Global Player EU?: Eine ideologiekritische Metaphernanalyse [1. Aufl.] 9783839431153

The EU and its metaphors - metaphors constitute a key reserve of political rhetoric. This book analyzes the metaphorizat

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Global Player EU?: Eine ideologiekritische Metaphernanalyse [1. Aufl.]
 9783839431153

Table of contents :
Inhalt
Einleitung
1. Metaphern und deren Relevanz in der politischen Theorie
1.1 Metaphern im politischen Denken
1.2 Metaphern in der Politikwissenschaft – zum Forschungsstand
1.3 Im Dickicht der Metapherntheorien – theoretische Paradigmen
1.4 Hermeneutische Metapherntheorie
1.5 »Embodied mind« – die kognitivistische Metapherntheorie
1.6 Gesellschaftstheoretische Einbettung der Metapher
1.7 Eckpunkte des Metaphernverständnisses
1.8 Metaphernanalyse und Ideologiekritik
2. Metaphern der EU/Europas im Printmediendiskurs
2.1 Fragen
2.2 Zur Auswahl des untersuchten Diskurses
2.3 Methodologie und Daten
2.3.1 Metaphernanalyse nach Musolff
2.4 Metaphern Europas/der EU im Printmediendiskurs um den EUBeitritt der Türkei
2.5 Resümee
3. Die EU als global player – vertiefende Analyse
3.1 Der global player als Trägerfigur neoliberaler Ideologie
3.2 Der global player als Trägerfigur hegemonialer Männlichkeit
3.3 Der global player im Kontext von Logiken der Inklusion und Exklusion
3.4 Forschungsdesiderat: EUropa-Metaphern in der Wirtschafts- und Finanzkrise
Resümee
Literatur

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Karin Bischof Global Player EU?

Edition Politik | Band 24

Karin Bischof (Dr. phil.) forscht und lehrt an der Universität Wien und am Institut für Konfliktforschung in Wien. Ihre Forschungsschwerpunkte sind Gender Studies, Diskurs und Ideologie, Rassismus/Antisemitismus sowie Politische Theorie.

Karin Bischof

Global Player EU? Eine ideologiekritische Metaphernanalyse

Gefördert von der Hochschüler*innenschaft an der Universität Wien

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Die Verwertung der Texte und Bilder ist ohne Zustimmung des Verlages urheberrechtswidrig und strafbar. Das gilt auch für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und für die Verarbeitung mit elektronischen Systemen. Umschlagkonzept: Kordula Röckenhaus, Bielefeld Satz: Pamela Schartner Korrektorat: Janina Henkes Printed in Germany Print-ISBN 978-3-8376-3115-9 PDF-ISBN 978-3-8394-3115-3 Gedruckt auf alterungsbeständigem Papier mit chlorfrei gebleichtem Zellstoff. Besuchen Sie uns im Internet: http://www.transcript-verlag.de Bitte fordern Sie unser Gesamtverzeichnis und andere Broschüren an unter: [email protected]

Inhalt

Einleitung | 7 1. Metaphern und deren Relevanz in der politischen Theorie 1.1 Metaphern im politischen Denken | 11 1.2 Metaphern in der Politikwissenschaft – zum Forschungsstand | 22 1.3 Im Dickicht der Metapherntheorien – theoretische Paradigmen | 27 1.4 Hermeneutische Metapherntheorie | 31 1.5 »Embodied mind« – die kognitivistische Metapherntheorie | 35 1.6 Gesellschaftstheoretische Einbettung der Metapher | 47 1.7 Eckpunkte des Metaphernverständnisses | 76 1.8 Metaphernanalyse und Ideologiekritik | 77

2. Metaphern der EU/Europas im Printmediendiskurs 2.1 Fragen | 83 2.2 Zur Auswahl des untersuchten Diskurses | 84 2.3 Methodologie und Daten | 87 2.3.1 Metaphernanalyse nach Musolff | 87 2.4 Metaphern Europas/der EU im Printmediendiskurs um den EUBeitritt der Türkei | 96 2.5 Resümee | 151

3. Die EU als global player – vertiefende Analyse 3.1 Der global player als Trägerfigur neoliberaler Ideologie | 158 3.2 Der global player als Trägerfigur hegemonialer Männlichkeit | 183 3.3 Der global player im Kontext von Logiken der Inklusion und Exklusion | 191 3.4 Forschungsdesiderat: EUropa-Metaphern in der Wirtschafts- und Finanzkrise | 199

Resümee | 201 Literatur | 209

Einleitung

Metaphern nehmen im politischen Denken und Diskurs seit jeher einen zentralen Stellenwert ein. Insbesondere Körpermetaphern prägen die Vorstellung von politischen Machtgebilden und politischer Kollektivität. Von der Nation als Marianne oder Germania bis hin zur Britannia als Allegorie des kolonialen Imperiums; von der Polis in Aristoteles’ Version des »Volkskörpers« über Hobbes’ Leviathan und den liberalen »Nachtwächterstaat« bis zu juristischen Terminologien von »Staatsorganen« und »Körperschaften« im liberalen Rechtsstaat; vom Wohlfahrtsstaat als »Vater Staat« bis hin zur neoliberalen Polemik gegen den Wohlfahrtsstaat als bevormundenden »nanny state« und zum »aktivierenden Staat«: All diese Metaphern sind nicht bloß Beispiele gelungener Rhetorik, sie verweisen auch auf Substrukturen deutungsdominanter Vorstellungen von politischen Konstellationen (vgl. u.a. Carver/Pikalo 2008; Ringmar 2008; Koller 2009). Eine eingehende Analyse solcher Metaphern kann Verzerrungen, Ausblendungen und Naturalisierungen in dominanten Wahrnehmungs- und Deutungsmustern offen legen. Zugleich verweisen beispielsweise die Ausblendung unterschiedlicher Interessen in Einheitsmetaphern oder (verborgene) Geschlechtersubtexte auf den legitimatorischen Aspekt politischer Rhetorik und auf einen erkenntnistheoretischen, das Verständnis politischer Realität konstituierenden Aspekt. Darüber hinaus sprechen Metaphern – stärker als andere rhetorische Mittel – eine affektive Schicht an. Die metaphorischen Ausdrücken inhärenten Mechanismen des »highlighting« und »hiding«, der Verzerrung und Naturalisierung machen – so meine Annahme – die Metapher zu einem sehr gut geeigneten Ausgangspunkt für eine ideologiekritische Herangehensweise. Der verwendete Metaphernbegriff ist dabei weit gefasst. Für die Zwecke einer politikwissenschaftlichen Theoretisierung und Analyse scheint es mir ausreichend, die Metapher als etwas zu definieren, durch das »eine Sache oder ein Vorgang in Begriffen einer anderen Sache bzw. eines anderen Vorgangs« versteh- und erfahrbar wird (vgl. Lakoff/Johnson 1998/1980). Eine Ausdifferenzierung in unterschiedliche Tropen brächte in diesem Kontext kaum Gewinn, da sie in Hinblick auf die hier interessierenden zentralen analytischen Dimensionen der Metapher (legitimatorische, erkenntnistheoretische und evokative

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Dimension) nicht bedeutsam sind. Vorhandene theoriegeleitete Analysen von Metaphern befassen sich hauptsächlich mit Metaphern des Staates (vgl. u.a. Kreisky/Löffler/Zelger 2011; Ringmar 2008) oder der Nation (vgl. u.a. Pechriggl 2002). Wie aber bildet sich die transnationale Europäische Union vor dem »Metaphernarchiv« von Staat und Nation ab? Finden sich in EU-Diskursen Metaphern, die grundlegend über Vorstellungen des Nationalen hinausgehen, etwa Netzwerkmetaphern, wie manche vermuten (vgl. Koschorke et al. 2007), oder fließt vielmehr, wie andere mutmaßen, »das Blut der Nation in den Adern der EU« weiter (vgl. Bellier 2001)? Sind in gegenwärtigen Wissensordungen ökonomische bzw. kybernetische Metaphoriken ausschlaggebend, welche die Grundierung für Laissez-faire-Kapitalismus abgeben, wie Koller (2009) und Ringmar (2008) feststellen? Welchen Stellenwert hat vor diesem Hintergrund in den Metaphoriken des Erweiterungsdiskurses die Vorstellung von einem Sozialen Europa bzw. der politischen Vertiefung? Welche Genderkonnotationen sind – gerade im Fall von Organismus- bzw. Körpermetaphern – erkennbar? Welche Inklusions- und Exklusionsmechanismen kommen im Diskurs via Metaphorik zum Ausdruck? Diesen Fragen wird im Rahmen der theoriegeleiteten Analyse eines ausgewählten Printmediendiskurses – dem Mediendiskurs um den EU-Beitritt der Türkei – nachgegangen. Trotz ihrer Schlüsselfunktion im politischen Diskurs und Denken werden Metaphern des Politischen/politischer Konstellationen in der Politikwissenschaft selten als Anknüpfungspunkt und Gegenstand theoriegeleiteter Analysen genutzt (vgl. Carver/Pikalo 2008); dies gilt besonders für die deutschsprachige Politikwissenschaft, in der der linguistic turn mit Verspätung wirksam wurde. Vor allem waren es feministische Politikwissenschafterinnen, die Körpermetaphern des Politischen als Ausdruck gesellschaftlicher Großstrukturen auf der Makroebene thematisierten (vgl. Knapp 2005), dies unter anderem als Schaffung und Befestigung vergeschlechtlichter Sinnstrukturen im öffentlichen (Denk)Raum (vgl. Kreisky 2006; 2003; Kerchner 1999; Sawer 1996). Der erste Teil des Buches widmet sich metapherntheoretischen Grundlagen und einer gesellschaftstheoretischen Perspektive auf die Metapher. Der zweite Teil konzentriert sich auf die empirische Metaphernanalyse. Im dritten Teil werden schließlich Ergebnisse des theoretischen und empirischen Teils anhand der vertiefenden Analyse und Interpretation einer Metapher »getestet« und überprüft. Neben politikwissenschaftlichen Theoretisierungen von Metaphern werden im ersten Teil des Buches auch theoretische Zugänge aus anderen Disziplinen – philosophische, linguistische und literaturwissenschaftliche – herangezogen. Entlang dieser Zugänge werden drei für die politikwissenschaftliche Analyse besonders relevante, ineinandergreifende analytische Dimensionen

Einleitung

der Metapher vertieft: die legitimatorische, die erkenntnistheoretische und die evokative. Die legitimatorische Funktion erschließt sich zum Beispiel in Körpermetaphern des Politischen qua imaginärer Setzung einer »natürlichen« Beziehung der Einzelnen zum Ganzen und der Imagination einer Abhängigkeit des Überlebens aller im Ganzen von der Unterwerfung der Einzelnen, wie etwa am Beispiel von Hobbes’ Leviathan ersichtlich ist (vgl. Kapitel 1.1). Mit Verweis auf die Lebensfähigkeit des Ganzen können Hierarchien gerechtfertigt, der Kampf gegen Ungleichheit delegitimiert und u.a. dichotome Geschlechternormen perpetuiert werden (vgl. Rigotti 1994; Kreisky 2006; 2003; Koschorke/ Lüdemann/Frank/Matala de Mazza 2007; Kerchner 1999, Sawer 1996; Lüdemann 2004). Die Ubiquität der Metapher verdankt sich insbesondere ihrer erkenntnistheoretischen Funktion. Indem durch sprachliche Bilder nicht nur Komplexität reduziert, sondern auch Abstraktes wie der Staat oder die Nation überhaupt erst denkbar gemacht wird, sind Metaphern als »Formen der Imagination, mit deren Hilfe und durch die erst politische Konstellationen vorstellbar und anschaulich werden« (Münkler 1994, 8), zu begreifen. Die erkenntnistheoretische Wirkungsebene erschließt sich eingehend anhand der philosphiegeschichtlichen Genese von Metaphern bei Hans Blumenberg (2001/1957; 2001/1960), die in Grundzügen nachgezeichnet wird. Im Kontext der aktuell über die Linguistik hinaus breit rezipierten kognitivistischen Metapherntheorie von George Lakoff und Mark Johnson (1998/1980; 1999a) wiederum verdeutlicht sich die evokative Funktion der Metapher. In ihrer Theorie vom »embodied mind« konterkarieren Lakoff und Johnson die gängige Vorstellung einer strikten Trennbarkeit von Intellektion und Emotion/Affekt. Die Skepsis gegenüber der Verwendung von Metaphern bzw. gegenüber der Rhetorik allgemein, die in der politischen Philosophie bis zu Platon zurückzuverfolgen ist, ist großteils dem empiristischen Ideal von der vollen Vergegenständlichung der Sprache und der Suspendierung von allem einer strengen (mathematischen) Logik Vorläufigen geschuldet. Aber auch innerhalb kritischmaterialistischer Gesellschaftstheorie findet sich eine Ablehnung von bildhafter Sprache (vgl. Kapitel 1.1; 1.5.1; 1.6.2), wenngleich dabei die Angewiesenheit von Theorie auf Rhetorik festgehalten und die philosophische Verachtung für die Rhetorik kritisiert wird. Dem gegenüber eröffnet die Theorie von Cornelius Castoriadis eine gesellschaftstheoretische Perspektive auf die Metapher (Kapitel 1.6) und die Möglichkeit, die Rolle von Imagination (nicht nur, aber auch im Sinne von bildhaftem Denken) in der Reproduktion materieller gesellschaftlicher Verhältnisse als konstitutiven Bestandteil mitzudenken. Im Anschluss an die theoretischen Überlegungen wird im zweiten Teil der Arbeit der österreichische Printmediendiskurs um den EU-Beitritt der Türkei (profil, Der Standard, Die Presse, Kurier, format, News) in seinen dichtesten Phasen (2004-2006) untersucht, da darin eine symbolische Grenze zwischen

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EUropa und »dem Anderen« gezogen und das europäische Eigene besonders pointiert hervorgehoben wird. Dabei wird davon ausgegangen, dass Printmedien eine geeignete Quelle für die Erfassung dominanter, diskursiver Deutungsmuster darstellen, da sie konkurrierende gesellschaftliche Deutungen widerspiegeln und aufgrund ihrer Reichweite zur allgemeinen Meinungsbildung beitragen. Methodisch kombiniert die empirische Untersuchung qualitative Textanalyse (Mayring 2000; Altheide 1996) mit Tools aus der Metaphernanalyse nach Musolff (2004), die sich an die kognitivistische Linguistik anlehnt sowie Tools aus der Kritischen Diskursanalyse, speziell der Wiener diskurshistorischen Schule nach Wodak (Fairclough/Wodak 1997; Wodak 2001). Mit Hilfe dieser methodischen Herangehensweise wird die Bandbreite der auffindbaren Metaphern entlang der in EU-Diskursen gängigen Quellbereiche (vgl. Musolff 2004) und deren Einbettung in metaphorische Szenarien und argumentative Topoi herausgearbeitet, die den einzelnen Metaphern zugrunde liegenden Konzepte und die historische Genese der jeweiligen Metaphorik werden dargestellt. Auf diese Weise wird den Fragen nach Substrukturen der EUropa-Metaphern, den Differenzen und Gemeinsamkeiten zwischen Metaphern des Transnationalen und des Nationalen in der politischen Rhetorik sowie ihrer Verortung in ökonomischen, politischen und anderen Kontexten nachgegangen. Im dritten Teil schließlich wird das im theoretischen Teil postulierte ideologiekritische Potenzial von Metaphernanalysen exemplarisch getestet. Jene Metapher, die sich in der Analyse an neuralgischen Stellen der Argumentation findet und sich als eine positionsübergreifende und tendenziell weltanschauungsübergreifende Wunschvorstellung von der EU herauskristallisiert, ist die des global player. Am Beispiel dieser Metapher werden Mechanismen der Verzerrung und Naturalisierung illustriert, die im theoretischen Teil ausgeführten analytischen Dimensionen (politischer) Metaphern und deren Gendering nachvollzogen und mittels theoretischer Kontextualisierung eingehend interpretiert. Für die Betreuung der vorliegenden Arbeit, die ich im Fach Politikwissenschaft an der Uni Wien vorgelegt habe, danke ich Eva Kreisky, für die Begutachtung Karin Liebhart. Für inhaltliches Feedback zum Text oder zu Textteilen sowie für inhaltlichen Austausch im Rahmen von themenbezogenen Projektzusammenhängen bedanke ich mich bei Barbara Kraml, Florian Oberhuber, Bernhard Perchinig, Hans Pühretmayer und Karin Stögner. Besonderer Dank geht an meine Freundinnen und Freunde, deren Unterstützung für die Entstehung und Fertigstellung der Arbeit grundlegend war, sowie an meine Familie.

1. Metaphern und deren Relevanz in der politischen Theorie

1.1 M e taphern im politischen D enken Der Begriff der Metapher stammt aus dem Lateinischen (»metà phérein« – anderswo hin tragen) und bezeichnet das Phänomen der kognitiv sprachlichen Übertragung: eine Bedeutung wird von einem Bereich in einen anderen hinüber getragen – im besten metaphorischen Sinn. Die Spannung zwischen einer Wertschätzung der Metapher und einer strikten Ablehnung zeichnet sich bereits in antiken Werken ab, wo in Aristoteles’ System der Rhetorik die Grundlegung für die Metapherntheorie geschaffen wurde. Während für Aristoteles die Fähigkeit, gute Metaphern zu finden, ein »Zeichen von Begabung« und dem Vermögen war Ähnlichkeiten zu erkennen (Aristoteles 1994, 75-77), stand Platon Dichtung und Rhetorik ablehnend gegenüber. Diese seien als Ursache für das Verderben »wahrhaft wissenschaftlicher Anlagen« zu betrachten (Platon o.J., 274). Gleichzeitig prägte Platon jedoch selbst Metaphern, die für das abendländische Denken bis heute zentral sind: die Metapher vom Staatsschiff oder das Höhlengleichnis. Kernkonzepte des politischen Denkens werden als Metaphern tradiert: seien es Vorstellungen der Gesellschaft als wie immer gefasste Ganzheit, als Organismus, Vertragsverhältnis oder als »System«; seien es Vorstellungen vom Staat als Schiff oder Staatskörper mit eigenem Staatsoberhaupt, seinen Organen und Gliedern oder auch Bilder von der Wirtschaft als Blutkreislauf (Jean Jacques Rousseau), Steuern als »Nahrung des Staatskörpers« (Thomas Hobbes), vom Markt als unsichtbarer Hand (Adam Smith), der Nation als zumeist weiblicher Figur in unterschiedlichen nationalen Ausprägungen wie etwa der Marianne oder der Germania usw. Viele dieser Metaphern werden auch aktuell aufgegriffen und nach Maßgabe situativer Erfordernisse modifiziert und an aktuelle Entwicklungen angepasst: So ist im Zuge neoliberaler Einsparungspolitik und Privatisierungspolitik häufig vom »schlanken«, »abgespeckten« oder »aktivierenden Staat« die

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Rede (vgl. Fach 2000; Rose 2000; Sauer 2009; Pühl 2003; Butterwegge 2008), in Berichten über Maßnahmen gegen die Finanzkrise rekurriert man mitunter auf die Vorstellung, man (der Staat) müsse »frisches Geld« als »frisches Blut« in den (aus dem Lot gebrachten) Kreislauf der Finanzwirtschaft pumpen. In neoliberalen Polemiken ist aktuell vom Wohlfahrtsstaat als »nanny-state«1 oder als »fat lady«2 die Rede – Metaphern, die zugleich ein bezeichnendes Licht auf das implizite Gendering solcher Denkfiguren werfen. Auch das hochkomplexe Phänomen der Globalisierung firmiert häufig als Metapher, etwa als »globales Dorf«, das eine romantische Dorfidylle anklingen lässt und dahinter die gewaltsame Seite der Globalisierung zum Verschwinden bringt. Auch die transnationale Europäische Union wird nicht selten als Körpermetapher gedacht. Politische Beobachter und Beobachterinnen diskutieren darüber, wo das Herz der Union liege, ob sie krank, z.B. von Eurosklerose befallen oder gesund und auf den Beinen sei und wo und wie ihre Vitalität zum Tragen komme (vgl. dazu die umfangreiche Untersuchung des deutschen und britischen Printmediendiskurses zum body politic bei Musolff 2004, 83-114). Irène Bellier, die im Rahmen ihrer Feldforschung in der EU-Bürokratie die verwendete Metaphorik der EU reflektiert, spitzt ihre Eindrücke folgendermaßen zu: »The blood flowing in the national veins comes up in the Union’s arteries« (Bellier 2001). In diesen und vielen anderen Zusammenhängen wird immer wieder deutlich, dass hier gesellschaftliche, politische und ökonomische Kernkonzepte als Metaphern gefasst, modifiziert und re-aktualisiert werden, die in der Geschichte des politischen Denkens verwurzelt sind. Gleichzeitig zeichnet sich in einer kursorischen Betrachtung einiger »Klassiker« des politischen Denkens eine tiefe Skepsis gegenüber der Verwendung von Metaphern ab, und zwar vielfach bei jenen, die – wie etwa Platon oder Hobbes – die markantesten Metaphern des Gemeinwesens schufen. In der Dichtung und Philosophie des Mittelalters, des Humanismus und der Renaissance wird »der politische Körper« zum Gemeinplatz (Musolff 2009; Koschorke/Lüdemann/Frank/Matala de Mazza 2007). Ab der Auf klärung jedoch dominiert die Ablehnung dieses rhetorischen Stilmittels in den Wissenschaften. »Mit der Aufklärung wird die Metapher – trotz der auffälligen Lichtmetaphorik dieser Epochenbenennung – als ’uneigentliche Rede’ explizit aus den Wissenschaften 1 | Margret Thatcher verwendete diese Metapher (vgl. http://www.heritage.org/Research/Commentary/2004/05/A-Leader-in-her-Prime, Zugriff am 24.8.2010). 2 | Der unfinanzierbare Wohlfahrtsstaat/die »fat lady« sind hartnäckig und lassen sich nicht vertreiben: »The economic mess is not over. It has barely begun. The fat lady has not left the building. She is resting. She knows, she will be singing soon and long«, heißt es am 31. März 2010 auf Monty Pelerin’s World, http://mises.org/Community/ blogs/montypelerin/archive/2010/03/31/the-fat-lady-is-resting.aspx, Zugriff am 14.7.2010.

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verbannt, insbesondere auch aus der Philosophie« (Bidwell-Steiner 2009, 11). Descartes prägt etwa in Discours de la Méthode das Ideal voller Vergegenständlichung (Blumenberg 1996, 286). Demnach wäre in diesem idealen Endzustand »die philosophische Sprache rein ’begrifflich im strengen Sinne’: alles kann definiert werden, also muss auch alles definiert werden, es gibt nichts logisch ’Vorläufiges’ mehr [...] Alle Formen und Elemente übertragener Redeweisen im weitesten Sinne erweisen sich von hier aus als vorläufig und logisch überholbar« (ebd., Hervorh. im Original).

Einheitsmetaphern Parallel dazu wurde auch der politische Körper, der sich nach Kantorowicz vom paulinischen Korpus Christi zum corpus ecclesiae und von dort zum übernatürlichen Körper des Königs und schließlich zum Staatskörper (corpus morale et politicum) entwickelte (Kantorowicz 1990/1957, 496), als vorübergehendes, der modernen Sprech- und Denkweise vorgängiges und vorläufiges Stadium behauptet (Musolff 2009, 233). Die Rede vom »body politic«, so die damalige Mutmaßung, erübrige sich im modernen Denken gemeinsam mit der alten »Säftelehre« und der Mikro-/Makrokosmologie des Mittelalters – indem diese auf Körperlichkeit basierenden Grundkonzepte als überholt erwiesen seien, werde auch die Rede vom politischen Körper hinfällig (ebd.). Das Gegenteil war jedoch der Fall. Sowohl in frühneuzeitlichen Werken des politischen Denkens (z.B. bei Jean Bodin oder Thomas Hobbes) als auch in vielen Werken des »klassischen Kanons« des politischen Denkens der Aufklärung (z.B. bei Jean Jacques Rousseau, John Locke) bis ins 20. Jahrhundert, wo in der nationalsozialistischen Verwendung der Metapher des »gesunden Volkskörpers« deren destruktives Potenzial auf die Spitze getrieben wurde, und darüber hinaus, blieb die Körpermetapher präsent. Zu bedenken ist in einer historischen Perspektive auf die Körpermetapher jedoch, dass ihr Verwendungskontext stark von den dominanten Körperdiskursen der jeweiligen Epoche(n) bestimmt ist und sich insofern auch ihre Bedeutung erst im gesellschaftlich-geschichtlichen Kontext erschließt. Ein Beispiel dafür ist die Krankheitsmetapher, wie Susan Sontag ausführt (Sontag 2003/1977). Wenngleich in der Staatsphilosophie der Antike und frühen Neuzeit »politische Unordnung« auch mit Krankheit gleichgesetzt wurde, so stand dabei die (medizinische, von der Lehre der vier Körpersäfte ausgehende) Idee der Wiederherstellung des Gleichgewichts im Vordergrund, es wurde keine für den »Gesellschaftskörper« tödliche Krankheit in Betracht gezogen (ebd., 65-6) Ähnlich im Prinzip auch die Vorstellungen von Niccolò Machiavelli und Thomas Hobbes (ebd.). Zwei Jahrhunderte später hatte sich die medizinische Vorstellung vom Körper und auch die Vorstellung von den Gefahren für den vorgestellten »gesellschaftlichen Körper« grundlegend verändert. Die Krankheit kommt gewissermaßen dem Tode gleich (ebd., 69) und damit einhergehend wurden

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»politische Radikalkuren« gefordert. Aktuelle Diskurse um den »schlanken Staat« oder das »Abspecken des Staates« rekurrieren auf Körperbilder, die Gesundheit als individuelle Eigenverantwortlichkeit setzen und bestimmte Körperideale mit Vorstellungen vom Glücklichsein belegen (Kreisky 2009; 2003). Als ein prominentes Beispiel für die Ablehnung von Metaphern in der politischen Theorie ist Thomas Hobbes zu nennen, der als Begründer der modernen Staatsphilosophie gilt (Voigt 2007, 101). Er bezeichnete die Metapher als Ursache von Widersinn bei der Suche nach Wahrheit (Hobbes 1996, 37) – und schuf die Metapher des Leviathan3. Als hybride organische Metapher, die zugleich Maschine, Mensch, Ungeheuer und sterblicher Gott ist und gleichzeitig als Illustration des Gesellschaftsvertrages (wenn auch eines unter Zwang eingegangenen) gedacht ist, stellt der Leviathan in seiner Vieldeutigkeit und Vielschichtigkeit einen »Grenzfall« politischer Metaphorik und zugleich einen zentralen Bezugspunkt des neuzeitlichen politischen Denkens dar. Viele andere prägende Staatsdenker und Vertragstheoretiker der Aufklärung – sowohl solche, die sich bewusst in Opposition zur Hobbesschen Konzeption positioniert haben als auch solche, die sich affirmativ auf ihn bezogen haben – dachten den Staat als eine Körpermetapher oder organische Metapher: Bei Rousseau, der der überaus pessimistischen Vorstellung des Naturzustandes sowie des Menschen schlechthin bei Hobbes eine betont positive Konzeption entgegensetzt und Hobbes explizit vorwirft das Gesellschaftliche und das Natürliche zu verwechseln (Voigt 2007, 176), findet sich eine besonders klare und anschauliche Beschreibung des Staatskörpers. Das Wesen des Gesellschaftsvertrages bestehe darin, dass »wir […] als Körper jedes Glied als untrennbaren Teil des Ganzen auf[nehmen]« (Rousseau 1996, 18). »Der Staat kann, individuell gefasst, als ein organisierter, lebender Körper betrachtet werden, der dem des Menschen ähnelt«, so Rousseau in seinen Politischen Schriften (Rousseau 1989, 339). Weiters erläutert er darin detailreich einzelne Körperteile des Staatskörpers: Der Kopf sei die souveräne Macht, die Gesetze und Gebräuche das Hirn, Gewerbe und Landwirtschaft Mund und Magen, die öffentlichen Finanzen das Blut usw. (ebd.). Marx denkt den Austauschprozess von Waren als »Stoffwechsel« (Marx 1987/1867, 119). John Locke, Vordenker des liberalen Demokratiemodells und ebenfalls scharfer Kritiker von Thomas Hobbes bedient sich ebenfalls der Körpermetapher. Seinem Konstrukt des Gesellschaftsvertrages zufolge geben die Menschen ihre Freiheit, Gleichheit und Unabhängigkeit freiwillig mit dem Ziel 3 | Brigitte Kerchner weist darauf hin, dass der Staat in den Kapiteln, in denen es um die »Ursache des Staates«, seine Entstehung und Definition geht, nicht als Körpermetapher vorgestellt wird, diese tauchen vielmehr erst in jenen Kapiteln auf, die von den Gliederungen des Staates, seiner inneren Struktur und Funktion handeln sowie von den Gefahren, denen er ausgesetzt ist (Kerchner 1999, 65).

1. Metaphern und deren Relevanz in der politischen Theorie

auf, »behaglich, sicher und friedlich miteinander zu leben – in dem sicheren Genuss des Eigentums« (Locke 1999, 73). Sie sind im Gesellschaftsvertrag übereingekommen »eine Gemeinschaft oder Regierung zu bilden, haben [...] sich ihr sogleich einverleibt, und sie bilden einen einzigen politischen Körper« (ebd.). Hegel fasst den Staat weder als Vertrag noch als Machtinstrument, sondern als »Wirklichkeit der sittlichen Idee« – und dabei nicht unbedingt als real existierenden Staat (Voigt 2007, 210-11). Auch darin spielt die Metapher einer »Einheit des ’Volksgeistes’ als lebendige organische Einheit von Einzelund Allgemeinwille eine wichtige Rolle« (ebd.). Nur das Ineinanderfallen von Organismus und (im Hegelschen Sinn »gewachsener«) Verfassung könne die Einheit und Identität der Teile gewährleisten (Koschorke/Lüdemann/Frank/ Matala de Mazza 2007, 357). Auch Kant wendet die Organismus-Metapher auf den Staat an, er betont jedoch stärker die wechselseitige Abhängigkeit der Glieder im Organismus (ebd.). Bei Carl Schmitt, dessen Denken in der Tradition von Hobbes steht, kulminiert die Einheit in der Figur des Herrschers bzw. Führers, der das Volk repräsentiert und in der Homogenität, die bei Schmitt unabdingbar zur Demokratie gehört (Holzleithner 2009). In der Politischen Theologie konstatiert Schmitt die Identität des Staates »als von oben und von alters her bestimmt« (Niethammer 2000, 81), er habe personale Qualität und verberge sich unter vielen Masken – was jedoch nur für Positivisten und Vertragstheoretiker unerklärlich sein könne (ebd.), denn es sei eigentlich leicht zu erkennen, dass die Omnipotenz des modernen Gesetzgebers nicht nur sprachlich aus der Theologie hergeholt sei (Schmitt 2004/1934, 44-5). Mithin verweise auch die liberale Demokratie, auch wenn sie es selbst nicht erkennen könne, auf den Gottesbegriff bzw. auf Gott, denn metaphysische und soziologische Begriffe stimmten letztlich überein (ebd., 50). Damit, so Niethammer, setze Schmitts Formel die Identität von Regierenden und Regierten als anthropologische Konstante einfach voraus (Niethammer 2000, 85), und diese Identität ist gedacht als personale Einheit, welche auf Gott verweist. Schmitt selbst betont das Nicht-Fiktionale seiner Begriffe. So hält er etwa explizit fest, dass die in seiner Definition konstitutiven Kategorien des Politischen von Freund und Feind nicht metaphorisch zu nehmen seien (Schmitt 1932/1963, 28). Die reale Möglichkeit des Kampfes zwischen Freund und Feind müsse immer vorhanden sein, damit von Politik gesprochen werden könne (ebd. 32). Es handle sich hier um »die seinsmäßige Wirklichkeit und die reale Möglichkeit dieser Unterscheidung« (ebd. 28-29), nicht um Fiktion. Francesca Rigotti wendet hier zu Recht ein, dass es sich trotz aller Beteuerungen Schmitts bei dieser Freund-Feind-Unterscheidung dennoch um Metaphern handle (Rigotti 1994, 72). Etwas bloß Mögliches und nicht unbedingt Reales wird als überzeitlich Bestimmendes in den Figuren von Freund und Feind gesetzt. Jedoch: Politik ist – real – nicht Krieg, zwei

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Global Player EU? Eine ideologiekritische Metaphernanalyse

Begriffe aus dem Quellbereich des Militärischen werden in den Bereich des Politischen übertragen und als zentral gesetzt; damit handelt es sich trotz aller gegenteiliger Beteuerungen sehr wohl um Metaphern. Die Wortwahl Schmitts suggeriert, dass »seinsmäßige Wirklichkeit« und »reale Möglichkeit« gleichzusetzen und der Fiktion gegenüberzustellen wären.

Einheit und Differenz Als ein zentraler Aspekt ist den hier kursorisch dargestellten Körpermetaphern des Politischen bzw. des Staates die Konstruktion einer gesellschaftlichen/politischen Einheit gemeinsam, die implizit eine soziale Hierarchie setzt und gesellschaftliche Dominanzstrukturen damit legitimiert und tendenziell naturalisiert. Deutlich sichtbar wird hier die legitimatorische Funktion der Metapher: Dominanz und Ungleichheit werden qua Naturalisierung legitimiert, emanzipatorische Bestrebungen delegitimiert. Die Körpermetapher, die ursprünglich aus dem Bereich des Religiösen kommt, säkularisierte sich mit der Entstehung des souveränen Staates im Lauf der Renaissance. Allmählich wurde die ecclesia, der christliche Gemeinschaftkörper4, zu einem body politic, einem politischen Körper (vgl. u.a. Ringmar 2008, 58). Die Annahme, dass mit der Überholung der Mikro-/Makrokosmologie des Mittelalters als Grundlage der Körpermetaphorik auch diese verblassen würde (Musolff 2009, 233), bewahrheitete sich offenkundig nicht. Mit der Newtonschen Kosmologie und der »Entdeckung« des Prinzips der Selbstregulierung setzten sich allmählich kybernetische Metaphern stärker durch, vor allem in der Ökonomie – beginnend mit der »unsichtbaren Hand« bei Adam Smith, welche ursprünglich auf die »unsichtbare Hand des Jupiter« in der Newtonschen Kosmologie zurück geht (Ringmar 2008, 65). Es habe, so Ringmar, ein Wandel von organischen, hierarchischen Metaphern zu kybernetischen, egalitäreren Metaphern stattgefunden, diese entsprächen dem Llaissez-faire Kapitalismus und dem liberalen politischen Denken (ebd., 66). Darunter fallen solche des sich selbst regulierenden ökonomischen Wettbewerbs, des »Marktplatzes politischer Ideen« und auch des »Wettbewerbs religiöser Ideen«. Letzteres ähnelt Veronika Kollers Annäherung, die eine historische Entwicklung von Religion zu Politik und von dort zur Ökonomie feststellt und das Ökonomische als gegenwärtig ausschlaggebendes Paradigma von Wissensordnungen und Metaphoriken für die westliche Welt 5 sieht (Koller 2009, 4 | Genauer betrachtet hat die Kirche zwei Gemeinschaftskörper: einen transzendentalen, dessen Haupt Jesus darstellt, und einen vorübergehenden, weltlichen, als dessen Haupt der Papst fungiert (Ringmar 2008, 58). 5 | Die kulturspezifische Dimension von Wissensordnungen und Paradigmen, die sich in Metaphoriken niederschlagen, thematisiert Ringmar am Beispiel von China (Ringmar 2008, 61-62).

1. Metaphern und deren Relevanz in der politischen Theorie

130). Dabei handelt es sich nicht um ein Ersetzen bzw. Ablösen durch das jeweils folgende Paradigma, vielmehr gelte es, ein komplexes Ineinanderwirken bzw. auch die Grenzen der kybernetischen Metaphorik zu untersuchen (ebd., 117; Ringmar 2008, 67). Inwiefern kybernetische und ökonomische Metaphorik in gegenwärtigen Diskursen tatsächlich dominiert oder inwiefern nicht doch »ältere« metaphorische Konzepte wie z.B. die Körpermetapher auch aktuell einen wichtigen Stellenwert haben und welche komplexen Beziehungen zwischen ökonomischer, politischer und religiöser Metaphorik auffindbar sind (ebd., 117), sind zentrale Fragen für die empirische Untersuchung im 2. Teil. Neben der Legitimierung von Hierarchien nach innen ist ein weiterer zentraler Aspekt der Körpermetapher bzw. Einheitsmetapher die Abgrenzung gegenüber »dem Anderen«. Metaphern sind »boundary drawing, boundary maintaining, ordering and othering ’mini-narratives’ that contribute to the discursive mechanisms of inclusion and exclusion« (Mottier 2008, 192), sie lassen sich als diskursive Knotenpunkte zwischen innen und außen lesen (Diez 1999, nach Carver/Pikalo 2008, 4). Metaphern haben mithin eine konstitutive Funktion in Bezug auf das Eigene und das Andere.

Einheit und Krise Ein weiterer Aspekt, der sowohl die Ausblendung von Hierarchie und Differenz nach innen als auch die Abgrenzung nach außen beinhaltet, ist der Zusammenhang von Einheit und Krise. Rüdiger Voigt konstatiert Konjunkturen von Staatstheorien in Zeiten der Krise (Voigt 2007, 88) und hebt – neben Machiavelli – insbesondere Hobbes, Bodin und Schmitt hervor – Staatsdenker, die ihre Vorstellungen von Ordnung in Einheitsmetaphern in unterschiedlicher Form geprägt haben. Susanne Lüdemann verfolgt einen ähnlichen Gedanken, wenn sie unter Rückgriff auf Jacques Rancière (1994) die metaphorische Darstellung des Gemeinwesens als Organismus bzw. als Körper in den Zusammenhang von Bedrohung durch innere Spaltung stellt. »Die Paradoxie der konstitutiven Metapher«, so resümiert sie, »besteht darin, dass sie überhaupt erst aufgeboten werden muss, wenn und weil das politische Gemeinwesen, anders als der Organismus, permanent von seiner eigenen Spaltung und Teilung bedroht ist.« (Lüdemann 2004, 84). Verdeckt wird dadurch jedoch – mit Nicole Loraux – in der Sozialphilosophie von der Antike bis zur Gegenwart und besonders im christlichen Denken die »vergemeinschaftende Kraft des Konflikts«6 (Loraux 1994, 34). Mit der Bevorzugung der Einheitsmetaphorik 6 | »Seit den Griechen«, so Nicole Loraux, »stellt sich die Sache also so dar, dass sich sämtliche Bürger aufs dichteste zusammenschließen müssen: die politische Gemeinschaft nämlich ist das Band, das die Einheit der Polis garantiert. Das Band muss sehr engmaschig geknüpft sein [...]« (Loraux 1994, 31) »Festhalten möchte ich jedoch«,

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sind somit auch die produktiven Seiten von Konflikt, Teilung und Differenz ausgeschlossen. Ein kritisches Hinterfragen des Konsens-Imperativs der »heute vorherrschenden Konsensform der Politik« (Mouffe 2007, 91) findet sich auch bei Chantal Mouffe. Eine solche Hinterfragung müsste jedoch nicht notwendigerweise eine affirmative Haltung zum Schmittschen Freund-FeindSchema mit sich bringen. Differenz ist nicht gleich Antagonismus, Konflikt nicht mit der Gegenüberstellung von Freund und Feind in eins zu setzten. Gerade die Schmittsche Essentialisierung führt, ganz im Gegenteil, zu einer Homogenisierung und zu einer Auslöschung von Differenz.

Das Geschlecht des politischen Körpers In der folgenden kursorischen Darstellung von Metaphern aus dem Kanon des politischen Denkens geht es darum, anhand einer Auswahl prägnanter Beispiele zu illustrieren, wie zentrale Konzepte als Metaphern, und zwar sehr häufig als Organismus- oder Körpermetaphern, gedacht wurden, auf welche Weise darin hierarchisierende Vergeschlechtlichung verwoben ist und auch, welche Inklusions- und Exklusionslogiken darin zum Ausdruck kommen. Es geht im Hinblick auf die Fragestellung nicht darum, die gesamte Bandbreite inklusive alternativer Beispiele der Fiktionen des Gemeinwesens aufzufächern, die sich dem Dominanten widersetzen (vgl. Zelger 2009), sondern um das Nachzeichnen des Dominanten. Körpermetaphern verfestigen und schaffen auch vergeschlechtlichte Sinnstrukturen im öffentlichen Raum. Es ist, wie Brigitte Kerchner feststellt, »mit der politischen Körpersymbolik [...] die repräsentative Ebene und subjektive Dimension des Politischen angesprochen« (Kerchner 1999, 62). Gerade in Körpermetaphern werden Geschlechterkonnotationen explizit, die ansonsten tendenziell unter der Oberfläche bleiben. In einigen Arbeiten werden unterschiedliche Mechanismen der Verschleierung gesellschaftlicher Geschlechterhierarchisierung via Körpermetaphern des Gemeinwesens thematisiert und analysiert. Zum einen werde, wie Kerchner und Kreisky betonen, in der Vorstellung eines auf manifester Ebene geschlechtsneutralen bzw. entgeschlechtlichten politischen Körpers die Geschlechterhierarchie der propagierten Staatsordnung zunächst entthematisiert (Kreisky 2003; Kerchner 1999, 66-7). Der Ursprung des Staates ist als geschlechtsloser göttlicher oder künstlicher Schöpfungsakt vorgestellt (etwa bei Hobbes oder Rousseau), die Darstellung und Funktionsweise der Organe wird detailreich beschrieben, jedoch Geschlechtsorgane fehlen bzw. sind tabuisiert. Die Körperbilder eignen sich schreibt sie gegen die Jahrtausende alte Tradition des Einheitsdenkens, »dass gerade das, was trennt, ein seltsam mächtiges Band knüpft« (ebd., 34), »[a]m Anfang steht der Konflikt, mit ihm hebt die Geschichte des Menschen an, er begründet die condition humaine« (ebd., 55, Hervorh. i. Orig.).

1. Metaphern und deren Relevanz in der politischen Theorie

mithin dazu, die männliche Exklusivität zu verschleiern (Kerchner 1999, 66; Kreisky 2003). Ein genauerer Blick verrät aber die implizite Männlichkeit des Staates, denn die detailreich beschriebenen »Organe« der künstlichen Kollektivperson bestehen ausschließlich aus Männern (ebd.). Auch die Visualisierung des Leviathan auf dem Titel der Erstauflage zeigt eine künstliche Kollektivperson, die – am deutlichsten erkennbar durch den Bart – männliche Züge aufweist. Während, wie Koschorke, Lüdemann, Frank und Matala de Mazza resümieren, »Machtgebilde von der griechischen Polis bis hin zum neuzeitlichen Staatskörper zumeist als männlich imaginiert werden« (explizit oder implizit, könnte man hier präzisieren), so »wohnt andererseits den Bildern des Kollektiven oft, und das reicht noch in die Phantasmatik moderner Massenformationen hinein, eine Tendenz zur Weiblichkeit inne« (Koschorke/Lüdemann/Frank/Matala de Mazza 2007, 66). Alice Pechriggl hat sich eingehend mit der Metapher der Nation als weiblicher Figur beschäftigt und deren Funktionalität anhand der Marianne als »Projektionsflächenweiblichkeit« folgendermaßen analysiert: Frauenkörper sind im (explizit oder implizit männlich konnotierten) »Machtgebilde« Fremdkörper, komplementär gesetzt und abgegrenzt, positioniert höchstens jenseits der gesellschaftlichen Machtausübung und Effektivität in der Sphäre des Projektionsflächenimaginären der Weiblichkeit (ebd.), etwa einer allegorischen Weiblichkeit der Nation wie der Marianne, die sich in einer »semiotisch-poetologischen oder rhetorischen Funktion als Sinnbild« erschöpft« (ebd.). Die männliche Instituierungshegemonie hingegen präge jegliche Definitions-, Distinktions- und Segregationspraxis (ebd.), die sich in ganz unterschiedlichen historischen Epochen nachweisen lässt. In der antiken Polis bildete der kriegerische Männercorps mit den Tugenden Ehre und Mut die personelle Grundlage des demos als politischer Körperschaft, die Einheit des Volkskörpers ist hier über die organische Einheit des Einzelkörpers vermittelt (Pechriggl 1997, 168-9). Aus der Sphäre der Polis sind Frauen ad personam ausgeschlossen; im Raum des politischen Imaginären erscheinen sie (beispielsweise) als abstraktikonische, ideelle Gestalt der Athena, besonders in Krisen und Kriegszeiten kontrastiert vom negativen Gegenbild zersetzender weiblicher Monstrosität (ebd., 172). Somit lässt sich die Metaphorisierung der Nation oder anderer Vorstellungen des Kollektiven in weiblichen Figuren auch als ein Hinwegtäuschen über den realen Ausschluss von Frauen aus dem Machtgebilde Staat oder demos analysieren. Auch haben historisch wirkmächtige Gründungsmythen wie derjenige Roms (Horn 2009; Koschorke/Lüdemann/Frank/Matala de Mazza 2007) oder auch der Europamythos (Angelova 1996) einen zumindest teilweise verdeckten und entthematisierten, gewalttätigen Ursprung: die Vergewaltigung von Rhea Silvia, der Mutter von Romulus und Remus oder der Europa. Der Ausschluss von Frauen aus der politischen Ordnung ist mithin nicht gleichzusetzen mit deren Absenz im politischen Imaginären. Vielmehr agiert das männliche Kollektiv im gesellschaftlichen

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Imaginären am weiblichen Körper seinen eigenen Zusammenhalt und seine Vorstellungen von Reinheit und Ganzheit aus (Koschorke et al. 2007, 37), wobei diese Vorstellungen vielfach auf männlicher Gewalt fußen. Weibliche Allegorisierungen des Kollektiven verweisen somit letztlich auf die männliche Ordnung. Männlichkeit bildet den historischen Kern gesellschaftlich-politischer Subjektivität (Pechriggl 2002, 39). Zurück zur Metaphorik des Staates: Die Metaphorisierung der Gemeinschaft als politischer Körper reicht zwar bis Aristoteles und Plato zurück, rekurriert aber später in besonderer Weise auch auf die christliche Tradition (Kerchner 1999, 62). Das Ineinandergreifen von Differenzauslöschung und Hierarchisierung lässt sich gleichermaßen in der Vorstellung der christlichen Gemeinschaft als Einheit wie in der christlichen Vorstellung von der Ehe als Einheit erkennen. Paulus zeichnet in den Korintherbriefen nicht nur die christliche ecclesia als Leib nach, der aus einem Haupt und vielen einzelnen Gliedern besteht (eine Vorstellung, die sich in der Illustration des Leviathan wiederfindet), sondern analog dazu auch die Ehe. In den von Paulus verfassten Korintherbriefen heißt es dazu: »Ihr sollt aber wissen, dass Christus das Haupt des Mannes ist, der Mann das Haupt der Frau und Gott das Haupt Christi« (Korinther 1-11). Die Kulturwissenschaftlerin Christina von Braun arbeitet die Spezifik dieser christlichen Symbolik dahin gehend heraus, dass gleichermaßen und in ursprünglichem Zusammenhang für die christliche Gemeinschaft (ecclesia) und das Geschlechterverhältnis (christliche Ehe) eine Differenz auslöschende Verschmelzung zu einer Einheit stattfindet und eine Hierarchie bewahrt bzw. festgeschrieben wird, die via Verschmelzung zu einer Einheit aus dem Blickfeld verschwindet, gewissermaßen verdeckt wird (Braun 2001, 304). Der Aspekt der Parallelität zwischen Gemeinwesen und Ehe zeigt sich beispielsweise auch in der Konstruktion von Staatszugehörigkeit. Diese wurde bis weit ins 20. Jahrhundert hinein »analog dem Prinzip einer unauflöslichen Ehe konstruiert, Mehrfachstaatsangehörigkeit verfemt wie Polygamie oder die gleichzeitige Zugehörigkeit zu mehreren Religionsgemeinschaften« (vgl. Perchinig 2008). Diese spezifische, scheinbar anachronistische Verknüpfung von Differenzauslöschung und Hierarchisierung erscheint sowohl für die christliche Konzeption der Ehe als auch für die Konstruktion der Staatsangehörigkeit als zentral. Die vorgestellte Parallelität zwischen Gemeinwesen und Ehe als einer »Sonderform« der Gedankenfigur von Einheit – wenngleich nicht primär unter dem Aspekt der Gleichzeitigkeit von Verschmelzung und Hierarchisierung, sondern im Sinne einer expliziten ehelichen Gewalt des Mannes über die Frau – wird besonders deutlich bei Jean Bodin. Claudia Opitz-Belakhal arbeitet in ihrer vielschichtigen Perspektive auf das Werk Bodins, das neben seiner staatstheoretischen Arbeit auch seinen Beitrag zur »Dämonologie« (inklusive Aufrufe zur Verfolgung von Hexen) umfasst (Opitz-Belakhal 2006, 13), insbesondere

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die strategische Seite der vergeschlechtlichten Vorstellung von der staatlichen Ordnung und Souveränität hervor. Geschlechterdifferenz und -hierarchie sind dabei insofern zentral, als diese parallel zur Ehe bzw. zur Haushaltung gedacht ist (ebd., 37-9). Opitz-Belakhal erläutert anhand der Texte Bodins, dass die Herausstellung der Ehe als wahrer, göttlich verfügter Ursprung der menschlichen Gemeinschaft als vielseitige Argumentationsstrategie fungiert: gegen die Idee eines contrat social und damit gegen eine Vorstellung von einer Gesellschaft der Gleichen (ebd., 45); für die Ausblendung von Hierarchien zwischen Männern (die Gewalt in der Hausgemeinschaft betrifft per definitionem als Unterworfene auch Söhne) (ebd., 60), indem das hierarchische Geschlechterverhältnis als das »natürlichere« und »ursprünglichere« Herrschaftsverhältnis behauptet wird (ebd., 52) und Frauen als »innerer Feind« konstruiert werden, der das vorgestellte männliche Kollektiv stärkt (ebd., 60). Als Krisenepoche sei die zweite Hälfte des 16. Jahrhunderts, so Opitz-Belakhal, auch durch eine verunsicherte Geschlechterordnung gekennzeichnet gewesen (ebd., 29), das Schreckbild der aufsässigen und machtgierigen Frauen hatte auch die Funktion, weibliche Machtansprüche zu verunglimpfen und Geschlechterhierarchien zu befestigen7. Alles in allem lässt sich am Beispiel Bodins gut darstellen, wie vergeschlechtlichte Metaphorisierung staatlicher Herrschaft als multifunktionale Argumentationsstrategie dienen kann und auch, welche konkreten Auswirkungen staatstheoretische Imaginationen haben können. Die Literatur ist sich darin einig, so Opitz-Belakhal, dass dies zu Lasten der Frauen ging (ebd., 191), zu einer Vermännlichung der Staatsgewalt beitrug und zum Nutzen der männlichen Hausherrschaft war, wobei nicht klar sei, welche Seite mehr profitierte (ebd.). Gleichzeitig leistet(e) die Konstruktion »vermännlichter Macht [...] im Spiegel einer verweiblichten Unterwerfung« (ebd.) der Abgrenzung und Dichotomisierung der Geschlechter und dem System der Zweigeschlechtlichkeit im Staat (Sauer 2009) Vorschub. Die Legitimierung und Verfestigung von Geschlechterhierarchien im öffentlichen Raum ist als ein Ausdruck der Legitimierung von Dominanz qua (Körper)Metapher zu sehen. Mit vergeschlechtlichten Normen verwoben sind zudem Prozesse des Othering, die ebenfalls in unterschiedlichen Metaphoriken prägnant zum Ausdruck kommen. Dass in der Abgrenzung von »imagined communities« (Anderson 1998/1983) geschlechtsspezifische Marker bzw. bestimmte Vorstellungen vom Geschlechterverhältnis einen ganz zentralen Platz einnehmen, wurde von feministischen/gendersensiblen Forscherinnen und Forschern 7 | Aufgrund der langen Kriegsphasen im 16. Jahrhundert in den religiös motivierten Bürgerkriegen kam es zu einer höheren Mortalität unter männlichen Adeligen, und es fiel vermehrt Besitz in die Hände von Frauen, wie Opitz-Belakhal eine Studie von Michel Nassiet, Parenté, wiedergibt (ebd., 62). Bodin malte vor diesem Hintergrund seiner Leserschaft das Schreckgespenst der weiblichen Thronfolge in schrillen Farben aus.

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vielfach festgestellt und nachgezeichnet. Nira Yuval-Davis hebt etwa in ihrer genderkritischen Beschäftigung mit Nationalismus die zentrale Rolle von Geschlecht in der Konstruktion von Kollektivität hervor: »Gendered bodies and sexuality play pivotal roles as territories, markers and reproducers for narratives of nations and other collectivities [...], gender relations are at the heart of social identities and collectivities as well as in most cultural conflicts and contestations.« (Yuval-Davis 1997, 39) Christina von Braun und Bettina Mathes konstatieren ausgehend von einem kulturwissenschaftlichen, psychoanalytisch orientierten Ansatz, dass »die Geschlechterordnung das Terrain [ist], auf dem das Unbewusste jeder Kultur am deutlichsten agiert« (Braun/Mathes 2007, 11). Aber auch viele andere Forscherinnen und Forscher, die sich aus genderkritischer Perspektive mit den Themenbereichen Nationalismus, Rassismus, Antisemitismus, Migration beschäftigt haben, verdeutlichen diesen Zusammenhang (vgl. Braun/Mathes 2007; Loster-Schneider 2003; HuthHildebrandt 2002; Braun 2001; Yuval-Davis 1997; Stögner 2008; Rommelspacher 1995; Guillaumin 1995; Gilman 1994; Schiebinger 1995).

1.2 M e taphern in der P olitik wissenschaf t – zum F orschungsstand Trotz deren Schlüsselfunktion werden Metaphern des Polititischen bzw. politischer und sozialer Ordnungen in der Politikwissenschaft eher selten als Anknüpfungspunkt und Gegenstand theoriegeleiteter Analysen genutzt (Carver/Pikalo 2008, 1). Metaphern im politischen Diskurs sind zwar vermehrt Gegenstand unterschiedlicher Studien, die wenigsten sind jedoch von Politikwissenschafterinnen und Politikwissenschaftern durchgeführt (vgl. dazu den ausführlichen Überblick bei Charteris-Black 2005, 15-17). Allerdings gilt dies nicht gleichermaßen für alle Gebiete der Politikwissenschaft. In den Internationalen Beziehungen etwa haben Metaphernanalysen seit den 1990er Jahren eine gewisse Tradition (Drulak 2008, 105), in den letzten Jahren v.a. im Feld Globalisierung (vgl. Kornprobst et al. 2008). Auffällig ist dabei, dass kaum Studien bzw. Literatur dazu aus dem deutschsprachigen Raum zu finden sind. Dies deutet auf die Tatsache hin, dass die Wirkungen von »linguistic turn« und »cultural turn« vor allem in der deutschsprachigen Politikwissenschaft eher zögerlich aufgenommen wurden (Schwelling 2004, 11). Auch die lange währende Perpetuierung des Dualismus von Vernunft und Gefühl in der Politikwissenschaft (Bargetz/Sauer 2010, 142) lässt sich als ein wesentlicher Kontext dafür identifizieren, dass Metaphern als politische Phänomene, die eben diesen Dualismus in Frage stellen, in der politikwissenschaftlichen Analyse keine populären Anknüpfungspunkte waren bzw. sind. Eine umfassende theoretische Annäherung an Metaphern in der politischen Theorie und

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Ideengeschichte8 stammt von Francesca Rigotti (1994). Neben einer Typologie politischer Metaphern in der Neuzeit (Rigotti 1994, 21) kennzeichnet sie unterschiedliche Funktionsweisen der politischen Metapher und fundiert ihren Begriff auch metapherntheoretisch. Sie betont den »osmotischen Zusammenhang zwischen politischer und kriegerisch-militärischer Lexik. In den drei Feldern Politik, Medizin und Forensik, die von Antagonismen geprägt sind, bildet die militärische Lexik den »inneren Kern«, den äußeren Kreis stellen die Bereiche »Sport und Spiel« dar (ebd., 52f.). Rigotti weist darüber hinaus auch auf den historischen Aspekt von Metaphern hin, indem der enge Zusammenhang zwischen diesen drei Feldern herausgestellt wird (wobei jedes für das andere sowohl Quell- als auch Zielbereich sein kann). Paradigmenwechsel und Erkenntnisfortschritte in den jeweiligen Quellbereichen der Metapher – etwa in der Medizin oder in der Technik – und damit veränderte Wahrnehmungsweisen des Körpers/der Welt sedimentieren sich auch in neuen bzw. modifizierten Metaphern. Rigotti differenziert in den jeweiligen Kontexten auch die unterschiedlichen Funktionen der Metaphern, beispielsweise eine evokative Funktion, eine konstitutive Funktion und eine ornamentale Funktion (Rigotti 1994, 19-21). Herfried Münkler interessiert sich in erster Linie für die erkenntnistheoretische Funktion der Metapher, die bei Rigotti einen Aspekt der konstitutiven Funktion darstellt. Auch wenn Rhetorik, Suggestion und Überredung wichtige Komponenten von Metaphern darstellten, so Münkler, hieße sie darauf zu reduzieren aber, ihre Bedeutung in der Geschichte des politischen Denkens nicht erfassen zu können (Münkler 1994, 8). Sie seien vielmehr zu begreifen als »Formen der Imagination, mit deren Hilfe und durch die erst politische Konstellationen vorstellbar und anschaulich werden« (ebd., 8). Seine Ausführungen zu politischen Metaphern sind vor allem exemplarischer Natur und werden in einer Sammlung von Essays in thematischen Bündeln zusammengefasst und illustriert: Feindbilder, Brüderlichkeit in Bildern, Bilder vom inneren Frieden, zum Beispiel im Leviathan etc. Einen (expliziten) Zusammenhang zwischen den unübersehbar vergeschlechtlichten Metaphern etwa der Brüderlichkeit oder der Politik als Krieg oder Kampf und der tief verwurzelten Genderdimension des Politischen stellen indes weder Rigotti noch Münkler her. Auch in den (wenigen) Arbeiten der 1960er bis 1980er Jahre ist dies nicht der Fall; es handelt sich dabei vorwiegend um umfangreiche Material- und Quellensammlungen9 und nicht um

8 | Für die 1960er und 1970er Jahre des 20. Jahrhunderts vgl. u.a. Landau 1964; Brown 1976; Miller 1979; Shapiro 1985, Ortony 1993. 9 | Lüdemann nennt hier u.a. die Sammlungen von Dietmar Peil (1983), die eine Fülle von Staats- und Herrschaftsmetaphern in literarischen Texten von der Antike bis zu Ge-

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systematische Bearbeitungen oder Analysen, wie auch Lüdemann konstatiert (Lüdemann 2004, 25). Metaphern des Staates werden ferner in staatstheoretischen Auseinandersetzungen behandelt: zum einen in zahlreichen Betrachtungen der Metapher des »politischen Körpers« im Rahmen der äußerst umfangreichen Hobbes-Rezeption, in der Auseinandersetzung mit einer der prägendsten Metaphern der politischen Ideengeschichte, dem Leviathan, etwa bei Wolfgang Kersting (u.a. 2002) oder Horst Bredekamp (1999) sowie in der Kritik am zugrunde liegenden, androzentrischen Menschenbild der »Klassiker des Staatsdenkens« bei Sheyla Benhabib und Linda Nicholson (Benhabib/Nicholson 1987 oder auch: Holland-Cunz 1996; Wilde 1995; Hansen 1994, wobei hier eher die Metaphern des Naturzustandes im Mittelpunkt der Betrachtungen stehen als Metaphern des Staates/des Gemeinwesens). Eine sehr ausführliche Genealogie des politischen Körpers bzw. des »Organismus Staat«, die detail- und zitatenreich von der vorplatonischen Zeit bis zum Organisationsbegriff im 20. Jahrhundert reicht, zeichnen der Staatsrechtler und Rechtsphilosoph Ernst Wolfgang Böckenförde und der Historiker Gerhard Dohrn van Rossum in einem Lexikonartikel (1978) nach. Dem Text ist an einigen Stellen recht deutlich der affirmative Bezug zum staatstheoretischen Organismus-Begriff anzumerken. Es handelt sich weniger um eine Reflexion dieser speziellen Metaphorik in der politischen und juristischen Sprache10, noch weniger um eine Reflexion von Metaphern für politisches Denken und politische Sprache schlechthin, dafür jedoch um eine sehr detailreiche und genaue Darstellung der Geschichte der Organismusmetapher. Rüdiger Voigt (2009) geht im Rahmen eines historischen Abrisses von Klassikern des Staatsdenkens von der Neuzeit bis zur Gegenwart unter anderem den »Denkbildern« nach, die mit den jeweiligen Staatsverständnissen verbunden sind und nennt dabei auch funktionelle Komponenten: die Notwendigkeit der symbolischen Darstellung um die Stabilität des Staates und seiner institutionalisierten Ordnung zu garantieren (ebd., 36), die im Wohlfahrtsstaat notwendige Solidarität herzustellen (ebd., 104), Legitimität zu generieren, die »Anschlussfähigkeit« für »den Wahlbürger« durch Komplexitätsreduktion zu ermöglichen (ebd., 57), aber auch die Einsetzbarkeit von Bildern und Symbolen genwart aufspürt oder Alexander Demandts (1978) handbuchartiges Werk über Sprachbilder und Gleichnisse im historisch-politischen Denken. 10 | Insbesondere der Darstellung bei Böckenförde, nach Voigt ein »Schmitt-Schüler«, ist ein Bedauern darüber zu entnehmen, dass seit den 1960er Jahren des 18. Jahrhunderts »der Organismusbegriff seine Funktion als Leitbegriff der staatstheoretischen und verfassungspolitischen Diskussion« (Böckenförde/Dohrn van Rossum 1978, 614) zugunsten des staatsrechlichen Positivismus mit seinem von Paul Laband geprägten Begriff der »juristischen Person« eingebüßt hat (ebd., 616).

1. Metaphern und deren Relevanz in der politischen Theorie

in der Verfolgung politischer Strategien (vgl. dazu auch Voigt 1989). Die Relevanz der »subjektiven Dimension der Politik« für die politikwissenschaftliche Perspektive11 wird im Rahmen eines Sammelbandes (Voigt 1989) thematisiert. Mythen, Symbole, Metaphern, Rituale und deren Funktionalität für Identitätsstiftung, strategische Verwendung und massenmediale Wirkungszusammenhänge werden diskutiert und Denkbilder des Staates, wie sie von Parteien verwendet werden, in vergleichender Perspektive dargestellt (Opp de Hipt 1989). Eine Auseinandersetzung mit der symbolischen Dimension von Institutionen und Macht unter dem Aspekt der Repräsentation stellt der aus einem Forschungsprojekt entstandene Sammelband von Gerhard Göhler, Rudolf Speth u. a. dar, der sich nicht mit zentralen »Bildern« und Metaphern, sondern eher mit Repräsentation als Symbolbeziehung auseinandersetzt (Göhler 1997). Explizit mit Metaphern und ihrem Verhältnis zum Bild beschäftigt sich Reinhard Wesel (2006). Aktuell und zentral angesprochen sind Metaphern als Analyseinstrument innerhalb der Internationalen Beziehungen im konstruktivistischen Zugang, teils mit theoretischen Bezügen. Im Fokus stehen dabei Metaphern der Internationalen Politik allgemein (vgl. Beer/De Landtsheer 2004; Nexon/Neumann 2006) oder der Diskurs um bestimmte Konflikte, etwa der Kalte-Krieg-Diskurs bei Akrivoulis (2008) oder Hegemoniediskurse (Weber 1999). Im EUKontext bzw. Europa-Kontext sind es u.a. Arbeiten von Drulak (2004), Hülsse (2003); Schieder (2010), Diez (1999), Walter/Helmig (2008), Dzihic//Nadjivan/ Paic/Stachowitsch (2006). Metaphern in der politischen Kommunikation, insbesondere vor Wahlen, sind u.a. bei Beer und De Landtsheer Untersuchungsgegenstand, dazu auch das methodische Tool des Metaphor Power Index (De Landtsheer 2009). Mit Metaphern in der Policy-Analyse beschäftigt sich u.a. Yanov (2008). Theoretisierungen von Metaphern bzw. zentrale Bezüge zur Metapher finden sich zudem im Kontext von Globalisierungsdiskurs und Neoliberalismuskritik (vgl. Kornprobst/Pouliot/Shah/Zaiotti 2009, Kreisky 2003; Fach 2000), wobei letztere besonders die Parallelität von individuellem und kollektivem (Körper) Ideal hervorheben. Neoliberale Körperideale, charakterisiert durch die Imperative von Fitness, Eigenverantwortlichkeit und Schönheit, bilden sich auf den Staat ab. Die seit Mitte der 1970er Jahre ausgerufene »Insuffizienz« des Staates und die seit Beginn der 1980er Jahre proklamierte Notwendigkeit seiner radikalen Verschlankung (vgl. Kreisky 2003) kann so 11 | Voigt vermutet in diesem Zusammenhang, dass die Vorarbeiten zur »subjektiven Dimension von Politik« aus den USA, bzw. die Arbeiten des amerikanischen Politikwissenschafters Murray Edelman zu Ritualen und Inszenierungen in der Politik in der deutschen Politikwissenschaft deshalb erst mit großer Verzögerung aufgenommen wurden, weil die nationalsozialistischen Massenrituale noch zu bedrückend vor Augen gestanden hätten (Voigt 1989, 18).

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qua Metaphorik mit zunehmend auf individueller Ebene internalisierten körperästhetischen Idealen und Gesundheitsmaximen scheinbar unwiderlegbar und allgemeingültig legitimiert werden. In einer sich wandelnden »Staatskörperkultur« (vgl. Fach 2000), zum Ausdruck kommend etwa in der Metapher des »schlanken Staates« oder der »Verschlankung des Staates«, fließen sich wandelnde alltagsweltliche Auffassungen vom idealen Körper, sich durchsetzende Überzeugungen von Gesundheitsnormen sowie neo-konservative und neoliberale Zielsetzungen ineinander. Der mit dem »Sieg des Individuums« vielfach vorhergesagte Tod sozialer und politischer Kollektive findet in dieser Form somit nicht statt (Kreisky 2006, 228). Als ein weiteres Beispiel dafür lässt sich die Metapher der »Ich-AG«, Kernstück des deutschen Hartz-Plans, anführen. Hier wird der/die Einzelne letztlich als Körperschaft doch wieder kollektiviert (ebd.), wenngleich als Menge einzelner/vereinzelter Körperschaften, die gleichzeitig mit Konnotationen »neuer« hegemonialer Männlichkeit versehen sind (ebd., 229). Eine Sammlung theoretischer und methodologischer Auseinandersetzungen mit Metaphern der Politikwissenschaft stellt der Band von Terrell Carver und Jernej Pikalo dar (2008). Darin wird explizit der Anspruch formuliert, nicht nur politische Metaphern sondern Metaphernverständnisse zu thematisieren, um – in einem interdisziplinären Rahmen – deren Relevanz, Nutzbarkeit und Notwendigkeit für die Politikwissenschaft auszuloten (ebd., 1) und anhand unterschiedlicher Forschungsfelder (inklusive der Genderdimension) zu illustrieren. Abgesehen von den hier nachgezeichneten einzelnen Forschungsfeldern, bestimmten Zugängen und Ausnahmen hält sich jedoch in der Politikwissenschaft – v.a. in der deutschsprachigen – in weiten Teilen das »rationale Paradigma«, das politische Entscheidungs- und Wahlprozesse auf rationale Entscheidungen zurückführt (Bernhardt et al. 2009, 17). Weder der sogenannte »linguistic turn«, der in den 1960er und 1970er Jahren die Übernahme sprachwissenschaftlicher Methoden in den Sozial- und Kulturwissenschaften markierte, noch der »cultural turn« in den 1980er Jahren, der kulturelle Phänomene als lesbare Texte in den Mittelpunkt rückte, noch ein dem gegenübergestellter »iconic turn«, der das Visuelle fokussiert, konnten in der Politikwissenschaft wirklich Wurzeln schlagen, so das Resümee von Bernhard, HadjAbdou, Liebhart und Pribersky (ebd., 18). In den letzten Jahren ist der Aspekt des Visuellen, die Beschäftigung mit Bildern in der politischen Kommunikation stärker ins Blickfeld gerückt (vgl. dazu für den EU-Kontext u.a. Bernhardt/ Hadj-Abdou/Liebhart/Pribersky 2009; Bellier 2007). Der Gedanke des »iconic turn« weist dabei auf die Notwendigkeit hin, in kulturwissenschaftlichen Zugängen stärker auf bildliche Darstellungsformen zu verweisen, und damit auch auf den Wandel der politischen Kultur angemessen zu reagieren (Liebhart 2009, 80), der als Wechsel von einer »logozentrischen« zu einer »iko-

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nozentrischen« politischen Kultur umrissen werden kann (Hofmann, zit.n. Liebhart 2009, 80). Metaphern als Schnittstelle zwischen Sprache und Bild stehen hier nicht im Fokus. Eine geschlechter- und ideologiekritische Auseinandersetzung mit Metaphern EUropas im medialen Diskurs ist also in einem bislang kaum frequentierten Forschungsfeld angesiedelt. Intensiver scheint in der Gesamtbetrachtung die Beschäftigung mit der Metaphorik des Politischen und des Gesellschaftlichen, mit dem »politischen Körper« ebenso wie mit den Metaphern des Gesellschaftsvertrags in anderen Disziplinen zu sein, besonders in der Literaturwissenschaft und der Soziolinguistik. Zu nennen sind hier zunächst die interdisziplinären Arbeiten von Albrecht Koschorke, Susanne Lüdemann, Matala de Mazza und Thomas Frank (2007), Uwe Hebekus/Ethel Matala de Mazza/Albrecht Koschorke (2003), Susanne Lüdemann (2004), Marlen Bidwell-Steiner (2009). In der (Sozio)Linguistik sind v.a. zu nennen Andreas Musolff (2004; 2009) Ruth Wodak (2007; 2005; 2001b), Norman Fairclough (2006), Johnathan Charteris-Black (2005) und in der Wissenssoziologie werden Metaphern der Gesellschaft als Ausdruck von Wissensdynamiken analysiert (vgl. Maasen/Weingart 2000; Maasen/Mendelsohn/Weingart 1995). Historische Perspektiven finden sich z.B. bei Wolfgang Schmale (2005; 2000), Philipp Sarasin (2001), Karin Harasser (2009), Joseph Vogl (1994) und Alice Pechriggl (2002, 1997). Zudem bieten Ansätze aus den Gender Studies vielfältige Anknüpfungspunkte für die Auseinandersetzung mit Körpermetaphern. Einige Beispiele sind Judith Butlers Ansatz der Performanz (1991; 1993), Barbara Dudens Ansatz zum »verkörperten Wissen«, der Doing-Gender Ansatz von Candace West unter Rückgriff auf Erving Goffman (2001), das auf Bourdieu basierende Habitus-Konzept (Bourdieu 2007/1979) sowie auf Michel Foucaults Theorie des diskursiven Machtdispositivs beruhende Konzepte und Alice Pechriggls philosophische Auseinandersetzung mit dem politischen Imaginären, die auf Cornelius Castoriadis rekurriert.

1.3 I m D ickicht der M e tapherntheorien – theore tische Par adigmen Wenngleich es eine einheitliche Metaphernforschung freilich nicht gibt und »eine Theorie der Metapher« lediglich als Sammelname unterschiedlicher, konkurrierender Ansätze firmiert, die sich in je eigener Weise zu zentralen Paradigmen positionieren (Haverkamp 1983, 2), so lässt sich doch feststellen, dass in der Metapherntheorie und -forschung im Lauf des 20. Jahrhunderts die Beziehung zwischen Denken, Emotion und Sprache zentral geworden ist (Kohl 2007, V). Etwa ab Mitte der 1970er Jahre rückte die Metapher definitiv aus dem Status eines literarischen Ornaments (Rigotti 1994, 26) und gegenwärtig

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ist über die Disziplinen hinweg ein Metaphernverständnis Konsens, das die Metapher nicht auf ihre rhetorische Funktion reduziert. Es hat im 20. Jahrhundert ein terminologischer Wechsel vom »Bild« zur »Metapher« stattgefunden (Haverkamp 1983, 1; Kohl 2007, 12), wobei der Aspekt des sprachlichen Transports in den Vordergrund gerückt ist (Haverkamp 1983, 2). Das Bild, das noch Mitte des 20. Jahrhunderts im Zentrum vieler metapherntheoretischer Abhandlungen gestanden ist, geriet in den letzten Jahrzehnten als zu weit, vage und unscharf in Misskredit (Kohl 2007, 12). Nichtsdestotrotz zählt die »Bildhaftigkeit« zum Kernbestand der Metapher, wenngleich die gesamte sinnliche Spannweite des Metaphernbegriffs im Deutschen nicht abgedeckt wird, im Englischen hingegen schon: image umfasst hier sowohl visuelle als auch auditorische, olfaktorische, taktile, geschmackliche und kinästhetische Wahrnehmungen (J.A. Cuddon, zit.n.: Kohl 2007, 12). In Abwandlung müsste man daher im Deutschen nicht nur von einem visuellen »Denkbild«, sondern auch von einem »Fühl-«, »Hör-« »Riech-« und »Spürbild« sprechen. Mittlerweile gibt es eine Fülle an metapherntheoretischen Studien und Überblickswerken12 – gerade seit den 1980er Jahren wächst die Menge an Literatur zu Metaphern(theorien) (Kohl 2007, 115). So unternimmt Eckhard Rolf beispielsweise den Versuch, sämtliche Metapherntheorien in vollem Umfang zu erfassen und stellt in seiner Unterscheidung nach linguistischen Kriterien insgesamt 25 [sic!] verschiedene Metapherntheorien deskriptiv dar. Ein solcher deskriptiver Überblick über die unterschiedlichen Metapherntheorien verwirrt insbesondere deshalb, weil aufgrund der jeweils unterschiedlichen disziplinär verankerten Unterscheidungskriterien sich die Bruchlinien für die Kategorisierung teils mehrfach überschneiden. So liegen beispielsweise die Abgrenzungen von Metapherntheorien oft zur sprachtheoretischen Position quer, je nach Zugehörigkeit zum linguistischen bzw. literaturwissenschaftlichen Fachbereich. Philosophische und literaturwissenschaftliche Einteilungen differieren ebenso. Die Unterscheidungslinien vervielfältigen sich noch dadurch, dass sich hinter einzelnen Positionen – explizit oder implizit – spezifische theoretische Vorannahmen verbergen. Im Folgenden geht es nicht um einen vollständigen Überblick über unterschiedliche Metapherntheorien, sondern lediglich um eine grundsätzliche Verortung wesentlicher metapherntheoretischer Ausgangspunkte als Fundierung für meine Fragestellung und das zugrunde liegende Metaphernverständnis. Dies sind zum einen unterschiedliche Konzepte der Beziehung zwischen 12 | Ein Großteil dieser Arbeiten fokussiert auf die Antike und/oder das 20. Jahrhundert, die Zeit dazwischen wird nur in Einzelfällen mit einbezogen, wie Kohl feststellt. Theorie und Reflexion über Metapher bei Nietzsche, Leibnitz, Rousseau und Kant werden nur vereinzelt behandelt (Kohl 2007, 115).

