in der Vorgesellschaftsphase um ein (gewerbliches) Auftreten nach außen handeln, so dass die alleinige Verwaltung des Stammkapitals durch die Vorgesellschaft die Gewerbesteuerpflicht noch nicht auslöst3. Anders liegt es bei der Vorgründungsgesellschaft, die zivilrechtlich und steuerrechtlich mit der gegründeten Vorgesellschaft nicht identisch ist. Die Vorgründungsgesellschaft ist also entsprechend ihrer Rechtsform zu behandeln. Die danach regelmäßig gegebene BGB-Gesellschaft tritt (meistens) gewerbesteuerrechtlich mangels werbender Tätigkeit nicht in Erscheinung. Wird demgegenüber schon ein Gewerbebetrieb geführt, dann ist insoweit auch Gewerbesteuerpflicht gegeben. Nimmt man bei der gescheiterten Vorgesellschaft an, dass es zur Liquidationsbesteuerung kommt, dann unterliegt die Gesellschaft auch während der Liquidationsphase der Gewerbesteuer4. e) Wenn die Voraussetzungen der §§ 14 ff. KStG gegeben sind, kommt es körper- 199 schaftsteuerrechtlich und gewerbesteuerrechtlich (§ 2 Abs. 2 Satz 2 GewStG) zu einer sog. Organschaft. Zwar kennt das deutsche Steuerrecht keine Konzernbesteuerung, doch besteht die Rechtsfolge der körperschaftsteuerrechtlichen und gewerbesteuerrechtlichen Organschaft darin, dass das Einkommen einer als Organgesellschaft (Untergesellschaft) auftretenden Kapitalgesellschaft einem anderen Steuersubjekt, dem Organträger (Obergesellschaft), zugerechnet wird. Dabei spielt es keine Rolle, ob das zugerechnete Einkommen positiv oder negativ ist, so dass es zu einem unmittelbaren Verlustausgleich innerhalb des Organkreises kommt. Seit 2002 ist für die Organschaft eine wirtschaftliche und organisatorische Eingliederung nicht mehr erforderlich5. Die rechtssystematische Rechtfertigung der Organschaftsbesteuerung ist nicht ganz eindeutig6. Letztlich geht es darum, dass die Leistungsfähigkeit der Organgesellschaft auf Grund des Ergebnisabführungsvertrages (§ 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 KStG) gemindert wird und im Gegenzug die des Organträgers gesteigert wird. Die dadurch eintretende Be1 FG Niedersachsen, EFG 1997, 1048. 2 BFH, BStBl. II 1977, 561 = GmbHR 1977, 162; BFH, BStBl. II 1973, 568; BFH, BStBl. II 1983, 247 = GmbHR 1983, 129; BFH, BStBl. II 1990, 91 = GmbHR 1990, 235. 3 BFH, BStBl. II 1990, 1073 = GmbHR 1991, 129. 4 BFH, BFH/NV 2001, 816. 5 Vgl. Prinz, FR 2002, 66. 6 Näher und m.w.N. Neumann, in: Gosch, § 14 KStG Rdnr. 2 ff.

Crezelius

687

§ 11

Rechtszustand vor der Eintragung

einflussung der Leistungsfähigkeit führt im Verlustfall dazu, dass der Organträger zum Verlustausgleich verpflichtet ist, sich also seine Leistungsfähigkeit dadurch mindert. Für die werdende GmbH ist zu entscheiden, ob sie Organträger und/oder Organgesellschaft sein kann. 200 Die gegründete GmbH (Vorgesellschaft) ist tauglicher Organträger nach § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 KStG, weil sie mit der später eingetragenen Kapitalgesellschaft identisch ist und als Körperschaftsteuersubjekt des § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG angesehen wird. Dies gilt nicht für die Vorgründungsgesellschaft. Sie ist (steuerrechtlich) Personengesellschaft und kann insofern auch als Organträger fungieren. Nach § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 2 KStG muss die Personengesellschaft als Organträger jedoch eine Tätigkeit nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG ausüben, es muss mithin eine originär gewerbliche Tätigkeit schon in der Vorgründungsphase gegeben sein. 201 Aus §§ 14 Abs. 1 Satz 1, 17 KStG ergibt sich, dass die Organgesellschaft (Untergesellschaft) eine Kapitalgesellschaft sein muss. Daraus folgt zunächst, dass die Vorgründungsgesellschaft nicht taugliche Organgesellschaft sein kann1. Dies ergibt sich auch daraus, dass aus den von der Vorgründungsgesellschaft vorgenommenen Rechtsgeschäften lediglich diese bzw. die Gesellschafter verpflichtet sind, nicht jedoch die später gegründete Kapitalgesellschaft. Soll die Kapitalgesellschaft aus Rechtsgeschäften der Vorgründungsphase verpflichtet werden, dann bedarf es einer besonderen Vereinbarung2. Handelt es sich um eine Vorgesellschaft, dann ist diese bereits körperschaftsteuerpflichtig, also auch taugliche Organgesellschaft nach §§ 14 ff. KStG. Auch für die Organschaftsbesteuerung ist davon auszugehen, dass die Vorgesellschaft mit der eingetragenen GmbH identisch ist und mit ihr einen einheitlichen Steuergegenstand bildet. Ob die unechte/gescheiterte Vorgesellschaft taugliche Organgesellschaft sein kann, hängt wiederum davon ab, ob für sie von Anfang an die Regeln der Vorgründungsgesellschaft gelten (Rdnr. 196 f.). 202 Von der Frage, ob die werdende GmbH Organträger oder Organgesellschaft sein kann, ist die weitere Frage zu trennen, ob die werdende GmbH Vertragspartnerin des Ergebnisabführungsvertrages nach § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 KStG sein kann. Die Vorgründungsgesellschaft ist als Personengesellschaft nicht tauglicher Partner eines Ergebnisabführungsvertrages. Für die Vorgesellschaft ist die Frage (steuerrechtlich) umstritten3. Wenn die Vorgesellschaft mit der ins Handelsregister eingetragenen GmbH rechtsidentisch ist, dann muss die Vorgesellschaft auch einen Ergebnisabführungsvertrag abschließen können. Dann tritt die aus der Vorgesellschaft hervorgehende GmbH in die von der Vorgesellschaft erworbene Rechtsposition ex lege ein. Daraus folgt auch, dass vor dem Hintergrund des § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Satz 1 KStG keine Unterbrechung bzw. kein Neubeginn der Vertragsbeziehung anzunehmen ist.

1 Für viele Neumann, in: Gosch, § 14 KStG Rdnr. 47. 2 BFH, BStBl. II 1990, 91, 92 = GmbHR 1990, 235. 3 Näher Frotscher, in: Frotscher/Maas, § 14 KStG Rdnr. 177; Neumann, in: Gosch, § 14 KStG Rdnr. 182.

688

Crezelius

§ 11

Rechtszustand vor der Eintragung

3. Umsatzsteuer Für die Umsatzbesteuerung geht es bei der werdenden GmbH darum, ob sie 203 schon als umsatzsteuerrechtlicher Unternehmer nach § 2 Abs. 1 UStG anzusehen ist, ob sie also steuerbare Tatbestände des § 1 UStG erfüllen kann und im Gegenzug dann auch vorsteuerabzugsberechtigt nach § 15 UStG ist. Hinsichtlich der Vorgesellschaft überträgt das Umsatzsteuerrecht die gesellschaftsrechtliche und ertragsteuerrechtliche Rechtslage in den Anwendungsbereich der §§ 2 Abs. 1, 15 UStG1. Die umsatzsteuerrechtliche Unternehmereigenschaft beginnt also mit der Existenz der Vorgesellschaft. Ab diesem Zeitpunkt kann die Vorgesellschaft umsatzsteuerbare Umsätze tätigen, und sie hat im Gegenzug auch die Berechtigung zum Vorsteuerabzug aus Leistungsbezügen, die schon die Vorgesellschaft bezogen und in Rechnung gestellt bekommen hat. Kommt es nicht zur Eintragung der GmbH, dann steht der Vorgesellschaft der Vorsteuerabzug für die von ihr für das geplante Unternehmen bezogenen Leistungen nach den zum sog. erfolglosen Unternehmer entwickelten Rechtsgrundsätzen zu2. Nicht ganz geklärt sind die Fragen bezüglich der Unternehmereigenschaft der 204 Vorgründungsgesellschaft. Die umsatzsteuerrechtliche Unternehmereigenschaft der Vorgründungsgesellschaft ist deshalb problematisch, weil sie eine eigene wirtschaftliche Tätigkeit im Sinne des Art. 9 der Mehrwertsteuersystemrichtlinie3 weder ausübt noch auszuüben beabsichtigt4. Der EuGH hat die Unternehmereigenschaft der Vorgründungsgesellschaft bejaht5, und zwar mit dem Hinweis, dass die Entfaltung der wirtschaftlichen Tätigkeit nicht von der Identität des Unternehmens abhänge. Auch die Absicht der Vorgründungsgesellschaft, eigene und zu besteuernde Umsätze auszuführen, wird vom EuGH bejaht.

4. Grunderwerbsteuer Grunderwerbsteuerrechtlich kommt es darauf an, ob die Übertragung von 205 Grundvermögen in die Vorgründungsgesellschaft bzw. in die Vorgesellschaft und später ins Handelsregister eingetragene GmbH einen steuerbaren Tatbestand auslöst6. Die Übertragung eines Grundstücks in die (gesamthänderisch verfasste) Vorgründungsgesellschaft ist ein Fall des § 5 GrEStG, wobei dann aber bei einer eventuellen Übertragung auf die Vorgesellschaft/fertige GmbH § 5 Abs. 3 GrEStG zu beachten ist. Die Übertragung von Grundvermögen von einer Vorgründungsgesellschaft auf die Vorgesellschaft ist steuerbar. Das Grunderwerbsteuerrecht überträgt hier die zivilrechtliche Überlegung, dass es zum Übergang der Aktiva und Passiva der Vorgründungsgesellschaft auf die Vorgesellschaft der Einzelübertragung bedarf. Bei Übereignung eines Grundstücks auf die Vorgesellschaft handelt es sich um 206 einen steuerbaren Tatbestand; §§ 5, 6 GrEStG sind nicht anwendbar. Was das 1 2 3 4 5 6

Näher Heidner, in: Bunjes/Geist, § 2 UStG Rdnr. 81 ff., § 15 UStG Rdnr. 56 ff. Ausführlich und m.w.N. Heidner, in: Bunjes/Geist, § 15 UStG Rdnr. 57 f. 2006/112/EG, ABl. EG Nr. L 347 v. 28.11.2006, S. 11. Heidner, in: Bunjes/Geist, § 2 UStG Rdnr. 83. EuGH, UR 2004, 362. Ausführlich Pahlke/Franz, § 1 GrEStG Rdnr. 16 ff.

Crezelius

689

§ 11

Rechtszustand vor der Eintragung

Verhältnis zwischen Vorgesellschaft und fertiger GmbH angeht, so kommt es mangels Rechtsträgerwechsels zu keiner Änderung des Rechts am Grundvermögen1. Scheitert die Eintragung der Kapitalgesellschaft und geht das Grundstück mit Auflösung der Vorgesellschaft auf den oder die Gründer zurück, dann liegt darin ein nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG steuerbarer Erwerbsvorgang2. In der zitierten BFH-Entscheidung ging es darum, dass eine Einpersonen-GmbH in Gründung von einem Dritten ein Grundstück erworben hatte, es dann nicht zur Eintragung gekommen war und im Zuge der Auflösung der gegründeten GmbH zu einem Rechtsträgerwechsel auf den Gründungsgesellschafter kam.

5. Erbschaft- und Schenkungsteuer 207 Wird der Anteil an einer werdenden GmbH (unter Lebenden) geschenkt oder wird die Beteiligung vererbt, dann ist der Steuertatbestand des § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG bzw. der des § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG erfüllt. Was die Bewertung für erbschaft- und schenkungsteuerrechtliche Zwecke angeht, verweist § 12 ErbStG auf das BewG. §§ 11, 109 Abs. 1 BewG zeigen, dass es nach derzeitiger Rechtslage zu einer rechtsformunabhängigen Bewertung kommt. Der nicht börsennotierte GmbH-Geschäftsanteil ist in erster Linie aus Verkäufen unter fremden Dritten abzuleiten, die weniger als ein Jahr zurückliegen (§ 11 Abs. 2 Satz 2 BewG). Hat ein derartiger, zeitnaher Veräußerungstatbestand nicht stattgefunden, dann kommt es entweder auf eine verkehrsübliche Bewertungsmethode oder auf den Wert nach dem vereinfachten Bewertungsverfahren der §§ 199 ff. BewG an (§ 11 Abs. 2 Satz 2, 4 BewG). Nach Auffassung der Finanzverwaltung3 besteht zwischen der marktüblichen Bewertungsmethode und dem vereinfachten Bewertungsverfahren für die Steuerpflichtigen ein Wahlrecht. Hinzuweisen ist darauf, dass nach § 11 Abs. 2 Satz 3 BewG der Substanzwert der erbschaftund schenkungsteuerrechtliche Mindestwert ist. 208 Finden Erbfall oder Schenkung in der Vorgründungsphase statt, dann greifen die Privilegien der §§ 13a, 13b ErbStG ein, wenn denn die Vorgründungsgesellschaft als steuerrechtliche Mitunternehmerschaft bzw. als Einzelunternehmen zu qualifizieren ist (§ 13b Abs. 1 Nr. 2 ErbStG). Ab Gründung der GmbH, also ab dem Zeitpunkt, in dem eine Vorgesellschaft vorliegt, werden die erbschaftsteuerrechtlichen Begünstigungen nur gewährt, wenn der Anteil an der Vorgesellschaft mindestens 25 v.H. beträgt bzw. wenn der Erblasser oder Schenker in einer sog. Poolvereinbarung gebunden war (§ 13b Abs. 1 Nr. 3 ErbStG). Da die (gegründete) Vorgesellschaft die zivilrechtliche Vorstufe und Durchgangsstation zur fertigen GmbH ist, müssen im Zeitraum der Vorgesellschaft die restriktiven Voraussetzungen des § 13b Abs. 1 Nr. 3 ErbStG angewendet werden. Wird die Vorgesellschaft später nicht in das Handelsregister eingetragen, dann kommen zwei Lösungsmöglichkeiten in Betracht: Der Vorgang könnte als Auflösung der Kapitalgesellschaft mit Nachversteuerung nach § 13a Abs. 5 ErbStG zu werten sein4. Denkbar erscheint auch die Auffassung, dass entsprechend der ertragsteuer1 2 3 4

Vgl. BFH, BStBl. II 2002, 210 = GmbHR 2002, 223. BFH, BStBl. II 2002, 210 = GmbHR 2002, 223. R B 11.2 Abs. 2 Satz 4 ErbStR 2011. So Jülicher, in: Troll/Gebel/Jülicher, § 13b ErbStG Rdnr. 182.

690

Crezelius

§ 12

Bekanntmachungen der Gesellschaft

rechtlichen Behandlung der gescheiterten Vorgesellschaft von vornherein eine Mitunternehmerschaft anzunehmen ist/war, wenn denn die Gewerbebetriebsvoraussetzungen in der Vorgründungsphase vorgelegen haben. Das könnte allerdings mit dem erbschaft- und schenkungsteuerrechtlichen Stichtagsprinzip kollidieren.

§ 12

Bekanntmachungen der Gesellschaft Bestimmt das Gesetz oder der Gesellschaftsvertrag, dass von der Gesellschaft etwas bekannt zu machen ist, so erfolgt die Bekanntmachung im Bundesanzeiger (Gesellschaftsblatt). Daneben kann der Gesellschaftsvertrag andere öffentliche Blätter oder elektronische Informationsmedien als Gesellschaftsblätter bezeichnen. Vorschrift eingeführt durch Justizkommunikationsgesetz vom 22.3.2005 (BGBl. I 2005, 837); frühere Vorschrift zur Zweigniederlassung aufgehoben durch Gesetz zur Durchführung der Elften gesellschaftsrechtlichen EG-Richtlinie vom 22.7.1993 (BGBl. I 1993, 1282); Satz 3 eingeführt durch das EHUG vom 10.11.2006 (BGBl. I 2006, 2553) und aufgehoben durch das BAnzDiG vom 22.12.2011 (BGBl. I 2011, 3044).

Inhaltsübersicht I. Grundlagen. . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1

II. Bekanntmachung im Bundesanzeiger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

6

III. Bekanntmachung in anderen Blättern und Informationsmedien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

8

IV. Fehlerhafte Bekanntmachung . .

12

Schrifttum: Apfelbaum, Wichtige Änderungen für Notare durch das EHUG jenseits der elektronischen Handelsregisteranmeldung, DNotZ 2007, 166; Krafka, Gesellschaftsrechtliche Auswirkungen des Justizkommunikationsgesetzes, DB 2005, 599; Melchior, Angabe des Veröffentlichungsorgans in der GmbH-Satzung, NotBZ 2005, 447; Noack, Pflichtbekanntmachungen bei der GmbH. Neue Regeln durch das Justizkommunikationsgesetz, DB 2005, 599; Noack, Elektronische Publizität im Aktienund Kapitalmarktrecht in Deutschland und Europa, AG 2003, 537; Oppermann, Bekanntmachungen der GmbH und der AG im „Bundesanzeiger“, RNotZ 2005, 597; Priester, Registersperre kraft Richterrechts?, GmbHR 2007, 296; Spindler/Kramski, Der elektronische Bundesanzeiger als zwingendes Gesellschaftsblatt für Pflichtbekanntmachungen der GmbH, NZG 2005, 746; Stuppi, Bekanntmachungen der GmbH nach § 12 GmbHG, GmbHR 2006, 138; Terbrack, Neuregelung der Bekanntmachungen bei der GmbH, DStR 2005, 2045.

Veil

691

§ 12

Bekanntmachungen der Gesellschaft

rechtlichen Behandlung der gescheiterten Vorgesellschaft von vornherein eine Mitunternehmerschaft anzunehmen ist/war, wenn denn die Gewerbebetriebsvoraussetzungen in der Vorgründungsphase vorgelegen haben. Das könnte allerdings mit dem erbschaft- und schenkungsteuerrechtlichen Stichtagsprinzip kollidieren.

§ 12

Bekanntmachungen der Gesellschaft Bestimmt das Gesetz oder der Gesellschaftsvertrag, dass von der Gesellschaft etwas bekannt zu machen ist, so erfolgt die Bekanntmachung im Bundesanzeiger (Gesellschaftsblatt). Daneben kann der Gesellschaftsvertrag andere öffentliche Blätter oder elektronische Informationsmedien als Gesellschaftsblätter bezeichnen. Vorschrift eingeführt durch Justizkommunikationsgesetz vom 22.3.2005 (BGBl. I 2005, 837); frühere Vorschrift zur Zweigniederlassung aufgehoben durch Gesetz zur Durchführung der Elften gesellschaftsrechtlichen EG-Richtlinie vom 22.7.1993 (BGBl. I 1993, 1282); Satz 3 eingeführt durch das EHUG vom 10.11.2006 (BGBl. I 2006, 2553) und aufgehoben durch das BAnzDiG vom 22.12.2011 (BGBl. I 2011, 3044).

Inhaltsübersicht I. Grundlagen. . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1

II. Bekanntmachung im Bundesanzeiger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

6

III. Bekanntmachung in anderen Blättern und Informationsmedien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

8

IV. Fehlerhafte Bekanntmachung . .

12

Schrifttum: Apfelbaum, Wichtige Änderungen für Notare durch das EHUG jenseits der elektronischen Handelsregisteranmeldung, DNotZ 2007, 166; Krafka, Gesellschaftsrechtliche Auswirkungen des Justizkommunikationsgesetzes, DB 2005, 599; Melchior, Angabe des Veröffentlichungsorgans in der GmbH-Satzung, NotBZ 2005, 447; Noack, Pflichtbekanntmachungen bei der GmbH. Neue Regeln durch das Justizkommunikationsgesetz, DB 2005, 599; Noack, Elektronische Publizität im Aktienund Kapitalmarktrecht in Deutschland und Europa, AG 2003, 537; Oppermann, Bekanntmachungen der GmbH und der AG im „Bundesanzeiger“, RNotZ 2005, 597; Priester, Registersperre kraft Richterrechts?, GmbHR 2007, 296; Spindler/Kramski, Der elektronische Bundesanzeiger als zwingendes Gesellschaftsblatt für Pflichtbekanntmachungen der GmbH, NZG 2005, 746; Stuppi, Bekanntmachungen der GmbH nach § 12 GmbHG, GmbHR 2006, 138; Terbrack, Neuregelung der Bekanntmachungen bei der GmbH, DStR 2005, 2045.

Veil

691

§ 12

Bekanntmachungen der Gesellschaft

I. Grundlagen 1 Das Transparenz- und Publizitätsgesetz (TransPuG) führte 2002 für Unternehmensmitteilungen einer Aktiengesellschaft den elektronischen Bundesanzeiger ein (§ 25 Satz 1 AktG)1. Das Justizkommunikationsgesetz vom 22.3.2005 (BGBl. I 2005, 837) hat ihn mit der in § 12 Satz 1 getroffenen Regelung mit Wirkung zum 1.4.2005 auch für die GmbH als Gesellschaftsblatt bestimmt, so dass die vom Gesetz oder vom Gesellschaftsvertrag geforderten Bekanntmachungen der Gesellschaft im elektronischen Bundesanzeiger erfolgen mussten. Das Verkündungs- und Bekanntmachungsgesetz in der Fassung vom 22.12.2011 hat mit Wirkung zum 1.4.2012 den elektronischen Bundesanzeiger als einzigen Bundesanzeiger festgelegt. Satz 1 der Vorschrift begnügt sich folglich damit, die Bekanntmachung im Bundesanzeiger zu verlangen. 2 Die Vorschrift ist zwingend2. Allerdings kann der Gesellschaftsvertrag noch weitere Gesellschaftsblätter bestimmen (§ 12 Satz 2). In diesem Fall erfolgt die Bekanntmachung auch in dem bezeichneten öffentlichen Blatt oder elektronischen Informationsmedium. Satz 3 des § 12 wurde durch das EHUG vom 10.11.2006 eingeführt, um in der Praxis aufgetretene Auslegungsprobleme rechtssicher zu lösen. Da das Verkündungs- und Bekanntmachungsgesetz in der Fassung vom 22.12.2011 die Papierausgabe des Bundesanzeigers aufgegeben hat, bedurfte es der Regelung nicht mehr; Satz 3 ist daher mit Wirkung zum 1.4.2012 außer Kraft getreten. 3 Die Vorschrift dient der Vereinheitlichung der Bekanntmachungsvorschriften und deren sprachlicher Angleichung3; folglich ist in § 12 Satz 1 der Begriff des Gesellschaftsblatts festgelegt und in den betreffenden Vorschriften über eine Bekanntmachung der Gesellschaft (s. Rdnr. 6) verwandt. Dass die Publikation im Bundesanzeiger zu erfolgen hat, liegt im Interesse der Gläubiger4, welche sich ohne nennenswerte Kosten jederzeit informieren können (s. Rdnr. 4). 4 Der elektronische Bundesanzeiger kann unter www.bundesanzeiger.de abgerufen werden (§ 5 VkBkmG). Herausgeber ist das Bundesministerium der Justiz, Betreiberin die Bundesanzeiger Verlagsgesellschaft mbH mit Sitz in Köln. Der Zugriff auf den elektronischen Bundesanzeiger ist kostenfrei und jederzeit möglich (§ 5 Abs. 1 und § 6 Abs. 1 VkBkmG). Die Betreiberin ist verpflichtet, ordnungsgemäß eingereichte Bekanntmachungen aufzunehmen. Als Nachweis der Bekanntmachung – etwa gegenüber dem Handelsregister – reicht die Angabe der Internetfundstelle aus5. 5 Die früher in § 12 geregelte Zweigniederlassung der GmbH ist seit 1993 in den §§ 13 ff. HGB vorzufinden. Auf eine Erläuterung dieser Vorschriften wird hier verzichtet. Stattdessen ist auf das einschlägige Schrifttum zum HGB zu verweisen. 1 § 25 Satz 1 AktG geht auf Art. 1 Nr. 1 TransPuG vom 19.7.2002, BGBl. I 2002, 2681, zurück. 2 Vgl. Begr. RegE JKomG, BT-Drucks. 15/4067, S. 56; vgl. auch Begr. RegE TransPuG, BTDrucks. 14/8769, S. 11. 3 Vgl. Begr. RegE JKomG, BT-Drucks. 15/4067, S. 56. 4 Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 1. 5 Schroeter, in: Bork/Schäfer, Rdnr. 4; Wicke, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 4.

692

Veil

§ 12

Bekanntmachungen der Gesellschaft

II. Bekanntmachung im Bundesanzeiger § 12 Satz 1 bestimmt, dass Bekanntmachungen der Gesellschaft im Bundesanzei- 6 ger erfolgen. Bekanntmachungen von Eintragungen im Handelsregister sind nicht gemeint1, sondern nur solche der Gesellschaft. Dies sind zum einen Bekanntmachungen, die kraft Gesetzes zu erfolgen haben (§ 30 Abs. 2 Satz 2; § 52 Abs. 2 Satz 2; § 58 Abs. 1 Nr. 1 und 3; § 65 Abs. 2; § 75 Abs. 2 i.V.m. § 246 Abs. 4 AktG; § 73 Abs. 1; § 19 MitbestG2). Zum anderen sind all jene Bekanntmachungen erfasst, die gesellschaftsvertraglich gefordert sind. Dabei handelt es sich meist um Vorgänge, welche der Information der Gesellschafter dienen. In Betracht kommt beispielsweise, dass die Einberufung der Gesellschafterversammlung und die Mitteilung der Tagesordnung aufgrund einer gesellschaftsvertraglichen Bestimmung im Gesellschaftsblatt bekannt zu machen ist3. Das Gesetz trifft keine Aussage zur Dauer des mindestens zu gewährenden In- 7 formationszugangs über den Bundesanzeiger. Die Frage ist mit Blick auf den Vorgang zu beurteilen, der von der Gesellschaft bekannt zu machen ist. So ist im Falle der Bekanntmachung des Rückzahlungsbeschlusses nach § 30 Abs. 2 ein Abruf für die Dauer von mindestens drei Monaten zu gewährleisten4. Ist eine Anfechtungs- oder Nichtigkeitsklage erhoben, so ist die Veröffentlichung so lange aufrecht zu erhalten, wie eine Nebenintervention durch einen Gesellschafter möglich ist5.

III. Bekanntmachung in anderen Blättern und Informationsmedien § 12 Satz 2 stellt klar, dass der Gesellschaftsvertrag andere öffentliche Blätter 8 (beispielsweise regionale oder überregionale Tageszeitungen) oder elektronische Informationsmedien (beispielsweise Website der Gesellschaft oder die Internetpräsenz eines privaten Dienstanbieters6, auch in einer fremden Sprache7) als Gesellschaftsblätter festlegen kann. Dies ist sowohl für gesetzlich als auch für gesellschaftsvertraglich vorgesehene Bekanntmachungen der Gesellschaft möglich8. Eine solche Bekanntmachung vermag die Bekanntmachung im Bundesanzeiger aber nicht zu ersetzen. Sie kann vielmehr nur zusätzlich zur Veröffentlichung im Gesellschaftsblatt vorgesehen werden. Es sind dann zwei Veröffentlichungen erforderlich. Dies ist auch für die Fristen von Bedeutung, die das Gesetz verschiedentlich von der Bekanntmachung in den Gesellschaftsblättern abhängig macht (vgl. § 58 Abs. 1 Nr. 1 und 3; § 65 Abs. 2; § 73). Diese (auf die Bekanntmachung in den Gesellschaftsblättern und nicht, wie § 19 MitbestG, auf die Bekanntmachung im Bundesanzeiger abstellenden) Fristen beginnen erst zu laufen, wenn die Veröffentlichung im Bundesanzeiger und in dem 1 2 3 4 5 6

Für diese gilt § 10 HGB. Rühland, in: Michalski, Rdnr. 5; Stuppi, GmbHR 2006, 138. Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 5. Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 7. Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 7; Wicke, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 4. Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 5; Spindler/Kramski, NZG 2005, 745, 747; Wicke, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 7. 7 Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 7; Wicke, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 7 (Printmedium müsse aber in Deutschland erscheinen). 8 Schroeter, in: Bork/Schäfer, Rdnr. 6.

Veil

693

§ 12

Bekanntmachungen der Gesellschaft

weiteren gesellschaftsvertraglich bestimmten Medium erfolgt ist1. Angesichts der Kosten und vor allem der potentiellen weiteren Fehlerquellen ist eine zusätzliche Bekanntmachung in der Regel wenig sinnvoll2. 9 In Altverträgen (d.h. Gesellschaftsverträgen, die vor Inkrafttreten des § 12 geschlossen worden sind) war zuweilen bestimmt, dass eine Bekanntmachung im „Bundesanzeiger“ erforderlich ist. In diesen Fällen konnte zusätzlich eine Veröffentlichung in der gedruckten Ausgabe des Bundesanzeigers notwendig sein. Der Gesetzgeber meinte bei Erlass des Justizkommunikationsgesetzes, bei einer solchen Klausel stehe in der Regel fest, dass allein die Bekanntmachung im elektronischen Bundesanzeiger erfolgen müsse3. Das Schrifttum beurteilte die Frage größtenteils ebenso. Es könne schwerlich angenommen werden, dass die Gesellschafter bei einer entsprechenden gesellschaftsvertraglichen Regelung eine mehrfache Veröffentlichung gewollt hätten. Eine entsprechende Klausel in einem Gesellschaftsvertrag sei daher dynamisch in dem Sinne auszulegen, dass eine Veröffentlichung im elektronischen Bundesanzeiger gewollt sei4. Das OLG München entschied (in einem besonders gelagerten) Fall aber anders5. Der Gesetzgeber räumte die durch diese Entscheidung entstandene Rechtsunsicherheit mit dem EHUG aus: Sieht der Gesellschaftsvertrag vor, dass Bekanntmachungen der Gesellschaft im Bundesanzeiger erfolgen, so ist die Bekanntmachung im elektronischen Bundesanzeiger ausreichend. Da das Verkündungs- und Bekanntmachungsgesetz in der Fassung vom 22.12.2011 die Papierausgabe des Bundesanzeigers aufgegeben hat (vgl. § 5 VkBkmG), bedurfte es der Regelung nicht mehr; Satz 3 ist daher mit Wirkung zum 1.4.2012 außer Kraft getreten. 10

Anders ist die Rechtslage zu beurteilen, wenn der Gesellschaftsvertrag eine Bekanntmachung außer in dem Bundesanzeiger in einem weiteren Medium vorsieht6. In solchen Fällen genügt eine Veröffentlichung nur im elektronischen Bundesanzeiger nicht, es ist dann zusätzlich auch in dem weiteren Medium zu veröffentlichen7. Wenn als Medium der Bekanntmachung ausschließlich ein anderes Blatt als der Bundesanzeiger (beispielsweise der Bayerische Staatsanzeiger

1 Rühland, in: Michalski, Rdnr. 10. 2 Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 7; Rühland, in: Michalski, Rdnr. 9; Wicke, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 8. 3 Vgl. Begr. RegE BT-Drucks. 15/4067, S. 56. 4 Noack, DB 2005, 599, 600; Krafka, MittBayNot 2005, 293, 294; Stuppi, GmbHR 2006, 138, 139; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 9. 5 Vgl. OLG München, GmbHR 2005, 1492, 1493 bezüglich einer gesellschaftsvertraglichen Bestimmung, wonach Bekanntmachungen „nur im Bundesanzeiger“ erfolgen. A.A. LG Bielefeld, Rpfleger 2007, 32 (gesetzeskonform ist diese Satzungsbestimmung dahin auszulegen, dass Veröffentlichungen auf die Bekanntmachung im elektronischen Bundesanzeiger beschränkt werden); LG Darmstadt, NotBZ 2006, 63 (Die Satzungsregelung „nur im Bundesanzeiger“ meint die jeweils einschlägige Publikationsform des Bundesanzeigers; mithin vorliegend nicht mehr die Papierform). 6 Zur praktisch kaum relevanten Konstellation, dass ein Gesellschaftsvertrag die Bekanntmachung ausschließlich in einem anderen Medium als dem Bundesanzeiger vorsieht, vgl. Stuppi, GmbHR 2006, 138, 139. 7 OLG Stuttgart, GmbHR 2011, 38; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 8; Noack, DB 2005, 599, 600; Rühland, in: Michalski, Rdnr. 12. A.A. Krafka, MittBayNot 2005, 293, 294.

694

Veil

§ 12

Bekanntmachungen der Gesellschaft

oder eine örtliche Tageszeitung1) genannt wird, ist durch Auslegung des Vertrags zu klären, ob zusätzlich zur Veröffentlichung im Bundesanzeiger eine Veröffentlichung im betreffenden Gesellschaftsblatt zu erfolgen hat. Da es durchaus vorstellbar ist, dass die Verkehrskreise mit einer Veröffentlichung außerhalb des Bundesanzeigers rechnen, dürfte es in der Regel daher interessengerecht sein, eine zusätzliche Veröffentlichungspflicht zu bejahen2. Bezeichnet der Gesellschaftsvertrag andere öffentliche Blätter oder elektronische Informationsmedien als Gesellschaftsblätter, bestimmt sich der Beginn einer Frist (vgl. § 187 BGB) vorbehaltlich einer anderweitigen gesetzlichen Regelung nach dem Zeitpunkt, in dem die letzte Veröffentlichung erfolgt3.

11

IV. Fehlerhafte Bekanntmachung Eine fehlerhafte Bekanntmachung entfaltet keine Rechtswirkungen4. Fristen 12 werden durch sie nicht in Gang gesetzt5. Dies gilt insbesondere für den Fall, dass eine Bekanntmachung auch in einem weiteren Gesellschaftsblatt zu erfolgen hat und entweder diese oder die Bekanntmachung im Bundesanzeiger nicht erfolgt ist.

1 Wicke, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 13. 2 Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 6; Noack, DB 2005, 599, 600; Schroeter, in: Bork/Schäfer, Rdnr. 7. A.A. Oppermann, RNotZ 2005, 597, 601 ff. 3 Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 8; Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 6; Schroeter, in: Bork/Schäfer, Rdnr. 7; Ulmer, in: Ulmer, Rdnr. 8. Ebenso die h.M. zur aktienrechtlichen Regelung; vgl. Hüffer, § 25 AktG Rdnr. 5 m.w.N. 4 Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 9; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 9; Rühland, in: Michalski, Rdnr. 13. 5 Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 9; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 9; Rühland, in: Michalski, Rdnr. 13; Wicke, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 16.

Veil

695

Zweiter Abschnitt

Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter

§ 13

Juristische Person; Handelsgesellschaft (1) Die Gesellschaft mit beschränkter Haftung als solche hat selbständig ihre Rechte und Pflichten; sie kann Eigentum und andere dingliche Rechte an Grundstücken erwerben, vor Gericht klagen und verklagt werden. (2) Für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft haftet den Gläubigern derselben nur das Gesellschaftsvermögen. (3) Die Gesellschaft gilt als Handelsgesellschaft im Sinne des Handelsgesetzbuchs. Text seit 1892 unverändert.

Inhaltsübersicht I. Einleitung (Emmerich) . . . . . . . .

1

II. Rechtspersönlichkeit der GmbH (Emmerich) 1. Juristische Person . . . . . . . . . . . . . 3 2. Beginn und Ende . . . . . . . . . . . . . . 5 3. „Keinmann-GmbH“. . . . . . . . . . . 9 4. Rechtsschein-GmbH? . . . . . . . . 9a III. Umfang der Rechtsfähigkeit (Emmerich) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Privatrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Öffentliches Recht . . . . . . . . . . . . 3. Strafrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Prozessrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Schiedsgerichte . . . . . . . . . . . . . . .

10 11 19 22 23 29

IV. Handelsgesellschaft (Emmerich) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 V. 1. 2. 3. 4.

Treuepflicht (Emmerich) Grundlagen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anwendungsbereich. . . . . . . . . . . Maßstäbe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Geschäftsführungsmaßnahmen. . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Weitere Beispiele. . . . . . . . . . . . . .

696

Emmerich/Bitter

36 38 39

6. 7. 8. 9.

Rechtsfolgen . . . . . . . . . . . . . . . . . Gleichbehandlungsgrundsatz . . Actio pro socio . . . . . . . . . . . . . . . Mitgliedschaftsstreit . . . . . . . . . .

VI. Haftung der Gesellschafter – Grundlagen (Bitter) 1. Überblick zur Haftungsbeschränkung . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Ökonomische Rechtfertigung der Haftungsbeschränkung . . . . 3. Systematisierung der Durchgriffsfragen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII. Zurechnungsdurchgriff (Bitter) 1. Wissenszurechnung bei arglistiger Täuschung . . . . . . . . . . . . . . 2. Gutgläubiger Erwerb . . . . . . . . . . 3. Reichweite eines Wettbewerbsverbots . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Maklerprovision (§ 652 BGB) . . 5. Zurechnung von Eigenschaften 6. Bauhandwerkersicherungshypothek (§ 648 BGB) . . . . . . . . .

41 VIII. „Unechter“ Haftungsdurchgriff (Bitter) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 1. Vertragshaftung . . . . . . . . . . . . . .

47 52 53 54

55 60 69 75 76 78 81 84 85 87 90 91

§ 13

Juristische Person; Handelsgesellschaft

a) Bürgschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Schuldbeitritt . . . . . . . . . . . . . . 2. Vertrauenshaftung a) Rechtsscheinhaftung wegen fehlenden Rechtsformzusatzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Culpa in contrahendo (c.i.c.) . 3. Deliktshaftung . . . . . . . . . . . . . . . a) Rechtsgutsverletzung und Verletzung eines Schutzgesetzes (§ 823 BGB) . . . . . . . . b) Sittenwidrige vorsätzliche Schädigung (§ 826 BGB) . . . . . aa) Sozialwidrige Risikoabwälzung auf Dritte . . . . bb) Unterkapitalisierung/ Spekulation auf Kosten der Gläubiger . . . . . . . . . . . cc) Vermögensvermischung. . IX. Echte Durchgriffshaftung wegen Missbrauchs der Rechtsform (Bitter) 1. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Durchgriffstheorien . . . . . . . . . . . a) Durchgriffsformeln in der höchstrichterlichen Rechtsprechung. . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Dogmatik des Durchgriffs in der Lehre . . . . . . . . . . . . . . . . c) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . 3. Fallgruppen der Durchgriffshaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

91 93

94 95 97 98 100 101 105 109

110 112 113

a) Vermögensvermischung . . . . b) Unterkapitalisierung . . . . . . . aa) Definition der Unterkapitalisierung . . . . . . . . . bb) Nominelle und materielle Unterkapitalisierung . . . . cc) Durchgriffshaftung bei materieller Unterkapitalisierung? . . . . . . . . . . . . c) Beherrschung der Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . X. Haftung wegen existenzvernichtenden Eingriffs (Bitter) . . . 1. Entwicklung der Existenzvernichtungshaftung . . . . . . . . . . 2. Schuldner und Gläubiger des Anspruchs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Tatbestandsvoraussetzungen . . 4. Einzelfälle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Verschulden . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Haftungsumfang . . . . . . . . . . . . . 7. Konkurrenzen a) Geschäftsführerhaftung. . . . . b) Gesellschafterhaftung . . . . . . 8. Haftung während der Liquidation . . . . . . . . . . . . . . . . . .

131 138 139 140 143 148 152 153 157 161 166 167 169 172 175 176

116 123

XI. „Gesellschafterfreundlicher Durchgriff“ (Bitter) . . . . . . . . . . . 177

130

XII. Umgekehrter Durchgriff (Bitter) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185

I. Einleitung Die Vorschrift des § 13 leitet den zweiten Abschnitt des Gesetzes, überschrieben 1 „Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter“ ein. Das Gesetz regelt hier zunächst die wichtigsten Merkmale der GmbH und versucht sodann, durch eine Fülle unterschiedlicher Vorschriften nach Möglichkeit die Kapitalaufbringung und Kapitalerhaltung sicherzustellen. Im Mittelpunkt des Interesses stehen dabei die Vorschriften der §§ 30 bis 32. Der an die Spitze dieses Abschnitts gestellte (zwingende) § 13 nennt dagegen die drei in den Augen der Gesetzesverfasser wichtigsten Merkmale der GmbH. Nach § 13 Abs. 1 besitzt die GmbH Rechtsfähigkeit. § 13 Abs. 2 fügt hinzu, dass für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft den Gläubigern nur das Gesellschaftsvermögen haftet, dass mit anderen Worten eine persönliche Haftung der Gesellschafter für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft (grundsätzlich) ausgeschlossen ist, sofern nicht ein besonderer Rechtsgrund vorliegt. Die Gesellschaft gilt schließlich nach § 13 Abs. 3 ohne Rücksicht auf ihren konkreten Zweck und Gegenstand sowie auf ihre Größe als Handelsgesellschaft, so dass auf sie in jedem Fall zusätzlich die Emmerich

697

§ 13

Juristische Person; Handelsgesellschaft

für die Handelsgesellschaften, d.h. für Kaufleute geltenden Rechtsvorschriften anwendbar sind (s. § 6 HGB). Mit § 13 nahezu wörtlich übereinstimmende Vorschriften finden sich für die Genossenschaft in § 17 GenG sowie für die österreichische GmbH in § 61 öGmbHG. Ebenso lautete ursprünglich die entsprechende Bestimmung für die AG (§ 213 Abs. 1 HGB a.F.), während jetzt § 1 Abs. 1 AktG ausdrücklich bestimmt, dass die AG eine Gesellschaft mit eigener Rechtspersönlichkeit ist (§ 1 Abs. 1 Satz 1 AktG), für deren Verbindlichkeiten den Gläubigern allein das Gesellschaftsvermögen haftet (§ 1 Abs. 1 Satz 2 AktG). 2 § 13 muss vor allem im Zusammenhang mit § 11 Abs. 1 gesehen werden, nach dem die Gesellschaft vor ihrer Eintragung in das Handelsregister „als solche“ nicht besteht. Aus beiden Vorschriften zusammen wird allgemein der Schluss gezogen, dass die GmbH (spätestens) ab Eintragung ins Handelsregister eine juristische Person darstellt (unten Rdnr. 3 ff.). Aus den Abs. 1 und 2 des § 13 folgt ferner das so genannte Trennungsprinzip. Man bezeichnet damit die durch das positive Recht begründete Notwendigkeit, zwischen dem Vermögen und den Schulden der Gesellschaft auf der einen Seite und dem Vermögen und den Schulden der Gesellschafter auf der anderen Seite zu unterscheiden. Das schließt zwar im Einzelfall einen „Durchgriff“ auf die Gesellschafter nicht aus; angesichts der gesetzlichen Regelung bedarf solcher Durchgriff jedoch in jedem Fall einer besonderen Begründung (s. unten Rdnr. 90, 110 ff.).

II. Rechtspersönlichkeit der GmbH Schrifttum: Binder, Das Problem der juristischen Persönlichkeit, 1907; Brecher, Subjekte und Verband, in: FS A. Hueck, 1959, S. 233; Fabricius, Relativität der Rechtsfähigkeit, 1963; O. v. Gierke, Deutsches Privatrecht Bd. I, 1895/1936; Grünwald, Die deliktsrechtliche Außenhaftung des GmbH-Geschäftsührers für Organisationsdefizite, 1999; Haff, Grundlagen einer Körperschaftslehre, 1915; Hölder, Natürliche und juristische Personen, 1905; Hölder, Das Problem der juristischen Persönlichkeit, JherJb 53 (1908), 40; G. Husserl, Rechtssubjekt und Rechtsperson, AcP 127 (1927), 129; U. John, Die organisierte Rechtsperson, 1977; Kleindiek, Deliktshaftung und juristische Person, 1997; Kübler, Rechtsfähigkeit und Verbandsverfassung, 1971; Cl. Ott, Recht und Realität der Unternehmenskorporation, 1977; Raiser, Der Begriff der juristischen Person, AcP 199 (1999), 104; Raiser, Gesamthandsgesellschaft und juristische Person, in: FS Zöllner Bd. I, 1998, S. 469; Raiser, Die Haftungsbeschränkung ist kein Wesensmerkmal der juristischen Person, in: FS Lutter, 2000, S. 637; E. Rehbinder, Konzernaußenrecht und allgemeines Privatrecht, 1969; Fr. Rittner, Die werdende juristische Person, 1973; Rohde, Juristische Person und Treuhand, 1932; Chr. Schubel, Verbandssouveränität und Binnenorganisation der Handelsgesellschaften, 2003; Serick, Rechtsform und Realität juristischer Personen, 2. Aufl. 1980; Wieacker, Zur Theorie der Juristischen Person im Privatrecht, in: FS E. R. Huber, 1973, S. 339; J. Wilhelm, Rechtsform und Haftung bei der juristischen Person, 1981; H. J. Wolff, Organschaft und juristische Person, 2 Bde., 1933/1934; weitere Literatur zur Treuepflicht s. unten vor Rdnr. 36 sowie zu Haftung und Durchgriff s. unten vor Rdnr. 55, vor Rdnr. 110, vor Rdnr. 131, vor Rdnr. 138.

1. Juristische Person 3 Die GmbH gilt heute allgemein als juristische Person (oben Rdnr. 2), obwohl das Gesetz dies nicht ausdrücklich sagt, sondern sich in § 13 Abs. 1 Halbsatz 1 698

Emmerich

§ 13

Juristische Person; Handelsgesellschaft

anders als etwa heute § 1 Abs. 1 AktG auf die Bestimmung beschränkt, dass die Gesellschaft mit beschränkter Haftung „als solche selbständig ihre Rechte und Pflichten“ hat. Zur weiteren Verdeutlichung fügt das Gesetz aus historischen Gründen noch hinzu, dass die Gesellschaft Eigentum und andere dingliche Rechte an Grundstücken erwerben sowie vor Gericht klagen und verklagt werden kann (§ 13 Abs. 1 Halbsatz 2). Dasselbe bestimmte ursprünglich das HGB für die AG in § 213 Abs. 1 a.F. und bestimmt § 17 GenG noch heute für die Genossenschaft (s. schon oben Rdnr. 1). Von § 124 Abs. 1 HGB unterscheiden sich alle diese Vorschriften (lediglich) durch den (wenig aussagekräftigen) Zusatz „als solche selbständig“. Die Gesetzesverfasser wollten mit dieser Formulierung gleichwohl seinerzeit zum Ausdruck bringen, dass die GmbH ab Eintragung ins Handelsregister (s. § 11 Abs. 1) im Gegensatz zur OHG mit eigener Rechtspersönlichkeit ausgestattet ist1. Die Gesellschaft ist folglich ein selbständiges, d.h. von ihren Gesellschaftern zu unterscheidendes Zuordnungssubjekt für Rechte und Pflichten, das in seinem Bestand von den Mitgliedern unabhängig ist (§ 15), das durch eigene Organe handeln kann und mit einem eigenen, von dem der Gesellschafter getrennten Vermögen ausgestattet ist (§§ 13 Abs. 2, 35 Abs. 1). Auf der Unabhängigkeit von den Mitgliedern beruht letztlich auch die Möglichkeit von Einpersonengesellschaften, die § 1 ausdrücklich anerkennt (s. oben § 1 Rdnr. 26 ff.). Die GmbH ist ebenso wie die AG und die Genossenschaft nach der Systematik 3a des deutschen Gesellschaftsrechts nichts anderes als eine besondere Erscheinungsform des bürgerlich-rechtlichen Vereins, so dass die §§ 21 ff. BGB subsidiär auf die GmbH Anwendung finden (neuerdings merkwürdigerweise bestritten). Besondere Bedeutung hat dies bekanntlich für die §§ 31, 33 und 35 BGB (s. unten Rdnr. 12). Die GmbH zählt damit zusammen mit den genannten anderen Gesellschaften zu den so genannten Körperschaften, die meistens in einen betonten Gegensatz zu den Personengesellschaften, insbesondere also zur Gesellschaft bürgerlichen Rechts, zur OHG und zur KG gerückt werden, die – trotz des § 124 Abs. 1 HGB – nach herkömmlichem Verständnis keine juristischen Personen darstellen, sondern „bloße“ Gesamthandsgemeinschaften bilden (§§ 717, 719 BGB). Bei Lichte besehen sind freilich die Unterschiede zwischen den Körperschaften und den Personengesellschaften nur gering, wie im Grunde bereits aus der Formulierung des § 124 Abs. 1 HGB folgt, angesichts deren die zumindest partielle Rechtsfähigkeit der Personengesellschaften eigentlich niemals ernstlich zweifelhaft sein konnte2. Selbst der BGB-Außengesellschaft wird deshalb heute wegen ihrer allenfalls graduellen Unterscheidbarkeit von der OHG und der KG allgemein eine (beschränkte) Rechtsfähigkeit beigelegt3. Seitdem ist die Diskussion über die Unterschiede oder Gemeinsamkeiten der juristischen Personen und der Gesamthandsgemeinschaften wieder in voller Breite 1 Vgl. für die AG die Denkschrift zum HGB, S. 118, in: Schubert/Schmiedel/Krampe, Quellen zum HGB II, 1987, S. 118; anders zuletzt Hölder, Natürliche und juristische Personen, 1905, S. 206 ff.; heute unstr., s. z.B. statt aller Merkt, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 3 ff.; Michalski/Funke, in: Michalski, Rdnr. 1 ff.; Raiser, in: Ulmer, Rdnr. 2 ff. 2 S. schon Emmerich, in: Heymann, § 124 HGB Rdnr. 4. 3 S. BGHZ 142, 315 = NJW 1999, 3483; BGHZ 146, 341 = NJW 2001, 1056; BGH, NJW 2002, 1207 = NZG 2002, 322 = NZM 2002, 271.

Emmerich

699

§ 13

Juristische Person; Handelsgesellschaft

aufgeflammt1. Im vorliegenden Zusammenhang braucht darauf jedoch nicht weiter eingegangen zu werden, weil, wie immer man im Übrigen den Begriff der juristischen Person fassen mag, für die GmbH feststeht, dass sie juristische Person und Körperschaft (Verein) ist, deren Rechtsfähigkeit so weit reicht, wie dies überhaupt bei juristischen Personen (in den Grenzen des Rechts) denkbar ist (§ 13 Abs. 1 GmbHG; § 1 Abs. 1 Satz 1 AktG; s. im Einzelnen unten Rdnr. 10 ff.). 4 Die GmbH hat eigene Organe, mittels derer sie im rechtsgeschäftlichen Verkehr handlungsfähig ist (§§ 35, 46 ff.). Sie ist in ihrem Bestand von ihren Mitgliedern unabhängig (§ 15) und mit einem eigenen Vermögen ausgestattet, das zum Schutze der Gläubiger durch strenge Kapitalaufbringungs- und Kapitalerhaltungsvorschriften gesichert wird (§§ 13 Abs. 2, 14, 19 ff., 30 ff.). Es sind vor allem diese Merkmale, die man üblicherweise vorrangig im Auge hat, wenn man die GmbH als „Körperschaft“ bezeichnet (oben Rdnr. 3a). Dabei bleibt jedoch zu beachten, dass eigene Rechtspersönlichkeit eines Verbandes und eine spezifische körperschaftliche Verfassung nicht korrelieren. Nichts hinderte insbesondere den Gesetzgeber, den Gesellschaftern für ihr Innenverhältnis Vertragsfreiheit einzuräumen (s. § 45 GmbHG im Gegensatz zu § 23 AktG und § 18 Satz 2 GenG). Die Gesellschafter können daher auch eine personalistische Verfassung wählen.

2. Beginn und Ende 5 a) Die Gesellschaft erlangt, wie sich aus § 13 Abs. 1 i.V.m. § 11 Abs. 1 ergibt, die (volle) eigene Rechtspersönlichkeit erst mit ihrer Eintragung ins (deutsche) Handelsregister. Dies gilt auch für die verschiedenen Fälle der Umwandlung nach dem UmwG. In der Zeit vor ihrer Eintragung ins Handelsregister besteht dagegen die GmbH „als solche“, d.h. als juristische Person noch nicht (§ 11 Abs. 1). Um dies zu verdeutlichen, wird allgemein die in der Zeit zwischen der Errichtung der Gesellschaft durch Abschluss des Gesellschaftsvertrages (§ 2) und ihrer Eintragung ins Handelsregister (§ 11 Abs. 1) bereits bestehende Gesellschaft als Vorgesellschaft oder Vor-GmbH bezeichnet (s. oben § 11 Rdnr. 27 ff.). 6 b) Das Erlöschen der Rechtspersönlichkeit der GmbH ist vom Gesetz nicht geregelt. Aus ihm ergibt sich vielmehr lediglich, dass jedenfalls die Auflösung (§§ 60 ff.) und die Eintragung der Nichtigkeitserklärung (§§ 75, 77) diese Folge nicht haben, sondern die Gesellschaft mit verändertem Zweck (Abwicklung) fortbestehen lassen. Denn die Gesellschaft ist jetzt nach den besonderen Vorschriften über das Liquidationsverfahren abzuwickeln (§§ 66 ff., 77), an deren Stelle im Falle der Insolvenz (§§ 60 Abs. 1 Nr. 4, 66 Abs. 1) die Vorschriften der InsO treten. Da die Gesellschaft während des Liquidationsverfahrens (mit verändertem Zweck) fortbesteht, können die Gesellschafter auch jederzeit – nach Beseitigung des jeweiligen Auflösungsgrundes – die Fortsetzung der Gesellschaft beschließen (s. 10. Aufl., § 60 Rdnr. 79 ff.). Vor allem hieran wird deutlich, dass

1 S. dazu zuletzt Flume, Juristische Person, § 1 (S. 1 ff.); U. John, Die organisierte Rechtsperson, 1979; Kleindiek, Deliktshaftung, S. 151 ff.; Cl. Ott, Recht und Realität der Unternehmenskorporation, 1977; Raiser, AcP 199 (1999), 104; Raiser, in: FS Zöllner, Bd. I, S. 469; Raiser, in: FS Lutter, S. 637; Karsten Schmidt, GesR, § 8 (S. 181 ff.).

700

Emmerich

§ 13

Juristische Person; Handelsgesellschaft

sorgfältig zwischen der Auflösung und dem Erlöschen der Gesellschaft unterschieden werden muss. Im Schrifttum ist umstritten, unter welchen Voraussetzungen die Gesellschaft 7 endgültig erlischt. Im Wesentlichen finden sich drei verschiedene Meinungen (s. im Einzelnen 10. Aufl., § 74 Rdnr. 12 ff.): Nach der wohl überwiegenden Meinung führt immer, aber auch nur die (endgültige) Vermögenslosigkeit der GmbH ohne weiteres zu ihrem Erlöschen, während nach anderen diese Wirkung allein der Löschung der Gesellschaft im Handelsregister zuzubilligen ist1. Nach der hier vertretenen Meinung (10. Aufl., § 74 Rdnr. 14 ff.) kommt es dagegen auf beide Umstände gleichermaßen an; nur Vermögenslosigkeit und Eintragung zusammen bewirken also das endgültige Erlöschen der Gesellschaft als Rechtsperson (so genannte Lehre vom Doppeltatbestand)2. Die Lehre vom Doppeltatbestand hat den Vorteil, dass ein Fortbestand der GmbH 8 auch angenommen werden kann, wenn sich nach ihrer Löschung im Handelsregister herausstellt, dass noch Vermögen der Gesellschaft vorhanden ist, das liquidiert werden muss. Gelegentlich wird in diesem Zusammenhang auch – als Parallele zur Vorgesellschaft (Rdnr. 5) – von einer Nachgesellschaft oder NachGmbH gesprochen. Zu beachten bleibt, dass Verschmelzung und Umwandlung ebenfalls zum Erlöschen der Gesellschaft führen können.

3. „Keinmann-GmbH“ Ein vor allem theoretisch bedeutsamer Grenzfall ist die GmbH ohne Gesellschaf- 9 ter, die sog. Keinmann- oder besser: Keinpersonen-GmbH. Derartige Fälle kommen, wie die Erfahrung lehrt, insbesondere durch die Vereinigung aller Anteile in der Hand der Gesellschaft durchaus vor3. Ihre rechtliche Behandlung ist umstritten. Richtiger Meinung nach muss man danach unterscheiden, ob der fragliche Zustand kraft Gesetzes (s. §§ 21, 27 Abs. 3 und 33; s. unten § 27 Rdnr. 5 und § 33 Rdnr. 44) oder durch rechtsgeschäftlichen Erwerb eintritt, da nichts hindert, zumindest den rechtsgeschäftlichen Erwerb des letzten Anteils durch die Gesellschaft als nichtig zu behandeln4. In den verbleibenden Fällen mag die Vereinigung aller Anteile in der Hand der Gesellschaft zwar gelegentlich unvermeidbar sein; dieser Zustand ist indessen nicht als Dauerzustand hinnehmbar, weil es die Gesellschafter andernfalls in der Hand hätten, der Sache nach eine private Anstalt oder Stiftung ohne die dafür mit gutem Grund vorgesehenen Kautelen (§§ 80 ff. BGB) zu schaffen (s. unten § 33 Rdnr. 44). Umstritten ist deshalb nur, ob im Falle der Vereinigung aller Anteile in der Hand der Gesellschaft die Auflösung sofort eintritt5 oder erst nach einer kurz bemessenen Übergangszeit, vorausgesetzt, dass es den Geschäftsführern nicht gelingt, den eingetretenen Zustand unverzüglich 1 So z.B. Pentz, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 9. 2 Ebenso Michalski/Funke, in: Michalski, Rdnr. 27–31; Merkt, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 10 f.; Raiser, in: Ulmer, Rdnr. 7. 3 S. OLG Stuttgart, NJW-RR 1986, 836 = ZIP 1986, 647; OGH SZ Bd. 71 (1998 II) Nr. 163, S. 303, 309 f. = WiBl. 1999, 275, 276 f. = NZG 1999, 444, 445. 4 Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, § 33 Rdnr. 19; Michalski/Funke, in: Michalski, Rdnr. 21; anders wohl Raiser, in: Ulmer, Rdnr. 5. 5 S. 10. Aufl., § 60 Rdnr. 65; Pentz, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, § 33 Rdnr. 27.

Emmerich

701

§ 13

Juristische Person; Handelsgesellschaft

durch die Veräußerung zumindest eines Anteils wieder zu beenden1. Die besseren Gründe sprechen hier wohl für die zuerst genannte Auffassung, weil alle Maßstäbe für die von der zweiten Auffassung favorisierte Übergangszeit fehlen2. Nicht hierher gehört jedoch der Fall des alleinigen Geschäftsanteilsbesitzes der KG bei einer GmbH & Co. KG, weil beide Gesellschaften verschiedene Rechtssubjekte sind3.

4. Rechtsschein-GmbH? 9a

Im Schrifttum wird die Frage erörtert, ob es auch eine so genannte Rechtsschein-GmbH gibt, wobei man offenbar Fälle im Auge hat, in denen Personen unter der unzutreffenden Bezeichnung als GmbH am Geschäftsverkehr teilnehmen4. In der Rechtsprechung haben derartige Fälle gelegentlich bei Gesellschaften aus Drittstaaten, die im Inland wie eine deutsche GmbH auftraten, eine Rolle gespielt5. Tritt eine Gesellschaft im Inland unter einer Bezeichnung auf, die auf eine deutsche GmbH hinweist, so führen bereits die Grundsätze über das unternehmensbezogene Geschäft zur Verpflichtung des tatsächlichen Unternehmensträgers, in dem Beispiel also der ausländischen Gesellschaft6. Neben deren Haftung kommt in Ausnahmefällen entsprechend § 179 Abs. 1 BGB auch eine persönliche Haftung des für die Gesellschaft Auftretenden in Betracht, wenn der tatsächliche Unternehmensträger für den Vertragspartner praktisch nicht erreichbar ist7. Tritt sonst jemand zu Unrecht unter einer Bezeichnung auf, die auf das Vorliegen einer GmbH hindeutet, so ändert dies ebenfalls nichts an seiner persönlichen Haftung (s. oben § 4 Rdnr. 5, 54).

III. Umfang der Rechtsfähigkeit 10

Die GmbH ist juristische Person (oben Rdnr. 3). Folglich kann sie grundsätzlich ebenso wie natürliche Personen am Rechtsverkehr teilnehmen, Verträge abschließen sowie Rechte erwerben und Verbindlichkeiten eingehen (§ 13 Abs. 1). Eine völlige Gleichstellung juristischer Personen mit natürlichen Personen verbietet sich jedoch aus in der Natur der Sache liegenden Gründen. Das schweizerische ZGB bestimmt deshalb in Art. 53 ausdrücklich, dass die juristischen Personen aller Rechte und Pflichten fähig sind, „die nicht die natürlichen Eigenschaften des Menschen, wie das Geschlecht, das Alter oder die Verwandtschaft, 1 S. unten § 33 Rdnr. 44; Michalski/Funke, in: Michalski, Rdnr. 21. 2 S. 10. Aufl., § 60 Rdnr. 65; anders wohl für die Kaduzierung des einzigen Geschäftsanteils OLG Hamburg, BB 2001, 2182; OGH SZ Bd. 71 (1998) II Nr. 163, S. 303, 309 f. = WiBl. 1999, 275, 276 f. = NZG 1999, 444, 445; s. dazu unten § 21 Rdnr. 29, § 22 Rdnr. 24; Michalski/Schulenburg, NZG 1999, 431, 432 f.; zu dem Sonderfall der Preisgabe aller Anteile durch die Gesellschafter nach § 27 s. noch unten § 27 Rdnr. 5. 3 A.M. Gonella, DB 1965, 1165; Winkler, GmbHR 1972, 80. 4 Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 7–11; Michalski/Funke, in: Michalski, Rdnr. 32; Merkt, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 13. 5 S. OLG Nürnberg, WM 1985, 259 f.; LG Karlsruhe, ZIP 1995, 1818, 1819 f. 6 S. oben § 4 Rdnr. 5; ebenso LG Karlsruhe, ZIP 1995, 1818, 1819 (für eine französische GmbH); Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 8; Merkt, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 13; Michalski/Funke, in: Michalski, Rdnr. 33. 7 S. oben § 4 Rdnr. 54; LG Karlsruhe, ZIP 1995, 1818, 1819; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 11.

702

Emmerich

§ 13

Juristische Person; Handelsgesellschaft

zur notwendigen Voraussetzung haben“ (vgl. außerdem § 26 Satz 2 öABGB). Dies gilt sinngemäß auch in Deutschland, so dass es in Zweifelsfällen immer der Prüfung bedarf, ob sich der Anwendungsbereich einer Rechtsvorschrift nach ihrem Sinn und Zweck auf natürliche Personen beschränkt oder alle oder doch bestimmte juristische Personen umfasst. Dieser Frage ist im Folgenden getrennt für das Privatrecht, das öffentliche Recht, das Strafrecht und das Prozessrecht nachzugehen (unten Rdnr. 11, 19, 22, 23 ff.). Vorwegzuschicken ist lediglich noch, dass die ultra-vires-Lehre des anglo-amerikanischen Rechtskreises dem deutschen Privatrecht unbekannt ist, so dass die Rechtsfähigkeit juristischer Personen nicht durch ihren Zweck oder Gegenstand beschränkt wird (s. §§ 35 Abs. 1, 37 Abs. 2). Verstöße der Geschäftsführer gegen den Zweck oder den Gegenstand der Gesellschaft können nur im Einzelfall unter dem Gesichtspunkt des Missbrauchs der Vertretungsmacht Relevanz erlangen (§ 37 Abs. 2)1.

1. Privatrecht a) Als juristische Person kann sich die GmbH grundsätzlich im selben Umfang 11 wie natürliche Personen am rechtsgeschäftlichen Verkehr beteiligen, Verträge abschließen und sich zu beliebigen Leistungen verpflichten2. Darauf beruht insbesondere auch ihre Möglichkeit, freiberuflich tätig zu werden (s. im Einzelnen oben § 1 Rdnr. 14 ff.). Dagegen kann die GmbH nicht Arbeitnehmer und daher auch nicht Handlungsgehilfe oder Lehrling sein (§§ 59 ff. HGB)3. Kommt es auf das Kennen oder Kennenmüssen bestimmter Umstände an, so muss sich die Gesellschaft die Kenntnis ihrer Geschäftsführer zurechnen lassen (§§ 31, 166 BGB; s. 10. Aufl., § 35 Rdnr. 80–88). Soweit es um die Haftung für Vertragsverletzungen geht, ist seinem Zweck nach ebenfalls § 31 BGB anzuwenden, so dass für eine Anwendung des § 278 BGB auf Organmitglieder (oder andere verfassungsmäßig berufene Vertreter der Gesellschaft) daneben kein Raum ist (str.). Die GmbH ist (als Kaufmann kraft Rechtsform) aber niemals Verbraucher im Sinne des § 13 BGB, sondern stets Unternehmer im Sinne des § 14 Abs. 1 BGB und des § 310 Abs. 1 BGB. b) Die notwendige Folge des Gesagten (Rdnr. 11) ist, dass die GmbH (selbstver- 12 ständlich) auch aus gesetzlichen Schuldverhältnissen berechtigt und verpflichtet sein kann4. Sie haftet aus c.i.c., wenn ihre Geschäftsführer gegen §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2, 311 Abs. 2 und 3 BGB verstoßen, und aus den §§ 812 ff. BGB, wenn sie grundlos bereichert ist. Umstritten ist jedoch die Deliktsfähigkeit der GmbH als juristischer Person5. Ausgangspunkt muss § 31 BGB sein, der auch für die 1 S. im Einzelnen 10. Aufl., § 35 Rdnr. 132–139; Michalski/Funke, in: Michalski, Rdnr. 37–43. 2 Merkt, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 15 ff.; Raiser, in: Ulmer, Rdnr. 18 ff. 3 Michalski/Funke, in: Michalski, Rdnr. 63, 65. 4 Merkt, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 15 ff.; Raiser, in: Ulmer, Rdnr. 18 ff. 5 S. dazu insbes. Coing, in: FS R. Fischer, 1979, S. 65; Kleindiek, Deliktshaftung und juristische Person, 1979, bes. S. 206 ff.; Lutter, GmbHR 1997, 329; Merkt, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 34–37; Michalski/Funke, in: Michalski, Rdnr. 49–51; Matusche/Beckmann, Das Organisationsverschulden, 2001; Raiser, in: Ulmer, Rdnr. 21 f.; Raiser, AcP 199 (1999), 104, 134 f.; Karsten Schmidt, GesR, § 10 IV (S. 273 ff.); Spindler, Unternehmensorganisationspflichten, 2001.

Emmerich

703

§ 13

Juristische Person; Handelsgesellschaft

GmbH gilt (s. oben Rdnr. 3a). Die Gesellschaft haftet danach für den Schaden, den der Geschäftsführer oder ein anderer verfassungsmäßig berufener Vertreter durch eine in Ausführung der ihm zustehenden Verrichtungen begangene, zum Schadensersatz verpflichtende Handlung während seiner Tätigkeit als Organ einem Dritten zufügt. Umstritten ist, ob § 31 BGB bedeutet, dass die GmbH selbst deliktsfähig ist1 oder ob eine deliktische Haftung der Gesellschaft immer nur auf dem Weg über eine Zurechnungsnorm, d.h. über § 31 BGB oder § 8 Abs. 2 UWG in Betracht kommt2. Unbestreibar ist auf jeden Fall, dass die GmbH selbst deliktische Pflichten treffen können, so dass ihre Haftung bei einer Verletzung dieser Pflichten durch ihre Organe außer Frage steht (§ 31 BGB). Beispiele sind der weite Bereich der Verkehrs- oder Verkehrssicherungspflichten, die Pflichten der Gesellschaft aus dem UWG und den gleichstehenden anderen Wettbewerbsgesetzen sowie insbesondere der gesamte Bereich der Gefährdungshaftung. Es steht nichts im Wege, die GmbH selbst als Halter eines Kraftfahrzeugs (§ 7 StVG), als Tierhalter (§ 833 Satz 1 BGB) oder als Inhaber einer Anlage im Sinne des § 22 WHG zu behandeln. § 31 BGB ist schließlich entsprechend anzuwenden, wenn die Gesellschafter ausnahmsweise wie bei der Bestellung der Geschäftsführer die Gesellschaft vertreten (§ 46 Nr. 5; s. dazu 10. Aufl., § 46 Rdnr. 69 ff., 80) oder wenn sie, etwa über einen schuldlos irrenden Geschäftsführer, eine unerlaubte Handlung gegenüber Dritten begehen (§ 830 BGB). 13

Von der Haftung der Gesellschaft für unerlaubte Handlungen (oben Rdnr. 12) muss die Eigenhaftung der für die Gesellschaft tätig gewordenen Personen, in erster Linie also der Geschäftsführer unterschieden werden3. In zahlreichen Fällen ist die persönliche Verantwortlichkeit der Geschäftsführer (neben der Gesellschaft, § 31 BGB) ausdrücklich bestimmt und daher unproblematisch. Paradigmata sind § 69 AO und § 34 AO4. Die Geschäftsführer haften außerdem dann selbst persönlich, wenn sie in ihrer Person den Deliktstatbestand erfüllen, z.B. durch die schuldhafte Verletzung eines Schutzgesetzes. Im Wettbewerbsrecht kommt ihre eigene Haftung außerdem von Fall zu Fall unter den Voraussetzungen des § 830 Abs. 2 BGB als Anstifter oder Gehilfen in Betracht (früher so genannte Störerhaftung)5. Eigentlich problematisch sind daher nur diejenigen Fälle, in denen die deliktischen Pflichten in erster Linie die Gesellschaft treffen, wie dies etwa für Verkehrs- oder Verkehrssicherungspflichten zutrifft. Die Praxis tendiert auch in diesen Fällen zu einer Ausdehnung der Haftung auf die für die Gesellschaft tätig werdenden Organe, freilich unter Widerspruch eines erheblichen Teils des Schrifttums (s. im Einzelnen 10. Aufl., § 43 Rdnr. 228 ff.)

14

c) Die GmbH genießt (natürlich) den Schutz des Deliktsrechts, z.B. gegen die Verletzung ihres Eigentums oder ihres Unternehmens nach § 823 Abs. 1 BGB 1 Bejahend Raiser, AcP 199 (1999), 104, 135; Raiser, in: Ulmer, Rdnr. 22. 2 So die ganz h.M., z.B. Michalski/Funke, in: Michalski, Rdnr. 50; Karsten Schmidt, GesR, § 10 IV 1 (S. 273 f.). 3 S. dazu Grünwald, Deliktische Außenhaftung des GmbH-Geschäftsführers für Organisationsdefizite, 1999; Haas, Geschäftsführung und Gläubigerschutz, 1997; Haas, NZG 1999, 373; Kleindiek, Deliktshaftung, S. 368 ff.; Lutter, GmbHR 1997, 329; Neusel, GmbHR 1997, 1129; Raiser, in: Ulmer, Rdnr. 22. 4 S. dazu Neusel, GmbHR 1997, 1129. 5 S. Emmerich, Unlauterer Wettbewerb, 9. Aufl. 2012, § 21 Rdnr. 43, 46 ff.

704

Emmerich

§ 13

Juristische Person; Handelsgesellschaft

oder gegen die Verbreitung ihren Kredit schädigender unwahrer Tatsachen nach § 824 BGB und § 4 Nr. 8 UWG sowie gegen jede Form der Geschäftsehrverletzung nach § 4 Nr. 7 UWG. Angesichts dessen ist es an sich nur folgerichtig, die GmbH grundsätzlich auch in den Schutzbereich des allgemeinen Persönlichkeitsrechts einzubeziehen. Zwar steht dieses Recht seinem Wesen nach in erster Linie natürlichen Personen zu (Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 1 GG). Dadurch wird es indessen nicht ausgeschlossen, die privatrechtlichen Personenverbände in den Schutzbereich zumindest einzelner Ausstrahlungen des Persönlichkeitsrechts einzubeziehen (Art. 19 Abs. 3 GG). Von selbst versteht sich dies zunächst mit Rücksicht auf die gesetzliche Regelung (§ 4 GmbHG; § 12 BGB; §§ 5, 15 MarkenG) für das Namens- und Zeichenrecht. Jenseits dieser eindeutigen Fälle ist die Rechtsprechung jedoch bisher bei der Zubilligung eines Ehrenschutzes für juristische Personen ausgesprochen zurückhaltend1. Indessen ist nicht erkennbar, was eigentlich einem umfassenden Ehren- und Ansehensschutz sowie dem Schutz der Geheimsphäre juristischer Personen über § 823 Abs. 1 BGB entgegenstehen sollte2. Die Einzelheiten gehören in die Darstellungen des Deliktsrechts und sind daher hier nicht weiter zu vertiefen. d) Die GmbH kann, wie § 13 Abs. 1 Halbsatz 2 aus historischen Gründen her- 15 vorhebt, Eigentum und dingliche Rechte an Grundstücken und grundstücksgleichen Rechten erwerben3. Den Besitz übt die Gesellschaft durch ihre Organe aus4. Die Geschäftsführer sind weder Besitzdiener noch Besitzmittler der Gesellschaft5; vielmehr wird die Gesellschaft, die selbst nicht handlungsfähig ist, auch bei der Besitzausübung durch ihre Organe tätig. e) Der GmbH kann Vollmacht und Handlungsvollmacht, jedoch nicht Prokura erteilt werden (§§ 48, 54 HGB). Außerdem kann sie Handelsvertreter, und zwar gleichermaßen Abschluss- wie Vermittlungsvertreter sein (§ 84 HGB).

16

f) Der GmbH fehlt zwar die Fähigkeit, Erfinder oder Urheber zu sein. Sie kann 17 jedoch gewerbliche Schutzrechte wie Patent- oder Gebrauchsmusterrechte von Dritten erwerben. An Urheberrechten kann sie außerdem Nutzungsrechte erlangen; kraft Erbfolge (unten Rdnr. 18) kann sie sogar Inhaberin des Urheberrechts werden (s. §§ 7, 28 f. UrhG). g) Das Familienrecht bleibt der GmbH im Wesentlichen verschlossen6. Aus den §§ 1779 Abs. 2 und 1915 Abs. 1 BGB folgt außerdem, dass eine GmbH nicht Vor-

1 S. BGHZ 78, 24, 25 f. = NJW 1980, 2807; BGHZ 98, 94, 97 ff. = NJW 1986, 2951 – „BMWBums mal wieder“. 2 Ehmann, JuS 1997, 193, 201 f.; Klippel, JZ 1988, 625; Michalski/Funke, in: Michalski, Rdnr. 53–57; Merkt, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 32 f.; Raiser, in: Ulmer, Rdnr. 18 f. 3 Für den Nießbrauch s. die Sonderbestimmungen der §§ 1059a ff. BGB; für ausländische juristische Personen aus Drittstaaten s. Art. 86 EGBGB. 4 BGHZ 56, 73, 77 = NJW 1971, 1358; BGHZ 57, 166, 167 = NJW 1972, 43; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 4; Merkt, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 20; Michalski/ Funke, in: Michalski, Rdnr. 45 f. 5 Karsten Schmidt, GesR, § 10 III 1/2 (S. 266 ff.); anders für Ausnahmefälle Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 4; Merkt, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 20. 6 S. Art. 53 Schweizerisches ZGB; Michalski/Funke, in: Michalski, Rdnr. 58.

Emmerich

705

18

§ 13

Juristische Person; Handelsgesellschaft

mund oder Pfleger sein kann, weil diese Ämter natürlichen Personen vorbehalten sind. Anders steht es im Erbrecht. Die GmbH kann zwar nichts vererben, sie kann aber, wie sich aus § 2163 Abs. 2 BGB ergibt, sehr wohl erben oder mit einem Vermächtnis bedacht werden. In der Position des Bedachten kann sie außerdem einen Erbvertrag abschließen (§§ 2274, 2275 BGB). Aus den §§ 2210 Satz 3 und 2163 Abs. 2 BGB ergibt sich ferner, dass der GmbH das Amt des Testamentsvollstreckers offen steht. Folgerichtig sollte man die GmbH auch als Nachlasspfleger zulassen (§§ 1960 f. BGB; str.). Dagegen wird ihr überwiegend mit guten Gründen die Fähigkeit abgesprochen, auch Nachlassverwalter zu sein (§§ 1975, 1981 BGB; str.). 18a

h) Die GmbH kann sich an jeder anderen in- und ausländischen Gesellschaft beteiligen, mag es sich dabei um eine Personen- oder um eine Kapitalgesellschaft handeln. Ein bekanntes Beispiel ist die GmbH & Co. KG. Die Gesellschaft kann außerdem bei Handelsgesellschaften Liquidator sein1. Ausgeschlossen ist sie dagegen von dem Amt eines Vorstands- oder Aufsichtsratsmitglieds sowie vom Amt des Geschäftsführers bei einer anderen Kapitalgesellschaft (§ 6 Abs. 2 Satz 1 GmbHG; §§ 76 Abs. 3 Satz 1, 100 Abs. 1 Satz 1 AktG; § 9 Abs. 2 GenG).

2. Öffentliches Recht 19

a) Die GmbH ist im öffentlichen Recht ebenso wie im Privatrecht als selbständiges Rechtssubjekt anerkannt. Sie kann sich daher auch an Verwaltungsverfahren beteiligen (§ 11 Nr. 1 VwVfG), wobei sie durch ihre Geschäftsführer vertreten wird (§ 12 Abs. 1 Nr. 3 VwVfG). Entsprechendes gilt für das Verfahren vor den Verwaltungsgerichten (§§ 61 Nr. 1, 62 Abs. 3 VwGO) und vor dem BVerfG (§ 90 BVerfGG).

20

b) Die GmbH kann öffentlich-rechtliche Rechte und Pflichten haben. Paradigmata sind die steuerlichen Pflichten, die die GmbH als juristische Person nach Maßgabe der einzelnen Steuergesetze treffen (§§ 33, 64 AO), wobei insbesondere an das KStG, das UStG und das GewStG zu denken ist. Bei den sonstigen öffentlich-rechtlichen Pflichten kommt es vor allem darauf an, ob die einschlägige Rechtsnorm nach ihrem Sinngehalt überhaupt auf die GmbH (und nicht nur auf natürliche Personen) anwendbar ist. Soweit solche Vorschriften an menschliche Eigenschaften wie z.B. die Zuverlässigkeit anknüpfen, wird meistens auf die Person der Geschäftsführer abgestellt.

21

c) Eine inländische GmbH ist ferner grundrechtsfähig, soweit die Grundrechte ihrem Wesen nach auf juristische Personen anwendbar sind (Art. 19 Abs. 3 GG)2. Außer Streit ist dies vor allem für die zentralen wirtschaftlichen Grundrechte der Art. 2 Abs. 1, 3 Abs. 1, 12 Abs. 1 und 14 GG. Die Verfahrensgrundrechte sind gleichfalls unbedenklich auf die GmbH anzuwenden (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 und 103 Abs. 1 GG).

1 Michalski/Funke, in: Michalski, Rdnr. 62; Pentz, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 16. 2 Ausführlich Michalski/Funke, in: Michalski, Rdnr. 101–110; Merkt, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 77 f.; Raiser, in: Ulmer, Rdnr. 43 f.

706

Emmerich

§ 13

Juristische Person; Handelsgesellschaft

3. Strafrecht Eine Strafbarkeit juristischer Personen ist dem geltenden deutschen Recht 22 fremd1. Nach § 30 OWiG kann jedoch gegen die GmbH eine Geldbuße als Nebenfolge zu einer von ihren Geschäftsführern im inneren Zusammenhang mit ihrer Organstellung begangenen Straftat oder Ordnungswidrigkeit festgesetzt werden, wenn durch diese Tat entweder Pflichten, die die Gesellschaft treffen, verletzt worden sind oder die Gesellschaft bereichert werden sollte. Als eine Pflicht i.S. der ersten Alternative des § 30 OWiG ist namentlich die Aufsichtspflicht in Betrieben und Unternehmen anzusehen (§ 130 OWiG). Steuerstrafen können in diesem Rahmen ebenfalls gegen die GmbH ausgesprochen werden (§§ 33, 377 AO; zu § 890 ZPO s. unten Rdnr. 28).

4. Prozessrecht2 a) Die GmbH ist parteifähig (§ 13 Abs. 1 GmbHG; § 50 Abs. 1 ZPO), während 23 ihr die Prozessfähigkeit verbreitet abgesprochen wird3. Dies ist jedoch mit § 52 ZPO schwerlich vereinbar4. Partei- wie Prozessfähigkeit der Gesellschaft enden erst mit dem Erlöschen der Gesellschaft (oben Rdnr. 6 f.); sie sind darüber hinaus für die Dauer des Rechtsstreits als fortbestehend anzunehmen, wenn der einzige (streitbefangene) Vermögensgegenstand der GmbH während des Prozesses veräußert wird5. b) Die GmbH wird im Prozess durch die Geschäftsführer oder Liquidatoren ver- 24 treten (§§ 35 Abs. 1, 70 Satz 1, s. 10. Aufl., § 35 Rdnr. 140–145), deren Namen und Anschriften daher in der Klageschrift angegeben werden sollen (§ 130 Nr. 1 ZPO). Auch wenn Gesamtvertretung besteht (§ 35 Abs. 2 Satz 2), können Zustellungen und Ladungen immer an einen von ihnen bewirkt werden (§ 170 Abs. 3 ZPO). Sind keine Geschäftsführer vorhanden, so kann § 57 ZPO (zumindest entsprechend) angewandt werden6. c) Der Geschäftsführer ist, solange er im Amt ist, als Partei zu vernehmen 25 (§§ 445 ff., 455 ZPO), und zwar ohne Rücksicht darauf, ob er unmittelbar am Prozess mitwirkt. Zeuge können dagegen nur die Gesellschafter sein7, und zwar auch der Alleingesellschafter (s. 10. Aufl., § 35 Rdnr. 144).

1 S. Karsten Schmidt, GesR, § 10 IV 5 (S. 281 ff.); Michalski/Funke, in: Michalski, Rdnr. 114. 2 S. zum Folgenden ausführlich Merkt, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 45–66; Michalski/Funke, in: Michalski, Rdnr. 67–89; Pentz, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 24–28. 3 RGZ 63, 371, 372; RGZ 66, 240, 243; ebenso beiläufig BGHZ 38, 71, 75 = NJW 1963, 441. 4 Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 6; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 6; Raiser, in: Ulmer, Rdnr. 34; Michalski/Funke, in: Michalski, Rdnr. 68. 5 S. OLG Nürnberg, GmbHR 1958, 28. 6 Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 6; Michalski/Funke, in: Michalski, Rdnr. 72; Pentz, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 25. 7 RG, SeuffA 55 (1900) Nr. 119 (S. 239 f.); RG, Recht 1909 Nr. 1698; RG, LZ 1910, 218 Nr. 29.

Emmerich

707

§ 13

Juristische Person; Handelsgesellschaft

26

d) Der allgemeine Gerichtsstand der GmbH bestimmt sich nach ihrem satzungsmäßigen Sitz (§ 17 Abs. 1 Satz 1 ZPO; s. oben § 4a Rdnr. 8); der Gesellschaftsvertrag kann daneben noch einen besonderen Gerichtsstand vorsehen (§ 17 Abs. 3 ZPO). Dieser Gerichtsstand ist auch maßgebend für Klagen der Gesellschaft aus dem Gesellschaftsverhältnis gegen ihre Mitglieder sowie für Rechtsstreitigkeiten unter den Mitgliedern (§ 22 ZPO)1. Prozesskostenhilfe kann die GmbH nach Maßgabe der §§ 114, 116 Nr. 2 ZPO erhalten2. Ein Urteil im Rechtsstreit mit der GmbH wirkt nur für und gegen diese, nicht für und gegen die Gesellschafter (§§ 322, 325 ZPO).

27

e) Das Gesagte (oben Rdnr. 23 ff.) gilt auch für Rechtsstreitigkeiten zwischen der Gesellschaft und ihren Gesellschaftern, namentlich aus so genannten Drittgeschäften3. Bei Rechtsstreitigkeiten zwischen der Gesellschaft und ihren Geschäftsführern ist § 46 Nr. 8 zu beachten (s. im Einzelnen 10. Aufl., § 46 Rdnr. 163 ff.). Die Bestellung eines Vertreters der Gesellschaft ist hier folglich grundsätzlich Sache der Gesellschafter. Eine Ausnahme gilt nur für mitbestimmte Gesellschaften, bei denen § 112 AktG entsprechend anzuwenden ist (s. 10. Aufl., § 46 Rdnr. 165). Nichtigkeits- und Anfechtungsklagen sind gegen die Gesellschaft, nicht gegen die Mitgesellschafter zu richten (s. 10. Aufl., § 45 Rdnr. 127 ff.).

28

f) Die Zwangsvollstreckung aus einem Urteil gegen die GmbH kann nur gegen die Gesellschaft erfolgen (§ 750 ZPO). Im Falle des § 890 ZPO ist dabei der Gesellschaft (allein) das Verschulden ihrer Geschäftsführer sowie deren Stellvertreter zuzurechnen (§ 44)4. Die Rechtsfolgen sind ebenso wie im Falle des § 888 ZPO umstritten. Während nach der einen Meinung alle Ordnungsmittel einschließlich der Ordnungshaft allein gegen die für die Gesellschaft handelnden Geschäftsführer festzusetzen sind5, ist nach anderen zwischen der Zwangs- und der Ordnungshaft auf der einen Seite und dem Zwangs- und Ordnungsgeld auf der anderen Seite zu unterscheiden: Während die Zwangs- und Ordnungshaft allein an den Geschäftsführern vollstreckt werden kann, sollen das Zwangsgeld und das Ordnungsgeld nur gegen die Gesellschaft festgesetzt werden können6. Zu folgen ist der zuerst genannten Meinung, weil die Geschäftsführer die eigentlich handelnden Personen sind (wegen der eidesstattlichen Versicherung s. 10. Aufl., § 35 Rdnr. 143). Die GmbH ist schließlich auch insolvenzfähig (s. § 60 Abs. 1 Nr. 4; § 11 Abs. 1 InsO).

5. Schiedsgerichte 29

a) Der Gesellschaftsvertrag kann für Streitigkeiten aus dem Gesellschaftsverhältnis zwischen der GmbH und ihren Gesellschaftern sowie zwischen diesen

1 S. im Einzelnen Michalski/Funke, in: Michalski, Rdnr. 85–88. 2 Wegen der Einzelheiten s. Michalski/Funke, in: Michalski, Rdnr. 83–85; Pentz, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 27. 3 Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 7. 4 OLG Karlsruhe, OLGR 1998, 338 = NJW-RR 1998, 1571 = GmbHR 1998, 1085. 5 Brehm, NJW 1975, 249, 251. 6 OLG Braunschweig, JZ 1959, 94; Michalski/Funke, in: Michalski, Rdnr. 98.

708

Emmerich

§ 13

Juristische Person; Handelsgesellschaft

unter Ausschluss des ordentlichen Rechtswegs die Zuständigkeit eines Schiedsgerichts bestimmen. Es handelt sich dann um ein sog. angeordnetes Schiedsgericht i.S. des § 1066 ZPO, dem der Rechtsnachfolger eines Gründungsgesellschafters durch den Erwerb des Geschäftsanteils ohne weiteres unterworfen ist, vorausgesetzt, dass die Einsetzung des Schiedsgerichts zu den sog. körperschaftsrechtlichen Bestimmungen des Gesellschaftsvertrages gehört1. Die Formvorschrift des § 1031 ZPO findet in diesem Fall keine Anwendung2. Anders ist die Rechtslage zu beurteilen, wenn die Einsetzung des Schiedsgerichts Teil der individualrechtlichen Bestimmungen des Gesellschaftsvertrages ist. In diesem Fall bleibt es bei der Anwendbarkeit der §§ 1025 ff. ZPO, so dass dann auch die Formvorschrift des § 1031 ZPO zu beachten ist3. Schiedsgerichte zur Entscheidung über Rechtsstreitigkeiten auf Grund körper- 30 schaftsrechtlicher Bestimmungen der Satzung können auch noch nachträglich durch Satzungsänderung eingeführt werden (§ 53). Mit Rücksicht auf Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG müssen einer derartigen Satzungsänderung indessen alle Gesellschafter zustimmen4. Umstritten war lange Zeit, welche Rechtsstreitigkeiten mit Bezug auf die 31 GmbH schiedsfähig sind (§ 1030 ZPO). Die Rechsprechung verfährt insoweit (bedauerlicherweise) ausgesprochen großzügig. Schiedsfähig sind danach nicht nur die Auskunftsansprüche aus den §§ 51a und 51b5, sondern auch Rechtsstreitigkeiten über die Wirksamkeit der Aufbringung von Stammkapital6 und neuerdings sogar Beschlussmängelstreitigkeiten (womit im Ergebnis der Rechtsschutz der Minderheit nachhaltig beschnitten wird)7. b) Der Gesellschaftsvertrag kann einem „Schiedsgericht“ ferner die Funktion 32 übertragen, außerhalb der zwingenden Zuständigkeit der Gesellschafterversammlung unter bestimmten Voraussetzungen an deren Stelle zu entscheiden (§ 45 Abs. 2). Ein derartiges institutionelles Schiedsgericht wird nicht als Gericht, sondern als Gesellschaftsorgan tätig. Folglich gelten für diese besondere Erscheinungsform von „Schiedsgerichten“ nicht die Vorschriften der §§ 1025 ff. ZPO, sondern die des GmbH-Rechts. Der Schiedsspruch eines institutionellen Schiedsgerichts ist daher der Sache nach ein Beschluss, der mit Zugang bei den

1 S. oben § 2 Rdnr. 37; RGZ 153, 267, 269 f. (e.V.); RGZ 165, 140, 143 f. (nicht rechtsfähiger Verein); RG, DR 1939, 1338; BGHZ 38, 155, 159 f. = NJW 1963, 203 (offen gelassen); BGHZ 48, 35, 43 = NJW 1967, 2057 (für alle juristische Personen); BGH, LM Nr. 1 zu § 199 AktG 1937 = MDR 1951, 674; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 7; Raiser, in: Ulmer, Rdnr. 37; Merkt, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 67–74; Michalski/ Funke, in: Michalski, Rdnr. 90–96; a.A. Kleinmann, BB 1970, 1076; Trotha, DB 1988, 1369. 2 Michalski/Funke, in: Michalski, Rdnr. 93; str. 3 BGHZ 38, 155, 159 ff. = NJW 1963, 203; BGHZ 48, 35, 43 = NJW 1967, 2057. 4 Raiser, in: Ulmer, Rdnr. 37; Merkt, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 68; Michalski/ Funke, in: Michalski, Rdnr. 94; Pentz, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 29. 5 OLG Hamm, GmbHR 2000, 646 = NZG 2000, 1182. 6 BGHZ 160, 127 = NJW 2004, 2898 = GmbHR 2004, 1214. 7 BGHZ 180, 221 = NJW 2009, 1192 = GmbHR 2009, 705; s. 10. Aufl., § 45 Rdnr. 150, 159.

Emmerich

709

§ 13

Juristische Person; Handelsgesellschaft

Beteiligten wirksam wird und mit der Nichtigkeits- oder Anfechtungsklage angegriffen werden kann1.

IV. Handelsgesellschaft 33

1. Nach § 13 Abs. 3 gilt die GmbH als Handelsgesellschaft i.S. des HGB. Das GmbHG verweist damit auf § 6 Abs. 1 HGB, nach dem die für Kaufleute geltenden Vorschriften auch für Handelsgesellschaften gelten. Die GmbH lebt folglich, selbst wenn sie kein Handelsgewerbe betreibt, sondern z.B. ideelle Zwecke verfolgt, ohne Rücksicht auf ihre Größe (§ 1 Abs. 2 HGB) und Gegenstand (§ 6 Abs. 2 HGB) ausschließlich nach Handelsrecht2. Voraussetzung ist lediglich die Eintragung der Gesellschaft ins Handelsregister (§ 11 Abs. 1). Für die Gesellschafter und Geschäftsführer hat § 13 Abs. 3 dagegen keine Bedeutung; sie sind nicht ebenfalls automatisch Kaufleute.

34

Als Handelsgesellschaft kann die GmbH z.B. Prokuristen und Handlungsbevollmächtigte bestellen (§§ 48, 54 HGB), während ihre Arbeitnehmer Handlungsgehilfen i.S. der §§ 59 ff. HGB sind, sofern sie kaufmännische Dienste leisten3. Für die Buchführung und Rechnungslegung der Gesellschaft gelten die §§ 238, 264 ff. HGB. Außerdem sind die von ihr vorgenommenen Geschäfte Handelsgeschäfte i.S. der §§ 343 ff. HGB, da die auf natürliche Personen zugeschnittene Unterscheidung zwischen Handelsgeschäften und privaten Geschäften für die GmbH ebenso wie die Vermutung des § 344 HGB gegenstandslos ist4. Die Zuständigkeit der Kammer für Handelssachen nach § 95 Abs. 1 Nr. 1 GVG ist daher gegeben, wenn der Gegenstand des Rechtsstreits für den anderen Teil gleichfalls ein Handelsgeschäft ist5.

35

2. § 13 Abs. 3 unterstellt die GmbH durch die Verweisung auf § 6 HGB nur dem Handelsrecht des HGB. Deshalb ist es eine Frage des Einzelfalls, ob die GmbH auch i.S. solcher Vorschriften, die außerhalb des HGB an die Kaufmannseigenschaft oder an das Vorliegen eines Handelsgewerbes oder eines Erwerbsgeschäftes Rechtsfolgen knüpfen, als Kaufmann zu behandeln ist6. Für die Mehrzahl der Fälle wird dies heute bejaht7. Die GmbH ist ferner Unternehmer i.S. der §§ 14 Abs. 1 und 310 Abs. 1 BGB sowie des § 2 Abs. 1 Nr. 6 UWG. Dagegen fin-

1 BGHZ 43, 261, 264 f. = NJW 1965, 1378 = GmbHR 1965, 111; Merkt, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 74; Michalski/Funke, in: Michalski, Rdnr. 95; Pentz, in: Rowedder/ Schmidt-Leithoff, Rdnr. 31; Raiser, in: Ulmer, Rdnr. 41. 2 S. Emmerich, in: Heymann, § 6 HGB Rdnr. 3; Michalski/Funke, in: Michalski, Rdnr. 301–305; Pentz, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 32–34. 3 BAGE 3, 321; BAGE 10, 76, 81; BAGE 18, 104, 108 f. 4 Ebenso für die OHG BGH, LM Nr. 1 zu § 406 HGB (Bl. 1 R) = NJW 1960, 1852, 1853; Michalski/Funke, in: Michalski, Rdnr. 301; Pentz, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 33. 5 Michalski/Funke, in: Michalski, Rdnr. 301 und Pentz, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 33. 6 Emmerich, in: Heymann, § 6 HGB Rdnr. 4; Merkt, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 82. 7 Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 46; Michalski/Funke, in: Michalski, Rdnr. 304; Pentz, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 34.

710

Emmerich

§ 13

Juristische Person; Handelsgesellschaft

det die GewO auf sie nur Anwendung, wenn sie tatsächlich ein Gewerbe betreibt.

V. Treuepflicht Schrifttum: Ballerstedt, Kapital, Gewinn und Ausschüttung bei Kapitalgesellschaften, 1949; Baumgärtner, Rechtsformübergreifende Aspekte der gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht, 1990; Burgard, Cash Management, in: Gesellschaftsrechtliche Vereinigung (VGR), Gesellschaftsrecht in der Diskussion 2002, Bd. 6, 2003, S. 45; Fabricius, Relativität der Rechtsfähigkeit, 1963; Fillmann, Die Treuepflichten des Aktionärs, 1991; Fries, Familiengesellschaft und Treuepflicht, 1971; Grundmann, Der Treuhandvertrag, 1997; Henze, Die Treuepflicht im Aktienrecht, BB 1996, 489; Henze, Zur Treuepflicht unter Aktionären, in: FS Kellermann, 1991, S. 141; Henze, Treuepflichten im Kapitalgesellschaftsrecht, ZHR 162 (1998), 186; Immenga, Die personalistische Kapitalgesellschaft, 1970; Immenga, Bindung von Rechtsmacht durch Treuepflichten, in: FS 100 Jahre GmbHG, 1992, S. 189; Jilg, Die Treuepflicht der Aktionäre, 1996; Korehnke, Treuwidrige Stimmen im Personengesellschafts- und GmbH-Recht, 1997; Limbach, Theorie und Wirklichkeit der GmbH, 1966; M. Lutter, Theorie der Mitgliedschaft, AcP 180 (1980), 84; M. Lutter, Die Treuepflicht des Aktionärs, ZHR 153 (1989), 446; M. Lutter, Treuepflichten und ihre Anwendungsprobleme, ZHR 162 (1998), 164; Martens, Mehrheits- und Konzernherrschaft in der personalistischen GmbH, 1970; Martens, Treuepflicht des Aktionärs, in: Karsten Schmidt (Hrsg.), Rechtsdogmatik und Rechtspolitik, 1990, S. 251; Nehls, Die gesellschaftsrechtliche Treuepflicht im Aktienrecht, 1991; K. Nissing, Eigeninteresse der Gesellschaft oder Liquidation auf kaltem Wege?, 1993; Nodoushani, Die Treuepflicht der Aktionäre und ihrer Stimmrechtsvertreter, 1997; Th. Nonn, Zustimmungspflichten des Kapitalgesellschafters, 1995; Raiser, Die Treuepflichten im GmbH-Recht als Beispiel der Rechtsfortbildung, ZHR 151 (1987), 422; W. Seidel, Die mangelnde Bedeutung mitgliedschaftlicher Treupflichten im Willensbildungsprozess der GmbH, 1998; Teichmann, Gestaltungsfreiheit in Gesellschaftsverträgen, 1970; T. Tröger, Treuepflicht im Konzernrecht, 2000; Verhoeven, GmbH-Konzern-Innenrecht, 1978; J. Vetter/Stadler, Haftungsrisiken beim konzernweiten Cash Pooling, VGR Bd. 7, 2003; M. Weber, Vormitgliedschaftliche Treuebindungen, 1999; H. P. Westermann, Vertragsfreiheit und Typengesetzlichkeit im Recht der Personengesellschaften, 1970; Wiedemann, Die Übertragung und Vererbung von Mitgliedschaftsrechten an Handelsgesellschaften, 1965; S. Wimmer-Leonhardt, Konzernhaftungsrecht, 2004, S. 157 ff.; Chr. Windbichler, Treuepflichtwidrige Stimmrechtsausübung, in: Gesellschaftsrecht 1995, RWS-Forum 8, 1996, S. 23; Winkler, Die Lückenfüllung des GmbH-Rechts durch das Recht der Personengesellschaften, 1967; M. Winter, Mitgliedschaftliche Treuebindungen im GmbH-Recht, 1988; Worch, Treuepflichten von Kapitalgesellschaften untereinander und gegenüber der Gesellschaft, 1983; H. Ziemons, Die Haftung der Gesellschafter für Einflussnahmen auf die Geschäftsführung der GmbH, 1996, S. 75 ff.; Zöllner, Die Schranken mitgliedschaftlicher Stimmrechtsmacht bei den privatrechtlichen Personenverbänden, 1963.

1. Grundlagen Unter dem Stichwort Treuepflicht (oder: Treupflicht) fasst man heute die Viel- 36 zahl gegenseitiger Rücksichts- und Loyalitätspflichten zusammen, denen die Gesellschafter in ihrem Verhältnis untereinander und in ihrem Verhältnis zur Gesellschaft ebenso wie diese in ihrem Verhältnis zu den Gesellschaftern unterworfen sind. Der Sache nach handelt es sich bei der „Treuepflicht“ um eine gesellschaftsrechtliche Generalklausel, aus der sich je nach den Umständen des Falles die unterschiedlichsten Pflichten der Gesellschafter wie der Gesellschaft Emmerich

711

§ 13

Juristische Person; Handelsgesellschaft

ergeben können. Die Pflichten können von einem Schädigungsverbot und sonstigen Unterlassungspflichten (Paradigma: Wettbewerbsverbot) über Mitwirkungs- und Förderungspflichten bis hin zu Stimmpflichten bei Änderungen des Gesellschaftsvertrages reichen. 37

Der Rechtsgrund dieser umfassend verstandenen Treuepflicht der Gesellschafter ebenso wie der Gesellschaft ist bei den Kapitalgesellschaften noch nicht endgültig geklärt, während bei den Personengesellschaften die Frage nach dem Rechtsgrund der Treuepflicht verhältnismäßig leicht unter Hinweis auf den Gesellschaftsvertrag in Verbindung mit den §§ 241, 242 und 705 BGB (§§ 105 Abs. 3, 161 Abs. 2 HGB) beantwortet werden kann1. Dieselbe Sicht der Dinge bietet sich jedoch auch zwanglos bei der AG und der GmbH an, da nicht zweifelhaft sein kann, dass jedenfalls zwischen der Gesellschaft und ihren Gesellschaftern eine rechtliche Sonderverbindung besteht, in der Raum für die gegebenenfalls „entsprechende“ Anwendung der §§ 241, 242 und 705 BGB ist2. Die Diskussion über den Rechtsgrund der Treuepflicht bei den Kapitalgesellschaften betrifft daher in erster Linie das Verhältnis zwischen den Gesellschaftern. (Nur) für dieses ist auch in der Tat bis in die jüngste Zeit immer wieder der Bestand einer rechtlichen Sonderverbindung als Grundlage der Treuepflicht verneint worden3. Indessen geht das Gesetz in den §§ 24 und 31 Abs. 3 offenkundig selbst von dem Bestand solcher Rechtsbeziehungen aus. Zu Recht wird deshalb heute auch bei der GmbH ebenso wie bei der AG in der Rechtsprechung die Existenz schuldrechtlicher Beziehungen zwischen den Gesellschaftern als Grundlage einer Treuepflicht anerkannt4. In Österreich bricht sich nach anfänglichem Zögern der Praxis gleichfalls immer mehr der Gedanke Bahn, dass die Gesellschafter nicht allein gegenüber der Gesellschaft, sondern ebenso untereinander zur Rücksichtnahme verpflichtet sind5.

1 S. Emmerich, in: Heymann, § 109 HGB Rdnr. 5 f. 2 Ebenso im Ergebnis: Burgard, ZIP 2002, 827, 834 f.; Häsemeyer, ZHR 160 (1996), 109, 113 ff.; Hennrichs, AcP 195 (1995), 222, 225 ff.; Henze, BB 1996, 489; Karsten Schmidt, GesR, § 20 IV 1 (S. 587 ff.); Uwe H. Schneider/Burgard, in: FS Ulmer, S. 579, 581 f.; Raiser, in: Ulmer, Rdnr. 8 ff. 3 Vgl. insbes. Flume, Juristische Person, § 8 I (S. 258 ff.); Flume, ZIP 1996, 161. 4 BGHZ 103, 184, 194 ff. = NJW 1988, 1579 = AG 1988, 135 – „Linotype“; BGHZ 127, 107, 111 ff. = NJW 1994, 3094 = AG 1994, 559 – „BMW“; BGHZ 129, 136, 142 ff. = NJW 1995, 1739 = AG 1995, 368 – „Girmes“; insbes. BGHZ 142, 167, 169 ff. = NJW 1999, 3197 = AG 1999, 517 = ZIP 1999, 1444 – „Hilgers“; BGH, LM Nr. 23 zu § 13 GmbHG (Bl. 2 R ff.) = NJW 1992, 368 = GmbHR 1992, 104 = ZIP 1991, 1584; LM Nr. 4 zu § 183 AktG = NJW 1992, 3167 = AG 1993, 28, 31 f. – „IBH/Scheik Kamel“; BGHZ 155, 329 = NJW 2003, 3127 = GmbHR 2003, 1051 m. Komm. Bormann; BGHZ 179, 13, 21 Rdnr. 17, 25 = NJW 2009, 669 = GmbHR 2009, 306; OLG Hamm, GmbHR 2009, 1161; OLG Düsseldorf, NZG 2005, 633, 635. 5 OGH SZ Bd. 53 (1980) Nr. 172, S. 779, 782 ff. = GesRZ 1981, 44 = GmbHR 1984, 235; OGH SZ Bd. 60 (1987 II) Nr. 285, S. 773, 776 ff.; OGH, WiBl. 1989, 222; OGH, JBl. 1989, 253, 255; EvBl. 1992 Nr. 103 = ÖJZ 1992, 447, 451; Koppensteiner, öGmbHG, § 61 Rdnr. 8, 18 ff.; Reich-Rohrwig, GmbH-Recht, S. 358 ff.

712

Emmerich

§ 13

Juristische Person; Handelsgesellschaft

2. Anwendungsbereich a) Die Gesellschafter unterliegen der Treuepflicht während der gesamten Dauer 38 ihrer Mitgliedschaft und des Bestandes der Gesellschaft. Die Zeitspanne, in der die Treuepflicht zu beachten ist, beginnt folglich (spätestens) mit Gründung der Gesellschaft durch Abschluss des Gesellschaftsvertrages (§ 2) und dauert über die Auflösung der Gesellschaft hinaus während des Liquidationsstadiums bis zum Erlöschen der Gesellschaft fort (s. oben Rdnr. 6 f.). Wichtig ist vor allem die Geltung der Treuepflicht bereits während des Bestandes der Vorgesellschaft, woraus sich z.B. die Pflicht eines Gesellschafters ergeben kann, an der Beseitigung von Gründungsmängeln durch Änderung des Gesellschaftsvertrages mitzuwirken, wenn anders eine Eintragung der Gesellschaft ins Handelsregister nicht zu erreichen ist (§§ 242, 705 BGB)1. Das Ausscheiden eines Gesellschafters, insbesondere im Wege der Veräußerung seines Geschäftsanteils, bedeutet gleichfalls nicht notwendig das Ende seiner Treuepflicht gegenüber seinen (früheren) Mitgesellschaftern und der Gesellschaft; vielmehr kommen hier ebenso wie bei anderen Rechtsverhältnissen durchaus nachwirkende Treuepflichten in Betracht, insbesondere in Gestalt von Geheimhaltungspflichten und Wettbewerbsverboten2. b) In jüngerer Zeit werden ferner so genannte vormitgliedschaftliche Treuebin- 38a dungen gegenüber den (zukünftigen) Mitgesellschaftern diskutiert3. Es geht dabei um durchaus unterschiedliche Fallgestaltungen. Zunächst ist hier an das Vorgründungsstadium der Gesellschaft zu denken. Soweit die Parteien einen Vorvertrag, gerichtet auf den Abschluss eines Gesellschaftsvertrages für eine GmbH, abgeschlossen haben, versteht es sich von selbst, dass in dieser Beziehung auch die §§ 241 und 242 BGB zu beachten sind (s. oben § 2 Rdnr. 86 ff.). Vormitgliedschaftliche Treuepflichten werden außerdem im Zusammenhang mit dem Kontrollwechsel bei der Gesellschaft erörtert, wobei vor allem an die Veräußerung einer Mehrheitsbeteiligung an einer GmbH zu denken ist. Die Treuepflicht des Mehrheitsgesellschafters bildet hier die Grundlage für eine durchaus ernstzunehmende Konzernbildungskontrolle (s. unten Anh. § 13 Konzernrecht Rdnr. 41 ff.), da sich aus ihr auch die Verpflichtung ergeben kann, von der Veräußerung einer Mehrheitsbeteiligung an einen bestimmten Dritten abzusehen, wenn dadurch die Gefahr begründet wird, dass die Gesellschaft in Abhängigkeit von diesem Dritten gerät. Allein am Maßstab der Treupflicht orientiert sich ferner, in welchem Umfang ein Gesellschafter, der seine Beteiligung an einen Dritten veräußern will, diesem gegenüber zur Auskunftserteilung über die Gesellschaft berechtigt ist4. In Konzernsachverhalten kann die Treuepflicht schließlich auch Dritte erfassen, selbst wenn sie nicht unmittelbar an der Gesellschaft beteiligt sind. Paradigma ist die Beziehung zwischen einer Mutterge-

1 S. oben § 11 Rdnr. 52; Merkt, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 108; M. Weber, Vormitgliedschaftliche Treuebindungen, 1999, S. 226 ff. 2 Pentz, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 39, 45; Karsten Schmidt, GesR, § 20 IV 1b (S. 588 f.). 3 S. Pentz, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 39; M. Weber, Vormitgliedschaftliche Treuebindungen, 1999; Wittkowski, GmbHR 1990, 545, 549; Ziemons/Jaeger, AG 1996, 358. 4 S. C. Götze, ZGR 1999, 202, 212 ff.

Emmerich

713

§ 13

Juristische Person; Handelsgesellschaft

sellschaft und einer Enkelgesellschaft, an der die Mutter nur mittelbar über andere Gesellschaften beteiligt ist1. 38b c) Einen Sonderfall bildet die Einpersonengesellschaft. Überwiegend wird angenommen, dass den einzigen Gesellschafter einer GmbH, weil er jederzeit Zweck und Gegenstand der Gesellschaft ändern sowie deren Auflösung beschließen kann (§§ 3 Abs. 1 Nr. 2, 53, 60 Abs. 1 Nr. 2), gegenüber „seiner“ Gesellschaft keine Treuepflicht treffe, dass er mit anderen Worten bei seinen Maßnahmen keine Rücksicht auf seine Gesellschaft zu nehmen brauche2. Die Frage ist jedoch umstritten, weil die Gesellschaft – als juristische Person – nicht mit ihrem Gesellschafter identifiziert werden darf3. Die ganze Diskussion ist müßig. Tatsächlich geht es allein um die Frage des Gläubigerschutzes, die nicht auf der Basis der Treuepflicht (gegenüber den Gläubigern?) gelöst werden kann4. 38c

d) Entsprechend ihrer Grundlage in den §§ 242 und 705 BGB ist die Treuepflicht in ihrem Kern zwingend. Die Ausgestaltung der aus ihr von Fall zu Fall fließenden Rücksichts-, Loyalitäts- und Mitwirkungspflichten unterliegt jedoch der Disposition der Gesellschafter5. Denn im Kern geht es bei der Treuepflicht der Gesellschafter um ihre (an sich selbstverständliche) Bindung an den Zweck und den Gegenstand der Gesellschaft bei allen innergesellschaftlichen Maßnahmen (§ 3 Abs. 1 Nr. 2)6. Zweck und Gegenstand der Gesellschaft unterliegen jedoch der Disposition der Gesellschafter (§ 33 BGB; § 53 GmbHG), die daher jederzeit zusammen mit dem Zweck oder dem Gegenstand der Gesellschaft auch die daraus abgeleiteten einzelnen Erscheinungsformen der Treuepflicht ändern können, wobei nicht nur an eine förmliche Änderung des Gesellschaftsvertrages nach § 53, sondern auch, soweit zulässig, an so genannte punktuelle Vertragsoder Satzungsdurchbrechungen im Einzelfall zu denken ist. Soweit eine wirksame „Satzungsdurchbrechung“ vorliegt, wird auch der Umfang der Treuepflicht modifiziert7. Schließlich gibt es noch eine Vielzahl von Fällen, in denen für die Befreiung eines Gesellschafters von einer sich aus der Treuepflicht ergebenden Verpflichtung ein einfacher Gesellschafterbeschluss genügt. Beispiele sind die Befreiung von einem Wettbewerbsverbot oder von Geheimhaltungspflichten. Auch bei der Fassung derartiger Beschlüsse bleibt die Mehrheit jedoch zum Schutze der Minderheit an die Treuepflicht gebunden, so dass die Beschlüsse einer Inhaltskontrolle an den Maßstäben der Treuepflicht, insbesondere der Verhältnismäßigkeit und der Erforderlichkeit unterliegen8. 1 S. Tröger, Treuepflicht, S. 37 ff.; Uwe H. Schneider/Burgard, in: FS Ulmer, S. 579, 582 ff. 2 BGHZ 122, 333, 336 = NJW 1993, 1922 = GmbHR 1993, 427 = ZIP 1993, 917; BGHZ 142, 92, 95 = NJW 1999, 2817 = ZIP 1999, 1352 = GmbHR 1999, 921; OLG Brandenburg, GmbHR 1997, 1147; Merkt, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 105; Pentz, in: Rowedder/ Schmidt-Leithoff, Rdnr. 38; Michalski/Funke, in: Michalski, Rdnr. 143. 3 S. Burgard, ZIP 2002, 827, bes. 835 ff.; Hartmann, GmbHR 1999, 1061, 1062; Priester, ZGR 1993, 512; Schnauder/Müller-Christmann, JuS 1998, 980; Ulmer, ZHR 148 (1984), 1418; M. Winter, ZGR 1994, 570. 4 Ebenso Raiser, in: Ulmer, § 14 Rdnr. 73; s. Pfeifer, GmbHR 2008, 1074. 5 S. Fleck, ZGR 1990, 31; C. Götze, ZGR 1999, 202, 227 ff.; Hartmann, GmbHR 1999, 1061; Michalski/Funke, in: Michalski, Rdnr. 146; M. Winter, ZGR 1994, 570, 582 ff. 6 Ebenso Hartmann, GmbHR 1999, 1061, 1062 f.; M. Winter, ZGR 1994, 570, 582 ff. 7 Sehr eng Burgard, ZIP 2002, 827, 832 ff., 836 ff. 8 S. dazu C. Götze, ZGR 1999, 202, 227 ff.; Hartmann, GmbHR 1999, 1061, 1063 ff.

714

Emmerich

§ 13

Juristische Person; Handelsgesellschaft

3. Maßstäbe a) Die genaue Reichweite der sich aus der Treuepflicht ergebenden Schranken 39 und Pflichten kann immer nur im Einzelfall auf Grund einer umfassenden Abwägung der sich gegenüberstehenden Interessen der Gesellschafter und der Gesellschaft bestimmt werden, wobei die unterschiedlichsten Gesichtspunkte Bedeutung erlangen1. Fundamental ist insoweit zunächst die Unterscheidung zwischen fremd- oder uneigennützigen Rechten der Gesellschafter auf der einen Seite und eigennützigen Rechten auf der anderen Seite2. Zu den fremd- oder uneigennützigen Rechten gehören insbesondere die Mitverwaltungsrechte der Gesellschafter einschließlich ihres Stimmrechts in der Gesellschafterversammlung. Bei der Ausübung dieser Rechte haben sich die Gesellschafter ausschließlich von den Interessen der Gesellschaft leiten zu lassen (§ 705 BGB). Geht es um die Abstimmung über Maßnahmen, die in die Rechtsstellung der Mitgesellschafter eingreifen, so müssen außerdem die sich aus der Treuepflicht gegenüber den Mitgesellschaftern ergebenden Rücksichts- und Loyalitätspflichten beachtet werden3. Die Folge ist, dass selbst bei Maßnahmen, die im Interesse der Gesellschaft dringend geboten sein mögen, allein der in die Rechte der übrigen Mitgesellschafter am wenigstens eingreifende Weg gewählt werden darf (sog. Verhältnismäßigkeitsgrundsatz). Anders ist die Situation dagegen bei den so genannten eigennützigen Rechten 39a oder Befugnissen der Gesellschafter, d.h. bei solchen Rechten, die ihnen in erster Linie in ihrem eigenen Interesse eingeräumt sind. Beispiele sind neben dem Gewinnbezugsrecht (§ 29) ein etwaiges Austritts- oder Kündigungsrecht sowie besondere Mitverwaltungsrechte auf Grund des Gesellschaftsvertrags wie etwa Entsendungs- oder Zustimmungsrechte und sonstige Sonderrechte (§ 35 BGB). Bei der Wahrnehmung dieser Rechte braucht der begünstigte Gesellschafter seine eigenen Interessen grundsätzlich nicht hinter denen der Gesellschaft und der Mitgesellschafter zurückzustellen, bleibt jedoch im Übrigen an die Treuepflicht gebunden, so dass im Einzelfall eine Abwägung erforderlich werden kann, die bei einem deutlichen Überwiegen der Interessen der Mitgesellschafter oder der Gesellschaft durchaus dazu führen kann, dass der Gesellschafter auf seine Rechte ganz oder partiell, auf Dauer oder vorübergehend verzichten muss, wenn ihm dies zumutbar ist und andernfalls der Gesellschaft oder den Mitgesellschaftern unverhältnismäßig schwere Nachteile drohten4. Auf außergesellschaftliche Interessen der Mitgesellschafter brauchen die Gesellschafter dagegen bei Wahrnehmung ihrer Rechte in der Gesellschaft generell keine Rücksicht zu nehmen5.

1 S. zum Folgenden insbes. OLG Düsseldorf, NZG 2005, 633, 635 f.; Henze, in: Gesellschaftsrecht 1995, S. 1, 12 ff.; Lutter, ZHR 162 (1998), 164 ff.; Michalski/Funke, in: Michalski, Rdnr. 145 ff.; Windbichler, in: Gesellschaftsrecht 1995, S. 23, 37 ff.; Zöllner, AG 2000, 145, 153 ff. 2 S. OLG Düsseldorf, NZG 2005, 633, 635 f.; Raiser, in: Ulmer, § 14 Rdnr. 78 ff. 3 S. Pentz, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 41, 84; Zöllner, AG 2000, 145, 153 ff. 4 BGHZ 179, 13, 21 Rdnr. 17, 25 = NJW 2009, 669 = GmbHR 2009, 306; OLG Hamm, GmbHR 2009, 1161; OLG Düsseldorf, NZG 2005, 633, 635 f. 5 BGH, LM Nr. 4 zu § 183 AktG = NJW 1992, 3167 = AG 1993, 28, 31 f. – „IBH/Scheik Kamel“.

Emmerich

715

§ 13

Juristische Person; Handelsgesellschaft

39b b) Weitere Topoi, die mit von Fall zu Fall unterschiedlichem Gewicht bei der Konkretisierung der Treuepflicht zu berücksichten sind, bilden neben dem Zweck und dem Gegenstand der Gesellschaft (§ 705 BGB) insbesondere noch ihre Realstruktur, die Machtverhältnisse in ihr, die Art der fraglichen Maßnahme sowie deren Bedeutung für die Gesellschaft und die Mitgesellschafter. Daraus folgt z.B., dass die Treuepflicht eines Gesellschafters um so größer ist, je stärker der personalistische Charakter der Gesellschaft ausgeprägt ist. Die Treuepflicht eines Gesellschafters nimmt außerdem mit dem Maß seines Einflusses in der Gesellschaft zu. Besonders weit gehende Treuepflichten treffen infolgedessen den Mehrheitsgesellschafter, so dass er bei der Einflussnahme auf die Geschäftsführung sowie bei der Stimmabgabe in der Gesellschafterversammlung auf die Interessen der Gesellschaft und der Minderheit umfassend Rücksicht nehmen und jeden unnötigen oder übermäßigen Eingriff in deren Rechte vermeiden muss. Das GmbH-Konzernrecht hat nicht zuletzt hier seine Grundlage (s. unten Anh. § 13 Konzernrecht Rdnr. 71 ff.). Selbst die Änderung der Struktur einer Gesellschaft findet daher an der Treuepflicht, konkret an den sich aus ihr ergebenden Rücksichtspflichten gegenüber der Minderheit, ihre Schranken1. Aber auch die Minderheitsgesellschafter können Treuepflichten treffen. Sie werden vor allem dann akut, wenn ihre Mitwirkung zur Änderung des Gesellschaftervertrages, zur Abberufung von Geschäftsführern oder zur Sanierung der Gesellschaft dringend nötig ist (s. unten Rdnr. 46). 40

c) Die möglichen Anwendungsfälle der Treuepflicht, einer letztlich auf § 242 BGB fußenden gesellschaftsrechtlichen Generalklausel, sind nahezu unübersehbar. Die folgenden Ausführungen beschränken sich deshalb auf die wichtigsten Fallgruppen, die sich in der bisherigen Rechtsprechung zur Treuepflicht herausgebildet haben2.

4. Geschäftsführungsmaßnahmen 41

Die Befugnisse der Gesellschafter zur Mitwirkung an der Geschäftsführung bilden den Kern ihrer so genannten uneigennützigen Rechte. Die Gesellschafter sind daher verpflichtet, sich bei der Ausübung dieser Befugnisse ausschließlich von dem Interesse der Gesellschaft leiten zu lassen3. Daraus ergeben sich vor allem Schranken für die Ausübung der Mehrheitsherrschaft4, so dass die Mehrheit 1 OLG Stuttgart, AG 2000, 229, 230 ff. = NZG 2000, 159 – „Breuninger-Gruppe“; Rottnauer, NZG 2001, 115. 2 S. zum Folgenden insbes. noch Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 43–59; Hueck/ Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 32–35; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, § 14 Rdnr. 22 ff.; Merkt, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 109–185; Michalski/Funke, in: Michalski, Rdnr. 148–179; Pentz, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 43–92; Raiser, in: Ulmer, § 14 Rdnr. 83–88. 3 BGHZ 65, 15, 19 f. = NJW 1976, 191 = GmbHR 1975, 269 = AG 1976, 16 – „ITT“; BGHZ 142, 167, 169 f. = NJW 1999, 3197 = AG 1999, 517 = GmbHR 1999, 921 – „Hilgers“; Michalski/Funke, in: Michalski, Rdnr. 154 ff.; Merkt, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 122 ff.; Raiser, in: Ulmer, § 14 Rdnr. 85 f.; Pentz, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 48, 57. 4 BGHZ 65, 15, 19 f. = NJW 1976, 191 = GmbHR 1975, 269 = AG 1976, 16 – „ITT“; BGHZ 142, 167, 169 f. = NJW 1999, 3197 = AG 1999, 517 = GmbHR 1999, 921 – „Hilgers“; zum Konzernrecht s. unten Anh. § 13.

716

Emmerich

§ 13

Juristische Person; Handelsgesellschaft

bei der Ausübung ihrer Rechte durchgängig angemessene Rücksicht auf die schutzwürdigen Belange der Minderheit nehmen und eine unnötige Schädigung der Minderheit vermeiden muss1. Ebenso wenig ist es der Mehrheit gestattet, gesellschaftsfremde Sondervorteile für sich oder einen anderen zum Nachteil der Gesellschaft und der anderen Gesellschafter zu verfolgen. Treuwidrig ist es daher auch, wenn die Mehrheit die Verfolgung von Ersatzansprüchen gegen einen Gesellschafter verhindert, der unter Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz Sondervorteile erlangt hat2, oder wenn sie die Auflösung der Gesellschaft allein zu dem Zweck beschließt, dem Mehrheitsgesellschafter in der Abwicklung unter Ausschluss anderer Interessenten den Zugriff auf den Geschäftsbetrieb der Gesellschaft zu ermöglichen oder ihn von lästigen Pflichten gegenüber der Gesellschaft zu befreien3. Ein formal auf den Gesellschaftsvertrag gestützter Einziehungsbeschluss mit 41a dieser Zielsetzung (Verdrängung eines Gesellschafters) ist gleichfalls treuwidrig4. Die Treuepflicht zieht auch dem Recht der Gesellschafter, Geschäftsführer zu bestellen und abzuberufen, Prokuristen und Handelungsbevollmächtigte zu bestellen oder abzuberufen sowie Aufsichtsratsmitglieder zu entsenden, unübersteigbare Schranken, wenn die Bestellung oder Abberufung mit dem Gesellschaftsinteresse unvereinbar ist oder übermäßig in die Belange des betroffenen Gesellschaftergeschäftsführers eingreift5. Trotz des § 38 Abs. 1 darf daher ein Gesellschaftergeschäftsführer im Regelfall nicht grundlos, sondern nur dann abberufen werden, wenn dafür ein sachlicher Grund vorliegt6. Dagegen verstößt z.B. evident die grundlose Abberufung eines Gesellschaftergeschäftsführers nach jahrzehntelanger Zusammenarbeit, wenn mit ihr nur der Zweck verfolgt wird, den Geschäftsführer und Bruder des anderen Gesellschafters aus der Gesellschaft zu verdrängen7. Leistet der Geschäftsführer in erheblichem Umfang besonders qualifizierte Dienste, die üblicherweise nur gegen eine besondere Vergütung erwartet werden können (§ 612 BGB), so kann die Ablehnung einer angemessenen Vergütung oder die Verweigerung einer nach den Umständen gebotenen Erhöhung der Vergütung ebenfalls treuwidrig sein, – wobei die Rechtsprechung häufig erstaunlich großzügig verfährt, wenn sich der Geschäftsführer unter Verstoß gegen die gesellschaftliche Kompetenzordnung eine Gehaltserhöhung selbst bewilligt hat (§§ 45, 46 Nr. 5)8. Hat sich der Geschäftsführer dagegen durch einen Verstoß gegen seine Pflichten ersatzpflichtig gemacht (§ 43 Abs. 2),

1 BGHZ 179, 13, 21 Rdnr. 17, 25 = NJW 2009, 669 = GmbHR 2009, 306. 2 BGH, GmbHR 2008, 1092 Rdnr. 20 = NZG 2009, 783. 3 BGHZ 76, 352, 355 ff. = NJW 1980, 1278; BGHZ 103, 184, 193 ff. = NJW 1988, 1579 = AG 1988, 135 – „Linotype“. 4 OLG Hamm, GmbHR 2009, 1161, 1163 f. 5 S. Michalski/Funke, in: Michalski, Rdnr. 155; Pentz, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 50, 58. 6 S. 10. Aufl., § 38 Rdnr. 18; insbes. OLG Zweibrücken, NZG 1998, 385 = GmbHR 1998, 373; OLG Zweibrücken, NJW-RR 2003, 1398 = GmbHR 2003, 1206; OLG Saarbrücken, GmbHR 2007, 143, 146 f. 7 BGH, DStR 1994, 214 m. Anm. Goette; zustimmend Lutter, ZHR 162 (1998), 164, 168 f. 8 BGH, NJW 2007, 917 = ZIP 2007, 268 = GmbHR 2007, 260 Rdnr. 11; BGH, GmbHR 2008, 1092 Rdnr. 10 = NZG 2008, 783.

Emmerich

717

§ 13

Juristische Person; Handelsgesellschaft

so stellt ein von der Mehrheit vorzeitig durchgesetzter Entlastungsbeschluss gleichfalls einen Verstoß gegen die Treuepflicht dar1. 41b Dieselben Schranken für die Ausübung der Gesellschafterrechte wie im Verhältnis zu den Geschäftsführern (Rdnr. 41a) sind bei der Wahl der Abschlussprüfer2 sowie bei der Erteilung von Weisungen an die Geschäftsführer zu beachten3. Umgekehrt kann sich von Fall zu Fall aus der Treuepflicht aber auch die Verpflichtung der Gesellschafter ergeben, bei der Abberufung untragbarer Geschäftsführer aus wichtigem Grunde oder bei der Erteilung von Weisungen an die Geschäftsführer mitzuwirken4. Die Veranlassung der Geschäftsführer zur Führung aussichtsloser Prozesse stellt gleichfalls einen Verstoß gegen die Treuepflicht dar5. 42

Die Treuepflicht ist ferner zu beachten bei der Feststellung des Jahresabschlusses (§§ 42a Abs. 1 Satz 1, 46 Nr. 1), an der die Gesellschafter daher zumindest mitwirken müssen, sowie bei der Beschlussfassung über die Gewinnverwendung (§ 29 Abs. 1). Eine Anfechtung des Jahresabschlusses ist treuwidrig, wenn die daraus der Gesellschaft drohenden zusätzlichen Kosten in keinem Verhältnis zu den geringen Vorteilen der Anfechtung stehen6. Im Gewinnverwendungsbeschluss muss außerdem gleichermaßen angemessene Rücksicht auf die Liquiditätsbedürfnisse der Gesellschaft wie auf die Interessen der Gesellschafter an der Auszahlung des Gewinnes genommen werden. Eine übermäßige Rücklagenbildung verstößt schon aus diesem Grunde gegen die Treuepflicht7. Vor allem aber ergibt sich aus der Treuepflicht ein umfassendes Schädigungsverbot für die Gesellschafter, denen es untersagt ist, ihrem gemeinsamen Unternehmen zum Nachteil der Mitgesellschafter grundlos Schäden zuzufügen, z.B. durch unnötige kreditschädigende Äußerungen8. Der wichtigste Anwendungsfall des Schädigungsverbotes ist heute das Konzernrecht, wo es der Mehrheitsherrschaft die zum Schutze der Minderheit nötigen Schranken zieht (s. unten Anh. § 13 Konzernrecht Rdnr. 71 ff.). Erweist sich eine Sanierung der Gesellschaft zur Rettung des gemeinsamen Unternehmens als unerlässlich, so sind auch die Minderheitsgesellschafter zur Mitwirkung verpflichtet, soweit ihnen dies zumutbar ist (s. schon oben Rdnr. 39b). Dasselbe gilt für sonstige Strukturänderungen9. In engen Grenzen kann sich daraus für einzelne Gesellschafter die Verpflichtung ergeben, 1 BGH, NJW-RR 2010, 41 = GmbHR 2009, 1327 Rdnr. 20. 2 S. BGH, GmbHR 1991, 568, 569. 3 OLG Düsseldorf, GmbHR 1994, 172, 175 f.; OLG Frankfurt a.M., GmbHR 1997, 346, 347 f. 4 S. 10. Aufl., § 47 Rdnr. 31, 10. Aufl., § 53 Rdnr. 37; OLG Hamburg, GmbHR 1992, 43, 34 f. – „Cats“; OLG Frankfurt a.M., GmbHR 1997, 346, 348; OGH SZ Bd. 60 (1987 II) Nr. 285, S. 773, 776 ff. 5 OLG Düsseldorf, GmbHR 1994, 172, 175 f. = ZIP 1994, 619. 6 BGH, GmbHR 2008, 1092 Rdnr. 15 = NZG 2008, 783. 7 S. unten § 29 Rdnr. 53 ff.; Michalski/Funke, in: Michalski, Rdnr. 156; Pentz, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 61. 8 OLG Dresden, NZG 1999, 1220, 1221; Michalski/Funke, in: Michalski, Rdnr. 159; Burgard, ZIP 2002, 827, 833 ff. 9 S. Rdnr. 46 sowie z.B. OLG Stuttgart, AG 2000, 229 = NZG 2000, 159 – „Breuninger Gruppe“; OLG Karlsruhe, GmbHR 2003, 1359 = NZG 2003, 429; Michalski/Funke, in: Michalski, Rdnr. 157; Rottnauer, NZG 2001, 115.

718

Emmerich

§ 13

Juristische Person; Handelsgesellschaft

an Änderungen des Gesellschaftsvertrages mitzuwirken, wenn zur Sicherung des Überlebens der Gesellschaft dringend erforderlich und den einzelnen Gesellschaftern zumutbar1. Ein Beispiel ist die Umwandlung von Fremdkapital in Eigenkapital zur Rettung einer überschuldeten Gesellschaft, selbst wenn dadurch die bisherigen Gesellschafter weit gehend aus der Gesellschaft verdrängt werden2.

5. Weitere Beispiele a) Die Treuepflicht ist am stärksten ausgeprägt bei der Ausübung fremd- oder 43 uneingennütziger Rechte der Gesellschafter, insbesondere also bei ihrer Mitwirkung an der Geschäftsführung (oben Rdnr. 41 f.). Hier haben die Interessen der Gesellschaft unbedingten Vorrang. Anders verhält es sich dagegen bei sonstigen Maßnahmen, vor allem bei der Wahrnehmung der den Gesellschaftern in ihrem eigenen Interesse eingeräumten Rechte. In diesen Fällen besteht keine Verpflichtung, die eigenen Interessen generell hinter denen der Gesellschaft und der Mitgesellschafter zurückzustellen (oben Rdnr. 39a). Unberührt bleiben jedoch die Geltung des Schädigungsverbotes sowie die Verpflichtung der Gesellschafter, immer angemessene Rücksicht auf die legitimen Interessen der Gesellschaft und der Mitgesellschafter zu nehmen. Die Folge ist, dass sich im vorliegenden Zusammenhang die genaue Reichweite der Treuepflicht durchweg nur von Fall zu Fall auf Grund einer Interessenabwägung präzisieren lässt. Für die Gesellschafter kann sich in Ausnahmefällen daraus sogar die Verpflichtung ergeben, vorübergehend oder endgültig auf die Durchsetzung von Ansprüchen auf Auszahlung von Gewinnen oder auf Rückzahlung eines Darlehens zu verzichten, sofern von der Auszahlung dieser Beträge der Gesellschaft schwere Schäden drohen und dem Gesellschafter der Verzicht zumutbar ist3. Statt dessen müssen sie dann der nötigen Rücklagenbildung zustimmen (s. unten § 29 Rdnr. 61). Die Treuepflicht zieht ferner einer rücksichtslosen Durchsetzung des Auskunftsund Einsichtsrechts der Gesellschafter auf Grund des § 51a Schranken, sofern davon unverhältnismäßige Nachteile für die Gesellschaft zu befürchten sind (s. 10. Aufl., § 51a Rdnr. 32 ff., bes. 36 f.). Nichts anderes gilt schließlich für die Wahrnehmung gesellschaftsvertraglicher Kündigungs- oder Austrittsrechte sowie für die Erhebung der Auflösungsklage (unten Rdnr. 44). Das Gesetz billigt der Minderheit die Auflösungsklage zwar grundsätzlich zu, 44 wenn ein wichtiger Grund vorliegt (§ 61 Abs. 1). Gleichwohl zieht auch hier die Treuepflicht der Befugnis der Minderheit zur Erhebung der Auflösungsklage Schranken (s. 10. Aufl., § 61 Rdnr. 3). Die Klageerhebung ist insbesondere treuwidrig, wenn die Ausschließung des oder der Kläger aus wichtigem Grunde gerechtfertigt ist4 oder wenn ihren Belangen in einer für sie zumutbaren Weise durch eine für die anderen Gesellschafter weniger einschneidende Maßnahme Rechnung getragen werden kann, insbesondere durch Übernahme ihrer Ge1 S. Rdnr. 46; BGHZ 183, 1 = NJW 2010, 65 Rdnr. 22 ff. = GmbHR 2010, 32; Merkt, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 150. 2 St. Ulrich, GmbHR 2010, 36 f. 3 S. unten Rdnr. 45b, § 29 Rdnr. 61; OLG Karlsruhe, GmbHR 2003, 1359, 1360 = NZG 2003, 429; Merkt, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 130 ff. 4 BGHZ 80, 346, 348 f. = NJW 1981, 2302.

Emmerich

719

§ 13

Juristische Person; Handelsgesellschaft

schäftsanteile zum vollen Wert1. Entsprechendes gilt für die Ausübung eines vertragsmäßigen Kündigungsrechts. Umgekehrt kann die Treuepflicht einem Gesellschafter aber auch gebieten, seinerseits an einem unausweichlich gewordenen Auflösungsbeschluss mitzuwirken, wenn nur so die Investitionen der Gesellschafter wenigstens partiell gerettet werden können (s. 10. Aufl., § 60 Rdnr. 16). – Die Ausschließung eines Gesellschafters kommt wegen der gegenseitigen Treuepflicht der Gesellschafter nur als letztes Mittel in Betracht, wenn keine milderen Mittel zur Verfügung stehen (s. im Einzelnen unten Anh. § 34 Rdnr. 25 ff.). Unter dieser Voraussetzung kann sich jedoch für die übrigen Gesellschafter aus der Treuepflicht auch die Pflicht ergeben, bei der Ausschließung mitzuwirken2. 45

Bedürfen die Gesellschafter nach dem Gesellschaftsvertrag zur Abtretung von Geschäftsanteilen der Zustimmung der Mitgesellschafter (s. § 15 Abs. 5), so muss der Veräußerer seine Mitgesellschafter zutreffend über die Person des Erwerbers und dessen Verhältnisse informieren. Die Veräußerung des Anteils ausgerechnet an einen Konkurrenten der Gesellschaft kann zudem treuwidrig sein, insbesondere, wenn sie die Gefahr einer Abhängigkeit der Gesellschaft von dem Konkurrenten begründet3. Auf der anderen Seite müssen auch die Mitgesellschafter bei der Entscheidung über die Zustimmung angemessene Rücksicht auf die legitimen Interessen des Gesellschafters nehmen, der seinen Geschäftsanteil veräußern will. Sie dürfen daher die Zustimmung z.B. zur Veräußerung eines Geschäftsanteils an einen Angehörigen des Gesellschafters nicht grundlos, willkürlich oder aus sachfremden Erwägungen verweigern (s. unten § 15 Rdnr. 127). – Die Zwangseinziehung eines Geschäftsanteils nach § 34 Abs. 2 oder die Geltendmachung des Erwerbsrechts an einem Geschäftsanteil (s. unten § 15 Rdnr. 51) verstößt gegen die Treuepflicht, wenn die Gesellschaftermehrheit oder der Erwerbsberechtigte den dafür nach dem Gesellschaftsvertrag erforderlichen Grund treuwidrig selbst herbeigeführt hat, nur, um einen anderen Gesellschafter aus der Gesellschaft verdrängen zu können (s. § 162 Abs. 2 BGB)4 oder wenn der Mehrheitsgesellschafter oder der Erwerbsberechtigte seinerseits selbst aus wichtigem Grunde ausgeschlossen werden könnte5. Die Erhebung der Anfechtungsklage kann gleichfalls treuwidrig sein, wenn sie aus illoyalen, grob eigennützigen Gründen erfolgt (s. 10. Aufl., § 45 Rdnr. 137).

45a

Aus der Treuepflicht können sich ferner Aufklärungspflichten gegenüber den Mitgesellschaftern ergeben6. Ein Beispiel ist die Gewährung von Sondervorteilen an einzelne Gesellschafter, über die die Mitgesellschafter stets richtig und vollständig zu informieren sind7. Besondere Bedeutung haben Aufklärungs1 BGH, NJW 1985, 1901 = WM 1985, 916; Pentz, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 69. 2 Pentz, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 69; Michalski/Funke, in: Michalski, Rdnr. 162. 3 Merkt, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 157. 4 OLG Hamm, GmbHR 2009, 1161, 1163 f.; Merkt, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 160 f. 5 Vgl. für die KG BGHZ 30, 195, 201 f. = NJW 1959, 1683. 6 S. Michalski/Funke, in: Michalski, Rdnr. 172; Pentz, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 52. 7 BGH, NJW 2007, 917 = GmbHR 2007, 260 Rdnr. 7.

720

Emmerich

§ 13

Juristische Person; Handelsgesellschaft

pflichten ferner in Konzernbeziehungen, da der Minderheit hier die Wahrnehmung ihrer Rechte von vornherein nur möglich ist, wenn sie über die Beteiligungsverhältnisse und die sich daraus ergebenden Machtverhältnisse von der Mehrheit rechtzeitig und vollständig informiert wird (s. unten Anh. § 13 Konzernrecht Rdnr. 40). Offen gelegt werden müssen außerdem Treuhandverhältnisse1 sowie sonstige Interessenkonflikte, aus denen sich Gefahren für die Gesellschaft und die Mitgesellschafter ergeben können, selbst wenn nicht die Voraussetzungen des § 47 Abs. 4 erfüllt sind. b) Nur mit deutlichen Einschränken gilt die Treuepflicht bei so genannten Dritt- 45b geschäften, d.h. bei Geschäften zwischen dem Gesellschafter und seiner Gesellschaft auf Grund zusätzlicher Austauschverträge, z.B. bei einem Kaufvertrag über ein Betriebsgrundstück oder bei Gewährung eines Darlehens2. Der Gesellschafter wird daher hier durch die Treuepflicht nicht grundsätzlich daran gehindert, sich auf die etwaige Formnichtigkeit eines Kaufvertrages mit der Gesellschaft zu berufen, selbst wenn die Gesellschaft des Grundstücks als Betriebsgelände bedarf3. Maßgebend sind aber immer die Umstände des Einzelfalls, so dass aus der Treuepflicht in Ausnahmefällen durchaus auch die Verpflichtung folgen kann, von vertraglichen Rechten keinen Gebrauch zu machen, wenn davon der Gesellschaft schwere, vermeidbare Schäden drohen4. Aus der Treuepflicht kann sich schließlich noch von Fall zu Fall ein Wettbewerbsverbot sowie das Verbot für die Gesellschafter ergeben, Geschäftschancen der Gesellschaft auf sich überzuleiten (s. schon oben § 3 Rdnr. 88, 92 ff.). c) Aus der Treuepflicht kann sich für die Gesellschafter unter engen Vorausset- 46 zungen ferner die Verpflichtung ergeben, nicht nur an einem Gesellschafterbeschluss überhaupt mitzuwirken, sondern dabei auch in einem bestimmten Sinne abzustimmen, sofern der Beschluss im Interesse der Gesellschaft und der Mitgesellschafter unabdingbar notwendig und für den betroffenen Gesellschafter zumutbar ist5. Das gilt insbesondere auch, aber nicht nur für Änderungen des Gesellschaftsvertrages, z.B. zwecks Sanierung der Gesellschaft6, oder zur unaufschiebbaren Anpassung an Gesetzesänderungen7. Stimmpflichten bestehen indessen nicht nur in derartigen Ausnahmefällen, sondern unter den genannten Voraussetzungen auch sonst8. Dafür sind in der bisherigen Darstellung bereits 1 OLG Hamburg, GmbHR 1993, 507 = NJW-RR 1993, 868. 2 S. Michalski/Funke, in: Michalski, Rdnr. 163; Merkt, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 183. 3 BGH, LM Nr. 18 zu § 13 GmbHG = NJW 1989, 166, 167; ebenso für die Kündigung eines Pachtvertrages OLG Frankfurt a.M., GmbHR 1993, 659. 4 S. schon oben Rdnr. 43 für die Rückzahlung eines Darlehens sowie Merkt, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 183. 5 S. 10. Aufl., § 47 Rdnr. 26 ff., bes. Rdnr. 31 sowie Michalski/Funke, in: Michalski, Rdnr. 166–170; Henze, in: Gesellschaftsrecht 1995, S. 1; Th. Nonn, Zustimmungspflichten des Kapitalgesellschafters, 1995; Rottnauer, NZG 2001, 115; Raiser, in: Ulmer, § 14 Rdnr. 85; Windbichler, in: Gesellschaftsrecht 1995, S. 23; Zöllner, AG 2000, 145. 6 S. schon Rdnr. 42 sowie insbesondere BGHZ 183, 1 = NJW 2010, 65 = GmbHR 2010, 32 Rdnr. 22 ff. mit Komm. St. Ulrich, GmbHR 2010, 36 f. 7 S. 10. Aufl., § 29 Rdnr. 24; BGHZ 98, 276, 279 ff. = NJW 1987, 189 = GmbHR 1986, 426; BGH, LM Nr. 4 zu § 1 GmbHG = NJW 1987, 3192 = GmbHR 1987, 349. 8 Z.B. BGHZ 105, 206, 212 f. = NJW 1989, 459 = GmbHR 1989, 72.

Emmerich

721

§ 13

Juristische Person; Handelsgesellschaft

zahlreiche Beispiele genannt worden. Hervorzuheben sind die Mitwirkung bei Sanierungsmaßnahmen, die im Interesse der Gesellschaft unabdingbar und den Gesellschaftern zumutbar sind (oben Rdnr. 39b, 42), die Bestellung oder Abberufung von Geschäftsführern (oben Rdnr. 41a), die Auflösung der Gesellschaft und die Ausschließung von Gesellschaftern aus wichtigem Grunde (oben Rdnr. 44), die Feststellung des Jahresabschlusses (oben Rdnr. 42) sowie die Zustimmung zur von einem Gesellschafter beabsichtigten Veräußerung seines Geschäftsanteils (oben Rdnr. 45). 46a

Weist der Gesellschaftsvertrag schwer wiegende Mängel auf, ohne deren Behebung eine Eintragung der Gesellschaft ins Handelsregister nicht möglich ist (§ 9c) oder ihre Amtslöschung droht (s. § 60 Abs. 1 Nr. 6 GmbHG i.V.m. § 399 Abs. 4 FamFG), so kann sich aus der Treuepflicht ferner die Verpflichtung der Gesellschafter ergeben, an der zur Beseitigung der Mängel nötigen Änderung des Gesellschaftsvertrages mitzuwirken, wenn ihnen dies zumutbar ist, z.B. bei der Änderung einer Bareinlage, bei der es sich um eine verdeckte Sacheinlage handelte, in eine Sacheinlage1. Wie das Beispiel der nachträglichen Anpassung des Stammkapitals an die gesetzliche Erhöhung des Mindestkapitals zeigt (oben Rdnr. 46), kann mit der Stimmpflicht sogar die Verpflichtung zu zusätzlichen Leistungen der Gesellschafter verbunden sein (s. 10. Aufl., § 29 Rdnr. 24).

46b d) Die Treuepflicht obliegt auch der Gesellschaft in ihrem Verhältnis zu den Gesellschaftern. Sie darf daher die Gesellschafter nicht an der ungestörten und sachgemäßen Wahrnehmung ihrer Mitgliedschaftsrechte hindern2. Dagegen verstößt insbesondere eine Terminierung der Gesellschafterversammlung ohne Rücksicht auf die legitimen Interessen verhinderter Gesellschafter3. Lehnt die Gesellschaft eine Verschiebung der Gesellschafterversammlung ab, obwohl ihr dies ohne weiteres möglich wäre, so führt der darin liegende Verstoß gegen die Treuepflicht der Gesellschaft zumindest zur Anfechtbarkeit der in der Gesellschafterversammlung gefassten Beschlüsse. Treuwidrig ist es ferner, einzelnen Gesellschaftern zum Schaden der anderen unberechtigte Vorteile zuzuwenden4. Sämtliche Verstöße der Gesellschaft gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz gehören letztlich hierher (s. unten Rdnr. 52).

6. Rechtsfolgen 47

a) Die Rechtsfolgen von Verstößen der Gesellschafter oder der Gesellschaft gegen die Treuepflicht richten sich nach der Art des Verstoßes und nach dem jeweils angestrebten Rechtsschutz, so dass sie im Einzelnen sehr unterschiedlich sein können. Eine besondere Fallgruppe bildet zunächst die treuwidrige Stimmabgabe in der Gesellschafterversammlung. Die Einzelheiten sind an anderer Stelle erörtert (s. 10. Aufl., § 45 Rdnr. 107, § 47 Rdnr. 29, 32 ff.). Richtiger Mei1 BGHZ 155, 329 = NJW 2003, 3127 = GmbHR 2003, 1051, 1052 f. 2 BGHZ 127, 107, 111 = NJW 1994, 3094 = AG 1994, 559 – „BMW“; OGH, WiBl. 1989, 222; Uwe H. Schneider/Burgard, in: FS Ulmer, S. 579, 593 ff. 3 Rdnr. 42 ff.; BGH, NJW 2009, 2300 = GmbHR 2009, 770 Rdnr. 17; OLG Saarbrücken, GmbHR 2007, 143, 145 f. 4 BGH, LM Nr. 23 zu § 13 GmbHG = NJW 1992, 368 = GmbHR 1992, 104 = ZIP 1991, 1584.

722

Emmerich

§ 13

Juristische Person; Handelsgesellschaft

nung nach dürfte zu unterscheiden sein: Verstößt ein Gesellschafter mit seiner Stimmabgabe bei der Beschlussfassung in der Gesellschafterversammlung gegen seine Treuepflicht gegenüber der Gesellschaft oder gegenüber den Mitgesellschaftern, so ist die Stimmabgabe nichtig. Für einen Beschluss, der auf der nichtigen Stimme beruht, gilt – mangels der erforderlichen Mehrheit – dann nichts anderes. Anders verhält es sich nur im Falle der formellen Feststellung des Beschlusses durch den Versammlungsleiter. In diesem Fall muss der Verstoß gegen die Treuepflicht bei der Stimmabgabe eines oder mehrerer Gesellschafter im Wege der Anfechtungsklage entsprechend § 243 Abs. 1 AktG geltend gemacht werden, mit der gegebenenfalls die positive Beschlussfeststellungsklage kombiniert werden kann. Für die Entscheidung über die Frage, ob bei einem Beschluss ein Verstoß gegen die Treuepflicht vorliegt und welche Rechtsfolgen daran zu knüpfen sind, sind dabei grundsätzlich nur die Gerichte im Klageverfahren, nicht die Registergerichte im Eintragungsverfahren zuständig1. Weitere Besonderheiten gelten im Falle des Verstoßes eines Gesellschafters ge- 47a gen eine positive Stimmpflicht auf Grund der Treuepflicht (s. oben Rdnr. 46 f.). In diesem Fall muss die Stimmpflicht des betreffenden Gesellschafters notfalls durch Klage durchgesetzt werden (§ 894 ZPO). Statt dessen können die übrigen Gesellschafter aber auch eine positive Beschlussfeststellungsklage erheben, bei der dann der Verstoß des oder der die Mehrheit bildenden Gesellschafter gegen ihre Treuepflicht inzident geprüft wird (s. 10. Aufl., § 45 Rdnr. 113, § 47 Rdnr. 32). b) Die sich aus der Treuepflicht ergebenden Verpflichtungen der Gesellschafter 47b bei der Stimmabgabe können unter engen Voraussetzungen ferner durch einstweilige Verfügung durchgesetzt werden2. In erster Linie ist dabei an Verfügungen zu denken, durch die einem Gesellschafter eine drohende treuwidrige Stimmabgabe in der Gesellschafterversammlung untersagt wird, während die Durchsetzung von positiven Stimmpflichten (oben Rdnr. 46 f.) im Wege einer Regelungsverfügung nach § 940 ZPO in aller Regel ausscheiden dürfte (str.). Ist ein Gesellschafter aus wichtigem Grunde ausgeschlossen worden oder ist sein Anteil nach § 34 Abs. 2 eingezogen, so kann ihm außerdem z.B. während des Rechtsstreits, der über die Berechtigung des Ausschlusses oder der Einziehung seines Anteils anhängig ist, die Vornahme bestimmter Geschäftsführungsmaßnahmen oder die Auswechslung der Geschäftsführung untersagt werden3. c) Eine Anfechtung entsprechend § 243 AktG kommt nur bei treuwidrigen Be- 48 schlüssen der Gesellschafterversammlung in Betracht (Rdnr. 47). Bei anderen treuwidrigen Maßnahmen eines Gesellschafters ist die Rechtsfolge eines Verstoßes gegen die Treuepflicht schlicht die Unwirksamkeit der betreffenden Maßnahme wegen des Verstoßes gegen die zwingende Treuepflicht4. Beispiele sind treuwidrige Weisungen an die Geschäftsführer, die treuwidrige Bestellung oder Abberufung von Geschäftsführern, sonstigen Organmitgliedern oder Prokuris1 OLG Frankfurt a.M., GmbHR 2009, 378. 2 S. 10. Aufl., § 47 Rdnr. 32 Abs. 2 sowie OLG München, GmbHR 1999, 718 = NZG 1999, 407 m. Anm. Michalski/Schulenburg; Merkt, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 193; Michalski/Funke, in: Michalski, Rdnr. 179; Raiser, in: Ulmer, § 14 Rdnr. 89. 3 OLG München, GmbHR 1999, 718 = NZG 1999, 407. 4 Merkt, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 194; Raiser, in: Ulmer, § 14 Rdnr. 89.

Emmerich

723

§ 13

Juristische Person; Handelsgesellschaft

ten sowie die treuwidrige Ausübung vertraglicher Sonderrechte, z.B. eines Zustimmungs- oder Widerspruchsrechtes1. 49

d) Die Beachtung der Treuepflicht ist eine „normale“ schuldrechtliche Verpflichtung, die gleichermaßen der Gesellschaft wie den Gesellschaftern in ihren wechselseitigen Beziehungen obliegt. Verstößt die Gesellschaft gegen die Treuepflicht, z.B. durch die Gewährung von Sondervorteilen an einzelne Gesellschafter (unten Rdnr. 52), so ist sie den dadurch betroffenen Gesellschaftern zum Schadensersatz verpflichtet (§§ 242, 276, 280 Abs. 1 BGB). Es handelt sich dabei um so genannte Drittansprüche der Gesellschafter, deren Erfüllung die Gesellschaft daher auch nicht unter Berufung auf die Kapitalerhaltungsregeln verweigern kann2. Bei der Durchsetzung solcher Ersatzansprüche der Gesellschafter gegen die Gesellschaft ist jedoch wiederum die Treuepflicht zu beachten, die auch hier, freilich nur in Ausnahmefällen, dem Gesellschafter Zurückhaltung bei der Durchsetzung seiner Ansprüche gebieten kann (s. oben Rdnr. 45b).

50

Ein Gesellschafter, der schuldhaft die ihm gegenüber der Gesellschaft oder gegenüber den Mitgesellschaftern obliegende Treuepflicht verletzt, ist gleichfalls zum Schadensersatz verpflichtet (§§ 705, 241, 242, 276 Abs. 1 und 280 Abs. 1 BGB)3. Vorrang hat der Ersatz der der Gesellschaft entstandenen Schäden. Eigene Ersatzansprüche der Gesellschafter neben dem Ersatzanspruch der Gesellschaft kommen nur in Betracht, wenn ihnen ein eigener, über den der Gesellschaft hinausgehender Schaden entstanden ist4. Noch nicht endgültig geklärt ist die Frage, von welchem Verschuldensmaßstab in diesem Zusammenhang auszugehen ist. Richtigerweise ist zu differenzieren: Soweit es sich materiell um Fragen der Geschäftsführung handelt, ist unmittelbar oder entsprechend § 43 Abs. 1 anzuwenden, während sonst der allgemeine Verschuldensmaßstab des § 276 BGB Anwendung finden dürfte. Für eine Haftungsmilderung entsprechend § 708 BGB ist hier kein Raum5. Die Verjährung der Ersatzansprüche richtet sich nach den §§ 195 und 199 BGB.

51

Zu beachten bleibt § 46 Nr. 8, nach dem (mangels abweichender Regelungen im Gesellschaftsvertrag) die Geltendmachung von Ersatzansprüchen der Gesellschaft aus dem Gesellschaftsvertrag gegen Gesellschafter der vorherigen Bestimmung durch die Gesellschafter unterliegt, d.h. grundsätzlich einen Beschluss der Gesellschafterversammlung voraussetzt (s. 10. Aufl., § 46 Rdnr. 139 ff.). Ergänzend ist in diesem Zusammenhang an die Hilfszuständigkeit der Gesellschafter mittels der actio pro socio zu denken (unten Rdnr. 53). Liegt der Verstoß 1 OLG Stuttgart, AG 2000, 369, 371 = OLGR 2000, 11 = NZG 2000, 490, 492 = GmbHR 2000, 288 (nur LS) – „DASA/Dornier“; s. dazu Rottnauer, NZG 2000, 496 f. 2 Merkt, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 198; Pentz, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 83; str. 3 Burgard, ZIP 2002, 827, 836 f. 4 Im Einzelnen str., s. 10. Aufl., § 46 Rdnr. 158, § 47 Rdnr. 33; Lutter, ZHR 162 (1998), 164, 180 ff.; Merkt, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 199 ff.; Michalski/Funke, in: Michalski, Rdnr. 180 ff.; Pentz, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 84 ff.; Karsten Schmidt, GesR, § 19 III (S. 552 ff.). 5 S. Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 92 ff.; Burgard, ZIP 2002, 827, 837; Merkt, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 207; Michalski/Funke, in: Michalski, Rdnr. 183; Pentz, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 85; Raiser, in: Ulmer, § 14 Rdnr. 92.

724

Emmerich

§ 13

Juristische Person; Handelsgesellschaft

gegen die Treuepflicht in einem von der Mehrheit durchgesetzten, die Minderheit benachteiligenden Beschluss der Gesellschafterversammlung, so ist ferner umstritten, ob die Geltendmachung von Ersatzansprüchen die vorgängige erfolgreiche Anfechtung dieses Beschlusses voraussetzt. Richtigerweise sollte den betroffenen Gesellschaftern gestattet werden, direkt auf Schadensersatz zu klagen, indessen nur innerhalb der Anfechtungsfrist, weil andernfalls diese Frist jederzeit durch die Geltendmachung von Ersatzansprüchen unterlaufen werden könnte1. e) Von Fall zu Fall kommen bei Verstößen der Gesellschafter gegen ihre Treue- 51a pflicht auch noch andere Rechtsfolgen in Betracht2. Bei besonders schwer wiegenden Verstößen eines Gesellschafters gegen seine Treuepflicht gegenüber der Gesellschaft oder den Mitgesellschaftern ist insbesondere seine Ausschließung aus wichtigem Grunde (s. unten Anh. § 34 Rdnr. 25 ff.) sowie gegebenenfalls die Einziehung seines Geschäftsanteils nach § 34 Abs. 2 möglich, sofern der Gesellschaftsvertrag dies vorsieht (s. unten § 34 Rdnr. 13 ff.). Solche Maßnahmen sind jedoch immer nur als letztes Mittel zulässig, wenn mildere Mittel wie die Abberufung als Geschäftsführer nicht ausreichen (§ 242 BGB; Verhältnismäßigkeitsgrundsatz).

7. Gleichbehandlungsgrundsatz Eine besondere Ausprägung der Treuepflicht ist der Gleichbehandlungsgrund- 52 satz, der die willkürliche, d.h. sachlich nicht zu rechtfertigende Ungleichbehandlung der Gesellschafter untersagt. Seine gesetzliche Anerkennung hat der Grundsatz für die AG in § 53a AktG gefunden; aber auch für die GmbH steht seine Geltung außer Frage3. Die Gesellschafter haben hiernach, soweit der Gesellschaftsvertrag nicht ausdrücklich etwas anderes bestimmt, einen Anspruch auf gleichmäßige Behandlung gegen die Gesellschaft ebenso wie gegen ihre Mitgesellschafter, sofern diese durch Maßnahmen in der Gesellschaft auf die Rechtsstellung anderer Gesellschafter Einfluss nehmen können (oben Rdnr. 46b). Wegen der Einzelheiten ist auf die Ausführungen an anderer Stelle zu verweisen (unten § 14 Rdnr. 40 ff.).

8. Actio pro socio Nach § 46 Nr. 8 unterliegt die Geltendmachung von Ersatzansprüchen der 53 Gesellschaft gegen Gesellschafter aus der Verletzung der Treuepflicht grundsätzlich, d.h. mangels abweichender Bestimmungen des Gesellschaftsvertrages, der vorherigen Beschlussfassung durch die Gesellschafter (s. dazu schon oben Rdnr. 51 sowie 10. Aufl., § 46 Rdnr. 139 ff.). Die Folge ist, dass die Minderheit häufig auf nur schwer überwindbare Hindernisse bei der Verfolgung von Ersatzansprüchen wegen Treupflichtverletzungen gegen die Mehrheit stößt. Dies hat

1 S. Michalski/Funke, in: Michalski, Rdnr. 181; Merkt, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 203 ff.; Pentz, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 42. 2 S. Michalski/Funke, in: Michalski, Rdnr. 184 ff.; Pentz, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 81. 3 S. BGHZ 116, 359, 372 = NJW 1992, 892 = GmbHR 1992, 257 = ZIP 1992, 237.

Emmerich

725

§ 13

Juristische Person; Handelsgesellschaft

Anlass zu der Frage gegeben, ob und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen auch bei der GmbH nach dem Vorbild der Personengesellschaften (s. § 705 BGB) die actio pro socio anzuerkennen ist. Trotz der auf den ersten Blick entgegenstehenden Regelung des § 46 Nr. 8 wird diese Frage weithin bejaht, wenn auch nur unter engen Voraussetzungen, um den grundsätzlichen Vorrang der innergesellschaftlichen Zuständigkeitsordnung (§ 46 Nr. 8) nach Möglichkeit zu wahren. Wegen der Einzelheiten ist auf die Ausführungen an anderer Stelle zu verweisen (10. Aufl., § 46 Rdnr. 161 f.).

9. Mitgliedschaftsstreit 54

Ein Gesellschafter kann einen Streit darüber, wer Mitglied der GmbH ist, gleichermaßen in einem Rechtsstreit mit der Gesellschaft wie mit den Mitgesellschaftern austragen1. Die Rechtskraft eines zwischen den Gesellschaftern ergehenden Urteils wirkt aber nicht für und gegen die GmbH2, während ein Urteil im Rechtsstreit mit der Gesellschaft nicht nur deren Organe einschließlich der Gesellschafterversammlung, sondern auch die Mitgesellschafter bindet. Ein rechtliches Interesse kann schließlich von Fall zu Fall noch für die Klage des Gesellschafters oder der Gesellschaft gegen einen Dritten auf Feststellung gegeben sein, dass dieser nicht Mitglied der GmbH ist3.

VI. Haftung der Gesellschafter – Grundlagen Schrifttum: Adams, Eigentum, Kontrolle und beschränkte Haftung, 1991; Bitter, Konzernrechtliche Durchgriffshaftung bei Personengesellschaften, 2000; Bitter, Gesellschafterhaftung für materielle Unterkapitalisierung – Betrachtungen aus ökonomischer und juristischer Perspektive, in: Bachmann/Casper/Schäfer/Veil (Hrsg.), Steuerungsfunktionen des Haftungsrechts im Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht, 2007, S. 57; Easterbrook/Fischel, Limited Liability and the Corporation, 52 U.Chi.L.Rev. 89 (1985); Eucken, Grundsätze der Wirtschaftspolitik (hrsg. von Edith Eucken und K. Paul Hensel), 1952, Fleischer, Grundfragen der ökonomischen Theorie im Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht, ZGR 2001, 1; Geiger, Ökonomische Analyse des Konzernhaftungsrechts, 1993; Grigoleit, Gesellschafterhaftung für interne Einflussnahme im Recht der GmbH, 2006, S. 5 ff., 18 ff., 31 ff.; Hofstetter, Sachgerechte Haftungsregeln für Multinationale Konzerne, 1995, S. 74 ff.; Kirchner, Ökonomische Überlegungen zum Konzernrecht, ZGR 1985, 214; Lehmann, Das Privileg der beschränkten Haftung und der Durchgriff im Gesellschafts- und Konzernrecht, Eine juristische und ökonomische Analyse, ZGR 1986, 345; Lehmann, Schranken der beschränkten Haftung, Zur ökonomischen Legitimation des Durchgriffs bei der GmbH, GmbHR 1992, 200; Meyer, Haftungsbeschränkung im Recht der Handelsgesellschaften, 2000, S. 13 ff., 951 ff.; Möller, Die materiell unterkapitalisierte GmbH, 2005, S. 14 ff.; Nacke, Die Durchgriffshaftung in der US-amerikanischen Corporation, 1989, S. 210 ff.; Posner, Economic Analysis of Law, 8. Aufl. 2011, § 14 (S. 529 ff.); Roth, Zur „economic analysis“ der beschränkten Haftung, ZGR 1986, 371; Roth, Unterkapitalisierung und persönliche Haftung, ZGR 1993, 170; Wagner, 1 RG, Recht 1914 Nr. 1172; SeuffArch 93 (1939) Nr. 107, S. 283, 285 f.; BGH, LM Nr. 5 zu § 13 GmbHG = GmbHR 1963, 7; Michalski/Funke, in: Michalski, Rdnr. 187; a.M. Ganssmüller, GmbHR 1963, 7; 1968, 75; OGH SZ Bd. 65 (1992 I) Nr. 60, S. 306, 312 (nur Rechtsstreit mit der Gesellschaft möglich). 2 BGH, LM Nr. 5 zu § 13 GmbHG = GmbHR 1963, 7 = MDR 1962, 374. 3 Pentz, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 121; a.M. OLG Nürnberg, BB 1971, 1478 für die Gesellschafterklage.

726

Bitter

§ 13

Juristische Person; Handelsgesellschaft

Deliktshaftung und Insolvenzrecht, in: FS Gerhardt, 2004, S. 1043; Wüst, Das Problem des Wirtschaftens mit beschränkter Haftung, JZ 1992, 710; zur Durchgriffshaftung s. die Nachweise unten vor Rdnr. 110.

1. Überblick zur Haftungsbeschränkung Im zweiten Absatz des § 13 wird bestimmt, dass für die Verbindlichkeiten der 55 Gesellschaft den Gläubigern derselben nur das Gesellschaftsvermögen haftet. Diese gesetzliche Anordnung ist vor dem Hintergrund einer Anerkennung der GmbH als eigenständige juristische Person (§ 13 Abs. 1) eigentlich selbstverständlich, weil jede juristische und natürliche Person für ihre Verbindlichkeiten nur mit ihrem eigenen Vermögen haftet: Es ist ja gerade die GmbH – und nur diese –, die Trägerin der Rechte und Pflichten ist (Rdnr. 3), nicht die „hinter“ der GmbH stehenden Gesellschafter. Die besondere Anordnung der Haftungsbeschränkung im Gesetz erklärt sich nur aus dem Gegensatz zu den Personengesellschaften, bei denen gemäß § 128 HGB (analog bei der GbR1) die Gesellschafter für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft den Gläubigern persönlich haften2. Diese volle und unbeschränkte Haftung der Gesellschafter für die Gesellschaftsverbindlichkeiten betrachtet das Gesetz als gesellschaftsrechtlichen Normalfall3 und ordnet deshalb die davon abweichende Haftungsbeschränkung – ebenso wie in § 1 Abs. 1 Satz 2 AktG für die AG oder in § 2 GenG für die Genossenschaft – gesondert an. Da für die Gründung der GmbH gemäß § 5 Abs. 1 nur ein Mindeststammkapital 56 von 25 000 Euro aufgebracht werden muss, seit dem MoMiG bei der Unternehmergesellschaft (UG haftungsbeschränkt) gemäß § 5a sogar nur ein einziger Euro, ist die aus dogmatischer Sicht natürliche Haftungsbeschränkung bei den juristischen Personen rechtspolitisch keineswegs ebenso selbstverständlich. Immerhin ermöglicht sie es den Gesellschaftern, eine ökonomische Aktivität zu entfalten, deren Gewinn ihnen im Erfolgsfall zufließt (vgl. zur Gewinnberechtigung § 29 Rdnr. 78 ff.), während der Verlust im Misserfolgsfall ganz oder teilweise die Gläubiger trifft und sich die Beteiligung der Gesellschafter an diesem Verlust auf das in die Gesellschaft eingebrachte, ggf. nur äußerst geringe Vermögen beschränkt. Es verwundert daher nicht, dass bereits seit Einführung der GmbH im Jahr 1892 sehr eng mit der Haftungsbeschränkung (§ 13 Abs. 2) die Frage verbunden ist, ob und in welchen Ausnahmefällen die Gesellschafter gleichwohl den Gläubigern der GmbH für deren Verbindlichkeiten einzustehen haben, wann also das Prinzip der Haftungsbeschränkung durchbrochen werden kann. Nichts anderes gilt insoweit für die AG als die noch ältere Rechtsform, mit der ökonomische Aktivitäten in haftungsbeschränkter Form gestattet werden.

1 Grundlegend BGHZ 146, 341 = ZIP 2001, 330 = NJW 2001, 1056; dazu Karsten Schmidt, NJW 2001, 993; Bitter, GesR, § 5 Rdnr. 30 ff., 39 ff. 2 Zur grundsätzlichen Trennung in Körperschaften und Personengesellschaften s. Karsten Schmidt, GesR, § 3 I 2 (S. 46 f.); Bitter, GesR, § 1 Rdnr. 9 ff. 3 Noch weitergehend Raiser, in: FS Lutter, 2000, S. 637, 641 ff.: Allgemeiner zivilrechtlicher Grundsatz persönlicher Haftung bei mehreren in gleicher Stellung zusammenwirkenden Personen.

Bitter

727

§ 13

Juristische Person; Handelsgesellschaft

57

Diese Haftungsdiskussion wird in Rechtsprechung und Literatur häufig ohne einen tiefgehenderen Blick auf die ökonomische Rechtfertigung der Haftungsbeschränkung geführt, obwohl die Frage nach einer Ausnahme vom Prinzip der Haftungsbeschränkung erst beantwortet werden kann, wenn man sich über den Telos des Grundprinzips Gewissheit verschafft hat (dazu Rdnr. 60 ff.). Bedeutung hat dies insbesondere für die breit geführte Debatte zu einer Durchgriffshaftung wegen materieller Unterkapitalisierung (dazu Rdnr. 138 ff.), in der von den Gegnern zumeist darauf verwiesen wird, das GmbH-Gesetz kenne nur ein Mindeststammkapital und keine Pflicht zu angemessener Kapitalausstattung, während die Befürworter mit Recht darauf abstellen, dass der Gesetzgeber mit der Gewährung des Haftungsprivilegs1 einen ökonomischen Zweck verfolgt und deshalb eine Durchbrechung im Wege teleologischer Reduktion der Haftungsbeschränkung in solchen Fällen möglich ist, in denen dieser Telos nicht eingreift (Rdnr. 126 f.). Keineswegs hat nämlich die Haftungsbeschränkung den Zweck, dass die Gesellschafter nach Aufbringung des Mindeststammkapitals ganz allgemein auf Kosten und Risiko der Gesellschaftsgläubiger Geschäfte machen können.

58

Besonders deutlich wird die Ausblendung der ökonomischen Grundlagen in vielen juristischen Stellungnahmen, wenn es beim Haftungsdurchgriff um eine Gläubigerdifferenzierung geht, d.h. um eine Unterscheidung zwischen vertraglichen und damit freiwilligen Gläubigern einerseits, Delikts- und damit Zwangsgläubigern der GmbH andererseits. Während diese Unterscheidung für Ökonomen selbstverständlich erscheint, weil nur ein vertraglicher Gläubiger für das mit der Haftungsbeschränkung übernommene Risiko über den festgelegten Preis und eine darin enthaltene Risikoprämie kompensiert werden kann (dazu Rdnr. 65), lehnt die in der juristischen Diskussion h.M. eine derartige Differenzierung ab oder diskutiert sie überhaupt nicht (vgl. zur hier vertretenen Sicht unten Rdnr. 164).

59

Erkennt man, dass es aus ökonomischer Sicht durchaus gute Gründe dafür geben kann, das in § 13 Abs. 2 gewährte Haftungsprivileg von gewissen Mindestbedingungen abhängig zu machen (dazu sogleich Rdnr. 60 ff.), ist es wiederum eine originär juristische Aufgabe zu klären, auf welchem dogmatischen Weg eine Haftung der Gesellschafter zu begründen und wie sie rechtstechnisch auszugestalten ist (dazu Rdnr. 69 ff.).

2. Ökonomische Rechtfertigung der Haftungsbeschränkung 60

Wer die uferlose Durchgriffsdiskussion in Rechtsprechung und juristischer Literatur betrachtet, wird erstaunt darüber sein, wie selten dabei der Versuch einer Rechtfertigung der Haftungsbeschränkung unternommen wird2. Überwiegend betrachtet man die Begründung des Prinzips offenbar für überflüssig3. Soweit da1 Zu diesem „Vorrecht“ bei bestimmten Verbänden Raiser, in: FS Lutter, 2000, S. 637 ff.; Raiser, in: FS Priester, 2007, S. 619 f.; Raiser/Veil, Kapitalgesellschaften, § 29 Rdnr. 44; kritisch zum Begriff des „Privilegs“ hingegen Greitemann, in: Saenger/Inhester, Rdnr. 81. 2 Vgl. auch Wiedemann, ZGR 2003, 283, 287. 3 Vgl. die zutreffende Feststellung von Lehmann, ZGR 1986, 345, 350.

728

Bitter

§ 13

Juristische Person; Handelsgesellschaft

rauf im juristischen Bereich eingegangen wird, finden sich meist nur allgemeine Bekenntnisse zu einer Haftungsbeschränkung1. Der BGH verweist auf die Notwendigkeit der Haftungsbeschränkung im Geschäftsverkehr2. Andere sprechen davon, die Haftungsbeschränkung schaffe einen Anreiz zur Unternehmerinitiative3 bzw. diene der Risikobegrenzung und damit Investitionsförderung4. Auf diese Weise werde – zum Nutzen aller – der wirtschaftliche Fortschritt gesichert5. Zusätzlich wird auf die Kapitalsammelfunktion insbesondere der AG, aber auch der GmbH hingewiesen6. Wüst7 führt vor allem rechtsethische Argumente für die Haftungsbeschränkung ins Feld. Nach seiner Ansicht „gehört es zur Lebensgestaltung einer freien Welt, daß sich der Mensch eine nicht oder nur schwer angreifbare Lebensreserve zu sichern vermag.“ Karsten Schmidt8 fasste die herrschende Sichtweise bereits vor vielen Jahren dahingehend zusammen, die „allgemeine Frage der Legitimation von Haftungsbeschränkungen [werde] … heute durchweg in dem Sinne beantwortet, daß es kein allgemeines Gebot der unbeschränkten Haftung für Wirtschaftssubjekte gibt.“ Es gibt jedoch auch differenziertere Ansätze, die auf die Verteilung des Risikos 61 zwischen Gesellschafter und Gläubiger abstellen. So spricht z.B. Lutter9 davon, dass sich die mit der Haftungsbeschränkung verbundene Risikoverteilung zwischen dem Gesellschafter, der ein bestimmtes Vermögen endgültig zur Verfügung stellen muss einerseits und dem Gläubiger, der seinen Kredit mit Befriedigungsvorrang vor dem Gesellschafter, aber eben auch mit dem Risiko des wirtschaftlichen Zusammenbruchs seines Schuldners gibt andererseits, „offenbar als wirtschaftlich und sozial nützlich“ erwiesen hat. Ähnlich hat sich auch Kübler10 geäußert: Der Kaufmann wolle verhindern, im Falle des Scheiterns auch sein privates Vermögen zu verlieren; durch die Haftungstrennung beschränke er sein Risiko zu Lasten der Gläubiger, deren Risiko entsprechend erhöht werde. Es bestehe Einigkeit, dass diese Risikoverlagerung „wirtschaftlich sinnvoll und deshalb legitim“ sei.

1 Vgl. allerdings die grundsätzlichen Überlegungen bei Wiedemann, GesR I, S. 543 ff.; zur gesamtwirtschaftlichen Funktion der AG auch Kübler/Assmann, GesR, § 14 II (S. 164 ff.); s. auch noch die Nachweise in Rdnr. 62. 2 BGHZ 45, 204, 207 = NJW 1966, 1309, 1310 – „Rektor“ unter Ziff. I.2 der Gründe; ähnlich Hofmann, NJW 1969, 577, 580. 3 Altmeppen, EWiR § 302 AktG 1/91, S. 945; Raiser, in: FS Priester, 2007, S. 619; ähnlich Greitemann, in: Saenger/Inhester, Rdnr. 82 und Lutter, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 11: Förderung unternehmerischen Handelns; Raiser, ZGR 1994, 156, 165; Raiser, in: FS Lutter, 2000, S. 637, 649: Förderung unternehmerischen Wagemutes. 4 Ulmer, in: FS Duden, 1977, S. 661, 663; Erlinghagen, GmbHR 1962, 169, 175; Kübler, NJW 1993, 1204; Wüst, JZ 1992, 710; Ehricke, AcP 199 (1999), 257, 302; weitere Nachweise bei Hofstetter, S. 62 in Fn. 62; in diese Richtung auch Raiser, in: FS Priester, 2007, S. 619; Haas, WM 2003, 1929, 1930. 5 Raiser, ZGR 1994, 156, 165. 6 Erlinghagen, GmbHR 1962, 169, 175; s. auch Raiser, in: FS Lutter, 2000, S. 637, 649; Wiedemann, ZGR 2003, 283, 287. 7 Wüst, JZ 1992, 710. 8 Karsten Schmidt, GmbHR 1984, 272, 276 m.w.N. in Fn. 53. 9 Lutter, in: Hommelhoff u.a. (Hrsg.), Der qualifiziert faktische GmbH-Konzern, 1992, S. 183, 185. 10 Kübler, NJW 1993, 1204.

Bitter

729

§ 13

Juristische Person; Handelsgesellschaft

62

In der (Rechts-)Ökonomie wird die Rechtfertigung der Haftungsbeschränkung viel umfassender behandelt. Die in Deutschland ab den 1980er Jahren aufkommende Diskussion1 konnte dabei auf frühere Ansätze aufbauen, die in der amerikanischen „Law and Economics“ Literatur ab Ende der 1960er Jahre entwickelt worden sind2. Sie lässt sich im Rahmen dieser Kommentierung nicht vollständig nachzeichnen3. Einige Grundzüge sollen aber doch dargelegt werden, weil damit nicht nur für die hier kommentierte (Durchgriffs-)Außenhaftung der Gesellschafter, sondern auch für die in Band III noch zu behandelnden Gesellschafterdarlehen (früheres Eigenkapitalersatzrecht) die Basis gelegt wird (dazu demnächst 11. Aufl., Anh. § 64).

63

In der ökonomischen Diskussion wird nicht nur die erstrebte Risikobegrenzung für den Unternehmer, sondern mit Recht auch die daraus folgende Risikoverlagerung auf die Gläubiger behandelt. Aus volkswirtschaftlicher Sicht wäre nämlich nichts damit gewonnen, wenn die Haftungsbeschränkung zwar einen Anreiz zu Unternehmerinitiative und Investitionen geben würde, sich dieser Anreiz aber letztlich auf Kosten anderer Teilnehmer am Wirtschaftsleben auswirken würde. Genau dies war der Vorwurf jener Autoren, die in einem ab 1930 aufkommenden, teils ordoliberalen, teils autoritären Wirtschaftsdenken die Haftungsbeschränkung insgesamt in Frage stellten4.

64

Die volkswirtschaftliche Effizienz der Haftungsbeschränkung ergibt sich aus verschiedenen Ansatzpunkten, je nachdem, ob es sich um eine große Publikumsgesellschaft (public corporation) oder um eine Gesellschaft mit beschränktem Gesellschafterkreis (close corporation) handelt5. Bei der großen Publikumsgesellschaft sprechen insbesondere drei Aspekte für die Haftungsbeschränkung: (1) die volkswirtschaftlich sinnvolle Förderung einer Trennung von Kapital und Management, wenn ein Investor bei einer nicht von ihm selbst geleiteten Gesellschaft nicht den Verlust seines gesamten privaten Vermögens erwarten muss6, 1 S. insbesondere Kirchner, ZGR 1985, 214 ff.; Lehmann, ZGR 1986, 371 ff.; Lehmann, GmbHR 1992, 200 ff.; Adams, Eigentum, Kontrolle und beschränkte Haftung, 1991; Roth, ZGR 1986, 371 ff.; Roth, ZGR 1993, 170, 177 ff.; Nacke, S. 210 ff.; Hofstetter, S. 77 ff.; Geiger, Ökonomische Analyse des Konzernhaftungsrechts, 1993; zusammenfassend Fleischer, ZGR 2001, 1, 16 ff. m.w.N.; Möller, S. 14 ff.; ausführlicher Bitter, Durchgriffshaftung, S. 150 ff.; Grigoleit, S. 38 ff.; Meyer, S. 975 ff., insbes. S. 998 ff., 1017 ff. 2 Manne, 53 Virginia Law Review, 259 (1967); Landers, 42 U.Chi.L.Rev. 589 (1975); Landers, 43 U.Chi.L.Rev. 527 (1976); Halpern/Trebilcock/Turnbull, 30 U.Tor.L.J. 117 (1980); Posner, 43, U.Chi.L.Rev. 499 (1976); besonders lesenswert: Easterbrook/Fischel, 52 U.Chi.L.Rev. 89 (1985); vgl. auch Stone, 90 Yale L.J. 65 (1980); Kraakmann, 93 Yale L.J. 857 (1984); Woodward, ZgS 141, 1985, S. 601 ff.; Hansmann/Kraakmann, 100 Yale L.J., 1879 (1990/91); Grundfest, 102 Yale L.J. 387 (1992/93); Posner, Economic Analysis, § 14.3 (S. 535 ff.). 3 S. die umfassende Darstellung bei Meyer, S. 998 ff.; Bitter, Durchgriffshaftung, S. 150 ff., sowie Bitter, in: Bachmann/Casper/Schäfer/Veil, S. 57 ff. m.w.N. 4 Besonders pointiert Großmann-Doerth, AcP 147 (1941), 1, 17 und dazu Bitter, Durchgriffshaftung, S. 1; ausführliche Darstellung bei Meyer, S. 988 ff.; s. auch die Nachweise bei Blaurock, in: FS Stimpel, 1985, S. 553, 554. 5 S. für eine umfassendere Darstellung Bitter, Durchgriffshaftung, S. 159 ff. 6 Dazu Easterbrook/Fischel, 52 U.Chi.L.Rev. 89, 93 f. (1985); Nacke, S. 226 ff.; Lehmann, ZGR 1986, 345, 354; Geiger, S. 78; vgl. auch Wiedemann, GesR I, S. 547.

730

Bitter

§ 13

Juristische Person; Handelsgesellschaft

(2) der Informationskostenvorteil der (Groß-)Gläubiger bezüglich der Risiken der Unternehmung im Verhältnis zu den vermögensmäßig nur geringfügig beteiligten Gesellschaftern1 und (3) die Schaffung eines effizienten Kapitalmarktes, welche den gleichen Wert aller Gesellschaftsanteile voraussetzt, der bei unbeschränkter Haftung nicht bestünde2. Da sich die GmbH – im Gegensatz zur (börsennotierten) AG – in der deutschen Unternehmenspraxis jedoch nur selten durch einen großen Gesellschafterkreis auszeichnet, sollen diese Aspekte hier nicht weiter vertieft werden3. Gerade weil diese drei Aspekte für die in der Praxis sehr häufig anzutreffende 65 GmbH mit beschränktem Gesellschafterkreis keine Bedeutung haben, insbesondere GmbH-Gesellschaftsanteile nicht frei an der Börse handelbar sind, wird in der Literatur teilweise die unbeschränkte Haftung für sog. „close corporations“ entweder allgemein4 oder jedenfalls bei Tochtergesellschaften im Konzern5 als das effizientere Haftungsregime angesehen. Diese Ansicht übersieht jedoch, dass auch bei der Gesellschaft mit beschränktem Gesellschafterkreis der gesamtwirtschaftliche Nutzen durch die Haftungsbeschränkung gefördert wird6: Durch die Haftungsfreistellung des Privatvermögens wird die natürliche Risikoaversität des Gesellschafters reduziert und damit ein Investitionsanreiz gesetzt. Müsste nämlich ein Gesellschafter befürchten, bei einem Misserfolg seines Unternehmens sein komplettes Hab und Gut und damit die Lebensgrundlage für sich und seine Familie zu verlieren, würde er in volkswirtschaftlich sinnvolle Projekte trotz eines positiven Erwartungswertes7 nur deshalb nicht investieren, weil sie risikoreich sind und folglich auch die Möglichkeit des Totalverlustes seiner Lebensgrundlage implizieren. Kann der Gesellschafter seine volle Haftung beim Scheitern des Unternehmens hingegen vermeiden, wird die Risikoaversität ausgeschaltet oder doch jedenfalls reduziert, damit die Durchführung von Geschäften mit positivem Erwartungswert gefördert und so der volkswirtschaftliche Gesamtnutzen vergrößert8. Da alle Gläubiger der haftungsbeschränkten Gesellschaft einen kleinen Teil des Risikos tragen, wirkt die Haftungsbeschränkung 1 Bitter, Durchgriffshaftung, S. 161 ff. mit Zusammenfassung S. 165. 2 Halpern/Trebilcock/Turnbull, 30 U.Tor.L.J. 117, 130 (1980); Easterbrook/Fischel, 52 U.Chi.L.Rev. 89, 95 f. (1985); Nacke, S. 235 ff.; Adams, S. 49 f.; Lehmann, ZGR 1986, 345, 354 f.; Bitter, Durchgriffshaftung, S. 166 ff. 3 Ausführlich Bitter, Durchgriffshaftung, S. 159 ff. 4 Halpern/Trebilcock/Turnbull, 30 U.Tor.L.J. 117, 148 (1980); Stone, 90 Yale L.J. 65, 72 (1980); vgl. früher schon Eucken, S. 282 f. 5 Landers, 43 U.Chi.L.R. 589, 619 (1975); Stone, 90 Yale L.J. 65, 72 (1980); aus dem juristischen Schrifttum insbes. Wiedemann, ZGR 1986, 656, 671; Sonnenschein/Holdorf, JZ 1992, 715, 723; vgl. auch Meyer, S. 1049 ff.; Teubner, in: FS Steindorff, 1990, S. 261, 267 ff.; so früher schon Eucken, S. 281, 283. 6 Dazu ausführlich Bitter, Durchgriffshaftung, S. 168 ff.; Bitter, in: Bachmann/Casper/ Schäfer/Veil, S. 57, S. 61 ff. 7 Ein positiver Erwartungswert liegt vor, wenn der durchschnittlich zu erwartende Gewinn den durchschnittlich zu erwartenden Verlust übersteigt, d.h. der im Erfolgsfall erwartbare Gewinn multipliziert mit der Erfolgswahrscheinlichkeit höher liegt als der im Misserfolgsfall erwartbare Verlust multipliziert mit der Misserfolgswahrscheinlichkeit. 8 Easterbrook/Fischel, 52 U.Chi.L.Rev. 89, 97 (1985); Adams, S. 51; Bitter, Durchgriffshaftung, S. 168 ff.; Steffek, JZ 2009, 77, 79; Lehmann, ZGR 1986, 345, 353 spricht von „Wagnisfinanzierung“; vgl. auch Wiedemann, ZGR 1986, 656, 670.

Bitter

731

§ 13

Juristische Person; Handelsgesellschaft

wirtschaftlich wie eine (Teil-)Versicherung des unternehmerischen Risikos, bei der die Gesellschafter die Versicherungsnehmer und die Gläubiger der Versicherer sind; die partielle Risikoübernahme durch die Gläubiger kann dabei von Vertragsgläubigern der GmbH – im Gegensatz zu Deliktsgläubigern1 – bei der Festlegung des Preises in Gestalt einer Risikoprämie berücksichtigt werden2. 66

Kann der Gesellschafter allerdings seine Haftung beschränken und damit einen Teil des Risikos auf die Gläubiger verlagern, entsteht auf der anderen Seite ein Anreiz zur Externalisierung, d.h. zur nicht kompensierten Verlagerung von Kosten auf die Gläubiger3. Verschweigt der Gesellschafter seinen (Vertrags-)Gläubigern schon anfänglich den Umfang des bestehenden Risikos oder sorgt er nachträglich zu Lasten der Gläubiger für eine Erhöhung des unternehmerischen Risikos, kann er dadurch seine subjektive Rendite steigern: Weil die Gläubiger auf einen Festbetragsanspruch4 beschränkt sind, der Gesellschafter hingegen variabel am Gewinn beteiligt ist, entsteht der Anreiz, in übermäßig spekulative Projekte zu investieren. Im Verlustfall trifft der Ausfall nämlich die Gläubiger. Gelingt hingegen das Projekt, nehmen die Gläubiger wegen ihres Festbetragsanspruchs nicht proportional am Gewinn teil. Vielmehr wird die Rendite des eingegangenen Risikos vom Gesellschafter abgeschöpft.

67

In dieser Gemengelage aus Investitionsanreiz und Gefahr der Kostenexternalisierung dient die Beteiligung des Gesellschafters mit Eigenkapital als Ausgleich5. Die Besonderheit des Eigenkapitals gegenüber dem Fremdkapital besteht nämlich darin, dass die Eigenkapitalgeber ihren Einsatz vor den Fremdkapitalgebern verlieren (§ 199 InsO im Vergleich zu § 38 InsO) und somit stärker am Unternehmensrisiko beteiligt sind6. In all den Fällen, in denen das Unternehmen zwar Verluste macht, der Verlustbetrag aber nicht den Betrag des Eigenkapitals übersteigt, wird allein der Unternehmer, nicht aber der Festbetragsanspruch der Gläubiger betroffen. Da die Gläubigerposition also nur in den (verhältnismäßig seltenen) Fällen eines das Eigenkapital übersteigenden Verlustes tangiert wird, ist die Hemmungswirkung sogar überproportional im Verhältnis zum Anteil des Eigenkapitals am Gesamtkapital7.

1 Zur Differenzierung zwischen freiwilligen und unfreiwilligen Gläubigern s. Bitter, Durchgriffshaftung, S. 185 ff.; Meyer, S. 969 ff.; Wagner, in: FS Gerhardt, 2004, S. 1043, 1049 ff., jeweils m.w.N. 2 Dazu Lehmann, ZGR 1986, 345, 355; Halpern/Trebilcock/Turnbull, 30 U.Tor.L.J 117, 135 (1980); Posner, § 14.3 (S. 536); Bitter, Durchgriffshaftung, S. 170; Wagner, in: FS Gerhardt, 2004, S. 1043, 1049 f. 3 Dazu Bitter, Durchgriffshaftung, S. 182 ff.; Bitter, in: Bachmann/Casper/Schäfer/Veil, S. 57, 63 ff. m.w.N. und mit Modellrechnungen auf S. 68 ff.; s. auch Wagner, in: FS Gerhardt, 2004, S. 1043, 1049. 4 Der vom Gläubiger zu beanspruchende Festbetragsanspruch gegen die Gesellschaft setzt sich aus dem kreditierten Betrag zuzüglich eines festen Zinssatzes zusammen. 5 Ausführlich Bitter, Durchgriffshaftung, S. 190 ff.; Bitter, in: Bachmann/Casper/Schäfer/ Veil, S. 57, 74 ff. 6 Easterbrook/Fischel, 52 U.Chi.L.Rev. 89, 90 (1985); Adams, S. 31; Posner, § 14.4 (S. 540); Steffek, JZ 2009, 77, 78 f. m.w.N. 7 S. dazu die umfangreichen Modellrechnungen bei Bitter, in: Bachmann/Casper/Schäfer/ Veil, S. 57, 74 ff.

732

Bitter

§ 13

Juristische Person; Handelsgesellschaft

Ohne diesen hemmenden Faktor ist die Haftungsbeschränkung in der Gesell- 68 schaft mit beschränktem Gesellschafterkreis ökonomisch nicht zu rechtfertigen, weshalb es richtig erscheint, von den Gesellschaftern zu verlangen, sich in Gestalt einer angemessenen Eigenkapitalbeteiligung (vorrangig) an der Tragung des unternehmerischen Risikos zu beteiligen. Eine reine Spekulation auf Kosten der Gläubiger durch (fast) gar nicht am Risiko beteiligte Gesellschafter muss verhindert werden, soll die Haftungsbeschränkung nicht zu volkswirtschaftlichen Ineffizienzen führen. Eben deshalb ist entgegen der BGH-Rechtsprechung1 insbesondere eine echte Durchgriffshaftung bei materieller Unterkapitalisierung der GmbH zu befürworten (Rdnr. 138 ff.).

3. Systematisierung der Durchgriffsfragen Beim sog. „Durchgriff“ geht es jeweils um Fallkonstellationen, in denen bei der 69 Rechtsanwendung dadurch Probleme auftreten können, dass eine (nicht notwendig haftungsbeschränkte) Gesellschaft und ihre Gesellschafter im Rechtsverkehr als unabhängige Rechtssubjekte auftreten und daher getrennt Zuordnungsobjekt von Rechten und Pflichten sein können. Es kann sich dann die Frage stellen, ob den betreffenden Gesellschaftern in jedem Fall die Vorteile aus dieser Trennung belassen werden sollen oder ob nicht in bestimmten Konstellationen der Gesellschafter mit „seiner“ GmbH gleichgesetzt und damit – bildlich gesprochen – durch die GmbH hindurch auf den „hinter“ ihr stehenden Gesellschafter „durchgegriffen“ werden kann. Das angloamerikanische Recht spricht insoweit in anschaulicher Bildersprache davon, dass der den Rechtsträger schützende Schleier gehoben bzw. durchstoßen wird (lifting or piercing the corporate veil)2. Mit diesem Bild ist jedoch nicht viel für die juristische Bewältigung des zu- 70 grunde liegenden tatsächlichen Problems gewonnen. Es bedarf vielmehr einer Systematisierung der verschiedenen Durchgriffsfragen und -tatbestände. Dabei erscheint in einem ersten Schritt die von Wiedemann3 eingeführte Unterscheidung zwischen Zurechnungsdurchgriff und Haftungsdurchgriff sinnvoll, die in der Literatur breite Gefolgschaft gefunden hat4, allerdings nicht dahingehend verstanden werden darf, dass hierdurch eine scharfe Grenzziehung zwischen zwei Rechtsinstituten mit getrenntem Regelungsgehalt gezogen wird5.

1 BGHZ 176, 204 = ZIP 2008, 1232 = NJW 2008, 2437 = GmbHR 2008, 805 – „Gamma“; nachdrücklich zustimmend Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, § 5 Rdnr. 6, § 13 Rdnr. 47. 2 Dazu Hofstetter, S. 142 ff.; kritisch zu dieser Begrifflichkeit Raiser, in: FS Lutter, 2000, S. 637, 641; s. auch Blaurock, in: FS Stimpel, 1985, S. 553, 563 f. 3 Wiedemann, GesR I, § 4 III, S. 220 ff. 4 Z.B. bei Emmerich,10. Aufl., Rdnr. 68 ff., 76 ff.; Raiser, in: Ulmer, Rdnr. 67; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 10, 15; Pentz, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 122; Windbichler, GesR, § 24 Rdnr. 27; Raiser/Veil, Kapitalgesellschaften, § 29 Rdnr. 1; Raiser, in: FS Lutter, 2000, S. 637, 638; Ehricke, AcP 199 (1999), 257, 258; früher schon Mertens, in: Hachenburg, Rdnr. 32, 38; vgl. zum Ganzen auch Rehbinder, in FS Kübler, 1997, S. 493, 496 f. 5 Vgl. Mertens, in: Hachenburg, Rdnr. 38; ferner Raiser, in: Ulmer, Rdnr. 74.

Bitter

733

§ 13

Juristische Person; Handelsgesellschaft

71

Unter dem Begriff des Zurechnungsdurchgriffs werden Gestaltungen zusammengefasst, in denen es um die jeweilige Gesetzes- oder Vertragsauslegung (Normanwendung) im Einzelfall, also um die Frage geht, inwieweit Gesellschaft und Gesellschafter als Adressat bestimmter gesetzlicher Normen oder vertraglicher Pflichten in Betracht kommen, wobei die Mitgliedschaft des Gesellschafters in der Gesellschaft die entsprechende Auslegung beeinflusst1. Dabei geht es – wie nicht deutlich genug betont werden kann – nicht um ein Spezifikum der juristischen Personen. Vielmehr können sich Fragen der Zurechnung zwischen Gesellschaft und Gesellschafter auch bei Personengesellschaften stellen und dort auch bei den unbeschränkt persönlich haftenden Gesellschaftern relevant werden2. So stellt sich z.B. auch für den Komplementär einer KG die Frage, ob ein mit der Gesellschaft vereinbartes Wettbewerbsverbot auf ihn zu beziehen ist (vgl. zu diesem Fall des Zurechnungsdurchgriffs Rdnr. 81 ff.) oder ob die KG eine Maklerprovision für ein mit ihm vermitteltes Geschäft verlangen darf (vgl. zu diesem Fall Rdnr. 84). Da es insoweit um Gesetzes- oder Vertragsauslegung im Einzelfall geht, ist der Zurechnungsdurchgriff weitgehend von den Schwierigkeiten der sehr grundsätzlich geführten, in erster Linie die Haftungsfragen betreffenden Durchgriffsdebatte frei. Er wird deshalb in dieser Kommentierung zunächst abgehandelt (Rdnr. 75 ff.).

72

In Bezug auf die problematischeren Haftungsfragen erscheint – insbesondere aus prozesstaktischer Sicht – eine Systematisierung nach der Frage sinnvoll, wer Anspruchssteller und wer Anspruchsgegner eines bestimmten Haftungsansatzes ist. Dabei ist im Hinblick auf den Anspruchssteller zu unterscheiden zwischen einer – zumeist nur den Geschäftsführer, nicht den Gesellschafter3 treffenden – Innenhaftung, bei der die Gesellschaft Inhaberin des Anspruchs ist (vgl. insbes. §§ 43, 64), und einer Außenhaftung direkt gegenüber den Gesellschaftsgläubigern4.

73

Im Rahmen der Außenhaftung ist sodann dogmatisch zwischen der „echten“ Durchgriffshaftung und dem sog. „unechten“ Durchgriff zu trennen5. Während es bei dem erstgenannten Ansatz um eine mit gesellschaftsrechtlichen Erwägungen begründete unmittelbare Durchbrechung des Haftungsprivilegs unter Rückgriff auf die eigentlich nur im Recht der Personengesellschaften geltende Haftungsnorm des § 128 HGB geht (dazu Rdnr. 110 ff., insbes. Rdnr. 126 f.), haftet der Gesellschafter(-Geschäftsführer) beim „unechten“ Durchgriff zwar eben1 S. die Zusammenstellungen der Einzelfälle bei Raiser, in: Ulmer, Rdnr. 83 ff.; Pentz, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 146 ff.; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 14 f.; Karsten Schmidt, GesR, § 9 III (S. 226 ff.); Wiedemann, GesR I, § 4 III 2 (S. 228 ff.); Windbichler, GesR, § 24 Rdnr. 32 f.; Raiser/Veil, Kapitalgesellschaften, § 29 Rdnr. 5 ff.; Geißler, GmbHR 1993, 71, 73 f.; Rehbinder, in: FS Kübler, S. 493, 504 ff.; Bitter, Durchgriffshaftung, S. 95 f. m.w.N. 2 So zutreffend Karsten Schmidt, GesR, § 9 I 2 (S. 219 f.). 3 Eine Innenhaftung des Gesellschafters befürwortet der BGH in Fällen der Existenzvernichtung (dazu Rdnr. 152 ff., insbes. Rdnr. 158 ff.). 4 S. dazu die umfassende Darstellung der Haftungstatbestände bei Bitter, ZInsO 2010, 1505 ff. (Innenhaftung), 1561 ff. (Außenhaftung). 5 S. aber auch Raiser, in: FS Lutter, 2000, S. 637, 638, der mit gewissem Recht darauf hinweist, dass sich beide Alternativen bei der Anwendung zivilrechtlicher Generalklauseln, insbesondere bei § 826 BGB, überlagern.

734

Bitter

§ 13

Juristische Person; Handelsgesellschaft

falls persönlich, jedoch nicht für eine Verbindlichkeit der Gesellschaft, sondern für eine eigene Verbindlichkeit, die aber im Zusammenhang mit dem Tätigwerden für die GmbH begründet wurde. Bisweilen wird auch gesagt, der „unechte“ Durchgriff sei in Wahrheit überhaupt kein Fall des Durchgriffs, eben weil der Gesellschafter aus einer eigenständigen Anspruchsgrundlage haftet1. Entsprechend kann auch dieser Teil der Debatte, der heute weitgehend unstreitig ist, abgeschichtet werden (unten Rdnr. 90 ff.). Im Hinblick auf den Anspruchsgegner ist sauber zu unterscheiden, ob eine „hin- 74 ter“ der GmbH stehende Person in ihrer Eigenschaft als Geschäftsführer oder Gesellschafter in Anspruch genommen wird2. Für den typischen Allein-Gesellschafter-Geschäftsführer in der Einpersonen-GmbH (§ 1 Rdnr. 26 ff.) mag es zwar im Ergebnis keinen Unterschied machen, auf welche seiner beiden Positionen die Haftung gestützt wird. Hat die GmbH hingegen einen Fremdgeschäftsführer, ist die Frage des richtigen Haftungsadressaten auch praktisch bedeutsam. Um eine Durchbrechung der in § 13 Abs. 2 angeordneten Haftungsbeschränkung kann es im Grundsatz nur bei einer Haftung des Gesellschafters gehen. Diese ist insbesondere dann problematisch und umstritten, wenn für einen derartigen Haftungsdurchgriff keine eigenständige Anspruchsgrundlage vorhanden ist, sondern die haftungsbeschränkende Norm des § 13 Abs. 2 im Wege einer teleologischen Reduktion durchbrochen wird (dazu Rdnr. 110 ff., insbes. Rdnr. 126 f.). Allerdings kann der mit Haftungssanktionen intendierte (präventive) Gläubigerschutz auch dadurch erreicht werden, dass der Geschäftsführer in die Pflicht genommen, er insbesondere durch eine Haftungsandrohung – wie in § 43 Abs. 3 – von Verlagerungen des Vermögens in die Gesellschaftersphäre abgehalten wird (vgl. dazu 10. Aufl., § 43 Rdnr. 268 ff.). Der mit dem MoMiG neu eingeführte § 64 Satz 3 (dazu 10. Aufl., § 64 Rdnr. 64 ff.) hat insoweit noch einmal das Haftungsgefüge zu Lasten des Geschäftsführers verschoben3.

VII. Zurechnungsdurchgriff In den verschiedensten Bereichen des Rechts kann die Verbindung zwischen ei- 75 nem Gesellschafter und „seiner“ Gesellschaft Anknüpfungspunkt von Zurechnungsfragen sein, die Eigenschaft als Gesellschafter also die Anwendung oder Auslegung einer bestimmten Norm oder einer vertraglichen Pflicht beeinflussen (Zurechnungsdurchgriff i.S. von Rdnr. 70 f.). So führt etwa die gesellschaftsrechtliche Verbindung im Insolvenzanfechtungsrecht zu einer erweiterten Anfechtungsmöglichkeit unter dem Gesichtspunkt der nahestehenden Person i.S. von § 138 Abs. 1 Nr. 4 und Abs. 2 InsO, so kann die Gewährung von Darlehen durch eine Gesellschaft, an der ein Gesellschafter maßgeblich beteiligt ist, als „wirtschaftlich“ einem Gesellschafterdarlehen entsprechende Rechtshandlung i.S. von § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO anzusehen sein (s. zum alten Recht 10. Aufl., §§ 32a, 32b Rdnr. 147 ff.) und so wird die gewerberechtliche Zuverlässigkeit ei1 In diesem Sinne Karsten Schmidt, GesR, § 9 IV 1b (S. 233 f.); Nirk, in: FS Stimpel, 1985, S. 443, 449. 2 Dazu auch Wiedemann, ZGR 2003, 283, 290 f.; Steffek, JZ 2009, 77, 79. 3 Dazu kritisch Raiser, in: FS Priester, 2007, S. 619, 630; Wiedemann, in: FS Lüer, 2008, S. 337, 342; Strohn, ZHR 173 (2009), 589, 589 ff.; allgemein auch Karsten Schmidt, GmbHR 2008, 449 ff. („GmbH-Reform auf Kosten der Geschäftsführer?“).

Bitter

735

§ 13

Juristische Person; Handelsgesellschaft

ner Gesellschaft durch die Eigenschaften der an ihr beteiligten Personen beeinflusst. Die Vielzahl solcher im Gesetz ausdrücklich oder implizit angelegten oder erst im Wege der Interpretation von Rechtsprechung und Lehre hineingelesenen Zurechnungen macht es unmöglich, sie an dieser Stelle vollständig zusammenzutragen1. Die Kommentierung beschränkt sich daher auf einige wichtige Fälle, zumal es – wie in Rdnr. 71 ausgeführt – beim Zurechnungsdurchgriff ohnehin nicht um ein Spezifikum von haftungsbeschränkten Gesellschaften wie der GmbH geht.

1. Wissenszurechnung bei arglistiger Täuschung 76

Da die Gesellschaft – ein juristisches Konstrukt – nicht selbst, sondern nur durch ihre Organe handeln kann, wird ihr deren Wissen gemäß § 166 Abs. 1 BGB und das Verhalten gemäß § 31 BGB zugerechnet2. Dabei geht es jedoch noch nicht um Durchgriffsfragen3, weil Anknüpfungspunkt jener Zurechnungsnormen nicht das Handeln eines Gesellschafters, sondern eines Organs – bei der GmbH insbesondere des Geschäftsführers – ist (vgl. Rdnr. 74).

77

Eine Identifikation des Gesellschafters mit „seiner“ GmbH steht vielmehr dann in Rede, wenn der Geschäftsführer als Organ der GmbH gerade nicht das gemäß § 166 Abs. 1 BGB grundsätzlich zurechenbare Wissen besitzt, wohl aber der Gesellschafter, der „hinter“ der GmbH steht. Relevant wird dies, wenn der Alleingesellschafter einer GmbH, der nicht zugleich Geschäftsführer ist, einen Geschäftspartner der GmbH arglistig täuscht und diesen so zu einem Geschäftsabschluss mit der GmbH bewegt, diese aber beim Vertragsabschluss nicht durch den täuschenden Gesellschafter, sondern einen ahnungslosen Geschäftsführer vertreten wird. Mit § 166 Abs. 1 BGB lässt sich eine Wissenszurechnung dann nicht begründen, gerade weil die Täuschung nicht durch den als Vertreter der GmbH auftretenden (Fremd-)Geschäftsführer verübt wurde. Gleichwohl erscheint es unbillig, die Anfechtbarkeit des Geschäfts abzulehnen und so dem täuschenden Alleingesellschafter über seine (alleinige) Gewinnbeteiligung den Vorteil seiner Täuschung zu belassen. Er kann sich deshalb nicht darauf berufen, Dritter i.S. von § 123 Abs. 2 BGB zu sein, wenn der irregeführte Vertragspartner das mit dem Geschäftsführer abgeschlossene Geschäft anfechten möchte4.

2. Gutgläubiger Erwerb 78

Um ein vergleichbares Normanwendungsproblem geht es, wenn der Alleingesellschafter ein fälschlicherweise auf seinen Namen eingetragenes Grundstück oder einen sonstigen ihm nicht gehörenden Gegenstand an „seine“ GmbH 1 Sehr umfassend Wiedemann, GesR I, § 4 III 2 (S. 229 ff.); s. auch die Nachw. oben Rdnr. 71. 2 Dazu Raiser, in: Ulmer, Rdnr. 25 ff. 3 Anders wohl Emmerich, 10. Aufl., Rdnr. 71 f. 4 Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 15; Reuter, in: MünchKomm. BGB, 6. Aufl. 2012, vor § 21 BGB Rdnr. 30; Geißler, GmbHR 1993, 71, 73; Kuhn, in: FS Heusinger, 1968, S. 203, 208; Erlinghagen, GmbHR 1962, 169, 170; Hofmann, NJW 1966, 1941, 1942; Rehbinder, in: FS Kübler, 1997, S. 493, 506; vgl. auch BGH, NJW 1990, 1915 = GmbHR 1990, 164.

736

Bitter

§ 13

Juristische Person; Handelsgesellschaft

veräußert oder umgekehrt. Die Möglichkeit eines gutgläubigen Erwerbs nach §§ 892, 932 BGB wird in solchen Fällen mit dem Hinweis darauf verneint, dass es sich bei dem Geschäft zwischen Gesellschaft und Gesellschafter nicht um ein Verkehrsrechtsgeschäft handele1. Da letztlich das ganze positive Vermögen der GmbH dem oder den Gesellschaftern gebührt, wäre es nicht gerechtfertigt, dem wahren Eigentümer seine Rechtsposition aus Gründen des – den Gutglaubenserwerb allein rechtfertigenden – Verkehrsschutzes zu entziehen, obwohl bei einer derartigen Veräußerung wirtschaftlich gesehen gar kein Rechtsübergang stattgefunden hat, vielmehr wirtschaftlich gesehen die gleiche(n) Person(en) auf beiden Seiten des Geschäfts stehen. Problematisch wird der Zurechnungsdurchgriff zwischen Gesellschafter- und 79 Gesellschaftssphäre allerdings, wenn es an einer vollständigen wirtschaftlichen Personenidentität auf Erwerber- und Veräußererseite fehlt. Dann nämlich ist die Frage zu entscheiden, ob im Interesse der nicht auf beiden Seiten wirtschaftlich beteiligten Person der gutgläubige Erwerb zuzulassen ist oder das Verkehrsschutzinteresse dieser Person deshalb zurückzutreten hat, weil jedenfalls andere, ggf. mehrheitlich beteiligte Personen, nicht schutzwürdig erscheinen. Da der gutgläubige Erwerb bei fehlender Personenidentität die gesetzliche Regel ist und diese Regel allein im Hinblick auf eine wirtschaftliche Identität durchbrochen wird, muss sich der Verkehrsschutz des Erwerbers schon dann gegenüber dem Bestandsschutzinteresse des wahren Eigentümers durchsetzen, wenn mindestens eine Person wirtschaftlich nicht auf beiden Seiten steht2. Dieser einen Person lässt sich nämlich die Schutzwürdigkeit nicht deshalb absprechen, weil sie anderen Personen, den Mitgesellschaftern, fehlt3. Allerdings sollte man darüber nachdenken, ob nicht gegenüber den auf beiden Seiten wirtschaftlich beteiligten und damit nicht schutzwürdigen Personen ein schuldrechtlicher Ausgleichsanspruch des benachteiligten Eigentümers anzuerkennen ist. Ein Fehlen der wirtschaftlichen Personenidentität ist allerdings dann nicht an- 80 zuerkennen, wenn die zusätzlichen Erwerber ihrerseits nur Treuhänder (Strohmänner) der Gesellschafter sind4. Aufgrund des Treuhandverhältnisses halten sie dann nämlich ihre Vermögensposition wiederum nur „wirtschaftlich“ für 1 BGHZ 173, 71, 77 = NJW 2007, 3204 = MDR 2007, 1362 Rdnr. 22 m.w.N.; Gursky, in: Staudinger, 2008, § 892 BGB Rdnr. 107 ff. m.w.N.; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/ Hueck, Rdnr. 15; Karsten Schmidt, GesR, § 9 III 2d (S. 230); Raiser/Veil, Kapitalgesellschaften, § 29 Rdnr. 12; Geißler, GmbHR 1993, 71, 73 f.; Kuhn, in: FS Heusinger, 1968, S. 203, 207 f.; Erlinghagen, GmbHR 1962, 169, 170; Hofmann, NJW 1966, 1941, 1942; Rehbinder, in: FS Kübler, 1997, S. 493, 508; Wiedemann, WM-Beilage 4/1975, S. 23; vgl. auch RGZ 143, 202, 207; RGZ 119, 126, 128 ff.; RGZ 126, 46, 48; BGHZ 78, 318, 325. 2 So die h.M.; vgl. BGH, ZIP 1996, 688, 690; BGHZ 173, 71, 77 = NJW 2007, 3204 = MDR 2007, 1362 Rdnr. 22; Gursky, in: Staudinger, 2008, § 892 BGB Rdnr. 108 ff. mit umfassenden Nachweisen zu z.T. differenzierenden Ansichten; ferner Reuter, in: MünchKomm. BGB, 6. Aufl. 2012, vor § 21 BGB Rdnr. 27 f.; s. zum gutgläubigen Erwerb einer Sacheinlage von einem Gesellschafter auch BGH, NJW-RR 2003, 170, 171. 3 S. aber auch die vom RG, RGZ 143, 202, 207, „jedenfalls für den Bereich des § 14 AufwNov“ befürwortete Einschränkung für den Fall, dass nur 1/30 der Geschäftsanteile einem Dritten gehörten, der in jenem Fall aber der minderjährige Sohn des Hauptgesellschafters war und von diesem vertreten wurde. 4 Ebenso Emmerich, 10. Aufl., Rdnr. 74a; Gursky, in: Staudinger, BGB, 2008, § 892 BGB Rdnr. 111 m.w.N.

Bitter

737

§ 13

Juristische Person; Handelsgesellschaft

die Treugeber1, so dass auf diesem Weg die wirtschaftliche Identität auf Veräußerer- und Erwerberseite doch hergestellt ist.

3. Reichweite eines Wettbewerbsverbots 81

Aus dem Bereich der Vertragsauslegung ist insbesondere auf die Frage hinzuweisen, ob ein von der Gesellschaft eingegangenes Wettbewerbsverbot nach dem konkreten Zweck der Verpflichtung auch die Gesellschafter trifft oder umgekehrt ein den Gesellschafter treffendes Wettbewerbsverbot auch dann verletzt ist, wenn das Konkurrenzgeschäft von einer Gesellschaft betrieben wird, an der der Gesellschafter beteiligt ist2.

82

Im Zweifel ist ein Gesellschafter, der einem Wettbewerbsverbot unterliegt, gehalten, im Rahmen seiner rechtlichen Einflussmöglichkeiten auch einen Wettbewerb durch eine Gesellschaft zu verhindern, an der er beteiligt ist3. Dies gilt insbesondere für einen Mehrheitsgesellschafter, der zugleich Geschäftsführer jener Gesellschaft ist4. Aber auch bei fehlender Mehrheitsbeteiligung und/oder Geschäftsführung kann der Gesellschafter ggf. verpflichtet sein, seinen in der Gesellschaft betriebenen Wettbewerb einzustellen5, notfalls durch Austritt aus jener Gesellschaft. Adressat des Wettbewerbsverbots bleibt allerdings in aller Regel der Gesellschafter selbst, während die Konkurrenz betreibende Gesellschaft jedenfalls dann nicht unmittelbar auf Unterlassung in Anspruch genommen werden kann, wenn an ihr noch andere, nicht durch das Wettbewerbsverbot gebundene Gesellschafter beteiligt sind. Dann nämlich würde ein vertragliches Wettbewerbsverbot einen Vertrag zu Lasten Dritter – der Gesellschaft – darstellen6. Zudem dürfte auch die Ausdehnung eines gesetzlichen Wettbewerbsverbots wie § 112 HGB auf eine Gesellschaft, an der außenstehende Dritte als Gesellschafter beteiligt sind, nicht in Betracht kommen.

83

Der Zweck eines Vertrags, mit dem sich eine Gesellschaft zur Unterlassung von Wettbewerb verpflichtet hat, dürfte in der Regel ebenfalls durchkreuzt werden, wenn die Gesellschafter den Wettbewerb sodann in eigener Person oder mittels einer anderen neu gegründeten Gesellschaft betreiben7. Ferner trifft das gesetzli-

1 Umfassend zum Außenrecht der Verwaltungstreuhand Bitter, Rechtsträgerschaft für fremde Rechnung, 2006, zum „wirtschaftlichen Eigentum“ des Treugebers insbes. S. 22 ff., 265 ff. 2 Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 14; Reuter, in: MünchKomm. BGB, 6. Aufl. 2012, vor § 21 BGB Rdnr. 26; Rehbinder, in: FS Kübler, 1997, S. 493, 513 f.; Rehbinder, in: FS R. Fischer, 1979, S. 579, 600; Kuhn, in: FS Heusinger, 1968, S. 203, 208; Hofmann, NJW 1966, 1941, 1942; Wiedemann, WM-Beilage 4/1975, S. 21. 3 Reuter, in MünchKomm. BGB, 6. Aufl. 2012, vor § 21 BGB Rdnr. 26; für eine GbR BGH, MDR 1978, 904 = GmbHR 1978, 175 (Leitsatz). 4 S. für eine GmbH insbesondere BGH, NJW 1978, 1001; s. für eine KG auch BGH, BB 1974, 482 = WM 1974, 482. 5 Dazu Rehbinder, in: FS R. Fischer, 1979, S. 579, 600. 6 Zutreffend Reuter, in: MünchKomm. BGB, 6. Aufl. 2012, vor § 21 BGB Rdnr. 26. 7 So für den Fall zweier Kommanditgesellschaften mit identischem Gesellschafterkreis BGHZ 59, 64 = WM 1972, 882; ebenso BGH, BB 1975, 1037 für den Fall, dass in die neue KG ein weiterer Kommanditist aufgenommen wird.

738

Bitter

§ 13

Juristische Person; Handelsgesellschaft

che Wettbewerbsverbot des § 112 HGB auch den (Allein-)Gesellschafter der Komplementär-GmbH1.

4. Maklerprovision (§ 652 BGB) Im Grenzbereich zwischen Vertragsauslegung und Normanwendung2 sind die 84 sog. Maklerfälle angesiedelt. Der Makler erhält seine Provision für der Vermittlung eines Geschäftes mit einem Dritten (§ 652 BGB). Deshalb wird keine Vermittlungsprovision fällig, wenn der Makler das Geschäft selbst abschließt. Vermittelt nun die Gesellschaft ein Geschäft mit ihrem Hauptgesellschafter oder umgekehrt, so kann eine Maklerprovision ebenfalls nicht verlangt werden, da aufgrund der wirtschaftlichen Identität von Gesellschaft und Gesellschafter nicht von einer Nachweis- oder Vermittlungstätigkeit im Sinne des § 652 BGB gesprochen werden kann3.

5. Zurechnung von Eigenschaften Um eine Frage der Auslegung im Einzelfall geht es auch, wenn gesetzliche Nor- 85 men auf bestimmte Eigenschaften einer Person abstellen und insoweit zu beurteilen ist, ob die Eigenschaften der Gesellschafter der Gesellschaft zuzurechnen sind4. Solche Zurechnungsfragen sind teilweise im Gesetz selbst angelegt, wenn etwa § 116 Satz 1 Nr. 2 ZPO die Gewährung von Prozesskostenhilfe für eine juristische Person davon abhängig macht, dass nicht nur diese, sondern auch die „am Gegenstand des Rechtsstreits wirtschaftlich Beteiligten“ mittellos sind5. Wirtschaftlich beteiligt in diesem Sinne sind bei der GmbH insbesondere deren Gesellschafter6. Sind diese also nicht mittellos, wird auch der GmbH keine Prozesskostenhilfe gewährt. Bedeutsam kann die Zurechnung auch bei einem Irrtum über verkehrswesentli- 86 che Eigenschaften i.S. von § 119 Abs. 2 BGB sein. Gerade hier zeigt sich allerdings deutlich, dass es beim sog. Zurechnungsdurchgriff gar nicht um Spezifika der juristischen Person, ja nicht einmal um das besondere Verhältnis zwischen Gesellschaft und Gesellschafter geht. Wie nämlich schon das RG im Jahr 1934 klar gemacht hat, können für die Frage, ob der mit einer Gesellschaft abge1 BGHZ 89, 162, 165 – „Heumann-Ogilvy“. 2 So zutreffend Karsten Schmidt, GesR, § 9 III 2a (S. 228 f.); demgegenüber gehen Hueck/ Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 14 wohl von einem Fall reiner Vertragsauslegung aus. 3 Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 14; Karsten Schmidt, GesR, § 9 III 2a (S. 228 f.); Geißler, GmbHR 1993, 71, 73; Rehbinder, in: FS Kübler, 1997, S. 493, 504; Wiedemann, WM-Beilage 4/1975, S. 22; ausführlich Raiser, in: Ulmer, Rdnr. 93 ff.; vgl. auch BGH, NJW 1971, 1839 f. (90 % Beteiligung); BGH, NJW 1973, 1649 f. (wirtschaftlich erhebliche Mitbeteiligung); BGH, NJW 1985, 2473 (wirtschaftliche Identität aufgrund enger Verflechtung); BGH, MDR 1992, 562 = NJW 1992, 2818 m. Anm. Dehmer, NJW 1993, 2225 f. 4 Dazu Emmerich, 10. Aufl., Rdnr. 73; Reuter, in: MünchKomm. BGB, 6. Aufl. 2012, vor § 21 BGB Rdnr. 29; Raiser/Veil, Kapitalgesellschaften, § 29 Rdnr. 9; Raiser, in: Ulmer, Rdnr. 86 in Fn. 172. 5 Dazu auch Reuter, in: MünchKomm. BGB, 6. Aufl. 2012, vor § 21 BGB Rdnr. 29. 6 Geimer, in: Zöller, 29. Aufl. 2012, § 116 ZPO Rdnr. 22.

Bitter

739

§ 13

Juristische Person; Handelsgesellschaft

schlossene Vertrag vom Vertragspartner nach § 119 Abs. 2 BGB angefochten werden kann, nicht nur Eigenschaften des Gesellschafters, sondern ebenso auch Eigenschaften des Geschäftsführers bedeutsam sein, wenn sie für den Vertragsschluss erheblich waren1. Hier geht es also – nicht anders als bei der gewerberechtlichen Zuverlässigkeit einer Gesellschaft (Rdnr. 75) – ganz allgemein um die Frage, auf welche natürliche/n Person/en abzustellen ist, wenn es um die Beurteilung von Eigenschaften geht, die eine für sich nicht handlungsfähige juristische Person gar nicht haben kann.

6. Bauhandwerkersicherungshypothek (§ 648 BGB) 87

Sind die Gesellschafter einer GmbH Eigentümer eines Grundstücks und beauftragt die GmbH einen Unternehmer mit der Errichtung eines Bauwerks auf diesem Grundstück, kann sich die Frage ergeben, ob der Unternehmer trotz der „formalen“ Trennung zwischen Besteller (GmbH) und Eigentümer des Grundstücks (Gesellschafter) die Bestellung einer Sicherungshypothek an dem Baugrundstück verlangen kann2. Weil es bei dieser Frage der Auslegung des Bestellerbegriffs in § 648 BGB letztlich um Haftungsfragen, nämlich darum geht, ob auf das Privatvermögen der Gesellschafter – hier im Wege der Sicherung – zur Befriedigung der Gesellschaftsverbindlichkeit zurückgegriffen werden kann3, sollte sie ähnlich zurückhaltend beurteilt werden wie der an späterer Stelle zu kommentierende Haftungsdurchgriff (Rdnr. 110 ff.).

88

Haften die Gesellschafter im Einzelfall ohnehin aufgrund eines besonderen Verpflichtungsgrundes (insbesondere Bürgschaft; vgl. Rdnr. 90 ff.) oder im Wege der Durchgriffshaftung (Rdnr. 110 ff.) für die Verbindlichkeit der GmbH, sollte man wegen der dann ohnehin schon aufgehobenen Haftungstrennung zwischen Gesellschafts- und Gesellschaftersphäre auch einen Anspruch gemäß § 648 BGB bejahen4. Liegt ein solcher Sonderfall hingegen nicht vor, hat es auch im Hinblick auf die Bauhandwerkersicherung bei dem Grundsatz zu bleiben, dass das Gesellschaftervermögen nicht für die Verbindlichkeiten der GmbH haftet, Gesellschaft und Gesellschafter also als zwei verschiedene Rechtspersonen zu betrachten sind. Das gilt übrigens auch im umgekehrten Fall, in dem die GmbH Eigentümerin eines Grundstücks ist und der Bauauftrag von deren Gesellschaftern erteilt wird. Ein „Zurechnungsdurchgriff“ im Rahmen des § 648 BGB ginge in diesem Fall zu Lasten der GmbH-Gläubiger, denen das Vermögen der Gesellschaft vorrangig vor den Gesellschaftergläubigern als Haftungsmasse zusteht.

89

Diese grundsätzliche haftungsrechtliche Trennung der beiden Vermögenssphären schließt es freilich nicht aus, dass im Einzelfall besondere Umstände vorlie-

1 RGZ 143, 429, 431. 2 Dazu Raiser, in: Ulmer, Rdnr. 91; Rehbinder, in: FS R. Fischer, 1979, S. 579, 589 f.; Wilhelm, S. 369 ff. 3 Rehbinder, in: FS Fischer, 1979, S. 579, 590 spricht von „dinglich beschränkter Mithaftung“. 4 In diesem Sinne auch BGHZ 102, 95, 102 f. = NJW 1988, 255, 257 = ZIP 1988, 244, 246; OLG Hamm, NJW-RR 1989, 1105; OLG Hamm, BauR 2007, 721; Raiser/Veil, Kapitalgesellschaften, § 29 Rdnr. 13.

740

Bitter

§ 13

Juristische Person; Handelsgesellschaft

gen, die die Berufung des Grundstückseigentümers auf die rechtliche Trennung als Verstoß gegen Treu und Glauben (§ 242 BGB) erscheinen lässt1.

VIII. „Unechter“ Haftungsdurchgriff Schrifttum: Bitter, Haftung von Gesellschaftern und Geschäftsführern in der Insolvenz ihrer GmbH, ZInsO 2010, 1561.

Als „unechten“ Haftungsdurchgriff bezeichnet man eine Haftung des Gesell- 90 schafters für die Gesellschaftsverbindlichkeiten aufgrund einer eigenständigen Haftungsgrundlage (zur Systematisierung s. oben Rdnr. 73). Eine solche Haftung kann vertraglicher oder deliktischer Natur sein oder sich aus einer Rechtsscheinshaftung ergeben. Die verschiedenen, dem allgemeinen Zivilrecht entstammenden Haftungsgründe sollen an dieser Stelle nur insoweit dargestellt werden, wie Anknüpfungspunkt der Haftung die Eigenschaft als Gesellschafter der GmbH ist, während die an die Geschäftsführereigenschaft anknüpfenden Haftungsansätze in der Kommentierung zu § 43 dargestellt werden (vgl. 10. Aufl., § 43 Rdnr. 307 ff.)2.

1. Vertragshaftung a) Bürgschaft Eine eigenständige Haftung des Gesellschafters für die Gesellschaftsverbindlich- 91 keiten kann sich in der Praxis insbesondere daraus ergeben, dass er sich für eine Verbindlichkeit der Gesellschaft persönlich verbürgt (§§ 765 ff. BGB). Die Bürgschaft ist eine akzessorische Sicherheit (vgl. § 767 BGB), d.h., die Haftung des Bürgen ist in Höhe und Bestand von der Hauptverbindlichkeit (des Gläubigers gegenüber der GmbH) abhängig. Zudem haftet der Bürge grundsätzlich nur subsidiär, also erst, wenn der Gläubiger erfolglos versucht hat, den Hauptschuldner in Anspruch zu nehmen (Einrede der Vorausklage nach § 771 BGB). Aufgrund von § 773 Abs. 1 Nr. 3 BGB steht dem bürgenden Gesellschafter die Einrede der Vorausklage allerdings nicht zu, wenn über das Vermögen des Hauptschuldners – d.h. der GmbH – das Insolvenzverfahren eröffnet wurde. Auch außerhalb der Insolvenz ist die subsidiäre Haftung des Bürgen meist aus- 92 geschlossen, denn auf die Einrede der Vorausklage kann der Bürge verzichten (sog. selbstschuldnerische Bürgschaft gemäß § 773 Abs. 1 Nr. 1 BGB; bei Bürgschaften gegenüber Banken üblich). Ein Ausschluss der Einrede der Vorausklage kommt zudem nach § 349 HGB in Betracht, wenn der Bürge Kaufmann und die Bürgschaft für ihn ein Handelsgeschäft ist. Ohne weiteres kann dies bejaht werden, wenn die Muttergesellschaft sich für ihre Tochter verbürgt. Ist der Gesellschafter jedoch eine natürliche Person, so ist dieser weder als Gesellschafter noch 1 BGHZ 102, 95, 100 ff. = NJW 1988, 255, 256 f. = ZIP 1988, 244, 246; OLG Hamm, NJWRR 1989, 1105; OLG Naumburg, NJW-RR 2000, 311, 312; OLG Celle, NJW-RR 2003, 236 = MDR 2003, 504; OLG Hamm, BauR 2007, 721; sehr restriktiv OLG Frankfurt, OLGR 2001, 261 = MDR 2001, 1405 f.; OLG Schleswig, OLGR 2000, 158 = BauR 2000, 1377. 2 S. für eine umfassende Darstellung aller an die Gesellschafter- und Geschäftsführereigenschaft anknüpfenden Haftungsansätze im Rahmen des „unechten“ Durchgriffs Bitter, ZInsO 2010, 1561 ff.

Bitter

741

§ 13

Juristische Person; Handelsgesellschaft

als Geschäftsführer Kaufmann i.S. des § 1 HGB, so dass jedenfalls eine direkte Anwendung des § 349 HGB nicht in Betracht kommt. Eine analoge Anwendung wird z.T. befürwortet, soweit der Gesellschafter zugleich geschäftsführend tätig ist1, von der h.M. jedoch nicht in Betracht gezogen oder ausdrücklich abgelehnt2. Im gleichen Sinne ist die Bürgschaft eines GmbH-Gesellschafters nach h.M. auch nicht gemäß § 350 HGB von der Schriftform des § 766 BGB frei3. b) Schuldbeitritt 93

Eine in ihrer Funktion und wirtschaftlichen Bedeutung der Bürgschaft vergleichbare Personalsicherheit ist der Schuldbeitritt. Im Gegensatz zum Bürgen haftet der Schuldbeitretende nicht akzessorisch, sondern gleichrangig neben dem Schuldner der Forderung. Da der Schuldbeitritt formfrei, die Bürgschaft eines GmbH-Gesellschafters hingegen nach § 766 BGB formbedürftig ist (Rdnr. 92), besteht bei mündlichen Erklärungen des Gesellschafters, für die Verbindlichkeiten der GmbH einzustehen, ein Interesse des Gläubigers, diese Erklärung als Schuldbeitritt auszulegen. Der BGH hat diesbezüglich entschieden, dass bei der Abgrenzung von Schuldbeitritt und Bürgschaft das eigene wirtschaftliche (oder auch rechtliche) Interesse des sich verpflichtenden Vertragspartners daran, dass die Verbindlichkeit des Schuldners getilgt wird, ein wichtiger Anhaltspunkt für das Vorliegen des Schuldbeitritts sein kann: Bei einem die Vertragsverhandlungen führenden Geschäftsführer, der zugleich auch – ggf. dominierender – Gesellschafter der GmbH ist, wird daher eher anzunehmen sein, dass er sich parallel zu „seiner“ GmbH im Wege des Schuldbeitritts mitverpflichten will, als bei einem Fremdgeschäftsführer4.

2. Vertrauenshaftung a) Rechtsscheinhaftung wegen fehlenden Rechtsformzusatzes 94

Eine eigenständige Mithaftung für die Verbindlichkeiten der GmbH kommt ferner in Betracht, wenn im Rahmen geschäftlicher Verhandlungen nicht offenbart wird, dass Verhandlungs- und Vertragspartner eine haftungsbeschränkte GmbH ist, insbesondere bei schriftlichen Vertragsschlüssen der Rechtsformzusatz i.S. von § 4 entgegen § 35a nicht geführt wird (näher § 4 Rdnr. 53 ff.)5. Die Haftung aufgrund des hierdurch veranlassten Rechtsscheins unbeschränkter Haftung 1 Karsten Schmidt, in: MünchKomm. HGB, 2. Aufl. 2009, § 349 HGB Rdnr. 5 und § 350 HGB Rdnr. 10 f.; ähnlich Canaris, HandelsR, 24. Aufl. 2006, § 24 Rdnr. 13 (S. 370) zu § 350 HGB. 2 S. die zu § 350 HGB in der Folgefußnote angeführte Rechtsprechung und Literatur sinngemäß. 3 Vgl. BGH, ZIP 1986, 1457; BGHZ 121, 224, 228 = NJW 1993, 1126 = JR 1993, 318 m. Anm. Karsten Schmidt.; Pamp, in: Oetker, 2. Aufl. 2011, § 350 HGB Rdnr. 12; Koller, in: Staub, 4. Aufl. 2004, § 350 HGB Rdnr. 9; Koller, in: Koller/Roth/Morck, 7. Aufl. 2011, § 350 HGB Rdnr. 5; Hakenberg, in: Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, 2. Aufl. 2009, § 350 HGB Rdnr. 13. 4 Vgl. BGH, NJW 1981, 47 = ZIP 1980, 983; BGH, NJW 1986, 580 = ZIP 1985, 1485. 5 S. dazu auch Bitter, ZInsO 2010, 1561, 1562 f.; Bitter/Schumacher, HandelsR, 2011, § 3 Rdnr. 11 mit Fall Nr. 7; für eine nur subsidiäre Mithaftung Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 71; Greitemann, in: Saenger/Inhester, Rdnr. 94.

742

Bitter

§ 13

Juristische Person; Handelsgesellschaft

trifft die im Einzelfall gegenüber dem Vertragspartner auftretende Person und knüpft damit i.d.R. an die Geschäftsführer-, nicht die Gesellschafterposition an (vgl. auch 10. Aufl., § 43 Rdnr. 312). Handelt ein sonstiger Mitarbeiter oder Untervertreter, so trifft diesen die Haftung und nicht den Geschäftsführer1. Der Gesellschafter haftet folglich nur, wenn er im konkreten Fall die Vertragsverhandlungen geführt hat. b) Culpa in contrahendo (c.i.c.) Unter culpa in contrahendo ist ein Verschulden bei oder vor Vertragsschluss zu 95 verstehen, welches zu einer Schadensersatzpflicht gegenüber dem Verhandlungspartner nach §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2, 311 Abs. 2 BGB führen kann. Typische Fallgruppen der c.i.c. sind die Verletzung von Sorgfalts-, Obhuts- und Aufklärungspflichten, im Zusammenhang mit einer GmbH insbesondere die unterlassene Aufklärung über eine wirtschaftlich angespannte Lage2. Führt eine solche Pflichtverletzung zu einem Schaden beim Verhandlungspartner, so ist der Schaden aufgrund der §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2, 311 Abs. 2 BGB zu ersetzen. Der Anspruch aus c.i.c. richtet sich aber gewöhnlich nur gegen denjenigen, der durch die Vertragsverhandlungen Vertragspartner werden soll, also gegen die GmbH; nur diese haftet also im Grundsatz für die Verletzung vorvertraglicher Schutzpflichten durch ihre Organe und Mitarbeiter3. Ausnahmsweise kann sich der Anspruch aus c.i.c. aber auch gegen den Vertreter 96 selbst richten, der die Verhandlungen für die GmbH führt. Nach § 311 Abs. 3 BGB kommt dies insbesondere in Betracht, wenn der Vertreter besonderes persönliches Vertrauen in Anspruch nimmt. Daneben ist als weitere Fallgruppe seit langem auch das unmittelbare eigene wirtschaftliche Interesse am Vertragsabschluss anerkannt. Da der Haftungsansatz jedoch immer ein konkretes Handeln der betreffenden Person im Rahmen des Vertragsschlusses voraussetzt und damit in erster Linie an die Geschäftsführerposition anknüpft, wird darauf im Rahmen der Kommentierung zu § 43 näher eingegangen (10. Aufl., § 43 Rdnr. 313 ff.)4.

3. Deliktshaftung Eine deliktische Haftung gegenüber den Gläubigern der GmbH kommt unter 97 drei Gesichtspunkten in Betracht: wegen Verletzung von Rechtsgütern der Gläubiger (§ 823 Abs. 1 BGB), wegen Verletzung eines Schutzgesetzes (§ 823 Abs. 2 BGB) und wegen sittenwidriger vorsätzlicher Schädigung (§ 826 BGB)5. 1 BGH, ZIP 2007, 908 = GmbHR 2007, 593 = NJW 2007, 1529 (Ziff. II 3 der Gründe); BGH, ZIP 1991, 1004 = GmbHR 1991, 360 = NJW 1991, 2627 (Leitsatz und Ziff. II der Gründe). 2 Kritisch zu dieser Aufklärungspflicht Poertzgen, ZInsO 2010, 416, 418 ff. 3 Eine Haftung der Geschäftsführer als „Repräsentanten“ der GmbH wird ganz überwiegend abgelehnt; vgl. in diesem Kommentar in der 10. Aufl. Uwe H. Schneider, § 43 Rdnr. 314 m.w.N.; überzeugend Bork, ZGR 1995, 505, 509 f.; a.A. in diesem Kommentar in der 10. Aufl. Karsten Schmidt, Anh. § 64 Rdnr. 86; zu dessen Position jüngst wieder kritisch Wagner, in: FS Karsten Schmidt, 2009, S. 1665, 1672 f.; Poertzgen, ZInsO 2010, 460, 462 f. 4 S. dazu auch Bitter, ZInsO 2010, 1561, 1563 ff. 5 Zusammenfassende Darstellung bei Bitter, ZInsO 2010, 1561, 1565 ff.

Bitter

743

§ 13

Juristische Person; Handelsgesellschaft

a) Rechtsgutsverletzung und Verletzung eines Schutzgesetzes (§ 823 BGB) 98

Die persönliche Haftung aus § 823 Abs. 1 und 2 BGB knüpft in aller Regel an ein Handeln des Geschäftsführers an und wird deshalb in der Kommentierung zu § 43 dargestellt (vgl. 10. Aufl., § 43 Rdnr. 321 ff.). Im Rahmen des § 823 Abs. 2 BGB sind dabei insbesondere diejenigen Schutzgesetze von Interesse, deren Tatbestand typischerweise im Vorfeld einer Insolvenz verwirklicht wird und die deshalb in der späteren Insolvenz der GmbH einen Rückgriff auf den Geschäftsführer erlauben (Betrug gemäß § 263 StGB, Kreditbetrug i.S. von § 265b StGB, Bankrott i.S. der §§ 283 ff. StGB, Untreue nach § 266 StGB und das Vorenthalten von Sozialversicherungsbeiträgen gemäß § 266a StGB)1.

99

Einen Sonderfall bildet die Außenhaftung wegen Insolvenzverschleppung gemäß § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 15a InsO, die im Anschluss an die Innenhaftung aus § 64 behandelt wird (vgl. 10. Aufl., Anh. § 64, insbes. Rdnr. 44 ff.)2. Diese Insolvenzverschleppungshaftung kann seit dem MoMiG im Einzelfall auch den Gesellschafter treffen, nämlich bei einer führungslosen Gesellschaft (10. Aufl., Anh. § 64 Rdnr. 25 ff.)3. b) Sittenwidrige vorsätzliche Schädigung (§ 826 BGB)

100 Ein Verhalten des Gesellschafters bzw. ein von diesem (bewusst) geschaffener gläubigerschädigender Zustand kann Ansatzpunkt für eine Haftung aus § 826 BGB sein4. Diese allgemeine zivilrechtliche Norm gerät immer dann in den Blick, wenn ein Gläubiger, der in der Insolvenz der GmbH mit seiner Forderung ausfällt, nicht in seinen nach § 823 Abs. 1 BGB geschützten Rechtsgütern verletzt, sondern nur in seinem Vermögen geschädigt ist und zudem kein besonderes Schutzgesetz i.S. von § 823 Abs. 2 BGB einschlägig ist. Mit den Tatbestandsmerkmalen der Sittenwidrigkeit und des Vorsatzes stellt § 826 BGB freilich hohe Hürden für die Haftung des Gesellschafters, der oft zugleich Geschäftsführer ist, auf. In erster Linie geht es insoweit um Sachverhalte, in denen die Gesellschafter die Rechtsform der GmbH bewusst zum Zwecke der Gläubigerschädigung missbrauchen. aa) Sozialwidrige Risikoabwälzung auf Dritte 101 Eine unmittelbare Außenhaftung gegenüber den Gläubigern aus § 826 BGB hat die Rechtsprechung zum einen in Fällen anerkannt, in denen die Gesellschafter(-Geschäftsführer) die gesellschaftliche Struktur derart angelegt hatten, dass Nachteile systematisch bei der GmbH anfallen, während sich die Vorteile in ihrem Privatvermögen realisieren und dadurch die Gläubiger planmäßig und absehbar geschädigt werden (sog. Aschenputtelfälle5).

1 2 3 4 5

Dazu Bitter, ZInsO 2010, 1561, 1568 ff. S. auch Bitter, ZInsO 2010, 1561, 1572 ff. Dazu auch Steffek, JZ 2009, 77, 81. Vgl. auch Steffek, JZ 2009, 77, 80 f. m.N. zur Rspr. Greitemann, in: Saenger/Inhester, Rdnr. 129 ff.; Steffek, JZ 2009, 77, 81; Weber/Sieber, ZInsO 2008, 952, 955 f.

744

Bitter

§ 13

Juristische Person; Handelsgesellschaft

Im Architektenfall aus dem Jahr 1978 ging es um eine Gestaltung, in der sich 102 die vom Beklagten beherrschte GmbH & Co. KG gegenüber diesem verpflichtete, Bauvorhaben auf Grundstücken des Beklagten zu einem Festpreis zu errichten, der die Selbstkosten der Gesellschaft voraussichtlich nicht deckt. Der in der Insolvenz der unterkapitalisierten GmbH ausgefallene Architekt nahm daraufhin den Beklagten persönlich in Anspruch und hatte damit beim BGH Erfolg1. Im Bauhandwerkerfall aus dem Jahr 1988 erfolgte die Gründung einer GmbH 103 und deren mangelnde Vermögensausstattung mit dem Ziel, Verträge mit Bauhandwerkern durch die GmbH abschließen zu lassen, die Bauleistungen der Vertragspartner aber auf Grundstücken der Gesellschafter-Geschäftsführer erbringen und damit den Vorteil jenen persönlich zukommen zu lassen. Durch diese planmäßige Spaltung der Vor- und Nachteile wurde den Werkunternehmern der Zugriff auf die mit ihren Werkleistungen geschaffenen Vermögenswerte, nämlich die den Gesellschaftern persönlich zufließenden Erlöse aus dem Verkauf der renovierten Wohnungen, unmöglich gemacht2. Im Jahr 1992 hat der BGH zudem eine Haftung aus § 826 BGB in einem Fall bejaht, 104 in dem der Geschäftsführer in großem Umfang Bauvorhaben ohne sachgerechte Kalkulation durchführte und Aufträge zu Festpreisen übernahm, die nicht kostendeckend waren. Damit war von vorneherein absehbar, dass die Forderungen der für die GmbH tätigen Bauhandwerker aus den Erlösen der GmbH nicht befriedigt werden konnten, während der beklagte Geschäftsführer sein Gehalt sowie eine Provision vorab aus den eingehenden Baugeldern zahlen konnte3. bb) Unterkapitalisierung/Spekulation auf Kosten der Gläubiger Neben den vorgenannten Fällen, die dem berühmten Aschenputtel-Motto „Die 105 guten ins Töpfchen, die schlechten ins Kröpfchen“ folgen, wird § 826 BGB insbesondere in zwei Konstellationen relevant, die zugleich als Anwendungsfälle der „echten“ Durchgriffshaftung diskutiert werden: Unterkapitalisierung und Vermögensvermischung. Ist der Vorsatz nachweisbar, greift § 826 BGB ein (dazu sogleich Rdnr. 106 f., 109). Gelingt der Beweis nicht, ist weiter zu fragen, ob auch unterhalb dieser Haftungsschwelle eine Gesellschafterhaftung wegen teleologischer Reduktion des § 13 Abs. 2 anzuerkennen ist (dazu unten Rdnr. 130 ff.). Eine eindeutig unzureichende Kapitalisierung, die in keinem Verhältnis zu den 106 von der GmbH eingegangenen Risiken steht und bei der folglich im Falle der Realisierung des Risikos notwendig die Gläubiger der GmbH ausfallen müssen, ist bei (bedingt) vorsätzlichem Handeln der Gesellschafter als Fallgruppe des § 826 BGB anzuerkennen4. Der BGH, der jedenfalls einer echten (objektiven) 1 BGH, NJW 1979, 2104 = GmbHR 1979, 89. 2 BGH, NJW-RR 1988, 1181 = DB 1988, 1848; ebenso OLG Jena, ZIP 2002, 631, 632 f. = GmbHR 2002, 112. 3 BGH, ZIP 1992, 694 = WM 1992, 735 (Ziff. 2 der Gründe). 4 Merkt, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 337; Weller, in: Bork/Schäfer, Rdnr. 37; Lutter/ Hommelhoff, ZGR 1979, 31, 60; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 142 f.; Altmeppen, ZIP 2008, 1201, 1205 f.; Reuter, in: MünchKomm. BGB, 6. Aufl. 2012, vor § 21 BGB Rdnr. 41 f.; Kahler, BB 1985, 1429, 1431; Wüst, JZ 1995, 990, 994; Steffek, JZ 2009,

Bitter

745

§ 13

Juristische Person; Handelsgesellschaft

Durchgriffshaftung wegen Unterkapitalisierung sehr reserviert gegenübersteht (Rdnr. 144), hat die Frage freilich im Hinblick auf § 826 BGB in seinem Urteil „Gamma“ aus dem Jahr 2008 offen gelassen1. 107 Allerdings hat er in früheren Urteilen zur (zunächst konzernrechtlich) begründeten Missbrauchshaftung wegen Existenzvernichtung auch die Fälle der „einseitigen Spekulation auf Kosten der Gläubiger“ anerkannt (Rdnr. 145, 163) und genau darum geht es bei qualifizierter Unterkapitalisierung. Ist aber in solchen Fällen – entgegen der jüngeren Rechtsprechung – sogar eine (Außen-)Haftung wegen objektiven Missbrauchs der Haftungsbeschränkung anzuerkennen (Rdnr. 138 ff.), muss erst recht eine Haftung aus § 826 BGB eingreifen, wenn den GesellschafterGeschäftsführern vorsätzliches Verhalten nachgewiesen werden kann. 108 Nach der zutreffenden Ansicht des BGH und des BAG liegt eine sittenwidrige Spekulation auf Kosten der Gläubiger aber nicht schon in Fällen eines ex-ante lohnend erscheinenden Sanierungsversuchs vor: Versucht jemand ein notleidendes Unternehmen zu retten und darf er die Krise den Umständen nach als überwindbar und darum Bemühungen um ihre Behebung als lohnend ansehen, verstößt er damit nicht schon deshalb gegen die guten Sitten, weil dieser Versuch die Möglichkeit des Misslingens und damit einer Schädigung nicht informierter Geschäftspartner und Gläubiger einschließt (s. auch 10. Aufl., § 43 Rdnr. 336)2. Dass der (geschäftsführende) Gesellschafter die Bemühungen um eine Sanierung für erfolgreich und die Krise für überwindbar ansehen durfte, muss aber er selbst beweisen3. Dazu genügt es nicht, dass er subjektiv davon ausging, die Krise sei überwindbar4; er muss vielmehr objektive Anhaltspunkte vortragen. cc) Vermögensvermischung 109 Eine Haftung aus § 826 BGB sollte zudem anerkannt werden, wenn Gesellschafter planmäßig das Gesellschafts- mit Privatvermögen vermischen, um auf diese Weise dem Gläubiger den Haftungszugriff auf das GmbH-Vermögen zu erschweren. In Fällen einer derartigen generellen Vermögensvermischung wird freilich auch vom Bundesgerichtshof eine echte Durchgriffshaftung wegen Missbrauchs der Rechtform anerkannt (Rdnr. 131 ff.), so dass die nur bei Vorsatz eingreifende Haftung aus § 826 BGB daneben ohne praktische Bedeutung ist.

1 2 3 4

77, 81; ausführlich Weitbrecht, S. 81 ff.; von „allgemeiner Anerkennung“ spricht Wiesner, in: Theobald (Hrsg.), Entwicklungen zur Durchgriffs- und Konzernhaftung, S. 59, 68 f.; s. zur Rspr. auch Heermann, ebenda, S. 11, 38 ff.; im Grundsatz auch Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 50, aber sehr zurückhaltend; auf die Umstände des Einzelfalls hinweisend auch Strohn, ZInsO 2008, 706, 711; insgesamt a.A. Gloger/Goette/Japing, ZInsO 2008, 1051, 1056 f. BGHZ 176, 204, 216 = ZIP 2008, 1232, 1235 f. (Leitsatz 2 und Rdnr. 25) – „Gamma“. So BAG, GmbHR 1991, 413 = ZIP 1991, 884 = NJW 1991, 2923; ähnlich BGHZ 108, 134, 141 ff. = ZIP 1989, 1341, 1344 = GmbHR 1990, 69 (Ziff. 3 der Gründe). BGH, ZIP 2008, 361, 362 = GmbHR 2008, 315 = WM 2008, 456 (Rdnr. 17; insoweit in BGHZ 175, 58 nicht abgedruckt). Drescher, Die Haftung des GmbH-Geschäftsführers, 6. Aufl. 2009, Rdnr. 767.

746

Bitter

§ 13

Juristische Person; Handelsgesellschaft

IX. Echte Durchgriffshaftung wegen Missbrauchs der Rechtsform Schrifttum: Benne, Haftungsdurchgriff bei der GmbH, 1978; Bitter, Konzernrechtliche Durchgriffshaftung bei Personengesellschaften, 2000, S. 67 ff.; Boujong, Das Trennungsprinzip des § 13 Abs. 2 GmbHG und seine Grenzen in der neueren Judikatur des Bundesgerichtshofs, in: FS Odersky, 1996, S. 739; Burg, Gesellschafterhaftung bei Existenzvernichtung der Einmann-GmbH, 2006, S. 57 ff.; Burgard, Die Förderund Treupflicht des Alleingesellschafters einer GmbH, ZIP 2002, 827; Coing, Zum Problem des sogenannten Durchgriffs bei juristischen Personen, NJW 1977, 1793; Drobnig, Haftungsdurchgriff bei Kapitalgesellschaften, 1959; Eckhold, Materielle Unterkapitalisierung, 2002, S. 169 ff.; Ehricke, Zur Begründbarkeit der Durchgriffshaftung in der GmbH, insbesondere aus methodischer Sicht, AcP 199 (1999), 257; Gottschalk, Die Existenzvernichtungshaftung des GmbH-Gesellschafters, 2007, S. 55 ff.; Grigoleit, Gesellschafterhaftung für interne Einflussnahme im Recht der GmbH, 2006, S. 221 ff.; Henzler, Haftung der GmbH-Gesellschafter wegen Existenzvernichtung, 2009, S. 68 ff.; Hofstetter, Sachgerechte Haftungsregeln für Multinationale Konzerne, 1995, S. 142 ff., 177 ff.; Immenga, Die personalistische Kapitalgesellschaft, 1970, S. 405 ff., 418 ff.; Khonsari, Die Haftung der GmbH-Gesellschafter aus existenzvernichtendem Eingriff, 2007, S. 47 ff.; Kübler/Assmann, Gesellschaftsrecht, 6. Aufl. 2006, § 24; Kuhn, Strohmanngründung bei Kapitalgesellschaften, 1964, S. 35 ff., 146 ff., 199 ff.; Lehmann, Das Privileg der beschränkten Haftung und der Durchgriff im Gesellschafts- und Konzernrecht, Eine juristische und ökonomische Analyse, ZGR 1986, 345, 357 ff.; Matschernus, Die Durchgriffshaftung wegen Existenzvernichtung der GmbH, 2007, S. 64 ff.; Müller-Freienfels, Zur Lehre vom sogenannten „Durchgriff“ bei juristischen Personen im Privatrecht, AcP 156 (1957), 522; Nacke, Die Durchgriffshaftung in der US-amerikanischen Corporation, 1989; Nirk, Zur Rechtsfolgenseite der Durchgriffshaftung, in: FS Stimpel, 1985, S. 443; Rabensdorf, Die Durchgriffshaftung im deutschen und russischen Recht der Kapitalgesellschaften, 2009, S. 71 ff.; Raiser, Die Haftungsbeschränkung ist kein Wesensmerkmal der juristischen Person, in: FS Lutter, 2000, S. 637; Raiser, Durchgriffshaftung nach der Reform des GmbH-Rechts, in: FS Priester, 2007, S. 619; Raiser/Veil, Recht der Kapitalgesellschaften, 5. Aufl. 2010, § 29; Rehbinder, Konzernaußenrecht und allgemeines Privatrecht, 1969, S. 90 ff., 103 ff.; Rehbinder, Zehn Jahre Rechtsprechung zum Durchgriff im Gesellschaftsrecht, in: FS R. Fischer, 1979, S. 579; Rehbinder, Neues zum Durchgriff unter besonderer Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung, in: FS Kübler, 1997, S. 493; Reinhard, Gedanken zum Identitätsproblem bei der Einmanngesellschaft, in: FS Lehmann, Bd. II, 1956, S. 576; Reuter, in: MünchKomm. BGB, Bd. 1, 6. Aufl. 2012, vor § 21 BGB Rdnr. 21 ff.; Röhricht, Die GmbH im Spannungsfeld zwischen wirtschaftlicher Dispositionsfreiheit ihrer Gesellschafter und Gläubigerschutz, in: FS 50 Jahre BGH, Bd. 1, 2000, S. 83; Schanze, Einmanngesellschaft und Durchgriffshaftung als Konzeptionalisierungsprobleme gesellschaftsrechtlicher Zurechnung, 1975; Karsten Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl. 2002, § 9; Karsten Schmidt, Zur Durchgriffsfestigkeit der GmbH, ZIP 1994, 837; Serick, Rechtsform und Realität juristischer Personen, 1955, 2. unveränderte Aufl. 1980; Serick, Durchgriffsprobleme bei Vertragsstörungen, 1959; Steffek, Der subjektive Tatbestand der Gesellschafterhaftung im Recht der GmbH – zugleich ein Beitrag zum Haftungsdurchgriff, JZ 2009, 77; Stimpel, „Durchgriffshaftung“ bei der GmbH: Tatbestände, Verlustausgleich, Ausfallhaftung, in: FS Goerdeler, 1987, S. 601; Ulmer, Von „TBB“ zu „Bremer Vulkan“ – Revolution oder Evolution?, ZIP 2001, 2021; Wahl, Die Haftung der GmbH-Gesellschafter wegen Existenzvernichtung, 2006, S. 68 ff.; Weitbrecht, Haftung der Gesellschafter bei materieller Unterkapitalisierung der GmbH, 1990, S. 35 ff.; Wiedemann, Haftungsbeschränkung und Kapitaleinsatz in der GmbH, in: Die Haftung des Gesellschafters in der GmbH, 1968, S. 1 ff., sowie Schlußwort, S. 154 f.; Wiedemann, Juristische Person und Gesamthand als Sondervermögen, WM-Sonderbeilage Nr. 4/1975, S. 17 ff.; Wiedemann, Gesellschaftsrecht, Band I, 1980, § 4 III; Wiedemann, Reflexionen zur Durchgriffshaftung, ZGR 2003,

Bitter

747

§ 13

Juristische Person; Handelsgesellschaft

283; Wilhelm, Rechtsform und Haftung bei der juristischen Person, 1981, S. 285 ff.; Wilhelm, Konzernrecht und allgemeines Haftungsrecht, DB 1986, 2113; Wilhelm, Zurück zur Durchgriffshaftung – das „KBV“-Urteil des II. Zivilsenats des BGH vom 24.6.2002, NJW 2003, 175; Zöllner, Gläubigerschutz durch Gesellschafterhaftung bei der GmbH, in: FS Konzen, 2006, S. 999 ff.

1. Überblick 110 Von den Fällen der „unechten“ Durchgriffshaftung, in denen der Gesellschafter einer GmbH aufgrund besonderer zivilrechtlicher Anspruchsgrundlagen – Vertrag, Vertrauen, Delikt – haftbar ist (Rdnr. 90 ff.), muss die sog. echte Durchgriffshaftung wegen Missbrauchs der Rechtsform grundsätzlich unterschieden werden (s. schon oben Rdnr. 73)1. Nach diesem bis heute umstrittenen Haftungsansatz wird in Einzelfällen das in § 13 Abs. 2 angeordnete Prinzip der haftungsrechtlichen Trennung zwischen Gesellschaft (GmbH) und Gesellschafter durchbrochen, dem Gesellschafter also das „Privileg“ der Haftungsbeschränkung abgesprochen. Hierdurch kommt es dann zu einem „Durchgriff“ auf die „hinter“ der GmbH stehenden Gesellschafter, die persönlich für die Gesellschaftsverbindlichkeiten einzustehen haben (Rdnr. 126 f.). 111 Umstritten ist nicht nur die Frage, ob und ggf. wie ein solcher Haftungsdurchgriff auf die Gesellschafter dogmatisch begründet werden kann (dazu Rdnr. 112 ff.), sondern – bei grundsätzlicher Anerkennung des Rechtsinstituts – auch, in welchen Fallgruppen eine derartige Durchbrechung der Haftungsbeschränkung in Betracht zu ziehen ist. Fast allgemein anerkannt ist bislang nur die Fallgruppe der generellen Vermögensvermischung (Rdnr. 131 ff.), während insbesondere die Unterkapitalisierung nach wie vor höchst unterschiedlich beurteilt wird (Rdnr. 138 ff.). Die Beherrschung der Gesellschaft ist teils als Durchgriffsfall betrachtet worden, teils als besonderer konzernrechtlicher Tatbestand (Rdnr. 148 ff.; Anh. § 13 Rdnr. 91 ff.). Die jüngere Rechtsprechung hat sich von der Beherrschung als Haftungstatbestand ganz gelöst und stellt nunmehr im Einzelfall auf die Existenzvernichtung der GmbH ab und sieht diese – zu Unrecht – nicht mehr als Durchgriffstatbestand an (Rdnr. 152 ff.). Neben diesen wichtigen und explizit diskutierten Fallgruppen kann auch in sonstigen Einzelfällen eine Durchgriffshaftung in Betracht kommen2.

2. Durchgriffstheorien 112 Der Haftungsdurchgriff ist zwar – seiner grundsätzlichen Idee nach – ein weit über die Grenzen Deutschlands hinaus, insbesondere auch im anglo-amerikanischen und im russischen Rechtskreis anerkanntes Instrument der Gesellschafterhaftung3, wegen seiner umstrittenen dogmatischen Basis jedoch eine der 1 S. dazu auch Emmerich, 10. Aufl., Rdnr. 76 ff.; knapper Merkt, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 338 ff.; ausführlich Bitter, Durchgriffshaftung, S. 67 ff. 2 Raiser/Veil, Kapitalgesellschaften, § 29 Rdnr. 47; Wiedemann, GesR I, § 4 III 1d (S. 227 f.); s. zum individuellen Rechtsmissbrauch ferner Reuter, in: MünchKomm. BGB, 6. Aufl. 2012, vor § 21 BGB Rdnr. 46. 3 Dazu Wiedemann, ZGR 2003, 283, 288 ff. m.N.; Hofstetter, S. 142 ff. (zum piercing the corporate veil); Nacke, Die Durchgriffshaftung in der US-amerikanischen Corporation, 1989; Kolks, Die Durchgriffshaftung im deutschen und kanadischen Recht der Kapital-

748

Bitter

§ 13

Juristische Person; Handelsgesellschaft

schwierigsten gesellschaftsrechtlichen Problematiken überhaupt. Die umfassende, seit Jahrzehnten geführte Diskussion1 hat in Deutschland insbesondere um subjektive und objektive Missbrauchslehren gekreist. Sie kann im Rahmen dieser Kommentierung nicht vollständig nachgezeichnet werden2. a) Durchgriffsformeln in der höchstrichterlichen Rechtsprechung Die Möglichkeit eines Durchgriffs ist in der höchstrichterlichen Rechtsprechung 113 zwar anerkannt. Die dogmatische Basis blieb jedoch angesichts recht vager Formulierungen zumindest in der Anfangszeit oft unklar. So hat sich der BGH zunächst auf die bereits vom RG3 verwendete Formel gestützt, „daß die juristische Person und ihr Alleingesellschafter dann als eine Einheit behandelt werden müsse, wenn die Wirklichkeit des Lebens, die wirtschaftlichen Bedürfnisse und die Macht der Tatsachen es dem Richter gebieten, die personen- und vermögensrechtliche Selbständigkeit der GmbH und ihres alleinigen Gesellschafters hintanzusetzen“4. An anderer Stelle formuliert der BGH: „Die Rechtsfigur der juristischen Person wird beiseite geschoben, falls eine sachgerechte Entscheidung nur dann möglich ist, wenn die realen Kräfte aufgesucht werden, die hinter der juristischen Person stehen.“5 Es findet sich ferner der Hinweis, dass „die rechtliche Verschiedenheit der GmbH und ihres Gesellschafters nicht ausnahmslos berücksichtigt werden kann“6 bzw. „die ausnahmslose Anwendung des Trennungsprinzips zu Ergebnissen führt, die mit dem Grundsatz der Rechtsstaatlichkeit unvereinbar sind und nicht als Recht anerkannt werden können“7. In den meisten Entscheidungen des BGH8, des BSG9 und des BAG10 wird der 114 Grund für eine Durchbrechung des Trennungsprinzips in einem Verstoß gegen Treu und Glauben gesehen11: „Der Gesellschafter ist mit der Gesellschaft

1 2 3 4 5 6 7 8

9 10 11

gesellschaften, 2004; zum russischen Recht Aukhatov, Durchgriffs- und Existenzvernichtungshaftung im deutschen und russischen Sach- und Kollisionsrecht, 2009, S. 93 ff.; Rabensdorf, Die Durchgriffshaftung im deutschen und russischen Recht der Kapitalgesellschaften, 2009; Telke, OstEuR 2011, 294. Nachweise zum älteren Schrifttum bei Nirk, in: FS Stimpel, S. 443, 445 f. in Fn. 6. Umfassend zu den Grundlagen der Durchgriffshaftung Bitter, Durchgriffshaftung, S. 82 ff. Vgl. z.B. RGZ 99, 232, 234; RGZ 129, 50, 53 f.; weitere Nachweise bei Mertens, in: Hachenburg, Anh. § 13 Rdnr. 40 in Fn. 54. BGHZ 22, 226, 230 = WM 1957, 59; BGH, WM 1958, 460, 461; vgl. auch OLG Nürnberg, WM 1955, 1566; dazu Reinhard, in: FS Lehmann, S. 576, 579, 586. BGH, GmbHR 1961, 161, 162 = WM 1961, 1103, 1105. BGH, BGHZ 22, 226, 230 = WM 1957, 59; vgl. auch OLG Hamburg, BB 1973, 1231. BGHZ 20, 4, 12 = WM 1956, 349, 350; ähnlich auch BSG, ZIP 1996, 1134, 1135. BGHZ 22, 226 = WM 1957, 59 f. unter Berufung auf RGZ 169, 240, 248; BGH, WM 1958, 460, 461; BGH, GmbHR 1961, 161, 162 = WM 1961, 1103, 1104; BGH, NJW 1974, 1371, 1372; BGH, WM 1977, 73, 75. BSG, DB 1984, 1103; BSG, ZIP 1994, 1944, 1946; BSG, ZIP 1996, 1134, 1135; BSG, NZS 1998, 346, 347. BAG, BAGE 89, 349, 355 = NJW 1999, 740, 741 = GmbHR 1998, 1221, 1223 = ZIP 1999, 24, 26. S. aus der Rechtsprechung der Oberlandesgerichte auch OLG Nürnberg, WM 1955, 1566; OLG Hamm, MDR 1963, 849 – „Rektor“; OLG Hamm, BB 1984, 873 = MDR 1984, 665; OLG Düsseldorf, GmbHR 1990, 44.

Bitter

749

§ 13

Juristische Person; Handelsgesellschaft

gleichzustellen, wenn die Berufung auf die förmliche Verschiedenheit gegen Treu und Glauben verstößt.“1 Daneben findet sich aber in der Rechtsprechung des BGH2 und des BSG3 auch die Begründung, dass „die Rechtsfigur der juristischen Person nur in dem Umfang Beachtung finden könne, in dem ihre Verwendung dem Zweck der Rechtsordnung entspricht“. 115 Der Durchgriff ist dabei in der Rechtsprechung nur teilweise an subjektive Elemente angeknüpft worden4, während eine rein objektiv verstandene Missbrauchslehre überwiegt, die insbesondere auch von dem für das Gesellschaftsrecht zuständigen II. Senat des BGH vertreten wird5. Insbesondere die in jüngerer Zeit für die Durchgriffshaftung in Feld geführte teleologische Reduktion der Haftungsbeschränkung aus § 13 Abs. 2, verbunden mit einer Analogie zu § 128 HGB (dazu noch unten Rdnr. 126 f.)6 ist ein an objektive Umstände anknüpfender Haftungsansatz. b) Dogmatik des Durchgriffs in der Lehre 116 Der Rechtsprechung ist in der Literatur schon früh die Verwendung von Formeln vorgeworfen worden, mit denen man „alles begründen kann und dennoch niemand zu überzeugen vermag“7. Als Alternative ist eine Vielzahl verschiede-

1 Das BSG, DB 1984, 1103; BSG, ZIP 1996, 1134, 1135 weist dabei ausdrücklich darauf hin, dass der entscheidende Maßstab für den Durchgriff im Verstoß gegen Treu und Glauben liege. 2 BGHZ 20, 4, 14 = WM 1956, 349, 351; BGHZ 22, 226 = WM 1957, 59, 60. 3 BSG, ZIP 1994, 1944, 1946; BSG, NZS 1998, 346, 347. 4 BGH, WM 1958, 460, 462. 5 S. aus der Rechtsprechung des II. Zivilsenats BGHZ 20, 4, 13 = WM 1956, 349, 351 in Abgrenzung zu „Serick, Rechtsform und Realität juristischer Personen, Berlin/Tübingen, 1955“; BGHZ 31, 258, 271; ferner BGH, NJW 1974, 1371, 1372 (VI. Senat); deutlich für eine rein objektive Anknüpfung des Durchgriffs auch BSG, DB 1984, 1103, 1104; BAGE 89, 349, 355 = NJW 1999, 740, 741 = GmbHR 1998, 1221, 1223 = ZIP 1999, 24, 26 (8. Senat); BAG, NJW 1999, 2612, 2613 = ZIP 1999, 723, 724 = GmbHR 1999, 658, 659 (3. Senat); weniger deutlich BSG, ZIP 1996, 1134, 1135 („zumindest objektiv geschädigt“); unklar BAG, NJW 1999, 2299 = ZIP 1999, 878 = GmbHR 1999, 655 (5. Senat), wo einerseits auf den „objektiven Maßstab“ hingewiesen wird [unter Ziff. I. 1. der Gründe], andererseits dann aber ein Haftungsdurchgriff wegen Unterkapitalisierung allenfalls dann als gerechtfertigt angesehen wird, „wenn der Gesellschafter die Unterkapitalisierung erkennen kann“ [unter Ziff. I. 2. b) aa) der Gründe], womit ein subjektives Element eingeführt wird; s. die ausführlichere Darstellung bei Bitter, Durchgriffshaftung, S. 87 ff. 6 Allgemein in diesem Sinne BGHZ 95, 330, 332 = ZIP 1985, 1263, 1264 – „Autokran“; für den Fall der Vermögensvermischung BGHZ 173, 246, 257 = ZIP 2007, 1552, 1556 = GmbHR 2007, 927 Rdnr. 27 – „Trihotel“; für den Fall existenzvernichtender Eingriffe auch BGHZ 151, 181 = NJW 2002, 3024 = ZIP 2002, 1578 = GmbHR 2002, 902 (Leitsatz 1) – „KBV“, wo von einem „Verlust des Haftungsprivilegs“ die Rede ist. 7 Serick, Rechtsform, S. 13 f.; vgl. auch Serick, Durchgriffsprobleme, S. 21; im Anschluss daran Erlinghagen, GmbHR 1962, 169, 170; kritisch auch Roll, NJW 1974, 492, 493 („vage Begründungsformeln“); Karsten Schmidt, GmbHR 1974, 178, 180 („stereotype Wendung“); Raiser, in: Ulmer, Rdnr. 78; Nirk, in: FS Stimpel, S. 443, 446 ff., 456 f.; Raiser/ Veil, Kapitalgesellschaften, § 29 Rdnr. 2; das Fehlen fester dogmatischer Grundlagen einräumend BGH, GmbHR 1962, 169, 170 = WM 1961, 1103, 1104.

750

Bitter

§ 13

Juristische Person; Handelsgesellschaft

ner Durchgriffslehren entwickelt worden1, deren Ordnung schwer fällt, weil bereits die Terminologie nicht einheitlich ist2. Darüber hinaus wird der Durchgriff teilweise als ein umfassendes Problem der Trennung zwischen einem Verband und seinen Mitgliedern verstanden, während andere Lehren allein auf die Aufhebung der Haftungsbeschränkung zugeschnitten sind (s. schon Rdnr. 70 ff.)3. Insbesondere Serick hat den Rechtsgrund für den Durchgriff im subjektiven, ab- 117 sichtlichen Rechtsmissbrauch der juristischen Person durch den Gesellschafter gesehen4. Der Anwendungsbereich einer so verstandenen Missbrauchslehre wäre freilich gering, weil die Anforderungen dem Tatbestand des § 826 BGB ähnlich wären5. Der subjektiven Missbrauchslehre steht eine Betrachtungsweise gegenüber, die auf die objektiv-zweckwidrige Verwendung der juristischen Person abstellt6. Sowohl die subjektive als auch die objektive Missbrauchslehre stimmen allerdings in ihrem Ansatzpunkt beim sog. Trennungsprinzip überein7. Der Durchgriff wird als ein Problem der Trennung von Verband und Mitgliedern verstanden, so dass es sich letztlich bei beiden Begründungsansätzen um institutionelle Durchgriffslehren handelt8. Eine derartige institutionelle Betrachtungsweise ist erstmalig von Müller-Freienfels9 in seiner Antwort auf Serick in Zweifel gezogen worden. Gedanklich sei nicht bei der juristischen Person als solcher, sondern bei der im jeweiligen Einzelfall anzuwendenden Vorschrift anzusetzen, deren Normzweck ggf. eine Zurechnung der Rechtsfolgen auf die Mitglieder des Verbandes rechtfertigt, wenn ihr Sinngehalt nur so vollzogen werden kann10. Dieser später als Normanwen-

1 Vgl. die Übersichten bei Raiser, in: Ulmer, Rdnr. 63 ff.; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/ Hueck, Rdnr. 10; Pentz, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 123 ff.; Wiedemann, GesR I, § 4 III (S. 217 ff.); Karsten Schmidt, GesR, § 9 II (S. 221 ff.); Bitter, Durchgriffshaftung, S. 89 ff. 2 So zutreffend Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 10. 3 Vgl. dazu Karsten Schmidt, GesR, § 9 II (S. 221 ff.) m.N. 4 Serick, Rechtsform, S. 38, 203 ff., insbes. 208; Serick, Durchgriffsprobleme, S. 23 ff.; vgl. zur subjektiven Missbrauchslehre die weiteren Nachweise bei Raiser, in: Ulmer, Rdnr. 64, und bei Wiedemann, GesR I, § 4 III (S. 219) in Fn. 1. 5 Vgl. auch BGHZ 20, 4, 13 = WM 1956, 349, 351; Nirk, in: FS Stimpel, S. 443, 452; Reuter, in: MünchKomm. BGB, 6. Aufl. 2012, vor § 21 BGB Rdnr. 21. 6 Immenga, S. 405 ff.; Kuhn, S. 199 ff.; Reinhard/Schultz, GesR, 2. Aufl. 1981, Rdnr. 851 ff. (S. 340 ff.); wohl auch Ott, Recht und Realität der Unternehmenskorporation, 1977, S. 49; nicht ganz eindeutig Reinhard, in: FS Lehmann, S. 576, 579, der nach dem Sinn und Zweck der juristischen Person fragt, andererseits auf S. 591 auch auf den „ordre public“ sowie die §§ 826, 138 BGB verweist. 7 Vgl. Raiser, in: Ulmer, Rdnr. 63 f. 8 In diesem Sinne wohl auch Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 10; Raiser, in: Ulmer, Rdnr. 64; demgegenüber identifiziert Pentz, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 124 nur die objektive Variante der Missbrauchslehre mit der institutionellen Durchgriffslehre; ebenso wohl Karsten Schmidt, GesR, § 9 II 1a (S. 222). 9 Müller-Freienfels, AcP 156 (1957), 522 ff., zusammenfassend S. 542 f. 10 Vgl. hierzu Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 10; Raiser, in: Ulmer, Rdnr. 65; Karsten Schmidt, GesR, § 9 II 1b (S. 223 f.).

Bitter

751

118

§ 13

Juristische Person; Handelsgesellschaft

dungs- oder Normzwecklehre bezeichnete Ansatz1 hat seine konsequenteste Ausarbeitung bei Schanze2 erfahren3. 119 Teilweise sind vermittelnde Ansätze entwickelt worden, die zwischen gewissen Fällen einer Identifizierung von juristischer Person und Gesellschafter (Durchgriffslösung) und Fällen einer über die juristische Person hinaus generalisierbaren Normanwendung (Normzwecklösung)4 unterscheiden5. Diese Differenzierung dürfte weitgehend der heute üblichen Unterscheidung in den echten Haftungsdurchgriff einerseits und den unechten Haftungsdurchgriff sowie den Zurechnungsdurchgriff andererseits entsprechen (zur Systematisierung oben Rdnr. 70 ff.). Zur Begründung des echten Haftungsdurchgriffs wird allerdings zunehmend die haftungsbeschränkende Norm des § 13 Abs. 2 selbst unter teleologischen Aspekten in den Blick genommen und gefragt, ob nicht auch dieser Vorschrift ein bestimmter gesetzlicher Zweck zugrunde liegt und folglich die Haftungsbeschränkung im Wege der teleologischen Reduktion durchbrochen werden kann, wenn dieser Zweck nicht erfüllt ist. Bei einer solchen Betrachtung erscheint auch der echte Haftungsdurchgriff nur noch als eine Frage der Normanwendung (vgl. zu diesem auch hier verfolgten Konzept unten Rdnr. 126 f.). Eine so verstandene Normzweck- oder Normanwendungstheorie steht dann freilich der objektiven Missbrauchslehre sehr nahe. 120 Andere haben den Durchgriffsansatz grundsätzlich abgelehnt und die Trennung zwischen Gesellschaft und Gesellschaftern betont (daher teilweise sog. „Trennungstheorie“6). Namentlich Flume7 hat darauf hingewiesen, dass keine Norm vorhanden sei, welche die Haftung von Gesellschaftern grundsätzlich ausschlösse und erst im Wege eines „Durchgriffs“ durchbrochen werden müsse, um zu einer Haftung des Mitglieds gelangen zu können. Es gehe in Wahrheit nur um die Haftung aus eigenem Handeln oder Verhalten des Mitglieds in Hinsicht auf die juristische Person. Ähnlich hat sich Wilhelm in grundlegender Weise gegen die Durchgriffslehren gewandt8. Die juristische Person solle nicht im Wege eines Durchgriffs negiert, sondern im Gegenteil ernstgenommen werden9. Hiervon ausgehend nimmt er eine Pflichtenbindung der Gesellschafter gegenüber ihrer

1 Vgl. zur Terminologie Coing, NJW 1977, 1793, Reuter, in: MünchKomm. BGB, 6. Aufl. 2012, vor § 21 BGB Rdnr. 21 f.; die bei Michalski/Funke, in: Michalski, Rdnr. 345 ff. (dem folgend Aukhatov, S. 25 ff.) vorgenommene Trennung der Normanwendungs- von der Normzwecklehre ist demgegenüber unüblich und wenig nachvollziehbar. 2 Schanze, S. 102 ff. 3 Vgl. hierzu Raiser, in: Ulmer, Rdnr. 65; Karsten Schmidt, GesR, § 9 II 2a (S. 224); Rehbinder, in: FS Fischer, S. 579, 582. 4 Rehbinder, in: FS Fischer, S. 579, 581 f. spricht insoweit vom „bürgerlichrechtlichen Ansatz“; ebenso Rehbinder, in: FS Kübler, S. 493. 5 S. insbesondere Rehbinder, Konzernaußenrecht, S. 103 ff. mit Zusammenfassung S. 125; Rehbinder, in: FS R. Fischer, S. 579, 581 ff.; Rehbinder, in: FS Kübler, S. 493 ff.; zustimmend Reuter, in: MünchKomm. BGB, 6. Aufl. 2012, vor § 21 BGB Rdnr. 22; dazu auch Raiser, in: Ulmer, Rdnr. 66. 6 Vgl. die Bezeichnung bei Pentz, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 127. 7 Flume, Juristische Person, § 3 I (S. 68). 8 Wilhelm, S. 308 ff., 330 ff., insbes. 336 ff.; vgl. im Konzernzusammenhang auch Wilhelm, DB 1986, 2113, 2117 ff.; s. auch wieder Wilhelm, NJW 2003, 175, 178 ff. 9 Wilhelm, S. 334 ff.

752

Bitter

§ 13

Juristische Person; Handelsgesellschaft

Gesellschaft an, für deren Verletzung die Gesellschafter zwingend nach Organhaftungsgrundsätzen (§ 43) einzustehen hätten1. Die Haftung wird damit also – im Gegensatz zum Durchgriff – allein auf das Innenverhältnis zwischen Gesellschafter und Gesellschaft bezogen2. Vergleichbar stellt sich auch die von Karsten Schmidt in Fortentwicklung des 121 Ansatzes von Wilhelm vorgeschlagene Haftung wegen schuldhafter Verletzung der mitgliedschaftlichen Sonderverbindung zwischen GmbH und Gesellschafter dar, mit der Karsten Schmidt den Durchgriff jedenfalls in Teilbereichen (insbes. für die Fälle der Unterkapitalisierung) ablösen will3. Ulmer4 und Winter5 gehen – in der Grundtendenz ebenfalls ähnlich – von einer Treuepflicht des Gesellschafters gegenüber „seiner“ GmbH aus6. Dieser auf das Innenverhältnis abstellende Ansatz hat in jüngerer Zeit im Schrifttum verstärkt Unterstützung gefunden, wobei allerdings die Details der Haftung unterschiedlich beurteilt werden7. Altmeppen, der ebenfalls ein aus den Ideen Flumes und Wilhelms fortentwickeltes Innenhaftungsmodell vertritt8, meint gar, schon den „Abschied vom Durchgriff im Kapitalgesellschaftsrecht“ einläuten zu können9. Nicht alle Gegner der Durchgriffshaftung sprechen sich allerdings für eine In- 122 nenhaftung aus, die zumeist im Sinne einer Haftung für (einfache) Fahrlässigkeit verstanden wird10. Vielmehr gibt es auch Tendenzen, das Rad in der Gläubiger-

1 Wilhelm, S. 337 ff.; Wilhelm, DB 1986, 2113, 2117 f. 2 Dem folgend Koller, in: Koller/Roth/Morck, 6. Aufl. 2007, § 172a HGB Rdnr. 5 (für den Fall der Unterkapitalisierung); mit Modifizierungen auch Khonsari, S. 71 ff.; kritisch hingegen die ganz h.L.; vgl. insbes. Lutter, ZGR 1982, 244, 253 f.; Ulmer, ZIP 2001, 2021, 2024 ff.; Wahl, S. 92 ff. m.w.N.; auch Strohn, ZHR 173 (2009), 589, 594; Osterloh-Konrad, ZHR 172 (2008), 274, 291. 3 Vgl. Karsten Schmidt, GesR, § 9 IV 4c (S. 243), § 9 IV 5 (S. 244 ff.) und § 37 III 7 (S. 1150 f.); Karsten Schmidt, ZIP 1990, 69, 78 (unter Berufung auf Wilhelm, S. 336 ff.); Karsten Schmidt, ZIP 1994, 837, 843 unter Ziff. IV. 3.; Karsten Schmidt, GmbHR 2008, 449, 456 ff.; vgl. auch Karsten Schmidt, NJW 1977, 1451, 1452. 4 Grundlegend Ulmer, ZHR 148 (1984), 391, 416 ff.; s. auch Ulmer, WPg 1986, 685, 691 f.; Ulmer, ZIP 2001, 2021, 2026 f. 5 Winter, Mitgliedschaftliche Treuebindungen im GmbH-Recht, 1988, S. 190 ff.; Winter, ZGR 1994, 570, 580 ff. 6 Weitere Nachweise zu diesem Haftungsansatz bei Bitter, Durchgriffshaftung, S. 307 ff. 7 Eckhold: S. 307 ff., 327 ff., 563 ff., 621 ff.; Grigoleit, S. 321 ff.; Henzler, S. 68 ff., insbes. S. 97 ff.; Burg, S. 72 ff.; Zöllner, in: FS Konzen, S. 999, 1006 ff.; Burgard, ZIP 2002, 827 ff.; Ihrig, DStR 2007, 1170 ff.; Osterloh-Konrad, ZHR 172 (2008), 274 ff., insbes. S. 290 ff. m.w.N.; kritisch aber Wahl, S. 96 ff. 8 Altmeppen, ZIP 2001, 1837, 1844 ff.; Altmeppen, NJW 2002, 321, 322 ff.; Altmeppen, ZIP 2002, 961, 966 f.; Altmeppen, ZIP 2002, 1553, 1560 ff.; Altmeppen, NJW 2007, 2657, 2659 f.; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 120 ff. befürwortet eine Gesellschafterhaftung wegen „gröblich“ sorgfaltswidrigen Verhaltens analog § 93 Abs. 5 Satz 2 und 3 AktG; das Konzept hat bislang keine Gefolgschaft gefunden; vgl. Raiser, in: Ulmer, Rdnr. 68. 9 Altmeppen, NJW 2008, 2657 ff. 10 Dazu Rubner, Der Konzern 2007, 635, 643; umfassend zum Sorgfaltsmaßstab Eckhold, S. 566 ff. m.w.N.; auf ein „gröblich“ sorgfaltswidriges Verhalten will hingegen Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 120 ff. m.w.N. abstellen, auf „Evidenz“ Grigoleit, S. 65, 366 f.

Bitter

753

§ 13

Juristische Person; Handelsgesellschaft

schutzdiskussion ganz auf den Stand um 19451 zurückzudrehen und allein auf die Deliktshaftung zu setzen, die bei reinen Vermögensschäden in der Regel nur bei Vorsatz eingreift (vgl. § 826 BGB)2. Das 2007 ergangene „Trihotel“-Urteil des BGH zur Existenzvernichtungshaftung3 bestätigt diese Tendenz, wenn auch modifiziert aufgrund der Verlagerung der Haftung ins Innenverhältnis zur Gesellschaft (unten Rdnr. 152 ff.). c) Stellungnahme 123 Die Frage, wie die Pflichtenbindung des Gesellschafters gegenüber „seiner GmbH“ zu konstruieren ist und ob dabei eine Haftung im Innen- oder Außenverhältnis dogmatisch und praktisch vorzugswürdig ist, ist eine sehr grundsätzliche4. Sie zieht sich seit Jahrzehnten durch die Durchgriffsdiskussion sowie die – einen Teilausschnitt davon bildende – Problematik der Haftung wegen Existenzvernichtung (dazu unten Rdnr. 152 ff.). 124 Wer die GmbH als juristische Person stark verselbständigt – um nicht zu sagen: überhöht –, hat keine Schwierigkeiten, eine Pflichtenbindung des Gesellschafters gegenüber der eine getrennte Person darstellenden GmbH anzuerkennen, ganz ähnlich wie sie im BGB zwischen den Partnern eines (vor-)vertraglichen Schuldverhältnisses besteht (Haftung aus Sonderverbindung gemäß § 280 BGB, ggf. i.V.m. § 241 Abs. 2 BGB und/oder § 311 BGB). Wer hingegen die GmbH nur als ein juristisches Konstrukt betrachtet, das – anders als eine natürliche Person – keine eigenen Interessen verfolgen kann, wird Pflichtenbindungen gegenüber der GmbH nur aus den auf die GmbH projizierten Einzelinteressen der an ihr interessierten Personen herleiten können5. Sind Mitgesellschafter vorhanden, deren in der GmbH gebundene Vermögensinteressen durch die Maßnahme eines anderen Gesellschafters verletzt werden, fällt die Begründung eines Schadensersatzanspruchs wegen Treuepflichtverletzung (entsprechend der zivilrechtlichen Haftung aus § 280 BGB) nach der ITT-Rechtsprechung6 nicht schwer (Rdnr. 50)7, 1 Zur damaligen Sicht des RG und zum nachfolgenden Wandel s. Immenga, S. 405 ff.; Benne, S. 4 ff. 2 Deutlich für eine Begrenzung der Gesellschafterhaftung auf vorsätzliches Handeln Haas, Reform des gesellschaftsrechtlichen Gläubigerschutzes, Gutachten E zum 66. DJT, S. E 90 ff.; Haas, ZHR 170 (2006), 478, 485 f.; Steffek, JZ 2009, 77 ff.; für eine Deliktshaftung aus § 826 BGB – in Bezug auf die Existenzvernichtung – Wagner, in: FS Canaris, Bd. II, S. 473 ff.; Rubner, Der Konzern 2007, 635 ff.; Schanze, NZG 2007, 681 ff.; Weller, ZIP 2007, 1681 ff.; Paefgen, DB 2007, 1907, 1910; in Bezug auf die Unterkapitalisierung Möller, S. 43 ff.; Philipp/Weber, DB 2006, 142 ff.; Veil, NJW 2008, 3264, 3265 f.; m.N. bei J. Vetter, BB 2007, 1965 in Fn. 10; für eine Deliktshaftung aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 73 Abs. 1 GmbHG Haas, WM 2003, 1929, 1940; Schwab, ZIP 2008, 341, 345 ff.; dazu kritisch Wahl, S. 99. 3 BGHZ 173, 246 = ZIP 2007, 1552 = NJW 2007, 2689 = GmbHR 2007, 927 – „Trihotel“. 4 Zusammenfassend Zöllner, in: FS Konzen, S. 999 ff.; s. bereits ausführlich Bitter, Durchgriffshaftung, S. 82 ff. (Grundlagen der Durchgriffshaftung), S. 304 ff. (Haftung im „Gesellschaftsinteresse“). 5 Eingehend Bitter, Durchgriffshaftung, S. 304 ff. 6 BGHZ 65, 15 = NJW 1976, 191 – „ITT“. 7 Zum Schadensersatz wegen Treuepflichtverletzung s. auch Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 54; Casper, in: Ulmer, Anh. § 77 Rdnr. 166 ff.; Schön, ZHR 168 (2004), 268, 280 f.; Burgard, ZIP 2002, 827, 829; Bitter, ZGR 2010, 147, 164; Wahl, S. 46 f.

