Gesundheitstourismus und Wellnesstourismus 9783486711141, 9783486584240

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Gesundheitstourismus und Wellnesstourismus
 9783486711141, 9783486584240

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150 Jahre Wissen für die Zukunft Oldenbourg Verlag

G esuri dh eit stouri sm us urid Wellnesstourismus von

Waldemar Berg

Oldenbourg Verlag München

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.

© 2008 Oldenbourg Wissenschaftsverlag GmbH Rosenheimer Straße 145, D-81671 München Telefon: (089) 45051-0 oldenbourg.de Das Werk einschließlich aller Abbildungen ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Bearbeitung in elektronischen Systemen. Lektorat: Wirtschafts- und Sozialwissenschaften, [email protected] Herstellung: Anna Grosser Coverentwurf: Kochan & Partner, München Gedruckt auf säure- und chlorfreiem Papier Gesamtherstellung: Druckhaus „Thomas Müntzer" GmbH, Bad Langensalza ISBN 978-3-486-58424-0

Vorwort Die Gesundheits- und Wellness-Industrie ist eine stark wachsende Industrie, in der Jahr für Jahr viele Milliarden Euro umgesetzt werden. Eine Vielzahl von Akteuren (ζ. B. Reiseveranstalter, Hotelgesellschaften, Wellnessberater, Therapeuten, Beauty-Salon Betreiber, Krankenkassen), investieren in Produkte, Dienstleistungen und Hardware rund um die Gesundheits· und Wellness-Industrie, in der Erwartung, neue Kundengruppen zu gewinnen und dadurch ihre Geschäftsmodelle strategisch abzusichern und letztendlich monetäre Vorteile zu erzielen. Starkes Interesse zum Thema Gesundheit und Wellness zeigt auch die Tourismusindustrie. Im Jahr 2007 boten bereits ca. 25 Reiseveranstalter in Deutschland sehr differenzierte Wellnessangebote an, größtenteils als eigene Produktlinie in einem eigens dafür vorgesehenen Katalog. Hotels bzw. Hotelkonzerne bauen seit einigen Jahren ζ. T. sehr differenzierte Wellness-Produktlinien in ihren Häusern auf. Private und staatliche Bildungsträger versuchen den Anforderungen des Marktes gerecht zu werden und qualifizieren dafür Mitarbeiter, die in diesem Wachstumsmarkt wirken sollen. Zwar wurde in den letzten Jahren über das Thema Gesundheits- und Wellnesstourismus so manches publiziert, die einzelnen Themen und Problematiken wurden jedoch oftmals isoliert betrachtet bzw. jede Publikation, jede Studie hat i. d. R. zum Gegenstand ihrer Betrachtung nur einen Schwerpunkt. Ziel dieses Standardwerkes ist es, diese Lücke zu schließen und einen ausführlichen und fundierten Überblick über den Gesundheits- und Wellnesstourismus zu geben, Begriffe einzuordnen und zu definieren, die Träger (Akteure) des Gesundheits- und Wellnesstourismus punktuell vor- bzw. darzustellen, Gedanken und Ansätze zur ζ. B. Produkt- und Vertriebsentwicklung sowie Qualitätssicherung aufzuzeigen sowie dieses Thema kritisch zu hinterfragen. In Kapitel eins wird eine begriffliche Abgrenzung der Begriffe Tourismus, Gesundheit und Wellness, Gesundheits- und Wellnesstourismus vorgenommen sowie deren Ausprägungen aufgezeigt. In Kapitel zwei werden die Grundlagen für das Verständnis dieses Lehrbuches gelegt. Es werden die Anbieter und die Nachfrager von Wellness- und Gesundheitsreisen aufgezeigt, die Rolle der Destination erläutert und die unterschiedlichen Dienstleister (auszugsweise), die das System Gesundheits- und Wellnesstourismus ergänzen, vorgestellt. Kapitel drei behandelt die Anwendungen und Formen im Gesundheitstourismus, zeigt u. a. Formen und Anwendungsmöglichkeiten des Kur- und Wellness-Bereiches auf. In Kapitel vier wird auf die Produkt-, Preis-, Kommunikations- und Distributionspolitiken der Anbieter von Gesundheits- und Wellnessreisen eingegangen. Kapitel fünf betrachtet den Gesundheitsund Wellness-Aspekt in der Hotellerie, denn der Erfolg einer Gesundheits- und Wellnessreise hängt maßgeblich von der Qualität der Beherbergung und der dort angebotenen Leistungen ab. In Kapitel sechs wird eine im Jahr 2007 durchgeführte Untersuchung der Angebote

VI

Inhalt

deutscher Reiseveranstalter auszugsweise vorgestellt. Hierbei wird u. a. auf die Produktlinien einiger Reiseveranstalter, die angebotenen Anwendungen sowie die Preislichkeit eingegangen. Die Vorzüge dieses Standardwerkes zum Thema Gesundheits- und Wellnesstourismus liegen in dem Aufzeigen von Strukturen, Fakten und Zusammenhängen. Es soll Orientierung und Anregung gleichermaßen sein. Zielgruppe dieses Standardwerkes sind Studentinnen und Studenten von staatlichen und privaten Fachhochschulen, Berufsakademien, staatlich anerkannten Ergänzungs- und Ersatzschulen, staatlichen und privaten Berufsfach- und Berufsschulen sowie private Bildungsträger mit dem Schwerpunkt Tourismus, Freizeitwirtschaft und/oder dem spezifischen Schwerpunkt Gesundheits- und Wellnesstourismus im deutschsprachigen Raum Europas. Ganz besonders danke ich meiner Frau Gülay, die durch ihre Geduld, Gespräche, konstruktive Kritik, Hilfe bei der Erstellung von Tabellen, Abbildungen und Grafiken die Fertigstellung dieses Buches ermöglicht hat. München, im Januar 2008

Waldemar Berg

Inhalt Vorwort

V

1

Tourismus, Gesundheit, Wellness

1

1.1 1.1.1 1.1.2 1.1.3 1.1.4

Tourismus Definitionsansätze zum Tourismusbegriff. Konstitutive Elemente des Tourismus Arten und Formen des Tourismus Der Tourismusmarkt in Zahlen

1 2 3 3 4

1.2 1.2.1 1.2.2 1.2.3 1.2.4 1.2.5 1.2.6 1.2.7 1.2.8

Gesundheit und Wellness Definitionsansätze Gesundheit Wellness - Entstehung und Ansätze der Entwicklung Definitionsansätze des Wellness Wellness Modelle Determinanten und Mega Trends des Wellness Wellness-Motive Wirtschaftliche Einordnung von Gesundheit und Wellness Wellness-Kuriositäten oder bald Wellness-Normalität

5 7 8 11 13 18 23 25 32

1.3 1.3.1 1.3.2

Abgrenzung Gesundheits- und Wellnesstourismus Gesundheitstourismus Wellnesstourismus

38 40 43

2

Grundlagen im Gesundheits- und Wellnesstourismus

45

2.1 2.1.1 2.1.2

Anbieter von Gesundheits- und Wellnessreisen Gesamtleistungsträger - Reiseveranstalter Einzelleistungsträger

45 45 59

2.2 2.2.1 2.2.2

Nachfrager von Gesundheits- und Wellnessreisen Besonderheiten der Nachfrage von Gesundheits- und Wellnessreisenden Abgrenzungen aus Sicht der Nachfrager

85 85 89

2.3 2.3.1 2.3.2

Die Rolle der Destination im Gesundheits- und Wellnesstourismus Begriffsbestimmung Destination Bedeutung/Besonderheiten und Rolle der Destination im Gesundheits- und Wellnesstourismus Entwicklung der Gesundheits- und Wellnessdestination

95 95

2.3.3

98 104

VIII

Inhalt

2.4 2.4.1 2.4.2

Interessensvertretung und Bildung im Gesundheits- und Wellnesstourismus Organisationen, Institutionen und Verbände Aus-, Fort- und Weiterbildung im Gesundheits- und Wellnesstourismus

110 110 124

3

Formen und Anwendungen im Gesundheitstourismus

135

3.1 3.1.1 3.1.2 3.1.3 3.1.4 3.1.5 3.1.6

Kurtourismus 137 Definitionsansätze Kur bzw. Maßnahmen am Kurort 137 Strukturen und Formen im Kursystem 138 Kompaktkuren 142 Bädersparten nach DHV 145 Wichtige Therapieformen (therapeutische Ansätze) 147 Begriffsbestimmungen und Voraussetzungen für die Prädikatisierung von Kurund Erholungsorten 151

3.2

Medical-Wellnesstourismus

173

3.3 3.3.1 3.3.2 3.3.3 3.3.4

Patiententourismus Ausprägungen Patiententourismus Rolle der Krankenhäuser Patientenhotels Kritische Würdigung des Patiententourismus

175 176 179 179 180

3.4

Anwendungen im Wellnesstourismus

181

4

Marketing im Gesundheits- und Wellnesstourismus

203

4.1 4.1.1 4.1.2 4.1.3 4.1.4 4.1.5

Produktentwicklung im Gesundheits- und Wellnesstourismus Produktmanagement, Leistungs- und Programmpolitik Determinanten der Expansion der Quellgebiete Rechtliche Aspekte der Produktentwicklung Versicherungsrechtliche Absicherung eines Reiseveranstalters Klassifizierungen und Zertifizierungen

204 205 227 229 241 243

4.2 4.2.1 4.2.2 4.2.3 4.2.4

Preis-/Kontrahierungspolitik Preispolitik Rabattpolitik Liefer- und Zahlungsbedingungen Absatzfinanzierung

259 260 264 265 265

4.3 4.3.1 4.3.2 4.3.3 4.3.4 4.3.5

Kommunikationspolitik Werbung Verkaufsforderung Öffentlichkeitsarbeit Sonstige Instrumente Kommunikation ausgesuchter Gesundheits- und Wellnessveranstalter

266 267 269 271 272 275

4.4 4.4.1 4.4.2

Distributionspolitik Vertriebsstrukturen und -methoden der Reiseveranstalter Die Rolle und Funktionen der Intermediäre

279 280 284

Inhalt

IX

4.4.3

Instrumente des Vertriebs

290

4.5

Sonstige Politiken

293

5

Gesundheit und Wellness in der Hotellerie

295

5.1 5.1.1 5.1.2 5.1.3 5.1.4

Wellnesshotellerie in Deutschland Abgrenzung und Verteilung der Wellnesshotels in Deutschland Strukturdaten der Wellnesshotels in Deutschland Nachfrageverhalten in Hotels mit Wellnessbereichen Ausblicke fur die Wellnesshotellerie und Hotels mit Wellnesseinrichtungen

295 296 297 299 300

5.2 5.2.1 5.2.2 5.2.3

Produkt und Vertrieb von Wellness in der Hotellerie Vermarktung von Wellnesshotels Wellnesskonzepte/-Produktlinien in der Hotellerie Wellnepp oder Wellness?

303 303 305 307

5.3 5.3.1 5.3.2

Betriebswirtschaftliche Betrachtung von Wellness in der Hotellerie Investitionen in Wellnesshotels oder Hotels mit Wellnesseinrichtungen Kosten- und Erlösrechnung fur Wellnesshotels und Hotels mit Wellnesseinrichtungen Planung eines Wellnessbereiches Wirtschaftlichkeit und Rentabilität

310 311 313 314 316

Wellnessangebote deutscher Reiseveranstalter - Ausschnitte einer Untersuchung

319

6.1

Gesundheits- und Wellnessveranstalter und deren Produktlinien

319

6.2

Angebotene Anwendungen (Therapien)

321

6.3 6.3.1 6.3.2 6.3.3

Destinationen deutscher Reiseveranstalter Deutschland Österreich Sri Lanka

323 324 326 327

6.4

Marktabdeckung und Marktbearbeitung deutscher Reiseveranstalter

328

6.5 6.5.1 6.5.2 6.5.3

Qualität und Ausstattung von Wellness-Hotels deutscher Reiseveranstalter Untersuchungsmerkmale Untersuchte Reiseveranstalter Fazit der untersuchten Hotels

331 331 332 337

6.6 6.6.1 6.6.2

Preisanalyse Preisvergleiche nach Destinationen Preisvergleiche nach Reiseveranstaltern

338 340 343

6.7

Distribution und Kommunikation

348

5.3.3 5.3.4 6

χ

Inhalt

Glossar

351

Wichtige Internetquellen

369

Abkürzungsverzeichnis

375

Literaturverzeichnis

381

Abbildungsverzeichnis

403

Tabellenverzeichnis

405

Index

411

1

Tourismus, Gesundheit, Wellness

Für die Erschließung dieses sehr komplexen Themenbereiches ist es im Vorfeld unerlässlich, die im Titel dieses Werkes sowie im Text verwendete Begriffe Gesundheit, Wellness, Tourismus sowie deren Ausprägungen zu definieren und einige Abgrenzungen vorzunehmen. Die mengenmäßigen Unterschiede der Ausführungen zum Thema Gesundheit und Wellness (sehr ausfuhrlich) und Tourismus (auf das nötigste beschränkt) ist der Tatsache geschuldet, das zum Thema Tourismus bereits unzählige wissenschaftliche Monographien, Sammelwerke und Lehrbücher veröffentlicht und dieses Wissensfeld umfänglich behandelt wurde. Der Themenbereich Gesundheits- und Wellenstourismus jedoch bislang nur sehr punktuell erforscht und bearbeitet wurden - weswegen auch ausführlicher dargestellt. Dennoch wird zu den Themen Tourismus, Gesamtleistungsträger und Einzelleistungsträger soviel Grundlagenwissen vermittelt, um auch „Nicht-Touristikern" (geneigte Leser, Lernende, Interessierte) die Zusammenhänge und Wirkungsweisen im Gesundheits- und Wellnesstourismus verständlich zu machen.

1.1

Tourismus

Der Begriff Tourismus, in Anlehnung an den englischen Begriff „tourism", dem französischen „tourisme", dem italienischen „tourismo" taucht im deutschen Sprachraum erst nach dem 2. Weltkrieg auf (vgl. FREYER 2001: 389-399). Seither wird der Begriff zunehmender verwendet, er ersetzt allmählich die Begriffe Fremdenverkehr, Reiseverkehr und Touristik. Verbände, Organisationen und Institutionen, die vor einigen Jahren noch den Begriff „Fremdenverkehr" im Namen führten, ersetzen diesen Begriff sukzessiv durch den Begriff Tourismus. Vermieter in Kurorten tauschen die Schilder „Fremdenbette" gegen „Gästebetten" aus. Denn in einer Welt in der die Sprache zunehmend von Euphemismen durchsetzt ist, versuchen die Akteure keine negativ belegten Begriffe mehr zu verwenden; einem Gast, der mit dem ganzen Marketing-Instrumentarium bearbeitet wird, um möglichst viel an Wertschöpfung zu generieren, soll nicht als „Fremder" bezeichnet werden. Was umschreibt nun dieser Begriff Tourismus? Was ist Tourismus? Auf diese Fragen werden nachfolgend kurze Erklärungen anhand ausgewählter Definitionsansätze zum Touris-

2

1 Tourismus, Gesundheit, Wellness

musbegriff, Elemente des Tourismus sowie die Tourismusarten und Tourismusformen gegeben.

1.1.1

Definitionsansätze zum Tourismusbegriff

Der, vor allem international geläufige Begriff „Tourismus" bezeichnet und beschreibt das Phänomen des Reisens, also die Ortsveränderung/Mobilität, denn ohne Reise gibt es keinen Tourismus (vgl. BÜTOW 2006: 4, FREYER 2001: 1). Jedoch muss nicht jeder Reisender auch gleichzeitig ein Tourist sein, der im wörtlichen Sinne auf „Tour", also auf einer „Rundreise" ist. Zum Touristen wird der Reisende erst durch den Zweck und die Art der Reise (vgl. BÜTOW 2006: 4). Den Begriff „Fremdenverkehr" (auch die Begriffe Kur- und Bäderverkehr) der im deutschsprachigen Raum Europas als der Ursprungsbegriff gilt, wurde in der Vergangenheit von Wissenschaftlern mehrfach definiert. Nachfolgend einige dieser Definitionsansätze (vgl. ARNDT 1978 in: FREYER 2001: 1). „Fremdenverkehr ist der Begriff all jener und in erster Reihe aller wirtschaftlichen Vorgänge, die sich im Zuströmen, Verweilen und Abströmen Fremder nach, in und aus einer bestimmten Gemeinde, einem Lande einem Staate betätigen und damit unmittelbar verbunden sind. " Hermann von Schullern zu Schrattenhofen 1911 „Im engsten Sinne ist als Fremdenverkehr der Verkehr der Personen zu begreifen, die sich vorübergehend von ihrem Dauerwohnsitz entfernen, um zur Befriedigung von Lebens- und Kulturbedürfnissen oder persönlichen Wünschen verschiedenster Art anderwärts, lediglich als Verbraucher von Wirtschafts- und Kulturgüter zu verweilen. " Morgenroth 1927 „Summe der Beziehungen zwischen einem am Orte seines Aufenthaltes nur vorübergehend befindlichen Menschen an diesem Orte. " Glücksmann 1935 „Fremdenverkehr ist somit der Inbegriff zwischen der Beziehungen und Erscheinungen, die sich aus dem Aufenthalt Ortsfremder ergeben, sofern durch den Aufenthalt keine Niederlassung zur Ausübung einer dauernden oder zeitweilig hauptsächlichen Erwerbstätigkeit begründet wird." AIEST1954 Eine in der englischsprachigen Literatur verbreitete Definition lautet: „Tourismus ist eine temporäre Bewegung/Reise von Personen nach Destinationen außerhalb ihrer normalen Arbeits- und Wohnstätte." (vgl. BÜTOW 2006: 5 in: DETTMER 1998: 15) „ Gesamtheit der Beziehungen und Erscheinungen, die sich aus der Ortsveränderung und dem Aufenthalt von Personen ergeben, die am Aufenthaltsort weder hauptsächlich noch dauernd leben bzw. arbeiten. " Kaspar 1996 (vgl. DETTMER 1998: 15) Auf das Wesentliche reduziert, kann Tourismus definiert werden als: „ Vorübergehende Ortsveränderung von Personen zum Zwecke der Erholung, Regeneration und Gelderwerb. " (vgl. BERG 2006: 29) Der Begriff Tourismus wird i. d. R. und üblicherweise identisch mit den Begriffen „Fremdenverkehr", „Touristik" und „Reiseverkehr" verwendet (vgl. FREYER 2001: 2). Dies ist jedoch aus wissenschaftlicher Sicht, und aus der Sicht der Praxis problematisch, da die Beg-

3

1.1 Tourismus

riffe nicht identisch sind. In der wissenschaftlichen Literatur im deutschsprachigen Raum Europas werden die Begriffe Tourismus und Fremdenverkehr weitgehend identisch verwendet, wobei der Begriff Fremdenverkehr immer mehr an Bedeutung verliert (vgl. FREYER 2001: 398-399). Aus Sicht der Praxis sind die Begriffe nicht identisch und werden auch noch unterschiedlich verwendet. Dies liegt in der Auffassung der Praktiker, wonach Fremdenverkehr eine „Binnenortsveränderung" ist (ζ. B. fünftägige Reise eines deutschen Wohnbürgers von Hamburg nach Oberammergau), während der Begriff Tourismus fur alle Aspekte des Reisens steht und somit umfänglicher ist (vgl. FREYER 2001: 400). Tourismus aus deutscher Sicht strukturiert Freyer folgendermaßen. Tabelle 1.1 Tourismus aus deutscher Sicht Quelle: FREYER 2001: 404 Ziele der Touristen

Herkunft der Touristen

Ausprägung

aus dem Inland

aus dem Ausland

ins Inland

Binnen-Tourismus (Domestic)

Einreise-Tourismus (Incoming)

Inlands-Tourismus

ins Ausland

Auslands-Tourismus von Inländern oder AusreiseTourismus (Outgoing)

Ausland-Tourismus von Ausländern

Auslands-Tourismus oder internationaler grenzüberschreitender Tourismus

Ausprägung

Inländer-Tourismus

Ausländer-Tourismus

1.1.2

Konstitutive Elemente des Tourismus

Die Reise, also die vorübergehende Ortsveränderung von Personen zum Zwecke der Erholung, der Regeneration und des Gelderwerbs beinhaltet Elemente, die als die „konstitutiven Elemente" als die wesentlichen, substantiellen Elemente bezeichnet werden. Diese Elemente sind auch Gegenstand der wissenschaftlichen und praktischen Betrachtung. Es handelt sich hierbei um (vgl. FREYER 2001: 2): • • •

Ortswechsel von Personen der über den normalen Aufenthaltsort hinausgeht Aufenthalt an einem fremden Ort (vorübergehend) ζ. B. in einem Hotel, einer Pension, einer Kurklinik, Sanatorium u. a. Motive, als die Frage, nach dem: Warum wird gereist? (mögliche Motive sind ζ. B.: Erholung, Regeneration, Gelderwerb, Kuration (Heilung), Vorbeugung, Kultur, politische Entfaltung, sportliche Aktivitäten u. a.)

1.1.3

Arten und Formen des Tourismus

Aufgrund der vielfältigen touristischen Aktivitäten, Erscheinungen und Beziehungen, ist es sinnvoll eine Strukturierung nach den Arten und Formen des Tourismus vorzunehmen. Die Tourismusart beantwortet die Frage nach dem „Warum wird gereist?", d. h. es findet eine Strukturierung/Gliederung nach den „inneren" Merkmalen statt. Die Tourismusform beantwortet die Frage nach dem „Wie wird gereist?", d. h. es findet eine Strukturierung/Gliederung nach den „äußeren", formalen Merkmalen statt (vgl. BÜTOW 2006: 6).

4

1 Tourismus, Gesundheit, Wellness

Tabelle 1.2 Tourismusarten und Tourismusformen Quelle: in Anlehnung an BÜTOW2006:

6

Tourismusarten - Warum wird gereist? Merkmale

Beispiele

Reiseinhalt

Geschäfts-, Besuchs-, Urlaubs-, Bildungs-/Studienreise, Bade-, Sporturlaub, Sextourismus, Naturerlebnis, Kur u. a.

Reisemotiv

Erholung, Regeneration, Entdeckung, Arbeit, Gelderwerb, Selbstverwirklichung, Wohlfühlen u. a.

Reiseziel

Femreisen, Naherholung, Auslands- und Inlandsreisen, Incoming und Outgoing, Berge, Wasser, Städte, Land, Kultur u. a.