1. Metaphern und deren Relevanz in der politischen Theorie

Quell- und Zielbereich, zum anderen sprachphilosophische Paradigmen der Metapherntheorie. In sprachwissenschaftlichen Metapherntheorien geht es vor allem um die Beziehung zwischen Quell- und Zielbereich der Metapher. Während Substitutionstheoretiker die Funktionalität der metaphorischen Analogiebeziehung herausstellen, also die bloße Übertragung eines Sachverhaltes von einem (gewohnten) Zusammenhang in einen anderen (weniger gewohnten) Zusammenhang (Max Bense, zit.n. Bidwell-Steiner 2007), betonen Interaktionstheoretiker wie z.B. Max Black (1962) den Aspekt der Transaktion zwischen Kontexten, gewissermaßen den Austausch in zwei Richtungen. Black stellt die Theorie der Wechselwirkung der Subsitutionstheorie gegenüber (Ricoeur 1986/1975) und stellt somit deren Sichtweise in Frage. In der Perspektive der Interaktionstheorie bleibt die Metapher nicht einfach ein ersetzbares Ausdrucksmittel, sondern es findet in metaphorischen Prozessen ein Austausch zwischen Quell- und Zielbereich statt, es wird ein Bezugsrahmen zwischen semantischen Feldern mittels eines »system of associated commonplaces« (Black 1962, 41) behauptet. Eine weitere Möglichkeit, das Verhältnis zwischen Quell- und Zielbereich zu konzeptualisieren, ist der Begriff der Projektion bzw. des Mapping, den die weiter unten ausführlicher dargestellte kognitivistische Metapherntheorie von George Lakoff und Mark Johnson ausgearbeitet hat. Dabei werden Elemente aus einem konzeptionellen Bereich verwendet, um einem anderen (oder Teilen davon) Struktur zu verleihen – das eine wird sozusagen auf das andere abgebildet. Der Prozess des Denkens und des metaphorischen Ausdrucks sind eng verknüpft. Katrin Kohl illustriert diese drei Typen mit dem Beispiel der Goetheschen Metapher »Morgenwind umflügelt Die [...] Bucht« (Kohl 2007, 41). In der Perspektive der Substitutionstheorie ist »umflügelt« das »uneigentliche Wort«, das das »eigentliche« ersetzt. In der Sicht der Interaktionstheorie existiert eine Interaktion zwischen »Wind« und »Vogel«. Es entsteht durch diese Metapher die Vorstellung von einem belebten, vogelähnlichen Wind, und gleichzeitig die sekundäre Assoziation von mit dem Wind fliegenden Vögeln. In der Logik des Mapping werden ebenfalls die konzeptuellen Bereiche »Wind« und »Vogel« zueinander in Beziehung gesetzt, jedoch selektiv, in Ausschnitten. Nicht der ganze Vogel, sondern die durch seine Flügel erzeugte Bewegung wird auf den Wind abgebildet, und damit wird der Vorstellung vom Wind Struktur verliehen. In sprachphilosophischen Unterscheidungen von Metapherntheorien geht es hingegen nicht in erster Linie um die Art des Verhältnisses zwischen Quellund Zielbereich. Im Vordergrund stehen hier vielmehr der ontologische Status und die methodischen Unterschiede, die auf die Differenzen der theoretischen Paradigmen zurückgehen (Haverkamp 1983, 2). Anselm Haverkamp unterscheidet in seinem Überblick zwischen folgenden drei grundlegenden, inkom-

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mensurablen theoretischen Paradigmen: dem sprachanalytischen Paradigma, das in der objektivistischen Tradition verhaftet ist, dem strukturalistischen Paradigma und dem hermeneutischen Paradigma (ebd., 3). Während im sprachanalytischen Paradigma, vertreten etwa durch Ted Cohen oder J. L. Austin, das Verständnis der Metapher von der »uneigentlichen Intention« oder vom »uneigentlichen Sprechen« abhängig bleibe (ebd., 12), also die zentrale Vorstellung von Eigentlichkeit und Uneigentlichkeit ein objektiv feststellbares, ontologisch Gegebenes voraussetzt, geht es im strukturalistischen Paradigma um Konfiguration und Verdichtung der Sprache. Etwa in der Version von Jacques Lacan entspricht dabei die Struktur der Sprache der Struktur des Bewusstseins bzw. der Dynamik des Unbewussten (ebd., 17). Statt einer »objektiven Wirklichkeit« werden hier Psyche und Bewusstsein zum zentralen Referenzpunkt, und dem Aspekt der Kombination und Re-Kombination von Signifikanten kommt eine wesentliche Bedeutung zu. Im hermeneutischen Paradigma, für das etwa Hans Blumenberg steht, wird die Metapher selbst »zum Paradigma, das einer Phänomenologie der Geschichte den methodischen Zugang zur ’Metakinetik’ geschichtlicher Sinnhorizonte und Sichtweisen« (Blumenberg 1983, 290) eröffnet. »Metapher als Paradigma« bedeutet hier, dass die Hinfälligkeit des postulierten linearen philosophischen Fortschritts vom Mythos zum Logos in der Metapher symptomatisch wird. »Paradigmen«, wie Susanne Lüdemann es zusammenfasst, geben »eine präskriptive Regel an die Hand [...], über die Gesellschaft und ihre Kausalität zu reflektieren« (Lüdemann 2004, 26). Im Folgenden wird zunächst die dem hermeneutischen Paradigma zugehörende Metapherntheorie Blumenbergs etwas ausführlicher vorgestellt (Kapitel 1.4), die – wie auch das strukturalistische Paradigma – die erkenntnistheoretische/konstitutive Funktion der Metapher analytisch beschreibt, darüber hinaus jedoch dem historischen Wandel zugrundeliegender Substrukturen des Denkens wesentliche Beachtung schenkt. Gerade die geschichtliche Dimension, mithin die Genese von Metaphern, ist für eine sozialwissenschaftliche empirische Metaphernanalyse von Bedeutung. Im Anschluss widmet sich Kapitel 1.5 der kognitivistischen Metapherntheorie, welche die körperbezogene und emotionale Dimension der Metapher, also deren evokative Funktion, überzeugend darstellt und empirisch operationalisierbar macht. Die Provenienz der kognitivistischen Metapherntheorie aus dem analytischen Paradigma ist zwar, wie sich in der Selbstverortung deren Vertreter zeigt (Kapitel 1.5.1), explizit relativiert, jedoch noch erkennbar. Somit werden zwei Metapherntheorien zentral aufgegriffen, die in unterschiedlichen, sich grundsätzlich widersprechenden theoretischen Grundannahmen fußen. Ausgehend von den Prämissen eines »reflektierten Eklektizismus« (Bourdieu 2000, 120), der theoretische (In)Kohärenz aufspürt und berücksichtigt, sind diese beiden für die vorliegende Fragestellung produktiven Ansätze dennoch gut kombinierbar.

1. Metaphern und deren Relevanz in der politischen Theorie

1.4 H ermeneutische M e tapherntheorie Blumenberg betont die konstitutive Bedeutung der Metapher in der philosophischen Sprache. Seine Überlegungen zielen darauf ab, die Substruktur des Denkens herauszuarbeiten, und er betont dabei insbesondere die geschichtliche Dimension. Anhand von Metaphern aus der Philosophiegeschichte zeigt er, dass das Ideal der vollen Vergegenständlichung philosophischer Sprache, wie sie in Descartes’ Discours de la Méthode formuliert wird, nicht erreichbar ist. In der philosophischen Sprache im »Endzustand« könne und müsse demnach alles definiert werden, und es gäbe kein logisch Vorläufiges mehr (Blumenberg 1983/1960, 285) und zugleich, mit der Erreichung ihres endgültigen begrifflichen Zustandes, müsse die Philosophie Interesse an der historischen Dimension verlieren, die Erforschung der Geschichte historischer Begriffe verlöre mit der reinen Begrifflichkeit jegliche Bedeutung (ebd., 286). »Die Vorstellung, der philosophische Logos habe den vorphilosophischen Mythos ’überwunden’, hat uns die Sicht auf den Umfang der philosophischen Terminologie verengt«, so Blumenberg (Blumenberg 2001/1957, 139). Metapherngeschichte ermögliche es, diese Vorstellung kritisch zu überprüfen, neue Aspekte des geschichtlichen Sich-Verstehens der Philosophie zu gewinnen und die Dualität zwischen Mythos und Logos als unzureichend zu erkennen. Stattdessen könne man die »Übergänge« zwischen Mythos und Metaphorik sowie zwischen Metaphorik und Begriff anhand der Metapher illustrieren. Nicht nur würden dabei diese Übergänge einer Betrachtung zugänglich, gleichzeitig trete die Spezifität der Metapher und ihrer Ausdrucksfunktion hervor (ebd.). Ein »einfaches« Beispiel für diese Übergänge sind absolute Metaphern, also solche, die sich in Logizität nicht mehr auflösen lassen, z.B. die Metapher der Wahrscheinlichkeit. Am Beispiel der »Wahrscheinlichkeit« zeichnet Blumenberg den Übergang von Metaphorik zum Begriff nach. »Hier ist die Metapher im Wort aufgegangen, zwar nivelliert im terminologisierten Ausdruck, aber doch mit einer bloßen Wendung der Aufmerksamkeit heraushörbar: der Schein [Hervorh. i. Orig.] der Wahrheit mit der Doppeldeutigkeit von Schein als Abglanz, Ausstrahlung, Aura, Durchscheinen, vertretendes und richtungsweisendes Aufscheinen einerseits, von Schein als leere Prätention, irreführendes Trugbild, Vortäuschung, anmaßliche Einschleichung in die legitime Signatur andererseits.« (Blumenberg 2008/1960, 250) Die Geschichte der (Vorstellung von) Wahrscheinlichkeit erzählt von einem philosophiegeschichtlich bedeutsamen Wandel zugrundeliegender »Denklogiken« bzw. »Substrukturen des Denkens«. Bei Platon ist das Wahrscheinliche gnädig gewährte »Vertretung des Wahren«, die dem Menschen angemessen ist, während die Wahrheit in der Ferne des Göttlichen bleiben muss – Gewissheit könne nur mit der Zustimmung der Gottheit dem Menschen zuteil werden (ebd.). Der Mensch sei auf den schwachen Abschein, die »Wahrscheinlichkeit« angewiesen, der von dem

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weit entfernten, eher getrennt gedachten Bereich des Göttlichen in den Bereich des Irdischen schwach abstrahle. Bei Augustinus wird die Wahrscheinlichkeit bzw. Wahrheitsähnlichkeit als Abbild in ein Abkunftsverhältnis zum Urbild des Wahren gesetzt (ebd., 252), die Bereiche des Göttlichen und des Menschlichen scheinen hier nicht in der Form getrennt wie in der antiken Vorstellung, sondern qua Abbildcharakter strukturell verwoben. Der entscheidende Wandel in der Konzeption der Wahrscheinlichkeit tritt schließlich im ausgehenden Mittelalter ein (ebd., 253): »Das der Vernunft als Gehorsamsleistung zugemutete Wahre des Glaubens [wird] selbst zum Unwahrscheinlichen; diese Art von Wahrheit ’sieht nicht so aus’, dass man es ihr ansehen könnte oder dürfte, wahr zu sein.« (ebd.) Das heißt: Die Glaubensgewissheit als das Wahre scheint unwahrscheinlich (als Beispiel ließe sich etwa die Transsubstantiationslehre anführen, die die Verwandlung von Brot und Wein in Fleisch und Blut behauptet), das Wahrscheinliche andererseits verliert seinen Anspruch, sich am Wahren messen zu lassen, es wird zur Domäne bloßen Naturwissens, es wird von der Glaubensgewissheit in seinem Stellenwert bei weitem überragt. Das kopernikanische Weltgebäude wird beispielsweise als das gegenüber dem ptolomäischen »wahrscheinlichere« argumentiert bzw. »erkannt«, weil das neuere Weltbild alles aus wenigen Ursachen zu erklären vermöge, während das alte für jede besondere Erscheinung auf eine neue Hypothese bedacht sein müsse, so Moses Mendelsohn. Das neue Weltbild wurde daher gewissermaßen durch einen höheren Grad an Wahrscheinlichkeit bestimmt (Moses Mendelsohn zit.n. Blumenberg 2008/1960, 255). Diese Geschichte ließe sich weiterführen hin zum Positivismus, in dem das bloße Naturwissen zur überragenden Domäne wird. Im abendländischen Denken kehrt sich das ursprüngliche, bei Platon dargestellte Verhältnis zwischen Wahrem und Wahrscheinlichem gewissermaßen um, anhand dieser Begriffsgeschichte als Geschichte einer Metapher lassen sich philosophiegeschichtliche Paradigmenwandel nachzeichnen. Ein anderes Beispiel ist die Metapher des Lichts als Metapher der Wahrheit, deren Geschichte ebenfalls grundlegende Paradigmenwechsel in der philosophischen Begriffsbildung nachvollziehbar macht (Blumenberg 2001/1957, 139). Ursprünglich aus einer dualistischen Weltauffassung stammend nimmt die Lichtmetaphorik im Lauf der abendländischen Geschichte viele Wendungen, deren Grundzüge von der Vorstellung der Transzendenz im hellenistischen Denken (ebd., 144) über die »Verinnerlichung« des Lichts im Mittelalter, durch die verhindert wird, dass das »Weltdunkel« das Subjekt völlig durchdringen und entmachten kann (ebd., 167), bis hin zur lichthaften Darstellung des menschlichen Geistes selbst in »Aufklärung« (oder »Enlightenment«, »lumières«, »ilustración« etc.) verläuft (ebd.). Wahrheit steht nicht mehr im Licht, sondern sie ist Ergebnis methodisch angeleiteter und systematischer Beleuchtung – »die Bedingtheiten der Perspektive, deren Bewusstmachung, ja ihre freie Wahl bestimmen nun den Begriff des ’Sehens’« (ebd., 170). Dieser Wandel

1. Metaphern und deren Relevanz in der politischen Theorie

oder Paradigmenwechsel ist begleitet von einer neuen Kunst der Lichttechnik, etwa in der Malerei oder im Theater (ebd., 170-1). Metaphern sind als Ausdruck von Wissensdynamiken zu begreifen (vgl. Maasen/Weingart 2000), und wissenschaftliche Paradigmenwechsel sind mit Thomas Kuhn von einem Wandel relevanter Metaphoriken begleitet: Metaphors play an essential role in establishing links between scientific language and the world. Those links, however, are not given once and for all. Theory accompanied change, in particular, is by a change in some of the relevant metaphors and in the corresponding parts of the networks of similarities through which terms attach to nature. (Thomas S. Kuhn 1979, 416, zit.n. Maasen/Weingart 2000, 1)

Metaphorischer Wirklichkeitsbezug Auf Basis seiner begriffsgeschichtlich-philosophischen Reflexion der Metapher führt Hans Blumenberg das Verhältnis zwischen Wissenschaft und Imagination, Logos und Phantasie aus und will es neu durchdenken (Blumenberg 1983/1960, 287-8). Aus seiner Metaphorologie ergibt sich eine Absage an die Dualität von »Imagination« und »Realem«, Logos und Mythos. »Der Einwand, die Metaphorologie, erst recht eine Theorie der Unbegrifflichkeit, hätte es mit irrationalen Dezisionen zu tun [...] liegt nahe. Selbst wenn es so wäre, würde sie jedenfalls diesen Sachverhalt nicht erzeugen, sondern nur beschreiben« (Blumenberg 1983/1960, 449). Der menschliche Wirklichkeitsbezug sei nämlich an sich »indirekt, umständlich, verzögert, selektiv und vor allem metaphorisch« (Blumenberg 2001, 415), der Mensch sei ein Mangelwesen, er »bedarf der Rhetorik als der Kunst des Scheins, die ihn mit seinem Mangel an Wahrheit fertig werden lässt« (ebd., 407). Im Ansatz ähnlich argumentiert Nietzsche, der die Sprache als Grenze zur Wirklichkeit hin definiert und die »invasive« Kraft der Metapher festhält, ihre Eindringlichkeit, welche deutlich mache, dass die Trennung zwischen Rhetorik und Wirklichkeit nicht haltbar sei (Müller-Richter 1998, 19). »Was ist also Wahrheit?«, fragt Nietzsche, »ein bewegliches Heer von Metaphern, Metonymien, Anthropomorphismen kurz eine Summe von menschlichen Relationen, die poetisch und rhetorisch gesteigert, übertragen, geschmückt wurden, und die nach langem Gebrauche einem Volke fest, canonisch und verbindlich dünken.« (Nietzsche 1998/1873, 34). Der »Zwang zur Metapher« ist bei Nietzsche unausweichlich, er hat gesellschaftliche13 wie erkenntnistheoretische und on13 | »Gesellschaftlich gültige Lügen« sind dabei der Preis für ein Entrinnen aus dem »Krieg aller gegen alle«: »weil aber der Mensch zugleich aus Noth und Langeweile gesellschaftlich und herdenweise existieren will, braucht er einen Friedensschluss und trachtet danach, dass wenigstens das allergrößte bellum omnium contra omnes aus seiner Welt verschwinde.« (Nietzsche 1998/1873, 32). Dabei wird »eine gleichmässig gültige

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tologische Gründe. Der »Trieb zur Metaphernbildung«, »jener Fundamentaltrieb des Menschen«, den man »keinen Augenblick wegrechnen kann, weil man damit den Menschen selbst wegrechnen würde« (ebd., 37), sei durch eine »reguläre und starre neue Welt als eine »Zwingburg« nicht zu bändigen (ebd.). Er suche sich beständig »neue Bereiche seines Wirkens und ein anderes Flussbette und findet es im Mythus und überhaupt in der Kunst« (ebd.). Metapher, Mythos und Kunst sind die verschiedenen Arten zu lügen. Zwar gibt es jenseits der »Intuition«, die bei Nietzsche für das Denken in Metaphern anstatt in Begriffen steht, das Land der Abstraktionen, aber auch dieses ist lediglich eines der »gespenstischen Schemata«, der »vernünftige Mensch« ist ebenso unvernünftig wie der »intuitive Mensch« unkünstlerisch (ebd., 38). Auch die strenge und kühle Logik der Mathematik und ihre Begriffe, »knöchern und 8eckig wie ein Würfel«, bleiben letztlich »doch nur als Residuum einer Metapher übrig« (ebd., 35). Das Wesen der Dinge ist nicht zugänglich, der »Wahrheitstrieb« (ebd., 32) ist auf die Sprache, die Metaphorik angewiesen. Nietzsche setzt in »Über Wahrheit und Lüge im aussermoralischen Sinne« pointiert und metaphernreich Wesentliches von dem auseinander, was Blumenberg als metaphorischen Wirklichkeitsbezug schildert und zum Ausgangspunkt für seine geschichtliche Betrachtung philosophischer Begriffe als symptomatischen Spezialfall macht. Die Metapher ist bei Blumenberg ein signifikantes Element in der Rhetorik »an dem ihre Funktion dargestellt und auf ihren anthropologischen Bezug gebracht werden kann [...] Der Mensch hat zu sich selbst kein unmittelbares, kein rein ’innerliches’ Verhältnis [...] [er] begreift sich nur über das, was er nicht ist, hinweg. [...] Nicht erst seine Situation, sondern schon seine Konstitution ist potentiell metaphorisch« (Blumenberg 2001, 431).

Betonung der historischen Dimension Während im sprachanalytischen Paradigma eine außersprachliche Realität angenommen wird, so wird in hermeneutischen und auch in strukturalistischen Ansätzen die konstruktive Bedeutung der Sprache betont. Dabei geht es im Strukturalismus grosso modo stärker um die Herstellung von Kontiguität durch die Kombination und Rekombination aus bereits existierenden syntagmatischen Kombinationen (Haverkamp 1983, 14), um die relative Position der Zeichen in einem als abgeschlossen gedachten Zeichensystem (Stiegler 2008, 188). Im Mittelpunkt der strukturalistischen Perspektive stehen Regelmäßigkeiten, Ordnungen und Gesetzlichkeiten innerhalb des gegebenen Zeichensystems (ebd., 189) sowie der Aspekt der Funktion (Barthes 2008, 216), die sich durch die Positionierung der einzelnen Elemente ergibt (ebd., 218). verbindliche Bezeichnung der Dinge erfunden und die Gesetzgebung der Sprache gibt auch die ersten Gesetze der Wahrheit« (ebd.).

1. Metaphern und deren Relevanz in der politischen Theorie

Dabei ist die geschichtliche Dimension (Diachronie) dem gegenwärtigen Zustand des Zeichensystems (Sychronie) meist untergeordnet14 (Stiegler 2008, 189), und die Begriffe der Synchronie und Diachronie können im Vergleich zu anderen theoretischen Ansätzen als distinktiv gelten (Barthes 2008, 214). Innerhalb des strukturalistischen Paradigmas gibt es allerdings auch eine große Variationsbreite: So weichen – nach Stiegler – etwa Roland Barthes und Umberto Eco von der strukturalistischen Grundannahme der Geschlossenheit eines Zeichensystems ab, betonen dessen Offenheit und Unabschließbarkeit und weisen auch der Semiotik/Semiologie eine ideologiekritische Funktion zu (ebd.). Dem gegenüber wird in der Hermeneutik die geschichtliche Dimension betont. Wirklichkeit konstituiert sich als geschichtlich geschaffener Sinnhorizont. Das hermeneutische Metaphernverständnis, das hier anhand einiger Grundgedanken Hans Blumenbergs dargestellt wurde, eignet sich, indem es Analysemöglichkeiten der »Substruktur des Denkens« durch die »Metaphorologie« aufzeigt und gleichzeitig deren historische Entwicklung wesentlich berücksichtigt, als Ausgangspunkt für eine Metaphernanalyse mit ideologiekritischer Stoßrichtung. In dem die »Hintergrundmetaphorik« von Philosophie und Gesellschaftstheorie zum Vorschein gebracht wird, lässt sich rekonstruieren, »was Macht über uns hat« und »als das Wahre legitimiert wird«15 (Blumenberg 1960, zit.n. Lüdemann 2004, 74).

1.5 »E mbodied mind « – die kognitivistische M e tapherntheorie Die kognitivistische Metapherntheorie stellt das Zusammenspiel von Kognition, körperlicher Erfahrung und Kommunikation in der Wirkung der Metapher heraus (Kohl 2007, 119). Zudem bietet sie konkrete Anknüpfungspunkte für die empirische Arbeit in anderen Disziplinen (vgl. Bidwell-Steiner 2009; Schmitt 2009). Die theoretischen Wurzeln der kognitivistischen Linguistik gehen auf die Linguistik und Philosophie von Noam Chomsky zurück, dessen kartesianisches Weltbild Lakoff und Johnson jedoch fundamental kritisieren (Lakoff/ 14 | Eine Ausnahme ist aber beispielsweise die Version von Roland Barthes, welche die »Unterordnung« der Diachronie unter die Synchronie doch deutlich relativiert. Barthes betont, dass es nicht um eine Vernachlässigung des Geschichtlichen gehe sondern darum, die Geschichte nicht nur an Inhalte zu binden, sondern auch an Formen und an das Ästhetische (Barthes 2008, 222). 15 | Nicht mehr die Wahrheit hat hier eine Macht, sondern, was Macht über uns hat, legitimieren wir theoretisch als das Wahre (Blumenberg 1960, zit.n. Lüdemann 2004, 74).

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Global Player EU? Eine ideologiekritische Metaphernanalyse

Johnson 1999, 479). Wesentliche Kernaussagen sind, dass menschliche Denkprozesse metaphorisch strukturiert sind und die Dualismen von Rationalität und Imagination, Geist und Körper, Verstand und Gefühl selbst Imaginationen darstellen. Lakoff und Johnson beschäftigen sich in ihren Arbeiten sowohl mit der metaphorischen Strukturierung des Alltagsdiskurses (vgl. Lakoff/ Johnson 1998/1980) und des politischen Diskurses (vgl. u.a. Lakoff 2004) als auch mit der Metaphorik philosophischen Denkens (Lakoff/Johnson 1999). Lakoff hat in zahlreichen Studien eingehend die Metaphorik der Demokraten und der Republikaner im politischen Diskurs der USA analysiert, explizit mit Blick auf dessen Veränderbarkeit16. Bekannt ist unter anderem Lakoffs ausführliche Analyse der metaphorischen Struktur von Moral im politischen Diskurs in den USA. Davon ausgehend, dass es notwendig ist, das metaphorische System/die Logik politischer Argumentationsmuster genau zu verstehen, um diese gut kommunizieren zu können, aber auch, um ihnen im politischen Diskurs erfolgreich etwas entgegensetzen zu können (»to reframe the debate«), analysiert Lakoff detailliert metaphorische Konzepte, die konservativen Moralvorstellungen zugrunde liegen (Lakoff 1999b; weniger detailliert und populärwissenschaftlich auf bereitet in Lakoff 2006). Stoßrichtung ist auch hier das Herausarbeiten einer »Substruktur des Denkens und Sprechens«, wenngleich unter ganz anderen theoretischen Prämissen als im hermeneutischen Paradigma. Lakoff arbeitet zwei den Diskurs strukturierende Grundtypen von Moralvorstellungen für den amerikanischen politischen Diskurs heraus, die beide aus dem Quellbereich (patriarchaler) Familienmodelle stammen: das »strict father-Modell« für die Konservativen und das »nurturant parents-Modell« für die Demokraten, die beide auf dem metaphorischen Konzept der Nation als Familie basieren. Auch wenn es Überschneidungen und fließend verlaufende Grenzen zwischen der metaphorischen Struktur von Moralvorstellungen der Konservativen und Demokraten gibt, so ist nach dieser Metaphernanalyse die konservative Logik von Moral im Kern geprägt von rigider Selbstdisziplin/Selbstverleugnung als Stärke (moralische Stärke als Kontrolle über das innere Böse und Härte/Wehrhaftigkeit gegenüber dem äußeren Bösen) bei gleichzeitiger strikter Selbstverantwortlichkeit, die in der Familie wie in der Politik wesentlich vermittelt und praktiziert werden soll (Lakoff 1999b, 140-148). Verschränkt ist dieser »Stärkekomplex« mit der Metapher des moralischen Eigeninteresses, die ausdrückt, dass eine konsequente Verfolgung des Eigeninteresses eine positive moralische Wirkung erzeugt – wenn alle bestmöglich versuchen ihr 16 | Lakoff gründete 2003 ein Beratungsinstitut, das Rockridge Institute als »progressive think tank engaged in a major reframing enterprise« (Lakoff 2004, XV) und publizierte Ratgeberliteratur »for citizen activists and anyone with a serious interest in politics«, um die Demokratische Partei bei den Wahlen 2004 zu unterstützen (ebd. XV-XVI). Das Institut ist mittlerweile wegen Finanzierungsproblemen geschlossen.

1. Metaphern und deren Relevanz in der politischen Theorie

Eigeninteresse zu maximieren, so wird die Wohlfahrt aller bestmöglich maximiert (ebd., 144-5). Daraus ergibt sich unter anderem, dass in dieser Perspektive reiche Leute und große Unternehmen als »vorbildliche Staatsbürger« gelten können, da sie ihrer moralischen Pflicht der Maximierung des Eigeninteresses am effizientesten nachgehen (ebd., 145). Verbindet man diese metaphorischen Konzepte von Moral, so kann man auch die scheinbar widersprüchlichsten politischen Positionen »zusammenlesen«: im Fall der konservativen Positionen in den USA einerseits gegen Abtreibung (Frauen, die sich kein Baby leisten können, sollten Selbstdisziplin üben und auf Sex verzichten), andererseits aber auch gegen pränatale Gesundheitsprogramme (Selbstverantwortlichkeit); einerseits »pro life«, andererseits aber für Todesstrafe und Waffenbesitz. In ähnlicher Weise analysiert Lakoff (2006) den – gerade in den USA zentralen – Freiheitsbegriff im politischen Diskurs, dessen konservative bzw. rechte Ausprägung wiederum auf dem »strict-father-Modell« beruht (95-110), und er zeigt, wie der Begriff Gestalt annimmt als Freiheit durch militärische Stärke, Freiheit von staatlichen Eingriffen jeder Art, zum Beispiel von Steuern und Regulierung (103).

1.5.1 Kernaussagen Kernaussage der interdisziplinär angelegten Arbeiten zur Metapherntheorie »Metaphors we live by« und »Philosophy in the flesh« von George Lakoff und Mark Johnson ist die Behauptung, dass menschliche Denkprozesse weitgehend metaphorisch strukturiert sind (1998/1980, 14) und dass dabei Kognition und Emotion nicht voneinander zu trennen sind. Mit der Dekonstruktion der Dichotomie zwischen Körper und Geist geht schließlich auch explizit eine Auflösung der hierarchisierenden Trennung zwischen Imagination und Rationaliät einher. Lakoff und Johnson (1998/1980, 220-1) halten dazu Folgendes fest: »Also stellt die Metapher eine auf der Imagination beruhende Rationalität dar. Da die in unserem Alltagsdenken entwickelten Kategorien weitgehend metaphorischen Charakter haben und unser Alltagsverstand sich metaphorischer Ableitungen und Schlussfolgerungen bedient, beruht der normale Rationalitätsbegriff im Kern auf der Imagination.«

Insofern sehen Lakoff und Johnson die Metapher als besonders gut geeigneten Ansatzpunkt, um die Spaltung in der abendländischen Kultur zwischen Wahrheitsbegriff einerseits und Kunstbegriff andererseits zu hinterfragen (ebd., 217), und sie formulieren dies als ihr Anliegen: »Der Grund, warum wir uns so intensiv auf die Metapher konzentrieren, besteht darin, dass sie Vernunft und Imagination in sich vereint.« (ebd., 220).

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Die Grundzüge der Theorie wurden in den 1980er Jahren entwickelt (Lakoff/ Johnson 1980; 1987) und schließlich in den 1990er Jahren (1999) verfeinert. Wenngleich ein genauerer Blick auf die Literatur ergibt, dass auch in den 1980er Jahren kaum ein Aspekt der Theorie wirklich ganz neu war (vgl. dazu Kapitel 1.5.2), so war es dennoch die konsistente Zusammenführung und Darstellung dieser Aspekte in einem theoretischen Ansatz und die detaillierte, für andere Disziplinen nutzbare empirische Ausarbeitung, die Lakoff und Johnson in der Rezeption für eine neue Sichtweise stehen lassen (Kohl 2007, 119). Insbesondere der weite Metaphernbegriff bei gleichzeitiger Ausdifferenzierung mehrerer metaphorischer Ebenen17 (Lakoff/Johnson 1999a), nämlich die Ebenen (1) des konkreten metaphorischen Ausdrucks (metaphorical expression), (2) des metaphorischen Konzepts (conceptual system oder complex metaphor) und (3) grundlegender Schemata (image schemas oder primary metaphors) ermöglicht neue und produktive Anknüpfungspunkte für die empirische Analyse (vgl. Schmitt 2009).

Metaphorische Ausdrücke Lakoff und Johnson verzichten weitgehend auf Differenzierungen18 zwischen Metapher, Metonymie, Gleichnis, Parabel, Chiffre und Ähnlichem, metaphorisch ist jeder sprachliche Ausdruck, der mehr als eine nur wörtliche Bedeutung hat: »Das Wesen der Metapher besteht darin, dass wir durch sie eine Sache oder einen Vorgang in Begriffen einer anderen Sache bzw. eines anderen Vorgangs verstehen und erfahren können.« (Lakoff/Johnson 1998/1980) Metaphorische Ausdrücke sind demnach, um einige markante Beispiele aus ihren Ausführungen aufzugreifen, folgende Redeweisen aus dem Kontext von Argumentation und Diskussion: »Unhaltbare Behauptungen aufstellen«, »eine Kritik trifft ins Schwarze«, »eine Position angreifen bzw. verteidigen« oder auch nur »eine Position beziehen«, »ein Argument niedermachen«, »eine Argumentation zerlegen«, »Schwachstellen in der Argumentation aufweisen«, »sich durch ein Argument angreif bar machen« usw. Alle diese Ausdrücke erklären eine Sache oder einen Vorgang aus dem Zielbereich Argumentieren (target domain) mit einer Sache oder einem Vorgang aus dem Quellbereich Krieg bzw. Kampf (source domain).

17 | Im Lauf der Zeit modifizieren Lakoff/Johnson ihre Aussagen zu den einzelnen Ebenen, sie fassen Schemata zusammen, ändern auch Benennungen – die relevanten Grundaussagen bleiben aber im Wesentlichen gleich. 18 | Unterschiede werden besprochen, jedoch festgestellt, dass metonymische Konzepte im Prinzip wie metaphorische Konzepte funktionieren (1998/1980, 50). Metonymien sind z.B. »Das Schnitzel wartet auf seine Rechnung« (der Gast, der Schnitzel gegessen hat) oder »sie mag Blue Jeans nicht« (das Tragen von Blue Jeans).

1. Metaphern und deren Relevanz in der politischen Theorie

Metaphorische Konzepte (complex metaphors) Alle diese (und noch viele andere) sprachlichen Ausdrücke verbindet außerdem so etwas wie eine gemeinsame Logik, die zwar bei genauerem Hinsehen deutlich wird, der Sprecherin/dem Sprecher im Alltag meist aber nicht bewusst ist. Diese verborgene Struktur nennen Lakoff und Johnson »metaphorische Konzepte« bzw. »komplexe Metapher«. In den oben genannten Beispielen ist das metaphorische Konzept ARGUMENTIEREN IST KRIEG, die Übersetzung aus dem Englischen könnte auch lauten: DISKUSSION IST KRIEG oder DISKUSSION IST KAMPF (Schmitt 2004). Wenngleich dieses metaphorische Konzept im Sprechen über Argumentation und Diskussion sehr weit verbreitet ist, so ist es auch nicht das einzig Mögliche. Metaphorische Konzepte sind im Regelfall nicht absolut, es gibt immer auch andere mögliche metaphorische Konzepte. Ein anderer, geläufiger metaphorischer Ausdruck wäre etwa »eine wasserdichte Argumentation« – darin ist das Konzept des Kampfes nicht vorhanden. Wesentlich ist, dass die Sache immer auch durch Vorgänge und Sachverhalte aus ganz anderen Quellbereichen strukturiert werden könnte. »Die Systematik, aufgrund derer wir den einen Aspekt eines Konzepts in Bildern eines anderen Konzepts erfassen können (z.B. einen Aspekt des Argumentiervorgangs in Bildern des Kampfes verstehen), verbirgt zwangsläufig die anderen Aspekte dieses Konzepts.« (Lakoff/Johnson 1998/1980, 18). Zum Beispiel wäre es ebenso gut möglich, den Argumentationsvorgang auch als Tanz zu betrachten, wie Lakoff und Johnson vorschlagen (ebd., 13). In jedem Fall findet aber durch die Anwendung eines metaphorischen Konzepts ein »highlighting and hiding« statt, manche Aspekte des Vorganges Argumentieren werden in den Vordergrund gestellt, andere verborgen. Ein anderes Beispiel für ein sehr weit verbreitetes und tief verwurzeltes metaphorisches Konzept ist WISSEN IST SEHEN: »[It] is so firmly rooted in the role of vision in human knowing and is so central to our conception of knowledge that we are seldom aware of the way it works powerfully to structure our sense of what it is to know something« (Lakoff/Johnson 1999, 394). In der Sprache der Wissenschaft sind Metaphern, die diesem metaphorischen Konzept angehören nahezu omnipräsent – man denke nur an die ganz basalen Wendungen wie »etwas schlaglichtartig beleuchten« oder »fokussieren«, »etwas in den Blick nehmen« oder kritisch auch »ausblenden«, »Zusammenhänge erhellen«, »besonderes Augenmerk legen auf« – diese Liste ließe sich noch sehr lange fortsetzen. Dieses metaphorische Konzept des Sehens lässt sich zudem als kulturspezifisches und geschlechtsspezifisches analysieren. Etwa in orientalistischen Denk- und Wahrnehmungsweisen ist dieses metaphorische Konzept von großer Bedeutung (vgl. Braun 2001; Braun/Mathes 2007). In der (philosophischen) Suche nach Wahrheit und dem Erkennen der Wirklichkeit

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(z.B. in der Rede von der »nackten Wahrheit« oder den »nackten Tatsachen«) spielt dieses metaphorische Konzept eine ganz wesentliche Rolle. Lakoff und Johnson rekurrieren in ihrem metaphernanalytischen Parcours durch die abendländische Philosophiegeschichte unter anderem auf den Begründer des frühneuzeitlichen Rationalismus, René Descartes. Sie dekonstruieren Descartes metaphorische Logik des Wissens und Erkennens in Discours de la Méthode (der deutsche Titel lautet: Abhandlung über die Methode des richtigen Vernunftgebrauchs und der wissenschaftlichen Wahrheitsforschung) als »Cartesianisches Theater«: »An inner mental stage in which metaphorical objects (our ideas) are illuminated by an inner light (the ’Natural Light of Reason’) and are observed by a metaphorical spectator (our faculty of understanding)« (1999a, 393). Ideen sind in dieser Darstellungsweise Objekte, das Licht ist das Licht der Vernunft, Fokussieren ist geistige Aufmerksamkeit, Sehschärfe ist Scharfsinn des Geistes, der physische Standpunkt der betrachtenden Person ist der geistige Standpunkt, die Sicht verstellen/behindern ist Wissen verhindern (ebd., 394). Dabei stützt sich die Methode der Erkenntnis auf den Begriff des »Vermögen[s] der Intuition«19, der radikal abgegrenzt ist vom »schwankende[n] Zeugnis der sinnlichen Wahrnehmung« oder vom »trügerische[n] Urteil der verkehrt verbindenden Einbildungskraft«. Intuition sei vielmehr »ein so müheloses und deutlich bestimmtes Begreifen des reinen und aufmerksamen Geistes [...] unzweifelbares Begreifen, welches allein dem Lichte der Vernunft entspringt« (Descartes nach Lakoff/Johnson 1999, 394). Dem zugrunde liegt eine scharfe Trennung zwischen Geist und Materie, Rationalität und Imagination. Anhand dieser und vieler anderer Beispiele, in denen die Metaphernanalyse an philosophischen Klassikern angewandt wird, begründen Lakoff und Johnson ihre überzeugende Schlussfolgerung: »Eliminating metaphor would eliminate philosophy. Without a very large range of conceptual metaphors, philosophy could not get off the ground.« (1999, 129) Dass dieser scharfen Trennung implizit auch eine Geschlechterhierarchisierung eingeschrieben ist, wird zwar nicht thematisiert, in den angeführten Textbeispielen ist diese jedoch mitunter zum Greifen nahe, wie in folgendem Zitat von Samuel Parker, Bischof von Oxford im puritanischen England des 17. Jahrhunderts, der unter anderem einige philosophisch-theologische Werke verfasste, aus A Free and Impartial Censure of the Platonick Philosophy deutlich wird. Die mit metaphorischen Begriffen ausgedrückten philosophischen Theorien, heißt es dort, »stellen keine echten Wahrheiten dar, sondern nichts als 19 | Descartes hat in seinem späteren Werk die Ausführungen zum Vermögen der Intuition in den méthodes in Zweifel gezogen, (http://de.wikipedia.org/wiki/Ren%C3%A9_ Descartes, Zugriff am 6.12.2009), was jedoch nichts von der Abgrenzung von Sinneswahrnehmung und Einbildungskraft zurücknimmt.

1. Metaphern und deren Relevanz in der politischen Theorie

Produkte der Imagination, die (wie Puppen) in ein paar glitzernde inhaltsleere Worte gekleidet sind. [...] So kriechen ihre lüsternen und ausschweifenden Phantasien in das Bett der Vernunft, beschmutzen es nicht nur durch Unkeuschheit und außereheliche Umarmungen, sondern schwängern den Verstand mit nichts als Wertlosigkeiten und abenteuerlichen Hingespinsten.« (Lakoff/Johnson 1998/1980, 219). An diesem Beispiel wird besonders deutlich, wie die Imagination Züge einer abgewerteten, bedrohlichen und sexualisierten Weiblichkeit annimmt. Ein Hauptanliegen der kognitivistischen Metapherntheorie ist es, gerade die Prämisse zu widerlegen, dass Denken ein »rein bewusster« Vorgang ist. Lakoff und Johnson versuchen mit der Metaphernanalyse philosophischer Texte nachzuweisen, dass auch die philosophische Rede vom Denken so wie das Denken überhaupt vorstrukturiert ist von metaphorischen Konzepten, die als »nicht bewusster Anteil« die philosophischen Theorien entscheidend prägen. Diesen Anteil bezeichnen sie als »kognitives Unbewusstes«, und er mache, so Lakoff und Johnson, den Großteil des Denkens überhaupt aus, das bewusste Denken sei hingegen lediglich die Spitze eines riesigen Eisberges (ebd., 13). Das Beispiel »Wissen ist Sehen« bzw. die überaus häufige visuelle Metaphorik des Wissens und Denkens ist nur eines von vielen, andere wären »Ideen als Essenzen/Wesen« bei Platon (364ff), »Verstand als Behälter« (376) bzw. »Bedingung als Grund« (377ff.) bei Aristoteles oder die universale Vernunft bei Kant, fußend auf dem metaphorischen Konzept des »strengen Vater-Modells« von Moral (416). Sehr ausführlich widmen die beiden Autoren sich dem Nachweis, dass wissenschaftliche Kernkonzepte metaphorisch strukturiert sind, anhand der angloamerikanischen Tradition von Philosophie, der analytischen Philosophie, der Metaphorizität mathematischer Modelle (522ff.) sowie spieltheoretischer Modelle (516) in der Rational Action-Theorie. Aber auch die Prämissen ihrer unmittelbaren theoretischen Wurzeln, der Kognitionswissenschaft (»first-generation cognitive science« der 1950er und 1960er Jahre), werden einer fundamentalen Kritik für das Festhalten am strengen Dualismus zwischen Körper und Geist/Vernunft unterzogen (75-6). Die Autoren selbst bezeichnen sich in scharfer Abgrenzung dazu als »second-generation cognitivists«, die sich durch die Ablehnung von Funktionalismus, Formalismus, der spezifischen Konzeptualisierung symbolischer Repräsentation und der Auffassung, Bedeutung sei genuin wörtlich und nicht metaphorisch zu nehmen, definieren (78-9). Was die zweite Generation von der ersten jedoch übernimmt ist der empiristische Anspruch (vgl. 1.5.2).

Schemata (primar y metaphors) Zu diesem »Programm« der second-generation cognitivists gehört auch die weitere Hinterfragung der metaphorischen Konzepte (wie oben beispielhaft anhand von ARGUMENTIEREN IST KRIEG und WISSEN IST SEHEN darge-

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stellt) und deren Rückbindung auf körperliche Erfahrung. Das geschieht mittels Differenzierung einer weiteren analytischen Ebene der Metaphorik, den Schemata bzw. den primary metaphors, die den metaphorischen Konzepten (complex metaphors) zugrunde liegen bzw. sich aus ihnen zusammensetzen. Diese basalen Schemata werden aus sensomotorischen Erfahrungen generiert. Wie sie sich in metaphorischen Bedeutungen niederschlagen, ist aber auch kulturabhängig. Den meisten dieser Schemata (Lakoff und Johnson zählen insgesamt 24 verschiedene Schemata auf, 1999, 50-54) liegt die Erfahrung der Orientierung im Raum zugrunde. Das sind z.B. MEHR IST OBEN, KONTROLLE IST OBEN. Der metaphorische Ausdruck »Ein Argument niedermachen« fußt also sowohl auf dem metaphorischen Konzept (der komplexen Metapher) ARGUMENTIEREN IST KRIEG als auch auf dem Schema (der primären Metapher, die aus der sensomotorischen Erfahrung der Orientierung im Raum stammt) KONTROLLE IST OBEN. Aber auch ZEIT IST BEWEGUNG drückt Orientierung im Raum aus. Wenn man etwa »die Zukunft vor sich liegen sieht«, die »Vergangenheit aber hinter sich hat« so kommt auch in diesem Zeitverständnis eine Bewegung im Raum in einer kulturspezifischen Weise zum Ausdruck; eng mit diesem Zeitverständnis verbunden ist der Begriff von Fortschritt. In anderen Kulturen nämlich ist man der Vergangenheit zugewandt, man hat die Vergangenheit vor sich und die Zukunft hinter sich (Lakoff/Johnson 1998/1980, 22), ebenfalls dem Schema der Bewegung im Raum folgend. Das metaphorische Konzept ZEIT IST GELD wiederum, das zumindest im »Westen« weite Verbreitung findet, ist in der Geschichte der Menschheit relativ neu (ebd., 15). Die Prioritätenverteilung zwischen OBEN und UNTEN (GLÜCKLICH SEIN IST OBEN, TRAURIG SEIN IST UNTEN), die in vielen Schemata zum Ausdruck kommt, weist ebenfalls kulturspezifische Varianten auf (33). Beispiele für »westliche« metaphorische Konzepte sind etwa: »niedergedrückt sein«, »in Hochstimmung sein«, »die Stimmung steigt«; außerdem: wach sein ist oben, schlafen ist unten; gesund sein und Leben sind oben, Krankheit und Tod unten; Kontrolle und Macht ausüben ist oben, Kontrolle und Macht ausgesetzt sein ist unten usw. In manchen Kulturen sind jedoch andere räumliche Orientierungsbegriffe, etwa gruppiert um die Pole Gleichgewicht-Ungleichgewicht oder Zentralität-Peripherie, wichtiger (33). Ebenso wenig ist die Prioritätensetzung zwischen aktiv und passiv eine universale Konstante (34). Neben den vielen Schemata, die mit Orientierung im Raum zu tun haben, gibt es auch Schemata, die etwas (z.B. Zeit, Ideen, Stimmung) als Substanz oder als Wesen/ontologische Kategorie (Zeit als Ressource, Idee als ontologische Größe/Wesen, Zustand als Ort) fassen. Beide metaphorischen Ebenen, Konzepte und Schemata (komplexe und einfache Metaphern) haben ihre Wurzeln sowohl in kulturellen Mustern als

1. Metaphern und deren Relevanz in der politischen Theorie

auch in der menschlichen sensomotorischen Körpererfahrung, deren Mechanismen Lakoff und Johnson aus neurowissenschaftlichen Erkenntnissen ableiten. Konkret stützt sich die neurowissenschaftliche Fundierung auf drei kognitionswissenschaftliche/neurowissenschaftliche Modelle (ebd., 38-44; 569-583). Wichtig dabei ist unter anderem die Theorie der Vermischung (conflation) körpermotorischer und anderer Erfahrungen in der individuellen Entwicklungsgeschichte. Demnach sind in einem frühen Stadium der Kindheit sensomotorische und nicht sensomotorische Erfahrung (Gefühle, Wahrnehmungen) vermischt, z.B. die sensomotorische Erfahrung von Wärme und das Gefühl der Geborgenheit, die entsprechenden Assoziationen bleiben aber über dieses Entwicklungsstadium hinaus bestehen (1999, 46). Das Schema OBEN IST MEHR ist so betrachtet beispielsweise eine Konsequenz der Erfahrung, dass in einem Glas, in dem der Wasserspiegel ansteigt, mehr drinnen ist usw. Aus dem konsequenten Bemühen, ihre zentralen Aussagen naturwissenschaftlich zu fundieren, wird die »Herkunft« der beiden Autoren aus der Kognitionswissenschaft bzw. aus der angloamerikanischen philosophischen Tradition ersichtlich. Ihre im Titel zum Ausdruck kommende Grundthese vom »embodied mind« versuchen sie – im Wesentlichen in expliziter Ablehnung einer hermeneutischen oder einer anderen bedeutungsrekonstruktiven Herangehensweise – zu allererst und hauptsächlich auf die Interpretation neurowissenschaftlicher Studien zu stützen, und sie widmen der Interpretation neurowissenschaftlicher Ergebnisse im Lauf der Zeit zunehmend Raum. Weisen die Autoren in »Metaphors we live by« zwar auf die Parallele zwischen metaphorischen Konzepten/Schemata und körpermotorischen Grundabläufen hin (Lakoff/Johnson 1998/1980, 71f.), so findet eine ausführliche Auseinandersetzung mit den biologischen Grundlagen erst in »Philosophy in the flesh« statt, und sie nehmen dort gleichzeitig eine grundlegende Bedeutung für den Argumentationsgang ein. Kern dieser neurowissenschaftlichen Fundierung sind Hinweise aus Studien darauf, dass nicht nur die gleichen Gehirnregionen, sondern auch die gleichen Mechanismen sowohl bei sensomotorischer Wahrnehmung und Aktivität als auch beim abstrakten Denken wirksam werden (Lakoff/Johnson 1999, 38).

1.5.2 Kritische Diskussion der kognitivistischen Metapherntheorie Abgesehen davon, dass die biologische Fundierung schwierige Fragen aufwirft und die fließende Grenze zwischen dem, was physiologisch bedingt ist und dem, was kulturell bedingt ist, nicht thematisiert wird, besteht ein Hauptproblem der Metapherntheorie von Lakoff und Johnson in der mangelnden, über weite Strecken völlig fehlenden hisorisch-gesellschaftlichen Kontextualisierung ihrer Analyse (vgl. dazu u.a. Carver/Pikalo 2008, 3; Bidwell-Steiner 2009, 13). Zudem ignorieren sie in der Ausarbeitung ihrer Hauptaussagen

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auch wesentliche Literatur, welche die in ihren Aussagen enthaltenen zentralen Aspekte vorwegnimmt (z.B. die hermeneutische Metapherntheorie) und suggerieren einen bahnbrechenden Charakter ihrer Erkenntnisse, der in dieser Form übertrieben ist. Die Theorie vom »embodied mind« wird als etwas genuin Neues und Revolutionäres präsentiert, etwa wenn die beiden Autoren die Einleitung folgendermaßen beginnen: »The mind is inherently embodied. Thought is mostly unconscious. Abstract concepts are largely metaphorical. These are three major findings of cognitive science. More than two millennia of a priori philosophical speculation about these aspects of reason are over. Because of these discoveries, philosophy can never be the same again.« (Lakoff/ Johnson 1999, 3)

Problematisch ist zunächst der zentrale Stellenwert, welcher der neurobiologischen Beweisführung eingeräumt wird. Dies gipfelt in dem Versuch, mit Hinweisen aus Studien über neuronale Funktionsmuster die »abendländische Philosophie« in Bausch und Bogen »zu widerlegen« bzw. die Philosophie grundlegend zu verändern. Rekurse auf philosophische oder literaturwissenschaftliche Metapherntheorien, die wesentliche Grundgedanken von Lakoff und Johnson bereits vorwegnehmen (Kohl 2007, 117), sind jedoch kaum zu finden. Die Rezeption antiker Philosophie, vor allem von Aristoteles, so Marlen Bidwell-Steiner, ist unvollständig, weil dabei nur ein Teil des Werks berücksichtigt wurde, in dem es um die Metapher geht. Bei näherer Beschäftigung mit der kognitiven Metapherntheorie fänden sich erstaunliche Parallelen zu Aristoteles’ Kategorienlehre. So findet sich etwa in De Anima bereits die Idee, dass dem Nach-Denken über Wahrheit bzw. Wirklichkeit notwendig eine Vorstellung, ein phantasma vorausgehen müsse (Bidwell-Steiner 2009, 12). Die Interaktionstheorie, die das Hauptaugenmerk in der Betrachtung des metaphorischen Prozesses auf den »Austausch und Verkehr von Gedanken [...] eine Transaktion zwischen Kontexten« (Ivor Richards, zit.n.: Bidwell-Steiner, 11) legt, nimmt Einiges, wenn auch nicht alles, von der kognitivistischen Metapherntheorie vorweg (ebd., 12). Die Prämisse, dass abstrakte Begriffe und Konzepte im Kern metaphorisch angelegt sind, findet sich zentral bei Blumenberg. Die Tradition der Hermeneutik greifen Lakoff und Johnson jedoch ausschließlich ablehnend auf, im Dienste der Abgrenzung von bloßem »storytelling« (Lakoff/Johnson 1999, 552). Zudem setzen sich mit der zentralen Prämisse, dass Körper und Geist, Verstand und Gefühl nicht zu trennen sind, bereits seit Jahrzehnten verschiedene Traditionen feministischer Theorie auseinander. Auch das wird von Lakoff und Johnson nicht wahrgenommen. Feministische Embodiment-Theorien, welche die genannten Dichotomien dekonstruieren, gibt es – insbesondere auch im anglo-amerikanischen Raum – in unterschiedlichen Varianten: Unter anderem das Konzept der Performanz bei Judith Butler, in

1. Metaphern und deren Relevanz in der politischen Theorie

dem Identität und Körper performativ konstituiert werden (Butler 1993; 1991), oder das auf Erving Goffman (Goffman 2001) rekurrierende Konzept des doing gender bei Candace West und Don Zimmerman (1998). Auch Pierre Bourdieus Habitus-Konzept ließe sich als Embodiment-Theorie fassen (Bidwell-Steiner 2009, 14), es bezieht unbewusste Bewegungsabläufe und Haltungseinübungen mit ein, nach Maurice Merleau-Ponty »latentes Wissen« des Körpers (ebd.). Zwar thematisiert vor allem Lakoff Geschlechternormen im Rahmen seiner Ausarbeitung der beiden dominanten »moralischen Modelle« in den USA, dem »strict father-Modell« und dem »nurturant parent-Modell«, und in den philosophiegeschichtlichen Ausführungen werden Genderkonnotationen mitunter sogar in zugespitzter Form deutlich, dennoch bleiben Geschlechterhierarchien aus der Analyse ausgespart. Lakoff und Johnson stellen nicht die Frage, warum diese Dichotomie für das abendländische Denken/die Philosophie so zentral waren und sind; die zugrunde liegenden gesellschaftlichen Bedingungen bleiben ausgeblendet. Die gesellschaftliche Funktionalität dieser hierarchisierenden Trennungen wird nicht hinterfragt, und mit der mangelnden Einbeziehung eines gesellschaftlichen Kontextes gehen auch historische Kontexte verloren. Mit anderen Worten: Die Trennung und Hierarchisierung von Körper und Geist wird eher als Irrtum gefasst, den die kognitivistische Metapherntheorie revidieren könne, und nicht als gesellschaftlich wirksame/systematisch Ungleichheit produzierende Struktur. Ungleichheitsstrukturen werden nicht wahrgenommen, die Analyse der Verwendung und Bewertung von Metaphern wird zudem nicht im Zusammenhang mit historischen Entwicklungen gesehen. Die Hauptkritikpunkte an der kognitivistischen Metapherntheorie sind daher Ahistorizität und mangelnde Kontextgebundenheit. Offen bleibt zudem, welchen Stellenwert Lakoff und Johnson der dichotomischen Anordnung per se einräumen, zuweilen scheint es, als ob zwar die Ausprägung der konkreten, prägenden Dichotomie zwar aus der Besonderheit kultureller Muster erwächst, aber die Tatsache, dass viele Schemata ganz generell von Dichotomien geprägt sind (sein müssen) als physiologische Bedingung, mithin als kulturübergreifend gefasst wären. Hier könnte das Einfallstor für eine Reifizierung von dichotomischen, meist auch genderkonnotierten Dualismen (Becker-Schmidt 1998, 89) liegen. Das Faktum der Zähigkeit und Langlebigkeit dieser Dichotomien erweist sich in der Perspektive der kognitivistischen Metapherntheorie in schwammiger Weise teils als (physiologisch begründeter) Irrtum, der durch exakte neurowissenschaftliche Erkenntnisse beseitigt werden kann20, teils als eine Art kulturellen Erbes, das aber nicht auf Gesellschaft und Geschichte rückgebunden wird. 20 | Dabei stützen sich Lakoff und Johnson, wie sie selbst einräumen, mehr auf verschiedene Hinweise aus empirischen Studien denn auf klare Erkenntnisse (vgl. Lakoff/Johnson 1999).

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Dieser Punkt führt letztlich auf die unterschiedlichen Interpretationsmöglichkeiten der Konzeption des Verhältnisses zwischen den physiologischen Bedingungen und kulturellen Ausprägungen zurück. Hier gibt es einigen Deutungsspielraum. Während in »Philosphy in the flesh« in sehr detaillierten Ausführungen über Schemata (primäre Metaphern) und ihre Kombination zu Konzepten (komplexe Metaphern) die Idee des verkörperten Geistes tatsächlich über weite Strecken als »regelhaft funktionierendes materielles System« erscheinen lässt, wie Bidwell-Steiner festhält (Bidwell-Steiner 2009, 12), wird in »Metaphors we live by« Unabgrenzbarkeit und Zusammenspiel von physischer und kultureller Erfahrung betont: Kultur und Physis, so Lakoff und Johnson, bieten viele mögliche Grundlagen für Metaphern. Welche der vielen Möglichkeiten gewählt werde, hänge von Kultur und kultureller Kohärenz ab (Lakoff/Johnson 1998/1980, 28). Dass bei Lakoff und Johnson »Körper« und »Kultur« als nicht hinterfragbare Grundbegriffe genommen würden, wie Rudolf Schmitt kritisiert (Schmitt 2004), ist vor dem Hintergrund der Aussage, dass physische Erfahrung nur schwer von kultureller Erfahrung abgrenzbar sei, auch nicht plausibel. Der Biologismusvorwurf geht in der Gesamtbetrachtung eher ins Leere, wenngleich sich in unterschiedlichen Passagen diesbezüglich Widersprüchlichkeiten finden; die prinzipielle Hinterfragung der herrschaftsgenerierenden Dichotomie von Körper und Geist sowie Imagination und Intellektion ist von der Stoßrichtung her21 produktiv. Vieles an der kognitivistischen Metapherntheorie ist – trotz aller hier vorgebrachten Kritik – von bestechender Klarheit und für die empirische Arbeit sehr ergiebig (Bidwell-Steiner 2009, 12). Speziell die analytische Freilegung und Erfassung kohärenter metaphorischer Konzepte, die es ermöglicht, ansonsten unverbundene metaphorische Äußerungen in latente »Denklogiken« zusammenzufassen, bietet in der Metaphernanalyse Möglichkeiten, die über diejenigen anderer Metapherntheorien hinausgehen. Deshalb greifen auch aktuelle Metaphernanalysen des politischen Diskurses sehr häufig die kognitivistische Metapherntheorie auf (vgl. u.a. Musolff 2004; Drulak 2004; 2008; Ringmar 2008; Vertessen/De Landtsheer 2008). Vor dem Hintergrund einer kritischen Betrachtung dieses Ansatzes ist es jedoch wichtig, in der konkreten Anwendung die festgestellten Defizite der Ahistorizität und Vernachlässigung des Kontexts auszugleichen. 21 | Bidwell-Steiner weist auf die Gefahr hin, dass das Embodiment-Konzept als regelhaft funktionierendes Netzwerk zwischen sensorischem Apparat und kognitiv-neuronalen Responsen die Geschlechterdifferenz erst recht wieder essentialisieren kann (Bidwell-Steiner 2009, 13). Dieser Punkt verweist m.E. wieder auf die angesprochene generell inkonsistente Konzeptionalisierung des Verhältnisses zwischen »Kultur« und »Physis«

1. Metaphern und deren Relevanz in der politischen Theorie

1.6 G esellschaf tstheore tische E inbe t tung der M e tapher Ein Ineinanderwirken von Materiellem und Symbolischem, Realem und Imaginärem wird in der feministischen Theorieproduktion seit den 1980er Jahren mehrfach aufgegriffen (Becker-Schmidt 1989, 253; Knapp 2005, 253; Sauer 2008, 262; Yuval-Davis 2006, 203), und damit wird auf die grundlegende Problemstellung von Ideologietheorie Bezug genommen. Terry Eagleton (1993, 9) unterscheidet zwei Haupttraditionen der Ideologietheorie: Eine befasst sich mit Vorstellungen von wahrer und falscher Erkenntnis und mit dem Konzept von »Ideologie als Illusion, Verzerrung und Mystifikation« (ebd.). Die andere Tradition bezeichnet er eher als soziologisch denn erkenntnistheoretisch, sie ist stärker auf die gesellschaftliche Funktion von Ideologie und weniger auf deren Wirklichkeitsgehalt gerichtet. Beide Denktraditionen, die erkenntnistheoretische wie die soziologische, laufen im marxistischen Erbe zusammen (ebd.). Breiten Raum nimmt in marxistischen Werken hierzu die Rezeption und Kritik der klassischen Formulierung zu Basis und Überbau ein, welche die marxistische Ideologietheorie geprägt hat (Hall 2004, 38), konkret das Postulat, dass »das Vorstellen, Denken, der geistige Verkehr der Menschen [...] als direkter Ausfluss ihres materiellen Verhaltens [erscheinen]« (Marx 1932/1846, 15). Der »trügerischen Alternative von ’Materiellem’ und [...] ’Ideellem’ zu entgehen« (Bourdieu 2005/1998, 10) und diese Spaltung kritisch zu bearbeiten bzw. eine materialistische Perspektive auf Ideologien/Ideen zu entwickeln, ist Gegenstand von unterschiedlichen Versionen marxistischer Ideologietheorien. Der Begriff Ideologietheorie wurde von Louis Althusser in den 1970er Jahren geprägt und in der Folge vielfach aufgegriffen. Louis Althusser bleibt grundsätzlich bei der Marxschen Unterscheidung von Basis und Überbau (Althusser 1973, 121), konkretisiert jedoch deren Verhältnis, indem er die Rolle der »ideologischen Staatsapparate«, z.B. Kirchen, Bildungssystem, Familie, Recht 22, für die Reproduktion der materiellen Verhältnisse hervorhebt (ebd., 128). Die Reproduktion der Produktionsverhältnisse erfolgt durch diese ideologischen Staatsapparate einerseits und den repressiven Staatsapparat andererseits (ebd., 134). Stuart Hall, dessen Ausführungen unmittelbar an Althusser anschließen, definiert Ideologie nicht nur (wie Althusser) über die Funktion, die sozialen Beziehungen der Produktion zu reproduzieren, sondern auch als etwas, das dem Grenzen setzt, »wie eine

22 | Die »ideologischen Staatsapparate« (ISA) sind Teil des Überbaus, ein anderer Teil ist der repressive Staatsapparat. Das Recht gehört sowohl zum ideologischen als auch zum repressiven Staatsapparat (Althusser 1973, 128).

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Gesellschaft mit Dominante sich einfach, reibungslos und funktional wirksam reproduzieren kann« (Hall 2004, 64). Andere Varianten von Ideologietheorie finden sich u.a. bei Georg Lukács, Antonio Gramsci, Fritz Haug, bei Pierre Bourdieu sowie Michel Pecheux, Michel Foucault, Ernesto Laclau und Chantal Mouffe (vgl. dazu die Überblicke zu Ideologietheorien und die Entwicklung ideologietheoretischer Ansätze u.a. bei Rehmann 2008; Eagleton 1993; Schartner 2003). Eine komplexe Variante ist die Ideologietheorie der älteren Kritischen Theorie, deren Befunde sowohl die Affirmation von Ideologiekritik als Kritik am identifizierenden Denken und am Tauschprinzip enthalten (Ritsert 2002, 889) als auch die »Schrumpfung« des Ideologiebegriffs (Rehmann 2008, 73) insofern, als sie den Konformismus in der Gesellschaft bereits so weit fortgeschritten sieht, dass von Ideologie nicht mehr übrig bleibt als »die Anerkennung des Bestehenden selber« (Adorno 2003/1954, 477). Adorno hält an der Trennung zwischen Basis und Überbau fest, so Ritsert in seiner Darstellung der Ideologietheorie der Kritischen Theorie, jedoch nicht im Sinn einer Dichotomie (Ritsert 2002, 95-6). Vielmehr sei eine Vermittlung angedeutet bzw. als »logische Möglichkeit«23 angelegt (ebd., 82). Eine andere, bislang wenig beachtete Möglichkeit, diese Verwobenheit zu denken, stellt der Entwurf von Cornelius Castoriadis dar, der in diesem Zusammenhang kaum, jedoch im Kontext von Auseinandersetzungen mit Metaphern der Gesellschaft und der symbolischen Dimension gesellschaftlicher Ordung häufiger aufgegriffen wird (vgl. Pechriggl 2002; 1997; Delanty 1995; Anthias 2002; Lüdemann 2004). Im Folgenden möchte ich – im Zuge einer gesellschaftstheoretischen Einbettung der Metapher – dem Begriff »des Imaginären« im philosophischen Entwurf von Castoriadis genauer nachgehen.

1.6.1 Cornelius Castoriadis – eine materialistische Lesart des Imaginären Der theoretische Entwurf von Castoriadis steht in marxistischer und psychoanalytischer Tradition. Seine in vielen Teilen fundamentale Kritik am Werk Marx’ fühlt sich der Intention verpflichtet, das Substantielle des Marxismus zu bewahren24, den emanzipatorischen Anspruch nämlich, dass es der Philosophie nicht darum gehe, die Welt zu interpretieren, sondern es vielmehr darauf ankomme, sie zu verändern (Castoriadis 1990/1975, 96). Die Argumentationslinien von Castoriadis’ Kritik laufen dort zusammen, wo es um den Stel23 | Den Schlüssel dazu sieht Ritsert in der Ästhetischen Theorie Adornos (Ritsert 2002, 84ff.). 24 | Jedenfalls in »Gesellschaft als imaginäre Institution« stellt er diese Intention in den Vordergrund.

1. Metaphern und deren Relevanz in der politischen Theorie

lenwert der Imagination in der von »Identitäts- und Mengenlogik« geprägten abendländischen Philosophie geht. Dort liegt auch der Kernpunkt der Kritik am Marxschen Materialismus.

Über Castoriadis Der Philosoph, Ökonom, Psychoanalytiker und Jurist Castoriadis bearbeitete in seinen Schriften ein großes Spektrum an Problemstellungen und Thematiken und war über weite Strecken seines Lebens auch politisch aktiv: Mit fünfzehn Jahren war er Mitglied einer illegalen kommunistischen Organisation im Widerstand gegen die Metaxas-Diktatur, wandte sich bald davon ab und trat einer trotzkistischen Gruppe bei (Castoriadis 2006/1993, 17-8), fiel schließlich 1945 wegen seiner ablehnenden Haltung gegenüber dem geplanten Putsch bei der kommunistischen Volksbefreiungsarmee ELAS in Ungnade und ging nach Frankreich. Dort gründete er gemeinsam mit Claude Lefort die nach einem Ausdruck von Rosa Luxemburg benannte Gruppe Socialisme ou Barbarie, die sich später zerstreute (http://de.wikipedia.org/wiki/Cornelius_Castoriadis, 4.1.2010). Mitglieder der Gruppe waren auch Jean-Francois Lyotard, Edgar Morin, Daniel Mothé und Guy Debord. In den 1960er Jahren leitete Castoriadis als Ökonom bei der OECD die Abteilung für Statistics, National Accounts and Growth Studies, die Ideen, die er – als ausländischer Staatsbürger in Frankreich unter Pseudonymen – in Essays veröffentlichte, wurden von Akteurinnen und Akteuren der 1968er Bewegung aufgegriffen, explizit beispielsweise von Daniel Cohn Bendit (Curtis 1997). Ab den 1970er Jahren arbeitete Castoriadis als Psychoanalytiker, und ab 1980 bis zu seinem Tod 1997 hatte er eine Professur an der Pariser EHESS inne (http:// de.wikipedia.org/wiki/Cornelius_Castoriadis, 4.1.2010). Castoriadis stand seit der Zeit von Socialisme ou Barbarie in intellektuellem Austausch mit prägenden französischen Intellektuellen, so zum Beispiel mit Jean Paul Sartre, Luis Althusser, Jacques Derrida, aber auch mit deutschsprachigen, etwa Ernst Cassirer und Hans Kelsen. Gleichzeitig passten seine theoretischen Positionen in keine der einflussreichen zeitgenössischen Strömungen. Castoriadis legte sich in seinem Denken quer zu Existenzialismus, Strukturalismus, Poststrukturalismus, Dekonstruktivismus und »Postmodernismus«, wenngleich da und dort auch Parallelen aufzufinden sind. Über seine Haltung zur Kritischen Theorie von Theodor W. Adorno, Max Horkheimer, Herbert Marcuse und Walter Benjamin wird aus den zugänglichen Materialen nicht viel klar, außer etwa der Überlieferung, dass deren Kritik am Kommunismus ihm zu schwach gewesen sei (Curtis 1997). Inhaltlich ergeben sich durchaus Berührungspunkte (vgl. Thomas 1991). Castoriadis wurde erst relativ spät außerhalb Frankreichs wahrgenommen. Im deutschsprachigen Raum bezieht man sich, abgesehen von wenigen Aus-

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nahmen in den 1980er Jahren, etwa einem Exkurs von Jürgen Habermas25 (vgl. Habermas 1993/1985) in den 1980er Jahren erst seit wenigen Jahren und eher punktuell auf ihn. Bislang ist auch nur ein Teil von Castoriadis’ Arbeiten ins Deutsche übersetzt. Erst in den letzten Jahren erscheinen sukzessive weitere Teile seiner Schriften auf Deutsch als Ausgewählte Schriften (vgl. Castoriadis 2008; 2006). Meine Lesart von Castoriadis betont dabei speziell die theoretische Ausarbeitung des Ineinandergreifens von »Realem« und »Imaginärem« sowie der philosophischen Kritik an der Trennung dieser beiden Sphären in der abendländischen Philosophie (Ontlogiekritik).

Zentrale Begriffe – Das Imaginäre In seinem Hauptwerk Gesellschaft als imaginäre Institution umschreibt Castoriadis seinen Begriff des Imaginären folgendermaßen: »Das Imaginäre, von dem ich spreche, ist kein Bild von [Hervorh. i. Original]. Es ist unaufhörliche und (gesellschaftlich-geschichtlich und psychisch) wesentlich indeterminierte Schöpfung von Gestalten/Formen/Bildern, die jeder Rede von etwas zugrunde liegen. Was wir »Realität« und »Rationalität« nennen, verdankt sich überhaupt erst ihnen. (GII, 12, Hervorhebung i. Original)

Das Imaginäre26 in dieser Fassung hat somit nichts gemein mit dem, was psychoanalytische Strömungen als imaginär denken, es sei nicht das Spekulare, Spiegelhafte, eben kein »Bild von«27 (ebd.). Es bilde vielmehr ein »symbolisches Netz«, außerhalb dessen Handlungen und Produkte unmöglich wären (GII, 200), die Welt sei somit untrennbar mit dem Symbolischen verbunden (ebd.), wobei der Begriff des Symbolischen bei Castoriadis als ein sedimentiertes, geschichtlich gewachsenes und verfestigtes Imaginäres zu fassen ist 28. Das Symbolische lässt das Imaginäre materiell existieren und nicht bloß 25 | Habermas konzedierte ihm, »den originellsten, ehrgeizigsten und reflektiertesten Versuch unternommen [zu haben], die befreiende Vermittlung von Geschichte, Gesellschaft, äußerer und innerer Natur noch einmal als Praxis zu denken« (Habermas 1985, 380), kritisiert jedoch seinen Autonomiebegriff aus der intersubjektiven Perspektive seiner Theorie des kommunikativen Handelns. 26 | Das Imaginäre ist bei Castoriadis weiter ausdifferenziert in ein aktuales Imaginäres, das als das Imaginierte zu umschreiben wäre und ein radikales Imaginäres als »das Vermögen, etwas als Bild auftauchen zu lassen, das weder ist noch war« (GII, 218). 27 | Diese Definition grenzt sich insbesondere vom Begriff des Imaginären als etwas Spekulares, Spiegelhaftes bei Lacan ab (GII, 12). 28 | Diese Begriffsanalyse und –bestimmung verdanke ich Alice Pechriggl (Pechriggl 2007, Ringvorlesung »Körpermetaphern als Geschlechtermetaphern«, 30. 10. 2007).

1. Metaphern und deren Relevanz in der politischen Theorie

virtuell sein (GII, 218). Eigentumstitel und Verkaufsakte sind solchermaßen Symbole für »das ’Recht’ des Eigentümers, das Objekt seines Eigentums einer unbegrenzten Zahl von Operationen zu unterziehen«, die Lohnabrechnung das Symbol für den »Rechtsanspruch eines Lohnabhängigen, eine bestimmte Menge von Geldscheinen zu erhalten, die ihrerseits das Symbol für das Recht des Besitzers sind, eine Anzahl von Kaufakten zu tätigen, die selbst wiederum symbolischer Natur sind« (GII, 200-1), auch Entscheidungen von Wirtschaftplanern und Gerichtsurteile sind in diesem Sinn symbolisch (ebd.). Die Institutionen der Gesellschaft – die ökonomische Organisation, das juridische System, instituierte Macht oder Religion existieren als gesellschaftlich anerkannte Symbolsysteme (ebd.), in denen sich ein funktionaler und ein imaginärer Anteil in wechselnden Proportionen miteinander verbinden (GII, 226). Castoriadis’ Machtbegriff differenziert sich weiter in eine explizite/instituierte Macht, die die Organisation der »politischen Macht« etwa im Staatsapparat meint und eine Inframacht/instituierende Macht als grundlegende Macht, die weder lokalisierbar noch formalisierbar ist, weil sie dem instituierenden Imaginären entspringt (AoB, 158-9), und die in gewisser Hinsicht Foucaults Biomacht ähnelt. Die Wahl des Symbols ist dabei niemals ganz frei, aber auch niemals ganz unfrei – es drängt sich weder als Naturnotwendigkeit auf, noch kommt es ganz ohne den inhaltlichen Bezug zum Realen, gefasst als Ebene der Faktizität, aus (GII, 202) – das Symbolische lehnt sich gewissermaßen an eine erste, »natürliche« Schicht an. Die Institutionen der Gesellschaft als Symbolsysteme sind dabei in einen funktionalen gesellschaftlichen Zusammenhang eingebunden, einzelne symbolische Ausdrucksformen im Kontext ihrer Funktionalität zu sehen, jedoch nicht darauf zu reduzieren. Die Funktionalität von Kaufakt und Lohnabrechnung für die Reproduktion der kapitalistischen Gesellschaftsordnung steht außer Frage. Jedoch, und das ist der springende Punkt in der Kritik Castoriadis’ an der »funktionalistischen Sicht« von Marx bzw. darüber hinaus an dem, was er als »Identitätslogik« der abendländischen Philosophie konzediert, die sich seit der griechischen Philosophie durchgängig, wenn auch nicht bruchlos, tradiert habe: »Sie [die funktionalistische Sicht] [lässt] am entscheidenden Punkt eine Leerstelle: Welches sind die ’realen Bedürfnisse’ einer Gesellschaft, zu deren Erfüllung die Institutionen angeblich einzig dienen? [...] Die funktionalistische Sicht kann ihr Programm nur erfüllen, wenn sie ein Realitätskriterium für die Bedürfnisse der Gesellschaft oktroyieren kann« (GII, 199).

Der funktionale Zusammenhang, in den das Imaginäre eingewoben ist, fußt somit auf einer Bedeutung. Diese ursprüngliche Bedeutung, die als Maßstab

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der Definition von Bedürfnissen dient, ist nicht ganz aus der Funktionalität ableitbar, ist jedoch darin konstitutiv verwoben.

Funktionalität und Verdinglichung Der Funktionalität »äußerlich« bleibt das, auf das hin sich Institutionen der Gesellschaft (Symbolsysteme) funktional verhalten, nämlich die gesetzte Bedeutung, und die gesellschaftlichen Institutionen sind nicht gänzlich auf ihre Funktionalität reduzierbar (GII, 198). Beispiele für die Setzung von Bedeutungen sind die Entstehung der Institution der Sklaverei in der Antike sowie der homo oeconomicus. Dem zufolge ist nach Castoriadis die Herausbildung der antiken Sklavenwirtschaft nicht gänzlich auf den Funktionszusammenhang im Sinne der Interessen der herrschenden Klasse zu reduzieren. Entscheidend sei auch das Auftreten einer neuen imaginären Bedeutung (GII, 264-267), und zwar in der Form, dass das Interesse von Menschen, andere Menschen auf Objekte zu reduzieren und sie auszubeuten als »rational« zu gelten begann. Dieses Interesse könne nicht als etwas selbstverständlich Gegebenes gesehen werden, sondern als etwas, das durch die Setzung einer Bedeutung geschaffen werden müsse. Um die Geschichte der letzten sechs Jahrtausende zu begreifen, muss man immer schon über jene anfängliche Bedeutung verfügen: dass ein Mensch für einen anderen Menschen ein »Quasi-Objekt« sein kann, und zwar [...] in der Anonymität der Gesellschaft, auf dem Sklavenmarkt, in den Industriestädten und Fabriken [...] Wir können diesen »quasi-objekthaften« Zustand verstehen, weil wir über die entsprechenden Bedeutungen verfügen, weil wir in dieser Geschichte geboren sind [...]. (GII, 265)

Jedoch, ein Sklave ist kein Tier und kann auch keines sein, ein Arbeiter ist weder eine Sache noch kann er eine solche sein, er kann lediglich als solche imaginiert werden. Gleichzeitig ist diese Verdinglichung auch keine Wahrnehmungstäuschung im Realen und kein logischer Irrtum – Verdinglichung ist eine imaginäre Bedeutung, in diesem Sinne »realer als das ’Reale’« (GII, 242). Es handle sich dabei also weder um eine »Entdeckung« der Verdinglichung noch um eine »Täuschung« (GII, 266). Der wesentliche Moment sei eigentlich eine Art Verwandlung des Menschen in ein Objekt durch das Auftreten bestimmter gesellschaftlicher Bedeutungen, also das gesellschaftlich-geschichtliche Imaginäre, das nicht auf rein ökonomisch bedingte Gesetzmäßigkeiten zurückzubinden ist (GII, 266). Die Entstehung dieser Bedeutung, hier konkret derjenigen des verdinglichten Menschen, lässt sich nicht begrifflich, nicht auf Kategorien bestimmbarer funktionaler Gesetzmäßigkeiten reduzieren. Das bedeutet etwa, dass die Ursprünge der Klassenteilung mittels begrifflich nachvollziehbarer (funktionaler) Gesetzmäßigkeiten bzw. daraus entnommener »rationaler Logik« nicht gänzlich zu verstehen sind (GII, 266), ohne diese

1. Metaphern und deren Relevanz in der politischen Theorie

zugrunde liegende Bedeutung als eine gesetzte, das heißt, gesellschaftlich geschaffene, in die Analyse mit einzubeziehen. Verdinglichung ist eine imaginäre Bedeutung, die mit den übrigen zentralen imaginären Bedeutungen der Gesellschaft zusammenhängt, insbesondere mit der Bestimmung von Bedürfnissen (GII, 266). Daher ist beispielsweise die Entstehung, der Ursprung der gesellschaftlichen Institution Sklaverei in der antiken Gesellschaft nach Castoriadis »als Auftreten einer imaginären Bedeutung« (GII, 265) und nur auf Basis dieser imaginären Bedeutung als rationales Interesse der herrschenden Klasse an der Ausbeutung verdinglichter Sklaven zu verstehen29. Gleichzeitig sei freilich, so Castoriadis, die Funktionalität der Ausbeutung von Sklaven für die Herrschenden nicht zu übersehen – »ein Teil der Menschen hat jene Möglichkeit gegen die übrigen Menschen geschaffen, die unablässig auf tausenderlei Art dagegen gekämpft haben, aber ebenso wohl auf tausenderlei Arten darin verstrickt waren.« (GII, 265, Hervorh. i. Orig.). Das bedeutet aber eben nicht, dass die antike, von Sklaverei geprägte Gesellschaft in ex post rekonstruierbaren Kategorien, die bestimmte »rationale« Ordnungen und Notwendigkeiten ausdrücken, aufgehen würde. Dieses Verständnis ist explizit demjenigen von Friedrich Engels entgegengesetzt: Für Engels ist die Tatsache, dass ein Mensch eine Ware sein kann, »dass die menschliche Kraft austauschbar und vernutzbar ist, in dem man den Menschen in einen Sklaven verwandelt«, (GII, 266) eine »Entdeckung« (Friedrich Engels, nach Castoriadis, ebd.). Die Sklaverei, so Castoriadis, werde bei Engels als Ausdehnung des Tauschs der Objekte auf die Menschen dargestellt, sohin als ein rein in Kategorien der Funktionalität zu beschreibender Prozess. Analog dazu ist der homo oeconomicus, der ausschließlich nach dem Imperativ der Profitmaximierung handelt, symptomatisch für das »kapitalistische Imaginäre«, wirkmächtig für die analysierte kapitalistische Klassengesellschaft und daher »real« als eine gesellschaftliche geschichtliche Schöpfung und nicht als überzeitliche Gesetzmäßigkeit zu verstehen. Im Blick auf die Geschichte gehe es also nicht darum, den historischen Ablauf aus gänzlich bestimmbaren (kausalen, finalen) Gesetzmäßigkeiten zu erklären, dies sei nämlich nicht möglich (ebd.). 29 | An dieser Stelle wird eine Analogie zur Psychoanalyse nachgezeichnet: auch dort sei die Unzugänglichkeit eines »Ursprungs« kein Hinderungsgrund, im Aktualen zu verstehen worum es sich handelt, und um die »für das Subjekt als krankes Subjekt konstitutiven Bedeutungen zu relativieren, zu entknoten und zu entweihen« (GII, 265). Dies sei dem Subjekt möglich ohne eine »Urszene« wiederzufinden, es könne auch »in dem Kampf im wirklichen Leben«, im Weg der Wiederholung der zentrale Signifikant der Neurose entdeckt werden. Und damit verbunden sei schließlich auch die Erkenntnis, wie zufällig, arm und unbedeutend dieser Signifikant, der Ursprung der Neurose, eigentlich ist bzw. sein kann.