754

Bitter

§ 13

Juristische Person; Handelsgesellschaft

eben weil es dann – mittelbar über das Vermögen der GmbH – um die Schädigung von gesellschaftsvertraglich verbundenen Personen geht1. Das dogmatische Problem beginnt jedoch beim Fehlen von Mitgesellschaftern 125 oder bei Gesellschaftern, die einverständlich zum Schaden der Gläubiger handeln. Dann nämlich existiert keine (gesellschaftsvertragliche) Basis als Anknüpfungspunkt der Haftung2, weil die Gläubiger nur in Vertragsbeziehungen zur GmbH, nicht aber zu den Gesellschaftern stehen. Mit Recht hat der BGH es insoweit abgelehnt, zwischen einem (wirtschaftlichen) Alleingesellschafter und „seiner“ GmbH bzw. zwischen mehreren einverständlich handelnden Gesellschaftern und „ihrer“ GmbH eine generelle, durch Schadensersatzpflichten sanktionierte Sonderverbindung anzuerkennen3. Würde nämlich der Gesellschafter – ganz unabhängig von einem Verstoß gegen spezielle gläubigerschützende Vorschriften wie §§ 30 ff. oder § 64 – für jede fahrlässige Vermögensschädigung „seiner“ GmbH auf Schadensersatz haften, geriete die Haftungsbeschränkung zur Gänze in Gefahr4. Genau hier liegt nun der Ausgangspunkt der Durchgriffsdiskussion: Wird mit 126 der Rechtsprechung und h.M. eine generelle und zum Schadensersatz im Innenverhältnis führende Pflichtenbindung des Gesellschafters gegenüber „seiner“ GmbH abgelehnt, kann dies umgekehrt nicht bedeuten, der Gesellschafter könne mit „seiner“ GmbH – bis zur Grenze sittenwidrigen Verhaltens (§ 826 BGB) – nach Gutdünken schalten und walten. Vielmehr lassen sich der Konzeption des GmbH-Gesetzes gewisse explizite und implizite Mindestbedingungen entnehmen, von deren Einhaltung die ökonomische Rechtfertigung der Haftungsbeschränkung (oben Rdnr. 60 ff.) abhängig ist. Sind diese Mindestbedingungen in bestimmten Konstellationen nicht erfüllt (s. unten Rdnr. 132 und 143, 146), kann dem Gesellschafter im Wege einer teleologischen Reduktion des § 13 Abs. 2 das Haftungsprivileg mit der Folge genommen werden, dass er sodann nach dem Grundprinzip deutscher Handelsgesellschaften unbeschränkt

1 Dazu Zöllner, in: FS Konzen, S. 999, 1010 f.; umfassend Winter, Mitgliedschaftliche Treuebindungen im GmbH-Recht, 1988, S. 63 ff.; zur Parallele zwischen dem Anspruch aus Treuepflichtverletzung im Gesellschaftsrecht und §§ 280, 241 Abs. 2 BGB (früher PVV) im allgemeinen Zivilrecht s. Bitter, GesR, § 4 Rdnr. 249 f.; umfassend Eckhold, S. 327 ff., insbes. S. 390; ausführlich zur verschuldensabhängigen und verschuldensunabhängigen Haftung bei fehlendem Einverständnis von Mitgesellschaftern Bitter, Durchgriffshaftung, S. 272 ff.; Bitter, ZHR 164 (2004), 302 ff. 2 Ähnlich Wiedemann, ZGR 2003, 283, 291; Khonsari, S. 56 ff., 77 f. 3 BGHZ 119, 257 = ZIP 1992, 1734 = GmbHR 1993, 38 = NJW 1993, 193; BGHZ 122, 333 = ZIP 1993, 917 = GmbHR 1993, 427 = NJW 1993, 1922 (Ziff. I 1 der Gründe); BGHZ 142, 92 = ZIP 1999, 1352 = NJW 1999, 2817 (Leitsatz 2 und Ziff. I 2c der Gründe); BGH, ZIP 2000, 493 = GmbHR 2000, 330 = NJW 2000, 1571; BGH, ZIP 2009, 2335 = GmbHR 2010, 85 = NJW 2010, 64; s. auch BGH, ZIP 2008, 308 = GmbHR 2008, 257 Rdnr. 15: kein Wettbewerbsverbot des Alleingesellschafters, wenn Gläubigerinteressen nicht betroffen sind. 4 Dazu Bitter, ZInsO 2010, 1505, 1508 ff.; ausführlich Bitter, Durchgriffshaftung, S. 304 ff., 314 ff. m.w.N.; insoweit wie hier auch Rubner, Der Konzern 2007, 635, 643; ähnlich Haas, WM 2003, 1929, 1939; bedrohlich z.B. der weitgehende Haftungsansatz bei Burg, S. 150 ff., 256 f.

Bitter

755

§ 13

Juristische Person; Handelsgesellschaft

und persönlich für die Verbindlichkeiten der GmbH haftet (Analogie zu § 128 HGB)1. 127 Bei diesem auch in der jüngeren Rechtsprechung zum Ausdruck kommenden Haftungsansatz2 handelt es sich letztlich auch um eine Normanwendungs- oder Normzwecktheorie (oben Rdnr. 118)3. Nur geht es – anders als in den Fällen des sog. Zurechnungsdurchgriffs (dazu Rdnr. 75 ff.) – nicht um die Erstreckung einzelner, insbesondere zivilrechtlicher Normen von der Gesellschaft auf die Gesellschafter oder umgekehrt, sondern um die Anwendung bzw. Nichtanwendung der die Haftungsbeschränkung anordnenden Norm des § 13 Abs. 2 selbst4. Damit ist zugleich klar, dass eine so verstandene Normzwecklehre auf Gesellschaften mit Haftungsprivileg begrenzt ist, während sich die Fragen des Zurechnungsdurchgriffs ebenso bei Gesellschaftsformen stellen, bei denen die Gesellschafter unbeschränkt für das Gesellschaftsvermögen haften (s. bereits Rdnr. 71). Die Erstreckung allgemeiner (zivilrechtlicher) Normen von der Gesellschaft auf den Gesellschafter oder umgekehrt hat folglich mit der Durchgriffshaftung fast gar nichts gemein – außer die zugrunde liegende juristische Methodik, die in der allgemein anerkannten Auslegung gesetzlicher Vorschriften nach dem Telos der Norm besteht. Diese teleologische Auslegung mit der Möglichkeit des Richters, eine Norm in solchen Fällen außer Anwendung zu lassen, in denen die Norm zwar dem Wortlaut, nicht aber dem Sinn und Zweck nach anwendbar ist5, kann selbstverständlich auch nicht vor der Haftungsbeschränkung des § 13 Abs. 2 Halt machen6. Da es insoweit nur um die Anwendung einer allgemeinen juristischen Methodik geht, ist die Durchgriffshaftung entgegen vereinzelt vertretener Ansicht7 auch keineswegs verfassungswidrig8. 128 Die hier favorisierte Außenhaftung hat zudem den praktischen Vorteil, dass sie die Rechtsdurchsetzung für die Gläubiger in den sehr häufigen Fällen der masselosen Insolvenz erleichtert, in denen die Gesellschafterhaftung besonders bedeutsam ist. Mit ihrem Direktanspruch gegen die Gesellschafter sind die Gläu1 Lutter, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 11; Raiser, in: Ulmer, Rdnr. 69, 71, 135 ff.; Pentz, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 129, 137, 145; Greitemann, in: Saenger/Inhester, Rdnr. 92, 95 ff.; Raiser/Veil, Kapitalgesellschaften, § 29 Rdnr. 26; Wiedemann, GesR I, § 4 III 1 (S. 223); Nirk, in: FS Stimpel, S. 443, 459 f.; Bitter, WM 2001, 2133, 2139; Raiser, in: FS Lutter, S. 637, 645; Raiser, in: FS Priester, 2007, S. 619, 621; Keßler, GmbHR 2002, 945, 950; Lutter/Banerjea, ZGR 2003, 402, 430; Strohn, ZInsO 2008, 706, 712 f.; Schäfer/ Fischbach, LMK 2008, 267714; umfassend Bitter, Durchgriffshaftung, S. 94 ff.; Wahl, S. 80 ff. mit Ergebnis S. 91 f., 206; Gottschalk, S. 55 ff. mit Ergebnis S. 74; Matschernus, S. 76 ff.; für eine nur beschränkte persönliche Haftung Immenga, S. 410 f., 418 ff. 2 BGHZ 95, 330, 332 = ZIP 1985, 1263, 1264 – „Autokran“; BGHZ 173, 246, 257 = ZIP 2007, 1552, 1556 = GmbHR 2007, 927 Rdnr. 27 – „Trihotel“; ferner BGHZ 151, 181 = NJW 2002, 3024 = ZIP 2002, 1578 = GmbHR 2002, 902 (Leitsatz 1) – „KBV“, wo von einem „Verlust des Haftungsprivilegs“ die Rede ist. 3 Ähnlich Raiser, in: Ulmer, Rdnr. 135. 4 Dazu Bitter, Durchgriffshaftung, S. 97. 5 S. allgemein zur teleologischen Reduktion Larenz/Canaris, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 3. Aufl. 1995, S. 210 ff.; Pawlowski, Einführung in die Juristische Methodenlehre, 2. Aufl. 2000, Rdnr. 168 f. (S. 88 f.); Bitter/Rauhut, JuS 2009, 289, 294 f. 6 Ausführlich Wahl, S. 85 ff. 7 Nassall, ZIP 2003, 969, 970 ff. 8 Zutreffend Haas, WM 2003, 1929, 1931 in Fn. 31 („wenig einsichtig“).

756

Bitter

§ 13

Juristische Person; Handelsgesellschaft

biger dann nämlich nicht auf den mühsamen Umweg der Pfändung eines im Innenverhältnis zwischen GmbH und Gesellschafter bestehenden Anspruchs beschränkt (näher unten Rdnr. 159 f. zur Existenzvernichtungshaftung). Ist die Außenhaftung danach aus dogmatischen und praktischen Gründen vor- 129 zugswürdig, überzeugt es nicht, die Lösung allein bei § 826 BGB zu suchen. Zum einen wird die dahingehende, in jüngerer Zeit erkennbare Tendenz zur Rechtsrückbildung (Rdnr. 122) der besonderen Einwirkungsmacht der Gesellschafter auf die Vermögensinteressen der Gläubiger nicht gerecht, die mit der normalen, im bürgerlichen Recht adressierten Situation (vertraglich) völlig ungebundener Personen nicht vergleichbar ist. Zum anderen sollte die Lösung dort gesucht werden, wo das Problem herkommt, also im Gesellschaftsrecht1. Erkennt man, dass die Haftungsbeschränkung nur unter bestimmten Bedingungen volkswirtschaftlich sinnvoll und deshalb im Gesellschaftsrecht vorgesehen ist (Rdnr. 60 ff.), muss es auch das Gesellschaftsrecht sein, das auf die fehlende Einhaltung dieser Bedingungen reagiert.

3. Fallgruppen der Durchgriffshaftung Eine unmittelbare Außenhaftung in teleologischer Reduktion der Haftungs- 130 beschränkung kann allerdings nur in Ausnahmefällen anerkannt werden, da ansonsten das – grundsätzlich sinnvolle, nämlich der Förderung unternehmerischer Aktivitäten dienende (Rdnr. 60 ff.) – Trennungsprinzip des § 13 Abs. 2 aufgegeben würde2. Insbesondere darf nicht in solchen Fällen, in denen sich etwa der subjektive Tatbestand einer deliktischen Haftungsnorm schwer nachweisen lässt, pauschal auf einen objektiven Missbrauch der Haftungsbeschränkung abgestellt und so „durch die Hintertür“ die persönliche Haftung begründet werden3. Welche Fallgruppen des Durchgriffs wegen Missbrauchs der haftungsbeschränkten Rechtsform GmbH anzuerkennen sind, ist seit langem umstritten4. a) Vermögensvermischung Schrifttum: Bitter, Konzernrechtliche Durchgriffshaftung bei Personengesellschaften, 2000, S. 103 ff.; Boujong, Das Trennungsprinzip des § 13 Abs. 2 GmbHG und seine Grenzen in der neueren Judikatur des Bundesgerichtshofs, in: FS Odersky, 1996, S. 739, 742 ff.; Gao, Vermögensvermischung als Haftungstatbestand im Recht der Gesellschaft mit beschränkter Haftung, Diss. HU Berlin 2001; Raiser, Die Haftungsbeschränkung ist kein Wesensmerkmal der juristischen Person, in: FS Lutter, 2000, S. 637, 1 Zweifelnd gegenüber der „Allzweckwaffe des § 826 BGB“ schon Bitter, ZHR 171 (2007), 114, 117; wie hier auch Ulmer, in: Hachenburg, Anh. § 30 Rdnr. 42; Röhricht, in: FS 50 Jahre BGB, Bd. 1, 2000, S. 83, 116; Grigoleit, S. 202 ff.; Wahl, S. 34 ff.; Khonsari, S. 61 f.; Lieder, DZWIR 2008, 145, 147 f.; a.A. Wagner, in: FS Canaris, Bd. II, S. 473, 492 ff.; Möller, S. 80. 2 Ebenso Windbichler, GesR, § 24 Rdnr. 27; Strohn, ZInsO 2008, 706; früher schon Rehbinder, in: FS R. Fischer, S. 579, 581 f. und 583 a.E.; warum hingegen die Durchgriffshaftung § 13 Abs. 2 insgesamt obsolet machen soll (so Wagner, in: FS Canaris, Bd. II, S. 473, 485 m.w.N.), ist nicht erkennbar. 3 Deutlich zu pauschal insoweit OLG Naumburg, ZInsO 2009, 43 = GmbHR 2008, 1149 m. krit. Anm. Schröder. 4 Umfassend zu den Fallgruppen der Durchgriffshaftung Bitter, Durchgriffshaftung, S. 103 ff.

Bitter

757

§ 13

Juristische Person; Handelsgesellschaft

644 ff.; Reiner, Unternehmerisches Gesellschaftsinteresse und Fremdsteuerung, 1995, § 6; Karsten Schmidt, Zum Haftungsdurchgriff wegen Sphärenvermischung und zur Haftungsverfassung im GmbH-Konzern, BB 1985, 2074; Stimpel, „Durchgriffshaftung“ bei der GmbH: Tatbestände, Verlustausgleich, Ausfallhaftung, in: FS Goerdeler, 1987, S. 601, 606 f.; Strohn, Existenzvernichtungshaftung – Vermögensvermischungshaftung – Durchgriffshaftung, ZInsO 2008, 706.

131 Die einzige wenigstens im Grundsatz in Rechtsprechung1 und Literatur2 als möglicher Anwendungsbereich einer echten Durchgriffshaftung allgemein anerkannte Fallgruppe ist die Vermögensvermischung3. Von nur grundsätzlicher Anerkennung muss deshalb gesprochen werden, weil unter dem Begriff der Vermögens- und/oder Sphärenvermischung unterschiedliche Gestaltungen diskutiert werden, die nicht durchweg alle über die Durchgriffshaftung gelöst werden, sondern z.T. auch mit allgemeinen Rechtsgrundsätzen zu erfassen sind. Darüber hinaus ist auch die Begrifflichkeit nicht immer klar4. 132 Zur echten Durchgriffshaftung führt nur die sog. generelle Vermögensvermischung, d.h. eine Situation, in der das Gesellschafts- vom Privatvermögen des Gesellschafters in keiner Weise mehr klar unterschieden werden kann. Dafür reichen einzelne Privatentnahmen der Gesellschafter noch nicht aus. Hinzukommen muss, dass die Vermögensabgrenzung zwischen Gesellschafts- und Gesellschaftervermögen durch undurchsichtige Buchführung oder auf ähnliche Weise allgemein verwischt oder verschleiert wird; denn in diesem Fall können die Kapitalerhaltungsvorschriften, deren Einhaltung ein unverzichtbarer Aus1 BGHZ 95, 330, 332 ff. = NJW 1986, 188 – „Autokran“; BGHZ 125, 366 = NJW 1994, 1801 = WM 1994, 896 = GmbHR 1994, 390; BGHZ 165, 85 = ZIP 2006, 467 = NJW 2006, 1344 = GmbHR 2006, 426; BGHZ 173, 246, 257 = ZIP 2007, 1552, 1556 = GmbHR 2007, 927 Rdnr. 27 – „Trihotel“; BAG, ZIP 1991, 884, 889 = GmbHR 1991, 413 = NJW 1991, 2923; BSGE 75, 82, 84 = ZIP 1994, 1945 f. = GmbHR 1995, 46; BSG, ZIP 1996, 1134, 1135; zurückhaltender noch BGH, ZIP 1985, 29, 30 (dazu Karsten Schmidt, ZIP 1994, 837, 838 f.). 2 Emmerich, 10. Aufl., Rdnr. 95 f.; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 45; Lutter, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 14; Greitemann, in: Saenger/Inhester, Rdnr. 99; Mertens, in: Hachenburg, Anh. § 13 Rdnr. 17 und 49; Raiser, in: Ulmer, Rdnr. 70, 126 ff.; Casper, in: Ulmer, Anh. § 77 Rdnr. 158; Weller, in: Bork/Schäfer, Rdnr. 32; Reuter, in: MünchKomm. BGB, 6. Aufl. 2012, vor § 21 BGB Rdnr. 34; Windbichler, GesR, § 24 Rdnr. 30; Raiser/Veil, Kapitalgesellschaften, § 29 Rdnr. 26 f.; Wiedemann, in: FS Bärmann, 1975, S. 1037, 1054; Wiedemann, WM-Beilage 4/1975, S. 19; Lutter, ZGR 1982, 244, 251; Stimpel, in: FS Goerdeler, S. 601, 606 f.; Nirk, in: FS Stimpel, S. 443, 453; Raiser, in: FS Lutter, S. 637, 644 f.; Raiser, in: FS Priester, S. 619, 622; im Grundsatz wohl auch Karsten Schmidt, BB 1985, 2074, 2076 unter II 3b dd und Karsten Schmidt, GesR, § 9 IV 2a (S. 234 ff.), der einer Durchgriffshaftung insgesamt sehr reserviert gegenübersteht. 3 Vgl. zur (fast) allgemeinen Anerkennung auch Raiser, in: Ulmer, Rdnr. 70, 126; Raiser, in: FS Priester, S. 619, 622; Wiedemann, ZGR 2003, 283, 288; Roth, LM Nr. 24 zu § 13 GmbHG, Bl. 6; Strohn, ZInsO 2008, 706, 711; Bitter, Durchgriffshaftung, S. 103 f.; Bitter, WM 2004, 2190, 2196; anders jedoch Ehricke, AcP 199 (1999), 257, 289 ff., der den Durchgriff wegen Vermögensvermischung durch eine Einstandspflicht des Gesellschafters für nicht-ordnungsgemäße Buchführung gemäß §§ 43 Abs. 2, 41 GmbHG, §§ 830 Abs. 2, 840 Abs. 1, 421 ff. BGB ersetzen will; nur tendenziell kritisch Wagner, in: FS Canaris, Bd. II, S. 473, 496 („Durchgriffshaftung am ehesten vertretbar“). 4 Vgl. Bitter, Durchgriffshaftung, S. 103 ff.; Bauschke, BB 1985, 77, 78; Geißler, GmbHR 1993, 71, 74 f.

758

Bitter

§ 13

Juristische Person; Handelsgesellschaft

gleich für die Beschränkung der Haftung auf das Gesellschaftsvermögen (§ 13 Abs. 2) ist1, nicht funktionieren2. Salopp wird teilweise von einer „Waschkorblage“ gesprochen3, womit gemeint sein dürfte, dass alle Gegenstände – wie in einem Waschkorb – heillos durcheinander geraten sind, insbesondere keine Rechnungslegungsunterlagen existieren, die eine klare rechtliche Zuordnung der einzelnen Gegenstände ermöglichen4. Die Haftung trifft einen Gesellschafter nach Ansicht der Rechtsprechung aller- 133 dings nur, wenn er aufgrund des von ihm wahrgenommenen Einflusses als Allein- oder Mehrheitsgesellschafter, ggf. auch als Treugeber im Hintergrund5, für den Vermögensvermischungstatbestand verantwortlich ist (Verhaltenshaftung)6. Mit dem dogmatischen Konzept einer teleologischen Reduktion der Haftungsbeschränkung (Rdnr. 126 f.) ist diese Einschränkung allerdings nicht leicht zu erklären, weil auch der für die Vermögensvermischung nicht selbst verantwortliche Gesellschafter von diesem Zustand profitiert haben kann7. Von der generellen Vermögensvermischung, die zu einem – in der Insolvenz ana- 134 log § 93 InsO vom Verwalter geltend zu machenden8 – Haftungsdurchgriff führt, klar zu unterscheiden sind die gegenständliche Vermögensvermischung sowie die Vermischung von Haftungssubjekten (Sphärenvermischung)9. Soweit einzelne bei der Gesellschaft befindliche Gegenstände nicht mehr eindeutig als Privatvermögen identifiziert werden können (gegenständliche Vermögensvermischung), ergibt sich daraus noch keine generelle Durchbrechung 1 Dazu Keßler, GmbHR 2002, 945, 947 ff. 2 BGHZ 95, 330, 334 = WM 1985, 1263, 1264 = NJW 1986, 188, 189 – „Autokran“; BGHZ 125, 366 = NJW 1994, 1801 = WM 1994, 896 = GmbHR 1994, 390; BGHZ 165, 85 = ZIP 2006, 467 = NJW 2006, 1344 = GmbHR 2006, 426; zustimmend Rehbinder, in: FS Kübler, 1997, S. 493, 501; Boujong, in: FS Odersky, 1996, S. 739, 742; näher Bitter, Durchgriffshaftung, S. 104 ff.; zur Anwendbarkeit auf EG-Auslandsgesellschaften Bitter, WM 2004, 2190, 2196. 3 S. z.B. Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 45; Lutter, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 14; Raiser/Veil, Kapitalgesellschaften, § 29 Rdnr. 27; Röhricht, in: FS 50 Jahre BGB, Bd. 1, 2000, S. 83, 89; Haas, WM 2003, 1929, 1932. 4 Windbichler, GesR, § 24 Rdnr. 30 bezieht den „Waschkorb“ demgegenüber allein auf die Buchhaltungsunterlagen („Waschkorbbuchhaltung“); ebenso wohl auch Schön, ZHR 168 (2004), 268, 284. 5 Vgl. BGHZ 125, 366, 369 = ZIP 1994, 867, 868 = GmbHR 1994, 390; zu einem Strohmannfall auch KG, ZIP 2008, 1535 = WM 2008, 1690 = GmbHR 2008, 703, wobei der konkrete Fall wohl besser über das Deliktsrecht hätte gelöst werden sollen. 6 BGHZ 165, 85 = ZIP 2006, 467 = NJW 2006, 1344 = GmbHR 2006, 426; Weller, in: Bork/ Schäfer, Rdnr. 32; Lutter, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 14; Greitemann, in: Saenger/Inhester, Rdnr. 101 ff.; Strohn, ZInsO 2008, 706, 712; Raiser, in: FS Lutter, S. 637, 645. Diese Verhaltenshaftung ist aber keine Verschuldenshaftung (vgl. Raiser, in: Ulmer, Rdnr. 129); erst recht erfordert sie kein vorsätzliches Handeln des Gesellschafters (a.A. Steffek, JZ 2009, 77, 81 f.). 7 Vgl. auch Pentz, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 141, ferner Rdnr. 140 zur Unterkapitalisierung; Wiedemann, ZGR 2003, 283, 292 („keine Handelndenhaftung, sondern Statusverantwortung“); a.A. Gottschalk, S. 136 ff. 8 BGHZ 165, 85, 89 f. = ZIP 2006, 467 = NJW 2006, 1344 = GmbHR 2006, 426 Rdnr. 10; Raiser, in: Ulmer, Rdnr. 130; Strohn, ZInsO 2008, 706, 713. 9 S. schon Bitter, Durchgriffshaftung, S. 107 ff.

Bitter

759

135

§ 13

Juristische Person; Handelsgesellschaft

der Haftungsbeschränkung im Wege der Durchgriffshaftung. Die gegenständliche Vermögensvermischung führt – worauf früh schon Karsten Schmidt1 und Stimpel2 mit Recht hingewiesen haben – allein zu einer gegenständlichen Haftungserweiterung auf diesen konkreten Gegenstand3. Wird beispielsweise aus einem gegen die GmbH gerichteten Titel ein Gegenstand in den Geschäftsräumen der GmbH gepfändet, so setzt eine erfolgreiche Drittwiderspruchsklage des Gesellschafters (§ 771 ZPO)4 eine klare Vermögenstrennung voraus. Ist diese nicht gegeben, so versagt die Drittwiderspruchsklage des Gesellschafters, ohne dass es um die Frage einer Durchgriffshaftung geht5. 136 Nicht um Fragen einer echten Durchgriffshaftung geht es auch in den Fällen der Vermischung von Haftungssubjekten, in denen die rechtliche Trennung zwischen Gesellschaft und ihren Gesellschaftern nach außen hin überspielt wird. Dies ist der Fall, wenn die betreffende Gesellschaft eine ähnliche Firma, den gleichen Sitz, die gleichen Geschäftsräume, den gleichen Telefonanschluss und die gleichen Bediensteten hat wie das einzelkaufmännische Unternehmen des Gesellschafters oder eine Muttergesellschaft. In Abgrenzung von der oben angeführten mangelnden Trennung der Vermögensmassen, für die sich auch in der Literatur mehrheitlich die Bezeichnung „Vermögensvermischung“ findet6, wird hier überwiegend von „Sphärenvermischung“ gesprochen7. 137 Es geht insoweit um ein Offenkundigkeitsproblem des Firmen- und Stellvertretungsrechts, das über Rechtsscheinsgrundsätze zu lösen ist8. Soweit sich daraus 1 Karsten Schmidt, BB 1985, 2074, 2075 f. unter Ziff. II 3b bb; Karsten Schmidt, GesR, § 9 IV 2a (S. 234 f.). 2 Stimpel, in: FS Goerdeler, 1987, S. 601, 615. 3 Ähnlich auch Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 45, und Raiser, in: FS Priester, S. 619, 622, die jeweils davon sprechen, dass bei Unklarheit über die Zuordnung einzelner Gegenstände keine Durchgriffshaftung in Betracht kommt; offen demgegenüber Priester, ZGR 1993, 512, 528. 4 Gesellschafts- und Gesellschaftersphäre sind in beide Richtungen vollstreckungsrechtlich getrennt (vgl. unten Rdnr. 185). 5 Karsten Schmidt, BB 1985, 2074, 2075 f. unter Ziff. II 3b bb; Karsten Schmidt, GesR, § 9 IV 2a (S. 235); Bitter, Durchgriffshaftung, S. 107 f.; Reiner, S. 206 in Fn. 5 und S. 217. 6 Lutter, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 14; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 14; Lutter, ZGR 1982, 244, 251; Stimpel, in: FS Goerdeler, 1987, S. 601, 606 f. und 615; Wiedemann, in: FS Bärmann, 1975, S. 1037, 1054; Boujong, in: FS Odersky, 1996, S. 739, 742. 7 Lutter, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 20; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 46; Weller, in: Bork/Schäfer, Rdnr. 33; Raiser, in: Ulmer, Rdnr. 131; Pentz, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 142; Lutter, ZGR 1982, 244, 251; Rehbinder, in: FS Kübler, S. 493, 498 f., 501; Zöllner, in: FS Konzen, S. 999, 1000; Ehricke, AcP 199 (1999), 257, 299 f.; demgegenüber verwendet Karsten Schmidt, BB 1985, 2074, 2075 f.; Karsten Schmidt, GesR, § 9 IV 2 (S. 234 ff.) den Begriff der „Sphärenvermischung“ als Oberbegriff und unterteilt dann zwischen einer „Vermischung von Haftungssubjekten“ und einer „Vermischung von Vermögensmassen“. 8 Pentz, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 142; Karsten Schmidt, BB 1985, 2074, 2075 unter Ziff. II 3b aa; Karsten Schmidt, GesR, § 9 IV 2b (S. 236); Zöllner, in: FS Konzen, S. 999, 1000; Ehricke, AcP 199 (1999), 257, 300 m.w.N.; Bitter, Durchgriffshaftung, S. 68 f. m.N. in Fn. 5, S. 108 f.; so inzwischen auch Hueck/Fastrich, in: Baumbach/ Hueck, Rdnr. 46; s. zur Rechtsscheinhaftung wegen Fortlassens des Rechtsformzusatzes auch oben Rdnr. 94.

760

Bitter

§ 13

Juristische Person; Handelsgesellschaft

eine persönliche Haftung der Gesellschafter ergibt, handelt es sich entgegen teilweise vertretener Ansicht1 aber gerade nicht um einen Fall echter Durchgriffshaftung2. b) Unterkapitalisierung Schrifttum: Altmeppen, Zur vorsätzlichen Gläubigerschädigung, Existenzvernichtung und materiellen Unterkapitalisierung in der GmbH, ZIP 2008, 1201; Banerjea, Haftungsfragen in Fällen materieller Unterkapitalisierung und im qualifizierten faktischen Konzern, ZIP 1999, 1153; Benne, Haftungsdurchgriff bei der GmbH, 1978, S. 61 ff.; Bitter, Konzernrechtliche Durchgriffshaftung bei Personengesellschaften, 2000, S. 110 ff.; Bitter, Gesellschafterhaftung für materielle Unterkapitalisierung – Betrachtungen aus ökonomischer und juristischer Perspektive, in: Bachmann/Casper/Schäfer/Veil (Hrsg.), Steuerungsfunktionen des Haftungsrechts im Gesellschaftsund Kapitalmarktrecht, 2007, S. 57; Boujong, Das Trennungsprinzip des § 13 Abs. 2 GmbHG und seine Grenzen in der neueren Judikatur des Bundesgerichtshofs, in: FS Odersky, 1996, S. 739, 745 ff.; Eckhold, Materielle Unterkapitalisierung, 2002; Erlinghagen, Haftungsfragen bei einer unterkapitalisierten GmbH, GmbHR 1962, 169; Gloger/Goette/Japing, Existenzvernichtung und Unterkapitalisierung, ZInsO 2008, 1051; Heermann, Materielle Unterkapitalisierung und sog. Haftungsdurchgriff, Überlegungen zum Anwendungsbereich, zu den dogmatischen Grundlagen und zu den Tatbestandsvoraussetzungen, in: Theobald (Hrsg.), Entwicklungen zur Durchgriffsund Konzernhaftung, 2002, S. 11 ff.; Hölzle, Materielle Unterkapitalisierung und Existenzvernichtungshaftung – Das Phantom als Fallgruppe der Durchgriffshaftung, ZIP 2004, 1729; Hofmann, Zum „Durchgriffs“-Problem bei der unterkapitalisierten GmbH, NJW 1966, 1941; Immenga, Die personalistische Kapitalgesellschaft, 1970, S. 400 ff.; Kahler, Die Haftung des Gesellschafters im Falle der Unterkapitalisierung einer GmbH, BB 1985, 1429; Kleindiek, Materielle Unterkapitalisierung, Existenzvernichtung und Deliktshaftung – GAMMA, NZG 2008, 686; Lutter/Hommelhoff, Nachrangiges Haftkapital und Unterkapitalisierung in der GmbH, ZGR 1979, 31; Möller, Die materiell unterkapitalisierte GmbH, 2005 (Rezension von Bitter, ZHR 171 [2007], 114); Mossmann, Die Haftung des Kommanditisten in der unterkapitalisierten KG, Diss. Heidelberg, 1978; Philipp/Weber, Materielle Unterkapitalisierung als Durchgriffshaftung im Lichte der jüngeren BGH-Rechtsprechung zur Existenzvernichtung, DB 2006, 142; Raiser, Konzernhaftung und Unterkapitalisierungshaftung, ZGR 1995, 156; Raiser, Die Haftungsbeschränkung ist kein Wesensmerkmal der juristischen Person, in: FS Lutter, 2000, S. 637, 647 ff.; Roth, Unterkapitalisierung und persönliche Haftung, ZGR 1993, 170; Schäfer/Fackler, Durchgriffshaftung wegen allgemeiner Unterkapitalisierung?, NZG 2007, 377; Stimpel, „Durchgriffshaftung“ bei der GmbH: Tatbestände, Verlustausgleich, Ausfallhaftung, in: FS Goerdeler, 1987, S. 601, 608 ff.; Ulmer, Gesellschafterdarlehen und Unterkapitalisierung bei GmbH und GmbH & Co. KG – Zehn Thesen, in: FS Duden, 1977, S. 661; Veil, Gesellschafterhaftung wegen existenzvernichtenden Eingriffs und Unterkapitalisierung, NJW 2008, 3264; Vonnemann, Haftung der GmbH-Gesellschafter bei materieller Unterkapitalisierung, 1991; Vonnemann, Haftung von GmbH-Gesellschaftern wegen materieller Unterkapitalisierung, GmbHR 1992, 77; Weitbrecht, Haftung der Gesellschafter bei materieller Unterkapitalisierung der GmbH, 1990; Wiesner, Materielle Unterkapitalisierung – ein überflüssiges Institut?, in: Theobald (Hrsg.), Entwicklun1 Lutter, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 20 f.; Geißler, GmbHR 1993, 71, 75; vgl. auch Wiedemann, WM-Beilage 4/1975, S. 19. 2 Zutreffend Karsten Schmidt, BB 1985, 2074, 2075 unter Ziff. II 3b aa; Karsten Schmidt, GesR, § 9 IV 2b (S. 236); Pentz, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 142; Reiner, S. 217; in der Sache sieht das auch Lutter (ZGR 1982, 244, 251 f.) so, wenn er diese Gestaltung zwar als Fallgruppe des Durchgriffs einordnet, zur Begründung der persönlichen Haftung aber ausführt: „Der Rechtsschein der Identität führt zur Identität der Haftung.“.

Bitter

761

§ 13

Juristische Person; Handelsgesellschaft

gen zur Durchgriffs- und Konzernhaftung, 2002, S. 59 ff.; Winkler, Die Haftung der Gesellschafter einer unterkapitalisierten GmbH, BB 1969, 1202; Winter, Die Haftung der Gesellschafter im Konkurs der unterkapitalisierten GmbH, 1973; Wüst, Das Problem des Wirtschaftens mit beschränkter Haftung, JZ 1992, 710; Wüst, Die unzureichende Eigenkapitalausstattung bei Beschränkthaftern, JZ 1995, 990.

138 Bis heute sehr umstritten ist die Fallgruppe der Unterkapitalisierung1. Ausgangspunkt der – ebenso auch in anderen Rechtsordnungen bekannten2 – Problematik ist der folgende: aa) Definition der Unterkapitalisierung 139 Das Gesetz enthält für keine Gesellschaftsform generelle Regeln darüber, dass das Eigenkapital der Gesellschaft in einem angemessenen Verhältnis zum angestrebten oder tatsächlichen Geschäftsumfang stehen muss3. Für die AG und GmbH gibt es allein Regeln über ein Mindestkapital; für die Personengesellschaften wurde auch darauf verzichtet. Es ist daher denkbar, dass eine Gesellschaft mit einem das Eigenkapital um ein vielfaches übersteigenden jährlichen Umsatzvolumen arbeitet, so dass ein im Verhältnis zum Umsatz nur geringfügiger Verlust schnell zur Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft und damit zu Schäden für die Gläubiger führen kann4. Daher wird die Unterkapitalisierung in Rechtsprechung5 und Literatur6 oftmals als der Zustand gekennzeichnet, in dem ein Missverhältnis zwischen Haftungskapital und Gesellschaftszweck besteht bzw. das Eigenkapital für den Unternehmenszweck zu gering ist. Präziser formuliert Ulmer7, nach dessen Definition eine Gesellschaft als unterkapitalisiert bezeichnet werden kann, „wenn das Eigenkapital nicht ausreicht, um den nach Art und Umfang der […] Geschäftstätigkeit […] bestehenden, nicht durch Kredite Dritter zu deckenden mittel- oder langfristigen Finanzbedarf zu befriedigen“8.

1 S. bereits die 10. Aufl., Rdnr. 81 ff.; Überblick zum Meinungsstand auch bei Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 139; Raiser, in: Ulmer, Rdnr. 153 ff.; ausführlich Bitter, Durchgriffshaftung, S. 110 ff.; Bitter, in: Bachmann/Casper/Schäfer/Veil, S. 57 ff.; Bitter, WM 2004, 2190, 2197 f.; monographisch Möller, Die materiell unterkapitalisierte GmbH, 2005 (dazu die Rezension von Bitter, ZHR 171 [2007], 114); sehr eingehend Eckhold, Materielle Unterkapitalisierung, 2002, der sich jedoch für eine Innenhaftung ausspricht (S. 307 ff. und insbes. S. 621 ff.). 2 S. die rechtsvergleichende Darstellung bei Möller, S. 171 ff.; knapp Blaurock, in: FS Stimpel, S. 553, 561 f., 563 f. (USA). 3 Vgl. Ulmer, in: Hachenburg, Anh. § 30 Rdnr. 1; Kahler, BB 1985, 1429, 1433; Raiser, in: FS Lutter, S. 637, 649; zu den speziellen Vorschriften im Bankenbereich vgl. Walter, AG 1998, 370, 371. 4 Vgl. Geißler, GmbHR 1993, 71, 76; Kahler, BB 1985, 1429. 5 BGHZ 31, 258, 268; BGHZ 68, 312, 316 = GmbHR 1977, 198, 199 – „Fertighaus“. 6 Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, § 5 Rdnr. 6; Wiedemann, GesR I, § 10 IV 3 (S. 565). 7 Ulmer, in: Hachenburg, Anh. § 30 Rdnr. 16; dazu Bitter, Durchgriffshaftung, S. 110. 8 So im Anschluss an Ulmer auch Karsten Schmidt, ZIP 1981, 689, 690; Karsten Schmidt, GesR, § 9 IV 4a (S. 240); Wüst, JZ 1995, 990, 992; partiell kritisch Kahler, BB 1985, 1429, 1430.

762

Bitter

§ 13

Juristische Person; Handelsgesellschaft

bb) Nominelle und materielle Unterkapitalisierung Bei den Rechtsfolgen einer derartigen Unterkapitalisierung ist im Ansatz zwi- 140 schen nomineller und materieller Unterkapitalisierung zu unterscheiden, wobei nur für die letztere eine Durchgriffshaftung überhaupt in Betracht kommt1. Die Besonderheit der nominellen Unterkapitalisierung besteht darin, dass das 141 erforderliche Kapital wohl vorhanden ist, von den Gesellschaftern aber nicht durch Eigenkapitalzufuhr, sondern im Wege der Fremdfinanzierung, insbesondere durch Hingabe von Gesellschafterdarlehen aufgebracht wird. Insoweit galt früher ein zweispuriges Haftungssystem unter dem Stichwort der sog. „eigenkapitalersetzenden Gesellschafterdarlehen“ (dazu 10. Aufl., §§ 32a, 32b), das mit dem MoMiG durch eine insolvenzrechtliche Regelung abgelöst worden ist: Forderungen auf Rückgewähr eines Gesellschafterdarlehens und Forderungen aus Rechtshandlungen, die einem solchen Darlehen wirtschaftlich entsprechen, sind nachrangig (§ 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO). Hat der Gesellschafter vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens noch eine Leistung auf seinen Darlehensrückgewähranspruch von der Gesellschaft erlangt, unterliegt die Rückzahlung der Insolvenzanfechtung durch den Insolvenzverwalter: Gemäß § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO i.V.m. § 143 InsO muss der Gesellschafter die Leistung zurückgewähren, wenn er sie binnen eines Jahres vor dem Insolvenzantrag oder danach erhalten hat. Dieses neue Recht der Gesellschafterdarlehen ist in diesem Kommentar in der 10. Aufl. in Band III im Nachtrag zu §§ 32a, 32b vorgestellt worden und wird in der 11. Aufl. im Anhang zu § 64 kommentiert. Hiervon zu trennen ist die materielle Unterkapitalisierung, von der gesprochen 142 wird, wenn der Gesellschaft die benötigten Mittel überhaupt nicht – weder als Eigenkapital noch als Fremdkapital – zur Verfügung stehen. Schlagwortartig kann daher in Abgrenzung zur (nominellen) „Unterkapitalisierung durch Fremdkapitalisierung“ von „Unterkapitalisierung durch Nichtkapitalisierung“ gesprochen werden2. cc) Durchgriffshaftung bei materieller Unterkapitalisierung? Der Betrieb einer unterkapitalisierten GmbH mit Risikoverlagerung auf die 143 Gläubiger widerspricht dem Zweck des § 13 Abs. 2, denn das Gesellschaftskapital soll auch als Finanzpolster dienen, mit dem Verluste aufgefangen und ein jederzeitiges Abrutschen der GmbH in die Insolvenz verhindert wird (s. oben Rdnr. 67 f.)3. Eine Durchgriffs-/Außenhaftung des Gesellschafters analog § 128 1 Zu dieser Unterscheidung s. Ulmer, in: Hachenburg, Anh. § 30 Rdnr. 21; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, § 5 Rdnr. 6, § 13 Rdnr. 47; Pentz, in: Rowedder/SchmidtLeithoff, Rdnr. 133 ff.; Reuter, in: MünchKomm. BGB, 6. Aufl. 2012, vor § 21 BGB Rdnr. 37 ff.; Windbichler, GesR, § 24 Rdnr. 31; Wüst, JZ 1995, 990, 992 ff.; Michalski/de Vries, NZG 1999, 181 f.; näher Bitter, Durchgriffshaftung, S. 111 ff. mit Darstellung der historischen Entwicklung; von „formeller“ und „materieller“ Unterkapitalisierung sprechen Raiser/Veil, Kapitalgesellschaften, § 29 Rdnr. 39; von „nomineller“ und „aktueller“ Unterkapitalisierung sprach Benne, S. 88 ff. und 179 ff. 2 Vgl. Karsten Schmidt, ZIP 1981, 689, 690. 3 S. auch Lutter, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 15; Lutter/Hommelhoff, ZGR 1979, 31, 58 f.

Bitter

763

§ 13

Juristische Person; Handelsgesellschaft

HGB für eine objektiv völlig unzureichende Vermögensausstattung der GmbH wird deshalb mit Recht von zahlreichen Stimmen in der Literatur befürwortet1, von vielen anderen aber auch abgelehnt2. 144 Auch in der Rechtsprechung ist das Bild gespalten3. Während das BSG sich durchaus offen gegenüber einer Missbrauchshaftung wegen materieller Unterkapitalisierung gezeigt hat4, steht die Rechtsprechung des BGH5 und BAG6 ihr sehr zurückhaltend gegenüber. Besonders deutlich ist in dieser Hinsicht das 2008 ergangene Urteil „Gamma“ des für Gesellschaftsrecht zuständigen II. Zivilsenats7. Danach existiert weder eine gesetzliche Regelung noch besteht eine 1 Lutter, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 15 ff.; Pentz, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 137; Raiser, in: Ulmer, Rdnr. 157 ff.; Raiser, in FS Lutter, S. 637, 647 ff.; Raiser, in FS Priester, S. 619, 623 f.; Kübler/Assmann, GesR, 6. Aufl. 2006, § 18 VI 5 (S. 269 ff.); Lutter/Hommelhoff, ZGR 1979, 31, 58 ff.; Lutter/Banerjea, ZGR 2003, 402, 419 f.; Wiedemann, GesR I, § 4 III 1b (S. 224 ff.); Wiedemann, WM-Beilage 4/1975, S. 19; Wiedemann, ZGR 2003, 283, 295 f.; Stimpel, in: FS Goerdeler, S. 601, 609 ff.; Lehmann, GmbHR 1992, 200, 204 ff.; Wüst, JZ 1992, 710, 712; Wüst, JZ 1995, 990, 994 f.; Hölzle, ZIP 2004, 1729 ff.; Hölzle, ZIP 2010, 913 f.; G. H. Roth, NZG 2003, 1081, 1082 f.; Blaurock, in: FS Stimpel, S. 553, 559 ff.; Schäfer/Fischbach, LMK 2008, 267714; Matschernus, S. 258 ff.; wohl auch Nirk, in: FS Stimpel, S. 443, 454; eingehend Ulmer, in: Hachenburg, Anh. § 30 Rdnr. 50 ff., 64; Bitter, Durchgriffshaftung, S. 119 ff., 531 ff.; Bitter, in Bachmann/Casper/Schäfer/Veil, S. 57 ff.; s. auch Bitter, WM 2004, 2190, 2197 f.; umfassend Eckhold, Materielle Unterkapitalisierung, 2002, der sich jedoch für eine Innenhaftung ausspricht; Präferenz für eine Innenhaftung auch bei Banerjea, ZIP 1999, 1153 ff.; Ulmer, ZIP 2001, 2021, 2026; Karsten Schmidt, GesR, § 9 IV 4 (S. 240 ff.); partiell anders Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 145 ff.; zu weiteren, insbesondere in der älteren Literatur entwickelten dogmatischen Ansätzen s. Winter, S. 78 ff. 2 Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, § 5 Rdnr. 6; Windbichler, GesR, § 24 Rdnr. 31; Weitbrecht, S. 66 ff.; Möller, S. 43 ff., 82 ff.; Rabensdorf, S. 130 ff.; Heermann, S. 26 ff., insbes. S. 30 ff. mit Ergebnis S. 43 f., 56 f.; Wiesner, S. 63 ff.; Kahler, BB 1985, 1429, 1432 ff.; Weller, IPRax 2003, 520, 524; Zimmer, NJW 2003, 3585, 3588; Philipp/Weber, DB 2006, 142 ff.; Schäfer/Fackler, NZG 2007, 377 ff.; Veil, NJW 2008, 3264, 3265 f.; Weber/Sieber, ZInsO 2008, 952, 955 ff.; Gloger/Goette/Japing, ZInsO 2008, 1051, 1055 f. 3 S. die ausführliche Darstellung bei Bitter, Durchgriffshaftung, S. 115 ff.; Winter, S. 61 ff.; Weitbrecht, S. 58 ff.; Möller, S. 99 ff., ferner S. 73 ff.; Wiesner, S. 60 ff.; zum Vereinsrecht s. auch BGHZ 54, 222 = NJW 1970, 2015 = WM 1970, 1106; BGHZ 175, 12 = ZIP 2008, 364 = MDR 2008, 396 – „Kolpingwerk“. 4 BSG, BSGE 56, 76, 83 ff. = DB 1984, 1103, 1104; BSG, BSGE 75, 82, 84 = ZIP 1994, 1944, 1945 f. = GmbHR 1995, 46; insbesondere BSG, ZIP 1996, 1134, 1135; vgl. aus der instanzgerichtlichen Rechtsprechung der Zivilgerichte außerdem OLG Hamburg, BB 1973, 1231, 1232, wo im konkreten Fall jedoch die Haftung verneint wurde. 5 BGHZ 68, 312 = GmbHR 1977, 198 – „Fertighaus“ (VIII. Zivilsenat); demgegenüber offen die Entscheidung des II. Zivilsenats, NJW 1977, 1683, 1686 = GmbHR 1977, 246, in der Vorbehalte geäußert werden, „ob der engen Auffassung, die der VIII. Zivilsenat des BGH unlängst […] zur Haftung eines Gesellschafters wegen Unterkapitalisierung vertreten hat, in Anbetracht neuerer, auch in der Rechtsprechung des II. Zivilsenats zu verzeichnender Tendenzen zu einem verstärkten Gläubigerschutz gefolgt werden kann“ (insoweit in BGHZ 69, 95 nicht abgedruckt); deutlich ablehnend gegenüber einer Durchgriffshaftung jetzt aber der II. Zivilsenat in BGHZ 176, 204 = ZIP 2008, 1232 = NJW 2008, 2437 = GmbHR 2008, 805 – „Gamma“. 6 BAG, BAGE 89, 349, 356 = NJW 1999, 740, 741 = GmbHR 1998, 1221, 1223 = ZIP 1999, 24, 26 (8. Senat); BAG, NJW 1999, 2299 = ZIP 1999, 878 = GmbHR 1999, 655 (5. Senat). 7 BGHZ 176, 204 = ZIP 2008, 1232 = NJW 2008, 2437 = GmbHR 2008, 805 – „Gamma“; zustimmend Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, § 5 Rdnr. 6, § 13 Rdnr. 47; Wind-

764

Bitter

§ 13

Juristische Person; Handelsgesellschaft

ausfüllungsbedürftige oder ausfüllungsfähige Gesetzeslücke1: Das GmbHG kenne lediglich eine „Entnahmesperre“ zu Gunsten des Stammkapitals der GmbH (§§ 30, 31), nicht aber eine Rechtspflicht der Gesellschafter zu ausreichender Finanzausstattung. Eine Haftung des GmbH-Gesellschafters wegen unzureichender Kapitalisierung der Gesellschaft sei also weder gesetzlich normiert noch durch richterrechtliche Rechtsfortbildung als gesellschaftsrechtlich fundiertes Haftungsinstitut anerkannt. Mangels einer im derzeitigen gesetzlichen System des GmbHG bestehenden Gesetzeslücke komme daher die Statuierung einer allgemeinen gesellschaftsrechtlichen Haftung des Gesellschafters wegen materieller Unterkapitalisierung im Wege der Rechtsfortbildung schon im Ansatz nicht in Betracht. Diese scharfe Ablehnung erstaunt2, hat sich derselbe II. Zivilsenat des BGH 145 doch früher durchaus offen gezeigt3 und insbesondere im Rahmen der Missbrauchshaftung wegen Existenzvernichtung eine Haftung wegen „Spekulation auf Kosten der Gläubiger“ anerkannt (dazu Rdnr. 163)4, womit in der Sache das gleiche Phänomen gemeint ist5. Wer eine Gesellschaft betreibt, die im Verhältnis zu den mit der Geschäftstätigkeit verbundenen Risiken eindeutig unterkapitalisiert ist, spekuliert auf Kosten der Gläubiger: Realisiert sich das Risiko nicht, schöpft der Gesellschafter den Gewinn des risikoreichen Projektes über sein Gewinnbezugsrecht ab; realisiert es sich, lässt er die GmbH insolvent werden und überträgt damit den Schaden auf die Gläubiger. Dass ein solches Verhalten nicht zu missbilligen sein soll, ist in keiner Weise einzusehen, zumal die Haftungsbeschränkung so zu volkswirtschaftlichen Ineffizienzen führen würde (Rdnr. 65 ff.). Mit Recht ist schon früh darauf hingewiesen worden, dass der Zweck der im Ge- 146 setz geregelten (zwingenden) Kapitalerhaltungsvorschriften nicht ersichtlich sei, wenn der Gesetzgeber von einer völligen Freiheit der Gesellschafter zur Bestimmung des Eigenkapitals ausgegangen wäre. Dem Gesetzgeber kann nicht entgangen sein, dass mit einem Stammkapital von nur 25 000 Euro (früher 20 000 DM, dann 50 000 DM) eine Gesellschaft betrieben werden könnte, die einen Umsatz von mehreren Millionen pro Jahr tätigt. Hätten die Gesellschafter hier tatsächlich nur für das Mindestkapital aufzukommen, ohne dass weitergehende Kapitalisierungspflichten bestünden, so würde der Sinn der Gläubiger-

1 2 3 4 5

bichler, GesR, § 24 Rdnr. 31; Weber/Sieber, ZInsO 2008, 952, 955 ff.; Gloger/Goette/Japing, ZInsO 2008, 1051, 1055 f. BGHZ 176, 204, 212 f. = ZIP 2008, 1232, 1234 f. = NJW 2008, 2437 = GmbHR 2008, 805 Rdnr. 17 ff. – „Gamma“; so auch schon Karsten Schmidt, JZ 1984, 771, 777. A.A. Kleindiek, NZG 2008, 686, 688. S. das Zitat aus BGH, NJW 1977, 1683, 1686 = GmbHR 1977, 246 oben in den Fußnoten zu Rdnr. 144. BGH, NJW 1994, 446, 447 – „EDV“; BGH, NJW 2000, 1571, 1572; dazu auch Matschernus, S. 252 ff. Vgl. Bitter, in: Bachmann/Casper/Schäfer/Veil, S. 57, 59 f. und 82 f.; Bitter, WM 2004, 2190, 2197 f.; ausführlich Bitter, Durchgriffshaftung, S. 540 ff.; s. auch Haas, WM 2003, 1929, 1935 in Fn. 97 m.w.N. („zwei Seiten derselben Medaille“); ähnlich Hölzle, ZIP 2004, 1729, 1733 ff.

Bitter

765

§ 13

Juristische Person; Handelsgesellschaft

schutzvorschriften entleert1. Noch einmal sei deshalb betont: Die Beschränkung des GmbH-Gesetzes auf eine Regelung zum Mindestkapital ist kein Freibrief, nach Aufbringung dieses „Eintrittsgeldes“ frei zu Lasten der Gläubiger zu spekulieren (s. noch unten Rdnr. 163)2. Das Mindestkapital hat mit der Frage einer Haftung für materielle Unterkapitalisierung im Grunde überhaupt nichts zu tun, weshalb auch die Einführung der Unternehmergesellschaft (UG haftungsbeschränkt) mit einem Mindestkapital von nur 1 Euro kein Argument gegen, sondern allenfalls für eine Haftung wegen materieller Unterkapitalisierung bietet3. 147 Entgegen der jüngeren Rechtsprechung ist deshalb eine Außenhaftung bei materieller Unterkapitalisierung anzuerkennen, die letztlich nur ein Unterfall der sog. Existenzvernichtung durch „Existenzgefährdung“ ist4: Verboten ist der Betrieb einer Gesellschaft mit deutlich erhöhter Insolvenzwahrscheinlichkeit (s. unten Rdnr. 163). Bestätigt wird diese Sichtweise durch die Regelung zur Nutzungsüberlassung in § 135 Abs. 3 InsO, die mit ihrer faktischen Nachschusspflicht des Gesellschafters nur als spezialgesetzliche Sanktion der materiellen Unterkapitalisierung erklärbar ist5. Zudem zeigt auch das Recht der Gesellschafterdarlehen insgesamt, dass die Eigentümer der Gesellschaft keineswegs frei sind, in welchem Umfang sie sich vorrangig gegenüber den Gläubigern am Risiko beteiligen6. Gäbe es nämlich tatsächlich eine Finanzierungsfreiheit der Gesellschafter im Sinne eines Rechts auf Unterkapitalisierung, wäre rechtlich nicht erklärbar, warum das Darlehen eines Gesellschafters im Rang zurückgestuft wird, das Darlehen eines sonstigen Gläubigers nicht7. c) Beherrschung der Gesellschaft Schrifttum: Zur früher viel diskutierten, heute jedoch nicht mehr relevanten Rechtsfigur des sog. „qualifiziert faktischen Konzerns“ s. die Nachweise in der 10. Aufl. vor Rdnr. 55 und im Anh. § 13 Rdnr. 91; zur Position des Verfassers s. Bitter, Konzern1 Vgl. Westermann, Vertragsfreiheit und Typengesetzlichkeit im Recht der Personengesellschaften, 1970, S. 289; Wiedemann, WM-Beilage 4/1975, S. 19; pointiert Wiedemann, Schlußwort in: Die Haftung des Gesellschafters in der GmbH, 1968, S. 154, wo nach dem Zweck einer „Haftung für Nichts“ gefragt wird; im Anschluss daran auch Winkler, BB 1969, 1202, 1205; vgl. ferner Raiser, ZGR 1995, 156, 165; a.A. jedoch Winter, S. 106 f. 2 Zutreffend schon Lutter/Hommelhoff, ZGR 1979, 31, 58; Immenga, S. 402 ff.; näher Bitter, Durchgriffshaftung, S. 128 ff.; ähnlich Pentz, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 136; Raiser, in: FS Lutter, S. 637, 647 ff.; Wagner, in: FS Gerhardt, S. 1043, 1057. 3 Wie hier Priester, ZIP 2005, 921, 922; a.A. Podewils, GmbHR 2009, 606, 608; Gloger/ Goette/Japing, ZInsO 2008, 1051, 1055. 4 Ebenso Matschernus, S. 258 ff.; Hangebrauck, Kapitalaufbringung, Kapitalerhaltung und Existenzschutz bei konzernweiten Cash-Pooling-Systemen, 2008, S. 494 f. m.w.N. 5 Dazu Bitter, ZIP 2010, 1 ff., insbes. S. 9 f.; zustimmend Hölzle, ZIP 2010, 913 f. 6 Zur Verbindung beider Problembereiche sehr früh schon Lutter/Hommelhoff, ZGR 1979, 31 ff. 7 Näher Bitter, GesR, § 4 Rdnr. 262 ff., insbes. Rdnr. 272; ausführlich Bitter, demnächst in KTS; ähnlich Matschernus, S. 265 f.; Raiser, in: FS Lutter, S. 637, 649 f., der von einem „bemerkenswerten Kontrast“ und einem „Wertungswiderspruch“ zwischen der Rechtsprechung zur materiellen und nominellen Unterkapitalisierung spricht; ferner Raiser/Veil, Kapitalgesellschaften, § 29 Rdnr. 45.

766

Bitter

§ 13

Juristische Person; Handelsgesellschaft

rechtliche Durchgriffshaftung bei Personengesellschaften, 2000, S. 137 ff., 421 ff.; zur heutigen Haftung wegen Existenzvernichtung s. die Nachweise unten vor Rdnr. 152.

Als dritte Fallgruppe der Durchgriffshaftung wurde früher die Beherrschung der 148 Gesellschaft diskutiert, wobei zwischen der Konzernbeherrschung einerseits und der nur im Recht der Personengesellschaften relevanten Beherrschung einer KG andererseits zu unterscheiden ist1. Jeweils geht es um die Frage, ob mit der Herrschaft in der Gesellschaft auch eine Haftung für deren Verbindlichkeiten verbunden sein muss. In Bezug auf die KG ist diese Frage relevant, wenn entgegen der Grundidee des 149 HGB die KG nicht durch die Komplementäre, sondern faktisch durch einen Kommanditisten beherrscht wird (sog. atypische KG). Insoweit hat der BGH in dem berühmten „Rektor“-Urteil2 schon 1966 entschieden, dass es keinen zwingenden Grundsatz der Verknüpfung von Herrschaft und Haftung gebe und folglich der Kommanditist nicht schon deshalb persönlich für die Verbindlichkeiten der KG hafte, weil er – für die KG atypisch – die Gesellschaft beherrscht3. Anderes kann allerdings in Fällen der Unterkapitalisierung einer derartigen atypischen KG gelten4. Vornehmlich in Bezug auf das GmbH-Recht ist hingegen in den 1980er und 150 1990er Jahren die sogleich im Zusammenhang mit der Existenzvernichtungshaftung noch darzustellende Diskussion zum sog. „qualifiziert faktischen Konzern“ geführt worden (s. unten Rdnr. 152 ff.; ausführlicher Anh. § 13 Rdnr. 91 ff.)5. Darin ging es um die Frage, ob ein Gesellschafter, der mehr als nur eine GmbH beherrscht, wegen der Gefahr, eine Gesellschaft um der anderen willen zu instrumentalisieren, einer persönlichen Haftung zu unterwerfen ist. Die herrschende Ansicht übertrug seinerzeit das Modell des aktienrechtlichen Konzernrechts, das eine unmittelbare Leitungsmacht der Gesellschafter (Aktionäre) nur bei Beherrschungsverträgen (§ 291 AktG in Abweichung von § 76 AktG) und dort um den Preis des Verlustausgleichs kennt (§ 302 AktG), auf das GmbH-Recht – mit katastrophalen Folgen: Wird nämlich die in §§ 291, 302 AktG enthaltene Wertung, dass Herrschaft nur um den Preis unbeschränkter Haftung zu haben ist6, auf das GmbH-Recht übertragen, das in § 13 Abs. 2 gerade eine Haftungsbeschränkung trotz umfassender Herrschaftsrechte der Gesellschafter kennt, muss notwendig dieses Prinzip der Haftungstrennung ins Wanken geraten7. Der Gipfel der Rechtsentwicklung, in die der BGH von einer Heerschar Professoren geführt worden ist, zeigte sich im „Video“-Urteil aus dem Jahr 19918, in dem der

1 Dazu Bitter, Durchgriffshaftung, S. 137 ff. 2 BGHZ 45, 204 = NJW 1966, 1309 – „Rektor“. 3 Dazu Blaurock, in: FS Stimpel, S. 553, 554 ff., 569 mit rechtsvergleichenden Hinweisen; ausführlich Bitter, Durchgriffshaftung, S. 139 ff. mit umfassenden Nachweisen. 4 Blaurock, in: FS Stimpel, S. 553, 569. 5 Überblick bei Liebscher, in: MünchKomm. GmbHG, Anh. § 13 Rdnr. 475 ff.; umfassend Bitter, Durchgriffshaftung, S. 421 ff.; knapper Bitter, WM 2001, 2133 ff. 6 Dazu Bitter, Durchgriffshaftung, S. 338 ff. 7 Dazu Bitter, ZIP 2001, 265 ff.; Bitter, Durchgriffshaftung, S. 349 ff.; zustimmend Matschernus, S. 345 f. 8 BGHZ 115, 187 = NJW 1991, 3142 – „Video“.

Bitter

767

§ 13

Juristische Person; Handelsgesellschaft

BGH in der Sache entschied, dass eine Person, die als Gesellschafter mindestens zwei Gesellschaften beherrscht oder sich neben einer GmbH-Beteiligung noch anderweitig unternehmerisch betätigt1, das Haftungsprivileg des § 13 verliert2. Der Aufschrei der Praxis und der Wissenschaft war groß3, und zwar auch bei jenen Professoren, die die zugrundeliegende Dogmatik selbst entwickelt hatten4. Der BGH gab das ganze (konzernrechtliche) Konstrukt in den Urteilen „TBB“5 und „Bremer Vulkan“6 mit Recht wieder auf7. 151 Dies war die Geburtsstunde der Haftung wegen Existenzvernichtung (dazu sogleich Rdnr. 152 ff.). Heute ist man sich deshalb weitgehend darin einig, dass allein die Beherrschung einer oder auch mehrerer GmbH durch einen Gesellschafter für sich genommen keine Durchgriffshaftung rechtfertigt8.

X. Haftung wegen existenzvernichtenden Eingriffs Schrifttum: s. 10. Aufl., vor Rdnr. 55 (insbes. zur früheren „Bremer-Vulkan“-Rechtsprechung), ferner Altmeppen, Abschied vom „Durchgriff“ im Kapitalgesellschaftsrecht, NJW 2008, 2657; Aukhatov, Durchgriffs- und Existenzvernichtungshaftung im deutschen und russischen Sach- und Kollisionsrecht, 2009; Bitter, Konzernrechtliche Durchgriffshaftung bei Personengesellschaften, 2000, S. 490 ff.; Bitter, Der Anfang vom Ende des „qualifiziert faktischen GmbH-Konzerns“ – Ansätze einer allgemeinen Missbrauchshaftung in der Rechtsprechung des BGH, WM 2001, 2133; Burg, Gesellschafterhaftung bei Existenzvernichtung der Einmann-GmbH, 2006; Burg/Hützen, Existenzvernichtungshaftung im Vertragskonzern, Der Konzern 2010, 20; Dauner-Lieb, Die Existenzvernichtungshaftung als deliktische Innenhaftung gemäß § 826 BGB, ZGR 2008, 34; Förster, Der Schwarze Ritter – § 826 BGB im Gesellschaftsrecht, AcP 209 (2009), 398; Gehrlein, Die Existenzvernichtungshaftung im Wandel der Rechtsprechung, WM 2008, 761; Gottschalk, Die Existenzvernichtungshaftung des GmbH-Gesellschafters, 2007; Grigoleit, Gesellschafterhaftung für interne Einflussnahme im Recht der GmbH, 2006, S. 249 ff.; Guski, Gesellschafterhaftung 1 Durch die mehrfache unternehmerische Betätigung wird er zum „Unternehmen“ im konzernrechtlichen Sinne, weil damit der konzerntypische Interessenkonflikt beginnt: eines der beiden Unternehmen könnte zu Lasten des anderen benachteiligt werden, ohne dass der Gesellschafter dadurch – im Hinblick auf seine zweifache Beteiligung – einen Nachteil hätte, wohl aber die Gläubiger und Mitgesellschafter der benachteiligten Gesellschaft. 2 Der in dem Urteil anerkannte Entlastungsbeweis des Gesellschafters war praktisch nicht zu führen. 3 Besonders prägnant der Aufsatztitel von Flume, ZIP 1992, 817: „Das Video-Urteil als eine Entscheidung des II. Senats des BGH aus dessen Selbstverständnis der Innehabung gesetzgeberischer Gewalt“; ferner Mertens, AG 1991, 434 (Anm.): „Wiedergeburt der oHG aus dem GmbH-Gesetz“. 4 Dazu Bitter, ZIP 2001, 265, 267 ff. 5 BGHZ 122, 123 = GmbHR 1993, 283 = NJW 1993, 1200 – „TBB“. 6 BGHZ 149, 10 = GmbHR 2001, 1036 = ZIP 2001, 1874 = NJW 2001, 3622 – „Bremer Vulkan“. 7 Dazu Liebscher, in MünchKomm. GmbHG, Anh. § 13 Rdnr. 503 ff.; Bitter, WM 2001, 2133 ff. 8 Vgl. Lutter, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 23; Strohn, ZInsO 2008, 706, 707 („Damit war der faktische GmbH-Konzern tot“); Weller, in: Bork/Schäfer, Anhang zu § 13 Rdnr. 50 („Bedeutung für die Praxis verloren“); Paefgen, DB 2007, 1907, 1911 („Abschied vom qualifiziert faktischen Konzern“); für eine Weiterführung der konzernspezifischen Rechtsprechung allerdings Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 48.

768

Bitter

§ 13

Juristische Person; Handelsgesellschaft

wegen Existenzvernichtung: § 826 BGB als Fugenkitt?, KTS 2010, 277; Haas, Die Gesellschafterhaftung wegen Existenzvernichtung, WM 2003, 1929; Hangebrauck, Kapitalaufbringung, Kapitalerhaltung und Existenzschutz bei konzernweiten Cash-Pooling-Systemen, 2008, S. 469 ff.; Heeg/Manthey, Existenzvernichtender Eingriff – Fallgruppen der Rechtsprechung und Praxisprobleme, GmbHR 2000, 798; Henzler, Haftung der GmbH-Gesellschafter wegen Existenzvernichtung, 2009; Hölzle, Materielle Unterkapitalisierung und Existenzvernichtungshaftung – Das Phantom als Fallgruppe der Durchgriffshaftung, ZIP 2004, 1729; Hönn, Roma locuta? – Trihotel, Rechtsfortbildung und die gesetzliche Wertung, WM 2008, 769; Ihrig, Einzelfragen zur Existenzvernichtungshaftung als Innenhaftung, DStR 2007, 1170; Keßler, Die Durchgriffshaftung der GmbH-Gesellschafter wegen „existenzgefährdender“ Eingriffe – Zur dogmatischen Konzeption des Gläubigerschutzes in der GmbH, GmbHR 2002, 945; Khonsari, Die Haftung der GmbH-Gesellschafter aus existenzvernichtendem Eingriff, 2007; Kleindiek, Materielle Unterkapitalisierung, Existenzvernichtung und Deliktshaftung – GAMMA, NZG 2008, 686; Koch, Die Abkehr von der „bilanziellen Betrachtungsweise“ und ihre Auswirkungen auf die Existenzvernichtungshaftung, 2007; Lieder, Die neue Existenzvernichtungshaftung, DZWIR 2008, 145; Livonius, Untreue wegen existenzgefährdenden Eingriffs – Rechtsgeschichte?, wistra 2009, 91; Lutter/Banerjea, Die Haftung wegen Existenzvernichtung, ZGR 2003, 402; Matschernus, Die Durchgriffshaftung wegen Existenzvernichtung in der GmbH, 2006; Osterloh-Konrad, Abkehr vom Durchgriff: Die Existenzvernichtungshaftung des GmbH-Gesellschafters nach „Trihotel“, ZHR 172 (2008), 274; Paefgen, Existenzvernichtungshaftung nach Gesellschaftsdeliktsrecht, DB 2007, 1907; Röck, Die Rechtsfolgen der Existenzvernichtungshaftung, 2011; Röhricht, Die GmbH im Spannungsfeld zwischen wirtschaftlicher Dispositionsfreiheit ihrer Gesellschafter und Gläubigerschutz, in: FS 50 Jahre BGH, Bd. 1, 2000, S. 83; Rubner, Die Haftung wegen sittenwidriger vorsätzlicher Existenzvernichtung, Der Konzern 2007, 635; Schanze, Gesellschafterhaftung für unlautere Einflussnahme nach § 826 BGB: Die TrihotelDoktrin des BGH, NZG 2007, 681; Sven H. Schneider, (Mit-)Haftung des Geschäftsführers eines wegen Existenzvernichtung haftenden Gesellschafters, GmbHR 2011, 685; Schön, Zur „Existenzvernichtung“ der juristischen Person, ZHR 168 (2004), 268; Schult, Solvenzschutz der GmbH durch Existenzvernichtungs- und Insolvenzverursachungshaftung, 2009; Schwab, Die Neuauflage der Existenzvernichtungshaftung: kein Ende der Debatte!, ZIP 2008, 341; Strohn, Existenzvernichtungshaftung – Vermögensvermischungshaftung – Durchgriffshaftung, ZInsO 2008, 706; Strohn, Existenzvernichtungshaftung, §§ 30, 31, 43 GmbHG und § 64 S. 3 GmbHG – Koordinierungsbedarf?, ZHR 173 (2009), 589; Theiselmann, Die Existenzvernichtungshaftung im Wandel, GmbHR 2007, 904; Tröger/Dangelmeyer, Eigenhaftung der Organe für die Veranlassung existenzvernichtender Leitungsmaßnahmen im Konzern, ZGR 2011, 558; Ulmer, Von „TBB“ zu „Bremer Vulkan“ – Revolution oder Evolution?, ZIP 2001, 2021; Veil, Gesellschafterhaftung wegen existenzvernichtenden Eingriffs und Unterkapitalisierung, NJW 2008, 3264; J. Vetter, Die neue dogmatische Grundlage des BGH zur Existenzvernichtungshaftung, BB 2007, 1965; Wagner, Existenzvernichtung als Deliktstatbestand, in: FS Canaris, Bd. II, 2007, S. 473; Wahl, Die Haftung der GmbH-Gesellschafter wegen Existenzvernichtung, 2006; Wazlawik, Existenzvernichtung und kein Ende, NZI 2009, 291; Weller, Die Neuausrichtung der Existenzvernichtungshaftung durch den BGH und ihre Implikationen für die Praxis, ZIP 2007, 1681; Wiedemann, Reflexionen zur Durchgriffshaftung – Zugleich Besprechung des Urteils WM 2002, 1804 – KBV, ZGR 2003, 283; Wiedemann, Existenzvernichtung und Bestandsschutz der GmbH, in: FS Lüer, 2008, S. 337; Wilhelmi, Die „neue“ Existenzvernichtungshaftung der Gesellschafter der GmbH, DZWIR 2003, 45; Zöllner, Gläubigerschutz durch Gesellschafterhaftung bei der GmbH, in: FS Konzen, 2006, S. 999.

Bitter

769

§ 13

Juristische Person; Handelsgesellschaft

152 Auch die Haftung wegen sog. Existenzvernichtung1 ist – im Gegensatz etwa zu den Haftungstatbeständen der §§ 43, 64 – eine Gesellschafter-, nicht eine Geschäftsführerhaftung. Sie muss als eine „schwere Geburt“ der Rechtsprechung bezeichnet werden und es kann nach dem letzten Stand der Dinge auch nicht festgestellt werden, dass diese Geburt geglückt sei2. Die Haftungsfigur war zunächst in den 1980er und 1990er Jahren als Haftung im sog. „qualifiziert faktischen Konzern“ entstanden (s. schon Rdnr. 150), wurde dann in den Jahren 2001/2002 durch die BGH-Entscheidungen „Bremer Vulkan“3 und „KBV“4 vom konzernrechtlichen Ansatz befreit und richtigerweise zu einer allgemeinen Durchgriffshaftung wegen Missbrauchs der Haftungsbeschränkung fortentwickelt (Außenhaftung gegenüber den Gläubigern)5, um sodann durch das 2007 ergangene Urteil „Trihotel“6 eine erneute überraschende Wendung hin zu einer Innenhaftung aus § 826 BGB zu nehmen7. Da dieses ständige Hin und Her der Rechtsprechung – bisweilen gar als „Odyssee“ bezeichnet8 – das Verständnis der Haftungsfigur nicht gerade leicht macht, kann auch eine Kommentierung nicht ganz darauf verzichten, die – von Gehrlein9 mit Recht als „stürmisch“ bezeichnete – Entwicklung kurz darzustellen10.

1. Entwicklung der Existenzvernichtungshaftung 153 Ausgangspunkt des von der Rechtsprechung entwickelten Haftungsansatzes ist seit jeher die Vorstellung, dass das gesetzliche Gläubigerschutzkonzept des GmbH-Gesetzes Lücken enthält11. Das Gesetz schützt zwar das bilanzielle Ka1 Kritisch zu dem Begriff – mit je unterschiedlicher Stoßrichtung – Bitter, WM 2001, 2133, 2136 (missverstanden bei Wahl, S. 43 f.); Schön, ZHR 168 (2004), 268, 271 f.; Zöllner, in: FS Konzen, S. 999, 1003. 2 Kritisch auch Liebscher, in: MünchKomm. GmbHG, Anh. § 13 Rdnr. 534; Hönn, WM 2008, 769 ff.; Schwab, ZIP 2008, 341 ff.; zustimmend hingegen Weller, ZIP 2007, 1681, 1689 („dogmatisches Kabinettstück“); Gehrlein, WM 2008, 761, 769 („erfreuliche Klärung“); w.N. bei Veil, NJW 2008, 3264 in Fn. 5. 3 BGHZ 149, 10 = GmbHR 2001, 1036 = ZIP 2001, 1874 = NJW 2001, 3622 – „Bremer Vulkan“; s. auch BGHZ 150, 61 = GmbHR 2002, 549 = NJW 2002, 1803 m. Anm. Bitter, WuB II C § 13 GmbHG 2.02. 4 BGHZ 151, 181 = NJW 2002, 3024 = ZIP 2002, 1578 = GmbHR 2002, 902 – „KBV“. 5 In diesem Sinne zuvor schon Bitter, Durchgriffshaftung, 490 ff.; im Anschluss an das Urteil „Bremer Vulkan“ auch Bitter, WM 2001, 2133; Wahl, S. 52 ff., S. 77 ff.; Matschernus, S. 64 ff.; Gottschalk, S. 55 ff.; Hangebrauck, S. 482 ff.; s. dazu auch Wiedemann, ZGR 2003, 283 ff.; Liebscher, in: MünchKomm. GmbHG, Anh. § 13 Rdnr. 523. 6 BGHZ 173, 246 = ZIP 2007, 1552 = NJW 2007, 2689 = GmbHR 2007, 927 – „Trihotel“. 7 Dazu Liebscher, in: MünchKomm. GmbHG, Anh. § 13 Rdnr. 524 ff. 8 Hönn, WM 2008, 769. 9 So Gehrlein, WM 2008, 761. 10 S. auch den Überblick bei Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 48 f., 57 ff.; Casper, in: Ulmer, Anh. § 77 Rdnr. 96 ff.; ausführlich Wahl, S. 48 ff.; Liebscher, in: MünchKomm. GmbHG, Anh. § 13 Rdnr. 469 ff. mit umfassenden Literaturangaben vor Rdnr. 469. 11 Dazu eingehend Röhricht, in: FS 50 Jahre BGB, Bd. 1, 2000, S. 83, 92 ff.; Wahl, S. 3 ff. mit Ergebnis S. 46; Khonsari, S. 47 ff.; Hangebrauck, S. 475 ff.; Henzler, S. 19 ff., 121 ff.; s. auch Lutter, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 29; Greitemann, in: Saenger/Inhester, Rdnr. 108 f.; Casper, in: Ulmer, Anh. § 77 Rdnr. 94; Zöllner, in: FS Konzen, S. 999, 1011 ff.; Strohn, ZInsO 2008, 706, 707; Paefgen, DB 2007, 1907 f.; zurückhaltender

770

Bitter

§ 13

Juristische Person; Handelsgesellschaft

pital der GmbH, indem es in §§ 30, 31 dieses vor einem Gesellschafterzugriff bewahrt. Nicht sanktioniert werden aber sonstige, nicht in einem Vermögensabfluss an Gesellschafter bestehende oder nicht bilanziell erfassbare nachteilige Eingriffe in das Vermögen und in die Interessen der Gesellschaft durch den Alleingesellschafter oder mehrere einverständlich handelnde Gesellschafter (vgl. auch Rdnr. 125)1. Zudem ist der Anspruch aus § 31 auf den Ersatz des abgeflossenen Betrags beschränkt; darüber hinaus bei der GmbH entstandene Schäden werden im Rahmen der Gesellschafterhaftung nicht ersetzt2. Auch das – einen gewissen Schutz bietende3 – Insolvenzanfechtungsrecht ist nur auf Rückgewähr und auch nur gegen den Empfänger des Gegenstandes gerichtet4. Bei fehlender Eröffnung des Insolvenzverfahrens greifen zudem mangels Anwendbarkeit der §§ 129 ff. InsO nur die allgemeinen Tatbestände des Anfechtungsgesetzes ein (insbes. § 3 AnfG)5. Der insoweit als lückenhaft erkannte Gläubigerschutz wurde zunächst für Kon- 154 zerngesellschaften durch eine Analogie zu den Vorschriften des aktienrechtlichen Vertragskonzerns (§§ 302, 303 AktG) geschlossen (sog. „qualifiziert faktischer Konzern“). Demnach war das herrschende Unternehmen – und dies kann auch ein Gesellschafter sein, der mindestens zwei GmbH beherrscht6 – gegenüber seinem abhängigen Unternehmen zum Verlustausgleich verpflichtet, wenn das herrschende Unternehmen dem anderen Nachteile zufügt, indem es kompensationslos in das Gesellschaftsvermögen eingreift. Führte der Eingriff in das Vermögen zur Insolvenz des abhängigen Unternehmens, so haftete der Gesellschafter analog § 303 AktG den Gläubigern sogar persönlich7. Bei unabhängigen Gesellschaften dagegen waren Eingriffe des Gesellschafters bis zur Grenze des § 30 uneingeschränkt zulässig. In seinen Entscheidungen „Bremer Vulkan“8 und „KBV“9 hat der BGH dann den bislang ausschließlich konzernrechtlich begründeten Haftungsansatz aufge-

1 2

3 4 5 6 7

8 9

Rubner, Der Konzern 2007, 635, 640 ff. („gewisse Lücken“); Haas, ZHR 170 (2006), 478, 480; deutlich kritisch Wazlawik, NZI 2009, 291, 293. Ausführlich Wahl, S. 10 ff.; Henzler, S. 20 ff.; Beispiel bei Strohn, ZHR 173 (2009), 589, 591: Übertragung existenzwichtiger Patente auf einen Gesellschafter. Zur fehlenden Ersatzfähigkeit sog. „Kollateralschäden“ vgl. BGHZ 173, 246, 254 = ZIP 2007, 1552 = NJW 2007, 2689 = GmbHR 2007, 927 Rdnr. 21 – „Trihotel“; Wahl, S. 19 f.; Khonsari, S. 50 ff.; Dauner-Lieb, ZGR 2008, 34, 37; Strohn, ZInsO 2008, 706, 707. Der Geschäftsführer haftet demgegenüber auf Schadensersatz (vgl. § 43 Abs. 2, 3 GmbHG; dazu Strohn, ZHR 173 [2009], 589, 590 ff.). Dazu Haas, ZIP 2006, 1373 ff.; Henzler, S. 35 ff. mit Ergebnis S. 54; kritisch zur häufigen Ausblendung des Anfechtungsrechts Haas, ZHR 170 (2006), 478, 482 f. Dazu Guski, KTS 2010, 277, 284 ff., 287 f.; Henzler, S. 57 f. Henzler, S. 56 f. Ausführlich zum Unternehmensbegriff des Konzernrechts Bitter, Durchgriffshaftung, S. 34 ff. S. zu diesem in den Urteilen BGHZ 95, 330 = NJW 1986, 188 – „Autokran“; BGHZ 107, 7 = NJW 1989, 1800 – „Tiefbau“ und BGHZ 115, 187 = NJW 1991, 3142 – „Video“ entwickelten Haftungsansatz den Überblick bei Bitter, WM 2001, 2133 ff.; umfassend Bitter, Durchgriffshaftung, S. 432 ff. BGHZ 149, 10 = GmbHR 2001, 1036 = ZIP 2001, 1874 = NJW 2001, 3622 – „Bremer Vulkan“. BGHZ 151, 181 = ZIP 2002, 1578 = GmbHR 2002, 902 = NJW 2002, 3024 – „KBV“.

Bitter

771

155

§ 13

Juristische Person; Handelsgesellschaft

geben und – gleich ob in abhängiger oder unabhängiger Gesellschaft – den existenzvernichtenden Eingriff des oder der Gesellschafter als missbräuchlich qualifiziert1. Unabhängig von einer Unternehmensverbindung hafteten die Gesellschafter den Gläubigern also unmittelbar, wenn der Eingriff in das Vermögen der Gesellschaft zu deren Insolvenz führte oder die Insolvenz vertiefte. 156 Diese im Ansatz überzeugende Linie mit der Folge einer persönlichen Durchgriffshaftung des/der Gesellschafter gegenüber den Gläubigern der Gesellschaft2 hat der BGH in seiner Entscheidung „Trihotel“3 zu Gunsten einer nicht mehr gesellschaftsrechtlichen, sondern nunmehr deliktsrechtlichen Haftung des betreffenden Gesellschafters gegenüber der Gesellschaft wieder aufgegeben und für diese Rechtsrückbildung4 erstaunlich viel Zustimmung im Schrifttum gefunden5. Die Existenzvernichtungshaftung versteht der BGH jetzt als eine besondere Fallgruppe der sittenwidrigen, vorsätzlichen Schädigung der Gesellschaft nach § 826 BGB mit der Folge einer Haftung des betreffenden Gesellschafters auf Ersatz des „Zerschlagungsschadens“. Den Anspruch spricht der BGH dabei entgegen der bisherigen Linie nicht mehr den Gläubigern zu, sondern der GmbH (Innenhaftung).

2. Schuldner und Gläubiger des Anspruchs 157 Die Haftung trifft denjenigen, der durch seinen tatsächlichen Einfluss einen existenzvernichtenden Eingriff vornehmen kann. In erster Linie ist das der Gesellschafter einer GmbH; es kann aber auch der „Gesellschafter-Gesellschafter“ sein6, der z.B. auf ein „Enkelunternehmen“ einen beherrschenden Einfluss ausübt. Die Haftung trifft auch diejenigen Mitgesellschafter, die – ohne selbst etwas empfangen zu haben – durch ihr Einverständnis mit einem Vermögensabzug an der Existenzvernichtung der Gesellschaft mitgewirkt haben7. Personen, bei denen die Übernahme der Gesellschafterstellung zum Zeitpunkt des zu beurteilenden Eingriffs nur vorbereitet, aber noch nicht vollzogen war, scheiden als unmittelbare Adressaten der Existenzvernichtungshaftung aus8. Der Geschäfts1 Dazu Emmerich, 10. Aufl., Rdnr. 104; Casper, in: Ulmer, Anh. § 77 Rdnr. 101; Strohn, ZInsO 2008, 706, 707. 2 Zustimmend auch Wahl, S. 52 ff. (Darstellung), S. 77 ff. (Bewertung); Matschernus, S. 64 ff.; Hangebrauck, S. 482 ff.; Gottschalk, S. 55 ff.; näher zu den Rechtsfolgen Raiser, in: Ulmer, Rdnr. 152. 3 BGHZ 173, 246 = ZIP 2007, 1552 = NJW 2007, 2689 = GmbHR 2007, 927 – „Trihotel“. 4 Zu dieser Tendenz im jüngeren Schrifttum bereits oben Rdnr. 122. 5 Nachweise bei Veil, NJW 2008, 3264 in Fn. 5. 6 BGH, ZInsO 2005, 311, 312 = ZIP 2005, 117, 118 = GmbHR 2005, 225 – „BMW-Vertragshändler“; BGH, ZIP 2005, 250, 251 = GmbHR 2005, 299 = WM 2005, 332 – „Handelsvertreter“; BGHZ 173, 246, 263 f. = ZIP 2007, 1552, 1558 = NJW 2007, 2689 = GmbHR 2007, 927 Rdnr. 44 – „Trihotel“; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 65; Casper, in: Ulmer, Anh. § 77 Rdnr. 121; Wagner, in: FS Canaris, Bd. II, S. 473, 479; Gehrlein, WM 2008, 761, 764; Strohn, ZInsO 2008, 706, 709; J. Vetter, BB 2007, 1965, 1968 f.; Schroeder, GmbHR 2007, 935; ausführlich zum Anspruchsgegner Wahl, S. 135 ff. 7 So – noch unter dem früheren Modell der Außenhaftung – BGHZ 150, 61 = GmbHR 2002, 549 = ZIP 2002, 848 = NJW 2002, 1803 (Leitsatz 2) = WuB II C § 13 GmbHG 2.02 Bitter; s. auch Casper, in: Ulmer, Anh. § 77 Rdnr. 120; ausführlich Wahl, S. 137 ff. 8 OLG München, ZIP 2010, 331; eine Teilnehmerhaftung ist jedoch möglich; gegen eine Anwendung von § 130 HGB Wahl, S. 145 f.

772

Bitter

§ 13

Juristische Person; Handelsgesellschaft

führer haftet, soweit er zugleich auch (Allein-)Gesellschafter ist1; daneben kommt eine (Mit-)Haftung nach §§ 826, 830 BGB und aus §§ 43 Abs. 2, 3, 64 Satz 3 GmbHG in Frage (s. unten Rdnr. 172). Gläubiger des Anspruchs ist nach der neueren Rechtsprechung die Gesell- 158 schaft2. In der Insolvenz wird die Haftung durch den Insolvenzverwalter geltend gemacht3. Gleiches würde nach dem in der jüngeren Literatur wieder zunehmend vertretenen Alternativmodell gelten, das die dogmatische Basis der Innenhaftung in einer mitgliedschaftlichen Sonderverbindung zwischen Gesellschafter und Gesellschaft sieht (Rdnr. 121), jedoch nach hier vertretener und von der Rechtsprechung geteilter Ansicht als Grundlage für eine Haftung im Gläubigerinteresse dogmatisch nicht taugt (Rdnr. 125)4. Der entscheidende praktische Nachteil sowohl des deliktischen wie auch des 159 mitgliedschaftlichen Innenhaftungsmodells zeigt sich in den häufigen Fällen, in denen mangels Masse kein Insolvenzverfahren eröffnet wird (§ 26 InsO). Dann gibt es keinen Insolvenzverwalter, der den Anspruch durchsetzt5. Die Gläubiger sind – anders als nach dem früheren Modell der Durchgriffshaftung – auf den in der Praxis sehr umständlichen Umweg verwiesen, den Anspruch der GmbH pfänden zu müssen6, was insbesondere nach der von Amts wegen erfolgenden Löschung der GmbH im Handelsregister (§ 394 FamFG; dazu 10. Aufl., § 60 Rdnr. 22 ff.) sehr schwer fällt7. Zudem fehlt in der Rechtsprechung eine dogmatische Begründung dafür, warum ein durch das Verhalten der Gesellschafter sittenwidrig geschädigter Gläubiger nicht zumindest aus § 826 BGB unmittelbar auf den Schadensverursacher soll zugreifen können, wie dies außerhalb der Existenzvernichtungshaftung auch vom BGH anerkannt wird (oben Rdnr. 100 ff.). Der II. Zivilsenat des BGH ist nicht dazu berufen, eine zivilrechtliche Norm im Verhältnis bestimmter Personen – hier Gläubiger und Gesellschafter – für unan-

1 Weitergehend jüngst Tröger/Dangelmeyer, ZGR 2011, 558 ff.: Eigenhaftung auch der Organe im Konzern. 2 Dazu Strohn, ZInsO 2008, 706, 709 f.; Gehrlein, WM 2008, 761, 762 bezeichnet dies als „deutlichste und erstaunlichste Kehrtwende“; ähnlich Dauner-Lieb, ZGR 2008, 34, 42. 3 Greitemann, in: Saenger/Inhester, Rdnr. 124; Strohn, ZInsO 2008, 706, 710. 4 Ausführlich Bitter, Durchgriffshaftung, S. 304 ff.; s. auch die Kritik bei Casper, in: Ulmer, Anh. § 77 Rdnr. 115. 5 S. vor dem Urteil „Trihotel“ schon Wagner, in: FS Canaris, Bd. II, S. 473, 487 f. m.w.N.; dem folgend Rubner, Der Konzern 2007, 635, 644 f. 6 Mit Recht kritisch insoweit Casper, in: Ulmer, Anh. § 77 Rdnr. 113 f. und 151; Raiser/ Veil, Kapitalgesellschaften, § 29 Rdnr. 33; Kleindiek, NZG 2008, 686, 689 m.w.N.; Schwab, ZIP 2008, 341, 347 f.; Thole, ZIP 2007, 1590, 1593; Habersack, ZGR 2008, 533, 548 m.w.N.; dem folgend Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 59; auch Gehrlein, WM 2008, 761, 766 spricht von einem „dornenreichen Umweg“ und befürwortet deshalb bei masseloser Insolvenz einen Direktanspruch der Gläubiger (ebenso Habersack, ZGR 2008, 533, 548; Liebscher, in: MünchKomm. GmbHG, Anh. § 13 Rdnr. 535; ähnlich Grigoleit, S. 455; dazu sogleich Rdnr. 160); insgesamt anders Strohn, ZInsO 2008, 706, 710, der den Umweg über die Pfändung für zumutbar hält; dem Innenhaftungsmodell des BGH zustimmend auch Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 95; Altmeppen, ZIP 2008, 1201, 1204 f.; Paefgen, DB 2007, 1907. 7 Darauf mit Recht hinweisend Schwab, ZIP 2008, 341, 347 f.

Bitter

773

§ 13

Juristische Person; Handelsgesellschaft

wendbar zu erklären und dies auch nur in einer speziellen Fallgruppe, der Existenzvernichtung (vgl. auch Anh. § 13 Rdnr. 121a)1. 160 Soweit die Vertreter der Innenhaftung teilweise auf ein Verfolgungsrecht der Gläubiger in Analogie zu §§ 62 Abs. 2, 93 Abs. 5, 117 Abs. 5, 309 Abs. 4 Satz 3, 317 Abs. 4 AktG verweisen2, reichen sie den Gläubigern auch damit „Steine statt Brot“, weil jene Vorschriften aufgrund ihrer gesetzlichen Fehlkonstruktion auch in ihrem unmittelbaren Anwendungsbereich praktisch bedeutungslos sind. Geht man davon aus, dass der Gläubiger nur einen Anspruch auf Leistung an die Gesellschaft hat3, wird kein Gläubiger auf eigene Prozesskosten den Schadensersatzbetrag einklagen, wenn dieser nur partiell ihm selbst und ganz überwiegend den anderen Gläubigern zu Gute kommt. Gibt man dem Gläubiger hingegen das Recht, Zahlung an sich zu verlangen4, kann der Schuldner dem Gläubiger immerhin noch durch Leistung an die Gesellschaft den Anspruch aus der Hand schlagen5. Unklar ist zudem, welcher Gläubiger in welchem Umfang soll Befriedigung verlangen können, wenn der Schadensersatzbetrag nicht zur Befriedigung aller Gläubiger ausreicht6. Was der Gläubiger braucht und was ihn ggf. zur Durchsetzung der Haftung motiviert, ist ein eigener, vom Anspruch der Gesellschaft sowie von den anderen Gläubigern unabhängiger Zahlungsanspruch gegen den Gesellschafter und den gewährt ihm nur die Außenhaftung, insbesondere im Wege des Durchgriffs.

3. Tatbestandsvoraussetzungen 161 Der GmbH-Gesellschafter haftet persönlich, wenn er auf die Zweckbindung des Gesellschaftsvermögens keine Rücksicht nimmt und der Gesellschaft ohne angemessenen Ausgleich – offen oder verdeckt – Vermögenswerte entzieht, die sie zur Erfüllung ihrer Verbindlichkeiten benötigt. Gemeint ist das Vermögen im weiteren Sinne, also auch das, was – wie etwa bei Geschäftschancen, dem Abzug notwendigen Personals, der Verlagerung von Produktionen oder der Belastung von Gesellschaftsvermögen für fremde Schulden – bilanziell nicht in Erscheinung tritt und mithin keine Folgen nach §§ 30, 31 hat7. 1 Mit Recht kritisch auch Hönn, WM 2008, 769, 771 ff.; Guski, KTS 2010, 277 ff.; Liebscher, in: MünchKomm. GmbHG, Anh. § 13 Rdnr. 534 m.w.N.; Schanze, NZG 2007, 681, 685; ähnlich Kleindiek, NZG 2008, 686, 689; anders wohl Dauner-Lieb, ZGR 2008, 34, 43 f. und 47, die von einer „teleologischen Reduktion der gesetzlichen Anspruchsgrundlage des § 826 BGB“ spricht, deren methodische Zulässigkeit aber nicht begründet. 2 Dafür – jeweils m.w.N. – Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 106; Altmeppen, NJW 2007, 2657, 2660; Karsten Schmidt, GmbHR 2008, 449, 458; allgemein für alle gläubigerschützenden Innenansprüche Khonsari, S. 84 f. 3 So die wohl h.M. zu § 62 Abs. 2 AktG; vgl. Hüffer, § 62 AktG Rdnr. 14. 4 So die wohl h.M. zu § 93 Abs. 5 AktG; vgl. Hüffer, § 93 AktG Rdnr. 31 f. 5 Dazu Hüffer, § 93 AktG Rdnr. 31 f. 6 Insofern bleibt unerfindlich, wie Gehrlein, WM 2008, 761, 766 den bei masseloser Insolvenz ins Außenverhältnis gewendeten Anspruch auf den Schaden der Gesellschaft beschränken will, müsste für eine solche Begrenzung doch entschieden werden, welche Klage/n der vielen Gläubiger sich noch innerhalb dieses Schadens bewegt/bewegen und welche nicht mehr. 7 Lutter, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 34; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 82; Greitemann, in: Saenger/Inhester, Rdnr. 114; Strohn, ZInsO 2008, 706, 708; Wahl, S. 103 ff., 107 ff.

774

Bitter

§ 13

Juristische Person; Handelsgesellschaft

Um einen Eingriff handelt es sich auch bei der systematischen Verlagerung von 162 Vermögen auf eine Schwestergesellschaft im Konzern1, eine unabhängige Zweitgesellschaft oder einen sonstigen Dritten2. Zwar sind die Gesellschafter einer GmbH nicht verpflichtet, deren Geschäftsbetrieb im Interesse von Gesellschaftsgläubigern fortzusetzen. Sie können den Geschäftsbetrieb sogar mit dem Ziel der Weiterführung durch eine neu gegründete Gesellschaft einstellen. Dabei müssen sie aber die für die Abwicklung der GmbH geltenden Regeln beachten, also die Gesellschaft liquidieren oder Insolvenz beantragen3, während die „Liquidation auf kaltem Wege“ unzulässig ist4. Dieses häufig anzutreffende Verhalten zeichnet sich dadurch aus, dass zu Gunsten der Gesellschafter in das Vermögen der Gesellschaft eingegriffen, letztere dadurch in die Insolvenz getrieben und in der Folge ein Schaden angerichtet wird, der über den reinen, nach §§ 30, 31 kompensierbaren Vermögensabzug hinausgeht. Der Grund für eine derartige Verfahrensweise liegt in dem persönlichen Vorteil der Gesellschafter: Der Vermögenstransfer in das Privatvermögen oder in das Vermögen einer von ihnen gehaltenen (neuen) Gesellschaft (GmbH-Stafette) kommt ihnen direkt zugute, während die Gläubiger der insolventen Gesellschaft auf ihrem Forderungsausfall sitzen bleiben. Es erfolgt letztlich eine Trennung der Aktiva von den Passiva der Gesellschaft5, die zwar – als sog. „übertragende Sanierung“ – im Insolvenzverfahren möglich ist6, nicht aber im Vorfeld der Insolvenz zu Lasten der Gläubiger7. Nach dem Verständnis der Rechtsprechung setzt die Haftung wegen Existenzver- 163 nichtung immer einen „Eingriff“ in das Gesellschaftsvermögen voraus8. Dem ist nur insoweit zuzustimmen, als die Haftung sicher nicht allein an unternehmeri-

1 Für eine Außenhaftung aus § 826 BGB BGH, ZIP 2004, 2138 = GmbHR 2004, 1528 (Leitsatz 1). 2 Dazu, dass die Vermögensverlagerung nicht zugunsten des Gesellschafters erfolgen muss, s. Liebscher, in: MünchKomm. GmbHG, Anh. § 13 Rdnr. 546; Strohn, ZInsO 2008, 706, 708 f. 3 BGHZ 151, 181, 186 f. = NJW 2002, 3024, 3025 = ZIP 2002, 1578 = GmbHR 2002, 902 (Ziff. 2. der Gründe) – „KBV“; BGH, GmbHR 2005, 225 = ZIP 2005, 117 = WM 2005, 176 (Leitsatz 1) – „BMW-Vertragshändler“. 4 Ebenso Windbichler, GesR, § 24 Rdnr. 37 a.E.; Wagner, in: FS Canaris, Bd. II, S. 473, 477 und 488; Heeg/Manthey, GmbHR 2000, 798, 799; Schön, ZHR 168 (2004), 268, 286 ff.; Koch, S. 111 ff.; grundlegend – auf anderer dogmatischer Basis – Winter, Mitgliedschaftliche Treuebindungen im GmbH-Recht, 1988, S. 202 ff.; dem folgend Henzler, S. 115 ff. m.w.N. 5 Vgl. Bitter, WM 2004, 2190, 2196 f. 6 Dazu ausführlich Bitter/Rauhut, NZI 2007, 197 ff. und 258 ff. 7 Zutreffend Heeg/Manthey, GmbHR 2000, 798, 799 f. 8 BGHZ 176, 204, 210 f. = ZIP 2008, 1232, 1234 = NJW 2008, 2437 = GmbHR 2008, 805 (Leitsatz 1 und Rdnr. 12) – „Gamma“; dazu auch Emmerich, 10. Aufl., Rdnr. 114 ff.; Raiser, in: Ulmer, Rdnr. 144; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 64; Liebscher, in: MünchKomm. GmbHG, Anh. § 13 Rdnr. 540 ff.; Casper, in: Ulmer, Anh. § 77 Rdnr. 124 ff.; Wahl, S. 101 ff.; Osterloh-Konrad, ZHR 172 (2008), 274, 283 ff.; Gehrlein, WM 2008, 761, 762 f. bezeichnet dies als „Kardinalvoraussetzung“; mit Recht kritisch gegenüber dieser zu engen Tatbestandsvoraussetzung Zöllner, in: FS Konzen, S. 999, 1016 f.; Röck, S. 117 ff.

Bitter

775

§ 13

Juristische Person; Handelsgesellschaft

sche Fehlentscheidungen (Managementfehler) anknüpfen kann1. Wenn der BGH darüber hinaus aber in jüngerer Zeit die Ansicht vertreten hat, ein Unterlassen hinreichender Kapitalausstattung im Sinne einer „Unterkapitalisierung“ der GmbH (dazu Rdnr. 138 ff.) stehe dem Eingriff nicht gleich2, ist dem zu widersprechen3. Insbesondere kann aus der Beschränkung des GmbH-Gesetzes auf eine Regelung zum Mindestkapital kein Freibrief hergeleitet werden, nach Aufbringung dieses „Eintrittsgeldes“ frei zu Lasten der Gläubiger zu spekulieren (s. schon Rdnr. 145 f.)4. Daher ist in Übereinstimmung mit früheren, noch unter Geltung des Außenhaftungsmodells ergangenen Entscheidungen eine Haftung in solchen Fällen anzuerkennen, in denen ein risikoreiches Projekt auf eine Tochter-GmbH ausgelagert wird, wenn die Verluste im Fall des Fehlschlagens wegen Unterkapitalisierung der GmbH notwendig die Gläubiger treffen. Die hier vorliegende „einseitige Spekulation auf Kosten der Gläubiger“ ist nach ganz h.M. verboten5: Die Verwendung einer haftungsbeschränkten Rechtsform wie der GmbH impliziert zwar ganz allgemein die Übertragung eines gewissen, mit jeder Geschäftstätigkeit verbundenen Insolvenzrisikos auf die Gläubiger (Rdnr. 65 ff.)6,

1 BGH, WM 2005, 332 = ZIP 2005, 250 = GmbHR 2005, 299 (Leitsatz 1) – „Handelsvertreter“; vgl. auch Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 67; Dauner-Lieb, ZGR 2008, 34, 45; Gehrlein, WM 2008, 761, 762; Strohn, ZInsO 2008, 706, 708; Heeg/Manthey, GmbHR 2000, 798, 800; Wagner, in: FS Canaris, Bd. II, S. 473, 476; a.A. Burg, S. 169 ff., 256 f. (dazu oben Rdnr. 125). 2 BGHZ 176, 204, 210 f. = ZIP 2008, 1232, 1234 = NJW 2008, 2437 = GmbHR 2008, 805 (Leitsatz 1 und Rdnr. 12) – „Gamma“; ebenso Wahl, S. 115 f.; Schäfer/Fackler, NZG 2007, 377, 378; Weller, ZIP 2007, 1681, 1684; Osterloh-Konrad, ZHR 172 (2008), 274, 283 m.w.N.; s. auch Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 64, die aber in bestimmten Konstellationen gleichwohl eine deliktische (Außen-)Haftung befürworten (Rdnr. 50 f.). 3 Zutreffend schon Raiser, in: Ulmer, Rdnr. 164; wie hier auch Hangebrauck, S. 494 f.; Matschernus, S. 252 ff., 258 ff. 4 Dazu eingehend Bitter, in: Bachmann/Casper/Schäfer/Veil, S. 57 ff.; Bitter, Durchgriffshaftung, S. 110 ff., 531 ff.; ein existenzvernichtender Eingriff fehlt allerdings, wenn das Verhalten des Gesellschafters bei einer Gesamtschau als Rettungsversuch zu werten ist (vgl. BGH, GmbHR 2008, 929 = ZIP 2008, 1329). 5 BGH, NJW 1994, 446, 447 – „EDV“; BGH, NJW 2000, 1571, 1572; Pentz, in: Rowedder/ Schmidt-Leithoff, Rdnr. 137; Bitter, WM 2001, 2133, 2136 f.; Bitter, WM 2004, 2190, 2197 f.; Grüner, NZG 2000, 601, 602 f.; Hölzle, ZIP 2004, 1729, 1733; Raiser, in: FS Lutter, S. 637, 649; Röhricht, in: FS 50 Jahre BGH, Bd. 1, 2000, S. 83, 109 ff.; G. H. Roth, NZG 2003, 1081, 1082 f.; Wüst, JZ 1992, 710, 712; Hangebrauck, S. 494 f.; Matschernus, S. 252 ff.; ähnlich Raiser, in: Ulmer, Rdnr. 164 („mangelhafte Ausstattung mit Vermögenswerten“); Lutter, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 36 („Eingehung ganz unverhältnismäßiger Schulden und Risiken“); Koppensteiner, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, § 43 Rdnr. 71 („Risikoverlagerung zu Lasten der Gesellschaftsgläubiger“); tendenziell auch Wiedemann, in: 50 Jahre BGH, Festgabe aus der Wissenschaft, Bd. II, 2000, S. 337, 363 ff. („Systemwidrige Risikoüberwälzung“); ferner Liebscher, in: MünchKomm. GmbHG, Anh. § 13 Rdnr. 553 und Schön, ZHR 168 (2004), 268, 288 ff., die aber die Unterkapitalisierung davon trennen wollen (bei Liebscher Rdnr. 555, bei Schön S. 290); s. auch Ihrig, DStR 2007, 1170, 1173 (Aschenputtelfälle); a.A. Weller, in: Bork/Schäfer, Rdnr. 44; differenzierend Wahl, S. 108 ff. (Durchgriffshaftung nein, § 826 BGB ja); s. auch Koch, S. 131 ff. 6 Haas, WM 2003, 1929 ff. spricht vom „normalen Risiko“ (S. 1930) in Abgrenzung zum „besonderen, systemwidrigen Gläubigerrisiko“ (S. 1931).

776

Bitter

§ 13

Juristische Person; Handelsgesellschaft

erlaubt aber nicht den Betrieb mit einer deutlich erhöhten Insolvenzwahrscheinlichkeit1. Richtig ist daher allein, dass der Ansatzpunkt der Haftung unterschiedlich ist 164 und man insoweit zwischen zwei Fallgruppen unterscheiden kann: (1) Existenzvernichtung durch Eingriffe und (2) Spekulation auf Kosten der Gläubiger wegen mangelnder Risikobeteiligung der Gesellschafter (zur Unterkapitalisierung oben Rdnr. 138 ff., insbes. 145 f.). Die Rechtsfolge einer unmittelbaren Außenhaftung ist aber nach eingetretener Insolvenz die gleiche. Im Rahmen dieses – hier favorisierten – Außenhaftungskonzepts kann bei der zweiten Fallgruppe allerdings zwischen verschiedenen Gläubigergruppen unterschieden werden, je nachdem, ob sich der Gläubiger gegen derartige „Spekulationen“ absichern kann oder nicht2. Diese ökonomisch sinnvolle Differenzierung (Rdnr. 58, 65) ist bei einem Innenhaftungsmodell, das von einem einheitlichen Anspruch der GmbH ausgeht, nicht möglich3. Die im Ergebnis existenzvernichtende Maßnahme muss jeweils zur Insolvenz der Gesellschaft geführt haben, d.h. für die Insolvenz kausal gewesen sein oder diese zumindest vertieft haben4. Der Anspruch besteht auch, wenn die Insolvenz erst während der Liquidation der Gesellschaft hervorgerufen oder vertieft wird5.

165

4. Einzelfälle Als existenzvernichtender Eingriff kommt nach der Rechtsprechung in Betracht6: (1) der Entzug liquider Mittel in einen Konzern-Cashpool ohne Rück1 Dazu Bitter, WM 2001, 2133, 2141; Bitter, WM 2004, 2190, 2197 f.; ausführlich Bitter, in: Bachmann/Casper/Schäfer/Veil, S. 57 ff., insbes. S. 81 ff.; in der Sache ähnlich Lehmann, ZGR 1986, 345, 362 f.; Matschernus, S. 256, 263; a.A. wohl Wagner, in: FS Canaris, Bd. II, S. 473, 497, wenn er ohne Begründung behauptet, dass auch jede hinreichend kapitalisierte GmbH „mit erheblicher Wahrscheinlichkeit“ scheitert. 2 Dazu Bitter, Durchgriffshaftung, S. 554 ff.; Bitter, WM 2001, 2133, 2140 f.; ähnlich Wagner, in: FS Gerhardt, S. 1043, 1057 f.; deutlich zwischen den beiden Fallgruppen differenzierend Wahl, S. 153 ff. m.w.N., insbes. S. 157 ff.; zur Möglichkeit der Eigensicherung vertraglicher Gläubiger (allerdings zu weitgehend) auch Wazlawik, NZI 2009, 291, 295; nur partiell zustimmend Lutter/Banerjea, ZGR 2003, 402, 431 f.; ablehnend Wilhelmi, DZWIR 2003, 45, 54; kritisch in Bezug auf eine Deliktshaftung Liebscher, in: MünchKomm. GmbHG, Anh. § 13 Rdnr. 596. 3 Dies einräumend Eckhold, S. 637 ff.; wenig praktikabel ist insoweit der auf die Bildung von Sondermassen hinauslaufende Vorschlag von Khonsari, S. 88 ff., der auch dogmatisch nicht zu einer Haftung wegen Fremdgeschäftsbesorgung (a.a.O., S. 71 ff.) passt. 4 Liebscher, in: MünchKomm. GmbHG, Anh. § 13 Rdnr. 557 ff.; Raiser, in: Ulmer, Rdnr. 142 f., 148; Casper, in: Ulmer, Anh. § 77 Rdnr. 131 f.; Lutter, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 40; Gehrlein, WM 2008, 761, 763; Strohn, ZInsO 2008, 706, 709; ausführlich Wahl, S. 116 ff., 122 ff. 5 BGH, GmbHR 2009, 601 m. Anm. Podewils = ZInsO 2009, 878 = ZIP 2009, 802 = WM 2009, 800 – „Sanitary“ (Rdnr. 15 f., 37 ff.); OLG Celle, GmbHR 2010, 87; dazu auch noch unten Rdnr. 176. 6 S. auch die Zusammenstellungen der Fallgruppen bei Hueck/Fastrich, in: Baumbach/ Hueck, Rdnr. 72; Casper, in: Ulmer, Anh. § 77 Rdnr. 127 ff.; Liebscher, in: MünchKomm. GmbHG, Anh. § 13 Rdnr. 547; Michalski/Funke, in: Michalski, Rdnr. 418 ff.; Heeg/Manthey, GmbHR 2008, 798 ff.; Koch, S. 123 ff., Gottschalk, S. 165 ff.; ausführlich Wahl, S. 184 ff.; Matschernus, S. 194 ff.

Bitter

777

166

§ 13

Juristische Person; Handelsgesellschaft

sichtnahme auf das Interesse der Tochtergesellschaft an der Aufrechterhaltung ihrer Fähigkeit, ihren Verbindlichkeiten nachzukommen1, (2) die Vereinnahmung des Geschäfts der GmbH ohne Gegenleistung, etwa des „Beraterstamms“ (der Versuch reicht jedoch noch nicht)2, (3) die Übernahme sämtlicher Aktiva gegen Übernahme nur eines kleinen Teils der Verbindlichkeiten3, (4) die Übernahme des Kundenstammes/Betriebs ohne ausreichende Vergütung; Verlagerung von Geschäftschancen und Ressourcen auf eine andere Gesellschaft4, (5) der Vermögensentzug unter Vereinbarung einer zunächst angemessenen Gegenleistung, die jedoch nachträglich auf ein unangemessenes Maß herabgesetzt wird5, (6) in Form der Insolvenzvertiefung auch die Zahlung einer zusätzlichen Vergütung für die Leitung der Gesellschaft in der Krise und die Entnahme dieser Vergütung6 und (7) das Bewirken der rechtskräftigen Abweisung eines zugunsten der GmbH gegen den Alleingesellschafter-Geschäftsführer geführten Schadensersatzprozesses7.

5. Verschulden 167 Die Haftung wegen Existenzvernichtung setzt, wenn man sie mit der neueren BGH-Rechtsprechung als Anwendungsfall des § 826 BGB ansieht, Verschulden im Sinne eines zumindest bedingten Vorsatzes voraus8. Dem Vorsatzerfordernis genügt es bereits, wenn dem Gesellschafter bekannt ist, dass der Gesellschaft ohne angemessenen Ausgleich und ohne Rücksicht auf die Zweckbindung des Gesellschaftsvermögens Vermögenswerte entzogen werden. Ein Bewusstsein des Gesellschafters, dass sein Verhalten sittenwidrig ist, bedarf es nicht. Ein Verschulden liegt demnach vor, wenn die Erfüllung von Verbindlichkeiten durch die Gesellschaft dauerhaft beeinträchtigt wurde, dies voraussehbare Folge des Eingriffs war und der Gesellschafter diese Folge in Erkenntnis ihres möglichen Eintritts billigend in Kauf genommen hat9.

1 BGHZ 149, 10 = GmbHR 2001, 1036 = ZIP 2001, 1874 = NJW 2001, 3622 – „Bremer Vulkan“; dazu auch Koch, S. 123 ff. und ausführlich Hangebrauck, S. 484 ff., jeweils m.w.N.; zurückhaltend für die Zeit nach dem MoMiG Theiselmann, GmbHR 2007, 904, 905 f. 2 BGHZ 150, 61 = GmbHR 2002, 549 = ZIP 2002, 848 = NJW 2002, 1803 = WuB II C § 13 GmbHG Bitter. 3 BGHZ 151, 181 = ZIP 2002, 1578 = GmbHR 2002, 902 = NJW 2002, 3024 – „KBV“. 4 BGH, GmbHR 2005, 225 = ZIP 2005, 117 = WM 2005, 176 – „BMW-Vertragshändler“; a.A. in Bezug auf den Entzug von Geschäftschancen und -aktivitäten Wahl, S. 110 ff. m.w.N. 5 BGHZ 173, 246 = ZIP 2007, 1552 = NJW 2007, 2689 = GmbHR 2007, 927 – „Trihotel“. 6 BGH, ZInsO 2008, 276, 277 = ZIP 2008, 455 = GmbHR 2008, 322 Rdnr. 12. 7 BGH, GmbHR 2009, 601 m. Komm. Podewils = ZInsO 2009, 878 = ZIP 2009, 802 = WM 2009, 800 – „Sanitary“; OLG Celle, GmbHR 2010, 87. 8 Dazu Lutter, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 42; Liebscher, in: MünchKomm. GmbHG, Anh. § 13 Rdnr. 562 ff.; Weller, ZIP 2007, 1681, 1685 f.; Röck, S. 125 f.; für eine allgemeine Beschränkung der Gesellschafterhaftung auf vorsätzliches Verhalten Steffek, JZ 2009, 77 ff.; für eine Fahrlässigkeitshaftung hingegen Zöllner, in: FS Konzen, S. 999, 1018. 9 BGHZ 173, 246, 258 f. = ZIP 2007, 1552 = NJW 2007, 2689 = GmbHR 2007, 927 Rdnr. 30 – „Trihotel“; dazu auch Schanze, NZG 2007, 681, 684; J. Vetter, BB 2007, 1965, 1966 f.; Theiselmann, GmbHR 2007, 904, 906.

778

Bitter

§ 13

Juristische Person; Handelsgesellschaft

Stützt man das Haftungskonzept demgegenüber mit der im Urteil „KBV“1 ein- 168 genommenen, bereits zuvor vom Verfasser vertretenen Position2 auf einen objektiv verstandenen Missbrauch der Haftungsbeschränkung3, der – wie allgemein in Fällen der Durchgriffshaftung – über eine teleologische Reduktion der haftungsbeschränkenden Norm des § 13 Abs. 2 zu einer unmittelbaren Außenhaftung gegenüber den Gläubigern führt (Rdnr. 126 f.), ist ein Verschulden nicht erforderlich4.

6. Haftungsumfang Der Schädiger schuldet nach dem Modell der Rechtsprechung als Schadensersatz 169 grundsätzlich den Betrag, der erforderlich ist, um seinen zur Insolvenz führenden Eingriff auszugleichen5. Wären die Gläubiger auch ohne den existenzvernichtenden Eingriff partiell ausgefallen, muss der Gesellschafter die Masse nur soweit auffüllen, dass die Gläubiger jene Befriedung erhalten können, die sie auch bei einem redlichen Verhaltens des Gesellschafters erlangt hätten (sog. Quotenschaden)6. Lag der Fall hingegen so, dass die Gesellschaft zur Zeit des Eingriffs noch nicht überschuldet war, bildet derjenige Betrag die Obergrenze, den der Insolvenzverwalter zur Befriedigung aller Gläubiger und der Kosten des Insolvenzverfahrens benötigt7. Gibt es Minderheitsgesellschafter in der GmbH, die mit dem existenzvernich- 170 tenden Verhalten des Mehrheitsgesellschafters nicht einverstanden waren, sollen nach Ansicht von Gehrlein darüber hinaus auch diejenigen Aufwendungen zu ersetzen sein, die erforderlich sind, um aus der GmbH wieder eine werbende Gesellschaft zu machen8. Doch ergibt sich diese Rechtsfolge bei mehrgliedrigen Gesellschaften ohnehin schon aus einem dort eingreifenden Anspruch auf Scha-

1 BGHZ 151, 181 = ZIP 2002, 1578 = GmbHR 2002, 902 = NJW 2002, 3024 – „KBV“. 2 S. insbesondere Bitter, Durchgriffshaftung, S. 67 ff., 490 ff.; Bitter, WM 2001, 2133 ff.; Bitter, WuB II C. § 13 GmbHG, 2.02 unter Ziff. 4.; im Anschluss an „KBV“ auch Bitter, WM 2004, 2190, 2195 ff.; zur seinerzeitigen Übernahme dieses Haftungskonzepts durch den BGH s. die Anm. v. Ulmer, JZ 2002, 1049 ff. (insb. ab Ziff. II 1b). 3 Dafür auch Raiser, in: Ulmer, Rdnr. 135 ff.; Wahl, S. 82 ff.; Hangebrauck, S. 482 ff.; Gottschalk, S. 55 ff. 4 Ebenso Wahl, S. 134 f. 5 BGHZ 173, 246, 260 und 268 = ZIP 2007, 1552, 1556 und 1560 = GmbHR 2007, 927 Rdnr. 32 und 55 – „Trihotel“; näher Liebscher, in: MünchKomm. GmbHG, Anh. § 13 Rdnr. 598 ff.; Röck, S. 129 ff. 6 Wagner, in: FS Canaris, Bd. II, S. 473, 483 f.; Strohn, ZInsO 2008, 706, 710, Gehrlein, WM 2008, 761, 762 spricht vom „tatsächlich bei der Gesellschaft eingetretenen Vermögensverlust“; s. auf der Basis des Außenhaftungsmodells auch BGH, GmbHR 2005, 225 = ZIP 2005, 117 = NJW-RR 2005, 335 (Leitsatz 2) – „BMW-Vertragshändler“; ferner Casper, in: Ulmer, Anh. § 77 Rdnr. 116 und 146 („Quotenverschlechterungsschaden“); kritisch Röck, S. 139 ff. 7 BGHZ 173, 246, 268 f. = ZIP 2007, 1552, 1560 = GmbHR 2007, 927 Rdnr. 56 – „Trihotel“; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 68 sprechen von „Wiederherstellung der Schuldendeckungsfähigkeit“. 8 So Gehrlein, WM 2008, 761, 765, a.A. Drescher, Die Haftung des GmbH-Geschäftsführers, 6. Aufl. 2009, Rdnr. 459, obwohl er sich auf Gehrlein, WM 2008, 761, 765, bezieht.

Bitter

779

§ 13

Juristische Person; Handelsgesellschaft

densersatz wegen Treuepflichtverletzung (Rdnr. 124)1, während die Haftungsfigur der Existenzvernichtung primär Gläubigerschädigungen im Blick hat. 171 Geht man – wie hier vertreten – von einem Konzept der Durchgriffshaftung aus, haftet der Gesellschafter unmittelbar persönlich für die (ganze) Forderung des Gläubigers (analog § 128 HGB; s. oben Rdnr. 126)2. Mit einem solchen Außenhaftungskonzept wird verhindert, dass sich zu Lasten der Gläubiger das von der Insolvenzverschleppungshaftung hinlänglich bekannte Phänomen wiederholt, dass ein Quotenverminderungsschaden (hier aufgrund des existenzvernichtenden Eingriffs) praktisch nicht einklagbar ist3. Möglich ist – wie gesagt – aber eine Differenzierung nach Gläubigergruppen in Fällen der Spekulation auf Kosten der Gläubiger (Rdnr. 164).

7. Konkurrenzen a) Geschäftsführerhaftung 172 Der Geschäftsführer ist geradezu notwendigerweise in Fälle der Existenzvernichtung verwickelt, da er den Eingriff in der Regel verwirklicht. Er haftet dann mit dem Gesellschafter als Gesamtschuldner in erster Linie bereits aus § 43 Abs. 2 und 3 (dazu 10. Aufl., § 43 Rdnr. 287 f. und 349)4 bzw. – meist inhaltsgleich – aus dem neuen § 64 Satz 35. Es kommt aber auch eine Haftung als Anstifter oder Gehilfe nach §§ 826, 830 Abs. 2 BGB in Betracht6, nach teilweise vertretener Ansicht auch eine Eigenhaftung aus § 826 BGB7. Diese Deliktshaftung hat jedoch, soweit man sie in der Folge der „Trihotel“-Doktrin auch beim Geschäftsführer auf das Innenverhältnis zur Gesellschaft beschränkt, neben den bereits bei Fahrlässigkeit eingreifenden Tatbeständen der §§ 43, 64 keine praktische Bedeutung. Lehnt man im Rahmen des § 826 BGB die Beschränkung auf das Innenverhältnis hingegen ab (Rdnr. 159), behält die Deliktshaftung ihren eigenständigen Wert. 173 Das Verhältnis von § 826 BGB zu § 64 Satz 1 ist noch nicht endgültig geklärt. Eine Haftung aus § 64 Satz 1 kommt nur in Frage, wenn der nach § 826 BGB

1 Zur insoweit fehlenden Schutzlücke Liebscher, in: MünchKomm. GmbHG, Anh. § 13 Rdnr. 612. m.w.N. – Die Möglichkeit einer Haftung aus Sonderverbindung wird auch bei Gehrlein, WM 2008, 761, 767 f. betont. 2 Ausführlich in diesem Sinne Wahl, S. 146 ff.; dazu auch Dauner-Lieb, ZGR 2008, 34, 38 f. 3 Darauf mit Recht hinweisend Schanze, NZG 2007, 681, 684; s. zum Quotenschaden bei der Insolvenzverschleppung Bitter, ZInsO 2010, 1561, 1573 f. 4 Casper, in Ulmer, Anh. § 77 Rdnr. 123; Strohn, ZHR 174 (2009), 589, 590 ff.; Tröger/Dangelmeyer, ZGR 2011, 558, 572 ff. 5 Dazu Bitter, ZInsO 2010, 1505, 1511 und insbes. 1519. 6 Dazu ausführlich Liebscher, in: MünchKomm. GmbHG, Anh. § 13 Rdnr. 580 ff.; Sven H. Schneider, GmbHR 2011, 685 ff.; s. auch Strohn, ZInsO 2008, 706, 708; ferner Weller, in: Bork/Schäfer, Rdnr. 50, Gehrlein, WM 2008, 761, 764, und Kölbl, BB 2009, 1194, 1198, die betonen, dass auch Banken, Berater und Geschäftspartner der GmbH über §§ 826, 830 BGB in die Haftung einbezogen sein können (s. aber auch Liebscher, in: MünchKomm. GmbHG, Anh. § 13 Rdnr. 592). 7 Tröger/Dangelmeyer, ZGR 2011, 558 ff. für Konzernsachverhalte.

780

Bitter

§ 13

Juristische Person; Handelsgesellschaft

Haftende auch Geschäftsführer oder faktischer Geschäftsführer der Gesellschaft ist. Dann liegt aber eine Anspruchskonkurrenz nahe1. Da die Existenzvernichtung oftmals zugleich den strafrechtlichen Tatbestand 174 der Untreue i.S. von § 266 StGB erfüllen wird2, kommt auch eine Haftung des Geschäftsführers aus § 823 Abs. 2 BGB in Betracht3. b) Gesellschafterhaftung Hat der Gesellschafter zugleich §§ 30, 31 verletzt, so schließt das den Anspruch der Gesellschaft aus § 826 BGB nicht aus: beide Ansprüche bestehen nebeneinander4. Gleiches gilt, wenn man § 31 in den Fällen des § 64 Satz 3 analog anwendet5. Für das Verhältnis zur Insolvenzanfechtung ist festzustellen, dass jedenfalls eine erfolgreiche Anfechtung durch den Insolvenzverwalter den Schaden entfallen lässt und sich die Haftung des Gesellschafters aus § 826 BGB entsprechend verringert6.

175

8. Haftung während der Liquidation Eine Innenhaftung aus § 826 BGB kommt nach Ansicht des BGB auch nach Auf- 176 lösung der Gesellschaft in Frage, wenn der als Liquidator fungierende Gesellschafter das noch vorhandene Kapital der Gesellschaft zu eigenen Gunsten entzieht7. In der Liquidationsphase ist es wegen des Kapitalerhaltungsgebots in der Liquidation auch nicht erforderlich, dass die Maßnahme insolvenzverursachend wirkt.

XI. „Gesellschafterfreundlicher Durchgriff“ Schrifttum: Benne, Haftungsdurchgriff bei der GmbH, 1978, S. 198 ff.; Frank, Nochmals: Schadensersatzanspruch des GmbH-Alleingesellschafters bei einem Schaden der Gesellschaft, NJW 1974, 2313; Ganssmüller, Die Rechtsstellung des Gesellschafters in bezug auf Schaden, der am Vermögen der GmbH eintritt, GmbHR 1975, 193; Hüffer, Eigener Schaden des Alleingesellschafters, Drittschadensliquidation oder Vertrag mit Schutzwirkung bei Schädigung der Einmann-GmbH – BGHZ 61, 380, JuS 1976, 83; John, Gesellschafterfreundlicher Durchgriff, JZ 1979, 511; Lieb, Schadensersatzansprüche von Gesellschaftern bei Folgeschäden im Vermögen der Gesellschaft, in: FS R. Fischer, 1979, S. 385; Rehbinder, Zehn Jahre Rechtsprechung zum Durchgriff im Gesellschaftsrecht, in: FS R. Fischer, 1979, S. 579, 592 ff.; Karsten Schmidt, Wohin führt das Recht der Einmann-Gesellschaft?, GmbHR 1974, 178; Wilhelm, Rechtsform und Haftung bei der juristischen Person, 1981, S. 379 ff. 1 Lutter, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 46. 2 Dazu BGHSt 54, 52 = ZIP 2009, 1860 = GmbHR 2009, 1202 = NJW 2009, 3666. Rdnr. 23 ff.; a.A. Livonius, wistra 2009, 91: keine Vermögensbetreuungsflicht aus § 826 BGB ableitbar. 3 Gegen den „Umweg“ über das Strafrecht Tröger/Dangelmeyer, ZGR 2011, 558, 579 f. 4 BGHZ 173, 246, 262 f. = ZIP 2007, 1552, 1557 f. = GmbHR 2007, 927 Rdnr. 38 ff. – „Trihotel“; dazu auch J. Vetter, BB 2007, 1965, 1968. 5 Dafür Strohn, ZHR 173 (2009), 589, 594 f., jedoch zweifelhaft im Hinblick auf die klare gesetzliche Anordnung (nur) einer Geschäftsführerhaftung in § 64 Satz 3 GmbHG. 6 Näher zur Konkurrenz zwischen Schadensersatz und Insolvenzanfechtung Henzler, S. 158 ff. 7 BGH, GmbHR 2009, 601 m. Komm. Podewils = ZInsO 2009, 878 = ZIP 2009, 802 = WM 2009, 800 – „Sanitary“; s. auch OLG Celle, GmbHR 2010, 87.

Bitter

781

§ 13

Juristische Person; Handelsgesellschaft

177 Unter dem unpassenden und die Sachlage vernebelnden Begriff des sog. „gesellschafterfreundlichen Durchgriffs“ wird im Anschluss an zwei Entscheidungen des VI. Zivilsenats1 und ein Urteil des III. Zivilsenats des BGH2 eine schadensersatzrechtliche Frage umfassend diskutiert: Kann der Gesellschafter einer GmbH bei einer Rechtsguts- oder Vertragsverletzung bzw. einer sonstigen gegen ihn persönlich gerichteten rechtswidrigen Maßnahme von seinem Schädiger auch denjenigen Schaden ersetzt verlangen, der am Vermögen „seiner“ GmbH dadurch entsteht, dass dieser GmbH in Folge der Verletzung/Maßnahme Gewinne entgehen oder Verluste entstehen3. 178 Im ersten Fall aus dem Jahr 1973 stand ein GmbH-Gesellschafter in persönlicher Vertragsbeziehung mit einem Anwalt, der in Verletzung seiner anwaltlichen Pflichten die Eintragung jenes Gesellschafters in die Schuldnerdatei nicht verhinderte. Daraufhin kündigte eine Bank einer GmbH, deren Geschäftsanteile der Gesellschafter zu 100 % hielt, den Kredit mit der Folge, dass der GmbH ein lukratives Baugeschäft entging4. Im zweiten Fall aus dem Jahr 1977 wurde der Alleingesellschafter einer Kapitalgesellschaft bei einem Skiunfall verletzt und dadurch arbeitsunfähig; da der Alleingesellschafter nicht zu bestimmten Auftraggebern der Gesellschaft ins Ausland reisen konnte, entging jener ein Geschäftsgewinn5. Im dritten Fall aus dem Jahr 1988 machte ein zu Unrecht in Untersuchungshaft genommener Alleingesellschafter in einer Klage nach dem Gesetz über die Entschädigung für Strafverfolgungsmaßnahmen (StrEG) geltend, in dem seiner Gesellschaft gehörenden Haus, das zur Renovierung anstand, seien während seiner Haft mangels Beaufsichtigung Baumaterial und sonstige Gegenstände entwendet, ferner durch Brandstiftung und Wassereinbruch erhebliche Schäden angerichtet worden6. 179 In allen drei Entscheidungen sprach der BGH dem Gesellschafter den Ersatz des entgangenen Gewinns bzw. der eingetretenen Verluste zu. Er stützte sich dabei im ersten Urteil auf Durchgriffserwägungen7, die hier freilich – anders als bei der Durchgriffshaftung (Rdnr. 110 ff.) – zu Gunsten des Gesellschafters ausgingen (daher: gesellschafterfreundlicher Durchgriff). Im zweiten und dritten Urteil betont das Gericht demgegenüber, dem Gesellschafter werde derjenige Schaden ersetzt, der sich als Einbuße an seiner Gesellschaftsbeteiligung für ihn selbst ergebe. Dass der entgangene Gewinn bei der Gesellschaft nicht immer zwingend identisch sei mit dem entgangenen Gewinn beim Gesellschafter, sei unerheb1 BGHZ 61, 380 = NJW 1974, 134 = WM 1974, 16; BGH, NJW 1977, 1283 = MDR 1977, 568 = GmbHR 1977, 274. 2 BGH, ZIP 1989, 98 = NJW-RR 1989, 684; s. auch noch das Urteil BGH, NJW-RR 1991, 551 = GmbHR 1991, 525, in dem die Klage jedoch schon wegen versagten Vorteilsausgleichs (dazu unten Rdnr. 181) erfolgreich war. 3 S. dazu die vor Rdnr. 177 angeführte Literatur; ferner Emmerich, 10. Aufl., Rdnr. 140 f.; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 16; Lutter, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 25 ff.; Pentz, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 157; ausführlicher Greitemann, in: Saenger/Inhester, Rdnr. 132 ff.; umfassende Nachweise zum älteren Schrifttum bei Wilhelm, S. 382 in Fn. 336. 4 BGHZ 61, 380 = NJW 1974, 134 = WM 1974, 16. 5 BGH, NJW 1977, 1283 = MDR 1977, 568 = GmbHR 1977, 274. 6 BGH, ZIP 1989, 98 = NJW-RR 1989, 684. 7 BGHZ 61, 380 = NJW 1974, 134 = WM 1974, 16 unter Ziff. II. 2. b) der Gründe.

782

Bitter

§ 13

Juristische Person; Handelsgesellschaft

lich, weil jedenfalls der geschäftsführende Alleingesellschafter bei jeder Disposition über das Gesellschaftsvermögen zugleich in Bezug auf sein (Gesellschafter-)Vermögen entscheide; die Gesellschaft erscheine „in schadensrechtlicher Betrachtung praktisch … als ein in besonderer Form verwalteter Teil des Vermögens“1. Der Hinweis auf die wirtschaftliche Identität des Vermögens und die damit ver- 180 bundenen Durchgriffserwägungen sind in der Literatur auf Kritik gestoßen2. Stattdessen wird zumeist auf die Drittschadensliquidation3, teils auch auf den Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter4 verwiesen. Ferner ist verschiedentlich vertreten worden, der Gesellschafter dürfte nicht Zahlung an sich, sondern – wie bei der Rechtsprechung des II. Zivilsenats zu den sog. Reflexschäden5 – nur Zahlung ins Gesellschaftsvermögen verlangen6. Diese Kritik überzeugt ganz überwiegend nicht, wie insbesondere Lieb näher dargelegt hat7. Richtig ist zwar, dass das Problem mit einer Vermögensidentität zwischen Gesellschaft und Gesellschafter und folglich auch mit dem Durchgriff nichts zu tun hat. Doch ändert dies an dem richtigen Ergebnis der Rechtsprechung, einem Schadensersatzanspruch des Gesellschafters auf Leistung in sein Privatvermögen, nichts. Soweit der Gesellschafter – in Fällen seiner Verletzung – trotz der Arbeitsunfähigkeit weiterhin Anspruch gegen die GmbH auf Leistung seiner Bezüge hat, ergibt sich der Schadensersatzanspruch – nicht anders als bei Verletzung eines Arbeitnehmers mit Anspruch auf Lohnfortzahlung – schon unter dem allgemeinen schadensrechtlichen Gesichtspunkt des versagten Vorteilsausgleichs8. Die Lohnfortzahlung wird normativ ausgeblendet und der Gesellschafter kann sei1 BGH, NJW 1977, 1283, 1284 = MDR 1977, 568 = GmbHR 1977, 274 unter Ziff. II. 3. b) und b) aa) der Gründe; dem folgend BGH, ZIP 1989, 98 = NJW-RR 1989, 684 unter Ziff. I. 3. der Gründe; ähnlich auch BGH, NJW-RR 1991, 551 = GmbHR 1991, 525 unter Ziff. II. 2. der Gründe; BGH, NJW 1999, 1407 = MDR 1999, 693 unter Ziff. 5. der Gründe. 2 Raiser, in: Ulmer, Rdnr. 62 m.w.N.; Rehbinder, in: FS R. Fischer, S. 579, 592 ff.; Roll, NJW 1974, 492 f.; Frank, NJW 1974, 2313, 2314; Karsten Schmidt, GmbHR 1974, 178 ff.; Ganssmüller, GmbHR 1975, 193, 198; Hüffer, NJW 1977, 1285; Hüffer, JuS 1976, 83, 84 f.; Benne, S. 199 f. m.w.N.; ausführlich Wilhelm, S. 381 ff. 3 Roll, NJW 1974, 492 f.; Mann, NJW 1974, 492; Hüffer, NJW 1977, 1285; Hüffer, JuS 1976, 83, 86; Lutter, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 15; Raiser, in: Ulmer, Rdnr. 62; Raiser/Veil, Kapitalgesellschaften, § 29 Rdnr. 53; Michalski/Funke, in: Michalski, Rdnr. 451; s. auch Kübler/Assmann, GesR, § 24 IV (S. 375); Emmerich, 10. Aufl., Rdnr. 140. 4 Karsten Schmidt, GmbHR 1974, 178, 179; von „Überschneidung“ mit jenem Rechtsgedanken spricht Nirk, in: FS Stimpel, S. 443, 454; unklar Rehbinder, in: FS R. Fischer, S. 579, 593. 5 BGHZ 105, 121, 130 f. = ZIP 1988, 1112, 1115 – „Kerkerbachbahn“; BGH, NJW 1987, 1077, 1079 = MDR 1987, 384 = WM 1987, 13 = ZIP 1987, 29 unter Ziff. III. 1. b) der Gründe. 6 Emmerich, 10. Aufl., Rdnr. 140; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 16; Lutter, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 27; Kübler/Assmann, GesR, § 24 IV (S. 375); mit anderer Begründung (Naturalrestitution i.S. von § 249 Abs. 1 BGB) auch Frank, NJW 1974, 2313, 2315; Reuter, in: MünchKomm. BGB, 6. Aufl. 2012, Vor § 21 BGB Rdnr. 32; Benne, S. 202; dagegen zutreffend Wilhelm, S. 384; es geht um Geldersatz (vgl. § 249 Abs. 2 bzw. § 251 BGB). 7 Lieb, in: FS R. Fischer, S. 385 ff.; ferner John, JZ 1979, 511 ff.; s. auch Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 152. 8 Dazu Grüneberg, in: Palandt, 71. Aufl. 2012, Vorb. v. § 249 BGB Rdnr. 87 m.w.N.

Bitter

783

181

§ 13

Juristische Person; Handelsgesellschaft

nen Schaden in Höhe des gleichwohl gezahlten Gehalts ersetzt verlangen1. Allerdings kann der Dienstberechtigte – hier die GmbH – die Abtretung jenes Ersatzanspruchs vom Verletzten verlangen2. 182 Unabhängig davon kann ein deliktisch oder im Rahmen einer Vertragsbeziehung geschädigter Gesellschafter aber selbstverständlich vom Verletzer immer seinen ganzen – über den Verdienstausfall als Geschäftsführer hinausgehenden – Schaden ersetzt verlangen, also auch jenen, der sich aus der Verminderung des Wertes seiner Gesellschaftsbeteiligung ergibt3. Dass dieser Ersatz mit einer Drittschadensliquidation nichts zu tun hat4, jene These vielmehr unhaltbar ist5, zeigt sich insbesondere bei Gesellschaften mit mehreren Gesellschaftern. Der Schädiger hat hier keineswegs den (ganzen) bei der GmbH eingetretenen (Dritt-)Schaden zu ersetzen, sondern nur den Schaden des von ihm verletzten Gesellschafters; dieser besteht in der Entwertung (allein) von dessen Geschäftsanteil6, unabhängig davon, wie hoch dieser ist7. Ein Fall (zufälliger) Schadensverlagerung liegt im Verhältnis zwischen Gesellschafter und Gesellschaft nicht vor und zwar weder bei mehrgliedrigen Gesellschaften noch bei der Einpersonen-GmbH8; insbesondere handelt der Gesellschafter als Privatmann in aller Regel nicht für Rechnung der Gesellschaft9 und übrigens auch nicht umgekehrt die Gesellschaft für Rechnung des Gesellschafters10. 183 Der auf den Anteil des konkret verletzten Gesellschafters beschränkte Schadensbetrag steht im Grundsatz auch nur diesem Geschädigten und nicht seinen Mitgesellschaftern zu, weshalb die Zahlung in das Privatvermögen zu erbringen ist11. 1 BGH, NJW 1977, 1283 = MDR 1977, 568 = GmbHR 1977, 274 m.w.N. unter Ziff. II. 1. der Gründe; BGH, NJW-RR 1991, 551 = GmbHR 1991, 525 unter Ziff. II. 5. der Gründe; wie hier auch Greitemann, in: Saenger/Inhester, Rdnr. 134. 2 Insoweit zutreffend Pentz, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 157; s. auch Greitemann, in: Saenger/Inhester, Rdnr. 139, der diesen Anspruch aber fehlerhaft von einer Unterbilanz abhängig macht. 3 Insoweit zutreffend schon Frank, NJW 1974, 2313, 2314. 4 Richtig schon Wilhelm, S. 384. 5 So wörtlich Lieb, in: FS R. Fischer, S. 385, 392. 6 Zutreffend Lieb, in: FS R. Fischer, S. 385, 392 f.; ähnlich John, JZ 1979, 511, 514 f.; Ganssmüller, GmbHR 1975, 193, 196; s. auch Greitemann, in: Saenger/Inhester, Rdnr. 133 und 138; ebenso BGH, NJW-RR 1991, 551 = GmbHR 1991, 525 unter Ziff. II. 3. der Gründe (für eine Beteiligung von 96 %); deutliche Trennung zwischen dem Eigenschaden des Gesellschafters und dem Schaden der Gesellschaft auch bei BGH, NJW 1999, 1407 = MDR 1999, 693. 7 Zutreffend Greitemann, in: Saenger/Inhester, Rdnr. 138. 8 Zutreffend John, JZ 1979, 511, 514 f.; Wilhelm, S. 384; Benne, S. 201 m.w.N.; nur im gedanklichen Ansatz a.A. Rehbinder, in: FS R. Fischer, S. 579, 592 f.; auch im Ergebnis a.A. Raiser/Veil, Kapitalgesellschaften, § 29 Rdnr. 53. 9 Anders wohl Rehbinder, in: FS R. Fischer, S. 579, 592; s. zum „wirtschaftlichen Eigentum“ als Anknüpfungspunkt der Schadensersatzpflicht in den meisten Fällen der sog. Drittschadensliquidation Bitter, Rechtsträgerschaft für fremde Rechnung, 2006, S. 369 ff. 10 Dazu Bitter, Rechtsträgerschaft für fremde Rechnung, 2006, S. 430 f. 11 Zutreffend Lieb, in: FS R. Fischer, S. 385, 392 ff.; Wilhelm, S. 381 ff.; demgegenüber will der BGH, NJW 1977, 1283, 1284 = MDR 1977, 568 = GmbHR 1977, 274 unter Ziff. II. 3. c) der Gründe offenbar nur beim Alleingesellschafter einen Anspruch auf Leistung ins Privatvermögen anerkennen; dazu mit Recht kritisch Wilhelm, S. 383 f.

784

Bitter

§ 13

Juristische Person; Handelsgesellschaft

Soweit in der Literatur zur Begründung des gegenteiligen Ergebnisses auf die angeblich gleiche Rechtslage bei den sog. Reflexschäden1 sowie den Rechtsgedanken der §§ 117 Abs. 1 Satz 2, 317 Abs. 1 Satz 2 AktG verwiesen wird2, überzeugt das in dieser Allgemeinheit nicht3, vielmehr nur in solchen besonderen Fällen, in denen der Gesellschaft – wie in jenen Konstellationen – aufgrund desselben Schadensereignisses ebenfalls ein Schadensersatzanspruch gegen den Schädiger zusteht4. Ist dieser Anspruch der GmbH werthaltig, entfällt der parallele Anspruch des Gesellschafters übrigens schon deshalb, weil sich im Hinblick auf dieses Aktivum der Gesellschaft eine Entwertung der Gesellschaftsbeteiligung gar nicht feststellen lässt5. Einen parallelen Anspruch der GmbH gibt es jedoch bei einer deliktischer Schädigung des Alleingesellschafters (BGH-Fall Nr. 2: Skiunfall) nicht6, ferner auch nicht bei der Entschädigung nach dem StrEG (BGHFall Nr. 3: Untersuchungshaft)7; bei einer vertraglichen Verbindung zwischen Schädiger und Gesellschafter (BGH-Fall Nr. 1: Anwaltsverschulden) muss im Einzelfall sorgfältig geprüft werden, ob die GmbH nach den engen Grundsätzen des Vertrags mit Schutzwirkung zugunsten Dritter8 in den Schutzbereich jenes mit dem Gesellschafter geschlossenen Vertrags einbezogen war9, nicht anders als dies im umgekehrten Fall ist, in dem der Gesellschafter in den Schutzbereich eines mit der GmbH geschlossenen Vertrags einbezogen werden soll10. Insgesamt zeigt sich, dass die ganze Problematik mit dem Durchgriff letztlich 184 gar nichts zu tun hat11, sondern der Gesellschafter schlicht auch den Schaden liquidiert, der in seiner Vermögensbeteiligung an der juristischen Person eingetreten ist. Dabei sollte man zur Schadensbemessung nicht auf umständliche Differenzberechnungen zwischen zwei verschiedenen Unternehmenswerten vor und nach dem schädigenden Ereignis12, sondern einfach darauf abstellen, dass bei einer florierenden, nicht überschuldeten Gesellschaft13 im Umfang des der Gesellschaft entgangenen Gewinns oder bei ihr eingetretenen Verlusts auch der Wert der Gesellschaftsbeteiligung(en) vermindert ist14. Diese Wertminderung ist sodann dem verletzten Gesellschafter in dem Umfang zu ersetzen, in dem er an 1 Auf diese Rechtsprechung hinweisend (vgl. die Nachweise oben Rdnr. 180) Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 16 („Entsprechendes gilt für sog. Reflexschäden“); Lutter, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 27 („Rechtslage … nicht anders“). 2 Pentz, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 157. 3 Wie hier auch Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 152. 4 Im Ergebnis wie hier Greitemann, in: Saenger/Inhester, Rdnr. 137. 5 Zutreffend John, JZ 1979, 511, 515; s. auch Ganssmüller, GmbHR 1975, 193, 195 f. und 197. 6 John, JZ 1979, 511, 514. 7 Deutlich BGH, ZIP 1989, 98, 99 = NJW-RR 1989, 684 unter Ziff. I. 4. a) der Gründe. 8 Dazu allgemein Grüneberg, in: Palandt, 71. Aufl. 2012, § 328 BGB Rdnr. 17 ff. m. Nachw. zur Rspr. 9 Dazu John, JZ 1979, 511, 515; Wilhelm, S. 385; Benne, S. 201; Hüffer, JuS 1976, 83, 87 f.; deutlich knapper Hüffer, NJW 1977, 1285. 10 Dazu BGH, ZIP 2000, 72 = GmbHR 2000, 131 = NJW 2000, 725. 11 Ähnlich Greitemann, in: Saenger/Inhester, Rdnr. 133. 12 So Hüffer, JuS 1976, 83, 84; s. auch John, JZ 1979, 511, 513 f. 13 Zu einer fast insolvenzreifen GmbH s. Wilhelm, S. 385 f. 14 Näher Lieb, in: FS R. Fischer, S. 385, 388 ff., dort auch zur Berücksichtigung von Steuerlasten; dazu auch BGH, NJW-RR 1991, 551 = GmbHR 1991, 525 unter Ziff. II. 6. der Gründe; Ganssmüller, GmbHR 1975, 193, 195 ff.

Bitter

785

§ 13

Juristische Person; Handelsgesellschaft

der Gesellschaft beteiligt ist (Rdnr. 182). Allenfalls in solchen Fällen, in denen bei der GmbH durch das Schadensereignis das Stammkapital nicht mehr gedeckt ist1, mag man darüber nachdenken, ob der beim Gesellschafter eintretende Vermögenszufluss aus dem Schadensersatzbetrag im Interesse der Gläubiger durch einen Anspruch der GmbH analog §§ 30, 31 in jene umzulenken ist2.

XII. Umgekehrter Durchgriff 185 Unter dem Stichwort des „umgekehrten Durchgriffs“ lässt sich die Frage stellen, ob – genau gegenteilig zu den Fällen der Durchgriffshaftung (Rdnr. 110 ff.) – der Gläubiger eines GmbH-Gesellschafters auf das Vermögen der von diesem gehaltenen GmbH „durchgreifen“ kann. Dies ist in der älteren Rechtsprechung bei der Einpersonen-GmbH teilweise zugelassen, der GmbH insbesondere bei einer gegen den Alleingesellschafter gerichteten Pfändung die Drittwiderspruchsklage verweigert worden3. Dem ist der BGH jedoch erfreulich klar entgegen getreten, weil die Trennung der Vermögenssphären zwischen Gesellschaft und Gesellschafter im Grundsatz in beiderlei Richtung gilt4. Der Gläubiger kann aber natürlich den GmbH-Anteil pfänden, weil dieser zum Vermögen des Gesellschafters gehört5. 186 Der Grundsatz der vollstreckungsrechtlichen Trennung gilt allerdings nicht ausnahmslos. Ebenso wie dem Gesellschafter im Einzelfall bei einer unklaren Vermögenszuordnung die Drittwiderspruchsklage bei einer gegen die GmbH gerichteten Vollstreckung versagt sein kann (Rdnr. 135), gilt dies im umgekehrten Fall. Die bloße Missbrauchsmöglichkeit reicht aber nicht aus6. 187 Die an früherer Stelle angeführten Fragen des Zurechnungsdurchgriffs, bei denen es um Vertrags- oder Normauslegung im Einzelfall geht (Rdnr. 71, 75 ff.), stellen sich auch in umgekehrter Richtung (vgl. insbes. Rdnr. 81 ff. zum Wettbewerbsverbot)7. Insoweit mag man von einem „umgekehrten Zurechnungsdurchgriff“ sprechen.

1 Auf diese Fälle hinweisend Karsten Schmidt, GmbHR 1974, 178, 180; zum Gläubigerinteresse auch Ganssmüller, GmbHR 1975, 193, 198. 2 Auch dies mit beachtlichen Gründen ablehnend John, JZ 1979, 511, 514; ferner Lieb, in: FS R. Fischer, S. 385, 393 ff., der bei seinen Überlegungen allerdings übersieht, dass auch in allen anderen Fällen der Rückgewähr nach §§ 30, 31 dafür unter mehreren Gesellschaftern ein Ausgleich herbeigeführt werden muss. 3 S. z.B. OLG Hamm, GmbHR 1978, 13 = NJW 1977, 1159; rechtsvergleichend Drobnig, Haftungsdurchgriff bei Kapitalgesellschaften, 1959, S. 68 ff. 4 BGHZ 156, 310 = ZIP 2003, 2247 = NJW 2004, 217; zuvor schon KG, InVo 2003, 404; ebenso Greitemann, in: Saenger/Inhester, Rdnr. 145; Raiser, in: Ulmer, Rdnr. 58; s. auch schon Wiedemann, GesR I, § 4 III 1d (S. 228) mit Hinweis auf die gegenteilige BGHRechtsprechung zu den Aufrechnungsfragen bei Reichskriegsgesellschaften; dort werden allerdings Durchgriffs- mit Treuhandfragen vermischt (vgl. Bitter, Rechtsträgerschaft für fremde Rechnung, 2006, S. 430 ff.). 5 Greitemann, in: Saenger/Inhester, Rdnr. 146. 6 Zutreffend KG, InVo 2003, 404 f. 7 S. auch Raiser, in: Ulmer, Rdnr. 56 mit weiteren Beispielen.

786

Bitter

Anhang § 13

GmbH-Konzernrecht

Anhang § 13

GmbH-Konzernrecht Inhaltsübersicht A. Einleitung I. Verbreitung. . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1

II. Geschichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

5

III. Rechtsquellen . . . . . . . . . . . . . . . .

8

B. Verbundene Unternehmen . . . . . 13 I. Unternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . 14 II. Mehrheitsbeteiligung 1. Begriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 2. Rechtsfolgen . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 III. 1. 2. 3.

Abhängigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . Begriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gemeinschaftsunternehmen . . . Rechtsfolgen . . . . . . . . . . . . . . . . .

22 23 27 29

IV. Konzern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 V. Wechselseitige Beteiligungen . . . 1. Einfache wechselseitige Beteiligungen . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Qualifizierte wechselseitige Beteiligungen . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Sonstige Fälle . . . . . . . . . . . . . . . . .

34 35 37 38

VI. Mitteilungspflichten 1. §§ 20, 21 AktG; § 21 WpHG . . . . 39 2. Treuepflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 C. Konzernbildungskontrolle I. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 II. Konzernbildungskontrolle auf der Ebene der abhängigen Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Gesellschaftsvertrag . . . . . . . . . . . 2. Fehlen gesellschaftsvertraglicher Sicherungen . . . . . . . . . . . . 3. Rechtsfolgen . . . . . . . . . . . . . . . . .

48 49 54 57

III. Konzernbildungskontrolle auf der Ebene der herrschenden Gesellschaft 1. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58

2. Mitwirkung der Gesellschafter. 60 3. Konzernklauseln . . . . . . . . . . . . . 63 4. Rechtsfolgen . . . . . . . . . . . . . . . . 63a IV. Konzernleitungskontrolle, Konzernleitungspflicht. . . . . . . .

64

D. Faktischer Konzern I. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. 1. 2. 3.

Schädigungsverbot Inhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anwendungsbereich . . . . . . . . . . Beispiele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

III. Rechtsfolgen 1. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Schadensersatz- und Unterlassungsansprüche . . . . . . . . . . . . IV. Gläubigerschutz 1. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Insbesondere Einpersonengesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . .

65 71 76 80 83 85 88 90

E. Qualifizierter faktischer Konzern, Existenzvernichtungshaftung I. Der qualifizierte faktische Konzern – ein Rückblick 1. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Missbrauch . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Beweislast . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Grundsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Indizien, Fallgruppen . . . . . . . 4. Rechtsfolgen . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Schutz der Minderheit . . . . . . . . II. Fortbestehende Bedeutung? 1. Rechtsprechung – von Vulkan bis Gamma . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Diskussion über die Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . . . 3. Gläubigerschutz . . . . . . . . . . . . . . 4. Minderheitsschutz . . . . . . . . . . . Emmerich

91 100 106 107 109 114 117

120 122 123 125

787

Anhang § 13

GmbH-Konzernrecht

F. Beherrschungsverträge I. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129 II. Begriff, Notwendigkeit . . . . . . . . 134 III. Zustandekommen des Vertrages 1. Anwendbarkeit der §§ 53, 54 . . . 2. Zustimmung der Gesellschafter der Obergesellschaft . . . . . . . . . . . 3. Eintragung ins Handelsregister . 4. Ermächtigungsklauseln . . . . . . . . 5. Abfindung und Ausgleich . . . . . . 6. Fehlerhafte und verdeckte Beherrschungsverträge a) Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Materielle Mängel . . . . . . . . . . c) Formelle Mängel . . . . . . . . . . . d) Rechtsfolgen . . . . . . . . . . . . . . .

163 165 166 168

IV. 1. 2. 3.

170 171 174 177

Weisungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . Parteien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Umfang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Schranken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

139 148 152 155 158

VIII. 1. 2. 3.

Beendigung des Vertrages Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ordentliche Kündigung . . . . . . . Außerordentliche Kündigung aus wichtigem Grunde . . . . . . . . 4. Vertragsaufhebung . . . . . . . . . . . .

189 190 192 195

G. Gewinnabführungsvertrag I. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198 II. Abschluss des Gewinnabführungsvertrages . . . . . . . . . . . . 201 III. Gewinnabführung . . . . . . . . . . . . 203

V. Gläubigerschutz . . . . . . . . . . . . . . 180 VI. Haftung des herrschenden Unternehmens. . . . . . . . . . . . . . . . 183 VII. Änderung des Vertrages . . . . . . . . 185

IV. Gläubigerschutz . . . . . . . . . . . . . . 205 H. Andere Unternehmensverträge I. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207 II. Gewinngemeinschaft . . . . . . . . . 210 III. Teilgewinnabführungsvertrag . . 213 IV. Betriebspacht- und Betriebsüberlassungsvertrag 1. Begriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 216 2. Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . 218 V. Umgehungsproblematik . . . . . . 221

Allgemeines Schrifttum (Auswahl): Altmeppen, Abschied vom „qualifiziert faktischen Konzern“, 1991; Altmeppen, Die Haftung des Managers im Konzern, 1998; Assmann, Der faktische GmbH-Konzern, in: FS 100 Jahre GmbHG, 1992, S. 657; Ballerstedt, Kapital, Gewinn und Ausschüttung bei Kapitalgesellschaften, 1949; Bälz, Verbundene Unternehmen, AG 1992, 276 = in: Nörr (Hrsg.), 40 Jahre Bundesrepublik Deutschland – 40 Jahre Rechtsentwicklung, 1990, S. 177; M. Becker, Der Austritt aus der GmbH, 1985, S. 126 ff.; Beinert, Die Konzernhaftung für die satzungsmäßig abhängig gegründete GmbH, 1995; Binnewies, Die Konzerneingangskontrolle in der abhängigen Gesellschaft, 1996; M. Bouchon, Konzerneingangsschutz im GmbH- und Aktienrecht, 2002; Büscher, Die qualifiziert faktische Konzernierung – eine gelungene Fortbildung des Rechts der GmbH?, 1999; Decher, in: MünchHdb. III, 3. Aufl. 2009, §§ 67–70; H. Dehmer/St. Hettler, Haftungsfalle GmbH-Konzernhaftung, 1993; B. Deilmann, Die Entstehung des qualifizierten faktischen Konzerns, 1990; K. Denzer, Konzerndimensionale Beendigung der Vorstands- und Geschäftsführerstellung, 2004, S. 99 ff.; Döser, Der faktische Konzern, AG 2003, 406; Drax, Durchgriffs- und Konzernhaftung der GmbH-Gesellschafter – ein Vergleich, 1992; Drüke, Die Haftung der Mutter- für Schulden der Tochtergesellschaft, 1990; Drygala, Gläubigerschutz bei der typischen Betriebsaufspaltung, 1991; Ehricke, Das abhängige Konzernunternehmen in der Insolvenz, 1998; Emmerich, Bestandsschutz im GmbH-Vertragskonzern, in: Hommelhoff, Entwicklungen im GmbH-Konzernrecht, 1986, S. 64; Emmerich, Der heutige Stand der Lehre vom GmbH-Konzernrecht, AG 1987, 1; Emmerich, Konzernbildungskontrolle, AG 1991, 303; Emmerich, Das GmbH-Konzernrecht, AG 1975, 253, 285; Emmerich/Habersack, Konzernrecht, 9. Aufl. 2008; Eschenbruch,

788

Emmerich

GmbH-Konzernrecht

Anhang § 13

Konzernhaftung, 1996; T. Fenck, Herkunft und Perspektiven des Eingliederungskonzerns, 2005; Grauer, Konzernbildungskontrolle im GmbH-Recht, 1991; Henze, Konzernrecht – höchst- und obergerichtliche Rechtsprechung, 2001; Hirte, Bezugsrechtsausschluss und Konzernbildung, 1986; Holzwarth, Konzernrechtlicher Gläubigerschutz bei der klassischen Betriebsaufspaltung, 1993; Hommelhoff, Die Konzernleitungspflicht, 1982; Hommelhoff (Hrsg.), Entwicklungen im GmbH-Konzernrecht, 1986; Ihde, Der faktische GmbH-Konzern, 1974; Imhof, Die Verantwortlichkeit der Konzernobergesellschaft als Ausfluss faktischer Organschaft?, 2002; Immenga, Die personalistische Kapitalgesellschaft, 1970; Chr. Jansen, Konzernbildungskontrolle im faktischen GmbH-Konzern, 1993; Fr. Jungkurth, Konzernleitung bei der GmbH: Die Pflichten des Geschäftsführers, 2000; Joussen, Gesellschafterabsprachen neben Satzung und Gesellschaftsvertrag, 1995; J. Keßler (Hrsg.), Handbuch des GmbH-Konzerns, 2004; Kleindiek, Strukturvielfalt im Personengesellschafts-Konzern, 1991; Kort, Der Abschluss von Beherrschungs- und Gewinnabführungsverträgen im GmbH-Recht, 1986; Kronstein, Die abhängige juristische Person, 1931; Kühn, Die Minderheitsrechte in der GmbH und ihre Reform, 1964; Liebscher, Konzernbildungskontrolle, 1995; Limmer, Die Haftungsverfassung des faktischen GmbH-Konzerns, 1992; Lutter, Die zivilrechtliche Haftung in der Unternehmensgruppe, ZGR 1982, 244; Martens, Mehrheits- und Konzernherrschaft in der personalistischen GmbH, 1970; Mestmäcker, Verwaltung, Konzerngewalt und Rechte der Aktionäre, 1958; Mestmäcker/Behrens (Hrsg.), Das Gesellschaftsrecht der Konzerne im internationalen Vergleich, 1991; Müller, Das Austrittsrecht des GmbH-Gesellschafters, 1996; Rodewald, Der GmbHKonzern, in: GmbH-Handbuch, Rdnr. I 2815 ff.; Scheel, Konzerninsolvenzrecht, 1995; Uwe H. Schneider (Hrsg.), Beherrschungs- und Gewinnabführungsverträge in der Praxis der GmbH, 1989; Sonnenschein, Organschaft und Konzerngesellschaftsrecht, 1976; U. Stein, Das faktische Organ, 1984; A. Streyl, Zur konzernrechtlichen Problematik von Vorstands-Doppelmandaten, 1992; zugunsten Verhoeven, GmbHKonzern-Innenrecht, 1978; Versteegen, Konzernverantwortlichkeit und Haftungsprivileg, 1993; U. Wehlmann, Kompetenzen von Gesellschaftern und Gesellschaftsorganen bei der Bildung faktischer GmbH-Konzerne, 1996; J. Wilhelm, Rechtsform und Haftung bei der juristischen Person, 1981; S. Wimmer-Leonhardt, Konzernhaftungsrecht, 2004, S. 148, 295 ff.; Chr. Windbichler, Arbeitsrecht im Konzern, 1989; M. Winter, Mitgliedschaftliche Treuebindungen im GmbH-Recht, 1988; Kl. Ziegler, Kapitalersetzende Gebrauchsüberlassungsverhältnisse und Konzernhaftung bei der GmbH, 1989; Ziemons, Die Haftung der Gesellschafter für Einflussnahmen auf die Geschäftsführung der GmbH, 1996; Zöllner, Die sog. Gesellschafterklage im Kapitalgesellschaftsrecht, ZGR 1988, 392. Kommentierungen zum GmbH-Konzernrecht: Altmeppen, Konzern-Recht der GmbH, in: Roth/Altmeppen, GmbHG, § 13 Anh.; Casper, GmbH-Konzernrecht, in: Ulmer, Anh. nach § 77; Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, Kommentar, 6. Aufl. 2010; Koppensteiner, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, GmbHG, § 52 Anh.; Liebscher, Die GmbH als Konzernbaustein, in: MünchKomm. GmbHG, § 13 Anh.; Lutter, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, Anh. zu § 13; Servatius, System. Darstellung 4: Konzernrecht, in: Michalski, GmbHG, Bd. 1, S. 355 ff.; Zöllner, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, SchlussanhKonzernR. – Alle genannten Kommentierungen werden im Folgenden nur mit dem Namen des Verfassers zitiert, soweit nicht im Einzelfall, um Missverständnisse zu vermeiden, weitere bibliographische Angaben erforderlich erscheinen.

A. Einleitung I. Verbreitung 1. An Unternehmensverbindungen können Unternehmen jeder Rechtsform be- 1 teiligt sein. Die GmbH macht insoweit keine Ausnahme. Wegen der weitgehenden Dispositivität des GmbH-Rechts (§ 45), der Weisungsabhängigkeit der GeEmmerich

789

Anhang § 13

GmbH-Konzernrecht

schäftsführer (§§ 37 Abs. 1, 46 Nr. 6) sowie des nur verhältnismäßig schwach ausgeprägten Gläubigerschutzes eignet sich die GmbH sogar in besonderem Maße zur Beteiligung an Unternehmensverbindungen, und zwar gleichermaßen in der Rolle des herrschenden wie des abhängigen Unternehmens. In beiden Rollen ist die GmbH daher eine vertraute Erscheinung der Praxis der Unternehmensverbindungen – woraus sich zugleich die Notwendigkeit spezieller Regelungen für die GmbH als verbundenes Unternehmen ergibt. Die Gesamtheit dieser Regelungen nennt man – pars pro toto – „GmbH-Konzernrecht“. Seine Hauptaufgabe ist es, den spezifischen Gefahren zu begegnen, die mit Unternehmensverbindungen typischerweise für die Gesellschaft, ihre Gesellschafter und ihre Gläubiger verbunden sind. 2 Nur eine besondere Erscheinungsform von Unternehmensverbindungen (unter anderen) bilden Konzerne (§ 18 AktG). Die GmbH kann an Konzernen sowohl in der Rolle der herrschenden wie der abhängigen Gesellschaft beteiligt sein. Vornehmlich mit Bezug auf den zweiten Fall spricht man auch von „GmbHKonzernen“. Über die Verbreitung und die Struktur derartiger Konzerne ist bisher nur wenig an die Öffentlichkeit gedrungen. Jedoch geht man vermutlich nicht fehl in der Annahme, dass bei Großunternehmen in der Rechtsform einer GmbH die Struktur der Konzerne keine wesentlichen Unterschiede zu Aktienkonzernen aufweisen wird, so dass man auch hier ebenso wie im Aktienkonzernrecht Vertragskonzerne und faktische Konzerne zu unterscheiden hat. In Vertragskonzernen herrschen offenbar vorerst noch aus steuerlichen Gründen Gewinnabführungs- und Organschaftsverträge vor (s. §§ 14, 17 KStG)1, während reine Beherrschungsverträge selten zu sein scheinen2. Bedeutung hat die GmbH ferner als Gemeinschaftsunternehmen, als Betriebsführungsgesellschaft sowie als Holding und als Leitungsorgan in Gleichordnungskonzernen erlangt. Vor allem aber sind Gesellschaften mbH in großer Zahl als nachträglich ausgegründete Tochtergesellschaften zur Erledigung spezieller Aufgaben und zur Haftungsegmentierung in Konzernen anzutreffen, beides Aufgaben, für die sich die GmbH als besonders geeignet erwiesen hat3. 3 2. Exakte Zahlen über die Verbreitung von GmbH-Konzernen liegen ebenso wenig wie bei Aktienkonzernen vor. Es gibt lediglich vage und zudem durchweg ältere Schätzungen, nach denen heute rund 30 bis 40 % oder (nach Abzug der Komplementärgesellschaften in GmbH & Co. KG) über 50 % der Gesellschaften in der Rechtsform einer GmbH in irgendeiner Weise mit anderen Unternehmen konzernverbunden sind4.

1 § 14 KStG verlangt seit 2003 freilich nur noch die finanzielle Eingliederung der Organgesellschaft in den Organträger in Verbindung mit dem Abschluss eines Gewinnabführungsvertrages, so dass jetzt ein Organschaftsverhältnis ohne weiteres auch ohne Abschluss eines Beherrschungsvertrages begründet werden kann; dies kann auf die Dauer zu einem merklichen Rückgang der Bedeutung der Vertragskonzerne führen. 2 Ebenso Casper, in: Ulmer, Rdnr. 11. 3 S. Liebscher, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 6; Zöllner, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 2. 4 S. Monopolkommission, 7. Hauptgutachten 1986/87, Rdnr. 858; Hansen, GmbHR 1980, 99; Gösling, AG 1993, 538 (546 f.: knapp 50 % konzernverbunden).

790

Emmerich

GmbH-Konzernrecht

Anhang § 13

3. Unternehmensverbindungen unter Beteiligung einer GmbH werfen ebenso 4 wie sonstige Unternehmensverbindungen in erster Linie Fragen des Gläubigerund des Minderheitenschutzes auf. Der Minderheitenschutz ist hier sogar besonders dringlich, weil die Minderheit in GmbH-Konzernen von Vorgängen in ihrer Gesellschaft gewöhnlich stärker als ein ohnehin einflussloser Kleinaktionär in einer AG betroffen wird. Ihre Situation wird durch die beschränkte Fungibilität der GmbH-Anteile (s. § 15) noch weiter verschärft, da Minderheitsgesellschaftern bei der GmbH infolgedessen noch nicht einmal ein Austritt über die Börse möglich ist1. Aber auch der Gläubigerschutz bedarf hier angesichts der bekannten Insolvenzanfälligkeit der GmbH besonderer Beachtung, zumal bei den zahlreichen Einpersonen-Gesellschaften.

II. Geschichte Das GmbH-Konzernrecht ist keine „Entdeckung“ erst der letzten Jahre2; viel- 5 mehr sind (natürlich) GmbH-konzernrechtliche Fragen auch schon früher diskutiert und z.T. sogar, freilich in erster Linie unter steuer- oder mitbestimmunngsrechtlichen Aspekten, gesetzlich geregelt worden. Seit der Kodifizierung des Aktienkonzernrechts im Jahre 1965 wandte sich indessen das wissenschaftliche Interesse nahezu ausschließlich den Aktienkonzernen zu, so dass darüber die besonderen Probleme von GmbH-Konzernen eine Zeitlang aus dem Blickfeld gerieten. Zu dieser Entwicklung hatte auch der Umstand beigetragen, dass die Bundes- 6 regierung nach Abschluss der Aktienrechtsreform im Jahre 1965 Anfang der 1970iger Jahre zunächst eine Regelung des GmbH-Konzernrechts in enger Anlehnung an das Konzernrecht des AktG von 1965 angestrebt hatte3. Dieser Plan erwies sich indessen als undurchführbar, weshalb sich die kleine GmbH-Novelle von 1980 schließlich auf wenige Einzelregelungen beschränkte, das Konzernrecht im Übrigen aber aussparte (s. unten Rdnr. 8). Weitergehende Gesetzgebungspläne bestehen nicht mehr4. Diese Abstinenz des deutschen Gesetzgebers hatte zur Folge, dass die Aufgabe, 7 ein GmbH-Konzernrecht zu entwickeln, Rechtsprechung und Wissenschaft zufiel. Die Führung übernahm alsbald der BGH, der seit Mitte der siebziger Jahre in einer Reihe viel diskutierter Urteile Schritt für Schritt die Grundzüge eines neuen GmbH-Konzernrechts herausarbeitete, wobei er sich im Recht der Vertragskonzerne aus nahe liegenden Gründen weitgehend an dem aktienrechtlichen Vorbild (§§ 291–303 AktG) orientierte, während er im Recht der faktischen Konzerne nach einer eigenständigen Lösung suchte, die in erster Linie an die Treuepflicht der Gesellschafter untereinander und gegenüber der Gesellschaft anknüpft. Die Entwicklung verlief nicht gradlinig, wie insbesondere die 1 H.-Fr. Müller, Das Austrittsrecht des GmbH-Gesellschafters, S. 56 ff. 2 Vgl. die grundsätzlichen Überlegungen bei Ballerstedt, Kapital, 1949; Mestmäcker, Verwaltung, 1958; s. zum Folgenden ausführlich auch Assmann, in: FS 100 Jahre GmbHG, S. 657 ff. 3 Vgl. den RegE eines neuen GmbHG von 1973, BT-Drucks. VI/3088, neu eingebracht 1974 als BT-Drucks. 7/253. 4 S. Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 1.

Emmerich

791

Anhang § 13

GmbH-Konzernrecht

abrupte Aufgabe der Figur des qualifizierten faktischen Konzerns im Jahre 2001 zugunsten der neuen Haftung für existenzvernichtende Eingriffe zeigt (s. oben § 13 Rdnr. 152 ff., unten Rdnr. 91 ff.). 7a

Die Besonderheit der Haftung für existenzvernichtende Eingriffe besteht infolge ihrer Anknüpfung an § 826 BGB darin, dass sie nicht konzernspezifisch konzipiert ist, so dass sie gleichermaßen Unternehmens- wie Privatgesellschafter treffen kann. Die umstrittene Grenzziehung zwischen Unternehmens- und Privatgesellschaftern (s. unten Rdnr. 14 f.) hat dadurch jedenfalls im GmbH-Konzernrecht viel von ihrer früheren Brisanz verloren. Nicht zu Unrecht wird deshalb im Schrifttum die Frage diskutiert, ob es mit Rücksicht auf diese Entwicklung – jenseits des Rechts der Vertragskonzerne – noch eines besonderen GmbH-Konzernrechts bedarf oder ob nicht die allgemeinen Rechtsinstitute, allen voran Treuepflicht und Gleichbehandlungsgrundsatz, zum Schutze der Minderheit, der abhängigen Gesellschaft und damit mittelbar auch der Gesellschaftsgläubiger ausreichen1. Diese Frage kann nur im Zusammenhang mit der Frage erörtert werden, ob für die Rechtsfigur des qualifizierten faktischen Konzerns heute noch Raum ist (dazu unten Rdnr. 91 ff.).

III. Rechtsquellen 8 1. Gesetzliche Regelungen einzelner Aspekte des GmbH-Konzernrechts finden sich bislang in erster Linie in den allgemeinen Vorschriften des AktG über verbundene Unternehmen (§§ 15 bis 22 AktG) sowie in den §§ 290 ff. HGB über die Konzernrechnungslegung. Weitere Einzelfragen sind an verstreuten Stellen innerhalb und außerhalb des GmbHG geregelt. Zu nennen sind hier aus dem GmbHG vor allem die Vorschriften § 30 Abs. 1 Satz 2 in der Fassung des MoMiG von 2008, nach der Leistungen aufgrund eines Beherrschungs- oder Gewinnabführungsvertrages nicht dem Verbot der Auszahlung des Stammkapitals an die Gesellschafter unterliegen, des § 43a über Organkredite (s. 10. Aufl., § 43a Rdnr. 58 ff.), des § 47 Abs. 4 über Stimmverbote (s. 10. Aufl., § 47 Rdnr. 165 ff.) sowie der §§ 51a und 51b über das Auskunfts- und Einsichtsrecht der Gesellschafter (s. unten Rdnr. 64). 9 Außerhalb des GmbHG ist vor allem auf § 17 KStG hinzuweisen, nach dem eine GmbH mit Geschäftsleitung und Sitz im Inland ebenso wie eine AG Organgesellschaft eines anderen Unternehmens sein kann. Der Geltungsbereich des § 17 KStG beschränkt sich freilich auf das Steuerrecht, so dass ihm – trotz des auf den ersten Blick abweichenden Wortlauts – keine gesellschaftsrechtliche Bedeutung zukommt2. Konzernrechtliche Regelungen finden sich schließlich noch in § 1 Abs. 2 des MitbestErgänzungsG von 19563, in § 5 MitbestG von 19764 sowie in § 2 des DrittelbG von 20045. 1 In diesem Sinne z.B. Casper, in: Ulmer, Rdnr. 4; dagegen betont Servatius, in: Michalski, Rdnr. 1. 2 BGHZ 105, 324, 339 f. = NJW 1989, 295 = GmbHR 1989, 25 = AG 1989, 295 – „Supermarkt“; BayObLGZ 1988, 201 = AG 1988, 379 = GmbHR 1988, 389. 3 BGBl. I 1956, 707. 4 BGBl. I 1976, 1153. 5 BGBl. I 2004, 974.

792

Emmerich

GmbH-Konzernrecht

Anhang § 13

2. Die Mehrzahl der konzernrechtlichen Vorschriften des AktG ist bereits an- 10 wendbar, wenn an der Unternehmensverbindung wenigstens eine AG (oder KGaA) neben anderen Unternehmen beliebiger Rechtsform beteiligt ist, so dass sie durchaus auch auf Unternehmensverbindungen zwischen einer AG und einer GmbH angewandt werden können. In einer Reihe von Fällen wird dabei ferner nicht danach unterschieden, in welcher Rolle die GmbH an der Unternehmensverbindung beteiligt ist. In erster Linie gehören hierher die §§ 19 und 328 AktG über wechselseitige Beteiligungen sowie die §§ 20 und 21 AktG über Mitteilungspflichten. § 292 Abs. 1 Nr. 1 AktG über die Gewinngemeinschaft kann gleichfalls hierher gezählt werden. Die Mehrzahl der einschlägigen Vorschriften des AktG setzt dagegen voraus, 11 dass es im Falle der Beteiligung einer GmbH an einer Unternehmensverbindung neben einer AG gerade die AG ist, die die Rolle der abhängigen oder die vertragstypischen Leistungen erbringenden Gesellschaft einnimmt, während die Rechtsform des anderen Vertragsteils gleich bleibt, so dass es sich dabei auch um eine GmbH handeln kann. So verhält es sich gleichermaßen mit den §§ 291–310 AktG wie mit den §§ 311–318 AktG. Auch § 292 Abs. 1 Nr. 2 und 3 AktG ist hierher zu rechnen. Er findet daher auf einen Teilgewinnabführungsvertrag oder einen Betriebspachtvertrag zwischen einer AG und einer GmbH unmittelbar nur Anwendung, wenn an der Unternehmensverbindung die AG als gewinnabführende oder ihr Unternehmen verpachtende Gesellschaft beteiligt ist. Wieder anders ist die Situation schließlich bei den §§ 56 Abs. 2, 71d Satz 2 und 136 Abs. 2 Satz 1 AktG, deren Anwendbarkeit jeweils voraussetzt, dass gerade die GmbH in der Unternehmensverbindung die Rolle des verbundenen oder abhängigen Unternehmens einnimmt (s. unten Rdnr. 20 f.). 3. Noch der Aktiengesetzgeber von 1965 hatte das Konzernrecht des AktG als 12 Kern eines allgemeinen Unternehmenskonzernrechts verstanden1. Deshalb lag es nach 1965 zunächst nahe, in den vielen nicht geregelten Fragen des GmbHKonzernrechts in erster Linie eine Analogie zum AktG von 1965 ins Auge zu fassen. Wegen der bekannten Strukturunterschiede zwischen AG und GmbH ist man indessen hiervon später wieder abgekommen. Nicht analogiefähig sind namentlich die Vorschriften der §§ 311 bis 318 AktG über faktische Konzerne2, die §§ 319 bis 327 AktG über die Eingliederung3 sowie die §§ 327a bis 327f AktG über den Ausschluss von Minderheitsaktionären, deren Anwendungsbereich sich durchweg streng auf Aktiengesellschaften beschränkt. Anders verhält es sich dagegen mit den §§ 15 bis 19 AktG (unten Rdnr. 13 ff.) sowie mit den Vorschriften über Unternehmensverträge. Die §§ 291 ff. AktG sind zwar nicht in jeder Hinsicht, aber doch in wichtigen Punkten auf Unternehmensverträge mit einer abhängigen GmbH übertragbar (Rdnr. 129 ff.). 4. Auch wenn man bereit ist, in großem Umfang die §§ 291 ff. AktG auf Ver- 12a tragskonzerne unter Beteiligung einer GmbH in der Rolle der abhängigen Gesellschaft anzuwenden (oben Rdnr. 12), bleibt doch eine Reihe von Fragen, für die 1 Begr. RegE, Vorbem. zu § 291, bei Kropff, AktG, S. 374. 2 Anders Kropff, in: FS Kastner, S. 279, 296 ff.; Rowedder, in: Hommelhoff, Entwicklungen im GmbH-Konzernrecht, S. 20. 3 Anders T. Fenck, Herkunft und Perspektiven des Eingliederungskonzerns, S. 157 ff.

Emmerich

793

Anhang § 13

GmbH-Konzernrecht

das gesetzte Recht keine Regelung bereithält. Es handelt sich dabei im Wesentlichen um zwei große Fragenkreise, einmal um die Fragen, die mit den Stichworten Konzernbildungs- und Konzernleitungskontrolle umschrieben zu werden pflegen, zum anderen um den weiten Bereich des Schutzes der abhängigen Gesellschaft, ihrer Gesellschafter und ihrer Gläubiger in faktischen Unternehmensverbindungen, insbesondere also in faktischen Konzernen. Zur Lösung der hier auftauchenden Fragen ist in erster Linie an allgemeine gesellschaftsrechtliche Schutzinstrumente anzuknüpfen, allen voran die Treuepflicht herrschender Gesellschafter gegenüber der Gesellschaft und ihren Mitgesellschaftern, der Gleichbehandlungsgrundsatz und die actio pro socio. Daneben tritt die besondere Haftung wegen existenzvernichtender Eingriffe, die freilich keine konzernspezifischen Besonderheiten mehr aufweist (oben Rdnr. 7a), so dass sich insgesamt das GmbH-Konzernrecht – jenseits des Rechts der Vertragskonzerne – deutlich in Richtung auf seine (Wieder-) Eingliederung in allgemeine gesellschaftsrechtliche Institute bewegt (s. im Einzelnen unten Rdnr. 83, 91 ff.).

B. Verbundene Unternehmen 13

Das AktG enthält in den §§ 15 bis 19 AktG verschiedene Definitionen konzernrechtlicher Grundbegriffe, die allgemein auch im GmbH-Konzernrecht zugrundegelegt werden (s. oben Rdnr. 8, 12). Deshalb ist im Folgenden zunächst auf diese Begriffsbestimmungen unter Betonung der GmbH-rechtlichen Besonderheiten einzugehen. Wegen der Einzelheiten ist im Übrigen auf die Kommentierungen der §§ 15 bis 19 AktG zu verweisen.

I. Unternehmen 14

1. Nach § 15 AktG können an Unternehmensverbindungen im Sinne der konzernrechtlichen Vorschriften des AktG allein rechtlich selbständige „Unternehmen“ im Gegensatz zu Privatgesellschaftern teilnehmen. Hinter dieser Entscheidung des Gesetzgebers, den Anwendungsbereich jedenfalls des Aktienkonzernrechts auf „Unternehmen“ zu beschränken, steht die Vorstellung der Gesetzesverfasser, dass die typischen konzernrechtlichen Konflikte, deren Regelung die Aufgabe des Konzernrechts ist, allein bei einer Beteiligung von Unternehmensgesellschaftern im Gegensatz zu einer solchen von Privatgesellschaftern auftauchen können1. Diese Wertung des Gesetzgebers, wiewohl immer wieder kritisiert, ist jedenfalls für das Aktienkonzernrecht zu respektieren, woraus sich die Notwendigkeit ergeben hat, operationale Kriterien zur Unterscheidung von Unternehmens- und Privatgesellschaftern zu entwickeln. Die weitere Folge ist, dass sich die Diskussion über den Unternehmensbegriff im Wesentlichen auf herrschende Unternehmen beschränkt, da die Unternehmensqualität abhängiger Gesellschaften eigentlich nie zweifelhaft ist, so dass sich dazu im vorliegenden Zusammenhang weitere Ausführungen erübrigen.

14a

Die überwiegende Meinung zieht aus dem Gesagten (Rdnr. 14) den Schluss, dass bei der Präzisierung des konzernrechtlichen Unternehmensbegriffs entsprechend dem Willen der Gesetzesverfasser in erster Linie an den so genannten 1 S. im Einzelnen m.N. Emmerich/Habersack, Kommentar, § 15 AktG Rdnr. 6 f.

794

Emmerich

GmbH-Konzernrecht

Anhang § 13

Konzernkonflikt anzuknüpfen ist (so genannter teleologischer Unternehmensbegriff). Die Folge ist, dass die Unternehmensqualität heute grundsätzlich bei jedem Gesellschafter bejaht wird, bei dem zu seiner Beteiligung an der Gesellschaft wirtschaftliche Interessenbindungen außerhalb der Gesellschaft hinzutreten, die stark genug sind, um die ernste Besorgnis zu begründen, der Gesellschafter könne um ihretwillen seinen Einfluss zum Nachteil der Gesellschaft geltend machen1. – Richtiger Meinung nach sollte dagegen bei der Abgrenzung zwischen Unternehmens- und Privatgesellschaftern der Akzent stärker auf die Funktion des Unternehmensbegriffs gelegt werden, entsprechend dem Willen der Gesetzesverfasser reine Privataktionäre aus dem Anwendungsbereich des Konzernrechts (wieder) auszuklammern, weil bei ihnen nicht der konzerntypische Interessenkonflikt (die „Konzerngefahr“) besteht. Dies hätte den nicht zu unterschätzenden Vorteil, dass in allen Zweifelsfällen nicht wie üblich zu fragen ist, ob der betreffende Gesellschafter schon Unternehmensqualität besitzt, sondern nur, ob er „noch“ als reiner Privatgesellschafter angesehen werden kann. Ist diese Frage zu verneinen, so ist von der Unternehmensqualität des betreffenden Gesellschafters auszugehen, ganz gleich, ob man ihn auch in anderen Beziehungen als „Unternehmen“ bezeichnen kann oder nicht. Dem entspricht es genau, dass die öffentliche Hand im Konzernrecht heute immer Unternehmensqualität besitzt. Eine Einschränkung des danach potenziell sehr weiten Unternehmensbegriffes 15 ergibt sich vor allem daraus, dass die Unternehmensqualität durch allein gesellschaftsrechtlich vermittelte Beziehungen zwischen Unternehmen im Gegensatz zu bloßen tatsächlichen Beziehungen begründet wird, weil es sich bei dem Konzernrecht – anders als etwa bei dem Kartellrecht – um ein spezifisch gesellschaftsrechtliches Schutzsystem handelt, das folgerichtig auch nur auf gesellschaftsrechtlich vermittelte Unternehmensbeziehungen angewandt werden kann2. Die Rechtsform des Gesellschafters spielt demgegenüber keine Rolle, so dass Unternehmen im Sinne des Konzernrechts insbesondere auch Einzelpersonen sein können, immer vorausgesetzt, dass sie sich zugleich außerhalb der Gesellschaft unternehmerisch betätigen, wofür jede beliebige selbständige wirtschaftliche Tätigkeit einschließlich einer freiberuflichen Betätigung genügt3. Ausreichend ist ferner nach überwiegender Meinung eine maßgebliche Betei- 16 ligung an einer anderen Gesellschaft, weil und sofern mit ihr der konzerntypische Interessenkonflikt verbunden sein kann. Dies wird nicht erst angenom1 BGHZ 69, 334, 337 f. = NJW 1978, 104 = AG 1978, 50 – „VEBA/Gelsenberg“; BGHZ 74, 359, 364 f. = NJW 1979, 2401 = AG 1980, 50 – „WAZ“; BGHZ 80, 69, 72 = NJW 1981, 1512 = AG 1981, 225 – „Süssen“; BGHZ 85, 84, 90 f. = NJW 1983, 569 – „ADAC“; BGHZ 95, 330, 337 = NJW 1986, 188 = AG 1986, 15 – „Autokran“; BGHZ 114, 203, 210 f. = NJW 1991, 2765 = AG 1991, 270; BGHZ 115, 187, 189 ff. = NJW 1991, 3142 = AG 1991, 429 – „Video“; BGHZ 117, 8, 18 = NJW 1992, 1702 = AG 1991, 155; BGHZ 135, 107, 113 = NJW 1997, 1855, 1856 = AG 1997, 374 – „VW“; BGHZ 148, 123, 125 ff. = NJW 2001, 2973 = AG 2001, 588 – „MLP“; BGH, LM AktG § 302 Nr. 13 = NJW 2001, 370 = AG 2001, 133. 2 BGHZ 148, 123, 125 ff. = NJW 2001, 2973 = AG 2001, 588 – „MLP“; s. auch unten Rdnr. 26a. 3 BGH, LM Nr. 8 zu § 302 AktG = NJW 1994, 3288 = AG 1995, 35, 36; BGH, LM Nr. 141 zu § 276 (Fa) BGB = NJW 1995, 1544 = AG 1995, 326.

Emmerich

795

Anhang § 13

GmbH-Konzernrecht

men, wenn der betreffende Gesellschafter tatsächlich leitend, etwa i.S. des § 18 Abs. 1 AktG, auf das andere Unternehmen einwirkt1; vielmehr reicht bereits eine bloße Beteiligung des Gesellschafters an einer anderen Gesellschaft aus, die so stark ist, dass sie die Möglichkeit solcher Einflussnahme eröffnet2. 16a

2. Eine Fülle weiterer Fragen, die die Grenzziehung zwischen Unternehmensund Privatgesellschaftern aufwirft, ist nach wie vor umstritten. Stichworte sind die Behandlung von Holdinggesellschaften, Vereinen, Stiftungen, Stimmrechtskonsortien, Familiengesellschaften und Formkaufleuten. Keine dieser Fragen weist jedoch GmbH-konzernspezifische Besonderheiten auf, so dass wegen der Einzelheiten auf das aktienkonzernrechtliche Schrifttum verwiesen werden kann. Im vorliegenden Zusammenhang genügt der Hinweis, dass auch die öffentliche Hand im Falle ihrer Beteiligung an einer GmbH Unternehmensqualität besitzt, d.h. den besonderen Schutzmechanismen des Konzernrechts unterworfen wird, wobei es zum Schutze der privaten Minderheit gegen politisch motivierte Einflussnahmen der öffentlichen Hand bereits ausreicht, wenn diese lediglich ein in privater Rechtsform betriebenes Unternehmen beherrscht; anders als bei Einzelpersonen muss hier also nicht noch eine weitere maßgebliche Beteiligung an einer anderen Gesellschaft hinzukommen, um die Anwendbarkeit des Konzernrechts auszulösen3.

II. Mehrheitsbeteiligung 1. Begriff 17

Die Definition der Mehrheitsbeteiligung richtet sich auch bei der GmbH nach § 16 Abs. 1 AktG. Eine Mehrheitsbeteiligung ist folglich anzunehmen, wenn die Mehrheit der Anteile der Gesellschaft einem anderen Unternehmen gehört oder wenn dem anderen Unternehmen die Mehrheit der Stimmrechte bei der Gesellschaft zusteht. Einzelheiten der Berechnung finden sich in § 16 Abs. 2 und 3 AktG. Umgehungen werden durch die Zurechnungsvorschrift des § 16 Abs. 4 AktG verhindert.

18

Aufgrund der weitgehenden Satzungsautonomie der Gesellschafter einer GmbH (§ 45 Abs. 1) finden sich bei dieser häufiger als bei der AG Abweichungen zwischen der Kapital- und der Stimmbeteiligung; außerdem kommen Differenzierungen von Stimmrechten je nach Beschlussgegenstand vor. In solchen Fällen kann eine „Mehrheitsbeteiligung“ des privilegierten Gesellschafters i.S. des Konzernrechts nur angenommen werden, wenn sich die Stimmrechtsmehrheit gerade auf solche Fragen bezieht, die für das selbständige Auftreten der Gesellschaft am Markt relevant sind, insbesondere also auf die Bestellung der Geschäftsführer, auf die Erteilung von Weisungen an die Geschäftsführer in Fragen

1 So insbes. Mülbert, ZHR 163 (1999), 1, 33 f. 2 So BGHZ 148, 123, 125 ff. = NJW 2001, 2973 = AG 2001, 588 – „MLP“; s. Emmerich/Habersack, Kommentar, § 15 AktG Rdnr. 13 f.; Rodewald, in: GmbH-Handbuch, Rdnr. I 2827. 3 BGHZ 135, 107, 113 f. = AG 1997, 374 = NJW 1997, 1855, 1856 – „VW“; OLG Celle, GmbHR 2001, 342 = AG 2001, 474, 467; wegen der Einzelheiten s. Emmerich/Habersack, Kommentar, § 15 AktG Rdnr. 26–32.

796

Emmerich

GmbH-Konzernrecht

Anhang § 13

der Geschäftspolitik oder auf die Ergebnisverwendung1. Denn hinter den Vorschriften über die Mehrheitsbeteiligung steht letztlich der Gedanke, dass es vor allem eine derartige Beteiligung ist, die den Einfluss verleiht, dessen Gefahren das Gesetz gerade zu begegnen versucht. Dies zeigt vor allem die Vermutung des § 17 Abs. 2 AktG (unten Rdnr. 19).

2. Rechtsfolgen a) Die wichtigste Rechtsfolge der Mehrheitsbeteiligung ist die an sie geknüpfte 19 Vermutung der Abhängigkeit (§ 17 Abs. 2 AktG). Diese Vermutung ist zwar außer bei wechselseitigen Beteiligungen (§ 19 Abs. 2 AktG) an sich widerleglich. Indessen ist insoweit bei der GmbH wegen des hier besonders ausgeprägten Primats der Gesellschafterversammlung Zurückhaltung geboten, da für die Bejahung der Abhängigkeit bereits die bloße Möglichkeit eines beherrschenden Einflusses genügt (§ 17 Abs. 1 AktG)2. Eine Widerlegung der Abhängigkeitsvermutung kommt daher bei der GmbH im Falle einer Mehrheitsbeteiligung nur in Betracht, wenn die letztere ausnahmsweise nicht die Möglichkeit verleiht, auf die Bestellung der Geschäftsführer oder sonst auf die Geschäftspolitik Einfluss zu nehmen, insbesondere, weil Bestellung und Abberufung der Geschäftsführer durch den Gesellschaftsvertrag (§ 45) auf andere Organe verlagert oder zum Sonderrecht eines (anderen) Gesellschafters gemacht sind und der Mehrheitsgesellschafter auf die fraglichen anderen Organe oder auf den begünstigten Gesellschafter keinen Einfluss besitzt3. b) Nach § 56 Abs. 2 AktG darf eine im Mehrheitsbesitz einer AG stehende 20 GmbH keine Aktien der AG als Gründer oder Zeichner oder in Ausübung eines bei einer bedingten Kapitalerhöhung eingeräumten Umtausch- oder Bezugsrechts übernehmen (s. unten § 33 Rdnr. 21). Außerdem darf eine solche GmbH Aktien der AG nur erwerben oder als Pfand nehmen, soweit dies der AG selbst nach § 71 Abs. 1 Nr. 1 bis 5, 7 und 8 und Abs. 2 AktG gestattet wäre (§ 71d Satz 2 AktG)4. Ähnliche Regelungen hatten noch die Entwürfe von 1973 und 1974 für den Fall 21 vorgesehen, dass sich ein anderes Unternehmen im Mehrheitsbesitz einer GmbH befindet (§§ 40 Abs. 2 und 57 Abs. 3 RegE). Obwohl diese Vorschriften nicht Gesetz geworden sind, ist doch davon auszugehen, dass es auch de lege lata einem im Mehrheitsbesitz einer GmbH befindlichen Unternehmen verwehrt ist, bei einer Kapitalerhöhung gegen Einlage einen neuen Geschäftsanteil der GmbH zu übernehmen, da eine solche Kapitalerhöhung auf eine mittelbare Einlagenrückgewähr hinausliefe5. Überwiegend wird zu diesem Zweck der Grundgedanke der §§ 56 Abs. 2, 71d und 71e AktG erweiternd in § 33 „hineingelesen“. Deshalb ist außerdem anzunehmen, dass ein im Mehrheitsbesitz einer GmbH 1 Emmerich/Habersack, Kommentar, § 16 AktG Rdnr. 5; Liebscher, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 99. 2 S. B. Richter, AG 1982, 261 mit Beispielen. 3 S. unten Rdnr. 26, 29a; Emmerich/Habersack, Kommentar, § 17 AktG Rdnr. 35 ff., 45 f. 4 S. OLG München, AG 1995, 383 = NJW-RR 1995, 1066. 5 S. Lutter, Kapital, S. 91; Koppensteiner, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 81 ff.; Verhoeven, GmbHR 1977, 97, 102 f.; s. im Übrigen unten Rdnr. 35 ff.

Emmerich

797

Anhang § 13

GmbH-Konzernrecht

stehendes Unternehmen Anteile der GmbH nur erwerben darf, wenn dies der GmbH selbst nach den §§ 30 Abs. 1 und 33 gestattet wäre, also nur, wenn der Geschäftsanteil schon vollständig eingezahlt ist und dem Unternehmen, sofern es eine GmbH ist, der Erwerb aus freien Rücklagen möglich ist1.

III. Abhängigkeit Schrifttum: Fr. Bayreuther, Wirtschaftlich-existentiell abhängige Unternehmen im Konzern-, Kartell- und Arbeitsrecht, 2001; Dierdorf, Herrschaft und Abhängigkeit, 1978; Joussen, Gesellschafterabsprachen neben Satzung und Gesellschaftsvertrag, 1995, S. 164 ff.; Kn. W. Lange, Das Recht der Netzwerke, 1998; Martens, Die existentielle Wirtschaftsabhängigkeit, 1979, S. 53 ff.; Noack, Gesellschaftervereinbarungen bei Kapitalgesellschaften, 1994, S. 87 ff.; Sura, Fremdeinfluss und Abhängigkeit, 1980; Tröger, Treupflicht im Konzernrecht, 2000, S. 8 ff.; H. Werner, Der aktienrechtliche Abhängigkeitstatbestand, 1979.

22

Nach § 17 Abs. 1 AktG sind abhängige Unternehmen rechtlich selbständige Unternehmen, auf die ein anderes Unternehmen unmittelbar oder mittelbar einen beherrschenden Einfluss auszuüben vermag. Von einem im Mehrheitsbesitz befindlichen Unternehmen wird vermutet, dass es von dem anderen Unternehmen abhängig ist (§ 17 Abs. 2 AktG; s. oben Rdnr. 19). An die Abhängigkeit eines Unternehmens knüpft sich ihrerseits die Vermutung, dass es zusammen mit dem herrschenden Unternehmen einen Konzern bildet (§ 18 Abs. 1 Satz 3 AktG). Alle diese Definitionsnormen werden auch auf die GmbH angewandt, bei der zudem das ihnen zugrundeliegende Regelungskonzept wegen des hier deutlich stärker als bei der AG ausgeprägten Primats der Gesellschafterversammlung besonders sinnfällig ist (s. insbes. die §§ 37 Abs. 1, 45, 46 Nr. 5 und 6).

1. Begriff 23

Das Gesetz knüpft an die Mehrheitsbeteiligung unmittelbar die Vermutung der Abhängigkeit (§ 17 Abs. 2 AktG) und mittelbar die der Bildung eines Konzerns (§ 18 Abs. 1 Satz 3 AktG), weil eine Mehrheitsbeteiligung im Regelfall einen maßgeblichen Einfluss auf die Personalpolitik und damit auch auf die Geschäftspolitik der Beteiligungsgesellschaft verleiht. Das gilt bereits für die AG (s. die §§ 84 und 101 AktG) und in noch größerem Maße für die GmbH (s. §§ 37 Abs. 1, 46 Nr. 5 und 6 sowie § 47). Daraus folgt, dass die Abhängigkeit einer Gesellschaft von einem anderen Unternehmen jedenfalls dann anzunehmen ist, wenn das letztere aufgrund seiner Herrschaft über die Personalpolitik der Gesellschaft in der Lage ist, deren Geschäftspolitik in entscheidenden Punkten zu beeinflussen2, d.h., wenn es über die gesicherte rechtliche Möglichkeit verfügt, der abhängigen Gesellschaft oder besser: deren Verwaltung Konsequenzen für den Fall anzudrohen, dass sie dem Willen des herrschenden Unternehmens

1 S. unten § 33 Rdnr. 13; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, § 33 Rdnr. 33 f.; Lutter, Kapital, S. 197, 462 ff.; Koppensteiner, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 82; H. P. Westermann, in: Der GmbH-Konzern, 1976, S. 25, 34; zu dem Sonderfall wechselseitiger Beteiligungen s. unten Rdnr. 35 f. 2 BAGE 53, 187 = AG 1988, 106 = WM 1987, 1551, 1553; OLG Düsseldorf, AG 1994, 36, 37 = ZIP 1993, 1791 – „Feno“; OLG München, AG 1995, 383 = NJW-RR 1995, 1066.

798

Emmerich

GmbH-Konzernrecht

Anhang § 13

nicht Folge leistet1. Dem entspricht es, wenn das Gesetz in § 18 Abs. 1 Satz 2 AktG bei Abschluss eines Beherrschungsvertrages (ebenso wie im Falle der Eingliederung) ohne weiteres von dem Bestehen eines Abhängigkeitsverhältnisses (und eines Unterordnungskonzerns) ausgeht (s. §§ 308, 323 AktG). Es ist nicht erforderlich, dass das herrschende Unternehmen von seinen Ein- 24 flussmöglichkeiten tatsächlich Gebrauch macht; zur Begründung der Abhängigkeit genügt vielmehr die bloße Möglichkeit der Herrschaft über die abhängige Gesellschaft2. Ebenso wenig ist eine bestimmte Dauer der Einflussmöglichkeit vorausgesetzt3. Auf der anderen Seite begründet aber auch eine bloße Zufallsmehrheit in der Gesellschafterversammlung noch keine Abhängigkeit; die Möglichkeit der Einflussnahme muss vielmehr beständig, umfassend und gesellschaftsrechtlich vermittelt (Rdnr. 15, 26a) sein4. Wichtigste Grundlage der Abhängigkeit einer Gesellschaft von einem anderen 25 Unternehmen ist die Stimmenmehrheit in der Gesellschafterversammlung (§ 47), wie durch die Vermutungen der §§ 17 Abs. 2 und 18 Abs. 1 Satz 3 AktG bestätigt wird. Keine Rolle spielt, worauf die Stimmenmehrheit eines Unternehmensgesellschafters beruht. Selbst wenn er die Mehrheit nur aufgrund der Stimmen anderer Gesellschafter zu erreichen vermag, führt die so gewonnene Mehrheit zur Abhängigkeit der Gesellschaft, vorausgesetzt, dass er über die Stimmen der anderen Gesellschafter, etwa aufgrund von Stimmbindungsverträgen oder Stimmrechtskonsortien, sicher verfügen kann5. Auch eine Minderheitsbeteiligung kann daher zur Begründung der Abhängigkeit ausreichen, sofern sie in Verbindung mit verlässlichen Umständen rechtlicher oder tatsächlicher Art dem beteiligten Unternehmen den nötigen Einfluss auf die Personalpolitik der Beteiligungsgesellschaft sichert6. Zu denken ist hier neben Stimmbindungsverträgen und Stimmrechtskonsortien noch an Treuhandsverhältnisse, ebenso aber auch an beständige familiäre Beziehungen oder personelle Verflechtungen, wobei freilich in jedem Fall hinzukommen muss, dass derjenige Gesellschafter, der infolgedessen über den nötigen Einfluss in der Gesellschaft verfügt, zugleich Unternehmensqualität besitzt7. Besondere Bedeutung hat das Gesagte mit Rücksicht auf die weitgehende Vertragsfreiheit der Gesellschafter im Innenverhältnis (§ 45) für die GmbH8. Die 1 So BGHZ 121, 137, 146 = NJW 1993, 2114 = AG 1993, 334 „WAZ/IKZ“; OLG Düsseldorf, AG 1994, 36, 37 = ZIP 1993, 1791 – „Feno“; OLG Düsseldorf, AG 2005, 538, 539 = NZG 2005, 1012; OLG Stuttgart, AG 2009, 204, 205 f.; OLG Karlsruhe, AG 2004, 147, 148; KG, AG 2001, 529, 530 = NZG 2001, 680; Einzelheiten bei Emmerich/Habersack, Kommentar, § 17 AktG Rdnr. 5 ff. 2 BGHZ 62, 193, 201 = NJW 1974, 855 – „Seitz“. 3 OLG Köln, GmbHR 1990, 456 = AG 1991, 140. 4 BGHZ 135, 107, 114 = NJW 1997, 1855, 1856 = AG 1997, 374 = ZIP 1997, 967 – „VW“. 5 Joussen, GmbHR 1996, 574. 6 BGHZ 69, 334, 347 = NJW 1978, 104 – „VEBA/Gelsenberg“; BGHZ 125, 366, 369 = NJW 1994, 1801; BGHZ 135, 107, 114 f. = NJW 1997, 1855, 1856 f. – „VW“; BayObLGZ 2002, 46, 55 = AG 2002, 511, 513; OLG Düsseldorf, AG 2000, 365, 366 = NZG 2000, 314, 315; AG 2003, 688 – „Veba“; OLG Düsseldorf, AG 2009, 873. 7 S. Emmerich/Habersack, Kommentar, § 17 AktG Rdnr. 18 ff. 8 S. im Einzelnen Casper, in: Ulmer, Rdnr. 28; Emmerich/Habersack, Kommentar, § 17 AktG Rdnr. 45 ff.; Joussen, Gesellschafterabsprachen, S. 164 ff.; Joussen, GmbHR 1996,

Emmerich

799

26

Anhang § 13

GmbH-Konzernrecht

Folge ist nämlich, dass hier – in weit größerem Ausmaße als bei der AG (s. § 23 Abs. 5 Satz 1 AktG) – die Position eines Minderheitsgesellschafters durch Bestimmungen im Gesellschaftsvertrag oder durch Gesellschafterabsprachen außerhalb des Gesellschaftsvertrages so sehr verstärkt werden kann, dass er einen beherrschenden Einfluss auf die Gesellschaft auszuüben vermag (§ 45) –, ebenso wie es auf der anderen Seite auch denkbar ist, dass durch zusätzliche Abreden die Position eines Mehrheitsgesellschafters so sehr relativiert wird, dass die Abhängigkeitsvermutung des § 17 Abs. 2 AktG bei ihm ausnahmsweise widerlegt ist (oben Rdnr. 19). Beispiele für Bestimmungen im Gesellschaftsvertrag mit den geschilderten Konsequenzen für die Abhängigkeit der Gesellschaft von einzelnen Gesellschaftern sind Mehrstimmrechte (s. oben Rdnr. 18) sowie Sonderrechte auf Bestellung und Abberufung der Geschäftsführer, auf Besetzung des Aufsichtsrats, sofern diesem seinerseits die Bestellung der Geschäftsführer obliegt, sowie auf Erteilung von Weisungen an die Geschäftsführer. Wo immer aufgrund solcher Umstände ein Unternehmensgesellschafter beständig einen maßgeblichen Einfluss auf die Geschäftsführung der Gesellschaft besitzt, liegt Abhängigkeit vor. 26a

Zu beachten bleibt, dass die Abhängigkeit gesellschaftsrechtlich vermittelt sein muss (s. oben Rdnr. 15); eine bloße tatsächliche Abhängigkeit, wie sie sich durchaus auch aus besonders engen Geschäftsbeziehungen ergeben kann, reicht dagegen nach überwiegender Meinung nicht aus, um das besondere konzernrechtliche Schutzinstrumentarium auszulösen, das allein auf gesellschaftsrechtlich vermittelte Einflussmöglichkeiten zugeschnitten ist. Dadurch wird es freilich nicht ausgeschlossen, dass im Einzelfall eine bereits bestehende gesellschaftsrechtlich vermittelte Einflussmöglichkeit noch durch eine hinzutretende wirtschaftliche Abhängigkeit so sehr verstärkt wird, dass auch in konzernrechtlicher Hinsicht von Abhängigkeit die Rede sein kann (sog. kombinierte Beherrschung)1.

2. Gemeinschaftsunternehmen2 27

Gemeinschaftsunternehmen, die häufig die Rechtsform einer GmbH haben, können von mehreren oder von allen Müttern zugleich abhängig sein, so dass dann der eigenartige Fall einer mehrfachen Abhängigkeit vorliegt. Paradigma ist das sog. paritätische (50:50) Gemeinschaftsunternehmen. Voraussetzung ist lediglich, dass die gemeinsame Beherrschung des Gemeinschaftsunternehmens durch die Mütter auf Dauer gesichert ist, wozu nicht unbedingt der Abschluss entsprechender Verträge zwischen den Müttern erforderlich ist; die gemeinsame Herrschaft der Mehrheitsgruppe kann auch auf sonstigen rechtlichen oder tat574; Liebscher, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 119 ff.; Noack, Gesellschaftervereinbarungen, S. 87 ff. 1 S. BGHZ 90, 381, 397 = NJW 1984, 1893 = AG 1984, 181 – „BuM“; OLG Düsseldorf, AG 1994, 36, 37 = ZIP 1993, 1791 – „Feno“; BFHE 95, 215, 218; 145, 165, 169 f.; s. Emmerich/Habersack, Kommentar, § 17 AktG Rdnr. 14–16b m.N. 2 S. zum Folgenden insbes. P. Bauer, NZG 2001, 742; Emmerich/Habersack, Kommentar, § 17 AktG Rdnr. 28 ff.; Gansweid, Gemeinsame Tochtergesellschaften im deutschen Konzern- und Wettbewerbsrecht, 1976; Liebscher, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 108 ff.; S. Maul, NZG 2000, 470.

800

Emmerich

GmbH-Konzernrecht

Anhang § 13

sächlichen Umständen beruhen, sofern sie nur auf Dauer eine gemeinsame Interessenverfolgung in der abhängigen Gesellschaft gewährleisten. Als Mittel der gemeinsamen Beherrschung kommen außer der Gründung einer 28 BGB-Gesellschaft der Mütter (als gemeinsamem Beherrschungsorgan) oder der Zusammenfassung der Mütter in einem Gleichordnungskonzern insbesondere noch Konsortial- und Stimmbindungsverträge der Mütter in Betracht, während tatsächliche Verhältnisse hierfür nur ausreichen, sofern sie auf Dauer eine gemeinsame Interessenverfolgung der Mütter sicherstellen1. Je nach den Umständen des Falles kann danach sogar eine personelle Verflechtung der Mütter oder deren gemeinsame Beherrschung durch dieselbe Familie die Abhängigkeit des Gemeinschaftsunternehmens begründen2.

3. Rechtsfolgen Soweit einem im Mehrheitsbesitz einer GmbH befindlichen Unternehmen die 29 Zeichnung oder der Erwerb von Anteilen der GmbH verboten ist (s. oben Rdnr. 20 f.), gilt dies in gleicher Weise für ein von einer GmbH abhängiges Unternehmen; insoweit wird zwischen Mehrheitsbesitz und Abhängigkeit nicht unterschieden3. Nach § 71d Satz 4 i.V.m. § 71b AktG hat eine von einer AG abhängige GmbH außerdem kein Stimmrecht bei ihrer Muttergesellschaft. Dadurch soll der Gefahr unkontrollierbarer Verwaltungsstimmrechte vorgebeugt werden. Dieser Gedanke ist verallgemeinerungsfähig, so dass ein von einer GmbH abhängiges Unternehmen gleichfalls kein Stimmrecht aus Anteilen an der herrschenden GmbH besitzt4. In § 18 Abs. 1 Satz 3 AktG knüpft das Gesetz an die Abhängigkeit einer Gesell- 29a schaft von einem Unternehmen ferner die Vermutung, dass die abhängige Gesellschaft zusammen mit dem herrschenden Unternehmen einen Unterordnungskonzern bildet. Eine Widerlegung dieser Vermutung wird gerade bei der GmbH wegen des Primats der Gesellschafterversammlung (§§ 37 Abs. 1, 45, 46 Nr. 5 und 6) ausgesprochen selten in Betracht kommen, im Grunde wohl nur, wenn aufgrund besonderer Bestimmungen des Gesellschaftsvertrages die Einflussmöglichkeiten des Mehrheitsgesellschafters so stark beschnitten sind, dass er weder auf die Zusammensetzung der Geschäftsführung noch auf deren Amtsführung Einfluss nehmen kann (s. schon oben Rdnr. 19, 26). Beispiele für derartige Abreden sind Sonderrechte anderer Gesellschafter auf Bestellung der Geschäftsführer oder auf die Erteilung von Weisungen an die Geschäftsführer, sonstige, die Minderheit umfassend schützende Bestimmungen sowie Entherrschungsverträge5.

1 Böttcher/Liekefett, NZG 2003, 701. 2 S. BGHZ 62, 193, 199 ff. = NJW 1974, 955 – „Seitz“; BGHZ 74, 359, 363 ff. = NJW 1979, 2401 – „WAZ“; BGHZ 80, 69, 73 = NJW 1981, 1512; BGHZ 90, 330, 349 = NJW 1986, 188; BGHZ 122, 122, 125 f. = NJW 1993, 1200, 1202 – „TBB“; BGH, LM Nr. 8 zu § 302 AktG = NJW 1994, 3288 = AG 1995, 35. 3 Casper, in: Ulmer, Rdnr. 31; Koppensteiner, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 81 ff.; Liebscher, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 123. 4 Koppensteiner, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 84; Rodewald, in: GmbH-Handbuch, Rdnr. I 2826. 5 S. Emmerich/Habersack, Kommentar, § 18 AktG Rdnr. 20 ff.

Emmerich

801

Anhang § 13

GmbH-Konzernrecht

IV. Konzern Schrifttum: Abeltshauser, Leitungshaftung im Kapitalgesellschaftsrecht, 1998; Druey (Hrsg.), Das St. Galler Konzernrechtsgespräch, 1988; Ehricke, Das abhängige Konzernunternehmen in der Insolvenz, 1998; Eschenbruch, Konzernhaftung, 1996; R. Jula, Die Bildung besonderer Konzernorgane, 1995; Mestmäcker/Behrens (Hrsg.), Das Gesellschaftsrecht der Konzerne im internationalen Vergleich, 1991; Slongo, Der Begriff der einheitlichen Leitung, Zürich 1980; Strohn, Die Verfassung der AG im faktischen Konzern, 1977; Tröger, Treupflicht im Konzernrecht, 2000.

30

1. Die Konzerndefinition des AktG in § 18 Abs. 1 und Abs. 2 AktG wird allgemein auch auf die GmbH angewandt. Man hat deshalb bei ihr ebenfalls zwei verschiedene Formen von Konzernen zu unterscheiden, für die sich allgemein die Bezeichnungen Unterordnungs- und Gleichordnungskonzern eingebürgert haben. Wichtigstes Merkmal des Konzerns ist in beiden Fällen die Zusammenfassung mehrerer rechtlich selbständiger Unternehmen unter einheitlicher Leitung. Unterordnungs- und Gleichordnungskonzerne unterscheiden sich „lediglich“ dadurch, dass im Unterordnungskonzern die unter einheitlicher Leitung zusammengefassten Unternehmen außerdem voneinander im Sinne des § 17 AktG abhängig sind (§ 18 Abs. 1 Satz 1 AktG), während im Gleichordnungskonzern solche Abhängigkeit der verbundenen Unternehmen gerade fehlt (§ 18 Abs. 2 AktG). Ergänzt wird die Regelung durch eine unwiderlegliche und eine widerlegliche Vermutung eines Konzerns. Unwiderleglich ist die Vermutung nach § 18 Abs. 1 Satz 2 AktG vor allem bei Bestehen eines Beherrschungsvertrages (§ 291 Abs. 1 Satz 1 AktG), widerleglich dagegen gemäß § 18 Abs. 1 Satz 3 AktG in den sonstigen Fällen der Abhängigkeit (§ 17 Abs. 1 AktG). Innerhalb der so umschriebenen Konzerne unterscheidet man im Anschluss an die aktienrechtliche Regelung weiter zwischen Vertragskonzernen und faktischen Konzernen (s. die §§ 291 f., 308 ff. und 311 ff. AktG) sowie schließlich noch unter einem anderen Gesichtspunkt zwischen einstufigen und mehrstufigen Konzernen. Bis vor kurzem war es ferner üblich, innerhalb der faktischen Konzerne noch aufgrund der früheren Rechtsprechung des BGH zur Konzernhaftung zwischen einfachen und qualifizierten faktischen Konzernen zu trennen. Es ist jedoch offen, ob an dieser Unterscheidung nach der Neuorientierung der Rechtsprechung (Stichwort: Haftung für existenzvernichtende Eingriffe) noch festzuhalten ist (s. unten Rdnr. 91 ff.).

31

2. Der Konzernbegriff des AktG ist im Einzelnen umstritten1. Im Folgenden ist nur zu dem Zentralbegriff des Konzerntatbestandes des AktG, der einheitlichen Leitung (s. § 18 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 AktG), näher Stellung zu nehmen.

32

Im Schrifttum zu § 18 AktG wird üblicherweise zwischen einem engen und einem weiten Konzernbegriff unterschieden. Der enge Konzernbegriff geht von dem (wirtschaftswissenschaftlichen) Vorverständnis des Konzerns als wirtschaftlicher Einheit aus und bejaht folgerichtig das Vorliegen eines Konzerns nur, wenn die Konzernspitze grundsätzlich für alle zentralen unternehmerischen Bereiche eine einheitliche Planung aufstellt und bei den Konzerngliedern ohne Rücksicht auf deren Selbständigkeit durchsetzt. Zu den zentralen unternehmerischen Bereichen in diesem Sinne wird in erster Linie das Finanzwesen 1 S. dazu Emmerich/Habersack, Kommentar, § 18 AktG Rdnr. 8–24.

802

Emmerich

GmbH-Konzernrecht

Anhang § 13

gezählt, so dass ein Konzern von den Vertretern dieser Meinung allein dann angenommen wird, wenn für den Konzern einheitlich festgelegt wird, welchen Beitrag jedes Unternehmen zum Konzernerfolg leisten muss, über welche Mittel es verfügen darf und wie diese aufzubringen sind1. Der wohl überwiegend vertretene weite Konzernbegriff stimmt mit dem engen 33 (oben Rdnr. 32) nur im Ausgangspunkt überein. Erfolgt die Finanzplanung zentral für den ganzen Konzern durch die Konzernspitze, so handelt es sich nach jeder Meinung um einen Konzern im Rechtssinne2. Darüber hinaus lässt der weite Konzernbegriff für die Annahme eines Konzerns aber auch eine einheitliche Planung und deren Durchsetzung in einem der anderen zentralen Unternehmensbereiche wie etwa Einkauf, Organisation, Personalwesen und Verkauf genügen, dies freilich nur unter der zusätzlichen Voraussetzung, dass die Koordinierung der Unternehmen in dem fraglichen Bereich Rückwirkungen auf das Gesamtunternehmen hat, so dass den Konzernunternehmen eine selbständige Planung letztlich unmöglich gemacht wird. Für diesen weiten Konzernbegriff spricht vor allem, dass es allein auf seinem Boden möglich ist, den wenigen Vorschriften, die an den Konzerntatbestand anknüpfen, einen nennenswerten Anwendungsbereich zu sichern, wobei in erster Linie an die verschiedenen Publizitätsvorschriften zu denken ist (s. besonders §§ 290 ff. HGB)3. Die Rechtsprechung folgt bisher gleichfalls durchweg einem weiten Verständnis 33a des Konzernbegriffs, ausdrücklich im Bereich des § 5 MitbestG, im Ergebnis aber ebenso in den wenigen Beziehungen, in denen es auf den Konzernbegriff des § 18 AktG sonst noch ankommt4. Ein Konzern ist daher z.B. anzunehmen, wenn eine Bank im finanziellen Bereich die Leitung eines anderen Unternehmens vollständig an sich zieht5. Unter dieser Voraussetzung ist ein Konzern auch zwischen branchenfremden Unternehmen möglich, da konzernspezifische Gefährdungen selbst bei ganz unterschiedlichen Tätigkeitsbereichen der einzelnen Unternehmen denkbar sind6. Vor allem die einheitliche Finanzplanung für die zusammengefassten Unternehmen ist daher in jedem Fall ein wichtiges Indiz für das Vorliegen eines Konzerns7.

V. Wechselseitige Beteiligungen Schrifttum: Cahn, Kapitalerhaltung im Konzern, 1998; Cahn/Farrenkopf, Abschied von der qualifizierten wechselseitigen Beteiligung?, AG 1984, 178; Emmerich, Zur Problematik der wechselseitigen Beteiligungen, in: FS H. Westermann, 1974, S. 55; Emmerich, Wechselseitige Beteiligungen bei AG und GmbH, NZG 1998, 622; Klix, 1 So insbes. Casper, in: Ulmer, Rdnr. 37; Koppensteiner, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 18; Milde, Der Gleichordnungskonzern im Gesellschaftsrecht, 1996, S. 70 ff. 2 Ebenso LG Mainz, AG 1991, 30, 31. 3 Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 13–16; Emmerich/Habersack, Kommentar, § 18 AktG Rdnr. 13 ff.; Liebscher, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 124. 4 BayObLGZ 1998, 85, 90 f. = AG 1998, 523, 524; BayObLGZ 2002, 46, 50 = AG 2002, 511 = NJW-RR 2002, 974; OLG Stuttgart, AG 1990, 168, 169; OLG Düsseldorf, AG 1979, 318 = WM 1979, 956; LG Dortmund, ZIP 2010, 2152. 5 OLG Stuttgart, AG 1990, 168, 169 und LG Stuttgart, AG 1989, 445, 447. 6 BGHZ 115, 187, 191 = NJW 1991, 3142 = AG 1991, 429 – „Video“. 7 LG Oldenburg, ZIP 1992, 1632, 1636 – „TBB“.

Emmerich

803

Anhang § 13

GmbH-Konzernrecht

Wechselseitige Beteiligungen, 1981; Koppensteiner, Wechselseitige Beiteligungen im Recht der GmbH, WiBl. 1990, 1; Lutter, Kapital, Sicherung der Kapitalaufbringung und Kapitalerhaltung, 1964; Mestmäcker, Verwaltung, Konzerngewalt und Rechte der Aktionäre, 1958; W. Ramming, Wechselseitige Beteiligungen außerhalb des Aktienrechts, 2005; Kerstin Schmidt, Wechselseitige Beteiligungen im Gesellschaftsund Kartellrecht, 1995; Serick, Rechtsform und Realität juristischer Personen, 2. Aufl. 1980; U. Wastl/Fr. Wagner, Das Phänomen der wechselseitigen Beteiligungen aus juristischer Sicht, 1997.

34

Verbundene Unternehmen sind nach § 15 AktG schließlich noch die wechselseitig beteiligten Unternehmen. Darunter sind nach § 19 Abs. 1 AktG (nur) Kapitalgesellschaften mit Sitz im Inland zu verstehen, die aneinander mit jeweils mehr als 25 % beteiligt sind, wobei die Zurechnungsvorschrift des § 16 Abs. 4 AktG zu beachten ist, so dass für die Ermittlung der kritischen Beteiligung von mehr als 25 % die Beteiligungen von Mutter- und Tochtergesellschaften zusammenzurechnen sind. Innerhalb der so umschriebenen wechselseitigen Beteiligungen hat man weiter, wie sich aus den §§ 19 Abs. 4 und 328 AktG ergibt, zwischen einfachen und qualifizierten wechselseitigen Beteiligungen zu trennen, je nachdem, ob zwischen den verbundenen Unternehmen Mehrheits- und Abhängigkeitsbeziehungen bestehen oder nicht. In dem zuerst genannten Fall finden allein die Regeln über Mehrheits- und Abhängigkeitsbeziehungen Anwendung (§ 19 Abs. 4 AktG), während in dem zweiten Fall die Sondervorschrift des § 328 AktG zu beachten ist. Von derselben Tatbestandsbildung ist angesichts der allgemeinen Fassung der §§ 19 und 328 AktG im GmbH-Konzernrecht auszugehen. Im Einzelnen muss man deshalb die folgenden Fälle unterscheiden:

1. Einfache wechselseitige Beteiligungen 35

a) Den ersten Fall bilden einfache wechselseitige Beteiligungen im Sinne des § 19 Abs. 1 AktG, zu denen nicht noch eine Mehrheits- oder Abhängigkeitsbeziehung hinzutritt (§ 19 Abs. 2 und 3 AktG). Ist an dieser Unternehmensverbindung wenigstens eine AG (neben einer GmbH) beteiligt, so greift allein § 328 AktG ein (§ 19 Abs. 4 AktG), der unmittelbar auf den Mitteilungspflichten der §§ 20 und 21 AktG aufbaut und im Ergebnis eine Ausübungssperre zu Lasten derjenigen wechselseitig beteiligten Gesellschaft begründet, die erst die wechselseitige Beteiligung begründet hat oder doch verspätet ihrer Mitteilungspflicht nachgekommen ist. Auf einfache wechselseitige Beteiligungen allein zwischen Gesellschaften in der Rechtsform einer GmbH kann diese Regelung dagegen nicht entsprechend angewandt werden, weil für solche Gesellschaften keine den §§ 20 und 21 AktG entsprechenden Mitteilungspflichten bestehen (s. unten Rdnr. 39 f.).

35a

Aus der Unanwendbarkeit des § 328 AktG (oben Rdnr. 35) darf nicht der Schluss gezogen werden, dass einfache wechselseitige Beteiligungen zwischen Gesellschaften mbH unbeschränkt zulässig seien; auf diesen Fall ist vielmehr nach heute überwiegender Meinung § 33 Abs. 2 entsprechend anzuwenden, so dass den verbundenen Gesellschaften der weitere Ausbau der wechselseitigen Beteiligung nur unter den in dieser Vorschrift genannten Voraussetzungen erlaubt ist. Nach h.M. gilt dies freilich entsprechend einer in dem RegE von 1977 zu der Novelle von 1980 vorgesehenen Regelung nur, wenn die eine Gesellschaft an der 804

Emmerich

GmbH-Konzernrecht

Anhang § 13

anderen mehrheitlich beteiligt ist, d.h., wenn es sich um eine einseitige qualifizierte wechselseitige Beteiligung handelt1. Dabei bleibt jedoch unbeachtet, dass dieser Entwurf gerade nicht Gesetz geworden ist, weil man es für richtiger hielt, die Entscheidung des Fragenkreises der Rechtsprechung zu überlassen2. Unter diesen Umständen steht nichts im Wege, im GmbH-Recht an die Wertungen der §§ 19 Abs. 1 und 328 AktG anzuknüpfen und daher im Interesse der Kapitalerhaltung in einfachen wechselseitigen Beteiligungen § 33 Abs. 2 schon anzuwenden, sobald die 25 %-Grenze überschritten wird3. Diese Auffassung hat zudem den großen Vorzug, auf beide verbundenen Unternehmen anwendbar zu sein. Dagegen besteht kein Bedürfnis für eine Analogie auch zu § 33 Abs. 14. b) Umstritten ist die Rechtslage außerdem hinsichtlich Kapitalerhöhungen ge- 36 gen Einlagen (so genannter originärer Erwerb von Anteilen). Überwiegend wird hier § 56 Abs. 2 Satz 1 AktG entsprechend angewandt, so dass sich das Zeichnungsverbot auf die abhängige Gesellschaft in Mehrheits- und Abhängigkeitsbeziehungen beschränkt5. Richtigerweise sollte jedoch im Interesse der Kapitalerhaltung auch hier von der 25 %-Grenze ausgegangen werden, so dass bereits in einfachen wechselseitigen Beteiligungen für beide Gesellschaften ein Zeichnungsverbot bei einer Kapitalerhöhung der anderen Gesellschaft besteht6.

2. Qualifizierte wechselseitige Beteiligungen Eine qualifizierte wechselseitige Beteiligung liegt nach § 19 Abs. 2 und 3 AktG 37 vor, wenn zu der wechselseitigen Beteiligung der verbundenen Gesellschaften i.S. des § 19 Abs. 1 AktG einseitige oder beiderseitige Mehrheits- oder Abhängigkeitsbeziehungen hinzutreten. Ist in einem solchen Fall an der Unternehmensverbindung eine AG, und zwar als herrschende oder mit Mehrheit beteiligte Gesellschaft beteiligt, so gelten für die beteiligte GmbH bereits unmittelbar die Vorschriften der §§ 56 Abs. 2, 71d Satz 4 und 71b AktG. Dies bedeutet vor allem, dass der Anteilsbesitz der abhängigen GmbH grundsätzlich auf 10 % beschränkt wird (§ 71d Satz 2 i.V.m. § 71 Abs. 2 Satz 1 AktG), dass der weiter gehende Anteilsbesitz abgebaut werden muss (§ 71d Satz 4 i.V.m. § 71c Abs. 1 AktG) und dass sämtliche Rechte der abhängigen GmbH aus dem ihr verbleibenden Anteilsbesitz ruhen (§ 71d Satz 4 i.V.m. § 71b AktG)7. Ungeregelt ist dagegen der 1 S. unten § 33 Rdnr. 13, 21 f.; ebenso Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, § 33 Rdnr. 34; Koppensteiner, WiBl. 1990, 1, 2 f.; Lutter, Kapital, S. 57 f.; Serick, Juristische Person, S. 110 ff.; Verhoeven, GmbHR 1977, 97, 100. 2 S. den Bericht des Rechtsausschusses, BT-Drucks. 8(1980)/3908, S. 74. 3 S. Emmerich, in: FS Westermann, S. 55, 65 f.; Emmerich, AG 1975, 282, 292; Casper, in: Ulmer, Rdnr. 44; Lutter, in: Lutter/Hommelhoff, § 33 Rdnr. 40 f.; Liebscher, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 148; Ramming, Beteiligungen, S. 74 ff.; Sosnitza, in: Michalski, § 33 Rdnr. 51; Kerstin Schmidt, Wechselseitige Beteiligungen, S. 82 f. 4 S. Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, § 33 Rdnr. 33; Kerstin Schmidt, Wechselseitige Beteiligungen, S. 85 f.; Verhoeven, GmbHR 1977, 97, 100. 5 LG Berlin, GmbHR 1987, 395, 396 = ZIP 1986, 1564; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, § 33 Rdnr. 36; Verhoeven, GmbHR 1977, 97, 102. 6 Ebenso Lutter, in: Lutter/Hommelhoff, § 33 Rdnr. 41; Liebscher, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 149; Kerstin Schmidt, Wechselseitige Beteiligungen, S. 90 f. 7 S. Casper, in: Ulmer, Rdnr. 45; Emmerich/Habersack, Kommentar, § 19 AktG Rdnr. 14 ff.

Emmerich

805

Anhang § 13

GmbH-Konzernrecht

umgekehrte Fall, d.h. die Beteiligung einer GmbH neben einer AG an einer wechselseitigen Beteiligung als herrschende oder mit Mehrheit beteiligte Gesellschaft, ebenso wie der Fall einer qualifizierten wechselseitigen Beteiligung allein zwischen Gesellschaften in der Rechtsform einer GmbH. In beiden Fällen ergibt sich jedoch bereits aus den Ausführungen zu einfachen wechselseitigen Beteiligungen, dass hier auf jeden Fall § 33 Abs. 2 entsprechend anzuwenden ist und dass außerdem ein Zeichnungsverbot für beide Gesellschaften besteht (oben Rdnr. 35 f.)1. Ergänzend sind noch die zum Teil weitergehenden Schutzvorschriften in Mehrheits- und Abhängigkeitsbeziehungen anzuwenden2.

3. Sonstige Fälle 38

Wechselseitige Beteiligungen kommen auch zwischen Kapital- und Personengesellschaften vor. Nach überwiegender Meinung bestehen gegen derartige wechselseitige Beteiligungen grundsätzlich keine Bedenken, weshalb insbesondere das Stimmverbot für abhängige Gesellschaften nicht auf abhängige Personengesellschaften übertragen wird3. Indessen ist ein Grund für diese Privilegierung von Personengesellschaften nur schwer erkennbar4. Deshalb sollten die vorstehend entwickelten Regeln (oben Rdnr. 35 ff.) – entgegen der h.M. – auch auf wechselseitige Beteiligungen zwischen einer GmbH und einer Personengesellschaft angewandt werden, wie sie insbesondere im Rahmen einer GmbH & Co. KG vorkommen. Das sollte jedenfalls für qualifizierte wechselseitige Beteiligungen mit Personengesellschaften gelten, so dass auch hier die §§ 56 Abs. 2 und 71d Satz 4 i.V.m. den §§ 71b und 71c AktG entsprechend angewandt werden können. Die Folge ist, dass bei einer wechselseitigen Beteiligung zwischen einer GmbH und einer Personengesellschaft die letztere im Falle einer Kapitalerhöhung der GmbH von der Beteiligung ausgeschlossen ist5. Im Übrigen dürfte hier auch Raum für eine entsprechende Anwendung des § 33 Abs. 2 sein6.

VI. Mitteilungspflichten 1. §§ 20, 21 AktG; § 21 WpHG 39

Für Beteiligungen einer GmbH an anderen Gesellschaften und für Beteiligungen an einer GmbH bestehen bisher – jenseits des § 40 – keine generellen Mitteilungspflichten aufgrund des GmbHG oder anderer Gesetze. Lediglich in Einzelfällen können sich solche Pflichten aus den §§ 21 ff. WpHG oder aus den §§ 20 und 21 AktG ergeben. Vorrangig sind die Mitteilungspflichten nach dem WpHG (§§ 20 Abs. 8 und 21 Abs. 5 AktG), die jedoch allein Beteiligungen einer GmbH 1 Casper, in: Ulmer, Rdnr. 45; Liebscher, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 151. 2 S. oben Rdnr. 21, 29; Emmerich/Habersack, Kommentar, § 19 AktG Rdnr. 24; Ramming, Beteiligungen, S. 24, 70 ff. 3 BGHZ 119, 346, 356 f. = NJW 1993, 1265 = AG 1993, 140. 4 S. Emmerich/Habersack, Kommentar, § 19 AktG Rdnr. 25; Ramming, Beteiligungen, S. 106 ff. 5 LG Berlin, GmbHR 1987, 395 = ZIP 1986, 1564; LG Hamburg, Hamburger JVBl. 1972, 67; zustimmend Koppensteiner, WiBl. 1990, 1, 6; s. Emmerich/Habersack, Kommentar, § 19 AktG Rdnr. 25; Emmerich, in: FS H. Westermann, S. 55, 62 f.; Ramming, Beteiligungen, S. 110 ff. 6 Casper in: Ulmer, Rdnr. 47.

806

Emmerich

GmbH-Konzernrecht

Anhang § 13

an einer börsennotierten AG i.S. des § 21 Abs. 2 WpHG erfassen. Die Mitteilungspflicht für Beteiligungen einer GmbH an einer anderen AG richtet sich dagegen nach § 20 AktG, während Beteiligungen einer AG an einer GmbH nach § 21 AktG mitteilungspflichtig sein können. Eine weitere Mitteilungspflicht für wechselseitige Beteiligungen folgt aus § 328 Abs. 4 AktG. Die zuletzt genannte Vorschrift ist entsprechend auch auf wechselseitige Beteiligungen allein zwischen GmbH oder anderen Kapitalgesellschaften mit Sitz im Inland mit Ausnahme von Aktiengesellschaften anwendbar1. Jenseits dieser Sonderfälle besteht jedoch bisher keine gesetzliche Mitteilungspflicht für Beteiligungen einer GmbH und an einer GmbH. Deshalb muss hier im Interesse der dringend gebotenen Publizität von Beteiligungsverhältnissen nach anderen Rechtsgrundlagen Ausschau gehalten werden (unten Rdnr. 40).

2. Treuepflicht Zumal in faktischen Konzernen ist der Minderheit ein Schutz ihrer Interessen 40 nur möglich, wenn sie überhaupt über die Beziehungen der Mehrheit zu anderen Unternehmen unterrichtet ist. Deshalb ist jedenfalls in Abhängigkeitsverhältnissen anzunehmen, dass das herrschende Unternehmen aufgrund seiner Treuepflicht zur Offenlegung seines Beteiligungsbesitzes und seiner Beziehungen zu anderen Unternehmen verpflichtet ist (§ 242 BGB), vor allem, wenn es das Unternehmen der Gesellschaft seinen außerhalb der Gesellschaft liegenden Interessen dienstbar machen will (s. oben § 13 Rdnr. 36 ff.). Die Mitteilungspflicht besteht dann nicht nur gegenüber der Gesellschaft (so wohl die h.M.), sondern auch unmittelbar gegenüber den Mitgesellschaftern. Im Ergebnis besteht hierüber heute weitgehende Übereinstimmung2.

C. Konzernbildungskontrolle Schrifttum: Amstutz, Konzernorganisationsrecht, 1995; Baumgartl, Die konzernbeherrschte Personengesellschaft, 1980; M. Becker, Die Behandlung des Konzerns nach allgemeinen Grundsätzen, in: Mestmäcker/Behrens, Das Gesellschaftsrecht der Konzerne im internationalen Vergleich, 1991, S. 419; B. Binnewies, Die Konzerneingangskontrolle in der abhängigen Gesellschaft, 1996; Bouchon, Konzerneingangsschutz im GmbH- und Aktienrecht, 2002; Decher, Personelle Verflechtungen im Aktienkonzern, 1990; Deilmann, Die Entstehung des qualifizierten faktischen Konzerns, 1990; Druey (Hrsg.), Das St. Galler Konzernrechtsgespräch, 1988; Geiger, Wettbewerbsverbote im Konzernrecht, 1997; W. Grauer, Konzernbildungskontrolle im GmbH-Recht, 1991; Habersack, Die Mitgliedschaft – subjektives und „sonstiges“ Recht, 1996; Hirte, Bezugsrechtsausschluss und Konzernbildung, 1986; Hommelhoff, Konzernleitungspflicht, 1982; Hommelhoff (Hrsg.), Entwicklungen im GmbH-Konzernrecht, 1986; Chr. Jansen, Konzernbildungskontrolle im faktischen GmbH-Konzern, 1993; Kleindiek, Strukturvielfalt im Personengesellschafts-Konzern, 1991; Knoll, Die Übernahme von Aktiengesellschaften, 1992; Liebscher, Konzernbildungs1 S. oben Rdnr. 37; Emmerich/Habersack, Kommentar, § 20 AktG Rdnr. 9, § 328 AktG Rdnr. 24 f. 2 S. Rdnr. 52; Emmerich/Habersack, Kommentar, § 20 AktG Rdnr. 12; Hirte, Bezugsrechtsausschluss, S. 171, 202, 227 ff.; Koppensteiner, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 40; Lutter/Timm, NJW 1982, 409, 419; Schilling, in: FS Hefermehl, S. 383, 387; Karsten Schmidt, GmbHR 1979, 121, 132; wohl auch BGHZ 79, 337, 344 = NJW 1981, 1449.

Emmerich

807

Anhang § 13

GmbH-Konzernrecht

kontrolle, 1995; Mecke, Konzernbeteiligung und Aktionärsentscheid, 1992; Mestmäcker/Behrens, Das Gesellschaftsrecht der Konzerne im internationalen Vergleich, 1991; Mülbert, Aktiengesellschaft, Unternehmensgruppe und Kapitalmarkt, 2. Aufl. 1996; Frh. v. Rechenberg, Die Hauptversammlung als oberstes Organ der AG, 1986; A. Reinisch, Der Ausschluss von Aktionären aus der AG, 1992; J. Reul, Die Pflicht zur Gleichbehandlung der Aktionäre bei privaten Kontrolltransaktionen, 1991; Schießl, Die beherrschte Personengesellschaft, 1985; J. Semler, Leitung und Überwachung der AG, 2. Aufl. 1996; Seydel, Konzernbildungskontrolle bei der AG, 1995; B. Sonntag, Konzernbildungs- und Konzernleitungskontrolle bei der GmbH, 1990; Tieves, Der Unternehmensgegenstand der Kapitalgesellschaft, 1998; Timm, Die AG als Konzernspitze, 1980; U. Wackerbarth, Grenzen der Leitungsmacht in der internationalen Unternehmensgruppe, 2001; Wahlers, Konzernbildungskontrolle durch die Hauptversammlung der Obergesellschaft, 1995; Warschkow, Schutz der Aktionäre der Konzernobergesellschaft, 1991; Ulrich Wehlmann, Kompetenzen von Gesellschaftern und Gesellschaftsorganen bei der Bildung faktischer GmbH-Konzerne, 1996; H. Wiedemann, Die Unternehmensgruppe im Privatrecht, 1988; M. Winter, Mitgliedschaftliche Treuebindungen im GmbH-Recht, 1988.

I. Überblick 41

1. Unter Konzerneingangs-, Konzernbildungs- oder Gruppenbildungskontrolle versteht man einen Präventivschutz gegen die Begründung von Abhängigkeitsoder Konzernlagen. Dahinter steht die prinzipiell zutreffende Überlegung, dass das bisher überwiegend als bloßes Schutzrecht für bereits abhängige Gesellschaften konzipierte Konzernrecht häufig zu kurz greift, weil es erst einsetzt, wenn es im Grunde bereits zu spät ist, nämlich erst nach Begründung der Abhängigkeit, während es in Wirklichkeit darauf ankommt, schon vorweg die Entstehung eines Abhängigkeitsverhältnisses der Gesellschaft zu einem anderen Unternehmen oder doch ihre Eingliederung in einen von dem anderen Unternehmen geführten Konzern zu verhindern. Plastisch wird häufig der Zeitpunkt der Abhängigkeitsbegründung oder doch der Konzerneingliederung als der „archimedische“ Punkt des Konzernrechts bezeichnet1. Aus dieser Einsicht ergibt sich nahezu zwangsläufig die Forderung, das Konzernrecht durch eine effektive Kontrolle der Begründung von Abhängigkeits- oder Konzernverhältnissen, d.h. eben durch eine Gruppen- oder Konzernbildungskontrolle zu ergänzen. Dabei wird naturgemäß in erster Linie die abhängige Gesellschaft ins Auge gefasst, weil hier offenkundig die Notwendigkeit eines Schutzes der Minderheit besonders dringlich ist (unten Rdnr. 48 ff.). Darüber darf man jedoch nicht übersehen, dass die Bildung weit verzweigter Konzerne auf der Stufe der herrschenden Gesellschaft gleichfalls Probleme des Minderheits- und Gläubigerschutzes aufwerfen kann, des Minderheitsschutzes etwa dann, wenn die Verwaltung der herrschenden Gesellschaft die Politik einer strikten Gewinnthesaurierung bei den Tochtergesellschaften verfolgt, und des Gläubigerschutzes, wenn Haftungsrisiken aus den Tochtergesellschaften auf die Muttergesellschaft durchzuschlagen drohen (s. die §§ 302 und 303 AktG). Das hat zu der Frage geführt, ob auch auf der Ebene der herrschenden Gesellschaft, jedenfalls in bestimmten Fallgestaltungen, Raum für eine ergänzende Konzernbildungskontrolle ist (unten Rdnr. 58 ff.).

1 Lutter/Timm, NJW 1982, 409, 411 f.; Lutter, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 16.

808

Emmerich

GmbH-Konzernrecht

Anhang § 13

Neben die Forderung nach der Entwicklung einer Konzernbildungskontrolle 42 tritt häufig der Wunsch nach der Entwicklung einer Gruppen- oder Konzernleitungskontrolle. Gemeint ist damit die angemessene Beteiligung der Gesellschafter der Obergesellschaft an der Konzernleitung, in erster Linie, um zu verhindern, dass sich die Verwaltung der Obergesellschaft durch die Verlagerung der wirtschaftlichen Aktivitäten der Obergesellschaft in die Untergesellschaften einen weithin kontrollfreien Raum verschafft, da die Kontrollrechte der Gesellschafter der Obergesellschaft nur von Fall zu Fall und mit großen Schwierigkeiten in die Untergesellschaften hinein verlängert werden können. Die Konzernbildungskontrolle auf der Ebene der Obergesellschaft (oben Rdnr. 41) und die Konzernleitungskontrolle auf derselben Ebene sind, so gesehen, im Grunde nur die zwei Seiten derselben Medaille. Die Notwendigkeit einer besonderen Konzernbildungs- oder Konzernleitungs- 43 kontrolle ist ebenso umstritten wie ihre rechtliche Ausgestaltung1. In der ausufernden Diskussion zeichnen sich bisher nur wenige, allseits akzeptierte Lösungen ab (s. unten Rdnr. 46 f.). Es kommt hinzu, dass auch die Rechtsprechung zu dem Fragenkreis bisher nur selten und keineswegs einheitlich Stellung genommen hat (s. Rdnr. 46 f.). Zu beginnen ist mit einem kurzen Blick auf die verstreuten gesetzlichen Regelungen des Fragenkreises sowie auf die Rechtsprechung dazu (unten Rdnr. 44). 2. Gesetzliche Regelungen finden sich bisher nur verstreut an einzelnen Stellen. 44 Hervorzuheben sind die §§ 293, 319 und 320 AktG, die für Aktiengesellschaften eine Mitwirkung der Aktionäre bei dem Abschluss von Unternehmensverträgen sowie bei der Eingliederung auf beiden Ebenen, bei der Muttergesellschaft ebenso wie bei der Tochtergesellschaft vorsehen. Soweit es um den Abschluss von Unternehmensverträgen geht, ist diese Regelung, zumindest partiell, auf die GmbH übertragbar. Dies hat die wichtige Konsequenz, dass zumindest bei dem Abschluss von Unternehmensverträgen in der Mehrzahl der Fälle bei der Mutter- wie bei der Tochtergesellschaft eine Konzernbildungskontrolle, verstanden als Mitwirkung der Gesellschafter bei Strukturentscheidungen im Rahmen des Konzernaufbaus, gewährleistet ist (s. unten Rdnr. 139, 148 ff.). Eine weitere Teilregelung hat das UmwG, und zwar insbesondere für bestimmte 45 Fälle der Ausgliederung im Wege der Spaltung gebracht. Die Einzelheiten finden sich in den §§ 123 ff. UmwG. Hervorzuheben ist die Notwendigkeit einer Zustimmung der Gesellschafter zu der Ausgliederung im Wege der Abspaltung von Vermögensteilen mit qualifizierter Mehrheit (§§ 125, 13 UmwG). Aus § 62 UmwG ergeben sich außerdem Hinweise auf die durchweg zu beachtende Bagatellgrenze, die in den Augen des Gesetzgebers offenbar bei 10 % des Vermögens liegt.

1 Zusammenfassend Bouchon, Konzerneingangsschutz, 2002; Casper, in: Ulmer, Rdnr. 55 ff.; Emmerich/Habersack, Konzernrecht, §§ 7 ff. (S. 99 ff.); Emmerich/Habersack, Kommentar, § 318 AktG Anh. Rdnr. 8–24; Lutter, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 16 ff.; Liebscher, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 230 ff.; Servatius, in: Michalski, Rdnr. 412 ff.

Emmerich

809

Anhang § 13

GmbH-Konzernrecht

46

3. Die Rechtsprechung hat sich in Deutschland ebenso wie etwa in Österreich bisher nur gelegentlich mit Fragen der Konzernbildungskontrolle beschäftigt. Soweit ersichtlich, ist das erste einschlägige Urteil des BGH das so genannte Süssen-Urteil vom 16.2.1981, das eine GmbH betraf1. Nach diesem Urteil sind Mehrheitsbeschlüsse, die die Gefahr der Abhängigkeit einer Gesellschaft von einem anderen Unternehmen begründen, grundsätzlich rechtswidrig, außer wenn der Beschluss aufgrund besonderer Umstände den Interessen der Gesellschaft entspricht und deshalb sachlich gerechtfertigt erscheint. In dem wenig später folgenden Holzmüller-Urteil vom 25.2.19822 erkannte der BGH außerdem für den Fall der Ausgliederung einer 100 %igen Tochtergesellschaft aus einer AG, auf die der bei weitem größte Teil des Vermögens der Gesellschaft übertragen werden sollte, ausdrücklich eine Konzernbildungs- und Konzernleitungskontrolle auf der Ebene der herrschenden AG an und billigte obendrein den Aktionären der Muttergesellschaft Einzelklagerechte zur Durchsetzung ihrer Rechte zu. Diese so genannte Holzmüller-Doktrin wurde in der Folgezeit auch in der Tat in der Rechtsprechung gelegentlich auf weit reichende Strukturentscheidungen in Konzernen angewandt3. Beispiele sind der Erwerb oder die Veräußerung einer wesentlichen Beteiligung, wenn die Maßnahme den Kernbereich der Unternehmenstätigkeit betrifft und die Unternehmensstruktur durch die Maßnahme von Grund auf geändert wird4, sowie die Einbringung des Grundbesitzes, der das wesentliche Vermögen einer Gesellschaft darstellt, in eine Tochtergesellschaft, an der zudem Dritte beteiligt sind5.

47

Aufs Ganze gesehen, blieben diese Entscheidungen letztlich aber doch vereinzelt. Denn anders als vielfach erwartet, läutete das Holzmüller-Urteil des BGH keineswegs eine energische Konzernbildungskontrolle durch die Rechtsprechung ein. Im Gegenteil: In einem Urteil vom 15.6.1992 lehnte der BGH sogar jede Form einer Konzernbildungskontrolle jedenfalls bei der AG ausdrücklich ab6. Dieselbe restriktive Linie verfolgte der BGH sodann in den beiden GelatineUrteilen vom 26.4.20047, in denen die Holzmüller-Doktrin streng auf Geschäftsführungsmaßnahmen des Vorstandes beschränkt wurde, die an die Kernkom-

1 BGHZ 80, 69, 74 f. = NJW 1981, 189 = AG 1981, 225 = GmbHR 1981, 189; ebenso zuvor schon OGH SZ Bd. 53 (1980) Nr. 172, S. 779, 783 ff. = GesRZ 1981, 44 = GmbHR 1984, 235. 2 BGHZ 83, 122, 131 ff. = NJW 1982, 1703 = AG 1982, 158 = ZIP 1982, 568. 3 S. OLG Köln, AG 1993, 86, 88 = ZIP 1993, 110 – „Winterthur/Nordstern“; LG Frankfurt, AG 1993, 287 f.; LG Frankfurt, AG 1998, 45 = ZIP 1997, 1698 = NZG 1998, 113 – „Altana/Milupa“: LG Düsseldorf, AG 1999, 94; LG Duisburg, AG 2003, 390 – „Babcock Borsig/HDW I“; LG Duisburg, AG 2004, 159 – „Babcock Borsig/HDW II“; OGH, GesRZ 1984, 217; offen gelassen aber in OGH, AG 1996, 382, 383 = JBl. 1996, 728 = GesRZ 1997, 46. 4 LG Duisburg, AG 2003, 390 – „Babcock Borsig/HDW I“; LG Duisburg, AG 2004, 159 – „Babcock Borsig/HDW II“; bestätigt durch OLG Düsseldorf, AG 2004, 211 = ZIP 2004, 313. 5 OLG München, AG 1995, 232, 233. 6 BGHZ 119, 1, 7 = NJW 1992, 2760 = AG 1992, 450 – „Asea BBC“; ebenso sodann OLG Stuttgart, AG 2000, 229, 231 f. = NZG 2000, 159 – „Breuninger“; LG Mannheim, AG 1991, 29, 30 – „SEN“. 7 BGHZ 159, 30 = AG 2004, 384 = NJW 2004, 1860; BGH, NZG 2004, 575 = ZIP 2004, 1001.

810

Emmerich

GmbH-Konzernrecht

Anhang § 13

petenz der Hauptversammlung, über die Verfassung der Gesellschaft zu bestimmen, rühren und in ihren Auswirkungen einem Zustand nahezu entsprechen, der allein durch eine Satzungsänderung herbeigeführt werden kann1. Dafür genüge nicht die Überschreitung einer Bagatellgrenze von 5 oder 10 % des Vermögens; erforderlich seien vielmehr einschneidende Auswirkungen ebenso wie in dem Holzmüller-Fall. Unter diesen Voraussetzungen könnten dann aber nicht nur Ausgliederungen von Tochtergesellschaften, sondern auch Strukturänderungen bei Tochtergesellschaften erfasst werden. Sie bedürften in diesem Fall außerdem zwingend einer Zustimmung der Hauptversammlung der Muttergesellschaft mit qualifizierter Mehrheit (s. unten Rdnr. 58 ff.). Angesichts dieses insgesamt wenig befriedigenden Standes der Judikatur zur Konzernbildungskontrolle verwundert es nicht, dass im Schrifttum die meisten Fragen im Zusammenhang mit der Konzernbildungskontrolle nach wie vor umstritten sind, wie nunmehr zu zeigen ist (Rdnr. 48 ff.).

II. Konzernbildungskontrolle auf der Ebene der abhängigen Gesellschaft Schrifttum: Binnewies, Die Konzerneingangskontrolle in der abhängigen Gesellschaft, 1996, S. 133–282; Bouchon, Konzerneingangsschutz im GmbH- und Aktienrecht, 2002, S. 67, 239 ff.; Emmerich, Konzernbildungskontrolle, AG 1991, 303; Emmerich/Habersack, Konzernrecht, 9. Aufl. 2008, § 8 II (S. 105 ff.); Emmerich/Habersack, Kommentar, 6. Aufl. 2010, § 318 AktG Anh. Rdnr. 8 ff. (S. 692 ff.); W. Grauer, Konzernbildungskontrolle im GmbH-Recht, 1991; Liebscher, Konzernbildungskontrolle, 1995, S. 218–302; Rodewald, Der GmbH-Konzern, in: GmbH-Handbuch, Rdnr. I 2830–2839.

Für eine Konzernbildungskontrolle auf der Ebene der abhängigen Gesellschaft 48 besteht nur dann ein Bedürfnis, wenn es sich um eine ursprünglich unabhängige Gesellschaft handelt. Wenn eine GmbH dagegen von vornherein, etwa durch Ausgliederung oder Abspaltung, als abhängige Tochtergesellschaft zur Erledigung bestimmter Aufgaben gegründet wird, erübrigen sich alle weiteren Überlegungen zum Schutze der Unabhängigkeit der Gesellschaft. Anders dagegen in der Tat bei ursprünglich unabhängigen Gesellschaften. Ihrer Unabhängigkeit können Gefahren aus unterschiedlichen Richtungen drohen2. Der wichtigste Fall ist wohl der, dass ein Unternehmensgesellschafter nachträglich die Mehrheit der Geschäftsanteile erwirbt, wobei es keine Rolle spielt, ob er schon vorher an der Gesellschaft beteiligt war oder nicht. Auch der Mehrheitserwerb im Zuge einer Kapitalerhöhung gehört hierher. Gleich steht der Fall, dass sich ein privater Mehrheitsgesellschafter nachträglich in einen Unternehmensgesellschafter verwandelt, etwa durch Aufnahme einer unternehmerischen Tätigkeit außerhalb der Gesellschaft oder durch die mehrheitliche Beteiligung an einer weiteren Gesellschaft. In die Abhängigkeit der GmbH kann außerdem ein Zusammenschluss mehrerer kleiner Unternehmensgesellschafter führen, mit dem sie den Zweck verfolgen, die Gesellschaft unter ihre Kontrolle zu bringen3. In 1 BGHZ 159, 30, 44 ff. = AG 2004, 384 = NJW 2004, 1860 – „Gelatine I“. 2 S. statt aller Emmerich, AG 1987, 1, 2; Emmerich, AG 1991, 303; Liebscher, in: MünchKomm. GmbHG. Rdnr. 231 ff.; Lutter, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 56 f. 3 Vgl. den Fall OLG Saarbrücken, AG 1980, 26 und BGH, AG 1980, 342.

Emmerich

811

Anhang § 13

GmbH-Konzernrecht

diesen Fällen kommt es vor allem darauf an, ob die Gesellschafter bereits selbst in dem Gesellschaftsvertrag Vorkehrungen zur Sicherung der Unabhängigkeit ihrer Gesellschaft getroffen haben oder nicht (unten Rdnr. 49, 54 ff.).

1. Gesellschaftsvertrag 49

a) Nach allgemeiner Meinung ist die Sicherung der Unabhängigkeit der Gesellschaft in erster Linie eine Aufgabe des Gesellschaftsvertrages (§ 45)1. Dafür kommen unterschiedliche Regelungen in Betracht2. Als besonders erfolgversprechend gilt allgemein die Vinkulierung der Anteile gemäß § 15 Abs. 53. Dabei bleibt freilich zu beachten, dass nach überwiegender Meinung der betroffene Gesellschafter, wenn die Zustimmung zu der Veräußerung der Anteile Sache der Gesellschafter ist, mangels Anwendbarkeit des § 47 Abs. 4 stimmberechtigt ist (s. 10. Aufl., § 47 Rdnr. 117), so dass die Vinkulierung der Anteile wirklichen Schutz gegen die nachträgliche Begründung der Mehrheitsherrschaft seitens eines Unternehmensgesellschafters nur bietet, wenn entweder zu der Veräußerung der Anteile die Zustimmung aller Gesellschafter verlangt oder der betroffene Gesellschafter vom Stimmrecht ausgeschlossen wird.

49a

Ähnliche Bedeutung wie der Vinkulierung der Anteile (oben Rdnr. 49) wird verbreitet Wettbewerbsverboten für die Gesellschafter zur Sicherung der Unabhängigkeit der Gesellschaft beigemessen, vor allem, wenn das Wettbewerbsverbot im Sinne eines umfassenden Verbots unternehmerischer Betätigung außerhalb der Gesellschaft formuliert wird (§ 3 Rdnr. 88 ff.). Daneben ist, gegebenenfalls zusätzlich, an die Einführung von Höchststimmrechten4, an Ankaufs- und Vorkaufsrechte der Gesellschafter hinsichtlich der Anteile der Mitgesellschafter (s. oben § 3 Rdnr. 117) sowie an Ausschlussrechte gegenüber fremden Unternehmensgesellschaftern zu denken. Sollen derartige Schutzmechanismen nachträglich eingeführt werden, so dürfte dafür im Regelfall eine Änderung des Gesellschaftsvertrages mit qualifizierter Mehrheit nach § 53 Abs. 2 genügen5; ein Fall des § 53 Abs. 3 wird nur vorliegen, wenn sich solche Klauseln gezielt gegen einzelne Gesellschafter richten, von denen der Unabhängigkeit der Gesellschaft in besonderem Maße Gefahren drohen. Die Wirksamkeit derartiger Schutzmechanismen ist um so höher einzuschätzen, je enger die Voraussetzungen sind, unter denen jeweils im Einzelfall einem Gesellschafter Befreiung (Dispens) von der fraglichen Beschränkung erteilt werden kann, und umgekehrt (s. unten Rdnr. 50 f.).

1 Monopolkommission 7. Hauptgutachten, 1986/87, Rdnr. 860 ff.; Binnewies, Konzerneingangskontrolle, S. 143 ff.; Bouchon, Konzerneingangsschutz, S. 66 f.; Doralt, ZGR 1991, 252, 261 ff.; Grauer, Konzernbildungskontrolle, S. 72 ff.; Uwe H. Schneider, in: Hommelhoff, Entwicklungen im GmbH-Konzernrecht, S. 121 ff.; M. Winter, Treuebindungen, S. 239 ff. 2 S. insbes. Casper, in: Ulmer, Rdnr. 61 ff.; Emmerich/Habersack, Kommentar, § 318 AktG Anh. Rdnr. 10 f.; Lutter/Timm, NJW 1982, 409, 415 f.; Liebscher, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 240 ff.; Zöllner, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 93 ff. 3 S. Bouchon, Konzerneingangsschutz, S. 68 ff.; Rodewald, in: GmbH-Handbuch, Rdnr. I 2831. 4 Bouchon, Konzerneingangsschutz, S. 78 ff. 5 Im Einzelnen str., s. Bouchon, Konzerneingangsschutz, S. 87 ff.

812

Emmerich

GmbH-Konzernrecht

Anhang § 13

b) Soll einem Gesellschafter Befreiung (Dispens) von einer der genannten, die 50 Unabhängigkeit der Gesellschaft sichernden gesellschaftsvertraglichen Regelungen erteilt werden (oben Rdnr. 49 f.), so ist danach zu unterscheiden, ob der Gesellschaftsvertrag bereits selbst eine derartige Möglichkeit vorsieht oder nicht. Im zweiten Fall, d.h. bei Fehlen einer gesellschaftsvertraglichen Regelung, ist eine Dispenserteilung nur im Wege der Änderung des Gesellschaftsvertrages nach § 53 möglich. Für eine Inhaltskontrolle, wie sie in anderen Fällen der Dispenserteilung erwogen wird (unten Rdnr. 52), dürfte daneben kein Raum sein. In Betracht kommt allenfalls eine Missbrauchskontrolle in besonders schwer wiegenden Fällen (§§ 242, 826 BGB). Sieht dagegen bereits der Gesellschaftsvertrag selbst eine Befreiungsmöglich- 51 keit, z.B. von einem Veräußerungs- oder einem Wettbewerbsverbot, vor, so genügt für den Dispens grundsätzlich ein Beschluss der Gesellschafter mit einfacher Mehrheit, sofern nicht der Vertrag selbst eine höhere Mehrheit vorschreibt1. Die zentrale Frage ist in diesen Fällen immer die Anwendbarkeit des § 47 Abs. 4 Satz 1. Für den Fall der Zustimmung der Gesellschafter zur Veräußerung von Gesellschaftsanteilen nach § 15 Abs. 5 wird die Frage überwiegend verneint (Rdnr. 49). Anders wird dagegen in der Regel entschieden, soweit es um die Befreiung eines Gesellschafters von einem (vertraglichen oder aus der Treuepflicht abgeleiteten) Wettbewerbsverbot geht2. c) Eine verbreitete Meinung tritt wegen der angedeuteten Probleme (oben 52 Rdnr. 51) für eine ergänzende Inhaltskontrolle gegenüber abhängigkeitsbegründenden Beschlüssen der Gesellschafterversammlung ein; Beispiele sind die Zustimmung zur Veräußerung der Anteile oder zur Aufhebung eines Wettbewerbsverbotes3. Die Folge wäre, dass der fragliche Beschluss anfechtbar ist, wenn er nicht (ausnahmsweise) durch die Interessen der Gesellschaft gerechtfertigt ist oder wenn weniger schwer in die Rechte der Mitgesellschafter eingreifende Alternativen zur Verfügung stehen4. Als derartige Alternativen kommen etwa der Erwerb des anderen Unternehmens, in dessen Abhängigkeit die Gesellschaft zu geraten droht, durch die Gesellschaft selbst oder auch treuhänderische Bindungen des neuen herrschenden Unternehmensgesellschafters in Betracht. Die Problematik solcher Inhaltskontrolle liegt in den nur schwer zu konkretisierenden Maßstäben. Denn es geht hier letztlich um unternehmenspolitische Entscheidungen, deren Kontrolle, von evidenten Missbrauchsfällen abgesehen, kaum den Gerichten übertragen werden kann (Rdnr. 55). Die Beweislast für das Vorliegen der genannten Voraussetzungen (oben Rdnr. 51 f.) für einen Dispens trifft das herrschende Unternehmen5. Aufgrund seiner Treuepflicht ist der Gesell1 BGH, NJW 1981, 1512, 1513 = GmbHR 1981, 190 = AG 1981, 225 (insoweit nicht in BGHZ 80, 69 abgedruckt); Bouchon, Konzerneingangsschutz, S. 73, 83 ff.; Binnewies, Konzerneingangskontrolle, S. 147 f.; Liebscher, Konzernbildungskontrolle, S. 275 ff. 2 BGH, NJW 1981, 1512, 1513 = GmbHR 1981, 190 = AG 1981, 225; Binnewies, Konzerneingangskontrolle, S. 173 ff.; Liebscher, Konzernbildungskontrolle, S. 281 ff. 3 Binnewies, Konzerneingangskontrolle, S. 224 ff.; Emmerich/Habersack, Kommentar, § 318 AktG Anh. Rdnr. 12 f.; Grauer, Konzernbildungskontrolle, S. 76, 82 ff.; Liebscher, Konzernbildungskontrolle, S. 281 ff. 4 BGHZ 80, 69, 74 ff. = NJW 1981, 1512 = GmbHR 1981, 189 = AG 1981, 225 – „Süssen“; OGH SZ Bd. 53 (1980) Nr. 172, S. 779, 783 ff. = GesRZ 1981, 44 = GmbHR 1984, 235. 5 BGHZ 80, 69, 74 ff. = NJW 1981, 1512 = GmbHR 1981, 189 = AG 1981, 225 – „Süssen“.

Emmerich

813

Anhang § 13

GmbH-Konzernrecht

schafter, der die Gesellschaft in die Abhängigkeit von einem anderen Unternehmen führen will, außerdem zur umfassenden Information seiner Mitgesellschafter verpflichtet (oben Rdnr. 40). 53

d) Sollen Bestimmungen des Gesellschaftsvertrages zur Sicherung der Unabhängigkeit der Gesellschaft nachträglich aufgehoben oder geändert werden, so genügt dafür grundsätzlich eine Änderung des Gesellschaftsvertrages mit qualifizierter Mehrheit nach § 53 Abs. 21. Etwas anderes kommt nur in Betracht, wenn die darauf hin drohende Konzernierung der Gesellschaft geradezu eine Zweckänderung zur Folge hat (§ 33 BGB).

2. Fehlen gesellschaftsvertraglicher Sicherungen 54

Zusätzliche Schwierigkeiten bereitet die Sicherung der Unabhängigkeit der Gesellschaft, wenn der Gesellschaftsvertrag keine Vorsorge für die Erhaltung der Unabhängigkeit der Gesellschaft getroffen hat. In diesen Fällen muss man unterscheiden: In einem Teil der in Betracht kommenden Fallgestaltungen (s. oben Rdnr. 48) geht die Gefahr der Abhängigkeitsbegründung letztlich auf Beschlüsse der Gesellschafter zurück. Paradigmata sind die Zustimmung der Gesellschafter zu der Veräußerung von Geschäftsanteilen an einen unternehmerisch tätigen Mehrheitsgesellschafter (§ 15 Abs. 5) oder zur Aufhebung eines Wettbewerbsverbotes sowie der Ausschluss des Bezugsrechtes der Gesellschafter bei einer Kapitalerhöhung zugunsten eines Unternehmensgesellschafters, dem auf diesem Wege die Möglichkeit eröffnet wird, die Mehrheit in der Gesellschaft zu erlangen. In solchen Fällen wird sich in erster Linie die Frage stellen, ob hier zum Schutze der Unabhängigkeit der Gesellschaft Raum für eine ergänzende Inhaltskontrolle ist (unten Rdnr. 55). Eine Inhaltskontrolle gegenüber Gesellschafterbeschlüssen bietet indessen dort keinen Schutz für die Unabhängigkeit der Gesellschaft, wo dieser Gefahren von sonstigen Vorgängen außerhalb der Gesellschaft drohen. Nimmt z.B. ein (bisher) privater Mehrheitsgesellschafter eine unternehmerische Tätigkeit außerhalb der Gesellschaft auf oder erwirbt er an einem anderen Unternehmen eine weitere maßgebliche Beteiligung, so kann offenbar auf dem Weg über eine Inhaltskontrolle von Gesellschafterbeschlüssen keine Abhilfe geschaffen werden. Deshalb ist zu erwägen, in solchen Fällen zusätzliche Schranken aus der Treuepflicht der Gesellschafter abzuleiten. Diskutiert werden in erster Linie ein Wettbewerbsverbot zu Lasten von Mehrheitsgesellschaftern aufgrund der Treuepflicht, jedenfalls bei personalistischen Gesellschaften (unten Rdnr. 55a), sowie eine Zustimmungspflicht der Gesellschafter zur Begründung der Abhängigkeit der Gesellschaft oder doch zur Eingliederung der Gesellschaft in einen fremden Konzern, wobei wiederum die Mehrheitserfordernisse umstritten sind (Rdnr. 56).

55

a) Im Schrifttum tendiert nach wie vor eine verbreitete Meinung zur Inhaltskontrolle gegenüber Beschlüssen der Gesellschafterversammlung, durch die einem Gesellschafter Befreiung von gesellschaftsvertraglichen Vorkehrungen zur Sicherung der Unabhängigkeit der Gesellschaft erteilt wird. Beispiele sind die Zustimmung der Gesellschafter zur Veräußerung der Gesellschaftsanteile (§ 15 1 Koppensteiner, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 37; str.

814

Emmerich

GmbH-Konzernrecht

Anhang § 13

Abs. 5) oder zur Aufhebung eines vertraglichen Wettbewerbsverbotes. Entsprechende Überlegungen werden häufig angestellt, wenn sich die Notwendigkeit eines derartigen Beschlusses bereits aus dem Gesetz ergibt, wobei insbesondere an den Ausschluss des Bezugsrechtes bei Kapitalerhöhungen zugunsten eines Unternehmensgesellschafters zu denken ist1. Die Problematik solcher Inhaltskontrolle, für die sich in der Sache gewiss gute Gründe anführen lassen, liegt jenseits evidenter Missbrauchsfälle2 in der großen Schwierigkeit einer Konkretisierung der anzuwendenden Maßstäbe, weil die Treuepflicht, der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz und der Gleichbehandlungsgrundsatz nur selten klare Aussagen über unternehmenspolitische Entscheidungen der Gesellschafter erlauben. Wo dies aber ausnahmsweise der Fall ist, sollte man zum Schutze der Unabhängigkeit der Gesellschaft und damit der Mitgesellschafter nicht zögern, zu dem Mittel der Inhaltskontrolle zu greifen. b) In einer Reihe weiterer Fälle wie der Beteiligung eines Unternehmensge- 55a sellschafters oder der Aufnahme einer Konkurrenztätigkeit durch einen Mehrheitsgesellschafter kann der Schutz der Gesellschaft ferner durch ein aus der Treuepflicht abgeleitetes Wettbewerbsverbot für Mehrheitsgesellschafter sichergestellt werden, dessen Anwendungsbereich auch nicht auf personalistische Gesellschaften beschränkt werden sollte (s. oben § 3 Rdnr. 92 ff.) und von dem die Gesellschafterversammlung dann lediglich von Fall zu Fall, nach manchen sogar nur mit qualifizierter Mehrheit, Befreiung erteilen kann3. Der Vorteil dieser Lösung liegt darin, dass bei der Entscheidung über den Dispens der betreffenden Gesellschafter nach § 47 Abs. 4 Satz 1 kein Stimmrecht hat (oben Rdnr. 51). Ein Allheilmittel stellen derartige aus der Treuepflicht abgeleitete Wettbewerbsverbote gleichwohl nicht dar, da sie heute mit Rücksicht auf § 1 GWB und Art. 101 AEUV nur noch in engen Grenzen anerkannt werden können und da der von ihnen ausgehende Schutz der Unabhängigkeit der Gesellschaft ohnehin versagt, wenn der Gesellschaft von der unternehmerischen Tätigkeit des Mehrheitsgesellschafters keine Konkurrenz droht, ohne dass dadurch indessen die Gefahren der Abhängigkeit verringert würden. c) In den zuletzt genannten Fällen, in denen Abhilfe über die Annahme eines 56 konkludenten Wettbewerbsverbots nicht möglich ist (oben Rdnr. 55a), ist nach einer verbreiteten Meinung aus der Treuepflicht der Gesellschafter die zusätzliche Verpflichtung der Gesellschafter abzuleiten, alles zu unterlassen, was die Selbständigkeit der Gesellschaft beeinträchtigen könnte, weil grundsätzlich jede Abhängigkeit die Gefahr einer nachhaltigen Schädigung der Gesellschaft und schwerwiegender Eingriffe in die Rechte der Mitgesellschafter heraufbe-

1 Grauer, Konzernbildungskontrolle, S. 85 ff.; Binnewies, Konzerneingangskontrolle, S. 280 ff.; Liebscher, Konzernbildungskontrolle, S. 283 ff.; Lutter, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 15; ablehnend jedoch gegenüber jeder Inhaltskontrolle Altmeppen, in: Roth/ Altmeppen, Rdnr. 120 f.; Bouchon, Konzerneingangsschutz, S. 239, 276, 281 ff.; zum Bezugsrechtsausschluss s. im Übrigen eingehend 10. Aufl., § 55 Rdnr. 54 ff. 2 Ein „schönes“ Beispiel in OGH SZ Bd. 53 (1980) Nr. 172, S. 779, 783 ff. = GesRZ 1981, 44 = GmbHR 1984, 235. 3 S. Binnewies, Konzerneingangskontrolle, S. 192 ff.; Geiger, Wettbewerbsverbote; Grauer, Konzernbildungskontrolle, S. 91 ff.; Liebscher, Konzernbildungskontrolle, S. 245 ff.; Liebscher, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 254 ff.

Emmerich

815

Anhang § 13

GmbH-Konzernrecht

schwört1. Eine verbreitete Meinung leitet daraus die Notwendigkeit der Zustimmung der Gesellschafter zu der Begründung der Abhängigkeit ab, da nur die Gesellschafterversammlung einem Gesellschafter Befreiung von seiner Treuepflicht erteilen könne, jedenfalls, wenn es sich um eine personalistische Gesellschaft handelt2. Dem ist indessen die überwiegende Meinung wegen der grundsätzlichen Konzernoffenheit der GmbH, d.h. der Sache nach wegen der fehlenden Grundlage im Gesetz, nicht gefolgt3. Anders verhält es sich nur in Fällen, in denen der Übergang zu Konzernsituationen droht, die früher mit dem Stichwort qualifizierter faktischer Konzern umschrieben wurden. Dass hierzu die Zustimmung der Gesellschafter, und zwar grundsätzlich aller erforderlich ist, folgt schon aus § 33 BGB (unten Rdnr. 91 ff.).

3. Rechtsfolgen 57

Die Rechtsfolgen hängen von der Art der die Gefahr der Abhängigkeit begründenden Maßnahmen eines Gesellschafters ab. In erster Linie ist hier, soweit möglich, an die Anfechtung der maßgeblichen Gesellschafterbeschlüsse zu denken (oben Rdnr. 52, 55). Soweit dies nicht weiterhilft, ist zu bedenken, dass das Verhalten des betreffenden Gesellschafters einen schwerwiegenden Verstoß gegen seine Treuepflicht gleichermaßen gegenüber der Gesellschaft wie gegenüber den Mitgesellschaftern darstellt, so dass als weitere Rechtsfolge Schadensersatzund Unterlassungsansprüche der Gesellschaft in Betracht kommen (§§ 242, 280 Abs. 1, 249 BGB)4. Auch an einen Ausschluss des betreffenden Gesellschafters aus wichtigem Grunde, gegebenenfalls im Wege der Einziehung seines Geschäftsanteils, ist hier zu denken (§ 34). Für die Durchsetzung dieser Rechte stehen der Minderheit die Wege der §§ 50 und 51a i.V.m. § 43 und § 46 Nr. 5, 6 und 8 offen; daneben ist wohl vor allem hier Raum für die actio pro socio der Mitgesellschafter (s. oben § 13 Rdnr. 53).

III. Konzernbildungskontrolle auf der Ebene der herrschenden Gesellschaft Schrifttum: Emmerich/Habersack, Kommentar, 6. Aufl. 2010, Vor § 311 AktG Rdnr. 31 ff., § 318 AktG Anh. Rdnr. 49–52; Habersack, Mitwirkungsrechte der Aktionäre nach Macrotron und Gelatine, AG 2005, 137; Fr. Jungkurth, Konzernleitung bei der GmbH, 2000; Liebscher, Konzernbildungskontrolle, 1995, S. 160–182; Uwe H. Schneider, in: Hommelhoff (Hrsg.), Entwicklungen im GmbH-Konzernrecht, 1986, S. 121; Tieves, Der Unternehmensgegenstand der Kapitalgesellschaft, 1998, S. 409 ff.; U. Wackerbarth, Grenzen der Leistungsmacht in der internationalen Unternehmensgruppe, 2001; Zitzmann, Die Vorlagepflichten des GmbH-Geschäftsführers, 1991. 1 S. oben Rdnr. 54; Liebscher, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 261 ff.; Rodewald, in: GmbH-Handbuch, Rdnr. I 2834; Zöllner, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 93 ff. 2 Decher, in: MünchHdb. III, § 68 Rdnr. 8 ff.; Binnewies, Konzerneingangskontrolle, S. 192 ff.; Liebscher, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 266 ff.; Raiser/Veil, Kapitalgesellschaften, § 52 Rdnr. 21 ff.; Rodewald, in: GmbH-Handbuch, Rdnr. I 2835. 3 S. oben Rdnr. 46 sowie Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 129 ff.; Bälz, AG 1992, 277, 300; Bouchon, Konzerneingangsschutz, S. 267 ff.; Casper, in: Ulmer, Rdnr. 64; Emmerich/Habersack, Kommentar, § 318 AktG Anh. Rdnr. 112; Grauer, Konzernbildungskontrolle, S. 102 ff.; Koppensteiner, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 41. 4 S. Emmerich/Habersack, Konzernrecht, § 9 Rdnr. 5 f. (S. 116).

816

Emmerich

GmbH-Konzernrecht

Anhang § 13

1. Überblick Der Aufbau von Unternehmensverbindungen kann nicht nur für die abhängige, 58 sondern auch für die herrschende Gesellschaft und ihre Gesellschafter gravierende Konsequenzen haben1. Für die herrschende Gesellschaft selbst resultieren sie vor allem aus den wachsenden Haftungsrisiken, in erster Linie natürlich in Vertragskonzernen (s. die §§ 302 und 303 AktG), während bei den Gesellschaftern insbesondere die Gefahren ins Auge stechen, die sich daraus ergeben, dass ihre Mitverwaltungsrechte in der Gesellschaft in dem Maße mediatisiert werden, in dem die Verwaltung der Obergesellschaft eines Konzerns deren Aktivitäten in Tochter- und Enkelgesellschaften verlagert, weil die Beteiligungsverwaltung traditionell als Domäne der Verwaltung der Obergesellschaft gilt. Zugleich droht das Gewinnbezugsrecht der Gesellschafter zur leeren Hülse zu verkümmern, wenn die Verwaltung dazu übergeht, die Gewinne systematisch bei den Tochtergesellschaften zu thesaurieren. Dass das Recht hier gegensteuern muss, liegt auf der Hand. Die Frage ist nur: wie. Üblicherweise wird zu diesem Zweck auf der Ebene der herrschenden Gesell- 59 schaft zwischen einer Gruppen- oder Konzernbildungs- und einer Gruppen- oder Konzernleitungskontrolle unterschieden. Unterscheidungsmerkmal soll sein, ob sich die fragliche Maßnahme auf einen bereits bestehenden Konzern bezieht (dann Gruppen- oder Konzernleitungskontrolle) oder ob es sich um den ersten Akt des Aufbaues eines neuen Konzerns handelt (dann Gruppen- oder Konzernbildungskontrolle); gleich steht der weitere Ausbau eines schon bestehenden Konzerns. Die Sinnfälligkeit dieser Unterscheidungen wird gelegentlich (nicht ohne Grund) angezweifelt2. Sie ist jedoch üblich geworden und soll deshalb auch hier der Darstellung zugrunde gelegt werden.

2. Mitwirkung der Gesellschafter In einer Reihe von Fällen hat das Gesetz bereits selbst Vorsorge für die nötige 60 Mitwirkung der Gesellschafter bei der Konzernbildung getroffen. Hervorzuheben sind die Begründung eines Vertragskonzerns durch Abschluss eines Beherrschungs- oder Organschaftsvertrages (§ 293 AktG analog) sowie die verschiedenen Fälle der Umwandlung, die unter das UmwG fallen, wobei vor allem an die Abspaltung von Tochtergesellschaften zu denken ist (§§ 123 Abs. 2 Nr. 2, 135 und 138 ff. UmwG). In diesen Fällen kann es sich daher nur fragen, ob der jeweils erforderliche Zustimmungsbeschluss (§ 293 AktG; §§ 125, 128 und 13 UmwG) zusätzlich einer Inhaltskontrolle unterliegt. Ganz überwiegend wird diese Frage heute verneint (s. Rdnr. 62). Jenseits dieser Fälle ist davon auszugehen, dass jedenfalls die laufende Beteiligungsverwaltung bei der GmbH grundsätzlich Sache der Geschäftsführung ist (§§ 35 ff.)3. Jedoch müssen die Geschäftsführer dabei die Schranken beachten, die die Grundlagenkompetenz der Gesellschafter sowie Gegenstand und Zweck der Gesellschaft ihrer Geschäfts1 Zu diesen Gefahren s. Emmerich/Habersack, Kommentar, Vor § 311 AktG Rdnr. 31 ff.; Henssler, in: FS Zöllner Bd. I, S. 203; Jungkurth, Konzernleitung, S. 24 ff. 2 Zutreffend Mülbert, Aktiengesellschaft, Unternehmensgruppe und Kapitalmarkt, 1995, S. 463, 471 ff. 3 S. 10. Aufl., § 37 Rdnr. 17, 64 ff.; OLG Koblenz, NJW-RR 1991, 487, 488.

Emmerich

817

Anhang § 13

GmbH-Konzernrecht

führungsbefugnis ziehen1. Folglich sind ihnen der Erwerb oder die Veräußerung von Beteiligungen grundsätzlich nur erlaubt, wenn sie dem Gesellschaftervertrag entsprechen, durch Zweck und Gegenstand der Gesellschaft gedeckt sind und durch diese Vorgänge außerdem nicht in die Zuständigkeit der Gesellschafter für die grundlegenden Entscheidungen über die Geschäftspolitik eingegriffen wird. Andernfalls bedürfen die Geschäftsführer der vorherigen Zustimmung der Gesellschafter, und zwar mit qualifizierter Mehrheit, wenn durch die fraglichen Maßnahmen der Sache nach der Zweck oder der Gegenstand der Gesellschaft geändert wird (§ 53). 61

Über diese Grundsätze besteht im Grundsatz Einigkeit2. Zahlreiche Details sind jedoch nach wie vor offen. Hervorzuheben sind die folgenden Punkte: Zunächst geht es um die Frage, ob hier eine Bagatellgrenze anzuerkennen ist, jenseits derer für eine Konzernbildungskontrolle kein Raum mehr ist3. Im Schrifttum wurden dafür eine Zeitlang unterschiedliche Beträge zwischen 5 % und 50 %, bezogen noch dazu auf unterschiedliche Parameter wie Vermögen, Umsatz und dergleichen mehr genannt. Allen diesen Versuchen letztlich zur Ausdehnung der Holzmüller-Doktrin hat der BGH jedoch in den beiden Gelatine-Urteilen für die AG eine klare Absage erteilt4. Um eine ungeschriebene Hauptversammlungszuständigkeit bei der AG annehmen zu können, muss die fragliche Maßnahme danach vielmehr ungefähr 75 bis 80 % des Vermögens der AG betreffen5. Auf die GmbH mit ihrer ganz anderen Struktur und der prinzipiellen Allzuständigkeit der Gesellschafterversammlung lässt sich diese Rechtsprechung indessen wohl nicht übertragen; hier bleibt es vielmehr dabei, dass die Geschäftsführer der Gesellschafterversammlung alle Maßnahmen mit außergewöhnlichem Charakter einschließlich eben solcher der Gruppenbildung und Gruppenumbildung zur Beschlussfassung vorlegen müssen (§ 49 Abs. 2)6.

62

Die zweite immer noch ungeklärte Frage geht dahin, ob der Zustimmungsbeschluss der Gesellschafter zusätzlich zum Schutze der Minderheit einer Inhaltskontrolle zu unterwerfen ist7. Der Sache nach kann es dabei aber um nicht mehr als um eine Missbrauchskontrolle gehen, wie sie immer möglich ist. Hinzuweisen bleibt noch darauf, dass die vorstehend entwickelten Grundsätze auch und gerade für die Gründung von Tochtergesellschaften gelten, soweit nicht die Sonderregelungen des UmwG eingreifen.

1 S. 10. Aufl., § 37 Rdnr. 5, 10, 65; BGH, LM Nr. 7 zu § 37 GmbHG = NJW 1991, 1681 = GmbHR 1991, 197 = AG 1991, 235, 236; OLG Koblenz, NJW-RR 1991, 487, 488; ausführlich Jungkurth, Konzernleitung, S. 27 ff.; Tieves, Unternehmensgegenstand, S. 268 ff. 2 10. Aufl., § 37 Rdnr. 64b; Casper, in: Ulmer, Rdnr. 69; Emmerich/Habersack, Kommentar, § 318 AktG Anh. Rdnr. 50 f.; Henssler, in: FS Zöllner Bd. I, S. 203, 211 f.; Jungkurth, Konzernleitung, S. 27 ff.; Liebscher, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 960 ff. 3 S. Henssler, in: FS Zöllner Bd. I, S. 203, 213 f. 4 BGHZ 159, 30, 45 f., 47 = NJW 2004, 1860 = AG 2004, 384; BGH, NZG 2004, 575 = ZIP 2004, 1001. 5 S. Emmerich/Habersack, Konzernrecht, § 9 Rdnr. 19 ff. (S. 123 ff.). 6 Emmerich/Habersack, Konzernrecht, § 9 Rdnr. 9 f. (S. 118 f.). 7 Dafür Koppensteiner, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 47; – dagegen Casper, in: Ulmer, Rdnr. 70.

818

Emmerich

GmbH-Konzernrecht

Anhang § 13

3. Konzernklauseln Wegen der geschilderten Schranken für die Beteiligungsverwaltung der Ge- 63 schäftsführer (oben Rdnr. 60 ff.) haben so genannte Ermächtigungs-, Konzernierungs-, Satzungs- oder Konzernklauseln Verbreitung gefunden. Man versteht darunter Bestimmungen im Gesellschaftsvertrag, nach denen die Gesellschaft grundsätzlich befugt sein soll, Tochtergesellschaften zu erwerben und Konzerne aufzubauen. In den beiden bereits mehrfach erwähnten Gelatine-Urteilen hat der BGH indessen solchen Klauseln, soweit nach der Holzmüller-Doktrin bei der AG eine ungeschriebene Zuständigkeit der Hauptversammlung anzunehmen ist, jede Bedeutung abgesprochen; ohne Rücksicht auf die Konzernklausel ist in diesem Bereich vielmehr stets eine Zustimmung der Hauptversammlung mit qualifizierter Mehrheit erforderlich1. Für die GmbH ist daraus zumindest der Schluss zu ziehen, dass Konzernklauseln grundsätzlich ganz restriktiv zu handhaben sind, so dass, wie immer im Übrigen die Klausel formuliert sein mag, bei strukturändernden außergewöhnlichen Maßnahmen der Gruppenbildung oder -umbildung die Gesellschafterversammlung mit qualifizierter Mehrheit zustimmen muss (§ 53) und dass es sich in allen sonstigen Fällen der Konzernbildung durchweg um außergewöhnliche Maßnahmen im Sinne des § 49 Abs. 2 handelt, die zwingend der Gesellschafterversammlung vorzulegen sind2. Die Gesellschafter können eine solche Vorlegung auch selbst erzwingen (§ 50 Abs. 1) und dann durch entsprechende Weisungsbeschlüsse in die Beteiligungsverwaltung eingreifen. Vor allem in diesem Zusammenhang kommt dem Auskunfts- und Einsichtsrecht der Gesellschafter (§ 51a) zentrale Bedeutung zu.