Merkmale

Beispiele

Reisedauer

Ausflug (Ortsveränderung ohne Übernachtung bis max. 24 Stunden) Kurzreise (Ortsveränderung zwischen 1 bis 3 Übernachtungen/4 Tage) Urlaubsreise (Ortsveränderung mit 4 und mehr Übemachtungen/5 und mehr Tage) Langzeitreise (Ortsveränderung ab i. d. R. 6 Wochen - hierbei gilt wissenschaftlich jedoch noch kein hinreichend gesicherter und einheitlicher Wert)

Reisezeitpunkt

Haupt-, Neben-, Vor- und Zwischensaison, Schulferien, Feiertage, Frühjahr, Sommer, Herbst, Winter

Reisemittel

Bahn, Bus, Flugzeug, PKW, Boot, Schiff, Fahrrad, Kraftrad

Reiseorganisation

Vollpauschal-, Teilpauschal-, Individuaireise

Reiseteilnehmer

Kinder, Jugendliche, Erwachsene, Senioren, Familien, Einzelpersonen, Gruppen

Tourismusformen - Wie wird gereist?

1.1.4

Der Tourismusmarkt in Zahlen

Der Tourismus-Markt gewinnt nach einigen Jahren der Stagnation (auf hohem Niveau) wieder an Fahrt. Nachfolgend einige Eckdaten zu Reiseverhalten der Bundesbürger aus dem Jahr 2006 (Basis: Bevölkerung ab 14 Jahre, Quelle: fvw 2007, 26-27). •





• •

2006 verreisten 64,4 Mio. Deutsche insgesamt, davon 43,8 Mio. ins Ausland (minus 1,8% im Vergleich zu 2005) und 20,7 Mio. verbrachten ihren Urlaub in Deutschland (plus 6,2% im Vergleich zu 2005) Spanien liegt mit 9,0 Mio. Urlauber an der Spitze der beliebtesten Reiseziele der Deutschen, gefolgt von Italien mit 4,7 Mio. und Österreich mit 3,7 Mio. Urlaubern. Die Plätze vier bis zehn belegen die Länder: Türkei (3,6 Mio.), Griechenland (2,0 Mio.), Frankreich (1,7 Mio.), Kroatien (1,5 Mio.), Polen (1,3 Mio.), Niederlande (1,0 Mio.) und Fernreisen gesamt (4,3 Mio.) Urlauber das Interesse für Städtereisen ist stark gewachsen - bei den Städtereisezielen in Deutschland führt Berlin, gefolgt von München, Hamburg und Dresden, bei den Städtereisezielen im europäischen Ausland führt Paris gefolgt von Rom, Wien und London die Nutzung von Billigfluggesellschaften hat sich seit 2002 mit einem Anteil von 3,4% auf 12,4% im Jahr 2006 nahezu vervierfacht Familienurlaub behält seine wichtige Bedeutung im Markt - 56% oder 12,5 Mio. Reisende verreisten mit einem Kind unter 14 Jahren

1.2 Gesundheit und Wellness •

5

die Buchungswege verändern sich ständig - das Internet gewinnt immer stärker an Bedeutung: 28% aller Reisenden buchten ihre Unterkunft, 21% ihre Flugreise, 16% eine Pauschal-/Bausteinreise und 8% ihren Mietwagen im Internet

1.2

Gesundheit und Wellness

Hinweis: Wellness ist eine Ausprägung von Gesundheit, Wellnesstourismus eine Form des Gesundheitstourismus. In diesem Lehrbuch wird eine Unterscheidung vorgenommen, da die Akteure der Tourismusindustrie (ζ. B. Reiseveranstalter und Beherbergungsbetriebe) zwischen Gesundheit und Wellness als auch zwischen Gesundheits- und Wellnesstourismus unterscheiden.

,, Gesundheit ist nicht alles, aber ohne Gesundheit ist alles nichts" (A. Schopenhauer 1788 1860) Gesundheit nimmt heute nahezu bei jedem Individuum einen sehr hohen Stellenwert ein. Eine sehr interessante Erklärung warum dies so ist, ist folgende: bis in das späte 19. Jahrhundert glaubten viele Menschen des christlichen Glaubens im Abendland, das nach dem irdischen Leben, das ewige Leben beginnen würde, was dazu führte, dass auf die irdische Gesundheit nicht sonderlich geachtet wurde. Durch die Säkularisierung und dem damit einhergehenden Bedeutungsverlust der Religion wurde das Leben nach dem Tod „abgeschafft", die Gesundheit gerät zum letzten Wert in einer Gesellschaft mit schwindenden Wertvorstellungen. Lebensqualität und Lebensquantität wird immer wichtiger (vgl. IMHOF 1988, TROSCHKE 1996: 319, KLOTTER 1997: 24, in: LANZ KAUFMANN 2002: 16). Gesundheit wird zum letzten Leitbegriff der heraufziehenden Epoche der Medizin. Gesundheit ist nicht nur der dringlichste aller Wünsche eines Individuums, sondern Gesundheit ist zu einem Grundwert geworden, der was in ihrem Namen getan wird, rechtfertigt. Man spricht in diesem Zusammenhang von Healthismus (vgl. SCHIPPERGES et al. 1988: 174, KÜHN 1993). Gesundheitsurlaub wird heutzutage als Problemloser für folgende Gebrechen gesehen: • • • • • • • •

mangelnde Kondition Rückenschmerzen mangelnde Beweglichkeit Nervosität, Stress Erschöpfung und Mattigkeit Übergewicht Gelenkschmerzen, Arthrose Migräne und Kopfschmerzen

6

1 Tourismus, Gesundheit, Wellness

Begünstigende Faktoren fur den Gesundheitstourismus sind (vgl. GRAF, TRÖSTER 2007: 10): • • • • • •

steigendes Bildungsniveau, bessere Information; dadurch steigendes Gesundheitsbewusstsein sukzessiver Rückzug der Krankenversicherungen; dadurch mehr Eigenverantwortung steigende berufliche Anforderungen; dadurch eine Kompensation durch Wellness-Urlaub oder regelmäßige Wellness-Aktivitäten im Alltag steigende Lebenserwartung; dadurch größere Bereitschaft zu Wellness-/ Gesundheitsaktivitäten bereits in jungen Jahren wachsendes Angebot; mehr Wellnesshotels, Kurkliniken, Wellnessoasen, Badetempel u. a. abnehmende Zahl an Kindern/Enkelkindern; Besinnung auf sich selbst

Wellness, ein Begriff aus den Vereinigten Staaten, dass seit einigen Jahren in der Tourismusbranche in Deutschland und Europa für Furore sorgt. Der Begriff löste sich auch von dem alten, an „Bad" und „Kur" erinnernden Kontext und verkörpert einen neuen Trend. Auch wenn der Begriff Wellness im Zusammenhang mit allen möglichen Produkten und Dienstleistungen verwendet wird, so verbirgt er doch im Kern ein soziales und mentales Problem, das in den veränderten Lebensbedingungen im Übergang zur Wissensökonomie wurzelt. Die Anpassungsschwierigkeiten und -krisen der Menschen an die stark individualisierte Moderne erzeugen vielerlei Unsicherheiten und „Unwellness" (gleich Unwohlsein) die sich in unterschiedlichen Symptomen äußert ζ. B. Allergien, Fettleibigkeit, Depressionen, Burn-Out u. a. In dem Werk „Der sechste Kondratieff' hat der Sozialforscher Leo N. Nefiodow Wellness als „Psychosoziale Gesundheit" bezeichnet und damit die psychologischpolitische Seite des Begriffs definiert. Danach stehen im Kern eines „substantiellen" Wellness folgende Faktoren (vgl. HORX-STRATHERN, HORX, GASPAR 2003: 8): • • • • • •

ein stabiles Selbstwertgefühl ein positives und aktives Verhältnis zum einen Körper die Fähigkeit zu Freundschaft und sozialen Beziehungen eine intakte Umwelt eine sinnvolle Arbeit und gute Arbeitsbedingungen eine lebenswerte Gegenwart und die begründete Hoffnung auf eine lebenswerte Zukunft

Für die Lebensqualität des 21. Jahrhunderts ist nicht nur mehr Natur und Kultur eine Determinante, sondern auch die bewusste und aktive Gestaltung seiner Selbst und seiner Umwelt.

1.2.1

Definitionsansätze Gesundheit

Im Allgemeinen wird Gesundheit mit Beschwerde- und Symptomfreiheit in Verbindung gebracht und als Gegensatz zu Krankheit (Funktionsstörung oder Behinderung des Organismus) gesehen. Grundsätzlich gibt es viele Definitionsansätze zum Begriff Gesundheit. Eine der volkstümlichsten Definitionen stammt aus dem Jahr 1948 und wurde von der WHO pos-

1.2 Gesundheit und Wellness

7

tuliert. „ Gesundheit ist der Zustand eines vollkommenen körperlichen, seelischen und sozialen Wohlbefindens und nicht nur die Abwesenheit von Krankheit und Gebrechlichkeit." (WHO 1948 in: LANZ KAUFMANN 2002: 15). Ein anderer, ebenso multidimensional wie die der der WHO, Ansatz ist der von Antonovsky (1997). Er geht dabei von einem Kontinuum von gesund bis krank und stellt sich damit klar gegen eine dichotome Klassifikation von Gesundheit und Krankheit. In seinem Modell, genannt die Salutogenese findet sich ein Ansatz warum und wie Menschen gesund bleiben und dies bleiben können. Bei diesem Ansatz geht es vordergründig um Fragen der Gesundheitsforderung, Prävention und des Verhinderns von Krankheiten. Hauptbestandteil dieses Modells ist ein Kontinuum, an dessen Eckpunkten die absolute Gesundheit und die völlige Krankheit steht, denn unabhängig vom persönlichen Zustand, nimmt jeder Mensch eine Position auf diesem Gesundheits-Krankheits-Kontinuum ein. Das Salutogenese Modell hat zum Ziel, die eigenen (körpereigenen) Widerstandskräfte aufzubauen und nicht nur krankmachende Zustände unter Einbeziehung der Umwelt, zu bekämpfen (vgl. SCHWAIGER 2007: 6). Nach Grossing bedeutet Gesundheit: „Gesundheit ist nicht das Gegenteil von Krankheit, sondern die Lebenshaltung, die auch im Kranksein noch Wohlbefinden, Lebensbejahung und Leistungsfähigkeit aufbringt." (...) „Gesundheitskultur ist die zeitweilig vorhandene und immer neu zu erringende geglückte Befindlichkeit die Kranksein mit einschließt und nicht Freisein davon bedeuten kann. " (vgl. SCHWAIGER 2007: 4). Gesundheit ist an die Erziehung des ganzen Menschen über Körper und Bewegung gebunden. Demnach steht Gesundheit in einer Interaktion der Bereiche Bewegung, Lebenseinstellung und Ernährung in Bezug auf Wohlbefinden, Lebensfreude, Vitalität und Leistungsfähigkeit. Ebenso gehört zur Gesundheit „normales" Aussehen, Verhalten und Befinden (nach der Definition der WHO auch das soziale Wohlbefinden), d. h. das subjektive Fehlen körperlicher und seelischer Störungen respektive die Nicht-Nachweisbarkeit entsprechender krankhafter Veränderungen (vgl. SCHWAIGER 2007: 4). Auch das Gesundheitsverständnis als „Ordnung zwischen allen Kräften des Menschen" (vgl. SCHWAIGER 2007: 4) kann Gesundheit bedeuten, obwohl damit gemeint ist, dass man nicht gesund sein muss um sich wohl zu fühlen, denn Gesundheit ist von subjektiven Wahrnehmungen und Einschätzungen des eigenen Befindens abhängig. Jeder Begriff von Gesundheit stellt immer auch eine bestimmte individuelle und soziale Konstruktion der Wirklichkeit dar (vgl. FALTERMAIER 1994: 55). Heute geht das sozialmedizinische Verständnis von einem dynamischen Prozess aus, in welchem das Individuum stets versucht, in und mit seiner Umwelt und seinem Umfeld ein Optimum an Wohlbefinden zu erreichen. Der Gesundheitszustand wird dabei maßgeblich von vier Faktoren beeinflusst (vgl. GUTZWILLER/JEANNERET 1996: 24): • • • •

medizinische Versorgung Lebensstil und Gesundheitsverhalten biologische und genetische Gegebenheiten natürliche und soziale Umwelt

8

1 Tourismus, Gesundheit, Wellness

Das Thema Gesundheit ist heute ein Ergebnis des sozialen Wandels. Im Mittelpunkt der Betrachtung steht das „Gesunde Ich". Determiniert wird das „Gesunde Ich" durch (vgl. ROMEIß-STRACKE 2001: 3): • • • • •

starke Individualisierung der Gesellschaft Lebensunternehmertum Mehrdimensionalität Grey-Revolution Frauen-Power

Gesundheit wird immer mehr zu einem ökonomischen Gut, denn Gesundheitsgüter sind knapp, der Bedarf jedoch nahezu unbegrenzt. Das Individuum versucht diese Knappheit rational zu bewältigen, indem er präventiv dafür sorgt, dass ein Krankheitsfall erst gar nicht eintritt. Aus ökonomischer Sicht bedeutet dies: Nachfrager nach vorbeugenden Maßnahmen und Leistungen, die der Kunde/Nachfrager meist selbst zahlt und Nachfrager nach kurativen, rehabilitierenden Leistungen und nach Pflege; diese Ausgaben werden meist von den Kostenträgern (ζ. B. Versicherungen, Krankenkassen) übernommen.

1.2.2

Wellness - Entstehung und Ansätze der Entwicklung

Der Begriff Wellness wurde bereits 1654 im Oxford Dictionary als ein Zustand von Wohlbefinden und guter Gesundheit definiert. So wird das Wort Wellness in einer Monografie von A. Johnson als „...wealnesse" mit „gute Gesundheit" übersetzt. Die im Zusammenhang mit wissenschaftlichen und systematischen Maßnahmen der Gesundheitsforderung ursprüngliche Definition wurde von Haibert L. Dunn gegeben: „ Wellness is an integrated method of functioning which is oriented toward maximizing the potential of which the individual is capable. It requires that the individual maintain a continuum of balance and purposeful direction within the environment where he is functioning." Die Entwicklung des Wellness wird auf der nachfolgenden abgebildeten Zeitachse dargestellt; die Entwicklung von well-being und fitness zu well-ness. well-being 1948 " WHO



well ness 1961 Dunn


80%); regenerierfertig Ready to eat (100%); entspricht einem verzehrfertigen Grad

Abschließend kann die Feststellung getroffen werden, dass eine wellness- und gesundheitsorientierte Gastronomie aus vielerlei Gründen sich eher als System- denn als Individualgastronomie entwickeln wird. Die Ursachen dafür liegen im weitgehenden Versagen der Individualgastronomie (Ausnahmen sind möglich) beim langfristigen und nachhaltigen Aufbau von Konzepten (die im Wellness- und Gesundheits-Ernährungsbereich zweifelsohne von großer Bedeutung sind) und der Fähigkeit diese weiter zu entwickeln.

2.2

Nachfrager von Gesundheits- und Wellnessreisen

Die Nachfrager nach Gesundheits- und/oder Wellnessreisen sind oftmals von den der Urlaubsreisenden schwer abzugrenzen, denn gesundheitsorientierte Gäste verbringen den Wellnessurlaub meist nicht als Hauptreise oder aber als Hauptreise unter einer anderen Bezeichnung. Lediglich der klassische Kurtourismus ist klar abgrenzbar, liegt das Motiv und die hauptsächliche Aktivität in der Vorbeugung und/oder Erhaltung der Gesundheit.

2.2.1

Besonderheiten der Nachfrage von Gesundheits- und Wellnessreisenden

Die Besonderheiten der Nachfrager nach gesundheitsorientierten Reisen lassen sich anhand der Einflussfaktoren, des Werteumfeldes, des Informations- und Entscheidungsverhaltens und dem Potenzial aufzeigen.

2.2 Nachfrager von Gesundheits- und Wellnessreisen

83

Einflussfaktoren und Marktsegmente der Nachfrager Wichtigster Einflussfaktor ist das steigende Gesundheitsbewusstsein der Bevölkerung und die zunehmende Bereitschaft dafür Geld auszugeben. Weitere Faktoren sind u. a. der wachsende Anteil der Senioren an der Gesamtbevölkerung und deren Erwartung auf ein längeres Leben, die durch den medizinischen Fortschritt bedingte höhere Lebenserwartung sowie die Entstehung von neuen Krankheitsbilder durch veränderte Umwelt- und Arbeitsbedingungen. Im Bereich des Wellnesstourismus ist die Nachfrage stark von dem sozialen und wirtschaftlichen Hintergrund geprägt, während im Bereich Kurtourismus die Nachfrager stark von den Sozialversicherungsträgern/Kostensträger und deren Budgetprobleme abhängig sind. Aus den o. g. und weiteren Einflussfaktoren lassen sich nachfolgende Nachfragesegmente ableiten (vgl. DETTMER, GLÜCK, HAUSMANN, KASPAR, OPITZ, LOGINS, SCHNEID 2000: 111): Segment 1: Kuren, die aufgrund ärztlicher Anordnung vollständig von einem Kosten- bzw. Sozialversicherungsträger übernommen werden. Dieses Segment ist gekennzeichnet durch: langfristig sinkende Nachfrage aufgrund geplanter Kosteneinsparungen, steigender Preisdruck und Qualitätsanforderungen seitens der Versicherer, Wettbewerbsdruck und Auslastungsprobleme der Anbieter (private Betriebe), zunehmendes Ausweichen der privaten Anbieter auf den selbst zahlenden Gast und die damit zunehmende Bedeutung der Werbe- und Marketingaktivitäten des Angebotes. Segment 2: Kuren, die wegen eines bestehenden Krankheitsbildes auf freiwilliger Basis durchgeführt werden. Dieses Segment ist gekennzeichnet durch: gleich bleibende bis steigende Bedeutung der Nachfrage (auch internationale Nachfrage), Leistungen der Anbieter hängen stark von den Bestrebungen zur Kosteneinsparung der Kosten-/Versicherungsträger ab, Spreizung nach Privat- und Sozialkuren. Segment 3: Kuren, die vom Gast insgesamt selbst bezahlt werden und aus Gründen der Gesundheitsvorsorge vorgenommen werden. Dieses Segment ist gekennzeichnet durch: steigende Nachfrage aufgrund des steigenden Gesundheitsbedürfnis und -bewusstseins, Nachfrage nach kürzeren (Kur-) und kombinierten Aufenthalten (Kur = Urlaub), verstärkte Nachfrage nach Pauschalangeboten und höhere Anforderungen an Informationen und Dienstleistungen. Segment 4: Urlaub mit im Vordergrund stehender Inanspruchnahme von Gesundheitsangeboten (Gesundheitsurlaub im weitesten Sinn). Dieses Segment ist gekennzeichnet durch: steigendes, jedoch stark konjunkturabhängiges Nachfragevolumen, zunehmende Differenzierung der einzelnen Nachfragegruppen, höherer Anspruch an Informationen hinsichtlich Angebot, Preis/Leistung und Qualität. Segment 5: Urlaub mit zusätzlicher Inanspruchnahme von Gesundheitsangeboten. Dieses Segment ist gekennzeichnet durch: gleich bleibendes bis leicht steigendes Marktvolumen, wachsende Bedeutung der Erlebniskomponente, wachsende Anforderung an Information, Vermarktung und Flexibilität des Angebotes.

84

2 Grundlagen im Gesundheits- und Wellnesstourismus

Wertefeld/Werteumfeld der Wellness-Urlauber Bei näherer Betrachtung der Wertefelder von gesundheitsorientierten Urlaubern, insbesondere der Zielgruppe Wellnessreisende, wird erkennbar, das wellnessbewußte Menschen vor allem sozial orientiert sind. Sie streben vertrauensvolle und zwischenmenschliche Beziehungen in und um ein harmonisches Leben bzw. Lebensumfeld an. Obwohl der Bildungsstand beim Wellnessbewußtsein keine große Rolle spielt, lässt sich eine gewisse intellektuelle Orientierung erkennen. Während Gesundheitsurlaube und Kuren im Urlaub vor allem bei Personen mit Hauptschulabschluss überdurchschnittliche Marktanteile erzielen, erzielen Abiturienten hohe Marktanteile bei Fitness- und Wellnessurlauben. Information und Entscheidung von Gesundheits- und/oder Wellnessreisenden Das Informationsverhalten bzw. die Beschaffung von Informationen der Wellness- und Gesundheitsinteressenten lässt sich grundsätzlich an folgenden Merkmalen/Kriterien messen (vgl. INSTITUT FÜR FREIZEITWIRTSCHAFT 2004: 6): • • • • • • • •

Qualität und Aussagekraft von Informationsmaterial von Wellness-Studios, -Hotels, Kurorten uvm. durch die Empfehlungen von Familienmitgliedern, Verwandten, Freunden und Bekannten Fachbeiträge in Büchern, Zeitschriften und Zeitungen Informationen im Internet Werbung in Zeitschriften und Zeitungen Fachbeiträge in Radio und TV durch spezielle Wellness-Journale und -Bücher Empfehlungen von Ärzten

Eine wichtige Rolle kommt der Erforschung der Bedeutung der Entscheidungskriterien für die Wahl des Wellness-Urlaubsdomizils zu. Das Institut fiir Freizeitwirtschaft in München kommt zu folgendem Ergebnis (Angaben in Prozent der Befragten - Welches sind die wichtigsten Entscheidungskriterien für die Wahl des Wellness-Domizils?) (vgl. INSTITUT FÜR FREIZEITWIRTSCHAFT 2004: 8, LANDESVEREINIGUNG BAYERISCHE MILCHWIRTSCHAFT 2006: 3): • • • • • • • • • • • •

sehr gute Gesundheits- und/oder Wellnessberatung (> 70%) besonders nettes und aufmerksames Personal (60%) Einrichtung in besonders schöner Gegend (60%) ganz bestimmte, mir wichtige Behandlung (ca. 23%) Einrichtung(en) liegt/liegen in einem interessanten Ort (45%) gute Koordination der Behandlungstermine (ca. 38%) besonders schöne Einrichtung (ca. 46%) Einrichtung ist bekannt für mein Problem (ca. 15%) besonders gute Küche (ca. 42%) mein Arzt empfiehlt die Einrichtung (ca. 5%) Freunde und Bekannte besuchen auch diesen Ort (ca. 19%) speziell für die Behandlung meines Problems bekannter Arzt (ca. 3%)

2.2 Nachfrager von Gesundheits- und Wellnessreisen

85

Volumen und Potenzial von gesundheitsorientierten Reisen Tendenziell deuten Gesundheits- und Wellness-Reisen eher auf einen Zweit- oder Dritturlaub bzw. Kurzreise hin. Die durchschnittliche Aufenthaltsdauer lag 2005 bei knapp fünf Tagen (vgl. SCHWAIGER 2007: 56). Die gegenwärtige Situation im Gesundheits- und Wellnesstourismus weist einen höheren Frauenanteil auf, wobei das Interesse bei den Männern eine stark steigende Tendenz erkennen lässt. Gesundheits- und Wellnesstouristen finden sich in allen Altersgruppen, jedoch die Kernzielgruppe der Nachfrager bilden lebenserfahrene Frauen zwischen 40 und 59 Jahren. Die größten Unterschiede die Nachfrage betreffend sind in den Motiven nach Gesundheits- und Wellness-Reisen zu erkennen. Während die Altersgruppe bis 30 Jahre stärker Fitness- und Schönheitsanwendungen nachfragen, sind 40bis 59-Jährige stärker am Erholungsurlaub mit dem Aspekt des Körperbewusstseins interessiert. Die Altersklasse ab 60 Jahre bevorzugt eindeutig die traditionelle Form der Kur in all ihren Ausprägungen ζ. B. ambulant, stationär, Vorsorge (vgl. RA 2006: 86, F. U. R. 2005: 8). Für den Großteil der Nachfrager zählt das Ausspannen bzw. die Entspannung zu den wichtigsten Kriterien eines Gesundheits- und Wellnessurlaubs. Sportmöglichkeiten, Spaß, Vergnügen werden als Zusatzangebote bestenfalls genutzt, nicht aber aktiv nachgefragt. Unberührte Landschaften sind dem Gesundheits- und Wellness-Urlauber sehr wichtig, außergewöhnliche Unterhaltungsangebote werden jedoch abgelehnt. Laut Reiseanalyse (RA) 2006 (vgl. F. U. R. Gesundheitsreisen 2005: 9) geben 61% den Entspannungsgedanken als Grund für die Wahl des Urlaubs an, das Urlaubsmotiv Gesundheit notiert mit ca. 30% ebenfalls in der oberen Hälfte der Motive die als „besonders wichtig" angesehen werden. Das Volumen des Zukunftspotenzials gesundheitsorientierter Urlaubsformen zeigt nachfolgende Tabelle. Tabelle 2.33 Volumen des Zukunftspotenzials

gesundheitsorientierter

Quelle: F. U. R. Gesundheitsreisen

Urlaubsformen 2005 - 2007

2005: 9

Volumen des Zukunftspotenzials gesundheitsorientierter Urlaubsformen 2005 - 2007 Urlaubsformen

plane ziemlich sicher

kommt generell in Frage

Mio.