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Global Player EU? Eine ideologiekritische Metaphernanalyse Das Problem liegt [...] darin, die Zufälligkeit, Armut und Unbedeutendheit jenes »Signifikanten« der historischen Gesellschaften einzusehen, der da lautet: Trennung in Herren und Sklaven, Herrschende und Beherrschte. (GII, 267)

Gleichzeitig wurde die gesetzte Bedeutung/der Signifikant – beispielsweise die der Trennung in Herren und Sklaven zugrunde liegende Verdinglichung des Menschen – relativ früh in der Geschichte in Frage gestellt. Spätestens mit dem Klassenkampf wurde die vormalige Einheit unterminiert, in der die Gemeinschaft in ihren Institutionen weitgehend unmittelbar aufging und sich die Menschen den gesellschaftlichen imaginären Schöpfungen – abgesehen von Störungen am Rande – unterordneten, zu einer zerrissenen und konfliktreichen Totalität einer Gesellschaft (ebd.). Die Unterdrückten, die sich gegen ihre eigene Unterdrückung wehren, bleiben jedoch zugleich »tausendfach abhängig« von dem Imaginären, das sie bekämpfen (ebd.). Mit der Entstehung des modernen Proletariats habe aber diese Infragestellung des gesellschaftlichen Imaginären eine neue Dimension erreicht (GII, 268) und die Gesellschaft tatsächlich verändert. Sofern dieser Signifikant als Schöpfung des geschichtlich-gesellschaftlichen Imaginären erkannt wird – und er kann als solcher erkannt werden, wenn sich die Gesellschaft als selbstinstituiert begreift bzw. die gesellschaftlich-geschichtlichen Subjekte die Gesellschaft als selbstinstituiert begreifen – ist auch die Veränderbarkeit der Gesellschaft evident. Somit situiert Castoriadis das Auftauchen bzw. die Entstehung des »springenden Punktes« bewusst außerhalb einer auf Kategorien der Kausalität und Finalität reduzier- und erfassbaren, geschlossenen historischen Logik. Der »springende Punkt« um den es ihm, aber auch Marx und dem Marxismus in der Gesellschaft und in der politischen Philosophie sowie einer daraus resultierenden verändernden, reflektierenden Tätigkeit geht, ist Herrschaft. Herrschaft ist somit bei Castoriadis ursprünglich »eine gesellschaftlich-geschichtliche Schöpfung«, sie entspringt dem gesellschaftlichen Imaginären, das permanente Selbstinstituierung der Gesellschaft hervorbringt. Unterdrückung und Herrschaft sind real durch ein gesellschaftliches Imaginäres, welches das entsprechende Bedeutungsuniversum für den Funktionszusammenhang erst hervorbringen kann. Zuerst begegnet man dem Imaginären (bzw. dem Symbolischen als dem »sedimentierten, verfestigten Imaginären«) in der Sprache (GII, 200). Darüber hinaus sieht Castoriadis, ähnlich wie Blumenberg, bereits den Denk- und Wahrnehmungsapparat als gesellschaftlich instituiert, wie das insbesondere in der (in Kapitel 1.4 und 1.5 ausführlich besprochenen) Metapher des Sehens zum Ausdruck kommt (Lab., XXIV). Demnach ist der Inhalt von (philosophischen, politisch-philosophischen, sozialwissenschaftlichen) Aussagen ungeachtet ihrer Komplexität und möglicherweise hohen Reflexivität von diesem gesellschaftlich-geschichtlichen Wahrnehmungsapparat, der mit gesellschaft-

1. Metaphern und deren Relevanz in der politischen Theorie

lichen Transformationen beständig auch Paradigmenwechseln unterliegt, nicht zu trennen. Ich habe versucht diesen Punkt, die Reflexion von Unterdrückung, der Teilung in Herrschende und Beherrschte aufgrund seiner Zentralität für den Entwurf von Castoriadis etwas detaillierter darzustellen. Zum einen deshalb, weil sich in der Reflexion von Herrschaft die Art und Weise der Verwobenheit von Imaginärem und Realem, Bedeutung und Funktionszusammenhang darstellen lässt. Zum anderen auch, weil die Herrschaftskritik sowohl bei Marx als auch bei Castoriadis den Kernpunkt bilden und die Unterschiede in der Theoretisierung an dieser Schlüsselstelle von besonderer Bedeutung sind. Im Folgenden möchte ich davon ausgehend versuchen, einige weitere zentrale Begriffe und Gedanken darzustellen, die für das Verständnis von Castoriadis Konzeptualisierung des Verhältnisses zwischen »Realem« und »Imaginärem« wesentlich sind.

Geschichtsphilosophie Castoriadis’ Kritik an marxistischer Geschichtsphilosophie bezieht sich auf die Sichtweise, welche die Verdinglichung des Menschen und die Teilung in Herrschende und Beherrschte als Resultat einer überzeitlichen historischen Dynamik sieht, konkret dem grundlegenden Widerspruch30 zwischen gesellschaftlichen Produktivkräften und Produktionsverhältnissen. Dadurch, dass Marx hier überhistorische Gesetzmäßigkeit nahe lege31, widerspreche er nach 30 | Eigentlich handle es sich dabei eher um eine Spannung oder einen Konflikt denn um einen Widerspruch. Der tatsächliche Grundwiderspruch bestünde darin, dass »der Kapitalismus nur funktionieren [kann], wenn er ständig die im eigentlichen Sinne menschliche Tätigkeit der ihm unterworfenen Subjekte in Anspruch nimmt, während er zur gleichen Zeit versucht, diese Tätigkeit auf ein Mindestmaß herunterzusetzen und zu entmenschlichen.« (GII, 31) 31 | Diese Interpretation kann sich unter anderem auf folgende Passage im Kapital stützen, in der Marx die Gelegenheit ergreift, folgenden Einwand eines deutsch-amerikanischen Blattes explizit »kurz abzuweisen: Es [das Blatt, K.B.] sagte, meine Ansicht, dass die bestimmte Produktionsweise und die ihr jedes Mal entsprechenden Produktionsverhältnisse, kurz ’die ökonomische Struktur der Gesellschaft die reale Basis sei, worauf sich ein juristischer und politischer Überbau erhebe und welcher bestimmte gesellschaftliche Bewusstseinsformen entsprächen’, dass ’die Produktionsweise des materiellen Lebens den sozialen, politischen und geistigen Lebensprozeß überhaupt bedinge’, – alles dies sei zwar richtig für die heutige Welt, wo die materiellen Interessen, aber weder für das Mittelalter, wo der Katholizismus, noch für Athen und Rom, wo die Politik herrschte. [...] Soviel ist klar, dass das Mittelalter nicht vom Katholizismus und die antike Welt nicht von der Politik leben konnte. Die Art und Weise, wie sie ihr Leben gewannen, erklärt umgekehrt, warum dort die Politik, hier der Katholizismus die

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Castoriadis seiner eigenen Erkenntnis, nämlich dass die Kategorien, mit deren Hilfe wir Geschichte denken, selbst von der geschichtlichen Entwicklung hervorgebracht würden32 (GII, 26). Mit diesem prinzipiellen Einwand gegenüber einem grundlegenden Moment marxistischer Geschichtsphilosophie steht nicht nur die Geschichtsauffassung zur Disposition, die das Modell des Grundwiderspruchs zwischen Produktivkräften und Produktionsverhältnissen aus der historischen Entwicklung einer bestimmten Weltregion (Westeuropa) in einem bestimmten historischen Abschnitt (dem Übergang von der feudalen zur kapitalistischen Gesellschaft zwischen 1650 und 1850) extrapoliert (GII, 34-5) und auch außerhalb dieser sehr begrenzten zeitlichen und geografischen Bestimmung anwendet. Zugleich geht mit diesem prinzipiellen Einwand auch die Verabschiedung des damit verbundenen Begriffs von Fortschritt bzw. die Kritik an einem bestimmten Fortschrittsbegriff einher – jedenfalls im Sinne einer »Fortschrittsideologie«, in der Elend, Ausbeutung und Verbrechen in die Vernunft der Geschichte hereingeholt werden (GII, 99-100). Dieses Fortschrittsdenken als Verlaufsschema der geschichtlichen Entwicklung sei zwar unter der »genialen Feder von Marx« noch komplex und mehrdeutig, in der »marxistischen Vulgata« jedoch weitgehend zur Trivialität vereindeutigt (AoB, 190). Die Ablehnung, mit der Castoriadis den Begriff des Fortschritts bedacht hat, variiert. In einem Interview aus dem Jahr 1996 stellt er fest, dass es in der Geschichte keinen Fortschritt außerhalb des instrumentellen Bereichs, also in den Bereichen der Technik und Mathematik gäbe. »Der Fortschritt ist im Wesentlichen eine imaginäre Bedeutung des Kapitalismus, auf die selbst Marx hereingefallen ist.« (AoB, 31) Andererseits enthält die Diktion vom Revolutionären bzw. von revolutionären Phasen und Momenten als solchen, welche die Vernunft der Aufklärung als offenen Prozess der Kritik und Erforschung enthält (AoB, 187) und Schritte in Richtung gesellschaftlicher und individueller Autonomie als bewusstes, kollektives, demokratisches, reflektierendes Handeln und damit explizite Selbstinstitution der Gesellschaft fasst, sehr wohl konstitutive Bedeutungen des Fortschrittsbegriffs. Noch in Gesellschaft als imaginäre Institution ist für »große Theorien« wie etwa den Marxismus der Begriff »Erkenntnisfortschritt« als Resultat tätiger Reflexion zu lesen (GII, 43). Aber Hauptrolle spielte. Es gehört übrigens wenig Bekanntschaft z.B. mit der Geschichte der römischen Republik dazu, um zu wissen, dass die Geschichte des Grundeigentums ihre Geheimgeschichte bildete.« (Marx 1987/1867, 96). 32 | Diesen zentralen Moment der Geschichtsphilosophie, den Castoriadis Hegel wie Marx zuschreibt, fasst er in folgender Metapher: »Hegel, as well as (in another and the same way) Marx, situate themselves within history only in order to get out of it, they try to have a look at themselves from outside, they believe that they can inspect their own backs.« (Lab, XXI)

1. Metaphern und deren Relevanz in der politischen Theorie

auch die Ausführungen über die Besonderheit des gesellschaftlich-geschichtlichen Abschnitts, der mit den Griechen beginnt und in Westeuropa ab dem 11. Jahrhundert fortgesetzt wird »als der einzige, in dem ein Entwurf der Freiheit, der individuellen und kollektiven Autonomie, der Kritik und Selbstkritik auftaucht«, enthalten nicht nur Konnotationen, die normalerweise mit dem Begriff »Fortschritt« in Verbindung gebracht werden, sondern darüber hinaus auch inhaltliche Bestimmungen vom »Fortschrittlichen«: Reflexion, (Selbst) Kritik, Freiheitsentwurf, Streben nach individueller und kollektiver Autonomie.

Aufklärung, Vernunft und Dialektik Ein weiterer zentraler Punkt von Casoriadis’ Entwurf einer politischen Philosophie ist der Begriff der Aufklärung. Gebunden ist dieser Begriff jedoch weniger an eine konkrete historische Epoche, sondern vielmehr an eine bestimmte Tätigkeit, das Denken von Gesellschaft und Geschichte als »Modus und Form eines gesellschaftlich-geschichtlichen Tuns«: »Was ich Aufklärung nenne, ist die Arbeit, in der die Menschen ihr Handeln zu denken und ihr Denken zu begreifen versuchen. Auch das ist eine gesellschaftlich-geschichtliche Schöpfung. [...] Ein Musterfall dieses denkenden Tuns ist das politische Denken und die Aufklärung über das Gesellschaftlich-Geschichtliche, die darin einbegriffen ist.« (GII, 13)

Theorie ist ein besonders geartetes Tun, Reflexivität nicht nur an Denken gebunden. Sie entsteht, wenn der Moment der Aufklärung ein Projekt für sich wird, und sie ist ein stets ungewisser Versuch, »das Projekt der Aufklärung in der Welt zu verwirklichen« (GII, 127). Eng verbunden in diesem Begriff der Aufklärung sind hier ebenso das Geschichtliche und das Aktuelle, Gegenwärtige sowie auch die Theorie als Praxis und die Veränderung des Wirklichen. Auch als Aufklärung vergangener Formen menschlicher Existenz gewinnt sie, die Aufklärung, ihren vollen Sinn erst als »Teil des Projekts der Aufklärung unserer eigenen Existenz, die ihrerseits von unserem aktuellen Handeln nicht zu trennen ist« (GII, 282). Diese enthält die Reflexion unserer eigenen Formen des Imaginären, z.B. eines bestimmten Begriffs der Rationalität als Teil des gesellschaftlichen Imaginären (ebd.). Gleichzeitig gehen Auf klärung und Veränderung der Welt parallel. Beide »schreiten in der Praxis in einem Verhältnis wechselseitiger Bedingtheit voran« (GII, 130), es geht immer um Verstehen und Verändern – Verändern immer auch im Sinne eines Aufhebens von und Ankämpfens gegen Herrschaft. Ihre Bewährung findet folglich die Praxis dieses Tuns, also die Theorie, in einer Aufklärung, die nur bruchstückhaftes und vorläufiges Wissen generieren kann und die sich nicht an der Fiktion des absoluten Wissens messen soll, sondern in der Veränderung des Beste-

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henden (GII, 130-1). Begriffsbestimmend ist hier nicht der Epochenbegriff der Aufklärung. Die Aufklärung als Epoche sieht Castoriadis gespalten. Dem Vernunftgedanken der Aufklärung konzediert er eine Zweideutigkeit, er enthalte zwei Momente – einen reflektierenden und einen vereinheitlichenden (AoB, 187). »Die Vernunft der Aufklärung ist zugleich offener Prozess der Kritik und Erforschung [...] und mechanischer, vereinheitlichender Verstand.« (AoB, 187) Letzteres sei als »das Imaginäre der abstrakt-mechanischen Rationalität« unverzichtbarer Bestandteil eines gesellschaftlich-geschichtlichen Prozesses, darin hat sie gegenüber der anderen Seite schnell die Oberhand gewonnen. Diese dominant gewordene Seite der mechanischen, nicht reflexiven Vernunft gilt es insbesondere in ihren unterschiedlichen Aspekten wie etwa dem Streben nach Absolutem Wissen (GII, 131), dem »Einschließungs- und Ausdehnungswahn, der die Vielheit als Einheit behandelt und letztlich die »Einfachheit« alles Gegebenen behauptet«(GII, 495), auch zu reflektieren: Solange man sich der Einsicht verschließt, dass die Vernunft zwar gewiss nicht nur, aber auch ein Nachfahre des Vereinheitlichungswahns ist, stellt man sie nicht an ihren richtigen Platz und kommt, schlimmer noch, nicht zu einer vernünftigen Haltung gegenüber der Vernunft; letztlich hält man ihr damit nicht die Treue, sondern übt Verrat an ihr. (GII, 496, Hervorh. i. Original)

Diese Kritik der Vernunft führt letztens zur Kritik dessen, was Castoriadis die Identitäts- und Mengenlogik der abendländischen Philosophie nennt.

Autonomie und Heteronomie Das ursprüngliche »Motto«, das sich im Titel der Zeitschrift wiederfand, die Castoriadis als Emigrant in Frankreich gemeinsam mit Claude Lefort und anderen gründete, nämlich »Sozialismus oder Barbarei«, veränderte sich im Lauf der Zeit zu »Autonomie oder Barbarei«. Die Enttäuschung über die Entwicklung der revolutionären Bewegungen zu kommunistischen Bürokratien in den realsozialistischen Ländern mündet in der Analyse der darin wirkenden »bürokratisch-kapitalistischen Idealtendenz« (eine Wortschöpfung in Anspielung auf die Idealtypen Webers) hin zu einem «klimatisierten Alptraum« (Wolf 2008, 11-2). Diese »Idealtendenz« kommt zum Ausdruck im »Drang zur Schaffung einer durchhierarchisierten Gesellschaft des Wachstums und der rationalen Kontrolle, in der die zunehmende Entfremdung in der Arbeit durch steigenden Lebensstandard kompensiert und in der jegliche Initiative auf eine kleine Schicht von ’Organisatoren’ übertragen wird« (ebd.). Die Idee der Autonomie als Ziel gesellschaftlicher und individueller Entwicklung hingegen enthält die konstitutiven Elemente der gleichberechtigten Teilhabe an der Aufstellung eines Gesetzes (SaG, 202). Devise und Selbstdefinition einer autonomen

1. Metaphern und deren Relevanz in der politischen Theorie

Gesellschaft bestünden in dem Motto: »Wir sind die, deren Gesetz es ist, sich ihre eigenen Gesetze zu geben.« (SaG, 202) Grundlegend und daher Voraussetzung dafür ist die Einsicht in die Selbstinstituiertheit der Gesellschaft – zum ersten Mal in der Geschichte erscheint der Entwurf kollektiver und individueller Autonomie bei den Griechen (AoB, 152). Der Übergang von der Heteronomie zur Autonomie geht mit einem Bruch mit der mythischen oder religiösen Heteronomie einher. Damit verbunden sind »die Infragestellung der instituierten gesellschaftlich imaginären Bedeutungen, die Erkenntnis der historischen Erzeugtheit der Institution – des Gesetzes, des nomos«, wobei das Gesetz hier im weitesten Sinne als die Institution der Gesellschaft selbst verstanden ist (SaG, 194, Hervorh. i. Original). Dort, wo ein Bruch mit der instituierten Heteronomie stattgefunden hat, ist die autonome Gesellschaft untrennbar verbunden mit dem autonomen Individuum. Das eine setzt das andere voraus (SaG, 202), und das eine erscheint auch mit dem anderen (SaG, 194). Somit ist Autonomie nur als gesellschaftliches Verhältnis vorstellbar (GII, 183), als »das reflexive Handeln einer Vernunft, die sich in einer endlosen Bewegung als zugleich individuelle und gesellschaftliche erzeugt« (AoB, 155) und »revolutionäre Politik ist Praxis, die sich mit der Organisation und Orientierung der Gesellschaft auf die Autonomie aller hin befasst« (GII, 132). Das Anstreben der Autonomie des/der anderen setzt gesellschaftliche Autonomie voraus, aber auch – und damit verbunden – ein Mindestmaß bereits vorhandener Autonomie des/der anderen: »Der eigentliche Grund, wieso ich die Entwicklung der Autonomie des anderen anstreben kann, liegt darin, dass diese kein punktuelles Auf blitzen oder bloße Spontaneität ist« (GII, 182). Autonomie bedeutet, dass der andere für den Inhalt der eigenen Rede bedeutsam wird und nicht bloß als gleichgültiges Material dient (ebd.). Auf psychischer Ebene bedeutet dies, dass die Autonomie des Individuums »in der Herstellung einer anderen Beziehung zwischen der reflexiven Instanz und den anderen psychischen Instanzen, sowie zwischen der Gegenwart und der Geschichte des Individuums« besteht bzw. entsteht (AoB, 155). Dies impliziert »auch den Trieben Raum zu verschaffen« (GII, 178), und es bedeutet etwas anderes als, nach Freud, »dort wo Es war« ganz »Ich« werden zu lassen (GII, 176). Die Idee der individuellen Autonomie bedeute letztlich das Wollen von Freiheit und Autonomie, »autonom zu sein beinhaltet, dass man die Freiheit und das Streben nach Wahrheit psychisch besetzt hat« (AoB, 156). Castoriadis sieht denn auch keinen Gegensatz zwischen Individuum und Gesellschaft (ein Vorwurf von Habermas an Castoriadis bezieht sich auf die zwischen diesen beiden Instanzen fehlende Vermittlung), denn die Instituierung von Gesellschaft und gesellschaftlichem Subjekt müssen miteinander einhergehen. Vielmehr gehe es um einen Gegensatz zwischen Gesellschaft und Psyche. Erklärungsbedürftig sei vor allem, warum die Psyche sich dieser Gesellschaft nicht verweigere.

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Ein Problem im Zusammenhang mit dem Gedanken der gesellschaftlichen Autonomie im Castoriadischen Entwurf ist, dass das Streben nach Autonomie in diesem Sinne zwar vernünftig ist – weil reflexiv und die Selbstinstituiertheit der Gesellschaft anerkennend – jedoch kann der Autonomiegedanke »weder begründet noch bewiesen werden« (AoB, 162). Jede Begründung und jeder Beweis würden ihn bereits voraussetzen, ebenso wie die Begründung von Reflexivität bereits Reflexivität voraussetzt. Der Autonomiegedanke muss gesetzt werden, akzeptiert, postuliert werden, und erst wenn diese Setzung erfolgt ist, kann der Autonomiegedanke »auf Grundlage seiner Implikationen und Konsequenzen vernünftig erörtert werden« (AoB, 162). Kritisch könnte man formulieren: nach Castoriadis ist die Autonomie nicht eher vernünftig begründbar als die Barbarei, eines wie das andere beruht auf einem von unendlich vielen möglichen Bedeutungsuniversen, die jeweils gesellschaftlich gesetzt und instituiert sind. Die Frage »Autonomie oder Barbarei« ist im gesellschaftlichen Imaginären entschieden. Die Kritik von Habermas geht in diese Richtung (vgl. Habermas 1985). Hier handelt es sich um zwei unversöhnliche Positionen, die dem unterschiedlichen Vernunftbegriff geschuldet sind: Habermas hält in der Tradition von Kant fest an der vernünftigen Begründbarkeit von Freiheit (vgl. Habermas 1997), Castoriadis schließt aus, die Freiheit auf Vernunft begründen zu können, da umgekehrt die Vernunft selbst bereits Freiheit und Autonomie voraussetze (AoB, 186). »Um zur Vernunft zu gelangen, muss man zunächst frei denken wollen.« (AoB, 186)

Die Selbstinstituiertheit der Gesellschaft Das Projekt der gesellschaftlichen und individuellen Autonomie ist im Kern mit der »Entdeckung« verbunden, dass Gesellschaft eben durch sich selbst und durch gesellschaftlich-geschichtliche Individuen hervorgebracht und damit auch veränderbar ist. Wesentliche Voraussetzung ist das Durchbrechen gesellschaftlicher Entfremdung. Entfremdung besteht darin, dass die Gesellschaft im Imaginären der Institutionen nicht mehr ihr eigenes Produkt zu erkennen vermag (GII, 226). Erstmals in der Geschichte war dies, so Castoriadis, in der griechischen Polis der Fall. Wenngleich die Entdeckung gesellschaftlicher Selbstinstiuiertheit auf eine schmale Schicht der Gesellschaft beschränkt war und Frauen wie Sklaven als Unterdrückte »naturalisiert« blieben, so sei doch erstmals das Prinzip der Selbstinstituiertheit anerkannt worden. Die Entstehung der griechischen Polis »ist nicht aus der Geographie Griechenlands oder dem Stand der Produktivkräfte zu dieser Zeit erklärbar, weil es seinerzeit eine Vielzahl von Stadtgemeinden im Mittelmeerraum gab.« (AoB, 37)

1. Metaphern und deren Relevanz in der politischen Theorie

Zwei Momente des Marxismus Der affirmative Bezug auf Marx gründet sich vor allem auf folgenden konstitutiven Elementen: die Überwindung gesellschaftlicher Entfremdung und das Postulat, dass es darum geht, die Welt zu verändern. Die gesellschaftliche Entfremdung (GII, 110; 190; 226; 608), die sich in der Unpersönlichkeit ökonomischer Marktmechanismen, den Klassen- bzw. Herrschaftsverhältnissen, einer »Planungs(irr)rationalität« generell manifestiert, die Castoriadis als mit den patriarchalen Familienverhältnissen verbunden denkt (GII, 185-6), erscheint dabei als Modalität des Verhältnisses der Gesellschaft zu ihrer eigenen Verfasstheit/Institution und Geschichte, über die es Aufschluss zu geben und die es zu verändern gilt (GII, 196). Den revolutionären Moment des Marxschen Denkens verortet Castoriadis in dem Postulat, dass es darum gehe, die Welt zu verändern und nicht, sie zu interpretieren (GII, 96) und das Erscheinen dieses Moments bedeute »eine entscheidende Wende in der Geschichte der Menschheit« (ebd.). Castoriadis würdigt ausführlich das anfängliche Streben des Marxismus nach etwas gänzlich Neuem – nach einer Einheit von Reflexion und Aktion, von höchstem Denken und alltäglichstem Handeln, nach einer bewussten Umwandlung der Gesellschaft durch die autonome Tätigkeit der Menschen, und zwar weder als Explosion noch als empirische Praxis, sondern als revolutionäre Praxis: »Dieser neue Anspruch zählt zum Tiefsten und Beständigsten, was der Marxismus geliefert hat.« (GII, 106-7) Gleichzeitig enthalte der Marxismus auch einen zweiten Moment, der die »innersten Tendenzen der kapitalistischen Kultur und Gesellschaft fort[führt] und [...] bekräftigt« (GII, 99). Als einen Ausdruck davon sieht er die Fortschrittslogik an, die er im Großen und Ganzen dem »kapitalistischen Imaginären« zuordnet, wenngleich die positiven Bedeutungen von »Fortschritt« im Denken über die Reflexivität von Vernunft, über die Überwindung von Entfremdung und Herrschaft sowie den Übergang von Heteronomie zu Autonomie enthalten sind. Am deutlichsten werde dies in Passagen, in denen der Technik die Rolle eines Gradmessers für gesellschaftlichen Fortschritt zugemessen werde, wie das etwa im Diktum deutlich wird, die Handmühle verrate die feudale Gesellschaft, die Dampfmühle die kapitalistische (GII, 41-2). Ein anderer impliziter Ausdruck für das Fortschreiben der »innersten Tendenzen der kapitalistischen Kultur und Gesellschaft« sei weiters – als Konsequenz aus der Marxschen Geschichtsphilosophie – das »stillschweigende Postulat einer wesentlich unveränderlichen menschlichen Natur [...], deren vorherrschende Triebfeder das ökonomische Motiv wäre« (GII, 52). Gleichzeitig räumt Castoriadis ein, dass dieses Postulat nicht durchgängig festzustellen sei. So weiche etwa das Kapitel über die Warenanalyse und den Warenfetischismus deutlich von diesem Postulat ab (GII, 226), und hier sei auch die Rolle des Imaginären anerkannt. Dem Operationsschema des Wertes, das in der Kritik

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der Ware bzw. der Äquivalenzlogik bei Marx zum Ausdruck kommt, misst Castoriadis einen sehr wichtigen Stellenwert zu (GII, 226-7; 423; 427-29; 436).

Das Ökonomische Gerade in der Ökonomie komme die zentrale Rolle des Imaginären besonders deutlich zum Vorschein, wenngleich sie als Muster für die Rationalität des Kapitalismus und der modernen Gesellschaft schlechthin gelte (GII, 268-9). Ins Auge springe das vor allem dort, wo es um die Definition der Bedürfnisse geht, deren Befriedigung angeblich das Ziel der Wirtschaft sei (ebd.). Deutlicher als in jeder anderen Gesellschaft zeigt sich in der Moderne der »willkürliche«, nicht-natürliche, nicht-funktionale Charakter der gesellschaftlichen Bedürfnisbestimmung, und zwar gerade wegen der Produktivkraftentwicklung und des gesellschaftlichen Reichtums, der ihr über die Befriedigung der »elementaren Bedürfnisse« hinauszugehen gestattet. (GII, 269)

Der Mensch als »homo oeconomicus« ist ein Produkt des gesellschaftlichen Imaginären, ökonomische Rationalität ist eine gesellschaftlich-geschichtlich geschaffene (»geschöpfte«), und sie lässt sich daher vollständig weder aus dem Verhältnis zwischen Produktivkraftentwicklung und Produktionsverhältnissen noch aus dem gesellschaftlichen Tauschprinzip heraus erklären. Ökonomische Rationalität ist bereits eine Form des gesellschaftlichen Imaginären, das nicht nur als Rationales fungiert, sondern das Rationale enthält (GII, 279). Aber auch andere Figuren, Institutionen und »Werte« besetzen das Bedeutungsuniversum des Kapitalismus: »Das Unternehmen« als eine sich unablässig ausdehnende und wuchernde Entität (GII, 528), »der Fortschritt« (AoB, 31) und »das Wachstum« (AoB, 199). Gegenwärtig sei jedoch »die Ökonomie selbst als zentraler Wert, als zentrale Sorge der modernen Welt« eingesetzt (GII, 199), Genüsse erschienen als subjektive Seite dessen, was Ökonomie in der modernen Welt geworden ist, nämlich die zentrale »Realität«, das, was wirklich zählt« (AoB, 199).

Identitäts- und Mengenlogik All diese hier skizzierten kritischen Perspektiven im Denken Castoriadis’ – auf Herrschaft, Geschichtsphilosphie, Vernunft und Autonomie laufen prismatisch in einem Punkt zusammen, nämlich in seiner Kritik der Identitäts- und Mengenlogik. Diese kritisiert Castoriadis als dominante Tendenz abendländischer Philosophie zum Ausschluss des Nicht-Bestimmbaren, Nichtintelligiblen, Nichtidentischen – im Denken über das gesellschaftliche wie das geschichtliche Sein. Die klassische Regel der überlieferten Ontologie und Logik umschreibt er folgendermaßen: Sie

1. Metaphern und deren Relevanz in der politischen Theorie »verbietet es, ohne Not neue Entitäten einzuführen. Dem liegt eine andere Regel zugrunde: man soll den Sinn von »sein« nicht vermehren; »sein« soll nur einen Sinn haben. Dieser Sinn, der von Anfang bis Ende als Bestimmtheit bestimmt wurde – peras bei den Griechen, Bestimmtheit bei Hegel – schloss das Vorkommen einer Art von Sein, die sich der Bestimmtheit entzieht [...] von vornherein aus (GII, 287-8).

Identitäts- und Mengenlogik, deren fortgeschrittenste Form die Mathematik darstellt (GII, 273), ist also eine Logik, die »eine ontologische Entscheidung über das [trifft], was ist und wie es ist: Das Seiende ist derart, dass Mengen existieren [...] Zugleich existieren Mengen aber auch nur in und dank der Identitätslogik« (GII, 381). Dieser Fixierung auf das Bestimmbare/die Bestimmtheit liegt das Apriori zugrunde, dass das instabile Werden, alles Instabile, Unbeständige, Undefinierte auf das stabile Sein zu beziehen sei. Gesellschaft und Geschichte werden in dieser Vernunft auf die Form und Norm des beständigen politischen Gemeinwesens bezogen, »wobei immer schon unterstellt ist, dass jenes instabile Werden am Maßstab des stabilen Seins, also am Kriterium der rechten Form des rechten Gemeinwesens gemessen wird« (GII, 386). Daraus folgt: »Wenn [...] ’sein’ ’bestimmt sein’ heißt, dann sind Gesellschaft und Geschichte nur, insoweit ihr Platz in der Gesamtordnung des Seins (als Ergebnis von Ursachen, als Mittel für Zwecke beziehungsweise als Moment eines Prozesses) sowie ihre innere und äußere Ordnung bestimmt sind. Ordnungen, Beziehungen und Notwendigkeiten prägen sich zu Kategorien aus, das heißt zu Bestimmungen all dessen, was sein kann, insofern es sein (gedacht werden) kann.« (GII, 288)

Damit verstrickt sich die Identitäts- und Mengenlogik in eine endlose Tautologie. Geschichte und Ideengeschichte werden zu einem riesigen tautologischen System (Lab, XXI), das sich selbst bestätigt und reproduziert – als sein wesentlicher Bestandteil erweist sich unter anderem die »Jahrtausende alte Fiktion des absoluten Wissens« (GII, 131) und die Annahme des absoluten Seins (GII, 91). Um jedoch der rationalistischen Illusion zu entgehen, müsse man Ernst machen mit dem Gedanken, dass es Unendliches und Unbestimmtes gibt (GII, 91). Jede rationale Bestimmung lasse einen unbestimmten nichtrationalen Rest, und dieser ist nicht weniger wesentlich ist als das Analysierte (GII,95), woraus nicht zuletzt folgt, dass mit dem Anspruch zu brechen sei, Kontemplation und systematische Geschlossenheit mache die Idee der Theorie aus (GII, 96). Eine Identitätslogik, die den Maßstab des stabilen Seins an allem instabilen Werden anlegt, führt zur »Ausgrenzung von all dem, was nicht wahrhaft, fest und vollständig bestimmt ist« (GII, 300) und konstruiert sich durch identitätslogische Operationen selbst. Das wirft Castoriadis der hegelianischmarxistischen Auffassung von Geschichte vor. Sie begreife Gesellschaft als

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Summe und Aufeinanderfolge von Handlungen einer Vielzahl von Subjekten, die durch notwendige Beziehungen (Finalität, Kausalität) »vermittels derer sich ein System von Ideen in einem Ensemble von Dingen verkörpert (oder es widerspiegelt)« (GII, 288). »Was in der Geschichte nicht auf dieses Schema zurückzuführen ist und gemessen an ihm als Zuviel oder Zuwenig erscheint, wird dann zu Schlacke, Täuschung, Willkür, Zufall, kurz: zu Nichtintilligiblem.« (GII, 288)

Imagination als das durch die Identitätslogik Ausgeschlossene Was insbesondere aufgrund der Fixierung auf die Bestimmtheit, auf das stabile Sein in der überlieferten Ontologie ausgeschlossen und als solche niemals untersucht wurde, sind »Vorstellung, Imagination und Imaginäres [...] Sie wurden stets auf etwas anderes bezogen: Empfindung, Intellektion, Wahrnehmung, Wirklichkeit [...] den Normen angepasst [...] auf Wahrheit und Falschheit hin befragt, zu einer Funktion instrumentalisiert und nach Dienlichkeit zur Erreichung des Zwecks beurteilt, der entweder Wahrheit sein sollte oder der Zugang zum wahrhaft Seienden, zur seienden Seinheit« (GII, 286-7).

Aristoteles habe zwar die Imagination philosophisch entdeckt, indem er ihr einen Platz zwischen Empfindung, deren Reproduktion sie sei, und Intellektion zuweise, sage er darüber aber weniger, als er an anderer Stelle schrieb und zu sagen gewusst hätte. Ebenso ent- und verdecke Kant die Rolle dessen, was er transzendentale Einbildungskraft nennt 33 (GII, 297-8). Schließlich behauptet Freud die Unvereinbarkeit zwischen dem von ihm entdecken Unbewussten mit der Ontologie des Tagesbewusstseins, denkt es jedoch als Maschinerie psychischer Apparate, Instanzen, Orte, Kräfte, »um die Unbestimmtheit, die dem Unbewussten als radikaler Imagination zukommt, wieder zu verdecken« (GII, 298).

Magmalogik Wenngleich Castoriadis einräumt, dass wir jenseits der Grenzen der Identitätslogik weder denken noch sprechen können und sich die Identitätslogik nur unter Verwendung ihrer selbst als Logik in Frage stellen lässt (GII, 383), so versucht er der Identitätslogik einen eigenen Entwurf entgegenzusetzen und entlehnt dessen grundlegendes Prinzip der Psychoanalyse. Zwei Beschränktheiten der identitätslogischen Logik/Ontologie müssten dabei überwunden werden (zumindest versucht, überwunden zu werden): die Logik des Identi33 | Vgl. dazu auch die Ausführungen von Christina von Braun über die Geschichte der Einbildung, in der sich die Geschlechterordnung deutlich widerspiegle (Braun 2001, 163-181).

1. Metaphern und deren Relevanz in der politischen Theorie

schen, der Wiederholung, sowie des zeitlos Ewigen (GII, 308). Es wäre die Unmöglichkeit zu überwinden, die Gesellschaft als Koexistenz oder als Einheit einer Mannigfaltigkeit zu denken (GII, 309) und auch Terme zu betrachten, die keine diskreten, voneinander geschiedenen, individuierbaren Entitäten sind (oder nur vorübergehend, etwa zur Kennzeichnung, als solche behandelt werden können). Bei der Betrachtung von Gesellschaft hat man es mit Termen zu tun, die also nicht Elemente einer Menge sind noch auf solche Elemente zurückführbar sind, sowie mit Relationen zwischen solchen Termen, die ihrerseits weder voneinander geschieden noch eindeutig abgegrenzt werden können. Schließlich bleibt das Paar Terme/Relation unfassbar, solange dabei nicht zugleich auf andere Ebenen Bezug genommen wird. (GII, 309) Das Sein des Gesellschaftlichen sei, anders gesagt, ohne Gleichen, weshalb es die Ontologie im Sinne von »sein« als »bestimmt sein« in die Grenzen verweist, es lasse sich eben nicht als bestimmbare Menge bestimmter, wohlunterschiedener Elemente fassen. Wir haben es vielmehr als Magma zu denken, als Magma von Magmen sogar – worunter ich nicht das Chaos verstehe, sondern eine nicht-mengenförmige Organisationsweise einer Mannigfaltigkeit, für die das Gesellschaftliche, das Imaginäre und das Unbewusste als Beispiel dienen können. (GII, 310)

Ein Magma ist etwas, dem sich mengenlogische Organisationen unbegrenzt entnehmen lassen (oder: worin sich solche Organisationen unbegrenzt konstruieren lassen), das sich aber niemals durch eine endliche oder unendliche Folge mengentheoretischer Zusammenfassungen (ideell) zurückgewinnen lässt. (GII, 564)

1.6.2 Die Kritik der Identitätslogik bei Castoriadis und bei Adorno Im Grundtenor wider die Identitätslogik finden sich, wie Konrad Thomas feststellt (Thomas 1991, 131), Berührungspunkte zwischen Castoriadis und Horkheimer und Adornos zentralem Gedanken der Dialektik von Mythos und Aufklärung34. Die Furcht vor dem Unerfassten als Furcht vor der unerfassten Natur wird zur Naturbeherrschung (Horkheimer/Adorno 1994, 38). Wo das Unerfasste erfasst wurde, geschah dies als Unmenschlichkeit, im Nationalsozialismus: »Das von Zivilisation vollends erfasste Selbst löst sich auf in ein

34 | Die beiden Ansätze sind mithin kombinierbar, wenngleich sie sich in vielen Punkten grundsätzlich unterscheiden. Zur Kombinierbarkeit und zur Sinnhaftigkeit des Kombinierens unterschiedlicher theoretischer Ansätze vgl. Pühretmayer 2010.

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Element jener Unmenschlichkeit, der Zivilisation von Anbeginn zu entrinnen trachtete.« (ebd., 37) Noch deutlicher sind Konvergenzen anhand der Negativen Dialektik abzulesen, in der sich Adorno gegen die Positivität der Hegelschen Dialektik wendet mit dem Kerngedanken, dass darin das Nichtidentische, Unbestimmte abgedrängt werde. Ein neuralgischer Punkt bei Hegel sei, dass er »Arten und Unterschiede, die vom äußerlichen Zufalle und vom Spiele, nicht durch Vernunft bestimmt sind« verwerfe (Hegel, zit.n. Adorno, ND, 26). Eine solche Philosophie postuliere »den Identitätsanspruch: dass ihr Gegenstand in ihr aufgehe, indem sie ihrer Verfahrungsweise eine Suprematie einräumte, der das Heterogene als Material a priori sich fügt« (ND, 26). Dies komme insbesondere in der Hegelschen Dialektik zum Ausdruck, in der die Negation der Negation zum Positiven werden kann35. Jedoch sei das Nichtidentische (als dasjenige, das via der Verfahrensweise der Philosophie als Negatives des Bestimmten geschaffen ist) nicht als Positives zu gewinnen, auch nicht als Negation des Negativen. Negation ist nicht selbst, wie bei Hegel, Affirmation (ND, 161). Vielmehr sei die »Gleichsetzung der Negation der Negation mit Positivität die Quintessenz des Identifizierens« (ND, 161). Denkparallelen zwischen Adorno und Castoriadis werden hier deutlich: In der Kritik der Hegelschen Dialektik wie in der Kritik der abendländischen Metaphysik als »Guckkastenmetaphysik«36 und der traditionellen Philosophie, »die über Unendlichkeit schwadroniert und sie nicht achtet« (ND, 25), weil Erkenntnis keinen ihrer Gegenstände ganz inne haben kann (ebd.) sowie an Quantifizierungstendenz, die sich als Rationalität ausgibt (ND, 53). Ganz ähnliche Denkbewegungen wider die Identitätslogik sind zum einen im Plädoyer für Fragmente als Form der Philosophie zu erkennen, »die die vom Idealismus illusionär entworfenen Monaden zu dem Ihren brächten« (ND, 39), zum anderen in Adornos Weigerung, »Skurrilitäten wie die Hegel immer wieder vorgerechnete, die Weltgeschichte sei im preußischen Staat vollendet« als »bloße Aberration« und als »irrelevant gegenüber dem Ganzen zu sehen« (ND, 38). Ähnlich auch die Reflexion auf das Denken selbst, etwa die Definition der dialektischen Logik als eine, die »das Denken, das zu Denkende und den Gegenstand auch dort [respektiert], wo er den Denkregeln nicht willfahrt« (ND, 35 | »Indem die Dialektik zu ihrem Resultat das Negative hat, so ist dieses, eben als Resultat, zugleich das Positive, denn es enthält dasjenige, woraus es resultirt [sic!], als aufgehoben in sich, und ist nicht ohne dasselbe. Dieß [sic!] ist aber die Grundbestimmung der dritten Form des Logischen, nämlich des Spekulativen oder Positiv-Vernünftigen« (Hegel, zit.n. Adorno, ND, 27). 36 | »Die abendländische Metaphysik war, außer bei Häretikern, Guckkastenmetaphysik. Das Subjekt – selber nur beschränktes Moment – ward von ihr für alle Ewigkeit in sein Selbst eingesperrt, zur Strafe seiner Vergottung.« (ND, 143)

1. Metaphern und deren Relevanz in der politischen Theorie

144). Denken vermöge »gegen sich selbst zu denken, ohne sich preiszugeben« (ebd.), Philosophie bleibe aber in der Negativität befangen (ND, 62). Ähnlich lässt sich bei Castoriadis nur gegen die Identitätslogik unter Verwendung derselben denken (GII, 383). Eine verwandte Denkbewegung bei Adorno scheint weiters in der Reflexion auf Statik und Dynamik vorfindbar zu sein: Die Mikroanalyse der einzelnen Kategorien, zugleich als deren objektive Selbstreflexion auftretend, sollte, ohne Rücksicht auf ein von oben Aufgestülptes, einen jeden Begriff in seinen anderen übergehen lassen. [...] Zwischen dessen Begriff, als abschließendem und damit stillstellendem, und dem der Dynamik, als dem der reinen autarkischen Erzeugung aus dem Subjekt, die alle philosophische Systematik konstituiert, herrscht Widerspruch ebenso wie Verwandtschaft. Die Spannung von Statik und Dynamik konnte Hegel ausgleichen nur vermöge der Konstruktion des Einheitsprinzips [Hervorh. K.B.]. (ND, 35-6)

Im Sinn der Ausgangsbestimmungen der dialektischen Logik »enthüllt Sein sich als das Werden«, so Adorno (2003/1961, 229), ebenso wie ein seiner bloßen Merkmalsbeschreibung nach statisches Gebilde, z.B. »ein Wassertropfen unter dem Mikroskop lebendig zu werden, zu wimmeln beginnt, so wird die fixierte Aussage, etwas sei so und nicht anders, durch die minutiöse Beschreibung des Sachverhalts selber dynamisch« (ebd.). Diese Spannung zwischen Statik und Dynamik, die im Einheitsprinzip aufgelöst wird, lässt sich bei Castoriadis als Beherrschung des stabilen Seins, der Bestimmtheit, über das instabile Werden lesen (wörtlich: der Maßstab des stabilen Seins wird am instabilen Werden angelegt). Von hier nimmt Castoriadis’ Kritik am Ausschluss von Vorstellung und Imagination aus der abendländischen Ontologie den Ausgangspunkt, und von hier aus unternimmt er auf der Grundlage der psychoanalytischen Kategorie des Unbewussten den Versuch eines Entwurfs gegen die Identitätslogik. Zu vermuten ist, dass Adorno dem Resultat dieses Versuchs, dem – auf einer Metapher fußenden – Entwurf der Magmalogik nicht viel abgewinnen hätte können, stuft er doch abbildendes Denken als reflexionslos ein und Vorstellungen als subjektive Willkür37. Dabei ist Imagination in der Version von 37 | »Abbildendes Denken wäre reflexionslos, ein undialektischer Widerspruch; ohne Reflexion keine Theorie. Bewusstsein, das zwischen sich und das, was es denkt, ein Drittes, Bilder schöbe, reproduzierte unbemerkt den Idealismus; ein Corpus von Vorstellungen substituierte den Gegenstand der Erkenntnis, und die subjektive Willkür solcher Vorstellungen ist die der Verordnenden.« (ND, 206-7) Das Ansinnen, die Sache ganz zu begreifen, sei auf Bilderlosigkeit, auf ein im Materialismus säkularisiertes Bilderverbot, angewiesen: »Die materialistische Sehnsucht, die Sache zu begreifen, will

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Castoriadis nicht unbedingt gleichzusetzen mit abbildendem Denken, und auch der Begriff der Vorstellung bei Adorno scheint mir anders gefasst zu sein als bei Castoriadis. Bei Castoriadis beinhaltet er das Dynamische, das Werden der Bedeutungsgebung und muss nicht, kann jedoch das abbildende Denken, das Denken in Bildern, beinhalten. Doch hier soll es nicht um eine vergleichende Perspektive auf diese beiden Theorien bzw. Fragmente und Entwürfe gehen. Was hier von Interesse ist, ist die Kritik an einer Ontologie, die dem Bestimmtsein, dem Statischen, den Vorrang einräumt. Diese Kritik ist beiden theoretischen Entwürfen inhärent. Castoriadis bringt diese Kritik der Identitätslogik ferner in einen Zusammenhang mit der Rolle von Vorstellung und Imagination. Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang die Rolle der Imagination in der Geschichte der abendländischen Philosophie. Dass diese (teils zwiespältige) Rolle der Imagination als Einbildungskraft auch die herrschende Geschlechterordnung widerspiegelt und zudem historische Wandlungen durchlaufen hat, das zeigt Christina von Braun aus kulturhistorischer Perspektive.

1.6.3 Identitätslogik und der Ausschluss der Imagination im Geschlechterkontext Philosophische Wertungen von Imagination und Rationalität weisen einen sich im Lauf der Jahrhunderte wandelnden geschlechtsspezifischen Subtext auf. Während im mittelalterlichen Christentum der Glaube nicht auf der Seite des Unwissens stand (Braun 2001, VS, 166) und somit nicht als Einbildung38 abgetan werden konnte, die im Gegensatz zu einer »gesicherten Wirklichkeit« stünde (ebd.), wurden Einbildung wie Glaube im Denken der Renaissance allmählich abgewertet (etwa bei Michel de Montaigne und René Descartes). Allerdings wandelte sich in der Aufklärung die einfache Umwertung, die Gegenüberstellung von »Einbildung« und Rationalität« zu einer »geteilten Einbildung« (VS, 174). Der Begriff der Einbildung wurde vielfach auf unterschieddas Gegenteil: nur bilderlos wäre das volle Objekt zu denken. Solche Bilderlosigkeit konvergiert mit dem theologischen Bilderverbot. Der Materialismus säkularisierte es, indem er nicht gestattete, die Utopie positiv auszumalen; das ist der Gehalt seiner Negativität.« (ND, 206) Gleichzeitig erkennt aber Adorno die zentrale Rolle der Rhetorik in der Philosophie an (ND, 65) und Sprache, auch die philosophische, wie insbesondere Blumenberg zeigt, ist auf Metaphern angewiesen (vgl. Kapitel 1.4). 38 | Der Begriff der Einbildung stammt von den etymologischen Vorläufern des Begriffs Bild. Da im christlichen Glauben das Prinzip des Abbilds – der Abbildhaftigkeit der Welt, des Menschen etc. – tief verankert ist, war auch der Begriff der »Einbildung« lange Zeit positiv besetzt (Braun 2001, 163).

1. Metaphern und deren Relevanz in der politischen Theorie

liche Weise gespalten, davon jeweils eine Seite positiv, eine andere negativ konnotiert. Spinoza etwa unterschied eine Einbildung, die Täuschung ist, und eine Einbildung, die tiefere Erkenntnis ist (VS, 169). Ähnlich bei Kant: Hier wird einerseits die Einbildungskraft als produktives Vermögen zu einer zentralen Kategorie (VS, 174). Im Zuge seiner Frage nach den Bedingungen der Sinneserfahrung verbindet sich die Einbildungskraft mit den Kräften des Verstandes, um eine Synthesis zu ermöglichen: »Ich verstehe aber unter Synthesis in der allgemeinsten Bedeutung die Handlung, verschiedene Vorstellungen zu einander hinzutun und ihre Mannigfaltigkeit in einer Erkenntnis zu begreifen« (Kant, Kritik der reinen Vernunft, zit.n. Braun, VS, 275). Die Einbildungskraft, die dabei die Synthesis ermögliche, sei eine blinde, obgleich unentbehrliche Funktion der Seele, »ohne die wir überall gar keine Erkenntnis haben würden, der wir uns aber selten nur einmal bewusst sind« (ebd.). Die Einbildungskraft verbünde sich mit der Mathematik, der »konstruktiven Wissenschaft« an sich, sowie mit Vernunft und Verstand allgemein, um eine schöpferische Wirkungsmacht zu entfalten39. Andererseits setzt Kant dieser produktiven Einbildungskraft eine Einbildungskraft gegenüber, deren Synthesis lediglich den Gesetzen der Assoziation, also empirischen Gesetzen unterworfen sei, die daher zur Erkenntnis a priori nichts beitrage (VS, 176). Sie gehöre nicht der Transzendentalphilosophie an, sondern der Psychologie. Wenngleich Kant diese beiden Formen der Einbildungskraft nicht eindeutig den Geschlechtern zuweist, deren Konnotationen – Verstand und Kreativität im einen Fall, rein »reproduktive Synthesis« im anderen – verwiesen, so Braun, auf Geschlechterzuordnungen, welche die abendländische Dichotomie widerspiegelten. Die produktive Einbildungskraft bestimme das Vermögen des »Genies« und insinuiere den »männlichen Geist« auch damit, dass sie mit dem geschriebenen Wort in Verbindung gebracht ist (VS, 177). Die Idee ist männlich konnotiert, die Empfindung weiblich (ebd.). Schließlich beschreibt Kant die Gewinnung der »Normalidee«, beschrieben mit dem gleichen Verfahren wie demjenigen der produktiven Einbildungskraft, am Beispiel des Männerkörpers40 (VS, 178). 39 | »Die Einbildungskraft (als produktives Erkenntnisvermögen) ist nämlich sehr mächtig in Schaffung gleichsam einer andern Natur, aus dem Stoffe, den ihr die wirkliche gibt. Wir unterhalten uns mit ihr wo uns die Erfahrung zu alltäglich vorkommt; bilden diese auch wohl um: zwar noch immer nach analogischen Gesetzen, aber doch auch nach Prinzipien, die höher hinauf in der Vernunft liegen.« (Kant, Kritik der Urteilskraft, zit.n. Braun, VS, 176) 40 | »Jemand hat tausend erwachsene Mannspersonen gesehen. Will er nun über die vergleichungsweise zu schätzende Normalgröße urteilen, so lässt [...] die Einbildungskraft eine große Zahl der Bilder [...] auf einander fallen; und, wenn es mir erlaubt ist, hiebei die Analogie der optischen Darstellung anzuwenden, in dem Raum wo die meis-

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Im 19. Jahrhundert schließlich, exemplarisch mit den Ausführungen zur Einbildung bei Ludwig Feuerbach, verschwindet die produktive Seite der Einbildungskraft langsam wieder (VS, 181). Sie wird abgewertet zu einer Wirkungskraft der reinen Täuschung, zugeordnet der Weiblichkeit, insbesondere der weiblichen Hysterie, die zu einem Symptom für Einbildung, Selbstbetrug und Schwindel schlechthin (VS, 181) sowie zum Hindernis für den geschichtlichen Fortschritt erklärt wurde (VS, 184). War dem weiblichen Geschlecht vorher Jahrhunderte lang die Fähigkeit zum Glauben abgesprochen worden, so galt es nun als geschaffen für die christliche Leichtgläubigkeit (VS, 184). Während also die männlich konnotierten Qualitäten Glaube und Einbildung im christlichen Weltbild positiv konnotiert waren, war ihre Bewertung in der Aufklärung zunächst gespalten, um schließlich überwiegend ins Negative zu kippen. Die Spaltung fand entlang geschlechtsspezifischer Stereotype statt – in eine der Sphäre der Vernunft zugehörige »produktive Einbildungskraft«, die mit der Idee und dem »männlichen Genie« verknüpft ist, und eine andere, der Sphäre der Psychologie, Empfindung und »bloßen Empirie« zugehörigen »unproduktiven Einbildungskraft«.

1.6.4 Geschlecht und das gesellschaftliche Imaginäre Geschlecht ist bei Castoriadis eine gesellschaftlich imaginäre Bedeutung, die wiederum auf sämtliche andere imaginäre Bedeutungen in der betreffenden Gesellschaft verweist, die Ausdrücke weiblich und männlich seien bereits als gesellschaftliche und nicht etwa als biologische Terme gesellschaftlich instituiert (GII, 383). Geschlecht ist also zentral für die Konstituierung des gesellschaftlichen Imaginären, da es in alle anderen Bedeutungen verwoben ist, es kann als »grundlegende Bedingtheit menschlichen Seins und Denkens« betrachtet werden (Pechriggl 1991, 92). Die Philosophin Alice Pechriggl verfolgt den Gedanken weiter, indem sie an Castoriadis’ Kritik des »identitätslogischen Kreisdenkens« und der »Herrschaft des Selben« anknüpft (Pechriggl 1990, 98), insbesondere am Ausschluss und der Negation »dieses Dritten«, das weder auf Materie bezogene Sensibilität, noch Intelligibilität, sondern primäre Einbildung, Imagination ist (ebd., 81). Zu ten sich vereinigen, und innerhalb der Umrisse, wo der Platz mit der am stärksten aufgetragenen Farbe illuminiert ist, da wird die mittlere Größe kenntlich, die sowohl der Höhe als Breite nach von den Äußersten Grenzen der größten und kleinsten Staturen gleich weit entfernt ist; und dies ist die Statur für einen schönen Mann. (Man könnte ebendasselbe mechanisch heraus bekommen, wenn man alle tausend mäße [...] Allein die Einbildungskraft tut eben dieses durch einen dynamischen Effekt, der aus der vielfältigen Auffassung solcher Gestalten auf das Organ des innern Sinnes entspringt.)« (Kant, Kritik der Urteils-kraft, zit.n. Braun, VS, 178)

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diesem Abgespaltenen, Nicht-Identischen, so stellt Pechriggl fest, gehöre auch das Weibliche (ebd., 98). Und im »Verhältnis von Andersheit, Einbildungskraft und Weiblichem [...] gibt es [...] Analogien in Bezug zur Herrschaft des Selben, die sich vor allem über deren Ausgrenzung und Unterschlagung durch die identitäre Logik vermitteln« (ebd.). So werde auch – zumindest seit der Frühromantik – die Metapher des Weiblichen für die evaluierende Darstellung des Bruchs und der unbestimmbaren Andersheit herangezogen (ebd., 99). In ähnlicher Weise geschehe das auch bei Derrida, indem dieser vom Weiblichen als Ort des éspacement spricht, als Ort des Vorstellungsüberschusses, des Unbestimmbaren und nicht Kalkulierbaren (ebd., 98). Von hier aus gelangt sie zu dem Schluss, dass die Frage der Veränderung der Geschlechterverhältnisse letztlich eine Frage der Vermittlung sei, einer »Vermittlung des Anderen mit dem anwesenslogischen Einen des Seienden«, das »einerseits als in diesem immer schon wirkenden gedacht werden [muss], andererseits als dasjenige, was noch nirgends ist, für dessen Ins-Sein-Treten aber die Bedingungen gegeben sind. Die Einbildungskraft als psychisch-kreative Fähigkeit wäre eine solche« (ebd., 100). Damit ist explizit das gemeint, was Castoriadis unter dem Begriff der radikalen Imagination versteht: ein Ins-Sein-Bringen, an das jegliche reflexiv-realisierende Handlungskategorie erst angeknüpft werden kann. Das Andere in dieser nicht festlegbaren und nirgends festgelegten Unbestimmbarkeit wäre denn auch nicht eins, sondern eine von einer – offenen – Einheit nicht völlig abkoppelbare Vielheit, die sich über die Befreiung der Andersheit entfalten ließe. Und zwar nicht über die Befreiung ins chaotische Nichts. Es ginge hierbei um eine Veränderung, der dieses Andere selbst untersteht, insofern es mit dem Selbst und dessen niemals reiner Einheit in einer Verbindung des vermittelnden Auf bruchs steht. Für das hermetische Selbe in seiner absehbaren Ordnung aber bedeutet dies Einbruch, Abgrund, der nicht erster Anfang sondern zwischenzeitlich sich schaffende Zwischenwelt ist (ebd., 100-1). Einbildungskraft ist also nichts per se Positives, sondern nur das aus dem Identitären Ausgeschlossene. Gleichzeitig, so räumt sie ein, sei aber auch der Logos des Selben ein Produkt der Einbildungskraft mit seiner Allmachtsphantasie, sich vom Unbestimmten, Nicht-Identischen, dem »semantischen Sumpf oder Treibsand« (Castoriadis) reinigen zu können, einwelthaftes Phantasma (ebd., 102.). Und es stelle sich schließlich die Frage: »Was macht also die Macht des Überschreitens aus?« (ebd.) Wie kann man, sehr vereinfachend gesagt, zu dem Schluss kommen, dass eine solche Überschreitung des Identitätslogischen via Einbildungskraft ein emanzipatorisches Resultat zeitigt und nicht etwa das Gegenteil? Pechriggl beantwortet diese Frage41 sinngemäß so, dass 41 | Diese Frage führt m. E. jedoch auch zurück auf ein strukturelles Problem, das bereits im Denken von Castoriadis erkennbar wurde. Autonomie wie Barbarei beruhen auf

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das emanzipatorische Resultat nicht auszuschließen sei. Man müsse die Kategorie der Möglichkeit als eine ontologische Kategorie der Veränderung aufgeben, um diese Veränderung auszuschließen und damit gleichzeitig – in der Aufgabe dieser Möglichkeit – die Identitätslogik affirmieren. Zunächst gilt es aber, die Art und Weise zu rekonstruieren, wie die Identitäts- und Mengenlogik die Geschlechterdifferenz bearbeitet hat und in der Gesellschaft wirkt, nämlich in der Form, »dass sie die biologische Komplementarität verallgemeinert hat und eine binäre Struktur auf Bereiche ausgeweitet hat [...], in denen die Gültigkeit der Komplementarität nur über die Einsetzung eines legitimierenden Diskurses und über einen von Epoche zu Epoche mehr oder weniger expliziten sozialen Zwang zustande kam« (Pechriggl 2002, 36). Kern ist also die binäre Struktur, »ontologische Oppositionen oder Differenzen wie aktiv-passiv, bestimmt-unbestimmt bzw. gestaltet-ungestaltet, EinheitVielheit, Identität-Unterschied, Gleichheit-Andersheit [...], gut-schlecht« (ebd., 37) und die damit oftmals verbundene Funktion der Geschlechterdifferenz, innerhalb einer Differenzkategorie als Hierarchie zu fundieren und zu legitimieren (ebd.). Die binäre Struktur im »gesellschaftlichen Bedeutungsuniversum«, die durch Geschlechterkonnotationen durchhierarchisiert sind, begreift Pechriggl als Konsequenz der Identitätslogik. Auffällig ist hier die Parallelität zu Regina Becker-Schmidt: Wie Pechriggl in der geschlechterkritischen Weiterentwicklung von Castoriadis’ Denken bei der Identitäts- und Mengenlogik ansetzt, so ist bei Becker-Schmidt die Identitätslogik zentraler Anknüpfungspunkt an Adorno. In ihrer Herangehensweise der immanenten Kritik fokussiert sie auf gesellschaftliche, geschlechtlich codierte Dichotomien (Becker-Schmidt 1998; 1989). Ihr »Leitbegriff«, der auf die Rekonstruktion des durch die Identitätslogik Ausgesparten abzielt, ist derjenige der Vermittlung (Becker-Schmidt 1998, 86). Dichotomien blendeten sowohl auf erkenntnistheoretischer als auch auf gesellschaftstheoretischer Ebene Vermittlungen aus. »Im Horizont dualistischer Denkmuster bleibt in einer identitätslogischen Perspektive ausgeklammert, dass das Ausgegrenzte zur Bestimmung des Eingegrenzten dazugehört« (ebd.). Während aber in der ideologiekritischen Denkbewegung bei Becker-Schmidt die Gleichzeitigkeit von Erkenntnis- und Gesellschaftskritik im Fokus steht und die Dichotomien insbesondere als Deckbilder sozialer Ungleichheit im Geschlechterverhältnis analysiert werden (Becker-Schmidt 1998), knüpft Pechriggl bei Castoriadis’ Ontologiekritik an und fokussiert die unreflektierte Inszenierung von Geschlechtlichkeit in der Philosophie und im politischen Imaginären. Philosoeiner Setzung im gesellschaftlich-geschichtlichen Imaginären, und es muss bereits die Autonomie gesetzt sein, um die Barbarei als solche zu erkennen. Die Setzung der Autonomie an sich ist nicht vernünftiger als die Setzung der Barbarei, es ist per se lediglich eine andere Setzung.

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phie und Politik stellen in der abendländischen Tradition, so Pechriggl, »zentrale Diskurs- und Praxisformen her, die Geschlechtlichkeit inszenierten, aber auch begründeten« (Pechriggl 2002, 38), sie gleichzeitig aber nicht zum Gegenstand einer Reflexion machten. Politik und Philosophie zeichnen sich hiermit besonders durch ein Paradoxon aus (ebd.). Von hier aus geht sie zur Analyse des politischen Imaginären über, in dem sich (immer in Anlehnung an das Reale42) der Geschlechtskörper transfiguriere43. Dieses Imaginäre ist nicht nur durch die binäre, hierarchisierte Struktur gekennzeichnet, sondern ebenso durch eine Asymmetrie, welche die Hegemonie des Männlichen festlegt (ebd.). Vor allem im Falle von ontologischen Körpermetaphern44 des kollektiven Körpers sei dies gut nachzuvollziehen, da auf dieser Ebene die Verkörperung von Macht und mithin deren Vergeschlechtlichung im Zentrum stehe (ebd, 39). Und auf dieser Ebene stelle der tradierte männliche Körper, die Formierung der männlichen Körper mit den dazu gehörigen Seelen (sowie der Disposition des Mutes und der Tugend ...) zu einem Kriegercorps [...] den historischen Kern gesellschaftlich-politischer, also kollektiver Subjektivität dar (ebd.).

Frauenkörper sind hier Fremdkörper, komplementär gesetzt und abgegrenzt, positioniert höchstens jenseits der gesellschaftlichen Effektivität und Machtausübung in der Sphäre des Projektionsflächenimaginären der Weiblichkeit (ebd.), zum Beispiel einer allegorischen Weiblichkeit der Nation, etwa der Marianne, die sich in einer »semiotisch-poetologischen oder rhetorischen Funktion als Sinn-bild« erschöpft (ebd.). Die männliche Instituierungshegemonie hingegen präge jegliche Definitions-, Distinktions- und Segregationspraxis (ebd.), die sich in ganz unterschiedlichen historischen Epochen nachweisen lassen. Der kriegerische Männercorps mit den Tugenden Ehre und Mut bildete die personelle Grundlage des demos als politische Körperschaft. Die Einheit des Volkskörpers ist hier über die organische Einheit des Einzelkörpers vermittelt 42 | Das Reale gefasst als materiell-konsistente Faktizität, als »gegebene Gegenständlichkeit, die durch das Sprachlich-Imaginäre in Sinn und in Bedeutung gesetzt und damit transfiguriert wird.« (ebd., 38). Das Reale sei dabei mehr oder weniger durch das Imaginäre, deren Logiken und Bedeutungszusammenhänge sedimentiert (ebd.). Vgl. dazu ausführlicher Pechriggl 1996, 57f. 43 | Dabei unterscheidet sie drei Schichten des Imaginären, drei Seinsweisen: ein physisch-materielles Imaginäres, ein wirkliches Imaginäres und ein transzendentes Imaginäres, das sich in etwa als das Symbolische bezeichnen ließe (Pechriggl 2002, 38) 44 | Ontologisch ist hier nicht im linguistischen Sinne (wie im folgenden Kapitel verwendet) zu verstehen, sondern philosophisch, in dem Sinn, dass die Metapher zur Gestaltung des Seienden bzw. zum Ins-Sein-Treten beiträgt (Pechriggl 1997, 168).

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(Pechriggl 1997, 168-9). Aus der Sphäre der polis sind Frauen ad personam ausgeschlossen, im Raum des politischen Imaginären erscheinen sie als abstraktikonische, ideelle Gestalt der Athena – vor allem in Krisen und Kriegszeiten kontrastiert vom negativen Gegenbild zersetzender weiblicher Monstrosität (ebd., 172). Die hierarchisierende Komplementarität der geschlechtsspezifischen Grunddienste von Wehren und Gebären habe sich bis heute weitgehend erhalten (ebd., 174). Hier zeichnet sich ab, was in der Metaphorisierung des Gemeinwesens in der Geschichte Europas allgemein festzustellen ist, nämlich dass politische Machtgebilde von der griechischen Polis bis zum neuzeitlichen Staatskörper zumeist als männlich imaginiert werden, das Kollektive inklusive der Phantasmatik moderner Massenformationen hingegen tendenziell als weiblich (Koschorke/Lüdemann/Frank/Matala de Mazza 2007, 66).

1.6.5 Die Beziehung zwischen dem Materiellen und dem Imaginären – Zwischenresümee Zusammenfassend sollen hier noch einmal die wesentlichen Argumentationslinien und Denkbewegungen der obigen Ausführungen dargestellt werden. Ausgehend von einer Betrachtung der Relevanz von Metaphern im politischen Denken, einem Überblick über den Forschungsstand und der Präsentation von drei theoretischen Ansätzen aus unterschiedlichen Disziplinen, die jeweils eine wesentliche Funktion der Metapher genauer analysierbar machen (feministische Politikwissenschaft, Hermeneutik, kognitivistische Metapherntheorie), wurde ein Bogen zum gesellschaftstheoretischen Stellenwert von Ideen/Imaginationen/dem Imaginären gespannt. Ausgangspunkt dafür ist die – unter dem Vorzeichen von Ideologietheorie behandelte – Problemstellung, eine Beziehung zwischen Materiellem und Ideen zu denken. Diese Relation wurde mit Hilfe des theoretischen Zugangs von Cornelius Castoriadis konkretisiert. Castoriadis wendet sich in seiner Kritik gegen die »Identitäts- und Mengenlogik« der abendländischen Ontologie, die sich, in dem sie alles Sein als bestimmt Sein setzt, in ein tautologisches System verstrickt, das alles Unbestimmte, Nicht-Bestimmbare, Nichtidentische ausschließt. In der Ausformulierung dieser Kritik finden sich Berührungspunkte zur Kritischen Theorie, die am Beispiel von Adorno punktuell angedeutet werden. Als ein entscheidender Aspekt in der Kritik der identitätslogischen Ontologie (in weiten Teilen eine Kritik an Hegel) bei Castoriadis und ähnlich bei Adorno wird der Vorrang des stabilen Seins gegenüber dem instabilen Werden (in Castoriadis’ Begriffen) bzw. des Statischen gegenüber dem Dynamischen (in Adornos Begriffen) ausgemacht. Castoriadis bringt weiters mit dem Ausschluss des instabilen Werdens aus der (politischen) Philosophie den denkerischen Ausschluss des Imaginären und der Imagination in Verbindung. Dies äußere sich etwa darin, dass

1. Metaphern und deren Relevanz in der politischen Theorie

gesellschaftliches und geschichtliches Sein auf funktionale, kausale und teleologische Bestimmungen reduziert werde. Was Castoriadis’ Version in meiner Lesart von anderen Versionen der Verhältnisbestimmung in marxistischer Tradition unterscheidet und verbindet, ist Folgendes: • Die in Marx’ politischer Ökonomie analysierte tiefgreifende Beziehung zwischen Produktion und dem übrigen gesellschaftlichen Leben (GII, 35) wird nicht prinzipiell in Frage gestellt, so auch nicht Funktionalität und Kausalität darin. Besonders das in der Warenanalyse dargelegte Äquivalenzprinzip wird als wesentlich anerkannt. Gleichzeitig bedeutet das Beharren auf einem »unbestimmbaren Rest« in der Gesellschaftsanalyse, dass historische und gesellschaftliche Entwicklungsprozesse niemals ganz auf funktionale Zusammenhänge und Beziehungen zurückzuführen und als teleologische Prozesse zu sehen sind. Der »Rest« des Unbestimmbaren ist jedoch kein Rest im mengenlogischen Sinn, es ist vielmehr ein allen bestimmbaren Relationen Zugrundeliegendes. In dem Sinn, dass funktionale Relationen unverzichtbar etwas enthalten, das ihre Funktionalität in Bezug auf etwas, eine bestimmte Zielsetzung hin, eine bestimmte Bedeutung hin, festlegen müssen. Insofern ist es eine imaginäre Bedeutung. Das Imaginäre in diesem Sinn ist konstitutiv, vom »Realen« nicht trennbar, sein wesentlicher Bestandteil ist das geschlechtliche Imaginäre, das, obwohl asymmetrisch binär organisiert, Männlichkeit als historischen Kern gesellschaftlichpolitischer und kollektiver Subjektivität setzt. Die binäre, hierarchisierte Struktur des Imaginären , die auf der Identitätslogik fußt, ist eng mit der Hierarchisierung der Geschlechter verwoben (Pechriggl), geschlechtlich konnotierte Dichotomien sind Deckbilder sozialer Ungleichheit (BeckerSchmidt). • In die materiellen Verhältnisse sind bereits notwendigerweise Bedeutungen eingewoben, etwa in der Form, dass es gesellschaftliche Definitionen dafür gibt, was als Bedürfnis oder »Interesse« gilt. Diese – weder überzeitlich noch gesellschaftsübergreifend gültigen Definitionen – bilden die Grundlage für funktionale und kausale gesellschaftliche Zusammenhänge. Aus dieser Perspektive gibt es keine Trennung zwischen »Basis« und »Überbau«. • Kern der Theorie von Castoriadis ist im Marxschen Sinn das emanzipatorische Ziel von Gesellschaftstheorie, die Aufhebung von Herrschaft. Jedoch ist Herrschaft nicht aus einer (universalen) historischen Entwicklungslogik erklärbar, sondern geht auf die »Setzung einer bestimmten Bedeutung« zurück, in diesem Fall der Trennung in Herrschende und Beherrschte, die mit der Verdinglichung von Menschen einhergeht. Die Verdinglichung von Menschen wiederum ist keine entwicklungslogische Notwendigkeit, son-

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dern imaginär in dem Sinn, dass Menschen real keine Dinge sind und erst im gesellschaftlichen Imaginären zu solchen gemacht werden mussten/ müssen. Das Imaginäre in diesem Verständnis ist zwar mehr und umfassender als wirkmächtige Vorstellungen und Metaphern bzw. Bilder. Gesellschaftlich wirksame Vorstellungen, Metaphern und Bilder lassen sich aber umgekehrt als ein prägnanter Ausdruck des gesellschaftlichen Imaginären im Sinne von Castoriadis definieren.

1.7 E ckpunk te des M e taphernverständnisses Aus der Beschäftigung mit verschiedenen theoretischen Aspekten in den vorangegangenen Kapiteln ergibt sich für die Analyse folgendes Metaphernverständnis: Einem weiten Metaphernbegriff folgend wird die Metapher als etwas gefasst, durch das »eine Sache oder ein Vorgang in Begriffen einer anderen Sache bzw. eines anderen Vorgangs« versteh- und erfahrbar wird (Lakoff/Johnson 1998/1980). Diese weite Definition schließt prinzipiell auch Parabeln, Allegorien, Metonymien und Synekdochen mit ein. Die Metapher befindet sich an der Schnittstelle von Kognition, Emotion und Körper, sie ist, mit Castoriadis gesprochen, ein Teil des »gesellschaftlichen Imaginären«, das untrennbar in die materiellen Verhältnisse eingewoben ist, und dessen integraler Bestandteil auch die Geschlechterhierarchie und eine damit verbundene heteronormative Ordnung ist. Die Relevanz der Metaphernanalyse für sozialwissenschaftliche Fragestellungen beruht auf den spezifischen Wirkaspekten bzw. Funktionen von Metaphern im politischen, medialen, alltäglichen Diskurs sowie auch in der politischen Theorie bzw. im wissenschaftlichen Diskurs allgemein. Zunächst ist das die Funktion, politische Konstellationen und Institutionen (z.B. Staatlichkeit, Nation, Bürokratie) überhaupt vorstellbar und anschaulich zu machen, also überhaupt politische Konstruktionen in einer bestimmten Form intelligibel zu machen und damit auch zu konstituieren. Haben sich einmal bestimmte Metaphern und Bilder etabliert, wie etwa die Metapher vom Staatskörper oder vom Staatschiff, so aktivieren diese gleichzeitig affektive Schichten und Körpergefühle, und sie wirken dadurch legitimierend und Loyalität generierend. Indem der Verfasstheit des Politischen und Gesellschaftlichen (in den oben genannten Beispielen als einheitlicher Körper) der Schein der Naturhaftigkeit anhaftet, werden Hierarchisierung und gesellschaftliche Ungleichheit ausgeblendet. Im Extremfall ist der kommunikative Einsatz bestimmter Metaphern und Bilder Propaganda- und Manipulationsinstrument, wie etwa antisemitische und rassistische Diskurse im Nationalsozialismus zeigen (vgl. dazu u.a. Mu-

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solff 2007) oder auch die demagogische Sprache und Propaganda rechtsextremer und rechtspopulistischer Parteien und Bewegungen (vgl. dazu u.a. de Landtsheer 2009). In der Literatur finden sich verschiedene, sich teils überschneidende Differenzierungen und Betonungen der einzelnen funktionalen Aspekte der Metapher: Rigotti (1994, 19-22) stellt eine konstitutive, eine evokative und eine ornamentale Funktion der Metapher als zentral heraus, Maasen, Mendelsohn und Weingart wiederum differenzieren in »illustrative, heuristic, and constitutive [basic functions]« (1995, 2). Manche heben speziell die Funktion von Metaphern als legitimatorische Ressource hervor (vgl. u.a. Kerchner 1999; Kreisky 2003; Sawer 1996; Schneider 2008) oder die epistemologische Funktion (u.a. Yanov 2008; für die hermeneutische Metapherntheorie etwa Blumenberg, vgl. Kapitel 1.4), andere die ontologisch-kreative bzw. poetische Funktion von Metaphern (Carver/Pikalo 2008, 3), welche nicht zuletzt aufzeigt, dass Vorstellungen und Wahrnehmungsmuster immer auch anders sein könnten. Als Orientierungsrahmen für die empirische Metaphernanalyse ist eine Unterscheidung dieser Funktionen, die in der Wirkung miteinander verwoben sind, sinnvoll. Dabei fasse ich zu folgenden wesentlichen Funktionen zusammen: Legitimatorische Funktion: Diese bewirkt die Legitmierung, Dethematisierung, das Ausblenden und die Naturalisierung von Hierarchien durch Körpermetaphern des Gemeinwesens. Epistemologische/konstitutive Funktion: Ausgehend vom hermeneutischen Verständnis strukturiert metaphorisches Denken Erkenntnis. Indem damit gleichzeitig ein Verständnis von Realität geschaffen wird, ist damit auch der konstitutive Aspekt verbunden wie auch ein explikativer Aspekt und ein kreativer – es könnte immer auch eine andere Metapher verwendet werden und damit anderes in den Vordergrund gerückt bzw. in den Hintergrund gestellt werden. Evokative Funktion: Emotionen und (körperliche) Affekte werden aktiviert, z.B. im Pathos des schwankenden Staatschiffs. Sie verleihen Metaphern dadurch besondere Kraft.

1.8 M e taphernanalyse und I deologiekritik Die Rede vom »Ende der Ideologie« ist mittlerweile schon Jahrzehnte alt45, jedoch spricht auch aktuell viel dafür, »dass das ’Ideologische’ oder die ’ideo45 | Die Rede bzw. die Theorie vom »Ende der Ideologie« hat ihren Ursprung in den 1950er Jahren, der Anfangsphase des Kalten Krieges (Schartner 2003, 66). Hauptstoßrichtung dieser Theorie war, von einem platten Antikommunismus Abstand nehmend

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logische’ Wirkungsweise von Herrschaft heute gesellschaftlich nicht weniger geworden ist« (Jaeggi 2009, 270). Die Entsicherung und Prekarisierung von Lebensverhältnissen in neoliberalen Transformationsprozessen und die damit einhergehende Anrufung von Idealen wie Autonomie, Kreativität, Selbständigkeit, Unabhängigkeit (ebd. 270-1), die Tatsache, dass Bevölkerungsgruppen sich offenkundig entgegen ihre eigenen ökonomischen Interessen für einen anti-wohlfahrtsstaatlichen Backlash-Konservativismus begeistern, der in den USA als Allianz zwischen Neoliberalen, Neokonservativen und religiösen Rechten auftritt (Rehmann 2008, 9-10), oder auch das Erstarken des islamischen Fundamentalismus seit den 1980er Jahren (Eagleton 1993, 1), all diese Entwicklungen lassen es keineswegs als sinnvoll erscheinen, von einem Ende der Ideologie zu sprechen. Rahel Jaeggi plädiert für eine Revitalisierung der Ideologiekritik als eine Form der Sozialkritik (Jaeggi 2009, 266) und identifiziert vier Aspekte der Ideologiekritik (ebd., 269f.): Erstens Ideologiekritik als Herrschaftskritik mit einem »tiefen« Ansatz. »Mechanismen der Selbstverständlichmachung«, die »den Eindruck der Unhintergehbarkeit von sozialen Verhältnissen wie Selbstverhältnissen herstellen«, etwa Naturalisierungsphänomene, werden dabei als etwas Konstruiertes, als Herrschaftsverhältnisse dechiffriert. Zweitens setzt Ideologiekritik nicht »dem Falschen« »das Richtige« entgegen, sondern arbeitet mit den eigenen Maßstäben des Kritisierten, das – so der Ausgangspunkt der Ideologiekritik – Inkonsistenzen und innere Widersprüche aufweist. Drittens operiert Ideologiekritik dort, wo sie Verzerrungen im Selbst- und Weltverhältnis aufdeckt, mit einem Vorbehalt gegen die Selbstauslegung von sozialen Gebilden und Individuen und viertens ist nach Jaeggi der Zusammenhang von Analyse und Kritik charakteristisch für das Verfahren der Ideologiekritik, »in dem Sinne, in dem die Analyse nicht nur die instrumentelle Vorbedingung für Kritik ist, sondern Bestandteil des kritischen Prozesses selbst (Jaeggi 2009, 270). Jaeggis Ideologiebegriff impliziert sowohl den erkenntnistheoretischen Aspekt von «Illusion, Verzerrung, Mystifikation« als auch die »gesellschaftliche Funktion« von Ideologie (Eagleton 1993, 9) als »Verschränkung des Wahren und des Unwahren« (Adorno 2003/1954, 465) sowie »als Überzeugungssysteme, die [...] praktisch [wirken] und [...] ihrerseits Effekte einer bestimmten und mit theoretischen Anleihen bei Comte, Weber und Mannheim, die Überlegenheit des Liberalismus wissenschaftlich zu beweisen (ebd.). Geprägt wurde der Terminus vom amerikanischen Soziologen Edward Shils, aufgegriffen schließlich von Daniel Bell, Raymond Aron and Seymour Lipset (ebd., 67). Vgl. dazu auch Eagleton, der hier die Erklärung des postmodernen Philosophen Gianni Vattimo aus dem Jahr 1990 anführt, das Ende der Moderne und das Ende der Ideologie seien identisch (Eagleton 1993, 1).