4. Rechtsfolgen Die Rechtsinstitute zum Schutze der Minderheit gegen die ihr von einer Kon- 63a zernbildung drohenden Gefahren (oben Rdnr. 60 ff.) finden ihre Grundlage letztlich in der Treuepflicht der Gesellschaft gegenüber den Gesellschaftern. Für die Rechtsfolgen bei einer Übergehung der Mitwirkungsrechte der Gesellschafter bei Konzernbildungsmaßnahmen folgt daraus, dass die Gesellschafter in erster Linie, soweit noch möglich (§ 275 Abs. 1 BGB), Unterlassung und Beseitigung durch Rückgängigmachung der Maßnahmen verlangen können (§§ 242, 249, 280 Abs. 1, 823 Abs. 1, 1004 BGB)3. Dagegen wird die Wirksamkeit der fraglichen Maßnahmen im Außenverhältnis durch die Verletzung der Zuständigkeit der Gesellschafter grundsätzlich nicht berührt, soweit nicht ein Missbrauch der Vertretungsmacht vorliegt (§ 37 Abs. 2). Hilfsweise kommen Schadensersatzansprüche gegen die Gesellschaft sowie auch gegen die Geschäftsführer in Betracht (§ 43 Abs. 2). Zur Durchsetzung ihrer Rechte hat die Minderheit das Auskunftsrecht des § 51a sowie das Recht, die Einberufung der Gesellschafterversammlung zu verlangen (§ 50). Von Fall zu Fall sind schließlich auch Unterlassungs1 BGHZ 159, 30, 45 f. = NJW 2004, 1860 = AG 2004, 384; BGH, NZG 2004, 575 = ZIP 2004, 1001. 2 Casper, in: Ulmer, Rdnr. 69; Henssler, in: FS Zöllner Bd. I, S. 203, 216; Jungkurth, Konzernleitung, S. 42 ff.; Liebscher, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 978 ff.; Raiser/Veil, Kapitalgesellschaften, § 68 Rdnr. 35. 3 BGHZ 83, 122, 127 = NJW 1982, 1703 = AG 1982, 158 = ZIP 1982, 568 – „Holzmüller“; LG Stuttgart, AG 1992, 236, 237 f.

Emmerich

819

Anhang § 13

GmbH-Konzernrecht

und Schadensersatzansprüche gegen die Mehrheitsgesellschafter in der herrschenden Gesellschaft denkbar, wenn sie in dem genannten Sinne von ihrem Einfluss auf die Geschäftsführer zum Schaden der Minderheit Gebrauch gemacht haben1.

IV. Konzernleitungskontrolle Konzernleitungspflicht 64

1. Bei der Konzernleitungskontrolle hat man in erster Linie Maßnahmen der Verwaltung der herrschenden Gesellschaft im Rahmen bereits bestehender Unternehmensverbindungen im Auge (s. schon oben Rdnr. 59 f.). Beispiele sind die Zusammenfassung abhängiger Gesellschaften in einem von der herrschenden Gesellschaft geführten Konzern (§ 18 Abs. 1 AktG) sowie insbesondere die Ausübung der der herrschenden Gesellschaft aufgrund ihrer Beteiligung bei den abhängigen Gesellschaften zustehenden Rechte. Besonderes Gewicht haben dabei neben der Veräußerung von Töchtern die Entscheidungen über die Gewinnverwendung, über die Beteiligung Dritter an solchen Gesellschaften, insbesondere im Rahmen von Kapitalerhöhungen, sowie über den Abschluss von Unternehmensverträgen auf der Ebene der abhängigen Gesellschaften. Wegen der von derartigen Maßnahmen den Gesellschaftern der herrschenden Gesellschaft drohenden Gefahren erstreckt sich zunächst deren Auskunfts- und Einsichtsrecht ausnahmslos auf die fraglichen Maßnahmen bei den abhängigen Gesellschaften, weil deren Angelegenheiten zugleich solche der herrschenden Gesellschaft im Sinne des § 51a Abs. 1 sind2. Bereits dadurch wird den Gesellschaftern der herrschenden GmbH eine weitgehende Kontrolle der Beteiligungsverwaltung ermöglicht.

64a

Sodann ist zu bedenken, dass der Erwerb abhängiger Gesellschaften nichts an der Kompetenzordnung in der herrschenden Gesellschaft ändert. Sämtliche grundlegenden Entscheidungen der Konzernpolitik fallen daher wegen ihrer notwendigen Rückwirkungen auf die herrschende Gesellschaft – im Gegensatz zur laufenden Konzernverwaltung – weiterhin in die Zuständigkeit der Gesellschafterversammlung der herrschenden Gesellschaft (10. Aufl., § 37 Rdnr. 65). Von der laufenden Konzernverwaltung müssen ferner alle weitreichenden Entscheidungen und Maßnahmen bei den Tochtergesellschaften unterschieden werden, die ebenfalls Rückwirkungen auf die herrschende Gesellschaft haben können (10. Aufl., § 37 Rdnr. 66 f.). Bei derartigen Entscheidungen und Maßnahmen sind daher die Geschäftsführer der herrschenden Gesellschaft gleichfalls von sich aus zur Vorlage an die Gesellschafter verpflichtet (§ 49 Abs. 2). Denn auch die Billigung von Unternehmensverbindungen durch die Gesellschafter (oben Rdnr. 60 ff.) ändert nichts daran, dass sich die Geschäftsführungsbefugnis der Geschäftsführer grundsätzlich auf die laufenden oder gewöhnlichen Geschäfte beschränkt, während zu darüber hinausgehenden Geschäften die Zustimmung der Gesellschafter erforderlich ist und bleibt (§ 116 HGB analog). Dies gilt auch für die Beteiligungsverwaltung3. Dabei beurteilt sich aus der Sicht der Oberge1 S. Henssler, in: FS Zöllner, Bd. I, S. 203, 216; M. Winter, Treuebindungen, S. 306 ff. 2 S. 10. Aufl., § 51a Rdnr. 20; Liebscher, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 1050 ff. 3 S. 10. Aufl., § 37 Rdnr. 66 f.; BGH, LM Nr. 7 zu § 37 GmbHG = NJW 1991, 1681 = GmbHR 1991, 197 = AG 1991, 235, 236; OLG Frankfurt a.M., AG 1988, 335; ausführlich Liebscher, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 1053 ff.

820

Emmerich

GmbH-Konzernrecht

Anhang § 13

sellschaft (und nicht aus der der Tochtergesellschaften), ob eine Maßnahme bei den Tochtergesellschaften außergewöhnlichen Charakter trägt (s. 10. Aufl., § 37 Rdnr. 66 f.). Beispiele für danach im Zweifel zustimmungspflichtige Maßnahmen oder Entscheidungen bei Tochtergesellschaften sind Kapitalerhöhungen, der Abschluss von Unternehmensverträgen, die Beteiligung Dritter und die Veräußerung wesentlicher Vermögensteile der Töchter1. 2. Von der Frage der Konzernleitungskontrolle (oben Rdnr. 64 f.) ist die Frage der 64b Konzernleitungspflicht zu trennen. Man versteht darunter die im Schrifttum gelegentlich befürwortete Verpflichtung der Verwaltung der herrschenden Gesellschaft, von den Rechten der herrschenden Gesellschaft in abhängigen Gesellschaften auch tatsächlich im Sinne einer umfassenden Konzernbildung unter ihrer Leitung Gebrauch zu machen2. Von der überwiegenden Meinung wird bisher solche Konzernleitungspflicht der herrschenden Gesellschaft – mit guten Gründen – abgelehnt. Gegen sie spricht vor allem der grundsätzlich unerwünschte konzentrationsfördernde Effekt, der von einer derartigen Pflicht mit Notwendigkeit ausginge3.

D. Faktischer Konzern Schrifttum: Altmeppen, Abschied vom „qualifiziert faktischen Konzern“, 1991; M. Becker, Der Austritt aus der GmbH, 1985, S. 126 ff.; Emmerich, Der heutige Stand der Lehre vom GmbH-Konzernrecht, AG 1987, 1; Emmerich, Nachlese zum Autokran-Urteil des BGH zum GmbH-Konzernrecht, GmbHR 1987, 213; Emmerich/Habersack, Konzernrecht, 9. Aufl. 2008, § 30 (S. 469 ff.); Emmerich/Habersack, Kommentar, 6. Aufl. 2010, § 318 AktG Anh. Rdnr. 22 ff. (S. 698 ff.); Fr. Jungkurth, Konzernleitung bei der GmbH, 2000, S. 117 ff.; Rodewald, Der GmbH-Konzern, in: GmbH-Handbuch, Rdnr. I 2821–2891; Tröger, Treupflicht im Konzernrecht, 2000.

I. Überblick Im Anschluss an die aktienrechtliche Regelung unterscheidet man üblicherwei- 65 se je nach der Intensität der Unternehmensverbindung zwischen einfachen Abhängigkeitsverhältnissen und Konzernen sowie innerhalb der Konzerne weiter zwischen Vertragskonzernen (und hier nicht interessierenden Eingliederungskonzernen) auf der einen Seite und faktischen Konzernen auf der anderen Seite. Abgrenzungsmerkmal zwischen den verschiedenen Konzernformen ist, ob die einheitliche Leitung der verbundenen Unternehmen i.S. des § 18 Abs. 1 AktG auf einem Beherrschungsvertrag oder unabhängig davon allein auf dem beherrschenden Einfluss des herrschenden Unternehmens beruht. Das Haftungssystem ist in den verschiedenen Abhängigkeits- und Konzernformen ganz unterschiedlich (vgl. einerseits §§ 300, 308 und 321 ff. AktG sowie andererseits §§ 311 ff. AktG). Deshalb ist es auch im GmbH-Konzernrecht üblich geworden, unter haftungsrechtlichen Gesichtspunkten vor allem zwischen faktischen Konzernen und Vertragskonzernen zu unterscheiden, wobei „faktischer Konzern“ pars pro toto für einfache Abhängigkeitsverhältnisse und Konzerne i.S. des § 18 1 S. außer den Genannten (vorige Fn.) insbesondere noch Lutter/Leinekugel, ZIP 1998, 225, 231 f.; Liebscher, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 1059 ff. 2 Hommelhoff, Konzernleitungspflicht, 1982, passim; Jungkurth, Konzernleitung, S. 51 ff. 3 Statt aller Liebscher, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 1075 ff. m.N.

Emmerich

821

Anhang § 13

GmbH-Konzernrecht

Abs. 1 AktG steht. Der Grund dafür ist, dass diese beiden Formen von Unternehmensverbindungen im GmbH-Konzernrecht haftungsrechtlich grundsätzlich gleichbehandelt werden. Eine Sonderrolle spielten dagegen früher die so genannten qualifizierten faktischen Konzerne (unten Rdnr. 91 ff.), deren Besonderheit in erster Linie darin gesehen wurde, dass die abhängige Gesellschaft derart umfassend in den Konzern des herrschenden Unternehmens eingegliedert wird, dass die einzelnen Einflussmaßnahmen des herrschenden Unternehmens nicht mehr isoliert werden können. 66

Unternehmensverbindungen unter Beteiligung einer abhängigen GmbH sind offenbar in der Mehrzahl der Fälle „faktische Konzerne“ in dem genannten umfassenden Sinne (Rdnr. 65). Die Ursache hierfür hat man wohl in erster Linie in der von der AG abweichenden Zuständigkeitsordnung der GmbH zu suchen, die zur Folge hat, dass in der GmbH die Mehrheitsherrschaft über die Gesellschafterversammlung nahezu total ist (§§ 37 Abs. 1, 45, 46). Des Abschlusses eines Beherrschungsvertrages bedarf es zu solcher Herrschaft daher anders als bei der AG (s. § 76 AktG) grundsätzlich nicht. Wenn gleichwohl Beherrschungsverträge, meistens in Gestalt eines Organschaftsvertrages, auch mit abhängigen Gesellschaften in der Rechtsform einer GmbH abgeschlossen wurden, so wohl vorwiegend aus steuerlichen Gründen, da früher der Abschluss eines Beherrschungsvertrages die Erfüllung der Voraussetzungen der gewerbe- und körperschaftsteuerlichen Organschaft erleichterte, weil dann nämlich ohne weiteres von der erforderlichen wirtschaftlichen Eingliederung der Organgesellschaft in den Organträger auszugehen war (§§ 14, 17 KStG a.F.). Seit der Änderung des § 14 KStG durch das Steuervergünstigungsabbaugesetz von 20031 ist jedoch die wirtschaftliche Eingliederung als Voraussetzung der Organschaft entfallen, so dass, jedenfalls aus steuerlicher Sicht, der Abschluss von Beherrschungsverträgen nicht mehr nötig oder auch nur sinnvoll ist, um die Vorteile der körperschaft- und gewerbesteuerlichen Organschaft in Anspruch nehmen zu können.

67

Über die Notwendigkeit besonderer Schutzvorkehrungen zugunsten der Minderheit und der Gläubiger in faktischen GmbH-Konzernen besteht weitgehende Einigkeit, wobei die Akzente zum Teil auf den umfassenden Ausbau der gesetzlichen Minderheitsrechte2, zum Teil – zusätzlich – auf die Entwicklung spezifischer konzernrechtlicher Schutzinstrumente gelegt wird (so die wohl überwiegende Meinung), wobei verschiedene Haftungsmodelle diskutiert werden3. Da diese indessen in der Mehrzahl der Fälle zu übereinstimmenden Ergebnissen gelangen, genügt im vorliegenden Zusammenhang ein kurzer Überblick:

68

Nach überwiegender Meinung ist bei der Haftung des herrschenden Unternehmens für eine nachteilige Einflussnahme auf die abhängige Gesellschaft vorrangig an die (gesteigerte) Treuepflicht des ersteren gleichermaßen gegenüber der 1 BGBl. I 2003, 660. 2 Insbes. Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 132 ff.; Altmeppen, Abschied vom „qualifiziert faktischen Konzern“, 1991; Liebscher, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 324 ff. 3 S. Assmann, in: FS 100 Jahre GmbHG, S. 657, 676 ff.; Emmerich/Habersack, Konzernrecht, § 30 Rdnr. 2 ff. (S. 469 ff.); Liebscher, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 340 ff.; Limmer, Haftungsverfassung, passim; Orth, DStR 1994, 250.

822

Emmerich

GmbH-Konzernrecht

Anhang § 13

abhängigen Gesellschaft wie gegenüber den Mitgesellschaftern anzuknüpfen, aus der seine Verpflichtung abgeleitet wird, bei Maßnahmen in der abhängigen Gesellschaft auf den gemeinsamen Zweck sowie die legitimen Interessen der Mitgesellschafter Rücksicht zu nehmen (s. §§ 242, 705 BGB). Das herrschende Unternehmen macht sich schadensersatzpflichtig, sobald es auf die abhängige Gesellschaft in einer Weise Einfluss nimmt, durch die diese grundlos geschädigt wird oder durch die die Rechte der Mitgesellschafter ohne Not verkürzt werden. Als Haftungsmaßstab wird dabei meistens § 43 entsprechend herangezogen1. Die Möglichkeit einer Abwendung der Haftung durch Nachteilsausgleich entsprechend § 311 AktG wird mit Rücksicht auf die abweichende Haftungskonzeption überwiegend abgelehnt2. Prinzipiell in dieselbe Richtung weist die Herleitung der Haftung des herrschen- 69 den Unternehmens für nachteilige Einflussnahmen auf die abhängige Gesellschaft aus einer Sonderrechtsbeziehung zwischen ihm und der abhängigen Gesellschaft (§§ 242, 276, 280 Abs. 1 BGB)3 oder aus der insbesondere von Uwe H. Schneider4 und M. Lutter5 befürworteten Konzernverschuldenshaftung. Nur noch wenig Anklang hatte dagegen zuletzt die früher häufig diskutierte Organhaftung maßgeblicher Gesellschafter einschließlich des herrschenden Unternehmens analog § 43 Abs. 26 oder die Analogie zu den §§ 311 bis 318 AktG gefunden7. Auf derselben Linie wie die überwiegende Meinung (oben Rdnr. 68) bewegt sich, 70 jedenfalls im Kern, die Rechtsprechung, seitdem der BGH in dem so genannten ITT-Urteil vom 5.6.19758 erstmals aus der Möglichkeit der Mehrheit, durch Einflussnahme auf die Geschäftsführung der abhängigen Gesellschaft die Interessen der Mitgesellschafter zu beeinträchtigen, die Pflicht der Mehrheit abgeleitet hatte, dabei auf die Interessen der Minderheit die gebotene Rücksicht zu nehmen. Seitdem hält die Rechtsprechung daran fest, dass Grundlage des Minderheiten1 Monopolkommission, 7. Hauptgutachten, Rdnr. 864; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 140; Casper, in: Ulmer, Rdnr. 73, 76 ff.; Emmerich/Habersack, Konzernrecht, § 30 Rdnr. 7 ff. (S. 471 ff.); Liebscher, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 346 ff.; Lutter, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 20 f.; Koppensteiner, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 74 ff.; Orth, DStR 1994, 250; Servatius, in: Michalski, Rdnr. 401 f.; Thöni, GesRZ 1987, 92, 126; Wiedemann, Unternehmensgruppe, S. 77 ff.; M. Winter, Treuebindungen, S. 113 ff. 2 Casper, in: Ulmer, Rdnr. 73; Koppensteiner, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 74; Servatius, in: Michalski, Rdnr. 401 ff.; Karsten Schmidt, GesR, § 39 III 2b (S. 1221); s. auch unten Rdnr. 75. 3 Limmer, Haftungsverfassung, S. 64 ff.; ähnlich Karsten Schmidt, GesR, § 39 III 2c (S. 1222). 4 Uwe H. Schneider, ZGR 1980, 511 (532). 5 M. Lutter, ZGR 1982, 244, 265 ff.; M. Lutter, ZIP 1985, 425; M. Lutter, ZGR 1987, 324, 362 ff.; M. Lutter, in: GS Knobbe-Keuk, 1997, S. 229, 242 ff. 6 J. Wilhelm, Rechtsform und Haftung bei der juristischen Person, 1981, S. 253, 326, 352 ff.; J. Wilhelm, DB 1986, 2113; ebenso offenbar Geitzhaus, GmbHR 1989, 397, 403 f.; Konzen, NJW 1989, 2977, 2985 f.; U. Stein, Das faktische Organ, 1984, S. 155, 183 ff. 7 Dafür Kropff, in: FS Kastner, 1992, S. 279, 296 ff.; Rowedder, in: Hommelhoff, Entwicklungen im GmbH-Konzernrecht, S. 20 ff. 8 BGHZ 65, 15, 18 ff. = (vollständiger) WM 1975, 1152 = NJW 1976, 191 = AG 1976, 16 = GmbHR 1975, 269.

Emmerich

823

Anhang § 13

GmbH-Konzernrecht

schutzes im einfachen faktischen GmbH-Konzern ein umfassendes Schädigungsverbot für die Mehrheit ist, das seine Grundlage in erster Linie in der Treuepflicht der Mehrheit gegenüber der Gesellschaft und den Mitgesellschaftern findet und bei dessen Verletzung die Mehrheit analog § 43 der abhängigen Gesellschaft schadensersatzpflichtig ist (s. unten Rdnr. 71 ff.).

II. Schädigungsverbot 1. Inhalt 71

Die gesteigerte Treuepflicht des herrschenden Unternehmens in Abhängigkeitsverhältnissen (oben Rdnr. 68, 70) ist letztlich die Konsequenz der Gefahren, die im Regelfall mit der Abhängigkeit einer Gesellschaft von einem anderen Unternehmen verbunden sind. Aus der Treuepflicht ergibt sich daher hier vor allem ein umfassendes Verbot jeder schädigenden Einflussnahme auf die abhängige Gesellschaft, bei dessen Verletzung als Rechtsfolgen in erster Linie an Unterlassungs- und Schadensersatzansprüche der abhängigen Gesellschaft zu denken ist (§§ 242, 249, 276 Abs. 1, 280 Abs. 1 und 705 BGB; s. unten Rdnr. 85 ff.). Gleichsam „klassische“ Beispiele für derartige Schädigungen sind Konzernumlagen ohne entsprechende Gegenleistungen des herrschenden Unternehmens sowie die Benachteiligung der abhängigen Gesellschaft bei der Festsetzung von Konzernverrechnungspreisen (unten Rdnr. 80 ff.).

72

Keine Rolle spielt, in welcher Form sich die Einflussnahme des herrschenden Unternehmens auf die abhängige Gesellschaft vollzieht1. Einwirkungen auf die Geschäftsführer im Rahmen der gesetzlichen Zuständigkeitsordnung über Beschlüsse der Gesellschafterversammlung (§ 46 Nr. 6) unterliegen ebenso wie direkte Weisungen unter Umgehung der Gesellschafterversammlung der besonderen Treuebindung des herrschenden Unternehmens2. Nur wenn sämtliche Mitgesellschafter der fraglichen Maßnahme zustimmen, entfallen die sich aus der Treuepflicht gegenüber den Mitgesellschaftern ergebenden Schranken, so dass dann nur noch § 30 sowie das Verbot existenzvernichtender Eingriffe als unübersteigbare Hürde für eine schädigende Einflussnahme des herrschenden Unternehmens übrig bleiben3. Ebenso verhält es sich im Ergebnis bei Einpersonengesellschaften (s. unten Rdnr. 90).

73

Für die Frage, wann die Einflussnahme des herrschenden Unternehmens auf die abhängige Gesellschaft zu einer Schädigung der letzteren führt, kann an die zu den §§ 311 und 317 AktG entwickelten Maßstäbe angeknüpft werden, weil der Gesetzgeber mit diesen Vorschriften zum Ausdruck gebracht hat, wie eine abhängige Gesellschaft zum Schutze der Gesellschafter und der Gläubiger gegen

1 Liebscher, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 361. 2 BGHZ 65, 15, 18 ff. = GmbHR 1975, 269 = NJW 1976, 191 – „ITT“; BGHZ 80, 69, 74 ff. = GmbHR 1981, 189 = AG 1981, 225 = NJW 1981, 1512 – „Süssen“; BGHZ 89, 162, 166 ff. = NJW 1984, 1351 = GmbHR 1984, 203 – „Heumann/Ogilvy“; BGHZ 95, 330, 340 = NJW 1986, 188 = GmbHR 1986, 78 = AG 1986, 15 – „Autokran“; BGHZ 115, 187, 193 = NJW 1991, 3142 = GmbHR 1991, 520 = AG 1991, 429 – „Video“; BGH, LM Nr. 46 zu § 105 HGB = GmbHR 1979, 246 = AG 1980, 47 = NJW 1980, 231 – „Gervais“. 3 Eschenbruch, Konzernhaftung, Rdnr. 3366 (S. 261 f.).

824

Emmerich

GmbH-Konzernrecht

Anhang § 13

die Gefahren der Abhängigkeit zu führen ist1. Maßgeblich ist also, ob der pflichtbewusste und ordentliche Geschäftsführer einer unabhängigen Gesellschaft, der sich allein am Interesse der Gesellschaft und ihrer Gesellschafter orientiert, die fragliche Maßnahme gleichfalls vorgenommen oder wegen ihrer Risiken für die abhängige Gesellschaft unterlassen hätte2. Dasselbe Ergebnis folgt wohl aus der statt dessen vielfach befürworteten Ana- 74 logie zu § 433. Auch § 43 Abs. 3 mit seinen besonderen Vorkehrungen zum Schutze des Stammkapitals kann hier angewandt werden (str.). Im Ergebnis darf mithin das herrschende Unternehmen die abhängige Gesellschaft zu keinen Maßnahmen veranlassen, die nicht mit den sich aus § 43 GmbHG und § 317 AktG ergebenden Maßstäben für die ordentliche Geschäftsführung in einer unabhängigen Gesellschaft vereinbar sind. Verstößt das herrschende Unternehmen bei seiner Einflussnahme auf die ab- 75 hängige Gesellschaft gegen die genannten Pflichten insbesondere zur Wahrung der Unabhängigkeit der abhängigen Gesellschaft (oben Rdnr. 73 f.), so greifen als Rechtsfolgen in erster Linie Unterlassungs- und Schadensersatzansprüche der abhängigen Gesellschaft ein (s. im Einzelnen unten Rdnr. 85 ff.). Eine Abwendung der Schadensersatzpflicht durch Nachteilsausgleich entsprechend § 311 AktG kommt grundsätzlich nicht in Betracht (oben Rdnr. 68).

2. Anwendungsbereich a) Das Schädigungsverbot trifft das herrschende Unternehmen grundsätzlich in jedem Abhängigkeitsverhältnis, solange sich noch einzelne Einflussnahmen und ihre nachteiligen Auswirkungen auf die abhängige Gesellschaft isolieren lassen, daher insbesondere auch in den früher so genannten qualifizierten faktischen Konzernen4. Immer machen das herrschende Unternehmen treuwidrige, isolierbare, schädigende Einzeleingriffe ersatzpflichtig. Ausnahmen gelten lediglich bei Zustimmung aller Gesellschafter (oben Rdnr. 72) sowie in Einpersonengesellschaften (unten Rdnr. 90).

76

b) In mehrstufigen Abhängigkeitsverhältnissen obliegt das Schädigungsverbot 77 der Muttergesellschaft nicht nur gegenüber der Tochtergesellschaft, sondern ebenso gegenüber der Enkelgesellschaft, selbst wenn sie nicht unmittelbar an der letzteren beteiligt ist. Die Begründung bereitet zwar gewisse Schwierigkeiten, wenn man die Treuepflicht aus dem Gesellschaftsvertrag herleitet; das Ergebnis ist indessen außer Streit, und zwar zu Recht, weil die Muttergesellschaft in einer mehrstufigen Unternehmensverbindung schwerlich nur deshalb zusätzliche Rechte gegenüber einer Enkelgesellschaft erwerben kann, weil sie auf eine unmittelbare Beteiligung an der Enkelgesellschaft verzichtet und sich statt des1 Liebscher, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 362; Beispiele s. unten Rdnr. 80 ff. 2 BGHZ 141, 72, 84 ff. = NJW 1999, 1706 = AG 1999, 372 = ZIP 1999, 708; Emmerich/Habersack, Kommentar, § 311 AktG Rdnr. 39, 46 ff. 3 Lutter, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 22; Koppensteiner, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 77. 4 Cahn, ZIP 2001, 2159; Deilmann, Entstehung, S. 147 ff.; Konzen, NJW 1989, 2977, 2986; Stimpel, ZGR 1991, 144, 159 f.; Ziegler, Gebrauchsüberlassungsverhältnisse, S. 211 f.

Emmerich

825

Anhang § 13

GmbH-Konzernrecht

sen der (treuepflichtgebundenen) Einflussmöglichkeiten ihrer Tochter auf die Enkelgesellschaft bedient1. 78

c) In internationalen Unternehmensverbindungen, d.h. bei grenzüberschreitenden Abhängigkeitsverhältnissen, hängt die Anwendbarkeit des deutschen Rechts und damit der oben entwickelten Schutzinstrumente zugunsten der abhängigen Gesellschaft in erster Linie davon ab, in welcher Rolle jeweils die deutsche und die ausländische Gesellschaft beteiligt sind. Für die Anwendung des deutschen Konzernrechts, verstanden als Schutzrecht zugunsten der abhängigen Gesellschaft, ist grundsätzlich nur Raum, wenn die deutsche Gesellschaft an der internationalen Unternehmensverbindung gerade in der Rolle der abhängigen Gesellschaft beteiligt ist, während die Nationalität des herrschenden Unternehmens keine Rolle spielt2.

79

Anders ist die Rechtslage, wenn die deutsche Gesellschaft an der internationalen Unternehmensverbindung in der Rolle des herrschenden Unternehmens beteiligt ist. In diesem Fall finden lediglich diejenigen konzernrechtlichen Regeln Anwendung, die wie etwa § 71b AktG die Verhältnisse inländischer Obergesellschaften regeln3, während sich die Rechtsverhältnisse der ausländischen abhängigen Gesellschaft nach ihrem Personalstatut richten4.

3. Beispiele 80

In der Frage, wann die Einflussnahme des herrschenden Unternehmens auf die abhängige Gesellschaft zu deren Schädigung führt, ist im GmbH-Konzernrecht grundsätzlich von denselben Maßstäben wie im Aktienkonzernrecht auszugehen (§ 43 GmbHG; § 317 Abs. 2 AktG; s. oben Rdnr. 73). Wegen der Einzelheiten kann daher auf die Ausführungen zu den §§ 311 und 317 AktG verwiesen werden5. Die wichtigsten Fallgruppen, in denen hiernach typischerweise mit einer Schädigung der abhängigen Gesellschaft zu rechnen ist, sind nachteilige Umsatzgeschäfte, einseitige Maßnahmen der Konzernfinanzierung, Konzernumlagen ohne echte Gegenleistung, organisatorische Maßnahmen und sonstige Strukturveränderungen, die der abhängigen Gesellschaft zum Nachteil gereichen, sowie Wettbewerbsmaßnahmen des herrschenden Unternehmens oder anderer Konzernunternehmen, durch die in den Kundenstamm und die Märkte der abhängigen Gesellschaft eingegriffen wird6:

1 Assmann, in: FS 100 Jahre GmbHG, S. 657, 708 ff.; Casper, in: Ulmer, Rdnr. 74; Kleindiek, Strukturvielfalt, S. 258 ff.; Liebscher, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 356; Limmer, Haftungsverfassung, S. 68 ff.; Rehbinder, ZGR 1977, 581, 637 ff.; Stimpel, AG 1986, 117; Stimpel, in: Hommelhoff, Entwicklungen, S. 39, 41 f.; Tröger, Treupflicht, S. 37 ff. 2 Ebenso (freilich ohne Begründung) BGHZ 65, 15 = NJW 1976, 191 = GmbHR 1975, 269 = AG 1976, 16 – „ITT“; BGH, ZIP 2005, 250, 251 (r.Sp. unten) = GmbHR 2005, 299 = NZG 2005, 214 – „Handelsvertreter“; Rodewald, in: GmbH-Handbuch, Rdnr. I 2869. 3 OLG Frankfurt a.M., AG 1988, 267, 272. 4 OLG Hamburg, MDR 1976, 402 Nr. 54; Schweiz. BGE 80 II (1954), 53, 59 – „Shell“. 5 S. Emmerich/Habersack, Kommentar, § 311 AktG Rdnr. 46 ff. 6 S. z.B. Casper, in: Ulmer, Rdnr. 77 ff.; Liebscher, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 364 ff.

826

Emmerich

GmbH-Konzernrecht

Anhang § 13

Im Vordergrund des Interesses steht die Benachteiligung der abhängigen Gesell- 81 schaft bei dem konzerninternen Geschäftsverkehr. Beispiele dafür sind die Berechnung unangemessener Konzernverrechnungspreise1, die Inanspruchnahme von Sachen und Rechten der abhängigen Gesellschaft ohne angemessene Gegenleistung sowie die Abordnung qualifizierten Personals der abhängigen Gesellschaft zum herrschenden Unternehmen ohne Gegenleistung2. Ebenso nachteilig können sich einseitige Maßnahmen der Konzernfinanzierung auswirken, durch die die abhängige Gesellschaft benachteiligt wird. Hierher gehören eine Kreditgewährung an das herrschende Unternehmen oder andere Konzernunternehmen ohne angemessene Gegenleistung oder ohne Sicherheiten3, die Aufnahme überteuerter Kredite bei anderen Konzernunternehmen oder die Verpfändung von Aktien der abhängigen Gesellschaft auf Weisung des herrschenden Unternehmens für ein diesem gewährtes Darlehen4. Gleich stehen schließlich verdeckte Gewinnausschüttungen (nur) an das herrschende Unternehmen unter Verstoß gegen § 29 (s. § 29 Rdnr. 115 ff.), insbesondere durch die ungerechtfertigte Belastung der abhängigen Gesellschaft mit so genannten Steuer- oder Konzernumlagen5. Ein besonderes Problem bildet schließlich die Einbeziehung der abhängigen Gesellschaft in ein zentrales Cash-Management-System des herrschenden Unternehmens6. Zwar hat der Gesetzgeber des MoMiG durch die Einfügung des § 30 Abs. 1 Satz 2 die Praktizierung derartiger Systeme wieder erleichtert7. Aber es bleibt doch bei der Anwendbarkeit des Schädigungsverbots, wenn den Beiträgen der abhängigen Gesellschaft keine jederzeit fällige und liquide Gegenforderung gegen das herrschende Unternehmen auf Bereitstellung der nötigen Liquidität gegenübersteht, insbesondere, wenn die Gefahr droht, dass die Ansprüche der abhängigen Gesellschaft durch die Insolvenz anderer Konzernunternehmen gefährdet werden können. Eine weitere häufige Ursache für Schädigungen der abhängigen Gesellschaft zu- 82 gunsten des herrschenden Unternehmens oder anderer Konzernunternehmen sind Strukturveränderungen im Konzern, durch die die abhängige Gesellschaft benachteiligt wird, z.B. die Übertragung des Vertriebs ihrer Produkte auf andere Konzernunternehmen, weil dadurch die abhängige Gesellschaft vom Markt abgeschnitten wird, die Abgabe erfolgversprechender Entwicklungen an andere Konzernunternehmen, die Veranlassung der abhängigen Gesellschaft zu einem nachteiligen Effektenaustausch oder zur Abgabe sonstiger wertvoller Vermögensbestandteile an andere Konzernunternehmen, ihre Veranlassung zu übermäßig riskanten oder spekulativen Geschäften, vor allem, wenn die Vorteile daraus allein dem herrschenden Unternehmen zugute kommen, während die 1 BGHZ 124, 111, 118 = NJW 1994, 520 = AG 1994, 124 – „Vereinigte Krankenversicherung“. 2 OLG Stuttgart, AG 1979, 200, 202. 3 Reich-Rohrwig, GmbH-Recht, S. 572. 4 LG Düsseldorf, AG 1979, 290, 291 f.; OLG Düsseldorf, AG 1980, 273 f. 5 BGHZ 65, 15, 18 ff. = GmbHR 1975, 69 = AG 1976, 16 = NJW 1976, 191 – „ITT“; BGHZ 141, 79, 84 ff. = NJW 1999, 1706 = AG 1999, 372 = ZIP 1999, 708; BGH, NJW-RR 2004, 474 = ZIP 2004, 164 = GmbHR 2004, 258 = AG 2004, 205; s. zu diesen Fällen noch Feddersen, ZGR 2000, 523; Kleindiek, DStR 2000, 559. 6 Ausführlich Liebscher, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 365–401. 7 Vgl. BGHZ 157, 72 = NJW 2004, 1111 = GmbHR 2004, 302.

Emmerich

827

Anhang § 13

GmbH-Konzernrecht

Risiken bei der abhängigen Gesellschaft konzentriert werden, die Sanierung eines anderen Konzernunternehmens auf Kosten der abhängigen Gesellschaft1, die Veräußerung ihres Beteiligungsbesitzes auf Weisung des herrschenden Unternehmens weit unter Wert2, die Übertragung der gesamten Datenverarbeitung der abhängigen Gesellschaft auf ein anderes hierauf spezialisiertes Konzernunternehmen3 sowie die Auflösung der Gesellschaft und die anschließende Übernahme des Gesellschaftsvermögens durch das herrschende Unternehmen unter Verdrängung der anderen Gesellschafter (so genannte übertragende Auflösung)4. Eine letzte Fallgruppe bilden schließlich noch Verstöße seitens der herrschenden Gesellschaft oder anderer Konzernunternehmen gegen ein Wettbewerbsverbot zugunsten der abhängigen Gesellschaft, z.B. durch die Umlenkung von Geschäftschancen der abhängigen Gesellschaft unter Verletzung der Treuepflicht auf das herrschende Unternehmen5 sowie überhaupt jede nicht durch den Gesellschaftsvertrag gedeckte Konkurrenz seitens des herrschenden Unternehmens.

III. Rechtsfolgen 1. Überblick 83

In einem faktischen GmbH-Konzern greifen zunächst sämtliche Rechtsfolgen ein, die die Rechtsordnung an verstreuten Stellen bereits an die Abhängigkeit einer GmbH zu deren Schutz knüpft (s. oben Rdnr. 29). Hervorzuheben sind neben der Konzernvermutung des § 18 Abs. 1 Satz 3 AktG das Verbot der Zeichnung oder des Erwerbs von Anteilen an dem herrschenden Unternehmen (entsprechend den §§ 56 Abs. 2 und 71d Satz 2 AktG), das Verbot der Ausübung des Stimmrechts aus solchen Anteilen (entsprechend den §§ 71b und 71d Satz 4 AktG) sowie insbesondere die Stimmverbote des § 47 Abs. 4 und die Kapitalerhaltungsregeln der §§ 30 bis 32, die heute durchweg entsprechend ihrem Zweck – über ihren Wortlaut hinaus – konzerndimensional angewandt werden. Die Stimmverbote des § 47 Abs. 4 greifen deshalb auch dann ein, wenn einer der Ausschlusstatbestände zwar nicht in der Person des herrschenden Unternehmens, wohl aber in der einer von ihm gleichfalls kontrollierten Gesellschaft verwirklicht ist (s. 10. Aufl., § 47 Rdnr. 107, 163, 165 ff.).

84

Die Position der Minderheit im faktischen GmbH-Konzern wird weiter durch die allgemeinen Minderheitsrechte verstärkt, die ihre zentrale Bedeutung gerade in Abhängigkeitsverhältnissen haben. Die wichtigsten dieser Rechte sind das Auskunfts- und Einsichtsrecht der Minderheit aufgrund der §§ 51a und 51b, das 1 OGH, GesRZ 1982, 256 f. 2 Lutter, in: FS Steindorff, 1990, S. 125, 135 ff. für den Fall – „Deutsche Bank/Feldmühle Nobel AG“. 3 LG Darmstadt, AG 1987, 218, 220; OLG Frankfurt a.M., AG 1988, 109 = DB 1988, 435 – „Opel“; Korth, AG 1987, 193; U. Stein, ZGR 1988, 163. 4 Vgl. zu diesen problematischen Fällen BayObLGZ 1998, 211, 214 ff., 219 = NJW-RR 1999, 1559 = AG 1999, 185, 186 ff. = ZIP 1998, 2002 – „Magna Media Verlag/WKA“; OLG Stuttgart, AG 1994, 411, 412 f.; OLG Stuttgart, AG 1979, 136, 137 f.; BVerfG, AG 2001, 42 = NJW 2001, 279 = ZIP 2000, 1670, alle zu dem Fall „Motometer/Bosch“. 5 BGH, LM Nr. 17 zu § 46 GmbHG = GmbHR 1977, 129; BGH, LM Nr. 11 zu § 13 GmbHG = NJW 1979, 2104 = GmbHR 1979, 89; BGH, WM 1978, 1205.

828

Emmerich

GmbH-Konzernrecht

Anhang § 13

Recht zur Einberufung der Gesellschafterversammlung, um dort gegen die Konzernpolitik des herrschenden Unternehmens gerichtete Weisungen an die Geschäftsführer durchzusetzen (§§ 50, 47 Abs. 4, 46 Nr. 6), wodurch, richtig eingesetzt, die Gefahren der Abhängigkeit für die außenstehenden Gesellschafter bereits erheblich reduziert werden können1, das Anfechtungsrecht gegen Beschlüsse der vom herrschenden Unternehmen majorisierten Gesellschafterversammlung (§ 243 AktG), die Abberufung der Geschäftsführer aus wichtigem Grunde (s. § 38), das Bezugsrecht bei Kapitalerhöhungen (§ 57j), das Recht auf Gewinnbeteiligung (§ 29) sowie das (gesetzlich nicht geregelte) Austrittsrecht aus wichtigem Grunde, das – entgegen einer verbreiteten Meinung2 – den Minderheitsgesellschafter allgemein in Abhängigkeitslagen zugebilligt werden sollte, wenn ihnen ein weiteres Verbleiben in der Gesellschaft nicht mehr zuzumuten ist (§§ 242, 314 BGB)3. Der austretende Gesellschafter hat dann einen Anspruch auf volle Abfindung; gesellschaftsvertragliche Abfindungsbeschränkungen dürften im Zweifel in den hier interessierenden Fallgestaltungen unwirksam sein (§§ 138, 242 BGB)4.

2. Schadensersatz- und Unterlassungsansprüche a) Verstöße des herrschenden Unternehmens gegen das Schädigungsverbot lösen 85 in erster Linie Schadensersatzansprüche der abhängigen Gesellschaft nach den §§ 249 bis 252 BGB aus, sofern das herrschende Unternehmen den Verstoß zu vertreten hat (§§ 31, 276, 278, 280 Abs. 1 BGB). Hat es z.B. Geschäftschancen unter Verstoß gegen seine Treuepflicht an Stelle der Gesellschaft selbst wahrgenommen, so ist es gemäß § 252 BGB zur Herausgabe des dabei erzielten Gewinns verpflichtet5. Dasselbe gilt für zu Unrecht bezogene, verdeckt ausgeschüttete Gewinne. Bei Verstößen gegen das auf der Treuepflicht fußende Wettbewerbsverbot (für das herrschende Unternehmen und die anderen von ihm abhängigen Unternehmen) ist außerdem an die entsprechende Anwendbarkeit des Eintrittsrechts der abhängigen Gesellschaft nach § 113 Abs. 1 HGB zu denken6. In besonders gelagerten Einzelfällen können sich daneben noch Ansprüche aus Geschäftsanmaßung seitens des herrschenden Unternehmens aufgrund des § 687 Abs. 2 BGB ergeben7. Die Beweislast für die Voraussetzungen eines Schadensersatzanspruchs wegen 85a Treuepflichtverletzung (oben Rdnr. 85) trifft an sich denjenigen, der den Scha-

1 Ausführlich Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 132 ff. 2 H.-Fr. Müller, Das Austrittsrecht des GmbH-Gesellschafters, 1996, S. 56 ff.; Koppensteiner, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 88. 3 Rdnr. 126 ff.; ebenso Liebscher, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 342 f; Rodewald, in: GmbH-Handbuch, Rdnr. I 2838. 4 Monopolkommission, 7. Hauptgutachten, Rdnr. 866; M. Becker, Der Austritt aus der GmbH, 1985, S. 132 ff.; Flume, Juristische Person, § 4 IV (S. 126 f., 129); Immenga, Die personalistische Kapitalgesellschaft, S. 303 ff.; Schilling, in: FS Hefermehl, S. 386 ff.; Karsten Schmidt, GmbHR 1979, 121, 131 f.; Verhoeven, GmbH-Konzern-Innenrecht, S. 115 ff. 5 BGH, WM 1978, 1205; BGH, LM Nr. 17 zu § 46 GmbHG = GmbHR 1977, 129. 6 Casper, in: Ulmer, Rdnr. 89; Liebscher, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 443. 7 Liebscher, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 444.

Emmerich

829

Anhang § 13

GmbH-Konzernrecht

densersatzanspruch geltend macht, d.h. in erster Linie also die abhängige Gesellschaft sowie gegebenenfalls die Mitgesellschafter, wenn sie die Ansprüche der Gesellschaft im Wege der actio pro socio verfolgen (s. unten Rdnr. 87). Es liegt jedoch auf der Hand, dass insbesondere die Minderheitsgesellschafter – trotz ihres Auskunfts- und Einsichtsrechts aus § 51a – in aller Regel überfordert sein dürften, wenn man ihnen in vollem Umfang die Darlegungs- und Beweislast für die Voraussetzungen derartiger Schadensersatzansprüche auferlegte, da sie meistens keinen Einblick in die ihren Augen sorgsam verborgenen Konzerninterna haben. Deshalb besteht Übereinstimmung, dass ihnen mit verschiedenen Beweiserleichterungen zu Hilfe gekommen werden muss. Wurde die abhängige Gesellschaft in einer Weise geschädigt, die in erster Linie dem herrschenden Unternehmen oder anderen Konzernunternehmen zugute kommt, so wird deshalb zunächst die Kausalität zwischen der Schädigung und einem etwaigen sorgfaltswidrigen Eingriff des herrschenden Unternehmens vermutet. Auf jeden Fall spricht dann aber der Beweis des ersten Anscheins für solche Einflussnahme. Ist danach von der Kausalität eines Eingriffs für die Schädigung der abhängigen Gesellschaft auszugehen, so findet außerdem § 93 Abs. 2 Satz 2 AktG entsprechende Anwendung, so dass vermutet wird, dass das herrschende Unternehmen den Eingriff auch zu vertreten hat (§ 276 BGB); eine Entlastung dürfte in aller Regel nicht möglich sein1. 86

b) Neben Schadensersatzansprüchen (oben Rdnr. 85) kommen nach § 249 BGB ferner Unterlassungs- und Beseitigungsansprüche der abhängigen Gesellschaft in Betracht, insbesondere auf Widerruf unzulässiger Weisungen oder auf Rückgängigmachung sonstiger schädigender Maßnahmen2. Im Falle der rechtswidrigen Eingliederung der abhängigen Gesellschaft in den Konzern des herrschenden Unternehmens kann sich daraus auch ein Anspruch auf Rückgängigmachung der Konzerneingliederung ergeben3.

87

c) Die genannten Ansprüche (oben Rdnr. 85 f.) stehen an sich der abhängigen Gesellschaft zu, so dass ihre Geltendmachung gemäß § 46 Nr. 8 grundsätzlich einen dahinzielenden Beschluss der Gesellschafterversammlung voraussetzt, bei dem zwar das herrschende Unternehmen nach § 47 Abs. 4 Satz 2 kein Stimmrecht hat. Gleichwohl dürfte häufig, schon mit Rücksicht auf die Abhängigkeit der Geschäftsführer von dem herrschenden Unternehmen, mit großen Schwierigkeiten bei der Verfolgung von Ansprüchen gegen das herrschende Unternehmen zu rechnen sein. Deshalb ist anerkannt, dass daneben – unter im Einzelnen umstrittenen Voraussetzungen – eine Zuständigkeit der Gesellschafter zur Geltendmachung der Ansprüche besteht, weil ein wirksamer Schutz der Minderheit allein auf diese Weise gewährleistet werden kann (actio pro socio oder besser:

1 S. BGH, LM Nr. 46 zu § 105 HGB = NJW 1980, 231 = GmbHR 1979, 246 = AG 1980, 47 – „Gervais“; Baumgartl, Die konzernbeherrschte Personengesellschaft, 1986, S. 140 ff.; Kleindiek, Strukturvielfalt, S. 261 ff.; Liebscher, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 409 ff.; Limmer, Haftungsverfassung, S. 151 ff.; Lutter, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 22. 2 S. Emmerich, AG 1987, 1, 4; Rodewald, in: GmbH-Handbuch, Rdnr. I 2846. 3 Fleck, ZHR 149 (1985), 387, 415 ff.; Schilling, ZHR 140 (1976), 528, 535; Uwe H. Schneider, in: Hommelhoff, Entwicklungen im GmbH-Konzernrecht, S. 121, 129 ff.

830

Emmerich

GmbH-Konzernrecht

Anhang § 13

societate)1. Die Gläubiger der Gesellschaft können zudem die Ansprüche der Gesellschaft pfänden und sich überweisen lassen (§§ 829, 835 ZPO). Daneben verfügen sie noch über eine eigene Zuständigkeit aufgrund der entsprechend anwendbaren §§ 317 Abs. 4 und 309 Abs. 4 AktG (unten Rdnr. 88). Auch daraus folgt eine gewisse „Garantie“ für die Durchsetzung der Ansprüche der Gesellschaft. d) Neben dem herrschenden Unternehmen können sich auch die Geschäfts- 87a führer der abhängigen Gesellschaft nach § 43 schadensersatzpflichtig machen, wenn sie treuwidrige und damit rechtswidrige Weisungen des herrschenden Unternehmens zum Nachteil der abhängigen Gesellschaft befolgen2. Beruht die Weisung freilich auf einem Beschluss der Gesellschafterversammlung, so kommt eine Haftung nur in Betracht, wenn der Beschluss wirksam angefochten wird. Umstritten ist, ob ferner, wiederum neben der Haftung des herrschenden Unternehmens, eine persönliche Haftung der Organmitglieder des herrschenden Unternehmens in Betracht kommt, die für die rechtswidrige Weisungserteilung verantwortlich sind, etwa entsprechend den §§ 309 Abs. 1 und 317 Abs. 3 AktG. Im Schrifttum wird solche Analogie verschiedentlich bejaht, um den Schutz der abhängigen Gesellschaft zu verstärken3. Praktische Bedeutung hat diese besondere Erscheinungsform einer Organhaftung indessen bisher nicht erlangt.

IV. Gläubigerschutz Schrifttum: Drüke, Die Haftung der Mutter- für Schulden der Tochtergesellschaft, 1990; Emmerich, Der heutige Stand der Lehre vom GmbH-Konzernrecht, AG 1987, 1; Emmerich/Habersack, Konzernrecht, 9. Aufl. 2008, § 30 Rdnr. 15 ff. (S. 475 ff.); Limmer, Haftungsverfassung, 1992; Ulmer, Der Gläubigerschutz im faktischen GmbH-Konzern bei Fehlen von Minderheitsgesellschaftern, ZHR 148 (1984), 391; Ulmer, Verlustübernahmepflicht des herrschenden Unternehmens als konzernspezifischer Kapitalerhaltungsschutz, AG 1986, 123; Ulmer, Gläubigerschutz im „qualifizierten“ faktischen GmbH-Konzern, NJW 1986, 1579; S. Wimmer-Leonhardt, Konzernhaftungsrecht, 2004, S. 148 ff.; Ziemons, Die Haftung der Gesellschafter für Einflussnahmen auf die Geschäftsführung der GmbH, 1996.

1 S. oben § 13 Rdnr. 53; BGHZ 65, 15, 21 = GmbHR 1975, 264 = NJW 1976, 191 – „ITT“; BGH, LM Nr. 49 zu § 823 (Bf) BGB = NJW 1969, 1712 = MDR 1969, 909; BGH, LM Nr. 163 zu § 256 ZPO = GmbHR 1990, 343 = AG 1990, 458; BGH, BB 1967, 348 = MDR 1967, 480; BGH, WM 1982, 928 (929); BGH, NJW-RR 1987, 57 = WM 1986, 1201; Assmann, in: FS 100 Jahre GmbHG, S. 657, 681 f.; M. Becker, Verwaltungskontrolle durch Gesellschafterrechte, 1998, S. 595 ff.; Casper, in: Ulmer, Rdnr. 87; von Gerkan, ZGR 1988, 441; Konzen, NJW 1989, 2977, 2984 f.; Lutter, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 26; Koppensteiner, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 79; Liebscher, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 438; Limmer, Haftungsverfassung, S. 138 ff.; Rodewald, in: GmbHHandbuch, Rdnr. I 2847; M. Winter, Treuebindungen, S. 306 ff.; Zöllner, ZGR 1988, 392, 410 f. 2 Liebscher, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 426 ff. 3 Th. Abeltshausers, Leitungshaftung im Kapitalgesellschaftsrecht, 1998; Altmeppen, Die Haftung des Managers im Konzern, 1998, S. 119 ff.; Eschenbruch, Konzernhaftung, Rdnr. 4223 f. (S. 374); – ablehnend die wohl h.M., insbesondere BGHZ 149, 10, 16 f. = NJW 2001, 3622 = GmbHR 2001, 1036 = ZIP 2001, 1874 = AG 2002, 43 „Bremer Vulkan I“; Döser, AG 2003, 406, 412; J. Hoffmann, NZG 2002, 68, 74; Liebscher, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 423 ff.

Emmerich

831

Anhang § 13

GmbH-Konzernrecht

1. Überblick 88

Die Abhängigkeit einer Gesellschaft begründet spezifische Gefahren nicht nur für die abhängige Gesellschaft und deren Gesellschafter, sondern im selben Ausmaß auch für die Gläubiger der abhängigen Gesellschaft, da mit dem Vermögen der abhängigen Gesellschaft ihr Haftungssubstrat hier zusätzlichen Risiken ausgesetzt ist. Gleichwohl sind bisher keine besonderen gläubigerschützenden Rechtsinstitute für den faktischen GmbH-Konzern entwickelt worden, so dass in derartigen Konzernen der Schutz der abhängigen Gesellschaft und ihrer Minderheitsgesellschafter – auf dem Weg über den Bestandsschutz zugunsten der abhängigen Gesellschaft – den gebotenen Gläubigerschutz mitübernehmen müssen, und zwar selbst in Einpersonengesellschaften (Rdnr. 90). Die Gläubiger haben zu diesem Zweck die Möglichkeit, etwaige Schadensersatzansprüche der abhängigen Gesellschaft gegen das herrschende Unternehmen wegen treuwidriger Eingriffe zu pfänden und sich überweisen zu lassen (§§ 829, 835 ZPO). Das Erfordernis eines vorherigen Gesellschafterbeschlusses nach § 46 Nr. 8 entfällt in diesem Fall1. Außerdem ist, wie bereits ausgeführt (oben Rdnr. 87), davon auszugehen, dass die Gläubiger, sofern sie von der abhängigen Gesellschaft, etwa wegen deren Vermögenslosigkeit, keine Befriedigung mehr zu erlangen vermögen, die Ersatzansprüche der Gesellschaft gegen das herrschende Unternehmen entsprechend den §§ 317 Abs. 4 und 309 Abs. 4 Satz 3 AktG auch selbst verfolgen können, und zwar mit dem Antrag auf Leistung an sich selbst2, indessen nur bis zur Deckung ihrer Forderung gegen die Gesellschaft3. Alle diese Ansprüche der Gläubiger sind freilich mit der Schwäche behaftet, dass sie versagen, wenn die Minderheitsgesellschafter das Vorgehen des herrschenden Unternehmens billigen oder doch nachträglich auf Schadensersatzansprüche verzichten (§ 397 BGB). Dieselben Probleme bestehen in Einpersonengesellschaften (s. dazu unten Rdnr. 90).

89

Eigene, d.h. nicht von der abhängigen Gesellschaft abgeleitete Ansprüche der Gläubiger gegen das herrschende Unternehmen kommen nur in Betracht, wenn ausnahmsweise die Voraussetzungen der Durchgriffshaftung erfüllt sind4 oder wenn das herrschende Unternehmen aus einem anderen Rechtsgrund ihnen unmittelbar ersatzpflichtig ist, wobei heute – neben Deliktsansprüchen (§§ 823 Abs. 2 und 826 BGB) – in erster Linie an Ansprüche wegen existenzvernichtender Eingriffe zu denken ist (s. oben § 13 Rdnr. 152 ff.). Solche Ersatzansprüche kommen auch und gerade in Betracht, wenn die Gesellschafter einvernehmlich die abhängige Gesellschaft schädigen oder wenn es sich um Einpersonengesellschaften handelt (unten Rdnr. 90 f.). Für eine entsprechende Anwendung der §§ 302 und 303 AktG ist daneben heute kein Raum mehr.

1 Emmerich/Habersack, Konzernrecht, § 30 Rdnr. 19 (S. 476). 2 Casper, in: Ulmer, Rdnr. 88; Emmerich/Habersack, Kommentar, § 309 AktG Rdnr. 51; Liebscher, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 433. 3 BGHZ 95, 330, 340 = NJW 1986, 188 = GmbHR 1986, 78 = AG 1986, 15 – „Autokran“. 4 S. oben § 13 Rdnr. 90 ff.; Boujong, in: FS Odersky, 1996, S. 739; Th. Raiser, ZGR 1995, 156, 162 ff.; Stimpel, in: FS Goerdeler, 1987, S. 601.

832

Emmerich

GmbH-Konzernrecht

Anhang § 13

2. Insbesondere Einpersonengesellschaften Der Gläubigerschutz knüpft nach dem Gesagten (Rdnr. 88 f.) in der mehrglied- 90 rigen abhängigen Gesellschaft in erster Linie an die Treuepflicht des herrschenden Unternehmens gegenüber der abhängigen Gesellschaft und den Minderheitsgesellschaftern an. Ein derartiges Haftungsmodell versagt indessen mit Notwendigkeit in Einpersonengesellschaften, weil sich hier ein über die §§ 30 und 31 hinausgehender Bestandsschutz der abhängigen Gesellschaft gegenüber ihrem einzigen Gesellschafter nicht oder doch nur schwer konstruieren lässt (s. § 60 Abs. 1 Nr. 2). Gleich stehen Mehrpersonengesellschaften, wenn die Gesellschafter einvernehmlich handeln (oben Rdnr. 88). Deshalb war der Gläubigerschutz in diesen Fällen früher lebhaft umstritten. Wie schon im Einzelnen ausgeführt (oben § 13 Rdnr. 152 ff.), wird der ganze Fragenkreis jedoch nicht mehr konzernspezifisch gelöst. An die Stelle einer etwaigen Konzernhaftung des herrschenden Unternehmens, insbesondere des einzigen Gesellschafters bei Einpersonengesellschaften, ist statt dessen die allgemeine gesellschaftsrechtliche Existenzvernichtungshaftung getreten1.

E. Qualifizierter faktischer Konzern, Existenzvernichtungshaftung Schrifttum: S. oben bei § 13 Rdnr. 152 ff. sowie 10. Aufl., Anh. § 13 Rdnr. 91 und Emmerich/Habersack, Konzernrecht, 9. Aufl. 2008, § 31 (S. 477 ff.).

I. Der qualifizierte faktische Konzern – ein Rückblick 1. Überblick Einpersonengesellschaften sind nicht der einzige Fall, in denen der gebotene 91 Gläubigerschutz auf der Grundlage des herkömmlichen Schutzinstrumentariums in faktischen GmbH-Konzernen nicht mehr gewährleistet ist (s. Rdnr. 90). Für diese in sich sehr unterschiedlichen Fallgestaltungen hatte sich in den siebziger Jahren des letzten Jahrhunderts der plastische Begriff des „qualifizierten faktischen Konzerns“ eingebürgert, der bis zum Jahre 2001 im Mittelpunkt der konzernrechtlichen Diskussion stand, seitdem aber fast völlig wieder „in der Versenkung verschwunden ist“. Gleichwohl soll hier eine kleine Ehrenrettung dieses mittlerweile nahezu verfemten Rechtsinstituts gewagt werden2. Als qualifizierte faktische Konzerne bezeichnete man (ursprünglich) Abhängig- 92 keitsverhältnisse, in denen das auf Einzeleingriff und Schadensersatz wegen Treuepflichtverletzung aufgebaute Haftungssystem (oben Rdnr. 71 ff.) deshalb nicht mehr funktioniert, weil wegen der Breite und Dichte der Einflussnahme des herrschenden Unternehmens auf die abhängige Gesellschaft einzelne Weisungen und deren Auswirkungen nicht mehr isoliert werden können3. Die

1 S. z.B. Casper, in: Ulmer, Rdnr. 83 f.; Liebscher, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 460–468. 2 S. auch Emmerich/Habersack, Kommentar, § 317 AktG Anh. Rdnr. 5, § 318 AktG Rdnr. 3; Servatius, in: Michalski, Rdnr. 388 ff. 3 S. Arbeitskreis GmbH-Reform, Thesen und Vorschläge zur GmbH-Reform Bd. II, 1972, S. 49 ff.; Emmerich, GmbHR 1987, 213.

Emmerich

833

Anhang § 13

GmbH-Konzernrecht

Rechtsprechung hatte diesen Haftungstatbestand alsbald aufgegriffen, in der Folgezeit aber immer wieder modifiziert, bis die Entwicklung im Jahre 2001 mit dem 1. Bremer Vulkan-Urteil des BGH vom 17.9.20011 abrupt wieder abbrach. Die vorausgegangene Rechtsprechung zum qualifizierten faktischen GmbHKonzern hatte seinerzeit in der Literatur eine zuletzt kaum mehr überschaubare Diskussion ausgelöst, in der es vor allem um die folgenden vier Fragen ging: zunächst um die Abgrenzung des mit dem Schlagwort „qualifizierter faktischer Konzern“ umschriebenen Tatbestandes, sodann um die Frage der Zulässigkeit solcher Konzerne, weiter um die Frage des angemessenen Schutzes etwaiger außenstehender Gesellschafter sowie schließlich und vor allem um die Frage der Haftungsverfassung. Gemeint war damit das Problem, unter welchen Voraussetzungen das herrschende Unternehmen der abhängigen Gesellschaft oder deren Gläubigern ersatzpflichtig ist, konkret: ob und wann hier Raum für eine Analogie zu den §§ 302 und 303 AktG war. 93

Kern der Auseinandersetzung war das Problem, ob der „Haftungsdurchgriff“ auf das herrschende Unternehmen entsprechend den §§ 302 und 303 AktG bereits gerechtfertigt ist, wenn das Haftungssystem für faktische Konzerne (oben Rdnr. 71 ff.) funktionsunfähig wird, weil sich einzelne Einflussnahmen des herrschenden Unternehmens und die von ihnen ausgehenden Wirkungen nicht mehr isolieren lassen, oder ob noch ein „qualifizierendes“ Element hinzukommen muss, zuletzt meistens im Anschluss an das TBB-Urteil des BGH von 29.3.1993 als „objektiver Missbrauch infolge fehlender angemessener Rücksichtnahme auf die eigenen Belange der abhängigen Gesellschaft“ definiert2. Zulässigkeitsfragen spielten demgegenüber nur eine untergeordnete Rolle3.

94

Die Rechtsprechung war nicht geradlinig verlaufen, sondern hatte die Akzente einmal mehr auf eine nur wenig eingeschränkte Strukturhaftung, das andere Mal mehr auf eine (modifizierte) Verhaltenshaftung gelegt4. Die wichtigsten Urteile des BGH auf diesem verschlungenen Weg sind unter den Bezeichnungen „Autokran5, Tiefbau6, Video7, Stromlieferung8 und TBB“9 in die Konzernrechtsgeschichte eingegangen. Vor allem das erwähnte Video-Urteil von 199110 hatte wegen seiner weit reichenden Konsequenzen ein regelrechtes „Erdbeben“ ausgelöst, weshalb sich der BGH schon wenig später in dem TBB-Urteil vom 29.3.199311 zu

1 BGHZ 149, 10, 16 = NJW 2001, 3622 = GmbHR 2001, 1036 = AG 2002, 43 = ZIP 2001, 1874. 2 BGHZ 122, 123, 130 = NJW 1993, 1200 = GmbHR 1993, 283. 3 S. Emmerich, AG 1991, 303, 306. 4 S. zuletzt die Übersichten bei Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 146 ff.; Emmerich/Habersack, Kommentar, § 317 AktG Anh.; Liebscher, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 475–502; Ulmer, in: Ulmer, GmbH-Konzern, 2002, S. 41. 5 BGHZ 95, 330 = NJW 1986, 188 = GmbHR 1986, 78 = AG 1986, 15. 6 BGHZ 107, 7 = NJW 1989, 1800 = GmbHR 1989, 196 = AG 1989, 243. 7 BGHZ 115, 187 = NJW 1991, 3142 = GmbHR 1991, 520 = AG 1991, 429. 8 BGHZ 116, 37 = NJW 1992, 505 = WM 1991, 2137 = AG 1992, 83. 9 BGHZ 122, 123 = NJW 1993, 1200 = GmbHR 1993, 283 = AG 1993, 371. 10 BGHZ 115, 187 = NJW 1991, 3142 = GmbHR 1991, 520 = AG 1991, 429. 11 BGHZ 122, 123 = NJW 1993, 1200 = GmbHR 1993, 283 = AG 1993, 371.

834

Emmerich

GmbH-Konzernrecht

Anhang § 13

deutlichen Korrekturen veranlasst sah, bis er schließlich in dem 1. Bremer-Vulkan-Urteil vom 17.9.2001 diese Praxis wieder aufgab1. In der Zeit zwischen „TBB“ und „Bremer Vulkan“, d.h. in den Jahren von 1993 bis 2001 verfolgte der BGH in der Frage der Haftungsverfassung im qualifizierten faktischen Konzern zuletzt offenbar ein Konzept, das im Kern auf eine durch Elemente der Strukturhaftung modifizierte Verhaltenshaftung hinauslief2. Das Ergebnis war eine deutliche Zurückhaltung des BGH bei der Bejahung des „Haftungsdurchgriffs“ auf das herrschende Unternehmen im qualifizierten faktischen GmbH-Konzern3, so dass Urteile, in denen eine Konzernhaftung im qualifizierten faktischen Konzern bejaht wurde, zuletzt selten geworden waren4.

95

In der Rechtsprechung „nach TBB“ (oben Rdnr. 95) hatten sich zuletzt die fol- 96 genden Voraussetzungen für einen Haftungsdurchgriff im qualifizierten faktischen GmbH-Konzern abgezeichnet: Das herrschende Unternehmen musste in nachteiliger Weise auf die abhängige Gesellschaft Einfluss genommen haben; diese Nachteilszufügung musste einen objektiven Missbrauch der Herrschaftsmacht darstellen, weil das herrschende Unternehmen dabei nicht in der gebotenen Weise Rücksicht auf die Belange der abhängigen Gesellschaft genommen hatte; und schließlich musste ein Einzelausgleich der zugefügten Nachteile ausscheiden, wobei in erster Linie an Schadensersatzansprüche der abhängigen Gesellschaft wegen der Nachteilszufügung zu denken war. Ursprünglich hatte der BGH statt dessen zur Begründung der Haftung des herr- 97 schenden Unternehmens im qualifizierten faktischen GmbH-Konzern besonderes Gewicht auf die Frage gelegt, ob dieses „dauernd und umfassend“ die Leitung der abhängigen Gesellschaft an sich gezogen hatte5. Das lag vor allem 1 BGHZ 149, 10, 16 = NJW 2001, 3622 = GmbHR 2001, 1036 – „Bremer Vulkan“; BGHZ 150, 61, 68 = NJW 2002, 1803 = GmbHR 2002, 549 = ZIP 2002, 848 – „L. Kosmetik“; BGHZ 151, 181, 186 ff. = NJW 2002, 3024 = GmbHR 2002, 902 = ZIP 2002, 1578 – „KBV“. 2 S. Rdnr. 96 sowie BGH, LM Nr. 11 zu § 17 AktG = NJW 1994, 446 = AG 1994, 179 – „EDV-Peripherie“; BGH, LM Nr. 8 zu § 302 AktG = NJW 1994, 3288 = AG 1995, 35 – „Freiberufler-Konzern I“; BGH, LM Nr. 41 zu § 276 (Fa) BGB = NJW 1995, 1544 = AG 1995, 326 – „Freiberufler-Konzern II“; BGH, LM Nr. 10 zu § 826 (Gg) BGB = NJW 1996, 1283 = AG 1996, 221; BGH, LM Nr. 10 zu § 302 AktG = NJW 1997, 943 = AG 1997, 180; BGH, GmbHR 1998, 87 = DStR 1997, 1937; vgl. außerdem noch BGHZ 117, 8, 16 = NJW 1992, 1702. 3 Ebenso ausdrücklich Goette, in: Ulmer, GmbH-Konzern, 2002, S. 9, 12, 21 ff.; Boujong, in: FS Odersky, S. 739, 748 ff.; Raiser, ZGR 1995, 156, 161 f. 4 S. OLG Köln, BB 1997, 169 = GmbHR 1997, 220; OLG Dresden, GmbHR 1997, 215 = WiB 1977, 466 = AG 1997, 330; OLG Bamberg, AG 1998, 191 = NJW-RR 1997, 1190; OLG Frankfurt a.M., AG 1998, 193 = NZG 1998, 228 = OLGR Frankfurt 1997, 269; OLG München, GmbHR 1998, 285 = DB 1998, 614; OLG Oldenburg, GmbHR 1998, 286; OLG Rostock, AG 1999, 279 = NZG 1999, 170; OLG Düsseldorf, AG 1999, 276 = GmbHR 1999, 123; OLG Düsseldorf, NZG 1999, 502. 5 BGHZ 95, 330, 344 = NJW 1986, 188 = GmbHR 1986, 78 – „Autokran“; BGHZ 107, 7, 17, 19 f. = GmbHR 1989, 196 = NJW 1989, 1800 – „Tiefbau“; BGHZ 115, 187, 193 ff. = NJW 1991, 3142 = GmbHR 1991, 520 – „Video“; ebenso BAGE 70, 158, 162 ff. = AG 1993, 380, 381 = GmbHR 1993, 220; BAG, AP Nr. 5 zu § 1 BetrAVG-Konzern = NJW 1993, 954 = AG 1993, 382 = GmbHR 1993, 218 – „AG Union“; OLG Saarbrücken, GmbHR 1993, 39 = AG 1993, 183 – „Gerken“; OLG Karlsruhe, AG 1993, 89, 92 = WM 1992, 2088 – „Schotterkleber“; AG Düsseldorf, AG 1994, 87.

Emmerich

835

Anhang § 13

GmbH-Konzernrecht

deshalb nahe, weil auslösend für die „Entdeckung“ des qualifizierten faktischen Konzerns die Beobachtung gewesen war, dass in bestimmten Konzernfällen, gekennzeichnet eben durch eine besondere Breite und Tiefe der Einflussnahme des herrschenden Unternehmens, das gesetzliche Haftungssystem der §§ 311 und 317 AktG nicht mehr funktioniert (Rdnr. 91 f.). 98

Diese Linie wurde jedoch im Grunde bereits mit dem Video-Urteil vom 23.9.19911 verlassen, in dem es erstmals hieß, der Umstand, dass das herrschende Unternehmen die Geschäfte der abhängigen Gesellschaft dauernd und umfassend führt, sei lediglich ein Indiz dafür, dass es im Konzerninteresse nicht mehr hinreichend Rücksicht auf die Belange der abhängigen Gesellschaft nimmt. Seit dem TBB-Urteil vom 29.3.19932 drängte sodann dieses Merkmal der mangelnden Rücksichtnahme auf die eigenen Belange der abhängigen Gesellschaft alle anderen Haftungsvoraussetzungen nahezu vollständig in den Hintergrund (Stichwort: modifizierte Verhaltenshaftung).

99

Die beiden wichtigsten Voraussetzungen des „Haftungdurchgriffs“ auf das herrschende Unternehmen im qualifizierten faktischen GmbH-Konzern waren nach dem Gesagten (oben Rdnr. 96) der objektive Missbrauch der herrschenden Gesellschafterstellung in Gestalt der fehlende Rücksichtnahme auf die eigenen Belange der abhängigen Gesellschaft bei der Einflussnahme auf diese sowie die Unmöglichkeit des Einzelausgleichs des zugefügten Nachteils. Von diesen Tatbestandsmerkmalen interessiert heute wegen der Parallele zu der Diskussion über die Existenzvernichtungshaftung letztlich nur noch die Frage, wann ein Missbrauch in dem genannten Sinne angenommen wurde (unten Rdnr. 100 ff.).

2. Missbrauch 100 Die wichtigste und schwierigste Aufgabe, die die TBB-Doktrin stellte, war die Entwicklung von Kriterien, anhand derer eine Unterscheidung erlaubter und unerlaubter Einflussnahme des herrschenden Unternehmens möglich erschien. Diese Aufgabe hatte sich als ausgesprochen schwierig erwiesen, weil die „eigenen Belange“ der abhängigen GmbH, einer juristischen Person (!), naturgemäß nur schwer zu fassen sind. Sicher war nur, dass man zur Konkretisierung der eigenen Belange der abhängigen Gesellschaft von dem vertraglichen Gegenstand und dem Zweck der Gesellschaft auszugehen hatte (s. oben § 3 Rdnr. 9 ff.). Das herrschende Unternehmen missbrauchte folglich seine Gesellschafterstellung durch die Einflussnahme auf die abhängige Gesellschaft, wenn die fragliche Maßnahme mit den Belangen der abhängigen Gesellschaft, definiert durch ihren Gegenstand und Zweck, unvereinbar war. 101 Eine weitere Konkretisierung des Missbrauchs erlaubte die (ohnehin nahe liegende) Parallele zu den §§ 311 Abs. 1 und 317 Abs. 2 AktG. Bedeutung hatte dies vor allem für mehrgliedrige Gesellschaften, in denen bei nüchterner Betrach-

1 BGHZ 115, 187, 193 f. = NJW 1991, 3142 = GmbHR 1991, 520 = AG 1991, 429. 2 BGHZ 122, 123, 130 ff. = NJW 1993, 1200 = GmbHR 1993, 283 = AG 1993, 371; ebenso OLG Düsseldorf, GmbHR 1999, 123 = AG 1999, 276.

836

Emmerich

GmbH-Konzernrecht

Anhang § 13

tungsweise mit den eigenen Belangen der abhängigen Gesellschaft sinnvollerweise nur die legitimen Interessen der übrigen Gesellschafter und der Gläubiger der abhängigen Gesellschaft gemeint sein konnten, die in aller Regel darauf gerichtet sind, dass die Gesellschaft ihr Unternehmen unabhängig im gemeinsamen Interesse aller Beteiligten (und nicht nur im Interesse eines einzigen, des herrschenden Gesellschafters) betreibt. Folglich war hier die Beeinträchtigung „der eigenen Belange der abhängigen Ge- 102 sellschaft“ letztlich identisch mit einer Nachteilszufügung durch das herrschende Unternehmen in einer Weise, wie sie der ordentliche und gewissenhafte Geschäftsführer einer unabhängigen Gesellschaft, der sich allein an den Interessen seiner Gesellschaft und aller ihrer Gesellschafter orientiert, niemals akzeptiert hätte (§ 43 GmbHG; §§ 76, 93, 317 Abs. 2 AktG analog). Jede Einflussnahme des herrschenden Unternehmens auf die abhängige Gesellschaft, die mit diesem Maßstab unvereinbar ist, bedeutete, anders gewendet, einen objektiven Missbrauch durch Unterlassung der gebotenen Rücksichtnahme auf die eigenen Belange der abhängigen Gesellschaft, definiert durch das legitime Interessen der übrigen Gesellschafter und der Gläubiger an der Führung der abhängigen Gesellschaft als einer unabhängigen in ihrem gemeinsamen Interesse. Anders lag die Situation zunächst, wenn die übrigen Gesellschafter der Einbe- 103 ziehung der abhängigen Gesellschaft in den Konzern des herrschenden Unternehmens zugestimmt hatten, weil darin, jedenfalls im Regelfall, auch die Einwilligung in eine Nachteilszufügung im Konzerninteresse liegen dürfte (§ 308 Abs. 2 AktG analog). Anders war die Situation außerdem, wenn die abhängige Gesellschaft bereits nach ihrem Gesellschaftsvertrag ganz auf das Konzerninteresse ausgerichtet ist, wenn es sich z.B. um eine von vornherein allein zur Erfüllung bestimmter Konzernaufgaben gegründete Tochtergesellschaft handelte. Es bestand Übereinstimmung, dass bei solchen Gesellschaften auch eine schädigende Einflussnahme im Konzerninteresse so lange unbedenklich ist, wie die Überlebensfähigkeit der abhängigen Gesellschaft und damit namentlich ihre Fähigkeit zur Erfüllung ihrer Verbindlichkeiten gewährleistet sind1. Ebenso zu beurteilen war die Rechtslage bei Einpersonengesellschaften. Die Praxis gestattete hier dem herrschenden Unternehmen – in den Grenzen der §§ 30 und 31 – gleichfalls jede Einflussnahme auf die abhängige Gesellschaft, solange sie nur in der Lage blieb, ihren Verbindlichkeiten nachzukommen (Rdnr. 90).

104

Weitere Haftungsvoraussetzungen waren die Unmöglichkeit eines Einzelausgleichs sowie Kausalität zwischen den Schäden der abhängigen Gesellschaft und dem objektiv missbräuchlichen Eingriff des herrschenden Unternehmens.

105

3. Beweislast Die zentrale Frage unter der Geltung des Haftungsdurchgriffs im qualifizierten faktischen Konzern war letztlich die nach der Verteilung der Darlegungs- und

1 S. LG Frankfurt a.M., AG 1998, 98 = NJW-RR 1997, 796; Beinert, Die Konzernhaftung für die satzungsmäßig abhängig gegründete GmbH, 1995.

Emmerich

837

106

Anhang § 13

GmbH-Konzernrecht

Beweislast zwischen den Parteien. Deshalb soll hier zu dieser Frage in der gebotenen Kürze noch Stellung genommen werden: a) Grundsatz 107 Eine Vermutung für das Vorliegen eines besonderen Abhängigkeitstatbestandes, in dem die Regeln über den qualifizierten faktischen Konzern eingreifen, bestand nicht; § 17 Abs. 2 AktG fand keine Anwendung. Die Beweislast für das Vorliegen des Haftungstatbestandes (oben Rdnr. 99 ff.) traf vielmehr grundsätzlich denjenigen, der, als Gesellschafter oder Gläubiger der abhängigen Gesellschaft, vom herrschenden Unternehmen Schadensersatz oder Verlustausgleich verlangte1. 108 Es war vor allem diese Beweislastverteilung (oben Rdnr. 107) gewesen, die dazu geführt hatte, dass es zuletzt nur noch selten zum Haftungsdurchgriff im qualifizierten faktischen Konzern gekommen war, weil dem Kläger namentlich der Beweis der nachhaltigen Beeinträchtigung des Eigeninteresses der abhängigen Gesellschaft (oben Rdnr. 99 ff.), der häufig Dritten sorgsam verborgene Konzerninterna betrifft, in der Regel gar nicht möglich war. Deshalb bestand Übereinstimmung, dass dem Kläger hier, wenn man nicht den Haftungdurchgriff im qualifizierten faktischen Konzern wegen der Unmöglichkeit, seine Vorausetzungen zu beweisen, letztlich leer laufen lassen wollte, mit unterschiedlichen Beweiserleichterungen geholfen werden musste. Über deren Ausmaß bestand jedoch bis zuletzt Streit, da der BGH2 als Voraussetzung für etwaige Beweiserleichterungen verlangte, dass der Kläger (zumindest) Umstände darlegt und gegebenenfalls beweist, die die Annahme „nahe legen“, dass bei der Unternehmensführung im Hinblick auf das Konzerninteresse die eigenen Belange der abhängigen Gesellschaft über bestimmte, konkret ausgleichsfähige Einzeleingriffe hinaus beeinträchtigt wurden. Die Folge war, dass in der Praxis schließlich die meisten der auf die §§ 302 und 303 AktG gestützten Klagen bereits an der Unmöglichkeit scheiterten, diese zur Ausfüllung des Haftungstatbestandes erforderlichen Tatsachen vorzutragen und gegebenenfalls zu beweisen3. b) Indizien, Fallgruppen 109 aa) Im Schrifttum war als Ausweg aus dem geschilderten Dilemma (oben Rdnr. 107 f.) vor allem die Aufstellung von Indizien diskutiert worden, die mit unterschiedlichem Gewicht je nach den Umständen des Falles auf einen Haftungstatbestand hinweisen sollten, so dass es dann Sache des herrschenden Unternehmens sein sollte, Umstände vorzutragen und gegebenenfalls zu beweisen, die diese Indizien wieder entkräften konnten. Der Sache nach bedeutete dies nichts anderes als eine Anknüpfung an die wichtigsten Fallgruppen, in denen 1 BGHZ 122, 123, 131, 132 f. = NJW 1993, 1200 = GmbHR 1993, 283 = AG 1993, 371 – „TBB“; BAG, GmbHR 1998, 1220, 1223 f. = AG 1999, 184 = NZG 1999, 116. 2 BGHZ 122, 123, 131 = NJW 1993, 1200 = GmbHR 1993, 283 = AG 1993, 371 – „TBB“; OLG Frankfurt a.M., AG 1998, 193, 194 = NZG 1998, 228 = OLGR 1997, 269; LG Frankfurt a.M., AG 1998, 98, 99 = NJW-RR 1997, 796. 3 Ebenso Kiethe/Groeschke, BB 1997, 1957; ein Beispiel in BGH, GmbHR 1998, 87 = DStR 1997, 1937 m. Anm. Goette.

838

Emmerich

GmbH-Konzernrecht

Anhang § 13

nach dem damaligen Stand der Praxis in qualifizierten faktischen Konzernen eine Haftung entsprechend den §§ 302 und 303 AktG in Betracht kam1: Die wichtigsten Fallgruppen waren, kurz gesagt, die Insolvenz einer Einper- 110 sonengesellschaft, vor allem, wenn noch andere, in dieselbe Richtung weisende Merkmale wie etwa eine personelle Verflechtung hinzukamen, ebenso sonstige Insolvenzfälle, sofern zugleich die Geschäfte mit neugegründeten Gesellschaften oder anderen Konzerngesellschaften fortgeführt wurden (Stichwort: GmbHStafetten), ferner die „systematische“ Schädigung der abhängigen Gesellschaft im Rahmen des konzerninternen Geschäfts- und Abrechnungsverkehrs durch unangemessene Konzernverrechnungspreise oder durch Konzernumlagen zugunsten anderer Konzerngesellschaften, weiter die Veranlassung der abhängigen Gesellschaft zur Hingabe ungesicherter Darlehen an nicht mehr kreditwürdige, andere Konzernunternehmen, außerdem der systematische Abzug der Liquidität der Gesellschaft, insbesondere im Rahmen so genannter Cash-Management-Systeme, so dass die abhängige Gesellschaft im Grunde wie eine bloße Betriebsabteilung geführt wurde, sowie generell eine mangelhafte Buchführung oder die Undurchschaubarkeit des gesamten Geschäfts- und Abrechnungsverkehrs zwischen den verbundenen Unternehmen. Einen umstrittenen Grenzfall stellte insbesondere die Betriebsaufspaltung dar. 111 Obwohl zumindest bei der „echten“ Betriebsaufspaltung im Regelfall alles für die Annahme eines qualifizierten faktischen Konzerns sprach, überwog doch die abweichende Sicht der Dinge2. Wenn jedoch zu der Betriebsaufspaltung noch eine personelle Verflechtung der verbundenen Unternehmen hinzukam, war auch der Betriebsaufspaltung richtiger Meinung nach indizielle Wirkung in dem genannten Sinne schwerlich abzusprechen3. bb) Die Diskussion über den qualifizierten faktischen Konzern hatte ihren Aus- 112 gangspunkt seinerzeit bei der Erkenntnis genommen, dass es Situationen gibt, in denen wegen der Breite und Intensität der Einflussnahme des herrschenden Unternehmens einzelne Eingriffe und ihre Folgen nicht mehr isoliert werden können, so dass ein auf Einzeleingriff und Schadensausgleich abstellendes Haftungssystem notwendigerweise versagen musste4. Diese Einsicht, die bis heute nichts von ihrer Aktualität eingebüßt hat, ist freilich später gegenüber anderen Überlegungen ganz in den Hintergrund getreten. Demgegenüber wäre es wohl richtiger gewesen, sich gerade im vorliegenden Zusammenhang (Stichwort: Indizien) wieder mehr des Ausgangspunkts der ganzen Diskussion zu erinnern und 1 S. zu diesen Fallgruppen noch Bitter, ZInsO 2010, 1505, 1523; Casper, in: Ulmer, Rdnr. 127 ff.; Decher, in: Ulmer, GmbH-Konzern, 2002, S. 25, 36 ff.; Liebscher, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 547–556. 2 S. BSG, GmbHR 1996, 604, 607 = ZIP 1996, 1134 = NJW-RR 1997, 94, 96; Drygala, Der Gläubigerschutz bei der typischen Betriebsaufspaltung, 1991, S. 74 ff.; Drygala, NJW 1995, 3237; Priester, in: Heidelberger Konzernrechtstage, S. 223, 241 ff.; Schulze-Osterloh, ZGR 1983, 123; Ziegler, Kapitalersetzende Gebrauchsüberlassungsverhältnisse und Konzernhaftung bei der GmbH, 1989, S. 193 ff. 3 BAG, AP Nr. 12 zu § 303 AktG = NJW 1999, 2612 = AG 1999, 376, 377 f. = GmbHR 1999, 658; Holzwarth, Konzernrechtlicher Gläubigerschutz bei der klassischen Betriebsaufspaltung, 1994, S. 131, 191 ff.; G. Raiser, NJW 1995, 1804. 4 S. schon Rdnr. 91 f.; Emmerich, GmbHR 1987, 213, 216 f.

Emmerich

839

Anhang § 13

GmbH-Konzernrecht

jedenfalls dann an Beweiserleichterungen zu denken, wenn die letztlich vom herrschenden Unternehmen zu verantwortende Situation eine Isolierung von Einzeleingriffen und deren Folgen praktisch unmöglich machte. Es handelte sich dabei um Fallgestaltungen, die zunächst vor allem unter dem Stichwort: „Führung der abhängigen Gesellschaft wie eine Betriebsabteilung“ diskutiert worden waren. Gleich standen (und stehen) die Fälle einer gänzlich mangelhaften Buchführung sowie überhaupt der Undurchschaubarkeit des Geschäftsverkehrs (Stichworte: Waschkorblage, Intransparenzhaftung)1. 113 Richtiger Meinung nach gehörten hierher ferner Einpersonengesellschaften, jedenfalls, wenn ihr einziger Gesellschafter zugleich die Aufgaben des Geschäftsführers übernimmt, sowie schließlich noch – entgegen der überwiegenden Meinung – bestimmte Formen der Organverflechtung, sofern sie zur Folge hatten, dass die Geschäftsführung der abhängigen Gesellschaft von Vertretern des herrschenden Unternehmens majorisiert wird, einfach deshalb, weil dann eine Isolierung einzelner Einflussnahmen und ihrer Wirkungen kaum mehr vorstellbar ist, auch nicht durch entsprechende Dokumentation und Verbuchung bei der abhängigen Gesellschaft2.

4. Rechtsfolgen 114 a) Die (später aufgegebene) Besonderheit des Haftungssystems im (früheren) qualifizierten faktischen Konzern bestand darin, dass sich die Haftung des herrschenden Unternehmens unter den genannten Voraussetzungen (oben Rdnr. 96, 100 ff.) gegenüber den Gläubigern nach den entsprechend anwendbaren §§ 302 und 303 AktG richtete. Dies bedeutete vor allem, dass die abhängige Gesellschaft von dem herrschenden Unternehmen Übernahme ihrer Verluste verlangen konnte, sobald einmal die Voraussetzungen der Konzernhaftung des herrschenden Unternehmens erfüllt waren (§ 302 Abs. 1 AktG). Der Anspruch stand der abhängigen Gesellschaft zu, konnte aber im Wege der actio pro socio (oder: societate) auch von den Minderheitsgesellschaftern geltend gemacht werden. Auszugleichen war auf dem Weg über § 302 AktG die gesamte bei der abhängigen Gesellschaft eingetretene Überschuldung, also auch eine etwaige Unterbilanz3. 115 § 303 AktG wurde gleichfalls entsprechend im qualifizierten faktischen GmbHKonzern angewandt, wobei hier – mangels Registerpublizität solcher Konzerne – Stichtag der Tag der tatsächlichen Beendigung der Voraussetzungen für die Konzernhaftung des herrschenden Unternehmens war4. Danach griffen dann lediglich die allgemeinen Verwirkungsregeln ein. War die abhängige Gesellschaft 1 S. dazu P. Oser, WPg 1994, 312; Schulze-Osterloh, ZIP 1993, 1838; Weigl, Haftung, S. 179 ff. 2 Ebenso Binnewies, Konzerneingangskontrolle, S. 376 ff. 3 BGHZ 107, 7, 16 = NJW 1989, 1600 = GmbHR 1989, 196 = AG 1989, 243 – „Tiefbau“; BGHZ 115, 187, 198 = NJW 1991, 3142 = GmbHR 1991, 520 = AG 1991, 429 – „Video“. 4 BGHZ 95, 330, 347 = NJW 1986, 188 = GmbHR 1986, 78 = AG 1986, 15 – „Autokran“; BGHZ 115, 187, 202 = NJW 1991, 3142 = LM Nr. 4 zu § 302 AktG = GmbHR 1991, 520 = AG 1991, 429 – „Video“; BGH, LM Nr. 10 zu § 302 AktG = AG 1997, 180 = NJW 1997, 943.

840

Emmerich

GmbH-Konzernrecht

Anhang § 13

vermögenslos, so verwandelte sich außerdem der Anspruch der Gläubiger auf Sicherheitsleistung in einen direkten Zahlungsanspruch gegen das herrschende Unternehmen, jedenfalls, wenn ein Insolvenzverfahren über das Vermögen der abhängigen Gesellschaft nicht mehr durchgeführt wurde (so genannte Ausfallhaftung). § 322 Abs. 2 und 3 AktG galt entsprechend. b) Im Ergebnis führte somit das frühere Haftungssystem des qualifizierten fak- 116 tischen GmbH-Konzerns zur Durchgriffshaftung des herrschenden Unternehmens unter Zurückdrängung des § 13 Abs. 2. Die Aufgabe des Rechtsinstituts des qualifizierten faktischen Konzerns muss deshalb nicht mit Notwendigkeit zugleich das Ende solcher Durchgriffshaftung des herrschenden Unternehmens bedeuten. Denn dasselbe Ergebnis kann heute in bestimmten Fallkonstellationen auch auf dem Weg über die Existenzvernichtungshaftung nach § 826 BGB erreicht werden (Rdnr. 120 ff.). Außerdem gibt es durchaus noch Fälle, in denen weiterhin an eine entsprechende Anwendung der §§ 302 und 303 AktG in „faktischen Konzernbeziehungen“ zu denken ist. Die wichtigsten Beispiele sind die so genannten Extremfälle (Rdnr. 123 f.) sowie die eigenartigen Fallgestaltungen, die verbreitet unter dem Stichwort „verdeckte Beherrschungsverträge“ diskutiert zu werden pflegen (Rdnr. 164a).

5. Schutz der Minderheit a) Im qualifizierten faktischen GmbH-Konzern war der Schutz der Minderheit 117 (natürlich) nicht geringer als in sonstigen „einfachen“ Abhängigkeitslagen (oben Rdnr. 71 ff.). Die Herbeiführung der Voraussetzungen, unter denen es entsprechend den §§ 302 und 303 AktG zu einer Konzernhaftung des herrschenden Unternehmens kam (oben Rdnr. 99 ff.), stellte im Gegenteil eine besonders schwerwiegende Treuepflichtverletzung des herrschenden Unternehmens dar, so dass die übrigen Gesellschafter von dem herrschenden Gesellschafter ebenso wie sonst Unterlassung, Beseitigung durch Rückgängigmachung der fraglichen Eingriffe und Schadensersatz verlangen konnten (§§ 242, 249, 276, 280 Abs. 1, 705 BGB; s. unten Rdnr. 119). Die Minderheitsgesellschafter hatten ferner nach allgemeiner Meinung zu ih- 118 rem Schutz ein Austrittsrecht gegen volle Abfindung, und zwar ohne Rücksicht auf etwaige gesellschaftsvertragliche Beschränkungen des Abfindungsanspruchs. Umstritten war lediglich, ob es sich dabei um das allgemeine Austrittsrecht jedes Gesellschafters aus wichtigem Grunde handelt (entsprechend den §§ 242, 314, 723 und 738 BGB sowie § 133 HGB) oder ob hier § 305 AktG entsprechend anzuwenden war, so dass der austrittswillige Gesellschafter die Abfindung – als Barabfindung – (auch) vom herrschenden Unternehmen verlangen konnte (s. § 305 Abs. 2 Nr. 3 AktG)1. b) Die Begründung eines qualifizierten faktischen Konzerns galt (und gilt) all- 119 gemein als rechtswidrig, sofern und solange nicht alle Gesellschafter der Ein1 So zutreffend Geuting, BB 1994, 365, 367 ff.; Liebscher, Konzernbildungskontrolle, S. 272 f.; enger dagegen Binnewies, Konzerneingangskontrolle, S. 261 f.; J. Hoffmann, NZG 2002, 68, 73; H.-Fr. Müller, Das Austrittsrecht des GmbH-Gesellschafters, 1996, S. 56 ff., bes. S. 61 f.

Emmerich

841

Anhang § 13

GmbH-Konzernrecht

gliederung der abhängigen Gesellschaft in den Konzern des herrschenden Unternehmens zugestimmt hatten (§ 33 BGB)1. Folglich konnte sich die Minderheit gegen jede Maßnahme des herrschenden Unternehmens, die auf die Konzerneingliederung der abhängigen Gesellschaft abzielte, mit Rücksicht auf die darin liegende Verletzung der Treuepflicht des herrschenden Unternehmens gegenüber den Mitgesellschaftern mit Beseitigungs-, Unterlassungs- und Schadensersatzansprüchen wehren, in erster Linie gerichtet auf Rückgängigmachung des rechtswidrigen Zustandes (§§ 241 Abs. 2, 242, 249, 276 Abs. 1 und 280 Abs. 1 BGB). Billigte man diese Ansprüche der Gesellschaft zu, so konnten sie von den Mitgesellschaftern jedenfalls mit der actio pro socio verfolgt werden2.

II. Fortbestehende Bedeutung? 1. Rechtsprechung – von Vulkan bis Gamma 120 Bei dem qualifizierten faktischen Konzern handelte es sich in erster Linie um einen Konzernhaftungstatbestand, gekennzeichnet durch die entsprechende Anwendung der §§ 302 und 303 AktG auf in bestimmter Weise qualifizierte faktische Abhängigkeitsbeziehungen (oben Rdnr. 91, 114 ff.). Die zusätzlichen Rechte, die ergänzend der Minderheit zu ihrem Schutz in derartigen Konzernen zugebilligt wurden, spielten daneben nur eine untergeordnete Rolle, vor allem, weil die Mehrzahl dieser Rechte richtiger Meinung nach bereits in einfachen faktischen Konzernen eingriffen (oben Rdnr. 83, 117 ff.). Unter diesen Umständen verwundert es nicht, dass heute vielfach die weitere Existenzberechtigung des ganzen Rechtsinstituts in Frage gestellt wird, seitdem der BGH die Fälle der Durchgriffshaftung 2001 um einen weiteren Fall, nämlich um die Haftung für existenzvernichtende Eingriffe erweitert hat, an deren Stelle mittlerweile die auf § 826 BGB gestützte Existenzvernichtungshaftung getreten ist (oben § 13 Rdnr. 152 ff.). 120a Bereits in dem ersten einschlägigen Urteil, dem Bremer Vulkan-Urteil vom 17.9.2001, heißt es ausdrücklich, der Schutz einer abhängigen GmbH gegenüber Eingriffen ihres Alleingesellschafters „folge nicht dem Haftungssystem des Konzernrechts des AktG (§§ 291 ff. AktG)“, sondern obliege den §§ 30 und 31 GmbHG sowie der Durchgriffshaftung wegen existenzvernichtenden Eingriffs3. In dem „L. Kosmetik“-Urteil vom 25.2.2002 bekräftigte der BGH erneut diese „Wende“, indem er klarstellte, dass er mit dem Bremer Vulkan-Urteil „die Rechtsprechung zur Haftung aus qualifiziert faktischem Konzern aufgegeben“ habe. An ihre Stelle sei die Ausfallhaftung wegen existenzvernichtenden Eingriffs getreten. „Im übrigen gelten die Grundsätze der Haftung aus Treupflichtverletzung gegenüber den Mitgesellschaftern (BGHZ 65, 15).“4 In dem Urteil

1 Ebenso auch heute für die AG OLG Köln, AG 2009, 416, 419 – „Strabag/E. Züblin AG“; LG Köln, AG 2008, 327, 334 – „Strabag“. 2 S. schon oben Rdnr. 57 ff. sowie Binnewies, Die Konzerneingangskontrolle in der abhängigen Gesellschaft, 1996, S. 258 ff.; Emmerich/Habersack, Kommentar, § 318 AktG Anh. Rdnr. 30 ff.; J. Hoffmann, NZG 2002, 68, 72 ff. 3 BGHZ 149, 10, 16 = NJW 2001, 3622 = GmbHR 2001, 1036 = ZIP 2001, 1874 = AG 2002, 43. 4 BGHZ 150, 61, 68 (unter 3) = NJW 2002, 1803 = GmbHR 2002, 549 = ZIP 2002, 848.

842

Emmerich

GmbH-Konzernrecht

Anhang § 13

vom 13.12.2004 bezeichnete er schließlich die Rechtsprechung zur Haftung im qualifiziert faktischen Konzern ausdrücklich als „überholt“1. Dies kann nur bedeuten, dass der BGH das Rechtsinstitut des qualifizierten fak- 121 tischen Konzerns, jedenfalls in seiner Funktion als Haftungstatbestand, endgültig „aufgeben“ wollte. An die Stelle dieses Tatbestandes sollte stattdessen fortan die Durchgriffshaftung wegen existenzvernichtenden Eingriffs treten, während den Schutz der Minderheit die allgemeinen Regeln über (einfache) faktische Konzerne übernehmen sollen2. An diesem Befund hat, jedenfalls nach herrschender Meinung, auch die erneute 121a Kehrtwendung der Rechtsprechung im Jahre 2007 hin zu einer nur noch auf § 826 BGB gestützten Existenzvernichtungshaftung nichts geändert: Während noch die Durchgriffshaftung wegen existenzvernichtenden Eingriffs letztlich auf eine teleologische Reduktion des offenbar zu weit geratenen § 13 Abs. 2 gegründet wurde, soll jetzt (nur) eine aus § 826 BGB hergeleitete Innenhaftung der Gesellschafter gegenüber ihrer Gesellschaft (nur) für vorsätzliche schädigende Eingriffe in das vorhandene Gesellschaftsvermögen den gebotenen Gläubigerschutz über die zu engen §§ 30 und 31 hinaus übernehmen3, – wobei man sich nur fragt, warum die Haftung allein bei Vorsatz eingreifen soll und woher der BGH eigentlich die Befugnis nimmt, die den Gläubigern bei vorsätzlichen sittenwidrigen Verstößen der Gesellschafter nach dem Gesetz (§ 826 BGB) unzweifelhaft zustehenden Ansprüche wieder zugunsten einer weitgehend ineffektiven Innenhaftung zu nehmen4. Wegen der Einzelheiten ist insoweit auf die Erläuterungen zu § 13 zu verweisen.

2. Die Diskussion über die Konsequenzen Nach der überwiegenden Meinung bedeutet die geschilderte Rechtsprechung – 122 von „Vulkan“ bis „Gamma“ (Rdnr. 120 f.) – das endgültige Aus des qualifizierten faktischen Konzerns, jedenfalls als Konzernhaftungstatbestand. Das Meinungsbild ist jedoch nicht einheitlich, da von anderer Seite unter unterschiedlichen Vorzeichen dem Rechtsinstitut des qualifizierten faktischen Konzerns nach wie vor eine gewisse, wenn auch deutlich reduzierte Funktion beigemessen wird. Das gilt zunächst für die AG, bei der selbst in der Rechtsprechung teilweise an dem Rechtsinstitut, zumindest als Unrechtstatbestand und wohl auch 1 BGH, ZIP 2005, 250, 251 (l.Sp. unten) = GmbHR 2005, 299 = NZG 2005, 214; ebenso BAG, AG 2003, 322, 323 (unter 1c) = NJW 2003, 1340 = ZIP 2002, 2137; OLG Jena, GmbHR 2002, 112, 114 (unter V) = ZIP 2002, 631, 633 = DZWiR 2003, 82. 2 S. Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 146 ff.; Altmeppen, ZIP 2001, 1387; Altmeppen, NJW 2002, 321; Bitter, ZIP 2001, 265; Bitter, WM 2001, 2133; Casper, in: Ulmer, Rdnr. 101, 162 ff.; Döser, AG 2003, 406, 414; Goette, in: Ulmer, GmbH-Konzern, 2002, S. 11, 22 ff.; J. Hoffmann, NZG 2002, 68, 72 f.; Liebscher, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 503, 609 ff.; Römermann/Schröder, GmbHR 2001, 1015, 1019. 3 BGHZ 171, 246, 252 ff. Rdnr. 16 ff. = NJW 2007, 2685 = GmbHR 2007, 927 = AG 2007, 657 – „Trihotel“; BGHZ 176, 204, 209 ff. Rdnr. 10 ff. = NJW 2008, 2137 = GmbHR 2008, 805 = AG 2008, 542 – „Gamma“. 4 Zur Kritik s. statt aller Bitter, ZInsO 2010, 1505, 1521 f.; Casper, in: Ulmer, Rdnr. 113 ff.; Liebscher, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 534; Emmerich/Habersack, Kommentar, § 318 AktG Anh. Rdnr. 38.

Emmerich

843

Anhang § 13

GmbH-Konzernrecht

als Haftungstatbestand, festgehalten wird1, während sich die Diskussion in jüngster Zeit deutlich zu dem Problemkreis der „verdeckten Beherrschungsverträge“ verlagert hat, bei denen es im Wesentlichen um dieselben Umgehungstatbestände wie früher bei den qualifizierten faktischen Konzernen geht (s. schon Rdnr. 116). Bei der GmbH fand sich – zumindest in den ersten Jahren nach „Vulkan“ – zudem häufig die Auffassung, der Anwendungsbereich des neuen Haftungstatbestandes beschränke sich auf die Fälle von Einpersonengesellschaften, während in mehrgliedrigen Gesellschaften mit einer opponierenden Minderheit durchaus noch Raum für die Anwendung des Rechtsinstituts des qualifizierten faktischen Konzerns bleibe, zumindest in Fällen einer extremen Organisationsund Vermögensvermischung2. In dieselbe Richtung weist die Auffassung, in Fällen, in denen die abhängige Gesellschaft wie eine „Betriebsabteilung“ geführt wird, d.h., als ob die Beteiligten einen Beherrschungsvertrag abgeschlossen hätten, müssten zum Schutze der abhängigen Gesellschaft, ihrer Gesellschafter und ihrer Gläubiger auch die Regeln über den Vertragskonzern, insbesondere die §§ 302 und 305 AktG Anwendung finden3. Schließlich finden sich auch zahlreiche vermittelnde Meinungen, die in Fällen einer qualifizierten faktischen Konzernierung zumindest für Beweiserleichterungen im Rahmen des neuen Haftungstatbestandes eintreten4 oder die doch für den Schutz der opponierenden Minderheit an den herkömmlichen Regeln festhalten wollen5. In der Tat ist in der Frage, welche Bedeutung heute noch dem Tatbestand des qualifizierten faktischen Konzerns zukommt, genau zwischen dem Bereich des Gläubigerschutzes (unten Rdnr. 123) und dem des Minderheitenschutzes (unten Rdnr. 125) zu unterscheiden6.

3. Gläubigerschutz 123 Die Existenzvernichtungshaftung hat inzwischen in der Praxis der Gerichte den qualifizierten faktischen Konzern als Haftungstatbestand völlig verdrängt, und zwar offenkundig nicht nur bei Einpersonengesellschaften, sondern auch in mehrgliedrigen Gesellschaften mit einer opponierenden Minderheit. Daran führt wohl kein Weg vorbei, mag man das Ergebnis begrüßen oder nicht. Dies ändert indessen nichts daran, dass das Rechtsinstitut des qualifizierten faktischen Konzerns zur Lösung bestimmter Sachfragen entwickelt worden war, die ihre Aktualität nicht mit der Abschaffung dieses Rechtsinstituts eingebüßt haben. Der Unterschied ist nur, dass diese Fälle heute nicht mehr primär als konzernrechtliche verstanden werden, sondern als solche, die nach den all1 S. m.N. Emmerich/Habersack, Kommentar, § 317 AktG Anh. Rdnr. 5 ff.; insbesondere OLG Köln, AG 2009, 416, 418 ff.; LG Köln, AG 2008, 327, 334. 2 Cahn, ZIP 2001, 2159, 2160; Chr. Eberl-Borges, WM 2003, 105 f.; Chr. Eberl-Borges, Jura 2002, 761, 765. 3 Insbes. Karsten Schmidt, GesR, § 39 III 3 (S. 1224 ff.); Karsten Schmidt, NJW 2001, 3577, 3580; ebenso im Ansatz offenbar H. P. Westermann, NZG 2002, 1129, 1132 f.; noch wesentlich weiter gehend Ulmer, in: Ulmer, GmbH-Konzern, 2002, S. 41, 48 f., 53, 69 f. (generelle Vorzugswürdigkeit des Tatbestandes des qualifizierten faktischen Konzerns). 4 So insbes. Drygala, GmbHR 2003, 729, 737 f.; St. Lampert, JA 2002, 356, 358. 5 Drygala, GmbHR 2003, 729, 737 f.; Emmerich/Habersack, Kommentar, § 318 AktG Anh. Rdnr. 39; insbes. J. Hoffmann, NZG 2002, 68, 72 f. 6 Ebenso ausdrücklich BGHZ 150, 61, 68 = NJW 2002, 1803 – „L. Kosmetik“.

844

Emmerich

GmbH-Konzernrecht

Anhang § 13

gemeinen haftungsrechtlichen Grundsätzen zu lösen sind. Ihre Erörterung gehört infolgedessen seitdem in den Zusammenhang des § 13 (s. deshalb im Einzelnen oben § 13 Rdnr. 152 ff.). Hier genügen stattdessen wenige Bemerkungen, um deutlich zu machen, dass nicht nur bei der AG (Rdnr. 122), sondern durchaus auch bei der GmbH die früher mit dem Begriff des qualifizierten faktischen Konzerns umschriebenen Sachfragen ihre auch konzernrechtliche Relevanz behalten haben. Es geht dabei insbesondere um die Frage der Beweislast und um die Haftung in den so genannten Extrem- oder (so heute) Umgehungsfällen (Rdnr. 124) sowie um den Minderheitenschutz (Rdnr. 125 f.). Das größte praktische Problem in sämtlichen Haftungstatbeständen, die unter 124 engen Voraussetzungen eine persönliche Haftung der Gesellschafter einer GmbH an Eingriffe in das Gesellschaftsvermögen knüpfen, ist die Verteilung der Beweislast. Denn hält man in diesen Fällen an der vollen Beweislast der Gläubiger fest, so ist dies zumindest für den Regelfall gleichbedeutend mit der Verurteilung des fraglichen Haftungstatbestandes zur Bedeutungslosigkeit. Deshalb sollte man auch in Zukunft in den typischen Fallgestaltungen, in denen früher in erster Linie die Annahme eines qualifizierten faktischen Konzerns erwogen wurde (oben Rdnr. 109 f.), dem Insolvenzverwalter mit spürbaren Erleichterungen bei der Darlegungs- und Beweislast zur Hilfe kommen. Außerdem ist nicht zu leugnen, dass es „Extremfälle“ gibt, in denen die abhängige Gesellschaft letztlich so geführt wird, als ob das herrschende Unternehmen mit ihr einen Beherrschungsvertrag abgeschlossen hat, insbesondere bei Führung der abhängigen Gesellschaft wie eine Betriebsabteilung. In solchen Fällen ist die Analogie zu den §§ 302 und 303 AktG nach wie vor sachgerecht, wenn nicht, wie früher, unter dem Gesichtspunkt des qualifizierten faktischen Konzerns, sondern dann eben unter dem neuen Topos des verdeckten Beherrschungsvertrages (Rdnr. 164a). Denn es sollte klar sein, dass die Rechtsordnung auf derartige Umgehungstatbestände angemessen reagieren muss, will man nicht ihre Gebote – zum Nachteil der Gläubiger und der Minderheit – zur Disposition der Beteiligten stellen1.

4. Minderheitsschutz Von dem Schutz der Gläubiger durch eine Konzernhaftung entsprechend den 125 §§ 302 und 303 AktG (oben Rdnr. 123 f.), muss der Schutz der Minderheit in derartigen qualifizierten Abhängigkeitsverhältnissen unterschieden werden. Nach Meinung des BGH2 soll diesen Schutz die „Haftung aus Treupflichtverletzung“ nach dem Vorbild des ITT-Urteils vom 5.6.19753 übernehmen. Gemeint sind damit die Regeln über den einfachen faktischen Konzern (oben Rdnr. 65 ff.), deren Kern in dem Schutz der abhängigen Gesellschaft und der übrigen Gesellschafter gegen schädigende Eingriffe des herrschenden Unternehmens durch Unterlas-

1 Ebenso Servatius, in: Michalski, Rdnr. 393 f.; im Ergebnis auch unter Berufung auf § 317 AktG Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 156–159; Casper, in: Ulmer, Rdnr. 167 (Haftung analog § 302 AktG im Rahmen der Schadensschätzung). 2 BGHZ 150, 61, 68 (unter 3) = NJW 2002, 1803 – „L. Kosmetik“. 3 BGHZ 65, 15.

Emmerich

845

Anhang § 13

GmbH-Konzernrecht

sungs-, Beseitigungs- und Schadensersatzansprüche wegen Treuepflichtverletzung besteht (oben Rdnr. 71, 83 ff.). Damit dürfte in der Tat in der Masse der Fälle ein angemessener Schutz der Minderheit zu erreichen sein1. Auf der anderen Seite steht jedoch fest, dass es Fallgestaltungen gibt, in denen dieses Schutzsystem versagt, und zwar deshalb versagt, weil wegen der Intensität und der Häufigkeit der Einflussnahme seitens des herrschenden Unternehmens einzelne Eingriffe und deren Wirkungen nicht mehr isoliert werden können. Das aber sind genau diejenigen Fälle, die am Anfang der Diskussion über den qualifizierten faktischen Konzern gestanden haben (oben Rdnr. 91 ff.). 126 Spätestens in diesen Fällen sind zusätzlich zu den in einfachen faktischen Konzernen anerkannten Schutzmechanismen weitere Regeln zum Schutze der Minderheit, d.h. der außenstehenden Gesellschafter erforderlich, deren Kern nach überwiegender Meinung in einem Austrittsrecht gegen volle Abfindung besteht2. Es steht ferner außer Frage, dass in den fraglichen „Extremfällen“ die Eingliederung der abhängigen Gesellschaft in den von dem herrschenden Unternehmen kontrollierten Konzern ohne Zustimmung aller Gesellschafter rechtswidrig ist, so dass die übrigen Gesellschafter auch Unterlassung und Schadensersatz durch Rückgängigmachung der Konzerneingliederung verlangen können (oben Rdnr. 85 ff.). Hinzu kommen müssen in diesem Fall Ersatzansprüche der Minderheit wegen des ihnen durch den Verlust der Selbständigkeit der Gesellschaft entgangenen Gewinns (§§ 241 Abs. 2, 242, 252, 280 Abs. 1, 705 BGB), wobei naturgemäß ohne grobe Schätzungen nicht auszukommen sein wird (§ 287 ZPO). Die Parallele zu den §§ 304 und 305 AktG wird hier deutlich. 127 Nichts hindert freilich richtiger Meinung nach, den Mitgesellschaftern die genannten Rechtsbehelfe, wo immer nötig, bereits in einfachen faktischen Konzernen zuzubilligen (oben Rdnr. 83 ff.). Damit entfallen zugleich – mit einem Schlag – die schwer wiegenden Abgrenzungsprobleme, die früher mit dem Tatbestand des qualifizierten faktischen Konzerns verbunden waren und die wohl nicht zuletzt zur Aufgabe dieses Rechtsinstituts geführt haben. 128 Soweit der Tatbestand des qualifizierten faktischen Konzerns heute nach dem Gesagten (oben Rdnr. 124) überhaupt noch Bedeutung hat, also insbesondere in der Frage der Beweislast im Rahmen der neuen Existenzvernichtungshaftung und, jedenfalls nach h.M., bei den Rechten der Minderheit, bestehen zudem keine Bedenken, zu den Ursprüngen der ganzen Diskussion zurückzukehren und immer dann von einem qualifizierten faktischen Konzern zu sprechen, wenn sich einzelne Eingriffe des herrschenden Unternehmens und ihre Folgen wegen der Dauer und der Intensität der Einflussnahme des herrschenden Unternehmens mit zumutbarem Aufwand für die Gläubiger oder die Mitgesellschafter nicht mehr isolieren lassen, so dass insbesondere der Minderheit ein weiteres Verbleiben in der Gesellschaft nicht mehr zuzumuten ist. Und nur das allein ist entscheidend.

1 Ebenso Casper, in: Ulmer, Rdnr. 163 ff.; Liebscher, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 615. 2 S. schon oben Rdnr. 84; Casper, in: Ulmer, Rdnr. 169; Liebscher, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 615.

846

Emmerich

GmbH-Konzernrecht

Anhang § 13

F. Beherrschungsverträge Schrifttum: Altmeppen, Die Haftung des Managers im Konzern, 1998, S. 73 ff.; Binnewies, Die Konzerneingangskontrolle in der abhängigen Gesellschaft, 1996; G. Bitter, Konzernrechtliche Durchgriffshaftung bei Personengesellschaften, 2000, S. 326 ff.; Bouchon, Konzerneingangsschutz im GmbH- und Aktienrecht, 2002, S. 241 ff.; C. Führling, Sonstige Unternehmensverträge mit einer abhängigen GmbH, 1993; Grüner, Die Beendigung von Gewinnabführungs- und Beherrschungsverträgen, 2003; Kort, Der Abschluss von Beherrschungs- und Gewinnabführungsverträgen im GmbH-Recht, 1986; Kort, Bestandsschutz fehlerhafter Strukturänderungen im Kapitalgesellschaftsrecht, 1998; J. Kurz, Der Gewinnabführungsvertrag im GmbH-Recht aus konzernverfassungsrechtlicher Sicht, 1992; Liebscher, Konzernbildungskontrolle, 1995; J. Mimberg, Konzernexterne Betriebspachtverträge im Recht der GmbH, 2000; Rodewald, Der GmbH-Konzern, in: GmbH-Handbuch, Rdnr. I 2891–2959; Uwe H. Schneider (Hrsg.), Beherrschungs- und Gewinnabführungsverträge in der Praxis der GmbH, 1989; Veil, Unternehmensverträge, 2003; U. Wackerbarth, Grenzen der Leitungsmacht in der internationalen Unternehmensgruppe, 2001.

I. Überblick Gesellschaften in der Rechtsform einer GmbH können sich ebenso wie andere 129 Gesellschaften an Unternehmensverträgen i.S. der §§ 291 und 292 AktG auf beiden Seiten des Vertrages beteiligen. Davon geht auch die Rechtsordnung an mehreren Stellen ausdrücklich aus (s. insbesondere § 30 Abs. 1 Satz 2 GmbHG sowie § 17 KStG). Obwohl über die Verbreitung derartiger Unternehmensverträge mit einer GmbH bislang nur wenig bekannt geworden ist, dürfte man doch kaum fehl gehen in der Annahme, dass schon aus steuerlichen Gründen (s. §§ 14, 17 KStG) zumindest Gewinnabführungsverträge mit abhängigen GmbH in erheblicher Zahl abgeschlossen werden. Mit solchen Verträgen scheinen außerdem nicht selten Beherrschungsverträge zu Organschaftsverträgen verbunden zu werden, während reine Beherrschungsverträge bisher offenbar selten sind (s. 10. Aufl., § 53 Rdnr. 164). Auch andere Unternehmensverträge mit einer abhängigen GmbH sind bereits bekannt geworden. Hervorzuheben sind neben stillen Gesellschaftsverträgen insbesondere Betriebspacht- und Betriebsüberlassungsverträge (§ 292 Abs. 1 Nr. 2 und Nr. 3 AktG). Die mit dem Abschluss von Unternehmensverträgen verbundenen Fragen wer- 130 den in diesem Kommentar zum Teil an anderer Stelle behandelt (s. 10. Aufl., § 53 Rdnr. 164–175). Soweit dies der Fall ist, beschränken sich die folgenden Ausführungen auf eine kurze Zusammenfassung des Diskussionsstandes. Im Übrigen wird aus der Vielzahl der einschlägigen Probleme nur auf diejenigen eingangen, die einen GmbH-spezifischen Charakter aufweisen. Eine geschlossene Kommentierung der §§ 291 bis 310 AktG unter GmbH-rechtlichen Vorzeichen ist weder möglich noch beabsichtigt. Wegen der Einzelheiten kann unbedenklich auf die Kommentierungen der genannten aktienrechtlichen Vorschriften verwiesen werden1.

1 S. Emmerich/Habersack, Kommentar, §§ 291–310 AktG, wo durchweg auch auf die Besonderheiten der GmbH eingegangen wird, sowie §§ 291–310 AktG bei K. Schmidt/Lutter, AktG, 2. Aufl. 2010.

Emmerich

847

Anhang § 13

GmbH-Konzernrecht

131 Eine gesetzliche Regelung haben die Unternehmensverträge bislang allein im AktG in den §§ 293 bis 310 AktG für Verträge mit abhängigen Aktiengesellschaften gefunden. Das GmbHG beschränkt sich dagegen in dem im Jahre 2008 durch das MoMiG in das Gesetz eingefügten § 30 Abs. 1 Satz 2 auf die Bestimmung, dass das Verbot der Auszahlung des zur Erhaltung des Stammkapitals erforderlichen Vermögens an die Gesellschafter nicht bei Leistungen gilt, die bei Bestehen eines Beherrschungs- oder Gewinnabführungsvertrages im Sinne des § 291 AktG erfolgen, – womit aber jedenfalls geklärt ist, dass auch das GmbHG von der Möglichkeit ausgeht, mit einer abhängigen GmbH Unternehmensverträge der genannten Art abzuschließen. Eine zusammenhängende gesetzliche Regelung der Materie fehlt bisher, von einzelnen verstreuten Vorschriften abgesehen. Hervorzuheben ist insoweit insbesondere die steuerrechtliche Regelung für Gewinnabführungsverträge mit abhängigen Gesellschaften in der Rechtsform einer GmbH in den §§ 14 ff., 17 KStG von 1977 i.d.F. von 2008. Der Anwendungsbereich dieser Vorschriften beschränkt sich indessen auf das Steuerrecht. Das Gesellschaftsrecht ist durch sie nicht gehindert, an die Gültigkeit von Gewinnabführungsverträgen mit GmbH andere, und zwar strengere Anforderungen als das Steuerrecht zu stellen1. Dabei wird in erster Linie von einer Analogie zu den §§ 291 bis 310 AktG auszugehen sein, soweit die Situation bei AG und GmbH vergleichbar ist und nicht vorrangige GmbH-rechtliche Wertungen eine abweichende Beurteilung erzwingen2. Es wird sich zeigen, dass diese Voraussetzungen einer Analogie zu den §§ 291 bis 310 AktG in der Tat bei vielen Fragen erfüllt sind. 132 Noch weitgehend ungeklärt ist die Rechtslage lediglich hinsichtlich der 1994 durch das Umwandlungsrechtsbereinigungsgesetz3 in das Gesetz eingefügten Vorschriften der §§ 293a bis 293g AktG, durch die nach dem Vorbild des Verschmelzungsrechts (s. §§ 8 bis 12 UmwG) ein Unternehmensvertragsbericht (§ 293a AktG) und eine Unternehmensvertragsprüfung (§ 293b AktG) eingeführt wurden, über die der Vertragsprüfer berichten muss (§ 293e AktG); beide Berichte, der Vertragsbericht des Vorstandes und der Prüfungsbericht der Vertragsprüfer, werden außerdem den Aktionären zugänglich gemacht (§§ 293f Abs. 1 Nr. 3, 293g Abs. 1 AktG). 133 Die Frage, ob und in welchem Umfang die genannten Vorschriften (oben Rdnr. 132) im GmbH-Konzernrecht entsprechend anwendbar sind, lässt sich nicht einheitlich beantworten4. Kein Bedürfnis für ihre entsprechende Anwendung besteht jedenfalls, wenn und soweit man daran festhält, dass der Abschluss eines Unternehmensvertrages mit einer abhängigen GmbH der Zustimmung al-

1 Ebenso BGHZ 105, 324, 339 = NJW 1989, 295 = GmbHR 1989, 25 – „Supermarkt“; BayObLGZ 1988, 201 = AG 1988, 379 = GmbHR 1988, 389; OLG Düsseldorf, AG 1995, 137, 138 = NJW-RR 1995, 233 = GmbHR 1994, 805 – „Rüttgerswerke AG“; Liebscher, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 633. 2 S. Emmerich/Habersack, Konzernrecht, § 32 Rdnr. 4 f. (S. 491 f.); zustimmend Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 17. 3 BGBl. I 1994, 3210. 4 S. Emmerich/Habersack, Kommentar, § 293a AktG Rdnr. 10 ff.

848

Emmerich

GmbH-Konzernrecht

Anhang § 13

ler Gesellschafter bedarf1. Eine andere Beurteilung kommt dagegen in Betracht, sofern man sich, etwa aufgrund einer entsprechenden Vertragsbestimmung, mit einer qualifizierter Mehrheit für die Zustimmung zu dem Unternehmensvertrag begnügt (Rdnr. 145). Eine Analogie zu den §§ 293a ff. AktG ist ferner angebracht, soweit es um die Situation einer herrschenden GmbH geht, die z.B. einen Beherrschungs- oder Gewinnabführungsvertrag mit einer abhängigen AG abschließt. Ebenso ist zu entscheiden, wenn einer herrschenden AG eine GmbH gegenübersteht, und zwar aus der nahe liegenden Überlegung heraus, dass dann das Informationsinteresse der Aktionäre der herrschenden AG nicht geringer ist, als wenn Vertragspartner eine abhängige AG oder KGa.A. ist2. Schließlich hindert auch nichts, die Maßstäbe der §§ 293f und 293g AktG im Rahmen des § 51a zur Konkretisierung des Auskunfts- und Einsichtsrechts der Gesellschafter heranzuziehen, namentlich, soweit es um die Angelegenheiten des anderen Vertragsteils geht3.

II. Begriff, Notwendigkeit 1. Der Begriff des Beherrschungsvertrages ist im GmbH-Recht grundsätzlich der- 134 selbe wie im Aktienrecht (s. §§ 291 Abs. 1, 308 Abs. 1 AktG). Darunter ist folglich ein Vertrag mit einer abhängigen GmbH zu verstehen, durch den sich diese der Leitung eines anderen Unternehmens unterstellt, indem sie diesem ein Weisungsrecht hinsichtlich der Leitung ihres Unternehmens einräumt. Nach Abschluss des Vertrages sind die Geschäftsführer der abhängigen Gesellschaft verpflichtet, etwaige Weisungen des herrschenden Unternehmens hinsichtlich der Leitung des Unternehmens der abhängigen Gesellschaft zu befolgen, selbst wenn sie für die Gesellschaft nachteilig sein sollten. Im Ergebnis wird mithin durch den Abschluss einen Beherrschungsvertrages die Geschäftsführungskompetenz der Gesellschafterversammlung (§§ 37 Abs. 1, 46 Nr. 6) auf das herrschende Unternehmen verlagert. Die Bedeutung des Beherrschungsvertrages ist im GmbH-Konzernrecht infolge- 135 dessen kaum geringer als im Aktienkonzernrecht4. Zwar ist an sich bei der GmbH im Gegensatz zur AG (s. § 76 AktG) die Erteilung von Weisungen an die Geschäftsführer durch die Gesellschafterversammlung grundsätzlich auch ohne Abschluss eines Beherrschungsvertrages möglich (vgl. § 37). Direkte (unmittelbare) Weisungen einzelner Gesellschafter an die Geschäftsführer unter Umgehung der Gesellschafterversammlung, der Gesellschaft, nachteilige Weisungen sowie Weisungen, durch die die Gesellschaft in den Konzern des herrschenden 1 S. Rdnr. 144; ebenso Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 48 f.; Casper, in: Ulmer, Rdnr. 193; Liebscher, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 737; Mues, RNotZ 2005, 1, 17 f.; Zöllner, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 55; – a.A. Humbeck, BB 1995, 1893 f.; Koppensteiner, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 64, 66; Lutter, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 54 f.; differenzierend Bungert, DB 1995, 1449, 1452 ff. 2 S. unten Rdnr. 150 sowie Emmerich/Habersack, Kommentar, § 293a AktG Rdnr. 12 m.N. 3 Ebenso Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 48; Liebscher, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 738. 4 Ebenso Kropff, in: FS Semler, S. 517, 528 ff.; Liebscher, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 656 ff.; Lutter, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 44; Zöllner, ZGR 1992, 173, 175 f.

Emmerich

849

Anhang § 13

GmbH-Konzernrecht

Unternehmens eingegliedert werden soll, sind jedoch nicht zulässig (oben Rdnr. 71 ff.), so dass solche Weisungen, ohne die ein Vertragskonzern kaum erfolgreich praktiziert werden kann, grundsätzlich nur aufgrund eines Beherrschungsvertrages möglich sind. Daher gilt für die GmbH ebenso wie für die AG, dass in der Regel allein der Abschluss eines Beherrschungsvertrages die Befugnis zur Ausübung einer umfassenden Leitungsmacht des herrschenden Unternehmens gegenüber der abhängigen Gesellschaft vermittelt1. 136 2. Das Gesagte (oben Rdnr. 134 f.) wird verschiedentlich unter Hinweis auf die Vertragsfreiheit der Gesellschafter im Innenverhältnis bestritten (§ 45)2. In der Tat sind bei der GmbH anders als bei der AG Gesellschaftsvertragsgestaltungen vorstellbar, die, jedenfalls auf den ersten Blick, den zusätzlichen Abschluss eines Beherrschungsvertrages entbehrlich machen. Beispiele sind die ausdrückliche Übertragung eines Weisungsrechtes an einzelne Gesellschafter oder an die Mehrheit sowie vergleichbare Regelungen. – Bei der Würdigung derartiger Vertragsgestaltungen muss man verschiedene Fragen unterscheiden. 137 Auszugehen ist davon, dass § 45 Abs. 1 Vertragsbestimmungen der genannten Art (Rdnr. 136) grundsätzlich zulässt3. Soweit jedoch hierdurch einzelnen Gesellschaftern ein (unbeschränktes) Weisungsrecht gegenüber den Geschäftsführern eingeräumt wird, ein Weisungsrecht also, das insbesondere auch nachteilige Weisungen umfasst, sollte man ungeachtet des § 45 Abs. 1 zum Schutze der Minderheit jedenfalls in mehrgliedrigen Gesellschaften daran festhalten, dass solche Regelungen nur unter denselben Voraussetzungen und Kautelen im Gesellschaftsvertrag getroffen werden dürfen, wie sie sonst für einen Beherrschungsvertrag maßgeblich sind. Dies bedeutet konkret, dass, sofern sich eine derartige Regelung nicht bereits in dem ursprünglichen Gesellschaftsvertrag befindet (dem ohnehin alle Gründer zustimmen müssen, § 2 Abs. 1 Satz 2), eine entsprechende spätere Änderung des Gesellschaftsvertrages der Zustimmung aller Gesellschafter bedarf; das folgt schon aus § 53 Abs. 34. Auch auf eine Eintragung ins Handelsregister (Rdnr. 152) sollte man in diesem Fall nicht verzichten – über § 54 hinaus –, um die nötige Publizität von Vertragskonzernen sicher zu stellen. Zudem greifen dann die §§ 302 und 303 AktG ein, woraus sich gleichfalls die Notwendigkeit einer umfassenden Registerpublizität ergibt. Man sollte bei dieser Diskussion nicht übersehen, dass die geltende Rechtsordnung selbst an mehreren Stellen ausdrücklich von der Möglichkeit des Abschlusses von Beherrschungs- und Gewinnabführungsverträgen mit einer abhängigen GmbH ausgeht, so insbesondere in § 30 Abs. 1 Satz 2 GmbHG sowie in § 17 KStG. Damit sollte die Frage – eigentlich – entschieden sein.

1 Ebenso BGH, LM Nr. 2 zu § 293 AktG = GmbHR 1992, 253 = NJW 1992, 1452 = AG 1992, 192, 194 – „Siemens/NRG“; Rodewald, in: GmbH-Handbuch, Rdnr. I 2898; Zöllner, ZGR 1992, 173, 186 f.; Zöllner, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 50, 64 f. 2 Z.B. Korff, GmbHR 2009, 243. 3 S. Karsten Schmidt, GesR, §§ 38 III, 39 II 1 (S. 1194, 1216); anders Kropff, in: FS Semler, S. 517, 532 ff.; wegen der Einzelheiten s. Emmerich/Habersack, Kommentar, § 291 AktG Rdnr. 41 ff. 4 Ebenso im Ergebnis Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 20 ff.; Beuthien, ZIP 1993, 1589; Zöllner, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 55.

850

Emmerich

GmbH-Konzernrecht

Anhang § 13

3. Ob das Gesagte (Rdnr. 137) ohne Einschränkung auch für Einpersonengesell- 138 schaften gilt, ist umstritten und in der Tat zweifelhaft, da der einzige Gesellschafter den Geschäftsführern grundsätzlich jederzeit innerhalb oder außerhalb der Gesellschafterversammlung beliebige Weisungen erteilen kann. Die einzigen Schranken ergeben sich aus den §§ 30 und 31 sowie aus den Regeln über die Existenzvernichtungshaftung, durch die der hier allein gebotene Gläubigerschutz sichergestellt wird1. Ebenso zu behandeln sind wohl Gesellschaften, bei denen die Gesellschafter übereinstimmend schädigend auf die Gesellschaft einwirken. Unberührt bleiben aber die anderen Gründe, die für die generelle Notwendigkeit eines Beherrschungsvertrages sprechen (Rdnr. 137) und daher auch in dem Sonderfall einer Einpersonengesellschaft Beachtung beanspruchen. Das Steuerrecht macht in § 17 KStG gleichfalls keine Ausnahme für derartige Gesellschaften.

III. Zustandekommen des Vertrages 1. Anwendbarkeit der §§ 53, 54 a) Das AktG enthält in den §§ 293 bis 294 AktG eingehende Vorschriften über 139 die bei dem Abschluss von Beherrschungs- und Gewinnabführungsverträgen zu beachtenden Förmlichkeiten. Wegen der Besonderheiten der GmbH werden diese Vorschriften jedoch nur subsidiär auf die GmbH angewandt, d.h. nur, soweit nicht bereits den §§ 53 und 54 (unmittelbar oder mittelbar) eine Regelung der hier anstehenden Fragen entnommen werden kann (10. Aufl., § 53 Rdnr. 167 ff.). Dahinter steht die Erwägung, dass ein Beherrschungsvertrag letztlich den 140 Zweck der Gesellschaft verändert, indem er sie auf die Interessen des herrschenden Unternehmens ausrichtet (§ 33 BGB)2. Er enthält außerdem einen gravierenden Eingriff in die Mitverwaltungsrechte (§§ 37, 46) und in das Gewinnbezugsrecht der Gesellschafter (§ 29). Der Sache nach kommt sein Abschluss daher einer Vertragsänderung zumindest so nahe, dass es geboten erscheint, auf ihn die §§ 53 und 54, wenn nicht schon unmittelbar, so doch jedenfalls entsprechend anzuwenden3. Daraus wird allgemein gefolgert, dass zu dem Abschluss des Beherrschungsvertrages durch die Geschäftsführer (Rdnr. 141) die Zustimmung der Gesellschafter der abhängigen Gesellschaft (§§ 53, 54; Rdnr. 144 ff.) und die der Gesellschafter der herrschenden Gesellschaft (s. § 293 Abs. 2 AktG; Rdnr. 148 ff.) sowie die Eintragung ins Handelsregister (Rdnr. 152 ff.) als Wirksamkeitsvoraussetzungen hinzutreten müssen. b) Der Beherrschungsvertrag stellt einen Vertrag zwischen der abhängigen Gesellschaft und dem herrschenden Unternehmen dar, so dass für seinen Ab1 S. oben § 13 Rdnr. 152 ff.; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 26–28; enger Kropff, in: FS Semler, S. 517, 534 ff. 2 S. Rdnr. 144 ff.; anders Bouchon, Konzerneingangsschutz, S. 244 ff.; Grauer, Konzernbildungskontrolle, S. 158, 174 ff. 3 S. 10. Aufl., § 53 Rdnr. 167 f.; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 29 ff.; Casper, in: Ulmer, Rdnr. 189 ff.; Emmerich/Habersack, Kommentar, § 293 AktG Rdnr. 42 m.N.; Koppensteiner, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 54 ff.; Lutter, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 47 ff.; Mues, RNotZ 2005, 1, 15 f.; Servatius, in: Michalski, Rdnr. 66 ff.; Zöllner, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 52 ff.

Emmerich

851

141

Anhang § 13

GmbH-Konzernrecht

schluss bei der abhängigen Gesellschaft nach den §§ 35 und 37 die Geschäftsführer zuständig sind. Keine Anwendung findet jedoch § 37 Abs. 2, da Beherrschungsverträge gesellschaftsrechtliche Verträge sind, für die der Grundsatz der Unbeschränkbarkeit der Vertretungsmacht nicht gilt. Der Vertrag wird daher erst wirksam, wenn ihm die Gesellschafterversammlungen der abhängigen wie der herrschenden Gesellschaft mit der jeweils erforderlichen Mehrheit zugestimmt haben1. 142 Auf den Vertrag als solchen finden die Formvorschriften der §§ 53 und 54 keine Anwendung; maßgebend sind vielmehr hier aufgrund des subsidiär eingreifenden Aktienkonzernrechts die §§ 293 Abs. 3 und 294 AktG, so dass für ihn schriftliche Abfassung genügt2. Nur wenn der Vertrag ein Umtausch- oder Abfindungsangebot an die außenstehenden Gesellschafter enthält, dürfte mit Rücksicht auf § 15 Abs. 4 die notarielle Beurkundung des Vertrages erforderlich sein3. 143 c) Zu dem formgerechten Abschluss des Beherrschungsvertrages durch die Geschäftsführer der abhängigen GmbH (Rdnr. 141 f.) muss mit Rücksicht auf die (unmittelbar oder doch entsprechend anwendbaren) §§ 53 und 54 zunächst die Zustimmung der Gesellschafter der abhängigen Gesellschaft mit der nötigen Mehrheit hinzukommen4. Nach wie vor umstritten ist jedoch, mit welcher Mehrheit, konkret: ob eine qualifizierte Mehrheit der Gesellschafter genügt oder ob grundsätzlich die Zustimmung aller Gesellschafter erforderlich ist. Die Entscheidung hängt letztlich davon ab, an welche Vorschriften man als Analogiebasis anknüpft – und wie stark man die Notwendigkeit eines umfassenden Schutzes der Minderheit im GmbH-Vertragskonzern einstuft. 143a Die gesetzliche Ausgangslage ist widersprüchlich: Auf der einen Seite bestimmt § 293 Abs. 1 Satz 2 AktG, dass für die Zustimmung der Hauptversammlung der abhängigen Gesellschaft zu einem Beherrschungsvertrag grundsätzlich eine qualifizierte Mehrheit der Aktionäre genügt. Damit stimmt im Kern § 53 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 2 überein. Dagegen verlangen § 33 Abs. 1 Satz 2 BGB und § 53 Abs. 3 GmbHG für eine Änderung des Zwecks der Gesellschaft sowie für eine Vermehrung der den Gesellschaftern nach dem Vertrag obliegenden Leistungen die Zustimmung sämtlicher Gesellschafter. Die Diskussion dreht sich im Kern um die Frage, an welche dieser Regelungen bei der Bestimmung der nötigen Mehrheit für das Zustandekommen eines Beherrschungs- oder Gewinnabführungsvertrages anzuknüpfen ist.

1 S. Rdnr. 144 ff., 10. Aufl., § 53 Rdnr. 171; BGHZ 105, 324, 332 = NJW 1989, 295 = GmbHR 1989, 25 – „Supermarkt“. 2 S. 10. Aufl., § 53 Rdnr. 168; BGHZ 105, 324, 342 = NJW 1989, 295 = GmbHR 1989, 25 – „Supermarkt“; BGH, LM Nr. 2 zu § 293 AktG = NJW 1992, 1452 = AG 1992, 192, 193 = GmbHR 1992, 253 – „Siemens/NRG“; Rodewald, in: GmbH-Handbuch, Rdnr. I 2923. 3 Zöllner, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 53. 4 S. 10. Aufl., § 53 Rdnr. 171; BGHZ 105, 324, 331 f., 338 = NJW 1989, 295 = GmbHR 1989, 25 – „Supermarkt“; BGHZ 116, 37, 43 f. = NJW 1992, 505 = GmbHR 1992, 34 – „Hansa Feuerfest/Stromlieferung“; BGH, LM Nr. 2 zu § 293 AktG = GmbHR 1992, 253 = NJW 1992, 1452 = AG 1992, 192 – „Siemens/NRG“; BayObLGZ 1992, 367 = ZIP 1993, 263 = AG 1993, 177 – „BSW“.

852

Emmerich

GmbH-Konzernrecht

Anhang § 13

Die wohl überwiegende Meinung betont die Parallele zu § 33 Abs. 1 Satz 2 BGB 144 und zu § 53 Abs. 3 GmbHG und folgert daraus die Notwendigkeit einer Zustimmung aller Gesellschafter. Ein einstimmiger Zustimmungsbeschluss der Gesellschafterversammlung genügt folglich nur, wenn an dieser tatsächlich alle Gesellschafter teilgenommen haben, wobei freilich Stimmenthaltungen dem Zustimmungsbeschluss nicht entgegenstehen dürften. Ist der (einstimmige) Beschluss der Gesellschafterversammlung nicht unter der Mitwirkung sämtlicher Gesellschafter zu Stande gekommen, so wird es ferner meistens als ausreichend angesehen, wenn die übrigen Gesellschafter noch nachträglich dem Beschluss über die Billigung des Beherrschungsvertrages zustimmen (s. § 33 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 2 BGB; § 53 Abs. 3 GmbHG)1. Dabei bleibt freilich zu beachten, dass auch dann, wenn man sich materiell-rechtlich mit der formlosen Zustimmung aller Gesellschafter zu dem mit qualifizierter Mehrheit gefassten Zustimmungsbeschluss begnügt, dem Registergericht die Zustimmung doch in der Form des § 12 HGB nachgewiesen werden muss, da das Gericht ohne solchen Nachweis den Beherrschungsvertrag nicht ins Handelsregister eintragen darf (s. § 294 AktG). Gelegentlich wird das Erfordernis der Zustimmung aller Gesellschafter auch auf eine „personalistische Gesellschaft“ beschränkt2. Nach der Gegenmeinung genügt dagegen entsprechend § 293 Abs. 1 AktG und 145 § 53 Abs. 2 Satz 1 GmbHG auch bei der GmbH die Zustimmung der Gesellschaftersversammlung der abhängigen Gesellschaft mit qualifizierter Mehrheit, vorausgesetzt, dass der Vertrag zugleich durch Abfindungs- und Ausgleichsregelungen entsprechend den §§ 304 oder 305 AktG in der gebotenen Weise auf die Interessen der Minderheit Rücksicht nimmt (s. Rdnr. 159 f.). Häufig wird von den Vertretern dieser Meinung zusätzlich noch eine materielle Beschlusskontrolle dahingehend verlangt, ob der Vertrag aus den Interessen der abhängigen Gesellschaft heraus gerechtfertigt ist3. Außerdem dürften dann Berichtsund Prüfungspflichten entsprechend den §§ 293a, 293b und 293e AktG in der Fassung von 1994 in Betracht kommen (s. oben Rdnr. 133). – Rechtsprechung zu dem Fragenkreis fehlt bisher. Der BGH hat im Gegenteil die Frage der nötigen Mehrheit in dem Supermarkt-Beschluss ausdrücklich offen gelassen4. An dieser Stelle ist bisher stets an der Notwendigkeit einer Zustimmung aller Gesellschafter zu dem Abschluss eines Beherrschungs- oder Gewinnabführungsvertrages festgehalten worden. Dafür spricht – neben den Geboten des Minderhei1 S. 10. Aufl., § 47 Rdnr. 5, § 53 Rdnr. 171; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 37–40; Altmeppen, DB 1994, 1273; Binnewies, Konzerneingangskontrolle, S. 265 ff. (mit Ausnahmen); Casper, in: Ulmer, Rdnr. 191; Drüke, Haftung, S. 99; Kleindiek, Strukturvielfalt, S. 77 ff.; Mues, RNotZ 2005, 1, 16 f.; Pache, GmbHR 1995, 90, 92; Karsten Schmidt, GesR, § 38 III 2a (S. 1192 f.); Timm, GmbHR 1992, 211, 215; Ulmer, BB 1989, 10, 13; Zöllner, ZGR 1992, 173, 174 f. 2 So Liebscher, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 716 ff. 3 Bouchon, Konzerneingangsschutz, S. 241 ff.; Grauer, Konzernbildungskontrolle, S. 168, 189 ff.; Halm, NZG 2001, 728, 729 f.; Heckschen, DB 1989, 29 f.; Koerfer/Selzner, GmbHR 1997, 285, 287 ff.; Koppensteiner, RdW 1985, 170; Koppensteiner, in: Hommelhoff, Entwicklungen im GmbH-Konzernrecht, S. 101, 111 ff.; Lutter, in: Hommelhoff, Entwicklungen im GmbH-Konzernrecht, S. 196; Lutter, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 63; A. Weber, GmbHR 2003, 1347, 1348. 4 BGHZ 105, 324, 332 = NJW 1989, 295 = GmbHR 1989, 25 – „Supermarkt“.

Emmerich

853

146

Anhang § 13

GmbH-Konzernrecht

tenschutzes – nach wie vor die Überlegung, dass Beherrschungs- und Gewinnabführungsverträge den Zweck der Gesellschaft verändern und schwerwiegend in die Mitverwaltungs- und Gewinnbezugsrechte der Gesellschafter eingreifen, zumal es auch allein auf dieser Grundlage möglich ist, das herrschende Unternehmen dazu zu veranlassen, auf die Interessen der Minderheit durch angemessene Ausgleichs- und Abfindungsleistungen Rücksicht zu nehmen. Die üblicherweise hiergegen vorgebrachten Einwände überzeugen nicht. Das gilt auch für die verbreitete Kritik, einzelnen Gesellschaftern werde auf diese Weise ohne Not die Möglichkeit eröffnet, den Abschluss von Unternehmensverträgen aus unsachlichen Gründen zu hintertreiben. Denn nichts hindert die Vorstellung, dass die Gesellschafter in Ausnahmefällen aufgrund ihrer Treuepflicht verpflichtet sein können, dem Abschluss eines Unternehmensvertrages zuzustimmen, etwa, wenn allein auf diese Weise das Überleben der abhängigen Gesellschaft gesichert werden kann. 147 d) Verlangt man Einstimmigkeit für den Zustimmungsbeschluss (Rdnr. 144), so erledigt sich für den Regelfall auch die schwierige Frage, ob das herrschende Unternehmen bei der Abstimmung über den Beherrschungsvertrag das Stimmrecht hat oder ob hier Raum für die Anwendung des § 47 Abs. 4 Satz 2 ist. Die Frage einer Anwendbarkeit des § 47 Abs. 4 Satz 2 GmbHG ist nur relevant, wenn sich der Gesellschaftsvertrag für den Zustimmungsbeschluss mit einer qualifizierten Mehrheit begnügt (Rdnr. 155 f.). Sie dürfte dann entsprechend der aktienrechtlichen Regelung zu verneinen sein (s. 10. Aufl., § 47 Rdnr. 115, § 53 Rdnr. 166). Man käme sonst zu dem schwer erträglichen Ergebnis, dass über den Abschluss eines Beherrschungsvertrages – infolge des Stimmverbotes für den anderen Vertragsteil – in der Regel allein die Minderheitsgesellschafter zu entscheiden hätten, womit sich der Zweck entsprechender gesellschaftsvertraglicher Regelungen geradezu in sein Gegenteil verkehrte.

2. Zustimmung der Gesellschafter der Obergesellschaft 148 a) Nach § 293 Abs. 2 AktG muss dem Abschluss eines Beherrschungs- oder Gewinnabführungsvertrages mit einer AG die Hauptversammlung der herrschenden AG gleichfalls mit qualifizierter Mehrheit zustimmen. Diese Regelung findet ihre Rechtfertigung vor allem in dem Umstand, dass sich auch für das herrschende Unternehmen aus Beherrschungs- und Gewinnabführungsverträgen aufgrund der §§ 302 bis 305 AktG erhebliche Belastungen ergeben können. Von den genannten Vorschriften sind zumindest die §§ 302 und 303 AktG auch auf Beherrschungs- und Gewinnabführungsverträge mit einer abhängigen GmbH anwendbar (s. Rdnr. 180 ff.). Daraus ist der Schluss zu ziehen, dass § 293 Abs. 2 AktG im GmbH-Konzernrecht entsprechend anzuwenden ist, auf jeden Fall, wenn die herrschende Gesellschaft eine AG ist, grundsätzlich aber auch sonst, namentlich also im Verhältnis zwischen einer herrschenden GmbH und einer abhängigen GmbH1. 1 S. 10. Aufl., § 53 Rdnr. 173; BGHZ 105, 324, 333 ff. = NJW 1989, 295 = GmbHR 1989, 25 – „Supermarkt“; BGHZ 115, 187, 192 = GmbHR 1991, 520 = NJW 1991, 3142 – „Video“; BGH, LM Nr. 2 zu § 293 AktG = NJW 1992, 1452 = GmbHR 1992, 253 = AG 1992, 192 – „Siemens/NRG“; OLG Zweibrücken, GmbHR 1999, 665 = AG 1999, 328; LG Mannheim, AG 1995, 142 = GmbHR 1994, 810 = Rpfleger 1994, 256 – „Freudenberg &

854

Emmerich

GmbH-Konzernrecht

Anhang § 13

Der Zustimmungsbeschluss der herrschenden Gesellschaft (oben Rdnr. 148) be- 149 darf nur dann der notariellen Beurkundung, wenn es sich bei ihr um eine AG handelt (§§ 293 Abs. 2, 130 Abs. 1 AktG)1. Anders hingegen bei Gesellschaften anderer Rechtsform. Auch wenn die Muttergesellschaft eine GmbH ist, genügt für den Zustimmungsbeschluss einfache Schriftform, wobei der Vertrag der Urkunde als Anlage beizufügen ist; für eine entsprechende Anwendung des § 53 Abs. 2 Satz 1 ist hier kein Raum2. b) Das AktG kennt heute bei dem Abschluss von Beherrschungs- und Gewinn- 150 abführungsverträgen auch für den Zustimmungsbeschluss der Obergesellschaft aufgrund der §§ 293a bis 293g AktG umfangreiche Berichts-, Prüfungs- und Informationspflichten (s. oben Rdnr. 132 f.). Diese Pflichten sollten im Kern bei dem Abschluss eines Beherrschungs- oder Gewinnabführungsvertrages mit einer abhängigen GmbH jedenfalls dann beachtet werden, wenn das herrschende Unternehmen die Rechtsform einer AG hat (Rdnr. 133) oder wenn einer GmbH eine abhängige AG gegenübersteht (Rdnr. 133), während sich ihre entsprechende Anwendung im Verhältnis einer herrschenden GmbH zu einer GmbH kaum rechtfertigen lässt, wenn man für die abhängige GmbH gleichfalls die Anwendbarkeit der §§ 293a bis 293g AktG deshalb verneint, weil hier Einstimmigkeit erforderlich ist (Rdnr. 133). c) Die geschilderten Förmlichkeiten (oben Rdnr. 148 ff.) sind grundsätzlich auch 151 bei dem Abschluss eines Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrages mit 100 %igen Tochtergesellschaften in der Rechtsform einer GmbH zu beachten. In der Gesellschaftspraxis ist dies als übertriebene Förmelei auf verbreitete Kritik gestoßen. Hier wird häufig, etwa nach dem Vorbild des § 62 UmwG, die Einführung einer Bagatellklausel gefordert, für die jedoch das geltende Recht keine ausreichende Grundlage bietet.

3. Eintragung ins Handelsregister a) Letzte Wirksamkeitsvoraussetzung ist entsprechend § 54 GmbHG und (hilfs- 152 weise) § 294 AktG die Eintragung des Beherrschungs- oder Gewinnabführungsvertrages in das Handelsregister (jedenfalls) der abhängigen Gesellschaft. Der Anmeldung zum Handelsregister müssen nach § 54 Abs. 1 Satz 2 der Zustim-

Co.“ (für einen Beherrschungsvertrag zwischen einer KG und einer GmbH); Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 44 ff.; Casper, in: Ulmer, Rdnr. 194; Koppensteiner, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 65 f.; Liebscher, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 726 f.; Mues, RNotZ 2005, 1, 18 f.; Rodewald, in: GmbH-Handbuch, Rdnr. I 2934; Servatius, in: Michalski, Rdnr. 68; Zöllner, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 57. 1 BGH, LM Nr. 2 zu § 293 AktG = NJW 1992, 1452 = GmbHR 1992, 253 = AG 1992, 192 – „Siemens/NRG“. 2 S. 10. Aufl., § 53 Rdnr. 173; BGHZ 105, 324, 336 f. = NJW 1989, 295 = GmbHR 1989, 25 – „Supermarkt“; Altmeppen, DB 1994, 1273; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 46; Casper, in: Ulmer, Rdnr. 194; Hoffmann-Becking, WiB 1994, 57, 59; Lutter, in: Lutter/ Hommelhoff, Rdnr. 62; Koppensteiner, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 65; Mues, RNotZ 2005, 1, 19 (l.Sp. 3. Abs.); Rodewald, in: GmbH-Handbuch, Rdnr. I 2934; – anders Heckschen, DB 1989, 29, 30; Uwe H. Schneider, in: Uwe H. Schneider, Beherrschungsund Gewinnabführungsverträge, S. 7, 15 ff.; Th. Weigel, in: FS Quack, S. 505, 516 f.

Emmerich

855

Anhang § 13

GmbH-Konzernrecht

mungsbeschluss und der Unternehmensvertrag als Anlagen beigefügt werden1. In das Handelsregister sind sodann entsprechend § 294 AktG im Interesse der Unterrichtung der Öffentlichkeit über den Konzernstatus der abhängigen Gesellschaft Bestehen und Art des Vertrages, der Zustimmungsbeschluss, der Name des anderen Vertragsteils sowie das Datum des Zustimmungsbeschlusses und des Vertragsabschlusses einzutragen2. Die Eintragung hat konstitutive Wirkung3. Dies alles gilt auch für Einpersonengesellschaften4. 153 b) Umstritten ist, ob der Beherrschungsvertrag auch ins Handelsregister der herrschenden Gesellschaft einzutragen ist. Die Frage ist noch nicht endgültig geklärt. Im Aktienkonzernrecht wird freilich § 294 AktG einhellig allein auf die abhängige Gesellschaft bezogen5. Dementsprechend verneint die überwiegende Meinung auch für das GmbH-Konzernrecht eine Eintragungspflicht des Vertrages bei der herrschenden Gesellschaft, mag es sich bei dieser um eine AG oder um eine GmbH handeln6. 154 c) In mitbestimmten Gesellschaften ist bei der Obergesellschaft § 32 MitbestG zu beachten, der im Ergebnis die Kompetenz zu dem Abschluss von Unternehmensverträgen den Vertretern der Anteilseigner im Aufsichtsrat der herrschenden Gesellschaft vorbehält. Ein fakultativer oder obligatorischer Aufsichtsrat auf der Ebene der abhängigen GmbH hat dagegen wegen des Primats der Gesellschafterversammlung keinen Einfluss auf den Abschluss von Unternehmensverträgen.

4. Ermächtigungsklauseln 155 Der Praxis sind die vorstehend geschilderten Anforderungen an die Wirksamkeit des Abschlusses eines Beherrschungs- oder Gewinnabführungsvertrages häufig lästig (s. schon oben Rdnr. 151). Deshalb werden unter den Stichworten Ermächtigungsklauseln, Satzungs- oder Konzernklauseln verschiedenartige Vertrags1 S. 10. Aufl., § 53 Rdnr. 174; BGHZ 105, 324, 342 f. = NJW 1989, 295 = GmbHR 1989, 25 – „Supermarkt“; BGH, LM Nr. 2 zu § 293 AktG = GmbHR 1992, 253 = NJW 1992, 1452 = AG 1992, 192 – „Siemens/NRG“; Rodewald, in: GmbH-Handbuch, Rdnr. I 2935. 2 BGHZ 105, 324, 337, 345 f. = NJW 1989, 295 = GmbHR 1989, 25 – „Supermarkt“; OLG Naumburg, OLGR 2003, 480 = AG 2004, 43 = GmbHR 2003, 1277 (nur Leitsatz); Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 33; Emmerich/Habersack, Kommentar, § 293 AktG Rdnr. 45; Liebscher, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 744 ff.; Lutter, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 59. 3 BGHZ 105, 324, 341 = NJW 1989, 295 = GmbHR 1989, 25 – „Supermarkt“; BGHZ 116, 37, 39 = GmbHR 1992, 34 = NJW 1992, 505 – „Hansa Feuerfest/Stromlieferung“; BGH, LM Nr. 2 zu § 293 AktG = GmbHR 1992, 253 = NJW 1992, 1452 = AG 1992, 192 – „Siemens/NRG“; BayObLGZ 2003, 21, 22 = GmbHR 2003, 534 = NJW-RR 2003, 908; BayObLG, NJW-RR 2003, 907 = GmbHR 2003, 476. 4 S. Rdnr. 138; BGHZ 105, 324 = NJW 1989, 295 = GmbHR 1989, 25 – „Supermarkt“; BGH, LM Nr. 2 zu § 293 AktG = NJW 1992, 1452 = AG 1992, 192, 194 = GmbHR 1992, 253 – „Siemens/NRG“; str. 5 S. Emmerich/Habersack, Kommentar, § 294 AktG Rdnr. 5. 6 AG Duisburg, AG 1994, 568 = GmbHR 1994, 811; AG Erfurt, GmbHR 1997, 75 = AG 1997, 275; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 46; Altmeppen, DB 1994, 1273; Koppensteiner, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 65; Rodewald, in: GmbH-Handbuch, Rdnr. I 2935; E. Vetter, AG 1994, 110, 113 f.; Zöllner, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 57.

856

Emmerich

GmbH-Konzernrecht

Anhang § 13

gestaltungen diskutiert, mit denen bezweckt wird, den Abschluss der genannten Verträge auf beiden Ebenen zu „erleichtern“1. Die zu diesem Zweck diskutierten Klauseln haben einen unterschiedlichen Charakter. In Betracht kommen insbesondere Klauseln, durch die die Geschäftsführer generell oder im Einzelfall zum Abschluss von Unternehmensverträgen ermächtigt werden (Rdnr. 156), sowie Klauseln, durch die die Mehrheitserfordernisse (Rdnr. 139 ff.) herabgesetzt werden (s. dazu Rdnr. 156 f.). Auch an Bagatellklauseln ist hier zu denken. Die Zulässigkeit solcher Klauseln lässt sich nicht einheitlich beantworten; man muss vielmehr unterscheiden: Ermächtigungsklauseln, durch die die Geschäftsführer der abhängigen Gesell- 156 schaft generell oder im Einzelfall zum Abschluss eines Beherrschungsvertrages ermächtigt werden sollen, sind schon deshalb unzulässig, weil sie auf eine mit § 53 unvereinbare Ermächtigung der Geschäftsführer zur Änderung des Gesellschaftsvertrages hinauslaufen (§ 134 BGB). Ebenso wenig angängig ist ferner eine allgemeine Herabsetzung der Mehrheitserfordernisse für den Zustimmungsbeschluss bei der abhängigen Gesellschaft. Insoweit wird man vielmehr den Gedanken des Minderheitenschutzes, der gleichermaßen der Vorschrift des § 33 BGB wie der des § 53 Abs. 3 zugrunde liegt, als zwingend anzusehen haben. Eine abweichende Beurteilung kommt nur in Betracht, wenn sich die Klausel (zum Schutz der Minderheit vor unkalkulierbaren Risiken) auf bestimmte Verträge oder doch Vertragsarten bezieht und zugleich für den nötigen Schutz der Minderheit Sorge getragen ist, namentlich durch einen Verweis auf die §§ 304 und 305 AktG2. Ist eine derartige Klausel von vornherein im Gesellschaftsvertrag enthalten, so wissen die Gründer, worauf sie sich einlassen, so dass sie keines zusätzlichen Schutzes bedürfen (§ 2 Abs. 1 Satz 2)3. Wenn eine derartige Klausel dagegen erst nachträglich im Wege der Änderung des Gesellschaftsvertrages eingeführt wird, ist zum Schutze der Minderheit § 53 Abs. 3 entsprechend anzuwenden. Eine Untergrenze für derartige Klauseln ergibt sich aus dem zwingenden § 53 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 2; geringere Mehrheitserfordernisse als dort genannt können daher in keinem Fall durch den Gesellschaftsvertrag zugelassen werden4. Dieselbe Diskussion wie auf der Ebene der abhängigen Gesellschaft (oben 157 Rdnr. 155 f.) findet sich auf der Ebene der herrschenden Gesellschaft. Man wird auch hier unterscheiden müssen: Für eine herrschende AG ist von dem zwingenden Charakter der §§ 293 Abs. 3 und 294 AktG selbst dann auszugehen, wenn die abhängige Gesellschaft die Rechtsform einer GmbH hat. Bei einer herrschenden GmbH sind dagegen Ermächtigungsklauseln für die Geschäftsführer (s. oben Rdnr. 156) – mangels Anwendbarkeit des § 53 – zulässig, wenn sie sich auf konkrete Einzelfälle beziehen, so dass dann ein Zustimmungsbeschluss der Gesellschafterversammlung nach § 293 Abs. 2 AktG (ausnahmsweise) entbehrlich ist. Bagatellklauseln dürften gleichfalls in engen Grenzen zulässig sein. Soweit es jedoch bei der Notwendigkeit eines Zustimmungsbeschlusses der Ge1 Formulierungsvorschläge z.B. bei Kleinert/Lahl, GmbHR 2003, 698. 2 Im Einzelnen str., s. Casper, in: Ulmer, Rdnr. 172; Liebscher, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 721 f. 3 Ebenso Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 41. 4 Casper, in: Ulmer, Rdnr. 192; Liebscher, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 722.

Emmerich

857

Anhang § 13

GmbH-Konzernrecht

sellschafterversammlung bleibt, ist auch für die GmbH von dem zwingenden Charakter des § 293 Abs. 2 AktG auszugehen. Der Gesellschaftsvertrag kann daher keine geringere, sondern nur eine höhere Mehrheit als in § 293 Abs. 2 AktG bestimmt für den Zustimmungsbeschluss vorschreiben1.

5. Abfindung und Ausgleich 158 a) In Aktienvertragskonzernen dient dem Schutz der außenstehenden Gesellschafter vor allem die Ausgleichs- und Abfindungspflicht des herrschenden Unternehmens nach den §§ 304 und 305 AktG. Eine Analogie zu diesen Vorschriften ist im GmbH-Konzernrecht jedoch entbehrlich, wenn und solange man grundsätzlich die Zustimmung aller Gesellschafter zu dem Abschluss eines Beherrschungs- oder Gewinnabführungsvertrages für erforderlich hält (oben Rdnr. 144 ff.), weil dann die außenstehenden Gesellschafter selbst in der Lage sind, ihre Rechte zu wahren2. 159 b) Eine abweichende Beurteilung ist dagegen angebracht, wenn man sich – entgegen der hier vertretenen Meinung (Rdnr. 144 f.) – generell mit einer qualifizierten Mehrheit begnügt (Rdnr. 145) oder wenn doch solche Mehrheit ausnahmsweise aufgrund entsprechender Satzungsklauseln ausreichend ist (Rdnr. 156). Gleich steht der Fall, dass die außenstehenden Gesellschafter im Einzelfall aufgrund ihrer Treuepflicht zur Zustimmung zu dem Beherrschungs- oder Gewinnabführungsvertrag verpflichtet sind (oben Rdnr. 146). In derartigen Fällen ist eine Analogie zu den §§ 304 und 305 AktG unverzichtbar3. 160 Im Wesentlichen unstreitig ist dies für die Verpflichtung des herrschenden Unternehmens zum Angebot einer Barabfindung entsprechend § 305 Abs. 2 Nr. 3 AktG. Das den Gesellschaftern der abhängigen Gesellschaft zustehende Austrittsrecht gegen volle Abfindung ist kein Ersatz für das Abfindungsrecht, weil sich (anders als der Abfindungsanspruch nach dem Austritt) der Anspruch auf Barabfindung unmittelbar gegen das herrschende Unternehmen richtet (§ 305 Abs. 1 AktG). Offen ist dagegen bis heute, ob die Gesellschafter der abhängigen GmbH in bestimmten Fällen (s. § 305 Abs. 2 Nr. 1 und 2 AktG) stattdessen auch einen Anspruch auf Abfindung in Anteilen der herrschenden Gesellschaft haben. Dies ist jedenfalls dann zu bejahen, wenn die herrschende Gesellschaft die

1 S. Grunewald, AG 1990, 133, 135 f.; Hoffmann-Becking, WiB 1994, 57, 60; Priester, DB 1989, 1013, 1016 ff.; Uwe H. Schneider, in: Uwe H. Schneider, Beherrschungs- und Gewinnabführungsverträge, S. 7, 19 f.; Timm, GmbHR 1989, 11, 18. 2 Ebenso Zöllner, ZGR 1992, 173, 193, 199 ff. 3 S. Rdnr. 145 sowie Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 88 f.; Casper, in: Ulmer, Rdnr. 213 ff.; Grauer, Konzernbildungskontrolle, S. 202 ff.; Hoffmann-Becking, WiB 1994, 57, 59 f.; Kleindiek, ZIP 1988, 613, 617 f.; Kort, Abschluss, S. 135, 157 ff.; Lutter, in: Hommelhoff, Entwicklungen im GmbH-Konzernrecht, S. 197 f.; Lutter, in: Lutter/ Hommelhoff, Rdnr. 64, 66 ff.; Mestmäcker, Verwaltung, S. 352 ff.; Priester, in: Hommelhoff, Entwicklungen im GmbH-Konzernrecht, S. 151, 156 ff.; Stoltenberger-Wolters, Fehlerhafte Unternehmensverträge im GmbH-Recht, 1990, S. 21 ff.; H. Weber, GmbHR 2003, 1347; Zöllner, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 63; – anders nur ohne Begründung BGHZ 105, 324, 335 = NJW 1989, 295 = GmbHR 1989, 25 = AG 1989, 91 – „Supermarkt“.

858

Emmerich

GmbH-Konzernrecht

Anhang § 13

Rechtsform einer deutschen AG hat1. Bei einer herrschenden Gesellschaft anderer Rechtsform sollte man den außenstehenden Gesellschaftern zumindest ein Wahlrecht zwischen einer Abfindung in Anteilen und einer Barabfindung einräumen (§ 242 BGB). Eine Ausgleichspflicht der herrschenden Gesellschaft entsprechend § 304 AktG 161 wird bislang wohl überwiegend verneint, meistens mit der Begründung, die Anfechtbarkeit des Zustimmungsbeschlusses bei Abschluss eines Beherrschungsoder Gewinnabführungsvertrages ohne angemessene Abfindungsleistung für die Minderheitsgesellschafter (Rdnr. 162) gewährleiste bereits ausreichend deren Schutz (§ 243 Abs. 1 AktG). Diese Überlegung ist nicht zwingend2, da man nicht übersehen darf, dass die Minderheitsgesellschafter in keinem Fall, auch nicht, wenn sie ausnahmsweise aufgrund ihrer Treuepflicht zur Zustimmung zu dem Vertragsabschluss verpflichtet sind (oben Rdnr. 146), gegen ihren Willen zum Ausscheiden aus der abhängigen Gesellschaft gegen Abfindung gezwungen werden können, so dass sie dann einen Ausgleichsanspruch haben müssen. c) Wenn der Beherrschungsvertrag in einem der genannten Fälle (oben 162 Rdnr. 159 ff.) überhaupt kein Ausgleichs- und Abfindungsangebot enthält, sollte man ihn zum Schutze der Minderheit entsprechend § 304 Abs. 3 Satz 1 AktG als nichtig behandeln3. Ist das Angebot dagegen nicht angemessen, so ist der Zustimmungsbeschluss nach h.M. analog § 243 Abs. 2 AktG anfechtbar. Ob an die Stelle dieses Anfechtungsrechts das Spruchverfahren nach dem Spruchverfahrensgesetz vom 12.6.20034 gesetzt werden kann, ist offen. Das Problem rührt daher, dass die hier interessierenden Fälle in § 1 SpruchG nicht ausdrücklich erwähnt sind, auf der anderen Seite mittlerweile aber keine Bedenken mehr bestehen, das SpruchG in vergleichbaren Fallgestaltungen, z.B. bei dem Delisting, entsprechend anzuwenden. Angesichts dieser Entwicklung sollte man nicht zögern, auch der Minderheit in einer GmbH entsprechend § 1 Nr. 1 und 2 SpruchG den Weg zum Spruchverfahren zu eröffnen, wenn sie die angebotene Abfindungs- oder Ausgleichsleistung des herrschenden Unternehmens nicht für angemessen halten5.

6. Fehlerhafte und verdeckte Beherrschungsverträge Schrifttum: Ederle, Verdeckte Beherrschungsverträge, 2010; Kienzle, Verdeckte Beherrschungsverträge, 2010; Priester, in: Uwe H. Schneider, Beherrschungs- und Gewinnabführungsverträge, S. 37; Rodewald, Der GmbH-Konzern, in: GmbH-Handbuch, Rdnr. I 2938–2945; I. Stoltenberger-Wolters, Fehlerhafte Unternehmensverträge im GmbH-Recht, 1990. 1 Ebenso Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 88; Casper, in: Ulmer, Rdnr. 216; Koppensteiner, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 59 (a.E.); Rodewald, in: GmbH-Handbuch, Rdnr. I 2919; weitergehend Lutter, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 68. 2 Ebenso Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 89; Casper, in: Ulmer, Rdnr. 214; Koppensteiner, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 58; Lutter, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 66 ff. 3 Anders Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 88; Koppensteiner, in: Rowedder/ Schmidt-Leithoff, Rdnr. 58. 4 BGBl. I 2003, 838. 5 S. Emmerich/Habersack, Kommentar, § 304 AktG Rdnr. 12; § 1 SpruchG Rdnr. 8.

Emmerich

859

Anhang § 13

GmbH-Konzernrecht

a) Überblick 163 Ein Unternehmensvertrag wird als fehlerhaft bezeichnet, wenn er an Mängeln leidet, die seine Wirksamkeit in Frage stellen, sei es, weil bei seinem Abschluss nicht sämtliche gesetzlichen Wirksamkeitsvoraussetzungen beachtet wurden (oben Rdnr. 139 ff.), sei es, weil er inhaltliche Mängel aufweist (§§ 125, 134, 138 BGB). Im Einzelnen hat man zwischen Mängeln des Vertrags und Mängeln der Zustimmungsbeschlüsse zu unterscheiden (§ 53 GmbHG, § 293 Abs. 2 AktG). Häufig spricht man insoweit auch von formellen und materiellen Mängel des Vertrages, wobei man bei den formellen Mängeln in erster Linie die dem Vertrag selbst anhaftenden Mängel im Auge hat (s. insbesondere §§ 125, 134 und 138 BGB), während man bei den materiellen Mängel wohl vornehmlich an das Fehlen, die Nichtigkeit oder die Anfechtbarkeit eines der erforderlichen Zustimmungsbeschlüsse der Gesellschafter denkt1 (die Terminologie schwankt). Außerdem kann es einen Unterschied bedeuten, ob der Mangel den Zustimmungsbeschluss der abhängigen Gesellschaft oder den der herrschenden Gesellschaft betrifft. Sind die genannten Mängel nicht in der Zwischenzeit, etwa durch Zeitablauf oder Nachholung der erforderlichen Beschlüsse geheilt werden (s. § 53 GmbHG; §§ 242, 244, 246 Abs. 1 AktG; § 140 BGB)2, so stellt sich die Frage, wie zu verfahren ist, wenn der Vertrag trotz der genannten Mängel vollzogen wurde. Ein Vollzug des Vertrages liegt spätestens vor, wenn der Vertrag (zu Unrecht) ins Handelsregister eingetragen wurde, ebenso aber auch, wenn das herrschende Unternehmen Verluste der abhängigen Gesellschaft ausgeglichen oder in deren Geschäftsführung eingegriffen hat (vgl. §§ 302 Abs. 1, 308 Abs. 1 AktG)3. 164 Die aufgeworfenen Fragen hatten sich mit besonderer Dringlichkeit Ende der achtziger Jahre im Steuerrecht für so genannte Altverträge gestellt, die nicht den vom BGH in dem Supermarktsbeschluss vom 24.10.19884 entwickelten Wirksamkeitsvoraussetzungen genügten. Die Finanzverwaltung hatte hier mit verschiedenen Übergangsfristen für die Anpassung der Altverträge an die neue Rechtslage geholfen, die jedoch endgültig mit dem 31.12.1992 endeten. Seitdem geht die Finanzverwaltung mit Billigung der Rechtsprechung davon aus, dass die Anerkennung der Organschaft in jedem Fall die zivilrechtliche Wirksamkeit des Gewinnabführungs- oder des Organschaftsvertrages voraussetzt. Fehlt es daran, z.B. wegen eines Formmangels oder wegen der Nichtigkeit eines der Zustimmungsbeschlüsse, so wird die Organschaft „verworfen“5. 164a Als neuer Aspekt des Fragenkreises ist in der letzten Zeit die zutreffende gesellschaftsrechtliche Beurteilung der verdeckten Beherrschungsverträge hinzugetreten. Man versteht darunter offenbar verbreitete, eigenartige Vertragsgestaltungen, mit denen die Beteiligten im Ergebnis denselben Zweck wie mit dem Abschluss eines Beherrschungsvertrages verfolgen, insbesondere durch die Be1 Wegen der Einzelheiten s. Emmerich/Habersack, Kommentar, § 291 AktG Rdnr. 28, 44 ff. 2 S. dazu ausführlich Casper, in: Ulmer, Rdnr. 197. 3 Casper, in: Ulmer, Rdnr. 196; Liebscher, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 694; Lutter, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 79. 4 BGHZ 105, 324 = NJW 1989, 295 = GmbHR 1989, 25. 5 S. statt aller Liebscher, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 1197 f.; großzügiger jetzt aber wieder z.B. Fichtelmann, GmbHR 2010, 576, 577.

860

Emmerich

GmbH-Konzernrecht

Anhang § 13

gründung eines Weisungsrechts für einen Vertragsteil gegenüber der betroffenen Gesellschaft (§ 308 AktG), ohne jedoch die förmlichen und inhaltlichen Voraussetzungen eines wirksamen Beherrschungsvertrages zu beachten (§§ 293 ff. und 304 ff. AktG). Die Behandlung dieser Fälle ist noch weitgehend ungeklärt1. Der Fragenkreis wird jedoch bisher nahezu ausschließlich mit Bezug auf Aktiengesellschaften diskutiert, während zur parallelen Problematik bei der GmbH (vorerst noch?) nur wenige Äußerungen vorliegen2. Deshalb mögen hier die folgenden Bemerkungen genügen: Es stellt jedenfalls keine Lösung der Problematik dar, die Minderheitsgesellschafter in solchen Fällen auf Schadensersatzansprüche wegen Treuepflichtverletzung gegen die Mehrheit zu verweisen, weil solche Ansprüche – mangels Kenntnis der relevanten Faktoren – für die Minderheitsgesellschafter gar nicht durchsetzbar sind. Als Lösung kommt daher die Anwendung der Regeln über den Vertragskonzern in Betracht. Das Ergebnis ist: Entsprechende Geltung der §§ 302 f. und 304 f. AktG (s. auch unten Rdnr. 209, 221 f.). b) Materielle Mängel Beherrschungsverträge, die an formellen oder materiellen Mängeln in dem ge- 165 nannten Sinne (Rdnr. 163) leiden, sind grundsätzlich nichtig, weil es sich bei den fraglichen Wirksamkeitsvoraussetzungen durchweg um zwingende gesetzliche Regelungen handelt. Gleichwohl tendiert die Rechtsprechung dahin, fehlerhafte Beherrschungs- oder Gewinnabführungsvertrag nach dem Muster fehlerhafter Gesellschaftsverträge nach ihrem Vollzug (oben Rdnr. 163) trotz ihrer Mängel nach Möglichlichkeit aufrechtzuerhalten, vor allem wohl, um den Gläubigerschutz aufgrund der §§ 302 und 303 AktG sicherzustellen3. Generell kann dies indessen nicht gelten; man muss vielmehr genau nach der Art der Mängel unterscheiden. Im Mittelpunkt des Interesses stehen dabei die so genannten materiellen Mängel des Vertrages. Paradigma ist das Fehlen oder die Nichtigkeit des Zustimmungsbeschlusses der abhängigen Gesellschaft. In diesem Fall muss es – entgegen der Rechtsprechung – bei der Nichtigkeit des Vertrages auch im Falle seines Vollzugs bleiben, weil es den Beteiligten andernfalls mühelos möglich wäre, die Mitwirkungsrechte der Gesellschafter in der abhängigen Gesellschaft durch simple Praktizierung eines nichtigen Beherrschungs- oder Gewinnabführungsvertrages zu umgehen4. Ob bei Fehlen oder Nichtigkeit des Zustimmungsbeschlusses der herrschenden Gesellschaft ebenso zu verfahren ist, 1 S. Emmerich, in: FS Hüffer, 2010, S. 179, 183 ff.; Ederle, Verdeckte Beherrschungsverträge, 2010; Ederle, AG 2010, 273; Kienzle, Verdeckte Beherrschungsverträge im Aktienrecht, 2010. 2 Liebscher, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 663 ff.; Servatius, in: Michalski, Rdnr. 250 ff. 3 BGHZ 103, 1, 5 = NJW 1988, 1326 = AG 1988, 133 – „Familienheim“; BGHZ 105, 168, 182 = NJW 1988, 3143 = AG 1989, 27 – „HSW“; BGHZ 116, 37, 39 ff. = NJW 1992, 505 = AG 1992, 83 = GmbHR 1992, 24 – „Stromlieferungen/Hansa Feuerfest“; BGH, LM Nr. 11 zu § 53 GmbHG (Bl. 2) (mit Anm. Emmerich) = NJW 2002, 822 = AG 2002, 240 = GmbHR 2002, 62; OLG Koblenz, AG 1991, 142 = WM 1991, 227; OLG München, AG 1991, 358, 361; enger OLG Koblenz, ZIP 2001, 1095, 1098. 4 S. Casper, in: Ulmer, Rdnr. 197; Emmerich/Habersack, Kommentar, § 291 AktG Rdnr. 29 f., 45; Liebscher, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 697 f.; Lutter, in: Lutter/ Hommelhoff, Rdnr. 78; Servatius, in: Michalski, Rdnr. 246.

Emmerich

861

Anhang § 13

GmbH-Konzernrecht

ist umstritten1, sollte aber zum Schutze der Beteiligten gleichfalls bejaht werden. 165a Kontrovers diskutiert wird insbesondere, ob dasselbe auch bei „bloßer“ Anfechtbarkeit eines der Zustimmungsbeschlüsse zu gelten hat, wobei es unter anderem um die Frage geht, ob hier Raum für eine entsprechende Anwendung der Vorschriften über das Freigabeverfahren des § 246a AktG ist2. Indessen besteht bei Anfechtbarkeit eines der Zustimmungsbeschlüsse, die nur innerhalb kurzer Fristen möglich ist, kein Anlass für einen Vertrauensschutz, so dass in diesem Fall ebenfalls an der Nichtigkeit Vertrages festzuhalten ist. c) Formelle Mängel 166 Verstöße gegen Formvorschriften sind wohl der eigentliche Anwendungsbereich der Grundsätze über fehlerhafte Beherrschungsverträge. Nach seinem Vollzug (Rdnr. 163) ist der Vertrag folglich grundsätzlich für die Vergangenheit als wirksam zu behandeln. Dies bedeutet vor allem, dass es für die bereits abgelaufene Zeit bei der Anwendbarkeit der §§ 302 und 303 AktG sein Bewenden hat3. Verstöße gegen die §§ 134 und 138 BGB stehen jedoch nicht gleich, so dass in diesen Fällen an der Nichtigkeit des Vertrages festzuhalten ist. 167 Die Einzelheiten sind nach wie vor umstritten. In besonderem Maße gilt dies für den Fall der fehlenden Eintragung des Vertrages ins Handelsregister (§ 54 GmbHG; § 294 Abs. 2 AktG). Speziell für die GmbH hat der BGH diesem Umstand wiederholt keine Bedeutung beigemessen und auf den Vertrag nach seinem Vollzug (entsprechend den Regeln über die fehlerhafte Gesellschaft) die Vorschriften über Beherrschungsverträge und damit insbesondere die §§ 302 und 303 AktG angewandt4. Dem ist jedoch nicht zu folgen, weil vor Eintragung des Vertrags ins Handelsregister mit Rücksicht auf die gesetzliche Regelung (§ 54 GmbHG; § 294 Abs. 2 AktG) sinnvollerweise niemand auf den Bestand des Vertrages vertrauen kann und darf5. Die Frage spielt eine Rolle insbesondere bei der Behandlung der zahlreichen stillen Gesellschaftsverträge mit Aktiengesellschaften, bei deren Abschluss die §§ 292 Abs. 1 Nr. 2, 293 und 294 AktG „übersehen“ (oder besser: missachtet) wurden (s. unten Rdnr. 213 ff.). d) Rechtsfolgen 168 Fehlerhafte Beherrschungsverträge bleiben, selbst bei partieller Anerkennung für die Vergangenheit nach ihrem Vollzug (Rdnr. 166), fehlerhaft, solange nicht 1 Verneinend Lutter, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 78. 2 Dagegen KG, GmbHR 2011, 1044 = NZG 2011, 1068; a.A. Bayer/Lieder, NZG 2011, 1170 ff. 3 Insbes. BGHZ 116, 37, 45 f. = AG 1992, 83 = NJW 1992, 505 = GmbHR 1992, 34 – „Hansa Feuerfest/Stromlieferung“; Rodewald, in: GmbH-Handbuch, Rdnr. I 2942. 4 BGHZ 116, 37, 39 = NJW 1992, 505 = AG 1992, 83 = GmbHR 1992, 24 – „Stromlieferungen/Hansa Feuerfest“; insbes. BGH, LM Nr. 11 zu § 53 GmbHG (Bl. 2) = NJW 2002, 822 = GmbHR 2002, 62 = AG 2002, 240. 5 Casper, in: Ulmer, Rdnr. 196; Liebscher, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 245; Hüffer, § 291 AktG Rdnr. 21; Krieger, ZHR 158 (1994), 35, 41; – anders z.B. Lutter, in: Lutter/ Hommelhoff, Rdnr. 78; Servatius, in: Michalski, Rdnr. 246.

862

Emmerich

GmbH-Konzernrecht

Anhang § 13

der Mangel geheilt ist. Die Folge ist, dass sich beide Parteien jederzeit auf die Unwirksamkeit des Vertrages berufen oder doch (so ohne Not die h.M.) durch Kündigung aus wichtigem Grunde die weitere Anwendung des Vertrages beenden können1. Zuständig für die Beendigung des durch den Vollzug des an sich unwirksamen Vertrags entstandenen Zustandes sind vorrangig die Geschäftsführer (§ 37). Ein Ermessen haben sie insoweit nicht; vielmehr sind sie verpflichtet, gegenüber dem herrschenden Unternehmen die „faktische“ Fortgeltung des Vertrages durch die Berufung auf dessen Nichtigkeit oder (so die h.M.) durch dessen Kündigung aus wichtigem Grunde zu beenden, wenn die Minderheitsgesellschafter die nachträgliche Zustimmung zu dem Unternehmensvertrag ablehnen und auch auf andere Weise eine Heilung des Mangels nicht mehr möglich ist. Durch die Gesellschafterversammlung können die Geschäftsführer hierzu auch angewiesen werden (§§ 46 Nr. 6, 50). Nach h.M. ist das herrschende Unternehmen bei der Beschlussfassung über eine entsprechende Weisung an die Geschäftsführer nach § 47 Abs. 4 vom Stimmrecht ausgeschlossen. Eine entgegenstehende Weisung des herrschenden Unternehmens an die Geschäftsführer ist rechtswidrig und deshalb unbeachtlich2. Werden die Geschäftsführer gleichwohl pflichtwidrig nicht tätig, so bleibt zu be- 169 achten, dass der von dem herrschenden Unternehmen geschaffene Zustand mangels Wirksamkeit des Vertrages rechtswidrig ist, so dass die Minderheitsgesellschafter in der abhängigen Gesellschaft von dem herrschenden Unternehmen Schadensersatz verlangen können, hier in erster Linie durch Vertragsaufhebung (§§ 249, 280 Abs. 1, 311 Abs. 1 BGB). Schließlich ist noch daran zu denken, ihnen eine Notzuständigkeit zur „Kündigung“ einzuräumen, entweder entsprechend den Regeln über die actio pro socio oder (besser) entsprechend § 744 Abs. 2 BGB, so dass sie bei pflichtwidriger Untätigkeit der Geschäftsführer selbst die „Kündigung“ des unwirksamen Unternehmensvertrages aussprechen können3.

IV. Weisungsrecht Kern des Beherrschungsvertrages ist bei der GmbH nicht anders als bei der AG 170 entsprechend den §§ 291 Abs. 1 und 308 AktG das Weisungsrecht des herrschenden Unternehmens gegenüber den Geschäftsführern der abhängigen Gesellschaft hinsichtlich der Leitung der Gesellschaft. Sonderregelungen für die GmbH finden sich lediglich in den §§ 30 Abs. 1 Satz 2 und 64 Satz 3 in der Fassung des MoMiG. Beide Vorschriften machen deutlich, dass bei der GmbH die Schranken des Weisungsrechts des herrschenden Unternehmens besonderer Beachtung bedürfen (Rdnr. 177 ff.). Im Übrigen bestehen offenbar keine GmbH-spezifischen Besonderheiten, so dass ein kurzer Überblick über die Rechtslage mit Bezug auf das Weisungsrecht genügt. Wegen der Einzelheiten kann dagegen insoweit unbedenklich auf die Kommentierungen der §§ 291 und 308 AktG verwiesen werden. 1 BFHE 184, 88, 90 f. = BStBl. II 1998, 33 = AG 1998, 491. 2 Liebscher, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 700 f. 3 S. Lutter, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 80; Liebscher, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 702; Zöllner, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 61.

Emmerich

863

Anhang § 13

GmbH-Konzernrecht

1. Parteien 171 a) Nach dem (entsprechend anwendbaren) § 308 Abs. 1 Satz 1 AktG berechtigt der wirksame Abschluss eines Beherrschungsvertrages das herrschende Unternehmen, den Geschäftsführern der abhängigen Gesellschaft hinsichtlich der Leitung ihrer Gesellschaft Weisungen zu erteilen. Adressat der Weisungen des herrschenden Unternehmens sind mithin unmittelbar die Geschäftsführer der abhängigen Gesellschaft. Vor allem in diesem direkten „Zugriff“ auf die Geschäftsführung der abhängigen Gesellschaft liegt der Vorteil eines Beherrschungsvertrages gegenüber der an sich auch ohne ihn möglichen Beherrschung der abhängigen Gesellschaft über die Gesellschafterversammlung. Zugleich sind die Geschäftsführer der abhängigen Gesellschaft aber auch die einzigen zulässigen Adressaten von Weisungen des herrschenden Unternehmens, so dass diesem kein Weisungsrecht gegenüber anderen Organen der abhängigen Gesellschaft oder gegenüber deren Mitarbeitern zusteht. Die abhängige Gesellschaft bleibt daher weisungsfrei, soweit die zwingende Zuständigkeit der Gesellschafterversammlung oder eines etwaigen obligatorischen Aufsichtsrats reicht. Dem Weisungsrecht des herrschenden Unternehmens entzogen sind insbesondere etwaige Änderungen des Gesellschaftsvertrages (§ 53), Kapitalveränderungen (§§ 55 ff.), die Zustimmung der Gesellschafter zum Abschluss, zur Änderung oder zur Kündigung von Unternehmensverträgen (§ 53 GmbHG, §§ 293 ff. AktG) sowie die Bestellung und die Abberufung von Geschäftsführern (§§ 38, 46 Nr. 5) (soweit nicht hierfür nach dem Gesellschaftsvertrag oder nach dem MitbestG der Aufsichtsrat oder ein anderes Organ zuständig ist, s. unten Rdnr. 173). 172 b) Das Weisungsrecht des herrschenden Unternehmens gegenüber den Geschäftsführern der abhängigen Gesellschaft (§ 308 Abs. 1 Satz 1 AktG) kann im Einzelfall mit dem Weisungsrecht der Gesellschafter gegenüber den Geschäftsführern auf dem Weg über die Gesellschafterversammlung kollidieren (§ 37 Abs. 1). In derartigen Fällen ist davon auszugehen, dass, nachdem einmal die Gesellschafter mit der erforderlichen Mehrheit dem Beherrschungsvertrag zugestimmt haben, das Weisungsrecht des herrschenden Unternehmens den Vorrang vor dem Weisungsrecht der Gesellschafter hat1. Das gilt auch, soweit durch den Gesellschaftsvertrag vor Abschluss des Beherrschungsvertrages besondere Zuständigkeiten der Gesellschafterversammlung in Fragen der Geschäftsführung begründet wurden. Immer geht der grundsätzlich nur mit Zustimmung aller Gesellschafter mögliche Beherrschungsvertrag vor2. 173 c) Dieselben Regeln wie für das Verhältnis des herrschenden Unternehmens zur Gesellschafterversammlung (oben Rdnr. 172) gelten als Folge des vertragsändernden Charakters des Beherrschungsvertrages für sein Verhältnis zu einem fakultativen Aufsichtsrat3. Anders ist die Rechtslage dagegen hinsichtlich eines obligatorischen Aufsichtsrats aufgrund der Mitbestimmungsgesetze, da dieser in dem ihm gesetzlich übertragenen Aufgabenbereich, namentlich also hinsichtlich der Bestellung der Geschäftsführer, keinem Weisungsrecht des herrschen1 OLG Stuttgart, AG 1998, 585 = NZG 1998, 601, 602 – „Dornier“; Grauer, Konzerbildungskontrolle, S. 158 ff.; Kort, Abschluss, S. 140 f. 2 Casper, in: Ulmer, Rdnr. 219; Servatius, in: Michalski, Rdnr. 111. 3 Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 54.

864

Emmerich

GmbH-Konzernrecht

Anhang § 13

den Unternehmens unterliegt (§ 31 MitbestG; s. oben Rdnr. 171). Das gilt auch für die sich aus § 25 Abs. 1 Nr. 2 MitbestG i.V.m. § 111 Abs. 4 Satz 2 bis 5 AktG ergebende Befugnis des obligatorischen Aufsichtsrats einer GmbH, bestimmte Arten von Geschäften seiner Zustimmung zu unterwerfen, so dass nichts anderes übrig bleibt, als in diesem Fall zur Lösung etwaiger Konflikte § 308 Abs. 3 AktG entsprechend anzuwenden1.

2. Umfang a) Das Weisungsrecht des herrschenden Unternehmens erstreckt sich analog 174 § 308 Abs. 1 Satz 1 AktG (nur) auf die „Leitung“ der abhängigen Gesellschaft. Darunter ist, wie sich aus dem Zusammenhang des § 308 Abs. 1 AktG mit den §§ 76 bis 78 AktG ergibt, der gesamte weite Bereich der Geschäftsführung und Vertretung der abhängigen Gesellschaft zu verstehen. Den Gegensatz bilden die so genannten Grundlagengeschäfte, die der Sache nach auf eine Änderung des Gesellschaftsvertrags hinauslaufen, da der Beherrschungsvertrag dem herrschenden Unternehmen keine Befugnis zur einseitigen Änderung des Gesellschaftsvertrages der abhängigen Gesellschaft verleiht (oben Rdnr. 171, unten Rdnr. 177a). Dies alles gilt auch für die GmbH, wie unmittelbar aus den §§ 37, 46 Nr. 6 und 53 zu folgern ist. Die Grenzziehung im Einzelnen ist umstritten2. Richtiger Meinung nach sollte wie folgt unterschieden werden: Zur Geschäftsführung (im Rahmen des bestehenden Gesellschaftsvertrages) gehören grundsätzlich auch solche außergewöhnlichen Maßnahmen, die in der unabhängigen Gesellschaft entsprechend § 116 HGB von den Geschäftsführern vor ihrer Vornahme der Zustimmung der Gesellschafter zu unterbreiten sind (§ 49 Abs. 2), so dass bei Abschluss eines Beherrschungsvertrages das Weisungsrecht des herrschenden Unternehmens selbst derartige außergewöhnlichen Maßnahmen umfasst, solange sie nur durch Zweck und Gegenstand der Gesellschaft gedeckt sind (§ 3 Nr. 2) und sich deshalb im Rahmen des bestehenden Gesellschaftsvertrages halten (unten Rdnr. 177a). Das gilt auch für Geschäfte zwischen der Gesellschaft und dem herrschenden Unternehmen; § 47 Abs. 4 Satz 2 findet insoweit keine entsprechende Anwendung3. Umstritten ist ebenso wie bei der AG, ob sich das Weisungsrecht des herrschen- 174a den Unternehmens außerdem auf Maßnahmen im so genannten innerkorporativen Bereich erstreckt. Man versteht darunter Maßnahmen wie die Einberufung der Gesellschafterversammlung oder die Vorbereitung solcher Entscheidungen, die der ausschließlichen Zuständigkeit der Gesellschafterversammlung unterliegen. Solange nicht durch Weisungen in diesem Bereich in die ausschließliche Zuständigkeit der Gesellschafterversammlung eingegriffen wird, bestehen wohl keine Bedenken gegen eine Erstreckung des Weisungsrechts auf diesen Bereich. Erst Weisungen des herrschenden Unternehmens an die Geschäftsführer zur Überschreitung des Gesellschaftsvertrages sind unwirksam (§ 134 BGB). 1 S. Hoffmann-Becking, WiB 1994, 57, 61; Koppensteiner, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 108; – dagegen Kropff, in: FS Semler, S. 517, 529 f.; Liebscher, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 770; Zöllner, ZGR 1993, 173, 181. 2 S. Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 50 f.; Servatius, in: Michalski, Rdnr. 110 f.; Zöllner, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 64 f. 3 Casper, in: Ulmer, Rdnr. 218.

Emmerich

865

Anhang § 13

GmbH-Konzernrecht

175 b) Aus § 308 Abs. 1 Satz 2 AktG folgt ferner die grundsätzliche Zulässigkeit nachteiliger Weisungen. Darunter sind solche Weisungen zu verstehen, die Maßnahmen zum Gegenstand haben, die der ordentliche und gewissenhafte Geschäftsführer einer unabhängigen Gesellschaft, der sich ausschließlich an den Interessen seiner Gesellschaft orientiert, wegen der mit ihnen verbundenen Risiken oder Nachteile nicht vorgenommen hätte (§ 43 GmbHG; §§ 76, 93, 311, 317 Abs. 2 AktG). Voraussetzung der Zulässigkeit nachteiliger Weisungen ist jedoch, wie aus § 308 Abs. 1 Satz 2 AktG zu folgern ist, dass die Weisungen wenigstens im Konzerninteresse liegen (unten Rdnr. 176). 176 Die Zulässigkeit nachteiliger Weisungen (oben Rdnr. 175) setzt entsprechend § 308 Abs. 1 Satz 2 AktG voraus, dass die fragliche Weisung den Belangen des herrschenden Unternehmens oder der mit ihm und der abhängigen Gesellschaft konzernverbundenen Unternehmen dient, d.h. im Konzerninteresse liegt. Dagegen verstoßen insbesondere solche Weisungen, durch die die abhängige Gesellschaft übermäßig (unverhältnismäßig) geschädigt wird oder die nur dem Interesse außenstehender Dritter, z.B. des Mehrheitsgesellschafters dienen1. Derartige Weisungen dürfen von den Geschäftsführern der abhängigen Gesellschaft nicht befolgt werden und lösen gegebenenfalls die Haftung des herrschenden Unternehmens aus (s. unten Rdnr. 183 f.). Daraus ergibt sich zugleich, dass die Geschäftsführer der Gesellschaft verpflichtet sind, sämtliche Weisungen des herrschenden Unternehmens, bevor sie sie befolgen, auf ihre Zulässigkeit zu überprüfen. Dieser Prüfungspflicht der Geschäftsführer kommt in dem Haftungssystem im Vertragskonzern zentrale Bedeutung zu2.

3. Schranken 177 a) Es versteht sich von selbst, dass das Weisungsrecht des herrschenden Unternehmens nicht schrankenlos ist, so weit es auch im Regelfalle sein mag. Schranken ergeben sich zunächst aus dem zwingenden Gesetzesrecht (§§ 134, 138 BGB). Die abhängige Gesellschaft darf daher durch eine Weisung des herrschenden Unternehmens z.B. nicht zu Verstößen gegen das Steuerrecht, gegen das Kartellrecht oder gegen das Bilanzrecht veranlasst werden. Derartige Weisungen sind, weil gesetzwidrig, unbeachtlich und dürfen nicht befolgt werden. Eine Ausnahme gilt indessen aufgrund des MoMiG von 2008 für das Verbot der Auszahlung des zur Erhaltung des Stammkapitals erforderlichen Vermögens an die Gesellschafter (§ 30 Abs. 1 Satz 1), das nach § 30 Abs. 1 Satz 2 nicht für Leistungen bei Bestehen eines Beherrschungs- oder Gewinnabführungsvertrages gilt (so genanntes Konzernprivileg)3. Den Parteien eines Beherrschungsvertrages sollte dadurch insbesondere die Praktizierung von Cash-Management-Systemen ermöglicht werden, unbehindert von den Kapitalerhaltungsregeln des Gesellschaftsrechts. Unberührt bleiben aber die sonstigen Schranken des Weisungsrechts des herrschenden Unternehmens, wobei im vorliegenden Zusammen-

1 S. im Einzelnen Emmerich/Habersack, Kommentar, § 308 AktG Rdnr. 48 ff.; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 68 ff. 2 Ebenso z.B. Servatius, in: Michalski, Rdnr. 131, 135. 3 S. dazu ausführlich Emmerich/Habersack, Kommentar § 291 AktG Rdnr. 74–79.

866

Emmerich

GmbH-Konzernrecht

Anhang § 13

hang insbesondere an die Existenzvernichtungshaftung (Rdnr. 178 f.) und an die neue Insolvenzverursachungshaftung des § 64 Satz 3 zu denken ist1. b) Unzulässig sind ferner Weisungen, die zu einer faktischen Änderung des Ge- 177a sellschaftsvertrages der abhängigen Gesellschaft führen, da diese in die ausschließlich Zuständigkeit der Gesellschafterversammlung fällt (§ 53; s. schon oben Rdnr. 171, 174). Die Geschäftsführer der abhängigen Gesellschaft bleiben auch nach Abschluss eines Beherrschungsvertrages grundsätzlich an den Gesellschaftsvertrag gebunden, soweit er nicht durch den Beherrschungsvertrag für die Dauer seiner Geltung verdrängt wird. Wichtig ist das vor allem für die Bindung der Geschäftsführer an Gegenstand und Zweck der abhängigen Gesellschaft, so dass sich das herrschende Unternehmen darüber auch nicht aufgrund seines Weisungsrechts (§ 308 Abs. 1 AktG) hinwegsetzen darf (§ 3 Abs. 1 Nr. 2)2. Daraus folgt z.B., dass das herrschende Unternehmen die Geschäftsführer der abhängigen Gesellschaft nicht dazu anweisen darf, neue Tätigkeiten außerhalb ihres bisherigen Gegenstandes aufzunehmen oder wichtige derartige Tätigkeitsbereiche einzustellen, ohne dass zuvor der Gesellschaftsvertrag entsprechend geändert wurde. c) Eine letzte Schranke für das Weisungsrecht des herrschenden Unternehmens ergibt sich aus der Überlebensfähigkeit der abhängigen Gesellschaft, die durch Weisungen des herrschenden Unternehmens grundsätzlich nicht in Frage gestellt werden darf3. Hierher gehört heute auch die Existenzvernichtungshaftung (s. oben § 13 Rdnr. 152 ff.), deren zwingender Charakter mithin selbst dem Weisungsrecht des herrschenden Unternehmens im Vertragskonzern unübersteigbare Schranken zieht. Die Einzelheiten sind umstritten4. Man muss vor allem zwischen existenzvernichtenden Eingriffen während des Bestandes des Vertrags und solchen unterscheiden, die die Überlebensfähigkeit der Gesellschaft erst nach Vertragsende bedrohen.

178

Bei den zuerst genannten Weisungen, die die Überlebensfähigkeit der Gesell- 179 schaft bereits während des Bestandes des Vertrages bedrohen, zeigt § 302 AktG (unten Rdnr. 180), dass die Zulässigkeitsgrenze für existenzgefährdende Weisungen im Vertragskonzern exakt entlang der Funktionsfähigkeit des Haftungssystems der §§ 302 und 303 AktG verläuft5: Solange auf dem Weg über die Verlustausgleichspflicht des herrschenden Unternehmens die Existenzfähigkeit der abhängigen Gesellschaft sichergestellt ist, bleiben auch existenzgefährdende Weisungen zulässig, während die Zulässigkeitsgrenze überschritten ist, sobald

1 S. Servatius, in: Michalski, Rdnr. 131. 2 OLG Stuttgart, AG 1998, 585 = NZG 1998, 601, 602 – „Dornier“; OLG Düsseldorf, AG 1990, 490, 492; OLG Nürnberg, AG 2000, 228, 229 – „WBG“; S. Fabian, Inhalt und Grenzen, S. 185 ff. 3 S. OLG Düsseldorf, AG 1990, 490, 492 – „DAB/Hansa“; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 58 ff.; Emmerich/Habersack, Kommentar, § 308 AktG Rdnr. 60 ff.; S. Fabian, Inhalt und Grenzen, S. 227 ff. 4 S. insbes. Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 58 ff.; Liebscher, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 792 ff.; Servatius, in: Michalski, Rdnr. 126 ff. 5 Ebenso Liebscher, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 795 f.; Servatius, in: Michalski, Rdnr. 126 ff.

Emmerich

867

Anhang § 13

GmbH-Konzernrecht

die Zahlungsfähigkeit der abhängigen Gesellschaft, etwa wegen einer drohenden Insolvenz des herrschenden Unternehmens, gefährdet ist. 179a Sehr viel schwieriger zu beurteilen ist die Zulässigkeit von Weisungen, durch die die Überlebensfähigkeit der Gesellschaft nach Vertragsende bedroht wird. Nach bisher durchaus h.M. können dem Gesetz insoweit grundsätzlich keine Zulässigkeitsschranken und insbesondere nicht die Verpflichtung des herrschenden Unternehmens zur Leistung einer Wiederaufbauhilfe zugunsten der abhängigen Gesellschaft nach Vertragsende entnommen werden1. Die Frage ist jedoch speziell für die GmbH umstritten, vor allem wohl mit Rücksicht auf die generelle Formulierung der auf § 826 BGB gestützten Existenzvernichtungshaftung, wie sie der BGH praktiziert, da – selbstverständlich – § 826 BGB immer und damit auch in der Zeit nach Vertragsende anwendbar ist2. Es kommt hinzu, dass das BAG in jüngster Zeit – unabhängig von den vorstehenden Überlegungen und letztlich ohne gesetzliche Grundlage – bei Beendigung eines Beherrschungsvertrages eine Verpflichtung des herrschenden Unternehmens annimmt, die (früher) abhängige Gesellschaft mit dem erforderlichen Kapital auszustatten, das dieser Gesellschaft auch in Zukunft die gesetzlich geschuldete Anpassung von Betriebsrenten ermöglichen soll3. Das ist nicht weniger als ein Paradigmenwechsel, so dass das letzte Wort dazu mit Sicherheit noch nicht gesprochen ist4. – Außerdem folgt aus dem Gesagten noch, dass heute in allen diesen Fragen nicht mehr zwischen Einpersonen- und Mehrpersonengesellschaften unterschieden werden darf5.

V. Gläubigerschutz Schrifttum: G. Bitter, Konzernrechtliche Durchgriffshaftung bei Personengesellschaften, 2000; Ehricke, Das abhängige Konzernunternehmen in der Insolvenz, 1998.

180 Im Vertragskonzern verlangt der Gläubigerschutz angesichts des umfassenden Weisungsrechts des herrschenden Unternehmens (Rdnr. 174 ff.) besondere Beachtung. Das AktG bestimmt deshalb in den §§ 302 und 303, dass das herrschende Unternehmen verpflichtet ist, während des Bestandes des Vertrages jeden Jahresfehlbetrag auszugleichen und nach Vertragsende den Gläubigern Sicherheit zu leisten. Diese Vorschriften sind nach allgemeiner Meinung auch auf Beherrschungs- und Gewinnabführungsverträge mit einer abhängigen GmbH entsprechend anwendbar (Rdnr. 205 f.)6. Das ist zwingendes Recht. In dem Vertrag kann nichts anderes bestimmt werden. 1 S. Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 63 ff.; Burg/Hützen, Der Konzern 2010, 20; Decher, in: MünchHdb. III, § 70 Rdnr. 25; Emmerich/Habersack, Kommentar, § 308 AktG Rdnr. 65; Servatius, in: Michalski, Rdnr. 129 f. 2 Casper, in: Ulmer, Rdnr. 221; Liebscher, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 786 ff. 3 BAG, AG 2009, 829, 832 = ZIP 2009, 2166. 4 Zu Recht sehr kritisch z.B. C. Schäfer, ZIP 2010, 2025, 2028 f. 5 Enger Liebscher, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 789. 6 BGH, LM Nr. 46 zu § 105 HGB = GmbHR 1979, 246 = NJW 1980, 231 = AG 1980, 47 – „Gervais“; BGHZ 95, 330, 345 f. = NJW 1986, 188 = GmbHR 1986, 78 = AG 1986, 15 – „Autokran/Heidemann“; BGHZ 105, 168, 182 = GmbHR 1989, 18 = AG 1989, 27 = NJW 1988, 3143 – „HSW“; BGHZ 105, 324, 336 = NJW 1989, 295 = GmbHR 1989, 25 = AG 1989, 91 – „Supermarkt“; BGHZ 116, 37, 39 = GmbHR 1992, 34 = NJW 1992, 505 =

868

Emmerich

GmbH-Konzernrecht

Anhang § 13

Die Rechtslage unterscheidet sich insoweit im Gesellschaftsrecht grundlegend 181 von der im Steuerrecht aufgrund des § 17 Satz 2 Nr. 2 KStG, nach dem die Vereinbarung eines Gewinnabführungs- oder Organschaftsvertrages mit einer abhängigen GmbH unter anderem voraussetzt, dass mit der Gesellschaft (ausdrücklich) eine Verlustübernahme entsprechend der Vorschrift des § 302 AktG vereinbart wird. Diese Bestimmung wird von der Finanzverwaltung mit Billigung der Rechtsprechung – trotz verbreiteter Kritik des Schrifttums – ganz restriktiv gehandhabt. Die Organschaft wird mit anderen Worten nur anerkannt, wenn in dem Vertrag § 302 AktG insgesamt ausdrücklich in Bezug genommen wird. Fehlt eine Bezugnahme auf § 302 AktG oder ist diese in irgendeiner Hinsicht eingeschränkt, so wird die Organschaft – ungeachtet der feststehenden Anwendbarkeit des § 302 AktG nach Gesellschaftsrecht – mit Rücksicht auf den (angeblich) abweichenden Wortlaut des § 17 Satz 2 Nr. 2 KStG verworfen1. Alle Pläne zur Anpassung der steuerrechtlichen Situation an die Rechtslage im Gesellschaftsrecht (Geltung des § 302 AktG kraft Gesetzes) sind (bisher) gescheitert2. Dies zu betonen ist deshalb so wichtig, weil offenbar Beherrschungs- und Gewinnabführungsverträge mit abhängigen GmbHs ganz überwiegend aus steuerlichen Gründen, nämlich zur Schaffung der Voraussetzungen für die körperschaft- und gewerbesteuerlichen Organschaft, abgeschlossen werden, so dass letztlich die steuerlichen Anforderungen die gesellschaftsrechtliche Praxis prägen. Die Folge ist nämlich, dass die meisten im GmbH-Konzernrecht mit Bezug auf § 302 AktG diskutierten Fragen ohne jede praktische Relevanz sind3, so dass dazu wenige Bemerkungen genügen: Dies betrifft zunächst die Frage, ob die Verlustausgleichspflicht des herrschen- 182 den Unternehmens immer die gesamten Verluste der abhängigen Gesellschaft umfassen muss oder sich, wie vielfach insbesondere bei Einpersonengesellschaften angenommen, auf die Deckung der Stammkapitalziffer beschränken kann. Da das Steuerrecht in § 17 KStG in Übereinstimmung mit § 302 AktG in jedem Fall die Übernahme der gesamten Verluste der abhängigen GmbH verlangt, und zwar auch bei Einpersonengesellschaften, kommen andere Vereinbarungen nicht vor, mögen sie auch zumindest bei Einpersonengesellschaften theoretisch denkbar sein. Die Verlustausgleichspflicht des herrschenden Unternehmens entfällt außerdem nach § 302 Abs. 1 Halbsatz 2 AktG nur, wenn und soweit der Jahresfehlbetrag dadurch ausgeglichen werden kann, dass den anderen Gewinnrücklagen Beträge entnommen werden, die während der Vertragsdauer in sie eingestellt wurden. Gleich stehen die Kapitalrücklagen des § 272 Abs. 2 Nr. 4 AG 1992, 83 – „Stromlieferung/Hansa Feuerfest“; BGH, LM Nr. 11 zu § 53 GmbHG = NJW 2002, 822 = AG 2002, 240 = GmbHR 2002, 62; BAGE 61, 94 = AP Nr. 22 zu § 16 BetrAVG = AG 1991, 274, 275 = NZA 1989, 844; OLG Jena, AG 2005, 405; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 72 ff.; Casper, in: Ulmer, Rdnr. 210 f.; Liebscher, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 816 ff.; Lutter, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 41 ff.; Rodewald, in: GmbH-Handbuch, Rdnr. I 2914 f.; Servatius, in: Michalski, Rdnr. 160 ff. 1 Z.B. BFH, GmbHR 2010, 661 Rdnr. 17 ff.; BFH, GmbHR 2010, 1049 Rdnr. 24; BMF, Schreiben v. 19.10.2010, GmbHR 2010, 1232; E.-A. Baldamus, Die Unternehmensbesteuerung (Ubg) 2009, 484; Kinzl, AG 2010, 447; Neumayer/Imschweiler, GmbHR 2011, 57; N. Schneider, Der Konzern 2010, 486; Wulf, AG 2010, 34; Wulf, AG 2011, 23. 2 S. Schwedhelm/Olbing/Binnewies, GmbHR 2010, 1233, 1242; Kinzl, AG 2010, 447; W. Walter, AG 2010, 447; Wulf, AG 2011, 23. 3 Ebenso Liebscher, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 818 f.

Emmerich

869

Anhang § 13

GmbH-Konzernrecht

HGB. Auch hier mag bei der GmbH theoretisch eine andere Sicht der Dinge vertretbar sein, insbesondere bei Einpersonengesellschaften1. Praktische Bedeutung hat aber auch dies wiederum nicht, weil das Steuerrecht verlangt, dass § 302 AktG insgesamt und ohne Einschränkungen in dem Vertrag in Bezug genommen wird (§ 17 Satz 2 Nr. 2 KStG), so dass auch bei der GmbH vorvertragliche Rücklagen nicht zum Verlustausgleich herangezogen werden dürfen (§ 302 Abs. 1 Halbsatz 2 AktG), und zwar auch nicht bei den viel berufenen Einpersonengesellschaften.

VI. Haftung des herrschenden Unternehmens Schrifttum: Altmeppen, Die Haftung des Managers im Konzern, 1998; Emmerich, Zur Organhaftung im Vertragskonzern, in: GS Sonnenschein, 2003, S. 651; Voigt, Haftung aus Einfluss auf die AG, 2004.

183 Aus dem Beherrschungsvertrag ergeben sich nicht nur Rechte, sondern auch Pflichten des herrschenden Unternehmens. Einzelne Pflichten regelt bereits das Gesetz selbst, wobei die §§ 302 und 303 AktG hervorzuheben sind (oben Rdnr. 180 f.). Andere Pflichten ergeben sich aus dem Vertrag in Verb. mit den §§ 241 Abs. 2 und 242 BGB. Beispiele sind die Pflicht, die vertraglichen und gesetzlichen Schranken des Weisungsrechts einzuhalten (oben Rdnr. 177 ff.), sowie die weitere Pflicht, bei der Erteilung von Weisungen die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters zu beachten (s. § 309 Abs. 1 AktG). Das gilt im GmbH-Konzernrecht mit Rücksicht auf die Treuepflicht des herrschenden Unternehmens nicht weniger als im Aktienkonzernrecht, so dass wegen der Einzelheiten auf die Kommentierungen des § 309 AktG verwiesen werden kann, der ebenso wie der unmittelbar zugehörige § 310 AktG allgemein im GmbH-Konzernrecht entsprechend angewandt wird2. 184 Bei einer Verletzung der genannten Pflichten (Rdnr. 183) ist das herrschende Unternehmen der abhängigen Gesellschaft zum Schadensersatz verpflichtet (§§ 280 Abs. 1, 249 ff. BGB). Neben ihm haften persönlich entsprechend den §§ 309 Abs. 2 und 310 Abs. 1 AktG die gesetzlichen Vertreter des herrschenden Unternehmens sowie die Geschäftsführer und die Aufsichtsratsmitglieder der abhängigen Gesellschaft, die, insbesondere bei der Prüfung der Weisungen auf ihre Zulässigkeit, ihre Pflichten verletzt haben (§ 43 Abs. 2). Die Ersatzansprüche der abhängigen Gesellschaft können in diesen Fällen außer von den Geschäftsführern der Gesellschaft auch von deren Minderheitsgesellschaftern mit der actio pro socio verfolgt werden. Anwendbar sind ferner die §§ 309 Abs. 4 und 310 Abs. 4 AktG.

VII. Änderung des Vertrages 185 Unternehmensverträge können ebenso wie andere Verträge von den Parteien nachträglich durch einen weiteren Vertrag abgeändert werden (§ 311 Abs. 1 1 Casper, in: Ulmer, Rdnr. 210; Liebscher, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 819. 2 Z.B. Liebscher, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 797 ff.; Servatius, in: Michalski, Rdnr. 137 ff.; s. außerdem Emmerich, in: GS Sonnenschein, 2003, S. 651; Voigt, Haftung aus Einfluss auf die AG, 2004.

870

Emmerich

GmbH-Konzernrecht

Anhang § 13

BGB). Vertragsänderungen in diesem Sinne sind insbesondere auch die Änderung des Vertragstyps, z.B. die Ersetzung eines Gewinnabführungsvertrages durch einen Organschaftsvertrag, der Beitritt einer neuen Partei zu dem Vertrag sowie die Auswechslung einer Vertragspartei im Zusammenwirken aller Beteiligten1, nicht jedoch die so genannte Änderungskündigung, sofern es tatsächlich zur Kündigung des Vertrages oder später zum Abschluss eines neuen Vertrages kommt. Eine spezielle gesetzliche Regelung für die Abänderung von Unternehmensverträgen findet sich bislang allein für Verträge mit einer abhängigen AG in § 295 AktG. Die entsprechende Anwendbarkeit dieser Vorschriften auf die Änderung von Unternehmensverträgen mit einer abhängigen GmbH liegt zwar nahe, stößt indessen in zahlreichen Punkten auf Schwierigkeiten, in erster Linie wegen der bekannten Unterschiede zwischen der AG und der GmbH. Das AktG verlangt in § 295 AktG durch Verweisung auf die §§ 293 und 294 186 AktG für die Änderung eines Unternehmensvertrages mit einer abhängigen AG die Zustimmung gleichermaßen der Hauptversammlung der abhängigen Gesellschaft wie der der herrschenden AG mit qualifizierter Mehrheit, einen Sonderbeschluss der außenstehenden Aktionäre, sofern die Bestimmungen über Ausgleich und Abfindung geändert werden (§ 295 Abs. 2 AktG), sowie die Eintragung der Änderung ins Handelsregister der abhängigen Gesellschaft (§ 294 AktG). Anwendbar sind außerdem (infolge der Verweisung in § 295 Abs. 1 Satz 2 AktG) die §§ 293a bis 293g AktG über den Vertragsbericht und die Vertragsprüfung. Bei der entsprechenden Anwendung dieser Vorschriften (oben Rdnr. 186) im 187 GmbH-Konzernrecht stellt sich als erstes die Frage nach der erforderlichen Mehrheit, mit der die Gesellschafter der abhängigen GmbH der Vertragsänderung zustimmen müssen. Das Problem rührt daher, dass bereits umstritten ist, mit welcher Mehrheit die Gesellschafterversammlung der abhängigen GmbH dem Abschluss des Vertrages zustimmen muss (s. oben Rdnr. 139 ff., 143 ff.). Diese Auseinandersetzung setzt sich naturgemäß hier bei der Frage fort, welche Anforderungen an den Zustimmungsbeschluss bei Vertragsänderungen zu stellen sind. Zum Teil wird angenommen, entsprechend § 53 Abs. 2 GmbHG und §§ 295 Abs. 1 Satz 2, 293 Abs. 1 Satz 2 AktG genüge eine Zustimmung der Gesellschafter mit qualifizierter Mehrheit, ergänzt freilich durch einen zustimmenden Sonderbeschluss der Minderheitsgesellschafter der abhängigen Gesellschaft, sofern die Bestimmungen des Vertrages über einen etwaigen Ausgleich oder eine Abfindung geändert werden2. Richtiger Meinung nach gelten dagegen für die Änderung des Vertrages dieselben Voraussetzungen wie für den Vertragsabschluss (§ 311 Abs. 1 BGB), so dass der Vertragsänderung grundsätzlich alle Gesellschafter der abhängigen Gesellschaft zustimmen müssen, schon, um sonst nahe liegenden Umgehungsmöglichkeiten zum Nachteil der Minderheit

1 BGHZ 119, 1, 6 ff. = NJW 1992, 2760 = AG 1992, 450 – „Asea/BBC I“; Emmerich/Habersack, Kommentar, § 295 AktG Rdnr. 13 ff. m.N. 2 Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 101; Casper, in: Ulmer, Rdnr. 200; HoffmannBecking, WiB 1994, 57; Koppensteiner, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 118; Lutter, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 82; Rodewald, in: GmbH-Handbuch, Rdnr. I 2936; Servatius, in: Michalski, Rdnr. 182 ff.

Emmerich

871

Anhang § 13

GmbH-Konzernrecht

zu begegnen1. Das sollte auch für so genannte redaktionelle Änderungen gelten, schon, weil eine Grenzziehung zwischen „bloßen“ redaktionellen und sonstigen Änderungen kaum möglich ist. Hinzu kommen muss noch die Eintragung der Vertragsänderung ins Handelsregister, die hier konstitutive Bedeutung hat (§ 54 Abs. 1 GmbHG; §§ 293 Abs. 1 Satz 2, 294 AktG). 188 Umstritten ist ferner, ob entsprechend den §§ 295 Abs. 1 Satz 2 und 293 Abs. 2 AktG außerdem die Zustimmung der Gesellschafter der herrschenden Gesellschaft zu der Vertragsänderung mit qualifizierter Mehrheit erforderlich ist2. Die Frage ist zu bejahen, da die Gründe, die bei der AG zur Einführung des Zustimmungserfordernisses der Gesellschafter der herrschenden Gesellschaft geführt haben, letztlich von deren Rechtsform unabhängig sind. Aus denselben Gründen können auf beiden Seiten auch nur in engen Grenzen Ermächtigungsklauseln zugunsten der Geschäftsführer für Änderungen des Vertrages anerkannt werden; sie kommen wohl nur für reine Textanpassungen ohne jede materielle Bedeutung in Betracht3.

VIII. Beendigung des Vertrages Schrifttum: Böcker, Insolvenz im GmbH-Konzern, GmbHR 2004, 1257, 1314; Fichtelmann, Die Beendigung des Gewinnabführungsvertrages und ihre Auswirkungen auf die Organschaft, GmbHR 2010, 576; M. Grüner, Die Beendigung von Gewinnabführungs- und Beherrschungsverträgen, 2003; Gutheil, Die Auswirkungen von Umwandlungen auf Unternehmensverträge nach §§ 291, 292 AktG und die Rechte außenstehender Aktionäre, 2001; Rodewald, Der GmbH-Konzern, in: GmbH-Handbuch, Rdnr. I 2945–2958; H. Wilhelm, Die Beendigung des Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrages, 1976; Windbichler, Unternehmensverträge und Zusammenschlusskontrolle, 1977.

1. Überblick 189 Das AktG regelt in den §§ 296 und 297 AktG als Beendigungsgründe für Unternehmensverträge lediglich den Aufhebungsvertrag und die Kündigung (vgl. außerdem noch § 307 AktG). Weitere Beendigungsgründe sind der Zeitablauf bei einem befristeten Unternehmensvertrag (s. die §§ 14 und 17 KStG), Rücktritt und Anfechtung, weiter die Insolvenz einer der Vertragsparteien (str.), die Nichtigkeit oder die erfolgreiche Anfechtung des Zustimmungsbeschlusses einer der Vertragsparteien (§§ 241, 243 AktG), die Eingliederung einer abhängigen AG in ein drittes Unternehmen sowie je nach den Umständen des Falles die Umwandlung oder die Verschmelzung einer der Parteien mit der anderen oder mit einem dritten Unternehmen4. Es besteht Übereinstimmung, dass die genannten Be1 Emmerich/Habersack, Kommentar, § 295 AktG Rdnr. 4a; Liebscher, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 896; Mues, RNotZ 2005, 1, 23. 2 Bejahend Krieger, in: Uwe H. Schneider, Beherrschungs- und Gewinnabführungsverträge, S. 99, 101 ff.; Liebscher, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 897; Mues, RNotZ 2005, 1, 23; Rodewald, in: GmbH-Handbuch, Rdnr. I 2936; Servatius, in: Michalski, Rdnr. 181; Wirth, DB 1990, 2105; – dagegen Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 103. 3 Casper, in: Ulmer, Rdnr. 200; Zöllner, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 62. 4 S. im Einzelnen Emmerich/Habersack, Kommentar, § 296 AktG Rdnr. 2, § 297 AktG Rdnr. 27, 34 ff.

872

Emmerich

GmbH-Konzernrecht

Anhang § 13

endigungsgründe grundsätzlich auch für Unternehmensverträge mit einer abhängigen GmbH Bedeutung haben; zahlreiche Einzelheiten sind jedoch ebenso wie im Aktienrecht immer noch ungeklärt1. Im Folgenden ist lediglich auf einige Fragen einzugehen, die speziell mit der (umstrittenen) Anwendbarkeit der §§ 296 und 297 AktG auf Unternehmensverträge mit einer abhängigen GmbH zusammenhängen (unten Rdnr. 190 ff.).

2. Ordentliche Kündigung Das AktG unterscheidet in § 297 AktG zwischen der ordentlichen und der au- 190 ßerordentlichen Kündigung eines Unternehmensvertrages aus wichtigem Grunde. Dieselbe Unterscheidung empfiehlt sich im GmbH-Konzernrecht. a) Das AktG hat nicht geregelt, unter welchen Voraussetzungen Unternehmens- 191 verträge ordentlich gekündigt werden können: es beschränkt sich vielmehr in § 297 Abs. 2 AktG auf die Bestimmung, dass solche Kündigung, wenn sie überhaupt in Betracht kommt, jedenfalls auf der Seite der abhängigen AG zu ihrer Wirksamkeit eines Sonderbeschlusses der außenstehenden Gesellschafter bedarf, sofern der Vertrag Ausgleichs- oder Abfindungsregelungen enthält. Daraus wird überwiegend der Schluss gezogen, dass eine ordentliche Kündigung überhaupt nur möglich ist, wenn sie im Vertrag vorgesehen ist oder wenn sie sich sonst aus der gesetzlichen Regelung für den betreffenden Vertrag ergibt2. Das muss dann auch für die GmbH gelten3. Folgt man dem, so ist es auch unbedenklich, den Parteien Vertragsfreiheit hinsichtlich der Kündigungsgründe und Kündigungsfolgen einzuräumen, wobei zu bedenken ist, dass der Vertrag in der Mehrzahl der Fälle ohnehin der Zustimmung aller Gesellschafter bedarf. Außerdem ist § 297 Abs. 2 AktG entsprechend anwendbar, wenn der Vertrag (ausnahmsweise) Ausgleichs- oder Abfindungsregelungen zugunsten der Minderheit enthält. Nötig ist dann also ein (dem GmbHG sonst unbekannter) Sonderbeschluss der Minderheitsgesellschafter. b) Obwohl dem Aktienrecht solches Erfordernis fremd ist, hat der BGH jetzt entschieden, dass der Beschluss der abhängigen Gesellschaft über die ordentliche Kündigung ein innergesellschaftlicher Organisationsakt und keine reine Geschäftsführungsmaßnahme ist, so dass das herrschende Unternehmen sein Stimmrecht behält4. Auf der Seite der herrschenden Gesellschaft ist die ordentliche Kündigung dagegen unstreitig lediglich eine Geschäftsführungsmaßnahme, die von der Vertretungsmacht der Geschäftsführer gedeckt ist. – Die Kündigung bedarf der Schriftform (§ 297 Abs. 3 AktG analog); ein Verstoß gegen das Schrift-

1 S. Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 90–102; Casper, in: Ulmer, Rdnr. 198 ff.; Decher, in: MünchHdb. III, § 70 Rdnr. 37 ff.; Emmerich/Habersack, Konzernrecht, § 19; Fichtelmann, GmbHR 2010, 576; M. Grüner, Beendigung, passim; Liebscher, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 900 ff.; Servatius, in: Michalski, Rdnr. 187 ff. 2 S. Emmerich/Habersack, Kommentar, § 297 AktG Rdnr. 4–6; Casper, in: Ulmer, Rdnr. 202. 3 Anders Fichtelmann, GmbHR 2010, 576, 578 f.; Timm, in: FS Kellermann, S. 461, 469 ff.; wohl auch Liebscher, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 917. 4 BGH, GmbHR 2011, 922 Rdnr. 19 ff = AG 2011, 668 = ZIP 2011, 1465, 1467.

Emmerich

873

191a

Anhang § 13

GmbH-Konzernrecht

formerfordernis hat die Nichtigkeit der Kündigung zur Folge (§§ 126, 125 BGB)1. Die Kündigung ist in das Handelsregister einzutragen (§ 298 AktG analog). Die Eintragung hat jedoch nur deklaratorische Bedeutung. Das ändert aber nichts an der Prüfungspflicht des Registergerichts2.

3. Außerordentliche Kündigung aus wichtigem Grunde 192 a) Ein Unternehmensvertrag kann jederzeit außerordentlich fristlos gekündigt werden, wenn ein wichtiger Grund vorliegt. Das folgt bereits aus § 314 BGB sowie aus der Analogie zu § 297 Abs. 1 Satz 1 AktG. Aus § 314 BGB ergibt sich zugleich, dass ein wichtiger Grund grundsätzlich nur anzunehmen ist, wenn dem kündigenden Teil, im vorliegenden Zusammenhang also in erster Linie der abhängigen GmbH, unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses bis zur vereinbarten Beendigung oder bis zum Ablauf einer Kündigungsfrist nicht mehr zugemutet werden kann3. Nach § 297 Abs. 1 Satz 2 AktG ist dies insbesondere anzunehmen, wenn der andere Vertragsteil, d.h. das herrschende Unternehmen, voraussichtlich nicht in der Lage sein wird, seine vertraglichen Verpflichtungen zu erfüllen. Die Kündigung muss gemäß § 314 Abs. 3 BGB binnen angemessener Frist erfolgen4. Ergänzend bestimmt § 14 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 KStG, dass eine vorzeitige Beendigung des Organschafts- oder Gewinnabführungsvertrages durch Kündigung unschädlich ist, wenn ein wichtiger Grund die Kündigung rechtfertigt, so dass in diesem Fall trotz vorzeitiger Beendigung des Vertrages die steuerlichen Vorteile der Organschaft nicht verloren gehen5. 193 Die außerordentliche Kündigung eines Unternehmensvertrages mit einer abhängigen GmbH kommt nach dem Gesagten (oben Rdnr. 192) in erster Linie in Betracht, wenn wirtschaftliche Schwierigkeiten bei dem herrschenden Unternehmen den von diesem geschuldeten Verlustausgleich (oben Rdnr. 183 f.) gefährden6. Die bloße Veräußerung der Beteiligung durch das herrschende Unternehmen kann dagegen grundsätzlich nicht als wichtiger Grund anerkannt werden, da es das letztere andernfalls in der Hand hätte, nach freiem Belieben einen Kündigungsgrund selbst zu schaffen. Eine Ausnahme ist nur zu erwägen, wenn der Erwerber der Beteiligung dieselben Verpflichtungen gegenüber der abhängigen Gesellschaft und den außenstehenden Gesellschaftern wie der Veräußerer übernimmt oder wenn ohne Kündigung des Vertrages die Existenz des Veräußerers unmittelbar gefährdet wäre. Die abweichende „Regelung“ in den Körperschaftsteuerrichtlinien (Abschn. 60 Abs. 6 KStR) hat keine Bedeutung

1 OLG München, AG 2011, 467 = GmbHR 2011, 489. 2 OLG München, ZIP 2011, 1912 = GmbHR 2011, 871. 3 OLG München, GmbHR 2011, 871 = ZIP 2011, 1912 f., Emmerich/Habersack, Kommentar, § 297 AktG Rdnr. 19 ff.; M. Grüner, Beendigung, S. 110 ff.; Liebscher, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 924 ff.; Servatius, in: Michalski, Rdnr. 224 f., 232. 4 OLG München, AG 2011, 467 = GmbHR 2011, 489. 5 S. dazu Fichtelmann, GmbHR 2010, 576, 579 f. 6 LG Bochum, AG 1987, 323 f. = GmbHR 1987, 24; Timm, GmbHR 1987, 8, 13 ff.

874

Emmerich

GmbH-Konzernrecht

Anhang § 13

für das Gesellschaftsrecht1. Aus vergleichbaren Überlegungen heraus bildet bei Einpersonengesellschaften die von dem alleinigen Gesellschafter beschlossene Auflösung der Gesellschaft keinen wichtigen Kündigungsgrund2. b) Das Kündigungsrecht aus wichtigem Grunde (§ 297 Abs. 1 AktG; § 314 BGB) 194 ist zwingendes Recht, so dass eine vertragliche Beschränkung des Kündigungsrechts nicht in Betracht kommt. Zulässig ist dagegen eine vertragliche Ausdehnung des Kündigungsrechts, insbesondere durch eine Bestimmung, nach der Gründe, die an sich keinen wichtigen Grund i.S. des § 297 AktG und des § 314 BGB darstellen (oben Rdnr. 192 f.), ausnahmsweise doch eine Partei zu solcher Kündigung berechtigen sollen. Das folgt wohl schon daraus, dass die Parteien auch eine ordentliche Kündigung in beliebigem Umfang vertraglich einführen und ausgestalten können3. c) Im GmbH-Konzernrecht wird bei der außerordentlichen Kündigung aus wich- 194a tigem Grunde ebenso wie bei der ordentlichen Kündigung (Rdnr. 191a) diskutiert, ob die Kündigung wegen ihrer schwerwiegenden Konsequenzen für die Gesellschaft, insbesondere wegen des Verlustes des Anspruchs auf den Verlustausgleich aus § 302 AktG, zumindest auf der Seite der abhängigen Gesellschaft der Zustimmung der Gesellschafterversammlung, gegebenenfalls sogar mit qualifizierter Mehrheit bedarf4. Überwiegend wird die Frage jedoch heute verneint5, zu Recht, wie die Analogie zu § 297 Abs. 2 AktG zeigt. Es handelt sich danach um eine bloße Maßnahme der Geschäftsführung, bei der lediglich intern von Fall zu Fall die Mitwirkung der Gesellschafterversammlung nötig sein kann. Im Wesentlichen unstreitig ist das heute zumindest für die Seite der herrschenden Gesellschaft. – Für die Form der Kündigung und die Eintragung ins Handelsregister gilt dasselbe wie bei der ordentlichen Kündigung (Rdnr. 191a).

4. Vertragsaufhebung Die Aufhebung eines Unternehmensvertrages ist jederzeit durch actus contrari- 195 us der Vertragsparteien möglich (§ 311 Abs. 1 BGB). Davon geht auch das AktG aus; es beschränkt sich deshalb in § 296 Abs. 1 Satz 1 AktG auf die ergänzende Bestimmung, dass ein Unternehmensvertrag nur zum Ende des Geschäftsjahres oder des sonst vertraglich bestimmten Abrechnungszeitraums aufgehoben werden kann. Eine rückwirkende Aufhebung ist unzulässig (§ 296 Abs. 1 Satz 2

1 OLG Düsseldorf, AG 1995, 137, 138 – „Rüttgerswerke AG“; OLG Oldendburg, NZG 2000, 1138, 1140 = GmbHR 1994, 805 = NJW-RR 1995, 233; LG Dortmund, AG 1994, 85, 86 = DB 1993, 1916 – „Guano AG“; LG Frankenthal, AG 1989, 253, 254 f.; Fleischer/ Rentsch, NZG 2000, 1141; Kallmeyer, GmbHR 1995, 578, 580; Mues, RNotZ 2005, 1, 28 f.; Rodewald, in: GmbH-Handbuch, Rdnr. I 2954; Servatius, in: Michalski, Rdnr. 232; Timm/Geuting, GmbHR 1996, 229, 236 ff.;- anders aber LG Bochum, GmbHR 1987, 24 = AG 1987, 323; Krieger/Jannott, DStR 1995, 1473, 1476; Liebscher, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 927 ff.; Schlögell, GmbHR 1995, 401, 408 ff. 2 OLG München, ZIP 2011, 1912 1913 = GmbHR 2011, 871. 3 S. oben Rdnr. 191; Emmerich/Habersack, Kommentar, § 297 AktG Rdnr. 17 m.N. zur Streitfrage. 4 So z.B. Casper, in: Ulmer, Rdnr. 202. 5 Liebscher, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 933.; Servatius, in: Michalski, Rdnr. 234.

Emmerich

875

Anhang § 13

GmbH-Konzernrecht

AktG)1. Der Aufhebungsvertrag bedarf außerdem der schriftlichen Form (§ 296 Abs. 1 Satz 3 AktG). Wenn der Vertrag zugunsten der außenstehenden Aktionäre Ausgleichs- oder Abfindungsleistungen vorsieht, ist ferner ein Sonderbeschluss der außenstehenden Aktionäre erforderlich (§ 296 Abs. 2 AktG). Die Eintragung der Aufhebung des Vertrages ins Handelsregister hat hier lediglich deklaratorische Bedeutung (§ 298 AktG). 196

Die geschilderte Regelung (oben Rdnr. 195) zeigt, dass das AktG in dem Abschluss eines Aufhebungsvertrages grundsätzlich nur einen Akt der Geschäftsführung und Vertretung sieht. Daher rührt der Streit, ob die Regel des § 296 AktG entsprechend im GmbH-Konzernrecht angewandt werden kann2. Verbreitet wird die Frage bejaht3. Nach anderen handelt es sich dagegen bei der Aufhebung eines Unternehmensvertrages grundsätzlich um eine außerordentliche Geschäftsführungsmaßnahme, der die Gesellschafterversammlung deshalb intern (mit einfacher Mehrheit) zustimmen muss, wobei wieder umstritten ist, ob das herrschende Unternehmen dabei ein Stimmrecht hat oder nicht (s. § 47 Abs. 4), während eine Mitwirkung der Gesellschafter auf der Ebene des anderen Vertragsteils grundsätzlich als entbehrlich anzusehen ist4. Nach wieder anderen sind schließlich auf die Aufhebung eines Unternehmensvertrages auf der Seite der abhängigen Gesellschaft die §§ 53 und 54 entsprechend anzuwenden5.

197 Der zuletzt genannten Meinung (oben Rdnr. 196) ist zu folgen, weil die Aufhebung eines Unternehmensvertrages für die abhängige Gesellschaft in zahlreichen Fällen dieselbe Bedeutung wie dessen Abschluss haben kann; besonders deutlich wird das bei Fortfall der Verlustausgleichspflicht des herrschenden Unternehmens im Falle der Aufhebung eines Beherrschungs- oder Gewinnabführungsvertrages. Die Folge kann nämlich sein, dass die Überlebensfähigkeit der 1 So auch für die GmbH BGH, LM Nr. 11 zu § 53 GmbHG (Bl. 2 f.) = NJW 2002, 822 = AG 2002, 240 = GmbHR 2002, 62. 2 Übersicht bei Casper, in: Ulmer, Rdnr. 193 ff.; Emmerich/Habersack, Kommentar, § 296 AktG Rdnr. 7–7c; Fichtelmann, GmbHR 2010, 576; Liebscher, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 900 ff.; Mues, DNotZ 2005, 1, 23 ff.; Servatius, in: Michalski, Rdnr. 187 ff. 3 OLG Frankfurt a.M., AG 1994, 85 = NJW-RR 1994, 296 = GmbHR 1994, 809; OLG Karlsruhe, AG 1995, 38 = NJW-RR 1994, 1062 = GmbHR 1994, 807 – „Mannesmann/Kienzle“; LG Essen, AG 1999, 135 = NZG 1998, 860; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 97; Bungert, NJW 1995, 1118; Kallmeyer, GmbHR 1995, 578 f.; Koppensteiner, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 118; Liebscher, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 911 f.; Servatius, in: Michalski, Rdnr. 193; E. Vetter, ZIP 1995, 345, 346 ff.; St. Ulrich, GmbHR 2004, 1000, 1003 f.; offen gelassen aber in BayObLG, GmbHR 2003, 476, 477 = NJW-RR 2003, 907. 4 So M. Grüner, Beendigung, S. 61 ff.; Zöllner, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 72. 5 S. 10. Aufl., § 53 Rdnr. 172; OLG Oldenburg, NZG 2000, 1138, 1139 (aufgehoben durch BGH, LM Nr. 11 zu § 53 GmbHG = NJW 2002, 822 = GmbHR 2002, 62 = AG 2002, 240 [aus anderen Gründen; s. Emmerich, Anm. LM Nr. 11 zu § 53 GmbHG, Bl. 3 R ff.]); Casper, in: Ulmer, Rdnr. 199; Decher, in: MünchHdb. III, § 70 Rdnr. 42; Emmerich/Habersack, Kommentar, § 296 AktG Rdnr. 7a; Ehlke, ZIP 1995, 355, 357 f.; Ebenroth/Wilken, WM 1993, 1617 ff.; Fleischer/Rentsch, NZG 2000, 1141; Halm, NZG 2001, 728, 736 ff.; Hoffmann-Becking, WiB 1994, 57, 62 f.; Lutter, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 85; Mues, DNotZ 2005, 1, 25; Schlögell, GmbHR 1995, 401, 403 ff.; O. Schwarz, DNotZ 1996, 68, 75 ff.; ebenso wohl auch BGH, ZIP 2011, 1465, 1467 Rdnr. 19 = AG 2011, 668 = GmbHR 2011, 922 = WM 2011, 1416 = NJW-RR 2011, 1117.

876

Emmerich

GmbH-Konzernrecht

Anhang § 13

Gesellschaft jetzt unmittelbar bedroht ist. Vor allem diese Überlegung spricht dafür, auf die Aufhebung eines Unternehmensvertrages ebenso wie auf dessen Abschluss auf der Seite der abhängigen Gesellschaft in der Tat die §§ 53 und 54 entsprechend anzuwenden. Eine andere Beurteilung ist (analog § 307 AktG) nur für Unternehmensverträge mit 100 %igen Tochtergesellschaften angebracht1. Die entsprechende Anwendbarkeit des § 54 hat insbesondere zur Folge, dass anders als im Aktienkonzernrecht (s. § 298 AktG) die Eintragung der Aufhebung des Vertrages ins Handelsregister hier konstitutive Bedeutung hat (§ 54 Abs. 3)2. Unter den Voraussetzungen des § 296 Abs. 2 AktG ist außerdem ein Sonderbeschluss der Minderheitsgesellschafter erforderlich3. Anders ist die Rechtslage auf der Seite der herrschenden GmbH. Hier dürfte es sich bei der Aufhebung eines Unternehmensvertrages in der Tat um eine Maßnahme der Geschäftsführung handeln, die jedenfalls im Außenverhältnis auch ohne Mitwirkung der Gesellschafterversammlung wirksam ist4.

G. Gewinnabführungsvertrag Schrifttum: Baldamus, Durchführung von Gewinnabführungsverträgen, Die Unternehmensbesteuerung (Ubg) 2009, 484; Cahn/Simon, Isolierte Gewinnabführungsverträge, Der Konzern 2003, 1; Fichtelmann, Die Beendigung des Gewinnabführungsvertrags und ihre Auswirkungen auf die Organschaft, GmbHR 2010, 576; Koppensteiner, Zum Gewinnabführungsvertrag der GmbH, öRdW 1985, 170; Mues, Gewinnabführungs- und Beherrschungsverträge mit einer hauptverpflichteten GmbH aus handelsund steuerrechtlicher Sicht, RNotZ 2005, 1; Neumayer/Imschweiler, GmbHR 2011, 57; Schaber/Hertstein, Der Konzern 2004, 6; Uwe H. Schneider (Hrsg.), Beherrschungsund Gewinnabführungsverträge in der Praxis der GmbH, 1989; Sonnenschein, Organschaft und Konzerngesellschaftsrecht, 1976; St. Ulrich, Gewinnabführungsverträge im GmbH-Konzern, GmbHR 2004, 1000; R. Veil, Unternehmensverträge, 2003, S. 260 ff.; Wrede/Busch, Organschaft, in: MünchHdb. III, 3. Aufl. 2009, § 72.

I. Überblick Ein Gewinnabführungsvertrag ist nach § 291 Abs. 1 Satz 1 AktG ein Vertrag, 198 durch den sich eine abhängige Gesellschaft verpflichtet, ihren gesamten Gewinn an ein anderes Unternehmen abzuführen. Derartige Verträge kommen offenbar auch mit abhängigen Gesellschaften in der Rechtsform einer GmbH in größerer Zahl vor. Das GmbHG erwähnt deshalb Gewinnabführungsverträge seit 2008 erstmals ausdrücklich in § 30 Abs. 1 Satz 2, nach dem das Verbot der Auszahlung des zur Erhaltung des Stammkapitals erforderlichen Vermögens an die Gesellschafter bei Leistungen keine Anwendung findet, die bei Bestehen eines Beherrschungs- oder Gewinnabführungsvertrages im Sinne des § 291 AktG erfolgen. Die Bedeutung des Gewinnabführungsvertrages liegt nahezu ausschließlich auf steuerlichem Gebiet, da der Abschluss eines derartigen Vertrages gemäß den §§ 14 und 17 KStG Voraussetzung für die Anerkennung der körperschaftund gewerbesteuerlichen Organschaft mit einer GmbH ist. Hinzu kommen 1 Henze, Konzernrecht, Rdnr. 199 (S. 72). 2 S. 10. Aufl., § 53 Rdnr. 173 (am Ende); Halm, NZG 2001, 728, 737 f.; – anders BayObLG, GmbHR 2003, 476, 477 = NJW-RR 2003, 907; Servatius, in: Michalski, Rdnr. 198. 3 Halm, NZG 2001, 728, 737 f.; Servatius, in: Michalski, Rdnr. 194 f. 4 Casper, in: Ulmer, Rdnr. 201; Liebscher, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 913 f.

Emmerich

877

Anhang § 13

GmbH-Konzernrecht

muss noch nach § 17 Satz 2 KStG, dass die Gewinnabführung nicht den in § 301 AktG genannten Betrag überschreitet (§ 17 Satz 2 Nr. 1 KStG) und dass eine Verlustübernahme entsprechend den Vorschriften des (ganzen) § 302 AktG vereinbart wird (§ 17 Satz 2 Nr. 2 KStG, dazu schon ausführlich oben Rdnr. 181 sowie noch unten Rdnr. 203 ff.). 199 Die unmittelbare Bezugnahme auf die §§ 291 Abs. 1, 301 und 302 AktG insbesondere in § 30 Abs. 1 Satz 2 sowie in den §§ 14 Abs. 1 Satz 1 und 17 Satz 1 und 2 KStG führt dazu, dass sich die gesellschaftsrechtliche Behandlung von Gewinnabführungsverträgen mit einer abhängigen GmbH nahezu vollständig an dem aktienrechtlichen Vorbild orientiert, soweit dem nicht die Besonderheiten des GmbH-Rechts entgegenstehen. Allein auf diese Besonderheiten ist daher im Folgenden näher einzugehen. Die spezifischen steuerrechtlichen Probleme, die der Abschluss von Gewinnabführungsverträgen mit einer GmbH zusätzlich aufwirft, sind nicht Gegenstand der vorliegenden Kommentierung. Insoweit ist auf die Erläuterungen zu den §§ 14 und 17 KStG sowie zu § 2 GewStG zu verweisen1. 200 Gewinnabführungsverträge werden in der Praxis häufig mit Beherrschungsverträgen zu so genannten Organschaftsverträgen verbunden. Zu unterscheiden ist der Gewinnabführungsvertrag vor allem von dem Teilgewinnabführungsvertrag des § 292 Abs. 1 Nr. 2 AktG. Die Abgrenzung zwischen beiden Verträgen richtet sich allein danach, ob sich der Vertrag auf die Abführung des gesamten Gewinns der abhängigen Gesellschaft oder „nur“ eines (beliebig großen) Teils davon bezieht (s. unten Rdnr. 213 f.). Einen (praktisch bedeutungslosen) Sonderfall der Gewinnabführungsverträge bilden die in § 291 Abs. 1 Satz 2 AktG erwähnten Geschäftsführungsverträge. Ein derartiger Vertrag ist anzunehmen, wenn eine Gesellschaft sich verpflichtet, ihr Unternehmen für Rechnung eines anderen Unternehmens zu führen2.

II. Abschluss des Gewinnabführungsvertrages 201 Das AktG behandelt Gewinnabführungsverträge hinsichtlich der Erfordernisse an den Vertragsabschluss ebenso wie Beherrschungsverträge (§§ 291 und 293 ff. AktG). Davon ist grundsätzlich auch im GmbH-Konzernrecht auszugehen, so dass wegen der Einzelheiten auf die Ausführungen zum Abschluss eines Beherrschungsvertrages mit einer abhängigen GmbH verwiesen werden kann3. Auszugehen ist mit anderen Worten grundsätzlich von der entsprechenden Anwendung der §§ 53 und 54, wobei der Zustimmungsbeschluss der abhängigen Gesellschaft mit Rücksicht auf die darin liegende Zweckänderung gemäß § 33 Abs. 1 Satz 2 BGB in aller Regel zusätzlich der Zustimmung aller Gesellschafter

1 S. außerdem z.B. Baldamus, Die Unternehmensbesteuerung (Ubg) 2009, 484; Fichtelmann, GmbHR 2010, 576; Neumayer/Imschweiler, GmbHR 2011, 57; Olbing, NZG 2011, 773. 2 S. dazu Emmerich/Habersack, Kommentar, § 291 AktG Rdnr. 67–72. 3 Oben Rdnr. 139 ff. sowie z.B. Casper, in: Ulmer, Rdnr. 189 ff.; Liebscher, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 706 ff.; Servatius, in: Michalski, Rdnr. 284 ff.

878

Emmerich

GmbH-Konzernrecht

Anhang § 13

bedarf1. Hinzu kommen muss noch die Zustimmung der Gesellschafterversammlung der herrschenden Gesellschaft mit qualifizierter Mehrheit (s. im Einzelnen oben Rdnr. 148 ff.). Die Zustimmung aller Gesellschafter der abhängigen (ihren Gewinn abführen- 202 den) Gesellschaft (oben Rdnr. 201) ist ebenso wie beim Beherrschungsvertrag nur entbehrlich, wenn der Gesellschaftsvertrag ausdrücklich für einen konkreten Fall einen Zustimmungsbeschluss mit qualifizierter Mehrheit genügen lässt2. In diesem Fall sind jedoch Abfindungs- und Ausgleichsleistungen für die Minderheit entsprechend den §§ 304 und 305 AktG unverzichtbar. Für die Barabfindung des § 305 Abs. 2 Nr. 3 AktG ist dies mittlerweile wohl bereits unstreitig3. Ist das herrschende Unternehmen eine AG, so sollte jedoch auch die Verpflichtung dieser Gesellschaft zur Abfindung der Minderheit in Aktien anerkannt werden (§ 305 Abs. 2 Nr. 1 AktG).

III. Gewinnabführung Um trotz der Abführung des gesamten Gewinns an das herrschende Unterneh- 203 men (§ 291 Abs. 1 Satz 1 AktG) der abhängigen Gesellschaft wenigstens ihr bilanzielles Anfangsvermögen zu sichern, beschränkt das AktG in verschiedener Hinsicht die Höhe des abzuführenden Gewinns (§§ 300 und 301 AktG). Für eine Anwendung des § 300 AktG ist im GmbH-Konzernrecht indessen kein Raum, weil das GmbHG keine gesetzliche Rücklagen kennt. Hinsichtlich des § 301 AktG ist die Anwendbarkeit im Konzernrecht der GmbH umstritten. Teilweise wird angenommen, eine entsprechende Anwendung der genannten Vorschrift auf die GmbH sei entbehrlich4. Die Frage hat jedoch mit Rücksicht auf § 17 Satz 2 Nr. 1 KStG keine praktische Bedeutung, da Gewinnabführungsverträge mit einer GmbH allein aus steuerrechtlichen Gründen abgeschlossen werden, das Steuerrecht jedoch die genaue Beachtung des § 301 AktG als Voraussetzung für die Anerkennung der Organschaft vorschreibt. Das gilt auch für den Verweis auf § 268 Abs. 8 HGB in § 301 Satz 1 AktG. Nach § 301 Satz 1 AktG darf aufgrund eines Gewinnabführungsvertrages als Ge- 204 winn höchstens der ohne die Gewinnabführung entstehende Jahresüberschuss abgeführt werden, vermindert um einen Verlustvortrag aus dem Vorjahr sowie um den nach § 268 Abs. 8 HGB ausschüttungsgesperrten Betrag. § 268 Abs. 8 HGB bestimmt eine Ausschüttungssperre für Beträge, die sich aus dem Ausweis selbst geschaffener immaterieller Vermögensgegenstände im Anlagevermögen in der Bilanz ergeben. Durch diese Regelung wurde das bisherige Verbot der Ak-

1 S. 10. Aufl., § 53 Rdnr. 168, 171; Casper, in: Ulmer, Rdnr. 191; Emmerich/Habersack, Kommentar, § 293 AktG Rdnr. 43 f.; ebenso zumindest für personalistische Gesellschaften Liebscher, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 716 ff.; – anders aber Esch, BB 1986, 272; Koppensteiner, öRdW 1985, 170, 173 ff.; Kort, Abschluss, S. 109 ff. 2 S. oben Rdnr. 155 f.; Casper, in: Ulmer, Rdnr. 192; großzügiger Liebscher, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 721. 3 S. oben Rdnr. 158 ff.; Casper, in: Ulmer, Rdnr. 210 ff.; Liebscher, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 851 ff.; Servatius, in: Michalski, Rdnr. 306 f. 4 Z.B. Casper, in: Ulmer, Rdnr. 209.

Emmerich

879

Anhang § 13

GmbH-Konzernrecht

tivierung selbst geschaffener immaterieller Vermögensgegenstände ersetzt1. Zugleich wurde aber durch die Änderung des § 301 AktG klargestellt, dass derartige ausschüttungsgesperrte Beträge nicht aufgrund eines Gewinnabführungsvertrages an das herrschende Unternehmen abgeführt werden dürfen, soweit nicht frei verfügbare Rücklagen abzüglich eines Verlustvortrags und zuzüglich eines Gewinnvortrags dem Gesamtbetrag der angesetzten Beträge mindestens entsprechen2. 204a Zu beachten ist in diesem Zusammenhang insbesondere der durch das MoMiG von 2008 in das Gesetz eingefügte § 30 Abs. 1 Satz 2 (vgl. auch § 291 Abs. 3 AktG). Nach diesem so genannten Konzernprivileg findet das Verbot der Auszahlung des zur Erhaltung des Stammkapitals erforderlichen Vermögens an die Gesellschafter keine Anwendung bei Leistungen, die bei Bestehen eines Gewinnabführungsvertrages erfolgen. § 30 Abs. 1 Satz 2 kollidiert offenkundig mit der sich aus § 301 Satz 1 AktG ergebenden Verpflichtung der abhängigen GmbH, vor einer Gewinnabführung einen vorjährigen Verlustvortrag zu tilgen. Hier sollte dem § 301 Satz 1 AktG als der spezielleren Regelung der Vorrang zugebilligt werden3.

IV. Gläubigerschutz 205 Der Preis für die Übernahme des ganzen Gewinns einer abhängigen Gesellschaft aufgrund eines Gewinnabführungsvertrages ist nach dem Aktienrecht (§ 302 AktG) und dem Steuerrecht (§ 17 Satz 2 Nr. 2 KStG) die Pflicht zur Verlustübernahme durch Ausgleich jedes während der Vertragsdauer entstehenden Jahresfehlbetrags, soweit dieser nicht dadurch ausgeglichen werden kann, dass den anderen Gewinnrücklagen Beträge entnommen werden, die während der Vertragsdauer in sie eingestellt worden sind. Das Aktienrecht fügt noch in § 303 AktG die Verpflichtung des herrschenden Unternehmens zur Sicherheitsleistung gegenüber den Gläubigern der abhängigen Gesellschaft bei Vertragsende hinzu. Es ist unstreitig, dass die §§ 302 und 303 AktG grundsätzlich auch auf Gewinnabführungsverträge mit einer abhängigen GmbH anwendbar sind, und zwar bereits unmittelbar kraft Gesetzes, d.h. auch dann, wenn dies in dem Vertrag nicht ausdrücklich vereinbart ist. Wegen der Einzelheiten kann auf die Ausführungen zum Beherrschungsvertrag verwiesen werden (Rdnr. 180 ff.). 206 Umstritten ist, ob auch das in § 302 Abs. 1 AktG ausgesprochene Verbot der Auflösung vorvertraglicher Rücklagen zur Deckung eines Jahresfehlbetrags ins GmbH-Konzernrecht übernommen werden kann4. Die Frage ist im Grunde müßig, da § 17 Satz 2 Nr. 2 KStG für die steuerliche Anerkennung von Gewinn1 S. Begr. RegE, BT-Drucks. 16/12407 = BR-Drucks. 344/08, S. 138. 2 Begr. RegE; BT-Drucks. 16/12407 = BR-Drucks. 344/08, S. 139, 231; Emmerich/Habersack, Kommentar, § 301 AktG Rdnr. 9a; Altmeppen, in: MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2010, § 301 AktG Rdnr. 4a; ebenso für die GmbH Baldamus, Die Unternehmensbesteuerung (Ubg) 2009, 484, 486, 489 f.; Servatius, in: Michalski, Rdnr. 362. 3 Ebenso im Ergebnis Servatius, in: Michalski, Rdnr. 264; wohl auch Baldamus, Die Unternehmensbesteuerung (Ubg) 2009, 484, 486. 4 Verneinend z.B. Casper, in: Ulmer, Rdnr. 210; s. im Einzelnen Emmerich/Habersack, Kommentar, § 302 AktG Rdnr. 25a.

880

Emmerich

GmbH-Konzernrecht

Anhang § 13

abführungsverträgen mit abhängigen Gesellschaften in der Rechtsform einer GmbH die Anwendung des § 302 AktG vorschreibt und Gewinnabführungsverträge nahezu ausschließlich steuerliche Bedeutung haben, so dass schon deshalb immer von dem ganzen § 302 Abs. 1 AktG auszugehen ist. Aber auch ohne Rücksicht darauf kommt in einer mehrgliedrigen Gesellschaft eine Inanspruchnahme vorvertraglicher Rücklagen durch das herrschende Unternehmen nur in Betracht, wenn dem alle anderen Gesellschafter in dem Vertrag ausdrücklich zugestimmt haben, im Regelfall also nicht, während bei Einpersonen-Gesellschaften keine Bedenken gegen die Auflösung vorvertraglicher Rücklagen bestehen, da bei solchen Gesellschaften der sonst gebotene Minderheitenschutz keine Rolle spielt, während der hier allein interessierende Gläubigerschutz bereits ausreichend durch die §§ 301 Satz 1, 302 Abs. 1 und 303 AktG (oben Rdnr. 204) sowie durch die Existenzvernichtungshaftung gewährleistet wird.

H. Andere Unternehmensverträge Schrifttum: Führling, Sonstige Unternehmensverträge mit einer abhängigen GmbH, 1993; Mimberg, Konzernexterne Pachtverträge im Recht der GmbH, 2000; Uwe H. Schneider, Beherrschungs- und Gewinnabführungsverträge in der Praxis der GmbH, 1989.

I. Überblick Das AktG unterscheidet innerhalb der Unternehmensverträge deutlich zwi- 207 schen den Beherrschungs- und Gewinnabführungsverträgen des § 291 AktG sowie den verschiedenen in § 292 AktG aufgezählten, so genannten anderen Unternehmensverträgen. Es sind dies der Reihe nach die Gewinngemeinschaft (§ 292 Abs. 1 Nr. 1 AktG), der Teilgewinnabführungsvertrag (§ 292 Abs. 1 Nr. 2 AktG) sowie der Betriebspacht- und der Betriebsüberlassungsvertrag (§ 292 Abs. 1 Nr. 3 AktG), wobei den letzteren in der Regel noch der Betriebsführungsvertrag gleichgestellt wird. Sonderregelungen für den Teilgewinnabführungsvertrag finden sich in § 292 Abs. 2 und in § 300 Nr. 2 und 3 AktG sowie für die Betriebspacht- und Betriebsüberlassungsverträge in den §§ 292 Abs. 3 und 302 Abs. 2 AktG. Mit der Qualifizierung der in § 292 AktG genannten Verträge als Unterneh- 208 mensverträge verfolgt das AktG in erster Linie den Zweck, ihren Abschluss dem Regime der §§ 293 bis 299 AktG zu unterstellen. Im Übrigen hat das AktG jedoch, von wenigen Ausnahmen abgesehen (s. oben Rdnr. 207), auf besondere Vorschriften für diese „anderen“ Verträge verzichtet. Dahinter steht die Vorstellung der Gesetzesverfasser, es handele sich bei ihnen grundsätzlich um normale schuldrechtliche Austauschverträge zwischen voneinander unabhängigen Unternehmen, so dass sich weitere Schutzmaßnahmen zugunsten der die vertragstypischen Leistungen erbringenden („abhängigen“) Gesellschaft sowie ihrer Gesellschafter und Gläubiger erübrigten. Dabei ist jedoch übersehen worden, dass sich auch die anderen Unternehmensverträge des § 292 AktG durchaus zum Aufbau von Konzernen eignen. Betriebspacht- und Betriebsüberlassungsverträge dürften sogar überwiegend zwischen voneinander abhängigen Unternehmen abgeschlossen werden und dienen dann als Mittel zur „Eingliederung“ des Unter-

Emmerich

881

Anhang § 13

GmbH-Konzernrecht

nehmens des Verpächters in den Konzern des Pächters. Das ist bei der GmbH nicht anders als bei der AG. 209 In derartigen Fällen ist die spärliche aktienrechtliche Regelung der anderen Unternehmensverträge keineswegs ausreichend, um den gebotenen Schutz der Minderheit und der Gläubiger der abhängigen Gesellschaft sicherzustellen. In besonderem Maße gilt dies, wenn sich hinter einem der anderen Unternehmensverträge ein Beherrschungs- oder Gewinnabführungsvertrag verbirgt (so genannte Umgehungsproblematik, Rdnr. 221 f.). Beispiele sind Teilgewinnabführungsverträge, die praktisch den gesamten Gewinn der abhängigen Gesellschaft erfassen, sowie atypische stille Gesellschaftsverträge oder Betriebspachtverträge, die dem berechtigten Teil, in den Beispielen dem stillen Gesellschafter oder dem Pächter, weitgehende Einflussrechte auf den anderen Vertragsteil einräumen. In solchen Fällen muss stets sorgfältig geprüft werden, ob es sich bei dem fraglichen Vertrag nicht in Wirklichkeit um einen verdeckten Beherrschungsoder Gewinnabführungsvertrag handelt (Rdnr. 164a, 221 f.). Nicht anders verhält es sich im Ergebnis mit den so genannten Konzernverträgen, auch Consortialoder Shareholders Agreements genannt. Man versteht darunter Vereinbarungen eines herrschenden Unternehmens nicht etwa mit der abhängigen Gesellschaft, sondern direkt mit den Minderheitsgesellschaftern, in denen die Modalitäten der Herrschaftsausübung seitens des herrschenden Unternehmens in der abhängigen Gesellschaft sowie die Schutzmaßnahmen zugunsten der Minderheitsgesellschafter geregelt werden. Auch bei diesen Verträgen stellt sich durchweg die Frage, ob es sich nicht bei ihnen in Wirklichkeit um einen Beherrschungsoder Gewinnabführungsvertrag mit der abhängigen Gesellschaft handelt (§§ 133, 157 BGB). Ist dies der Fall, so finden auf den Vertrag ebenfalls die Regeln über verdeckte Beherrschungs- und Gewinnabführungsverträge Anwendung (oben Rdnr. 164a).

II. Gewinngemeinschaft 210 Gewinngemeinschaften sind nach § 292 Abs. 1 Nr. 1 AktG Verträge, durch die sich mehrere Unternehmen verpflichten, ihren Gewinn oder den Gewinn einzelner ihrer Betriebe ganz oder zum Teil mit dem Gewinn anderer Unternehmen oder einzelner Betriebe anderer Unternehmen zur Aufteilung eines gemeinschaftlichen Gewinns zusammenzulegen. Ist an dem Vertrag eine AG (oder KGaA) beteiligt, so findet auf ihn das AktG Anwendung, so dass sich keine Probleme ergeben. Unklar ist die Situation dagegen, wenn an dem Vertrag allein Gesellschaften in anderer Rechtsform beteiligt sind, wobei im vorliegenden Zusammenhang lediglich die Beteiligung von Gesellschaften mbH interessiert1. 211 Bei einer Gewinngemeinschaft handelt es sich wohl durchweg um eine BGBGesellschaft (§ 705 BGB). Deshalb stellt sich hier als erstes die Frage, ob der Abschluss des deshalb erforderlichen Gesellschaftsvertrages von der Vertretungsmacht der Geschäftsführer gedeckt ist (§ 37 Abs. 2) oder ob nach den §§ 53 und 54 und entsprechend den §§ 292 Abs. 1 Nr. 1, 293 und 294 AktG die Zustimmung der Gesellschafterversammlung der beteiligten GmbH sowie die Ein1 S. dazu Emmerich/Habersack, Kommentar, § 292 AktG Rdnr. 21 f.

882

Emmerich

GmbH-Konzernrecht

Anhang § 13

tragung ins Handelsregister hinzukommen müssen. Die Frage ist umstritten. Überwiegend wird jedoch zu Recht eine Erstreckung der Vertretungsmacht der Geschäftsführer auf solche strukturverändernde Verträge abgelehnt1. Dafür spricht bereits die große Gefährlichkeit von Gewinngemeinschaften zumal für eine abhängige GmbH. Davon zu trennen ist die Frage, mit welcher Mehrheit die Gesellschafterversammlung dem Vertragsabschluss zustimmen muss2. Die Frage der erforderlichen Mehrheit für den Zustimmungsbeschluss ist noch 212 nicht ausdiskutiert. Man wird unterscheiden müssen: Sind die an der Gewinngemeinschaft beteiligten Unternehmen voneinander unabhängig, so sollte man sich mit einer qualifizierten Mehrheit der Gesellschafterversammlung für die Zustimmung zu dem Vertragsabschluss begnügen, weil die Gesellschaft unter dieser Voraussetzung selbst in der Lage sein dürfte, für einen ihrem Beitrag entsprechenden Anteil an dem vergemeinschafteten Gewinn zu sorgen. Gelingt ihr dies nicht, so läuft der Vertrag ohnehin, wenn die anderen Teilnehmer der Gewinngemeinschaft an der benachteiligten GmbH beteiligt sind, auf eine verdeckte Gewinnausschüttung hinaus, so dass ergänzend die für verdeckte Gewinnausschüttungen im GmbH-Recht entwickelten Schranken zu beachten sind3. Wenn dagegen die benachteiligte Gesellschaft von einem der anderen Teilnehmer an der Gewinngemeinschaft abhängig ist, sollte zusätzlich zu ihrem Schutz die Zustimmung aller Gesellschafter zu dem Vertragsabschluss verlangt werden, weil andernfalls auf dem Weg über eine Gewinngemeinschaft (nahezu) derselbe Erfolg wie mit einem Gewinnabführungsvertrag, aber ohne dessen Kautelen bewirkt werden könnte. Dafür sprechen auch die Regeln über verdeckte Gewinnabführungsverträge (Rdnr. 164a, 209), auf jeden Fall in Missbrauchs- und Umgehungsfällen (Rdnr. 221 f.).

III. Teilgewinnabführungsvertrag 1. Ein Teilgewinnabführungsvertrag liegt nach § 292 Abs. 1 Nr. 2 AktG vor, 213 wenn sich eine Gesellschaft verpflichtet, einen Teil ihres Gewinns oder den Gewinn einzelner ihrer Betriebe ganz oder zum Teil an einen anderen abzuführen. Jedenfalls in der Praxis des Aktienrechts spielen diese Verträge heute eine immer größere Rolle, seitdem sich die Auffassung durchgesetzt hat, dass verschiedene, durchaus verbreitete Vertragsgestaltungen im Kern Teilgewinnabführungsverträge darstellen und deshalb (auch) dem Regime der §§ 292 Abs. 1 Nr. 2, 293 ff. und 294 AktG unterstehen. In erster Linie ist hier an stille Gesellschaftsverträge mit einer AG zu denken. Die Abgrenzung zu den Gewinnabführungsverträgen des § 291 Abs. 1 AktG erfolgt formal nach dem Kriterium, ob der Vertrag nach seinem Wortlaut den gesamten Gewinn einer Gesellschaft oder nur einen Teil davon erfasst, mag dieser Teil auch noch so groß sein. In Umgehungs1 Casper, in: Ulmer, Rdnr. 184, 204; Emmerich/Habersack, Kommentar, § 292 AktG Rdnr. 21; Liebscher, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 678; Servatius, in: Michalski, Rdnr. 325; – anders Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 112 f. 2 Für qualifizierte Mehrheit Casper, in: Ulmer, Rdnr. 205; Liebscher, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 751; Servatius, in: Michalski, Rdnr. 328; – für die Notwendigkeit einer Zustimmung aller Gesellschafter Uwe H. Schneider, in: Uwe H. Schneider, Beherrschungs- und Gewinnabführungsverträge in der Praxis der GmbH, S. 7, 26 ff. 3 S. unten § 29 Rdnr. 115 ff.; Emmerich/Habersack, Kommentar, § 292 AktG Rdnr. 22.

Emmerich

883

Anhang § 13

GmbH-Konzernrecht

fällen kommt die Annahme eines verdeckten Gewinnabführungsvertrages in Betracht. Die Bedeutung der Abgrenzungsproblematik wird häufig überschätzt, weil Teilgewinnabführungsverträge, selbst wenn sie z.B. 99 % des Gewinns einer Gesellschaft erfassen, nicht den Anforderungen der §§ 14 und 17 KStG genügen, so dass sie als Grundlage der körperschaft- und gewerbesteuerlichen Organschaft ausscheiden. Dies zieht der Verwendbarkeit von Teilgewinnabführungsverträgen von vornherein enge Grenzen. 214 2. Im GmbH-Konzernrecht findet sich vielfach die Auffassung, Teilgewinnabführungsverträge, insbesondere in Gestalt stiller Gesellschaftsverträge mit einer GmbH, könnten nicht generell den Unternehmensverträgen gleichgestellt werden; vielmehr umfasse die Vertretungsmacht der Geschäftsführer (§ 37 Abs. 2) grundsätzlich auch den Abschluss solcher Verträge, so dass kein Raum für die Anwendung der §§ 53 und 54 sei1. Es ist indessen kein Grund ersichtlich, Teilgewinnabfübrungsverträge, in welcher Form auch immer, bei einer GmbH anders als bei einer AG zu behandeln. Ebenso wie bei einer AG greifen vielmehr bei einer GmbH derartige Verträge tiefgreifend in die Struktur der gewinnabführenden Gesellschaft ein, so dass es sich bei ihnen letztlich um Organisationsverträge handelt, auf die sich die unbeschränkte Vertretungsmacht der Geschäftsführer nicht erstreckt. Dafür sprechen vor allem die mit solchen Verträgen verbundenen Eingriffe in das Gewinnbezugsrecht der Gesellschafter (§ 29) und in die Zuständigkeit der Gesellschafterversammlung (§ 46 Nr. 1). Der Vertragsabschluss bedarf daher der Zustimmung der Gesellschafterversammlung mit qualifizierter Mehrheit nach Maßgabe der §§ 53 und 542. Folgt man dem, so ist es auch nur konsequent, dem Beschluss, mit dem die Gesellschafterversammlung dem Vertragsabschluss zustimmt, Außenwirkung beizumessen, so dass der Vertrag entsprechend § 54 GmbHG und § 294 Abs. 2 AktG erst mit seiner Eintragung ins Handelsregister wirksam wird3. 215 Davon zu trennen ist die Frage, ob in bestimmten Fällen oder generell – über die §§ 53 und 54 hinaus (oben Rdnr. 214) – eine Zustimmung aller Gesellschafter erforderlich ist. Richtiger Meinung nach ergibt sich die Antwort auf diese Frage aus § 33 Abs. 1 Satz 2 BGB4. Eine Zustimmung aller Gesellschafter ist jedenfalls erforderlich, wenn der Teilgewinnabführungsvertrag keine angemessene Gegen1 BayObLGZ 2003, 21, 23 ff. = GmbHR 2003, 534 = NJW-RR 2003, 908 und LG Darmstadt, AG 2005, 488 = ZIP 2005, 402, 404; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 112 ff.; Blaurock, Hdb. Stille Gesellschaft, 7. Aufl. 2010, § 7 Rdnr. 34–36. 2 Casper, in: Ulmer, Rdnr. 205; Emmerich/Habersack, Kommentar, § 292 AktG Rdnr. 37; Führling, Sonstige Unternehmensverträge, S. 109, 138 ff.; Liebscher, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 681; K. Mertens, AG 2000, 32; Servatius, in: Michalski, Rdnr. 339; – anders BayObLGZ 2003, 21, 23 ff. = GmbHR 2003, 534 = NJW-RR 2003, 908, 909; LG Darmstadt, AG 2005, 488 = ZIP 2005, 402, 404; Jebens, BB 1996, 701; J. Schmitt-Ott, GmbHR 2001, 182, 183 f. 3 Emmerich/Habersack, Kommentar, § 292 AktG Rdnr. 37; Chr. Schulze/Th. Waechter, GmbHR 2002, 189; anders auch insoweit BayObLGZ 2003, 21, 23 ff. = GmbHR 2003, 534 = NJW-RR 2003, 908, 909. 4 Emmerich/Habersack, Kommentar, § 292 AktG Rdnr. 37a; ebenso zumindest für den Regelfall der personalistischen Gesellschaften Liebscher, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 680; – anders die wohl überwiegende Meinung, z.B. Casper, in: Ulmer, Rdnr. 205; Servatius, in: Michalski, Rdnr. 342.

884

Emmerich

GmbH-Konzernrecht

Anhang § 13

leistung für die Gesellschaft vorsieht1 oder wenn die Gesellschaft von dem anderen Vertragsteil abhängig ist2. Denn in diesen Fällen läuft der Vertrag auf eine Zweckänderung hinaus (§ 33 Abs. 1 Satz 2 BGB). Nur die hier vertretende Meinung erlaubt zudem eine Lösung der schwierigen Frage nach dem Schicksal stiller Gesellschaftsverträge im Falle der häufigen Umwandlung einer GmbH in eine AG, weil dann nämlich der stille Gesellschaftsvertrag bereits die auf jeden Fall bei einer AG erforderlichen Wirksamkeitsvoraussetzungen (oben Rdnr. 213) erfüllt3.

IV. Betriebspacht- und Betriebsüberlassungsvertrag 1. Begriff Ein Betriebspachtvertrag ist nach § 581 Abs. 1 BGB i.V.m. § 292 Abs. 1 Nr. 3 216 AktG ein Vertrag, durch den die verpachtende Gesellschaft ihre gesamten betrieblichen Anlagen gegen Entgelt dem Pächter überlässt, der darin fortan den Betrieb im eigenen Namen und für eigene Rechnung weiterführt4. Solche Verträge, die eine GmbH ebenso wie eine AG abschließen kann, haben zur Folge, dass die Gesellschaft zu einer Rentnergesellschaft herabgestuft wird. Der in § 292 Abs. 1 Nr. 3 AktG dem Betriebspachtvertrag gleichgestellte Be- 217 triebsüberlassungsvertrag unterscheidet sich vom Betriebspachtvertrag nur dadurch, dass bei ihm der Übernehmer den Betrieb der überlassenden Gesellschaft zwar für eigene Rechnung, jedoch nicht im eigenen Namen, sondern im Namen der überlassenden Gesellschaft aufgrund einer entsprechenden Vollmacht führt (§ 54 HGB). Betriebspacht- und Betriebsüberlassungsverträge sind häufig mit anderen Unternehmensverträgen, insbesondere mit Beherrschungs- oder Gewinnabführungsverträgen verbunden. In diesen Fällen greifen allein die weiter gehenden Schutzvorschriften ein, die bei dem Abschluss von Beherrschungsoder Gewinnabführungsverträgen zu beachten sind. Besonderer Prüfung bedarf zudem in jedem Fall, insbesondere bei Verträgen zwischen voneinander abhängigen Gesellschaften, ob sich nicht unter dem Betriebspachtvertrag in Wirklichkeit ein Beherrschungsvertrag verbirgt (Rdnr. 221 f.).

2. Voraussetzungen a) Betriebspachtverträge mit einer GmbH sind nur unbedenklich, wenn sie 218 zwischen voneinander unabhängigen Gesellschaften gegen eine angemessene Gegenleistung abgeschlossen werden. Selbst in diesem Fall laufen sie indessen nach dem Gesagten (oben Rdnr. 216 f.) auf eine Vertragsänderung hinaus, so dass die Gesellschafterversammlung der verpachtenden GmbH dem Vertragsabschluss 1 2 3 4

Führling, Sonstige Unternehmensverträge, S. 109, 138 ff. Raiser/Veil, Kapitalgesellschaften, § 57 Rdnr. 13. S. dazu K. Mertens, AG 2000, 32, 37 f.; M. Winter, in: FS Peltzer, 2001, S. 655, 659 ff. S. Emmerich/Habersack, Kommentar, § 292 AktG Rdnr. 38 ff.; Beispiele in LG Berlin, AG 1992, 92 = GmbHR 1992, 184 (nur Leitsatz) = WM 1992, 22 = ZIP 1991, 1180 – „Interhotel“; BFHE 90, 370; BFHE 127, 56; BFHE 132, 285; vgl. auch LG Potsdam, ZIP 1994, 460; BVerwGE 34, 56, 60; – Erstreckung des Begriffs auch auf Teilpachtverträge nur bei Servatius, in: Michalski, Rdnr. 351.

Emmerich

885

Anhang § 13

GmbH-Konzernrecht

nach den §§ 53 und 54 mit qualifizierter Mehrheit zustimmen muss1. Die Vorschriften der §§ 292 Abs. 1 Nr. 3 und 293 AktG beruhen grundsätzlich auf derselben Wertung. Die Vertretungsmacht der Geschäftsführer (§ 37 Abs. 2) reicht daher zum Abschluss derartiger Verträge nicht aus. Außerdem bedürfen sie entsprechend § 54 GmbHG und § 294 AktG der Eintragung ins Handelsregister. Wenn die Gegenleistung nicht angemessen ist, ist der Zustimmungsbeschluss zudem anfechtbar (vgl. § 292 Abs. 3 AktG). Außerdem stellt der Vertragsabschluss dann einen Verstoß gegen das aus der Treuepflicht abgeleitete Schädigungsverbot dar, sofern der andere Vertragsteil, der Pächter, an der verpachtenden GmbH (unmittelbar oder mittelbar) beteiligt ist. Auch an die Anwendung der Regeln über die verdeckte Gewinnausschüttung ist in diesem Fall zu denken2. 219 Eine wieder andere Frage ist, ob für den Zustimmungsbeschluss entsprechend § 53 GmbHG und § 293 Abs. 1 AktG eine qualifizierte Mehrheit der Gesellschafterversammlung genügt (so die h.M.3) oder ob generell oder doch in bestimmten Fallgestaltungen die Zustimmung aller Gesellschafter erforderlich ist4. Die Frage lässt sich nicht einheitlich beantworten; entscheidend ist vielmehr, wann nach den Umständen des Falles in dem Vertragsabschluss eine Zweckänderung im Sinne des § 33 Abs. 1 Satz 2 BGB zu sehen ist5. Eine Zustimmung aller Gesellschafter ist danach insbesondere zu fordern, wenn die Gesellschaft keine angemessene Gegenleistung erhält; zu dieser Annahme nötigt bereits die dann in dem Vertragsabschluss liegende Verletzung des Schädigungsverbots. Ist die verpachtende GmbH von der Pächterin abhängig, so findet außerdem § 302 Abs. 2 AktG entsprechende Anwendung6. 220 b) Den Betriebspachtverträgen stehen nach § 292 Abs. 1 Nr. 3 AktG die Betriebsüberlassungsverträge gleich. Die vorstehend entwickelten Regeln für die Behandlung von Betriebspachtverträgen mit einer GmbH sollten deshalb grundsätzlich auch auf Betriebsüberlassungsverträge mit einer GmbH anwendbar sein. Ob dasselbe außerdem für die nicht geregelten Betriebsführungsverträge zu gelten hat, ist noch offen und lässt sich wohl wegen der großen Unterschiedlichkeit dieser Verträge nicht einheitlich beantworten7. 1 LG Berlin, AG 1992, 91 = WM 1992, 22 = ZIP 1991, 1180 = GmbHR 1992, 184 (nur Leitsatz) – „Interhotel“; LG Darmstadt, AG 2005, 488 = ZIP 2005, 402, 404; Casper, in: Ulmer, Rdnr. 206; Emmerich/Habersack, Kommentar, § 292 AktG Rdnr. 53 f.; Hommelhoff, Konzernleitungspflicht, S. 278 ff.; Liebscher, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 685; Lutter, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 76; Mimberg, Betriebspachtverträge, S. 107 ff.; Koppensteiner, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 116; Uwe H. Schneider, in: Uwe H. Schneider, Beherrschungs- und Gewinnabführungsverträge in der Praxis der GmbH, S. 7, 28; Servatius, in: Michalski, Rdnr. 356.; differenzierend Führling, Sonstige Unternehmensverträge, S. 188 ff. 2 S. Emmerich/Habersack, Kommentar, § 292 AktG Rdnr. 51 f. 3 Z.B. Casper, in: Ulmer, Rdnr. 205; Liebscher, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 754; Servatius, in: Michalski, Rdnr. 356. 4 Generell in diesem Sinne Führling, Sonstige Unternehmensverträge, S. 167 ff.; – dagegen J. Mimberg, Betriebspachtverträge, S. 144 ff. 5 Vgl. Emmerich/Habersack, Kommentar, § 292 AktG Rdnr. 54. 6 Emmerich/Habersack, Kommentar, § 302 AktG Rdnr. 25; zweifelnd Koppensteiner, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 115. 7 S. Casper, in: Ulmer, Rdnr. 187 f.; Liebscher, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 687, 755.

886

Emmerich

GmbH-Konzernrecht

Anhang § 13

V. Umgehungsproblematik Hinter einer Gewinngemeinschaft oder einem Teilgewinnabführungsvertrag 221 kann sich ein Gewinnabführungsvertrag, hinter einem Betriebspacht- oder Betriebsüberlassungsvertrag kann sich ohne weiteres ein Beherrschungsvertrag verbergen. Solche Annahme liegt z.B. nahe, wenn sich die „Pächterin“ ein Weisungsrecht gegenüber der verpachtenden Gesellschaft ausbedingt oder wenn die vereinbarte „Gegenleistung“ der Pächterin hinter der angemessenen Gegenleistung zurückbleibt. Ebenso verhält es sich etwa bei einem Betriebsführungsvertrag, wenn der Betriebsführer herrschendes Unternehmen ist und durch den Vertrag die Kontroll- und Einflussrechte der Eigentümergesellschaft weitgehend beschnitten werden1. Die Behandlung dieser Fälle ist umstritten2. Bei Lichte besehen handelt es sich bei ihnen lediglich um einen Ausschnitt aus der vielschichtigen Problematik der verdeckten Beherrschungs- und Gewinnabführungsverträge. Nach den §§ 133 und 157 BGB ist folglich die Betonung nicht auf die von den Parteien frei gewählte Bezeichnung ihres Vertrages, sondern auf dessen „wirklichen“ Inhalt zu legen3. Dies bedeutet, dass eine Gewinngemeinschaft oder ein Teilgewinnabführungs- 222 vertrag ebenso wie ein Betriebspacht- oder Betriebsüberlassungsvertrag, hinter denen sich ein Beherrschungs- oder Gewinnabführungsvertrag verbirgt, auch als solche, d.h. als Beherrschungs- oder Gewinnabführungsverträge zu behandeln sind, so dass der Vertrag nur wirksam ist, wenn er zugleich sämtliche Wirksamkeitsvoraussetzungen für einen Beherrschungs- oder Gewinnabführungsvertrag erfüllt. Der Vertrag ist folglich nichtig, wenn er nicht alle Wirksamkeitsvoraussetzungen für Beherrschungs- oder Gewinnabführungsverträge mit einer abhängigen GmbH erfüllt (oben Rdnr. 129, 198 ff.). Dazu gehört auch die Eintragung des Vertrags ins Handelsregister als solcher (und nicht etwa als Betriebspacht- oder Betriebsüberlassungsvertrag) (§ 54 GmbHG; § 294 AktG)4. Auch für die Anwendung der Regeln über fehlerhafte Unternehmensverträge ist dann mit Rücksicht auf die unrichtige Eintragung des Vertrags im Handelsregister kein Raum5. Der abweichenden Rechtsprechung, in der wiederholt auf Beherrschungs- und Gewinnabführungsverträge trotz fehlender Eintragung ins Handelsregister die Regeln über fehlerhafte Unternehmensverträge angewandt wurde, ist nicht zu folgen (s. Rdnr. 163 ff.).

1 S. U. Huber, ZHR 152 (1988), 123, 128, 135 ff. 2 S. Emmerich/Habersack, Kommentar, § 292 AktG Rdnr. 61 f.; Liebscher, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 688 f. 3 S. oben Rdnr. 164a; Casper, in: Ulmer, Rdnr. 229; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 114; Emmerich, in: FS Hüffer, 2010, S. 179, 183 ff.; Rodewald, in: GmbH-Handbuch, Rdnr. I 2927; Liebscher, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 689. 4 Koppensteiner, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 116; – anders insoweit Liebscher, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 689. 5 S. Emmerich/Habersack, Kommentar, § 291 AktG Rdnr. 30.

Emmerich

887

§ 14

Einlagepflicht

§ 14

Einlagepflicht Auf jeden Geschäftsanteil ist eine Einlage zu leisten. Die Höhe der zu leistenden Einlage richtet sich nach dem bei der Errichtung der Gesellschaft im Gesellschaftsvertrag festgesetzten Nennbetrag des Geschäftsanteils. Im Fall der Kapitalerhöhung bestimmt sich die Höhe der zu leistenden Einlage nach dem in der Übernahmeerklärung festgesetzten Nennbetrag des Geschäftsanteils. Neu gefasst durch das MoMiG vom 23.10.2008 (BGBl. I 2008, 2026).

Inhaltsübersicht I. Bedeutung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1

II. Geschäftsanteil und Einlagepflicht 1. Begriff des Geschäftsanteils . . . . 2 2. Entstehung und Erlöschen . . . . . 4 3. Einlagepflicht a) Pflicht zur Leistung der Einlage (§ 14 Satz 1) . . . . . . . . . 5 b) Höhe der zu leistenden Einlage (§ 14 Sätze 2 und 3) . . . . . 6 4. Nennbetrag des Geschäftsanteils und dessen Funktion . . . . . . 7 5. Subjektives Recht . . . . . . . . . . . . . 9 6. Bewertung des Geschäftsanteils 10 a) Privatrechtlich . . . . . . . . . . . . . 11 b) Steuerrechtlich . . . . . . . . . . . . . 13 III. Rechte und Pflichten der Gesellschafter im Allgemeinen 1. Gesellschaftsrechtliche und schuldrechtliche Rechte und Pflichten a) Gesellschaftsrechtliche Rechte und Pflichten . . . . . . . . b) Schuldrechtliche Rechte und Pflichten. . . . . . . . . . . . . . . c) Gläubigerrechte . . . . . . . . . . . . 2. Allgemeine Mitgliedschaftsrechte und Sonderrechte (Sonderpflichten) a) Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . b) Sonderrechte aa) Begriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Begründung und Inhalt . . . cc) Übergang des Sonderrechts mit Geschäftsanteil . . . . . . . . . . . . . . . . . .

888

Seibt

c)

d) e)

f) 14 15 17

18

dd) Aufhebung und Änderung des Sonderrechts . . . 25 ee) Folgen eines rechtswidrigen Eingriffs in das Sonderrecht durch Beschluss . . . . . . . . . . . . . . 28 ff) Sonderpflichten. . . . . . . . . 29 Unentziehbarkeit allgemeiner Mitgliedschaftsrechte aa) Allgemeines . . . . . . . . . . . . 31 bb) Absolut unentziehbare (unverzichtbare) Mitgliedschaftsrechte. . . . . . . 32 cc) Relativ unentziehbare Mitgliedschaftsrechte . . . 35 Abspaltungsverbot . . . . . . . . 39a Gleichmäßige Behandlung aa) Geltung . . . . . . . . . . . . . . . . 40 bb) Bedeutung und Inhalt . . . 42 cc) Folgen der Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes . . . . . . . . . . . . 46 Treuepflicht aa) Geltung . . . . . . . . . . . . . . . . 50 bb) Bedeutung und Inhalt . . . 51 cc) Folgen der Verletzung der Treuepflicht . . . . . . . . 61

IV. Vorzugsgeschäftsanteile . . . . . . .

63

V. Geschäftsbereichsanteile . . . . .

63a

VI. Anteilsscheine . . . . . . . . . . . . . . .

64

VII. 19 VIII. 20 1. 2. 24

Dividendenscheine . . . . . . . . . . .

66

Genussrechte (Genussscheine) Begriff und Bedeutung. . . . . . . . . Begründung . . . . . . . . . . . . . . . . . .

67 68

§ 14

Einlagepflicht

3. Rechte der Genussrechtsgläubiger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74 4. Änderung und Aufhebung. . . . . . 76 5. Haftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79

6. Verbriefung und Veräußerlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

80

IX. Options- und Wandelanleihen .

83

I. Bedeutung Die frühere, seit 1892 bestehende Fassung von § 14 (a.F.) bestimmte unter der 1 amtlichen Überschrift „Geschäftsanteil“ knapp „Der Geschäftsanteil jedes Gesellschafters bestimmt sich nach dem Betrage der von ihm übernommenen Stammeinlage“ und statuierte (i) damit den Begriff des Geschäftsanteils (ohne ihn zu definieren) als Verkörperung der Verbandsmitgliedschaft in der GmbH, (ii) die Verknüpfung von durch den Gesellschafter zu leistender Stammeinlage und Geschäftsanteil sowie (iii) die Verknüpfung von Verbandsmitgliedschaft in der GmbH mit einer Kapitalbeteiligung1. Mit dem MoMiG hat § 14 diese Zentralstellung für das Verständnis des Geschäftsanteils verloren, und wesentliche Aspekte des Geschäftsanteils sind nun in Einzelbestimmungen (neu) geregelt, wobei die Neuregelungen Ausdruck der Akzentverschiebung hin zur kapitalgesellschaftsrechtlichen Seite des GmbH-Verbands sind: So kann ein Gesellschafter – anders als nach dem früheren Verbot der Übernahme mehrerer Stammeinlagen – nun schon bei der Gründung mehrere Geschäftsanteile übernehmen (§ 5 Abs. 2 Satz 2); die Höhe der Nennbeträge der einzelnen Geschäftsanteile können hierbei unterschiedlich bestimmt werden (§ 5 Abs. 3 Satz 1). Die Zahl und die Nennbeträge der Geschäftsanteile, die jeder Gesellschafter bei Errichtung der Gesellschaft übernimmt, sind nunmehr konsequenterweise im Gesellschaftsvertrag zu regeln (§ 3 Abs. 1 Nr. 4). Die Fungibilität des Geschäftsanteils und seine vermögensrechtliche Rolle als Finanzierungsunterlage wurde durch Abschaffung von § 17 a.F. und durch die Ermöglichung eines gutgläubigen Erwerbs von Geschäftsanteilen nach Maßgabe von § 16 Abs. 3 erleichtert. Der verbleibende Regelungsgehalt des § 14 ist – allerdings bei einem Perspektivwechsel vom Geschäftsanteil als bisherigen Bezugspunkt auf die Einlagepflicht nach neuem Recht – materiell gegenüber der früheren Rechtslage unverändert geblieben: Der Gesellschafter hat für die Übernahme eines Geschäftsanteils eine Einlage zu leisten (Satz 1). Die Einlageverpflichtung entsteht im Fall der Errichtung der Gesellschaft in der Höhe, in welcher der Nennbetrag des jeweiligen Geschäftsanteils im Gesellschaftsvertrag festgesetzt wird (Satz 2), im Fall der Kapitalerhöhung in der Höhe, in welcher der Nennbetrag des jeweiligen Geschäftsanteils in der Übernahmeerklärung festgesetzt wird (Satz 3). Damit macht § 14 – wie die Regelung in § 14 a.F. – deutlich, dass sich die Nennbeträge der Geschäftsanteile und die Nennbeträge der Stammeinlagen grundsätzlich entsprechen2.