%

Mio.

%

Gesundheitsurlaub

5,2

8,1

7,7

11,9

Kur im Urlaub

4,7

7,2

6,5

10,1

Wellnessurlaub

2,0

3,1

4,1

10,5

Fitnessurlaub

2,0

3,1

4,6

7,1

Frage: „ Welche dieser Möglichkeiten, Urlaub zu machen, planen Sie innerhalb der nächsten drei Jahre (also 2005, 2006 und 2007) ziemlich sicher zu nutzen? Und welche kommen für Sie in den nächsten drei Jahren, generell in Frage? " (Listenvorlage mit 28 Urlaubsformen; Mehrfachnennungen möglich, Basis: Bevölkerung (64,7 Mio.)

Allein die Zunahme des Interesses, einen Wellnessurlaub zu buchen, stieg von 1995 bis 2005 um 158% an; beachtlich für eine gesundheitsorientierte Urlaubsform, die vor 1994 keinen großen Bekanntheitsgrad aufwies (vgl. F. U. R. Reiseanalyse 2006: 86, F. U. R. Gesundheitsreisen 2005: 8). Wellness-Reisen, eine Urlaubsform der Zukunft. Das BA Τ Freizeitforschungsinstitut führte eigenen Angaben zu Folge eine repräsentative Umfrage (n = 4.000) durch. Gefragt wurde

86

2 Grundlagen im Gesundheits- und Wellnesstourismus

nach einer Urlaubsform, die für die Befragten „persönlich in Zukunft interessant" sind. Das Ergebnis ist eindeutig: 69% der Befragten sprachen sich für einen Erholungs- bzw. einen Wellnessurlaub aus, und fast jeder zweite nennt aber auch Medical-Wellness Urlaub mit gesundheitsorientiertem und präventivmedizinischem Charakter.

Erholungs/Wellnessurlaub

69 61

Städtetourismus Studien/Bildungsreise

46

Medical-WellnessUrlaub/Kurzurlaub

45

Berg- und Wandertourismus

38

Kreuzfahrttourismus

33 30

Fahrradtourismus

28

Abenteuerurlaub Campingurlaub

24

Cluburlaub

24 20

40

60

80

100

Abbildung 2.1 Urlauber wollen auf der Wohlfiihlwelle schwimmen - Urlaubsformen der Zukunft Quelle: BAT/Freizeitforschungsinstitut

2.2.2

2007

Abgrenzungen aus Sicht der Nachfrager

Aus Sicht der Nachfrager und im Vorfeld der Typologisierung muss eine Abgrenzung nach den Bereichen Kur, Wellness und Rehabilitation vorgenommen werden. Denn jeder Bereich wird überwiegend von einer anderen Zielgruppe und unterschiedlichen Präferenzen nachgefragt.

87

2.2 Nachfrager von Gesundheits- und Wellnessreisen Tabelle 2.34 Abgrenzung zwischen Kur, Rehabilitation

und Wellness - aus der Perspektive des

Nachfrageverhaltens

Quelle: eigene grafische Darstellung in Anlehnung an WAGNER 2006: 61-62 Kur

Wellness

Rehabilitation

relativ stark reglementierter Bereich

unreglementierter, hochdynamischer Bereich

ärztliche Anleitung zur Kur vorwiegend (Jung-) Senioren Inanspruchnahme der natürlichen Heilmittel zur Heilung überwiegend Nachfrager durch Sozialversicherung steigende Bedeutung der Gesundheitsforderung

vorwiegend jüngere Menschen ( Schwerpunkt 30 bis 40 Jahre, viele junge Verheiratete und ältere Paare ohne Kinder) Inanspruchnahme natürlicher Heilmittel zur Gesunderhaltung ausschließlich private Nachfrager, Selbstfinanzierung

stark reglementierter Bereich (Sozialversicherung) ärztliche Anleitung zur Rehabilitation nicht altersspezifisch steigende Bedeutung des privaten Sektors steigende Bedeutung der Prävention

steigende Bedeutung des privaten Sektors weitgehend standardisierte Inhalte (ärztlicher Kurplan) Orientierung am Krankheitsbild traditionelle Kooperation mit der Medizin Image: alt, krank, langweilig

Eigenmotivation

hohe Bedeutung an Primärprävention Programm nach eigener Vorstellung neue Verfahren gefragt, aber Wirkung nicht überprüft kaum systematische Kooperation mit der Wissenschaft

enge Kooperation mit der Akutmedizin erforderlich Orientierung am Krankheitsbild und Rehabilitationsziel längerer Aufenthalt

Image: jung, fit, gesund, Lebensfreude kürzere Aufenthalte, oft nur ein paar Tage

längere Aufenthalte

Arten/Typen von Gesundheits- und Wellness-Urlaubern Grundsätzlich und in der Theorie können die Nachfrager nach Gesundheits- und nach Wellnessleistungen sehr spezifisch segmentiert und unterteilt werden. In der Praxis ist eine Trennung nur sehr schwer möglich, denn grundsätzlich kann allen Nachfragern ein generelles Bedürfnis nach Gesundheit und Wohlbefinden unterstellt werden, den Kranken als auch den Gesunden gleichermaßen. Unterschiede gibt es hinsichtlich ihrer Wünsche und Erwartungen. Die Nachfrage bzw. die Nachfrager nach Gesundheits- und/oder Wellnessleistungen kann/können unterschiedlich sein und nach u. a. nachfolgend aufgezeigten Kriterien/Typen segmentiert werden. Dies ist aus Sicht der Anbieter wichtig, um diese gezielt ansprechen zu können. Im Laufe der Zeit haben sich unterschiedliche Typologisierungen herausgebildet, von denen einige näher erläutert werden.

Traditionelle Segmentierung der Nachfrager So kann eine Segmentierung (klassische Segmentierung) der Nachfrage, nach Prävention, Kuration, Rehabilitation und Pflege sinnvoll erscheinen (vgl. WEBER 2006: 10-14). Präventive Nachfrager: dieser Nachfragertyp trägt aktiv dazu bei, eine gesundheitliche Schädigung gezielt zu verhindern. Präventive Gesundheitsmaßnahmen zielen, ohne das Vorhandensein eines medizinischen Handlungsbedarfes auf eine Verminderung der Eintrittswahrscheinlichkeit von Krankheit, Behinderung oder Tod. Aus wirtschaftlicher Sicht eines Unternehmens ist diese Nachfragegruppe zwar höchst interessant, da proaktiv und i. d. R. auch zahlwillig, oftmals aber finanziell (teilweise oder gänzlich) nicht zahlfähig. Gesundheitliche Nutzeffekte treten erst zeitverzögert ein, ein direkter Zusammenhang zwischen dem Mitteleinsatz und den protektiven gesundheitlichen Wirkungen (Kosten-Nutzen-Zusammen-

88

2 Grundlagen im Gesundheits- und Wellnesstourismus

hang) ist häufig nicht herzustellen. Dies führt dazu, dass die Gesetzlichen Krankenkassen bzw. die Kostenträger im Allgemeinen eine Übernahme der Finanzierung ablehnen (der Leistungskatalog der Gesetzlichen Krankenkassen beschränkt sich meist auf eine medizinische Grundversorgung; Prävention ist in deren Sinne definitiv keine gesetzliche Grundversorgung). Nur in Ausnahmefällen und wenn ein kollektiver Nutzen für die Allgemeinheit erwartet werden kann, können präventive Leistungen (ζ. B. Impfschutz, Vorsorgeuntersuchungen) teilweise oder gänzlich übernommen werden. Der präventive Nachfrager ist jedoch grundsätzlich bereit, zusätzliche Kosten für sein Wohlempfinden zu übernehmen. Denn präventive Gesundheitsleistungen helfen den Gesundheitszustand zu sichern und mindern die immer höher werdenden finanziellen Belastungen im Krankheitsfall. Kurative Nachfrager: dieser Nachfragertyp fragt Gesundheitsleistungen nach, die eine bereits bestehende oder eintretende Krankheit in deren Verlauf stoppen und eine Erweiterung bzw. Verschlechterung des Gesundheitszustandes verhindern. Eine ärztliche Behandlung ist in den meisten Fällen zwingend notwendig, meist in Form ambulanter oder stationärer Versorgung. Bei leichten bis mittelschweren Fällen bietet sich diesem Nachfragertyp die Möglichkeit der Selbstbehandlung, ζ. B. durch eine selbst eingeleitete Medikation. Bei schwerem Verlauf und bei Inanspruchnahme medizinischer Versorgung wird der Nachfrager zum Patienten und kann dadurch als Versicherter einer Gesetzlichen Krankenversicherung nur noch sehr eingeschränkt selbst entscheiden, welche Leistungen er wünscht oder ablehnt. Auch privat versicherte Patienten haben in diesem Stadium eingeschränkte Entscheidungsfreiheiten. Hier wird immer häufiger der Wunsch seitens der Nachfrager bzw. der Patienten nach alternativen Heilmethoden und nicht-traditioneller Medizin geäußert, Leistungen, die entweder selbst bezahlt werden müssen oder über eine Zusatzversicherung abgedeckt werden. Rehabilitative Nachfrager: die nachgefragten Leistungen setzen meist unmittelbar nach einer kurativen Behandlung ein und werden von Ärzten veranlasst. Das Gesundheitsniveau des Nachfragers/Patienten soll möglichst schnell den Zustand vor Eintritt der Krankheit erreichen. Die Mobilisation und Aktivierung des Patienten soll möglichst frühzeitig gefordert werden. Neben der körperlichen Genesung soll auch eine emotionale Stabilisierung erreicht werden. Klassische Nachfrager nach rehabilitativen Leistungen sind ζ. B. Sport- und Unfallverletzte nach einer Operation, Schlaganfallpatienten. Bei schwer chronisch verlaufenden Krankheiten oder Behinderungen begleiten rehabilitative Maßnahmen den Betroffenen für lange Zeit, oftmals ein Leben lang. Erbracht werden die Leistungen von ζ. B. Therapeuten, Psychologen, Sozialarbeitern, Ärzten, spezielle Rehakliniken oder aber Selbsthilfegruppen wie beispielsweise Rückenschule, Herzgruppe und Rheumafunktionstraining. Die Ausgabewilligkeit und -bereitschaft der Betroffenen, rehabilitative Maßnahmen aus eigener Tasche zu bezahlen, hält sich hier in überschaubaren Grenzen. Denn oftmals kommen Betroffene durch den Vorfall in finanzielle Nöte. In Anspruch genommen werden hauptsächlich Leistungen, die von den Kostenträgern (ζ. B. Versicherungen, Krankenkassen) übernommen werden. Nachfrager nach Pflege: bei dieser Gruppe der Nachfrager handelt es sich um dauerhafte und im erheblichen Maße pflegebedürftige Menschen. Die Pflegeleistung besteht darin, einen pflegebedürftigen Menschen bei der Verrichtung von gewöhnlichen und wiederkehrenden Aufgaben des täglichen Lebens zu unterstützen oder einige Aufgaben ganz zu überneh-

2.2 Nachfrager von Gesundheits- und Wellnessreisen

89

men. Pflegeleistungen, die hier nachgefragt werden, sind Körperpflege (ζ. B. Zahnpflege, Duschen, Rasieren), Ernährung (ζ. B. Kochen, mundgerechte Zubereitung, künstliche Ernährung), Mobilität (ζ. B. An- und Auskleiden, Treppensteigen, Gehen), hauswirtschaftliche Versorgung (ζ. B. Einkaufen, Reinigen der Wohnung, Wäschewechsel). Erbringer der Pflegeleistungen können sein: professionell ambulante und stationäre Pflegedienste, ehrenamtliche Helfer, Nachbarn, Familienangehörige.

Segmentierung der Nachfrager nach Lanz Kaufmann Lanz Kaufmann unterscheidet (gestützt durch eine Erhebung) in der Praxis drei Kategorien von Gesundheitsgästen, die aktiven, die passiven Wellnessgäste und die Kur-/Rehagäste (vgl. LANZ KAUFMANN 2002: 136-139). Passive Wellnessgäste: Hauptmotiv dieser Gruppe ist Wellness, sie nehmen eher Angebote in Anspruch, mit welchen sie sich körperlich passiv verwöhnen lassen, in Gesundheitsfragen jedoch stark interessiert, höhere Ansprüche (als die übrigen Gäste) an Gesundheitsinformationen, individuelle Beratung und Betreuung, Verfügbarkeit von Fachkompetenz. Im Vordergrund stehen Beauty-Anwendungen und Stressmanagement, Sport ist bei dieser Gruppe weniger beliebt, dagegen werden Sauna, Dampfbad, Whirlpool und Sauna als ausgesprochen wichtig eingestuft. Mit einen Durchschnittsalter von 43 Jahren sind sie die jüngste Gruppe von Gesundheitsgästen, 80% sind Frauen, der durchschnittliche Aufenthalt in einem Wellnesshotel beträgt bei dieser Gruppe 4,5 Tage. Aktive Wellnessgäste: Hauptmotiv dieser Gruppe ist die Gesundheitsforderung, sie verhalten sich tatsächlich gesundheitsbewußter, treiben aktiv Sport, ernähren sich gesünder, häufigere Besuche von Vorträgen zum Thema Gesundheit und Wellness. Eher unwichtig werden die Nasszonen und Spas, Sauna, Whirlpool, Dampfbad betrachtet, hingegen werden SportAngebote, gesunde Ernährung, Informationen und kulturelle Angebote als sehr wichtig eingestuft. Auch liegt der Anteil der aktiven Wellnessgäste, die sich verwöhnen lassen (wollen) mit unter 20% unter dem der passiven Wellnessgäste. Das Alter dieser Gruppe liegt im Schnitt bei ca. 53 Jahren, 70% sind Frauen. Kur-/Rehagäste: Hauptmotiv liegt in der Erhaltung der Gesundheit und der Heilung, nur wenige wollen sich verwöhnen lassen, sie weisen den geringsten Nutzungsgrad der Wellness-Nasszonen auf, und nehmen die meisten Behandlungen in Anspruch. Wichtig ist gesunde Ernährung, viele Vorträge zum Thema Gesundheit und sportliche Angebote. Sie sind mit ca. 56 Jahren (Durchschnittsalter) die älteste Gästegruppe von Gesundheitsgästen, ca. 64% sind Frauen, der durchschnittliche Aufenthalt beträgt 15 Tage. Ausgehend von diesen drei Kategorien von Gesundheitsgästen wurde mittels einer Clusteranalyse eine Marktsegmentierung vorgenommen. Untersucht wurden vier Gästesegmente: anspruchsvolle, selbstständige, betreuungsintensive und erholungsuchende Gesundheitsgäste (vgl. LANZ KAUFMANN 2002: 143-149). Anspruchsvolle Gesundheitsgäste: mit ca. 41% die größte Gästegruppe, legen großen Wert auf Betreuung und Information, Fachkompetenz und ein umfassendes Wellness-Infrastruktur-Angebot. Kostenlose Zusatzleistungen (ζ. B. Föhn, Bademantel) sind sehr wichtig.

90

2 Grundlagen im Gesundheits- und Wellnesstourismus

Mehr als drei Viertel dieser Gäste sind Frauen mit einem Durchschnittsalter von 48 Jahren. Das Hauptaufenthaltsmotiv ist die Gesundheitsforderung, Schönheitspflege, Stressmanagement. Nasszonen und gesunde Ernährung werden als sehr wichtig eingestuft, aktiver Sport ist wenig wichtig bis unbeliebt. Selbstständige Infrastrukturbenutzer: schätzen Wellness-Einrichtungen, Sauna, Dampfbad und Whirlpool sehr, legen aber auch großen Wert auf Betreuung, Information und Fachkompetenz. Gesunde Ernährung, Entspannung und kulturelle Angebote spielen eine untergeordnete Rolle. Diese Gäste sind mehrheitlich männlich und verbringen auch die meiste Zeit im Freien, das Durchschnittsalter liegt bei 49 Jahren und der Anteil an Absolventen von Hochschulen ist mit ca. 80% überdurchschnittlich hoch. Der durchschnittliche Aufenthalt beträgt 6,5 Tage. Betreuungsintensive Gesundheitsgäste: das Hauptmotiv bzw. der Hauptzweck des Aufenthaltes ist die Heilung, Therapie und Rehabilitation. Gesundheitsforderung spielt auch eine wichtige Rolle. Großer Wert wird auf Fachkompetenz, individuelle Betreuung und Beratung gelegt. Weniger hohe Erwartung an das Personal als die anspruchslosen Erholungsgäste. 60% der betreuungsintensiven Gesundheitsgäste sind weiblich, das Durchschnittsalter beträgt 53 Jahre und der Aufenthalt liegt im Durchschnitt bei ca. 10 Tagen. Anspruchslose Erholungsgäste: sie stellen mit ca. 14% die kleinste Gruppe an Gesundheitsgästen, stufen die einzelnen Wellnesselemente und Rahmenbedingungen am niedrigsten von allen Gästegruppen ein. Der Hauptzweck des Aufenthaltes ist die Erholung und Entspannung. Natur und Wetter spielen eine große Rolle. Das Durchschnittsalter liegt bei 58 Jahren, der Anteil der Frauen bei ca. 50%, der durchschnittliche Aufenthalt liegt bei 9 Tagen.

Segmentierung der Nachfrager nach SDI Research Eine mögliche Typologisierung ist die Unterteilung der Nachfrager in Typen von Α bis Ε (vgl. SDI 2007): Typ A: Health-Potentials: für diesen Typ von Wellness-Urlauber ist die körperliche Leistungsfähigkeit ein individuelles Ziel und die Voraussetzung für Beruf und Karriere. Auch wenn diese Gruppe nur ca. 7% am Gesamtmarkt ausmacht, so verfügt sie jedoch über eine hohe Kaufkraft und ist für hochqualitative und hochpreisige Angebote von großer Bedeutung. Der typische Typ Α ist 40 Jahre und älter, und besucht vorwiegend Wellnessdestinationen mit Partner(in) und/oder Freunden. Der Trend deutet auf ein langsames Wachstum mit einem gleichzeitig steigenden Anspruchsniveau hin. Typ B: Self-Incentives: für diese Gruppe ist das Produkt Gesundheits- und Wellnessreisen eine Selbstbelohnung für die Mühen und Plagen beruflichen Wirkens und der erreichten Ziele. Kennzeichnen dieser Gruppe sind: ein Marktanteil von ca. 12%, verhältnismäßig niedrige Kaufkraft, hohe Flexibilität und unregelmäßiger Wellness- und Gesundheitstourist. Typ Β findet sich in jeder Altersgruppe, jedoch sind sie in der Altergruppe bis 50 Jahre am häufigsten vertreten. Bei dieser Gruppe wird ein wachsender Trend der Anspruchsorientierung (ζ. T. modischer Natur) festgestellt.

2.2 Nachfrager von Gesundheits- und Wellnessreisen

91

Typ C: Fun & Family: diese Gruppe bevorzugt die familienbezogene Wellnessvariante, d. h. Wellness mit und um die Familie, Spaß für die Kinder, zwangloses Entspannen für die Eltern. Diese Zielgruppe bevorzugt u. a. Hotelanlagen mit spektakulären Wasserrutschen, Wellenbecken, Sprungtürme. Das Anspruchsniveau der mit ca. 25% Marktanteil vertretenen Gruppe an den „Fun Faktor" ist sehr hoch. Der Nachfragetrend dieser Zielgruppe, Altersklasse zwischen 20 und 40 Jahren wird als relativ instabil eingeschätzt, da die wichtigsten Variablen dieser Zielgruppe das Wetter und die Angebote sind, und diese zu stark unregelmäßigen Nutzungen von Wellnessangeboten führen. Typ D: Socializer: bei dieser Gruppe wird die Gesundheits- und Wellnessdestination mehr und mehr als Kommunikationseinheit und sozialer Fixpunkt betrachtet. Das Motiv besteht in der Förderung der Gesundheit aber auch im Treffen von Freunden, Bekannten, zuweilen auch Geschäftspartner, Kontakte zu knüpfen und zu pflegen. Das Besucherverhalten dieses kommunikationsorientierten und gruppenorientierten Typs ist regelmäßig und kontinuierlich. Der Marktanteil beträgt ca. 36%, die Altersgruppe 40plus ist vorherrschend. Künftig wird mit einer stabilen bleibenden Nachfrage gerechnet, lediglich die Ansprüche an die Qualität werden zunehmen. Typ E: Health-Traditionals: diese Gruppe repräsentiert den klassischen Kurgast, dessen Bedeutung seit Jahren abnimmt, jedoch durch die demografische Altersentwicklung abgefedert wird. Dieser ruhebedürftige Nachfrager der Altersgruppe 50plus weist einen sinkenden Marktanteil (derzeit noch ca. 20%) auf.