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gesellschaftlichen Praxis [sind]« (Jaeggi 2009, 268). Diese Fassung von Ideologiekritik enthält zudem die Infragestellung von scheinbar Unhintergehbarem/ Naturalisierungen wie einer spezifischen Definition von (instrumenteller) Rationalität, einem spezifischen Verständnis von »Interesse« und »Nutzen« sowie von Identitätslogik und Äquivalenzprinzip, wie sie im vorangegangenen Kapitel ausgeführt wurden. Ideologiekritik bezieht sich somit auch auf die »Setzung von Bedeutungen im gesellschaftlichen Imaginären«, wie etwa, dass es rational sei, Menschen als Objekte zu betrachten, dass die Verdinglichung des Anderen oder patriarchale Gewalt in einer universalen entwicklungsgeschichtlichen Logik enthalten wären, dass im Sinne eines androzentristischen Bias der Mensch des Menschen Wolf sei und eine als (männlich gedachte) psychische Monade stets ihr Eigeninteresse verfolge usw. Jaeggis Ideologiebegriff löst die Paradoxie von »wahr und falsch« durch den Anspruch der »Second-order-Normativität« auf (Jaeggi 2009, 281). Ideologiekritik wäre [...] gekennzeichnet durch etwas, das man versuchsweise eine »second-order-Normativität« nennen kann, durch eine Normativität, die darin liegt, den konstruierten und perspektivischen Charakter bestimmter Setzungen explizit zu machen. Sie wirkt damit als [...] ein ’Aufweis der Veränderbarkeit’ sozialer Praktiken und Institutionen – als eine Aufhebung der [...] »Selbstverständlichmachung« (Jaeggi 2009, 281). Damit bleibt Ideologiekritik etwas Perspektivisches, sie steht nicht »außerhalb der als Verblendungszusammenhang aufzufassenden sozialen Wirklichkeit« (ebd., 295), setzt »dem Falschen« nicht »das Richtige« entgegen46 (ebd., 270), und sie ist »nicht auf ein romantisch-harmonisches Ideal von Widerspruchsfreiheit, die Idee der endgültigen Überwindung von Konflikten festgelegt« (ebd., 293). Als Einheit von Analyse und Kritik nimmt sie keinen externen Maßstab in Anspruch, sondern postuliert das Prinzip der bestimmten Negation (ebd., 283) bzw. der immanenten Kritik (ebd., 286-8): Sie geht von den Normen aus, die einer bestimmten (sozialen) Situation inhärent sind, sieht die Ideale von Freiheit und Gleichheit nicht als verfehlt, sondern »als wirksame widersprüchlich geworden und defizitär«, orientiert sich an den inneren Widersprüchlichkeiten der Realität, zielt auf die Transformation von Realität und Normen und Idealen. Zudem sind, wie die feministische Vertiefung der Kritik an der Identitätslogik in Kapitel 1.6.4 ergab, geschlechterhierarchisch unterlegte binäre Oppositionen bzw. Dichotomien (Geist vs. Körper, Verstand vs. Gefühl, Gleichheit vs. Andersheit usw.) als Deckbilder sozialer Ungleichheit bzw. Naturalisierung von Herrschaft, mithin als ideologisch zu dechiffrieren.

46 | Insofern entgeht diese Fassung von Ideologiekritik auch dem Problem der Totalisierung des Ideologieverdachts bei Karl Mannheim (Jaeggi 2009, 282) – indem kein »falsches Bewusstsein« aufgedeckt werden kann, gibt es auch keinen Verdacht.

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Ideologiekritik beinhaltet somit auch die Dekonstruktion geschlechterkonnotierter Dichotomien und heteronormativer Ordnung. Ein wesentlicher Aspekt von Ideologie, der aufgrund der »traditionellen Überbetonung des Bewusstseinsaspekts« (Rehmann 2008, 129) in Ideologietheorie und Ideologiekritik wenig erschlossen ist, betrifft die »Verkörperung«, die Manifestation von Ideologie in körperlichen Dispositionen, die sich durch Bourdieus Habitusbegriff ergänzen lassen (ebd.). Habitus ist dabei das »Produkt der Einverleibung einer sozialen Struktur in Form einer quasi natürlichen [...] Disposition« (Bourdieu 2001, 216). Gerade diese körperbezogene Dimension der Ideologiekritik lässt sich via Metaphernanalyse nachvollziehen, da Metaphern unter anderem Körpergefühle aktivieren (können). In dieser Hinsicht hat die Kombination von Ideologiekritik und Metaphernanalyse innovatives Potenzial, während die Verbindung von Ideologiekritik und Diskursanalyse allgemein bereits seit geraumer Zeit gängig bzw. forschungsleitend ist, beispielsweise in der Kritischen Diskursanalyse. Der Prämisse der Kritischen Diskursanalyse folgend, die sich in den Theorietypen kritisch-dialektisch und phänomenologisch-hermeneutisch verortet (Wodak/Weiss 2004, 69), manifestiert sich Ideologie im Diskurs (Wodak/ Weiss 2002; Pollak 2002), und zwar sowohl die kognitiven als auch die emotionalen Aspekte von Ideologie (Wodak/Weiss 2002, 4). Insbesondere der Wiener Ansatz der Kritischen Diskursanalyse hat sich thematisch aus der Untersuchung antisemitischer und rassistischer diskursiver Praxen entwickelt und wurde ab der 2. Hälfte der 1980er Jahre als »diskurshistorischer Ansatz« konturiert (vgl. Reisigl 2007), beginnend mit der Waldheim-Affäre (vgl. Wodak/Pelikan/Nowak/Gruber/De Cillia/Mitten 1990) und u.a. fortgeführt mit Studien über rassistische und fremdenfeindliche Diskriminierung (vgl. u.a. Wodak/Van Dijk 2000) sowie über die diskursive Konstruktion der österreichischen Nation (vgl. u.a. Wodak/de Cillia/Reisigl/Liebhart/Hofstätter/Kargl 1998). Diskurs umfasst, der analytischen Differenzierung von Norman Fairclough zufolge, drei Dimensionen: Diskurs als Text, als diskursive Praxis und als soziale Praxis (letztere umfasst die allgemeineren strukturellen und ideologischen Aspekte von Text und diskursiver Praxis) (Fairclough 1992, 72-5). Der Fokus auf Metaphern lässt sich demnach in Theorie und Methodologie der Kritischen Diskursanalyse (CDA) als Versuch verstehen, die ideologische Dimension der Sprache herauszustellen (Stenvoll 2008, 37). Im Verständnis der Kognitivistischen Linguistik laufen menschliche Denkprozesse metaphorisch ab. Metaphern bilden so etwas wie eine vorsprachliche Logik ab, eröffnen aber ebenso den Blick auf die Substruktur des Denkens und dessen körperbezogene Dimension, die Ideologie enthält. Wenngleich diese linguistische »Theorieschule« in ihren Ursprüngen bei Noam Chomsky den Prämissen der Kritischen Diskursanalyse widerspricht, unter anderem

1. Metaphern und deren Relevanz in der politischen Theorie

wegen der weitgehenden Vernachlässigung der Kontextdimension (Wodak/ Weiss 2004, 67), so lassen sich die beiden Ansätze methodologisch dennoch verbinden, v.a. anknüpfend an die methodischen Ausformulierungen bei Musolff (2004). Auf der Grundlage der hier entwickelten theoretischen Grundlagen und in einer Kombination methodischer Tools aus Kritischer Diskursanalyse und Metaphernanalyse der Kognitivistischen Linguistik werde ich im Folgenden empirisch untersuchen, was Metaphern der EU/Europas in einem ausgewählten österreichischen Printmediendiskurs über deutungsdominante Vorstellungen und Verständnisse der EU/Europas aussagen und wie die vertiefende theoretische Kontextualisierung und Analyse einer einzelnen Metapher als Ideologiekritik gelesen werden kann.

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2. Metaphern der EU/Europas im Printmediendiskurs

Vor dem Hintergrund der Theoriearbeit im vorangegangenen Teil der Arbeit gehe ich im Folgenden der Fragestellung nach deutungsdominanten Vorstellungen der EU/Europas anhand deren metaphorischer Darstellung in einem ausgewählten Printmediendiskurs, nämlich demjenigen um den EU-Beitritt der Türkei, nach. Nach einer Präzisierung der Fragen und der methodischen Herangehensweise sowie der Analyseinstrumente werden in einem ersten Schritt möglichst vollständig alle prägnanten metaphorischen Ausdrücke für die EU/Europa erhoben, dargestellt, analysiert und interpretiert und die Ergebnisse mit denjenigen aus thematisch verwandten Studien abgeglichen. Es stellt sich in der empirischen Untersuchung heraus, dass Europa und die EU im medialen Diskurs meist synonym verwendet werden. Gezwungenermaßen übernehme ich diese mangelnde Differenzierung in der Auswertung und Interpretation insofern, als ich entweder beide Begriffe gemeinsam mit Schrägstrich verwende (Europa/EU) oder die Schreibweise mit zwei Großbuchstaben am Anfang (EUropa) gebrauche. Diese Verwendung soll gleichzeitig auch darauf aufmerksam machen, dass Europa und die Europäische Union nicht gleichzusetzen sind.

2.1 F r agen Folgende Fragen werden anhand des Datenmaterials bearbeitet: • Wie ist die EU/Europa im Printmediendiskus metaphorisch dargestellt? Durch welche Metaphern/im Rahmen welcher Metaphernszenarios wird das »europäische Eigene« in einem diskursiven Kontext konstruiert, der über weite Strecken eine symbolische Grenze zum Anderen zieht (Giannokopoulos/Maras 2005)? In welche Szenarien, Argumentationen, historische Kontexte sind die Metaphern eingebettet und welche impliziten Annahmen enthalten sie? Welche Metaphern stehen dafür, was die EU sein/

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werden soll oder auch dafür, was sie auf keinen Fall sein/werden darf? Welche Vorstellungen von der Finalität der EU sind aufzufinden? Inwiefern spiegeln sich auch nationale Traditionen und Narrative in der Metaphorik wider? • Lassen sich anhand der auffindbaren Metaphern des transnationalen Gebildes EU Vorstellungen des Transnationalen fassen und welche? Unterscheiden sich diese Vorstellungen der transnationalen Konstellation von Metaphern des Nationalen? Finden sich spezifische Metaphern des Transnationalen oder der Globalisierung? Ist es so, dass »[t]he blood flowing in the national veins comes up in the Union arteries«, wie Irène Bellier aus ihrer Untersuchung der Verwendung von Metaphern in der EU-Bürokratie resümiert (vgl. Bellier 2001)? Werden also Einheits- und Körpermetaphern aus dem Archiv des Nationalen auf die EU umgelegt? Oder gibt es über Vorstellungen des Nationalen hinausgehende Metaphern des Transnationalen, etwa diejenige des Netzwerks, wie Koschorke, Lüdemann, Frank und Matala de Mazza vermuten (Koschorke 2007)? Inwiefern zeichnet sich ein Wandel der Metaphorik ab, wie Erik Ringmar für den europäischen Raum feststellt, nämlich von hierarchischen organischen Metaphern hin zu kybernetisch-egalitären Metaphern, welche die Grundierung für einen Laissez-faire Kapitalismus und liberales politisches Denken abgeben, oder zu ökomomischen Metaphern (Ringmar 2008; Koller 2009)?Welchen Stellenwert hat in diesem Erweiterungsdiskurs die Zielvorstellung der politischen Vertiefung der Union bzw. eines Sozialen Europa, das nach Delanty einer von mehreren Kristallisationspunken der Europaidee ist (Delanty 1995, 13-4)? Welche Inklusions- und Exklusionsmechanismen kommen via Metaphorik zum Ausdruck? • Was wird durch die Verwendung bestimmter Metaphern hervorgehoben und/oder verdeckt (»highlighting and hiding«), und welche Funktionalität wird dadurch wiederum erkennbar (z.B. legitimatorische, evokative, erkenntnisgenerierend-konstitutive Funktion)? Werden Mechanismen der Selbstverständlichmachung sozialer Verhältnisse und politischer Konstellationen sowie der Eindruck von der Unhintergehbarkeit dieser Verhältnisse (vgl. Jaeggi 2009) hervorgerufen und durch die Metaphernanalyse greif bar?

2.2 Z ur A uswahl des untersuchten D iskurses Bestimmend für »europäische Identität« und Europavorstellungen war historisch die Differenz zum Anderen, eine Art von Differenzsetzung, in der das

2. Metaphern der EU/Europas im Printmediendiskurs

Eigene letzlich als Nicht-Anderes konstituiert wird/wurde (Delanty, 1995, 5; Strath 2000, 15; Yegenoglu 1998, 2; vgl. auch Hall 1992; Kaelble 2001). Das Andere bzw. die Anderen, das waren spätestens im 20. Jahrhundert die USA, die als aufstrebende Wirtschaftsmacht und »Symbol reiner Modernität« (Kaelble 2001, 70) die europäische Überlegenheit bedrohten (ebd., 32), davor über Jahrhunderte die Kolonien, »der Rest«, der »dem Westen« gegenübergestellt und durch bestimmte Otheringstrategien definiert wurde, wie Stuart Hall ausführt (Hall 1994, 166). Die älteste, hierarchisierende Gegenüberstellung findet sich jedoch lange vor dem Kolonialismus in der Abgrenzung des Westens vom Osten1. Generell gilt: Die Grenze zwischen Ost und West hat in der europäischen Geschichte einen besonderen Stellenwert eingenommen (Gingrich 1999, 33), wobei der Osten mit unterschiedlichen Bedeutungen aufgeladen wurde/wird (in den Ausprägungen »Orient«, »Araber«, »Islam«, im 20. Jahrhundert aber auch »Kommunismus«). In sozialwissenschaftlichen und historischen Auseinandersetzungen mit der Geschichte Europas fungiert der Osten als zentraler Entstehungskontext (vgl. u.a. Giesen 2002; Kaelble 2001; Delanty 1995; Morin 1991; Münkler 1991). Dass für die Vorstellungen vom Anderen und Eigenen im Kern auch die Konstruktion eines bestimmten Geschlechterverhältnisses konstitutiv ist, haben feministische Analysen des Orientalismus in den letzten zehn bis fünfzehn Jahren gezeigt (vgl. Braun/Mathes 2007; Yegenoglu 1998; Göckede/Karentzos 2006). Die Grenze gegen Osten, die immer wieder durch Eroberungen verschobene Demarkation vom Osmanischen Reich, bot nicht nur in der Vergangenheit dauerhaft Anlass und Stoff für einen kulturellen Ethos zur Abgrenzung, der sich durch eine universalistische Selbstbewertung auszeichnete (Delanty, 5, 11). Gerade in den letzten Jahren ist die Bedeutung dieser Grenze nach Osten hin wieder stärker ins Blickfeld gerückt. Meine grundlegende Annahme bei der Auswahl des Printmediendiskurses um den EU-Beitritt der Türkei zur Untersuchung aussagekräftiger Metaphern des Eigenen, der EU/Europas, ist, dass im Rahmen dieses Diskurses, in dem die historisch und aktuell bedeutsame Abgrenzung Europas vom Osten zentral ist, besonders prägnante Ausdrücke des Eigenen zu erwarten sind (vgl. 1 | Herfried Münkler weist in seiner ideengeschichtlichen Genese des Europabegriffs auf die politisch-religiöse Provenienz der Gegenüberstellung von Ost und West hin. Demnach wurde durch die römisch-imperiale Verwaltungsteilung die Selbstverortung der westlichen Hälfte prekär. In der christlichen Heilslehre firmiert nämlich der Orient als Ort des Lichts und der Götter, der Okzident hingegen als Ort der Finsternis und der Dämonen – so wird der Exorzismus contra occidentem gesprochen, das Kreuz gegen Westen geschlagen, im Westen stehen auch die Kirchtürme, die den geosteten Altarraum schützen sollen (Münkler 1991, 529).

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u.a. zu dieser Position Bellier/Wilson 2000, 9; Küçük 2008, 27; Delanty 1995). Diese Annahme unterscheidet sich von Positionen, die das europäische Selbst in unterschiedlichen Varianten2 von ihrem Inneren her verstehen wollen (vgl. dazu den Überblick bei Küçük 2008), ein »europäisches Selbst« bzw. eine »europäische Identität« negieren, da sie der Eigenlogik der EU widersprechen würde und ebenso wie ihre Demokratisierbarkeit so etwas wie eine Illusion sei (Bach 2009, 28). Im Zusammenhang mit der Abgrenzung der EU/Europas kommt der Türkei eine besondere Rolle zu. Anders als in Diskussionen um die sogenannte Osterweiterung der EU, wo Osteuropa beispielsweise als vom Kommunismus entführt und nun heimkehrend nach Europa metaphorisch dargestellt wurde (die Metapher stammt ursprünglich von Milan Kundera3), scheint im TürkeiBeitrittsdiskurs die Türkei häufig als das »ganz Andere« auf und markiert so etwas wie eine symbolische Grenze (Giannakopoulos/Maras 2005). Die Forschungsliteratur, die sich mit diesem Diskurs beschäftigt hat, stimmt überein, dass darin die »Grenzen Europas« in besonders prägnanter Form diskursiv gezogen werden. Bisherige Arbeiten über diesen Diskurs heben den Selbstverständigungscharakter der Beitrittsdiskussion hervor. Festgestellt wird dabei, dass die Türkei Züge einer symbolischen Grenze annimmt (Giannakopoulos/Maras 2005, 2 | Die Bandbreite reicht von der Behauptung postnationaler Identitäten, welche die Anderen einschließen würden bei Wendt über die Feststellung einer positiven Identifikation mit Europa im Fall Deutschlands als Gelegenheit, die Lasten der Nazi-Vergangenheit auf Basis des moralischen Fundaments »zu überwinden« bei Risse und Spohn (verwandte Argumentationen finden sich bei Eder, der das dominante europäische Andere nicht als Außen, sondern in der eigenen, negativen Vergangenheit sieht und bei Assmann, die als zentralen Mechanismus der Identitätsbildung die Erinnerung sieht – vgl. Assmann 2005), bis hin zum Postulat einer politischen Diskursgesellschaft, die auf universellen Normen basiere, prinzipiell offen sei, und deren Grenzen eher Gebiete diffuser Zonen und Überlappungen darstellten bei Waever (nach einem Überblick bei Küçük 2008, 16-8). Dabei schließen sich einzelne Positionen nicht grundsätzlich aus. Gerade die Betonung des Moments der Vergangenheitspolitik, dessen wesentlicher Stellenwert darin zum Ausdruck kommt, dass die Idee von Europa innerhalb der intellektuellen Eliten gerade nach dem Nationalsozialismus/2. Weltkrieg, davor schon nach dem 1. Weltkrieg eminent an Bedeutung gewonnen hat (Kornprobst 2008, 58), widerspricht etwa einer Betonung des Moments der Grenzziehung nach außen hin nicht. Vielmehr sind, wie Hadj-Abdou und Liebhart feststellen, Diskurse über Identität notwendigerweise immer auch Diskurse über Erinnerung, wobei kollektive Erinnerung und Gruppenidentität in wechselseitiger Beziehung stehen (Hadj-Abdou/Liebhart 2008, 106). 3 | Milan Kundera hatte in Die Unerträgliche Leichtigkeit des Seins (1984) den Topos von der »Entführung Ostmitteleuropas durch Rußland« geprägt (vgl. Wydra 2001).

2. Metaphern der EU/Europas im Printmediendiskurs

224), dass in diesem Diskurs vor allem »Europa« selbst verhandelt wird (Ataç/ Şener 2005, 84) und das Konstrukt einer kollektiven europäischen Identität als diskursives Mittel der Abschließung dient (Madeker 2006, 14). Wimmel (2006; 2005) thematisiert sowohl die Transnationalität von Medienöffentlichkeiten als auch die Abhängigkeit der Türkeidebatten von den jeweiligen national geprägten Europabildern, während Madeker (2006, 4) nach identity-frames wie Geografie, Geschichte oder Religion fragt. Küçük (2008) analysiert die Grenzziehung stärker im diskursiven Feld von Orientalismus/Okzidentalismus und fokussiert dabei vor allem den »dialogischen Formierungsprozess« (33), während Tekin (2009) wiederum stärker den nationalen Identitätsbildungsprozess hervorhebt, der im französischen Diskurs statt findet, und Röhrlich/Mayer (2009) in ihrer Medienanalyse des österreichischen Beitrittsdiskurses insbesondere auf visuelle Repräsentationen fokussieren (14). Dass im Prozess der Konstruktion von Eigenem und Anderem zentral auch Geschlechterverhältnisse als Grenzmarker fungieren und dass in die Selbstreferentialität wie in die diskursive Bestimmung des Anderen Geschlechternormen zentral verwoben sind, wird indes in den genannten Untersuchungen kaum oder gar nicht berücksichtigt. Alles in allem erweist sich der Diskurs um den EU-Beitritt der Türkei für Fragestellungen, die auf die Konstruktion eines »europäischen Selbst« abzielen, als ein sehr geeigneter Ausgangspunkt. Printmedientexte erscheinen für diese Fragestellung ebenfalls gut geeignet, zumal der Qualitäts- wie Boulevardzeitungen umfassende Printmediendiskurs Aufschluss über gesellschaftlich deutungsdominante Denkmuster geben kann. Da die Analyse die wesentlichen österreichischen Printmedien umfasst, kann von einer weitgehenden Erfassung der relevanten, prägenden Deutungsmuster ausgegangen werden.

2.3 M e thodologie und D aten 2.3.1 Metaphernanalyse nach Musolff Die konkrete methodische Herangehensweise bei der Metaphernanalyse orientiert sich zunächst an dem Verfahren des Linguisten Andreas Musolff. Da die empirische Metaphernanalyse auf einer an den Prinzipien der Kritischen Diskursanalyse orientierten Analyse des Textkorpus basiert, werden Elemente daraus ergänzt. Musolff hat anhand einer breit angelegten Untersuchung zu Metaphern der EU in deutschen und britischen Printmediendiskursen die kognitivistische Theorie von Lakoff und Johnson für die empirische Anwendung elaboriert (Musolff 2004, 4). Als Defizit in methodologischer Hinsicht wurde vielfach an der kognitivistischen Theorie von Lakoff und Johnson bzw.

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den grundlegenden Annahmen ihres theoretischen Ansatzes kritisiert, dass sowohl die argumentative Einbettung der metaphorischen Ausdrücke als auch der historische und gesellschaftliche Kontext vernachlässigt wurden (Carver/ Pikalo 2008, 3; Bidwell-Steiner 2009, 13; Wodak/Weiss 2004, 67; Schmitt 2004; Böke/Jung/Nier/Wengeler 2000, 277; Bluhm/Deissler/Scharloth/Stukenbrock 2000, 11). Metaphorische ’Implikationen’ seien als – im linguistischen Sinn – pragmatisch begründete Konklusionen zu sehen (Böke et al. 2000, 277) und das bedeute, dass die Metaphern »zusätzlich zur semantischen Beschreibung auf die in ihnen enthaltenen argumentativen Topoi hin zu befragen sind« (ebd.). Es sollten also auch Argumentationsstrukturen und situative Interessen der Textautorinnen und -autoren mit berücksichtigt werden und die Verwendung der Metapher stärker im Kontext bestimmter diskursiver Strategien gesehen werden. Im linguistischen Sinn pragmatische und auch diskurshistorische Kontexte müssen einbezogen werden. Andreas Musolff (2004) geht zentral auf diese Notwendigkeit der argumentativen Einbettung ein. Von entscheidender Bedeutung für die Interpretation ist bei ihm nicht nur die Präsenz und Häufigkeit bestimmter metaphorischer Ausdrücke und Konzepte, sondern auch deren argumentative Funktion: I propose to regard political metaphors as integral aspects of argumentative reasoning, i.e. reasoning which typically aims to prove a contested issue and thus also to legitimize [Hervorh. i. Original] a certain course of action. If metaphors can be deemed to lead to conclusions that »bind« politicians and states, they must function in some way like warrants in an argument. (Musolff 2004, 32)

Beispielsweise kann die Metapher der Nation als Familie, wie Lakoff’s Analyse deutlich zeigt, in völlig unterschiedliche, ja konträre, Argumentationen eingebettet sein und entweder konservative Politik im Sinne der republicans (strict father model) oder der democrats (nurturant partents model) legitimieren (vgl. dazu Kapitel 1.5). Worauf es nach Musolff ankommt, um auf latente Denk- und Deutungsstrukturen der Metaphorik zu stoßen, ist, die impliziten normativen Annahmen (normative assumptions) herauszukristallisieren, um auch dem impliziten ideologischen Gehalt auf die Spur zu kommen. Um wiederum diese impliziten Annahmen herauszuarbeiten, bedarf es einer Einbeziehung der jeweiligen metaphorischen Szenarios »as the level where argumentative, affective and evaluative inferences attach to specific source ’input’ spaces« (ebd., 36). Am Beispiel der für den US-Diskurs zentralen nation as family-Metapher bestünde der Unterschied der metaphorischen Szenarien etwa darin, dass im einen Fall der Vater die Kinder/Staatsangehörigen bestraft, wenn sie ungehorsam sind und allein lässt, wenn sie nicht imstande sind, für sich selbst zu sorgen, und im anderen Fall die Kinder/Staatsangehörigen zumindest bis zu

2. Metaphern der EU/Europas im Printmediendiskurs

einem gewissen Grad stützt. Die impliziten normativen Annahmen zur Familienmoral sind umstritten, wenngleich laut Lakoff das konservative Modell dominant ist. Daraus folgt, dass die legitimatorische Wirkung von Metaphern von ihrer Szenario-Struktur abhängt (ebd., 38), da mithilfe von Szenarien und Szenario-Elementen wirkungsmächtige Alltagsverständnisse im Quellbereich (z.B. Familienmoral) auf den Zielbereich (z.B. Politik) projiziert werden (ebd.). Musolff illustriert die Notwendigkeit, metaphorische Szenarien differenziert zu betrachten, um zu aussagekräftigen Schlüssen in der Metaphernanalyse zu kommen, anhand folgenden Beispiels: Oft ist im von Musolff untersuchten Printmedienkorpus die europäische Integration als eine Gruppe von Staaten metaphorisiert, die gemeinsam einen Weg entlang geht (ebd., 44). Der argumentative Gehalt liegt dabei meist darin, dass diese Staaten in unterschiedlichen Geschwindigkeiten unterwegs sind, dementsprechend ist die Rede vom Europa der zwei Geschwindigkeiten oder vom Europa der verschiedenen Geschwindigkeiten. Als implizite Annahme, der eine soziale Norm zugrunde liegt, gilt: Je schneller desto besser. Diejenigen Staaten, die langsamer gehen oder auf der langsameren Spur fahren, sind also diejenigen, die sich in einer weniger vorteilhaften Position befinden bzw. hinterherhinken (ebd., 47-8). Aber selbst innerhalb eines Metaphernszenarios verändern sich – wie dieses Beispiel zeigt – im Zeitverlauf die Argumentationsmuster bzw. es werden auch Deutungskämpfe nachvollziehbar. In britischen Texten wird das Europa der unterschiedlichen Geschwindigkeiten als gefährliche Entwicklung, in Deutschland als bereits praktizierte Strategie abgehandelt (ebd.). Zudem wird im britischen Kontext versucht, das Szenario zu verschieben: Großbritannien sei, indem es langsamer reise, immerhin davor gefeit, auf die Katastrophe zuzurasen, so ein Deutungsversuch (ebd.). Letztlich hat sich in der Verwendung jedoch der hierarchische Bias gehalten. Aufgrund der Berücksichtigung der argumentativen Dimension von Metaphern sowie des differenzierten Analyseinstrumentariums, das zudem im Kontext der Analyse von EU-Metaphern entwickelt wurde, erscheint es mir sinnvoll, mich an dieser Vorgangsweise zu orientieren. In der Erhebung und Analyse der Metaphern werde ich daher entlang der Vorgangsweise von Musolff grundsätzlich folgende Analyseebenen unterscheiden: • den Quellbereich4 (source domain) des metaphorischen Ausdrucks. Musolff hat im von ihm untersuchten Korpus beispielsweise recht häufig die Meta4 | Folgende zwölf source domains werden – nach Musolff (2004, 12) – differenziert: +Weg, Bewegung, Geschwindigkeit (z.B. Zug, Reise, Europa der zwei Geschwindigkeiten); +Geometrie/Geografie (z.B. Kerneuropa, Zentrum-Peripherie); +Technologie/Gebäude (z.B. Haus Europa, Maschinerie); +Gruppe/Club/Klassen (z.B. christlicher Club); +Schule/Disziplin (z.B. Musterschüler, Hausaufgaben machen; +Wirtschaft/Business

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• •

pher der Euro-Väter vorgefunden, die mitunter mit einer kränkelnden Frühgeburt konfrontiert sind. Der Quellbereich wäre in diesem Fall Liebe/Ehe/ Familie. das projizierte Konzept (conceptual mapping). Im Fall der Euro-Väter wäre das Folgendes: eine größere Gruppe von kooperierenden Staaten sind eine Familie, Staaten sind als Quasipersonen vorgestellt. Und: Das Resultat der Kooperation ist das Kind der Familie (der Euro). Die Eltern sind nur Väter. das Szenario (scenario, story-line), in das der metaphorische Ausdruck eingebettet ist. Hier: Staaten (= Väter) haben die Rolle, Kinder in die Welt zu setzen, zu ernähren und aufzuziehen. Der Zusammenhang mit der Metapher der (angeblich) kränkelnden Frühgeburt impliziert, dass die Väter (= Staaten) möglicherweise zu voreilig gehandelt haben (diese Tatsache ist eben umstritten) und dass deswegen die Väter (wie manche meinen zu Recht oder, wie andere meinen, zu Unrecht) in Sorge sind und eventuell über Vorsichtsmaßnahmen nachdenken. die Elemente des projizierten Konzepts (conceptual elements) sind die Ausdrücke Familie, Eltern, Väter, denen wiederum die entsprechenden Lexeme (lexemes) zugewiesen werden können, wie z.B. Familienfrieden, Kleinfamilie, Gründungsväter etc.

Für die Erhebung der Metaphern im Sample dient als Orientierungsrahmen ein Analysesheet, welches diese Ebenen (Lexeme und Elemente zusammengezogen) für die einzelnen metaphorischen Ausdrücke ausdifferenziert. Meine methodische Vorgangsweise folgt teils der von Musolff angewandten, die argumentative Dimension wird durch die von Musolff vorgeschlagene Einbeziehung von metaphorischen Szenarien gewährleistet. Zusätzlich wurde noch die Kategorie der mit den jeweiligen metaphorischen Ausdrücken verbundenen erwünschten/positiven bzw. unerwünschten/negativen metaphorischen Vorstellungen von Europa einbezogen. Damit soll berücksichtigt werden, was die EU/Europa in der »Logik« des metaphorischen Szenarios und seiner argumentativen Implikationen sein bzw. werden soll. Über diese methodischen Tools zur Berücksichtigung der Argumentation hinaus werden die argumentativen Topoi in Bezug auf das Überthema des untersuchten Diskurses, den Beitritt der Türkei zur EU, in die Analyse mit einbe(z.B. Deal); +Liebe/Heirat/Familie (Gründerväter); +Leben/Gesundheit/Stärke (z.B. Euro als Frühgeburt, schwächeln); +Spiel/Sport (Fußballspiel, in einer bestimmten Liga spielen); +Festung/Kampf (z.B. Festung Europa); +Schauspiel/Show (z.B. unwürdige Darstellung); + Natur/Wetter (z.B. scharfer Wind). Grundsätzlich bin ich ebenfalls von dieser Einteilung ausgegangen, habe aber einige wenige zusammengefasst: Metaphern der Festung zählen demnach zum Quellbereich Technologie/Gebäude, Kampf/Krieg ist ein eigener Bereich.

2. Metaphern der EU/Europas im Printmediendiskurs

zogen, und es wird untersucht, im Rahmen welcher argumentativen Topoi die jeweiligen Metaphern aufscheinen. Zudem wird eine Metapher, die sich im untersuchten Diskurs als zentral herausgestellt hat, umfassend theoretisch kontextualisiert. Wesentliche Berücksichtigung findet im Sinne des Prinzips des diskurs-historischen Ansatzes (vgl. Wodak 2001) auch die historische Kontextualisierung der wichtigsten Metaphern sowie, wenn möglich, ein kursorisches Nachzeichnen deren Genese und des Entstehungskontexts des metaphorischen Konzepts.

2.3.2 Material, Sampling und Basis-Studie Die Metaphernanalyse basiert auf Material, das im Rahmen einer Untersuchung über Mechanismen der diskursiven Abgrenzung im medialen Diskurs um den EU-Beitritt der Türkei erhoben wurde (vgl. Bischof/Oberhuber/Stögner 2008). Die qualitative Analyse der Texte im Rahmen dieser Untersuchung folgte Ansätzen der Textanalyse nach Mayring (2000) und Altheide (1996) sowie der Kritischen Diskursanalyse, speziell der Wiener diskurs-historischen Schule nach Wodak (Fairclough/Wodak 1997; vgl. Wodak 2001). Im Sinne dieser methodischen Herangehensweisen war der Forschungsprozess als reflexiv, nicht-linear und empirisch verankert angelegt. Eine beständige Hin- und Herbewegung zwischen empirischem Material und Theoriestudium sollte eine möglichst hohe Reflexivität sowohl in Bezug auf die Gewinnung der empirischen Aussagen als auch in Hinblick auf das theoretische Konzept gewährleisten. Besonders betont wird dabei der Moment der Differenzsetzung (in Bezug auf Europa/EU und das Andere), und ein umfassendes Kategoriensystem fokussiert auf verschiedene Konstruktionen von Identität und Alterität sowie Mechanismen des Othering entlang von Argumentationsstrategien, Themenkonstruktion und Semantik. Der Korpus beinhaltet die thematisch relevanten Texte aus folgenden Printmedien: profil, Kurier, Die Presse, Der Standard, Salzburger Nachrichten, Format, News und Neue Kronen Zeitung im Zeitraum zwischen Jänner 2004 und Dezember 2006, einem Zeitraum, in dem die medialen Debatten zum EU-Beitritt der Türkei besonders dicht waren. Insgesamt wurde eine Grundgesamtheit von ca. 4.289 Printmedientexten aus den genannten Printmedien für die Analyse herangezogen. Diese Grundgesamtheit wurde mittels Stichwortsuche5 über die Datenbank wiso presse ermittelt. Es hatte sich gezeigt, dass in den Jahren 2004 bis 2006 besonders 5 | Die Suchbegriffe lauteten für alle Medien: »türkei and (europa or eu or union) and beitritt«. Lediglich für das Sampling von Profil-Texten wurden aufgrund der vergleichsweise geringen Trefferzahl die Searchterms ausgeweitet auf: »(Türkei and (europa or eu or union) and beitritt*) or (Türkei and (europa or eu or union) not (*beitritt or beitritt*)«.

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dichte Debatten um den EU-Beitritt der Türkei stattgefunden haben – besonders um den EU-Gipfel in Kopenhagen unter österreichischem Ratsvorsitz, das Referendum in Frankreich sowie den Papstbesuch in der Türkei 2006 wurde der EU-Beitritt der Türkei in den österreichischen Medien häufig thematisiert. Davor wie auch danach war die Berichterstattung wesentlich dünner. In einem nächsten Schritt wurde nach dem ursprünglich von Barney und Glaser (1967) entwickelten Verfahren des theoretical sampling (vgl. Strauss/ Corbin 1998) die sehr große Datenmenge auf insgesamt 339 Texte reduziert, die grundsätzlich auch die Materialbasis für die Metaphernanalyse darstellen. Aussortiert wurden dabei Texte, welche zwar die angelegten Searchterms enthielten, jedoch die zentrale Fragestellung nach der Selbst- und Fremdkonstruktion der EU/Europas, der Auffindbarkeit von Otheringstrategien, semantischen Verdichtungen usw. nicht oder nur am Rande betrafen. Aus diesem reduzierten Sample von 339 Texten wurde wiederum ein Sample von 247 Texten mit relevanten metaphorischen Ausdrücken für die Metaphernanalyse herangezogen. Diese Gesamtzahl setzt sich aus 53 Texten aus dem Standard zusammen, 49 aus dem Kurier (davon 17 Leitartikel), 58 aus der Presse (davon 20 Leitartikel), 34 aus dem profil, 30 aus der Neuen Kronen Zeitung, 13 aus News und 10 aus Format. Für den vertiefenden Blick auf Kontexte, in denen die Metapher des (global) player zu finden war, wurden darüber hinaus über eine entsprechende Stichwortsuche im Gesamtkorpus 37 weitere Artikel mit einbezogen. Für die Metaphernanalyse wurde das gesamte gescreente und reduzierte Sample der Medien profil, Kurier, Die Presse, Der Standard, Format, News und Neue Kronen Zeitung herangezogen, die relevanten metaphorischen Ausdrücke erhoben und mit Hilfe eines an die methodische Verfahrensweise von Musolff (siehe Kapitel 2.3.1) angelehnten Analyseleitfadens analysiert. Gemäß dem Verfahren des theoretical sampling, das nicht nach repräsentativen Ergebnissen, sondern nach der Erfassung einer möglichst großen Bandbreite der Ausprägungen bestimmter, für die Fragestellung besonders relevanter Erscheinungen strebt, wurde mit dem reduzierten Korpus wiederum nach Maßgabe des Prinzips der theoretischen Sättigung (vgl. Strauss/Corbin 1998; Truschkat/Kaiser/Reinartz 2005) weiter verfahren: Es wurden diejenigen nach einem (parallel zum Sampling erstellten) Kategoriensystem voll analysiert, die in Bezug auf das Kategoriensystem besonders anschauliche und ergiebige Beispiele im Sinne der so erarbeiteten Typologie darstellten. Die unterschiedlichen Typen wurden zunächst anhand der Vollanalysen von ausgewählten Medien mit besonders dichter Berichterstattung zum Thema (profil, Kurier, Die Presse) erarbeitet und entwickelt (insgesamt 72 Vollanalysen), zur punktuellen Vertiefung der Ausprägungen wurden für die restlichen Medien zusätzlich Teilanalysen (insgesamt 141) durchgeführt. Das Kategoriensystem wurde mit dem Ziel erstellt, bestimmte diskursive Strategien und deren Verwendung in unterschiedlichen Ko- und Kontexten zu unterscheiden sowie die – historisch

2. Metaphern der EU/Europas im Printmediendiskurs

zu bestimmenden – semantischen Felder zu erfassen, in die diese diskursiven Strategien eingebettet sind. Diskursive Strategien wurden dabei im Sinne der diskurs-historischen Schule nach Wodak als Plan zur Erreichung eines diskursiven Ziels verstanden, wobei diese Ziele auf verschiedene Arten realisiert werden können (vgl. Wodak 1998, 31-2). Der Fokus in der Rekonstruktion diskursiver Strategien liegt auf dem Moment der Differenzsetzung (Gruppenkonstruktion, Modi der Inklusion und Exklusion, Mechanismen der Fremd- und Feindbildkonstruktion bzw. -dekonstruktion). Auf der Ebene der linguistischen Realisierung der jeweiligen diskursiven Strategien – Gruppenkonstruktion, Modi der Inklusion und Exklusion sowie Mechanismen der Fremd- und Feindbildkonstruktion bzw. -dekonstruktion – wurden ausgewählte Aspekte berücksichtigt: Merkmale der Argumentation, Themenkonstruktion und Semantik. Mit Hilfe des Kategoriensystems wurde sehr nahe am Material unter anderem eine Typologie erstellt, welche die wesentlichen Momente der erfassten diskursiven Strategien sowie die darin enthaltenen Argumentationsweisen enthält. Argumentative Topoi 6 im österreichischen Türkei-Beitrittsdiskurs 7 Den meisten im österreichischen Printmediendiskurs auffindbaren argumentativen Topoi (»Argumentationslinien«) zum EU-Beitritt der Türkei ist das Kriterium der Passfähigkeit dieses Landes zentral. Auf welche Weise die Andersheit gefasst ist und ob – damit verbunden – Exklusion oder Inklusion befürwortet wird, lässt sich grob in vier argumentative Hauptlinien zusammenfassen, die wiederum mehrere Ausprägungen aufweisen 8 (vgl. Tabelle 1). Argumentationslinie A fasst die Bewertung der Andersheit im Wesentlichen unter dem Gesichtspunkt des unmittelbaren Nutzens der Türkei (des Beitritts der Türkei) für die EU und die »Stärke Europas«. Zum einen wird hier – in pro-Argumentationen (A1) – betont, welche für die EU in vielerlei Hinsicht gewinnbringenden Potenziale dieses Land im Falle eines Beitritts in die Union einbringen würde: eine junge Bevölkerung, Arbeitskräfte, militärische Stär6 | Topoi werden hier definiert als »parts of argumentation which belong to the obligatory, either explicit or inferable premises [...] [and] are content-related warrants of ’conclusion rules’ which connect the argument or arguments with the conclusion, the claim« (Reisigl and Wodak 2001, 74-75). 7 | Vgl. Bischof/Oberhuber/Stögner 2010. 8 | Die einzelnen, hier in Argumentationslinien zusammengefassten Typen stellen keine starren, streng voneinander abgegrenzten Ausprägungen dar. Zutreffender ist ein Typusbegriff, der von dynamischen Subsumptionen nach dem Schema »mehr-minder« ausgeht und damit auch Mischformen und Abstufungen erfassen kann, so wie das Carl Hempel und Paul Oppenheim in ihrer Theorie der typologischen Begriffsbildung darlegen (vgl. Hempel/Oppenheim 1936).

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ke, eine dynamische, rasch wachsende Wirtschaft, einen großen Absatzmarkt für Europa etc. Zum anderen wird in kontra-Argumentationen (A2) auf die hohen Kosten hingewiesen, die den EU-Mitgliedern durch einen Beitritt der Türkei entstehen würden: die (bei gleichbleibenden Fördermodaliäten) immensen Ausgaben für den Agrarbereich, die insgesamt noch »rückständige«, nicht konkurrenzfähige türkische Wirtschaft mit im EU-Vergleich stark unterdurchschnittlichem pro Kopf-Einkommen etc. (hier erfolgt manchmal der Rekurs auf die wirtschaftlichen Punkte der Kopenhagener Kriterien). Als ein weiterer, äußerst selten aufscheinender Untertypus (A3) lässt sich hier auch die Argumentationslinie einordnen, die den Nutzen bzw. die Kosten eines TürkeiBeitritts für die EU unter dem Gesichtpunkt eines »sozialen Europa« reformuliert bzw. umkehrt. Argumentationslinie B fasst die Frage nach Inklusion oder Exklusion der Türkei ebenfalls unter dem Aspekt von positiven oder negativen Effekten für die EU, hier jedoch – in häufig sehr langfristiger Perspektive – entlang der Frage von globaler Sicherheit und Frieden. Als zentraler Bezugspunkt fungiert hier ein zu vermeidender Clash of Civilisations, und der Beitritt der Türkei wird an seinem (Langzeit-)Effekt in Bezug auf das »Zusammenleben der Kulturen« und/oder der Religionen gemessen. An dieses Kriterium knüpfen sich wiederum pro und kontra-Argumentationen. Die Option für den Beitritt wird oft als eine Art Notwendigkeit bzw. einzigartige Chance, jedenfalls als sehr hilfreich dargestellt, um einen globalen Kampf der Kulturen zu vermeiden (B1). So erscheint dabei etwa der Beitritt der islamisch geprägten Türkei zur EU als »globaler Testfall« für die Vereinbarkeit von Islam und Demokratie. Der Türkei wird eine Brückenfunktion zwischen Westen und islamischer Welt zugewiesen, und/oder es wird auf die Gefahr hingewiesen, dass im Falle einer Ablehnung durch die EU die Türkei dem Westen den Rücken kehrt – ebenfalls mit negativen Folgen für das »Zusammenleben der Kulturen«. Eine Deutung unter umgekehrten Vorzeichen findet sich in Argumentationen, die gerade durch einen Beitritt der Türkei eine Verschärfung des »Clash of Civilisations« befürchten (B2). Der Beitritt würde demnach erst recht Konflikte anheizen und »Öl ins Feuer« des globalen Kulturkampfes gießen. Eine abweichende Variante, die ebenfalls dem Aspekt des Zusammenlebens untergeordnet ist, findet sich (singulär) dort, wo der Gewinn der EU aus einem Türkei-Beitritt als Stärkung der multikulturellen Komponente Europas gezeichnet wird (B3). Argumentationslinie C kreist um die Frage der ausreichenden Voraussetzungen der Türkei für einen EU-Beitritt. Nicht die Kompatibilität unter dem Gesichtspunkt eines Kosten-Nutzen-Kalküls oder der Frage nach Sicherheit/ Frieden steht hier im Vordergrund, sondern ob die Türkei in ihrer gegenwärtigen politischen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Verfasstheit zur EU passt. Teils wird dabei die Alterität der Türkei via Werte, Kultur, Geschichte, »Mentalität« essentialisiert (C1), wobei häufig Religion und Geschlechterver-

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hältnis einen Kernbestand der Andersheit markieren (etwa wenn eine »Kultur der Aufklärung« einer »Kultur des Harems« gegenübergestellt wird oder die Demokratie der »islamisch-orientalischen Despotie«). Dabei geht eine Essentialisierung von Andersheit meist mit Argumentationen gegen einen Beitritt einher. Teils wird die Frage der Kompatibilität – meist in Erwähnung der Kopenhagener Kriterien – an universalisierbaren Kriterien und Standards (C2) festgemacht: Rechtsstaatlichkeit und demokratische Standards, Menschenrechte, Geschlechtergleichheit, Minderheitenrechte, Religionsfreiheit usw. Argumentationslinie D konzentriert sich schließlich auf den Blick auf die EU selbst und stellt per se keine Bezüge zur Andersheit der Türkei her: im Vordergrund steht die Verfasstheit der EU, die »europäische Krise« (thematisch abgehandelt etwa als Verfassungskrise, Finanzkrise, Infragestellung/Krise der Erweiterungspolitik), die nicht selten als Frage der »Lebensfähigkeit« der EU gestellt wird. Ein Beitritt der Türkei wird in Argumentationen, die diesem Muster folgen, meist als weitere Schwächung einer EU gesehen, die ohnehin bereits als nahe am Abgrund stehend gesehen wird. Die hier nachgezeichneten Idealtypen kommen im Korpus vielfach nicht in »Reinform«, sondern in unterschiedlichen Nuancierungen und Kombinationen vor. Pro-Positionen kombinieren häufig den Topos der (wirtschaftlichen, militärischen, politischen) Stärke Europas (A1) mit dem Topos einer Vermeidung/Deeskalation des »Clash of Civilisation« (B1) durch einen Beitritt der Türkei, mitunter gestützt durch Argumente, die den Reformfortschritt bei der Verbesserung der menschenrechtliche Situation in der Türkei in den letzten Jahren betonen (C2). Argumentationen gegen einen Beitritt hingegen betonen sehr oft eine generelle Überforderung der EU (D), stellen eine (bedrohliche) kulturelle Andersheit der Türkei heraus bzw. ihren nicht europäischen Charakter in kultureller und/oder geografischer Hinsicht (C1) und verweisen auf die mangelnde wirtschaftliche Konkurrenzfähigkeit/die wirtschaftliche Rückständigkeit dieses Landes, das somit in punkto Kosten ein Klotz am Bein der EU wäre (A2), manchmal mit Verweis auf die unbefriedigende menschenrechtliche Situation. Daneben finden sich noch viele andere Kombinationen von Argumentationstypen.

Medien Die skizzierte Vorgangsweise zielte nicht auf einen Medienvergleich ab, sondern lediglich auf die möglichst umfangreiche Erfassung einer Bandbreite von Typen/Ausprägungen – somit ist auch ein Medienvergleich aufgrund der Ergebnisse nicht sinnvoll. Lediglich auf einer sehr allgemeinen Ebene lassen sich Unterschiede beschreiben: Die dichteste Berichterstattung zum Thema EU-Beitritt der Türkei fand sich in profil, Standard und Presse, wobei in den ersten beiden die größte Bandbreite an Typen im Sinne des Analyseleitfadens

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auffindbar war – im profil fanden sich besonders markante Ausprägungen unterschiedlicher Typen, im Standard oft Nuancierungen, die in anderen Medien gar nicht vorkamen, während in der Presse kontra-Argumentationen stark dominierten und Bedrohungsszenarien besonders ausgeprägt aufschienen. Die Berichterstattung im Kurier, ebenfalls grosso modo gegen einen Beitritt, fiel am ehesten durch nüchterne Sprache, Vermeiden von Stereotypisierungen und eine sparsame Verwendung von Metaphern auf, während in format und News in der insgesamt spärlichen Berichterstattung eine Positionierung tendenziell vermieden wurde. Auffällig für die Neue Kronen Zeitung sind neben den besonders drastisch gezeichneten Bedrohungsszenarien auch, dass dort im Zuge der Beitrittsdiskussion – nicht nur, aber besonders deutlich in den Leserbriefen – rassistische Semantiken und Metaphern (»Parasiten«, »Nest«) und zum Teil, vermittelt über Antiamerikanismus (z.B. in der Metapher des trojanischen Pferds Türkei, das die USA nach Europa schmuggeln wollen) auch aus antisemitischen Diskursen bekannte Marker auftauchten (»Ostküste«, »gewisse Kreise«). Einerseits waren im Korpus durchaus essentialisierende und rassistische Darstellungen der Türkei als das Andere (auch außerhalb der Krone) auffindbar, wobei insbesondere Religion und Geschlechterverhältnis eine konstitutive Rolle spielen. Andererseits war eine nicht selten angewandte diskursive Strategie feststellbar, die, um die Argumente und Positionen von Beitritts-Gegnerinnen und -Gegnern per se zu diskreditieren, diesen pauschal rassistische und anti-islamische Ressentiments unterstellten.

2.4 M e taphern E uropas/der EU im P rintmediendiskurs um den EU-B eitrit t der T ürkei Im Folgenden wird die Bandbreite der vorgefundenen Metaphorik entlang der gängigen Quellbereiche für Metaphern EUropas dargestellt, analysiert und vor dem Hintergrund thematisch verwandter Forschungsergebnisse interpretiert. In den angeführten Zitaten sind Lexeme, welche die dargestellte Metaphorik transportieren, von mir kursiv markiert, Zitate sind mit dem Namen der Journalistin/des Journalisten versehen, außer der Name schien in der Quelldatenbank nicht auf.

2.4.1 Haus/Gebäude/Festung Ein Risiko bzw. eine manifeste Gefahr kommt durch die Gebäudemetapher in verschiedenen Argumentationszusammenhängen zum Ausdruck. Teils geht es dabei ums Draußenhalten –»offen stehende Tore« sind ein Kontrollrisiko und verdeutlichen die Gefahr des Eindringens von außen, teils geht es um die

2. Metaphern der EU/Europas im Printmediendiskurs

Gefahr für das Fundament des ganzen Gebäudes Europa (Argumentationslinie D), wie etwa in folgender Textstelle: Die Türen Europas stehen dieser Tage weit offen, im Grunde genommen sind sie seit der frohen Botschaft aus Ankara bereits aus den Angeln gehoben. Wenn die EU dieses Erweiterungstempo fortsetzt, dürfte sie das historisch einmalige Kunststück zu Wege bringen, an Überdehnung zugrunde zu gehen, bevor sie überhaupt den Aufstieg zur Weltmacht geschafft hat. [...] Es passt alles nicht mehr zusammen. Jetzt rächt sich, dass mit den Zubauten an die EU begonnen wurde, bevor das finanzielle und politische Fundament gefestigt war. (Christian Ultsch, Die Presse vom 26. 4. 2005)

Weltmacht erringe die EU nicht durch schiere Größe, sondern durch mehr innere Geschlossenheit, mehr militärische Stärke und Konzentration der intellektuellen Ressourcen (ebd.). Ähnlich Daniela Kittner im Kurier: »Man müsse vermeiden, dass der Beitritt der Türkei das 50jährige Auf bauwerk Europas ins Wanken bringt« (Kurier vom 7.10.2004) und Hans Rauscher im Standard: »Der Beitritt der Türkei würde jenes europäische Haus zerstören, das wir kennen.« (Der Standard vom 9.10.2004) Gundula Walterskirchen befürchtet eine Aushöhlung der Frauenrechte in Europa/Österreich (Argumentationstypus C1) durch die Einwandernden aus »traditionell, ja fundamentalistisch orientierten Gebieten«, die »bereits bisher nach Westeuropa strömten und denen nach dem Beitritt vollends die Tore geöffnet würden« (Gundula Walterskirchen, Die Presse vom 1.8.2005). Sehr drastisch schildert Hans Peter Martin in der Kronen Zeitung die Folgen des in seinen Augen unverantwortlichen Handelns der EU-Entscheidungstragenden in Bezug auf einen Türkei-Beitritt für das «Haus Europa«: Sie handeln wie Baumeister, die immer neue Stockwerke auf ein bereits gefährlich schiefes Gebäude türmen. Dass der programmierte Einsturz dann alle unter sich begräbt, daran denken sie keinen Augenblick. (Hans Peter Martin, NKZ vom 25.9.2005)

Andere sehen die Tore noch geschlossen und die Türkei noch im »Wartesaal Europas« (Eva Linsinger, Der Standard vom 16.9.2004), deuten aber für den Fall einer zukünftigen Öffnung Ungemach an: »Die Türkei pocht an den Toren der EU, und die EU ringt unter sich um eine gemeinsame Haltung«, ist in der Krone vom 11.12.2004 zu lesen; News berichtet von »70 Millionen Türken vor den Toren Europas« (P. Ramsauer/A. Hofer, C. Lehermayr, K. Wendl, News vom 23.9.2004). Teils wird dieses Draußenhalten der Türkei ironisiert (»der böse Bube vor den Toren Europas«, Samo Kobenter, Standard vom 16.9.2004) oder kritisch-

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distanziert betrachtet (»Die Türkei klopft seit 1963 an die Tür Europas«, Eva Linsinger, Standard vom 7.10.2004), teils kommt eine explizite Ablehnung einer Festung Europa zum Ausdruck, wie etwa in diesem Plädoyer für eine Öffnung Europas, um einen »Krieg der Kulturen« zu vermeiden (Argumentation B1): »Es darf keine ’Festung Europa’ geben, an der fanatische Laizisten einerseits und muslimische Extremisten andererseits heute mehr denn je bauen.« (Die Presse vom 4.12.2004). Manchmal wird die Metapher verwendet, um die bisherigen (Reform)Fortschritte der Türkei zu unterstreichen: So wird etwa im Profil der türkische Ministerpräsident Erdoğan als Staatsmann mit heldenhaften Zügen gezeichnet, der »mit Enthusiasmus und Hartnäckigkeit sein Land an die Pforten Europas geführt hat« (Georg Hoffmann-Ostenhof, profil vom 20.3.2006, Argumentationslinie C2). Oft wird auf das Risiko einer Brüskierung der Türkei hingewiesen, wenn man ihr »die Tür vor der Nase zuschlägt« oder »zuknallt« und damit auch den Reformprozess in der Türkei, die bereits vorangeschrittene Verbesserung von Menschen- und Minderheitenrechten, demokratischen Standards usw. gefährdet (Argumentationstyp C2). Etwa in folgender Passage: Ihr [der Türkei, K.B.] jetzt die Tür vor der Nase zuzuknallen, würde nicht nur die dortigen (hauptsächlich islamisch-fundamentalistischen) Gegner dieses Prozesses stärken, sondern vor allem auch die EU eines Instruments berauben, an einer extrem heiklen Flanke weiter positiven Einfluss auszuüben. (Peter Pelinka, News vom 14.10. 2004)

Der Hinweis auf das Risiko einer Brüskierung der Türkei stützt sich manchmal explizit oder implizit auf eine entsprechende Formulierung aus einer Rede von Joschka Fischer vor dem deutschen Bundestag im April 2004, in der er als Hauptargument eine Durchkreuzung der Strategie des islamistischen Terrors durch den Nachweis einer Vereinbarkeit von moderner Demokratie und modernem Islam im Rahmen eines EU-Beitritts der Türkei entwickelt. Eine Ablehnung der Türkei könne vor diesem Hintergrund fatale Konsequenzen haben, warnt Joschka Fischer: Wenn wir jetzt sagen, »Egal, was ihr macht, ihr dürft nicht beitreten, ihr dürft nur eine privilegierte Partnerschaft haben«, dann wirkt das aufgrund des Verlaufs in der Türkei so, als wenn wir ihr dauerhaft die Tür vor der Nase zuschlagen, also als ein Nein. Dieses Nein hätte fatale Konsequenzen. (Joschka Fischer, Format vom 14.5.2004)

Eine ähnliche Aussage von Peter Pilz wird etwa im profil aufgegriffen. Auf die möglichen negativen Folgen einer zu schroffen Ablehnung der Türkei spielt auch ein Leserbrief in der Krone an, in dem dafür plädiert wird, die Türkei als guten Nachbarn zu behandeln, aber eben als Nachbarn der in seinem eigenen Haus wohnen bleibt: Einen Nachbarn lädt man gerne zu Besuch ein, fährt

2. Metaphern der EU/Europas im Printmediendiskurs

auch zu ihm auf Urlaub, aber er wohnt nicht im Haus. Er hat sein eigenes. (Leserbrief, NKZ vom 13.9.2004) Manchmal wird – im Rahmen einer Argumentation, welche die Erschließung türkischer Märkte als Nutzen für die EU unterstreicht – darauf hingewiesen, welche Möglichkeiten und Potenziale sich in der unmittelbaren Nachbarschaft befinden: die Türkei als »China vor der Haustür Europas« (Michael Bachner, Der Standard vom 8.3.2006) oder die Türkei als »Powerhouse« (Bettina Pfluger, Der Standard vom 9.10.2006). Das Bild von einer EU, deren »Hinterhof in Flammen« steht und die der Hilfe der USA bedarf um den Brand zu löschen (Christian Ortner, 13.12.2004), betont hingegen die geopolitische Schwäche der EU gegenüber den USA, mithin die mangelnde Kontrolle über das eigene Gebäude.

Interpretation Die Rede vom »Haus Europa« wird in der Literatur erstmals in einer Rede Winston Churchills im Jahr 1950 dokumentiert, in der er sich für »eine europäische Armee als Botschaft des Hauses Europa an die ganze Welt« ausspricht (Hugo Young, zit.n. Musolff 2004, 122, Übersetzung K.B.), wird jedoch meist Michail Gorbatchev zugeschrieben (Hülsse 2003, 66). Mehrere historische Traditionen lassen sich für diese Metapher ins Feld führen, relevant erscheint insbesondere die Metonymie zwischen dynastischem Haushalt und politischer Einheit (Musolff 2004, 122). Bernhardt, Hadj-Abdou, Liebhart und Pribersky konkretisieren diesen Bezug mit Rückgriff auf Martin Warnke, der die Entwicklung der neuzeitlichen Architektursprache im Kontext der staatlichen Behauptung eines eigenen Wertebereichs vor allem gegenüber der Kirche sieht. Diese Entwicklung gehe nach Martin Warnke wiederum in zwei Phasen von statten, zunächst als Repräsentation/Metaphorisierung des Staats als Herrscherperson, dann als Bindung der staatlichen Einheit an nicht personale, abstrakte Werte und Normen, z.B. »Volk«, »Nation«, »Gerechtigkeit«, wobei die öffentlichen Gemeinschaftsbauten zu Trägern des staatlichen Gesamtwillens würden (Bernhardt/Hadj-Abdou/Liebhart/Pribersky 2009, 72). Hier wäre etwa auch das House of Commons zu nennen. Eine andere alte Tradition der Hausmetapher ist die religiöse, welche das Haus als Ort Gottes (begründet in der biblischen Vorstellung des Hauses Israels) konstituiert (Musolff 2004, 122). Als in der Metapher des Hauses Mitschwingendes spielt neben diesem gesellschaftlich-geschichtlichen Kontext, der die Identifikation/das Erkennen des Hauses als Zeichen für (politische, ökonomische) Macht bedingt, auch die lebensweltliche Bedeutung des Hauses als Garant für Sicherheit, Schutz, Geborgenheit, Stabilität und Abgeschlossenheit (Hülsse 2004, 68-9) eine Rolle. Die Gebäudemetapher ist, das dokumentieren die bisherigen Untersuchungen, eine der gebräuchlichsten Metaphern für die EU/Europa. Im untersuch-

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ten Printmediendiskurs scheinen sie in allen untersuchten Medien auf und sind in unterschiedlichen Argumentationslinien feststellbar, am häufigsten in D und B, als sogenannte »Containermetaphern« (Lakoff/Johnson 1998/1980) sind Gebäudemetaphern prädestiniert dafür, eine Trennung zwischen innen und außen, »Zugehörigen« und »Unzugehörigen« zu setzen. Sie werden häufig in den untersuchten Printmedientexten aufgegriffen, meist um vor den Risiken eines »Ausbaus« dieses Hauses im Zuge der Erweiterung und vor einem unkontrollierten Eindringen des Anderen (Kandidatenländer, Migrantinnen und Migranten) in das Haus oder vor einer zu schroffen Abweisung der Türkei zu warnen. Bezüge auf eine »Festung Europa« gibt es jedenfalls nicht im affirmativen Sinn, jedoch übernimmt das schlichte Gebäude oder das Haus in vielen Kontexten eine ähnliche Funktion wie die Festung. Die hier vorwiegend aufscheinenden Szenarios lassen sich, in Anlehnung an Musolff (2004, 126), folgendermaßen charakterisieren: die politische/ökonomische Struktur des transnationalen Gebildes EU ist ein Gebäude. Eine gute politische/ökonomische Struktur ist ein stabiles Gebäude. Die EU-Mitglieder sind im Gebäude, die Kandidatenländer sind außerhalb des Gebäudes. Manchmal ist die Erweiterung der EU als Ausbau des Gebäudes gedacht. Einerseits fokussieren manche Szenarien auf die Gefahr für die Stabilität des EU-Gebäudes durch die Türkei/andere Beitrittsländer, andererseits steht der Aspekt der Offenheit/Geschlossenheit des Hauses im Vordergrund, damit verbunden entweder die Warnung vor unkontrolliertem Eindringen (Argumentationslinien D), oder die Warnung vor zu schroffem Ausgrenzen – »die Tür vor der Nase zuknallen« (Argumentationslinie B). Das sprachliche Bild von der EU als einem weitgehend abgeschlossenen Raum, als von Mauern begrenztem Gebäude, an dem (in manchen Szenarios) noch gebaut wird, der durch eine Tür, ein Tor oder eine Pforte zu betreten ist, ist weit verbreitet und taucht vor allem mit den Argumentationslinien B (globale Sicherheit) und D (europäische Krise) auf, wobei jeweils meist ein bestimmter Aspekt in den Vordergrund gerückt wird. Belegstellen zur Gebäude-Metaphorik finden sich im Korpus insgesamt in 20 Artikeln.

2.4.2 Verkehr/Reise Eine ähnlich große Bedeutung kommt Metaphern aus dem Quellbereich Weg und Reise zu. Sie sind im Korpus weit verbreitet und ebenfalls argumentationsübergreifend zu finden. Einerseits wird die EU auf einem Weg begriffen, der Erweiterungsprozess ist konzipiert als Reise für die EU/Europa, oder der Beitritt selbst ist gedacht als ein Zug, der gesteuert werden muss.

2. Metaphern der EU/Europas im Printmediendiskurs

Die EU sei in Sachen Erweiterung mit »Vollgas und Bremse« unterwegs (Eva Linsinger, Der Standard vom 7.10.2004), Europa stehe an einem »historischen Scheideweg« in die Richtungen Bundesstaat, Staatenbund oder »mittelalterliches Reich«, d.h., »ein Imperium, das einen gut definierten, homogenen Zentralraum habe und eine Peripherie« (Christoph Prantner, Der Standard vom 30.4.2004). Als »Europa der zwei Geschwindigkeiten« sei die EU in Richtung globale Wettbewerbsfähigkeit unterwegs (Christoph Leitl im Interview, Der Standard vom 25.9.2006). Orientierung für das Europa unterwegs biete die »’Leitkultur’ Europas«, die eine andere sei als diejenige der Türkei, nämlich geprägt durch »die Werte der Aufklärung, der liberalen Demokratie und des gesellschaftspolitischen Liberalismus« sowie durch das Christentum (Der Standard vom 2.3.2004). Bei Christoph Kotanko ist ausschließlich die Demokratie (und dezidiert nicht das Christentum) die europäische Leitkultur, sie müsse von allen Kandidaten gelebt werden, auch von der Türkei (Kurier vom 24.12.2004). Bei Georg Hoffmann-Ostenhof sind die »Abendländer«, die um die christliche Identität Europas bangen, »auf der Verliererstraße« (profil vom 27.9.2004). Antieuropäischen Positionen zufolge steuert hingegen die gesamte EU aufgrund ihrer Erweiterungspolitik auf das Verderben zu. In der Krone erscheint daher die EU mehrfach als »Titanic«. Wenn einmal der Wunsch der USA erfüllt und die Türkei der EU beigetreten sei, könne man auch Marokko als Beitrittsland nicht mehr ablehnen. »Fazit: Wenn Österreich mit dieser EU-Titanic nicht untergehen will, gibt es zum EU-Austritt keine Alternative.« (Leserbrief, Neue Kronen Zeitung vom 2.7.2006) Sehr oft ist die EU als Quasi-Person imaginiert, die sich fortbewegt, auch die Staaten sind als Reisende konzeptualisiert. Das kommt in der Rede von den »Staatenlenkern« zum Ausdruck (u.a. im profil vom 13.12.2004), oder, im Rahmen der Diskussion um ein Europa der verschiedenen Geschwindigkeiten, wenn es um eine »Kerngruppe« von Staaten geht, die der metaphorischen Logik zufolge schneller unterwegs sind als die anderen. Im Mapping des Beitrittsprozesses als Zug klingen Bedenken an, der Zug könne entgleisen (Sebastian Heinzel, profil vom 10.4.2006) oder auch das Bedauern, dass ein Entgleisen unwahrscheinlich sei und ein Beitritt somit nicht mehr zu verhindern (Hans Rauscher, Der Standard vom 8.10.2005), in diesem Szenario wird Argumentationslinie D deutlich. Vielfach wird resigniert festgestellt, dass der Zug bereits auf Schienen und abgefahren sei: Man könne »ihm nur noch kopfschüttelnd nachblicken« (Christian Ultsch, Die Presse vom 26.4.2005), es habe sich »der Wiener Widerstand [...] dennoch gelohnt« (Michael Fleischhacker, Die Presse vom 4.10.2005), es gelte »das Prinzip Hoffnung« (Hans Rauscher, Der Standard vom 16.9.2004). In anderen Fällen wird für Bremsen bzw. ein Austarieren der Geschwindigkeit plädiert oder für das Einlegen des Rückwärtsganges: Doris Kraus

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nimmt die von Jacques Delors geprägte Metapher der EU als Fahrrad auf, das in Bewegung bleiben müsse, um nicht umzufallen und stellt gleichzeitig fest: »Die EU muss bremsen, sonst überlebt sie nicht« (Doris Kraus, Die Presse vom 8.11.2006). Eigentlich wäre aber der Rückwärtsgang angemessen: »Das Paradoxe an der Sache ist, dass genau dieser Rückwärtsgang die der EU angemessene Gangart wäre.« (ebd.) Ähnlich Wolfgang Böhm, der ebenfalls einerseits ein sanftes Bremsen fordert: »Statt einer sanften Bremsung könnten bald alle Reifen blockieren.« Das wäre für die betroffenen Länder ungerecht, insbesondere die Türkei sei ein sicherheitspolitisch wichtiger Partner, den man nicht vor den Kopf stoßen solle (Wolfgang Böhm, Die Presse vom 1.10.2005). Andererseits fordert er aber – wie Kraus – eine radikale Umkehr: Nach all den Beitrittsversprechungen der letzten Jahre wird es zwar schwer werden, den Retourgang einzulegen. Damit die Europäische Union nicht gegen die Wand fährt, wird dies aber notwendig sein. (ebd.)

Oder es wird bezweifelt, dass der Zug überhaupt fahren könne, wie in folgender Passage, die den Erweiterungsprozess insgesamt thematisiert: Es war ein fataler Fehler [...] der politischen Dynamik klein beizugeben und alles auf Schienen zu setzen, bevor noch überhaupt klar war, ob die Lokomotive den immer längeren Zug noch ziehen kann und die neuen Waggons halten, was sie versprechen. (Wolfgang Böhm, Die Presse vom 17.5.2006)

Ob der Beitritt ein Zug ist oder Europa auf Reisen – erwähnt werden mehrfach Notbremsen, die vom Rat 2004 eingebaut wurden und die »den Prozess jederzeit zum Stillstand bringen [können]« (Christoph Prantner, Der Standard vom 28.7.2005), etwa wenn die Reformfortschritte zu langsam von statten gehen oder »wenn ein Kandidat bei Demokratie und Menschenrechten zu wenig Fortschritte macht« (Sebastian Heinzel, profil vom 10.4.2006). In diesem Fall ist die Zugmetapher mit Argumentationslinie C verbunden. Wolfgang Böhm ist in der Presse wiederum skeptisch. Zwar sei »das Wort Notbremse in den Mund genommen [worden]«, es bleibe dennoch »alles [...] ohne politische Konsequenzen«, sei »bloß eine sprachliche Gratwanderung zwischen den hoffnungsvollen Erwartungen der Türkei und der negativen Stimmung in der EU-Bevölkerung« (Wolfgang Böhm, Die Presse vom 30.6.2005). Lobend erwähnt, sogar mit heroischen Zügen dargestellt wird in diesem Zusammenhang mehrfach Wolfgang Schüssel, weil er als Ratspräsident am Gipfel von Kopenhagen »auf die Bremse trat«, jedoch beim Gipfel im Juni 2005 »wieder isoliert blieb«, wo es, im Zitat eines Diplomaten, »24 zu eins gegen uns« stand (Otmar Lahodynsky, profil vom 20.9.2004).

2. Metaphern der EU/Europas im Printmediendiskurs

Lobend, aber gleichzeitig skeptisch wieder die Presse, in der zwar die Richtung gewürdigt wurde, auch wenn der »Wiener Widerstand« die Abfahrt des Zuges nicht verhindern konnte. Aus dem »unsterblichen Heldentum«, so Michael Fleischhacker, wurde nichts, dennoch war das Aussprechen des Unbehagens der europäischen Bürgerinnen und Bürger verdienstvoll (zudem sei es positiv, dass andere österreichische Interessen wie die Forcierung der Beitrittsanwartschaft Kroatiens hinter den Kulissen erfolgreich umgesetzt werden konnten). Der Zug in Richtung Türkei ist abgefahren. Der Wiener Widerstand hat sich dennoch gelohnt. ... Sollte es, was Kanzler Schüssel und Außenministerin Plassnik immer wieder betont haben, tatsächlich ausschließlich darum gegangen sein, die EU durch das Abgehen vom ’alleinigen Verhandlungsziel Vollbeitritt’ vor einer künftigen Katastrophe zu bewahren, kann man nur nüchtern das Scheitern dieser Bemühungen konstatieren. Gleiches lässt sich für den Fall sagen, dass der hinhaltende Widerstand ausschließlich für die österreichische Galerie inszeniert war. ... Das Verdienst, als einziger europäischer Regierungschef das tiefe Unbehagen der europäischen Bürger am Türkei-Kurs der Union offen ausgesprochen und in einen konkreten Vorschlag umgesetzt zu haben, [...] ist ihm nicht zu nehmen. (Michael Fleischhacker, Die Presse vom 4.10.2005)

In anderen Szenarien ist die Türkei auf dem Weg nach Europa und der Beitrittsprozess wird metaphorisch als Reise nach Europa beschrieben: als beschwerlich, von Brüssel aus gesteuert usw., und oft wird damit auch die »türkische Perspektive« in die Texte eingebracht. Viele Metaphern beziehen sich auf Tempo und genauere Umstände der Reise bzw. die genauere Beschaffenheit des Weges. Indem der Beitritt – in Wiedergabe des Erweiterungskommissars Olli Rehn – als »Orientexpress und nicht als Hochgeschwindigkeitszug« (Otmar Lahodynsky, profil vom 13.11.2006) bezeichnet wird, mit dem die Türkei unterwegs ist, wird etwa die Langsamkeit des Beitrittsprozesses unterstrichen und signalisiert, dass es keine »überhasteten Entscheidungen« gäbe. Immer wieder ist von Ampeln und Signalen auf dem Weg der Türkei nach Europa die Rede, wobei die EU/Europa die Ampeln und Signale schaltet und den Fahrplan erstellt. Bei Aufnahme der Beitrittsverhandlungen 2006 »schaltete die EU-Kommission die Signale nun auf Gelb«, bei nachlassendem Reformtempo in punkto Rechte und Standards könne sie aber wieder »die Ampel für Ankara auf Rot springen« lassen (Otmar Lahodynsky, profil vom 13.11.2006). Optimistischere Varianten sehen »die EU-Regierungschefs [...] grünes Licht für Beitrittsverhandlungen [...] geben« (profil vom 20.12.2004). Zwischendurch war aber – beim EU-Gipfel im Dezember 2004 unter österreichischem Vorsitz – die

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Ampel auf Orange geschaltet, und auch die Strecke war offenbar umgebaut worden: Was in verfehlter Fortschreibung einer langen Serie gering überlegter Entscheidungen für die Türkei als schnurgerade Autobahn in die EU angelegt werden sollte, ist nun zu einem Hindernisparcours umgebaut. Die Ampeln sind von Grün auf ein dunkles Orange geschaltet. Die Knöpfe drückten die Österreicher. (Peter Rabl, Kurier vom 9.10.2005)

In solchen und ähnlichen Argumentationen, die weniger die Voraussetzungen der Türkei als vielmehr die »Beitrittsreife« Europas in den Mittelpunkt stellen (Argumentationslinie D), enthalten die Metaphern eine Aufforderung nach Verlangsamung der Reise der Türkei nach Europa durch die EU bzw. einer Infragestellung des Fahrplans. Es wird gefragt: »Kann es sich die EU überhaupt leisten an diesem Fahrplan festzuhalten?« (Konrad Kramar, Kurier vom 10.3.2005) Oder es wird dieser Weg der Türkei nach Europa überhaupt in Frage gestellt und ein anderer, »dritter Weg« gefordert bzw. angedacht, etwa in Form der »privilegierten Partnerschaft« (etwa bei Christoph Kotanko, Kurier vom 4.12.2004). Eventuell ist die Türkei selbst zu schwerfällig, ein »träger Koloss«, der vorwärts geht, aber viel zu langsam (Neue Kronen Zeitung vom 19.9.2004), oder sie ist umgekehrt beweglich und geschickt, ein Land, »das den Sprung in die Moderne bewältige« (profil vom 13.12.2004). Mitunter wird in der metaphorischen Darstellung des Beitritts als Reise der Türkei nach Europa die Perspektive der Türkei zum Ausdruck gebracht oder die Vorgangsweise der EU kritisiert. Der Türkei wird konzediert, dass sie es schwer habe bzw. es ihr schwer gemacht werde. »Es wird eine lange und beschwerliche Reise, bevor die Türkei am Zielbahnhof Brüssel ankommt«, schreibt etwa Eva Linsinger (Der Standard vom 7.10.2004). Georg HofmannOstenhof kritisiert die Vorgangsweise der EU, die Zypernfrage zur zentralen Bedingung zu stilisieren, als unfair, indem dadurch der Türkei ein »Stolperstein« auf den Weg gelegt werde (profil vom 20.3.2006) oder »Sonderhürden« geschaffen würden (profil vom 13.12.2004). Durch solch unfaire Behandlung werde riskiert, dass der Europa-Enthusiasmus der Türken erlahme, wo ohnehin »nur mehr weniger als die Hälfte der Türken [...] in den Zug nach Brüssel einsteigen« wollten (Georg Hoffmann-Ostenhof, profil vom 13.11.2006). Eine weitere Variante der Metapher der Zugfahrt aus der Perspektive der Türkei stellt – im Zitat eines türkischen Politologen – für Ministerpräsident Erdoğan lediglich »zwei Optionen – auf den nationalistischen Zug aufspringen, oder trotz Widerstands am Reformkurs festhalten.« (Stefan Galoppi, Kurier vom 22.4.2005)

2. Metaphern der EU/Europas im Printmediendiskurs

Im gleichen Text findet sich noch ein weiteres Zitat, diesmal eines EU-Diplomaten in Ankara, der feststellt, dass es wesentlich auch an der EU liege, den Beitritt richtig vorzubereiten: »Wenn das Pferd gesattelt ist, wird Erdoğan es auch reiten können.« (ebd.) Oder es wird angeregt, man solle sich diplomatisch geschickt formulierte Varianten für die Türkei überlegen, um das Risiko der Aufnahme zu minimieren, eine davon wäre der Türkei zunächst einmal nur einen »Probeführerschein« für die EU zu geben (Wolfgang Böhm, Die Presse vom 4.10.2005). Bei Joschka Fischer sind metaphorisch sowohl die EU als auch die Türkei unterwegs, jedoch (aufgrund der abweisenden Haltung Europas) auf Konfrontationskurs. Europa und Türkei sind zwei Züge, die aufeinander zurasen, es gelte, im Sinne von Frieden und Sicherheit, einen Crash zu vermeiden: In den europäisch-türkischen Beziehungen rasen also gegenwärtig zwei Züge aufeinander zu, die angehalten werden müssen. Denn weder die Türkei noch Europa kann sich einen absehbaren Crash erlauben. (Joschka Fischer, Der Standard vom 2.10.2006)

Das Mapping der Türkei als Brücke zum Islam oder in den Nahen Osten (es findet sich hauptsächlich in Argumentationen, die via Beitritt einen Clash of Civilisations vermeiden wollen oder eben diese Sichtweise ablehnen, also in den Argumentationslinien B1 oder B2) beinhaltet wiederum, dass die EU/Europa auf dem Weg sei. Aber klar ist doch, dass die Türkei als moslemisches Land der EU eine Brücke zur übrigen islamischen Welt baut und Europas Präsenz im Nahen Osten stärkt. (Georg HoffmanOstenhof, profil vom 10.5.2004)

Ähnlich Herbert Vytiska in, der die geografische Lage der Türkei als möglichen Hinweis darauf sieht, dass »die Türkei eine wichtige und notwendige Brücke zwischen Europa und Vorderasien sowie der islamischen Welt sein könnte« (Die Presse vom 26.4.2005). Ähnliche Formulierungen finden sich mehrfach. Dass sich Europa in Richtung Osten bewegt, fordert auch ein Gastkommentator oder eine Gastkommentatorin in der Presse: Was es heute wieder braucht, sind »Morgenlandfahrer«, gewissermaßen als Lotsen. Zur Erweiterung der Perspektive und mit dem Mut, sich vom Neuen nicht abzuschotten, sondern sich mit ihm auszutauschen und damit zu erweitern. (Die Presse vom 4.12.2004)

Im Gegenteil dazu wird diese Brücke als rhetorisches oder argumentationsstrategisches Konstrukt ironisiert:

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Global Player EU? Eine ideologiekritische Metaphernanalyse Besonderer Beliebtheit erfreut sich derzeit ein Konstrukt, das sich als »türkische Europabrücke« beschreiben lässt. Die Türkei soll demnach als kulturell-religiöse Mittlerin Europa mit der islamischen Welt zusammenführen. Natürlich erst nach einem EU-Beitritt, versteht sich. Warum jetzt nicht zumindest schon ein Holzsteg oder zumindest die Pfeiler stehen, will niemand so genau wissen. [...] In der Welt diplomatischer Metaphern lassen sich derlei architektonische Meisterleistungen mit einem Zungenschlag erbauen. [...] Die türkische Europabrücke gibt ein schönes Bild ab, aber sie führt ins Nirgendwo. (Christian Ultsch, Die Presse vom 17.12.2004)

In eine ähnliche Richtung gehen einige andere Artikel im Kurier und im Standard. Bei Hans Rauscher ist diese Brücke zwischen Europa und dem Islam ein Teil der staatsmännischen Träume von Chrirac und Schröder, sie wollten als Erbauer in die Geschichte eingehen (Hans Rauscher, Der Standard vom 9.10.2004). Dass die Türkei keine Brücke zur moslemischen Welt sein könne, so ein Text im Kurier, liege wegen der historischen Erfahrungen auf der Hand. Die Araber hätten die Türkei als Kolonialmacht in Erinnerung, ihre guten Beziehungen zu Israel machten sie zusätzlich »verdächtig« (Kurier vom 12.12.2004). Insgesamt finden sich Belegstellen in 45 analysierten Texten, die Metaphern aus den Quellbereichen Reise und Verkehr aufweisen.