II. Geschäftsanteil und Einlagepflicht Schrifttum: Buchwald, Zum Wesen des GmbH-Geschäftsanteils, GmbHR 1962, 25; U. Huber, Vermögensanteil, Kapitalanteil und Gesellschaftsanteil an Personengesellschaften des Handelsrechts, 1970; Müller-Erzbach, Das private Recht der Mit1 Zur Bedeutung der früheren Norm 10. Aufl., Rdnr. 1. 2 Ausdrücklich BT-Drucks. 16/6140, S. 37 li.Sp.

Seibt

889

§ 14

Einlagepflicht

gliedschaft als Prüfstein eines kausalen Rechtsdenkens, 1948; Neukamp, Die Geschäftsanteile der GmbH, ZHR 57 (1906), 1; Schefer, Welche Rechte enthält der Geschäftsanteil eines GmbH-Gesellschafters?, GmbHR 1961, 81; O. Schwarz, Die Geschäftsanteile und ihre Übertragung bei der GmbH, Diss. Jena 1904; Spitaler, Das Wesen eines Geschäftsanteils an einer GmbH, GmbHR 1950, 153; Wiedemann, Die Übertragung und Vererbung von Mitgliedschaftsrechten bei Handelsgesellschaften, 1965; Wolany, Rechte und Pflichten des Gesellschafters einer GmbH, 1965.

1. Begriff des Geschäftsanteils 2 Das GmbHG verwendet zwar den Begriff des Geschäftsanteils in zahlreichen Vorschriften, gibt aber selbst keine Begriffsbestimmung. Er wurde in der Begründung zu den Gesetzentwürfen I (1891) bzw. II (1892) definiert als „die durch Übernahme der Stammeinlage geschaffene Rechtsposition des Gesellschafters“1. Genauer ist er in Anlehnung an das Reichsgericht zu bestimmen als die durch die Beteiligungserklärung begründete mitgliedschaftliche Rechtsstellung des Gesellschafters und der hieraus sich ergebenden Gesamtheit seiner Rechte und Pflichten2. Das Schrifttum stimmt damit weitgehend überein3. 3 In welcher Form der Geschäftsanteil auch eine Beteiligung am Gesellschaftsvermögen verkörpert, war zunächst unklar, aber wird im Anschluss an die Rechtsprechung4 mit Recht auch im Schrifttum überwiegend bejaht5. Der vermögensrechtliche Inhalt des Geschäftsanteils erschöpft sich nämlich nicht in den Rechten auf den Gewinnanteil und auf die Liquidationsquote. Die Vermögensgüter sind zwar dinglich der GmbH als rechtsfähigem Personenverband zugeordnet (s. § 13 Rdnr. 10 ff.), aber das schließt eine Beteiligung der Gesellschafter an der Vermögenssubstanz nicht aus. Es steht ihnen vielmehr als Mitglieder des Personenverbandes rechtlich6 – nicht nur wirtschaftlich – ein Wertanteil an dem veränderlichen Gesellschaftsvermögen zu7, der sich ganz oder teilweise durch die Veräußerung des Geschäftsanteils oder bei seiner entgeltlichen Einziehung oder bei der Liquidation auch realisieren lässt. Dem Umstand, dass der Wert des Geschäftsanteils noch durch andere Faktoren beeinflusst wird (s. Rdnr. 6), steht nicht entgegen, dass er auch einen Wertanteil am Gesellschaftsvermögen vermittelt8.

1 Begr. zu Entw. I, 1891, S. 59, Begr. zu Entw. II, 1892, S. 47. 2 RGZ 82, 167; RGZ 97, 197, 200; BGH, BB 1972, 11; KG, KGJ 35, 175; KG, RJA 13, 218; KG, DR 1943, 1230; OLG Frankfurt, MDR 1958, 108. 3 Vgl. Feine, S. 258 ff.; Raiser, in: Ulmer, Rdnr. 1; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 3; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 1; Reichert/Weller, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 1 und 7; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 4; Pentz, in: Rowedder/ Schmidt-Leithoff, Rdnr. 1; Jasper, in: MünchHdb. III, § 23 Rdnr. 1. 4 RGZ 82, 167, 169. 5 S. Feine, S. 264 ff.; Brodmann, Anm. 1; Vogel, Anm. 2; U. Huber, S. 145 ff.; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 5; abw. Pentz, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 1. 6 RGZ 82, 167, 169; KG, KGJ 34, 91; Würdinger, S. 49; U. Huber, S. 147, 162. 7 Würdinger, S. 48; U. Huber, S. 151 ff.; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 5; offen gelassen bei Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 6. 8 A.M. Wiedemann, S. 36; vgl. dazu U. Huber, S. 147 f.

890

Seibt

§ 14

Einlagepflicht

2. Entstehung und Erlöschen Die Geschäftsanteile entstehen nach weiter h.M. nicht schon mit dem Ab- 4 schluss des Gesellschaftsvertrages, sondern erst mit der Eintragung der Gesellschaft in das Handelsregister1. Zwar ist auch in den das Vorgründungsstadium der Gesellschaft betreffenden §§ 3, 5 von „Geschäftsanteilen“ die Rede, diese Formulierung ist jedoch dahingehend auszulegen, dass der MoMiG-Gesetzgeber lediglich Bezug auf die zukünftigen Geschäftsanteile nehmen wollte2. Zur Rechtsstellung der Gesellschafter bis zur Eintragung s. Erl. zu § 11, Rdnr. 48 ff.; ein Gesellschafterwechsel kann nach dieser h.M. bis dahin nicht durch Abtretung, sondern nur durch eine mit Zustimmung aller Gesellschafter erfolgende Änderung des Gesellschaftsvertrags vollzogen werden (vgl. dazu § 15 Rdnr. 11 f.). Der Geschäftsanteil erlischt mit seiner Einziehung (s. Erl. zu § 34) und mit der Vollbeendigung der GmbH (s. § 13 Rdnr. 6 ff.), nicht dagegen bereits mit ihrer Auflösung (s. 10. Aufl., bei § 69 Rdnr. 22). Der Erwerb eines Geschäftsanteils durch die GmbH (§ 33) berührt seinen Bestand nicht (s. § 33 Rdnr. 3), aber die personenrechtlichen Befugnisse ruhen (s. § 33 Rdnr. 37), während das für die vermögensmäßigen Rechte und Pflichten nur eingeschränkt gilt (eingehend dazu § 33 Rdnr. 36). Ebenso wenig geht der Anteil durch die Kaduzierung (s. § 21 Rdnr. 25 ff.), durch den Abandon (s. § 27 Rdnr. 18 ff.) und durch den Austritt oder die Ausschließung aus wichtigem Grunde (s. Anh. § 34 Rdnr. 6 ff., 25 ff.) unter, soweit letztere nicht mittels Einziehung ausgeführt werden.

3. Einlagepflicht a) Pflicht zur Leistung der Einlage (§ 14 Satz 1) Die GmbH-Verbandsmitgliedschaft ist zwingend mit der Übernahme einer Kapi- 5 talbeteiligung verkoppelt (Rdnr. 1). Dieser Rechtsgrundsatz galt bereits nach früherem Recht und kommt nun in § 3 Abs. 1 Nr. 4 sowie in § 14 Satz 1 zum Ausdruck. In Übereinstimmung mit dem in der Gesetzesbegründung niedergelegten gesetzgeberischen Willen ist § 14 Satz 1 keine neue Anspruchsgrundlage zugunsten der Gesellschaft gegenüber dem Gesellschafter auf Einlageleistung3. Die Verpflichtung des Gesellschafters auf Einlageleistung und spiegelbildlich der Anspruch der Gesellschaft auf Erhalt der Einlagenleistung ergibt sich wie nunmehr im Fall der Errichtung der Gesellschaft (in Anlehnung an § 2 AktG) aus der Aufnahme des Nennbetrages des jeweiligen Geschäftsanteils in der Satzung (§ 3 Abs. 1 Nr. 4) und im Falle der Kapitalerhöhung aus der Übernahmeerklärung. § 14 Satz 1 ist nur ein programmatischer Einleitungssatz und insofern ist auch aus der amtlichen Überschrift „Einlagepflicht“ nichts Überschießendes zu gewinnen. 1 BGH, GmbHR 1997, 405; OLG Frankfurt a.M., GmbHR 1997, 896; Wicke, Rdnr. 3; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 3; Jasper/Wollbrink, in: MünchHdb. III, § 23 Rdnr. 10; s. aber auch überzeugend Raiser, in: Ulmer, Rdnr. 2; Karsten Schmidt, oben § 11 Rdnr. 49 m.w.N.; s. auch § 15 Rdnr. 10; a.A. auch Reichert/Weller, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 9 ff. (Entstehen mit der Errichtung der Vorgesellschaft). 2 A.A. Reichert/Weller, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 11. 3 BT-Drucks. 16/6140, S. 37 li.Sp. („Satz 1 dient lediglich der Klarstellung“); a.A. Reichert/ Weller, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 4: Satz 1 ist neue Anspruchsgrundlage betreffend die Einlageleistung.

Seibt

891

§ 14

Einlagepflicht

b) Höhe der zu leistenden Einlage (§ 14 Sätze 2 und 3) 6 Die Höhe der Einlagepflicht des Gesellschafters bemisst sich grundsätzlich nach der Höhe des Nennbetrags des in Frage stehenden Geschäftsanteils1. Dabei differenziert das Gesetz den Fall der Errichtung der Gesellschaft, bei dem der Nennbetrag des Geschäftsanteils im Gesellschaftsvertrag (§ 3 Abs. 1 Nr. 4) festgesetzt wird (Satz 2), und den Fall der Kapitalerhöhung, in dem der Nennbetrag des Geschäftsanteils in der Übernahmeerklärung (§ 55) festgesetzt ist (Satz 3). Aus einem Umkehrschluss zu diesen Regelungen ergibt sich, dass in den Fällen, in denen sich die Nennbeträge der Geschäftsanteile nach § 57h Abs. 1 im Rahmen einer Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln oder im Zuge einer Einziehung nach § 34 erhöhen, dies keine Erhöhung der Einlageverpflichtung zur Folge hat2.

4. Nennbetrag des Geschäftsanteils und dessen Funktion 7 Während § 14 a.F. festschrieb, dass „der Geschäftsanteil jedes Gesellschafters … sich nach dem Betrage der von ihm übernommenen Stammeinlage [bestimmt]“, ist nach dem Perspektivwechsel des MoMiG (Rdnr. 1) nun geregelt, dass sich die Höhe der zu leistenden Einlage nach dem im Gesellschaftsvertrag bzw. in der Übernahmeerklärung festgesetzten Nennbetrag bestimmt. Durch diesen Perspektivwechsel wird das frühere Verständnis unterstützt, dass der Nennbetrag des Geschäftsanteils von der Frage unabhängig ist, ob der Gesellschafter auf die Einlagepflicht bereits (vollständig) geleistet hat3. Der Nennbetrag wird ab initio im Gesellschaftsvertrag (Fall der Errichtung der Gesellschaft) bzw. in der Übernahmeerklärung (Fall der Kapitalerhöhung) festgesetzt, er kann sich aber auch später ändern, und zwar durch die Teilung des Geschäftsanteils (§ 46 Nr. 4), durch die Zusammenlegung zweier Geschäftsanteile (s. § 15 Rdnr. 45 f.) und durch die Kapitalerhöhung mittels Heraufsetzung des Nennbetrags (s. § 57h Abs. 1)4, aber die veränderten Nennbeträge sind dann jedenfalls auf entsprechende Stammeinlagebeträge zurückzuführen. Unberührt bleiben dagegen die Nennbeträge der übrigen Geschäftsanteile in den Fällen der Unwirksamkeit einer Beteiligungserklärung (s. § 2 Rdnr. 72 ff.) oder der Einziehung eines anderen Geschäftsanteils5; diese Vorgänge bewirken nur, dass die Summe der Nennbeträge aller (verbleibenden) Geschäftsanteile nicht mehr mit der Stammkapitalziffer übereinstimmt (normalerweise trifft das zumindest anfangs zu; s. § 5 Abs. 3) und dass sich die verhältnismäßige Beteiligung der Gesellschafter an den Rechten und Pflichten verschiebt (s. Rdnr. 6 u. § 34 Rdnr. 66). Eine Anpassung der Nennbeträge wegen des Auseinanderfallens ihrer Summe und der Stammkapitalziffer ist recht-

1 2 3 4

BT-Drucks. 16/6140, S. 28 und 37. BT-Drucks. 16/6140, S. 37 li.Sp.; Reichert/Weller, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 6. 10. Aufl., Rdnr. 4; eb. Raiser, in: Ulmer, Rdnr. 4. Auch bei der Kapitalerhöhung gegen Einlagen ist u.U. abweichend von § 55 Abs. 3 eine Aufstockung bestehender Geschäftsanteile möglich; s. BGHZ 63, 116; OLG Hamm, DB 1982, 945; BayObLG, DB 1986, 738; 1989, 1559. Näheres vgl. 10. Aufl., Erl. zu § 55, Rdnr. 24 ff. 5 Näher dazu Niemeier, Rechtstatsachen und Rechtsfragen der Einziehung von GmbHAnteilen, 1982, S. 357 ff. m.w.N.; H. P. Westermann, in: FS 100 Jahre GmbHG, 1992, S. 447, 469 f.; a.M. Lutter, in: Lutter/Hommelhoff, § 34 Rdnr. 2; Priester, in: FS Kellermann, 1991, S. 337, 347 ff.; unklar Wolany, S. 77.

892

Seibt

§ 14

Einlagepflicht

lich nicht notwendig1; sie ist beim Vorliegen dieser Voraussetzung zwar nicht unzulässig2, aber wegen der möglichen Verwirrung über die Identität der Geschäftsanteile (s. Rdnr. 5) zu vermeiden. Die Kapitalherabsetzung hat grundsätzlich eine automatische Anpassung der Nennbeträge der Geschäftsanteile an die neue Stammkapitalziffer zur Folge (s. auch §§ 58 Abs. 2 Satz 2, 58a Abs. 3 Satz 1); besondere Bestimmungen darüber muss der Herabsetzungsbeschluss nur enthalten, wenn die Kapitalherabsetzung nicht alle Geschäftsanteile gleichmäßig betreffen soll oder wenn Maßnahmen zur Einhaltung der Erfordernisse der §§ 5 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 u. Abs. 3, 58 Abs. 2 Satz 2, 58 Abs. 3 Satz 2 zu treffen sind3. Im Übrigen ist die Änderung der Nennbeträge ausgeschlossen4. Möglich ist auch die Neubildung eines Geschäftsanteils an Stelle eines eingezogenen (s. § 34 Rdnr. 67). Die Angabe von Quoten an Stelle der Nennbeträge (sog. „Quotengeschäftsanteile“) ist demgegenüber nicht statthaft5. 8

Die Nennbeträge haben die folgenden Funktionen: Geschäftsanteile6.

Die Nennbeträge – Sie dienen als Identitätsbezeichnung der sind in der Errichtungssatzung (§ 3 Abs. 1 Nr. 4) sowie in der Gesellschafterliste (§ 40) zu verzeichnen und sind im Gesellschaftsleben sowie bei Rechtsgeschäften über die Geschäftsanteile zu deren Bezeichnung zu verwenden. 8a

– Sie bestimmen die Höhe der Einlageverpflichtung (Sätze 2 und 3; Rdnr. 7).

– Sie sind ferner Beteiligungsmaßstab für Rechte und Pflichten der Gesellschaf- 8b ter und geben insoweit die relative Größe der Geschäftsanteile an7. Für den Umfang der Beteiligung ist nach dem GmbHG meist das Größenverhältnis der Nominalbeträge der Geschäftsanteile untereinander maßgebend (§§ 24, 26 Abs. 3, 29 Abs. 3, 31 Abs. 3, 47 Abs. 2, 72). Diese verhältnismäßige Beteiligung ist im Ergebnis auch für das Bestehen der Minderheitenrechte aus §§ 50 Abs. 1, 61 Abs. 2, 66 Abs. 2 entscheidend, bei denen der Gesetzeswortlaut zwar an das Größenverhältnis der Nominalbeträge zur Stammkapitalziffer anknüpft, aber diese entsprechend dem Gesetzeszweck durch die Nichtberücksichtigung unwirksamer Übernahmen von Stammeinlagen, der eingezogenen Geschäftsanteile und eigener Geschäftsanteile der GmbH zu 1 KG, RJA 12, 131. 2 S. auch RGZ 130, 44 f.; BGH, GmbHR 1988, 337, 338 f.; KG, DR 1943, 1230; BayObLG, BB 1991, 2464 f.; Hohner, in: FS Barz, 1974, S. 147, 165; Niemeier, Rechtstatsachen und Rechtsfragen der Einziehung von GmbH-Anteilen, 1982, S. 364 ff.; Priester, in: FS Kellermann, 1991, S. 351 f. u. H. P. Westermann, unten § 34 Rdnr. 67 m.w.N. 3 Vgl. Priester, 10. Aufl., § 58 Rdnr. 35; Casper, in: Ulmer, § 58 Rdnr. 14 ff., 23 f.; Lutter, in: Lutter/Hommelhoff, § 58 Rdnr. 6 f.; Zöllner, in: Baumbach/Hueck, § 58 Rdnr. 7 ff.; Roth, in: Roth/Altmeppen, § 58 Rdnr. 13; Zimmermann, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, § 58 Rdnr. 9, 16. 4 Zu weitgehend daher LG Hamburg, BB 1953, 8 betr. § 40. 5 Gl.M. Feine, S. 260; Priester, in: FS Kellermann, 1991, S. 348. 6 Raiser, in: Ulmer, Rdnr. 4; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 3; Pentz, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 4. 7 Raiser, in: Ulmer, Rdnr. 5; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 5; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 1; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 4; Niemeier, Rechtstatsachen und Rechtsfragen der Einziehung von GmbH-Anteilen, 1982, S. 361 f.; Reichert/Weller, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 14; Pentz, in: Rowedder/SchmidtLeithoff, Rdnr. 13.

Seibt

893

§ 14

Einlagepflicht

korrigieren ist1. Der vom GmbHG bestimmte Beteiligungsmaßstab ist für einige Rechte und Pflichten teilweise zwingend (§§ 24, 31 Abs. 3: keine Abschwächung der Haftung zulässig; §§ 50 Abs. 1, 61 Abs. 2, 66 Abs. 2: keine Verschärfung der Voraussetzungen möglich), kann aber im Übrigen (§§ 26 Abs. 3, 29 Abs. 3, 47 Abs. 2, 72) durch den Gesellschaftsvertrag anderweitig festgelegt werden. Es gibt darüber hinaus Gesellschafterrechte und -pflichten, die nicht oder jedenfalls nicht notwendig von einem Beteiligungsmaß abhängen, z.B. Auskunfts- und Einsichtsrechte, Sonderrechte und -pflichten2.

5. Subjektives Recht 9 Der Geschäftsanteil ist Gegenstand eines subjektiven Rechts des Anteilsinhabers3. Das GmbHG ordnet ihm seine Rechtsposition als Gesellschafter mit ihrem vermögens- und personenrechtlichen Gehalt als einen einheitlichen Rechtsgegenstand zu, über den er nach § 15 Abs. 1 als Ganzen verfügen (ihn abtreten oder mit einem Pfand- oder Nießbrauchsrecht belasten; s. § 15 Rdnr. 172 ff., 212 ff.) kann, der als solcher vererblich ist (s. § 15 Rdnr. 24 ff.) und der der Zwangsvollstreckung in Rechte unterliegt (s. § 15 Rdnr. 195 ff.). Der Einwand, der Geschäftsanteil sei als „Gesamtheit der Rechte und Pflichten“ zu charakterisieren und könne deshalb nicht als übertragbares Recht qualifiziert werden4, beruht auf einem mit den vorstehenden Regelungen unvereinbaren und nicht sachgerechten Verständnis vom Anteilsrecht, da er die mitgliedschaftliche Rechtsposition in die aus ihr sich nach Gesetz und Gesellschaftsvertrag ergebenden5 aktuellen sowie potentiellen Einzelrechte und -pflichten auflöst und zudem ihren vermögensrechtlichen Gehalt (s. Rdnr. 3) unzureichend berücksichtigt. 9a

Das Anteilsrecht ist als sonstiges Recht i.S. des § 823 Abs. 1 BGB gegen Verletzungen durch Dritte geschützt6. Eine zum Schadensersatz verpflichtende Hand-

1 Gl.M. Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 10. Für § 50 Abs. 1: Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, § 50 Rdnr. 5; Reichert/Weller, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 16; Zöllner, in: Baumbach/Hueck, § 50 Rdnr. 23; abw. Karsten Schmidt/Seibt, 10. Aufl., § 50 Rdnr. 9. Für § 61: Casper, in: Ulmer, § 61 Rdnr. 30; Haas, in: Baumbach/Hueck, § 61 Rdnr. 14; abw. Karsten Schmidt/Bitter, 10. Aufl., § 61 Rdnr. 8. Für § 66: Haas, in: Baumbach/Hueck, § 66 Rdnr. 19; abw. Karsten Schmidt, 10. Aufl., § 66 Rdnr. 17. 2 Vgl. Wolany, S. 78 f. 3 BGH, GmbHR 1968, 207; Feine, S. 262 ff.; Wiedemann, S. 39 ff.; Habersack, Die Mitgliedschaft – subjektives und „sonstiges“ Recht, 1996, S. 21 ff.; U. Huber, S. 381; Flume, Juristische Person, S. 258; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 6; Reichert/Weller, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 47; Raiser, in: Ulmer, Rdnr. 13; Lutter, AcP 180 (1980), 84, 100 ff.; Karsten Schmidt, GesR, § 19 I 3; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 4; Pentz, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 1; Schiessl, in: MünchHdb. III, § 31 Rdnr. 1. 4 Vogel, Anm. 2; Hadding, in: FS Reinhard, 1972, S. 258 Fn. 63; Hadding, in: FS Steindorff, 1990, S. 31, 38. 5 Unberechtigt daher die Kritik von Hadding, in: FS Reinhard, 1972, S. 261 f. 6 RGZ 100, 274, 278; Wiedemann, S. 39; Mertens, in: FS R. Fischer, 1979, S. 461, 468 ff.; Habersack, Die Mitgliedschaft – subjektives und „sonstiges“ Recht, 1996, S. 113 ff.; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 6; Reichert/Weller, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 54; Wicke, Rdnr. 2; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 4; Raiser, in: Ulmer, Rdnr. 18; Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 43; Lutter, AcP 180 (1980), 130 f.;

894

Seibt

§ 14

Einlagepflicht

lung liegt aber nur vor, wenn der Geschäftsanteil selbst verletzt ist1; es genügt nicht, dass allein das Vermögen oder der Ertrag der GmbH beeinträchtigt und dadurch mittelbar der Wert des Geschäftsanteils gemindert wird2. Die Rechtsposition des Gesellschafters wird im Innenverhältnis zur GmbH (d.h. zur Geschäftsführung) und zu den anderen Gesellschaftern – anders als bei Verein oder AG – nicht durch § 823 Abs. 1 BGB, sondern durch die gesellschaftsrechtlichen Normen geschützt3, u.U. greifen aber zusätzlich die Haftungsvorschriften der §§ 823 Abs. 2, 826 BGB ein. Der Geschäftsanteil steht ferner unter dem Eigentumsschutz des Art. 14 GG4.

6. Bewertung des Geschäftsanteils Schrifttum: Bellinger/Vahl, Unternehmensbewertung in Theorie und Praxis, 2. Aufl. 1992; Braunhofer, Unternehmens- und Anteilsbewertung bei Bemessung von familien- und erbrechtlichen Ausgleichsansprüchen, 1995; Drukarczyk/Schüler, Unternehmensbewertung, 6. Aufl. 2009; Götzenberger, Konsequenzen des neuen Erbschaftsteuer- und Bewertungsrechts bei Ausscheiden eines Gesellschafters, BB 2009, 131; Großfeld, Recht der Unternehmensbewertung, 6. Aufl. 2011; Helbling, Unternehmensbewertung und Steuern, 8. Aufl. 1995; Hülsmann, Gesellschafterabfindung und Unternehmensbewertung nach der Ertragswertmethode im Lichte der Rechtsprechung, ZIP 2001, 450: Hüttemann, Unternehmensbewertung als Rechtsproblem, ZHR 162 (1998), 563; Moxter, Grundsätze ordnungsgemäßer Unternehmensbewertung, 2. Aufl. 1983; Neuhaus, Unternehmensbewertung und Abfindung bei freiwilligem Ausscheiden aus der Personengesellschaft, 1990; Piltz, Die Unternehmensbewertung in der Rechtsprechung zum Gesellschafts-, Familien-, Erb-, Schadensund Enteignungsrecht, 3. Aufl. 1994; Piltz, Rechtspraktische Überlegungen zu Abfindungsklauseln in Gesellschaftsverträgen, BB 1994, 1021; Ränsch, Die Bewertung von Unternehmen als Problem der Rechtswissenschaft, AG 1984, 202; Sieben, Unternehmensbewertung, HWB, 5. Aufl. 1993; Thoennes, Die Rechtsprechung zur Unternehmensbewertung aus der Sicht der Berufspraxis, in: 50 Jahre Wirtschaftsprüferberuf, 1981, S. 265 ff.; Ulmer, Abfindungsklauseln in Personengesellschafts- und GmbHVerträgen – Plädoyer für die Ertragswertklausel, in: FS Quack, 1991, S. 477 ff.

Der wirtschaftliche Wert des Geschäftsanteils, der nicht mit dessen Nennbetrag (über diesen Begriff und seine Funktionen s. Rdnr. 4 ff.) verwechselt werden darf

1

2 3

4

Schiessl, in: MünchHdb. III, § 31 Rdnr. 2; krit. dazu aber Hadding, in: FS Kellermann, 1991, S. 91, 102 ff. Gl.A. Raiser, in: Ulmer, Rdnr. 19; zu Unrecht weiter gehend Habersack, Die Mitgliedschaft – subjektives und „sonstiges“ Recht, 1996, S. 152 ff.; s. dazu Reuter, AcP 197 (1997), 322 ff.; Hüffer, ZHR 161 (1997), 867 ff. RGZ 100, 278; 158, 248. Für einen ausschließenden Vorrang gesellschaftsrechtlicher Schadensersatz- und Abwehransprüche Wiedemann, S. 39; Teichmann, in: FS Mühl, 1981, S. 663, 677; Reuter, in: FS Lange, 1992, S. 721 ff.; Zöllner, ZGR 1988, 392, 430; Grunewald, Die Gesellschafterklage in der Personengesellschaft und der GmbH, 1990, S. 100; Zöllner/Noack, in: Baumbach/ Hueck, § 43 Rdnr. 65; Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 44; Schiessl, in: MünchHdb. III, § 31 Rdnr. 2; wohl auch Verse, in: Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, Rdnr. 34; im Detail unklar Kleindiek, in: Lutter/Hommelhoff, § 43 Rdnr. 40; a.A. Mertens, in: FS R. Fischer, 1979, S. 461, 469 ff. und in: Hachenburg, 8. Aufl., § 43 Rdnr. 105 ff.; Karsten Schmidt, JZ 1991, 157 ff.; Reichert/Weller, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 58; s. ferner BGHZ 110, 323 – Schärenkreuzer (Verein). Vgl. BVerfGE 4, 26; BVerfGE 14, 276 f.; BVerfGE 50, 290; BVerfGE 100, 298, 301 zur Aktie.

Seibt

895

10

§ 14

Einlagepflicht

und über oder unter dem Nennbetrag liegen kann, ist in verschiedenen Beziehungen rechtserheblich: a) Privatrechtlich 11

Der Anteilswert ist privatrechtlich vor allem für die Bemessung der Abfindungen oder Ausgleichszahlungen in den Fällen der Ausschließung und des Austritts aus wichtigem Grunde (s. Anh. § 34 Rdnr. 22, 53), der Zwangseinziehung von Geschäftsanteilen (§ 34 Abs. 2), des Abschlusses von Beherrschungsund/oder Gewinnabführungsverträgen, der Eingliederung (analog §§ 304, 305, 320 AktG)1 und des Austritts widersprechender Gesellschafter bei der Umwandlung der GmbH (§§ 29 ff., 125 Satz 1, 176 Abs. 2, 207 ff. UmwG) von Bedeutung. Er ist darüber hinaus insbesondere für die Festlegung des Umtauschverhältnisses bei der Verschmelzung und Spaltung der GmbH (§§ 5 Abs. 1 Nr. 3, 15 Abs. 1, 126 Abs. 1 Nr. 3, 128 UmwG), für den (niedrigeren) Wertansatz im Jahresabschluss eines beteiligten Unternehmens (§ 253 Abs. 3 Satz 3 HGB) und für die Berechnung des Zugewinns beim gesetzlichen Güterstand (§§ 1373, 1376 BGB)2 sowie des Nachlasswerts für den Pflichtteilsanspruch (§ 2311 BGB)3 erheblich. Er kann ferner auch für die Bestimmung des Entgelts bei statutarischen Abtretungs- und Übernahmepflichten (s. § 15 Rdnr. 33, 51 f., 60) und allgemein beim Beteiligungs- oder Unternehmenskauf zur Ermittlung des Kaufpreises maßgeblich sein.

11a

Die Anteilsbewertung ist schließlich kostenrechtlich Grundlage für die Ermittlung des Gegenstandswerts der anwaltlichen (§ 23 Abs. 3 RVG, § 39 Abs. 2 KostO) und der notariellen Tätigkeit (§§ 30 Abs. 1, 39 Abs. 2 KostO). Maßgeblich ist der objektive Wert, der nach freiem Ermessen auf der Grundlage einer nach betriebwirtschaftlichen Grundsätzen durchzuführenden Unternehmensbewertung zu schätzen ist4. Wird eine Veräußerung des Geschäftsanteils unter „normalen“ Bedingungen – insbesondere nicht bewusst „unter Wert“ – durchgeführt, kann der erzielte Kaufpreis als geeignetster Anknüpfungspunkt für die Schätzung als objektiver Wert angesetzt werden5.

12

Über die Ermittlung des (vom Buchwert zu unterscheidenden wirklichen) Anteilswerts fehlen für das Privatrecht ausdrücklich gesetzliche Vorschriften. Es ist deshalb durch Auslegung der jeweils einschlägigen Vorschrift nach Maßgabe des aus ihr sich ergebenden Bewertungszwecks, der in ihr enthaltenen sonstigen bewertungsrelevanten Vorgaben und des Regelungszusammenhangs festzustellen, welche Bewertungsmethode normgerecht ist und welche Bewertungselemente

1 Zur Frage der analogen Anwendung des § 305 AktG vgl. Casper, in: Ulmer, Anh. § 77 Rdnr. 213 ff.; oben Emmerich, Anh. § 13 Konzernrecht, Rdnr. 158 ff., jeweils m.w.N. 2 BGHZ 68, 163; BGH, NJW 1987, 321; zu Einzelheiten Braunhofer, Unternehmens- und Anteilsbewertung, S. 107 ff. 3 BGH, NJW 1973, 509, 509 f.; BGH, NJW 1985, 192, 193; Reichert/Weller, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 21; Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 46; Raiser, in: Ulmer, Rdnr. 20. 4 Reimann, in: Korintenberg/Lappe/Bengel/Reimann, KostO, 18. Aufl. 2010, § 30 Rdnr. 12; Hartmann, Kostengesetze, 41. Aufl. 2011, § 30 KostO Rdnr. 28. 5 Hierzu BGH, NJW 1975, 1417; BayObLG, BB 1985, 7.

896

Seibt

§ 14

Einlagepflicht

zu berücksichtigen sind1. Die Wertermittlung ist insoweit eine Rechtsfrage2. Der Anteilswert bemisst sich grundsätzlich nach dem dem Beteiligungsverhältnis entsprechenden Anteil am Verkaufswert des Unternehmens als Ganzes (d.i. der volle wirtschaftliche Wert des Geschäftsanteils)3, der unter Beachtung des rechtlichen Bewertungszwecks und der sonstigen rechtlich maßgebenden Wertfaktoren nach betriebswirtschaftlich anerkannten Bewertungsmethoden zu ermitteln ist. Betriebswirtschaftlich hat sich, soweit nicht dauernd unrentable oder ertragsschwache Unternehmen den Bewertungsgegenstand bilden oder Besonderheiten etwas anderes erfordern (z.B. bei Beschränkung der Unternehmenstätigkeit auf die Beteiligungsverwaltung oder Start up-Unternehmen), weitgehend die sog. Ertragswertmethode durchgesetzt, bei der der Substanzwert lediglich für den Wert des hinzuzusetzenden nicht betriebsnotwendigen (neutralen) Vermögens maßgebend ist und im Übrigen allenfalls noch eine kontrollierende und korrigierende Hilfsfunktion hat4. Teilweise wird auch (daneben) die Anwendung der Discounted-Cash-Flow-Methode (Rdnr. 12b), von transaktionsbezogenen Bewertungsmethoden (z.B. Past Transactions Comparison Method5) oder kapitalmarktorientierten Vergleichsmethoden (z.B. Comparative Company Approach6) befürwortet. Die früher gebräuchlichen Methoden der Unternehmenswertermittlung aus Kombinationen des Substanz-(Reproduktions-) und des Ertragswertes oder nach dem Substanzwert unter Zuschlag eines Geschäftswertes werden dagegen heute nur noch in extremen Einzelfällen vertreten.

1 BayObLG, AG 1996, 127, 128; Großfeld, Recht der Unternehmensbewertung, 6. Aufl. 2011, S. 66 ff.; Ränsch, AG 1984, 202, 204; Neuhaus, Unternehmensbewertung und Abfindung, 1990, S. 64 f.; Hüttemann, ZHR 162 (1998), 563 ff.; Braunhofer, S. 8 ff., jeweils m.w.N. 2 Nachw. in der vorherigen Fn. sowie Piltz, Unternehmensbewertung in der Rechtsprechung, 3. Aufl. 1994, S. 121 ff.; Karsten Schmidt, Handelsrecht, 5. Aufl. 1999, § 4 II 2; Raiser, in: Ulmer, Rdnr. 9; Reichert/Weller, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 22; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 6. 3 BGH, NJW 1967, 1464; BGH, WM 1971, 1450; BGH, WM 1979, 432, 433; BGH, WM 1984, 1506; BGHZ 17, 130, 137; BGHZ 75, 195, 199; BGHZ 116, 359, 370 f.; OLG Hamm, DB 1963, 446; OLG Köln, GmbHR 1998, 641, 642; Großfeld, JZ 1981, 769; Großfeld, Recht der Unternehmensbewertung, 6. Aufl. 2011, S. 66 ff.; Piltz, S. 55, 207; Braunhofer, S. 84 f. 4 Hierzu Mandl/Rabel, in: Peemöller/Ahlemeyer/Angermayer-Michler, Praxishdb. der Unternehmensbewertung, 4. Aufl. 2009, S. 82 ff., 84; Drukarczyk/Schüler, Unternehmensbewertung, 6. Aufl. 2009, S. 89 (Substanzwert nur zur Wertermittlung einzelner Vermögensgegenstände geeignet); Seppelfricke, Hdb. Aktien- und Unternehmensbewertung, 3. Aufl. 2007, S. 173 ff., 184; Institut der Wirtschaftsprüfer, IDW S 1: Grundsätze zur Durchführung von Unternehmensbewertungen, 2.4.2008, WPg Supplement 3/2008, S. 68 ff.; vorher: Stellungnahme des Hauptfachausschusses (HFA) des Instituts der Wirtschaftsprüfer: Grundsätze zur Durchführung von Unternehmensbewertungen, WPg 1983, 468 ff. und hierzu; Helbling, Unternehmensbewertung und Steuern, 8. Aufl. 1995; Sieben, Unternehmensbewertung, HWB, 5. Aufl. 1993, Sp. 4315 ff. 5 Mandl/Rabel, in: Peemöller/Ahlemeyer/Angermayer-Michler, Praxishdb. der Unternehmensbewertung, 4. Aufl. 2009, S. 85 ff.; Piltz, S. 41 f. 6 Mandl/Rabel, in: Peemöller/Ahlemeyer/Angermayer-Michler, Praxishdb. der Unternehmensbewertung, 4. Aufl. 2009, S. 78 ff.; Helbling, Unternehmensbewertung und Steuern, 8. Aufl. 1995, S. 129 ff.; Piltz, S. 41.

Seibt

897

§ 14 12a

Einlagepflicht

Die Anwendung einer bestimmten Bewertungsmethode ist (verfassungs-)rechtlich nicht vorgeschrieben1. Die Rechtsprechung2 hat sich mit der Unternehmensbewertung hauptsächlich im Zusammenhang mit der Abfindung von Aktionären und mit der Zugewinn- und Pflichtteilsberechnung, vereinzelt aber auch mit der Abfindung von Mitgliedern der GmbH3 befasst. Sie hat dabei früher zumeist die Substanzwertmethode unter Berücksichtigung der Ertragskraft durch den zusätzlichen Ansatz eines Firmenwertes oder den good will4, aber auch die Mittelwertmethode angewandt5, in neuerer Zeit indes praktisch ausschließlich die Ertragswertmethode (z.T. mit Einschränkungen) zugrunde gelegt6, die zwar verfassungsrechtlich unbedenklich, deshalb in ihrer Anwendung jedoch nicht von Verfassungs wegen geboten ist7. Bei der gerichtlichen Überprüfung der Bewertung haben die Gerichte zu entscheiden, ob die richtige Bewertungsmethode zugrunde gelegt wurde, ob die Methode zutreffend angewandt wurde und ob die einzelnen in die Bewertung eingegangenen Faktoren zutreffend berücksichtigt wurden, wobei diese Fragen auch der revisionsgerichtlichen Nachprüfung zugänglich sind8. Das Ergebnis der Bewertung durch einen Sachverständigen ist vom Gericht nach §§ 286, 287 ZPO tatrichterlich frei zu würdigen9. Soweit es sich dabei um Tatsachenfragen handelt, ist die rechtliche Nachprüfung in der Revisionsinstanz nach den allgemeinen zivilprozessualen Grundsätzen ausgeschlossen10.

12b Die gesellschaftsrechtliche Praxis folgt bei Unternehmensbewertungen im Regelfall einer (ggf. modifizierten) Ertragswertmethode11, daneben auch das hiermit verwandte Discounted-Cash-Flow-Verfahren (DCF); im Regelfall wird hierbei IDW Standard „S 1“ – Grundsätze zur Durchführung von Unternehmensbewer-

1 BVerfG, ZIP 2011, 1051; BGH, LM § 2311 BGB Nr. 5, 7; BGH, NJW 1973, 509 f.; BGH, NJW 1978, 1316, 1319; BGH, NJW 1991, 1547, 1548; BGH, NJW 1993, 2101, 2103; BGH, WM 1977, 782; BGH, GmbHR 1985, 18, 19; BGHZ 70, 224, 225; OLG Hamm, DB 1963, 446; KG, WM 1971, 764; OLG Düsseldorf, WM 1977, 797; OLG Düsseldorf, AG 1984, 216; OLG Celle, DB 1979, 1031; BayObLG, BB 1995, 1759, 1760 u.a. 2 Hierzu Wüstemann, BB 2011, 1707 ff.; Piltz, S. 121 ff.; Braunhofer, S. 35 ff.; Thoennes, Die Rechtsprechung zur Unternehmensbewertung aus der Sicht der Berufspraxis, in: 50 Jahre Wirtschaftsprüferberuf, 1981, S. 265 ff. 3 BGH, WM 1977, 781 betr. Einziehungsentgelt u. BGHZ 116, 359; OLG Köln, GmbHR 1998, 641, 642 betr. Abfindung beim Austritt. 4 Vgl. Piltz, S. 203 ff. 5 BGH, DB 1982, 106 betr. Pflichtteilsberechnung; OLG Saarbrücken, FamRZ 1984, 794. 6 BGH, WM 1979, 432; BGH, WM 1993, 1412, 1413; BGH, BB 1984, 2082, 2083; BGH, DB 1986, 2427; BGH, ZIP 1992, 237, 240; BGH, ZIP 1995, 1256, 1258 f.; BGH, ZIP 1998, 1161, 1165; OLG Celle, DB 1979, 1031; OLG Hamburg, DB 1980, 77; OLG Düsseldorf, WM 1984, 732; OLG Düsseldorf, WM 1988, 1052; OLG Düsseldorf, WM 1995, 756, 761; OLG Düsseldorf, ZIP 1990, 1333, 1336; OLG Düsseldorf, AG 1992, 200, 203; OLG Frankfurt, AG 1989, 442; OLG Zweibrücken, WM 1995, 980, 981; BayObLG, BB 1995, 1759, 1760; BayObLG, AG 1996, 127; OLG Köln, GmbHR 1998, 641, 642. 7 BVerfG, ZIP 2011, 1051, 1053. 8 BGHZ 150, 319, 323; Raiser, in: Ulmer, Rdnr. 9. 9 BGH, LM § 810 BGB Nr. 6; BGHZ 71, 40; OLG Düsseldorf, WM 1977, 797; Raiser, in: Ulmer, Rdnr. 9. 10 BGHZ 71, 40; BGH, WM 1986, 234, 236; Raiser, in: Ulmer, Rdnr. 9. 11 Vgl. BGHZ 71, 40; BGH, WM 1986, 234, 236; Piltz, S. 125 ff.; Ulmer, in: FS Quack, 1991, S. 477, 490 ff.; Raiser, in: Ulmer, Rdnr. 11; Pentz, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 46 u.a.

898

Seibt

§ 14

Einlagepflicht

tungen (IDW S 1) (Neufassung am 2.4.2008 in Kraft getreten) – angewandt1. Zur Bestimmung des Unternehmenswertes sind dem Ertragswert die zu schätzenden Nettoeinzelveräußerungserlöse des nicht betriebsnotwendigen Vermögens hinzuzurechnen und die nicht betriebsbedingten Verbindlichkeiten abzuziehen2. Zur Plausibilisierung werden nicht selten noch transaktionsbezogene oder kapitalmarktorientierte Vergleichsmethoden (Rdnr. 12 a.E.) herangezogen. Für Sonderfälle weicht die Bewertungspraxis aber von Vorstehendem ab. Sie setzt bei vermögenverwaltenden oder mit einem außergewöhnlich hohen Anteil an nicht betriebsnotwendigem Vermögen ausgestatteten Unternehmen deren Substanzwert3 und bei freiberuflichen sowie anderen stark personenbezogenen Unternehmen deren Substanzwert zuzüglich eines eventuellen Goodwill an4. Als Wertuntergrenze wird gesellschaftsrechtlich5 der Liquidationswert des Unternehmens angenommen, sofern seine Abwicklung nicht aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen ausgeschlossen ist6. Der anteilige Unternehmenswert, der einem Geschäftsanteil zuzurechnen ist, richtet sich zunächst nach der durch ihn gewährten Beteiligung an den Rechten und Pflichten, also nach dem Verhältnis der Nennbeträge der Geschäftsanteile (s. Rdnr. 6)7. Sonderrechte und Sonderpflichten (s. Rdnr. 19 ff., 29), soweit sie bewertungsrelevant sind (z.B. ein Veräußerungserlösvorab, erhöhtes Gewinnrecht, Mehrfachstimmrecht, Bestellungsrecht für Geschäftsführer, Pattauslösungsrecht), beeinflussen daher den zuzurechnenden Unternehmenswertanteil. Unabhängig davon können nach dem jeweiligen Bewertungszweck auch andere Umstände es erforderlich machen, die Bewertung des Geschäftsanteils mit dem quotalen Anteil am Unternehmenswert durch Zu- oder Abschläge zu korrigieren, so z.B. die Größe der Beteiligung und die durch sie vermittelte Einflussmöglichkeit auf die Gesellschaft und andere Unternehmen8, die Beschränkung oder der Ausschluss der Übertragbarkeit der Geschäftsanteile9, statutarische Abfindungsbeschränkungen in Ausschei1 Aus der Rechtsprechung vgl. OLG Düsseldorf, AG 2003, 329, 333; LG München, AG 2002, 563, 566; BayObLG, AG 2006, 41, 42 f. (alle zur AG). 2 BGH, AG 1978, 196, 199; BGH, ZIP 1995, 1256, 1258; OLG Celle, AG 1979, 230, 232; OLG Düsseldorf, ZIP 1984, 586, 588; OLG Düsseldorf, ZIP 1988, 1555, 1556; OLG Düsseldorf, AG 1990, 387, 401; OLG Düsseldorf, AG 1992, 200, 203; BayObLG, BB 1995, 1759, 1760; BayObLG, AG 1996, 127, 130 u.a. 3 BGH, MDR 1993, 854; OLG Düsseldorf, AG 1988, 275, 276; LG Berlin, AG 1983, 135; Piltz, S. 129; Korth, BB 1992 Beil. 19, S. 5. 4 BGH, NJW 1973, 98, 100; BGH, FamRZ 1977, 38; BGH, FamRZ 1978, 332; OLG Koblenz, FamRZ 1982, 278; OLG Koblenz, FamRZ 1988, 950; OLG München, FamRZ 1984, 1096; OLG München, NJW-RR 1988, 262; AG Münster, NJW 2007, 2645 f. Vgl. dazu aber Braunhofer, S. 103 ff. m.w.N. 5 Anders für die Zugewinnausgleichs- und Pflichtteilsberechnung bei Unternehmensfortführung BGH, NJW 1973, 509, 510; BGH, NJW 1982, 2441; BGH, FamRZ 1986, 776, 779. Krit. dazu Piltz, S. 170 ff.; Braunhofer, S. 167 ff., jeweils m.w.N. 6 BGH, BB 1978, 776, 779; OLG Hamm, AG 1963, 218, 220; BayObLG, BB 1995, 1759, 1760; LG Frankfurt, AG 1985, 310; LG Dortmund, AG 1994, 85; HFA-Grundsätze, WPg 1983, 468, 479; Großfeld, S. 204 ff.; Piltz, S. 30; Braunhofer, S. 79 f.; a.M. OLG Düsseldorf, AG 1988, 275, 276; OLG Düsseldorf, AG 1990, 397, 399; s. auch BGH, ZIP 1998, 1161, 1166. 7 Vgl. dazu BGHZ 17, 130; BGHZ 75, 195, 199; BGH, AG 1967, 264; BGH, GmbHR 1992, 257, 261. 8 Vgl. Großfeld, Recht der Unternehmensbewertung, 6. Aufl. 2011, S. 343 f. m.w.N. 9 BGH, NJW 1980, 229; BGH, NJW 1987, 321; OLG Oldenburg, GmbHR 1997, 503, 505.

Seibt

899

§ 14

Einlagepflicht

densfällen1, besondere Risiken oder steuerliche Folgen (z.B. Wegfall von Verlustvorträgen, § 8c KStG)2. 12c

Der Gesellschaftsvertrag kann eine abweichende Anteilsbewertung für die Zwecke statutarischer Abtretungspflichten oder Erwerbsrechte oder für die Zwangseinziehung nur insoweit wirksam treffen, als der Anspruch, dessen Höhe sich nach ihr bemessen soll, der statutarischen Disposition unterliegt3. Für andere Fälle wird es angesichts der Uneinheitlichkeit der Bewertungsmethoden als zulässig zu erachten sein, dass er mit Wirkung für das Gesellschaftsverhältnis (nicht zwischen Dritten, z.B. dem Gesellschafter-Erben und dem Pflichtteilsberechtigten) in den Grenzen der betriebswirtschaftlich anerkannten Bewertungsmethoden Zweifelsfragen regelt oder Bewertungsspielräume unerheblich einengt. Verweist der Gesellschaftsvertrag für die Anteilsbewertung auf eine (steuer)gesetzliche Norm, ein (steuer)verwaltungsrechtliches Verfahren (z.B. Ertragswertverfahren nach dem Leitfaden der OFD Münster/Rheinland4) oder auf berufsständische Verfahren (z.B. Institut der Wirtschaftsprüfer (IdW), Stellungnahme Hauptfachausschuss (HFA) 2/1983 oder Stellungnahme S1), so ist bei fehlender ausdrücklicher Regelung durch Auslegung zu ermitteln, ob die zum Zeitpunkt ihrer Vereinbarung (statische Verweisung) oder die zum Zeitpunkt der Wertermittlung geltenden Vorschriften anzuwenden sind (dynamische Verweisung). Im Regelfall wird die gebotene objektive Auslegung der Satzungsbestimmung für das Verständnis einer dynamischen Verweisung sprechen, wie dies auch die Rechtsprechung bei Gesetzesverweisen in Ruhegehaltsvereinbarungen entschieden hat5. Allerdings können auch bestimmte Umstände oder sonstige Satzungsbestimmungen für eine Auslegung als statische Verweisung streiten, insbesondere wenn es den Gesellschaftern erkennbar um die Heranziehung bestimmter Wertermittlungsvorschriften ging und eine Unterwerfung unter die zufällige Weiterentwicklung dieser Vorschriften erkennbar nicht gewollt war. b) Steuerrechtlich

13

Steuerrechtlich ist für die Erbschaft- und Schenkungsteuer der gemeine Wert des Geschäftsanteils i.S. der §§ 9, 11 BewG maßgebend, d.h. der Betrag, der als Preis im gewöhnlichen Geschäftsverkehr nach der Beschaffenheit des Geschäftsanteils bei einer Veräußerung zu erzielen wäre (§ 9 Abs. 2 BewG). Der gemeine Wert ist, wenn er sich nicht aus weniger als ein Jahr zurückliegenden Verkäufen im gewöhnlichen Geschäftsverkehr (oder aus der Übernahme neuer Geschäftsanteile bei Kapitalerhöhungen6) ableiten lässt, unter Berücksichtigung des Vermögens 1 BGHZ 75, 195, 201 f. 2 Vgl. dazu Großfeld, Recht der Unternehmensbewertung, 6. Aufl. 2011, S. 343 f.; Braunhofer, S. 86 ff., jeweils m.w.N. 3 Zur Abtretung oder Einziehung im Erbfall s. § 15 Rdnr. 30, 32; zum Austritt oder zur Ausschließung aus wichtigem Grunde s. Anh. § 34 Rdnr. 19; zur Einziehung bei Anteilspfändung oder Insolvenz des Anteilsinhabers s. § 15 Rdnr. 205. Allgemein zur Einziehung unter Wert vgl. § 34 Rdnr. 55 ff. 4 Leitfaden der OFD Münster/Rheinland v. Januar 2007, 4. Fassung (abrufbar unter: www.ofd-muenster.de). 5 BGH, MDR 1984, 1019; BGH, NJW 1980, 1741; BGH, NJW 1993, 3193; BAG, ZIP 1983, 104, 106. 6 BFH, BStBl. II 1993, 266.

900

Seibt

§ 14

Einlagepflicht

und der Ertragsaussichten der GmbH zu schätzen (§ 11 Abs. 2 BewG). Die Schätzung erfolgte in der Praxis der Finanzverwaltung nach dem sog. Stuttgarter Verfahren (R 96 ff. ErbStR 2003 a.F.), das trotz Kritik im Schrifttum1 vom BFH in ständiger Rspr. als geeignetes sowie bewährtes Bewertungsverfahren anerkannt und nach ihr der Ermittlung des gemeinen Wertes zugrunde zu legen war2; eine Abweichung wurde im Hinblick auf die Gleichmäßigkeit der Besteuerung nur zugelassen, wenn es zu nicht tragbaren Schätzungsergebnissen führte3. Die Anwendung des Stuttgarter Verfahrens führte zu einer systematischen Unterbewertung von Geschäftsanteilen gegenüber ihrem Verkehrswert; als Daumenregeln konnte angenommen werden, dass die Bewertung von Geschäftsanteilen renditestarker Unternehmen nur etwa 60 % des Verkehrswertes erreichte, bei renditeschwachen Unternehmen sogar eher nur 50 % des Verkehrswertes4. Das BVerfG kam deshalb zu dem Ergebnis, dass das Stuttgarter Verfahren eine „den gemeinen Wert strukturell verfehlende Bewertung“ darstelle, die auf „realitätsfernen Ausgangsparametern“ beruhe5. Der Gesetzgeber hat dem mit der Reform des Erbschaftsteuerrechts Rechnung getragen, weshalb sich das Stuttgarter Verfahren „erledigt hat“6. Maßgeblich ist nunmehr das vereinfachte Ertragswertverfahren der §§ 199 ff. BewG, demzufolge sich der Anteilswert aus dem zukünftig nachhaltig erzielbaren Jahresertrag multipliziert mit einem Kapitalisierungsfaktor (vgl. § 203 BewG: Basiszinssatz [für 2012: 2,44 %] erhöht durch Risikozuschlag von 4,5 %) und quotaler Aufteilung dieses Ergebnisses nach Beteiligungsverhältnis ergibt7. Dies kann zu nach Marktgesichtspunkten überhöhten Werten führen8; führt dieses Verfahren umgekehrt zu einem Ergebnis, das unter dem Substanzwert liegt, ist jener als Bemessungsgrundlage heranzuziehen (§ 11 Abs. 2 Satz 3 BewG). Gesellschaftsvertragliche Abfindungsklauseln, die Bezug auf das frühere Stuttgarter Verfahren nehmen, sind durch Auslegung dahingehend zu überprüfen, ob sie eine statische oder dynamische Verweisung auf das Ermittlungsverfahren für den gemeinen Wert eines Anteils beinhalten9. Auch für ertragsteuerliche Zwecke nutzt die Finanzverwaltung nicht mehr das Stuttgarter Verfahren10, sondern zum einen ein sich am IDW S1 (Rdnr. 12b) orientierendes Ertragswertverfahren, das in einem „Leitfaden zur Bewertung von 1 Nachweise bei BVerfG, NJW 2007, 573, 584. 2 BFH, BStBl. II 1975, 374; BFH, BStBl. II 1976, 238; BFH, BStBl. II 1980, 405, 407; BFH, BStBl. II 1990, 493; BFH, BStBl. II 1993, 268, 269; BFH, BStBl. II 1994, 9 st. Rspr. 3 BFH, BStBl. II 1974, 626; BFH, BStBl. II 1975, 374; BFH, BStBl. II 1976, 238; BFH, BStBl. II 1982, 8, 9; BFH, BStBl. II 1994, 505, 507. 4 Vgl. Mannek, NWB 2005, 941, 950 = Fach 9, 2787, 2796; vgl. auch Vorlagebeschluss BFH, BStBl. II 2002, 598: Stuttgarter Verfahren erreicht Substanzwert nur zu zwei Drittel. 5 BVerfG, NJW 2007, 573, 584. 6 Leitzen, RNotZ 2009, 315, 316; Schulte/Birnbaum/Hinkers, BB 2009, 300, 301; Oppenländer, in: Oppenländer/Trölitzsch, Praxishdb. der GmbH-Geschäftsführung, 2. Aufl. 2011, § 9 Rdnr. 44. 7 Leitzen, RNotZ 2009, 315, 316; Oppenländer, in: Oppenländer/Trölitzsch, Praxishdb. der GmbH-Geschäftsführung, 2. Aufl. 2011, § 9 Rdnr. 44. 8 Vgl. Leitzen, RNotZ 2009, 315 ff.; Oppenländer, in: Oppenländer/Trölitzsch, Praxishdb. der GmbH-Geschäftsführung, 2. Aufl. 2011, § 69 Rdnr. 44. 9 OLG Naumburg, 2 U 14/06, BeckRS 2007, 00361; im Zweifel dynamische Verweisung; dazu ausf. Leitzen, RNotZ 2009, 315, 321. 10 Anwendung erfolgte nur bis zum 12.12.2006 (SEStEG); vgl. Rössler/Troll, 15. Aufl. 2011, § 11 BewG Rdnr. 73.

Seibt

901

§ 14

Einlagepflicht

(Anteilen an) Kapitalgesellschaften für ertragssteuerliche Zwecke“ zusammengefasst ist1, und zum anderen das vereinfachte Ertragswertverfahren (s. oben) im Gleichlautenden Erlass der obersten Finanzbehörden der Länder „zur Umsetzung des Gesetzes zur Reform des Erbschaftsteuer- und Bewertungsrechts vom 17.5.20112.

III. Rechte und Pflichten der Gesellschafter im Allgemeinen Schrifttum: Baltzer, Die gesellschaftliche Treupflicht im Recht der AG und GmbH, Diss. Freiburg 1967; Baumgärtner, Rechtsformübergreifende Aspekte der gesellschaftlichen Treuepflicht im deutschen und angloamerikanischen Recht, 1990; Bopp, Die Informationsrechte des GmbH-Gesellschafters, 1991; Cohn, Der Grundsatz der gleichmäßigen Behandlung aller Mitglieder im Verbandsrecht, AcP 132 (1932), 129; Dreher, Die gesellschaftsrechtliche Treuepflicht bei der GmbH, DStR 1993, 1632; Ebenroth, Die Kontrollrechte der GmbH-Gesellschafter – eine methodische Studie zur GmbH-Reform, 1971; Ebenroth, Die Geschäftsführerkontrolle durch den GmbHGesellschafter nach geltendem und künftigem Recht, 1972; von Falkenhausen, Verfassungsrechtliche Grenzen der Mehrheitsherrschaft nach dem Recht der Kapitalgesellschaften, 1967; R. Fischer, Die Grenzen bei der Ausübung gesellschaftlicher Mitgliedschaftsrechte, NJW 1954, 777; Flume, Die juristische Person, 1983; Gadow, Die Sonderrechte der Körperschaftsmitglieder, Gruch. 66, 514; Grunewald, Einsichts- und Auskunftsrecht des GmbH-Gesellschafters nach neuem Recht, ZHR 146 (1982), 211; Grüter, Gleichbehandlung im Gesellschaftsrecht, Diss. Köln 1959; Henze, Treuepflichten der Gesellschafter im Kapitalgesellschaftsrecht, ZHR 162 (1998), 186; A. Hueck, Der Treuegedanke im modernen Privatrecht, 1947; G. Hueck, Der Grundsatz der gleichmäßigen Behandlung im Privatrecht, 1958; Immenga, Die personalistische Kapitalgesellschaft, 1970; Kipp, Körperschaftliche Rechtsverhältnisse, IherJ 35, 319; Kipp, Bindung von Rechtsmacht durch Treuepflichten, in: FS 100 Jahre GmbHG, 1992, S. 189; Ivens, Das Fördergebot des GmbH-Gesellschafters, GmbHR 1988, 249; Kühn, Die Minderheitsrechte in der GmbH und ihre Reform, 1964; M. Lehmann, Die ergänzende Anwendung von Aktienrecht auf die GmbH, 1970; Less, Der Begriff der Sonderrechte nach § 35 BGB, Diss. Göttingen 1928; Lutter, Rechtsverhältnisse zwischen den Gesellschaftern und der Gesellschaft, in: Probleme der GmbH-Reform, 1970, 63; Lutter, Theorie der Mitgliedschaft, AcP 180 (1980), 84; Lutter, Treuepflichten und ihre Anwendungsprobleme, ZHR 162 (1998), 164; Markowitsch, Das Problem der Sonderrechte der Körperschaftsmitglieder, Diss. Berlin 1910; Martens, Mehrheits- und Konzernherrschaft in der personalistischen GmbH, 1970; Martens, Die GmbH und der Minderheitenschutz, GmbHR 1984, 265; Martens, Grundlagen und Entwicklung des Minderheitenschutzes in der GmbH, in: FS 100 Jahre GmbHG, 1992, S. 607; Müller-Erzbach, Das private Recht der Mitgliedschaft als Prüfstein eines kausalen Rechtsdenkens, 1948; Obermüller, Die Minderheitsrechte in der GmbH, DB 1967, 1971; Ott, Recht und Realität der Unternehmenskorporation, 1977; Paschke, Treuepflichten im Recht der juristischen Person, in: FS R. Serick, 1992, S. 313; Raiser, Der Gleichheitsgrundsatz im Privatrecht, ZHR 111 (1948), 75; Raiser, Das Unternehmen als Organisation, 1969; Raiser, Die Treuepflichten im GmbH-Recht als Beispiel der Rechtsfortbildung, ZHR 151 (1987), 422; Regelsberger, Entziehbare und unentziehbare Rechte der Mitglieder einer Corporation, SeuffBl. 60, 1; Roitzsch, Der Minderheitenschutz im Verbandsrecht, 1981; Rücker, Die Entziehung von Sonderrechten eines GmbH-Gesellschafters wegen 1 Leitfaden der OFD Münster/Rheinland v. 15.7.2007 (abrufbar unter: www.ofdmuenster.de), nicht aufgehoben. 2 BStBl. I 2011, 606; vgl. auch BMF-Schreiben vom 22.9.2011 betr. Bewertung von Unternehmen und Anteilen an Kapitalgesellschaften; Anwendung der bewertungsrechtlichen Regelungen für ertragsteuerliche Zwecke, BStBl. I 2011, 859.

902

Seibt

§ 14

Einlagepflicht

missbräuchlicher Rechtsausübung, Diss. München 1969; Rückersberg, Minderheitenschutz bei der GmbH, HansGRZ 1940, A, 205; Schäfer, Der stimmrechtslose GmbH-Geschäftsanteil, 1997; Schäfer, Stimmrechtslose Anteile in der GmbH, GmbHR 1998, 113 u. 168; H. M. Schmidt, Die gegenseitige Treupflicht der GmbHGesellschafter, GmbHR 1960, 137; U. Schmidt, Die Mitgliedschaft in Verbänden, 1989; F. Scholz, Die Rechte eines Minderheitengesellschafters in der GmbH, GmbHR 1955, 36; A. Schultze, Organschaftsrechte als Sonderrechte, IherJ 75, 455; A. Teichmann, Gestaltungsfreiheit in Gesellschaftsverträgen, 1970; Teichmann, Rechte des Einzelnen und Befugnisse der Minderheit, in: GmbH-Reform, 1970, S. 59; Waldenberger, Sonderrechte der Gesellschafter einer GmbH – ihre Arten und ihre rechtliche Behandlung, GmbHR 1997, 49; Wieacker, Zur rechtstheoretischen Präzisierung des § 242 BGB, 1956; Wiedemann, Zu den Treuepflichten im Gesellschaftsrecht, in: FS Heinsius, 1991, S. 949; Winkler, Die Lückenausfüllung des GmbH-Rechts durch das Recht der Personengesellschaften, 1967; M. Winter, Mitgliedschaftliche Treuebindungen im GmbH-Recht, 1988; Wolany, Rechte und Pflichten der Gesellschafter einer GmbH, 1964; Wohlleben, Informationsrechte des Gesellschafters, 1989; Ziemons, Die Haftung der Gesellschafter für Einflussnahme auf die Geschäftsführung der GmbH, 1996; Zöllner, Die Schranken mitgliedschaftlicher Stimmrechtsmacht bei den privatrechtlichen Personenverbänden, 1963. Weitere Lit.-Nachw. oben vor Rdnr. 2.

1. Gesellschaftsrechtliche und schuldrechtliche Rechte und Pflichten a) Gesellschaftsrechtliche Rechte und Pflichten Gesellschaftsrechtlich sind alle nach Gesetz oder Satzung aus dem Gesell- 14 schaftsverhältnis sich ergebenden Rechte und Pflichten der Mitglieder. Die übliche Einteilung in Verwaltungsrechte (z.T. enger Organschafts-, Herrschafts- oder Teilhaberechte genannt) und Vermögensrechte (auch als Wertrechte bezeichnet) erfasst sie nur unvollständig, z.B. lässt sich das statutarische Wettbewerbsverbot oder die statutarische Zustimmungsbefugnis zur Anteilsveräußerung (s. § 15 Rdnr. 126) in keine der beiden Gruppen einordnen. Geeigneter scheint deshalb die Unterscheidung nach der personen- und vermögensrechtlichen Seite der Mitgliedschaft1, die die Mitgliedschaftsrechte im Gegensatz zu anderen Einteilungen umfassend und ohne Überschneidungen erfasst, dabei allerdings eine unzureichende funktionelle Kennzeichnung in Kauf nimmt. Der personenrechtliche Bereich umfasst insbesondere die Mitverwaltungsrechte i.e.S. (z.B. die Rechte auf Einberufung u. Teilnahme an sowie auf Anhörung in Gesellschafterversammlungen, das Stimmrecht, das Anfechtungsrecht, besondere Zustimmungsrechte zu Gesellschaftsangelegenheiten, das Recht auf Geschäftsführeramt), das Austrittsrecht aus wichtigem Grund (s. Anh. § 34 Rdnr. 6 ff.), die Informationsund Kontrollrechte (z.B. das Auskunfts- und Einsichtsrecht, das Recht auf Mitgliedschaft im Aufsichtsrat oder zur Entsendung eines Aufsichtsratsmitglieds) sowie die Treuepflichten (Rdnr. 50 ff.) und Wettbewerbsverbote (Rdnr. 59). Vermögensrechtlich sind vor allem die Beitragspflichten (Leistung des Geschäfts-

1 Wiedemann, S. 32 ff.; dem folgend Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 55 ff.; ähnlich Raiser, in: Ulmer, Rdnr. 22; vgl. auch Reichert/Weller, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 77 ff. Über weitere Einteilungen vgl. Teichmann, S. 143 f. (Mitverwaltungsrechte u. einfache Mitgliedschaftsrechte), Karsten Schmidt, GesR, § 19 III 3c (Teilhaberechte, Schutzrechte u. Vermögensrechte), Wolany, S. 155, 162 ff., Müller-Erzbach, S. 207 ff. (gemeinnützige Mitgliedschaftsrechte, selbstnützige Mitgliedschaftsrechte, Sonderrechte).

Seibt

903

§ 14

Einlagepflicht

anteils, Nachschüsse oder sonstige Beitragsleistungen nach § 3 Abs. 2, z.B. eine Darlehensgewährung), das Bezugsrecht (s. 10. Aufl., § 55 Rdnr. 41 ff.), die Beteiligung am Jahresüberschuss, Haftungspflichten aus §§ 24, 31 Abs. 3, Nebenleistungspflichten gemäß § 3 Abs. 2 und die Beteiligung am Liquidationsüberschuss zu nennen. Die gesellschaftlichen Rechte und Pflichten sind Bestandteil der Mitgliedschaft und gehen, sofern der Gesellschaftsvertrag nicht zulässigerweise eine Ausnahme macht oder diese sich aus der Natur des Rechts oder der Pflicht ergibt (s. § 3 Rdnr. 80; § 15 Rdnr. 16, 32), auf den Anteilserwerber über. Die gesonderte Abtretung einzelner Mitgliedschaftsrechte an Dritte ist nur bei bestimmten Ansprüchen vermögensrechtlicher Art statthaft (vgl. Rdnr. 39a und § 15 Rdnr. 20 f.). Eine befreiende Schuldübernahme ist für gesellschaftliche Pflichten unzulässig; bei Nebenleistungspflichten vermögensrechtlicher Art aus § 3 Abs. 2 erfordert die Entlassung des Gesellschafter-Schuldners eine Satzungsänderung (über Erlöschensgründe vgl. § 3 Rdnr. 87). b) Schuldrechtliche Rechte und Pflichten 15

Schuldrechtlich sind Rechte und Pflichten, die begründet werden durch Vereinbarungen zwischen den Gesellschaftern persönlich (s. § 3 Rdnr. 114 ff.). Solche Vereinbarungen können unterschiedliche Inhalte haben, z.B.: Einigung über die Bestellung einer bestimmten Person zum Geschäftsführer oder Aufsichtsratsmitglied; Verpflichtung, in einer bestimmten Angelegenheit in bestimmtem Sinne zu stimmen; Zusicherung von Büroräumen; Darlehensversprechen usw. (s. dazu § 3 Rdnr. 117). Auch eine Innengesellschaft bürgerlichen Rechts kann für solche Zwecke gegründet werden1. Die Vereinbarungen sind nicht nach GmbH-Recht, sondern nach allgemeinem bürgerlichen Recht zu behandeln. Der Umstand, dass die Beteiligten zugleich Gesellschafter der GmbH sind und die Vereinbarung sich auf diese bezieht, kann zwar für deren Auslegung nach §§ 133, 157 BGB und für die Bewirkung der Leistung nach § 242 BGB bedeutsam sein, ändert aber an ihrem besonderen Charakter nichts. Die gesellschaftsrechtliche Treuepflicht aus der Mitgliedschaft in der GmbH ist auf diese Leistungsbeziehung nicht anwendbar; möglich ist u.U. aber, dass die Gesellschafter durch nebenvertragliche Bestimmungen gegen ihre Pflichten in der GmbH verstoßen (über Abreden sog. verdeckter Sacheinlagen vgl. § 19 Rdnr. 116 ff.). Die Verletzung der nebenvertraglichen Pflichten zieht grundsätzlich nur Rechtsfolgen unter den Beteiligten, z.B. Schadensersatzansprüche nach §§ 280 ff. BGB, nicht aber für das Gesellschaftsverhältnis nach sich, bildet also im Allgemeinen auch keinen wichtigen Grund für einen Gesellschafterausschluss (Anh. § 34 Rdnr. 25 ff.). Auch die Anfechtung eines Gesellschafterbeschlusses lässt sich, selbst wenn alle Gesellschafter an der Vereinbarung beteiligt sind2, nicht aus der abredewidrigen Stimmrechtsausübung herleiten (Trennungstheorie)3, sofern sie nicht zugleich 1 Vgl. Baumann/Reiß, ZGR 1989, 157, 200 f.; Joussen, Gesellschafterabsprachen neben Satzung und Gesellschaftsvertrag, 1995, S. 59 ff.; Ulmer, in: Ulmer, § 3 Rdnr. 112. 2 Abw. insoweit BGH, GmbHR 1983, 196; BGH, NJW 1987, 1890, 1891. 3 Vomhof, GmbHR 1984, 181 f.; Ulmer, NJW 1987, 1851, 1852; Ulmer, in: Ulmer, § 3 Rdnr. 123 ff.; M. Winter, S. 51 f.; M. Winter, ZHR 154 (1990), 259, 268 ff.; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, § 47 Rdnr. 20; Reichert/Weller, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 68; Roth, in: Roth/Altmeppen, § 47 Rdnr. 124; Schiessl, in: MünchHdb. III, § 31 Rdnr. 8; wie BGH (vorige Fn.) im Erg. aber Happ, ZGR 1984, 168, 175; Zöllner, in: Baumbach/

904

Seibt

§ 14

Einlagepflicht

die gesellschaftliche Bindung verletzen. Solche Verträge wirken auf die GmbH nur dann ein, wenn sie als Verträge zu Gunsten Dritter, hier der GmbH, i.S. des § 328 BGB anzusprechen sind1, bleiben aber auch dann schuldrechtlicher Art (Rdnr. 16). Die Rechte und Pflichten aus der Vereinbarung gehen nicht ohne weiteres mit dem Geschäftsanteil auf den Erwerber über, sondern bedürfen der besonderen Abtretung bzw. Schuldübernahme (§§ 398, 414 f. BGB), es sei denn, es liegt eine Gesamtrechtsnachfolge des Erwerbers vor2. Nichtgesellschaftsrechtliche Leistungspflichten können auch zwischen der 16 GmbH und ihren Gesellschaftern bestehen. Sie können wie mit einem Dritten durch ein gesondertes Rechtsgeschäft begründet werden, aber auch als sog. unechter Satzungsbestandteil bereits im Gesellschaftsvertrag enthalten sein, wenn dessen Auslegung ergibt, dass die betreffende Bestimmung nicht die Gesellschafterstellung des Berechtigten oder Verpflichteten als solche regeln soll (Näheres zur Abgrenzung vgl. § 3 Rdnr. 102 ff., insbes. 107 f.). Die sog. Drittgeschäfte mit den Gesellschaftern unterliegen grundsätzlich nicht dem Gesellschaftsrecht3, sondern auf sie sind die jeweils relevanten allgemeinen Vorschriften anwendbar. Die schuldrechtliche Natur des Rechtsgeschäfts ändert sich nicht schon deswegen, weil die Gesellschafterstellung für sein Zustandekommen oder die vereinbarten Konditionen erheblich war, aber für den Vertragsabschluss gelten dann der Gleichbehandlungsgrundsatz (Rdnr. 40) sowie die gesellschaftliche Treuepflicht (Rdnr. 50)4, und bei der Vertragsabwicklung darf im Rahmen des § 242 BGB die Sonderverbindung zur Gesellschaft nicht unberücksichtigt bleiben. Die Gesellschafter stehen im Übrigen mit ihren Gläubigerforderungen aus besonderen schuldrechtlichen Geschäften grundsätzlich einem Dritten gleich (daher die übliche Bezeichnung als Drittgeschäfte). Die Doppelrolle als Gesellschafter und Gläubiger wird aber ausnahmsweise bei der rechtlichen Behandlung von Darlehensrückgewähransprüchen oder ihnen wirtschaftlich entsprechende Forderungen aus anderen Geschäften, z.B. Kaufpreisforderungen bei ungewöhnlichem Zahlungsziel oder bei Stundung (s. 10. Aufl., §§ 32a, 32b Rdnr. 120 ff.), oder von Gesellschaftersicherheiten nach §§ 39 Abs. 1 Nr. 5, 135 InsO, § 6 AnfG bedeutsam5. Die in der äußeren Form eines Drittgeschäfts erscheinenden Rechtsgeschäfte können auch in anderen Fällen einen gesellschaftsrechtlichen Gehalt haben, z.B. bei der Vereinbarung einer unverhältnismäßig hohen Gegenleistung der GmbH beim Kauf, die teilweise als verdeckte Gewinnausschüttung oder verbotene Stammkapitalrückzahlung zu werten ist und daher den entsprechenden gesell-

1 2 3 4 5

Hueck, § 47 Rdnr. 117 f.; Karsten Schmidt, 10. Aufl., § 45 Rdnr. 116 u. 10. Aufl., § 47 Rdnr. 53; Noack, Gesellschaftervereinbarungen, 1994, S. 162 ff.; Joussen, S. 146 ff. Eine Ausnahme gilt nur für den Fall des Rechtsmissbrauchs (vgl. M. Winter, S. 277 f. m.w.N.). BGH, GmbHR 1993, 214, 215; a.A. offenbar OLG Nürnberg, BB 1981, 1293. Ulmer, in: Ulmer, § 3 Rdnr. 116 m.w.N. Vgl. BGH, ZIP 1988, 1117, 1118 (zur gesellschafterlichen Treuepflicht). Gl.M. Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 12; Schiessl, in: MünchHdb. III, § 31 Rdnr. 8. Entgegen der auch im Ergebnis bedenklichen Entscheidung des OLG Hamburg, ZIP 1985, 1390, 1391 bleibt aber auch ein diesen Vorschriften unterliegender Rückgriffsanspruch eines Gesellschafterbürgen ein Drittgläubigerrecht, da er nur gegenüber Forderungen anderer Drittgläubiger, nicht aber gegenüber Gesellschafteranspüchen zurückgesetzt wird.

Seibt

905

§ 14

Einlagepflicht

schaftsrechtlichen Vorschriften unterliegt (s. § 29 Rdnr. 115 ff., § 30 Rdnr. 25 ff.). Es kann im Einzelfall auch eine Umgehung der gesetzlichen Vorschriften vorliegen, z.B. bei Vereinbarungen einer verdeckten Sachgründung mittels eines Kaufgeschäfts (s. § 19 Rdnr. 116 ff.). c) Gläubigerrechte 17

Sog. Gläubigerrechte der Gesellschafter nehmen eine Mittelstellung ein zwischen den gesellschaftsrechtlichen und den schuldrechtlichen Rechten und Pflichten. Sie sind von den sog. Drittgläubigerrechten der Gesellschafter zu unterscheiden, die auf Rechtsgeschäften beruhen, die ein Gesellschafter wie ein Dritter mit der GmbH abgeschlossen hat, z.B. aus Verkauf, Vermietung von Räumen, Darlehenshingabe (falls nicht etwa eine gesellschaftsrechtliche Nebenleistungspflicht i.S. des § 3 Abs. 2 hierzu bestand), und die ihnen deshalb grundsätzlich dieselbe Rechtsstellung gewähren (Rdnr. 16). Dagegen sind Gläubigerrechte der Gesellschafter solche, die dem Gesellschaftsverhältnis (Rdnr. 14) entstammen und zu einem Gläubigerrecht geworden sind, aber ihren gesellschaftsrechtlichen Sinngehalt behalten haben, z.B. dem Gleichbehandlungsgrundsatz (Rdnr. 40 ff.) und der besonderen Treuebindung des Gesellschafters (Rdnr. 50 ff.) weiter unterliegen, wodurch sie sich von reinen Gläubigerrechten (Drittgläubigerrechten) unterscheiden1. Hierher gehören: Ansprüche der Gesellschafter gegen die GmbH auf Bezahlung der Lieferungen, die in Erfüllung einer gesellschaftsrechtlichen Nebenleistungspflicht (§ 3 Abs. 2) erfolgt waren; das aus dem Gewinnverteilungsbeschluss der Gesellschafter (§ 46 Nr. 1) entspringende Gläubigerrecht des einzelnen Gesellschafters auf die Gewinnquote; Anspruch des einzelnen Gesellschafters auf Anteil am Liquidationserlös (§ 72).

2. Allgemeine Mitgliedschaftsrechte und Sonderrechte (Sonderpflichten) a) Grundlagen 18

Allgemeine Mitgliedschaftsrechte sind solche, die allen Gesellschaftern gleichmäßig zustehen; Sonderrechte sind dagegen die einzelnen Gesellschaftern oder Gruppen von Gesellschaftern statutarisch eingeräumten mitgliedschaftlichen Vorrechte (Rdnr. 19). Für Sonderrechte spricht § 35 BGB (den Verein betreffend) den auch für die GmbH geltenden2 Grundsatz aus: „Sonderrechte eines Mitglieds können nicht ohne dessen Zustimmung durch Beschluss der Mitgliederversammlung beeinträchtigt werden.“ Damit ist entgegen einer früher häufig vertretenen Meinung keine Begriffsbestimmung gegeben, sondern nur an das Bestehen eines Sonderrechts eine Rechtsfolge geknüpft. Es gibt daneben auch allgemeine Mitgliedschaftsrechte, auf die jene Rechtsfolge ebenfalls zutrifft oder die darüber hinausgehend selbst mit Zustimmung des Gesellschafters nicht entziehbar sind (Rdnr. 32 ff.). Die Unentziehbarkeit richtet sich in diesen Fällen aber nach anderen, unter sich und im Vergleich mit den Sonderrechten nicht auf 1 Vgl. Wiedemann, S. 292 ff.; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 12 a.E.; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 15; Raiser, in: Ulmer, Rdnr. 40; Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 54; Schiessl, in: MünchHdb. III, § 31 Rdnr. 9. 2 RGZ 80, 389; RGZ 159, 281; RGZ 170, 368; BGHZ 48, 143; BGH, GmbHR 1962, 212; BGH, NJW 1969, 131; BGH, WM 1989, 250, 252; Ullrich, ZGR 1985, 235, 242.

906

Seibt

§ 14

Einlagepflicht

einen einheitlichen Regelungsgesichtspunkt zurückzuführende Kriterien1. Verwandt sind die Gründe der Unentziehbarkeit allerdings für Sonderrechte und für die Gruppe der kraft statutarischer Bestimmung unentziehbaren Mitgliedsrechte (Rdnr. 37) insofern, als die Eingriffsschranke aus dem Gesellschaftsvertrag sich ergibt. Eine relative Grenze für die Entziehung und Verkürzung von Mitgliedschaftsrechten bildet schließlich der Gleichbehandlungsgrundsatz (Rdnr. 40 ff.), der wie auch die gesellschaftliche Treuepflicht (Rdnr. 50 ff.) und die konzernrechtlichen Regelungen (Anh. Konzernrecht, nach § 13) einen Teil der Schutzfunktion übernommen hat, die die erwähnten früheren Lehrmeinungen in den Sonderrechtsbegriff einbezogen hatten2. b) Sonderrechte aa) Begriff Der Begriff des Sonderrechts war lange Zeit im Schrifttum außerordentlich um- 19 stritten, was nicht zuletzt auf den immer wieder hervortretenden Bestrebungen beruhte, ihn als konstruktives Mittel für einen allgemeinen Schutz von Mitgliedschaftsrechten gegen Eingriffe durch die Gesellschaftermehrheit einzusetzen. Auch das Reichsgericht nahm keinen einheitlichen Standpunkt ein: Überwiegend verstand es unter einem Sonderrecht zwar das mitgliedschaftliche Vorrecht einzelner Gesellschafter3, verwendete den Begriff aber auch in einem weiteren Sinne4. Die zuerst genannte Auffassung, die schon der Gesetzeswortlaut des § 35 BGB nahelegt, die sich auch auf die Gesetzesmaterialien5 stützen kann und die allein eine befriedigende Abgrenzung dieser Gruppe unentziehbarer Rechte ermöglicht, hat sich heute mit Recht durchgesetzt, d.h. als Sonderrechte sind nur solche Mitgliedschaftsrechte anzusehen, die einzelnen Gesellschaftern oder einer Gruppe von Gesellschaftern eine Vorzugsstellung vor

1 Vgl. dazu auch Wiedemann, GesR I, S. 357 ff. m.w.N.; unzutr. die an die Sonderrechtsdefinition O. v. Gierkes anknüpfende Erklärung von Feine, S. 273 m.N., dass die Unentziehbarkeit immer aus der Zugehörigkeit des Rechts zur Individualsphäre des Mitglieds folge. 2 Unzutr. Reuter, in: MünchKomm. BGB, 6. Aufl. 2012, § 35 BGB Rdnr. 3, wonach die historischen Funktionen des Sonderrechts „so gut wie vollständig“ auf die genannten Institutionen übergegangen sein sollen. Er verengt nicht nur den historischen Ansatz, sondern verkennt auch die gegenwärtige Schutzfunktion des Sonderrechts und übersieht – wie auch Ullrich, ZGR 1985, 235, 243 – die Entwicklung der sonstigen unentziehbaren Mitgliedschaftsrechte. 3 RGZ 49, 151; RGZ 73, 191; RGZ 104, 255 f.; RGZ 165, 133; RGZ 170, 368 u.a. 4 RGZ 49, 198, 199 (das Recht eines Versicherten, bei Abänderung von Versicherungsbedingungen die Feststellung zu beantragen, dass diese Änderung auch sein Versicherungsverhältnis betrifft); RGZ 57, 169, 174 (Herabsetzung von Invalidenrenten durch Versicherung nur bei gleichmäßiger Kürzung der Ansprüche aller Berechtigten); RGZ 68, 210, 212 („die Befugnisse, die ein Mitglied ausschließlich zu seinem eigenen Nutze hat, – Sonderrechte“); RGZ 76, 155, 156 (Recht auf Gleichberechtigung unter Altanteilsinhabern bei Kapitalerhöhung); RGZ 136, 185, 190 (Recht auf Liquidation und Auskehrung der Liquidationsquote nach Ablauf der „satzungsmäßigen Dauer“ der Gesellschaft) u.a. 5 Prot. I, 530.

Seibt

907

§ 14

Einlagepflicht

anderen gewährt1. Mit Sonderrechten ausgestattete Geschäftsanteile werden Vorzugsgeschäftsanteile genannt (Rdnr. 63). Die sog. Gläubigerrechte der Gesellschafter (Rdnr. 17) gehören dagegen nicht zu den mitgliedschaftlichen Sonderrechten. Schuldrechtliche Ansprüche einzelner Gesellschafter sind ebenfalls selbst dann nicht als „Sonderrecht“ zu bezeichnen, wenn sie in den Gesellschaftsvertrag aufgenommen worden sind (s. § 3 Rdnr. 102 f.). Es versteht sich von selbst, dass diese Vertragsrechte nicht durch Mehrheitsbeschlüsse der Gesellschafter beeinträchtigt werden dürfen. Hierzu können auch Gründervorteile gehören, die allerdings, auch wenn als persönliche, nicht gesellschaftsrechtliche Rechte gedacht, nach h.M. der Aufnahme in die Satzung bedürfen (dazu § 3 Rdnr. 100). bb) Begründung und Inhalt 20

(1) Ein Sonderrecht kann als dauernde Regelung des Gesellschaftsverhältnisses wirksam nur durch Aufnahme in den Gesellschaftsvertrag begründet werden2. Möglich ist seine Einführung bei Gründung und auch im Wege der Satzungsänderung (§ 53)3, die dann nach Maßgabe des Grundsatzes der gleichmäßigen Behandlung (der z.B. nicht verletzt ist, sofern alle Gesellschafter ein Bezugsrecht auf Vorzusgeschäftsanteile erhalten) der Zustimmung der nicht bevorrechtigten übrigen Gesellschafter bedarf4; andernfalls ist der satzungsändernde Beschluss anfechtbar (Rdnr. 47). Beeinträchtigt das vorgesehene Recht ein bestehendes unentziehbares, aber verzichtbares Recht eines anderen Gesellschafters, so ist die Satzungsänderung ohne Zustimmung des Rechtsinhabers unwirksam (Rdnr. 28, 39).

21

(2) Der Inhalt der Sonderrechte kann mitgliedschaftliche Bevorrechtigungen der verschiedensten Art betreffen. Die Beteiligten haben bei der GmbH gerade insoweit eine sehr weit gehende Gestaltungsfreiheit5, die freilich – auch abgesehen von den allgemeinen gesetzlichen Verboten (§ 134 BGB) und den Schranken der guten Sitten (§ 138 BGB) – durch einzelne zwingende Vorschriften sowie Gestaltungsprinzipien des GmbH-Rechts begrenzt wird6. Sonderrechte dürfen keinen 1 BGH, NJW 1969, 131; BGH, LM, § 50 ZPO Nr. 23; BGHZ 63, 14, 19; BGH, WM 1989, 250, 252; OLG Stuttgart, GmbHR 1974, 257; Flume, Juristische Person, S. 272; Raiser, in: Ulmer, Rdnr. 24 ff.; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 18; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 21; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 12; Pentz, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 26; Wiedemann, GesR I, S. 358 f., 380 f. u.a. 2 RGZ 79, 336; RGZ 113, 245; RGZ 165, 132; RGZ 170, 367; BGH, NJW 1969, 131; BGH, GmbHR 1982, 129; Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 82; Ullrich, ZGR 1985, 235, 240 ff. 3 RGZ 165, 132; RG, DR 1943, 1230; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 18; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 21; Raiser, in: Ulmer, Rdnr. 28; Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 82; Reichert/Weller, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 95; Schiessl, in: MünchHdb. III, § 31 Rdnr. 11, § 5 Rdnr. 17; s. auch 10. Aufl., § 53 Rdnr. 48. 4 Vgl. die in der vorigen Fn. Zitierten sowie Lutter/Timm, NJW 1982, 418; Waldenberger, GmbHR 1997, 49, 50. 5 Allg. M., früher von Reuter, in: MünchKomm. BGB, 3. Aufl. 1993, § 35 BGB Rdnr. 3, bestritten, der zu Unrecht für die sog. Satzungs-GmbH aus dem Sinn der §§ 12, 101, 139 f. AktG die Unzulässigkeit von Sonderorganschaftsrechten herleitete (mit 4. Aufl. aufgegeben). 6 Vgl. auch Waldenberger, GmbHR 1997, 49, 51.

908

Seibt

§ 14

Einlagepflicht

danach unzulässigen Gegenstand haben (z.B. entgegen § 30 eine Leistung aus dem zur Deckung des Stammkapitals erforderlichen Vermögen gewähren; s. Erl. zu § 30), nicht gegen zwingende Kompetenzvorschriften verstoßen (z.B. §§ 26 Abs. 1, 53 Abs. 1, 60 Abs. 1 Nr. 2, 66 Abs. 1 u. 3 GmbHG; §§ 5 f., 8, 12 MontanMitbestG; §§ 6 f., 13 MitbestErG v. 1956; §§ 6 f., 8, 31 MitbestG; § 1 Abs. 1 Nr. 3, § 4 Abs. 1 DrittelbG1) oder absolut unentziehbare Rechte anderer Gesellschafter (Rdnr. 32 ff.) verkürzen. Die Sonderrechte können innerhalb dieser Grenzen Vorrechte bei der Mitverwaltung gewähren, z.B. ein erhöhtes Stimmrecht (s. 10. Aufl., bei § 47 Rdnr. 11), Zustimmungs- oder Einspruchsrechte bei Gesellschafterbeschlüssen2, Weisungsrechte gegenüber der Geschäftsführung, das Recht zur Versammlungsleitung, ein Entsendungsrecht für Mitglieder des Aufsichtsrats oder eines anderen Kontrollorgans3, das Recht zur Ernennung des Geschäftsführers (s. § 6 Rdnr. 79 ff.) oder zur Geschäftsführung für sich und/oder seinen Nachfolger4. Das Recht zur Abberufung des Ernannten oder des Geschäftsführungsberechtigten aus wichtigem Grunde (§ 38 Abs. 2) kann aber nicht abbedungen werden5; eine solche Abberufung ist durch einfachen Mehrheitsbeschluss möglich, der allerdings zu beurkunden ist6. Zu beachten ist auch, dass aus der Bestellung zum Geschäftsführer im Gesell- 22 schaftsvertrag (§ 6 Abs. 3) im Zweifel nicht auf das Bestehen eines Sonderrechts geschlossen werden kann (s. dazu § 6 Rdnr. 81) und auch sonst stets zu prüfen ist, ob die Satzungsbestimmung ein Mitgliedschaftsrecht des Betreffenden begründen wollte7. Ebenso kann die Vorzugsstellung vermögensrechtlicher Art sein, z.B. einen höheren Gewinnanteil (s. § 29 Rdnr. 74), eine höhere Liquidationsquote (s. 10. Aufl., bei § 72 Rdnr. 14), ein Veräußerungserlösvorrecht (sog. Sales Preference), Benutzungsrechte an Vermögensgegenständen oder Einrichtungen der Gesellschaft, Belieferungs- oder Abnahmerechte u.ä. einräumen. Schließlich kommen auch sonstige personenrechtliche Befugnisse des Gesellschafters in Betracht, z.B. ein Zustimmungsrecht bei der Übertragung von Geschäftsanteilen8 (s. § 15 Rdnr. 122), ein Recht zur Übernahme eines anderen Geschäftsanteils (s. § 15 Rdnr. 51), besondere Auskunfts-, Einsichts- oder Prüfungsrechte u. dgl. Kein Sonderrecht ist dagegen die im Verhältnis zu den übrigen Gesellschaftern erfolgte Verschonung von Nachschuss- oder Nebenleistungspflichten9; gegen eine nachträgliche Belastung schützt aber hier § 53 Abs. 3. 1 2 3 4

5 6 7

8 9

Zu zulässigen Mitbestimmungsvereinbarungen Seibt, AG 2005, 413 ff. RGZ 169, 81; RG, SeuffA 69 Nr. 129; KG, JW 1926, 598. OLG Stuttgart, GmbHR 1999, 537, 538. RGZ 44, 99; RGZ 170, 386; RG, LZ 1908 Sp. 450; 1914 Sp. 1762; 1916 Sp. 809; BGH, GmbHR 1962, 212 f.; BGH, NJW 1969, 131; BGH, GmbHR 1973, 279; BGH, GmbHR 1982, 129; BGH, GmbHR 1988, 336; WM 1989, 250. – Formulierungsvorschläge bei Seibt, in: MünchAnwHdb. GmbH-Recht, 2. Aufl. 2009, § 2 Rdnr. 93–101. OLG Nürnberg, GmbHR 2000, 561, 562. OLG Nürnberg, GmbHR 2000, 563, 564. RGZ 170, 358, 368; Raiser, in: Ulmer, Rdnr. 28; Reichert/Weller, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 106. Formulierungsvorschläge bei Seibt, in: MünchAnwHdb. GmbHRecht, 2. Aufl. 2009, § 2 Rdnr. 93–101. RGZ 159, 280. Unzutr. Wolany, S. 177.

Seibt

909

§ 14 23

Einlagepflicht

Die Sonderrechte können auf die Dauer der Gesellschaft oder mit zeitlicher Begrenzung, für einen bestimmten Gesellschafter oder jeden Anteilsinhaber (Rdnr. 24) begründet werden. Möglich ist auch die Vereinbarung einer aufschiebenden oder auflösenden Bedingung; ein Vorrecht, das nach dem Gesellschaftsvertrag ohne Zustimmung des Berechtigten entzogen werden kann, ist aber kein auflösend bedingtes Sonderrecht, sondern ihm fehlt dessen Rechtsqualität überhaupt1. cc) Übergang des Sonderrechts mit Geschäftsanteil

24

Der neue Inhaber eines Geschäftsanteils erwirbt grundsätzlich auch die mit dem Geschäftsanteil verbundenen Sonderrechte, da sie Bestandteil der Mitgliedschaft sind2. Doch kann der Gesellschaftsvertrag ausdrücklich Gegenteiliges vorsehen oder es kann sich aus dem Zusammenhang der gesellschaftsvertraglichen Regelungen eine hinreichend klare Ausnahme ergeben: So wird z.B. ein Sonderrecht zur Geschäftsführung im Zweifel als höchstpersönliches Recht gewollt sein und deshalb beim Ausscheiden erlöschen. Von den an die Mitgliedschaft eines bestimmten Gesellschafters gebundenen Sonderrechten sind die sog. Sondervorteile zu unterscheiden3, die zwar die Zugehörigkeit des Begünstigten zur Gesellschaft bei der Begründung des Rechts durch eine Satzungsbestimmung und durch einen zusätzlichen schuldrechtlichen Vertrag voraussetzen, aber ihm unabhängig von der Mitgliedschaft persönlich zustehen, also ihm auch nach der Übertragung des Geschäftsanteils verbleiben und getrennt von diesem übertragen werden können. dd) Aufhebung und Änderung des Sonderrechts

25

(1) Für die Aufhebung oder Änderung eines Sonderrechts ist ein satzungsändernder Beschluss erforderlich (§ 53 Abs. 3).

26

(2) Außerdem ist für jede Änderung, die ein Sonderrecht beeinträchtigt (Rdnr. 28), die Zustimmung seines Inhabers erforderlich (§ 35 BGB)4. Eine Beeinträchtigung in diesem Sinne liegt nicht nur dann vor, wenn der Beschluss in das Sonderrecht direkt schmälernd eingreift, sondern es genügt vielmehr, wenn durch ihn not1 A.M. Wolany, S. 180. 2 Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 20; Raiser, in: Ulmer, Rdnr. 29; Reichert/ Weller, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 118; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 12; Pentz, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 26, 37; einschr. Wiedemann, Übertragung, S. 74 ff. u. GesR I, S. 381 f.; auf den Einzelfall abstellend: Waldenberger, GmbHR 1997, 49, 52. 3 A.M. Ulmer, in: Ulmer, § 5 Rdnr. 189, 202, der sie unter der zuletzt genannten Bezeichnung zusammenfasst und den personenunabhängigen Vorzugsrechten gegenüberstellt. Wie hier Waldenberger, GmbHR 1997, 49, 53; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, § 3 Rdnr. 46, § 5 Rdnr. 57, § 14 Rdnr. 18 f.; Reichert/Weller, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 107; Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 78; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 21, § 37 Rdnr. 10; Schiessl, in: MünchHdb. III, § 32 Rdnr. 10. 4 Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 19; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 21; Raiser, in: Ulmer, Rdnr. 30; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 12; Reichert/ Weller, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 104; Pentz, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 27; Schiessl, in: MünchHdb. III, § 31 Rdnr. 32 und unten 10. Aufl., § 53 Rdnr. 48.

910

Seibt

§ 14

Einlagepflicht

wendig nachteilige Folgen für den Berechtigten zu erwarten sind1. Die Vorschriften des § 37 Abs. 1 und 3 MitbestG, die für die ihm unterliegenden GmbH die vor seinem Inkrafttreten oder vor seiner Anwendbarkeit wirksam begründeten Sonderrechte auf Geschäftsführung (Rdnr. 20 f.) beseitigen und die darauf beruhenden Geschäftsführerstellungen jederzeit widerruflich machen, sind mit Art. 12, 14 Abs. 3 GG unvereinbar und daher verfassungswidrig2. (3) Die Zustimmung des Rechtsinhabers ist ausnahmsweise entbehrlich, wenn 27 ein wichtiger Grund für die Einschränkung oder Entziehung von Sonderrechten vorliegt3, d.h. wenn Umstände gegeben sind, die bei Abwägung der Interessen aller Beteiligten das (unveränderte) Bestehen des Sonderrechts für die Gesellschaft auf Dauer unzumutbar erscheinen lassen. Die Nichtzustimmungsbedürftigkeit der Satzungsänderung kann aber nicht, wie teilweise angenommen worden ist4, mit dem Hinweis auf die Zulässigkeit der Ausschließung aus wichtigem Grund (s. Anh. § 34 Rdnr. 25 ff.) gerechtfertigt werden. Die Einschränkung und Entziehung von Sonderrechten sind gegenüber der Ausschließung nicht einfach ein Weniger5 und nicht einmal notwendig ein „milderes Mittel“6, sondern wirken wegen der trotz Wegfall der Vorzugsstellung bestehenbleibenden Bindung des Gesellschafters an die GmbH wesentlich anders und u.U. viel einschneidender als eine Aufhebung der Mitgliedschaft. Die rechtliche Möglichkeit eines derartigen umgestaltenden Eingriffs in das Mitgliedschaftsverhältnis ergibt sich zum einen aus dem allgemeinen Grundsatz der Kündbarkeit von Dauerschuldverhältnissen aus wichtigem Grund sowie zum anderen aus der sinngemäßen Anwendung der Vorschriften über die Entziehung der Geschäftsführungsbefugnis (§ 712 Abs. 1 BGB, § 117 HGB, § 38 Abs. 2 GmbHG), demzufolge der Gesellschafter unter Aufrechterhaltung seiner Bindung selbst den Verlust einer sonst gesicherten wesentlichen mitgliedschaftlichen Einzelbefugnis aus wichtigem

1 RG, WarnRspr. 1918 Nr. 133; Reuter, in: MünchKomm. BGB, 6. Aufl. 2012, § 35 BGB Rdnr. 9; Heinrichs, in: Palandt, § 35 BGB Rdnr. 5; Raiser, in: Ulmer, Rdnr. 30; Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 86; Waldenberger, GmbHR 1997, 49, 54. 2 Eb. Ballerstedt, ZGR 1977, 133, 157 f.; Zöllner, ZGR 1977, 320 f.; Raiser, in: Ulmer, Rdnr. 30; Hoffmann/Lehmann/Weinmann, MitbestG, 1978, § 37 Rdnr. 62; differenzierend Ulmer/Habersack, in: Ulmer/Habersack/Henssler, Mitbestimmungsrecht, 2. Aufl. 2006, § 37 MitbestG Rdnr. 36 f.; jetzt offen Raiser/Veil, 5. Aufl. 2009, § 37 MitbestG Rdnr. 2; a.M. Koberski, in: Wlotzke/Wißmann/Koberski/Kleinsorge, MitbestG, 4. Aufl. 2011, § 37 Rdnr. 35; Fabricius, in: Gemeinschafts-Komm. z. MitbestG, 1976 ff., § 37 Rdnr. 69 ff. 3 OLG Düsseldorf, WM 1990, 265; H. M. Schmidt, GmbHR 1960, 137, 139; Wolany, S. 180 f.; Rücker, S. 90 ff.; Raiser, in: Ulmer, Rdnr. 31; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/ Hueck, Rdnr. 19; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 21; Flume, Juristische Person, S. 192; Pentz, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 35; Schiessl, in: MünchHdb. III, § 31 Rdnr. 32. 4 So Schilling, in: Hachenburg, 7. Aufl. 1975, Rdnr. 11. 5 So Schilling, in: Hachenburg, 7. Aufl. 1975, Rdnr. 11; Pentz, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 28. 6 So Rücker, S. 100; Schilling, in: Hachenburg, 7. Aufl. 1975, Rdnr. 11; Pentz, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 28; dagegen mit Recht Hueck/Fastrich, in: Baumbach/ Hueck, Rdnr. 19; Reichert/Weller, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 110 ff.; Raiser, in: Ulmer, Rdnr. 32; Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 88; Waldenberger, GmbHR 1997, 49, 54.

Seibt

911

§ 14

Einlagepflicht

Grunde im Interesse der Gesellschaft hinnehmen muss1. Bei der GmbH steht das Sonderrecht auf Geschäftsführung nach § 38 Abs. 2 überdies stets unter dem Vorbehalt des wichtigen Grundes2. Die Vorschrift ermächtigt die Gesellschafterversammlung zwar nicht zur Aufhebung des Sonderrechts, sondern gestattet nur den keine Satzungsänderung voraussetzenden3 Eingriff durch Abberufung, führt aber, wenn der wichtige Grund nicht nur vorübergehender Natur ist und deshalb eine (Wieder-)Bestellung4 nicht mehr verlangt werden kann, zur Unmöglichkeit des statutarischen Rechts auf Geschäftsführung; das Zustimmungserfordernis zu der das Sonderrecht streichenden Satzungsänderung entfällt deshalb in diesem Fall auch mangels eines berechtigten Interesses. Für andere Sonderrechte fehlt es zwar an einer ausdrücklichen gesetzlichen Regelung der Rechtsfolgen des Eintritts eines wichtigen Grundes, aber die durch jene Vorschriften eröffnete Möglichkeit der Einschränkung oder Entziehung einer mitgliedschaftlichen Einzelbefugnis muss auf Grund desselben Rechtsgedankens ebenfalls für andere Vorrechte bei der Mitverwaltung (Rdnr. 21), aber auch für solche vermögensrechtlicher Art, insbesondere Abnahme- und Lieferungsrechte des Mitglieds (Rdnr. 22), gelten, wobei die bei der Zumutbarkeitsprüfung erforderliche Abwägung jeweils die besondere Natur des Rechts und seine Bedeutung sowohl für die GmbH als auch für den Gesellschafter berücksichtigen muss. Sind mildere Mittel als die dauernde oder vollständige Rechtsverkürzung vorhanden, gehen diese in allen Fällen vor (z.B. Verringerung einer Vorzugsdividende). Das kann, wie bereits erwähnt, im Einzelfall auch die Ausschließung sein, die (nur) dann vorgenommen werden darf5. Der wichtige Grund ersetzt im Übrigen nur das Zustimmungserfordernis des Betroffenen, macht aber den satzungsändernden Gesellschafterbeschluss (Rdnr. 25) nicht überflüssig6. Der Berechtigte hat in diesem Fall kein Stimmrecht (§ 47 Abs. 4)7. Ein gerichtliches Gestaltungsurteil ist nicht erforderlich8.

1 Raiser, in: Ulmer, Rdnr. 31 stützt die Zulässigkeit der Entziehung aus wichtigem Grunde auf eine Rechtsanalogie zu den § 712 Abs. 1 BGB, §§ 117, 127, 140 HGB, § 38 Abs. 2 GmbHG; ebenso Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 87; Waldenberger, GmbHR 1997, 49, 54 bezieht sich zusätzlich auf die gesellschafterliche Treuepflicht. 2 RGZ 170, 368; RG, LZ 1908, 450; RG, LZ 1914, 1762; RG, LZ 1919, 596, 703; BGH, GmbHR 1962, 212; BGH, NJW 1969, 131; BGH, GmbHR 1983, 149, 150. 3 Unzutr. OLG Hamburg, GmbHR 1954, 188; wie hier Raiser, in: Ulmer, Rdnr. 32; Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 90. 4 Vgl. dazu OLG Frankfurt, GmbHRspr. II R. 11. 5 Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 19; Raiser, in: Ulmer, Rdnr. 32; abw. Reuter, in: MünchKomm. BGB, 6. Aufl. 2012, § 35 BGB Rdnr. 10, der immer auf die Ausschließung verweist, während Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 21 ihre Anwendbarkeit generell verneint und dem Gesellschafter, wenn eine Sonderrechtsbeeinträchtigung ihn härter trifft, ein Austrittsrecht aus wichtigem Grunde geben will. 6 Raiser, in: Ulmer, Rdnr. 32; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 19; Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 89; Schiessl, in: MünchHdb. III, § 31 Rdnr. 32; a.M. Wolany, S. 181; H. M. Schmidt, GmbHR 1960, 137, 139, die einen einfachen Gesellschafterbeschluss genügen lassen. 7 Raiser, in: Ulmer, Rdnr. 32; Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 89; Reichert/Weller, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 114. 8 Raiser, in: Ulmer, Rdnr. 32; Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 90; a.M. Rücker, S. 116 ff.

912

Seibt

§ 14

Einlagepflicht

ee) Folgen eines rechtswidrigen Eingriffs in das Sonderrecht durch Beschluss Das Sonderrecht eines Gesellschafters kann durch Gesellschafterbeschluss au- 28 ßer beim Vorliegen eines wichtigen Grundes (Rdnr. 27) nur mit seiner Zustimmung beeinträchtigt werden (§ 35 BGB). Ein Gesellschafterbeschluss, der ohne die danach erforderliche Zustimmung ein Sonderrecht verletzt, ist insoweit unwirksam1. Er ist aber nur dem Verletzten gegenüber, also relativ unwirksam2, sofern sich aus dem Beschluss nicht ergibt, dass er seinem Inhalt nach ohne die Geltung für den Zustimmungsberechtigten rechtlich nicht bestehen kann (gegenstandslos oder nicht mehr sinnvoll ist), oder wenn er erkennbar nur für den Fall seiner Beteiligung gewollt ist. Einer Anfechtungsklage gegen den Beschluss bedarf es nicht. Der Sonderberechtigte kann aber erforderlichenfalls nach § 256 ZPO auf Feststellung des Fortbestehens seines Rechts oder der Unwirksamkeit der beschlossenen Rechtsbeeinträchtigung klagen3. Ebenso kann er sonst jederzeit auf die Unwirksamkeit der Beeinträchtigung sich berufen. Der Beschluss kann andererseits nachträglich durch die Genehmigung der Berechtigten wirksam werden (§ 184 BGB), die auch durch schlüssige Handlungen erfolgen kann und so lange möglich ist, wie er seine Ablehnung noch nicht erklärt hat. Bis dahin besteht ein Schwebezustand, den die GmbH analog §§ 108 Abs. 2, 177 Abs. 2 BGB durch eine Aufforderung mit angemessener Erklärungsfrist beenden kann4. Äußert er sich nicht fristgemäß, so gilt das als Ablehnung, und der Beschluss ist endgültig unwirksam. Es ist allerdings eine neue Beschlussfassung zulässig, bei der kein Gesellschafter an seine frühere Stimmabgabe gebunden ist5. Die schuldhafte Verletzung ebenso wie die rein tatsächliche Beeinträchtigung eines Sonderrechts begründet einen Schadensersatzanspruch6. ff) Sonderpflichten Sonderpflichten müssen, wie Sonderrechte, im Gesellschaftsvertrag festgesetzt 29 sein. Hierzu gehören: Aufgeld-, Nachschuss- und sonstige Leistungspflichten einzelner Gesellschafter, Wettbewerbsverbot für einzelne, Pflicht zur Übernahme oder Beibehaltung einer Tätigkeit (z.B. als Geschäftsführer, Buchprüfer, Rechtsberater); allerdings ist zu beachten, dass Dienstleistungen nicht erzwingbar sind (§ 888 Abs. 3 ZPO)7. Auch hier ist, trotz Aufnahme in die Satzung, stets zu prüfen, ob die Verpflichtung eine schuldrechtliche und schon deshalb jedem Mehrheitsbeschluss entzogene und nicht mit dem Geschäftsanteil verbundene Pflicht ist, oder aber eine gesellschaftsrechtliche. Im letzteren Falle geht sie im Zweifel auf einen Erwerber des Geschäftsanteils des Verpflichteten über8. Ohne Zustimmung des Betroffenen kann auch durch satzungsändernden Beschluss ei1 RGZ 170, 376; BGHZ 15, 181; BGHZ 48, 143; BGH, GmbHR 1962, 212; BGH, WM 1966, 477; Raiser, in: Ulmer, Rdnr. 33; s. auch 10. Aufl., § 45 Rdnr. 54 und § 53 Rdnr. 48. 2 RGZ 170, 376; BGHZ 15, 181. 3 RG, WarnRspr. 1918 Nr. 133; BGHZ 15, 181; Raiser, in: Ulmer, Rdnr. 33. 4 Eb. Raiser, in: Ulmer, Rdnr. 33; Waldenberger, GmbHR 1997, 49, 55. 5 Eb. Raiser, in: Ulmer, Rdnr. 33. 6 RG, JW 1930, 3473; Raiser, in: Ulmer, Rdnr. 33 a.E.; Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 92. 7 Zur mangelnden Vollstreckbarkeit der Pflicht zur Geschäftsführung BGHZ 78, 82, 86; vgl. auch Schneider/Schneider, GmbHR 1980, 4, 8. 8 Raiser, in: Ulmer, Rdnr. 66; Pentz, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 26; Schiessl, in: MünchHdb. III, § 32 Rdnr. 11; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 12.

Seibt

913

§ 14

Einlagepflicht

ne Vermehrung (Erschwerung) der Sonderpflicht nicht erfolgen; ein solcher Beschluss wäre relativ unwirksam (vgl. Rdnr. 28). Dies folgt schon aus § 53 Abs. 3 (dazu auch § 180 Abs. 1 AktG) und ergibt sich auch durch Umkehrung des in § 35 BGB (Rdnr. 18) enthaltenen Rechtssatzes: Sonderpflichten eines Mitglieds können nicht ohne dessen Zustimmung durch Beschluss der Mitgliederversammlung begründet, vermehrt oder erschwert werden1. 30

Von Sonderpflichten (Rdnr. 29) sind Sonder- oder Nebenleistungspflichten i.S. des § 3 Abs. 2 zu unterscheiden: Bei jenen steht die Sonderpflicht im Gegensatz zur allgemeinen Pflicht zur Leistung der Geschäftsanteile, nicht als Sonderbelastung einzelner Gesellschafter im Verhältnis zu den anderen. Doch kann auch der letztere Fall vorliegen, wenn nämlich die Nebenleistungspflichten für einzelne Gesellschafter höher bemessen sind. c) Unentziehbarkeit allgemeiner Mitgliedschaftsrechte aa) Allgemeines

31

Es gibt kein einheitliches Kriterium, demzufolge sich bestimmen ließe, ob ein allgemeines Mitgliedschaftsrecht der Gesellschafter entzogen oder eingeschränkt werden kann2. Ebenso wenig lässt sich eine Vermutung für oder gegen eine Entziehbarkeit allgemeiner Mitgliedschaftsrechte begründen, insbesondere sind dahingehende Schlüsse aus § 53 Abs. 1 u. 2 oder aus den Spezialregelungen der § 35 BGB, § 53 Abs. 3 GmbHG nicht möglich3. Für jedes Mitgliedschaftsrecht ist vielmehr gesondert zu prüfen, ob und inwieweit das Gesetz oder der Gesellschaftsvertrag seine Entziehung ausschließen4. Nach dem Grund der Unentziehbarkeit sind die folgenden Gruppen zu unterscheiden: bb) Absolut unentziehbare (unverzichtbare) Mitgliedschaftsrechte

32

Bei den absolut unentziehbaren (unverzichtbaren) Mitgliedschaftsrechten handelt es sich um die den Gesellschaftern kraft zwingender Rechtsnormen zustehenden und deshalb weder im ursprünglichen noch im geänderten Gesellschaftsvertrag auszuschließenden oder einzuschränkenden Mitgliedschaftsrechte. Die Unentziehbarkeit beruht bei ihnen auf der Begrenzung der Satzungsautonomie (inhaltliche Gestaltungsfreiheit) und ist eine rechtspaternalistische Reaktion der Rechtsordnung auf das Phänomen begrenzter Rationalität. Hierher gehören das

1 Eb. Feine, S. 281; Zöllner, S. 111; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 12; Raiser, in: Ulmer, Rdnr. 66; Schiessl, in: MünchHdb. III, § 32 Rdnr. 11; Reichert/Weller, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 134. 2 Vgl. auch Wiedemann, GesR I, S. 363 f. 3 Abw. Schäfer, Der stimmrechtslose Geschäftsanteil, 1997, S. 171 ff., insbes. S. 176. 4 RGZ 170, 368; OLG Stuttgart, GmbHR 1974, 257, 259; Feine, S. 274; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 17; Reichert/Weller, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 84; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 16; Winter, GmbHR 1964, 251, 252; einschränkend auf sog. organschaftliche Mitgliedschaftsrechte RGZ 68, 211 f., was aber auf dem dort verwendeten zu weiten – alle selbstnützigen Mitgliedsbefugnisse umfassenden – Sonderrechtsbegriff beruht; s. dazu Rdnr. 19.

914

Seibt

§ 14

Einlagepflicht

Auskunfts- und Einsichtsrecht des Gesellschafters (§ 51a)1, das Minderheitenrecht zur Einberufung der Gesellschafterversammlung und Aufnahme von Anträgen in die Tagesordnung (§ 50)2, das Recht auf Teilnahme an und Rede in der Gesellschafterversammlung3, die Berechtigung zur Erhebung der Anfechtungsklage bei mangelhaften Gesellschafterbeschlüssen (s. 10. Aufl., bei § 45 Rdnr. 127 ff.), das Preisgaberecht bei unbeschränkter Nachschusspflicht (§ 27 Abs. 1), das Austrittsrecht aus wichtigem Grund4 (s. dazu Anh. § 34 Rdnr. 6 ff.), die Berechtigung zur Auflösungsklage nach § 61 und das Antragsrecht zur Bestellung oder Abberufung von Liquidatoren nach § 66 Abs. 2 u. 3. Dagegen sind die Rechte auf einen Gewinnanteil (§ 29) sowie auf eine Liquidationsquote (§ 72) und entgegen vereinzelt erhobener Bedenken5 auch das Stimmrecht (§ 47)6 trotz der ihnen normalerweise zukommenden Bedeutung für die Mitgliedschaft abdingbar. Unzulässig wäre allerdings der Ausschluss des Stimmrechts aller Gesellschafter, weil dadurch ein notwendiges (§§ 45 Abs. 1, 53 Abs. 1, 60 Abs. 1 Nr. 2, 66 Abs. 1) Beschlussorgan beseitigt würde. Das Zustimmungserfordernis bei Leistungsvermehrungen (§ 53 Abs. 3) kann die Satzung nicht generell ausschließen oder durch eine unbestimmte Klausel einschränken. Der Stimmrechtsausschluss berührt grundsätzlich auch nicht andere Zustimmungserfordernisse. Fraglich ist es, ob der Geschäftsanteil über die unentziehbaren Einzelrechte 33 (Rdnr. 32) hinaus zwingend weitere Mitgliedschaftsrechte gewähren muss, die, jedes für sich genommen, an sich abdingbar sind. Vielfach wird das bejaht und angenommen, dass der Gesellschaftsvertrag einem Gesellschafter nicht zugleich das Stimmrecht, das Gewinnrecht und den Liquidationserlösanteil nehmen könne7. Die Berufung darauf, dass diese Gestaltung mit dem „Wesen der GmbH“ und mit dem „Gesellschafterbegriff“ unvereinbar sei, überzeugt aber nicht; sie begründet nicht, warum überhaupt abdingbare Rechte und erst recht nicht warum gerade sie teilweise bestehen bleiben müssen. Ein Beteiligungsinteresse kann auch ohne sie gegeben sein, und die wirtschaftlichen Eintritts- und Aus1 Eb. Raiser, in: Ulmer, Rdnr. 35; Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 60; Reichert/Weller, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 84. 2 Heute ganz h.M.; anders noch RGZ 68, 212; RG, JW 1933, 2904; KG, GmbHRspr. I § 50 Nr. 1. Näheres dazu 10. Aufl., § 50 Rdnr. 6. 3 RGZ 167, 73; BGH, GmbHR 1971, 207; BGH, GmbHR 1989, 120, 121; OLG Frankfurt, GmbHR 1984, 99, 100; s. auch 10. Aufl., § 48 Rdnr. 13 ff.; einschr. Pentz, in: Rowedder/ Schmidt-Leithoff, Rdnr. 17; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 11; Zöllner, in: Baumbach/Hueck, § 48 Rdnr. 6; Reichert/Weller, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 85; Roth, in: Roth/Altmeppen, § 48 Rdnr. 3. Die grundsätzliche Zulässigkeit von sog. Vertreterklauseln wird davon nicht berührt; vgl. dazu RGZ 80, 385, 390 f.; RGZ 88, 220, 221; BGH, GmbHR 1989, 120, 121 u. Karsten Schmidt, 10. Aufl., § 48 Rdnr. 18 m.w.N. 4 BGHZ 116, 359, 360/369. 5 Brodmann, § 47 Anm. 1a und, soweit die zwingende Zuständigkeit der Gesellschafterversammlung gegeben ist, Wiedemann, GesR I, S. 369. 6 BGHZ 14, 264, 269 ff.; BGH, GmbHR 1993, 591, 592; Raiser, in: Ulmer, Rdnr. 34; Hueck/ Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 15; Reichert/Weller, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 91; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 11; Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 64; Pentz, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 17; Schäfer, Der stimmrechtslose Geschäftsanteil, 1997, S. 64 ff., 117 ff. 7 BGHZ 14, 270, 273; Feine, S. 265 f., 523; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 11; Reichert/Weller, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 92; s. auch Priester/Veil, 10. Aufl., § 53 Rdnr. 45.

Seibt

915

§ 14

Einlagepflicht

trittsbedingungen können entsprechend dem Rechteinhalt des Geschäftsanteils angepasst sein. Das GmbHG garantiert allein durch die unentziehbaren Mitgliedschaftsrechte die Mindestbedingungen einer „Teilnahme am Gesellschaftsleben“1 und gestattet im Übrigen den Gesellschaftern (§ 45 Abs. 2), die Rechtsverhältnisse der Gesellschaft nach ihrem Bedürfnis zu gestalten2. Nur wenn die Mitgliedschaft im (extremen) Ausnahmefall ohne zusätzliche Verwaltungs- oder Vermögensrechte völlig sinnentleert wäre, kann die Ausgestaltung des Geschäftsanteils unzulässig sein3. 34

Die Gesellschafterbeschlüsse, die unabdingbare Mitgliedschaftsrechte entziehen oder einschränken, sind in sinngemäßer Anwendung des § 241 Nr. 3 AktG nichtig (s. 10. Aufl., § 45 Rdnr. 73)4. Bei dementsprechenden Vereinbarungen im Gesellschaftsvertrag ist Teilnichtigkeit gegeben, die aber nach der Eintragung der GmbH in das Handelsregister (da dann § 139 BGB nicht mehr gilt) seine Rechtswirksamkeit im Übrigen unberührt lässt. cc) Relativ unentziehbare Mitgliedschaftsrechte

35

Relativ unentziehbare Mitgliedschaftsrechte sind diejenigen Mitgliedschaftsrechte, die nach Gesetz oder Gesellschaftervertrag nur mit Zustimmung des Rechtsinhabers entzogen oder eingeschränkt werden können.

36

(1) Gesetzlich ist die relative Unentziehbarkeit nur vereinzelt vorgesehen. Sie gilt vor allem für die Mitgliedschaft selbst5, die – abgesehen von der Kaduzierung (§ 21 Abs. 2) sowie der Ausschließung aus wichtigem Grund (s. Anh. § 34 Rdnr. 25 ff.) – nur mit Zustimmung des Gesellschafters entzogen werden kann; keine Ausnahme, sondern eine vorweggenommene Zustimmung ist bei der sog. Zwangsamortisation auf Grund eines vor dem Anteilserwerb statutarisch festgesetzten Einziehungstatbestandes gegeben (s. Erl. zu § 34). Die nachträgliche Einführung der Einziehungsmöglichkeit erfordert deshalb ebenfalls die Zustimmung der betroffenen Gesellschafter (s. 10. Aufl., bei § 53 Rdnr. 126). Die Veräußerlichkeit und die Vererblichkeit des Geschäftsanteils (§ 15 Abs. 1) können nach dem Sinn dieser Vorschrift ohne Zustimmung des Anteilseigners nicht nachträglich ausgeschlossen oder eingeschränkt werden, sofern der Gesellschaftsvertrag das nicht zulässt6. Unter demselben Vorbehalt gewährt § 72 Satz 1 den Ge1 RGZ 167, 73. 2 Raiser, in: Ulmer, Rdnr. 34; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 15; Wolany, S. 182, 185 f.; Teichmann, S. 145 f., 208 ff.; Schiessl, in: MünchHdb. III, § 31 Rdnr. 33; vgl. im Übrigen Schäfer, Der stimmrechtslose Geschäftsanteil, 1997, S. 130 ff. 3 Zutr. Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 15; Wicke, Rdnr. 5. 4 Vgl. Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Anh. § 47 Rdnr. 16 f.; Koppensteiner, in: Rowedder/ Schmidt-Leithoff, § 47 Rdnr. 107; Reichert/Weller, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 88; Zöllner, in: Baumbach/Hueck, Anh. § 47 Rdnr. 24; Vogel, Gesellschafterbeschlüsse und Gesellschafterversammlung, 2. Aufl. 1986, S. 207. 5 Raiser, in: Ulmer, Rdnr. 36; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 17; Flume, Juristische Person, S. 273 ff.; Wiedemann, GesR I, S. 382 ff.; Schiessl, in: MünchHdb. III, § 31 Rdnr. 33; abw. Schäfer, Der stimmrechtslose Geschäftsanteil, 1997, S. 185 ff. 6 Im Erg. eb. OLG München, GmbHR 2008, 541, das sich zudem auf die Wertungen des § 180 Abs. 2 AktG stützt; RGZ 68, 211; RG, Gruch. 60, 142; OLG Celle, GmbHR 1959, 113; s. dazu § 15 Rdnr. 108 und 10. Aufl., § 53 Rdnr. 126, 175.

916

Seibt

§ 14

Einlagepflicht

sellschaftern einen unantastbaren Anspruch auf den anteiligen Liquidationserlös1; das gilt auch bei idealem oder gemeinnützigem Gesellschaftszweck2, da aus der Belassung der Liquidationsquote hervorgeht, dass das verbleibende Vermögen nicht mehr jenen Zwecken gewidmet sein soll, eine abweichende Regelung (§ 72 Satz 2) also gerade nicht gewollt war. (2) Ebenso kann der Gesellschaftsvertrag bestimmen, dass ein Mitgliedschafts- 37 recht ohne Zustimmung des Gesellschafters nicht entziehbar sein soll. Es ist für jedes Recht durch Auslegung zu ermitteln, ob dies gewollt war3. Für das Gewinnrecht der Gesellschafter (§ 29 Abs. 1 u. 3) ist bei Erwerbsgesellschaften wegen seines die Art des Zusammenschlusses und der Beteiligung grundlegend prägenden Charakters4 in der Regel eine gewillkürte Unentziehbarkeit anzunehmen5, die aber, wenn der Gesellschaftsvertrag nicht entsprechende weiter gehende Anordnungen trifft, mittelbare Eingriffe durch satzungsändernde Mehrheitsbeschlüsse (§ 53 Abs. 2 Satz 1) innerhalb der Grenzen des Gleichbehandlungsgebots (Rdnr. 40 ff.) und der gesellschaftlichen Treuepflicht (Rdnr. 50 ff.) nicht ausschließt6. So kann z.B., wenn das im Gesellschaftsinteresse erforderlich ist, in einem sachlich vertretbaren Umfange die Bildung von Gewinnrücklagen nachträglich im Gesellschaftsvertrag bindend vorgeschrieben werden, während die Einführung eines dauernden vollständigen Ausschüttungsverbots oder die Änderung des bestehenden Gewinnverteilungsschlüssels ohne Zustimmung aller betroffenen Gesellschafter nicht möglich sind. Für das Stimmrecht ist ebenfalls anzunehmen, dass es als „Grundmitgliedsrecht“ regelmäßig als unentziehbar gewollt ist7; es kann deshalb, auch wenn der Gleichbehandlungsgrundsatz (Rdnr. 40 ff.) gewahrt ist, nicht ohne seine Zustimmung beseitigt werden, z.B. durch Heraufsetzung des für die Stimme notwendigen Betrages (§ 47 Abs. 2) über den Nennbetrag des Geschäftsanteils. Andere satzungsändernde Regelungen sind dagegen, in den allgemeinen Grenzen, ohne Zustimmung möglich8. Vorstehendes gilt unabhängig davon, ob die Gründer es bei den dispositiven gesetzlichen Gewinn- und Stimmrechtsregelungen der §§ 29, 47 belassen oder ob sie gleich lautende oder abweichende Bestimmungen in den Gesell-

1 KG, JW 1937, 2979; s. 10. Aufl., § 72 Rdnr. 14. 2 Abw. Feine, S. 286 m.w.N. 3 S. RGZ 170, 368; RG, LZ 1914, 571; OLG Karlsruhe, GmbHR 1926, 649; OLG Stuttgart, GmbHR 1974, 257; 1997, 1108. 4 BGH, WM 1976, 661; BayObLG, GmbHR 1988, 102, 103. 5 Feine, S. 282 f.; Raiser, in: Ulmer, Rdnr. 36; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 17; Pentz, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 17; Schiessl, in: MünchHdb. III, § 31 Rdnr. 33; M. Winter, S. 138 f.; Ulmer, in: Hachenburg, § 53 Rdnr. 59 u. Priester/Veil, 10. Aufl., § 53 Rdnr. 47; s. auch Teichmann, S. 152 ff.; Flume, Juristische Person, S. 274 f. 6 Vgl. dazu 10. Aufl., § 53 Rdnr. 142 sowie Ulmer, in: Ulmer, § 53 Rdnr. 127 ff.; M. Winter, S. 280 ff.; Flume, Juristische Person, S. 276; Immenga, S. 208 f. 7 Feine, S. 284, 524 f.; Raiser, in: Ulmer, Rdnr. 36; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 17 Reichert/Weller, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 91; Pentz, in: Rowedder/ Schmidt-Leithoff, Rdnr. 17; Schiessl, in: MünchHdb. III, § 31 Rdnr. 33; Priester/Veil, 10. Aufl., § 53 Rdnr. 47, 158; M. Winter, S. 138 f. 8 Problematisch u.U. aber der Übergang zu einem anderen Stimmrechtsmaßstab (s. Zöllner, S. 123 f.) und die Einführung eines Höchststimmrechts (s. 10. Aufl., § 47 Rdnr. 11).

Seibt

917

§ 14

Einlagepflicht

schaftsvertrag aufgenommen haben1. Unentziehbarkeit ist im Zweifel auch gewollt, wenn im Gesellschaftsvertrag die Liquidations- oder Abfindungsquote der Gesellschafter2 oder für den Liquidationsfall die Rückgabe der zur Verwertung nicht benötigten Sacheinlagen bestimmt ist3. Schreibt der Gesellschaftsvertrag für eine bestimmte Maßnahme, die unmittelbar die Stellung der Gesellschafter oder ein grundlegendes Strukturelement der Gesellschaft betrifft, die Zustimmung aller Gesellschafter (also nicht nur einen einstimmigen Beschluss) vor, so ist daraus im Zweifel ebenfalls zu entnehmen, dass das Zustimmungsrecht jedes Gesellschafters nur mit dessen Einverständnis entziehbar oder einschränkbar sein soll4. Weitere Umstände, die bei der Auslegung zu berücksichtigen sind, aber für sich genommen noch nicht ohne weiteres einen Schluss auf die Unentziehbarkeit zulassen, sind z.B. die Bedeutung des Rechts für die Gesellschaft und die einzelnen Gesellschafter, seine mehr oder weniger starke Eigen- oder Fremdnützigkeit5, das Sicherungsinteresse Einzelner oder aller Gesellschafter, der Gesellschaftszweck6 und die Verbandsstruktur7. 37a

Für die Umwandlung (Verschmelzung, Spaltung, Formwechsel) regeln die §§ 13 Abs. 2, 50 Abs. 2, 125 Satz 1, 193 Abs. 2, 233 Abs. 2, 252 Abs. 2 UmwG die Zustimmungserfordernisse bei der Beeinträchtigung von Sonderrechten und anderen satzungsgemäß relativ unentziehbaren Mitgliedschaftsrechten in einer übertragenden bzw. formwechselnden GmbH. Die Vorschrift des § 50 Abs. 2 UmwG erfasst nach ihrem Wortlaut und Zweck in Übereinstimmung mit dem allgemeinen Grundsatz entgegen der sich auf die missverständliche Gesetzesbegründung8 beziehenden überwiegenden Schrifttumsmeinung9 auch die mitgliedschaftlichen Vermögensrechte (z.B. auf Vorzugsdividende oder auf erhöhten Liquidationserlösanteil u.a.)10.

38

(3) Aus wichtigem Grunde können relativ unentziehbare allgemeine Mitgliedschaftsrechte ohne Zustimmung des Betroffenen durch satzungsändernden Gesellschafterbeschluss (§ 53 Abs. 1) eingeschränkt oder beseitigt werden11. Es gel1 2 3 4

5 6 7

8 9

10 11

Unzutr. Wolany, S. 187 f. u. offenbar auch RGZ 80, 389 f. Nicht aber die Anfallberechtigung Dritter; vgl. RGZ 169, 65, 82. Über die gesetzliche Liquidationsquote gemäß § 72 Satz 1 vgl. oben Rdnr. 36. OLG Stuttgart, GmbHR 1974, 257, 259; Winter, GmbHR 1964, 252; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 18; weitergehend Raiser, in: Ulmer, Rdnr. 36 ohne Rücksicht auf die Art der Maßnahme. Feine, S. 274; Winter, GmbHR 1964, 252; auch RGZ 68, 212, aber zu weitgehend. Feine, S. 274. OLG Stuttgart, GmbHR 1974, 257, 259; zu weitgehend Martens, Mehrheits- und Konzernherrschaft in der personalistischen GmbH, 1970, S. 165 ff. in Anwendung des § 53 Abs. 2 Satz 2. Abgedr. bei Schaumburg/Rödder, UmwG, UmwStG, 1995, S. 121 f. M. Winter, in: Lutter, 4. Aufl. 2009, § 50 UmwG Rdnr. 18; Bermel, in: Goutier/Knopf/ Tulloch, 2. Aufl. 2007, § 50 UmwG Rdnr. 21; Reichert, in: Semler/Stengel, 3. Aufl. 2012, § 50 UmwG Rdnr. 31; Zimmermann, in: Kallmeyer, 4. Aufl. 2010, § 50 UmwG Rdnr. 21; Simon/Nießen, in: KölnKomm. UmwG, 2009, § 50 UmwG Rdnr. 20; Mayer, in: Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht, § 50 UmwG Rdnr. 89. Zutr. Schöne, Die Spaltung unter Beteiligung von GmbH, 1998, S. 183 ff. Rücker, S. 102 ff.; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 17; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 19; Schiessl, in: MünchHdb. III, § 31 Rdnr. 33; Reichert/Weller, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 93.

918

Seibt

§ 14

Einlagepflicht

ten im Wesentlichen die oben unter Rdnr. 27 dargestellten Grundsätze, da es für die Einschränkung der Unentziehbarkeit, wie auch aus den dort u.a. sinngemäß herangezogenen §§ 712 Abs. 1 BGB, 117 HGB und aus § 38 Abs. 2 GmbHG für das Geschäftsführungsrecht folgt, keinen wertungserheblichen Unterschied macht, ob die Befugnis dem Gesellschafter als Vorrecht eingeräumt ist oder ob sie außer ihm auch den übrigen Gesellschaftern zusteht. Bei mitgliedschaftlichen Vermögensrechten wird es aber im zuletzt genannten Fall der Natur der Sache nach selten so liegen, dass der wichtige Grund nur einem Gesellschafter gegenüber eingreift, z.B. wenn dieser das allen Gesellschaftern zustehende Recht zur Verwertung eines Patents der GmbH1 ständig treuwidrig missbraucht hat. Soweit das nicht zutrifft, ist auch beim Vorliegen eines wichtigen Grundes der Grundsatz der gleichmäßigen Behandlung zu wahren (Rdnr. 41) und darf beim Fehlen von Differenzierungen rechtfertigenden zusätzlichen Umständen nicht nur das Recht eines Gesellschafters beschränkt oder aufgehoben werden: Gestattet z.B. die Notlage der GmbH keinerlei Gewinnausschüttung, so ist grundsätzlich das Gewinnrecht aller Gesellschafter zu suspendieren. (4) Gesellschafterbeschlüsse, die ohne wichtigen Grund und ohne Zustimmung des Anteilsberechtigten oder ohne ausdrückliche statutarische Zulassung ein relativ unentziehbares Mitgliedschaftsrecht aufheben oder beschränken, sind insoweit (relativ) unwirksam2. Zu den Einzelheiten vgl. Rdnr. 28.

39

d) Abspaltungsverbot Eine isolierte Abtretung einzelner Mitgliedschaftsrechte ist als Aufspaltung der 39a Mitgliedschaft in einzelne Mitgliedschaftselemente wie bei anderen Verbänden unzulässig (sog. Abspaltungsverbot)3. Eine solche Abspaltung widerspräche der gesetzlich festgelegten Konstitution der Mitgliedschaft als im Hinblick auf den Geschäftsanteil ungeteilte Partizipation an Schicksal und Steuerung der Gesellschaft (vgl. Rdnr. 14 u. § 15 Rdnr. 17). Diese verbietet daher nicht nur die Übertragung einzelner Mitgliedschaftsrechte an gesellschaftsfremde Dritte sondern auch an Mitgesellschafter, weil eine solche die Gesellschaftsstruktur nachhaltig und ohne erforderliche Satzungsänderung verändern würde4. Dies gilt insbesondere für Mitverwaltungsrechte, wobei hier das Stimmrecht von besonderer Bedeutung ist. Neben der isolierten Abtretung von aus der Mitgliedschaft rührenden Verwaltungsrechten sind auch die wertungsmäßig gleichzustellenden Legitimationszessionen sowie sog. „verdrängende Vollmachten“5 unzulässig. Eine abweichende Bewertung ergibt sich auch nicht aus einem in sachlicher und zeitlicher Verbindung vereinbarten schuldrechtlichen oder dinglichen Recht am 1 RGZ 114, 219. 2 BGHZ 15, 181; BGHZ 48, 143; Schäfer, Der stimmrechtslose Geschäftsanteil, S. 248 ff. m.w.N.; s. auch 10. Aufl., § 53 Rdnr. 48. 3 Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 15; Reichert/Weller, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 119; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 20; Raiser, in: Ulmer, Rdnr. 41; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, § 15 Rdnr. 25; zur Herleitung und Begründung des Abspaltungsverbots im Aktienrecht ausf. Seibt, ZGR 2010, 795, 814 ff. 4 Reichert/Weller, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 119; Raiser, in: Ulmer, Rdnr. 41. 5 BGHZ 3, 354; Reichert/Weller, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 124; Bayer, in: Lutter/ Hommelhoff, Rdnr. 15; Zöllner, in: Baumbach/Hueck, § 47 Rdnr. 40 f.

Seibt

919

§ 14

Einlagepflicht

Geschäftsanteil1 (vgl. § 15 Rdnr. 17 ff.). In Bezug auf die Vermögensrechte hat das Abspaltungsverbot lediglich das Vermögensstammrecht zum Gegenstand, was zur Folge hat, dass aus diesem hervorgehende – auch zukünftige – Einzelansprüche isoliert abtretbar sind (vgl. § 15 Rdnr. 20 ff.). e) Gleichmäßige Behandlung aa) Geltung 40

Der Gesellschaftsvertrag kann, von verhältnismäßig wenigen zwingenden Vorschriften abgesehen, die innergesellschaftlichen Rechtsverhältnisse frei gestalten (§ 45) und dabei auch den Gesellschaftern eine „ungleiche“ Rechtsstellung zuweisen, also bei der Regelung der Mitgliedsrechte und/oder Mitgliedspflichten einzelne von ihnen bevorzugen oder zurücksetzen. Wenn und soweit dies aber nicht geschehen ist und durch Gesetz oder Satzung auch nicht für die betreffende Maßnahme eine Abweichung gestattet wird (Rdnr. 42), gilt mit dem Eintritt der Gemeinschaftsbindung und der dadurch gegebenen Unterwerfung unter die Verbandsmacht der Grundsatz der gleichmäßigen Behandlung aller Gesellschafter. Seine Anwendung auf die GmbH ist von der Rspr2. und der herrschenden Auffassung im Schrifttum3 seit langem anerkannt, aber über seinen Geltungsgrund besteht noch immer Unklarheit4.

41

Das GmbHG schreibt die Gleichbehandlungspflicht nicht ausdrücklich vor (s. dagegen § 53a AktG). Die Vorschriften der §§ 14, 19 Abs. 1, 24, 26 Abs. 2 u. 3, 29 Abs. 3, 31 Abs. 3, 47 Abs. 2, 72, auf die die Gegenmeinung der ausdrücklichen Normierungsthese verweist5, enthalten nur einen überwiegend dispositiven Maßstab der verhältnismäßigen Beteiligung der Gesellschafter an bestimmten allgemeinen Mitgliedschaftsrechten und -pflichten, der aber nicht uneingeschränkt gilt (Rdnr. 6 a.E.). Er ist, soweit sein Anwendungsgebiet reicht, im Einzelfall zwar für die Frage des Ob einer unterschiedlichen Behandlung bedeutsam (Rdnr. 45), begründet aber nicht die Geltung des Gleichbehandlungsgrundsatzes und schließt, wie schon die §§ 24 Satz 2, 31 Abs. 3 Satz 2 (nicht anders liegt es für § 19 Abs. 16) zeigen, bei der erforderlichen Abwägung auch nicht die Relevanz anderer Umstände aus (Rdnr. 45). Die Beschränkung der Verbandsautono-

1 A.A. Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 15. 2 RGZ 68, 213; RGZ 76, 155; RGZ 80, 389; RGZ 122, 163; RGZ 149, 300; RGZ 170, 378; BGHZ 111, 224, 227; BGHZ 116, 359, 373; BGH, LM § 29 Nr. 2; BGH, NJW 1985, 1901, 1902; BGH, WM 1990, 182, 185; OLG Hamm, GmbHR 1996, 768; OLG München, GmbHR 1997, 1103; OLG Köln, NZG 1999, 1112. 3 Feine, S. 274 ff.; G. Hueck, S. 48 ff.; Zöllner, S. 301 ff.; Wolany, S. 164 ff.; Raiser, in: Ulmer, Rdnr. 102 ff.; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, § 13 Rdnr. 31 ff.; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, § 13 Rdnr. 60 ff.; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 33 ff.; Schiessl, in: MünchHdb. III, § 31 Rdnr. 15 ff.; Wiedemann, GesR I, S. 427 ff.; Pentz, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, § 13 Rdnr. 44; a.M. von Falkenhausen, S. 30 ff.; Konow, S. 122 f.; s. für die AG auch Wiethölter, S. 103 ff. 4 Vgl. dazu insbesondere G. Hueck, S. 83 ff.; Wiedemann, GesR I, S. 428 f.; Karsten Schmidt, GesR, § 16 II 4b, jeweils m.w.N. 5 Feine, S. 261, 275 f.; Raiser, in: Ulmer, Rdnr. 103; Müller-Erzbach, S. 75; G. Hueck, S. 47 ff.; vgl. auch Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, § 13 Rdnr. 31. 6 S. RGZ 149, 300.

920

Seibt

§ 14

Einlagepflicht

mie, die der Gleichbehandlungsgrundsatz bewirkt, folgt aus dem gesellschaftlichen Treuegedanken1, mit dem sachlich unbegründete Differenzierungen in der Behandlung der Gesellschafter unvereinbar sind. Das Gleichbehandlungsgebot ist demnach ein spezieller Anwendungsfall der gesellschaftlichen Treuepflicht2. Dies entspricht auch unterstützenswerten, ökonomischen Begründungsmustern, denenzufolge die Parteien einer „nach vorne offenen“ Rechtsbeziehung erwarten dürfen, gegen die begründete Enttäuschung geschützt zu sein, in vertraglich nicht spezifizierten und im Vorhinein auch nicht spezifizierbaren Situationen ohne Grund schlechter gestellt zu werden als vergleichbare Vertragspartner3. bb) Bedeutung und Inhalt (1) Anwendungsbereich. Der Gleichbehandlungsgrundsatz ist nur subsidiär an- 42 wendbar, wenn und soweit der Gesellschaftsvertrag keine abweichende Bestimmung getroffen hat4. Dabei ist im Zweifel nicht anzunehmen, dass eine ungleiche Behandlung der Gesellschafter gewollt ist. Der Gleichbehandlungsgrundsatz kann für alle gesellschaftlichen Maßnahmen gelten, die die Gesellschafter als solche betreffen. Seine Geltung für das Gesellschaftsverhältnis kann nicht generell ausgeschlossen werden5. Allerdings können Gesellschafter auf konkrete, sich aus der Gleichbehandlungspflicht ergebene Rechtspositionen verzichten6. Nicht vom Gleichbehandlungsgrundsatz erfasst sind Drittgeschäfte zwischen 43 der GmbH und den Gesellschaftern7, es sei denn, dass sie gesellschaftliche Elemente insofern enthalten, als die Gesellschaftereigenschaft des Geschäftspartners für den Abschluss oder für den Inhalt des Geschäfts (mit-)bestimmend war8, z.B. die Festsetzung des Umfangs der Leistung (z.B. Umfang von Druckereiaufträgen für Gesellschafter einer Verlagsgesellschaft nach der Beteiligungsquote) oder die Höhe der Gegenleistung beeinflusst hat9. Die Verletzung des Gleichbehandlungsgebots kann in derartigen Fällen mit einer unzulässigen ver-

1 OGHZ 4, 73 f.; Ritter, JW 1934, 3025 ff.; Fechner, S. 93 ff.; s. auch G. Hueck, S. 107 ff. m.w.N. 2 Vgl. auch Lutter, AcP 180 (1980), 84, 122 f.; a.M. Raiser, in: Ulmer, Rdnr. 104 m. Fn. 240 (Minderheitenschutz); Raiser/Veil, Kapitalgesellschaften, § 28 Rdnr. 54, § 11 Rdnr. 69 (Minderheitenschutz); Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, § 13 Rdnr. 31. 3 Vgl. Bachmann, ZHR 170 (2006), 144, 161; Fleischer, ZGR 2001, 1, 5; Janke, Gesellschaftsrechtliche Treuepflicht, 2003, S. 151 ff. 4 Feine, S. 275; Müller-Erzbach, S. 74, 77; G. Hueck, S. 250 ff.; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, § 13 Rdnr. 34; Zöllner, S. 302 f.; Raiser, in: Ulmer, Rdnr. 102; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 34; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, § 13 Rdnr. 61. 5 G. Hueck, S. 267 f.; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, § 13 Rdnr. 33; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 34; Schiessl, in: MünchHdb. III, § 31 Rdnr. 16. 6 So zum Aktienrecht Fleischer, in: K. Schmidt/Lutter, § 53a AktG Rdnr. 37 f.; Henze/ Notz, in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 2008, Anh. § 53a AktG Rdnr. 93 ff. 7 A.M. Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, § 13 Rdnr. 63 „nach Maßgabe der unternehmerischen Vernunft“. 8 BGH, AG 1997, 414; Zöllner, S. 304 ff.; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, § 13 Rdnr. 34; Schiessl, in: MünchHdb. III, § 31 Rdnr. 18. 9 RG, HRR 1932, 1287; BGHZ 111, 224, 227; BGH, LM § 29 Nr. 2.

Seibt

921

§ 14

Einlagepflicht

deckten Gewinnausschüttung zusammentreffen1, ist indes nicht zwingend, da die Voraussetzungen und Rechtsfolgen dieser Institute nicht übereinstimmen (Rdnr. 48). 44

Der Gleichbehandlung unterliegen nicht nur die von Gesellschaftsorganen, sondern auch von einzelnen Gesellschaftern ausgehenden Rechtsakte, soweit ihnen durch den Gesellschaftsvertrag die Befugnis zu einem organähnlichen Handeln eingeräumt ist2.

45

(2) Willkürverbot. Der Gleichbehandlungsgrundsatz bedeutet inhaltlich das Verbot einer willkürlichen, d.h. sachlich ungerechtfertigten verschiedenen Behandlung der Gesellschafter3. Für die Beurteilung kommt es nicht darauf an, ob der Urheber des Rechtsaktes (Rdnr. 44) eine willkürliche Ungleichbehandlung gewollt oder umgekehrt sein Vorgehen für gerechtfertigt gehalten hat, sondern maßgebend ist der Standpunkt eines objektiven Betrachters4. Bei der praktischen Handhabung sind mehrere Fallgruppen zu unterscheiden5:

45a

(a) Bei den jedem Gesellschafter zustehenden unverzichtbaren Mitgliedschaftsrechten (Rdnr. 32) gilt absolute Gleichheit nach Personen. (b) Ansonsten ist die für das Eingreifen des Gleichbehandlungsgrundsatzes primär erforderliche „verschiedene Behandlung“ gegeben, wenn der nach dem Gesetz oder dem Gesellschaftsvertrag für den Gegenstand des betreffenden gesellschaftlichen Rechtsaktes geltende Maßstab der Beteiligung der Gesellschafter (z.B. nach der dispositiven gesetzlichen Regel für das Gewinn- oder Stimmrecht die Größe der Geschäftsanteile; s. oben Rdnr. 6, 41) in ihrem Verhältnis zueinander nicht für alle gewahrt, also der sog. Gleichbehandlungsmaßstab6 nicht eingehalten worden ist. Die Auswirkungen der Maßnahme auf die Gesellschafter sind nach ihrem Inhalt unter Berücksichtigung aller Gegebenheiten des konkreten Gesellschaftsverhältnisses festzustellen, wobei aber von vorübergehenden tatsächlichen Zufälligkeiten abzusehen ist7. Andere Umstände, insbesondere die außergesellschaftlichen persönlichen Verhältnisse der Gesellschafter und die sich daraus ergebenden Folgen haben i.d.R. außer Betracht zu bleiben8. Eine Ausnahme ist in dieser Hinsicht aber dann zu machen, wenn nach den Gesamtumständen feststeht, dass die gesellschaftliche Maßnahme sich nur gegen ein-

1 BGHZ 111, 224, 227; BGH, LM § 29 Nr. 2; Ballerstedt, S. 174 ff.; Flume, Juristische Person, S. 286 ff., insbes. 294 ff.; M. Winter, ZHR 148 (1984), 579, 582, 597 ff. u. unten § 29 Rdnr. 115 ff. 2 G. Hueck, S. 226, 229 ff. 3 RG, JW 1938, 1329; BGHZ 33, 186; BGHZ 70, 120 ff.; BGHZ 71, 44; BGHZ 116, 359, 373; BGHZ 120, 141, 150 f.; BGH, LM § 29 Nr. 2; Bodenheimer, S. 6 ff.; G. Hueck, S. 173 ff.; Raiser/Veil, Kapitalgesellschaften, § 28 Rdnr. 56; Grüter, S. 50 ff., 62 ff. u. 76 ff., jeweils m.w.N. 4 G. Hueck, S. 193 ff.; Zöllner, S. 303; Raiser, in: Ulmer, Rdnr. 105. 5 Eb. Raiser, in: Ulmer, Rdnr. 105 f. 6 G. Hueck, S. 198 ff. 7 RGZ 68, 213. 8 RGZ 68, 213; RGZ 80, 385; G. Hueck, S. 54 ff., 190 ff.; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/ Hueck, § 13 Rdnr. 32; Raiser, in: Ulmer, Rdnr. 105; Schiessl, in: MünchHdb. III, § 31 Rdnr. 16.

922

Seibt

§ 14

Einlagepflicht

zelne Gesellschafter richten kann und diese benachteiligt werden sollen1; u.U. kann außerdem ein Machtmissbrauch durch die Mehrheit vorliegen2. Liegt eine „Verschiedenbehandlung“ der Gesellschafter in dem unter (b) 45b (Rdnr. 45a) erörterten Sinne vor, so ist das Gleichbehandlungsgebot verletzt, wenn nicht, was von dem Urheber des Rechtsaktes darzulegen und zu beweisen ist, nach Maßgabe des konkreten Gesellschaftsverhältnisses relevante und ausreichende sachliche Gründe die vorgenommene Differenzierung rechtfertigen3. Dabei kann eine Wechselwirkung zwischen der erforderlichen Qualität der sachlichen Rechtfertigung und dem Maß und der Spürbarkeit der Ungleichbehandlung bestehen. Missbraucht z.B. ein Gesellschafter die allen eingeräumte Nutzung eines Patentrechtes der GmbH, so kann ihm dieser Vorteil künftig genommen, den übrigen aber belassen werden. Die Einforderung der Resteinlage verstößt nicht deswegen gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz (§ 19 Abs. 1), weil ein anderer Gesellschafter zahlungsunfähig ist4. Ebenso wenig trifft das zu, wenn die Satzung den Gesellschaftern einen Abfindungsanspruch beim Ausscheiden einräumt, der sich aus dem Nominalbetrag des Geschäftsanteils und einem nach Jahren der Gesellschaftszugehörigkeit bemessenen, nach größeren Zeitabschnitten gestaffelten, durch einen Höchstsatz begrenzten Betrag zusammensetzt5. Unzulässig wäre es dagegen, im Falle eines dringenden Rücklagenbedarfs die auf der Kapitalbeteiligung beruhenden Gewinnrechte ungleichmäßig zu kürzen oder bei der Zulassung bisheriger Gesellschafter zu einer Kapitalerhöhung einen Gesellschafter nicht anteilig zu beteiligen, obwohl dem keine im Gesellschaftsinteresse liegenden, seine Mitgliedsinteressen überwiegenden dringenden Gründe entgegenstehen6. Bei mit einfacher Mehrheit zu fassenden Gesellschafterbeschlüssen, z.B. zu ein- 45c zelnen Geschäftsmaßnahmen oder zur Geschäftspolitik, wirkt das Diskriminierungsverbot nur noch durch Verfahrensgerechtigkeit. Jeder Gesellschafter ist berechtigt, am Beschlussverfahren gleichberechtigt beteiligt und mit seinen Argumenten gehört zu werden7. Inhaltlich kann der Gesellschafterbeschluss nur daraufhin überprüft werden, ob er nicht willkürlich ist (d.h. ohne jegliche sachliche Rechtfertigung ist) und Gesellschafter diskriminiert werden8. cc) Folgen der Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes Es ist bezüglich der Rechtsfolgen einer Verletzung des Gleichbehandlungsgrund- 46 satzes danach zu unterscheiden, ob sie durch einen Gesellschafterbeschluss oder ob sie durch andere gesellschaftliche Akte erfolgt ist.

1 2 3 4 5 6 7

G. Hueck, S. 191 ff. RGZ 88, 220, 222 f. BGHZ 33, 186; BGHZ 116, 359, 373; BGH, LM § 29 Nr. 2. RGZ 149, 293, 300 f. BGHZ 116, 359, 373 f. Vgl. auch BGHZ 71, 40, 44 ff. betr. AG. Raiser, in: Ulmer, Rdnr. 106; Karsten Schmidt, GesR, § 16 II 4, 460; Raiser/Veil, Kapitalgesellschaften, § 12 Rdnr. 70 f., § 28 Rdnr. 56. 8 Vgl. BGHZ 33, 175, 186; BGHZ 70, 117, 120 ff.; BGHZ 71, 40, 44; BGHZ 120, 141, 149 f. (alle zur AG).

Seibt

923

§ 14 47

Einlagepflicht

(1) Ein Gesellschafterbeschluss, der die Gesellschafter ohne Einverständnis der Benachteiligten sachlich ungerechtfertigt verschieden behandelt, ist anfechtbar (s. 10. Aufl., bei § 45 Rdnr. 105)1. Die abweichende Auffassung, derzufolge Unwirksamkeit eintrete2, ist unzutreffend, da der Beschluss hier im Gegensatz zu den übrigen Unwirksamkeitsfällen (s. 10. Aufl., bei § 45 Rdnr. 54 ff.) keine der Mehrheitsherrschaft entzogenen Mitgliedschaftsrechte (Rdnr. 28, 39) oder Pflichtenvermehrungen (§ 53 Abs. 3) zum Gegenstande hat, sondern es um eine (keinen Nichtigkeitsgrund bildende; s. 10. Aufl., bei § 45 Rdnr. 61 ff.) Gesetzesverletzung geht und eine Ausdehnung der Unwirksamkeitsfolge mit dem Interesse an Rechtssicherheit unvereinbar ist3. Die den Gesellschafter benachteiligende Regelung bleibt so lange gültiges Verbandsrecht, bis der Beschluss auf eine entsprechende Anfechtungsklage durch Urteil rechtskräftig für nichtig erklärt worden ist. Er kann vor einer Nichtigerklärung unter Berufung auf den Gleichbehandlungsgrundsatz weder einen der beschlossenen Regelung widersprechenden Anspruch gegen die GmbH durchsetzen noch (außer bei treuwidrigem Vorgehen; s. 10. Aufl., bei § 45 Rdnr. 124 f.) der eigenen Inanspruchnahme aus dem Beschluss einredeweise begegnen; möglich sind aber u.U. die Beschlussausführung betreffende einstweilige Regelungen durch das Gericht (§§ 935 ff. ZPO). Eine Anfechtungsklage ist nicht erforderlich, wenn durch einen Beschluss lediglich der Antrag des benachteiligten Gesellschafters auf Gleichbehandlung abgelehnt wird, da dessen Wirkung sich in dem Verbrauch des Antrags erschöpft, den Anspruch selbst aber unberührt lässt4. Über satzungsändernde Beschlüsse vgl. zudem die Erl. in der 10. Aufl., bei § 53 Rdnr. 18 ff.

48

(2) Die Rechtsfolgen einer Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes durch andere gesellschaftliche Rechtsakte als Gesellschafterbeschlüsse lassen sich wegen der Verschiedenartigkeit der Verletzungsmöglichkeiten und ihrer Begleitumstände nicht einheitlich bestimmen5. Sie richten sich danach, was im Einzelfall erforderlich ist, einen der Gleichbehandlung entsprechenden Zustand herzustellen, ohne hierbei mehr als notwendig in die Verbandsautonomie einzugreifen6. Rechtsgeschäftliche oder rechtsgeschäftsähnliche Erklärungen, die einen Gesellschafter willkürlich ungleichmäßig belasten, sind insoweit unwirksam (nicht nichtig7), so z.B. eine ihn benachteiligende Einforderung von Leistungen auf den Geschäftsanteil durch den statutarisch zuständigen Geschäftsführer 1 RGZ 118, 72 f.; RG, JW 1935, 1776; BGHZ 111, 224, 227; BGHZ 116, 359, 373; G. Hueck, S. 311 ff.; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, § 13 Rdnr. 35; A. Hueck, in: FS Molitor, 1962, S. 403 f.; Zöllner, S. 416; Wolany, S. 164 f.; Raiser, in: Ulmer, Rdnr. 108; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 64; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 35; Schiessl, in: MünchHdb. III, § 31 Rdnr. 20 u.a.; offen gelassen von BGH, LM § 29 Nr. 2. 2 So Feine, S. 276, 578; Fischer, JZ 1956, 363. 3 G. Hueck, S. 311 ff. m.w.N. 4 BGH, LM § 29 Nr. 2; Raiser, in: Ulmer, Rdnr. 108. 5 BGH, LM § 29 Nr. 2; Raiser, Das Unternehmen als Organisation, 1969, S. 95 f.; G. Hueck, S. 295 f.; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, § 13 Rdnr. 35; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, § 13 Rdnr. 64; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 35; Schiessl, in: MünchHdb. III, § 31 Rdnr. 20; Martens, GmbHR 1984, 265, 266. 6 G. Hueck, S. 296. 7 So aber Bodenheimer, S. 61 ff.

924

Seibt

§ 14

Einlagepflicht

(s. § 19 Rdnr. 9 ff.) oder die Kündigung und Rückforderung eines Darlehens, das ihm von der Gesellschaft gewährt wurde1. Die Unwirksamkeitsfolge genügt aber u.U. allein nicht: Verweigert z.B. der Geschäftsführer unter Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes die zur Abtretung des Geschäftsanteils erforderliche Genehmigung (s. § 15 Rdnr. 119 ff.), so ist nicht nur diese Erklärung unwirksam, sondern der Gesellschafter hat einen Anspruch auf Genehmigung (s. § 15 Rdnr. 127). Bei einem Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz durch Zuwendung vermögenswerter Vorteile ist zu unterscheiden, ob deren Rückforderung rechtlich möglich und den Beteiligten nach den Gesamtumständen zuzumuten ist oder nicht2. Die Gesellschaft ist im ersten Falle zwecks Herstellung eines der Gleichbehandlung entsprechenden Zustandes verpflichtet, entweder den Vermögensvorteil vom Begünstigten zurückzuverlangen oder dem benachteiligten Gesellschafter eine gleichartige Leistung zuzuwenden3. Das Wahlrecht steht der Gesellschaft und nicht dem benachteiligten Gesellschafter zu4; die Vorschriften der §§ 263 ff. BGB sind anwendbar. Bei Unmöglichkeit der Rückgewähr des Vermögensvorteils ist Wertersatz zu leisten. Wenn aus den oben genannten Gründen die Rückforderung ausgeschlossen ist, hat der Benachteiligte gegen die GmbH einen Anspruch auf Zuwendung eines gleichartigen Vermögensvorteils oder, sofern das nicht möglich ist, auf eine Ausgleichsleistung5. Der Gleichbehandlungsgrundsatz ist dagegen kein Schutzgesetz i.S. des § 823 49 Abs. 2 BGB6; es kann aber bei einer Verletzung in extremen Ausnahmefällen eine Schadensersatzpflicht aus § 826 BGB gegeben sein. f) Treuepflicht aa) Geltung Die Geltung der gesellschaftlichen Treupflicht für das Gesellschaftsverhältnis der GmbH ist allgemein anerkannt7 und hat in ihrem Kernbestand den Rang 1 BGH, DStR 2010, 1899; OLG Brandenburg, ZIP 2009, 1955. 2 BGH, LM § 29 Nr. 2 = MDR 1972, 933 = BB 1972, 894. 3 BGH, LM § 29 Nr. 2 = MDR 1972, 933 = BB 1972, 894; Raiser, in: Ulmer, Rdnr. 107; Hueck/ Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 35; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, § 13 Rdnr. 64; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 35; Schiessl, in: MünchHdb. III, § 31 Rdnr. 20; Martens, S. 266. Für verdeckte Gewinnausschüttungen anders M. Winter, ZHR 148 (1984), 579, 597 ff.: Grundsätzlich nur ein Rückerstattungsanspruch der Gesellschaft, in Ausnahmefällen ein Ausgleichsanspruch der benachteiligten Gesellschafter. 4 Eb. Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, § 13 Rdnr. 64; Schiessl, in: MünchHdb. III, § 31 Rdnr. 20; a.M. Raiser, in: Ulmer, Rdnr. 107; Lutter, ZGR 1978, 348, 366 ff.; Ballerstedt, S. 175, der aber zu Unrecht das Gleichbehandlungsproblem mit der Frage der unzulässigen verdeckten Gewinnausschüttung vermengt. 5 BGH, LM § 18 GenG Nr. 2; BGH, LM § 29 Nr. 2; Raiser, in: Ulmer, Rdnr. 107; Hueck/ Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 35; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 35; Schiessl, in: MünchHdb. III, § 31 Rdnr. 20. 6 Bodenheimer, S. 62; G. Hueck, S. 293 f.; a.M. Wolany, S. 164. 7 RGZ 164, 262; RGZ 165, 79; RGZ 169, 333 f., 338; RGZ 170, 373; RG, DR 1941, 1307; BGHZ 9, 163; BGHZ 14, 38; BGHZ 65, 18 f.; BGHZ 76, 352, 355; BGHZ 80, 346, 349; BGHZ 98, 276, 279 f.; OLG Düsseldorf, GmbHR 1994, 172, 175; OLG Düsseldorf, ZIP 1996, 1083, 1087 u.a.; Raiser, in: Ulmer, Rdnr. 67 ff.; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/

Seibt

925

50

§ 14

Einlagepflicht

von Gewohnheitsrecht erlangt. Sie ist ein rechtsformübergreifendes, allgemeinverbandsrechtliches Institut, das bei allen Rechtsformen Anwendung findet1. Sie hat ihren Ursprung zwar in der Regel des § 242 BGB2, ist aber zu einem sowohl von der Intensität als auch von der Qualität her weiterreichenden eigenständigen Rechtsinstitut entwickelt (worden), das durch die besondere Eigenart der Zusammenschlüsse zu Personenverbänden mit einem gemeinschaftlichen Zweck bestimmt wird3. Eine sog. personalistische Gestaltung der GmbH ist allerdings nicht Voraussetzung der Treuepflicht4, beeinflusst allerdings (nur) ihren Umfang und ihre Intensität5. Die gesellschaftliche Treuepflicht erfährt ihre Rechtfertigung (und Konturierung) aus den in einem Verband jedem Mitglied rechtlich eingeräumten Möglichkeiten, auf die in der Gesellschaft gebundenen Vermögenswerte und Interessen der Mitgesellschafter einzuwirken (Korrelation zwischen Rechtsmacht und Verantwortung)6. Die Treuepflicht gilt sowohl für die werbende GmbH als auch – unter Berücksichtigung des dann geänderten Zwecks – für die Liquidationsgesellschaft7. Ein Einzelausschnitt der gesellschaftlichen Treupflicht wurde mit § 7 Abs. 7 Satz 1 FMStBG8 für Unternehmen des Finanzsektors positiviert9.

1

2 3

4

5

6

7 8

9

Hueck, § 13 Rdnr. 20 ff.; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 20 ff.; Reichert/Weller, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 131; Schiessl, in: MünchHdb. III, § 32 Rdnr. 12 ff.; Pentz, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, § 13 Rdnr. 35; Zöllner, S. 335 ff.; 366 ff.; Wolany, S. 103 ff.; Immenga, S. 168 ff.; Teichmann, S. 168 ff.; Lutter, AcP 180 (1980), 102 ff.; M. Winter, S. 43 ff.; Wiedemann, GesR I, S. 431 ff., jeweils m.w.N. Krit. Flume, ZIP 1996, 161 ff.; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, § 13 Rdnr. 28 f. OLG Stuttgart, NZG 2000, 156, 157; aus der Literatur z.B. Fleischer, in: MünchKomm. GmbHG, Einl. Rdnr. 188; Röhricht, in: Hdb. Corporate Governance, 2. Aufl. 2010, S. 513, 515; Hennrichs, AcP 195 (1995), 221, 235. Vgl. dazu Roth, in: MünchKomm. BGB, 5. Aufl. 2007, § 242 BGB Rdnr. 82, 153; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, § 13 Rdnr. 28 ff.; Immenga, S. 190; Häsemeyer, S. 113. Zur Interpretation als verdichtete Ausprägung des allgemeinen Grundsatzes von Treu und Glauben z.B. OLG München, NZG 2009, 25, 26; Karsten Schmidt, GesR, § 20 IV 1a, S. 587 f.; Hennrichs, AcP 195 (1995), 221, 229 ff. und 238 f.; zur Interpretation als aliud zu § 242 BGB z.B. Veil, in: FS Priester, 2007, S. 799, 813; vgl. auch BGHZ 9, 157, 163 („obliegt den Gesellschaften einer GmbH … eine echte, nicht bloß dem Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) beinhaltende Treuepflicht“). Vgl. Wiedemann, GesR I, § 8 II 3; Karsten Schmidt, GesR, § 20 IV d; Raiser, ZHR 151 (1987), 422, 430 ff.; Raiser, in: Ulmer, Rdnr. 70; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, § 13 Rdnr. 22; Henze, Hdb. z. GmbH-Recht, 2. Aufl. 1997, Rdnr. 832; Schiessl, in: MünchHdb. III, § 32 Rdnr. 13. – Eindeutig BGHZ 129, 136 – „Girmes“ (Treuepflichten in AG). BGHZ 9, 157, 163; BGHZ 14, 38; BGHZ 65, 18 f.; BGHZ 98, 276, 279 f.; OLG Hamm, GmbHR 1992, 612; OLG Düsseldorf, GmbHR 1994, 172, 175 u. Rdnr. 53. – Bedenklich BGH, ZIP 1988, 1117, 1118; OLG Nürnberg, GmbHR 1994, 252, 256, wo die personalistische Gestaltung als konstitutives Erfordernis angesehen wird. Vgl. Karsten Schmidt, GesR, § 20 IV. 1b, S. 588; Hennrichs, AcP 195 (1995), 221, 239; vgl. auch BGHZ 65, 15,19 – „ITT“; BGHZ 103, 184, 194 f. – „Linotype“; BGHZ 129, 136, 144 – „Girmes“; BGHZ 142, 167, 170 – „Hilgers“. BGH, GmbHR 1971, 112; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, § 13 Rdnr. 22; Raiser, in: Ulmer, Rdnr. 71. Gesetz zur Beschleunigung und Vereinfachung des Erwerbs von Anteilen an sowie Risikopositionen von Unternehmen des Finanzsektors durch den Fonds „Finanzmarktstabilisierungsfonds – FMS“ (FMStBG) vom 17.10.2008, BGBl. I 2008, 1986. Hierzu Karsten Schmidt, ZGR 2011, 108, 118.

926

Seibt

§ 14

Einlagepflicht

bb) Bedeutung und Inhalt (1) Selbständigkeit der Pflicht und Anwendungsbereich. Die gesellschaftliche 51 Treupflicht ist eine selbständige Pflicht der Gesellschafter und der GmbH, hat also nicht bloß akzessorischen Charakter1. Die Anweisung zu „gesellschaftstreuem“ Verhalten ist inhaltlich zunächst nicht mehr als eine Handlungsmaxime: Gefordert wird ein redliches und loyales Verhalten, wie es von dem Verpflichteten auf Grund seines – auf Gegenseitigkeit angelegten – Versprechens auf Unternehmenszweckförderung und seiner Teilhabe an dem zur Verfolgung des statutarischen Zwecks bestehenden Gemeinschaftsverhältnis erwartet werden muss2. Der Anwendungsbereich der gesellschaftlichen Treuepflicht umfasst nicht nur 52 das Verhältnis der Gesellschafter zur GmbH, sondern auch dasjenige der Gesellschafter untereinander3. Die Treuepflicht hat also im Grundsatz eine vertikale Schutzrichtung zugunsten der Interessen der Gesellschaft und sie wirkt horizontal pflichtenbegründend und -bestimmend gegenüber den Mitgesellschaftern. Allerdings gilt sie nicht für den Alleingesellschafter einer GmbH, da ihm gegenüber außerhalb des zwingenden gesetzlichen Gläubigerschutzes (u.a. Haftung wegen existenzgefährdender Eingriffe) kein durch eine Treuepflicht zu schützendes gesondertes Eigeninteresse der Gesellschaft anzuerkennen ist4. Die hierdurch entstehende Lücke im Gläubigerschutz ist durch Annahme einer Haftung wegen Existenzvernichtung/-gefährdung (s. § 13 Rdnr. 152 ff.) geschlossen. Auch den ausgeschiedenen Gesellschafter treffen (nachwirkende) Treuepflichten, insbesondere auf Geheimhaltung von Interna der Gesellschaft oder auf Unterlassung von Wettbewerb (Rdnr. 59). Ausnahmsweise sind auch Nichtgesellschafter an die Treuepflichten gebunden. Dies gilt zunächst für den Treugeber/Hintermann, nach dessen Weisung und auf dessen Rechnung ein Treuhänder/Strohperson den Geschäftsanteil hält5. Aber auch den Erwerber eines Geschäftsanteils können bereits vor dem Erwerb Treuepflichten treffen, z.B. wenn er schon einen anderen Geschäftsanteil der Gesellschaft besitzt oder wenn er mit dem Veräußerer in einer Weise verbunden ist, dass ihm dessen Treupflichten zugerechnet werden6. Schließlich kommt eine Zurechnung von Treuepflichten in Konzernbeziehungen in Frage, und zwar in zwei Richtungen: Das herrschende Unternehmen ist an die Treuepflicht des abhängigen Unterneh1 Lutter, AcP 180 (1980), 84, 117; M. Winter, S. 63 ff. 2 Vgl. OLG Düsseldorf, ZIP 1996, 1083, 1087; vgl. auch Lutter, AcP 180 (1980), 84, 102 f. 3 H.M.; vgl. RG, DR 1941, 1307; BGHZ 65, 15, 18; BGHZ 80, 346, 349; BGH, NJW 1985, 1901; BGH, NJW 1992, 368, 369; BGH, GmbHR 1991, 568, 569; BGH, GmbHR 1992, 104, 105; OLG Düsseldorf, ZIP 1996, 1083, 1087; M. Winter, S. 85 ff., 95 ff., 130 ff. m.w.N.; a.M. Flume, Juristische Person, S. 268 ff.; krit. auch Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, § 13 Rdnr. 29 f. 4 BGHZ 119, 257, 259 f. und 262; BGHZ 122, 333, 335 f. (offen gelassen für existenzgefährdende Maßnahmen); Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, § 13 Rdnr. 20; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 29; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, § 13 Rdnr. 57 f.; Michalski/Funke, in: Michalski, § 13 Rdnr. 143; Schiessl, in: MünchHdb. III, § 32 Rdnr. 14; differenzierend Priester, ZGR 1993, 512, 520 ff.; M. Winter, S. 203 ff. u. ZGR 1994, 570 ff.; a.M. insbes. Ziemons, S. 97 ff. m.w.N. sowie BGH-Strafsenate, vgl. BGH, BGHSt 3, 32, 39 f.; BGH, BGHSt 34, 379 f.; BGH, NStZ 1995, 185. 5 Eb. Raiser, in: Ulmer, Rdnr. 77. 6 Raiser, in: Ulmer, Rdnr. 77; vgl. auch M. Weber, Vormitgliedschaftliche Treuebindung, S. 226 ff., 239 ff.

Seibt

927

§ 14

Einlagepflicht

mens gebunden, wenn es auf dessen Verhalten als Gesellschafter Einfluss nimmt1, und umgekehrt bleibt ein herrschendes Unternehmen an die Beachtung der Treuepflicht gebunden, selbst wenn es gesellschaftsschädigende Handlungen durch ein von ihm abhängiges Unternehmen vornimmt2. Die die Treuepflicht konstituierende allgemeine Handlungsmaxime (Rdnr. 51) überlagert die mitgliedschaftlichen Einzelrechte und -pflichten, kann insofern also ihre Ausübung und Erfüllung näher bestimmen oder modifizieren und hat vor allem eine rechtsbegrenzende Funktion (Rdnr. 54 ff.). Sie kann darüber hinausgehend nach Maßgabe der Umstände des Einzelfalls (Rdnr. 53) zusätzliche Unterlassungs- und auch Tätigkeitspflichten der Gesellschafter begründen (Rdnr. 59, 60). Auch Rücksichtnahmepflichten in Bezug auf die mitgliedschaftlichen (nicht die privaten)3 Belange der Mitgesellschafter können sich aus ihr ergeben (Rdnr. 53, 57). Gesellschafter können auf konkrete, sich aus der Treuepflicht ergebene Rechtspositionen verzichten4; ein pauschaler Satzungsausschluss der Treuepflicht ist hingegen unzulässig. 53

Die Konkretisierung der Treuepflicht kann nur für den Einzelfall unter Berücksichtigung seiner besonderen Umstände und ihrer Wertung erfolgen, auf die die sie konstituierende Handlungsmaxime (Rdnr. 51) verweist5. Nach Lage des Einzelfalls können als wertungserhebliche Umstände insbesondere von Bedeutung sein: Der Gesellschaftszweck6, die mehr oder weniger starke persönliche Bindung der Gesellschafter untereinander7 oder das durch besondere Maßnahmen geschaffene Vertrauen in ein bestimmtes Verhalten8, der Umfang sowie die Dauer der Beteiligung9, die mehr oder weniger starke Gemeinschaftsnähe (Fremdnützigkeit) des ausgeübten Gesellschafterrechts10, die Eigenart und das Maß der einem Gesellschaftsorgan oder Gesellschafter eingeräumten Rechtsmacht im Verband11 und die Art der zu beurteilenden gesellschaftlichen Maßnahme sowie ihre Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit im Hinblick auf die Auswirkung 1 2 3 4 5 6 7

8 9 10

11

Vgl. BGHZ 89, 162, 165 f.; Pentz, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, § 13 Rdnr. 72. Raiser, in: Ulmer, Rdnr. 77. Vgl. BGH, ZIP 1992, 1464, 1470 (AG); Zöllner, S. 349. So zum Aktienrecht Fleischer, in: K. Schmidt/Lutter, § 53a AktG Rdnr. 60; Henze/ Notz, in: Großkomm. AktG, 4. Aufl. 2008, Anh. § 53a AktG Rdnr. 127. Dazu Wieacker, S. 13 ff. m.w.N. BGHZ 65, 19. BGHZ 9, 163; BGHZ 14, 38; BGHZ 65, 19; BGHZ 98, 276, 279 f.; BGH, NJW 1989, 166, 167; OLG Hamm, GmbHR 1992, 612; OLG Düsseldorf, GmbHR 1994, 172, 175; Lutter, S. 105 ff. u. Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 21; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/ Hueck, § 13 Rdnr. 22 f.; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, § 13 Rdnr. 39; Raiser, in: Ulmer, Rdnr. 69; M. Winter, S. 75 ff., 185 ff.; Wiedemann, GesR I, 434 ua; krit. insow. Zöllner, S. 338 f., 343. RG, DR 1941, 1307. BGHZ 65, 19. Vgl. OLG Hamm, GmbHR 1992, 612; OLG Düsseldorf, ZIP 1996, 1083, 1087; Hueck, Treuegedanke, S. 81, 86, 89 ff.; Zöllner, S. 344 ff.; Immenga, S. 269; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, § 13 Rdnr. 22; Raiser, in: Ulmer, Rdnr. 78 ff.; Wiedemann, GesR I, S. 434 f. RGZ 113, 196; RGZ 132, 163; RGZ 165, 79; RGZ 169, 338; BGHZ 65, 19, 20; BGHZ 95, 330, 340; Zöllner, S. 342 ff.; Immenga, S. 264 ff., 277 ff.; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, § 13 Rdnr. 22; Lutter, S. 144; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, § 13 Rdnr. 39; Schiessl, in: MünchHdb. III, § 32 Rdnr. 13.

928

Seibt

§ 14

Einlagepflicht

für die Interessen der übrigen Gesellschafter (als Verbandsmitglied oder mit Nexus zu dieser Stellung; vgl. Rdnr. 58)1. (2) Schrankenfunktion bei Rechtsausübung. Die gesellschaftliche Treupflicht 54 hat vor allem eine Schrankenfunktion bei der Ausübung von Gesellschafterrechten und von Befugnissen der Gesellschaftsorgane, kann sie also im Einzelfall unzulässig machen2. Sie ist von besonderer Bedeutung für den Minderheitenschutz, insbesondere beim Bestehen oder der Herausbildung gesteigerte Treuepflichten auslösender fester Mehrheitsverhältnisse (Rdnr. 53). Sie geht in ihrer Reichweite aber wesentlich darüber hinaus, denn auch die Ausübung von Minderheiten- oder Quorumsrechten und Individualrechten oder Sonderrechten kann treuwidrig sein (Rdnr. 57, 60)3. Die Gesellschafter haben bei der Wahrnehmung der ihnen als solchen zustehen- 55 den Rechte grundsätzlich das Gesellschaftsinteresse zu berücksichtigen, was indes nicht bedeutet, dass diesem im Interessenwiderstreit allgemein der Vorrang vor ihrem Eigeninteresse zukäme4. Die Bedeutung und damit die Wertigkeit des Gesellschaftsinteresses hängen vielmehr von den Umständen des Einzelfalles, vor allem auch von der Art und dem Gegenstand der ausgeübten Rechtsmacht ab. (a) Bei Entscheidungen über Geschäftsführungsangelegenheiten durch Gesellschafterbeschluss (§§ 37 Abs. 1, 45 Abs. 1) haben die Beteiligten sich bei der Ausübung des Stimmrechts vorrangig vom Gesellschaftsinteresse leiten zu lassen und müssen mit der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmannes verfahren5. Die Gesellschaftermehrheit darf dabei insbesondere keine durch das Gesellschafts-

1 RGZ 132, 163; RGZ 169, 338; BGHZ 9, 158; BGHZ 16, 322; BGHZ 18, 362; BGHZ 76, 353 f., 355 f.; BGHZ 80, 69, 74 f.; BGHZ 80, 346, 349; BGH, NJW 1985, 1901; BGH, GmbHR 1991, 362, 363; s. auch BGHZ 71, 40, 44 betr. AG; Zöllner, S. 351 ff.; Lutter, S. 114; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 24 f.; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, § 13 Rdnr. 26, 28; Raiser, in: Ulmer, Rdnr. 78. 2 RGZ 146, 396; RGZ 164, 263; RGZ 165, 49; BGHZ 9, 178; BGHZ 14, 38; BGHZ 71, 46; BGHZ 76, 357; BGHZ 80, 349; BGH, WM 1966, 1137; BGH, WM 1970, 904; BGH, NJW 1976, 191; BGH, NJW 1985, 1901; BGH, ZIP 1988, 22, 24; BGH, GmbHR 1991, 62. 3 BGHZ 129, 136 – „Girmes“ (zur AG); OLG München, GmbHR 1994, 406, 409; Lutter, S. 120 ff.; Immenga, S. 195; Karsten Schmidt, GesR, § 20 IV 3; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, § 13 Rdnr. 38; Röhricht, in: Hdb. Corporate Governance, 1. Aufl. 2003, S. 513, 540 und 543. 4 RGZ 80, 391; BGHZ 14, 38; BGHZ 98, 276, 280 f.; BGH, GmbHR 1970, 232; BGH, GmbHR 1991, 362; OLG Düsseldorf, ZIP 1996, 1083, 1087; OLG Frankfurt, GmbHR 1993, 659; A. Hueck, Treuegedanke, S. 79; Fischer, NJW 1954, 777 ff.; (s. aber Fischer, in Pro GmbH, 1980, S. 159 f.); Wolany, S. 108 f.; Wiedemann, GesR I, S. 434 f.; Hueck/ Fastrich, in: Baumbach/Hueck, § 13 Rdnr. 21, 26 f.; Pentz, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, § 13 Rdnr. 36; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, § 13 Rdnr. 31; zurückhaltend Raiser, ZHR 151 (1987), 422, 435 ff.; abw. RGZ 146, 395; RGZ 158, 154. 5 BGHZ 65, 15, 19 f.; OLG Hamm, GmbHR 1992, 612, 613; OLG Hamm, ZIP 1993, 119, 121; OLG Düsseldorf, ZIP 1996, 1083, 1087; Zöllner, S. 322 ff., 344; Immenga, S. 266 ff.; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, § 13 Rdnr. 26; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 22; Schiessl, in: MünchHdb. III, § 32 Rdnr. 17; Martens, GmbHR 1984, 265, 267; M. Winter, S. 95 ff., 121 ff.; s. auch 10. Aufl., § 45 Rdnr. 6.

Seibt

929

56

§ 14

Einlagepflicht

interesse sachlich nicht legitimierte Konzerninteressen1 und keine gesellschaftsfremden Sondervorteile für sich oder einen anderen zum Nachteil der Gesellschaft und der anderen Gesellschafter durchsetzen2 (§ 243 Abs. 2 Satz 1 AktG analog). Nichts anderes gilt, wenn die Mehrheit ihren Einfluss auf die Geschäftsführung ohne Beschluss faktisch durchsetzt3 oder wenn einem (Minderheits-)Gesellschafter in solchen Angelegenheiten statutarisch ein Weisungsoder ein Widerspruchsrecht zusteht. Auch sonst kann die besondere Gemeinschaftsnähe („Zweckverfolgungsnähe“ oder Fremdnützigkeit) eines Rechts, z.B. zur Bestellung oder Abberufung eines Geschäftsführers4 oder zur Entsendung eines Aufsichtsratsmitglieds, die vorrangige Berücksichtigung des Gesellschaftsinteresses verlangen5. Ebenso gilt das für die Beschlüsse über die Feststellung des Jahresabschlusses (§ 46 Nr. 1), über die Wahl des gesetzlichen oder statutarischen Abschlussprüfers6, über die Verwendung des Jahresergebnisses zur Rücklagenbildung (§§ 29 Abs. 2, 46 Nr. 1), über die Einforderung von Zahlungen auf Geschäftsanteile, die Rückzahlung von Nachschüssen sowie über die Bestellung von Prokuristen oder Handlungsbevollmächtigten (§ 46 Nr. 2, 3 u. 7) oder über die Weisung an den Geschäftsführer zur Führung eines offensichtlich aussichtslosen Prozesses7. Das Gebot einer im Rahmen des Gesellschaftsinteresses möglichen angemessenen Rücksichtnahme auf betroffene schutzwürdige mitgliedschaftliche Belange der Minderheit (Rdnr. 54 a.E.) ist aber auch bei diesen Entscheidungen zu beachten, z.B. ist es unzulässig, nach vernünftiger kaufmännischer Beurteilung unnötige oder unvertretbare hohe Rücklagen aus dem Jahresergebnis zu bilden und dadurch den ausschüttungsfähigen Gewinn übermäßig zu schmälern8 oder den Gesellschafter-Mitgeschäftsführer (und Bruder) nach jahrzehntelanger Zusammenarbeit grundlos (und entgegen einer berechtigten Erwartung, dem Geschäftsführungsorgan weiter anzugehören) hinauszuwerfen9. 1 BGHZ 65, 15, 20 f.; BGHZ 89, 162; näheres dazu Anh. Konzernrecht (nach § 13) Rdnr. 117 ff. 2 BGHZ 14, 25, 38; BGHZ 65, 15, 20; BGHZ 76, 325, 357; BGH, GmbHR 1977, 43 f.; BGH, GmbHR 1977, 129 ff.; BGH, WM 1978, 1205; BGH, NJW 1992, 368, 369; BGH, ZIP 1989, 986, 987; OLG Hamm, ZIP 1993, 119, 121; OLG Düsseldorf, ZIP 1996, 1083, 1087; OLG Brandenburg, GmbHR 1998, 193, 195. 3 BGHZ 65, 15, 19. 4 Zur Abberufung des Geschäftsführers aus wichtigem Grunde vgl. BGH, ZIP 1988, 22, 24; BGH, GmbHR 1991, 62; OLG Hamburg, GmbHR 1992, 43, 45, 47. 5 S. RGZ 165, 79; Zöllner, S. 344; Immenga, S. 268 f.; Schiessl, in: MünchHdb. III, § 32 Rdnr. 22. 6 BGH, GmbHR 1991, 568, 569 betr. Abwahl. 7 OLG Düsseldorf, GmbHR 1994, 172, 175 f. 8 Näheres dazu vgl. § 29 Rdnr. 45, 53 ff.; BGHZ 132, 263, 276 f.; OLG Hamm, GmbHR 1992, 458, 459 (rkr.); OLG Nürnberg, DB 2008, 2415, 2417 (rkr.); OLG Brandenburg, ZIP 2009, 1955, 1956 und 1958 (rkr.); Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, § 29 Rdnr. 29 f.; Müller, in: Ulmer, § 29 Rdnr. 84 ff.; Schiessl, in: MünchHdb. III, § 32 Rdnr. 24; Joost, in: FS 100 Jahre GmbHG, 1992, S. 289, 299 ff.; Dreher, DStR 1993, 1632, 1634 m.w.N.; Hommelhoff, GmbHR 2010, 1328, 1329 f. 9 BGH, DStR 1994, 214 m. Anm. Goette (215 f.); zust. Lutter, ZHR 162 (1998), 164, 168 f.; vgl. auch OLG Zweibrücken, NZG 1998, 385, 38; OLG Zweibrücken, NJW-RR 2003, 1398, 1399; OLG Jena, NZG 2002, 89 f.; Bayer/Illhardt, GmbHR 2011, 751, 752; a.A. (keine Treuepflichteinschränkung der Abberufung von Gesellschafter-Geschäftsführer) Meilicke, DB 1994, 1761 ff.; Römermann/Schröder, NZG 2000, 610 f. – Näheres dazu vgl. 10. Aufl., § 38 Rdnr. 18.

930

Seibt

§ 14

Einlagepflicht

(b) Bei der Entscheidung über andere Gesellschaftsangelegenheiten durch die 57 Gesellschafter und bei der Ausübung sonstiger Gesellschafterrechte erfordert die gesellschaftliche Treuepflicht im Allgemeinen keine vorrangige Berücksichtigung des Gesellschaftsinteresses. Seine Bedeutung bestimmt sich im Einzelfall nach der Art des Rechts und den jeweils bei seiner Ausübung vorliegenden besonderen Umständen (Rdnr. 53)1. Allgemein gilt hier ebenfalls, dass ein Gesellschafter die GmbH nicht zwecks Erlangung gesellschaftsfremder Sondervorteile oder durch eine sonstige zweckwidrige Rechtsausübung schädigen darf (Rdnr. 56). Bei den ausschließlich eigennützigen Mitgliedsrechten und bei den Gläubigerrechten (Rdnr. 17) steht im Übrigen das Gesellschaftsinteresse nur ausnahmsweise der Rechtsausübung entgegen, wenn die nachteiligen Auswirkungen für die Gesellschaft durch ein mögliches und zumutbares anderweitiges Vorgehen vermieden werden können oder wenn die Loyalitätspflicht auf Grund außergewöhnlicher Verhältnisse die Einschränkung geboten erscheinen lässt. So ist z.B. unzulässig, den Anspruch auf Gewinnauszahlung2 oder auf Rückgewähr eines Gesellschafterdarlehens3 ohne Rücksicht darauf durchzusetzen, dass die GmbH dadurch in eine bedrohliche Liquiditätskrise geraten oder andere schwerwiegende Schäden erleiden würde. Das Auskunfts- und Einsichtsrecht (§ 51a) darf nicht in einer die GmbH unnötig beeinträchtigenden Art und Weise geltend gemacht werden4. Das Gleiche gilt bei der Ausübung von Minderheiten- oder Quorumsrechten wie z.B. bei dem Verlangen zur Einberufung einer Gesellschafterversammlung (§ 50). Die Erklärung einer statutarisch vereinbarten ordentlichen Kündigung bedarf zwar nicht wegen der Auflösungsfolge (s. dazu 10. Aufl., Erl. zu § 60 Rdnr. 77 f.) einer zusätzlichen sachlichen Rechtfertigung, aber sie kann wegen ihrer besonderen Begleitumstände rechtsmissbräuchlich oder deswegen unzulässig sein, weil die Gesellschaft oder die übrigen Gesellschafter dem Kündigungsberechtigten eine gesicherte Veräußerungsmöglichkeit für seinen Geschäftsanteil zu einem den voraussichtlichen anteiligen Liquidationserlös voll deckenden Preis bieten und ihrer Wahrnehmung nicht andere wesentliche Gründe entgegenstehen. Entsprechendes ist auch für eine Auflösungsklage gemäß § 61 anzunehmen5, der mit Rücksicht auf die gesellschaftliche Treuepflicht außerdem dann der Erfolg zu versagen ist, wenn die Ausschließung des Klägers aus wichtigem Grunde (s. Anh. § 34 Rdnr. 25 ff.) gerechtfertigt6 oder wenn sein Austritt aus wichtigem Grunde (s. Anh. § 34 Rdnr. 6 ff.) möglich und zumutbar ist (s. dazu 10. Aufl., Erl. zu § 61 Rdnr. 3 f.). Die Treuepflicht kann beim Vorliegen eines die Ausschließung eines Gesellschafters eindeutig rechtfertigenden Grundes auch gebieten, die Durchführung dieser Maßnahme zu ermöglichen (s.

1 Vgl. BGHZ 14, 25, 38; BGH, GmbHR 1991, 362, 363; Zöllner, S. 344 f.; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, § 13 Rdnr. 27 f. 2 Vgl. dazu Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, § 13 Rdnr. 27; Altmeppen, in: Roth/ Altmeppen, § 13 Rdnr. 54; Schiessl, in: MünchHdb. III, § 32 Rdnr. 19. 3 Vgl. dazu RG, JW 1937, 1986 betr. OHG. Zum zeitweiligen Zinsverzicht auf Grund der Treuepflicht bei einer Publikums-KG s. BGH, WM 1985, 195, 196 (KG); BGHZ 98, 276, 279 f.; OLG Koblenz, WM 1984, 1051. 4 OLG Stuttgart, GmbHR 1983, 242, 243; KG, GmbHR 1988, 221, 223. Vgl. auch 10. Aufl., Erl. zu § 51a Rdnr. 7 ff. 5 BGH, NJW 1985, 1901. 6 BGHZ 80, 346, 348 f.

Seibt

931

§ 14

Einlagepflicht

auch Rdnr. 60)1. Dasselbe wird in besonders gelagerten Ausnahmefällen auch für Satzungsänderungen anzunehmen sein, wenn eine Anpassung an geänderte Verhältnisse im Gesellschaftsinteresse unumgänglich und den Gesellschaftern unter Berücksichtigung ihrer eigenen schutzwürdigen Belange zumutbar ist2; eine Leistungsvermehrung darf damit aber nicht verbunden sein (§ 53 Abs. 3). Die Stimmabgabe in anderen als Geschäftsführungsangelegenheiten (darüber Rdnr. 56) verstößt dagegen nicht schon deswegen gegen die gesellschaftliche Treuepflicht, weil der Gesellschafter, ohne dass einen Rechtsmissbrauch begründende Begleitumstände vorliegen, zur Wahrung eigener Interessen eine für die GmbH vorteilhafte Maßnahme ablehnt3. 58

(c) Auch den Mitgesellschaftern gegenüber verlangt die gesellschaftliche Treuepflicht bei den vorgenannten Maßnahmen (Rdnr. 57) grundsätzliche keine Zurücksetzung eigener Interessen4, aber sie gebietet eine dem jeweiligen Mitgliedschaftsrecht und den übrigen wertungserheblichen Umständen des Einzelfalls (Rdnr. 53) gemäße angemessene Rücksichtnahme auf deren schutzwürdigen mitgliedschaftlichen (nicht privaten) Belange5. Es ist danach unzulässig, die Mitgliedschaftsstellung anderer Gesellschafter durch die zweckwidrige Ausübung eines Gesellschaftsrechts6 oder mehr als erforderlich, d.h. nicht in Anwendung eines zur Zweckerreichung geeigneten und zumutbaren schonenderen Mittels7, oder im Hinblick auf das mit der Rechtsausübung angestrebte Ziel unverhältnismäßig8 zu beeinträchtigen oder die Mitgesellschafter als solche in sonstiger Weise illoyal zu schädigen. Die Grundsätze können bei verschiedenartigen Anwendungsfällen wirksam werden. Eine Treuepflichtverletzung kann 1 Nach BGHZ 98, 276, 279 f. sind die für die Mitwirkungspflicht bei der Ausschließungsklage in der Personengesellschaft entwickelten Rechtsgrundsätze (BGHZ 64, 253, 256 ff.; BGHZ 68, 81, 82) auf die personalistisch gestaltete GmbH anwendbar. 2 Vgl. BGHZ 98, 276, 279 ff.; BGH, WM 1987, 841, 842 u. M. Winter, S. 178 ff. m.w.N. Näheres s. 10. Aufl., Erl. zu § 53 Rdnr. 37. 3 BGHZ 14, 25, 38; Zöllner, S. 345; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, § 13 Rdnr. 29. Zur Stimmpflicht in Sonderfällen vgl. aber Rdnr. 60. 4 BGHZ 15, 25, 38; BGH, GmbHR 1991, 362; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, § 13 Rdnr. 21, 27; Wiedemann, GesR I, S. 434; Raiser, in: Ulmer, Rdnr. 80 f.; Pentz, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, § 13 Rdnr. 40; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, § 13 Rdnr. 37, 54; Schiessl, in: MünchHdb. III, § 32 Rdnr. 18. 5 RGZ 122, 159, 166 f.; RGZ 132, 149, 163 f. (AG); RGZ 169, 330, 338; BGHZ 9, 157, 158; BGHZ 16, 317, 322; BGHZ 65, 15, 18 ff.; BGHZ 71, 40, 44 ff. (AG); BGHZ 76, 352, 355 f.; BGHZ 80, 346, 349; BGHZ 83, 319, 321; BGHZ 98, 276, 279 ff.; BGHZ 103, 184, 194 f. (AG); BGHZ 129, 136, 142 ff. (AG); BGH, NJW 1985, 1901; Zöllner, S. 349 ff.; Immenga, S. 274 f.; Lutter, S. 114; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 24; Raiser, in: Ulmer, Rdnr. 80 f.; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, § 13 Rdnr. 21, 24, 26 f.; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, § 13 Rdnr. 37 f.; Henze, Hdb. z. GmbH-Recht, 2. Aufl. 1997, Rdnr. 834, 847 f.; Martens, GmbHR 1984, 265, 267 ff., jeweils m.w.N. 6 RGZ 122, 159, 166 f.; BGHZ 65, 15, 18; BGHZ 76, 352, 355 ff.; Zöllner, S. 349 ff. 7 RGZ 132, 149, 163; RGZ 169, 330, 338; BGHZ 9, 157, 158; BGHZ 16, 317, 322; BGHZ 80, 346, 349; BGH, NJW 1985, 1901; BGH, WM 1987, 841, 842; Zöllner, S. 351 f.; Lutter, S. 114; Wiedemann, GesR I, S. 435; Raiser, in: Ulmer, Rdnr. 78; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 25; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, § 13 Rdnr. 26 f.; M. Winter, S. 144 ff. u.a. 8 Zöllner, S. 351; Lutter, S. 114; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 24; Raiser, in: Ulmer, Rdnr. 78; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, § 13 Rdnr. 26 f.; Wiedemann, GesR I, S. 435; M. Winter, S. 144 ff. u.a.

932

Seibt

§ 14

Einlagepflicht

beispielsweise vorliegen: Bei der Anteilsabtretung durch den Mehrheitsgesellschafter an einen Erwerber, der durch die Erlangung der Mehrheitsmacht erkennbar unredliche oder schädliche Ziele gegenüber den Mitgesellschaftern verfolgt1; bei einer Auflösungskündigung, einer Auflösungsklage (§ 61) oder einem Auflösungsbeschluss (§ 60 Abs. 1 Nr. 2), wenn sie nach den Gesamtumständen zweckwidrig nur als Mittel zur Fortsetzung des Unternehmens unter Ausschluss der Minderheit benutzt werden2, wenn die Ausschließung des Kündigungsberechtigten oder des Auflösungsklägers aus wichtigem Grunde begründet ist3 oder wenn das Deinvestitionsinteresse unter Erhaltung der Gesellschaft durch andere gesicherte und zumutbare Maßnahmen voll gewahrt werden kann4; beim Ausschluss oder Austritt eines Gesellschafters aus wichtigem Grund, wenn der störende Zustand durch weniger einschneidende geeignete und angemessene Mittel beseitigt werden kann (s. Anh. § 34 Rdnr. 14, 34); bei der Verweigerung einer statutarisch erforderlichen Zustimmung der Gesellschaft oder der Gesellschafter zur Abtretung eines Geschäftsanteils (§ 15 Abs. 5), wenn sie grundlos, willkürlich oder aus sachfremden Erwägungen erfolgt ist (s. § 15 Rdnr. 127); bei der Zwangseinziehung eines Geschäftsanteils (§ 34 Abs. 2) oder der Geltendmachtung des Erwerbsrechts an einem Geschäftsanteil (s. § 15 Rdnr. 51), wenn die Gesellschaftermehrheit oder der Erwerbsberechtigte den erforderlichen Grund treuwidrig selbst herbeigeführt haben5, oder wenn gegen sie ein Ausschließung aus wichtigem Grunde (s. Anh. § 34 Rdnr. 25 ff.) gerechtfertigt ist. Die Rücksichtnahmepflicht hat besondere Bedeutung bei der Beeinträchtigung der mitgliedschaftlichen Stellung der Minderheit durch Mehrheitsbeschlüsse, insbesondere auch solchen über Satzungs-, Kapital- und Strukturänderungen, die nicht nur die Grundsätze der Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit wahren, sondern auch der Bindung der Beschlusskompetenz an den Gesellschaftszweck und das Gesamtinteresse des Personenverbandes Rechnung tragen müssen, also nicht willkürlich (grundlos oder aus sachfremden Erwägungen) schutzwürdige Minderheitsinteressen übergehen dürfen6. (3) Zusätzliche Handlungspflichten. Das Gebot des gesellschaftstreuen Verhaltens kann auch zusätzliche Handlungspflichten der Gesellschafter begründen (Rdnr. 52)7. Es kommen insoweit vor allem Schutzpflichten auf Unterlassung treuwidriger Schädigungen der GmbH und der Mitgesellschafter in ihrem mit1 Vgl. Wiedemann, GesR I, S. 450 ff. m.w.N., der aber die Rücksichtnahmepflicht des Mehrheitsgesellschafters bei der Anteilsabtretung zu weit ausdehnt. 2 Vgl. BGHZ 76, 352, 355 f.; BGHZ 103, 184, 193 ff. (AG); Lutter, ZGR 1981, 171, 181 f.; Timm, JZ 1980, 669 f.; Raiser, in: Ulmer, Rdnr. 83 f.; Schiessl, in: MünchHdb. III, § 32 Rdnr. 25; s. auch 10. Aufl., Erl. zu § 60 Rdnr. 17. 3 BGHZ 80, 346, 349; BGH, GmbHR 1991, 362, 363. 4 BGH, NJW 1985, 1901; s. auch Rdnr. 57. 5 Vgl. dazu RGZ 162, 388, 394 (BGB-Ges.); BGHZ 30, 195, 201 f. (KG). 6 Vgl. RGZ 122, 159, 166 f.; RGZ 132, 149, 163 f. (AG); BGHZ 71, 40, 44 ff. (AG); BGHZ 76, 352, 355 ff.; BGHZ 80, 69, 74; BGHZ 101, 113, 116; OLG Stuttgart, NZG 2000, 156, 159 (Ermittlung Ausgabepreis bei Kapitalerhöhung). Näheres dazu s. 10. Aufl., Erl. zu § 45 Rdnr. 107, § 53 Rdnr. 55 ff. 7 Vgl. Lutter, S. 110 ff.; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 22, 25; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, § 13 Rdnr. 24, 28 f.; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, § 13 Rdnr. 51 ff.; Pentz, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, § 13 Rdnr. 37; Schiessl, in: MünchHdb. III, § 32 Rdnr. 16 f., 23, 29.

Seibt

933

59

§ 14

Einlagepflicht

gliedschaftlichen Bereich1 in Betracht. Wie weit sie im Einzelnen reichen, hängt entscheidend von der rechtstatsächlichen Struktur des Gesellschaftsverhältnisses und dem Grad der geschuldeten oder tatsächlich ausgeübten Mitwirkung eines Gesellschafters an der Verwirklichung des Gesellschaftszwecks ab (Rdnr. 53). Die Gesellschafter einer GmbH, die nicht zugleich Geschäftsführer (s. dazu bei 10. Aufl., § 43) sind, unterliegen zwar nicht allgemein, wohl aber – auch ohne eine dahin gehende statutarische Nebenleistungsvereinbarung (s. § 3 Rdnr. 88 ff.) – dann einem Wettbewerbsverbot, wenn das Gesellschaftsverhältnis auf eine enge persönliche Bindung und/oder Zusammenarbeit angelegt ist2 oder wenn der betreffende Gesellschafter einen bestimmenden Einfluss auf die Geschäftsführung ausübt oder ausüben kann3 und deshalb eine mögliche Schädigung des gemeinschaftlichen Unternehmens durch eine Konkurrenztätigkeit angesichts des besonderen Vertrauensverhältnisses oder der geschäftsführungsnahen Stellung grundsätzlich als illoyal erscheinen muss4. Eine 50 %-Beteiligung allein reicht für die Annahme eines Wettbewerbsverbots nicht aus5, erst recht nicht die Ausübung des Informationsrechts nach § 51a6. Unabhängig vom Wettbewerbsrecht kann die Treuepflicht einem Gesellschafter (ungeachtet seiner Beteiligungsquote) im Einzelfall auch sonst gebieten, Geschäftschancen der GmbH nicht zu ihrem Nachteil für sich selbst auszunutzen, vor allem wenn er von ihnen als Mitglied Kenntnis erlangt hat, sie an ihn in dieser Eigenschaft herangetragen worden oder sie für die GmbH von besonderer Bedeutung sind7. Eine Verletzung der gesellschaftlichen Treuepflicht der Gesellschafter liegt ferner vor, wenn sie vertrauliche Gesellschaftsangelegenheiten, die sie als Mitglied, insbesondere in Ausübung ihres Einsichts- und Auskunftsrechts (§ 51a) erfahren haben, zum Schaden der GmbH weiterverbreiten (Verschwiegenheitspflicht)8. Auch sonstige illoyale Schädigungen der Gesellschaft oder der Mitgesellschafter

1 BGHZ 65, 15, 18 ff.; BGH, NJW 1992, 368, 369. 2 Timm, GmbHR 1981, 177, 178 f.; Lutter, AcP 180 (1980), 84, 112 f.; M. Winter, S. 252; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 26; abw. OLG Karlsruhe, GmbHR 1999, 539, 540; Schiessl, in: MünchHdb. III, § 34 Rdnr. 2 ff.; Ivens, Das Konkurrenzverbot des GmbHGesellschafters, 1987, S. 169 ff. m.w.N. 3 Vgl. dazu auch BGHZ 80, 69, 74; BGHZ 89, 162, 166; BGH, GmbHR 1988, 334, 335 f.; OLG Köln, GmbHR 1991, 366; OLG Karlsruhe, GmbHR 1999, 539, 540. 4 Vgl. dazu Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 26; Wiedemann/Hirte, ZGR 1986, 163; Ivens, Das Konkurrenzverbot des GmbH-Gesellschafters, S. 139 ff.; M. Winter, S. 248 ff.; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, § 13 Rdnr. 28; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, § 13 Rdnr. 46; von der Osten, GmbHR 1989, 450, 451; einschr. Mertens/Cahn, in: FS Heinsius, 1991, S. 545, 555 ff.; Schiessl, in: MünchHdb. III, § 34 Rdnr. 6 ff. m.w.N. Differenzierend Pentz, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, § 13 Rdnr. 87. 5 OLG Karlsruhe, GmbHR 1999, 539 f.; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 26; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, § 13 Rdnr. 45 a.E. 6 Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, § 13 Rdnr. 49. 7 BGH, GmbHR 1977, 129; BGH, NJW 1986, 584, 585; BGH, ZIP 1989, 986, 987; OLG Köln, NJW-RR 1991, 1316, 1317; Timm, GmbHR 1981, 177, 178 ff.; Lutter, S. 116; M. Winter, S. 241 ff.; Raiser, in: Ulmer, Rdnr. 98; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, § 13 Rdnr. 44; Schiessl, in: MünchHdb. III, § 32 Rdnr. 16; Karsten Schmidt, GesR, § 20 V 3, S. 599 f.; Wiedemann, GesR I, S. 443 f. 8 Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, § 13 Rdnr. 28; M. Winter, S. 241; Schiessl, in: MünchHdb. III, § 32 Rdnr. 16.

934

Seibt

§ 14

Einlagepflicht

als solche, z.B. kreditgefährdende Äußerungen über die GmbH oder die Erwirkung gesellschaftsfremder Sondervorteile, haben sie zu unterlassen1. Aus dem Treuegebot können im Ausnahmefall ebenfalls positive Leistungs- 60 pflichten der Gesellschafter gegenüber der Gesellschaft und/oder den Mitgesellschaftern hergeleitet werden (sog. Förderfunktion oder Optimierungsgebot2); doch ist insoweit im Hinblick auf die grundsätzliche gesetzliche Wertung des § 53 Abs. 3 und besonders bei vorwiegend kapitalistisch geprägten Beteiligungen erhebliche Zurückhaltung erforderlich. Die Gesellschafter können danach im Einzelfall auf Grund ihrer besonderen Stellung in der GmbH oder zwecks Gewährleistung der satzungsmäßigen Beschlussfähigkeit bei wichtigen Entscheidungen zur Teilnahme an der Gesellschafterversammlung in Person oder durch Vertreter verpflichtet sein3. Darüber hinausgehend kann unter Umständen auch eine Pflicht zur Stimmabgabe in einem bestimmten Sinne gegeben sein4. Anders als bei den Personengesellschaften besteht für ihre Anerkennung im GmbH-Recht nur selten ein Bedürfnis, da die Gesellschafterbeschlüsse, regelmäßig nur die einfache oder qualifizierte Mehrheit der abgegebenen Stimmen voraussetzen (§§ 47 Abs. 1, 53 Abs. 2 Satz 1) und der Möglichkeit einer treuwidrigen Blockierung wichtiger Entscheidungen auch im Übrigen durch Stimmenthaltung ausreichend begegnet werden kann, die weniger stark in die Mitgliedstellung eingreift und die dem Stimmberechtigten eher zumutbar ist5. Eine positive Stimmpflicht, die die gesetzlich den Gesellschaftern eingeräumte Autonomie zur Stimmrechtsausübung negiert, ist deshalb wertungsmäßig nur vertretbar, wenn die erforderliche Entscheidung ohne die Zustimmung des betreffenden Gesellschafters nicht zustande kommen kann, also z.B. die Satzung für bestimmte Angelegenheiten (beispielsweise für die Genehmigung zur Anteilsabtretung) die Einstimmigkeit aller Gesellschafter oder die Kapitalmehrheit aller Geschäftsanteile vorschreibt, oder wenn in Extremfällen jedes andere Verhalten als eine Zustimmung mit der Treuepflicht unvereinbar wäre. Der Umstand, dass es sich um eine stark personalistisch ausgestaltete GmbH handelt, reicht dafür nicht aus6. Weitere gemeinsame Voraussetzungen für die aus dem Treuegebot sich ergebenden Pflichten zur Zustimmung oder zur Stimmenthaltung sind normalerweise, dass die zu beschließende Maßnahme im Gesellschaftsinte1 Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, § 13 Rdnr. 28; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, § 13 Rdnr. 50; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 24. 2 Begriffsbildung von Fleischer/St. Schneider, DB 2010, 2713, 2717. 3 Vgl. OLG Hamburg, NJW-RR 1991, 673, 674; OLG Köln, NZG 2002, 381, 383; OLG Brandenburg v. 9.5.2007 – 7 U 84/06, Rdnr. 30–32 (juris); Hueck/Fastrich, in: Baumbach/ Hueck, § 13 Rdnr. 29; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 22; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, § 13 Rdnr. 51; Vogel, Gesellschafterbeschlüsse und Gesellschafterversammlung, 2. Aufl. 1986, S. 88 f. 4 Vgl. BGHZ 88, 320, 329; BGHZ 98, 276, 279 ff.; BGH, WM 1987, 841; BGH, GmbHR 1991, 62; OLG Hamburg, GmbHR 1992, 43, 45, 47; OLG Hamm, GmbHR 1992, 612; Zöllner, S. 353 ff.; Zöllner, in: Baumbach/Hueck, § 47 Rdnr. 111; A. Hueck, ZGR 1972, 237, 252 f.; Lutter, S. 105 ff.; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 22; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, § 13 Rdnr. 29; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, § 13 Rdnr. 52; Raiser, in: Ulmer, Rdnr. 85; M. Winter, S. 167 ff.; Schiessl, in: MünchHdb. III, § 32 Rdnr. 23; s. ferner die Erl. zu 10. Aufl., § 47 Rdnr. 31, § 53 Rdnr. 37. 5 BGHZ 129, 136, 152 f. 6 A.M. Zöllner, S. 354; Zöllner, in: Baumbach/Hueck, § 53 Rdnr. 85.

Seibt

935

§ 14

Einlagepflicht

resse oder durch die erforderliche Rücksichtnahme auf mitgliedschaftliche Interessen der Mitgesellschafter zwingend geboten und dem betreffenden Gesellschafter unter Berücksichtigung seiner schutzwürdigen Interessen zumutbar sein muss; z.B. kann eine derartige Zustimmungspflicht beim Vorliegen der übrigen Erfordernisse für die Abberufung eines untragbar gewordenen Geschäftsführers1 oder für die Ausschließung eines Gesellschafters aus wichtigem Grunde bestehen (Rdnr. 57)2. 60a

Grundsätzlich gilt das Vorstehende auch für Satzungs- und Strukturänderungen zur Anpassung an veränderte Umstände, aber es sind insoweit besonders strenge Anforderungen zu stellen (s. 10. Aufl., bei § 47 Rdnr. 31 und § 53 Rdnr. 37)3. Die Zustimmung zu einer Vermehrung der Leistungspflichten der Gesellschafter kann nicht mit Hilfe der Treuepflicht erzwungen werden (§ 53 Abs. 3)4. Ebenso wenig rechtfertigt sie die Beeinträchtigung von Sonderrechten (Rdnr. 19 ff.) oder relativ unentziehbaren Mitgliedschaftsrechten (Rdnr. 35 ff.)5, wenn dafür nicht ein wichtiger Grund gegeben ist (Rdnr. 27, 38). In Zeiten akuter Unternehmenskrise kann ein Gesellschafter aus der Treuepflicht verpflichtet sein, vorübergehend auf die Geltendmachung ihm zustehender Forderungen gegenüber der Gesellschaft zu verzichten, wenn dies mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zur Insolvenzvermeidung führt6. Ist z.B. wegen der Höhe der Verbindlichkeiten gegenüber gesellschafsfremden Dritten ein Kapitalschnitt (§ 58a Abs. 4) zur Insolvenzvermeidung notwendig, so ist ein nachschussunwilliger Gesellschafter wegen § 53 Abs. 3 nicht gegen seinen Willen zur Teilnahme an der Kapitalerhöhung verpflichtet7. Allerdings gebietet seine Treuepflicht ihm, die Sanierung nicht zu vereiteln, wenn sich Dritte bereitfinden, neue Finanzmittel zur Verfügung zu stellen; eine sich aus der Refinanzierung resultierende Verwässerung seiner Vermögens- und Verwaltungsrechte muss er hinnehmen, da er durch die Abwendung der Insolvenz (zu der er selbst keinen finanziellen Beitrag leistet) in jedem Fall besser steht, als wenn die Sanierung unterbliebe8. Bei einem am Markt, bei mittelfristiger Betrachtung eindeutig gescheiterten Geschäftsmodell 1 Vgl. BGH, GmbHR 1991, 62; OLG Hamburg, GmbHR 1992, 43, 45 und 47 – „Cats“; OLG Braunschweig, GmbHR 2009, 1276, 1278; Paefgen, in: Ulmer, § 38 Rdnr. 85. 2 Nach BGHZ 98, 276, 279 f. sind für die Mitwirkungspflicht bei der Ausschließungsklage in der Personengesellschaft entwickelten Rechtsgrundsätze (BGHZ 64, 253, 256 ff.; BGHZ 68, 81, 82) auf die personalistisch gestaltete GmbH anwendbar. 3 BGHZ 98, 276, 279 f.; BGHZ 129, 136, 152 f. – „Girmes“; BGH, GmbHR 1987, 349; BGH, NJW 1987, 3192; Ulmer, in: Ulmer, § 53 Rdnr. 81 ff.; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, § 53 Rdnr. 38; Zöllner, S. 353 f.; Zöllner, in: Baumbach/Hueck, § 53 Rdnr. 85; M. Winter, S. 178 ff.; Henze, ZHR 162 (1998), 186, 191 ff.; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, § 13 Rdnr. 53; Schiessl, in: MünchHdb. III, § 32 Rdnr. 23; stark zurückhaltend Zimmermann, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, § 53 Rdnr. 58. 4 Bedenklich daher BGH, GmbHR 1987, 349. 5 BGHZ 14, 25, 38; Ulmer, in: Ulmer, § 53 Rdnr. 82; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, § 13 Rdnr. 29; M. Winter, S. 179 f. 6 Vgl. BGH, NJW 1985, 972 f. (Publikums-KG); BGH, NJW 1985, 974 f. (Publikums-KG). 7 BGHZ 98, 276, 280; Karsten Schmidt, JZ 2010, 125, 126 und 128; Priester, ZIP 2010, 497, 449; Bacina/R. Redeker, DB 2010, 996, 997 f. 8 BGHZ 183, 1 ff. – „Sanieren oder Ausscheiden“; Priester, ZIP 2010, 497, 499; Armbrüster, EWiR 2009, 739, 740; Wahl/Schult, BB 2010, 10, 14; Ulrich, GmbHR 2010, 32, 36; Stupp, DB 2010, 489, 492 ff.; beachte aber die Abgrenzung durch BGH, GmbHR 2011, 529 für den Fall eindeutiger Satzungsregelungen.

936

Seibt

§ 14

Einlagepflicht

(sog. perspektivlose Gesellschaft) und resultierendem Substanzverzehr kann die Treuepflicht gegenüber den Mitgesellschaftern gebieten, der Liquidation und Abwicklung der Gesellschaft zuzustimmen1. cc) Folgen der Verletzung der Treuepflicht Die Verletzungsfolgen bestimmen sich nach der Art der treuwidrigen Handlung. 61 Wird die Treuepflicht durch einen Gesellschafterbeschluss verletzt, so ist dieser anfechtbar2. Treuwidrige Handlungen anderer Gesellschaftsorgane oder die treuwidrige Ausübung von Gesellschafterrechten (Rdnr. 54 f.) sind als Rechtsmissbrauch unbeachtlich3. Die treuwidrig abgegebene Stimme ist nichtig und wird bei der Berechnung der für den Beschluss erforderlichen Mehrheit nicht mitgezählt4. Soweit die Treubindung ausnahmsweise zur Vornahme einer bestimmten Handlung verpflichtet (Rdnr. 59 f.), kann auch auf Erfüllung geklagt werden5. Die Treuepflichtverletzung kann u.U. auch ein wichtiger Grund für die Ausschließung eines Gesellschafters (s. Anh. § 34 Rdnr. 30) oder für die Entziehung von Sonderrechten (Rdnr. 27) oder anderen sonst unentziehbaren Gesellschafterrechten sein (Rdnr. 38). Wird die gesellschaftliche Treuepflicht schuldhaft verletzt, so können sich da- 62 raus je nach ihrem Schutzzweck Schadensersatzansprüche der GmbH und/oder einzelner Gesellschafter ergeben, wenn und soweit letztere entweder allein oder über den bei der Gesellschaft eintretenden Schaden hinaus geschädigt worden sind6. Zur Geltendmachung von Gesellschaftsschäden durch Gesellschafterklage vgl. § 13 Rdnr. 53 ff. Der Haftung gegenüber den Mitgesellschaftern steht nicht entgegen, dass die GmbH „kapitalistisch“ ausgestaltet ist7. Besonders in Geschäftsführungsangelegenheiten kann die Gesellschaftermehrheit, die durch Beschluss die Geschäftsführer angewiesen (§§ 37 Abs. 1, 45 Abs. 2) oder diese in 1 Vgl. M. Winter, S. 35; vgl. auch BGH, NJW 1960, 434 f. (KG); einschränkend (nur Zustimmungspflicht für Minderheitsgesellschafter) Henze, ZHR 162 (1998), 186, 196. 2 BGHZ 76, 352, 357; BGHZ 80, 69, 74; BGHZ 103, 185, 189; BGH, GmbHR 1991, 62; s. auch 10. Aufl., bei § 45 Rdnr. 107, § 47 Rdnr. 29. 3 Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, § 13 Rdnr. 30; Raiser, in: Ulmer, Rdnr. 89 a.E.; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, § 13 Rdnr. 40. 4 BGH, ZIP 1988, 22, 24; BGH, GmbHR 1991, 62; BGH, GmbHR 1993, 579, 581; OLG Hamburg, GmbHR 1992, 43, 47; Raiser, in: Ulmer, Rdnr. 89; Zöllner, S. 366 ff.; Karsten Schmidt, GmbHR 1992, 9, 11 f. m.w.N.; a.M. Koppensteiner, ZIP 1994, 1325. 5 BGHZ 48, 163 (Durchsetzung Stimmpflicht); OLG Hamburg, GmbHR 1992, 43; OLG Hamm, GmbHR 1992, 612; Raiser, in: Ulmer, Rdnr. 90; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/ Hueck, § 13 Rdnr. 30; Schiessl, in: MünchHdb. III, § 32 Rdnr. 31. 6 Vgl. BGHZ 65, 15, 18; BGH, ZIP 1985, 1263, 1266; BGH, NJW 1992, 368, 369; OLG Karlsruhe, WM 1984, 656; Raiser, in: Ulmer, Rdnr. 91; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/ Hueck, § 13 Rdnr. 30; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 31; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, § 13 Rdnr. 41; Pentz, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, § 13 Rdnr. 42; Ulmer, ZHR 148 (1984), 391, 392 ff., 416 ff.; M. Winter, ZHR 148 (1984), 579, 592 ff.; Ziemons, S. 75 ff., jeweils m.w.N. Krit. Flume, Juristische Person, S. 270 f. und – unter Annahme eines deliktischen Gesellschafterschutzes gemäß § 823 BGB – Mertens, in: FS R. Fischer, 1979, S. 461 ff. 7 BGHZ 65, 15, 18 (offen gelassen); wie hier Michalski/Funke, in: Michalski, § 13 Rdnr. 143; Raiser, in: Ulmer, Rdnr. 70; Fleischer, in: MünchKomm. GmbHG, Einl. Rdnr. 188; a.M. Zöllner, S. 432.

Seibt

937

§ 14

Einlagepflicht

sonstiger Weise maßgeblich beeinflusst hat, der treuwidrig verletzten Minderheit schadensersatzpflichtig sein, wenn sie nicht die Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmannes gewahrt hat1. Desgleichen kann unter diesen Umständen ein Schadensersatzanspruch der GmbH gegeben sein2, der aber, wenn ein inneres Verbandsrecht begründender Gesellschafterbeschluss vorliegt, erst nach dessen Vernichtung auf Grund einer Anfechtungsklage geltend gemacht werden kann. Soweit nicht Geschäftsführungsangelegenheiten betroffen sind, gilt der allgemeine Verschuldensmaßstab des § 276 BGB3. Die Schadensersatzansprüche wegen Treupflichtverletzung unterliegen im Grundsatz der Regelverjährung, also § 195 BGB4; soweit daneben Ansprüche aus § 43 in Betracht kommen, sollte einheitlich die fünfjährige Verjährungsfrist nach § 43 Abs. 4 gelten5.

IV. Vorzugsgeschäftsanteile 63

Vorzugsgeschäftsanteile sind solche Geschäftsanteile, mit denen Vorzugsrechte (Sonderrechte) verknüpft sind6. Mit Übertragung des Geschäftsanteils geht daher das Sonderrecht auf den Anteilserwerber über, es sei denn, dass es, wie z.B. ein Recht auf ein Aufsichtsratsamt, höchstpersönlicher Natur ist oder der Gesellschaftsvertrag sonst einen Übergang ausschließt. Geschäftsanteile können auch derart gebildet sein, dass sie einerseits Sonderrechte, z.B. im Gewinnbezug, und andererseits geminderte Rechte vermitteln, z.B. ein geringeres oder gar kein Stimmrecht (vgl. § 139 AktG). In der Praxis werden auch solche Anteile Vorzugsgeschäftsanteile genannt7.

V. Geschäftsbereichsanteile 63a

In der Praxis findet sich in Sonderkonstellationen die Regelung von Geschäftsbereichsanteilen, bei denen das Dividenden- und Liquidationserlösrecht der Gesellschafter nicht an das Ergebnis der Gesamtgesellschaft anknüpft, sondern an

1 Für diesen Sorgfaltsmaßstab auch BGH, NJW 1976, 191, 192 (in BGHZ 65, 15 nicht abgedruckt); Immenga, S. 268, 283; Immenga, in: FS 100 Jahre GmbHG, 1992, S. 189, 199; Schilling, in: FS Hefermehl, 1976, S. 383, 385; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, § 13 Rdnr. 30; Raiser, in: Ulmer, Rdnr. 92; Wiedemann, GesR I, S. 455; Blaurock, in: FS Stimpel, 1985, S. 553, 563; Ziemons, S. 164 f. m.w.N.; abw. für Anwendung des § 276 BGB Ulmer, ZHR 148 (1984), 421; noch stärker einschränkend Pentz, in: Rowedder/ Schmidt-Leithoff, § 13 Rdnr. 42. 2 A.M. Wolany, S. 114. 3 Raiser, in: Ulmer, Rdnr. 92; U. Stein, Das faktische Organ, 1984, S. 181 f.; Martens, GmbHR 1984, 265, 268; a.M. Pentz, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, § 13 Rdnr. 85. Näheres zur konzernrechtlichen Problematik vgl. Anh. Konzernrecht (nach § 13), Rdnr. 117 ff. 4 BGH, WM 1978, 1205; BGH, ZIP 1999, 240. 5 Eb. Raiser, in: Ulmer, Rdnr. 92 a.E. 6 Terminologisch abweichend Ulmer, in: Ulmer, § 5 Rdnr. 189 m. Fn. 285, 202; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 8; Schiessl, in: MünchHdb. III, § 31 Rdnr. 10, die einen Vorzugsgeschäftsanteil nur annehmen, wenn das Vorzugsrecht nach der Satzungsregelung auf die jeweiligen oder bestimmte Anteilserwerber übergeht, während sonst trotz Bindung an die Mitgliedschaft ein teilweise abweichend zu behandelnder persönlicher Sondervorteil vorliegen soll. 7 RGZ 167, 65.

938

Seibt

§ 14

Einlagepflicht

einen bestimmten abgrenzbaren Geschäftsbereich. Eine derartige spartenbezogene Vermögensbeteiligung hat unter dem Schlagwort „Tracking Stocks“ bei börsennotierten Aktiengesellschaften in den USA eine gewisse Verbreitung gefunden und dient dort vor allem dem Abbau des von Mischkonzernen am Kapitalmarkt zu zahlenden sog. Diversifikationsabschlags1. In Deutschland finden sich solche Tracking Stock-Modelle fast ausschließlich bei Gemeinschaftsunternehmen in der Rechtsform der GmbH2, bei denen die Joint Venture-Partner vermögensmäßig ausschließlich an dem von ihnen eingebrachten Unternehmensteil beteiligt bleiben. Eine solchermaßen divisionalisierte Gewinn- und Liquidationserlösbeteiligung 63b ist nach § 29 Abs. 3 Satz 2 sowie § 72 Satz 2 zulässig3 und bedarf zu ihrer steuerlichen Anerkennung einer Satzungsgrundlage. Die Satzungsregelung sollte eine hinreichend bestimmte Definition der „getrackten“ Geschäftsbereiche oder Sparten sowie ein Verfahren zur Neubeschreibung dieser Geschäftsbereiche bei tatsächlichen Entwicklungen, die Aufstellung und Konturierung einer Spartenrechnungslegung, Zustimmungsvorbehalte zu Gunsten der Gesellschafterversammlung bzw. eines anderen Organs (z.B. Aufsichtsrat) bei Maßnahmen oder Rechtsgeschäften, die einen wesentlichen Einfluss auf die Ertragssituation bzw. die langfristige Wertbildung der „getrackten“ Geschäftsbereiche haben sowie zur Verteilung des Gewinns und des Liquidationserlöses umfassen. Dabei ist es wichtig festzuhalten, dass für die Bestimmung des zu verteilenden Gewinns ungeachtet einer Regelung zur divisionalisierten Gewinnbeteiligung die Bezugsgröße des Jahresergebnisses maßgeblich bleibt und der festgestellte Jahresabschluss die im Rahmen der Gewinnverteilung disponible Masse bindend festlegt. Daher sind präzise Regelungen vor allem für den Fall erforderlich, dass nur einzelne von mehreren Bereichen der Gesellschaft positive Erträge erwirtschaften4. Die nachträgliche Satzungsregelung von Geschäftsbereichsanteilen setzt die Zustimmung aller Gesellschafter voraus.

63c

VI. Anteilsscheine Begrifflich handelt es sich bei sog. Anteilsscheinen um über Geschäftsanteile 64 ausgestellte Urkunden. Das Gesetz sieht sie nicht vor (anders das Aktienrecht: §§ 10, 13 AktG). Es ist rechtlich zulässig, aber in der Praxis bislang noch selten,

1 Eingehend Tonner, Tracking Stocks – Eine Untersuchung zur Zulässigkeit und Gestaltungsmöglichkeiten von Geschäftsbereichsaktien nach deutschen Aktiengesetz, 2002; Tonner, IStR 2002, 317 ff.; Thiel, Spartenaktien für deutsche Aktiengesellschaften, 2001; Sieger/Hasselbach, BB 1999, 1277; Sieger/Hasselbach, AG 2001, 391 ff.; Baums, in: FS Boujong, 1996, S. 19 ff.; aus betriebswirtschaftlicher Sicht Natusch, „Tracking Stock“ als Instrument der Beteiligungsfinanzierung diversifizierter Unternehmen, 2. Aufl. 2000, passim. 2 Zu solchen Einsatzmöglichkeiten R. Müller, WiB 1997, 57, 60 f.; Fox/Hüttche/Lechner, GmbHR 2000, 521. 3 R. Müller, WiB 1997, 57, 60; Fox/Hüttche/Lechner, GmbHR 2000, 521, 529; Breuninger/ Krüger, in: FS W. Müller, 2001, S. 527, 529. 4 Für Formulierungsvorschläge Seibt, in: MünchAnwHdb. GmbH-Recht, 2. Aufl. 2009, § 2 Rdnr. 309 f.

Seibt

939

§ 14

Einlagepflicht

dass eine GmbH Anteilsscheine ausgibt. Insbesondere ausländische Gründer/ Anteilserwerber verlangen aber vor dem Hintergrund ihrer (nicht anwendbaren) Heimatjurisdiktionen gelegentlich die Ausgabe von Anteilsscheinen. Ein Anspruch des Gesellschafters darauf besteht nur, wenn in der Satzung vorgesehen oder von den Gesellschaftern beschlossen1. Der Anteilsschein ist nur eine Beweisurkunde2. Auf den Inhaber oder an Order kann die Urkunde nicht gestellt werden (anders bei der Aktie), sondern muss auf den Namen des Berechtigten lauten. Sie hat außerdem, da anderenfalls der Beweiszweck nicht erreicht wird, zumindest die Gesellschaft und den Nennbetrag des Geschäftsanteils zu bezeichnen sowie Ort und Zeit der Ausstellung zu enthalten3; er kann maschinell unterschrieben sein. Die Ausgabe von Teilanteilsscheinen, die nach Art von Aktien auf Stückelungsbeträge gleicher Höhe (aber ohne tatsächliche Unterlegung mit entsprechenden Geschäftsanteilen) lauten, ist zwar nicht unzulässig4, aber weiterhin, und obwohl Vorratsteilungen und anlasslose Teilungen von Geschäftsanteilen durch Gesellschafterbeschluss nunmehr möglich sind (§ 5 Abs. 2, § 46 Nr. 4), rechtlich bedeutungslos und irreführend5. 64a

Da der Anteilsschein kein Wertpapier ist, verkörpert er nicht das Anteilsrecht. Dieses wird wirksam übertragen (§ 15 Abs. 3) und gepfändet auch ohne Übergabe des Anteilsscheins6. Der Erwerber des Geschäftsanteils wird grundsätzlich analog § 952 BGB Eigentümer des Anteilsscheins7 und kann seine Aushändigung nach §§ 985, 402, 413 BGB verlangen. Ein auf die Übergabe des Anteilsscheins gestützter gutgläubiger Erwerb eines Geschäftsanteils ist de lege lata ausgeschlossen8. Mit dem MoMiG hat der Gesetzgeber stattdessen die Gesellschafterliste zum Rechtsscheinträger erhoben, vgl. Erl. bei § 16 Rdnr. 1 f. Der Gesellschaftsvertrag kann freilich die Abtretung des Geschäftsanteils an die Übergabe des Anteilsscheins knüpfen (als „weitere Voraussetzung“ i.S. des § 15 Abs. 5; dazu § 15 1 Eb. Raiser, in: Ulmer, Rdnr. 15; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 8; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 9; Reichert/Weller, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 42; Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 37 f.; einschr. (Satzungsregelung erforderlich) Pentz, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 40. 2 RGZ 57, 415; RG, JW 1901, 521; OLG Köln, GmbHR 1995, 293; Reichert/Weller, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 42 f.; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 8; Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 38. 3 Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 8; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 9; Jasper/Wollbrink, in: MünchHdb. III, § 23 Rdnr. 3; Reichert/Weller, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 42; Pentz, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 40. 4 Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 9; Pentz, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 39; a.M. Raiser, in: Ulmer, Rdnr. 16 a.E.; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 9. 5 Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 9; Reichert/Weller, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 42; Pentz, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 39 (zur alten Rechtslage). 6 RGZ 98, 277; RG, GmbHR 1921, 165. 7 Raiser, in: Ulmer, Rdnr. 16; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 9; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 9; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 9; Reichert/Weller, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 44; Pentz, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 40; Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 38. 8 Rechtspolitisch für einen Gutglaubenserwerb über die Einführung eines wertpapierrechtlichen Anteilsscheins Grunewald/Gehling/Rodewig, ZIP 2006, 685, 689 (Gehling), dort auch Gegenposition (690).

940

Seibt

§ 14

Einlagepflicht

Rdnr. 116), auch bestimmen, dass Gewinnanteile nur gegen Vorlage des Anteilsscheins oder des Dividendenscheins (Rdnr. 66) bezahlt werden1 oder die Ausübung anderer Mitgliedschaftsrechte (z.B. Stimmrecht) von der Vorlage des Anteilsscheins abhängig ist2. Der Anspruch auf Anteilsübertragung kann auch bei Ausstellung von Anteilsscheinen nicht im Urkundenprozess geltend gemacht werden, da keine Wertpapiere i.S. des § 592 ZPO Klagegegenstand sind3. Das Aufgebot (Amortisation) von Anteilsscheinen ist unstatthaft (§ 433 65 FamFG). Der Gesellschaftsvertrag kann ein solches Verfahren nicht einführen. Ist nach dem Gesellschaftsvertrag die Übergabe des Anteilsscheins zur Übertragung des Geschäftsanteils erforderlich (§ 15 Abs. 5) oder die Ausübung von Mitgliedschaftsrechten von der Vorlage des Anteilsscheins abhängig (Rdnr. 64a), so ist die GmbH verpflichtet, an Stelle des verlorenen Scheins ohne Amortisation einen anderen auszustellen4; dann muss auch im Falle der Verpfändung des Geschäftsanteils der Anteilsschein mitverpfändet werden5.

VII. Dividendenscheine Die Gewinnanteil- oder Dividendenscheine, die die Ansprüche der Gesellschaf- 66 ter auf den festgestellten verteilbaren Jahresüberschuss (§ 29 Abs. 1) verbriefen, sind im GmbHG zwar nicht geregelt, aber unbedenklich zulässig6. Sie können als Beweisurkunden, aber auch als Wertpapiere (Rekta-, Inhaber- oder Orderpapier) ausgestaltet werden. Der Inhabergewinnschein (Inhaberschuldverschreibung), der, weil er nicht auf eine bestimmte Summe lautet, keiner staatlichen Genehmigung bedarf, unterliegt grundsätzlich den §§ 793 ff. BGB7. Als Orderpapier ist er gemäß § 363 HGB („Verpflichtungsschein“) zulässig. Da das Gewinnbezugsrecht selbständig übertragbar ist, steht die für die Übertragung der Geschäftsanteile in § 15 Abs. 3 vorgesehene notarielle Form einer formlosen Abtretung des Rechts auf den Gewinn nicht entgegen, bedarf diese Abtretung nicht einer nach § 15 Abs. 5 erforderlichen Genehmigung, können der Geschäftsanteil und das Gewinnbezugsrecht verschiedenen Personen zustehen. Die Zerlegung des auf einen Geschäftsanteil entfallenden Gewinnbezugsrechts in mehrere Teile, denen mehrere Dividendenscheine entsprechen, ist möglich8. Die Übertragung erfolgt durch einfache Abtretung (Zession) oder, wenn der

1 RGZ 98, 278; Reichert/Weller, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 44; Raiser, in: Ulmer, Rdnr. 15. 2 Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 9; Reichert/Weller, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 44; Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 38. 3 OLG Köln, GmbHR 1995, 293. 4 Neukamp, ZHR 57 (1906), 30, 48; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 9; Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 38; Raiser, in: Ulmer, Rdnr. 16; a.M. Brodmann, Anm. 6 zu § 15. 5 RGZ 98, 277. 6 Müller, in: Ulmer, § 29 Rdnr. 196; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, § 29 Rdnr. 87; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 10; Pentz, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 43; Jasper, in: MünchHdb. III, § 23 Rdnr. 4. 7 Müller, in: Ulmer, § 29 Rdnr. 201; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, § 29 Rdnr. 87. 8 Zust. Müller, in: Ulmer, § 29 Rdnr. 199; Pentz, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 119.

Seibt

941

§ 14

Einlagepflicht

Schein an Order lautet, auch durch Indossament (§ 364 HGB), beim Inhaberschein durch Übereignung des Papiers gemäß §§ 929 ff. BGB. Beim Order- oder Inhaberschein sind Einwendungen der GmbH als Ausstellerin nur gemäß § 364 HGB, § 796 BGB und aus dem Hauptrecht, d.h. der Mitgliedschaft, zulässig1. Die Gesellschafterrechte, z.B. Stimmrecht u. Mitwirkung bei Beschlussfassung über die Gewinnverteilung, stehen nur dem Gesellschafter (Geschäftsanteilsinhaber), nicht dem Dividendenzessionar zu2. Aufgebotsfähig sind Dividendenscheine nur, wenn sie an Order lauten (§ 365 Abs. 2 HGB; für Inhaberscheine vgl. § 799 BGB).

VIII. Genussrechte (Genussscheine) Schrifttum: Achleitner/von Einem/von Schröder, Private Debt – alternative Finanzierung für den Mittelstand, 2004; Albach, Zur Versorgung der deutschen Wirtschaft mit Risikokapital, 1983, S. 116 ff.; Buntschuh/Hadding/Schneider (Hrsg.), Recht und Praxis der Genussscheine, 1987; Claussen, Der Genussschein und seine Einsatzmöglichkeiten, in: FS W. Werner, 1984, S. 83; Feddersen/Knauth, Eigenkapitalbildung durch Genussscheine, 2. Aufl. 1992; Frantzen, Genussscheine – zugleich eine Analyse der Genussscheinbedingungen deutscher Unternehmen, 1993; Göhrum, Einsatzmöglichkeiten von Genussrechten bei der notleidenden GmbH oder AG, 1992; Golland/Gelhaar/Grossmann/Eickhoff-Kley/Jänisch, Mezzanine-Kapital, BB Spezial 4/2005; Häger/Elkemann/Reusch, Mezzanine Finanzierungsinstrumente, 2004; Hofert/Arends, Mezzanine-Finanzierung der GmbH, GmbHR 2005, 1381; Klusmeier, Genussscheine als Gestaltungsinstrument im Rahmen der Sanierung einer GmbH & Co. KG, ZInsO 2010, 1873; Pougin, Genussrechte, 1987; Rid-Niebler, Genussrechte als Instrument zur Eigenkapitalbeschaffung über den organisierten Kapitalmarkt für die GmbH, 1989; Schaber/Kuhn/Eichhorn, BB 2004, 315; Sethe, Genussrechte: Rechtliche Rahmenbedingungen und Anlegerschutz, AG 1993, 293 und 351; Vollmer, Der Genussschein – ein Instrument für mittelständische Unternehmen zur Eigenkapitalbeschaffung an der Börse, ZGR 1983, 445; Vollmer, Eigenkapitalbeschaffung für die GmbH durch Börsengang, GmbHR 1984, 329.

1. Begriff und Bedeutung 67

Die sog. Genussrechte (Genussscheine), die bisher für die GmbH nur eine geringe praktische Bedeutung (mit Ausnahme als Venture Capital-Finanzierungselement3 und den vor allem vor der Finanzkrise 2008 genutzten sog. ConduitLösungen für bestimmte Mittelstandsunternehmen4) erlangt haben, sind durch die Unternehmenspraxis entwickelt worden. Das AktG erwähnt sie in §§ 160

1 RGZ 77, 335; RGZ 82, 145; KG, DNotZ 1926, 28; Müller, in: Ulmer, § 29 Rdnr. 203. 2 Vgl. RGZ 98, 318; Müller, in: Ulmer, § 29 Rdnr. 200; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/ Hueck, § 29 Rdnr. 87; Pentz, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 120. 3 Z.B. Empfehlung Business Angels Networks Deutschland (BAND, www.businessangels.de, Stellungnahme zum MoRaKG). Für Musterverträge vgl. Weitnauer, Hdb. Venture Capital, 4. Aufl. 2011, S. 559 ff. (GmbH-Satzung), 545 ff. (Beteiligungsvertrag) – Alternativ werden Strukturen mit einer Kombination von Vorzugsgeschäftsanteilen mit Darlehensausreichung oder stillen Beteiligungen gewählt (vgl. hierzu Weitnauer, Hdb. Venture Capital, 4. Aufl. 2011, S. 556 ff.). 4 Bei den Conduit-Lösungen erwerben Einzweckgesellschaften von Kreditinstituten Genussscheine bestimmter Mittelstandsunternehmen, die sich dann ihrerseits am Kapitalmarkt refinanzieren; vgl. Hofert/Arends, GmbHR 2005, 1381.

942

Seibt

§ 14

Einlagepflicht

Abs. 1 Nr. 6, 221 Abs. 31, gibt aber selbst keine Begriffsbestimmung2. Es handelt sich um Rechte gegen die GmbH (oder AG) mit einem vermögensrechtlichen Inhalt, wie ihn typischerweise auch die Gesellschafterrechte gewähren, insbesondere Rechte auf einen Anteil am Gewinn und/oder am Liquidationserlös der Gesellschaft3. Die Genussrechte sind aber keine Mitgliedschaftsrechte, sondern Gläubigerrechte rein schuldrechtlicher Art4. Die früher abweichende Auffassung, die die Genussrechte demgegenüber als „Beteiligung besonderer Art“ charakterisiert hat5, ist abzulehnen. Ebenso wenig liegt normalerweise eine stille Gesellschaft vor6.

2. Begründung Begründet werden die Genussrechte durch Verträge zwischen der GmbH und 68 dem ersten Erwerber7. Übereinstimmendes Merkmal solcher Verträge ist zwar, dass die Gesellschaft einem anderen einen schuldrechtlichen Anspruch mit vermögensrechtlichem Inhalt einräumt, wie ihn typischerweise auch Gesellschafterrechte gewähren (Rdnr. 67), aber der Verpflichtigungsgrund kann ganz unterschiedlicher Art sein und die zugesagten Leistungen können inhaltlich sehr unterschiedlich ausgestaltet werden. Einen verkehrstypischen Genussrechtsvertrag gibt es deshalb nicht8; häufig handelt es sich um einen aus Elementen verschiedener Vertragstypen bestehenden gemischten Vertrag. a) Es ist wegen der Verschiedenartigkeit der Genussrechtsverträge (Rdnr. 68) 69 nicht möglich, allgemein zu bestimmen, ob der Geschäftsführer rechtswirksam 1 Vgl. auch §§ 5 Abs. 1 Nr. 7, 23, 126 Abs. 1 Nr. 7, 194 Abs. 1 Nr. 5 UmwG. 2 Auch § 10 Abs. 5 KWG legt nur die Voraussetzung fest, unter denen das Genussrechtskapital für die dem Geltungsbereich dieses Gesetzes unterliegenden Kreditinstitute dem haftenden Eigenkapital zuzurechnen ist. Eine darüber hinausgehende Bedeutung hat er nicht; vgl. OLG Düsseldorf, ZIP 1991, 1070, 1075; Rid-Niebler, S. 14 f., 68 f. m.w.N. 3 Vgl. dazu Wünsch, in: FS Strasser, 1983, S. 871, 879; Wedel, Der Partizipationsschein als Kapitalbeschaffungsmittel der Aktiengesellschaften, 1969, S. 50 ff.; Rid-Niebler, S. 1 ff.; Sethe, AG 1993, 293, 297; Karsten Schmidt, GesR, § 18 II 2b dd; Schaber/Kuhn/ Eichhorn, BB 2004, 315, 316; Hofert/Arends, GmbHR 2005, 1381, 1383. 4 RGZ 83, 297; RGZ 97, 199 f.; RGZ 105, 239; RGZ 115, 230; RGZ 132, 206; BGHZ 119, 305, 310; BGHZ 120, 141, 146 f.; BGH, WM 1959, 434; Feine, S. 292 ff.; Habersack, ZHR 155 (1991), 378, 383 f.; Rid-Niebler, S. 10 ff.; Golland/Gelhaar/Grossmann/Eickhoff-Kley/Jänisch, BB-Spezial 4/2005, 1, 17; Müller, in: Ulmer, Anh. § 29 Rdnr. 4; Hueck/ Fastrich, in: Baumbach/Hueck, § 29 Rdnr. 88; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 10; Lutter, in: Lutter/Hommelhoff, § 55 Rdnr. 59 ff. jeweils m.w.N. 5 So Würdinger, Aktien- und Konzernrecht, 4. Aufl. 1981, S. 86; Ernst, Der Genussschein im deutschen und schweizerischen Aktienrecht, 1963, S. 98 ff., 115. 6 Feddersen/Knauth, S. 17 f.; Frantzen, S. 15; Sethe, AG 1993, 293, 297; Blaurock, Hdb. Stille Gesellschaft, 7. Aufl. 2010, S. 145 f.; a.M. Meilicke, BB 1989, 465, 466; Schön, JZ 1993, 925, 929 f.; damit sympathisierend auch Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 11. 7 RGZ 132, 199, 206 f.; Müller, in: Ulmer, Anh. § 29 Rdnr. 29; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, § 29 Rdnr. 91; Mayer/Vollrath, in: MünchHdb. III, § 23 Rdnr. 5. 8 Zutr. Müller, in: Ulmer, Anh. § 29 Rdnr. 5; Lutter, in: Lutter/Hommelhoff, § 55 Rdnr. 60; s. auch BGHZ 119, 305, 309. Die Qualifizierung als Vertrag sui generis (so z.B. Pougin, in: FS Oppenhoff, 1985, S. 275 ff.; Rid-Niebler, S. 82 m.w.N.) ist deshalb verfehlt oder zumindest irreführend.

Seibt

943

§ 14

Einlagepflicht

die Genussrechte ohne eine entsprechende Festsetzung im Gesellschaftsvertrag oder ohne Zustimmung der Gesellschafter vereinbaren kann1. Die satzungsmäßige Festsetzung aller wesentlichen Bedingungen des Genussrechts ist erforderlich, wenn es den Gesellschaftern im Rahmen des Gesellschaftsverhältnisses, z.B. als Gründervorteil (s. § 3 Rdnr. 100), als Teilentgelt für eine gemischte Sacheinbringung (s. § 5 Rdnr. 81 ff.), als Entgelt für die Nebenleistungspflicht eines Gesellschafters (s. § 3 Rdnr. 68 ff., 78) oder für amortisierte Geschäftsanteile gewährt werden soll. Fehlt sie, so ist die entsprechende Ausführungsvereinbarung unwirksam. 70

Andere Genussrechtsverträge bedürfen dagegen grundsätzlich keiner satzungsmäßigen Grundlage2. Sie greifen, wenn sie eine Gewinn- oder Ergebnisbeteiligung gewähren, nicht ohne weiteres in das Gewinnrecht der Gesellschafter (§ 29 Abs. 1) ein. Die Zahlungen an die Genussrechtsinhaber sind, sofern ihnen ein Drittgeschäft (Rdnr. 15 f.) zugrunde liegt, keine Verwendung des den Gesellschaftern zustehenden Jahresüberschusses, sondern stellen einen bei dessen Ermittlung zu berücksichtigenden Aufwand der Gesellschaft dar3. Auch eine mittelbare (wirtschaftliche) Beeinträchtigung der Gewinnrechte kann nur eintreten, wenn der Genussrechtsvertrag unzulässigerweise keine angemessene Gegenleistung vorsieht. Der durch eine solche Gestaltung möglichen Gefährdung der Gesellschafterinteressen wird ausreichend dadurch Rechnung getragen, dass bedeutsamere Genussrechtsverträge innergesellschaftlich als außergewöhnliche Geschäfte der Zustimmung der Gesellschafterversammlung unterliegen (s. 10. Aufl., § 37 Rdnr. 12 ff.)4; gegen ungerechtfertigte wirtschaftliche Beeinträchtigungen ihres Gewinnrechts ist die Minderheit dabei durch den Gleichbehandlungsgrundsatz (Rdnr. 40 ff.) und die gesellschaftliche Treuepflicht (Rdnr. 50 ff., 61) geschützt. Die entsprechende Anwendung der §§ 53, 54 (qualifizierte Mehrheit, Formerfordernisse u. Eintragung) auf dem Zustimmungsbeschluss zum schuldrechtlichen Genussrechtsvertrag scheidet demgegenüber ohne das Hinzutreten besonderer Umstände auch dann aus, wenn die Voraussetzungen eines Teilgewinnabführungsvertrages i.S. des § 292 Abs. 1 Nr. 2 AktG vorliegen5; sie

1 Sethe, AG 1993, 293, 313 f.; Müller, in: Ulmer, Anh. § 29 Rdnr. 29; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, § 29 Rdnr. 91; a.M. Lutter, in: Lutter/Hommelhoff, § 55 Rdnr. 61, der § 221 Abs. 1, 4 AktG analog anwenden will; s. auch Pentz, in: Rowedder/SchmidtLeithoff, Rdnr. 136. 2 Eb. Müller, in: Ulmer, Anh. § 29 Rdnr. 29; Sethe, AG 1993, 293, 313 f.; Golland/Gelhaar/Grossmann/Eickhoff-Kley/Jänisch, BB-Spezial 4/2005, 1, 17 (aber empfehlenswert); einschr. auf Verträge des laufenden Geschäftsverkehrs Hueck/Fastrich, in: Baumbach/ Hueck, § 29 Rdnr. 91; abw. für Genussrechte mit Eigenkapitalcharakter Rid-Niebler, S. 85 ff. 3 Müller, in: Ulmer, Anh. § 29 Rdnr. 29. 4 Sethe, AG 1993, 293, 314; weitergehend Müller, in: Ulmer, Anh. § 29 Rdnr. 29: „in aller Regel“; Pentz, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, § 29 Rdnr. 139. Für einen Gesellschafterbeschluss mit satzungsändernder Mehrheit allgemein Lutter, in: Lutter/Hommelhoff, § 55 Rdnr. 61 u. für Finanzierungsgenussrechte Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, § 29 Rdnr. 91; ähnlich Rid-Niebler, S. 85 ff., 89 ff. 5 Müller, in: Ulmer, Anh. § 29 Rdnr. 29 will in diesem Fall „in abgeschwächter Form“ die für Gewinnabführungsverträge geltenden Rechtsprechungsgrundsätze (BGHZ 103, 1, 4 f.; BGHZ 105, 324, 338 ff.) anwenden.

944

Seibt

§ 14

Einlagepflicht

kann nicht mit dem Hinweis auf die undifferenzierte aktienrechtliche Regelung der §§ 292 Abs. 1 Nr. 2, 293 f. AktG begründet werden. Der Gesellschaftsvertrag kann nähere Bestimmungen über die Vereinbarung von Genussrechten treffen, aber sie beschränken nur die Geschäftsführungsbefugnis (§ 37), wirken nicht gegenüber Dritten. Eine Ausnahme gilt – auch bei Überschreitung der in Rdnr. 70 erörterten Grenzen – aber beim Missbrauch der Vertretungsmacht (s. 10. Aufl., § 35 Rdnr. 132 ff.).

71

b) Ein Bezugsrecht auf Genussrechte steht den Gesellschaftern der GmbH nicht 72 zu1; § 221 Abs. 4 AktG ist nicht analog anwendbar. Die Satzung kann aber ein solches Recht einräumen (Rdnr. 71). Bei der Ausgabe von Genussrechten hat die Gesellschaft im Übrigen den Gleichbehandlungsgrundsatz zu beachten, darf also nicht einzelne Gesellschafter willkürlich vom Bezug ausschließen (Rdnr. 40 ff.). c) Die Genussrechtsbedingungen unterliegen der Inhaltskontrolle nach §§ 307 ff. 73 BGB, soweit es sich um für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierte Vertragsbedingungen handelt (§ 305 Abs. 1 BGB)2. Die Bereichsausnahme für Verträge auf dem Gebiete des Gesellschaftsrechts (§ 310 Abs. 4 BGB) greift bei Genussrechtsverträgen im Allgemeinen nicht ein, da sie schuldrechtliche Regelungen treffen (Rdnr. 67); etwas anderes gilt nur für solche Genussrechte, die auf Grund der Festsetzung in der Satzung im Rahmen des Gesellschaftsverhältnisses an Gesellschafter der GmbH gewährt werden (Rdnr. 69). Die Inhaltskontrolle bezieht sich nach § 307 Abs. 3 BGB nicht auf die Abreden, die den Gegenstand der Hauptleistung und den Preis bestimmen, z.B. bei Genussrechtsverträgen die Art und die Höhe der zugesagten Gewinnbeteiligung; insoweit sind – abgesehen von § 305c BGB – die allgemeinen Vorschriften der §§ 134, 138 BGB maßgebend. Die abweichende Auffassung, die die Inhaltskontrolle auf diese Abreden ausdehnen will3, ist mit dem Gesetz unvereinbar und kann auch nicht mit Besonderheiten der Genussrechtsverträge gerechtfertigt werden. Nach der Generalklausel des § 307 Abs. 1 BGB sind die Bestimmungen der von der Gesellschaft verwendeten Genussrechtsbedingungen unwirksam (s. dazu § 306 BGB), die den Genussberechtigten entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen, was regelmäßig (§ 307 Abs. 2 BGB: „im Zweifel“) vor allem dann zutrifft, wenn sie mit 1 Zutr. Müller, in: Ulmer, Anh. § 29 Rdnr. 30; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, § 29 Rdnr. 91; a.M. Lutter, in: FS Döllerer, 1988, S. 383, 385; Lutter, in: Lutter/Hommelhoff, § 55 Rdnr. 61; Rid-Niebler, S. 48 f.; Sethe, AG 1993, 293, 315; offen Hofert/Arends, GmbHR 2005, 1381, 1383. 2 BGHZ 119, 305, 312 ff.; OLG Düsseldorf, ZIP 1991, 1070, 1075 (AG); Müller, in: Ulmer, Anh. § 29 Rdnr. 33; Rid-Niebler, S. 83, 118 ff.; Hammen, BB 1990, 1917, 1918 ff.; Frantzen, S. 23, 100; Sethe, AG 1993, 351, 352, 368 f.; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, § 29 Rdnr. 89; Lutter, in: Lutter/Hommelhoff, § 55 Rdnr. 60. Krit. Ekkenga, ZHR 160 (1996), 59 ff. m.w.N. Eine Inhaltskontrolle gemäß § 242 BGB befürwortet Kallrath, Die Inhaltskontrolle der Wertpapierbedingungen von Wandel- und Optionsanleihen, Gewinnschuldverschreibungen und Genussrechten, 1994, S. 63 ff. 3 Rid-Niebler, S. 118 f. m.w.N.; früher auch Goerdeler/Müller, in: Hachenburg, § 29 Anh. Rdnr. 28; wie hier BGHZ 119, 305, 314 ff.; jetzt auch Müller, in: Ulmer, Anh. § 29 Rdnr. 33; Hammen, BB 1990, 1917, 1918; Sethe, AG 1993, 351, 368 f.; Lutter, in: KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1995, § 221 AktG Rdnr. 222; Bürger, Genussrechte als Mittel zur Verbesserung der Eigenkapitalausstattung von Unternehmen, insbes. Kreditinstituten, Diss. Augsburg 1987, S. 262 ff.

Seibt

945

§ 14

Einlagepflicht

wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung unvereinbare Abweichungen von ihr enthalten oder aus der Natur des Vertrages sich ergebende wesentliche Rechte oder Pflichten derart einschränken, dass die Erreichung des Vertragszwecks gefährdet ist. Es ist dabei für die Beurteilung der keinem gesetzlichen Vertragstyp entsprechenden Genussrechtsverträge (Rdnr. 68) besonders zu beachten, dass unter „gesetzlicher Regelung“ im obigen Sinne auch geltende allgemeine Rechtsgrundsätze und durch Analogie oder sonstige Rechtsfortbildung entstandene Rechtssätze zu verstehen sind1. Aus den Vorschriften über stimmrechtslose Vorzugsaktien (§§ 139 ff. AktG), die das Schrifttum teilweise als Beurteilungsmaßstab heranziehen will2, lassen sich jedenfalls für die von einer GmbH gewährten Genussrechte keine geeigneten Angemessenheitskriterien ableiten (s. auch Rdnr. 32 f., 37)3. Auch die Regelungen über die stille Gesellschaft (§§ 230 ff. HGB) sind nicht vergleichbar4.

3. Rechte der Genussrechtsgläubiger 74

Die Rechte der Genussrechtsgläubiger bestimmen sich ausschließlich nach dem Vertrag. Mitgliedschaftsrechte stehen ihnen nicht zu und können auch vertraglich nicht eingeräumt werden5, insbesondere können sie einen Gesellschafterbeschluss, der sich auf das Genussrecht auswirkt (Rdnr. 75, 76), nicht anfechten6. Vereinzelt wird daher in der Unternehmenspraxis vorgesehen, dass der Genussrechtsgläubiger einen Geschäftsanteil mit Minimalnennbetrag erwirbt (in diesem Fall häufig einen bereits existierenden Geschäftsanteil von einem Großgesellschafter, der sich gleichzeitig eine Call-Option auf Rückerwerb dieses Geschäftsanteils nach Vertragsende einräumen lässt), um bestimmte Informations- und Kontrollrechte gesellschaftsrechtlicher Natur zu erhalten. Ansonsten können Genussrechtsgläubigern aber mit schuldrechtlicher Wirkung Auskunftsund Kontrollrechte oder (dies aber stets nur auf Grund einer Ermächtigung durch den Gesellschaftsvertrag oder durch einstimmigen Gesellschafterbeschluss) ein Teilnahmerecht an der Gesellschafterversammlung eingeräumt werden7. In der Praxis werden zugunsten des Genussrechtsinhabers – anders als bei atypisch stillen Beteiligungen – regelmäßig nur geringe Informations- und Kontrollrechte vereinbart8. Weitergehende Mitwirkungsrechte, insbesondere eine Anfechtungsbefugnis betreffend die Gesellschafterbeschlüsse, können sie als Nichtmitglieder dagegen selbst dann nicht haben, wenn sie als Gegenleistung eine Eigenkapi1 Bedenklich insoweit OLG Düsseldorf, ZIP 1991, 1070, 1075 f.; krit. dazu mit Recht Hirte, ZIP 1991, 1461, 1464 f. 2 Rid-Niebler, S. 119. 3 Müller, in: Ulmer, Anh. § 29 Rdnr. 33; Sethe, AG 1993, 351, 369. 4 BGH, WM 1959, 434. 5 BGHZ 119, 305, 310/316. 6 RGZ 105, 239; BGHZ 119, 305, 316; Feine, S. 239; Müller, in: Ulmer, Anh. § 29 Rdnr. 11; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, § 29 Rdnr. 89; Wünsch, in: FS Strasser, 1983, S. 871, 880; Rid-Niebler, S. 55 f.; Lutter, ZGR 1993, 291, 294 f.; Sethe, AG 1993, 351, 354; abw. Vollmer, ZGR 1983, 445, 463. 7 Zutr. Müller, in: Ulmer, Anh. § 29 Rdnr. 11; Wünsch, in: FS Strasser, 1983, S. 871, 880; Feddersen/Knauth, S. 80 ff.; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, § 29 Rdnr. 89. 8 So auch Golland/Gelhaar/Grossmann/Eickhoff-Kley/Jänisch, BB-Spezial 4/2005, 1, 17; Hofert/Arends, GmbHR 2005, 1381, 1384.

946

Seibt

§ 14

Einlagepflicht

taleinzahlung zu erbringen haben1. Die Nichtigkeitsfeststellungsklage gemäß § 256 ZPO können sie dagegen beim Vorliegen eines entsprechenden rechtlichen Interesses ohne Vereinbarung wie jeder andere erheben. Den Genussrechtsinhabern, denen ein Gewinnanteil zu gewähren ist, steht nicht 75 deswegen ein Recht zur Mitwirkung an der Aufstellung (§ 264 Abs. 1 HGB) und der Feststellung des Jahresabschlusses (§ 46 Nr. 1 GmbHG) oder die Befugnis zur Anfechtung eines gesetz- oder satzungswidrigen Festellungsbeschlusses zu (Rdnr. 74)2. Auch die Ausübung von Bilanzierungswahlrechten ist eine Sache der Gesellschaft. Eine gesetzwidrige Ermittlung des Jahresüberschusses durch die Gesellschaft, die den Gewinnanteil schmälert, stellt dagegen zugleich eine zum Schadensersatz verpflichtende Verletzung des Genussrechtsvertrages dar. Sofern dieser den Anspruch aber an die rechtswirksamen (möglicherweise fehlerhaften) Feststellungsbeschlüsse bindet, gilt das nicht bei treuwidrigen Verkürzungen des Gewinnbezugs3. Entsprechendes ist bei einer nach dem Genussrechtsvertrag zulässigen Vorabverwendung des Jahresergebnisses zur Rücklagenbildung4 anzunehmen, die nicht treuwidrig in einem kaufmännisch unvertretbaren Umfange erfolgen darf5. Die Beeinträchtigung des Jahresergebnisses durch verdeckte Gewinnausschüttungen an die Gesellschafter brauchen die Genussberechtigten nicht hinzunehmen. Es darf, wenn sie einen Anspruch auf den anteiligen Liquidationserlös haben, auch nicht zur Amortisation eigener Geschäftsanteile verwendet werden6. Besondere Abreden der Vertragsbeteiligten über die Ermittlung des für die Gewinnbeteiligung maßgebenden Jahresüberschusses hindern die Gesellschafter nicht an der Feststellung eines abweichenden Jahresabschlusses, sondern erfordern eine zusätzliche Abrechnung.

4. Änderung und Aufhebung Änderungen der Genussrechte können nur nach Maßgabe des allgemeinen Ver- 76 tragsrechts erfolgen. Gesellschafterbeschlüsse über derartige Änderungen schaffen nur innergesellschaftliches Recht (u.U. sind sie aber wegen Verstoßes gegen die guten Sitten nichtig), wirken aber nicht gegenüber den Genussrechtsinhabern7, es sei denn, dass in der mit ihm getroffenen Vereinbarung ein entsprechender Änderungsvorbehalt aufgenommen worden ist8; ein bloßer Satzungsvorbehalt reicht – außer für die den Gesellschaftern im Rahmen des Gesellschaftsverhältnisses gewährten Genussrechte (Rdnr. 69) – nicht aus. Einschränkungen für Änderungsvorbehalte ergeben sich, soweit anwendbar (Rdnr. 73), aus §§ 307, 308 1 A.M. Vollmer, ZGR 1983, 445, 463, 468 f. 2 Müller, in: Ulmer, Anh. § 29 Rdnr. 15; Wünsch, in: FS Strasser, 1983, S. 871, 880; Sethe, AG 1993, 351, 359; a.M. Vollmer, ZGR 1983, 445, 468 f. 3 Vgl. Müller, in: Ulmer, Anh. § 29 Rdnr. 15; Rid-Niebler, S. 116; Feddersen/Knauth, S. 116 f.; Hammen, BB 1990, 1917, 1919. 4 RGZ 83, 295, 298. 5 Demgegenüber will Sethe, AG 1993, 351, 359 f. die §§ 315 f. BGB analog anwenden. 6 OLG Dresden, ZHR 1935, 244. 7 RGZ 49, 16; RGZ 117, 384; RGZ 132, 205 f.; BGH, ZIP 1992, 1542, 1543; Feine, S. 293; Müller, in: Ulmer, Anh. § 29 Rdnr. 32; Wünsch, in: FS Strasser, 1983, S. 871, 881 f.; Sethe, S. 358. 8 Müller, in: Ulmer, Anh. § 29 Rdnr. 32; Rid-Niebler, S. 100; Sethe, AG 1993, 351, 358. Vgl. auch Lutter, in: KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1995, § 221 AktG Rdnr. 351 m.w.N.

Seibt

947

§ 14

Einlagepflicht

Nr. 4 BGB. Die Ausübung des einseitigen Änderungsrechts unterliegt der Billigkeitskontrolle gemäß § 315 Abs. 3 BGB1 und muss den Gleichbehandlungsgrundsatz wahren2. 77

Die GmbH ist dagegen grundsätzlich nicht an gesellschaftlichen Maßnahmen gehindert, die nicht direkt in das Genussrecht eingreifen, sondern sich nur mittelbar auf seinen wirtschaftlichen Gehalt auswirken (s. aber Rdnr. 78). Auch diesbezügliche Grundlagenentscheidungen der Gesellschafter (z.B. Kapitalerhöhungen und -herabsetzungen, Auflösung, Umwandlung, Betriebsverpachtung u.ä.) und ihre wirtschaftlichen Folgen muss der Genussberechtigte regelmäßig hinnehmen3. Der Genussrechtsvertrag kann aber bestimmen, dass das Genussrecht in diesen Fällen an die wirtschaftlichen Auswirkungen der Maßnahme anzupassen ist. Fehlt eine dahingehende Vereinbarung, so kommt eine Anpassung im Allgemeinen nur in Betracht, wenn die gesellschaftliche Maßnahme andernfalls zu einer erheblichen Änderung der vereinbarten Gewinn- und/oder Liquidationserlösbeteiligung selbst führen würde. Das Gesetz schreibt dies ausdrücklich durch § 57m Abs. 3 GmbHG, § 216 Abs. 3 AktG zwar nur für die nominelle Kapitalerhöhung vor, aber der diesen Vorschriften zugrunde liegende Rechtsgedanke erfordert ihre entsprechende Anwendung auch auf die Kapitalerhöhung gegen Einlagen bei Festsetzung eines zu niedrigen, d.h. das vorhandene Rücklagekapital nicht berücksichtigenden4 Ausgabekurses5. Aus denselben Gründen hat eine Anpassung der Genussrechtsbedingungen zur Verhinderung der ungerechtfertigten Besserstellung der Gläubiger zu erfolgen, wenn eine Kapitalherabsetzung die erhebliche Änderung der vereinbarten Gewinn- und/oder Liquidationserlösbeteiligung bewirken würde6. Für die Verschmelzung, die Spaltung und den Formwechsel der GmbH bestimmen §§ 23, 125, 204 UmwG, dass den Genussrechtsinhabern in dem übernehmenden oder neuen Rechtsträger bzw. in dem Rechtsträger neuer Form „gleichwertige Rechte“7 zu gewähren sind. Eine Vertragsanpassung ist ferner bei 1 Van Look, in: Recht und Praxis der Genussscheine, 1987, S. 98 f.; Rid-Niebler, S. 100; Sethe, AG 1993, 351, 358; Lutter, in: KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1995, § 221 AktG Rdnr. 351. 2 Rid-Niebler, S. 83 ff.; Sethe, AG 1993, 351, 358. 3 RGZ 83, 298 f.; BGHZ 28, 277; Müller, in: Ulmer, Anh. § 29 Rdnr. 16 ff.; Pentz, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, § 29 Rdnr. 134; Wünsch, in: FS Strasser, 1983, S. 871, 880; Rid-Niebler, S. 101 ff.; differenzierend Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, § 29 Rdnr. 93; krit. zu Unrecht Habersack, ZHR 155 (1991), 378, 389. 4 Von anderen Kriterien für die Bemessung des sog. Verwässerungseffekts gehen Koppensteiner, ZHR 139 (1975), 191, 197 ff.; Köhler, AG 1984, 197, 200 ff.; Zöllner, ZGR 1986, 288, 300 ff. aus. 5 Vgl. dazu Müller, in: Ulmer, Anh. § 29 Rdnr. 19; Koppensteiner, ZHR 139 (1975), 191 ff.; Priester, 10. Aufl., § 55 Rdnr. 122; Vollmer, ZGR 1983, 445, 464; Köhler, AG 1984, 197, 198 f.; Zöllner, ZGR 1986, 288, 296 ff.; Uwe H. Schneider, in: FS Goerdeler, 1987, S. 511, 516; Rid-Niebler, S. 107 ff.; Hirte, ZIP 1988, 477, 487; Sethe, AG 1993, 351, 364. 6 Eb. Rid-Niebler, S. 111; Vollmer, ZGR 1983, 445, 466; Hirte, ZIP 1991, 1461, 1465; Sethe, AG 1993, 351, 365; a.M. A. Hueck, DB 1963, 1349; Uwe H. Schneider, in: FS Goerdeler, 1987, S. 511; Müller, in: Ulmer, Anh. § 29 Rdnr. 20 unter Berufung darauf, dass § 57m Abs. 3 (früher § 13 Abs. 3 KapErhG) eine abschließende Regelung zum Schutz der Gläubiger sei. 7 Zum Begriff der „Gleichwertigkeit“ vgl. Marsch-Barner, in: Kallmeyer, 4. Aufl. 2010, § 23 UmwG Rdnr. 8 ff.

948

Seibt

§ 14

Einlagepflicht

der Ausgabe konkurrierender oder mittelbar vorgehender neuer Genussrechte1 und beim Abschluss eines Beherrschungs- und/oder Gewinnabführungsvertrages erforderlich2. Ein allgemeiner Grundsatz, wonach die Genussrechtsverträge stets so auszulegen oder richterlich anzupassen seien, dass mittelbare wirtschaftliche Auswirkungen gesellschaftlicher Entscheidungen neutralisiert werden3, ist demgegenüber den § 57m Abs. 3 GmbHG, § 216 Abs. 3 AktG nicht zu entnehmen und widerspricht dem Vertragssinn. Vielmehr können diejenigen wirtschaftlichen Auswirkungen, die nicht das vereinbarte Beteiligungsverhältnis selbst betreffen, mit Rücksicht auf das der GmbH vorbehaltene Entscheidungsrecht in Gesellschaftsangelegenheiten nach den maßgebenden Grundsätzen über die Veränderung der Geschäftsgrundlage nur in ganz außergewöhnlichen Fällen eine Vertragsanpassung rechtfertigen. Die Aufhebung des Genussrechts ist grundsätzlich nur durch Vereinbarung mit 78 dem Berechtigten möglich. Der Genussrechtsvertrag kann aber vorsehen, dass sie ablösbar oder auslosbar sind. Da er ein Dauerschuldverhältnis begründet, ist auch die Kündigung aus wichtigem Grunde zwingend zulässig. Ablösungszahlungen an Gesellschafter können, wenn die Genussrechte im Rahmen des Gesellschaftsverhältnisses gewährt worden sind (Rdnr. 69) oder wenn der Rückzahlungsbetrag unangemessen ist, das Auszahlungsverbot des § 30 verletzen; zu beachten ist außerdem, dass die Ablösungszahlungen den §§ 39, 135 InsO unterliegen können. Auf außenstehende Genussrechtsinhaber sind diese Vorschriften auch dann nicht anwendbar, wenn sog. aktiengleiches Genusskapital vorliegt4.

5. Haftung Die Gesellschaft haftet für die Verletzung ihrer Pflichten aus dem Genussrechts- 79 vertrag nach den allgemeinen schuldrechtlichen Vorschriften (§§ 275 ff., 326 BGB). Eine Pflichtverletzung ist auch dann gegeben, wenn sie den wirtschaftlichen Wert des Genussrechts durch Geschäftsführungsmaßnahmen oder andere gesellschaftliche Akte beeinträchtigt, die treu- oder sittenwidrig sind, nicht dem satzungsmäßigen Unternehmensgegenstand entsprechen oder kaufmännisch völlig unvertretbar sind5. Eine weiter gehende Haftung für fehlerhafte Geschäftsführung besteht dagegen nicht. Schadensersatzansprüche gegen die GmbH können sich daneben auch aus § 826 BGB ergeben.

1 Sethe, AG 1993, 351, 363 f.; Lutter, in: KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1995, § 221 AktG Rdnr. 395 ff. m.w.N. 2 Vgl. Uwe H. Schneider, in: FS Goerdeler, 1987, S. 511, 526 ff.; Hirte, ZIP 1988, 477, 488; Frantzen, S. 281 ff.; Sethe, AG 1993, 351, 366 f. u.a. 3 So zu Unrecht Vollmer, ZGR 1983, 445, 465 f. Bedenklich auch die Verallgemeinerungen bei Hirte, ZIP 1988, 477, 487 u. Habersack, ZHR 155 (1991), 378, 389 f. 4 Müller, in: Ulmer, Anh. § 29 Rdnr. 27; Wünsch, in: FS Strasser, 1983, S. 871, 882 f.; RidNiebler, S. 25 ff.; weitergehend Vollmer, ZGR 1983, 445, 452 f., der die §§ 30, 31 bei sog. aktiengleichem Genusskapital auch auf Dritte anwenden will. 5 BGHZ 119, 305, 317 ff.; Habersack, ZHR 155 (1991), 378, 388 ff.; Lutter, ZGR 1993, 291, 303 ff.; Sethe, AG 1993, 351, 354, 360 ff. m.w.N. Zu eng RGZ 105, 236, 240 f., wo eine Nachteilsabsicht verlangt wird.

Seibt

949

§ 14

Einlagepflicht

6. Verbriefung und Veräußerlichkeit 80

Die Genussrechte werden meist verbrieft. Die darüber ausgestellten sog. Genussscheine können auf den Inhaber (§ 793 Abs. 1 Satz 1 BGB) oder den Namen ausgestellt werden, letzterenfalls auch als Orderpapier ausgestaltet sein (§ 363 Abs. 1 Satz 2 HGB)1. Seit dem FRUG2 und der damit implementierten Zusammenfassung von geregeltem Markt und amtlichen Handel zum regulierten Markt ergeben sich die Voraussetzungen für die Zulassung von Genussscheinen zum Handel an der Börse aus § 33 BörsG i.V.m. BörsZulVO. Derzeit sind nur wenige Genussscheine betreffend Unternehmen in der Rechtsform der GmbH zum Börsenhandel zugelassen3.

81

Die Genussrechte sind, wenn nicht anders vereinbart wird (§§ 399, 413 BGB), frei veräußerlich und vererblich. Stehen sie Gesellschaftern zu, kann vereinbart werden, dass sie nur zusammen mit dem Geschäftsanteil übertragbar sind.

82

Steuerrechtlich bestehen Sonderbestimmungen für Genussrechte und Genussscheine: §§ 17 Abs. 1, 20 Abs. 1 Nr. 1, 43 Abs. 1 Nr. 1 und 2, 44 Abs. 1 EStG; § 8 Abs. 3 KStG; §§ 11, 12 BewG.

IX. Options- und Wandelanleihen 83

Optionsanleihen sind Schuldverschreibungen, die den Anleihegläubiger berechtigen, bei Fälligkeit einen Geschäftsanteil in bestimmter Höhe an der zu finanzierenden Gesellschaft zu erwerben4. Auch Wandelanleihen sind Schuldverschreibungen, die allerdings dem Anleihegläubiger das Recht verleihen, seinen Anspruch auf die Rückzahlung des von ihm geleisteten Darlehens gegen einen Geschäftsanteil in bestimmter Höhe an der zu finanzierenden Gesellschaft zu wandeln5. In beiden Fällen wird der Darlehensgeber durch die Ausübung des ihm in der Anleihe verliehenen Rechts Gesellschafter der Darlehensnehmerin. Da im Gegensatz zum Aktienrecht (§§ 192 Abs. 1, 193 AktG) das GmbH-Recht de lege lata kein bedingtes Kapital vorsieht, über das neue Geschäftsanteile automatisch mit Ausübung des Options- bzw. Wandlungsrechts zur Entstehung gelangen, müssen diese Finanzierungselemente synthetisch, dh schuldrechtlich, nachempfunden werden6. Hierzu wird in der Regel eine dreiseitige Vereinbarung zwischen dem Darlehensgeber, der Darlehensnehmerin (das ist die zu finanzierende Gesellschaft) sowie sämtlichen Gesellschaftern der Darlehensnehmerin geschlossen

1 Vgl. Müller, in: Ulmer, Anh. § 29 Rdnr. 31; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, § 29 Rdnr. 92. Ausführlich dazu Wedel, Der Partizipationsschein als Kapitalbeschaffungsmittel der Aktiengesellschaften, 1969, S. 54 ff. 2 Finanzmarktrichtlinie-Umsetzungsgesetz vom 16.7.2007, BGBl. I 2007, 1330. 3 Z.B. Genussscheine der Edeka Minden/Hannover Holding GmbH (1998). 4 Für AG: Hüffer, § 221 AktG Rdnr. 6; Habersack, in: MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2011, § 221 AktG Rdnr. 31. 5 Für AG: Hüffer, § 221 AktG Rdnr. 4; Habersack, in: MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2011, § 221 AktG Rdnr. 30. 6 Vgl. Hofert/Arends, GmbHR 2005, 1381, 1383; von Einem/Schmid, in: Achleitner/von Einem/von Schröder, Private Debt, 2004, S. 162; krit. zur Begründung von Wandelrechten Lutter, in: Lutter/Hommelhoff, § 55 Rdnr. 42.

950

Seibt

§ 15

Übertragung von Geschäftsanteilen

und in dieser vorgesehen, dass der Darlehensgeber das Recht hat zu verlangen, dass (i) eine Barkapitalerhöhung mit Übernahme des neuen Geschäftsanteils zum Nennwert (entspricht der Optionsanleihe) oder eine Sachkapitalerhöhung gegen Einbringung des Darlehensrückzahlungsanspruchs (entspricht der Wandelanleihe) durchzuführen ist oder (ii) (Teile von) Geschäftsanteilen von den Alt-Gesellschaftern an den Darlehensgeber abzutreten sind1. Entsprechendes kann auch in der Satzung geregelt werden2. Einen unterstützenswerten rechtspolitischen Vorschlag zur Einführung eines 84 bedingten Kapitals im GmbH-Recht enthält das von Vossius/Wachter in 2005 entworfene GmbH-Reformgesetz (dort § 7 Abs. 2)3. Die Zulassung eines bedingten Kapitals für GmbH erleichterte die Mezzanine-Finanzierung (insbesondere die Verankerung sog. Equity-Kicker4).

§ 15

Übertragung von Geschäftsanteilen (1) Die Geschäftsanteile sind veräußerlich und vererblich. (2) Erwirbt ein Gesellschafter zu seinem ursprünglichen Geschäftsanteil weitere Geschäftsanteile, so behalten dieselben ihre Selbständigkeit. (3) Zur Abtretung von Geschäftsanteilen durch Gesellschafter bedarf es eines in notarieller Form geschlossenen Vertrages. (4) Der notariellen Form bedarf auch eine Vereinbarung, durch welche die Verpflichtung eines Gesellschafters zur Abtretung eines Geschäftsanteils begründet wird. Eine ohne diese Form getroffene Vereinbarung wird jedoch durch den nach Maßgabe des vorigen Absatzes geschlossenen Abtretungsvertrag gültig. (5) Durch den Gesellschaftsvertrag kann die Abtretung der Geschäftsanteile an weitere Voraussetzungen geknüpft, insbesondere von der Genehmigung der Gesellschaft abhängig gemacht werden. Text i.d.F. von 1892, doch Abs. 3 von 1898; Abs. 3 und Abs. 4 Satz 1 geändert durch Gesetz vom 28.8.1969 (BGBl. I 1969, 1513).

1 Zur Formbedürftigkeit der schuldrechtlichen Vereinbarung bei zweiter Variante Jasper, in: MünchHdb. III, § 24 Rdnr. 127 ff. 2 Musterklausel bei von Einem/Schmid, in: Achleitner/von Einem/von Schröder, Private Debt, 2004, S. 162 f. 3 Vossius/Wachter, (Entwurf eines) Gesetz(es) zur Reform des Rechts der Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbH-Reformgesetz) (GmbHRG), abrufbar unter www. gmbhr.de/volltext.htm (mit Begründung, S. 18). 4 Hierzu Golland/Gelhaar/Grossmann/Eickhoff-Kley/Jänisch, BB Spezial 4/2005, 21 f.; Hofert/Arends, GmbHR 2005, 1381, 1383.

Seibt

951

§ 15

Übertragung von Geschäftsanteilen

und in dieser vorgesehen, dass der Darlehensgeber das Recht hat zu verlangen, dass (i) eine Barkapitalerhöhung mit Übernahme des neuen Geschäftsanteils zum Nennwert (entspricht der Optionsanleihe) oder eine Sachkapitalerhöhung gegen Einbringung des Darlehensrückzahlungsanspruchs (entspricht der Wandelanleihe) durchzuführen ist oder (ii) (Teile von) Geschäftsanteilen von den Alt-Gesellschaftern an den Darlehensgeber abzutreten sind1. Entsprechendes kann auch in der Satzung geregelt werden2. Einen unterstützenswerten rechtspolitischen Vorschlag zur Einführung eines 84 bedingten Kapitals im GmbH-Recht enthält das von Vossius/Wachter in 2005 entworfene GmbH-Reformgesetz (dort § 7 Abs. 2)3. Die Zulassung eines bedingten Kapitals für GmbH erleichterte die Mezzanine-Finanzierung (insbesondere die Verankerung sog. Equity-Kicker4).

§ 15

Übertragung von Geschäftsanteilen (1) Die Geschäftsanteile sind veräußerlich und vererblich. (2) Erwirbt ein Gesellschafter zu seinem ursprünglichen Geschäftsanteil weitere Geschäftsanteile, so behalten dieselben ihre Selbständigkeit. (3) Zur Abtretung von Geschäftsanteilen durch Gesellschafter bedarf es eines in notarieller Form geschlossenen Vertrages. (4) Der notariellen Form bedarf auch eine Vereinbarung, durch welche die Verpflichtung eines Gesellschafters zur Abtretung eines Geschäftsanteils begründet wird. Eine ohne diese Form getroffene Vereinbarung wird jedoch durch den nach Maßgabe des vorigen Absatzes geschlossenen Abtretungsvertrag gültig. (5) Durch den Gesellschaftsvertrag kann die Abtretung der Geschäftsanteile an weitere Voraussetzungen geknüpft, insbesondere von der Genehmigung der Gesellschaft abhängig gemacht werden. Text i.d.F. von 1892, doch Abs. 3 von 1898; Abs. 3 und Abs. 4 Satz 1 geändert durch Gesetz vom 28.8.1969 (BGBl. I 1969, 1513).

1 Zur Formbedürftigkeit der schuldrechtlichen Vereinbarung bei zweiter Variante Jasper, in: MünchHdb. III, § 24 Rdnr. 127 ff. 2 Musterklausel bei von Einem/Schmid, in: Achleitner/von Einem/von Schröder, Private Debt, 2004, S. 162 f. 3 Vossius/Wachter, (Entwurf eines) Gesetz(es) zur Reform des Rechts der Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbH-Reformgesetz) (GmbHRG), abrufbar unter www. gmbhr.de/volltext.htm (mit Begründung, S. 18). 4 Hierzu Golland/Gelhaar/Grossmann/Eickhoff-Kley/Jänisch, BB Spezial 4/2005, 21 f.; Hofert/Arends, GmbHR 2005, 1381, 1383.

Seibt

951

§ 15

Übertragung von Geschäftsanteilen

Inhaltsübersicht I. Grundsatz der freien Veräußerlichkeit und Vererblichkeit des Geschäftsanteils im Normengefüge des GmbHG 1. Grundlinien und weitere Reformbedürftigkeit. . . . . . . . . . . 2. Reformbedürftigkeit der Formvorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1 5

II. Veräußerlichkeit und Vererblichkeit des Geschäftsanteils (§ 15 Abs. 1) 1. Veräußerlichkeit des Geschäftsanteils a) Geschäftsanteil . . . . . . . . . . . . . b) Fremder Geschäftsanteil. . . . . c) Einzelne Rechte und Pflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Mitverwaltungsrechte . . . bb) Vermögensrechte . . . . . . . . 2. Vererblichkeit des Geschäftsanteils a) Grundsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Abweichende Regelung durch den Gesellschaftsvertrag. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Ausschluss oder Beschränkung . . . . . . . . . . . bb) Zulässige Nachfolgeregelungen . . . . . . . . . . . . . . aaa) Einziehung . . . . . . . . . bbb) Abtretungspflicht . . . ccc) Rechtsbeschränkungen. . . . . . . . . . . . . c) Letztwillige Verfügungen . . . . aa) Vermächtnis- und Teilungsanordnung . . . . . . . . . bb) Nacherbfolge . . . . . . . . . . . 3. Vereinigung von Geschäftsanteilen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

45

III. Vertragliche Verpflichtung zur Abtretung (§ 15 Abs. 4) 1. Verpflichtung . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Vereinbarung . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Verpflichtung zur Abtretung . . . a) Verpflichtende Verträge . . . . . b) Gesellschaftsvertrag . . . . . . . . 4. Verpflichtung zur Abnahme . . . . 5. Gegenstand der Vereinbarung . . 6. Vorkaufsrechte, Optionen . . . . . .