Segmentierung der Nachfrager nach Berger und Pharma & Healthcare Roland Berger Strategy Consultants und das Kompetenzzentrum Pharma & Healthcare definieren folgende fünf Grundtypen von Nachfragern: Typ 1: die rundum Aktiven - dieser Typ ist sportlich aktiv, sie interessieren sich für Wellness, geben Geld für Vorsorge und Zusatzversicherungen aus, fühlen sich insgesamt gut, machen sich wenig Gedanken um ihre Gesundheit und gehen selten zum Arzt Typ 2: die sorglosen Sportler - für diesen Typ stellt Sport einen wichtigen Lebensinhalt dar, Gesundheit ist dabei eher ein netter Nebeneffekt, der Arzt wird eher seltener konsultiert und nur dann wenn sie wirklich krank sind, alternative Heilmethode werden so gut wie gar nicht genutzt Typ 3: die traditionellen Minimalisten - der Gesundheitsvorsorge reduziert sich auf gelegentliche Arztbesuche, sie sind sportlich kaum aktiv und zeigen generell wenig Interesse an Gesundheit und Gesundheitsthemen - Gesundheit bedeutet für diese Typ Abwesenheit von Krankheit Typ 4: die passiven Zauderer - diese sind der Meinung, dass sie mehr für ihre Gesundheit tun müssen, können sich aber oftmals nicht aufraffen, sie treiben wenig Sport und beschäftigen sich auch sonst kaum mit Gesundheitsthemen

92

2 Grandlagen im Gesundheits- und Wellnesstourismus

Typ 5: die selbstkritischen Interessierten - dieser Typ befasst sich sehr intensiv mit Gesundheitsthemen und dem eigenen Gesundheitszustand, sie geben insgesamt (von den fünf Typen) das meiste Geld für Gesundheit aus Diese, von Roland Berger Strategy Consultants und dem Kompetenzzentrum Pharma & Healthcare stark verallgemeinerte und profane Segmentierung hat natürlich mit der Ansprachestrategie der Anbieter von Gesundheitsprodukten und -dienstleistungen zu tun. Durch diese starke Verallgemeinerung ist keine besonders gezielte, dafür aber in höchstem Maße breit gefächerte und somit effiziente Ansprache möglich.

2.3

Die Rolle der Destination im Gesundheits- und Wellnesstourismus

Reiseziele werden von Urlaubern bzw. Nachfragern nach touristischen Leistungen i. d. R. nach Attraktivitätsfaktoren und/oder nach der Ausrichtung des Zielgebietes definiert. So kann es sich hierbei um Naherholungsorte, Kurorte, Fernreiseziele, Badeziele, Vergnügungszentren und weitere handeln. Die grundsätzliche Problematik besteht darin, dass viele Orte aufgrund ihrer Struktur und ihren Attraktivitätsfaktoren mehreren Tourismusorttypen zugeordnet werden können. Aufgrund von Überschneidungen der einzelnen Tourismusorte und der dadurch ungenauen Zuordnung, Einordnung und Definition wurde als übergeordneter Begriff eines Reiseziels die Destination gewählt (vgl. RULLE 2004: 43).

2.3.1

Begriffsbestimmung Destination

Destination ist der Raum, in dem ein Gesundheits- und Wellnesstourist die von ihm nachgefragten Leistungen konsumiert. Der Destination kommt eine überaus wichtige Bedeutung zu, denn der Gast verbringt ja seinen vorübergehenden Aufenthalt an „diesem Ort", in „dieser Region", „in diesem Hotel" usw. Was genau wird im Tourismus als Destination bezeichnet? Nachfolgend einige Definitionsansätze zum Begriff Destination. Freyer (1993: 197) nennt Fremdenverkehrsorte, Reiseziele und Resorts als übergreifender Begriff für die verschiedenen Anbieter, ob Gemeinde, Land, Gebiet, Region, Resort, Stadt oder Landschaft. Er bringt damit zum Ausdruck, dass der Gast verschiedene Größen von Räumen als sein Reiseziel bestimmen kann (vgl. BIEGER 2002: 55). Kaspar (1991: 68) bezeichnet den Fremdenverkehrsort als „Kristallisationspunkt der Nachfrage". Er betont damit, dass die touristische Nachfrage auf einen Ort und nicht auf Unternehmen ausgerichtet ist. Dieser Ort muss aus Sicht des Konsumenten, des Touristen bestimmt werden (vgl. BIEGER 2002: 55). Inskeep (1991: 199) und die WTO (1993: 52) definieren Resort als Tourismusdestination, die relativ abgeschlossen ist und die eine große Spanne von Einrichtungen und Dienstleistung, speziell für diejenigen die Erholung, und Entspannung, Lernen und Gesundheit suchen, bie-

2.3 Die Rolle der Destination im Gesundheits- und Wellnesstourismus

93

tet. Aus dieser Definition geht hervor, dass ein Resort eine Destination ist, die alle notwendigen Einrichtungen für einen Aufenthalt besitzt um als selbstständiges Reiseziel zu gelten (vgl. BIEGER 2002: 55). Die WTO (1993: 22) definiert Destination „ ...als ein Ort mit einem Muster von Attraktionen und damit verbundenen Tourismuseinrichtungen und Dienstleistungen, die ein Tourist oder eine Gruppe fiir einen Besuch auswählt und den die Leistungsersteller vermarkten." Aus dieser Definition geht nun hervor, dass die Destination als Reiseziel und Tourismusprodukt zu verstehen ist. Somit kann gefolgert werden, das der Begriff Destination ein Überbegriff/Oberbegriff für sämtliche Arten und Größen von Reisedienstleistungen, Reiseprodukte und Reiseziele ist. Hervorgehoben werden können aus der o. g. Schlussfolgerung folgende Sichtweisen (vgl. BIEGER 2002: 55): •

Sichtweise des Abnehmers: die Destination ist das, „was" ein Tourist für den Besuch auswählt und das der/die Leistungsersteller vermarkten. Die Destination kann somit aus der Sicht des Abnehmers definiert werden. Entscheidend dabei ist, dass die ausgewählte Destination (ζ. B. ein geografischer Raum) einen ganzheitlichen Gästenutzen erbringt (vgl. MÜLLER 1995 in: BIEGER 2002: 55).



Bedürfnisse und Wahrnehmung des Abnehmers: was eine Destination für einen Gast ist, hängt weitgehend von seiner Wahrnehmung und seinen Bedürfnissen ab. Einem Golfspieler ist beispielsweise das Hotel mit einem angegliederten Golfplatz, einem Gesundheitsurlauber das Hotel mit einem angeschlossenen F. X. Mayer-Therapiezentrum seine jeweilige Destination (vgl. BIEGER 2002: 56).



Destination als Wettbewerbseinheit: die Destination kann auch „als ein Ort mit einem Muster von Attraktionen und damit verbundenen Tourismuseinrichtungen und Dienstleistungen" verstanden werden die ein oder unterschiedliche Leistungsbündel für einen Gast oder Gästegruppen bereitstellt. Als solche steht sie in dauerhaftem Wettbewerb mit anderen Destinationen und ist somit eine Wettbewerbseinheit (vgl. BIEGER 2002: 56).

Ausgehend von o. g. Definitionsansätzen und Erkenntnissen definiert Bieger die Destination wie folgt: „Geografischer Raum (Ort, Region, Weiler), den der jeweilige Gast (oder ein Gästesegment) als Reiseziel auswählt. Sie enthält sämtliche für einen Aufenthalt notwendigen Einrichtungen für Beherbergung, Verpflegung, Unterhaltung/Beschäftigung. Sie ist damit Wettbewerbseinheit im Incoming-Tourismus, die als strategische Geschäftseinheit gefuhrt werden muss. " (vgl. BIEGER 2002: 56) Destinationen weisen meist verschiedene Attraktionspunkte auf, diese bewirken untereinander positive Nutzeffekte. In der Vermarktung von Destinationen kann es unterschiedliche Vermarktungsebenen geben. So kann beispielsweise das Hotel mit angeschlossenem Ayurveda-Zentrum sich selbst vermarkten, der Ort in dem diese Einrichtungen liegen, werden von den Tourismus-Ämtern bzw. Tourismus-Organisationen und das Land durch die nationalen Tourismus-Organisationen vermarktet. Diese „Mehrfachvermarktung" macht insoweit Sinn,

94

2 Grundlagen im Gesundheits- und Wellnesstourismus

als dass auf jeder Ebene andere Zielgruppen bzw. andere Leistungen oder Leistungsbündel vermarktet werden. Eine weitere Besonderheit in der Betrachtung von Destinationen ist die Entfernung und der Reisezweck. Grundsätzlich gilt: Je weiter die Destination vom ständigen Wohnort entfernt liegt, desto weiter wird der Begriff Destination gefasst. Ein europäischer Gesundheitstourist, der einen Ayurveda-Aufenthalt in einem kleinen indischen Ostenküstenort bucht, für den ist die Destination Indien (so wird das Ziel auch kommuniziert), ein amerikanischer Wellnesstourist bereist Europa. Je näher die Destination vom ständigen Wohnort entfernt liegt, desto genauer wird der Begriff Destination eingegrenzt. Ein norddeutscher Kurtourist reist beispielsweise nicht etwa nach Bayern zur Kur, sondern nach Bad Aibling. Je genauer (enger) der Reisezweck gefasst ist, desto eingegrenzter wird auch die Destination. So ist für einen Fachbesucher einer Gesundheits- und Wellnessmesse das Messegelände und ggf. die Stadt eine Destination, für den touristischen Fachbesucher der ITB ist die Destination die Berliner Messe am Funkturm die Destination (vgl. BIEGER 2002: 57). Touristische Destinationen können nach unterschiedlichen Kriterien eingeteilt werden. Die Einteilung der Destinationen nach Freyer ist in nachfolgender Tabelle aufgezeigt. Tabelle 2.35 Arten von touristischen

Destinationen

Quelle: FREYER 2001: 184 Destinationen nach der Größe

nach geografischen Aspekten

nach touristischer Angebotsart und Angebotsform

nach Trägerschaften und Rechtsformen

Kontinente

Klimazonen

Länder

Landschaftsformen (ζ. B. Berge, Mittelgebirge, Flüsse, Seen, Inseln, Küsten) Besiedlungsstruktur (ζ. B. Land, Wüste, Wildnis, Stadt)

ursprüngliche Angebote (ζ. B. Natur, Kultur, allgemeine Infrastruktur)

FremdenverkehrsVereine

Regionen Städte Gemeinden Orte

abgeleitete Angebote (ζ. B. touristische Infrastruktur, Freizeitinfrastruktur, spezielles touristisches Angebot)

FremdenverkehrsVerbände Körperschaften des öffentlichen Rechts GmbH

immaterielle Aspekte (ζ. B. Attraktivität, Image, Erlebnis, Glück)

Privatbetriebe

Größe: für das Segment Gesundheits- und Wellnesstourismus spielt das Einteilungskriterium „nach Größe" kaum eine Rolle, denn der Zweck der Reise ist nicht von der Größenbezeichnung und somit von der Entfernung vom dauerhaften/ständigen Wohnsitz, sondern von anderen Attraktivitätsfaktoren abhängig. geografische Aspekte/Faktoren: hingegen spielt das Einteilungs-Kriterium „nach geografischen Aspekten" eine bedeutende Rolle. Denn das Klima sowie die Landschaftsformen spielen für den erfolgreichen Aufenthalt zum Zweck der Heilung und/oder Regeneration sowie bei einem Wellnessaufenthalt eine sehr wichtige Rolle. Der Erfolg einer Kur oder einer therapeutischen Maßnahme wird vielfach gerade durch das Klima, die Höhenlage und die Witterung günstig beeinflusst. Angebotsart/Angebotsform: bei diesem Einteilungskriterium spielt insbesondere das Angebot (natürlich und abgeleitet) eine wichtige Rolle. Die in diesem Einteilungskriterium ge-

2.3 Die Rolle der Destination im Gesundheits- und Wellnesstourismus

95

nannten Faktoren weisen im Vergleich zu den geografischen Aspekten/Faktoren eine gewisse Redundanz auf. Eine ausführlichere Darstellung und Unterteilung der Faktoren ist in nachfolgender Abbildung aufgezeigt. Tabelle 2.36 Das touristische

Angebot

Quelle: FREYER 2001: 179 Touristische Angebot Ursprüngliche Angebot

Abgeleitete Angebot

natürliches Angebot (naturgegeben)

touristische Infrastruktur (allgemein)

Landschaft, Topographie

Beherbergung, Verpflegung („Suprastruktur")

Flora, Fauna

Reiseberatung, Reiseorganisation

Klima, Wetter

Touristisches Transportwesen

Naturdenkmäler

Freizeitinfrastruktur

sozio-kulturelles Angebot (durch den Menschen geprägt - anthropogene Faktoren) Kultur, Tradition, Brauchtum Sprache Mentalität, Gastfreundschaft Denkmäler (historische, kulturelle, technische) allgemeine Infrastruktur (mit Einfluss auf den Tourismus Politik, Soziales, Bildung Ver- und Entsorgung Kommunikation, Verkehrswesen

Freizeitwesen: Sport, Kultur Attraktionen: Veranstaltungen und Events Wander- und Radwege spezielle touristische Angebote Kur- und Bäderwesen Messe, Tagungen, Ausstellungen Events

Für den Gesundheits- und Wellnesstourismus sind die klimatischen Bedingungen in der Destination als auch die gesamte Infrastruktur (sowohl die vorhandene als auch die touristische). Trägerschaften und Rechtsformen: dieses Kriterium spielt lediglich anbieterseitig eine Rolle im Gesundheits- und Wellnesstourismus.

2.3.2

Bedeutung/Besonderheiten und Rolle der Destination im Gesundheits- und Wellnesstourismus

Im Gesundheits- und Wellnesstourismus kann die räumliche Größe der gewählten Destination stark variieren. Bei einer Gesundheitsdestination (ζ. B. Kuren) ist die räumliche Abgrenzung i. d. R. schwieriger vorzunehmen als bei einer Wellnessdestination. Kurorte sind Wettbewerbseinheiten mit vielen Akteuren während eine Wellnessdestination (ζ. B. eine Wellnessanlage) meist in einer Hand liegt. Auch ist die Nutzung der Infrastruktur (ζ. B. der der touristischen Ergänzungs- und Randindustrie) sehr unterschiedlich. Kurgäste nehmen häufiger und regelmäßiger die Infrastruktur in einem Kurort oder einem Kurbad bedingt durch ihren längeren Aufenthalt in Anspruch (vgl. RULLE 2004: 43). Der Aufenthalt von Wellnessreisenden ist i. d. R. kürzer. Dadurch wird weniger die Infrastruktur der Orte, sondern vielmehr die Infrastruktur der Anlage genutzt. Gleichwohl sind für den Gesundheits- und

2 Grundlagen im Gesundheits- und Wellnesstourismus

96

Wellnessreisenden die Angebotsfaktoren und die klimatischen Besonderheiten einer Destination von großer Bedeutung. Angebotsfaktoren einer Destination Gäste/Urlauber nehmen in dem besuchten Ort, dem besuchten Strand, der besuchten Region i. d. R. keine isolierte Leistung in Anspruch, sondern ein Leistungsbündel. Mehrere Angebotsfaktoren bewirken einen vollkommenen Reiseaufenthalt. Der Nachfrager empfindet die Destination als „ganzheitliches Produkt" (vgl. LUFT 1995: 2). Dieses „ganzheitliche Produkt" setzt sich aus den touristischen Angebotsfaktoren (standortbegründeten) dem kapazitätsbezogenen touristischen Angebot und den standortfördernden Faktoren zusammen. In nachfolgender Tabelle werden diese dargestellt. Tabelle 2.37 Die touristischen Aufenthaltsbedingungen

eines

Fremdenverkehrsortes

Quelle: LUFT 1995: 12 Standortübergreifende touristische Angebotsfaktoren (reizvolle landschaftliche Gegebenheiten), „Naturnahe" Landschaft und naturgeografische Gegebenheiten

Allziehungsfaktoren: ζ. B. Oberflächengestaltung (Relief), hydrologische Verhältnisse (ζ. B. Meer, Flüsse, Seen, mit Strandflächen bzw. Uferzonen), Vegetation und Tierwelt, Klima Anziehung/Reizwirkung beruht auf: optisch/ästhetischen Eindrücken, direkten Einflüssen auf den Organismus (ζ. B. durch das Klima), Benutzbarkeit und Zugänglichkeit der Landschaft kulturhistorische Gegebenheiten: Kulturschöpfungen aus der Vergangenheit und, kulturelle Einrichtungen der Gegenwart, kulturelle Veranstaltungen sozio-kulturelle Verhältnisse: Volkstum und Brauchtum, Mentalität, Gastfreundschaft, regionale Esskultur, Sprache, Religion, allgemeine Infrastruktur

Kapazitätsbezogene touristische Angebote

gewerbliche touristische Angebote: Einrichtungen der Beherbergung und Verpflegung, Kur- und Heilbetriebe, Unterhaltungs- und Vergnügungsbetriebe, Verkehrsbetriebe, verschiedene Versorgungs- und Dienstleistungsbetriebe öffentliche touristische Angebote: touristisch bedingte Infrastruktur, überbetriebliche Einrichtungen

Standortfördernde touristische Angebotsfaktoren

verkehrsbeschränkende Maßnahmen, aufenthaltsbegünstigendes Siedlungsgefüge, morphologische Harmonie im örtlichen Aufrißbild

Die Destination muss gut erreichbar sein, sie muss über eine touristische Infrastruktur und über ein mehr oder weniger umfangreiches Angebot an Kultur verfügen. Ein wichtiges Kriterium sind die Anziehungsfaktoren (ζ. B. Oberflächengestaltung, Klima, Fauna und Flora). Daraus erklärt sich auch, warum Destinationen im Vergleich mit anderen Destinationen bei gleichbleibend gutem und qualifizierten Angebot an Gesundheits- und Wellnessleistungen, die aber über ζ. B. ungleich schönere Landschaften, Esskultur, kulturelle Einrichtungen häufiger besucht werden als Destinationen mit weniger Anziehungsfaktoren.

Klimatische Faktoren in der Destination Die Basis des Angebots ist zunächst in den landschaftlichen Gegebenheiten einer Destination zu sehen. Möglichkeiten der Erholung, der Regeneration werden von den Nachfragern u. a. an einen Aufenthalt in reizvolle Landschaften geknüpft. Ein wesentlicher Erholungswert

2.3 Die Rolle der Destination im Gesundheits- und Wellnesstourismus

97

einer Landschaft kann sich auch im klimatischen Wohlbefinden der Nachfrager zeigen. Das klimatische Wohlbefinden wird von der medizinisch-meteorologischen Forschungsstelle des Deutschen Wetterdienstes auf drei Wirkungskomplexe hin untersucht und begründet. Diese drei Wirkungskomplexe sind: • • •

thermische Wirkungskomplex Strahlungs-Wirkungskomplex luftchemische Wirkungskomplex

Thermische Wirkungskomplex. Dieser Wirkungskomplex ist für das Wohlbefinden von erheblicher Bedeutung, denn es ist für den Gast/Nachfrager von entscheidender Bedeutung, ob das klimatische Umweltniveau die Wärmeregulation mehr oder weniger stark belastet oder ob eine thermische Schonung gewährleistet ist (vgl. LUFT 1995: 5). Eine Belastung der Wärmeregulation kann angenommen werden bzw. tritt ein, wenn die Wärmezufuhr von außen zu groß, also die Lufttemperatur über 30 Grad Celsius ansteigt (das mittlere tägliche Maximum der Juli-Temperaturen - Deutscher Wetterdienst). Zusätzlich wird bei hoher Luftfeuchtigkeit die Abgabe von Körperwärme durch die Verdunstung reduziert und es kann zu Wärmestaus im Organismus und zu einer Gefährdung des Kreislaufes kommen. Auch durch eine Unterkühlung kann der Organismus belastet werden, insbesondere durch lange einwirkende Naßkälte, Nachtabkühlung und höhere Windstärken. Durch die daraus resultierende Wärmeproduktion und den Wärmeentzug wird der Kreislauf abermals belastet. Dies liegt vor, wenn die mittleren täglichen Tiefstwerte in den Monaten Januar/Februar (Minima) unter 15 Grad Celcius liegen (vgl. LUFT 1995: 5). Strahlungs-Wirkungskomplex. Dieser Wirkungskomplex hat die beiden Spektralbereiche der Sonnen- und Himmelsstrahlung UV- und Infrarot-Strahlung als Gegenstand der Betrachtung. Die UV-Strahlung trägt zur psychischen Stabilisierung des Organismus bei. Zu beachten ist hier die Dosierung, wobei ein Zuviel an UV-Strahlung = Reizstufe (ζ. B. an der See, bei wolkenarmen Wetter und im Hochgebirge) als auch ein Zuwenig = Belastungsstufe an UV-Strahlung schädlich sein kann. Idealerweise kann/soll der Aufenthalt in einem Gebiet mit regelmäßigen Regen und hohem Bewölkungsgrad = Schonstufe sein. Strahlungsreize können auch durch das Aufsuchen eines Waldes minimiert werden (vgl. LUFT 1995: 6). Die Infrarot-Strahlung ruft lediglich Wärmewirkung hervor. Luftchemische Wirkungskomplex. Dieser Komplex beschäftigt sich mit der Zusammensetzung der Sauerstoffverhältnisse und den Beimengen der Luft. Das vegetative Nervensystem wird erst ab einer Höhe von 3.000 Meter beeinträchtigt. Erst ab dieser Höhe ist die Abnahme des Sauerstoffgehaltes in der Atemluft und des Luftdrucks so stark, dass er u. U. Ermüdungserscheinungen und Schwindelanfalle hervorrufen kann. Darüber hinaus enthält die Atemluft u. a. natürliche und künstliche Aerosole. Natürliche Aerosole, ζ. B. die Salzpartikelkonzentration ist in unmittelbarer Küstennähe so hoch, dass aus klimatherapeutischer Sicht Erkrankungen der Atemwege erfolgreich behandelt werden können. Ferner begünstigen Jodpartikel in der Atemluft (häufig in unmittelbarer Küstennähe) den Stoffwechsel und das Hormonsystem günstig. Die künstlichen Aerosole werden durch u. a. die Industrie, den Verkehr verursacht. Es handelt sich dabei um Blei- und Schwefelgase, Kohlenmono- und