Interpretation Metaphern aus dem Quellbereich Verkehr/Reise lassen sich unter Orientierungsmetaphern subsumieren, die über Richtung und Modalität von Bewegung im Raum Auskunft geben (Lakoff/Johnson, 1998/1980, 22ff.). Irène Bellier stellt fest, dass sich etwa seit 2000 die Verwendung von Metaphern für die Erweiterung von den Gebäudemetaphern weg, hin zu Verkehrs-/Zug-/Schienenmetaphern verschiebt und damit der dynamische Aspekt der Vorwärtsbewegung die Verbindlichkeit der Erweiterung unterstreicht (Bellier 2007). Im Zuge der Erweiterungspolitik sei eine so unglaubliche Menge von Informationen und Material von der Kommission zu bearbeiten, wobei gleichzeitig nur ganz wenige Akteurinnen und Akteure über ihren Bereich hinausschauen könnten. Das Unternehmen Erweiterung stelle sich für die Beamtinnen und Beamten dermaßen unüberschaubar dar, dass es kaum anders als in globalen Metaphern ausgedrückt werden kann, wobei gerade Metaphern von Schienennetzen und Verkehr die Infrastruktur der EU und die Komplexität transnationaler Netzwerke insgesamt gut darstellen könnten (ebd.). Die metaphorische Logik von Verkehrsnetzen gibt Komplexität wieder. Die Zugmetapher wurde bereits von Jean Monnet verwendet. Sie verwirkliche, so Bellier, die »heroischen Zeiten«, die »die Gründungsväter« (Jean Monnet, Altiero Spinelli, Konrad Adenauer u. a.) definiert haben (ebd.). Günter

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Verheugen prägte schließlich 2001 die Metapher vom Beitrittsprozess als Zug, dem man bereits grünes Licht gegeben habe (ebd.). Zusammenfassend werden im Korpus vor allem folgende Szenarien (jeweils mit unterschiedlichen Varianten) gezeichnet: 1. Die EU ist unterwegs zu einem Ziel, es geht darum, die richtige Geschwindigkeit zu finden (langsamer zu fahren oder sogar rückwärts, je nach Positionierung in Bezug auf den Beitritt). 2. Der Beitrittsprozess selbst ist ein Zug, je nach Positionierung ist der Zug auf dem Weg, soll gebremst, gestoppt werden oder sogar entgleisen. 3. Die Türkei ist unterwegs. Damit verbunden sind die Aspekte, die EU müsse die Ampeln und Signale richtig schalten, den Verkehr also richtig kontrollieren; die Türkei habe eine beschwerliche Reise; es solle ein »dritter Weg« für die Türkei gefunden werden. Bei der Erweiterung kommt – anders als im Integrationsdiskurs z.B. in der Vorstellung von einem Europa der unterschiedlichen Geschwindigkeiten – allgemein nicht die normative assumption »schneller ist besser« (Musolff 2004, 40) zum Tragen. Im Gegenteil wird im Zusammenhang mit der Erweiterung in den Argumentationen und Darstellungen diese Annahme in Richtung einer erwünschten Kontrolle der Geschwindigkeit verschoben. Die evokative Funktion liegt zumindest in diesem Szenario darin, ein »zu schnell-Fahren« als gefährlich zu vermitteln. Die Metaphorik um Verkehr/Reise ist argumentativ ganz unterschiedlich geframt, sie findet sich in alle Argumentationslinien eingebettet. In pro-Argumentationen geht es meist um die richtige Geschwindigkeit, in kontra-Argumentationen z.B. um eine gefährliche Fahrt, die Notwendigkeit der Notbremsung. Die laut Bellier etwa seit dem Jahr 2000 deutlich steigende Präsenz von Verkehrs-, Zug- und Reisemetaphern kann im Sinne der Fragestellung als ein Anzeichen dafür gewertet werden, dass sich – jedenfalls im Zusammenhang mit der wichtigen Agenda der Erweiterungspolitik – eine metaphorische Logik herausgebildet hat, die netzwerkhafte Komplexität als Eigenes konstituiert.

2.4.3 Klub/Verein Als gängige Metapher erweist sich ebenfalls diejenige vom Klub, manchmal vom Verein, in den man aufgenommen werden muss. Am häufigsten kommt der »Christenklub« vor, jedoch meist in distanziert-kritischer Absicht, als Zitat oder einfach nur als Catchword. Größtenteils haben Bezüge auf den »Christenklub« die Funktion, sich von religiös konnotierten kulturalistisch-essentialisierenden Diskurssträngen zu distanzieren. Damit einhergehend wird häufig die Instrumentalisierung der Bezeichnung »Christenklub« als Kampf begriff

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kritisiert, der von Beitrittsbefürwortenden als Argumentationsstrategie gegen beitrittsskeptische Argumente instrumentalisiert wird. Recht deutlich wird das mehrfach im Kurier, eingebettet meist in eine Argumentationslinie, die demokratische und menschenrechtliche Standards (C2) sowie vor allem die »Verkraftbarkeit« für die EU selbst (D) in den Vordergrund rückt. Dass Europa ein »christlicher Klub« sein wolle, werde nur von »den Betreibern des türkischen Beitritts behauptet« (Christoph Kotanko, Kurier vom 4.12.2004). Dabei würden die eigentlichen Interessen verschwiegen: Die EU-Mitgliedschaft der Türkei würde den strategischen Interessen der Union dienen: Das wäre die ehrliche Begründung für das Ja zum Beitritt. Diese Offenheit bringen die Befürworter aber nicht auf. Stattdessen verwenden sie Kampfbegriffe wie zum Beispiel: »Christenclub«. (Christoph Kotanko, Kurier vom 7.9.2004)

Die Kritik bezieht sich insbesondere auf eine Aussage von Martti Ahtisaari, die EU müsse sich entscheiden, ob sie ein Zirkel der christlichen Staaten oder eine tolerante Gemeinschaft sei. Bestimmte Kräfte wollten Europa, so Georg Hofmann-Ostenhof, als christlichen Klub erhalten und missbrauchten dabei die Zypern-Frage (profil vom 13.11.2006). Oder sie ist auf eine rhetorische Strategie türkischer Regierungsmitglieder gemünzt, wie in folgendem Artikel im Standard: Die EU ist kein »Christenklub« und will auch keiner sein, wie Erdogan und Gül und hundert türkische Nationalisten unterstellen. Die EU ist ein Wirtschaftklub und ein Klub universeller demokratischer Werte. (Der Standard vom 4.10.2005)

Vor diesem Hintergrund wird es zuweilen für notwendig erachtet, sich demonstrativ und mit Nachdruck vom Verdacht religiös-kulturalistischer Ressentiments abzugrenzen. So etwa Christian Rainer, bevor er die Kontra-Argumentation ausführt, die den Beitritt als zu großes ökonomisches Risiko bewertet (A2): Ja, wir sind wohl alle [...] für ein von christlicher Bigotterie befreites Europa, und sei es, dass diese mit einem gehörigen Schuss islamischen Weltbildes ausgetrieben werden muss. [...] Wenn ein islamisches Land zu einem christlichen Verein dazustoßen dürfte, wäre das das größte Friedensprojekt der Welt. (Christian Rainer, profil vom 11.10.2004)

Affirmative Bezüge auf die EU als Klub, der Geschlossenheit suggeriert, finden sich mehrfach im Sample, am häufigsten zu finden in der Presse. Zum Teil wird dabei der Aspekt der Bestimmung des Klubs über die Aufnahme weiterer Mitglieder hervorgehoben. Es wird festgehalten, dass ausschließlich

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die EU selbst (und nicht, wie im diskutierten Fall das UN-Kriegsverbrechertribunal, das gegen einen Beitritt Kroatiens Stellung bezogen hatte, während die Österreichische Regierung sich für den Beitritt eingesetzt hatte) darüber zu befinden habe, wer Mitglied im »europäischen Klub« werden könne (Christian Ultsch, Die Presse vom 5.10.2005). An anderer Stelle bedauert Ultsch, dass vor der Festlegung von Beitrittsverhandlungen mit der Türkei schon Rumänien und Bulgarien in den »Brüsseler Klub« aufgenommen wurden, obwohl diese auch nicht »reif« gewesen seien (Christian Ultsch, Die Presse vom 26.4.2005). Ähnlich resignativ stellt die Krone fest, dass es »nun möglich sein wird, auch noch die Türkei in den Klub zu holen« (Hans Peter Martin, Neue Kronen Zeitung vom 25.9.2005). Zum Teil wird die Attraktivität des Klubs angezweifelt: Eine EU, die es nicht schaffe, einen dringend notwendigen Erweiterungsstopp umzusetzen, funktioniere nur suboptimal und es frage sich, wer »wirklich daran Interesse haben [kann], einem Klub beizutreten, der zu einer Karikatur seiner selbst zu werden droht« (Doris Kraus, Die Presse vom 21.11.2006). Ein Gastkommentator fragt, ob die Türkei lediglich Interesse daran habe, einem »unverbindlichen Klub« beizutreten (Erich Reiter, Die Presse vom 27.10.2006). So gut wie alle Argumentationsstränge, in denen die Metapher des Klubs in affirmativer Weise aufzufinden ist, bringen eine Positionierung gegen einen Türkei-Beitritt zum Ausdruck, und zwar meist entlang der Argumentationslinien D und A2 oder auch C2. Ausnahmen finden sich im profil (profil vom 10.5.2004) und in einem Presse-Gastkommentar, in dem Margret Beckett darauf hinweist, dass auch in vergangenen Erweiterungsrunden neue Mitglieder dem Klub stets großen Nutzen gebracht haben, dies also auch im Fall eines Türkei-Beitritts zu erwarten sei (Margret Beckett, Die Presse vom 13.12.2006).

Interpretation Ausschlaggebend ist bei der Verwendung der Klubmetapher im Korpus durchwegs das Merkmal der Selektivität des Klubs. In der Klub-Metapher erscheinen in der Vorstellung vom Klub die EU-Staaten als Quasipersonen, die sich zusammengeschlossen haben. Die Selektivität stellt die Schwierigkeiten der Verhandlungen im Beitrittsprozess dar (Bellier 2007) und setzt gleichzeitig eine Außenposition des Nicht-Mitglieds. In spezifischen Verwendungsformen steht das Bestimmungsrecht des Klubs im Vordergrund, mithin der Goodwill und die Bedürfnislage der Klubmitglieder. Susanne Schunter-Kleemann (2001, 172-179) kontextualisiert die Klubmitgliedschaft in zweifacher Weise: in soziologischer Perspektive sei sie Ausdruck einer spezifischen Klassenlage, eines distinktiven Lebensstils bürgerlicher Eliten, Exklusivität und räumliche Separiertheit seien dabei häufig um gesellige Aktivitäten, etwa auch extravagante Sportarten herum organisiert (174). »In der Diskretion gemütlicher Kaminzimmer wird ein wenig Politik und viel Busi-

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ness betrieben, in sorgsam geschützten Außenanlagen verbringt man seine freie Zeit« (ebd.). Der Zugang zu den Clubs ist hochselektiv, neben der sozialen Klassenlage ist auch das Geschlecht ein wesentliches Einschlusskriterium, und Frauen sind im Club nicht anwesend (ebd.). Ferner zeichnet SchunterKleemann eine »ökonomische Theorie des Klubs« nach, die ihre Aussagen häufig anhand der Prozesse der europäischen Integration illustriert (ebd., 173) und deren Denkfiguren sich oft »mit Deutungsmustern im politischen Tagesgeschäft der europäischen Integration decken« (ebd., 174). Bei dieser »Clubtheorie« handelt es sich um ein Denkmodell, das die Vorteile der ökonomischen Blockbildung gegenüber dem weltweiten Freihandel diskutiert, sie ist eine in den 1960er Jahren im Rahmen der Finanzwirtschaft entstandene, spieltheoretisch ausgerichtete Forschungsrichtung (ebd.). Die Theorie postuliert, dass ein Club (»die Insider«) solange Interesse an seiner eigenen Ausdehnung habe, als sich daraus eine Verbesserung des Netto-Nutzens für die Mitglieder ergibt, und es werden die Optionen einer Diskriminierung der Außenstehenden (»Outsider«) abgewogen und die entsprechenden Optionen »durchgespielt« (ebd.). Ohne an dieser Stelle auf Ähnlichkeiten im Detail einzugehen – augenfällig sind die klassen- und geschlechtsspezifische Schlagseite der Klubmetapher sowie die semantischen Ähnlichkeiten mit finanzökonomischen Termini. In Bezug auf die Art und Häufigkeit der Verwendung der »Christenklub«Metapher kommt Rainer Hülsse in seiner Analyse des Erweiterungsdiskurses zu ganz ähnlichen Ergebnissen: Die Referenzen auf den Christenklub sind weit verbreitet, jedoch meist in verneinender Form. Hülsse zieht daraus den Schluss, dass auch in der Verneinung des Christenklubs die Türkei als Outsider gesetzt wird. Es ergibt sich dadurch nämlich ein »paradoxer Effekt: Der angeblich irrelevante Aspekt der Religion wird in den Vordergrund gerückt und die Türkei als sich in diesem Punkt unterscheidend konstruiert« (Hülsse 2003, 111). Diese Interpretation kommt schließlich auch den Ergebnissen nahe, die aus einer Analyse des Materials die zentrale Rolle von Religion und Säkularität für diskursive Otheringmechanismen ergeben haben. Es finden sich insgesamt in 30 Artikeln Belegstellen für Metaphern vom Klub oder Verein, großteils entweder als ironisierende, jedenfalls nicht affirmative Verwendung oder bloßes Zitat des Begriffs »Christenklub« oder »christlicher Verein« bzw. schlicht als Catchword, auf das inhaltlich nicht oder kaum Bezug genommen wird, dessen häufige Verwendung diesen Aspekt dennoch immer wieder in den Vordergrund rückt.

2. Metaphern der EU/Europas im Printmediendiskurs

2.4.5 Kampf und Konkurrenzfähigkeit: Krieg, Sport und Spiel Kampf und Krieg Ein Kernkonzept des globalen Wettbewerbs, der einen großen Teil der Argumentationslinien (direkt oder indirekt) strukturiert, ist der Clash of Civilisations in dem Europa, z.B. bei Huntington, als Teil »des Westens« gedacht ist (Huntington 1998, 26-7). Dort, wo wörtlich auf den – meist in ein religiöses Framing gestellten – Kampf der Kulturen/Clash of Civilisations Bezug genommen wird, werden Notwendigkeit und Strategien zu dessen Verhinderung verhandelt. Dementsprechend sind solche Bezüge großteils in der Argumentationslinie B oder deren Wiedergabe verankert, in der es um globale Sicherheit geht. Der Beitritt der Türkei wird dabei als »probates Mittel gegen den ’Clash of Civilisations’« (Georg Hoffmann-Ostenhof, profil vom 1.3.2004) ins Treffen geführt oder als Beweis dafür, »was Bin Laden und die anderen Bombenschmeißer so fanatisch verneinen: dass Demokratie und Islam vereinbar sind« (Georg HofmannOstenhof, profil vom 11.7.2005). Vorsichtig beschreitet auch Günther Nenning in der Neuen Kronen Zeitung diesen Pfad der Argumentation, wenn er sich gegen eine Gleichsetzung von Islam und Islamismus wehrt und die im Zuge des »Karikaturenkriegs« von »dem engagierten Freund des Beitritts der Türkei zur EU« Erdoğan beschworenen »Kräfte der Vernunft« lobt (Neue Kronen Zeitung vom 15.2.2006). Nicht selten wird dabei in der Möglichkeit des Scheiterns der Beitrittsverhandlungen bzw. des Beitritts die Gefahr einer zu harschen Zurückweisung der Türkei oder auch einer zu starken Betonung des »christlichen Erbes Europas« gesehen. Peter Michael Lingens schreibt etwa: Eine Reihe von Mitgliedsländern will das hohe C in der EU-Verfassung verankern. Und dagegen wehre ich mich. Nicht, weil ich bestritte, dass unsere Kultur christliche Wurzeln hat (obwohl man alle anderen nicht ständig vergessen sollte), sondern weil ich Huntingtons »Krieg der Kulturen« von beiden Seiten her fürchte. Ich will auch nicht die Kreuzzüge von George W. Bush unterstützen. (Peter Michael Lingens, profil vom 23.8.2004)

Der Europabeauftragte der österreichischen Bischofskonferenz, Franz Eckert, im Kurier vom 26.9.2004 zitiert, warnt davor, dass die Beitrittsfrage zu einer »Frontstellung Christentum gegen Islam« führen könne, und auch Wolfgang Böhm plädiert in der Presse dagegen, »Ankara ins Messer aussichtsloser Verhandlungen laufen zu lassen« (Die Presse vom 6.9.2006). Es müsse/solle zwar nicht der Vollbeitritt sein, jedoch sei die Türkei ein notwendiger Partner, von dem auch die EU abhängig sei – die Beziehung sei daher »auf einen pragmatischen Pfad umzulenken« (ebd.).

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Als erstrebenswertes Gegenstück zum »Kampf der Zivilisationen« wird – wiederum im Rahmen der Argumentationslinie B1 – die »Allianz«, der Dialog oder das »Zusammenleben der Zivilisationen« angesprochen. Teils erscheint der Beitritt per se als Beitrag zur Allianz der Zivilisationen bzw. zur Verhinderung des Clash (Hoffman-Ostenhof, profil vom 1.3.2004) teils nur dann als sinnvolles Mittel gegen den Kampf der Zivilisationen, wenn auch Rechte und Standards entsprechend erfüllt werden, so z.B. im Standard vom 18.12.2004 oder bei Lingens im profil vom 23.8.2004, also nur auf der Basis der Argumentationslinie C2, die universalisierbare Standards als Kriterien anlegt. Oder die Frage des Beitritts erscheint explizit als irrelevant für die Verhinderung des Clash of Civilisations (Hans Rauscher im Standard vom 28.7.2005 sowie im Standard vom 2.3.2004). Mitunter, wenn auch eher selten, geht es gar nicht um die Vermeidung des Clash, sondern (entlang der Argumentationslinie D) darum, im Rahmen dieses »Kampfes« nicht ins Hintertreffen zu gelangen. Die gravierende Schwächung der EU stelle dabei – wie die beiden folgenden Beispiele zeigen – deren »Islamisierung« oder die »islamische Unterwanderung« dar, die sogar zu einem »dritten europäischen Bürgerkrieg« führen könnten: Wenn diese islamische Unterwanderung in Europa nicht radikal gestoppt wird und die zum Großteil islamische Türkei sogar EU-Vollmitglied wird, gibt es früher oder später ein ganz böses Erwachen. (Leserbrief, Neue Kronen Zeitung vom 16.2.2006) Wer das [den EU-Beitritt der Türkei, K.B.] allen Ernstes befürwortet, geht damit sehenden Auges das erhebliche Risiko ein, das größte Friedensprojekt Europas zu einem Anlass für den nächsten, dann dritten europäischen Bürgerkrieg umzufunktionieren. Denn eine schleichende Islamisierung wird sich in Europa niemand gefallen lassen wollen. (Christian Ortner, Format vom 17.9.2004)

So wie in dieser Passage werden vom zu verhindernden Clash of Civilisations mehrfach Bezüge zum »Friedensprojekt« oder zum »Friedenswerk Europas« hergestellt.

Bedrohungsszenarien – nationale Narrative Etwa ebenso häufig wie vom Clash of Civilisations ist von Krieg, Kampf und Schlachten die Rede, ohne dass Bezug auf den Kampf der Kulturen genommen würde. Häufig sind militärische Szenarien an Semantik und Metaphorik der Türkenbelagerung geknüpft, die eine massive, oft existenzielle Bedrohung suggeriert. Deutlich kommt dabei die spezifische kollektive Tradierung der Türkenbelagerung in Österreich zum Ausdruck, vorzugsweise in der Presse und in der Neuen Kronen Zeitung. Ein Gastkommentator interpretiert die Entscheidung für den Start der Beitrittsverhandlungen im Dezember 2004 als Kapitulation Europas und dessen Quasi-Einnahme durch die Türkei:

2. Metaphern der EU/Europas im Printmediendiskurs Am 17. Dezember 2004 hat die EU – quasi einem Todestrieb folgend – nunmehr endgültig und bedingungslos vor der Türkei kapituliert. Das aus der Türkei zu uns dringende Gelächter bestätigt die Ungleichgewichtigkeit des Ergebnisses: für ein paar Drohgebärden und gekonnte Tatsachenverdrehungen bekommt die Türkei nahezu den ganzen Kontinent! (Die Presse vom 7.1.2005)

Michael Fleischhacker sieht in den Beitrittsverhandlungen eine »Türkei-Falle« (Die Presse vom 25.9.2004), etwaige Hoffnungen, »das kleine Österreich« könne mit Wolfgang Schüssel als Ratspräsident beim Kopenhagener Gipfel hier noch einmal das Befürchtete abwehren, werden letzten Endes enttäuscht. Christian Ultsch bedauert, dass »[d]er große Sieg in der Abwehrschlacht gegen die Türkei sicher nicht darin zu suchen [ist], dass Österreich ein ohnehin gültiges Kriterium wie die Aufnahmefähigkeit der EU ins Verhandlungsmandat reklamierte« (Die Presse vom 5.10.2005). Andernorts wird aber auch das Agieren der österreichischen Ratspräsidentschaft ironisiert als eine Art Inszenierung »Klein-David [...] gegen Goliath« bzw. als »letzte Bastion gegen die Türken« (Wolfgang Böhm, Die Presse vom 1.10.2005). Manchmal ist von einem »Türkenkrieg« die Rede und davon, dass in Bezug auf einen Beitritt der Türkei zur EU »eine Mehrheit der EU-Bürger [...] von Zweifeln gequält wird [...] ob nicht ein neuer Türkensturm über uns kommt« (Leserbrief, Neue Kronen Zeitung vom 5.10.2004). Im format wird hingegen, wie bereits oben erwähnt, vor einem »europäischen Bürgerkrieg« gewarnt. Im Rahmen einer Metaphorik um Kampf, Krieg und Belagerung werden massive Bedrohungsszenarien gezeichnet, die stets das Eigene – die EU/Österreich – bedrohlichen externen Mächten ausgeliefert sieht (bzw. Mächten, die potenziell Spaltung und »Bürgerkrieg« nach innen tragen), gegen die man sich um des Überlebens willen zu wehren habe. Derartige metaphorische Szenarien finden sich praktisch durchgängig im Zuge von Argumentationen, welche die generelle Überforderung der EU, die Krisenhaftigkeit der Entwicklungen in den Vordergrund stellen (Argumentationslinie D) und die EU in vielerlei Hinsicht in Gefahr sehen. Nicht selten setzt man sich aber auch in scharfer ironischer Distanz von einem – tatsächlich oft kulturalistisch-religiös konnotierten – »Abwehrkampf des Christentums gegen die drohende moslemische Flut« (Georg HoffmannOstenhof, profil vom 3.10.2005) ab, und auch die spezifischen nationalen Muster in der Darstellung der Türkei-Beitrittsfrage werden an manchen Stellen dekonstruiert: Wiederum bei Hoffmann-Ostenhof, der von Österreich spricht als einem »Land, das sein eh prekäres Selbstbewusstsein nicht zuletzt daraus zieht, einstmals heldenhaft das christliche Abendland vor den anstürmenden ostmanischen Horden gerettet zu haben« (derselbe, profil vom 10.5.2004). Ähnlich Christian Rainer über »Schüssel als Retter der EU« (profil vom 19.12.2005) oder über den Grazer Bürgermeister Siegfried Nagl, der Graz als

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»westliches Bollwerk« im »Abwehrkampf« gegen die Türkei bezeichnet hatte (profil vom 4.7.2005). In einigen Fällen werden militärische Metaphern auf das Themenfeld der für den Fall eines Beitritts angenommenen Immigration (von Arbeitskräften) projiziert. So sieht der Kurier durch den Beitritt ein »Heer armer anatolischer Bauern Richtung Westen ziehen«, nämlich »bis zu vier Millionen Türken« (Kurier vom 12.12. 2004). Im Rahmen einer (sehr selten auffindbaren) Argumentation, die auf die Erhaltung europäischer Sozialstaaten abzielt, werden im Standard »anatolische Billigarbeiter«, die als »industrielle Reservearmee« Lohndruck auf die europäische Bevölkerung ausübten, thematisiert (Robert Menasse, Der Standard vom 8.10.2005). Explizite (militärische) Kampf- und Kriegslogik findet sich also einerseits in der Metaphorik um den Clash of Civilisations und andererseits in Metaphern aus dem kollektiv tradierten Bilderarchiv um Türkenbelagerung und Abwehrkampf des Christentums. In den sehr konturierten Ausprägungen der beiden letzteren zeichnen sich deutlich die Umrisse nationaler Geschichtsbilder und Europavorstellungen9 ab. Die Jahrhunderte zurück liegende Türkenbelagerung wurde in Architektur, Schul- und Kinderbüchern, Sagen und Gedenkfeiern im kollektiven Gedächtnis tradiert (vgl. Heiss/Feichtinger 2009; Röhrlich/ Mayer 2009; Kritzinger/Steinbauer 2005). Religiös-kulturalistische Europavorstellungen, die auf die Habsburgische Opposition zum Europaverständnis der Französischen Revolution als politische und zivilisatorische Mission zurückgehen, prägten auch Kunst und Dichtung (vgl. Weiss 2002). Metaphern um Krieg/Clash of Civilisations/Krieg finden sich in 36 Texten.

Spiel und Sport Fußball Strukturell verwandt mit militärischer Semantik und Metaphorik ist die Metaphorisierung sozialer und politischer Handlungen und Prozesse als Sport und Spiel (vgl. Rigotti 1994; Kreisky/Spitaler 2006). So wie in der Sprache des Krieges schwingt auch hier stets das Maskuline als implizite oder auch explizite Norm mit. Gerne verwendet werden etwa Fußballmetaphern, um das Beitrittsprozedere oder einzelne Aspekte darzustellen. In folgender Passage ist zunächst die Rede von einem Fußballmatch, das als Teil der (europa)politischen Inszenierung organisiert werden sollte, und seine Teilnehmer Erdoğan und Schüssel werden beschrieben. Schließlich geht es im Text im übertragenen Sinn um das »Match Beitrittsverhandlungen«: Flink und geschmeidig der eine, bullig und robust der andere: ein perfektes Paar, zumindest beim Freundschaftskickerl. Beim Wien-Besuch des türkischen Premiermi9 | Vgl. dazu u.a. Czáky 2002; 2001; de Cillia et al. 1995.

2. Metaphern der EU/Europas im Printmediendiskurs

nisters Recep Tayyip Erdogan im Juli des Vorjahres standen nicht nur Gespräche über die EU und einen Ausbau der Wirtschaftsbeziehungen auf dem Programm. Abseits der offiziellen Agenda trat der österreichische Regierungsschef mit einem »TransferAngebot« der anderen Art an seinen Amtskollegen heran: Hobbykicker Wolfgang Schüssel erkundigte sich bei Erdogan, der einst sogar mit einer Laufbahn als Profifußballer geliebäugelt hatte, ob er nicht Lust hätte, irgendwann in der Zukunft an einem Spiel von Politikern gegen Altstars wie Hans Krankl, Franz Beckenbauer [...] teilzunehmen. Erdogan sagte zu. Das Match dürfte nicht so schnell angepfiffen werden. Dienstag vergangener Woche zeigte sich Erdogan vor österreichischen Journalisten in Ankara ob der ablehnenden Haltung Österreichs bestürzt. (Josef Barth/Gernot Bauer, profil vom 11.10.2004) In dieser Passage verschwimmen die Grenzen zwischen politischer Inszenierung und den Inhalten politischer Entscheidungsprozesse dadurch, dass politische Entscheidungen zur Erweiterungspolitik unter österreichischem Ratsvorsitz als Fußballspiel geframt und metaphorisiert werden und zugleich die Fähigkeit, Fußball zu spielen und sich gegen Altstars zu bewähren, mit der Fähigkeit in Verbindung gebracht wird, erfolgreich Politik zu betreiben. Zugleich werden in dieser Passage zwei kontrastierende Männlichkeiten charakterisiert: zum einen ein »südländisches« Männlichkeitsbild, zum anderen ein »westlich-modernes«, »fortschrittliches« Männlichkeitsbild. »Bullig und robust« der eine, »flink und geschmeidig« der andere. Andere im Sample auffindbare Metaphern aus der Welt des Fußballs bemessen das »politische Gewicht« einzelner Mitgliedsländer anhand der Hierarchie von »Ligen«. Ankara als Synekdoche für die Türkei würde im Fall eines EU-Beitritts gemessen an der Anzahl der Abgeordneten »im EU-Parlament etwa in derselben Liga spielen wie Deutschland« (Walter Friedl, Kurier vom 15.5.2004, Argumentationline C1, D). Oder die EU-Kommission wird metaphorisch als Schiedsrichter im Fußballspiel der Erweiterungspolitik dargestellt und zeigt wegen mangelnder Reformfortschritte dem Beitrittskandidaten »die gelbe Karte – [...] im Dezember könnte die rote folgen« (Otmar Lahodynsky, profil vom 13.11.2006, Argumentationslinie C2). Der Türkei solle trotz NichtAufnahme »nicht ’die rote Karte’ gezeigt werden« (Christoph Leitl, Format vom 14.5.2004). In dieser Fußball-Logik sind politische Fehler in der Erweiterungspolitik »Eigentore« (Leserbrief, Neue Kronen Zeitung vom 30.9.2004), wobei hier, der Argumentationslinie B1 folgend, die Ablehnung der Türkei als EU-Mitglied das Eigentor für die EU darstellen würde. Hans Peter Martin fasst die EU insgesamt – in einem Text (Argumentationslinie D), der eine beinahe vollständige Aneinanderreihung der gängigen EU-Metaphern auf bietet – als Fußballverein, der pleite gehen würde, wären dort »ähnlich hilflose Opportunisten am Steuer« wie »in Brüssel« (Hans Peter Martin, Neue Kronen Zeitung vom 25.9.2005).

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Global Player EU? Eine ideologiekritische Metaphernanalyse

Andere Spiele Wird das Beitrittsprozedere als Spiel im allgemeineren Sinn metaphorisiert, so ist dies meist mit gedankenloser Risikofreudigkeit und Gefahr konnotiert. Spielen oder »Zocken« wird als Vorwurf gegen die Unverantwortlichkeit der erweiterungspolitischen Akteurinnen und Akteure der politischen Elite vorgebracht. In Abwandlung des »russischen Roulettes« wird den »großen Drei Europas«, Gerhard Schröder, Jacques Chirac und Tony Blair vorgeworfen, in der Frage des Türkei-Beitritts »Türkisches Roulette« zu spielen (Hans Rauscher, Der Standard vom 19.2.2004). Ähnlich Doris Kraus in einem Leitartikel der Presse, ebenfalls im Großen und Ganzen der Argumentationslinie D folgend, wenngleich sie die Gefahr für die EU nicht per se in einem Beitritt verortet, sondern in der mangelnden Geberbereitschaft der Mitgliedsländer und der Kontra-Stimmung in der Bevölkerung. Sie spricht von einem »Brüsseler Roulette«: Die Staats- und Regierungschefs der EU machten sich am Donnerstag einen schönen Abend in Brüssel. Zuerst wurde fein gegessen, dann wurde noch ein bisschen gezockt. Als Chips im Brüsseler Roulette wurden diesmal die beitrittswilligen Staaten auf dem grünen Filz hin und her geschoben. Doch schon bald war klar: Hier sind Geizhälse am Werk. Und für das Brüsseler Roulette heißt das: Rien ne va plus. (Doris Kraus, Die Presse vom 15.12.2006)

Mitunter taucht die Spielmetapher als Ausprägung des David-gegen-GoliathMotivs auf. Ein Presse-Leitartikel wertet die Ereignisse des Kopenhagener Gipfels unter österreichischer Ratspräsidentschaft (bei der auf Betreiben der österreichischen Akteurinnen und Akteure in den Beschluss zur Aufnahme von Beitrittsverhandlungen mit der Türkei eine Zusatzklausel zum offenen Ausgang der Verhandlungen eingefügt wurde) und die – angeblich von der österreichischen Ratspräsidentschaft maßgeblich beeinflussten – politischen Entscheidungsprozesse dort als Pokerspiel und titelt die Analyse mit »Hoch gepokert und gewonnen« (Michael Fleischhacker, Die Presse vom 4.10.2005). In dieser Interpretation hat Österreich gegen die EU gepokert und dabei gewonnen – man kann das als eine Variante der »Heldenrolle« fassen, die »das kleine Österreich« in einem häufiger anklingenden Narrativ gegenüber »der großen EU« einnimmt und die ein spielerisches Risikomoment mit einschließt. An anderen Stellen wird – so wie bei den vorangegangenen Beispielen ebenfalls im Rahmen der Argumentationslinie D – der Beitrittsprozess mit Blick auf die wiederholten Verzögerungen und Rücknahmen als ein »Nervenpoker« dargestellt, den man beenden solle, indem man die Türkei zum »freiwilligen Rückzug aus Brüssel zu bewegen« sucht (Neue Kronen Zeitung vom 11.12.2004). Oder der Beitrittsprozess wird als ein »peinliches Hinhaltespiel« bezeichnet, das man beenden solle. Dabei solle man (die EU) endlich sagen,

2. Metaphern der EU/Europas im Printmediendiskurs

dass man nicht bereit sei, die Türkei als Vollmitglied aufzunehmen (Doris Kraus, Die Presse vom 8.11.2006) und keine »geopolitischen Spiele mit der Türkei spielen« (Hans Rauscher, Der Standard vom 13.12.2004). Oder aber es wird schlicht mit dem Argument dagegen plädiert, dass es unredlich sei, bereits gegebene Versprechen nicht zu halten, unter Verwendung der von Erdoğan gebrauchten Spielmetapher: »Man kann nicht mitten im Spiel die Regeln ändern« (profil vom 13.12.2004). Die Fußballmetapher taucht, so lässt sich zusammenfassend feststellen, meist in Kontexten auf, in denen Politik affirmativ als Fußballspiel vorgestellt wird, bzw. die EU als Fußballverein. Die Spielmetapher im allgemeineren Sinn hingegen firmiert meist als Folie für Kritik an den politischen EU-Eliten, deren Unverantwortlichkeit, mangelnde Ehrlichkeit gegenüber der EU-Bevölkerung und auch gegenüber der Türkei demonstriert. Lediglich einmal im Rahmen des David gegen Goliath-Motivs taucht das Pokerspiel der österreichischen Akteurinnen und Akteure beim Gipfel in Helsinki gegen die EU als positives Setting auf. Metaphern aus dem Quellbereich Sport und Spiel finden sich sehr häufig in der Argumentationslinie D, oft aber auch in Texten, in denen weder eine Position pro oder kontra bezogen wird noch eine argumentative Linie erkennbar ist.

Fitness Ein eigener Aspekt der Sportlichkeit ist derjenige der Fitness. Metaphernszenarios, in denen unterschiedliche Akteurinnen und Akteure (oder auch Gesellschaftsbereiche) für einen Beitritt noch »fit werden« müssten oder in einem Fitnesswettbewerb stehen, sind im Korpus ebenfalls an einigen Stellen zu finden. Die EU muss selbst fit werden [...] bei Neuaufnahmen die eigene Fitness überprüfen. [...] Der Kompromiss, den Plassnik mit aushandelte [...] ist durchaus herzeigbar. Ob sowohl Türkei als auch EU in acht oder mehr Jahren jeweils wirklich fit sind für den Beitritt, steht in den Sternen. (Hubert Wachter, News vom 6.10.2005)

Bemerkenswert an diesem Beispiel ist, dass hier jegliche inhaltliche Konkretisierung fehlt, sowohl was die Fitness der EU als auch diejenige der Türkei betrifft, gleichwohl ist es im Text das einzige angegebene Kriterium, auf dem die Darstellung der Beitrittsfähigkeit im Artikel beruht. Weder rechtsstaatliche, minderheiten- oder menschenrechtliche oder demokratiepolitische Kriterien noch wirtschaftliche oder geostrategische Kriterien werden erwähnt. Dass »die türkische Wirtschaft nicht eurofit« sei, wird im Kurier als eines von vielen in allen Argumentationslinien verankerten Argumenten gegen den Beitritt angeführt (Kurier vom 12.12.2004), sehr wohl sei aber »für türkische Intellektuelle [...] ihr Land fit für die Union« (Gerhard Plott, Der Standard vom

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14.5.2004). Für einen türkischen Industriellen, der im Rahmen einer formatReportage zitiert wird, ist, im Gegenteil, »die EU [...] nicht fit für die Mitgliedschaft« (Waltraud Kaserer, Format vom 24.11.2006). Dass man – in einem wiedergegebenen Zitat des ehemaligen Agrarkommissars Franz Fischler – »die EU auf Vordermann bringen müsse« (zitiert etwa in News vom 9.6.2005), lässt sich als metaphorischer Ausdruck sowohl dem Quellbereich Sport/Fitness, als auch Kampf und Krieg zuordnen. Insgesamt finden sich Metaphern um Sport/ Fitness/Spiel in 24 Texten. Gerne tritt die Metaphorik um Fitness, Sport, Spiel bzw. um Kampf und Krieg in Verbindung oder in Nachbarschaft mit dem Motiv der Stärke, Konkurrenzfähigkeit und Jugend auf, die im folgenden Kapitel genauer betrachtet wird.

Stärke und Konkurrenzfähigkeit Im Sample nahezu durchgängig feststellbar sind Metaphern um Stärke und Konkurrenzfähigkeit der EU, die, wie diejenigen aus dem Bereich Sport, mit der metaphorischen Logik um Kampf und Krieg verwandt sind. Es geht dabei um eine Stärkung der weltweiten Machtposition und Konkurrenzfähigkeit der EU, damit verbunden die (Wieder)Erlangung der Position als Weltmacht, global player, keyplayer, topplayer, weltweiter Akteur, globaler Konkurrent, globaler Mitspieler, globale Macht oder globaler Machtfaktor, die Verwandlung eines politischen Zwerges in einen politischen Riesen und Ähnliches. Den Bezugspunkt der Konkurrenz bilden vorwiegend die USA, aber auch Indien und China oder Asien generell. Auffällig ist, dass die genannten Metaphern sehr häufig als Vorstellung dessen fungieren, was Europa werden soll/muss, aber noch nicht ist. Aufgegriffen wird eine solche Vorstellung z.B. häufig im profil: Soll Europa ein ernsthafter Mitspieler in der Weltpolitik werden – als Gegengewicht oder Korrekturfaktor gegenüber dem amerikanischen Hegemon, braucht es Territorium und Menschen. Beides bietet die Türkei. (Georg Hoffmann-Ostenhof, profil vom 20.3.2006) Ob man will oder nicht, ein ernsthafter »global player« benötigt ein Stück militärischer Macht. Die Türkei mit ihrer großen Armee bringt in das eher pazifistisch gestimmte und weitgehend abgerüstete Europa Soldaten ein. (Georg Hoffmann-Ostenhof, profil vom 27.9.2004)

Aber auch zahlreiche andere Autorinnen und Autoren in den anderen untersuchten Printmedien greifen diese Argumentation (am häufigsten in Argumentationslinie A1, manchmal auch B1) in affirmativer Weise auf, oft im Rahmen einer strikten Ablehnung des Beitritts wie bei Christian Ortner (Argumentationslinie D):

2. Metaphern der EU/Europas im Printmediendiskurs Die Türen Europas stehen dieser Tage weit offen, im Grunde genommen sind sie seit der frohen Botschaft an Ankara bereits aus den Angeln gehoben. Wenn die EU dieses Erweiterungstempo fortsetzt, dürfte sie das historische Kunststück zu Wege bringen, an Überdehnung zu Grunde zu gehen, noch bevor sie überhaupt den Aufstieg zur Weltmacht geschafft hat. (Christian Ortner, Die Presse vom 26.4.2005) Maßgeblich beteiligt an dieser Entwicklung seien demnach die »US-Eliten« oder zumindest Teile davon, die in einem enger zusammenwachsenden Europa einen ernst zu nehmenden globalen Konkurrenten sehen (Christian Ortner, Die Presse vom 14.12.2004). Im gleichen Text führt Ortner den kausalen Zusammenhang zwischen einem (als bevorstehend hingenommenen und gleichzeitig katastrophal bewerteten) türkischen EUBeitritt und Europas Todesnähe bzw. Unterlegenheit aus. Er lässt dabei keine Zweifel über das Geschlecht einer EU bestehen, die (vergeblich) um Macht und Stärke ringt: Der türkische EU-Beitritt ist eine direkte Folge von Europas außenpolitischer Impotenz. (Christian Ortner, Die Presse vom 14.12.2004)

Zum Teil finden sich derartige Metaphern im Rahmen von Gegenüberstellungen von pro- und kontra-Argumenten, also ohne explizite Positionierung des Autors/der Autorin bzw. ohne dominante Argumentationslinien. EU-Weichenstellung. Supermacht oder Ohnmacht? Durch den Beitritt des geostrategischen Schlüssellandes am Bosporus wird die EU zum Keyplayer der Weltpolitik: Europa würde ein Gegengewicht zu den USA im Nahen Osten. (News vom 23.9.2004)

Im profil ist die Rede vom »militärischen Know-how der Türkei«, von dem »ein Europa, das zu einer globalen Macht werden will« profitieren könne (profil vom 13.12.2004), ähnlich Lingens im profil (29.10.2004). Im Kurier wird zunächst die Frage gestellt, ob »die Union dieses Land [braucht], um von einem politischen Zwerg zu einem Machtfaktor in der Weltpolitik zu werden« (Heinz Wagner, Kurier vom 24.10.2005), um diese Frage schließlich zu verneinen. Ebenfalls in Ablehnung des Beitritts und in Umkehrung der pro-Argumentation, welche der Türkei eine Rolle als »Kraftquelle« für die EU zuschreibt, zeichnen Autorinnen und Autoren im Standard und im Kurier andere Konturen einer anzustrebenden EU. Das Ziel ist ähnlich, ein Europa als global player, wenn auch in unterschiedlichen Varianten, der Weg dahin führt aber – wie bei Ortner – eben nicht über einen Beitritt, ein solcher stelle vielmehr ein Hindernis dar. Eine Variante, sowohl in pro als auch in kontra-Argumentationen, ist die Definition der Stärke der EU als »soft-power«. Sehr selten klingen dabei auch europäische Sozialstandards an:

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Global Player EU? Eine ideologiekritische Metaphernanalyse Was kann/soll/muss die EU künftig sein? Ein Wirtschaftsraum mit relativ hohen Sozialstandards, aber genügend Dynamik. Ein politischer global player, der, wie schon auf Osteuropa und die Ukraine, auch auf den arabischen Raum, auf Afrika, den Kaukasus und Zentralasien, auch auf Russland, durch sein Beispiel wirkt: Seht her, Demokratie, Rechtsstaat, soziale Marktwirtschaft, Verzicht auf Nationalismus, bringen Frieden und Prosperität. Wenn ihr diesen Weg geht, helfen wir – nicht durch die volle Aufnahme [...] aber materiell und mit Know how. Diese EU muss sich ein gewisses Maß an militärischer Aktionsfähigkeit erhalten [...] aber sie wird keine schlecht überlegten ideologischen Kriege führen, wie die USA im Irak. Diese EU wird eine Kraft der Mäßigung und der Stabilität. (Hans Rauscher, Der Standard vom 18.6.2005)

Auch Joschka Fischers Vision, die EU solle den Ländern des Mittelmeerraums helfen, sich zu modernisieren und die Gefahr eines Konflikts der Kulturen abzuwenden, sei zwar ein faszinierender Gedanke – »das wäre eine Rolle für die EU als globaler Player, in Kooperation, aber auch in Konkurrenz zu den USA und ihrem Gesellschaftsmodell« (Hans Rauscher, Der Standard vom 2.3.2004). Wozu es deswegen einer EU-Mitgliedschaft der Türkei bedürfe, sei jedoch nicht erklärbar. In Konkurrenz zu den USA definiert Rauscher die EU als »soft power«, »deren Stärke im Verhandeln, im Kompromiss sowie den im Zitat oben ausgeführten »materiellen Anreizen«, der »Anziehungskraft des eigenen Modells als Zone des Friedens« zu sehen seien (Der Standard vom 21.12.2004). Die Stärke der EU als »soft power« werde nicht durch einen EUBeitritt der Türkei befördert, ganz im Gegenteil gefährde vor allem der türkische Nationalismus das Selbstverständnis der EU als »soft power«, so Rauscher (Der Standard vom 30.4.2005). Zudem seien »Struktur und Mentalität« der Türkei, aber auch der Ukraine »so anders«, dass ihre Aufnahme eine Zerreißprobe für die EU wäre – auch hier spielt also eine essentialisierende Darstellungsweise eine Rolle. Explizite Bezüge auf die »soft power« EU finden sich insgesamt im Sample selten, in dieser ausformulierten Version lediglich im Standard, im profil wird sie in Rekurs auf Rauscher aufgegriffen. Sehr wohl liege die Stärke der EU in ihrer »soft power«, sekundiert Hoffmann-Ostenhof, sogar Kagan habe bewundernd bemerkt, Europa sei »ein gigantischer politischer und ökonomischer Magnet für seine Anrainerstaaten, ein liberales, demokratisches und auf Freiwilligkeit basierendes Imperium« (Georg Hoffmann-Ostenhof, profil vom 3.1.2005). Bloß reiche eben die »soft power« nicht aus, ein gewisses Maß an militärischer Macht sei sehr wohl nötig, und dazu könne die Türkei als Mitgliedsland beitragen (ebd.).

Die EU als Unternehmen Mitunter wird der – oft ohnehin zentral verhandelte – ökonomische Aspekt zum (einzig) bestimmenden, und die EU wird als ein Unternehmen imagi-

2. Metaphern der EU/Europas im Printmediendiskurs

niert. Das profil zitiert den ehemaligen Agrarkommissar Franz Fischler: »Überdehnung und Überdiversifikation eines Unternehmens, eingeschlossen die Union, ist ein Rezept für das Scheitern.« (profil vom 13.9.2004) Je nach Positionierung wird das Wohl des »Unternehmens EU« unterschiedlich interpretiert und entweder ist die »Türkei als Wachstumsmotor der Zukunft« erwünscht, deren EU-Beitritt müsse man – den Vorstandsdirektor einer Bank zitierend – »als Investition in die Zukunft betrachten« (Nadja Hahn, Der Standard vom 12.1.2005). Oder aber die Türkei erscheint als »Klumpenrisiko«: Was die Türkei für die EU darstellt, heißt bei einer Bank oder bei einer Versicherung »Klumpenrisiko«: ein einziger Kunde kann aufgrund seiner schieren Größe in Relation zum übrigen Geschäft das ganze Unternehmen ins Wanken bringen. (Christian Rainer, profil vom 20.9.2004)

Die Erweiterungspolitik erscheint so als schlechte Unternehmenspolitik: »Jedes Unternehmen würde bei so einer Firmenpolitik pleite gehen«, schreibt Hans Peter Martin in der Kronenzeitung (Neue Kronen Zeitung vom 25.9.2005). Die EU stecke, so Martin, »mitten in der Globalisierungsfalle« und müsse schauen, dass sie nicht zwischen den USA und China aufgerieben werde (ebd.).

EUropa als global player Metaphern wie Weltmacht, weltweiter Akteur, globaler Konkurrent und Mitspieler, globale Macht oder globaler Machtfaktor, global player oder keyplayer bzw. Unternehmen – scheinen im Sample in 29 Texten auf. Wie bei anderen gängigen Metaphern für die EU kursieren diese in den Medien zugleich als Zitate entscheidender Akteure und Akteurinnen und sind wesentliche Bestandteile politischer Rhetorik. So werden türkische Politiker mehrfach wiedergegeben mit der Aussage, die EU müsse sich entscheiden, ob sie ein global player werden wolle oder ein christlicher Klub (u. a. Christoph Pranter, Der Standard vom 6.10.2004), Ähnliches wird einem ehemaligen hohen Beamten der EUKommission, Eberhard Rhein, zugeschrieben (Georg Hoffmann-Ostenhof, profil vom 10.5.2004) und findet sich auch in einem Interview mit dem Erweiterungskommissar Günter Verheugen. Yilmaz wird mit der Feststellung wiedergegeben, die EU müsse ein global player werden, derzeit sei sie zwar ökonomisch ein Riese, politisch aber ein Zwerg (u. a. Walter Friedl, Kurier vom 10.6.2004). Franz Fischler wird, wie oben bereits angeführt, zitiert mit einer Definition der EU als Unternehmen, für das Überdehnung zum Scheitern führe (Otmar Lahodynsky, profil vom 13.9.2004). Benita Ferrero Waldner sieht die EU laut Standard als »Global player, von Freunden umringt«, es gehe der Kommission um die Möglichkeiten »einer effektiven multilateralen Politik des ’Global players’ EU« (Christoph Prantner, Der Standard vom 5.2.2005). Roma-

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no Prodi hält fest: »Wir verfügen über die Mittel, Europa zu einem Global Player zu machen« (Hans-Henning Scharsach, News vom 28.4.2004), und Wolfgang Schüssel lässt wiederum in einem Interview seine Affinität zum Fußball durchblicken: »Wenn die EU ein global player wird wie im Fußball, wäre es nicht schlecht.« (Der Standard, 24.6.2006) Als prägnante und vielschichtige Vorstellung, welche die kompetitive und spielerische Logik sowie auch die Logik der militärischen, ökonomischen und politischen Stärke (bzw. Dominanz) in unterschiedlichen Kombinationsformen in sich vereint, und die meist von Spitzenpolitikern und – politikerinnen kolportiert wird, findet sich die Metapher des global player (bzw. top-player, keyplayer, globaler Mitspieler etc.) in fast allen untersuchten Printmedien an argumentativen Schlüsselstellen. Eine Ausnahme ist die Neue Kronen Zeitung. Um »argumentative Schlüsselstellen« handelt es sich zum einen, weil diese Metaphern im Zuge aller Argumentationslinien auftauchen und zum anderen, weil sie einen Ausdruck und zentralen Bezugspunkt dessen darstellen, was die angewandten Argumentationsstrategien als »Wunschbild« Europas vermitteln und was die jeweiligen Autorinnen und Autoren oder die zitierten Sprecher und Sprecherinnen als positives Bild von Europa zeichnen. Der global player ist unabhängig von der Positionierung für oder gegen einen Beitritt sowie praktisch weltanschauungsübergreifend ein positives Bild. Da sich der global player als so zentral erweist, erscheint es sinnvoll, dieser Metapher und den Kontexten, in denen sie vorkommt, über das Sample hinaus im Gesamtkorpus noch etwas genauer nachzugehen, um die Analyse des Verwendungskontexts strukturell zu vertiefen. Es werden dazu alle sechs untersuchten Medien und zusätzlich die Salzburger Nachrichten herangezogen. Dabei zeigt sich, dass der global player sehr häufig für multinationale Unternehmen, etwa Energiekonzerne, (Investment)Banken, Versicherungen, Wettanbieter steht, die auf dem Weltmarkt eine wichtige Rolle spielen. Um Player, Globalplayer oder Topplayer geht es aber auch, vom Wortsinn her naheliegend, bei Fußballmannschaften oder Teams anderer Sportarten. Als player werden zudem Politiker und Staaten bezeichnet. Gerade im Verweis auf die Gefahr der Fremdbestimmung verschwimmen, wie oben bereits in einigen Zitaten (z.B. »Supermacht oder Ohnmacht«) deutlich wurde, die inhaltlichen Definitionen der Stärke im Sinne von ökonomischer, politischer oder militärischer Stärke, was oft alle genannten Konnotationen gleichzeitig mitschwingen lässt. In dieser Perspektive erscheint »das Soziale« als untergeordneter Faktor. Markant ist in diesem Zusammenhang eine Passage aus einem Interview mit Günter Verheugen, Erweiterungskommissar von 1999 bis 2004. Gefragt nach der Überwindbarkeit der Kluft zwischen dem Modell einer Freihandelszone und dem Modell der politischen Union mit sozialer Dimension antwortet er folgendermaßen:

2. Metaphern der EU/Europas im Printmediendiskurs Die Dynamik der Integration ist völlig eindeutig: Sie geht in Richtung eines starken, handlungsfähigen Europa, das sich eine so starke wirtschaftliche Basis schafft, um im schärfer werdenden internationalen Wettbewerb den europäischen Way of Life zu bewahren. Und wir müssen nach außen hin als Global Player auftreten, sonst bestimmen andere über uns, nicht wir selber. (Interview mit Günter Verheugen, Der Standard vom 27.6.2005)

Hat die evokative Wirkung der Metapher des global player sich einmal entfaltet und der/die LeserIn, EU-BürgerIn sich in die Lage eines solchen global players versetzt, sich dabei potenziell Fremdbestimmung und Ohnmacht ausgeliefert sehend, so wird auch begreiflich, warum der sozialen Dimension hier wohl oder übel eine nachrangige Position zukommen muss. Die Deutung, dass die EU ein global player werden soll, hat sich, der Analyse des Samples folgend, im Printmediendiskurs in weiten Teilen durchgesetzt – wenngleich in unterschiedlichen Varianten – und zwar im Großen und Ganzen unabhängig von einer pro- oder kontra-Positionierung in Bezug auf den Türkei-Beitritt. Damit einher geht offenbar ein Downsizing der sozialen Dimension der EU/Europas.

Die soziale Dimension »Das Soziale Europa«, das Gerard Delanty als einen von mehreren »Kristallisationspunkten«10 für die Europaidee bezeichnet (Delanty 1995, 13-4), spielt im untersuchten Korpus bestenfalls eine marginale Rolle. In wenigen Fällen im Sample wird diese angesprochen, teils wiederum in Abgrenzung zu den USA. Was kann/soll/muss die EU künftig sein? Ein Wirtschaftsraum mit relativ hohen Sozialstandards, aber gen ü gend Dynamik. Diese EU muss sich ein gewisses Maß an militärischer Aktionsfähigkeit erhalten [...] aber sie wird keine schlecht überlegten ideologischen Kriege führen, wie die USA im Irak. Diese EU wird eine Kraft der Mäßigung und der Stabilität. (Hans Rauscher, Der Standard vom 18.6.2005)

Oder indem etwas direkter der amerikanische »Turbokapitalismus« kritisiert wird. Vergessen haben viele EU-Freunde vor allem nicht ihre große Hoffnung und Erwartung, dass ein geeintes Europa seine eigenen Ziele und Interessen stärker vertreten und durchsetzen könnte. 10 | Die anderen von Delanty gennannten diskursiven Kristallisationspunkte sind das Christentum, der Diskurs um Aufklärung und Zivilisation, der Kulturbegriff im fin d’siècle und der Diskurs im Kalten Krieg sowie um die »Festung Europa« (Delanty 1995, 13-4).

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Global Player EU? Eine ideologiekritische Metaphernanalyse Stattdessen folgen Kommission und Regierungen wie die Schafe dem amerikanischen Modell eines schrankenlosen Turbokapitalismus und eines ebenso freien wie unfairen grenzenlosen Welthandels. (Peter Rabl, Kurier vom 5.6.2005)

Vereinzelt finden einfach nur Ängste der Bevölkerung vor Lohndumping und Jobkonkurrenz Erwähnung (z.B. bei Jörg Wojahn, Der Standard vom 24.2.2004). Die soziale Dimension stellt jedoch in der Gesamtbetrachtung, wenn überhaupt, dann einen Nebenaspekt der Finalität der EU dar und taucht, wie die genannten Beispiele auch zeigen, gerne in Kontexten auf, in denen man sich von den USA abgrenzen möchte. Gelegentlich ist von einem »Europa der Konzerne« die Rede. Einmal im Standard, in dem die Skepsis eines türkischen Trafikanten gegenüber einem Beitritt zu einem »Europa der Konzerne« wiedergegeben wird, ein anderes Mal sinngemäß ähnlich in der Krone (Leserbrief, Neue Kronen Zeitung vom 2.7.2006). Eine einzige Ausnahme stellt ein Text von Robert Menasse im Standard dar, in dem der Sozialstaat einen Hauptfokus der Argumentation bildet. Wer hat gut begründetes Interesse an einem EU-Beitritt der Türkei? Erstens die europäischen Konzerne. Sie bekämen einen Wirtschaftsraum von siebzig Millionen Billigarbeitern dazu. Es bedarf keiner großen Fantasie, sich vorzustellen, was das steuer- und lohnpolitisch für Europa bedeuten würde: die definitive Anatolisierung des Sozialstaats. (Robert Menasse, Der Standard vom 8.10.2005)

Den in der Beitrittsdebatte gängigen pro-Argumentationen um ein »Friedensprojekt«, einen »Klub universeller demokratischer Werte« oder ein »multikulturelles Projekt« hafte vor dem Hintergrund der materiellen Interessen (der europäischen Konzerne, der europäischen Militärs und der USA) »etwas peinigend Lächerliches« an (ebd.). Würde man der europäischen Bevölkerung die Frage stellen, ob sie den Lohndruck durch anatolische Billigarbeiter und den weiteren Abbau des Sozialstaates durch diese industrielle Reservearmee als multikulturelle Bereicherung empfänden, ob sie stolz darauf wären, wenn Europa soziale Verarmung durch größere militärische Stärke kompensieren könnte [...] bekämen die politischen Eliten Europas keine fünf Prozent Zustimmung. (ebd.)

Die Bevölkerung, der »kleine Maxi«, den Menasse aus einem Aperçu von Karl Kraus aufgreift, werde jedoch mit dem Verweis darauf beruhigt, es würden leider

2. Metaphern der EU/Europas im Printmediendiskurs machtvolle »allgemeine Entwicklungstendenzen« in eine andere Richtung drängen, sich »internationale Trends« als fast unüberwindbar erweisen, geradezu naturgesetzliche »Marktgesetze« ihnen die Hände binden (ebd.).

Einen andersartigen Bezug zum Zusammenhang zwischen Türkei-Beitritt und Funktionsfähigkeit sozialer Sicherungssysteme in EU-Ländern stellt Walter Friedl im Kurier her. Die Türkei würde [...] Dynamik in die alternde Bevölkerung der EU bringen. Sind doch im Land am Bosporus 40 Prozent der Bevölkerung jünger als 25 Jahre. Sie könnten auch zur Sicherung der Pensionssysteme beitragen (Walter Friedl, Kurier vom 15.5.2004).

Gendering Der Aspekt der Argumentation für eine Gewährleistung sozialer Sicherung in Europa lässt sich wiederum mit dem Motiv der Türkei als vitale und virile Ressource in Verbindung bringen, häufig in pro-Positionen zugunsten einer »europäischen Stärke« (A1) oder deren Wiedergabe sowie dem Motiv der »Verjüngung« durch die Türkei. Dabei ist die EU/Europa meist dort männlich konnotiert, wo die Stärkung des militärische und politische Macht und Konkurrenzfähigkeit signalisierenden global players angesprochen ist, während der in den Relationen der Bevölkerungsentwicklung nach Alter und Größe gedachte Zustand der Schwäche der EU tendenziell effeminierende Konnotationen aufweist. [...] [E]in ernsthafter »global player« benötigt ein Stück militärischer Macht. Die Türkei mit ihrer großen Armee bringt in das eher pazifistisch gestimmte und weitgehend abgerüstete Europa Soldaten ein. Europa vergreist und schrumpft. [...] Die Türkei hat eine große Reserve von jungen, mobilen Menschen, die die europäische Ökonomie langfristig dynamisieren würde. (Georg Hofmann-Ostenhof, profil vom 27.9.2004)

Der Beitritt versorge Europa mit »frischem Blut«: Er bietet Europa eine geopolitisch wichtige Schneise in den Nahen Osten, eine starke Armee, einen Konsumentenmarkt von 85 Millionen, mit einer jungen und agilen Bevölkerung, die das alternde Europa mit frischem Blut versorgen wird. (Amon Liel, Der Standard vom 7.10.2004)

Die Türkei wird von manchen gepriesen als »Jungbrunnen« für Europa bzw. als »Gegenprogramm zum Methusalem-Komplott« (Thomas Seifert, News vom 14.5.2004). Die Türkei sei eine »wichtige Quelle für das überaltete Euro-

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pa« (P. Ramsauer, A. Hofer, C. Lehermayr, K. Wendl, News vom 23.9.2004), genauer: »das alternde Westeuropa« (Markus Stingl, Kurier vom 30.11.2006). Belegstellen für Metaphern aus dem Bereich Stärke, Konkurrenz, Unternehmen finden sich im Korpus in 29 Texten, Metaphern eines Sozialen Europa (bzw. gegen ein »Europa der Konzerne«, »schrankenlosen Turbokapitalismus«) in drei Texten, jeweils einer in Standard, Kurier und Neue Kronen Zeitung.

Interpretation Metaphern aus den unterschiedlichen Quellbereichen Kampf, Sport und Spiel sowie Fitness/Stärke wurden hier deshalb in einer Kategorie zusammengeführt, weil sich im Material die einzelnen bestimmenden Bedeutungen teilweise stark überschneiden bzw. schlecht voneinander abgrenzbar sind, nicht zuletzt deshalb, weil für die genannten Bereiche eine »gemeinsame Logik« zum Tragen kommt und die Sprache des Spiels eng verwandt ist mit der militärischen Sprache (Rigotti 1994, 52). Aufgrund des zentralen Stellenwerts dieser Quellbereiche werde ich die Analyse, insbesondere die des gesellschaftlichgeschichtlichen Kontexts, in Teil 3 noch vertiefen. Zunächst sollen aber noch einmal zusammenfassend für die einzelnen Quellbereiche die wesentlichen Szenariovarianten und Mappings unterschieden werden: • die im Korpus häufigen und zentralen Bezüge zum Clash of Civilisations rekurrieren auf Huntingtons Konzept der im Kampf befindlichen Kulturen, wobei die Kultur metaphorisch eine Quasiperson darstellt. Die EU/Europa solle als Teil »des Westens« diesen Clash verhindern. Dieses übergeordnete Ziel wird der EU nicht zuletzt in Abgrenzung zu den USA und deren »Kreuzzugpolitik« (Lingens) zugeordnet, und es wird darin die identifikatorische Komponente der »EU als Friedenswerk« bzw. Friedensprojekt deutlich. Vor allem im Rahmen der Argumentationslinie B werden solche Szenarien gezeichnet. • Weiters finden sich Metaphern aus dem Quellbereich Kampf, zum Teil eingebettet in ein nationales Narrativ, in Metaphern vom Abwehrkampf und der Verteidigung gegen die Türkenbelagerung. Auch hier wird die EU oft als Quasiperson imaginiert, die etwa »einem Todestrieb« folgt oder »in die Falle« tappt und Ähnliches. Die Türkei erscheint in dem Zusammenhang oft als bedrohlicher Eroberer, sehr häufig im Rahmen der Argumentationslinie D. • Manchmal wird auch die Angst vor Immigration/den Immigrierenden mit miltitärischen Metaphern belegt (»Heer anatolischer Bauern«, »industrielle Reservearmee«), oft wird aber auch genau diese Semantik ironisiert. • Im Bereich Sport und Spiel werden Türkei wie EU als Fußballteams konstruiert, die Beitrittsverhandlungen als Match, das EU-Parlament als Zu-

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sammenfassung mehrerer Ligen (d.h., Länder mit unterschiedlichem Stimmgewicht) oder die EU insgesamt als Fußballverein (argumentationsübergreifend C, D, B) • Die Spielmetapher allgemein kommt zum Einsatz, wenn die EU-Eliten als unverantwortliche Spieler dargestellt werden, welche die Bevölkerung belügen oder einfach »zocken« ohne Rücksicht zu nehmen. Oder der Beitrittsprozess stellt sich als Spiel mit gewissen Regeln dar, die von der EU festgesetzt sind, aber nicht im Lauf der Verhandlungen verändert werden sollten. • Schließlich fungiert die Metapher des global player argumentationsübergreifend und markiert darüber hinaus eine zentrale Vorstellung der Finalität der EU in den meisten Argumentationsmustern. In diesem Mapping ist die EU als global player eine Quasiperson, die danach trachten soll und muss, immer stärker und konkurrenzfähiger zu werden. • Die EU als Unternehmen, das sein unternehmerisches Risiko besser kalkulieren sollte bzw. einfach wie »ein gutes Unternehmen« agieren sollte, findet sich zumeist im Rahmen der Argumentationslinie D. Dem häufigen Beschwören der Gefahr eines Clash of Civilisations lässt sich eine ähnliche paradoxe Funktion zuweisen wie den wiederholten negierenden Bezügen auf den »Christenklub«: sie befestigen, wenn vielfach auch ohne Absicht, die Relevanz dieser Konstruktion. Die Konstruktion selbst ist bei Huntington essentialistisch gedacht, Kulturen erscheinen als Wesen: Im Rahmen der Fragestellung, ob den Westen dereinst das gleiche Schicksal ereilen würde wie »historische Kulturen mit ›globalen Phasen‹«, oder ob die historische Besonderheit »des Westens« diesem dauerhafte Überlegenheit sichern könne, warnt Huntington davor, sich in falscher Sicherheit zu wiegen: Es seien »auch andere Kulturen gesund und munter« (Huntington 1998, 496) und somit eine potenzielle Gefahr für den Westen, wie das Wiedererstarken des Islam und die wirtschaftliche Dynamik Asiens zeigten (ebd.). Gleichzeitig ist der Kampf der Kulturen metaphorisch als Kampf der Quasipersonen imaginiert, als Referenzpunkt für ein als Friedensprojekt gedachtes europäisches Selbst. Mit der Erwähnung dieses Kampfes wird immer wieder an die Notwendigkeit seiner Verhinderung erinnert und der EU/Europa wird dabei eine zentrale Rolle zugewiesen, die sich von derjenigen der USA klar unterscheidet. Unschwer zu erkennen sind historische Diskurstraditionen um die Türkenbelagerung. Kriegerische Metaphorik und Semantik (»Abwehrkampf«, »Türkenfalle«, »Türkensturm« etc.) deuten häufig auf die Tradierung dieser Jahrhunderte zurückliegenden, im Verlauf der Jahrhunderte immer wieder instrumentalisierten Ereignisse hin (vgl. Heiss/Feichtinger 2009). Gerade Österreich und besonders Wien habe sich als Bollwerk oder Wall gegen einen mit vielfältigen Bedeutungen aufgeladenen Osten verstanden (Gingrich 1999,

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33). Anhand des Wandels der Gedenkfeiern kann die politische Instrumentalisierung exemplarisch nachvollzogen werden11 (vgl. Heiss /Feichtinger 2009, 255-256). Zum Ausdruck kommt im narrativen Muster der Abwehr und Verteidigung, das in Kriegs- und Kampfmetaphorik zum Ausdruck kommt, auch ein historisches, spezifisch habsburgisch gefärbtes Europaverständnis, welches das französische universalistische Europaverständnis kontrastiert und zu einer demokratisch-egalitär legitimierten politischen Mission in Opposition steht. Im Zentrum steht dabei das Anliegen einer defensiven Kulturmission. Gilbert Weiss konstatiert, dass die historische Umkehrung der österreichischen Rolle gegenüber Europa in der österreichischen Geschichte als besonderes Trauma wirke (vgl. Weiss 2002). Als Europaverständnis setzte sich die alte Idee vom »Europa der Völker« durch, von »Kultur und Erbe« anstatt von einer »politischzivilisatorischen Mission« (ebd.). Spuren dieses Traumas scheinen manches Mal auch im Motiv »David gegen Goliath«, »das kleine Österreich gegen die große EU« nachzuwirken, das insbesondere im Rahmen der Berichterstattung über die österreichische Ratspräsidentschaft im Dezember 2004 hervortritt. In solchen und ähnlichen Szenarien ist das Bedrohliche übermächtig und kommt von außen, im Mapping der stürmenden, belagernden Armee und Invasion wird die Gefahr existenziell. Weniger deutlich ist in der Metaphorik die Eigenschaft und Beschaffenheit des Eigenen zu erkennen, es ist in allgemeinerer Form hauptsächlich definierbar über das Faktum der Bedrohtheit seiner Existenz, wobei in unterschiedlichen Kontexten auch verschiedene Aspekte im Vordergrund stehen. Vielfach, etwa in der Metapher vom Todestrieb oder der »Türkei-Falle« ist das Eigene als Quasiperson gedacht, die vom Tod bedroht ist. Ähnlich in Szenariovarianten, in denen das externe Bedrohliche die Immigrantinnen und Immigranten sind. In der Metapher der »Flut« etwa klingt die Existenzbedrohung ebenfalls deutlich an.

11 | Während anfänglich diese Feiern noch fest in der Hand der Kirche waren und mit Messfeiern und Prozessionen begangen wurden, wurde 1783 von staatlicher Seite bereits versucht, ein »Fest für das Volk« im Prater als patriotisches Gedenken in Szene zu setzen. Die 200-Jahr-Feiern von 1883 standen im Zeichen der Konkurrenz zwischen Staat und Kirche, während das 250. Jubiläum wiederum den Schulterschluss der christlich-sozialen Regierung in Abgrenzung etwa zum »Bolschewismus« markierte. Die 300-Jahr-Feiern 1983 waren geprägt vom Besuch des Papstes Johannes Paul II, der auf dem Kahlenberg einen Gedenkgottesdienst abhielt, wobei dort die Abgrenzung vom Kommunismus im Vordergrund stand. Aktuell wird die Grenze zwischen Ost und West im Allgemeinen und das »Türkenbild« im Besonderen wieder stärker unter den Vorzeichen einer Auseinandersetzung mit dem Islam wahrgenommen und interpretiert.

2. Metaphern der EU/Europas im Printmediendiskurs

In der Fußballmetaphorik wiederum scheinen die EU wie die Türkei als Fußballteams auf, oder die EU als Fußballverein, der auf seine Finanzen besser achten müsse. Nicht zu übersehen ist hier der männliche Bias, dem zufolge die beide Seiten als »homosoziale Männerwelten« gesetzt sind (vgl. u.a. Kreisky/ Spitaler 2006; Meuser 2001). In der Spielmetapher allgemein ist die EU entweder »Spielmeister«, das Beitrittsprozedere das Spiel, oder die EU-Eliten/einzelne EU-Politiker und- Politikerinnen sind Personen, die auf Kosten der Bevölkerung »zocken«. Im Mapping des global player schließlich ist die EU als Quasiperson vorgestellt, die in erster Linie für (wirtschaftliche, militärische, politische oder auch sportliche) Stärke steht, für globale Konkurrenzfähigkeit, Flexibilität usw., Ideale, die sowohl im Kontext neoliberaler als auch maskulinistischer Normen zu verorten sind. Insbesondere der global player lässt sich in Auswertung und Analyse argumentationsübergreifend als ein Kern der Vorstellungen von der Finalität der EU herausschälen, zudem als Illustration für die legitimatorische, evokative und auch epistemologisch-konstitutive Funktionalität politischer Metaphern. Ähnlich das Mapping einer »fitten« EU/eines »fitten Europa«. Hier, aber auch beim global player, wird die Quasiperson mitunter durch die Einverleibung externer, türkischer Ressourcen (»frisches Blut«) gestärkt und »dynamisiert«. Als Mapping des Eigenen ist dasjenige der EU/Europas als Unternehmen zu sehen. Als visuelles Bild für Europa gibt es den global player meines Wissens nicht, in Diskursanalysen findet er sich zum Beispiel bei Wodak und Weiss (2001, 43). Auf der Ebene der normative assumptions kommt als Grundierung grosso modo der Imperativ des »stark-Seins« bzw. »stärker-Werdens um nicht unterzugehen« zum Ausdruck.

2.4.6 Familie, Verlobung, Ehe und Beziehung Familie Ein immer wiederkehrendes Element visueller Inszenierungen der EU ist deren Darstellung als Familie, beispielsweise auf sogenannten »Familienfotos« um EU-Ratssitzungen. Auch in einigen der untersuchten Printmedien findet sich die Vorstellung der EU als Familie, wobei in den meisten Fällen damit die Nicht-Zugehörigkeit, sehr selten die Zugehörigkeit der Türkei zur »europäischen Familie« signalisiert wird. Die Türkei gehört nicht zu Europa: Geografisch liegt nur ein Bruchteil diesseits des Bosporus, der Rest in Asien. [...]

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Global Player EU? Eine ideologiekritische Metaphernanalyse Auch kulturell ist die Türkei nicht Teil der europäischen Familie. Wie an Europa die Kultur des Harems vorbeigegangen ist, hinterließen im Osmanischen Reich Renaissance und Aufklärung keine Spuren. (Kurier vom 12.12.2004)

Insbesondere der Verweis auf die türkisch-orientalische Kultur des Harems lässt sich hier als Kontrastierung von Familienvorstellungen per se lesen. Die Erweiterung der EU ist, in der Familienlogik gedacht, daher eine Vergrößerung der Kinderschar – der Stellenwert der Türkei in dieser europäischen Familie bleibt aber eher auf denjenigen des «Kandidaten-Stiefkinds« (P. Ramsauer et al., News vom 23.9.2004) oder des «Adoptivkinds« beschränkt. Jede Familie, in der heftigst gestritten wird und die unter finanziellen Problemen ächzt, würde keine neuen Adoptivkinder mehr aufnehmen und ein neues Haus bauen. Spätestens das Jugendamt und kreditgebende Banken würden dies stoppen. (Hans Peter Martin, Neue Kronen Zeitung vom 25.9.2005)

Eine explizite Feststellung, dass die Türkei zur europäischen Familie gehöre ist lediglich im Rahmen einer Reportage als Wiedergabe der Aussage einer türkischen Geschäftsfrau zu finden (Walter Friedl, Kurier vom 8.10.2004). Als »Familie der fortgeschrittenen Demokratien« sieht der Diplomat Albert Rohan die EU, und die Erweiterungsrunde von 2004 sei die Bestätigung für die ehemals kommunistischen Regimes, zu dieser Familie zu gehören und somit zur »Ersten Welt« (Albert Rohan, Der Standard vom 29.1.2005). Die Familie der Demokratien ist in diesem Fall prinzipiell offen gedacht, im Rahmen der Argumentation pro Beitritt (C2, B1) sieht Rohan der Türkei eine ähnliche Entwicklung bevorstehen. Einmal ist – den plötzlichen Schwenk der österreichischen Haltung gegenüber dem Türkei-Beitritt kritisierend – davon die Rede, dass »manche Eiferer in Österreich den Eindruck [vermitteln], als ob die Türkei plötzlich auf die Idee gekommen wäre, in die EU-Familie aufgenommen zu werden« und nicht schon lange den Kandidatenstatus hätte (Eva Linsinger, Der Standard vom 7.10.2004). Vereinzelt findet sich auch die Referenz auf die »Gründerväter der EU«, eine Metapher, die ebenfalls auf der Familienlogik basiert und ausschließlich männliche Eltern denkt. Insgesamt sind Familienmetaphern für die EU relativ dünn gesät.