47 48 49 50 51 52 53 54

952

Seibt

10 15 16 17 20

24 26 27 29 30 32 34 35 36 40

7. Weitere Verpflichtungsinhalte . 8. Garantieverträge . . . . . . . . . . . . . 9. Rückgängigmachung. . . . . . . . . . a) Rückkaufsvorbehalt . . . . . . . . b) Rückübertragung eines zur Sicherheit abgetretenen Geschäftsanteils . . . . . . . . . . . c) Rückgängigmachung einer erfolgten dinglichen Übertragung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10. Verpflichtung eines „Gesellschafters“. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11. Form und Inhalt . . . . . . . . . . . . . . 12. Folge formgerechter Beurkundung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13. Folge fehlerhafter Beurkundung oder wesentlicher Verstöße gegen die Beurkundungsform a) Nichtigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . b) Heilung der Formnichtigkeit IV. Abtretung des Geschäftsanteils (§ 15 Abs. 3) 1. Abtretung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Form a) Inlandsbeurkundung . . . . . . . b) Auslandsbeurkundung. . . . . . aa) Kollisionsrechtliche Anknüpfung der Form. . . . . . bb) Substitution bei Gleichwertigkeit der ausländischen Form . . . . . . . . . . . c) Abtretung von Geschäftsanteilen einer ausländischen GmbH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Inhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Verhältnis der Abtretung zur Verpflichtung . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Rückübertragung . . . . . . . . . . . . . 6. Formfreie Geschäfte . . . . . . . . . . a) Anteilsübergang ohne Abtretung . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Andere Abtretungsverträge. . 7. Vollmacht zur Abtretung . . . . . . 8. Gesellschafter . . . . . . . . . . . . . . . . 9. Folgen formgerechter Beurkundung a) Heilung des Verpflichtungsgeschäfts und Anteilsübergang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

56 60 61 62 63 64 65 66 67

68 69

77 80 81 82 84 88 89 90 91 92 93 94 95 97

98

§ 15

Übertragung von Geschäftsanteilen

b) Selbständigkeit der Geschäftsanteile (§ 15 Abs. 2) . . . c) Wirkungen im Verhältnis zur Gesellschaft. . . . . . . . . . . . . . . . d) Gutglaubensschutz . . . . . . . . . e) Nichtigkeit und Willensmängel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10. Folge fehlender Beurkundung. . . V. Weitere Voraussetzungen der Abtretung (§ 15 Abs. 5) 1. Schuldrechtlicher Vertrag . . . . . . 2. Dingliche Abtretung . . . . . . . . . . a) Regelung im Gesellschaftsvertrag. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Beschränkungen bei Abtretung anderer Rechte. . . . . . . . . c) Umgehungsgeschäfte und Change of Control-Fälle . . . . . d) Keine Geltung bei Verwertung des Geschäftsanteils durch Zwangsvollstreckung . e) Gesetzlicher Übergang des Geschäftsanteils . . . . . . . . . . . . f) Umwandlung der GmbH . . . . 3. Einzelne Abtretungsbeschränkungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Eigenschaften, Pflichtübernahme, Formerfordernisse . . . b) Vorkaufs- und Erwerbsvorrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Genehmigung . . . . . . . . . . . . . . aa) Genehmigungspflichtige Abtretungen . . . . . . . . . . . . bb) Zuständigkeit . . . . . . . . . . . cc) Versagungsgründe . . . . . . . dd) Erklärung . . . . . . . . . . . . . . . ee) Wirkung . . . . . . . . . . . . . . . . ff) Nicht genehmigungsbedürftige Abtretungen . . d) Ausschluss der Abtretbarkeit VI. Gewährleistung beim Anteilskauf 1. Anwendbares Gewährleistungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Gewährleistung beim Anteilskauf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Haftung für Rechtsmängel aa) Rechtsmängel . . . . . . . . . . . bb) Nichtbestehen des Anteils, Drittinhaberschaft und Vinkulierung . . . . . . . cc) Beschaffenheit des Anteils . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

99 100 101 103 105

106 107 108 110 111 112 113 114 115 116 117 119 120 121 127 128 133 134 135

136 143 144 146

b) Haftung für die Beschaffenheit des Unternehmens aa) Grundsatz nach alter Rechtslage . . . . . . . . . . . . 150a bb) Keine Haftung beim reinen Anteilskauf . . . . . . 151 cc) Anteilskauf als Unternehmenskauf. . . . . . . . . . . 153 dd) Beschaffenheit des Unternehmens aaa) Vereinbarte Beschaffenheit (§ 434 Abs. 1 Satz 1 BGB) . . . . . . . . 154 bbb) Typisierte Soll-Beschaffenheit (§ 434 Abs. 1 Satz 2 BGB) . . 157 ccc) Öffentliche Äußerungen (§ 434 Abs. 1 Satz 3 BGB) . . . . . . . . 159 c) Haftung für Garantien und Haftungsausschluss . . . . . . . . 160 d) Rechtsfolgen bei Rechtsund Sachmängeln . . . . . . . . . . 165 e) Verjährung . . . . . . . . . . . . . . . . 168 f) Haftung wegen vorvertraglicher Pflichtverletzung . . . . . . 171 VII. Verpfändung des Geschäftsanteils 1. Wirtschaftlicher Hintergrund und Zulässigkeit . . . . . . . . . . . . . 172 2. Bestellung und Form . . . . . . . . . . 173 3. Schuldrechtlicher Vertrag . . . . . 176 4. Teilverpfändung . . . . . . . . . . . . . . 177 5. Verwaltungsrechte, Stimmrecht 178 6. Umfang des Pfandrechts a) Nutzungsrechte. . . . . . . . . . . . 181 b) Pfandrecht am Recht auf die Liquidationsquote . . . . . . . . . . 184 c) Andere Kapitalforderungen. . 186 d) Kapitalerhöhung, Umwandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187 7. Rechtsübergang a) Übertragung des Geschäftsanteils . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188 b) Übergang des Pfandrechts . . . 189 8. Aufhebung und Beeinträchtigung des Pfandrechts a) Aufhebung . . . . . . . . . . . . . . . . 190 b) Kein gutgläubig lastenfreier Erwerb . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 190a c) Beeinträchtigung . . . . . . . . . . . 191 d) Einziehung . . . . . . . . . . . . . . . . 193

149

Seibt

953

§ 15

Übertragung von Geschäftsanteilen

9. Befriedigung des Pfandgläubigers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 194 VIII. Zwangsvollstreckung in den Geschäftsanteil 1. Pfändung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Wirkung der Pfändung . . . . . . . . . 3. Befriedigung des Pfandgläubigers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Statutarische Beschränkungen. . a) Vorkaufsrecht . . . . . . . . . . . . . . b) Abtretungspflicht . . . . . . . . . . . c) Einziehung. . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Ersteher (Erwerber) . . . . . . . . . . . . 6. Vollstreckung in einzelne Vermögensrechte . . . . . . . . . . . . . IX. 1. 2. 3.

Nießbrauch am Geschäftsanteil Zulässigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . Form und Bestellung . . . . . . . . . . Inhalt des Nießbrauchs a) Nutzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Surrogate . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Mitverwaltungsrechte. . . . . . . d) Gesellschafterpflichten. . . . . . 4. Rechtsübergang . . . . . . . . . . . . . . . 5. Erlöschen, Aufhebung und Beeinträchtigung des Nießbrauchs

195 196 198 202 203 204 205 207 211 212 213

b) Gesellschafterstellung des Treuhänders . . . . . . . . . . . . . . . 228 c) Form. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 230 d) Satzungsmäßige Beschränkungen gemäß § 15 Abs. 5 . . 232 XI. Verwaltung nach Familien- und Erbrecht 1. Eheliches Güterrecht a) Zugewinngemeinschaft . . . . . b) Vertragliche Güterstände . . . 2. Elterliche Sorge . . . . . . . . . . . . . . 3. Vormund, Pfleger und Betreuer 4. Nachlasspfleger . . . . . . . . . . . . . . 5. Nachlassverwalter . . . . . . . . . . . . 6. Testamentsvollstrecker . . . . . . .

238 241 242 245 248 249 250

XII. Der Geschäftsanteil im Insolvenzverfahren 1. Insolvenz des Gesellschafters . . 254 2. Insolvenz der GmbH . . . . . . . . . . 258

214 XIII. Steuerrecht (Crezelius) 215 1. Ertragsteuerrechtliche 217 Systematik . . . . . . . . . . . . . . . . . . 218 2. Anteilseigner ist Einkommen219 steuersubjekt . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Anteilseigner ist Körperschaft221 steuersubjekt . . . . . . . . . . . . . . . . X. Unterbeteiligung und Treuhand 4. § 8c KStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Unterbeteiligung . . . . . . . . . . . . . . 224 2. Treuhand a) Zweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 227

260 261 267 268

I. Grundsatz der freien Veräußerlichkeit und Vererblichkeit des Geschäftsanteils im Normengefüge des GmbHG 1. Grundlinien und weitere Reformbedürftigkeit 1 Der historische Gesetzgeber von 1892 hatte das Ziel verfolgt, der GmbH eine „Mittelstellung zwischen den strengen individualistischen Gesellschaftsformen und der Aktiengesellschaft zuzuweisen“1. Diesem Leitbild eines in der Mitte zwischen kapital- und personengesellschaftsrechtlichen Strukturen angesiedelten Verbandes2 entspricht auch heute noch (nach der MoMiG-Reform) das gesetzgeberische Regelungskonzept zur Übertragung von Geschäftsanteilen. Dabei nimmt zwar § 15 Abs. 1 mit dem Grundsatz der freien Übertragbarkeit des Geschäftsanteils eine Zentralstellung ein, allerdings ist dieses kapitalistische We1 Gesetzentwurf betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung, in: Verhandlungen des Reichstages, 8. Legislaturperiode, Aktenstück Nr. 660, 3728. 2 Westermann, Einl. Rdnr. 43.

954

Seibt

§ 15

Übertragung von Geschäftsanteilen

sensmerkmal der GmbH in ein komplexes Normengefüge eingebettet, dessen vier Grundlinien sind: (1) Der Umfang der mitgliedschaftlichen Rechte und Pflichten eines Gesellschafters bestimmt sich im Grundsatz nach dem Nennbetrag seines Geschäftsanteils (§ 14), und der Nennbetrag des Geschäftsanteils kann für jeden einzelnen Gesellschafter verschieden sein (§ 5 Abs. 3 Satz 1). Dies spiegelt ein kapitalgesellschaftsrechtliches Grundverständnis wider und steht im Gegensatz zu der „Kopfbetrachtung“ im Personengesellschaftsrecht (§ 119 HGB). (2) Die Geschäftsanteile können überdies im Grundsatz frei veräußert und vererbt werden (§ 15 Abs. 1), ein weiteres kapitalgesellschaftsrechtliches Wesensmerkmal der GmbH, das sie von gesetzlicher Anteilsvinkulierung einer Personengesellschaft abhebt1. Im Recht der Personengesellschaft gilt nämlich der – wenngleich dispositive – Grundsatz der Unveräußerlichkeit und Unvererblichkeit der Mitgliedschaft, was allerdings durch ein im Kern nicht abdingbares Austrittsrecht des einzelnen Gesellschafters durch Kündigung kompensiert wird. Dieses Kündigungsmodell wurde vom historischen Gesetzgeber abgelehnt, um im Interesse der Gläubigersicherung und der Erhaltung der finanziellen Grundlagen der Gesellschaft die Auszahlung eines entsprechenden Vermögensanteils zu vermeiden. (3) Die Verkehrsfähigkeit von Geschäftsanteilen ist eingeschränkt, insbesondere ist eine Verkörperung der Mitgliedschaft in einem (börsenfähigen) Wertpapier und damit der Geschäftsanteil als ein für den Kapitalmarkt geeignetes Finanzierungsmittel ausgeschlossen. Der Erschwerung des „Handels“ von Geschäftsanteilen dienten vor der MoMiG-Reform das Verbot der Übernahme mehrerer Geschäftsanteile bei Gründung (§ 5 Abs. 2 a.F.), die Vorschriften zur Mindestgröße und zur Größenbestimmung von Stammeinlagen (§ 5 Abs. 1 Halbsatz 2 a.F., § 5 Abs. 3 Satz 2 a.F.) sowie die Vorschriften zur Beschränkung späterer Teilung von Geschäftsanteilen (§ 17 a.F.). Daneben kann bei der GmbH auch nach derzeitiger Gesetzeslage – anders als bei Inhaberaktien, aber entsprechend dem empirischen Normalbefund bei Mehrpersonen-GmbH2 – die Verkehrsfähigkeit statutarisch beschränkt (oder sogar ausgeschlossen, Rdnr. 127) (§ 15 Abs. 5) und insoweit der Verbandsmitgliedschaft in der Personengesellschaft angenähert werden. Dieses Normenbündel zur Erschwerung der Übertragung von Geschäftsanteilen sollte bewirken, dass der „Charakter der Mitgliedschaft als eines der Regel nach dauernden Verhältnisses“ möglichst erhalten bleibt3. Die Zulassung statutarischer Vinkulierungen soll es den Gesellschaftern ermöglichen, durch geeignete Satzungsbestimmungen, die eine Einflussnahme auf das Ausscheiden eines Gesellschafters und/oder die Auswahl des neuen Gesellschafters gestatten (Rdnr. 115 ff.), ein stärker personenbezogenes Gesellschaftsverhältnis herzustellen oder eine bestimmte Eigenart der Gesellschaft zu sichern oder negative Einflüsse von der Gesellschaft abzuwehren, z.B. sie vor einer Eingliederung in einen Konzern zu schützen oder einem Finanzinvestor die Bestimmung eines geeigneten Unternehmensverkaufsweges zu ermöglichen. (4) Die Gesellschafterstruktur soll durch Einreichung aktueller Gesellschafterlisten im Handelsregister auch nach außen transparent sein, was eine gewisse Nähe zur 1 RGZ 73, 429, 432. 2 Vgl. Bayer/Hoffmann/J. Schmidt, GmbHR 2007, 953, 955 f. (97 % der GmbH-Mehrpersonen-Neugründungen in Thüringen [1.1.2006–30.3.2007] haben statutarische Vinkulierungsklauseln); vgl. auch Reichert/M. Winter, in: FS 100 Jahre GmbHG, S. 209, 212. 3 Entwurf I, 35 ff.

Seibt

955

§ 15

Übertragung von Geschäftsanteilen

Personengesellschaft und die Abgrenzung zur anonymen Aktiengesellschaft ausdrückt und unter anderem dem Gläubigerschutz dient. In ähnlicher Weise der Transparenz, vor allem aber der Rechtssicherheit im Verband verpflichtet war die Legitimationsfiktion der Anmeldung (§ 16), wobei die Anmeldung nur reflexhaft dem Verkehrsschutz diente und insbesondere keine Rechtsscheingrundlage für einen gutgläubigen Erwerb von Geschäftsanteilen bildete. Mit dem MoMiG hat der Gesetzgeber die Gesellschafterliste aufgewertet und zur Grundlage einer gutgläubigen Erwerbsmöglichkeit gemacht (vgl. Rdnr. 3, 101 sowie unten § 16 Rdnr. 57 ff.) 2 Die insoweit und weitgehend bereits 1892 festgelegte praktische Konkordanz zwischen den gesetzgeberischen Zielen (i) Fungibilität der Geschäftsanteile (mit positiver Rückwirkung auf den Anteilswert), (ii) Finanzierungstauglichkeit von Geschäftsanteilen, (iii) Sicherstellung einer personalistischen Binnenstruktur, (iv) Transparenz und Rechtssicherheit im Hinblick auf die Gesellschafterstruktur, (v) Verkehrsschutz und (vi) Minimierung nicht durch die vorgenannten Ziele notwendig verbundener Transaktionskosten war neu zu justieren. Das Normengefüge war reformbedürftig und benötigte eine Akzentverschiebung zugunsten der kapitalgesellschaftsrechtlichen Seite der GmbH. Dies lag zum einen daran, dass die Bedeutung der personalen Verbundenheit gegenüber dem Grundmodell am Ende des 19. Jahrhunderts abgenommen hat; ein sichtbares Zeugnis hierfür ist die erhebliche Zunahme von Einpersonengesellschaften auf derzeit mehr als 40 % sämtlicher GmbH und die Einbindung von GmbH in Kapitalgesellschaftskonzerne. Gleichzeitig hat aufgrund des Zeitablaufes mit Anteilsübertragungen und Erbgängen die Komplexität der Gesellschafter- und auch der Geschäftsanteilsstruktur bei vielen, historisch gewachsenen Gesellschaften zugenommen und diese Entwicklung wird sich zukünftig exponentiell verstärken, was auch daran liegt, dass die Zahl der GmbH-Gründungen seit Anfang der 60iger Jahre sprunghaft angestiegen ist1 und daher mehr Nachfolgeregelungen als in der Vergangenheit anstehen; darüber hinaus nimmt auch die Bedeutung von Umstrukturierungen unter Einbeziehung von GmbH stark zu. Nachfolgeregelungen, Anteilsübertragungen und Umstrukturierungen sowie deren Finanzierung mit Geschäftsanteilen als Sicherungsunterlage wurden durch das Normengeflecht der § 5 Abs. 1 Halbsatz 2 a.F., § 5 Abs. 3 Satz 2 a.F., § 16 a.F. und § 17 a.F. stärker eingeschränkt als dies bei Wettbewerbsrechtsformen des EU-Auslandes der Fall ist, ohne einen hinreichenden Verkehrsschutz durch Zulassung des gutgläubigen Erwerbs von Geschäftsanteilen zu ermöglichen. Dabei war schließlich auch zu berücksichtigen, dass der durch die gesetzlichen Transparenzvorschriften sowie den Bestimmungen zur Übertragungserschwernis von Geschäftsanteilen reflexhaft verursachte Gläubigerschutz heute vielmals durch vertragliche Abreden einzelfallbezogen zugunsten von (Groß)Gläubigern geregelt wird (insbesondere durch sog. positive und negative Covenants in Finanzierungsverträgen2, manchmal auch durch Informationsverpflichtungen bezüglich bestimmter Finanzzahlen und Preisanpassungs- oder Kündigungsklauseln in Lieferverträgen). 1 Zur Verbreitung der GmbH seit 1950 Ulmer, in: Ulmer, Einl. A Rdnr. 67 ff. 2 Zu Financial Covenants allg. Heinrich, Covenants als Alternative zum institutionellen Gläubigerschutz, 2009, insbes. S. 156 ff.; Wittig, in: Karsten Schmidt/Uhlenbruck, Die GmbH in Krise, Sanierung und Insolvenz, 4. Aufl. 2009, Rdnr. 1.142 ff.; Wittig, WM 1996, 1381 ff.; Thiessen, ZBB 1996, 19 ff.; Alberth, WPg 1997, 744 ff.

956

Seibt

§ 15

Übertragung von Geschäftsanteilen

Den – auch hier in der Vorauflage erhobenen – Forderungen nach einer Akzent- 3 verschiebung hin zur kapitalgesellschaftsrechtlichen Seite der GmbH, insbesondere nach der Deregulierung der Größenvorgaben für Stammeinlagen und der Teilbarkeitsbeschränkungen1 und der Ermöglichung eines gutgläubigen Erwerbs von Geschäftsanteilen2 ist der Gesetzgeber durch das Gesetz zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen (MoMiG) vom 23.10.2008 mit Wirkung zum 1.11.2008 nachgekommen. Die dringend notwendige Modernisierung der GmbH wurde vollzogen, indem (i) das Verbot der Übernahme mehrerer Geschäftsanteile bei Gründung (§ 5 Abs. 2 a.F.) sowie die Mindestgröße und die Größenbestimmungsregelung (§ 5 Abs. 1 Halbsatz 2, § 5 Abs. 2 Satz 2 a.F.) mit der Maßgabe aufgehoben wurden, dass die Stammeinlage mindestens 1,00 Euro und auf einen vollen Eurobetrag lauten muss, (ii) das Verbot der Übertragung mehrerer Teile eines Geschäftsanteils an denselben Erwerber (§ 17 Abs. 5 a.F.) wie überhaupt der § 17 a.F. mit seinen Teilbarkeitsanforderungen gestrichen wurde, (iii) die Gesellschafterliste anstelle der Anmeldung Grundlage der Legitimationsfunktion innerhalb des Verbandes geworden ist und (iv) der gutgläubige Erwerb auf der Grundlage dieser Gesellschafterliste möglich gemacht wurde (§ 16 Abs. 3). Die Gesetzesänderungen waren unterstützenswert und zielführend; das GmbHG 4 sollte bei der Frage der Fungibilität von Geschäftsanteilen alleine um eine Änderung von § 15 Abs. 4 in der Weise ergänzt werden, dass zukünftig für das der Abtretung von Geschäftsanteilen zugrundeliegende Verpflichtungsgeschäft (anders als bei der Abtretung selbst) nur noch Textform i.S. von § 126b BGB erforderlich ist (Rdnr. 9); hingegen ist die notarielle Beurkundung der Abtretung von Geschäftsanteilen (§ 15 Abs. 3) beizubehalten, insbesondere auch um eines der notwendigen Elemente für die Rechtsscheinbasis zu bilden, die für die Zulassung des gutgläubigen Erwerbs notwendig ist (Rdnr. 101 f.).

2. Reformbedürftigkeit der Formvorschriften Schrifttum: Armbrüster, Zur Beurkundungsbedürftigkeit von Treuhandabreden über GmbH-Anteile, DNotZ 1997, 762; Armbrüster, Die treuhänderische Beteiligung an Gesellschaften, 2001; Claussen, Kleine Kapitalgesellschaften und der Zugang zum Kapitalmarkt, ZHR 153 (1989), 216; Dyhr, Das Formgebot bei der Übertragung von Gesellschaftsanteilen, Diss., 1998; Frenz, Einige Anmerkungen zum Verhältnis von Formzweck, Beurkundungsverfahren und Berufsrecht, in: FS Weichler, 1997, S. 175; Hadding, Zum gesetzlich notwendigen Umfang der notariellen Beurkundung der „Vereinbarung“, einen GmbH-Geschäftsanteil zu übertragen, ZIP 2003, 2133; Heidenhain, Zum Umfang der notariellen Beurkundung bei der Veräußerung von Geschäftsanteilen, NJW 1999, 3073; Heidenhain, Aufgabe des Beurkundungserfordernisses beim Verkauf und der Abtretung von GmbH-Geschäftsanteilen, ZIP 2001, 721; Kanzleiter, Der Umfang der Beurkundungsbedürftigkeit bei verbundenen Rechts1 Vgl. Happ, ZHR 169 (2005), 6, 17 f., 21 f., 32; Vossius/Wachter, §§ 7 Abs. 1 Satz 1, 22 GmbHRG mit Begründung, S. 14, 18, 24 (www.gmbhr.de/volltexte.html, Stichwort: Gesetz zur Reform des Rechts der Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbH-Reformgesetz – GmbHRG)); BDI/Hengeler Mueller, 2006, Rdnr. 140. 2 Grunewald/Gehling/Rodewig, ZIP 2006, 685 ff.; Vossius/Wachter, §§ 24–27 GmbHRG mit Begründung, S. 12 (www.gmbhr.de/volltexte.html, Stichwort: Gesetz zur Reform des Rechts der Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbH-Reformgesetz – GmbHRG)); BDI/Hengeler Mueller, 2006, Rdnr. 114, 116.

Seibt

957

§ 15

Übertragung von Geschäftsanteilen

geschäften, DNotZ 1994, 275; König, Zur notariellen Beurkundung der Abtretung von GmbH-Geschäftsanteilen – Ein Vorschlag zur Einschränkung des § 15 Abs. 3 und 4 GmbHG, ZIP 2004, 1838; Loritz, Rechtsfragen der notariellen Beurkundung bei Verkauf und Abtretung von GmbH-Geschäftsanteilen, DNotZ 2000, 90; Lutter, Probleme der GmbH-Reform, 1969, S. 86; Meyer-Cording, Belebung des Kapitalmarktes durch neue Möglichkeiten der Zertifizierung, BB 1982, 896; Schlüter, Veräußerung und Abtretung von GmbH-Geschäftsanteilen als Formproblem, in: FS Bartholomeyczik, 1973, S. 359; Schwarz, Einige Überlegungen zum Zweck des Beurkundungserfordernisses gem. § 15 Abs. 3 und 4 GmbHG, in: Jubiläums-FS des Rheinischen Notariats, 1998, S. 371; Walz/Fembacher, Zweck und Umfang der Beurkundung nach § 15 GmbHG, NZG 2003, 1134; Wicke, Die Bedeutung der öffentlichen Beurkundung im GmbH-Recht, ZIP 2006, 977.

5 Unberührt hat das MoMiG jedoch die Formerfordernisse des § 15 Abs. 3 und Abs. 4 gelassen. Im Hinblick auf die Pflicht zur notariellen Beurkundung der Abtretung nach § 15 Abs. 3 ist dies richtig. § 16 Abs. 3 sieht nunmehr die Möglichkeit eines gutgläubigen Erwerbs vor, der sich wesentlich auf die Gesellschafterliste (§ 40) stützt. Diese einschneidenden Konsequenzen für den wahren Berechtigten gebieten eine u.a. durch notarielle Beurkundung verstärkte Richtigkeitsgewähr der als Rechtsscheinträger dienenden Gesellschafterliste. Im Gegensatz dazu ist das Formerfordernis nach § 15 Abs. 4 überholt und nicht mehr zu rechtfertigen1. Die mit der notariellen Beurkundungspflicht vom historischen Gesetzgeber von 1892 verfolgten Ziele, die Erschwernis des Handels mit Geschäftsanteilen2 und die „Verhinderung von Zweifel und Unklarheiten über die Tatsache der Übertragung“3, beruhten auf dem Konzept einer Gesellschaftsform, die eine „Mittelstellung“ einnehmen sollte zwischen den Personengesellschaften, bei denen die Rechtsstellung der Gesellschafter noch als unübertragbar galt4, und der als „äußerste Konsequenz des kapitalistischen Prinzips sich darstellenden Aktiengesellschaft“, bei der Gesellschaftsanteile durch formlose Übertragung zum Gegenstand des Handelsverkehrs gemacht werden können (s. auch oben Rdnr. 1)5. Rechtsprechung und Teile der Literatur haben die historischen Zielvorgaben übernommen6, dabei aber den Grund für die Erschwernis des Handels mit Geschäftsanteilen teilweise verengt auf die Verhinderung des 1 Kritisch bereits Lutter, in: Probleme der GmbH-Reform, 1969, S. 86; Meyer-Cording, BB 1982, 896, 897; Claussen, ZHR 153 (1989), 216, 227. 2 Begründung zum GmbH-Gesetz, Stenographische Berichte über die Verhandlungen des Reichstags, 8. Legislaturperiode, I. Session, 1890/1892, 5. Anlagenband, S. 3724 ff., 3729 ff., 3738. 3 Begründung zum GmbH-Gesetz, Stenographische Berichte über die Verhandlungen des Reichstags, 8. Legislaturperiode, I. Session, 1890/1892, 5. Anlagenband, S. 3729 ff., 3739. 4 Zur Rechtsentwicklung und inzwischen anerkannten Übertragbarkeit der Beteiligungen an Personengesellschaften Karsten Schmidt, GesR, § 45 III 2, S. 1321 ff. 5 Begründung zum GmbH-Gesetz, Stenographische Berichte über die Verhandlungen des Reichstags, 8. Legislaturperiode, I. Session, 1890/1892, 5. Anlagenband, S. 3728; zu dieser Konzeption des Gesetzgebers Schlüter, in: FS Bartholomeyczik, 1973, S. 359, 360. 6 RGZ 164, 170; BGHZ 13, 49, 51 f. = DNotZ 1954, 403; BGHZ 75, 352 = DNotZ 1980, 376; BGHZ 127, 129, 135 = NJW 1994, 3227, 3229; BGH, LMK 2005, 46, 47; OLG München, WM 1995, 670, 671; OLG München, DB 1993, 2477; OLG Hamm, GmbHR 1984, 317 f.; OLG Frankfurt, GmbHR 2005, 764, 765 f. unter Hinweis auf die ständige Rechtsprechung; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 21; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 1; Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 55; a.A. Nolting, ZIP 2011, 1292, 1298.

958

Seibt

§ 15

Übertragung von Geschäftsanteilen

„spekulativen Handels mit Gesellschaftsbeteiligungen“1. Indes ging es dem Gesetzgeber um die Gewährleistung der Mitgliedschaft „als eines der Regel nach dauernden Verhältnisses“2, mithin darum, den Wechsel von Gesellschaftern möglichst zu begrenzen3. Mit der Anerkennung der Übertragbarkeit von Beteiligungen an Personengesellschaften ist aber die „Mittelstellung“ der GmbH aufgehoben4. Die Vorstellung, GmbH-Gesellschafter verblieben aufgrund der Formvorschriften dauerhaft in der Gesellschaft, wird der Realität nicht gerecht5 und durch die heute anerkannten und verbreiteten alternativen Gestaltungsvarianten gerade bei (Publikums-)Personengesellschaften (etwa die wechselseitig beteiligte GmbH & Co. KG), bei denen die Verpflichtung zur Anteilsübertragung formfrei möglich ist, konterkariert6. Auch die zweite Zielsetzung, die Vermeidung von „Zweifeln und Unklarheiten 6 über die Tatsache der Übertragung“, also die Beweisfunktion7, ist durch die notarielle Beurkundungspflicht der Verpflichtung zur Übertragung nicht zu erreichen. Angesichts der Möglichkeit wirksamer Verfügungen bis zur Eintragung in die Gesellschafterliste lässt sich selbst durch eine lückenlose, mit notariellen Urkunden nachgewiesene Verpflichtungskette nicht die Anteilsinhaberschaft feststellen. Der mit der notariellen Urkunde tatsächlich führbare Beweis der Abgabe entsprechender Willenserklärungen kann zudem genauso gut durch Privaturkunde (§ 416 ZPO) geführt werden wie durch die öffentliche Urkunde (§ 415 ZPO)8. In der Literatur sind Ansätze weit verbreitet, das Erfordernis der notariellen Be- 7 urkundung mit dem Schutz der Beteiligten vor Übereilung (Warnzweck)9, der Notwendigkeit einer Aufklärung über (Haftungs-)Risiken für die Gesellschafter (vgl. § 17 BeurkG)10 oder allgemeine Anlegerschutzerwägungen11 zu rechtfertigen. Diese Überlegungen überdehnen den Normzweck und werden von der Rechtsprechung nicht geteilt12. Es leuchtet letztlich (und trotz der besonderen Haftungsregelungen in § 24, § 31) auch nicht ein, warum die Beteiligten beim 1 Vgl. BGHZ 127, 129, 135 = NJW 1994, 3227, 3229; näher am historischen Zweck z.B. OLG Frankfurt, GmbHR 2005, 764, 765 (§ 15 Abs. 3 und 4 sollen auch „vereiteln, dass GmbH-Geschäftsanteile Gegenstand des freien Handelsverkehrs“ werden). 2 Begründung zum GmbH-Gesetz, Stenographische Berichte über die Verhandlungen des Reichstags, 8. Legislaturperiode, I. Session, 1890/1892, 5. Anlagenband, S. 3729. 3 Heidenhain, ZIP 2001, 721, 722. 4 Dazu Karsten Schmidt, GesR, § 45 III 2, S. 1321 ff. 5 Dazu Heidenhain, ZIP 2001, 721, 722, Fn. 17 m.w.N. 6 Loritz, DNotZ 2000, 90, 95 ff. 7 Gegen einen Beweiszweck bei § 15 Abs. 4 (im Gegensatz zu § 15 Abs. 3): Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 41; Armbrüster, DNotZ 1997, 762, 773 f. 8 Heidenhain, ZIP 2001, 721, 725. 9 Kanzleiter, DNotZ 1994, 275, 282; Frenz, in: FS Weichler, 1997, S. 175, 179; Walz/ Fembacher, NZG 2003, 1134, 1135 ff.; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 66; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Einl. Rdnr. 5 und § 15 Rdnr. 21, 30; Wicke, Rdnr. 12; aus der Rechtsprechung OLG Colmar, OLG Rsp. 2, 204, 205; OLG Stuttgart, DB 1989, 1817; OLG München, WM 1995, 670, 671. 10 Armbrüster, DNotZ 1997, 762, 784 f.; Walz/Fembacher, NZG 2003, 1134, 1135 ff., 1139 ff.; Wicke, ZIP 2006, 977, 980; vgl. auch Loritz, DNotZ 2000, 90, 97 f. 11 Schwarz, in: Jubiläums-Festschrift des Rheinischen Notariats, 1998, S. 371, 378; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Einl. Rdnr. 5. 12 Vgl. etwa BGH, ZIP 1996, 1901, 1902 = NJW 1996, 3338, 3339; RGZ 135, 70, 71.

Seibt

959

§ 15

Übertragung von Geschäftsanteilen

Handel mit GmbH-Anteilen eines größeren Schutzes bedürfen sollen, als beim Handel mit Aktien, Investmentzertifikaten, Optionsscheinen oder Anteilen an Personengesellschaften (z.B. Kommanditanteilen)1, wobei es gerade bei letzteren wie bei der GmbH nicht den bei Aktien durch § 23 Abs. 5 AktG gewährleisteten Schutz des Erwerbers vor privatautonomen Sondergestaltungen des Innenverhältnisses gibt2. Einer der zentralen Aspekte des deutschen und europäischen Anlegerschutzrechts ist zudem die Erleichterung des Kapitalverkehrs, dem (neben sanktionierten Publizitäts- und Verhaltenspflichten) allenfalls die Verringerung von Transaktionskosten dienlich ist. Die notarielle Beurkundungspflicht bewirkt aber strukturell das Gegenteil. Auch der Schutz der Beteiligten vor den Risiken des Anteilsbesitzes (insbes. aus § 24, § 31) kann durch die notarielle Belehrung (§ 17 Abs. 1 BeurkG) nicht effektiv gewährleistet werden: Bei Vertreterlösungen erreicht die Belehrung des Notars die eigentlich Betroffenen häufig nicht und die Heilungsmöglichkeit nach § 15 Abs. 4 Satz 2 ermöglicht eine (auch nachträglich abänderbare) Ausgestaltung des gesamten Geschäfts (z.B. hinsichtlich der Gegenleistung), über deren Konsequenzen der Notar schon mangels Kenntnis nicht umfassend belehren kann. Die inhaltliche Angemessenheit des Geschäfts, des Preises oder der Gewährleistungen kann und muss der Notar ohnehin nicht überprüfen (vgl. § 17 Abs. 1 Satz 1 BeurkG)3. Auch für den Notar ist schließlich häufig nicht ermittelbar, ob der veräußerte Geschäftsanteil überhaupt besteht, ob der Veräußerer tatsächlich (noch) Inhaber ist, ob die Einlage geleistet und auch nicht zurückgezahlt wurde und ob keine verdeckte Sacheinlage vorliegt4. Die Belehrung durch den Notar wird daher stets rechtlich-abstrakt bleiben und ist so zum Schutz der Beteiligten häufig ungeeignet5; überdies ist eine zwingende Belehrungsprärogative des Notars gegenüber dem Rechtsanwalt in diesen Fragen nicht begründbar. 8 Ist die Beurkundungspflicht im Ergebnis schon weder durch den historischen Normzweck noch durch die genannten neueren Ansätze zu rechtfertigen, so sprechen überdies die zahlreichen praktischen Schwierigkeiten und die z.T. nicht unerheblichen Kosten6 gegen ihre Aufrechterhaltung. Vor allem die weite Auslegung der Beurkundungspflicht nach § 15 Abs. 4 durch die Rechtsprechung auf alle mit der Abtretungsverpflichtung unmittelbar oder mittelbar zusam1 Eb. Heidenhain, ZIP 2001, 721, 724; hiergegen Wicke, ZIP 2006, 977, 981. 2 Zum Zusammenhang von Satzungsfreiheit und Beurkundungspflicht Armbrüster, DNotZ 1997, 762, 769; Barth, GmbHR 2004, 383, 388; Großfeld/Berndt, RIW 1996, 626, 629. 3 Zur eingeschränkten Sorgfaltspflicht des Notars in diesem Zusammenhang Loritz, DNotZ 2000, 90, 98; zum Umfang der Belehrungspflicht Litzenburger, in: Bamberger/ Roth, BGB, § 17 BeurkG Rdnr. 3 ff. 4 Zu den Haftungsrisiken des Erwerbers etwa Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, § 16 Rdnr. 23; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, § 16 Rdnr. 42 ff. 5 Heidenhain, ZIP 2001, 721, 724; in der Analyse so auch Loritz, DNotZ 2000, 90, 97; vgl. zudem Schlüter, in: FS Bartholomeyczik, 1973, S. 359, 361 ff., 365, der der Beurkundungspflicht lediglich Erschwerungsfunktion attestiert. 6 Die Gebühren richten sich nicht nach Aufwand sondern nach dem Gegenstandswert der beurkundeten Vereinbarung. Allerdings sind für die Beurkundung von Verträgen über die Veräußerung von Geschäftsanteilen inzwischen Höchstgebühren festgelegt (vgl. §§ 141, 38 Abs. 2 Nr. 6 lit. d KostO). – Pointiert a.M. (Wettbewerbsvorteil des deutschen Systems der Notargebühren) Wicke, ZIP 2006, 977, 981.

960

Seibt

§ 15

Übertragung von Geschäftsanteilen

menhängenden Vereinbarungen (zu diesem sog. Vollständigkeitsgrundsatz unten Rdnr. 66–66b) führt zu erheblichen Risiken bzw. Risikovermeidungskosten, da bei Nichtbeachtung der Form hinsichtlich nur einer Nebenvereinbarung sämtliche Vereinbarungen nichtig sind1. Dies zwingt in der Beratungspraxis zu einer erheblichen Ausweitung der Beurkundung mit entsprechender Erhöhung der Notarskosten. Die Aufgabe des Beurkundungserfordernisses für die Verpflichtung zur Abtre- 9 tung eines Geschäftsanteils und ihre Ersetzung durch die Textform i.S. von § 126b BGB würde den Rechtsverkehr erheblich erleichtern und bestehende Rechtsunsicherheiten beseitigen2. Die in der Begründung zum MoMiG-Regierungsentwurf angekündigten „gebotenen Änderungen“3 haben bislang noch zu keiner näheren Konkretisierung in Form eines ministeriellen Diskussionsentwurfes geführt.

II. Veräußerlichkeit und Vererblichkeit des Geschäftsanteils (§ 15 Abs. 1) Schrifttum: Behr, Die Abtretung, insbesondere die Teilabtretung der Geschäftsanteile bei der GmbH, Diss. Erlangen 1926; Crezelius, Gestaltungen mit Nachfolgeklauseln, EStB 2000, 15; Eder, Gefahren beim Erwerb von Geschäftsanteilen, GmbHR 1974, 173; A. Hueck, Die Übertragung von Geschäftsanteilen, ZHR 83 (1920), 1; P. Krückmann, Übertragbarkeit von Gesellschaftsanteilen, JherJ 74 (1924), 69; Langner/ Heydel, Vererbung von GmbH-Geschäftsanteilen, GmbHR 2005, 377; Langner/Heydel, Nachfolgeklauseln im GmbH-Gesellschaftsvertrag, GmbHR 2006, 291; v. Middendorf, Der Kauf von GmbH-Geschäftsanteilen, Diss. Tübingen 1929; Neukamp, Die Geschäftsanteile der GmbH, ZHR 57 (1906), 1; Ruth, Eintritt und Austritt von Mitgliedern, ZHR 88 (1926), 454; F. Sauter, Die Anwendung der Kaufrechtssätze des Bürgerlichen Gesetzbuches auf den Verkauf von Geschäftsanteilen einer GmbH, Diss. Tübingen 1927; H. Schumann, Die Übertragung von Gesellschaftsanteilen, RdW 1944, 151; O. Schwarz, Die Geschäftsanteile und ihre Übertragung bei der GmbH, Diss. Jena 1904; Wiedemann, Die Übertragung und Vererbung von Mitgliedschaftsrechten bei Handelsgesellschaften, 1965; E. Zitelmann, Übertragbarkeit von Gesellschaftsanteilen, JherJ 73 (1923), 185.

1 Die Heilung der Anteilsverpflichtung nach § 15 Abs. 4 Satz 2 bei formgerechter (§ 15 Abs. 3) Anteilsübertragung erstreckt sich allerdings auch auf alle vom Vollständigkeitsgrundsatz erfassten Nebenabreden (dazu unten Rdnr. 74). 2 Wie hier auch: Jasper, in: MünchHdb. III, § 24 Rdnr. 42; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 1 (bei zukünftiger GmbH-Reform noch einmal zu überdenken); König, ZIP 2004, 1838, 1842, der generell die Beurkundung durch die anwaltliche Vertretung ersetzen will. 3 BT-Drucks. 16/6140, S. 25 f. („In vielen Stellungnahmen ist die Beurkundungspflicht bei der Abtretung von Geschäftsanteilen, vor allem aber auch der Vollständigkeitsgrundsatz bei der Beurkundung kritisiert worden. (…) Es ist aber im laufenden Gesetzesvorhaben davon Abstand genommen worden, das Beurkundungsgesetz zu ändern. Die gebotenen Änderungen sollen aber in der nächsten Zeit in einem ohnehin geplanten Gesetz zur Erleichterung von beurkundungsrechtlichen Vorschriften untergebracht werden.“)

Seibt

961

§ 15

Übertragung von Geschäftsanteilen

1. Veräußerlichkeit des Geschäftsanteils a) Geschäftsanteil 10

Das Gesetz regelt in § 15 die Übertragung der Geschäftsanteile, die mit der Eintragung der Gesellschaft in das Handelsregister entstehen (s. § 14 Rdnr. 9). Zum Begriff des Geschäftsanteils s. § 14 Rdnr. 2 ff.

11

Die Anwendbarkeit der Vorschrift auf die Geschäftsanteile an der Vor-GmbH wird von der h.M. zutreffend verneint1: Solche Geschäftsanteile sind nach der Gesetzesstruktur nicht abtretbar, der Gesellschafterwechsel im Gründungsstadium nur durch die Änderung des Gesellschaftsvertrages in der Form des § 2 zulässig. Die Angabe der Gründungsgesellschafter ist ein wesentlicher Bestandteil des Gesellschaftsvertrages, der die Grundlage für die Eintragung der Gesellschaft in das Handelsregister bildet (§ 2, § 3 Abs. 1 Nr. 4, § 8 Abs. 1 Nr. 1). Ein Gesellschafterwechsel durch Abtretung und ohne die gründungsrechtlichen Sicherungen (§ 2 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2, § 8 Abs. 1 Nr. 1) ist damit nicht vereinbar2. Auch die durch das MoMiG reformierten § 3, § 5 lassen keinen anderen Schluss zu, da deren Bezugnahme auf die „Geschäftsanteile“ ausschließlich auf die zukünftigen, also nach Eintragung entstehenden Geschäftsanteile zielt. Aus einer solchen bloßen Formulierungsverkürzung kann nicht auf einen Willen des Gesetzgebers zur Abkehr von herrschender Ansicht und gefestigter Rechtsprechung geschlossen werden3. Es besteht Übereinstimmung darüber, dass § 15 Abs. 2 u. Abs. 5 nicht gelten.

12

Der zukünftige Geschäftsanteil kann dagegen schon vor der Eintragung der GmbH oder einer Kapitalerhöhung abgetreten werden4. Der dingliche Rechtsübergang vollzieht sich dann mit dem Entstehen des Geschäftsanteils, also mit der Eintragung der GmbH oder der Kapitalerhöhung im Handelsregister. Das schuldrechtliche Verpflichtungsgeschäft und der Abtretungsvertrag unterliegen der Formvorschrift in § 15 Abs. 3, 4 (unstr.). Der abgetretene künftige Geschäftsanteil muss in der Vertragsurkunde hinreichend bestimmt oder zumindest bestimmbar bezeichnet sein. Ist die Abtretung an die Genehmigung der Gesellschaft statutarisch gebunden (§ 15 Abs. 5), so tritt die Rechtswirkung nicht vor der Genehmigung ein5. Die Teilung des zukünftigen Geschäftsanteils kann als Ände1 BGHZ 21, 242, 246; BGHZ 29, 300, 303; BGH, ZIP 1983, 299; BGH, GmbHR 1971, 177; BGH, GmbHR 1997, 405, 406; BGH, GmbHR 2005, 354, 355; OLG Frankfurt, GmbHR 1997, 896; Wiedemann, S. 56; Ulmer, in: Ulmer, § 11 Rdnr. 48; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, § 2 Rdnr. 13; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, § 11 Rdnr. 63; Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 4; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 6; Wicke, Rdnr. 2. 2 A.M. Karsten Schmidt, GmbHR 1987, 77, 82; Karsten Schmidt, GmbHR 1997, 869 und oben § 11 Rdnr. 50, der die Übertragung der „Vorgeschäftsanteile“ gemäß § 15 Abs. 3 u. 4 mit formloser Zustimmung aller Mitgesellschafter für zulässig hält. Sympathisierend Gummert, in: MünchHdb. III, § 16 Rdnr. 24; zustimmend Reichert/Weller, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 44. 3 So aber Reichert/Weller, in: MünchKomm. GmbHG, § 15 Rdnr. 44 u. § 14 Rdnr. 11. 4 RGZ 74, 358; RGZ 87, 248; RG, LZ 1911, 614; RG, LZ 1913, 221; RG, JW 1911, 111; BGHZ 21, 245; BGHZ 21, 383; BGHZ 29, 303; BGH, GmbHR 1995, 119, 120; BGH, GmbHR 1997, 405, 406; BGH, GmbHR 1999, 707, 708 f. 5 Vgl. RG, LZ 1911, 614.

962

Seibt

§ 15

Übertragung von Geschäftsanteilen

rung der Gründungssatzung (vgl. § 3 Abs. 1 Nr. 4) im Gründungsstadium der GmbH nur unter Mitwirkung aller Gesellschafter und in der Form des § 2 erfolgen1. Soweit sich aus dem Vertragswortlaut nicht klar ergibt, ob ein satzungsändernder Gesellschafterwechsel in der Vor-GmbH (s. Rdnr. 11) oder die Abtretung des künftigen Geschäftsanteils erfolgen soll, ist im Zweifel letzteres als gewollt anzunehmen2. Die Vorausabtretung aller künftigen Geschäftsanteile an einen Gesellschafter ist auch im Gründungsstadium zulässig3; die Gesellschaftsgründung ist nicht deshalb als Scheingeschäft oder, ohne das Hinzutreten weiterer Umstände, als sittenwidrig oder als unzulässige Gesetzesumgehung anzusehen4. Der Geschäftsanteil bleibt auch während der Liquidation der GmbH nach § 15 13 Abs. 1 abtretbar5. Der Gesellschaftsvertrag kann die Übertragung aber für diesen Fall von weiteren Voraussetzungen abhängig machen (§ 15 Abs. 5) oder ganz ausschließen. Zur Gewährleistung s. unten Rdnr. 136 ff. Vgl. im Übrigen 10. Aufl., bei § 69. Die Abtretung des Teils eines Geschäftsanteils wurde durch das MoMiG wesent- 14 lich reformiert. Nach früherer Rechtslage durfte diese zunächst nicht statutarisch ausgeschlossen sein (§ 17 Abs. 6 Satz 2 a.F.), es mussten die Mindestbeträge beachtet werden (§ 17 Abs. 4 a.F.) und die schriftliche Genehmigung der Gesellschaft war erforderlich (§ 17 Abs. 1 u. 2 a.F., vgl. Erl. zu § 17, 10. Aufl.). Nach Aufhebung des § 17 a.F. ist nunmehr, wenn anderslautende Satzungsbestimmungen nicht existieren (vgl. unten Rdnr. 23, 106 ff.), lediglich die vorherige Teilung gemäß § 46 Nr. 4 durch Gesellschafterbeschluss notwendig, bevor der nunmehr selbstständige Teil des ursprünglichen Geschäftsanteils gemäß § 15 Abs. 3 abgetreten werden kann (vgl. Erl. zu § 17, 10. Aufl.). b) Fremder Geschäftsanteil Auch der Verkauf eines dem Verkäufer nicht zustehenden Geschäftsanteils ist 15 zulässig; es bestehen dann bei Nichtleistung nur Gewährleistungsansprüche gegen den Verkäufer (§ 453 Abs. 1 BGB)6. Denn ein Nichtgesellschafter kann einen fremden Geschäftsanteil wirksam abtreten, falls der berechtigte Anteilsinhaber zustimmt7. Die Abtretung bedarf der Form aus § 15 Abs. 3, die Zustimmung des berechtigten Gesellschafters ist formlos gültig (§ 185 Abs. 2 BGB). Zudem ist bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 16 Abs. 3 ein gutgläubiger Erwerb vom Nichtberechtigten möglich (s. Rdnr. 101 f.).

1 BGHZ 29, 303; BGH, WM 1983, 230; BGH, GmbHR 1997, 406; BGH, ZIP 2005, 253; Roth, in: Roth/Altmeppen, § 2 Rdnr. 27; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, § 2 Rdnr. 17; Michalski, in: Michalski, § 2 Rdnr. 38; a.M. Karsten Schmidt, oben § 11 Rdnr. 57. 2 KG, OLG 68, 477; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 1. 3 BGHZ 21, 383; KG, GmbHR 1968, 182. 4 Vgl. BGHZ 21, 381; KG, GmbHR 1968, 182 sowie § 2 Rdnr. 56; a.M. OLG Celle, GmbHR 1951, 26. 5 RG, JR 1926 Nr. 1718; OLG Dresden, GmbHRspr. III Nr. 2 zu § 70; KG, GmbHR 1996, 921. 6 RG, LZ 1912, 841; RGZ 109, 297; s. auch BGH, GmbHR 1960, 45 m. Anm. Pleyer (zur Rechtslage vor der Schuldrechtsmodernisierung). 7 RG, WarnR 5, 105 = LZ 1912, 326.

Seibt

963

§ 15

Übertragung von Geschäftsanteilen

c) Einzelne Rechte und Pflichten 16

Diese sind notwendig mit dem Geschäftsanteil verbunden und gehen daher mit dessen Übertragung auf den Erwerber über. Doch gibt es Ausnahmen, höchstpersönliche Rechte (s. § 3 Rdnr. 80, § 14 Rdnr. 14). Es fragt sich aber, ob einzelne Mitgliedschaftsrechte getrennt übertragen werden können1. Hier ist zu unterscheiden: aa) Mitverwaltungsrechte

17

Mitgliedschaftsrechte personenrechtlicher Art, wie das Recht auf Einberufung der Gesellschafterversammlung oder auf Teilnahme an ihr, das Stimmrecht, die Anfechtungsbefugnis bei fehlerhaften Beschlüssen, das Recht auf Auskunft und Büchereinsicht (s. § 14 Rdnr. 14) können nicht getrennt auf einen anderen übertragen werden2. Sie sind nach der gesetzlichen Wertung mit dem Geschäftsanteil notwendig verbundene unselbständige Bestandteile der Mitgliedschaft (s. auch § 717 Satz 1 BGB). Eine Abspaltung dieser Rechte ist mit ihrer Funktion als vom Mitgliedschaftsinteresse getragene Steuerungs- und Legitimationsmittel verbandsautonomer Willensbildung und Kontrolle unvereinbar (vgl. § 14 Rdnr. 39a)3. Der unzulässigen getrennten Übertragung wertungsmäßig gleichzustellen sind demgemäß die Ermächtigung einen anderen zur Ausübung der Mitverwaltungsrechte im eigenen Namen (sog. Legitimationszession)4 und die dauernde oder zeitweise unwiderrufliche Bevollmächtigung eines anderen mit den Vollmachtgeber verdrängender Wirkung5 oder mit dessen schuldrechtlichem Verzicht auf eigene Rechtsausübung6, während sonstige – auch nicht frei 1 Über die Gründe einer solchen Abspaltung einzelner Mitgliedschaftsrechte vgl. Wiedemann, S. 274 ff. 2 BGHZ 43, 261, 267; BGH, NJW 1968, 396, 397; BGH, BB 1977, 10, 11; BGH, NJW 1987, 780; BayObLG, ZIP 1986, 303, 305; OLG Hamburg, ZIP 1989, 298, 300; OLG Koblenz, GmbHR 1992, 464, 465; Wiedemann, S. 276 ff.; Teichmann, Gestaltungsfreiheit in Gesellschaftsverträgen, 1970, S. 221 ff.; Raiser, in: Ulmer, § 14 Rdnr. 42 f.; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, § 14 Rdnr. 20; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, § 14 Rdnr. 15; Pentz, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, § 14 Rdnr. 25; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 22; Schiessl, in: MünchHdb. III, § 31 Rdnr. 29 u.a.; teilw. abw. Fleck, in: FS Rob. Fischer, 1979, S. 107, 118 ff. 3 Zutr. Flume, Allg. Teil des Bürg. Rechts, I/2, 1983, S. 201 ff.; Karsten Schmidt, GesR, § 19 III 4a; Raiser, in: Ulmer, § 14 Rdnr. 42. Vgl. auch die teilweise abweichenden Begründungen von Wiedemann, S. 272 ff. u. GesR I, S. 372 f.; Teichmann, S. 224 f.; Reuter, ZGR 1978, 633 ff. sowie den Überblick bei Fleck, S. 110 ff. u. Schäfer, GmbHR 1998, 113, 116. 4 Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, § 14 Rdnr. 15; Karsten Schmidt, GesR, § 19 III 4a; Schiessl, in: MünchHdb. III, § 31 Rdnr. 29. Demgegenüber verneinen Wiedemann, S. 289 f. u. Flume, S. 205 zwar die Gleichstellung, halten aber die sog. Legitimationszession bei der GmbH entgegen RGZ 157, 52, 55 f. aus anderen Erwägungen zutreffend für unzulässig; vgl. Wiedemann, S. 367 f. u. Flume, S. 206. Letzterem zust. auch Raiser, in: Ulmer, § 14 Rdnr. 44; Zöllner, in: Baumbach/Hueck, § 47 Rdnr. 41; Karsten Schmidt, 10. Aufl., § 47 Rdnr. 21 mit Übersicht über den Streitstand. Dahingestellt von BayObLG, GmbHR 1986, 87; OLG Hamburg, AG 1989, 327, 329. 5 Nach h.M. ist sie auch aus allgemeinen privatrechtlichen Gründen unwirksam; vgl. Schramm, in: MünchKomm. BGB, 6. Aufl. 2012, § 167 BGB Rdnr. 114 m.w.N. 6 BGH, LM § 47 GmbHG Nr. 25; OLG Koblenz, GmbHR 1992, 464, 465 f.; Wiedemann, S. 362; Teichmann, S. 225; Fleck, S. 117; s. auch OLG Hamburg, AG 1989, 327, 329.

964

Seibt

§ 15

Übertragung von Geschäftsanteilen

widerrufliche1 – Bevollmächtigungen nicht betroffen und mangels gegenseitiger Satzungsbestimmung zulässig sind (§ 47 Abs. 3). Nicht gegen das Abspaltungsverbot verstößt die durch die Beteiligten vereinbarte oder durch die Satzung vorgeschriebene Gruppenvertretung mehrerer Gesellschafter, wenn der Vertreter weisungsgebunden und abberufbar ist2. Dem Pfandgläubiger und dem Nießbraucher am Geschäftsanteil, denen gesetzlich 18 keine Mitverwaltungsrechte in der Gesellschaft zustehen, können diese auch nicht durch den Besteller rechtsgeschäftlich übertragen oder in einer vergleichbaren Weise eingeräumt werden (Rdnr. 178 f., 217)3. Die dingliche Berechtigung der Genannten am Geschäftsanteil rechtfertigt es nicht, von der Unübertragbarkeit unselbständiger Mitgliedsbestandteile abzuweichen und eine funktionswidrige rechtsgeschäftliche Aufteilung der Mitverwaltungsrechte zu gestatten (Rdnr. 17, 178 f., 217). Ebenso wenig können sie im Falle der treuhänderischen Beteiligung dem Treugeber übertragen werden4. Anders als die Vorgenannten ist er zwar als wirtschaftlicher Inhaber des Geschäftsanteils auch Träger des Gesellschafterinteresses, aber eine Ausnahme ist gleichwohl ungerechtfertigt, da gesellschaftsrechtlich nur eine Mitgliedschaft des Treuhänders besteht und die Beteiligten den Konsequenzen der von ihnen gewählten rechtlichen Gestaltung nicht ausweichen können. Keine Abspaltung von Mitverwaltungsrechten liegt in der kraft Amtes erfolgenden Ausübung dieser Rechte durch den Nachlassverwalter (Rdnr. 249), den Testamentsvollstrecker (Rdnr. 250) und den Insolvenzverwalter (Rdnr. 254).

19

bb) Vermögensrechte Die den Bestandteil der Mitgliedschaft bildenden Vermögensstammrechte (s. 20 § 14 Rdnr. 14) sind ebenfalls nicht selbständig abtretbar5. Etwas anderes gilt aber 1 Die Widerruflichkeit kann vorübergehend in der Weise eingeschränkt werden, dass sie an die begrenzte Laufzeit eines Kausalverhältnisses gebunden und im Übrigen beim Vorliegen eines wichtigen Grundes stets gegeben ist; vgl. dazu mit Unterschieden in Einzelheiten BGH, GmbHR 1977, 244, 246; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, § 14 Rdnr. 15; Karsten Schmidt, 10. Aufl., § 47 Rdnr. 83 m.w.N. Enger Flume, Allg. Teil des Bürg. Rechts, I/2, 1983, S. 207 f.; Reuter, ZGR 1978, 633, 642; Hüffer, in: Ulmer, § 47 Rdnr. 97; weitergehend Wiedemann, S. 361 ff. 2 Vgl. dazu BGHZ 46, 291, 295 f. (KG); BGH, GmbHR 1989, 120, 121; Wiedemann, S. 388 f.; Michalski, Gesellschaftsrechtliche Gestaltungsmöglichkeiten zur Perpetuierung von Unternehmen, 1980, S. 177 ff.; Karsten Schmidt, ZHR 146 (1982), 525, 530 ff.; Raiser, in: Ulmer, § 14 Rdnr. 46; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, § 14 Rdnr. 15. 3 A.M. Raiser, in: Ulmer, § 14 Rdnr. 45 und für den Nießbrauch mit Einschränkungen Fleck, S. 125 f.; Koppensteiner, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, § 47 Rdnr. 25; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, § 14 Rdnr. 15, § 47 Rdnr. 4. 4 Flume, S. 205; K. Müller, Die Sicherheitsabtretung, S. 31 f.; Beuthien, ZGR 1974, 26, 82 f.; Reuter, ZGR 1978, 633, 642; Roth, in: Roth/Altmeppen, § 47 Rdnr. 20; Roth/Töni, in: FS 100 Jahre GmbHG, 1992, S. 245, 278; a.M. Raiser, in: Ulmer, § 14 Rdnr. 45; Fleck, S. 127; Koppensteiner, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, § 47 Rdnr. 25; Bayer, in: Lutter/ Hommelhoff, § 47 Rdnr. 4 (für „offene“ Treuhand); Ulmer, ZHR 156 (1992), 377, 387. Offen gelassen von BGH, GmbHR 1977, 244. 5 Wiedemann, S. 414 f.; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, § 14 Rdnr. 20; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, § 14 Rdnr. 15; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 23 f. u. § 14

Seibt

965

§ 15

Übertragung von Geschäftsanteilen

für die aus ihnen hervorgehenden Einzelansprüche, wie auf Anteil am Jahresgewinn, auf eine Abfindung beim Ausscheiden oder auf die Liquidationsquote, auf Gegenleistungen (Vergütung) für Nebenleistungen aus § 3 Abs. 2 oder für eine Tätigkeit in der Gesellschaft (z.B. als Geschäftsführer). Sie können mangels gegenseitiger Abrede im Gesellschaftsvertrag (§ 399 BGB) selbständig und formlos abgetreten werden. Der § 15 bezieht sich nur auf Abtretung von Geschäftsanteilen oder Teilen von solchen, nicht auf Abtretung Einzelner aus dem Geschäftsanteil fließender Rechte1. Es kann sowohl ein bereits entstandener als auch ein zukünftiger Gewinnanspruch abgetreten werden. Er geht im letzteren Fall mit seinem Entstehen, d.h. mit der Beschlussfassung über die Gewinnverwendung für das betreffende Geschäftsjahr (s. Erl. zu § 29 Rdnr. 58 ff.), auf den Erwerber über2. Entsprechendes gilt für die künftigen Ansprüche auf Abfindung oder auf die Liquidationsquote, die auf ihn übergehen, sobald die gesetzlichen und satzungsmäßigen Voraussetzungen ihrer Entstehung verwirklicht sind3. 21

Der Zessionar hat gegenüber der GmbH keine Kontroll- oder Mitwirkungsbefugnisse beim späteren Gewinnfeststellungs- und Verteilungsbeschluss4; diese verbleiben dem Gesellschafter. Er muss auch, soweit nicht im Einzelfall § 826 BGB verwirklicht wird5, Beeinträchtigungen des zukünftigen Gewinnanspruchs durch die Feststellung des Jahresabschlusses oder den Ergebnisverwendungsbeschluss oder durch Änderungen des Gesellschaftsvertrags hinnehmen6. Andererseits erwirbt der Zessionar schon vor dem Entstehen des Gewinnanspruchs durch den Abtretungsvertrag eine geschützte Rechtsposition insofern, als spätere Verfügungen des Gesellschafters über das Recht (zur Pfandrechts- und Nießbrauchsbestellung s. Rdnr. 172 ff., 212 ff.) unwirksam sind7 und als der zukünftige Gewinnanspruch dem Zugriff der Gläubiger des Gesellschafters in der Zwangsvollstreckung und in der Insolvenz8 entzogen ist. Die Abtretung des Geschäftsanteils und seine Verwertung durch einen Pfandgläubiger machen dagegen eine Vorausabtretung von künftigen Gewinnansprüchen (auch des Liquidationsguthabens) gegenstandslos9, soweit sie nicht in Wertpapieren verkörpert sind10. Die Vorausabtretung schränkt nicht die Rechtsmacht des Gesellschafters ein, zustimmend an Gesellschafterbeschlüssen mitzuwirken, die den zukünftigen Gewinnanspruch beeinträchtigen. Er macht sich aber gegenüber dem Zessionar schadensersatzpflichtig, wenn er dabei die Verpflichtungen aus dem mit ihm bestehenden Vertragsverhältnis nicht einhält. Fehlt es an einer ausdrück-

1

2 3 4 5 6 7 8 9 10

Rdnr. 13; Schiessl, in: MünchHdb. III, § 31 Rdnr. 31; Ebbing, in: Michalski, § 14 Rdnr. 74. RGZ 82, 167; RG, LZ 1907, 1011; BGH, DB 1983, 2513; PrOVG, GmbHRspr. II § 15 R. 46; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 27 a.E.; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 7; Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 123; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 124. RGZ 98, 320; krit. Wiedemann, S. 299. BGHZ 88, 205, 206; BGHZ 104, 351, 353; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 24. RGZ 98, 320; OLG Hamburg, OLG 30, 379. RGZ 98, 322; OLG Hamburg, OLG 30, 379; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 126. Vgl. Wiedemann, S. 303 ff. BGHZ 104, 351, 353; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 124. Zutr. Wiedemann, S. 299 unter Hinweis auf BGH, NJW 1955, 544. BGHZ 88, 205, 208; BGHZ 104, 351, 353; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 26; Armbruster, NJW 1991, 606, 607; krit. dazu aber Marotzke, ZIP 1988, 1509. Wiedemann, S. 299 ff.

966

Seibt

§ 15

Übertragung von Geschäftsanteilen

lichen Vertragsbestimmung, so ist im Einzelfall nach Treu und Glauben und gesetzlichen Wertungen (z.B. § 42 GmbHG, § 247 HGB) zu beurteilen, inwieweit er bei einer Stimmabgabe die Interessen des Zessionars zu berücksichtigen hat1. Teilweise wird ein Geschäftsanteil unter Vorbehalt des Gewinns aus dem laufenden Geschäftsjahr abgetreten. Dann erwirbt der Anteilserwerber, falls in der Gesellschafterliste eingetragen (§ 16 Abs. 1), als nunmehriger Gesellschafter den Gewinnanspruch gegenüber der GmbH, überträgt ihn aber für das laufende Geschäftsjahr sofort an den Veräußerer zurück2.

22

Die Abtretbarkeit des Gewinnanspruchs kann durch die Satzung ausgeschlossen werden (§ 399 BGB). Er kann auch durch Dividendenscheine oder durch Genussscheine verbrieft werden (§ 14 Rdnr. 66, 67 ff.).

23

2. Vererblichkeit des Geschäftsanteils Schrifttum: Becker, Einziehung zwecks Ausschluss der Vererbung an Geschäftsanteilen, GmbHR 1941, 243; Buchwald, Gesellschaftsanteil und Erbrecht, AcP 154 (1955), 22; Cohn, Der Ausschluss der Vererblichkeit bei den Geschäftsanteilen der GmbH, Diss. Greifswald 1919; Crezelius, Gestaltungen mit Nachfolgeklauseln, EStB 2000, 15; Däubler, Die Vererbung des Geschäftsanteils bei der GmbH, 1965; Däubler, Der Scheinerbe im Recht der GmbH, GmbHR 1963, 181; Dilthey, Unentgeltliche Einziehung von GmbH-Anteilen, Diss. Bonn 1937; Dörrie, Die Testamentsvollstreckung im Recht der Personenhandelsgesellschaften und der GmbH, 1995; Dörrie, Erbrecht und Gesellschaftsrecht bei Verschmelzung, Spaltung und Formwechsel, GmbHR 1996, 245; Feller, Zur Vorerbschaft an GmbH-Geschäftsanteilen, Diss. Mainz 1974; P. Finger, Einziehung des Geschäftsanteils beim Tode eines Gesellschafters und Nachfolgeregelung, GmbHR 1975, 97; Fleck, Erbrechtliche Anwartschaften und Gesellschafterbeschlüsse in der GmbH, in: FS Stimpel, 1985, S. 353; Habersack, Die unentgeltliche Einziehung des Geschäftsanteils beim Tode des GmbH-Gesellschafters, ZIP 1990, 625; Hadding, Zur Rechtsstellung des Vorerben von GmbH-Geschäftsanteilen, in: FS Bartholomeyczik, 1973, S. 75; Haegele, Vererbung von GmbH-Geschäftsanteilen, DRpfl. 1969, 186; Haegele, Rechtsbeziehungen und Wechselwirkungen zwischen GmbH-Satzung und Gesellschaftertestament, GmbHR 1972, 219; Haegele, Erbrechtsfragen zur GmbH, BWNotZ 1976, 53; Heckelmann, Abfindungsklauseln in Gesellschaftsverträgen, 1973; Hilger, Zur Anwendbarkeit statutarischer Vinkulierungsklauseln bei der Übertragung von GmbH-Geschäftsanteilen in Ausführung letztwilliger Verfügungen, in: FS Quack, 1991, S. 259; A. Hueck, Gesellschaftsvertrag und Erbrecht, DNotZ 1952, 550; A. Hueck, Der Geschäftsanteil der GmbH als Gegenstand eines Vermächtnisses, DB 1956, 735; Ivo, Die Vererbung von GmbH-Geschäftsanteilen nach Inkrafttreten des MoMiG, ZEV 2009, 333; Käppler, Die Steuerung der Gesellschaftererbfolge in der Satzung einer GmbH, ZGR 1978, 542; Kesselmeier, Ausschließungs- und Nachfolgeregelung in der GmbH-Satzung, 1989; U. Koch, Die Zuordnung des vererbten GmbHGeschäftsanteils, Diss. Heidelberg 1981; Knur, Die Familiengesellschaft, 1941; Landmann, Zur Regelung der Gesellschafternachfolge in der Satzung einer GmbH, Diss. Bonn 1962; Langner/Heydel, Vererbung von GmbH-Geschäftsanteilen – Sicherstellung einer familieninternen Nachfolge, GmbHR 2005, 377; Langner/Heydel, Nachfolgeklauseln im GmbH-Gesellschaftsvertrag, GmbHR 2006, 291; Lessmann, Vinkulierungsklauseln bei der Vererbung von GmbH-Geschäftsanteilen, GmbHR 1986, 409; 1 Vgl. auch RGZ 98, 321; RG, SeuffA 1919 Nr. 6; Wiedemann, S. 306 f.; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 126. 2 RGZ 98, 320; OLG Karlsruhe, GmbHR 1914, 377; OLG Hamburg, OLG 30, 379; s. auch LG Köln, DNotZ 1974, 481. Zu den steuerrechtlichen Folgen s. aber § 20 Abs. 2a EStG u. dazu Gondert/Behrens, GmbHR 1997, 682 ff.

Seibt

967

§ 15

Übertragung von Geschäftsanteilen

Lutter, Zur Beschränkung des Vorerben im Gesellschaftsrecht, ZGR 1982, 108; Nagler, Die zweckmäßige Nachfolgeregelung im GmbH-Vertrag, 1998; Niemeier, Rechtstatsachen und Rechtsfragen der Einziehung von GmbH-Anteilen, 1982; Petzold, Gesellschaftsvertrag und Erbrecht bei der GmbH und der GmbH & Co. KG, GmbHR 1977, 25; Pinkernelle, Gesellschaft mit beschränkter Haftung und Erbrecht, Diss. Bonn 1960; Priester, Nachfolgeklauseln im GmbH-Vertrag, GmbHR 1981, 206; Promberger, Auslegung unvollständiger Nachfolgeklauseln in der Satzung einer GmbH, ZHR 150 (1986), 585; Reuter, Privatrechtliche Schranken der Perpetuierung von Unternehmen, 1972; Saenger, Beschränkungen hinsichtlich Veräußerung und Vererbung von Geschäftsanteilen einer GmbH, RG-Praxis IV, 1929, 17; Schefer, In welcher Weise kann die Satzung einer GmbH den Erwerb von Geschäftsanteilen durch Erbgang ausschließen oder beschränken?, Diss. Mainz 1960; Schilling, Die Regelung der Gesellschafternachfolge in der Satzung der GmbH, GmbHR 1962, 205; Schneider, Der GmbH-Anteil bei der Auseinandersetzung eines Gesamthandsvermögen, insbesondere der Erbengemeinschaft, GmbHR 1964, 157; Scholz, Die Vererbung des GmbH-Anteils, JR 1955, 331; Schulze zur Wiesche, Erbauseinandersetzung eines GmbH-Anteils, GmbHR 1980, 211; Siegelmann, Die Erbfolge bei dem Einmann-Gesellschafter einer GmbH, GmbHR 1956, 118; Siegelmann, Die Erbfolge in den Nachlass des verstorbenen Einmann-Gesellschafters einer GmbH, DB 1964, 397; Siegmann, Zur Fortbildung des Rechts der Anteilsvererbung – Grundlagen und aktuelle Fragen im Zivil- und Ertragssteuerrecht, NJW 1995, 481; Sommer, Rechtliche Wege zur Bestands- und Nachfolgeregelung von Familiengesellschaften, Diss. Hamburg 1967; Soufleros, Ausschließung und Abfindung eines GmbH-Gesellschafters, 1983; Strickrodt, Die Zukunftssicherung des Unternehmens im Rahmen der GmbH, GmbHR 1955, 157; Sudhoff, Die Vererbung von GmbH-Anteilen, DB 1963, 1109; Töteberg, Die Erbfolge in Geschäftsanteil und Mitgliedschaft bei der GmbH, Diss. Göttingen 1955; Vins, Kann im Gründungsvertrag einer GmbH unter Zustimmung aller Gesellschafter rechtswirksam vereinbart werden, dass der Geschäftsanteil eines Gesellschafters mit dessen Tode nicht seinen Erben, sondern Dritten zustehen soll?, ZHR 86 (1923), 325; Vogel, Zur Vererbung eines Geschäftsanteils, GmbHR 1971, 132; H. P. Westermann, Zum Anwendungsbereich von Vinkulierungsklauseln bei der Vererbung von GmbH-Geschäftsanteilen, ZIP 1985, 1249; Wachter, Unternehmensnachfolge bei der GmbH und GmbH & Co. KG nach dem MoMiG, DB 2009, 159; Wiedemann, Die Übertragung und Vererbung von Mitgliedschaftsrechten bei Handelsgesellschaften, 1965; Wiedemann, GmbH-Anteile in der Erbengemeinschaft, GmbHR 1969, 217; K. Winter, Die Vererbung von GmbHAnteilen im Zivil- und Steuerrecht, 1997; Wittek, Die gesellschaftsrechtliche Behandlung der Familien-GmbH, Diss. Erlangen-Nürnberg, 1969; Wolany, Rechte und Pflichten des Gesellschafters einer GmbH, 1964. Zur Testamentsvollstreckung am Geschäftsanteil vgl. Nachw. in Rdnr. 250 ff.

a) Grundsatz 24

Kraft der Vererblichkeit geht der Geschäftsanteil mit dem Tode des Gesellschafters ohne weiteres auf die gesetzlichen oder testamentarischen Erben über (§ 1922 BGB) und kann auch letztwillig einem Dritten vermacht werden, der als Vermächtnisnehmer gegen den oder die Erben ein Forderungsrecht auf formgebundene (§ 15 Abs. 3) (dingliche) Abtretung des Geschäftsanteils hat (§ 2174 BGB). Miterben steht der ererbte Geschäftsanteil „ungeteilt“, d.h. zur gesamten Hand der Erbengemeinschaft, zu; Erl. bei § 18 Abs. 1. Zur Auseinandersetzung unter Erben s. Rdnr. 93. Vermächtnisse (§§ 2147 ff. BGB) und Teilungsanordnungen des Erblassers (§ 2048 BGB) sind dabei aber nur in den satzungsmäßigen Grenzen ausführbar (Rdnr. 36 ff.). Der Einzelerbe gilt, obwohl Rechtsinhaber und im Außenverhältnis uneingeschränkt Gesellschafter, im Verhältnis zur Gesellschaft, also insbesondere in Bezug auf seine Gesellschafterrechte, gemäß 968

Seibt

§ 15

Übertragung von Geschäftsanteilen

§ 16 Abs. 1 Satz 1, § 40 erst mit Eintragung in die Gesellschafterliste als Inhaber1. Der Nachweis der Erbfolge muss allerdings auf Verlangen durch Vorlage des Erbscheins erbracht werden2. Vor Eintragung in die Gesellschafterliste getätigte Rechtshandlungen als Gesellschafter sind nur dann wirksam, wenn gemäß § 16 Abs. 1 Satz 2 nach deren Vornahme unverzüglich eine Eintragung in die Gesellschafterliste erfolgt. Schlägt der Erbe die Erbschaft aus, so ist er niemals Gesellschafter geworden (vgl. § 1953 Abs. 1 BGB) und haftet dann in keiner Weise für Verbindlichkeiten aus dem Geschäftsanteil, insbesondere auch nicht nach § 16 Abs. 2 oder § 223. Für Maßnahmen, die der Erbe vor der Ausschlagung getroffen hat oder die dem Erben gegenüber vor der Ausschlagung getroffen worden sind, gelten – in gleicher Weise wie bei einer späteren Anfechtung der Erbschaftsannahme (§ 1957 Abs. 1 BGB) – die §§ 1959 ff. BGB. Für den Scheinerben gelten die §§ 2366 f. BGB. Für die Verpflichtungen aus der Mitgliedschaft (Leistung von Einlagen, § 19, § 55; Rückzahlung nach § 31; Nachschusspflicht nach § 26) haftet der Erbe, es sei denn, er beschränkt seine Erbenhaftung nach den §§ 1975 ff. BGB, wobei diese Haftungsbeschränkung nur auf bis zum Erbfall begründete Verpflichtungen Anwendung findet. Es kann ein Testamentsvollstrecker bestimmt sein, auch lediglich zur Verwaltung des Geschäftsanteils (Rdnr. 250 ff.). Auch ein Nachlasspfleger kann zu dieser Verwaltung befugt sein (§ 1960, § 2017 BGB; Rdnr. 248).

25

b) Abweichende Regelung durch den Gesellschaftsvertrag Der § 15 Abs. 5 sieht (Möglichkeiten zur) Beschränkung nur für die Abtretung 26 vor, also die rechtsgeschäftliche Übertragung des Geschäftsanteils, und eine solche liegt bei der gesetzlichen Rechtsnachfolge kraft Erbenstellung gerade nicht vor. Das RG4 hatte dieses Problem nicht erkannt und ging vielmehr ohne weitere Erörterung davon aus, dass aus § 15 Abs. 5 „folgt, dass die Veräußerlichkeit und Vererblichkeit der Geschäftsanteile durch Gesellschaftsvertrag beschränkt und auch gänzlich ausgeschlossen werden kann (vgl. auch § 17 Abs. 6 GmbHG)“. Die letztgenannte Vorschrift ist nunmehr aufgehoben und bezog sich zudem lediglich auf den Ausschluss der Teilung von Geschäftsanteilen. Eine Vinkulierungsklausel i.S. von § 15 Abs. 5 erfasst nicht die Übertragung des Anteils eines Nachlasses, in dem sich der Geschäftsanteil befindet (dazu § 18 Rdnr. 9). Ebenso wie bei der Abtretung und zum Teil aus ähnlichen Gründen kann zwar auch bei der Vererbung der Geschäftsanteile ein vom Erblasserinteresse unabhängiges gesellschaftliches Bedürfnis dafür bestehen, in den Gesellschaftsvertrag bindende Regeln über die Gesellschafternachfolge aufzunehmen5. Hierfür stellen die Vor-

1 Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 12; Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 10; Reichert/Weller, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 444; Brandes, in: Bork/Schäfer, Rdnr. 64; Wicke, Rdnr. 10; Wachter, DB 2009, 159, 160; Ivo, ZEV 2009, 333, 335. 2 Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 12; Reichert/Weller, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 444; Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 10. 3 Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 7; Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 11; Töteberg, Erbfolge, S. 36. 4 RGZ 80, 175, 179. 5 Vgl. Karsten Schmidt, GmbHR 2011, 1289, 1293, 1295.

Seibt

969

§ 15

Übertragung von Geschäftsanteilen

schriften des GmbHG mit Rücksicht auf die sonst nicht übereinstimmende Interessenlage im Erbfall jedoch andere Mittel zur Verfügung (vgl. Rdnr. 29). aa) Ausschluss oder Beschränkung 27

Der Ausschluss oder die Beschränkung der Vererblichkeit der Geschäftsanteile ist nicht möglich1. Die durch die verunglückte Ausdrucksweise des RG (Rdnr. 26) nahe gelegte abweichende Ansicht ist nur vereinzelt früher im Wege der analogen Anwendung von § 38 Satz 1 BGB vertreten worden2. Eine solche Analogie widerspricht jedoch den Grundsätzen des GmbH-Rechts. Wäre der Ausschluss der Vererblichkeit möglich, müsste der Geschäftsanteil mit dem Tode seines Inhabers erlöschen, mit der Folge, dass alle Leistungspflichten des Gesellschafters einschließlich der Stammeinlageschuld (s. § 19) entfielen und die Aufbringung des Stammkapitals (s. § 5 Rdnr. 8 ff.) gefährdet wäre. Dass ein Geschäftsanteil ohne Einziehung (§ 34) erlöschen könne, ist mit dem GmbHG nicht vereinbar. Eine weitere Meinung gelangt auf einem anderen Weg indirekt zur Anerkennung des Ausschlusses der Vererblichkeit, indem sie eine mit dem Eintritt des Todes des Anteilsinhabers automatisch wirkende sog. Einziehung kraft Statuts zulässt3. Der Geschäftsanteil wäre dann ebenfalls nicht Nachlassbestandteil. Sie trägt damit zwar den oben erwähnten Bedenken Rechnung, ist aber aus Gründen der Rechtssicherheit abzulehnen, da bei automatischer Einziehung Ungewissheit über das Vorliegen der für das Wirksamwerden des vorweggenommenen Gestaltungsaktes notwendigen gesetzlichen Einziehungsvoraussetzungen (Volleistung der Einlagen und Möglichkeit zur Entgeltzahlung ohne Beeinträchtigung des Stammkapitals) besteht4. Die Gestaltung ist überdies wegen ihrer geringen Flexibilität wenig zweckmäßig.

28

Ebenso wenig kann der Gesellschaftsvertrag die Vererblichkeit des Geschäftsanteils beschränken, also z.B. seinen Übergang von einer Genehmigung abhängig machen5 oder mit unmittelbarer Wirkung eine Sonderrechtsnachfolge anordnen6. 1 Wiedemann, S. 93 f.; Reuter, S. 409; Brodmann, Anm. 7; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 9; Langner/Heydel, GmbHR 2006, 291; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 9, 12; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 11; Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 6, 22; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 28; Jasper/Wollbrink, in: MünchHdb. III, § 25 Rdnr. 1; Wicke, Rdnr. 7; Rowedder/Bergmann, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 114. 2 OLG Colmar, Recht 1912, Nr. 484; Feine, S. 370; Vins, S. 328. 3 KG, GmbHRspr. IV § 34 R. 10; LG Frankfurt, GmbHR 1962, 118; Feine, S. 378; Däubler, S. 117 ff.; Haegele, GmbHR 1972, 221; Finger, GmbHR 1975, 97, 98 f.; Sudhoff, DB 1963, 1109. 4 Wiedemann, S. 79; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 10; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/ Hueck, Rdnr. 12; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 11; Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 22; Käppler, S. 569 ff.; Nagler, S. 60 ff. Weitere Nachw. s. bei § 34 Rdnr. 49 f. 5 Däubler, S. 111 f. 6 OLG Koblenz, GmbHR 1995, 586, 587; Schilling, S. 206; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 9, 12; Wiedemann, S. 95 f.; Däubler, S. 105 f.; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 9, 12; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 11; Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 6, 22; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 28; Jasper/Wollbrink, in: MünchHdb. III, § 25 Rdnr. 1, 2; Rodewald, in: GmbH-Hdb., Rdnr. I 1084; Käppler, S. 575; Priester, S. 207; Nagler, S. 197 ff.; Langner/Heydel, GmbHR 2006, 291; a.M. Schefer, DB 1961, 59 u. Diss. S. 72 ff.; Finger, S. 102 f.; Kesselmeier, S. 259 ff.

970

Seibt

§ 15

Übertragung von Geschäftsanteilen

Auch wenn der Gesellschaftsvertrag zugleich die Erfordernisse eines Erbvertrages erfüllen sollte (§§ 2274 ff. BGB), könnte eine derartige Bestimmung nicht getroffen werden (§ 2278 Abs. 2 BGB). Desgleichen ist die Konstruktion eines auf den Todesfall zu Gunsten des Nachfolgers geschlossenen dinglichen Vertrages abzulehnen1. Möglich wäre eine Sondernachfolge allerdings derart, dass der Geschäftsanteil im Gesellschaftsvertrag einem Mitgesellschafter, der GmbH oder einem beim Abschluss des Gesellschaftsvertrags mitwirkenden Dritten2 auf den Todesfall aufschiebend bedingt abgetreten wird, aber dies ist wegen der rechtlichen Bindungen, denen der Gesellschafter sich schon zu Lebzeiten unterwerfen müsste (§§ 160, 161 BGB), im Regelfall kein geeignetes Mittel der Nachfolgeregelung3. Eine sog. qualifizierte Nachfolgeklausel des Statuts kann deshalb im Allgemeinen auch nicht in diesem Sinne ausgelegt werden4. Eine Potestativbedingung dahingehend, dass der Zedent sich eine anderweitige Verfügung zu Lebzeiten vorbehält5, wäre dagegen mangels Bindungswillens unzulässig6. Soll eine am Gesellschaftsvertrag nicht beteiligte Person Nachfolger werden, scheitert die bedingte Übertragung zudem an § 15 Abs. 3 und der unzulässigen Belastung des Dritten mit den Pflichten (Satzung als unzulässiger Verfügungsvertrag zugunsten Dritter)7; die statutarische Regelung kann in Einzelfällen als schuldrechtlicher Vertrag zugunsten Dritter auf den Todesfall (§§ 328, 331 BGB) auszulegen sein8. bb) Zulässige Nachfolgeregelungen Die Uneinschränkbarkeit des Anteilsübergangs auf die Erben schließt es aber 29 nicht aus, eine dem Gesellschaftsverhältnis angepasste Regelung der Gesellschafternachfolge im Gesellschaftsvertrag zu treffen9. Es kommen als Mittel dafür vor allem die Abtretungspflicht der Erben (Rdnr. 32), das Einziehungsrecht der Gesellschaft (Rdnr. 30) und die Ermächtigung zur Kaduzierung entsprechend § 21 (s. § 21 Rdnr. 6)10 in Betracht. In der Gestaltungspraxis werden häufig – zulässigerweise – Abtretungspflicht und – ggf. nachgelagert – Einziehungsmöglichkeit kombiniert (Rdnr. 30)11. Zulässig ist daneben auch, die Rechtsstellung des 1 Eb. Feine, S. 378; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 12; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/ Hueck, Rdnr. 9; Wiedemann, S. 94; Däubler, S. 101 f.; Käppler, S. 575; a.M. noch RGZ 80, 177 f.; aufgegeben in RG, DR 1943, 812. 2 Priester, GmbHR 1981, 206, 209; Langner/Heydel, GmbHR 2005, 377, 378. 3 Eb. Langner/Heydel, GmbHR 2005, 377, 378 und Fn. 9; Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 24. 4 Vgl. Wiedemann, S. 94; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 12 a.E.; Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 24; Priester, S. 209; abw. Däubler, S. 107. 5 Priester, GmbHR 1981, 206, 209 f. 6 Vgl. dazu auch Nagler, S. 171 f. 7 Eb. Langner/Heydel, GmbHR 2005, 377, 378; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 12. 8 Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 28; Langner/Heydel, GmbHR 2005, 377, 378 Fn. 8. 9 Für statutarische Musterklauseln Seibt, in: MünchAnwHdb. GmbH-Recht, 2. Aufl. 2009, § 2 Rdnr. 237 ff. 10 BGH, GmbHR 1984, 74 f.; OLG München, ZIP 1984, 1349, 1350; Kesselmeier, S. 53 ff.; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 15; Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 31; Rowedder/Bergmann, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 119; Jasper/Wollbrink, in: MünchHdb. III, § 25 Rdnr. 12 ff. 11 Vgl. Langner/Heydel, GmbHR 2005, 377, 379 („Königsweg“); zu Einziehungsklauseln mit alternativer Zwangsabtretung vgl. Seibt, in: MünchAnwHdb. GmbH-Recht, 2. Aufl. 2009, § 2 Rdnr. 253.

Seibt

971

§ 15

Übertragung von Geschäftsanteilen

Gesellschafternachfolgers statutarisch einzuschränken (s. Rdnr. 34). Soweit im Gesellschaftsvertrag vom Ausschluss oder von der Beschränkung der Vererbung von Geschäftsanteilen gesprochen wird, muss nach seinem Gesamtinhalt ermittelt werden, ob damit eine der vorstehend genannten Lösungsmöglichkeiten gewollt war; mangels entsprechender Anhaltspunkte ist die Klausel nichtig (Rdnr. 26 f.). Die statutarische Bestimmung, wonach die Geschäftsanteile nur an einen darin näher umschriebenen Personenkreis vererbt werden können, ist im Allgemeinen dahingehend auszulegen, dass ein nicht qualifizierter Gesellschaftererbe zur Abtretung an die jenem Personenkreis zuzurechnenden Personen verpflichtet und die Gesellschaft hilfsweise zur Einziehung befugt ist1. aaa) Einziehung 30

Der Gesellschaftsvertrag kann vorsehen, dass beim Tode eines Gesellschafters die Einziehung des Geschäftsanteils (§ 34) erfolgen darf oder muss2. Geschieht das ohne Einschränkung, so hat die Klausel den Sinn, dass die Gesellschaft nur durch die überlebenden Gesellschafter fortgesetzt werden oder die Entscheidung über eine Fortsetzung mit den Erben den übrigen Gesellschaftern überlassen sein soll. Die Voraussetzungen der Einziehungsbefugnis können aber auch dahingehend eingeengt werden, dass sie nur beim Tode des Inhabers bestimmter Geschäftsanteile oder nur dann gegeben sein soll, wenn der Geschäftsanteil im Wege der Erbfolge auf andere als die im Gesellschaftsvertrag genannten Personen oder Personengruppen, z.B. Familienangehörige3 oder Abkömmlinge, übergeht. Desgleichen ist es zulässig, das Einziehungsrecht der Gesellschaft mit einer Abtretungspflicht (s. Rdnr. 32) alternativ oder derart zu verbinden, dass es entstehen soll, wenn die Abtretung nicht oder nicht rechtzeitig vorgenommen wird4. Die Einziehungsbefugnis darf die Gesellschaft aber nicht rechtsmissbräuchlich ausüben5. Die Vornahme der Einziehung kann im Gesellschaftsvertrag an eine Frist gebunden werden. Steht sie im Ermessen des zuständigen Organes, so ist auch ohne ausdrückliche Bestimmung dem Sinn der Nachfolgeklausel zu entnehmen, dass die Einziehung, sofern ihr nicht Hindernisse entgegenstehen (z.B. unzureichende freie Mittel für das Einziehungsentgelt; s. dazu 1 Vgl. OLG Koblenz, GmbHR 1995, 586, 587; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 13; Hueck/ Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 13; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 11; Rowedder/Bergmann, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 116; Jasper/Wollbrink, in: MünchHdb. III, § 25 Rdnr. 10, Rodewald, in: GmbH-Hdb., Rdnr. I 1094; a.M. Wiedemann, S. 96, der der Gesellschaft ein Wahlrecht gibt; s. auch BGH, WM 1962, 1083. 2 Eb. BGH, BB 1977, 563; OLG München, ZIP 1984, 1349; Feine, S. 377; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 15; Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 31; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/ Hueck, Rdnr. 13; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 11, 19; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 29; Reichert/Weller, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 457; Rowedder/ Bergmann, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 116; Nagler, S. 52 ff. m.w.N.; Lenz, GmbHR 2000, 928; Langner/Heydel, GmbHR 2005, 377, 379; Langner/Heydel, GmbHR 2006, 291, 292. 3 BGH, BB 1977, 563. 4 Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 15; Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 31; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 13; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 19; Rowedder/ Bergmann, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 116; Jasper/Wollbrink, in: MünchHdb. III, § 25 Rdnr. 19. 5 OLG München, ZIP 1984, 1349, 1350; Niemeier, S. 266 ff.

972

Seibt

§ 15

Übertragung von Geschäftsanteilen

§ 34 Rdnr. 25), nur innerhalb einer angemessenen Zeit nach dem Tode des Anteilsinhabers vorgenommen werden kann1. Denn ansonsten würde ein unzulässiger Druck auf den neuen Gesellschafter entstehen, der diesem eine freie Ausübung seiner Gesellschafterrechte und -pflichten erschwert („DamoklesSchwert“)2. Die statutarische Festlegung einer Frist von einem Jahr dürfte indes noch zulässig sein3. Die Nichtausübung des Einziehungsrechts kann u.U. auch als Verzicht zu deuten sein4 oder zur Verwirkung des Rechts führen5, nicht aber ohne weiteres einen unabhängigen Zahlungsanspruch begründen6. Die vorstehenden Satzungsbestimmungen regeln die gesellschaftsrechtlichen 31 Folgen des Ausscheidens eines Gesellschafters aus der GmbH durch Tod und haben grundsätzlich keine erbrechtliche Relevanz7. Die statutarische Bestimmung einer den Anteilswert unterschreitenden Abfindung ausscheidender Erben, die gesellschaftsrechtlich unbedenklich ist8, ändert daran im Allgemeinen nichts. Sie ist rechtlich nicht, wie eine Schrifttumsmeinung annimmt9, als ein Schenkungsversprechen von Todes wegen (§ 2301 BGB) an die Gesellschaft oder die überlebenden Mitgesellschafter zu qualifizieren, denen durch eine Einziehung ohne vollwertige (dem Verkehrswert entsprechende) Abfindung mittelbar ein Vermögensvorteil zuwachsen kann. Der Sinn satzungsmäßiger Abfindungsbeschränkungen (auf den Buchwert, den Substanzwert ohne Berücksichtigung des Good Will, den nach steuerlichen Verwaltungsvorschriften ermittelten gemeinen Wert u.Ä.), die für alle Geschäftsanteile gleichmäßig gelten sollen, ist es, im gemeinsamen Interesse das Abfindungsverfahren zu vereinfachen und den Gesellschaftsbestand gegen existenzbedrohende Kapitalabflüsse zu sichern10. Regelungstypisch ist daher von den Beteiligten keine gegenseitige schenkweise Zuwendung eines Vermögensvorteils, sondern ausschließlich eine gesellschaftsspezifische inhaltliche Ausgestaltung ihrer Beteiligungsrechte und -pflichten gewollt11. Auch 1 BGH, BB 1977, 563; OLG München, ZIP 1984, 1349, 1350; Niemeier, S. 268; Priester, S. 209; Däubler, S. 92 f.; Haegele, S. 221; Nagler, S. 235 ff.; s. auch BGHZ 105, 213, 220 ff. (GmbH & Co. KG). 2 BGHZ 105, 213, 218 ff. (GmbH & Co. KG). 3 So auch Langner/Heydel, GmbHR 2005, 377, 382; Grunewald, Ausschluss aus Gesellschaft und Verein, 1987, S. 212; vgl. auch OLG München, ZIP 1984, 1349, 1350 (2 Gesellschafterversammlungen). 4 Priester, GmbHR 1981, 206, 209; Niemeier, S. 269; Jasper/Wollbrink, in: MünchHdb. III, § 25 Rdnr. 21. 5 BGH, BB 1977, 563; Niemeier, S. 269 m.w.N. 6 Bedenklich OLG Brandenburg, GmbHR 1999, 540; eb. krit. Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 15 Fn. 36. 7 Sog. „Vorrang des Erbrechts“, vgl. Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 6; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 9; Rowedder/Bergmann, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 114; Hueck/ Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 9; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 28; Reichert/Weller, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 438; a.A. Däubler, S. 89 ff.; Käppler, ZGR 1978, 542, 547 ff.; vgl. auch Reuter, S. 412 ff. 8 BGH, BB 1977, 563. 9 So insbesondere Finger, GmbHR 1975, 97, 99 f.; Käppler, ZGR 1978, 542, 551 ff.; Wank, ZGR 1979, 222, 248 f., jeweils m.w.N.; Jasper/Wollbrink, in: MünchHdb. III, § 25 Rdnr. 25 f.; einschr. Nagler, S. 256 ff. 10 Vgl. auch BGH, BB 1977, 563, 564. 11 Eb. Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 17; Flume, in: FS Ballerstedt, 1975, S. 207, 215; Priester, GmbHR 1981, 206, 211 ff.; Niemeier, S. 114 ff.; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff,

Seibt

973

§ 15

Übertragung von Geschäftsanteilen

der völlige Ausschluss einer Abfindung für die Einziehung im Todesfall durch die Satzung ist gesellschaftsrechtlich zulässig1. Die Einziehungsregelung hat aber dann im Unterschied zu den obigen Fällen der Abfindungsbeschränkung im Allgemeinen den Charakter einer unentgeltlichen Zuwendung an die begünstigten Mitgesellschafter2. Das gilt unabhängig davon, ob der Abfindungsausschluss bei der Einziehung der Geschäftsanteile Einzelner oder aller Gesellschafter eingreifen soll3. Anders kann es aber auf Grund einer besonderen Gestaltung des Gesellschaftsverhältnisses im Einzelfall liegen, wenn z.B. der Ausschluss einen dem betreffenden Gesellschafter eingeräumten Sondervorteil ausgleichen4 oder die Verletzung einer entgeltlichen Abtretungspflicht durch die Gesellschaftererben sanktionieren soll5. Auch soweit danach eine unentgeltliche Zuwendung an die Mitgesellschafter vorliegt, stehen der Rechtswirksamkeit der Satzungsbestimmung zwingende erbrechtliche Vorschriften schon deswegen nicht entgegen, weil die Schenkung mit dem Abschluss des Gesellschaftsvertrages regelmäßig bereits aufschiebend bedingt vollzogen ist (§ 2301 Abs. 2 BGB)6. Abkömmlinge als gesetzliche Erben sind mit dem unentgeltlich zugewendeten Anteilswert analog § 2050 Abs. 1 BGB untereinander ausgleichspflichtig, wenn der verstorbene Anteilsinhaber dies nicht ausgeschlossen hat, was formfrei möglich ist; eine Pflicht zur Auszahlung des eventuellen Mehrbetrages besteht mangels einer gegenteiligen testamentarischen Auflage nicht (§ 2056 BGB)7. Die Pflichtteilsberechtigten sind wie bei sonstigen schenkweisen Zuwendungen des Erblassers durch § 2316, §§ 2325 ff. BGB geschützt8, wobei entgegen der früheren Rspr.

1 2

3

4 5 6

7

8

Rdnr. 19, 17 und § 34 Rdnr. 26. Teilweise wird im Schrifttum auch eine vollzogene (Teil-)Schenkung i.S. des § 2301 Abs. 2 BGB angenommen; vgl. Heckelmann, S. 87 ff. sowie für die GmbH Däubler, S. 94 f.; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 14; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 117; Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 34. BGH, BB 1977, 563. Zutr. Ulmer, in: Ulmer, § 34 Rdnr. 101; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 18; Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 34; Däubler, S. 94 f.; Finger, GmbHR 1975, 97, 99 f.; Käppler, ZGR 1978, 542, 547 ff.; Habersack, S. 626 f.; Rodewald, in: GmbH-Hdb., Rdnr. I 1097; Niemeier, S. 105 ff., 112 ff. m.w.N. Eingehend dazu vor allem Heckelmann, S. 45 ff., 77 ff. und Niemeier, S. 112 ff. gegen die früher auch für die GmbH überwiegend vertretene Meinung, die bei allseitigen Abfindungsausschlüssen ein entgeltliches, aleatorisches Geschäft annahm (vgl. Knur, Familiengesellschaft, 1941, S. 111 ff., 114 Fn. 33; Schilling, GmbHR 1962, 205, 206; Sudhoff, DB 1963, 1109, 1110; Wiedemann, S. 96, 188 ff. u.a.). Heckelmann, S. 80, 98; Reinhardt, ZGR 1975, 367, 382; Niemeier, S. 114. Wiedemann, S. 97; Niemeier, S. 112 Fn. 221. Die §§ 339 ff. BGB sind dann zumindest analog anwendbar; vgl. Ulmer, in: Ulmer, § 34 Rdnr. 104 m.w.N. Eb. Däubler, S. 94 f.; Heckelmann, S. 87 ff.; Ulmer, in: Ulmer, § 34 Rdnr. 103; Niemeier, S. 119 ff.; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 117; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/ Hueck, Rdnr. 14; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 17; Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 34; Jasper/Wollbrink, in: MünchHdb. III, § 25 Rdnr. 26; Habersack, S. 629 f. und unten bei § 34 Rdnr. 28; a.M. Wiedemann, S. 186 f.; Finger, GmbHR 1975, 97, 100; Käppler, ZGR 1978, 542, 555 ff.; Wank, ZGR 1979, 222, 248. Zutr. Flume, in: FS Schilling, 1973, S. 42 ff.; abw. die überwiegende Mehrheit für die Personenhandelsgesellschaften, vgl. Schäfer, in: Großkomm. HGB, 5. Aufl. 2009, § 139 HGB Rdnr. 155 ff. Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 17; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 18; Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 34; Nagler, S. 270 f.; Jasper/Wollbrink, in: MünchHdb. III, § 25 Rdnr. 26; weitergehend Däubler, S. 95 f., der die überlebenden Gesellschafter wie Vermächtnisnehmer behandeln will.

974

Seibt

§ 15

Übertragung von Geschäftsanteilen

des BGH1 für den Beginn der Zehnjahresfrist (§ 2325 Abs. 3 BGB) nicht auf den Zeitpunkt des Abschlusses des Gesellschaftsvertrages, sondern auf den des Todes des Anteilsinhabers abzustellen ist2. Die Nachlassgläubiger können im Falle des Abfindungsausschlusses von den begünstigten Gesellschaftern analog §§ 4, 11 AnfG, §§ 134, 143, 11 Abs. 2 Nr. 2 InsO Wertersatz in Geld für die infolge der Einziehung erlangte vorteilhafte Rechtsstellung verlangen3. Die Rückgewähr in Natur ist dagegen wegen des Untergangs des Geschäftsanteils ausgeschlossen4. Ansprüche gegen die Gesellschaft bestehen nicht, da sie durch die Einziehung nichts erwirbt. bbb) Abtretungspflicht Eine statutarisch begründete Abtretungspflicht des Gesellschaftererben soll 32 i.d.R. die gesellschaftlichen Beziehungen regeln, d.h. beim Ausscheiden des Anteilsinhabers durch Tod die Zusammensetzung der die Gesellschaft fortzusetzenden Gesellschafter bestimmen. Sie ist demzufolge entweder sog. Nebenleistungspflicht i.S. des § 3 Abs. 25 und/oder gesellschaftliche Pflicht gegenüber einem oder allen Mitgesellschaftern (s. § 2 Rdnr. 11), also kein erbrechtlicher, sondern ein gesellschaftsrechtlicher Tatbestand. Der Gesellschaftsvertrag kann danach z.B. vorsehen, dass der im Wege der Erbfolge übergegangene Geschäftsanteil durch einen statutarisch nicht nachfolgeberechtigten Erben einem der Miterben, einem anderen Gesellschafter6 oder einem Dritten7, einer von der Gesellschaft8 zu bestimmenden oder ihr genehmen Person oder der Gesellschaft selbst abzutreten ist9. Beim Übergang des Geschäftsanteils auf eine Mehrheit von Erben, die nach dem Gesellschaftsvertrag teils nachfolgeberechtigt und teils nicht nachfolgeberechtigt sind, ist mangels abweichender statutarischer Bestimmung anzunehmen, dass die Abtretungspflicht gegenüber anderen Personen nicht eingreifen soll, wenn er im Wege der Erbauseinandersetzung auf die nachfolgeberechtigten Miterben übertragen wird10. Etwas anderes gilt, wenn dies nicht innerhalb einer angemessenen Zeit geschieht. Die Abtretung muss, auch wenn der Abtretungsempfänger Miterbe ist (Rdnr. 93), in notarieller Form erfolgen (§ 15 Abs. 3); dagegen bedarf es beim Vollzug einer solchen Nachfolgeklausel nicht noch zusätzlich einer für Abtretungen statutarisch vorgeschriebenen Ge1 BGH, NJW 1970, 1638; BGH, WM 1971, 1338. Der BGH ist für eine andere Fallgestaltung von diesen Entscheidungen ausdrücklich abgewichen (BGHZ 98, 226). 2 Überzeugend Reuter, JuS 1971, 289 ff.; Flume, in: FS Schilling, 1973, S. 59 ff.; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 17; Ulmer, ZGR 1972, 324, 334 f. 3 Zust. Jasper/Wollbrink, in: MünchHdb. III, § 25 Rdnr. 26. 4 Unzutr. Däubler, S. 97. 5 RGZ 113, 149; RGZ 121, 299; BGH, ZIP 1985, 548; vgl. ferner RG, JW 1913, 743; KGJ 38 A 171; Immenga, Die personalistische Kapitalgesellschaft, 1970, S. 102; G. Hueck, in: FS Larenz, 1973, S. 749, 756 f.; Nagler, S. 111; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 13; Reichert/Weller, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 452; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 13. 6 BGHZ 92, 386, 390. 7 OLG Celle, GmbHR 1959, 113; OLG Koblenz, GmbHR 1995, 586. 8 Bestimmungsberechtigt ist dann im Zweifel die Gesellschafterversammlung; s. Nagler, S. 113 f. 9 RG, DR 1943, 812. 10 BGHZ 92, 386, 392 f.

Seibt

975

§ 15

Übertragung von Geschäftsanteilen

nehmigung i.S. des § 15 Abs. 51. Anspruchsberechtigt aus der gesellschaftlichen Nachfolgeklausel ist, wenn sich aus dem Gesellschaftsvertrag nichts anderes ergibt, die Gesellschaft2. Der Gesellschaftsvertrag kann jedoch auch dem Begünstigten3, Mitgesellschaftern oder den zur Bestimmung des Begünstigten zuständigen Personen (z.B. der Erbengemeinschaft) das Recht einräumen, die Abtretung zu verlangen. Steht es einem Mitgesellschafter zu, so ist das Recht ebenfalls regelmäßig gesellschaftlicher Art. Anderenfalls handelt es sich um einen Anspruch aus einem gesonderten schuldrechtlichen Vertrag zu Gunsten Dritter auf den Todesfall (§§ 328, 331 BGB), der nur tatsächlich, nicht aber rechtliche Bestandteil des Gesellschaftsvertrages ist4. Die in diesem Zusammenhang vielfach angeführte Entscheidung des Reichsgerichts5, wonach die durch den Gesellschaftsvertrag begründeten Rechte nicht mit unmittelbarer und bindender Wirkung einem Nichtgesellschafter zugute kommen können, steht deshalb nicht entgegen. Das Forderungsrecht des Begünstigten richtet sich, wenn nicht ein abweichender Wille erkennbar ist, gegen den Gesellschaftererben und nicht gegen die Gesellschaft6. Seinem Zweck entsprechend ist es ohne Zustimmung der Gesellschaft nur abtretbar, wenn der Erwerber nach dem Gesellschaftsvertrag ebenfalls als Nachfolger des Ausgeschiedenen geeignet ist, §§ 399, 413 BGB7. Die Satzung kann die Gesellschaft auch gemäß § 185 BGB ermächtigen, den Geschäftsanteil des verstorbenen Gesellschafters an einem bestimmten oder zu bestimmenden Erwerber zu übertragen; beim Fehlen einer abweichenden Regelung bedarf die Ausübung der Ermächtigung eines Gesellschafterbeschlusses analog § 46 Nr. 48. 33

Die Satzung kann auch die weiteren Bedingungen der gesellschaftsrechtlichen Abtretungspflicht (Rdnr. 32) festlegen, insbesondere Bestimmungen über die Höhe des Entgelts, seine Fälligkeit und die sonstigen Zahlungsbedingungen treffen9. Schweigt sie darüber, so ist im Zweifel als gewollt anzunehmen, dass die Abtretung gegen Zahlung eines nach dem vollen Wert (Verkehrswert) des Geschäftsanteils (s. § 14 Rdnr. 10 ff.) sich bemessenden und sofort fälligen Entgelts 1 OLG Koblenz, GmbHR 1995, 586, 587; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 16; Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 29; Wicke, Rdnr. 8. 2 Eb. Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 14; Priester, GmbHR 1981, 206, 209; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 13; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 15; Nagler, S. 112; Jasper/Wollbrink, in: MünchHdb. III, § 25 Rdnr. 13; Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 27. 3 RGZ 80, 179; BGHZ 92, 386, 391; Saenger, S. 35; Däubler, S. 75; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 13, 14; Priester, GmbHR 1981, 206, 209; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 13; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 15; Jasper/Wollbrink, in: MünchHdb. III, § 25 Rdnr. 12; Rodewald, in: GmbH-Hdb., Rdnr. I 1094. 4 A.M. Däubler, S. 75; s. auch Nagler, S. 126 ff. 5 RGZ 169, 65, 83. 6 Eb. BGH, ZIP 1985, 348, 349; Saenger, S. 35; Däubler, S. 76; a.M. Neukirchen, S. 30 ff. 7 Enger Däubler, S. 79. 8 BGH, NJW 1983, 2880 f.; BGH, BB 1977, 563; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 14 a.E.; Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 30; Ulmer, ZHR 149 (1985), 28, 34 f.; Jasper/Wollbrink, in: MünchHdb. III, § 25 Rdnr. 14; vgl. auch Kesselmeier, S. 45 ff., der § 34 Abs. 2 analog anwenden will. 9 H.M., vgl. Priester, GmbHR 1981, 206, 210; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 17 f.; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 17; Reichert/Weller, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 460 f.; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 13; Rodewald, in: GmbH-Hdb., Rdnr. I 1095; abw. Rowedder/Bergmann, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 120.

976

Seibt

§ 15

Übertragung von Geschäftsanteilen

erfolgen soll1. Sie kann andererseits die Methode zur Ermittlung des Anteilswerts näher regeln, seine verbindliche Festsetzung durch einen Schiedsgutachter vorgeben2 und auch das Abtretungsentgelt anderweitig festlegen oder seine Bestimmung nach abweichenden Bemessungskriterien (z.B. dem Buchwert gemäß der Handels- oder Steuerbilanz, dem Substanzwert unter Außerachtlassung eines etwaigen Firmenwertes, dem (Erbschaft-)Steuerwert nach dem von der Finanzverwaltung nur bis zum 12.12.2006 (SEStEG) angewandten3 sog. Stuttgarter Verfahren [s. § 14 Rdnr. 13]) vorschreiben4. Zur Frage einer statistischen oder dynamischen Verweisung auf in der Satzung in Bezug genommene Bilanz- oder Steuernormen bzw. Bewertungsverfahren der Steuerverwaltung s. § 14 Rdnr. 13. Das statutarische Abtretungsentgelt braucht beim späteren Ausscheiden nicht den vollen Wert des Geschäftsanteils zu erreichen5. Die Abtretungsbestimmung kann auch bei einer derartigen Beschränkung oder, was ebenfalls zulässig6, in der Praxis allerdings selten ist, bei einem vollständigen Ausschluss des Abtretungsentgelts nicht als ein den erbrechtlichen Vorschriften unterliegendes Schenkungsversprechen von Todes wegen (§ 2301 Abs. 1 BGB) oder als eine letztwillige Verfügung qualifiziert oder behandelt werden. Die Gegenmeinung7 wertet die Abfindungsklauseln unzutreffend und kommt deshalb unter Betonung eines vermeintlichen Vorrangs erbrechtlicher Wertungsprinzipien8 zu Ergebnissen9, die der gesellschaftsrechtlichen Interessenlage, in die der vererbte Geschäftsanteil eingebunden ist, widersprechen. Die angeführten Abfindungsklauseln regeln Modalitäten einer gesellschaftsrechtlichen Nebenleistungspflicht, die den Vollzug der gesellschaftlichen Zwecken dienenden Abtretung (Rdnr. 32) erleichtern und sichern oder überhaupt erst ermöglichen sollen. Mit der Vereinbarung von vertretbaren Abfindungsbeschränkungen, die für alle gleichmäßig gelten oder einzelne nur wegen sachlicher Besonderheiten ihrer Betätigung ausnehmen, wollen die Gesellschafter demzufolge nicht einen bei der späteren Abtretung möglicherweise sich ergebenden Anteilsmehrwert den vorgesehenen Erwerbern unentgeltlich zuwenden, sondern generalisierend ein der 1 Eb. BGHZ 116, 359, 370; Lenz, GmbHR 2000, 927, 929; Langner/Heydel, GmbHR 2005, 377, 384; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 16. 2 Vgl. dazu Soufleros, S. 227 f. m.w.N. 3 Vgl. Rössler/Troll, 15. Aufl. 2011, § 18 BewG Rdnr. 73. 4 Einen Überblick über die gebräuchlichen Abfindungsklauseln geben Seibt, in: MünchAnwHdb. GmbH-Recht, 2. Aufl. 2009, § 2 Rdnr. 254 ff. (Formulierungsvorschläge zur Einziehung); Soufleros, S. 222 ff.; Ulmer, in: FS Quack, 1991, S. 477 ff.; Ulmer, in: Ulmer, § 34 Rdnr. 81 ff. 5 RG, DR 1943, 812: Nennwert zuzüglich anteiliger offener Reserven. 6 OLG Kiel, SchlHA 1910, 20; BGH, GmbHR 1977, 81, 82 (Wahrung des Charakters einer Familiengesellschaft für alle Zukunft); Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 17 f.; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 14; Reichert/Weller, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 461; Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 34; Sudhoff, DB 1963, 1109, 1110; Haegele, Rpfleger 1969, 186, 190 ff.; Haegele, GmbHR 1972, 219, 220 Fn. 12; Vogel, GmbHR 1971, 132, 133; Rodewald, in: GmbH-Hdb., Rdnr. I 1095; Langner/Heydel, GmbHR 2005, 377, 384 f. 7 Vgl. Däubler, S. 81 ff.; Käppler, ZGR 1978, 542, 573 ff.:, Reuter, S. 411 ff. und mit Einschränkungen Schilling, GmbHR 1962, 205, 206 f.; Wiedemann, S. 97. 8 Dagegen mit Recht Priester, GmbHR 1981, 206, 212 f. 9 Keine Bindung eines Gesellschafternachfolgers, begrenzte Geltungsdauer durch die Dreißigjahresfrist (§§ 2109, 2162 f., 2210 BGB), Anfechtung nach §§ 2078 ff., 2345 Abs. 1 BGB sowie Widerruf analog § 2294 BGB, Behandlung als bloßes Vermächtnis; vgl. dazu Däubler, S. 81 f.; 84 f.; Käppler, ZGR 1978, 542, 574; Wiedemann, S. 97.

Seibt

977

§ 15

Übertragung von Geschäftsanteilen

speziellen gesellschaftlichen Interessenlage in diesen Ausscheidensfällen gerecht werdendes und deshalb von ihnen als angemessen erachtetes Abtretungsentgelt festsetzen1. Das gilt nicht nur, wenn der Geschäftsanteil des Verstorbenen an die Gesellschaft oder anteilsmäßig an sämtliche Mitgesellschafter abzutreten ist, sondern trifft auch für statutarische Abtretungspflichten an einzelne Mitgesellschafter und an Dritte (Rdnr. 32) zu2, sofern nach dem Sinn der Nachfolgeregelung die Fortsetzung des Gesellschaftsverhältnisses mit den vorgesehenen Erwerbern durch ein gesellschaftliches Interesse oder durch besondere Umstände ihrer bisherigen Gesellschafterstellung sachlich begründet ist3. In anderen Fällen nicht unerheblicher Abfindungsbeschränkungen und allgemein bei einem Abfindungsausschluss wird dagegen, wenn nicht ausnahmsweise andere Vorteile des verstorbenen Anteilsinhabers oder seiner Rechtsvorgänger kompensiert werden sollen (Rdnr. 31), eine unentgeltliche Zuwendung des Anteils(mehr)werts an die Begünstigten anzunehmen sein, die aber durch die satzungsmäßige Nachfolgeregelung als unter Lebenden erfolgt (§ 2301 Abs. 2 BGB) zu werten ist4. Für die Rechtsstellung der Nachlassbeteiligten (Nachlassgläubiger, Pflichtteilsberechtigte und Miterben) ist daher auf die Ausführungen oben Rdnr. 31 zu verweisen. ccc) Rechtsbeschränkungen 34

Der Gesellschaftsvertrag kann auch anordnen, dass beim Ausscheiden eines Gesellschafters durch Tod der Inhalt seines Geschäftsanteils sich ändert5. Er kann beispielsweise bestimmen, dass Sonderrechte oder -pflichten nicht auf den Nachfolger übergehen (s. dazu § 3 Rdnr. 80 u. § 14 Rdnr. 24) oder dass einzelne allgemeine Mitgliedschaftsrechte (z.B. das Stimmrecht oder das Gewinnbezugsrecht), soweit sie als solche und gegebenenfalls in der vorgesehenen Kombination abdingbar sind (s. dazu § 14 Rdnr. 31 ff.), mit dem Tode des Anteilsinhabers ganz oder teilweise entfallen sollen. Die erbrechtliche Form ist zur Wirksamkeit derartiger Bestimmungen selbst dann nicht erforderlich, wenn die Rechtsänderung nach den Umständen des Einzelfalls eine mittelbare unentgeltliche Zuwendung des verstorbenen Anteilsinhabers an die übrigen Gesellschafter bewirkt6, aber es gelten dann zu Gunsten der Nachlassgläubiger und der Pflichtteilsberechtigten die Ausführungen in Rdnr. 31 sinngemäß. Ebenfalls kann der Gesellschaftsvertrag vorschreiben, dass mehrere Erben eines Gesellschafters 1 Zutr. Priester, GmbHR 1981, 206, 211 f.; Niemeier, S. 116 ff.; Soufleros, S. 263; a.M. Käppler, S. 567. 2 A.M. Wiedemann, S. 97; Soufleros, S. 265. 3 Weitergehend Priester, GmbHR 1981, 206, 208 f., 212. 4 Däubler, S. 83, 111; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 18; Ulmer, in: Ulmer, § 34 Rdnr. 103; Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 34; Habersack, ZIP 1990, 625, 629; Jasper/Wollbrink, in: MünchHdb. III, § 25 Rdnr. 18, 26; a.M. Käppler, ZGR 1978, 542, 573 ff. m.w.N. 5 Däubler, S. 112 ff.; Sudhoff, DB 1963, 1109, 1110; Haegele, GmbHR 1972, 217, 221 f.; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 13; Rowedder/Bergmann, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 121; Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 32; Reichert/Weller, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 459; Jasper/Wollbrink, in: MünchHdb. III, § 25 Rdnr. 29; Langner/Heydel, GmbHR 2005, 377, 379. 6 Eb. Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 32; Rowedder/Bergmann, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 65 a.E.; Däubler, S. 114.

978

Seibt

§ 15

Übertragung von Geschäftsanteilen

auch nach der Teilung des Geschäftsanteils (vorher gilt § 18) die abdingbaren Gesellschafterrechte, insbesondere die Stimmrechte, nur gemeinschaftlich durch einen Vertreter ausüben können1; eine unzulässige Rechtsabspaltung liegt darin nicht2. Über die Grenzen einer solchen Gruppenvertretung s. 10. Aufl., bei § 47 Rdnr. 80. c) Letztwillige Verfügungen Die letztwillige Verfügung eines Gesellschafters über seinen Geschäftsanteil ist 35 zulässig und kann durch den Gesellschaftsvertrag nicht ausgeschlossen werden (§ 2302 BGB). Er kann ihn zum Gegenstand eines Vermächtnisses (§§ 1939, 2147 ff. BGB) oder einer Teilungsanordnung (§ 2048 BGB) machen oder die Erben oder Vermächtnisnehmer in Bezug auf ihn mit einer Auflage belasten (§§ 1940, 2192 ff. BGB), z.B. sie zur Abtretung verpflichten oder umgekehrt die Veräußerung zeitweilig verbieten3. Möglich ist auch die Anordnung der Nacherbschaft (Rdnr. 40). Auf eine gesellschaftsrechtlich unmögliche Maßnahme darf die letztwillige Verfügung aber nicht gerichtet sein4, wie auch umgekehrt die Erbfolge in den Geschäftsanteil nicht durch den Gesellschaftsvertrag als solchen bestimmt werden kann. Die Gesellschafter müssen deshalb die gesellschaftsrechtlichen und die testamentarischen Regelungen aufeinander abstimmen5. aa) Vermächtnis- und Teilungsanordnung Die Vermächtnis- und die Teilungsanordnung des Erblassers bezüglich des Ge- 36 schäftsanteils unterliegt nicht der Form des § 15 Abs. 4 (Rdnr. 66), während für die Abtretung § 15 Abs. 3 einzuhalten ist6. Die Teilung von Geschäftsanteilen ist nach neuer Gesetzeslage durch Gesellschafterbeschluss gemäß § 46 Nr. 4 möglich, kann aber durch die Satzung ausgeschlossen werden7, so dass die dahingehende testamentarische Teilungsanordnung oder das Vermächtnis eines (Teil-)Geschäftsanteils unwirksam, weil unmöglich ist (§ 2171 BGB). Dasselbe trifft für das Vermächtnis eines (Teil-) Geschäftsanteils zu, wenn dessen Veräußerlichkeit statutarisch ausgeschlossen worden ist (Rdnr. 135). Ob eine statutarische Abtretungsbeschränkung (Rdnr. 107 ff.) sich auch auf den Vollzug der vorgenannten letztwilligen Anordnung beziehen soll, ist durch Auslegung (s. § 2 Rdnr. 33 ff.) zu ermitteln. Der Ausdruck „Veräußerung“ in einer derartigen Satzungsklausel erfasst regelmäßig auch diese Geschäfte8. Schränkt der Gesell1 Schilling, S. 207; Sudhoff, DB 1963, 1109, 1110; Däubler, S. 115; Wiedemann, S. 386; Haegele, GmbHR 1972, 219, 222; Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 32. 2 Zutr. Wiedemann, S. 388 ff. 3 Dazu Däubler, S. 36 ff. 4 BGHZ 32, 34, 38 ff.; BGHZ 92, 386, 390; OLG Düsseldorf, GmbHR 1990, 504, 508. 5 Vgl. dazu Haegele, GmbHR 1972, 219, 222 ff. und die Folgen des MoMiG betreffend Wachter, DB 2009, 159, 163, 165, 167. 6 Eb. Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 21; Rowedder/Bergmann, in: Rowedder/SchmidtLeithoff, Rdnr. 125; Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 37. 7 Die Satzung kann von § 46 Nr. 4 abweichende strengere Anforderungen an eine Teilung stellen, vgl. Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, § 46 Rdnr. 22 m.w.N.; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, § 46 Rdnr. 31a, und diese auch ganz ausschließen, vgl. Rdnr. 135; Wicke, § 46 Rdnr. 13. 8 BGHZ 32, 35, 39; OLG Düsseldorf, ZIP 1987, 227, 230; vgl. auch BGH, WM 1977, 192.

Seibt

979

§ 15

Übertragung von Geschäftsanteilen

schaftsvertrag die Nachfolgeberechtigung der Erben eines Gesellschafters aber nicht ein (Rdnr. 30 ff.), so ist im Zweifel anzunehmen, dass sich eine Vinkulierungsklausel (Rdnr. 107 ff.) trotz ihres uneingeschränkten Wortlauts nicht auf die Abtretung eines Geschäftsanteils im Wege der Erbauseinandersetzung an einen Miterben beziehen soll (teleologische Reduktion)1. Die Ausführung einer dementsprechenden Teilungsanordnung2 und die Erfüllung eines dahingehenden Vermächtnisses zu Gunsten eines Miterben unterliegen dann nicht der Abtretungsbeschränkung. Es kann dagegen ohne zusätzliche Anhaltspunkte nicht davon ausgegangen werden, dass auch Vermächtnisse allgemein ausgenommen sein sollen3. Eine nach § 15 Abs. 5 vorgeschriebene Zustimmung zur Anteilsabtretung gilt normalerweise auch für sie4. 37

Die Rechtswirksamkeit einer solchen Vermächtnisanordnung wird aber nicht davon betroffen, dass die nach dem Gesellschaftsvertrag (§ 15 Abs. 5) erforderliche Genehmigung zur Abtretung verweigert worden oder ein nach § 46 Nr. 4 notwendiger Teilungsbeschluss der Gesellschafterversammlung nicht zustande gekommen ist; eine anfängliche, d.h. zurzeit des Erbfalls bereits eingetretene Unmöglichkeit, wie sie § 2171 BGB erfordert, liegt nicht vor5, es sei denn, die Veräußerung oder Teilung des Geschäftsanteils ist ausnahmsweise vollständig ausgeschlossen (s. Rdnr. 36) und die Gesellschafter sind erkennbar nicht zu einer Satzungsänderung bereit6. Aber auch die Vorschriften des § 275 BGB über die nachträgliche Unmöglichkeit greift in diesem Fall nur unter der Voraussetzung ein, dass die durch die Ablehnung der Genehmigung herbeigeführte Unmöglichkeit7 eine dauernde ist. Das ist zu verneinen, wenn die Vermächtnisforderung abtretbar ist (§ 399 BGB kann entgegenstehen) und den Umständen nach Aussicht besteht, dass der Vermächtnisnehmer sie in angemessener Zeit an einen 1 OLG Düsseldorf (6. Senat), GmbHR 1990, 504, 507 f.; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 16; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 33 (Hinweis auf § 2033 Abs. 1 Satz 1 BGB); Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 18; Langner/Heydel, GmbHR 2005, 377, 383 Fn. 42; a.M. OLG Düsseldorf (7. Senat), ZIP 1987, 227, 231; Wiedemann, S. 94; Däubler, S. 24, 38; Haegele, GmbHR 1972, 219, 222. Vgl. im Übrigen auch Hilger, in: FS Quack, 1991, S. 259 ff. m.w.N. 2 So OLG Düsseldorf (6. Senat), GmbHR 1990, 504, 508; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 16; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 32 ff.; Petzold, GmbHR 1977, 25, 27; H. P. Westermann, ZIP 1985, 1249, 1251 f.; Leßmann, GmbHR 1986, 409, 417; a.M. OLG Düsseldorf (7. Senat), ZIP 1987, 227, 231; Wiedemann, S. 94; Däubler, S. 38; Haegele, S. 222. 3 A.M. Petzold, GmbHR 1977, 25, 27; H. P. Westermann, S. 1251 f.; Leßmann, GmbHR 1986, 409, 417; Hilger, S. 270. 4 Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 21; Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 38; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 15; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 16; Reichert/Weller, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 466; Rowedder/Bergmann, in: Rowedder/ Schmidt-Leithoff, Rdnr. 125; Langner/Heydel, GmbHR 2005, 377, 383 Fn. 45; vgl. auch Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 36 f.; Jasper/Wollbrink, in: MünchHdb. III, § 25 Rdnr. 35, die danach differenzieren, ob der Vermächtnisnehmer Erbe ist. 5 Winter, GmbHR 1960, 89; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 15; Wiedemann, S. 93, 120; Däubler, S. 33; Reichert/Weller, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 469; Jasper/Wollbrink, in: MünchHdb. III, § 25 Rdnr. 36; nicht eindeutig BGHZ 32, 40, wonach „mindestens zunächst“ die Rechtsfolge des § 2171 BGB nicht gilt. 6 Eb. Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 22. 7 Abw. Däubler, S. 31 f.

980

Seibt

§ 15

Übertragung von Geschäftsanteilen

anderen abtreten kann, der zum Erwerb keiner Genehmigung bedarf1 oder dem diese erteilt wird2. Wird die Erfüllung der Vermächtnisschuld durch die Ablehnung der Genehmigung unmöglich, so kann die letztwillige Verfügung u.U. dahingehend umgedeutet werden, dass der Erbe zur Herausgabe des Gewinns und des Liquidationserlöses oder zur Abtretung der entsprechenden Rechte verpflichtet sein soll3. Die Auslegung des Testaments kann auch ergeben, dass der Erbe dann zum Wertersatz verpflichtet sein soll; im Zweifel ist das aber nicht anzunehmen4. Auf Schadensersatz haften die Erben dem Vermächtnisnehmer nur, wenn sie die 38 Unmöglichkeit zu vertreten (§ 280 Abs. 1, 3, § 283 BGB), also pflichtwidrig das zur Herbeiführung der Genehmigung Nötige nicht getan haben5. Schuldhaftes Handeln ist nicht nur ein Stimmen gegen die Erteilung der Genehmigung bzw. Anteilsteilung, sondern auch Stimmenthaltung. Nachträgliche Unmöglichkeit kann auch durch andere Ereignisse eintreten, z.B. Kaduzierung (§ 21), Preisgabe (§ 27) und Einziehung (§ 34). Kollidiert die Vermächtnisschuld mit einer statutarischen Abtretungspflicht des Erben (Rdnr. 32 f.) und tritt dieser den Geschäftsanteil an den statutarisch Begünstigten ab, so ist er für sein Unvermögen (§ 275 BGB) dem Vermächtnisnehmer nicht verantwortlich. Sein Verhalten ist nicht rechtswidrig; es lag für ihn eine unvermeidbare Pflichtenkollision vor, bei der überdies die Erfüllung der gesellschaftlichen Pflicht vorrangig ist, da sie zum Inhalt des den Leistungsgegenstand des Vermächtnisses bildenden Geschäftsanteils gehört und dessen Erwerber ebenfalls binden würde6. Der Erbe wird daher dem Vermächtnisnehmer gegenüber von seiner Leistungspflicht frei (§ 275 BGB), muss ihm aber andererseits ein etwaiges Abtretungsentgelt (s. oben Rdnr. 33) herausgeben, § 285 BGB. Anders als bei einem Verschaffungsvermächtnis (§ 2170 Abs. 2 Satz 1 BGB) schuldet er auch nicht Wertersatz. Ist formgerecht (§ 15 Abs. 3) an den Vermächtnisnehmer abgetreten, so ist der Erbe (oder die Erbengemeinschaft) Rechtsvorgänger i.S. des § 227.

39

bb) Nacherbfolge Der Gesellschaftsvertrag kann für den Fall der Anordnung der Nacherbfolge be- 40 stimmen, dass der Geschäftsanteil beim Tode des Gesellschafters eingezogen werden darf (Rdnr. 30 f.) oder abzutreten ist (Rdnr. 32 f.). Er kann einschränkend auch vorsehen, dass diese Rechte gegeben sein sollen, wenn im Zeitpunkt seines 1 BGHZ 32, 35, 41 ff. 2 Im Erg. eb. Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 15; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 22; Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 41; Wiedemann, S. 93, 120; Jasper/Wollbrink, in: MünchHdb. III, § 25 Rdnr. 36 f. u. z.T. auch Däubler, S. 33 f.; s. auch Rowedder/Bergmann, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 125. 3 Hueck, DB 1956, 735, 736; Wiedemann, S. 93; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 22; Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 40; Rowedder/Bergmann, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 125; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 15. 4 Wiedemann, S. 93. 5 Dazu Däubler, S. 29 ff.; Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 39 f.; Langner/Heydel, GmbHR 2005, 377, 384. 6 Eb. Langner/Heydel, GmbHR 2005, 377, 384. 7 Becker, GmbHR 1937, 250.

Seibt

981

§ 15

Übertragung von Geschäftsanteilen

Ausscheidens der Vor- oder Nacherbe nicht zu den statutarisch nachfolgeberechtigten Personen gehört. Fehlt eine Sonderregelung, sind im Grundsatz auf den Vor- und den Nacherbfall die allgemeinen Satzungsbestimmungen über die Fortsetzung des Gesellschaftsverhältnisses mit Gesellschaftererben anzuwenden, wobei Berücksichtigung finden kann, dass die Stellung des Vorerbens wirtschaftlich derjenigen eines Nießbrauchers ähnelt1. Die Einziehung oder das Abtretungsverlangen kann im Einzelfall beim Vorliegen besonderer Umstände rechtsmissbräuchlich sein, z.B. wenn nur der Nacherbe, nicht jedoch der Vorerbe statutarisch nachfolgeberechtigt ist2. 41

Der Vorerbe wird Inhaber des Geschäftsanteils mit allen sich aus ihm ergebenden Rechten und Pflichten, soweit der Übergang nicht durch die höchstpersönliche Natur ausgeschlossen ist oder die Satzung nicht zulässigerweise Änderungen vorsieht (Rdnr. 34). Das gilt auch für Nebenleistungspflichten gemäß § 3 Abs. 23. Die Vorschriften über die Beschränkbarkeit der Erbenhaftung gelten auch für mitgliedschaftliche Nachlassverbindlichkeiten4. Das Verfügungsrecht über den Geschäftsanteil steht dem Vorerben zu, sofern ihm nicht ausnahmsweise die Verwaltung nach § 2129 BGB entzogen ist5. Eine unentgeltliche Verfügung des Vorerben über den Geschäftsanteil ist aber bei Eintritt der Nacherbenfolge insoweit unwirksam, als sie das Recht des Nacherben vereiteln oder beeinträchtigen würde (§ 2113 Abs. 2 BGB). Darunter fallen die Übertragung6, die Belastung und die Zustimmung zur Einziehung (§ 34 Abs. 2) des Geschäftsanteils ohne ein vollwertiges Entgelt7, der unentgeltliche Verzicht auf Bezugsrechte8, nicht dagegen seine Preisgabe gemäß § 27, die Erfüllung einer vorher rechtswirksam begründeten statutarischen Abtretungspflicht und, da es inso-

1 Eb. Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 23; Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 42; Rowedder/Bergmann, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 124. 2 Enger Fleck, S. 355 (bei Sittenwidrigkeit). Jetzt wie hier auch Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 23; Reichert/Weller, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 474 a.E.; Rowedder/Bergmann, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 124. Weiter Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 42 (ergänzende Satzungsauslegung). 3 Däubler, S. 38 will ihm zu Unrecht analog § 139 HGB ein Wahlrecht geben, die Einräumung der Stellung eines nur kapitalmäßig Beteiligten zu verlangen. Dagegen auch Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 23; Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 43. 4 Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 10; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 19 f., 23 a.E.; Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 43; Däubler, S. 12 f.; Feller, S. 40 ff.; Koch, S. 102 ff.; Rowedder/Bergmann, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 122; a.M. Wiedemann, S. 229 ff., 234 ff.; Töteberg, S. 45 ff.; unklar OLG Hamm, OLGZ 1975, 164, 169; s. dazu auch § 18 Rdnr. 26 f. 5 Eb. Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 24; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 20; Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 46; Reichert/Weller, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 475; Rowedder/Bergmann, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 123. – Abweichend von der Rechtslage bei den Personengesellschaften (s. Rohlff, Nießbrauchsvermächtnis oder Vorund Nacherbschaft im Unternehmertestament, Diss. Göttingen 1968, S. 132 f.; Paschke, ZIP 1985, 129, 137 f. m.w.N.) ist die Zwangsverwaltung des Geschäftsanteils zulässig. 6 Über einen im Zusammenhang mit der Anteilsveräußerung aus Nachlassmitteln gewährten Sanierungszuschuss vgl. BGH, GmbHR 1984, 153. 7 Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 26; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 20; Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 46. 8 Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 26.

982

Seibt

§ 15

Übertragung von Geschäftsanteilen

weit an einer Verfügung des Vorerben überhaupt fehlt, die Kaduzierung sowie bei Stimmrechtsausschluss des Betroffenen die Zwangsamortisation (§ 34 Abs. 2). Die Kündigung wird durch die Verfügungsbeschränkung erfasst, wenn sie ohne ausreichende sachliche Gründe erfolgt und die statutarische oder vereinbarte Abfindung unangemessen niedrig ist1. Dies gilt nicht für den Austritt aus wichtigem Grund (s. Anh. § 34 Rdnr. 6 ff.). Die Ausübung der Verwaltungsrechte durch den Vorerben ist, auch wenn sie 42 sich rechtlich oder wirtschaftlich nachteilig auf die Beteiligung auswirkt, im Allgemeinen keine unentgeltliche Verfügung i.S. des § 2113 Abs. 2 BGB2; u.U. können dann aber Ersatzansprüche gegeben sein (§ 2131 BGB). Die erforderliche zustimmende Mitwirkung insbesondere an satzungsändernden Beschlüssen, die in seine Mitgliedschaftsrechte unmittelbar rechtsmindernd oder pflichtmehrend eingreifen, ist zwar eine Verfügung über den Geschäftsanteil3, aber sie ist deswegen nicht ohne weiteres auch unentgeltlich4. Bei vertragsändernden Eingriffen in die Mitgliedschaftsrechte, die alle Gesellschafter gleichmäßig treffen, ist eine Unentgeltlichkeit vielmehr nur ausnahmsweise anzunehmen, wenn die Rechtsminderung nicht mehr als ein durch das gemeinschaftliche gesellschaftliche Interesse sachlich zu rechtfertigender Beitrag zu werten ist, z.B. ein Abfindungsausschluss oder eine unvertretbare Abfindungsbeschränkung beim Ausscheiden ohne einen wichtigen Grund (Rdnr. 31, 33). Weitergehend ist bei einseitigen Satzungsänderungen zu Lasten des Geschäftsanteils des Vorerben eine Unentgeltlichkeit auch dann gegeben, wenn sie ohne einen anderweitigen zusätzlichen Beitrag der Mitgesellschafter und ohne einen sonstigen Ausgleich erfolgt ist. Der Geltendmachung der Unwirksamkeit solcher unentgeltlichen rechtsmindernden oder pflichtvermehrenden Eingriffe in die Mitgliedschaft nach § 2113 Abs. 2 BGB steht allerdings analog § 242 Abs. 2 AktG der Einwand entgegen, dass die Eintragung der Satzungsänderung in das Handelsregister im Zeitpunkt des Nacherbfalls mehr als drei Jahre zurückliegt5. Die Präklusion (vgl. dazu 10. Aufl., § 54 Rdnr. 57 ff.) wäre für den nach Fristablauf eintretenden, vorher durch den Betroffenen rechtlich undurchsetzbaren Unwirksamkeitsgrund nicht wertungsgerecht und würde den Schutzzweck des § 2113 Abs. 2 BGB vereiteln6.

1 Vgl. Lutter, ZGR 1982, 108, 116; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 26; Reichert/Weller, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 476; Jasper/Wollbrink, in: MünchHdb. III, § 25 Rdnr. 41 (weitgehend). 2 Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 25; Reichert/Weller, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 477; Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 47; Jasper/Wollbrink, in: MünchHdb. III, § 25 Rdnr. 41; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 20; Fleck, S. 358, 368. 3 Vgl. Faller, S. 190 ff.; Lutter, ZGR 1982, 109, 119 f. m.w.N. 4 Zur Unentgeltlichkeit i.S. des § 2113 Abs. 2 BGB bei vertragsändernden Eingriffen in die Mitgliedschaft bei Personengesellschaften vgl. BGHZ 78, 177, 182 ff.; BGH, NJW 1981, 1560; BGH, GmbHR 1985, 18; dazu Lutter, ZGR 1982, 108, 119 f.; Paschke, ZIP 1985, 129; Fleck, S. 370. 5 Lutter, ZGR 1982, 108, 120 ff., der aber eine – für Anteilsnachfolger eingeschränkte – Pflicht der Gesellschafter zur Beseitigung des Eingriffs annimmt; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 26 (§ 242 Abs. 2 AktG analog); a.M. Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 48; H. Winter, 9. Aufl. hier in diesem Kommentar, Rdnr. 35. – Zur Anwendung von § 242 Abs. 2 AktG im GmbH-Recht BGHZ 144, 365, 367 f. 6 Zust. Reichert/Weller, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 479.

Seibt

983

§ 15

Übertragung von Geschäftsanteilen

Die (teilweise) unentgeltliche Abtretung oder Belastung des Geschäftsanteils ist, sofern der Nacherbe sie nicht genehmigt hat (§ 185 BGB), bei Eintritt des Nacherbfalls unwirksam (§ 2113 Abs. 2 BGB). Ein gutgläubiger Erwerb des Geschäftsanteils ohne Belastung durch die Vorerbenstellung des Veräußerers ist nicht möglich1. Dies gilt auch nach Reform des § 16 Abs. 3, denn die Gesellschafterliste ist im Hinblick auf die Vorerbschaftsbelastung – wie auch bei dinglichen Belastungen – nicht tauglicher Rechtsscheinträger (s. § 16 Rdnr. 73 ff.). Für den in die Gesellschafterliste eingetragenen Erwerber gilt im Verhältnis zur GmbH die Vorschrift des § 16 Abs. 1. 43

Die Nutzungen aus dem Geschäftsanteil stehen dem Vorerben im Innenverhältnis zum Nacherben für die Dauer seiner Mitgliedschaft zu (§ 2111 Abs. 1 Satz 1 BGB). Sie bestehen vor allem aus den nach den Ergebnisverwendungsbeschlüssen (s. § 29 Rdnr. 36 ff.) auf den Geschäftsanteil entfallenden anteiligen Gewinnen (§§ 99 Abs. 2, 100 BGB)2. Die Nutzungsberechtigung des Vorerben deckt sich teilweise nicht mit seinem gesellschaftsrechtlichen Gewinnanspruch. Wird nach dem Vorerbfall rechtswirksam über die Ergebnisverwendung für einen vorangehenden Zeitraum beschlossen, erwirbt er zwar einen Gewinnanspruch gegenüber der GmbH, aber der Gewinn gebührt insoweit dem Nachlass. Beim Eintritt des Vorerbfalls während eines Geschäftsjahres ist der Gewinn nach § 101 Nr. 2 BGB zeitanteilig aufzuteilen. Entsprechend hat der Nacherbe umgekehrt einen ihm für den Zeitraum vor dem Eintritt der Nacherbschaft gesellschaftsrechtlich zufallenden Gewinn dem Vorerben zu erstatten (§§ 2111 Abs. 1 Satz 1, 101 Nr. 2 BGB). Der jeweilige Inhaber des ererbten Geschäftsanteils hat in diesen Fällen bei der Mitwirkung am Beschluss über die Gewinnverwendung auch (aber nicht vorwiegend) die Interessen des erbrechtlichen Nutzungsberechtigten zu berücksichtigen3.

44

Die Surrogate des Geschäftsanteils fallen dagegen in den Nachlass (§ 2111 Abs. 1 Satz 1 BGB). Dazu gehören nicht nur das Einziehungs- und Abtretungsentgelt, der Überschuss aus dem Verkauf eines zur Verfügung gestellten Geschäftsanteils (§ 27 Abs. 2 Satz 3), zurückgezahlte Nachschuss- und Stammeinlagebeträge (§§ 30 Abs. 2, 58 Abs. 2 Satz 2) sowie die Liquidationsquote (§ 72), sondern auch die durch eine Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln (§§ 57j, 57m) oder durch eine reguläre Kapitalerhöhung unter Verwendung von Nachlassmitteln oder auf Grund eines Bezugsrechts hinzuerworbene Geschäftsanteile4. Wendet der Vorerbe in dem zuletzt genannten Fall für die Einlage oder für Nebenleistungspflichten (§ 3 Abs. 2) eigene Mittel auf5, kann er nach §§ 2124, 2125 BGB

1 Vgl. Lutter, ZGR 1982, 108, 118, 121. 2 Näheres dazu Hadding, in: FS Bartholomeyczik, 1973, S. 75, 83 ff.; Hefermehl, in: FS H. Westermann, 1974, S. 223, 228 ff.; Roggendorf, MittRhNotK 1981, 31, 36 ff.; Winter/ Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 27. 3 Vgl. Hadding, in: FS Bartholomeyczik, S. 85 Fn. 22a; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 27. 4 Hadding, in: FS Bartholomeyczik, S. 89 ff.; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 16; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 20; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 28; Reichert/Weller, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 483; Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 45; Rowedder/Bergmann, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 123. 5 Krit. zur Surrogation Hadding, in: FS Bartholomeyczik, S. 96 f.

984

Seibt

§ 15

Übertragung von Geschäftsanteilen

die Erstattung seiner Aufwendungen verlangen1. Ebenfalls Surrogate sind die bei der Verschmelzung und Spaltung an die Stelle des Geschäftsanteils tretenden Anteile am übernehmenden oder neuen Rechtsträger (§§ 20 Abs. 1 Nr. 3, 131 Abs. 1 Nr. 3 UmwG), während bei der formwechselnden Umwandlung keine Surrogation stattfindet, da die Identität der Beteiligung gewahrt bleibt (§ 202 Abs. 1 Nr. 2 UmwG)2.

3. Vereinigung von Geschäftsanteilen Schrifttum: Loritz, Ausgewählte Rechtsfragen bei der Übertragung und Teilung von GmbH-Anteilen, in: FS Schippel, 1996, S. 437; Mayer, Der Erwerb einer GmbH nach den Änderungen des MoMiG, DNotZ 2008, 403; Priester, Die Zusammenlegung von GmbH-Anteilen, GmbHR 1976, 130; Priester, Anteilsnennwert und Anteilsneubildung nach Einziehung von Geschäftsanteilen, in: FS Kellermann, 1991, S. 337.

Die Vorschrift des § 15 Abs. 2 ist nicht in der Weise zwingendes Recht, dass eine 45 Zusammenlegung der in einer Hand befindlichen Anteile unzulässig wäre. Vielmehr ist eine Vereinigung mehrerer Geschäftsanteile eines Gesellschafters zu einem Geschäftsanteil durch Beschluss der Gesellschafterversammlung gemäß § 46 Nr. 4 zulässig, wenn die Stammeinlagen voll eingezahlt und eine Nachschusspflicht nicht besteht oder wenn bei Fehlen einer statutarischen Nachschusspflicht ein nach § 23 verwerteter kaduzierter Geschäftsanteil oder ein nicht voll eingezahlter Geschäftsanteil verwendet wird, bei dem eine Haftung des Rechtsvorgängers nach § 22 Abs. 3 nicht mehr besteht3. Die zusammenzulegenden Geschäftsanteile dürfen darüber hinaus keine unterschiedlichen Rechte vermitteln und keine unterschiedlichen Pflichten beinhalten und nicht unterschiedlich mit Rechten Dritter belastet sein4. Die Zusammenlegung erfolgt durch Gesellschafterbeschluss5, was nunmehr in § 46 Nr. 4 ausdrücklich normiert ist. Der Beschluss bedarf zu seiner Wirksam-

1 Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 28; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 20; Reichert/ Weller, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 483; Rowedder/Bergmann, in: Rowedder/ Schmidt-Leithoff, Rdnr. 123. 2 Dazu Hadding, in: FS Bartholomeyczik, S. 97 ff. 3 RGZ 142, 36, 40 ff.; BGHZ 42, 89, 91 ff.; BGHZ 63, 116, 117 f.; KG, GmbHR 1997, 603, 605; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 286; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 19; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 23; Reichert/Weller, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 180; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 40; Priester, GmbHR 1976, 131; weitergehend Rowedder/Bergmann, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 192 (auch bei gleichmäßigen Teileinzahlungen auf die Stammeinlagepflicht); a.M. zum alten Recht RGZ 82, 119; RGZ 130, 43; KG, Recht 1907 Nr. 1331 u. 3347. 4 Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 287; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 23; Jasper, in: MünchHdb. III, § 24 Rdnr. 223. 5 KG, GmbHR 1997, 603, 605; Rowedder/Bergmann, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 191 (zur alten Rechtslage); Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 23; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 40; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 19; Reichert/Weller, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 184; Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 175; Jasper, in: MünchHdb. III, § 24 Rdnr. 224; a.M. noch zur alten Rechtslage Priester, GmbHR 1976, 130, 132; Loritz, in: FS Schippel, S. 445 f.; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 288: Einseitige Erklärung des Inhabers genügend.

Seibt

985

46

§ 15

Übertragung von Geschäftsanteilen

keit der Zustimmung des betroffenen Gesellschafters1; dies hat sich auch nach dem MoMiG nicht geändert2. Der Beschluss hat keinen satzungsändernden Charakter3, selbst wenn eine bestimmte Stückelung der Geschäftsanteile in der Satzung enthalten ist, da diese Angaben keine materiellen Satzungsbestandteile sind. Aus gleichen Überlegungen ist eine ausdrückliche Satzungsermächtigung nicht erforderlich4, es sei denn, dass die Vereinigung von Geschäftsanteilen auch gegen den Willen des betroffenen Gesellschafters ermöglicht werden soll5. Für diese Ansicht streitet nach dem MoMiG auch § 46 Nr. 4. Auch ansonsten kann die Satzungsregelung sinnvoll sein, um die Durchführung der Zusammenlegung im Einzelnen verbindlich zu regeln. Nach Vereinigung von Geschäftsanteilen zu einem einzigen Geschäftsanteil gelten für diesen die allgemeinen Bestimmungen. Eine spätere Teilung ist daher durch Gesellschafterbeschluss gemäß § 46 Nr. 4 zulässig. Zudem ist nach Zusammenlegung der Geschäftsanteile vom Geschäftsführer gemäß § 40 Abs. 1 unverzüglich eine korrigierte Gesellschafterliste zum Handelsregister einzureichen. Zur Kapitalerhöhung durch Heraufsetzung des Nennbetrages der bisherigen Geschäftsanteile vgl. 10. Aufl., Erl. zu § 55 Rdnr. 24. Über die Zusammenlegung von Geschäftsanteilen bei verschiedenen Währungsumstellungen s. 5. Aufl., Rdnr. 55.

III. Vertragliche Verpflichtung zur Abtretung (§ 15 Abs. 4) Schrifftum: Armbrüster, Zur Beurkundungsbedürftigkeit von Treuhandabreden über GmbH-Anteile, DNotZ 1997, 762; Bungert, Der internationale Anwendungsbereich von § 15 Abs. 3 und 4 GmbHG, DZWiR 1993, 494; Depping, Zur Beurkundungspflicht bei der Übertragung von Anteilen an einer ausländischen Kapitalgesellschaft, GmbHR 1994, 386; Dyhr, Das Formgebot bei der Übertragung von GmbH-Geschäftsanteilen, Diss. 1998; Erbacher/Klarmann, Beurkundungspflichten beim Unternehmenskauf, CFL 2011, 151; Falkner, Formerfordernisse bei der Veräußerung von Geschäftsanteilen einer ausländischen GmbH, NZG 2008, 86; Fetsch, Zur Beurkundungsbedürftigkeit von Kaufverträgen über eine englische Private Limited Company, GmbHR 2008, 133; Frenz, Einige Anmerkungen zum Verhältnis von Formzweck, Beurkundungsverfahren und Berufsrecht, in: FS Weichler, 1997, S. 175; Gätsch/Schulte, Notarielle Beurkundung bei der Veräußerung von Anteilen an ausländischen Gesell1 RGZ 142, 39; KG, GmbHR 1997, 603, 605; Feine, S. 396; Priester, GmbHR 1976, 130, 133; soweit zutreffend Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 288; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 19; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 23; Reichert/Weller, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 188; Rowedder/Bergmann, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 193; a.M. Meyer-Landrut, Rdnr. 24. 2 A.M. Begr. RegE, BR-Drucks. 354/07, S. 102; Wachter, DB 2009, 159, 163; wie hier Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, § 46 Rdnr. 20; Reichert/Weller, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 188; Jasper, in: MünchHdb. III, § 24 Rdnr. 224 a.E. m.w.N.; Mayer, DNotZ 2008, 403, 425 f. 3 Vgl. BGH, GmbHR 1988, 337, 338. 4 KG, NZG 2000, 787, 788; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 286; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 19; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 23; Rowedder/Bergmann, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 191; Ebbing, in Michalski, Rdnr. 175; Priester, GmbHR 1976, 132; a.M. RGZ 142, 42; Feine, S. 396; H. Winter, in diesem Kommentar 9. Aufl., Rdnr. 105; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 40; Reichert/Weller, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 189; Jasper, in: MünchHdb. III, § 24 Rdnr. 224. 5 Eb. Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 288.

986

Seibt

§ 15

Übertragung von Geschäftsanteilen

schaften mbH in Deutschland, ZIP 1999, 1909; Häsemeyer, Die gesetzliche Form des Rechtsgeschäfts, 1971; Heidenhain, Zum Umfang der notariellen Beurkundung bei der Veräußerung von Geschäftsanteilen, NJW 1999, 3073; Heidenhain, Aufgabe des Beurkundungserfordernisses beim Verkauf und der Abtretung von GmbH-Geschäftsanteilen, ZIP 2001, 721; Kanzleiter, Der Umfang der Beurkundungsbedürftigkeit bei verbundenen Rechtsgeschäften, DNotZ 1994, 275; Leyendecker/Mackensen, Beurkundung des Equity Commitment Letter beim Unternehmenskauf, NZG 2012, 129; Liese, Die Beurkundungspflicht von Änderungsvereinbarungen zu Geschäftsanteilskaufverträgen, GmbHR 2010, 1256; Loritz, Rechtsfragen der notariellen Beurkundung bei Verkauf und Abtretung von GmbH-Geschäftsanteilen, DNotZ 2000, 90; Merkt, Vertragsform beim Kauf von Anteilen einer ausländischen Gesellschaft, ZIP 1994, 1417; Olk/Nikoleyczik, Zulässigkeit der Auslandsbeurkundung in der Schweiz bei Verkauf und Abtretung von Geschäftsanteilen an einer deutschen GmbH, DStR 2010, 1576; Petzoldt, Beurkundungspflicht bei Übertragung von GmbH-Anteilen bei gesellschaftsrechtlichen Vorgängen, GmbHR 1976, 81; Pohlmann, Verzicht auf die aufschiebende Bedingung einer GmbH-Anteilsübertragung, NJW 1999, 190; Reithmann, Mitwirkung des ausländischen Notars bei der Geschäftsanteilsabtretung nach dem MoMiG, GmbHR 2009, 699; Schlüter, Veräußerung und Abtretung von GmbHGeschäftsanteilen als Formproblem, in: FS Bartholomeyczik, 1973, 359; Schütze, Die Beurkundung der Übertragung von Geschäftsanteilen einer österreichischen GmbH durch einen deutschen Notar, DB 1992, 1970; Schwarz, Einige Überlegungen zum Zwecke des Beurkundungserfordernisses gemäß § 15 Abs. 3 und 4 GmbHG, in: Jubiläums-FS Rheinisches Notariat, 1998, S. 371; Steindorff, Formvorschriften in Gesellschaftsverträgen, ZHR 129 (1966), 21; Stoppel, Reichweite der Heilung bei fehlender Beurkundung von Anteilsverkäufen, GmbHR 2010, 225; Wiesner, Beurkundungspflicht und Heilungswirkung bei Gründung von Personengesellschaften und Unternehmensveräußerungen, NJW 1984, 95; Witt, Formbedürftigkeit und Heilung von Formmängeln bei der gleichzeitigen Einbringung von KG- und GmbH-Anteilen in eine Holding-Gesellschaft, ZIP 2000, 1033; Wolfsteiner, Der Erschwerungsfunktionär, JZ 1977, 108; Wrede, Nochmals: Zur Beurkundungspflicht bei der Übertragung von Anteilen an einer ausländischen Kapitalgesellschaft, GmbHR 1995, 365. Weitere Lit.Nachw. vor Rdnr. 10.

1. Verpflichtung Nicht nur die Abtretung selbst, d.h. der dingliche Abtretungsvertrag, sondern 47 auch ein obligatorischer Vertrag, der eine Verpflichtung zur Abtretung begründet, bedarf zwingend der Form (§ 15 Abs. 4 Satz 1). Auch der Zweck des Formzwanges ist derselbe (Rdnr. 1, 5 ff., 77). Zur Reformbedürftigkeit der Formvorschrift Rdnr. 5 ff. Häufig werden beide Rechtsakte zusammenfallen (Rdnr. 90).

2. Vereinbarung Eine „Vereinbarung“, d.h. ein Vertrag i.S. von §§ 145 ff. BGB, durch den die 48 Pflicht zur Abtretung begründet wird, bedarf der Form des § 15 Abs. 4. Die Vorschrift regelt damit nur eine Voraussetzung des Formzwangs, besagt aber nichts darüber, wie eine Pflicht zur Abtretung eines Geschäftsanteils begründet werden kann1. Das bedeutet zweierlei, nämlich zum einen dass der Abtretungspflicht, soweit dies gesetzlich vorgesehen ist, auch ein anderes Rechtsgeschäft als ein Vertrag zugrunde liegen kann und zum anderen dass jenes Rechtsgeschäft nicht durch § 15 Abs. 4 erfasst wird. Nicht der dort bestimmten (wohl aber auch der 1 Irreführend BGH, GmbHR 1963, 188.

Seibt

987

§ 15

Übertragung von Geschäftsanteilen

für das betreffende Geschäft vorgeschriebenen) Form bedürfen daher z.B. die Begründung der Pflicht zur Abtretung eines Geschäftsanteils durch Stiftungsgeschäft (§§ 81, 82 BGB), Auslobung (§ 657 BGB), Vermächtnis (§ 2174 BGB), Auflage (§ 1940 BGB) oder einer entsprechenden Teilungsanordnung des Erblassers (§ 2048 BGB)1; außer bei § 82 Satz 2 BGB bedarf aber in den genannten Fällen die Erfüllung, d.h. die Abtretung der Form des § 15 Abs. 3 (s. auch Rdnr. 50). Keine „Vereinbarung“ ist der Auseinandersetzungsplan des Testamentsvollstreckers (§ 2204 Abs. 2 BGB)2, ebensowenig wie ein Liquidationsbeschluss3. War die Abtretungsverpflichtung unter der aufschiebenden Bedingung vereinbart worden, dass der Berechtigte nach dem Eintritt eines bestimmten Ereignisses, z.B. der Kündigung eines anderen Rechtsverhältnisses, oder nach seinem Belieben die Übernahme erklärt, so unterliegt nur der schuldrechtliche Vertrag (über Ausnahmen s. Rdnr. 50), nicht aber auch die spätere Übernahmeerklärung der Form des § 15 Abs. 44. Davon zu unterscheiden sind die Fälle, in denen zunächst nur ein Vertragsangebot beurkundet worden ist; dann muss bei dessen Annahme ebenfalls die Form eingehalten sein5.

3. Verpflichtung zur Abtretung 49

Die Vereinbarung bedarf der Form des § 15 Abs. 4, wenn durch sie die Verpflichtung zur Abtretung begründet wird. a) Verpflichtende Verträge

50

Alle Verträge, die zur Abtretung unmittelbar (s. Rdnr. 53) verpflichten, unterliegen dieser Form. Auch Handelsgeschäfte (§§ 343 ff. HGB) erfasst die Formvorschrift. Es ist unerheblich, ob es sich um einen einseitig oder zweiseitig verpflichtenden Vertrag handelt, oder ob die Abtretungspflicht den Hauptbestandteil bildet oder nur Nebenabrede ist. Hierher gehören deshalb nicht nur Kaufverträge, sondern auch andere Veräußerungsgeschäfte, z.B. die Schenkung6; ferner ein Vergleich, kraft dessen sich ein Gesellschafter zur Abtretung seines Geschäftsanteils verpflichtet7, wobei aber im Falle des gerichtlichen Vergleichs die Aufnahme der Erklärungen in das nach den Vorschriften der ZPO errichtete Protokoll die notarielle Beurkundung ersetzt (§ 127a BGB); ebenso Gesellschafts-

1 Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 44 ff.; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 31; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 79; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 45; Reichert/Weller, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 83; ausführlich Jasper, in: MünchHdb. III, § 24 Rdnr. 46 ff. 2 BayObLGZ 67, 240; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 44; Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 57. 3 Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 45; Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 57. 4 RGZ 113, 149 f.; BGH, LM § 2 Nr. 7. 5 BGH, ZIP 2007, 1155, 1156; BGHZ 21, 242, 247; BGH, GmbHR 1963, 188; RG, LZ 1912, 760; offen gelassen noch von BGH, LM § 2 Nr. 7; a.M. KG, GmbHR 1912, 9. 6 Der Schenkungsvertrag, nicht nur das einseitige Schenkungsversprechen (§ 518 Abs. 1 BGB), bedarf der Form aus § 15 Abs. 4, wenn Gegenstand der Schenkung ein Geschäftsanteil ist; s. BGH, GmbHR 1963, 188. 7 OLG Königsberg, OLG 38, 191; OLG München, DB 1993, 2477.

988

Seibt

§ 15

Übertragung von Geschäftsanteilen

verträge, die zur Einlage eines Geschäftsanteils1 oder die sonst, z.B. beim Ausscheiden aus der Gesellschaft oder bei ihrer Auseinandersetzung, zur Abtretung verpflichten2. Gleichgültig ist, ob die Verpflichtung auf Abtretung an den Vertragsgegner oder an einen Dritten geht3, z.B. an die Gesellschaft, ob sie bedingt eingegangen wird4, ob sie nur auf Verlangen zu erfüllen ist, ob sie wahlweise übernommen ist5, ob sie sich auf einen fremden6 oder auf einen zukünftigen Geschäftsanteil bezieht7. Ebenfalls werden Vorverträge erfasst, die zum Abschluss entsprechender obligatorischer Geschäfte verpflichten sollen8. Desgleichen Verträge, die die bestehende Pflicht erweitern9. Alles dies gilt auch dann, wenn der Vertrag den Teil eines Geschäftsanteils oder eine dingliche Mitberechtigung i.S. des § 747 Satz 1 BGB10 oder das Bezugsrecht11 betrifft. Nicht unter § 15 Abs. 4 fallen dagegen Verträge, die den Übergang des Geschäftsanteils oder einer Mitberechtigung an ihm kraft Gesetzes zur Folge haben, so z.B. bei der Verschmelzung (§§ 2 ff. UmwG), der Spaltung (§§ 123 ff. UmwG) oder der Anwachsung bzw. Gesamtrechtsnachfolge analog § 738 Abs. 1 Satz 1 BGB12 (s. im Übrigen Rdnr. 93). Wird ein Anteil an einer Personengesellschaft, deren einziges Vermögen in Geschäftsanteilen besteht, veräußert, so unterliegt der Verpflichtungsvertrag nicht der notariellen Beurkundung, es sei denn, es liegt ausnahmsweise eine Normumgehung des § 15 Abs. 4 vor13. Verträge über die Abtretung des Geschäftsanteils zwischen zwei personengleichen Gesamthandsgesellschaf-

1 RGZ 149, 397; KG, DR 1941, 1087; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 51; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 33; Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 65; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 47; Jasper, in: MünchHdb. III, § 24 Rdnr. 64. 2 Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 55; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 33; Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 65; Petzoldt, GmbHR 1976, 81; Jasper, in: MünchHdb. III, § 24 Rdnr. 64. 3 RGZ 50, 165; RGZ 149, 397; OLG Karlsruhe, GmbHR 1991, 19, 20; OLG München, WM 1995, 670, 671; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 48; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 33; Rodewald, in: GmbH-Hdb., Rdnr. I 986. 4 BGH, GmbHR 1989, 194; OLG Karlsruhe, GmbHR 1991, 19, 20; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 33; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 47; Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 64; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 78; Rodewald, in: GmbH-Hdb., Rdnr. I 986; Reichert/Weller, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 220; Jasper, in: MünchHdb. III, § 24 Rdnr. 52. 5 RG, LZ 1913, 141; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 47; Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 64; Jasper, in: MünchHdb. III, § 24 Rdnr. 52. 6 RG, LZ 1912, 841; RGZ 149, 397. 7 RGZ 74, 358; RGZ 149, 397; RG, LZ 1913, 141; BGHZ 21, 245; BGHZ 21, 383; BGHZ 29, 303; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 57; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 33. 8 Schlüter, S. 370 ff.; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 76; Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 64; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 46. 9 BGH, WM 1989, 256. 10 RGZ 87, 246; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 58; Rowedder/Bergmann, in: Rowedder/ Schmidt-Leithoff, Rdnr. 6. 11 Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 57, 124; Jasper, in: MünchHdb. III, § 24 Rdnr. 53. 12 Seibt, in: FS Röhricht, S. 603, 608, 612 f. 13 BGH, DB 2008, 980, 981; Wertenbruch, NZG 2008, 454, 456; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 35; a.M. Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 53; Ulmer/Schäfer, in: MünchKomm. BGB, 5. Aufl. 2009, § 719 BGB Rdnr. 36, die bereits das ausschließliche Halten von Geschäftsanteilen als eine Umgehung des § 15 Abs. 4 ansehen.

Seibt

989

§ 15

Übertragung von Geschäftsanteilen

ten fallen dagegen unter § 15 Abs. 41. Formlos gültig ist allerdings die Verpflichtung, innerhalb bestimmter Zeit oder unter gewissen Bedingungen den Geschäftsanteil nicht zu veräußern2. Dasselbe gilt für die Pflicht zur Beschaffung eines fremden Geschäftsanteils3. Das Versprechen einer nicht erfolgsabhängigen Maklerprovision für die Vermittlung von GmbH-Anteilen ist nicht formbedürftig4. Bei Absichtserklärungen (Letter of Intent, Memorandum of Understanding) ist durch Auslegung zu ermitteln, ob die Parteien einen Rechtsbindungswillen für die Verpflichtung zur Übertragung von Geschäftsanteilen haben; im Zweifel wird dies nicht der Fall sein. b) Gesellschaftsvertrag 51

Auch der Gesellschaftsvertrag der GmbH kann die Verpflichtung zur Abtretung enthalten. Handelt es sich dabei, was durch Auslegung zu ermitteln ist, um eine gesellschaftsrechtliche Pflicht5, so gelten für deren Begründung §§ 2, 3 Abs. 26, während auf eine in den Gesellschaftsvertrag aufgenommene rein schuldrechtliche Abrede § 15 Abs. 4 zwar anwendbar, aber durch die Beurkundung gemäß § 2 ebenfalls erfüllt ist. Das gilt allerdings nur, wenn die im Gesellschaftsvertrag festgelegten Veräußerungsbedingungen unverändert maßgebend bleiben sollen7. Eine satzungsmäßige Schiedsgerichtsklausel i.S. des § 1066 ZPO kann jedoch auf die Streitigkeiten über eine solche nicht-gesellschaftliche Abtretungspflicht nicht erstreckt werden8. Können nach dem Gesellschaftsvertrag beide Gesellschafter einer GmbH mit der Folge kündigen, dass der andere Gesellschafter den Geschäftsanteil des Kündigenden zu bestimmten Bedingungen zu übernehmen befugt ist, so ist damit formgerecht eine Vereinbarung getroffen worden, die eine bedingte Abtretungsverpflichtung (nicht nur ein Vertragsangebot) begründet; weder die Erklärung über die Kündigung noch die über die Ausübung des Übernahmerechts bedarf zusätzlich der Form des § 15 Abs. 49. Die Bedingung, von der das Wirksamwerden der Abtretungsverpflichtung abhängt, darf vom Berechtigten nicht in rechtsmissbräuchlicher Weise herbeigeführt werden10. Eine Satzungsbestimmung, die einem Gesellschafter das nicht an einschränkende Voraussetzungen geknüpfte Recht gibt, den Geschäftsanteil eines anderen jederzeit nach freiem Ermessen zu übernehmen oder seine Abtretung zu verlangen, verstößt gegen § 138 BGB, wenn die Klausel nicht wegen besonderer Umstände

1 OLG Karlsruhe, GmbHR 1995, 824, 825; Fischer, DNotZ 1955, 182; Petzoldt, GmbHR 1976, 81, 82; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 52; a.M. Ganssmüller, DNotZ 1955, 172. 2 Eb. Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 61. 3 RG, JW 1928, 1562; OLG Hamburg, OLGE, 259. 4 BGH, BB 1997, 1277; Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 61. 5 RGZ 113, 149; RGZ 121, 299; BGH, BB 1986, 1251; KG, GmbHRspr. I § 3 R. 17; vgl. auch oben § 3 Rdnr. 77. 6 RGZ 113, 149; BGH, BB 1986, 1251; wohl auch OLG Hamm, GmbHR 1979, 59, 60; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 78; abw. BGH, LM § 2 Nr. 7. 7 BGH, BB 1986, 1251. 8 BGHZ 38, 161 f. 9 RGZ 113, 149 f.; BGH, LM § 2 Nr. 5 u. oben Rdnr. 48. 10 BGH, BB 1970, 1191.

990

Seibt

§ 15

Übertragung von Geschäftsanteilen

sachlich gerechtfertigt ist1; die Vereinbarung eines freien Widerrufsvorbehalts im Schenkungsvertrag über einen Geschäftsanteil ist dagegen zulässig2. Häufig wird in Gesellschaftsverträgen das Übernahmerecht eines Gesellschafters mit der Vereinbarung verbunden, dass der Geschäftsanteil im Falle einer beabsichtigten Veräußerung zunächst dem Berechtigten anzubieten ist. Soweit diese Anbietungspflicht, was möglich ist (Rdnr. 117), nicht als weitere Voraussetzung der Abtretung i.S. des § 15 Abs. 5 gewollt war, macht ihre Verletzung die Abtretung an einen Dritten nicht unwirksam; der Beschluss über eine statutarisch erforderliche Genehmigung ist aber, soweit der Gesellschaftsvertrag keine andere Rechtsfolge vorsieht, anfechtbar, wenn er ergangen ist, ohne dass der abtretende Gesellschafter seiner Anbietungspflicht nachgekommen war3.

4. Verpflichtung zur Abnahme Die Verpflichtung zur Abnahme eines Geschäftsanteils erfasst der Wortlaut des 52 § 15 Abs. 4 nicht. Die ständige Rspr4. nimmt gleichwohl seit langem mit Billigung des Schrifttums5 zutreffend an, dass die Verpflichtung zum Erwerb ohne Rücksicht darauf formbedürftig sei, ob damit zugleich eine (durch das Verlangen auf Abtretung) bedingte Abtretungsverpflichtung begründet oder zumindest ein darauf gerichteter Vertragsantrag gemacht wurde. Das gilt nicht nur für Abnahmepflichten gegenüber Gesellschaftern, sondern auch gegenüber der GmbH und Dritten6. Auch die Erklärung einer Konzernobergesellschaft, für die Annahme eines Abtretungsangebots durch eine Tochtergesellschaft einzustehen, ist nach § 15 Abs. 4 formbedürftig (Rdnr. 60).

5. Gegenstand der Vereinbarung Die Verpflichtung zur Abtretung muss selbst Gegenstand der vereinbarten Leis- 53 tung sein. Dies schließt zwar nicht aus, dass der beurkundete Vertrag daneben und hauptsächlich Vereinbarungen ganz anderen Inhalts enthält, wie z.B. Gesellschaftsverträge (Rdnr. 50, 51). Der Form bedürfen aber nicht Verträge anderen Inhalts deshalb, weil sie mittelbar oder als gesetzliche Folge eine Pflicht zur

1 So BGHZ 112, 103, 107 ff. im Anschluss an die Rspr. zur Unzulässigkeit von Hinauskündigungsklauseln im Recht der Personengesellschaften (BGHZ 68, 212, 215; BGHZ 81, 263, 266 f.; BGHZ 105, 213, 216 f.; BGHZ 107, 351; BGH, WM 1985, 772, 773). 2 Bestr.; vgl. Jülicher, ZGR 1996, 82 ff.; Karsten Schmidt, GesR, § 50 III 4a, jeweils m.w.N. Zum Widerruf wegen groben Undanks (§ 530 BGB) s. auch BGHZ 112, 40, 48. 3 BGHZ 48, 141, 145 f. 4 RGZ 57, 60, 61; RGZ 102, 63, 64; RGZ 127, 65, 71; RGZ 149, 385, 397; OLG München, BB 1995, 427, 428; OLG München, GmbHR 1996, 607, 608. 5 Neukamp, ZHR 57 (1906), 527; Brodmann, Anm. 3a; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/ Hueck, Rdnr. 33; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 65; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 78; Rodewald, in: GmbH-Hdb., Rdnr. I 989; Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 65; Jasper, in: MünchHdb. III, § 24 Rdnr. 46; Armbrüster, DNotZ 1997, 762, 777 f.; a.M. E. Fuchs, JW 1911, 201; Feine, S. 382 f. 6 RGZ 127, 65, 71; OLG München, BB 1995, 427, 428; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 65; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 78; Jasper, in: MünchHdb. III, § 24 Rdnr. 46; Armbrüster, DNotZ 1997, 762, 768; Schulz, GmbHR 2001, 282, 284 f.

Seibt

991

§ 15

Übertragung von Geschäftsanteilen

Abtretung mit sich bringen1. Daher folgt aus dem formlos gültigen Auftrag zum Erwerb eines Geschäftsanteils ohne weiteres (§ 667 BGB) die Verpflichtung des Beauftragten, den in der Form des § 15 Abs. 3 erworbenen Geschäftsanteil dem Auftraggeber abzutreten2, wie auch letzterer zur Übernahme und zu Auslagenersatz verpflichtet ist3. Dasselbe gilt für die im Gesellschaftsvertrag einer OHG, KG oder BGB-Gesellschaft getroffene Vereinbarung, dass im Falle der Beendigung ein Gesellschafter das gesamte Gesellschaftsvermögen, zu dem auch ein Geschäftsanteil gehört, übernehmen soll4. Bei der Verkaufskommission ist der Kommittent ohne weiteres (formlos) verpflichtet, den durch den Kommissionär in der Form des § 15 Abs. 3, 4 getätigten Verkauf gutzuheißen oder die dingliche Abtretung zu vollziehen. Bei der Einkaufskommission erwirbt der Kommittent, wenn der Kommissionär den Einkauf des Geschäftsanteils formgerecht getätigt hat, ohne weiteres den Anspruch auf formgerechte Übertragung5. Der Bürge für eine Schuld, zu deren Sicherheit dem Gläubiger vom Schuldner ein Geschäftsanteil übertragen ist, erwirbt mit Zahlung gemäß §§ 774, 412, 401 BGB ohne weiteres den Anspruch gegen den Gläubiger auf Übertragung des Anteils an sich6.

6. Vorkaufsrechte, Optionen 54

Die Einräumung eines Vorkaufsrechts bedarf der Form aus § 15 Abs. 4, da eine durch den Abschluss eines Kaufvertrages und die Ausübung des Vorkaufsrechts bedingte Abtretungspflicht geschaffen wird7. Die Erklärung über die Ausübung des Vorkaufsrechts ist formfrei (§ 464 Abs. 1 Satz 2 BGB)8. Entsprechendes gilt für schuldrechtliche Vorerwerbs- oder Ankaufsrechte u.Ä.

1 RGZ 50, 45; RGZ 82, 354; RGZ 124, 376; BGHZ 19, 70; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 70; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 32, 34; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 79; Reichert/Weller, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 85; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 48; gegen das zuerst genannte Abgrenzungsmerkmal Steindorff, S. 21 ff. u. ihm folgend Schlüter, S. 370 ff., die aber in den nachstehenden Fällen jeweils unter Berufung auf den Gesetzeszweck zu demselben Ergebnis gelangen. 2 RGZ 50, 42; RGZ 80, 101, 102; RGZ 82, 354; RGZ 89, 195; RG, LZ 1912, 912; RG, LZ 1919, 866; BGHZ 19, 70; BGH, WM 1962, 1195; BGH, WM 1971, 306 f.; OLG Frankfurt, GmbHR 1992, 368, 369; OLG Hamm, OLGR 1994, 37. Der Auftrag selbst beinhaltet entgegen Schacht, in: BeckHdb. GmbH, 4. Aufl. 2009, § 12 Rdnr. 181 keine formbedürftige Erwerbsverpflichtung. 3 RGZ 124, 372; RG, JW 1930, 2677; OLG Hamm, OLGR 1994, 37. 4 RGZ 136, 97, 99; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 74; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/ Hueck, Rdnr. 31, 33; Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 66; Jasper, in: MünchHdb. III, § 24 Rdnr. 64; s. auch unten Rdnr. 93. 5 RGZ 80, 99, 102. 6 RGZ 89, 193, 195; RGZ 91, 277, 279. 7 RG, JW 1916, 575; Feine, S. 382; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 59; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 31; Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 70; Reichert/Weller, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 95; Rowedder/Bergmann, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 12; Rodewald, in: GmbH-Hdb., Rdnr. I 986; Jasper, in: MünchHdb. III, § 24 Rdnr. 92. 8 RGZ 113, 147, 149; BGH, NJW 1969, 2049; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 60; Hueck/ Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 31. Die Vereinbarung abweichender Bedingungen ist dagegen formbedürftig; vgl. BGH, BB 1969, 1242.

992

Seibt

§ 15

Übertragung von Geschäftsanteilen

Bei Optionsrechten über den Erwerb oder die Veräußerung von Geschäftsantei- 55 len hängt das Formerfordernis von der rechtlichen Einordnung und vertraglichen Ausgestaltung der Option ab. Führt die Auslegung zu der Erkenntnis, dass die konkrete Option ein durch die Ausübung des Optionsrechts und ggf. weitere Ereignisse bedingter, möglicherweise zusätzlich befristeter Vertrag ist1, der die Verpflichtung zur Übertragung des Geschäftsanteils beinhaltet, so bedarf diese Vereinbarung der Form des § 15 Abs. 42. Die Ausübung des Optionsrechts unterliegt dann hingegen keiner Formpflicht3. Der Optionsvertrag ist auch dann nach § 15 Abs. 4 formpflichtig, wenn es sich um ein Optionsrecht des Veräußerers handelt (Put-Option), da die andere Partei dann eine korrespondierende Abnahmepflicht trifft (zur Formbedürftigkeit der Abnahmepflicht Rdnr. 52). Führt die Auslegung der Option hingegen dazu, dass es sich um ein langfristig bindendes Angebot einer Partei handelt4, so muss auch die spätere Optionsausübung als Annahmeerklärung der Form des § 15 Abs. 4 entsprechen5.

7. Weitere Verpflichtungsinhalte Die Verpflichtung zur Abtretung eines Geschäftsanteils sowie eines Teiles da- 56 von (Rdnr. 50) bedarf nach § 15 Abs. 4 der Form. Hieraus folgt: a) Keiner Form bedarf die Verpflichtung zur Abtretung Einzelner mit dem Geschäftsanteil verknüpften Rechte, z.B. des Anspruchs auf Bilanzgewinn und Liquidationserlös6.

57

b) Nicht der Form des § 15 bedarf in der Regel die Verpflichtung zur Abtretung des 58 schuldrechtlichen Anspruchs auf Übertragung eines Geschäftsanteils (Rdnr. 53). c) Keiner Form bedarf die Begründung der Unterbeteiligung an einem Geschäfts- 59 anteil und die Aufhebung der internen rechnerischen Beteiligung (Rdnr. 224). Formbedürftig ist allerdings der Abschluss eines Treuhandvertrages, kraft dessen der Anteilsinhaber künftig nur noch die Stellung des Treuhänders einnehmen soll, da sich dadurch die unbeschränkte Inhaberschaft in eine treuhänderisch gebundene umwandelt und der Anteilsinhaber sich inzident zur Abtretung des Geschäftsanteils nach der Beendigung des Treuhandverhältnisses verpflichtet (Rdnr. 230).

1 BGHZ 47, 387, 391; Ellenberger, in: Palandt, Einf. Vor § 145 BGB Rdnr. 23. 2 So Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 76; Ellenberger, in: Palandt, Einf. Vor § 145 BGB Rdnr. 23. 3 BGH, LM § 433 Nr. 16; Ellenberger, in: Palandt, Einf. Vor § 145 BGB Rdnr. 23; Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 76. 4 Rowedder/Bergmann, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 12; vgl. auch Busche, in: MünchKomm. BGB, 6. Aufl. 2012, Vor § 145 BGB Rdnr. 73. 5 Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 76; Reichert/Weller, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 96; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 84; vgl. auch BGH, LM § 433 Nr. 16; Busche, in: MünchKomm. BGB, 6. Aufl. 2012, Vor § 145 BGB Rdnr. 74; Ellenberger, in: Palandt, Einf. Vor § 145 BGB Rdnr. 23. 6 Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 62, 124; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 35 a.E.; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 48; Jasper, in: MünchHdb. III, § 24 Rdnr. 72.

Seibt

993

§ 15

Übertragung von Geschäftsanteilen

8. Garantieverträge 60

Streitig ist, ob und inwieweit Verträge mit Garantienatur der Form des § 15 Abs. 4 unterliegen. Geht die Garantie dahin, dass der Garant sich verpflichtet, einem Gesellschafter für dessen Stammeinlage in der Weise aufzukommen, dass er ihm unter gewissen Voraussetzungen den Geschäftsanteil abnehmen werde, so liegt eine bedingte Verpflichtung zur Abnahme des Geschäftsanteils vor und es ist daher die Form des § 15 Abs. 4 zu fordern (Rdnr. 52)1. Etwas anderes gilt, trotz ähnlich liegenden Falls, richtigerweise dann, wenn der Garant sich verpflichtet, dem Vertragspartner die Bareinlage unter gewissen Voraussetzungen zu erstatten, weil hier nur eine „primäre“ Haftung für den Rückempfang der Bareinlage übernommen wird, woraus sich die Verpflichtung zur Abnahme des Geschäftsanteils gesetzlich ergibt2. Die Garantie der Muttergesellschaft für die Abnahme eines Geschäftsanteils durch ihre Tochtergesellschaft unterliegt der Form des § 15 Abs. 43. Dasselbe gilt für eine Rückkaufsgarantie, aber ein Formmangel wird hier regelmäßig durch die ursprüngliche Abtretung geheilt sein4. Keiner Form bedarf eine Garantie dafür, dass ein anderer Gesellschafter seinen Geschäftsanteil dem Dritten abtreten werde; denn sie verpflichtet nicht zur Abtretung, sondern zum Schadensersatz; doch kann hierin ein der Schriftform bedürfendes Bürgschaftsversprechen liegen (§ 766 BGB). Keiner Form bedarf ferner die Garantie eines Gewinnanteils5.

9. Rückgängigmachung 61

Die Aufhebung eines zur Abtretung verpflichtenden Vertrages, die auch durch konkludentes Verhalten erfolgen kann, bedarf keiner Form6. War jedoch die dingliche Abtretung bereits formgerecht erfüllt, so bedarf die Rückübertragung des Geschäftsanteils in jedem Falle der Form aus § 15 Abs. 3, da er nicht von selbst zurückfallen kann, während hinsichtlich der Verpflichtung zur Rückübertragung zu unterscheiden ist: a) Rückkaufsvorbehalt

62

War die Verpflichtung in dem ursprünglichen, zur Abtretung an den Erwerber (z.B. Käufer) verpflichtenden Vertrage bereits enthalten, z.B. als Rückkaufsvorbehalt, und war man über die Bedingungen der Rückübertragung einig, so verpflichtet dieser ursprüngliche Vertrag zur Rückübertragung, sobald deren vereinbarte Bedingungen eingetreten sind. Dabei ist es unerheblich, ob dieser ur1 RGZ 76, 306, 310; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 33; Reichert/Weller, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 100; Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 82; Jasper, in: MünchHdb. III, § 24 Rdnr. 61. 2 RGZ 82, 350, 354 f.; RGZ 89, 193, 195; RG, JW 1918, 266: Es bedarf der Form nicht, wenn die Rückübertragungspflicht aus dem Gesetz folgt und im Vertrag lediglich erwähnt (nicht etwa begründet) wird, krit. noch H. Winter/Seibt, 10. Aufl., Rdnr. 60. 3 OLG München, GmbHR 1996, 607, 608; eb. Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 65. 4 RGZ 76, 306, 310. 5 Zust. Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 82. 6 Eb. Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 69; Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 79; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 35; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 48; Jasper, in: MünchHdb. III, § 24 Rdnr. 75.

994

Seibt

§ 15

Übertragung von Geschäftsanteilen

sprüngliche Vertrag oder ein Nachtragsvertrag gemäß § 15 Abs. 4 beurkundet war oder nicht, da nach § 15 Abs. 4 Satz 2 auch der nicht beurkundete Verpflichtungsvertrag mit seinen Nebenabreden durch formgerechten dinglichen Abtretungsvertrag gültig wird. b) Rückübertragung eines zur Sicherheit abgetretenen Geschäftsanteils In dieser Weise ist auch eine formlose Verpflichtung zur Rückübertragung eines 63 zur Sicherung abgetretenen Geschäftsanteils wirksam. Es liegt im Wesen dieser Übertragung, dass sie unter bestimmten Voraussetzungen, spätestens nach Befriedigung des zu sichernden Gläubigers, rückgängig zu machen ist. Alle diese schuldrechtlichen Abmachungen, mögen sie auch formlos oder selbst stillschweigend getroffen sein, werden vermöge des § 15 Abs. 4 Satz 2 durch die Sicherungsübertragung wirksam und verpflichten zur Rückübertragung nach Eintritt ihrer Voraussetzungen1. c) Rückgängigmachung einer erfolgten dinglichen Übertragung Rückgängigmachung einer erfolgten dinglichen Übertragung kann formlos nur 64 verlangt werden, wenn entweder der Übertragung eine entsprechende, wenn auch stillschweigende Abrede zugrunde lag (§ 15 Abs. 4 Satz 2) oder wenn die Übertragung ohne Rechtsgrund erfolgt war (§ 812 BGB). War vor der Abtretung vereinbart, dass der Veräußerer durch Erklärung bis zu einem bestimmten Termin die Rückübertragung verlangen könne – formlos wirksam nach § 15 Abs. 4 Satz 2 –, so bedarf die Erklärung des Veräußerers keiner Form; sie gilt als zugegangen in dem Zeitpunkt, der aus § 130 BGB und der Verkehrssitte sich ergibt.

10. Verpflichtung eines „Gesellschafters“ Obwohl § 15 Abs. 4 von der Verpflichtung eines „Gesellschafters“ spricht, ist 65 wegen Gleichheit des Grundes auch die obligatorische Verpflichtung der GmbH, eigene Geschäftsanteile (§ 33) oder kaduzierte und abandonnierte Geschäftsanteile (§§ 23 Satz 2, 27 Abs. 2 Satz 2) abzutreten, der Form unterworfen2, ebenso wie bei Erwerb durch die GmbH gemäß § 33 Abs. 23. War ein Geschäftsanteil an einen Treuhänder übertragen, so bedarf auch die Verpflichtung zur Abtretung der Rechte des Treugebers, der als solcher nicht mehr „Gesellschafter“ ist, der Form aus § 15 Abs. 4 (Rdnr. 230).

1 Zust. K. Müller, Die Sicherungsübertragung von GmbH-Anteilen, 1969, S. 7; Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 211; Jasper, in: MünchHdb. III, § 24 Rdnr. 75, 81. 2 RG, JW 1907, 370; RG, DJZ 1909, 828; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 61; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 33; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 46; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 78; Reichert/Weller, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 102; Rowedder/Bergmann, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 40. 3 RGZ 93, 326; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 61; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 46.

Seibt

995

§ 15

Übertragung von Geschäftsanteilen

11. Form und Inhalt 66

Das der Abtretung eines Geschäftsanteils zugrunde liegende Verpflichtungsgeschäft bedarf der „notariellen Form“, d.h. der Anfertigung einer förmlichen Niederschrift über die Abgabe der Willenserklärungen der Parteien (Angebot und Annahme1) durch den Notar und deren Unterzeichnung durch die Beteiligten (§§ 6 ff. BeurkG: notarielle Beurkundung). Über Angebot und Annahme können getrennte Urkunden errichtet werden (§ 128 BGB). Die dem Abwesenden gegenüber abgegebene Erklärung wird mit dem Zugang einer Ausfertigung der Notarurkunde wirksam, sofern nicht von den gesetzlichen Vorschriften (§§ 130, 132 BGB) abweichende Zugangserleichterungen vereinbart worden sind2. Die Vorschrift des § 15 Abs. 4 umfasst nach h.M. alle für das Zustandekommen des Verpflichtungsgeschäfts wesentlichen Teile der Willenserklärungen der Parteien, auch entsprechende Nebenabreden, z.B. die Zusicherung einer Eigenschaft des Geschäftsanteils (vgl. Rdnr. 149), Abtretungsbedingungen3, Modalitäten der Vertragserfüllung4, verdeckte Gegenleistungen zur Abtretungsverpflichtung5, Verpflichtungen zur Leistung von einem Unternehmenskauf nachlaufenden (Konzern-)Dienstleistungen durch den Verkäufer (sog. Transitional Services Agreement6), die Garantieabrede der Muttergesellschaft der Käuferin für Zahlungsverpflichtungen der Käuferin zugunsten des Verkäufers (Parent Guarantee)7 oder Regelungen zur Kostentragung, die allesamt nach dem Willen der Parteien untrennbarer und (wirtschaftlich) notwendiger Bestandteil des schuldrechtlichen Veräußerungsgeschäfts sein sollen (Vollständigkeitsgrundsatz)8.

66a

Dem Formzwang von § 15 Abs. 4 unterliegen demgegenüber nicht sog. abtrennbare Klauseln, also Vereinbarungsteile, die für sich genommen nicht formbedürftig sind und von denen anzunehmen ist, dass sie nach dem mutmaßlichen Parteiwillen nicht (wirtschaftlich) zwingend mit der Verpflichtung zur Anteilsabtretung verbunden sein sollten9. Ebenso wenig formbedürftig sind solche Nebenabreden, die mit der Anteilsabtretung in keinem rechtlichen Zusammenhang stehen, wie z.B. eine Vollmachtserteilung, die Genehmigung eines von Nichtberechtigten geschlossenen Abtretungsvertrages (§§ 185 Abs. 2, 182 Abs. 2

1 Vgl. RG, LZ 1912, 670; BGHZ 21, 242, 247; BGH, GmbHR 1963, 188; BGH, ZIP 1995, 1089. 2 BGH, ZIP 1995, 1089, 1090. 3 BGH, GmbHR 1989, 194, 195. 4 BGH, ZIP 1996, 1902; s. aber auch OLG Hamm, GmbHR 1979, 59, 60. 5 BGH, NJW 1983, 1943; vgl. auch BGH, NJW 1969, 2049 (Verzicht auf Gewinngutschriften). 6 Erbacher/Klarmann, CFL 2011, 151, 152 f. 7 OLG München, BB 1996, 1286. 8 RG, LZ 1920, 652; BGH, LM § 2 Nr. 7; BGH, NJW 1983, 1843; BGH, GmbHR 1989, 194, 195; BGH, ZIP 1996, 1902; OLG München, NJW 1967, 1328; OLG Düsseldorf, MDR 1978, 668; OLG Karlsruhe, GmbHR 1991, 19, 20; OLG Hamm, GmbHR 1993, 106, 107; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 77; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 49; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 30; Reichert/Weller, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 106; Wicke, Rdnr. 17; Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 89. 9 BGH, NJW 1986, 2642, 2643; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 78; Pohlmann, GmbHR 2002, 41, 42 f.; Witt, ZIP 2000, 1033, 1035, 1037 f.

996

Seibt

§ 15

Übertragung von Geschäftsanteilen

BGB)1. Dasselbe gilt für solche nachgeordneten und unwesentlichen Regelungen, die lediglich eine nähere Auslegung der Haupterklärung beinhalten2. Vereinbarungen mit Dritten, die weder Partei des (Kauf-)Vertrags mit der Abtretungsverpflichtung noch verbundene Unternehmen (i.S. von § 15 AktG) einer der Parteien eines solchen Kaufvertrags sind (z.B. Financing Commitment Letter eines externen Kreditinstituts), unterliegen nur dann der Beurkundungspflicht nach § 15 Abs. 4 Satz 1, wenn auch der Dritte ausnahmsweise – z.B. wegen signifikanter eigener wirtschaftlicher Interessen an der Anteilsabtretung (Verknüpfungsinteresse) – die Verknüpfung der weiteren Vereinbarung mit der Abtretungsverpflichtung will (Verknüpfungswille)3; ein mittelbares Interesse (z.B. Zinsmarge für Darlehensgewährung) ist nicht ausreichend. Bei Vereinbarungen mit solchen Dritten, die mit bei einer Partei des (Kauf-)Vertrages mit der Abtretungsverpflichtung verbunden (i.S. von § 15 AktG) oder in vergleichbarer Weise wirtschaftlich verflochten sind (z.B. Equity Commitment Letter eines Private Equity Fonds gegenüber der konkreten Akquisitionsgesellschaft), ist ein Verknüpfungsinteresse und ein Verknüpfungswille jedenfalls bei wertsignifikanter Vereinbarung (für die Hauptvereinbarung) widerleglich zu vermuten4. Ist die weitere Vereinbarung hiernach beurkundungspflichtig, ist sie in ihrem gesamten Umfang, einschließlich einer Verknüpfungsabrede, zu beurkunden5. Andernfalls wäre nicht nur diese weitere Vereinbarung formunwirksam, sondern auch die beurkundete Abtretungsverpflichtung wäre als Scheingeschäft nichtig6. Die Geltung des Vollständigkeitsgrundsatzes im Rahmen von § 15 Abs. 4 wird 66b zu Recht zunehmend kritisiert7, da er weder den – rechtspolitisch durchaus zweifelhaften – Gesetzeszwecken der Handelserschwerung von Geschäftsanteilen noch einer Beweisfunktion dient, aber zu erheblicher Rechtsunsicherheit bzw. Risikovermeidungskosten (Rdnr. 8) führt. De lege ferenda ist jedenfalls das Formerfordernis des § 15 Abs. 4 ausschließlich auf die Vereinbarung der Abtretungsverpflichtung zu beschränken, wenn nicht gleich § 15 Abs. 4 in der Weise geändert wird, dass zukünftig für das der Abtretung von Geschäftsanteilen zugrunde liegende Verpflichtungsgeschäft nur noch Textform i.S. von § 126b BGB erforderlich ist (Rdnr. 4 und 9).

1 BGH, WM 1989, 256, 259; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 78. 2 BGH, DStR 2000, 1272 f.; OLG München, NJW 1967, 1326, 1328; abw. allerdings OLG München, BB 1995, 427, 428. 3 Erbacher/Klarmann, CFL 2011, 151, 155 und 156; Leyendecker/Mackensen, NZG 2012, 129, 132; Kästle/Oberbracht, Unternehmenskauf – Share Purchase Agreement, 2. Aufl. 2010, S. 19. 4 Im Grundsatz gegen eine Beurkundungspflichtigkeit von Equity Commitment Letter Leyendecker/Mackensen, NZG 2012, 129, 133; im Grundsatz für eine Beurkundungspflichtigkeit Erbacher/Klarmann, CFL 2011, 151, 155. 5 Erbacher/Klarmann, CFL 2011, 151, 156; Stoppel, GmbHR 2010, 225, 228. 6 Reichert/Weller, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 118; von Rom, WM 2007, 2223, 2225; Leyendecker/Mackensen, NZG 2012, 129. 7 Z.B. Schlüter, in: FS Bartholomeyczik, S. 359, 366 f.; Siegle/Maurer, NJW 1984, 2657, 2658 ff.; Hadding, ZIP 2003, 2133, 2137; Heidenhain, NJW 1999, 3073, 3077; Herrmann, GmbHR 2009, 625, 627 und 630; Loritz, DNotZ 2000, 90, 99 f.; Pohlmann, GmbHR 2002, 41, 43; Witt, ZIP 2000, 1033, 1036; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 79; Reichert/Weller, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 113 ff.

Seibt

997

§ 15 66c

Übertragung von Geschäftsanteilen

Spätere Änderungen des Verpflichtungsgeschäfts sind nur dann nach § 15 Abs. 4 zu beurkunden, wenn sie wesentliche Bestandteile des Vertrags betreffen1; Klarstellungen oder sog. Auslegungsvereinbarungen bedürfen der Form des § 15 Abs. 4 ebenso wenig wie Leistungsbestimmungen aufgrund des Verpflichtungsgeschäfts nach bestimmten Richtlinien oder nach beliebigem Ermessen (§ 315 BGB)2. Der Verzicht auf Bedingungen für den Vollzug der Abtretung (sog. Closing Conditions) durch den vertraglich hierzu Berechtigten unterfällt – in gleicher Weise wie der Verzicht auf Bedingungen der Abtretung selbst3 – nicht der Formvorschrift des § 15 Abs. 44. Ist in Erfüllung schuldrechtlichen Vertrages die dingliche Abtretung formgerecht erfolgt, so wird ein Formmangel (nicht jedoch ein anderer Mangel) jenes Vertrages geheilt (§ 15 Abs. 4 Satz 2); stellt sich nach der Abtretung heraus, dass der Vertrag materiell rechtsungültig war, so ist ein bestätigender (§ 141 BGB) oder ein inhaltlich neuer obligatorischer Vertrag über dieselbe Veräußerung nicht mehr formbedürftig, weil er die Abtretung nicht erst herbeiführen soll5. Wird aber nach der Abtretung eine Rück- oder Weiterübertragung vereinbart, so muss das in der Form des § 15 Abs. 4 erfolgen6. Die Aufnahme der Parteierklärungen in ein nach den Vorschriften der ZPO errichtetes Protokoll ersetzt beim gerichtlichen Vergleich die notarielle Beurkundung (§ 127a BGB).

66d Bei Auslandsbeurkundungen des Verpflichtungsgeschäfts gilt das Schuldvertragsstatut, d.h. es bleibt gemäß Art. 3 Abs. 1 Rom I-VO den Parteien überlassen, konkludent oder ausdrücklich zu vereinbaren, welcher Rechtsordnung sie den Verpflichtungsvertrag unterwerfen wollen. Diese Rechtsordnung befindet grundsätzlich auch über die Formgültigkeit dieses Vertrags (Art. 11 Abs. 1 Alt. 1 Rom IVO). Allerdings statuieren die Art. 6, 11 Abs. 4 Satz 2 Rom I-VO eine Ausnahme für Verbraucherverträge, also Verträge, die von einer Seite im Rahmen ihrer gewerblichen und selbstständigen beruflichen Tätigkeit (§ 14 Abs. 1 BGB), von der anderen Seite jedoch weder zu gewerblichen noch zu selbstständigen Zwecken (§ 13 BGB) abgeschlossen worden sind. Bei solchen Verträgen ist die Form der Rechtsordnung maßgeblich, in der der Verbraucher seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, sofern der Unternehmer seine berufliche oder gewerbliche Tätigkeit auf diesen Staat ausgerichtet hat und der Vertrag in den Bereich dieser Tätigkeit fällt (Art. 6 Abs. 1 Rom I-VO). Ansonsten ist nach zutreffender Ansicht die Vereinbarung eines von § 15 Abs. 4 abweichenden ausländischen Rechts (insbesondere der ausländischen Ortsform) als Vertrags- und damit Formstatut (auch mittels

1 BGH, GmbHR 1989, 194, 195; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 81; Wicke, Rdnr. 17; Jasper, in: MünchHdb. III, § 24 Rdnr. 44; a.A. Liese, GmbHR 2010, 1256, 1259 f. 2 BGH, NJW 1973, 37; OLG Hamm, GmbHR 1979, 59; OLG München, NJW 1967, 1326, 1328; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 81; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 30; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 73; Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 92; Jasper, in: MünchHdb. III, § 24 Rdnr. 44, 47; vgl. auch BGH, WM 1979, 1258, 1259. 3 Vgl. BGH, NJW 1994, 3227; BGH, DNotZ 1990, 122. 4 Eb. Erbacher/Klarmann, CFL 2011, 151, 160. 5 RGZ 88, 65; RGZ 112, 241; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 30. 6 Zust. Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 105; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 30; Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 92, 103.

998

Seibt

§ 15

Übertragung von Geschäftsanteilen

Teilrechtswahl1) grundsätzlich möglich (Art. 3 Abs. 1 Satz 3 Rom I-VO)2. Sollte keine Rechtswahl durch die Parteien getroffen worden sein, so unterliegt der Vertrag gemäß Art. 4 Abs. 2 Rom I-VO (nicht: Art. 4 Abs. 1 lit. a Rom I-VO) dem Recht des Staates, in dem die Partei, die die vertragscharakteristische Leistung erbringt (das ist regelmäßig der Anteilsverkäufer), ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat3. Alternativ genügt nach richtiger Ansicht (sowohl im Falle der Rechtswahl als auch bei objektiver Anknüpfung) indes bereits gemäß Art. 11 Abs. 1 Alt. 2 Rom I-VO (der nach Art. 3 Nr. 1 lit. b EGBGB den im Wesentlichen gleich lautenden Art. 11 Abs. 1 EGBGB verdrängt und ungeachtet des Art. 1 lit. f. Rom I-VO auf Anteilskaufverträge Anwendung findet4) die jeweilige Ortsform, so dass diese auch ohne entsprechende Rechtswahl zur Anwendung gelangt5. Dasselbe gilt für die Übertragung von Anteilen an einer ausländischen, mit der einer GmbH vergleichbaren Gesellschaft in Deutschland, wobei die Ortsform hier gemäß § 15 Abs. 4 die notarielle Beurkundung vorsieht6.

12. Folge formgerechter Beurkundung Die Folge formgerechter Beurkundung des obligatorischen Vertrags ist die Ver- 67 pflichtung zur Abtretung und/oder, je nach Art des Vertrages, zur Annahme der Abtretung, d.h. zur Mitwirkung an einem formgerechten, dinglichen Abtretungsvertrag. Der sich weigernde Vertragsbeteiligte kann zur Abgabe der Abtretungs- oder Annahmeerklärung im Prozesswege gezwungen werden. Im Urkundenprozess kann der Übertragungsanspruch auch bei Ausstellung von Anteilsscheinen nicht geltend gemacht werden7. Das rechtskräftige Urteil ersetzt die Abgabe der Willenserklärung (§ 894 ZPO). Ist zur Erklärung der Abtretung rechtskräftig verurteilt, so ist durch das Urteil die Form gewahrt; doch bedarf es dann der formgerechten Erklärung der Annahme dieser Abtretung durch 1 BGH, DB 2004, 2631, 2633 (obiter dictum). 2 Merkt/Göthel, in: Reithmann/Martiny, Internationales Vertragsrecht, 7. Aufl. 2010, Rdnr. 4424; Thorn, in: Palandt, Rom I 3 Rdnr. 4, 10, Anh zu EGBGB 12 Rdnr. 16; Reithmann, GmbHR 2009, 699; Götze/Mörtel, NZG 2011, 727, 732; Reichert/Weller, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 166, 168; a.M. Kindler, in: MünchKomm. BGB, 5. Aufl. 2010, IntHdlsGesR, Rdnr. 558 ff. m.w.N. 3 Martiny, in: MünchKomm. BGB, 5. Aufl. 2010, Art. 4 Rom I-VO Rdnr. 164; Göthel, in: Merkt/Göthel, Internationaler Unternehmenskauf, 3. Aufl. 2011, § 4 Rdnr. 114; Merkt/Göthel, in: Reithmann/Martiny, Internationales Vertragsrecht, 7. Aufl. 2010, Rdnr. 4407. 4 Die Ausnahme für „Fragen betreffend das Gesellschaftsrecht“ ist eine Fortführung der bereits vor Normierung der Rom I-VO existierenden Ausnahme, die sich lediglich auf Fragen der inneren Struktur der Gesellschaft bezog (umgesetzt in Art. 37 Nr. 2 EGBGB a.F.), vgl. dazu Mankowski, NZG 2010, 201, 205 f. 5 Reithmann, GmbHR 2009, 699, 700; Olk/Nikoleyczik, DStR 2010, 1576, 1582; Götze/ Mörtel, NZG 2011, 727, 732; vgl. auch mit Bezugnahme auf den für Verträge bis 17.12.2009 einschlägigen Art. 11 Abs. 1 EGBGB Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 43; Bayer, DNotZ 2009, 887, 889; Mohr, GmbH-StB 2011, 310, 313; Fetsch, GmbHR 2008, 133, 134; a.M. Kindler, in: MünchKomm. BGB, 5. Aufl. 2010, IntHdlsGesR, Rdnr. 558 ff. m.w.N.; vgl. zur korrespondierenden Streitfrage bei der Abtretung von Geschäftsanteilen Rdnr. 82. 6 Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 51 m.w.N.; Fetsch, GmbHR 2008, 133, 134; Falkner, NZG 2008, 86, 88. 7 OLG Köln, GmbHR 1995, 293; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 91.

Seibt

999

§ 15

Übertragung von Geschäftsanteilen

die klagende Partei. Entsprechendes gilt, wenn zur Annahmeerklärung verurteilt ist. Ungeachtet des gültigen Vertrages ist freilich der Veräußerer in der Lage, denselben Geschäftsanteil an einen Dritten abzutreten. Der erste Erwerber (Käufer) hat dann einen Schadensersatzanspruch gegen den Veräußerer (wegen zu vertretenden nachfolgenden Unvermögens), gegen den Dritterwerber nur unter den Voraussetzungen des § 826 BGB. Trotz formgerechter Beurkundung kann der Vertrag wegen seines Inhalts nichtig oder anfechtbar sein (hierzu Rdnr. 103).

13. Folge fehlerhafter Beurkundung oder wesentlicher Verstöße gegen die Beurkundungsform a) Nichtigkeit 68

Der Formmangel hat grundsätzlich die Nichtigkeit des ganzen Vertrages zur Folge (§ 125 Satz 1 BGB). Eine Ausnahme ist nach dem Rechtsgedanken des § 139 BGB aber für solche abtrennbaren Teile einer Vereinbarung zu machen, die für sich allein genommen nicht nach § 15 Abs. 4 Satz 1 formbedürftig gewesen wären und von denen anzunehmen ist, dass sie nach dem mutmaßlichen Parteiwillen auch ohne die Verpflichtung zur Abtretung des Geschäftsanteils abgeschlossen worden wären (s. auch Rdnr. 66a)1. Das kann u.U. auch bei einem Verpflichtungsgeschäft über die Abtretung des Geschäftsanteils und der Kommanditbeteiligung an einer GmbH & Co. KG zutreffen2, wird aber – auch beim Fehlen von gesellschaftsvertraglichen Bindungen – nicht dem Regelfall entsprechen3. Das in Erfüllung des nichtigen Vertrages Hingegebene (die Zahlung des Kaufpreises für den Geschäftsanteil) kann nach §§ 812 ff. BGB zurückgefordert werden. Nichtigkeit ist von Amts wegen zu beachten; ein Verzicht auf sie ist wirkungslos. Doch ist die Rückforderung des Geleisteten ausgeschlossen, wenn der Leistende (z.B. Käufer des Anteils) wusste, dass er zur Leistung nicht verpflichtet war (§ 814 BGB), es sei denn, dass er mit einem nachträglichen formgültigen Abschluss noch rechnete. Die Formnichtigkeit des Vertrages kann grundsätzlich auch nicht durch die Berufung auf Treu und Glauben ausgeräumt werden. Die Nichtigkeitsfolgen können aber ausnahmsweise dann entfallen, wenn Umstände gegeben sind, die es als unerträgliche, auf andere Weise nicht auszugleichende Härte erscheinen lassen, dem zur Abtretung des Geschäftsanteils verpflichtenden Vertrag wegen des Formmangels die Anerkennung zu versagen4.

1 Vgl. BGH, GmbHR 1986, 258, 260; BGH, WM 1989, 406; OLG Karlsruhe, GmbHR 1991, 19, 20; OLG Hamm, GmbHR 1993, 106, 107; OLG München, BB 1995, 427, 428; Winter/ Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 78, 82. 2 BGH, NJW 2010, 2218, 2220; BGH, GmbHR 1986, 258, 259 f.; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 82; Wicke, Rdnr. 17. 3 Jasper, in: MünchHdb. III, § 24 Rdnr. 73; Binz/Sorg, Die GmbH & Co. KG, 11. Aufl. 2010, § 6 Rdnr. 8; Hannes, in: Hesselmann/Tillmann/Mueller-Thuns, Handbuch GmbH & Co. KG, 20. Aufl. 2009, § 9 Rdnr. 28. 4 Vgl. BGHZ 35, 272, 277; BGHZ 121, 224, 233; BGH, LM § 2 Nr. 7; BGH, ZIP 2004, 2324, 2325; BGH, ZIP 1995, 1089, 1090 f.; OLG München, BB 1995, 427, 428; OLG München, GmbHR 1996, 607, 609; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 92; Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 100; Wicke, Rdnr. 19.

1000

Seibt

§ 15

Übertragung von Geschäftsanteilen

b) Heilung der Formnichtigkeit aa) Allgemeines. Der Formmangel des Verpflichtungsgeschäfts wird gemäß § 15 69 Abs. 4 Satz 2 durch die formgerechte Abtretung des Geschäftsanteils geheilt1. Das Gesetz macht insoweit eine Ausnahme von § 141 Abs. 1 BGB, der für die Gültigkeit grundsätzlich die förmliche Neuvornahme des Geschäfts verlangt und der neben § 15 Abs. 4 Satz 2 anwendbar ist2. Er will damit den Bestand der formgerecht vollzogenen Abtretung bewirken und eine Rückforderung aus Gründen der Rechtssicherheit ausschließen3. Die Vorschrift kann nicht analog auf den Fall angewandt werden, dass es nach einem formwidrigen Verpflichtungsgeschäft zur Gründung der GmbH in notarieller Form gekommen ist4. bb) Voraussetzung der Heilung ist danach der formgültige (dingliche) Abtre- 70 tungsvertrag nach § 15 Abs. 3 (Rdnr. 77 ff.). Die Abtretung muss aber wirksam sein5, insbesondere ist auch die Erfüllung etwaiger weiterer Abtretungsvoraussetzungen i.S. des § 15 Abs. 5 erforderlich. Auch eine aufschiebende Abtretungsbedingung muss deshalb eingetreten oder, soweit möglich, durch Verzicht des Begünstigten (Rdnr. 89) hinfällig geworden sein6. Die abweichende Meinung, die den formgerechten Vertragsabschluss genügen lässt7, ist zwar mit dem Gesetzeswortlaut, nicht aber mit dem Zweck der Vorschrift vereinbar, der einen wirksamen Anteilsübergang voraussetzt (Rdnr. 69)8. Die Abtretung muss im Übrigen, um die Wirkung des § 15 Abs. 4 Satz 2 herbeizuführen, nicht notwendig an den Gläubiger aus dem obligatorischen Vertrag, sondern kann auch an einen Dritten erfolgt sein, wenn der Verpflichtete an ihn leisten durfte und zwecks Vertragserfüllung geleistet hat, z.B. im Falle des Weiterverkaufs des Erstkäufers an den Dritten9. Nicht genügend ist dagegen die Abtretung an einen im Interesse beider Parteien des schuldrechtlichen Vertrages tätigen Treuhänder, der den Geschäftsanteil beim Eintritt bzw. Nichteintritt bestimmter Voraussetzungen entweder an den Gläubiger übertragen oder aber an den Veräußerer zurücküber-

1 Dazu Pohlmann, Die Heilung formnichtiger Verpflichtungsgeschäfte durch Erfüllung, 1992; Pohlmann, GmbHR 1995, 412. 2 BGH, WM 1985, 1000. 3 BGHZ 127, 129, 136; Pohlmann, Die Heilung formnichtiger Verpflichtungsgeschäfte durch Erfüllung, 1992, S. 91; Pohlmann, GmbHR 1995, 412, 414; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 93. 4 OLG Brandenburg, GmbHR 1995, 895. 5 BGH, GmbHR 1989, 194, 195; BGHZ 127, 129, 135; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 94; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 36; Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 109; Rowedder/Bergmann, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 43; Jasper, in: MünchHdb. III, § 24 Rdnr. 103. 6 BGH, GmbHR 1989, 194, 195; BGH, ZIP 1998, 908, 911; BGHZ 127, 129, 135; Rowedder/Bergmann, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 43; Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 111; Reichert/Weller, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 122; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 95; Pohlmann, GmbHR 1995, 412 Fn. 2; Rodewald, in: GmbH-Hdb., Rdnr. I 990. 7 M. Wolf, Anm. zu LM § 15 Nr. 28 Bl. 4 f.; Schnorbus, MDR 1995, 679, 681; Moll, MDR 1998, 1041, 1042. 8 Eb. Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 95. 9 RGZ 71, 402 f.; BGH, NZG 2001, 940, 941; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 96; Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 104.

Seibt

1001

§ 15

Übertragung von Geschäftsanteilen

tragen muss1. Auch eine Abtretung an andere als im Kaufvertrag bezeichnete Personen unter vom Kaufvertrag abweichenden Bedingungen führt nicht zu einer Heilung2. Eine Heilung scheitert zudem, wenn Abtretungs- und Kaufvertrag inhaltlich unvereinbar sind3. Sind mehrere Geschäftsanteile formungültig verkauft und wird nur einer formgültig abgetreten, so wird nur der hierauf bezügliche Teil des obligatorischen Vertrages geheilt4. Die Wirksamkeit im Übrigen bestimmt sich nach § 139 BGB: Richtete sich das Grundgeschäft einheitlich auf Abtretung mehrerer Geschäftsanteile, z.B. sämtlicher Anteile an einer Grundstücks-GmbH, so ist die formgerechte dingliche Abtretung nur einzelner Anteile kein Erfüllungsgeschäft, heilt also den Formmangel des obligatorischen Vertrages nicht. Dann ist die dingliche Abtretung, soweit formgerecht erfolgt, zwar wirksam; der Veräußerer kann aber nach §§ 812 ff. BGB Rückübertragung verlangen5. 71

Die Heilung setzt weiter voraus, dass die Willensübereinstimmung der Vertragsparteien über den Inhalt des von ihnen abgeschlossenen formunwirksamen Verpflichtungsgeschäfts noch in dem Zeitpunkt fortbesteht, in dem die Bindung an das Verfügungsgeschäft eingetreten ist6. Bei befristeten und aufschiebend bedingten Abtretungen ist daher nicht der Zeitpunkt des Termin- bzw. Bedingungseintritts, sondern der des bindenden Abschlusses des Verfügungsgeschäfts maßgebend7. Entsprechendes gilt für eine nach § 15 Abs. 5 statutarisch genehmigungsbedürftige Abtretung. Sind am Verpflichtungsgeschäft neben Zedent und Zessionar noch weitere Parteien beteiligt, so kommt es auf deren Willen und dessen Fortbestehen nicht an. Die Abtretung ist kein neuerlicher Vertragsschluss, der unzulässig zu Lasten des Dritten wirkt, sondern heilt gemäß § 15 Abs. 4 Satz 2 lediglich formelle Mängel der sonst wirksamen Verpflichtung. Gerade die Bezugnahme des § 15 Abs. 4 Satz 2 auf § 15 Abs. 3 zeigt, dass es bei der Heilung des Vertrages nur auf die an der Abtretung beteiligten Parteien ankommen kann, denn nur diese sind am heilenden Vollzug des nichtigen Verpflichtungsvertrages beteiligt. Der primäre aber rechtspolitisch ohnehin zweifelhafte Formzweck des § 15 Abs. 4 (Verringerung der Anteilsfungibilität) zwingt nicht dazu, die (materiellen) Interessen bestimmter Dritter durch Beteiligung zu stärken. Im Rahmen der Heilung nach § 15 Abs. 4 Satz 2 zusätzlich eine Willensübereinstimmung auch mit an der Abtretung nicht beteiligten Parteien zu for-

1 2 3 4 5

BGH, WM 1962, 1195. BGH, NJW 2002, 142, 143. OLG Hamburg, RNotZ 2007, 415, 417 m. zust. Anm. von Specks, 418. RGZ 112, 241; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 97; Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 110. KG, JW 1924, 1179; RGZ 112, 236, 241; RG, LZ 1920, 652; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 97 a.E.; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 36; Reichert/Weller, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 127; Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 110; a.M. OLG Düsseldorf, MDR 1978, 668. 6 BGHZ 127, 129, 135; OLG München, GmbHR 1996, 607, 609; Pohlmann, GmbHR 1995, 412, 413 f.; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 99; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 36; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 53; Reichert/Weller, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 123; Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 107; Jasper, in: MünchHdb. III, § 24 Rdnr. 105. 7 BGHZ 127, 129, 135 ff.; Pohlmann, GmbHR 1995, 413 f.; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 99.

1002

Seibt

§ 15

Übertragung von Geschäftsanteilen

dern wäre daher systemwidrig1. Das Fortbestehen der Willensübereinstimmung wird unwiderleglich vermutet, wenn keine Partei des Verpflichtungsgeschäfts erkennbar einen abweichenden Willen geäußert hat, was bis zum Eintritt der Bindung an das Verfügungsgeschäft uneingeschränkt möglich ist. Das Verpflichtungsgeschäft kann dagegen bei befristeten, aufschiebend bedingten oder statutarisch genehmigungsbedürftigen Abtretungen während der Schwebezeit nicht mehr einseitig, sondern nur noch einvernehmlich geändert werden (Rdnr. 74)2. Der Abtretungsvertrag kann dem obligatorischen Vertrag nachfolgen oder einheitlich mit ihm beurkundet sein oder ihm vorausgehen. Die heilende Wirkung tritt in jedem der drei Fälle ein3. Dies gilt aber für einen formlosen, der Abtretung nachfolgenden Vertrag, mag er auch als Bestandteil des ursprünglichen Vertrags gemeint sein, dann nicht, wenn der Nachtragsvertrag zur Rück- oder Weiterübertragung verpflichten soll. Ein Formmangel dieser Verpflichtung wird nicht durch die erste Abtretung, sondern erst durch die formgerechte Rück- oder Weiterübertragung geheilt (Rdnr. 61). Sonstige nachfolgende Änderungen und Ergänzungen sind formlos gültig4.

72

Die Formnichtigkeit des Verpflichtungsvertrages wird nicht dadurch geheilt, 73 dass die geschuldete Abtretung durch den Abschluss eines Treuhandvertrages zwischen dem Veräußerer als Treuhänder und dem Erwerber als Treugeber „ersetzt“ worden ist5. cc) Folge der Heilung ist das Wirksamwerden des gesamten Inhalts des obliga- 74 torischen Vertrags6, auch mit seinen Nebenabreden7, auch mit der Vereinbarung eines Rückkaufsrechts8. Haben die Parteien an Stelle des beurkundeten Kaufpreises in Wirklichkeit einen höheren vereinbart, so wird auch diese Abrede nunmehr gültig9. Haben die Parteien bei einer befristeten, aufschiebend bedingten oder statutarisch genehmigungsbedürftigen Abtretung (§ 15 Abs. 5) während der Schwebezeit einvernehmlich Änderungen des Verpflichtungsgeschäfts vorgenommen (Rdnr. 71), so sind diese zu berücksichtigen10. Wirksam werden auch formlose Zwischenveräußerungen, wenn der Gesellschafter seinen Geschäftsanteil dem letzten Erwerber zur Erfüllung auch jener Verträge formgerecht ab1 A.M. Stoppel, GmbHR 2010, 225, 229. 2 Dazu Pohlmann, GmbHR 1995, 414 f., 416 f. 3 Vgl. RGZ 88, 65; RGZ 112, 240; BGHZ 127, 129, 132; BGH, NJW 1983, 1843; BGH, GmbHR 1989, 194, 195; BGH, GmbHR 1993, 106; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 98; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 36; Reichert/Weller, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 124; Jasper, in: MünchHdb. III, § 24 Rdnr. 104; abw. OLG Düsseldorf, MDR 1978, 668 für den Fall, dass das in einer einheitlichen Urkunde enthaltene Verpflichtungsgeschäft unvollständig ist. 4 RGZ 112, 241; RG, DR 1940, 1292, BGH, LM § 15 Nr. 5; s. auch Rdnr. 66c. 5 BGHZ 35, 276 f. 6 BGH, GmbHR 1993, 106; eb. Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 102; Bayer, in: Lutter/ Hommelhoff, Rdnr. 54; Rowedder/Bergmann, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 43. 7 RGZ 65, 39; BGH, NJW-RR 1987, 807. 8 RGZ 76, 311; oben Rdnr. 62. 9 RGZ 112, 239 f.; RGZ 168, 296 f.; BGHZ 127, 129, 131; BGH, NJW 1983, 1843; eb. Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 102. 10 Vgl. Pohlmann, GmbHR 1995, 412, 417.

Seibt

1003

§ 15

Übertragung von Geschäftsanteilen

tritt1. Mit der Übertragung des Geschäftsanteils der Komplementär-GmbH wird auch die im obligatorischen Vertrag enthaltene Verpflichtung zur Abtretung des Kommanditanteils an der GmbH & Co. KG gültig (s. auch Rdnr. 68)2. Dasselbe gilt für die in einem mündlichen Vertrage seitens einer der Parteien übernommene Bürgschaft3, nicht dagegen mündliche Bürgschaft eines Dritten, da deren Unverbindlichkeit (§ 766 BGB) nicht durch ein fremdes Rechtsgeschäft verbindlich werden kann. Nicht geheilt wird ein formloser obligatorischer Vertrag, in dem als wesentlicher Bestandteil, z.B. im Austausch gegen Geschäftsanteile, die Verpflichtung zur Auflassung eines Grundstücks übernommen ist. Hier muss nach dem Zwecke des § 311b Abs. 1 Satz 2 BGB Auflassung und Grundbucheintragung zur formgerechten Abtretung hinzukommen, um den ganzen Vertrag wirksam zu machen4. 75

Nur die durch den Formmangel begründete Nichtigkeit des schuldrechtlichen Vertrags wird durch formgültige Abtretung geheilt. Materielle Mängel des obligatorischen Vertrags werden nicht geheilt, aber formloser Neuabschluss ist nunmehr möglich (s. Rdnr. 66c). Eine Bestätigung des wegen sonstiger Mängel nichtigen Verpflichtungsgeschäfts i.S. des § 141 BGB kann konkludent auch durch den formgültigen Abtretungsvertrag erfolgt sein5.

76

dd) Zeitpunkt der Heilung. Sie wirkt nicht zurück, sondern erst vom Zeitpunkt der formgerechten Abtretung an „wird die (schuldrechtliche) Vereinbarung gültig (= wirksam)“ (§ 15 Abs. 4 Satz 2)6. Aber in entsprechender Anwendung des § 141 Abs. 2 BGB sind die Vertragsparteien im Zweifel verpflichtet, einander zu gewähren, was sie haben würden, wenn der Vertrag von Anfang an gültig gewesen wäre7. Aus der Wirkung ex nunc folgt, dass vorher vorgenommene Rechtshandlungen, wie Pfändung der Kaufpreisforderung, gegenstandslos sind. Schuldnerverzug tritt durch die formwirksame Anteilsabtretung indes nicht rückwirkend ein8.

IV. Abtretung des Geschäftsanteils (§ 15 Abs. 3) Schrifftum: Armbrüster, Zur Beurkundungsbedürftigkeit von Treuhandabreden über GmbH-Anteile, DNotZ 1997, 762; Bacher/Blumenthal, Zugriffsmöglichkeiten der Mitgesellschafter auf die GmbH-Anteile des ausscheidenden Gesellschafters, GmbHR 2007, 1016; Bayer/Illhardt, Darlegungs- und Beweislast im Recht der 1 RGZ 71, 402; RGZ 132, 287, 290; eb. Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 103. 2 BGH, GmbHR 1993, 106; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 102; Wiesner, NJW 1984, 95, 99; Sieveking, MDR 1984, 989; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 90; Reichert/ Weller, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 118; Binz/Sorg, Die GmbH & Co. KG, 11. Aufl. 2010, § 6 Rdnr. 9; Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 110; a.M. Kempermann, NJW 1991, 684. 3 Gl.M. Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 101; Jasper, in: MünchHdb. III, § 24 Rdnr. 106; a.M. OLG Kiel, SchlHA 1912, 267; Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 109. 4 Gl.M. Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 101; Rowedder/Bergmann, in: Rowedder/ Schmidt-Leithoff, Rdnr. 43. 5 Jasper, in: MünchHdb. III, § 24 Rdnr. 107. 6 Vgl. BGHZ 138, 195, 203. 7 Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 104; Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 111. 8 BGH, WM 1979, 263; eb. Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 104; Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 111.

1004

Seibt

§ 15

Übertragung von Geschäftsanteilen

GmbH, GmbHR 2011, 638; Bungert, Der internationale Anwendungsbereich von § 15 Abs. 3 und 4 GmbHG, DZWiR 1993, 494; Depping, Zur Beurkundungspflicht bei der Übertragung von Anteilen an einer ausländischen Kapitalgesellschaft, GmbHR 1994, 386; Desch, Der Erwerb von GmbH-Geschäftsanteilen zwei Jahre nach der Reform, BB 2010, 3104; Dyhr, Das Formgebot bei der Übertragung von GmbH-Geschäftsanteilen, Diss. 1998; Frenz, Einige Anmerkungen zum Verhältnis von Formzweck, Beurkundungsverfahren und Berufsrecht, in: FS Weichler, 1997, S. 175; Gätsch/Schulte, Notarielle Beurkundung bei der Veräußerung von Anteilen an ausländischen Gesellschaften mbH in Deutschland, ZIP 1999, 1909; Häsemeyer, Die gesetzliche Form des Rechtsgeschäfts, 1971; Heidenhain, Zum Umfang der notariellen Beurkundung bei der Veräußerung von Geschäftsanteilen, NJW 1999, 3073; Heidenhain, Aufgabe des Beurkundungserfordernisses beim Verkauf und der Abtretung von GmbH-Geschäftsanteilen, ZIP 2001, 721; Kanzleiter, Der Umfang der Beurkundungsbedürftigkeit bei verbundenen Rechtsgeschäften, DNotZ 1994, 275; Loritz, Rechtsfragen der notariellen Beurkundung bei Verkauf und Abtretung von GmbHGeschäftsanteilen, DNotZ 2000, 90; Merkt, Vertragsform beim Kauf von Anteilen einer ausländischen Gesellschaft, ZIP 1994, 1417; Petzold, Beurkundungspflicht bei Übertragung von GmbH-Anteilen bei gesellschaftsrechtlichen Vorgängen, GmbHR 1976, 81; Pohlmann, Verzicht auf die aufschiebende Bedingung einer GmbH-Anteilsübertragung, NJW 1999, 190; Rösler, Formbedürftigkeit der Vollmacht – Eine Darstellung nach Fallgruppen, NJW 1999, 1150; Schlüter, Veräußerung und Abtretung von GmbH-Geschäftsanteilen als Formproblem, in: FS Bartholomeyczik, 1973, S. 359; Schütze, Die Beurkundung der Übertragung von Geschäftsanteilen einer österreichischen GmbH durch einen deutschen Notar, DB 1992, 1970; Schwarz, Einige Überlegungen zum Zweck des Beurkundungserfordernisses gemäß § 15 Abs. 3 und 4 GmbHG, in: Jubiläums-FS Rheinisches Notariat, 1998, S. 371; Specks, Zur Heilung einer Geschäftsanteilsabtretung, RNotZ 2007, 418; Steindorff, Formvorschriften in Gesellschaftsverträgen, ZHR 129 (1966), 21; Wicke, Die Bedeutung der öffentlichen Beurkundung im GmbH-Recht, ZIP 2006, 977; Wiesner, Beurkundungspflicht und Heilungswirkung bei Gründung von Personengesellschaften und Unternehmensveräußerungen, NJW 1984, 95; Witt, Formbedürftigkeit und Heilung von Formmängeln bei der gleichzeitigen Einbringung von KG- und GmbH-Anteilen in eine Holding-Gesellschaft, ZIP 2000, 1033; Wolfsteiner, Der Erschwerungsfunktionär, JZ 1977, 108; Wrede, Nochmals: Zur Beurkundungspflicht bei der Übertragung von Anteilen an einer ausländischen Kapitalgesellschaft, GmbHR 1995, 365. Weitere Lit.-Nachw. vor Rdnr. 10.

1. Abtretung Das Gesetz schreibt durch § 15 Abs. 3 die notarielle Form für die Abtretung der 77 Geschäftsanteile vor. Die Abtretung ist ein Vertrag zwischen dem Anteilsinhaber und dem Erwerber, der unmittelbar den Übergang des Geschäftsanteils auf letzteren im Wege der Einzelnachfolge zum Gegenstand und zur Folge hat1. Sie ist als Verfügungsgeschäft vom schuldrechtlichen Grundgeschäft zu unterscheiden (Rdnr. 90, 47 ff.). Die Formvorschrift ist zwingend2. Sie schränkt die Umlauffähigkeit der Geschäftsanteile ein, um die Lösung der Gesellschafter aus der Mitgliedschaft und um den Handel mit Geschäftsanteilen zu erschweren (Rdnr. 5)3. Daneben dient sie der Beweiserleichterung, da die Mitgliedschaft nicht wie die Aktie 1 Roth, in: MünchKomm. BGB, 5. Aufl. 2007, § 398 BGB Rdnr. 13. 2 Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 21; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 111. 3 RGZ 68, 394, 396; RGZ 135, 70, 71; BGHZ 13, 49, 51 f.; BGHZ 75, 352, 353; BGHZ 127, 129, 135; BGH, LM § 15 Nr. 5; § 2 Nr. 7; BGH, BB 1997, 1277 f.; BGH, GmbHR 1999, 707, 709 u.a.

Seibt

1005

§ 15

Übertragung von Geschäftsanteilen

verbrieft werden kann1. Anders als § 313 BGB hat sie dagegen keine Warnfunktion2. 78

Die Vorschrift des § 15 Abs. 3 erfasst alle Abtretungen von Geschäftsanteilen, auch diejenigen an Mitgesellschafter3 oder an oder durch die GmbH selbst (Rdnr. 97). Formbedürftige Abtretungen liegen ebenfalls vor, wenn ein Geschäftsanteil, der einer Personengemeinschaft gehört, ganz oder real geteilt an einzelne Mitberechtigte (s. § 18 Rdnr. 13) oder an eine personenidentische andere Personengemeinschaft übertragen wird4. Die Abtretung kann mit einer Befristung oder unter einer aufschiebenden oder auflösenden Bedingung erfolgen (s. auch Rdnr. 91)5. Die Gesellschaft ist in diesen Fällen durch das Erfordernis zur Eintragung in die Gesellschafterliste gemäß § 16 geschützt6.

79

Der Abtretungsgegenstand muss bei § 15 Abs. 3 der Geschäftsanteil sein. Das trifft auch für die Abtretung eines ideellen Bruchteils des Geschäftsanteils (§ 747 Satz 1 BGB) zu7, während die Begründung oder Übertragung einer Unterbeteiligung nicht darunter fällt (Rdnr. 224). Geschäftsanteile, die nur teilweise abgetreten werden sollen, müssen zuvor mangels anderweitiger Satzungsbestimmungen gemäß § 46 Nr. 4 durch Gesellschafterbeschluss geteilt werden. Die Abtretung eines künftigen Geschäftsanteils unterliegt der Formvorschrift (Rdnr. 12). Sie ist darüber hinaus analog anwendbar auf die Abtretung des Bezugsrechts auf Geschäftsanteile8, auf die Vereinbarung eines Treuhandverhältnisses für einen bestehenden Geschäftsanteil und auf die Übertragung der Treugeberstellung bezüglich eines Geschäftsanteils (Rdnr. 227 ff.). Die Formvorschrift greift dagegen nicht beim Mitgliederwechsel bei Personengesellschaften oder anderen Gesamthandsgemeinschaften ein, zu deren Vermögen ein Geschäftsanteil gehört (Rdnr. 93). Ebenso wenig gilt sie für die Abtretung von vermögensrechtlichen Ansprüchen aus dem Gesellschaftsverhältnis (Rdnr. 94).

2. Form a) Inlandsbeurkundung 80

Mit „notarieller“ Form meint § 15 Abs. 3 – wie bei § 15 Abs. 4 (Rdnr. 66) – die notarielle Beurkundung, d.h. die Anfertigung einer förmlichen Niederschrift über die Abgabe der Willenserklärungen der Parteien durch den Notar und deren Unterzeichnung durch die Beteiligten (§§ 6 ff. BeurkG); die bloße Beglaubigung 1 RGZ 164, 162, 170; BGHZ 13, 49, 52; BGH, LM § 15 Nr. 5; BGH, GmbHR 1999, 707, 709; OLG Hamm, GmbHR 1984, 317, 318; OLG München, GmbHR 1994, 250, 251. 2 RGZ 135, 70, 71; BGHZ 13, 49, 51; BGH, BB 1997, 1277, 1278; BGH, GmbHR 1996, 607, 608; Schlüter, S. 360 f.; teilw. abw. Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 69 (rekurriert auch auf den Schutz beider Beteiligten); wohl auch Wicke, ZIP 2006, 977, 979 f. 3 OLG München, GmbHR 1994, 251. 4 OLG Karlsruhe, GmbHR 1995, 824, 825. 5 RGZ 79, 182, 185; BGH, GmbHR 1989, 194, 195; BGHZ 127, 129, 133; OLG Hamm, GmbHR 1997, 950; KG, GmbHR 1997, 603, 605; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 123; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 24. 6 Zum alten Recht: Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 123. 7 Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 121; Jasper, in: MünchHdb. III, § 24 Rdnr. 140. 8 Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 124; Jasper, in: MünchHdb. III, § 24 Rdnr. 139; Priester, 10. Aufl., § 55 Rdnr. 53.

1006

Seibt

§ 15

Übertragung von Geschäftsanteilen

der Unterschrift genügt nicht1. Der Formzwang bezieht sich auf den Abtretungsvertrag2, also die Abgabe der Abtretungserklärung und ihre Annahme. Es müssen demgemäß in der beurkundeten Verhandlung entweder, was die Regel ist, beide Beteiligte auftreten, Erklärungen abgeben (für den Erwerber genügt die Erklärung, dass er das vom Veräußerer Gesagte „annehme“) und die Niederschrift eigenhändig unterschreiben3, oder es müssen Vertragsangebot und Vertragsannahme gesondert beurkundet werden (§§ 128, 152 BGB)4. Das Vertragsangebot wird im letzteren Falle wirksam, wenn dem Erklärungsempfänger eine Ausfertigung der Notarurkunde zugeht (§§ 130, 132 BGB); die Parteien können aber abweichende Zugangsvoraussetzungen vereinbaren5. Mit fristgerechter Beurkundung der Annahme (§§ 151 Satz 2, 152 Satz 2 BGB) kommt der Vertrag zu Stande, auch wenn die Annahme dem Offerenten vorher nicht zugegangen ist6. Verlängerung der gesetzten Annahmefrist bedarf ebenfalls der Form7. Erklärung durch einen Bevollmächtigten ist zulässig; s. Rdnr. 95. Über die Belehrungspflicht des Notars vgl. §§ 17 ff. BeurkG. Bei einem gerichtlichen Vergleich ersetzt die Aufnahme der Vertragserklärungen in ein nach den Vorschriften der ZPO errichtetes Protokoll die in § 15 Abs. 3, 4 vorgeschriebene Form (§ 127a BGB); ebenfalls ein rechtskräftiges Urteil, das zur Abgabe der Abtretungserklärung oder der Abnahme verurteilt (§ 894 ZPO, nicht § 888 ZPO ist anwendbar)8. b) Auslandsbeurkundung Schrifttum: Albers, Kauf und Übertragung von GmbH-Anteilen im Ausland, GmbHR 2011, 1078; Albers, Kauf und Übertrtagung von Anteilen an ausländischen „Quasi-GmbH“, GmbHR 2011, 1266; Bauer/Anders, Beurkundung von GmbH-Anteilsübertragungen in der Schweiz – Rechtsfolgen einer möglichen Unwirksamkeit, BB 2012, 593; Bayer, Privatschriftliche Abtretung deutscher GmbH-Anteile in der Schweiz?, DNotZ 2009, 887; Benecke, Auslandsbeurkundung im GmbH-Recht: Anknüpfung und Substitution, RIW 2002, 280; Berger/Kleissl, Neue Unsicherheiten bei der Auslandsbeurkundung von GmbH-Geschäftsanteilen, DB 2008, 2235; Böttcher/ Blasche, Die Übertragung von Geschäftsanteilen deutscher GmbHs in der Schweiz vor dem Hintergrund der Revision des Schweizer Obligationenrechts, NZG 2006, 766; Bohrer, Geschäftsanteilsverkehr, Beschlussfassungskompetenz und Gesellschafterliste, MittBayNot 2010, 17; von Bonin, Die Corporation und die Limited Liability Company nach dem Recht des US-Staates Delaware, in: Hirte/Bücker (Hrsg.), Grenzüberschreitende Gesellschaften, 2. Aufl. 2006, § 10; Braun, Die Abtretung von Geschäftsanteilen einer GmbH im Ausland: Wirksam oder nicht?, DNotZ 2009, 585; Brück, Rechtsprobleme der Auslandsbeurkundung im Gesellschaftsrecht, DB 2004, 2409; Bungert, Die GmbH im US-amerikanischen Recht: Close Corporation, GmbHR 1993, 478; Bungert, Die GmbH im US-amerikanischen Recht: Close Corporation, 1993; Bungert, Gesellschaftsrecht in den USA, 3. Aufl. 2003; Dutta, Form follows function? – Formfragen bei Schuldverträgen über ausländische Gesellschaftsanteile, RIW 2005, 98; Engel, Die Auslandsbeurkundung nach MoMiG und Schweizer GmbH-Reform, DStR 2008, 1593; Goette, Auslandsbeurkundungen im Kapitalge1 2 3 4 5 6 7 8

RG, JW 1901, 521. BGHZ 21, 242, 247. Vgl. OLG Düsseldorf, GmbHR 1997, 742. RGZ 105, 384; OLG München, BB 1996, 1296. BGHZ 130, 71. RGZ 105, 384. RG, GmbHR 1928, 231. KG, JW 1929, 1404.

Seibt

1007

§ 15

Übertragung von Geschäftsanteilen

sellschaftsrecht, DStR 1996, 709; Goette, Auslandsbeurkundungen im Kapitalgesellschaftsrecht, in: FS Boujong, 1996, S. 131; Götze/Mörtel, Zur Beurkundung von GmbH-Anteilsübertragungen in der Schweiz, NZG 2011, 727; Großfeld/Berndt, Die Übertragung von deutschen GmbH-Anteilen im Ausland, RIW 1996, 625; Halm, GmbH-International, GmbHR 1995, 576; Herrmanns, Die Auslandsbeurkundung bei Abtretung von GmbH-Geschäftsanteilen, RNotZ 2010, 38; Herrmanns, Das Mysterium der Auslandsbeurkundung – Neues aus Düsseldorf, RNotZ 2011, 224; Janssen/ Robertz, Die Formwirksamkeit des internationalen GmbH-Unternehmenskaufs, GmbHR 2003, 433; Kindler, Neue Offenlegungspflichten für Zweigniederlassungen ausländischer Kapitalgesellschaften, NJW 1993, 3301; Kindler, Keine Geltung des Ortstatuts für Geschäftsanteilsabtretungen im Ausland, BB 2010, 74; Klein/Theusinger, Zulässigkeit der Auslandsbeurkundung für Abtretung eines GmbH-Anteils durch Notar des Kantons Basel-Stadt (Anm. zu OLG Frankfurt/M v. 25.1.2005, 11 U 8/04), EWiR 2005, 727; Kröll, Beurkundung gesellschaftsrechtlicher Vorgänge durch einen ausländischen Notar, ZGR 2000, 111; Laeger, Formwirksamkeit der Übertragung von GmbH-Anteilen in der Schweiz, BB 2010, 2647; Mankowski, Änderungen bei der Auslandsbeurkundung von Anteilsübertragungen durch das MoMiG oder durch die Rom I-VO?, NZG 2010, 201; Mayer, Der Erwerb einer GmbH nach den Änderungen des MoMiG, DNotZ 2008, 403; Maysenhölder, Verkauf von Anteilen deutscher Anteilsinhaber an einer tschechischen Gesellschaft, WiRO 2011, 65; Merkt, Vertragsform beim Kauf von Anteilen an einer ausländischen Gesellschaft, ZIP 1994, 1417; Mohr, Auslandsbeurkundungen bei der deutschen GmbH, GmbH-StB 2011, 310; Olk, OLG Düsseldorf erkennt Zulässigkeit der Auslandsbeurkundung durch Notare aus dem Kanton Basel bei Abtretung von GmbH-Geschäftsanteilen an, NZG 2011, 381; Olk/Nikoleyczik, Zulässigkeit der Auslandsbeurkundung in der Schweiz bei Verkauf und Abtretung von Geschäftsanteilen an einer deutschen GmbH, DStR 2010, 1576; Pilger, Die Unwirksamkeit der Beurkundung der Abtretung von Geschäftsanteilen in der Schweiz, BB 2005, 1285; Reichert/Weller, Geschäftsanteilsübertragung mit Auslandsberührung, DStR 2005, 250 u. 292; Reithmann, Mitwirkung des ausländischen Notars bei der Geschäftsanteilsabtretung nach dem MoMiG, GmbHR 2009, 699; Reithmann, Substitution bei Anwendung der Formvorschriften des GmbH-Gesetzes, NJW 2003, 385; Reuter, Keine Auslandsbeurkundung im Gesellschaftsrecht?, BB 1998, 116; Saenger/Scheuch, Auslandsbeurkundung bei der GmbH – Konsequenzen aus MoMiG und Reform des Schweizer Obligationenrechts, BB 2008, 65; Schervier, Beurkundung GmbH-rechtlicher Vorgänge im Ausland, NJW 1992, 593; Schlößler, Die Auswirkungen der Schweizer GmbH-Reform auf die Übertragung von Geschäftsanteilen einer deutschen GmbH in der Schweiz, GmbHR 2007, 301; Schulze, Übertragung deutscher GmbH-Anteile in Zürich und Basel, IPRax 2011, 365; Süß, Abtretung von GmbH-Geschäftsanteilen vor dem Basler Notar, DNotZ 2011, 414; Trendelenburg, Die Beurkundung von Anteilskaufverträgen und gesellschaftsrechtlichen Maßnahmen nach der Reform des Schweizer Obligationenrechts, GmbHR 2008, 644; Weller, Nochmals: Zur formwirksamen GmbH-Anteilsabtretung in der Schweiz, BB 2005, 1807; Weller, Die Übertragung von GmbH-Geschäftsanteilen im Ausland, Der Konzern 2008, 253; Wright/Holland, Neue Wege im Gesellschaftsrecht der USA: Die Limited Liability-Company (LLC) am Beispiel des Bundesstaates Georgia, NJW 1996, 95; Zabel, Die kollisionsrechtliche Qualifikation von § 15 Abs. 3 GmbHG, DZWiR 2011, 136.

81

In der Praxis werden Geschäftsanteile häufig auch im Ausland übertragen. Der Grund hierfür liegt in der Regel in – tatsächlichen oder vermeintlichen – Kostenvorteilen einer Beurkundung im Ausland. Bei der Beurteilung der Formwirksamkeit ist zu unterscheiden zwischen der kollisionsrechtlichen Frage der maßgeblichen Formvorschrift (Rdnr. 82) und der Frage, ob die Vornahme der Rechtshandlung im Ausland die ggf. maßgebliche deutsche Formvorschrift wahrt (Rdnr. 84).

1008

Seibt

§ 15

Übertragung von Geschäftsanteilen

aa) Kollisionsrechtliche Anknüpfung der Form Grundsätzlich ist für das Verfügungsgeschäft – die dingliche Übertragung der 82 Anteile – als gesellschaftsrechtlicher Vorgang das Gesellschaftsstatut maßgebend1. Für die Formwirksamkeit der dinglichen Übertragung von Gesellschaftsanteilen2 genügt aber nach Art. 11 Abs. 1 EGBGB, den die h.M. in Rechtsprechung und Literatur hier zutreffend für anwendbar hält3, neben der Einhaltung des Gesellschaftsstatuts (Art. 11 Abs. 1 Alt. 1 EGBGB, hier also § 15 Abs. 3) gemäß Art. 11 Abs. 1 Alt. 2 EGBGB auch die Einhaltung der vom ausländischen Recht vorgesehenen Form (Ortsform) (s. auch noch unten Rdnr. 88a). Etwas anderes gilt nur dann, wenn das Ortsrecht das betreffende Rechtsgeschäft nicht kennt und deshalb hierfür keine Form bereit hält (sog. Normenmangel; zu dieser Ausnahme sogleich unten Rdnr. 83). Der BGH hat über die Anwendbarkeit von Art. 11 Abs. 1 EGBGB auf die Abtretung von Gesellschaftsanteilen bis-

1 OLG Stuttgart, GmbHR 2000, 721, 724; Kindler, in: MünchKomm. BGB, 5. Aufl. 2010, IntHdlsGesR Rdnr. 555; Großfeld, in: Staudinger, IntGesR 1998, Rdnr. 258, 341; Brück, DB 2004, 2409, 2410; das (schuldrechtliche) Verpflichtungsgeschäft unterliegt demgegenüber nicht dem Gesellschaftsstatut sondern dem Schuldstatut, BGH, NJW 1996, 54, 55; BGH, NJW 1987, 1141. 2 Für gesellschaftsrechtliche Verfassungsakte (Gründung, Satzungsänderung, Kapitalerhöhung, Verschmelzung, Spaltung und formwechselnde Umwandlung) lehnt die überwiegende Meinung in Rspr. und Lit. eine Anwendung von Art. 11 Abs. 1 EGBGB und damit die Ortsform nach Art. 11 Abs. 1 Alt. 2 EGBGB wegen der besonderen materiellen Bedeutung dieser Akte ab und verlangt die Beurkundung durch einen deutschen Notar, OLG Hamm, NJW 1974, 1057 (Satzungsänderung); LG Augsburg, NJW-RR 1997, 420 (Verschmelzung); LG Kiel, GmbHR 1997, 952 = BB 1998, 120 (Verschmelzung); Goette, DStR 1996, 709; Benecke, RIW 2002, 280, 286; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, § 2 Rdnr. 9; Zöllner, in: Baumbach/Hueck, § 53 Rdnr. 75; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, § 2 Rdnr. 23; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, § 2 Rdnr. 16; Behrens, in: Ulmer, Einl. B Rdnr. 135 m.w.N.; Kindler, in: MünchKomm. BGB, 5. Aufl. 2010, IntHdlsGesR Rdnr. 557 m.w.N.; a.A. OLG Düsseldorf, NJW 1989, 2200 (Kapitalerhöhung); Ebbing, in: Michalski, § 2 Rdnr. 23; Thorn, in: Palandt, Art. 11 EGBGB Rdnr. 2, Rdnr. 10; Spellenberg, in: MünchKomm. BGB, 5. Aufl. 2010, Art. 11 EGBGB Rdnr. 172 ff.; vgl. zu dieser Streitfrage näher Anh. § 4a Rdnr. 43. 3 Sympathisierend, aber offen gelassen BGH, GmbHR 2005, 53, 54 (obiter dictum); BayObLG, BayObLGZ 1977, 242, 244 ff. = NJW 1978, 500; OLG Frankfurt a.M., DB 1981, 1456; OLG München, WM 1984, 260, 261; OLG Düsseldorf, GmbHR 1990, 169, 170; OLG München, GmbHR 1998, 46 = BB 1998, 119 = RIW 1998, 147 (bestätigt durch Nichtannahmebeschluss des BGH v. 25.11.1998 – VIII ZR 41/98, unveröffentlicht); OLG Stuttgart, GmbHR 2000, 721, 724; OLG Frankfurt a.M., OLGR Frankfurt 2005, 715 = GmbHR 2005, 764, 765 f. = EWiR § 15 GmbHG 2/05, 727 (Klein/Theusing); H. Winter, hier in diesem Kommentar, 9. Aufl., § 15 Rdnr. 39; Goette, in: FS Boujong, 1996, S. 131, 138, 142; Goette, DStR 1996, 709, 711; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 88; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 22; Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 126, 97; Behrens, in: Ulmer, Einl. B Rdnr. 137; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 138; Reichert/Weller, DStR 2005, 250, 254; Klein/Theusinger, EWiR 2005, 727 f.; Mankowski, NZG 2010, 201, 207 f.; Schulze, IPRax 2011, 365, 369: Zabel, DZWiR 2011, 136, 142 f.; a.A. Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 28; Bayer, DNotZ 2009, 887, 891; Großfeld, in: Staudinger, IntGesR 1998, Rdnr. 467 ff., 492 ff.; Großfeld/Berndt, RIW 1996, 625, 628; Süß, DNotZ 2011, 414, 415 f.; sowie (nur) für die GmbH unter Hinweis auf den Normzweck der Formvorschrift (Erschwernis des Handels mit GmbH-Anteilen) Kindler, in: MünchKomm. BGB, 5. Aufl. 2010, IntHdlsGesR Rdnr. 558; König/Götte/ Bormann, NZG 2009, 881, 882.

Seibt

1009

§ 15

Übertragung von Geschäftsanteilen

lang nicht entschieden1, neigt aber in einer Entscheidung aus 2005 ausdrücklich der h.M. zu2. Gegen die Anwendung von Art. 11 EGBGB auf die Anteilsübertragung sprechen weder Wortlaut und systematischer Standort noch der – mittlerweile ohnehin aufgehobene – Art. 37 Satz 1 Nr. 2 EGBGB3. Denn der Wortlaut des Art. 11 Abs. 1 EGBGB („ein Rechtsgeschäft“) und die amtliche Abschnittsüberschrift („Recht der natürlichen Personen und der Rechtsgeschäfte“) lassen keine Beschränkung auf bestimmte Arten von Rechtsgeschäften erkennen (Art. 37 Satz 1 Nr. 2 EGBGB a.F. bezog sich ausdrücklich auf einen anderen Unterabschnitt)4. Eine Analogie zu (jetzt) Art. 11 Abs. 4 EGBGB mit Verweis auf den Zweck der notariellen Form5 ist verfehlt, da Art. 11 Abs. 1 EGBGB gerade den Grundsatz der Formenalternativität aufstellt und ein Gesellschaftsanteil als Gesamtheit von Rechten und Pflichten weder mit einem Grundstück noch mit einer Sache (§ 90 BGB) vergleichbar ist6. Auch ändert der Normzweck von § 15 Abs. 3 und 4 nichts an ihrem Charakter als Formerfordernis im Sinne von Art. 11 Abs. 1 EGBGB7. Zwar soll die Beurkundungspflicht nicht nur der Beweissicherung dienen, sondern in der Tat auch den freien Handel mit Geschäftsanteilen erschweren8 (zum Normzweck von § 15 Abs. 3 und 4 näher oben Rdnr. 5 ff.). Eine Formvorschrift nach Art. 11 Abs. 1 EGBGB ist aber jede Norm, die die Art und Weise der Äußerung einer Willenserklärung regelt9. Das Beurkundungserfordernis für die Abtretungs- bzw. Verpflichtungserklärungen stellt also – unabhängig vom Zweck – ein derartiges Formerfordernis dar10. Eine Klassifizierung des § 15 Abs. 3 als eine streng gesellschaftsrechtlich zu qualifizierenden Norm mit vorwiegend materiellem Regelungsinhalt (oder gar eine Qualifikation als zwingend anwendbare „Eingriffsnorm“) überzeugt daher auch vor dem Hintergrund der durch den Gesetzgeber verfolgten „materiellen“ Rege-

1 Offengelassen in BGH, NJW-RR 1989, 1259, 1261. 2 Nach BGH, GmbHR 2005, 53, 54 = NZG 2005, 41, 42 (obiter) „spricht viel für die Richtigkeit“ dieser Ansicht. 3 Vgl. Goette, in: FS Boujong, 1996, S. 131, 136 f.; Goette, DStR 1996, 709, 710 f., der jedoch aus der Entstehensgeschichte und Gesetzesbegründung zur Neuregelung des IPR vom 25.7.1986 (BGBl. I 1986, 1142) die Unanwendbarkeit der Vorschrift auf gesellschaftsrechtliche Vorgänge ableiten will; dagegen überzeugend Kröll, ZGR 2000, 111, 115 f. 4 Vgl. Hohloch, in: Erman, Art. 11 EGBGB Rdnr. 11; Leible, in: Michalski, Syst. Darst. 2 Rdnr. 92. 5 AG Köln, GmbHR 1990, 171; AG Fürth, GmbHR 1991, 24; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 28. 6 Hohloch, in: Erman, Art. 11 EGBGB Rdnr. 27; Reichert/Weller, DStR 2005, 250, 254; vgl. auch Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 97; i.E. eb. Albers, GmbHR 2011, 1078, 1080; gegen jegliche Analogie, d.h. auch bei Verfassungsakten, Spellenberg, in: MünchKomm. BGB, 5. Aufl. 2010, Art. 11 EGBGB Rdnr. 172 ff. 7 So aber Kindler, in: MünchKomm. BGB, 5. Aufl. 2010, IntHdlsGesR Rdnr. 558; König/ Götte/Bormann, NZG 2009, 881, 883. 8 Insoweit zutreffend Kindler, in: MünchKomm. BGB, 5. Aufl. 2010, IntHdlsGesR Rdnr. 558; Wicke, Rdnr. 20. 9 Hierzu etwa Mäsch, in: Bamberger/Roth, BGB, Art. 11 EGBGB Rdnr. 20; Hohloch, in: Erman, Art. 11 EGBGB Rdnr. 13. 10 Vgl. Mäsch, in: Bamberger/Roth, BGB, Art. 11 EGBGB Rdnr. 20; a.A. König/Götte/Bormann, NZG 2009, 881, 883.

1010

Seibt

§ 15

Übertragung von Geschäftsanteilen

lungszwecke nicht1. Die Beeinträchtigung der mit den deutschen Formvorschriften verfolgten Zwecke durch eine leichtere ausländische Ortsform hat der Gesetzgeber bei der Schaffung von Art. 11 Abs. 1 EGBGB bewusst in Kauf genommen2. Dass damit ein gewisses Umgehungs- oder gar Fälschungsrisiko einhergeht, mag zwar zuzugeben sein3. Dieser Umstand stellt aber keine ausschließlich bei Geschäftsanteilsabtretungen bestehende Gefahr dar. Er ist vielmehr eine – vom Gesetzgeber gerade in Kauf genommene – notwendige Folge der allgemeinen Anerkennung der Formgültigkeit nach Ortsrecht im internationalen Zivilrechtsverkehr gemäß § 11 Abs. 1 EGBGB (die mit Art. 11 Abs. 1 Rom I-VO zumindest für Schuldverträge sogar europarechtlich verbürgt ist; dazu oben Rdnr. 66d). Auch der vom Gesetzgeber durch das MoMiG verfolgte Zweck der Erhöhung der Richtigkeitsgewähr muss mangels Normierung einer ausdrücklichen Ausnahme hinter der geltenden Rechtslage zurückstehen4. Ebenso ist eine wertungsmäßige Korrektur im Fall einer im Hinblick auf den Vornahmeort gefälschten privatschriftlichen Abtretungserklärung nicht angezeigt, denn die Gesellschaft ist durch die Legitimationsfunktion der Gesellschafterliste gemäß § 16 ausreichend geschützt, und den Interessen des Rechtsverkehrs ist mit dem § 16 Abs. 3 ausreichend Rechnung getragen, während die Interessen des (fälschenden) Gesellschafters nicht als schutzwürdig zu erachten sind. Fehlt ein vergleichbares Rechtsgeschäft nach dem Ortsrecht und daher auch eine 83 entsprechende Formvorschrift (sog. Normenmangel), geht Art. 11 Abs. 1 Alt. 2 EGBGB ins Leere, so dass bei der Anteilsübertragung allein das Gesellschaftsstatut gilt5. Die Frage der Vergleichbarkeit ist aus der Sicht des ausländischen Rechts zu stellen6: Es muss nämlich untersucht werden, ob die vom Ortsrecht aufgestellte Form auch für die Übertragung von deutschen GmbH-Anteilen Geltung beansprucht (sog. Substituierbarkeit). Das ist der Fall, wenn die im Ortsrecht geregelte (ausländische) Gesellschaftsform nach Funktion, rechtlichem Erfolg und inhaltlicher Ausgestaltung den wesentlichen Merkmalen einer deutschen GmbH entspricht7. Welche Gesellschaftsformen der EU-Mitgliedstaaten mit der GmbH vergleichbar sind, kann der Zwölften gesellschaftsrechtlichen Richtlinie betreffend

1 So aber König/Götte/Bormann, NZG 2009, 881, 883; Kindler, RIW 2011, 257, 259 f.; wie hier Zabel, DZWIR 2011, 136, 137 ff.; Albers, GmbHR 2011, 1078, 1080. 2 So auch Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 138. 3 Bayer weist in DNotZ 2009, 887, 894 darauf hin, dass es nach der hier vertretenen Ansicht möglich wäre, einer privatschriftlichen Abtretung eines Geschäftsanteils durch „gefälschten“ Ortszusatz scheinbare Gültigkeit zu verleihen. 4 A.A. Bayer, DNotZ 2009, 887, 894; wie hier etwa Mankowski, NZG 2010, 201, 204 ff. 5 RGZ 160, 225, 229; BayObLG, BayObLGZ 1977, 242, 244 ff. = NJW 1978, 500; OLG Frankfurt a.M., DB 1981, 1456; BGH, GmbHR 2005, 53, 54 = NZG 2005, 41, 42 (unter II.2.b); Goette, DStR 1996, 709, 711; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 87; Hueck/ Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 22 m.w.N.; Reichert/Weller, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 154; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 26; Leible, in: Michalski, Syst. Darst. 2 Rdnr. 101; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 138; Behrens, in: Ulmer, Einl. B Rdnr. 133. 6 Mankowski, NZG 2010, 201, 207. 7 Mankowski, NZG 2010, 201, 207. Aufstellungen nach Ländern finden sich bei Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Anh I zu § 4a Rdnr. 9 und Leible, in: Michalski, 1. Aufl. 2002, Syst. Darst. 2 Rdnr. 177 ff., jeweils m.w.N.

Seibt

1011

§ 15

Übertragung von Geschäftsanteilen

GmbH mit einem einzigen Gesellschafter1 entnommen werden2. Bei der kanadischen Limited (Ltd.)3 sowie bei der Limited Liability Company (LLC) der USBundesstaaten4 hat die Rechtsprechung eine Vergleichbarkeit mit der deutschen GmbH abgelehnt5, so dass die Einhaltung der Formvorschriften der Ltd. bzw. LLC bei der Übertragung deutscher GmbH-Anteile im jeweiligen Land nicht ausreichend ist; etwas anderes gilt für die in nahezu allen US-Bundesstaaten existierende Close Corporation6. Besteht keine Formenleere (d.h. kein Normenmangel), so genügt nach Art. 11 Abs. 1 Alt. 2 EGBGB gerade auch die leichtere Form für die Abtretung von GmbH-Anteilen, häufig also Schriftlichkeit, wie mittlerweile auch in der Schweiz (s. unten Rdnr. 87); in Frankreich7, Italien8, Spanien9 und Belgien10 ist sogar eine formfreie Einigung über die Übertragung möglich. Keine Frage der Ortsform und deswegen für die Formwirksamkeit der Abtretung von GmbH-Anteilen nach Art. 11 Abs. 1 Alt. 2 EGBGB unerheblich sind eine allein aus Beweis- oder Legitimierungsgründen vorgenommene notarielle Beurkundung (wie z.B. in Spanien11) oder zusätzliche gesellschaftsrechtliche Publizitätserfordernisse nach dem jeweiligen Landesrecht, wie die Übergabe von Anteilsschei1 2 3 4 5

6

7

8 9

10

11

89/667/EWG, ABl. EG Nr. L 395 v. 30.12.1989, S. 40. Kindler, NJW 1993, 3301, 3304; Winter, in: 9. Aufl., § 12 Rdnr. 41. OLG München, NJW-RR 1993, 998. Für eine (kalifornische) LLC: OLG Stuttgart, NZG 2001, 40, 43. So in der Literatur auch Halm, GmbHR 1995, 576; Wright/Holland, NJW 1996, 95, 96; Bungert, Gesellschaftsrecht in den USA, S. 47 ff. und Tabelle S. 61 ff.; typenmäßig ist die LLC vergleichbar mit einer Kommanditgesellschaft ohne persönlich haftenden Komplementär, der Sache nach also mit einer GmbH & Co. KG, vgl. v. Bonin, in: Hirte/Bücker, Grenzüberschreitende Gesellschaften, 2. Aufl. 2006, § 10 Rdnr. 111 m.w.N. Für Vergleichbarkeit Bungert, GmbHR 1993, 478; Bungert, Die GmbH im US-amerikanischen Recht – close corporation, 1993, S. 79 ff.; v. Bonin, in: Hirte/Bücker, Grenzüberschreitende Gesellschaften, 2. Aufl. 2006, § 10 Rdnr. 6; offengelassen in OLG Stuttgart, NZG 2001, 40, 43. Arlt, in: Kalss, Die Übertragung von GmbH-Geschäftsanteilen in 14 Rechtsordnungen Europas, 2003, S. 89, 97 f. m.w.N.; Karst, in: Süß/Wachter, Hdb. des internationalen GmbH-Rechts, S. 892 f. (Kap. Frankreich Rdnr. 86). Jasper, in: MünchHdb. III, § 24 Rdnr. 100; Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 97. Die Übertragung von Anteilen der spanischen Sociedad de Responsabilidad Limitada soll zwar gemäß Art. 106.1 LSC notariell beurkundet werden oder in öffentlicher Beurkundung erfolgen, die Wirksamkeit der Übertragung jedoch hängt nach einem im Januar 2012 ergangenen Urteil des spanischen Tribunal Supremo nicht von der Wahrung einer bestimmten Form ab, vgl. Sentencia del Tribunal Supremo (sala de lo Civil, Sección 1a) 258/2012, de 5 de enero de 2012. Vielmehr gilt auch in diesem Zusammenhang der allgemeine Rechtsgedanke des Art. 1278 Código Civil, der die Gültigkeit sonst wirksam geschlossener Verträge ohne Ansehung ihrer Form statuiert; a.A.: Löber/Lozano/Steinmetz, in: Wachter/Süß, Hdb. des internationalen GmbH-Rechts, 2. Aufl. 2010, S. 1683 (Kap. Spanien Rdnr. 144). Bervoets, in: Kalss, Die Übertragung von GmbH-Geschäftsanteilen in 14 Rechtsordnungen Europas, 2003, S. 141, 148; Kocks/Hennes, in: Süß/Wachter, Hdb. des internationalen GmbH-Rechts, S. 480 (Kap. Belgien Rdnr. 76). In Spanien muss die Übertragung von Anteilen der Sociedad de Responsabilidad Limitada gemäß Art. 106.1 LSC notariell beurkundet oder in einer öffentlichen Urkunde niedergelegt werden, um gegenüber der Gesellschaft Wirkung zu entfalten (Art. 112 LSC); vgl. dazu Löber/Lozano/Steinmetz, in: Wachter/Süß, Hdb. des internationalen GmbH-Rechts, 2. Aufl. 2010, S. 1683 (Kap. Spanien Rdnr. 144). Gleichzeitig kann mit einer solchen Urkunde anderen Gesellschaftern und Dritten die Gesellschafterstellung nachgewiesen werden.

1012

Seibt

§ 15

Übertragung von Geschäftsanteilen

nen1, die Zustimmung der Altgesellschafter oder die Eintragung der Übertragung in einem Anteilsbuch oder Register2 (wie z.B. in Frankreich3, Italien4 und Belgien5). Denn Formvorschriften im kollisionsrechtlichen Sinne liegen lediglich dann vor, wenn sie im Zusammenhang mit der Art und Weise der Erscheinungsform von Willenserklärungen stehen (z.B. Mündlichkeit, Schriftlichkeit, Beglaubigung, Beurkundung oder persönliche Anwesenheit)6. bb) Substitution bei Gleichwertigkeit der ausländischen Form Unabhängig von der Ortsform (Art. 11 Abs. 1 Alt. 2 EGBGB) kann eine Anteilsübertragung im Ausland gemäß Art. 11 Abs. 1 Alt. 1 EGBGB (in Verbindung mit den Grundsätzen der Substitution7) auch dadurch wirksam vorgenommen werden, dass hierbei die als Geschäftsstatut (lex societatis) anwendbare deutsche Geschäftsform nach § 15 Abs. 3 beachtet wird. Bis zu einer endgültigen Klärung durch den BGH, ob Art. 11 Abs. 1 Alt. 2 EGBGB (Ortsform) auf die Anteilsüber1 So aber OLG Stuttgart, NZG 2001, 40, 43. 2 So aber Pilger, BB 2005, 1285, 1286 (zur Ortsform in der Schweiz). 3 So ist die Schriftform in Frankreich aufgrund bestimmter Publizitätserfordernisse zwar unentbehrlich, weil bei der Société à Responsabilité Limitée (SARL) für die Erlangung der Gesellschafterstellung im Verhältnis zu der Gesellschaft (mindestens) Schriftlichkeit und im Verhältnis zu Dritten die – nur durch Hinterlegung eines schriftlichen Dokuments erzielbare – Eintragung in das Handels- und Gesellschaftsregister erforderlich ist (vgl. Art. L 223–17 i.V.m. Art. L 221–14 Code de Commerce); außerdem kann zwischen Privatleuten der Beweis für die Übertragung eines Geschäftsanteils grundsätzlich nur durch schriftliche Urkunde geführt werden. Die Wirksamkeit der Übertragung zwischen den Parteien setzt gleichwohl nur eine (mündliche) Einigung voraus, vgl. Arlt, in: Kalss, Die Übertragung von GmbH-Geschäftsanteilen in 14 Rechtsordnungen Europas, 2003, S. 89, 97 f. Die genannten Publizitätserfordernisse zählen daher nicht zu den Formvorschriften im Sinne von Art. 11 Abs. 1 Alt. 2 EGBGB, vgl. Mäsch, in: Bamberger/Roth, BGB, Art. 11 EGBGB Rdnr. 25. 4 Die für die Anteilsübertragung bei der italienischen Società a Responsabilità Limitata vorgesehene notarielle Beglaubigung einer Übertragungsurkunde (vgl. § 2470 Abs. 2 Codice Civile) ist (nur) für die Eintragung des Anteilsübergangs in das Unternehmensregister erforderlich, was Voraussetzung dafür ist, dass der Erwerber gegenüber der Gesellschaft als Anteilsinhaber gilt; die Übertragung ist aber auch ohne diese Maßnahmen zwischen den Parteien wirksam, allerdings bei fehlender Unternehmensregistereintragung mit dem Risiko eines gutgläubigen Erwerbs durch einen Dritten behaftet (vgl. § 2470 Abs. 3 Codice Civile). Auch hier handelt es sich wie bei der französischen SARL um Publizitätserfordernisse, die nicht zu den Formvorschriften im Sinne von Art. 11 Abs. 1 Alt. 2 EGBGB zählen, vgl. Mäsch, in: Bamberger/Roth, BGB, Art. 11 EGBGB Rdnr. 25. 5 Während sich auch in Belgien der Anteilsübergang durch formfreie Willensübereinstimmung vollzieht, ist die Übertragung gegenüber Dritten und der Gesellschaft erst mit der ordnungsgemäßen Eintragung im Anteilsregister wirksam (vgl. Art. 233 Z 3 i.V.m. Art. 250 Code des sociétés/Wetboek van vennootschappen), vgl. Bervoets, in: Kalss, Die Übertragung von GmbH-Geschäftsanteilen in 14 Rechtsordnungen Europas, 2003, S. 141, 149; Kocks/Hennes, in: Süß/Wachter, Hdb. des internationalen GmbH-Rechts, S. 480 (Kap. Belgien Rdnr. 76). 6 Winkler von Mohrenfels, in: Staudinger, EGBGB/IPR 2007, Art. 11 Rdnr. 100, 112; Weller, BB 2005, 1807, 1808; Mäsch, in: Bamberger/Roth, BGB, Art. 11 EGBGB Rdnr. 20, 25; näher Reichert/Weller, DStR 2005, 250, 255. 7 Dazu BGHZ 109, 1, 6; KG, NJW-RR 1997, 1094, 1095; Sonnenberger, in: MünchKomm. BGB, 5. Aufl. 2010, Einl. IPR Rdnr. 603 ff.

Seibt

1013

84

§ 15

Übertragung von Geschäftsanteilen

tragung Anwendung findet (s. oben Rdnr. 82), ist dies der für die Praxis zu empfehlende Weg. Die Wahrung der notariellen Form i.S. des § 15 Abs. 3 durch eine ausländische Urkundsperson1 (Substitution) setzt unter anderem deren funktionale Gleichwertigkeit voraus: Die Beurkundungsperson muss nach Vorbildung und Stellung im Rechtsleben eine der Tätigkeit des deutschen Notars entsprechende Funktion ausüben und beim Beurkundungsvorgang ein Verfahrensrecht beachten, das den tragenden Grundsätzen des deutschen Beurkundungsrechts entspricht2. In personeller Hinsicht erfordert dies eine vergleichbare Ausbildung und ähnliche Haftungsregelungen3. In Bezug auf das Verfahren zu berücksichtigende Faktoren sind, ob bei der ausländischen Beurkundung vergleichbare Prüfungs- und Belehrungspflichten vorgesehen sind, ob die Identität der Beteiligten festzustellen ist, ob eine Verhandlungsniederschrift anzufertigen, vorzulesen und durch die Beteiligten zu genehmigen und zu unterzeichnen ist, sowie ob durch die Urkundsperson zu siegeln und unterzeichnen ist4. Entscheidend ist aber nicht die detailgenaue Übereinstimmung der Rechtsfigur und des Verfahrens, sondern vielmehr die Frage nach der Funktionsäquivalenz5. 85

Vor diesem Hintergrund ist zunächst zu berücksichtigen, dass die Regelung des § 15 Abs. 3 im Rahmen der Übertragung von GmbH-Anteilen bezweckt, den Handel mit Geschäftsanteilen zu erschweren und die Beweisführung zu erleichtern (dazu oben Rdnr. 5 f.). Die ausländische Beurkundung ist somit gleichwertig, wenn diese Formzwecke gewährleistet werden6. So kommt es nicht vorrangig auf eine Belehrung durch die Notarsperson (§ 17 BeurkG) oder vertiefte Kenntnisse des deutschen Gesellschaftsrechts an7, da § 15 Abs. 3 – anders als etwa § 311b Abs. 1 BGB – keine Warnfunktion hat (s. oben Rdnr. 77) und § 17 Abs. 1 BeurkG als bloße Sollvorschrift ausgestaltet ist. Die Beteiligten, deren Schutz § 17 BeurkG alleine dient8, bringen durch die Beurkundung im Ausland zum Ausdruck, dass sie den nach dem ausländischen Recht vorgesehenen Beleh1 Zwar wäre eine Beurkundung durch einen deutschen Notar im Ausland formwirksam, der Wirkungskreis eines deutschen Notars ist aber nach h.M. auf das deutsche Hoheitsgebiet beschränkt, vgl. BGHZ 138, 359, 361 m.w.N.; Großfeld, in: Staudinger, IntGesR 1998, Rdnr. 471. 2 BGHZ 80, 76, 78 = NJW 1981, 1160; OLG Frankfurt a.M., OLGR Frankfurt 2005, 715 = GmbHR 2005, 764, 765 f. (m. Komm. Werner) = EWiR § 15 GmbHG 2/05, 727 (m. Anm. Klein/Theusing); Thorn, in: Palandt, EGBGB (IPR) Art. 11 Rdnr. 9 m.w.N.; Roth, in: Roth/Altmeppen, § 2 Rdnr. 23a; Reichert/Weller, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 144; Leible, in: Michalski, Syst. Darst. 2 Rdnr. 103 m.w.N.; Behrens, in: Ulmer, Einl. B Rdnr. 141; weitergehend Schervier, NJW 1992, 593, 598. 3 OLG Frankfurt a.M., GmbHR 2005, 764, 766 f.; Reichert/Weller, DStR 2005, 250, 252; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 125; a.A. Reithmann, NJW 2003, 385, 387 (entscheidend nur Gleichwertigkeit des ausländischen Verfahrens). 4 Vgl. BGHZ 80, 76, 78 = NJW 1981, 1160. 5 Vgl. BGHZ 109, 1, 6. 6 OLG Stuttgart, GmbHR 2000, 721; OLG Frankfurt a.M., GmbHR 2005, 764, 766; Weller, BB 2005, 1807, 1808 f.; Reichert/Weller, DStR 2005, 250, 252; ähnlich Reithmann, NJW 2003, 385, 388. 7 Weller, BB 2005, 1807, 1808 f.; Reichert/Weller, DStR 2005, 250, 252; Leible, in: Michalski, Syst. Darst. 2 Rdnr. 103 ff.; Behrens, in: Ulmer, Einl. B Rdnr. 142; Reichert/Weller, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 144; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 136; a.A. OLG Hamburg, EuZW 1993, 612, 613 = NJW-RR 1993, 1317, 1318 f. 8 Kröll, ZGR 2000, 111, 135 ff., 139 ff.; Behrens, in: Ulmer, Einl. B Rdnr. 142.

1014

Seibt

§ 15

Übertragung von Geschäftsanteilen

rungsumfang für ausreichend erachten und auf den Schutz der Belehrung nach § 17 BeurkG verzichten1. Der mit einer Auslandsbeurkundung häufig – aber nicht notwendigerweise (Vertretungslösungen!) – verbundene Reiseaufwand ist indes nicht geeignet, zur Begründung der Gleichwertigkeit bei Anteilsübertragungen herangezogen zu werden2, da dies weder eine Frage der Vorbildung oder Stellung der Notarsperson noch eine Frage des Beurkundungsverfahrens ist. Für die in der Praxis häufig aufgesuchte Schweiz ist die Gleichwertigkeit für den 86 jeweiligen Kanton festzustellen3. Vom BGH anerkannt wurde die Gleichwertigkeit im Kanton Zürich-Altstadt im Falle einer Satzungsänderung4. Gleichwertigkeit wird danach erst Recht für die Anteilsübertragung anzunehmen sein, da mit § 15 Abs. 3 im Gegensatz zu § 53 Abs. 2 kein Übereilungsschutz bezweckt ist5. Bejaht wurde die Gleichwertigkeit außerdem für die Beurkundung von Anteilsabtretungen in Basel-Stadt6. Ältere, die Gleichwertigkeit bejahende Urteile zu Bern7, Luzern8 und Zug9 sind für die Unternehmenspraxis nicht belastbar, da hier die Grundsätze des BGH zur Gleichwertigkeit (oben Rdnr. 84) noch nicht berücksichtigt werden konnten10. Von der instanzgerichtlichen Rechtsprechung wurde zudem die Beurkundung in Österreich11 und in den Niederlanden12 für gleichwertig befunden. In der Literatur wird Gleichwertigkeit außerdem angenommen für andere Schweizer Notare (deutschsprachige Kantone) und Notare 1 BGHZ 80, 76, 78 = NJW 1981, 1160 = GmbHR 1982, 83; Benecke, RIW 2002, 280, 285; Kröll, ZGR 2000, 111, 131 ff.; Reuter, BB 1998, 116; Goette, DStR 1996, 709, 713, der sich jedoch differenzierend bei Verfassungsakten gegen die Möglichkeit eines Verzichts der Parteien auf Belehrung durch den deutschen Notar ausspricht. 2 So Weller, BB 2005, 1807, 1809 (mit dem Hinweis, dass hierdurch der Handel mit GmbH-Anteilen gleichermaßen erschwert werde). 3 In seiner Allgemeinheit daher nicht überzeugend BGH, NJW-RR 1989, 1259, 1261. 4 BGHZ 80, 76, 78 = NJW 1981, 1160 (Satzungsänderung); zunehmend wird die Gleichwertigkeit dagegen bei statusrelevanten, d.h. in die Verfassung der Gesellschaft eingreifenden Akten (Satzungsänderungen, Umwandlungsvorgänge, etc.), abgelehnt, vgl. OLG Hamm, NJW 1974, 1057, 1058 f. (Satzungsänderung); OLG Karlsruhe, RIW 1979, 567, 568; LG Augsburg, GmbHR 1996, 941 (Verschmelzung); AG Köln, GmbHR 1990, 172 (Zustimmungsbeschluss zu Gewinnabführungsvertrag); dazu Goette, DStR 1996, 709; Goette, in: FS Boujong, 1996, S. 131; nach dem Rundschreiben 3/96 – Sonderrundschreiben vom 30.7.1996 – der Notarkammer Frankfurt am Main verweigert das AG Frankfurt am Main die Eintragung von Satzungsänderungen, wenn die Beurkundung durch einen ausländischen Notar vorgenommen worden ist; auch das AG Hamburg hat es mit Schreiben an den Präsidenten der Hamburgischen Notarkammer vom 9.2.2005 (Az. 383.0 E2) zu seiner einheitlichen Praxis erklärt, Auslandsbeurkundungen bei Satzungsänderungen und anderen in die Verfassung von Gesellschaften eingreifenden Akten nicht mehr anerkennen und die Handelsregistereintragung daher verweigern zu wollen; vgl. auch § 2 Rdnr. 18 ff. und 10. Aufl., § 53 Rdnr. 71 ff. 5 Reichert/Weller, DStR 2005, 250, 252 f.; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 135. 6 OLG München, GmbHR 1998, 46; mit ausführlicher Begründung OLG Frankfurt a.M., OLGR Frankfurt 2005, 715 = GmbHR 2005, 764, 767 (m. Anm. Werner) = EWiR § 15 GmbHG 2/05, 727 (mit zustimmender Anm. v. Klein/Theusing). 7 OLG Hamburg, IPRspr 1979, Nr. 9. 8 LG Koblenz, IPRspr 1970, Nr. 144. 9 LG Stuttgart, IPRspr. 1976, Nr. 5a. 10 Hohloch, in: Erman, Art. 11 EGBGB Rdnr. 19; Reichert/Weller, DStR 2005, 250, 253. 11 LG Kiel, GmbHR 1997, 952. 12 OLG Düsseldorf, NJW 1989, 2200, allerdings im Ergebnis offengelassen.

Seibt

1015

§ 15

Übertragung von Geschäftsanteilen

in Frankreich, Belgien, Italien sowie Spanien1. Gleichwertigkeit ist abzulehnen bei einer Beurkundung durch einen US-amerikanischen notary public, da dieser mangels juristischer Kompetenz nicht mit einem deutschen Notar vergleichbar ist2. 87

Der klassische Streit über die Gleichwertigkeit der Beurkundung der Abtretung von deutschen GmbH-Anteilen durch einen ausländischen Notar intensivierte sich in jüngerer Zeit wieder durch die durch das MoMiG eingeführten Neuerung im deutschen GmbH-Recht sowie durch die mit Gesetz vom 17.10.2007 beschlossene Reform des Schweizer GmbH-Rechts3. Dabei hatte die Gesetzesnovellierung in der Schweiz nach zutreffender Ansicht jedoch gerade keinen Einfluss auf die Beurteilung der Gleichwertigkeit einer Beurkundung durch einen Schweizer Notar4: Die mit Wirkung zum 1.1.2008 in Kraft getretene Änderung des Obligationenrechts gibt zwar das Erfordernis der öffentlichen Beurkundung für die Abtretung von GmbH-Anteilen (Art. 791 Abs. 4 OR a.F.) auf und sieht stattdessen nur noch die Schriftform vor (Art. 785 OR n.F.)5. Inhaltliche Änderungen des Notars- und Beurkundungsrechts sind damit allerdings nicht verbunden. Folglich sind Beurkundungsperson und -verfahren genauso wie bisher zu charakterisieren. Ob die ausländische Rechtsordnung für die Anteilsübertragung zwingend eine notarielle Beurkundung vorsieht oder ob eine solche lediglich freiwillig erfolgen kann, ist für die Beurteilung der Gleichwertigkeit nach deutschem Recht unerheblich. Denn bei der Frage nach der Gleichwertigkeit und der Möglichkeit einer Substitution geht es um die Wahrung der deutschen Geschäftsform; auf die ausländische Geschäftsform kommt es gerade nicht an. Gegen eine solche Gleichwertigkeit kann auch nicht ins Feld geführt werden, den Schweizer Notaren mangele es wegen des Wegfalls der Beurkundungspflicht an der notwendigen Expertise zur Errichtung formgültiger Urkunden6. Denn eine spezifische Erfahrung im Bezug auf die Übertragung von Geschäftsanteilen wird bei deren Beurkundung weder von einem deutschen noch 1 Früher allgemein für das „lateinische“ Notariat, jetzt differenzierend Bayer, in: Lutter/ Hommelhoff, Rdnr. 27, § 2 Rdnr. 19; eb. Brandes, in: Bork/Schäfer, Rdnr. 49; Reichert/ Weller, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 151; vgl. auch die Nachweise bei Brück, DB 2004, 2409, 2411; Mäsch, in: Bamberger/Roth, BGB, Art. 11 EGBGB Rdnr. 36; Janssen/ Robertz, GmbHR 2003, 434, 437. 2 OLG Stuttgart, GmbHR 2000, 721; Großfeld, in: Staudinger, IntGesR Rdnr. 472. 3 Beschluss der Bundesversammlung vom 16. Dezember 2005 zur Änderung des Obligationenrechts (GmbH-Recht sowie Anpassungen im Aktien-, Genossenschafts-, Handelsregister- und Firmenrecht), Bundesblatt 2005, S. 7289. 4 So bereits hier die 10. Aufl. und die jetzige h.M., OLG Düsseldorf, GmbHR 2011, 417, 419; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 88; Leible, in: Michalski, Syst. Darst. 2 Rdnr. 106 a.E.; Reichert/Weller, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 150; Jasper, in: MünchHdb. III, § 24 Rdnr. 99; Böttcher/Blasche, NZG 2006, 766, 768; Schlößler, GmbHR 2007, 301, 304; Olk/Nikoleyczik, DStR 2010, 1576, 1579; Laeger, BB 2010, 2647, 2651; Weller, Der Konzern 2008, 253, 258; insoweit zutreffend Saenger/Scheuch, BB 2008, 65, 67; Berger/Kleissl, DB 2008, 2235, 2238; Trendelenburg, GmbHR 2008, 644, 649. 5 Vgl. zur Gesetzesbegründung auch Ziffer 2.1.2.1 der Botschaft zur Revision des Obligationenrechts (GmbH-Recht sowie Anpassungen im Aktien-, Genossenschafts-, Handelsregister- und Firmenrecht) vom 19.12.2001, Bundesblatt 2002, S. 3148, 3184 f. 6 Braun, DNotZ 2009, 585, 588 f.; zweifelnd auch, i.E. aber wie hier Trendelenburg, GmbHR 2008, 644, 647 f.

1016

Seibt

§ 15

Übertragung von Geschäftsanteilen

von einem Schweizer Notar verlangt. Für die Gleichwertigkeit genügt es, dass die Urkundsperson nach Vorbildung und Stellung im Rechtsleben eine der Tätigkeit des deutschen Notars entsprechende Funktion inne hat und ein Verfahrensrecht beachtet, das den tragenden Grundsätzen des deutschen Beurkundungsrechts entspricht (vgl. Rdnr. 84). Zudem sieht das Schweizer Obligationenrecht auch weiterhin die Beurkundung gesellschaftsrechtlicher Rechtshandlungen vor, so dass ein Verlust der zur Beurkundung notwendigen Expertise ausgeschlossen ist1. Schwieriger zu beurteilen sind die Auswirkungen der MoMiG-Gesetzesänderun- 87a gen: So wird teilweise insbesondere die mit dem neuen § 40 Abs. 2 eingeführte Pflicht des Notars zur Einreichung einer aktualisierten Gesellschafterliste bei von ihm beurkundeten Anteilsübertragungen als die gesetzliche Begründung eines exklusiv im Inland durchzuführenden Beurkundungsverfahrens angesehen. Die einzelnen Streitpunkte haben alle die Substituierbarkeit des § 15 Abs. 3 zum Gegenstand. Ob die Möglichkeit einer Ersetzung der Beurkundung im Inland durch eine im Ausland durchgeführte Beurkundung besteht, ist in zwei Schritten zu ermitteln2: Zunächst ist zu prüfen, ob § 15 Abs. 3 überhaupt der Substitution durch ein ausländisches Rechtsinstitut zugänglich ist, es sich also um eine „offene“ Norm handelt. Erst danach kann untersucht werden, ob die beiden Beurkundungsvorgänge gleichwertig (funktionsäquivalent) sind, das heißt das Verfahren den vom BGH aufgestellten Gleichwertigkeitskriterien entspricht (vgl. Rdnr. 84). Auch seit Geltung des MoMiG ist § 15 Abs. 3 grundsätzlich weiterhin „offen“ für eine Substitution. Zwar hat das MoMiG die Gesellschafterliste zu einem Rechtsscheinträger aufgewertet und die Einreichungspflicht des Notars gemäß § 40 Abs. 2 auch zur Erhöhung der Richtigkeitsgewähr begründet3, eine „Geschlossenheit“ des § 15 Abs. 3 lässt sich daraus jedoch nicht ableiten4. Nach der Konzeption des Gesetzgebers besteht gemäß § 40 Abs. 1 eine Ausgangsverantwortung des juristisch zumeist nur laienhaft vorgebildeten Geschäftsführers für die Erstellung und Einreichung der Gesellschafterliste. Mit dieser gesetzlichen Funktionszuweisung ist der Schluss von der partiellen Handlungszuständigkeit des Notars (§ 40 Abs. 2 Satz 1) zur Unverzichtbarkeit einer deutschen Beurkun1 Vgl. Art. 821 Satz 2 OR (Auflösung einer Schweizer GmbH); Art. 780 OR (Statutenänderung bei der GmbH); Art. 634, 647, 650 OR (Sacheinlage, Statutenänderung und Kapitalerhöhung bei der AG); so auch Laeger, BB 2010, 2647, 2651; Olk/Nikoleyczik, DStR 2010, 1576, 1579; Olk, NZG 2011, 381, 383. 2 BGHZ 109, 1, 6; KG, NJW-RR 1997, 1094, 1095; Lorenz, in: Bamberger/Roth, EGBGB Einl. IPR, Rdnr. 91; Schotten/Schmellenkamp, Das internationale Privatrecht in der notariellen Praxis, 2. Aufl. 2007, Rdnr. 49a m.w.N.; vgl. auch Reichert/Weller, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 143. 3 Begr. RegE, BT-Drucks. 16/6140, S. 43. 4 Reichert/Weller, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 144; Engel, DStR 2008, 1593, 1597 f.; Weller, Der Konzern 2008, 253, 258 f.; Olk/Nikoleyczik, DStR 2010, 1576, 1579 f.; Olk, NZG 2011, 381, 382; Zabel, DZWiR 2011, 136, 142 f.; Götze/Mörtel, NZG 2011, 727, 728 f.; a.A. Kindler, BB 2010, 74, 76 f.; Kindler, RIW 2011, 257 (der sich hierzu im Einklang mit der „ganz herrschenden Meinung in der Literatur“ wähnt); Berger/Kleissl, DB 2008, 2235, 2240; wohl auch Braun, DNotZ 2009, 585, 592 f.; Bauer/Anders, BB 2012, 593, 595.