98

2 Grundlagen im Gesundheits- und Wellnesstourismus

Kohlendioxid. Sie belasten den Organismus. In Küstennähe sorgen Winde bzw. Windturbulenzen für eine Verwirbelung der Atemluft, die Luft wird dadurch gereinigt und die Aerosole sind in weit geringerer Konzentration anzutreffen wie im Binnenland (vgl. LUFT 1995: 6). Aufgrund von Untersuchungen des bioklimatischen Umweltniveaus können Destinationen (ζ. B. Orte, Regionen) in bioklimatische Zonen-Karten ausgewiesen sein. Unterschieden werden können Reizstufen, Schonstufen und Belastungsstufen. Anhand dieser Karten können gesundheitsorientierte Reisende sich für ein klima-optimales Gebiet entscheiden (vgl. LUFT 1995: 7). Nachfolgend eine kleine Abgrenzung der bioklimatischen Reiz- und Schonfaktoren sowie der Belastungsfaktoren nach den Kriterien des Verbandes der Heilklimatischen Kurorte in Deutschland e. V. (vgl. VERBAND DER HEILKLIMATISCHEN KURORTE DEUTSCHLANDS 2007). Als bioklimatische Reizfaktoren können angesehen werden: • • • • •

erhöhte Intensität der Sonnenstrahlung einschließlich der UV-Anteile verstärkte Abkühlung des Organismus durch niedrige Temperaturen und höhere Windgeschwindigkeiten häufig frische und böige Winde geringer Wasserdampfgehalt in der Luft geringer Sauerstoffpartialdruck

Grundsätzlich sind Reizfaktoren für eine Klimatherapie (ζ. B. Luftbad, Oron- und Heliotherapie) aber auch für einen gesundheitsfördernden Aufenthalt bestens geeignet. Als bioklimatische Schonfaktoren können angesehen werden: • • • • • • •

reine Luft Allergenarme günstige Strahlungsverhältnisse mit Schattenmöglichkeiten durch Waldflächen thermisch ausgeglichene Bedingungen im Behaglichkeitsbereich, die eine einfache Verhaltensanpassung von Kleidung (Variationen) gestattet Lufttemperatur und Feuchte weisen dabei keine starken Schwankungen innerhalb eines Tages auf Windbewegungen sind i. d. R. schwach aber dennoch ständig vorhanden Erreichung einer starken Strahlungsintensität im Winter, die im Sommer durch Waldflächen reduziert werden

Solche Bedingungen werden überwiegend in mittleren bis hohen Lagen der waldreichen Mittelgebirge erreicht. Im Gegensatz zu den Belastungsfaktoren ist das Schonklima therapeutisch wertvoll und kann genutzt werden. Zu den bioklimatischen Belastungsfaktoren gehören: • extreme Hitze oder extreme Kälte • ungünstige lufthygienische Bedingungen

2.3 Die Rolle der Destination im Gesundheits- und Wellnesstourismus • • •

99

zu geringe oder zu intensive UV-Strahlung zu geringer Sauerstoffpartialdruck ausgeprägte Wetterwechsel

Mit bioklimatischem Belastungsklima muss überwiegend in den Beckenlandschaften und in großen Grabenlandschaften gerechnet werden, in denen sich auch die industriellen, gewerblichen und städtischen Ballungsgebiete befinden. Die o. g. Bedingungen sind für Therapien aller Art insbesondere für Klimatherapien nicht geeignet. Das Bioklima in Ballungsgebieten, ζ. B. in der Stadt, ist durch die Bebauung suboptimal. Die Bauten stellen ein Hinderais für die Luftströmung dar. Dadurch werden Luftverunreinigungen nur schlecht verteilt und verdünnt. Darüber hinaus vermindert die „Dunstglocke" über den Städten insbesondere in Winter die biologisch wirksame UV-Strahlung deutlich (vgl. VERBAND DER HEILKLIMATISCHEN KURORTE DEUTSCHLANDS 2007). Die für die Gesundheit, das Wohlbefinden und Leistungsfähigkeit des Menschen wichtigen Eigenschaften eines Klimas lassen sich anhand der Schon-, Reiz- und Belastungsfaktoren untersuchen. Der Verband der Heilklimatischen Kurorte Deutschlands nimmt zur besseren Verständlichkeit durch die gesundheits- und wellnessinteressierten Nachfrager folgende Unterteilung der Bioklima (Klimate) vor (vgl. VERBAND DER HEILKLIMATISCHEN KURORTE DEUTSCHLANDS 2007): • • • •

Küsten- und Seeklima Flachlandklima Mittelgebirgsklima Hoehgebirgsklima

Küsten- und Seeklima; charakteristisch fur das Bioklima der Küsten und Inseln gegenüber dem Binnenland sind die geringeren Schwankungen von Lufttemperaturen und Luftfeuchtigkeit im Jahresmittel, die erhöhte Windstärke sowie bessere Strahlungsverhältnisse. Belastungsfaktoren beim Küsten- und Seeklima sind die häufig auftretenden hohen Windgeschwindigkeiten. Schonfaktoren sind u. a. die Reinheit und der erhöhte Wasserdampfgehalt der Luft sowie die fehlende Wärmebelastung. Reizfaktoren, durch die der Organismus stimuliert wird, sind die erhöhten Abkühlungsreize und die verstärkten Sonnenstrahlungen (inkl. des UV-Anteils) (vgl. VERBAND DER HEILKLIMATISCHEN KURORTE DEUTSCHLANDS 2007). Flachlandklima; als solches wird das Klima zwischen den Küsten und dem Nordrand der Mittelgebirge bezeichnet. Es zeigt den Übergang von maritimen zu kontinentalen Einflüssen. Bei der bioklimatologischen Klassifizierung ergeben sich jahreszeitlich unterschiedliche Bedingungen: die Winter sind häufig nasskalt und eine verstärkte Neigung zu Nebel und Hochnebel, sowie austauscharme Wetterlagen und damit einhergehende reduzierte UVStrahlung. Die Sommer sind geprägt durch ein höheres Strahlungsvolumen und eine damit einhergehende gegenüber dem Durchschnitt erhöhte Anzahl von Tagen mit Wärmebelastung. Die Bedingungen des Flachlandklimas mit verminderter Luftqualität, sowie Wärmebelastung bei gleichzeitig verspätet einsetzender nächtlicher Abkühlung, sind der Kategorie der Belas-

100

2 Grundlagen im Gesundheits- und Wellnesstourismus

tungsfaktoren zuzuordnen (vgl. VERBAND DER HEILKLIMATISCHEN KURORTE DEUTSCHLANDS 2007). Mittelgebirgsklima; Höhenreize und Strahlungsfaktoren sind im Mittelgebirgsklima gegenüber dem Hochgebirgsklima deutlich schwächer. Von besonderer therapeutischer Bedeutung sind vor allem die Schonfaktoren des Waldklimas (ζ. B. Windschutz, geringere Temperaturgegensätze). Tage mit hoher bis mittlerer Wärmebelastung kommen selten vor. Die windgeschützten Lagen werden als reizmild eingestuft. Aufgrund der geringeren Reizintensität eignet sich das Mittelgebirgsklima auch fur Personen mit geringerer Belastbarkeit (vgl. VERBAND DER HEILKLIMATISCHEN KURORTE DEUTSCHLANDS 2007). Hochgebirgsklima; das Hochgebirgsklima ist ganzjährig kalt und befindet sich über einer Meereshöhe von 1.500 Metern. Hier können wegen der geringen Luftdichte die Temperaturen nicht richtig ansteigen. Selbst im Sommer sind nur geringe Plusgrade in der Sonne zu verzeichnen. Bedingt durch die schwierigen Umweltbedingungen sind Fauna und Flora seltener. Aufgrund des guten Luftaustausches sind viele Hochgebirge wegen der sauberen Luft und dem erholsamen Klima für Gesundheits- und Wellnessreisen stark nachgefragt. Zur therapeutischen Nutzung eigenen sich vor allem Höhenlagen zwischen 1.000 und 2.000 Metern, wobei auch niedrige Gebirgstäler und die voralpinen Zonen dazugerechnet werden können. Eine bedeutende therapeutische Eigenschaft des Hochgebirgsklimas liegt in der allmählichen Anpassung des Körpers an die Höhenreize. Eine zuerst noch unmerkliche Vertiefung der Atmung führt zu einem Anstieg von Herzfrequenz und Blutdruck (bedingt durch den geringeren Luftdruck im Hochgebirge). Bei den Strahlungsverhältnissen wird die bioklimatische Bevorzugung des Hochgebirges besonders deutlich. Von Herbst bis Frühjahr liegt die Zahl der Sonnenscheinstunden um das Dreifache über denen des Tieflandes. Zusammen mit dem Windschutz durch die umgebenen Berge ergeben sich daraus Abkühlungsreize, die im Winterhalbjahr häufig geringer und über das Jahr betrachtet wesentlich ausgeglichener sind als im Tiefland. Als Schonfaktoren gelten im Hochgebirge die fehlende Wärmebelastung und die Reinheit der Luft als auch die Allergenarmut. Gerade für Gesundheitsreisende, die an Allergien leiden oder auf Hausmilben und/oder Pollen schnell und sensibel reagieren, ein ideales Klima (vgl. VERBAND DER HEILKLIMATISCHEN KURORTE DEUTSCHLANDS 2007, DONNERWETTER 2007). Grundsätzlich ist die biologische Wirksamkeit des Wetters als einer der zahlreichen Stressfaktoren aufzufassen, auf die der Organismus zur Aufrechterhaltung seines Gleichgewichtes reagieren muss. Jedes Individuum ist im Sinne von Anpassungsvorgängen wetterreagierend. Wetterfühligkeit hat Auswirkungen auf die psychische Befindlichkeit, kann beispielsweise Konzentrationsstörungen, Kopfschmerzen, Nervosität, Schlafstörungen auslösen. Bei Wetterempfindlichkeit werden bestehende pathologische Erscheinungen nach Vorschädigung ausgelöst oder verstärkt, ζ. B. chronische Bronchitis oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Als biologisch ungünstig gelten u. a. (vgl. VERBAND DER HEILKLIMATISCHEN KURORTE DEUTSCHLANDS 2007): • • •

die Bedingungen des übersteigerten Schönwetters im abwandernden Hochdruckgebiet Föhn im Alpenbereich aufkommender Wetterumschlag

2.3 Die Rolle der Destination im Gesundheits- und Wellnesstourismus •



101

Wetterumschlag selbst mit dem unmittelbar folgenden Wetter (alle Phasen an der Vorderseite eines heranziehenden Tiefs mit zunehmender Zufuhr fremder Luftmassen bzw. an der unmittelbaren Rückseite der Fronten) Wärmebelastung - hauptsächlich bei sommerlichen, strahlungsreichen Hochdruckwetterlagen mit hoher Luftfeuchtigkeit und geringer Luftbewegung

2.3.3

Entwicklung der Gesundheits- und Wellnessdestination

Grundsätzlich kann festgehalten werden, dass der Wellnessgedanke keineswegs neu ist. Auch wenn der Begriff „Wellness" (in der heutigen Verwendung) erstmalig bereits 1961 in den USA verwendet wurde, so stammt der Gedanke aus wohlbefindensforderlichen Gründen Bäder und Massagen zu nehmen bereits aus der Antike (vgl. KAUFMANN, 2002: 61, RULLE 2004: 28 in, BIGALKE et al. 2007: 55). In früheren Zeiten wurden aus unterschiedlichen Gründen große Distanzen zu den Badeorten und Bädern zurückgelegt. Nach dem Fall des Römischen Reiches ging die Badekultur verloren und lebte erst im Mittelalter wieder auf. Im 18. und 19. Jahrhundert bildeten Badeorte und Kurorte das Zentrum des gesellschaftlichen Lebens der Oberschicht. Erst im 20. Jahrhundert wurde die Badekur, bedingt durch den medizinischen Fortschritt und den Erkenntnissen über ganzheitliche balneologische Methoden mit der touristischen Entwicklung verbunden. Das Frühstadium des Gesundheits- und Wellnesstourismus begann. Mit der Einführung der Sozialgesetzgebung in verschiedenen europäischen Ländern nach dem Zweiten Weltkrieg, verlor die Kur den Urlaubscharakter und die Gästegruppen kamen nunmehr aus den mittleren und unteren Gesellschaftsschichten (vgl. KAUFMANN 2002: 62, in: STEINBACH 1997: 10-15). Aus einer ehemals privat finanzierten Reiseform mit gesundheitsförderndem Charakter entstand der sozialpolitisch organisierte Kursektor des Gesundheitswesens. In den 70er Jahren wurden den standardisierten Angeboten der Heilbäder und Kurdestinationen zusätzliche Angebote der Freizeitgestaltung hinzugefügt. Der kurative Gesundheitsbereich wandelt sich zusehends in Richtung Wellness. In Deutschland stieg die Anzahl der Gästeübernachtungen in den Kurorten aufgrund der Gesundheitsgesetzgebung bis Mitte der 90er Jahre kontinuierlich an. Jedoch durch die explodierenden Kosten im Gesundheitswesen in den Jahren 1990 bis 1995 wurden eine Reihe von Kosteneinsparungen definiert und der Staat begann sich aus der Finanzierung des Gesundheitswesens, insbesondere des Kurwesens zurückzuziehen. Die Kurorte erfahren allerorts Gästeeinbrüche. Diese aus der Abhängigkeit zur Sozialpolitik entstandene Krise im Bereich Kur- und Bäderwesen führt zu einer Modernisierung des Kurwesens und zu einer neuen Zielgruppe - den Wellnessreisenden. Die Folgen dieses Umbruchs können als Auslöser der endgültigen Abspaltung des Wellnesssegments vom Kurwesen und in Folge die Entstehung des Wellnessmarktes angesehen werden. In den ca. 350 deutschen Kurorten sowie in den ca. 1.400 Luftkurorten haben sich Wellnessprogramme als eine feste Größe aber auch als ein Erfolgsrezept zur Überwindung der Bäderkrise bewährt (vgl. LIEBSCH 2003: 93). Diese Entwicklung zeigt, dass die Wellnessdestinationen keineswegs unabhängig entstanden sind, sondern sich vielmehr aus den bekannten und traditionellen Kurdestinationen entwickelt haben. Deutschland verfügt über die höchste Dichte an wellnessorientierten Freizeiteinrichtungen. Die Destinationen in denen sich diese Einrichtungen befinden sind Regionen mit einem ausgeprägten natürlichen/ursprünglichen, ζ. B. Reizklima an der Nord- und Ostsee-

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2 Grandlagen im Gesundheits- und Wellnesstourismus

küste aufgrund der Witterung, Schonklima südwestlicher Gebirgsketten aufgrund des Waldreichtums sowie den Bioklima in Hochgebirgen aufgrund des abnehmenden Sauerstoffpartialdruckes (vgl. NEUMANN 2005: 18), als auch dem abgeleiteten Angebot. Wie bereits in den Ausführungen zur geschichtlichen Entwicklung des Gesundheitsmarktes aufgezeigt wurde, wurde der Gesundheits- und Wellnesstourismus in den Ländern Deutschland, Österreich und der Schweiz durch einige Faktoren begünstigt. Wie entwickelten sich nun andere Länder in Europa in diesem Marktsegment. Rulle unterteilt bzw. kategorisiert die Länder nach zwei Gesichtspunkten und formuliert (vgl. RULLE 2004: 51): 1.

„Die Tradition der Bäder beeinflusst entscheidend deren infrastrukturelle Entwicklung. Zusätzlich bestimmt die Tradition die Akzeptanz der Balneologie in der Wissenschaft, bei den Leistungsträgern sowie schließlich in der Bevölkerung und entscheidet damit auch über die Anzahl der Gäste. "

2.

„Die Analyse der Entwicklung in den einzelnen Ländern während der letzten zehn Jahre bezieht sich vor allem auf die Veränderungen von staatlicher Seite und umfasst sowohl die Anpassungen der Sozialleistungsträger als auch die politischen Strukturen."

Schlussfolgernd kann aus diesen zwei Sichtweisen eine Unterteilung der Länder mit einer Gesundheits- und Wellnesstradition vorgenommen werden. Rulle unterscheidet hier folgende Kategorien (vgl. RULLE 2004: 51-52): • • • • •

Gesundheitsdestinationen ohne Signifikanz Relaunch von Erfolgsmodellen Big Player der modernen Kur- und Wellnesswirtschaft mit Leidensdruck traditionelle Badedestinationen für mehrheitlich privat zahlende Gesundheitstouristen aufstrebende Transformationsstaaten mit Badetradition

Gesundheits- und Wellnessdestinationen ohne Signifikanz Hierzu gehören europäische (können aber auch außereuropäische sein) Länder, die über keine ausgedehnte flächendeckende Gesundheits- und Badetradition oder gar keine Beteiligung am Gesundheitstourismus aufweisen bzw. verfügen. Gleichwohl aber punktuell und vereinzelt gesundheitstouristische Angebote (zum Teil sehr moderne) bereithalten. Auch wenn solche Länder von diesem Segment profitieren wollen, kann dies weitgehend vernachlässigt werden, da diese Länder in diesem Segment keine Potenziale und keine Kompetenzen haben. Die wichtigsten europäischen Länder in dieser Kategorie sind u. a. Spanien, Portugal und Griechenland (vgl. RULLE 2004: 51, NEUMANN 2005: 18). Spanien engagiert sich derzeit stark im Segment Gesundheitstourismus, obwohl die Badetradition in diesem Land nicht sehr stark ausgeprägt ist. Der Grand dafür ist in der angestrebten Reduktion der zu starken Abhängigkeit des Strandtourismus zu suchen. Die nationale spanische Tourismusorganisation strebt eine Erweiterung der Tourismussegmente an. Der derzeitige Gesundheits- und Wellnesstourismus in Spanien wird vom Thermaltourismus und von Thalasso-Therapiezentren dominiert (vgl. RULLE 2004: 53). Spanien verfügt derzeit

2.3 Die Rolle der Destination im Gesundheits- und Wellnesstourismus

103

über 128 Thermalbäder, einige verfügen über eine rudimentäre touristische Infrastruktur (vgl. BIRNMEYER 2001: 66). Spanische Heilbäder sind meist in naturräumlich attraktiven Lagen angesiedelt und verfügen über natürliche Heilmittel des Boden oder des Wassers. Eine touristische Infrastruktur wie so in deutschen oder österreichischen Heilbädern und Kurorten bekannt ist, sucht man hier vergeblich. Das Image bzw. das Prestige des spanischen Gesundheitstourismus war in den 70er und 80er Jahre durch eine Entscheidung der Regierung bzw. der spanischen Sozialversicherung, wonach Pensionäre und Rentner bei freier Unterkunft und Behandlung eine Kur in Anspruch nehmen konnten, suboptimal. Gesundheitsreisen galten nunmehr etwas für alte Leute (vgl. SANCHEZ 1998: 6, in RULLE 2004: 53). Jedoch hat sich Image ab dem Jahr 2000 gewandelt. Dies wird durch die Anzahl der Gäste (450.000 im Jahr 2000) dokumentiert, die gesundheits- und wellnesstouristische Leistungen in spanischen Kurorten in Anspruch genommen haben (vgl. BIRNMEYER 2001: 66). Nachdem Gesundheitspolitiker den Bereich Gesundheit und Wellness als Zukunftsmarkt identifiziert haben, wird dieses Segment stark ausgebaut. Es wird ein höherer Anteil ausländischer Gäste angestrebt. Die Quellmärkte der derzeitigen Gesundheitstouristen sind im wesentlichen Deutschland und Großbritannien. Durch die preislich günstige Situation im Vergleich zu den Ländern Deutschland, Österreich und der Schweiz ist mit einem Anstieg ausländischer Gäste zu rechnen (vgl. RULLE 2004: 54). Begünstigt werden kann diese Entwicklung durch die große Beliebtheit des Landes, der geschätzten Lukulik/Kulinaria sowie der klimatischen Faktoren.

Relaunch von Erfolgsmodellen Hier sind Länder mit einer großen Badetradition (auch historisch) gemeint, deren Fokussierung auf den Bereich Gesundheits- und Wellnessreisen in den letzten Jahren stark vernachlässigt wurde und nun als Attraktivitätspotenzial für die Destination (ζ. B. bestimmte Region, ein Strandabschnitt, ein Ort) wieder entdeckt wurde. Wirtschaftliche und sicherlich auch medizinische Gründe lassen dieses Segment für die Destination lohnend erscheinen und führen auch zu einem Ausbau der Leistungen und Angebote in den betroffenen Ländern (vgl. RULLE 2004: 51, 54-55). Wichtigste Länder in dieser Kategorie sind u . a . Belgien und Großbritannien, weitere Länder sind die Niederlande und Luxemburg. Großbritannien: durch die Einführung der National Health Service (NHS) im Jahr 1948 endete die traditionsreiche Zeit des Bäderwesens und den ganzheitlichen balneologischen Ansätzen. Die NHS fokussierte ihre Gesundheitspolitik auf eine punktuelle und pharmazeutische Behandlungsmethode und lehnte ganzheitliche und nicht-pharmazeutische Behandlungsmethoden ab (vgl. RULLE 2004: 55-56). Die traditionsreichen englischen Kur- und Badeorte verschwanden in der Bedeutungslosigkeit. Lediglich die Therapieeinrichtungen in Droitwich verfügen noch über eine bedeutende Badetradition. 1990 wurde dort das Brine Bath erbaut, ein Therapiezentrum mit einem balneologischen Ansatz für die Behandlung von Skeletterkrankungen. Derzeit wird der Gesundheitstourismus in Großbritannien wiederentdeckt. Der ETC (English Tourism Council), die offizielle Vertretung des englischen Tourismus, hat auf der Basis einer Untersuchung auf den Zukunftsmarkt Gesundheits- und Wellnesstourismus aufmerksam gemacht. Denn ca. V* aller englischen Gesundheitsreisenden nehmen aufgrund eines mangelnden Angebotes, Leistungen und Angebote im Ausland wahr (vgl. RULLE 2004: 56).