Verlobung, Ehe und Beziehung Häufiger scheint im Erweiterungskontext hingegen eine Metaphorik um Beziehung, Verlobung und Ehe auf. Besonderen Anklang findet diese Metapher bei den Journalistinnen und Journalisten der Presse und des Kurier, die teils recht ausführliche Schilderungen des Beitrittsszenarios als aussichtslose Ver-

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lobung bzw. als Heirat liefern. Mitunter wird dabei die EU mit einer »mutlosen Braut« verglichen, die es nicht wagt, Nein zu sagen: Wären die EU und Ankara ein Liebespaar, wüsste jeder schon, wie diese Geschichte ausginge. Die Braut EU und der Bräutigam Türkei würden sich trennen, noch bevor es zur Hochzeit käme. Denn auf Basis einer zwar unausgesprochenen, aber so starken Skepsis ist keine lebenslange Beziehung zu gründen. Das, was die EU-Kommission in ihrem Beschluss zum Verhandlungsrahmen mit Ankara an Nuancen hat durchklingen lassen, ist alles andere als eine Liebeserklärung. Aber zur Trennung fehlt offenbar der Mut. (Wolfgang Böhm, Die Presse vom 30.6.2005)

In diesem Kontext lässt sich auch die »Tradition der Feigheit« lesen, die Michael Fleischhacker bedauert (Die Presse vom 18.12.2004). An anderer Stelle ist von Masochismus die Rede: Europas Masochismus heißt Türkei. Warum tut sich das jemand an? Er lässt sich eine Braut aufschwatzen und versucht dann, all seine Probleme mit der Ungeliebten in einen unerfüllbaren Ehevertrag zu gießen. (Wolfgang Böhm, Die Presse vom 21.11.2006)

Dabei sei, so der gleiche Autor, die internationale Politik »der menschlichen Suche nach Beziehungen gleich […] ein sensibles Pflänzchen, das durch falsche Wortwahl oder den falschen Zeitpunkt verkümmern kann« (Die Presse vom 6.9.2006). Entgegen den »Stimmen der Vernunft, die aus reinem Pragmatismus vor einer überhasteten Ehe mit Ankara gewarnt hatten« (ebd.), sei »die Verlobung einfach zu früh verkündet« worden (ebd.), und man habe sich vorschnell auf »die engste Form der politischen Ehe« festgelegt (Wolfgang Böhm, Die Presse vom 15.12.2004). Auch Peter Rabl verleiht seiner Ablehnung des Beitritts via Ehemetaphorik Ausdruck, und stellt fest, dass »diese Verlobung keine Aussicht auf Hochzeit [hat], nicht einmal auf eine Vernunftehe« (Peter Rabl, Kurier vom 19.12.2004). Ausschlaggebend sei die Größe der Türkei, aber auch, dass die beiden Verlobten einfach vom Wesen her zu verschieden seien. Zwischen den »europäischen Fundamenten aus Christentum und Aufklärung« einerseits und einem »oberflächlich modernisierten Staat mit tiefen islamischen Wurzeln der Antimoderne« andererseits (ebd.) läge ein »tiefer Graben« (ebd.). EU und Türkei passen also nicht zusammen, so legt diese Passage nahe. »Die Türkei ist zu jung für die EU«, wird an anderer Stelle – im Rahmen einer Reportage, im Zitat eines belgischen Türken – das Nicht-Zusammenpassen begründet (Patricia Haller, Kurier vom 15.12.2006). Im optimistischeren Fall wird das Beitrittsszenario als Verlobung mit offenem Ergebnis dargestellt, mit dem Zusatz, dass »aber eine Liebesbeziehung zwischen dem Land am Bosporus und der EU nicht

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entstehen [wird]« (Otmar Lahodynsky/Georg Hoffmann-Ostenhof, profil vom 11.10.2004). Das in der Logik der meisten Argumentationslinien zentrale Kriterium der Passfähigkeit wird – in den genannten Beispielen vorwiegend entlang der Argumentationstypen D, C (1 oder 2) – als eine Frage von Liebe und Liebesfähigkeit bzw. auch der Möglichkeit eines pragmatischen Zusammenlebens zwischen Frau und Mann, Türkei und EU, reformuliert, objektivierbare Kriterien für den Reformprozess in der Türkei damit tendenziell ausgeblendet oder in den Hintergrund gedrängt. Dabei sei, jedenfalls in den entsprechenden Szenario-Entwürfen in der Presse, ein gewisses Naheverhältnis der EU zur Türkei schon notwendig und wünschenswert, den entsprechenden Argumentationslogiken folgend einerseits aufgrund der Attraktivität der Märkte, andererseits aufgrund der zu befürchtenden Konsequenzen einer zu harschen Zurückweisung der Türkei. Wolfgang Böhm plädiert dafür, die Chance zu ergreifen, »eine zum Scheitern verurteilte Verlobung in eine gute Freundschaft zu verwandeln« (Die Presse vom 30.6.2005). Auch Benita Ferrero-Waldner wünscht sich als Resultat einer multilateralen Politik des »global player EU« einen »Ring von Freunden« in der Nachbarschaft (Christoph Prantner, Der Standard vom 5.2.2005). Andreas Schnauder hingegen optiert, über eine Freundschaft hinausgehend, für eine »lockere Partnerschaft«, und er malt diese, einen Diplomaten zitierend, folgendermaßen aus: Den Skeptikern eines EU-Beitritts der Türkei wäre natürlich eine Partnerschaft am liebsten. »Gemeinsamer Spaß, getrennte Betten«, meinte ein Diplomat im Vorfeld des Türkei-Gipfels. Die Grenzen zwischen den Beziehungsmodellen sind fließend, die Unterschiede dennoch enorm. Klarste Abgrenzung zwischen einer Ehe und einer lockeren Partnerschaft ist dabei die Mitbestimmung. (Andreas Schnauder, Die Presse vom 17.12.2004)

Insgesamt fällt auf, dass das Gendering der conceptual mappings von EU und Türkei als Personen alterniert, selbst innerhalb der Texte eines Autors. Wolfgang Böhm, der die Ehe- und Verlobungsmetapher am häufigsten gebraucht, fasst einmal die EU als mutlose Braut, ein anderes Mal als (masochistischen) Verlobten, der sich eine Braut aufschwatzen lässt (siehe Beispiele oben). Eine Effeminierung der EU aus dem Mund eines türkischen Sprechers, eines Universitätsprofessors, wird jedoch mit befremdeter Distanz wiedergegeben: Er vergleicht den Start von EU-Beitrittsverhandlungen gerne mit einer Verlobung. Stolz zählt er auf, was sein Land nicht alles in die Ehe einbringen werde: einen großen Markt, Friedenspolitik und natürlich militärische Stärke. Der Bräutigam ist bei ihm die Türkei, die Braut ist Europa. (Wolfgang Böhm, Die Presse vom 6.10.2004)

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Es hat den Anschein, dass in diesem alternierenden Gendering zwei unterschiedliche Traditionen konfligieren: zum einen das Gendering von Europa als weibliche Allegorie bzw. als mythologische Figur der Europa und zum anderen als männlich imaginierte Kolonialmacht, die einen effeminierten Orient unterwirft. Zum anderen scheinen – vor allem dann, wenn türkische Sprecher und Sprecherinnen zitiert oder paraphrasiert werden – unterschiedliche, kulturspezifische (türkische vs. europäische) soziale Normen in Bezug auf Verlobung und Ehe mitzuschwingen, etwa in folgendem Beispiel, in dem ein Oppositionspolitiker zitiert wird: »Niemand kann zwar sicherstellen, dass jede Verlobung mit einer Heirat endet«, sagte Baykal zur Aufnahme von Beitrittsverhandlungen. »Aber das gleich zu Beginn zu sagen, ist geschmacklos.« Die Türkei habe großen Respekt vor Europa, werde es aber niemals hinnehmen, »Europas Zweitfrau« zu werden. Falls beim EU-Gipfel am 17. Dezember anders entschieden werde, müsse die Türkei »Nein, Danke!« sagen. (Neue Kronen Zeitung vom 11.12.2004)

In diesem Fall klingt die mögliche Andersheit der Beziehungsmoral lediglich an, und es wird letztlich die »europäische« Vorstellung von der Ehe bestätigt. Es finden sich im Sample in 17 Texten Belegstellen für Metaphorik um Familie, Ehe, Verlobung und Beziehung, meist geht sie mit einer Positionierung gegen einen Türkei-Beitritt einher.

Interpretation Die Familienmetapher ist eine der ältesten in der Geschichte des politischen Denkens – ihre Verwendung reicht zurück bis in die Antike (Musolff 2004, 13), und sie ist, wie insbesondere Lakoff sehr ausführlich analysiert hat, ein bevorzugtes Mapping für die Nation. Die Begriffe Patriotismus und Vaterland im Deutschen sowie Entsprechungen in vielen anderen Sprachen weisen darauf hin, auch Ausdrücke wie die Söhne des Vaterlandes, die in den Krieg geschickt werden und ähnliche. Die Familienmetapher, das stellen auch Bernhardt/ Hadj-Abdou/Liebhart und Pribersky fest, gehört »angefangen von journalistischen Texten über historiographische Darstellungen bis hin zu politischen Abhandlungen [...] zum stilistischen Repertoire der EU. Zugleich ist die Familienmetaphorik ein Leitmotiv im Diskurs über die Europäische Union (Bernhardt/ Hadj-Abdou/Liebhart/Pribersky 2009, 97). Die Autoren und Autorinnen unterstreichen insbesondere das Visualisierungspotenzial dieser Metapher, man denke etwa an die sogenannten »Familienfotos«12, die traditionell bei Treffen 12 | Die konstitutive Funktion von Bildern für die Bildung von Nationen und nationaler Identität (Hammer-Tugendhat zit.n. Bernhardt et al. 2009, 101) lässt sich insbesondere anhand solcher Gruppenfotos nachweisen, aber auch anhand der mittelalterlichen und

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der EU-Eliten aufgenommen und medial verbreitet werden (ebd., 99). Die einzelnen Familienmitglieder werden je nach Gewicht der repräsentierten Länder in unterschiedlichen Reihen kompositorisch angeordnet (Bellier 2007), fast alle tragen dunklen Anzug und Krawatte, nur einzelne farbige Kostüme sind zu sehen. Als spezifisches Wirkungspotenzial dieser Metapher lässt sich, so Neumann, ihre Eignung als Bindeglied zwischen öffentlicher und privater Sphäre erfassen, es werden komplexe politische Themen in vereinfachter Form in den emotional und ideologisch aufgeladen Raum des Privaten, der Familie verlagert (Neumann 2005, 338). Die Darstellung der Europäischen Union als eine große Familie »domestiziert« bzw. verdeckt die verhandelten politischen und ökonomischen Interessen, indem metaphorisch ein harmonisches Miteinander konstruiert wird. In ihrer »evaluativ-affektiven Dimension appelliert die Metapher an die Loyalität aller Familienmitglieder« (ebd.) und evoziert ein Gefühl der Verbundenheit, indem sie die natürliche Gewachsenheit des Gefüges betont und eine essentielle Zusammengehörigkeit unterstellt. Es findet eine Stärkung des transnationalen Gemeinsinns durch das Insinuieren von genealogischen Abstammungsverhältnissen statt (ebd.). Die Betonung der »natürlichen« Bande, lässt sich weiters, so legen Bernhardt et al. nahe, mit einem europäischen Selbstverständnis als Kulturgemeinschaft parallelisieren (Bernhardt et al. 2009, 102). Dies geschieht etwa in dem Sinn, in dem Heidemarie Uhl in ihrer Systematisierung von Vorstellungen europäischer Identität ein Europa als demokratiepolitisches Projekt, ein »Europa der Bürger und Bürgerinnen« von einem Europa als geografische, kulturelle und geschichtliche Gemeinschaft unterscheidet (Uhl 2005, 144). Als conceptual mapping, das der Metapher der Familie zugrunde liegt, identifiziert Musolff in seiner linguistischen Analyse die aus zwei verheirateten Elternteilen und deren Kind(ern) bestehende Familie (Musolff 2004, 13). Dies gilt weitgehend auch für das hier untersuchte Sample, in dem sich auch Familienmetaphern finden. Hier wie dort steht das Konzept der Vaterschaft im Vordergrund, die Mutterschaft kommt entweder gar nicht vor, wie in den hier untersuchten Texten, oder kaum, wie bei Musolff. Dieser findet in seiner Untersuchung insgesamt lediglich drei metaphorische Ausdrücke zur Mutterschaft, und diese sind entweder abwertend oder verbinden die Mutterschaft mit Schwierigkeiten. Konkret ist dabei die Rede von einer euro-mother in difficulties oder von der EU-Kommission als over-generous mother (ebd., 20). Dies bestätigt, dass politische Gebilde in einem Kontext der Stärke männlich, in einem Kontext der Schwäche und Gefahr hingegen weiblich gedacht sind. Musolff identifiziert ein sehr häufig aufscheinendes Familien-Szenario, das die Einführung des Euro bezeichnet: Der Euro ist ein Baby (gesund, kränkelnd Renaissance-Ikonografie aus dem Motivkreis der »homini illustri«, den Heldengalerien (ebd.).

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oder schwach, weil »eine Frühgeburt«), die Eltern sind viele Gründerväter (ebd. 16f.). Eine Mutter fehlt. Anders als die von Lakoff für die USA analysierten Familienkonzepte (strict father-, nurturant parent-model) ist das Familienkonzept in europäischen Diskursen bzw. in Diskursen um die EU wesentlich diffuser (ebd., 21). Nicht zu vergessen ist in diesem Zusammenhang aber auch die Rede von »Brüdern und Schwestern«, die in der politischen Sprache in vielen Zusammenhängen eine zentrale Rolle einnehmen/eingenommen haben (vgl. dazu u.a. Münkler 1994, 35-49). Auch das Motiv der Brüderlichkeit entstammt der Metapher der Nation als Familie, alle Brüder (selten auch Schwestern) haben »dasselbe Blut«, und die Rolle des Familienoberhaupts kommt dem Vater zu (Wolfgang Bergem, nach Bernhardt et al. 2009, 97). Als beliebtes Konzept erweist sich nach Musolff im EU-Kontext ferner das Mapping von zwei Mitgliedsländern als Paar, etwa wenn den großen, federführenden Mitgliedsländern Frankreich und Deutschland die Elternrolle zugedacht wird und Großbritannien als Liebhaber erscheint, oder aber auch im Erweiterungsdiskurs, wo Kandidatenländer als Braut/Bräutigam erscheinen – ein Mapping, das auch im Türkei-Beitrittsdiskurs recht häufig vorzufinden ist. Als normative Implikationen lassen sich die implizit zugrunde liegenden Vorstellungen von Familie und Eheschließung nennen. Ähnlich wie beim Klub steht auch im Mapping von Familienbeziehungen das Merkmal der Selektivität im Vordergrund, bloß gründet es sich in diesem Fall nicht auf soziale/klassenspezifische und geschlechtsspezifische Ausschlusskriterien, sondern meist auf »natürliche«, zu denen auch die Liebe zu zählen ist. Ein Mitglied einer Familie kann nur sein, wer hineingeboren wird, ein Familienmitglied heiratet oder adoptiert wird. Während, wie Rainer Hülsse herausarbeitet, die MOEL-Länder als Brüder metaphorisiert werden, der Beitritt somit eine »Familienzusammenführung« bedeutet (Hülsse 2003, 105), ist die Türkei nicht ursprünglich zugehörig. Hier kann es sich sich am ehesten um eine spätere, kraft Adoption oder Heirat zustande gekommene Mitgliedschaft in der Familie handeln (ebd., 106). Bei den neuen Mitgliedern kommt es darauf an, dass sie die family rules kennen und verstehen. Die Beliebtheit des Verlobungs- und Heiratsszenarios im Erweiterungsdiskurs, speziell im Türkei-Beitrittsdiskurs, bestätigt auch Beyza Cagatay Tekin in einer Analyse des französischen Beitrittsdiskurses (2008, 752-3) sowie eine Analyse von Bernhardt et al. (2009, 104). Folgende Szenarien sind im Printmedienkorpus aufzufinden: Die EU ist eine Familie (mitunter findet sich die Anspielung auf den Ursprung dieser Familie bei den »Gründervätern der EU«), und Beitrittskandidaten sind potenzielle neue Familienmitglieder. Meist passt die Türkei aber nicht zur Familie (sie ist ein »Stiefkind«) oder die EU kann sich kein weiteres Kind mehr leisten.

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Nur in Einzelfällen gehört die Türkei eigentlich zur Familie, und zwar dann, wenn etwa die Demokratisierungsbemühungen in der Türkei hervorgehoben werden und die EU als »Familie der Demokratien« gedacht ist. Das Mapping der EU als Familie impliziert die Vorstellung der Mitgliedsländer (Familienmitglieder) wie der Beitrittsländer als Quasipersonen. Im Ehe- und Verlobungsszenario hingegen ist die EU/Europa als Quasiperson gedacht, alternierend als Braut oder Bräutigam (mutlose Braut, masochistischer Bräutigam), die Türkei jeweils als gegengeschlechtlicher Part. In den meisten Szenarien ist die Bindung zwischen den beiden Quasipersonen zu wenig »natürlich«, und diese ist deshalb aussichtslos, im besten Fall offen: Es gebe zu wenig Liebe, es reiche nicht einmal zu einer »Vernunftehe«, die beiden seien vom Wesen her zu verschieden und Ähnliches. Einmal wird das Szenario dahingehend modifiziert, dass eine Anziehung (der Märkte) zwar da sei, jedoch eine Ehe für die EU/Europa nicht erstrebenswert, da sie mit zuviel Mitbestimmungsmöglichkeiten für den türkischen Part verbunden sei. Die EU solle daher den Spaß (die Erschließung der Märkte) nicht ablehnen, sich jedoch nur auf eine lockere Partnerschaft (mit getrennten Betten) einlassen. An diesem Beispiel wird zudem deutlich, dass auch »modernere Varianten« von Ehe- und Beziehungsmoral in die Metaphorik eingehen. Das Gendering der beiden Seiten der Partnerschaft ist widersprüchlich. Anhand der Beispiele lässt sich folgende Tendenz feststellen: Aus EU-Perspektive wird die EU teils als männlicher (d.h. in der patriarchalen Familienlogik: tonangebender) Part vorgestellt, dort wo der Aspekt der Gefahr betont wird, ist EUropa aber auch effeminiert (»mutlose Braut«). Wenngleich auch die Familienmetapher unterschiedlich argumentativ geframt ist, so dominiert ihre Verwendung doch im Rahmen von Kontra-Positionen entlang der Argumentationslinien C1 (welche die essenzielle Andersheit unterstreichen) und D (europäische Krise).

2.4.7 Lebenszyklus/Organismus – Gesundheit, Tod und Reife Tod Andreas Musolff stellt in seiner umfangreichen Untersuchung und Analyse von Metaphern der EU im politischen Diskurs in britischen und deutschen Printmedien tendeziell ein Tabu fest, den Tod der EU als Quasiperson oder Organismus zu imaginieren (Musolff 2004, 96). Für den Diskurs um den EUBeitritt der Türkei scheint dieses Tabu jedoch keine Gültigkeit zu haben. Der drohende Tod ist nämlich, metaphorisch gesprochen, in den im Sample entwickelten Szenarien dauerhafter Begleiter der Quasiperson EU. Deren dramatischste Ausprägungen finden sich dabei in der Presse. Die EU folge

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einem »Todestrieb«, ginge »an Überdehnung zugrunde«, beginge einen »tödlichen Fehler« usw., wie folgende Beispiele zeigen: Am 17. Dezember 2004 hat die EU – quasi einem Todestrieb folgend – nunmehr endgültig und bedingungslos vor der Türkei kapituliert. (Die Presse vom 7.1.2005) Wenn die EU dieses Erweiterungstempo fortsetzt, dürfte sie das historisch einmalige Kunststück zu Wege bringen, an Überdehnung zugrunde zu gehen, noch bevor sie den Aufstieg zur Weltmacht geschafft hat. (Christian Ultsch, Die Presse vom 26.4.2005) Und schließlich ist die Osterweiterung auch die größte Hoffnung, dass die EU den sich abzeichnenden tödlichen Fehler des leichtfertig in Aussicht gestellten Türkei-Beitritts doch noch vermeidet. (Andreas Unterberger, Die Presse vom 30.4.2004)

Die Wortwahl Hans-Peter Martins steht in punkto Dramatik der Presse in nichts nach, er spricht sogar vom »Sarg« der EU: Schon die Verhandlungen mit der Türkei werden die politische Landkarte unseres Kontinents verändern. Ein Beitritt der Türkei würde den Untergang der EU besiegeln. Mit der Türkei ist die Europäische Union gestorben, sie landet im Sarg. (Hans-Peter Martin, Neue Kronen Zeitung vom 25.9.2005)

Zuweilen bezieht sich der drohende Tod lediglich auf eine bestimmte, alte Form der EU. »[D]ie alte EU ist so gut wie tot«, schreibt Hans Rauscher, der alten EU das Ziel der politischen Union zuordnend (Der Standard vom 9.10.2004). Manchmal ist es auch nur eine Idee, die stirbt oder sterben könnte: »Gibt der Beitritt der Türkei der Idee eines europäischen Bundesstaates den Todesstoß, oder war diese ohnehin eine Chimäre?«, fragt Peter Michael Lingens im profil (profil vom 29.10.2004). Seine Schlussfolgerung: »Die »Vereinigten Staaten von Europa« waren sowieso eine Chimäre, in Wirklichkeit sei die wirtschaftliche Einigung »der Motor«, den Frieden zwischen den Mitgliedsstaaten zu schaffen sei die bedeutendste Leistung gewesen, allerdings »vor allem auf dem Wege der billigeren Waschmaschinen gelungen« (ebd.). Gefährlich, aber nicht per se tödlich erscheint auch die – auf eine Aussage von Franz Fischler zurückgehende – »Überdehnung« der EU (Michael Fleischhacker, Die Presse vom 18.12.2004) oder eine »Überdehnung der Kräfte« der EU. In der Gegenargumentation wird das Szenario umgekehrt, und nicht der Beitritt, sondern ein »Nein zur Türkei hätte fatale Konsequenzen«, wie Joschka Fischer im format wiedergegeben wird (Format vom 14.5.2004). Krisen- und Untergangsszenarien, denen oft deutlich ein Kulturpessimismus unterlegt ist, treten im Rahmen der Todesmetaphorik mitunter sehr prononciert zu Tage.

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Global Player EU? Eine ideologiekritische Metaphernanalyse

Beruhigungsmittel, Placebos und »Verdauungsprobleme« Weniger bedrohlich, jedoch beunruhigend dünken hingegen jene Szenarien, in denen die EU (von der politischen Elite) durch Beruhigungsmittel sediert ist oder durch Placebos manipuliert wird. Europa leidet an einer Überdosis Placebos Alfred Gusenbauers Einschätzung, wonach es sich dabei um eine »Beruhigungspille« handle, ist, [...] zwar fast ein Glückstreffer, aber immer noch leicht daneben. Es ist ein BeruhigungspillenPlacebo, das die Kommission sich selbst und der europäischen Öffentlichkeit verabreicht hat. (Michael Fleischhacker, Die Presse vom 7.10.2004)

Die Diktion von den Placebos und Beruhigungspillen, die ursprünglich auf Gusenbauer zurückgeht, wird vor allem in Die Presse bereitwillig aufgenommen, aber auch im Standard reproduziert. Ein Aspekt, der meist mitschwingt und manchmal betont wird, ist die Volksferne der politischen Eliten: Wenn das Volk zwischendurch aufmuckte, wurde es mit verbalen Beruhigungspillen abgespeist, die den gröbsten Ärger dämmten, ohne die drängenden Türken allzu sehr zu verärgern. Das zuletzt verabreichte Placebo heißt »Ergebnisoffenheit« und gehört eindeutig in die Kategorie »no na«. (Michael Fleischhacker, Die Presse vom 18.12.2004)

Bereits im Vorfeld des Gipfels in Helsinki wird bezweifelt, dass nicht ohnehin schon alles beschlossene Sache sei, und dass Diskussionen und Modifikationen des Beitrittsprozederes irgendetwas verändern könnten. »Sonderbedingungen« für die Türkei als »Placebos für Kritiker« sieht Eva Linsinger (Der Standard vom 7.10.2004), Hans Rauscher überhaupt die Verhandlungen mit der Türkei als »Beruhigungspille« oder »Beruhigungstropfen« (Der Standard vom 9.10.2004 und vom 28.9.2004), denn der Beitritt sei ohnehin schon beschlossene Sache. »Der auf allen Ebenen fehlende Konsens« werde »durch Valiumworte ersetzt« (Christian Rainer, profil vom 4.7.2005). Wolfgang Böhm hingegen sieht nicht nur »politische Placebos«, die Union werde darüber hinaus »nicht umhin kommen, die Erweiterung einzubremsen« (Die Presse vom 1.10.05). Die Verabreichung von Beruhigungspillen und Placebos geht in der Logik der dargelegten Szenarien somit nicht auf eine tatsächliche Krankheit zurück, sondern vielmehr auf Manipulationsversuche durch die EU-Elite an der Bevölkerung, die sich gegen den Beitritt wehrt. Von Krankheit im herkömmlichen Sinn ist lediglich in einem Fall die Rede. Im Artikel des Gastkommentators Sedat Demirdegmez sieht dieser – anknüpfend an die Redewendung vom »kranken Mann am Bosporus« – die Türkei als möglicherweise mit einer ansteckenden Krankheit infiziert und fragt, ob die EU hier tatsächlich helfen wolle:

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Sieht sich die EU als derjenige Arzt, der versucht, den kranken Mann am Bosporus zu retten, aber auch das Risiko eingeht, infiziert zu werden? (Sedat Demirdegmez, Die Presse vom 13.10.2005) Vielfach werden gesundheitliche Probleme in Form von »Verdauungsproblemen« angesprochen, die einen Beitritt generell als Einverleibung und »Schlucken« ganzer Länder imaginiert. »Seid verdaut, umschlungene Millionen«, titelt Christian Ultsch, in Hinblick auf die zu diesem Zeitpunkt bevorstehenden Erweiterungen »um Rumänien und Bulgarien, bald auch Kroatien, dann die Türkei, davor noch Serbien, Montenegro, Kosovo sowie Albanien« (Die Presse vom 26.4.2005). Bemerkenswert ist, dass dieser Aufzählung zufolge die Nachfolgestaaten Ex-Jugoslawiens und selbst Albanien noch vor der Türkei beitreten sollten, obwohl keines dieser Länder zu diesem Zeitpunkt einen Beitrittsstatus hatte. »Wer soll das schlucken?«, fragt Ultsch schließlich, und nimmt vorweg, dass es jedenfalls die EU-Bevölkerung nicht tun werde. Ähnlich ein anderer Leitartikel in der Presse. Die bevorstehende Osterweiterung sei die größte Hoffnung, den »tödlichen Fehler« eines Türkeibeitritts noch abzuwenden, weil die Erweiterung [hier die Osterweiterung, K.B.] der Union so viele Verdauungsprobleme bereiten wird, dass der Appetit auf den schon größenmäßig unverdaubaren Brocken Türkei bald vergehen wird (Andreas Unterberger, Die Presse vom 30.4.2004).

Im Standard (z.B. vom 31.1.2006) und im Profil ist die Verdauungsmetaphorik so gut wie ausschließlich als Wiedergabe eines gängigen Arguments in nicht affirmativer Weise zu finden (z.B. profil vom 13.12.2004). Der Vorstellung von der EU als Person entspricht auch der Gedanke, dass »die Geburt der EU-light« (Michael Moravec, Der Standard vom 5.4.2006) bevorstehe, indem Mitglieder zweiter Klasse (mit eingeschränkten Rechten, so wie Rumänien und Bulgarien) geschaffen würden, etwa durch zeitweiligen Ausschluss vom Binnenmarkt als »wirtschaftliche[m] Herzstück der Union« (ebd.). Eine solche »EU-light« würde »aber auch von den Gremien der Union [ein] stärkeres Rückgrat verlangen« (ebd.). Orhan Pamuk wiederum zeigt sich in einem Text überzeugt, dass der Friedensgedanke das Herzstück der Europäischen Union ist und dass das Friedensangebot, das die heutige Türkei Europa macht, nicht ausgeschlagen werden darf. [...] Es dürfte schwer sein, nach jahrhundertelangen Kämpfen und Kriegen diese freundschaftlich ausgestreckte Hand zurückzuweisen, ohne es später einmal bereuen zu müssen (Orhan Pamuk, Der Standard vom 24.10.2005).

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Die Metapher der »ausgestreckten Hand« greift auch der Soziologe Sadik alAzm auf, so wie bei Pamuk entlang der Argumentationslinie nachgezeichnet, die die Vermeidung des »Kulturkampfes« in den Mittelpunkt stellt (B1). Die EU würde, so al-Azm, »allen Beteiligten einen nachhaltigen Dienst erweisen, wenn sie die Türkei an die Hand nähme, um sie durch eine schwierige Übergangszeit zu begleiten« (Der Standard vom 18.12.2004). Aus einer völlig anderen Argumentation heraus (D) wird auch in Die Presse davor gewarnt, die Türkei völlig vor den Kopf zu stoßen, da sie wirtschaftlich und sicherheitspolitisch ein wichtiger Partner sei (Wolfgang Böhm, Die Presse vom 14.6.2005). Manche sehen es als entscheidend an, ob Europa/die EU als Quasiperson ängstlich oder zuversichtlich in die Zukunft blicke (profil vom 27.9.2004) bzw. »von Zweifeln gequält und von Angst geplagt in die Zukunft [geht] oder mit Optimismus und Tatendurst« (News vom 7.10.2004). Nicht zuletzt taucht auch die – als Aussage von Fischler kolportierte – Forderung nach einem »Gesicht Europas« auf (News vom 9.6.2005). Häufig, in fast allen untersuchten Medien und eher unspezifisch verwendet wird die metaphorische Wendung, dass man der Türkei nun schon lange oder zu lange die »Karotte vor die Nase« halte (z.B. in der Presse vom 30.6.2005, profil vom 11.10.2004, Der Standard vom 4.6.2005, News vom 14.10.2004, Format vom 14.5.2004). Vorwiegend wird die Metaphorik im Rahmen der Argumentationslinien D und C1 eingesetzt, häufig indem eine gesundheitliche oder sogar existenzielle Bedrohung für den Organismus EUropa in den Raum gestellt wird. Die hier dargestellten unterschiedlichen Metaphern aus dem Quellbereich Gesundheit und Lebenszyklus scheinen in 17 Texten auf. Darunter subsumieren lassen sich darüber hinaus metaphorische Ausdrücke, welche auf eine »Reife« rekurrieren, die sich in insgesamt 21 Texten finden.

Reife Meist ist es die Türkei, nicht selten aber auch die EU, der – im Regelfall mangelnde, nur selten bereits erreichte – Reife konzediert wird. In Die Presse wird die Türkei (zum Zeitpunkt der Beschlussfassung) noch nicht einmal für Beitrittsverhandlungen als reif genug angesehen (Wolfgang Böhm, Die Presse vom 21.11.2006), ohne Angabe von Kriterien wird der (zum damaligen Zeitpunkt) Nicht-Beitrittskandidat Kroatien hingegen als »reifer« als die Türkei und andere Beitrittskandidaten eingeschätzt (Christian Ultsch, Die Presse vom 5.10.2005). Hingegen sehen Wilhelm Helmetsberger, Vorstandsmitglied der BA-CA und prononcierter Beitrittsbefürworter sowie Christoph Kotanko im Kurier die Türkei schon als »verhandlungsreif« (Format vom 14.5.2004; Kurier vom 7.10.2004). Für Kotanko ist sie jedoch nicht »beitrittsreif« (Kurier vom 7.10.2004), und selbst wenn sie es wäre, würde das einen Beitritt noch immer nicht nahe legen. Es fehle noch, so Kotanko, die

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Reife auf beiden Seiten, jedoch werde eher die Türkei reif für die EU als die EU reif für einen Türkei-Beitritt: Nun mag es sein, dass sich die Türkei unter dem Druck der EU positiv verändert. Offen bleibt, ob die Union je Türkei-reif wird, also das 70-Millionen-Land verkraften kann. (Kurier vom 16.12.2004)

Ähnlich Hans-Peter Martin in der Krone: Dabei stellt sich nicht einmal die Frage, ob die Türkei irgendwann reif für die EU sein wird. Wir sind es nicht. (Neue Kronen Zeitung vom 25.9.2005) Teils wird die »Reife« mit klaren demokratiepolitischen und menschenrechtlichen Kriterien begründet, wie beispielsweise in folgendem Artikel von Corinna Milborn: Nun ist offensichtlich, dass die Türkei für einen EU-Beitritt nicht reif ist: Ein Land, das einem Schriftsteller mit Gefängnis droht, weil er sich öffentlich zum Massenmord an Armeniern vor fast 100 Jahren äußert, hat die Grundzüge der Demokratie nicht verstanden. Ebenso klar ist, dass die EU nicht reif ist für einen Beitritt der Türkei: Sie kann ja nicht einmal auf die manifeste Krise anders reagieren als mit einer hilflosen »Nachdenkpause«. (Corinna Milborn, Format vom 2.9.2005)

Christian Rainer stellt hingegen die Sinnhaftigkeit des Kriteriums »politische, wirtschaftliche und demokratische Reife« in 35 Fachgebieten in Frage, da deren inhaltliche Ausgestaltung bereits in der Praxis von EU-Mitgliedsländern recht zweifelhaft sei: Hier geht es also um Geschmackssachen, als sollte bloß die fortschreitende Reife eines Käses geprüft werden. Reicht nicht schon die »demokratische Reife« über die das Italien Berlusconis derzeit verfügt [...]? Ist es nicht so, dass Portugal mit einem Budgetdefizit, welches bei mehr als dem Doppelten der erlaubten Benchmark liegt, ein in seiner »wirtschaftlichen Reife« unumstrittener Teil der EU bleibt [...]? Hat nicht Griechenland ganz Europa über seine Wirtschaftszahlen belogen und verharrt dennoch gemütlich im Zustand der »politischen Reife«? (profil vom 4.7.2005)

Dabei ist die Stoßrichtung seiner Kritik, dass »die verschärften Verhandlungen mit der Türkei eine Augenauswischerei« seien, weil der Beitritt in Wahrheit schon so gut wie beschlossen sei (ebd.). Faktum ist, dass die Vorstellung einer Reife im Sinne einer menschlichen/ lebensgeschichtlichen Entwicklung ohne nähere Präzisierung objektivierbare Kriterien außer Acht lässt. Nicht immer, aber oft ist dies in den genannten Beispielen der Fall: Es bleibt ausgeblendet oder im Hintergrund, worin die Reife bestünde. Meist geht es im Rahmen der Argumentationslinie D um Reife.

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Interpretation Organismus-Metaphern teilen mit Körpermetaphern bzw. Metaphern von Quasipersonen (wie sie etwa auch in den bereits behandelten Quellbereichen vorzufinden sind, z.B. als global player) viele Eigenschaften: Sie appellieren an die Naturhaftigkeit des Bezeichneten, sie evozieren seit dem christlichen Mittelalter die Verbindung von Leib und Seele, Körper und Geist (Koschorke et al. 2007, 357). Bei der Organismus-Metapher verschiebt sich aber das semantische Spektrum in verschiedene Richtungen, in dem es etwa die Fixierung auf anthropomorphe Vorstellungen lockert, das Verhältnis der Teile untereinander und zum Ganzen in den Vordergrund rückt und das Element des Wachsens, lebendigen Sich-Entwickelns, Reifens, der Veränderung bei gleich bleibendem Wesenskern betont (ebd.). Organismusmetapher und Körpermetapher sind also eng verknüpft und ihre Verwendung reicht bis in die Antike zurück (vgl. die Ausführungen zum politischen Körper in Kapitel 1). Die Organismusmetapher und mit ihr das Moment des Entwicklungsgeschichtlichen per se gewinnt nach dem 18. Jahrhundert mit dem Paradigma des Historismus stark an Bedeutung, im Verfassungsrecht wie in der Jurisprudenz (ebd., 358). Auf der Projektion der entwicklungsgeschichtlichen Denklogik auf Kulturen/Zivilisationen, die auch bei Huntington zu diagnostizieren ist (vgl. Ifversen 1998), beruhen auch diverse Zivilisationstheorien, die seit dem 18. Jahrhundert von Mirabeau, Montesquieu, Daniel Defoe, Adam Ferguson, Francois Guizot und schließlich Oswald Spengler elaboriert wurden und einen manifesten Kulturpessimismus entfalteten13 (ebd.). In folgenden Szenariovarianten und Mappings scheinen Metaphern um Organismus und Lebenszyklus im Printmedienkorpus auf: • die Institution EU ist ein Organismus/eine Person, die im Falle eines Beitritts der Türkei stirbt + weil sie als Quasiperson im Betreiben des Beitritts einem Todestrieb folgt und so gewissermaßen Selbstmord begeht + weil durch die Erweiterung der Organismus an Überdehnung zugrunde geht + weil sie als Quasiperson mit dem TU-Beitritt einen tödlichen Fehler begeht. 13 | Als säkularisierte Parallele zum Christentum ist die »Zivilisation« bei den genannten Autoren ein Schlüsselbegriff, der organische Einheit, Universalität und Finalität, Örtlichkeit und Zeitlichkeit sowie die Existenz einer europäischen, westlichen Zivilisation als zentrale Bedeutungen setzt (ebd.). Huntingtons Clash of Civilisation lässt sich, so Ifversen, als Teil dieses seit dem 18. Jahrhundert existierenden Zivilisationsdiskurses begreifen. Überdeutlich ist bei einigen Proponenten der männliche Bias, etwa bei Ferguson, in dessen Entwicklungslogik der Verlust von Tugend und Männlichkeit zu Effeminierung (Luxusfixiertheit) oder Diktatur führt (ebd.).

2. Metaphern der EU/Europas im Printmediendiskurs

• weil sie damit ihren Untergang besiegelt und letztlich im Sarg landet. • In einem Fall (bei Joschka Fischer) ist es umgekehrt und der Nicht-Beitritt der Türkei zur EU könnte »fatale Konsequenzen« haben. • Aus einem Beitritt der Türkei resultieren für die Institution EU, die hier als ein Organismus/eine Quasiperson begriffen wird, mehr oder weniger ernste gesundheitliche Probleme. Es drohen + Verdauungsprobleme, Probleme zu Schlucken oder + eine Überdehnung der Kräfte. • In einem Fall ist die Türkei eine Quasiperson, die von einer ansteckenden Krankheit befallen ist und die EU als Quasiperson (Arzt) anzustecken droht. • Der Fokus liegt auf einzelnen Körperteilen und Handlungen, nämlich + auf der zur Türkei hin ausgestreckten Hand der EU + auf dem Gesicht Europas, dem Blick in die Zukunft usw. Verwandt ist die Metapher des Nicht-vor-den-Kopf-Stoßens der Türkei, die im Zusammenhang mit einer Warnung vor den Konsequenzen einer zu harschen Zurückweisung der Türkei auftaucht. • Das Land Türkei als Organismus (auch als Quasiperson denkbar), der meist noch nicht oder bereits sehr wohl eine erforderliche Reife aufweist: »Verhandlungsreife« oder »Beitrittsreife«. In manchen Fällen geht es auch um die »Türkeireife der EU«, d.h., die Institution EU ist ein Organismus, der in Hinblick auf einen Türkei-Beitritt einer gewissen Reife bedarf. • In den meisten Verwendungen der Reife-Metapher wird darauf verzichtet, das Kriterium der Reife inhaltlich zu füllen, vereinzelt sind es aber auch demokratische und rechtsstaatliche Standards, die hier als Messlatte fungieren. • Die Institution EU als Quasiperson oder die EU-Eliten als Gruppe sedieren die EU-Bevölkerung, in dem sie Beruhigungspillen oder auch Beruhigungspillen-Placebos austeilen/verabreichen. Die meisten dieser Szenarien finden sich auch in der Untersuchung von Musolff, jedoch in anderer Verteilung. Während Musolff eine Zurückhaltung konstatiert, was den Tod des body politic betrifft (Musolff 2004, 96), wohingegen er viele Krankheitsmetaphern darstellt, finden sich im untersuchten TUBeitrittsdiskurs relativ viele und starke Todes-Metaphern, hingegen wenige Krankheitsmetaphern. Die ausgeprägte Todesmetaphorik im Türkei-Beitrittsdiskurs lässt sich dahingehend interpretieren, dass dieser Erweiterungsschritt besonders angstbesetzt diskutiert und dargestellt wird. Die Konstruktion der Türkei als krank und potenziell ansteckend lässt sich als eine sehr emotionalisierende Strategie der Differenzsetzung bzw. des Ausschlusses kennzeichnen. Es wird wie in den oben dargestellten Todesmetaphern als Konsequenz eines möglichen Einschlusses der Tod/der Untergang der EU insinuiert. Metaphern des (organischen) Zusammenwachsens, welche die Erweiterung als natür-

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lichen Prozess fassen, und wie sie Rainer Hülsse auch im Erweiterungsdiskurs um die MOEL-Länder findet (Hülsse 2003, 119-20), scheinen im TürkeiBeitrittsdiskurs gar nicht auf, was ebenfalls auf eine besondere Rigidität der Abgrenzung gegenüber der Türkei – im Vergleich zu den MOEL-Ländern – schließen lässt. Metaphern der Reife finden sich bei Musolff weniger oft, im hier untersuchten Korpus jedoch recht häufig. Dabei fungiert die Reife als ein Exklusionskriterium (selten auch als Inklusionskriterium), das meist inhaltlich wenig transparent ist und ähnlich wie in der Familienmetapher eine Natürlichkeit und »Gewachsenheit« der Beitrittsfähigkeit suggeriert. Es sei denn, die Reife wird explizit in den Kontext von Reformanstrengungen in punkto Demokratie und Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechte gestellt, was jedoch eher die Ausnahme ist. Personalisierung der Institution EU sowie Organismusmetaphern (zu denen auch die Reife-Metaphern gehören) sind, wie die Metaphern des politischen Körpers in der Ideengeschichte und das Imaginäre der Nation zeigen, zum einen als Ausdruck eines »Einheitsdenkens« bzw. einer Sehnsucht nach Einheit zu lesen. Zum anderen klingt in Organismusmetaphern ein Moment der Natürlichkeit an, der über die Einheitlichkeit hinaus zudem organische Gewachsenheit und entwicklungsgeschichtliche Finalität der EU suggeriert. Häufig erinnert dabei die Todesmetaphorik an alte Versionen kulturpessimistischer Szenarien, wie sie in Zivilisationstheorien seit dem 18. Jahrhundert gezeichnet werden. Schließlich wird in Metaphern um verabreichte Beruhigungspillen oder Beruhigungspillen-Placebos durch die EU die Kritik an der Volksferne der EU-Eliten akzentuiert und in emotionalisierender Weise als manipulativ dargestellt.

2.4.8 Schule/Pädagogik Metaphern aus dem Quellbereich Schule/Pädagogik finden sich ebenfalls im Korpus, und sie verbinden sich häufig mit einem Argumentationstypus, der demokratische und rechtsstaatliche Kriterien zu den entscheidenden Beitrittsbedingungen macht (C). So etwa in einem profil-Artikel, in dem essentialisierende, z.B. religiöse Ausschlussmechanismen in Bezug auf die Türkei vehement abgelehnt werden: Ob die Türkei ansonsten alle Bedingungen eines Beitritts erfüllt, ist ein anderes Kapitel. Es ist streng zu prüfen. Aber wenn die Türkei diese Prüfung besteht, ist sie aufzunehmen. Samt Islam. (Peter Michael Lingens, profil vom 23.8.2004)

Nicht nur türkische und kroatische Beamte, die von einem Vortragenden in einem Sitzungssaal der EU-Kommission in punkto Feinheiten der europäischen

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Umweltbestimmungen gebrieft werden, fahren dann »mit einem Stapel Hausaufgaben zurück nach Hause« (Sebastian Henzel, profil vom 10.4.2006), auch die EU müsse, so Alexandra Föderl-Schmid, vorher noch Einiges klären: wie es mit der europäischen Verfassung weitergehe, mit den anderen Kandidatenländern, mit der Finanzfrage. Die Schlussfolgerung: Die EU hat vor der nächsten Erweiterung noch selbst viele Hausaufgaben zu bewältigen. (Alexandra FöderlSchmid, Der Standard vom 5.10.2005) Auch in der Krone werden Hausaufgaben für die EU betont, es könne aber »der Wunsch der türkischen Bevölkerung als Erziehungsfaktor genutzt werden« (Neue Kronen Zeitung vom 19.9.2004). Ebenso findet Christian Rainer, »dass die Türkei mit den Erziehungsmaßnahmen der Union zu einem Staat werden kann, der die Menschenrechte besser achtet.« (profil vom 11.10.2004) Unterschiedlich zuzuordnen ist die Metapher der »Reifeprüfung«. Teilweise schwingt dabei – wie in den meisten oben dargestellten Beispielen – die Logik der Prüfung im Sinne einer Feststellung mit, ob bestimmte, nachvollziehbare demokratische, minderheitenrechtliche, rechtsstaatliche usw. Kriterien erfüllt sind (etwa bei Thomas Seifert, News vom 7.10.2004). Teilweise impliziert es eher die Bedeutung einer Reife im Sinne einer menschlichen/organischen Entwicklung.

Interpretation Trotz des hierarchischen Bias »Lehrer-Schüler«, der diesem Quellbereich traditionellerweise anhaftet und semantisch wie metaphorisch auch in Ausdrücken wie »Erziehungsmaßnahme« oder »Erziehungsfaktor« zum Ausdruck kommt, zeichnet sich die dazu im Sample auffindbare Metaphorik stärker als diejenige aus anderen Quellbereichen durch die Anwendung objektivierbarer Kriterien aus und findet sich daher am häufigsten im Rahmen der Argumentationslinie C2. Zwar liegt diesen Metaphern die normative Annahme hierarchischer, schulischer Konstellationen zugrunde, gleichzeitig ist mit schulischen Maßstäben aber auch die Möglichkeit der Inklusion des »Schülers Türkei« durch ausreichend schulische Anstrengung und Leistung angesprochen. Metaphern für den EU-Kontext aus dem Bereich Schule/Disziplin dokumentiert auch Musolff in seiner Analyse des deutschen und britischen Printmediendiskurses (Musolff 2004, 12). Insgesamt finden sich metaphorische Ausdrücke dieser Art in sieben Texten.

2.4.9 Inszenierung/Show Variantenreich und unterschiedlich geframt sind Metaphern, die das Beitrittsprozedere als Inszenierung oder Show erscheinen lassen. Teils kommt darin die von orientalistischen Elementen geprägte Wahrnehmung zum Ausdruck, die der Türkei »Täuschen und Tarnen« unterstellt.

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In einer Reportage mit dem Titel »die Eroberung des Paradieses« beschreibt Sebastian Heinzel eine so bezeichnete »Charmeoffensive« von Erdoğan, der »das Paradies EU« erobern wolle als rühriges und gleichzeitig lächerliches Täuschungsmanöver, dem manche Zuhörerinnen dennoch auf den Leim gingen. Das Paradies, das Erdogan erobern will, ist die EU. Wenige Tage vor der Entscheidung des Europäischen Rates, ob Beitrittsverhandlungen mit der Türkei eröffnet werden sollen, hat die türkische Regierung eine Charmeoffensive gestartet. Mit der Eröffnung der drei niedlich kleinen Gotteshäuser, die vom großen Erdogan-Porträt locker überragt werden, soll publikumswirksam der Vorwurf entkräftet werden, dass in der Türkei religiöse Minderheiten neben dem sunnitischen Islam keinen Platz haben. Erdogan, der das Pult erklimmt [...] zu den Klängen der EU-Hymne »Ode an die Freude«, predigt laut und vehement die Toleranz, und zwar allen Religionen und Menschen, ja sogar allen Tieren und Pflanzen gegenüber! Und als der beliebte Premier die Türkei als leuchtendes Beispiel für das friedliche Zusammenleben de Kulturen anpreist, bekommt so manche der Zuhörerinnen hinter der Absperrung feuchte Augen. Die Türkei ist europareif, ja Europa kann sogar von der Türkei lernen, lautet Erdogans Message. (Sebastian Heinzel, profil vom 13.12.2004)

Unschwer ist aus dieser Passage herauszulesen, dass der »Eroberer der EU« durch sein rührseliges Schauspiel besonders gut Frauen hinters Licht führen könne, möglicherweise, so schwingt unausgesprochen mit, auch die EU. In einem Format-Artikel mit dem Titel »Hält uns die Türkei zum Narren?« fragt wiederum Christian Ortner, »ob das Ganze nicht eine Charade ist, die den EU-Beitritt ermogeln soll«, oder »ob der proeuropäische Kurs der türkischen Regierung [...] doch nur ein islamistischer Bluff« sei (Format vom 28.5.2004). Immer wieder (wenngleich oft bloß zitierend) aufgegriffen werden zudem die Metaphern vom »Wolf im Schafspelz« oder vom »trojanischen Pferd« (profil vom 20.3.2006, 13.12.2004, Lahodynsky/Ostenhof, 11.10.2004, Lahodynsky, 20.9.2004, 27.9.2004, Der Standard vom 14.5.2004). Im Fall des trojanischen Pferdes ist jedoch die Türkei lediglich ein Werkzeug der USA, also nicht selbst Agentin der Täuschung, die Metapher lässt sich als Indiz dafür lesen, dass sich die Türkei zunehmend im Konfliktfeld zwischen EU und USA befindet (Keyder 2004, 274). Die häufig auftauchende Metapher des Trojanischen Pferdes ist nicht selten von antiamerikanischen Tönen begleitet, in der Neuen Kronen Zeitung ist der antiamerikanische Impetus wiederum mit antisemitischen Codes verbunden, etwa indem »gewisse Kreise« an der »Ostküste« als angebliche Drahtzieher für die Schwächung Europas via Türkei-Beitritt vermutet werden. Mindestens so häufig jedoch wird die Vorgangsweise der Akteure und Akteurinnen (auf EU-Ebene wie auf nationaler) in Bezug auf den Türkei-Beitritt

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bzw. die Erweiterungspolitik allgemein als (meist misslungene) Inszenierung gefasst. Als eine »Show«, die Erdoğan, Verheugen und Prodi »abgezogen haben« und die »miserabel choreografiert« war (Michael Fleischhacker, Die Presse vom 25.9.2004), ein »würdeloses Schauspiel« (Georg Hoffmann-Ostenhof, profil vom 5.9.2005), ein »Kasperltheater« (Neue Kronen Zeitung vom 5.10.2004) oder ein »Eiertanz«, den man sich sparen solle, in dem man bei der Erweiterung den »Rückwärtsgang« einlege (Daniela Kittner, Die Presse vom 8.11.2006). Schüssel habe auf dem Gipfel von Kopenhagen die »Türkei-Nummer« mit Blick auf die steirischen Wahlen abgezogen (Herbert Lackner, profil vom 10.10.2005) und die verhandelten schriftlichen Zusätze im Beschluss über die Aufnahme der Verhandlungen als »Happy End des ’Thrillers’« gefeiert (Eva Linsinger/Barbara Tóth, Der Standard vom 5.10.2005). Die im Vergleich mit anderen EU-Ländern überdurchschnittlich große Skepsis der österreichischen Bevölkerung gegenüber einem Türkei-Beitritt liege an einer »Bildstörung«, also an einem »gestörte[n] Bild der modernen Türkei«, in dem nur die hiesigen, aus ärmeren und religiöser geprägten Gebieten stammenden Migrantinnen und Migranten als typisch für die Türkei wahrgenommen würden (Josef Barth und Gernot Bauer, profil vom 11.10.2004). Die Türkei sei für die USA eine »westöstliche Probebühne«, »auf der die zentrale weltanschauliche Auseinandersetzung dieses Jahrhunderts studiert werden kann« (Christoph Winder, Der Standard vom 17.12.2004). In Umdeutung des für Stereotypen des Orientalischen stehenden »Tarnens und Täuschens« wird hier den EU-Eliten bzw. nationalen Politikern und Politikerinnen vorgeworfen, die Bevölkerung zu täuschen. Als »Schleiertanz« bezeichnet Corinna Milborn das Klammern der konservativen Politikerinnen und Politiker an die »privilegierte Partnerschaft«, »als könnten sie damit verschleiern, dass sie nicht mit den Folgen ihrer leeren Versprechungen umgehen könnten« (Format vom 2.9.2005). »Tarnen, Täuschen und Verschleiern« wirft auch Gerfried Sperl den österreichischen Politikerinnen und Politikern vor (Der Standard vom 14.6.2005). Und »Rosstäuschertricks« sieht im gleichen Zusammenhang Christoph Prantner (Der Standard vom 5.9.2005).

Interpretation Zusammenfassend lassen sich zwei Typen von Szenarien ausmachen. Einerseits sind es türkische Akteure (z.B. Premierminister Erdoğan) bzw. die Türkei als Quasiperson, welche die (Quasiperson) EU oder einzelne Akteure und Akteurinnen der EU täuschen wollen. Andererseits sind es die EU-Eliten, welche die EU-Bevölkerung hinters Licht führen wollen. Dort, wo der Türkei »Tarnen und Täuschen« unterschoben wird, klingen orientalistische Elemente an. Anstatt zweckrationaler Motive – wie eine möglichst positive Selbstdarstellung der Türkei – wird eine (orientalische) Neigung

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zum Verschleiern und Verbergen unterstellt. Das Gendering der türkischen Akteure und Akteurinnen oszilliert dabei zwischen Effeminierung/der Zuschreibung von »Falschheit« und Irrationalität einerseits und Attribuierung von Despotie, Machismus und Irrationalität andererseits. Das Vorkommen von Metaphern um Performance/Show im EU-Kontext ist auch bei Musolff dokumentiert (Musolff 2004, 12), wenngleich in recht geringem Ausmaß. Belegstellen für diese Metaphorik finden sich in insgesamt 20 Texten, sie sind argumentativ sehr unterschiedlich gerahmt.

2.4.10 Natur/Tier/Wetter Für rassistische Diskurse typische Metaphern finden sich vor allem im Zuge von Argumentationstypen mit kulturalistisch-essentialisierenden Ausschlussmechanismen (C1), die gehäuft in der Neuen Kronen Zeitung vorkommen. Die Türkei erscheint dann zum Beispiel als Parasit und als Kuckucksei. Herr Erdogan soll bitte boykottieren, wo immer es nur geht, denn von der großen Masse der europäischen Bevölkerung will eh niemand die Türkei in der EU haben, die sich nur eine Laus in den Pelz und ein Kuckucksei ins Nest setzen würde. (Leserbrief, Neue Kronen Zeitung vom 7.7.2006) Bei allem Respekt vor den beachtlichen politischen Reformen in der Türkei: Ein Beitritt macht keinen Sinn für die EU, die Türkei wäre wie ein Kuckucksei im EU-»Nest«. (Neue Kronen Zeitung vom 18.10.2004)

Insbesondere die befürchtete Zuwanderung aus der Türkei im Falle eines Beitritts wird in rassistischen Metaphern als massive Bedrohung gezeichnet, wobei die andere Religion als zentraler Marker der Andersheit funktioniert: Nur Illusionisten, Naivlinge und bornierte, unbelehrbare Gemütsmenschen glauben an ein harmonisches Nebeneinander dieser extrem konträren Kulturen bzw. Religionen. Die überwiegende Mehrheit der Islamisten ist sicher friedvoll, aber bei dieser großen Masse, die sich in Europa eingenistet hat, genügen zehn Prozent Gewaltbereite, um den [...] »Unruheherd« in die Tat umzusetzen. [...] Wenn diese islamische Unterwanderung in Europa nicht radikal gestoppt wird und die zum Großteil islamische Türkei sogar EU-Vollmitglied wird, gibt es früher oder später ein böses Erwachen. (Leserbrief, Neue Kronen Zeitung vom 16.2.2006)

Eine ähnliche Diktion, die Zuwanderung als Naturkatastrophe artikuliert, klingt auch in Die Presse an. Es ist die Rede von Schutzklauseln, die die Europäische Kommission vorsieht: »die Beschränkungen der Immigration«, so Andreas Schnauder, »würden nur im Falle einer Überflutung der betroffe-

2. Metaphern der EU/Europas im Printmediendiskurs

nen alten EU-Mitglieder durch türkische Einwanderer ausgerufen« (Andreas Schnauder, Die Presse vom 17.12.2004). Hoffman Ostenhof bezieht sich im profil ausschließlich kritisch-distanzierend auf die »moslemische Flut« (Georg Hoffmann-Ostenhof, profil vom 3.10.2005). Andere Metaphern für die Türkei aus dem Quellbereich des Natürlichen umfassen die ebenfalls mit Gefahr, jedoch auch in positiver Weise mit Kraft und Vitalität konnotierten »anatolischen Tiger«. Das ist laut Kurier im Volksmund eine »gewisse Schicht« von »jungen, bestens ausgebildeten und erfolgshungrigen Türken«, die besonders an einem Beitritt der EU-Türkei interessiert seien (Clemens Neuhold, 9.12.2005). Damit ist das Potenzial der türkischen Wirtschaft und Märkte angesprochen. Auf die Tigermetapher rekurriert auch die Wirtschaftsberichterstattung im Standard, in dem die Frage aufgegriffen wird, ob die Türkei »Armenhaus oder Tigerstaat« sei (Michael Bachner, Der Standard vom 18.12.2004). Und Hans Rauscher spricht – mit Franz Fischler Zweifel über die Stärke der demokratischen Wurzeln und die Säkularisierung der Türkei artikulierend – von der fraglichen »Natur der Türkei« (Der Standard vom 14.9.2004). Folgende weitere Metaphern aus diesem Quellbereich finden sich für die EU: Peter Rabl sieht Kommission wie Regierungen »wie Schafe dem amerikanischen Modell eines schrankenlosen Turbokapitalismus« folgen (Kurier vom 5.6.2005), Leitl in einem Interview die EU-Kommissare »im Hamsterrad« und die Verfassung als »toten Hund« (Der Standard vom 25.9.2006) und Ortner die EU-Mitgliedsstaaten als Tiere, die »ihre kümmerliche jeweilige Souveränität [...] mit Zähnen und Klauen verteidigen« (Die Presse vom 13.12.2004). Für Doris Kraus ist »der große EU-Sumpf« das Resultat einer zu schnellen Erweiterung (Die Presse vom 8.11.2006). Bezogen auf die Folgen eines Türkei-Beitritts in der islamischen Welt spricht Karim El-Gawhary von einem »mittleren Erdbeben mit gutem Ausgang«, durch das »alte, festgefahrene Denkweisen zerstört werden könnten« (Die Presse vom 17.12.2004) und Experten warnen laut Presse vor einer »Eiszeit Ankara-Brüssel« (5.12.2006).

Interpretation Deutlich ist das rassistische Diskriminierungspotenzial von Naturmetaphern wie denjenigen des »Einnistens« von Parasiten (»Laus im Pelz«) bzw. von einer Flut. Metaphern dieser Art in rassistischen Diskursen sind diskursanalytisch ausführlich dokumentiert (vgl. u.a. Wodak 2009; Reisigl/Wodak 2001; Nier/ Böke 2000). Die normativen Annahmen des Alltagsdenkens, die hier Geltung erlangen, implizieren einen Schaden und eine Existenzbedrohung für »das Eigene« allein durch die »natürlichen Eigenheiten« des Anderen. Homogenität, Monokulturalität und bedingungslose Opposition gegen Multikulturalität resultieren aus dieser Denklogik.

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Global Player EU? Eine ideologiekritische Metaphernanalyse

Als ambivalent hingegen lassen sich Metaphern von den »anatolischen Tigern« bzw. vom »Tigerstaat« bewerten. Kraft und Stärke, im alltagsweltlichen Denken positiv konnotiert, werden dabei (lobend) anerkannt und im Beitrittsfall als Nutzen für die EU in Form des Potenzials der türkischen Märkte und Wirtschaft in Betracht gezogen, leicht schwingt aber auch, etwa in der Wendung »Armenhaus oder Tigerstaat«, eine bedrohliche Note mit. Naturmetaphern erscheinen insgesamt in 19 Texten, aufgrund der Vielzahl sehr unterschiedlicher Varianten in unterschiedlichen Argumentationslinien.

2.4.11 Geografie, Geometrie/Technik Auch einige wenige Metaphern finden sich, die die EU bzw. die Türkei in geografischen oder geometrischen sprachlichen Bildern fassen, etwa die EU als »Zone der Aufklärung« (Christian Ortner, Die Presse vom 22.7.2005), die Türkei als »Zone des autoritären Denkens« (Hans Rauscher, Standard vom 28.7.2005) oder als »Grenzmark« zwischen Europa und Asien (profil vom 4.10.2004). Die Türkei-Frage spalte Europa, und »der Riss« gehe »quer durch den Kontinent und quer durch alle Ideologien« (M. Huber, P. Klikovits, B. Pfister, Format vom 24.9.2004). Diesem Quellbereich zuzuordnen ist auch die Metapher vom »Europa der konzentrischen Kreise«, das ein »Kerneuropa« von den äußeren Kreisen absetzt (Der Standard vom 30.4.2004). Einige Male wird die EU als »Maschinerie« vorgestellt (Günther Nenning, Neue Kronen Zeitung vom 6.2.2006, Sebastian Heinzel, profil vom 10.4.2006), in der »jede Frage [...] in der Brüsseler Kommission […] lange in kleine Einzelschritte zerlegt und durch die Mühlen der Bürokratie gezwängt [wird]« (ebd.), oder die wirtschaftliche Einigung als »Motor«, der »fast alles, was sonst noch an europäischer Einigung zustande gekommen ist, quasi als Zusatznutzen produziert hat« (Peter Michael Lingens, profil vom 29.10.2004). Die – von anderen profil-Autoren und Autorinnen kritisierte – Vorstellung Christian Rainers von der »Durchmischung der Bevölkerung« als Experiment und »Testfall für Europa« lässt sich ebenso in diese Kategorie einordnen. Ein Beitritt der Türkei zur EU kommt dem Experiment gleich, die Bevölkerung jedes einzelnen EU-Landes über Nacht mit einem Fünftel türkischen Staatsbürgern zu durchmischen. Zwei Millionen Türken nach Österreich, 15 Millionen nach Frankreich, 20 Millionen nach Deutschland. Das ist ein gewagtes Experiment. (Christian Rainer, profil vom 20.9.2004)

Huntington wird wiedergegeben mit der Sorge, dass sich die EU mit dem Experiment des Beitritts übernehmen könne (Peter Michael Lingens, profil vom 23.8.2004).

2. Metaphern der EU/Europas im Printmediendiskurs

Ferner scheint die Türkei als »heißes Eisen« auf, das immer wieder weiter gereicht werde (Michael Fleischhacker, Die Presse vom 18.12.2004) bzw. als »jeden EU-Rahmen« sprengend (Eva Linsinger/Christoph Prantner, Der Standard vom 24.9.2004), oder »als Fass ohne Boden, in das Abermilliarden fließen« (Josef Urschitz, Die Presse vom 17.12.2004).

Interpretation Metaphern der EU als (bürokratische) Maschinerie, mit einem Motor ausgestattet, oder als Mühle der Bürokratie entstammen dem Imaginären des Staates (Koschorke et al. 2007, 60). Die Popularität dieser Metapher setzte im 17. Jahrhundert ein, verbunden mit einer Faszination für mechanische Konstruktionen aller Art, v.a. für das Uhrwerk (Ringmar 2007, 125). D.h., die Institution EU ist eine Maschine, die gewissermaßen von selbst funktioniert, jedenfalls tritt der Aspekt des steuernden Agierens in den Hintergrund. Diese Maschinerie zerlegt »selbsttätig« jede Frage in Einzelschritte. Auf diese Weise werden die Entscheidungen getroffen; wenn es einen zentralen, steuernden Part gibt, dann ist es der des Motors, der wiederum als Metapher für die wirtschaftliche Einigung fungiert. Maschinenmetaphern finden sich im Korpus aber nur vereinzelt. Das sprachliche Bild der Erweiterung als Experiment wiederum verweist auf die Logik der Naturwissenschaft, der zufolge politische Prozesse als rational kontrollierbare und auch steuerbare »Versuche« erscheinen. Auf ähnliche Weise suggerieren Metaphern aus dem Quellbereich Geometrie (»Europa der konzentrischen Kreise«) mathematische Klarheit und Berechenbarkeit. In der Rede von Zonen (der Aufklärung, des autoritären Denkens usw.) deutet sich die Vorstellung an, dass historisch-gesellschaftliche Ideen genuin mit bestimmten Orten und Räumen verbunden sind; mithin wird eine gewisse Unveränderlichkeit gesetzt, die nach dieser Vorstellung ortsgebunden ist. In 16 Artikeln des Korpus finden sich Metaphern aus diesem Quellbereich, wiederum aufgrund der sehr großen Bandbreite an Varianten in ganz unterschiedlichen Argumentationslinien.

2.5 R esümee Die Bandbreite der vorgefundenen Metaphorik spiegelt über weite Strecken diejenigen aus themenverwandten Untersuchungen wider: Es finden sich Metaphern aus den Quellbereichen Haus/Gebäude, Verkehr/Reise, (Christen-) Klub/Verein, Kampf und Krieg, Sport (Fußball), Fitness, Unternehmen und Familie, Organismus/Lebenszyklus, Inszenierung/Show, Schule/Pädagogik, Natur, Technik/Physik/Geografie.

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Global Player EU? Eine ideologiekritische Metaphernanalyse

Manche in den jeweiligen Quellbereichen dominante metaphorische Szenarien stellen ein umkämpftes diskursives Terrain dar, in dem unterschiedliche Deutungen konkurrieren. So etwa bei der Haus- und Gebäudemetaphorik, in der manche vor dem Eindringen der Türkei in das europäische Gebäude (oder Zubauten an eben dieses) warnen, andere warnen davor, der Türkei die »Tür vor der Nase zuzuknallen«. Entsprechende Metaphern werden so im Rahmen unterschiedlicher Argumentationslinien eingesetzt, sowohl in kontra- als auch in pro-Positionen. Ähnlich Verkehrs- und Reisemetaphern: Den einen geht es darum, die richtige Geschwindigkeit auf dem Weg der Erweiterung zu finden, den anderen darum, vor einer gefährlichen Fahrt zu warnen und eine Notbremsung einzumahnen. Die Metaphorik kommt sowohl in Argumentationen vor, in denen es um demokratiepolitische und menschenrechtliche Kriterien (C1) geht, als auch um wirtschaftlichen Nutzen (A), sicherheitspolitische Überlegungen (B) und die »Verkraftbarkeit für Europa« (D). Andere Metaphoriken, z.B. diejenigen vom (Christen-)Klub sowie um Familie/Verlobung/Ehe/Beziehung, Organismus/Gesundheit, Schule/Pädagogik und die damit hauptsächlich verbundenen Szenarien gehen wiederum eher mit bestimmten Positionierungen (erstere eher kontra, Schule/Pädagogik pro), teils auch mit bevorzugten Argumentationslinien einher: Familie und Organismus/Lebenszyklus häufig mit D und C2 (Essentialisierung des Anderen), Schule/Pädagogik meist mit C1 (universalisierbare Kriterien: Demokratie, Menschen-, Minderheitenrechte etc.). Quellbereiche wie Natur, Inszenierung/ Show wiederum weisen eine Vielzahl ganz unterschiedlicher Szenarien auf und sind deshalb in Bezug auf Positionierung und Argumentation sehr heterogen. Dominant – sowohl was den Stellenwert der Metaphern als auch was die quantitative Ausprägung im Korpus betrifft – sind Metaphoriken aus dem Quellbereich Krieg, Kampf, Wettkampf, Sport/Fitness, Unternehmen, die sich zusammengenommen in insgesamt 88 Texten finden. Die markantesten Szenarien sind diejenigen um den Clash of Civilisations, den manche durch einen Türkei-Beitritt, andere gerade durch den Nicht-Beitritt der Türkei vermeiden wollen sowie um EUropa als global player im globalen Wettbewerb. Diese Metapher nimmt eine zentrale Position insofern ein, als sie entlang so gut wie aller Argumentationslinien als Wunschbild und Vorstellung dessen fungiert, was die EU/Europa sein bzw. werden soll. Auffällig sind innerhalb der Metaphorik um Kampf und Krieg weiters nationale Narrative um Türkenbelagerung, die sich als massives Bedrohungsszenario in Metaphorik und Semantik im Korpus deutlich abzeichnet sowie ein bestimmtes, historisch gewachsenes Europaverständnis. Die methodische Herangehensweise der Untersuchung ist an qualitativen Ausprägungen orientiert. Hier dennoch zur Orientierung eine Übersicht über

2. Metaphern der EU/Europas im Printmediendiskurs

die quantitative Ausprägung der Metaphern aus den unterschiedenen Quellbereichen im Korpus. Tab. 1: Quantitative Ausprägungen der Metaphern nach Quellbereichen (Anzahl der Texte, in denen sich Belegstellen finden) Quellbereich

Anzahl

Haus/Gebäude/Festung

20

Verkehr/Reise

45

Klub

30

Kampf/Konkurrenz Krieg/Kampf

36

Sport/Spiel/Fitness

24

Global Player/Unternehmen

28 88

Familie/Verlobung/Ehe/Beziehung

17

Organismus/Lebenszyklus

17

Reife

21

Schule/Pädagogik

7

Inszenierung/Show

20

Natur/Tier/Wetter

19

Geografie/Physik/Technik

16

Quelle: Korpus Metaphernanalyse

In Bezug auf die Frage danach, wie sich das transnationale Gebilde EU vor dem Hintergrund der Metaphorik des Nationalen abbildet, lässt sich Folgendes resümieren: Einerseits ist in der relativ stark ausgeprägten Verkehrs- und Reisemetaphorik ein Beleg für die Verschiebung in Richtung von Netzwerkmetaphern zu entnehmen, wie sie Koschorke et al. (2007) vermuten. Verkehrs- und Schienennetze bilden tendenziell Komplexität und dezentrale Ausprägungen »des Ganzen« ab. Andererseits verrät ein Blick auf die Anzahl der qualitativen wie quantitativen Ausprägungen, dass organische Metaphern und Körpermetaphern (EU als Organismus, global player, Braut/Bräutigam) im Korpus insgesamt stärker ausgeprägt sind. Erik Ringmar stellt einen historischen Wandel von organischen und hierarchischen Metaphern, die für die Mikro-Makrokosmologie des Mittelalters typisch waren und auch in der Metphorik des Staates/der Nation noch wirken (vgl. Musolff 2009), hin zu kybernetischen Metaphern fest (Ringmar 2008,

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Global Player EU? Eine ideologiekritische Metaphernanalyse

66). Diese wurden nach der »Entdeckung« des Prinzips der Selbstregulierung durch Newton vor allem in der Ökonomie aufgenommen und sind mit der Verbreitung von Laissez-faire-Kapitalismus und liberalem politischen Denken mittlerweile dominant, wenn auch nicht gänzlich und unumkämpft (ebd.). In Bezug auf diese These zeichnet sich anhand des global player eine Kombination der unterschiedlichen Logiken ab. Das auch im Korpus in weiten Teilen aufzufindende »metaphorische Paradigma« um Konkurrenz, das – besonders im ökonomischen Sinn – das kybernetische Prinzip beinhaltet, verkörpert sich gewissermaßen in der metaphorischen Quasiperson global player. Auf diese Weise können die Bedeutungen von Zusammengehörigkeit und Zweckbestimmung des Ganzen, die in der kybernetischen Metaphorik des sich selbst regulierenden Systems fehlen (ebd., 66-7), durch das Evozieren von Ganzheit in dieser Figur »ergänzt« werden und die affektive und körperbezogene Dimension von »Stärke«, »Gewinnen oder Verlieren« geweckt werden. Veronika Koller konstatiert für die Gegenwart eine Prädominanz ökonomischer Logiken (Koller 2009, 130). In der empirischen Untersuchung zeigte sich eine starke Präsenz von Metaphern aus dem Bereich der Ökonomie für die EU, gerade in Gestalt des global player und der EU als Unternehmen, jedoch lassen sie sich nicht als dominierend bezeichnen. Hingegen ließen sich Metaphern um Kampf und Konkurrenz als dominierend bezeichnen – diese wiederum weisen eine große Schnittmenge mit der ökonomischen Logik des Wettbewerbs bzw. der Wettbewerbsfähigkeit auf. Die dargestellten Metaphern verdeutlichen zudem unterschiedliche Exklusionsmechanismen. Es werden in den diskursiven Strategien kulturalistisch-essentialisierende und rassistische Elemente wirksam, wobei die andere Religion und das Geschlecht(erverhältnis) häufig einen wesentlichen Grenzmarker (Bischof/ Oberhuber/Stögner 2008) darstellen. Dies wird deutlich in Metaphern um Familie, Naturmetaphern oder (Christen-)Klub. In täuschenden Inszenierungen (Türkei als täuschender Eroberer Europas) oder den Topoi der Türkei als »Jungbrunnen«, »frisches Blut« oder als militärische bzw. demografische Stärkung EUropas klingen orientalistische Elemente an. Insofern, als europäischer Kulturpessimismus als die melancholische Kehrseite (verlorener) weltpolitischer Dominanz zu verstehen ist (vgl. Kocka 2005), kann die Metapher vom existenziell bedrohten Organismus (»Todestrieb«) ebenso in diese Richtung interpretiert werden. Gleichzeitig jedoch relativiert die sehr verbreitete, an argumentativen Schlüsselstellen und nahezu unbestritten als Wunschbild EUropas fungierende Metapher des global player diese »traditionellen« Exklusionsmechanismen, indem als wesentliches Messkriterium für die Inklusion oder Exklusion des Anderen, also der Türkei, dessen Beitrag zur Wettbewerbsfähigkeit der EU eingesetzt wird. Wenngleich die Einschätzungen in Bezug auf diesen Nutzen im

2. Metaphern der EU/Europas im Printmediendiskurs

Einzelnen ganz unterschiedlich, häufig gegensätzlich argumentiert werden, so bleibt dabei der Maßstab über weite Strecken konstant. Wird am Status quo der türkischen Wirtschaft das Potenzial des zu erschließenden Marktes in den Vordergrund gestellt, so bedeutet das eine Stärkung des global player und gilt als pro-Argument. Wird hingegen die ökonomische Rückständigkeit betont, so stellt sich der Beitritt als Schwächung der Wettbewerbsfähigkeit und somit als ein kontra-Argument dar. Dient der Beitritt des mehrheitlich islamischen Landes argumentativ der Stärkung der EU als player in einer Verhinderung des Clash of civilisations (»soft power«) oder als Beitrag zur religiösen und kulturellen Pluralisierung und Diversität, welche als Beitrag zur Stärkung EUropas als politischer, aber auch ökonomischer global player (Stichwort: Diversität als ökonomische Ressource) konzipiert ist, so fungiert die islamische Prägung der Türkei als Argument für einen Beitritt. Der Nutzen der »jungen, dynamischen Bevölkerung« der Türkei in Bezug auf die demografische Entwicklung eines »vergreisenden« EUropa ist ebenso ein Argument dafür. Ist hingegen der Beitritt als Zuzug weiterer muslimischer Einwanderer und Einwanderinnen und damit verbunden als Bedrohung des »inneren Friedens« der EU geframt, so wird der Islam zu einer (massiven) Bedrohung und zum Exklusionsgrund. Sieht der Sprecher oder die Sprecherin die militärische Stärke der Türkei als notwendige Ergänzung zur allzu pazifistischen EU, so erscheint der Beitritt erwünscht, werden aber die innertürkischen und/oder regionalen Konfliktpotenziale fokussiert, so erscheint die militärische Stärke als Bedrohung. Zwar ist der Printmediendiskurs im traditionell beitrittsskeptischen Österreich von kontra-Argumentationen dominiert, eine strukturelle Analyse der Bandbreite von Argumentationen stellt jedoch diesen gemeinsamen Maßstab für einen großen Teil der pro- und kontra Argumente heraus. In Bezug auf das Gendering der EUropa-Metphern ist vor allem auffällig, dass der am stärksten präsente Quellbereich, nämlich derjenige um Krieg, Kampf, Wettbewerb und Sport, maskulin geprägt ist. Ausprägungen, die eine »soft power« des global player in den Vordergrund stellen, lassen wiederum Interpretationsspielräume offen. Oft zeichnet sich die rhetorische Vergeschlechtlichung als Dichotomisierung ab, wenn effeminierte Metaphern (»mutlose Braut«, Europa, vom täuschenden Eroberer Türkei bedroht, »vergreisend und schrumpfend«) in Kontexten der Bedrohung, Schwäche und Verwundbarkeit eingesetzt werden. Der Idee eines Sozialen Europa kommt im untersuchten Diskurs bestenfalls eine marginale Rolle zu, in Bezug auf die Argumente für oder gegen einen Türkei-Beitritt wird die soziale Dimension in wenigen Fällen erwähnt, nur vereinzelt zentral thematisiert. Auch die politische Vertiefung der Union spielt in den Argumentationen keine wesentliche Rolle. Schließlich kann das häufige Auftauchen des global player in einem Zusammenhang mit der auffällig seltenen, über weite Strecken nicht existenten Thematisierung eines Sozialen

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Global Player EU? Eine ideologiekritische Metaphernanalyse

Europa gesehen werden. Die Erweiterung der Union steht ganz klar in einem Spannungsfeld mit einer Vertiefung und diese gegenläufigen Ziele sind daher auch für Erweiterungsdiskurse relevant und evident (vgl. Wimmel 2006). Insofern ist es bemerkenswert, dass im untersuchten Printmedienkorpus nur ausnahmsweise einzelne Argumentationen in diese Richtung zielen.

3. Die EU als global player – vertiefende Analyse

In der empirischen Analyse hat sich die Metapher des global player insofern als zentral herausgestellt, als sie argumentationsübergreifend, positionsübergreifend und tendenziell weltanschauungsübergreifend als das firmiert, was EUropa sein bzw. werden soll. Zunächst zeigt eine Genese der Metapher und ihr Einsatz in politischer Rhetorik sowie im decision-making nicht nur ihre Provenienz aus dem Bereich des Ökonomischen auf, sondern auch, dass deren massenmediale Verwendung, der Einsatz in politischen Reden, Statements von EU-Spitzenpolitikern und -politikerinnen bzw. -Beratern und -Beraterinnen vorausgeht bzw. damit einhergeht. Im Sinne einer Methodentriangulation werden damit auch Bedeutung und Stellenwert der global player-Metapher in EU-Diskursen überprüft, die sich aus der Medienanalyse ergeben haben. Darauf folgend illustriert eine vertiefende Analyse und Interpretation dieser Metapher deren ideologiekritisches Potenzial, indem einzelne Aspekte und Konnotationen des global player im untersuchten Material fokussiert sowie im Kontext aktueller Entwicklungen und empirischer Evidenzen diskutiert werden. Aus dieser vertiefenden Analyse und Kontextualisierung entwickeln sich drei Argumente: Erstens, dass die Metapher des global player als Trägerfigur neoliberaler Ideologie und zweitens als Trägerfigur hegemonialer Männlichkeit zu betrachten ist, sowie drittens, dass ihr auch bestimmte Logiken der Inklusion und Exklusion eingeschrieben sind, die für neoliberale Transformationsprozesse typisch sind.