Seibt

1017

87b

§ 15

Übertragung von Geschäftsanteilen

dung wegen erhöhter Richtigkeitsgewähr nicht vereinbar1. Zudem trifft den Notar lediglich eine begrenzte Richtigkeitsgewähr, die sich in der Regel auf die zutreffende Abbildung der beurkundeten Abtretungen erstreckt; es handelt sich gerade nicht um die Abgabe eines spezifisch notariellen Zeugnisses gemäß §§ 39, 39a BeurkG2. Es leuchtet indes nicht ein, wieso eine solche wahrheitsgemäße Abbildung der Abtretungen nicht auch durch den Geschäftsführer erfolgen können sollte, zumal sich dieser mit dem nicht unerheblichen Haftungsrisiko aus § 40 Abs. 3 konfrontiert sieht. Weiterhin ist zu bedenken, dass die oft in den Mittelpunkt gerückte Erhöhung der Richtigkeitsgewähr nicht der einzige Beweggrund des Gesetzgebers bei der Novellierung des § 40 Abs. 2 war, sondern der Gedanke der Verfahrensvereinfachung eine ebenso maßgebliche Rolle spielte3. Gerade dieser Aspekt streitet für die Substituierbarkeit des Beurkundungsvorgangs durch (hinreichend qualifizerte) ausländische Notare4. Auch die Stärkung der internationalen Konkurrenzfähigkeit der GmbH, die der Gesetzgeber mit den Reformen des MoMiG bezweckte, spricht gegen eine vermeintlich intendierte Substitutionsgeschlossenheit des § 15 Abs. 35. Schließlich legt die uneindeutige Gesetzesbegründung zumindest nahe, dass der Gesetzgeber die Auslandsbeurkundung durch Novellierung des § 40 Abs. 2 nicht abschaffen wollte6. 87c

Fraglich ist daher, ob auch nach dem MoMiG von einer Gleichwertigkeit der Beurkundungsverfahren weiterhin ausgegangen werden kann. Nach der Novellierung des § 40 Abs. 2 trifft den an Veränderungen in den Personen der Gesellschafter mitwirkenden Notar nunmehr die Pflicht, eine korrigierte Gesellschafterliste zum Handelsregister einzureichen. Diese Pflicht gilt für ausländische Notare nicht7. Daraus wird teilweise gefolgert, dass keine Gleichwertigkeit der Beurkundungen mehr besteht8. Bei der Beurteilung dieser Frage muss differenziert werden: Geht man davon aus, der ausländische Notar sei grundsätzlich be1 Götze/Mörtel, NZG 2011, 727, 729; Engel, DStR 2008, 1593, 1598; Saenger/Scheuch, BB 2008, 65, 69; Weller, Der Konzern 2008, 253, 258 f.; Olk/Nikoleyczik, DStR 2010, 1576, 1579; Schockenhoff/Höder, ZIP 2006, 1841, 1845. 2 LG Gera, NotBZ 2009, 332; Mankowski, NZG 2010, 201, 203. 3 Begr. RegE, BT-Drucks. 16/6140, S. 44. 4 Götze/Mörtel, NZG 2011, 727, 729, vgl. dazu auch Berger/Kleissl, DB 2008, 2235, 2239 f. 5 Vgl. Begr. RegE, BT-Drucks. 16/6140, S. 29; wie hier Mankowski, NZG 2010, 201, 204; Götze/Mörtel, NZG 2011, 727, 729; Engel, DStR 2008, 1593, 1598; Saenger/Scheuch, BB 2008, 65, 67; Schlößler, GmbHR 2007, 301, 303; Schockenhoff/Höder, ZIP 2006, 1841, 1845. 6 Begr. RegE, BT-Drucks. 16/6140, S. 37 spricht vom Schließen der „Lücken, z.B. bei der Auslandsbeurkundung “ (Hervorhebung vom Autor) und nicht von der Auslandsbeurkundung als nunmehr geschlossener Lücke, was u.a. von Heidinger, in: Heckschen/ Heidinger, Die GmbH in der Gestaltungs- und Beratungspraxis, 2. Aufl. 2009, § 13 Rdnr. 27 verkannt wird; hierzu zu Recht krit. Braun, DNotZ 2009, 585, 592 („kryptisch“); Saenger/Scheuch, BB 2008, 65, 66 („sibylinisch“). 7 Vgl. unten 10. Aufl., § 40 Rdnr. 42; Zöllner/Noack, in: Baumbach/Hueck, § 40 Rdnr. 69; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, § 40 Rdnr. 14; Wachter, in: Bork/Schäfer, § 40 Rdnr. 33; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, § 40 Rdnr. 27; Terlau, in: Michalski, § 40 Rdnr. 27. 8 LG Frankfurt, GmbHR 2010, 96 (obiter dictum) m. zust. Komm. von Gerber, 98 u. ZIP 2010, 88, 89; Süß, DNotZ 2011, 414, 424; Reithmann, GmbHR 2009, 699, 701 (wenn nicht Gesellschafterliste eingereicht wird).

1018

Seibt

§ 15

Übertragung von Geschäftsanteilen

fugt1, die Vorgaben des § 40 Abs. 2 Satz 1 trotz nicht bestehender persönlicher Verpflichtung durch Einreichung einer aktualisierten Gesellschafterliste zu erfüllen, so stellt sich die Folgefrage, ob der Notar auch nach der die Gleichwertigkeit einer Beurkundung ohne Einreichung ablehnenden Ansicht eine solche herstellen könnte, indem er eine aktualisierte Gesellschafterliste zum Handelsregister einreicht2. Allerdings dürfte gerade Schweizer Notaren die Legalisation der erforderlichen Bescheinigung mittels schriftlicher Apostille (§ 40 Abs. 2 Satz 2) im Rahmen der elektronischen Einreichung regelmäßig nicht möglich sein3. Dieser Umstand ist jedoch für die Legitimationswirkung der Liste bedeutungslos, sollte es gleichwohl zu deren Aufnahme in das Handelsregister durch das Registergericht kommen (vgl. unten § 16 Rdnr. 23). Auch die Befugnis eines ausländischen Notars zur Einreichung einer Gesellschafterliste ist zweifelhaft: Zunächst greift beim Handeln ausländischer Notare die gesetzliche Haftung gemäß § 19 BNotO nicht4. Zudem ist nach dem Wortlaut des § 40 Abs. 2 nur derjenige Notar zur Einreichung befugt, der „anstelle“ des Geschäftsführers tätig wird. Gemeint ist also der Notar, dessen neu begründete Einreichungsverpflichtung die eigentlich dem Geschäftsführer obliegende Pflicht zur Einreichung aus § 40 Abs. 1 Satz 1 verdrängt. Eine solche Verdrängungswirkung besteht bei ausländischen Notaren wegen des Territorialprinzips indes nicht5. Schließlich verlangt die Gesellschafterliste als Grundlage der einschneidenden Folgen des § 16 nach einer rechtsklaren Zuständigkeitsregel, um das Risiko falscher oder gefälschter Gesellschafterlisten zu minimieren; vgl. dazu auch Erl. zu § 40, 11. Aufl., Bd. II. Selbst wenn jedoch die Möglichkeit der Einreichung durch einen ausländischen 87d Notar nicht besteht oder wie hier generell verneint wird, berührt dies die Gleichwertigkeit des Beurkundungsverfahrens nicht. Denn die bloße Mitteilungspflicht ist kein Bestandteil einer wirksamen Beurkundung, sondern lediglich deren „Folgeformalie“6. Sie kann daher auch keinen Einfluss auf deren Gleichwertigkeit haben7. Richtigerweise wird daher auch allgemein nicht ange1 Ob auch ausländische Notare zur Einreichung von Gesellschafterlisten befugt sind, ist sehr umstritten; bejahend, für den Fall, dass sie eine Abtretung des Geschäftsanteils wirksam beurkunden können: OLG Düsseldorf, GmbHR 2011, 417, 420 mit (zust.) Komm. von Ulrich/Marniok, 421; Löbbe, in: Ulmer, Erg.-Band MoMiG, Rdnr. 48 m.w.N.; Mankowski, NZG 2010, 201, 203; Peters, DB 2010, 97, 99; Engel, DStR 2008, 1593, 1598; Laeger, BB 2010, 2647, 2649; Berninger, GmbHR 2009, 679, 682; Mayer, DNotZ 2008, 403, 411; Desch, BB 2010, 3104, 3107; Olk/Nikoleyczik, DStR 2010, 1576, 1580; Schulze, IPRax 2011, 365, 368; a.A. Paefgen, in: Ulmer, Erg.-Band MoMiG, § 40 Rdnr. 56; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, § 40 Rdnr. 27; Zöllner/Noack, in: Baumbach/ Hueck, § 40 Rdnr. 69; Wicke, Rdnr. 20. 2 So wohl Peters, DB 2010, 97, 99; Reithmann, GmbHR 2009, 699, 701; a.A. Bohrer, MittBayNot 2010, 17, 17 f. 3 Böttcher, ZNotP 2010, 6, 9 f.; Begemann/Galla, GmbHR 2009, 1065, 1068 f.; vgl. aber auch Peters, DB 2010, 97, 99 u. Olk/Nikoleyczik, DStR 2010, 1576, 1580, die auf eine abw. Praxis der Registergerichte im süddeutschen Raum verweisen. 4 Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, § 40 Rdnr. 27. 5 Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 98; Bohrer, MittBayNot 2010, 17, 17. 6 Begr. RegE, BT-Drucks. 16/6140, S. 44. 7 So auch OLG Düsseldorf, GmbHR 2011, 417, 420 m. zust. Komm. von Ulrich/Marniok, 421; Reichert/Weller, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 144; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 22 a.E.; Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 98; Altmeppen, in: Roth/Alt-

Seibt

1019

§ 15

Übertragung von Geschäftsanteilen

nommen, dass eine Geschäftsanteilsabtretung im Inland unwirksam sei, wenn der Notar seiner Einreichungspflicht nicht nachkomme. Auch die teilweise geltend gemachte Erweiterung des Formzwecks von § 15 Abs. 3, derzufolge eine Beurkundung nur vom einreichungspflichtigen Notar gestattet sei1, ist eine Argumentation mit einer selbstgesetzten Voraussetzung: Nur wenn angenommen wird, dass Beurkundung und Erstellung bzw. Einreichung der Gesellschafterliste als einheitlicher Vorgang die Richtigkeitsgewähr erhöhen sollen, kann man auch zu dem Schluss gelangen, dass der Gesetzgeber den Formzweck des § 15 Abs. 3 auf den Schutz des Rechtsverkehrs zur Stützung der materiellen Richtigkeit der Gesellschafterliste erweitert hat. Dem gesetzlichen Regelungskonzept ist diese Verknüpfung der Zwecke von § 15 Abs. 3 und § 40 Abs. 2 jedoch nicht zu entnehmen. Hinzu kommt, dass § 16 Abs. 3 zwar an die Gesellschafterliste anknüpft, so dass den einreichenden Notar auch eine (begrenzte) Richtigkeitsgewähr trifft. Dieser Umstand hat aber gerade nicht die Pflicht des Notars zur Folge, diese bei der Beurkundung auf inhaltliche Richtigkeit zu überprüfen2. Der Beurkundungsvorgang selbst hat deshalb dieselbe Gestalt wie vor dem MoMiG. Auch geht der prozessuale Hinweis fehl, dass § 40 Abs. 2 eine beurkundungsverfahrensrechtliche Pflicht sei und das auf Beurkundungsverfahren anwendbare Recht (die lex fori) weder derogiert noch gewählt werden könne und es deshalb eines exklusiv inländischen Verfahrens bedürfe3. Denn es geht um die materiellrechtliche Frage der Formgültigkeit der Anteilsabtretung gemäß § 15 Abs. 3 und eben nicht um die (hiervon zu trennende) verfahrensrechtliche Umsetzung der „Folgeformalie“ der Mitteilung der geänderten Gesellschafterliste. Es bleibt daher auch nach Neufassung des § 40 Abs. 2 bei einer Gleichwertigkeit der Beurkundung durch solche ausländische Notare, bei denen dies bereits vor Geltung des MoMiG anerkannt war (vgl. Rdnr. 85 f.). 87e

Bis zur höchstrichterlichen Klärung dieser Frage sollte die unsichere Rechtslage jedoch von der Unternehmenspraxis in der Kosten-Nutzen-Kalkulation einer Auslandsbeurkundung als Malus berücksichtigt werden4. Zudem sollte angesichts der verbleibenden Unsicherheiten hinsichtlich der Anerkennung der Gleichwertigkeit auch bei Auslandsbeurkundungen in der Schweiz im Hinblick auf die Formulierung der Grundsätze des BGH zur Gleichwertigkeit (oben Rdnr. 86) sicherheitshalber darauf geachtet und dokumentiert werden, dass die Urkunde verlesen wird, die Haftung des Notars nicht ausgeschlossen wird und

1 2 3 4

meppen, Rdnr. 8; Mankowski, NZG 2010, 201, 204 f.; Peters, DB 2010, 97, 100; Laeger, BB 2010, 2647, 2649 f.; Olk/Nikoleyczik, DStR 2010, 1576, 1579 f.; Weller, Der Konzern 2008, 253, 258 f.; Schulze, IPRax 2011, 365, 366; a.A. LG Frankfurt, GmbHR 2010, 96 (obiter dictum) m. zust. Komm. von Gerber, 98 u. ZIP 2010, 88, 89; Süß, DNotZ 2011, 414, 424; Reithmann, GmbHR 2009, 699, 701 (wenn nicht Gesellschafterliste eingereicht wird); wohl auch Böttcher, ZNotP 2010, 6, 11; offen gelassen von König/Götte/ Bormann, NZG 2009, 881, 885. So aber Hermanns, RNotZ 2011, 224, 226 f.; wie hier Götze/Mörtel, NZG 2011, 727, 730 f.; Schulze, IPRax 2011, 365, 366 f. Vgl. unten § 40, 11. Aufl. Bd. II; OLG Düsseldorf, GmbHR 2011, 417, 419. Bohrer, MittBayNot 2010, 17, 18. A.A. offensichtlich Mohr, GmbH-StB 2011, 310, 314 („Beurkundung der Anteilsübertragung im Ausland wieder unproblematisch“).

1020

Seibt

§ 15

Übertragung von Geschäftsanteilen

nur solche Notare mit der Beurkundung betraut werden, die bereits Erfahrung mit derartigen Rechtsgeschäften haben. c) Abtretung von Geschäftsanteilen einer ausländischen GmbH Spiegelbildlich zur Frage der Übertragung von deutschen GmbH-Anteilen im 88 Ausland ist die umgekehrte Frage nach der Inlandsübertragung von Anteilen an einer ausländischen Rechtsform, die einer deutschen GmbH funktional vergleichbar ist, zu beurteilen: In einem ersten Schritt ist zu untersuchen, welches Recht über das Problem der Formbedürftigkeit der Veräußerung entscheidet (sog. Qualifikation). Die Formfrage unterliegt nach zutreffender Ansicht nicht exklusiv dem Gesellschaftsstatut, sondern ist vielmehr nach Art. 11 Abs. 1 EGBGB gesondert anzuknüpfen (dazu bereits oben Rdnr. 83)1. Damit gilt alternativ das Gesellschaftsstatut als Geschäftsrecht (Art. 11 Abs. 1 Alt. 1 EGBGB)2 oder das deutsche Recht als Ortsrecht (Art. 11 Abs. 1 Alt. 1 EGBGB)3, wobei sich die mildere Form durchsetzt4. Im Rahmen der Anwendung des deutschen Ortsrechts ist zu untersuchen, ob die Formvorschrift des § 15 Abs. 3 auch für ausländische GmbH-Anteile Geltung beansprucht (Fall der Substitution) oder ob vielmehr der allgemeine Grundsatz der Formfreiheit der Übertragung von Gesellschaftsanteilen (OHG, KG, AG, KGaA, SE) gilt5. Die Form des § 15 Abs. 3 muss nach deutschem Recht im Ergebnis (nur) gewahrt werden, wenn die ausländische Gesellschaft nach Funktion, rechtlichem Erfolg und inhaltlicher Ausgestaltung im Wesentlichen den Strukturmerkmalen einer deutschen GmbH entspricht (Funktionsäquivalenz; dazu auch oben Rdnr. 83, 84). Alternativ genügt stets die Wahrung der (zumeist weniger strengen) Formvorschriften des ausländischen Gesellschaftsstatuts. 1 Reichert/Weller, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 173; Verse, in: Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, Rdnr. 47, 67. 2 Die Maßgeblichkeit des Gesellschaftsstatuts ist unstreitig; vgl. Reichert/Weller, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 170 f.; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 21 a.E.; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 89; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 33; Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 113; Rehm, in: Eidenmüller, Ausländische Kapitalgesellschaften im deutschen Recht, 2004, § 4 Rdnr. 49; Fetsch, GmbHR 2008, 133, 135; Falkner, NZG 2008, 86, 87; Maysenhölder, WiRO 2011, 65, 66. 3 Für eine alternative Geltung des deutschen Ortsrechts die wohl überwiegende Meinung; vgl. für das schuldrechtliche Geschäft (§ 15 Abs. 4) BGH, DStR 2004, 2205, 2206 f. = NZG 2005, 41, 42 f. (obiter dictum); für das dingliche Geschäft (§ 15 Abs. 3) Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 89 m.w.N.; Reichert/Weller, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 174; Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 113; Rehm, in: Eidenmüller, Ausländische Kapitalgesellschaften im deutschen Recht, 2004, § 4 Rdnr. 49; Fetsch, GmbHR 2008, 133, 135; Brandes, in: Bork/Schäfer, Rdnr. 51; Maysenhölder, WiRO 2011, 65, 66; Verse, in: Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, Rdnr. 47, 67; Leible, in: Michalski, Syst. Darst. 2 Rdnr. 100; zweifelnd aber Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 33; a.A. Winkler v. Mohrenfels, in: Staudinger, Neubearbeitung 2007, Art. 11 EGBGB Rdnr. 310; Großfeld, in: Staudinger, IntGesR 1998, Rdnr. 500; wohl auch Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 21; der Praxis die Nutzung dieser Alternative abratend Albers, GmbHR 2011, 1267. 4 Leible, in: Michalski, Syst. Darst. 2 Rdnr. 100; Thorn, in: Palandt, § 11 EGBGB Rdnr. 11, 17. 5 Merkt, ZIP 1994, 1417, 1420; Dutta, RIW 2005, 98, 99; Leible, in: Michalski, Syst. Darst. 2 Rdnr. 100.

Seibt

1021

§ 15

Übertragung von Geschäftsanteilen

3. Inhalt 89

Inhaltlich bezieht sich der Formzwang des § 15 Abs. 3 auf alle Abreden, die Bestandteil des Abtretungsvertrages sind1. Die Auslegung der beurkundeten Erklärungen muss unzweideutig ergeben, dass der Parteiwille unmittelbar auf den Rechtsübergang abzielt; es brauchen aber weder die Worte „abtreten“ oder „übertragen“ verwendet werden, noch muss das sonst ausdrücklich gesagt sein2. „A verkauft seinen Geschäftsanteil an B“ ist genügend, falls nicht der sonstige Urkundeninhalt ergibt, dass ein sofortiger Rechtsübergang nicht stattfinden soll. Schuldrechtliches und dingliches Rechtsgeschäft fallen hier zusammen3. Wird zugleich beurkundet, dass der Kaufpreis bezahlt sei, so lässt dies den Schluss zu, dass die Parteien den Verkauf als erfüllt ansehen; die Urkunde enthält dann zugleich die dingliche Abtretung. Die Annahme kann sich ebenso aus den Umständen der Erklärungen ergeben4. Auch „Aufhebung“ eines Abtretungsvertrages bedeutet Übertragung. Gleichgültig ist, ob die Urkunde daneben oder auch in erster Linie für andere Erklärungen bestimmt ist5. Daher kann auch im Gründungsstatut die Einbringung eines Geschäftsanteils (an einer anderen GmbH) als Sacheinlage mit Abtretungswirkung erklärt werden, wobei der Beurkundungsform aus § 15 Abs. 3 die Form aus § 2 entspricht. Der Rechtsgrund der Abtretung braucht nicht mitbeurkundet zu werden, um die Abtretungswirkung zu erzielen. Es muss zweifelsfrei feststellbar sein, welcher Geschäftsanteil übergehen soll (Bestimmtheitsgrundsatz). Besitzt der Abtretende mehrere Geschäftsanteilegemäß, so ist demzufolge derjenige Anteil hinreichend genau zu bezeichnen, den er ganz oder teilweise übertragen will. Eine zusammenfassende Bezeichnung bei Abtretung mehrerer Geschäftsanteile kann genügen, wenn keine ernsthaften Zweifel am Übertragungsgegenstand bestehen6. Unzureichend ist aber eine bloß summenmäßige Angabe, wenn aus ihr nicht hinreichend klar erkennbar ist, welche seiner unterschiedlich großen Geschäftsanteile der Veräußerer übertragen wollte; unerheblich ist dabei, dass sie verhältnismäßig gleiche Rechtspositionen vermitteln. Mangelt es an der erforderlichen Bestimmtheit des Abtretungsgegenstands, so ist der Vertrag nichtig7. Die Formbedürftigkeit nach § 15 Abs. 3 steht der Wirksamkeit des Abtretungsvertrages nicht entgegen, wenn die Parteien den abgetretenen Geschäftsanteil, den sie übereinstimmend meinen, nur unrichtig bezeichnet haben8. Zu den Auswirkungen des § 16 Abs. 3 bei einer Abtretung unter unrichtiger Stückelungsbezeichnung vgl. Erl. zu § 16 Rdnr. 70 ff. Die Person des Erwerbers 1 Dazu Wiesner, S. 97. 2 RGZ 68, 397; KG, DR 1941, 1087. 3 Vgl. auch RGZ 83, 179; OLG Rostock, OLG 40, 434; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 112; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 22; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 68. 4 KG, DNotZ 1953, 255. 5 RGZ 68, 397; RG JW 1914, 250; KG, JFG 22, 216. 6 BGH, NJW-RR 1987, 807; KG, GmbHR 1997, 603, 605; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 31; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 113. 7 RG, JW 1930, 2680; RG, JW 1932, 1008; RG, GmbHRspr. IV § 15 R. 45; BGH, NZG 2010, 908; OLG Düsseldorf, MDR 1978, 668; KG, GmbHR 1997, 603, 605; OLG Brandenburg, GmbHR 1998, 935; FG Baden-Württemberg, DStRE 2010, 1443, 1444; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 22; Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 116; Reichert/Weller, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 26; Wicke, Rdnr. 13. 8 RG, GmbHRspr. IV § 15 R. 68.

1022

Seibt

§ 15

Übertragung von Geschäftsanteilen

muss im Abtretungsvertrag ebenfalls bestimmt sein1; bloß unrichtige Bezeichnung der von den Parteien gemeinten Person ist auch hier unschädlich2. Auch Nebenabreden der Abtretung (z.B. über Befristungen oder Bedingungen des Übergangs, über Gewinnansprüche u.a.), die aber von solchen des Verpflichtungsgeschäfts zu unterscheiden sind3, sind formbedürftig4. Die notarielle Urkunde hat die Vermutung der Vollständigkeit und Richtigkeit für sich5. Die Auswirkungen der Formrichtigkeit einer Nebenabrede (§ 125 Satz 1 BGB) auf den Abtretungsvertrag beurteilen sich nach § 139 BGB. Änderungen des Abtretungsvertrages unterliegen der Form des § 15 Abs. 36. Bei einer aufschiebend bedingten Abtretung kann der durch die Bedingung Alleinbegünstigte auf sie einseitig durch eine formfreie, empfangsbedürftige Erklärung verzichten7.

4. Verhältnis der Abtretung zur Verpflichtung Das dingliche Abtretungsgeschäft ist vom schuldrechtlichen Grundgeschäft zu 90 unterscheiden, das die Verpflichtung zur Abtretung begründet (s. Rdnr. 47 ff.). Es unterliegt, soweit es sich um einen verpflichtenden Vertrag (Rdnr. 48, 50) handelt, nach § 15 Abs. 4 Satz 1 ebenfalls der notariellen Form. Die gemeinsame Beurkundung beider Verträge kann deshalb in vielen Fällen aus Zeit- und Kostengründen (§ 44 KostO) zweckmäßig sein. Die Gültigkeitsmängel des Grundgeschäfts berühren im Allgemeinen nicht die Rechtswirksamkeit der Abtretung. Vielmehr ist der Erwerber dann nach Bereicherungsrecht (§§ 812, 818 BGB) zur Rückübertragung verpflichtet (Rdnr. 91). Etwas anderes gilt, wenn die Gültigkeitsmängel das Grundgeschäft und die Abtretung gleichermaßen betreffen (z.B. eine arglistige Täuschung) oder wenn die Wirksamkeit des Grundgeschäfts ausdrücklich oder stillschweigend zur Abtretungsbedingung gemacht worden ist oder wenn beide Verträge als einheitliches Geschäft i.S. des § 139 BGB gewollt sind8, was aber auch bei Aufnahme in dieselbe Urkunde noch nicht ohne weiteres angenommen werden kann9. Eine Besonderheit ergibt sich allerdings bei einem Formmangel des Grundgeschäfts, da dieser nach § 15 Abs. 4 Satz 2 durch die formgerechte und ordnungsgemäße Abtretung geheilt wird (Rdnr. 69 ff.) und 1 RG, JW 1932, 1009. 2 Unrichtig OLG Karlsruhe, Bad. Rspr. 1912, 63 u. Vogel, Anm. 6, die Formnichtigkeit annehmen, wenn in der Vertragsurkunde als Erwerber die Gesellschaft genannt, aber Abtretung an deren Alleingesellschafter gewollt war. 3 RGZ 68, 394, 397. 4 Vgl. RG, LZ 1920, 652; Rowedder/Bergmann, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 75; Jasper, in: MünchHdb. III, § 24 Rdnr. 157. OLG München, NJW 1967, 1326, 1328 nimmt zu Unrecht „bloße Einschränkungen der Haupterklärung“ aus. 5 BGH, ZIP 1998, 384, 385. 6 BGH, GmbHR 1989, 194, 195; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 73; einschr. für „unwesentliche Änderungen“ RG, DR 1940, 1292. 7 BGH, GmbHR 1989, 194, 195; KG, NZG 2001, 508; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 123; Reichert/Weller, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 32; Jasper, in: MünchHdb. III, § 24 Rdnr. 138. 8 RGZ 76, 306, 311; RGZ 79, 182, 184 f.; OLG München, BB 1996, 1296, 1297; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 140; gegen diese Möglichkeit grundsätzlich Flume, Das Rechtsgeschäft, 1965, S. 177 ff.; Roth, in: Staudinger, BGB, 2003, § 139 BGB Rdnr. 54. 9 Entgegen OLG München, BB 1996, 1296, 1297 ist dem auch kein Indiz für einen Einheitswillen zu entnehmen.

Seibt

1023

§ 15

Übertragung von Geschäftsanteilen

daher dessen Wirksamkeit nicht berühren kann1, und zwar auch nicht bei einer gemeinsamen Beurkundung der Geschäfte2.

5. Rückübertragung 91

Die Rückübertragung des Geschäftsanteils bedarf ebenfalls der Form aus § 15 Abs. 3. Dies gilt z.B., wenn bei einer Veräußerung ein Rückkauf vereinbart war. Aber auch wenn zu Sicherungs- oder Treuhandzwecken übertragen war (Rdnr. 227 ff.), fällt nach Erfüllung des Zwecks und vereinbarter Aufhebung der Treuhänderstellung der Geschäftsanteil grundsätzlich nicht von selbst an den Übertrager zurück3; anders ist es nur, wenn der Geschäftsanteil unter einer auflösenden Bedingung, z.B. der Rückzahlung des gesicherten Darlehens, abgetreten worden war4. Zweifelhaft ist jedoch, ob die Verpflichtung zur Rückübertragung gemäß § 15 Abs. 4 Satz 1 beurkundet sein muss, um zur Rückübertragung zu zwingen (Rdnr. 61).

6. Formfreie Geschäfte 92

Nur der Übergang des Geschäftsanteils durch Abtretung unterliegt der Form des § 15 Abs. 3. Die Vorschrift ist daher nicht anwendbar auf: a) Anteilsübergang ohne Abtretung

93

Dazu gehört in erster Linie der Erwerb des Geschäftsanteils im Wege der Gesamtnachfolge, die aber nur in den gesetzlich bestimmten Fällen eintritt. Außer der Erbfolge (§ 1922 BGB) kommen vor allem in Betracht: Der Übergang des Vermögens jedes Ehegatten in das Gesamtgut bei der Gütergemeinschaft (§ 1416 BGB), wobei zu beachten ist, dass auch der später durch einen von ihnen zuerworbene Geschäftsanteil ohne Übertragung gemeinschaftlich wird, sofern er nicht ausnahmsweise Vorbehaltsgut ist (§ 1418 BGB); soll aber ein Geschäftsanteil, der zum Vorbehaltsgut gehört, danach in das Gesamtgut überführt werden, so ist seine Abtretung in der Form des § 15 Abs. 3 erforderlich. Ebenso ist Gesamtnachfolge gegeben, wenn bei der Verschmelzung (§§ 2 ff. UmwG), der Spaltung (§§ 123 ff. UmwG) und der Vermögensübertragung (§§ 174 ff. UmwG) das Gesellschaftsvermögen ganz oder teilweise kraft Gesetzes übergeht; nicht hierzu ist der Formwechsel (§§ 190 ff. UmwG) zu rechnen, da sich bei ihr nur die Rechtsform der Gesellschaft ändert, der Vermögensträger aber nicht wechselt5. Zu nennen ist weiter der Erwerb des Geschäftsanteils durch dingliche Surrogati-

1 Anders kann es liegen, wenn im Abtretungszeitpunkt die Willensübereinstimmung bezüglich des Grundgeschäfts nicht mehr bestand; dazu OLG München, BB 1996, 1296, 1297 u. oben Rdnr. 71. 2 BGH, GmbHR 1983, 268; BGH, GmbHR 1989, 194, 195; BGH, GmbHR 1993, 106; BGHZ 127, 129, 132. Weitere Nachw. bei Rdnr. 72. 3 BGHZ 31, 266; BGH, WM 1955, 1447. 4 RGZ 79, 182, 185; KG, GmbHR 1997, 603, 605; Serick, Eigentumsvorbehalt und Sicherungsübereignung, Bd. II, 1, 1965, S. 472; Müller, Die Sicherungsabtretung von GmbH-Anteilen, 1969, S. 7 f.; Däubler, S. 246; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 57. 5 Eb. Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 120.

1024

Seibt

§ 15

Übertragung von Geschäftsanteilen

on (z.B. nach §§ 718 Abs. 2, 1418 Abs. 2 Nr. 3, 1473, 1638 Abs. 2, 1646, 2019, 2041, 2111 Abs. 1 BGB). Schließlich kommt in Betracht der Übergang einer gesamthänderischen Mitinhaberschaft an den Gegenständen des Sondervermögens durch die Übertragung eines Erbteils (§ 2033 BGB) oder des Gesellschaftsanteils an einer Personengesellschaft1 (vgl. dazu oben Rdnr. 50) und durch Anwachsung infolge des Eintritts oder Ausscheidens des Gesellschafters einer Personengesellschaft (§ 738 Abs. 1 Satz 1 BGB, §§ 105 Abs. 2, 161 Abs. 2 HGB) sowie der Anfall des gesamten Gesellschaftsvermögens einer Personengesellschaft an einen Gesellschafter analog § 738 Abs. 1 Satz 1 BGB durch Anwachsung2, wenn dieser auf Grund des Gesellschafts- oder des Auseinandersetzungsvertrages unter Ausschluss der Liquidation zur Übernahme des „Geschäfts“ mit Aktiven und Passiven berechtigt ist3. Wird dagegen das Gesamthandsvermögen einer Erbengemeinschaft oder einer Personengesellschaft in Natur unter deren Mitglieder verteilt und soll dabei eines von ihnen einen Geschäftsanteil erhalten, so muss das durch Abtretung in der Form des § 15 Abs. 3 geschehen (Rdnr. 78)4; dasselbe gilt, wenn der Geschäftsanteil unter die Mitglieder real aufgeteilt werden soll (s. dazu Erl. in der 10. Aufl., bei § 46 Rdnr. 64 ff.). Die Übertragung des im Wege der Zwangsvollstreckung versteigerten Geschäftsanteils erfolgt durch Hoheitsakt des Gerichtsvollziehers, auf den § 15 Abs. 3 nicht anwendbar ist; wohl aber unterliegt der gerichtlich angeordnete freihändige Verkauf der vorgeschriebenen Form5. Die Vorschrift des § 15 Abs. 3 greift ebenfalls nicht ein beim Erwerb eines kaduzierten Geschäftsanteils nach § 22 Abs. 4 und durch die GmbH bei Unverkäuflichkeit (s. Erl. zu § 23). b) Andere Abtretungsverträge Nicht unter § 15 Abs. 3 fällt die Abtretung von vermögensrechtlichen Ansprü- 94 chen des Gesellschafters, die ihm auf Grund seiner Mitgliedschaft gegen die Gesellschaft zustehen6. Entgegen der BGH-Rechtsprechung7 und der h.M. in der Literatur8 ist die Abtretung des schuldrechtlichen Anspruchs auf Übertragung 1 BGHZ 44, 229, 231; BGHZ 81, 82, 84; BGHZ 98, 48, 50; Wiedemann, S. 51 ff.; Huber, Vermögensanteil, Kapitalanteil und Gesellschaftsanteil an Personengesellschaften des Handelsrechts, 1970, S. 349 ff.; Flume, Die Personalgesellschaft, 1977, § 17; Flume, in: FS Larenz, 1973, S. 769 ff.; Karsten Schmidt, GesR, § 45 III 2. 2 BGHZ 32, 315; BGHZ 50, 309; hierzu auch ausführlich Seibt, in: FS Röhricht, 2005, S. 603 ff. 3 Zu bejahen auch für die BGB-Gesellschaft; vgl. BGHZ 32, 314 ff.; BGH, LM § 737 BGB Nr. 2; Ulmer/Schäfer, in: MünchKomm. BGB, 5. Aufl. 2009, § 738 BGB Rdnr. 11; Huber, S. 67 ff. m.w.N. 4 Eb. Feine, S. 379; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 11, 25; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 115. 5 RGZ 164, 169 ff. u. unten Rdnr. 207. 6 RGZ 82, 170; BGH, ZIP 1983, 1327; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 124; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 27 a.E. Vgl. auch oben Rdnr. 20. 7 BGHZ 75, 352, 354 ff. 8 Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 67; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 26; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 30; Rowedder/Bergmann, in: Rowedder/SchmidtLeithoff, Rdnr. 42; Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 122; Reichert/Weller, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 46; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 76; Schlüter, in: FS Bartholomeyczik, S. 359, 362 ff.; Jasper, in: MünchHdb. III, § 24 Rdnr. 160; Feine, S. 383 f.; Ganssmüller, GmbHR 1956, 44.

Seibt

1025

§ 15

Übertragung von Geschäftsanteilen

eines Geschäftsanteils grundsätzlich formfrei gültig, es sei denn, es liegt eine rechtsmissbräuchliche Gestaltung in der Weise vor, dass die Abtretung des schuldrechtlichen Übertragungsanspruchs die des Geschäftsanteils ersetzen soll1. Es ist nicht gerechtfertigt, den Wortlaut von § 15 Abs. 3 unter Hinweis auf den – im Übrigen rechtspolitisch bedenklichen – Gesetzeszweck einer Vermeidung eines spekulativen (und formlosen) Anteilshandels zu ignorieren. Zudem steht die Mehrheitsmeinung auch im Widerspruch zur BGH-Rechtsprechung, derzufolge sowohl die Abtretung des Rückübertragungsanspruchs des Treugebers an einen neuen Treuhänder2 als auch die Abtretung des Anspruchs auf Auflassung eines Grundstücks nicht formbedürftig sind3. Eine analoge Anwendung von § 15 Abs. 3 entbehrt einer gleichen Wertungsbasis, da die bloße Gläubigerstellung die Anteilsinhaberschaft weder rechtlich noch wirtschaftlich ersetzen kann und deshalb ungeeignet ist, anstelle des Geschäftsanteils als Handelsobjekt zu dienen.

7. Vollmacht zur Abtretung 95

Die Vollmacht zur Abtretung bedarf, im Gegensatz zu § 2 Abs. 2, nach der Regel des § 167 Abs. 2 BGB nicht der notariellen Form4. Dasselbe gilt für die Genehmigung (§ 182 Abs. 2 BGB) beim Abschluss durch einen vollmachtlosen Vertreter (§ 177 Abs. 1 BGB) oder durch einen Nichtberechtigten (§ 185 BGB)5. Entgegen einer früheren Auffassung6 ist die Ermächtigung zum „Kontrahieren mit sich selbst“ (§ 181 BGB) formlos gültig7. Die Form des Abtretungsvertrages (§ 15 Abs. 3) ist auch dann gewahrt, wenn eine Person als Veräußerer (oder Erwerber) für sich und zugleich für den anderen Vertragsteil die urkundlichen Erklärungen abgibt, ebenso wie auch ein Dritter allein auftreten kann, der sowohl vom Veräußerer wie vom Erwerber bevollmächtigt ist. Dagegen werden formlose Blankovollmachten, mögen sie eine Befreiung von § 181 BGB enthalten oder nicht, die zur Umsetzung von Geschäftsanteilen von Hand zu Hand gehen, als dem Zwecke des § 15 Abs. 3 widersprechend nichtig sein8. Aber selbst dann, wenn 1 So auch RGZ 80, 102 f.; RG, JW 1912, 110; RG, Recht 1917 Nr. 84; Brodmann, Anm. 3; Vogel, Anm. 5. 2 BGHZ 19, 71 f.; BGHZ 75, 352, 353; zust. Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 57; Rowedder/Bergmann, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 67; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 197 a.E. 3 RGZ 53, 268; RGZ 111, 298, 300; BGH, WM 1984, 337. 4 RGZ 87, 248; RGZ 135, 71; BGHZ 13, 51; BGHZ 19, 72; BGHZ 75, 353; BGH, BB 1997, 1277; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 85; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 23; Wicke, Rdnr. 15. 5 BGH, WM 1989, 256, 259; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 86; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 23; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 32; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 86. Erst recht gilt dies für eine Pflicht zur Genehmigung; s. BGH, GmbHR 1996, 919, 920. 6 RGZ 87, 248; RG, JW 1916, 575; eb. Brodmann, Anm. 1d; Vogel, Anm. 5. 7 So BGHZ 13, 52 f.; BGHZ 19, 72; Feine, S. 380; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 85; Hueck/ Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 23; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 86; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 32. 8 BGHZ 13, 53; BGHZ 19, 72; BGHZ 75, 353; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 85; Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 94; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 23; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 86; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 32; Rowedder/Berg-

1026

Seibt

§ 15

Übertragung von Geschäftsanteilen

die Form eingehalten ist, muss nach dem Gesetzeszweck diese Rechtsfolge eintreten1. Ob die unwiderrufliche Vollmacht zur Abtretung eines Geschäftsanteils der 96 förmlichen Beurkundung bedarf, ist zwar umstritten2, im Ergebnis aber zu verneinen. Denn im Gegensatz zur Formvorschrift des § 311b Abs. 1 BGB, die auch vor übereilten Verpflichtungen schützen soll und damit eine Warnfunktion erfüllt, ist die Bindung gegenüber dem Bevollmächtigten nach dem Zweck des § 15 Abs. 3 rechtsunerheblich, weil auch bei Bestehen dieser dem Formzweck des § 15 Abs. 3, nämlich die Einschränkung der Fungibilität von Geschäftsanteilen, Genüge getan wird.

8. Gesellschafter Der notariellen Form bedarf nach § 15 Abs. 3 die Abtretung „durch Gesellschaf- 97 ter“, also des materiell Berechtigten. „Gesellschafter“ ist diejenige Person, die ursprünglich (bei Gründung oder Kapitalerhöhung) oder kraft Gesetzes (z.B. infolge von Erbschaft oder Verschmelzung von Gesellschaften, s. Rdnr. 24 ff., 93) oder rechtsgeschäftlich einen Geschäftsanteil erworben hat, wobei es unerheblich ist, ob diese gemäß § 16 Abs. 1 in die Gesellschafterliste eingetragen ist. Bei eigenen Anteilen der GmbH unterliegt der Erwerb nach § 33 Abs. 2 ebenso wie eine Weiterabtretung dem Formzwang3. Das gilt auch für einen freihändigen Verkauf durch die GmbH im Kaduzierungsverfahren (§§ 21, 23) und im Abandonfall (§ 27)4. Der Formzwang gilt dagegen nicht bei der Übertragung eines zwangsversteigerten Geschäftsanteils kraft Hoheitsakts, wohl aber bei der Verwertung durch gerichtlich angeordneten Zwangsverkauf5. Zum Erwerb vom Nichtberechtigten vgl. Rdnr. 101 f. und Erl. zu § 16 Rdnr. 57 ff.

1

2

3

4

5

mann, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 36; Reichert/Weller, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 63; Wicke, Rdnr. 15. Schilling, JZ 1954, 635 f.; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 85 a.E.; Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 94; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 23; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 32; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 89; Rowedder/Bergmann, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 36; Jasper, in: MünchHdb. III, § 24 Rdnr. 166; Rodewald, in: GmbH-Hdb., Rdnr. I 974; a.M. Trautmann, GmbHR 1985, 78; Meyer-Landrut, Rdnr. 29. Bejahend OLG Stuttgart, DB 1989, 1817; Rösler, NJW 1999, 1150, 1153; so auch bereits R. Fischer, GmbHR 1952, 114; s. auch Trautmann, GmbHR 1985, 78 f.; verneinend RGZ 135, 70; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 85; Schlüter, S. 374; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 23; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 32; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 86; Rowedder/Bergmann, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 36; Reichert/Weller, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 62. RG, JW 1907, 370, RG, DJZ 1909, 828; KG, Recht 1907, 1898; eb. Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 129; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 29; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/ Hueck, Rdnr. 24 a.E. Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 129; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 24 a.E.; Reichert/Weller, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 50; zustimmend, in Bezug auf den freihändigen Verkauf im Rahmen der Kaduzierung jedoch zweifelnd Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 77 u. § 23 Rdnr. 11; a.M. RG, JW 1907, 370. Vgl. auch § 23 Rdnr. 17. RGZ 164, 169 ff. sowie RGZ 44, 175, 184.

Seibt

1027

§ 15

Übertragung von Geschäftsanteilen

9. Folgen formgerechter Beurkundung a) Heilung des Verpflichtungsgeschäfts und Anteilsübergang 98

Die Folgen formgerechter Beurkundung des Abtretungsvertrages sind (i) Heilung der mangelnden Form eines auf Abtretung gerichteten schuldrechtlichen Vertrags (§ 15 Abs. 4 Satz 2) und (ii) Übergang des Geschäftsanteils auf den Erwerber im Zeitpunkt der beendeten Beurkundung. Im Falle des § 15 Abs. 5 müssen freilich die „weiteren Voraussetzungen“ erst erfüllt sein. Die Wirkung der Abtretung zeigte sich früher insbesondere darin, dass, auch ohne erfolgte Anmeldung, der Veräußerer nicht mehr an einen Dritten wirksam abtreten konnte, und dass überhaupt Dritten gegenüber, ohne Rücksicht auf § 16, der Erwerber Anteilseigner war. Mit Einführung des § 16 Abs. 3 gilt dies nun nicht mehr; vielmehr kann auch der Veräußerer bei weiterbestehender Eintragung in die Gesellschafterliste nach der Abtretung einem Dritten wirksam im Wege des gutgläubigen Erwerbs bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 16 Abs. 3 Eigentum am Geschäftsanteil verschaffen sowie Pfandrechte und Nießbrauch an diesem bestellen (s. Erl. zu § 16 Rdnr. 57 ff.). Unverändert ist die Rechtslage jedoch in Bezug auf die Insolvenz des Erwerbers, denn gerät dieser in die Insolvenz, so gehört der Geschäftsanteil zur Insolvenzmasse, und der Insolvenzverwalter kann ihn veräußern. Nur im Verhältnis zur Gesellschaft gilt § 16. Sind in derselben Urkunde schuldrechtliche Abreden beurkundet und sind diese, z.B. wegen Vorliegen eines Scheingeschäfts, nichtig (§ 117 BGB), so ändert dies an der Wirksamkeit der Abtretung nichts; gleichzeitig werden die wirklich gewollten, also die formlos getroffenen, nicht die zum Schein beurkundeten Abreden wirksam1. Entsprechendes ist auch für unvollständig oder unrichtig beurkundete Verpflichtungsgeschäfte anzunehmen2. Aus § 15 Abs. 4 Satz 2 folgt zugleich, dass Änderungen und Ergänzungen des Verpflichtungsgeschäfts, die nach der formgerechten Abtretung des Geschäftsanteils vereinbart werden, formfrei wirksam sind3. Näheres dazu oben Rdnr. 69 ff. b) Selbständigkeit der Geschäftsanteile (§ 15 Abs. 2)

99

Jeder Geschäftsanteil behält seine Selbständigkeit, wenn ein Gesellschafter zu seinem bisherigen ein gleicher Rückgriff hier möglich ist (§ 28). Die Vorschrift gilt grundsätzlich für alle Fälle des Hinzuerwerbs, also auch im Falle von Kapitalerhöhung (§ 55 Abs. 3; für die Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln s. jedoch § 57h Abs. 1), durch Erbfolge usw. Die Verschmelzung mehrerer in einer Hand befindlicher Gesellschaftsanteile, die bei Beteiligungen an Personengesellschaften eintritt, findet demzufolge nicht statt, und jeder Anteil behält seinen Nennbetrag. Dies gilt selbstverständlich auch für den Fall, dass ein veräußerter Geschäftsanteil oder ein zunächst nach § 46 Nr. 4 geteilter und dann veräußerter Teil eines Geschäftsanteils an den früheren Inhaber rückübertragen wird

1 RGZ 112, 239 f.; RGZ 168, 296; BGH, NJW 1983, 1843; BGH, GmbHR 1993, 106; BGH, GmbHR 1994, 869 f.; OLG Hamburg, GmbHR 1953, 90, 91. 2 BGH, WM 1979, 1258, 1259; BGH, NJW 1983, 1843; BGH, GmbHR 1993, 106; Winter/ Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 98; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 36; a.M. OLG Düsseldorf, MDR 1978, 668. 3 RGZ 88, 65; RG, DR 1940, 1292; BGH, LM § 15 Nr. 5.

1028

Seibt

§ 15

Übertragung von Geschäftsanteilen

(Form aus § 15 Abs. 3, 5 erforderlich). Ein Teilgeschäftsanteil wird nach seiner Veräußerung ein selbständiger Anteil und bleibt dies auch, wenn er rückübertragen wird. c) Wirkungen im Verhältnis zur Gesellschaft Im Verhältnis zur Gesellschaft gilt neben dem § 15 auch § 16. Das bedeutet ins- 100 besondere, dass die Abtretung erst dann Wirkung im Verhältnis vom Neugesellschafter zur Gesellschaft entfaltet, wenn dieser in der Gesellschafterliste gemäß § 16 Abs. 1, § 40 eingetragen wurde. Im Zeitraum zwischen Abtretung und Eintragung kann dem Neugesellschafter jedoch vom Altgesellschafter eine Bevollmächtigung erteilt werden (zu deren Wirksamkeitsvoraussetzungen vgl. Rdnr. 17, 111 f.). Liegt eine solche nicht vor, so entfalten dennoch vorgenommene Rechtshandlungen jedenfalls mit unverzüglich nach diesen erfolgter Eintragung Rechtswirkung (§ 16 Abs. 1 Satz 2; vgl. dazu unten § 16 Rdnr. 45 ff.). d) Gutglaubensschutz Mit der Neufassung des § 16 durch das MoMiG und der damit verbundenen Auf- 101 wertung der Gesellschafterliste ist ein gutgläubiger Erwerb eines Geschäftsanteils nunmehr möglich. Der Gesetzgeber entsprach damit der Forderung des Schrifttums und der Praxis nach der Schaffung eines solchen Instituts zur Steigerung von Rechtssicherheit und Konkurrenzfähigkeit der GmbH gegenüber anderen Gesellschaftsformen1. Die Gesellschaft bleibt jedoch durch § 16 Abs. 1 geschützt. Nach altem Recht war ein Schutz des guten Glaubens in dem Sinne, dass auf Grund formgerechten Abtretungsvertrags der Geschäftsanteil auch dann erworben wurde, wenn er nicht dem Veräußerer gehörte oder dass dingliche Rechte am Geschäftsanteil (Pfandrechte, Nießbrauch) nicht vorhanden waren oder erloschen, nicht gegeben2. Der Zessionar wurde, sofern der Berechtigte den Erwerb nicht später gemäß § 185 Abs. 2 BGB genehmigte3, nicht Inhaber des Geschäftsanteils. Dasselbe galt, wenn der Anteil vorher kaduziert (§ 21) oder der Gesellschaft zur Verfügung gestellt (abandonniert) war (§ 27). In Bezug auf Pfandrechte und andere dingliche Belastungen am Geschäftsanteil besteht diese Rechtslage fort. Diese bleiben auch beim Erwerber bestehen, selbst wenn er die Belastung nicht kannte (vgl. Rdnr. 190a). Eine Änderung hat sich lediglich im Hinblick auf die Bestellung eines Pfandrechts am Geschäftsanteil durch einen Nichtberechtigten ergeben (vgl. Rdnr. 173). Auch nach dem MoMiG hindert ein schuldrechtlicher Veräußerungsvertrag nicht, dass später an einen Dritten wirksam abgetreten wird (s. Rdnr. 67). Der Umstand, dass ein Anteilsschein (§ 14 Rdnr. 64) ausgestellt ist, ändert an der Wirksamkeit der Abtretung generell nichts. Insbesondere kommt dem Anteilsschein kein Gutglaubensschutz zu (vgl. oben § 14 Rdnr. 64a). Auch § 405 BGB ist nicht anwendbar.

1 So schon Grau, in: FS Oberneck, 1929, S. 174; Hohner, in: FS Barz, 1974, S. 147; vgl. auch Grunewald/Gehling/Rodewig, ZIP 2006, 685, m.w.N. 2 Dazu Grau, in: FS Oberneck, 1929, S. 173; Kühn, GmbHR 1970, 201; Hohner, in: FS Barz, 1974, S. 147; Hofmann, GmbHR 1979, 97; Rodewald, GmbHR 1995, 718, jeweils m.w.N. 3 Vgl. BGH, GmbHR 1960, 45.

Seibt

1029

§ 15

Übertragung von Geschäftsanteilen

102 Zu den Einzelheiten des gutgläubigen Erwerbs nach § 16 Abs. 3 s. dort Rdnr. 57 ff. e) Nichtigkeit und Willensmängel 103 Während aus dem BGB herzuleitende Nichtigkeits- und Anfechtungsgründe für die Übernahme einer Einlage bei der Gründung oder einer Kapitalerhöhung nach deren Eintragung in das Handelsregister nur noch sehr beschränkt gelten, um die Gesellschaft insbes. im Gläubigerinteresse in ihrem Bestand zu schützen (s. § 2 Rdnr. 66, 72 ff.), gelten für die Anteilsabtretung die allgemeinen Vorschriften des BGB1. Entgegen dieser zuvor einhelligen Meinung und ohne Auseinandersetzung mit ihr wandte der BGH in einer vereinzelten Entscheidung2 „jedenfalls“ in den Fällen der Anfechtung wegen Irrtums oder arglistiger Täuschung (§§ 119 ff. BGB) und der Nichtigkeit wegen Formmangels (§ 125 BGB, § 15 Abs. 3 GmbHG) sowie sittenwidriger Übervorteilung (§ 138 BGB) die Grundsätze über die fehlerhafte Gesellschaft bei Mängeln eines Gesellschafterwechsels mit der Folge an, dass die Unwirksamkeit einer „vollzogenen Ausscheidungsvereinbarung“ (!) i.d.R. nicht zu einer rückwirkenden Wiedereinsetzung des Gesellschafters führen könne3. Diese Auffassung ist vom BGH zu Recht aufgegeben worden4. Die Annahme, dass die Rechtslage der bei einer fehlerhaften Personengesellschaft entspreche und dass die Anwendung der bürgerlich-rechtlichen Nichtigkeits- und Anfechtungsvorschriften auf die „vollzogene“ Abtretung mit deren Zweck unvereinbar sei und wegen der Rückwirkung zu „unerträglichen Ergebnissen“ führen könne, ist unzutreffend. Bei der rechtlichen Behandlung von Vertragsmängeln bei der Abtretung des Geschäftsanteils an einer GmbH besteht weder eine Gesetzeslücke noch ein gerechtfertigtes Bedürfnis für die Übernahme jener Grundsätze5. Der Bestand der Gesellschaft, dessen Schutz bei der Behandlung von Mängeln der Beteiligungserklärung bei der Gründung sowie Kapitalerhöhung ausschlaggebend (s. § 2 Rdnr. 62 ff.) und auch für die Entwicklung der Grundsätze über die fehlerhafte Gesellschaft maßgebend war, wird durch die rückwirkende Unwirksamkeit einer mangelhaften Anteils-

1 RGZ 68, 311 f.; RGZ 76, 312 f.; RGZ 77, 129; RGZ 79, 184; RG, JW 1915, 589; RG, JW 1932, 1008; RG, JW 1934, 1412; RG, DR 1943, 801; Feine, S. 392 f.; Knobbe-Keuk, ZIP 1983, 274; Grunewald, ZGR 1991, 452, 457 ff.; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 29; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 42; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 140; Rowedder/Bergmann, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 194; Lass, ZGR 1997, 401, 403 f.; vgl. im Übrigen auch Karsten Schmidt, AcP 186 (1986), 438 ff.; Karsten Schmidt, BB 1988, 1053 ff. 2 BGH, WM 1975, 512, 514. 3 Zust. OLG Hamm, GmbHR 1985, 22; OLG Hamburg, AG 1989, 327; Kuhn, WM 1976, 757; Wiesner, NJW 1984, 95, 97 f., mit unterschiedlichen Einschränkungen; s. dazu auch Henze, Handbuch zum GmbH-Recht, Rdnr. 668 ff. 4 Vgl. BGH, ZIP 1990, 371; ferner BGH, NZG 2007, 271 = GmbHR 2007, 375; BGH, NZG 2005, 263 = GmbHR 2005, 354 (für die Vorgesellschaft); BGH, ZIP 1995, 1085, 1086; OLG Frankfurt, GmbHR 1992, 666. 5 Das zeigt auch die spätere Entscheidung in BGHZ 84, 47, 49 ff., die die Frage wieder offenließ und § 16 (sinngemäß) anwendete; vgl. ferner auch BGH, WM 1989, 256; BGH, ZIP 1995, 1085, 1086.

1030

Seibt

§ 15

Übertragung von Geschäftsanteilen

abtretung nicht berührt1. Auch im Übrigen werden die Gesellschaft und die Mitgesellschafter vor den Auswirkungen der genannten Rechtsfolge auf das Gesellschaftsverhältnis völlig ausreichend durch § 16 geschützt (s. Erl. zu § 16 Rdnr. 6). Die Rückwirkungsfolge berührt daher keine Interessen der Gesellschaft, sondern betrifft nur die individualrechtlichen Beziehungen zwischen Veräußerer und Erwerber. Der Abtretungsvertrag kann daher, trotz Erfüllung der Formen aus § 15 Abs. 3, 104 5, nach BGB nichtig oder anfechtbar sein, so bei fehlender Geschäftsfähigkeit einer Vertragspartei (§§ 104 ff. BGB), bei mangelnder Bestimmtheit des Abtretungsgegenstandes (Rdnr. 89), bei Verstoß gegen ein Verbotsgesetz2, bei Sittenwidrigkeit3, bei Nichteintritt der aufschiebenden Bedingung der Abtretung oder bei Eintritt der auflösenden Bedingung (§§ 158 ff. BGB)4, nach begründeter Anfechtung (§§ 119, 142 ff. BGB)5. Da im Abtretungsfalle nur der dingliche Vertrag (§ 15 Abs. 3) den Rechtsübergang herbeiführt, kommt es i.d.R. auf Mängel des schuldrechtlichen Vertrages (§ 15 Abs. 4) nicht an. In Ausnahmefällen kann es aber anders liegen; vgl. dazu näher Rdnr. 90.

10. Folge fehlender Beurkundung Die Folge fehlender Beurkundung (oder wesentlicher Verstöße gegen die Beurkun- 105 dungsform) ist die Nichtigkeit der Abtretung (§ 125 BGB). Die formgerechte Neuvornahme hat keine rückwirkende Kraft. Daran ändert auch ein formgültiger, zur Abtretung verpflichtender Vertrag (§ 15 Abs. 4) nichts, auch nicht ausdrückliche oder stillschweigende Anerkennung des Erwerbers durch die Gesellschaft. War auch der schuldrechtliche Vertrag formungültig, so muss das auf Grund desselben hingegebene Abtretungsentgelt nach den Regeln über ungerechtfertigte Bereicherung (§§ 812 ff. BGB) zurückgegeben werden. War dagegegen der schuldrechtliche Vertrag formgültig, so kann auf Grund desselben die Mitwirkung bei der Beurkundung eines formgerechten Abtretungsvertrags erzwungen werden (§ 894 ZPO). Die Berufung auf den Formmangel ist nicht ohne weiteres arglistig oder sonstwie unbeachtlich. Der Abtretungsvertrag kann aber in besonderen Ausnahmefällen trotz des Formmangels nachträglich wirksam werden, wenn Umstände vorliegen, die es nach Treu und Glauben als untragbar erscheinen lassen, dem gewollten und tatsächlich vollzogenen Gesellschafterwechsel die Anerkennung zu versagen6. Die Treuepflicht des Gesellschafters schließt die Berufung auf den Formmangel nicht aus7. Zur Anwendung der Grundsätze über die fehlerhafte Gesell1 Zutr. RGZ 68, 310 ff.; RGZ 76, 312 f. Der BGH weicht hiervon, trotz Anerkennung der Anwendbarkeit der Grundsätze der fehlerhaften Gesellschaft auf die nichtige Übertragung von Geschäftsanteilen einer Fonds-GbR, in Bezug auf die GmbH ausdrücklich nicht ab, vgl. BGH, NZG 2010, 991, 993 f. 2 OLG Frankfurt, GmbHR 1992, 666. 3 RG, DR 1943, 801; OLG Hamm, GmbHR 1998, 984. 4 RGZ 79, 182. 5 BGH, ZIP 1990, 371. 6 Vgl. BGH, LM § 2 Nr. 7; BGH, ZIP 1995, 1089, 1090; OLG München, BB 1996, 1296, 1297; OLG Karlsruhe, WM 1971, 1035; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 67; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 92, 133; Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 128. 7 BGH, WM 1988, 1367, 1369; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 92 a.E.

Seibt

1031

§ 15

Übertragung von Geschäftsanteilen

schaft vgl. Rdnr. 103. Die Umdeutung der formungültigen Abtretung des Geschäftsanteils in eine Abtretung des Gewinnbezugsrechts und des Anspruchs auf die Liquidationsquote (§ 140 BGB) kann in Einzelfällen in Betracht kommen1. Die formgerechte Wiederholung einer ursprünglich formungültigen Abtretung gilt im Zweifel als Bestätigung i.S. von § 141 BGB, mit der Folge, dass die Parteien gemäß § 141 Abs. 2 BGB einander zu gewähren haben, was bei anfänglicher Gültigkeit der anderen Partei zugeflossen wäre.

V. Weitere Voraussetzungen der Abtretung (§ 15 Abs. 5) Schrifttum: Bunte, Die Abschließung der Kapitalgesellschaft gegen Außenstehende in den Niederlanden, Deutschland und der Schweiz, 1969; Däubler, Rechtsgeschäftlicher Ausschluss der Veräußerlichkeit von Rechten?, NJW 1968, 1117; Eder, Zustimmung zur Abtretung von GmbH-Geschäftsanteilen durch den Geschäftsführer, GmbHR 1966, 279; Ehlke, Vinkulierung bei GmbH-Kapitalerhöhungen und anderen Fällen des Gesellschaftereintritts ohne Anteilsübertragung, DB 1995, 561; Fischer, Das Recht der OHG als ergänzende Rechtsquelle zum GmbHG, GmbHR 1953, 131; Fischer, Die personalistische GmbH als rechtspolitisches Problem, in: FS W. Schmidt, 1959, S. 117; Frenzel, Nachträgliche Vinkulierung von Geschäftsanteilen, GmbHR 2008, 983; Gessler, Sicherung der Herrschaftsmacht bei Übertragung von Geschäftsanteilen, GmbHR 1974, 202; Grothus, Das Vorkaufsrecht an GmbH-Anteilen, GmbHR 1959, 24; Häger/Wilts, Kontrolle des Übergangs von Geschäftsanteilen auf Dritte bei Familienkapitalgesellschaften, WiB 1995, 409; Hänn, Beschränkung in der Veräußerung von Geschäftsanteilen der GmbH durch den Gesellschaftsvertrag, Diss. Jena 1931; Happ, Die GmbH im Prozess, 1997, S. 205 ff.; U. Huber, Vermögensanteil, Kapitalanteil und Gesellschaftsanteil an Personalgesellschaften des Handelsrechts, 1970; G. Hueck, Erwerbsvorrechte im Gesellschaftsrecht, in: FS Larenz, 1973, S. 749; Immenga, Die personalistische Kapitalgesellschaft, 1970; Knur, Die Familiengesellschaft, eine vergleichende Untersuchung der Unternehmensformen, 1941; Kowalski, Vinkulierte Geschäftsanteile – Übertragungen und Umgehungen, GmbHR 1992, 347; M. Lehmann, Die ergänzende Anwendung von Aktienrecht auf die GmbH, 1970; Limbach, Theorie und Wirklichkeit der GmbH, 1966; Loritz, Die Reichweite von Vinkulierungsklauseln in GmbH-Gesellschaftsverträgen, NZG 2007, 361; Lutter/ Grunewald, Zur Umgehung von Vinkulierungsklauseln in Satzungen von AG und GmbH, AG 1989, 109; Lutter/Grunewald, Gesellschaften als Inhaber vinkulierter Aktien und Geschäftsanteile, AG 1989, 409; K. Müller, Die Sicherungsübertragung von GmbH-Anteilen, 1969; Neukamp, Die Geschäftsanteile der Gesellschaft mit beschränkter Haftung, ZHR 57 (1906), 1; Ohr, Der Ausschluss der Abtretbarkeit von Geschäftsanteilen im Gesellschaftsvertrag der GmbH, Diss. Mainz 1967; Otto, Gesellschafterstreit und Anteilsfungibilität in der gesellschaftsrechtlichen Vertragspraxis, GmbHR 1996, 16; Pastor/Werner, Die Verbindung von Vorkaufsrecht und Genehmigungsvorbehalt bei der Übertragung von GmbH-Geschäftsanteilen, BB 1969, 1418; Reichert, Das Zustimmungserfordernis zur Abtretung von Geschäftsanteilen in der GmbH, 1984; Reichert, Folgen der Anteilsvinkulierung für Umstrukturierungen von GmbH und AG nach dem UmwG 1995, GmbHR 1995, 176; Petersen, Die personengesellschaftliche Struktur der GmbH, Diss. Kiel 1954; Saenger, Beschränkungen hinsichtlich Veräußerung und Vererbung von Geschäftsanteilen einer GmbH, RG-Praxis IV, 1929, 17; Salje, Kompetenzen des Beirats bei der Unternehmensveräußerung, ZIP 1989, 1526; Karsten Schmidt, Aktionärs- und Gesellschafterzuständigkeiten bei der Freigabe vinkulierter Aktien und Geschäftsanteile, in: FS Beusch, 1993, S. 759; Karsten Schmidt, Anteilssteuerung durch Vinkulierungsklauseln, GmbHR 2011, 1289; Schneider, Die Sicherung der Familien-GmbH vor dem Eindringen Familienfremder, GmbHR 1964, 219; Stoppel, Vinkulierungsklauseln in 1 Eb. Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 125.

1032

Seibt

§ 15

Übertragung von Geschäftsanteilen

der Vorgesellschaft und bei Umwandlung, WM 2008, 147; Transfeld, Anteilsübertragung trotz Vinkulierung – ein vermeintlicher Widerspruch, GmbHR 2010, 185; Triebner, Die Vinkulierung von Aktien und Geschäftsanteilen der GmbH, Diss. Leipzig 1929; Wiedemann, Die Übertragung und Vererbung von Mitgliedschaftsrechten bei Handelsgesellschaften, 1965; Winkler, Die Lückenausfüllung des GmbH-Rechts durch das Recht der Personengesellschaften, 1967; Wittek, Die gesellschaftsrechtliche Behandlung der Familien-GmbH, Diss. Erlangen-Nürnberg 1969; Wolany, Rechte und Pflichten des Gesellschafters einer GmbH, 1964; K. Zimmermann, Genehmigung des Geschäftsführers zur Abtretung von GmbH-Geschäftsanteilen, BB 1966, 1171. Vgl. auch die Schrifttumsnachw. vor Rdnr. 24.

1. Schuldrechtlicher Vertrag Durch eine statutarische Bestimmung kann die Wirksamkeit des schuldrecht- 106 lichen Vertrages auf Abtretung eines Geschäftsanteils nicht an weitere Voraussetzungen geknüpft werden1, solche Bestimmungen wären insoweit (d.h. „dinglich“) unbeachtlich; einer von § 15 Abs. 5 bezweckten Durchbrechung des § 137 BGB ist sowieso nur die Verfügung zugänglich. Allerdings bedeutet dies nicht, dass der schuldrechtliche Vertrag auf Anteilsabtretung (oder wirtschaftlich vergleichbare Fälle) nicht Beschränkungen durch Gesellschaftsvertrag oder anderweitige Gesellschafterabreden unterworfen werden kann, dessen Verletzung Rechtsfolgen wie Unterlassungs- oder Schadenersatzansprüche zur Folge haben können2. Zu den Gewährleistungsfolgen bei Veräußerungen entgegen auf § 15 Abs. 5 beruhenden Satzungsbestimmungen s. Rdnr. 148.

2. Dingliche Abtretung Die Abtretung der Geschäftsanteile kann, über das gesetzliche Formerfordernis 107 hinausgehend, durch den Gesellschaftsvertrag und unter Durchbrechung des § 137 BGB an weitere Voraussetzungen geknüpft werden (§ 15 Abs. 5). Bei Mehrpersonen-GmbH sind statutarische Vinkulierungsklauseln der Normbefund3. a) Regelung im Gesellschaftsvertrag Die Anordnung der Vinkulierung kann mit dinglicher Wirkung nur durch den 108 Gesellschaftsvertrag getroffen werden, während anderweitige Vereinbarungen über die Abtretbarkeit der Geschäftsanteile lediglich schuldrechtlich wirken. Es ist zulässig, eine solche Anordnung i.S. von § 15 Abs. 5 auch durch Satzungsänderung nachträglich einzuführen. Allerdings bedarf die Änderung der Zustimmung aller betroffener Gesellschafter, weil die freie Übertragbarkeit der Geschäftsanteile ein unentziehbares Mitgliedschaftsrecht ist4. Sollten in der Satzung abweichende Beschluss- und Mehrheitserfordernisse statuiert (und insofern die Anteilsübertragung erschwert) werden, bindet die betreffende Beschränkung in gleicher

1 So bereits RG, JW 1934, 1412, 1413; RGZ 159, 272, 281. 2 Insoweit zutr. Karsten Schmidt, GmbHR 2011, 1289, 1290 f. und 1296. 3 Zu empirischen Studien s. Bayer/Hoffmann/J. Schmidt, GmbHR 2007, 953 ff. – Für statutarische Musterformulierungen s. Seibt, in: MünchAnwHdb. GmbH-Recht, 2. Aufl. 2009, § 2 Rdnr. 196 ff. 4 Vgl. § 14 Rdnr. 36 m.w.N.; so auch OLG München, GmbHR 2008, 541.

Seibt

1033

§ 15

Übertragung von Geschäftsanteilen

Wertung nur diejenigen Gesellschafter, die ihr zugestimmt haben1. Die Aufhebung bzw. Abschwächung der Anordnung ist demgegenüber, wenn die Satzung nichts anderes bestimmt oder das Sonderrecht eines Gesellschafters entgegensteht (s. 10. Aufl., § 53 Rdnr. 163), mit satzungsändernder Mehrheit (§ 53 Abs. 2) möglich. 109 Das zusätzliche Abtretungserfordernis muss wegen des Zwecks der Form aus § 2 hinreichend deutlich aus der Vertragsurkunde ersichtlich sein2. Dafür genügt u.U. auch, dass es in einer primär anderen Zwecken dienenden Vorschrift inzident ausgesprochen ist oder sich aus dem Gesamtzusammenhang der statutarischen Regelung des Gesellschaftsverhältnisses ergibt3. Aus dem Bestehen einer statutarischen Nebenleistungspflicht folgt es aber im Allgemeinen noch nicht4. Ein zusätzliches Abtretungserfordernis lässt sich dagegen nicht allein aus Umständen außerhalb des urkundlich festgelegten Satzungsinhalts herleiten5. Andererseits ist aber auch die früher von der Rspr.6 vertretene Ansicht zu streng, wonach eine Satzungsbestimmung über weitere Abtretungserfordernisse „eindeutig“ sein müsse und andernfalls „nur zu der denkbar geringsten Anforderung anwendbar“ sei: Dass die dispositive Regel aus § 15 Abs. 1 eingeschränkt wird, rechtfertigt keine inhaltliche Restriktion von Klauseln mit mehrdeutigem oder unklarem Wortlaut. Die Auslegung der betreffenden Klausel ist wie auch sonst mit Rücksicht auf die Bedeutung der Satzung für Dritte, insbesondere für Gläubiger und künftige Gesellschafter, allein dadurch begrenzt, dass eine Sinndeutung, die für Außenstehende nicht erkennbar ist, nicht erfolgen darf, muss aber im Übrigen unter Ausschöpfung aller Auslegungsmittel nach Maßgabe der §§ 133, 157 BGB uneingeschränkt den Inhalt der Vereinbarung ermitteln7. b) Beschränkungen bei Abtretung anderer Rechte 110 Die Abtretung anderer Rechte, z.B. des Anspruchs auf den Gewinnanteil oder auf das Liquidationsguthaben, fällt nicht unter § 15 Abs. 58, aber der Gesellschaftsvertrag kann sie nach §§ 399, 413 BGB ausschließen oder einschränken9. Auf ein statutarisches Bezugsrecht ist dagegen § 15 Abs. 5 seinem Zweck nach analog anwendbar; soweit das Statut für die Übertragung des Geschäftsanteils 1 A.M. Frenzel, GmbHR 2008, 983, 986. 2 Eb. OLG Köln, OLGR 1992, 178; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 40; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 60. 3 Insow. zutr. Fischer, GmbHR 1953, 135; Wiedemann, S. 83; Winkler, S. 56; Limbach, S. 70, die in der Anwendung auf den Einzelfall jedoch z.T. bedenklich weit gehen; s. dazu auch Immenga, S. 82 f. Enger auch Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 216. 4 Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 40; Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 133; Ulmer, in: Ulmer, § 3 Rdnr. 103. 5 So aber Wieland II, 290 u. 325. 6 BGHZ 48, 144; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 40. 7 Zutr. RGZ 101, 247; RGZ 159, 278; RG, JW 1934, 1412; OLG Stuttgart, GmbHR 1974, 257, 259; differenzierend Reichert, S. 55; Reichert, DB 1985, 1496, 1497. Allgemein zur Auslegungsproblematik vgl. § 2 Rdnr. 33 ff. 8 BGH, DB 1983, 2513. 9 Wiedemann, S. 119; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 39; Rowedder/Bergmann, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 188; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 22.

1034

Seibt

§ 15

Übertragung von Geschäftsanteilen

weitere Voraussetzungen aufstellt, ist im Zweifel anzunehmen, dass diese sich auch auf die Bezugsrechtsabtretung beziehen sollen1. Zur Begründung, Änderung und Aufhebung von Treuhandstrukturen s. Rdnr. 234. c) Umgehungsgeschäfte und Change of Control-Fälle Die statutarischen Abtretungsbeschränkungen erfassen auch Umgehungsge- 111 schäfte2. Es ist nach dem Inhalt und Zweck der betreffenden Klausel zu entscheiden, ob eine Gestaltung als unzulässige Umgehung zu werten ist3. Dazu gehören regelmäßig Treuhandverträge über Geschäftsanteile, die auch dann, wenn sie nicht mit einer Anteilsübertragung verbunden sind, einem statutarischen Genehmigungserfordernis unterliegen (hierzu Rdnr. 234) und ohne Zulassung der Gesellschafter nicht wirksam mit Dritten geschlossen werden können, die die statutarisch vorgeschriebenen Eigenschaften nicht aufweisen (Rdnr. 229, 116)4. Ebenso sind Stimmbindungsverträge, die den Gesellschafter dauerhaft verpflichten, nach den Interessen und Weisungen eines anderen abzustimmen, im Falle der Vinkulierung der Geschäftsanteile regelmäßig nur mit Zustimmung des zuständigen Organs (Rdnr. 121 ff.) rechtswirksam, wenn sie mit Personen abgeschlossen werden, für die die Satzung den Anteilserwerb von diesem Erfordernis abhängig macht5. Eine Stimmrechtsvollmacht, die nicht als verdeckte Stimmrechtsabspaltung unzulässig ist (Rdnr. 17), unterliegt dagegen im Allgemeinen nicht der Vinkulierungsklausel, auch wenn sie nicht nur für einzelne Beschlussgegenstände und für eine kurze Dauer erteilt ist6; anders liegt es, wenn sie nach den Gesamtumständen lediglich als Mittel dazu dient, dem Bevollmächtigten wirtschaftlich die Stellung eines Anteilserwerbers zu verschaffen (Rdnr. 106 a.E.)7. Die Umgehung der statutarischen Vinkulierung führt zur schwebenden Unwirksamkeit des Treuhandvertrages (s. Rdnr. 236), des Stimmbindungsvertrages o.Ä.8; Beschlüsse, die mit Stimmen Nichtberechtigter gefasst werden, sind anfechtbar9. 1 Zust. Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 39; Jasper, in: MünchHdb. III, § 24 Rdnr. 183. 2 Eingehend dazu Lutter/Grunewald, AG 1989, 109 ff.; Kowalski, GmbHR 1992, 347 ff.; Liebscher, ZIP 2003, 825. 3 Vgl. OLG Köln, GmbHR 1993, 103 betr. eine Kettenübertragung im Familienkreis; s. auch Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 250; Jasper, in: MünchHdb. III, § 24 Rdnr. 194 ff. 4 Eb. BGH, ZIP 2008, 1683, 1684; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 251; Bayer, in: Lutter/ Hommelhoff, Rdnr. 80; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 112; zurückhaltend aber OLG Hamm, GmbHR 1993, 656, 658; a.M. in Bezug auf die statutarischen Anforderungen an die Person des Gesellschafters Reichert/Weller, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 222; insgesamt abw. Transfeld, GmbHR 2010, 185, 189. 5 So mit Unterschieden in Einzelheiten RGZ 69, 134, 136 f.; Lutter/Grunewald, AG 1989, 109, 111 ff.; Wiedemann, S. 119; Koppensteiner, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, § 47 Rdnr. 30; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 80; Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 165; Jasper, in: MünchHdb. III, § 24 Rdnr. 195; Liebscher, ZIP 2003, 825, 826; a.M. Zöllner, in: Baumbach/Hueck, § 47 Rdnr. 113 a.E.; Transfeld, GmbHR 2010, 185, 189, der jedoch die in Frage stehende Konstellation zu stark auf Rechtsschutzmöglichkeiten reduziert. 6 Zu weitgehend Lutter/Grunewald, AG 1989, 109, 113; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 80. 7 Vgl. RGZ 132, 149, 158 f.; BGH, NJW 1987, 780. 8 BGH, GmbHR 2006, 875; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 253; Lutter/Grunewald, AG 1989, 109, 110. 9 Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 253 a.E.; Lutter/Grunewald, AG 1989, 109, 114.

Seibt

1035

§ 15

Übertragung von Geschäftsanteilen

111a Statutarische Vinkulierungsklauseln können z.B. auch dadurch umgangen werden, dass die Anteile an dem den vinkulierten Geschäftsanteil innehabenden Gesellschafter veräußert werden (oder ein Dritter durch Kapitalerhöhung an diesem Gesellschafter beteiligt wird) oder – bei Zulässigkeit konzerninterner Anteilsübertragungen – ein Dritter in eine Zwischenholding eintritt, in die der vinkulierte Geschäftsanteil zunächst zustimmungsfrei übertragen worden ist. Zur Unterbindung solcher Change of Control-Fälle kann im Gesellschaftsvertrag der vinkulierten Gesellschaft kein (dinglich wirkendes) Zustimmungserfordernis für die Abtretung von Anteilen an der beteiligten Gesellschaft vorgesehen werden (arg. § 137 Satz 1 BGB)1. Ein dinglich wirkender Vinkulierungsschutz kann nur in der Satzung der beteiligten Gesellschaft selbst verankert werden, was indes weiterhin voraussetzt, dass der vinkulierten Gesellschaft oder den Mitgesellschaftern oder einem von diesen eine Beteiligung an dieser Gesellschaft eingeräumt wird2. Allerdings können im Gesellschaftsvertrag der vinkulierten Gesellschaft für den Eintritt eines Change von Control-Falls die Einziehung der betreffenden Geschäftsanteile, eine Andienungsverpflichtung des betreffenden Gesellschafters, Ankaufsrechte der übrigen Mitgesellschafter oder bedingte Anteilsabtretungen (verlängerte Konzernklauseln) vorgesehen werden; daneben werden häufig auch – rein schuldrechtlich wirkende – Vereinbarungen zwischen den Gesellschaftern der vinkulierten Gesellschaft und den Gesellschafter-Gesellschaftern geschlossen. Ob der Gesellschaftsvertrag die Gesellschaft und ihre Gesellschafter vor dem Eintritt solcher Change of Control-Fälle schützt ist durch Satzungsauslegung zu ermitteln, wobei neben dem Wortlaut der einzelnen Satzungsbestimmungen auch das Normengefüge des Gesellschaftsvertrags zum Gesellschafterbestand insgesamt (z.B. Vinkulierungsklausel, Regelungen zu Kapitalerhöhungen mit Bezugsrechtsausschluss, Regelungen für den Todesfall, Austritts- und Ausschlussrechte) und die Realstruktur der Gesellschaft zu berücksichtigen sind. Die Abwesenheit ausdrücklicher Satzungsbestimmungen für Change of Control-Fälle spricht in der Regel ebenso für die zustimmungsfreie Zulässigkeit solcher Sachverhalte3 wie auch die Zulassung reiner Holdinggesellschaften zur vinkulierten Gesellschaft, deren gesamtes oder nahezu gesamtes Vermögen aus eben dem vinkulierten Geschäftsanteil besteht4. Ergibt die Satzungsauslegung, dass die Vinkulierungsbestimmung i.S. von § 15 Abs. 5 auch in Change of Control-Fällen eingreifen soll, so führt ein Verstoß wegen § 137 Satz 1 BGB i.d.R. nicht zur Unwirksamkeit der Übertragung der Anteile an der beteiligten Gesellschaft, es sei denn, das Umgehungsgeschäft ist nach § 138 BGB als sittenwidrig einzustufen5. Allerdings kann ein Ausschluss des be-

1 Eb. Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 255; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 110 ff.; Lutter/Grunewald, AG 1989, 409, 412; Schmitz, in: FS Wiedemann, S. 1223, 1239; Transfeld, GmbHR 2010, 185, 188 f.; Loritz, NZG 2007, 361, 367. 2 Eb. Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 255. 3 A.M. Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 257. 4 Eb. OLG Naumburg, NZG 2004, 775, 779; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 257; Lutter/ Grunewald, AG 1989, 409, 410; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 111; Reichert/ Weller, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 371; Liebscher, ZIP 2003, 825, 829 ff.; Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 167; Transfeld, GmbHR 2010, 185, 188. 5 Eb. Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 259; Lutter/Grunewald, AG 1989, 409, 410; weitergehend Liebscher, ZIP 2003, 825, 831 f. (Evidenz des Pflichtverstoßes ist für Unwirksam-

1036

Seibt

§ 15

Übertragung von Geschäftsanteilen

treffenden Gesellschafters oder eine Einziehung der von ihm gehaltenen Geschäftsanteile in Betracht kommen, wenn bei Gesamtabwägung aller Umstände des Einzelfalls eine schwerwiegende Satzungs- bzw. Treuepflichtverletzung vorliegt1. Ansonsten haben die Mitgesellschafter bzw. die vinkulierte Gesellschaft Schadensersatz- und Unterlassungsansprüche wegen Verletzung der Satzung bzw. von (mittelbaren) Treuepflichten. Unterlassungsansprüche können auch im Wege des einstweiligen Rechtschutzes durchgesetzt werden2. d) Keine Geltung bei Verwertung des Geschäftsanteils durch Zwangsvollstreckung Keine Geltung haben die statutarischen Abtretungsbeschränkungen in der Regel 112 bei der Verwertung des Geschäftsanteils durch Zwangsvollstreckung (Rdnr. 202) und in der Insolvenz (Rdnr. 254). Die Abschließungsinteressen der Gesellschafter können in diesen Fällen aber in anderer Weise geregelt werden (Rdnr. 202 ff., 254). e) Gesetzlicher Übergang des Geschäftsanteils Die statutarischen Abtretungsbeschränkungen hindern im Allgemeinen nicht 113 den gesetzlichen Übergang des Geschäftsanteils im Wege der Gesamtrechtsnachfolge. §§ 399 Alt. 2, 412, 413 BGB sind insoweit nicht entsprechend anwendbar3. Außer bei der Erbfolge, die in § 15 Abs. 1 besonders hervorgehoben ist (Rdnr. 24 ff.), gilt das insbesondere für den Vermögensübergang nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 UmwG bei der Verschmelzung4, nach § 131 Abs. 1 Nr. 1 UmwG bei der Aufspaltung5 sowie nach §§ 176 Abs. 3, 177 Abs. 2 UmwG bei der Voll- oder der aufspaltenden Teilübertragung des Vermögens einer Kapitalgesellschaft und für den Anfall des Vermögens einer Personengesellschaft an den letzten verbliebenen Gesellschafter analog § 738 Abs. 1 Satz 1 BGB durch Anwachsung (Rdnr. 93)6. Nach der Aufhebung von § 132 UmwG durch das 2. UmwGÄndG in 2007 hindert eine

1 2

3

4

5

6

keit ausreichend); a.M. Kowalski, GmbHR 1992, 347, 353; H. Winter, hier in diesem Kommentar, 9. Aufl., Rdnr. 83a. Ähnlich Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 261; Lutter/Grundwald, AG 1989, 409, 411. LG München I v. 12.9.2002 – 15 K O 15764/02 (nicht veröffentlicht; Kirch Media/Axel Springer); hierzu Liebscher, ZIP 2003, 825, 828; vgl. auch Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 260; Liebscher, ZIP 2003, 824, 828; Karsten Schmidt, GmbHR 2011, 1289, 1292; a.M. Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 110 f. (nur Schadensersatz). Es ist umstritten, ob die §§ 412, 413 BGB überhaupt auf die Gesamtrechtsnachfolge anwendbar sind; vgl. Roth, in: MünchKomm. BGB, 5. Aufl. 2007, § 412 BGB Rdnr. 15 ff. m.w.N. Vgl. Grunewald, in: Lutter, 4. Aufl. 2009, § 20 UmwG Rdnr. 17; Kübler, in: Semler/Stengel, 3. Aufl. 2012, § 20 UmwG Rdnr. 22; Stratz, in: Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwG/ UmwStG, 5. Aufl. 2009, § 20 UmwG Rdnr. 63; Marsch-Barner, in: Kallmeyer, 4. Aufl. 2010, § 20 UmwG Rdnr. 7; Reichert/Weller, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 368; Zimmermann, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Anh. nach § 77 Rdnr. 657; Bayer, in: Lutter/ Hommelhoff, Rdnr. 64. Unstreitig bereits nach alter Rechtslage vgl. Teichmann, in: Lutter, 3. Aufl. 2004, § 131 UmwG Rdnr. 2; § 132 UmwG Rdnr. 29; Kallmeyer, 3. Aufl. 2006, § 132 UmwG Rdnr. 15; Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht, § 132 UmwG Rdnr. 22, 62; Mayer, in: MünchHdb. III, § 73 Rdnr. 556 u.a. Vgl. BGHZ 50, 307, 310 ff. betr. Vorkaufsrecht. Ausführlich zur Gesamtrechtsnachfolge analog § 738 Abs. 1 BGB Seibt, in: FS Röhricht, S. 603 ff., insbes. 612 f.

Seibt

1037

§ 15

Übertragung von Geschäftsanteilen

Vinkulierung nun auch bei der Abspaltung, Ausgliederung und abspaltenden oder ausgliedernden Teilvermögensübertragung nicht den Übergang des Geschäftsanteils1. Eine gegenteilige Auffassung ist weder mit der Gesetzesbegründung2 noch mit dem Wesen der partiellen Universalsukzession vereinbar. Nach altem Recht griffen die Abtretungsbeschränkungen gemäß § 15 Abs. 5 dagegen uneingeschränkt bei der Abspaltung, Ausgliederung und abspaltenden oder ausgliedernden Teilvermögensübertragung ein (§§ 131 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2, 132 Satz 1 a.F., 177 Abs. 2 Satz 1 UmwG), soweit sie, was durch enge Auslegung der Satzung zu ermitteln war, auch für diese Fälle gelten sollten3. Beim ehelichen Güterstand der Gütergemeinschaft greift im Falle des Ausschlusses oder der Beschränkung der Abtretbarkeit des Geschäftsanteils nicht § 1417 Abs. 2 BGB über das Sondergut ein, sondern er wird ohne Rücksicht darauf nach § 1416 Abs. 2 BGB gemeinschaftliches Vermögen der Ehegatten (Rdnr. 241). Die Erwerbe auf Grund dinglicher Surrogation (§§ 718 Abs. 2, 1418 Abs. 2 Nr. 3, 1473 Abs. 1, 1638 Abs. 2, 1646 Abs. 2, 2019 Abs. 1, 2041, 2111 Abs. 1 BGB) unterliegen den Abtretungsbeschränkungen gemäß § 15 Abs. 5 (§§ 399 Alt. 2, 412, 413 BGB), werden also erst mit der Erfüllung der statutarischen Voraussetzungen wirksam. Der Gesellschaftsvertrag kann ähnlich wie bei der Erbfolge (Rdnr. 29 ff.) auch in anderen Fällen des gesetzlichen Übergangs des Geschäftsanteils dessen Einziehung ermöglichen oder eine Pflicht zu seiner Abtretung begründen (Rdnr. 51), wenn der Erwerber zu einem als Gesellschafter unerwünschten Personenkreis gehört. f) Umwandlung der GmbH 114 Die statutarischen Abtretungsbeschränkungen sind teilweise auch für die Umwandlung der GmbH (Verschmelzung, Spaltung, Vermögensübertragung und Formwechsel) von Bedeutung. Macht der Gesellschaftsvertrag der übertragenden bzw. formwechselnden GmbH die Abtretung der Geschäftsanteile von der Zustimmung Einzelner oder aller Gesellschafter abhängig (s. Rdnr. 122), so bedarf der Umwandlungsbeschluss zu seiner Wirksamkeit ihrer Zustimmung (§§ 13

1 Simon, in: KölnKomm. UmwG, 2009, § 131 UmwG Rdnr. 21; Schröer, in: Semler/Stengel, 3. Aufl. 2012, § 131 UmwG Rdnr. 26 a.E.; Vossius, in: Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht, § 131 UmwG Rdnr. 74; Hörtnagl, in: Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwG/ UmwStG, 5. Aufl. 2009, § 131 UmwG Rdnr. 40; wohl auch Schwedhelm, Die Unternehmensumwandlung, 7. Aufl. 2012, Rdnr. 825, 1075; kritisch zur Rechtslage: Mayer, in: MünchHdb. III, § 73 Rdnr. 555 ff.; a.A. Teichmann, in: Lutter, 4. Aufl. 2009, § 131 UmwG Rdnr. 4, 53, der auch nach neuem Recht einen Übergang nur analog §§ 77, 77a GenG, also zeitlich beschränkt, zulassen will. 2 Die Begr. RegE, BT-Drucks. 16/2919, S. 19, nimmt ausdrücklich nur auf „höchstpersönliche Rechte“ Bezug, die einen Übergang verhindern, und unterwirft ansonsten die Spaltung den gleichen Rechtsgrundsätzen wie die Verschmelzung. 3 Rieble, ZIP 1997, 301, 307 ff.; Teichmann, in: Lutter, 3. Aufl. 2004, § 132 UmwG Rdnr. 29; Kallmeyer, 3. Aufl. 2006, § 132 UmwG Rdnr. 10; Zimmermann, in: Rowedder/ Schmidt-Leithoff, Anh. nach § 77 Rdnr. 458; Mayer, in: MünchHdb. III, § 73 Rdnr. 656; a.A. zur alten Gesetzeslage mit Unterschieden in Einzelheiten Schwedhelm/Streck/ Mack, GmbHR 1995, 7, 9 f.; Hennrichs, ZIP 1995, 794, 798 f.; Stratz, in: Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwG/UmwStG, 4. Aufl. 2006, § 132 UmwG Rdnr. 42; Schröer, in: Semler/ Stengel, 2004, § 32 UmwG Rdnr. 49; Fuhrmann/Simon, AG 2000, 49, 56; Kallmeyer, GmbHR 1996, 242, 243 f.; Mayer, GmbHR 1996, 403, 406 ff.

1038

Seibt

§ 15

Übertragung von Geschäftsanteilen

Abs. 2, 125, 176 f., 193 Abs. 2 UmwG)1. Unerheblich ist hierbei, ob das statutarische Zustimmungserfordernis sich auf alle Abtretungsarten bezieht (Rdnr. 120), ob die Zustimmungsbefugnis personen- oder anteilsgebunden ist2 und ob die Entscheidungsmöglichkeit inhaltlich eingeschränkt ist (Rdnr. 127). Die obigen Vorschriften sind beim Ausschluss der Abtretbarkeit (Rdnr. 135) entsprechend anwendbar, wenn dessen Aufhebung nach dem Gesellschaftsvertrag (§ 53 Abs. 2 Satz 2) nur mit Zustimmung Einzelner oder aller Gesellschafter möglich ist3. Keine Zustimmungsbedürftigkeit für den Umwandlungsbeschluss besteht dagegen, wenn für die Zustimmung zur Abtretung die Gesellschaft oder ein Gesellschaftsorgan (Gesellschafterversammlung4, Geschäftsführer, Aufsichtsrat u.a.) zuständig ist (Rdnr. 121 ff.). Eine Zustimmung kann außerdem erforderlich sein, wenn Vorkaufs- oder Vorerwerbsrechte (Rdnr. 117), die der Gesellschaftsvertrag einzelnen oder allen Gesellschaftern der übertragenden bzw. formwechselnden GmbH als relativ unentziehbare Mitgliedschaftsrechte (s. § 14 Rdnr. 26, 37) gewährt, durch die Umwandlung beeinträchtigt, d.h. nicht durch gleichwertige Rechte im Statut des übernehmenden bzw. formgewechselten Rechtsträgers ersetzt werden (§§ 50 Abs. 2, 125, 176 f., 241 Abs. 2 UmwG)5. Der Gesellschaftsvertrag kann im Übrigen zur Sicherung der gewollten Gesellschafterzusammensetzung für alle oder einzelne Umwandlungsfälle größere als die gesetzlichen Beschlussmehrheiten vorschreiben und/oder zusätzliche Erfordernisse, z.B. die Zustimmung bestimmter Gesellschafter festlegen (§§ 50 Abs. 1 Satz 2, 125 Satz 1, 176 f., 233 Abs. 2 Satz 2, 240 Abs. 1 Satz 2 UmwG)6. Bei der Einführung derartiger Regelungen ist aber stets zu bedenken, dass die Entwicklungsmöglichkeiten der Gesellschaft nicht unnötig oder übermäßig erschwert werden dürfen.

3. Einzelne Abtretungsbeschränkungen Der Gesellschaftsvertrag ist in der Aufstellung weiterer Abtretungserfordernisse nicht beschränkt. Die Genehmigung der Gesellschaft ist im Gesetz nur als Beispiel erwähnt. Auch die Kombination mehrerer Voraussetzungen ist möglich und für abgewogene Regelungen oft auch notwendig (Rdnr. 117). 1 Allg. M.; vgl. Reichert, GmbHR 1995, 176, 179 f.; Lutter/Drygala, in: Lutter, 4. Aufl. 2009, § 13 UmwG Rdnr. 23; Gehling, in: Semler/Stengel, 3. Aufl. 2012, § 13 UmwG Rdnr. 35; Stratz, in: Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwG/UmwStG, 5. Aufl. 2009, § 13 UmwG Rdnr. 35. 2 Reichert, GmbHR 1995, 179; Stratz, in: Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwG/UmwStG, 5. Aufl. 2009, § 13 UmwG Rdnr. 35. 3 Eb. Lutter/Drygala, in: Lutter, 4. Aufl. 2009, § 13 UmwG Rdnr. 27; Zimmermann, in: Kallmeyer, 4. Aufl. 2010, § 13 UmwG Rdnr. 22; a.M. Stratz, in: Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwG/UmwStG, 5. Aufl. 2009, § 13 UmwG Rdnr. 36; Reichert, GmbHR 1975, 176, 180 f., der aber zusätzliche Erfordernisse für die Aufhebung der Abtretungsklausel auch beim Umwandlungsbeschluss heranziehen will. 4 Die §§ 13 Abs. 2, 193 Abs. 2 UmwG sind aber analog anwendbar, wenn der Gesellschaftsvertrag einen einstimmigen Beschluss aller Gesellschafter verlangt; vgl. Reichert, GmbHR 1975, 176, 180; Lutter/Drygala, in: Lutter, 4. Aufl. 2009, § 13 UmwG Rdnr. 23; Zimmermann, in: Kallmeyer, 4. Aufl. 2010, § 13 UmwG Rdnr. 23. 5 Reichert, GmbHR 1975, 176, 183 f.; M. Winter, in: Lutter, 4. Aufl. 2009, § 50 UmwG Rdnr. 18; Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht, § 50 UmwG Rdnr. 88; Zimmermann, in: Kallmeyer, 4. Aufl. 2010, § 50 UmwG Rdnr. 22 f. u.a. 6 Dazu M. Winter, in: Lutter, 4. Aufl. 2009, § 50 UmwG Rdnr. 6.

Seibt

1039

115

§ 15

Übertragung von Geschäftsanteilen

a) Eigenschaften, Pflichtübernahme, Formerfordernisse 116 Es kann die Abtretbarkeit von bestimmten Eigenschaften oder der Stellung des Erwerbers abhängig gemacht werden, z.B. dem Alter, einer Konfessions-, Familienoder Berufszugehörigkeit, die Mitgliedschaft in der GmbH oder einer anderen Gesellschaft u.ä.1. Erfüllt der Erwerber die festgesetzte Voraussetzung nicht, ist die Abtretung unwirksam; beim Erwerb durch einen Strohmann oder einen Treuhänder muss sie i.d.R. sowohl bei diesem als auch beim Hintermann gegeben sein2. Die verbleibenden Gesellschafter können den Erwerb trotz Fehlens der Eigenschaft zulassen, durch Mehrheitsentscheidung ohne Satzungsänderung aber nur, wenn der Gesellschaftsvertrag dies erlaubt; andernfalls vermag sie das Abtretungshindernis nicht zu beseitigen. Möglich ist auch, dass das Vorliegen der Eigenschaft nur als Genehmigungsvoraussetzung bestimmt ist3; ein das Erfordernis missachtender Gesellschafterbeschluss kann i.d.R. durch Anfechtungsklage beseitigt werden, während die Genehmigungserklärung (Rdnr. 128 ff.) nach § 119 Abs. 2 BGB anfechtbar ist. Der Gesellschaftsvertrag kann als weiteres Abtretungserfordernis auch die Übernahme bestimmter Verpflichtungen durch den Erwerber vorschreiben4 oder als zusätzliches Formerfordernis die Übergabe des Anteilscheins (s. § 14 Rdnr. 64) verlangen5; alsdann ist die Abtretung erst wirksam, wenn der dingliche Vertrag in der Form des § 15 Abs. 3 vollzogen und der Anteilschein dem Erwerber übergeben ist. Die bloße Übergabe des Scheins genügt niemals6. Hinsichtlich seiner Übereignung gelten die §§ 929 ff. BGB. Möglich ist zudem die statutarische Bestimmung, dass eine Abtretung erst wirksam wird, wenn der Neugesellschafter in die Gesellschafterliste gemäß §§ 16, 40 eingetragen worden ist7. b) Vorkaufs- und Erwerbsvorrechte 117 Der Gesellschaftsvertrag kann ein Vorkaufsrecht (§§ 463 ff. BGB) oder, wenn auch andere Verpflichtungsgeschäfte als ein Verkauf (z.B. Tausch, Schenkung, Einbringung in eine Gesellschaft) erfasst werden und/oder keine Bindungen an die Bestimmungen des Drittvertrages eintreten sollen8, ein Erwerbsvorrecht der

1 Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 264; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 38; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 58; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 105; Reichert/Weller, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 394; Rowedder/Bergmann, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 93; Reichert, S. 91 ff. m.w.N. 2 S. RGZ 103, 199; BayObLG, GmbHR 1991, 572, 575. 3 Vgl. Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 265; Jasper, in: MünchHdb. III, § 24 Rdnr. 210; Reichert, S. 66. 4 Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 264 a.E.; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 38; Jasper, in: MünchHdb. III, § 24 Rdnr. 210. 5 RGZ 98, 277; Feine, S. 385; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 262; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, § 14 Rdnr. 8; Rowedder/Bergmann, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 168; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 105; a.M. Brodmann, Anm. 6. 6 RG, GmbHR 1921, 165; eb. Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 262. 7 Vgl. unten § 16 Rdnr. 11; eb. Löbbe, in: Ulmer, Erg.-Band MoMiG, § 16 Rdnr. 17 a.E. 8 Allerdings kann auch im Vorkaufsvertrag vereinbart werden, dass für dessen Parteien im Verkaufsfall vom Drittvertrag abweichende Bestimmungen gelten sollen; vgl. RGZ 67, 42, 43; RGZ 104, 122, 123; RGZ 118, 1, 6 f.

1040

Seibt

§ 15

Übertragung von Geschäftsanteilen

Gesellschaft oder Einzelner oder aller Gesellschafter begründen1. Es sind geeignete Mittel, die Zusammensetzung des Gesellschafterkreises zu steuern und das Eindringen unerwünschter Personen zu verhindern, zugleich aber jedem Gesellschafter ein Austrittsrecht zu belassen2. Die Vorkaufs- und Erwerbsvorrechtsklauseln können sich auf alle oder nur auf bestimmte Veräußerungsgeschäfte (z.B. Veräußerungen an Nichtgesellschafter) beziehen, miteinander kombiniert werden und geltungsmäßig durch den Vorbehalt eines abweichenden Gesellschafterbeschlusses o.Ä. eingeschränkt werden3. Möglich, aber wenig zweckmäßig ist es, die Zulässigkeit der Anteilsabtretungen wegen eines Vorkaufsrechts auf Kaufgeschäfte zu beschränken4. Die Ausübung des Vorkaufsrechts, die durch eine nicht formbedürftige Erklärung erfolgen kann (§ 464 Abs. 1 Satz 2 BGB), setzt den Abschluss eines rechtswirksamen Kaufvertrages zwischen dem Gesellschafter und einem Dritten voraus (§ 463 BGB), während die Berechtigung zur Ausübung des Erwerbsvorrechts auch an andere Ereignisse, z.B. die Kündigung des Gesellschafters, die förmliche Anzeige seiner Veräußerungsabsicht, das Erwerbsangebot u.Ä. geknüpft werden kann. Der Gesellschaftsvertrag muss alle Bedingungen des Erwerbs bestimmt oder bestimmbar festlegen, § 15 Abs. 4 (Rdnr. 54, 60). Die Erklärung über die Ausübung des Erwerbsvorrechts ist dagegen nicht formbedürftig, da der Gesellschaftsvertrag in der Regel bereits einen – durch den Eintritt des Ereignisses und dem Erklärungszugang – aufschiebend bedingten Abtretungsanspruch begründen soll5. Die Anteilsübertragung an die Vorkaufs- oder Erwerbsvorberechtigten hat in der Form des § 15 Abs. 3 zu erfolgen. Die Vorkaufs- und Vorerwerbsrechte wirken aber nur persönlich gegen den Ge- 118 sellschafter, der verkaufen will6. Volle Sicherung des Erwerbsberechtigten ist daher nur dann erreicht, wenn die Auslegung des Gesellschaftsvertrags ergibt, dass die Abtretbarkeit der Geschäftsanteile an die Nichtausübung des Vorkaufs- oder Erwerbsvorrechts gebunden ist7 oder von der Genehmigung des Berechtigten abhängt. Schreibt der Gesellschaftsvertrag für die nicht an den Erwerbsberechtigten erfolgenden Abtretungen dagegen die Genehmigung durch andere Personen vor, so soll damit i.d.R. eine Verknüpfung mit dem Vorkaufs- oder Erwerbsvorrecht derart bewirkt werden, dass das Genehmigungsverfahren zugleich die Möglichkeit zur Ausübung und Verwirklichung jenes statutarischen Rechts sichern oder sie zumindest nicht gefährden soll; ein Genehmigungsbeschluss, der

1 Vgl. dazu G. Hueck, in: FS Larenz, 1973, S. 749 ff.; Reichert, S. 73 ff.; H. P. Westermann/ Klingberg, in: FS Quack, 1991, S. 545 ff.; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 272; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 38; Kowalski, GmbHR 1992, 347 f., jeweils m.w.N. 2 Vgl. auch Immenga, S. 85 f. m. Hinweis auf die Auslandsrechte; H. P. Westermann/ Klingberg, S. 548 f.; krit. Otto, GmbHR 1996, 16, 18 ff. 3 OLG Stuttgart, GmbHR 1997, 1108. 4 RG, JW 1934, 1412. 5 RGZ 113, 147, 149 f.; BGH, LM § 2 Nr. 7; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 272; Hueck/ Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 31. 6 Allg. M.; Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 73; Wiedemann, S. 88; G. Hueck, S. 751; Reichert, S. 78; Kowalski, S. 348. 7 RG, JW 1934, 1412; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 268, 271; Pastor/Werner, BB 1969, 1418, 1419 f.; G. Hueck, S. 763; Reichert, S. 78; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 57; Jasper, in: MünchHdb. III, § 24 Rdnr. 215.

Seibt

1041

§ 15

Übertragung von Geschäftsanteilen

sich darüber hinwegsetzt, ist anfechtbar1. Möglich ist andererseits auch, dass die Nichtausübung des Vorkaufs- oder Erwerbsvorrechts Wirksamkeitsbedingung der Genehmigung oder neben dem Genehmigungsvorbehalt selbständiges Abtretungserfordernis sein soll2, aber eine dahingehende Auslegung ist nur gestattet, wenn der Gesellschaftsvertrag ausreichende Anhaltspunkte dafür bietet3. Entsprechendes gilt auch für die Anbietungspflicht eines Gesellschafters, die gleichfalls nicht ohne weiteres dinglich wirkende Voraussetzung der Abtretung ist4, aber sie kann als solche ausgestaltet oder im erörterten Sinne mit einem Genehmigungsvorbehalt verbunden werden. Ebenso wenig hindert eine gesellschaftliche Abtretungspflicht (§ 3 Abs. 2)5 die Übertragung an eine andere Person als den Begünstigten, aber sie trifft je nach Inhalt auch den Erwerber und ist dann durch ihn zu erfüllen6; hat z.B. der Anteilsinhaber das Gesellschaftsverhältnis vertragsgemäß mit der Folge gekündigt, dass er seinen Geschäftsanteil an die Gesellschaft oder anteilsmäßig an die Gesellschafter abzutreten hat, so ist sein Rechtsnachfolger daran gebunden. c) Genehmigung 119 Sie ist der häufigste und wichtigste Fall statutarischer Abtretungsbeschränkungen und schon in § 15 Abs. 5 besonders hervorgehoben. Sie ist vorgeschrieben für Steuerberatungs- und Wirtschaftsprüfungsgesellschaften (§ 50 Abs. 5 Satz 2 u. 3 StBG, § 28 Abs. 5 Satz 2, 3 WPO). aa) Genehmigungspflichtige Abtretungen 120 Die Art der Abtretungen, die der Genehmigung unterliegen sollen, kann der Gesellschaftsvertrag frei bestimmen7. Der Genehmigungsvorbehalt kann für alle Geschäftsanteile oder auch nur für gewisse Geschäftsanteilsarten oder einzelne Anteile gemacht, und ebenso können von der Genehmigungsbedürftigkeit gewisse Anteile oder gewisse Abtretungsfälle, z.B. Abtretung an Mitgesellschafter, befreit sein. Hier bedarf es trotzdem der Genehmigung, wenn zwar an einen Mitgesellschafter abgetreten wird, doch mit der Abrede der Weiterabtretung an einen Nichtgesellschafter und vorläufige Ausübung des Gesellschaftsrechts nur nach dessen Weisungen8. Nimmt der Gesellschaftsvertrag einer FamilienGmbH vom Erfordernis der Genehmigung durch die Gesellschaft und (oder) die Gesellschafter Abtretungen nur für den Sonderfall der Erbteilung aus, so ist im Zweifel eine ausdehnende Anwendung, insbesondere auch auf Abtretungen an

1 BGHZ 48, 145 betr. Anbietungspflicht; vgl. auch OLG Stuttgart, GmbHR 1994, 257, 258; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 271; für stärkere Differenzierung Kowalski, S. 148. 2 RG, JW 1934, 1412, 1413. 3 RG, JW 1934, 1413 f.; G. Hueck, S. 751; Reichert, S. 78; a.M. Pastor/Werner, S. 1420. 4 BGHZ 48, 145; Bunte, S. 59 ff.; G. Hueck, S. 755 ff.; bedenklich OLG Schleswig, GmbHR 1999, 35. 5 Vgl. dazu § 3 Rdnr. 77 und oben Rdnr. 32 ff. 6 Unzutr. Wiedemann, S. 88. 7 Eine Übersicht über typische Klauseln gibt Seibt, in: MünchAnwHdb. GmbH-Recht, 2. Aufl. 2009, § 2 Rdnr. 199 ff.; Reichert, S. 62 ff. 8 RGZ 103, 195; Reichert, S. 64; s. dazu auch Rdnr. 110, 111, 116.

1042

Seibt

§ 15

Übertragung von Geschäftsanteilen

die GmbH nicht möglich1. Ausgenommen sind im Allgemeinen auch Abtretungen, die auf Grund einer gesellschaftlichen Pflicht (§ 3 Abs. 2) sowie eines gesellschaftlichen Verkaufs- oder Übernahmerechts an die statutarisch bestimmte oder an die von einem hierzu Ermächtigten benannte Person vorgenommen werden2. Es kann vorgesehen sein, dass nur entgeltliche Abtretungen vom Genehmigungserfordernis erfasst werden. Schreibt der Gesellschaftsvertrag die Genehmigung für den „Verkauf“ von Geschäftsanteilen vor, so sind darunter im Zweifel auch kaufähnliche Verträge (i.S. von § 453 Abs. 1 BGB) und Tauschverträge (§ 480 BGB)3 zu verstehen, während unentgeltliche Verfügungen im Zweifel nicht unter die Bestimmung fallen4. Die Abtretung an einen Treuhänder sowie die Rückabtretung durch ihn5 (s. aber auch Rdnr. 233), die Übertragung der Treugeberstellung im Ganzen6 und die Begründung des Treuhandverhältnisses durch Vertrag zwischen dem Anteilsinhaber und einem anderen (s. Rdnr. 224) unterliegen dem Genehmigungserfordernis, wenn es nach dem Gesellschaftsvertrag für die Abtretung des betreffenden Geschäftsanteils allgemein gilt oder wenn der Vertrag die die Genehmigungspflicht auslösenden speziellen Merkmale aufweist (hierzu Rdnr. 234 ff.). bb) Zuständigkeit Bei der Zuständigkeit zur Genehmigung ist zunächst zwischen der Zuständig- 121 keit zur Erteilung der Genehmigung im Innenverhältnis (Rdnr. 122 ff.) und ihrer Erklärung im Außenverhältnis zu differenzieren. Diese Zuständigkeiten werden durch das GmbHG nicht ausdrücklich geregelt. Gleichwohl hält eine Ansicht eine statutarische Bestimmung, die die Genehmigung der Gesellschafterversammlung oder den Gesellschaftern zuweist, ausschließlich im Innenverhältnis für bedeutsam und gesteht dem Geschäftsführer zwingend sowie unbeschränkbar die Vertretungsmacht zur Abgabe der Genehmigungserklärung mit der Folge zu, dass die Genehmigung auch ohne oder gegen die Entscheidung jener wirksam erteilt sei7. Folgerichtig soll das auch gelten, wenn ein anderes Gesellschaftsorgan, z.B. der Aufsichtsrat oder der Beirat, nach dem Gesellschaftsvertrag zuständig ist8. Soweit dabei zur Begründung § 35 Abs. 1, § 37 Abs. 2 angeführt werden, wird rechtsirrig unterstellt, dass die Genehmigung in den vorgenannten Fällen ein Rechtsakt der Gesellschaft sei und ihrer Rechtsqualität nach stets sein müsse. Keines von beiden trifft aber zu, da sie die Zulassung des Bewerbers als Gesellschafter zum Gegenstand hat und demzufolge ausschließlich die Regelung 1 BGH, WM 1976, 204. 2 Vgl. auch Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 216; Jasper, in: MünchHdb. III, § 24 Rdnr. 202 und oben Rdnr. 32. 3 Dazu RG, JW 1934, 1412. 4 RGZ 101, 247 f. 5 RGZ 159, 282; RG, JW 1931, 2967; BGH, LM § 15 Nr. 8; BayObLG, GmbHR 1991, 572, 574; krit. Roth/Thöni, in: FS 100 Jahre GmbHG, 1992, S. 245, 262 ff.; Rowedder/Bergmann, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 169. 6 RGZ 159, 281 f. 7 RGZ 104, 414 f.; RGZ 160, 231; eb. Saenger, S. 26 ff.; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 97, 103; Rowedder/Bergmann, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 177; K. Zimmermann, BB 1966, 1171; M. Lehmann, S. 76 f.; Fischer, ZHR 130 (1968), 367 unter Aufgabe seiner früheren Ansicht in GmbHR 1953, 136. 8 S. dazu aber RGZ 85, 48 betr. § 17 Abs. 1; dahingestellt in BGHZ 22, 107.

Seibt

1043

§ 15

Übertragung von Geschäftsanteilen

des internen Gesellschaftsverhältnisses betrifft, auf die die § 35 Abs. 1, § 37 Abs. 2 nicht anwendbar sind1. Es liegt nicht anders als bei der Zulassung des Beitritts eines Dritten im Falle der Kapitalerhöhung, für die der BGH trotz des Gesetzeswortlauts des § 55 Abs. 2 Satz 1 mit Recht ebenso entschieden hat2 (vgl. dazu 10. Aufl., Erl. zu § 55 Rdnr. 40 f.). Die Gegenauffassung ist darüber hinaus mit § 15 Abs. 5 unvereinbar, der es in Übereinstimmung mit den vorstehenden Grundsätzen den Gesellschaftern uneingeschränkt überlässt, durch Bestimmung ihnen geeignet erscheinender Abtretungsvoraussetzungen die Art und Weise der Zulassung neuer Gesellschafter zu regeln3. Die Erwägung, dass die Zwischenschaltung des Geschäftsführers erforderlich sei, um den Bewerber vor Unklarheiten über die Genehmigung zu schützen4, ist schon deswegen nicht sachgerecht, weil nach dem Gesetzeszweck des § 15 Abs. 5 dessen Interesse dem der Gesellschafter nachrangig5 und er zudem nicht schutzwürdig ist. Der Bewerber kann sich über die Zuständigkeit aus dem Gesellschaftsvertrag unterrichten und muss, wenn er Gesellschafter werden will, dessen Regelung mit allen Konsequenzen hinnehmen. Die Analogie zu § 68 Abs. 2 Satz 2 AktG, auf die sich die abweichende Meinung z.T. stützt6, ist wegen der Beschränkung der Vinkulierungsmöglichkeiten durch § 68 Abs. 2 Satz 1 AktG (zulässig nur Bindung an die Zustimmung der Gesellschaft) und wegen der Besonderheiten sowohl der aktienrechtlichen Zuständigkeitsordnung als auch des Aktienhandels unzulässig7. Den Geschäftsführern kommt daher keine zwingende und unbeschränkbare Vertretungsmacht im Außenverhältnis zu, vielmehr ist die Zustimmung durch den Zustimmungsberechtigten abzugeben, was sich nach den bestehenden Zustimmungszuständigkeiten bestimmt: 122 (1) Der Gesellschaftsvertrag ist ausschließlich maßgebend dafür, wer zur Entscheidung über die Genehmigung befugt ist und wer demgemäß die entsprechende Erklärung abzugeben hat (hierzu Rdnr. 128 ff.). Die Zuständigkeit kann der Gesellschaft (als Beispiel in § 15 Abs. 5 genannt), einzelnen oder allen Gesellschaftern, der Gesellschafterversammlung8 den Geschäftsführern, dem Aufsichtsrat9 oder einem anderen Gesellschaftsorgan, z.B. einem Beirat10 oder ei1 Zutr. Brodmann, Anm. 5g; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 42 f., 43; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 67; Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 148; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 233, 235 ff.; Wicke, Rdnr. 25; Feine, S. 386; Wiedemann, S. 99 f.; Winkler, S. 58; Immenga, S. 80 f.; Reichert, S. 69 f.; Karsten Schmidt, in: FS Beusch, 1993, S. 762 ff. u. GesR, § 35 II 1. b); Jasper, in: MünchHdb. III, § 24 Rdnr. 208; Happ, Die GmbH im Prozess, S. 212. 2 BGHZ 49, 117, 119 f. 3 Vgl. auch OLG Koblenz, GmbHR 1990, 39; Wiedemann, S. 100; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 236; Karsten Schmidt, in: FS Beusch, 1993, S. 762 ff. u. GesR, § 35 II 1. b). 4 RGZ 104, 415. 5 Zutr. Immenga, S. 80. 6 Zimmermann, BB 1966, 1171; Fischer, ZHR 130 (1968), 367; M. Lehmann, S. 76 f.; vgl. auch Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 103. 7 Eb. Eder, GmbHR 1966, 279; Winkler, S. 58 Fn. 322; Bunte, S. 53; Reichert, S. 72. 8 BGH, GmbHR 1989, 327, 329; BayObLG, GmbHR 1991, 572, 573; BayObLG, BB 1992, 226. 9 BGHZ 22, 101. 10 Vgl. dazu Salje, S. 1526 ff.; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 101; Happ, Die GmbH im Prozess, S. 20.

1044

Seibt

§ 15

Übertragung von Geschäftsanteilen

nem Gesellschafterausschuss1 zugewiesen werden. Es kann auch bestimmt werden, dass die Abtretung von der Gesellschaft und von allen (einzelnen) Gesellschaftern genehmigt werden muss2. Von der Genehmigung eines gesellschaftsfremden Dritten (z.B. Kreditgeber) kann die Abtretung dagegen nicht abhängig gemacht werden3. Denn es ist nicht zulässig, einem Dritten ein gesellschaftliches Recht einzuräumen4, und einer Rechtszuweisung bei Vinkulierungsklauseln steht überdies entgegen, dass der Dritte nicht der gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht unterliegt. Doch kann sich z.B. die Gesellschaft ihm gegenüber schuldrechtlich verpflichten, eine satzungsmäßig ihr zustehende Genehmigungsbefugnis nicht ohne Befragen oder ohne Zustimmung auszuüben. (2) Schreibt die Satzung die Genehmigung der „Gesellschaft“ vor, so wird da- 123 durch, wenn nicht ein abweichender Wille aus anderen berücksichtigungsfähigen Umständen (Rdnr. 108 f.) klar hervorgeht, die Zuständigkeit der juristischen Person selbst begründet5. Die Genehmigung obliegt dann den Geschäftsführern in vertretungsberechtigter Zahl, und die von ihnen regelmäßig herbeizuführende Entschließung der Gesellschafter (arg. e § 46 Nr. 4)6 wirkt nur im Innenverhältnis7, es sei denn, dass die Regeln über den Missbrauch der Vertretungsmacht (s. 10. Aufl., § 35 Rdnr. 132 ff.) eingreifen8. Der Erklärungsempfänger muss sich den Missbrauch entgegenhalten lassen, wenn er weiß oder sich ihm aufdrängen muss, dass der Geschäftsführer ohne den vorgeschriebenen Gesellschafterbeschluss gehandelt hat9. Ist der Erklärungsempfänger ein (veräußernder oder erwerbender) Gesellschafter, wird das regelmäßig zutreffen10. Es ist durch Auslegung des Ge1 RG, WarnRspr. 1918 Nr. 79. 2 BGH, WM 1976, 204. 3 Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 240 (anders noch Zutt, in: Hachenburg, Rdnr. 115); Wicke, Rdnr. 23; Brodmann, Anm. 5c; Wiedemann, S. 104 m.w.N.; a.M. KG, DR 1942, 1059; Feine, S. 387; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 38, 44; Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 152; Reichert, S. 62; Reichert/Weller, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 428; Jasper, in: MünchHdb. III, § 24 Rdnr. 206; Lessmann, GmbHR 1985, 185; offen: Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 70; Stoppel, WM 2008, 147, 151. 4 Dazu allgemein Ulmer, in: FS Werner, 1984, S. 911, 922 ff.; Ulmer, in: FS Wiedemann, 2002, S. 1297 ff. 5 A.M. Immenga, S. 81. 6 BGH, GmbHR 1988, 260, 261; OLG Hamburg, GmbHR 1992, 609, 610; eb. Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 232; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 42; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 66. 7 OGHZ 3, 93; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 233; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 66; Rowedder/Bergmann, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 175; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 42; Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 143; Wiedemann, S. 104; Eder, S. 279; Reichert, S. 70 f.; Reichert/Weller, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 420; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 94; Karsten Schmidt, in: FS Beusch, 1993, S. 761 ff. u. GesR, § 35 II 1. b); a.M. Zöllner/Noack, in: Baumbach/Hueck, § 35 Rdnr. 92; Meyer-Landrut, Rdnr. 14; Immenga, ZGR 1979, 392, 395 f.; Zimmermann, BB 1966, 1171; offen gelassen von BGH, GmbHR 1988, 260, 261. 8 BGH, GmbHR 1988, 260, 261; OLG Hamburg, GmbHR 1992, 609, 610; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 233; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 42; Rowedder/Bergmann, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 175; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 66; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 94. 9 BGH, GmbHR 1988, 260, 261. 10 Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 233; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 96; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 66; Reichert, in: Anm. zu OLG Hamburg, WuB II C

Seibt

1045

§ 15

Übertragung von Geschäftsanteilen

sellschaftsvertrages festzustellen, ob ein Gesellschafterbeschluss intern erforderlich ist; ergibt sich aus ihm nichts Gegenteiliges, so ist dies anzunehmen, da die Entscheidung über die Zusammensetzung der Gesellschafter primär deren Sache ist. Der Beschluss bedarf, wenn die Satzung nichts anderes bestimmt, der einfachen Mehrheit der abgegebenen Stimmen (§ 47 Abs. 1)1. Ein am Veräußerungsgeschäft beteiligter Gesellschafter darf, s. stat., mitstimmen2. Fehlt das statutarisch zuständige Gesellschaftsorgan oder ist es handlungsunfähig, so entscheidet, wenn es der Gesellschafterversammlung nachgeordnet ist, diese an seiner Stelle3. 124 Die Insolvenz der Gesellschaft ändert an der Zuständigkeit nichts. Der Insolvenzverwalter ist weder zur Entscheidung über die Genehmigung noch zu deren Erklärung befugt (s. Rdnr. 258). 125 (3) Sieht die Satzung die Genehmigung der Gesellschafterversammlung vor, so ist zunächst durch Auslegung zu klären, ob es sich lediglich um ein innergesellschaftliches Erfordernis handelt (Rdnr. 123) oder ob, was im Zweifel anzunehmen ist4, eine eigenständige Abtretungsvoraussetzung i.S. des § 15 Abs. 5 gewollt ist. Diese Zustimmungszuständigkeit kann auch gemeint sein, wenn die Satzung die Genehmigung „der Gesellschafter“ vorschreibt (Rdnr. 126). Die Entscheidung der Gesellschafterversammlung ist mangels abweichender Regelung durch einen Beschluss mit der Mehrheit der abgegebenen Stimmen zu treffen (§ 47 Abs. 1)5. Der abtretende Gesellschafter und, wenn er der Gesellschaft bereits angehört, auch der Erwerber können mitstimmen (Rdnr. 123). Die Satzung kann andere Bestimmungen treffen, z.B. alternativ die Beschlussfassung außerhalb einer Versammlung genügen lassen6 oder eine größere Mehrheit oder auch Einstimmigkeit vorsehen7. Es muss sich aber immer hinreichend deutlich aus dem Gesellschaftsvertrag ergeben, dass eine solche verstärkte Bindung gewollt ist; die personalistische Realstruktur ist hierfür allein nicht ausreichend8. Die Zustimmungsent-

1 2

3 4 5

6 7 8

§ 15 GmbHG 2.92; Happ, Die GmbH im Prozess, S. 211. Zu weitgehend sieht Jasper, in: MünchHdb. III, § 24 Rdnr. 204 die ohne Genehmigungsbeschluss abgegebene Erklärung generell als unwirksam an. Eb. Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 234; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 42; Jasper, in: MünchHdb. III, § 24 Rdnr. 203. BGHZ 48, 163, 167; BayObLG, GmbHR 1991, 572, 573; BayObLG, BB 1992, 226; Winter/ Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 234; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 42; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 66, 68; Rowedder/Bergmann, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 180; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 98; a.M. Zöllner, Die Schranken mitgliedschaftlicher Stimmrechtsmacht, 1963, S. 245 ff.; Zöllner, GmbHR 1968, 177 ff.; Zöllner, in: Baumbach/Hueck, § 47 Rdnr. 90. Vgl. BGHZ 22, 108 betr. Aufsichtsrat. OLG Koblenz, GmbHR 1990, 39; Reichert, S. 70; Karsten Schmidt, in: FS Beusch, 1993, S. 763 u. GesR, § 35 II 1. b). BGHZ 48, 163, 167; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 237; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/ Hueck, Rdnr. 42; Reichert/Weller, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 422; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 102; Reichert, S. 60 f.; Wiedemann, S. 98; Rowedder/Bergmann, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 177; einschr. Mertens, JR 1967, 462, 463. BayObLG, BB 1992, 226. BayObLG, GmbHR 1991, 572, 573. Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 237; Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 151; Jasper, in: MünchHdb. III, § 24 Rdnr. 207; Reichert, S. 60 f.; a.M. Mertens, JR 1967, 462, 463.

1046

Seibt

§ 15

Übertragung von Geschäftsanteilen

scheidung muss dem Veräußerer oder Erwerber des vinkulierten Geschäftsanteils anerklärt werden (Rdnr. 128); ist einer von ihnen bei der Bekanntgabe des Beschlussergebnisses anwesend, so genügt das, wenn kein Vorbehalt gemacht wird (Rdnr. 130 a.E.). Andernfalls muss die Gesellschafterversammlung als Zustimmungsberechtigte den Geschäftsführer oder eine andere Person zur Übermittlung ihrer Entscheidung ermächtigen (Rdnr. 130). (4) Eine Bestimmung, die die Genehmigung „der Gesellschafter“ verlangt, ist 126 mehrdeutig. Auch wenn es heißt „übrige Gesellschafter“, ist damit zwar zweifelsfrei ausgedrückt, dass die Mitwirkung des Abtretenden ausgeschlossen ist (§ 47 Abs. 4 Satz 2 greift andernfalls nicht ein; s. 10. Aufl., bei § 47 Rdnr. 173), aber es bleibt ebenso wie im ersten Fall offen, ob die Genehmigung jedes Gesellschafters als einzelnen erforderlich sein soll oder ob die Gesellschafter als Beschlussorgan gemeint sind und ob dann gegebenenfalls ein Mehrheitsbeschluss genügt1. Ersteres wird nur beim Vorliegen ausreichender Anhaltspunkte im Gesellschaftsvertrag, z.B. einem entsprechenden Vinkulierungszweck oder der auch in anderen Bestimmungen zum Ausdruck kommenden besonderen Rücksichtnahme auf die Person jedes Beteiligten, anzunehmen sein, während im Zweifel die zweite Alternative gilt2. Regelt der Gesellschaftsvertrag einen Zustimmungsvorbehalt zugunsten „aller Gesellschafter“, so ist ein von sämtlichen Gesellschaftern (nicht nur von den bei der Beschlussfassung Anwesenden) einstimmig gefasster Gesellschafterbeschluss oder die Zustimmungserklärungen sämtlicher Gesellschafter erforderlich3. Zur Erklärung der Zustimmung vgl. Rdnr. 128, 130. cc) Versagungsgründe Der Gesellschaftsvertrag kann die Versagungsgründe näher regeln, bestimmen, 127 dass die Genehmigung grundlos (aber nicht willkürlich) oder dass sie umgekehrt nur in bestimmten Fällen oder nur beim Vorliegen eines wichtigen Grundes4 verweigert werden darf oder bei Erfüllung bestimmter Voraussetzungen erteilt werden muss. Der veräußerungsbegehrende Gesellschafter (nicht der gesellschaftsfremde Erwerber5, der aber von jenem als seinem Schuldner grundsätzlich ein Tätigwerden verlangen kann) hat ein mittels Klage durchsetzbares Recht auf Genehmigung, wenn der statutarische Versagungsgrund, was von ihm darzulegen

1 Dazu Winter, GmbHR 1964, 252; Reichert, S. 57. 2 Eb. Feine, S. 387; Brodmann, Anm. 5 f.; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 238; Reichert/ Weller, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 425; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 68; Karsten Schmidt, in: FS Beusch, 1993, S. 766; Happ, Die GmbH im Prozess, S. 213; LG Köln, GmbHR 1993, 109, 110; a.M. Fischer, GmbHR 1953, 153; Rowedder/Bergmann, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 179 u. Immenga, S. 81 f., die i.d.R. Einstimmigkeit fordern. Vgl. auch BGH, DB 1981, 931; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 48, die nach Struktur der Gesellschaft differenzieren. 3 Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 238. 4 RG, JW 1934, 1412; OLG Bremen, BB 2007, 1643 (zur KG). 5 KG, NZG 2001, 508. – Einem Erwerber, der bereits Gesellschafter ist, kann zwar ebenfalls ein Genehmigungsanspruch zustehen, aber notwendig ist das nicht; zu weitgehend daher Reichert, S. 110; Happ, Die GmbH im Prozess, S. 215, 220.

Seibt

1047

§ 15

Übertragung von Geschäftsanteilen

und zu beweisen ist, nicht vorliegt1; das zuerkennende Urteil ersetzt dann die Genehmigung (§ 894 ZPO). Passiv legitimiert ist, wenn die Zustimmung durch die Gesellschaft oder ein Gesellschaftsorgan zu erteilen ist, die GmbH2, sonst die jeweiligen Zustimmungsberechtigten (Rdnr. 122)3. Schweigt der Gesellschaftsvertrag über die zulässigen Ablehnungsgründe, so steht die Entscheidung grundsätzlich im pflichtgemäßen, aber gleichwohl weiten Ermessen des Genehmigungsberechtigten4. Die Ablehnung braucht daher nicht durch einen wichtigen Grund gerechtfertigt zu sein5. Ebenso wenig kann die Wirksamkeit der Erklärung des Berechtigten mit der Begründung in Frage gestellt werden, dass seine Entscheidung verbands- oder unternehmenspolitisch unzweckmäßig sei6. Die Genehmigungsbefugnis darf aber nicht rechtsmissbräuchlich (§§ 226, 242, 826 BGB), insbesondere nicht zweckwidrig ausgeübt werden, wobei aber zu beachten ist, dass der Vinkulierungszweck (zulässigerweise) auch andere als unternehmensbezogene Interessen betreffen kann7. Wenn die Genehmigung grundlos, willkürlich oder aus sachfremden Gründen8 verweigert wird, stellt dies einen Rechtsmissbrauch9 und zugleich einen Verstoß gegen die gesellschaftliche Treuepflicht dar (s. § 14 Rdnr. 50 ff.)10. Die rechtsmissbräuchliche Ablehnung ist unwirksam, begründet aber nicht ohne weiteres ein Recht auf Genehmigung11. Anders liegt es nur dann, wenn der Gleichbehandlungsgrundsatz ihre Erteilung erfordert (s. § 14 1 OLG Koblenz, NJW-RR 1989, 1057, 1059; KG, NZG 2001, 508, 509; Wiedemann, S. 107; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 72; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 46; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 98; Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 154; Rowedder/Bergmann, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 183; Happ, Die GmbH im Prozess, S. 219 ff., 234 m.w.N.; Bayer/Illhardt, GmbHR 2011, 638; a.A. Kossmann, DB 1985, 1364, 1367. 2 OLG Koblenz, GmbHR 1990, 39, 41; Jasper, in: MünchHdb. III, § 24 Rdnr. 209; Happ, Die GmbH im Prozess, S. 222 f.; Rowedder/Bergmann, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 183; Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 154. 3 Jasper, in: MünchHdb. III, § 24 Rdnr. 209; Happ, Die GmbH im Prozess, S. 223 f. 4 RGZ 88, 325; RG, JW 1934, 1412; OLG Düsseldorf, GmbHR 1964, 250; Wiedemann, S. 106 f.; Immenga, S. 83 ff.; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 241 ff.; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 46; Reichert/Weller, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 409; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 71; Zöllner, GmbHR 1968, 177, 178; Happ, Die GmbH im Prozess, S. 215 f.; vgl. auch OLG Koblenz, GmbHR 1990, 39, 41. 5 Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 241 f.; Rowedder/Bergmann, in: Rowedder/SchmidtLeithoff, Rdnr. 182 (anders noch Zutt, in: Hachenburg, Rdnr. 105); Reichert, S. 222, 229 ff.; Reichert/M. Winter, in: FS 100 Jahre GmbHG, 1992, S. 209, 223 f.; a.M. Scholz, SJZ 1949, 6; GmbHR 1949, 72; Neflin, GmbHR 1963, 24. 6 Vgl. auch RGZ 132, 155 betr. AG. 7 Daher kann die Entscheidung des BGH, ZIP 1987, 291, 292 zu § 68 Abs. 2 AktG (folgend LG Aachen, AG 1992, 410, 411 und 412 f. – „AMB/AGF“) nicht verallgemeinert werden; s. aber Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 242; Reichert/M. Winter, in: FS 100 Jahre GmbHG, S. 217; Happ, Die GmbH im Prozess, S. 216. 8 OLG Karlsruhe, BB 1984, 2015, 2016; vgl. auch OLG Bremen, BB 2007, 1643 (zur Publikums-KG): Ist die Verweigerung nur aus wichtigem Grund zulässig, dann ist die Zustimmung bei Nichtvorliegen eines solchen Grundes und voller gerichtlicher Überprüfbarkeit zu erteilen. 9 Winter, GmbHR 1964, 252; Wiedemann, S. 106; Immenga, S. 84; a.M. Feine, S. 385; Winkler, S. 59; Happ, Die GmbH im Prozess, S. 216. 10 Zutr. Reichert, S. 224 ff.; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 243. 11 Wiedemann, S. 106 f.; Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 155; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 46; Happ, Die GmbH im Prozess, S. 216.

1048

Seibt

§ 15

Übertragung von Geschäftsanteilen

Rdnr. 48)1 oder wenn die gesellschaftliche Treuepflicht ausnahmsweise ein Zustimmungsrecht begründet (s. § 14 Rdnr. 60)2, weil keinerlei nach dem Sinn der Satzungsklausel beachtlicher Verweigerungsgrund gegeben ist (d.h. ein Ermessensspielraum für den Berechtigten völlig fehlt) und die Treuepflicht deshalb die Rücksichtnahme auf die Veräußerungsinteressen des Gesellschafters (z.B. ernsthaftes und dringendes Verkaufsbedürfnis zur Abwendung einer Insolvenz oder wegen gesundheitlichen Siechtums, das die Ausübung seiner mitgliedschaftlichen Verwaltungsrechte ausschließt) den Umständen nach gebietet. Dabei ist im Rahmen der Treuepflicht auch (aber nicht allein entscheidend!) zu berücksichtigen, ob dem veräußerungsbegehrenden Gesellschafter die Veräußerung über längere Dauer faktisch unmöglich gemacht wird/wurde, indem etwa mehrfach die Zustimmung zur Übertragung an verschiedene, nicht konfliktträchtige Erwerbsinteressenten verweigert wurde3. Möglich ist darüber hinaus ein rechtsgeschäftlicher Anspruch auf Zustimmung4. Umgekehrt kann die gesellschaftliche Treuepflicht auch einer Genehmigung entgegenstehen5. dd) Erklärung Die Genehmigung zur Abtretung bedeutet „Zustimmung“ i.S. der §§ 182 ff. BGB6. Sie erfordert daher eine Willenserklärung gegenüber dem Veräußerer oder dem Erwerber und wird erst mit deren Zugang bei dem Betreffenden wirksam (§§ 130, 182 BGB).

128

(1) Die Erklärung ist durch den Zustimmungsberechtigten abzugeben. Die der 129 Gesellschaft obliegende Genehmigung kann deshalb wirksam nur durch die Geschäftsführer erklärt werden (§ 35 Abs. 1; s. darüber Rdnr. 121 ff.), die dabei in vertretungsberechtigender Zahl handeln müssen7. § 181 BGB ist anwendbar8, hindert aber den Geschäftsführer nicht, seinem Vertragspartner gegenüber zu genehmigen9. Die bloße Erwähnung eines internen Zustimmungsbeschlusses der Gesellschafter durch den Geschäftsführer, die ersichtlich nicht als Geneh-

1 Wiedemann, S. 106; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 46; Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 155; Jasper, in: MünchHdb. III, § 24 Rdnr. 209; Happ, Die GmbH im Prozess, S. 214. 2 Vgl. Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 241, 244; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 46; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 98; Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 155; Happ, Die GmbH im Prozess, S. 214 f. 3 Vgl. OLG München, NZG 2009, 25, 26 (zur Publikums-KG); zu weitgehend allerdings Lutter/Drygala, in: KölnKomm. AktG, 3. Aufl. 2009, § 68 AktG Rdnr. 82 (Beweislastumkehr zu Lasten der Gesellschaftermehrheit); Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 241 f.; Reichert/M. Winter, in: FS 100 Jahre GmbHG, S. 209, 221. 4 OLG Düsseldorf, ZIP 1987, 227, 231 f.; eb. Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 241. 5 Eb. Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 244; Lutter/Timm, NJW 1982, 409, 417; Happ, Die GmbH im Prozess, S. 217 f.; Reichert/M. Winter, in: FS 100 Jahre GmbHG, S. 209, 229 ff. 6 RGZ 160, 225, 232; BGHZ 13, 179, 184 f. 7 Unzutr. OLG Frankfurt, GmbHR 1962, 157 betr. § 17; dagegen Winter, GmbHR 1962, 158 u. Wiedemann, S. 104 Fn. 3. Eb. Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 231; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 66; Jasper, in: MünchHdb. III, § 24 Rdnr. 202; Wicke, Rdnr. 24. 8 OLG Hamburg, GmbHR 1992, 609, 610. 9 RGZ 85, 51; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 231.

Seibt

1049

§ 15

Übertragung von Geschäftsanteilen

migungserklärung gemeint war, genügt ebenso wenig1 wie die Mitteilung über den Beschluss durch einen anderen oder die Anwesenheit der Parteien des Abtretungsvertrages bei der Beschlussfassung, außer wenn auch der Geschäftsführer zugegen und sein Verhalten als Genehmigung zu deuten war2. Zur konkludenten Zustimmung vgl. im Übrigen Rdnr. 131. 130 Im Falle der Zuständigkeit eines anderen ist die Genehmigung nicht durch den Geschäftsführer, sondern durch den jeweiligen Zustimmungsberechtigten zu erklären3. Das gilt nicht nur, wenn einzelne Gesellschafter oder alle Gesellschafter jeder für sich genehmigungsberechtigt sind, sondern auch bei der Zuständigkeit der Gesellschafterversammlung oder eines sonstigen Gesellschaftsorgans (Rdnr. 122 f.). Eine allgemeine Kompetenz der Geschäftsführer zur Vertretung eines anderen Gesellschaftsorgans besteht nicht und ein Mitteilungsrecht fließt auch nicht aus der allgemeinen Geschäftsführungskompetenz der Geschäftsführer4. Wenn der Gesellschaftsvertrag für die Vornahme dieses Sozialaktes keine abweichende Bestimmung nach § 45 Abs. 2 trifft5, muss das zustimmungsberechtigte Gesellschaftsorgan ihn entweder selbst vornehmen oder einen anderen, z.B. eines seiner Mitglieder oder den Geschäftsführer, ermächtigen; im Regelfall wird bei einer Übermittlung der Zustimmungserklärung durch die Geschäftsführer eine solche Ermächtigung vorliegen6. Anders als bei der Zuständigkeit der Gesellschaft (Rdnr. 129) muss es deshalb hier auch als ausreichend angesehen werden, wenn das betreffende Gesellschaftsorgan in Anwesenheit der Parteien des Abtretungsvertrages beschließt und ihnen das Beschlussergebnis vorbehaltlos bekanntgibt oder wenn die erforderliche Mehrheit seiner Mitglieder die Abtretung selbst vornimmt7. 131 (2) Eine Form der Genehmigungserklärung verlangt weder das GmbHG noch folgt sie aus der des Abtretungsvertrages (§ 182 Abs. 2 BGB). Die Genehmigung kann mithin auch durch schlüssiges Verhalten seitens des Berechtigten8, z.B. da-

1 OGHZ 3, 90. 2 Vgl. Wiedemann, S. 104; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 226; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 45; s. auch RGZ 104, 413, 415; BGHZ 22, 101, 108, wo aber noch hinzukam, dass die Beteiligten die Abtretung jahrelang als gültig behandelt hatten. 3 Eb. OLG Koblenz, GmbHR 1990, 39; BayObLG, GmbHR 1991, 572, 573; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 43; Reichert, S. 69 f.; Karsten Schmidt, in: FS Beusch, 1993, S. 762 f.; Jasper, in: MünchHdb. III, § 24 Rdnr. 208; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 67, 74 a.E. Generell in diesem Sinne Meyer-Landrut, Rdnr. 14; a.M. RGZ 104, 413, 414; RGZ 160, 225, 231; Fischer, ZHR 130 (1968), 367; Rowedder/Bergmann, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 177. 4 So Feine, S. 386; Wiedemann, S. 101, 103. 5 Vgl. OLG Hamm, GmbHR 1997, 950, 951. 6 Vgl. BGHZ 49, 117, 120 (zur Kapitalerhöhung); Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 43 und Fn. 242; Karsten Schmidt, in: FS Beusch, S. 759, 764; Bayer, in: Lutter/ Hommelhoff, Rdnr. 74 a.E.; i.E. ähnlich Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 237. 7 BGHZ 15, 329 f.; BayObLG, GmbHR 1991, 572, 573; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/ Hueck, Rdnr. 45; Wiedemann, S. 102. 8 RGZ 160, 232; BGHZ 15, 329; BGHZ 22, 101, 108; BayObLG, GmbHR 1991, 572, 573; OLG Frankfurt, JW 1923, 87; OLG Hamm, GmbHR 1997, 950, 951; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 45; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 100; Reichert/

1050

Seibt

§ 15

Übertragung von Geschäftsanteilen

durch erklärt werden, dass er am Abtretungsvertrag selbst mitgewirkt1, den Erwerber als Gesellschafter behandelt hat2 oder an der Abtretung widerspruchslos teilnimmt3. Die Eintragung in die Gesellschafterliste und deren Einreichung zum Handelsregister (§ 40) sind keine Erklärungen gegenüber dem Veräußerer oder dem Erwerber und reichen deshalb allein nicht aus4. Der Gesellschaftsvertrag kann aber für die Genehmigung eine bestimmte Form vorschreiben, die dann im Zweifel nicht nur bloße Beweisanforderung oder Ordnungsvorschrift5, sondern Wirksamkeitsvoraussetzung ist, § 125 Satz 2 BGB6. Verlangt der Gesellschaftsvertrag die „schriftliche Genehmigung der Gesellschafterversammlung“, so ist, wenn darüber nichts Näheres bestimmt ist, die Aufzeichnung des gefassten Beschlusses und seine Unterzeichnung durch den Versammlungsleiter oder die Gesellschaftermehrheit notwendig7. Die Schriftform der Erklärung ist gewahrt, wenn die Zustimmung des Berechtigten in der Abtretungsurkunde irgendwie zum Ausdruck kommt, §§ 126 Abs. 3, 127 BGB8. Sie wird dagegen nicht durch einen dem Erwerber mitgeteilten einstimmigen Gesellschafterbeschluss ersetzt9. Doch kann der Formmangel nach Treu und Glauben unbeachtlich und die Erklärung wirksam werden, wenn danach der Erwerber von allen Beteiligten über einen langen Zeitraum hinweg als Gesellschafter behandelt worden ist (s. auch Rdnr. 129). (3) Die Genehmigung kann wirksam vor, bei und nach dem Abschluss des Ab- 132 tretungsvertrages erteilt werden, §§ 183, 184 BGB10. Unzulässig ist eine BlankoZustimmung zu allen Abtretungen oder zu einzelnen Arten, da das dem Sinn des Satzungserfordernisses widerspräche und da die Genehmigung empfangsbedürftige Willenserklärung ist (Rdnr. 128) und demzufolge nur gegenüber bestimmten Personen, nämlich den Parteien des jeweiligen Abtretungsvertrages, abgegeben werden kann11. Bis zur Entscheidung über die Frage der Genehmigung sind die Vertragsparteien in angemessener Frist gebunden12. Solange nicht

1 2 3 4 5 6

7 8 9 10

11 12

Weller, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 402; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 74; Wicke, Rdnr. 25. BGHZ 15, 328 f. RGZ 104, 415; RGZ 160, 232; BGHZ 15, 329; BGHZ 22, 108. BGH, WM 1968, 1037; BayObLG, GmbHR 1991, 572, 579. RGZ 64, 153; RGZ 85, 46, 52; RG, JW 1910, 843; differenzierend Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 226. So Brodmann, Anm. 5d; vgl. auch OLG Hamm, NZG 1999, 600, 601. OGHZ 3, 94; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 45; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 227 (abw. noch Zutt, in: Hachenburg, Rdnr. 105); Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 141; Reichert/Weller, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 403; Vogel, Anm. 9; Wiedemann, S. 102; offen gelassen in BGHZ 15, 324, 330. Nach BGHZ 48, 144 soll auch die Unterschrift eines einzelnen Gesellschafters genügen. BGHZ 22, 108. Zutr. Wiedemann, S. 102 f.; a.M. BGHZ 15, 324, 330. RGZ 160, 232; BGHZ 13, 184; BGHZ 48, 166; BayObLG, GmbHR 1991, 572, 573; Hueck/ Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 41; Reichert/Weller, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 397; Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 140. Nach BGH, GmbHR 1965, 155 gilt das auch, wenn die Satzung ausdrücklich die vorherige Zustimmung verlangt. RGZ 132, 155 f. RGZ 64, 154.

Seibt

1051

§ 15

Übertragung von Geschäftsanteilen

nach außen die Genehmigung oder Verweigerung erklärt oder in Erscheinung getreten ist, kann ein interner Genehmigungsbeschluss natürlich geändert werden1. Die erteilte Zustimmung ist selbst dann unwiderruflich, wenn sie vor dem Abschluss des Abtretungsvertrages erklärt worden ist2. Das gilt unabhängig davon, ob der abtretende Gesellschafter ein Recht auf Zustimmung hat (hierzu Rdnr. 127); § 183 BGB ist deswegen unanwendbar, weil die Zustimmung im Falle des § 15 Abs. 5 als Aufgabe einer Rechtsposition zu werten ist, die der Gesellschaftsvertrag dem Ermächtigten zur Wahrung eigener Interessen im Hinblick auf die ihn treffende Folge eines an sich fremden Abtretungsgeschäfts einräumt3. Die Verweigerung der Zustimmung ist dagegen bis zum Abschluss des Abtretungsvertrages widerruflich4, während sie danach ebenfalls nicht mehr widerrufen werden kann, weil sie sich gestaltend auf den Abtretungsvertrag derart ausgewirkt hat, dass dieser endgültig unwirksam geworden ist5. Die Zustimmung und ihre Verweigerung können aber nach Maßgabe der §§ 119 ff. BGB anfechtbar sein6. Zulässig ist auch eine aufschiebend befristete oder bedingte Zustimmung oder Genehmigung, nicht hingegen eine auflösende Bedingung bei der Genehmigung7. ee) Wirkung 133 Der Abtretungsvertrag ist schwebend unwirksam, solange sich der Berechtigte über die Genehmigung noch nicht erklärt hat8. Erteilt er sie, wird die Abtretung wirksam, und zwar, soweit der Abtretungsvertrag nichts anderes bestimmt, mit Rückwirkung auf den Zeitpunkt von dessen Abschluss, § 184 Abs. 1 BGB9. Im Verhältnis zur GmbH ist jedoch § 16 zu beachten. Verfügungen über den Geschäftsanteil, die der Veräußerer während der Schwebezeit getroffen hat, sind unwirksam, außer wenn er selbst Genehmigungsberechtigter ist (§ 184 Abs. 2). Auch im Hinblick auf § 16 Abs. 3 gilt nichts anderes, vgl. Erl. zu § 16 Rdnr. 76. Zwischenzeitliche Zwangsvollstreckungsmaßnahmen gegen den Veräußerer in den Geschäftsanteil bleiben dem Erwerber gegenüber wirksam10. Andererseits werden zwischenzeitliche Verfügungen des Erwerbers nach § 185 Abs. 2 BGB

1 RGZ 64, 153; RGZ 88, 326. 2 Anders die mittlerweile h.M. Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 229; Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 142; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 75; Reichert/Weller, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 399; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 47, die das nur für die Genehmigung annehmen. Wie hier Jasper, in: MünchHdb. III, § 24 Rdnr. 198. 3 Dazu Flume, Das Rechtsgeschäft, 1965, S. 898. 4 BGHZ 48, 166. 5 BGHZ 13, 179, 187; BGHZ 48, 163, 166; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 229; Hueck/ Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 47. 6 RG, HRR 1933 Nr. 45. 7 Neukamp, ZHR 57 (1906), 521; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 50; a.M. (weil generell gegen die Bedingung der Genehmigung) Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 142. 8 BGHZ 13, 179, 184 f.; BGHZ 48, 163, 166; allg. M. 9 OLG München, GmbHR 1937, 749. 10 RGZ 134, 121, 123; Wiedemann, S. 106; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 247; Hueck/ Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 47; Reichert, S. 52; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 76; Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 156; a.M. Schuler, NJW 1956, 691.

1052

Seibt

§ 15

Übertragung von Geschäftsanteilen

wirksam1. Wird die Genehmigung rechtswirksam verweigert, so ist der Abtretungsvertrag endgültig unwirksam, §§ 399, 413 BGB2; bei einer (treue-)rechtswidrigen Genehmigungsverweigerung bleibt der Abtretungsvertrag wegen § 242 BGB indes wirksam3. Eine spätere Zustimmung vermag daran auch dann nichts zu ändern, wenn die Parteien des Abtretungsvertrages an der Übertragungsabsicht festhalten4; es ist formgerechte Neuvornahme notwendig. Die Zustimmungs- und die Versagungserklärung können nach §§ 119 ff. BGB angefochten werden5 mit der Folge, dass erneut die schwebende Unwirksamkeit der Abtretung eintritt, es sei denn, dass die Anfechtungserklärung zugleich eine neue Entscheidung über die Zustimmung enthält, was nicht notwendigerweise der Fall sein muss. Über die Auswirkung der Anfechtung bei zwischenzeitlicher Eintragung in die Gesellschafterliste s. § 16 Rdnr. 25. Über die Folgen der Unwirksamkeit der Abtretung für das obligatorische Geschäft vgl. Rdnr. 105. ff) Nicht genehmigungsbedürftige Abtretungen Nicht genehmigungsbedürftig sind mit Rücksicht auf den Zweck des statutari- 134 schen Genehmigungserfordernisses die Abtretung des Geschäftsanteils durch den Alleingesellschafter einer GmbH6 oder durch den einen Gesellschafter einer zweigliedrigen GmbH an den anderen7. Ob die statutarische Bestimmung entgegen ihrem Wortlaut auch bei anderen Abtretungen nicht eingreifen soll, ist im Einzelfall durch Auslegung festzustellen. Soll das Genehmigungserfordernis nur der Einflussnahme auf den Beitritt neuer Gesellschafter dienen, wird z.B. der Erwerb eigener Geschäftsanteile durch die Gesellschaft als genehmigungsfrei gelten können; nicht dagegen dann, wenn es daneben noch das Vorkaufsrecht eines Gesellschafters oder andere Interessen der Mitgesellschafter sichern soll8. d) Ausschluss der Abtretbarkeit Ein Ausschluss der Abtretbarkeit durch Gesellschaftsvertrag ist in § 15 Abs. 5 135 zwar nicht ausdrücklich vorgesehen, gleichwohl im Grundsatz mit der h.M.9 anzuerkennen. Einwendungen gegen einen Ausschluss können nicht aus § 137 1 Die Vorschrift ist analog anwendbar, wenn der Erwerber später den Geschäftsanteil desjenigen erwirbt, dessen Zustimmung noch aussteht; vgl. OLG Hamm, GmbHR 1985, 22. 2 BGHZ 13, 179, 187; BGHZ 48, 163, 166. 3 BGHZ 108, 380, 385; krit. Karsten Schmidt, GmbHR 2011, 1289, 1294. 4 BGHZ 48, 163, 166; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 247. 5 Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 248. 6 BGH, GmbHR 1991, 311, 312; OLG Dresden u. KG, GmbHRspr. IV § 15 R. 51, 52; Hueck/ Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 39; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 93; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 59. 7 RFH, JW 1929, 2205. 8 BGH, WM 1976, 204; Kühn, WM 1976, 758; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 59; Jasper, in: MünchHdb. III, § 24 Rdnr. 202; zu weitgehend daher Wiedemann, S. 101. 9 RGZ 80, 175, 179 (obiter dictum); BayObLG, DB 1989, 214, 215 f.; Feine, S. 370; Winter/ Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 4; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 38; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 104; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 57; Reichert/Weller, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 393; Wiedemann, S. 76 ff.; Rowedder/Bergmann, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 161 f.; Immenga, S. 86 f.; Flume, Juristische Per-

Seibt

1053

§ 15

Übertragung von Geschäftsanteilen

Satz 1 BGB1 hergeleitet werden, da es nicht um die Verfügungsbefugnis des Anteilsinhabers2, sondern um die Abtretbarkeit des Geschäftsanteils und daher ebenso wie bei den Abtretungsvoraussetzungen gemäß § 15 Abs. 5 um eine die Verkehrssicherheit nicht beeinträchtigende Inhaltsbestimmung des Anteilsrechts i.S. der §§ 339, 413 BGB geht, die das GmbH-Recht nicht allgemein verbietet3. Die Vorschriften des § 15 Abs. 1, 5 stehen einem Ausschluss nicht grundsätzlich entgegen, insbesondere ist ihnen nicht zu entnehmen, dass das Statut die Abtretung nur erschweren, nicht aber auch ausschließen dürfe oder dass die Veräußerlichkeit ein unabdingbares Wesensmerkmal „der“ Kapitalgesellschaft sei. Eine Grenze für den statutarischen Ausschluss der Abtretbarkeit ist nur insoweit gegeben, als die Abtretung des Geschäftsanteils zum Vollzug des Austritts (s. Anh. § 34 Rdnr. 6 ff.) und der Ausschließung (s. Anh. § 34 Rdnr. 25 ff.) eines Gesellschafters aus wichtigem Grunde notwendig ist4. Auch der Schutz der Gesellschaftergläubiger ist dadurch gewährleistet, dass ihnen der Zugriff nach §§ 851 Abs. 2, 857 Abs. 1 ZPO, §§ 35 f. InsO erhalten bleibt (Rdnr. 202 ff., 254).

VI. Gewährleistung beim Anteilskauf Schrifttum: Barnert, Mängelhaftung beim Unternehmensverkauf zwischen Sachgewährleistung und Verschulden bei Vertragsschluss im neuen Schuldrecht, WM 2003, 416; Boerner, Kaufrechtliche Sachmängelhaftung und Schuldrechtsreform, ZIP 2001, 2264; Brüggemeier, Das neue Kaufrecht des Bürgerlichen Gesetzbuches, WM 2002, 1376; Canaris, Die Neuregelung des Leistungsstörungs- und des Kaufrechts – Grundstrukturen und Problemschwerpunkte, in: E. Lorenz, Karlsruher Forum 2002, 2003, S. 5; Dauner-Lieb/Konzen/Karsten Schmidt, Das neue Schuldrecht in der Praxis, 2003; Dauner-Lieb/Thiessen, Das neue Leistungsstörungsrecht – Leistungshemmend und störanfällig?, DStR 2002, 809; Dauner-Lieb/Thiessen, Garantiebeschränkungen in Unternehmenskaufverträgen nach der Schuldrechtsreform, ZIP 2002, 108; Dietzel, Haftung des Verkäufers und Unternehmensprüfung (due diligence), in: Semler/Volhard, Arbeitshandbuch für Unternehmensübernahmen, Bd. I, 2001, S. 351; Eidenmüller, Die Verjährung beim Rechtskauf, NJW 2002, 1625; Eidenmüller, Rechtskauf und Unternehmenskauf, ZGS 2002, 290; Emmerich, Schuldrecht Besonderer Teil, 12. Aufl. 2009; Faust, Garantie und Haftungsbeschränkung in § 444 BGB, ZGS 2002, 271; Fischer, Die Haftung des Unternehmensverkäufers nach dem neuen Schuldrecht, DStR 2004, 276; Fleischer/Körber, Due diligence und Gewährleistung beim Unternehmenskauf, BB 2001, 841; Gaul, Schuldrechtsmodernisierung und Unternehmenskauf, ZHR 166 (2002), 35; Geldsetzer, Aufklärungspflichten des Verkäufers bei M&A-Transaktionen, M&A Review 2005, 475; Graf von Westphalen, Ein Stein des Anstoßes – § 444 BGB n.F., ZIP 2001, 2107; Graf von Westphalen, Nach der Schuldrechtsreform: Neue Grenzen für Haftungsfreizeichnungs- und Haftungsbegrenzungsklauseln, BB 2002, 209; Graf von Westphalen, „Garantien“ bei Lieferung von Maschinen und Anlagen – Todesstoß für Haftungsbegrenzungen durch §§ 444, 639 BGB?, ZIP 2002, 545; Grigoleit, Reformperspektiven der vorvertraglichen Informationshaftung, in: Schulze/Schulte-Nölke, Die Schuldrechtsreform vor dem Hintergrund des Gemeinschaftsrechts, 2001, S. 269; Grigoleit/Herresthal, Grund-

1 2 3 4

son, 1983, S. 279; Reichert, S. 93 ff. m.w.N.; a.M. Brodmann, Anm. 5a; Vogel, Anm. 2; Saenger, S. 31; Wolany, S. 81. Offen gelassen von RG, JW 1934, 1412, 1413. Auf ihn beruft sich Wolany, S. 81. So unzutr. Wiedemann, S. 77; Winkler, S. 59 Fn. 336; Immenga, S. 87. Zutr. Reichert, S. 97 f.; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 104; Bayer, in: Lutter/ Hommelhoff, Rdnr. 57. Abw. Reuter, Verh. d. 55. DJT, 1984, Bd. I B 63 ff.; s. dazu Anh. § 34 Rdnr. 8.

1054

Seibt

§ 15

Übertragung von Geschäftsanteilen

lagen der Sachmängelhaftung im Kaufrecht, JZ 2003, 118; Grigoleit/Herresthal, Die Beschaffenheitsvereinbarung und ihre Typisierung in § 434 I BGB, JZ 2003, 233; Gronstedt/Jörgens, Die Gewährleistungshaftung bei Unternehmensverkäufen nach dem neuen Schuldrecht, ZIP 2002, 52; Grunewald, Rechts- und Sachmängelhaftung beim Kauf von Unternehmensanteilen, NZG 2003, 372; Heerstraßen/Reinhard, Die Verjährung von Rechtsmängelansprüchen beim Beteiligungskauf nach der Schuldrechtsreform, BB 2002, 1429; Hilgard, Berechnung des Schadens bei Verletzung von Garantien eines Unternehmenskaufvertrages, ZIP 2005, 1813; Hilgard/Kraayvanger, Unternehmenskauf – Rechtsfolgen eines selbstständigen Garantieversprechens nach der Reform, MDR 2002, 678; Hommelhoff, Zur Abgrenzung von Unternehmenskauf und Anteilserwerb, ZGR 1982, 366; U. Huber, Die Praxis des Unternehmenskaufs im System des Kaufrechts, AcP 202 (2002), 179; Jaques, Haftung des Verkäufers für arglistiges Verhalten bei Unternehmenskauf – zugleich eine Stellungnahme zu § 444 BGB n.F., BB 2002, 417; Kindl, Unternehmenskauf und Schuldrechtsmodernisierung, WM 2003, 409; Knott, Unternehmenskauf nach der Schuldrechtsreform, NZG 2002, 249; Larisch, Gewährleistungshaftung beim Unternehmens- und Beteiligungskauf, 2004; Lieb, Gewährleistung beim Unternehmenskauf, in: FS Gernhuber, 1993, S. 259; Lorenz, Der Unternehmenskauf nach der Schuldrechtsreform, in: FS Heldrich, 2005, S. 305; Lorenz, Schadensersatz wegen Pflichtverletzung – ein Beispiel für die Überhastung der Kritik an der Schuldrechtsreform, JZ 2001, 742; Lorenz, Schuldrechtsreform 2002: Problemschwerpunkte drei Jahre danach, NJW 2005, 1889; Mellert, Selbstständige Garantien beim Unternehmenskauf – Auslegungs- und Abstimmungsprobleme, BB 2011, 1667; Oetker/Maultzsch, Vertragliche Schuldverhältnisse, 2002; Picot, Unternehmenskauf und Sachmängelhaftung, DB, 2009, 2587; Rodewald, Gutgläubiger Erwerb von Geschäftsanteilen nach MoMiG, GmbHR 2009, 196; Schellhammer, Das neue Kaufrecht – Rechtsmängelhaftung, Rechtskauf und Verbrauchsgüterkauf, MDR 2002, 485; Schickerling/Blunk, Auswirkungen des MoMiG auf die gesellschaftsrechtliche Due Diligence im Vorfeld eines Geschäftsanteilskaufs, GmbHR 2009, 337; Schiemzik, Erwerb von GmbH-Geschäftsanteilen seit Geltung des MoMiG, NWB 2011, 2481; Schinkels, Zur Abgrenzung von zulässiger Beschaffenheitsvereinbarung und Umgehung der Gewährleistung beim Verbrauchsgüterkauf, ZGS 2003, 310; D. Schmidt, Die Beschaffenheit der Kaufsache, BB 2005, 2763; Schmitz, Mängelhaftung beim Unternehmenskauf nach der Schuldrechtsreform, RNotZ 2006, 561; Schröcker, Unternehmenskauf und Anteilskauf nach der Schuldrechtsreform, ZGR 2005, 63; Seibt, Rechtssicherheit beim Unternehmens-, Beteiligungs- und Anlagenverkauf: Analyse der Änderungen bei §§ 444, 639 BGB, NZG 2004, 801; Seibt/Raschke/Reiche, Rechtsfragen der Haftungsbegrenzung bei Garantien (§ 444 BGB n.F.) und M&A Transaktionen, NZG 2002, 256; Seibt/Reiche, Unternehmens- und Beteiligungskauf nach der Schuldrechtsreform, DStR 2003, 1135 u. 1181; Seibt/Schwarz, Sachmängelgewährleistung und Verschulden bei Vertragsverhandlungen beim Unternehmenskauf, JuS 2012, 42; Stengel/Scholder, Aufklärungspflichten beim Beteiligungs- und Unternehmenskauf, NJW 1994, 158; Triebel/Hölzle, Schuldrechtsreform und Unternehmenskaufverträge, BB 2002, 521; Wälzholz, Auswirkungen der Schuldrechtsreform auf Gesellschaften und Geschäftsanteilsabtretungen, DStR 2002, 500; Weigl, Die Auswirkungen der Schuldrechtsreform auf den Unternehmenskauf, DNotZ 2005, 246; Weitnauer, Der Unternehmenskauf nach neuem Kaufrecht, NJW 2002, 2511; Weller, KurzKomm. OLG Köln, EWiR § 434 BGB 1/10, 15; Wertenbruch, Gewährleistung beim Unternehmenskauf, in: Dauner-Lieb/ Konzen/Karsten Schmidt, Das neue Schuldrecht in der Praxis, 2003, S. 493; Wilde, Die Gewährleistung bei der Call-Option, NZG 2010, 1176; Wolf/Kaiser, Die Mängelhaftung beim Unternehmenskauf nach neuem Recht, DB 2002, 411; Ziegler, Gewährleistungsrechtliche Haftung für „öffentliche Äußerungen“ am organisierten Kapitalmarkt, DStR 2005, 873.

Seibt

1055

§ 15

Übertragung von Geschäftsanteilen

1. Anwendbares Gewährleistungsrecht 136 Der Kauf eines Geschäftsanteils ist ein Rechtskauf1. Für die Beurteilung der Konsequenzen bei Vorliegen von Mängeln ist zwischen Verträgen, die dem BGB in seiner Fassung bis zum 31.12.2001 (vgl. Art. 229 § 5 Satz 1 EGBGB) unterliegen, und solchen nach dem BGB in seiner durch das am 1.1.2002 in Kraft getretene Schuldrechtsmodernisierungsgesetz2 geänderten Fassung zu unterscheiden (unten Rdnr. 143 ff.). Entscheidend für die Anwendung alten Rechts ist, dass Angebot und Annahme bis zum 31.12.2001 wirksam geworden sind3. Unerheblich ist, ob etwaige aufschiebende Bedingungen (z.B. Gremienvorbehalte, kartellrechtliche Genehmigung) erst später eingetreten sind4. Zur Rechtslage nach altem Recht vgl. 10. Aufl., Rdnr. 137 ff. Die gesetzlichen Gewährleistungsvorschriften sind entsprechend anwendbar auf vertragliche Abreden im Zusammenhang mit der Übernahme neuer Geschäftsanteile, die durch eine Kapitalerhöhung entstehen5. 137–142 Einstweilen frei.

2. Gewährleistung beim Anteilskauf 143 Die Schuldrechtsmodernisierung hat den Rechtskauf dem Sachkauf gleichgestellt (§ 453 Abs. 1 BGB), es gelten daher für den Anteilskauf die §§ 433 ff. BGB6. Gemäß §§ 453 Abs. 1, 433 Abs. 1 Satz 1 BGB hat der Veräußerer dem Käufer den verkauften Geschäftsanteil zu übertragen. a) Haftung für Rechtsmängel aa) Rechtsmängel 144 Die Haftung für Rechtsmängel beim Anteilsverkauf folgt aus §§ 453 Abs. 1 Alt. 1, 433 Abs. 1 Satz 2, 435 BGB. Die Rechtsfolgen eines Rechtsmangels sind in § 437 BGB denen eines Sachmangels gleichgestellt worden (hierzu Rdnr. 165 ff.), so dass die Abgrenzung zwischen Rechts- und Sachmangel erheblich an Bedeutung verloren hat. Nach dem Wortlaut von §§ 435, 453 BGB liegt ein Rechtsmangel vor, wenn ein Dritter in Bezug auf den Geschäftsanteil ein – nicht im Anteilskaufvertrag übernommenes7 – Recht gegen den Käufer geltend machen 1 Vgl. Seibt/Schwarz, JuS 2012, 42, 43 m.w.N. 2 Gesetz zur Modernisierung des Schuldrechts vom 26.11.2001 (BGBl. I 2001, 3138). 3 Vgl. BGH v. 15.6.2005 – VIII ZR 118/03 (nicht veröffentlicht); Grüneberg, in: Palandt, Art. 229 § 5 EGBGB Rdnr. 3. 4 Triebel/Hölzle, BB 2002, 521. 5 Ausführlich Seibt/Raschke/Reiche, NZG 2002, 256, 260 ff. 6 Der Gesetzgeber wollte mit den „sonstigen Gegenständen“ (§ 453 Abs. 1 Alt. 2 BGB) insbesondere auch Unternehmen (als Zusammenfassung von persönlichen und sachlichen Mitteln einschließlich aller zugehörigen Werte und Güter) erfassen, womit für den Asset Deal die Anwendbarkeit der Gewährleistungsregeln des Sachkaufs, §§ 437, 434 ff. BGB, klargestellt werden sollte, vgl. Putzo, in: Palandt, § 453 BGB Rdnr. 1, 7; Fischer, DStR 2004, 276. 7 § 435 Satz 1 BGB spricht missverständlich von im Kaufvertrag „übernommenen Rechten“. Gemeint sind hier die Fälle der §§ 414–416 BGB, wenn der Käufer die mit dem Drittrecht korrespondierende Schuld übernommen hat. Ein Rechtsmangel liegt aber

1056

Seibt

§ 15

Übertragung von Geschäftsanteilen

kann. Dies ist jedenfalls dann der Fall, wenn der Anteil gepfändet, an einen Dritten verpfändet oder mit einem Nießbrauch belastet ist. Ein Rechtsmangel liegt darüber hinaus dann vor, wenn der Anteil in seinem Be- 145 stand gefährdet ist, etwa weil die Gesellschaft sich im Insolvenzverfahren oder in Liquidation befindet1. Gleiches gilt, wenn der Anteil mit Einlagerückständen oder Nachschusspflichten belastet und deshalb die Kaduzierung möglich ist2. Dies folgt zwar nicht mehr aus der Verantwortung des Verkäufers für den Bestand des Rechts i.S. des § 437 BGB a.F., ergibt sich aber daraus, dass ein Drittrecht vorliegt, das sich nach § 16 Abs. 2 gegen den Käufer als Rechtsinhaber richtet (vgl. § 435 BGB) und auf Grund dessen der Entzug der Rechtsstellung des Gesellschafters droht. Für die Entziehung des Anteils ist mit Vorliegen des Tatbestandmerkmals der „verzögerten Einzahlung“ i.S. von § 21 Abs. 1 zum maßgeblichen Zeitpunkt der Anteilsübertragung eine ausreichende Gefährdungslage geschaffen3. Dass die Einleitung des Kaduzierungsverfahrens im Ermessen der Geschäftsführung liegt, spricht nicht gegen4, sondern vielmehr für die Gefährdungslage, da diese Entscheidung aus Sicht des Erwerbers – de iure unabhängig – von Dritten getroffen wird5. Das reicht für die Annahme eines Rechtsmangels aus, solange das Kaduzierungsverfahren bei der Geltendmachung der Mängelrechte noch eingeleitet werden kann6. Aus den gleichen Gründen muss auch schon bei Vorliegen eines Insolvenzgrundes (Überschuldung) ein Rechtsmangel angenommen werden7. Damit wird nicht etwa eine Bonitätshaftung eingeführt (s. unten Rdnr. 152), sondern vielmehr dem Umstand Rechnung getragen, dass aufgrund der Insolvenzantragspflicht (§ 15a Abs. 1 InsO) der Bestand des Anteils konkret gefährdet ist (vgl. § 60 Abs. 1 Nr. 4).

1 2

3 4 5

6 7

auch dann nicht vor, wenn der Käufer nach dem Kaufvertrag das Drittrecht zu dulden hat, H. P. Westermann, in: MünchKomm. BGB, 5. Aufl. 2008, § 435 BGB Rdnr. 5. Faust, in: Bamberger/Roth, § 453 BGB Rdnr. 11; Putzo, in: Palandt, § 453 BGB Rdnr. 23. Faust, in: Bamberger/Roth, § 453 BGB Rdnr. 11; Wälzholz, DStR 2002, 500, 501; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 9; Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 177; Larisch, Gewährleistungshaftung, S. 187 f.; a.A. Grunewald, NZG 2003, 372, 373. RGZ 96, 227, 230; Jasper, in: MünchHdb. III, § 24 Rdnr. 117; Winter, in: 9. Aufl., Rdnr. 112; a.A. Grunewald, NZG 2003, 372, 373. Grunewald, NZG 2003, 372, 373. Dies ist auch mit der Lage bei einem verpfändeten Anteil vergleichbar, wo eine tatsächliche Beeinträchtigung durch das Pfandrecht sowohl Pfandreife als auch die Entscheidung des Pfandgläubigers zur Geltendmachung des Rechts voraussetzt. Gleichwohl wird ein Rechtsmangel angenommen (oben Rdnr. 144). Winter, in: 9. Aufl., Rdnr. 112. A.A. die h.M. zum alten Recht, insbesondere BGH, NJW 1980, 2408; für weitere Nachweise zum alten Recht s. 10. Aufl., Rdnr. 137; zum neuen Recht ebenfalls abw. Weidenkaff, in: Palandt, § 453 BGB Rdnr. 23; Wolf/Kaiser, DB 2002, 411, 416, kommen im Fall der unabwendbar bevorstehenden Insolvenz im Ergebnis gleichfalls zu einer Mängelhaftung, allerdings über die Annahme einer Haftung für die übliche Beschaffenheit des Unternehmens i.S. von § 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BGB; für die Einordnung der Überschuldung als Mangel des Unternehmens auch Larisch, Gewährleistungshaftung, S. 188 f.; so auch Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 10; wie hier Jasper, in: MünchHdb. III, § 24 Rdnr. 117; Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 177; Wicke, Rdnr. 4.

Seibt

1057

§ 15

Übertragung von Geschäftsanteilen

bb) Nichtbestehen des Anteils, Drittinhaberschaft und Vinkulierung 146 Kein Rechtsmangel ist das Nichtbestehen des Anteils. Vielmehr haftet der Veräußerer wegen Nichterfüllung seiner Verschaffenspflicht i.S. des § 433 Abs. 1 Satz 1 BGB nach den allgemeinen Regeln (d.h. nach §§ 311a, 280 Abs. 1 und 3, 281, 283 BGB)1. Die gegenteilige Auffassung2 verkennt, dass das neue Recht nicht mehr die verschuldensunabhängige Einstandspflicht des Verkäufers für den Bestand des Rechts wie nach § 437 BGB a.F. kennt. Zudem ist der Anwendungsbereich der §§ 437 ff. BGB grundsätzlich erst mit Übergabe der Kaufsache bzw. Übertragung des Rechts an den Käufer eröffnet (vgl. §§ 446, 453 Abs. 1 und 3 BGB), wozu es bei Nichtexistenz eines Rechts gar nicht kommen kann. Insbesondere die mit dem Gefahrenübergang verbundene Vorstellung einer Überprüfbarkeit der Mängelfreiheit greift bei einem nicht existenten Recht nicht. Dementsprechend passen die Rechtsfolgen nach § 437 BGB n.F. auf einen solchen Fall auch nicht (insbesondere §§ 439, 441 BGB)3. Bei Nichtbestehen der GmbH, des aus einer Teilung zur Anteilsübertragung oder einer Kapitalerhöhung vermeintlich hervorgegangenen GmbH-Anteils hat der Veräußerer den Anteil also im Prinzip nach §§ 433 Abs. 1 Satz 1, 453 BGB zu verschaffen und zur Entstehung zu bringen4, sofern die Leistungspflicht des Verkäufers nicht nach § 275 BGB wegen echter (§ 275 Abs. 1 BGB) oder normativer (§ 275 Abs. 2 oder 3 BGB) Unmöglichkeit entfällt. Werden Anteile einer bestimmten, in Wahrheit aber nicht bzw. nach Abschluss der Liquidation (Vollbeendigung) oder infolge Verschmelzung o.ä. nicht mehr bestehenden GmbH verkauft, so besteht objektive Unmöglichkeit (§ 275 Abs. 1 BGB), da ein Spezieskauf vorliegt. Ist ein aus einer Kapitalerhöhung vermeintlich entstandener Anteil in Wahrheit nicht entstanden, so kann die nach § 275 Abs. 2 bzw. Abs. 3 BGB vorzunehmende Abwägung im Einzelfall ergeben, dass der Verkäufer nicht von der Leistungspflicht befreit ist, sondern als Gesellschafter der GmbH das Erforderliche tun muss, um den Anteil zum Entstehen zu bringen und übertragen zu können. Ist die Verschaffenspflicht des Veräußerers nach § 275 BGB ausgeschlossen, so haftet dieser nach § 311a Abs. 2 bzw. § 280 Abs. 1 und 3, § 281 bzw. § 283 BGB auf Schadensersatz statt der Leistung oder Aufwendungsersatz (§ 284 BGB), sofern er sich nicht entlastet (§§ 311a Abs. 2 Satz 2, 280 Abs. 1 Satz 2 BGB). Das Gleiche gilt bei fehlerhaften Teilungen von Geschäftsanteilen. Aus der Aufhebung von § 437 BGB a.F. folgt auch, dass beim Rechtskauf nicht allgemein eine (konkludente) Übernahme des Risikos für den Bestand des Rechts angenommen werden kann5. Beim Verkauf eines Geschäftsanteils kann sich aus den Umständen frei1 Grunewald, NZG 2003, 372, 373; Eidenmüller, NJW 2002, 1625, 1626; Grunewald, in: Erman, § 453 BGB Rdnr. 7; Huber, in: Soergel, BGB, Bd. 3, 12. Aufl. 1991, § 437 BGB Rdnr. 14; Faust, in: Bamberger/Roth, § 453 BGB Rdnr. 12, 16 ff.; jetzt auch Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 177 a.E.; Larisch, Gewährleistungshaftung, S. 182 ff. 2 Heerstraßen/Reinhard, BB 2002, 1429, 1430; Schellhammer, MDR 2002, 485, 488; Jasper, in: MünchHdb. III, § 24 Rdnr. 116; Putzo, in: Palandt, § 453 BGB Rdnr. 23 konkret beim Anteilserwerb (Rechtsmangel, wenn Gesellschaft nicht besteht), anders jedoch zum Nichtbestehen von Rechten im Allgemeinen Putzo, in: Palandt, § 453 BGB Rdnr. 19. 3 H. P. Westermann, in: MünchKomm. BGB, 5. Aufl. 2008, § 435 BGB Rdnr. 9. 4 Vgl. Putzo, in: Palandt, § 453 BGB Rdnr. 19. 5 Eidenmüller, ZGS 2002, 290, 293; H. P. Westermann, in: MünchKomm. BGB, 5. Aufl. 2008, § 453 BGB Rdnr. 10.

1058

Seibt

§ 15

Übertragung von Geschäftsanteilen

lich etwas anderes ergeben (§§ 133, 157 BGB), insbesondere ist dies denkbar, wenn der Verkäufer zur Untermauerung seiner Rechtsinhaberschaft die Entstehungs- oder Erwerbsgeschichte des Geschäftsanteils bei den Vertragsverhandlungen darlegt. Auch nach dem MoMiG ist eine rechtliche Due Diligence daher weiterhin erfor- 146a derlich. Der Anteilserwerber wird wie bisher die Abtretungshistorie des Anteils nachvollziehen1, ferner das Entstehen der GmbH sowie Struktur- und Kapitalmaßnahmen auch nach neuer Rechtslage auf ihre Wirksamkeit überprüfen müssen2. Der durch das MoMiG eingeführte gutgläubige Erwerb von Geschäftsanteilen gemäß § 16 Abs. 3 bezieht sich nicht auf nichtbestehende Anteile (vgl. § 16 Rdnr. 69) und führt in Bezug auf dingliche Rechte am Geschäftsanteil nicht zu einem gutgläubig lastenfreien Erwerb, so dass in diesen Fällen auch weiterhin das Risiko besteht, dass der Käufer den Geschäftsanteil nicht oder lediglich belastet erwirbt und ausschließlich Schadensersatzansprüche gegen den Verkäufer (vgl. Rdnr. 146) geltend machen kann. Es ist daher auch zu prüfen, ob der Anteil auf andere Weise (bspw. Kaduzierung gemäß § 21) vernichtet wurde und ob dem Erwerber weitere Haftungsrisiken, etwa wegen nicht vollständig erbrachter Einlagen, drohen3. Eine sorgsame Due Diligence ist auch bei der Vereinbarung von Call-Optionen über den Erwerb von Geschäftsanteilen anzuraten4. Ist ein Dritter Inhaber des Anteils gilt das soeben Gesagte entsprechend. Der 147 Veräußerer haftet für diese subjektive Unmöglichkeit nach §§ 311a, 280 Abs. 1, 3, 281 bzw. 283 BGB, sofern er den Anteil nicht vom Dritten beschafft bzw. beschaffen kann5. Ein Rechtsmangel liegt nicht vor, da der Dritte kein Recht gegen den Käufer geltend machen muss, denn – anders als beim Sachkauf – erhält dieser nichts gegen das der Rechtsinhaber vorgehen müsste6.

1 Abw. BT-Drucks. 16/6140, S. 38 („Den an der Abtretung beteiligten Personen sollen die Mühen, Kosten und Unsicherheiten der mitunter sehr langen Abtretungskette seit Gründung der Gesellschaft erspart werden“); wie hier Rodewald, GmbHR 2009, 196, 199 („business as usual“); Bohrer, DStR 2007, 995, 1003; Klöckner, NZG 2008, 841, 843; Schockenhoff/Höder, ZIP 2006, 1841 ff.; Stenzel, BB 2012, 337, 339 ff.; vgl. auch BGH, BB 2011, 2832 m. Anm. Löwe. 2 Rodewald, GmbHR 2009, 196, 199; Schickerling/Blunk, GmbHR 2009, 337, 339; Schiemzik, NWB 2011, 2481, 2484 f. 3 Schiemzik, NWB 2011, 2481, 2485; Desch, BB 2010, 3104. 4 Hierzu Wilde, NZG 2010, 1176, 1176 ff. 5 Faust, in: Bamberger/Roth, § 453 BGB Rdnr. 12, 16; Putzo, in: Palandt, § 453 BGB Rdnr. 19; Wicke, Rdnr. 4; Larisch, Gewährleistungshaftung, S. 186 f.; a.A. Jasper, in: MünchHdb. III, § 24 Rdnr. 116; Wälzholz, DStR 2002, 500, 503; Eidenmüller, ZGS 2002, 290, 293, der zur Anwendung von § 437 BGB tendiert, da keine Gründe bestünden, zwischen anfänglich-subjektiver Unmöglichkeit aufgrund der Rechtsinhaberschaft eines Dritten beim Sachkauf (Fall des Rechtsmangels nach §§ 437, 438 Abs. 1 Nr. 1a BGB) und beim Rechtskauf zu differenzieren. Jedenfalls verjährungsrechtlich soll der Fall (anfänglicher) subjektiver Unmöglichkeit beim Rechtskauf wie beim Sachkauf nach § 438 Abs. 1 Nr. 1a BGB behandelt werden, Eidenmüller, NJW 2002, 1625, 1626. 6 Insoweit auch Eidenmüller, NJW 2002, 1625, 1626.

Seibt

1059

§ 15

Übertragung von Geschäftsanteilen

148 Die allgemeinen Regeln gelten auch für den Fall mangelnder Übertragbarkeit1, etwa wenn nach § 15 Abs. 5 bestehende Zustimmungserfordernisse endgültig verweigert werden oder die Abtretbarkeit des GmbH-Anteils vollständig ausgeschlossen ist (§§ 399, 413 BGB; s. dazu oben Rdnr. 135; zur Pflicht, eine erforderliche Zustimmung herbeizuführen, vgl. 10. Aufl., Rdnr. 138). cc) Beschaffenheit des Anteils 149 Obwohl ein Recht keinen Sachmangel aufweisen kann, kann man die übrigen als Rechtsmängel einzuordnenden Umstände (oben Rdnr. 144 f.) nunmehr entsprechend § 434 BGB, der unmittelbar den Sachmangel regelt, als Abweichungen von der geschuldeten Beschaffenheit erfassen2. Dabei geht es zunächst um die Beschaffenheit des Rechts; ob beim Anteilskauf auch die Beschaffenheit des Unternehmens eine Rolle spielt, ist eine andere Frage (dazu unten Rdnr. 151 f.). Der Veräußerer eines Geschäftsanteils haftet jedenfalls für die ausdrücklich oder konkludent im Kaufvertrag vereinbarte Beschaffenheit (§ 434 Abs. 1 Satz 1 BGB), ansonsten für die übliche Beschaffenheit eines derartigen Anteils (§ 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BGB), die sich insbesondere nach dem dispositiven Recht des GmbHG richtet (z.B. § 3 Abs. 2, § 29 Abs. 3 und § 47 Abs. 2). Mit Ausnahme der Vorschrift des § 434 Abs. 2 BGB dürften in Einzelfällen auch die übrigen Vorschriften zum Sachmangel (§ 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 und Satz 3 sowie Abs. 3) für eine „entsprechende Anwendung“ i.S. von § 453 Abs. 1 BGB beim GmbH-Anteilskauf in Betracht kommen3. 150 Zur Beschaffenheit des Rechts gehören solche Eigenschaften, die seine Struktur bzw. Gestalt prägen4. Beim Anteilskauf können daher bestimmte Gewinnbeteiligungs-, Veräußerungsbeteiligungs-5, Stimm- oder Sonderrechte des Anteils als Beschaffenheitsmerkmale i.S. des § 434 Abs. 1 Satz 1 BGB vereinbart werden. Ohne Vereinbarung müssen sie die übliche Größe haben, also der Größe des verkauften Geschäftsanteils entsprechen (vgl. § 29 Abs. 3 Satz 1, § 47 Abs. 2, § 72). Ein Rechtsmangel liegt auch dann vor, wenn die Größe des Geschäftsanteils von der vereinbarten abweicht, wobei eine Vereinbarung über die Größe eines 1 Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 9 a.E.; Faust, in: Bamberger/Roth, § 453 BGB Rdnr. 12, 16; Wälzholz, DStR 2002, 500, 504; unklar Putzo, in: Palandt, § 453 BGB Rdnr. 20. 2 Eidenmüller, ZGS 2002, 290, 291; H. P. Westermann, in: MünchKomm. BGB, 5. Aufl. 2008, § 453 BGB Rdnr. 11 und 20; Larisch, Gewährleistungshaftung, S. 188; insoweit auch Ziegler, DStR 2005, 873, 874 f. (§ 453 Abs. 1 BGB als Rechtsgrundverweisung (auch) auf § 434 BGB). 3 Vgl. Faust, in: Bamberger/Roth, § 453 BGB Rdnr. 10; Eidenmüller, ZGS 2002, 290, 291. Das rein objektive Verständnis in der Begründung zum Regierungsentwurf, BT-Drucks. 14/6040, S. 218, bezieht sich erkennbar nicht auf die hier behandelte entsprechende Anwendung von § 434 BGB beim Kauf eines Rechts, sondern auf Rechtsmängel i.S. von § 435 BGB beim Sachkauf. 4 Eidenmüller, ZGS 2002, 290, 291; H. P. Westermann, in: MünchKomm. BGB, 5. Aufl. 2008, § 453 BGB Rdnr. 27. 5 Damit sind die insbes. zugunsten von Finanzinvestoren typischerweise eingeräumten Rechte gemeint, denenzufolge der Finanzinvestor die geleistete Einlage zzgl. Verzinsung bei Veräußerung von Einzelrechtsgütern (z.B. Patente) oder Anteilen vorab erhält, bevor die Regeldividendenberechtigung eingreift.

1060

Seibt

§ 15

Übertragung von Geschäftsanteilen

GmbH-Anteils in der Regel schon durch die Bestimmung des zu veräußernden Anteils getroffen wird. b) Haftung für die Beschaffenheit des Unternehmens aa) Grundsatz nach alter Rechtslage Das Sachmängelgewährleistungsrecht nach §§ 459 ff. BGB a.F. kam neben der 150a Haftung für Rechtsmängel grundsätzlich nicht zur Anwendung1. Eine Haftung für die Beschaffenheit des Unternehmens der GmbH, dessen Anteile erworben wurden, oder der ihr gehörenden Vermögensgegenstände sowie ihre Verbindlichkeiten schied daher im Regelfall genauso aus wie eine Haftung für den Wert des Geschäftsanteils2, es sei denn, es wurde eine – in der Praxis übliche – Garantieabrede unter Wahrung der Form des § 15 Abs. 4 getroffen (s. unten Rdnr. 160 ff.). Der Verkäufer konnte jedoch außerhalb des Gewährleistungsrechts nach den Grundsätzen des Verschuldens bei Vertragsschluss (culpa in contrahendo) haften, der Käufer den Anteilskaufvertrag bei Irrtum über verkehrswesentliche Eigenschaften u.U. nach § 119 Abs. 2 BGB oder bei Täuschung nach § 123 BGB anfechten3. Ausnahmsweise wurden nach der früheren Rechtslage die §§ 459 ff. BGB a.F. 150b auf den Anteilskauf analog angewandt, wenn es sich wirtschaftlich um einen Unternehmenskauf handelte (Unternehmenskauf in Gestalt eines Share Deal)4. Dies wurde jedenfalls für den Fall angenommen, dass (nahezu) alle Geschäftsanteile Gegenstand des Kaufvertrages waren5. Im Übrigen war die Grenzziehung zwischen Unternehmens- und Anteilskauf höchst umstritten. Der BGH stellte vor allem auf den wirtschaftlichen Vertragszweck und den Umfang der durch den Erwerb vermittelten unternehmerischen Einflussmöglichkeit ab, welche sich durch die Beteiligungsgröße und die gesellschaftsvertragliche Gestaltung bestimme. Ein Share Deal war danach als Unternehmenskauf zu qualifizieren, wenn der Parteiwille auf den Erwerb des Unternehmens als Ganzes gerichtet war, sich der Kaufpreis daran orientierte und beim Verkäufer oder einem Dritten nur ein geringfügiger Anteilsbesitz verblieb, der nicht geeignet war, die Verfügungsmacht des Erwerbers über das Unternehmen wesentlich zu beeinträchti1 Winter, in diesem Kommentar, 9. Aufl., Rdnr. 113 mit Nachweisen zur h.M.; zur Ausnahme beim Anteilskauf als Unternehmenskauf s. Rdnr. 153. 2 BGHZ 65, 246, 248 ff.; BGH, NJW 1980, 2408; OLG München, NJW 1967, 1327; OLG Naumburg, GmbHR 1995, 378, 379; KG, GmbHR 1996, 921; für Aktien: OLG München, NZG 2004, 530 („Börsengängigkeit, der Kurs oder künftige Erträge sind von der Haftung des Verkäufers nicht erfasst“); Winter, in: 9. Aufl., Rdnr. 113; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 6. 3 BGHZ 65, 246, 248 ff.; BGH, NJW 1980, 2408; Winter, in: 9. Aufl., Rdnr. 113. 4 Bei einem Asset Deal hingegen, bei dem Gegenstand des Kaufvertrages nicht die Anteile der Gesellschaft, sondern die Vermögensgegenstände des Unternehmens sind, haftete der Verkäufer für Sachmängel unmittelbar nach §§ 459 ff. BGB a.F.; darüber hinaus kam bei Vorlage fehlerhafter Erfolgs- und Finanzplanungen auch eine Anfechtung nach § 123 BGB oder bei falschen Angaben zu Umsatzzahlen eine Haftung aus culpa in contrahendo in Betracht, vgl. BGH, NJW 1996, 2503. 5 RGZ 98, 289, 292; BGHZ 65, 246, 248 ff.; BGH, NJW 1980, 2408; BGH, NJW 1998, 2360; weitere Nachweise zu dieser h.M. in Rspr. und Lit. bei Winter, in diesem Kommentar, 9. Aufl., Rdnr. 113 und bei Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 7.

Seibt

1061

§ 15

Übertragung von Geschäftsanteilen

gen1. Nicht ausreichend war der Erwerb einer einfachen oder satzungsändernden Mehrheit2. Die wohl überwiegende Auffassung in der Literatur tendierte wie der BGH zu strengen Anforderungen, so dass nach einer verbreiteten Auffassung die verbleibenden Geschäftsanteile im Allgemeinen einen Anteil von 10 % nicht überschreiten durften3. bb) Keine Haftung beim reinen Anteilskauf 151 Auch nach neuem Recht kommt beim Anteilskauf eine Sachmängelhaftung für die Beschaffenheit des Unternehmens grundsätzlich nur in Betracht, wenn wirtschaftlich ein Unternehmenskauf vorliegt. Die Verweisung von § 453 Abs. 1 BGB auf die §§ 434 ff. BGB erfasst zwar nach der Gesetzesbegründung auch Unternehmen und Unternehmensteile als „sonstige Gegenstände“4, allerdings ist hiermit zunächst nur die Anwendung der §§ 434 ff. BGB für den Asset Deal eröffnet. Ob und inwieweit bei einem Anteilskauf (§ 453 Abs. 1 Alt. 1 BGB) auch eine Mängelhaftung für das Unternehmen greift (Frage nach der einfachen oder doppelten „Entsprechung“ nach § 453 Abs. 1 Alt. 1 BGB), ist damit nicht beantwortet. Richtigerweise ist wie nach altem Recht zu unterscheiden zwischen dem reinen Anteilskauf (Beteiligungserwerb) und dem Anteilskauf, der wirtschaftlich einem Unternehmenskauf gleichsteht. 152 Beim Beteiligungserwerb kommt eine Haftung für die Beschaffenheit des Unternehmens nach Sachmängelrecht nicht in Betracht5. Diese Annahme ist allerdings umstritten und nicht zweifelsfrei. Denn aus der Entsprechensverweisung in § 453 Abs. 1 BGB könnte gefolgert werden, dass beim reinen Anteilskauf Beschaffenheiten des Unternehmens als Beschaffenheiten i.S. des § 434 Abs. 1 Satz 1 BGB vereinbart werden können oder als nach dem Verwendungszweck erforderliche oder übliche Beschaffenheiten i.S. des § 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 bzw. 2 BGB in Betracht kommen (These der doppelten „Entsprechung“)6. Nach einer etwas strengeren Auffassung soll zwar die Anwendung von § 434 Abs. 1 Satz 2 BGB ausscheiden, eine Beschaffenheitsvereinbarung i.S. des § 434 Abs. 1 Satz 1

1 BGHZ 65, 246, 248 ff.; BGH, NJW 1980, 2408; Winter, in: 9. Aufl., Rdnr. 113 m.w.N. 2 BGH, NJW 1980, 2408, 2409. 3 Winter, in: 9. Aufl., Rdnr. 113 m.w.N.; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 7 m.w.N.; weniger streng etwa OLG München, NJW 1967, 1327 (Erwerb von 80 %); Hommelhoff, ZGR 1982, 366, 381 (Erwerb von mehr als 50 %); weitere Nachweise auch bei Grunewald, NZG 2003, 372 f. 4 Begr. RegE, BT-Drucks. 14/6040, S. 242. 5 Eidenmüller, NJW 2002, 1625, 1627; Eidenmüller, ZGS 2002, 290, 294; Lorenz, in: FS Heldrich, 2005, S. 305, 319 f.; Putzo, in: Palandt, § 453 BGB Rdnr. 23; U. Huber, AcP 202 (2002), 223 ff.; Wälzholz, DStR 2002, 500, 503; Weitnauer, NJW 2002, 2511, 2514; H. P. Westermann, in: MünchKomm. BGB, 5. Aufl. 2008, § 453 BGB Rdnr. 21; Wicke, Rdnr. 5; weitere Nachweise bei Fischer, DStR 2004, 276, 279. 6 Seibt/Reiche, DStR 2002, 1135, 1137; Gaul, ZHR 166 (2002), 35, 39 (allerdings in sich nicht schlüssig, da Gaul von der Identität des Fehlerbegriffs i.S. des § 459 Abs. 1 BGB a.F. mit dem Beschaffenheitsbegriff i.S. des § 434 Abs. 1 BGB ausgeht und vernachlässigt, dass fehlerbegründende Umstände bzw. Beschaffenheiten des Unternehmens dem allein kaufgegenständlichen Anteil nicht unmittelbar anhaften); Wolf/Kaiser, DB 2002, 411, 417; Ziegler, DStR 2005, 873, 875; Larisch, Gewährleistungshaftung, S. 193 ff. (Frage der Auslegung des Kaufvertrags).

1062

Seibt

§ 15

Übertragung von Geschäftsanteilen

BGB über das durch den Anteil vermittelte unternehmensbezogene Vermögen aber möglich sein1. Allerdings ist zu berücksichtigen, dass auf Fälle derartiger „Mängel“ des Unternehmens beim Beteiligungserwerb insbesondere der Nacherfüllungsanspruch und das Recht zur zweiten Andienung nicht passen, da der Erwerber, der keinen beherrschenden Einfluss auf das Unternehmen erlangt hat, nicht in der Lage ist, über die sinnvolle Art der Nacherfüllung (vgl. § 439 Abs. 1 BGB) zu entscheiden2. Auch spricht die Gesetzesbegründung3 eher gegen die Annahme, dass ein Paradigmenwechsel vollzogen und entgegen dem hergebrachten Grundsatz eine Haftung für die Werthaltigkeit (Bonität) eines verkauften Rechts eingeführt werden sollte4. Aus einem Umkehrschluss zu § 453 Abs. 3 BGB folgt vielmehr, dass im Grundsatz keine Haftung für die Beschaffenheit der vom verkauften Recht betroffenen Sache besteht5. cc) Anteilskauf als Unternehmenskauf Eine Ausnahme kommt – wie nach altem Recht – nur in Betracht, wenn so viele 153 Anteile erworben werden, dass dies wirtschaftlich dem Kauf des gesamten Unternehmens6 gleich kommt. Eine qualitative Änderung der Rechtslage hat sich insofern nicht ergeben7. Ab welcher Schwelle eine Gleichstellung bejaht werden kann, ist vom BGH auch zum alten Recht nicht endgültig entschieden worden (Rdnr. 150b). Jedenfalls dann, wenn alle oder nahezu alle Anteile einer Gesellschaft übertragen werden und dem Erwerber dadurch umfassende Leitungsmacht verschafft wird, greift Sachmängelrecht beim Anteilserwerb auch in Bezug auf das Unternehmen8. Ansonsten kommt eine Gleichstellung nicht unterhalb der Schwelle einer satzungsändernden Mehrheit von 75 % des Geschäftskapitals in Betracht9, so dass der Erwerb einer einfachen Mehrheit kei-

1 Gronstedt/Jörgens, ZIP 2002, 52, 55; Triebel/Hölzle, BB 2002, 521, 523 f. und 525 (§ 434 Abs. 1 Satz 2 BGB nur bei Erwerb einer Mehrheitsbeteiligung); Grunewald, NZG 2003, 372, 373. 2 H. P. Westermann, in: MünchKomm. BGB, 5. Aufl. 2008, § 453 BGB Rdnr. 21; Wertenbruch, in: Dauner-Lieb/Konzen/Karsten Schmidt, Das neue Schuldrecht in der Praxis, 2003, S. 509. 3 Begr. RegE, BT-Drucks. 14/6040, S. 242. 4 Fischer, DStR 2004, 276, 280; ausdrücklich für einen solchen Paradigmenwechsel hingegen Ziegler, DStR 2005, 873, 875. 5 Eidenmüller, ZGS 2002, 290, 294; Grunewald, NZG 2003, 372, 373. 6 Ein Unternehmenskauf liegt nach ständiger Rechtsprechung vor, wenn nicht nur einzelne Wirtschaftsgüter, sondern ein Inbegriff von Sachen, Rechten und sonstigen Vermögenswerten als selbstständige Organisationseinheit übertragen und der Erwerber dadurch in die Lage versetzt wird, das Unternehmen als solches weiterzuführen, etwa BGH, NJW 2002, 1042, 1043; Schröcker, ZGR 2005, 63, 65. 7 Eidenmüller, ZGS 2002, 290, 294; Weitnauer, NJW 2002, 2511, 2514; H. P. Westermann, in: MünchKomm. BGB, 5. Aufl. 2008, § 453 BGB Rdnr. 20, 23; Seibt/Schwarz, JuS 2012, 43, 45 m.w.N. 8 BGHZ 65, 246, 251 = NJW 1976, 236, 237; ein Rest von 0,25 % ist als quantité négligeable in jedem Fall unbeachtlich, BGH, WM 1970, 819; vgl. auch Schröcker, ZGR 2005, 63, 64, der eine Ausnahme für den Fall machen will, dass die Satzung dem Alleingesellschafter (oder „Fast-Alleingesellschafter“) lediglich die Rolle eines Anlagegesellschafters beimisst. 9 BGH, NJW 1980, 2408, 2409.

Seibt

1063

§ 15

Übertragung von Geschäftsanteilen

nesfalls ausreicht1. Entscheidend ist, dass der Wille der Vertragsparteien auf den Verkauf des Unternehmens gerichtet ist und der Käufer mit dem Erwerb der Anteile die unternehmerisch beherrschende Stellung in diesem Unternehmen erlangt und daher ohne entscheidende Einschränkungen über das Unternehmen verfügen kann, selbst wenn formell die GmbH Trägerin des Unternehmens und Eigentümerin der Sachwerte bleibt2. Da Minderheitsbefugnisse nach §§ 50 Abs. 1, 61 Abs. 2 Satz 2 erst ab der Schwelle von 10 % der GmbH-Anteile greifen und auch nach jüngster Gesetzgebung Anteilsinhaber mit einer Beteiligungsquote von weniger als 10 % als bloße Finanzinvestoren qualifiziert werden (vgl. § 39 Abs. 5 InsO), ist jedenfalls bei einem Anteilsrest von 10 % (oder weniger) in der Regel ein Unternehmenskauf anzunehmen3. Es kommt jedoch auf die gesellschaftsrechtlichen Verhältnisse im Einzelfall an. So dürfen Gesellschaftsanteile, die bereits dem Erwerber gehören, nicht mitgezählt werden4. Erwirbt ein bereits maßgeblich beteiligter Gesellschafter weitere Anteile hinzu, so dass er danach die unternehmerische Herrschaft innehat, wird es jedenfalls auf der Seite des Veräußerers an dem auf den Verkauf des Unternehmens gerichteten Willen fehlen, da dieser in der Regel keinen Einblick in das Unternehmen hat, der über denjenigen des Erwerbers hinausgeht. Ein Unternehmenskauf liegt dann nicht vor5. dd) Beschaffenheit des Unternehmens aaa) Vereinbarte Beschaffenheit (§ 434 Abs. 1 Satz 1 BGB) 154 Vorrangig kommt es für die Gewährleistungshaftung darauf an, welche Beschaffenheit die Vertragsparteien vereinbart haben (§ 434 Abs. 1 Satz 1 BGB). Der Anwendungsbereich des Sachmängelrechts beim Unternehmenskauf ist aber nur dann eröffnet, wenn die fraglichen Umstände eine Beschaffenheit des Unternehmens darstellen können, andernfalls greifen die allgemeinen Regeln, insbesondere die Haftung für die Verletzung vorvertraglicher Informationspflichten (§§ 280 ff., 311a BGB). Der Beschaffenheitsbegriff ist zentrales Tatbestandsmerkmal im neuen Recht, durch die Schuldrechtsreform allerdings nicht definiert worden. Der BGH argumentierte nach altem Recht v.a. mit dem engen traditionellen Fehlerbegriff, wonach als ein Beschaffenheitsmerkmal nur das in Betracht kam, was der Kaufsache für eine gewisse Dauer selbst anhaftete6. Dem hat sich der Gesetzgeber durch die Schuldrechtsreform nicht angeschlossen. Er hat viel1 BGHZ 65, 246, 251 = NJW 1976, 236, 237; BGH, NJW 2001, 2163; a.A. Hommelhoff, ZGR 1982, 366, 378 f., 384; Schröcker, ZGR 2005, 63, 65. 2 BGHZ 65, 246, 251 = NJW 1976, 236, 237. 3 BGHZ 65, 246, 252 = NJW 1976, 236, 237; so auch Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 178; Jasper, in: MünchHdb. III, § 24 Rdnr. 120, stellt auf 90 % der Stimmrechte ab; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 22 u. Schröcker, ZGR 2005, 63, 68 f., wollen sogar den Erwerb von Geschäftsanteilen mit einer Stimmenrechtsanzahl genügen lassen, mit denen eine satzungsändernde Mehrheit herbeigeführt werden kann. Vgl. auch Winter, in: 9. Aufl., Rdnr. 113, m.w.N. 4 OLG Naumburg, GmbHR 1995, 378, 379. 5 H. P. Westermann, in: MünchKomm. BGB, 5. Aufl. 2008, § 453 BGB Rdnr. 24; Jasper, in: MünchHdb. III, § 24 Rdnr. 121. 6 Vgl. etwa BGH, NJW 1970, 653, 655; BGH, NJW 1979, 33; gegen diesen Fehlerbegriff z.B. H. P. Westermann, in: MünchKomm. BGB, 6. Aufl. 2012, § 453 BGB Rdnr. 27 ff.

1064

Seibt

§ 15

Übertragung von Geschäftsanteilen

mehr ganz bewusst offengelassen, ob der Begriff „Beschaffenheit“ nach neuem Recht nur Eigenschaften umfasst, die der Kaufsache unmittelbar physisch anhaften, oder ob auch außerhalb der Sache selbst liegende Umstände einzubeziehen sind1. Die Frage ist daher, insbesondere im Zusammenhang mit dem Unternehmenskauf, umstritten. Nach einer Auffassung soll der Begriff neben der Beschaffenheit nach altem Recht nunmehr auch die frühere zusicherungsfähige Eigenschaft (§ 459 Abs. 2 BGB a.F.) umfassen, wobei die Umstände, die dem Kaufgegenstand nicht ohnehin dauerhaft physisch anhaften, sondern Beziehungen zu seiner Umwelt darstellen, zumindest ihren Grund im Zustand der Sache selbst haben müssen2. Das OLG Hamm hat in einer Entscheidung zu einem Autokauf verlangt, dass der Umstand in der Beschaffenheit der Kaufsache wurzelt und ihr „unmittelbar (physisch) auf eine gewisse Dauer anhaftet“; der Gesetzgeber habe bei der Schuldrechtsreform den bisherigen Beschaffenheitsbegriff nicht ändern wollen3. Jedoch sollte nach der Gesetzesbegründung jedenfalls eine Festlegung auf ein 155 solches enges Verständnis und den alten Fehlerbegriff vermieden werden4, was von der – vor allem im weiteren Gesetzgebungsverfahren erkennbaren5 – Tendenz her also für eine Ausweitung des Begriffs spricht. Richtigerweise ist der Beschaffenheitsbegriff gegenüber dem Verständnis nach altem Recht auszudehnen6. Einzubeziehen sind jedenfalls solche Umstände, die von der Rechtsprechung nach altem Recht als zusicherungsfähige Eigenschaften i.S. des § 459 Abs. 2 BGB a.F. eingeordnet wurden7. Umfasst sind aber auch die Beziehungen der Sache zur Umwelt, sofern irgendein Zusammenhang mit dem Zustand der Kaufsache besteht. Nur vom Zustand der Kaufsache vollständig unabhängige

1 Begr. RegE, BT-Drucks. 14/6040, S. 213. 2 Kindl, WM 2003, 409; Putzo, in: Palandt, § 434 BGB Rdnr. 10 ff.; noch restriktiver U. Huber, AcP 202 (2002), 179, 224 ff., der die Beschaffenheit mit dem Begriff aus § 459 Abs. 1 BGB a.F. gleichsetzt, ohne die frühere zusicherungsfähige Eigenschaft einzubeziehen. 3 OLG Hamm, NJW-RR 2003, 1360, 1361 (Kauf eines PKW, der sich als Importfahrzeug herausstellte); kritisch dazu Schröcker, ZGR 2005, 63, 76. 4 Vgl. Begr. RegE, BT-Drucks. 14/6040, S. 213 („insbesondere soll nicht entschieden werden, ob …“). 5 Dazu D. Schmidt, BB 2005, 2763, 2764. 6 Boerner, ZIP 2001, 2264, 2266 f.; Brüggemeier, WM 2002, 1376, 1377 ff.; Faust, in: Bamberger/Roth, § 434 BGB Rdnr. 19 ff.; Thiessen, in: MünchKomm. HGB, 3. Aufl. 2010, Anh. § 25 HGB Rdnr. 61 f.; Grigoleit/Herresthal, JZ 2003, 118, 120 ff.; Grigoleit/Herresthal, JZ 2003, 233; Oetker/Maultzsch, Vertragliche Schuldverhältnisse, 2002, S. 37 ff.; Putzo, in: Palandt, § 434 BGB Rdnr. 10 ff.; Schinkels, ZGS 2003, 310; konkret zum Unternehmenskauf: Seibt/Reiche, DStR 2002, 1135, 1138 f.; Eidenmüller, ZGS 2002, 290, 295; Lorenz, in: FS Heldrich, 2005, S. 305, 317 („Begradigung“ des Beschaffenheitsbegriffs); Gaul, ZHR 166 (2002), 35; Gronstedt/Jörgens, ZIP 2002, 52, 54 f.; Wolf/Kaiser, DB 2002, 411; Triebel/Hölzle, BB 2002, 521, 525; Knott, NZG 2002, 249, 251; D. Schmidt, BB 2005, 2763, 2764 f.; Schröcker, ZGR 2005, 63, 76 f., 80 (soweit ausdrücklich vereinbart); Weitnauer, NJW 2002, 2511, 2513 f. (soweit ausdrücklich vereinbart). 7 Vgl. Begr. RegE, BT-Drucks. 14/6040, S. 212 f.; s. etwa Grigoleit/Herrestahl, JZ 2003, 118, 122; Weitnauer, NJW 2002, 2511, 2513 f.; Eidenmüller, ZGS 2002, 290, 295; Kindl, WM 2003, 409, 411; Lorenz, in: FS Heldrich, 2005, S. 305, 316 f.; a.A. U. Huber, AcP 202 (2002), 179, 224 ff.

Seibt

1065

§ 15

Übertragung von Geschäftsanteilen

Umstände zählen nicht zur Beschaffenheit1, da die Wortlautgrenze des Begriffs einen gewissen Bezug zum objektiven Zustand des Kaufgegenstandes verlangt2. Überlässt man den Begriff völlig der Definitionsgewalt der Privatautonomie gibt man ihn – auch außerhalb des Unternehmenskaufs – der Konturlosigkeit Preis3. 156 Beim Unternehmenskauf scheiden daher nur gänzlich außerhalb des Unternehmens liegende Umstände und Anforderungen, die sich (nur) auf Dritte beziehen, aus, wie z.B. die Eröffnung eines Konkurrenzunternehmens durch die Ehefrau des Veräußerers4 oder allgemeine Marktgegebenheiten5. Allerdings ist beim Unternehmenskauf zu berücksichtigen, dass eine Beschaffenheit auch dort vorliegen kann, wo ein Umstand den Organismus „Unternehmen“ als solchen betrifft, ohne dass er auf eine konkrete Sache, ein einzelnes Recht oder sonstigen Gegenstand aus dem Unternehmen zurückzuführen ist6. Entscheidend ist jedoch nicht mehr (wie nach altem Recht), dass die Umstände dem Unternehmen auf gewisse Dauer anhaften7. Ausreichend, aber auch erforderlich, ist vielmehr, dass der Umstand gegenwärtig ist, d.h. zum Zeitpunkt des Gefahrenübergangs vorliegt (vgl. § 434 Abs. 1 Satz 1 BGB)8. Beim Unternehmenskauf können deshalb nunmehr gegenwärtige Unternehmenskennzahlen, z.B. aktueller Vermögensund Schuldenstand oder unternehmensspezifische Kennziffern, als Beschaffenheit vereinbart werden9. Für vergangenheitsbezogene Ertrags- und Umsatzzahlen, d.h. solche, die aus einer früheren Rechnungslegungsperiode stammen, gilt dies nur dann, wenn sie dergestalt dauernde Wirkung haben, dass sie sich auf den Zustand des Unternehmens zum Zeitpunkt des Gefahrübergangs auswirken und eine Aussage über die Ertragsfähigkeit des Unternehmens zulassen10. Dafür kann auf die bisherige Rechtsprechung11 zu zusicherungsfähigen Eigenschaften 1 Grigoleit/Herrestahl, JZ 2003, 118, 124; Faust, in: Bamberger/Roth, § 434 BGB Rdnr. 22 f. 2 Vgl. Grigoleit, in: Schulze/Schulte-Nölke, Die Schuldrechtsreform vor dem Hintergrund des Gemeinschaftsrechts, 2001, S. 269, 293 f. 3 Zur Gefahr der Konturlosigkeit auch Lorenz, in: FS Heldrich, 2005, S. 305, 321. 4 Vgl. BGH, NJW 1987, 909, 910. 5 Eidenmüller, ZGS 2002, 290, 295 f.; vgl. auch D. Schmidt, BB 2005, 2763, 2766. 6 Dies folgt für den Asset Deal schon aus der Verweisung in § 453 Abs. 1 Alt. 2 BGB auf §§ 434 ff. BGB und gilt nach dem oben (Rdnr. 151 f.) Gesagten gleichermaßen beim Unternehmenskauf in Gestalt des Share Deal. 7 Gaul, ZHR 166 (2002), 35, 51; Triebel/Hölzle, BB 2002, 521, 525; Wolf/Kaiser, DB 2002, 411, 412; Eidenmüller, ZGS 2002, 290, 295; Faust, in: Bamberger/Roth, § 434 BGB Rdnr. 24; D. Schmidt, BB 2005, 2763, 2766 f.; a.A. Putzo, in: Palandt, § 434 BGB Rdnr. 11; U. Huber, AcP 202 (2002), 179, 228; Jaques, BB 2002, 417, 418; Weitnauer, NJW 2002, 2511, 2514 (jedenfalls für vergangenheitsbezogene Abschlussangaben). 8 Eidenmüller, ZGS 2002, 290, 295; Faust, in: Bamberger/Roth, § 434 BGB Rdnr. 25; Fischer, DStR 2004, 276, 278. 9 Gaul, ZHR 166 (2002), 35, 46 f., 49 f.; Eidenmüller, ZGS 2002, 290, 295; Fischer, DStR 2004, 276, 278. 10 Tendenziell großzügiger D. Schmidt, BB 2005, 2763, 2767, der bei entsprechender Vereinbarung auch vergangene Umstände, wie bestimmte Ertrags- oder Umsatzzahlen, als Beschaffenheitsmerkmale zulassen will, die allerdings dann ausscheiden, wenn „keine Auswirkungen auf die Beschaffenheit zum Gefahrübergang, und zwar auch im Sinne einer Risikoerhöhung“ festgestellt werden können, so dass im Ergebnis eine Beweislastumkehr zu Lasten des Verkäufers eintrete. 11 Vgl. BGH, WM 1990, 1344; BGH, NJW 1977, 1536, 1537.

1066

Seibt

§ 15

Übertragung von Geschäftsanteilen

zurückgegriffen werden, derzufolge sich die Umsatz- und Ertragsangaben über einen längeren, mehrjährigen Zeitraum erstrecken und dadurch einen verlässlichen Anhalt für die Bewertung der Ertragsfähigkeit und damit für die Ermittlung des Wertes des Unternehmens abgeben müssen1. Sofern in entsprechenden Angaben aus vergangenen Perioden nicht zugleich eine Angabe über die gegenwärtige Beschaffenheit liegt (was auch vereinbart werden kann), sind dies typische Fälle einer culpa-Haftung (§§ 280 Abs. 1, 311 Abs. 2 BGB) für die Verletzung vorvertraglicher Informationspflichten2, bei denen die Rechtsfolgen des § 437 BGB nicht passen würden3. So kommen etwa unzutreffende Unternehmensdaten hinsichtlich abgeschlossener wirtschaftlicher Bewertungsperioden für eine „Nachbesserung“ nicht in Betracht4. Angaben über zukünftige Umsätze oder Erträge sind – soweit sie nicht aus aktuell vorhandenen Umständen abgeleitet werden5 – einer Beschaffenheitsvereinbarung nicht zugänglich, da sie zum maßgeblichen Zeitpunkt des Gefahrübergangs nicht vorliegen und zudem regelmäßig außerhalb des Einflussbereichs des Verkäufers liegen werden6. Liegt eine zwischen den Parteien vereinbarte Beschaffenheit i.S. des § 434 Abs. 1 156a Satz 1 BGB vor, so kommt es bei der Abweichung vom Soll-Zustand auf die Erheblichkeit dieses Mangels für das Gesamtunternehmen (vgl. Rdnr. 158) im Gegensatz zur typisierten Sollbeschaffenheit nicht mehr an. Der Gesetzgeber hat es mit Einführung des subjektiven Mangelbegriffs den Parteien überlassen, die Erheblichkeit von Beschaffenheitsumständen durch Vereinbarung zu bestimmen7. bbb) Typisierte Soll-Beschaffenheit (§ 434 Abs. 1 Satz 2 BGB) Besteht keine Beschaffenheitsvereinbarung, haftet der Veräußerer u.U. nach 157 § 434 Abs. 1 Satz 2 BGB. Er hat gemäß § 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 BGB für die nach dem Vertrag vorausgesetzte Verwendung des Unternehmens einzustehen, in Ermangelung einer solchen nach § 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BGB für die Eignung zur gewöhnlichen Verwendung und die übliche Beschaffenheit. Auch bei einem Unternehmen kann bis zu einem gewissen Grade von einer insoweit relevanten

1 Eidenmüller, ZGS 2002, 290, 295; Lorenz, in: FS Heldrich, 2005, S. 305, 317 f.; Canaris, in: Lorenz, Karlsruher Forum 2002, S. 5, 60; Thiessen, in: MünchKomm. HGB, 3. Aufl. 2010, Anh. § 25 HGB Rdnr. 63; Gaul, ZHR 166 (2002), 35, 46 ff.; Kindl, WM 2003, 409, 411; Gronstedt/Jörgens, ZIP 2002, 54 f.; a.A. Schröcker, ZGR 2005, 63, 78, 80. 2 Grigoleit/Herresthal, JZ 2003, 118, 125 f.; Eidenmüller, ZGS 2002, 290, 295; Faust, in: Bamberger/Roth, § 434 BGB Rdnr. 25, 26; Lorenz, in: FS Heldrich, 2005, S. 305, 317 f. 3 Wertenbruch, in: Dauner-Lieb/Konzen/Karsten Schmidt, Das neue Schuldrecht in der Praxis, 2003, S. 504, H. P. Westermann, in: MünchKomm. BGB, 5. Aufl. 2008, § 453 BGB Rdnr. 31. 4 Barnert, WM 2003, 416, 422. 5 Vgl. insoweit H. P. Westermann, in: MünchKomm. BGB, 5. Aufl. 2008, § 453 BGB Rdnr. 34, tendenziell aber weitergehend; ähnlich D. Schmidt, BB 2005, 2763, 2767. 6 Schröcker, ZGR 2005, 63, 78, 80; Fischer, DStR 2004, 276, 278. 7 Thiessen, in: MünchKomm. HGB, 3. Aufl. 2010, Anh. § 25 HGB Rdnr. 82; Schmitz, RNotZ 2006, 561, 577 f.; Picot, DB 2009, 2587, 2591; Knott, NZG 2002, 249, 251; Seibt/ Schwarz, JuS 2012, 43, 45; a.A. wohl OLG Köln, ZIP 2009, 2063.

Seibt

1067

§ 15

Übertragung von Geschäftsanteilen

Normbeschaffenheit gesprochen werden1. So liegt beim Unternehmenskauf die gewöhnliche Verwendung im Betrieb des Unternehmens, d.h. der Ausübung des Unternehmensgegenstandes2. Eine abweichende Verwendung kann in Ausnahmefällen vorausgesetzt sein, z.B. wenn das Unternehmen (bzw. die Anteile hieran) zum Zwecke der Weiterveräußerung in Teileinheiten erworben wird. Soweit es um Abschlussangaben und sonstige wirtschaftliche Kennzahlen geht, kommt eine Haftung nach § 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 und Nr. 2 Alt. 1 BGB aber in der Regel nicht in Betracht, da diese Zahlen den Verwendungszweck nicht beeinflussen, soweit der Unternehmensgegenstand betrieben werden kann3. 158 Von den Fällen der Abweichung von der typisierten Soll-Beschaffenheit nach § 434 Abs. 1 Satz 2 BGB werden in Ermangelung einer entsprechenden Beschaffenheitsvereinbarung auch Mängel am Sachsubstrat, d.h. an einzelnen zum Unternehmensvermögen gehörenden Sachen, Rechten oder unkörperlichen Werten, erfasst4. Einige Stimmen im Schrifttum fordern in Anbetracht der Ausweitung des Mangelbegriffs durch die Schuldrechtsmodernisierung, bereits die Mangelhaftigkeit einzelner Vermögensgegenstände dem Mängelgewährleistungsregime zu unterstellen5. Dies ist abzulehnen, denn ein Unternehmen ist als Sachgesamtheit nur dann mangelhaft, wenn ihm insgesamt ein Mangel anhaftet6. Deshalb werden Mängel am Sachsubstrat wie nach § 459 BGB a.F. nur dann zu einem relevanten Mangel des Unternehmens, wenn sie auf das Unternehmen durchschlagen7. In allen Fällen muss sich der Mangel auf die Funktionstauglichkeit des Unternehmens als solches auswirken. Insoweit kann im Grundsatz auf die Rechtsprechung zum alten Recht zurückgegriffen werden8 (10. Aufl., Rdnr. 141). Allerdings wird der Fortfall des Erheblichkeitskriteriums (§ 459 Abs. 1 Satz 2 BGB a.F.) und damit der „Gesamterheblichkeitstheorie“ in gewis-

1 Lorenz, in: FS Heldrich, 2005, S. 305, 321; Eidenmüller, ZGS 2002, 290, 295; Lieb, in: FS Gernhuber, 1993, S. 259, 264 ff.; a.A. U. Huber, AcP 202 (2002), 179, 212 f., der nur bei Gebrauchsgütern mit Standardbeschaffenheit eine „übliche Beschaffenheit“ anerkennt; Gaul, ZHR 166 (2002), 35, 48; Kindl, WM 2003, 409, 412; Weitnauer, NJW 2002, 2511, 2514. 2 Das gilt bei konsequenter analoger Anwendung des § 434 BGB auch beim Unternehmenskauf in Gestalt des Share Deal, auch wenn nicht der Erwerber sondern die Gesellschaft, deren Anteile erworben werden, das Unternehmen betreibt. 3 Schröcker, ZGR 2005, 63, 80, 81; Fischer, DStR 2004, 276, 278; Weitnauer, NJW 2002, 2511, 2514. 4 Vgl. Lorenz, in: FS Heldrich, 2005, S. 305, 321 mit Fn. 89. 5 Matusche-Beckmann, in: Staudinger, BGB, Neubearb. 2004, § 434 BGB Rdnr. 145, die Gewährleistungsrechte in Bezug auf den gesamten Kaufvertrag für einschlägig hält; Grunewald, in: Erman, § 434 BGB Rdnr. 43, die jedoch nur in Bezug auf das mangelhafte Einzelstück Gewährleistungsrechte für einschlägig hält. 6 OLG Köln, ZIP, 2009, 2063, 2065. 7 Insoweit zutreffend OLG Köln, ZIP, 2009, 2063, 2065; Faust, in: Bamberger/Roth, § 434 BGB Rdnr. 27; H. P. Westermann, in: MünchKomm. BGB, 5. Aufl. 2008, § 453 BGB Rdnr. 27; Thiessen, in: MünchKomm. HGB, 3. Aufl. 2010, Anh. § 25 HGB Rdnr. 79; Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 181; Wicke, Rdnr. 5; Schröcker, ZGR 2005, 63, 79; Triebel/ Hölzle, BB 2002, 521 ff.; Seibt/Schwarz, JuS 2012, 43, 45. 8 RGZ 98, 289; BGH, WM 1970, 819, 821; vgl. auch Triebel/Hölzle, BB 2002, 521, 525; H. P. Westermann, in: MünchKomm. BGB, 5. Aufl. 2008, § 453 BGB Rdnr. 27, beide m.w.N.

1068

Seibt

§ 15

Übertragung von Geschäftsanteilen

ser Weise zu berücksichtigen sein, wenngleich ein Mangel an einem einzelnen Gegenstand, der nicht „durchschlägt“, eben kein Mangel des Unternehmens ist, weil er die Eignung zur vorausgesetzten bzw. gewöhnlichen Verwendung nicht beeinträchtigt1. Erfasst werden sowohl Quantitäts- als auch Qualitätsabweichungen. An der Eignung zur gewöhnlichen Verwendung, d.h. zur Ausübung des Unternehmensgegenstandes, kann es fehlen, wenn der Betrieb des Unternehmens ausgeschlossen ist, etwa weil nicht genügend Material oder Arbeitsmittel zur Aufrechterhaltung der Produktion vorhanden sind2 oder das entwickelte Verkaufsprodukt nicht brauchbar und kaufmännisch verwertbar ist3. Auch Umstände, die nicht an einzelnen Gegenständen des Unternehmensvermögens haften, sondern sich aus dem ungenügendenden Funktionieren und Zusammenwirken der im Unternehmen gebündelten Sachen, Personen, Ideen und Finanzierungsmaßnahmen ergeben, können die Beschaffenheit des Unternehmens beeinflussen, wenn sie die wirtschaftliche Grundlage der unternehmerischen Tätigkeit erschüttern, wie etwa ein negativer Ruf der hergestellten Produkte4, ein unzureichender Auftragsbestand5 oder das Fehlen bestimmter Charaktereigenschaften eines wichtigen Mitarbeiters6. Die Insolvenz des Unternehmens ist hingegen Rechtsmangel (s. oben Rdnr. 145)7, was aber für die Rechtsfolgen keine Rolle spielt (vgl. § 437 BGB). ccc) Öffentliche Äußerungen (§ 434 Abs. 1 Satz 3 BGB) Die geschuldete Beschaffenheit des Unternehmens kann durch öffentliche Äu- 159 ßerungen des Verkäufers ausgedehnt werden. In Betracht kommen hier Äußerungen bei Pressekonferenzen, in Unternehmenspräsentationen oder in einem Informationsmemorandum eines vom Verkäufer eingeschalteten Finanzberaters (z.B. einer Investmentbank) im Rahmen eines – nicht auf wenige interessierte Parteien begrenzten – Auktionsverfahrens8. In der Praxis des Unternehmenskaufs wird dies aber häufig an der mangelnden Öffentlichkeit der Äußerung scheitern, da die Äußerung auch von nicht am Kaufvertrag beteiligten Dritten (in im Grundsatz unbeschränkter Zahl) wahrnehmbar sein muss. Äußerungen beauftragter Dritter (z.B. Berater) können zugerechnet werden, ohne dass diese auch Vertreter sein müssen9. Durch sorgfältige, einzelfallbezogene Hinweise bei

1 Vgl. Schröcker, ZGR 2005, 63, 79; zum Wegfall der Gesamterheblichkeitstheorie Seibt/ Reiche, DStR 2002, 1135, 1140. 2 BGH, WM 1979, 102 ff. (zu geringer Bestand an Gerüsten beim Gerüstbauunternehmen). 3 BGH, WM 1978, 59. 4 Vgl. RGZ 67, 86, 90 (Pension als Absteigequartier). 5 H. P. Westermann, in: MünchKomm. BGB, 5. Aufl. 2008, § 453 BGB Rdnr. 24, 27 f.; Schröcker, ZGR 2005, 63, 79. 6 BGH, NJW 1991, 1223. 7 A.A. Weitnauer, NJW 2002, 2511, 2514 (Sachmangel i.S. von § 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 BGB); Wolf/Kaiser, DB 2002, 411, 416 (Sachmangel i.S. von § 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BGB); Larisch, Gewährleistungshaftung, S. 188. 8 Hierzu näher Seibt/Reiche, DStR 2002, 1135, 1139; mit Blick auf öffentliche Äußerungen beim Erwerb über den organisierten Kapitalmarkt Ziegler, DStR 2005, 873, 876 ff.; vgl. auch H. P. Westermann, in: MünchKomm. BGB, 5. Aufl. 2008, § 453 BGB Rdnr. 38. 9 Seibt/Reiche, DStR 2002, 1135, 1139.

Seibt

1069

§ 15

Übertragung von Geschäftsanteilen

derartigen öffentlichen Äußerungen, mit der die Verkäuferhaftung wegen unzutreffender Äußerungen ausgeschlossen wird, insbesondere bei entsprechenden Disclaimers im Informationsmemorandum, kann die Beeinflussung der Kaufentscheidung i.S. des § 434 Abs. 1 Satz 3 Halbsatz 2 Var. 3 BGB jedoch verhindert werden1. Erfolgt der Unternehmenskauf im Anschluss an eine in der Praxis häufige Käufer-Due Diligence, so wird es in der Regel ebenfalls an der erforderlichen Beeinflussung der Kaufentscheidung fehlen. c) Haftung für Garantien und Haftungsausschluss 160 Sowohl beim Anteils- als auch beim Unternehmenskauf wurde in der Praxis schon vor der Schuldrechtsreform das gesetzliche Gewährleistungsrecht aufgrund der unpassenden Rechtsfolgen, der zu kurzen Verjährung und der Abgrenzungsschwierigkeiten zur vorvertraglichen Informationshaftung vertraglich ausgeschlossen und durch ein eigenständiges Haftungsregime aus Garantievereinbarungen über die (Nicht-)Existenz und Werthaltigkeit bestimmter Faktoren oder das Nichtvorhandensein bestimmter wertmindernder Einflüsse ersetzt. Hieran sollte in der Praxis festgehalten werden, da es die oben (Rdnr. 154 ff.) beschriebenen Unsicherheiten hinsichtlich der Reichweite des Beschaffenheitsbegriffs und dem davon abhängigen Anwendungsbereich des gesetzlichen Gewährleistungsrechts gibt, die Anknüpfung der Verjährung in manchen Punkten unklar ist (s. Rdnr. 168 f.), und schließlich nach wie vor manche Rechtsfolgen der gesetzlichen Gewährleistung (Nacherfüllungsrecht, Rücktritt) beim Unternehmenskauf i.d.R. unerwünscht bzw. unpassend sind2. 161 Der Begriff der Garantie wird im Gesetz an verschiedenen Stellen verwendet (vgl. §§ 276 Abs. 1, 442, 443 Abs. 1, 444 BGB), jedoch nicht definiert. Neben der einfachen Beschaffenheitsvereinbarung nach § 434 Abs. 1 Satz 1 BGB (oben Rdnr. 154 ff.), welche die gesetzlichen Gewährleistungsregeln auslöst (d.h. Schadensersatz kommt nur bei Verschulden in Betracht), ist eine Garantie i.S. des § 276 Abs. 1 Satz 1 BGB denkbar, bei der eine Haftung auf Schadensersatz für Pflichtverletzungen (insb., aber nicht nur, für Mängel i.S. der §§ 434 ff. BGB) unabhängig von einem Verschulden vereinbart wird. Von derartigen unselbstständigen Garantien sind selbstständige Garantien (vgl. § 311 Abs. 1 BGB) zu unterscheiden, die ein eigenes, selbstständiges Haftungsregime über die vertragsgemäße Erfüllung hinaus mit eigenständiger Verjährung unabhängig von bzw. neben den Ansprüchen aus § 437 BGB schaffen sollen3. 162 Werden Garantien beim Anteilserwerb eingeräumt, so sind deren Bedeutung, Inhalt und Reichweite durch Auslegung (§§ 133, 157 BGB) zu ermitteln. Wird hinsichtlich bestimmter Beschaffenheitsmerkmale die verschuldensunabhängige Haftung i.S. des § 276 Abs. 1 Satz 1 BGB übernommen, so liegt eine Beschaffenheitsgarantie vor, welche jedenfalls die ursprüngliche Eigenschaftszusicherung nach altem Recht umfasst, die lediglich die gesetzlichen Mängelrechte des Käu-

1 Seibt/Reiche, DStR 2002, 1135, 1139. 2 Hierzu ausführlich Seibt/Reiche, DStR 2002, 1135, 1140; gleiche Empfehlung sprechen u.a. aus Picot, DB 2009, 2587, 2594; Weller, EWiR, § 434 BGB 1/10, 15, 16. 3 Zur selbstständigen Garantie z.B. BGHZ 104, 82, 86.

1070

Seibt

§ 15

Übertragung von Geschäftsanteilen

fers modifiziert bzw. erweitert1. Die Auslegung kann jedoch auch ergeben, dass die Beschaffenheitsgarantien selbstständige Garantien darstellen sollen, die neben die gesetzlichen Gewährleistungsvorschriften oder – wie häufig – an deren Stelle treten. Von § 442 Abs. 1 Halbsatz 2 und § 443 BGB werden jedoch nur unselbstständige Beschaffenheitsgarantien erfasst. Das folgt aus der Gesetzesbegründung2. Die nach der Schuldrechtsreform zunächst diskutierte Frage, ob die in der Praxis 163 beim Anteils- und Unternehmenskaufvertrag typischen Garantien, die zugleich betragsmäßige (de minimis-, basket- oder cap-Klauseln), zeitliche oder rechtsfolgenbezogene (z.B. Ausschluss des Rücktritts) Einschränkungen vorsehen3, wegen § 444 BGB wirkungslos sind4, hat sich spätestens durch die Gesetzesklarstellung5 erledigt6. Im Einklang mit der schon davor ganz überwiegenden Auffassung7 wurde mit der Gesetzesänderung klargestellt, dass § 444 Alt. 2 BGB nach Sinn und Zweck widersprüchliches Verhalten des Verkäufers verhindern soll, in dem etwa eine zunächst übernommene Garantie an anderer Stelle in überraschender oder intransparenter Weise ausgeschlossen oder beschränkt wird (Rechtsgrundsatz des venire contra factum proprium)8. Die Reichweite einer Garantie richtet sich daher allein nach der privatautonom getroffenen Vereinbarung. Haftungsausschlüsse und -beschränkungen in Bezug auf die Beschaffenheit der Kaufsache sind nach § 444 Alt. 2 BGB nur insoweit unwirksam, als sie mit einer (selbstständigen oder unselbstständigen) Garantie in Widerspruch stehen9. Soweit die Garantie Umstände betrifft, die nicht als Beschaffenheit des Unternehmens einzuordnen sind (s. oben Rdnr. 154 ff.) ist § 444 Alt. 2 BGB aber schon vom Wortlaut her nicht einschlägig10.

1 Schröcker, ZGR 2005, 63, 91. 2 Begr. RegE, BT-Drucks. 14/6040, S. 132, 236, 240. 3 Eine Aufzählung typischer Garantien beim Unternehmenskauf findet sich u.a. bei Triebel/Hölzle, BB 2002, 521, 528. 4 So insbesondere Graf von Westphalen, ZIP 2001, 2107; Graf von Westphalen, BB 2002, 209; Graf von Westphalen, ZIP 2002, 545 f. 5 Art. 1 Nr. 6 des Gesetzes zur Änderung der Vorschriften über Fernabsatzverträge bei Finanzdienstleistungen v. 2.12.2004 (BGBl. I 2004, 3102), in Kraft getreten am 8.12.2004, hat in § 444 BGB sowie in § 639 BGB das Wort „wenn“ durch das Wort „soweit“ ersetzt. 6 Hierzu näher Seibt, NZG 2004, 801 ff.; Lorenz, NJW 2005, 1889, 1895. 7 Seibt/Reiche, DStR 2002, 1181; Seibt/Raschke/Reiche, NZG 2002, 256, 259; Canaris, in: Lorenz, Karlsruher Forum 2002, S. 5, 85 f.; Eidenmüller, ZGS 2002, 290, 296; Lorenz, in: FS Heldrich, 2005, S. 305, 324, 326; Gaul, ZHR 166 (2002), 35, 63; Jaques, BB 2002, 417, 418; Triebel/Hölzle, BB 2002, 521, 530 f.; Wolf/Kaiser, DB 2002, 411, 419; Knott, NZG 2002, 249; 255; Hilgard/Kraayvanger, MDR 2002, 678, 679 ff.; DaunerLieb/Thiessen, ZIP 2002, 108; Schröcker, ZGR 2005, 63, 94 f.; anders Faust, in: Bamberger/Roth, § 444 BGB Rdnr. 19 f., der in § 444 Alt. 2 BGB eine Auslegungsregel sieht, nach der sich im Zweifel eine Garantie gegenüber einer Haftungsbeschränkung durchsetzt; ebenso Faust, ZGS 2002, 271, 272. 8 Seibt, NZG 2004, 801, 802, dort auch näher zur Entstehens- und Gesetzgebungsgeschichte der Klarstellung des § 444 BGB; Lorenz, in: FS Heldrich, 2005, S. 305, 324. 9 Seibt, NZG 2004, 801, 802; Lorenz, NJW 2005, 1889, 1895. 10 Eidenmüller, ZGS 2002, 290, 296.

Seibt

1071

§ 15

Übertragung von Geschäftsanteilen

164 Kenntnis des Käufers vom Mangel führt zum Ausschluss der Haftung des Verkäufers, grob fahrlässige Unkenntnis nur dann, wenn der Verkäufer nicht eine Beschaffenheitsgarantie übernommen oder einen Mangel arglistig verschwiegen bzw. eine bestimmte Beschaffenheit arglistig vorgespiegelt hat, § 442 Abs. 1 BGB. Das Nichtdurchführen einer Due Diligence (d.h. einer Unternehmensuntersuchung) führt nicht ohne weiteres zu einer grob fahrlässigen Unkenntnis des Käufers, da den Käufer keine entsprechende Obliegenheit zur Durchführung einer Due Diligence trifft1. Nach der gesetzlichen Risikoverteilung ist der Käufer ohne konkrete Anhaltspunkte gerade nicht gehalten, Nachforschungen über den Zustand der Kaufsache anzustellen. Übersieht der Käufer trotz Durchführung einer Due Diligence einen Mangel, so hängt es vom Einzelfall ab, ob grob fahrlässige Unkenntnis anzunehmen ist. Im Grundsatz ist der Wunsch des Käufers, eine Due Diligence durchzuführen, Ausdruck eines gesteigerten Aufklärungsinteresses, nicht der Bereitschaft, seine Rechtspositionen zu verschlechtern2. Auch ist die Erkenntnismöglichkeit des Käufers bei der Due Diligence stets durch Art und Umfang des zur Verfügung gestellten Materials und die Bereitschaft des Verkäufers zur Darlegung von Unternehmensinterna begrenzt. Der Vorwurf der grobfahrlässigen Unkenntnis ist dem Käufer daher in der Regel nur dann zu machen, wenn er den Fehler auch ohne nähere Untersuchung hätte erkennen können3. Allerdings ist dem Käufer je nach Sachlage und Komplexität des Unternehmenskaufs zuzumuten, die Prüfung des Unternehmens in adäquater Breite und Tiefe, evtl. mit Hilfe qualifizierter Berater, vorzunehmen und gewisse Standards zu verfolgen, um keine erfahrungsgemäß wesentlichen Punkte zu übersehen4. d) Rechtsfolgen bei Rechts- und Sachmängeln 165 Bei Mangelhaftigkeit veräußerter Geschäftsanteile bzw. des Unternehmens beim Unternehmenskauf stehen dem Käufer die Rechte aus § 437 BGB zu: Danach kann er zunächst Nacherfüllung durch Mängelbeseitigung verlangen (§§ 437 Nr. 1, 439 BGB), wobei der Unterfall der Nachlieferung (§ 439 Abs. 1 Alt. 2 BGB) aufgrund der Besonderheit und Individualität des Kaufgegenstandes „Geschäftsanteil“ bzw. „Unternehmen“ grundsätzlich wegen Unmöglichkeit ausscheidet. Nacherfüllung wird jedoch in Betracht kommen zum einen bei auf das Unternehmen durchschlagenden Mängeln am Sachsubstrat (s. oben Rdnr. 158) durch Lieferung einwandfreier Sachen oder Übertragung von Rechten der geschuldeten Art5, zum anderen hinsichtlich unerkannter Verbindlichkeiten im 1 H. P. Westermann, in: MünchKomm. BGB, 5. Aufl. 2008, § 453 BGB Rdnr. 60; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 14 a.E.; Fleischer/Körber, BB 2001, 841, 844 ff.; Dietzel, in: Semler/Volhard, Arbeitshandbuch für Unternehmensübernahmen, Bd. I, 2001, S. 351; Stengel/Scholder, NJW 1994, 158, 164; trotz Annahme einer Verkehrssitte auch: Böttcher, ZGS 2007, 20, 24 f.; differenzierend nach Umfang der Transaktion Sieja, NWB 2009, 2974, 2978. 2 Stengel/Scholder, NJW 1994, 158, 164. 3 Fleischer/Körber, BB 2001, 841, 848; H. P. Westermann, in: MünchKomm. BGB, 5. Aufl. 2008, § 453 BGB Rdnr. 59. 4 Näher H. P. Westermann, in: MünchKomm. BGB, 5. Aufl. 2008, § 453 BGB Rdnr. 59; LG Berlin v. 1.2.2005 – 5 O 176/04, juris, Rdnr. 168. 5 H. P. Westermann, in: MünchKomm. BGB, 5. Aufl. 2008, § 453 BGB Rdnr. 44.

1072

Seibt

§ 15

Übertragung von Geschäftsanteilen

Wege der Übernahme durch den Verkäufer1. Beim Anteils- bzw. Unternehmenskauf wird der gesetzliche Nacherfüllungsanspruch häufig ausgeschlossen und durch ein privatautonomes Haftungsregime (s. Rdnr. 160 ff.) ersetzt. Denn das zugleich bestehende Nachbesserungsrecht des Verkäufers2 und die damit einhergehende erneute Einflussnahme auf das kaufgegenständliche Unternehmen nach Abwicklung der Transaktion sind in der Regel nicht erwünscht und die Ausschlussgründe der Unverhältnismäßigkeit bzw. Unzumutbarkeit der Nacherfüllung nach § 275 Abs. 2 und 3 BGB bringen häufig erhebliche Zweifelsfragen mit sich3. Der Käufer kann aber auch den Kaufpreis mindern, was anders als beim Scha- 166 densersatz ohne Verschulden möglich ist und nur eine – u.U. entbehrliche – Nachfristsetzung erfordert (§§ 437 Nr. 2, 441, 440 BGB). Das Rücktrittsrecht nach §§ 437 Nr. 2, 440, 323, 326 Abs. 5 BGB wird häufig vertraglich ausgeschlossen, da es beim Anteils- oder Unternehmenskauf aufgrund der möglichen Rückabwicklungsschwierigkeiten und des u.U. bestehenden Wertersatzanspruchs des Verkäufers bei Unmöglichkeit der Rückgewähr (§ 346 Abs. 2 BGB) in der Regel nicht interessengerecht ist4. Beim reinen Anteilskauf als Rechtskauf werden solche Rückabwicklungsschwierigkeiten jedoch selten bestehen. Der Rücktritt kann aber auch schon nach den gesetzlichen Vorschriften ausgeschlossen sein, wenn der Mangel unerheblich ist (§ 323 Abs. 5 Satz 2 BGB). Ob darüber hinaus ein Rücktritt (nicht nur die Rückgabe an sich, § 346 Abs. 2 BGB) auch ohne vertragliche Regelung aufgrund der besonderen Konstellation beim Unternehmenskauf ausgeschlossen sein kann, erscheint zweifelhaft5. Bei Fehlschlagen der Nacherfüllung oder ihrer Unzumutbarkeit kann der Käu- 167 fer schon bei einfacher Fahrlässigkeit (nicht mehr nur bei Arglist oder Fehlen einer zugesicherten Eigenschaft) Schadensersatz verlangen (§§ 437 Nr. 3, 440, 280, 281, 283, 284, 311a BGB). Der Schaden liegt im geringeren Wert des Unternehmens, in den Einbußen, die der Käufer durch die Mangelhaftigkeit des Unternehmens sonst erlitten hat und in den frustrierten Vertragskosten6. Der Käufer kann zwischen kleinem und großem Schadensersatz wählen, wobei der kleine Schadensersatz im Wesentlichen auf eine Minderung hinausläuft und der große Schadensersatz grundsätzlich die Rückgabe der Anteile bzw. des Unternehmens erfordert (§ 281 Abs. 5 BGB). Statt des (großen oder kleinen) Schadensersatzes kann für den Käufer auch der Aufwendungsersatz nach § 284 BGB von Interesse sein, etwa hinsichtlich im Vertrauen auf die Gültigkeit des An-

1 Triebel/Hölzle, BB 2002, 521, 526; H. P. Westermann, in: MünchKomm. BGB, 5. Aufl. 2008, § 453 BGB Rdnr. 45. 2 Vgl. Lorenz, JZ 2001, 742, 743; Dauner-Lieb/Thiessen, DStR 2002, 809, 811. 3 Seibt/Reiche, DStR 2002, 1135, 1140. 4 Vgl. Gaul, ZHR 166 (2002), 35, 56; Triebel/Hölzle, BB 2002, 521, 527; s. aber auch H. P. Westermann, in: MünchKomm. BGB, 5. Aufl. 2008, § 453 BGB Rdnr. 47 f. 5 Kritisch zu entsprechenden Ansätzen H. P. Westermann, in: MünchKomm. BGB, 5. Aufl. 2008, § 453 BGB Rdnr. 48. 6 H. P. Westermann, in: MünchKomm. BGB, 5. Aufl. 2008, § 453 BGB Rdnr. 50; zur Schadensberechnung bei der Verletzung von Garantien beim Unternehmenskauf Hilgard, ZIP 2005, 1813.

Seibt

1073

§ 15

Übertragung von Geschäftsanteilen

teils- bzw. Unternehmenskaufs getätigte Investitionen oder veräußerte Unternehmensteile1. e) Verjährung 168 Für Mängelrechte aus § 437 BGB gilt grundsätzlich die zweijährige Verjährungsfrist des § 438 Abs. 1 Nr. 3 BGB. Die Divergenz zur Haftung nach allgemeinem Schuldrecht ist durch die Schuldrechtsreform gemildert aber nicht vollständig beseitigt worden2. Für die Haftung aus culpa in contrahendo beim Anteils- und Unternehmenskauf gilt die regelmäßige Verjährungsfrist von drei Jahren (§ 195 BGB) ab Kenntnis bzw. grob fahrlässiger Unkenntnis der Anspruchsvoraussetzungen und der Person des Schuldners (§ 199 Abs. 1 BGB). Die Verjährung beim Rechtskauf, insbesondere beim Anteilskauf, ist allerdings umstritten3. Ist der Anteil mit dem Recht eines Dritten belastet, so ist bei solchen Drittrechten, durch welche dem Käufer die Nutzung des Anteilsrechts entzogen werden kann (Pfandrecht, Nießbrauch), eine Vergleichbarkeit mit entsprechenden Drittrechten beim Sachkauf gegeben und die dreißigjährige Verjährungsfrist nach § 438 Abs. 1 Nr. 1a BGB analog heranzuziehen4. Gleiches gilt für den Fall einer offenen Einlageschuld oder bestehenden Nachschusspflicht5. Die Ansprüche wegen anderer Rechtsmängel (z.B. fehlendes Stimmrecht, fehlende vereinbarte Gewinn- oder Veräußerungserlösbeteiligung) verjähren dagegen nach § 438 Abs. 1 Nr. 3 BGB6. Steht der veräußerte Anteil nicht dem Verkäufer sondern einem Dritten zu (Drittinhaberschaft), ist ein Gleichlauf zum Fall der Drittberechtigung beim Sachkauf zu befürworten und § 438 Abs. 1 Nr. 1a BGB analog anzuwenden7. Zwar liegt hierin kein Rechtsmangel sondern Unmöglichkeit (s. oben Rdnr. 147), so dass an sich die dreijährige Regelverjährung von §§ 195, 199 BGB eingreifen müsste8. Eine analoge Anwendung von § 438 Abs. 1 Nr. 1a BGB ist aber geboten, da eine längere Verjährungsfrist (insb. angesichts der Höchstfristen nach § 199 Abs. 3 BGB) beim Rechtskauf, wo der Käufer im Gegensatz zum Sachkauf gar nichts erhält, erst recht zur Feststellung des „Mangels“ erforderlich sein kann. Konsequenterweise gilt § 438 Abs. 1 Nr. 1a BGB auch dann, wenn der verkaufte Anteil nicht existiert9. Im Unterschied zum Sachkauf, wo 1 2 3 4 5

6 7

8 9

H. P. Westermann, in: MünchKomm. BGB, 5. Aufl. 2008, § 453 BGB Rdnr. 52 ff. Seibt/Reiche, DStR 2002, 1135, 1183. Vgl. etwa Faust, in: Bamberger/Roth, § 438 BGB Rdnr. 17 f. m.w.N. Heerstraßen/Reinhard, BB 2002, 1429, 1434; Faust, in: Bamberger/Roth, § 438 BGB Rdnr. 17; für eine generelle Analogie Eidenmüller, NJW 2002, 1625, 1626. A.A. Heerstraßen/Reinhard, BB 2002, 1429, 1434 (Anwendung von § 438 Abs. 1 Nr. 3 BGB); zur Einordnung der offenen Einlageschuld und Nachschusspflicht als Rechtsmangel s. aber oben Rdnr. 145. Faust, in: Bamberger/Roth, § 438 BGB Rdnr. 17; Heerstraßen/Reinhard, BB 2002, 1429, 1434; a.A. Eidenmüller, NJW 2002, 1625, 1626. H. P. Westermann, in: MünchKomm. BGB, 5. Aufl. 2008, § 453 BGB Rdnr. 10, 13; § 438 BGB Rdnr. 7; Faust, in: Bamberger/Roth, § 453 BGB Rdnr. 18; Eidenmüller, NJW 2002, 1625, 1626; Heerstraßen/Reinhard, BB 2002, 1429, 1430 ff.; a.A. Grunewald, NZG 2003, 372, 374; Grunewald, in: Erman, § 453 BGB Rdnr. 8. So Weigl, DNotZ 2005, 246, 251. H. P. Westermann, in: MünchKomm. BGB, 5. Aufl. 2008, § 438 BGB Rdnr. 7; Faust, in: Bamberger/Roth, § 453 BGB Rdnr. 18; Eidenmüller, NJW 2002, 1625, 1626; Heerstraßen/ Reinhard, BB 2002, 1429, 1433 f.

1074

Seibt

§ 15

Übertragung von Geschäftsanteilen

für diesen Fall der anfänglichen Unmöglichkeit (Nichtexistenz des Kaufgegenstandes) §§ 195, 199 BGB gilt, ist die Nichtexistenz eines Rechts für den Käufer genauso schlecht zu erkennen wie die Drittinhaberschaft. Für den Verjährungsbeginn hinsichtlich dieser Rechtsmängel und der analog zu behandelnden Fälle der Nichtexistenz bzw. Drittinhaberschaft ist der Zeitpunkt der (vermeintlichen) Übertragung des Rechts maßgeblich, beim Anteilskauf also des (geplanten) Wirksamwerdens der Abtretung1. Auf den Betriebsübergang2 bzw. die Übertragung des unmittelbaren Besitzes an den Betriebsmitteln3 kann beim reinen Anteilskauf hingegen nicht abgestellt werden, da ein solcher Zeitpunkt nicht existiert. Auf Grund der (geringen) erworbenen Beteiligungsquote erhält der Käufer keine unternehmerische Leitungsmacht, so dass von einem Betriebsoder Besitzübergang nicht gesprochen werden kann4. Ist der Anteilskauf wirtschaftlich ein Unternehmenskauf (oben Rdnr. 153), so gel- 169 ten für die Mängel an der Beschaffenheit des Unternehmens (oben Rdnr. 154 ff.) die Verjährungsregeln des § 438 BGB. Insbesondere greift bei von der Beschaffenheit abweichenden betriebswirtschaftlichen Daten, etwa zur Ertragsfähigkeit, § 438 Abs. 1 Nr. 3 BGB mit der zweijährigen Verjährungsfrist ein5. § 438 BGB gilt auch bei auf das Unternehmen durchschlagenden Mängeln am Sachsubstrat (vgl. oben Rdnr. 158). Wie oben (Rdnr. 158) ist auch im Rahmen der Verjährungsfrist ein Abstellen auf den einzelnen Vermögensgegenstand abzulehnen6, denn die Mängelgewährleistungsrechte finden Anwendung nur in Bezug auf den mangelhaften Anteil. Verjährungsbeginn in Bezug auf Rechtsmängel der Anteile ist beim Anteilskauf auch im Falle des Unternehmenskaufs der Zeitpunkt des (vermeintlichen oder tatsächlichen) Anteilsübergangs7. Bei einem Anteilskauf, der einen Unternehmenskauf darstellt (vgl. oben Rdnr. 153), ist hinsichtlich der Mängel an der Beschaffenheit des Unternehmens der maßgebliche Zeitpunkt hingegen die Betriebsübergabe8. Dies entspricht der Vorstellung des Gesetzgebers9, folgt aber auch aus der Anwendung von § 434 BGB auf derartige Mängel, so dass konsequenterweise auch § 438 Abs. 2 BGB eingreift. Dies kann zwar beim Zusammenfallen

1 Heerstraßen/Reinhard, BB 2002, 1429, 1435; H. P. Westermann, in: MünchKomm. BGB, 5. Aufl. 2008, § 438 BGB Rdnr. 8, § 446 BGB Rdnr. 4; Faust, in: Bamberger/Roth, § 446 BGB Rdnr. 5; Eidenmüller, NJW 2002, 1625, 1626; offen noch Seibt/Reiche, DStR 2002, 1135, 1138. 2 Vgl. Begr. RegE, BT-Drucks. 14/6040, S. 227. 3 Vgl. Gaul, ZHR 166 (2002), 35, 67. 4 Seibt/Reiche, DStR 2002, 1135, 1138. 5 H. P. Westermann, in: MünchKomm. BGB, 5. Aufl. 2008, § 453 BGB Rdnr. 56; Eidenmüller, NJW 2002, 1625, 1627. 6 So aber noch Holzapfel/Pöllath, Unternehmenskauf in Recht und Praxis, 13. Aufl. 2008, Rdnr. 818, die bei einem Substratmangel, der aus einem Gebäude rührt, § 438 Abs. 1 Nr. 2 BGB zur Anwendung bringen wollten (aufgegeben in: 14. Aufl. 2010, Rdnr. 665). 7 Eidenmüller, NJW 2002, 1625, 1627; Heerstraßen/Reinhard, BB 2002, 1429, 1435. 8 Eidenmüller, NJW 2002, 1625, 1627; wohl auch H. P. Westermann, in: MünchKomm. BGB, 5. Aufl. 2008, § 453 BGB Rdnr. 56; a.A. Heerstraßen/Reinhard, BB 2002, 1429, 1435, allerdings nur im Zusammenhang mit Rechtsmängeln und ohne zwischen diesen und Beschaffenheitsmängeln des Unternehmens zu differenzieren. 9 Begr. RegE, BT-Drucks. 14/6040, S. 227, wenn auch undifferenziert für Ansprüche „wegen Mangels eines verkauften Unternehmens“.

Seibt

1075

§ 15

Übertragung von Geschäftsanteilen

von Rechtsmängeln der Anteile und Beschaffenheitsabweichungen des Unternehmens zu unterschiedlichen Zeitpunkten für den Verjährungsbeginn führen (Anteilsübertragung bzw. Betriebsübergang)1, was aber sachgerecht ist, da Beschaffenheitsmängel des Unternehmens – anders als Rechtsmängel an den Anteilen – schon bzw. erst mit der faktischen Kontrolle über den Betrieb für den Käufer erkennbar werden. Dieser Gedanke liegt auch dem direkten Fall des § 438 Abs. 2 BGB zugrunde, der als Vorschrift des Sachkaufs beim wirtschaftlich als Unternehmenskauf einzuordnenden Anteilskauf hinsichtlich der Beschaffenheit des Unternehmens entsprechende Anwendung findet. Jedoch wird es in der Praxis in vielen Fällen schon zu keiner Abweichung vom Verjährungsbeginn für Rechtsmängel an den Anteilen kommen. Ist nämlich wie häufig ein Closing2 (d.h. ein nach dem Kaufvertragsschluss liegender Stichtag für den dinglichen Vollzug der Anteilsübertragung und der Übertragung von weiteren Rechtsgütern, z.B. Grundstücke, für den Übergang der tatsächlichen Sachherrschaft über das Unternehmen sowie ggf. für weitere Erfüllungshandlungen) vorgesehen, so fallen Betriebsübergabe und Zeitpunkt der Anteilsübertragung bzw. deren Wirksamkeit regelmäßig zusammen. 170 Angesichts der verbleibenden Zweifelsfragen ist beim Anteils- bzw. Unternehmenskauf in der Praxis allerdings die auch nach früherem Recht übliche vertragliche Regelung von Verjährungsfrist und Verjährungsbeginn, ggf. differenziert nach Art der Mängel3, zu empfehlen (vgl. § 202 Abs. 2 BGB)4. Soweit die gesetzlichen Gewährleistungsansprüche ausgeschlossen und durch selbstständige Garantieversprechen ersetzt werden, greift typischerweise zugleich ein vertragliches Verjährungsregime. Bei selbstständigen Garantieversprechen ohne eigene Verjährungsregelung verjähren hierdurch begründeten Erfüllungsansprüche nach §§ 195, 199 BGB ab dem Schluss des Jahres, in dem der Vertrag geschlossen wurde, hieraus entstehende Sekundäransprüche nach §§ 195, 199 BGB ab dem Schluss des Jahres, in welchem die anspruchsbegründenden Umstände dem Käufer bekannt wurden oder nur durch grobe Fahrlässigkeit unbekannt blieben. Zu beachten sind die Höchstgrenzen nach § 199 Abs. 3 und 4 BGB. f) Haftung wegen vorvertraglicher Pflichtverletzung 171 Auch nach der Schuldrechtsreform verbleibt beim Anteils- und Unternehmenskauf Raum für die Haftung des Verkäufers aus vorvertraglicher Pflichtverletzung (culpa in contrahendo, §§ 311 Abs. 2, 280 Abs. 1, 241 Abs. 2 BGB). Da beim reinen Anteilskauf (Beteiligungserwerb) eine Haftung für die Beschaffenheit des Unternehmens grundsätzlich nicht in Betracht kommt (oben Rdnr. 152), hat der Verkäufer nach den Grundsätzen der culpa in contrahendo für unrichtige bzw.

1 Vgl. Heerstraßen/Reinhard, BB 2002, 1429, 1435. 2 Von Signing (Vertragsunterzeichnung) und Closing (dinglicher Anteilsübergang) ist zudem der steuerrechtlich relevante Übergang des wirtschaftlichen Eigentums (§ 39 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO), der auch vor dem Closing erfolgen kann (vgl. Kleinheisterkamp/Schell, DStR 2010, 833, 834 ff.), sowie der Kontrollübergang im Sinne der Vorschriften der Rechnungslegung zu unterscheiden. 3 H. P. Westermann, in: MünchKomm. BGB, 5. Aufl. 2008, § 453 BGB Rdnr. 56. 4 Seibt/Reiche, DStR 2002, 1135, 1183 mit Formulierungsvorschlag.

1076

Seibt

§ 15

Übertragung von Geschäftsanteilen

– bei entsprechender Aufklärungspflicht1 – unterlassene Angaben einzustehen. Beim Anteilskauf als Unternehmenskauf ist neben den Fällen allgemeiner Geheimhaltungs- und Aufklärungspflichtverletzung eine culpa-Haftung dort möglich, wo die Grenzen des Beschaffenheitsbegriffs überschritten werden (oben Rdnr. 156). Insbesondere bei unrichtigen Angaben über Erträge oder Umsätze, die nicht als Vereinbarung über die Ertragsfähigkeit des Unternehmens angesehen werden können (oben Rdnr. 156), haftet der Veräußerer für fahrlässig falsche Angaben nach §§ 311 Abs. 2, 280 Abs. 1, 241 Abs. 2 BGB auf das negative Interesse. Soweit das Haftungsregime der §§ 434 ff. BGB aber eingreift, ist ein generelles Nebeneinander mit einer culpa-Haftung2 abzulehnen3, da andernfalls die dort in ihrem Anwendungsbereich abschließend geregelten Verjährungsfristen (§ 438 BGB), Ausschlussgründe (§ 442 BGB) und Anspruchsinhalte (§ 437 BGB) umgangen würden4. Etwas anderes gilt wie nach altem Recht5 nur in Fällen der Arglist des Verkäufers, bei denen dem Käufer der Anspruch auf das negative Interesse nicht genommen werden darf6. Der Anspruch aus culpa in contrahendo verjährt nicht mehr nach dreißig Jahren wie nach altem Recht, sondern nunmehr in der Regelzeit von drei Jahren ab (grob fahrlässiger Un-)Kenntnis der den Anspruch begründenden Umstände (§§ 195, 199 BGB).

VII. Verpfändung des Geschäftsanteils Schrifttum: Becker, Das vertragliche Pfandrecht am Geschäftsanteil, GmbHR 1928, 405; Becker, Das Stimmrecht bei Sicherungsübertragung, Nießbrauch, Verpfändung, Pfändung, Miete, Pacht, Leihe eines Geschäftsanteils und im Konkurs- und Vergleichsverfahren, GmbHR 1935, 803; Bruhns, Verpfändung von GmbH-Anteilen in der Finanzierungspraxis, GmbHR 2006, 587; Buchwald, Verpfändung und Pfändung von GmbH-Anteilen, GmbHR 1959, 254; GmbHR 1960, 5; Ch. Büchner, Verpfändung von Anteilen einer GmbH, 1989; Ewald, GmbH-Anteile (Anteilscheine) als Pfandstücke, ZHR 92 (1928), 96; J. Fackenheim, Das vertragliche Pfandrecht bei Geschäftsanteilen einer GmbH, 1910; Freitag, Finanzverfassung und Finanzierung von GmbH und AG nach dem Regierungsentwurf des MoMiG, WM 2007, 1681; Gehrlein, Die Behandlung von Gesellschafterdarlehen durch das MoMiG, BB 2008, 846; Heidenhain, Umfang der Beurkundungspflicht bei der Verpfändung von GmbH-Geschäftsanteilen, GmbHR 1996, 275; Kerbusch, Zur Erstreckung des Pfandrechts an einem GmbH-Geschäftsanteil auf den durch Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln erhöhten oder neu gebildeten Geschäftsanteil, GmbHR 1990, 156; Klemann, Begründungen und Wirkungen eines Pfandrechts an einem Geschäftsanteil in einer GmbH, Diss. Erlangen 1908; Kolkmann, Die Verpfändung von Geschäftsanteilen und die Sicherung des Pfandrechts, MittRhNotK 1992, 1; Külbs, Pfändung, Verpfändung und Zwangsvollstreckung in den Geschäftsanteil einer GmbH, Diss. Köln 1938; Liebscher/Lübke, Die zwangsweise Verwertung vinkulierter Anteile, ZIP 2004, 241; Mertens, Typische Probleme

1 Zu Aufklärungspflichten beim Unternehmenskauf zuletzt etwa Geldsetzer, M&A Review 2005, 475. 2 So Barnert, WM 2003, 416. 3 So auch OLG Köln, ZIP, 2009, 2063, 2066; Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 183; Thiessen, in: MünchKomm. HGB, 3. Aufl. 2010, Anh. § 25 HGB Rdnr. 71; Faust, in: Bamberger/ Roth, § 453 BGB Rdnr. 30; Picot, DB 2009, 2587, 2591; Seibt/Schwarz, JuS 2012, 43, 48. 4 Schröcker, ZGR 2005, 63, 89. 5 Aus der Rechtsprechung etwa BGH, NJW 1992, 2565. 6 Schröcker, ZGR 2005, 63, 89 f.; Putzo, in: Palandt, § 437 BGB Rdnr. 51b; a.A. noch Putzo, in: Palandt, 62. Aufl. 2003, § 437 BGB Rdnr. 51.

Seibt

1077

§ 15

Übertragung von Geschäftsanteilen

bei der Verpfändung von GmbH-Anteilen, GmbHR 1998, 1787; Mühl, in: Hadding/ Schneider, Gesellschaftsanteile als Kreditsicherheit, 1979, S. 155; K. Müller, Die Verpfändung von GmbH-Anteilen, GmbHR 1969, 4, 34 u. 57; Reymann, Die Verpfändung von GmbH-Geschäftsanteilen, DNotZ 2005, 425; Rodewald, Überlegungen im Zusammenhang mit der Verpfändung von GmbH-Anteilen, GmbHR 1995, 418; von Rom, Zum Umfang der Beurkundungspflicht bei der Verpfändung von GmbH-Geschäftsanteilen, WM 2007, 2223; Roth, Pfändung und Verpfändung von Geschäftsanteilen, ZGR 2000, 213; Schuler, Die Verpfändung von GmbH-Anteilen, NJW 1956, 689; Sieger/Hasselbach, Praktische Probleme der Verpfändung von GmbH-Geschäftsanteilen, GmbHR 1999, 633; Vogel, Die Verpfändung von GmbH-Anteilen, DB 1954, 208; Walbeck, Pfandrecht an dem Geschäftsanteil einer GmbH, Diss. Erlangen 1909; Wenz, Pfandrecht am Geschäftsanteil und an Gewinnbezugsrechten der GmbH, Diss. Straßburg 1914; Werner, Zur Formbedürftigkeit der Verpfändung von Kommanditanteilen an einer GmbH & Co. KG, GmbHR 2008, 755; Widder, Die Aufhebung der Verpfändung von GmbH-Anteilen, GmbHR 2002, 898; Wiedemann, Die Übertragung und Vererbung von Mitgliedschaftsrechten bei Handelsgesellschaften, 1965.

1. Wirtschaftlicher Hintergrund und Zulässigkeit 172 Die Verpfändung von Geschäftsanteilen hat in der Finanzierungspraxis größte Bedeutung. Dabei dient das Pfandrecht am Geschäftsanteil in erster Linie der Sicherung von Forderungen, die gegen den Anteilsinhaber (oder eine ihm nahestehende Person) bestehen, häufig sichert die Pfandrechtsbestellung aber auch eine Kreditgewährung an die Gesellschaft oder die Finanzierung des Anteilserwerbs selbst. Die Unternehmenspraxis nutzt die Verpfändung in deutlich größerem Umfang als die Sicherungsabtretung, aus Sicht der Sicherungsnehmer deshalb, damit er nicht Gesellschafter mit allen mitgliedschaftlichen Rechten und Pflichten wird, aus Sicht des Sicherungsgebers weil er Gesellschafter bleiben kann. Durch schuldrechtliche Vereinbarung (insbesondere durch sog. financial covenants) erhält der Sicherungsnehmer häufig allerdings eine gesellschafterähnliche Position. Die Anteilsverpfändung ist im GmbHG nicht erwähnt, was historisch daran liegt, dass das Pfandrecht 1892 noch nicht reichsgesetzlich geordnet war1. Dennoch ist die Verpfändung eines Geschäftsanteils ohne Zweifel zulässig2. Es handelt sich um die Verpfändung eines Rechts; sie ist soweit zulässig, als die Abtretung zulässig ist (§ 1274 Abs. 2 BGB). Es kann daher auch ein zukünftiger Geschäftsanteil, vor Eintragung der GmbH oder vor Durchführung einer beschlossenen Kapitalerhöhung, wirksam verpfändet werden (Rdnr. 12); mit dem Entstehen des Geschäftsanteils tritt dann das Pfandrecht in Wirksamkeit. Ist die Abtretung statutarisch an bestimmte Voraussetzungen, z.B. an die Genehmigung der Gesellschaft oder an die Übergabe des Anteilscheins (Rdnr. 116), geknüpft (§ 15 Abs. 5), so ist auch die Verpfändung ohne diese Voraussetzungen unwirksam3. Ist die Abtretung statutarisch ausgeschlossen (Rdnr. 135), so ist Verpfändung unzulässig

1 Begr. I S. 62, II 50. 2 RGZ 53, 108; RGZ 58, 224; RGZ 100, 274. 3 OLG Karlsruhe, OLG 3, 263; Brodmann, Anm. 2; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 156; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 49; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 97; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 51; Reichert/Weller, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 278; Rowedder/Bergmann, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 88; Heidinger, in: Heckschen/Heidinger, Die GmbH in der Gestaltungs- und Beratungspraxis, 2. Aufl. 2009, § 13 Rdnr. 41.

1078

Seibt

§ 15

Übertragung von Geschäftsanteilen

(§ 1274 Abs. 2 BGB). Auch unabhängig von der vereinbarten Abtretungsregelung kann der Gesellschaftsvertrag die Verpfändung an einschränkende Voraussetzungen knüpfen oder sie ausschließen1, umgekehrt freilich auch erleichtern2.

2. Bestellung und Form Grundsätzlich ist eine Verpfändung nur dann wirksam, wenn sie durch den Inha- 173 ber des Geschäftsanteils oder durch von diesem ermächtigte bzw. bevollmächtigte Personen vorgenommen wird. Nach Reform des § 16 durch das MoMiG ist bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 16 Abs. 3 nun aber auch die Bestellung durch einen Nichtberechtigten möglich3. Die Form der Verpfändung ist die notarielle Beurkundung (§ 15 Abs. 3 GmbHG; § 1274 Abs. 1 BGB)4. Die Übergabe des Anteilsscheins, wo ein solcher ausgestellt, ist nur da zur Verpfändung erforderlich, wo das Statut die Übergabe als Voraussetzung der Abtretung gemäß § 15 Abs. 5 vorschreibt (oben Rdnr. 116); denn statutarisch weitere Voraussetzungen der Abtretung (§ 15 Abs. 5) gelten auch für die Verpfändung (§ 1274 Abs. 1 Satz 2 BGB); vgl. Rdnr. 172. Der Formzwang gilt für alle Abreden, die ein Bestandteil des Pfandrechtsvertra- 174 ges sind (zur schuldrechtlichen Verpflichtung s. Rdnr. 176). Die beurkundeten Erklärungen müssen den verpfändeten Geschäftsanteil hinreichend genau bezeichnen und unzweideutig ergeben, dass ein Pfandrecht an ihm bestellt wird. Soweit ihnen kein abweichender Wille zu entnehmen ist, handelt es sich um ein einfaches Pfandrecht und nicht um ein Nutzungspfand, §§ 1273 Abs. 2, 1213 Abs. 1 BGB (Rdnr. 181). Sie müssen außerdem ausreichend bestimmt die Forderung angeben, die durch das Pfandrecht gesichert werden soll5. Formbedürftig sind auch Nebenabreden, z.B. über die Ausübung von Gesellschafterrechten (Rdnr. 176), über die Verwertung (Rdnr. 194), über das Erlöschen des Pfandrechts u.ä. Nicht notwendig ist dagegen, dass die der Forderung zugrunde liegenden Vereinbarungen wiedergegeben werden6. Dies gilt – nach dem begrenzten Formzweck des § 15 Abs. 3 (!) – auch für solche Darlehensverträge, Anteilskaufverträge u.Ä., auf die im Verpfändungsvertrag verwiesen wird7. Eine Anwendung der 1 Zutr. Müller, GmbHR 1969, 5; Schuler, NJW 1969, 690; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 156; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 49; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 97; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 51; Kraus, in: MünchHdb. III, § 26 Rdnr. 168; Rowedder/Bergmann, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 82, 88. 2 Schuler, NJW 1969, 690; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 156; Sieger/Hasselbach, GmbHR 1999, 633; Rowedder/Bergmann, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 88; a.M. offenbar K. Müller, NJW 1956, 689, 5. 3 Vgl. unten § 16 Rdnr. 68. 4 RGZ 53, 107; RGZ 58, 224; RGZ 100, 274; RGZ 157, 52; allg. M. 5 Vgl. Heidenhain, GmbHR 1996, 275 unter Hinweis auf RGZ 136, 422, 424 (betr. Grundschuldverpfändung); Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 154; abw. Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 52. 6 Heidenhain, GmbHR 1996, 275; s. auch Mertens, GmbHR 1998, 1787, 1788; Winter/ Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 154. 7 Eb. gegen Beurkundungserfordernis Heidenhain, GmbHR 1996, 275, 276 f.; wohl auch Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 154; Bruhns, GmbHR 2006, 587, 591; enger Werner, GmbHR 2008, 755, 756 u. Heidinger, in: Heckschen/Heidinger, Die GmbH in der Gestaltungs- und Beratungspraxis, 2. Aufl. 2009, § 13 Rdnr. 38 f. (nur dann, wenn Vertrag

Seibt

1079

§ 15

Übertragung von Geschäftsanteilen

oben (vgl. Rdnr. 68) ausgeführten Grundsätze über die Formbedürftigkeit der Abtretungsverpflichtung von Anteilen an einer GmbH & Co. KG auch bei der Pfandbestellung an Kommanditanteilen bei gleichzeitiger Verpfändung von Anteilen an der Komplementär-GmbH (mit der Folge, dass das Formerfordernis auf die Verpfändung der Kommanditanteile zu erstrecken wäre) scheidet aus zwei Gründen aus: Denn in diesem Fall ist ein schuldrechtliches Verpflichtungsgeschäft nämlich gerade nicht betroffen, so dass der Vollständigkeitsgrundsatz hier keine Anwendung findet1 (vgl. Rdnr. 66). Zudem wäre ein solches Erfordernis nur schwer mit der h.M. (vgl. Rdnr. 74) in Einklang zu bringen, nach der die Heilung des formnichtigen Verpflichtungsvertrags bereits durch die notariell beurkundete Abtretung des GmbH-Geschäftsanteils bewirkt wird, für die wirksame Abtretung also gerade keine Beurkundung der Abtretung der Kommanditanteile zu fordern ist2. Gleiches muss auch für die Verpfändung gelten. 175 Eine Anzeige der Verpfändung gegenüber der Gesellschaft nach § 1280 BGB ist nicht erforderlich, da diese Vorschrift nur Forderungen und keine Mitgliedschaftsrechte betrifft3. Etwas anderes gilt allerdings, wenn die Verpfändung sich auf bereits entstandene Gläubigerrechte des Gesellschafters beziehen soll4. Bei der Frage nach der Erforderlichkeit einer Anmeldung oder Mitteilung gegenüber der Gesellschaft ist zu differenzieren: Weder die Wirksamkeit der Abtretung noch die der Verpfändung ist von der Eintragung in die Gesellschafterliste abhängig, sondern beides ist im Verhältnis zwischen den Vertragsparteien und zu Dritten auch ohne eine solche Eintragung wirksam5. Allerdings ist auch nach Änderung des § 16, der nunmehr keine Anmeldung eines Gesellschafterwechsels bei der Gesellschaft zur Legitimation mehr vorsieht, für die Geltendmachung des Pfandrechts im Verhältnis zur Gesellschaft eine Anmeldung der Verpfändung analog § 16 a.F. notwendig6; der Rechtsgedanke des § 407 BGB gebietet ein solches Erfordernis7. Dies hat insbesondere für das Nutzungspfand (Rdnr. 181) Bedeutung. Eine Anmeldung der Verpfändung analog § 16 Abs. 1 a.F. liegt i.d.R. darin, dass der Pfandgläubiger die Rechte aus der Verpfändung gegenüber der Gesellschaft geltend macht8. Hieraus folgt allerdings auch, dass der

1 2 3

4 5 6

7 8

zur Identifizierung der Pfandrechtsforderung notwendig ist); a.M. Sieger/Hasselbach, GmbHR 1999, 633, 634 f.; vgl. auch B. Mertens, ZIP 1998, 1787, 1788. Heidinger, in: Heckschen/Heidinger, Die GmbH in der Gestaltungs- und Beratungspraxis, 2. Aufl. 2009, § 13 Rdnr. 40. Werner, GmbHR 2008, 755, 758 m.w.N.; i.E. auch Heidinger, in: Heckschen/Heidinger, Die GmbH in der Gestaltungs- und Beratungspraxis, 2. Aufl. 2009, § 13 Rdnr. 40. RGZ 57, 414, 415; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 157; Rowedder/Bergmann, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 86; Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 220; Sieger/Hasselbach, GmbHR 1999, 633, 634. Zutr. Wiedemann, S. 425; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 157 Fn. 419 a.E. Eb. Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 157; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 49; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 97; Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 220. Vgl. unten § 16 Rdnr. 20; Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 220; Kraus, in: MünchHdb. III, § 26 Rdnr. 169; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 97; Wicke, Rdnr. 28; a.A. Brandes, in: Bork/Schäfer, Rdnr. 54; wohl auch Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 49. Eb. Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 97; Wicke, § 16 Rdnr. 10. Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 157 a.E.; Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 220.

1080

Seibt

§ 15

Übertragung von Geschäftsanteilen

Pfandgläubiger die Anmeldung solange unterlassen kann, wie er keine Ansprüche gegenüber der GmbH erheben kann oder möchte.

3. Schuldrechtlicher Vertrag Ein schuldrechtlicher Vertrag, der zur dinglichen Pfandbestellung verpflichtet, 176 bedarf keiner Form. Denn ein dem § 1274 BGB entsprechender Satz gilt hier nicht; § 15 Abs. 4 ist nicht (analog) anwendbar1. Aus einem solchen formlosen Vertrage kann daher auf Verpfändung geklagt werden. Ist die Verpfändung formlos erfolgt, so ist sie zwar als solche unwirksam; regelmäßig wird aber ein solcher unwirksamer dinglicher in einen bindenden schuldrechtlichen Vertrag umgedeutet (§ 140 BGB) werden können, der zur Nachholung formgerechter Verpfändung verpflichtet2. Das auf Abgabe der Verpfändungserklärung lautende rechtskräftige Urteil ersetzt die formgerechte Verpfändungserklärung. Aber erst mit formgerechter Annahme dieser Erklärung (vor oder nach dem Urteil) wird die (dingliche) Verpfändung wirksam.

4. Teilverpfändung Die Verpfändung des Teils eines Geschäftsanteils ist grundsätzlich zulässig3. Et- 177 was anderes gilt nur, wenn die Satzung die Verpfändung oder Teilung von Geschäftsanteilen ausschließt. Eine zur Verpfändung lediglich des Teils eines Geschäftsanteils in der Praxis häufig erfolgende vorweggenommene Teilung ist nunmehr gemäß § 46 Nr. 4 durch Gesellschafterbeschluss und ohne Anteilsübergang möglich4. Nach alter Rechtslage war gemäß § 17 a.F. eine Zustimmung der Gesellschaft zur teilweisen Verpfändung auch ohne Teilung erforderlich. Die Teilung selbst erfolgte jedoch nach zutreffender h.M. erst mit der Verwertung des Teilgeschäftsanteils. Bis zu diesem Zeitpunkt, also insbesondere bei deren Ausbleiben blieb der Geschäftsanteil ungeteilt. Nach neuer Rechtslage ist eine Zustimmung der Gesellschaft gemäß § 17 Abs. 1 u. 2 a.F. nicht mehr notwendig, jedoch ist gemäß § 46 Nr. 4 eine Teilung von Geschäftsanteilen ohne abweichende Satzungsregelung nur durch Gesellschafterbeschluss möglich.

1 RGZ 53, 107; RGZ 58, 225; RG, JW 1937, 2118; Neukamp, ZHR 57 (1906), 524; K. Müller, GmbHR 1969, 6 f.; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 155; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 49; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 53; Reichert/Weller, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 285; Rowedder/Bergmann, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 82; Wiegand, in: Staudinger, 2009, § 1274 BGB Rdnr. 55; Habersack, in: Soergel, 13. Aufl. 2001, § 1274 BGB Rdnr. 36; Sieger/Hasselbach, GmbHR 1999, 633, 634; Reymann, DNotZ 425, 428; v. Rom, WM 2007, 2223, 2224 f.; Werner, GmbHR 2008, 755; a.M. Damrau, in: MünchKomm. BGB, 5. Aufl. 2009, § 1274 BGB Rdnr. 52; Leuering/Simon, NJW-Spezial 2005, 171. 2 Eb. Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 155. 3 Ewald, ZHR 92 (1928), 116 ff.; Wiedemann, S. 423 ff.; Feine, S. 406; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 153; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 48; Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 221; Reichert/Weller, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 279; Bayer, in: Lutter/ Hommelhoff, Rdnr. 97; Rowedder/Bergmann, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 85; a.M. Brodmann, Anm. 2 an § 17 Anm. 1 (zur Rechtslage vor Aufhebung des § 17). 4 Ein Hin- und Herübertragen ist nicht mehr erforderlich, vgl. zur Praxis nach altem Recht 10. Aufl., § 17 Rdnr. 35.

Seibt

1081

§ 15

Übertragung von Geschäftsanteilen

Fraglich ist daher, ob der teilende Gesellschafterbeschluss bereits bei Bestellung oder erst bei Verwertung des Teilgeschäftsanteils zu erfolgen hat. Gemäß § 1274 Abs. 1 Satz 1 BGB erfolgt die Bestellung eines Pfandrechts nach den für die Übertragung des Rechts maßgeblichen Vorschriften. Sinn der Regelung ist es, dass die Bestellung des Pfandrechts einer „bedingten Abtretung“ gleichkommen soll1. Um diesem Zweck zu entsprechen ist ein Zustimmungsbeschluss der Gesellschafter aber bereits bei der Bestellung des Pfandrechts erforderlich2, denn die Abtretung lediglich eines Teils eines Geschäftsanteils ist nur bei ideellen Bruchteilen möglich (vgl. § 18 Rdnr. 5). Der Gesellschafterbeschluss dürfte aber regelmäßig auf die Verwertung des Anteils bedingt sein, um keiner grundlosen Zerstückelung von Geschäftsanteilen Vorschub zu leisten. Nur auf diese Weise lässt sich nach neuer Rechtslage ein Teilgeschäftsanteil überhaupt verpfänden, weil ein unbedingter Teilungsbeschluss der Gesellschafter zur sofortigen Teilung des Geschäftsanteils führt, so dass das Pfandrecht dann am neuen, ungeteilten Geschäftsanteil bestellt wird.

5. Verwaltungsrechte, Stimmrecht 178 Der Pfandgläubiger hat als solcher nur das Recht, sich aus dem Pfande zu befriedigen (§§ 1204, 1273 BGB; über das Nutzungspfand s. Rdnr. 181). Bis zum Pfandverkauf bleibt der Verpfänder Gesellschafter und damit Träger der Mitgliedschaftsrechte und -pflichten3. Das gilt auch dann, wenn die Stimmrechtsausübung zur Beseitigung des Anteils führt4. Vorbehaltlich schuldrechtlicher Abmachungen mit seinem Pfandgläubiger und der sich daraus bei Zuwiderhandlung ergebenden persönlichen Schadensersatzpflicht kann der Verpfänder den verpfändeten Geschäftsanteil verkaufen (das Pfandrecht geht auf den Erwerber über; Rdnr. 188), es zur Kaduzierung (§ 21) des Anteils kommen lassen, ihn gemäß § 27 preisgeben (abandonnieren)5 (in beiden Fällen erlöschen die dinglichen Rechte), einer Einziehung des verpfändeten Anteils zustimmen (§ 34 Abs. 2), die Umwandlung der Gesellschaft mit beschließen (vgl. dazu Rdnr. 187)6, die Auflösung der GmbH gemäß §§ 60, 61 herbeiführen7, den Austritt aus wichtigem

1 Damrau, in: MünchKomm. BGB, 5. Aufl. 2009, § 1274 BGB Rdnr. 1;. 2 So auch Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 221; Wicke, Rdnr. 28 (entsprechend § 46 Nr. 4). 3 H.M.; vgl. RGZ 139, 224, 226 f.; RGZ 157, 52, 55; BGHZ 119, 191, 195 f.; LG Mannheim, WM 1990, 762. 4 Eb. Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 160; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 50; K. Müller, GmbHR 1969, 7 f.; Rodewald, GmbHR 1995, 419; einschr. Wiedemann, S. 430 f. 5 Wiedemann, S. 430; K. Müller, GmbHR 1969, 7; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 160; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 62; Kraus, in: MünchHdb. III, § 26 Rdnr. 172; a.M. Rowedder/Bergmann, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 95; Becker, GmbHR 1935, 806. Dem Pfandgläubiger steht aber analog § 268 BGB ein Ablösungsrecht zu; der Gesellschafter kann der Nachschussleistung durch ihn nicht wirksam widersprechen; zutr. Damrau, in: MünchKomm. BGB, 5. Aufl. 2009, § 1274 BGB Rdnr. 64 m.w.N. 6 Allg. M.; vgl. Zimmermann, in: Kallmeyer, 4. Aufl. 2010, § 13 UmwG Rdnr. 35 m.w.N. 7 Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 160; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 60; Rodewald, GmbHR 1995, 419; einschr. Wiedemann, S. 430 für die kapitalistisch organisierte GmbH.

1082

Seibt

§ 15

Übertragung von Geschäftsanteilen

Grunde (s. Anh. § 34 Rdnr. 6 ff.) erklären1 usw. Näheres vgl. Rdnr. 192. Er allein übt die mit dem Geschäftsanteil verbundenen Mitverwaltungsrechte aus2. Die Verwaltungsrechte, insbesondere auch das Stimmrecht, werden danach 179 zwar von der Verpfändung nicht erfasst3, aber die Parteien des Pfandvertrages können, wenn der Gesellschaftsvertrag das nicht ausschließt, in den Grenzen des GmbH-Rechts Abreden über ihre Ausübung treffen4. Sie können im Rahmen der gesellschaftlichen Treuepflicht mit Wirkung für das Innenverhältnis eine Rücksichtnahme oder Abstimmung für die Mitwirkung an besonders wichtigen oder die Interessen des Pfandgläubigers erheblich berührenden Entscheidungen festlegen, in diesen Fällen außer bei strukturändernden Beschlüssen der Gesellschafter5 eine Stimmbindung zu Gunsten des Pfandgläubigers vereinbaren, unter Beachtung bestehender Verschwiegenheitspflichten des Gesellschafters interne Auskunftsansprüche vorsehen und darüber hinaus auch die Ausübung des Stimmrechts durch den Pfandgläubiger als Bevollmächtigten ermöglichen. Während der Verpfänder dem Pfandgläubiger eine Vollmacht zur Ausübung des Stimmrechts (§ 47 Abs. 3) nicht ausnahmsweise höchstpersönlich wahrzunehmender Rechte erteilen kann, ist eine Übertragung von Verwaltungsrechten oder eine Einräumung der Verwaltungsrechte zu eigenem Recht unzulässig6. Diese Beschränkung der Rechte des Pfandgläubigers sind dadurch gerechtfertigt, dass diesem eben kein dingliches Nutzungsrecht am Geschäftsanteil zusteht, sondern lediglich ein Verwertungsrecht und der Gesellschaft und ihren Gesellschaftern nicht zugemutet werden kann, die Mitwirkung eines Nichtgesellschafters mit gesellschaftsrechtlich nicht legitimierter (und nicht durch die verbandsrechtliche Treuepflicht begrenzte) eigener Kompetenz bei Ausübung der Verwaltungsrechte zu dulden. Die gleichen Überlegungen gelten auch für eine unwiderrufliche verdrängende Vollmacht zugunsten des Pfandgläubigers; sie ist

1 Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 160; Reichert/Weller, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 295; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Anh. § 34 Rdnr. 24; Becker, Der Austritt aus der GmbH, 1985, S. 190 f.; H. F. Müller, Das Austrittsrecht des GmbH-Gesellschafters, 1996, S. 89 f.; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 62; Kraus, in: MünchHdb. III, § 26 Rdnr. 172. 2 Entgegen Wiedemann, S. 432 steht dem Pfandgläubiger gegenüber der Gesellschaft auch kein auf die Sicherung des Pfandrechts beschränkter Auskunftsanspruch zu. 3 RGZ 139, 224, 227 ff.; RGZ 157, 52, 55; BGHZ 119, 191, 195 f.; LG Mannheim, WM 1990, 762. 4 Dazu K. Müller, GmbHR 1969, 9 ff.; Rodewald, GmbHR 1995, 419 f.; Kolkmann, MittRhNotK 1992, 1 ff.; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 163. 5 Bestr.; vgl. Priester, in: FS Werner, 1984, S. 657 ff.; Karsten Schmidt, 10. Aufl., § 47 Rdnr. 42 m.w.N. 6 Eb. Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 162 (anders noch Zutt, in: Hachenburg, Anh. § 15 Rdnr. 40); Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 50; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 57; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 99; Koppensteiner, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, § 47 Rdnr. 25; K. Müller, GmbHR 1969, 4, 9; B. Mertens, ZIP 1998, 1787, 1789; a.M. RGZ 157, 52, 55 f.; Wiedemann, S. 429; H. Lehmann, GmbHR 1953, 143; Becker, GmbHR 1935, 805; Rowedder/Bergmann, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 91. – Zur Übertragung von Verwaltungsrechten bei Treuhand und Nießbrauch OLG Köln, BB 1996, 2058 f. sowie Rdnr. 227 f., 217.

Seibt

1083

§ 15

Übertragung von Geschäftsanteilen

ebenfalls unzulässig1. Wird das Pfandrecht zur Sicherung einer Schuld der Gesellschaft bestellt, darf dem Pfandgläubiger aber durch Nebenabreden keine Position eingeräumt werden, die im wirtschaftlichen Ergebnis der Stellung eines Gesellschafters nahekommt, wenn er nicht gemäß § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO wie dieser den insolvenzrechtlichen Bestimmungen zum Gesellschafterdarlehen unterliegen will (§§ 135, 143 InsO, §§ 6, 11 AnfG)2. 180 Einstweilen frei.