104

2 Grundlagen im Gesundheits- und Wellnesstourismus

Belgien: dieses Land kann auf eine lange Badetradition bis in die Antike zurückblicken. Die Römer bauten in dem Kurort Spa (der Ortsname hat sich als Synonym für Saunen, Wellnessanlagen heute weltweit durchgesetzt) bereits die ersten Badeeinrichtungen. In den letzten Jahren spielte der Gesundheits- und Wellnesstourismus in Belgien keine Rolle mehr. Niederlande: bekannt durch ihre lange Badetradition, spielen die niederländischen Badeorte heute in der privaten und staatlichen Gesundheitsvorsorge keine Rolle mehr. Lediglich eine seit dem Jahr 1990 erstellte „Thermae 2000" in Bad Valkenburg ist von nennenswerter Bedeutung. Aufgrund der guten Erfahrung und der wirtschaftlichen Ertragskraft der Therme sind weitere Badeeinrichtungen geplant (vgl. RULLE 2004: 54). Luxemburg: Luxemburg verfügt nur über einen einzigen Kurort (Mondorf-les-Bains), der auf nationaler Ebene eine große Bedeutung hat. Mondorf-les-Bains verfügt heute über ein modernisiertes Kurzentrum, welches überwiegend Privatkurgäste und Anhänger von Fitnessaktivitäten anspricht. Durch die Nähe zu Frankreich, wird dieser Ort auch von französischen Gesundheits- und Wellnessgästen besucht. Big Player der modernen Kur- und Wellnesswirtschaft mit Leidensdruck Darunter fallen die Länder mit einem ausgeprägten, fortdauernden und traditionellen Kurund Badewesen. Dem Kur- und Badewesen kommt eine wichtige betriebs- und volkswirtschaftliche Bedeutung durch die Anerkennung der Leistungen durch die Sozialversicherungsträger zu. Der Leidensdruck entstand durch Änderungen in der Gesundheitspolitik und der Verringerung der Anerkennungen von Leistungen, die durch das Kur- und Bäderwesen erbracht werden (vgl. RULLE 2004: 52). Die wichtigsten Länder in dieser Kategorie sind Deutschland, Österreich, Schweiz und Frankreich. Deutschland: das Land mit der höchsten Dichte an prädikatisierten Kurorten weltweit, und einem zeitweiligen Anteil des Tourismus am BIP von ca. acht bis neun Prozent. Ab 1957 stieg die Anzahl der Gästeübernachtungen stetig. Der Gesetzgeber verfügte, dass die Leistungs-/Versicherungsträger die Kosten für Rehabilitationen und präventive Gesundheitsmaßnahmen zu übernehmen hatten um die Anzahl krankheitsbedingter Frührentner zu reduzieren. Das Wachstum schien unaufhaltsam. Jedoch führten die explodierenden Kosten im Gesundheitswesen zu einer Reihe von Kostendämpfungsgesetzen, die das gut entwickelte und ausgebaute System der Kuren stark eingeschränkt haben; die Kurdauer wurde verkürzt und die Intervalle zwischen zwei Kuraufenthalten wurde verlängert, die privaten Zuzahlungen erhöht und ein Teil des Urlaubs wurde auf den Kuranspruch angerechnet. Ein Rückgang der Kuranträge war seit 1996 die Folge. Jedoch fand der Rückgang nur im Bereich der Sozialkurgäste statt, der Anteil der Privatkurgäste erhöhte sich sogar. Die Rückgänge waren jedoch nicht flächendeckend gleich stark. Während die Seeheil- und Seebäder nur moderate Rückgänge zu verzeichnen hatten, waren sie in den Kneippheilbäder und Kneippkurorten besonders stark. Der Grund lag im Umstand begründet, dass Seeheil- und Seebäder auch von „normalen Urlaubern" wegen der Lage am Meer besucht wurden. Seit 2001 wurden ebenfalls durch den Gesetzgeber einige Regelungen u. a. die Intervallregelung wieder rückgängig gemacht. Die Lage entspannte sich wieder, gleichwohl wurde den Kur- und Erholungsorten sowie deren Akteuren ihre Abhängigkeit von der Sozialgesetzgebung vor Augen geführt. Die Kurorte als auch die Anbieter fingen an, ihre Angebote und Qualitäten aber auch die Preise

2.3 Die Rolle der Destination im Gesundheits- und Wellnesstourismus

105

mehr an Selbstzahler auszurichten. Ebenso wie in Europa verändern sich die Gästestrukturen in Deutschland. Der Markt wurde für ausländische Gäste (Patiententourismus) geöffnet und das was heute unter dem Begriff „Gesundheitstourismus" (u. a. Kur, Wellness, Fitness) zu verstehen ist, bekam einen höheren Stellenwert. Deutschland ist wieder auf dem Weg zu seiner Badetradition. Die DZT kooperiert mit dem DHV und der DEHOGA und bewirbt die gesundheitstouristischen Angebote weltweit. Auch das Angebot in der Destination ist neben zeitgemäßen Erkenntnissen der Balneologie durch einen modernen und luxuriösen Lebensund Aufenthaltsstil geprägt (vgl. RULLE 2004: 59-62). Österreich: die staatliche „Österreich Werbung" entwickelte den Gesundheitstourismus konsequent zu einer eigenständigen Marke unter der Dachmarke „Tourismusland Österreich". Angestrebt werden auch in Zukunft hohe Auslastungen in den Kurorten. Es werden folgende anerkannte Kurformen im österreichischen Gesundheitstourismus berücksichtigt (Reihenfolge nach zukünftige Potenziale): Gesundheitsurlaub, Fitnessurlaub, Wellnessurlaub und Kururlaub. Zeitweilig waren im Jahresdurchschnitt bis zu 200.000 Vollzeit-Beschäftigte im Gesundheitstourismus beschäftigt, über viele Jahre betrug der Anteil am Kurtourismus in Österreich nahezu ein Fünftel zum Gesamttourismus bei. Der Gesundheits- und Kurtourismus in Österreich ist derzeit mit dem in Deutschland vergleichbar: sinkende Übernachtungen bedingt durch die Kostensenkungen der Kostenträger von Kuren; auch die deutsche Gesundheitsreform hat sich in Österreich negativ auf das Besucheraufkommen ausgewirkt. Deutsche Kostenträger erstatteten nicht mehr alle Kosten für Kuren im Ausland (vgl. RULLE 2004: 65-66). Frankreich: landesweit unter dem undifferenzierten Begriff „ thermalisme" zusammengefasst, verfügt Frankreich über ca. 110 Heilbäder. Ausgenommen sind Orte die ThalassoTherapien anbieten, da diese Therapie vom französischen Heilbäderverband nicht anerkannt wird. Der Verband will sich künftig ausschließlich auf den Bereich Kur- und Heilbäder beschränken, weswegen der französische Heilbäderverband im Jahr 2000 den EHV verließ. Derzeit ist Frankreich das einzige EU-Land mit einem nennenswerten Gesundheitstourismus aber nicht Mitglied im EHV ist. Aussagekräftige Zahlen über das gesamte Aufkommen von Gesundheitstouristen gibt es nicht, da nur die Gäste gezählt werden, die ihren Kuraufenthalt nicht selbst finanzieren. Die Gesamtzahl der Gesundheitsgäste kann auf ca. 600.000 geschätzt werden, da jedoch ca. 50.000 Beschäftigte im zertifizierten Gesundheitstourismus beschäftigt sind, liegt die Vermutung nahe, dass es wesentlich mehr Gesundheitsgäste sind. Die Probleme des französischen Gesundheitstourismus liegen in der strikten Ausrichtung des Heilbädertourismus auf den medizinischen Aspekt des Gesundheitstourismus. Dadurch wird eine ökonomisch sinnvolle Nutzung der Infrastruktur teilweise verhindert. Für Gesundheitsreisende ist es nicht möglich Bäder, Thermalbäder, aus Mangel an geschulter Aufsicht und/oder aus medizinischer Sicht ζ. B. am Wochenende zu besuchen. Die Zertifizierung der Kurorte in Frankreich erfolgt nach ähnlich restriktiven Regeln wie ζ. B. in Deutschland, Schweiz und Österreich, was zu einem lang anhaltenden hohen Qualitätsstandard führte. Ähnlich wie in Deutschland und Österreich, stehen französische Heilbäder durch den zunehmenden Ausfall von Sozialkurgästen vor massiven Veränderungen ihrer traditionellen Strukturen. Einen eindeutigen Wettbewerbsvorteil haben die Kurorte, die einen hohen Anteil an Privat-Kur-Gästen aufweisen. Im Gegensatz zu den traditionellen Kur- und

106

2 Grundlagen im Gesundheits- und Wellnesstourismus

Heilbäderdestinationen, sehen die ökonomischen Perspektiven der Thalasso-Zentren (überwiegend an den französischen Küsten) hervorragend aus. Der Wettbewerbsvorteil liegt zu einem in dem hohen internationalen Standard der Anlagen und der Authentizität der Behandlungen; Frankreich gilt als das Ursprungsland der Thalasso-Therapie (vgl. RULLE 2004: 65). Schweiz: die Schweiz blickt auf eine bis in das 15. Jahrhundert zurückliegende Badetradition zurück. Anfängliche stark beliebte Trinkkuren wurden im Laufe der Jahre durch Badekuren in der Rangfolge der Beliebtheit abgelöst. Im Jahre 2001 verfugte die Schweiz über 300 Kuranstalten (vgl. HEILBAD.ORG 2001). Ein Repräsentant des schweizerischen Gesundheitstourismus ist der „Verband Schweizer Heilbäder". Zu seinen Mitgliedern gehören 20 Kurorte, die sich den strengen Zertifizierungsregeln des Verbandes unterworfen haben. Darüber hinaus vertritt der „Verband der Schweizer Kurhäuser" ca. 60 Mitglieder, darunter medizinisch geführte Kurhäuser aber auch Wellnesshotels (nicht-medizinisch) (vgl. RULLE 2004: 63). Traditionelle Badedestinationen für mehrheitlich privat zahlende Gesundheitstouristen Zu dieser Kategorie zählen Länder wie beispielsweise Finnland und Island deren touristische Gesundheitsindustrie sich überwiegend an Gäste, die eine Privatkur in Anspruch nehmen, richtet (vgl. RULLE 2004: 52). Diese Länder haben eine ausgeprägte wenn auch nicht flächendeckende Kur- und Badetradition. Aufstrebende Transformationsstaaten mit Badetradition Hierzu zählen überwiegend osteuropäische Länder wie beispielsweise Polen, Tschechien, Ungarn, Rumänien, deren politische und wirtschaftliche Systeme in den letzten Jahren starken Transformationsprozessen unterworfen waren. Diese Länder verfugen über eine mehr oder weniger kontinuierliche Badetradition. Ferndestinationen im Gesundheits- und Wellnessmarkt Internationale Behandlungsmethoden wie beispielsweise die indischen Heilkünste und TCM spielen in der Produktentwicklung im Wellnessmarkt eine große Rolle. Neben den hohen Preisen ist die Erreichbarkeit der Destination (ζ. B. Sri Lanka, Indien, Australien) ein Problem in der Distribution, insbesondere für ältere Gäste. Es wird auch, bedingt durch eine immer kürzer werdende Aufenthaltsdauer Destinationen in der Nähe von Ballungszentren bevorzugt. Aus diesem Grund werden immer mehr exotische Angebote in erreichbaren geografischen Räumen in der Nähe des ständigen Wohnortes angeboten. Dennoch bauen ferne Länder unter Hochdruck Gesundheits- und Wellnessangebote aus. Vorreiter sind Indien und Sri Lanka (siehe Kap. 6.3.3). Weitere Länder sind u. a. Thailand und Australien. Australien: „Nature Market" - Gesundheits- und Wellnesstourismus in Australien wird immer wichtiger. Bedingt durch den demografischen Wandel - das Alter der Touristen liegt Untersuchungen zufolge mittlerweile deutlich über 55 Jahre (vgl. TOURISM AUSTRALIA 2005) - versucht Australien ganz gezielt sein Angebot für diese Zielgruppe auszubauen bzw. Vorhandenes anzupassen. Gefordert wird zum einen der klassische Bereich Gesundheitstourismus. Dies hängt mit der Spezialisierung der australischen Ärzte auf den Gebieten: künstli-

2.4 Interessenvertretung und Bildung im Gesundheits- und Wellnesstourismus

107

che Befruchtung sowie dermatologische Behandlungen (insbesondere Hautkrebs) zusammen. Auch der Wellnessbereich erfahrt eine starke Förderung. Seit dem Jahre 2002 stieg der Anteil der Wellness-Anlagen um 129%. Aufgrund der starken internationalen Konkurrenz im Bereich Gesundheits- und Wellnesstourismus (ζ. B. durch Sri Lanka, Bali/Indonesien, Thailand) sieht sich Australien gezwungen, zukünftig Strategien für diesen Bereich zu entwickeln um sich im Wettbewerb in diesem Segment zu behaupten (vgl. RONCOSZEK 2007: 16).

2.4

Interessensvertretung und Bildung im Gesundheits- und Wellnesstourismus

Interessenvertretungen, Organisationen, Verbände, Institutionen und Bildungseinrichtungen aller Art zur Aus-, Fort- und Weiterbildung sind wichtige Säulen und Stützen, die gleichwohl wie Dienstleister handeln und die vielfältigen Interessen der Akteure (ζ. B. Produzenten, Leistungsträger aber auch der Mitarbeiter und der Kunden/Gäste/Patienten) vertreten und wahren. Im Fokus der Betrachtung stehen Organisationen, Institutionen und Verbände sowie Aus-, Fort- und Weiterbildungseinrichtungen im Gesundheits- und Wellnesstourismus.

2.4.1

Organisationen, Institutionen und Verbände

Nachfolgend werden einige wichtige Institutionen/Organisationen sowie Dach- und Fachverbände (alphabetischer Reihenfolge) anhand ihrer Zielsetzung und hauptsächlicher Tätigkeit aufgezeigt.

Deutsche Gesellschaft für Moor- und Torfkunde (DGMT) Die Deutsche Gesellschaft für Moor- und Torfkunde e. V., mit Sitz in Hannover, ist eine wissenschaftlich-technische Vereinigung mit dem Zweck zur Förderung der Moor- und Torfforschung. Der Verband pflegt den Kontakt zwischen Wissenschaft, Moor- und Naturschutz, der Torf abbauenden sowie der verarbeitenden Industrien, allen Torf und Moor nutzenden Wirtschaftszweigen und den Behörden. Die Tätigkeiten des Verbandes (ζ. B. Forschung, Wissenstransfer, Tagungen) werden aus den nachfolgenden Fachsektionen (eins bis sechs) heraus erledigt: (1) Geowissenschaften, (2) Torfverwertung und Gewinnung, (3) Land-, Forstwirtschaft und Gartenbau, (4) Chemie, Physik und Biologie, (5) Naturschutz und Raumordnung, (6) Medizin und Balneologie. Die für den Bereich Gesundheits- und Wellnesstourismus relevante Sektion des DGMT ist die Fachsektion 6 - Balneologie und Medizin (vgl. DGMT 2007).

Deutscher Heilbäderverband (DHV) Deutscher Heilbäderverband e. V. (DHV) mit Sitz in Bonn vertritt derzeit 14 Mitgliedsverbände, 12 Landesheilbäderverbände mit insgesamt ca. 300 Heilbädern und Kurorte, den Verband der Deutschen Badeärzte mit ca. 700 Mitgliedern und die Vereinigung für Bäder-

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2 Grundlagen im Gesundheits- und Wellnesstourismus

und Klimakunde mit ca. 200 Mitgliedern. Der DHV ist die wichtigste Organisation im Bereich Gesundheits- später auch im Wellness(tourismus). Der Deutsche Heilbäderverband e. V. wurde im Jahr 1892 in Leipzig unter der Bezeichnung „Allgemeiner Deutscher Bäderverband" gegründet, seit 1999 „Deutscher Heilbäderverband e. V." Die Aufgabenstellung des Verbandes besteht in der (vgl. DHV 2007: 4, TID 2006: 1277-1278): • • • • • •

Förderung des deutschen Bäderwesens die Sorge der Erhaltung der natürlichen Heilmittel des Bodens, des Meeres und des Klimas Unterstützung der bäderwirtschaftlichen und -wissenschaftlichen Institutionen Entwicklung und Sicherung von bundeseinheitlichen Qualitäts- und Prädikatisierungsstandards Förderung der Forschung und Wissenschaft Förderung von Aus-, Fort- und Weiterbildung

Der Verband ist stets bestrebt durch seine Zusammenarbeit mit den Kosten- und Leistungsträgern (ζ. B. Landes- und Bundesversicherungsanstalten, Seekasse, Landesversorgungsämter, Knappschaften, Berufsgenossenschaften) die langfristige Existenz der deutschen Kurorte zu sichern und weiterhin zu fordern (vgl. FREYER 2001: 191). Weiterhin gehören zu den Aufgaben des Verbandes die Interessenvertretung der Mitgliedsverbände und deren Mitglieder in den Bereichen/Funktionen (vgl. DEUTSCHER HEILBÄDERVERBAND 2007): • • • •

Gesundheits- und Sozialpolitik Behörden und Sozialversicherungsträger Öffentlichkeits- und Pressearbeit Verbände und Organisationen

Die 14 Mitgliedsverbände des DHV sind: • • • • • • • • • • • • • •

Heilbäderverband Baden-Württemberg e. V. Bayerischer Heilbäderverband e. V. Brandenburgischer Kurorte- und Bäderverband e. V. Hessischer Heilbäderverband e. V. Bäderverband Mecklenburg-Vorpommern e. V. Heilbäderverband Niedersachsen e. V. Nordrhein-Westfälischer Heilbäderverband e. V. Sektion Heilbäder und Kurorte Reinland Pfalz/Saarland im Tourismus- und Heilbäderverband Rheinland-Pfalz e. V. Sächsischer Heilbäderverband e. V. Heilbäder- und Kurortverband Sachsen-Anhalt e. V. Heilbäderverband Schleswig-Holstein e. V. Thüringer Heilbäderverband e. V. Vereinigung für Bäder- und Klimakunde e. V. Verband deutscher Badeärzte e. V.

2.4 Interessenvertretung und Bildung im Gesundheits- und Wellnesstourismus • •

109

Deutscher Heilbrunnen und Verband Deutscher Mineralbrunnen e. V. Verband Deutscher Heilbrunnen-Großhändler e. V.

Die Gremien des Verbandes sind das Präsidium, die sieben (vormals acht) ständigen Ausschüsse sowie die verschiedenen und wechselnden Arbeitsgemeinschaften zu jeweils aktuellen Themen. Den ständigen Ausschüssen kommt die wichtigste Aufgabe hinsichtlich der Verbandsarbeit zu. Diese sind (vgl. DEUTSCHER HEILBÄDERVERBAND 2007): • • • • • • •

Ausschuss für Begriffsbestimmungen, Standardisierung, Prädikatisierung Ausschuss für Finanzen und Strukturen Ausschuss für Sozialrecht (vormals Ausschuss für Rehabilitation und Sozialversicherungsangelegenheiten) Ausschuss für Wissenschaft, Forschung und Entwicklung (vormals Ausschuss für die Wissenschaft des Heilbäderwesens) Ausschuss für Europa-Angelegenheiten Ausschuss für die Wirtschaft Ausschuss für PR und Kommunikation

Neben den ständigen Ausschüssen tagen im DHV regelmäßig nachfolgende Arbeitskreise (vgl. DHV 2007): •

• •



Arbeitskreis zur Überarbeitung der Leistungsbeschreibung für physikalische Therapie; die Leistungsbeschreibungen dienen der Transparenz und der Vergleichbarkeit und sind die Basis für die Preisfindung und -festlegung für kurörtliche Leistungen im Rahmen ambulanter Vorsorgeleistungen in den anerkannten (prädikatisierten) Kurorte. Die Notwendigkeit der kontinuierlichen Anpassung der Leistungsbeschreibung ergibt sich aus den dauernden Veränderungen inländischer Kurmaßnahmen sowie der politisch motivierten Gesundheitsreform. Der Arbeitskreis gibt als Ergebnis seines Wirkens u. a. die Publikation „Qualitätsnormen für die ganzheitliche Anwendung von Kur- und Heilmittel in den anerkannten Heilbädern und Kurorten" heraus. Sie umfasst die ganzheitliche kurörtliche Therapie. AG Heilbad & Kurort AG Wellness/Prävention; der Arbeitskreis ist bemüht, den im Rahmen des Medical Wellness beinhalteten Begriff „ gesundheitswissenschaftlich begleitete Maßnahmen" mit Inhalten zu füllen. Informeller Arbeitskreis Medical Wellness

Der DHV wird in seiner Arbeit von nachfolgenden Mitgliedern und Kooperationspartnern unterstützt: • • • •

Freunde des Instituts für Medizinische Balneologie und Klimatologie der Universität München e. V., München Gütegemeinschaft Diät und Vollkost e. V., Düsseldorf Forschungsgemeinschaft Urlaub und Reisen e. V. (F. U. R.), Hamburg Deutsches Seminar für Tourismus e. V. (DSFT), Berlin

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• •

2 Grundlagen im Gesundheits- und Wellnesstourismus

Deutsche Gesellschaft für Versicherungswirtschaft und -gestaltung e. V., Köln Deutsche Gesellschaft für Physikalische Medizin und Rehabilitation an der Medizinischen Hochschule Hannover, Hannover Deutsche Gesellschaft für Moor- und Torfkunde e. V., Hannover Deutsche Zentrale für Tourismus (DZT), Frankfurt am Main Europäischer Heilbäderverband e. V. (EHV), Brüssel Viabono, Bergisch Gladbach Deutsche Gesellschaft für das Badewesen e. V. Essen Deutscher Tourismus Verband e. V., Bonn IG Medien und GEMA (der DHV führt mit den IG Medien und der GEMA die entsprechenden Tarifverhandlungen als auch die Verhandlungen über die bundesweit gültigen Abgaben und Gebühren bei öffentlichen Musikveranstaltungen oder Veranstaltungen mit musikalischen Einlagen) Interessengemeinschaft Kompaktkuren e. V. (steht dem DHV seit ihrer Gründung 2003 beratend und unterstützend beim Thema Kompaktkuren zur Seite) Deutsches Institut für Normierung (DIN): Im Jahr 2006 wurde zwischen dem DHV und dem Institut für Normierung eine Kooperation beschlossen, deren Notwendigkeit mit der Antragstellung des spanischen Normierungsinstitutes, den Begriff „spa services" einer internationalen Normierung zu zuführen. Dieser Antrag wurde von deutscher Seite mit folgender Begründung abgelehnt: „Bei einer internationalen Normierung solcher Dienstleistungen könnte die Basis der Qualitätsstandards wegen der Zustimmung der Drittländer auf ein Minimum begrenzt werden. Aus Sorge um den Erhalt der hohen deutschen Qualitätsstandards wird sich der DHV daher der internationalen Normierung widersetzen. " (vgl. DHV 2007)

Der DHV hat seine Struktur hinsichtlich der Arbeitsweisen dahingehend geändert, als das auf der Basis der ortgebundenen Heilmittel, der Kurortinfrastruktur und der Balneologie nunmehr vier Themensäulen gleichwertig nebeneinander stehen. Diese sind: • • • •

Wiederherstellen/Rehabilitation Heilen/Kuration/Therapie Vorbeugen/Prävention Wohlfühlen/Gesundheit

Deutscher Medical Wellness Verband Deutscher Medical Wellness Verband (DMWV) mit Sitz in Berlin, von einem Vorstand und einem wissenschaftlichen Beirat bestehend aus führenden Fachkräften der klinischen Medizin, der Komplementärmedizin, der Hotellerie und des Tourismus, des Umweltschutzes, der Soziologie, des Marketing, der Personalschulung und dem Gebiet der Projektentwicklung, versteht sich als die Interessensvertretung für Medical Wellness in der Form, als dass der Verband (vgl. DMWV 2007): •

Verbrauchern Orientierungshilfe in einem sich aufgrund seines raschen Wachstums wenig transparenten und durch eine hohe Komplexität seines Angebotes präsentierenden Marktes anbietet

2.4 Interessenvertretung und Bildung im Gesundheits- und Wellnesstourismus •





• •

111

den Betreibern, Anbietern und Projektplanern im Medical-Wellness-Markt ein Forum zur Bündelung ihrer Tätigkeiten und zur Abstimmung aktueller Ergebnisse anbietet; dazu dienen u. a. eigene Publikationen und Schulungen und Seminare des Verbandes erstellt auf der Basis von Forschungsergebnissen der Schulmedizin, der Komplementärmedizin und der Salutogenese Qualitätsstandards, nach denen Medical Wellness Anbieter zertifiziert, Produkte geprüft und Begriffe des Bereichs Medical Wellness geschützt werden nimmt die Kommunikation nach außen zu politischen Institutionen, Behörden und Verbänden wahr; der Verband wird sich beim Deutschen Bundestag akkreditieren lassen, um dort (durch seine Beiräte) eine Reihe gesetzlich verankerter Aufgaben wahrzunehmen fordert den Medical-Wellness-Gedanken in der Öffentlichkeit u. a. durch die Teilnahme in geeigneter Form und Verbänden sowie eigenes Marketing betreibt Konsumentenforschung für die Mitglieder

Der Verband beabsichtigt das Thema Medical Wellness bzw. die Marke „Medical Wellness" zu bündeln und abzusichern und eine klare und nachhaltige Definition der Marke sicherzustellen. Der Verband strebt eine Reputation an, die die Auszeichnung „Zertifiziert/geprüft durch den DMWV" zu einer allseits anerkannten Markenauszeichnung und Gütesiegel macht. Eine Kooperation mit dem TÜV Rheinland Group unterstützt das Vorgehen für das Gütesiegel bzw. die Zertifizierung. Bei den nach der DEHOGA klassifizierten Hotels übernimmt der DMWV die Einstufungen der Angebote im Bereich Medical Wellness. Der DMWV ist Mitglied in der International Medical Wellness Association (IMWA).