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Global Player EU? Eine ideologiekritische Metaphernanalyse

3.1 D er global pl ayer als Tr ägerfigur neoliber aler I deologie 3.1.1 Interdiskursive Hybridität Charakteristisch für die Metapher des global player (oder verwandte Metaphern) ist zudem das Verschwimmen der Verwendungskontexte. D.h., es ist oft aus dem Text heraus nicht klar, ob die Metapher des global player in einer ökonomischen, politischen oder militärischen Bedeutung verwendet wird; teilweise ist sie auch abwechselnd oder mitunter sogar gleichzeitig in Themen rund um Kampf und Konkurrenz, Sport, (Fußball-)Spiel und Fitness eingebettet. Norman Fairclough, ein Vertreter der Kritischen Diskursanalyse, bezeichnet Phänome dieser Art, welche aktuell einen wichtigen Aspekt der Vermarktlichung von Sprache in allen gesellschaftlichen Bereichen (Mautner 2010, 1) darstellt1, als interdiskursive Hybridität (Fairclough 2006, 47; 2003). Diese sei erkennbar als »ways in which social boundaries are blurred in social life [...] and the forms of ’hybridity’ or mixing of social practices« (Faiclough 2003, 35). Interdiskursivität ist »the particular mix of genres, of discourses, and of styles upon which it draws« (ebd., 218), und es ist Teil der Analyse nachzuvollziehen, auf welche Art und Weise diese Genres, Diskurse und Stile verwoben sind (ebd.). Als ein konkretes Beispiel dafür, wie ein solcher »Mix«, eine solche »Hybridisierung«, aussehen kann, führt Fairclough die Werbeanzeige einer ungarischen Stadt an: Indem sich diese Stadt wie ein Unternehmen »promoted« und als attraktiv (für Investitionen, Bewohnerinnen und Bewohner, Touristen und Touristinnen) »verkauft«, und zwar wegen kompetenter, flexibler Arbeitskraft, sich verbessernder Infrastruktur, historischer Plätze, interessanter Architektur usw.), werden die Genres »Stadtregierung« und »Unternehmen« verlinkt (ebd., 34-5). Diese Verlinkung, das Antizipieren von Unternehmenspraxen durch die lokale Stadtregierung, stellt ein Beispiel von Interdiskursivität dar. Diese sei – so Fairclough – typisch für den von Luc Boltanski und Ève Chiapello (2006) so benannten »neuen Kapitalismus« (Fairclough 2003, 35). Insofern lässt sich auch die Metapher des global player als ein Beispiel interdiskursiver 1 | Gerlinde Mautner zeichnet in ihrer Untersuchung das Übergreifen der Sprache des Markts auf die Bereiche öffentlicher Sektor, Bildung, Religion und die persönliche Sphäre (»das Selbst als Produkt und Projekt«) nach (vgl. Mautner 2010) und greift dabei u.a. die Arbeit von Hancock und Tyler auf, die sich anhand von Expertenkulturen mit dem »managerial assault on the symbolic and linguistic domain of the lifeworld« auseinandersetzen (Hancock/Tyler 2008, zit.n. Mautner 2010, 4). Neben den grundlegenden Werken von Faiclough beschäftigen sich etwa auch Prasad und Caproni (1997) mit der Vermarktlichung als gesellschaftlichem Großtrend (nach Mautner 2010, ebd.).

3. Die EU als global player – ver tiefende Analyse

Hybridität begreifen, da im transnationalen politischen Gebilde EU unternehmerische Praxen antizipiert werden. In der Terminologie der kognitivistischen Metapherntheorie wird die Struktur des Quellbereichs Ökonomie auf den Zielbereich Europäische Union projiziert.

3.1.2 Die Karriere des global player im EU-Kontext Die Bezeichnung global player entstammt der Ökonomie – bei Wikipedia ist der Begriff definiert als »Weltkonzern« [...] bzw. als »große, im Zuge der Globalisierung weltweit agierende und verflochtene Konzerne mit großer Wirtschaftsmacht und großem Einfluss auch auf politische Entscheidungen« (http://de.wikipedia.org/wiki/Weltkonzern, Zugriff 16.11.2010).

Der global player im EU-Recht Eine Recherche in EurLex 2 zeigt für die englischen Dokumentenversionen, dass die Metapher des global player ab 1994 bis vor ca. zehn Jahren zunächst ausschließlich als Bezeichnung für internationale Unternehmen aufscheint 3, seit 2001 wird sie auch für die Europäische Union angewandt. Erstmals taucht der Begriff global player im Zusammenhang mit der EU in der Mitteilung der Kommission an den Rat und das Europäische Parlament betreffend die Finanzierung von nichtmilitärischen Krisenbewältigungsmaßnahmen auf (Europäische Kommission 2001, KOM/2001/0647). Während der Begriff zwischen 1994 und 1999 nur vereinzelt zu finden ist, bürgert sich seine Verwendung v.a. in Rechtssachen (regulations, directives, decisions, other acts) und vorbereitenden Dokumenten ab etwa 2000 allmählich ein und steigt ab etwa 2005 sprunghaft an. Ähnliches gilt für deutschsprachige Dokumente, wenngleich die Anzahl der Treffer hier deutlich geringer ist und insgesamt 40 statt 136 Fälle beträgt. Die Entwicklung der Verwendungshäufigkeit verläuft aber in etwa parallel. Tab.2: Der Begriff global player in EurLex 1994-2010 (Deutsche und englische Dokumentenversionen) Jahr

Treffer Englisch

Treffer Deutsch

1994

1

0

1995

0

1

2 | Die Datenbank EurLex enthält alle der Öffentlichkeit zugänglichen Dokumente des EU-Rechts seit 1951 (http://eur-lex.europa.eu/en/tools/about.htm, Zugriff am 16.11.2010). 3 | und zwar erstmals in einer Entscheidung betreffend das Unternehmen Ericsson, das als global player bezeichnet wird (Europäische Kommission 1994).

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Global Player EU? Eine ideologiekritische Metaphernanalyse

1996

0

1

1997

0

2

1998

1

1

1999

3

1

2000

4

2

2001

5

0

2002

1

1

2003

4

2

2004

3

3

2005

11

7

2006

20

7

2007

21

8

2008

33

9

38

9

2009 Quelle: EurLex

Die Verwendung des Begriffs global player im EU-Recht per se kann als Beleg dafür herangezogen werden, dass der Gebrauch der Metapher auch jenseits von spezifischen ökonomischen Diskursen angestiegen ist. Dass die Verwendungshäufigkeit in einem Zeitraum von ca. 15 Jahren deutlich steigt, spricht zudem für eine Verfestigung des Gebrauchs im juristischen Diskurs. Auch in Dokumenten, in denen die global player-Metapher nicht aufscheint, ist deren Logik zentral verankert, etwa in der sogenannten Lissabon Strategie (Europäischer Rat 2000), welche das Ziel formuliert, »die Union zum wettbewerbsfähigsten und dynamischsten wissensbasierten Wirtschaftsraum in der Welt zu machen« (ebd.). Die EU als »Spieler« ist meist im ökonomischen Sinn gefasst, verbunden mit der Idee eines »europäischen Sozialmodells im Dienste des Wettbewerbs« (Altvater/Mahnkopf 2007, 124; 126). In einer Mitteilung der Kommission betreffend den Strategierahmen für vertiefte Partnerschaften in Europa und Asien wird die Metapher des global player ab 2001 auch auf Wirtschaftsräume bzw. Länder angewandt (Europäische Kommission 2001b) – unter anderem beispielsweise im Rahmen der Strategie eines »Global Europe – competing in the world«4 (European Commission 2006d). 4 | Die seit Oktober 2006 veröffentlichten Papiere der Europäischen Kommission (European Commission 2006 a, b, c, d), in denen die Strategie eines »Global Europe – competing in the world« konzipiert wird, enthalten bilaterale und regionale Abkommen und beabsichtigen, »die EU zum ’Schrittmacher’ für globale Unternehmensstandards zu machen und europäische Wettbewerbsregeln in den Zielländern europäischer Ex-

3. Die EU als global player – ver tiefende Analyse

»Um die EU zu einem wirklich bedeutenden, einem ’essential global player’ zu machen«, so Altvater und Mahnkopf, »der sich heute gegenüber den USA und Japan und morgen gegenüber Wirtschaftsmächten wie China und Indien durchsetzen kann, soll die interne und die externe Wettbewerbsfähigkeit europäischer Unternehmen durch ’regulatory convergence’ erhöht werden.« (Altvater/Mahnkopf 2007, 183). Mit »regulatory convergence« sind dabei sowohl Anpassungen an Regulierungsbestimmungen wichtiger Handelspartner gemeint, als auch die Anpassung bzw. Harmonisierung von sozialpolitischen, umwelt- und gesundheitsbezogenen Regulierungen innerhalb der EU, um deren (befürchtete negative) Wirkung auf die globale Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen zu minimieren (ebd.). Angestrebt ist also im Rahmen dieser Handelsagenda die Harmonisierung des Binnenmarkts nach Maßgabe der Lissabon-Strategie und die Kohärenz zwischen externer und interner EU-Politik (ebd., 186), mithin die Stärkung der EU als ökonomischer »Spieler« in einer multipolaren Weltwirtschaftsordnung. Es ist in diesem Rahmen nicht daran gedacht, auch andere Stimmen als diejenigen der Industrievertreter zu hören, ebenso wenig wie Wirkungen und Folgen für Beschäftigung und Umwelt in den Zielländern der angestrebten Handelspolitik in die Überlegungen einbezogen werden (ebd.).

Der global player im decision-making und in politischen Reden In einer soziolinguistischen Untersuchung von Konstruktionen europäischer Identität untersuchen Ruth Wodak und Gilbert Weiss (2001b) den Entscheidungsfindungsprozess im Vorfeld des Beschäftigungsgipfels in Luxemburg 1997. Anhand der Entwicklung eines policy papers zur Beschäftigungspolitik betrachten sie dabei den global player, der in Konkurrenz mit den USA und Japan steht und unterschiedliche Genres von EU-Texten durchzieht (Wodak/ Weiss 2005, 122). Mit Hilfe der Transkripte von Meetings der informellen Beratungsgruppe der Kommission CAG (Competitiveness Advisory Group), in der Verteter und Vertreterinnen von Unternehmen, Gewerkschaften und Politik, zehn Männer und zwei Frauen, das Papier entwickeln und diskutieren, zeichnen sie den Verlauf der Argumentation in dieser Runde von Version zu Version nach. Während sich in der Textpassage zum Arbeitsrecht unlösbare Konflikte ergeben, entwickelt sich in Bezug auf die anderen Themen ein Konsens in Form einer Rhetorik der Globalisierung, welche diese als »natürliches« Phänomen akzeptiert. Spezifische europäische Ideale, etwa der »European Way«, werden in ihrer Funktionalität als Garantie für Europas führende Rolle in der globalen Konkurrenz definiert (Wodak/Weiss 2001, 59). In die Legitimation port- und Investitionsinteressen durchzusetzen, so dass europäische Unternehmen die bestmöglichen Voraussetzungen vorfinden, um ’Weltmarktführer’ zu werden« (Altvater/ Mahnkopf 2007, 183).

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Global Player EU? Eine ideologiekritische Metaphernanalyse

der »neuen europäischen Beschäftigungspolitik« werden neoliberale Elemente integriert, gleichzeitig soll die Unterscheidung des europäischen Selbst von den USA und Japan betont werden. Ökonomische Wettbewerbsfähigkeit und spezifisch europäische kulturelle, politische, soziale Werte gehen demnach eine Mesalliance ein, in der als übergeordnete Bezugsgröße die globale Kompetitivität fungiert. In einer Rede am Europakolleg Brugge im Jahr 2001 rekurrierte der damalige Kommissionspräsident Romano Prodi ebenfalls auf den global player und fasste ihn bereits etwas weiter, d.h. über eine rein ökonomische Bedeutung hinaus gehend: »An enlarged European Union can and must play a global role […] Our security, our well-being and the peace of our continent can only be guaranteed by action on a global scale« (Prodi 2001). Der Erweiterung ist dabei eine wichtige Rolle zugedacht, ablesbar auch an einer Kernaussage der Rede5, die auf EurAktiv, einem europäischen Content-Netzwerk zur Information über EU-Politik, folgendermaßen wiedergegeben wird: »Europe should be a global player, boosted by enlargement« (ebd.). Während sich bei Romano Prodi die Verwendung dieser Metapher noch vorwiegend im Kontext der Vision seines Beraters Jeremy Rifkin interpretieren lässt, welche den »Spieler« eher in globaler Kooperation und einem globalen Netzwerk als in globaler Konkurrenz verortet (vgl. Rifkin 2004), zielt die Metapher in vielen anderen Kontexten primär auf den Konkurrenzaspekt ab. Das zeigt sich im untersuchten Printmediendiskurs, wo sich EUropa analog zu (Investment-) Banken, Versicherungen, Energiekonzernen, Fußballmannschaften, Wettanbietern etc. meist in Konkurrenz zu anderen »playern« bewähren muss. In dieser Bandbreite kommt dann auch die Verzahnung politischer, ökonomischer, militärischer und sportlicher Konnotationen zum Tragen, die mit dem global player (bzw. verwandten Metaphern und Begriffen wie keyplayer, topplayer, Mitspieler etc.) mitschwingen. Diese Vermischung der Konnotationen, zugleich aber auch der Fokus auf der globalen Konkurrenz (und nicht wie bei Rifkin zumindest in einigen zentralen Aspekten auf globale Kooperation bzw. Governance6) erschließt sich auch aus Reden und Interviews von EU- und

5 | In dieser Rede hebt Prodi nicht nur die Rolle der Erweiterung als Auftrieb und Stärkung des global player hervor, sondern er plädiert gleichzeitig auch für einen gemeinsamen europäischen Grenzschutz (ebd.). 6 | »Now, the governance networks are increasingly made up of local, regional, national, transnational and global players, in a myriad of shifting alliances«, schreibt Jeremy Rifkin in European Dream (Rifkin 2004, 227). Wenngleich Rifkin Kooperation ganz allgemein vor Konkurrenz stellt, Empathie vor Interesse etc., so sind seine Bezüge darauf doch widersprüchlich und mitunter wird deutlich, dass dem »Netzwerkmodell« in erster

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nationalen Politikerinnen und Politikern, wie sich etwa aus der weiter unten ausführlich zitierten Passage von Günter Verheugen ablesen lässt. Wie in der Auswertung belegt, wird die Metapher des global player nicht nur bereichs-, argumentations- , positions- , partei- bzw. weltanschauungsübergreifend ins Feld geführt, sondern sie ist mittlerweile so verbreitet 7, dass ihre Verwendung auch – mit oder ohne ironischen Unterton – in kritischer wissenschaftlicher Literatur selbstverständlich erscheint (z.B. Honegger/Neckel/Mangin 2010, 17; Altvater/Mahnkopf 2007, 183). Selbst von NGOs aus dem Bereich der Entwicklungszusammenarbeit wird die Metapher des global player benutzt 8, um auf die politische Verantwortung der Europäischen Union in den Nord-Süd-Beziehungen hinzuweisen bzw. diese einzufordern. Dies ist auch als Beispiel zu sehen, wie »Vorstellungen und Metaphern aus dem ökonomischen Bereich in soziale Bereiche übertragen« werden (Pühl 2003, 120). Die kurze Darstellung der Karriere des global player illustriert, dass seine breite Verwendung im Printmediendiskurs mit dem Einsatz dieser Metapher in Reden, Statements und in Entscheidungsprozessen durch EU-Spitzenpolitiker und -politikerinnen sowie Berater und Beraterinnen einhergeht. Sie belegt zudem deren eindeutige Provenienz aus der Ökonomie. Allmählich findet die Metapher Verwendung für die Europäische Union, wobei der »Spieler« teilweise auch im Rahmen globaler Kooperation und Vernetzung agiert (z.B. bei Prodi). Teilweise, und diese Variante nimmt im Lauf der Zeit überhand, reduziert sich sein Handeln auf wettbewerbliche Aktivitäten. Seine dominante Prägung durch ökonomische Logik lässt sich daran ablesen, dass er ursprünglich ausschließlich multinationale Konzerne bezeichnete. Zugleich wird qua Verweise auf die globale Konkurrenz(-fähigkeit) die Einbettung des Spielers in Globalisierungsdiskurse deutlich.

3.1.3 (Neoliberale) Rhetorik der Globalisierung und Diskurse der Globalisierung – häufige Topoi Topos 1: Rettung des Sozialen durch Wettbewerb Auf die Frage, ob die Kluft zwischen dem Modell einer Freihandelszone und einer politischen Union mit einer sozialen Dimension überwindbar sei 9 , Linie deshalb der Vorzug zu geben sei, weil die Kooperation im globalen Wettbewerb schlicht das effektivere und effizientere sei (Rifkin 2004, 209). 7 | Dies gilt allerdings nicht für alle Sprachen, so dürfte die Metapher beispielsweise in romanischen Sprachen kaum oder gar nicht vorkommen, im deutschen und englischen Sprachraum ist sie jedoch sehr verbreitet. 8 | Vgl. z.B. www.euglobalplayer.org. 9 | Die Frage lautet konkret: »In der EU ist ein Richtungsstreit entbrannt. Auf der einen Seite das vor allem von Großbritannien verfolgte Modell einer Freihandelszone, auf der

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reagiert Günter Verheugen, von 1999 bis 2004 Erweiterungskommissar und danach Vizepräsident der Kommission, zuständig für Unternehmen und Industrie, eine klare Antwort umgehend, in dem er den global player ins Treffen führt: Die Dynamik der Integration ist völlig eindeutig: Sie geht in Richtung eines starken, handlungsfähigen Europa, das sich eine so starke wirtschaftliche Basis schafft, um im schärfer werdenden internationalen Wettbewerb den europäischen Way of Life zu bewahren. Und wir müssen nach außen hin als Global Player auftreten, sonst bestimmen andere über uns, nicht wir selber.« (Interview mit Günter Verheugen, profil vom 27.6.2005)

Auf die nochmalige Nachfrage des Interviewers danach, ob sich Europa nicht zu wenig um soziale Probleme kümmere, weicht Verheugen ein zweites Mal aus, indem er festhält, dass er den Vorwurf der sozialen Kälte durchaus ernst nehme, schließlich aber das Gespräch ganz allgemein auf den technokratischen Charakter der EU lenkt, auf die Sprache und die mangelnde Bürgernähe. Anders als in der Rede Prodis wenige Jahre zuvor, ist bei Verheugen im obigen Zitat der global player ausschließlich in einer kompetitiven Logik verhaftet und zusätzlich mit der Bedrohung von Fremdbestimmung verknüpft. Der Verweis auf den »immer schärfer werdenden internationalen Wettbewerb«, mithin auf externe »Sachzwänge«, auf die (leider) kein Einfluss auszuüben sei, ist in vielen Zusammenhängen als ein wesentlicher Bestandteil (neoliberaler) Rhetorik der Globalisierung und/oder Europäisierung zu werten (vgl. Hay/Rosamond 2002; Rose 2000, 94; Kornprobst/Pouliot/Shah/Zaiotti 2008; Altvater/Mahnkopf 1996). Dabei ist nachvollziehbar, wie diese Rhetorik ihrerseits wieder Realität schafft (Spicer 2008, 95; Fiss/Hirsch 2005, 33; Rosamond 2003, 666; Kornprobst et al. 2008). Mehr oder weniger explizit akzeptiert eine solche Rhetorik den neoliberalen Imperativ des bedingungslosen Vorrangs der Marktkonkurrenz und konstruiert den Topos der »Rettung des Sozialen«, die nur durch dessen Anpassung an die Gesetze der Ökonomie, das bedeutet letztlich durch den Rückbau des Sozialen, möglich sei. Das Soziale müsse gewissermaßen zu seinen eigenen Gunsten an das Ökonomische angepasst werden und macht einen tiefgreifenden Wandel durch, so Rose (2000, 77). Es »muss fragmentiert werden, um den moralischen und psychologischen Pflichtenkatalog des Wirtschaftsbürgers in Richtung auf ein selbstinitiiertes persönliches Fortkommen umzuwandeln. Zugleich muss die Steuerung verschiedener Apparate, die zuvor am Sozialen orientiert waren, nach den Vorgaben eines speziellen Bildes des Ökonomianderen eine politische Union mit einer sozialen Dimension. Ist diese Kluft überwindbar?« (Interview mit Günter Verheugen, profil vom 27.6.2005).

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schen, nach denen des Marktes, umstrukturiert werden.« (ebd., 94) Es wirke hier »eine List der Vernunft: Im Namen des Sozialen höhlt das Ökonomische das Soziale aus« (Fach 2000, 126). Markt, Wettbewerb und Leistungsprinzip werden im Zuge dessen häufig als Lösung bei Gerechtigkeitslücken gesehen. Die Gerechtigkeitslücken selbst erscheinen nach dieser Darstellung als Resultat des Wohlfahrtsstaates selbst (Demirovic 2008, 20). Der Wohlfahrtsstaat wird sowohl ab- als auch zu einem nationalen Wettbewerbsstaat (Joachim Hirsch) umgebaut (Butterwegge 2008, 176; Michalitsch 2006, 127), der nach außen hin die Konkurrenzfähigkeit des nationalen Wirtschaftsstandortes garantieren soll und nach innen die Marktmechanismen und Gestaltungsprinzipien der Leistungskonkurrenz und betriebswirtschaftlicher Effizienz in seinen Organisationsstrukturen implementieren soll (Butterwegge 2008, 176). Im global player bildet sich der Imperativ, das Soziale zugunsten des Ökonomischen anzupassen, prägnant ab. Dieser Imperativ resultiert aus dem Sachzwang der globalen Konkurrenz, und Konkurrenzfähigkeit erscheint als ultima ratio des politischen Handelns.

Topos 2: Sachzwanglogik Die Ubiquität des Wettbewerbs und die programmatische Ansage, dass [a]lle, vom Kleinkind bis zum Rentner, vom Kindergarten bis zum Wasserwerk, sich unternehmerisch verhalten [sollen], […] im Wettbewerb die Erstplatzierten und Exzellenten [sein sollen], niemand und nichts einfach nur gut sein [darf] (Demirovic 2008, 17),

ist Bestandteil einer ideologischen Sachzwanglogik – ideologisch insofern, als sie auf der Vorstellung einer dualen Trennung der Sphären Politik und Ökonomie basiert (vgl. u.a. Hirsch 1995). Diese Sachzwanglogik ist in eine Rhetorik der Globalisierung/Europäisierung eingebettet, der wiederum eine Schlüsselrolle in Bezug auf die Durchsetzung einer Logik des Unvermeidbaren zukommt (Hay/Rosamond 2002, 150). Mit Blick auf das Beispiel der Steuerkonkurrenz unterscheiden Hay und Rosamond drei Analyseebenen der Sachzwanglogik, die auseinander zu halten seien: »(i) the effects of globalization itself; (ii) the effects of having internalized popular constructions of globalization (iii) the strategic and disingenuous appeal to globalization as a convenient justification for unpalatable reforms. All too frequently the second is mistaken for the first; the third discounted altogether.« (Hay/Rosamond 2002, 150)

Zunächst sind also die »realen Effekte« der Globalisierung und die diskursive Konstruktion der Globalisierung auseinander zu halten, bei letzterer geht es

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um das Verstanden- und Geglaubt-Werden10, womit die erkenntnistheoretische Wirkungsebene angesprochen ist. Verstandene und geglaubte diskursive Konstruktionen bilden wiederum die Basis für eine strategische Verwendung, für die Legitimation von politischen Entscheidungen, die folglich im Umkehrschluss »reale« und verifizierbare Effekte schaffen. Die Effekte der Steuerkonkurrenz sind, um das konkret untersuchte Beispiel anzuführen, nicht weniger real, wenn sie auf nachweislich falschen Annahmen betreffend die Kapitalmobilität beruhen (ebd.). Gerade in Bezug auf die Globalisierung als hochgradig komplexem und abstraktem Phänomen wird die zentrale Bedeutung der diskursiven Dimension, des sprachlichen Erfassens dieses Phänomens, besonders sichtbar. Empirische Befunde und mit ihnen theoretische Betrachtungsweisen der Globalisierung variieren relativ stark bzw. widersprechen sich, deutungsdominanten Darstellungen und Metaphern kommt in diesem Kontext besonderes Gewicht zu. So gibt es eine »skeptische Betrachtung« (Fiss/Hirsch 2005, 32), der zufolge die ökonomische Globalisierung nicht neu oder in ihrer Bedeutung übertrieben ist, bzw. der zufolge einzelne Schlüsselaussagen dazu nicht haltbar sind11. Eine andere, gegensätzliche Perspektive wiederum verweist auf Eviden10 | In welchem Verhältnis reale Effekte und diskursiv Konstruiertes stehen, versuchen Fiss und Hisch empirisch zu untersuchen. Sie kommen zu dem Schluss, dass es hier ein »lose coupling« gibt (Fiss/Hirsch 2005, 33; 46). Sie weisen anhand einer Untersuchung des us-amerikanischen Printmediendiskurses zu Globalisierung nach, dass es zwar einen deutlichen Zusammenhang zwischen den feststellbaren makroökonomischen Veränderungen (verstärkte Einbindung der US-Wirtschaft in die Weltwirtschaft, damit verbunden das Wachsen des Volumens der Finanztransaktionen ab 1985), und der Verbreitung und Intensität des Diskurses zu Globalisierung gibt, jedoch die inhaltlichen Ausprägungen und Varianten dieses Diskurses in den Medien keinesfalls in einem nachvollziehbaren Zusammenhang damit stehen. Diese sind vielmehr von einzelnen Akteurinnen und Akteuren, Sprechern und Sprecherinnen und den von ihnen veröffentlichten Positionen geprägt (ebd.). 11 | Unter anderem werden dabei Evidenzen dafür gesammelt, dass der Grad der Globalisierung in wichtigen Aspekten aktuell kaum oder gar nicht stärker ausgeprägt sei als vor dem 1. WK (vgl. die Überblicke bei Fiss/Hirsch 2005, 32; Rosamond 2003, 663-4). Als Vertreter und Vertreterinnen werden hier Paul Hirst and Grahame Thompson, Paul Krugman und Robert Wade genannt bzw. es werden Schlüsselbehauptungen relativiert (vgl. dazu Hay 2002, 253). Beispielsweise, dass die internationalen Kapitalflüsse sich in Wirklichkeit auf die Triade USA, Europa und das Pazifische Asien beschränkten (Hirst and Thompson, nach ebd.), oder dass die ökonomische Integration innerhalb von Regionen größer sei als die internationale (Kleinknecht and Wengel, nach Hay 2002, 253). Die Globalisierung sei in Wirklichkeit mehr Internationalisierung und Regionalisierung, zu diesem Schluss kommen auch Neil Fligstein and Frederic Merand in ihrer Studie,

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zen zur steigenden Mobilität des Finanzkapitals und steigende Investitionen über nationale Grenzen hinweg12 . Der Begriff der Globalisierung erweise sich schon auf der Ebene der ökonomischen Wissenschaft als »umbrella concept«, so Fiss und Hirsch (ebd.), das ganz unterschiedliche Verständnisweisen umfasst. Erst recht divergieren die zugeschriebenen Bedeutungen und Konzepte im politischen und medialen Diskurs, in der Managerliteratur und in der Alltagssprache13. Dass dieses »umbrella concept« Eingang in viele diskursive Felder gefunden hat, stellt, nach Faircloughs Terminologie (vgl. Fairclough 2006), eine hohe Interdiskursivität her, die es wiederum einzelnen Akteurinnen und Akteuren ermöglicht, die genaue Bedeutung anzufechten oder zur Disposition zu stellen. Festzuhalten bleibt also einerseits die Vagheit und die multiple Anschlussfähigkeit des Globalisierungsbegriffs. Andererseits aber auch, wie Fairclough außerdem feststellt, die Dauerhaftigkeit des neoliberalen Diskurses der Globalisierung. Seine Proponenten haben es zuwege gebracht, die Kontinuität ihrer Strategie sicher zu stellen, in dem sie neue Diskurse, etwa denjenigen um die KBE (Knowledge based Economy) integriert und formiert haben14 (Fairclough 2006, 62).

welche die Globalisierung de facto eher als eine Europäisierung ausweist (zit.n. Rosamond 2003, 663). Eine andere Unterscheidung teilt ein in »hyperglobalist« (Triumph des globalen Kapitals als positive oder negative Entwicklung), »sceptical« (die Neuheit der Globalisierung bezweifelnd) oder »transformationalist« (Regionalisierung und Internationalisierung statt Globalisierung) approaches (Held nach Fairclough 2006, 14-5). 12 | Nach Fiss und Hirsch sind unter anderem Barry Eichengreen, Neil Karundaratne, Clem Tisdell und Kenichi Ohmae Vertreter dieser Auffassung (Fiss/Hirsch 2005, 32). 13 | Nichtsdestotrotz gibt es Minimaldefinitionen des globalen Transformationsprozesses, etwa von Janine Brodie: »At a minimum, the many dimensions of contemporary globalization can be subsumed under two related processes – globality, the irreversible forces, many technological, that are breaking down barriers of time, space, and nation […] and globalism, a contestable political posture that promotes a transnational worldview, philosophy of governance and instituional structures […] The prevailing version, neo-liberal globalism, prioritizes economic growth and market logics over all other goals and institutions of governance. With varying degrees of coercion, neo-liberal globalism seeks to enforce privatization, trade liberalization, the deregulation of capital, and the erosion of the public sector and of democratic control on all national politics.« (Brodie 2003, 47) 14 | Die »wissensbasierte Gesellschaft«, deren genaue Bedeutung, so Fairclough, verschwommen und unklar bleibe, sei eine diskursive Strategie für ökonomischen Wandel und fungiere gleichzeitig selbst als diskursiver Knoten, in dem sich andere Diskurse, markiert von »buzzwords« wie Humankapital, intellektuelles Kapital, E-Commerce, Wis-

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Topos 3: Härte im Wettbewerb und Spaß am Spiel Arbeiten zu neoliberaler Rhetorik heben zudem die Verbindung zwischen »Härte im Wettbewerb« und »Spaß am Spiel« hervor. Wolfgang Fach spricht von einer »Grammatik der Härte« (vgl. Fach 2000), die dem »Kult des winner« (Bourdieu 1998, 116) eigen ist. Was für Unternehmen und zunehmend den Staat bzw. den öffentlichen Sektor gilt, nämlich »den Geist des Wettbewerbs [zu] inhalieren«, »sich selbst [zu] härten« (Fach 2000, 118), wird in Analogie auch für Einzelne geltend gemacht. Die Härte wird – unter den Vorzeichen des Empowerment – den (aktivierten) Bürgerinnen und Bürgern zugemutet, die ihre Zukunft in die eigenen Hände nehmen sollen (Fach 2000, 122). Harter und scharfer Wettbewerb bestimmt die Rahmenbedingungen, daran müsse man sich anpassen, so das logische Fazit. Es wird verstärkt gefordert, dass sich Politik und staatliches Handeln auf Entscheiden und Anleiten (ebd., 120) bzw. Aktivieren beschränken sollten, sowie darauf, »Kulturen der Härte«15 zu trainieren und die Bedingungen dafür zu schaffen. Regieren (von Fach im weiteren Sinne von Foucaults Gouvernementalität gefasst) »durch Aktivierung des Engagements, der Kräfte und der Entscheidungsbereitschaft des Einzelnen, durch Förderung des Gemeinsinns, wird so zum Gegenbild einer zentralistischen und bevormundenden Regierung des Sozialen« (Rose 2000, 86).
Ein spezieller Aspekt der Verbindung von Härte des Wettbewerbs und Spaß am Spiel ist die Feststellung, dass Härtung in der Konkurrenz Spaß mache, weil sie zu Höchstleistungen antreibe und zudem das Erfolgserlebnis biete, den Konkurrenten zurückbleiben zu sehen. Folgende Beispiele aus der Literatur illustrieren dies: Die Beamten des öffentlichen Sektors, so ein Experte im Zitat, könnten im Zuge richtiger Innovation erkennen, »dass sie in einer Konkurrenzsituation sehr viel härter arbeiten, dass es ihnen aber auch Spaß macht. Vielleicht hat man diese Leute da hinein gestoßen, aber dann entdecken sie, wie sehr ihre Zufriedenheit steigt. Und ganz unzweifelhaft verrichten sie gute Arbeit. Alle Welt sieht es, weil die Konkurrenten auf der Strecke bleiben« (Experte, zit.n. Fach 2000, 118). Nicht nur Beamte und andere white collar worker werden so auf die allgegenwärtige Konkurrenz hin trainiert, auch Arbeiter und Arbeiterinnen werden darauf eingeschworen, ein winning team zu werden, wie sensarbeiterinnen und Wissensarbeiter, Lebenslanges Lernen, Learning Society etc. verknüpfen (Fairclough 2006, 47). 15 | Dass diese »Kulturen der Härte« im Rahmen liberaler und neoliberaler Wirtschaftstheorie unterschiedlich gefasst sind, führt Wolfgang Fach anhand der Zugänge von Adam Smith (Härte ist naturbestimmt und statisch, in jeder Art von gesellschaftlichen Verhältnissen vorfindbar), Herbert Spencer (naturbestimmt, dynamisch, d.h. sie kommt aber nur in schwierigen, unübersichtlichen Verhältnissen zum Tragen), Alexander Rüstow (Härte ist kulturell bedingt, statisch) und Anthony Giddens (kulturell und dynamisch) aus (Fach 2000, 122).

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Robert Misik am Beispiel der Ford-Werke in Oakville, Ohio, aufzeigt: In einer riesigen, an Sowjet-Zeiten gemahnenden Betriebskundgebung wurden den Beschäftigten die Wettbewerbsnachteile gegenüber Toyota Camry drastisch vor Augen geführt: zu viele Arbeitsausfälle wegen Krankheit, zu geringe Produktivität, deswegen befinde man sich im Hintertreffen gegenüber der Schwesterfabrik in Kansas City (Misik 1997, 32). »Nur wenn härter gearbeitet würde, sei aus Ford-Oakville wieder ein winning team [Hervorheb. i. Orig.] zu schmieden. Dann schlug der Top-Manager den Prediger-Ton an. ’Watch out, Kansas City’, rief er, ’watch out Toyota Camry, here comes Oakville.’ In diesem Moment sprang jedermann auf, die Arbeiter stießen verzückte Schreie aus, applaudierten, warfen ihre Baseballmützen mit dem Ford-Logo in die Luft, und erst nach einigen Minuten ging das Tohuwabohu in laut auf brausender Rockand-Roll-Musik unter«. (ebd., 32-3) Die Prämisse, dass Konkurrenz Spaß mache, kommt auch in der SpielMetapher zum Ausdruck. Sich selbst, ein Unternehmen, Staaten oder die EU als player vorzustellen, weckt unter Umständen mit Spaß und Spiel verbundene positive Affekte, welche als Entschädigung für die Beschädigungen der »Grammatik der Härte« fungieren können. Schließlich sind »ernste Spiele des Wettbewerbs«, in denen sich der männliche Habitus entfaltet (Bourdieu 1997, 203), in spätmodernen Gesellschaften in den Feldern »marktbesessener Ökonomie, anti-sozialer Elitenpolitik, konkurrenzanfachender Wissensgesellschaft, aber auch des technologisch modernisierten Militärs und des Hochleistungssports« beheimatet (ebd.). Das Spiel ist in diesen Kontexten als Strategiespiel oder eben im Sinne von Bourdieus »Spielen des Wettbewerbs« zu verstehen, in denen es um Dominanz geht. Es handelt sich hier nicht um die Konnotationen von Spekulation oder »Zocken«, die der Finanzökonomie zugeordnet werden (vgl. Stäheli 2007)16. Es scheint vielmehr die Globalisierung selbst bzw. der ökonomische Fortschritt als Spiel aufgefasst zu werden, in dem es gilt, Oberhand zu gewinnen oder zu behalten17. Die Konnotation des Spiels wird ferner, wie sich aus der Analyse des Materials ergeben hat, über die global player-Metapher hinaus in einer Reihe von 16 | Stäheli zeichnet u.a. die Unterscheidung zwischen Spiel und Spekulation und die historisch variierenden Bewertungen nach (Stäheli 2007), auch die Kultur der Börse als Machokultur, die auf aggressive Weise Frauen ausschließt (ebd., 274-301). 17 | Auch im Draft des policy papers zur Beschäftigungspolitik, deren Veränderung und Rekontextualisierung Wodak und Weiss nachvollziehen, ist in Punkt drei die Rede von einem Spiel. Nachdem in Punkt eins die Globalisierung als herausfordernd und schmerzhaft gezeichnet wird und in Punkt zwei der ökonomische Fortschritt als Prozess der Zerstörung und Schöpfung von Neuem gefasst wird, heißt es unter Punkt drei: »The pace has become swifter and the game has taken on planetary dimensions« (Wodak/ Weiss 2001, 50).

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Fußballmetaphern deutlich. Die EU als Fußballteam oder Fußballverein, die Beitrittsverhandlungen als Fußballmatch usw. deuten politische Entscheidungsprozesse als Fußballspiel, als ein männliches Spiel des Wettbewerbs, das zudem Männern unterschiedlicher sozialer Schichten und Altersgruppen das kollektive, vergemeinschaftende Ausleben von Emotionen erlaubt (Kreisky 2006, 32-3). Ein weiterer Aspekt der Grammatik der Härte ist die »neue Fitness« (Fach 2000, 116), charakterisiert durch »Fähigkeiten der Beweglichkeit, der Unnachsichtigkeit, des Kommunikativen, der Risikofreude, des Eigensinns, der Durchschlagskraft, der Hellhörigkeit, des Stehvermögens und der Eroberungsgelüste« (Andreas Zielcke, zit.n. Fach 2000, 116). Vor 20 Jahren, so merkt Wolfgang Fach an, wäre eine solche charakterliche Zuspitzung noch Anlass für eine tiefe Besorgnis und eine gesellschaftliche Therapie gewesen, die den sozialen Ausgleich anstrebt (ebd.). Nicht nur der Staat, auch die EU wird in Hinblick auf die Idealeigenschaft der Fitness imaginiert, wie die Analyse des Printmedienkorpus gezeigt hat. Zuweilen ist Fitness auch das einzige Kriterium für einen möglichen Beitritt: die EU müsse für einen Beitritt der Türkei »selbst fit werden«, »bei Neuaufnahmen die eigene Fitness überprüfen«, und auch die Beitrittsfähigkeit der Türkei stellt sich in der Kategorie der Fitness dar, und es wird räsoniert, ob die Türkei »in acht oder mehr Jahren wirklich fit [...] für einen Beitritt« sei (Hubert Wachter, News vom 6.10.2005). Im Anschluss an diese Ausführungen lässt sich die Metapher des global player als ein sprachliches Bild interpretieren, das hegemoniale Subjektivitäten in dieser Metapher der EU abbildet, versehen mit Eigenschaften, die auch dem Ideal des im Wettbewerb erfolgreichen Einzelnen entsprechen. Neben Kompetitivität und Flexibilität schwingt mitunter auch Spaß an der Härte des Konkurrenz-Spiels mit, zudem bringen Fußball- und Fitness-Metaphern Konnotationen neoliberaler Körperkultur ein, die das neoliberale, selbstverantwortliche Individuum um seiner Position in der Marktkonkurrenz und seines eigenen Glücks Willen auf die Optimierung von Gesundheit, Leistungsfähigkeit und Fitness einschwört sowie auf die Norm des schönen, schlanken Körpers (Kreisky 2006a, 226). Im Unterschied zu Metaphorisierungen des politischen Gemeinwesens (»body politics«) handelt es sich hier jedoch eher um einen »body economic« (Sauer 2001b), »in dem alle ’Marktgänger’ sind, in dem der Markt zur ’res publica’ wird (ebd.).

Der global player und andere Metaphern der Globalisierung Die Verwirrung um Fakten zu und Verständnisse von Globalisierung forciert die Verwendung komplexitätsreduzierender Metaphern. Die Tatsache der umstrittenen Verständnisse von »realer« Globalisierung sowie auch die Realität schaffende Bedeutung von Metaphern steht in den Betrachtungen von Korn-

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probst/Pouliot, Shah und Zaiotti im Vordergrund (Kornprobst/Pouliot/Shah/ Zaiotti 2009, 1). Die wesentlichen Vorstellungen von Globalisierung, seien sie affirmativ oder globalisierungskritisch, manifestieren sich als Metaphern, wie etwa jene vom »globalen Dorf«18, welche die gewaltsame Seite der Globalisierung (Demirovic 2008, 28; Butterwegge 2008, 217) ausblendet, oder auch die in globalisierungskritischer Absicht gebrauchten Metaphern vom »globalen Empire« oder der »globalen Apartheid« (Kornprobst/Pouliot/Shah/Zaiotti 2009, 2). Ein anderes Beispiel ist das sprachliche Bild von einem »großen, globalen Rennen« (Roman Herzog 1997, zit.n. Butterwegge 2008, 173), in dem insbesondere der Konkurrenzaspekt zum Ausdruck kommt. Das »globale Rennen« mache eine »Aufholjagd« der als schwerfällig, satt und behäbig charakterisierten Deutschen notwendig (ebd.). Was dem Erfolg in der globalen Konkurrenz andererseits entgegenstünde, so Herzog in einem anderen Zusammenhang, sei das »’verfettete’ Gemeinwesen« (Herzog, zit.n. ebd.). Anders formuliert: »Die Globalisierung setzt Wohlfahrtsstaat und öffentlichen Dienst auf Diät«, so die Wirtschaftspublizisten Klaus Methfessel und Jörg M. Winterberg im Jahr 1998 (zit.n. ebd., 145). Der Staat soll aber nicht nur selbst schlanker und fitter werden, vielmehr ist auch, um in der globalen Konkurrenz bestehen zu können, seine aktivierende Fähigkeit gefragt (Christian Brütt, zit. n.: Pühl 2003, 114; Butterwegge 2008, 185, Sauer 2009). Dem »aktivierenden Staat« stehe jedoch die »soziale Vollkaskomentalität« (Schäuble, zit.n. ebd., 172) entgegen – hier werden weitere Metaphern geprägt, die verdecken, was unter dem Titel der »Eigenverantwortung« an Kürzungen von Sozialleistungen und Verschärfungen von Zugangsbeschränkungen stattfindet. In aktuellen Arbeiten über global politics werden zunehmend Metaphern thematisiert, und zwar sowohl in ihrer Rolle als Werkzeug zur Verständlichmachung globaler Politik als auch in Bezug auf jene Dynamiken und Prozesse, welche nachvollziehbar machen, wie die Metaphern selbst Realität prägen (vgl. dazu im Überblick Kornprobst et al. 2009, 8). Dass die Art und Weise, wie diese sprachlichen Bilder, in diesem Fall Metaphern der Globalisierung, die Realität prägen, sehr vielschichtig und spannungsgeladen ist, zeigt André Spicer exemplarisch in seiner Studie zum Wandel des öffentlichen Sektors am 18 | Dazu Robert Misik: »Wir haben ein Dorf vor Augen, voll mit freundlichen Leuten, Kindern, die auf der Straße spielen oder auf dem Weg zur Schule sind. Doch mit der Realität der Globalisierung hat dies nichts gemein. Das reale ’global village’ ist ein Dorf ohne Straßenbeleuchtung, ohne Regeln und Polizei. Die Kinder gehen nicht zur Schule, sondern sitzen in stickigen Fabrikshallen, um für einen Hungerlohn Teppiche zu flechten, wenn sie nicht am Straßenrand auf Freier warten. In unserem Dorf gibt es keine Demokratie, bloß die großen Händler und Fabrikanten einigen sich [...] auf jenes minimale Maß an Regeln auf das sie sich zu verständigen vermögen.« (Misik 1997, 23)

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Beispiel der nationalen Fernsehanstalt in Australien (vgl. Spicer 2008). Die Rhetorik des globalen Wettbewerbs und des Unternehmertums, in den frühen 1970er Jahren noch ablehnend betrachtet, setzt sich in der betriebsinternen Sprache seit den frühen 1980ern allmählich durch, ersetzt aber nicht einfach die alten Legitimationsmuster, sondern formiert und strukturiert sie um (ebd., 95). Mithin handelt es sich nicht bloß um eine Zäsur, im Zuge derer alte, den nationalen Bildungsauftrag betonende Legitimationsstrategien durch neue, auf die Globalisierung rekurrierende Legitimationen ersetzt werden, sondern es findet eine Transformation statt (ebd.). Alte Ziele werden in Hinblick auf den globalen Wettbewerb neu gerahmt, z.B. indem postuliert wird, man müsse Vereinbarkeiten und Nischen suchen (ebd., 93). Die alte Sprache verschwindet also nicht, sie wird jedoch modifiziert. Dabei seien die auf die Marktkonkurrenz abzielenden Rechtfertigungen durchaus nicht unumstritten, sondern bleiben weiterhin in einem diskursiven Spannungsfeld. Es sei ferner nicht eine Metapher der Globalisierung, welche die Debatte präge, so Spicer, sondern mehrere. Als zentrale Beispiele führt er die Metaphern der Sendeanstalt ABC als global player und als Medienunternehmen an (ebd., 94), wobei die Notwendigkeit der globalen Reichweite und der globalen Einflussnahme zugleich das Einfallstor für die Rechtfertigung von Flexibilisierung der Arbeitskraft und der Arbeitspraxen, also Produktivitätssteigerung durch Rationalisierung und Kooperation, bildet (ebd., 92). In der Verwendung solcher Metaphern sind wiederum zwei Ebenen zu unterscheiden, eine erkenntnistheoretische (verständnisgenerierende, komplexitätsreduzierende) und eine legitimatorische. Einerseits stellen diese Metaphern einen »kognitiven Filter« bzw. einen Rahmen dar, durch den soziale, politische und ökonomische Entwicklungen intelligibel werden, und der ein Repertoire diskursiver Ressourcen in Form von gängigen Narrativen und Verständnisweisen für die politischen Akteure und Akteurinnen bereitstellt (Hay/ Rosamond 2002, 151). »Globalisierung als Rhetorik« hingegen meint die strategische und persuasive Verwendung diskursiver Konstruktionen oder ihrer Kombinationen, um spezifische Handlungsweisen und Entscheidungen zu rechtfertigen (ebd., 151-2). Diese Differenzierung entspricht derjenigen zwischen legitimatorischer und erkenntnistheoretischer Funktion der Metapher und ist auch anhand des global player nachvollziehbar. Als eine Figur, die Konsequenzen und Prozesse der Globalisierung in den Bereich der alltäglichen Erfahrungswelt von Spiel und Konkurrenz projiziert, macht der global player diese Prozesse zugleich für alle verständlich und rechtfertigt den Sachzwang der globalen Konkurrenz als prioritäre Messlatte politischer Entscheidungen. Mit der Herstellung von Intelligibilität und Überzeugungskraft untrennbar verwoben ist die Aktivierung affektiver, körperbezogener Potenziale. Alle drei Wirkungsebenen zusammen festigen den Anschein der Unvermeidlichkeit der Konkurrenzdynamik. Diese scheinbar

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unhinterfragbare Dynamik der Konkurrenz bildet weitestgehend den Hintergrund der analysierten Printmedientexte – und zwar meist unabhängig davon, ob der Fokus auf der Stärkung der politischen, der militärischen oder der ökonomischen Bedeutung liegt. Zugleich ist festzuhalten, dass der Konkurrenzaspekt dennoch in unterschiedlicher Weise nuanciert und auch unterschiedlich stark betont ist: Teils wird die EU als global player (oder Mitspieler, keyplayer etc.) als Gegengewicht und Korrekturfaktor zum »amerikanischen Hegemon« akzentuiert (Georg Hoffmann-Ostenhof, profil vom 20.3.2006; News vom 23.9.2004), teils wird sie mit Konnotationen einer »soft power« versehen (was nur vereinzelt der Fall ist – etwa im Standard, bzw. in Rekurs darauf einmal im profil ). Diese agiert als Kraft der Mäßigung und Stabilität, und wendet als global player (auch) die Gefahr eines Konflikts der Kulturen ab (Joschka Fischer nach Rauscher, Der Standard vom 2.3.2004) bzw. übt qua Prosperität und Frieden eine Anziehungskraft auf die umliegenden aus (ebd.), und zwar als »ein gigantischer politischer und ökonomischer Magnet für seine Anrainerstaaten, ein liberales, demokratisches und auf Freiwilligkeit basierendes Imperium« (Georg Hoffmann-Ostenhof, profil vom 3.1.2005). Andere Passagen wiederum stellen direkt auf einen Kampf um die Dominanzposition ab, was etwa in der Befürchtung zum Ausdruck kommt, die EU »dürfte das historische Kunststück zu Wege bringen, an Überdehnung zugrunde zu gehen, noch bevor sie überhaupt den Aufstieg zur Weltmacht geschafft hat« (Ortner, Die Presse vom 26.4.2005; Ortner, Die Presse vom 14.12.2004;), wenn sie das Erweiterungstempo fortsetze. Dass die US-amerikanischen Eliten der EU die Türkei aufdrängen, sei ein Zeichen, dass sie deren Status als globalen Konkurrenten verhindern wollten. Dass sich Europa dies auch gefallen lasse, zeige wiederum dessen »außenpolitische Impotenz« auf (ebd.). Hier wird eine globale Dominanzposition der EU eingefordert – und es scheint, dass unter der Devise »Supermacht oder Ohnmacht«, also wiederum mit Rekurs auf Sachzwänge, der global player als Trägerfigur europäischer postkolonialer Dominanzansprüche – oder jedenfalls Dominanzwünsche – in Stellung gebracht wird. Welcher Aspekt auch betont wird, so gut wie immer gibt die Konkurrenzdynamik die dominante Grundierung ab. Auch dort, wo die »soft power« angesprochen wird, was ohnehin nur selten der Fall ist, sind das Konkurrenzdispositiv und die damit verbundenen Sachzwänge unverkennbar: eine »soft power« muss konkurrieren können mit militärischer und wirtschaftlicher Stärke (die eventuell aus der Türkei mit ihrer großen Armee und rasch wachsenden Wirtschaft zu beziehen wäre). Sozialstandards, sofern erwähnt, sind der Logik der Konkurrenz untergeordnet, sie firmieren als ein Attribut, das EUropa beson-

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ders von den USA abgrenzt (Rauscher, Der Standard vom 18.6.2005; Rauscher, Der Standard vom 2.3.2004). Die Konkurrenzdynamik als Kern der Metapher des global player erschließt sich insbesondere aus dessen kontextueller Genese: Die Welt der globalen Konkurrenz zwischen multinationalen Unternehmen und zwischen Fußballmannschaften kann, wie oben gezeigt wurde, als Ursprung dieses sprachlichen Bildes der EU gelten. Mit dem Verweis auf »Sachzwänge« wird Realität geschaffen (vgl. Spicer 2008; Hay/Rosamond 2003; Rosamond 2003; Fiss/ Hirsch 2005; Wodak 2001; Fairclough 2003; 2006). Dabei greifen nationale, regionale und globale Ebenen vielfach ineinander, etwa indem die Reorientierung nationalstaatlicher (oder regionaler) Agenden auf Erfordernisse der globalen Ökonomie (Sassen 2006, 22) hin legitimiert wird.

Der global player als verallgemeinerter homo oeconomicus? Die hier in den Blick genommene Quasiperson des global player erinnert an die Figur des homo oeconomicus, die seit den ökonomischen Theorien der Neoklassik in unterschiedlichen Ausformungen als prototypischer ökonomischer Akteur firmiert bzw. als Synekdoche für das ökonomische Subjekt 19 (Michalitsch 2006, 118). Der wesentliche Unterschied zwischen diesen beiden Figuren besteht darin, dass der homo oeconomicus als ökonomisches Leitbild auf den Bereich der Wirtschaft beschränkt ist, während der global player im Sinne der Analyse zwar der Ökonomie entstammt, als Beispiel für interdiskursive Hybridität jedoch ein bereichsübergreifendes Leitbild darstellt. Als wesentliche Gemeinsamkeiten beider Metaphern lassen sich wiederum die Kerneigenschaften der Wettbewerblichkeit und damit verbunden einer bestimmten Form von (Markt)Rationalität herausstellen. In gewisser Weise lässt sich der global player als Verallgemeinerung des homo oeconomicus fassen. Für die Ebene der ökomischen Theorie resümiert Michalitsch, dass sich die neoklassische Analyse, inklusive »integrierte Spezialfälle« aus dem Keynesia19 | Zwar ist das Konstrukt des homo oeconomicus in der ökonomischen Theorie umstritten und wird keineswegs bloß von Außenseitern und Außenseiterinnen der Disziplin kritisiert (Matis 2007, 107; Michalitsch 2006, 118), dennoch ist es bis heute aufgrund der Hegemonie des neoklassischen Ansatzes prägend (Habermann 2008, 130; Michalitsch 2006, 74; Ferber/Nelson 1993, 14; Matis 2007, 107; Aßländer 2006, 133; Nutzinger 2007, 141; Manstetten 2002, 34). In wirtschaftswissenschaftlichen Studiengängen und an Universitäten bildet die neoklassische Theorie die Grundlage der Volkswirtschaftslehre (Michalitsch 2006, 75). Das herrschende neoklassische Paradigma, dessen Kern der einzelne wirtschaftliche Akteur, idealtypisch der homo oeconomicus, bildet (Michalitsch 2006, 72), verfestigt sich mit der Hegemonie des Neoliberalismus und dominiert gegenwärtig nicht nur den wissenschaftlichen Diskurs, sondern darüber hinaus das Alltagsverständnis von Ökonomie (ebd., 74-5).

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nismus, zum herrschenden Paradigma entwickelt und sich mit dem Neoliberalismus verfestigt hat (ebd., 75). Auf ideologischer Ebene (in den Termini der Gouvernementalitätstheorie auf der Ebene der Formierung des Subjekts) stellt der neoliberale homo oeconomicus eine Synthese aus dem neoklassischen Modell und dem erweiterten Modell des Schumpeterschen Unternehmers dar (ebd., 94). Die neoliberale Humankapitaltheorie macht schließlich alle zu Unternehmerinnen und Unternehmern ihrer selbst: »Es kann nicht nur jeder Unternehmer werden, jeder ist [Hervorh. i. Orig.] Unternehmer« (ebd.), soziale Beziehungen werden als Konkurrenzverhältnisse definiert, Selbststeuerung charakterisiert den Markt ebenso wie das Individuum und darüber hinaus wird die Marktförmigkeit zur Existenzfrage (ebd., 94-5). Der homo oeconomicus ist zum Humankapitalisten geworden, das Kalkül bestimmt auch sein Selbst-Verhältnis (ebd., 98). Er ist nicht mehr nur ein Leitbild für Ökonomen, so Friederike Habermann, sondern zum hegemonialen Leitbild aller geworden (Habermann 2008, 170). Zugleich harmoniert die Figur des humankapitalmaximierenden Nutzenkalkulierers im ubiquitären Konkurrenzkampf gut mit den Grundzügen managerialer Logik, die Connell als hegemoniale Grundform der Männlichkeit bezeichnet. Gerade die radikalisierte Version von Gary S. Becker, in der Nutzenmaximierungs- und Wettbewerbsdenken des homo oeconomicus auf restlos alle Lebensbereiche ausgedehnt wird, zeigt dies. Gleichzeitig wird deutlich, dass das von der Neoklassik geprägte, durch den Typus des Schumpeterschen Unternehmers und neoliberales Denken ergänzte und modifizierte hegemoniale Leitbild des rationalen, auf Kompetitivität hin kalkulierenden Wirtschaftssubjekts, das sowohl in der Metapher des global player als auch im homo oeconomicus aufscheint, nicht nur einen Genderbias aufweist, sondern auch andere Subjektivitäten ausschließt. Vor dem Hintergrund der Entwicklung und theoretischen Ausformulierung des homo oeconomicus20 zeigt sich, 20  |  Die »Urheberschaft« des homo oeconomicus wird meist John Stuart Mill zugeschrieben, dessen Theorie zwar dieses Konzept bereits enthält, nicht aber die Benennung (Habermann 2008, 132-3). Oft wird dabei verwiesen auf vorwegnehmende Gedanken und Konzepte bei dem Vertreter der Klassik Adam Smith oder dem Utilitaristen Jeremy Bentham (ebd.). Der Begriff selbst in seiner lateinischen Fassung geht wahrscheinlich auf Vilfredo Pareto im Jahr 1906 zurück, in der englischen Fassung des economic man ist er bei John Kells Ingrams schon etwas früher, im Jahr 1888 zu finden (ebd., 133). Ein grundlegender Unterschied zwischen der Klassik des 18. Jahrhunderts bis zur zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts und der Neoklassik bestand darin, dass in der klassischen Theorie der Bereich der Ökonomie in seiner Verflechtung mit Staat und Gesellschaft gesehen wurde, während die Neoklassik eine »reine«, dem gesellschaftlichen Kontext enthobene Ökonomie dachte (Michalitsch 2006, 72). Diese »reine« anstatt der politischen Ökonomie wiederum fokussierte die Mikroanalyse, das Individuum. Zur Entwicklung des

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dass dieser eng verknüpft ist mit »der Entstehung des weißen, männlichen, bürgerlichen Subjekts« (Habermann 2008, 248). In die Genese des homo oeconomicus ist ein scheinbar neutrales, universelles Verständnis von Rationalität verwoben, das für westlich-okzidentales Denken kennzeichnend ist. Sowohl Adam Smith ging davon aus, dass als nicht-weiß konstruierte Subjekte unfähig zu rationalen Entscheidungen seien (Habermann 2008, 134; 141), als auch Jeremy Bentham, der Bildungsversuche in Kolonien als vergebliche Mühe bezeichnete, da auf »temperament, race, and climate« kein Einfluss auszuüben sei (Bentham, zit.n. Habermann 2008, 150). John Stuart Mill setzte sich zwar gemeinsam mit Harriet Taylor sehr früh für die Emanzipation der Frau ein, die Anderen im nicht-westlichen Sinn bleiben aber auch bei ihm vom Konzept des homo oeconomicus ausgeschlossen, da sie zu unterentwickelt seien (ebd., 159). Aus der Binnensicht der Wirtschaftstheorie könnten aufgrund des methodischen Individualismus strukturelle Diskriminierungen aufgrund von Geschlecht oder Ethnie nicht erfasst werden (ebd., 130), sehr wohl aber durch Kontextualisierung des Leitbildes des homo oeconomicus und dessen Attribuierung. Schließlich ist die Eigenschaft der (ökonomischen, aber auch in einem ganz allgemeinen Sinne gefassten) Rationalität historisch nicht nur männlich, sondern auch westlich-okzidental gefasst. Ein bestimmtes, prägendes Verständnis von universaler Rationalität und Fortschritt, das zudem mit dem Imperativ der Transparenz verbunden ist 21, wird in der europäischen Geistesgeschichte festgeschrieben und mit der angeblichen Irrationalität der Anderen, ihres Denkens und Handelns kontrastiert, seien es »die Orientalen« (vgl. Braun/Mathes 2007; Said 2003/1975; Yegenoglu 1998; Hörner 2001; Schmitz 2006) oder die Kolonisierten aus dem der westlichen Welt gegenüber gestellten »Rest« (vgl. Hall 1994). Sofern man von einer hegemonialen Rationalität in Form einer »Wettbewerbsrationalität« spricht, die sich im homo oeconomicus bzw. im global player manifestiert, so ist eines ihrer Kennzeichen die universelle Gültigkeit bzw. die Bezogenheit aller anderen »Logiken« auf die Wettbewerblichkeit. Zugleich wohnt dem homo oeconomicus seit seinen frühen Anfängen eine klassenspezifische Verortung inne: Bei Adam Smith sind Männer ausdrücklich bürgerliche Männer (Habermann 2008, 137), bei Bentham und Smith ist homo oeconomicus sowie auch zum Bedeutungswandel der zentralen Begriffe »Nutzen« und »Interesse« vgl. u.a. Habermann 2008; Michalitsch 2006; Manstetten 2002; Matis 2007. 21 | Die »westliche Wissensordnung« definiert sich wesentlich aus einer konstruierten Verbindung zwischen Rationalität/Naturbeherrschung – Männlichkeit – Sehen, wie Christina von Braun anhand der christlichen Vorstellungswelt und teilweise Sander L. Gilman anhand zentraler Werke der Aufklärung nachzeichnen (vgl. Braun 2001; Gilman 1992).

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zwar diese Explizitheit etwas zurückgenommen, und der Stellenwert von Erziehung und Bildung betont (ebd., 149; 157), implizit jedoch vorhanden.

Neoliberalismus – Begriffsbestimmung und empirische Befunde Die hier verfolgte Argumentation, dass die Metapher des global player als Manifestation neoliberaler Transformationsprozesse, hegemonialer Männlichkeit und anderer Dominanzverhältnisse im »gesellschaftlichen Imaginären« zu lesen ist, erfordert zunächst eine genauere Bestimmung dessen was unter Neoliberalismus und neoliberalen Transformationsprozessen zu verstehen ist. Zudem macht die Popularisierung des Begriffs Neoliberalismus im Laufe der letzten zwei Jahrzehnte sowie seine häufige Verwendung als politisches Schlagwort (Ptak 2007, 14) eine genauere Definition unumgänglich. Historischer Ausgangspunkt des »neuen Liberalismus« war zunächst die fundamentale Niederlage des Wirtschaftsliberalismus zu Beginn des 20. Jahrhunderts, die in der Weltwirtschaftskrise 1929/32 ihren Höhepunkt erreichte (ebd., 19; 16). Vor dem Hintergrund der Großen Depression fand ein Paradigmenwechsel in der Wirtschaftswissenschaft und der Wirtschaftspolitik statt (ebd., 17) im Zuge dessen die Fähigkeit des Kapitalismus, »die ihm von der Entwicklung gestellten Aufgaben« zu bewältigen (Emil Lederer, zit.n. ebd., 18) fundamental in Zweifel gezogen wurden. Es wurde dabei von endogenen, d.h. in der Struktur des entwickelten Kapitalismus selbst begründeten, Faktoren ausgegangen, welche die Krise verursacht hatten (ebd.). Folglich erachtete man, vorwiegend auf die »General Theory« von John Maynard Keynes gestützt, Gestaltung und Intervention, mithin systematische wirtschaftspolitische Eingriffe als notwendig (ebd.). Die Gegenbewegung der Marktradikalen formierte sich in den 1930er Jahren in Deutschland (Ordoliberale der Freiburger Schule), Österreich (Österreichische Schule der Nationalökonomie), in den USA, angestoßen vom liberalen Publizisten Walter Lippman, und auch in England und Frankreich (ebd., 21), und sie ist von Beginn an eine internationale Bewegung. Vom »alten Liberalismus« unterscheidet sich der »neue« grosso modo durch die Ablehnung des Laissez-faire Prinzips, die Ablehnung der These, dass ein Marktversagen möglich sei, sowie der Ablehnung der konzeptionellen Beschränkung des KostenNutzen Prinzips auf die ökonomische Sphäre (ebd., 27-31). Demnach ist in neoliberaler Denkart die Freiheit des Marktes staatlich abzusichern22, Marktversagen ausgeschlossen und das Kosten-Nutzen-Prinzip auf alle Bereiche des 22 | Auch wenn die Neoklassiker in der Praxis bestimmte Staatseingriffe akzeptierten – der begrenzte »Nachtwächterstaat« musste schließlich auch über Steuern finanziert werden, so unterschätze – laut dem Gros der Neoliberalen – die Neoklassik die ordnende Lenkung des Staates zur Stabilisierung der Marktmechanismen sowie für deren Funktionieren (Ptak 2007, 27).

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Lebens auszudehnen (ebd.). Die internationale Vernetzung von Proponenten des Neoliberalismus fand nach dem 2. Weltkrieg statt, indem zunächst unter der Leitung von August Friedrich Hayek die Mont Pèlerin Society (MPS) gegründet wurde, das in der Folge bedeutendste neoliberale Elitenetzwerk der Welt, bestehend aus Personen aus internationalen politischen, universitären und wirtschaftlichen Institutionen (Walpen 2004, 244), mit dem Ziel, die neoliberale Weltanschauung im Alltagsdenken zu verankern (ebd.; Walpen 2010; 2004). Die Krise des »Fordismus« und die damit verbundenen ökonomischen und technologischen Veränderungen begünstigten die Durchsetzung des neoliberalen Projekts ab den 1970er Jahren (vgl. dazu u.a. Michalitsch 2006, 50). Die Aufhebung von Bretton Woods, das durch Zölle und Quoten nationale Märkte noch schützte und die daraus folgende weltweite Liberalisierung dieser Märkte – transnationale Unternehmensstrategien, regionale ökonomische Integration in EU, NAFTA, Mercosur, stärkere Nachfrageorientierung der Produktion – sowie der Fall des Eisernen Vorhangs als eine mächtige Barriere des Weltmarkts begleiteten diesen Prozess (ebd., 51; vgl. Sassen 2006). Unzählige neoliberale und neokonservative Forschungsinstitute, Netzwerke, Stiftungen und think tanks mit MPS-Mitgliedern in Ausschüssen, Gremien oder Vorständen »überziehen« mittlerweile den amerikanischen und europäischen Kontinent 23 (Plehwe/Walpen 2004, 83-85; Walpen 2004, 244; 399-410). Zudem gewann die MPS an Einfluss durch die Berufung von Mitgliedern in Regierungsämter und die Übertragung von Aufgaben in internationalen Organisationen (Walpen 2004, 244). Im Zentrum der inhaltlichen Fokussierung auf die unbeschränkte Marktgesellschaft und ihre Rechtfertigung stehen die Begriffe Markt, Staat und Wettbewerb (Ptak 2007, 32). Dabei sind Zielformulierungen in Bezug auf den Staat verantwortlich für die relative Breite an Positionen innerhalb des Neoliberalismus (vgl. Walpen 2010), sie reichen von Staatsfeindlichkeit – der Staat wird als Organismus verstanden, der mit dem Sozialismus zusammenhänge, diesen jedoch überdauert habe (ebd., 252) – bis hin zur Forderung weitreichender Interventionen vom Staat, immer im Sinne einer Absicherung des Marktes und seines optimalen Funktionierens (vgl. Walpen 2010). Vehement abgelehnt wird hingegen der »totale Staat«, ein Negativbegriff, geprägt von Carl Schmitt, der für den demokratischen Sozialstaat in der Weimarer Republik (Ptak 2007, 34) und für Schwäche steht (im Gegensatz zum »autoritären Staat«, der als wirklich stark gesehen wurde/wird, und der beispielsweise unter dem Einfluss der Chicago Boys unter Pinochet in Chile verwirklicht wurde – Walpen 2010).

23 | Vereinzelt sind auch Institute in Australien und Südafrika, einige in Asien, hier vor allem in Japan, zu finden (ebd.).

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Der Markt wiederum wird als die zentrale gesellschaftliche Regulationsinstanz verstanden, nach Hayek als »spontane Ordnung«, die nur durch freien Wettbewerb zur Entfaltung kommen könne (ebd., 45), und der sich letzten Endes – wie der Staat – auch das Individuum zu unterwerfen habe (ebd., 58). Der Markt stellt mithin die oberste Instanz dar, wenngleich der Individualismus die wichtigste Säule des neoliberalen Menschenbildes ist (Ptak 2007, 31). Als neoliberale Leitbegriffe fungieren »das Individuum«, »die Freiheit«, verstanden als negative Freiheit, als Freiheit von etwas (Ptak 2007, 62), im Gegensatz zur »Knechtschaft«, die vom Staat ausgehe. Gleichwohl handelt es sich um ein durch und durch instrumentelles Verständnis von Freiheit, in dem die Probleme ökonomischer Macht, die Notwendigkeit materieller Voraussetzungen zur Freiheitsentfaltung ausgeblendet werden (Ptak 2007, 64). »Freiheit beschränkt sich auf die Nicht-Diskriminierung der Marktteilnahme« (ebd.), und der Neoliberalismus entfernt sich somit vollends von den emanzipatorischen Wurzeln des bürgerlichen Liberalismus (ebd.). Eigentlich kehrt er diese um: »Die politische Freiheit, einst die wichtigste Säule der bürgerlichen Revolutionen – wird zur Bedrohung der Marktgesellschaft« (ebd.). Der Neoliberalismus ist somit mehr als die Durchsetzung »der Ökonomie zur Leitwissenschaft und zur Staatsräson« (Sauer 2007, 37), er zielt auf die Gesamtgesellschaft ab. »[N]icht nur der Markt [steht] im Zentrum neoliberaler Konditionen; gleichzeitig stehen vielmehr die gesamte gesellschaftliche Ordnung und mithin der Staat als Steuerungs- und Regulierungsinstanz zur Disposition« (ebd.). Dabei wirkt der Neoliberalismus vor allem auch als eine Ideologie, mittels derer Begriffe wie Wirtschaftlichkeit, Effektivität, Wettbewerb, Flexibilität und Eigenverantwortung zu Imperativen in immer mehr Lebensbereichen stilisiert werden (vgl. u.a. Walpen 2010; Sauer 2008, 19; Butterwegge 2008, 167; Walpen 2004, 196ff.). »Neoliberalismus wünscht die Fortsetzung des Kapitalismus mit marktradikalen Mitteln« (Kreisky 2006, 225), und die Durchdringung aller »Sphären des Lebens, des Arbeitens, Denkens wie des Fühlens, der Psyche wie des Körpers« (ebd.) ist letztendlich Teil der Wirkung des politisch-ideologischen Projekts Neoliberalismus. Zugleich ist »[n]eoliberale Restrukturierung [...] ein immanent vergeschlechtlichter Prozess, der auf einem spezifischen Geschlechterarrangement beruht und dieses zugleich reproduziert« (Sauer 2008, 38). Dies impliziert eine Neustrukturierung der Verhältnisse von Markt, Staat, Privatheit bzw. Familienökonomie, Nationalem und Internationalem (Sauer 2008, 38; Michalitsch 2006, 49), verbunden mit reformulierten Geschlechterbildern auf ideologischer Ebene. Neoliberalismus ist auch als »enormes Projekt der Maskulinisierung« (Sauer 2010, 44) zu sehen. Der Neoliberalismus verbindet sich auch mit anderen ideologischen Elementen bzw. Strömungen, etwa dem Neokonservatismus (Demirovic 2008, 20), und eine seiner Hauptstoßrichtungen, die sich im oben dargestellten Diskurs um Globalisierung und Sachzwang, damit einhergehend in der Metapher

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des global player als zentral herausgestellt hat, ist die Ökonomisierung des Sozialen (Rose 2000; Sauer 2008; Demirovic 2008). Zusammenfassend kann man jedoch »weder von dem Neoliberalismus noch von einer geschlossenen theoretisch-ideologischen Konzeption des Neoliberalismus sprechen« (Ptak 2007, 23), es handelt sich nicht um eine »Theorie aus einem Guss« (Lösch 2007, 221), Neoliberalismus bildet vielmehr ein »widersprüchliches Ensemble von wissenschaftlichen, insbesondere ökonomischen Theorien, staatlichen und zivilgesellschaftlichen Politikformen, Konzernstrategien und Selbst-Praktiken« (Dieter Plehwe/Bernhard Walpen, zit.n. Ptak 2007, 24). Aus internationaler Perspektive lassen sich »varieties of neoliberalism« unterscheiden (Gregory Albo 2005, zit.n. Genetti 2009, 74). Gerade diese Flexiblität ist aber als die historisch große Stärke des neoliberalen Projekts anzusehen (Ptak 2007, 24). Gemeinsam ist den unterschiedlichen Konzeptionen jedoch, dass sie die Herrschaft des Marktes und den Primat der Ökonomie proklamieren (Lösch 2007, 222) und in der Folge eine Gefahr für die Demokratie darstellen bzw. sie zu einer Fassade degradieren (ebd., 282). Unterdessen hat sich die neoliberale Transformation bereits in unterschiedlicher Weise »materialisiert«, empirische Evidenzen dafür finden sich in mehreren Bereichen. Zum einen wird für die Legitimierung der wirtschaftspolitischen Vorgaben der EU häufig auf den Topos des Sachzwangs zurückgegriffen (vgl. Karrass 2008, 243). Der Abbau sozialstaatlicher Standards ist auch ein Prozess, in dem Sachzwänge institutionalisiert werden und wurden (ebd.), was sich zunächst rechtlich in Verträgen, Verordnungen, Richtlinien und Leitlinien manifestiert. Darauf basieren wiederum das politische Handeln auf EU- wie auf nationalstaatlicher Ebene, staatliche Interventionsmöglichkeiten bzw. deren Einschränkung – z.B. bei Sozialausgaben oder Subventionen. Inwiefern das politische Handeln den rechtlichen Vorgaben entspricht, ist indes schwer festzustellen, zumal es nicht genügt, die rechtliche »eins zu eins-Umsetzung« in den einzelnen Mitgliedsstaaten zu überprüfen – schließlich geht es danach vor allem um die tatsächliche Einhaltung des Rechts. Inwiefern die in wirtschaftspolitischen Vorgaben eingelassenen Sachzwänge tatsächlich wirksam geworden sind, lässt sich deshalb selbst in Bezug auf die »präziseste, verbindlichste und mit den schmerzhaftesten Sanktionen ausgestattete Vorgabe«, nämlich das Defizitkriterium 24, nicht genau eruieren. Die Einschätzungen dazu sind recht kontrovers (vgl. die Ausführungen von Karass 2008, 254). Als erfolgreich ist die Institutionalisierung von Sachzwängen aber auch dann zu bezeichnen, wenn die Vorgaben als Legitimation für bestimmte mitgliedsstaatliche Politikmaßnahmen zu nutzen sind (ebd.), und diesbezüglich fällt 24 | Das Defizitkriterium legt eine Grenze von drei Prozent für das Haushaltsdefizit und von 60 Prozent für den Gesamtschuldenstand fest (Europäischer Rat 1997)

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die Bilanz der Wirksamkeit »positiv« aus: Tatsächlich sind, das ergibt die Überprüfung der wirtschaftspolitischen Vorgaben, diese »meist so gefasst, dass sie eine Richtung vorgeben, die Legitimierung der restriktiven Fiskalpolitik über den Sündenbock EU möglich ist, den Politikern aber gleichwohl ein gewisser Spielraum verbleibt« (ebd., 255). Die Rhetorik der Globalisierung schafft also Fakten. Zum anderen wird die Umgestaltung nationaler wohlfahrtsstaatlicher Regimes unter Berufung auf Sachzwänge und andere damit einhergehende ökonomische Imperative (Wettbewerbsfähigkeit, Effizienz, Innovation usw.) legitimiert. Teils lassen sich die auf nationaler Ebene umgesetzten Maßnahmen direkt auf Vorschläge der Europäischen Kommission zurückführen, etwa den im Weißbuch »Wachstum, Wettbewerbsfähigkeit, Beschäftigung« aus dem Jahr 1993 zentral festgeschriebenen workfare-Strategien25 (Michalitsch 2006, 129), teilweise entstehen sie im nationalen Rahmen unter Berufung auf Sachzwänge (vgl. Karrass 2008). Zwar grenzt sich die EU mit Verweis auf einen spezifischen »European way of life« (vgl. Verheugen, profil 27.6.2005) von den USA und dem »American way of life« dezitiert ab, indem ersterer dadurch gekennzeichnet wird, dass EU-Bürgerinnen und EU-Bürger eine soziale Abfederung der Folgen von im Zuge des forcierten Wettbewerbs stattfindender Deregulierung, Liberalisierung und Privatisierung erwarten dürften (Mahnkopf 2007, 92). Tatsächlich jedoch wird »die Idee eines ’sozialen Europa’ im herrschenden Diskurs der EU-Kommission funktionalistisch auf den Beitrag interner Kohäsion für die externe Leistungsfähigkeit ökonomischer Kräfte eingeengt« (ebd., 93). Für einzelne europäische Nationalstaaten ist der Beginn des neoliberalen Transformationsprozesses unterschiedlich anzusetzen. Ihren Ausgang nahm neoliberale Restrukturierungspolitik in Europa mit dem »Thatcherismus« im Großbritannien der 1980er Jahre. In Österreich und Deutschland, nach Esping-Andersen dem korporatistisch-konservativen Typus des Wohlfahrststaats zuzuordnen (vgl. Esping-Andersen 1993), lassen sich erste Anzeichen in Richtung neoliberaler Transformation in den 1990er Jahren erkennen. Markantes Beispiel neoliberaler Politik in Österreich ist die seit 2000 unter Schwarz-Blau/Orange forcierte und beschleunigte Privatisierung von staatlichen Unternehmen, die v.a. durch den Verweis auf den Primat des Schuldenabbaus und die »Entpolitisierung« legitimiert wurde, und die zu einem fast kompletten Rückzug des Staates aus unternehmerischen Tätigkeiten sowie zu einer parteipolitischen »Umfärbung« durch die Hintertür geführt hat 25 | »Workfare« bezeichnet das Zusammenwirken arbeitsmarkt- und sozialpolitischer Restrukturierung, deren Kernelemente Deregulierung, Arbeitskostensenkung, Sozialabbau und Aktivierung sind, somit verknüpft workfare Wirtschaftssteuerung mit individuellem Selbst-Management (Michalitsch 2006, 129).