6. Umfang des Pfandrechts a) Nutzungsrechte 181 Das Pfandrecht gewährt grundsätzlich nur ein Recht auf Befriedigung aus dem Pfande und erstreckt sich nicht – z.B. analog § 1289 BGB – ohne weiteres auf den Gewinnanspruch3. Doch kann das Pfand auch als Nutzungspfand bestellt werden (§§ 1273, 1213 Abs. 1 BGB). Im letzteren Fall ist der Pfandgläubiger nach gehöriger Anmeldung des Pfandrechts bei der Gesellschaft (analog § 16 Abs. 1 a.F.; Rdnr. 175) auch der Gesellschaft unmittelbar gegenüber zum Gewinnbezug befugt. Mit dem Verpfänder hat er abzurechnen; die Nutzungen sind, falls nicht anders vereinbart, zunächst auf Zinsen und Kosten, dann auf die Hauptforderung des Pfandgläubigers anzurechnen (§ 1214 Abs. 2 BGB). 182 Vom Nutzungspfand abgesehen, kann auch der Gewinnbezug allein, ohne den Geschäftsanteil verpfändet werden, es sei denn, dass der Gesellschaftsvertrag die Abtretung oder die Verpfändung des Gewinnanspruchs ausschließt. Diese 1 Brodmann, Anm. 2a; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 163; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 99; Teichmann, Gestaltungsfreiheit in Gesellschaftsverträgen, 1970, S. 225 f.; vgl. auch OLG Frankfurt, JW 1933, 131; Feine, S. 406. 2 Auch nach neuer Rechtslage soll der „atypische Pfandrechtsgläubiger“ im Rahmen des Eigenkapitalersatzrechts einem Gesellschafter gleichzustellen sein: Kleindiek, in: Lutter/Hommelhoff, Anh. zu § 64 Rdnr. 126; Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 231; Karsten Schmidt, 10. Aufl. 2010, Nachtr. MoMiG, §§ 32a/b a.F. Rdnr. 22 u. 10. Aufl. 2006, §§ 32a, 32b Rdnr. 156; Kraus, in: MünchHdb. III, § 26 Rdnr. 171; Thiessen, in: Bork/ Schäfer, Anh. zu § 30 Rdnr. 36; Damrau, in: MünchKomm. BGB, 5. Aufl. 2009, § 1274 BGB Rdnr. 60; Ehricke, in: MünchKomm. InsO, 2. Aufl. 2007, § 39 InsO Rdnr. 36; Gehrlein, BB 2008, 846, 850; a.M. Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Anh. §§ 32 a, b Rdnr. 19, mit Verw. auf 5. Aufl. 2005, § 32a Rdnr. 179; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Anh. § 30 Rdnr. 46; Habersack, in: Ulmer, Erg.-Band MoMiG, § 30 Rdnr. 45; krit. auch Freitag, WM 2007, 1681, 1682; vgl. zust. zum alten Recht: BGH, WM 2011, 1371 (Nießbrauch); BGHZ 119, 191, 195 f.; Löwisch, Eigenkapitalersatzrecht, 2007, Rdnr. 195 (wenn mit Stellung des atypischen stillen Gesellschafters vergleichbar); Rowedder/ Pentz, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, § 32a Rdnr. 173; Mertens, GmbHR 1998, 1789; Dreher, ZGR 1994, 144 ff.; Maier-Reimer, in: FS Rowedder, 1994, S. 259 ff. 3 BGHZ 119, 191, 194; Feine, S. 405 f.; Schuler, NJW 1960, 1424; K. Müller, GmbHR 1969, 57; Brodmann, Anm. 2; Bruhns, GmbHR 2006, 587, 588; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 158; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 56; Reichert/Weller, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 291; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 51; Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 223; Rowedder/Bergmann, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 91; Kraus, in: MünchHdb. III, § 26 Rdnr. 170; Damrau, in: MünchKomm. BGB, 5. Aufl. 2009, § 1274 BGB Rdnr. 53 m.w.N.; a.M. Ewald, ZHR 92 (1928), 143; Wiedemann, S. 426; Roth, ZGR 2000, 187, 219.

1084

Seibt

§ 15

Übertragung von Geschäftsanteilen

Pfandbestellung ist formlos gültig (ebenso wie die Abtretung; Rdnr. 20). Sie wird erst durch die Anzeige des Verpfänders gemäß § 1280 BGB wirksam. Zur Geltendmachung des Pfandrechts unmittelbar der GmbH gegenüber bedarf es aber der Anmeldung durch den Verpfänder oder Pfandgläubiger mit Nachweis (§ 16 Abs. 1 a.F. entsprechend). Sind Dividendenscheine ausgestellt (§ 14 Rdnr. 66), so erfolgt ihre Verpfändung, falls sie auf den Inhaber lauten, nach § 1293 BGB (Einigung und Übergabe des Scheins), falls sie an Order lauten, nach § 1292 BGB1. Hier bedarf es keiner Anmeldung, denn der Pfandgläubiger an diesem Wertpapier weist sich durch dessen Besitz aus (§§ 1292, 1293 BGB). Hat ein Gesellschafter, der seinen Geschäftsanteil verpfändet hat, den ihm zuste- 183 henden, durch Gewinnverteilungsbeschluss der Gesellschafter unbedingt und fällig gewordenen Anspruch auf die Jahresgewinnquote an einen Dritten abgetreten, sei es vor oder nach der Anteilsverpfändung, so erlangt im Falle der Zwangsversteigerung des Geschäftsanteils der Zuschlagsempfänger den Geschäftsanteil ohne den Anspruch auf jene Gewinnquote, und ebenso liegt es, wenn die Gewinnforderung dem Gesellschafter verblieben ist. Denn diese Forderung ist ein reines Gläubigerrecht des bisherigen Gesellschafters und geht auf den Anteilserwerber nicht über, wenn es ihm nicht besonders abgetreten wird. Ebenso verbleibt dem Anteilsverpfänder auch der Anspruch auf zukünftige Jahresgewinnanteile. Auch diesen Anspruch kann er formlos abtreten oder verpfänden. Dies hat aber nur Wirkung für diejenigen Gewinnansprüche, die als Gläubigerrecht entstehen während der Zeit, in welcher der Gesellschafter, der abgetreten oder verpfändet hat, den Geschäftsanteil noch als eigenen besitzt. Tritt er ihn ab, so erwirbt der Anteilserwerber als pfandfreies Recht die Gewinnforderung, die während seiner Gesellschaftereigenschaft als Gläubigerrecht entsteht; eine Ausnahme gilt aber dann, wenn der Gewinnanspruch in einem Wertpapier verkörpert ist (Rdnr. 20). Entsprechend verbleiben, wenn der Geschäftsanteil verpfändet ist und die Gewinnbezugsrechte einem Dritten abgetreten sind, nach Zwangsversteigerung des Geschäftsanteils die bis zum Zuschlag als Gläubigerrechte entstandenen Gewinnforderungen dem Abtretungsempfänger (Dividendenzessionar), während die nach dem Zuschlag als Gläubigerrechte entstehenden dem Zuschlagsempfänger gebühren. Sind sowohl der Geschäftsanteil als auch die Gewinnbezugsrechte demselben Gläubiger verpfändet, so kann der Pfandgläubiger, wenn sowohl seine pfandgesicherte Forderung wie eine Gewinnforderung fällig sind, die Gewinnforderung für sich geltend machen, soweit es zu seiner Befriedigung erforderlich ist (§ 1282 BGB). Ist die pfandgesicherte Forderung noch nicht fällig, so gilt für Auszahlung der fälligen Gewinnforderung der § 1281 BGB. Wird der zukünftige Jahresgewinnanspruch zunächst abgetreten und danach vom Anteilsinhaber an eine andere Person verpfändet, so erwirbt der Abtretungsempfänger mit dem Gewinnverteilungsbeschluss eine unbelastete Gewinnforderung; die Verpfändung ist unwirksam (Rdnr. 20). Im umgekehrten Falle erwirbt er eine mit dem Pfandrecht belastete Forderung.

1 Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 168.

Seibt

1085

§ 15

Übertragung von Geschäftsanteilen

b) Pfandrecht am Recht auf die Liquidationsquote 184 Im Auflösungsstadium der Gesellschaft bleiben zwar die Geschäftsanteile bestehen, aber ihr vermögensrechtlicher Inhalt wandelt sich um vom bisherigen Anspruch auf einen Teil des Jahresgewinns in den Anspruch auf einen Anteil am Liquidationserlös. Da der Zweck des Pfandrechts ist, den Gläubiger durch den Vermögenswert des Pfandes zu sichern, und da es auch den Gewinnanspruch erfasst, freilich kraft besonderer Vorschrift nur bei entsprechender Abrede (§§ 1213, 1273 Abs. 2 BGB), muss da, wo der Vermögenswert im Anspruch auf die Liquidationsquote in aller Regel sich erschöpft, das Pfandrecht am Geschäftsanteil ohne weiteres den Anspruch auf Liquidationserlös erfassen (analog § 1287 BGB)1. 185 Das Recht auf die künftige Liquidationsquote kann auch selbständig abgetreten (Rdnr. 20) und verpfändet werden, und zwar formlos. Zur Wirksamkeit ist aber die Anzeige des Verpfänders gemäß § 1280 BGB erforderlich. War vor der Entstehung der Forderung auf den anteiligen Liquidationserlösüberschuss auch der Geschäftsanteil verpfändet worden, so erwirbt der Abtretungsempfänger die Quotenforderung, belastet mit dem Pfandrecht (Rdnr. 21)2. c) Andere Kapitalforderungen 186 Ebenso wie die Forderung auf die Liquidationsquote ohne weiteres vom Anteilspfandrecht erfasst wird, erstreckt sich das Pfandrecht auf andere „Surrogate“ des Geschäftsanteils wie Forderungen auf das Einziehungsentgelt (Rdnr. 193), Forderungen des Gesellschafters auf den Überschuss aus Verkauf des preisgegebenen Geschäftsanteils (§ 27) sowie Abfindungsansprüche in den Fällen des Austritts (s. Anh. § 34 Rdnr. 22) und der Ausschließung (s. Anh. § 34 Rdnr. 53). Man wird auch nicht anders behandeln können die Forderungen auf Nachschussrückzahlung (§ 30 Abs. 2) und auf Stammeinlagerückzahlung im Falle von Kapitalherabsetzung (§ 58 Abs. 2), da diese verselbständigte Vermögenswerte der Anteilsubstanz sind3. d) Kapitalerhöhung, Umwandlung 187 Das Pfandrecht erstreckt sich bei der Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln ohne besonderen Bestellungsakt auf das erhöhte oder neu gebildete Anteils-

1 So Becker, GmbHR 1940, 186; K. Müller, GmbHR 1969, 36; Schuler, NJW 1956, 690; Feine, S. 405 f.; Brodmann, Anm. 2; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 165; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 51; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 59 mit unterschiedlicher Begründung; Reichert/Weller, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 305. 2 BGHZ 104, 351, 353 ff. 3 Feine, S. 406; Wiedemann, S. 427; K. Müller, GmbHR 1969, 37; Schuler, NJW 1956, 690; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 165; Reichert/Weller, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 305; Sieger/Hasselbach, GmbHR 1999, 633, 638; Kerbusch, GmbHR 1990, 156, 158; Reymann, DNotZ 2005, 425, 459; abw. bezüglich des Anspruchs auf Nachschussrückzahlung Damrau, in: MünchKomm. BGB, 5. Aufl. 2009, § 1274 BGB Rdnr. 64; Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 232, jeweils unter Hinweis auf die Fiktion des § 30 Abs. 2 Satz 4.

1086

Seibt

§ 15

Übertragung von Geschäftsanteilen

recht1. Es erfasst bei der Verschmelzung, der Aufspaltung und der Abspaltung im Wege der dinglichen Surrogation ohne weiteres auch die an die Stelle des bisherigen Geschäftsanteils tretenden Anteile an dem übernehmenden bzw. neuen Rechtsträger (§§ 20 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2, 36 Abs. 1, 131 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2, 135 Abs. 1 UmwG). Dasselbe gilt analog § 1287 BGB für die Ansprüche auf bare Zuzahlung zwecks Spitzenausgleichs oder Verbesserung des Umtauschverhältnisses (§§ 5 Abs. 1 Nr. 3, 15, 36 Abs. 1, 125, 126 Abs. 1 Nr. 3, 135 f. UmwG) und auf Abfindung der wegen der Umwandlung austretenden Gesellschafter (§§ 29 ff., 36 Abs. 1, 125, 135 UmwG). Soweit durch die Umwandlung Geschäftsanteile ersatzlos wegfallen (§§ 20 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 Halbsatz 2, 131 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 Halbsatz 2 UmwG), erlischt das Pfandrecht; der Pfandgläubiger kann u.U. aber Ansprüche aus dem Kausalverhältnis geltend machen (Rdnr. 176)2. Bei einem Formwechsel besteht das Pfandrecht an dem an die Stelle des belasteten Geschäftsanteils tretenden Anteil am Rechtsträger neuer Rechtsform weiter (§ 202 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 UmwG). Im Falle des umwandlungsbedingten Austritts des Gesellschafters wird statt dessen analog § 1287 BGB der Abfindungsanspruch (§§ 207 ff. UmwG) erfasst.

7. Rechtsübergang a) Übertragung des Geschäftsanteils Mit dem Übergang des verpfändeten Geschäftsanteils auf einen Erwerber geht das Pfandrecht als dingliche Last auf diesen über. Zum gutgläubig lastenfreien Erwerb vgl. Rdnr. 190a.

188

b) Übergang des Pfandrechts Eine Übertragung des Pfandrechts (am Geschäftsanteil, an der Gewinnforderung, 189 am Liquidationsguthaben) kann nur erfolgen durch Übertragung der Forderung, zu deren Sicherheit es dient. Mit der Forderungsübertragung geht es von selbst auf den neuen Gläubiger über (§§ 1273, 1250 Abs. 1 BGB). Wird der Übergang des Pfandrechts bei der Forderungsabtretung ausgeschlossen, so erlischt es (§§ 1273, 1250 Abs. 2 BGB). Befriedigt der Bürge den Pfandgläubiger, so erwirbt er ohne weiteres das Pfand (§§ 774, 1250 BGB).

8. Aufhebung und Beeinträchtigung des Pfandrechts a) Aufhebung Die Aufhebung des Pfandrechts erfolgt durch formfreie Einigung zwischen Verpfänder und Pfandgläubiger (§ 1276 BGB).

1 H.M.; s. Priester, 10. Aufl., § 57m Rdnr. 24 m.w.N.; abw. Kerbusch, GmbHR 1990, 156, 159 f.; Bruhns, GmbHR 2006, 587, 588; Rowedder/Bergmann, in: Rowedder/SchmidtLeithoff, Rdnr. 91; Reichert/Weller, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 306. 2 Vgl. Grunewald, in: Lutter, 4. Aufl. 2009, § 20 UmwG Rdnr. 65.

Seibt

1087

190

§ 15

Übertragung von Geschäftsanteilen

b) Kein gutgläubig lastenfreier Erwerb 190a Der Erwerber ist durch guten Glauben an eine Pfandfreiheit nicht geschützt (§ 936 BGB gilt nicht für Übertragung von „Rechten“). Doch haftet ihm der Verkäufer wegen Lastenfreiheit nach § 433 Abs. 1 Satz 2, § 435 BGB. Auch § 16 Abs. 3 ermöglicht de lege lata keinen gutgläubig lastenfreien Erwerb in Hinsicht auf an Geschäftsanteilen bestehende Pfandrechte1. Auch eine analoge Anwendung von § 16 Abs. 3 scheidet aus, so dass das Pfandrecht am Geschäftsanteil auch bei Gutgläubigkeit des Erwerbers generell fortbesteht. Die Satzung kann zwar nach hier vertretener Ansicht die Eintragung von Belastungen in die Gesellschafterliste vorsehen, diese hat dann allerdings lediglich informatorischen Charakter2. c) Beeinträchtigung 191 Gegen Veränderungen und Verschlechterungen des Pfandobjekts (Geschäftsanteils) durch Gesellschafterbeschlüsse ist der Pfandgläubiger grundsätzlich nicht geschützt (Rdnr. 178). Nichtig ist ein Beschluss aber, wenn er die sittenwidrige Schädigung des Pfandgläubigers bezweckt; es können dann außerdem Schadensersatzansprüche aus § 826 BGB gegeben sein. Die Mitwirkung des Pfandschuldner-Gesellschafters an den erwähnten Beschlüssen fällt nicht unter § 1276 BGB. Er kann ohne Beteiligung des Pfandgläubigers auch solchen Satzungsänderungen wirksam zustimmen, die Sonderrechte oder andere nur einverständlich entziehbare Mitgliedschaftsrechte verkürzen oder die i.S. des § 53 Abs. 3 die Leistungen des Gesellschafters vermehren3. Verletzt er dabei eine Vereinbarung des Verpfändungsvertrages, so berührt das i.d.R. nicht die Wirksamkeit der Stimmabgabe oder der Zustimmung, wohl aber macht er sich schadensersatzpflichtig. Der Verpfändungsvertrag verpflichtet den Gesellschafter nicht, ohne Rücksicht auf die Belange der Gesellschaft und eigene Belange sein Stimmrecht ausschließlich im Interesse des Pfandgläubigers auszuüben; nur deren angemessene Berücksichtigung im Rahmen der Gesamtumstände ist im Allgemeinen erforderlich4. Auch eine ausdrückliche Abstimmungsvereinbarung findet ihre Grenze in der Treupflicht gegenüber der Gesellschaft5. 192 Auch die rechtsgestaltenden Akte der GmbH, die den Untergang des Geschäftsanteils oder jedenfalls den Verlust des Pfandrechts zur Folge haben (z.B. die Kaduzierung; s. § 21 Rdnr. 28), unterliegen nicht § 1276 BGB. Fraglich ist aber, ob eine möglicherweise notwendige Einverständniserklärung des Gesellschafters mit 1 Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, § 16 Rdnr. 60; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, § 16 Rdnr. 11, 26; Ebbing, in: Michalski, § 16 Rdnr. 12, 251; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, § 16 Rdnr. 55. 2 Vgl. unten § 16 Rdnr. 20. 3 RGZ 139, 228 ff.; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 50; Rowedder/Bergmann, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 95 und Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 57; teilw. abw. Wiedemann, S. 431 f. und Fischer, GmbHR 1961, 26 betr. die Schmälerung des Gewinnbezugsrechts und des Rechts auf die Liquidationsquote; noch weitergehend Schuler, NJW 1960, 1428. 4 Dazu K. Müller, GmbHR 1969, 7, 34; Rodewald, GmbHR 1995, 420; krit. Damrau, in: MünchKomm. BGB, 5. Aufl. 2009, § 1274 BGB Rdnr. 60. 5 S. K. Müller, GmbHR 1969, 7, 34.

1088

Seibt

§ 15

Übertragung von Geschäftsanteilen

derartigen Maßnahmen (z.B. bei der Einziehung gemäß § 34 Abs. 2) oder die entsprechenden rechtsgestaltenden Akte des Gesellschafters zu ihrer Wirksamkeit der Zustimmung des nach analog § 16 Abs. 1 a.F. angemeldeten Pfandgläubigers bedürfen. Verneint wird das mit Recht für die Ausübung des Preisgaberechts gemäß § 271; nach dem Eintritt der Pfandreife steht dem Pfandgläubiger aber bei der Zustimmung zu einer anderweitigen Verwertung i.S. des § 27 Abs. 2 Satz 2 ein Mitspracherecht zu2. Die Auflösungsklage (§ 61) und das Austrittsrecht aus wichtigem Grunde (s. Anh. § 34 Rdnr. 6 ff.) können schon wegen ihres besonderen Zwecks, dem Gesellschafter bei Unzumutbarkeit der Fortsetzung des Gesellschaftsverhältnisses die vorzeitige Lösung der gesellschaftlichen Bindung zu ermöglichen, nicht von der Zustimmung eines Dritten abhängig gemacht und daher § 1276 BGB nicht unterworfen werden3; eine abweichende Beurteilung ist auch nicht für die sog. kapitalistisch organisierte GmbH zu rechtfertigen4. Vorstehendes gilt entsprechend auch für den umwandlungsbedingten Austritt des Gesellschafters gemäß §§ 29 ff., 125 Satz 1, 207 ff. UmwG (Rdnr. 187). Für die Ausübung eines dem Gesellschafter statutarisch eingeräumten ordentlichen Kündigungsrechts wird im Schrifttum überwiegend die Zustimmungsbedürftigkeit durch den angemeldeten Pfandgläubiger bejaht5. Dabei wird jedoch ebenso wie von der ablehnenden Meinung6 übersehen, dass eine einheitliche Lösung des Problems nicht möglich ist, sondern nach der statutarischen Folge des Kündigungsrechts unterschieden werden muss. Nicht einschlägig ist § 1276 BGB, wenn sie in der Pflicht zur Abnahme des Geschäftsanteils durch die Gesellschaft oder durch die anderen Gesellschafter besteht (s. 10. Aufl., Erl. zu § 60): Der Geschäftsanteil bleibt dann unverändert und geht pfandbelastet auf den Nachfolger über. Stellt die Kündigung nach dem Gesellschaftsvertrag einen Auflösungsgrund (§ 60 Abs. 2) dar, so ist sie zwar eine rechtsändernde Verfügung i.S. des § 1276 Abs. 2 BGB, aber es fehlt i.d.R. an der weiteren Voraussetzung, dass die eingetretene Rechtsänderung selbst schon das Pfandrecht beeinträchtigt. Vor allem aber spricht gegen die Anwendung der genannten Vorschrift, dass es hier um eine Ent-

1 Feine, S. 406; Vogel, DB 1954, 208; Wiedemann, S. 430; K. Müller, GmbHR 1969, 7 f.; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 160; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 59; Kraus, in: MünchHdb. III, § 26 Rdnr. 172; Damrau, in: MünchKomm. BGB, 5. Aufl. 2009, § 1274 BGB Rdnr. 64; Reichert/Weller, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 295; a.M. Becker, GmbHR 1935, 806; offen Rowedder/Bergmann, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 95. 2 Eb. Wiedemann, S. 431. 3 Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 160; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, § 34 Anh. Rdnr. 24; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 60; Becker, GmbHR 1940, 186, 191; H. F. Müller, Das Austrittsrecht des GmbH-Gesellschafters, 1996, S. 89 f.; Kraus, in: MünchHdb. III, § 26 Rdnr. 172; Damrau, in: MünchKomm. BGB, 5. Aufl. 2009, § 1274 BGB Rdnr. 63; Reichert/Weller, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 295. 4 A.M. Wiedemann, S. 430. 5 Feine, S. 405; Becker, GmbHR 1937, 573; Teichmann, ZGR 1972, 16; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 161; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 50; Reichert/Weller, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 297; auch Wiedemann, S. 430, der aber im Widerspruch dazu dieselbe Frage für den Nießbrauch anders beantwortet. Vgl. dazu auch Niemeier, Rechtstatsachen und Rechtsfragen der Einziehung von GmbH-Anteilen, 1982, S. 188 ff. 6 OLG Hamm, GmbHR 1971, 57, 59 f.; Fischer, GmbHR 1961, 27; K. Müller, GmbHR 1969, 8; Damrau, in: MünchKomm. BGB, 5. Aufl. 2009, § 1274 BGB Rdnr. 63; jetzt auch Kraus, in: MünchHdb. III, § 26 Rdnr. 172.

Seibt

1089

§ 15

Übertragung von Geschäftsanteilen

scheidung über das Schicksal der Gesellschaft geht, die nicht an die Mitwirkung eines außerhalb des Personenverbandes stehenden Dritten gebunden werden kann. Eine rechtsändernde Verfügung i.S. des § 1276 Abs. 2 BGB beinhaltet die Kündigung auch dann, wenn sie statutarische Einziehungsvoraussetzung (§ 34 Abs. 2) ist; sie ist in diesem Fall wertungsmäßig wie die Zustimmung zur Einziehung zu behandeln und ist daher zustimmungsbedürftig (Rdnr. 193)1. d) Einziehung 193 Die Verpfändung berührt nicht die Einziehungsbefugnis der GmbH aus § 34 Abs. 1. Die Einziehung erfolgt durch einen einseitigen rechtsgestaltenden Akt der Gesellschaft (s. Erl. zu § 34 Rdnr. 6, 41), so dass insoweit eine Anwendung des § 1276 BGB ausscheidet. Mit Recht nimmt die h.M. aber an, dass eine nach § 34 Abs. 2 erforderliche Zustimmung des Anteilsinhabers zur Einziehung nach der Anmeldung des Pfandgläubigers (analog § 16 Abs. 1 a.F.) wirksam nur mit dessen Zustimmung (Einwilligung oder Genehmigung) erteilt werden kann2. Die Zustimmung zur Einziehung ist zwar keine rechtsgeschäftliche Verfügung des Verpfänders über den Geschäftsanteil, sondern nur Rechtswirksamkeitsbedingung des einseitigen Einziehungsaktes der Gesellschaft, aber § 1276 BGB ist jedenfalls entsprechend anzuwenden3. Nicht überzeugend ist der Einwand, dass die Zustimmung zur Einziehung aus gesellschaftlichen Gründen nicht von der Mitwirkung des Pfandgläubigers als einem Verbandsfremden abhängig sein könne4. Die Zustimmung gemäß § 34 Abs. 2 unterscheidet sich wesentlich von den in Rdnr. 178 behandelten Mitverwaltungsrechten; sie hat keinen Sozialcharakter, sondern bedeutet das Einverständnis mit dem von der Gesellschaft erklärten Ausschluss aus dem Verband durch Vernichtung des Geschäftsanteils. Das schutzwürdige Interesse des Pfandgläubigers an der Mitwirkung bei der Zustimmung nach § 34 Abs. 2 kann auch nicht mit der Erwägung verneint werden, dass entspr. § 1287 BGB kraft dinglicher Surrogation ein Pfandrecht am Einziehungsentgelt entsteht5. Abgesehen davon, dass das Zustimmungserfordernis u.a. auch den Einfluss des Anteilsinhabers auf die Bestimmung des Einziehungsentgelts sichern soll, ändert die Möglichkeit der Surrogation weder etwas an der eintretenden Beeinträchtigung des Pfandrechts noch an der Gefährdung der Vermögensinteressen des Pfandgläubigers6. Das Einverständnis des Pfandgläubigers gemäß § 1276 BGB ist aber nur für die nach seiner Anmeldung bei der Gesell1 Wie hier Rodewald, GmbHR 1995, 419 Fn. 19 und wohl auch Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 61. 2 Feine, S. 405; Wiedemann, S. 430 f.; Teichmann, ZGR 1972, 16; Niemeier, Rechtstatsachen und Rechtsfragen der Einziehung von GmbH-Anteilen, 1982, S. 188 ff.; Brodmann, Anm. 2d u. § 34 Anm. 3d; Reymann, DNotZ 2005, 425, 459; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 50; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 161; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 61; Rowedder/Bergmann, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 80; Reichert/Weller, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 297; a.M. K. Müller, GmbHR 1969, 8 f. 3 Zutr. Schuler, NJW 1956, 689; 1960, 1424; s. aber auch Niemeier, Rechtstatsachen und Rechtsfragen der Einziehung von GmbH-Anteilen, 1982, S. 190 (Zustimmung habe selbst verfügenden Charakter). 4 So K. Müller, GmbHR 1969, 8. 5 RGZ 142, 378 f. u. oben Rdnr. 186; a.M. Fischer, GmbHR 1961, 23, 27. 6 Dazu Wiedemann, S. 431; Niemeier, Rechtstatsachen und Rechtsfragen der Einziehung von GmbH-Anteilen, 1982, S. 191.

1090

Seibt

§ 15

Übertragung von Geschäftsanteilen

schaft erteilte Zustimmung zur Einziehung erforderlich (analog § 16 Abs. 1 a.F.; Rdnr. 173). Die Wirksamkeit einer vorher erklärten Einwilligung des Gesellschafters (s. § 34 Rdnr. 12) bleibt unberührt, auch wenn die Einziehung selbst im Zeitpunkt der Anmeldung noch nicht vollzogen war1; er muss dann ebenfalls hinnehmen, dass der Gesellschafter der Unentgeltlichkeit der Einziehung zugestimmt hat.

9. Befriedigung des Pfandgläubigers Die Befriedigung der Pfandgläubiger erfolgt auf Grund eines vollstreckbaren Ti- 194 tels im Wege der Zwangsvollstreckung (§ 1277 BGB). Vor dem Eintritt der Verkaufsberechtigung kann auf die öffentliche Versteigerung des Geschäftsanteils sowie auf die öffentliche Bekanntmachung des Orts und der Zeit der Versteigerung nicht verzichtet (§§ 1277 Satz 2, 1245 Abs. 2, 1235, 1237 Satz 1 BGB) und auch keine Verfallklausel vereinbart werden (§§ 1277 Satz 2, 1229 BGB)2. Möglich (und aus Pfandgläubigersicht unbedingt zu empfehlen) sind dagegen sonstige Vereinbarungen zwischen dem Anteilsinhaber und dem Pfandgläubiger, die die Verwertung abweichend vom Gesetz regeln (§§ 1277 Satz 1, 1273 Abs. 2, 1245 Abs. 1 BGB), z.B. auf das Erfordernis eines vollstreckbaren Titels verzichten (§ 1277 Satz 1 BGB), die Versteigerungsbedingungen oder das Mitbieten von Anteilsinhaber und Pfandgläubiger anderweitig festlegen (§§ 1238, 1239 BGB) usw.3. Die gerichtlich angeordnete Versteigerung in der Zwangsvollstreckung (§ 1277 Satz 1 BGB i.V.m. §§ 844, 857 Abs. 5 ZPO) überträgt den Geschäftsanteil durch Zuschlag als Hoheitsakt; hier bedarf es nicht der Formen des § 15 Abs. 3–5 (Rdnr. 198 f.). Anderes gilt, wenn der Geschäftsanteil durch einen gerichtlich angeordneten oder vom Anteilsinhaber und dem Pfandgläubiger nach Eintritt der Pfandreife zulässigerweise vereinbarten freihändigen Verkauf verwertet wird; in beiden Fällen muss die durch § 15 Abs. 3 u. 4 vorgeschriebene notarielle Form eingehalten werden (Rdnr. 200)4. Bei dem in Abweichung von § 1277 Satz 1 BGB erfolgenden Pfandverkauf durch privatrechtliche öffentliche Versteigerung (§§ 1273 Abs. 2, 1235 Abs. 1, 383 Abs. 3 BGB) muss die Abtretung des Geschäftsanteils unter Einhaltung der Form des § 15 Abs. 3 erfolgen. Auch Abtretungsbeschränkungen aus § 15 Abs. 5 werden beim vereinbarten freihändigen Verkauf und bei der privatrechtlichen öffentlichen Versteigerung zu beachten sein, da Veräußerung ohne Mitwirkung der Vollstreckungsorgane noch im Rahmen privatrechtsgeschäftl. Verkehrs liegt und die Zulassung der Verpfändung nicht ohne weiteres (Auslegungsfrage) diese Verwertungsart einschließt5. 1 Vgl. Schuler, NJW 1961, 2282; Winter, GmbHR 1967, 204. 2 RGZ 100, 274, 276; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 166; Rodewald, GmbHR 1995, 418, 421; zu weitgehend Rowedder/Bergmann, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 90. 3 Vgl. Sieger/Hasselbach, GmbHR 1999, 633, 636; Rodewald, GmbHR 1995, 418, 421; B. Mertens, ZIP 1998, 1787, 1790. 4 Vgl. RGZ 164, 162, 169 ff.; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 166; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 51; Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 235; a.M. Damrau, in: MünchKomm. BGB, 5. Aufl. 2009, § 1274 BGB Rdnr. 69 für den gerichtl. angeordneten freihändigen Verkauf durch den Gerichtsvollzieher. 5 OLG Hamburg, NJW 1960, 870, 871; Damrau, in: MünchKomm. BGB, 5. Aufl. 2009, § 1274 BGB Rdnr. 69; Liebscher/Lübke, ZIP 2004, 241, 247; a.M. Wiedemann, S. 433; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 167; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 51;

Seibt

1091

§ 15

Übertragung von Geschäftsanteilen

Beim Nutzungspfand (Rdnr. 181) kann auch Zwangsverwaltung (§ 857 Abs. 4 ZPO) in Frage kommen.

VIII. Zwangsvollstreckung in den Geschäftsanteil Schrifttum: Becker, Welche Sicherungsmöglichkeiten können im Gesellschaftsvertrag vorgesehen werden für den Fall der Zwangsvollstreckung in einem Geschäftsanteil und für den Fall des Konkurses eines Gesellschafters, GmbHR 1930, 567, 661 u. 742; Becker, Unentgeltliche Einziehung von Geschäftsanteilen für den Fall der Pfändung oder des Konkurses eines Gesellschafters, GmbHR 1934, 425; Behr, Pfändung des GmbH-Geschäftsanteils, JurBüro 1995, 286; Bischoff, Zur pfändungs- und konkursbedingten Einziehung von Geschäftsanteilen, GmbHR 1984, 61; Bokelmann, Die Einziehung von GmbH-Anteilen im Falle der Pfändung und des Konkurses, BB 1970, 1235; Buchwald, Verpfändung und Pfändung von GmbH-Anteilen, GmbHR 1959, 254; 1960, 5; Bunte, Die Abschließung der Kapitalgesellschaft gegen Außenstehende in den Niederlanden, Deutschland und der Schweiz, 1969; Dilthey, Unentgeltliche Einziehung von GmbH-Anteilen, Diss. Bonn 1937; Döring, Gesellschafterschutzbestimmungen und Zwangsvollstreckung, BWNotZ 1980, 152; Ewald, GmbH-Anteile (Anteilscheine) als Pfandstücke, ZHR 92, (1928), 96; R. Fischer, Die Pfändung und Verwertung eines GmbH-Geschäftsanteils, GmbHR 1961, 21; Happ, Die GmbH im Prozess, 1997; Heckelmann, Vollstreckungszugriff und GmbH-Statut, ZZP 92 (1979), 28; Heuer, Der GmbH-Anteil in der Zwangsvollstreckung, ZIP 1998, 405; Kalbfleisch, Zwangsvollstreckung in den Geschäftsanteil einer GmbH, Diss. Gießen 1989; Külbs, Pfändung, Verpfändung und Zwangsvollstreckung in den Geschäftsanteil einer GmbH, Diss. Köln 1938; Liebscher/Lübke, Die zwangsweise Verwertung vinkulierter Anteile – Zur angeblich vinkulierungsfreien Pfand- und Insolvenzverwertung, ZIP 2004, 241; Marotzke, Zwangsvollstreckung in Gesellschaftsanteile und Abspaltung der Vermögensansprüche, ZIP 1988, 1509; Michalski, Die Zwangseinziehung eines GmbH-Anteils im Falle der Anteilspfändung, ZIP 1991, 147; Neukamp, Die Zwangsvollstreckung in Geschäftsanteile einer GmbH, DJZ 1904, 231; Niemeier, Rechtstatsachen und Rechtsfragen der Einziehung von GmbHAnteilen, 1982; Noack, Aktuelle Fragen der Zwangsvollstreckung gegen die GmbH, insbesondere in den GmbH-Anteil, DB 1969, 471; Noack, Die Versteigerung von Rechten (§ 844 ZPO), insbesondere eines GmbH-Anteils, MDR 1970, 890; A. Paulick, Einziehungsklausel in der Satzung der GmbH, GmbHR 1978, 122; Pfaff, Zur Pfändung des GmbH-Anteils, GmbHR 1964, 92; Pleyer, Einziehung von GmbH-Anteilen durch Satzungsbestimmung, GmbHR 1960, 124; Priester, Grundsatzregelung, Wertmaßstäbe und Zahlungsmodalitäten des Einziehungsentgelts für GmbH-Anteile bei Pfändung oder Konkurs, GmbHR 1976, 5; Reichert, Das Zustimmungserfordernis zur Abtretung von Geschäftsanteilen in der GmbH, 1984; H. Reuter, Einziehung von GmbH-Geschäftsanteilen gegen wirtschaftlich nicht vollwertiges Entgelt, NJW 1973, 22; Roth, Pfändung und Verpfändung von Geschäftsanteilen, ZGR 2000, 213; Sachs, Zur Einziehung von Geschäftsanteilen wegen Pfändung, GmbHR 1974, 84; Sachs, Das Entgelt bei der Anteilseinziehung wegen Pfändung, GmbHR 1976, 60; Karsten Schmidt, Stimmrecht beim Anteilsnießbrauch, ZGR 1999, 601; Schuler, Die Pfändung von GmbH-Anteilen und die miterfassten Ersatzansprüche, NJW 1960, 1423; Schuler, Einziehung gepfändeter GmbH-Anteile, NJW 1961, 2281; Seydel, Zwangsvollstreckung in den Geschäftsanteil der GmbH, GmbHR 1950, 135; Sieber-Meyer zu Hage, Die Zwangsvollstreckung in GmbH-Anteile, Diss. Jena 1933; Simon, Einziehung eines gepfändeten Geschäftsanteils nur gegen vollwertiges Entgelt?, GmbHR 1961, 137; Soufleros, Ausschließung und Abfindung eines GmbH-Gesellschafters, 1983; Tiedau, Zur Wirksamkeit gesellschaftsrechtlicher Abfindungsklauseln gegenEbbing, in: Michalski, Rdnr. 235; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 100; Reichert/ Weller, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 322; Rowedder/Bergmann, in: Rowedder/ Schmidt-Leithoff, Rdnr. 93.

1092

Seibt

§ 15

Übertragung von Geschäftsanteilen

über Vollstreckungsmaßnahmen, DNotZ 1964, 94; Ulmer, Die Sicherung der GmbH gegen das Überfremdungsrisiko in der Insolvenz eines Gesellschafters, ZHR 149 (1985), 28; Wälzholz, Rückforderungsrechte an Gesellschaftsanteilen für den Fall von Insolvenz und Zwangsvollstreckung, GmbHR 2007, 1319; Wiedemann, Die Übertragung und Vererbung von Mitgliedschaftsrechten bei Handelsgesellschaften, 1965; Winkler, Die Lückenausfüllung des GmbH-Rechts durch das Recht der Personalgesellschaften, 1967; H. Winter, Die Einziehung gepfändeter Geschäftsanteile auf Grund statutarischer Ermächtigung, GmbHR 1967, 201; Wolany, Rechte und Pflichten des Gesellschafters einer GmbH, 1964; Wolany, Bedingte Einziehbarkeit gepfändeter GmbH-Geschäftsanteile, in: FS H. C. Nipperdey, Bd. I, 1965, S. 975.

1. Pfändung Die Pfändung des Geschäftsanteils erfolgt nach § 857 ZPO durch Beschluss des 195 Vollstreckungsgerichts1. Sie ist nach §§ 857 Abs. 1, 829 Abs. 3 ZPO mit der Zustellung an die GmbH als bewirkt anzusehen, da der Begriff „Drittschuldner“ i.S.von § 829 Abs. 3 ZPO auch die GmbH erfasst2. Eine Anmeldung bei der Gesellschaft (§ 16 Abs. 1 a.F.) ist im Regelfall überflüssig, aber nicht unzulässig und kann im Einzelfall geboten sein, z.B. bei Ersatzzustellung zur Vermeidung von Nachteilen (s. § 16 Rdnr. 34). Auch ein Teil eines Geschäftsanteils kann gepfändet werden3, denn anderenfalls müsste wegen geringfügiger Forderung trotz § 803 Abs. 1 Satz 1 ZPO ein ganzer, werthaltiger Geschäftsanteil gepfändet werden. Wegen Arrestes und seiner Vollziehung durch Pfändung s. §§ 916 ff., 928 ff. ZPO.

2. Wirkung der Pfändung Mit der Pfändung entsteht ein Pfändungspfandrecht zu Gunsten des Vollstre- 196 ckungsgläubigers (§§ 857 Abs. 1, 804 ZPO), das sich auch auf alle Surrogate des Geschäftsanteils (wie bei der Verpfändung; s. Rdnr. 184 ff.) erstreckt4. Doch muss der Schuldner in dem Zeitpunkt, in dem der Pfändungsbeschluss der Ge-

1 Zur Wirksamkeit einer im Ausland vorgenommenen Pfändung s. OLG Oldenburg, OLGR 1995, 295. 2 Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 290; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 60; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 83; Rowedder/Bergmann, in: Rowedder/SchmidtLeithoff, Rdnr. 134; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 62; Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 236; Brehm, in: Stein/Jonas, 22. Aufl. 2004, § 859 ZPO Rdnr. 20; Smid, in: MünchKomm. ZPO, 3. Aufl. 2007, § 859 ZPO Rdnr. 28; Becker, in: Musielak, 8. Aufl. 2011, § 859 ZPO Rdnr. 14; Wiedemann, S. 425 f.; Roth, ZGR 2000, 187, 213; a.M. die frühere Rechtsprechung RGZ 54, 415; RG, GmbHR 1916, 217; OLG Köln, OLGR 13, 206; OLG Hamm, GmbHR 1916, 65; Brodmann, Anm. 2d, NJW 1960, 1423. 3 Feine, S. 407; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 304; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 60; Reichert/Weller, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 525; Rowedder/Bergmann, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 140; Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 237; Brehm, in: Stein/Jonas, 22. Aufl. 2004, § 859 ZPO Rdnr. 20; Happ, Die GmbH im Prozess, § 9 Rdnr. 26; Schuler, NJW 1960, 1423, 1425. 4 BGH, BB 1972, 10; BGHZ 104, 351, 354 f.; OLG Hamburg, DB 1982, 2344 f.; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 291; Wiedemann, S. 426 f.; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 62; Rowedder/Bergmann, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 136; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 84; Brehm, in: Stein/Jonas, 22. Aufl. 2004, § 859 ZPO Rdnr. 21.

Seibt

1093

§ 15

Übertragung von Geschäftsanteilen

sellschaft zugestellt ist (Rdnr. 195), Anteilsinhaber sein. Hatte er den Anteil vorher abgetreten, so fällt der Beschluss ins Leere und erzeugt kein Pfandrecht1. Einer vorausgehenden Abtretung, Verpfändung oder Pfändung des Anspruchs auf Abfindung oder auf die Liquidationsquote geht die Anteilspfändung dagegen vor (Rdnr. 21 u. 211)2. 197 Nach Zustellung des Beschlusses hat der Schuldner „sich jeder Verfügung über das Recht zu enthalten“ (§§ 857 Abs. 1, 829 Abs. 1 Satz 2 ZPO). Trotz dieses Gesetzeswortlauts ist man weitgehend darüber einig, dass, da dieses Verbot nur den Schutz des Pfändungsgläubigers bezweckt (§§ 135, 136 BGB), der Schuldner nach wie vor den gepfändeten Geschäftsanteil veräußern kann3, denn das Pfandrecht als dingliches Recht belastet den Geschäftsanteil auch in der Hand des Erwerbers und wird durch die Übertragung rechtlich in keiner Weise verändert (Rdnr. 188); ein gutgläubiger Erwerb zur Lastenfreiheit ist de lege lata nicht möglich4. Verboten sind nur die das Recht des Gläubigers beeinträchtigenden Verfügungen5. Die Verwaltungsrechte, insbes. das Stimmrecht, verbleiben dem Pfändungsschuldner als Gesellschafter6; sie können auch nicht Gegenstand besonderer Pfändung sein, da sie kein „Vermögensrecht“ (§ 857 Abs. 1 ZPO) sind7. Auch das Erfordernis einer Zustimmung des Pfandgläubigers zur Stimmabgabe des Gesellschafters ist aus §§ 857 Abs. 1, 829 Abs. 1 Satz 2 ZPO nicht herzuleiten8, da diese keine Verfügung über den Geschäftsanteil darstellt, ein Zustimmungserfordernis dem Sinn des Mitgliedschaftsrechts widerspricht und die Gewährung einer Einflussmöglichkeit auf Gesellschafterentscheidungen die berechtigten Interessen der Gesellschaft und der Mitgesellschafter unvertretbar beeinträchtigt. Der Pfandschuldner kann auch einem Auflösungsbeschluss (§ 60 Abs. 1 Nr. 2) oder einer Satzungsänderung zustimmen, selbst wenn sie die ihm nach dem Gesellschaftsvertrag obliegenden Leistungen vermehrt (§ 53 Abs. 3) oder ohne seinen Willen nicht entziehbare Rechte verkürzt (bestr., s. dazu Rdnr. 191 f.). Ebenso kann er seinen Geschäftsanteil preisgeben

1 Drittwiderspruchsklage gemäß § 771 ZPO durch den wirklichen Anteilsinhaber ist gleichwohl möglich. 2 Zutr. BGHZ 104, 351, 354; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 295; Brehm, in: Stein/Jonas, 22. Aufl. 2004, § 859 ZPO Rdnr. 21; Reichert/Weller, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 529; a.M. Schuler, NJW 1960, 1423, 1426; Marotzke, S. 1510 ff. m.w.N. zum Streitstand. 3 Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 296; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 83; Wiedemann, S. 429, 439; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 62; Rowedder/Bergmann, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 135; Reichert/Weller, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 531; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 63; Reichert, S. 85; a.M. Schuler, NJW 1960, 1423, 1426; Heuer, ZIP 1998, 405, 408. 4 Zur rechtspolitischen Forderung eines Gutglaubensschutzes bei Anteilsbelastungen Grunewald/Gehling/Rodeweg, ZIP 2006, 685 ff.; vgl. auch unten § 16 Rdnr. 74 m.w.N. 5 Vgl. Brehm, in: Stein/Jonas, 22. Aufl. 2004, § 829 ZPO Rdnr. 92; Stöber, in: Zöller, 29. Aufl. 2012, § 829 ZPO Rdnr. 18. 6 BGH, NJW 1967, 1963; KG, JW 1932, 757; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 296; Hueck/ Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 62; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 57, 63; Reichert/Weller, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 532; Rowedder/Bergmann, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 135, 146; s. auch oben Rdnr. 178. 7 KG, JW 1932, 757; LG Köln, Rpfleger 1989, 511; vgl. auch RGZ 95, 231. 8 Unzutr. Heuer, ZIP 1998, 405, 409; s. auch Kalbfleisch, S. 90.

1094

Seibt

§ 15

Übertragung von Geschäftsanteilen

(Rdnr. 192)1, Auflösungsklage erheben (Rdnr. 192) und aus wichtigem Grunde aus der Gesellschaft austreten (Rdnr. 192)2, da die Entscheidung über die Lösung von einer unzumutbar gewordenen Mitgliedschaft ausschließlich dem Betroffenen vorbehalten bleiben muss. Dagegen kann der Gesellschafter nicht ohne Mitwirkung des Pfändungspfandgläubigers mit Einziehungsfolge ordentlich kündigen (Rdnr. 192) oder der Einziehung zustimmen (Rdnr. 193)3. Kann nach dem Gesellschaftsvertrag der Geschäftsanteil gemäß § 34 Abs. 2 ohne Zustimmung des Gesellschafters eingezogen werden, so schließt die Pfändung, da das Verfügungsverbot sich nur gegen den Schuldner richtet und nicht in die Rechte der GmbH eingreift, die einseitige Einziehung durch die Gesellschaft nicht aus (s. Rdnr. 205 f.)4. Grundsätzlich steht dem auch nicht entgegen, dass sie entsprechend dem Gesellschaftsvertrag ganz oder teilweise gegen eine nicht vollwertige Abfindung erfolgt5; über den Ausnahmefall der Einziehung wegen der Pfändung oder Gesellschafterinsolvenz s. unten Rdnr. 205. Ebenso wenig ist es von Bedeutung, ob der statutarische Einziehungsgrund vor oder nach der Pfändung eingetreten ist6. Darauf kommt es nur an, wenn eine Verfügungshandlung i.w.S. des Schuldner-Gesellschafters7 zu den Einziehungsvoraussetzungen gehört8; wird sie erst nach der Pfändung vorgenommen, so bedarf die Einziehung unabhängig von der Frage des Entgelts der Zustimmung des Pfändungspfandgläubigers. Die mit der Gesellschafterstellung verbundenen, höchstpersönlichen Aus- 197a kunfts- und Einsichtsrechte nach § 51a verbleiben beim Vollstreckungsschuldner und kommen daneben nicht dem Vollstreckungsgläubiger zu9. Allerdings hat der Pfandgläubiger einen Informationsanspruch aus § 836 Abs. 3 Satz 1 ZPO gegen den Schuldner, der diesen verpflichtet, die zur Verwertung nötigen Auskünfte zu erteilen und vorhandene Urkunden herauszugeben. Dabei gelten im Rahmen des § 836 Abs. 3 ZPO die Geheimhaltungspflichten des Gesellschafters entsprechend § 51a, so dass bei Ausübung des Informationsrechts das Informationsinteresse des Vollstreckungsgläubigers mit dem gebotenen Vertraulichkeits-

1 Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 296; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 59, 63; Brehm, in: Stein/Jonas, 22. Aufl. 2004, § 859 ZPO Rdnr. 19; Wiedemann, S. 430 f., jedoch mit Einschr. für kapital. GmbH; a.M. Schuler, NJW 1960, 1427; Heuer, ZIP 1998, 405, 409. 2 Fischer, GmbHR 1961, 21, 26; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 296; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 59, 63; weitergehend Wiedemann, S. 430 f.; a.M. Heuer, ZIP 1998, 405, 409. 3 Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 62; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 296; Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 240; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 59, 63; Wiedemann, S. 430 f.; Brehm, in: Stein/Jonas, 22. Aufl. 2004, § 859 ZPO Rdnr. 20, 22; Heuer, ZIP 1998, 405, 409. 4 A.M. Wolany, Rechte und Pflichten, S. 145 u. in: FS Nipperdey, S. 975. 5 RGZ 142, 377; BGHZ 32, 156; Schuler, NJW 1960, 1293; Schuler, NJW 1961, 2282; H. Winter, GmbHR 1967, 208; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 311. 6 RGZ 142, 377; Schuler, NJW 1960, 1293, 1961, 2282; H. Winter, GmbHR 1967, 208; a.M. BGHZ 32, 157; Fischer, GmbHR 1961, 25. 7 Vgl. dazu Brehm, in: Stein/Jonas, 22. Aufl. 2004, § 829 ZPO Rdnr. 92. 8 S. H. Winter, GmbHR 1967, 208. 9 BayObLG, GmbHR 1989, 201, 203; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 297; Heuer, ZIP 1998, 405, 411; Karsten Schmidt, 10. Aufl., § 51a Rdnr. 12; a.M. Kalbfleisch, S. 93.

Seibt

1095

§ 15

Übertragung von Geschäftsanteilen

interesse der Gesellschaft und ihrer Mitgesellschafter in Ausgleich zu bringen ist1.

3. Befriedigung des Pfandgläubigers 198 Maßgebend sind die §§ 857, 835, 844 ZPO. 199 a) Eine Überweisung des Geschäftsanteils zur Einziehung oder an Zahlungs Statt zum Nennwert (§ 835 ZPO) oder zum Schätzwert ist unzulässig2. Eine Ausnahme ist auch dann nicht gerechtfertigt, wenn der Schuldner zur Kündigung der Gesellschaft oder seiner Beteiligung berechtigt ist oder wenn die regelmäßige Veräußerung des Geschäftsanteils nach §§ 857 Abs. 1, 5, 844 ZPO (Rdnr. 200) ausscheidet3. Möglich ist die Überweisung zur Einziehung dagegen für die Forderungen auf den Gewinnanteil, auf die Abfindung beim Ausscheiden und auf das Liquidationsguthaben (Rdnr. 211). 200 b) Die „Verwertung“ (§ 844 Abs. 1 ZPO) durch vom Gericht angeordnete „Veräußerung“ (§ 857 Abs. 1, 5 ZPO) des Geschäftsanteils ist das regelmäßig einzige und allgemein anerkannte Befriedigungsmittel. Das Gericht hat im Verfahren nach § 844 ZPO dann den Bestand des gepfändeten Geschäftsanteils zu überprüfen, wenn ein Beteiligter schlüssige Einwendungen erhebt4 oder sonst erhebliche Zweifel bestehen. Die Veräußerung erfolgt i.d.R. in der Form der öffentlichen Versteigerung, nach besonderer gerichtlicher Anordnung auch durch freihändigen Verkauf5. Frühere Pfändungen (Vorpfändungen) stehen dem Zwangsverkauf zu Gunsten des nachstehenden Pfandgläubigers nicht entgegen (§ 827 ZPO)6. Während der versteigerte Geschäftsanteil ohne Beobachtung der Form aus § 15 Abs. 3 auf den Ersteher durch Zuschlag übergeht, muss die Form beim gerichtlich angeordneten freihändigen Verkauf eingehalten werden (s. auch Rdnr. 194)7. Zu statutarischen Abtretungsbeschränkungen s. Rdnr. 202. Der Erwerber kann 1 Eb. Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 297 a.E.; vgl. LG Essen, Rpfleger 1973, 410; Roth, ZGR 2000, 187, 213 f. 2 KG, OLG 10, 392; LG Berlin, MDR 1987, 592; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 298; Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 241; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 63; Reichert/Weller, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 536; Heuer, ZIP 1998, 405, 406; Karsten Schmidt, GesR, § 35 II 2; Stöber, in: Zöller, 29. Aufl. 2012, § 859 ZPO Rdnr. 13; abw. Kalbfleisch, S. 115 ff.; Raiser/Veil, Kapitalgesellschaften, § 30 Rdnr. 39 a.E. 3 A.M. Brehm, in: Stein/Jonas, 22. Aufl. 2004, § 859 ZPO Rdnr. 20; Smid, in: MünchKomm. ZPO, 3. Aufl. 2007, § 859 ZPO Rdnr. 29. 4 OLG Frankfurt, BB 1976, 1147, 1148. 5 BGH, NJW 1989, 458; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 300; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 63; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 85; Rowedder/Bergmann, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 142; Reichert/Weller, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 538; Happ, Die GmbH im Prozess, S. 108 f.; Brehm, in: Stein/Jonas, 22. Aufl. 2004, § 859 ZPO Rdnr. 21; Smid, in: MünchKomm. ZPO, 3. Aufl. 2007, § 857 ZPO Rdnr. 50; Stöber, in: Zöller, 29. Aufl. 2012, § 859 ZPO Rdnr. 1625 ff.; Heuer, ZIP 1998, 405, 406. 6 RGZ 164, 169. 7 RGZ 164, 170 f.; Feine, S. 408; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 300; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 62; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 100; Reichert/Weller, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 539, 542; Rowedder/Bergmann, in: Rowedder/ Schmidt-Leithoff, Rdnr. 142; a.M. Damrau, in: MünchKomm. BGB, 5. Aufl. 2009, § 1274 BGB Rdnr. 69.

1096

Seibt

§ 15

Übertragung von Geschäftsanteilen

keine Gewährleistungsansprüche wegen Rechts- oder Sachmängel geltend machen (§ 806 ZPO)1. c) Ob das Gericht auch „eine andere Art der Verwertung“ (§ 844 ZPO) anordnen 201 kann, etwa eine Zwangsverwaltung (§ 857 Abs. 4), ist zweifelhaft, aber, abgesehen vom Nutzungspfand (Rdnr. 194 a.E.), mit der h.M. zu verneinen2; vgl. dazu noch Rdnr. 203.

4. Statutarische Beschränkungen Der Pfändbarkeit eines Geschäftsanteils steht nicht entgegen, dass der Gesell- 202 schaftsvertrag seine Abtretung ausschließt (§§ 857 Abs. 1, 851 Abs. 2 ZPO). Auch die statutarisch begründeten weiteren Voraussetzungen der Abtretung i.S. des § 15 Abs. 5 (s. Rdnr. 107 ff.) gelten nach diesen Bestimmungen nicht bei der Pfändung und bei der Zwangsverwertung des Geschäftsanteils3. Die Regelung soll zwar nur verhindern, dass der Schuldner durch Vereinbarung von Übertragungsbeschränkungen einen eigenen Vermögenswert dem Zugriff seiner Gläubiger entziehen kann, aber sie hat die unvermeidliche Nebenwirkung, dass die Gesellschaft, obwohl Dritte, ihr rechtlich geschütztes Interesse am Fernhalten unerwünschter Personen als Gesellschafter auf diesem Wege nicht durchsetzen kann. Ein darüber hinausgehender Vorrang des Gläubiger- vor dem Gesellschaftsinteresse, wie er gelegentlich angenommen wird4, ist dagegen den §§ 857 Abs. 1, 851 ZPO nicht zu entnehmen5. Die allgemeine Rücksetzung der Gesellschaftsinteressen wäre wertungsmäßig unvertretbar; wie schon der Differenzierungsversuch der §§ 851, 857 Abs. 3, 4 ZPO, mehr aber noch der früher für Personenhandelsgesellschaften geltende § 141 HGB a.F. zeigte, ist sie ersichtlich nicht gewollt. Eine angemessene Lösung des bezeichneten Interessenkonflikts zwischen Pfändungspfandgläubiger und Gesellschaft mit anderen Mitteln (z.B. Einziehungs- und Erwerbsrechte, Ausschluss aus wichtigem Grund) schließt jene Regelung also nicht aus6.

1 Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 300; Rowedder/Bergmann, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 144; Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 242. 2 Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 298 a.E.; Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 241; abw. Kalbfleisch, S. 115 ff.; Raiser/Veil, Kapitalgesellschaften, § 30 Rdnr. 39. 3 RGZ 70, 64; RGZ 142, 376; RG, LZ 1909, 235; RG, GmbHR 1928, 689; RG, DR 1944, 83; BGHZ 32, 155, 65, 24 f.; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 300, 306; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 61; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 62; Reichert/ Weller, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 539; Rowedder/Bergmann, in: Rowedder/ Schmidt-Leithoff, Rdnr. 134, 141; Hartmann, in: Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, 70. Aufl. 2012, § 859 ZPO Anh. Rdnr. 4; Brehm, in: Stein/Jonas, 22. Aufl. 2004, § 857 ZPO Rdnr. 14, § 859 ZPO Rdnr. 18 u.a.; Roth, ZGR 2000, 187, 212 f.; a.M. OLG (Hamburg) 16, 312: Pfändung zur Ausübung; Liebscher/Lübke, ZIP 2004, 241, 243 f.; eb. abw. mit Bez. auf aktienrechtl. Wertungen Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 86; s. für die Verwertung auch unten Rdnr. 207. 4 RGZ 142, 376; Wolany, Rechte und Pflichten, S. 143 ff.; Wiedemann, S. 434; s. auch Heuer, ZIP 1998, 405, 409 ff. 5 BGHZ 65, 24 f.; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 307. 6 Eb. Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 308; Karsten Schmidt, GmbHR 2011, 1289, 1294; s. auch Rdnr. 204 ff.

Seibt

1097

§ 15

Übertragung von Geschäftsanteilen

a) Vorkaufsrecht 203 Ein Vorkaufsrecht zu Gunsten der Gesellschaft oder der Gesellschafter (Rdnr. 117) scheidet als Mittel zur Wahrung des Gesellschaftsinteresses aus, da es für den Verkauf des Geschäftsanteils im Wege der Zwangsvollstreckung oder durch den Insolvenzverwalter nicht wirksam vereinbart werden kann (§ 471 BGB)1. Das Schrifttum hat in Anlehnung an einige Auslandsrechte (§ 76 Abs. 4 öGmbHG; Art. 794 Abs. 1 Nr. 3 revOR; § 2480 Abs. 3 Cod.civ.) ergänzende Lösungsvorschläge entwickelt, um durch eine Art von Vorrechtsstellung ein Abschließungsinteresse der Gesellschaft bei der Verwertung zu verwirklichen. So soll das Vollstreckungsgericht (der Rechtspfleger; vgl. § 20 Nr. 17 RpflG) bei einem vinkulierten Geschäftsanteil die Gesellschaft nach §§ 857, 844 ZPO vor einer anderweitigen Verwertung zur Benennung eines Käufers ermächtigen können, der innerhalb einer bestimmten Frist den gerichtlich festgesetzten Schätzwert zu zahlen hat und dem der Anteil sodann zu übertragen ist2. Teilweise abweichend wird auch eine Anordnung des Vollstreckungsgerichts für zulässig gehalten, wonach bei der Versteigerung eines solchen Geschäftsanteils der Zuschlag unter der Bedingung zu erteilen sei, dass die Gesellschaft das Recht habe, binnen einer zu bestimmenden Frist einen Übernehmer zu stellen, der den Höchstgebotspreis zahlt3. Beide Vorschläge laufen indessen darauf hinaus, dem Vollstreckungsgericht die Begründung einer neuen Art quasidinglichen Vorkaufsrechts zu gestatten, was durch die dafür herangezogenen §§ 857, 844 ZPO nicht mehr gedeckt und mit dem Zweck des § 471 BGB unvereinbar ist. Sie zeigen ferner deswegen keinen befriedigenden Ausweg, weil der Erlass entsprechender Anordnungen im Ermessen des Vollstreckungsgerichts stünde4 und zudem, wenn die Gesellschaft keinen ihr genehmen Erwerber findet, ein Erwerb bei nicht voll eingezahlten Geschäftsanteilen an § 33 Abs. 1 und im Übrigen an dem Kapitalentzug zwecks Aufbringung des u.U. beträchtlichen Schätz- oder Versteigerungspreises wirtschaftlich scheitern kann5. Auch der Möglichkeit, die Zwangsversteigerung durch eine Befriedigung des Pfandgläubigers nach § 267 Abs. 1 BGB abzuwenden, der der Gesellschafter auf Grund eines vorweggenommenen Verzichts in der Satzung oder seiner gesellschaftlichen Treuepflicht nicht widersprechen kann6, kommt nur begrenzte Bedeutung in den Fällen zu, in denen die Zahlung nach § 30 möglich und die Schuld im Verhältnis zum Anteilswert nicht zu hoch ist. b) Abtretungspflicht 204 Der Gesellschaftsvertrag kann für den Pfändungsfall rechtswirksam eine Pflicht zur Abtretung des Geschäftsanteils an die Gesellschaft oder an die übrigen Ge1 Feine, S. 408; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 309; Reichert/Weller, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 544; Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 245; Soufleros, S. 288; Rowedder/Bergmann, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 141. 2 Wiedemann, S. 439 f.; ähnlich auch Fischer, GmbHR 1961, 24 f., der aber allein ein entsprechendes Angebot der Gesellschaft zur Abwendung der Zwangsversteigerung genügen lässt. 3 Wolany, Rechte und Pflichten, S. 141 f. 4 H. Winter, GmbHR 1967, 205; Soufleros, S. 289. 5 Soufleros, S. 289. 6 Vgl. Hueck, DB 1957, 38; Schuler, NJW 1961, 2281, 2282; Wiedemann, S. 440.

1098

Seibt

§ 15

Übertragung von Geschäftsanteilen

sellschafter oder an einen (eventuell erst noch zu bestimmenden) Gesellschafter oder Dritten begründen1. Der Erwerber erwirbt den Geschäftsanteil dann aber pfandrechtsbelastet. Die abweichende Meinung, die sich demgegenüber auf den mit der Verfallerklärung bei der Kaduzierung eintretenden Untergang der dinglichen Rechte Dritter am Geschäftsanteil beruft2, verkennt dabei, dass es sich um ein gesetzliches Zwangsverwertungsrecht der Gesellschaft zwecks Sicherung der Stammkapitalaufbringung handelt und seine Ausübung beim Fortbestehen von Anteilsbelastungen vereitelt oder doch schwerwiegend beeinträchtigt würde. Eine statutarische Abtretungspflicht ist damit nicht vergleichbar und kann nach der gesetzlichen Wertung (Rdnr. 202) auch keinen Anteilsübergang unter Wegfall eines Pfändungspfandrechts bewirken3. Dem Erwerber des Geschäftsanteils steht vielmehr nur analog §§ 268, 1273 Abs. 2, 1223 Abs. 2 BGB ein Ablösungsrecht zu, das aber im vorliegenden Problemzusammenhang (Rdnr. 202) nicht weiterführt, wenn die Gläubigerforderung den Anteilswert übersteigt. c) Einziehung Die Einziehung des Geschäftsanteils für den Fall seiner Pfändung oder der Insol- 205 venz des Anteilsinhabers (Rdnr. 254) kann die Satzung nach § 34 Abs. 2 vorsehen mit der Folge, dass er mit dem Zugang des Beschlusses oder, soweit erforderlich, der gesonderten Einziehungserklärung (s. bei § 34 Rdnr. 41 ff.) beim Anteilsinhaber untergeht und das Pfandrecht sich am Einziehungsentgelt (Rdnr. 206) als Surrogat fortsetzt (Rdnr. 186, 196). Weitere Voraussetzungen für die Einziehung sind allerdings, dass es sich um einen voll eingezahlten Geschäftsanteil handelt (s. bei § 34 Rdnr. 1, 52) und dass das Einziehungsentgelt aus dem nicht zur Deckung des Stammkapitals erforderlichen Gesellschaftsvermögen gezahlt werden kann (§ 34 Abs. 3). Einer Mitwirkung des Pfandgläubigers bedarf es zur Rechtswirksamkeit einer nach der Satzung ohne Zustimmung des Gesellschafters zulässigen Einziehung dagegen nicht (Rdnr. 197). Die Satzungsbestimmung enthält keine ihm gegenüber nach § 137 Satz 1 BGB, §§ 851 Abs. 2, 857 Abs. 1, 3 ZPO unwirksame Verfügungsbeschränkung4. Sie kann auch nicht 1 Dazu KG, GmbHR 1930, 431; Wiedemann, S. 439; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 113; Reichert, S. 85 sowie betr. statutarischer Erwerbsrechte Ulmer, ZHR 149 (1985), 37 f.; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 309; Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 245; Michalski, ZIP 1991, 147, 148 f.; abl. Rowedder/Bergmann, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 141. 2 Soufleros, S. 290 ff.; Ulmer, ZHR 149 (1985), 38. 3 Abw. Ulmer, ZHR 149 (1985), 38 f.; zust. dazu Reichert/Weller, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 547; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 309, die aber nicht begründen, inwiefern die Satzungsautonomie dazu berechtigen könnte, den Untergang von dinglichen Rechten Dritter vorzusehen und in Zwangsvollstreckungsmaßnahmen unmittelbar einzugreifen. 4 BGHZ 65, 22, 25; OLG Frankfurt, BB 1976, 1147, 1148; OLG Hamburg, ZIP 1996, 962, 963; Heckelmann, ZZP 92 (1979), 28, 32, 44 f.; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 311; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 61; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 63, 113; Reichert/Weller, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 548; Rowedder/Bergmann, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 141; abw. noch RGZ 142, 373, 376; BGHZ 32, 151, 155 f. Weitgehende Einschränkungen der Wirksamkeit entsprechender Einziehungsklauseln leiten aber Bischoff, GmbHR 1984, 61, 64 u. Grunewald, Der Ausschluss aus Gesellschaft und Verein, 1987, S. 208 aus § 138 BGB her.

Seibt

1099

§ 15

Übertragung von Geschäftsanteilen

deswegen, weil sie ein den Verkehrswert des Anteils unterschreitendes Entgelt festsetzt, als eine Umgehung des Beeinträchtigungsverbots des Pfandrechts (Rdnr. 197) qualifiziert werden1, es sei denn, jene Bewertung ist ausschließlich für den Fall der Pfändung und der Insolvenz (und nicht für andere Fälle des zwangsweise Ausscheidens) geregelt (Rdnr. 206). Es kann im Einzelfall aber ein Anfechtungsrecht (§ 3 AnfG, § 133 InsO) gegeben sein. 206 Ein Einziehungsentgelt muss die Satzung entgegen einer früher verbreiteten Ansicht2 nicht notwendig bestimmen. Schweigt sie darüber, so ist im Zweifel anzunehmen, dass ein nach dem vollen Wert des Geschäftsanteils zu bemessendes und sofort fälliges Entgelt zu leisten ist3. Die Warnfunktion des § 34 Abs. 2 ist insoweit gegenstandslos. Nach früherer Ansicht der Rechtsprechung4 waren abweichende statutarische Abfindungsklauseln, die für die pfändungs- oder insolvenzbedingten Einziehungen ein den vollen Anteilswert unterschreitendes Entgelt festsetzen, generell als nichtig anzusehen5. Entsprechendes wurde auch für Vereinbarungen erheblich abweichender Zahlungsbedingungen angenommen6. Die heute h.M. geht dagegen zutreffend davon aus, dass derartige Entgeltbeschränkungen grundsätzlich zulässig sind, wenn sie den Anspruchsberechtigten nicht schlechter stellen als in anderen vergleichbaren Fällen des zwangsweisen Ausscheidens des Gesellschafters, also nicht eigens darauf angelegt sind, das Pfändungspfandrecht eines Vollstreckungsgläubigers oder das Verwertungsrecht des Insolvenzverwalters zu vereiteln7. Die Begründung, dass die Entgeltbeschränkung als innere Vorbelastung des Geschäftsanteils hinzuzunehmen sei, überzeugt freilich nicht, da sie die entscheidende Frage nach den zum Schutze der Privatgläubiger der Gesellschaft gebotenen Grenzen der Satzungsautonomie gerade ausklammert8. Die rechtliche Wertung dieses vom Gesetzgeber nicht bedachten Konflikts darf aber nicht einseitig auf das Befriedigungsinteresse des Privatgläubigers abstellen, sondern muss vor allem die gesellschaftliche Bindung des Pfandgegen1 A.M. Heuer, ZIP 1998, 405, 412 f.; Roth, ZGR 2000, 187, 215. 2 So noch OLG Hamburg, NJW 1957, 1033; Paulick, GmbHR 1978, 121. Über Nachw. des älteren Schrifttums vgl. Niemeier, Rechtstatsachen und Rechtsfragen der Einziehung von GmbH-Anteilen, 1982, S. 101 ff. 3 Vgl. BGHZ 116, 359, 375 f.; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 311; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 61; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, § 34 Rdnr. 44; Reichert/ Weller, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 548; Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 247; Niemeier, Rechtstatsachen und Rechtsfragen der Einziehung von GmbH-Anteilen, 1982, S. 101 ff., 232 ff.; Sachs, GmbHR 1978, 169, 171; vgl. auch unten § 34 Rdnr. 26 ff. 4 RGZ 142, 373; BGHZ 32, 151. 5 Eingehend dazu Wiedemann, S. 435 ff. 6 BGHZ 32, 151, 158. 7 BGHZ 65, 22; OLG Frankfurt, GmbHR 1978 170; OLG Hamburg, DB 1982, 2344; OLG Celle, ZIP 1985, 1392; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 311; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 61 u. § 34 Rdnr. 30; Reichert/Weller, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 550; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, § 34 Rdnr. 81; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 115 f.; Soufleros, S. 278 ff.; a.M. Heckelmann, ZZP 92 (1979), 28 ff.; Bischoff, GmbHR 1984, 61 ff.; Engel, NJW 1986, 345, 347; Heuer, ZIP 1998, 405, 412 f.; Roth, ZGR 2000, 187, 215; krit. auch Brehm, in: Stein/Jonas, 22. Aufl. 2004, § 859 ZPO Rdnr. 23; unklar Rowedder/Bergmann, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 147 f. 8 Darauf weist mit Recht schon RGZ 142, 373, 376 f. („petitio principii“) hin; vgl. auch H. Winter, GmbHR 1967, 201, 205; Heckelmann, ZZP 92 (1979), 33; Bischoff, GmbHR 1984, 65.

1100

Seibt

§ 15

Übertragung von Geschäftsanteilen

standes beachten und deshalb berücksichtigen, dass bei der Bestimmung der Abfindung wie auch in anderen gleichartigen Fällen des Ausscheidens aus in der Gesellschaftersphäre liegenden Gründen schutzwürdige Interessen der Gesellschaft an der Sicherung gegen u.U. bestandsgefährdende Kapitalabflüsse und gegen schwierige sowie zeitraubende Auseinandersetzungen um seine Höhe bestehen1. Satzungsrechtliche Regelungen, die in einem vertretbaren Umfange solchen schutzwürdigen Gesellschaftsinteressen Rechnung tragen, sind deshalb nicht zu beanstanden. Der BGH hat eine Satzungsbestimmung, die die Berechnung des Entgelts nach den wahren Vermögenswerten der Gesellschaft, aber ohne Ansatz des Firmenwertes vorschrieb, unter der Voraussetzung einer entsprechenden (keiner besseren) Entschädigungsregelung für den vergleichbaren Fall der Ausschließung des Gesellschafters aus wichtigem Grunde gebilligt, aber die Zulässigkeit noch weitergehender Einschränkungen offen gelassen2. Es sind in der Rechtsprechung aber darüber hinausgehend Abfindungsklauseln anerkannt worden, die die Bemessung nach dem letzten handels- oder steuerrechtlichen Jahresabschluss, also unter Ausschluss des Firmenwertes und der stillen Reserven3, und sogar nach dem Nennwert des Geschäftsanteils4 vorsehen. Eine Beschränkung des Entgelts bis zum Buchwert wird im Allgemeinen noch als vertretbar angesehen werden können5, während ein niedrigeres Entgelt nur in besonders gelagerten Ausnahmefällen in Betracht kommen kann. Die Abfindungsklausel ist aber nach § 138 Abs. 1 BGB nichtig, wenn die Abfindung unter Berücksichtigung des Ausscheidensgrundes und der bei ihrer Einführung gegebenen Umstände grob unbillig, d.h. willkürlich und ohne jede sachliche Berechtigung ist6. Entsteht auf Grund der wirtschaftlichen Entwicklung der Gesellschaft später eine Lage, die die statutarisch bestimmte Abfindung als grob unbillig erscheinen lässt, so ist sie im Einzelfall durch ergänzende Vertragsauslegung angemessen anzupassen7. Vorstehendes gilt sinngemäß auch für Satzungsbestimmungen über die Zahlungsmodalitäten, insbesondere die Vereinbarung angemessener Ratenzahlungen8, deren Zulässigkeit aber im Zusammenhang mit der Einschränkung der Entgelthöhe und der Verzinsung zu beurteilen ist. Näheres zu statutarischen Abfindungsklauseln s. Erl. zu § 34 Rdnr. 26 ff.

1 2 3 4 5

6 7 8

BGHZ 65, 22, 27. BGHZ 65, 22, 27 f. OLG Frankfurt, GmbHR 1978, 170; OLG Hamburg, DB 1982, 2344. OLG Celle, ZIP 1985, 1392; die Entscheidung ist problematisch; vgl. dazu BGHZ 116, 359, 368 f., 375 f. Eb. Priester, GmbHR 1976, 8 f.; Reichert/Weller, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 550; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, § 34 Rdnr. 35; Piltz, BB 1994, 1021, 1025; Karsten Schmidt, GesR, § 50 IV 2c; Hartmann, Der ausscheidende Gesellschafter, S. 150; a.M. Bischoff, GmbHR 1984, 67; Heuer, ZIP 1998, 405, 412 f. Bedenken gegen eine Buchwertklausel auch OLG München, GmbHR 1988, 216, 217. BGHZ 116, 359, 368 f., 376. BGHZ 116, 359, 371; s. auch Anh. § 34 Rdnr. 24. BGH, NJW 1989, 2685, 2686; Priester, GmbHR 1976, 9. Generell für bedenklich halten Ulmer, in: Ulmer, § 34 Rdnr. 92; Kort, in: MünchHdb. III, § 28 Rdnr. 34 über einen Zeitraum von fünf Jahren hinausgehende Stundungs- oder Ratenvereinbarungen, aber dies ist zu eng; vgl. BGH, NJW 1989, 2685, 2686; BayObLG, DB 1983, 99; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, § 34 Rdnr. 38.

Seibt

1101

§ 15

Übertragung von Geschäftsanteilen

5. Ersteher (Erwerber) 207 Der Ersteher (Erwerber) im Zwangsvollstreckungsverfahren erwirbt den Geschäftsanteil mit dem Zuschlag durch den Gerichtsvollzieher oder, bei gerichtlich angeordnetem freihändigen Verkauf, durch dingliche Abtretung, die der Form nach § 15 Abs. 3 bedarf (Rdnr. 200). Erstehen kann auch die GmbH den Anteil gemäß § 33, ebenso wie Schuldner und Gläubiger (§ 816 Abs. 4 ZPO, § 1239 BGB). Der Erlös gebührt dem die Vollstreckung betreibenden Gläubiger, soweit zu seiner Befriedigung erforderlich. Der Erwerber hat zwar keinen Gewährleistungsanspruch (§ 806 ZPO), erwirbt aber den Geschäftsanteil frei vom Pfandrecht. Denn mit Veräußerung im Vollstreckungswege erlöschen alle dinglichen Rechte am Geschäftsanteil (§§ 1242, 1247 BGB entsprechend). Alle Pfandrechte an demselben Geschäftsanteil haben Anspruch auf den Erlös, die älteren mit Vorrang vor den jüngeren. Daher kann es kommen, dass der Vollstreckungsgläubiger ausfällt (§ 805 ZPO). 208 Da Abtretungsbeschränkungen aus § 15 Abs. 5 im Vollstreckungsverfahren nicht gelten (Rdnr. 202)1, bedarf es weder bei der Pfändung noch beim Zwangsverkauf der Übergabe eines etwa ausgestellten Anteilscheins2. Der Erwerber kann aber vom Vollstreckungsschuldner Herausgabe dieser Urkunde, falls ausgestellt, gemäß §§ 402, 413 BGB verlangen; sie können vom Gerichtsvollzieher im Wege der Hilfevollstreckung weggenommen werden (§ 836 Abs. 3 ZPO analog). 209 Mit dem Erwerb wird der Erwerber an Stelle des Vollstreckungsschuldners Gesellschafter. Der Geschäftsanteil geht mit allen Pflichten aus dem Gesellschaftsverhältnis über. Für sein Verhältnis zur GmbH gilt aber der § 16, insbesondere auch dessen Abs. 2 betr. rückständiger Leistungen3. 210 Die gesonderten Abtretungen und Verpfändungen der künftigen Ansprüche auf den Gewinnanteil, die Abfindung beim Ausscheiden oder die Liquidationsquote durch den bisherigen Gesellschafter sowie die Pfändung dieser Ansprüche durch seine Gläubiger (Rdnr. 211) werden mit dem Übergang des Geschäftsanteils auf den Ersteher (Erwerber) wirkungslos (Rdnr. 21)4. Die Verfügungen bzw. Vollstreckungsmaßnahmen gehen ins Leere, da die genannten Ansprüche nicht mehr in der Person des bisherigen Gesellschafters entstehen können.

6. Vollstreckung in einzelne Vermögensrechte 211 Die aus der Mitgliedschaft fließenden Forderungen auf den Gewinnanteil, die Abfindung beim Ausscheiden und die Liquidationsquote (nicht aber Verwaltungsrechte, wie das Stimmrecht) sind, wie selbständig abtretbar (Rdnr. 20) und verpfändbar (Rdnr. 181 ff.), so auch pfändbar. Da es sich hier um Pfändung einer 1 A.M. zu Unrecht OLG Hamburg, NJW 1960, 870 für den freihändigen Verkauf. 2 OLG Köln, GmbHR 1911, 372; OLG Bamberg, GmbHR 1914, 212; Feine, S. 408; Winter/ Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 305; Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 241. 3 Feine, S. 408; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 303; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 87. 4 Vgl. BGHZ 88, 205, 207 f.; BGHZ 104, 351, 353; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 26; a.M. Marotzke, ZIP 1988, 1514 ff.

1102

Seibt

§ 15

Übertragung von Geschäftsanteilen

Forderung handelt, muss der Pfändungsbeschluss der GmbH als Drittschuldnerin zugestellt werden (§ 829 ZPO). Ist der Geschäftsanteil gepfändet und vorher oder nachher zu Gunsten eines Dritten auch die Gewinnforderung, so kann nach deren Fälligkeit bis zur Anteilsverwertung (Rdnr. 210) der Dritte vollstrecken (§ 835 ZPO), ohne dass der Anteilspfandgläubiger widersprechen könnte (anders wäre es naturgemäß im letzten Fall, wenn die Anteilspfändung, wie teilweise angenommen wird1, die zukünftigen Gewinnansprüche ohne weiteres umfassen würde; s. dazu jedoch oben Rdnr. 181). Andererseits wird die Forderung auf die Abfindung und die Liquidationsquote vom Pfandrecht am Geschäftsanteil umfasst (Rdnr. 184 f.). War diese künftige Forderung vorher zu Gunsten eines Dritten gepfändet, so erwirbt er sie im späteren Entstehensfall wegen der Priorität des Anteilspfandrechts mit dieser Belastung2.

IX. Nießbrauch am Geschäftsanteil Schrifttum: Adamkiewicz, Der Nießbrauch am Bruchteil, BürgA 31, 20; Becker, Der rechtsgeschäftliche Nießbrauch an einem Geschäftsanteil der GmbH, GmbHR 1928, 46, 115; Becker, Das Stimmrecht bei Sicherungsübertragung, Nießbrauch, Verpfändung, Pfändung, Miete, Pacht, Leihe eines Geschäftsanteils und im Konkurs und Vergleichsverfahren eines Gesellschafters, GmbHR 1935, 803; Brandi/Mühlmeier, Übertragung von Gesellschaftsanteilen im Wege vorweggenommener Erbfolge und Vorbehaltsnießbrauch, GmbHR 1997, 734; Fricke, Der Nießbrauch an einem GmbHGeschäftsanteil – Zivil- und Steuerrecht, GmbHR 2008, 739; v. Godin, Nutzungsrechte an Unternehmen und Unternehmensbeteiligungen, 1949; Goertzen, Nießbrauch und dauernde Lasten im Zusammenhang mit Vermögensübertragungen im Rahmen vorweggenommener Erbfolge, DStR 1994, 1553; Grunsky, Probleme des Nießbrauchs an einem Unternehmen, BB 1972, 585; Hesselmann, Nießbrauch an GmbH-Anteilen, GmbHR 1959, 21; Hoyer, Der Nießbrauch an einem Gesellschaftsanteil, BB 1978, 1459; Janssen/Nickel, Unternehmensnießbrauch, 1998; Körting, Die Ausübung des Stimmrechts bei der GmbH im Falle der Nießbrauchsbestellung am Geschäftsanteil, JW 1934, 1452; Lohr, Der Nießbrauch an Unternehmen und Unternehmensanteilen, Diss. Köln, 1989; Meilicke, Zivilrecht und Steuerrecht des Nießbrauchs und Nutzungsanspruchs an Grundstücken sowie an Anteilen an Kapitalund Kommanditgesellschaften, StbJb. 1972/73, 375; Mühl, in: Hadding/Schneider, Gesellschaftsanteile als Kreditsicherheit, 1979, S. 158 ff.; Murray, Der Nießbrauch am GmbH-Anteil, Diss. Köln 1965; Petzoldt, Zum Nießbrauch an dem „Gewinnstammrecht“, GmbHR 1980, 197; Petzoldt, Nießbrauch an Kommanditanteilen und GmbH-Geschäftsanteilen, GmbHR 1987, 381 u. 433; Reichert/Schlitt, Nießbrauch an GmbH-Geschäftsanteilen, in: FS Flick, 1997, S. 217; Reichert/Schlitt/Düll, Die gesellschafts- und steuerrechtliche Gestaltung des Nießbrauchs am GmbH-Anteil, GmbHR 1998, 545; v. Schilling, Das Nießbrauchsrecht an einer Beteiligung, DB 1954, 561; Schlodtmann, Nießbrauch und Nutznießung an Geschäftsanteilen einer GmbH, Diss. Rostock 1932; Schön, Der Nießbrauch am Gesellschaftsanteil, ZHR 158 (1994), 229; Spieß, Nießbrauch an Aktien und GmbH-Geschäftsanteilen, MittRhNotK 1969, 752; Sudhoff, Der Nießbrauch am Geschäftsanteil einer GmbH, GmbHR 1971, 53; Sudhoff, Nochmals: Das Nießbrauchsrecht am Gesellschaftsanteil, NJW 1974, 2205; Superczynski, Das Stimmrecht beim Nießbrauch an Aktien und GmbH-Geschäftsanteilen, Diss. Köln 1963; Teichmann, Der Nießbrauch an Ge1 Brodmann, Anm. 2d; Fischer, GmbHR 1961, 22; Wiedemann, S. 426; dagegen mit Recht Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 293; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 62 a.E.; Noack, DB 1969, 471; Rowedder/Bergmann, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 138; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 56, 62. 2 BGHZ 104, 351, 353 ff. und oben Rdnr. 196.

Seibt

1103

§ 15

Übertragung von Geschäftsanteilen

sellschaftsanteilen, ZGR 1972, 1 (gesellschaftsrechtlicher Teil), ZGR 1973, 24 (Probleme der praktischen Gestaltung); Tüffers, Der Nießbrauch an Geschäftsanteilen der GmbH, Diss. Köln 1930; Wachter, Vorbehaltsnießbrauch an GmbH-Geschäftsanteilen, GmbH-StB 1999, 172; M. Weber, Der Nießbrauch an Gesellschaftsanteilen (steuerrechtliche Behandlung), ZGR 1972, 24; Wiedemann, Die Übertragung und Vererbung von Mitgliedschaftsrechten bei Handelsgesellschaften, 1965.

1. Zulässigkeit 212 Die Nießbrauchsbestellung an GmbH-Geschäftsanteilen ist zulässig. Denn nach § 1068 BGB kann auch ein „Recht“ Gegenstand des Nießbrauchs sein, also auch der Geschäftsanteil und entsprechend dem oben Rdnr. 177 Ausgeführten der Teil eines Geschäftsanteils1. Doch muss das Recht, an dem der Nießbrauch bestellt wird, selber übertragbar sein (§ 1069 BGB). Schließt der Gesellschaftsvertrag die Übertragbarkeit des Geschäftsanteils aus (Rdnr. 135), so ist die Bestellung des Nießbrauchs im Zweifel auch unzulässig2. Für seine Begründung gelten im Grundsatz ebenfalls die statutarischen Abtretungsbeschränkungen (Rdnr. 107 ff.)3. Das Statut kann ferner die Nießbrauchsbestellung selbst einschränken oder ausschließen.

2. Form und Bestellung 213 Nach § 1069 Abs. 1 BGB sind die Abtretungsformen zu wahren. Also gilt für die dingliche Bestellung des Nießbrauchs § 15 Abs. 3, 54, nicht allerdings § 15 Abs. 4 für das zugrunde liegende Verpflichtungsgeschäft. Ist Übergabe eines Anteilscheines satzungsmäßige Voraussetzung der Abtretung (§ 15 Abs. 5), so wird (analog § 1081 Abs. 2 BGB) mindestens der Mitbesitz an der Urkunde einzuräumen sein5. Sind Dividendenscheine (§ 14 Rdnr. 66) als Wertpapiere ausgestellt, so gebührt ihr Besitz dem Nießbraucher, der Erneuerungsschein (Talon) beiden gemeinschaftlich (§ 1081 BGB entsprechend). Zur Geltendmachung des Nießbrauchs gegenüber der GmbH (nicht zur Wirksamkeit der Bestellung!) bedarf es der Anzeige an die GmbH (§§ 1070, 407, 409 BGB; § 16 a.F. analog; s. Rdnr. 175)6; sind Dividendenscheine ausgestellt, so bedarf es der Vorlage des ggf. indossierten Papieres. Ist der Nießbrauch durch Testament vermacht, sind die Erben als Anteilseigner 1 Eb. Feine, S. 408 f.; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 171; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/ Hueck, Rdnr. 49, 52; Reichert/Weller, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 324; Kraus, in: MünchHdb. III, § 26 Rdnr. 60; a.M. Becker, GmbHR 1928, 48; Brodmann, Anm. 2a. 2 OLG Koblenz, GmbHR 1992, 464, 465; eb. Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 171. 3 Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 171; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 52, 49; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 51; Rowedder/Bergmann, in: Rowedder/ Schmidt-Leithoff, Rdnr. 70; Reichert/Weller, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 327; Kraus, in: MünchHdb. III, § 26 Rdnr. 62; Frank, in: Staudinger, 2002, Anh. §§ 1068, 1069 BGB Rdnr. 94; Reichert/Schlitt, in: FS Flick, S. 217, 221; Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 193; unklar Schön, ZHR 158 (1994), 239. 4 OLG Koblenz, GmbHR 1992, 464, 465; Fricke, GmbHR 2008, 739, 740, 742. 5 Feine, S. 409; Becker, S. 17; Wiedemann, S. 399; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 171; Rowedder/Bergmann, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 70. 6 Zur alten Rechtslage: RG, JW 1934, 976, 977; Wiedemann, S. 399; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 171; Fricke, GmbHR 2008, 739, 742; zur neuen Rechtslage: Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 49, 52; Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 193; Reichert/Weller, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 327; Kraus, in: MünchHdb. III, § 26 Rdnr. 69.

1104

Seibt

§ 15

Übertragung von Geschäftsanteilen

(§ 15) kraft des Testaments verpflichtet, dem Vermächtnisnehmer den Nießbrauch unter Beachtung von § 15 Abs. 3, 5 zu bestellen und dies gemäß § 16 Abs. 1 a.F. anzumelden. Eine Bestellung durch einen Nichtberechtigten ist gemäß § 16 Abs. 3 möglich, nicht jedoch der gutgläubige Zweiterwerb eines Pfandrechts durch einen Nichtberechtigten; vgl. dazu die Erl. zu § 16 Rdnr. 68.

3. Inhalt des Nießbrauchs a) Nutzung „Die Nutzungen der Sache zu ziehen“, ist der Nießbraucher berechtigt (§§ 1030, 214 1068, 100 BGB). Er kann also, solange der Nießbrauch besteht, die auf den Geschäftsanteil entfallenden Gewinnanteile i.S. des § 29 beziehen1, und zwar kann er, kraft der Dinglichkeit seines Rechts, sie unmittelbar von der GmbH erheben, sobald diese die Ergebnisverwendung beschlossen hat (§§ 29 Abs. 1, 46 Nr. 1). Doch setzt dies die Anmeldung des Nießbrauchers gemäß § 16 a.F. voraus, falls nicht Dividendenscheine ausgestellt sind (Rdnr. 182). Wird der Nießbrauch im Laufe eines Geschäftsjahres bestellt oder aufgehoben, so gebührt dem Nießbraucher im Zweifel ein der Zeitdauer entsprechender Gewinnanteil (§ 101 BGB)2. An den während der Dauer des Nießbrauchs in die Rücklage eingestellten Gewinnen oder in dieser Zeit erwirtschafteten stillen Reserven partizipiert der Nießbraucher nicht, es sei denn, sie werden als Gewinn ausgeschüttet; denn sie stellen ansonsten keine Nutzung des Geschäftsanteils dar3. Werden umgekehrt Gewinnvorträge während der Zeit des Nießbrauchs ausgeschüttet oder freie Rücklagen aufgelöst, so hat der Nießbraucher hierauf auch dann einen Anspruch, wenn sie in der Zeit vor der Nießbrauchsbestellung gebildet worden sind4. Im Innenverhältnis können die Parteien abweichende vertragliche Regelungen treffen5; in Einzelfällen können sich auch Ausgleichsansprüche analog §§ 1039, 1049 Abs. 1 BGB ergeben6. Nicht zu den Nutzungen gehören Vergütungen für besondere Leistungen des Gesellschafters, z.B. für Nebenleistungen i.S. des § 3 Abs. 2 oder für die Geschäftsführertätigkeit7. Ebenso wenig rechnet das Bezugsrecht (s. 10. Aufl., Erl. zu § 65) dazu, das nicht Ertrag des Geschäftsanteils, sondern eine dem Gesell1 RGZ 87, 383, 386; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 172; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 101; Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 194; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 56; Wiedemann, S. 404 f.; Reichert/Weller, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 329; Kraus, in: MünchHdb. III, § 26 Rdnr. 72; Frank, in: Staudinger, 2002, Anh. §§ 1068, 1069 BGB Rdnr. 103; Stürner, in: Soergel, 13. Aufl. 2001, § 1068 BGB Rdnr. 8; Pohlmann, in: MünchKomm. BGB, 5. Aufl. 2009, § 1068 BGB Rdnr. 62; teilw. abw. Schön, ZHR 158 (1994), 241 ff. 2 Eb. Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 172 a.E. 3 Eb. Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 173; Reichert/Weller, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 331; Kraus, in: MünchHdb. III, § 26 Rdnr. 75; Reichert/Schlitt, in: FS Flick, S. 217, 231; Teichmann, ZGR 1972, 1, 17. 4 Eb. Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 173; Reichert/Schlitt, in: FS Flick, S. 217, 234 f. 5 Hierzu Reichert/Schlitt, in: FS Flick, S. 217, 235. 6 Gl.M. Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 173; weitergehend Schön, ZHR 158 (1994), 229, 242 ff. 7 RGZ 170, 309; eb. Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 173 a.E.; Stürner, in: Soergel, 13. Aufl. 2001, § 1068 BGB Rdnr. 86.

Seibt

1105

§ 15

Übertragung von Geschäftsanteilen

schafter vorbehaltene Befugnis zur Bestimmung des Beteiligungsumfangs ist1. Desgleichen gebühren Geschäftsanteile aus einer Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln nicht dem Nießbraucher, da durch diesen Vorgang nur die dem Stammkapital zukommende Bindungswirkung auf vorhandenes Beteiligungsvermögen ausgedehnt wird und deshalb eine Nutzung nicht gegeben ist (zur Erstreckung des Nießbrauchs auf diese Geschäftsanteile s. jedoch Rdnr. 215). b) Surrogate 215 Dem Nießbrauchsrecht unterliegen auch die Surrogate des Geschäftsanteils, soweit sie Gegenstand eines Nießbrauchs sein können (entspr. § 1075 Abs. 1 BGB). Soweit sie in Forderungen auf Kapitalleistungen bestehen, sind auf sie die §§ 1077, 1079 BGB entsprechend anzuwenden2; hierher gehören die Forderungen auf die Liquidationsquote (§ 72), das Einziehungsentgelt (§ 34), die Abfindung bei anderweitigem Ausscheiden, der Überschuss aus dem Verkauf des abandonnierten Geschäftsanteils (§ 27), die Barabfindung bei der Umwandlung (§§ 29 ff., 125, 207 ff. UmwG), die Rückzahlung von Nachschüssen (§ 30 Abs. 2) und die Teilrückzahlung der Einlage im Falle des § 58 Abs. 23. Sie sind keine Nutzungen des Geschäftsanteils i.S. der §§ 1030, 1068 BGB4. Die Zahlung hat in diesen Fällen, sofern der Nießbraucher bei der Gesellschaft angemeldet ist (Rdnr. 213), an ihn und den Anteilsinhaber gemeinsam zu erfolgen (entspr. § 1077 Abs. 1 BGB)5. Die Kapitalien sind von ihnen auf dessen Namen erneut nutzbringend anzulegen, wobei der Nießbraucher die Art der Neuanlage bestimmen und daran den Nießbrauch beanspruchen kann (entspr. § 1079 BGB)6. 216 Das Nießbrauchsrecht erfasst bei der Verschmelzung, der Aufspaltung und der Abspaltung auf Grund dinglicher Surrogation automatisch die an die Stelle des bisherigen Geschäftsanteils tretenden Anteile oder Mitgliedschaften der übernehmenden bzw. neuen Rechtsträger (§§ 20 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2, 36 Abs. 1, 131 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2, 135 Abs. 1 UmwG). Zum Formwechsel vgl. § 202 Abs. 1 Nr. 2 1 BGHZ 58, 316, 319 betr. KG; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 176; Teichmann, ZGR 1972, 18; Wiedemann, S. 405 ff.; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 54; Petzoldt, GmbHR 1987, 381, 389; Pohlmann, in: MünchKomm. BGB, 5. Aufl. 2009, § 1068 BGB Rdnr. 63; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 101; Frank, in: Staudinger, 2002, Anh. §§ 1068 f. BGB Rdnr. 105; Reichert/Schlitt, in: FS Flick, S. 217, 236. 2 Feine, S. 409; Becker, GmbHR 1928, 49; Wiedemann, S. 403; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 174 (abw. noch Zutt, in: Hachenburg, Rdnr. 59: nur schuldrechtlicher Anspruch); Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 54; Petzoldt, GmbHR 1987, 381, 388; Mühl, S. 160; Brandi/Mühlmeier, GmbHR 1997, 735; Kraus, in: MünchHdb. III, § 26 Rdnr. 73; Reichert/Schlitt, in: FS Flick, S. 217, 235 f. 3 Eb. Feine, S. 409; Becker, GmbHR 1928, 49; Hesselmann, GmbHR 1959, 22; Wiedemann, S. 403; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 174; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 54; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 101; Reichert/Weller, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 346; Kraus, in: MünchHdb. III, § 26 Rdnr. 73. 4 A.M. Schön, ZHR 158 (1994), 229, 246 f. für Wertsteigerungen infolge unterbliebener Gewinnausschüttungen. 5 Wiedemann, S. 403; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 174; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 54; Kraus, in: MünchHdb. III, § 26 Rdnr. 73. 6 Petzoldt, GmbHR 1987, 381, 388; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 174; Kraus, in: MünchHdb. III, § 26 Rdnr. 73; Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 196; Reichert/Schlitt, in: FS Flick, S. 217.

1106

Seibt

§ 15

Übertragung von Geschäftsanteilen

Satz 2 UmwG. An einem neuen Geschäftsanteil, der dem Inhaber des belasteten Anteils bei einer Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln zufällt (§ 57j), erwirbt der Nießbraucher ohne weiteres den Nießbrauch1. Steht dem Anteilsinhaber bei einer Kapitalerhöhung gegen Einlagen ein Bezugsrecht zu, so stellt sich ähnlich wie im Aktienrecht2 auch für die GmbH die Frage, ob der Nießbrauch sich an dem neuen Geschäftsanteil dann fortsetzt, wenn die vom bezugsberechtigten Übernehmer zu erbringende (u.U. ein Aufgeld einschließende) Beitragsleistung den inneren Wert des Anteilsrechts unterschreitet. Das Bezugsrecht vermittelt dann, damit zugleich den am alten Anteilsrecht eintretenden Wertverlust ausgleichend, in Höhe jener Differenz einen Teil des Substanzwerts des neuen Geschäftsanteils. Da das Bezugsrecht aber nur ein abgespaltener Bestandteil des nießbrauchsbelasteten Rechts ist, muss dem Nießbraucher ein schuldrechtlicher Anspruch auf Bestellung des Nießbrauchs an einem entsprechenden Bruchteil des neuen Anteilsrechts gewährt werden3. Entsprechendes gilt, soweit zulässig, beim Verkauf des Bezugsrechts (s. oben Rdnr. 12 u. 10. Aufl., Erl. zu § 55 Rdnr. 53) für den Verkaufserlös. c) Mitverwaltungsrechte Mitverwaltungsrechte werden vom Nießbrauch nicht erfasst, sondern verblei- 217 ben im vollen Umfang dem Gesellschafter4. Einigkeit besteht darüber, dass dies für die mit dem Anteilsrecht verbundene Geschäftsführungsbefugnis oder das Mitwirkungsrecht im Aufsichtsrat oder in einem Beirat gilt5. Abweichend von der h.M. wird dagegen für die von der Rechtsprechung für den Nießbrauch an Geschäftsanteilen bisher offengelassene Frage6 des Stimmrechts verschiedent1 Eb. Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 176; Teichmann, ZGR 1972, 16 ff.; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 54; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 101; Rowedder/ Bergmann, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 73; Reichert/Weller, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 349; Kraus, in: MünchHdb. III, § 26 Rdnr. 74; s. auch Priester, 10. Aufl., § 57m Rdnr. 24. 2 Über den dortigen Streitstand vgl. Wiedemann, S. 406 ff.; Teichmann, ZGR 1972, 18 ff. u. Lutter, in: KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1995, § 186 AktG Rdnr. 20 m.w.N. 3 Vgl. Wiedemann, S. 405, 407 f.; Teichmann, ZGR 1972, 20; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 101; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 176; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/ Hueck, Rdnr. 54; Petzoldt, GmbHR 1987, 381, 389; Reichert/Weller, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 350; Kraus, in: MünchHdb. III, § 26 Rdnr. 74; Frank, in: Staudinger, 2002, Anh. §§ 1068, 1069 BGB Rdnr. 114; Stürner, in: Soergel, 13. Aufl. 2001, § 1068 BGB Rdnr. 8, 9b; Rowedder/Bergmann, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 73 f.; Fricke, GmbHR 2008, 739, 743; a.M. Murray, S. 61 ff. 4 OLG Koblenz, GmbHR 1992, 464, 465; Teichmann, ZGR 1972, 9 ff.; Mühl, S. 160; Blaurock, Unterbeteiligung und Treuhand an Gesellschaftsanteilen, 1981, S. 142 ff.; Hueck/ Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 53; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 102; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 57; Reichert/Weller, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 335; Rowedder/Bergmann, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 76; Kraus, in: MünchHdb. III, § 26 Rdnr. 76 ff.; Reichert/Schlitt, in: FS Flick, S. 217, 225 ff.; Karsten Schmidt, ZGR 1999, 601, 607 ff.; offen Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 178 f. (unklare gesetzliche Regelung; anders Zutt, in: Hachenburg, Anh. § 15 Rdnr. 61). 5 RGZ 170, 369. 6 RG, JW 1934, 974. Auch der BGH hat sich bisher nicht festgelegt; seine Bemerkung in BGHZ 108, 187, 199 ist nicht dahingehend zu verstehen, dass er tendenziell für eine Berechtigung des Nießbrauchers eintrete; vgl. vielmehr BGH, NJW 1999, 571 (Nieß-

Seibt

1107

§ 15

Übertragung von Geschäftsanteilen

lich die Ansicht vertreten, dass es dem Nießbraucher allein und umfassend1, partiell (Aufspaltungslösung)2 oder gemeinsam mit dem Gesellschafter (Vergemeinschaftungslösung)3 zustehe. Dabei beruft man sich u.a. auf die Verwaltungsbefugnis beim Nießbrauch an Sachen, insbesondere am Miteigentumsanteil (§ 1066 BGB), verkennt dabei aber, dass eine analoge Anwendung nach § 1068 Abs. 2 BGB auf das mitgliedschaftliche Stimmrecht ausscheidet, weil es sich um einen ganz anders gearteten Sachverhalt handelt4. Die Mitverwaltungsrechte an der Gesellschaft haben nicht den Nießbrauchsgegenstand, den Geschäftsanteil, zum Objekt, sondern sind aus ihm sich ergebende Mitgliedschaftsrechte in einem Personenverband. Ansatzpunkt für eine Beteiligung des Nießbrauchs an den Mitverwaltungsrechten könnte deshalb allenfalls die durch die Nießbrauchsbestellung begründete partielle Rechtsgemeinschaft zwischen ihm und dem Anteilsinhaber sein, aber auch aus ihr lässt sich keine alleinige oder anteilige Stimmrechtsbefugnis des Nießbrauchers herleiten5. Auch die Funktion des mitgliedschaftlichen Stimmrechts steht im Widerspruch zu seiner zeitweisen Überlassung an einen Nichtgesellschafter, der eigene Sonderinteressen mittels seiner eingeschränkten, nicht auf Dauer angelegten dinglichen Berechtigung am Geschäftsanteil verfolgt (s. auch Rdnr. 178)6. Eine andere und im Ergebnis zu bejahende Frage ist, ob der Gesellschafter, wenn ein Beschluss nur die Interessen des Nießbrauchers betrifft, in den Grenzen seiner gesellschaftlichen Treuepflicht im Innenverhältnis zum Niebraucher verpflichtet ist, nach dessen Weisung und in anderen Angelegenheiten unter Berücksichtigung seiner Interessen abzustimmen7. Auch das Recht zur Teilnahme an Gesellschaftsversammlungen8 oder zur Anfechtung von Gesellschafterbeschlüssen9 verbleiben beim Gesellschafter. Desgleichen stehen dem Nießbraucher nicht die mitgliedschaftlichen Kontrollrechte (Auskunfts- und Einsichtsrechte) zu10; er hat gegenüber der GmbH lediglich ein sich auf die Gewinnverteilung beschränkendes

1 2 3 4 5 6 7

8 9

10

brauch an Personengesellschaftsanteil lässt Stimmrecht des Gesellschafters zumindest bei wesentlichen Entscheidungen unberührt). Superczinski, S. 77; Petzoldt, GmbHR 1987, 381, 387 f.; Ulmer, in: FS Fleck, 1988, S. 353, 389; Sudhoff, NJW 1974, 2207. Fleck, in: FS R. Fischer, 1979, S. 106, 125 f.; Sudhoff, GmbHR 1971, 74. Ewald, ZHR 92 (1928), 149; Brodmann, GmbHR 1938, 11; Schön, ZHR 158 (1994), 229, 260 ff. OLG Koblenz, GmbHR 1992, 464, 465; Wiedemann, S. 411 f. Zutr. Wiedemann, S. 412 ff. Zutr. OLG Koblenz, GmbHR 1992, 464, 465; Teichmann, ZGR 1972, 10 f.; Fricke, GmbHR 2008, 739, 744; abw. Fleck, S. 125; Schön, ZHR 158 (1994), 229, 258 f. Vgl. OLG Koblenz, GmbHR 1992, 464, 465; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 53; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 182; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 102; Rowedder/Bergmann, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 76; Altmeppen, in: Roth/ Altmeppen, Rdnr. 58; Kraus, in: MünchHdb. III, § 26 Rdnr. 79. Teichmann, ZGR 1972, 13; Murray, S. 112; Kraus, in: MünchHdb. III, § 26 Rdnr. 78. Feine, S. 410; Hesselmann, GmbHR 1959, 22; Teichmann, ZGR 1972, 13; Reichert/ Weller, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 338; Koppensteiner, in: Rowedder/SchmidtLeithoff, § 47 Rdnr. 154; a.M. Wiedemann, S. 420; Murray, S. 106 ff.; Schön, ZHR 158 (1994), 229, 263. Teichmann, ZGR 1972, 13; Lutter, in: Lutter/Hommelhoff, § 51a Rdnr. 3; Zöllner, in: Baumbach/Hueck, § 51a Rdnr. 6; Roth, in: Roth/Altmeppen, § 51a Rdnr. 14; Koppensteiner, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, § 51a Rdnr. 4; Kraus, in: MünchHdb. III, § 26 Rdnr. 78; Reichert/Weller, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 338; Fricke, GmbHR 2008,

1108

Seibt

§ 15

Übertragung von Geschäftsanteilen

Auskunftsrecht aus § 242 BGB. Unzulässig ist auch die rechtsgeschäftliche Übertragung von Verwaltungsrechten, insbesondere des Stimmrechts (Rdnr. 17)1; möglich ist dagegen wie beim Pfandrecht (Rdnr. 179) die Erteilung einer – außer im Falle des Vorliegens eines wichtigen Grundes unwiderruflichen – Stimmrechtsvollmacht. Über Beeinträchtigungen des Nießbrauchs durch Verfügungen des Anteilsinhabers s. Rdnr. 223. d) Gesellschafterpflichten Die Pflichten aus dem Geschäftsanteil hat weiterhin der Gesellschafter zu erfül- 218 len2. Er muss daher fällig werdende Einlageraten oder Nachschüsse zahlen oder Nebenleistungen erbringen. Auch ständig wiederkehrende Nebenleistungen, die im Zusammenhang mit den Nutzungen des Geschäftsanteils stehen, schuldet der Gesellschafter und nicht der Nießbraucher3; im Innenverhältnis zwischen beiden können sie aber u.U. analog §§ 1068 Abs. 2, 1047 BGB letzterem zur Last fallen4. Ein unmittelbarer Anspruch der Gesellschaft gegen den Nießbraucher kann sich aber aus § 31 ergeben (s. Erl. zu § 31). Er kann bei der Gewährung von Darlehen an die Gesellschaft nur in besonderen Fällen nach § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO bzw. § 32a Abs. 3 Satz 1 GmbHG a.F. einem Gesellschafter gleichgestellt werden (Rdnr. 179)5.

4. Rechtsübergang Mit dem Übergang des Geschäftsanteils auf einen Erwerber geht der Nießbrauch als dingliche Last auf ihn über (hierzu Rdnr. 188).

219

Das Nießbrauchsrecht als solches ist grundsätzlich unübertragbar. Dagegen 220 kann die Ausübung des Nießbrauchs durch formlosen Vertrag (keine Wirkung gegenüber der GmbH) einem Dritten überlassen werden (§ 1059 BGB). Wird „Abtretung“ des Nießbrauchs vereinbart, so kann dies als Überlassung der Ausübung umgedeutet werden6. Eine Ausnahme von der Unübertragbarkeit macht

1

2

3 4 5

6

739, 745; a.M. Wiedemann, S. 419; Murray, S. 111 f.; Schön, ZHR 158 (1994), 229, 263 f.; offen Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 180 (§ 51a oder § 242 BGB). H.M.; vgl. OLG Koblenz, GmbHR 1992, 464, 465; abw. Fleck, in: FS R. Fischer, 1979, S. 106, 107, 125 f.; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 181; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 102; Kraus, in: MünchHdb. III, § 26 Rdnr. 76, 77; Koppensteiner, in: Rowedder/ Schmidt-Leithoff, § 74 Rdnr. 25; Karsten Schmidt, ZGR 1999, 601, 610 f.; Reichert/ Schlitt, in: FS Flick, S. 217, 228 f. mit im Einzelnen unterschiedlichen Beschränkungen. Feine, S. 409; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 177; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 53; Reichert/Weller, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 343; Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 203; teilw. abw. bezüglich der Haftung des Nießbrauchers zu Unrecht Petzoldt, GmbHR 1987, 381, 389. Abw. Teichmann, ZGR 1972, 13 f.; unklar Feine, S. 409. Eb. Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 177; Petzoldt, GmbHR 1987, 381, 389. So auch BGH, WM 2011, 1371 (zum alten Recht); Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 177 a.E. (zum alten Recht); bejahend nur bei dauernder Teilnahme am unternehmerischen Erfolg Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Anh. § 30 Rdnr. 46 a.E.; Kleindiek, in: Lutter/Hommelhoff, Anh § 64 Rdnr. 125 a.E.; Löwisch, Eigenkapitalersatzrecht, 2007, Rdnr. 191 (zum alten Recht); abw. Schön, ZHR 148 (1994), 229, 256 (zum alten Recht). RG, JW 1910, 801.

Seibt

1109

§ 15

Übertragung von Geschäftsanteilen

§ 1059a BGB für nießbrauchsberechtigte juristische Personen, wenn deren Vermögen im Wege der Gesamtrechtsnachfolge auf einen anderen übergeht und der Übergang des Nießbrauchs nicht ausdrücklich ausgeschlossen wird oder wenn das von ihr betriebene Unternehmen oder ein Teil davon auf einen anderen übertragen wird und der Nießbrauch deren Zwecken zu dienen geeignet ist. Die Voraussetzungen der zweiten Alternative müssen auch bei der sog. partiellen Gesamtrechtsnachfolge in den Fällen der Spaltung gegeben sein (§ 131 Abs. 1 Nr. 1 UmwG)1.

5. Erlöschen, Aufhebung und Beeinträchtigung des Nießbrauchs 221 a) Der Nießbrauch erlischt mit dem Tode des Nießbrauchers. Steht er einer juristischen Person oder einer OHG oder KG zu, so erlischt er mit dieser (§§ 1061, 1068 BGB), soweit nicht die in Rdnr. 220 genannten §§ 1059a ff. BGB Ausnahmen machen. Das Erlöschen der juristischen Person oder Gesellschaft erfolgt erst mit Beendigung der Liquidation. Der Nießbrauch erlischt ferner, wenn der Nießbraucher den belasteten Geschäftsanteil erwirbt (§§ 1063, 1072 BGB). Ein gutgläubig lastenfreier Erwerb kommt auch nach Neufassung des § 16 nicht in Betracht; vgl. unten § 16 Rdnr. 73. 222 b) Aufhebung des Nießbrauchs erfolgt durch formlosen Vertrag zwischen Besteller und Nießbraucher. Doch genügt auch einseitige Aufhebungserklärung des Nießbrauchers an den Besteller oder Anteilseigner (§§ 1064, 1072 BGB). Eine Anmeldung nach § 16 Abs. 1 a.F. ist gegenüber der GmbH erforderlich. 223 c) Der für die Beeinträchtigung des Nießbrauchs geltende § 1071 BGB entspricht dem § 1276 BGB bei der Verpfändung. Das hierzu in Rdnr. 178 f., 191 ff. über die Stimmrechtsausübung sowie über Zustimmungserklärungen bei Satzungsänderungen, den Austritt aus wichtigem Grunde, die Abandonnierung, die Kündigung der Beteiligung2, die Auflösung und über Einziehung des Geschäftsanteils Gesagte gilt daher für den Nießbrauch entsprechend.

X. Unterbeteiligung und Treuhand 1. Unterbeteiligung Schrifttum: Blaurock, Unterbeteiligung und Treuhand an Gesellschaftsanteilen, 1981; Blaurock/Berninger, Unterbeteiligung an GmbH-Anteilen, GmbHR 1990, 11, 87; Böttcher/Zartmann/Faut, Stille Gesellschaft und Unterbeteiligung, 3. Aufl. 1978; Henn, Die Unterbeteiligung in der GmbH, 1996; Herzfeld, Die Unterbeteiligung, AcP 137 (1933), 270; Hesselmann, Die Unterbeteiligung an GmbH-Anteilen, GmbHR 1964, 26; Meyer, Die Unterbeteiligung an Handelsgesellschaftsanteilen, Diss. Münster 1971; Paulick, Die Unterbeteiligung in gesellschaftsrechtlicher u. steuerrechtlicher Sicht, ZGR 1974, 253; Post, Die stille Beteiligung am Unternehmen der KapGes., 1975; Roth/Thöni, Treuhand und Unterbeteiligung, in: FS 100 Jah1 Rieble, ZIP 1997, 301, 306; Teichmann, in: Lutter, 4. Aufl. 2009, § 131 UmwG Rdnr. 31; Schröer, in: Semler/Stengel, 3. Aufl. 2012, § 131 UmwG Rdnr. 42; Stratz, in: Schmitt/ Hörtnagl/Stratz, UmwG/UmwStG, 5. Aufl. 2009, § 131 UmwG Rdnr. 17. 2 Dazu OLG Hamm, GmbHR 1971, 57; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 183; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 53; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 61; Schön, ZHR 158 (1994), 229, 267 f. und dazu oben Rdnr. 191.

1110

Seibt

§ 15

Übertragung von Geschäftsanteilen

re GmbHG, 1992, S. 245; Schulze zur Wiesche, Unterbeteiligung an einem GmbHAnteil, GmbHR 1986, 236; Steckhan, Die Innengesellschaft, 1966; Wendelstein, Die Unterbeteiligung als zweckmäßige Erbfolgeregelung, BB 1970, 735; Tebben, Unterbeteiligung und Treuhand an GmbH-Anteilen, 2000; H. P. Westermann, Vertragsfreiheit u. Typengesetzlichkeit im Recht der Personengesellschaften, 1970, S. 190 ff.; Zapp, Unterbeteiligung an mittelständischen Unternehmen, 1990.

Der Vertrag über die Unterbeteiligung an einem Geschäftsanteil bedarf grund- 224 sätzlich nicht der Form des § 15 Abs. 3, 4 und kann ohne die nach dem Gesellschaftsvertrag für die Abtretung erforderliche Genehmigung (§ 15 Abs. 5) geschlossen werden1. Besteht ein statutarisches Verbot von Unterbeteiligungen, kann dessen Verletzung aber Schadensersatzansprüche auslösen und einen wichtigen Grund zum Ausschluss bilden (s. Anh. § 34 Rdnr. 26 ff.). Ist das Unterbeteiligungsverhältnis mit der Treuhandschaft am Geschäftsanteil verknüpft2, so sind die für letztere geltenden Regeln (Rdnr. 227 ff.) anzuwenden3. Die Schenkung einer Unterbeteiligung durch bloße „Einbuchung“ bedarf der notariellen Beurkundung gemäß § 518 Abs. 1 BGB, da hierin noch kein Schenkungsvollzug (§ 518 Abs. 2 BGB) zu sehen ist4; anders liegt es bei einer unentgeltlichen Abtretung (Rdnr. 225 a.E.). Der Unterbeteiligte tritt durch den Vertragsabschluss nicht in Rechtsbeziehung zur GmbH5. Dieser gegenüber bleibt vielmehr der Anteilsinhaber vollberechtigter und -verpflichteter Gesellschafter6. Es besteht zwischen ihm (Hauptgesellschafter) und dem Unterbeteiligten i.d.R. 225 eine bürgerlich-rechtliche Innengesellschaft7, durch die letzterer mit schuldrechtlicher Wirkung am Ertrag und an der Substanz des Geschäftsanteils oder an einem von beiden beteiligt wird. Für die Unterbeteiligungsgesellschaft gelten mangels abweichender Regelung im Gesellschaftsvertrag unter teleologischer Reduktion der Regelungen in §§ 705 ff. BGB nach Maßgabe der Besonderheiten 1 Vgl. RG, LZ 1907, 224; RG, LZ 1915, 1011; OLG Königsberg, GmbHR 1918, 18; OLG Frankfurt, GmbHR 1987, 57; OLG Frankfurt, GmbHR 1992, 668; OLG Schleswig, GmbHR 2002, 652, 654; Blaurock/Berninger, GmbHR 1990, 14; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 207; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 59; Altmeppen, in: Roth/ Altmeppen, Rdnr. 65, 112; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 96; Reichert/Weller, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 251; Rowedder/Bergmann, in: Rowedder/SchmidtLeithoff, Rdnr. 69; einschr. Karsten Schmidt, in: MünchKomm. HGB, 3. Aufl. 2012, § 230 HGB Rdnr. 221. 2 Entgegen der früheren Lehre (Wiedemann, S. 387; Böttcher/Zartmann/Faut, S. 58 f. u.a.) kann beides zusammen treffen; vgl. BGH, ZIP 1994, 1180, 1181; Karsten Schmidt, GesR, § 63 I 1; von Gerkan/Mock, in: Röhricht/Graf von Westphalen, 3. Aufl. 2008, § 230 HGB Rdnr. 101 ff., jeweils m.w.N.; vgl. auch Schubert, in: Oetker, 2. Aufl. 2011, § 230 HGB Rdnr. 113. 3 OLG Frankfurt, GmbHR 1992, 668; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 59; s. auch Roth/Thöni, in: FS 100 Jahre GmbHG, S. 262 ff., 273 ff. 4 BGH, WM 1967, 685. Bestr., vgl. die Nachw. bei Blaurock/Berninger, GmbHR 1990, 14 u. Kraus, in: MünchHdb. III, § 26 Rdnr. 126. 5 Vgl. auch BGHZ 50, 324; BGH, WM 1959, 595, 596; OLG Frankfurt, GmbHR 1987, 57. 6 RG, LZ 1915, 1011; OLG Frankfurt, LZ 1929, 793; h.M. 7 RG, LZ 1915, 1011; BGHZ 50, 320; BGH, WM 1959, 595, 596; OLG Frankfurt, GmbHR 1987, 57; Paulick, ZGR 1974, 259 ff.; BGHZ 50, 316, 321; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 206; Ulmer, in: MünchKomm. BGB, 5. Aufl. 2009, Vor § 705 BGB Rdnr. 92; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 59; von Gerkan/Mock, in: Röhricht/Graf von Westphalen, 3. Aufl. 2008, § 230 HGB Rdnr. 92.

Seibt

1111

§ 15

Übertragung von Geschäftsanteilen

des Unterbeteiligungsverhältnisses die §§ 230 ff. HGB analog1. Die Geschäftsführungsbefugnis steht dem Hauptgesellschafter zu; der Gesellschaftsvertrag kann dem Unterbeteiligten aber im Innenverhältnis Mitwirkungsrechte geben2. Der Unterbeteiligte hat hinsichtlich der Geschäftsvorgänge der Unterbeteiligungsgesellschaft die in dem entsprechend anwendbaren § 233 Abs. 1 HGB3 bestimmten Kontrollrechte4. Die Einsicht in den Jahresabschluss der GmbH kann er dagegen nur verlangen, wenn dies im Gesellschaftsvertrag vorgesehen und ohne Verletzung der Treuepflicht des Hauptgesellschafters gegenüber der GmbH möglich ist5. Auch im Übrigen ist die Informationspflicht über Angelegenheiten der Hauptgesellschaft durch die ihr gegenüber bestehende Verschwiegenheitspflicht begrenzt6. Die Unterbeteiligung ist nur übertragbar, wenn der Gesellschaftsvertrag dies zulässt oder der Hauptgesellschafter nachträglich zustimmt. 226 Die Unterbeteiligungsgesellschaft wird aufgelöst durch Zeitablauf, Beendigung der Mitgliedschaft des Hauptgesellschafters in der GmbH, Kündigung (§§ 723, 724 BGB sind anwendbar)7, Tod des Hauptgesellschafters8 und Insolvenz eines Gesellschafters. Der Tod des Unterbeteiligten führt analog § 234 Abs. 2 HGB nicht zur Auflösung9. Auf die Auseinandersetzung sind im Allgemeinen die für die stille Gesellschaft geltenden Regeln entsprechend anzuwenden10. Der Geschäftsanteil verbleibt i.d.R. auch dann dem Hauptgesellschafter, wenn die Unterbeteiligung sich auf die Substanz des Geschäftsanteils bezieht. Der Unterbeteiligte hat normalerweise keinen Anspruch auf Verwertung des Geschäftsanteils, sondern kann nur Abfindung in Geld beanspruchen11. Die Aufhebung der internen rechnerischen Beteiligung fällt nicht unter § 15 Abs. 312. Aus dem 1 Vgl. BGHZ 50, 316, 321; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 206; Ulmer, in: MünchKomm. BGB, 5. Aufl. 2009, Vor § 705 BGB Rdnr. 92 m.w.N.; Reichert/Weller, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 259, 261. 2 RG, LZ 1915, 1011. 3 BGHZ 50, 316, 323. 4 BGHZ 50, 316, 323; BGH, NJW-RR 1995, 165; OLG Frankfurt, GmbHR 1987, 57, 59; Paulick, ZGR 1974, 271; Ulmer, in: MünchKomm. BGB, 5. Aufl. 2009, Vor § 705 BGB Rdnr. 99 m.w.N.; a.M. Blaurock, S. 183 f. 5 BGHZ 50, 316, 324 f.; Roth/Thöni, in: FS 100 Jahre GmbHG, S. 277. Das Schrifttum lässt überwiegend genügen, dass die Weitergabe dem Hauptgesellschafter gestattet ist; vgl. Karsten Schmidt, in: MünchKomm. HGB, 3. Aufl. 2012, § 233 HGB Rdnr. 34 m.w.N.; Schubert, in: Oetker, 2. Aufl. 2011, § 233 HGB Rdnr. 22; abw. Hopt, in: Baumbach/Hopt, 35. Aufl. 2012, § 233 HGB Rdnr. 13, der eine Zustimmung der Gesellschaft verlangt. 6 OLG Frankfurt, GmbHR 1992, 668. 7 Vgl. dazu BGHZ 50, 316, 320 ff. Für die Kündigungsfristen gelten aber abweichend von §§ 723 Abs. 1 Satz 1, 725 BGB die Bestimmungen der §§ 234 Abs. 1, 132, 135 HGB entsprechend; vgl. Ulmer, in: MünchKomm. BGB, 5. Aufl. 2009, Vor § 705 BGB Rdnr. 69; abw. Blaurock, S. 163; Blaurock/Berninger, GmbHR 1990, 15. 8 Verbleiben seine Erben in der GmbH (s. Rdnr. 24 ff.), wird es aber regelmäßig dem Parteiwillen entsprechen, die Unterbeteiligungsgesellschaft mit ihnen fortzusetzen; vgl. Blaurock, S. 165 f. m.w.N. 9 Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 209. 10 Sehr bestr.; vgl. die Nachw. bei Blaurock, S. 174 ff., der selbst eine differenzierende Lösung vertritt. 11 RGZ 166, 164 f.; BGH, WM 1955, 298 f.; BGH, WM 1960, 1121 f.; BGH, WM 1961, 574 f. 12 BGH, WM 1966, 472.

1112

Seibt

§ 15

Übertragung von Geschäftsanteilen

Gesellschaftsvertrag der Unterbeteiligungsgesellschaft kann sich eine andere Art der Auseinandersetzung ergeben, insbesondere kann vereinbart sein, dass eine Realteilung des Geschäftsanteils erfolgen soll. Der Gesellschaftsvertrag bedarf aber in diesem Fall der Form des § 15 Abs. 41, was auch für die Vereinbarung in einem Unterbeteiligungsvertrag gilt, derzufolge der Unterbeteiligte nach Ablauf eines Jahres die Übertragung der Hälfte des Geschäftsanteils fordern kann.

2. Treuhand Schrifttum: Armbrüster, Die treuhänderische Beteiligung an Gesellschaften; 2001; Armbrüster, Zur Beurkundungsbedürftigkeit von Treuhandabreden über GmbH-Anteile, DNotZ 1997, 762; Armbrüster, Treuhänderische GmbH-Beteiligungen, GmbHR 2001, 941 und 1021; Beuthien, Treuhand an Geschäftsanteilen, ZGR 1974, 26; Blaurock, Unterbeteiligung und Treuhand an Gesellschaftsanteilen, 1981; Däubler, Die treuhänderische Abtretung des GmbH-Geschäftsanteils, GmbHR 1966, 243; Beuthin, Treuhand an Geschäftsanteilen, ZGR 1974, 26; Ebermann, Die Verwaltungstreuhand an GmbH-Anteilen, Diss. Köln 1970; Ebermann, Beendigung der Verwaltungstreuhand bei der GmbH, GmbHR 1971, 32; Eden, Treuhandschaft an Unternehmen und Unternehmensanteilen, 1981; Ehlke, Zur Behandlung von Treugeber und Treuhänder an einem GmbH-Anteil, DB 1985, 795; Elsing, Treuhandverträge über GmbH-Geschäftsanteile mit Blick auf das MoMiG, ZNotP 2008, 151; H. Emmerich, Treuhand an GmbH-Anteilen, GmbHR 1931, Sp. 153 u. 241; Flore/Lewinski, Einsatzmöglichkeiten der Treuhänderschaft an GmbH-Geschäftsanteilen, GmbH-StB 1999, 258; Geyrhalter, Grenzüberschreitende Treuhandvereinbarungen bei GmbH-Beteiligungen, ZIP 1999, 647; Gruber, Treuhandbeteiligung an Gesellschaften, 2001; Heining, Treuhand an GmbH-Anteilen, GmbHR 1954, 98; Herfs, Einwirkung Dritter auf den Willensbildungsprozess der GmbH, 1994; Köhl, Die Ausfallhaftung von Hintermännern bzw. Treugebern für nicht geleistete Stammeinlagen, GmbHR 1998, 119; Kötz, Trust und Treuhand, 1964; M. Lehmann, Sicherungsabtretung von Geschäftsanteilen, GmbHR 1953, 143; Michalski, Zustimmungserfordernisse bei der Sicherungsabtretung eines Teilgeschäftsanteils, GmbHR 1991, 89; K. Müller, Die Sicherungsübertragung von GmbH-Anteilen, 1969; Roth/Thöni, Treuhand und Unterbeteiligung, in: FS 100 Jahre GmbHG, 1992, S. 245; Schaub, Treuhand an GmbH-Anteilen, DStR 1995, 1634, DStR 1996, 65; Scheuermann, Zur Sicherungsübertragung von GmbH-Anteilen, Diss. Heidelberg 1965; Schmitz, Treuhand an GmbH-Anteilen, in: Freundesgabe W. Weichler, 1997, S. 129; Schulz, Zur Formbedürftigkeit von Vereinbarungs- und Erwerbstreuhand an GmbH-Geschäftsanteilen, GmbHR 2001, 282; Seidl, Die Haftung des fremdnützigen Treuhänders als Gründungsgesellschafter einer GmbH und Möglichkeiten der Risikoabgrenzung, DStR 1998, 1220; Serick, Sicherungsabtretung von GmbH-Anteilen und andere Kreditsicherungsmöglichkeiten im Bereiche der GmbH, GmbHR 1967, 133; Siebert, Das rechtsgeschäftliche Treuhandverhältnis, 1933; Sieverking/Technau, Das Problem sogenannter „disponibler Stimmrechte“ zur Umgehung der Vinkulierung von Namensaktien, AG 1989, 17; Transfeld, Anteilsübertragung trotz Vinkulierung – ein vermeintlicher Widerspruch, GmbHR 2010, 185; Tebben, Gesellschaftsvertraglicher Schutz gegen Treuhand- und Unterbeteiligungen an Geschäftsanteilen, GmbHR 2007, 63; Tebben, Unterbeteiligung und Treuhand an GmbH-Anteilen, 2000; Ulmer, Rechts- und Steuerfragen zur Treuhand an GmbHAnteilen, WPg 1963, 345; Ulmer, Zur Treuhand an GmbH-Anteilen: Haftung des Treugebers für Einlageansprüche der GmbH?, ZHR 156 (1992), 377; Ulmer, Zur Treu1 Eb. Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 207; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 59; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 65; Kraus, in: MünchHdb. III, § 26 Rdnr. 125; Blaurock/Berninger, GmbHR 1990, 14; a.M. RG, LZ 1915, 1011 mit der nicht tragfähigen Begründung, dass jene Verpflichtung zur Teilabtretung aus einem Vertrag anderen Inhalts kraft Gesetzes folge.

Seibt

1113

§ 15

Übertragung von Geschäftsanteilen

hand an GmbH-Anteilen, in: FS Odersky, 1996, S. 873; Vossius, Sicherungsgeschäfte bei der Übertragung von Gesellschaftsanteilen, BB 1988 Beil. 5 zu H. 13.

a) Zweck 227 Unter dem Rechtsinstitut der Treuhand fasst man die Fälle der Wahrnehmung (auch) fremder Interessen bezogen auf ein bestimmtes Vermögensrecht zusammen, über das der Treuhänder zwar die volle Rechtsmacht bzw. Verfügungsmacht innehat und das von ihm im eigenen Namen ausgeübt wird, das wirtschaftlich indes dem Treugeber zusteht. Typisierendes Merkmal der Treuhand ist das Auseinanderfallen von rechtlicher und wirtschaftlicher Zuordnung des Rechts. Treuhandstrukturen werden zur Erreichung vielfältiger Zwecke genutzt1: Der Treuhand kann eine Verwaltungs- oder Bündelungsfunktion dadurch zukommen, dass der Treuhänder die Mitgliedschaftsrechte einer Personenmehrheit (z.B. Mitarbeiter, Familienangehörige, Mitberechtigte i.S. von § 18, Kleinstbeteiligte) wahrnehmen soll. Die Treuhand kann überdies auch eine Entlastungsfunktion für den wirtschaftlich Berechtigten erfüllen, und zwar aus persönlichen (z.B. Nähe zur Gesellschaft und Unternehmensausübung, Alter und Gesundheit) oder sachlichen Gründen (z.B. Fachnähe). Schließlich werden Treuhandstrukturen auch zur Verdeckung wirtschaftlicher Sachverhalte oder zur Umgehung (gesellschafts)vertraglicher oder gesetzlicher Pflichten genutzt. Die Zulässigkeit der Treuhandschaft an Geschäftsanteilen ist allgemein anerkannt2. Dies gilt im Grundsatz auch beim Einsatz der Treuhand zur Umgehung (gesellschafts)vertraglicher oder gesetzlicher Bestimmungen, es sei denn, die betroffene Norm oder Vorschrift selbst oder deren Auslegung ergibt im Einzelfall die Unzulässigkeit der Treuhand3. b) Gesellschafterstellung des Treuhänders 228 Der Treuhänder ist vollberechtigter und vollverpflichteter Gesellschafter, dem demgemäß alle Mitgliedschaftsrechte aus dem Geschäftsanteil zustehen und den auch alle Pflichten aus den Geschäftsanteil treffen4. Dies betrifft sowohl das Verhältnis zur Gesellschaft als auch zu den Mitgesellschaftern. Die schuldrechtlichen Vereinbarungen zwischen Treuhänder und Treugeber schlagen nicht auf das Außenverhältnis des Treuhänders zu der Gesellschaft und den Mitgesell-

1 Hierzu Armbrüster, Die treuhänderische Beteiligung an Gesellschaften, S. 49 ff.; Blaurock, Unterbeteiligung und Treuhand, S. 69 ff.; Ebermann, Verwaltungstreuhand an GmbH-Anteilen, S. 1 ff.; Tebben, Unterbeteiligung und Treuhand, S. 33 ff.; Ulmer, in: FS Odersky, S. 873, 875 ff.; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 188. 2 Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 189; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 89, § 14 Rdnr. 17; Armbrüster, GmbHR 2001, 941. 3 Z.B. bestimmt § 59e Abs. 3 BRAO ausdrücklich die Unzulässigkeit einer treuhänderischen Beteiligung an einer Rechtsanwalts-GmbH. 4 RG, JW 1934, 2906; RGZ 138, 108; RGZ 153, 352 f.; BGHZ 21, 382; BGHZ 31, 263; BGH, WM 1971, 307; BGH, WM 1976, 736; BGH, WM 1977, 75; BayObLG, GmbHR 1991, 572, 574; Feine, S. 398; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 203; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/ Hueck, Rdnr. 55; Rowedder/Bergmann, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 58; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 43; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, § 14 Rdnr. 17; Reichert/Weller, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 234; Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 206.

1114

Seibt

§ 15

Übertragung von Geschäftsanteilen

schaftern durch1. Der Rechte- und Pflichtenübergang auf den Treuhänder ist im Fall der Sicherungstreuhand nicht anders zu beurteilen, selbst wenn die GmbH an dem Sicherungsvertrag beteiligt ist und den zugrunde liegenden Kredit erhalten hat2. Wenngleich die Vermögensrechte aus dem Geschäftsanteil (z.B. Gewinnanspruch, Anspruch auf den Liquidationserlös, Anspruch auf das Auseinandersetzungsguthaben) alleine dem Treuhänder zustehen, können solche Ansprüche auch in ihrer Gesamtheit vom Treuhänder an den Treugeber abgetreten werden; der Treugeber kann auf diese Rechte auch im Wege der Zwangsvollstreckung gegen den Treuhänder zugreifen3. Bei den Verwaltungsrechten kann der Treugeber mittelbar auf die Willensbildung der Gesellschaft Einfluss nehmen, indem er sein Weisungsrecht aus dem Treuhandvertrag gegenüber dem Treuhänder ausübt. Aber auch hier schlagen die treuhandvertraglichen Bindungen nicht auf das Verhältnis zwischen Treuhänder zur Gesellschaft und den Mitgesellschaftern durch, so dass die weisungswidrige Ausübung von Verwaltungsrechten deren Wirksamkeit unberührt lässt4. Präventiv kann der Treugeber gegen eine weisungswidrige Ausübung von Stimmrechten im Wege einer einstweiligen Verfügung vorgehen oder das Treuhandverhältnis kündigen. Eine Legitimationszession betreffend die mitgliedschaftlichen Verwaltungsrechte oder eine generelle Übertragung des Stimmrechts auf den Treugeber ist als Verstoß gegen das Abspaltungsverbot unzulässig5. Auch eine Treuhandvereinbarung, die zu einer gespaltenen Stimmenabgabe aus demselben Geschäftsanteil führen kann, ist unzulässig und gemäß §§ 134, 139 BGB i.V.m. § 18 nichtig6. Verletzt der Treuhänder seine Treuepflichten aus dem Treuhandvertrag oder missbraucht er ansonsten seine Treuhänderstellung, so ist der Treugeber grundsätzlich auf Schadensersatzansprüche gegen den Treuhänder verwiesen. Ansprüche gegen die Gesellschaft bzw. die Mitgesellschafter können sich aus § 826 BGB oder nach den Grundsätzen über den Missbrauch der Vertretungsmacht herleiten. Das Treuhandverhältnis kann sich, soweit der Sinn einzelner gesetzlicher oder 229 gesellschaftsvertraglicher Bestimmungen dies erfordert, auf die Rechtstellung des Treuhänder-Gesellschafters modifizierend auswirken (vgl. § 2 Rdnr. 58 ff.). Statutarisch geforderte Gesellschaftereigenschaften müssen regelmäßig beim Treuhänder und Treugeber vorliegen (Rdnr. 116). Die Mitgesellschafter können bei einer verdeckten Treuhandschaft jedenfalls im Falle des Bestehens statutarischer Abtretungsbeschränkungen vom Treuhandgesellschafter Auskunft über die Person des Treugebers verlangen7 (vgl. unten Rdnr. 235). 1 Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 203; Henssler, AcP 196 (1996), 37, 47; Blaurock, Unterbeteiligung und Treuhand, S. 128 ff. 2 Eb. Flechtheim, JW 1931, 1963; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 203; a.M. RGZ 131, 147 ff.; Serick, GmbHR 1967, 133, 136; einschränkend K. Müller, Sicherungsübertragung, S. 23. 3 Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 203; Armbrüster, S. 224 ff.; Beuthien, ZGR 1974, 26, 81. 4 Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 203; Armbrüster, S. 229 ff.; Henssler, AcP 196 (1996), 37, 79. 5 BGH, DB 1960, 352; BayObLG, WM 1986, 226, 227; Beuthien, ZGR 1974, 26, 82; a.M. Armbrüster, GmbHR 2001, 1021, 1025. 6 LG Berlin, GmbHR 2010, 875, 876; vgl. auch § 18 Rdnr. 17. 7 OLG Hamburg, GmbHR 1993, 507 f.; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 203 a.E.; Hueck/ Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 58; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 82; Alt-

Seibt

1115

§ 15

Übertragung von Geschäftsanteilen

c) Form 230 Bei der Frage nach der Formbedürftigkeit von Treuhandverträgen gemäß § 15 Abs. 3 und Abs. 4 sind fünf Fälle zu unterscheiden: Bei der Erwerbstreuhand verpflichtet sich der Treuhänder gegenüber dem Treugeber, einen Geschäftsanteil durch Teilnahme an der Gesellschaftsgründung bzw. an einer Kapitalerhöhung oder von einem Dritten zu erwerben. Hier greift die Beurkundungspflichtigkeit nach § 15 Abs. 4 nicht ein, da sich einerseits die Abtretungsverpflichtung des Treuhänders gegenüber dem Treugeber aus der gesetzlichen Herausgabepflicht (§ 667 BGB) ergibt1, und zum anderen weil die Vorschrift nach ihrem Normzweck (Verhinderung eines Anteilshandels) nicht betroffen ist2. Allerdings kann sich auch bei der Erwerbstreuhand die Beurkundungspflichtigkeit nach § 15 Abs. 4 ergeben, wenn der Treuhänder sich gegenüber dem Treugeber verpflichtet, einen bereits bestehenden oder in Entstehung befindlichen Geschäftsanteil von einem Dritten zu erwerben3. Auch die Übertragungstreuhand, bei der ein Treuhänder den Geschäftsanteil vom Treugeber erwirbt, ist nach § 15 Abs. 4 beurkundungspflichtig, da hier eine Abtretungsverpflichtung des Treugebers gegenüber dem Treuhänder begründet wird4. Ebenso unterliegt die Vereinbarungstreuhand, derzufolge ein Gesellschafter den von ihm gehaltenen Geschäftsanteil künftig für einen Dritten (Treugeber) treuhänderisch hält, der notariellen Beurkundungspflichtigkeit nach § 15 Abs. 45. Die Vereinbarung zum Treugeberwechsel ist nach § 15 Abs. 4 beurkundungspflichtig, denn mit der Übertragung der Treugeberstellung wird der Anspruch gegen den Treuhänder auf Rückabtretung des Geschäftsanteils nach Ende des Treuhandverhältnisses abgetreten. Die dingliche Abtretung des Anspruchs auf Übertragung eines Geschäftsanteils bedarf grundsätzlich der Form des § 15 Abs. 36. Grund für die über den Wortlaut

1

2 3 4

5

6

meppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 109; Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 216; Armbrüster, S. 371 f.; zur Geheimhaltung des Treuhandverhältnisses vgl. Elsing, ZNotP 2008, 151, 153 f. So RGZ 124, 371, 376; BGHZ 19, 69, 70; OLG Bamberg, NZG 2001, 509, 511; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 34; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 48, 90; Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 208; Heidinger, in: Heckschen/Heidinger, Die GmbH in der Gestaltungs- und Beratungspraxis, 2. Aufl. 2009, § 13 Rdnr. 18 f.; Elsing, ZNotP 2008, 151, 153. So Armbrüster, DNotZ 1997, 762, 765 ff.; ihm folgend Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 195. Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 196; Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 208; Armbrüster, DNotZ 1997, 762, 779. BayObLG, GmbHR 1991, 572, 574; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 56; Rowedder/Bergmann, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 56; Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 209; Reichert/Weller, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 211; Bayer, in: Lutter/ Hommelhoff, Rdnr. 91; Ulmer, in: FS Odersky, S. 873, 890; abweichend (teleologische Reduktion des § 15 Abs. 4) Armbrüster, S. 104; Armbrüster, DNotZ 1997, 762, 779 f.; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 197. RGZ 124, 371, 377; BGHZ 141, 207, 213; OLG Bamberg, NZG 2001, 509, 510; Hueck/ Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 57; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 92; Rowedder/Bergmann, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 56; Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 209; Reichert/Weller, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 215; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 195 (anders noch Zutt, in: Hachenburg, Rdnr. 52); Armbrüster, DNotZ 1997, 762, 782 ff.; a.M. Beuthien, ZGR 1974, 26, 177. BGH, NJW 1980, 1100, 1101; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 57; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 93.

1116

Seibt

§ 15

Übertragung von Geschäftsanteilen

hinausgehende Anwendung von § 15 Abs. 3 und 4 ist deren Zweck, einen formlosen Handel mit Geschäftsanteilen zu verhindern, denn die Übertragung der Treugeberstellung steht wirtschaftlich der Anteilsabtretung gleich. Auch eine Vereinbarung mit dem Treuhänder, wonach dieser den Geschäftsanteil zukünftig für einen anderen Treugeber halten soll, ist deshalb gemäß § 15 Abs. 3 beurkundungspflichtig1. Aus dem Zweck der Formvorschrift folgt zugleich, dass Vereinbarungen zum Treuhänderwechsel keiner Beurkundungspflicht unterliegen. Entsprechend wird auch § 15 Abs. 3 auf die dingliche Abtretung des Anspruchs auf Übertragung eines Geschäftsanteils ausnahmsweise dann nicht angewendet, wenn sie dazu dient, den Abtretungsempfänger zum neuen Treuhänder zu machen2. Die Anteilsabtretung selbst unterliegt auch im Rahmen von Treuhandverhältnissen stets dem Beurkundungsbedürfnis nach § 15 Abs. 3. Dies gilt auch in den Fällen, in denen die Verpflichtung zur Abtretung formfrei begründet wurde und für Anteilsabtretungen zwischen alten und neuen Treuhändern3.

231

d) Satzungsmäßige Beschränkungen gemäß § 15 Abs. 5 Der Gesellschaftsvertrag kann speziell einzelne oder alle Formen der Treuhand- 232 übertragung von Geschäftsanteilen ausschließen4. Zudem kann er z.B. ausdrücklich ein Zustimmungserfordernis vor Begründung, Änderung oder Beendigung der Treuhandstruktur oder ein bestimmtes Verfahren für diese regeln, umgekehrt aber auch eine ausdrückliche Freistellung für die ansonsten erforderliche Zustimmung enthalten5. Die Beantwortung der Frage, ob die Schaffung, Änderung oder Beendigung einer 233 Treuhandstruktur einer statutarischen Vinkulierungsklausel i.S. von § 15 Abs. 5 unterfällt, hängt in erster Linie von der betreffenden Satzungsbestimmung und ihrer Auslegung selbst ab (Schutzzweck). Ansonsten sind insbesondere zu berücksichtigen (i) sonstige Satzungsbestimmungen zur Schutzzweckbestimmung (z.B. Überfremdungsschutz oder Sicherstellung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit oder spezifischer Fachkenntnisse des Gesellschafterkreises, (ii) die Realstruktur der Gesellschaft (z.B. kleiner und familiengebundener Gesellschafterkreis einerseits oder großer, personell nicht verbundener Gesellschafterkreis mit ausschließlichen Finanzinteressen andererseits), (iii) der Treuhandzweck (z.B. Sicherungs- oder Verwaltungstreuhand) und (iv) die Kenntnis und Praxis der Gesellschafter bei der Eingehung und Änderung von Treuhandverhältnissen6. In Ermangelung anderweitiger Anhaltspunkte wird im Zweifel bei einem un- 234 spezifischen Zustimmungsvorbehalt bei rechtsgeschäftlichen Verfügungen zwi1 Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 57. 2 BGH, NJW 1954, 1157; BGH, NJW 1980, 1100, 1101; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/ Hueck, Rdnr. 57; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 94. 3 BGH, NJW 1965, 1376, 1377. 4 Zutr. K. Müller, Sicherungsübertragung, S. 5 f. 5 Für einen Formulierungsvorschlag zur ausdrücklichen Einbeziehung von Treuhandstrukturen s. Seibt, in: MünchAnwHdb. GmbH-Recht, 2. Aufl. 2009, § 2 Rdnr. 201. 6 Zur konkludenten Erteilung einer Zustimmung der Gesellschafterversammlung durch entsprechende Behandlung BGH, ZIP 2006, 1343.

Seibt

1117

§ 15

Übertragung von Geschäftsanteilen

schen folgenden Fällen zu unterscheiden sein: Die Anteilsübertragung auf einen Dritten, der diesen Anteil nicht für eigene Rechnung erwirbt, sondern für einen Treugeber (Erwerbstreuhand), unterfällt – eben wegen der Anteilsübertragung – der Vinkulierung1. Das Gleiche gilt für den Fall der Übertragungstreuhand, bei der ein Treuhänder den Geschäftsanteil vom Treugeber erwirbt, da die Gesellschafterstellung und somit die Rechtsausübungs- und Kontaktperson zu den übrigen Gesellschaftern auf den Treuhänder übergeht2. Die konkrete Person des (formal-juristischen) Gesellschafters und damit die Rechtsausübungsperson (z.B. Teilnahmerecht an Gesellschafterversammlungen, Stimmrecht und Stimmrechtsausschluss nach § 47 Abs. 4, Einsichts- und Auskunftsrecht nach § 51a) ist trotz der regelmäßigen Weisungsunterworfenheit des Treuhänders im Zweifel für die übrigen Gesellschafter von erheblichem Belang. Das Gleiche gilt beim Treuhänderwechsel3. Bei der Vereinbarungstreuhand, bei der ein Gesellschafter den von ihm gehaltenen Geschäftsanteil künftig für einen Dritten (Treugeber) treuhänderisch hält, findet zwar keine Anteilsübertragung statt, der Sinngehalt der Vinkulierungsklausel (Überfremdungsschutz des rechtlich und wirtschaftlich interessierten Gesellschafterkreises) verlangt aber auch hier die Zustimmungspflicht4. Aus dem gleichen Grund wird im Zweifel auch der Treugeberwechsel von der Vinkulierungsklausel erfasst5. 235 Allerdings ist davon auszugehen, dass die Auflösung der Treuhandstruktur mit Rückübertragung des Geschäftsanteils auf den Treugeber dann zustimmungsfrei ist (aber auch nur dann), wenn die Begründung der Treuhandstruktur gegenüber dem Entscheidungsgremium offen gelegt und entsprechend der statutarischen Vinkulierungsklausel behandelt wurde; die hierbei erfolgte Zustimmung impliziert nämlich im Regelfall auch die unwiderrufliche Zustimmung zur Aufhebung und Rückabwicklung der Treuhandstruktur6, sofern der Treugeber auch 1 Vgl. RG, JW 1931, 2967; BayObLG, DB 1991, 1270, 1272; OLG Hamburg, DB 1993, 1081, 1082; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 199; Rowedder/Bergmann, in: Rowedder/ Schmidt-Leithoff, Rdnr. 169; Armbrüster, S. 94 ff.; Däubler, GmbHR 1966, 243, 244; Karsten Schmidt, GmbHR 2011, 1289, 1291. 2 Vgl. Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 199; Armbrüster, S. 96; offen Ulmer, in: FS Odersky, S. 873, 882. 3 Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 58; Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 215. 4 Eb. RGZ 69, 134, 137; RGZ 103, 195, 199; RGZ 159, 272, 280 ff.; OLG Frankfurt, GmbHR 1992, 668 (ob. dic.); Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 200; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 58; Reichert/Weller, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 222; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 109; Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 215; Blaurock, S. 153 f.; Schaub, DStR 1995, 1634, 1637; Karsten Schmidt, GmbHR 2011, 1289, 1291; a.M. OLG Hamm, GmbHR 1993, 656, 658 (im Rahmen der Prüfung des Ausschlusses des Gesellschafters = Treuhänders aus wichtigem Grund wegen Verstoßes gegen Vinkulierung); Armbrüster, S. 117 f.; Beuthien, ZGR 1974, 26, 77 f.; Sieveking/Technau, AG 1989, 17, 19. 5 OLG Hamburg, GmbHR 1993, 507 f.; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 200; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 58; Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 215; Blaurock, S. 153 f.; Däubler, GmbHR 1966, 243, 246; a.M. für die verdeckte Treuhand Beuthien, ZGR 1974, 26, 34; Tebben, GmbHR 2007, 63, 67 f.; Transfeld, GmbHR 2010, 185, 189; abw. beim Schutzzweck der Sicherung der Leistungsfähigkeit des Gesellschafterkreises OLG Frankfurt, GmbHR 1992, 668 (zur Unterbeteiligung). 6 BGH, NJW 1965, 1376, 1377 = GmbHR 1965, 155 m. abl. Anm. Gottschling; BGH, NJW 1980, 2708 f. (zur KG); BayObLG, DB 1991, 1270, 1272; Winter/Löbbe, in: Ulmer,

1118

Seibt

§ 15

Übertragung von Geschäftsanteilen

Gläubiger des Rückübertragungsanspruchs ist. Erfolgt die Anteilsabtretung auf den Treuhänder auflösend bedingt, so bedarf der Rückfall des Geschäftsanteils an den Treugeber im Regelfall keiner Zustimmung i.S. von § 15 Abs. 51. Bei Bestehen einer statutarischen Vinkulierung i.S. von § 15 Abs. 5 haben die be- 236 troffenen Mitgesellschafter gegen den Treuhänder ein schutzwürdiges Interesse und einen materiellen Anspruch auf Benennung seines Hintermanns (Treugebers)2. Ein ohne die erforderliche Zustimmung geschlossener Treuhandvertrag (Vereinbarungstreuhand) führt zudem zum Stimmrechtsausschluss des Geschäftsanteilsinhabers bei Gesellschaftsversammlungen, um eine mittelbare Beeinflussung der Gesellschaft durch den Treugeber über den Treuhänder zu verhindern3; allerdings bleibt der Geschäftsanteilsinhaber in diesem Fall zur Einberufung der Gesellschafterversammlung und zur Antragsstellung berechtigt4. Umstritten ist die Frage, ob eine statutarische Vinkulierungsklausel i.S. von § 15 Abs. 5 auch bei Treuhandverträgen mit Mitgesellschaftern eingreift5. Richtigerweise ist nach dem erkennbaren Schutzzweck der Vinkulierungsklausel zu differenzieren: Ergibt die Auslegung der Abtretungsbeschränkung, dass diese primär dem Zweck dient, eine Überfremdung der Gesellschaft durch Eintritt Dritter zu verhindern, so greift sie in diesem Fall nicht ein, da der Schutzzweck dann nicht berührt ist. Ist der Schutzzweck allerdings darauf gerichtet, eine bestimmte Gesellschafterstruktur (z.B. 50 %/50 % Gesellschafterstämme-Gleichgewicht) sicherzustellen, die schleichende Konzentration von Stimmrechten zu verhindern o.Ä., so ist die Vinkulierung auch für den Fall maßgeblich, dass ein Mitgesellschafter Treugeber ist6. Mit der Erstreckung des § 15 Abs. 5 auf Treuhandkonstruktionen geht auch des- 237 sen Rechtsfolge, nämlich die schwebende Unwirksamkeit nicht genehmigter Verfügungen (vgl. Rdnr. 133) einher. Unstreitig ist dies jedenfalls für den Fall der Erwerbs- und Übertragungstreuhand. Gleiches gebietet der Schutzzweck des § 15 Abs. 5 jedoch auch hinsichtlich der Vereinbarungstreuhand, denn nur so kann die Gesellschaft vor Überfremdung im Hinblick auf wirtschaftliche Interessen (vgl. Rdnr. 233) geschützt werden. Dem wird teilweise entgegengesetzt, dass § 15 Abs. 5 durch diese Erstreckung auch auf schuldrechtlicher Ebene „dinglich“ wirke, was systemfremd wäre, weil niemand sich seiner Verpflich-

1 2 3 4 5

6

Rdnr. 200; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 58; Rowedder/Bergmann, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 67; Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 215; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 50. Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 200; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 93; vgl. auch KG, GmbHR 1997, 603, 605. OLG Hamburg, GmbHR 1993, 507 f. BGH, ZIP 2008, 1683, 1684. BGH, ZIP 2008, 1683, 1684. Generell verneinend: Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 164; OLG Hamm, GmbHR 1993, 656, 658; generell bejahend: Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 80; Brandes, in: Bork/Schäfer, Rdnr. 17. Ähnlich Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 252, die jedoch bereits der Statuierung einer Vinkulierung durch die Satzung grundsätzlich den Zweck der Verhinderung einer Machtkonzentration bei einem Gesellschafter beimessen und deshalb regelmäßig zu einem Zustimmungserfordernis gelangen.

Seibt

1119

§ 15

Übertragung von Geschäftsanteilen

tungsfähigkeit begeben könne1. Allerdings ist ein Zustimmungsvorbehalt Dritter auch in Bezug auf die Wirksamkeit schuldrechtlicher Verträge ist dem deutschen Recht nicht fremd (vgl. z.B. § 1365 BGB)2. Zudem muss die Erstreckung des § 15 Abs. 5 auch auf schuldrechtliche Geschäfte in der Rechtsfolge als ein Zustimmungsvorbehalt wirken, weil sein Schutzzweck sonst leer liefe. Alle anderen Schutzmechanismen (Schadensersatz oder Vertragsstrafe3) sind unzureichend, um die Gesellschaft vor gesellschafterfremden Interessen zu schützen, deren Einfluss durch die Vinkulierung ausgeschlossen werden soll.

XI. Verwaltung nach Familien- und Erbrecht Schrifttum: Apfelbaum, Gütergemeinschaft und Gesellschaftsrecht, MittBayNot 2006, 185; Beitzke, Gesellschaftsvertrag und güterrechtliche Verfügungsbeschränkung, DB 1961, 21; Biddermann, Der minderjährige Gesellschafter, 1965; Biddermann, Zur Rechtsstellung des minderjährigen GmbH-Gesellschafters, GmbHR 1966, 4; Braunhofer, Unternehmens- und Anteilsbewertung zur Bemessung von familienund erbrechtlichen Ausgleichsansprüchen, 1995; Däubler, Die Vererbung des Geschäftsanteils bei der GmbH, 1965; Dörrie, Die Testamentsvollstreckung im Recht der Personenhandelsgesellschaften und der GmbH, 1995; Dörrie, Erbrecht und Gesellschaftsrecht bei Verschmelzung, Spaltung und Formwechsel, GmbHR 1996, 245; Eiselt, Die Bedeutung des § 1365 BGB für Gesellschaftsverträge, JZ 1960, 562; Emmerich, Die Testamentsvollstreckung an Gesellschaftsanteilen, ZHR 132 (1969), 297; Fischer, Kollision zwischen Gesellschaftsrecht und ehelichem Güterrecht, NJW 1960, 937; Goroney, Gesellschaftsrechtliche Probleme der Zugewinngemeinschaft unter bes. Berücksichtigung der Bewertungsfragen, Diss. Bonn 1965; Haegele, GmbH und Verfügungsbeschränkungen der Zugewinngemeinschaft, GmbHR 1965, 187; Haegele, GmbH und Zugewinnausgleich, GmbHR 1966, 24; Haegele, Vertragliche Güterrechte und GmbH, GmbHR 1968, 69, 95, 138, 159; Haegele, Geschäftsunfähige und beschränkt Geschäftsfähige im GmbH-Recht, GmbHR 1971, 198; Knopp, Über die Genehmigungsbedürftigkeit von Änderungen eines Gesellschaftsvertrages bei Beteiligung von Minderjährigen oder Mündeln, BB 1962, 939; Lenzen, Der Zugewinnausgleich bei Gesellschaftsbeteiligungen, BB 1974, 1050; Model/Haegele, Testament und Güterstand des Unternehmers, 1966; W. Müller, Zur vormundschaftsgerichtlichen Genehmigung bei GmbH-Beteiligungen von Minderjährigen, Mündeln und Pfleglingen, JR 1961, 326; Nagel, Familiengesellschaft und elterliche Gewalt, 1966; Ollig, Die Auslegung des § 1365 Abs. 1 BGB und sein Einfluss auf das Gesellschaftsrecht, Diss. Frankfurt 1964; Priester, Testamentsvollstreckung am GmbH-Anteil, in: FS Stimpel, 1985, S. 463; Rehmann, Testamentsvollstreckung an Gesellschaftsanteilen, BB 1985, 297; Reinicke, Verwaltungsbeschränkungen im Güterstand der Zugewinngemeinschaft und Gesellschaftsrecht, BB 1960, 1002; Ronkel, Einzelfragen zur Ehegatten- und Familien-GmbH, GmbHR 1968, 26; Rosenau, Beteiligung Minderjähriger an gesellschaftsrechtlichen Unternehmensformen, BB 1965, 1393; Rittner, Handelsrecht und Zugewinngemeinschaft (SonderNr. aus FamRZ), 1962; Schilling, Zur Ausübung fremder Gesellschafterrechte im eigenen Namen, in: FS W. Schmidt, 1959, S. 208; Karsten Schmidt, Testamentsvollstreckung am Kommanditanteil ohne gesellschaftsvertragliche Testamentsvollstreckungsklausel?, in: FS Maier-Reimer, 2010, S. 629; Sudhoff, Die Familien-GmbH, GmbHR 1973, 193; Tiedau, Zur Problematik des § 1365 BGB unter besonderer Berücksichtigung des Gesellschaftsrechts, MDR 1961, 721; Tiedau, Gesellschaftsrechtliche und erbrechtliche Probleme der Zugewinngemeinschaft, Dtsch. Notartag 1961, 97; Töteberg, Die Erbfolge in Geschäfts1 Tebben, GmbHR 2007, 63, 65 ff. mit eingehender Argumentation. 2 I. E. eb. Kraus, in: MünchHdb. III, § 26 Rdnr. 25; wohl auch BGH, GmbHR 2006, 875. 3 Dies schlägt als Alternative zur schwebenden Unwirksamkeit vor Tebben, GmbHR 2007, 63, 68.

1120

Seibt

§ 15

Übertragung von Geschäftsanteilen

anteil und Mitgliedschaft bei der GmbH, Diss. Göttingen 1955; Tubbesing, Zur Auswirkung der Zugewinngemeinschaft auf die Gesellschaftsverträge von Personengesellschaften, BB 1966, 829; Wiedemann, Die Übertragung und Vererbung von Mitgliedschaftsrechten bei Handelsgesellschaften, 1965; Winkler, Die Genehmigung des Vormundschaftsgerichts zu gesellschaftsrechtlichen Akten bei Beteiligung Minderjähriger, ZGR 1973, 177; Winkler, Der Testamentsvollstrecker, 20. Aufl. 2010; Winkler, Erwerb von GmbH-Anteilen durch Minderjährige und vormundschaftsgerichtliche Genehmigung, ZGR 1990, 131; Zelz, Der Minderjährige in der GmbH, GmbHR 1959, 91.

Zum Erbrecht vgl. auch Lit.-Ang. vor Rdnr. 24.

1. Eheliches Güterrecht a) Zugewinngemeinschaft Beim gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft (§§ 1363 ff. BGB) 238 steht jedem Ehegatten das Verwaltungs- und Verfügungsrecht über sein Vermögen, also auch über einen ihm gehörenden Geschäftsanteil grundsätzlich allein zu (§ 1364 BGB). Eine Einschränkung gilt aber für Verfügungen des Ehegatten über sein Vermögen im Ganzen und für die entsprechenden Verpflichtungsgeschäfte, die nur mit Zustimmung des anderen Ehegatten wirksam sind (§§ 1365 ff. BGB: absolute Veräußerungsverbote). Sie umfasst auch entgeltliche Verfügungen. Nach h.M. greift die Verfügungsbeschränkung auch dann ein, wenn über einen einzelnen Vermögensgegenstand, der das ganze oder doch nahezu das ganze Vermögen des Ehegatten bildet, verfügt wird und der beteiligte Dritte dies weiß oder jedenfalls die für die Beurteilung maßgeblichen Verhältnisse kennt1. Unter den genannten Voraussetzungen kann daher der Erwerb und die Veräußerung eines Geschäftsanteils wirksam nur mit Zustimmung des anderen Ehegatten vorgenommen werden2, die formlos erteilt werden kann (§§ 182 ff. BGB). Fehlt die Zustimmung, ist das Rechtsgeschäft nichtig. Nach § 1365 Abs. 2 BGB kann das Familiengericht die fehlende Zustimmung des Ehegatten ersetzen, wenn das Rechtsgeschäft den Grundsätzen ordnungsgemäßer Verwaltung entspricht und die Zustimmung entweder ohne zureichenden Grund verweigert wurde oder nicht oder nicht rechtzeitig eingeholt werden kann. Die sich aus der Unwirksamkeit der Verfügung ergebenden Rechte kann auch der andere Ehegatte gegen den Dritten gerichtlich geltend machen (§ 1368 BGB). Die Verfügungsbeschränkung wirkt sich aber noch in anderen Beziehungen auf die Rechtsstellung des Anteilsinhabers aus, so dass u.U. ihr Ausschluss durch Ehevertrag gemäß § 1408 BGB ratsam ist3. Als eine Verfügung i.S. von § 1365 BGB gilt auch die Vermögensübertragung an 238a eine Gesamthand oder an eine juristische Person, an welcher der verfügende 1 BGHZ 35, 143 ff.; BGHZ 43, 174 ff.; BGHZ 64, 246, 247; BGHZ 77, 293, 295; BGHZ 123, 93, 95; BGH, ZIP 1996, 834, 835; st. Rspr. 2 Dasselbe gilt für die Abtretung des Anwartschaftsrechts auf den Geschäftsanteil; vgl. BGH, ZIP 1996, 834, 835 f. 3 Zur Zulässigkeit auch eines nur einseitigen Ausschlusses BGH, NJW 1964, 1795; eb. Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 149. Die ehevertragliche Befreiung kann sich auf Verfügungen über den Geschäftsanteil beschränken; s. Thiele, in: Staudinger, 2007, § 1363 BGB Rdnr. 21.

Seibt

1121

§ 15

Übertragung von Geschäftsanteilen

Ehegatte beteiligt ist1, und zwar unabhängig von der Gestaltung des betreffenden Gesellschaftsvertrages und die Beteiligungshöhe des Ehegatten. Die Zustimmung zur Einziehung (§ 34 Abs. 2) und die ordentliche Kündigung mit Einziehungs- oder Abtretungsfolge (s. 10. Aufl., Erl. zu § 60 Rdnr. 77 f.) sind nur rechtsgültig, wenn der andere Ehegatte darin eingewilligt hat (§§ 1365 Abs. 1, 1367 BGB)2. Für die Preisgabe des Geschäftsanteils (§ 27) und den Austritt aus wichtigem Grund (s. Anh. § 34 Rdnr. 6 ff.) ist dies dagegen nicht anzunehmen3. Die Entscheidung über Nachschussleistungen aus eigenem Vermögen oder über die Fortsetzung des Gesellschaftsverhältnisses bei Unzumutbarkeit kann nicht an die Zustimmung eines anderen gebunden werden; mit dem Hinweis der ablehnenden Meinung4 auf die Möglichkeit, die verweigerte Einwilligung des Ehegatten nach § 1365 Abs. 2 BGB durch das Vormundschaftsgericht (nunmehr Familiengericht) ersetzen zu lassen, wird das Problem nicht gelöst, sondern nur verlagert und zudem die Wirksamkeit der Preisgabe- bzw. Austrittserklärung wiederum von der zumindest teilweise nach anderen Gesichtspunkten zu treffenden Entscheidung eines anderen abhängig gemacht. Nicht anders liegt es bei der Auflösungsklage (§ 61), die überdies ebenso wie auch die zur Auflösung der Gesellschaft führende Kündigung (s. 10. Aufl., Erl. zu § 60 Rdnr. 74 ff.) keine Verfügung über den Geschäftsanteil ist, sondern sich nur mittelbar auf ihn auswirkt5; die zweifache Analogie, wie sie die Befürworter der Anwendung des Verfügungsverbots auf diese Fälle6 voraussetzen, lässt sich nicht rechtfertigen. 239 Keine Verfügung über den Geschäftsanteil, sondern Ausübung eines sich aus ihm ergebenden Mitgliedschaftsrechts ist die Stimmabgabe (Rdnr. 178, 217). Die Mitwirkung des Ehegatten-Gesellschafters an einem Auflösungsbeschluss nach § 60 Abs. 1 Nr. 2 oder einer Satzungsänderung fällt schon deswegen nicht unter §§ 1365, 1367 BGB7. Auch soweit zu einer Satzungsänderung die Zustimmung des betroffenen Gesellschafters erforderlich ist (s. 10. Aufl., Erl. zu § 53 Rdnr. 48), bedarf diese grundsätzlich nicht der Einwilligung des anderen Ehegatten. Eine Ausnahme ist nach dem Zweck des § 1365 Abs. 1 BGB aber dann zu machen, wenn durch die Satzungsänderung der Anspruch auf den anteiligen Liquidationsüberschuss (s. 10. Aufl., Erl. zu § 72 Rdnr. 3 ff.) oder der Abfindungs1 BGHZ 35, 135, 144 f.; BGHZ 43, 174, 176; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 146; Thiele, in: Staudinger, 2007, § 1365 BGB Rdnr. 58 ff.; a.M. Reinecke, BB 1960, 1003; Fischer, NJW 1960, 938 ff. 2 Eb. Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 146; Reichert/Weller, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 511; Rowedder/Bergmann, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 103. Für die Kündigung bestritten; vgl. dazu Thiele, in: Staudinger, 2007, § 1365 BGB Rdnr. 67. 3 Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 146; Reichert/Weller, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 511; Fischer, NJW 1960, 938, 942; Reinicke, BB 1960, 1002, 1005; H. F. Müller, Das Austrittsrecht des GmbH-Gesellschafters, 1996, S. 90 f.; a.M. Haegele, GmbHR 1965, 190; Rowedder/Bergmann, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 103; Thiele, in: Staudinger, 2007, § 1365 BGB Rdnr. 67. 4 So z.B. Wiedemann, S. 264. 5 Eb. Fischer, NJW 1960, 942; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 146; s. auch Rdnr. 192. 6 So z.B. Beitzke, DB 1961, 24; Eiselt, JZ 1960, 564; Wiedemann, S. 263 f. für die Personengesellschaft; abw. Thiele, in: Staudinger, 2007, § 1365 BGB Rdnr. 67. 7 Im Erg. eb. Haegele, GmbHR 1965, 190 f.; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 146; Rowedder/Bergmann, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 104; abw. für Auflösungsbeschluss Thiele, in: Staudinger, 2007, § 1365 BGB Rdnr. 67 m.w.N.

1122

Seibt

§ 15

Übertragung von Geschäftsanteilen

anspruch in den Ausscheidensfällen (bei Einziehung ohne Zustimmung oder bei Abtretungspflichten) ganz oder doch nahezu ganz ausgeschlossen werden soll1. Auch der Sicherungsübertragung und Pfandrechtsbestellung sind unter den oben genannten Voraussetzungen unter § 1365 BGB fallende Verfügungen2, nicht aber die Nießbrauchsbestellung3. Es kann durch Ehevertrag gemäß §§ 1408, 1410 BGB bestimmt werden, dass der 240 einem Ehegatten gehörende Geschäftsanteil nicht dem Zugewinnausgleich unterliegt4. b) Vertragliche Güterstände Keine gesellschaftsrechtlichen Probleme ergeben sich bei der Gütertrennung 241 (§ 1414 BGB): Jeder Ehegatte ist ohne Einschränkung berechtigt, einen ihm gehörenden Geschäftsanteil zu verwalten und über ihn allein zu verfügen. Beim Bestehen der Gütergemeinschaft (§§ 1415 ff. BGB) kommt es demgegenüber für diese Fragen darauf an, zu welcher Vermögensmasse der Geschäftsanteil gehört (über die Formfrage beim Erwerb und bei der Auseinandersetzung vgl. Rdnr. 93). Sondergut wird er auch dann nicht, wenn seine Übertragbarkeit statutarisch ausgeschlossen ist (Rdnr. 135), da § 1417 Abs. 2 BGB insoweit nicht eingreift5. Wohl aber kann der Geschäftsanteil insbesondere durch ehevertragliche Vereinbarung oder durch Bestimmung des Erblassers oder des unentgeltlich Zuwendenden Vorbehaltsgut eines Ehegatten sein (§ 1418 Abs. 2 BGB). Dieser ist dann alleiniger Rechtsinhaber und kann den Anteil für eigene Rechnung verwalten sowie uneingeschränkt über ihn verfügen (§ 1418 Abs. 3 BGB). Gehört der Geschäftsanteil aber entsprechend dem gesetzlichen Regelfall zum Gesamtgut (§ 1416 BGB), so ist er, wenn der Ehevertrag nichts anderes vorsieht, von den Ehegatten gemeinschaftlich zu verwalten (§ 1421 BGB); im Verhältnis zur GmbH gilt § 18. Steht die Verwaltung des Gesamtguts dagegen nach dem Ehevertrag einem der Ehegatten zu, so übt dieser die Gesellschaftsrechte aus und ist über den Geschäftsanteil verfügungsberechtigt; der andere ist grundsätzlich von der Verwaltung ausgeschlossen (Ausnahmen: §§ 1423 ff., 1428 ff. BGB); § 18 ist nicht anwendbar6. Schenkungen kann der Verwaltungsberechtigte ohne Einwilligung des anderen nicht vornehmen (§ 1425 BGB); darunter wird nach dem Schutzzweck der Bestimmung z.B. auch die Zustimmung zu einer unentgeltlichen Einziehung zu verstehen sein. Erforderlich ist die Einwilligung ferner vor allem für Verpflichtungen zur Verfügung „über das Gesamtgut im Ganzen“ und, wenn sie 1 Vgl. dazu Thiele, in: Staudinger, 2007, § 1365 BGB Rdnr. 63; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 146; einschränkend Fischer, NJW 1960, 942 und Wiedemann, S. 262, die erhebliche wirtschaftliche Beeinträchtigungen genügen lassen; weitergehend Eiselt, JZ 1960, 563. 2 BayObLG, FamRZ 1967, 338; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 146; Rowedder/Bergmann, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 103. 3 BGH, FamRZ 1966, 22. 4 BGH, ZIP 1997, 1287; eb. Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 151. 5 A.M. Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 150; vgl. dazu Lutter, AcP 161 (1962), 163; Apfelbaum, MittBayNot 2006, 185, 190. Zum Streitstand über die Geltung des § 1417 Abs. 2 BGB bei rechtsgeschäftlichem Ausschluss der Übertragbarkeit s. im Übrigen Kanzleiter, in: MünchKomm. BGB, 5. Aufl. 2010, § 1417 BGB Rdnr. 3 f. m.w.N. 6 Haegele, GmbHR 1968, 98.

Seibt

1123

§ 15

Übertragung von Geschäftsanteilen

nicht eingeholt war, für die entsprechenden Ausführungsgeschäfte (§ 1423 BGB); das oben Rdnr. 238 zu § 1365 BGB Ausgeführte gilt hier sinngemäß. Bei der fortgesetzten Gütergemeinschaft (§§ 1483 ff. BGB) steht die Verwaltung des Gesamtguts (§ 1485 BGB) dem überlebenden Ehegatten zu, doch greifen die erwähnten Verfügungsbeschränkungen der §§ 1423, 1425 BGB ebenfalls ein (§ 1487 BGB).

2. Elterliche Sorge 242 Zur Verwaltung des Geschäftsanteils, der einem unter elterlicher Sorge stehenden ehelichen Kinder gehört, sind grundsätzlich beide Eltern berechtigt und verpflichtet (§§ 1626, 1629 ff. BGB). Den bei der Geburt des Kindes nicht miteinander verheirateten Eltern steht die elterliche Sorge gemeinsam zu, wenn sie eine dementsprechende Sorgeerklärung abgeben oder wenn sie einander heiraten; andernfalls ist nur die Mutter sorgeberechtigt (§ 1626a BGB). Die gemeinsame elterliche Sorge ist einvernehmlich (aber nicht notwendig gemeinschaftlich) auszuüben (§ 1627 BGB). Können sich die Eltern nicht einigen, so kann das Familiengericht, wenn die Regelung der Angelegenheit von erheblicher Bedeutung ist, auf Antrag eines Elternteils die Entscheidung einem Elternteil – auch unter Beschränkungen oder Auflagen – übertragen (§ 1628 BGB). Die Vertretung des Kindes erfolgt durch beide Eltern gemeinsam (§ 1629 Abs. 1 BGB). Bei Willenserklärungen, die gegenüber dem Kind abzugeben sind, genügt die Abgabe gegenüber einem Elternteil. Ausnahmsweise kann die elterliche Sorge oder deren Ausübung auch nur einem Elternteil zustehen (§§ 1671 f., 1678 ff. BGB). Die Inhaber der elterlichen Sorge üben in sowie gegenüber der GmbH die Rechte aus dem Geschäftsanteil des Minderjährigen aus und sind über ihn verfügungsberechtigt. Sie haben ein Teilnahmerecht an Gesellschafterversammlungen (die Ladung muss ihnen zugehen) und sind zur Stimmabgabe befugt. Das gilt auch dann, wenn sie bei Beschlüssen über Geschäftsführungsmaßnahmen oder sonstigen, sich in den Grenzen des Gesellschaftsvertrages haltenden gemeinsamen Angelegenheiten an der Abstimmung zugleich im eigenen Namen oder als Vertreter eines Dritten teilnehmen; § 181 BGB ist insoweit nicht anwendbar1. Anders liegt es bei Entscheidungen über die Gesellschaftsgrundlagen, insbesondere bei Satzungsänderungen2, und über die den gesetzlichen Vertreter persönlich betreffenden Rechtsverhältnisse3. Ebenso kann nach § 181 BGB außerhalb der Beschlussfassung ihre Vertretungsmacht ausgeschlossen sein. Entsprechendes ist für die Fälle der §§ 1629 Abs. 2, 1795 BGB anzunehmen. Erforderlich ist daher in diesen Fällen zur wirksamen Vertretung der Minderjährigen die Bestellung eines Ergänzungspflegers gemäß § 1909 BGB (Rdnr. 246); soweit es sich wie z.B. bei Satzungsänderungen um die Regelung des Rechtsverhältnisses unter mehreren als Gesellschafter beteiligten Minderjährigen handelt, muss für jeden von ihnen ein besonderer Pfleger vorhanden sein. Die Haftung für Verbindlichkeiten, die die Eltern mit Wirkung für das Kind begründet haben, beschränkt sich auf den 1 BGHZ 65, 93, 96 ff. 2 BGHZ 65, 93, 95 f. (KG); BGH, GmbHR 1988, 337, 338 (GmbH). Vgl. im Übrigen 10. Aufl., § 47 Rdnr. 180, § 53 Rdnr. 101 f., 103. 3 Näheres dazu 10. Aufl., § 47 Rdnr. 181 m.w.N. Zur Geschäftsführerbestellung des Vertreters BGHZ 51, 209, 214 f.; BGHZ 108, 21, 24 f.; BGH, ZIP 1991, 25, 26 (GbR).

1124

Seibt

§ 15

Übertragung von Geschäftsanteilen

Bestand seines bei Eintritt der Volljährigkeit vorhandenen Vermögens (§ 1629a BGB). Der familiengerichtlichen Genehmigung bedürfen die Inhaber der elterlichen 243 Sorge in den Grenzen des § 1643 BGB. Die Zustimmung zu einer Satzungsänderung ist nicht (wie das von einigen für Personengesellschaften angenommen wird) schon deswegen genehmigungspflichtig, weil es die Beteiligung an der Gründung oder der Erwerb des Geschäftsanteils (s. unten) war (s. 10. Aufl., § 53 Rdnr. 104)1, sondern maßgebend für die Erforderlichkeit der Genehmigung kann immer nur die jeweilige Änderung sein, so z.B. wenn ihr Gegenstand die Begründung einer Nebenleistungspflicht des Minderjährigen i.S. der §§ 1643 Abs. 1, 1822 Nr. 5 oder 10 BGB ist (wegen der Übernahme von Einlagen bei der Kapitalerhöhung s. 10. Aufl., § 55 Rdnr. 105 f.). Der entgeltliche Erwerb und die Veräußerung (bei Unentgeltlichkeit ist § 1641 244 BGB zu beachten) eines Geschäftsanteils fällt grundsätzlich nicht unter das Genehmigungserfordernis der §§ 1643 Abs. 1, 1822 Nr. 3 BGB, auch wenn die GmbH „ein Erwerbsgeschäft“ betreibt2; anders ist i.d.R.3 (nur) beim Erwerb und bei der Veräußerung (nahezu) aller Geschäftsanteile zu entscheiden4, Die überwiegend befürwortete Ausdehnung auf eine den Umständen des Einzelfalls nach wirtschaftlich dem Unternehmensbesitz gleichkommende erhebliche Beteiligung5, die der BGH im Einzelfall bereits bei Erwerb von 50 % der Geschäftsanteile angenommen und zudem auf den Fall, dass ausschließlich Minderjährige an der Gesellschaft beteiligt sind und alle Geschäftsanteile veräußert werden erstreckt hat6, ist nicht mit dem Gesetzeszweck des § 1822 Nr. 3 Alt 1 u. 2 BGB vereinbar7. Der Erwerb eines Geschäftsanteils ist aber nach § 1822 Nr. 10 BGB dann genehmigungspflichtig, wenn der Minderjährige dabei eine Verbindlichkeit 1 Überzeugend dazu Winkler, ZGR 1973, 193 ff. 2 BGHZ 107, 24, 28 ff.; KG, KGJ 34 A 89; KG, JW 1927, 2578; KG, NJW 1976, 1946 f.; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 275; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 3; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 8; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 21; Reichert/ Weller, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 501; Wicke, Rdnr. 3; Rowedder/Bergmann, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 111 f.; Wagenitz, in: MünchKomm. BGB, 5. Aufl. 2008, § 1822 BGB Rdnr. 17; abw. für den Erwerb Meyer-Landrut, Rdnr. 7. 3 Zum Treuhanderwerb RGZ 133, 12. 4 So zutreffend allerdings nur für den Erwerb aller Anteile Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 168. 5 KG, JW 1926, 600; KG, JW 1927, 2578; KG, NJW 1976, 1946 f.; OLG Hamm, WM 1984, 1314; Feine, S. 66 Fn. 7; Rowedder/Bergmann, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 111 f.; Reichert/Weller, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 502; Jasper, in: MünchHdb. III, § 24 Rdnr. 219; Zimmermann, in: Soergel, 13. Aufl. 2000, § 1822 BGB Rdnr. 17 (75 %); Engler, in: Staudinger, 2004, § 1822 BGB Rdnr. 67; Wagenitz, in: MünchKomm. BGB, 5. Aufl. 2008, § 1822 BGB Rdnr. 17; eb. Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 276, die aber bei der Annahme eines solchen Tatbestandes Zurückhaltung für geboten halten. 6 BGH, DNotZ 2004, 152, 153; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 21; Reichert/Weller, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 502; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 8; Brandes, in: Bork/Schäfer, Rdnr. 54. 7 Hachenburg, JW 1926, 600; Zelz, GmbHR 1959, 92; Müller, JR 1961, 329; Wiedemann, S. 247 f.; Winkler, ZGR 1973, 186 f.; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 4; krit. auch Damrau, Rpfleger 1985, 62 ff. m.w.N.; offen gelassen von BayObLG, BB 1985, 1149.

Seibt

1125

§ 15

Übertragung von Geschäftsanteilen

übernimmt, für die im Innenverhältnis zu ihm der bisherige Schuldner haftet und ersatzpflichtig ist. Das trifft zu, wenn eine Haftung des Minderjährigen für rückständige Leistungen seines Rechtsvorgängers auf den Geschäftsanteil (§ 16 Abs. 2), für ausstehende Einlageleistungen anderer Gesellschafter (§ 24) oder für bestehende Erstattungsforderungen wegen gegen § 30 verstoßender Zahlungen (§ 31 Abs. 3) in Betracht kommt und ihm nach dem Veräußerungsgeschäft bei einer Inanspruchnahme durch eine Gesellschaft die rechtliche Möglichkeit zum Regress verbleiben soll1. Das Genehmigungserfordernis greift dagegen nicht schon deswegen ein, weil es theoretisch möglich ist, dass ein Gesellschafter erst nach der Anteilsübertragung unter Verstoß gegen § 30 Leistungen erhielt und nicht nach § 31 erstatten kann2. Bildet der Geschäftsanteil das ganze oder doch nahezu das ganze Vermögen des Minderjährigen, so ist zur Veräußerung auch bei Kenntnis des Erwerbers keine Genehmigung des Vormundschaftsgerichts erforderlich, da nach der nicht unbedenklichen h.M.3 das Erfordernis einer Verpflichtung zur Verfügung über das Vermögen im Ganzen für § 1822 Nr. 1 BGB enger ausgelegt wird als für §§ 1365, 1423 BGB (Rdnr. 238, 241). Keine Veräußerung i.S. des § 1822 Nr. 1, 3 BGB sind die Stimmabgabe für einen Auflösungsbeschluss4, die Erhebung der Auflösungsklage (§ 61) oder die die Auflösung bewirkende Kündigung (s. 10. Aufl., Erl. zu § 60 Rdnr. 74 ff.); die Sollvorschrift des § 1823 BGB betrifft nur den Vormund, nicht die Eltern. Ob für die Kündigung mit Ausscheidungsfolge oder für die Zustimmung zur Einziehung etwas anderes anzunehmen ist, mag offenbleiben, da eine Genehmigungspflicht jedenfalls nach dem oben Gesagten praktisch nicht in Betracht kommt. 244a Besteht ein Zustimmungserfordernis gemäß § 1822 BGB, so erstreckt sich dieses auf alle Nebenabreden, Zusicherungen oder sonstige Abreden im Zusammenhang mit dem Erwerb bzw. der Veräußerung der Geschäftsanteile, weil nur dann das Gericht seine Kontrollaufgabe erfüllen kann5.

3. Vormund, Pfleger und Betreuer 245 Für den Vormund über einen Minderjährigen (§§ 1793 ff. BGB) gelten die Ausführungen in Rdnr. 242 ff. mit der Maßgabe entsprechend, dass der Kreis der genehmigungspflichtigen Geschäfte erweitert ist. Von Bedeutung ist im vorliegenden Zusammenhang vor allem, dass dazu auch der Erbteilungsvertrag (§ 1822 Nr. 2 BGB), d.h. also die Zuteilung eines Geschäftsanteils aus einem Nachlass an einen Erben gehört (zur Form s. Rdnr. 93). 1 BGHZ 107, 24, 28 ff.; KG, NJW 1962, 55; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 277; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 8; Rowedder/Bergmann, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 112; Jasper, in: MünchHdb. III, § 24 Rdnr. 220; Wicke, Rdnr. 3; Zimmermann, in: Soergel, 13. Aufl. 2000, § 1822 BGB Rdnr. 42. Einschr. auf die Haftung für Mitgesellschafter nach §§ 24, 31 Abs. 3 Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 5; MeyerLandrut, Rdnr. 8, während Wiedemann, S. 248; Winkler, ZGR 1973, 188 die Anwendbarkeit des § 1822 Nr. 10 BGB überhaupt verneinen. 2 BGHZ 107, 24, 28 ff.; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 277; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 8; a.M. KGJ 44 A 145; KG, JW 1927, 2578. 3 RGZ 69, 420; RGZ 94, 314; BGH, LM § 1643 BGB Nr. 2. 4 BGHZ 52, 319, 202 ff. 5 BGH, DNotZ 2004, 152, 154; insoweit zutreffend Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 21.

1126

Seibt

§ 15

Übertragung von Geschäftsanteilen

Die Befugnisse des Pflegers ergeben sich aus seiner familiengerichtlichen Bestel- 246 lung. In Frage kommt: Fürsorge und gesetzliche Vertretung in Angelegenheiten, an deren Besorgung der Sorgeberechtigte oder Vormund verhindert ist, z.B. bei der Stimmabgabe im Falle von Satzungsänderungen infolge Verhinderung nach § 181 BGB (Rdnr. 242), bei Abtretung des Geschäftsanteils des Minderjährigen an die Eltern (Vormund; vgl. § 181 BGB) oder Verwaltung des Geschäftsanteils durch den Pfleger, wenn den Eltern oder dem Vormund die Verwaltung nicht zusteht (§§ 1630, 1638, 1795, 1796, 1909 BGB). Im Rahmen dieser Verwaltung steht der Pfleger völlig an Stelle des Anteilseigners (Pfleglings). Dagegen kommt es bei der Abwesenheitspflegschaft (§ 1911) für einen volljährigen Gesellschafter ganz auf den Geschäftsumfang an, den das Vormundschaftsgericht der Pflegschaft zugewiesen hat. Ist der Volljährige geschäftsfähig, so ist sein Pfleger nur ein staatlich bestellter Bevollmächtigter1; ist jener ganz oder beschränkt geschäftsunfähig, so ist der Pfleger im Rahmen seines Aufgabenbereichs gesetzlicher Vertreter2. Der Aufgabenkreis eines Betreuers (§§ 1896 ff. BGB) wird in der betreuungs- 247 gerichtlichen Bestellung festgelegt. Er kann entsprechend der Betreuungsnotwendigkeit umfassend sein oder sich auf bestimmte Angelegenheiten, z.B. die Vermögenssorge oder auch nur die Verwaltung des Geschäftsanteils beschränken (§ 1896 Abs. 2 BGB). Der Betreuer vertritt den Betreuten in seinem Aufgabenkreis gerichtlich und außergerichtlich (§ 1902 BGB); er hat dabei die Stellung eines gesetzlichen Vertreters. Die Geschäftsfähigkeit eines Betreuten wird durch die Bestellung nicht berührt, aber soweit dies zur Abwehr einer erheblichen Gefahr für seine Person oder sein Vermögen erforderlich ist, ordnet das Betreuungsgericht an, dass der Betreute zu einer Willenserklärung, die den Aufgabenkreis des Betreuers betrifft, dessen Einwilligung bedarf; ausgenommen sind rechtlich lediglich vorteilhafte Willenserklärungen (§ 1903 Abs. 1 u. 3 BGB). Ein geschäftsunfähiger Betreuter kann dagegen nur durch den Betreuer als gesetzlichen Vertreter am rechtsgeschäftlichen Verkehr teilnehmen (§§ 104 Nr. 2, 105 Abs. 1 BGB). Auf die Betreuung sind die in § 1908i BGB genannten familiengerichtlichen Vorschriften sinngemäß anzuwenden, insbesondere gilt das auch für den Ausschluss der Vertretungsmacht gemäß §§ 1795 f. BGB und für die familiengerichtlichen Genehmigungen gemäß § 1822 BGB (Rdnr. 242 ff., 245). Der Gesellschaftsvertrag kann die Ausübung der Gesellschafterrechte durch den Betreuer nicht ausschließen oder beschränken3.

4. Nachlasspfleger Dieser ist vom Nachlassgericht im Bedarfsfalle zu bestellen zur Vertretung des 248 noch unbekannten Erben, insbes. wenn Nachlassforderungen geltend gemacht werden sollen (§§ 1960 ff. BGB). Gehört also zum Nachlass ein Geschäftsanteil, so verwaltet der Nachlasspfleger diesen nach Maßgabe seiner Bestellung. Alle Rechtshandlungen zwischen der GmbH und dem (noch unbekannten) Anteilseigner sind im Verhältnis zwischen GmbH und Nachlasspfleger abzuwickeln; 1 KG, HRR 1929, 1651; a.M. OLG Celle, FamRZ 1963, 465. 2 KG, HRR 1929, 1651. 3 BGHZ 44, 98, 100 ff. zu § 1910 a.F. BGB.

Seibt

1127

§ 15

Übertragung von Geschäftsanteilen

dieser ist im Rahmen seiner Aufgaben gesetzl. Vertreter des noch ungewissen Erben1.

5. Nachlassverwalter 249 Nachlassverwalter werden vom Nachlassgericht auf Antrag des Erben oder eines Nachlassgläubigers zum Zwecke der Befriedigung der Nachlassgläubiger eingesetzt (§§ 1975, 1981 BGB). Zur Verwaltung des Nachlasses und zur Verfügung über ihn ist nur der Nachlassverwalter befugt (§§ 1984 f. BGB). Er verfügt also über einen zum Nachlass gehörenden Geschäftsanteil. Da er die Nachlassgläubiger aus dem Nachlass (nicht aus anderem Vermögen) zu befriedigen oder sicherzustellen hat, kann er auch den Geschäftsanteil veräußern, ist dabei aber an etwaige statutarische Abtretungsvoraussetzungen (Rdnr. 107 ff.) gebunden2. Bis dahin übt er die mit dem Anteil verknüpften Rechte aus; höchstpersönliche Rechte, wie z.B. die mit dem Geschäftsanteil verbundene Geschäftsführungsbefugnis, stehen ihm nicht zu. Forderungen der GmbH, soweit vor dem Erbfall, wenn auch bedingt oder betagt, entstanden (Nachlassforderungen), sind nur ihm gegenüber geltend zu machen und nur aus dem Nachlass zu befriedigen. Der Erbe haftet nach Beendigung der Nachlasspflegschaft nur „beschränkt“, d.h. nur mit dem etwa noch vorhandenen Nachlassvermögen (§§ 1975, 1990 BGB). Nach dem Erbfall entstandene Forderungen der GmbH sind keine Nachlassforderungen; für diese haftet der Erbe als Gesellschafter unbeschränkt.

6. Testamentsvollstrecker 250 Die Testamentsvollstreckung am Geschäftsanteil ist gesellschaftsrechtlich ohne Rücksicht darauf zulässig, ob sie zwecks Abwicklung (§§ 2203 ff. BGB) oder Verwaltung (§ 2205 BGB) angeordnet ist3. Die personalistische Ausgestaltung des Gesellschaftsverhältnisses steht ihr nicht entgegen. Der Gesellschaftsvertrag kann aber die Ausübung der Mitverwaltungsrechte aus dem Geschäftsanteil durch den Testamentsvollstrecker ausschließen, von dessen Zugehörigkeit zu einem bestimmten Personenkreis abhängig machen oder sonst sachlich einschränken4. Statutarische Beschränkungen der Vertretung bei der Ausübung von 1 RGZ 76, 125; BGH, LM § 1960 BGB Nr. 3. 2 Abw. Däubler, S. 15 f. 3 BGHZ 108, 21, 23; BGH, NJW 1959, 1820; BGH, GmbHR 1977, 244, 246; BayObLG, GmbHR 1991, 572, 574 f.; Priester, in: FS Stimpel, 1985, S. 463; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 29; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 17; Reichert/Weller, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 486; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 21; Wiedemann, S. 338; Nagler, Die zweckmäßige Nachfolgeregelung im GmbH-Vertrag, 1998, S. 220 ff.; Jasper/Wollbrink, in: MünchHdb. III, § 25 Rdnr. 45; Wicke, Rdnr. 9; einschr. für die Verwaltungsvollstreckung Rowedder/Bergmann, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 130. 4 BGH, NJW 1959, 1820; OLG Frankfurt a.M., EWiR § 15 GmbHG 1/09, 83, 84 (m. Komm. Floeth); Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 29; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 17; Reichert/Weller, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 486; Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 53; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 21; Nagler, Die zweckmäßige Nachfolgeregelung im GmbH-Vertrag, S. 222 ff.; a.M. Karsten Schmidt, in: FS Maier-Reimer, S. 629, 633 f.; Wiedemann, S. 398; Petzoldt, GmbHR 1977, 28; Priester, in: FS Stimpel, S. 463, 471.

1128

Seibt

§ 15

Übertragung von Geschäftsanteilen

Mitgliedschaftsrechten gelten trotz der besonderen Rechtsstellung des Testamentsvollstreckers im Zweifel auch für ihn1. Soweit der Testamentsvollstrecker durch den Gesellschaftsvertrag an der Wahrnehmung der Gesellschafterrechte verhindert ist, steht sie dem Erben zu2. Ob die vermögensrechtlichen Ansprüche aus dem Geschäftsanteil (auf Gewinn, Abfindung, Liquidationserlösquote u.a.) auch bei zeitweiser Undurchführbarkeit der testamentarischen Anordnung der Verwaltung des Testamentsvollstreckers unterliegen sollen, ist durch Auslegung des Erblasserwillens festzustellen. Der Ausschluss oder die Beschränkung der Abtretbarkeit des Geschäftsanteils (Rdnr. 107 ff.) sind grundsätzlich ohne Einfluss auf die Zulässigkeit der Testamentsvollstreckung. Der Aufgabenkreis des Testamentsvollstreckers kann sehr verschieden sein, da 251 hier der Wille des Erblassers maßgebend ist, den er zu vollstrecken hat (§§ 2203, 2208, 2209 BGB). Mangels testamentarischer Einschränkung hat er, unter Ausschluss des (der) Erben (§§ 2205, 2211 BGB), den gesamten Nachlass zu verwalten und kann über ihn verfügen (§§ 2205 f. BGB), doch nicht unentgeltlich (§ 2205 Satz 3 BGB); die Verwaltung und Verfügung kann auch auf einzelne Nachlassgegenstände, z.B. auf den zum Nachlass gehörenden Geschäftsanteil, beschränkt sein (§§ 2205, 2208 BGB). Unzulässig ist dagegen die auf ein selbständig nicht übertragbares Mitgliedschaftsrecht beschränkte Testamentsvollstreckung, so z.B. die bloße Einräumung des Stimmrechts3. Im Übrigen kann aber auch bei der Verwaltung eines Geschäftsanteils der Umfang letztwillig bestimmt werden, § 2208 BGB4. War ohne Einschränkung die Verwaltung durch den Testamentsvollstrecker angeordnet, so ist dieser unter Ausschluss der Gesellschaftererben berechtigt und verpflichtet, grundsätzlich alle sich aus dem Geschäftsanteil ergebenden Rechte, insbesondere auch – vorbehaltlich etwaiger Beschränkungen des Gesellschaftsvertrages (Rdnr. 250) – die Mitverwaltungsrechte wahrzunehmen5. Ausgenommen sind jedoch höchstpersönliche Gesellschafterrechte, z.B. ein dem Gesellschafternachfolger statutarisch eingeräumtes persönliches Geschäftsführungsrecht6. Insichgeschäfte kann er analog § 181 BGB grundsätzlich nur dann rechtswirksam vornehmen, wenn der Erblasser 1 Vgl. Schilling, in: FS W. Schmidt, 1959, S. 208, 217; Priester, in: FS Stimpel, S. 471 f.; a.M. Karsten Schmidt, in: FS Maier-Reimer, S. 629, 634. 2 Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 29; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 21; Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 53. 3 Schilling, in: FS W. Schmidt, S. 217; Vogel, GmbHR 1971, 132, 137; Priester, in: FS Stimpel, S. 468; Koch, Die Zuordnung des vererbten GmbH-Geschäftsanteils, Diss. Heidelberg 1981, Fn. 8; Nagler, Die zweckmäßige Nachfolgeregelung im GmbH-Vertrag, S. 224; Jasper/Wollbrink, in: MünchHdb. III, § 25 Rdnr. 46; Groß, GmbHR 1994, 596, 597 Fn. 5; a.M. OLG Hamm, BB 1956, 511; Wiedemann, S. 338; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 29 a.E.; Haegele, Rpfleger 1969, 186, 187. 4 H.M.; abw. v. Burchard, GmbHR 1954, 151; Schilling, in: FS W. Schmidt, S. 217. 5 BGH, GmbHR 1959, 256; BayObLG, GmbHR 1991, 572, 575; v. Burchard, GmbHR 1954, 150 ff.; Däubler, S. 39 ff.; Schilling, in: FS W. Schmidt, S. 217; Wiedemann, S. 338; Priester, in: FS Stimpel, S. 472 f.; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 30; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 17; Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 50; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 21; Reichert/Weller, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 488; Jasper/Wollbrink, in: MünchHdb. III, § 25 Rdnr. 48. 6 Schilling, in: FS W. Schmidt, S. 217; Jasper/Wollbrink, in: MünchHdb. III, § 25 Rdnr. 48; Wicke, Rdnr. 9. Anders liegt es, wenn das Geschäftsführungsrecht zwar als Anteilsbestandteil gewollt, aber nicht personengebunden ist; vgl. Priester, in: FS Stimpel,

Seibt

1129

§ 15

Übertragung von Geschäftsanteilen

durch letztwillige Verfügung oder die Erben dies gestattet haben1; zur Anwendung der Stimmverbote aus § 47 Abs. 4 s. die dortigen Erl. (10. Aufl.) Rdnr. 155 ff. Die Informations- und Kontrollrechte stehen dem Testamentsvollstrecker zu und sind durch ihn pflichtgemäß (§ 2216 Abs. 1 BGB) wahrzunehmen2. Er hat, soweit seine Verwaltungsbefugnis reicht, auch das Recht zur Anfechtung der Gesellschafterbeschlüsse3. Rechtshandlungen der GmbH haben ihm gegenüber zu erfolgen4. 252 Der Testamentsvollstrecker kann an satzungsändernden Beschlüssen (§ 53) mitwirken und auch, wenn dies der letztwilligen Verfügung entspricht, ohne Einwilligung der Erben eine zusätzlich erforderliche Zustimmung zur Satzungsänderung wegen Eingriffs in Sonderrechte oder relativ unentziehbare Mitgliedschaftsrechte, Leistungsvermehrung oder Abweichung vom Gleichbehandlungsgrundsatz erteilen5. Es ist nicht sinn- und wertungsgerecht, den gesellschaftsrechtlichen Kernbereichsschutz, den die Gegenmeinung heranzieht, auf das völlig anders geartete Rechtsverhältnis zwischen dem Testamentsvollstrecker und den Erben zu übertragen6. Eine Zustimmung ist dagegen erforderlich, wenn seine Erklärungen (Stimmabgabe und/oder Zustimmung) als eine das Anteilsrecht inhaltlich umgestaltende unentgeltliche Verfügung i.S. des § 2205 Satz 3 BGB zu qualifizieren sind; es gelten hierfür dieselben Beurteilungsmaßstäbe wie für entsprechende Verfügungen des Vorerben (Rdnr. 41)7. Neue Gesellschafterpflichten darf er im Rahmen der §§ 2206, 2207 BGB ohne Zustimmung der Erben unter der Voraussetzung begründen, dass ihre Erfüllung aus dem Nachlass gesichert oder die Haftung auf ihn beschränkt ist8; seine Zustimmungsbefugnis gemäß § 53 Abs. 3 ist insoweit eingeschränkt. Einer Kapitalerhöhung gegen Einlagen darf er deshalb im Hinblick auf § 24 auch ohne eigene Beteiligung nur zustimmen, wenn die sofortige Einlageleistung der Übernehmer festgelegt und gewährleistet ist oder wenn der

1 2 3 4 5

6

7 8

S. 472; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 31; Koch, Die Zuordnung des vererbten GmbHGeschäftsanteils, S. 194. BGHZ 30, 67, 69 ff.; BGHZ 51, 209, 214 f.; BGHZ 108, 21, 24 f.; eb. Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 30. BGH, NJW 1959, 1820, 1821 f. BGHZ 108, 21, 23; OLG Düsseldorf, GmbHR 1996, 443, 446; eb. Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 30. Priester, in: FS Stimpel, S. 472 f. Lorz, in: FS Boujong, 1996, S. 319 ff.; Jasper/Wollbrink, in: MünchHdb. III, § 25 Rdnr. 54 ff.; a.M. Priester, in: FS Stimpel, S. 481 ff.; Karsten Schmidt, GesR, § 35 II 3c; Heinemann, GmbHR 1985, 349; Ulmer, NJW 1990, 73, 79 ff.; s. auch Wiedemann, S. 338. BGHZ 108, 187, 198 ff. hat die ähnliche Frage für Kommanditanteile offen gelassen. Eb. Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 32; Brandner, in: FS Kellermann, 1991, S. 37, 44 f.; Lorz, in: FS Boujong, S. 319 ff.; Rowedder, in: FS Goerdeler, 1987, S. 445, 464 f.; Reichert/ Weller, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 491; Jasper/Wollbrink, in: MünchHdb. III, § 25 Rdnr. 55; Hehemann, BB 1995, 1301, 1309 f.; abw. Ulmer, ZHR 146 (1982), 555, 564 ff.; Ulmer, NJW 1990, 73, 79/80 f.; Priester, in: FS Stimpel, S. 481 ff.; Nagler, Die zweckmäßige Nachfolgeregelung im GmbH-Vertrag, S. 221; Raddatz, Die Nachlasszugehörigkeit vererbter Personengesellschaftsanteile, 1991, S. 173 ff. Priester, in: FS Stimpel, S. 475 ff.; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 32; Bayer, in: Lutter/ Hommelhoff, Rdnr. 21; Jasper/Wollbrink, in: MünchHdb. III, § 25 Rdnr. 54 ff. Däubler, S. 41; Priester, in: FS Stimpel, S. 479; Jasper/Wollbrink, in: MünchHdb. III, § 25 Rdnr. 51 ff.; a.M. v. Burchard, GmbHR 1954, 152 f.; Wiedemann, S. 338.

1130

Seibt

§ 15

Übertragung von Geschäftsanteilen

Nachlass für die Ausfallhaftung ausreicht1. Er selbst ist zur Übernahme eines Geschäftsanteils nur befugt, wenn sie sofort fällig und aus Nachlassmitteln zu erbringen ist2. Auch bei Umwandlungen kann aus den vorgenannten Gründen im Einzelfall eine Zustimmung erforderlich sein3. Die Mitwirkung an einer Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln ist dagegen uneingeschränkt zulässig. Bei der Rückübertragung eines Treuhandanteils auf den minderjährigen Treugeber ist eine Zustimmung jedenfalls dann nicht erforderlich, wenn keine zusätzlichen persönlichen Pflichten begründet werden4. Unentgeltliche Verfügungen über den Geschäftsanteil oder über die aus ihm 253 sich ergebenden Vermögensansprüche sind dem Testamentsvollstrecker nicht gestattet (§ 2205 Satz 3 BGB). Nicht darunter fallen Abtretungen oder Belastungen, die er in Vollzug einer Teilungsanordnung des Erblassers5 oder in Erfüllung von Vermächtnissen oder testamentarischen Auflagen6 vorgenommen hat. Eine unentgeltliche Verfügung des Testamentsvollstreckers ist im Übrigen anzunehmen, wenn er damit aus der Erbmasse ein Opfer ohne gleichwertige Gegenleistung erbringt und er dies weiß oder bei ordnungsgemäßer Verwaltung erkennen müsste7; bei Verfügungen im Rahmen der Auseinandersetzung unter Miterben (§ 2204 BGB) kommt es auf den Wert der weggefallenen Gesamthandsbeteiligung an8. Die angeführten Beurteilungskriterien gelten nicht nur für die Veräußerung und Belastung des Geschäftsanteils, sondern auch für Verfügungen des Testamentsvollstreckers durch die Zustimmung zur Einziehung (§ 34 Abs. 2) oder durch Ausscheidenskündigung; die für die Abfindung maßgebende statutarische Bewertungsklausel kann in diesen Fällen zu einer teilweisen unentgeltlichen Verfügung führen9. Über Besonderheiten bei Verfügungen über den Geschäftsanteil durch die Mitwirkung an Satzungsänderungen vgl. oben Rdnr. 252. Der Testamentsvollstrecker haftet gemäß §§ 2216, 2219 BGB für die ordnungsmäßige Verwaltung des Nachlasses.

XII. Der Geschäftsanteil im Insolvenzverfahren 1. Insolvenz des Gesellschafters Die Insolvenz des Gesellschafters hat die Wirkung, dass dessen Geschäftsanteil mit dem Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens zur Insolvenzmasse 1 Groß, GmbHR 1994, 598; Priester, in: FS Stimpel, S. 479; Jasper/Wollbrink, in: MünchHdb. III, § 25 Rdnr. 51; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 32. 2 Priester, in: FS Stimpel, S. 478; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 32; Groß, GmbHR 1994, 598. 3 Vgl. dazu Dörrie, GmbHR 1996, 245 ff.; weitergehend Zimmermann, in: Kallmeyer, 4. Aufl. 2010, § 13 UmwG Rdnr. 34, die zu Unrecht generell eine Zustimmung verlangen. 4 BayObLG, GmbHR 1991, 572, 575. 5 OLG Düsseldorf, GmbHR 1990, 504, 507. 6 RGZ 105, 246, 248; OLG Düsseldorf, GmbHR 1990, 504, 507. 7 RGZ 105, 246, 248; BGHZ 57, 84, 89 f.; BGH, NJW 1963, 1613, 1614; KG, Rpfleger 1972, 58; OLG Düsseldorf, GmbHR 1990, 504, 507; vgl. dazu auch Zimmermann, in: MünchKomm. BGB, 5. Aufl. 2010, § 2205 BGB Rdnr. 72; Damrau, in: Soergel, 13. Aufl. 2003, § 2205 BGB Rdnr. 75, jeweils m.w.N. 8 BGH, NJW 1963, 1613, 1615; OLG Düsseldorf, GmbHR 1990, 504, 507. 9 Näher dazu Priester, in: FS Stimpel, S. 474 f. m.w.N.

Seibt

1131

254

§ 15

Übertragung von Geschäftsanteilen

gehört (§ 35 InsO), und zwar unabhängig davon, ob die Satzung für den Fall der Anteilsabtretung oder des Insolvenzverfahrens Beschränkungen (§ 15 Abs. 5) vorsieht (Rdnr. 256). Das für den Fall der Pfändung eines Geschäftsanteils in Rdnr. 202 ff. Gesagte, auch soweit es unentgeltliche Einziehung des Anteils betrifft, gilt grundsätzlich auch für das Insolvenzverfahren1, eine Abweichung besteht jedoch entsprechend den in Rdnr. 197 a.E. behandelten Einziehungsfällen insofern, als ein Einziehungsrecht, dessen statutarische Voraussetzungen ganz oder teilweise erst nach der Beschlagnahme erfüllt worden sind, den Insolvenzgläubigern gegenüber auch dann nicht wirksam erworben ist, wenn der Erwerb nicht auf einer Rechtshandlung des Schuldners beruht2. Der Insolvenzverwalter, als staatlich eingesetzte Amtsperson, übt die Verwaltungsrechte, also auch das Stimmrecht3, aus dem zur Insolvenzmasse gehörigen Geschäftsanteil aus (§ 80 InsO), auch wenn die Satzung eine Vertretung bei der Abstimmung nicht zulässt; sie kann aber dessen Ruhen für den Insolvenzfall anordnen4. Höchstpersönliche Gesellschafterrechte kann er nicht wahrnehmen, wohl aber mit dem Geschäftsanteil verbundene Rechte zur Bestellung des Geschäftsführers oder zur Entsendung eines Aufsichtsratsmitglieds5. Die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis des Anteilsinhabers bleibt jedoch bestehen, wenn das Insolvenzgericht die Eigenverwaltung der Insolvenzmasse angeordnet hat (§§ 270 f. InsO); die Anteilsrechte werden dann weiter durch ihn unter Aufsicht und, soweit besonders angeordnet, mit Zustimmung eines Sachwalters ausgeübt (§§ 270, 274 f.; 277 InsO); der Sachwalter ist an der Gesellschafterversammlung teilnahmeberechtigt. 255 Pfändungen des Geschäftsanteils (Zwangsvollstreckungen und Arreste; Rdnr. 195) seitens eines Insolvenzgläubigers sind während der Dauer des Insolvenzverfahrens unzulässig (§ 89 Abs. 1 InsO); früher begründete Pfandrechte bleiben bestehen, soweit sie nicht anfechtbar sind (§§ 129 ff. InsO), und können zu abgesonderter Befriedigung führen (§ 50 InsO). Das Insolvenzgericht kann auf Antrag des Verwalters und nach Anhörung des Gläubigers eine Frist zur Verwertung durch ihn bestimmen; nach Fristablauf ist der Verwalter zur Verwertung berechtigt (§ 173 InsO). Der Insolvenzplan kann die Befriedigung der absonderungsberechtigten Gläubiger abweichend regeln, insbesondere auch ihre Rechte kürzen (§§ 217, 221, 223 InsO). 256 Der Insolvenzverwalter oder, wenn die Eigenverwaltung angeordnet ist (Rdnr. 254), der Gesellschafter kann den Geschäftsanteil verkaufen, und zwar, da es sich um einen Akt der Zwangsvollstreckung handelt, ohne Rücksicht auf satzungsmäßige Abtretungsbeschränkungen i.S. von § 15 Abs. 5 (Rdnr. 202)6; al1 RGZ 70, 64, 67; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 64; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 88. 2 Wolany, Rechte und Pflichten der Gesellschafter einer GmbH, 1964, S. 145; H. Winter, GmbHR 1967, 201, 208. 3 So auch OLG München, ZIP 2010, 1756. 4 Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 316; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 64; a.M. Rowedder/Bergmann, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 151. 5 Zutr. Rowedder/Bergmann, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 151. 6 BGHZ 65, 22, 24 f.; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 316; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/ Hueck, Rdnr. 64; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 64; Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 251; Reichert/Weller, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 558; Brandes, in: Bork/

1132

Seibt

§ 15

Übertragung von Geschäftsanteilen

lerdings kann bei einer provozierten Insolvenz der Einwand des Rechtsmissbrauchs eingreifen. Die freihändige Veräußerung des Geschäftsanteils bedarf allerdings der Form des § 15 Abs. 3 und Abs. 41. Insolvenzverwalter bzw. Gesellschafter haben für die Veräußerung die Zustimmung des Gläubigerausschusses einzuholen (§§ 160 Abs. 1 u. 2 Nr. 1, 276 InsO); ein Verstoß hiergegen berührt ihre Wirksamkeit aber nicht (§§ 164, 276 InsO). Enthält der rechtskräftig bestätigte Insolvenzplan die Willenserklärung eines Beteiligten über die Abtretung des Geschäftsanteils oder über die Verpflichtung hierzu, so ersetzt er insoweit die Formen der Abs. 3 und/oder 4 (§ 254 Abs. 1 InsO). Für den Erwerb gilt im Verhältnis zur GmbH der § 162 (Rdnr. 209). Weiteres über die Gesellschafterinsolvenz s. bei § 64. Aufgelöst wird die GmbH durch das Insolvenzverfahren nur dann, wenn dies im Gesellschaftsvertrag als Auflösungsgrund vorgesehen ist (§ 60 Abs. 2). In der Insolvenz des Treugebers kann der Insolvenzverwalter bei der echten un- 257 eigennützigen Treuhand (Verwaltungstreuhand) von dem Treuhänder Herausgabe des Geschäftsanteils verlangen; hier ist der Geschäftsanteil haftungsrechtlich nämlich dem Treugeber zugeordnet3. Bei der eigennützigen Treuhand (Sicherungstreuhand) hat der Treuhänder nur ein Recht auf abgesonderte Befriedigung nach § 51 Nr. 1 InsO4. In der Insolvenz des Treuhänders hat der Treugeber sowohl bei der echten uneigennützigen Treuhand (Verwaltungstreuhand) als auch bei der Sicherungstreuhand ein Aussonderungsrecht gemäß § 47 InsO5. Dabei ist es unerheblich, in welche Weise der Treuhänder das Treugut erworben hat6. Allerdings steht das Aussonderungsrecht bei der eigennützigen Treuhand unter der Voraussetzung, dass der Treugeber die gesicherte Forderung tilgt, da ansonsten der Sicherungsfall noch eintreten könnte. Bei der uneigennützigen Treuhand (Verwaltungstreuhand) wird in der Unternehmenspraxis das Treugut unter der auflösenden Bedingung der Insolvenz des Treuhänders übertragen.

1

2 3

4

5 6

Schäfer, Rdnr. 79; a.M. Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 88; Liebscher/Lübke, ZIP 2004, 241, 251. Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 316; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 64; Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 251; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 64; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 88; Brandes, in: Bork/Schäfer, Rdnr. 79; Rowedder/Bergmann, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 153. Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 64; Reichert/Weller, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 558; Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 251. BGH, DB 1975, 300; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 320; Rowedder/Bergmann, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 157; Lwowski/Peters, in: MünchKomm. InsO, 2. Aufl. 2007, § 35 InsO Rdnr. 125; Ganter, in: MünchKomm. InsO, 2. Aufl. 2007, § 47 InsO Rdnr. 371. BGH, WM 1987, 74, 76; BGH, WM 1965, 84; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 320; Rowedder/Bergmann, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 157; Ganter, in: MünchKomm. InsO, 2. Aufl. 2007, § 47 InsO Rdnr. 381. Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 319. Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 319; a.M. kein Aussonderungsrecht bei Erwerbstreuhand Rowedder/Bergmann, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 158; Lwowski, in: MünchKomm. InsO, 2. Aufl. 2007, § 35 InsO Rdnr. 117, 122; Ganter, in: MünchKomm. InsO, 2. Aufl. 2007, § 47 InsO Rdnr. 375.

Seibt

1133

§ 15

Übertragung von Geschäftsanteilen

2. Insolvenz der GmbH 258 Hierüber s. § 64. Jeder Gesellschafter kann, ohne Rücksicht auf das Insolvenzverfahren, seinen Geschäftsanteil nach den Regeln des § 15 veräußern und verpfänden1. Eine erforderliche Genehmigung dazu (§ 15 Abs. 5) beschließt die Gesellschafterversammlung oder ein nach § 45 Abs. 2 zuständiges anderes Gesellschaftsorgan; sie wird erforderlichenfalls vom Geschäftsführer erklärt (Rdnr. 129 f.), nicht dagegen vom Insolvenzverwalter2. Aber die Gesellschaftsorgane bleiben bestehen. Der § 16 (Eintragung des Anteilserwerbers in die Gesellschafterliste und Haftungsfragen) gilt unverändert; die Einreichung beim Registergericht erfolgt durch den Geschäftsführer oder den mitwirkenden Notar, nicht den Insolvenzverwalter3. Das Vorliegen eines Insolvenzgrundes stellt einen Rechtsmangel des Geschäftsanteils dar; der Verkäufer kann dem Käufer gegenüber schadensersatzpflichtig sein, wenn er dies oder die bevorstehende Eröffnung des Insolvenzverfahrens verschwiegen hatte4. Zwangsvollstreckungen in Geschäftsanteile werden durch das Insolvenzverfahren über das Vermögen der GmbH nicht berührt. 259 Besitzt die GmbH eigene Geschäftsanteile (§ 33), so verfügt der Insolvenzverwalter oder, wenn Eigenverwaltung angeordnet ist (Rdnr. 254), der Geschäftsführer über diese5. Für Verkauf gilt das in Rdnr. 258 Gesagte entsprechend. Verwaltungsrechte, insbes. Stimmrecht, aus den eigenen Geschäftsanteilen ruhen (s. bei § 33).

XIII. Steuerrecht Schrifttum: Crezelius, Dogmatische Grundstrukturen der Unternehmenssteuerreform, DB 2001, 221; Gosch, KStG, 2. Aufl. 2009; Schmidt, EStG, 31. Aufl. 2012; Schön, Die Abzugsschranken des § 3c EStG zwischen Verfassungs- und Europarecht, FR 2001, 381.

1. Ertragsteuerrechtliche Systematik 260 Wird ein GmbH-Geschäftsanteil auf ein anderes Rechtssubjekt übertragen, dann kommt es (auch) steuerrechtlich darauf an, ob dem eine entgeltliche oder unentgeltliche causa zugrunde liegt. Die ertragsteuerrechtlichen Gewinnrealisierungstatbestände sind nur bei (entgeltlichen) Veräußerungstatbeständen einschlägig. Vor dem Hintergrund der dualistischen Unternehmensbesteuerung 1 RGZ 64, 153; eb. Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 321; Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 252. 2 RG, GmbHR 1918, 99; OLG Rostock, GmbHRspr. II § 17 R. 3; Wiedemann, Übertragung, S. 98; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 321; Reichert/Weller, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 563; Rowedder/Bergmann, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 159; zweifelnd RGZ 64, 154 u. OLG München, GmbHRspr. II § 16 R. 10; a.M. Brodmann, Anm. 5c; anscheinend auch OLG Hamburg, GmbHR 1914, 383 = GmbHRspr. II § 17 R. 18. 3 Vgl. zum alten Recht: Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 321; Rowedder/Bergmann, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 159. 4 RGZ 143, 22; hierzu ausführlich Rdnr. 144 f. 5 Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 321 a.E.; Rowedder/Bergmann, in: Rowedder/SchmidtLeithoff, Rdnr. 159 a.E.

1134

Crezelius

§ 15

Übertragung von Geschäftsanteilen

– EStG einerseits, KStG andererseits – ist zudem danach zu differenzieren, ob es sich um eine Veräußerung durch ein Einkommensteuersubjekt, eine natürliche Person oder durch ein Körperschaftsteuersubjekt handelt. Geht es um ein Einkommensteuersubjekt oder um eine transparent besteuerte Personengesellschaft, dann kommt es auch bei Veräußerungsvorgängen zur Anwendung des Teileinkünfteverfahrens1. Das in § 3 Nr. 40 EStG geregelte Teileinkünfteverfahren will die Doppelbelastung mit Körperschaftsteuer der GmbH und Einkommensteuer des Anteilseigners dadurch abmildern, dass auf der Ebene des Anteilseigners nur 60 v.H. des Veräußerungserlöses Steuersubstrat sind. Kombiniert ist das Teileinkünfteverfahren mit einem Teilabzugsverfahren (§ 3c Abs. 2 EStG). Da Erträge aus kapitalgesellschaftsrechtlichen Beteiligungen nur zu 60 v.H. erfasst werden, sollen nach der Idee des Gesetzes auch Betriebsvermögensminderungen, Anschaffungskosten, Betriebsausgaben und Werbungskosten, die mit der kapitalgesellschaftsrechtlichen Beteiligung zusammenhängen, zu 60 v.H. gegengerechnet werden. Das ist wenig einsichtig, weil die teilweise Abziehbarkeit mit der Idee des Teileinkünfteverfahrens nichts zu tun hat2. Ist der Inhaber des GmbH-Geschäftsanteils Körperschaftsteuersubjekt, dann ist dies der Anwendungsbereich des § 8b KStG.

2. Anteilseigner ist Einkommensteuersubjekt a) Wird ein GmbH-Geschäftsanteil entgeltlich durch eine natürliche Person 261 übertragen und ist diese natürliche Person mit weniger als 1 v.H. (arg. § 17 Abs. 1 Satz 1 EStG) an der Gesellschaft beteiligt, dann war dieser Vorgang nach früherer Rechtslage nur unter den Voraussetzungen des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG a.F. steuerbar. Mittlerweile fällt diese Variante unter das Abgeltungsteuersystem, und zwar als Veräußerungstatbestand nach § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EStG. In Konsequenz davon kommt es prinzipiell zu einer abgeltenden „Pauschalbesteuerung“ von 25 v.H. nach § 32d Abs. 1 EStG. Handelt es sich um eine privat gehaltene Beteiligung und ist der Anteilseigner 262 zu mindestens 1 v.H. an der Gesellschaft unmittelbar oder mittelbar beteiligt, dann führt dies nach § 17 Abs. 1 Satz 1 EStG zu Einkünften aus Gewerbebetrieb. Nach § 3 Nr. 40 Satz 1 Buchst. c EStG kommt es zum Teileinkünfteverfahren und zum Ansatz nur des teilweisen Veräußerungspreises; die Anschaffungskosten und die Veräußerungskosten sind gleichfalls nur zu 60 v.H. abzugsfähig (§ 3c Abs. 2 Satz 1 EStG). Die Einordnung des Vorgangs zu den gewerblichen Einkünften führt dazu, dass der Besteuerungszeitpunkt nicht vom Zufluss abhängig ist, vielmehr kommt es auf den Zeitpunkt des Veräußerungsvorgangs an3. Obwohl es sich um Privatvermögen handelt, meint die Rechtsprechung, dass es sich bei § 17 Abs. 2 Satz 1 EStG um eine Gewinnermittlungsvorschrift eigener Art handle4, so dass der zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb zu rechnende Veräußerungsgewinn oder Veräußerungsverlust ereignisbezogen zu ermitteln sei. Bei teilentgeltlichen Übertragungen von Geschäftsanteilen, beispielsweise im Rah1 2 3 4

Näher Crezelius, DB 2001, 221. Kritisch daher Schön, FR 2001, 381. BFH, BStBl. II 1994, 287; Weber-Grellet, in: Schmidt, § 17 EStG Rdnr. 131. BFH, BFH/NV 1999, 33.

Crezelius

1135

§ 15

Übertragung von Geschäftsanteilen

men einer vorweggenommenen Erbfolge, gilt die sog. Trennungstheorie. Die Übertragung wird in einen entgeltlichen und unentgeltlichen Teil aufgespalten. Nur soweit eine entgeltliche Übertragung vorliegt, handelt es sich um eine nach § 17 EStG steuerbare Veräußerung1. 263 Hat der konkrete GmbH-Geschäftsanteil seine Ursache in einer Umstrukturierung, die steuerrechtlich unter §§ 20 ff. UmwStG zu subsumieren war, und ist im Zuge der Einbringung des ehemaligen Personenunternehmens ein Geschäftsanteil ausgegeben worden, ohne dass bei dem Vorgang die stillen Reserven vollständig aufgedeckt worden sind, dann ist/war dieser Anteil nach früherem Umwandlungssteuerrecht einbringungsgeboren nach § 21 UmwStG a.F. Die sich daraus ergebenden Konsequenzen bleiben auf Dauer erhalten (§ 27 Abs. 1, 2 UmwStG). Für die neue Rechtslage ist das Antragsrecht nach § 20 Abs. 2 Satz 2 UmwStG zu beachten, wenn denn die Voraussetzungen des § 20 Abs. 1 UmwStG vorgelegen haben. Im Prinzip hat die übernehmende Kapitalgesellschaft das eingebrachte Betriebsvermögen des vormaligen Personenunternehmens mit dem gemeinen Wert anzusetzen, so dass es auf Seiten des Einbringenden zur Veräußerungsgewinnbesteuerung nach §§ 16, 34 EStG kommt. Wird das übernommene Betriebsvermögen demgegenüber mit seinem Buchwert oder einem Zwischenwert angesetzt, dann ergibt sich nach § 22 UmwStG ein besonderes Besteuerungsregime. Wenn der Einbringende bei einer Sacheinlage zum Buchwert oder zum Zwischenwert die neu ausgegebenen Anteile innerhalb eines Zeitraums von 7 Jahren nach dem Einbringungszeitpunkt veräußert, dann ist der Gewinn aus der Einbringung rückwirkend im Wirtschaftsjahr der Einbringung als Gewinn des Einbringenden nach § 16 EStG zu versteuern. Dieser sog. Einbringungsgewinn I genießt nach § 22 Abs. 1 Satz 1 UmwStG nicht die Privilegien der §§ 16 Abs. 4, 34 EStG. Steuersystematisch wird die Anteilsveräußerung mit dann erfolgender Besteuerung des Einbringungsgewinns I als rückwirkendes Ereignis nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO qualifiziert, so dass es fiktiv zu gewerblichen Einkünften kommt. Allerdings unterstellt das Steuerrecht, dass sich die im vormaligen Personenunternehmen angesammelten Reserven innerhalb von 7 Jahren ratierlich verflüchtigen. Der Einbringungsgewinn I vermindert sich daher um 1/7 für jedes seit dem Einbringungsvorgang abgelaufene Zeitjahr (§ 22 Abs. 1 Satz 3 UmwStG). Die Besteuerung des Einbringungsgewinns I qua Veräußerung hat dann Folgewirkungen für eine (spätere) nachfolgende Anteilsveräußerung. Insoweit verringert sich nämlich der Gewinn aus der Anteilsveräußerung. Nach § 22 Abs. 1 Satz 4 UmwStG führt der Einbringungsgewinn I zu nachträglichen Anschaffungskosten der nach § 20 Abs. 1 UmwStG ausgegebenen Anteile. Diese sind nach § 17 Abs. 6 Nr. 1 EStG stets im Anwendungsbereich des § 17 EStG. 264 b) Befindet sich der GmbH-Geschäftsanteil im Betriebsvermögen eines Einzelunternehmens oder einer gewerblich tätigen Personengesellschaft, dann gelten die Regeln der betrieblichen Einkunftsermittlung, die Vorrang vor §§ 17, 20 Abs. 2 EStG haben. Auch hier kommt es grundsätzlich zur Anwendung des Teileinkünfteverfahrens (§ 3 Nr. 40 Satz 1 Buchst. a, b EStG). Es kommt zu einem begünstigten Veräußerungsgewinn nach § 16 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG, wenn die 1 BFH, BStBl. II 1981, 11; Weber-Grellet, in: Schmidt, § 17 EStG Rdnr. 105.

1136

Crezelius

§ 15

Übertragung von Geschäftsanteilen

veräußerte Beteiligung das gesamte Nennkapital umfasst und die gesamte Beteiligung an einen Erwerber veräußert wird, oder zu einem begünstigten Aufgabegewinn nach § 16 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Abs. 3 EStG, wenn die Beteiligung das gesamte Nennkapital umfasst und die gesamte Beteiligung in einem einheitlichen Vorgang ins Privatvermögen überführt oder an verschiedene Erwerber veräußert wird1. Bei einer Veräußerung aus einer Personengesellschaft, einer steuerrechtlichen Mitunternehmerschaft nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG, ist ebenfalls das Teileinkünfteverfahren anzuwenden (§ 3 Nr. 40 Satz 1 Buchst. a EStG). Das Teileinkünfteverfahren gilt nach § 7 Satz 4 GewStG auch für die Gewerbesteuer. Zu beachten ist, dass die einheitliche und gesonderte Feststellung der gemeinschaftlichen Einkunftserzielung der Personengesellschafter vor Berücksichtigung des Teileinkünfteverfahrens erfolgt, weil über die persönlichen Steuerbefreiungen von Mitunternehmern erst im Rahmen der Veranlagung zu entscheiden ist. c) Wird der GmbH-Geschäftsanteil unentgeltlich übertragen, dann ist wie folgt zu unterscheiden: Handelt es sich in der Person des Abgebenden um eine Beteiligung nach § 17 Abs. 1 Satz 1 EStG, dann ist der Vorgang zunächst erfolgsneutral, doch hat der Zuwendungsempfänger die erweiterte Steuerpflicht nach § 17 Abs. 1 Satz 4 EStG zu beachten. Ohne dass die nominelle Beteiligungsschwelle des § 17 Abs. 1 Satz 1 EStG erreicht wird, kommt es zur Steuerbarkeit nach § 17 EStG, wenn der Veräußerer den veräußerten Anteil innerhalb der letzten fünf Jahre vor der Veräußerung unentgeltlich erworben hat und sein unmittelbarer Rechtsvorgänger nach § 17 Abs. 1 Satz 1 EStG relevant beteiligt gewesen ist.

265

d) Erbschaft- und schenkungsteuerrechtlich wird der GmbH-Geschäftsanteil nach den Regeln der §§ 11 Abs. 2, 199 ff. BewG bewertet. Ist keine zeitnahe Wertableitung nach § 11 Abs. 2 Satz 2 BewG möglich, dann kommt es entweder zur Anwendung einer im Geschäftsverkehr üblichen Unternehmensbewertungsmethode (§ 11 Abs. 2 Satz 2 BewG) oder zum vereinfachten Bewertungsverfahren der §§ 199 ff. BewG. Im Verhältnis der beiden Verfahren zueinander will die Finanzverwaltung ein Wahlrecht gewähren (s. oben § 11 Rdnr. 208)2. Handelt es sich um einen GmbH-Geschäftsanteil im Privatvermögen, dann kommt es unter den Voraussetzungen des § 13b Abs. 1 Nr. 3 ErbStG zu einer Befreiung von 85 v.H. bzw. von 100 v.H. (§ 13a Abs. 8 Nr. 4 ErbStG). Allerdings sind die in §§ 13a, 13b ErbStG geregelten Behaltetatbestände zu beachten3.

266

3. Anteilseigner ist Körperschaftsteuersubjekt Liegt der entgeltlich übertragene Geschäftsanteil im Betriebsvermögen einer an- 267 deren Kapitalgesellschaft bzw. ist er einer Körperschaft zuzuordnen, dann bleibt der Gewinn nach § 8b Abs. 2 Satz 1 KStG außer Ansatz. Dabei liegt die Idee des Steuergesetzgebers darin, dass es zu einer mehrfachen Belastung von körperschaftsteuerpflichtigem Gewinn mit Ertragsteuern eines anderen Steuersubjekts erst kommen soll, wenn der schon körperschaftsversteuerte Gewinn den Körper1 BFH, BStBl. II 1982, 751. 2 R B 11.2 Abs. 2 Satz 4 ErbStR 2011. 3 Zu den in der Praxis nicht seltenen Einziehungsklauseln und Abtretungsklauseln näher Crezelius, Unternehmenserbrecht, 2. Aufl. 2009, Rdnr. 347 ff.

Crezelius

1137

§ 15

Übertragung von Geschäftsanteilen

schaftsteuerkreis verlässt, mithin bei einem Anteilseigner entsteht, der Einkommensteuersubjekt ist. Zu beachten ist aber § 8b Abs. 3 Satz 1 KStG, wonach von diesem nach § 8b Abs. 2 Satz 1 EStG außer Ansatz bleibenden Gewinn 5 % nicht abzugsfähige Betriebsausgaben gelten. Im Ergebnis sind also nur 95 % des Gewinns steuerbefreit. In Parallele zu § 3c Abs. 2 EStG bleiben Gewinnminderungen/Verluste, die eine Körperschaft mit einer kapitalgesellschaftsrechtlichen Beteiligung realisiert, unberücksichtigt (§ 8b Abs. 3 Satz 3 KStG). Auch das ist steuersystematisch wenig einsichtig (Rdnr. 260), insbesondere deshalb, weil es nach derzeitiger Rechtslage nach § 8b Abs. 5 Satz 1 KStG nicht mehr zu einer vollständigen Freistellung kommt.

4. § 8c KStG 268

Mit dem Unternehmenssteuerreformgesetz 2008 ist § 8c KStG an die Stelle des früheren § 8 Abs. 4 KStG getreten. Die Neuregelung begründet den partiellen oder kompletten Verlustuntergang damit, dass sich die wirtschaftliche Identität einer Gesellschaft durch den Anteilseignerwechsel ändere1. Das ist mit der Konzeption der juristischen Person kaum zu vereinbaren. Letztlich wird das Mitunternehmerkonzept des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG auf Kapitalgesellschaften übertragen, ohne dass es zu einer Verlustzurechnung beim Anteilseigner kommt.

269 § 8c Abs. 1 KStG führt zunächst dazu, dass immer dann, wenn ein unmittelbarer oder mittelbarer Anteilseignerwechsel von mehr als 25 v.H. bezüglich des gezeichneten Kapitals stattfindet, insoweit die bis zum Beteiligungserwerb nicht ausgeglichenen, also nicht genutzten Verluste in Höhe der Übertragungsquote verloren gehen. Zu einem kompletten Verlust des Verlustes kommt es nach § 8c Abs. 1 Satz 2 KStG, wenn innerhalb von fünf Jahren mittelbar oder unmittelbar mehr als 50 v.H. des gezeichneten Kapitals übertragen werden. Für die Praxis wichtig ist es, dass eine Kapitalerhöhung der Übertragung des gezeichneten Kapitals gleichsteht, soweit sie zu einer Veränderung der Beteiligungsquote am Kapital führt (§ 8c Abs. 1 Satz 4 KStG). 270 Eine Einschränkung findet sich in § 8c Abs. 1 Satz 6 KStG. Ein nicht abziehbarer nicht genutzter Verlust kann abweichend von den Grundregeln in § 8c Abs. 1 Sätze 1, 2 KStG abgezogen werden, soweit er bei einem schädlichen Beteiligungserwerb die anteiligen oder die gesamten zum Zeitpunkt des Erwerbs vorhandenen im Inland steuerpflichtigen stillen Reserven der Körperschaft nicht übersteigt. Hintergrund dieser Vorschrift ist offenbar die Überlegung des Steuergesetzgebers, dass eine zukünftige Aufdeckung der stillen Reserven mit einem Verlustvortrag verrechnet werden könnte. Dann soll ein derartiger Verlustvortrag auch bei einem prinzipiell schädlichen Beteiligungserwerb nicht untergehen. 271 § 8c Abs. 1a KStG enthält als weitere Ausnahme eine sog. Sanierungsklausel. Sie ist allerdings von der EU-Kommission mit Beschluss vom 26.1.2011 als unzulässige Beihilfe nach Art. 108 Abs. 3 AEUV qualifiziert worden. Dagegen hat die Bundesrepublik Deutschland Nichtigkeitsklage erhoben. Sollte die Klage vor 1 BT-Drucks. 16/4841, S. 34 f., 74 ff.

1138

Crezelius

§ 16

Wechsel der Gesellschafter; Erwerb vom Nichtberechtigten

dem EuGH Erfolg haben, dann gilt die Entscheidung nicht nur inter partes, sondern für alle betroffenen Rechtssubjekte. Mittlerweile hat der deutsche Steuergesetzgeber eine Suspendierung des § 8c Abs. 1a KStG beschlossen (Einzelheiten in § 34 Abs. 7c Sätze 3, 4 KStG)1.

§ 16

Rechtsstellung bei Wechsel der Gesellschafter oder Veränderung des Umfangs ihrer Beteiligung; Erwerb vom Nichtberechtigten (1) Im Verhältnis zur Gesellschaft gilt im Fall einer Veränderung in den Personen der Gesellschafter oder des Umfangs ihrer Beteiligung als Inhaber eines Geschäftsanteils nur, wer als solcher in der im Handelsregister aufgenommenen Gesellschafterliste (§ 40) eingetragen ist. Eine vom Erwerber in Bezug auf das Gesellschaftsverhältnis vorgenommene Rechtshandlung gilt als von Anfang an wirksam, wenn die Liste unverzüglich nach Vornahme der Rechtshandlung in das Handelsregister aufgenommen wird. (2) Für Einlageverpflichtungen, die in dem Zeitpunkt rückständig sind, ab dem der Erwerber gemäß Absatz 1 Satz 1 im Verhältnis zur Gesellschaft als Inhaber des Geschäftsanteils gilt, haftet der Erwerber neben dem Veräußerer. (3) Der Erwerber kann einen Geschäftsanteil oder ein Recht daran durch Rechtsgeschäft wirksam vom Nichtberechtigten erwerben, wenn der Veräußerer als Inhaber des Geschäftsanteils in der im Handelsregister aufgenommenen Gesellschafterliste eingetragen ist. Dies gilt nicht, wenn die Liste zum Zeitpunkt des Erwerbs hinsichtlich des Geschäftsanteils weniger als drei Jahre unrichtig und die Unrichtigkeit dem Berechtigten nicht zuzurechnen ist. Ein gutgläubiger Erwerb ist ferner nicht möglich, wenn dem Erwerber die mangelnde Berechtigung bekannt oder infolge grober Fahrlässigkeit unbekannt ist oder der Liste ein Widerspruch zugeordnet ist. Die Zuordnung eines Widerspruchs erfolgt aufgrund einer einstweiligen Verfügung oder aufgrund einer Bewilligung desjenigen, gegen dessen Berechtigung sich der Widerspruch richtet. Eine Gefährdung des Rechts des Widersprechenden muss nicht glaubhaft gemacht werden. Neu gefasst durch das MoMiG vom 23.10.2008 (BGBl. I 2008, 2026).

Inhaltsübersicht I. Gesetzesänderungen und Änderungszwecke 1. Überblick über Gesetzesänderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

2. Zwecke des Konzeptionswechsels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1

4

II. Allgemeine Bedeutung der Eintragung in der Gesellschafterliste

1 Beitreibungsrichtlinie-Umsetzungsgesetz v. 7.12.2011 (BGBl. I 2011, 2592).

Seibt

1139

§ 16

Wechsel der Gesellschafter; Erwerb vom Nichtberechtigten

dem EuGH Erfolg haben, dann gilt die Entscheidung nicht nur inter partes, sondern für alle betroffenen Rechtssubjekte. Mittlerweile hat der deutsche Steuergesetzgeber eine Suspendierung des § 8c Abs. 1a KStG beschlossen (Einzelheiten in § 34 Abs. 7c Sätze 3, 4 KStG)1.

§ 16

Rechtsstellung bei Wechsel der Gesellschafter oder Veränderung des Umfangs ihrer Beteiligung; Erwerb vom Nichtberechtigten (1) Im Verhältnis zur Gesellschaft gilt im Fall einer Veränderung in den Personen der Gesellschafter oder des Umfangs ihrer Beteiligung als Inhaber eines Geschäftsanteils nur, wer als solcher in der im Handelsregister aufgenommenen Gesellschafterliste (§ 40) eingetragen ist. Eine vom Erwerber in Bezug auf das Gesellschaftsverhältnis vorgenommene Rechtshandlung gilt als von Anfang an wirksam, wenn die Liste unverzüglich nach Vornahme der Rechtshandlung in das Handelsregister aufgenommen wird. (2) Für Einlageverpflichtungen, die in dem Zeitpunkt rückständig sind, ab dem der Erwerber gemäß Absatz 1 Satz 1 im Verhältnis zur Gesellschaft als Inhaber des Geschäftsanteils gilt, haftet der Erwerber neben dem Veräußerer. (3) Der Erwerber kann einen Geschäftsanteil oder ein Recht daran durch Rechtsgeschäft wirksam vom Nichtberechtigten erwerben, wenn der Veräußerer als Inhaber des Geschäftsanteils in der im Handelsregister aufgenommenen Gesellschafterliste eingetragen ist. Dies gilt nicht, wenn die Liste zum Zeitpunkt des Erwerbs hinsichtlich des Geschäftsanteils weniger als drei Jahre unrichtig und die Unrichtigkeit dem Berechtigten nicht zuzurechnen ist. Ein gutgläubiger Erwerb ist ferner nicht möglich, wenn dem Erwerber die mangelnde Berechtigung bekannt oder infolge grober Fahrlässigkeit unbekannt ist oder der Liste ein Widerspruch zugeordnet ist. Die Zuordnung eines Widerspruchs erfolgt aufgrund einer einstweiligen Verfügung oder aufgrund einer Bewilligung desjenigen, gegen dessen Berechtigung sich der Widerspruch richtet. Eine Gefährdung des Rechts des Widersprechenden muss nicht glaubhaft gemacht werden. Neu gefasst durch das MoMiG vom 23.10.2008 (BGBl. I 2008, 2026).

Inhaltsübersicht I. Gesetzesänderungen und Änderungszwecke 1. Überblick über Gesetzesänderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

2. Zwecke des Konzeptionswechsels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1

4

II. Allgemeine Bedeutung der Eintragung in der Gesellschafterliste

1 Beitreibungsrichtlinie-Umsetzungsgesetz v. 7.12.2011 (BGBl. I 2011, 2592).

Seibt

1139

§ 16

Wechsel der Gesellschafter; Erwerb vom Nichtberechtigten

1. Anteilsübergang und Eintragung in der Gesellschafterliste. . 5 2. Verhältnisse bis zur Eintragung in der Gesellschafterliste a) Rechte und Pflichten der Gesellschaft und der Gesellschafter . . . . . . . . . . . . . . 8 b) Verhältnis zwischen Veräußerer und Erwerber . . . . . . . 11 c) Verhältnis zwischen Veräußerer und Dritten . . . . . . . . . 12 3. Zulässigkeit abweichender Satzungsbestimmungen . . . . . . . . . . 13 III. Legitimationswirkung im Verhältnis zur GmbH nach Eintragung in der Gesellschafterliste (§ 16 Abs. 1) 1. Anwendungsbereich/Voraussetzungen der Legitimationswirkung a) Veränderung . . . . . . . . . . . . . . . b) Veränderung in der Person des Gesellschafters . . . . . . . . . c) Veränderung im Umfang der Beteiligung. . . . . . . . . . . . . . . . . d) Verpfändung und Nießbrauch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Pfändung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Eintragung der Veränderung in der Gesellschafterliste a) Legitimationsgrundlage . . . . . b) Auswirkungen von Nichtigkeit und Anfechtbarkeit aa) Mängel des Abtretungsvertrages . . . . . . . . . . . . . . . bb) Mängel der Mitteilung . . . cc) Mängel bei der Aufnahme der Gesellschafterliste in das Handelsregister . . . . . . c) Widerruf der Mitteilung und Rücknahme der Einreichung der Gesellschafterliste . . . . . . d) Löschung der Eintragung und Wegfall aus dem Handelsregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Rechtswirkungen der Eintragung in der Gesellschafterliste a) Legitimationswirkung zu Gunsten/zu Lasten des Eingetragenen . . . . . . . . . . . . . . b) Gesellschafterrechte . . . . . . . . c) Gesellschafterpflichten. . . . . . d) Rechtshandlungen des Rechtsvorgängers . . . . . . . . . . .

1140

Seibt

16 18 19 20 21

22

25 28 30 31 33

34 36 37 39

e) Erbrechtlicher Erwerb . . . . . . f) Gesellschafter im Insolvenzverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Rückbeziehung der Legitimationswirkung (§ 16 Abs. 1 Satz 2) a) Inhalt und Zweck der Regelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Rechtshandlung des Erwerbers in Bezug auf das Gesellschaftsverhältnis . . . . . . . . . . . c) Unverzügliche Aufnahme der Gesellschafterliste in das Handelsregister . . . . . . . . . . . . d) Rechtshandlungen eines schwebend unwirksam bestellten Geschäftsführers . . .

41 43

45 46 47 49

IV. Haftung für rückständige Einlagen (§ 16 Abs. 2) 1. Gesamtschuldnerische Haftung von Veräußerer und Erwerber . . 51 2. Befreiung des Veräußerers . . . . . 55 3. Haftung des eingetragenen Nichtgesellschafters . . . . . . . . . 56a V. Gutgläubiger Erwerb (§ 16 Abs. 3) 1. Grundlagen a) Gesetzgeberische Motivlage und Konzeption des Gutglaubensschutzes . . . . . . . . . . . . . . 57 b) Verfassungsmäßigkeit . . . . . . 62 c) Rechtspolitsche Bewertung . 63 2. Erwerb eines Geschäftsanteils a) Rechtsgeschäftlicher Erwerb 64 b) Geschäftsanteil . . . . . . . . . . . . 67 c) Rechte an einem Geschäftsanteil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68 d) Nicht existenter Geschäftsanteil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69 e) Unrichtige Stückelung. . . . . . 70 f) Belastungen des Geschäftsanteils . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 g) Einlagenleistung auf den Geschäftsanteil . . . . . . . . . . . . 75 h) Verfügungsbeschränkungen über den Geschäftsanteil . . . . 76 i) Aufschiebend/auflösend bedingte oder befristete Übertragung des Geschäftsanteils 78 3. Eintragung des Nichtberechtigten in der Gesellschafterliste . . 81 4. Gefälschte Gesellschafterliste 83a

§ 16

Wechsel der Gesellschafter; Erwerb vom Nichtberechtigten

5. Keine Bösgläubigkeit a) Konzeption und Funktion . . . b) Ausschlusstatbestand und Praxisfolgen . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Widerspruch a) Konzeption und Wirkung des Widerspruchs . . . . . . . . . . . b) Inhaltliche Anforderungen an den Widerspruch . . . . . . . . . c) Zuordnung eines Widerspruchs zur Gesellschafterliste . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Widerspruch im Einvernehmen von Veräußerer und Erwerber . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Aufnahme neuer Gesellschafterliste nach Zuordnung eines Widerspruchs . . . . . . . . . f) Widerspruchszuordnung bei aufschiebend/auflösend bedingten Abtretungen . . . . . . .

84 85

88 89 91 95 96

g) Löschung eines Widerspruchs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . h) Schadensersatz . . . . . . . . . . . . 7. Ablauf der 3-Jahresfrist oder Zurechenbarkeit der Unrichtigkeit a) Konzeption . . . . . . . . . . . . . . . . b) 3-Jahresfrist (Fristberechnung) . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Zurechenbarkeit der Unrichtigkeit der Gesellschafterliste . . . . . . . . . . . . 8. Verhältnis des Berechtigten zum Nichtberechtigten . . . . . . .

97 98

99 100 103 107

VI. Inkrafttreten und Übergangsvorschrift 1. Legitimationswirkung und Haftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 2. Gutgläubiger Erwerb . . . . . . . . . . 109

96a

Schrifttum: Altmeppen, Abschied von der „unwiderlegbar vermuteten“ Mitgliedschaft des Scheingesellschafters in der Kapitalgesellschaft, ZIP 2009, 345; Apfelbaum, Das Merkmal der Zurechenbarkeit beim gutgläubigen Erwerb von GmbH-Anteilen, BB 2008, 2470; Barthel, § 16 Abs. 1 S. 2 GmbHG n.F. – Ein neuer Anwendungsbereich für eine wirksame Verpflichtung einer GmbH im Außenverhältnis nach den Grundsätzen der fehlerhaften Organstellung, GmbHR 2009, 569; Bayer, Gesellschafterliste: Einreichungspflichtige Veränderungen der Beteiligungsverhältnisse, GmbHR 2012, 1; Bayer, Kein gutgläubiger Erwerb bei aufschiebend bedingter Abtretung eines GmbHGeschäftsanteils?, GmbHR 2011, 1254; Bayer, Gesellschafterliste und Aktienregister, in: Liber amicorum M. Winter, 2011, S. 9; Bayer/Illhardt, Darlegungs- und Beweislast im Recht der GmbH, GmbHR 2011, 638; Bednarz, Die Gesellschafterliste als Rechtsscheinträger für einen gutgläubigen Erwerb von Geschäftsanteilen, BB 2008, 1854; Begemann/Grunow, Erwerberschutz bei aufschiebend bedingter Abtretung von GmbHGeschäftsanteilen, DNotZ 2011, 403; Böhringer, Möglicher gutgläubiger Wegerwerb von beschränkten dinglichen Rechten und dessen Ausschluss, BWNotZ 2008, 70; Böttcher/Blasche, Gutgläubiger Erwerb von Geschäftsanteilen entsprechend der in der Gesellschafterliste eingetragenen Stückelung nach dem MoMiG, NZG 2007, 565; Bohrer, Fehlerquellen und gutgläubiger Erwerb im Geschäftsanteilsverkehr – Das Vertrauensschutzkonzept im Regierungsentwurf des MoMiG, DStR 2007, 995; Breitenstein/ Meyding, GmbH-Reform: Die „neue“ GmbH als wettbewerbsfähige Alternative oder nur „GmbH light“, BB 2006, 1457; Desch, Der Erwerb von GmbH-Geschäftsanteilen zwei Jahre nach der Reform, BB 2010, 3104; Eder, Cajetan J., Die rechtsgeschäftliche Übertragung von Aktien, NZG 2004, 107; Eidenmüller, Die GmbH im Wettbewerb der Rechtsformen, ZGR 2007, 168; Flesner, Die GmbH-Reform (MoMiG) aus Sicht der Akquisitions- und Restrukturierungspraxis, NZG 2006, 641; Gasteyer/Goldschmidt, Der schwebend unwirksam bestellte Geschäftsführer nach einem Gesellschafterwechsel – Wirksamkeit seiner Rechtshandlungen nach § 16 Abs. 1 GmbHG i.d.F. des MoMiG, ZIP 2008, 1906; Gehrlein, Der aktuelle Stand des neuen GmbH-Rechts, Der Konzern 2007, 771; Götze/Bressler, Praxisfragen der Gesellschafterliste und des gutgläubigen Erwerbs von Geschäftsanteilen nach dem MoMiG, NZG 2007, 894; Gottschalk, Neue Regelungen für die Gesellschafterliste und die Geschäftsanteile sowie der gutgläubige Erwerb von Geschäftsanteilen nach dem MoMiG, DZWIR 2008, 45; Greitemann/Bergjan, Die Auswirkungen des MoMiG auf die M&A-Praxis, in: FS Pöllath, 2008, S. 271; Seibt

1141

§ 16

Wechsel der Gesellschafter; Erwerb vom Nichtberechtigten

Grunewald, Der gutgläubige Erwerb von GmbH-Anteilen: Eine neue Option, Der Konzern 2007, 13; Grunewald/Gehling/Rodewig, Gutgläubiger Erwerb von GmbH-Anteilen, ZIP 2006, 685; Hamann, GmbH-Anteilserwerb vom Nichtberechtigten – Die Mischung verschiedener Gutglaubenstatbestände im MoMiG-Regierungsentwurf, NZG 2007, 492; Harbarth, Gutgläubiger Erwerb von GmbH-Geschäftsanteilen nach dem MoMiG-RegE, ZIP 2008, 57; Hasselmann, Die Gesellschafterliste nach dem MoMiG – Überblick und Gesellschaftsgründung, NZG 2009, 409; Heckschen, Die GmbH-Reform – Wege und Irrwege, DStR 2007, 1442; Heckschen, Auswirkungen des MoMiG auf die Übertragung von GmbH-Anteilen von Todes wegen und im Wege der vorweggenommenen Erbfolge, ZErb 2008, 246; Herrler, (Stark) beschränkte Publizitätswirkung der GmbH-Gesellschafterliste? – Schutz des Rechtsverkehrs de lege lata und de lege ferenda, NZG 2011, 1321; Herrler, Gutgläubiger Erwerb bei aufschiebend bedingter GmbH-Geschäftsanteilsabtretung – Sicherung durch Vermerk in der Gesellschafterliste, BB 2009, 2272; Kort, Offene Fragen zu Gesellschafterliste, Gesellschafterstellung und gutgläubigem Anteilserwerb (§§ 40 und 16 GmbHG n.F.), GmbHR 2009, 169; Kort, Kein Gutglaubensschutz nach § 16 Abs. 3 GmbHG beim Zweiterwerb eines aufschiebend bedingt abgetretenen Geschäftsanteils, DB 2011, 2897; Liebscher/C. Goette, Korrektur einer von einem Notar eingereichten Gesellschafterliste, DStR 2010, 2038; Link, Gesellschafterliste und gutgläubiger Erwerb von GmbH-Anteilen aus Sicht der Notarpraxis, RNotZ 2009, 193; Lohr, Gesellschafterstellung bei aufschiebend bedingtem Anteilserwerb, GmbH-StB 2009, 111; Maier-Reimer, Gutgläubiger Anteilserwerb und Bedingung, in: FS Graf von Westphalen, 2010, S. 489; Mayer, Der Erwerb einer GmbH nach den Änderungen durch das MoMiG, DNotZ 2008, 403; Mayer/Färber, Gutgläubiger Erwerb von GmbH-Geschäftsanteilen bei aufschiebend bedingter Anteilsabtretung?, GmbHR 2011, 785; Müller, Klaus J., Der Entwurf des „MoMiG“ und die Auswirkungen auf den Unternehmens- und Beteiligungskauf, GmbHR 2006, 953; Noack, Reform des deutschen Kapitalgesellschaftsrechts: Das Gesetz zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen, DB 2006, 1475; Nolting, Mitwirkung des Anteilserwerbers bei Gesellschafterbeschlüssen der GmbH vor Aufnahme in die Gesellschafterliste, GmbHR 2010, 584; Omlor/Spies, Grundfragen der Gesellschafterliste, MittBayNot 2011, 353; Oppermann, Praktische Gestaltung der bedingten Abtretung von GmbH-Anteilen – Risiken durch gutgläubigen bedingungsfreien Erwerb Dritter, ZIP 2009, 651; Osterloh, Gutgläubiger Erwerb bei aufschiebend bedingter Übertragung von GmbH-Geschäftsanteilen, NZG 2011, 495; Peetz, Anmeldung einer Anteilsabtretung – eine eher unscheinbare Norm, GmbHR 2006, 852; Prasse/Strotmann, Die Zuordnung eines Widerspruchs zur Gesellschafterliste im Handelsregister durch einstweilige Verfügung, BB 2010, 1747, 1750; Preuß, Gesellschafterliste, Legitimation gegenüber der Gesellschaft und gutgläubiger Erwerb von GmbH-Anteilen, ZGR 2008, 676; Rau, Der Erwerb einer GmbH nach In-Kraft-Treten des MoMiG – Höhere Transparenz des Gesellschafterkreises, gutgläubiger Erwerb und vereinfachte Stückelung, DStR 2006, 1892; Reymann, Gutgläubiger Erwerb und Rechte an GmbHGeschäftsanteilen, WM 2008, 2095; Reymann, Zurechnungssystem und Regelungsebenen der GmbH-Gesellschafterliste, BB 2009, 506; Reymann, Aufschiebend bedingte Geschäftsanteilsabtretungen und Zwischenverfügungen bei der GmbH, GmbHR 2009, 343; Ries, Aktuelle Fragen der Praxis zur Gesellschafterliste, GWR 2011, 54; Rodewald, Gutgläubiger Erwerb von Geschäftsanteilen nach MoMiG – drei Fragen zum Umfang der Legal Due Diligence, GmbHR 2009, 196; Schickerling/Blunk, Auswirkungen des MoMiG auf die gesellschaftsrechtliche Due Diligence im Vorfeld eines Geschäftsanteils, GmbHR 2009, 337; Schiemzik, Erwerb von GmbH-Geschäftsanteilen seit Geltung des MoMiG, NWB 2011, 2481; Schockenhoff/Höder, Gutgläubiger Erwerb von GmbH-Anteilen nach dem MoMiG: Nachbesserungsbedarf aus Sicht der M&A-Praxis, ZIP 2006, 1841; Schreinert/Berresheim, Bedingte Abtretung von GmbHGeschäftsanteilen und gutgläubiger Erwerb nach dem MoMiG, DStR 2009, 1265; Sieja, Gesellschafterliste nach dem MoMiG, NWB 2011, 1167; Tebben, Die Reform der GmbH – das MoMiG in der notariellen Praxis, RNotZ 2008, 441; Vossius, Gutgläubiger Erwerb von GmbH-Anteilen nach MoMiG, DB 2007, 2299; Wachter, GmbH-Reform – Auswirkungen auf die Überlegung von GmbH-Geschäftsanteilen, ZNotP 2008, 378;

1142

Seibt

§ 16

Wechsel der Gesellschafter; Erwerb vom Nichtberechtigten

Wachter, Übertragung von GmbH-Geschäftsanteilen nach MoMiG, in: Römermann/ Wachter (Hrsg.), GmbH-Beratung nach dem MoMiG, GmbHR-Sonderheft 2008, S. 51; Wedemann, Das neue GmbH-Recht, WM 2008, 1381; Wegen, Gutgläubiger Erwerb von GmbH-Geschäftsanteilen?, in: FS Lüer, 2008, S. 321; Wicke, Gründung, Satzungsgestaltung und Anteilsabtretung nach der GmbH-Reform, NotBZ 2009, 1; Wicke, Kein gutgläubiger Erwerb eines bereits zuvor aufschiebend bedingt abgetretenen GmbH-Geschäftsanteils – Vertane Chance des BGH zu einer praxisgerechten Rechtsfortbildung, DStR 2011, 2356; Wicke, Die GmbH-Gesellschafterliste im Fokus der Rechtsprechung, DB 2011, 1037; Wiersch, Der gutgläubige Erwerb von GmbH-Anteilen, 2009; Wolff, Die Verbindlichkeit der Gesellschafterliste für Stimmrecht und Beschlussverfahren, BB 2010, 454; Zessel, Gutgläubiger Erwerb von GmbH-Geschäftsanteilen nach dem MoMiG, GmbHR 2009, 303; Ziemons, Mehr Transaktionssicherheit durch das MoMiG?, BB-Spezial 7/2006, 9; Zinger/Ulrich-Erber, Der Testamentsvollstreckervermerk in der Gesellschafterliste, NZG 2011, 286.

I. Gesetzesänderungen und Änderungszwecke 1. Überblick über Gesetzesänderungen Die Vorschrift des § 16 in ihrer früheren Fassung vor dem MoMiG regelte die 1 Anmeldung eines „Erwerbers“ bei der Gesellschaft als Basis einer Legitimationsfiktion dieser Person gegenüber der Gesellschaft (§ 16 Abs. 1 und Abs. 2 a.F.). Daneben wurde bestimmt, dass für zum Zeitpunkt der Anmeldung rückständige Leistungen neben dem „Veräußerer“ auch der „Erwerber“ haftet (§ 16 Abs. 3 a.F.). Die Bedeutung der Anmeldung als Mitteilung an die Gesellschaft über den erfolgten Rechtsübergang erschöpfte sich in ihrer Bedeutung als Grundlage für die relative Legitimationsfiktion zur Gesellschaft im Zusammenhang mit Veräußerungen. Sie hatte keinerlei Auswirkung auf die Wirksamkeit von Verfügungsgeschäften und die rechtliche Inhaberschaft an Geschäftsanteilen. Mit der Neufassung von § 16 durch das MoMiG (i) ersetzt der Gesetzgeber die Anmeldung durch die Eintragung in der Gesellschafterliste (und Veröffentlichung im Handelsregister) als Grundlage für die relative Legitimationsfiktion zur Gesellschaft, (ii) erweitert er den Anwendungsbereich der Legitimationsfiktion in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht umfassend und (iii) verstärkt schließlich in qualitativer Weise die Bedeutung des bislang primär verbandsintern wirkenden Faktums zu einem Rechtsscheinträger für einen gutgläubigen Erwerb von Geschäftsanteilen, also einer Basis für eine Änderung in der rechtlichen Inhaberschaft von Geschäftsanteilen. Die Ersetzung des Anmeldeprinzips durch die Eintragung in die in das Handelsregister aufgenommene Gesellschafterliste als Grundlage für die relative Legitimationsfiktion erfolgte in Anlehnung an die für Namensaktien geltende aktienrechtliche Vorschrift des § 67 Abs. 2 AktG1. Der Blick auf dieses Gesetzgebungsvorbild macht aber auch augenscheinlich, dass eine zwingende Verkoppelung der Funktion einer relativ zur Gesellschaft wirkenden Legitimationsfiktion einerseits und einer Rechtsscheinbasis für einen gutgläubigen Erwerb von Geschäftsanteilen andererseits nicht zwingend ist. Die nähere Bestimmung der Eintragung in der Gesellschafterliste ist im ebenfalls durch das MoMiG geänderten § 40 niedergelegt, der mit dem § 16 ein Gesamtbild ergibt.

1 BR-Drucks. 354/07, S. 84 = Begr. RegE zu § 16.

Seibt

1143

§ 16

Wechsel der Gesellschafter; Erwerb vom Nichtberechtigten

2 Die beiden Hauptelemente und Regelungsfelder der Gesetzesneufassungen (ein doppelter Konzeptionswechsel), nämlich die Ersetzung des Anmeldeprinzips durch das Prinzip der veröffentlichten Eintragung in der Gesellschafterliste als Basis der relativen Legitimationsfiktion gegenüber der Gesellschaft und der Nutzung dieser Eintragung als Rechtsscheinträger für einen gutgläubigen Erwerb, waren bereits im BMJ-Referentenentwurf enthalten1. Die Diskussion über den BMJ-Referentenentwurf hat zu einer Reihe von Detailänderungen am Gesetzestext des § 16 geführt. Der Text des Regierungsentwurfs2 ist trotz einer Überarbeitungsbitte des Bundesrats zu § 16 Abs. 3 (gutgläubiger Erwerb)3 und kritischen Literaturanmerkungen4 unverändert Gesetz worden. 3 Der neugefasste § 16 mit seinen beiden Regelungsfeldern enthält drei Regelungskomplexe: (1) In § 16 Abs. 1 Satz 1 ist das Prinzip der Eintragung in der Gesellschafterliste als Basis für die Legitimationsfiktion zur Gesellschaft geregelt, d.h. die Bestimmungsbasis dafür, wer im Fall einer Veränderung in den Personen der Gesellschafter oder des Umfangs ihrer Beteiligung im Verhältnis zur Gesellschaft als Gesellschafter gilt. Eine für die Unternehmenspraxis wichtige Rückbeziehung dieser Fiktion ist im Hinblick auf solche Rechtshandlungen des in der Gesellschafterliste eingetragenen bzw. einzutragenden Erwerbers vorgesehen, sofern die Gesellschafterliste unverzüglich nach Vornahme der Gesellschafterhandlung in das Handelsregister aufgenommen wird (§ 16 Abs. 1 Satz 2). Dieser Regelungskomplex entspricht funktional den früheren Regelungen in § 16 Abs. 1 und Abs. 2 a.F. (2) Die Vorschrift des § 16 Abs. 2 ordnet für rückständige „Einlageverpflichtungen“ (dazu Rdnr. 51 ff.) eine zusätzliche Haftung des Erwerbers des Geschäftsanteils neben dem Veräußerer an. Dies entspricht funktional – und nach dem gesetzgeberischen Willen auch materiell5 – der früheren Regelung in § 16 Abs. 3 a.F. (3) Nach Maßgabe von § 16 Abs. 3 ist nunmehr der gutgläubige Erwerb von Geschäftsanteilen oder von Rechten an Geschäftsanteilen möglich.

2. Zwecke des Konzeptionswechsels 4 Mit der Anhebung der Anforderungen an die Führung der Gesellschafterliste (s. hierzu § 40, 11. Aufl., Bd. II) sowie des faktischen Drucks auf die Beteiligten auf 1 RefE Gesetz zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen (MoMiG) vom 29.5.2006, S. 4, 48 ff. 2 BR-Drucks. 354/07 = RegE Gesetz zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen (MoMiG) vom 25.5.2007. 3 S. BR-Drucks. 354/07 (Beschluss), S. 14 f. = Stellungnahme BR zu § 16 Abs. 3. Die Kritik des BR bezog sich dabei maßgeblich darauf, dass der gutgläubige Erwerb auf Grundlage der Gesellschafterliste und somit eines Rechtsscheinträgers erfolgt, dessen inhaltliche Richtigkeit nicht stets durch Notare überprüft wird, nämlich bei Veränderungen der Inhaberschaft von Geschäftsanteilen, die nicht durch Abtretung erfolgen (Erbfall etc.). 4 Bednarz, BB 2008, 1854, 1858; Bohrer, DStR 2007, 995, 1001; Eidenmüller, ZGR 2007, 168, 203; Handelsrechtsausschuss DAV, NZG 2007, 211, 214 f. 5 S. BR-Drucks. 354/07, S. 86 f. = Begr. RegE zu § 16 („Im neu gefassten § 16 Abs. 2 wird die bisherige Regelung in § 16 Abs. 3 aufgegriffen. Zeitlicher Anknüpfungspunkt ist hierfür – Absatz 1 folgend – nicht mehr die Anmeldung des Erwerbs bei der Gesellschaft, sondern der Zeitpunkt der Aufnahme der aktualisierten Gesellschafterliste im Handelsregister“).

1144

Seibt

§ 16

Wechsel der Gesellschafter; Erwerb vom Nichtberechtigten

Mitteilung der Veränderung (insbesondere auf Grund des ansonsten bestehenden Risikos auf Eigentumsverlust nach § 16 Abs. 3) und damit auch ihrer Richtigkeitsgewähr durch die Neufassung von § 40 sowie mit der Regelung der Eintragung in der Gesellschafterliste als Basis für die Legitimationsfiktion durch die Neufassung von § 16 Abs. 1 Satz 1 hat der Gesetzgeber ausweislich der Gesetzesbegründung die Zwecke der Missbrauchsbekämpfung, der Verhinderung von Geldwäscheaktivitäten und eine erhöhte Transparenz über Anteilseignerstrukturen verfolgt1. Diese Zwecke lassen sich unter zwei Hauptzwecke fassen: (1) Die Erhöhung der Transparenz der Gesellschafterstruktur im Hinblick auf die beteiligten Personen und deren gehaltene Geschäftsanteile soll missbräuchliche Unternehmensstrukturen und Straftaten vermeiden und die Transaktionskosten für Vertragspartner und Gläubiger der GmbH und ihrer Gesellschafter verringern. Dies sollte sowohl die Kosten im laufenden Geschäftsverkehr mit einer GmbH als auch bei Anteils- und Unternehmensverkäufen sowie Unternehmensfinanzierungen reduzieren. (2) Mit der erhöhten Transparenz der Anteilseignerstruktur geht ein Mehr an Rechtssicherheit und Verkehrsschutz einher. Der Aspekt der Rechtssicherheit wird auch durch die Regelung des gutgläubigen Erwerbs gestärkt. Die vom Gesetzgeber verfolgten Zwecke sind unterstützenswert und die Regelungsmethode (erhöhte Anforderungen an den Inhalt und die Führung der Gesellschafterliste, Eintragung in der Gesellschafterliste als Basis der Legitimationsfiktion und für einen gutgläubigen Erwerb) ist geeignet, diese Zwecke zu erreichen.

II. Allgemeine Bedeutung der Eintragung in der Gesellschafterliste 1. Anteilsübergang und Eintragung in der Gesellschafterliste Der Konzeptionswechsel vom Anmeldeprinzip zum Prinzip der Eintragung in 5 der Gesellschafterliste als Basis für die Legitimationsfiktion ändert nichts daran, dass der Rechtsübergang des Geschäftsanteils sich durch Abtretung nach Maßgabe von § 15 Abs. 3 vollzieht. Die Eintragung in die Gesellschafterliste lässt die materielle Rechtslage im Grundsatz unberührt und ist weder Bestandteil der Abtretung noch, sofern der Gesellschaftsvertrag nichts anderes nach § 15 Abs. 5 bestimmt, Bedingung des Anteilsübergangs oder gar eine Beitrittserklärung des Erwerbers2. Allerdings wird dieser Grundsatz nun im Falle des gutgläubigen Erwerbs nach Maßgabe von § 16 Abs. 3 durchbrochen (dazu Rdnr. 57 ff.). Die Eintragung in der Gesellschafterliste legitimiert den Eingetragenen gegen- 6 über der GmbH, und zwar gilt nur er im Verhältnis zur Gesellschaft als Gesellschafter (§ 16 Abs. 1 Satz 1). Die vom Gesetz früher an die Anmeldung und nun an die veröffentlichte Eintragung in der Gesellschafterliste geknüpfte Fiktion

1 S. BR-Drucks. 354/07, S. 84 = Begr. RegE zu § 16. 2 Vgl. Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 5; Wicke, Rdnr. 1; Löbbe, in: Ulmer, Erg.Band MoMiG, Rdnr. 15; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 2; Heidinger, in: Heckschen/Heidinger, Die GmbH in der Gestaltungs- und Beratungspraxis, § 13 Rdnr. 249; Böhringer, BWNotZ 2008, 104, 112; Gehrlein, Der Konzern 2007, 790; Hasselmann, NZG 2009, 409, 410; Kort, GmbHR 2009, 169, 173; D. Mayer, DNotZ 2008, 403, 404; Wachter, ZNotP 2008, 378, 379.

Seibt

1145

§ 16

Wechsel der Gesellschafter; Erwerb vom Nichtberechtigten

der materiellen Berechtigung1 bezweckt den Schutz sowohl der GmbH vor den Unsicherheiten eines Gesellschafterwechsels als auch des Eingetragenen und des Vor-Eingetragenen in ihrer Stellung gegenüber der GmbH; sie ist damit eine besondere Ausprägung der Grundsätze der fehlerhaften Gesellschaft und verdrängt diese. Die bloße Kenntnis von einer Veränderung in den Personen der Gesellschafter oder des Umfangs ihrer Beteiligung als Inhaber eines Geschäftsanteils darf die GmbH (ohne entsprechende Mitteilung nach § 40 Abs. 1 Satz 2) deshalb auch nicht beachten2. Denn trotz der Neufassung von §§ 16 und 40 gibt es – im Rahmen der Satzungsregelungen – ein „Recht auf Privatheit/Vertraulichkeit“ (z.B. Nicht-Aufdeckung von Treuhandbindungen). 7 Dritte werden nun im Rahmen des Instituts des gutgläubigen Erwerbs (§ 16 Abs. 3) durch die Eintragung in der Gesellschafterliste geschützt, da die Listeneintragung Rechtsscheinträger für den gutgläubigen Erwerb ist. Darüber hinaus können als Reflex des Gesellschaftsschutzes bestimmte Rechtswirkungen auch ihnen zugute kommen, so z.B. wenn ein Scheingesellschafter an einem ausnahmsweise nach außen wirkenden Gesellschafterbeschluss (z.B. über die Bestellung und Anstellung eines Fremdgeschäftsführers, über die Zustimmung zu einem Gewinnabführungsvertrag, über die Genehmigung einer Anteilsabtretung nach § 15 Abs. 5) mitgewirkt hat.

2. Verhältnisse bis zur Eintragung in der Gesellschafterliste a) Rechte und Pflichten der Gesellschaft und der Gesellschafter 8 Der zuletzt in Bezug auf einen bestimmten Geschäftsanteil in der Gesellschafterliste Eingetragene gilt nach § 16 Abs. 1 Satz 1 bis zur Eintragung einer Veränderung der GmbH gegenüber als Gesellschafter. Die Gesellschaft ist nicht nur berechtigt, sondern auch verpflichtet, den Eingetragenen in jedem Fall – und sogar trotz Kenntnis von einer (allerdings nicht in der Gesellschafterliste eingetragenen) Veränderung – als Gesellschafter zu behandeln3. Die §§ 407, 413 BGB gelten hier nicht, sondern sind durch § 16 Abs. 1 Satz 1 ersetzt, der es weiterhin grundsätzlich den an einer Veränderung der Gesellschafterverhältnisse Beteiligten überlässt, ob und wann sie die Veränderung gegenüber der Gesellschaft zur Geltung bringen wollen. 9 Der bisher in Bezug auf einen Geschäftsanteil Eingetragene und daher gegenüber der GmbH Legitimierte kann vor der Eintragung der Veränderung die Gesellschafterrechte wahrnehmen und haftet für die bis dahin fällig werdenden Ge-

1 Zur früheren Rechtslage 10. Aufl., Rdnr. 2 m.w.N.; zur jetzigen Rechtslage Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 51; Kort, GmbHR 2009, 169, 170; a.A. (unwiderlegliche Vermutung) Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 5; Wicke, Rdnr. 3; Löbbe, in: Ulmer, Erg.-Band MoMiG, Rdnr. 18 a.E.; Brandes, in: Bork/Schäfer, Rdnr. 8; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 5; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 27; Heidinger, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 2 sowie ausführlich in Rdnr. 14; Hasselmann, NZG 2009, 409, 410; Heidinger, in: Heckschen/Heidinger, Die GmbH in der Gestaltungs- und Beratungspraxis, § 13 Rdnr. 374; Tebben, RNotZ 2008, 441, 457. 2 Zur früheren Rechtslage beim Anmeldeprinzip 10. Aufl., Rdnr. 2. 3 Zur früheren Rechtslage beim Anmeldeprinzip 10. Aufl., Rdnr. 5.

1146

Seibt

§ 16

Wechsel der Gesellschafter; Erwerb vom Nichtberechtigten

sellschafterpflichten allein1. Umgekehrt kann der nicht in der Gesellschafterliste Eingetragene, aber materiell Berechtigte keine Gesellschafterrechte ausüben und haftet grundsätzlich auch nicht für Pflichten aus dem Geschäftsanteil2. Er muss auch alle Rechtshandlungen gegen sich gelten lassen, die vor seiner Eintragung in der Gesellschafterliste von der Gesellschaft gegenüber dem bisher Legitimierten und von diesem gegenüber der Gesellschaft in Bezug auf das Gesellschaftsverhältnis vorgenommen worden sind (dazu Rdnr. 34 ff.). Ein Recht auf die Eintragung in der Gesellschafterliste können die an einer Ver- 10 änderung der Gesellschafterstruktur Beteiligten aus dem Gesellschaftsvertrag oder dem der Veränderung zugrunde liegenden Kausalgeschäft haben. Darüber hinaus kommt dem eintretenden oder hinzuerwerbenden Gesellschafter ein gesetzlicher Anspruch gegen die Gesellschaft auf Einreichung der Gesellschafterliste in das Handelsregister zu3. Demgegenüber kommt der Gesellschaft selbst ein solches Recht weiterhin und trotz der auf Transparenzzugewinn ausgerichteten Aufwertung der Gesellschafterliste nicht zu4. Sie kann weder auf Bewirkung der Mitteilung noch auf Feststellung der Veränderung in der Gesellschafterstruktur klagen noch die Mitteilung tatsächlich (z.B. durch Geltendmachung von Zurückbehaltungsrechten) erzwingen5. Nur wenn streitig ist, ob eine wirksame Eintragung in der Gesellschafterliste erfolgt oder ob die ihr zugrunde liegende Veränderung rechtsgültig ist, wird man der Gesellschaft ein rechtliches Interesse an alsbaldiger Feststellung (§ 256 ZPO) zuerkennen müssen6. b) Verhältnis zwischen Veräußerer und Erwerber Das Verhältnis zwischen Veräußerer und Erwerber beurteilt sich nach dem der 11 (dinglichen) Abtretung zugrunde liegenden Kausalgeschäft (Kaufvertrag, Schenkung usw.). Schreibt der Gesellschaftsvertrag (ausnahmsweise und in einem zulässig-erweiterten Verständnis von § 407) vor, dass die Abtretung erst mit Eintragung der Veränderung in der Gesellschafterliste auf der Grundlage einer Mitteilung des Veräußerers unter Nachweis des Kausalgeschäfts wirksam wird, so ist es im Zweifel Vertragspflicht des Verkäufers, die Mitteilung unter Nachweis

1 Zur früheren Rechtslage beim Anmeldeprinzip 10. Aufl., Rdnr. 6. 2 Zur früheren Rechtslage beim Anmeldeprinzip 10. Aufl., Rdnr. 7. 3 Vgl. BR-Drucks. 354/07, S. 86 = Begr. RegE zu § 16; vgl. auch Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 16 (mit Bezug auf § 67 Abs. 3 AktG); Zöllner/Noack, in: Baumbach/ Hueck, § 40 Rdnr. 30; Heidinger, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 124; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, § 16 Rdnr. 5 und § 40 Rdnr. 10; Löbbe, in: Ulmer, Erg.-Band MoMiG, Rdnr. 60; Bayer/Illhardt, GmbHR 2011, 638; Kort, GmbHR 2009, 169, 172; abweichend Hasselbach, NZG 2009, 486, 489 (Anspruch gegen Geschäftsführer persönlich); weiter auch Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 43 (Anspruch gegen Geschäftsführer, Gesellschaft und ggf. Notar). 4 S. auch Rdnr. 6. 5 Zur früheren Rechtslage beim Anmeldeprinzip 10. Aufl., Rdnr. 8. 6 Zur früheren Rechtslage beim Anmeldeprinzip 10. Aufl., Rdnr. 8. 7 Zwar sieht § 40 vor, dass die Einreichung der Liste erst nach Wirksamwerden des Anteilsübergangs erfolgt. Dies sollte aber der Statuierung der Listeneintragung als einer letzten, aufschiebenden Bedingung für die dingliche Abtretung nicht entgegenstehen, zumal dann die Rechtssicherheit auch nicht gefährdet ist.

Seibt

1147

§ 16

Wechsel der Gesellschafter; Erwerb vom Nichtberechtigten

des Kausalgeschäfts gegenüber der Gesellschaft zu bewirken1. Besteht eine vertragliche Mitteilungspflicht, so kann sie von dem Vertragsgegner – im Zweifel aber nicht von der Gesellschaft – durch Klage erzwungen werden. Im Grundsatz ist auch eine Vereinbarung zulässig, mit der bestimmt wird, dass eine Mitteilung zum Zwecke der Eintragung der Veränderung in der Gesellschafterliste nicht erfolgen soll, denn dem Gesetzeszweck der Rechtssicherheit und Transparenz (vgl. Rdnr. 4) wird bereits durch die Fiktion der materiellen Rechtsinhaberschaft Rechnung getragen2. Dies entspricht einer ebenfalls zulässigen schuldrechtlichen Vereinbarung, der bisherige Rechtsinhaber solle so gestellt werden, als habe er noch die Rechte und Pflichten des Gesellschafters. Etwas anderes gilt nur, wenn die Wirksamkeit der Abtretung von Geschäftsanteilen gemäß § 15 Abs. 5 statutarisch an die Eintragung in der Gesellschafterliste nach Maßgabe der Mitteilung geknüpft ist3, was ebenfalls möglich ist4. Ist im Kausalgeschäft vereinbart, dass Nutzen und Lasten zu einem bestimmten Termin auf den Erwerber übergehen, so muss zwar der Erwerber der Gesellschaft gegenüber alle zwischen ihr und dem Veräußerer bis zur Eintragung in der Gesellschafterliste vorgenommenen Rechtshandlungen gegen sich gelten lassen, der Veräußerer hat aber den auf den Geschäftsanteil von ihm bezogenen und von der Gesellschaft nur an ihn auszuzahlenden Gewinn an den Erwerber weiter abzuführen. Umgekehrt muss der Erwerber den Veräußerer für alle Lasten, die Letzterer im Verhältnis zur Gesellschaft zu tragen hat, schadlos halten, soweit diese Lasten nach dem vereinbarten Stichtag fällig werden. Bis zur Eintragung in der Gesellschafterliste hat auch der Veräußerer das Stimmrecht in der Gesellschaft auszuüben; er muss es aber auf der Grundlage des Kausalgeschäfts im Interesse des Erwerbers ausüben, falls die Wahrnehmung dieses Interesses nicht der gegenüber der Gesellschaft fortbestehenden Treuepflicht widerspricht. c) Verhältnis zwischen Veräußerer und Dritten 12

Im Verhältnis zu Dritten (außer der Gesellschaft) ist der Geschäftsanteil mit der formgerechten Abtretung (§ 15 Abs. 3 und Abs. 5) übergegangen, auch wenn die Eintragung der Veränderung in der Gesellschafterliste nicht erfolgt ist. Der Geschäftsanteil gehört von der Abtretung an zum Vermögen des Erwerbers, nicht mehr des Veräußerers. § 16 entfaltet jedoch Reflexwirkungen, die Dritte betreffen können, so z.B. die Haftungsregelungen des § 16 Abs. 2, und macht die Gesellschafterliste zudem in § 16 Abs. 3 zum Anknüpfungspunkt für den gutgläubigen Erwerb eines Dritten5 (Rdnr. 7).

1 Zur früheren Rechtslage beim Anmeldeprinzip und weiteren Einzelheiten 10. Aufl., Rdnr. 10. 2 A.M. Heidinger, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 138; Reymann, BB 2009, 506, 509 (gesetzliche Pflicht zur Mitteilung). 3 Zur früheren Rechtslage beim Anmeldeprinzip 10. Aufl., Rdnr. 10. 4 Vgl. oben § 15 Rdnr. 116; ebenso Löbbe, in: Ulmer, Erg.-Band MoMiG, Rdnr. 17 a.E. 5 Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 23; vgl. auch Heidinger, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 151 ff.; Löbbe, in: Ulmer, Erg.-Band MoMiG, Rdnr. 21.

1148

Seibt

§ 16

Wechsel der Gesellschafter; Erwerb vom Nichtberechtigten

3. Zulässigkeit abweichender Satzungsbestimmungen Die Regelungen in § 16 sind grundsätzlich zwingender Natur, können also durch 13 die Satzung nicht abbedungen werden. Allerdings sind wie nach früherem Recht solche Satzungsbestimmungen zulässig, die im Rahmen und zur Konkretisierung von § 40 Abs. 1 Form- und Fristanforderungen an die Mitteilung (z.B. Schrift- oder Textform) bzw. den Nachweis (z.B. Erbschein) aufstellen, was sich mittelbar auf die Rechtswirkungen des § 16 Abs. 1 bis Abs. 3 auswirkt1. Weitergehend könnte aus der Regelung des § 15 Abs. 5, demzufolge die Abtretung 14 der Anteile durch Satzungsbestimmung von der Zustimmung der Gesellschaft abhängig gemacht oder sogar ausgeschlossen werden kann, mit einem argumentum a majore ad minus geschlossen werden, dass dann auch die Satzung einen Erwerb vom Nichtberechtigten nach Maßgabe des § 16 Abs. 3 beschränken können müsste. Diese Überlegung findet allerdings im Wortlaut von § 16 Abs. 3 keine Stütze, da dort eben kein Satzungsvorbehalt geregelt ist. Darüber hinaus hat der Gesetzgeber die Anregungen im Gesetzgebungsverfahren2 verworfen, eine Regelung vorzusehen, wonach die Gesellschafter in der Satzung bestimmen können, ob die Geschäftsanteile an der Gesellschaft einem gutgläubigen Erwerb zugänglich sind oder nicht. Die Satzungsdispositivität von § 16 Abs. 3 stünde auch dem Verkehrsschutzinteresse der Allgemeinheit und der Zielsetzung des Gesetzgebers entgegen, die Fungiblität von Geschäftsanteilen zu erhöhen und die Transaktionskosten (z.B. durch aufwendige Due Diligence-Prüfung historischer Erwerbsketten) zu senken. Schließlich ist es keineswegs zwingend aus der Möglichkeit, die Übertragbarkeit eines Rechts ausschließen zu können, zu folgern, auch die grundsätzliche Möglichkeit eines gutgläubigen Erwerbs sei durch Rechtsgeschäft ausschließbar. So lässt sich etwa die Übertragbarkeit einer Grundschuld ausschließen, ohne allerdings dass der Eigentümer des belasteten Grundstücks und der Gläubiger einer übertragbaren Grundschuld mit Wirkung gegen Dritte die Nichtanwendbarkeit der Regelung des § 892 BGB vereinbaren können. In gleicher Weise beseitigt die Aufnahme einer Vinkulierungsklausel in die Satzung keineswegs die Möglichkeit eines gutgläubigen Erwerbs, nämlich in dem Fall, dass der Antrag des Nichtberechtigten auf Zustimmung positiv beschieden wird. Im Ergebnis kann also die Satzung den gutgläubigen Erwerb von Nichtberechtigten materiell nicht beschränken oder gar ausschließen3. Noch nicht abschließend geklärt ist die Frage, ob auf Grund einer Satzungsrege- 15 lung auch Belastungen von Geschäftsanteilen (in Form eines Nießbrauchs oder eines Pfandrechts) in die Gesellschafterliste aufgenommen werden können. Dies wird in der Literatur zum Teil mit der Begründung abgelehnt, dass Belastungen weder die Person des Gesellschafters noch den Umfang der Beteiligung betreffen

1 Seibt, in: MünchAnwHdb. GmbH-Recht, 2. Aufl. 2009, § 2 Rdnr. 231c und 231d (mit Musterformulierung); Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 1; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 14; zust. ebenfalls Heidinger, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 99 a.E. – Zur früheren Rechtslage 10. Aufl., Rdnr. 4. 2 So Vorschläge von Grunewald und Gehling, in: Grunewald/Gehling/Rodewig, ZIP 2006, 685, 688, 689 und 692. 3 So bereits Seibt, in: MünchAnwHdb. GmbH-Recht, 2. Aufl. 2009, § 2 Rdnr. 231c.