Deutscher Tourismus Verband (DTV) Der Deutsche Tourismus Verband e. V. 1902 als „Bund Deutscher Verkehrsvereine" gegründet, Gründungsmitglied der Deutschen Zentrale für Tourismus (DZT) 1948 und des Deutschen Seminars für Tourismus (DSFT) 1961 ist ein Zusammenschluss lokaler, regionaler und landesweit wirkender Tourismusorganisationen in Deutschland. Der Verband nimmt eine tourismuspolitisch beratende und koordinierende Funktion wahr. Weiterhin bündelt der Verband Erkenntnisse und Erfahrungen seiner Mitglieder und stellt diese sodann zur Verfügung. In dieser Funktion wirkt er als Informationspool und bietet bundesweit seine Serviceund Beratungsleistungen den interessierten Tourismusorganisationen an. „Der Dachverband untermauert die gesamtwirtschaftliche Bedeutung des Tourismus in Deutschland mit Zahlen, Daten und Fakten und weist anhand konkreter Problemstellungen auf Hindernisse und Hemmnisse für eine erfolgreiche touristische Entwicklung in der Zukunft hin. " (DTV 2007). Die Finanzierung des Verbandes erfolgt ausschließlich über Mitgliedsbeiträge und den Einnahmen der DTV-Service GmbH. Ferner erhält der Verband im Rahmen seiner Tätigkeit auf Bundesebene eine Projektforderung vom Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit, das u. a. fiir den Deutschlandtourismus zuständig ist (vgl. DTV 2007).

Deutscher Wellness Verband Deutscher Wellness Verband e. V. (DWV): mit Sitz in Düsseldorf ist die führende WellnessOrganisation im deutschsprachigen Raum. Er ist unabhängiger Ratgeber für Anbieter und Verbraucher gleichermaßen. Die Qualitäts-Zertifizierung der Wellnessanbieter schafft eine

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2 Grundlagen im Gesundheits- und Wellnesstourismus

zuverlässige Orientierung für die Verbraucher (vgl. TID 2006: 1279). Der DWV wurde 1990 als nationale Gesundheitsinstitution gegründet und gilt seitdem als die führende WellnessBewegung in Deutschland. Zu den selbst gestellten Aufgaben des DWV gehört u. a. (vgl. DEUTSCHER WELLNESS VERBAND 2007): • • • • •

Betreuung der Mitglieder qualifizierte und unabhängige Beratung aller Wellness interessierten Menschen Übersicht über den immer unüberschaubar werdenden Markt für Wellness Leistungen und Produkte zur Verfügungstellung einer Plattform mit dem Wissen seiner Fachexperten (gemeinnützig) sowohl für die Bevölkerung als auch für die Anbieter am Markt unabhängiger und kompetenter Vermittler zwischen Wellness-Nachfrage und qualifiziertem Wellness-Angebot

Die Haltung des DWV spiegelt sich in seinem Leitbild wider. Im Vordergrund der Bemühungen steht die Nachhaltigkeit der Wellness-Szene und seiner Akteure. Die Orientierungen des DWV sind (vgl. DEUTSCHER WELLNESS VERBAND 2002): • • • • •

gesundheitswissenschaftliche Orientierung - Wellness soll verstanden werden als „genussvoll gesund leben" ideelle Orientierung - Unabhängigkeit von wirtschaftlichen Interessen politische Orientierung - parteiunabhängige Beeinflussung der politischen Geschehnisse im Gesundheits- und Wellness-Bereich Verbraucherorientierung - Ausrichtung auf die Seite des Verbrauchers Mitgliederorientierung - Mitglieder sollen zu einer Solidargemeinschaft vereinigt werden

Die Fachbereiche des DWV sind (vgl. DEUTSCHER WELLNESS VERBAND 2007): • • • • • • • • • •

Gesund Leben Medical Wellness Hotellerie & Tourismus Bäder & Therme Beauty & Körperpflege Bewegung & Sport Behandlung & Beratung Essen & Trinken Consulting & Kommunikation Lernen & Bildung

Deutscher Wetterdienst Deutscher Wetterdienst: für die Kurorte erstellt der Deutsche Wetterdienst (DWD) bioklimatologische und lufthygienische Gutachten nach den Qualitätsstandards der Kurorte und Heilbäder. Für seine Gutachten nutzt der DWD seinen Fundus klimatologischer und lufthygienischer Daten aus jahrzehntelangen Messungen. Dahinter steht ein Netz von ca. 500 Klimastationen in ganz Deutschland. Hinzu kommen die Daten aus den regelmäßigen Luftqualitäts-

2.4 Interessensvertretung und Bildung im Gesundheits- und Wellnesstourismus

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messungen in ca. 800 Kur- und Erholungsorten. Die Gutachten dienen den zuständigen Behörden der Länder als eine von vielen Entscheidungshilfen für die Empfehlung zur Vergabe oder Bestätigung der Kurortprädikate. Durch und mit diesen Gutachten erhalten die Kurorte ein wichtiges Instrument zur Qualitätssicherung ihres Angebotes an die Hand. Anforderungen zur Anerkennung als Heilklimatischer Kurort durch den DWD als unabhängiger Dienstleister (eigentlich Behörde) sind (vgl. VERBAND DER HEILKLIMATISCHEN KURORTE DEUTSCHLANDS 2007): • • • • • • • •

zweijährige Messungen einer automatischen Klimastation einjährige Messung der Luftgüte an mindestens drei Standorten Klimagutachten mit erweiterten Klimaanalyse und bioklimatischer Bewertung Gutachten über die Luftqualität bioklimatologische Bewertung des Terrainkurwegenetzes fortlaufende Messungen einer automatischen Klimastation zur Überwachung des ortsgebundenen Heilmittels periodische Überprüfung alle fünf Jahre: Ortsbesichtigung mit Beurteilung der lufthygienischen Verhältnisse periodische Überprüfung alle zehn Jahre: Ortsbesichtigung, Kontrollmessungen der Luftgüte, Bestätigung des Klimagutachtens, Gutachten über die Luftqualität

Deutsche Zentrale für Tourismus (DZT) Deutsche Zentrale für Tourismus (DZT), mit Sitz in Frankfurt am Main, wirbt seit über 50 Jahren im Auftrag der Bundesregierung für das Reiseland Deutschland im Ausland. Die DZT vermarktet die touristische Vielfalt Deutschlands auf der ganzen Welt. Sie wirbt damit für das Reiseland Deutschland - als Urlaubsland als auch als Tagungs-, Messe- und KongressStandort. Darüberhinaus ist die DZT seit 1999 auch für das überregionale Inlandsmarketing zuständig. Das strategische Fundament ist die nachfragegerechte Vermarktung von überregionalen Urlaubsthemen in Deutschland und somit teilweise auch für den Bereich Gesundheits- und Wellnessreisen (vgl. DZT 2007). Die DZT übernimmt wichtige Funktionen für die internationale Vermarktung Deutschlands als wichtiges Reiseland. Das geht von der Entwicklung eines angebots- und erlebnisorientierten Marketing über die Bündelung und Optimierung aller Marketingaktivitäten bis hin zum flächendeckenden Vertrieb in Wachstumsmärkten. Dabei stützt sich die DZT auf eine enge Zusammenarbeit mit dem Deutschlandtourismus sowie Partnern aus Wirtschaft und Verbänden. Die Unternehmensziele der DZT sind im Wesentlichen (vgl. DZT 2007): • • • •

Steigerung des Reiseaufkommens Erhöhung der Deviseneinnahmen Stärkung des Wirtschaftsstandortes Deutschland Positionierung Deutschlands als vielfaltiges und attraktives Reiseland

Europäischer Heilbäderverband (EHV) Europäischer Heilbäderverband (EHV) mit Sitz in Brüssel wurde 1996 gegründet und vertritt derzeit ungefähr 21 nationale Verbände aus 21 Ländern u. a. auch den Deutschen Heilbäderverband. Der Europäische Heilbäderverband ist die Interessensvertretung seiner Mitglieder

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2 Grundlagen im Gesundheits- und Wellnesstourismus

(die nationalen Kur- und Heilbäderverbände) gegenüber den EU-Institutionen. Der Verband fordert den Erfahrungs- und Gedankenaustausch seiner Mitglieder, unterstützt diese bei der Verbesserung der Standards in den Heilbädern und Kurorten und berät bei dem Aufbau und der Weiterentwicklung von Kureinrichtungen. Ferner sorgt er für intensive Presse- und Werbeauftritte. Wichtigste Partner des Europäischen Heilbäderverbandes sind (vgl. TID 2006: 1282, ESPA 2007): • • • •

EUROESPA Visit European Spas International Society of Medical Hydrology and Climatology (ISMH) sowie Europäisches Gesundheitszentrum für Naturheilverfahren - Sebastian Kneipp Institut GmbH

Die vordringlichen Aufgaben des EHV definiert dieser wie folgt: ,£>er EHV stellt sich den Aufgaben, die sich aus der zunehmenden Öffnung Europas und seiner Erweiterung ergeben. Mit dem vorliegenden Credo will er fiir transparente und vergleichbare Strukturen sorgen, sowie das Miteinander über Ländergrenzen hinweg erleichtern. Den Heilbäderverbänden in den einzelnen Ländern ist es aufgegeben, ihre nationale Situation durch „ nationale Credos " zu beschreiben, soweit nicht schon vorhanden. Diese werden im Inneren auch dazu dienen, Forderungen an die nationale Politik zusätzlich mit einer europäischen Argumentation zu begründen." (EHV 2007) Um diese o. g. vordringlichen Aufgaben zu bewältigen, definierte der EHV nachfolgende grundsätzliche Position: ,,Heilbäder, Kurorte und Kureinrichtungen in Europa stellen einen unverzichtbaren Bestandteil des Gesundheitswesens ihrer Länder dar. Sie prägen das kulturelle Bild ihrer Region, sind ein gewichtiger ökonomischer Faktor und sichern viele Arbeitsplätze. " (EHV 2007 in: DHV 2007) Diese grundsätzlich-fundamentale Position ist die Summe nachfolgender Einzel-Positionen: Ortgebundene und ortstypische Heilmittel; sie bilden den Ausgangspunkt und den Kern der Heilbäder, Kurorte und Kureinrichtungen. Diese Heilmittel (ortsgebunden und ortstypisch) reichen für eine Anerkennung jedoch nicht aus, denn unterschiedliche Heilmittel begründen auch unterschiedliche Bädertypen, ζ. B. Mineral-, Sole-, Thermal-, Peloidbäder, Bäder an der See, Bäder im Heilklima sowie Kneipp-Bäder. Diese formale Unterteilung in Art und Umfang als auch die staatliche Anerkennung (Prädikatisierung) ist nur in den wenigsten europäischen Ländern anzutreffen. Hier fordert der EHV mehr Einheitlichkeit und mehr Transparenz. Jedoch eine Vereinheitlichung der Therapieformen lehnt der EHV mit Hinweis auf unterschiedliche Bezüge und Erfahrungen aufgrund der Vielfalt ab. Anerkennung von Heilbädern, Kurorten und Kureinrichtungen; sie sollte durchgehend staatlich bzw. gesetzlich erfolgen. Anerkennungen sollen sich grundsätzlich nicht nur auf das ortsgebundene und ortstypische Heilmittel beschränken, sondern den gesamten Kurort mit seinen Kureinrichtungen, seinen kurspezifischen und therapeutischen Angeboten erstrecken. Heilbäder, Kurorte und Kureinrichtungen; diese befinden sich i. d. R. in attraktiver, ruhiger und bevorzugter Landschaft - also optimal für einen erholsamen Gesundheits- und/oder

2.4 Interessensvertretung und Bildung im Gesundheits- und Wellnesstourismus

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Wellnessaufenthalt. Jedoch haben sich im Laufe der Zeit um diese Orte industrielle Ansiedlugen gebildet bzw. um einige Ortskerne haben sich inzwischen mittelgroße und Großstädte gebildet. Hier strebt der EHV Regelungen an, die den Kurbezirk zielführend positiv im Sinne des Credos des EHV zu gestalten und als Kureinrichtung (auch als Ortsteil) zu erhalten. Vorschriften des Umweltschutzes; sie stellen fur die Heilbäder, die Kurorte und die Kureinrichtungen eine besondere Verpflichtung aber auch Herausforderung dar. In Bezug auf Luftreinheit und -hygiene, Wasserreinheit, Abwasser, Verkehr und Lärmschutz müssen die gesetzlichen Vorgaben (die meist nur fur Wohnorte gelten) übertroffen werden. Qualifizierte Prävention und Rehabilitation; Kurorte, Heilbäder und Kureinrichtungen sind in Ausstattung und Erfahrung in der Lage, qualifizierte Prävention und Rehabilitation anzubieten. Deshalb spielen sie in der gesundheitlichen Versorgung eine bedeutende Rolle gerade bei der Behandlung chronischer Krankheiten (oftmals mit typischem Altersbezug). Viele Kurorte und Kureinrichtungen haben unterschiedliche Schwerpunkte in ambulanten und stationären Angeboten, können aber mehr bieten als nur einen erholsamen Gesundheitsurlaub. Prävention meint hier in Übereinstimmung mit der internationalen Auffassung Bewegung, Ernährung und Entspannung unter Nutzung ortsgebundener Heilmittel und ist wie die Rehabilitation auf Nachhaltigkeit ausgerichtet. Der EHV findet es nicht sinnvoll, bei den hier angesprochenen Unterschieden auf Einheitlichkeit in Europa zu drängen. Die Rolle der Heilbäder, Kurorte und Kureinrichtungen in den sozialrechtlichen Systemen ihrer Länder ist sehr unterschiedlich und bezieht sich auf Rehabilitation und Prävention als auch auf die Behandlung insbesondere chronischer Erkrankungen. Bedingt durch die unterschiedlichen Gegebenheiten (wirtschaftlicher und sozialpolitischer Natur) haben manche Länder große Probleme bereits erreichte Positionen zu halten oder gar auszuweiten. Auch ist eine einheitliche Gestaltung der Sozialsysteme in Europa nicht in Sicht, gleichwohl öffnen sich die Grenzen im Leistungsrecht für grenzüberschreitende Versorgungsmaßnahmen (ζ. B. in Folge der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes). Ausschlaggebend für die jeweiligen nationalen Versorgungsniveaus werden die Preise und die Qualität der Angebote sein. ,, Übereinstimmende Aufgaben, Definitionen und Qualitäten der Heilbäder, Kurorte und Kureinrichtungen im Sinne des Credos sind eine gute Voraussetzung für die zu erwartende Entwicklung. " (EHV 2000) Kur- und Badeärzte; sie sind in den Heilbädern, in den Kurorten und den Kureinrichtungen absolut erforderlich. Im Vordergrund steht die Qualifikation für den sachgerechten Umgang mit den ortsgebundenen Heilmitteln, fachspezifischen Behandlungsmethoden, die physikalischen Therapien sowie Rehabilitation und Prävention. Hier gilt es die unterschiedlichen Qualifikationen (ζ. B. Ausbildungsdauer, Ausbildungsinhalte) von spezialisierten Ärzten einander anzugleichen. Strukturelle Zuordnungen und Anerkennungen der erforderlichen Qualifikation sollen sich an den nationalen Gegebenheiten orientieren. Das Spektrum der Gäste ist in den Heilbädern, Kurorten und Kureinrichtungen sehr breit gefächert und von Destination zu Destination sehr unterschiedlich. Gäste frequentieren die von ihnen gewählten Kurorte, Heilbäder und Kureinrichtungen aus Gründen der Prävention (ζ. B. primär, sekundär oder tertiär), zur Rehabilitation und zur Kuration ζ. B. chronischer Erkrankungen. Das in Anspruch genommene Angebot umfasst ambulante und stationä-

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2 Grundlagen im Gesundheits- und Wellnesstourismus

re Maßnahmen sowie mehrwöchige bis eintägige Aufenthalte. Der EHV haltet es für nicht sinnvoll (wie von einigen Ländern und Fachleute angestrebt) eine stärkere Einheitlichkeit hinsichtlich der Angebote und der Zielgruppenansprache zu erreichen. Kurorte, Heilbäder und Kureinrichtungen haben unter langjähriger Erfahrung und ihren Bedingungen unterschiedliche Schwerpunkte (erfolgreich) gebildet, arbeiten sehr differenziert und erfolgreich. Dies soll auch weiterhin so bleiben. Die Ausstattung; Heilbäder, Kurorte und Kureinrichtungen folgen dem Spektrum ihrer Gäste und erreichen oftmals zwangsläufig eine einseitige Schwerpunktbildung (ζ. B. nur klinisch-stationär. Hierbei sollte auf eine ausgewogene und vielseitige Ausstattung geachtet werden, denn eine leistungsfähige und vielseitige Ausstattung für die medizinische Behandlung sollte ebenso wie hinreichende Unterbringungs- und Therapiemöglichkeiten (ζ. B. für gesunde Gäste, für Tagesgäste) als Vorbedingung für die Anerkennung als Kurort, Heilbad oder Kureinrichtung gehören. Wellness; Wellnessangebote werden von immer mehr Gästen in zunehmendem Umfang in Kurorten, Heilbädern und Kureinrichtungen erwartet. Im Mittelpunkt dieser Angebote sollte die gesundheitsfördernde Wirkung stehen. Ortsgebundene Heilmittel; einer der bedeutsamsten Positionen in den Forderungen des EHV. Die ortgebundenen und ortstypischen Heilmittel spielen bei der Anerkennung zum Heilbad oder zum Kurort eine fundamentale Rolle. Jedoch begründen sie für sich genommen noch keine zum selbigen. Vielmehr entfalten sie ihre volle Wirksamkeit im Rahmen ganzheitlicher/komplexer Behandlungskonzepte. Trotz EU-Rechts gibt es noch erhebliche landesrechtliche Unterschiede im Gebrauch dieser Heilmittel (Definition, Parameter und rechtliche Zuordnung sind aus unterschiedlichen Traditionen entstanden). Trotz der Erkenntnis, dass eine gewisse Unterschiedlichkeit bleiben wird, strebt der EHV eine Annährung mit gemeinsamer Zielvorgabe an. Gegenstände der Regelungen sollen insbesondere sein: •

• •

Quellen mit anerkannter therapeutischer Nutzung des Wassers; sie sind für viele Orte der Ausgangs- und Mittelpunkt der (meist staatlichen) Anerkennung als Kurort, Heilbad oder Kureinrichtung. Die Anwendungen sind beispielsweise Trinkkuren, Inhalationen sowie Wannen- und Bewegungsbäder. Derzeit werden die Hygienevorschriften der jeweiligen Länder als hinreichend betrachtet. „ Unterschiedlich ist die Auffassung und Handhabung von Definitionen, maßgeblichen Parametern und die Zuordnung zu in den Ländern geltenden Gesetzen, insbesondere dem Quellenschutz. Der EHV wird auch hier die erforderlichen Annäherungen betreiben. Es ist vielerorts so, dass der Inhaber der Nutzungsrechte einer Quelle eine gewisse Wahl hat, wie die Quelle, das Wasser genutzt und damit rechtlich eingeordnet wird; etwa als Lebensmittel, als Arzneimittel, zum Versand" (EHV 2007). Heilgas; die Anerkennung der Gase (ζ. B. Radon, H2S und C0 2 ) als Heilmittel soll dem Recht des jeweiligen Landes unterliegen Heilbäder, Kurorte und Kurbetriebe am Meer: im Mittelpunkt der dort meist und überwiegend angebotenen Thalassotherapien steht das Meer. Die Nutzung der therapeutischen Wirkung ist an die unmittelbare Nähe zu Meer und dem klimatischen Einfluss (ζ. B. Salinität der Luft, Möglichkeit des Badens im Meerwasser) gebunden.