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(Obinger 2006, 164-5). Konsequenz daraus ist ein zukünftiger Einnahmenausfall für den Staat, drohende »Filetierung« von Betrieben, Abwanderung von Entscheidungs- und Forschungskapazitäten und fortgesetzter Schwund von Arbeitsplätzen in den privatisierten Betrieben (ebd., 166). Ein neues Verständnis von Sozialpolitik, in dem Freiheit und Leistungsbereitschaft sowie private soziale Verantwortung eine wichtige Rolle spielten, realisierte sich in Form eines sozialpolitischen Kurswechsels (Tálos 2006, 204), u. a. in der Pensionsversicherung, gekennzeichnet durch eine Leistungsreduktion und den de facto Übergang zu einem Drei-Säulen-Modell (Tálos 2006, 205), in der Arbeitslosenversicherung durch Leistungsreduktion und substantiellen Rückbau (Fink 2006, 184) sowie im Arbeitsrecht mit dem Verweis auf die Absicherung des Wirtschaftsstandortes (Tálos 2006, 195). Der (rechts)konservative Kurswechsel in der Familienpolitik, die Abkehr vom erwerbszentrierten Karenzgeld (ebd., Michalitsch 2004, 81) wurde inzwischen teilweise revidiert bzw. durch zusätzliche Wahlmöglichkeiten ergänzt. Insgesamt bedeutet die neoliberale Transformation gleichzeitig eine patriarchale Restrukturierung der Geschlechterverhältnisse (Michalitsch 2006, 126), und zwar auf mehreren Ebenen (ebd., 126-145): Die Privatisierung bislang öffentlicher Dienste sorgt für eine Verteuerung unverzichtbarer Versorgungsleistungen und bedeutet partiell eine Verlagerung in die private Versorgungsökonomie (ebd., 127; vgl. Michalitsch 2004), die Differenzen zwischen den Alterspensionen von Frauen und Männern, für Frauen im Durchschnitt ohnehin kaum existenzsichernd, werden sich im Zuge der Erhöhung des Pensionsantrittsalters weiter verschärfen (Michalitsch 2006, 139; 2004, 82), strukturelle Verfestigung der Benachteiligungen von Frauen zeigen sich etwa in der Sozialpolitik (Sieglinde Rosenberger, zit.n. Michalitsch 2006, 133-4), in der Ausweitung atypischer Beschäftigungsformen (ebd., 134) und der Budgetpolitik (ebd., 135). In Deutschland wurden in den letzten Jahren eine Reihe von Maßnahmen und Reformen hin zum »aktivierenden Sozialstaat«, zu »Leistungsgerechtigkeit«, »Privatinitiative« und »Eigenverantwortung« umgesetzt (vgl. Butterwegge 2008, 184; Brütt 2002, zit.n. Pühl 2003, 114). Markante Beispiele dafür sind die Hartz-Gesetze mit ihrem Ziel, nicht die »Fähigkeiten und Fertigkeiten der Bevölkerung ungenutzt zu lassen«, und zwar mittels einer »aktivierenden Sozialpolitik« (Bericht der Hartz-Kommission, zit.n. Pühl 2003, 124), die unter anderem die Förderung der Gründung von »Ich-AGs« beinhaltet (ebd., 126). Als weitere Maßnahmen im Sinne von Deregulierung und »Aktivierung« sowie der Belohnung von »Leistungsträgern«, sind die Einführung der RiesterRente, die eine Teilprivatisierung der sozialen Sicherung, in diesem Fall der Altersvorsorge, darstellt (Butterwegge 2008, 192), die Unternehmenssteuerreform (Erlassen der Erbschaftssteuer bei größeren Familienunternehmen) sowie die Reduktion des Spitzensteuersatzes (ebd., 172) zu betrachten. Das Ge-

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setz zur Absetzbarkeit der Kinderbetreuungskosten ist wiederum ein Beispiel für die Umwandlung von Bedarfs- in Leistungsgerechtigkeit. Besserverdienende »Leistungsträger«, die sich eine Kinderbetreuung leisten können, profitieren überdurchschnittlich von der Möglichkeit der Absetzbarkeit (ebd., 158). Der aktivierenden Arbeitsmarktpolitik ist, wie den meisten anderen Maßnahmen, ein Geschlechterbias unterlegt: Frauen werden als Wirtschaftssubjekte addressiert, familienbezogene Arbeit bleibt ihnen dennoch weiterhin, wenn auch nicht explizit, zugeordnet (Pühl 2003, 124). Die »Unternehmerin ihrer selbst« bleibt auf ihre Anpassung an männliche Normen angewiesen (Sauer 2010, 42). Frauen als Marktteilnehmerinnen finden andere Bedingungen vor als Männer, ihnen obliegt aufgrund der nach wie vor funktionierenden geschlechtsspezifischen Arbeitsteilung die private Hausarbeit, die ihre Flexibilität am Arbeitsmarkt beschränkt, während die Institution des Marktes nicht weniger patriarchal als die Gesellschaft selbst (vgl. Michalitsch 2006) Frauen diskriminiert. Auch in aktuellen Krisenlösungsstrategien wird ein gender-bias sichtbar, etwa indem von der Politik männliche »systemwichtige« Arbeitsplätze gerettet und gestützt werden (durch Unterstützung der Automobilindustrie, Bankenrettungspakete, Kurzarbeitsgeld, Verschrottungsprämie), im Gegensatz zu weiblichen Arbeitsplätzen z.B. im Dienstleistungs- und Pflegebereich, die nicht als systemwichtig gelten (Sauer 2010, 42). Festzuhalten bleibt aber auch, dass es sich bei den exemplarisch und punktuell dargestellten Transformationsbewegungen auch nicht einfach um Beispiele für eine lineare und durchgängige Entwicklung handelt, diese weisen vielmehr unterschiedliche Ausprägungen auf (vgl. Birch/Mykhnenko 2009; Albo 2005).

3.2 D er global player als Tr ägerfigur hegemonialer M ännlichkeit Zwar wird das Geschlecht des global player im Textkorpus nicht oder nur im Ausnahmefall explizit – eine solche Ausnahme ist ein Presse-Artikel, in welchem dem »globalen Konkurrenten« (eine Metapher, die mehrfach synonym zum global player verwendet wird) »außenpolitische Impotenz« zugeschrieben wird (Ortner, Die Presse vom 14.12.2004). Meist erscheint der global player – zumindest vordergründig – geschlechtsneutral. Dass es sich implizit um eine männliche Geschlechtermetapher handelt, lässt sich an der Überlappung mit und der kontextuellen Nähe zu Metapher-Quellbereichen wie ökonomischem und politischem Wettkampf, Sport (besonders Fußballspiel) sowie militärischer Stärke ablesen.

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Die Quellbereiche um Kampf, Sport und Spiel sind eng miteinander verwandt (Rigotti 1994, 52) und männlich konnotiert. Gerade das Fußballspiel sowie der Sport schlechthin sind als Vergesellschaftungsangebot von Männlichkeit zu betrachten (Kreisky 2006b, 32). Der Fußball erweist sich neben Ehe und Familie als männerbündisches »Reservat männlicher Leidenschaft« (ebd.) in einer Welt, in der Männern »meist nur das Ausleben leistungs- und konkurrenzgerechter Emotionen oder [...] nur destruktiver Gefühle« zugestanden wird (ebd.). Gleichzeitig bestimmt sich das Männerbündische über »planmäßige Anordung und Konkurrenz« und stellt eine Form männlicher Vergemeinschaftung dar, die Gemeinsamkeit zwischen Männern aus unterschiedlichen sozialen Schichten und Altersgruppen herstellt (ebd., 33). Die in den Bereichen Kampf, Sport und Spiel zentrale kompetitive Logik in unterschiedlichen Kombinationsformen und Ausprägungen (spielerischer) ökonomischer, politischer und militärischer Stärke verweist unzweifelhaft auf »Männlichkeit«. Der zugrunde liegende Begriff von Männlichkeit stellt dabei nicht auf individuelle, biologische, auch nicht auf positionale Männlichkeit ab, d.h. auf die quantitative Verteilung von Männern auf Entscheidungspositionen in gesellschaftlichen Handlungsbereichen, sondern vielmehr auf die symbolische und soziostrukturelle Dimension von Geschlecht (Sauer 2001a, 51). Kompetitivität und Wettbewerbsorientierung bilden einen wesentlichen Kern männlicher Dominanz, wobei Theoretisierungen von Männlichkeit unterschiedliche Ebenen der Konkurrenz in den Vordergrund stellen. Pierre Bourdieu spricht von den »ernsten Spielen des Wettbewerbs« mittels derer der männliche Habitus26 »konstruiert und vollendet« wird, und zwar in einem »den Männern vorbehaltenen Raum« (Bourdieu 1997, 203). Handlungsfelder dieser Spiele sind Ökonomie, Politik, Wissenschaft, religiöse Institutionen und Militär, aber auch halböffentliche Felder wie Vereine, Clubs etc. Wenngleich die Männlichkeit in Relation zur bzw. gegen die Weiblichkeit konstruiert ist, wird sie im Wettbewerb zwischen Männern konstruiert, »vor und für die anderen Männer« (Bourdieu 2005, 96). Es sei »die Größe und das Elend des Mannes [...], dass seine libido als libido dominandi konstituiert ist, als Wunsch, die anderen Männer zu dominieren, und sekundär, als Instrument des symbolischen Kampfes, die Frauen« (Bourdieu 1997, 215). Damit betont Bourdieu die homosoziale Dimension der Konstitution von Männlichkeit, während die Theorie von Raewyn Connell die heterosoziale Dimension, d. h. die Abgrenzung gegenüber Frauen mehr in den Vordergrund rückt (Meuser 2006, 164) sowie auch die Komponente gesellschaftlicher Transformationsprozesse stärker betont. Rekurrierend auf Gramscis Hegemoniekonzept kristallisiert Connell aus empirischen Analysen biographischer Interviews 26 | Das von Bourdieu in der Klassenanalyse entwickelte Konzept des Habitus (vgl. Bourdieu 2007/1979) wird hier auf das Geschlechterverhältnis übertragen.

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unterschiedliche Formen von Männlichkeit heraus (Connell 2006/1995, 97102): hegemoniale Männlichkeit, die in Führungsebenen von Wirtschaft, Militär und Politik am deutlichsten zu erkennen ist, sich aber keineswegs darauf beschränkt (98), untergeordnete Männlichkeit, v.a. erkennbar in schwuler Männlichkeit und marginalisierter Männlichkeit (z.B. »black masculinity«), die aufgrund der Interaktion der Kategorie gender mit race und class randständige männliche Positionen definieren (101). Der Begriff der Komplizenschaft fasst die Involvierung aller Gruppen von Männern (auch jene, die untergeordneten, marginalisierten Männlichkeiten zuzurechnen sind) in patriarchale Dominanzverhältnisse, indem in Rechnung gestellt wird, dass alle Arten von Männlichkeit 27 einen Vorteil gegenüber Frauen in Form einer »patriarchalen Dividende« bieten (100). Hegemoniale Männlichkeit bedeutet in diesem Verständnis, dass sich alle anderen Formen von Männlichkeit zur hegemonialen Form zumindest positionieren, in irgendeiner Weise darauf beziehen müssen, wenn auch kritisch-distanzierend (Connell/Messerschmidt 2005, zit.n. Meuser 2006, 162). Hegemoniale Männlichkeit als institutionalisierte Praxis ist dabei in einem engen Nexus mit gesellschaftlicher Macht gedacht, die Modifikationen hegemonialer Männlichkeiten im Lauf der Geschichte verlaufen entlang ökonomisch-politischer Transformationen und ihrer sich wandelnden Dominanzstrukturen (Connell 2006/1997, 106-7). Die Eckpunkte markierte zunächst die bürgerliche Männlichkeit, die durch Prozesse der Industrialisierung, Revolutionen und Bürokratisierung der staatlichen Verwaltung allmählich von anderen hegemonialen Männlichkeiten abgelöst wurde, die von Kalkül und Rationalität geprägt und stärker regulativ sind, verkörpert etwa durch den Bürokraten und den Unternehmer (ebd., 106). Mit der Herausbildung von Massenarmeen schließlich findet eine Verschiebung hin zu bürokratisch rationalisierter Gewalt statt, wie sie in Clausewitz’ Über den Krieg zum Ausdruck kommt und sich im Faschismus in eine Männlichkeit wandelt, die für personale Gewalt und die Glorifizierung von Irrationalität steht. Dabei bleibt jedoch der Aspekt der Bürokratisierung von Gewalt erhalten und technische Expertise gewinnt an Bedeutung (ebd.). Die rasche Entwicklung von Wirtschaft und Bildungssystem in der Nachkriegszeit, die damit einhergehende Vervielfachung der Professionalisierung von einzelnen Berufen, die Spezialisierung und Expertise beinhalten, die zunehmende Bedeutung von Informationstechnologie und Technik tragen zur Herausbildung eines neuen hegemonialen Typs von Männlichkeit bei, der um Expertise und technisches Wissen herum organi27 | Die ausgedeuteten Formen von Männlichkeit bilden sich dabei immer in Relation zu anderen Männlichkeiten und zum Geschlechterverhältnis als Ganzem heraus (Connell 2006/1995, 176), sie meinen keine festen Charaktertypen, sondern »Handlungsmuster, die in bestimmten Situationen innerhalb eines veränderlichen Beziehungsgefüges entstehen« (ebd., 102).

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siert ist (ebd., 107). Für die Gegenwart stellt Connell zumindest auf der Ebene globaler Geschlechterordnung die auf den transnationalen Milieus multinationaler Konzerne, von Diplomatie, Militär, internationalen Medien und dem globalen Markt basierende maskulinistische Managementkultur als hegemonial heraus, wobei der Begriff der »hegemonialen Männlichkeit« von »dominanter Männlichkeit« unterschieden wird. Das bedeutet, dass hegemoniale Männlichkeiten nicht unbedingt weit verbreitet und alltäglich sein müssen (Connell/Messerschmidt 2005, zit.n. Messerschmidt 2010), es aber sehr wohl sein können (ebd.), dass jedoch alle anderen Typen von Männlichkeit sich zur hegemonialen Form in Bezug setzen müssen. Zudem werden geografische Wirkungsbereiche von hegemonialer Männlichkeit differenziert (Connell 2005, zit.n. Messerschmidt 2010). Das bedeutet, dass eine »erste« nationale/regionale Ebene und die dort stattfindende Interaktion von Geschlechterordnungen die Basis für die globale Geschlechterordnung darstellt 28. In aktuellen Transformationsprozessen etablieren Deregulierung und Kürzung des Wohlfahrtsstaates nach innen hin die »managerialist agenda« (Yeatman, zit.n. Connell 2006/1997, 110), die im Namen von Effizienz Sozialprogramme wie Gleichstellungsmaßnahmen kürzt und in Männerbeschäftigung investiert, »because of the perceived need to make the country ’competitive in international markets’« (ebd., 110). Gleichzeitig sind aktuell, wie Connell feststellt, männliche Macht und institutionalisierte Heterosexualität umkämpft, Geschlechterrollen sind auch in Veränderung begriffen, die jedoch nicht einfach als Aufweichung oder Verhärtung einheitlicher »Geschlechterrollen« zu begreifen sind, »but as a field of institutional and interpersonal changes through which a multilateral struggle for hegemony in gender relations, and advantage in other structures, is pursued« (ebd., 109). Es gibt demnach nicht nur ein einziges Narrativ von Modernität, sondern einen »gemischten globalen Prozess, der Wellen von Modernität und Modernisierung mit einschließt« (Connell 2010, 21-2). Die internationale Integration des Finanzkapitals etwa bringt eine neue Form modernisierter patriarchaler Männlichkeit hervor, die sich relativ weit von der Macho-Kultur des Börsensaals29 entfernt hat, und kombiniert Toleranz gegenüber Schwulen und Lesben sowie Frauen in Führungs28 | »The gender patterns resulting from these interactions [the interaction, interconnection, and interdependence of nation states and regional gender orders, K.B.] are the first level of a global gender order. They are [regional] patterns but carry the impress of the forces that make a global society.« (Connell 2005, zit.n. Messerschmidt 2010) 29 | Auf der Ebene der Darstellung etwa des Investmentbankings sowie auch auf der Ebene der subjektiven Erfahrungen von Frauen stellt Claudia Honegger jedoch sehr wohl Elemente dieser Macho-Kultur fest, etwa wenn das Bild des Haifischbeckens, das Kampfeslust, Kraft und Verwegenheit suggeriert und mit dem männlichen Begehren nach »gehobenen« sexuellen Dienstleistungen verknüpft wird (Honegger 2010, 162).

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positionen mit konservativen Praktiken und defacto Geschlecherhierarchien, die im Kern dieser unternehmerischen Männlichkeiten verankert sind (ebd., 22). Eine mehrschichtige Bedeutung in gegenwärtigen Transformationsprozessen misst Connell einer bestimmten Fassung von Rationalität zu, die »einen Teil der heutigen Legitimation des Patriarchats [trägt], vielleicht sogar den entscheidenden Teil« (ebd., 201), stellt aber gleichwohl fest, dass hegemoniale Männlichkeit und der Rationalismus der kapitalistischen Berufswelt 30 nicht einfach ineins zu setzen sind (198). Vielmehr wohne etwa der Marktrationalität das Potenzial inne, die Geschlecherhierarchie, auf welcher die hegemoniale Männlichkeit beruht, sogar auszuhöhlen (ebd., 201). Zentraler Bestandteil der unternehmerischen, managerialen Form von hegemonialer Männlichkeit sind in Bezug auf den Körper die Fitness (ebd., 18), allgemein der direkte Wettbewerb mit anderen Männern und Frauen in der »Maschinerie des Managements« (ebd., 21). Es geht darum, »das eigene Leben und die Beziehungen so zu gestalten, dass es möglich wird, ein effektiver Mitbewerber innerhalb der Maschine zu werden« (ebd.), Wettbewerb und Effizienz bilden den zentralen Bezugspunkt aller Lebensbereiche. Michael Meuser schlägt als Kombination zentraler Aussagen von Bourdieu und Connell vor, hegemoniale Männlichkeit als generatives Prinzip zu verstehen, das durch ein doppeltes, die homosoziale wie die heterosoziale Dimension umfassendes Hegemoniestreben gekennzeichnet ist (Meuser 2006, 166-7). In diesem Sinne ist »(beanspruchte) Hegemonie in der heterosozialen Dimension immer auch (symbolischer) ’Spieleinsatz’ in den ernsten Spielen des Wettbewerbs, den die Männer unter sich austragen« (ebd., 167). Der Metapher des global player, die per definitionem dem Imperativ der Wettbewerbsfähigkeit untergeordnet ist, wohnt somit ein wesentliches Konstitutionsprinzip von Männlichkeit inne (nach Bourdieu das wesentliche). Daher ist der global player trotz seiner auf den ersten Blick geschlechtsneutralen Erscheinung auch als eine Geschlechtermetapher zu lesen, die im öffentlichen Raum perpetuiert wird und Geschlechternormen setzt. Er reiht sich somit ein in das Archiv von männlichen Körpermetaphern als Personifizierung von Machtgebilden (Koschorke et al. 2007, 66), als Verkörperung eines Gemeinwesens, das stark ökonomisch determiniert ist, gewissermaßen mehr als »body economic« denn als »body politic« firmiert. Die der Verkörperung von Machtgebilden zugeordnete männliche Stärke kontrastiert Vorstellungen des Kollektiven, z.B. als Masse, die meist effeminiert imaginiert wird. Im Europa-Kontext stellt etwa die Europa aus dem antiken Gründungs30 | Er analysiert unterschiedliche Ausformungen spätkapitalistischer Rationalität, u.a. technische Rationalität in Form von maskulinistisch-hierarchisch strukturiertem Expertentum, intellektuelle Begabung mit der Zuschreibung von »Überdurchschnittlichkeit« (Connell 2006/1997, 190-192).

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mythos, ursprünglich Opfer einer Entführung in einer Serie wechselseitigen Frauenraubs (Münkler 1991, 525) und Symbol für Fruchtbarkeit 31, (Schmale 2005, 14) eine solche Imagination dar. Ähnlich die Erdteil-Allegorie der Europa, welche primär eine darstellerische, attribuierende Funktion32 erfüllt. In dieser Tradition lassen sich die im untersuchten Printmediendiskurs mehrfach auftauchenden Metaphern eines EUropa als Braut oder Verlobte verorten. Wie in der Tradition des Europamythos und der Erdteilallegorie sowie in anderen weiblichen Imaginationen des Kollektiven markieren sie in erster Linie Schwäche und Gefährdung. Europa ist eine Braut oder Verlobte, die sich nicht traut, Nein zu sagen, nicht den Mut zur Trennung (vom Bräutigam Türkei) hat, oder als Metapher in der Tradition der Paradies-Allegorie, wobei EUropa die 31 | Die Europa gebiert in diesem patriarchalen Gründungsmythos drei Söhne, die für Recht, Ordnung und eine Neue Kultur stehen (Angelova 1996, 98-9). In der Renaissancekunst, im 17. und besonders im 18. Jahrhundert waren erotische Deutungen sehr beliebt (in denen Europa zuweilen unbekleidet dargestellt ist), der Mythos wurde aber auch politisch-propagandistisch eingesetzt (vgl. Schmale 2001). Hochzeiten, »aus denen im Erbfall eine ansehnliche Vermehrung des Herrschaftsgebietes hervorgehen sollten« (ebd., 17) erhielten dadurch einerseits einen politischen Sinn (der Fürst nahm Europa zur Braut), gleichzeitig wird der Europamythos für die in den Herrscherhäusern verankerte Idee einer Universalherrschaft über Europa instrumentalisiert (ebd.). 32 | Die Repräsentation von politischen Gemeinwesen durch weibliche Figuren geht mindestens auf die römische Antike zurück, wo die Figur der Roma die Stadt Rom verkörperte. Im Mittelalter wurden Provinzen des heiligen römischen Reichs, im Spätmittelalter Monarchien und Republiken, Städte und Regionen Europas, vereinzelt auch Europa als Kontinent durch Frauenfiguren dargestellt (Schmale 2005, 18). Den frühneuzeitlichen »Urtypus« stellt die Allegorie Europas von Johannes Pusch aus dem Jahr 1537 dar. Die Methode, Europa als Kontinent zu stilisieren und als weibliche Figur zu visualisieren, wurde im 16. Jahrhundert berühmt, ab dem letzten Drittel des 16. Jahrhunderts wurde es üblich, die vier damals bekannten Kontinente als weibliche Allegorien zu visualisieren (ebd., 18f.). Inhaltlich repräsentiert die Erdteilallegorie die Christliche Republik, als die Europa bis ins 18. Jahrhundert verstanden wurde (ebd.) und auf die europäisch-universalherrschaftliche Ansprüche leicht zu projizieren waren (ebd., 20). Die Identifizierung des politisch-mystischen Körpers der Christlichen Republik mit dem geographischen Körper des Kontinents verweist auf eine essenzialistische Konzeption Europas, in der die einzelnen politischen Gemeinwesen der Zeit (Monarchien und Republiken) die Funktion von Körperteilen einnehmen (ebd.). In der konkreten Darstellung wird, indem Spanien das Haupt Europas, das Reich praktisch den gesamten Oberkörper einnimmt, die propagandistische Schlagseite deutlich. Darüber hinaus ist die Allegorie auch als Allegorie des Paradieses zu interpretieren (Pelz, nach Schmale 2005, 20), was auf die damals verbreitete Vorstellung von Europa als paradiesischem und vornehmstem Kontinent verweist.

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gefährliche Eroberung durch den täuschenden, listigen »Macho Türkei« in der Gestalt von Präsident Erdoğan droht. Insofern, als Metaphern EUropas im Zusammenhang der Selbstbehauptung im globalen Wettbewerb männlich konnotiert sind, andere in Kontexten der Gefährdung und Schwäche wiederum effeminiert sind, zeichnet sich der traditionelle hierarchisierte Dualismus ab. Bei genauerem Hinsehen ergibt sich aber doch ein etwas komplexeres Bild. Die Vorstellung von einer »soft power«, die dem global player zumindest fallweise auch zugeordnet wird (bzw. zu seinem Anforderungsprofil gehört), zeigt jedenfalls, dass die Abgrenzung nicht immer so eindeutig ist. Die EU als »soft power«, deren Stärke im Verhandeln, der Kooperation, im Kompromiss sowie in den »materiellen Anreizen« liegt, nämlich der »Anziehungskraft des eigenen Modells als Zone des Friedens« (Der Standard vom 21.12.2004), könne als »Kraft der Mäßigung und der Stabilität« wirken, statt »schlecht überlegte ideologische Kriege [zu] führen wie die USA im Irak« (Der Standard vom 18.6.2005). Sehr wohl liege die Stärke der EU in ihrer »soft power«, heißt es auf den Standard rekurrierend im profil, und in Anlehnung an Robert Kagan wird diese dabei charakterisiert über ihre Anziehungskraft als »ein gigantischer politischer und ökonomischer Magnet für seine Anrainerstaaten«, ein »liberales, demokratisches und auf Freiwilligkeit basierendes Imperium« (profil vom 3.1.2005). Die (geforderten) Qualitäten der EU als »soft power« werden nichtsdestotrotz innerhalb des Bezugsrahmens der Wettbewerbslogik formuliert, nämlich explizit in Konkurrenz zu den USA. Gleichzeitig ist die »soft power« des global player als Ergänzung zur militärischen Stärkung gedacht. Diese Ergänzung lässt sich kontextualisieren durch aktuelle Modifikationen hegemonialer Männlichkeit, die eine Integration »weiblicher Merkmale« wie etwa Emotionalität und Empathie beinhaltet (Sauer 2010, 44). Dem entsprechen etwa auch empirische Hinweise auf eine (partielle) »Feminisierung von Managementstrukturen und -praktiken, verbunden mit einem Abbau von Hierarchien, Teamarbeit und kooperativem Managementstil (McDowell 1997, zit. n. Habermann 2008, 256). Der Ruf nach den »weiblichen Qualitäten« wird z.B. in aktuellen Debatten um die Finanzkrise und deren Vermeidbarkeit laut, es wird spekuliert, dass »Lehman Sisters [...] uns die Krise erspart [hätten]« (Mary Iskenderian, Chefin der Women’s World Bank, zit.n. Honegger 2010, 160), mancherorts wurden als Reaktion auf die Finanzkrise kurzerhand Frauen in politische Machtpositionen gehievt, etwa in Island oder in Litauen33 oder (in Island) als Chefinnen der verstaatlichten Banken eingesetzt (Prügl 2010, 6). Die Debatten insgesamt, die 33 | Sie wurde als »an experienced economist with a black belt in karate« bezeichnet, die Schlagzeile der führenden Zeitung Litauens nach der Wahl von Dalia Grybauskaite lautete: »Lithuania has decided: The country is to be saved by a woman.« (Prügl 2010, 6)

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darin zitierten naturwissenschaftlichen Studien, re-installieren bzw. verstärken vielfach eine binäre Geschlecherordnung, häufig mit deutlich biologistischem Unterton (ebd. 10-12). Es werden in der Medienberichterstattung34 die Mythen des »risk addicted, overconfident, testosterone-driven, and irresponsible macho trader« einerseits und der »risk-averse, considerate, estrogene-tamed, and responsible female« gezeichnet (ebd., 17). Nach dem Prinzip »add and stir« soll hier essentialisierte Weiblichkeit zur Problembehebung und Stabilisierung der bisherigen Ordnung eingesetzt werden (ebd.). Gleichzeitig findet eine Ausweitung hegemonialer männlicher Subjektivität auf Frauen statt, bei der es darum geht, auch Frauen »fit für den Markt zu machen« (Schunter-Kleemann 1997, zit.n. Habermann 2008, 258). Das männliche Modell des homo oeconomicus wird auf Frauen ausgeweitet, indem das Marktprinzip von Männern wie Frauen verinnerlicht und unternehmerisches, maskulin kodiertes Verhalten für beide Geschlechter grundlegend wird (Pühl/ Wöhl 2003, zit. n. Habermann 2008, 263), gleichzeitig wird die »Effizienzkultur« auf die Privatsphäre ausgeweitet (Hochschild 1997, zit. n. ebd.). Insofern kann von einer teilweisen Annäherung an das alte »Ein-Geschlecht-Modell« (vgl. Laqueur 1992) gesprochen werden, bei gleichzeitiger Beibehaltung essentialisierter, oft biologisierter Geschlechtsunterschiede (Habermann 2008, 257), die auf Ebene politischer und ökonomischer Restrukturierungsprozesse als Ressource fungieren bzw. ins Kalkül gezogen werden (Pühl 2003, 118). Das soziale Ein-Geschlecht-Modell geht somit einher mit einem ausgeprägten körperlichen Differenzmodell: handeln wie ein echter Mann, aussehen wie eine echte Frau (Wolf 1990, zit. n. Habermann 2008, 257). Die Ausformulierung des global player als »soft power« ist vor diesem Hintergrund als Entwicklung hin zur Integration weiblich konnotierter Eigenschaften ins männliche Ideal zu deuten. Eher weiblich konnotierte Eigenschaften wie Kooperation, Kompromiss und Verhandeln werden in die männliche Geschlechtermetapher inkorporiert, ohne dass die grundlegende maskulinistische35 Ausrichtung dadurch in Frage gestellt würde. Der global player ist eine Geschlechtermetapher und verkörpert hegemoniale Männlichkeit auf der Ebene des Imaginären im öffentlichen Raum, gleichwohl schließt er als imaginäres Subjekt auch Frauen ein, denn »Männlichkeit ist [...] nicht mehr exklusiv, sondern bestimmte Merkmale wurden verallgemeinert und somit zugänglich, ja sogar zwingend für alle Männer und Frauen, gleichsam als die einzige Form, um als Person, als (Wirtschafts-) BürgerIn 34 | Die Untersuchung von Prügl basiert auf englischsprachigen Medienartikeln zwischen 2007 und 2009 (Prügl 2010, 4). 35 | Der Begriff Maskulinismus meint im Unterschied zu Männlichkeit »die Ebene der ’Ideen und Idole’ der Wertpräferenzen und Symbolordnungen – der Konstruktion« (Sauer 2009, 128).

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wahrgenommen zu werden: Das Denken in Wettbewerblichkeit, in Effizienz und Effektivität, Kompetitivität und Entsolidarisierung wurde im Zuge neoliberaler Umgestaltung der westlichen Gesellschaften für alle Menschen selbstverständlich, d.h. zur hegemonialen Subjektivierungsform.« (Sauer 2010, 44) Insofern ist die Metapher des global player als Ausdruck maskulinistischer Ideologie zu lesen.

3.3 D er global pl ayer im K onte x t von L ogiken der I nklusion und E xklusion Die argumentativen Topoi, die sich in der Untersuchung herauskristallisierten, weisen unterschiedliche Logiken der Inklusion bzw. Exklusion auf. Einerseits finden sich – sowohl in pro- als auch in kontra-Argumentationen – oft universalisierbare Werte und Standards wie Menschen- und Minderheitenrechte, demokratische Standards und Rechtsstaatlichkeit als Messlatte für die Befürwortung oder Ablehnung eines Türkei-Beitritts. Besonders häufig kommt eine solche Argumentation in Metaphern um Schule und Pädagogik zum Ausdruck, welche die Beitrittsambitionen der Türkei metaphorisch an schulische Leistungen knüpft. In der Gesamtbetrachtung nehmen allerdings Argumentationen dieser Art wenig Raum ein, was den österreichischen Printmediendiskurs sehr stark vom französischen unterscheidet (vgl. Bischof/ Oberhuber/Stögner 2010). Deutlich häufiger sind essentialisierende Darstellungsweisen, die eine in (politischer) Kultur, Geschichte und »Mentalität« wurzelnde, wesenhafte Andersheit der Türkei unterstellen, wobei der Islam und ein bestimmtes, daran geknüpftes Geschlechterverhältnis meist den Kern der Alterität markieren (vgl. ebd.). Deutlich wird das etwa in plakativen Gegenüberstellungen von einer für EUropa in Anspruch genommenen »Kultur der Aufklärung« und einer »Kultur des Harems«, für die angeblich die Türkei steht, oder von (europäischer) Demokratie versus »islamisch orientalischer Despotie«. Deutlich zeichnen sich darin »alte« orientalistische Stereotype ab, in denen eine West-Ost Dichotomisierung durch simplifizierende Gegenbegriffe wie Moderne versus Tradition, Demokratie versus Despotie, Rationalität versus Irrationalität, europäische Säkularität versus Islam unterlegt ist. Diese essentialisierende, meist mit einer Ablehnung eines Türkei-Beitritts einhergehende Argumentation manifestiert sich häufig in Organismus- und Körpermetaphern, besonders solche um Familie und Beziehung, in Metaphern um Inszenierung und Show oder in derjenigen des (Christen-) Klubs. Im Kontext des Türkei-Beitrittes sind die Otheringmechanismen vielfach von orientalistischen Elementen und Semantiken geprägt. Der Topos von Täuschen und Tarnen gehört dazu (die Türkei als täuschender Eroberer Europas) oder der Topos eines irrationalen und erotisierten Anderen (»die Kultur des Harems«, an der

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die Aufklärung vorbeigegangen ist). Sehr präsent im Rahmen essentialisierender Argumentationsmuster (allerdings auch im Rahmen aller anderen) sind Bedrohungsszenarien, die auf die über Jahrhunderte tradierte Bedrohung der Türkenbelagerung rekurrieren. Sie erzählen von einer drohenden Einnahme Europas bzw. Österreichs und imaginieren einen »Türkensturm«, einen »Türkenkrieg«, ein nach Europa migrierendes »Heer anatolischer Bauern« u.v.m. (ebd.). Die aggressivsten Formen der essentialisierenden Exklusion finden sich in Natur- und Tiermetaphern. Die Rede von »islamischer Unterwanderung«, von Islamisten, die sich in Europa »eingenistet haben«, von der Türkei als »Laus im Pelz« oder als »Kuckucksei im Nest« knüpft unverhohlen an historische rassistische Diskurse an. Sowohl essentialisierende wie auch universalisierende Varianten rücken die Kompatibilität, die ausreichenden Voraussetzungen der Türkei ins Blickfeld. Andere Argumentationsmuster setzen als zentralen Bezugspunkt für Einschluss oder Ausschluss das Ziel, den sogenannten »Kampf der Kulturen« zu entschärfen oder zu vermeiden, ein (europäisches) Friedensprojekt zu stärken und damit langfristig sicherheitspolitische Risiken zu minimieren. Andersheit kann darin als etwas Wesenhaftes wie auch als etwas gesellschaftlich und historisch Gemachtes aufgefasst werden. Am ehesten kommt dies in Metaphern um Haus und Gebäude (»der Türkei nicht die Türe vor der Nase zuknallen«) oder in Brückenmetaphern zum Ausdruck. Sehr stark repräsentiert sind Argumentationsmuster, die Kosten und Nutzen von Inklusion bzw. Exklusion abwägen und den Beitrag des Anderen zur Stärkung des Eigenen (EUropas) zum Kriterium für die Befürwortung oder Ablehnung eines Beitritts machen. Auch im Zuge dieser Logik scheinen orientalistische Stereotype auf, z.B. wenn die Türkei als Ressource gefasst ist (als »Jungbrunnen«, »frisches Blut«), die EUropa zu neuer Kraft und Stärke verhelfen und vor einer (kulturpessimistisch gefärbten Vorstellung der) Schwächung durch »Vergreisung« bewahren könne. Diese spezifische Logik der Kosten-Nutzen-Abwägung tritt deutlich in der Metapher des players zu Tage, der zufolge alles willkommen ist, was der Stärke (=Konkurrenzfähigkeit) des Spielers förderlich ist. Diese Metapher findet sich auch in den anderen Argumentationslinien, insbesondere an den Schnittstellen unterschiedlicher Argumentationslinien. Das Wunschbild des global player drückt wirtschaftliche Stärke, aber auch militärische und politische Stärke aus – auch im Sinne einer soft power zur Durchsetzung von Menschenrechten und zur Vermeidung eines Kampfes der Kulturen – und setzt gleichzeitig die Logik der Wettbewerbsfähigkeit als zentral für alle diese Bereiche. Wenngleich der global player durchaus auch im Kontext alter orientalistischer Vorstellungen situiert ist, die ein Kosten-Nutzen-Kalkül implizieren (wenn etwa das Andere als Ressource fungiert), so markiert m. E. der zentrale Stellenwert des Kriteriums der Funktionalität des Anderen für das Eigene, konkret in Hinblick auf die

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Wettbewerbsfähigkeit des Eigenen dennoch einen neuen Aspekt gegenwärtig wirksamer Logiken von Inklusion und Exklusion.

3.3.1 Der Beitrag zur Wettbewerbsfähigkeit als Kriterium der Inklusion und E xklusion In der metaphorischen Logik des global player verschiebt sich also der legitimatorische Fokus von Ein- bzw. Ausschluss vom Kriterium der Passfähigkeit des Anderen hin auf das Kriterium der Funktionalität des Anderen in Hinblick auf die Kompetitivität der EU. In öffentlichen Debatten findet zunehmend deutlich beobachtbar eine Binnendifferenzierung von Migration sowie Migrantinnen und Migranten in »gute« und »schlechte« statt (für Deutschland siehe u.a. Castro Varela/Mecheril 2010, 31; für Österreich vgl. u.a. Ataç 2010). Dabei wird unterschieden zwischen solchen »die wir brauchen« und »Migranten und Migrantinnen, die wir nicht brauchen«, darunter diejenigen, die Asyl missbrauchen (Ataç 2010). Damit geht, so lässt sich in Hinblick auf aktuelle Diskussionen in Österreich feststellen, eine Polarisierung zwischen den erwünschten, am Arbeitsmarkt gefragten und wettbewerbsfähigen Migranten und Migrantinnen (die gut ausgebildete Schlüsselkraft wie beispielsweise der indische Computerspezialist) und den unerwünschten, am Arbeitsmarkt schlecht positionierten Migrantinnen und Migranten einher. Als letztere firmieren Stereotypen wie der »anatolische Analphabet«36, kriminalisierte Asylwerberbende wie der »afrikanische Drogendealer« oder »anpassungsunwillige Kopftuchträgerinnen«. Diese Instrumentalisierung von Zuwanderinnen und Zuwanderern setzt, so Maria do Mar Castro Varela und Paul Mecheril, Migranten und Migrantinnen dem Druck aus, ihre Anwesenheit durch ökonomische Effekte zu legitimieren. Zuschreibungen und Anforderungen dieser Art knüpfen einerseits an alte rassistische und koloniale Bilder an, welche auch die potenzielle »Gesellschaftsschädlichkeit« und »Überflüssigkeit« der Anderen erzeugen (Castro Varela/Mecheril 2010, 31). Andererseits beinhalten diese aktuellen Zuschreibungen neue Aspekte, die über die Logik von Inklusion und Exklusion des kolonialen Rassismus, aber auch der sogenannten Gastarbeiterpolitik hinausgeht. Während die koloniale Logik den Nutzen des Anderen vor allem als Ressource, als Rohstoff fasst und das »Gastarbeiterregime« auf den Nutzen und die flexible Nutzbarkeit der unqualifizierten Arbeitskraft von Migrantinnen und Migranten abstellt, so sind in aktuellen Varianten besonders Leistungsfähigkeit wie Leistungswilligkeit – mithin das Entwicklungspotenzial der einzelnen qualifizierten Arbeitskraft – im Kontext internationa36 | So bezeichnete die ehemalige österreichische Innenministerin Maria Fekter (manche) türkische Migranten, Der Standard vom 13.10.2010.

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len Wettbewerbs angesprochen. Diese diskursive Verschiebung ist im Kontext neoliberaler Transformationsprozesse zu lesen, die sich auch auf rechtlicher und Policy-Ebene manifestieren. Der »Wettbewerb um die besten Köpfe« (battle for brains) zur Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit der EU hat sich unter anderem in einer EU-Richtlinie von 200937 manifestiert (Menz 2011), die den begünstigten Zugang für hochqualifizierte Drittstaatsangehörige regelt. Der EU-Richtlinie folgte in Österreich die Rot-Weiß-Rot Card. Als Beispiel dafür, wie sich neoliberale Diskurse auch im Fachdiskurs um Integration manifestieren, analysiert Gerhard Hetfleisch die – im deutschsprachigen Raum stark rezipierte – Integrationstheorie von Hartmut Esser (vgl. Hetfleisch 2013; 2010). Dabei zeigen sich deutliche theorieimmanente Widersprüche zwischen der Annahme einer in Bezug auf Marktprozesse neutralen Ethnizität und einer gleichzeitigen theorieimmanenten Kulturalisierung ethnischer Gruppen (vgl. Hetfleisch 2010). Dass die Frage der Anpassung an die Marktrationalität (anstatt der Anpassung an eine »Kultur«) zum zentralen Topos wird, bedeutet also nicht, dass biologistische und kulturalistische Ausschlussmechanismen obsolet wären, es verschiebt sich jedoch der Fokus. Einerseits wohnt dieser Modifikation von Ein- und Ausschlusskriterien also die Abwertung bestimmter, nicht (ausreichend) markt- bzw. wettbewerbskompatibler Formen und Gruppen des Anderen/von Anderen inne. Andererseits bietet sie auch Chancen. Die Betonung von Leistungen und Fähigkeiten von Migrantinnen und Migranten kann auch die vielfach kritisierte Problem- und Defizitfixierung im Sprechen und Denken über Migration und Migrierte und die damit häufig einhergehende Viktimisierung aufheben bzw. lockern, positive Bilder und Handlungsspielräume entstehen lassen. Ähnlich wie in Bezug auf das Geschlechterverhältnis, wo sich neoliberale Transformationsprozesse mit feministischen Kritiken am paternalistischen Staat kreuzten und diese teilweise vereinnahmt haben (Fraser 2009, 108), ist auch die hier diskutierte Modifikation von Ein- und Ausschlusskriterien migrantischer Anderer im Kontext neoliberaler Transformationsprozesse ambivalent. Der Mechanismus von Inklusion und Exklusion, der in der metaphorischen Logik des global player zum Ausdruck kommt, ist hierfür bezeichnend.

37 | Die Richtlinie 2009/50/EG des Rates aus 2009, kurz »Blue-Card-Richtlinie« regelt die Zulassung hochqualifizierter Drittstaatsangehöriger und ihrer Familienangehörigen zur Ausübung einer hochqualifizierten Beschäftigung in einem Mitgliedstaat, http:// www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXIV/I/I_01092/fnameorig_209633.html (Zugriff, 23.4.2013).

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3.3.2 Wettbewerbsfähigkeit und Diversität In der Europäischen Union wird in den letzten zehn Jahren auf der Ebene politischer Aktivitäten und Initiativen Diversität thematisiert, etwa im Rahmen der Europäischen Jahre des »Interkulturellen Dialogs« (2008) sowie der »Chancengleichheit für alle« (2007), auf rechtlicher Ebene wird die Förderung von Diversität und Antidiskriminierung festgelegt 38 (Sauer/Wöhl 2008, 249; Verloo 2005, 212). Damit wird die Wichtigkeit der Sensibilisierung für Diskriminierungen betont und die Notwendigkeit, Diskriminierung auf individueller Ebene zu bekämpfen, Barrieren und Unterrepräsentanz entgegenzuwirken und ganz allgemein Diversität als Ressource sichtbar zu machen (Wladasch/ Liegl 2009, 20). Als Ziel dieser Antidiskriminierungspolitik firmiert, den »Anderen« in der Gesellschaft Raum zu geben, die Entwicklung ihrer Talente und Fähigkeiten zu ermöglichen (Salojee, zit.n. Liegl 2010, 359). Als »Andere« sind dabei jene gefasst, die nach Ethnizität, Geschlecht, Religion, Alter und sexueller Orientierung Gefahr laufen diskriminiert zu werden. Die Kategorie Klasse bzw. soziale Schicht ist nicht inkludiert. Zweifellos wird die hartnäckige Problem- und Defizitfixierung im Blick auf die migrantischen Anderen (vgl. dazu u.a. Terkessidis 2010) im Rahmen der Diversitäts- und Antidiskriminierungspolitik gelockert, in dem das Positive, das Potenzial hervorgehoben wird. Gleichzeitig ist diese positive Perspektivierung sehr häufig auf ein spezifisches Ziel hin gerichtet, nämlich die Wettbewerbsfähigkeit. Dies zeigt unter anderem das Beispiel der Diskussion einer informellen Beratungsgruppe der Kommission CAG (Competitive Advisory Group)39, die im Rahmen einer soziolinguistischen Studie über die diskursive Konstruktion EUropas untersucht wird (vgl. Wodak 2007). Diese Diskussion dient als ein Beispiel dafür, wie und in welchem thematischen Kontext der Begriff Diversität geprägt wurde, der etwa seit Ende der 1990er Jahre auf EUEbene gängig ist. Die Beratergruppe diskutiert im Vorfeld des Beschäftigungsgipfels in Luxemburg, dass eine wettbewerbsfähige Wirtschaftspolitik, die mit den USA und Japan konkurrieren könne, auch die Festigung grundlegender, 38 | Vgl. Artikel 13 des Vertrags von Amsterdam mit den »Anti-Diskriminierungsrichtlinien«: Richtlinie 2000/43/EG, Richtlinie 2000/78/EG und Richtlinie 2002/73/EG. 39 | Die CAG ist zusammengesetzt aus hochkarätigen Experten und Expertinnen, die transnationales Wissen und Expertise repräsentieren, sie wurde vom ehemaligen Kommissionspräsidenten Jacques Santer eingeladen und fällt hinter verschlossenen Türen Entscheidungen (Wodak 2007, 76). Die CAG besteht aus 13 Mitgliedern – Politikern, Wissenschaftern und Vertretern von Gewerkschaften und Arbeitgebern – die Hauptauswahlkriterien sind Funktion und Expertise, gleichzeitig wird eine Balance zwischen den vertretenen Mitgliedsstaaten angestrebt. Das gegenständliche Treffen fand 1997 statt, um ein policy-paper zu Beschäftigungspolitik zu erstellen.

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spezifisch europäischer Werte benötige, darunter neben Demokratie, Gerechtigkeit, sozialer Wohlfahrt und Gleichheit auch Diversität. Kurz: Es ging um europäische Identität und deren Werte (»Wertegemeinschaft«) in Hinblick auf die Anpassung an die Erfordernisse des globalen Wettbewerbs (ebd.). Diversität wird dabei, das geht aus der Diskussion hervor, auch vom Erbe EUropas kolonialer Vergangenheit in der Welt abgeleitet, diese sei ein gegenüber den USA und Japan zu nutzender Vorteil bei der Marktöffnung. In genau diesem Kontext wird auch Diversität als Stärke definiert40. Wenngleich auch Auseinandersetzungen zivilgesellschaftlicher Akteurinnen und Akteure den Diversitätspolitiken eine Basis für die Antidiskriminierungs- und Diversitätspolitik bilden, so wird dabei der feministische Intersektionalitätsdiskurs kaum aufgegriffen (Sauer/Wöhl 2008, 249-50). Unterschiedliche Diskriminierungsgründe werden behandelt, deren je spezifische Eigenheiten jedoch nicht in den Blick genommen. Die Antidiskriminierungspolitik, so Mieke Verloo, bildet einen moderaten und moderierenden Rahmen zur Abmilderung offensichtlicher Benachteiligung, Machtstrukturen werden jedoch kaum thematisiert (Verloo 2006, 222). Die Verschiebung von Gleichheit hin zu Diversität drängt das Prinzip der Umverteilung in den Hintergrund zugunsten der Anerkennung von Unterschiedlichem (Sauer/Wöhl 2008, 267). Diese wird im Kontext der EU-Governance positiv integriert, während soziale Aspekte negativ integriert und bloß koordiniert werden (Wöhl nach ebd., 268). »[D]er Diversitätsdiskurs verknüpft den Differenzgedanken mit einer neuen Strategie der Ungleichheitspolitik« (ebd., 267), gleichzeitig wird die diskursive Negierung sozialer Ungleichheit in die Mitgliedsstaaten hineingetragen (ebd., 267). Sauer und Wöhl argumentieren in ihrer staatstheoretischen Analyse der 40 | M9: »I think, another strong point, em, which we’re just beginning to see, is in the context of a global market place. Em, Europe’s historical positioning around the world. And the fact that uniquely in terms of the main blocks of economic activity, the United States, Europe and Japan, em we in Europe are best positioned to cover the world with cultural and commercial links. […]… you take Spain, I mean, Spain has rediscovered a Hispanic market which extends not just throughout most of Latin America, but also, of course, in the United States. Em, and we are beginning to find in other parts of the world that we have links, which are old links … But we got to capitalise it, and use it. Paye: Just, a, a sentence adding to that point. European is more international than, than other ones, and… M9: Exact, and it’s very much easier as a European to develop commercial partnerships outside your domestic country than it is for Americans, or Japanese. … M4: … maybe, our diversity … M9: … that too … M3: Diversity is a richness, not a weakness, to a large extent.« (Wodak 2007, 77-8, Hervorh. K.B.)

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Antidiskriminierungs- und Diversitätspolitik der EU, dass Diversität zu einer neuen Regierungsrationalität im Sinne Foucaults gemacht wird, »indem das Regieren von sich wandelnden sozialen, ethnischen und geschlechtsspezifischen Differenzen zu einer neoliberal modernisierten Herrschafts- und gesellschaftlichen Steuerungsform auf ’neuem’ Niveau wird« (ebd., 251). Die Förderung von Diversität umfasst jene Selbststeuerung der Individuen, die Flexibilisierung und Mobilität sowie permanente Neu-Erfindung der eigenen Person fordert und deren Ziel die Steigerung der Beschäftigungsfähigkeit der Individuen, mithin die Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit ist (ebd., 269). Hauptziel in Bezug auf das Konzept der Diversität ist, das geht auch aus dem Beispiel der CAG-Diskussion hervor, die Aktivierung von Humankapital für Individuen wie Unternehmen und zur Öffnung globaler Märkte zum Zweck der Wettbewerbssteigerung. Es lässt sich resümieren, dass die Förderung von Diversität und Antidiskriminierung erstens zwar eine neue, positivere (rhetorische) Rahmung des Anderen mit sich bringt und zweitens die zentral gesetzte Marktlogik traditionelle Exklusionsmechanismen aushöhlt bzw. unterminiert, jedoch drittens mit neuen Ungleichheitspolitiken verknüpft ist. Insofern bieten die mit neoliberalen Transformationsprozessen einhergehenden Veränderungen auch Chancen für diverse Subjektivitäten, bedeuten jedoch in der Gesamtbetrachtung Legitimation von Ungleichheit. Im Sinne einer intersektionellen Perspektive lässt sich als Gemeinsamkeit für mehrere »Achsen der Ungleichheit« feststellen, dass den Effekten neoliberaler Transformationsprozesse in weiten Teilen eine Ambivalenz innewohnt. In ähnlicher Weise bietet auch die Metapher des global player prinzipiell einen identifikatorischen Anknüpfungspunkt für diverse Subjektivitäten, er verkörpert in gewisser Weise diese Ambivalenz. Wenngleich die Vorlage der Managermännlichkeit idealtypisch weiß, »nicht-migrantisch« und männlich ist, so ist dieses Idealbild via Marktlogik nicht nur durchlässig für Frauen und migrantische Minderheiten, diese sind auch darauf angewiesen, sich zu »vermarktlichen«. Ausgehend von Connell’s Typus der hegemonialen Managermännlichkeit ist das neoliberale Leitbild des global player implizit auch als heterosexuell zu denken. Im Zuge des Eigenverantwortungsdiskurses, der die freie Gestaltbarkeit des eigenen Lebens suggeriert, wird auch »eine Konvergenz oder quasi natürliche Stimmigkeit von sexuellem Pluralismus und Marktpluralismus, von sexueller Freiheit und Marktfreiheit« (Engel 2009, 106-7) behauptet. Teilweise werden dabei in der medialen Berichterstattung »Klischeebilder von Schwulen als Idealfiguren neoliberaler Transformation geschaffen« (Volker Woltersdorff, nach ebd.), »Homos« fungieren als Helden, Manager und Stars (ebd.). In geringerem Maß trifft dies auf Lesben zu. Auch homosexuelle Identitäten erhalten somit Anknüpfungspotenzial an das hegemoniale Leitbild der Wettbewerblichkeit und Flexibilität.

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Das bedeutet, die ambivalenten Effekte neoliberaler Transformationsprozesse betreffen sowohl das ethnische/ethnisierte Andere als auch geschlechtsspezifische Hierarchisierung und sexuelle Orientierung. Ausgeblendet im Spektrum diverser Identitäten und in der Programmatik der moderaten Abschwächung ihrer Ungleichheitsposition bleibt hingegen die Kategorie Klasse (vgl. Verloo 2006; Sauer/Wöhl 2008). In diesem Zusammenhang kann die Metapher des global player als eine hegemoniale Leitfigur betrachtet werden, die via Verkörperung der Imperative von Kompetitivität und Flexibilität der diskursiven Verleugnung von sozialer Ungleichheit Vorschub leistet. Die Funktionalität der Metapher in Bezug auf die Vermittlung der Ideologie des Sachzwangs, verbunden mit der Legitimierungsfunktion für den Um- und Abbau des Wohlfahrtsstaats, die Kürzung, Streichung und/oder Umgestaltung von Maßnahmen zur Abfederung sozialer Ungleichheit, unterstreichen dies. Diskurse um »Diversitäts- und Selbstmanagement« überlagern strukturelle Sichtweisen auf klassenspezifische Benachteiligungen. Die Anpassung an die Imperative der Wettbewerbslogik, der nutzenmaximierenden Rationalität und Flexibilität im »globalen Strategiespiel« sowie bestimmte Voraussetzungen und Möglichkeiten in Bezug auf Bildung und/ oder Klasse ermöglichen zumindest manchen Frauen, manchen Migrantinnen und Migranten (bzw. Personen mit Migrationshintergrund) und auch manchen ArbeiterInnenkindern sowie manchen deklarierten Lesben und Schwulen qua Leistung Aufstiegsmöglichkeiten. »Angela Merkel, Colin Powell oder Condoleezza Rice beweisen«, dass sie alle »heute (fast) jede Karriere machen können« (Habermann 2008, 246). Die Liste ließe sich ergänzen, in Bezug auf die erreichbaren Hierarchieebenen durch Barack Obama, in Bezug auf die Kategorie sexuelle Orientierung beispielsweise um Klaus Wowereit. Strukturelle Hindernisse werden aber mit Verweis auf beeindruckende Einzelbeispiele im Diskurs dethematisiert und ausgeblendet, auf der Ebene politischer Maßnahmen vielfach aber wieder verstärkt, indem ausgleichende Mechanismen in der Sozial- und Bildungspolitik zurückgenommen oder abgebaut werden. Der zentrale Maßstab der Wettbewerbsfähigkeit, wie er auch im global player zum Ausdruck kommt, schafft somit individuell »Einschlussmöglichkeiten« für marginalisierte Subjektivitäten über die Anpassung an die Imperative der Kompetitivität und relativiert damit vielfach traditionelle biologistische, kulturalistische, z.B. auch orientalistische und religiös grundierte Exklusionsmechanismen, ohne sie außer Kraft zu setzen. Als Kristallisationsfigur von Dominanzstrukturen und Verkörperung von Ein- bzw. Ausschlusslogiken lässt sich die Metapher des global player somit als eine Manifestation neoliberaler Transformationsprozesse im gesellschaftlichen Imaginären lesen.

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3.4 F orschungsdesider at : EU ropa -M e taphern in der W irtschaf ts - und F inanzkrise Der zeitliche Erkenntnisbereich der hier dargestellten Analyse und Interpretation endet vor dem Beginn der Wirtschafts- und Finanzkrise im Jahr 2008. Eine Ausweitung über diesen Zeitpunkt hinaus wäre wünschenswert. Sie könnte Aufschluss darüber geben, inwieweit im Zuge der Krise und ihrer politischen Bearbeitung bereits bis dahin ausgeprägte Tendenzen verstärkt worden sind, oder ob auch neue Ausprägungen erkennbar sind. Ein Blick auf aktuelle Analysen des EU-Krisenmanagements bestätigt zunächst Ersteres. Das sogenannte »Sixpack«, das sechs EU-Gesetzesmaßnahmen umfasst, verschärft den bisherigen Stabilitäts- und Wachstumspakt und installiert ein Überwachungsverfahren mit Sanktionsmöglichkeiten, das demokratischer Kontrolle praktisch entzogen ist (vgl. dazu unter anderem Wöhl/Bruff forthcoming). Ebenso wie beim Fiskalpakt, der das Überwachungsverfahren durch eine »Schuldenbremse« ergänzt, verbirgt sich dahinter die politische Logik der ökonomischen Kompetitivitätssteigerung (vgl. ebd.). Die Metaphorik des »Sixpack«, die auf einen extrem trainierten und fitten männlichen Körper verweist, knüpft nahtlos an die Metapher des global player an. Sie stellt eine Versinnbildlichung von kompetitiver hegemonialer Männlichkeit dar. Zudem wohnt den Antworten auf die Krise auf supranationaler und nationaler Ebene eine Schwächung der Demokratie inne, es hat eine Machtverlagerung von der Legislative hin zur Exekutive stattgefunden, was etwa Jürgen Habermas scharf als postdemokratischen Exekutivföderalismus kritisiert (Habermas 2014, 90). Eine vergleichende Perspektive auf die Auswirkungen der Finanzkrise auf Sozialsysteme in EU-Mitgliedstaaten zeigt, dass Sozial- und Beschäftigungssysteme nachhaltig umgebaut und Sozial- und Arbeitsrechte eingeschränkt wurden sowie dadurch der Anstieg der Arbeitslosigkeit verschärft und eine Flexibilisierung der Arbeitsverhältnisse befördert wurde (vgl. u.a. Hermann/Hinrichs/Brosig 2013).

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Resümee

Die Arbeit argumentiert, dass Metaphern produktive – in der Politikwissenschaft jedoch noch zu wenig genutzte – Ausgangspunkte für theoriegeleitete Analysen sind. Diese Relevanz beziehen die Metaphern – wie in den ersten Kapiteln der Arbeit entlang der dargestellten theoretischen Zugänge aus mehreren Disziplinen vertiefend ausgeführt – aus drei Wirkungsebenen. Erstens aus ihrer Bedeutung als rhetorische Werkzeuge, vor allem eingesetzt in der politischen Kommunikation, wo sie meist als persuasive Kommunikation, als »Überredungsrhetorik« (Geissner 2005, 57), Aufschluss über politische Legitimationsstrategien geben (können). Zweitens spiegeln sie im meist medial vermittelten politischen Diskurs, aber auch im Alltagsdiskurs, (deutungsdominante) Verständnisse und Vorstellungen wider sowie im wissenschaftlichen Diskurs zeit- und epochengebundene »Substrukturen« (Blumenberg) des Denkens bzw. von Denkmöglichkeiten überhaupt. Drittens gründet sich die politikwissenschaftliche Relevanz von Metaphern(analysen) auf ihre Eigenschaft, die affektive und gefühlsbezogene Seite von Politik besonders deutlich zum Vorschein zu bringen, die in der Politikwissenschaft lange Zeit vernachlässigt wurde (vgl. u.a. Hoggett/Thompson 2012; Bargetz/Sauer 2010). An der Schnittstelle von Kognition und Emotion angesiedelt stellen Metaphern diesen Dualismus in Frage. Was Rhetorik, Diskurs und Sprache im Allgemeinen kennzeichnet, nämlich die doppelte Funktion von (intentionaler) Wirklichkeitskonstruktion und (verzerrtem) Spiegel von Wirklichkeit sowie die Aktivierung affektiver Schichten und Emotionen, das spitzt sich in der Metapher in besonders prägnanter Weise zu. Gerade diese Charakteristik macht auch die Verbindung von Metaphernanalyse und Ideologiekritik – in der Arbeit in Anlehnung an Rahel Jaeggi (2009) definiert – sinnvoll. Ideologische Verzerrung, Ausblendung und Naturalisierung bzw. »Selbstverständlichmachung« werden anhand von Metaphern analytisch besonders gut greif bar. Es ergibt sich aus dieser Verbindung ein doppelter Nutzen: Ideologiekritik leitet die Interpretation in der Metaphernanalyse an, zugleich leitet die Metaphernanalyse dazu an, dem körperbezogenen und emotionalen Aspekt von Ideologie – bislang wenig erschlos-

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sen in Ideologiekritik und Ideologietheorie – Rechnung zu tragen. Im Sinne eines Forschungsdesiderats wäre es wünschenswert, die Verbindung des theoretischen und methodischen Konzepts der Metaphernanalyse sowie der ideologiekritischen Herangehensweise mit bildwissenschaftlichen Zugängen und politischer Ikonographie zu verknüpfen, um dem Umstand Rechnung zu tragen, dass konkurrierende politische Deutungsmuster auch in hohem Maß über Bilder kommuniziert werden. Als sprachliche Bilder und Imaginationen, die Ideen »veranschaulichen«, gehören Metaphern ideologietheoretisch gefasst in den Bereich des Ideologischen und verweisen auf die Konzeptualisierung des Verhältnisses zwischen »Realem«, materiellen Verhältnissen einerseits und »Imaginärem«, also Ideen, Vorstellungen und Überzeugungen andererseits. Damit ist eine grundlegende Problemstellung von Ideologietheorie angesprochen. Ein wenig rezipierter Beitrag zur Bearbeitung dieser Problemstellung ist der theoretische Entwurf zum »gesellschaftlichen Imaginären« bei Cornelius Castoriadis, der in Kapitel 1.6 dargestellt und diskutiert wird. Das Spezifische an diesem Zugang ist, dass er die in (neo)marxistischen Ansätzen grosso modo (wenn auch teils in sehr elaborierten Varianten) gängige Trennung von materieller Basis und ideologischem Überbau umgeht, Determinismen und Funktionalismen ausklammert und gleichzeitig für materialistische Theorie anschlussfähig bleibt. Umgangen wird diese Trennung, indem der Moment der Imagination, d.h., das »Setzen einer imaginären Bedeutung« (Castoriadis), als konstitutives Element gedacht ist, das zugleich mit den materiellen Verhältnissen untrennbar verwoben ist und als deren wesentlicher Bezugspunkt fungiert, ohne dabei jedoch den zentralen Stellenwert der Produktionsverhältnisse zu verwerfen. Weder die Teilung in Herrschende und Beherrschte und die damit einhergehende Verdinglichung der Beherrschten noch eine bestimmte ökonomische Rationalität sind in dieser Perspektive ausschließlich, wie es aus Teilen des Marxschen Denkens hervorgeht, auf eine überzeitlich gültige historische Dynamik, nämlich den Widerspruch zwischen gesellschaftlichen Produktivkräften und Produktionsverhältnissen, zurückzuführen. Sie erfordern vielmehr auch das Setzen einer zugrunde liegenden imaginären Bedeutung. Der homo oeconomicus des Kapitalismus als Metapher für ökonomische Rationalität ist nicht nur als sprachliches Bild eine Imagination, auch die darin zum Ausdruck kommende Form der Rationalität beruht auf der Setzung einer imaginären Bedeutung – mithin einer bestimmten gesellschaftlichen Definition von »Nutzen«, »Interesse« und »vernünftigem Handeln«. Dass der Moment der Imagination, wie Castoriadis argumentiert, im Marxschen Denken teilweise, in der abendländischen Philosophie weitgehend ausgeblendet wurde, führt er auf die darin vorherrschende Identitätslogik zurück, deren Kritik in wesentlichen Teilen parallel zu den Denkbewegungen der Kritischen Theorie verläuft. Dieser Kritik zufolge wohnt der Logik und Ontologie

Resümee

der abendländischen Philosophie eine dominante Tendenz zum Ausschluss des Nicht-Bestimmbaren, Nichtintelligiblen, Nichtidentischen inne. Es wird in einer Art Zirkelschluss nur das als Seiendes definiert, was restlos bestimmbar, statisch und in restlos rekonstruierbaren Relationen von Kausalität und Finalität verbunden ist. Auch in der Hegelschen Philosophie, so die Kritik an der Identitätslogik bei Castoriadis und Adorno, werde das Nicht-Bestimmbare, Nicht-Identische und damit auch die Imagination abgedrängt. Der Identitätslogik und dem von ihr Abgedrängten unterliegt schließlich auch ein Geschlechtersubtext, dem ich mit Christina von Braun (2001), Alice Pechriggl (2002; 1997; 1996) und Regina Becker-Schmidt (1998; 1989a) nachgehe. Dieser Subtext besteht zum einen darin, dass dem Abdrängen des Nicht-Identischen, damit der Dichotomie zwischen dem Unbestimmten/der Imagination und dem Bestimmten/der Rationalität implizit eine geschlechtsspezifische Konnotation zugewiesen ist. Zum anderen ist der Bereich des Identischen, etwa die Form des vereinheitlichenden Gemeinwesens und sein Ausdruck in der Einheitsmetapher im gesellschaftlichen Imaginären, historisch von der Hegemonie des Männlichen geprägt. Metaphern lassen sich vor diesem theoretischen Hintergrund als Formen der Imagination und in diesem Sinne als Nicht-Bestimmbares begreifen, das der v.a. seit der Aufklärung beschworenen restlosen Auflösbarkeit und strengen Definierbarkeit des Gesagten und Gedachten in streng logischen Begriffen widerfährt. Zudem sind sie als prägnante Ausformung des gesellschaftlichen Imaginären zu fassen, welche die darin gesetzten Bedeutungen (das Ideologische) der Verhältnisse greif bar macht und verdeutlichen kann, dass diese Bedeutung (z.B. Rationalität) gesetzt bzw. »gesellschaftlich geschöpft« (Castoriadis) ist und somit auch anders gefasst sein könnte. Zusammenfassend fundieren die multidisziplinären und gesellschaftstheoretischen Überlegungen des ersten Teils zum einen die Annahmen, dass Metaphern für theoriegeleitete Analysen besonders relevant sind, und dass die Kombination von Metaphernanalyse und Ideologiekritik produktiv ist. Dies wird in Teil zwei und Teil drei des Buches »getestet«. Ähnlich den Ergebnissen thematisch verwandter empirischer Untersuchungen von Metaphern wie auch visuellen Bildern EUropas finden sich – meist abhängig von der jeweils verfolgten Argumentationsstrategie und Positionierung – in unterschiedlicher Häufigkeit und Ausprägung Metaphern um Haus/Gebäude, Verkehr/Reise, (Christen-)Klub/Verein, den Clash of Civilisations, Sport (v.a. Fußball), Fitness, Unternehmen und Familie, Schule, Pädagogik, Natur und Technik. Einerseits lässt sich in der relativ stark ausgeprägten Verkehrs- und Reisemetaphorik ein Beleg für die Verschiebung in Richtung von – über die Einheitslogik des Nationalen hinausgehende – Netzwerkmetaphern finden, wie sie Koschorke et al. (2007) vermuten. Verkehrs- und Schienennetze bilden tendenziell Komplexität und dezentrale Ausprägungen »des

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Ganzen« ab. Andererseits sind in qualitativer und quantitativer Ausprägung insgesamt organische Metaphern und Körpermetaphern (EU als Organismus, global player, Braut/Bräutigam) stärker vertreten. In Bezug auf die Frage nach bestimmten (z.B. ökonomischen, politischen) metaphorischen »Wissensordnungen« zeichnet sich insbesondere anhand der Metapher des global player eine Kombination der unterschiedlichen Logiken ab. Das auch im Korpus in weiten Teilen aufzufindende »metaphorische Paradigma« um Konkurrenz, welche das kybernetische Prinzip beinhaltet, verkörpert sich gewissermaßen in der metaphorischen Quasiperson global player. Auf diese Weise können die Bedeutungen von Zusammengehörigkeit und Zweckbestimmung des Ganzen, die in der kybernetischen Metaphorik des sich selbst regulierenden Systems fehlen (ebd., 66-7), durch das Evozieren von Ganzheit in dieser Figur »ergänzt« werden und die affektive und körperbezogene Dimension von »Stärke«, »Gewinnen oder Verlieren« geweckt werden. Dies passiert im Sinne eines Spielbegriffs, der strategische »Spiele des Wettbewerbs« meint. Als Figur, die sich über den globalen Wettbewerb definiert, ist der global player einerseits einer kybernetischen, für liberalen Laissez-faire-Kapitalismus typischen Logik zugehörig, andererseits fungiert sie als Einheitsmetapher, die, mehr als body economic denn als body politic, Zugehörigkeit zu und Unterordnung unter »ein Ganzes« analog zur Metaphorik des Nationalstaats und zur Nation evoziert und fordert. Im global player ist die ökonomische Schlagseite ausschlaggebend, insgesamt jedoch zeigt die empirische Untersuchung vordergründig keine Dominanz von Metaphern direkt aus dem Quellbereich der Ökonomie. Eher erweisen sich Metaphern um Kampf und Konkurrenz als dominierend, die allerdings eine beträchtliche Schnittmenge mit den Metaphern der ökonomischen Wettbewerbsfähigkeit aufweisen. Insofern lässt sich resümieren, dass »das Blut der Nation in den Adern der EU weiter fließt« (Bellier 2001), jedoch hat sich gewissermaßen der Körper gewandelt: Es ist kein politischer Körper mehr, sondern ein ökonomischer. Denn über die aus themenverwandten Untersuchungen bekannten Metaphern hinaus kristallisiert sich in fast allen untersuchten Printmedien als eine zentrale, an neuralgischen Punkten der Argumentation positions- und tendenziell weltanschauungsübergreifende Körpermetapher dessen, was EUropa sein bzw. werden soll, diejenige des global player (oder keyplayer, topplayer, Mitspieler u.ä.) heraus. Der Beitritt der Türkei erscheint so entweder als Hindernis oder auch als Stärkung auf dem Weg der EU zum global player, und zwar sowohl in Argumentationen, die ein ökonomisches oder sicherheits- und geopolitisches Kosten-Nutzen-Kalkül in den Vordergrund stellen, als auch in solchen, welche die Kompatibilität anhand von universalisierbaren Standards (demokratischen, menschenrechtlichen, rechtsstaatlichen, ökonomischen) oder einer essentiellen Alterität der Türkei (z.B. Religion) festmachen.

Resümee

Dreh- und Angelpunkt im untersuchten Korpus von Printmedientexten ist die Wunschvorstellung eines EUropa als global player, der bei Drohung von Untergang, Fremdbestimmung oder Ohnmacht in einem scharfen globalen Wettbewerb bestehen muss und manchmal gleichzeitig auch seine Position in globalen kooperativen Zusammenhängen beweisen soll (»soft power«). Die Idee eines Sozialen Europa spielt in der Argumentation so gut wie keine Rolle, sehr selten wird der Türkei-Beitritt im Kontext einer politischen Vertiefung der EU diskutiert. Im dritten Teil der Arbeit wurde schließlich die Metapher des global player, die sich in der empirischen Analyse als zentral herausgestellt hat, vertiefend analysiert bzw. davor noch im Sinne einer Methodentriangulation die Relevanz der Metapher des global player anhand anderer Datenquellen überprüft. Einerseits anhand einer kursorischen Rekonstruktion der Genese dieser Metapher in EU-Gesetzestexten und andererseits punktuell anhand von Reden/ Interviews von/mit EU-Spitzenpolitikern und Spitzenpolitikerinnen. Beides zeigt die Provenienz des global player aus dem Bereich der Ökonomie auf: Ursprünglich stand er ausschließlich für multinationale Konzerne, etwa ab der Jahrtausendwende wird der Begriff zunehmend für die EU verwendet. Auf der Ebene politischer Kommunikation, also in punktuell analysierter Rhetorik von EU-Funktionären und Funktionärinnen, wird der global player eingesetzt im Sinne eines unumgänglichen Sachzwanges der ökonomischen Konkurrenz. Zudem wurde im Rahmen der Medienanalyse die spezifische Qualität des global player im Sinne des Konzepts interdiskursiver Hybridität (vgl. Fairclough 2006) deutlich. Als eine diskursive Figur, die an ganz unterschiedliche Diskurse anknüpft bzw. unterschiedliche Quellbereiche verschwimmen lässt, vom Unternehmen bis zu Fußball/Sport allgemein, Sicherheits-, Geopolitik und Europapolitik, schafft sie eine Anschlussfähigkeit in viele Richtungen und somit Verstehbarkeit auch über soziale Grenzen hinweg (verständnisgenerierende Funktion). Hat sich die evokative Funktion der Metapher einmal entfaltet, der Rezipient bzw. die Rezipientin sich in die Lage des global player versetzt, sich dabei potenziell Fremdbestimmung und Ohnmacht ausgeliefert sehend, so wird leicht auch die Legitimation dafür eingängig, dass der sozialen Dimension in der EU gegenüber der Wettbewerbsfähigkeit wohl oder übel eine nachrangige Position zugewiesen werden muss (legitimierende Funktion). Die Metapher des global player erweist sich somit als Bestandteil neoliberaler Rhetoriken und Diskurse der Globalisierung, die zentral mit dem Verweis auf »Sachzwänge« operieren und gleichzeitig Realität schaffen (vgl. Spicer 2008; Hay/Rosamond 2003; Rosamond 2003; Fiss/Hirsch 2005; Wodak 2001; Fairclough 2003; 2006), etwa indem sie die Reorientierung nationalstaatlicher (oder regionaler) Agenden an Erfordernisse der globalen Ökonomie (Sassen 2006, 22) ermöglichen und fördern.

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Die Fragen nach den Inklusions- und Exklusionsmechanismen durch diese Metapher bzw. danach, welche hegemonialen Subjektivitäten (v.a. nach Geschlecht, Ethnizität) sich in diesem sprachlichen Bild widerspiegeln und welche ausgeschlossen sind, werden folgendermaßen beantwortet: In einer theoretischen Kontextualisierung durch Männlichkeitstheorien, welche »Spiele des Wettbewerbs« (Bourdieu) und Konkurrenz schlechthin als zentral und den Grundtypus der managerialen Männlichkeit als hegemonial herausstellen, erweist sich der globale Spieler als Ausdruck von Maskulinismus. Eine kursorische Rekonstruktion der Genese des homo oeconomicus entlang genderkritischer ökonomischer Ansätze legt eine Interpretationsweise nahe, die den global player als Variante des homo oeconomicus fasst. Dennoch gibt es – so meine Interpretation auf Basis der theoretischen Kontextualisierung durch den Intersektionalitätsansatz – einen wesentlichen Unterschied zwischen dem »klassischen Bild« des homo oeconomicus und dem global player: Das Andere (gefasst v.a. in den Kategorien Geschlecht und Ethnizität) ist aus der hegemonialen Subjektivität des global player weniger rigide ausgeschlossen als im Fall des homo oeconomicus. Der Ausschluss relativiert sich nämlich dann, wenn das Andere einen Beitrag zur Wettbewerbsfähigkeit des global player als Wunschbild des europäischen Eigenen verspricht. Dass gerade in einem Diskurs wie demjenigen um den EU-Beitritt der Türkei, in dem besonders lange tradierte, symbolträchtige, essenzialisierende Grenzmarker und Ressentiments wirksam sind, der Maßstab der Wettbewerbsfähigkeit so zentral wird, stützt meines Erachtens diese These von der aktuellen Modifizierung von Exklusionsmechanismen deutlich. Dieser Befund entspricht einer aktuellen Tendenz der Binnendifferenzierung von Migrierten/ Personen mit Migrationshintergrund im medialen und politischen Diskurs, etwa in gebildete Schlüsselkräfte wie den »indischen Computerspezialisten« einerseits und »anatolische Analphabeten«, kriminalisierte Asylwerber oder »integrationsunwillige Kopftuchträgerinnen« andererseits. Dies bedeutet, dass im Rahmen dieser Modifizierung die Exklusionsmechanismen für einen Teil von »migrantischen Anderen« (gebildete, leistungsstarke soziale Aufsteiger und Aufsteigerinnen mit Migrationshintergrund sowie gut verdienende Zuwanderer und Zuwanderinnen) an Schärfe verlieren, für andere jedoch (wenig gebildete, sozial schlecht gestellte usw.) die Exklusionsmechanismen unvermindert weiterwirken oder sich noch verschärfen. Interessant wären hier weiterführende Forschungen dazu, inwiefern und in welchem Ausmaß traditionelle (kulturalistische, religiös grundierte, rassistische) Logiken der Exklusion durch zentrale Bezüge zum Maßstab der Wettbewerbsfähigkeit, die ebenfalls anhand des global player ersichtlich werden, tatsächlich reformuliert und modifiziert oder möglicherweise auch nur (vielleicht sogar sich gegenseitig verstärkend) ergänzt werden.

Resümee

Für die Kategorie Geschlecht lässt sich Ähnliches ableiten. Vor dem Hintergrund der zunehmenden Vergesellschaftung von Frauen als Wirtschaftssubjekte, als »Unternehmerinnen ihrer selbst«, lassen sich Frauen zwar als idealtypisch Ausgeschlossene in Bezug auf die hegemoniale Subjektivität des global player erkennen. Gleichzeitig können sie jedoch durch Anpassung an die maskulinistische Norm der Wettbewerblichkeit und über die Möglichkeit zu individueller Leistung und Aufstieg (bei gleichbleibender struktureller Benachteiligung und Dethematisierung der Kategorie Klasse) Eingeschlossene sein. Ähnliches gilt für die Kategorie sexuelle Orientierung. Dieser Mechanismus fügt sich in den Befund zum Diversitätsdiskurs, nach dem dieser »den Differenzgedanken mit einer neuen Strategie der Ungleichheitspolitik« verknüpft (Sauer/Wöhl 2008, 267), die wiederum im Kontext neoliberaler Transformationsprozesse steht. Im globalen Spieler manifestieren sich somit neoliberale Ambitionen und Transformationsprozesse, neoliberale und maskulinistische Ideologie wird greif bar, ebenso wie sich in dieser Metapher (sich modifizierende) politische und gesellschaftliche Ausschlussmechanismen migrantischer »Anderer« widerspiegeln.

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Günther Nenning, Neue Kronen Zeitung vom 6.2.2006 Günther Nenning, Neue Kronen Zeitung vom 15.2.2006 Leserbrief, Neue Kronen Zeitung vom 16.2.2006 Leserbrief, Neue Kronen Zeitung vom 2.7.2006 Leserbrief, Neue Kronen Zeitung vom 7.7.2006 KURIER Walter Friedl, Kurier vom 15.5.2004 Walter Friedl, Kurier vom 10.6.2004 Christoph Kotanko, Kurier vom 7.9.2004 Kurier vom 26.9.2004 Daniela Kittner, Kurier vom 7.10.2004 Christoph Kotanko, Kurier vom 7.10.2004 Walter Friedl, Kurier vom 8.10.2004 Christoph Kotanko, Kurier vom 4.12.2004 Kurier vom 12.12.2004 Christoph Kotanko, Kurier vom 16.12.2004 Peter Rabl, Kurier vom 19.12.2004 Christoph Kotanko, Kurier vom 24.12.2004 Konrad Kramar, Kurier vom 10.3.2005 Stefan Galoppi, Kurier vom 22.4.2005 Peter Rabl, Kurier vom 5.6.2005 Peter Rabl, Kurier vom 9.10.2005 Heinz Wagner, Kurier vom 24.10.2005 Clemens Neuhold, Kurier vom 9.12.2005 Markus Stingl, Kurier vom 30.11.2006 Patricia Haller, Kurier vom 15.12.2006 PROFIL Georg Hoffman Ostenhof, profil vom 1.3.2004 Georg Hoffman-Ostenhof, profil vom 10.5.2004 profil vom 10.5.2004 Peter Michael Lingens, profil vom 23.8.2004 Otmar Lahodynsky, profil vom 13.9.2004 profil vom 13.9.2004, Interview mit Franz Fischler Otmar Lahodynsky, profil vom 20.9.2004 Christian Rainer, profil vom 20.9.2004 Georg Hoffmann-Ostenhof, profil vom 27.9.2004 Peter Michael Lingens, profil vom 4.10.2004 Josef Barth/Gernot Bauer, profil vom 11.10.2004 Otmar Lahodynsky/Georg Hoffmann-Ostenhof, profil vom 11.10.2004 Christian Rainer, profil vom 11.10.2004

Literatur

Peter Michael Lingens, profil vom 29.10.2004 profil vom 13.12.2004 profil vom 13.12.2004 profil vom 20.12.2004 Georg Hoffmann-Ostenhof, profil vom 3.1.2005 Christian Rainer, profil vom 4.7.2005 profil vom 4.7.2005, Interview mit Siegfried Nagl Georg Hofmann-Ostenhof, profil vom 11.7.2005 Georg Hoffmann-Ostenhof, profil vom 5.9.2005 Georg Hoffmann-Ostenhof, profil vom 3.10.2005 Herbert Lackner, profil vom 10.10.2005 Christian Rainer, profil vom 19.12.2005 Georg Hoffman-Ostenhof, profil vom 20.3.2006 Sebastian Heinzel, profil vom 10.4.2006 Hoffmann-Ostenhof, profil vom 20.3.2006 Georg Hoffmann-Ostenhof, profil vom 13.11.2006 Otmar Lahodynsky, profil vom 13.11.2006 AUSSERHALB DES SAMPLES Der Standard vom 13.10.2010

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