Seibt

1149

§ 16

Wechsel der Gesellschafter; Erwerb vom Nichtberechtigten

und eine Eintragung zudem dem Wortlaut des § 40 Abs. 1 Satz 1 widerspreche1. Diese Ansicht ist allerdings nur überzeugend, soweit mit der Eintragung der Belastung in die Gesellschafterliste auch verbunden sein soll, dass diese Belastungen nach Maßgabe der sonstigen Voraussetzungen des § 16 Abs. 3 wie das Eigentumsrecht des Berechtigten verloren gehen. Die Satzungsgestaltung kann keine Auswirkungen auf die gesetzliche Reichweite des etwaigen gutgläubigen Erwerbs haben und nach der gesetzlichen Konzeption ist ein gutgläubig-lastenfreier Erwerb von Geschäftsanteilen nicht vorgesehen2. 15a

Allerdings ist – nach hier vertretener Auffassung – eine Satzungsbestimmung zulässig, die den Gesellschaftern vorschreibt, Belastungen der von ihnen gehaltenen Geschäftsanteile aus Informationszwecken zur Eintragung in die Gesellschafterliste zu bringen3. Mit einer solchen inhaltlichen Erweiterung der Gesellschafterliste könnten die Gesellschafter ein umfassendes Dokument der rechtlichen und wirtschaftlichen Beteiligungstransparenz schaffen. Dem steht auch nicht der Grundsatz der Registerklarheit entgegen4, weil Belastungen ohne Weiteres in einer eigenen Spalte der Gesellschafterliste vermerkt werden könnten und die Inhaberschaft eines Geschäftsanteils damit weiterhin auf einen Blick erkennbar bliebe. Angesichts der verbleibenden Rechtsunsicherheit mit einer jedenfalls skeptischen höchstrichterlichen Rechtsprechung5 ist jedoch eine Ablehnung der Aufnahme der in solcher Form modifizierten Gesellschafterlisten durch die Registergerichte zu befürchten. Im Regelfall wird es allerdings schon nicht dem Interesse der Gesellschafter entsprechen, das Bestehen von Belastungen an Geschäftsanteilen über den Kreis der Gesellschafter hinaus der Öffentlichkeit offen zu legen, so dass gleichzeitig die Geschäftsführung dann ange-

1 Paefgen, in: Ulmer, Erg.-Band MoMiG, § 40 Rdnr. 27 m.w.N.; Wicke, § 40 Rdnr. 5a; Zöllner/Noack, in: Baumbach/Hueck, § 40 Rdnr. 15; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 9; Vossius, DB 2007, 2299; so wohl auch, aber ohne Begr., Schockenhoff/Höder, ZIP 2006, 1841, 1844. 2 Ganz überwiegende Meinung, vgl. nur Löbbe, in: Ulmer, Erg.-Band MoMiG, Rdnr. 132; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 60; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 26, jew. m.w.N.; Harbarth, ZIP 2008, 57, 63 f.; Schockenhoff/Höder, ZIP 2006, 1841, 1844; Rau, DStR 2006, 1892, 1898 f.; a.M. Reymann, WM 2008, 2095, 2101. 3 Seibt, in: MünchAnwHdb. GmbH-Recht, 2. Aufl. 2009, § 2 Rdnr. 231d. Für eine Eintragungsfähigkeit dinglicher Belastungen LG Aachen, RNotZ 2009, 409, 410 = GmbHR 2009, 1218, 1219 (in Bezug auf einen Nießbrauch) mit zust. Anm. Reymann, RNotZ 2009, 410, 412; Link, DNotZ 2009, 193, 2004; Zinger/Ulrich-Erber, NZG 2011, 286, 289; weitergehend [Analogie zu § 16 Abs. 3 bei Eintragung] Reymann, WM 2008, 2095, 2101; Reymann, GmbHR 2009, 343, 347; Heidinger, in: Heckschen/Heidinger, Die GmbH in der Gestaltungs- und Beratungspraxis, § 13 Rdnr. 286 ff.; gegen Eintragungsfähigkeit Paefgen, in: Ulmer, Erg.-Band MoMiG, § 40 Rdnr. 27 m.w.N.; Wicke, § 16 Rdnr. 10, § 40 Rdnr. 5; Zöllner/Noack, in: Baumbach/Hueck, § 40 Rdnr. 15; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 9; Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 12, 251; Wachter, in: Bork/Schäfer, § 40 Rdnr. 9 f.; wohl auch BGH, WM 2011, 2097, 2098 = GmbHR 2011, 1269, 1270; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 21. 4 So aber OLG München, DNotZ 2009, 869, 871 = GmbHR 2009, 1211, 1212; wohl auch BGH, WM 2011, 2097, 2098 = GmbHR 2011, 1269, 1270; ebenfalls a.A. Wicke, Rdnr. 10; zu Gestaltungsvorschlag für Gesellschafterliste mit Belastungsspalte s. Sieja, NWB 2011, 1167, 1173. 5 BGH, WM 2011, 2097, 2098 = GmbHR 2011, 1269, 1270.

1150

Seibt

§ 16

Wechsel der Gesellschafter; Erwerb vom Nichtberechtigten

wiesen werden wird, zum Handelsregister nur die Gesellschafterliste mit dem gesetzlich vorgeschriebenen Mindestinhalt einzureichen.

III. Legitimationswirkung im Verhältnis zur GmbH nach Eintragung in der Gesellschafterliste (§ 16 Abs. 1) 1. Anwendungsbereich/Voraussetzungen der Legitimationswirkung a) Veränderung Mit der Neufassung von § 16 hat der Gesetzgeber einen deutlich erweiterten 16 Anwendungsbereich der Legitimationsfiktion geregelt1. So erfasste der § 16 Abs. 1 a.F. ausschließlich den Fall einer Veräußerung des Geschäftsanteils und fand keine Anwendung auf gesetzliche Erwerbstatbestände wie die Gesamtrechtsnachfolge durch Erbfall oder übertragende Umwandlung und auf Veränderungen ohne Rechtsnachfolge wie beim Erwerb eines Geschäftsanteils im Rahmen einer Kapitalerhöhung oder beim Formwechsel2. Nach der jetzigen Fassung des § 16 Abs. 1 Satz 1 wird hingegen jede Veränderung in den Personen der Gesellschafter oder des Umfangs ihrer Beteiligung erfasst. Diese Erweiterung des Anwendungsbereichs der Legitimationsfiktion ist vom Gesetzgeber auch so bezweckt worden3. Eine Veränderung ist eine Abweichung von den Angaben in der Gesellschafter- 17 liste, und zwar von der ursprünglich gemäß § 8 Abs. 1 Nr. 3 zusammen mit der Gründungssatzung (§ 8 Abs. 1 Nr. 1) bei der Anmeldung der GmbH zur Eintragung in das Handelsregister eingereichten Gesellschafterliste sowie gleichermaßen von jeder dort neu eingereichten Gesellschafterliste. Die insoweit missverständliche Formulierung in § 16 Abs. 1 Satz 1 setzt nicht den „Fall“ einer tatsächlich erfolgten Veränderung voraus, sondern nur, dass sich die Listeneintragung auf die Person des Gesellschafters oder den Umfang der Beteiligung bezieht4. b) Veränderung in der Person des Gesellschafters Der erste Topos eines die Eintragung in der Gesellschafterliste auslösenden Um- 18 stands ist die „Veränderung in der Person des Gesellschafters“. Hiermit wird jede Abweichung in der Zuordnung zu einem Geschäftsanteil, also in der Gesellschafterstellung, im Vergleich zu der bisherigen Eintragung in der Gesellschafterliste erfasst. Damit unterfallen dem neugefassten § 16 Abs. 1 Satz 1 nicht nur wie bislang die Veräußerung des Geschäftsanteils, sondern auch jede weitere Form der Einzelrechtsnachfolge durch Abtretung gemäß § 15 Abs. 3. Im Einzelnen werden also erfasst die treuhänderische Übertragung sowie die Sicherungsübertragung eines Geschäftsanteils, der Erwerb in der Zwangsvollstreckung, auf 1 So auch Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 51; a.A. Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 5; Bayer, in: Liber amicorum M. Winter, 2011, S. 9, 21; Omlor/Spies, MittBayNot 2011, 353, 355; Wicke, Rdnr. 3. 2 Zur früheren Rechtslage 10. Aufl., § 16 Rdnr. 28 f., § 15 Rdnr. 93. 3 S. BR-Drucks. 354/07, S. 86 = Begr. RegE zu § 16 („gilt … bei allen Formen des Anteilsübergangs“). 4 Ebenso Kort, GmbHR 2009, 169, 173.

Seibt

1151

§ 16

Wechsel der Gesellschafter; Erwerb vom Nichtberechtigten

Grund eines Vermächtnisses oder im Rahmen einer Erbauseinandersetzung, die Realteilung eines gemeinschaftlichen Geschäftsanteils, aber auch – und wiederum anders als nach früherer Rechtslage – der Erwerb im Kaduzierungsverfahren (§ 21) oder im Abandonverfahren (§ 27). Ebenso wie nach altem Recht (vgl. 10. Aufl., Rdnr. 27) unterfällt der Erwerb einer Mitberechtigung nach Bruchteilen (§§ 741, 747 Satz 1 BGB) § 16. Dies gilt jetzt auch für den Erwerb eines Geschäftsanteils durch die GmbH selbst1. Darüber hinaus wird nun jede Form der Gesamtrechtsnachfolge in einen Geschäftsanteil erfasst, also die Gesamtrechtsnachfolge durch Erbfall (§ 1922 BGB)2, durch übertragende Umwandlung nach dem UmwG (Verschmelzung und Spaltung)3, durch Anwachsung gemäß § 738 Abs. 1 Satz 1 BGB (auch entsprechend)4, aber auch durch die Begründung einer Gütergemeinschaft (§ 1416 Abs. 1 Satz 1 BGB)5. Demgegenüber wird jede Veränderung in der Person des Gesellschafters ohne Rechtsnachfolge, also insbesondere beim Formwechsel eines Gesellschafters, Umfirmierung oder Namenswechsel z.B. durch Heirat, vom neugefassten § 16 Abs. 1 Satz 1 nicht erfasst. c) Veränderung im Umfang der Beteiligung 19

Der zweite Topos eines die Eintragung in der Gesellschafterliste auslösenden Umstands ist die Veränderung des Umfangs der Beteiligung. Mit dieser Variante wird nicht die Person des Gesellschafters in den Blick genommen, sondern der Geschäftsanteil als Objekt der Gesellschafterbeteiligung. Beide Varianten haben eine große Schnittmenge, z.B. bei der Abtretung eines Teil-Geschäftsanteils oder eines von mehreren Geschäftsanteilen eines Gesellschafters, beim Hinzuerwerb eines Geschäftsanteils durch einen Gesellschafter oder im Falle von Kapitalveränderungen nach Einziehung eines Geschäftsanteils (§ 34)6. Nur dem zweiten Topos unterfallen allerdings alle Beteiligungsveränderungen ohne Gesellschafterwechsel, also die Zusammenlegung und Teilung von Geschäftsanteilen sowie von Kapitalmaßnahmen, an denen ausschließlich Altgesellschafter unter Inan1 Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 7; Löbbe, in: Ulmer, Erg.-Band MoMiG, Rdnr. 25 f.; Heidinger, in: Heckschen/Heidinger, Die GmbH in der Gestaltungs- und Beratungspraxis, § 13 Rdnr. 274. 2 Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 7; Löbbe, in: Ulmer, Erg.-Band MoMiG, Rdnr. 30; Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 95; Wicke, Rdnr. 6; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 18; Heidinger, in: Heckschen/Heidinger, Die GmbH in der Gestaltungs- und Beratungspraxis, § 13 Rdnr. 277; Hasselmann, NZG 2009, 409, 410; Uwe H. Schneider, GmbHR 2009, 393, 394. 3 Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 7; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 21; Löbbe, in: Ulmer, Erg.-Band MoMiG, Rdnr. 28; Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 101; Wicke, Rdnr. 8; Heidinger, in: Heckschen/Heidinger, Die GmbH in der Gestaltungs- und Beratungspraxis, § 13 Rdnr. 278 f.; Gottschalk, DZWiR 2009, 45, 46; Hasselmann, NZG 2009, 409, 410. 4 Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 7; Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 10, 101; Heidinger, in: Heckschen/Heidinger, Die GmbH in der Gestaltungs- und Beratungspraxis, § 13 Rdnr. 280; Hasselmann, NZG 2009, 409, 410. 5 Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 7; Heidinger, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 88; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 21; Heckschen, DStR 2007, 1442, 1450; Kort, GmbHR 2009, 169, 173; D. Mayer, DNotZ 2008, 403, 407; Vossius, DB 2007, 2299. 6 Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 8; Löbbe, in: Ulmer, Erg.-Band MoMiG, Rdnr. 33; Heidinger, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 90; Hasselmann, NZG 2009, 409, 410; D. Mayer, DNotZ 2008, 403, 407; Vossius, DB 2007, 2299.

1152

Seibt

§ 16

Wechsel der Gesellschafter; Erwerb vom Nichtberechtigten

spruchnahme ihres Bezugsrechts teilnehmen. Ebenfalls werden von diesem Topos die Übernahme neuer Geschäftsanteile durch bisherige Nicht-Gesellschafter im Rahmen von Kapitalerhöhungen erfasst1. d) Verpfändung und Nießbrauch Weder die Verpfändung eines Geschäftsanteils noch die Begründung eines Nieß- 20 brauchs an einem Geschäftsanteil sind eine Veränderung in der Person des Gesellschafters (denn es erfolgt kein Gesellschafterwechsel) und auch keine Veränderung im Umfang der Beteiligung. Dem Wortlaut des § 16 Abs. 1 Satz 1 unterfallen demnach weder Verpfändung noch Nießbrauch an einem Geschäftsanteil. Auch eine rechtspolitisch an sich wünschenswerte Erfassung von Belastungen von Geschäftsanteilen (s. auch unten Rdnr. 73) über eine analoge Anwendung von § 16 Abs. 1 Satz 1 ist nach geltendem Recht nicht zu rechtfertigen2: Die Wirksamkeit der Bestellung eines Pfandrechts oder eines Nießbrauchs an einen Geschäftsanteil ist nämlich materiell-rechtlich nicht von einer Anzeige gegenüber der Gesellschaft abhängig. Leistungen der GmbH an den Gesellschafter oder Handlungen des Gesellschafters gegenüber der GmbH wurden indes nach der Altregelung in § 16 Abs. 2 a.F. analog auch dann als wirksam erachtet, wenn sie in die Rechte des Pfandgläubigers oder Nießbrauchsberechtigten eingreifen3. Diese als unbefriedigend erkannte Konsequenz wurde durch eine entsprechende Anwendung von § 16 Abs. 1 a.F., nämlich durch das Erfordernis einer Anmeldung zur Rechtswahrung, vermieden4. Nur in diesem Fall sollten auch die Verfügungsbeschränkungen des Gesellschafters gegenüber der GmbH nach §§ 1071, 1276 BGB gelten5. Auch nach Wegfall des § 16 Abs. 2 a.F. ist im Hinblick auf den Rechtsgedanken des § 407 BGB zur Wahrung der Rechte des Pfandgläubigers oder des Nießbrauchsberechtigten eine Anzeige an die GmbH erforderlich6. Eine Eintragung in die Gesellschafterliste i.S. von §§ 16 Abs. 1 Satz 1, 40 kommt de lege lata nicht in Betracht7. Allerdings kann der Gesellschaftsvertrag eine Eintragung von Belastungen in der Gesellschafterliste informationshalber vorsehen (vgl. oben Rdnr. 15). Hierdurch wird jedoch nicht die Möglichkeit eines gutgläubig lastenfreien Erwerbs geschaffen (Rdnr. 74). 1 Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 8; Heidinger, in: Heckschen/Heidinger, Die GmbH in der Gestaltungs- und Beratungspraxis, § 13 Rdnr. 282; teilw. abw. Löbbe, in: Ulmer, Erg.-Band MoMiG, Rdnr. 34, der dies der Alt. 1, also einer „Veränderung in der Person der Gesellschafter“ unterstellen will. 2 I.E. ebenso Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 9; Wicke, Rdnr. 10; für eine analoge Anwendung allerdings Heidinger, in: Heckschen/Heidinger, Die GmbH in der Gestaltungsund Beratungspraxis, § 13 Rdnr. 288; Heidinger, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 92 ff.; Reymann, WM 2008, 2095, 2101; Reymann, GmbHR 2009, 343, 347. 3 Zur früheren Rechtslage 10. Aufl., Rdnr. 44. 4 Zur früheren Rechtslage 10. Aufl., § 16 Rdnr. 44, § 15 Rdnr. 175. 5 Zur früheren Rechtslage 10. Aufl., Rdnr. 44. 6 Ebenso Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 9; Wicke, Rdnr. 10; Löbbe, in: Ulmer, Erg.Band MoMiG, Rdnr. 38; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 3; Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 105; weitergehend (Anwendung von § 16 Abs. 1 n.F. analog) Heidinger, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 92 ff. 7 Ebenso Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 9; Wicke, Rdnr. 10; Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 12; Löbbe, in: Ulmer, Erg.-Band MoMiG, Rdnr. 38; D. Mayer, DNotZ 2008, 403, 407; Preuß, ZGR 2008, 676, 684; Uwe H. Schneider, GmbHR 2009, 393, 394.

Seibt

1153

§ 16

Wechsel der Gesellschafter; Erwerb vom Nichtberechtigten

e) Pfändung 21

Bei der Pfändung eines Geschäftsanteils wurde bereits nach früherer Rechtslage auf eine (weitere) Anzeige verzichtet, da dort die Zustellung des Pfändungsbeschlusses an die GmbH Voraussetzung für die Wirksamkeit der Pfändung ist1. Dies bleibt auch nach neuer Rechtslage unverändert. Demgegenüber gilt im Falle der Verwertung des Geschäftsanteils durch den Gerichtsvollzieher im Wege der Zwangsvollstreckung – wie nach früherer Rechtslage2 – auch der neugefasste § 16 Abs. 1 Satz 13.

2. Eintragung der Veränderung in der Gesellschafterliste a) Legitimationsgrundlage 22

Für die Gesellschafterstellung gegenüber der GmbH ist nun nach § 16 Abs. 1 Satz 1 die Eintragung als Gesellschafter in der im Handelsregister aufgenommenen Gesellschafterliste (§ 40) maßgeblich. Regelmäßiger Auslöser der Eintragung ist nach Aufnahme der bei der Anmeldung der Errichtung der GmbH eingereichten Gründungsgesellschafterliste der Eintritt einer Veränderung in den Personen der Gesellschafter oder des Umfangs ihrer Beteiligung. Es wäre eine Fehlauslegung des Gesetzeswortlautes („im Fall einer Veränderung …“), die Legitimationswirkung auf die Veränderung selbst oder die „Eintragung der Veränderung“ zu beziehen4, zumal die Veränderung selbst nur eine Differenzbezeichnung ist und in einer gegenüber der bisherigen Gesellschafterliste veränderten Eintragung in der Person eines Gesellschafters oder im Umfang seiner Beteiligung besteht.

23

Entsprechend der Rechtslage bei Namensaktien nach § 67 Abs. 2 AktG5 tritt die Legitimationswirkung einer Eintragung in der Gesellschafterliste nur dann ein, wenn die Eckpunkte des gesetzlichen Eintragungs- und Aufnahmeverfahrens in das Handelsregister eingehalten worden sind. So erfordert die Legitimationswirkung, dass die Eintragung in die Gesellschafterliste und die Einreichung zur Aufnahme beim Handelsregister entweder (i) vom zuständigen Geschäftsführer auf Grund einer zurechenbaren und mit Nachweis versehenen Mitteilung eines hierzu Befugten oder (ii) vom zuständigen, an der Veränderung mitwirkenden Notar von Amts wegen erfolgt (vgl. § 40, 11. Aufl., Bd. II)6. Die Erstellung einer Gesellschafterliste und Einreichung beim Handelsregister durch eine dritte Person, z.B. einen ausländischen Notar (vgl. Erl. zu § 40), oder einen Gesellschafter,

1 Zur früheren Rechtslage 10. Aufl., Rdnr. 45. 2 Zur früheren Rechtslage 10. Aufl., Rdnr. 45. 3 Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 10; Löbbe, in: Ulmer, Erg.-Band MoMiG, Rdnr. 26 Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 8. 4 So (wohl missverständlich) Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 11; so wie hier Ries, GWR 2011, 54, 56 unter besonderer Berücksichtigung der Bedeutung dieser Auslegung für Altlisten („Papierlisten“). 5 Hierzu Bayer, in: MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, § 67 AktG Rdnr. 68 f., 74, 76; T. Bezzenberger, in: K. Schmidt/Lutter, § 67 AktG Rdnr. 8. 6 Ebenso Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 13; Wicke, Rdnr. 9; Tebben, RNotZ 2008, 441, 451 f.; abweichend Reymann, BB 2009, 506, 508 f.

1154

Seibt

§ 16

Wechsel der Gesellschafter; Erwerb vom Nichtberechtigten

führt nicht zur Legitimationswirkung des § 16 Abs. 1 Satz 11. Allerdings schadet es nicht, wenn ein solcher Dritter die Gesellschafterliste zwar erstellt, aber die nach § 40 zuständige Person (also insbesondere der zuständige Geschäftsführer) sich diese zu eigen macht und diese dann auch beim Handelsregister zur Anmeldung einreicht. Dabei ist selbstverständlich auch eine offen gelegte und bestehende Vertretung des oder Botenschaft für den an sich zuständigen Geschäftsführer oder Notar unschädlich. Ein solches Vorgehen liegt im Zweifel bei der Listeneintragung und Übermittlung durch einen ausländischen Notar vor. Zu den für die Legitimationswirkung erheblichen Eckpunkten gehört die der Gesellschafterliste beizufügende Bescheinigung des Notars (§ 40 Abs. 2 Satz 2) nicht, so dass deren Fehlen für die Legitimationswirkung bedeutungslos ist2. Das Gleiche gilt für das Fehlen der Unterschrift des zuständigen Geschäftsführers oder zuständigen Notars unter der Gesellschafterliste. Das für den Eintritt der Legitimationswirkung erforderliche Merkmal der Zure- 24 chenbarkeit der Mitteilung eines hierzu Befugten fehlt, wenn in Abweichung zu der Mitteilung eine andere Person als Gesellschafter oder ein unzutreffender Beteiligungsumfang eingetragen wurde. Das Gleiche gilt, wenn die Mitteilung durch einen unbefugten Dritten oder auf Grund von vis absoluta oder einer in ihrer Intensität bzw. Wirkung gleichkommender vis compulsiva oder durch einen Vertreter ohne Vertretungsmacht (einschließlich der Fälle gefälschter Vollmacht) erfolgt3. An der Zurechenbarkeit der Mitteilung fehlt es auch, wenn diese zwar durch den an sich Befugten geschieht, dieser aber geschäftsunfähig oder nur beschränkt geschäftsfähig ist4. Keine Legitimationswirkungen lösen auch die gefälschte Mitteilung oder die gefälschte Gesellschafterliste aus5. Etwas anderes gilt für die mittels Täuschung des Notars durch einen Dritten zustande gekommene Fehlerhaftigkeit der Gesellschafterliste, denn eine solche entsteht ebenso wie eine durch Fehler des Notars falsche Liste im vom Gesetzgeber vorgesehenen Verfahren und durch den Befugten6. Eine in Kenntnis aller Beteiligten (einschließlich des für die Erstellung der Gesellschafterliste und zur Einreichung beim Handelsregister zuständigen Geschäftsführers) nur zum Schein abgegebene 1 Wicke, Rdnr. 9; a.A. Tebben, RNotZ 2008, 441, 454; Löbbe, in: Ulmer, Erg.-Band MoMiG, Rdnr. 64. 2 Ebenso Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 13; Löbbe, in: Ulmer, Erg.-Band MoMiG, Rdnr. 54; Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 71; Kort, GmbHR 2009, 169, 172; D. Mayer, DNotZ 2008, 403, 415. 3 Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 14; Löbbe, in: Ulmer, Erg.-Band MoMiG, Rdnr. 47; Heidinger, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 63; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 6; Brandes, in: Bork/Schäfer, Rdnr. 27; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 11; in Bezug auf den falsus procurator abw. Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 72; Reymann, BB 2009, 506, 507 f.; einschränkend Wiersch, S. 219 f. 4 Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 14; Löbbe, in: Ulmer, Erg.-Band MoMiG, Rdnr. 57; Heidinger, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 68; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 11; Jasper, in: MünchHdb. III, § 24 Rdnr. 235; Reymann, BB 2009, 506, 507 f. 5 Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 14; Löbbe, in: Ulmer, Erg.-Band MoMiG, Rdnr. 57; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 6; Brandes, in: Bork/Schäfer, Rdnr. 27; Wicke, Rdnr. 9; Heidinger, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 76 ff., 79; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 11; Reymann, BB 2009, 506, 507 f.; einschränkend Wiersch, S. 219 f. 6 Heidinger, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 64; Löbbe, in: Ulmer, Erg.-Band MoMiG, Rdnr. 54; a.A. Liebscher/C. Goette, DStR 2010, 2038, 2044.

Seibt

1155

§ 16

Wechsel der Gesellschafter; Erwerb vom Nichtberechtigten

Mitteilung unter Vorlage eines sachlich unrichtigen, aber die Mitteilung deckenden Nachweises führt demgegenüber zur Legitimationswirkung des Eingetragenen. Denn in diesem Fall ist die Mitteilung zurechenbar und es sind die Eckpunkte des gesetzlich geregelten Verfahrens eingehalten. Bei der Abwägung zwischen der Geltung der materiellen Rechtslage einerseits und dem Verkehrsschutz mit der Gesellschafterliste als Rechtsscheinträger andererseits ist in diesen Fällen – und trotz Kenntnis von der „Scheineintragung“ durch die Gesellschaft als primären Verkehrsschutzbegünstigten – dem Verkehrsschutz Vorrang einzuräumen1. b) Auswirkungen von Nichtigkeit und Anfechtbarkeit aa) Mängel des Abtretungsvertrages 25

Die Frage nach der dinglichen Rechtsinhaberschaft ist strikt von derjenigen nach dem Berechtigten und Verpflichteten der relativen Legitimationswirkung des § 16 Abs. 1 Satz 1 zu unterscheiden: So wird die Nichtigkeit oder Anfechtbarkeit des Abtretungsvertrages nicht durch die Eintragung in der Gesellschafterliste oder deren Aufnahme im Handelsregister geheilt2. Die Regeln über den vollzogenen fehlerhaften Gesellschafterwechsel bei Personengesellschaften sind auf die Abtretung von Geschäftsanteilen an einer GmbH nicht anwendbar. Die Nichtigkeit und die Anfechtung des Abtretungsvertrages haben vielmehr auch nach erfolgter Eintragung in die Gesellschafterliste grundsätzlich rückwirkende Kraft; Ausnahmen ergeben sich im Verhältnis zur GmbH nur aus § 163.

26

Umgekehrt erfasst die Nichtigkeit des Abtretungsvertrages ohne weitere Handlungen (nämlich die Vornahme einer neuen Eintragung in der Gesellschafterliste und ihre Aufnahme in das Handelsregister) die Eintragung in der Gesellschafterliste und damit auch die Legitimationswirkung des § 16 Abs. 1 Satz 1 nicht4. Dies wäre nämlich mit den Verkehrsschutzzwecken des § 16 nicht zu vereinbaren (Rdnr. 4). Ausnahmen gelten nur bei Unwirksamkeit wegen fehlender Geschäftsfähigkeit, bei nicht zurechenbaren Willenserklärungen zur Anteilsübertragung (z.B. vis absoluta, Handeln des Vertreters ohne Vertretungsmacht [falsus procurator]) oder bei kollusiven Zusammenwirken unter Kenntnis des zuständigen Geschäftsführers bzw. Notars (vgl. Rdnr. 29, 105). Dagegen bleibt es auch bei Verstößen des Abtretungsvertrages gegen gesetzliche Verbote (z.B. ge1 Gleichsinnig Kort, GmbHR 2009, 169, 170; a.A. Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 14; Heidinger, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 54; Löbbe, in: Ulmer, Erg.-Band MoMiG, Rdnr. 58; zu § 67 Abs. 2 AktG a.A. Bayer, in: MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, § 67 AktG Rdnr. 69 und 74; hiergegen zweifelnd z.B. Hüffer, § 67 AktG Rdnr. 15. 2 Zur früheren Rechtslage unter Geltung des Anmeldeprinzips 10. Aufl., Rdnr. 22; zur jetzigen Rechtslage Wicke, Rdnr. 2; Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 49; Bayer, in: Lutter/ Hommelhoff, Rdnr. 22; Heidinger, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 150; Hasselmann, NZG 2009, 409, 410. 3 Gleichsinnig zur früheren Rechtslage unter Geltung des Anmeldeprinzips 10. Aufl., Rdnr. 22. 4 Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 25; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 14; Löbbe, in: Ulmer, Erg.-Band MoMiG, Rdnr. 80 f.; Heidinger, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 46 f.; Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 84, gleichsinnig zur früheren Rechtslage 10. Aufl., Rdnr. 23.

1156

Seibt

§ 16

Wechsel der Gesellschafter; Erwerb vom Nichtberechtigten

gen das Vollzugsverbot nach § 41 Abs. 1 GWB oder das Verbot wettbewerbsbeschränkender Vereinbarungen nach § 1 GWB) bei der Legitimationswirkung. Mängel des Abtretungsvertrages berechtigen aber zur Berichtigung der Gesellschafterliste nach Maßgabe des Verfahrens in § 40. Die Legitimationswirkung entfällt dann mit Wirkung ex nunc1. Das Gleiche gilt für die Rücknahme der zum Handelsregister gereichten Gesellschafterliste (Rdnr. 31 f.).

27

bb) Mängel der Mitteilung Die Mitteilung eines hierzu Berechtigten gegenüber dem Geschäftsführer kann 28 – wie früher die Anmeldung2 – selbst nichtig oder anfechtbar sein, da sie den Vorschriften über Willenserklärungen unterliegt3. Die Anfechtung der Mitteilung hat gegenüber der Gesellschaft zu erfolgen (§ 143 Abs. 3 BGB analog). Das Anfechtungsrecht steht demjenigen zu, der die Mitteilung vorgenommen hat. Kein Anfechtungsgrund ist die Unkenntnis der (mittelbaren) Rechtsfolgen der Mitteilung. Die Unwirksamkeit einer Mitteilung kann durch eine sie bestätigende konkludente Rechtshandlung behoben werden (§ 141 Abs. 1 BGB) und die Anfechtung kann aus denselben Gründen ausgeschlossen sein (§ 144 BGB). Die Anfechtung der Mitteilung ist allerdings als Rechtsmissbrauch unbeachtlich, wenn die mitgeteilte Veränderung rechtswirksam ist und andere schutzwürdige Interessen an der Rückgängigmachung der Mitteilung nicht bestehen4. Dies ist z.B. der Fall, wenn sie nur darauf beruht, dass der materiell Berechtigte nun das Interesse verfolgt, nicht in dieser Stellung öffentlich zu werden. Die Unwirksamkeit einer Mitteilung kann nur in einem Rechtsstreit gegen die GmbH mit Wirkung für diese verbindlich festgestellt werden5. Im Hinblick auf die Rechtsfolgen einer mangelhaften Mitteilung ist zu unter- 29 scheiden: Sie ist wirkungslos, wenn sie nicht durch ein einem Mitteilungsberechtigten zurechenbaren Verhalten verursacht, z.B. durch vis absoluta oder Fälschung herbeigefügt oder durch einen vollmachtlosen Vertreter (falsus procurator)6 oder einen Geschäftsunfähigen oder beschränkt Geschäftsfähigen vorgenommen worden ist. Das gilt nicht bei einer Mitteilung, die nur zum Schein im Einverständnis oder mit Kenntnis der GmbH abgegeben wurde, oder wenn die GmbH die Unwirksamkeit der Mitteilung positiv kannte (Rdnr. 24 a.E.). Alle 1 Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 26; Löbbe, in: Ulmer, Erg.-Band MoMiG, Rdnr. 84; Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 85; Heidinger, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 50. 2 Zur früheren Rechtslage unter Geltung des Anmeldeprinzips 10. Aufl., Rdnr. 24. 3 Paefgen, in: Ulmer, Erg.-Band MoMiG, § 40 Rdnr. 44; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/ Hueck, Rdnr. 12 (alle geschäftsähnliche Handlung); Zirngibl, in: Bunnemann/Zirngibl, Auswirkungen des MoMiG auf bestehende GmbHs, 2008, § 4 Rdnr. 39; Kort, GmbHR 2009, 169, 170; D. Mayer, DNotZ 2008, 403, 412 (alle analoge Anwendung). 4 Zur früheren Rechtslage unter Geltung des Anmeldeprinzips 10. Aufl., Rdnr. 24; zur neuen Rechtslage Löbbe, in: Ulmer, Erg.-Band MoMiG, Rdnr. 59; Jasper, in: MünchHdb. III, § 24 Rdnr. 234. 5 Zur früheren Rechtslage unter Geltung des Anmeldeprinzips 10. Aufl., Rdnr. 24. 6 So wie hier Wicke, Rdnr. 9; Löbbe, in: Ulmer, Erg.-Band MoMiG, Rdnr. 57; Heidinger, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 62 (in Bezug auf Mitteilung durch den Geschäftsführer); a.M. Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 72; Hasselmann, NZG 2009, 486, 492 (im Falle eines tatsächlichen Gesellschafterwechsels).

Seibt

1157

§ 16

Wechsel der Gesellschafter; Erwerb vom Nichtberechtigten

anderen Nichtigkeits- und Anfechtungsgründe können nur mit Wirkung für die Zukunft geltend gemacht werden1. Die Beseitigung der Mitteilung erfolgt nach Maßgabe des in § 40 geregelten Verfahrens und lässt die Rechtswirkung des § 16 Abs. 1 für die Vergangenheit unberührt, und alle Leistungen zwischen dem in der Gesellschafterliste eingetragenen Gesellschafter einerseits und der GmbH andererseits sind mit Rechtsgrund getätigt worden. Allerdings hat die Beseitigung der Mitteilung auch die Wirkung, dass sie für die Zukunft als nie erfolgt gilt2. Der zu Unrecht in der Gesellschafterliste Eingetragene ist z.B. im Falle einer künftigen Kaduzierung nicht Rechtsvorgänger und haftet daher nicht nach § 223. cc) Mängel bei der Aufnahme der Gesellschafterliste in das Handelsregister 30

Beim technischen Prozess der Aufnahme der Gesellschafterliste in das Handelsregister kann es u.a. zur (unabsichtlichen) Nicht-Aufnahme der Liste und zur (unabsichtlichen) Datenänderung kommen. In diesen Fällen ist die Gesellschafterliste bzw. das betreffende Datum wirkungslos4. c) Widerruf der Mitteilung und Rücknahme der Einreichung der Gesellschafterliste

31

Die Mitteilung des hierzu Berechtigten kann nur durch Anfechtung oder Geltendmachung ihrer Nichtigkeit widerrufen werden (Rdnr. 28). Eine hiervon losgelöste, grundlose Rücknahme der Mitteilung ist nicht möglich5. Bei Anfechtung der Mitteilung oder der Geltendmachung der Nichtigkeit einer Mitteilung durch den Mitteilenden ist im Grundsatz ein noch nicht abgeschlossenes Eintragungs- und Aufnahmeverfahren in das Handelsregister zu stoppen6. Dies gilt ausnahmsweise dann nicht, wenn offensichtlich keine Nichtigkeit oder Anfechtbarkeit der Mitteilung vorliegt.

32

Die Einreichung der Gesellschafterliste zur Aufnahme in das Handelsregister ist ein rein tatsächlicher Vorgang, der durch ein Berichtigungsschreiben gegenüber dem Handelsregister rückgängig gemacht werden kann. Die Zulässigkeit einer solchen Rücknahme bemisst sich nach den durch § 40 konturierten Sorgfaltspflichtmaßstäben des zuständigen Geschäftsführers bzw. Notars (vgl. § 40, 11. Aufl., Bd. II).

1 Gleichsinnig zur früheren Rechtslage unter Geltung des Anmeldeprinzips 10. Aufl., Rdnr. 26; Löbbe, in: Ulmer, Erg.-Band MoMiG, Rdnr. 59; Jasper, in: MünchHdb. III, § 24 Rdnr. 234. 2 Ebenso Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 16; zum Aktienrecht auch Bayer, in: MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, § 67 AktG Rdnr. 118. 3 Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 16; Löbbe, in: Ulmer, Erg.-Band MoMiG, Rdnr. 84; Brandes, in: Bork/Schäfer, Rdnr. 31. 4 Zust. Löbbe, in: Ulmer, Erg.-Band MoMiG, Rdnr. 65. 5 Ebenso Heidinger, in: Heckschen/Heidinger, Die GmbH in der Gestaltungs- und Beratungspraxis, § 13 Rdnr. 299; a.A. Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 17; ebenfalls a.A. zu § 67 Abs. 2 AktG Lutter/Drygala, in: KölnKomm. AktG, 3. Aufl. 2011, § 67 AktG Rdnr. 99; Bayer, in: MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, § 67 AktG Rdnr. 76. 6 Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 17.

1158

Seibt

§ 16

Wechsel der Gesellschafter; Erwerb vom Nichtberechtigten

d) Löschung der Eintragung und Wegfall aus dem Handelsregister Die Löschung (einschließlich der Änderung) einer Eintragung in der Gesellschaf- 33 terliste führt zu einem Wegfall der Legitimationswirkung der Alt-Eintragung mit Wirkung ex nunc. Mit der Aufnahme der geänderten Gesellschafterliste kommt der Neu-Eintragung Legitimationswirkung nach § 16 Abs. 1 Satz 1 zu. Wird eine zunächst beim Handelsregister aufgenommene Gesellschafterliste ausgelistet oder fällt sie aus irgendwelchen Gründen weg, so entfällt auch die Legitimationswirkung ab dem Zeitpunkt des Wegfalls. Sofern dann eine vorherige Gesellschafterliste im Handelsregister ausgewiesen wird, so entfaltet diese Legitimationswirkung.

3. Rechtswirkungen der Eintragung in der Gesellschafterliste a) Legitimationswirkung zu Gunsten/zu Lasten des Eingetragenen Eine Person erlangt alleine durch Eintragung in die beim Handelsregister auf- 34 genommene Gesellschafterliste relativ gegenüber der GmbH die Gesellschafterstellung (relative Legitimationswirkung). Die Gesellschaft ist dabei nicht nur berechtigt, die eingetragene Person als legitimen Gesellschafter zu behandeln, sondern auch hierzu verpflichtet1. Die Legitimationswirkung gilt zu Gunsten wie zu Lasten des Eingetragenen, und zwar unabhängig von der materiell-rechtlichen Lage. Bei Abweichung der Eintragungslage zur materiell-rechtlichen Rechtslage haben sowohl der materielle Rechtsinhaber als auch der – materiell zu Unrecht – in die Gesellschafterliste Eingetragene einen Anspruch gegen die GmbH auf Berichtigung der unrichtigen Gesellschafterliste nach Maßgabe des in § 40 Abs. 1 geregelten Verfahrens2. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Legitimationswirkung nach § 16 Abs. 1 Satz 1 35 ist die Aufnahme der (geänderten) Gesellschafterliste in das Handelsregister, d.h. in den für das entsprechende Registerblatt bestimmten Registerordner (vgl. § 9 Abs. 1 HRV; s. auch Rdnr. 91). Zur Sonderregelung des § 16 Abs. 1 Satz 2 s. unten Rdnr. 48. b) Gesellschafterrechte Von der Eintragung in der Gesellschafterliste und deren Aufnahme im Handels- 36 register an stehen alle mit dem betreffenden Geschäftsanteil verbundenen Mitgliedschaftsrechte nur noch dem Eingetragenen zu und können auch nur von diesem geltend gemacht werden. Zu diesen Mitgliedschaftsrechten gehören allerdings nicht solche, die bereits vor diesem Zeitpunkt selbstständig abgetreten waren. Solange die Eintragung in der im Handelsregister aufgenommenen Gesellschafterliste besteht, können von keiner Person wegen der Ausübung von Mitgliedschaftsrechten durch den Eingetragenen Rechtsfolgen hergeleitet werden, durch welche die unter Mitwirkung des Legitimierten zu Stande gekommenen Rechtsakte beeinträchtigt werden. So sind Gesellschafterbeschlüsse 1 Zur früheren Rechtslage unter Geltung des Anmeldeprinzips 10. Aufl., Rdnr. 32. 2 BR-Drucks. 344/07, S. 86 = Begr. RegE zu § 16; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 19; Löbbe, in: Ulmer, Erg.-Band MoMiG, Rdnr. 60.

Seibt

1159

§ 16

Wechsel der Gesellschafter; Erwerb vom Nichtberechtigten

nicht wegen seiner Mitwirkung anfechtbar, Dividendenzahlungen an ihn wirksam und nicht ohne Rechtsgrund geleistet etc.1. Diese Grundsätze gelten – wenngleich mit einigen Besonderheiten – auch bei Kapital- und Strukturbeschlüssen (Satzungsänderung, Kapitalerhöhung, Kapitalherabsetzung, Verschmelzung, Spaltung, Formwechsel, andere Umstrukturierungsmaßnahmen)2: Auch Strukturmaßnahmen können wegen der Legitimationswirkung des § 16 Abs. 1 Satz 1 mit den Stimmen eines aus materiell-rechtlicher Sicht zu Unrecht eingetragenen Gesellschafters (Scheingesellschafter) und ohne Beteiligung des tatsächlichen Anteilsinhabers beschlossen werden. Die Geschäftsführung ist gehalten, den Gesellschafterbeschluss auszuführen, um die betreffende Strukturmaßnahme umzusetzen, es sei denn, sie hat positive Kenntnis von der materiellen Nichtberechtigung des Eingetragenen. Im gleichen Umfang ist auch das Registergericht an die Wirkung des § 16 Abs. 1 Satz 1 gebunden und hat die Strukturmaßnahme einzutragen. Mit Eintragung werden Kapitalbeschlüsse und Umwandlungen wirksam und etwaige Mängel (bei Kapitalbeschlüssen ggf. nach Ablauf einer 3-Jahresfrist analog § 242 Abs. 2 AktG) geheilt. Zu den Auswirkungen einer Strukturmaßnahme unter Teilnahme eines Scheingesellschafters auf die Rechtsposition des materiell berechtigten Anteilsinhabers 10. Aufl., Rdnr. 36. c) Gesellschafterpflichten 37

Ab dem Zeitpunkt der Aufnahme der Gesellschafterliste in das Handelsregister hat der Eingetragene gegenüber der GmbH und seinen Mitgesellschaftern grundsätzlich alle mit dem Geschäftsanteil unmittelbar verknüpften Pflichten zu erfüllen3. Von diesem Zeitpunkt an fällige Stammeinlageraten, fällig werdende Nachschussbeträge oder Nebenleistungspflichten (§ 3 Abs. 2) hat der Eingetragene zu tragen; der Rechtsvorgänger schuldet sie nicht. Allerdings kann im Innenverhältnis zwischen den an einer Veränderung beteiligten Parteien Abweichendes vereinbart sein4. Die mit dem Geschäftsanteil verknüpften Pflichten gehen auf den Eingetragenen über, auch wenn er sie nicht kannte5. Gleiches gilt für die Pflichten der Gesellschafter im Fall der Führungslosigkeit der Gesellschaft (vgl. § 35 Abs. 1 Satz 2 GmbHG, § 10 Abs. 2 Satz 2 InsO), also insbesondere für die Insolvenzantragspflicht nach § 15a Abs. 1 Satz 2, Abs. 3 InsO6.

1 Zur früheren Rechtslage unter Geltung des Anmeldeprinzips 10. Aufl., Rdnr. 35; zur jetzigen Rechtslage Heidinger, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 121; Heidinger, in: Heckschen/Heidinger, Die GmbH in der Gestaltungs- und Beratungspraxis, § 13 Rdnr. 376; Löbbe, in: Ulmer, Erg.-Band MoMiG, Rdnr. 66; Brandes, in: Bork/Schäfer, Rdnr. 31; Hasselmann, NZG 2009, 409, 410. 2 Ebenso Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 14; Brandes, in: Bork/Schäfer, Rdnr. 32; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 17; Löbbe, in: Ulmer, Erg.-Band MoMiG, Rdnr. 76 ff. Hierzu ausführlich unter Geltung der früheren Rechtslage Schnorbus, ZGR 2004, 126, 133 ff.; vgl. auch 10. Aufl., Rdnr. 35. 3 Löbbe, in: Ulmer, Erg.-Band MoMiG, Rdnr. 66; Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 55; Hueck/ Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 8; Wicke, Rdnr. 3. 4 Zur früheren Rechtslage 10. Aufl., Rdnr. 37. 5 Zur früheren Rechtslage 10. Aufl., Rdnr. 38. Zu möglichen (Gewährleistungs-)Ansprüchen des Eingetragenen gegenüber seinem Vertragspartner 10. Aufl., Rdnr. 38. 6 Hierzu Horstkotte, ZInsO 2009, 209; vgl. auch Hasselmann, NZG 2009, 409, 410.

1160

Seibt

§ 16

Wechsel der Gesellschafter; Erwerb vom Nichtberechtigten

Der Pflichtenübergang findet nur statt, wenn die Pflicht nach Gesetz oder Sat- 38 zung mit dem Geschäftsanteil verknüpft ist, während schuldrechtliche Verpflichtungen durch die Veränderung in der Anteilszuordnung und ihre Eintragung in die Gesellschafterliste unberührt bleiben1. Sie können in den Fällen der Einzelrechtsnachfolge nur im Wege der Schuldübernahme (§§ 414 ff. BGB) oder in Fällen der Gesamtrechtsnachfolge durch diese auf den Eingetragenen übergehen. Auch für Schadensersatzpflichten, die durch ein schuldhaftes Verhalten des Rechtsvorgängers entstanden sind, haftet der Eingetragene nicht, sondern die Haftung verbleibt beim Rechtsvorgänger2. d) Rechtshandlungen des Rechtsvorgängers In § 16 Abs. 2 a.F. war ausdrücklich geregelt, dass der Erwerber die vor der An- 39 meldung (als damaliger Legitimationsbasis) von der GmbH gegenüber dem Veräußerer oder von dem Veräußerer gegenüber der GmbH in Bezug auf das Gesellschaftsverhältnis vorgenommenen Rechtshandlungen gegen sich gelten lassen muss. Diese Bestimmung hat der MoMiG-Gesetzgeber nicht wiederholt, ohne damit allerdings eine konzeptionelle Rechtsänderung zu beabsichtigen. Sie ergibt sich vielmehr bereits aus dem Grundsatz in § 16 Abs. 1 Satz 1, der eine von der materiell-rechtlichen Situation abgelöste relative Legitimationswirkung an die Eintragung in der Gesellschafterliste anknüpft3. Somit muss der noch nicht in die Gesellschafterliste eingetragene Rechtsnachfolger die Rechtshandlungen des noch wirksam in der Gesellschafterliste eingetragenen Rechtsvorgängers generell gegen sich gelten lassen4. Dies gilt z.B. für die Auszahlung von Dividenden an den noch Eingetragenen5, für die Ausübung des Stimmrechts durch den noch Eingetragenen6 und auch bei einer Zustimmung nach § 53 Abs. 3 zu einer Satzungsänderung, selbst wenn der Rechtsnachfolger hiervon keine Kenntnis hat7. Der noch nicht in die Gesellschafterliste eingetragene Rechtsnachfolger muss selbst einen Ausschluss seines Rechtsvorgängers aus wichtigem Grund oder die Einziehung des ihm materiell-rechtlich zugeordneten Geschäftsanteils im Grundsatz gegen sich gelten lassen. Bereits nach früherer Rechtslage konnte der Rechtsnachfolger solchen Gefahren 40 für seine Rechtsposition entgegenwirken, und zwar durch Vornahme der Anmeldung und durch Geltendmachung von Unterlassungs- und Schadensersatzansprüchen gegen den Rechtsvorgänger insbesondere aus dem der Rechtsände1 Zur früheren Rechtslage 10. Aufl., Rdnr. 39. 2 Zur früheren Rechtslage 10. Aufl., Rdnr. 37. 3 BR-Drucks. 354/07, S. 87 = Begr. RegE zu § 16 („Für die bisherige Regelung in § 16 Abs. 2 besteht kein gesondertes Regelungsbedürfnis, da sich die dort geregelten Rechtsfolgen bisher schon aus § 16 Abs. 1 ableiten ließen“). 4 Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 32; Löbbe, in: Ulmer, Erg.-Band MoMiG, Rdnr. 70; Heidinger, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 126 f.; Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 114 ff.; zur früheren Rechtslage 10. Aufl., Rdnr. 7. 5 Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 32; Heidinger, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 121; Löbbe, in: Ulmer, Erg.-Band MoMiG, Rdnr. 66. 6 Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 32; Heidinger, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 127. 7 Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 32; Löbbe, in: Ulmer, Erg.-Band MoMiG, Rdnr. 70; Heidinger, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 127.

Seibt

1161

§ 16

Wechsel der Gesellschafter; Erwerb vom Nichtberechtigten

rung zu Grunde liegenden Kausalgeschäft. Auch nach neuem Recht kann der Rechtsnachfolger mögliche Rechtsbeeinträchtigungen durch den noch in der Gesellschafterliste Eingetragenen bis zur Aufnahme der die Veränderung anzeigenden Gesellschafterliste in das Handelsregister abwenden, und zwar wiederum auf zweifachem Weg: (1) Beruht der Rechtsübergang auf einem Kausalgeschäft, so wird der Rechtsnachfolger ausdrückliche Regelungen über die Vornahme von tatsächlichen Maßnahmen und Rechtshandlungen nur nach vorheriger Zustimmung vereinbaren. Hieraus ergeben sich dann Unterlassungsund im Verletzungsfall Schadenersatzpflichten. (2) Darüber hinaus wird der Rechtsnachfolger im Regelfall bestrebt sein, auch die GmbH und die Mitgesellschafter von der eingetretenen Rechtsänderung und ggf. dem zwischen ihm und dem in der Gesellschafterliste eingetragenen Rechtsvorgänger Vereinbarten zu informieren. Denn die GmbH und ihre Gesellschafter sind in dem Fall, in dem ihnen eine Rechtsänderung mitgeteilt und (plausibel) nachgewiesen wurde, aus der mitgliedschaftlichen Treuepflicht (oder bei Rechtsnachfolgern, die noch nicht Gesellschafter der GmbH sind, aus einer vorlaufenden Treuepflicht), verpflichtet, die materielle Rechtsposition des noch nicht eingetragenen Rechtsnachfolgers nicht zu vereiteln oder wesentlich zu beeinträchtigen. Der noch nicht eingetragene Rechtsnachfolger kann korrespondierend hierzu bei Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen einstweiligen Rechtsschutz gegen die drohende Rechtsbeeinträchtigung erwirken. Darüber hinaus können Beschlussfassungen der Gesellschafterversammlung, die im Zeitraum zwischen der materiellen Rechtsänderung und der Aufnahme der die Veränderung ausweisenden Gesellschafterliste im Handelsregister zum Nachteil des noch nicht eingetragenen Rechtsnachfolgers vorgenommen werden, anfechtbar oder nichtig sein1. Schließlich kommen Schadensersatzansprüche in Betracht2. e) Erbrechtlicher Erwerb 41

Für den erbrechtlichen Erwerb gelten im Grundsatz die gleichen Bestimmungen: Die Erben sind beim Tod eines Gesellschafters erst dann gegenüber der GmbH legitimiert und können erst dann die Gesellschafterrechte ausüben, wenn sie im Verfahren nach § 40 in die Gesellschafterliste eingetragen wurden und diese im Handelsregister aufgenommen worden ist3. Damit ist der MoMiG-Gesetzgeber zu Recht nicht der herrschenden Auslegung zu § 67 Abs. 2 AktG gefolgt, derzufolge die Erben auch ohne Eintragung in das Handelsregister in die Aktionärsstellung einrücken4. Für Verbindlichkeiten des Erblassers gegenüber der GmbH 1 Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 33; Löbbe, in: Ulmer, Erg.-Band MoMiG, Rdnr. 72. 2 Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 33; Löbbe, in: Ulmer, Erg.-Band MoMiG, Rdnr. 71. 3 Gleichsinnig (aber verkürzend) Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 34; Wicke, Rdnr. 6; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 10; Löbbe, in: Ulmer, Erg.-Band MoMiG, Rdnr. 30; Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 96; Wolff, BB 2010, 454, 456; a.A. Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 18 f.; Link, RNotZ 2009, 193, 213. 4 So OLG Jena, AG 2004, 268, 270; OLG Brandenburg, NZG 2002, 476, 478; Lutter/Drygala, in: KölnKomm. AktG, 3. Aufl. 2009, § 67 AktG Rdnr. 34; kritisch zu dieser Auslegung Bayer, in: MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, § 67 AktG Rdnr. 61 ff.; Cahn, in: Spindler/Stilz, § 67 AktG Rdnr. 45.

1162

Seibt

§ 16

Wechsel der Gesellschafter; Erwerb vom Nichtberechtigten

haften die Erben jeder auch ohne Eintragung in der Gesellschafterliste gemäß §§ 1922, 1967 BGB, allerdings mit der Möglichkeit der Haftungsbeschränkung nach §§ 1975 ff. BGB. Eine solche Haftungsbeschränkung kommt nach erfolgter Eintragung der Veränderung in der Gesellschafterliste und deren Aufnahme in das Handelsregister – wiederum anders als im Aktienrecht1 – wegen § 16 Abs. 2 nicht mehr in Betracht, da der Erbe nach ausdrücklicher gesetzlicher Anordnung stets unbeschränkt für die rückständigen Leistungen haftet (hierzu ausführlich Rdnr. 51 ff.)2. Der Wegfall der Erbenstellung hat eine erneute „Veränderung in den Personen 42 der Gesellschafter“ (oder in Einzelfällen auch im Umfang ihrer Beteiligung) zur Folge, was wiederum das Verfahren nach § 40 auslöst. Allerdings bleibt beim Eintritt des Nacherbfalls die Rechtsstellung des Vorerben (vgl. §§ 2106, 2139 BGB) für die Zeit seiner Legitimation durch Eintragung in der Gesellschafterliste unberührt. Das Gleiche gilt im Fall der Ausschlagung (vgl. § 1945 BGB) für den in der Gesellschafterliste eingetragenen vorläufigen Erben. Die in § 1953 Abs. 1 BGB geregelte Rückwirkung betrifft nur das Verhältnis zum wirklichen Erben, nicht das Verhältnis zur GmbH. Hieraus folgt, dass Rechtsausübungen des Legitimierten wirksam bleiben und erhaltene Dividendenzahlungen mit Rechtsgrund geleistet wurden, aber an den wirklichen Erben gemäß §§ 1959 Abs. 1, 667, 681 BGB herauszugeben sind. Für eine zwischenzeitlich begründete Haftung gelten die allgemeinen Grundsätze (Rdnr. 51 ff.). Auch die Rechtshandlungen des nach allgemeinen Grundsätzen (Rdnr. 103) zurechenbar in der Gesellschafterliste eingetragenen Scheinerben sind wirksam, wobei im Verhältnis zum Erben die §§ 2018 ff. BGB gelten3. f) Gesellschafter im Insolvenzverfahren Auch in dem Fall, in dem ein Gesellschafter insolvent wird, ist im Grundsatz 43 zwischen der materiellen Rechtsinhaberschaft des Geschäftsanteils einerseits und der relativen Legitimationswirkung durch Eintragung in der Gesellschafterliste und deren Aufnahme im Handelsregister andererseits zu unterscheiden: Ob ein Geschäftsanteil zur Insolvenzmasse gehört, entscheidet sich primär danach, ob der von der Insolvenz betroffene Gesellschafter zum Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens materiell-rechtlich betrachtet Inhaber dieses Geschäftsanteils war. Auf eine der materiellen Rechtslage entgegenstehende Eintragung in der Gesellschafterliste kommt es nicht an. So gehört ein Geschäftsanteil nicht zur Masse, und der Insolvenzverwalter kann – mit Ausnahme einer erfolgreichen insolvenzmäßigen Anfechtung der Veräußerung nach §§ 129 ff. InsO oder bei Nichtigkeit der Veräußerung – den Geschäftsanteil nicht zur Masse ziehen, wenn der Gesellschafter vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens den Geschäftsanteil abgetreten hatte, selbst wenn die Aufnahme der veränderten Gesellschafterliste in das Handelsregister erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens erfolgt. Umge1 Hierzu Bayer, in: MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, § 67 AktG Rdnr. 65. 2 A.A. Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 20; Wicke, Rdnr. 7; differenzierend Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 35, 43 f. 3 Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 35; Wicke, Rdnr. 7; Heidinger, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 133; Löbbe, in: Ulmer, Erg.-Band MoMiG, Rdnr. 31; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 10.

Seibt

1163

§ 16

Wechsel der Gesellschafter; Erwerb vom Nichtberechtigten

kehrt kann der Schuldner nach der Insolvenzeröffnung den Geschäftsanteil mit Wirkung auf die Insolvenzgläubiger nicht mehr abtreten. Das Verfügungsrecht steht dem Insolvenzverwalter zu (§§ 35, 80 InsO), es sei denn, das Insolvenzgericht hat ausnahmsweise Eigenverwaltung angeordnet (§ 270 InsO). 44

Erfolgt eine Veränderung i.S. von § 40 Abs. 1 Satz 1 vor der Insolvenzeröffnung, so gelten für das Eintragungsverfahren folgende Grundsätze: Wirkt an der Veränderung ein deutscher Notar mit, so hat dieser die veränderte Gesellschafterliste zu erstellen, zu unterschreiben und zum Handelsregister einzureichen (§ 40 Abs. 2; hierzu § 40, 11. Aufl., Bd. II). In den anderen Fällen sind die an der Veränderung Beteiligten zur Mitteilung nach § 40 Abs. 1 Satz 2 an den zuständigen Geschäftsführer berechtigt, wenn der Rechtsvorgänger noch vor der Insolvenzeröffnung den Geschäftsanteil übertragen hatte; der Insolvenzverwalter ist wie nach der bisher hier vertretenen Auffassung zur früheren Rechtslage nicht befugt, die Mitteilung nach § 40 Abs. 1 Satz 2 gegenüber dem Geschäftsführer vorzunehmen1. Ist umgekehrt der Rechtsnachfolger in den Geschäftsanteil vor der Aufnahme der geänderten Gesellschafterliste in das Handelsregister in Insolvenz geraten, ist nur der Insolvenzverwalter zur Mitteilung nach § 40 Abs. 1 Satz 2 befugt. Denn in diesem Fall gehört der Geschäftsanteil materiell-rechtlich zur Insolvenzmasse des Rechtsnachfolgers und unterliegt daher der Verfügung des Insolvenzverwalters. Eine Mitteilung durch den Rechtsnachfolger persönlich ist nach § 81 InsO unwirksam2.

4. Rückbeziehung der Legitimationswirkung (§ 16 Abs. 1 Satz 2) a) Inhalt und Zweck der Regelung 45

Häufig besteht ein praktisches Bedürfnis dafür, dass der Erwerber eines Geschäftsanteils bereits vor Aufnahme der ihn ausweisenden und insoweit geänderten Gesellschafterliste in das Handelsregister Rechtshandlungen in Bezug auf das Gesellschaftsverhältnis vornehmen kann3. Dies gilt beispielhaft für dessen Mitwirkung an der Abberufung des bisherigen Geschäftsführers und der Neubestellung einer anderen Person als neuen Geschäftsführer sowie in diesem Zusammenhang an der Beschlussfassung über den dienstrechtlichen Aufhebungsvertrag sowie den Abschluss eines neuen Geschäftsführer-Anstellungsvertrags. Dies gilt aber auch für die Beschlussfassung über Satzungsänderungen, die z.B. deshalb erforderlich sind, weil sich auf Grund einer im bisherigen Gesellschafterkreis vollzogenen Anteilsübertragung die Mehrheitsverhältnisse ändern oder weil ein bislang Gesellschaftsfremder neu in den Kreis der Gesellschafter eintritt und seinen Eintritt von der Änderung der Satzung abhängig macht; praktische Bedeutung hat die Regelung aber auch beim Erwerb von Vorratsgesellschaften und den dann notwendigen Satzungsänderungen. Zur Interessenwahrung des noch nicht legitimierten Rechtsnachfolgers regelt § 16 Abs. 1 Satz 2 im Wege einer

1 Zur früheren Rechtslage 10. Aufl., Rdnr. 48 mit Hinweis auf die überwiegende Gegenansicht. 2 Zur früheren Rechtslage und zu Einzelheiten 10. Aufl., Rdnr. 49. 3 Zutr. BR-Drucks. 354/07, S. 85 = Begr. RegE zu § 16. Zu Fallgestaltungen vgl. auch D. Mayer, DNotZ 2008, 403, 405 m.w.N.

1164

Seibt

§ 16

Wechsel der Gesellschafter; Erwerb vom Nichtberechtigten

Fiktion1, dass eine ausschließlich auf Grund der Rechtswirkung des § 16 Abs. 1 Satz 1 noch nicht wirksame (aber im Übrigen wirksame), sondern bis zur Aufnahme der veränderten Gesellschafterliste in das Handelsregister schwebend unwirksame Maßnahme des Rechtsnachfolgers mit Wirkung ex tunc als wirksam gilt2, wenn die die Veränderung ausweisende Gesellschafterliste unverzüglich nach der Vornahme der Rechtshandlung in das Handelsregister aufgenommen wird. Die Rechtshandlung wird umgekehrt endgültig unwirksam, wenn eben keine unverzügliche Aufnahme der geänderten Gesellschafterliste in das Handelsregister erfolgt3. b) Rechtshandlung des Erwerbers in Bezug auf das Gesellschaftsverhältnis Die mit § 16 Abs. 1 Satz 2 gesetzlich angeordnete Rückbeziehung der Legitima- 46 tionswirkung bezieht sich auf eine „vom Erwerber in Bezug auf das Gesellschaftsverhältnis vorgenommene Rechtshandlung“. Dieser Wortlaut lehnt sich an die Formulierung in § 16 Abs. 2 a.F. an, was trotz des unterschiedlichen Regelungskontexts bei der Auslegung berücksichtigt werden kann. Die Rückbeziehung der Legitimationswirkung scheint nach dem Wortlaut von § 16 Abs. 1 Satz 2 in doppelter Hinsicht im Anwendungsbereich beschränkt zu sein: (1) Zunächst bezieht sich die Rückbeziehung nur auf Rechtshandlungen eines „Erwerbers“, also des Adressaten einer rechtsgeschäftlichen Übertragung des Geschäftsanteils im Wege der Einzelrechtsnachfolge. Dies wäre nicht mit dem gegenüber der bisherigen Rechtslage erweiterten Anwendungsbereich der Legitimationswirkung abgestimmt und führte zu nicht gerechtfertigten Benachteiligungen von Personen, die Geschäftsanteile im Wege der Gesamtrechtsnachfolge oder durch Übernahme neuer, durch eine Kapitalerhöhung entstehender Geschäftsanteile erhalten. Ein solchermaßen enges Wortlautverständnis ist nicht überzeugend4. (2) Darüber hinaus behandelt die Rückbeziehung der Legitimationswirkung dem Wortlaut nach nur Rechtshandlungen des Erwerbers in Bezug auf das Gesellschaftsverhältnis, nicht aber Rechtshandlungen der GmbH gegenüber dem Erwerber. Zu den von einem Erwerber in Bezug auf das Gesellschaftsverhältnis vornehmbaren Rechtshandlungen gehören die Wahrnehmung des Teilnahme-, Rede- und Fragerechts sowie das Antragsrecht auf Gesellschafterversammlungen, die Ausübung des Stimmrechts bei Beschlussfassungen5, die Ausübung des Anfechtungsrechts bezogen auf Gesellschafterbeschlüsse6, die Ausübung des Informationsrechts nach § 51a sowie die Ausübung des vermö1 Ebenso Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 36; Löbbe, in: Ulmer, Erg.-Band MoMiG, Rdnr. 86. 2 Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 36; Löbbe, in: Ulmer, Erg.-Band MoMiG, Rdnr. 86; Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 119; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 7; Kort, GmbHR 2009, 169, 174. 3 BR-Drucks. 354/07, S. 85 = Begr. RegE zu § 16; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 36; Löbbe, in: Ulmer, Erg.-Band MoMiG, Rdnr. 86; Brandes, in: Bork/Schäfer, Rdnr. 17; Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 119; Wicke, Rdnr. 11; Heidinger, in: Heckschen/Heidinger, Die GmbH in der Gestaltungs- und Beratungspraxis, § 13 Rdnr. 390; Hasselmann, NZG 2009, 409, 411; D. Mayer, DNotZ 2008, 403, 405. 4 Ebenso Hasselmann, NZG 2009, 409, 411. 5 Zu einzelnen Fallkonstellationen ausf. Nolting, GmbHR 2010, 584, 585 ff. 6 Vgl. im Einzelnen Nolting, GmbHR 2010, 584, 588.

Seibt

1165

§ 16

Wechsel der Gesellschafter; Erwerb vom Nichtberechtigten

gensrechtlichen Bezugsrechts. Fraglich ist indes, ob auch Rechtshandlungen der GmbH wie die Dividendenauszahlung, die Auskehrung eines Liquidationserlöses oder Erklärungen der Gesellschaft (vertreten durch ihre Geschäftsführer in vertretungsberechtigter Zahl) z.B. bei der Übertragung von Geschäftsanteilen, bei der Teilung oder Zusammenlegung von Geschäftsanteilen, bei der Einziehung von Geschäftsanteilen oder dem Ausschluss von Gesellschaftern in gleicher Weise von § 16 Abs. 1 Satz 2 erfasst werden. Eine wortlautüberschießende Auslegung in dem Sinne, dass auch Rechtshandlungen der GmbH gegenüber dem Rechtsnachfolger als mit Wirkung ex tunc wirksam gelten, sofern nur die geänderte Gesellschafterliste unverzüglich in das Handelsregister aufgenommen wird, würde indes eine vom Gesetzgeber nicht beabsichtigte Generalausnahme zu § 16 Abs. 1 Satz 1 bedeuten. Eine solche wortlautüberschreitende Generalausnahme, die der Rechtssicherheit innerhalb der GmbH entgegensteht, ist nicht nötig, um die Interessen des noch nicht legitimierten Rechtsnachfolgers zu schützen. Denn die GmbH und ihre Mitgesellschafter haben bei Kenntnis der Veränderung alle Rechtshandlungen zu vermeiden, die die materielle Rechtsposition des Rechtsnachfolgers aufheben oder wesentlich beeinträchtigen (hierzu Rdnr. 40). c) Unverzügliche Aufnahme der Gesellschafterliste in das Handelsregister 47

Die Rückbeziehung der Legitimationswirkung ist nach dem Gesetzeswortlaut weiterhin davon abhängig, dass „die Liste unverzüglich nach Vornahme der Rechtshandlung in das Handelsregister aufgenommen wird“. Die Formulierung ist objektiv und i.S. der Rechtssicherung ergebnisorientiert formuliert und verweist mit dem Merkmal der Unverzüglichkeit auf § 121 Abs. 1 Satz 1 BGB, d.h. die Aufnahme der geänderten Gesellschafterliste muss ohne schuldhaftes Zögern erfolgen. Danach wäre jede schuldhafte Verzögerung im Verfahrensablauf vom Eintritt der Veränderung i.S. der §§ 16 Abs. 1 Satz 1, 40 Abs. 1 Satz 1 an schädlich, also Verzögerungen bei der Erstellung und Unterzeichnung der Gesellschafterliste durch den zuständigen Geschäftsführer bzw. Notar, bei der Einreichung der Gesellschafterliste zum Handelsregister oder aber auch bei der Aufnahme der Gesellschafterliste im Handelsregister durch den Registerrichter1. Dieses Verständnis entspricht allerdings nicht dem Rechtsgedanken des § 167 ZPO und seine Berücksichtigung in anderen gesellschafts- und steuerrechtlichen Normen, bei denen der Gesetzgeber die Dauer eines Eintragungsverfahrens im Handelsregister (das in der Praxis durchaus 1–4 Wochen dauern kann2) nicht zu Lasten der die Eintragung ersuchenden Personen wertet (vgl. z.B. § 17 Abs. 2 Satz 4 UmwG, §§ 9 Satz 3, 20 Abs. 6 Sätze 1 und 2 UmwStG). Aus den Gesetzesmaterialien ergibt sich gerade nicht3, dass der Gesetzgeber von diesem allgemeinen Rechtsgedanken abweichen wollte und dies entspräche auch nicht dem mit § 16 Abs. 1 Satz 2 verfolgten Privilegierungszweck zu Gunsten des noch nicht legitimierten Rechts-

1 Vgl. Gasteyer/Goldschmidt, ZIP 2008, 1906, 1909. 2 Vgl. auch Greitemann/Bergjan, in: FS Pöllath, 2008, S. 271, 274. 3 In BR-Drucks. 354/07, S. 85 = Begr. RegE zu § 16 heißt es nur, „die Aufnahme in den Registerordner erfolgt dann regelmäßig ebenfalls binnen sehr kurzer Zeit“, was eher („dann“) für eine Nichtberücksichtigung der Handelsregisteraufnahme für die Frage der Unverzüglichkeit spricht.

1166

Seibt

§ 16

Wechsel der Gesellschafter; Erwerb vom Nichtberechtigten

nachfolgers. Daher ist alleine entscheidend, ob die vom Geschäftsführer bzw. Notar nach § 40 vorzunehmende Handlung (also die Erstellung und Unterzeichnung der Gesellschafterliste sowie die Einreichung der Gesellschafterliste zum Handelsregister) ohne schuldhaftes Zögern erfolgt1. Ein Zeitablauf vom Eintritt der Veränderung bis zur Einreichung der geänderten Gesellschafterliste beim Handelsregister von etwa vier Wochen2 ist im Regelfall noch nicht als schuldhafte Verzögerung anzusehen; in extremen Sonderfällen (z.B. Tod oder dauernde Dienstunfähigkeit des Geschäftsführers bzw. Notars) ist auch noch ein längerer Zeitraum als unverzügliches Handeln anzusehen3. Für Anteilsabtretungen, die unter einer aufschiebenden Bedingung i.S. von § 158 48 Abs. 1 BGB (z.B. Kaufpreiszahlung) oder einer heteronomen Rechtsbedingung vorgenommen werden, gilt im Hinblick auf § 16 Abs. 1 Satz 2 Folgendes: Eine Veränderung i.S. von §§ 16 Abs. 1 Satz 1, 40 Abs. 1 Satz 1 liegt erst nach Bedingungseintritt vor. Deshalb kann auch die Gesellschafterliste erst nach Bedingungseintritt geändert, unterzeichnet und zum Handelsregister zur Aufnahme eingereicht werden4. Die Rückbeziehung der Legitimationswirkung tritt nur für solche Rechtshandlungen des noch nicht legitimierten Rechtsnachfolgers ein, die dieser nach Bedingungseintritt und damit nach Veränderung vorgenommen hat. Die Vornahme einer Rechtshandlung durch den Rechtsnachfolger vor Bedingungseintritt geht ins Leere; in diesem Fall ist die Aufnahme der geänderten Gesellschafterliste im Handelsregister generell nicht unverzüglich i.S. von § 16 Abs. 1 Satz 2, da die Rechtshandlung vor dem Fristbeginn der Unverzüglichkeit liegt. Die Rückbeziehung der Legitimationswirkung kommt jedoch nur dann in Betracht, wenn die Einreichung der geänderten Gesellschafterliste unverzüglich nach Vornahme der Rechtshandlung und ohne Eintreten weiterer Umstände wie des Bedingungseintritts erfolgen kann5. Allerdings kann der Rechtsnachfolger in den Genuss der Rückbeziehung der Legitimationswirkung nach § 16 Abs. 1 Satz 2 kommen, wenn er die Rechtshandlung nach Bedingungseintritt bestätigt (§ 141 Abs. 1 BGB). Dabei sind an die Bestätigung der Rechtshandlung keine hohen Anforderungen zu stellen, insbesondere ist konkludentes Verhalten dann ausreichend, wenn es übereinstimmend von sämtlichen Gesellschaftern sowie von der Geschäftsführung der GmbH erfolgt. 1 Ebenso Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 37; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 21; Gasteyer/Goldschmidt, ZIP 2008, 1906, 1909; alle Verzögerungen (auch solche des Registergerichts) wollen hingegen berücksichtigen Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 49 f.; Heidinger, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 144; Brandes, in: Bork/Schäfer, Rdnr. 17; Wicke, Rdnr. 11; enger als hier hingegen, d.h. nur schuldhafte Verzögerungen durch den Erwerber schädlich: Nolting, GmbHR 2010, 584, 589; Link, DNotZ 2009, 192, 212; offen gelassen von Löbbe, in: Ulmer, Erg.-Band MoMiG, Rdnr. 89; Hasselmann, NZG 2009, 409, 411. 2 Zust. Wicke, Rdnr. 11. 3 Restriktiver Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 37 („Fristen von 1–2 Monaten sind wesentlich zu lang“); Ries, GWR 2011, 54, 56 (3–4 Wochen); Barthel, GmbHR 2009, 569, 570 Fn. 6 (Hinweis auf Obergrenze von 2 Wochen in Kommentarliteratur zu § 121 BGB); Elsing, GmbHR 2008, R17, R18 (3 Wochen zu lang); Gasteyer/Goldschmidt, ZIP 2008, 1906, 1909 (1 Monat zu lang). 4 So auch OLG München, ZIP 2009, 1911 = GmbHR 2009, 1211. 5 Zutr. Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 38; D. Mayer, DNotZ 2008, 403, 405; Löbbe, in: Ulmer, Erg.-Band MoMiG, Rdnr. 91; wohl auch Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 126.

Seibt

1167

§ 16

Wechsel der Gesellschafter; Erwerb vom Nichtberechtigten

d) Rechtshandlungen eines schwebend unwirksam bestellten Geschäftsführers 49

Der Gesetzgeber verfolgt mit der Regelung in § 16 Abs. 1 Satz 2 u.a. das Ziel, dass ein durch den noch nicht legitimierten Rechtsnachfolger bestellter Geschäftsführer, dessen Bestellung dann zunächst schwebend unwirksam ist, vollständig handlungsfähig sein soll1. Dieses unterstützenswerte Ziel lässt sich nur durch die gesetzliche Anordnung erreichen, dass mit der rückwirkenden Wirksamkeit der Rechtshandlung des Rechtsnachfolgers auch alle Handlungen des von ihm (mit)bestellten Geschäftsführers mit Wirkung ex tunc wirksam werden2. Dies hat allerdings auch zur Folge, dass bei Nichteintritt der Rückwirkungsfiktion (z.B. weil die Einreichung der Gesellschafterliste zum Handelsregister nicht unverzüglich i.S. von § 16 Abs. 1 Satz 2 erfolgt) alle Rechtshandlungen des Geschäftsführers nach allgemeinen Vorschriften endgültig unwirksam werden. Dieses Ergebnis ist im Wege einer teleologischen Erweiterung des § 16 Abs. 1 Satz 2 aus Verkehrsschutzgesichtspunkten nicht hinzunehmen: Sofern der in dieser Weise bestellte Geschäftsführer im Handelsregister eingetragen ist, gilt bereits § 15 Abs. 3 HGB. Ansonsten sollte dies aus den Grundsätzen zur fehlerhaften Organstellung folgen3. Einseitige Rechtsgeschäfte des Geschäftsführers werden in jedem Fall unter den Voraussetzungen des § 180 Satz 2 BGB i.V.m. § 16 Abs. 1 Satz 2 rückwirkend wirksam. Dem gesetzgeberischen Willen entspricht es auch, dass der noch schwebend unwirksam bestellte Geschäftsführer in den Fällen des § 40 Abs. 1 die Gesellschafterliste verändern, unterzeichnen und zum Handelsregister zur Aufnahme einreichen kann4.

50

Unabhängig von der gesetzlichen Regelung des § 16 Abs. 1 Satz 2 sichert sich der Rechtsnachfolger in der Regel dadurch ab, dass er auf einer vertraglichen Verpflichtung des Rechtsvorgängers besteht, dass jener den Rechtshandlungen des Erwerbers bis zur Aufnahme der geänderten Gesellschafterliste (ggf. unter einer entsprechenden Haftungsfreistellung) zustimmt oder dass der Rechtsvorgänger den Rechtsnachfolger hierzu ausdrücklich bevollmächtigt5. Im Zweifel ergibt sich eine Zustimmungspflicht bzw. eine solche zur Erteilung einer Vollmacht auch als vertragliche Nebenpflicht zum dem Rechtsübergang zu Grunde liegenden Kausalgeschäft6. Aus Sicht des Rechtsnachfolgers ist eine entsprechende vertragliche Vereinbarung sowie die Aushändigung einer Vollmachtsurkunde empfehlenswert7. 1 Ebenso Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 39; Gasteyer/Goldschmidt, ZIP 2008, 1906, 1907. 2 Ebenso i.E. Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 39; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 7; Gasteyer/Goldschmidt, ZIP 2008, 1906 ff.; Barthel, GmbHR 2009, 569, 572 ff. (unter Anwendung der Grundsätze zur fehlerhaften Organstellung). 3 Vgl. hierzu 10. Aufl., § 6 Rdnr. 114 ff.; Löbbe, in: Ulmer, Erg.-Band MoMiG, Rdnr. 92; Kleindiek, in: Lutter/Hommelhoff, Vor § 35 Rdnr. 11; BGHZ 41, 282, 287 für Vorstandsmitglieder von Aktiengesellschaften; hierzu auch Barthel, GmbHR 2009, 569, 570 ff. 4 Ebenso Wicke, Rdnr. 11; Löbbe, in: Ulmer, Erg.-Band MoMiG, Rdnr. 93; offen gehalten von Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 39. 5 Vgl. hierzu auch die Fallgestaltung bei BGH, GmbHR 2008, 702; vgl. auch Gasteyer/ Goldschmidt, ZIP 2008, 1906; Hasselmann, NZG 2009, 409, 411; Wachter, ZNotP 2008, 378, 381 f. 6 So wohl auch Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 39. 7 Vgl. Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 40; Wicke, Rdnr. 11a; Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 132; Heidinger, in: Heckschen/Heidinger, Die GmbH in der Gestaltungs- und Be-

1168

Seibt

§ 16

Wechsel der Gesellschafter; Erwerb vom Nichtberechtigten

IV. Haftung für rückständige Einlagen (§ 16 Abs. 2) 1. Gesamtschuldnerische Haftung von Veräußerer und Erwerber Die Vorschrift des § 16 Abs. 2 regelt – wie nach früherer Rechtslage § 16 Abs. 3 51 a.F. – eine gesamtschuldnerische Haftung von Veräußerer und Erwerber für zum maßgeblichen Anfangszeitpunkt der Legitimationswirkung rückständige Einlageverpflichtungen, während für Leistungen, die zu diesem Zeitpunkt noch nicht fällig waren, nach § 16 Abs. 1 Satz 1 allein der Erwerber haftet. Diese Regelung dient dem Kapitalaufbringungs- und Kapitalerhaltungsschutz und damit den Interessen der Mitgesellschafter sowie Gesellschaftsgläubiger und ist konsequenterweise zwingend (vgl. Rdnr. 13). Ausweislich des Wortlauts von § 16 Abs. 2 bezieht sich die (gesamtschuldneri- 52 sche) Haftung auf „Einlageverpflichtungen“. Demgegenüber bezog sich die gesamtschuldnerische Haftung nach § 16 Abs. 3 a.F. auf alle zurzeit der Anmeldung auf den Geschäftsanteil rückständigen „Leistungen“. Trotz des nunmehr vom Gesetzgeber gewählten, engeren Begriffs der „Einlageverpflichtungen“ an Stelle des Begriffs der „Leistung“ hat der Gesetzgeber hiermit keine inhaltliche Neuregelung beabsichtigt. Ausweislich der Gesetzesbegründung sollte mit der Neufassung lediglich die Regelung in § 16 Abs. 3 a.F. „aufgegriffen“ und ausschließlich der Anknüpfungspunkt der Legitimationswirkung von der Anmeldung auf die Aufnahme der geänderten Gesellschafterliste modifiziert werden1. Zwar hat der Gesetzgeber nicht die ursprüngliche Formulierung „rückständige Leistung“ aus dem BMJ-Referentenentwurf übernommen2 und die Wortlautänderung (übrigens ohne Änderung der Gesetzesbegründung!) trotz entsprechenden Hinweises aus der Literatur3 nicht rückgeändert oder überhaupt kommentiert. Dies ändert allerdings nichts an dem offenkundigen gesetzgeberischen Willen, den Umfang der gesamtschuldnerischen Haftung gegenüber der früheren Rechtslage unverändert zu lassen und insoweit den Kapitalaufbringungs- und Kapitalerhaltungsschutz nicht einzuschränken. Dementsprechend kann das frühere Verständnis auch für die Auslegung von § 16 Abs. 2 herangezogen werden4. Vom früheren Leistungsbegriff waren sowohl die Haftung für Einlagen als auch das Schulden bzw. die Haftung aus anderen Rechtsgrundlagen erfasst, z.B. aus Erwerb einer Vorratsgesellschaft, aus verdeckter Sacheinlage, aus Differenzhaftung, aus Vorbelastungshaftung, aus einer Nachschussverpflichtung, aus einer Verpflichtung zur Nebenleistung oder aus Ausfallhaftung5. Die Erwerberhaftung erstreckte sich auch auf mitgliedschaftliche Regressansprüche von Mitgesellschaftern. Der Erwerber haftete jedoch nicht für Schadenersatzansprüche der

1 2 3 4

5

ratungspraxis, § 13 Rdnr. 392; Gottschalk, DZWiR 2009, 45, 48; Hasselmann, NZG 2009, 409, 411; Wachter, ZNotP 2008, 378, 382 (mit Formulierungsvorschlag). BR-Drucks. 354/07, S. 86 f. = Begr. RegE zu § 16. Vgl. RefE v. 29.5.2006, S. 4. Z.B. Götze/Bressler, NZG 2007, 894. I.E. ebenso Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 43; Wicke, Rdnr. 12; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 23; Löbbe, in: Ulmer, Erg.-Band MoMiG, Rdnr. 96; Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 136; Götze/Bressler, NZG 2007, 894; D. Mayer, DNotZ 2008, 403, 405 f.; zweifelnd hingegen Jasper, in: MünchHdb. III, § 24 Rdnr. 243; a.A. Link, DNotZ 2009, 193, 213 f. m.w.N. Zur früheren Rechtslage 10. Aufl., Rdnr. 40.

Seibt

1169

§ 16

Wechsel der Gesellschafter; Erwerb vom Nichtberechtigten

GmbH gegen den Veräußerer aus schuldhaft verletzter mitgliedschaftlicher Treuepflicht oder wegen Verletzung der verschuldensunabhängigen Gründerhaftung aus § 9a, und zwar auch nicht im Hinblick auf einen etwaigen Verzugsschaden1. Ebenso wenig haftete der Erwerber gemäß § 16 Abs. 3 a.F. nach überwiegender Ansicht in der Literatur2 auf Erstattung unzulässiger und vom Veräußerer als Empfänger erhaltener Einlagenrückgewähr gemäß § 31 Abs. 1. Das OLG Köln hat diese bislang von der Rechtsprechung unbehandelte Frage nun gegen die hier vertretene Ansicht und im Sinne derer entschieden, die dem Anspruch aus § 31 Abs. 1 mitgliedschaftlichen Charakter beimessen, weil die Kapitalerhaltung die Kehrseite der Kapitalaufbringung sei3. Das ist vor dem Hintergrund des nunmehr enger gefassten Wortlauts des § 16 Abs. 2 nicht überzeugend4 und verkennt zudem, dass § 31 Abs. 1 im Gegensatz zu § 31 Abs. 3 lediglich eine persönliche Verpflichtung des die Rückgewähr Empfangenden begründet, dessen mitgliedschaftliche Komponente sich in der Anteilsinhaberschaft bei Auszahlung erschöpft5. Die Solidarhaftung nach § 31 Abs. 3 trifft hingegen, wie bereits nach alter Rechtslage, auch den Erwerber. 53

Eine Leistung ist rückständig, wenn sie fällig geworden und nicht bewirkt ist. Auf einen Verzug kommt es nicht an, auch nicht darauf, ob die Leistung während der Besitzzeit des Veräußerers vor dem Zeitpunkt der Aufnahme der Gesellschafterliste in das Handelsregister fällig geworden, oder ob der Rückstand schon aus der Zeit eines weiteren Rechtsvorgängers stammt und ungetilgt geblieben ist. Fällig ist eine Leistung, wenn der Anspruch auf sie geltend gemacht werden kann. Die Fälligkeit kann, je nach Satzungsregelung oder Gesellschafterbeschluss, auch ohne besondere Aufforderung eintreten; wo dies nicht geregelt ist, ist eine Anforderung durch den Geschäftsführer erforderlich6. Gleiches gilt für eine trotz Fälligkeit nicht geleistete Sacheinlage (einschließlich einer verdeckten Sacheinlage), allerdings schuldet der Erwerber hier nur Geldleistung. Bei einheitlichen unteilbaren Leistungen richtet sich die Fälligkeit nach dem vereinbarten Ablieferungstermin7.

54

Für die auf den Geschäftsanteil rückständigen Leistungen haftet neben dem Veräußerer, d.h. gesamtschuldnerisch und nicht subsidiär, der legitimierte Erwerber. Der Erwerber hat u.U. gegen den Veräußerer einen Ausgleichsanspruch nach § 426 BGB. Danach haften Veräußerer und Erwerber im Grundsatz (Abweichungen werden sich häufig aus den Regelungen zur Risikotragung/Garantien im Kausalgeschäft ergeben) je zur Hälfte. Die Mithaftung kann durch eine Satzungsregelung nicht ausgeschlossen werden. Aus der Mithaftung folgt, dass der Verzug des Veräußerers sich beim legitimierten Erwerber ohne weiteres fort1 2 3 4 5

Zur früheren Rechtslage 10. Aufl., Rdnr. 40. Vgl. 10. Aufl., § 31 Rdnr. 15 m.w.N. OLG Köln, GmbHR 2011, 648, 650. Wie hier Löbbe, in: Ulmer, Erg.-Band MoMiG, Rdnr. 101. Ebenso Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 42; Habersack, in: Ulmer, § 31 Rdnr. 10, 15; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 25; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, § 31 Rdnr. 8; wohl auch Jasper, in: MünchHdb. III, § 24 Rdnr. 243; a.A. Heidinger, in: Michalski, § 31 Rdnr. 17; Brandes, in: Bork/Schäfer, Rdnr. 23. 6 Zur früheren Rechtslage und weiteren Einzelheiten 10. Aufl., Rdnr. 40. 7 Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 44; Heidinger, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 172.

1170

Seibt

§ 16

Wechsel der Gesellschafter; Erwerb vom Nichtberechtigten

setzt, und dass er bei gesellschaftlichen Lieferungspflichten (Nebenleistung) für Ansprüche der Gesellschaft mit aufzukommen hat, die gegen den Veräußerer aus Gewährleistung oder auf Vollzugzinsen (auch aus § 20) entstanden und fällig geworden waren. Beim Erwerb durch Minderjährige greift die Haftungsbeschränkung aus § 1629a BGB ein1.

2. Befreiung des Veräußerers Der Veräußerer wird von den Leistungspflichten befreit, die nach Eintragung der 55 Veränderung in der Gesellschafterliste und deren Aufnahme im Handelsregister fällig werden. Ausnahmsweise bleibt der Veräußerer aber subsidiär haftbar für Einzahlungen auf den Geschäftsanteil und beschränkten Nachschuss (§§ 22, 28), selbst wenn zurzeit der Aufnahme der geänderten Gesellschafterliste im Handelsregister noch nichts eingefordert war2. Als haftender „Veräußerer“ gilt – entsprechend der Rechtslage unter § 16 Abs. 3 56 a.F. – nur ein solcher Anteilsinhaber, der selbst in der Gesellschafterliste eingetragen war. Ein Zwischenzessionar, auf den dies nicht zutrifft, hatte weder Rechte noch Pflichten gegen die GmbH erlangt (§ 16 Abs. 1 Satz 1). Vielmehr haftet im Falle einer Kette von Rechtsübergängen als Veräußerer i.S. des § 16 Abs. 2 derjenige, der zuletzt im Hinblick auf den betreffenden Geschäftsanteil eingetragen war, selbst wenn er nicht der unmittelbare Rechtsvorgänger und ggf. Vertragspartner des nunmehr legitimierten Erwerbers ist3. Zu keiner Mithaftung des Erwerbers nach § 16 Abs. 2 kommt es, wenn die geänderte Gesellschafterliste noch vor Aufnahme in das Handelsregister zulässigerweise zurückgenommen wird (hierzu Rdnr. 31). Denn in diesem Fall ist der Erwerber noch nicht durch die Legitimationswirkung des § 16 Abs. 1 Satz 1 belastet. Ist es hingegen zunächst zu einer wirksamen Eintragung in der Gesellschafterliste und deren Aufnahme in das Handelsregister gekommen und wird erst hiernach die Eintragung in der Gesellschafterliste wieder geändert, so bleibt es nach den allgemeinen Grundsätzen (Rdnr. 51 ff.) bei der Mithaftung4.

3. Haftung des eingetragenen Nichtgesellschafters Nach altem Recht war umstritten, für welche Verbindlichkeiten ein Scheinge- 56a sellschafter haften musste. Die Neufassung des § 16 hat insofern keine Veränderung der Rechtslage mit sich gebracht5; vielmehr gilt weiterhin: Für noch nicht fällige Leistungen haftet der zunächst legitimierte Erwerber ab dem Zeitpunkt der Kenntnis der GmbH vom unwirksamen Rechtsübergang nicht6. In diesem Fall wird der unrichtig in die Gesellschafterliste eingetragene Erwerber auch nicht als Rechtsvorgänger des nun wieder eingetragenen Veräußerers be1 2 3 4 5 6

Zur früheren Rechtslage 10. Aufl., Rdnr. 42. Zur früheren Rechtslage und Einzelheiten 10. Aufl., Rdnr. 43. Zur früheren Rechtslage 10. Aufl., Rdnr. 41. Zur früheren Rechtslage 10. Aufl., Rdnr. 22 m.w.N. Insoweit zutr. Löbbe, in: Ulmer, Erg.-Band MoMiG, Rdnr. 121. Ganz h.M.; zur früheren Rechtslage 10. Aufl., Rdnr. 22; zur neuen Rechtslage gleichsinnig Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 48; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 37; Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 153 a.E.

Seibt

1171

§ 16

Wechsel der Gesellschafter; Erwerb vom Nichtberechtigten

handelt und haftet deshalb für künftig fällig werdende Leistungen auch nicht aus § 221. Demgegenüber haftet der Scheingesellschafter auch für rückständige noch nicht abgewickelte Leistungen2. Dies muss gerade nach der Aufwertung der Gesellschafterliste zum Rechtsscheinträger gelten, weil die Legitimierung des (Schein-)Gesellschafters nun nicht mehr lediglich intern durch Anmeldung erfolgt, sondern mit Publizitätswirkung durch Eintragung in die für jedermann einzusehende Gesellschafterliste3.

V. Gutgläubiger Erwerb (§ 16 Abs. 3) 1. Grundlagen a) Gesetzgeberische Motivlage und Konzeption des Gutglaubensschutzes 57

Ein weiterer Bestandteil der auch hier geforderten Akzentverschiebung zu Gunsten der kapitalgesellschaftsrechtlichen Seite der GmbH ist die Normierung des Gutglaubenstatbestands des § 16 Abs. 3, mit dem es einem Gutgläubigen – vorbehaltlich des Sonderfalls nach § 2366 BGB4 – erstmals seit dem Inkrafttreten des GmbHG möglich ist, Geschäftsanteile bzw. Rechte an diesen von einer anderen Person als dem Anteilsinhaber zu erwerben. Die Möglichkeit des gutgläubigen Erwerbs vertieft die Unterschiede zwischen einer Beteiligung an einer GmbH und an einer Personengesellschaft, bei der ein gutgläubiger Erwerb gesetzlich nicht vorgesehen ist5. Demgegenüber ist das Eigentum an Inhaberaktien gemäß §§ 932 ff., 935 Abs. 2 BGB und an Namensaktien nach § 68 Abs. 1 Satz 2 AktG, Art. 16 Abs. 2 WG ebenfalls einem gutgläubigen Erwerb zugänglich6. Die Regelung des gutgläubigen Erwerbs in § 16 Abs. 3 wird begleitet und ermöglicht durch (i) eine bessere Identifikation der einzelnen Geschäftsanteile (§§ 8 Abs. 1 Nr. 3, 40 Abs. 1 Satz 1), (ii) die Deregulierung der Vorschriften zur Größe von Geschäftsanteilen und der Übernahme von Geschäftsanteilen (§ 5 Abs. 2), (iii) die Deregulierung der Vorschriften zur Teilung von Geschäftsanteilen (Aufhebung von § 17) und (iv) die Aufwertung der Gesellschafterliste und die sich hierauf beziehende Pflichtenverschärfung für Geschäftsführer und Notare (§ 40). 1 Zur früheren Rechtslage 10. Aufl., Rdnr. 22; zur neuen Rechtslage gleichsinnig Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 48. 2 BGH, ZIP 2007, 1271, 1272 = GmbHR 2007, 375, 376 (obiter dictum zur alten Rechtslage); Heidinger, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 197 ff.; jetzt auch Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 153; teilw. abw. Jasper, in: MünchHdb. III, § 24 Rdnr. 244; Raiser/Veil, Kapitalgesellschaften, § 30 Rdnr. 24; a.M. OLG Hamm, GmbHR 2006, 252 (nach Anfechtung wegen arglistiger Täuschung); Löbbe, in: Ulmer, Erg.-Band MoMiG, Rdnr. 116 ff.; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 39; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 47; Brandes, in: Bork/Schäfer, Rdnr. 34; differenzierend Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 24, die lediglich bei Zurechenbarkeit der Eintragung eine Haftung annehmen. 3 Zutr. Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 153; Heidinger, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 198. 4 Die Regelung des § 2366 BGB überwindet die mangelnde Erbenstellung des Verfügenden in der (Ausnahme-)Konstellation, dass Geschäftsanteile zum Vermögen eines verstorbenen Gesellschafters gehörten und ein durch einen Erbschein legitimierter Scheinerbe über diese zugunsten eines in Bezug auf die vermeintliche Erbenstellung gutgläubigen Erwerbers verfügte; hierzu z.B. Schlüter, in: Erman, § 2366 BGB Rdnr. 2. 5 Hierzu rechtspolitisch krit. Freitag, WM 2007, 1681, 1684. 6 Zum gutgläubigen Erwerb von Aktien Eder, NZG 2004, 107, 108 f.

1172

Seibt

§ 16

Wechsel der Gesellschafter; Erwerb vom Nichtberechtigten

Mit der Akzentverschiebung zur kapitalgesellschaftlichen Seite der GmbH und 58 der Einführung eines gutgläubigen Erwerbs von Geschäftsanteilen hat der MoMiG-Gesetzgeber das Ziel verfolgt, die Attraktivität der Rechtsform der GmbH zu steigern und die Rahmenbedingungen für GmbH-Gesellschafter und ihre Vertragspartner zu verbessern sowie Geschäftsanteile als Gegenstand des Rechtsverkehrs, der Nachfolgeplanung und als Sicherheitengrundlage zu erhöhen. Immerhin ist die GmbH bei Unternehmens- und Beteiligungskäufen in Deutschland die am meisten vorkommende Rechtsform der Zielgesellschaft1. Im Speziellen verfolgte der Gesetzgeber mit der Einführung des gutgläubigen Erwerbs von Geschäftsanteilen das Anliegen, das Risiko der Erwerber von Geschäftsanteilen zu verringern, diese mangels Verfügungsbefugnis des Veräußerers nicht wirksam erwerben zu können2. Nach bisheriger Rechtslage ohne gutgläubigen Erwerb von Geschäftsanteilen waren Erwerber in der Regel darauf verwiesen, detaillierte Nachforschungen (sog. Due Diligence-Untersuchungen) über die Gesellschafterstellung des Veräußerers und die historische Entwicklung der betreffenden Geschäftsanteile anzustellen3. Zur Ermittlung der Gesellschafterstellung des Veräußerers wurde demnach regelmäßig das Schicksal der Geschäftsanteile über sämtliche Abtretungen, Vererbungen, Verschmelzungen, Spaltungen, Zusammenlegungen, Teilungen, Einziehungen und Kapitalerhöhungen bis zur Errichtung der betreffenden GmbH zurückverfolgt, um das Risiko einer fehlschlagenden Anteilsübertragung zu minimieren. Dabei war trotz eines ggf. hohen Prüfungsaufwands keine Sicherheit über die Inhaberschaft an den betreffenden Geschäftsanteilen zu erreichen, da in jedem Fall das Risiko verdeckter Zwischenübertragung oder die Möglichkeit bestand, dass eine scheinbar wirksame Anteilsübertragung – und infolgedessen auch alle späteren Anteilsübertragungen – unerkannt unwirksam war (z.B. Geschäftsunfähigkeit des Verfügenden, unerlaubte Zwischenverfügungen)4. Auch eine zumeist in den vertraglichen Regelungen zur Anteilsübertragung enthaltene Garantie des Veräußerers, dass diesem der veräußerte Geschäftsanteil auch tatsächlich zusteht5, führte im Verletzungsfall nur zu Schadensersatzansprüchen, aber nicht zur Erlangung der an sich bestrebten Gesellschafterstellung, was insbesondere für strategisch ausgerichtete Investoren misslich war6. Mit dem gutgläubigen Erwerb von Geschäftsanteilen lassen sich die Transaktionskosten und der Zeitaufwand bei Unternehmens- und Beteiligungskäufen, aber auch bei Finanzierungsgeschäften unter Einbeziehung von Geschäftsanteilen verringern und die Rechtssicherheit für den Erwerber oder Finanzierungspartner sowie für die Allgemeinheit erhöhen7. Dies sollte letztlich wirtschaftlich den GmbH-Gesellschaftern über höhere Verkaufspreise für Geschäftsanteile oder bessere Zinskonditionen bei Finanzierungsgeschäften zugute kommen. 1 Vgl. z.B. Müller, GmbHR 2006, 953. 2 BR-Drucks. 354/07, S. 87 = Begr. RegE zu § 16; vgl. auch Wiersch, S. 5. 3 Vgl. Schickerling/Blunk, GmbHR 2009, 337, 341 ff.; Breitenstein/Meyding, BB 2006, 1457, 1459; Müller, GmbHR 2006, 953, 954. Zur Due Diligence und den dort üblichen Due Diligence-Anforderungslisten Seibt, in: Beck’sches Formularbuch Mergers & Acquisitions, 2. Aufl. 2011, S. 54 ff. 4 Vgl. Rau, DStR 2006, 1892; Schockenhoff/Höder, ZIP 2006, 1841, 1842. 5 Zur Formularpraxis Schrader, in: Beck’sches Formularbuch Mergers & Acquisitions, 2. Aufl. 2011, Form. C.II.1, S. 190. 6 Zutr. Flesner, NZG 2006, 641, 643. 7 Vgl. BR-Drucks. 354/07, S. 87 = Begr. RegE zu § 16.

Seibt

1173

§ 16

Wechsel der Gesellschafter; Erwerb vom Nichtberechtigten

59

Im deutschen Recht gilt der Grundsatz, dass der gutgläubige Erwerb vom Nichtberechtigten einen Rechtsscheintatbestand voraussetzt, z.B. den Besitz bei beweglichen Sachen und den Grundbuchstand bei Rechten an Grundstücken. Der MoMiG-Gesetzgeber hat nach intensiver Diskussion in der Literatur eine gegenüber dem früheren Rechts- und Tatsachenstand aufgewertete Gesellschafterliste als Rechtscheinstatbestand normiert. Ein gutgläubiger Erwerb ist möglich, wenn der Nichtberechtigte zu Unrecht in der im Handelsregister aufgenommenen und damit öffentlichen Gesellschafterliste eingetragen ist und diese Unrichtigkeit entweder seit drei Jahren besteht oder – dann unabhängig vom Ablauf der DreiJahresfrist – dem Berechtigten zuzurechnen ist. Alternativvorschläge der Literatur umfassten u.a. (i) die Verbriefung von Geschäftsanteilen in Form von Orderpapieren mit dem Erfordernis eines notariell beurkundeten Indossaments1, (ii) die Ausgestaltung der Anteilsübertragung als zweiaktigen Erwerbsvorgang aus Einigung und Eintragung in ein hoheitlich geführtes (Handels-)Register mit dem Registerbestand als Rechtsscheinbasis2 und (iii) die Anerkennung einer dem estoppel englischen Rechts vergleichbare Verwirkung der Unwirksamkeitseinrede, soweit der Veräußerer den unrichtigen Rechtsschein selbst gesetzt hat3.

60

Die gesetzliche Regelungstechnik bei § 16 Abs. 3 ist an den Gutglaubensschutz von Rechten an Grundstücken (§ 892 BGB) angelehnt, wenngleich der Umfang des Gutglaubensschutzes beim Erwerb von Geschäftsanteilen mangels einer der Aufnahme der Gesellschafterlisten im Handelsregister vorangehenden inhaltlichen Richtigkeitsüberprüfung durch einen Hoheitsträger im Verhältnis zu dieser Vorschrift jedoch verringert ist4. So findet die den Gutglaubensschutz erheblich einschränkende Vorschrift des § 16 Abs. 3 Satz 2 keine Entsprechung bei § 892 BGB (und auch nicht in anderen Gutglaubensvorschriften des deutschen Rechts): Hiernach ist zum einen ein gutgläubiger Erwerb vom Zeitpunkt des Eintritts der Unrichtigkeit der Gesellschafterliste an nur möglich, wenn dem Berechtigten diese Unrichtigkeit zuzurechnen ist. Zwar setzen auch andere Gutglaubensvorschriften ein mitwirkendes Verhalten des Berechtigten für den Rechtsverlust voraus (z.B. der Ausschluss des gutgläubigen Erwerbs bei Abhandenkommen einer Sache nach § 935 Abs. 1 BGB), allerdings wird in § 16 Abs. 3 Satz 2 kein konkreter Handlungstatbestand statuiert, sondern ein wertungsoffenes Merkmal (hierzu Rdnr. 104). Zum anderen kommt im Fall der Nichtzurech1 So Gehling, ZIP 2006, 685, 689; Ziemons, BB-Spezial 7/2006, 9, 13. – Gegen eine Verbriefung wurde insbesondere ein erhöhtes Fälschungsrisiko (Grunewald, ZIP 2006, 685, 686; Handelsrechtsausschuss des DAV, NZG 2007, 211, 215), der Entwicklungswiderspruch zur Dematerialisierung von Aktien bei Aktiengesellschaften (Noack, DB 2006, 1475, 1478) sowie die mangelnde Transparenz des Gesellschafterbestandes (Handelsrechtsausschuss des DAV, NZG 2007, 211, 215) eingewandt. 2 So Eidenmüller, ZGR 2007, 168, 202 f.; Flesner, NZG 2006, 641, 643 f.; konzeptionell ähnlich Vossius/Wachter-Entwurf (www.gmbhr.de/volltext.html) mit zweiaktigem Erwerbsvorgang aus Einigung und Eintragung in ein vom sog. Gesellschaftsnotar geführtes Anteilsregister; ähnlich Bednarz, BB 2008, 1854, 1861; Harbarth, ZIP 2008, 57, 62 f. – Der Ausgestaltung des Handelsregisters als Rechtsscheintatbestand stand insbesondere die damit einhergehende erhöhte finanzielle Belastung der Bundesländer entgegen; vgl. Seibert, ZIP 2006, 1157, 1160. 3 So Triebel/Otte, ZIP 2006, 311, 316; ähnlich schon Hohner, in: FS Barz, 1974, S. 147, 152 ff. 4 BR-Drucks. 354/07, S. 87 = Begr. RegE zu § 16.

1174

Seibt

§ 16

Wechsel der Gesellschafter; Erwerb vom Nichtberechtigten

nung der Unrichtigkeit der Gesellschafterliste anders als nach §§ 932 ff. und § 892 BGB ein gutgläubiger Erwerb erst ab dem Zeitpunkt in Betracht, zu dem die Gesellschafterliste seit mindestens drei Jahren unrichtig ist. Dies verdeutlicht die Janusköpfigkeit der Gutglaubensvorschrift in § 16 Abs. 3, derzufolge der Gutglaubensschutz vor Ablauf der Drei-Jahresfrist dem Veranlassungsprinzip folgt und hiernach dem reinen Rechtsscheinsprinzip (Rdnr. 99). Im Vergleich zur Verkehrsfreundlichkeit des § 892 BGB (gutgläubiger Erwerb von Rechten an Grundstücken) bleibt also § 16 Abs. 3 deutlich zurück, zum einen wegen der Geltung des Veranlassungsprinzips während der dreijährigen Übergangsfrist und zum anderen wegen des verschärften Gutglaubensmaßstabs. Allerdings wird die Beeinträchtigung des Verkehrsinteresses durch Normierung des Veranlassungsprinzips rechtstatsächlich wohl nicht so erheblich sein, da dem Berechtigten die Unrichtigkeit der Gesellschafterliste in der weit überwiegenden Zahl der Fälle zuzurechnen sein wird. Und selbst wenn dem Berechtigten die Unrichtigkeit im Ausnahmefall nicht zuzurechnen ist, führt dies nur zu einem dreijährigen Risiko des Zusammenbrechens von Erwerbsketten (im Gegensatz zu den zeitlich nur durch die Ersitzung der §§ 937 ff. BGB begrenzten Regelungen der §§ 932 ff., 935 Abs. 1 BGB) und geht daher im Hinblick auf die Verkehrsfreundlichkeit andererseits deutlich über die §§ 932 ff. BGB (Gutglaubensschutz bei beweglichen Sachen) hinaus1. Die Gutglaubensregelung des § 16 Abs. 3 steht damit in der Mitte zwischen dem stärker legitimierten Verlust von Rechten an Grundeigentum und dem durch das bloße Risikoprinzip legitimierten Rechtsverlust hinsichtlich beweglicher Sachen. Zur Veranschaulichung der konzeptionellen Eingliederung des § 16 Abs. 3 in die 61 Systematik anderer Gutglaubensvorschriften deutschen Rechts dient die Tabellenübersicht auf S. 1176 und 1177. b) Verfassungsmäßigkeit Entgegen vereinzelter in der Literatur geäußerter Zweifel2 ist § 16 Abs. 3 eine 62 verhältnismäßige Inhalts- und Schrankenbestimmung des von Art. 14 GG geschützten Eigentums3. Der verfassungsrechtliche Eigentumsschutz erfordert insbesondere keine gesetzliche Regelung einer hoheitlichen oder notariellen Überprüfung der materiell-rechtlichen Richtigkeit der Gesellschafterliste. Vielmehr entspricht das Fehlen einer hoheitlichen oder notariellen Überprüfung der Gesellschafterliste den typischen (Zeit- und Kosten-)Interessen der Gesellschafter, und es kann von Gesellschaftern einer GmbH überdies erwartet werden, dass sie selbst für die Überprüfung der im Handelsregister aufgenommenen Gesellschafterliste Sorge tragen4.

1 Wiersch, S. 33 ff., 47. 2 Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit (Art. 14 GG) von § 16 Abs. 3 äußern Harbarth, ZIP 2008, 57, 62 ff.; D. Mayer, DNotZ 2008, 403, 431; Wegen, in: FS Lüer, S. 327 f.; Ziemons, BB-Spezial 7/2006, 9, 12 f. 3 So bereits 10. Aufl., Rdnr. 52. So auch Löbbe, in: Ulmer, Erg.-Band MoMiG, Rdnr. 125; Wiersch, S. 49 ff.; Hamann, NZG 2007, 492, 493. 4 Zutr. Wiersch, S. 55 ff.

Seibt

1175

1176

Seibt

Kein präventiver Schutz durch staatliche Einrichtung; Eigentümer kann Rechtsverlust faktisch dadurch verhindern, dass

Inhaltliche Prüfung durch Grundbuchamt als staatliche Stelle und strikte Verfahrensregeln

Präventivmaßnahmen

§§ 932 ff., 935 Abs. 2 BGB [problematisch bei ausschl. Bestehen einer bei Clearstream Banking hinterlegten Globalurkunde]; kein gutgläubiger Erwerb möglich bei Übertragung nach §§ 398, 413 BGB

Besitz

§ 892 BGB

Inhaberaktien

Rechtsscheinträger Grundbuch

Norm für gutgläubigen Erwerb von Nichtberechtigten

Grundbesitz

Geschäftsanteile

Kein präventiver Schutz durch staatliche Einrichtung; Eigentümer kann Rechtsverlust faktisch dadurch verhindern, dass

Unmittelbarer Besitz an Aktienurkunde nebst Legitimation durch ununterbrochene Indossamentenkette. [Bei blankoindossierten Namensaktien im Girosammelbestand wird teils befürwortet, die Umbuchung des Miteigentumsanteils an der Globalurkunde an Stelle des fehlenden unmittelbaren Besitzes des Veräußerers ausreichen zu lassen.]

Kein präventiver Schutz durch staatliche Einrichtung; diverse Präventivmaßnahmen (z.B. notarielle Beurkundung von

Gesellschafterliste (im Handelsregister aufgenommen und online einsehbar)

§ 68 Abs. 1 Satz 2 AktG, § 16 Abs. 3 GmbHG Art. 16 Abs. 2 WG (bei Übertragung durch Indossament); kein gutgläubiger Erwerb möglich bei Übertragung nach §§ 398, 413 BGB

Namensaktien

Kein präventiver Schutz durch staatliche Einrichtung; Eigentümer kann Rechtsverlust (abgesehen von den Fällen des

Besitz

§§ 932 ff., 935 BGB

Bewegl. Sachen

Verkehrsschutz ‹fi Eigentumsschutz

§ 16 Wechsel der Gesellschafter; Erwerb vom Nichtberechtigten

Ausschluss bei positiver Kenntnis

ja (§ 892 BGB)

Umfang des Gutglaubenserwerbs: Lastenfreiheit

Gutglaubensmaßstab

reines Rechtsscheinprinzip

Erwerbsprinzip

Grundbesitz er den unmittelbaren Besitz „nicht aus der Hand“ gibt, so dass Nichtberechtigte gutgläubigen Dritten den Besitz nicht übertragen können. Weitergehender Schutz des Berechtigten: § 367 Abs. 1 Satz 2 HGB sowie bei vinkulierten Namensaktien durch Erfordernis der Zustimmung durch die Gesellschaft

er den unmittelbaren Besitz „nicht aus der Hand“ gibt, so dass Nichtberechtigte gutgläubigen Dritten den Besitz nicht übertragen können. Weitergehender Schutz des Berechtigten: § 367 Abs. 1 Satz 1 HGB Anteilsübertragungen; Einreichungs-, Kontrollund Aktualisierungspflicht der Gesellschafterliste von Geschäftsführer/Notar mit Haftungsandrohung; Widerspruchs- und Berichtigungsrecht)

Geschäftsanteile

Ausschluss bei positiver Kenntnis oder grob fahrlässiger Unkenntnis (§ 932 Abs. 2 BGB)

ja (§ 936 BGB)

Ausschluss bei positiver Kenntnis oder grob fahrlässiger Unkenntnis (Art. 16 Abs. 2 WG)

nein (§ 68 Abs. 1 Satz 2 AktG, Art. 16 Abs. 2 WG)

Ausschluss bei positiver Kenntnis oder grob fahrlässiger Unkenntnis (§ 16 Abs. 3 Satz 3 GmbHG)

nein

reines Rechtsscheinprin- reines Rechtsscheinprin- Vor Ablauf der 3-Jahreszip (§ 935 Abs. 2 BGB) zip (Art. 16 Abs. 2 WG) frist: Veranlassungsprinzip/potenzielles Gefahrbeherrschungsprinzip; mit Ablauf der 3-Jahresfrist: reiner Rechtsscheintatbestand.

Namensaktien

Inhaberaktien

Ausschluss bei positiver Kenntnis oder grob fährlässiger Unkenntnis (§ 932 Abs. 2 BGB)

ja (§ 936 BGB)

Risiko-/Veranlassungsprinzip [= willentliche Besitzentäußerung]; reines Rechtsscheinprinzip gilt nur bei Geld, Inhaberpapieren oder Veräußerungen in öffentlichen Versteigerungen.

§ 935 Abs. 2 Var. 1, Var. 3 BGB) verhindern, indem er den unmittelbaren Besitz anderen Personen nicht überlässt.

Bewegl. Sachen

Verkehrsschutz ‹fi Eigentumsschutz

Wechsel der Gesellschafter; Erwerb vom Nichtberechtigten

§ 16

Seibt

1177

§ 16

Wechsel der Gesellschafter; Erwerb vom Nichtberechtigten

c) Rechtspolitsche Bewertung 63

Der MoMiG-Gesetzgeber hat mit der Akzentverschiebung zur kapitalgesellschaftlichen Seite der GmbH und der Eröffnung eines gutgläubigen Erwerbs von Geschäftsanteilen Recht getan. Die Eröffnung des gutgläubigen Erwerbs wird zur Attraktivität der GmbH als Rechtsform und zur Erleichterung von Unternehmens- und Beteiligungskäufen, Nachfolgeregelungen sowie Finanzierungsgeschäften und damit zur Wertsteigerung von GmbH-Beteiligungen in den Händen der Gesellschafter einer GmbH beitragen. Die Grundkonzeption des § 16 Abs. 3 mit ihrer Austarierung der Bestandsinteressen des Berechtigten einerseits und des Rechtsverkehrs andererseits unter Nutzung einer aufgewerteten Gesellschafterliste und mit zeitlicher Differenzierung zwischen einer Geltung des Veranlassungsprinzips und dem nachlaufenden Rechtsscheinprinzip ist überzeugend1. Bei einer rechtsvergleichenden Umschau ist zu konstatieren, dass das Recht der US-amerikanischen Bundesstaaten (mit Ausnahme von Louisiana) zur close corporation sowie das kanadische Bundesrecht zur corporation einen gutgläubigen lastenfreien Erwerb von Geschäftsanteilen erlaubt und dem Gutglaubensschutz auch im Hinblick auf Übertragungsbeschränkungen ausdehnt2. Demgegenüber bleibt allerdings der Rechtsstand europäischer Jurisdiktionen zum gutgläubigen Erwerb von Anteilen an nicht börsennotierten Kapitalgesellschaften bislang noch hinter § 16 Abs. 3 zurück3. Die Erweiterung des Gutglaubensschutzes auf Belastungen ist rechtspolitisch zu fordern und passte sich ohne Brüche sowohl in die verfahrensrechtliche Ausgestaltung der Gesellschafterliste nach § 40 als auch in die Systematik des § 16 Abs. 3 ein (Rdnr. 74). Demgegenüber sollte der Gutglaubensschutz nicht im Hinblick auf die Existenz von Geschäftsanteilen (Rdnr. 69) oder im Hinblick auf statutarische Abtretungshindernisse (Rdnr. 14) oder die insolvenzrechtliche Beschränkung der Verfügungsbefugnis (Rdnr. 77) erweitert werden, da für eine derartige Ausdehnung des Verkehrsschutzes kein Regelungsbedürfnis besteht.

2. Erwerb eines Geschäftsanteils a) Rechtsgeschäftlicher Erwerb 64

Der Gutglaubensschutz wird wie bei den §§ 892, 932 ff. BGB nur im Zusammenhang mit einem rechtsgeschäftlichen Erwerb gewährt. Dabei muss es sich um ein wirksames Rechtsgeschäft handeln4. Darüber hinaus ist im Gleichklang zu den Regelungen der §§ 892, 932 ff. BGB die Vorschrift des § 16 Abs. 3 teleologisch dahin zu reduzieren, dass der Gutglaubensschutz nur bei Vorliegen eines

1 Kritisch Kort, GmbHR 2009, 169, 175 („Der durch die Gesellschafterliste erzeugte Rechtsschein [steht] auf sehr tönernen Füßen“). 2 Hierzu Wiersch, S. 168 ff. 3 Hierzu Wiersch, S. 176 ff. 4 Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 64; Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 179; Löbbe, in: Ulmer, Erg.-Band MoMiG, Rdnr. 139; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 60; Wicke, Rdnr. 20; Heidinger, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 288; a.A. Kort, GmbHR 2009, 169, 174; D. Mayer, DNotZ 2008, 403, 420; Vossius, DB 2007, 2299, 2300.

1178

Seibt

§ 16

Wechsel der Gesellschafter; Erwerb vom Nichtberechtigten

Verkehrsgeschäfts eingreift (Rdnr. 65)1 und ferner auf eine Rechtsübertragung im Wege der Einzelrechtsnachfolge beschränkt ist (Rdnr. 66)2. Ein Verkehrsgeschäft liegt nur dann vor, wenn zwischen dem Veräußerer und 65 dem Erwerber keine rechtliche oder wirtschaftliche Identität gegeben ist. Daher darf mindestens eine Person der Erwerberseite nicht der Veräußererseite zuzurechnen sein, wobei auch jede Form von wirtschaftlicher Identität schädlich ist, z.B. die Übertragung eines Geschäftsanteils durch den in der Gesellschafterliste eingetragenen Nichtberechtigten auf eine in seinem Allein- oder Mehrheitsbesitz stehende Gesellschaft3. Ein gutgläubiger Erwerb ist bei einem Übergang von Geschäftsanteilen kraft Ge- 66 setzes auf eine andere Person ausgeschlossen. Dies gilt insbesondere bei der Gesamtrechtsnachfolge im Wege der Erbfolge nach §§ 1922 ff. BGB4, der Verschmelzung (§ 20 UmwG) oder der Spaltung (§ 131 UmwG)5. Gleiches gilt bei gung im Wege der vorweggenommenen gesetzlichen Erbfolge6 (oder bei Übertragung im Wege der Vollstreckung in einen Geschäftsanteil7). Ein gutgläubiger Erwerb scheidet auch beim Erwerb durch Gesellschafterbeschluss aus, z.B. nach Einziehung eines Geschäftsanteils und Aufstockung der Geschäftsanteile der Mitgesellschafter nach § 34 Abs. 18 oder durch den Rechtsvorgänger eines (un-

1 Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 64; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 59; Wicke, Rdnr. 19; Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 170; Heidinger, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 289; Löbbe, in: Ulmer, Erg.-Band MoMiG, Rdnr. 141; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 31; Brandes, in: Bork/Schäfer, Rdnr. 37; Berger, in: Bunnemann/Zirngibl, Auswirkungen des MoMiG auf bestehende GmbHs, 2008, § 7 Rdnr. 16; Wiersch, S. 74 Fn. 222; D. Mayer, DNotZ 2008, 403, 420; Vossius, DB 2007, 2299, 2300; vgl. auch Bassenge, in: Palandt, § 892 BGB Rdnr. 5 ff. und § 932 BGB Rdnr. 1. 2 Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 64; Löbbe, in: Ulmer, Erg.-Band MoMiG, Rdnr. 140; vgl. auch Bassenge, in: Palandt, § 892 BGB Rdnr. 3; Karsten Schmidt, AcP 191 (1991), 495, 517 ff. 3 Vgl. Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 66; Wicke, Rdnr. 19; Gottschalk, DZWiR 2009, 45, 50; Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 177; Löbbe, in: Ulmer, Erg.-Band MoMiG, Rdnr. 141; Heidinger, in: Heckschen/Heidinger, Die GmbH in der Gestaltungs- und Beratungspraxis, § 13 Rdnr. 143; D. Mayer, DNotZ 2008, 403, 420; Vossius, DB 2007, 2299, 2300; Wachter, in: Römermann/Wachter, GmbH-Beratung nach dem MoMiG, GmbHRSonderheft 2008, S. 51, 59. 4 Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 65; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 58; Löbbe, in: Ulmer, Erg.-Band MoMiG, Rdnr. 140; Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 172; Wiersch, S. 75; Wachter, ZNotP 2008, 378, 394. 5 Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 65; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 58; Wicke, Rdnr. 18. 6 Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 65; vgl. auch Bassenge, in: Palandt, § 892 BGB Rdnr. 3; OLG Zweibrücken, FGPrax 1999, 208. 7 Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 65; Löbbe, in: Ulmer, Erg.-Band MoMiG, Rdnr. 140; Heidinger, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 292; D. Mayer, DNotZ 2008, 403, 420; Wachter, in: Römermann/Wachter, GmbH-Beratung nach dem MoMiG, GmbHR-Sonderheft 2008, S. 51, 59, vgl. auch Bassenge, in: Palandt, § 892 BGB Rdnr. 2. 8 Ebenso Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 65; Heidinger, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 291; Löbbe, in: Ulmer, Erg.-Band MoMiG, Rdnr. 140; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 58; Vossius, DB 2007, 2299, 2300; Wachter, in: Römermann/Wachter, GmbH-Beratung nach dem MoMiG, GmbHR-Sonderheft 2008, S. 51, 59; a.A. Wicke, Rdnr. 18.

Seibt

1179

§ 16

Wechsel der Gesellschafter; Erwerb vom Nichtberechtigten

wirksam) Ausgeschlossenen im Falle einer unwirksamen Kaduzierung nach § 22 Abs. 41. Ein rechtsgeschäftlicher und damit gutgläubiger Erwerb ist indes möglich im Falle der möglichen Versteigerung eines Geschäftsanteils durch den Gerichtsvollzieher nach § 23 GmbHG i.V.m. § 383 BGB2. b) Geschäftsanteil 67

Nach dem Gesetzeswortlaut von § 16 Abs. 1 Satz 1 kann tauglicher Gegenstand eines gutgläubigen Erwerbs nur ein „Geschäftsanteil oder ein Recht daran“ sein. Der Geschäftsanteil ist die durch die Beteiligungserklärung begründete mitgliedschaftliche Rechtsstellung des Gesellschafters und der sich hieraus ergebenden Gesamtheit seiner Reche und Pflichten (hierzu § 14 Rdnr. 2); er muss tatsächlich bestehen (Rdnr. 69). c) Rechte an einem Geschäftsanteil

68

Auch Rechte an einem Geschäftsanteil können gutgläubig erworben werden. Hierunter fallen das Pfandrecht (§ 1274 BGB) und der Nießbrauch an Geschäftsanteilen (§ 1068 BGB)3. Die Unterbeteiligung an einem Geschäftsanteil oder die Einräumung einer Treugeberstellung im Rahmen einer Vereinbarungstreuhand sind hingegen keine tauglichen Gegenstände des gutgläubigen Erwerbs, denn in diesen Fällen findet keine Änderung der dinglichen Rechtslage bezogen auf den Geschäftsanteil statt4. d) Nicht existenter Geschäftsanteil

69

Die Regelung des § 16 Abs. 3 gewährt ausweislich der insoweit eindeutigen Regierungsbegründung5 keinen Gutglaubensschutz im Hinblick auf einen in der Gesellschafterliste zwar ausgewiesenen, tatsächlich aber nicht existenten Geschäftsanteilen6. Der fehlende Gutglaubensschutz hinsichtlich der Existenz von 1 Ebenso Wiersch, S. 75. 2 Ebenso Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 65 a.E; Heidinger, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 292; Löbbe, in: Ulmer, Erg.-Band MoMiG, Rdnr. 140. 3 Vgl. BR-Drucks. 354/07, S. 87 = Begr. RegE zu § 16; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 57; Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 167; Löbbe, in: Ulmer, Erg.-Band MoMiG, Rdnr. 137; Heidinger, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 265; Brandes, in: Bork/Schäfer, Rdnr. 40; Wicke, Rdnr. 15; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 56; Heidinger, in: Heckschen/Heidinger, Die GmbH in der Gestaltungs- und Beratungspraxis, § 13 Rdnr. 127; Gottschalk, DZWiR 2009, 45, 49; Kort, GmbHR 2009, 169, 174. 4 Ebenso Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 57; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 56; Löbbe, in: Ulmer, Erg.-Band MoMiG, Rdnr. 137; Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 169; Heidinger, in: Heckschen/Heidinger, Die GmbH in der Gestaltungs- und Beratungspraxis, § 13 Rdnr. 128 und 129; D. Mayer, DNotZ 2008, 403, 419. 5 BR-Drucks. 354/07, S. 88 = Begr. RegE zu § 16 („Geschützt wird nur der gute Glauben an die Verfügungsbefugnis. Nicht existente Geschäftsanteile können demnach nicht gutgläubig erworben werden“). 6 Ebenso Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 58; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 51; Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 246; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 28; Brandes, in: Bork/Schäfer, Rdnr. 36; Löbbe, in: Ulmer, Erg.-Band MoMiG, Rdnr. 127; Wiersch, S. 225 f.; Götze/Bressler, NZG 2007, 894, 897; Hamann, NZG 2007, 492, 494; Heidinger, in: Heckschen/Heidinger, Die GmbH in der Gestaltungs- und Bera-

1180

Seibt

§ 16

Wechsel der Gesellschafter; Erwerb vom Nichtberechtigten

Geschäftsanteilen ist im Gesetzgebungsverfahren vereinzelt und insbesondere unter Hinweis auf das praktische Bedürfnis bei nichtigen Kapitalerhöhungen kritisiert worden1. Vor dem Hintergrund der geringen praktischen Relevanz nichtiger Kapitalerhöhungen und den gravierenden Auswirkungen zum Nachteil aller in der betreffenden GmbH verbleibenden Gesellschafter (nämlich durch Verwässerung deren Mitgliedschaftsrechte) ist von einer Ausdehnung des Verkehrsschutzes durch Erweiterung des Gutglaubensschutzes auf die Existenz von Geschäftsanteilen auch rechtspolitisch abzusehen2. Es verbleibt alleine bei der Heilung nichtiger Kapitalerhöhungen entsprechend § 242 Abs. 2 AktG (hierzu 10. Aufl., § 45 Rdnr. 85 ff.). Dies gilt vor allem (aber eben nicht nur) im Hinblick auf solche Kapitalerhöhungen, bei denen die Nichtigkeit wegen Verletzung von überwiegend zum Schutz der Gläubiger oder sonst im öffentlichen Interesse bestehender Vorschriften statuiert ist, da dieser Schutz nicht zur Disposition der Gesellschafter steht3. e) Unrichtige Stückelung In der bisherigen Unternehmenspraxis ist es auf Grund fehlerhafter oder unwirk- 70 samer Teilung bzw. Zusammenlegung von Geschäftsanteilen sowie Dokumentationsfehlern zu fehlgeschlagenen Anteilsübertragungen deshalb gekommen, weil der Gegenstand der Übertragung, nämlich ein bestimmter, identifizierbarer Geschäftsanteil mit einem konkreten Nennbetrag, nicht existierte, was dem Umstand geschuldet war, dass die Rechtsprechung mit Unterstützung der Literatur annahm, dass eine fehlerhafte Stückelung die Nichtexistenz der betreffenden Geschäftsanteile zur Folge hat (vgl. 10. Aufl., § 17 Rdnr. 11 m.w.N.). Ein Teil der Literatur vertritt nach dem MoMiG die Auffassung, dass sich der von § 16 Abs. 3 vermittelte Verkehrsschutz auch auf die Stückelung der Anteile nach Maßgabe der tatsächlichen Eintragungen in der im Handelsregister aufgenommenen Gesellschafterliste erstreckt4. Diese Fälle der Verfügungen von Nicht(so)berech-

1

2 3 4

tungspraxis, § 13 Rdnr. 77 und 137; Gottschalk, DZWiR 2009, 45, 49; Kögel, Rpfleger 2008, 605, 608; Kort, GmbHR 2009, 169, 174; Lips/Randel/Werwigk, DStR 2008, 2220, 2224; Schockenhoff/Höder, ZIP 2006, 1841, 1844; Vossius, DB 2007, 2299, 2300; Wachter, in: Römermann/Wachter, GmbH-Beratung nach dem MoMiG, GmbHR-Sonderheft 2008, S. 51, 59; Zessel, GmbHR 2009, 303; OLG München, ZIP 2009, 1911 (obiter dictum). So Grunewald, Der Konzern 2007, 13, 14; Klöckner, NZG 2008, 841, 844; im Grundsatz auch D. Mayer, DNotZ 2008, 403, 430 (Ausweitung des Gutglaubensschutzes in Bezug auf die Existenz von Anteilen, aber Ausnahme für den Fall der Nichtigkeit einer Kapitalerhöhung, um zu verhindern, dass die Summe der Nennbeträge aller Geschäftsanteile die Stammkapitalziffer übersteigt); jetzt auch nach Inkrafttreten des MoMiG Kort, GmbHR 2009, 169, 174; ausdrücklich dagegen Wiersch, S. 226 ff.; Haas/Oechsler, NZG 2006, 806, 812; Wälzholz, MittBayNot 2008, 425, 436; wohl auch Götze/Bressler, NZG 2007, 894, 897. So auch Löbbe, in: Ulmer, Erg.-Band MoMiG, Rdnr. 127; a.M. Heidinger, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 278. Gleichsinnig Wiersch, S. 233; Haas/Oechsler, NZG 2006, 806, 812. So Wicke, Rdnr. 15; Leistikow, Das neue GmbH-Recht, 2009, § 4 Rdnr. 196; Böttcher/ Blasche, NZG 2007, 565, 566 ff.; wohl auch Wegen, in: FS Lüer, S. 330 f.; einschränkend für den Fall, dass die Geschäftsanteile dem Veräußerer in anderer Stückelung tatsächlich zustehen, Gehrlein, Der Konzern 2007, 771, 791 f.; Götze/Bressler, NZG 2007, 894, 897; Gottschalk, DZWiR 2008, 45, 49; ablehnend Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 59;

Seibt

1181

§ 16

Wechsel der Gesellschafter; Erwerb vom Nichtberechtigten

tigten seien Verfügungen von Nichtberechtigten wertungsmäßig gleichzustellen und der Gutglaubensschutz in Bezug auf die Stückelung sei vom Wortlaut des § 16 Abs. 3 noch gedeckt; überdies entspräche es der Rechtslage beim gutgläubigen Erwerb von Rechten an Grundstücken, da hier nach § 892 BGB auch im Fall einer unwirksamen Grundstücksteilung das zu Unrecht im Grundbuch eingetragene Teilgrundstück gutgläubig erworben werden kann1. 71

Die Problematik fehlerhafter Stückelung von Geschäftsanteilen ist differenziert nach verschiedenen Fallgruppen zu behandeln; es verbietet sich eine Pauschallösung. Dabei steht im Vordergrund ein praxisgerechtes Verständnis des Bestimmtheitsgrundsatzes bei der Übertragung von Geschäftsanteilen (hierzu § 15 Rdnr. 89), und zwar unter Berücksichtigung der durch das MoMiG vorgegebenen Wertungen der Deregulierung der Nennbetragsgrößen von Geschäftsanteilen, der zulässigen Übernahme mehrerer Geschäftsanteile durch einen Gesellschafter und der Teilung von Geschäftsanteilen sowie der Stärkung des Verkehrsschutzes mit der Einführung des gutgläubigen Erwerbs nach § 16 Abs. 3. Einem an § 16 Abs. 3 orientierten, wertend reduzierten Verständnis des Bestimmtheitsgrundsatzes steht der Wortlaut des § 16 Abs. 3 Sätze 1 und 2 mit seiner Differenzierung zwischen dem „Nichtberechtigten“ und dem „Berechtigten“ nicht zwingend entgegen. Denn zum einen geht es nicht um eine unmittelbare oder entsprechende Anwendung von § 16 Abs. 3, sondern um das Verständnis eines Rechtsgrundsatzes unter Berücksichtigung gesetzlicher Wertungen und zum anderen schließt das idealtypische Begriffspaar Berechtigter/Nichtberechtigter Verfügungen eines „Nicht(so)berechtigten“ nicht aus2.

72

In einer ersten Fallgruppe können die Sachverhalte zusammengefasst werden, in denen sämtliche Geschäftsanteile eines Gesellschafters, die in der Gesellschafterliste in ihrer Gesamtheit mit gleichem Nennbetrag, aber in der tatsächlichen Rechtslage widersprechender Stückelung aufgeführt sind, an einen Erwerber übertragen werden. Nach bisher herrschendem Verständnis konnte in diesen Fällen im Grundsatz (d.h. ausgenommen Sondersituationen mit unterschiedlicher Rechtsausstattung oder Belastung der einzelnen Geschäftsanteile) mit Hilfe einer Auslegung der entsprechenden Willenserklärung und unter Zuhilfenahme

Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 53; Berger, in: Bunnemann/Zirngibl, Auswirkungen des MoMiG auf bestehende GmbHs, 2008, S. 188 ff.; Everts, in: Kroiß/Everts/ Poller, GmbH-Registerrecht, 2008, § 1 Rdnr. 162; Flesner, NZG 2006, 641, 643; Heidinger, in: Heckschen/Heidinger, Die GmbH in der Gestaltungs- und Beratungspraxis, § 13 Rdnr. 140; Klöckner, NZG 2008, 841, 844 f.; D. Mayer, DNotZ 2008, 403, 418; Wachter, in: Römermann/Wachter, GmbH-Beratung nach dem MoMiG, GmbHR-Sonderheft 2008, S. 51, 59; Ziemons, BB-Spezial 7/2006, 9, 11. 1 Hierzu z.B. Böttcher/Blasche, NZG 2007, 565, 569; zustimmend Klöckner, NZG 2008, 841, 845; differenzierend Löbbe, in: Ulmer, Erg.-Band MoMiG, Rdnr. 129; ablehnend Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 59; Berger, in: Bunnemann/Zirngibl, Auswirkungen des MoMiG auf bestehende GmbHs, 2008, § 7 Rdnr. 34, S. 191. – Zur Reichweite des Gutglaubensschutzes nach § 892 BGB bei unwirksamer Grundstücksteilung s. OLG Frankfurt, Rpfleger 1985, 229, 230. 2 Zutr. Böttcher/Blasche, NZG 2007, 565, 569; dagegen Wiersch, S. 137 ff.; Berger, in: Bunnemann/Zirngibl, Auswirkungen des MoMiG auf bestehende GmbHs, 2008, S. 189 f.

1182

Seibt

§ 16

Wechsel der Gesellschafter; Erwerb vom Nichtberechtigten

des Rechtsgrundsatzes falsa demonstratio non nocet in dem Sinne gelöst werden, dass die tatsächlich existenten Geschäftsanteile entgegen Fehlbezeichnung und Eintragungsstand in der Gesellschafterliste übertragen werden1. Nach Einführung von § 16 Abs. 3 liegt es jedenfalls bei Vorliegen von dessen Voraussetzungen (3-Jahresfrist, Zurechnung, keine Bösgläubigkeit) näher, den Inhalt der ergänzenden Vertragsauslegung am Inhalt des Gesellschafterlistenbestandes zu orientieren und dann die fehlende Teilung bzw. Zusammenlegung von Geschäftsanteilen ex lege anzunehmen. Der Annahme einer Teilung bzw. Zusammenlegung ex lege steht auch nicht entgegen, dass dadurch die unterschiedlichen Gutglaubenskonzeptionen des § 892 BGB einerseits und § 16 Abs. 3 andererseits unzulässigerweise verwischt werden. Ein Gleichlauf mit dem ansonsten deutlich erweiterten Verkehrsschutzkonzept des § 892 BGB rechtfertigt sich in den Fällen der fehlerhaften Stückelung dann, wenn der Verfügungsgegenstand mit Hilfe der Willenserklärung der Beteiligten und dem Gesellschafterlistenbestand identifizierbar ist; der Schutz der Mitgesellschafter und sonstiger Dritter wird durch die übrigen, für den Gutglaubenserwerb weiter erforderlichen Tatbestandsvoraussetzungen des § 16 Abs. 3 erfüllt2. In einer zweiten Fallgruppe sind die der ersten Fallgruppe entsprechenden Sachverhalte zusammengefasst, bei denen allerdings nur eine teilweise Übertragung des vom Erwerber gehaltenen Geschäftsanteilsbestands vorliegt. Hier hatte bislang die Rechtsprechung angenommen, dass eine Auslegung der Willenserklärungen die Nichtigkeit der Anteilsübertragung nicht vermeiden kann3. Sofern die vom Erwerber gehaltenen Geschäftsanteile den gleichen Rechtsinhalt und keine unterschiedlichen Belastungen aufweisen, führen die Wertungsentscheidungen des MoMiG-Gesetzgebers dazu, dass im Regelfall die Auslegung zur Übertragung der Geschäftsanteile im Umfang des Gesellschafterlistenbestandes erfolgt ist; die fehlenden Teilungen bzw. Zusammenlegungen von Geschäftsanteilen erfolgen hier ebenfalls ex lege. In einer dritten Fallgruppe können die Sachverhalte zusammengefasst werden, in denen die Summe der Nennbeträge der in einer Gesellschafterliste einem Gesellschafter zugeordneten Geschäftsanteile den tatsächlichen Nennbetragsumfang seiner Geschäftsanteile überschreitet. In diesem Fall kann die Auslegung der Willenserklärung nicht zu einem hinreichend bestimmten Ergebnis führen und es träte überdies ein Wertungswiderspruch zu der Versagung eines Gutglaubensschutzes für nicht existente Geschäftsanteile (Rdnr. 69) ein4. Für diese Konstellationen ist ein Gutglaubenserwerb daher abzulehnen5. Dies

1 Hierzu BGH, NJW-RR 1987, 807, 808; s. auch § 15 Rdnr. 113. 2 So auch Löbbe, in: Ulmer, Erg.-Band MoMiG, Rdnr. 130; Wicke, Rdnr. 15; wohl auch Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 247; a.A. Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 59; Heidinger, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 281 f.; wohl auch Schickerling/Blunk, GmbHR 2009, 337, 342. 3 OLG Düsseldorf, MDR 1978, 668; für das neue Recht wird dies weiterhin vertreten von Schickerling/Blunk, GmbHR 2009, 337, 342 m.w.N., die jedoch Nichtexistenz eines Geschäftsanteils mit Andersgestaltigkeit gleichsetzen. 4 Insoweit zutr. Wiersch, S. 140 ff.; vgl. auch Wachter, in: Römermann/Wachter, GmbHBeratung nach dem MoMiG, GmbHR-Sonderheft 2008, S. 51, 59. 5 Zust. Löbbe, in: Ulmer, Erg.-Band MoMiG, Rdnr. 129; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 59; insoweit zutr. Heidinger, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 281 f.; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 54; a.M. Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 28; Wicke, Rdnr. 15 a.E.

Seibt

1183

§ 16

Wechsel der Gesellschafter; Erwerb vom Nichtberechtigten

gilt auch für die Fälle, in der die Nennbetragssumme der abgetretenen Geschäftsanteile vom tatsächlichen Nennbetragsumfang der Gesellschaft insgesamt abweicht1. f) Belastungen des Geschäftsanteils 73

Die Regelung des § 16 Abs. 3 ermöglicht de lege lata keinen gutgläubigen lastenfreien Erwerb in Bezug auf an Geschäftsanteilen bestehenden Pfandrechten oder Nießbrauchsrechten2. Gegen die Zulässigkeit einer Analogiebildung von § 16 Abs. 3 zur Begründung eines Gutglaubensschutzes in Bezug auf Belastungen spricht die intensive Diskussion dieses Problemkreises im Gesetzgebungsverfahren und die trotzdem unterbliebene Änderung des Gesetzeswortlautes; damit fehlt es an einer planwidrigen Regelungslücke als Analogievoraussetzung3. Konsequenterweise fehlt es daher auch an einem, von der Rechtsscheinwirkung getragenen Eintragungsrecht von Belastungen an Geschäftsanteilen4. Zur Eintragungsfähigkeit dinglicher Belastungen vgl. oben Rdnr. 15.

74

De lege ferenda sollten auch Belastungen an Geschäftsanteilen (z.B. Pfandrecht, Nießbrauch) in eine, in zwei Abteilungen untergliederte Gesellschafterliste eingetragen werden, damit dann auch diese vom Gutglaubensschutz des § 16 Abs. 3 mit der Folge erfasst werden können, dass nicht eingetragene Belastungen gutgläubig hinwegerworben werden können5. Die Nichterstreckung des Gutglaubensschutzes auf Belastungen führt nämlich dazu, dass ein Erwerber von Geschäftsanteilen auch nach neuer Rechtslage riskiert, dass diese mit Pfandrechten oder Nießbrauchrechten belastet und deshalb in ihrem Wert gemindert oder gar aufgehoben sind. Daher wird der Erwerber auch nach der Einführung des gutgläubigen Rechtserwerbs in der Regel daran interessiert sein, im Rahmen einer sorg1 Wicke, Rdnr. 15; Löbbe, in: Ulmer, Erg.-Band MoMiG, Rdnr. 129; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 28 a.E. 2 BGH, WM 2011, 2097, 2099 = GmbHR 2011, 1269, 1270; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 60; Bayer, GmbHR 2012, 1, 5; Wicke, Rdnr. 16; Brandes, in: Bork/Schäfer, Rdnr. 38; Löbbe, in: Ulmer, Erg.-Band MoMiG, Rdnr. 132; Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 251; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 28 a.E.; Altmeppen, in: Roth/ Altmeppen, Rdnr. 55; Wiersch, S. 201; Götze/Bressler, NZG 2007, 894, 897; Vossius, DB 2007, 2299, 2303; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 55; Wachter, ZNotP 2008, 378, 397; Wegen, in: FS Lüer, 2008, S. 321, 331 f.; Zessel, GmbHR 2009, 303; OLG München, ZIP 2009, 1911 = GmbHR 2009, 1211 (obiter dictum); a.A. Reymann, WM 2008, 2095, 2098 ff.; Heidinger, in: Heckschen/Heidinger, Die GmbH in der Gestaltungs- und Beratungspraxis, § 13 Rdnr. 135. 3 A.M. Reymann, WM 2008, 2095, 2100 ff., 2106. 4 S. auch Rdnr. 20; vgl. auch Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 60; Haas/Oechsler, NZG 2006, 806, 812; abweichend Reymann, WM 2008, 2095, 2101 ff. (Eintragung als Widerspruch). 5 I.E. ebenso Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 60; Bayer, GmbHR 2012, 1, 5; Wicke, Rdnr. 28; Brandes, in: Bork/Schäfer, Rdnr. 38; Löbbe, in: Ulmer, Erg.-Band MoMiG, Rdnr. 132; Wiersch, S. 202 ff.; Ries, GWR 2011, 54, 57; Eidenmüller, ZGR 2007, 168, 202; Grunewald, ZIP 2006, 685, 689; Gehling, ZIP 2006, 686, 689; Harbarth, ZIP 2008, 57, 63; Klöckner, NZG 2008, 841, 844; Herrler, ZIP 2011, 615, 617; Kort, GmbHR 2009, 169, 174; Rau, DStR 2006, 1892, 1899; Wulfetange, BB-Spezial 7/2006, 19, 22; Ziemons, BB-Spezial 7/2006, 9, 13; Zöllner, in: VGR (Hrsg.), GmbH-Reform in der Diskussion, 2006, S. 175, 182 Fn. 17.

1184

Seibt

§ 16

Wechsel der Gesellschafter; Erwerb vom Nichtberechtigten

fältigen Due Diligence zu überprüfen und sich dann im Kausalgeschäft im Wege eines selbstständigen Garantieversprechens zusichern zu lassen, dass die Geschäftsanteile nicht belastet sind. Hierdurch werden Übertragungen sämtlicher Geschäftsanteile (und zwar auch unbelasteter Geschäftsanteile) mit Zeitaufwand und Kosten belastet, was die mit der Einführung von § 16 Abs. 3 bezweckte Entlastung von Zeitaufwand und Transaktionskosten zu nicht unerheblichem Teil frustriert, und zwar eingedenk der Tatsache, dass solche Belastungen auch umfangreiche Erwerbsketten überdauern können1. Ein Gutglaubensschutz in Bezug auf Belastungen passte sich auch systematisch in das deutsche Gutglaubensrecht ein, das sowohl für Liegenschaften (§ 892 Abs. 1 Satz 1 BGB) als auch in Bezug auf bewegliche Sachen (§ 936 BGB) einen gutgläubigen lastenfreien Erwerb vorsieht; dementsprechend ist auch bei Inhaberaktien nach §§ 932 ff., 936 BGB ein gutgläubiger lastenfreier Erwerb gegenüber Nießbrauchsrechten und Pfandrechten möglich2. Die Gesellschafterliste als Rechtsscheintatbestand eignet sich auch für die Eintragung von Belastungen und sollte in Anlehnung an das Grundbuch in zwei Abteilungen untergliedert sein, wobei in der ersten Abteilung die jetzt in § 40 Abs. 1 Satz 1 normierten Angaben enthalten und für jedermann frei einsehbar und in der zweiten Abteilung die Belastungen aufgenommen wären; die zweite Abteilung könnte wie das Grundbuch (vgl. § 12 Abs. 1 Satz 1 GBO) nur von Personen eingesehen werden dürfen, die ein berechtigtes Interesse an der Einsichtnahme haben. Damit könnten auch die Geheimhaltungsinteressen der an der Einräumung von Belastungen beteiligten Parteien und insbesondere dem Praxisinteresse an Fortführung stiller Verpfändungen Rechnung getragen werden3. Wegen der Beurkundungspflichtigkeit der Bestellung von Pfand- und Nießbrauchsrechten könnte die verfahrensrechtliche Konzeption des § 16 Abs. 3 beibehalten werden. Dabei erstreckte sich der einzuführende Gutglaubensschutz alleine auf die negative Publizität der Gesellschafterliste in Bezug auf Belastungen; eine positive Publizität der Gesellschafterliste ist nicht zu normieren4. g) Einlagenleistung auf den Geschäftsanteil Der gute Glaube an eine vollständige und schuldbefreiende Leistung aller Einlagen wird durch die Gutglaubensvorschrift des § 16 Abs. 3 nicht geschützt5.

1 Gleichsinnige Kritik bei Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 60; Brandes, in: Bork/ Schäfer, Rdnr. 38; Wiersch, S. 202 f.; Harbarth, ZIP 2008, 57, 64; Klöckner, NZG 2008, 841, 844; Rau, DStR 2006, 1892, 1899; Reichert, in: Bayer/Koch, Das neue GmbH-Recht, 2008, S. 29, 43; Wachter, ZNotP 2008, 378, 397; Schiemzik, NWB 2011, 2481, 2484 f. 2 Vgl. Lutter/Drygala, in: KölnKomm. AktG, 3. Aufl. 2009, Anh. § 68 AktG Rdnr. 15 f.; Heider, in: MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, § 10 AktG Rdnr. 36. – Keinen gutgläubigen lastenfreien Erwerb gibt es hingegen bei Namensaktien (§ 68 Abs. 1 Satz 2 AktG, Art. 16 Abs. 2 WG); vgl. auch Haas/Oechsler, NZG 2006, 806, 812. 3 Zu diesen Geheimhaltungsinteressen Handelsrechtsausschuss des DAV, NZG 2007, 211, 215; Harbarth, ZIP 2008, 57, 64; Wicke, Rdnr. 28; Bayer, GmbHR 2012, 1, 6 f. 4 Ebenso Wiersch, S. 207 ff.; Reymann, WM 2008, 2095, 2103 ff. 5 Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 61; Löbbe, in: Ulmer, Erg.-Band MoMiG, Rdnr. 133; Haas/Oechsler, NZG 2006, 806, 812; Wachter, in: Römermann/Wachter, GmbH-Beratung nach dem MoMiG, GmbHR-Sonderheft 2008, S. 51, 59.

Seibt

1185

75

§ 16

Wechsel der Gesellschafter; Erwerb vom Nichtberechtigten

h) Verfügungsbeschränkungen über den Geschäftsanteil 76

Verfügungsbeschränkungen über Geschäftsanteile in Form statutarischer Vinkulierungsregelungen i.S. des § 15 Abs. 5 sind auch unter den sonstigen Voraussetzungen des § 16 Abs. 3 wirksam und deren Einhaltung Voraussetzung für die Übertragung von Geschäftsanteilen. Es gibt de lege lata keinen Gutglaubensschutz in Bezug auf solche Verfügungsbeschränkungen, die somit auch der gutgläubige Erwerber gegen sich gelten lassen muss1. Der im Gesetzgebungsverfahren erhobenen Forderung, den Gutglaubensschutz des § 16 Abs. 3 auch auf Verfügungsbeschränkungen auszudehnen und insoweit dem Verkehrsinteresse Vorrang vor den satzungsrechtlichen Vorschriften zum Gesellschafterbestandschutz einzuräumen2, hat der Gesetzgeber zu Recht nicht entsprochen. Eine solche Erweiterung des Gutglaubensschutzes ist auch rechtspolitisch nicht angängig: Denn Verfügungsbeschränkungen i.S. des § 15 Abs. 5 können mit dinglicher Wirkung nur im Gesellschaftsvertrag festgelegt werden, so dass der Zeit- und Kostenaufwand für die Aufdeckung solcher Übertragungshindernisse gering ist. Dieses gilt umso mehr, als wegen einer Nichtbeachtung statutarischer Vinkulierungsklauseln früher fehlgeschlagene Vor-Übertragungen bei Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen des § 16 Abs. 3 unbeachtlich sind, da der Erwerber in diesen Fällen wie ansonsten bei Verfügungen Nichtberechtigter im Umfang des § 16 Abs. 3 geschützt ist. Zudem ist die gesellschaftsvertragliche Wertigkeit einer Vinkulierung von Geschäftsanteilen als Ausdruck eines erheblichen Gesellschaftsinteresses an einer Kontrolle des Gesellschafterkreises zu beachten (z.B. wegen einer Prüfung der persönlichen oder sachlichen Einpassung in den Gesellschafterkreis, des Bestehens von Interessenkonflikten, des Risikos einer Ausfallhaftung nach §§ 24, 31 Abs. 3) und im Normfall höher einzuschätzen als ein erweiterter Verkehrsschutz3. Auch die rechtsvergleichende Umschau offenbart keinen Regelungsrückstand4.

77

Der Gutglaubensschutz zu Gunsten von Erwerbern von Geschäftsanteilen oder von Rechten an diesen erstreckt sich ebenfalls nicht auf den guten Glauben daran, dass der Verfügende in seiner Verfügungsmacht infolge der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens nicht beschränkt ist5. Dies ergibt sich bereits daraus, dass 1 BGH, WM 2011, 2097, 2100 = GmbHR 2011, 1269, 1270; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 62; Bayer, GmbHR 2012, 1, 6; Löbbe, in: Ulmer, Erg.-Band MoMiG, Rdnr. 134; Brandes, in: Bork/Schäfer, Rdnr. 38; Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 248; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 32; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 57; Wiersch, S. 234 ff.; Bohrer, DStR 2007, 995, 1003; Kort, GmbHR 2009, 169, 174; Hamann, NZG 2007, 492, 494; Rodewald, GmbHR 2009, 196, 197; Schockenhoff/Höder, ZIP 2006, 1841, 1844; Wachter, in: Römermann/Wachter, GmbH-Beratung nach dem MoMiG, GmbHR-Sonderheft 2008, S. 51, 59; Zessel, GmbHR 2009, 303; OLG München, ZIP 2009, 1911 (obiter dictum). 2 Hierfür Eidenmüller, ZGR 2007, 168, 202; Gehling, ZIP 2006, 685, 689; Klöckner, NZG 2008, 841, 845; Wegen, in: FS Lüer, S. 331 f. Nach Inkrafttreten des MoMiG Kort, GmbHR 2009, 169, 174. 3 Ebenso Wiersch, S. 235 f. 4 Für die close corporation US-amerikanischen Rechts sieht § 8–204 U.C.C. einen Gutglaubensschutz nur in Bezug auf solche Abtretungshindernisse vor, die außerhalb des Gesellschaftsvertrags geregelt sind. 5 Ebenso Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 60; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/ Hueck, Rdnr. 31; Brandes, in: Bork/Schäfer, Rdnr. 39; Löbbe, in: Ulmer, Erg.-Band

1186

Seibt

§ 16

Wechsel der Gesellschafter; Erwerb vom Nichtberechtigten

der Gesetzgeber davon abgesehen hat, den Wortlaut der Regelung des § 81 Abs. 1 Satz 2 InsO (mit seiner Verweisung auf § 892 Abs. 1 Satz 2 BGB) auf die Vorschrift des § 16 Abs. 3 zu erstrecken. Dabei handelt es sich nicht um ein Redaktionsversehen1, sondern entspricht auch der Systematik der Gutglaubensvorschriften des deutschen Rechts: Anders als bei § 892 Abs. 1 Satz 2 BGB sehen § 40 Abs. 1 Satz 1 und die hierauf Bezug nehmende Glutglaubensvorschrift des § 16 Abs. 3 keine Eintragungsfähigkeit von Verfügungsbeschränkungen vor. Ein Gleichlauf des durch die Gesellschafterliste gewährten Glutglaubensschutzes zu dem des Grundbuchs ist nicht veranlasst; bei den der Gutglaubensvorschrift des § 16 Abs. 3 im Hinblick auf das Veranlassungsprinzip und dem Gutglaubensmaßstab ähnlichen Regelungen der §§ 932 ff. BGB gibt es auch keinen gutgläubigen Erwerb des Eigentums oder von beschränkt dinglichen Rechten an beweglichen Sachen des Insolvenzschuldners nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens2. Eine Erweiterung des Verkehrsschutzes ist auch rechtspolitisch nicht angängig, da sich die Tatsache, ob über das Vermögen eines Gesellschafters das Insolvenzverfahren eröffnet wurde, mit geringem Aufwand überprüfen lässt3. i) Aufschiebend/auflösend bedingte oder befristete Übertragung des Geschäftsanteils Besonders schwierige Auslegungs- und Wertungsfragen stellen sich bei aufschie- 78 bend oder auflösend bedingten bzw. befristeten Abtretungen von Geschäftsanteilen. Bei einer aufschiebend bedingten Abtretung des Geschäftsanteils wird der Erst-Erwerber durch § 161 Abs. 1 Satz 1 BGB vor Zwischenverfügungen des Veräußerers dadurch geschützt, dass solche Zwischenverfügungen mit Bedingungseintritt unwirksam werden4. Der Erst-Veräußerer wird bei der auflösend bedingten Anteilsübertragung dadurch geschützt, dass Zwischenverfügungen des Erst-Erwerbers nach § 161 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 BGB mit Bedingungseintritt absolut unwirksam werden. Ist für die Abtretung des Geschäftsanteils ein Anfangs- oder Endtermin bestimmt worden (aufschiebend oder auflösend befristete Anteilsübertragung), so findet über § 163 BGB die Vorschrift des § 161 BGB entsprechende Anwendung5; insofern sind Bedingungen und Befristungen identisch zu behandeln. Bei einem Erwerb des Zweit-Erwerbers von dem bis zum Bedingungs- bzw. Befristungseintritt in der Gesellschafterliste eingetragenen Zweit-

1 2 3 4

5

MoMiG, Rdnr. 135; Heidinger, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 277; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 60. So Vossius, DB 2007, 2299, 2302; i.E. auch Wicke, Rdnr. 20b (Anwendbarkeit von § 16 Abs. 3 analog § 81 Abs. 1 Satz 2 InsO). Vgl. OLG Frankfurt, ZInsO 2003, 713, 714; App, in: FrankfurtKomm. InsO, 6. Aufl. 2011, § 81 InsO Rdnr. 37; Lüke, in: Kübler/Prütting/Bork, § 81 InsO Rdnr. 24. Ebenso Wiersch, S. 243 f. Zur Rechtsfolge der absoluten Unwirksamkeit H. P. Westermann, in: MünchKomm. BGB, 6. Aufl. 2012, § 161 BGB Rdnr. 7; Bork, in: Staudinger, 2003, § 161 BGB Rdnr. 1 und 12; vgl. auch Reymann, WM 2008, 2095, 2097. Zur entsprechenden Anwendung der Bedingungsvorschriften H. P. Westermann, in: MünchKomm. BGB, 6. Aufl. 2012, § 163 BGB Rdnr. 4; Bork, in: Staudinger, 2003, § 163 BGB Rdnr. 6.

Seibt

1187

§ 16

Wechsel der Gesellschafter; Erwerb vom Nichtberechtigten

Veräußerer stellt sich die Frage1, (i) ob der Zweit-Erwerber den Geschäftsanteil nach § 161 Abs. 3 BGB i.V.m. § 16 Abs. 3 in der Weise endgültig erwirbt, dass er den Geschäftsanteil (oder das Recht hieran) auch nach Bedingungs- oder Befristungseintritt zu Lasten des Erst-Erwerbers/Erst-Veräußerers behält oder (ii) ob ein gutgläubiger Erwerb des Zweit-Erwerbers bereits deshalb nicht in Betracht kommt, weil es an der Eintragbarkeit solcher Verfügungsbeschränkungen in der Gesellschafterliste fehlt. Entsprechendes gilt für Optionen2. 79

Der BGH hat sich in dieser Frage auf Seiten der Meinung positioniert, die eine Anwendung des § 161 Abs. 3 BGB auf den Fall der bedingten/befristeten Anteilsübertragung verneint3. In seiner Entscheidung verweist der BGH auf das Prioritätsprinzip des § 161 Abs. 1 BGB (vgl. Rdnr. 78), das auch nach Einführung des § 16 Abs. 3 weiter gelte. Nur aus dem Zusammenspiel des § 161 Abs. 3 BGB und den jeweils anwendbaren Vorschriften des Gutglaubenserwerbs (in diesem Fall des § 16 Abs. 3) könne ermittelt werden, ob ein Gutglaubenserwerb eines Zweiterwerbers bei aufschiebend bedingter Übertragung möglich sei, wobei der jeweilige Gutglaubensvorschrift vorrangige Bedeutung zukomme. Da aber im Rahmen des § 16 Abs. 3 die Gesellschafterliste als maßgeblicher Rechtsscheinträger fungiere und diese lediglich Aussagen über die Inhaberschaft von Geschäftsanteilen treffe, könne auch der Erwerber nur in diesem Umfang auf die Abbildung der wahren Rechtslage vertrauen. Zudem sei anerkannt, dass die Rechtsscheinwirkung der Gesellschafterliste sich nicht auf mit der bedingten Abtretung eines Geschäftsanteils vergleichbare Fälle, wie die dingliche Belastung eines Geschäftsanteils (vgl. dazu Rdnr. 20) oder das Bestehen einer Vinkulierung erstrecke (vgl. dazu Rdnr. 14, 80). Schließlich stehe einer solchen Auffassung auch nicht die insofern abweichende herrschende Meinung in Bezug auf § 892 BGB entgegen, da der Gesetzgeber gerade keine vollständige Übertragung der Grundsätze des § 892 BGB beabsichtigte4. Das Urteil ist auch für die Praxis von hoher Bedeutung, denn es bedeutet eine Absage sowohl an das „Zwei-Listen-Modell“ als auch an die – hier vertretene – Widerspruchslösung.

80

Die dem Urteil des BGH zu Grunde liegende Auffassung, § 161 Abs. 3 BGB sei nicht auf den bedingten/befristeten Erwerb von Geschäftsanteilen anwendbar, vermag nicht zu überzeugen5. Zum Teil wird dieser Ansicht entgegengesetzt, dass § 161 Abs. 3 BGB lediglich eine „entsprechende Anwendung“ der Gutglaubensvorschriften anordnet. Wer im Rahmen dieser „entsprechenden Anwendung“ darauf beharre, dass die Gesellschafterliste nur und ausschließlich den Rechtsschein der Inhaberschaft konstituiere, der verkenne, dass gerade diesem Umstand durch die entsprechende Anwendung der Vorschrift des § 16 Abs. 3 für 1 Hierzu ausführlich Reymann, GmbHR 2009, 343 ff.; Reymann, WM 2008, 2095, 2097 ff.; Berger, in: Bunnemann/Zirngibl, Auswirkungen des MoMiG auf bestehende GmbHs, 2008, § 7 Rdnr. 79 ff., S. 203 ff.; Wiersch, S. 216 ff.; Zessel, GmbHR 2009, 303, 305 f. 2 Hierzu Kamlah, GmbHR 2009, 841 ff. 3 BGH, WM 2011, 2097 ff. = GmbHR 2011, 1269 ff. = BB 2011, 2832, mit zust. Anm. Löwe, BB 2011, 2836; so auch OLG München, GmbHR 2011, 425. 4 Vgl. BT-Drucks. 16/6140, S. 38. 5 Krit. auch Wicke, DStR 2011, 2356, 2357 („weitgehende richterliche Selbstbeschränkung“, die eine „erhebliche Chance zu einer wesentlichen Praxisverbesserung“ vertut); Bayer, GmbHR 2011, 1254, 1257 („undifferenziert“ und „mutlos“); Herrler, NZG 2011, 1321, 1325 ff.

1188

Seibt

§ 16

Wechsel der Gesellschafter; Erwerb vom Nichtberechtigten

den Fall der aufschiebend/auflösend bedingten Abtretung abgeholfen wird1. Selbst wenn aber nur auf § 16 Abs. 3 abgestellt und dieser nicht entsprechend zur Anwendung gebracht wird, ergibt sich zwingend weder aus dem Gesetzgeberwillen2 noch aus dem Zweck der Vorschrift, dass die Anwartschaft auf den Geschäftsanteil vom Gutglaubensschutz nicht umfasst sein soll. Zwar spricht gegen einen Gutglaubensschutz in Bezug auf Anwartschaftsrechte 80a außerdem der Umstand, dass ausschließlich der Inhaber des betreffenden Geschäftsanteils, nicht aber der Anwartschaftsberechtigte in der Gesellschafterliste eintragbar ist (vgl. § 40, 11. Aufl., Bd. II) und die Gesellschafterliste zum Zeitpunkt des Erwerbs des Zweit-Erwerbers nicht unrichtig und insofern auch nicht als Rechtsscheinträger für eine abweichende materielle Rechtslage in Betracht kommt. Zudem und ausweislich der Ausführungen zur Zurechnung der Unrichtigkeit der Gesellschafterliste gehen die Verfasser der Gesetzesbegründung3 wohl davon aus, dass bei der Frage der Zurechnung alleine auf den „wahren Rechtsinhaber“ (und nicht etwa auf einen Anwartschaftsberechtigten) abzustellen ist4. Beide Argumente sind allerdings letztlich nicht zwingend und die Ablehnung eines Gutglaubensschutzes in Bezug auf Anwartschaftsrechte würde zu erheblichen Wertungsbrüchen führen und auch den gesetzgeberischen Zweck der Ermöglichung eines gutgläubigen Erwerbs von Geschäftsanteilen beachtlich frustrieren. Die Ablehnung eines gutgläubigen Erwerbs in Bezug auf Anwartschaftsrechte hätte nämlich gravierende Folgen für den Verkehrsschutz, zumal von der absoluten Verfügungsbeschränkung des § 161 Abs. 1 Satz 1 BGB nicht nur spätere Verfügungen desjenigen Gesellschafters betroffen sind, der die Geschäftsanteile bedingt oder befristet abgetreten hat, sondern auch solche seiner Rechtsnachfolger5; damit könnten Zwischenverfügungen Abtretungsketten überdauern6. Im Gesetzgebungsverfahren wurde dieses mit der bedingten oder befristeten 80b Übertragung einhergehende Problem gerade nicht zum Gegenstand der Erörterung7, so dass die legislativ-historische Auslegung fruchtlos bleiben muss. Zielführend ist die teleologische Betrachtung der Regelung des § 16 Abs. 3, nämlich die Reduktion von „unnötig hohen Transaktionskosten und Rechtsunsicherheiten“8: Dies spricht für die Anwendung des § 161 Abs. 3 BGB, da ansonsten nie ohne aufwendige Prüfungen der Anteilshistorie und selbst dann nur unter Fortbestand von Restzweifeln auszuschließen wäre, dass eine Anteilsübertragung nicht letztendlich am § 161 Abs. 1 BGB scheiterte. Auch der Vergleich zu § 892

1 S. Schneider, NZG 2009, 1167, 1168; Oppermann, ZIP 2009, 651, 652. 2 Vgl. BT-Drucks. 16/6140, S. 39 ist insofern nicht eindeutig: „Geschützt wird nur der gute Glaube an die Verfügungsbefugnis“. 3 BR-Drucks. 354/07, S. 88 = Begr. RegE zu § 16. 4 Wiersch, S. 220; Zessel, GmbHR 2009, 303, 305. 5 Vgl. Bork, in: Staudinger, 2003, § 161 BGB Rdnr. 11a; Eckert, Sachenrecht, 2005, S. 167 f. 6 Zutr. Wiersch, S. 221 f. 7 Herrler, NZG 2011, 1321, 1325; Bayer, GmbHR 2011, 1254, 1257; Mayer/Färber, GmbHR 2011, 785, 793. 8 BT-Drucks. 16/6140, S. 38.

Seibt

1189

§ 16

Wechsel der Gesellschafter; Erwerb vom Nichtberechtigten

BGB1 ist in diesem Fall nur von begrenztem Erkenntniswert, da eine aufschiebend bedingte Übertragung von Grundstücken nicht möglich ist (vgl. § 925 Abs. 2 BGB), ein vergleichbarer Fall daher nicht gebildet werden kann. Es stellte zudem einen Wertungswiderspruch dar, dass nach § 16 Abs. 3 zwar ein Erwerb vom gänzlich Nichtberechtigten möglich sein soll, nicht aber ein solcher vom (auflösend) Berechtigten, oder auch mit anderem Blick: Es ist wertungswidersprüchlich, dass der Zweit-Erwerber beim Erwerb vom (auflösend) Berechtigten geringer geschützt werden soll, als beim Erwerb vom gänzlich Nichtberechtigten2, oder noch einmal anders gewendet: Es besteht keine Veranlassung, das Anwartschaftsrecht des Erst-Erwerbers stärker zu schützen als sein Vollrecht. Es ist demnach entsprechend § 161 Abs. 3 BGB, der einen Gutglaubensschutz in Bezug auf das Bestehen von Anwartschaftsrechten an beweglichen Sachen als auch an Grundstücksrechten (über den Verweis auf §§ 892, 932 ff. BGB) vorsieht, ein Gutglaubensschutz nach § 16 Abs. 3 auch in Bezug auf Anwartschaftsrechte bei Geschäftsanteilen anzunehmen3. Eine entsprechende Anwendung von § 161 Abs. 3 BGB auf § 16 Abs. 3 verlangt aber auch eine Anpassung der sonstigen, dort geregelten Merkmale, insbesondere also die Alternativvoraussetzungen der 3-jährigen Unrichtigkeit der Listeneintragung bzw. der Zurechenbarkeit der Unrichtigkeit zum Nichtberechtigten4. Bei der Zurechenbarkeit der „Unrichtigkeit“ der Gesellschafterliste (die ja in den Fällen des gutgläubigen bedingungsfreien Erwerbs die materielle Rechtslage richtig wiedergibt) ist zu verlangen, dass für den Zweit-Erwerber nicht aus der veröffentlichten Gesellschafterliste erkennbar ist, dass die Gesellschafterstellung des Verfügenden auflösend bedingt oder befristet ist. Es ist dem Erst-Erwerber wertungsmäßig zuzumuten, eine Schutzmaßnahme gegen rechtsvereitelnde Zwischenverfügungen z.B. durch Zuordnung eines Widerspruchs zur Gesellschafterliste (Rdnr. 96a)

1 Bspw. mit Hinweis auf die h.M. bei § 892 BGB, die den gutgläubigen Erwerb nur bei eintragungsfähigen Verfügungsbeschränkungen zulässt, vgl. BGH, WM 2011, 2097, 2100 = GmbHR 2011, 1269, 1271. 2 Ebenso Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 63; Wiersch, S. 222 f. 3 LG Köln, NZG 2009, 1195 = GmbHR 2009, 1215; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 63; Löbbe, in: Ulmer, Erg.-Band MoMiG, Rdnr. 185; wohl auch Heidinger, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 285; Bork, in: Staudinger, 2003, § 161 BGB Rdnr. 15; eingehend Maier-Reimer, in: FS Graf von Westphalen, S. 489, 491 ff.; Wicke, DB 2011, 1037, 1038; Osterloh, NZG 2011, 495, 496 f.; Greitemann/Bergjan, in: FS Pöllath, 2008, S. 271, 286; Klöckner, NZG 2008, 841, 842; Vossius, DB 2007, 2299, 2301; Wachter, in: Römermann/Wachter, GmbH-Beratung nach dem MoMiG, GmbHR-Sonderheft 2008, S. 51, 61; Wachter, ZNotP 2008, 378, 396 f.; Omlor/Spies, MittBayNot 2011, 353, 361; wohl auch Wicke, Rdnr. 20; offen gelassen von Heidinger, in: Heckschen/Heidinger, Die GmbH in der Gestaltungs- und Beratungspraxis, § 13 Rdnr. 141; Reymann, GmbHR 2009, 343 ff.; Reymann, WM 2008, 2095, 2097; de lege ferenda auch Wiersch, S. 223 ff.; Eidenmüller, ZGR 2007, 168, 202; ablehnend OLG München, GmbHR 2011, 425, 426, m. abl. Komm. von A. Heidinger, GmbHR 2011, 429 = BB 2011, 1424, 1426, m. zust. Anm. von Schwetzler, BB 2011, 1427 f. = ZIP 2011, 612, 613, m. abl. Anm. von Herrler, ZIP 2011, 615 ff.; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 29; Begemann/Grunow, DNotZ 2011, 403, 411 ff.; Berger, in: Bunnemann/Zirngibl, Auswirkungen des MoMiG auf bestehende GmbHs, 2008, S. 204 ff.; Mayer/Färber, GmbHR 2011, 785, 790 ff.; Preuß, ZGR 2008, 676, 691 f.; Weigl, MittBayNot 2009, 116, 117 f.; Weigl, NZG 2009, 1173, 1176; Zessel, GmbHR 2009, 303, 305. 4 Zutr. Oppermann, ZIP 2009, 651, 652 f.

1190

Seibt

§ 16

Wechsel der Gesellschafter; Erwerb vom Nichtberechtigten

vorzunehmen; das Unterlassen einer solchen Schutzmaßnahme führt zur Zurechnung1. Der Erst-Erwerber/Erst-Veräußerer kann sich gegen rechtsvereitelnde Zwischen- 80c verfügungen durch Zuordnung eines Widerspruchs zur Gesellschafterliste schützen, den der Veräußerer bewilligt (s. Rdnr. 96a)2. Eine Alternative könnte es sein, mit dem Abschluss des Kausalgeschäfts dem Erwerber ein Pfandrecht an dem Geschäftsanteil zu bestellen (§§ 1273, 1274 BGB), da dieses auch gegenüber einem gutgläubigen Erwerber des Geschäftsanteils fortbestehen würde3. Aus Sicht des Veräußerers sollte die Pfandbestellung dann aufschiebend bedingt auf die Kaufpreiszahlung erfolgen, damit er den Geschäftsanteil bei Nichteintritt der Bedingung anderweitig lastenfrei veräußern kann4. Schließlich ist es auch möglich, in generell-abstrakter Weise den Schutz von Erst-Erwerbern/Erst-Veräußerern durch die Aufnahme einer bestimmten Vinkulierungsklausel im Gesellschaftsvertrag zu schützen. Auf der Grundlage von § 15 Abs. 5 könnte die Vinkulierungsklausel den Ausschluss von Verfügungen eines Gesellschafters regeln, soweit derselbe Geschäftsanteil (oder einen Teil hiervon) zum Zeitpunkt der Verfügung bereits aufschiebend bedingt oder befristet veräußert wurde und die Bedingung bzw. Befristung noch nicht eingetreten ist5. Die Vornahme einer Zwischenverfügung durch den bedingt oder befristet gebundenen Gesellschafter unter Verstoß gegen die statutarische Vinkulierungsklausel wäre unwirksam6. Da § 16 Abs. 3 nicht den guten Glauben an das Nichtbestehen von statutarischen Vinkulierungsklauseln erfasst (Rdnr. 14), wird diese Unwirksamkeitsfolge nicht durch § 161 Abs. 3 BGB, § 16 Abs. 3 aufgehoben7. Schließlich kommt ein schuldrechtlicher Schutz des Erst-Erwerbers durch eine entsprechende Regelung im Kausalgeschäft (z.B. Kaufvertrag oder Treuhandvertrag) in Betracht8.

3. Eintragung des Nichtberechtigten in der Gesellschafterliste Nach § 16 Abs. 3 Satz 1 kann der Erwerber einen Geschäftsanteil oder ein Recht daran wirksam „vom Nichtberechtigten“ erwerben, wenn „der Veräußerer als Inhaber des Geschäftsanteils in der im Handelsregister aufgenommenen Ge1 Zust. Löbbe, in: Ulmer, Erg.-Band MoMiG, Rdnr. 186; Maier-Reimer, in: FS Graf von Westphalen, S. 489, 501; a.A. Oppermann, ZIP 2009, 651, 654. 2 Zutr. Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 63; Löbbe, in: Ulmer, Erg.-Band MoMiG, Rdnr. 186; Prasse/Strotmann, BB 2010, 1747, 1750; Greitemann/Bergjan, in: FS Pöllath, 2008, S. 271, 287; Götze/Bressler, NZG 2007, 894, 899; Reymann, GmbHR 2009, 343, 347; Vossius, DB 2007, 2299, 2301; Wachter, in: Römermann/Wachter, GmbH-Beratung nach dem MoMiG, GmbHR-Sonderheft 2008, S. 51, 61; so jetzt auch LG Köln, ZIP 2009, 1915; kritisch aber Oppermann, ZIP 2009, 651, 654. 3 D. Mayer, DNotZ 2008, 403, 421; Zessel, GmbHR 2009, 303, 306. 4 Zessel, GmbHR 2009, 303, 306. 5 Reymann, GmbHR 2009, 343, 348 ff. (mit Formulierungsvorschlag, ohne Regelung des Befristungsfalls). 6 S. § 15 Rdnr. 133; vgl. auch Reymann, GmbHR 2009, 343, 348. 7 Reymann, GmbHR 2009, 343, 348; vgl. auch Hamann, NZG 2007, 492, 494; D. Mayer, DNotZ 2008, 403, 418; Schockenhoff/Höder, ZIP 2006, 1841, 1844; Wachter, in: Römermann/Wachter, GmbH-Beratung nach dem MoMiG, GmbHR-Sonderheft 2008, S. 51, 59. 8 Hierzu Reymann, GmbHR 2009, 343, 348 f.

Seibt

1191

81

§ 16

Wechsel der Gesellschafter; Erwerb vom Nichtberechtigten

sellschafterliste eingetragen ist“. Dabei ist der Gesetzesverweis auf den „Veräußerer“ nicht in der Weise zu verstehen, dass mangels einer „Veräußerung“ bei der Bestellung eines Pfandrechts oder eines Nießbrauchs an Geschäftsanteilen durch Nichtberechtigte ein gutgläubiger Rechtserwerb nicht möglich sei. Vielmehr ist bei einem teleologischen Verständnis der Norm alleine Voraussetzung für einen gutgläubigen Erwerb, dass der „Nichtberechtigte“ in der im Handelsregister aufgenommenen Gesellschafterliste als Inhaber des betreffenden Geschäftsanteils eingetragen ist1. 82

Der Nichtberechtigte muss in der im Handelsregister aufgenommenen (Rdnr. 35) Gesellschafterliste eingetragen sein, wobei die Gesellschafterliste als Rechtsscheinsträger im Grundsatz den Anforderungen des § 40 genügen muss. Dabei sind für § 16 Abs. 3 keine zu strengen Anforderungen zu stellen, sofern nur die personelle Inhaberschaft eines hinreichend konkretisierten Geschäftsanteils identifizierbar ist2. Dabei ist ein objektivierter Maßstab anzusetzen, der keineswegs Erkenntnisquellen außerhalb der Gesellschafterliste selbst ausschließt3.

83

Bei der Frage nach dem maßgeblichen Zeitpunkt, zu dem die Unrichtigkeit der Gesellschafterliste bestehen muss, damit ein gutgläubiger Erwerb nach § 16 Abs. 3 möglich ist, ist zwischen echten Bedingungen i.S. des § 158 BGB einerseits und heteronomen Rechtsbedingungen andererseits zu unterscheiden: (1) Ein nach § 158 BGB bedingtes Rechtsgeschäft ist tatbestandlich vollendet und vollgültig, seine Rechtswirkungen sind allerdings bis zum Eintritt der Bedingung in der Schwebe und die Rechtsstellung des bedingt Berechtigten kann nicht mehr durch die andere Vertragspartei zerstört werden4. Für die Frage der Gutgläubigkeit im Rahmen der §§ 892, 932 ff. BGB sowie für die Frage der Unrichtigkeit des Grundbuchs im Rahmen des § 892 BGB ist auf die Vornahme des Verfügungsgeschäfts abzustellen, so dass es einem Erwerber nicht mehr schadet, wenn er nach diesem Zeitpunkt aber vor Bedingungseintritt bösgläubig wird oder z.B. ein Widerspruch in das Grundbuch eingetragen wird. In dieser Entsprechung ist in den Fällen aufschiebend bedingter Übertragungen von Geschäftsanteilen für sämtliche positiven und negativen Voraussetzungen der Regelung des § 16 Abs. 3 grundsätzlich auf den Zeitpunkt der Beurkundung des Verfügungsgeschäfts abzustellen5. Dies gilt auch für die aufschiebend bedingte Bestellung beschränkter dinglicher Rechte an Geschäftsanteilen6. (2) Bei heteronomen Rechtsbedingungen, wie beispielsweise der fusionskartellrechtlichen Freigabe einer bzw. des außenwirtschaftsrechtlichen Einspruchs gegenüber einer Transaktion (§ 40 GWB, § 31 Abs. 3 AWG) oder Vinkulierungen i.S. von § 15 Abs. 5, steht dem Erwerber vor dem Eintritt der heteronomen Wirksamkeitsvoraussetzung keine gesicherte Rechtsposition (Anwartschaftsrecht) zu, son1 Ebenso Wiersch, S. 77. 2 Tendenziell strenger Vossius, DB 2007, 2299, 2300 f. 3 A.A. Vossius, DB 2007, 2299, 2301; Löbbe, in: Ulmer, Erg.-Band MoMiG, Rdnr. 143; wohl auch Heidinger, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 223. 4 Heinrichs, in: Palandt, § 158 BGB Rdnr. 8 f.; Bork, in: Staudinger, 2003, § 158 BGB Rdnr. 1; Wolf, in: Soergel, 13. Aufl. 1999, § 158 BGB Rdnr. 8. 5 Ebenso Wiersch, S. 79 f.; Greitemann/Bergjan, in: FS Pöllath, 2008, S. 271, 285 f.; a.A. Götze/Bressler, NZG 2007, 894, 899. 6 Wiersch, S. 80 f.

1192

Seibt

§ 16

Wechsel der Gesellschafter; Erwerb vom Nichtberechtigten

dern eine bloße Erwerbsaussicht. Im Rahmen der Gutglaubensvorschriften der §§ 892, 932 ff. BGB wird hier bis zum Zeitpunkt der Erteilung der erforderlichen Genehmigung dem Rechtserhaltungsinteresse des Berechtigten gegenüber den Verkehrsschutzinteressen der Vorrang eingeräumt1. Diese Interessenabwägung ist auch für § 16 Abs. 3 überzeugend, so dass bei heteronomen Rechtsbedingungen sämtliche Voraussetzungen des Gutglaubenstatbestand des § 16 Abs. 3 sowohl im Zeitpunkt der Beurkundung des Verfügungsgeschäfts als auch im Zeitpunkt des Eintritts der heteronomen Rechtsbedingung (falls letzterer zeitlich nach der Beurkundung des Verfügungsgeschäfts liegt) vorliegen müssen2.

4. Gefälschte Gesellschafterliste Weiterhin umstritten ist, ob auch eine gefälschte Gesellschafterliste, also eine 83a nur scheinbar durch Geschäftsführer oder Notar unterzeichnete, inhaltlich unrichtige Liste, tauglicher Rechtsscheinträger für den gutgläubigen Erwerb nach § 16 Abs. 3 sein kann. Bei einem Teil der Literatur stößt dies auf Bedenken, weil eine gefälschte Liste als Rechtsscheinträger mangels Zurechenbarkeit dem Veranlassungsprinzip widerspreche und mithin einen „Systembruch“ darstelle3. Die Bedenken gegen einen Gutglaubensschutz, der sich auch auf die gefälschte Gesellschafterliste erstreckt, waren dem Gesetzgeber jedoch bekannt4 und wurden von ihm zurückgewiesen5. Zudem sprechen weder Wortlaut des § 16 Abs. 36 noch die Interessenlage7 dafür, die gefälschte Gesellschafterliste aus dem Anwendungsbereich des § 16 Abs. 3 auszuschließen. Auch der Verkehrsschutz streitet für die Einbeziehung gefälschter Listen in den Gutglaubensschutz des § 16 Abs. 3, denn für einen Erwerber ist es regelmäßig nicht erkennbar, ob eine Gesellschafterliste gefälscht ist. Schließlich kann auch keine Parallelwertung zu § 892 BGB bemüht werden8, weil die Erstellung und Einreichung der Gesellschafterliste im Gegensatz zur Buchung nach § 892 BGB kein hoheitlicher Akt ist9. Als Folge dessen ist bei fehlender Zurechenbarkeit nach drei Jahren, ansonsten mit Eintragung und Aufnahme der Gesellschafterliste im Register ein gutgläubiger Erwerb auf Grundlage einer gefälschten Gesellschafterliste möglich10. 1 Vgl. Bassenge, in: Palandt, § 892 BGB Rdnr. 25, § 932 BGB Rdnr. 14; Gursky, in: Staudinger, 2008, § 892 BGB Rdnr. 193 und 211; a.A. Stürner, in: Soergel, 13. Aufl. 2002, § 892 BGB Rdnr. 38. 2 Ebenso Wiersch, S. 83. 3 Wicke, Rdnr. 14; Heckschen, Das MoMiG in der notariellen Praxis, 2009, Rdnr. 548 f.; Bohrer, DStR 2007, 995, 998; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 49; Link, RNotZ 2009, 193, 216 (betont Rechtfertigungsproblem hinsichtlich des Rechtsverlusts). 4 Der BR hat auf diesen Punkt ausdrücklich in seiner Stellungnahme zu § 16 Abs. 3 hingewiesen, vgl. BR-Drucks. 354/07 (Beschluss), S. 17; s. auch oben Rdnr. 2 Fn. 3. 5 BT-Drucks. 16/6140 (Gesetzentwurf), S. 76. 6 Löbbe, in: Ulmer, Erg.-Band MoMiG, Rdnr. 146; Wiersch, S. 164. 7 Heidinger, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 228; Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 198. 8 Gefälschte Eintragungen im Grundbuch sind nichtig und damit kein tauglicher Anknüpfungspunkt für einen gutgläubigen Erwerb, vgl. Gursky, in: Staudinger, 2008, § 892 Rdnr. 21; Kohler, in: MünchKomm. BGB, 5. Aufl. 2009,§ 892 BGB Rdnr. 10. 9 Wiersch, S. 166. 10 Ebenso Heidinger, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 228; Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 198; Löbbe, in: Ulmer, Erg.-Band MoMiG, Rdnr. 146; Wiersch, S. 164 ff.; Hasselmann, NZG 2009, 486, 488.

Seibt

1193

§ 16

Wechsel der Gesellschafter; Erwerb vom Nichtberechtigten

5. Keine Bösgläubigkeit a) Konzeption und Funktion 84

Nach § 16 Abs. 3 Satz 3 Alt. 1 ist ein gutgläubiger Erwerb ausgeschlossen, „wenn dem Erwerber die mangelnde Berechtigung bekannt oder infolge grober Fahrlässigkeit unbekannt ist“. Dieser Doppel-Ausschlussgrund von positiver Kenntnis und grob fahrlässiger Unkenntnis der mangelnden Rechtsinhaberschaft passt sich an sich nicht in das System der deutschen Gutglaubensvorschriften ein, da hier in Bezug auf künstliche Rechtsscheintatbestände wie Grundbuch und Erbschein (vgl. §§ 892, 2366 BGB) nur positive Kenntnis von der Nichtberechtigung einem Erwerb vom Nichtberechtigten entgegensteht. Demgegenüber schadet beim schwachen Rechtsscheinträger des Besitzes bereits die grob fahrlässige Unkenntnis von der Nichtberechtigung, so dass hier erhöhte Nachforschungs- und Überprüfungsobliegenheiten bestehen. Der BMJ-Referentenentwurf sah noch systematisch überzeugend einen Ausschluss des gutgläubigen Erwerbs nur bei positiver Kenntnis der Nichtberechtigung vor1. Offenbar ging der Gesetzgeber später von einer, gegenüber den sonstigen künstlichen Rechtsscheinträgern wie Grundbuch und Erbschein deutlich verringerten Zuverlässigkeit der Gesellschafterliste aus, was wegen der fehlenden hoheitlichen materiellen Prüfung der Eintragung in der Gesellschafterliste immerhin nachvollziehbar ist2. Der Doppel-Ausschlussgrund von positiver Kenntnis und grob fahrlässiger Unkenntnis bürdet dem (potenziellen) Erwerber eine erhöhte Nachforschungs- und Überprüfungsobliegenheit auf und schwächt damit die Verkehrsschutzinteressen gegenüber den Rechtsbewahrungsinteressen des materiell Berechtigten. b) Ausschlusstatbestand und Praxisfolgen

85

Dem Erwerber ist die mangelnde Berechtigung bekannt, wenn er weiß, dass der Veräußerer nicht der wahre Rechtsinhaber ist. Der Erwerber muss demnach alle Tatsachen kennen, aus denen sich die mangelnde Berechtigung des Veräußerers ergibt, und den rechtlichen Schluss auf die fehlende Rechtsinhaberschaft gezogen haben. Wertet der Erwerber die Tatsachen auf Grund eines Rechtsirrtums falsch, so liegt allenfalls grob fahrlässige Unkenntnis vor3.

86

In Anlehnung an die Rechtsprechung zum Merkmal der grob fahrlässigen Unkenntnis der Nichtberechtigung bei § 932 BGB ist von einer auf grober Fahrlässigkeit beruhenden Unkenntnis auszugehen, wenn der Erwerber die im Verkehr erforderliche Sorgfalt nach den gesamten Umständen in ungewöhnlich großem Maße verletzt und dasjenige unbeachtet lässt, was im gegebenen Fall jedem

1 RefE v. 29.5.2006, S. 4; krit. hierzu Rau, DStR 2006, 1892, 1899 (Beschränkung auf positive Bösgläubigkeit „nicht sachgerecht“). 2 Kritisch allerdings Wiersch, S. 115 ff. 3 Vgl. Oechsler, in: MünchKomm. BGB, 5. Aufl. 2009, § 932 BGB Rdnr. 38; Henssler, in: Soergel, 13. Aufl. 2002, § 932 BGB Rdnr. 16; Wiegand, in: Staudinger, 2011, § 932 BGB Rdnr. 41; zu § 932 BGB RGZ 74, 354; BGH, NJW 1961, 777; ähnlich zu § 439 BGB a.F. (§ 442 BGB n.F.) BGH, NJW 1979, 713, 714.

1194

Seibt

§ 16

Wechsel der Gesellschafter; Erwerb vom Nichtberechtigten

hätte einleuchten müssen1. Dabei ist von einem durchschnittlichen, objektivierten, auf die berufsspezifischen oder gruppentypischen Fähigkeiten abstellenden Maßstab auszugehen und der ermittelte Sorgfaltsmaßstab auf die Umstände des Einzelfalls zu beziehen2. Die Bestimmung einer grob fahrlässigen Unkenntnis entzieht sich einer typisierenden Betrachtung, sondern beurteilt sich stets vor dem Hintergrund der besonderen Umstände des jeweiligen Einzelfalls3. Die Anforderungen dürfen nicht überspannt werden, um den mit der Gutglaubensregelung verfolgten Verkehrsschutzzweck nicht zu vereiteln. Vor dem Hintergrund einer – im Vergleich zum Rechtsscheinträger des Besitzes – mit größerer Richtigkeitsvermutung versehenen Gesellschafterliste und dem mit § 16 Abs. 3 verfolgten Gesetzeszweck einer Reduktion der Transaktionskosten ist von der Regelannahme auszugehen, dass der Erwerber keiner Obliegenheit zur Durchführung einer Due Diligence-Prüfung unterliegt. Denn nähme man umgekehrt eine solche Überprüfungsobliegenheit für den Regelfall an, dann würde der gesetzliche Zweck der Transaktionserleichterung im Wesentlichen frustriert und ein gutgläubiger Erwerb nur dann eingreifen, wenn trotz einer sorgfältigen Due Diligence-Überprüfung die Unrichtigkeit der Gesellschafterliste leicht fahrlässig nicht erkannt würde4. Daher wird man eine Obliegenheit zur Durchführung einer Due Diligence-Untersuchung nur dann annehmen können, wenn konkrete Verdachtsmomente für die Unrichtigkeit der Gesellschafterliste vorliegen5. Solche konkreten Verdachtsmomente können z.B. in den Fällen in Betracht kommen, (i) dass bestimmte Geschäftsanteile in derselben Gesellschafterliste zugleich unterschiedlichen Personen zugewiesen werden6 oder (ii) die im Handelsregister eingereichte Gesellschafterliste ansonsten widersprüchlich, offensichtlich unvollständig oder unter erheblichen formalen Mängeln leidet (z.B. fehlende Unterschrift). Die für die §§ 892, 932 ff. BGB entwickelten Grundsätze in Bezug auf den Zeit- 87 punkt der Gutgläubigkeit gelten auch für § 16 Abs. 3: Der gute Glaube an die Rechtsinhaberschaft muss also im Zeitpunkt der Vollendung des Rechtserwerbs vorliegen, was bei Übertragung von Geschäftsanteilen regelmäßig der Zeitpunkt der Wirksamkeit der Abtretung ist. Dabei ist jedoch für nach § 158 Abs. 1 BGB 1 Zu § 932 Abs. 2 BGB BGH, NJW 2005, 1365; BGH, NJW 1994, 2022, 2023; BGH, NJWRR 2000, 576, 577; BGHZ 10, 14, 16; Bassenge, in: Palandt, § 932 BGB Rdnr. 10; Henssler, in: Soergel, 13. Aufl. 2002, § 932 BGB Rdnr. 20. 2 Vgl. Wiegand, in: Staudinger, 2011, § 932 BGB Rdnr. 44 f. 3 BGH, NJW-RR 1987, 1456, 1457. 4 Zutr. Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 67; Löbbe, in: Ulmer, Erg.-Band MoMiG, Rdnr. 164; Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 223; Heidinger, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 245; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 38; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 65; Rodewald, GmbHR 2009, 196, 199. 5 Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 67; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 65; Löbbe, in: Ulmer, Erg.-Band MoMiG, Rdnr. 165; Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 223; Heidinger, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 245; Wicke, Rdnr. 23; Leistikow, Das neue GmbH-Recht, 2009, § 4 Rdnr. 212; Götze/Bressler, NZG 2007, 894, 898; Greitemann/ Bergjan, in: FS Pöllath, 2008, S. 271, 285; Heidinger, in: Heckschen/Heidinger, Die GmbH in der Gestaltungs- und Beratungspraxis, § 13 Rdnr. 116; Götze/Bressler, NZG 2007, 894, 898; Klöckner, NZG 2008, 841, 845 f.; Kort, GmbHR 2009, 169, 176; D. Mayer, DNotZ 2008, 403, 422; Schickerling/Blunk, GmbHR 2009, 337, 342; Zessel, GmbHR 2009, 303, 304; strenger Rodewald, GmbHR 2009, 196, 198. 6 Ebenso Wiersch, S. 120; Götze/Bressler, NZG 2007, 894, 898.

Seibt

1195

§ 16

Wechsel der Gesellschafter; Erwerb vom Nichtberechtigten

aufschiebend bedingte Abtretungen oder Verpfändungen von Geschäftsanteilen auf den Zeitpunkt der Beurkundung des Verfügungsgeschäfts abzustellen1 (Rdnr. 83). Richtigerweise muss hier noch einmal für den Fall differenziert werden, dass eine Bedingung eine reine „Wollensbedingung“ ist2; die Wirksamkeit der Abtretung demnach allein von der Billigung des Erwerbers abhängt. In einem solchen Fall muss seine Gutgläubigkeit auch bei Billigung der Abtretung noch bestehen. Bei bloßen Potestativbedingungen, wie bspw. der Zahlung des Kaufpreises, genügt es hingegen, dass der Erwerber im Zeitpunkt der bedingten Abtretung gutgläubig war; eine Abweichung von den Grundsätzen der §§ 892, 932 ff. BGB für § 16 Abs. 3 ist nicht angezeigt3. Demgegenüber ist bei heteronomen Rechtsbedingungen (z.B. fusionskartellrechtliche Freigabe einer Transaktion; Vinkulierung i.S. von § 15 Abs. 5) eine doppelte Zeitanknüpfung angängig, nämlich der gute Glaube muss sowohl zum Zeitpunkt der Beurkundung als auch zum Zeitpunkt des Eintritts der heteronomen Rechtsbedingung (falls letztere zeitlich nach der Beurkundung des Verfügungsgeschäfts liegt) bestehen4. Eine nach den vorgenannten Zeitpunkten eintretende Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis von der mangelnden Berechtigung ist unbeachtlich, selbst wenn der betreffende Erwerb vor Ablauf der 3-Jahresfrist (ohne Zurechenbarkeit an den Berechtigten) erfolgte; § 937 Abs. 2 BGB ist nicht, auch nicht entsprechend anzuwenden5. Im Prozess trifft den wahren Berechtigten die Beweislast in Hinblick auf die Bösgläubigkeit des Erwerbers6.

6. Widerspruch a) Konzeption und Wirkung des Widerspruchs 88

Nach § 16 Abs. 3 Satz 3 Alt. 2 ist ein gutgläubiger Rechtserwerb ausgeschlossen, wenn „der Liste ein Widerspruch zugeordnet ist“. Damit gibt der Gesetzgeber 1 Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 66; Löbbe, in: Ulmer, Erg.-Band MoMiG, Rdnr. 168; a.A. Götze/Bressler, NZG 2007, 894, 899; Kort, GmbHR 2009, 169, 176; Rodewald, GmbHR 2009, 196, 197 ff.; Zessel, GmbHR 2009, 303, 304. 2 Ausführlich dazu Löbbe, in: Ulmer, Erg.-Band MoMiG, Rdnr. 171 f.; zur Abgrenzung zur Potestativbedingung s. H. P. Westermann, in: MünchKomm. BGB, 6. Aufl. 2012, § 158 BGB Rdnr. 18 ff.; zur Zulässigkeit einer solchen Bedingung s. auch Gursky, in: Staudinger, 2007, § 873 BGB Rdnr. 123. 3 Löbbe, in: Ulmer, Erg.-Band MoMiG, Rdnr. 172 m.w.N; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 66; Maier-Reimer, in: FS Graf von Westphalen, S. 489, 504 f.; a.M. Heidinger, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 246; Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 224; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 69; Wicke, Rdnr. 23 (mit zutr. Hinweis auf § 892 BGB und dessen Erfassung von Bestellungen aller dinglichen Rechte an einem Grundstück, aber unzutr. Zitierung von Gursky; vgl. Gursky, in: Staudinger, 2008, § 892 BGB Rdnr. 212); Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 66. 4 Löbbe, in: Ulmer, Erg.-Band MoMiG, Rdnr. 170; Heidinger, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 247; Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 224; Wicke, Rdnr. 23; Wiersch, S. 83; so zu § 892 BGB Gursky, in: Staudinger, 2008, § 892 BGB Rdnr. 212; Kohler, in: MünchKomm. BGB, 5. Aufl. 2009, § 892 BGB Rdnr. 55; a.A. zu § 16 Abs. 3 Götze/Bressler, NZG 2007, 894, 898 f.; D. Mayer, DNotZ 2008, 403, 421; Zessel, GmbHR 2009, 303, 305; s. auch Rdnr. 83. 5 A.A. Vossius, DB 2007, 2299, 2303. 6 Löbbe, in: Ulmer, Erg.-Band MoMiG, Rdnr. 160; Heidinger, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 244; Bayer/Illhardt, GmbHR 2011, 638, 639.

1196

Seibt

§ 16

Wechsel der Gesellschafter; Erwerb vom Nichtberechtigten

dem materiell Berechtigten zwei Instrumente zur Hand, um einen Rechtsverlust auf Grund des gutgläubigen Erwerbs eines Dritten verhindern zu können, nämlich (i) einen Anspruch auf Aufnahme einer der materiellen Rechtslage entsprechenden Gesellschafterliste in das Handelsregister1 sowie (ii) einen Anspruch auf Zuordnung eines Widerspruchs. Der Widerspruch dient – ebenso wie im Recht des gutgläubigen Erwerbs von Grundeigentumsrechten2 – allein dem Rechtserhaltungsinteresse des wahren Inhabers des in der Gesellschafterliste zu Unrecht einer anderen Person zugewiesenen Geschäftsanteils. Deshalb beseitigt ein der Gesellschafterliste zugeordneter Widerspruch weder die Möglichkeit des Berechtigten, über die betreffenden Geschäftsanteile wirksam verfügen zu können, noch vermag er die zu Gunsten eines Nichtberechtigten nach Maßgabe des § 16 Abs. 1 Satz 1 bestehende relative Legitimationsfiktion aufzuheben3. Die Regelung des Widerspruchs als Ausschlussgrund des gutgläubigen Erwerbs nach § 16 Abs. 3 Sätze 3 Alt. 2, 4 und 5 ist den Vorschriften der §§ 892, 899 BGB nachgebildet4, so dass das Rechtsverständnis im Liegenschaftsrecht zur Auslegung von § 16 Abs. 3 herangezogen werden kann. b) Inhaltliche Anforderungen an den Widerspruch Ein Widerspruch ist ein Sicherungsmittel eigener Art, das lediglich dazu dient, den Rechtsschein der unrichtigen Gesellschafterliste zu zerstören5. Aus ihm muss sich – entsprechend den Anforderungen bei § 899 BGB – inhaltlich ergeben, (i) gegen welches Recht er sich richtet (Geschäftsanteil, Listenberechtigter) und (ii) welches Recht bzw. welchen Berechtigten er schützt6. Er hat im Regelfall folgenden Wortlaut: „Hiermit wird ein Widerspruch gegen die Eintragung von … als Inhaber des in der zum Handelsregister eingerichteten Gesellschafterliste aufgeführten Geschäftsanteils Nr. … der Gesellschaft … (Amtsgericht …, HRB …) unter Bezugnahme auf die [einstweilige Verfügung des … [Gericht] vom … [Datum] mit dem Az. …/Eintragungsbewilligung des Eingetragenen …] zu Gunsten von … [jeweils als Anlage beigefügt] beantragt“.

89

Im Regelfall bezieht sich der Widerspruch nicht gegen die Gesellschafterliste in ihrer Gesamtheit, sondern nur gegen eine bestimmte Eintragung. Der Widersprechende muss sein Begehren nicht nur im Eintragungsverfahren inhaltlich hinreichend bestimmt konkretisieren7 (vgl. § 9 Abs. 1 Satz 3 HRV; s. auch

90

1 Vgl. BR-Drucks. 354/07, S. 86 = Begr. RegE zu § 16; D. Mayer, DNotZ 2008, 403, 414. 2 Hierzu Baur/Stürner, Sachenrecht, 18. Aufl. 2009, § 18 Rdnr. 11. 3 BR-Drucks. 354/07, S. 89 = Begr. RegE zu § 16; vgl. auch Heidinger, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 250; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 68; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 71; Harbarth, ZIP 2008, 57, 60; Berger, in: Bunnemann/Zirngibl, Auswirkungen des MoMiG auf bestehende GmbHs, 2008, § 7 Rdnr. 68, S. 199. 4 BR-Drucks. 354/07, S. 89 = Begr. RegE zu § 16. 5 Zu § 899 BGB Bassenge, in: Palandt, § 899 BGB Rdnr. 1. 6 Löbbe, in: Ulmer, Erg.-Band MoMiG, Rdnr. 175; Heidinger, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 251; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 70. Zu § 899 BGB Gursky, in: Staudinger, 2008, § 899 BGB Rdnr. 79; schwächer Wachter, in: Römermann/Wachter, GmbH-Beratung nach dem MoMiG, GmbHR-Sonderheft 2008, S. 51, 60; ohne Begründung gegen notwendige Konkretisierung des Widerspruchs Kort, GmbHR 2009, 169, 175. 7 Abweichend Wachter, in: Römermann/Wachter, GmbH-Beratung nach dem MoMiG, GmbHR-Sonderheft 2008, S. 51, 60.

Seibt

1197

§ 16

Wechsel der Gesellschafter; Erwerb vom Nichtberechtigten

Rdnr. 89), sondern diese Konkretisierung muss auch im Rahmen der Zuordnung des Widerspruchs zur Gesellschafterliste erfolgen, damit der Rechtsverkehr nicht irritiert wird1. c) Zuordnung eines Widerspruchs zur Gesellschafterliste 91

Der Ausschluss des gutgläubigen Erwerbs nach § 16 Abs. 3 Satz 3 Alt. 2 setzt voraus, dass der Widerspruch „der Liste zugeordnet ist“. In technischer Hinsicht bedeutet die Zuordnung des Widerspruchs zu einer Gesellschafterliste, dass der elektronisch eingereichte (vgl. § 12 Abs. 2 Satz 1 HGB) Widerspruch mit dem *.tiff-Dokument der Gesellschafterliste im entsprechenden Registerordner so verbunden wird, dass ein Abruf der Gesellschafterliste ohne den Widerspruch nicht möglich ist2. Der Widerspruch ist hierbei besonders hervorzuheben (§ 9 Abs. 1 Satz 3 HRV); dabei ist es nicht gefordert, gleichwohl zweckmäßig, dass der Widerspruch der Gesellschafterliste vorangestellt wird3.

92

Die Zuordnung eines Widerspruchs erfolgt auf zwei Wegen (§ 16 Abs. 3 Satz 4), nämlich (i) auf Grund einer einstweiligen Verfügung (1. Fall; Rdnr. 93) oder (ii) auf Grund einer Bewilligung des Eingetragenen, gegen dessen Eintragung in der Gesellschafterliste sich der Widerspruch richtet (2. Fall; Rdnr. 95).

93

Der Erlass einer einstweiligen Verfügung setzt voraus, dass der Antragsteller einen Anspruch auf Einreichung einer abweichenden Gesellschafterliste hat und seine materiell-rechtliche Gesellschafterstellung glaubhaft machen kann4. Die Glaubhaftmachung erfolgt gemäß § 936 i.V.m. §§ 920 Abs. 2, 294 ZPO durch präsente Beweismittel, also z.B. durch eigene Versicherung des Berechtigten oder eines Dritten an Eides statt, durch anwaltliche Versicherung oder schriftliche Zeugenerklärung5. Eine Gefährdung seines Rechts muss der Widersprechende hingegen nicht glaubhaft machen (§ 16 Abs. 3 Satz 5; Abweichung von § 935 ZPO). Antragsgegner ist der nach seinem Vortrag unrichtig in der Gesellschafterliste Eingetragene bzw. in dessen Bezug eine falsche Eintragung besteht6.

94

In jedem Fall kommt demjenigen die Berechtigung zu, einen Widerspruch zu einer Eintragung in der Gesellschafterliste zuordnen zu lassen und dementsprechend auch einen Antrag auf entsprechende Zuordnung des Widerspruchs im 1 Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 70. 2 Vossius, DB 2007, 2299, 2303. 3 Vgl. Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 70; Heidinger, in: Heckschen/Heidinger, Die GmbH in der Gestaltungs- und Beratungspraxis, § 13 Rdnr. 117; Vossius, DB 2007, 2299, 2303. 4 BR-Drucks. 354/07, S. 89 = Begr. RegE zu § 16; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 73; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 70; Löbbe, in: Ulmer, Erg.-Band MoMiG, Rdnr. 178; Wicke, Rdnr. 25; Heidinger, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 54; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 37; Harbarth, ZIP 2008, 57, 60; Kort, GmbHR 2009, 169, 175. 5 Zirngibl, in: Bunnemann/Zirngibl, Auswirkungen des MoMiG auf bestehende GmbHs, 2008, § 4 Rdnr. 49. 6 Vgl. Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 73; Wicke, Rdnr. 25; Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 228; Löbbe, in: Ulmer, Erg.-Band MoMiG, Rdnr. 178; Heidinger, in: Heckschen/ Heidinger, Die GmbH in der Gestaltungs- und Beratungspraxis, § 13 Rdnr. 120; Handelsrechtsausschuss des DAV, NZG 2007, 735, 739.

1198

Seibt

§ 16

Wechsel der Gesellschafter; Erwerb vom Nichtberechtigten

Rahmen eines einstweiligen Verfügungsverfahrens zu beantragen, der geltend macht, er sei an Stelle des Eingetragenen der tatsächliche materiell-rechtliche Berechtigte (Wertung aus § 894 BGB)1. Erwägenswert ist es daneben, den Geschäftsführern2 oder Mitgesellschaftern eine Widerspruchsberechtigung einzuräumen. Der Wortlaut des § 16 Abs. 3 ist insoweit offen und enthält keine ausdrückliche Begrenzung des Berechtigtenkreises. Allerdings ging der Gesetzgeber ausweislich der Regierungsbegründung davon aus, dass alleine dem Prätendenten ein Zuordnungsrecht für einen Widerspruch zukommt3; zudem wird dort bei der Erläuterung des einstweiligen Verfügungsverfahrens nach § 16 Abs. 3 Satz 4 Alt. 1 auf das Erfordernis hingewiesen, dass der (ungeschriebene) Anspruch auf Einreichung einer richtigen Liste glaubhaft gemacht wird, der alleine dem Prätendenten zukomme4. Für eine Zuordnungsberechtigung von Widersprüchen zu Gunsten des Geschäftsführers gibt es vor allem aber auch kein Bedürfnis, da dieser jederzeit das Recht und auch die tatsächliche Möglichkeit hat, eine geänderte Gesellschafterliste einzureichen5. Mit der Einreichung einer geänderten Gesellschafterliste nimmt er zwar ein persönliches Haftungsrisiko auf sich (vgl. § 40 Abs. 3; hierzu § 40, 11. Aufl., Bd. II), dies ist aber auch ausdrücklich beabsichtigt, um den Geschäftsführer zur sorgfältigen Amtsführung anzuhalten und Beeinträchtigungen der Rechts- und Vermögenssphären der in der Gesellschafterliste Eingetragenen sowie der materiell Berechtigten zu vermeiden. Geschäftsführer und andere Dritte wie Mitgesellschafter sollen nicht einerseits glaubhaft machen können, dass ein Anspruch auf Änderung der Gesellschafterliste besteht, andererseits aber unter Hinweis auf eigene Haftungsgefahren die Erfüllung dieses Anspruchs ablehnen und nur „zur Sicherheit“ einen Widerspruch beantragen6. Gerade für Mitgesellschafter ist daher eine Berechtigung abzulehnen, denn sie tragen nicht die Verantwortung für die Gesellschafterliste, was dem Geschäftsführer gemäß § 40 Abs. 1 und 3 auferlegt ist, und können sich zudem über eine Vinkulierung gemäß § 15 Abs. 5 vor einem gutgläubigen Erwerb schützen7 (vgl. Rdnr. 76). Haben die Mitgesellschafter 1 Dies ist unstreitig; vgl. Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 74; Wicke, Rdnr. 25; Heidinger, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 253; Löbbe, in: Ulmer, Erg.-Band MoMiG, Rdnr. 179; Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 228; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 70. 2 Hierfür Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 70; Löbbe, in: Ulmer, Erg.-Band MoMiG, Rdnr. 179; Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 228; Wicke, Rdnr. 25; Heidinger, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 253; Prasse/Strotmann, BB 2010, 1747, 1748; Harbarth, ZIP 2008, 57, 61; Kort, GmbHR 2009, 169, 175; Leistikow, Das neue GmbH-Recht, 2009, § 4 Rdnr. 216; D. Mayer, DNotZ 2008, 403, 422 f.; Wachter, in: Römermann/Wachter, GmbH-Beratung nach dem MoMiG, GmbHR-Sonderheft 2008, S. 51, 60. 3 BR-Drucks. 354/07, S. 89 = Begr. RegE zu § 16. 4 BR-Drucks. 354/07, S. 89 = Begr. RegE zu § 16. 5 Ebenso Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 74; Wiersch, S. 125; Handelsrechtsausschuss des DAV, NZG 2007, 735, 739; ohne Begründung i.E. auch Zirngibl, in: Bunnemann/Zirngibl, Auswirkungen des MoMiG auf bestehende GmbHs, 2008, § 4 Rdnr. 45. 6 Zutr. Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 74; Wiersch, S. 125; a.A. aber Harbarth, ZIP 2008, 57, 61; Heidinger, in: Heckschen/Heidinger, Die GmbH in der Gestaltungs- und Beratungspraxis, § 13 Rdnr. 119; D. Mayer, DNotZ 2008, 403, 422 f.; Kort, GmbHR 2009, 169, 175; Wachter, in: Römermann/Wachter, GmbH-Beratung nach dem MoMiG, GmbHR-Sonderheft 2008, S. 51, 60. 7 Zutr. Harbarth, ZIP 2008, 57, 61; ebenso Löbbe, in: Ulmer, Erg.-Band MoMiG, Rdnr. 180; unentschieden aber krit. Heidinger, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 253; Wicke, Rdnr. 25; a.A. Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 228.

Seibt

1199

§ 16

Wechsel der Gesellschafter; Erwerb vom Nichtberechtigten

Zweifel an der Richtigkeit der Gesellschafterliste, so haben sie die Geschäftsführung zu einer Prüfung und ggf. Einreichung einer geänderten Gesellschafterliste anzuhalten. Ist für die Geschäftsführer die materielle Rechtslage nicht mit hinreichender Sicherheit aufzuklären, können diese gegenüber dem möglichen Prätendenten anregen, den Erlass eines Widerspruchs im einstweiligen Verfügungsverfahren zu beantragen. d) Widerspruch im Einvernehmen von Veräußerer und Erwerber 95

Die Zuordnung eines Widerspruchs zu der Gesellschafterliste ist auch auf der Grundlage einer einseitigen Bewilligung (als materiell-rechtliche Erklärung) oder einer Vereinbarung zwischen dem in der Gesellschafterliste eingetragenen Veräußerer und dem Erwerber bzw. Dritten zulässig, und zwar unabhängig davon, ob die dem Widerspruch zugeordnete Listeneintragung zu diesem Zeitpunkt materiell-rechtlich unrichtig ist1. Bei einer einvernehmlichen Bewilligung des Widerspruchs durch den Eingetragenen sind keine weiteren Nachweise zu verlangen und dem Registergericht kommt auch keine Prüfungskompetenz über die materielle Rechtslage oder die materielle Berechtigung des Widerspruchs zu2. Das Registergericht kann aber überprüfen, ob die Bewilligung desjenigen, gegen dessen Berechtigung sich der Widerspruch richtet, (formal) wirksam ist. Insoweit kann das Registergericht auch kontrollieren, ob die Bewilligung von dem Listenberichtigten stammt. Die Bewilligung ist daher (nämlich zur Ermöglichung einer registergerichtlichen Prüfung) entsprechend der Wertung des § 29 Abs. 1 Satz 1 GBO in öffentlich beglaubigter Form (analog § 12 Abs. 1 HGB) zusammen mit dem Widerspruch und dem Antrag auf Zuordnung einzureichen3. In der Praxis wird eine Widerspruchszuordnung trotz materiellrechtlicher Richtigkeit der Listeneintragung vor allem in zwei Fällen vorkommen, nämlich (i) zum Schutz des Erwerbers vor Zwischenverfügungen des Veräußerers bei aufschiebend bedingten oder befristeten Abtretungen von Geschäftsanteilen oder bei Bestehen von Rechtsbedingungen (s. auch Rdnr. 83, 96) oder (ii) zur Sicherung eines späteren Rückerwerbs durch den Veräußerer, insbesondere bei der treuhänderischen Abtretung von Geschäftsanteilen oder bei der Sicherungsübertragung von Geschäftsanteilen aus Finanzierungsgründen. e) Aufnahme neuer Gesellschafterliste nach Zuordnung eines Widerspruchs

96

Da das Registergericht einen elektronisch eingereichten Widerspruch mit einer bestimmten, im elektronischen Registerordner eingestellten Gesellschafterliste verbindet, stellt sich die Frage nach den Rechtsfolgen, wenn nach der Zuordnung eines Widerspruchs gegen eine bestimmte Eintragung eine weitere mate1 Ebenso Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 72; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 70; Löbbe, in: Ulmer, Erg.-Band MoMiG, Rdnr. 177; Wachter, ZNotP 2008, 378, 397; Wicke, NotBZ 2009, 1, 15. 2 Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 73; Löbbe, in: Ulmer, Erg.-Band MoMiG, Rdnr. 177; Heidinger, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 254; offen lassend LG Köln, ZIP 2009, 1915 = GmbHR 2009, 1215. 3 Zirngibl, in: Bunnemann/Zirngibl, Auswirkungen des MoMiG auf bestehende GmbHs, 2008, § 4 Rdnr. 52; Löbbe, in: Ulmer, Erg.-Band MoMiG, Rdnr. 177; a.A. Handelsrechtsausschuss des DAV, NZG 2007, 735, 739.

1200

Seibt

§ 16

Wechsel der Gesellschafter; Erwerb vom Nichtberechtigten

riell-rechtlich unrichtige Gesellschafterliste im Handelsregister aufgenommen wird1. Der Kreis der möglichen Praxisfälle ist groß und reicht von einer vom betreffenden Nichtberechtigten selbst veranlassten neuen, in dem den Widerspruch betreffenden Punkt allerdings ungeänderten Gesellschafterliste, über Fälle, in denen auf Grund eines Geschäfts eines Drittgesellschafters der mitwirkende Notar eine neue Gesellschafterliste zum Handelsregister einreicht, bis hin zu Fällen, in denen der Geschäftsführer der Gesellschaft unabsichtlich eine neue, erneut in dem den Widerspruch betreffenden Punkt fehlerhafte (aber in anderer Form fehlerhaften) Gesellschafterliste einreicht. In allen diesen Fällen beschränkt sich die rechtsscheinzerstörende Wirkung des Widerspruchs alleine auf die ihm zugeordnete Gesellschafterliste und erstreckt sich nicht automatisch auf spätere, im Handelsregister aufgenommene Listen2. Für ein solches konkretes Zuordnungsverhältnis vom Widerspruch zur Gesellschafterliste spricht zunächst der Wortlaut der Regelung des § 16 Abs. 3 Satz 3, der für den Ausschluss des gutgläubigen Erwerbs voraussetzt, dass der Widerspruch „der Liste“ zugeordnet ist. Dies macht es nicht nahe liegend, die durch den Widerspruch zunächst in Bezug genommene Gesellschafterliste und später im Handelsregister aufgenommene Liste als eine Einheit, gleichsam als „die Liste“ zu begreifen. Selbst bei Annahme einer Einheit der Gesellschafterlisten ist zu beachten, dass sich ein Erwerb vom Nichtberechtigten allein auf der Basis der zeitlich letzten im Registerordner eingestellten Liste vollziehen kann. Entscheidend gegen die Annahme einer Einheit der Gesellschafterlisten in der Weise, dass ein einer bestimmten Gesellschafterliste zugeordneter Widerspruch auch den gutgläubigen Erwerb auf der Grundlage einer zeitlich später eingestellten Liste ausschließt, sprechen aber Wertungsüberlegungen: Der Rechtsbehelf des Widerspruchs würde nämlich bei Annahme einer Einheit der Gesellschafterlisten das Rechtserhaltungsinteresse des Berechtigten in höherem Maße schützen, als dies durch die Einreichung einer richtigen Gesellschafterliste der Fall wäre, da im letzteren Fall ein Rechtsverlust auf der Grundlage einer zeitlich später eingereichten, dann wieder unrichtigen Liste erfolgen könnte3. Zudem würde dieser Bedeutungszuwachs des Widerspruchs zu einer unangemessenen Beeinträchtigung der Verkehrsinteressen führen. Mit Einstellung einer im Hinblick auf eine vom Widerspruch in Bezug genommenen Eintragung unrichtigen Gesellschafterliste entsteht die Unrichtigkeit der Gesellschafterliste mit der Folge neu, dass für den Beginn der 3-Jahres-Frist auf den Zeitpunkt der Aufnahme der neuen Gesellschafterliste im Handelsregister abzustellen ist. Deshalb ist ein gutgläubiger Erwerb nach dem reinen Rechtsscheinsprinzip frühestens drei Jahre nach dem Zeitpunkt möglich, ein früherer gutgläubiger Erwerb kommt nur dann in Betracht, wenn dem Berechtigten die Unrichtigkeit der neu eingereichten Gesellschafterliste zuzurechnen ist4. Die Registerpraxis ist nicht einheitlich und teilweise auch behördenintern umstritten. Beispielsweise erkennt das Registergericht Stuttgart ebenfalls keine Fortwirkung an, d.h. der Widerspruch bleibt der alten Gesellschafterliste zugeordnet; auch das Registergericht München lässt den Widerspruch der alten Gesellschafterliste zugeordnet, allerdings ist bei Ab1 2 3 4

Hierzu Wiersch, S. 126 ff. Ebenso Wiersch, S. 128 ff. Ebenso Wiersch, S. 128 f. Wiersch, S. 130 ff.

Seibt

1201

§ 16

Wechsel der Gesellschafter; Erwerb vom Nichtberechtigten

ruf weiterhin erkennbar, dass der alten Gesellschafterliste ein Widerspruch zugeordnet war. f) Widerspruchszuordnung bei aufschiebend/auflösend bedingten Abtretungen 96a

Umstritten ist weiterhin, ob der Gesellschafterliste ein Widerspruch auch bei einer lediglich aufschiebend bzw. auflösend bedingten Abtretung zugeordnet werden kann, um (dauerhaft wirksame) Zwischenverfügungen durch den bis Bedingungseintritt Berechtigten zu verhindern1. Dies ist gerade vor dem Hintergrund der hier vertretenen Anwendbarkeit des § 161 Abs. 3 BGB bei aufschiebend bedingten Verfügungen und der damit einhergehenden Beeinträchtigung der Anwartschaftsposition des Erwerbers relevant (vgl. Rdnr. 78 ff.). Eine Eintragungsfähigkeit des Widerspruchs wird daher (nur) von Stimmen abgelehnt, die auch eine Anwendung des § 161 Abs. 3 BGB verneinen, weil nach dieser Auffassung eine Notwendigkeit zur Rechtsscheinzerstörung nicht besteht2. Als Ausgangspunkt ist – auf Basis der Prämisse, dass Anwartschaftsrechte in der Gesellschafterliste nicht eintragbar sind – festzustellen, dass die Gesellschafterliste im Zeitraum zwischen bedingter Abtretung und Bedingungseintritt richtig ist. Daraus kann aber nicht etwa in Anlehnung an § 892 BGB gefolgert werden, dass ein Widerspruch ausscheidet (vgl. Rdnr. 79 ff.), denn der Wortlaut des § 16 Abs. 3 Satz 4 nimmt im Gegensatz zu § 892 BGB keinen Bezug auf eine erforderliche Unrichtigkeit der Gesellschafterliste3. Dem vom Gesetzgeber mit § 16 Abs. 3 verfolgten Ziel, ein erhöhtes Maß an Rechtssicherheit herzustellen, ist in einem solchen Fall durch Zuordnung eines Widerspruchs Rechnung zu tragen, schon weil dies der vom Gesetzgeber favorisierten Regelungskonzeption entspricht4. Zwar sollte die Gesellschafterliste kein „kleines Grundbuch“5, aber zumindest in Bezug auf die Inhaberschaft eines Geschäftsanteils und der damit einhergehenden

1 Zulässigkeit bejahend LG Köln, NZG 2009, 1195 = GmbHR 2009, 1215; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 69; Löbbe, in: Ulmer, Erg.-Band MoMiG, Rdnr. 182 ff.; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 63; Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 238; Heidinger, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 259; Maier-Reimer, in: FS Graf von Westphalen, S. 489, 499; Desch, BB 2010, 3104, 3109; Osterloh, NZG 2011, 495, 496; Prasse/Strotmann, BB 2010, 1747, 1750; Schreinert/Berresheim, DStR 2009, 1265, 1269; Herrler, BB 2009, 2272, 2274; Zulässigkeit verneinend OLG München, GmbHR 2011, 425, 426; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 29 a.E; Begemann/Grunow, DNotZ 2011, 403, 404 ff. 2 So ausdrücklich BGH, WM 2011, 2097, 2098 f. = GmbHR 2011, 1269, 1270; OLG München, GmbHR 2011, 425, 426; vgl. auch Löbbe, in: Ulmer, Erg.-Band MoMiG, Rdnr. 184; anders wohl nur Ries, GWR 2011, 54, 57. 3 Heidinger, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 259; a.A. Ries, GWR 2011, 54, 57; Begemann/Grunow, DNotZ 2011, 403, 405; Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 238, der i.E. aber auch die Zuordnung eines Widerspruchs in diesen Fällen befürwortet. 4 Zu (gestaltungstechnischen) alternativen Rechtsschutzmöglichkeiten vgl. oben Rdnr. 80; Löbbe, in: Ulmer, Erg.-Band MoMiG, Rdnr. 189; Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 238; Desch, BB 2010, 3104, 3109; Schreinert/Berresheim, DStR 2009, 1265, 1269 ff.; Mayer/Färber, GmbHR 2011, 785, 787 f. m.w.N. 5 Vossius, DB 2007, 2299; vgl. BR-Drucks. 354/07, S. 87 ff. = Begr. RegE zu § 16 [Dies gebietet keinen erst-recht-Schluss darauf, dass was nicht buchungsfähig im Grundbuch ist, nicht in der Gesellschafterliste eingetragen werden kann, sondern betont vielmehr die qualitative Verschiedenheit der Rechtsscheinträger, die eine gewisse Vorsicht bei der Übertragung der im Grundbuchrecht geltenden Grundsätze gebietet].

1202

Seibt

§ 16

Wechsel der Gesellschafter; Erwerb vom Nichtberechtigten

„Verfügungsbefugnis“1 lückenlos sein, was die mittelbare Berücksichtigung von Anwartschaften als Vorstufe zum Eigentum durch die Eintragung eines Widerspruchs gegen Zwischenverfügungen gebietet. Versäumt der Ersterwerber die Eintragung des Widerspruchs, so führt dies im Regelfall zu einer Zurechnung (vgl. Rdnr. 80b). Richtigerweise muss dann aber auch § 16 Abs. 3 Satz 2 Alt. 2 im Hinblick auf die Nichteintragung des Widerspruchs analog angewendet werden2. Alternativ zum Widerspruch hat die Praxis ein „Zwei-Listen-Modell“ entwickelt, das in Hinsicht auf die Berechtigung den aufschiebend bedingt Verfügenden allerdings mit Hinweis auf und Nennung des bedingt Erwerbenden aufführt, um damit die Gutgläubigkeit des Erwerbers zu zerstören3. Ein solcher Weg ist wohl ebenfalls gangbar, jedoch in Anbetracht der Konzeption des § 16 Abs. 3 mit dem Widerspruch als wesentlichem Schutzmechanismus des Berechtigten nach hier vertretener Ansicht überflüssig und zudem vom Regelungskonzept nicht vorgesehen. Auch müssen sich die Vertreter des „Zwei-Listen-Modells“ der Frage stellen, weshalb die Einführung einer Veränderungsspalte mit dem Grundsatz der Registerklarheit vereinbar sein, während gleichzeitig eine Belastungsspalte – deren Eintragbarkeit hier vertreten wird – gegen eben jenen Grundsatz verstoßen und eine „Irreführung des Rechtsverkehrs“ zur Folge haben soll4. g) Löschung eines Widerspruchs Die Löschung eines Widerspruchs erfolgt – spiegelbildlich zum Zuordnungver- 97 fahren – nicht automatisch, sondern nur (i) durch Aufhebung der Widerspruchszuordnung im Wege einer einstweiligen Verfügung5 oder (ii) mit Bewilligung desjenigen, der die Zuordnung des konkreten Widerspruchs erreicht hatte. Demgegenüber kann der in der Gesellschafterliste Eingetragene, der die Zuordnung des Widerspruchs ehemals bewilligt hatte (Rdnr. 95), die Löschung nicht einseitig beantragen oder sonst wie erreichen. Vielmehr muss er im Streitfall auf Löschung gegen den aus dem Widerspruch Begünstigten klagen6. Aus Sicht des in der Gesellschafterliste Eingetragenen wird es sich daher bei einer einvernehmlich vorgenommenen Widerspruchszuordnung anbieten, für den Fall Regelungen vorzusehen, dass der Grund für die Widerspruchszuordnung entfällt (z.B. Ausfall 1 Begr. RegE, BR-Drucks. 354/07, S. 88; vgl. dazu Wicke, DB 2011, 1037, 1038. 2 Löbbe, in: Ulmer, Erg.-Band MoMiG, Rdnr. 187. 3 Befürwortet von Heidinger, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 247; Zinger/Ulrich-Erber, NZG 2011, 286, 290; Wicke, DB 2011, 1037, 1039; Herrler, BB 2009, 2272, 2276 ff.; König/Bormann, ZIP 2009, 1913; Reymann, GmbHR 2009, 343, 347; abgelehnt von BGH, WM 2011, 2097, 2098 f. = GmbHR 2011, 1269, 1270; OLG München, NZG 2009, 1192 = GmbHR 2009, 1211; OLG Hamburg, NZG 2010, 1157 = GmbHR 2011, 32; Osterloh, NZG 2011, 495. 4 So aber Wicke, § 16 Rdnr. 10 einerseits; sowie Wicke, § 40 Rdnr. 5a; Wicke, DB 2011, 1037, 1039 andererseits. 5 Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 75; Löbbe, in: Ulmer, Erg.-Band MoMiG, Rdnr. 181; Wicke, Rdnr. 25; Heidinger, in: Heckschen/Heidinger, Die GmbH in der Gestaltungs- und Beratungspraxis, § 13 Rdnr. 121; zur Rechtslage bei § 899 BGB Bassenge, in: Palandt, § 899 BGB Rdnr. 6; Kohler, in: MünchKomm. BGB, 5. Aufl. 2009, § 899 BGB Rdnr. 28; a.A. wohl Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 230. 6 Ebenso Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 75; Löbbe, in: Ulmer, Erg.-Band MoMiG, Rdnr. 181; Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 230; Heidinger, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 255.

Seibt

1203

§ 16

Wechsel der Gesellschafter; Erwerb vom Nichtberechtigten

der aufschiebenden Bedingungen (z.B. keine Kaufpreiszahlung) oder Rechtsbedingungen (z.B. keine behördliche Genehmigung, Rücktritt vom Vertrag). Dies kann z.B. durch eine vorsorglich erteilte Löschungsbewilligung durch den Begünstigten der Widerspruchszuordnung erfolgen, die der Eingetragene oder z.B. ausschließlich ein gemeinsam beauftragter Notar nach bestimmten Vorgaben nutzen darf1. h) Schadensersatz 98

Bei einer Anordnung des Widerspruchs im Wege der einstweiligen Verfügung gilt § 945 ZPO. Danach ist der Antragsteller dem Antragsgegner zum Ersatz des Schadens verpflichtet, der durch die Vollziehung der einstweiligen Verfügung entstanden ist, wenn sich diese als von Anfang an ungerechtfertigt erweist oder später aufgehoben wird2.

7. Ablauf der 3-Jahresfrist oder Zurechenbarkeit der Unrichtigkeit a) Konzeption 99

Der Gesetzgeber hat vor dem Hintergrund der gegenüber anderen künstlichen Rechtsscheinträgern wie Grundbuch und Erbschein geringeren Verlässlichkeit der Gesellschafterliste und damit auch verfassungsrechtlichen Erwägungen zwei Zusatzelemente verankert, die für zwei alternative Sachverhaltsgruppen den Rechtsverlust des materiell-rechtlich Berechtigten legitimieren, wobei die beiden Sachverhaltsgruppen durch den Ablauf einer 3-Jahresfrist vor dem Erwerbszeitpunkt getrennt sind3: (1) Vor Ablauf der 3-Jahresfrist ist ein gutgläubiger Erwerb von Geschäftsanteilen oder Rechten daran nur möglich, wenn dem Berechtigten die Unrichtigkeit der Gesellschafterliste „zuzurechnen“ ist, was im Sinne des Veranlassungsprinzips eine Mitwirkung bestimmter Qualität voraussetzt (Rdnr. 103 ff.). (2) Demgegenüber beruht die Legitimation des Rechtsverlustes nach Ablauf der 3-Jahresfrist alleine auf dem Umstand eines über diese Zeitspanne veröffentlichten Rechtsscheinträgers (reines Rechtscheinsprinzip). Der materiell-rechtlich Berechtigte muss also mit Ablauf der 3-Jahresfrist einen vollständigen Rechtsverlust ungeachtet der Tatsache hinnehmen, ob sich zwischen der Unrichtigkeit der Listeneintragung und seiner Person ein wie auch immer gearteter Bezug herstellen lässt4. Dabei liegt der den Rechtsverlust legitimierende Umstand nicht darin, dass der Gesetzgeber der Gesellschafterliste zu Gunsten Gutgläubiger öffentlichen Glauben verliehen hat, sondern allein in der Rechtsmacht und faktischen Potentialität des Berechtigten, während der 3-Jahresfrist den Rechtsschein der unrichtigen Gesellschafterliste zerstören zu kön-

1 Hierzu Oppermann, ZIP 2009, 651, 654. 2 Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 76; Wicke, Rdnr. 25; Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 235; Heidinger, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 256; Handelsrechtsausschuss des DAV, NZG 2007, 735, 739. 3 Apfelbaum, BB 2008, 2470; Götze/Bressler, NZG 2007, 894, 897 sprechen vom Ablauf der 3-Jahresfrist als „Wasserscheide“; Wachter, ZNotP 2008, 387, 395; Wiersch, S. 41 ff. 4 Kritisch hierzu: Goette, Einführung in das neue GmbH-Recht, 2008, Einf. Rdnr. 76; Harbarth, ZIP 2001, 57, 61 f.; Preuss, ZGR 2008, 676, 701; Wicke, Rdnr. 28.

1204

Seibt

§ 16

Wechsel der Gesellschafter; Erwerb vom Nichtberechtigten

nen1. Der Gesetzgeber hat zu Recht die im Vergleich zum Grundbuch bestehende geringere Verlässlichkeit der Gesellschafterliste durch ein Erfordernis des Zeitablaufs als soweit ausgeglichen angesehen, dass der Verkehrsschutz mit diesem Fristablauf (mit Ausnahme eines verschärften Gutglaubensmaßstabs [Rdnr. 84]) dem des Grundbuchs entspricht. Denn Gesellschaftern einer GmbH ist abzuverlangen (i.S. einer Obliegenheit), während einer bestimmten Zeitspanne selbst dafür Sorge zu tragen, dass es zu einem Rechtsverlust nicht kommt; sie können das Risiko eines Rechtsverlustes beherrschen2. Bei der Dauer des Zeitablaufs, die ein Rechtsverlust ohne Veranlassung legitimieren kann, hat sich der Gesetzgeber an § 242 Abs. 2 Satz 1 AktG orientiert. Sie war während des Gesetzgebungsverfahrens umstritten3; die gewählte 3-Jahresfrist ist indes ein angemessener und verfassungsmäßiger Ausgleich zwischen den Rechtsbestandsinteressen des Berechtigten und den Verkehrsinteressen. Die Formulierung von § 16 Abs. 3 Satz 2 mit ihrer doppelten Verneinung wurde deshalb vom Gesetzgeber gewählt, um anzuzeigen, dass es sich um eine Replik des materiellen Berechtigten gegen die Einwendung des Gutglaubenserwerbs handelt, für die der materiell Berechtigte die Darlegungs- und Beweislast trägt4. b) 3-Jahresfrist (Fristberechnung) Die Gesellschafterliste ist nur dann „drei Jahre [oder länger] unrichtig“, wenn 100 sie während dieses gesamten 3-Jahreszeitraums in Bezug auf die konkrete Eintragung durchgängig unrichtig war, d.h. im Hinblick auf den nach § 8 Abs. 1 Nr. 3 identifizierbaren Geschäftsanteil nicht den materiell-rechtlich Berechtigten ausgewiesen hat. Dabei ist es für die Einhaltung der 3-Jahresfrist unerheblich, ob die in Bezug auf die konkrete Eintragung bestehende Unrichtigkeit durchgängig in einer Gesellschafterliste enthalten war oder konsekutiv in mehreren Gesellschafterlisten (bei denen Veränderungen nur bezogen auf andere Geschäftsanteile vorgenommen wurden)5. Insoweit stellen für diese Frage die Gesellschafterlisten eine Einheit dar. Es ist weiter unerheblich, ob während der 3-Jahresfrist in Bezug auf die unrichtige Eintragung (jeweils) derselbe Nichtberechtigte eingetragen war oder ob in den konsekutiv eingestellten Gesellschafterlisten jeweils oder jedenfalls zum Teil verschiedene Personen in Bezug auf den konkreten Geschäftsanteil eingetragen waren, denen allesamt eine Nichtberechtigung zukommt6. Eine Einhaltung der 3-Jahresfrist liegt umgekehrt nicht 1 Vgl. BR-Drucks. 354/07, S. 88 = Begr. RegE zu § 16; vgl. auch Preuss, ZGR 2008, 676, 688 f. 2 Vgl. Bohrer, DStR 2007, 995, 999 (mit Hinweis auf Institute des handelsrechtlichen Vertrauensschutzes); Wiersch, S. 46 spricht daher von einem „potentiellen Gefahrbeherrschungsprinzip“ als Legitimationsbasis für den Rechtsverlust. 3 Vgl. Haas/Oechsler, NZG 2006, 806, 812 (fraglich, ob „zu lang“); Heckschen, DStR 2007, 1442, 1450; Rau, DStR 2006, 1892, 1897 f. (Ersetzung der 3-Jahresfrist durch 3-Monatsfrist nach Ablauf einer 3–5jährigen Übergangszeit); Schockenhoff/Höder, ZIP 2006, 1841, 1847; Triebel/Otte, ZIP 2006, 1321, 1326 (alle zum BMJ-Referentenentwurf). 4 Vossius, DB 2007, 2299, 2301; Hoffmann-Becking, Stellungnahme zur Anhörung des Rechtsausschusses am 23.1.2008 v. 16.1.2008, S. 3 (Formulierung rechtspolitisch unterstützend). 5 BR-Drucks. 354/07, S. 88 = Begr. RegE zu § 16. 6 BR-Drucks. 354/07, S. 88 = Begr. RegE zu § 16; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 78; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 64; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck,

Seibt

1205

§ 16

Wechsel der Gesellschafter; Erwerb vom Nichtberechtigten

vor, wenn eine zunächst im Hinblick auf eine konkrete Eintragung unrichtige Gesellschafterliste durch eine im Hinblick auf diese konkrete Eintragung richtige Liste ersetzt wird. In diesem Fall verfällt die abgelaufene Unrichtigkeitsdauer und bei Einreichung einer erneut in Bezug auf dieselbe konkrete Eintragung unrichtige Liste beginnt die 3-Jahresfrist wieder neu zu laufen1. 101 Für die Bestimmung des Fristbeginns gilt je nach dem Zeitpunkt der Unrichtigkeit Folgendes: In dem Fall, in dem die Gesellschafterliste bereits bei ihrer Einreichung zum Handelsregister unrichtig war, beginnt die 3-Jahresfrist mit der Aufnahme der Gesellschafterliste in den Registerordner beim Handelsregister (d.h. mit Einstellen der Liste in den elektronischen Dokumentenabruf), nicht etwa schon mit der Einreichung zum Handelsregister2. Wird die Gesellschafterliste dagegen durch tatsächliche Umstände (und nicht durch Einreichung einer geänderten Gesellschafterliste) unrichtig, beginnt die 3-Jahresfrist in dem Zeitpunkt, in dem die Liste unrichtig wurde3. 102 Die Fristberechnung der 3-Jahresfrist richtet sich nach den §§ 187 ff. BGB. Wird z.B. am 1.5.2010 eine unrichtige Gesellschafterliste im Registerordner des Handelsregisters aufgenommen, beginnt die Frist am 2.5.2010 zu laufen (vgl. § 187 Abs. 1 BGB) und endet – da es sich um eine Jahresfrist handelt – am 1.5.2013 um 24 Uhr (vgl. § 188 Abs. 2 Alt. 1 BGB). Dabei ist es unerheblich, ob das Fristende auf einen Sonntag, einen allgemeinen Feiertag oder auf einen Sonnabend fällt, da § 193 BGB eine Fristverlängerung nur für die Fälle vorsieht, dass eine Willenserklärung abzugeben oder eine Leistung i.S. des § 362 BGB zu erbringen ist.

Rdnr. 36; Löbbe, in: Ulmer, Erg.-Band MoMiG, Rdnr. 151; Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 218; Heidinger, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 233; Berger, in: Bunnemann/ Zirngibl, Auswirkungen des MoMiG auf bestehende GmbHs, 2008, § 7 Rdnr. 48 ff., S. 194 f. (mit Fallbeispielen); Heidinger, in: Heckschen/Heidinger, Die GmbH in der Gestaltungs- und Beratungspraxis, § 13 Rdnr. 103; Götze/Bressler, NZG 2007, 894, 897; Heckschen, ZErb 2008, 246, 253; Kögel, Rpfleger 2008, 605, 607; Vossius, DB 2007, 2299, 2303 (mit Fallbeispielen). 1 Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 78; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 64; Löbbe, in: Ulmer, Erg.-Band MoMiG, Rdnr. 151; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 36; Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 216; Heidinger, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 233. 2 Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 79; Löbbe, in: Ulmer, Erg.-Band MoMiG, Rdnr. 152; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 36; Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 216; Heidinger, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 234; Berger, in: Bunnemann/ Zirngibl, Auswirkungen des MoMiG auf bestehende GmbHs, 2008, § 7 Rdnr. 45 ff., S. 194 f. (mit Fallbeispielen); Gottschalk, DZWiR 2009, 45, 50; Kort, GmbHR 2009, 169, 175; Noack, DB 2007, 1395, 1399; Vossius, DB 2007, 2299, 2301; Zessel, GmbHR 2009, 303, 304. 3 Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 79; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 64; Löbbe, in: Ulmer, Erg.-Band MoMiG, Rdnr. 152; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 36; Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 216; Heidinger, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 234 f.; Berger, in: Bunnemann/Zirngibl, Auswirkungen des MoMiG auf bestehende GmbHs, 2008, § 7 Rdnr. 45 ff., S. 194 f. (mit Fallbeispielen); Gottschalk, DZWiR 2009, 45, 50; Götze/Bressler, NZG 2007, 894, 897; Kort, GmbHR 2009, 169, 175; D. Mayer, DNotZ 2008, 403, 420; Rousseau, GmbHR 2009, R 49, R 50; Vossius, DB 2007, 2299, 2302 f.; Zessel, GmbHR 2009, 303, 304.

1206

Seibt

§ 16

Wechsel der Gesellschafter; Erwerb vom Nichtberechtigten

c) Zurechenbarkeit der Unrichtigkeit der Gesellschafterliste Vor Ablauf der 3-Jahresfrist ist selbst bei Vorliegen der sonstigen Voraussetzun- 103 gen des § 16 Abs. 3 ein gutgläubiger Erwerb ausgeschlossen, wenn die Unrichtigkeit der Listeneintragung „dem Berechtigten […] nicht zuzurechnen ist“ (Umkehrschluss aus § 16 Abs. 3 Satz 2). In dem Tatbestandsmerkmal der Zurechnung fokussiert sich das Veranlassungsprinzip als Legitimationsbasis für den gutgläubigen Erwerb mit dem Rechtsscheinträger der Gesellschafterliste und dieses Merkmal steht somit unmittelbar im Spannungsverhältnis zwischen dem Rechtserhaltungsinteresse des Berechtigten einerseits und den Erwerbsinteressen des Rechtsverkehrs andererseits. Hieraus folgt, dass je geringere Anforderungen an die Voraussetzungen der Zurechnung der Unrichtigkeit gestellt werden, desto stärker nähert sich die Gutglaubensvorschrift des § 16 Abs. 3 bereits vor Ablauf der 3-Jahresfrist dem reinen Rechtsscheinstatbestand des § 892 BGB mit dem Rechtsscheinsträger des Grundbuchs an und je eher ist der gutgläubige Erwerb von Geschäftsanteilen oder Rechten in praxi vor Ablauf der 3-Jahresfrist möglich. Weder § 16 selbst noch dem GmbH-Gesetz an anderer Stelle ist eine weitere Konturierung des Zurechnungsmerkmals zu entnehmen. Die Begründung des Regierungsentwurfs beschränkt sich darauf, drei Sachverhaltskonstellationen zu beschreiben, von denen zwei eine Zurechnung der Unrichtigkeit begründen sollen und eine nicht, ohne abstrakt generelle Auslegungshinweise zu geben1: „Dem wahren Rechtsinhaber, der sich nach Erwerb seines Geschäftsanteils nicht darum gekümmert hat, dass die Gesellschafterliste geändert wird und seine Rechtsstellung richtig wiedergibt, ist die Unrichtigkeit der Liste ohne Wartefrist zuzurechnen. Eine zurechenbare Unrichtigkeit liegt beispielsweise vor, wenn zunächst der Scheinerbe des früheren Gesellschafters in der Gesellschafterliste eingetragen wird und der wahre Erbe es unterlässt, die Geschäftsführer zur Einreichung einer korrigierten Liste zu veranlassen. Anders liegt der Fall, wenn einem Gesellschafter die Unrichtigkeit in keiner Weise zuzurechnen ist. Dies ist beispielsweise gegeben, wenn der Geschäftsführer ohne Wissen des Gesellschafters eine falsche Liste einreicht, in der seine Rechtsstellung nicht mehr vollständig aufgeführt ist.“ Das Merkmal der Zurechnung impliziert, dass zwischen der Person des Berech- 104 tigten und der Unrichtigkeit einer Listeneintragung eine spezifische Beziehung besteht i.S. einer (Mit-)Veranlassung, (Mit-)Verursachung (i.S. einer adäquaten Kausalität) oder jedenfalls (Mit-)Verantwortung. Die Intensität der geforderten Beziehung ist eine Wertungsentscheidung zwischen den Polen des Rechtserhaltungsinteresses des Berechtigten einerseits und den Erwerbsinteressen des Rechtsverkehrs auf der anderen Seite (Rdnr. 103), bei der die allgemeine verkehrsschutzfreundliche Konzeption des § 16 Abs. 3 zu berücksichtigen ist. Hieraus ergeben sich drei Folgen zur weiteren Konturierung des Zurechnungsbegriffes, nämlich (i) dass eine Zurechnung im Falle eines aktiven Tuns oder Unterlassens nur bei einer ansonsten bestehenden Zurechnungsfähigkeit des Berechtigten bzw. Zurechenbarkeit der Handlung oder des Unterlassens in Frage kommt (Rdnr. 105), (ii) die Frage des Verschuldens irrelevant ist (da es um die 1 BR-Drucks. 354/07, S. 88.

Seibt

1207

§ 16

Wechsel der Gesellschafter; Erwerb vom Nichtberechtigten

Abgrenzung von Risikosphären geht) (Rdnr. 105) und (iii) die Anforderungen an das aktive Tun oder Unterlassen nicht überspannt werden dürfen (Rdnr. 106). 105 Eine Zurechnung der Unrichtigkeit einer Listeneintragung zum Berechtigten scheidet – wie bei den Gutglaubensvorschriften der §§ 932 ff. BGB1 – aus (Frage der Zurechnungsfähigkeit), wenn der Berechtigte (i) geschäftsunfähig (§ 104 BGB) oder (ii) nur beschränkt geschäftsfähig (§§ 2, 106 BGB) ohne ausreichende Einsichtsfähigkeit2 ist. Denn bei dieser Personengruppe trägt der den Rechtsverlust legitimierende Gedanke nicht, dass ein GmbH-Gesellschafter besondere Sorgfalt im Zusammenhang mit der Gesellschafterliste und ihrer Kontrolle auszuüben hat. Eine Ausnahme ist aus Verkehrsschutzinteressen nur für den Fall zuzulassen, dass ein Notar eine nach § 105 Abs. 1 BGB oder § 108 BGB unerkannt nichtige Abtretung beurkundet und anschließend die insoweit unrichtige Gesellschafterliste zum Handelsregister einreicht (§ 40 Abs. 2)3. Zudem scheidet eine Zurechnung der Unrichtigkeit zum Berechtigten – ebenfalls wie bei den Gutglaubensvorschriften der §§ 932 ff. BGB4 – bei Ausübung von vis absoluta oder vis compulsiva, die in einem Umfang auf den Berechtigten ausgeübt wird, dass eine unwiderstehliche Gewalt- oder Zwangslage besteht5. Auf die Frage eines Verschuldens kommt es wegen der notwendigen Abgrenzung von Risikosphären und Interessenlagen nicht an; die Zurechnung ist verschuldensunabhängig6. 106 Eine Zurechnung durch Unterlassen kommt insbesondere dann in Betracht, wenn der Berechtigte die Unrichtigkeit der Listeneintragung kennt oder kennen muss und dennoch keine möglichen Maßnahmen zu ihrer Beseitigung ergreift, z.B. gegenüber den Geschäftsführern unter Beifügung entsprechender Nachweise anregt, eine geänderte Gesellschafterliste zum Handelsregister einzureichen, oder selbst die Zuordnung eines Widerspruchs im Wege der einstweiligen Verfügung zu erreichen versucht7. Dies betrifft beispielsweise die Fälle einer wirksamen Abtretung (ggf. mit Eintritt einer auflösenden Bedingung) sowie einer 1 Vgl. Bassenge, in: Palandt, § 935 BGB Rdnr. 5; Wiegand, in: Staudinger, 2011, § 935 BGB Rdnr. 10; Oechsler, in: MünchKomm. BGB, 5. Aufl. 2009, § 935 BGB Rdnr. 7; hiergegen (Abstellen auf Einsichtsfähigkeit) Baur/Stürner, Sachenrecht, 18. Aufl. 2009, § 52 Rdnr. 42; Henssler, in: Soergel, 13. Aufl. 2002, § 935 BGB Rdnr. 6. 2 So ist eine Zurechnung der Unrichtigkeit im Einzelfall (!) auch bei einer nur beschränkt geschäftsfähigen Person möglich, z.B. bei einem unternehmerisch tätigen 17-Jährigen mit ausreichender Einsichtsfähigkeit. 3 Wiersch, S. 98 ff. 4 Bassenge, in: Palandt, § 935 BGB Rdnr. 5; Wiegand, in: Staudinger, 2011, § 935 BGB Rdnr. 11; Baur/Stürner, Sachenrecht, 18. Aufl. 2009, § 52 Rdnr. 43; strenger allerdings Oechsler, in: MünchKomm. BGB, 5. Aufl. 2009, § 935 BGB Rdnr. 7. 5 Löbbe, in: Ulmer, Erg.-Band MoMiG, Rdnr. 157; Reymann, BB 2009, 506 ff.; differenzierend Wiersch, S. 102 ff. 6 Ebenso Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 80; Löbbe, in: Ulmer, Erg.-Band MoMiG, Rdnr. 156; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 33; Heidinger, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 242; Leistikow, Das neue GmbH-Recht, 2009, § 4 Rdnr. 207; Kort, GmbHR 2009, 169, 175; Wiersch, S. 92; Zessel, GmbHR 2009, 303, 304. 7 Zu solchen Fällen auch Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 80; Wicke, Rdnr. 22; Berger, in: Bunnemann/Zirngibl, Auswirkung des MoMiG auf bestehende GmbHs, 2008, S. 195; Wiersch, S. 87 ff.; Apfelbaum, DB 2008, 2470, 2475; Götze/Bressler, NZG 2007, 894, 898; D. Mayer, DNotZ 2008, 403, 421.

1208

Seibt

§ 16

Wechsel der Gesellschafter; Erwerb vom Nichtberechtigten

wirksamen Kaduzierung bzw. Preisgabe, in der die Einreichung einer geänderten Gesellschafterliste im Anschluss an die Anteilsübertragung unterbleibt (Zurechnung an den Erwerber)1. Es ist daher auch zu pauschal, mit der Regierungsbegründung (S. 88) anzunehmen (Rdnr. 103), eine zurechenbare Unrichtigkeit liege dann vor, wenn zunächst der Scheinerbe des früheren Gesellschafters in der Gesellschafterliste eingetragen wird und der wahre Erbe es unterlässt, die Geschäftsführer zur Einreichung einer korrigierten Liste zu veranlassen. Denn es kommen durchaus Fälle in Betracht, in denen dem Berechtigten die Unrichtigkeit nicht zuzurechnen ist (Fund eines abweichenden Testaments nach Aufnahme der Gesellschafterliste im Handelsregister)2. Eine Zurechnung auf Grund aktiven Tuns kommt insbesondere für die Fälle einer unwirksamen Abtretung von Geschäftsanteilen in Betracht, solange der Berechtigte für die Einreichung der unrichtigen Liste zum Handelsregister nur kausal wird, d.h. er die unrichtige Publizierung durch sein Verhalten in irgendeiner Weise veranlasst3. Etwas anderes gilt aus Verkehrsschutzinteressen auch nicht, wenn der Einreichende der Gesellschafterliste hierzu auf Grund einer arglistigen Täuschung veranlasst wurde4.

8. Verhältnis des Berechtigten zum Nichtberechtigten Der gutgläubige Erwerber ist dem materiell-rechtlichen Berechtigten im Grund- 107 satz nicht zum Ausgleich verpflichtet5. Allerdings haftet ein unentgeltlicher Erwerber gegebenenfalls nach § 816 Abs. 1 Satz 2 BGB und ein unentgeltlicher Drittempfänger nach § 822 BGB. Darüber hinaus kann der Berechtigte vom verfügenden Nichtberechtigten die Herausgabe des durch die Verfügung Erlangten beanspruchen (§ 816 Abs. 1 Satz 1 BGB)6, d.h. die Herausgabe der Gegenleistung einschließlich eines Gewinns, auch wenn dieser Wert über dem wahren Wert des Geschäftsanteils liegt7. Weiterhin kommen Ansprüche aus §§ 681, 687

1 A.A. Gehrlein, Der Konzern 2007, 771, 792; Wicke, Rdnr. 22, die beide eine Zurechnung verneinen, wenn ein Notar die ihm gemäß § 40 Abs. 2 obliegende Einreichungspflicht verletzen. 2 Ebenso Apfelbaum, BB 2008, 2470, 2475; Gehrlein, Der Konzern 2007, 771, 792; Götze/ Bressler, NZG 2007, 894, 897 Fn. 56; D. Mayer, DNotZ 2008, 403, 421; Noack, DB 2007, 1395, 1399; Heidinger, in: Heckschen/Heidinger, Die GmbH in der Gestaltungs- und Beratungspraxis, § 13 Rdnr. 112; Wiersch, S. 90 f.; a.A. Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 34. 3 Heidinger, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 243; Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 214; Götze/Bressler, NZG 2007, 894, 897 f.; D. Mayer, DNotZ 2008, 403, 421; Wiersch, S. 91 ff.; im Grundsatz auch Berger, in: Bunnemann/Zirngibl, Auswirkung des MoMiG auf bestehende GmbHs, S. 196; a.A. Vossius, DB 2007, 2299, 2302. 4 A.A. Apfelbaum, BB 2008, 2470, 2476; Vossius, DB 2007, 2299, 2302. 5 Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 81; Löbbe, in: Ulmer, Erg.-Band MoMiG, Rdnr. 190; Heidinger, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 293; Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 257; zu § 932 BGB BGH, JZ 1956, 490 f.; zu § 892 BGB RGZ 85, 61, 64; RGZ 90, 395, 397 f.; Kohler, in: MünchKomm. BGB, 5. Aufl. 2009, § 892 BGB Rdnr. 74. 6 Grunewald, ZIP 2006, 685, 688 f. 7 BGHZ 29, 157, 159 ff.; BGH, NJW 1997, 190; Buck-Heeb, in: Erman, § 816 BGB Rdnr. 20; a.A. Medicus/Petersen, Bürgerliches Recht, 23. Aufl. 2011, Rdnr. 723; Schwab, in: MünchKomm. BGB, 5. Aufl. 2009, § 816 BGB Rdnr. 43; differenzierend Lorenz, in: Staudinger, 2007, § 816 BGB Rdnr. 23 f.

Seibt

1209

§ 16

Wechsel der Gesellschafter; Erwerb vom Nichtberechtigten

Abs. 2 BGB und deliktische Schadensersatzansprüche nach §§ 823 ff. BGB in Betracht.

VI. Inkrafttreten und Übergangsvorschrift 1. Legitimationswirkung und Haftung 108 Mangels einer besonderen Übergangsregelung sind die Neuregelungen in § 16 Abs. 1 und Abs. 2 mit den MoMiG am 1.11.2008 in Kraft getreten (Art. 25 MoMiG)1. Dies hat zur Folge, dass einer vor dem 1.11.2008 nach § 40 a.F. eingereichten und im Handelsregister aufgenommenen2 Gesellschafterliste ungeachtet ihrer materiell-rechtlichen Richtigkeit bis zur Einreichung einer neuen Gesellschafterliste einseitig die Legitimationswirkung des § 16 Abs. 1 zukommt, andererseits aber auch die in jener Liste ausgewiesenen Gesellschafter für rückständige Leistungen nach § 16 Abs. 2 haften3. Allerdings ist hierfür Voraussetzung, dass die Eintragung in der Gesellschafterliste dem Eingetragenen zugerechnet werden kann4. Dies ist im Hinblick auf vor dem 1.11.2008 erfolgte Einreichungen von Gesellschafterlisten zum Handelsregister nur bei einer ordnungsgemäßen Anmeldung nach § 16 Abs. 1 a.F. der Fall, und für einen noch eingetragenen Rechtsvorgänger umgekehrt dann nicht, wenn sich der Rechtsnachfolger (Erwerber) ordnungsgemäß angemeldet hat; in diesem Fall kommt für den Rechtsvorgänger allein eine Haftung nach § 16 Abs. 2 und nicht nach § 16 Abs. 1 in Betracht5. Unanwendbar ist § 16 Abs. 1 schließlich bei Alteintragungen, denen keine Anmeldung nach § 16 Abs. 1 a.F. vorausgegangen war, insbesondere weil sie nicht auf Grund einer Veräußerung erfolgen.

2. Gutgläubiger Erwerb 109 Für die Frage der Anwendbarkeit des § 16 Abs. 3 mit der Möglichkeit des gutgläubigen Erwerbs ist zunächst zwischen Neugesellschaften und Altgesellschaften zu differenzieren. Für sämtliche GmbHs, die nach dem 31.10.2008 errichtet oder durch Eintragung eines Formwechsels in die Rechtsform der GmbH nach § 202 UmwG entstanden sind, gilt § 16 Abs. 3 ohne Besonderheiten. Dies ergibt sich aus einem Umkehrschluss aus § 3 Abs. 3 Satz 1 EGGmbHG6. Im Hinblick auf vor dem 1.11.2008 errichtete oder durch Formwechsel entstandene Altgesellschaften ist weiter wie folgt zu differenzieren: (1) Eine (konkrete) Unrichtigkeit in der Gesellschafterliste, die bereits vor dem 1.11.2008 vorhanden war und dem Berechtigten i.S. von § 16 Abs. 3 Satz 2 zuzurechnen ist, kann frühestens nach

1 Hasselmann, NZG 2009, 409, 412; Reymann, BB 2009, 506, 510; Zirngibl, in: Bunnemann/Zirngibl, Auswirkungen des MoMiG auf bestehende GmbHs, 2008, § 4 Rdnr. 21. 2 Hierzu OLG München, GmbHR 2009, 825. 3 Ausführlich Reymann, BB 2009, 506, 511; a.A. Zirngibl, in: Bunnemann/Zirngibl, Auswirkungen des MoMiG auf bestehende GmbHs, 2008, § 4 Rdnr. 22, wonach § 16 Abs. 1 auf alte Listen anwendbar sei. 4 Ausführlich Reymann, BB 2009, 506, 511. 5 Ausführlich Reymann, BB 2009, 506, 512. 6 Ebenso Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 83; Löbbe, in: Ulmer, Erg.-Band MoMiG, Rdnr. 191; Heidinger, in: MünchKomm. GmbHG, Rdnr. 311.

1210

Seibt

§ 17 a.F.

Veräußerung von Teilen des Geschäftsanteils

dem 1.5.2009 (also ab dem 2.5.2009, 0 Uhr) zum gutgläubigen Erwerb führen (§ 3 Abs. 3 Satz 1 EGGmbHG). Diese Regelung einer 6-monatigen Karenzzeit dient dazu, es den Gesellschaften und ihren Gesellschaftern zu ermöglichen, die materiell-rechtliche Richtigkeit der Gesellschafterliste zu überprüfen und ggf. eine Unrichtigkeit durch Einreichung einer geänderten Gesellschafterliste zu korrigieren1. Berechtigte könnten in dieser Zeit auch ohne Einvernehmen mit der Gesellschaft und ihren Gesellschaftern einen Widerspruch auf der Grundlage einer einstweiligen Verfügung der Listeneintragung zuordnen lassen, um somit einen gutgläubigen Erwerb zu verhindern. (2) In dem Fall, dass die Unrichtigkeit der Gesellschafterliste dem Berechtigten nicht i.S. von § 16 Abs. 3 Satz 3 zugerechnet werden kann, kommt ein gutgläubiger Erwerb erst nach Ablauf der 3-Jahresfrist, also ab dem 2.11.2011, 0 Uhr in Betracht (§ 3 Abs. 3 Satz 2 EGGmbHG). – Bei den Anfangsterminen ist jeweils auf das schuldrechtliche Kausalgeschäft abzustellen2.

§ 17 a.F.

Veräußerung von Teilen des Geschäftsanteils (1) Die Veräußerung von Teilen eines Geschäftsanteils kann nur mit Genehmigung der Gesellschaft stattfinden. (2) Die Genehmigung bedarf der schriftlichen Form; sie muss die Person des Erwerbers und den Betrag bezeichnen, welcher von der Stammeinlage des ungeteilten Geschäftsanteils auf jeden der durch die Teilung entstehenden Geschäftsanteile entfällt. (3) Im Gesellschaftsvertrag kann bestimmt werden, dass für die Veräußerung von Teilen eines Geschäftsanteils an andere Gesellschafter, sowie für die Teilung von Geschäftsanteilen verstorbener Gesellschafter unter deren Erben eine Genehmigung der Gesellschaft nicht erforderlich ist. (4) Die Bestimmungen in § 5 Abs. 1 und 3 über den Betrag der Stammeinlagen finden bei der Teilung von Geschäftsanteilen entsprechende Anwendung. (5) Eine gleichzeitige Übertragung mehrerer Teile von Geschäftsanteilen eines Gesellschafters an denselben Erwerber ist unzulässig. (6) Außer dem Fall der Veräußerung und Vererbung findet eine Teilung von Geschäftsanteilen nicht statt. Sie kann im Gesellschaftsvertrag auch für diese Fälle ausgeschlossen werden. § 17 aufgehoben durch das MoMiG vom 23.10.2008 (BGBl. I 2008, 2026).

1 Vgl. Rodewald, GmbHR 2009, 196, 199; Wedemann, GmbHR 2008, 1131. 2 Rodewald, GmbHR 2009, 196, 199.

Seibt

1211

§ 17 a.F.

Veräußerung von Teilen des Geschäftsanteils

dem 1.5.2009 (also ab dem 2.5.2009, 0 Uhr) zum gutgläubigen Erwerb führen (§ 3 Abs. 3 Satz 1 EGGmbHG). Diese Regelung einer 6-monatigen Karenzzeit dient dazu, es den Gesellschaften und ihren Gesellschaftern zu ermöglichen, die materiell-rechtliche Richtigkeit der Gesellschafterliste zu überprüfen und ggf. eine Unrichtigkeit durch Einreichung einer geänderten Gesellschafterliste zu korrigieren1. Berechtigte könnten in dieser Zeit auch ohne Einvernehmen mit der Gesellschaft und ihren Gesellschaftern einen Widerspruch auf der Grundlage einer einstweiligen Verfügung der Listeneintragung zuordnen lassen, um somit einen gutgläubigen Erwerb zu verhindern. (2) In dem Fall, dass die Unrichtigkeit der Gesellschafterliste dem Berechtigten nicht i.S. von § 16 Abs. 3 Satz 3 zugerechnet werden kann, kommt ein gutgläubiger Erwerb erst nach Ablauf der 3-Jahresfrist, also ab dem 2.11.2011, 0 Uhr in Betracht (§ 3 Abs. 3 Satz 2 EGGmbHG). – Bei den Anfangsterminen ist jeweils auf das schuldrechtliche Kausalgeschäft abzustellen2.

§ 17 a.F.

Veräußerung von Teilen des Geschäftsanteils (1) Die Veräußerung von Teilen eines Geschäftsanteils kann nur mit Genehmigung der Gesellschaft stattfinden. (2) Die Genehmigung bedarf der schriftlichen Form; sie muss die Person des Erwerbers und den Betrag bezeichnen, welcher von der Stammeinlage des ungeteilten Geschäftsanteils auf jeden der durch die Teilung entstehenden Geschäftsanteile entfällt. (3) Im Gesellschaftsvertrag kann bestimmt werden, dass für die Veräußerung von Teilen eines Geschäftsanteils an andere Gesellschafter, sowie für die Teilung von Geschäftsanteilen verstorbener Gesellschafter unter deren Erben eine Genehmigung der Gesellschaft nicht erforderlich ist. (4) Die Bestimmungen in § 5 Abs. 1 und 3 über den Betrag der Stammeinlagen finden bei der Teilung von Geschäftsanteilen entsprechende Anwendung. (5) Eine gleichzeitige Übertragung mehrerer Teile von Geschäftsanteilen eines Gesellschafters an denselben Erwerber ist unzulässig. (6) Außer dem Fall der Veräußerung und Vererbung findet eine Teilung von Geschäftsanteilen nicht statt. Sie kann im Gesellschaftsvertrag auch für diese Fälle ausgeschlossen werden. § 17 aufgehoben durch das MoMiG vom 23.10.2008 (BGBl. I 2008, 2026).

1 Vgl. Rodewald, GmbHR 2009, 196, 199; Wedemann, GmbHR 2008, 1131. 2 Rodewald, GmbHR 2009, 196, 199.

Seibt

1211

§ 17 a.F.

Veräußerung von Teilen des Geschäftsanteils

Inhaltsübersicht I. Gesetzesänderung und Änderungszwecke . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Voraussetzungen der Teilung 1. Konzeption . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Gesellschaftererklärung zur Teilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Gesellschafterbeschluss . . . . . . .

1 4 5 7

4. Inhaltliche Vorgaben . . . . . . . . . . . 9 5. Änderung der Gesellschafterliste . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10 6. Statutarische Regelungen . . . . . 11 III. Inkrafttreten der Gesetzesaufhebung . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

15

Schrifttum: Förl, Die neue Teilbarkeit von Geschäftsanteilen – einfach (und) gut?, RNotZ 2008, 409; Fröhlich, GmbH-Teilung von Geschäftsanteilen. Wesentliche Erleichterungen durch das MoMiG, GmbH-StB 2009, 83; Irriger/Münstermann, Teilung und Teilveräußerung von Geschäftsanteilen, GmbHR 2010, 617; Liebscher, Der (Neu-)Zuschnitt von GmbH-Geschäftsanteilen nach MoMiG, in: Liber amicorum M. Winter, 2011, S. 403; Mayer, D., Der Erwerb einer GmbH nach den Änderungen durch das MoMiG, DNotZ 2008, 403.

I. Gesetzesänderung und Änderungszwecke 1 Die Aufhebung von § 17 durch das MoMiG ist Teil der auch hier (§ 15 Rdnr. 2 ff.) befürworteten Akzentverschiebung zu Gunsten der kapitalgesellschaftlichen Seite der GmbH. Neben der Aufhebung der besonderen Erschwernis von Geschäftsanteilsteilungen (§ 17 a.F.) umfasst diese Neu-Akzentuierung (i) die Aufhebung des Verbots der Übernahme mehrerer Geschäftsanteile bei Gesellschaftsgründung (§ 5 Abs. 2 Satz 2), (ii) der Ersetzung der früheren Regelungen zur Mindestgröße und Größenbestimmung durch das Erfordernis, dass jeder Geschäftsanteil einen Nennbetrag von mindestens 1,00 Euro haben und auf einen vollen Eurobetrag lauten muss (§ 5 Abs. 2 Satz 1), (iii) die Ersetzung der Anmeldung durch die Gesellschafterliste als Grundlage der Legitimationsfunktion innerhalb des Verbandes (§ 16 Abs. 1) sowie (iv) die Einführung eines gutgläubigen Erwerbs auf der Grundlage der Gesellschafterliste (§ 16 Abs. 3). Die Aufhebung der Teilungserschwernisse (insbesondere Veräußerungs- bzw. Vererbungsanlass, Genehmigungserfordernis zu Gunsten der Gesellschaft, Verbot der Vorratsteilung und Verbot gleichzeitiger Übertragung mehrerer Teil-Geschäftsanteile an einen Erwerber) hat den unterstützungswerten Zweck, die Fungibilität von Geschäftsanteilen und deren Bedeutung als Sicherheitengrundlage für (Unternehmens-) Finanzierungen unter Geltung des Gesetzesstatuts zu erhöhen sowie die hiermit verbundenen Transaktionskosten (Kosten der Beurkundung und für Due Diligence-Untersuchungen) zu verringern. So bestehen in Zukunft keine Unsicherheiten mehr in Bezug auf die Verpfändung von und den Nießbrauch an Teil-Geschäftsanteilen (10. Aufl., § 17 Rdnr. 35 ff.), die Regelung von Earn Out-Anteilsübertragungen (10. Aufl., § 17 Rdnr. 14) oder die Regelung einer Vereinbarungstreuhand; zudem verringert sich das Risiko unwirksamer Übertragungen von Geschäftsanteilen auf Grund der Nichteinhaltung der Teilungserfordernisse (10. Aufl., § 17 Rdnr. 42). Die Summe der Neuerungen durch Aufhebung von § 17 erleichtert mittelbar Anteilsübertragungen, Unternehmensnachfolgen, Wachstums- und Restrukturierungsfinanzierungen bei der GmbH und Maßnahmen zur Risikodiversifikation ihrer Gesellschafter. 1212

Seibt

§ 17 a.F.

Veräußerung von Teilen des Geschäftsanteils

Der BMJ-Referentenentwurf des MoMiG1 sah noch keine ersatzlose Aufhebung 2 von § 17 vor, sondern beschränkte sich auf (i) eine Neufassung von § 17 Abs. 4 (als Folgeänderung zur Herabsetzung der Mindestnennbetrages von Geschäftsanteilen und der Aufhebung des Verbots der Übernahme mehrerer Geschäftsanteile bei Errichtung der Gesellschaft) und (ii) die Aufhebung des in § 17 Abs. 5 geregelten Verbots gleichzeitiger Übertragung mehrerer Teil-Geschäftsanteile an einen Erwerber. Die Entwurfsverfasser hatten noch bewusst von einer (satzungsdispositiven) Freigabe der Teilung von Geschäftsanteilen abgesehen und zielten mit ihrem Vorschlag darauf ab, die in § 5 Abs. 2 vorgeschlagenen Änderungen konsequent auf den Bereich der Anteilsteilungen zu übertragen2. Keine Änderung durch das MoMiG hat in Bezug auf die Teilung von Geschäftsanteilen die Regelung in § 46 Nr. 4 gefunden, derzufolge die Anteilsteilung der „Bestimmung der Gesellschafter unterlieg[t]“, also im Grundsatz (vgl. § 45 Abs. 2) eines Gesellschafterbeschlusses bedarf.

3

II. Voraussetzungen der Teilung 1. Konzeption Die Teilung ist die reale Zerlegung eines Geschäftsanteils in mehrere selbständi- 4 ge (Teil-)Geschäftsanteile dergestalt, dass jeder sich aus der der Teilung ergebende (Teil-)Geschäftsanteil nach einem Nennbetrag bezeichnet wird und die Summe der Nennbeträge der sich insgesamt aus der Teilung ergebenden (Teil-) Geschäftsanteile dem Nennbetrag des ursprünglichen Geschäftsanteils entspricht. Der ursprüngliche Geschäftsanteil geht durch die Teilung unter und an dessen Stelle nehmen die sich aus der Teilung ergebenden (Teil-)Geschäftsanteile die Eigenschaft von selbständigen Geschäftsanteilen an, mit – in der Gesamtheit betrachtet – der gleichen Rechts- und Pflichtenstellung wie der ursprüngliche Geschäftsanteil. Nach der früheren Gesetzeskonzeption war die Teilung ein quasi unselbständiger Bestandteil einer Veräußerung oder Vererbung von (Teil-)Geschäftsanteilen (vgl. § 16 Abs. 6 Satz 1 a.F.; 10. Aufl., § 17 Rdnr. 6 f.). Die gesetzlich angeordnete Zusammengehörigkeit von Teilung und Veräußerung bzw. Vererbung hatte unter der früheren Rechtslage den Blick für die Dogmatik der Teilung als isoliertem Gestaltungsakt verstellt, die nach der durch das MoMiG bewirkten Eigenständigkeit von Teilung und Veräußerung bzw. Vererbung wieder in den Vordergrund treten kann. Nach der früheren Konzeption setzte die Teilung des Geschäftsanteils (i) die Erklärung des Inhabers des Geschäftsanteils voraus, dass der Geschäftsanteil in einem bestimmten Nennbetragumfang zum Zwecke der Veräußerung an einem bestimmten Erwerber ge1 Vgl. BMJ-Referenententwurf v. 29.5.2006, Ziff. 9. 2 Vgl. BMJ-Referentenentwurf v. 29.5.2006, Begr. zu Ziff. 9, S. 52 f.: „Die Änderung steht in engem Zusammenhang mit der Änderung des § 5 […]. Da Stammeinlagen künftig auf einen beliebigen vollen Euro-Betrag lauten können, die Gesellschafter mehrere Stammeinlagen übernehmen können und auf die Teilbarkeit durch fünfzig verzichtet wird, ist es konsequent, die Übertragung mehrerer Teile von Geschäftsanteilen an denselben Erwerber zuzulassen. […] im Übrigen soll § 17 beibehalten werden. Außer im Fall der Veräußerung und Vererbung besteht – abgesehen vom speziell geregelten Fall der Umwandlung (§ 241 Abs. 1 Satz 2 UmwG) – kein Bedürfnis für die Teilung der Geschäftsanteile“.

Seibt

1213

§ 17 a.F.

Veräußerung von Teilen des Geschäftsanteils

teilt wird (Gesellschaftererklärung), sowie (ii) die sich auf diese Gesellschaftererklärung beziehende Genehmigung der Gesellschaft (§ 17 Abs. 1 und Abs. 2 a.F.); der nach § 46 Nr. 4 erforderliche Gesellschafterbeschluss hatte nach richtigem Verständnis eine legitimierende Wirkung allein im Innenverhältnis für die Erteilung der Genehmigung. Die Aufhebung von § 17 durch das MoMiG führt auch auf der Basis der bisher zutreffenden Teilungsdogmatik nicht dazu, dass nun alleine die Erklärung eines Gesellschafters über die Teilung eines Geschäftsanteils im bestimmten Nennbetragsumfang allein konstitutiv für die Realteilung des Geschäftsanteils wäre. Vielmehr bedarf es nach der gesetzesdispositiven Regelung noch eines zustimmenden Gesellschafterbeschlusses. Der Wegfall des im Regelfall zwingenden Genehmigungserfordernisses (Ausnahme: Satzungsregelung auf Basis von § 17 Abs. 3 a.F.; s. aber auch Rdnr. 14) führt zu einer Bedeutungsaufwertung des satzungsdispositiven Erfordernisses eines zustimmenden Gesellschafterbeschlusses, nämlich von einem bisher nur für das Innenverhältnis bedeutsamen Akt hin zu einem auch im Außenverhältnis und für die Teilung konstitutiv wesentlichen Akt1. Mit diesem Bedeutungszuwachs korrespondieren insoweit erhöhte Due Diligence-Anforderungen an die Untersuchung der Anteilsteilungen zu Grunde liegenden Gesellschafterbeschlüsse2. Die Teilung von Geschäftsanteilen wird also durch zwei Umstände erleichtert, nämlich einerseits den Wegfall des Veräußerungsanlasses als zwingender Teilungsvoraussetzung und andererseits die Ersetzung des im Regelfall zwingenden Genehmigungserfordernisses zu Gunsten der Gesellschaft durch das satzungsdispositive Erfordernis eines zustimmenden Gesellschafterbeschlusses (Stärkung der Satzungsautonomie).

2. Gesellschaftererklärung zur Teilung 5 Für die Teilung notwendig bleibt die Erklärung des Inhabers des Geschäftsanteils, auf den sich die Teilung bezieht3. Die Erklärung muss in der Weise hinreichend spezifisch und bestimmt sein, dass sich hieraus zweifelsfrei die sich aus der Teilung hervorgehenden (Teil-)Geschäftsanteile mit einem bestimmten Nennbetrag ergeben. Sinnvollerweise wird der Gesellschafter für die Identifikation des Ausgangs-Geschäftsanteils auf die Gesellschafterliste und den dort unter laufender Nummer bezeichneten Geschäftsanteil verweisen. Dieses Erfordernis der Gesellschaftererklärung schließt es im Gesetzesstatut aus, dass eine Teilung von Geschäftsanteilen ohne oder gar gegen Zustimmung des betroffenen Gesellschafters erfolgt, z.B. durch bloßen Gesellschafterbeschluss, der gegen die Stimmen des betroffenen Gesellschafters gefasst wird oder auf Grund der Entscheidung eines Aufsichts- oder Beirats oder Dritten ohne Beteiligung des betroffenen Gesellschafters4. Dieses Erfordernis der Gesellschaftererklärung ist auch Ausfluss der Ver1 Ebenso jetzt Wicke, § 46 Rdnr. 9; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, § 46 Rdnr. 18; Liebscher, in: Liber amicorum M. Winter, S. 403, 415 ff.; a.A. Irriger/Münstermann, GmbHR 2010, 617, 621. 2 Ähnlich Förl, RNotZ 2008, 409, 412. 3 I.E. ebenso Förl, RNotZ 2008, 409, 410. 4 Wie hier Masuch, in: Bork/Schäfer, § 46 Rdnr. 13; Löbbe, in: Ulmer, Erg.-Band MoMiG, Rdnr. 8; Wälzholz, MittBayNot 2008, 425, 433; a.A. BT-Drucks. 16/6140 (Gesetzentwurf), S. 45; Löbbe, in: Ulmer, Erg.-Band MoMiG, Rdnr. 9; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, § 46 Rdnr. 18; Wicke, § 46 Rdnr. 9; Fröhlich, GmbH-StB 2009, 83, 84; Liebscher,

1214

Seibt

§ 17 a.F.

Veräußerung von Teilen des Geschäftsanteils

fügungsbefugnis des Gesellschafters über den von ihm gehaltenen Geschäftsanteil und unterliegt insoweit (nur) den gleichen Einschränkungen. Die Gesellschaftererklärung kann sich implizit auch aus dem von dem betref- 6 fenden Gesellschafter gestellten Antrag zur Beschlussfassung der Gesellschafter oder sogar aus der sich aus der Protokollierung des Gesellschafterbeschlusses ergebenen Zustimmung bzw. positiven Stimmabgabe zum Teilungsbeschluss ergeben1, z.B. aus der Protokollierung eines Gesellschafterbeschlusses, welche die Beschlussteilnahme sämtlicher Gesellschafter (Universalversammlung) und die Einstimmigkeit der positiven Beschlussfassung widergibt.

3. Gesellschafterbeschluss Der Gesellschafterbeschluss zur Anteilsteilung kann formfrei gefasst werden, 7 muss aber inhaltlich hinreichend spezifisch sein2 (Rdnr. 5). Ein auf der Grundlage einer statutarischen Vinkulierungsklausel i.S. von § 15 Abs. 5 erfolgender Gesellschafterbeschluss umfasst im Zweifel auch eine etwaige implizite Teilung von Geschäftsanteilen. Umgekehrt ist in einem einer Gesellschaftererklärung zur Teilung zustimmenden Gesellschafterbeschluss ohne weitere Hinweise keine Zustimmung zur Veräußerung, sonstigen Übertragung oder Belastung eines (Teil-)Geschäftsanteils zu sehen. Für dessen Fassung ist im Grundsatz die einfache Mehrheit der abgegebenen Stimmen ausreichend3. Das Fehlen oder die Unwirksamkeit eines Gesellschafterbeschlusses zur Anteils- 8 teilung führt – entgegen der früheren Rechtslage – dazu, dass es nicht zu einer Anteilsteilung kommt4. Dies folgt aus dem Bedeutungszuwachs des Gesellschafterbeschlusses, der nunmehr (satzungsdispositive) Wirksamkeitsvoraussetzung im Außenverhältnis ist (Rdnr. 4). Folge einer fehlenden wirksamen Anteilsteilung ist, dass keine entsprechenden Teil-Geschäftsanteile entstanden sind5. Zur Erstreckung der Vorschrift des gutgläubigen Erwerbs (§ 16 Abs. 3) auf bestimmte Fälle fehlgeschlagener Teilungen § 16 Rdnr. 71 f.

4. Inhaltliche Vorgaben Die Teilung ist nur bei Beachtung der gesetzlichen Vorgaben für die Ausgestal- 9 tung eines selbständigen Geschäftsanteils zulässig. So ist insbesondere das Gebot der Mindeststückelung nach § 5 Abs. 2 Satz 1 zu beachten, demzufolge der Nennbetrag jedes Geschäftsanteils auf volle Euro lauten muss. Eine Vorratsteilung eines Geschäftsanteils in mehrere selbständige und mit unterschiedlichen

1 2 3

4 5

in: Liber amicorum M. Winter, S. 403, 411 ff.; differenzierend Roth, in: Roth/Altmeppen, § 46 Rdnr. 16c. Ebenso Förl, RNotZ 2008, 409, 411. Vgl. OLG Oldenburg, GmbHR 2008, 259, 260 (zur alten Rechtslage). So auch Löbbe, in: Ulmer, Erg.-Band MoMiG, Rdnr. 11; Roth, in: Roth/Altmeppen, § 46 Rdnr. 16d; wohl auch Römermann, in: Michalski, § 46 Rdnr. 171; zweifelnd Zöllner, in: Baumbach/Hueck, § 46 Rdnr. 31a a.E. Löbbe, in: Ulmer, Erg.-Band MoMiG, Rdnr. 10; zutr. bereits D. Mayer, DNotZ 2008, 403, 425; Förl, RNotZ 2008, 409, 412. Zutr. D. Mayer, DNotZ 2008, 403, 425; vgl. auch BGH, ZIP 2005, 1824, 1825.

Seibt

1215

§ 17 a.F.

Veräußerung von Teilen des Geschäftsanteils

Nennbetrag bestehende Geschäftsanteile ist nach Aufhebung von § 5 Abs. 2 sowie von § 17 Abs. 6 durch das MoMiG nicht mehr ausgeschlossen.

5. Änderung der Gesellschafterliste 10

Nach zutreffender Auffassung umfasst die Legitimationswirkung der Gesellschafterliste auch den konkreten Umfang der einzelnen Geschäftsanteile1. Daher findet § 40 Abs. 1 Satz 1 Anwendung, demzufolge die Geschäftsführer unverzüglich nach Wirksamwerden jeder Veränderung im Umfang der Beteiligung der Gesellschafter eine geänderte Gesellschafterliste zum Handelsregister einzureichen haben. Da die Änderung der Liste durch die Geschäftsführer auf Mitteilung und Nachweis erfolgt (§ 40 Abs. 1 Satz 2) empfiehlt es sich, trotz deren Formfreiheit (Rdnr. 7), die Gesellschaftererklärung sowie den sich hierauf beziehenden Gesellschafterbeschluss jedenfalls textförmlich (§ 126 BGB) zu fassen2.

6. Statutarische Regelungen 11

Sowohl das Erfordernis einer Gesellschaftererklärung als auch jenes eines der Gesellschaftererklärung zustimmenden Gesellschafterbeschlusses (§ 46 Nr. 4) ist satzungsdispositiv, d.h. im Gesellschaftsvertrag kann die Teilung weiter zu Gunsten des betroffenen Gesellschafters erleichtert, aber umgekehrt auch zu dessen Lasten erschwert werden3.

12

Zu den möglichen statutarischen Regelungen der Teilungserleichterung gehört die Bestimmung, dass für die Teilung eines Geschäftsanteils die Gesellschaftererklärung gegenüber der Gesellschaft, vertreten durch die Geschäftsführer (Fall 1) oder gegenüber sämtlichen Mitgesellschaftern (Fall 2) ausreichend ist. Solche Bestimmungen erweitern nicht nur den Handlungsspielraum der einzelnen Gesellschafter (Minderheitenschutz), sondern minimieren auch die Risiken unwirksamen Anteilsteilungen4. Es ist aber auch eine Satzungsregelung zulässig, derzufolge die Teilung alleine durch Gesellschafterbeschluss zu Stande kommt, und zwar auch ohne oder gar gegen das positive Stimmvotum des betroffenen Gesellschafters. Zulässige Teilungserschwernisse sind z.B. (i) die statutarische Bestimmung eines qualifizierten Mehrheitserfordernisses für den Gesellschafterbeschluss, (ii) die zusätzliche oder substituierende Zuweisung eines Zustimmungserfordernisses zu einem anderen Gesellschaftsorgan (z.B. Aufsichtsrat oder Beirat) oder einer dritten Person, (iii) die Regelung eines MindestNennbetrages für jeden aus der Teilung hervorgehenden (Teil)Geschäftsanteil oder (iv) die Verkoppelung von Teilung mit einer Veräußerung bzw. Vererbung des Geschäftsanteils (entsprechend § 17 Abs. 6 a.F.; vgl. aber auch Rdnr. 14). Im Gesellschaftsvertrag kann auch grundsätzlich das Erfordernis eines zustimmenden Gesellschafterbeschlusses geregelt werden, von den in bestimmten Fällen abzu1 S. § 16 Rdnr. 70 ff. 2 BT-Drucks. 16/6140 (Gesetzentwurf), S. 45; Löbbe, in: Ulmer, Erg.-Band MoMiG, Rdnr. 15 a.E.; Roth, in: Roth/Altmeppen, § 46 Rdnr. 18c. 3 Löbbe, in: Ulmer, Erg.-Band MoMiG, Rdnr. 14; Roth, in: Roth/Altmeppen, § 46 Rdnr. 16d; Zöllner, in: Baumbach/Hueck, § 46 Rdnr. 31a a.E. 4 Ebenso D. Mayer, DNotZ 2008, 403, 425; zum Minderheitenschutz vgl. auch Stellungnahme DAV Handelsrechtsausschuss zum RegE MoMiG, NZG 2007, 735, 741 (Tz. 68).

1216

Seibt

§ 17 a.F.

Veräußerung von Teilen des Geschäftsanteils

sehen ist, z.B. sofern jeder aus der Teilung hervorgehende (Teil-)Geschäftsanteil einen bestimmten Mindest-Nennbetrag hat. Im Zweifel können jedoch nicht die gleichen besonderen Anforderungen, die möglicherweise in einer Vinkulierungsklausel i.S. von § 15 Abs. 5 für Veräußerungen, sonstige Übertragungen, Belastungen und vergleichbare wirtschaftliche Sachverhalte statuiert sind, entsprechend an einen Gesellschafterbeschluss zur Anteilsteilung gestellt werden. Die spätere Einführung, Änderung oder Aufhebung einer statutarischen Teilungsbestimmung (und zwar jeweils im Sinne einer weiteren Erleichterung ebenso wie im Sinne einer weiteren Erschwerung der Teilung) kann im Grundsatz durch Satzungsänderung nach §§ 53, 54 erfolgen. Jedoch setzen nur die Regelungen eines Teilungsverbots und einer Teilungserleichterung zu Lasten des betroffenen Gesellschafters in dem Sinne, dass hierfür ein Gesellschafterbeschluss ohne positives Stimmvotum des betroffenen Gesellschafters ausreicht, bei einer späteren Einführung (Satzungsänderung) die Zustimmung jedes Gesellschafters entsprechend § 53 Abs. 3 voraus1.

13

Soweit Satzungen – wie häufig im Rahmen der Vinkulierungsregelung – noch aus der Zeit vor dem 1.11.2008 die Bestimmung enthalten, dass § 17 [a.F.] unberührt bleibe, führt dies nicht zur statutarischen Aufrechterhaltung der gesetzlich aufgehobenen Norm2.

14

III. Inkrafttreten der Gesetzesaufhebung Die Aufhebung von § 17 trat zum 1.11.2008 in Kraft (Art. 25 MoMiG). Dies 15 führt im Ausgangspunkt zu einer klaren Abgrenzung der auf Anteilsteilungen anwendbaren Regeln: Bei Anteilsteilungen bis zum Ablauf des 31.10.2008 waren die Anforderungen des § 17 a.F. zu beachten (vgl. hierzu Erl. 10. Aufl., § 17), bei hiernach erfolgenden Anteilsteilungen gelten die Satzungsbestimmungen und § 46 Nr. 4. Bei dinglich gestreckten Übertragungen von Geschäftsanteilen über den 1.11.2008 (z.B. Anteilsverkauf