2.4 Interessenvertretung und Bildung im Gesundheits- und Wellnesstourismus







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Hier fordert der EHV einen europäischen Standard. Die Anerkennung muss auch die Entfernung der Kureinrichtungen ζ. B. Thalassozentrum zum Meer (nicht weiter als zwischen 600 und 800 Meter) festlegen. Ebenso die Handhabung der Anwendungen isolierter Bestandteile des Meeres (ζ. B. Schlick, Algen), die auch abseits des Meeres im Zusammenhang mit Thalassotherapien angeboten werden, bedürfen einer einheitlichen europäischen Regelung. Peloide in Heilbädern, Kurorten und Kurbetrieben; eine weitgehende definitorische Einigkeit der Begriffe besteht. Jedoch wird mit Blick auf die Unterschiede die Vereinheitlichung im Umfang der physikalisch-chemischen Analysen, der Qualitätskontrolle bei der Wiederverwendung und Regeneration zu erzielen. Generell wird auch eine Mischung natürlicher Peloide des Kurortes mit synthetischen Stoffen abgelehnt, u. a. auch weil eine Verknappung der Peloidvorkommen angenommen und befurchtet werden muss. Bioklima/Heilklima; ein geeignetes Bioklima ist unverzichtbare Voraussetzung für jede Kureinrichtung, für jeden Kurort und jedes Heilbad. Die Kriterien für Bewertung und Kontrolle des Bioklimas sind noch nicht überall hinreichend gewichtet. Hier besteht ein großer Abstimmungsbedarf. Auch beim Heilklima (basiert auf dem therapeutischen Einsatz des örtlichen Klimas) ist hinsichtlich der Begutachtung und wissenschaftlicher Auswertung noch erheblicher Klärungs- und Abstimmungsbedarf. Kneipp-Therapie; Voraussetzung für eine Anerkennung in der Balneologie muss ein komplexes und durchstrukturiertes Behandlungskonzept nach Sebastian Kneipp sein. Denn diese Therapie wird oft mit der Priesnitz-Therapie und nur in einzelnen Elementen dieser Lehre genutzt.

Weitere wichtige Bedingungen; neben den natürlichen Heilmitteln des Bodens, der Luft, des Wassers (die alleine noch keinen Kur- oder Heilbetrieb ausmachen) gehören nach Meinung des EHV weitere u. a. wichtige Faktoren (vgl. EHV 2007: 7): •

• • •

• •

der Charakter und das Erscheinungsbild des Ortes, der Ortsteile sowie der Kureinrichtungen - dieser muss den Erwartungen der Gäste entsprechen und dem gesundheitlichen Auftrag gerecht werden die örtliche Gastronomie muss dem gesundheitlichen Anliegen Rechnung tragen alle Einrichtungen eines Kurortes, eines Heilbades und einer Kureinrichtung sind behindertengerecht auszustatten angemessene Einrichtungen zur Anwendung der ortgebundenen und ortstypischen Heilmittel als auch die physikalischen Therapien gehören zu den wichtigsten Voraussetzungen zur Anerkennung wissenschaftliche Belegung der Indikationen (nicht nur für die Kostenträger, weil diese sie fordern) sollten vorliegen kulturelle/unterhaltende Programme gehören im Sinne der Ganzheitlichkeit zu den Angeboten eines Kurortes, eines Heilbades und einer Kureinrichtung

Europäische Wellness Union Europäische Wellness Union (EWU) oder European Wellness Union/Union Europeenne de Bien-Etre mit (vorläufigem) Sitz in Bonn, widmet sich laut Satzung vorrangig der Aufgabe,

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2 Grundlagen im Gesundheits- und Wellnesstourismus

den Bürgern europäischer Länder in ihrem privaten wie beruflichen Wirken einen Lebensstil nahe zubringen, der ein ganzheitliches Wohlbefinden zur Folge hat. Konkret wird die Satzung des EWU eigenen Angaben zufolge durch folgende Tätigkeiten mit Leben gefüllt (vgl. EWU Satzung § 2 Abs. 3, 2007): • • • • • • •

• •

Auswertung von Literatur zu dem Thema Wellness sowie Koordination und Unterstützung von Forschungsvorhaben auf den einschlägigen Fachgebieten Ausarbeitung und stetige Aktualisierung eines umfassenden Programms für Gesundheit und Lebensqualität, einschließlich gezielter Maßnahmen in Teilbereichen Erweiterung des Wellness-Bewußtseins der Bevölkerung mit Hilfe von Informations-, Schulungs- und Trainingsangeboten Erarbeitung von Richtlinien, Qualitätsanforderungen und dergleichen sowie Vergabe von Lizenzen oder Gütesiegeln fur wellnesstaugliche Waren oder Dienstleistungen Regelung des Aus- und Weiterbildungswesens, Förderung dafür geeigneter Schulungseinrichtungen nachhaltige Unterstützung der Mitglieder bei ihrem privaten oder beruflichen Einsatz im Sinne der Vereinsziele Beratung von nationalen und internationalen Stellen (einschließlich der Versicherungsträger) sowie von Unternehmen, Verbände und deren Einrichtungen bei der Planung und Durchführung zeitgemäßer Programme zur Gesundheitsforderang, Persönlichkeitsentwicklung und Lebensstilkorrektur Pflege der Beziehungen zu Massenmedien und sonstigen Meinungsbildern Herstellung und Ausbau von Kontakten zu außereuropäischen Fachleuten und Institutionen mit gleichartigen Bestrebungen

In § 2 Abs. 3 seiner Satzung verweist der EWU auf die Möglichkeit, Auszeichnungen für besondere Verdienste um die Wellness-Bewegung stiften zu können sowie Anerkennungspreise für Forschungsergebnisse und gleichwertige Leistungen auszusetzen. Gütegemeinschaft Diät und Vollkost (GDV) Gütegemeinschaft Diät und Vollkost e. V., mit Sitz in Düsseldorf, gehört zu den 160 Gütegemeinschaften des RAL. Das Ziel der GDV ist die Speise- und Beratungsqualität in der Gastronomie und Gemeinschaftsverpflegung stetig zu verbessern. Mit dem RAL Gütezeichen „Diät & Vollkost" ist sie einerseits darum bemüht Verbrauchern eine zertifizierte Sicherheit beim Essen zu vermitteln und andererseits ist sie zuverlässiger Partner für all die Betriebe, die dieses Zertifikat in ihr Marketingkonzept einbinden möchten. Diät und Vollkost ist der Titel für die Stammmarke der GDV, die patentrechtlich durch das Markenrecht als urkundlich eingetragene Marke geschützt ist. Aus der Stammmarke Diät und Vollkost leiten sich drei Spezifikationen als Zertifizierungsmöglichkeit ab. Die drei Spezifikationen des Gütezeichens „Diät und Vollkost" der GDV sind aufgeteilt in (vgl. GDV 2007): • • •

Kompetenz rund ums Essen Essen für Diabetiker/Übergewichtige naturfrische Küche

2.4 Interessensvertretung und Bildung im Gesundheits- und Wellnesstourismus

119

Für alle drei Spezifikationen gilt gleichermaßen: • • • •

kompetente Ernährungsfachkräfte sorgen für die Erfüllung der GDV-Gütekriterien GDV-Experten kontrollieren vor Ort regelmäßig die Umsetzung der GDV-Güterkriterien appetitliche Gerichte werden auf der Basis ernährungswissenschaftlicher und medizinischer Kompetenz zubereitet nährstoffschonende Zubereitung unter strengsten hygienischen Richtlinien und mit hochwertiger Lebensmittelauswahl

Die vom GDV zertifizierten Betriebe (ca. 230) sind in folgende Kategorien unterteilt (vgl. GDV 2007): • •

• •

Hotels; Restaurant, Pensionen, Kurhotels Kliniken; größtenteils Rehakliniken und Fachkliniken, Kurkliniken ζ. T. mit Spezialisierung für bestimmte Erkrankungen aber auch Mutter-und-Kind-Kliniken sowie Akutkrankenhäuser Seniorenresidenzen; sowohl Einrichtungen für betreutes Wohnen im Alter als auch Wohnmöglichkeiten mit Vollversorgung, karitative Pflegeeinrichtungen Andere; Betriebsformen, die sich in keine der o. g. Kategorien einteilen lassen, ζ. B. Förderwerke, Industriebetriebe, „Essen auf Räder"

Interessensgemeinschaft Kompaktkuren - Die Kompaktkurzentrale Interessensgemeinschaft Kompaktkuren e. V. mit Sitz in Gütersloh versteht sich als eine Informations- und Servicegesellschaft und informiert Patienten und Kompaktkurinteressierte kostenlos und unverbindlich bei allen Fragen zur Kompaktkur, zu Kompaktkurorten und zu den Terminen. Die Interessensgemeinschaft unterstützt Ärzte, die Mitarbeiter der Krankenkassen und des Medizinischen Dienstes kostenlos bei der Beratung der Patienten. Als Partner von Kompaktkur-Anbietern bietet die Interessensgemeinschaft kostenlose und umfassende Informationen (vgl. INTERESSENSGEMEINSCHAFT KOMPAKTKUREN 2007): • • • • • •

über die Kompaktkurorte im ganzen Land über die Kompaktkur über 30 verschiedene Krankheitsbilder bei denen Kompaktkuren als Therapie in Frage kommen zu Therapien und Leistungsinhalten von Kompaktkuren zu Kosten und Kostenübernahmen durch die Krankenkassen zu Formalitäten der Antragsstellung und möglichen Terminen

Verband Deutscher Badeärzte Verband Deutscher Badeärzte e. V., mit Sitz in Bad Oeynhausen, ist ein Zusammenschluss aller Ärzte mit der Zusatzbezeichnung „Badearzt" oder „Kurarzt" nach der Weiterbildungsordnung der Ärztekammer. Die Gründungsgeschichte dieses Verbandes ist sehr wechselvoll und kann beim Verband bzw. über dessen Internetseite bezogen werden. Der Verband ist als eigenständige Organisation Mitglied im „Deutschen Heilbäderverband"; dadurch ist die enge Zusammenarbeit mit den Kurorten und Heilbädern gesichert und somit auch eine aktive

120

2 Grundlagen im Gesundheits- und Wellnesstourismus

Mitwirkung in der Gesundheitspolitik. Ferner ist der Verband Vertragspartner bei der Erstellung der Badearztverträge und steht in ständiger und enger Verbindung mit der Bundesärztekammer und der kassenärztlichen Bundesvereinigung. Zu den Aufgaben des Verbandes (laut Satzung) gehören u. a. (vgl. VERBAND DEUTSCHER BADEÄRZTE 2004): • • • • •

Beratung seiner Mitglieder bei allen badeärztlichen Abrechnungsfragen Beratung bei Auslegungsschwierigkeiten der Gebührenordnung Beratung bei Auseinandersetzungen vor Ort mit den Kurverwaltungen Interessenvertretung gegenüber den Krankenkassen, Behörden und der Öffentlichkeit Entwurf von Musterverträgen und juristische Hilfen

Vereinigung für Bäder- und Klimakunde Vereinigung für Bäder- und Klimakunde e. V.: die Vereinigung hat ihren Sitz in Freiburg/Breisgau und hat laut Satzung das Ziel, die Erkenntnisse der Kurortwissenschaften zu sammeln, auszuwerten, zu präsentieren und weiter zu entwickeln. Dies geschieht im Austausch von experimenteller und klinischer Forschung mit der ärztlichen und therapeutischen Anwendung mit der Bäderwirtschaft. Die Vereinigung initiiert, finanziert, fordert und organisiert Wissenschaft und Forschung weltweit. Die Themen- und Wirkungsfelder der Vereinigung sind (vgl. VEREINIGUNG FÜR BÄDER- UND KLIMAKUNDE): • • • •

Naturwissenschaft und Technik Kurortmedizin/Physiomedizin Medizinmeteorologie und Umwelt Spa & Health Management

2.4.2

Aus-, Fort- und Weiterbildung im Gesundheits- und Wellnesstourismus

Einleitend zum Thema Aus-, Fort- und Weiterbildung im Gesundheits- und Wellnesstourismus bedarf es einer Betrachtung der Aspekte und Besonderheiten des Personalmanagements im Gesundheitstourismus. Die Angebote von Kurorten, Heilbädern, Gesundheits- und Wellnesshotels als auch der Reiseveranstalter ist durch eine Vielzahl von Leistungserbringern gekennzeichnet. Entsprechend vielfaltig sind die ausgeübten Berufe (ζ. B. Ärzte, Pfleger, Betreuer, Therapeuten, Hotel- und Restaurantfachkräfte, Köche, Tourismusfachkräfte) und die Anforderungen an diese. Eine Gemeinsamkeit eint jedoch alle diese Berufsgruppen, die persönliche Dienstleistung am Gast, die u. U. nicht so sehr über die fachliche Qualifikation, sondern in der Hinwendung zum Gast verstanden wird (vgl. HUBATKA 1998: 171-173). Durch Faktoren wie beispielsweise die Kostensituation in den Einrichtungen, sozialer Wandel, geänderte gesetzliche Rahmenbedingungen im Gesundheitswesen und die Problematiken der einzelnen Berufssparten im Gesundheitstourismus, entstand die Notwendigkeit, einzelne Berufsbilder zu kombinieren um Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter flexibler einsetzen zu können.

2.4 Interessensvertretung und Bildung im Gesundheits- und Wellnesstourismus

121

Die daraus resultierenden Anforderungen sind bzw. könnten sein; der Therapeut soll in der Lage sein, seine Produkte unter marktwirtschaftlichen Aspekten zu erstellen, kalkulieren und zu vermarkten, der Reiseberater im Reisebüro soll in der Lage sein, Kunden mit dem Wunsch nach einem Gesundheits- oder/und Wellnessurlaub kompetent hinsichtlich der möglichen Anwendungen und Besonderheiten in einem Zielgebiet zu beraten, der Hotelfachmann soll fachlich in der Lage sein, Kunden kompetent und unter Berücksichtigung der Besonderheiten der Anwendungen bei der Terminzusammenstellung ihrer Anwendungen behilflich zu sein und der Bademeister soll aktiv ein Wellnessprogramm für Urlaubsgäste erstellen können. Nun, im Bereich der Aus-, Fort- und Weiterbildung im Gesundheits- und Wellnesstourismus zeichnet sich folgende Situation ab. Die Tourismusbranche war bis Ende der 80er Jahre eine Branche mit einem sehr hohen Anteil an Quereinsteigern. Es waren Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus sehr unterschiedlichen Berufen und unterschiedlichen Qualifikationen, die ihre berufliche Erfüllung im Tourismus fanden. Die heutige Aus-, Fort- und Weiterbildungssituation ist durch einen hohen Standard und Vielfältigkeit gekennzeichnet. Die Aus-, Fortund Weiterbildungseinrichtungen im Tourismus erfreuen sich regen Zulaufs, zumal die „weiße Industrie" einer der größten Arbeitgeber der Welt ist und auf absehbare Zeit, ceteris paribus, bleiben wird. Der Aus-, Fort- und Weiterbildungssektor im Tourismus kann unterteilt werden in: • • • •



Akademische Ausbildung, dazu gehören Universitäten, staatliche und private Fachhochschulen „Halbakademische" Ausbildung, dazu gehören Berufsakademien Berufsausbildung, dazu gehören staatliche und private Berufsfachschulen und Berufsschulen sowie Träger von Umschulungen Fortbildung, dazu gehören öffentlich-rechtliche (ζ. B. IHK's), gemeinnützige Einrichtungen (ζ. B. Verbände, Institutionen und Organisationen) und private Bildungseinrichtungen und Bildungsträger Weiterbildung, dazu gehören öffentlich-rechtliche (ζ. B. IHK's), gemeinnützige Einrichtungen (ζ. B. Verbände, Institutionen und Organisationen) und private Bildungsträger bzw. Seminaranbieter sowie auch Produzenten (ζ. B. Reiseveranstalter, Beförderungsunternehmen)

Das derzeitige touristische Aus-, Fort- und Weiterbildungswesen ist sehr stark „handwerklich" und praxisfokussiert. Syllabi gibt es weitgehend nur für Bereiche, in welchen sehr konkrete Inhalte vermittelt werden können.

Akademische Ausbildung im Tourismus und Gesundheits- und Wellness-Tourismus Die wissenschaftliche Seite weist noch erhebliche Defizite in der Lehre auf. Der Grund dafür ist u. a. in der stark interdisziplinären Struktur des Tourismus und der „Tourismuswissenschaft" (die es so gar nicht gibt) zu sehen. Ein weiterer Grund liegt auch darin, dass Tourismus eine Branche ist, d. h. bei jeglicher Art von Bildung muss das touristische Branchenwissen mit einer Erkenntnisswissenschaft (i. d. R. mit Betriebs-, seltener mit Volkswirtschafts-

122

2 Grundlagen im Gesundheits- und Wellnesstourismus

lehre, gelegentlich aber auch mit Geografie, Kultur u. a.) verknüpft werden. In Deutschland kümmern sich Universitäten und Fachhochschulen (staatliche und private) um die Lehre im Tourismus. Aus den Abschlüssen/akademischen Grade dieser Einrichtungen ist nur in einigen wenigen Fällen der Studienschwerpunkt Tourismus erkennbar. Wichtige akademische Einrichtungen (auszugsweise) mit dem Schwerpunkt Tourismus zeigt nachfolgende Tabelle (vgl. BERG 2006: 444-445). Tabelle 2.38 Universitäten und Fachhochschulen mit dem Schwerpunkt Tourismus in Deutschland Quelle: BERG 2006: 445-446 Universitäten und Fachhochschulen

Besonderheiten und Merkmale

Freie Universität Berlin

Masterstudium „ Tourismusmanagement und Regionale Tourismusplanung" als postgradualer weiterbildender Ergänzungsstudiengang

Technische Universität Dresden - Fakultät Verkehrswissenschaften Universität Greifswald Universität Lüneburg Universität Paderborn Universität Rostock Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Fakultät, Institut für Verkehr und Logistik Universität Trier Geographie Internationale Fachhochschule Bad HonnefBonn Fachhochschule Deggendorf

Studiengang Verkehrswirtschaft oder Tourismuswirtschaft Universitätsstudium Diplom-Geographie mit Schwerpunkt Tourismusgeographie Universitätsstudium Studiengang BWL, Schwerpunkt Tourismusmanagement Universitätsstudium Magister, Ausrichtung Tourismus Magisterstudiengang mit dem Hauptfach Geographie Studiengang Betriebswirtschaftslehre: Spezielle Betriebswirtschaftlehre Tourismuswirtschaft Diplomstudiengang Geographie mit den Studienschwerpunkt u. a. Fremdenverkehrsgeographie Hotel-, Tourismus-, Luftverkehrs-, Eventmanagement, Internationale Betriebswirtschaft Bachelor Schwerpunkt Tourismusmanagement Diplom Betriebswirt

Fachhochschule Gelsenkirchen Abteilung Bocholt

Schwerpunkt Tourismus am Fachbereich Wirtschaft

Fachhochschule Westküste Hochschule für Wirtschaft & Technik

Internationales Tourismusmanagement (ITM) ITM Bachelor, ITM Master, Diplom Betriebswirt

Fachhochschule Heilbronn Hochschule für Technik und Wirtschaft

Bachelor und Master

Fachhochschule München

Fachhochschule Stralsund Fachbereich Wirtschaft Hochschule Harz Fachhochschule Worms Hochschule Coburg

Studiengang Tourismuswirtschaft Tourismus-Management, Touristik- und Dienstleistungsmanagement, Hospitality Management Diplom Betriebswirt (FH) Leisure and Tourism Management Bachelor of Business Administration in Leisure and Tourism Management Studiengänge Tourismusmanagement, Tourismuswirtschaft Touristik/Verkehrswesen Diplom Betriebswirt (FH) Studiengang Integrative Gesundheitsförderung

2.4 Interessensvertretung und Bildung im Gesundheits- und Wellnesstourismus

123

In Deutschland weisen bislang nur sehr wenige akademische Einrichtungen einen Schwerpunkt im Gesundheits- und/oder Wellnesstourismus aus. Vereinzelt sind/können Teilbereiche dieses Segmentes funktionalen Schwerpunkten (ζ. B. Controlling, Marketing) zugewiesen sein. Die Schwerpunkte liegen sodann fast immer im Bereich Sozialmanagement, Klinik- & Health-Management, selten jedoch im Bereich Gesundheit/Wellness und Tourismus. So bietet beispielsweise die FH Coburg einen Studiengang Bachelor/Diplom in „Integrativer Gesundheitsforderung" an. Inhalt dieses Studienganges ist u. a. die Zusammenstellung von Programmen der Gesundheitsförderung nach wissenschaftlichen und praktischen Kriterien unter Einbeziehung aktueller Erkenntnisse und etablierter Elemente der Gesundheitsförderung. Die angewandte Gesundheitsförderung zielt auf die Bereiche Gesundheitswesen, Freizeit, Arbeit, Medical Wellness und Tourismus ab. Als bislang einzige Universität im deutschsprachigen Raum Europas bietet (Stand April 2007) die Universität Salzburg einen Universitätslehrgang „Health & Fitness" an. Der viersemestrige Lehrgang wird berufsbegleitend und in Blockform angeboten (vgl. TOURISTIK REPORT 4/2007: 63).

„Halbakademische" Ausbildung im Tourismus Diese Art der Ausbildung kombiniert in hervorragender Weise die klassischen Ausbildungsinhalte mit der wissenschaftlichen Lehre in einer stark praxisrelevanten Form der Ausbildung. Sie kombiniert Verfügungs- und Orientierungswissen. Träger dieses Bildungsmarktes sind i. d. R. staatlich anerkannte Ersatz- und Ergänzungsschulen sowie private und öffentlichen Berufsakademien. Einen Überblick über wichtige Berufsakademien im Bereich Tourismus, Hospitality Management gibt nachfolgende Tabelle (eine Auswahl). Tabelle 2.39 Berufsakademien

mit dem Schwerpunkt

Tourismus in Deutschland

Quelle: BERG 2006: 446 Einrichtungen

Besonderheiten/Schwerpunkte

Berufsakademie Ravensburg, Staatliche Studienakademie

Fachrichtung Tourismusbetriebswirtschaft mit den Schwerpunkten: Reisemittler und Reiseveranstalter, Hotellerie und Gastronomie, Destinations- und Kurland Bädermanagement

Berufsakademie Sachsen - Staatliche Studienakademie Breitenbrunn

Hotel-, Reiseveranstalter-/Reisemittler-, Kur- und Bäder-, Destinations-, Event- und Travelmanagement

Berufsakademie Schleswig-Holstein

Betriebswirtschaft Schwerpunkt Tourismus

Berufsakademie Thüringen - Staatliche Studienakademie Eisenach

Tourismuswirtschaft

Int. Berufsakademie Bad Homburg

Diplom Betriebswirt (BA)

ISM - International School of Management

Diplomstudiengang Tourismus-, Event- und Hospitalitymanagement

Säbel Akademie München (ehemals SSI-Institut für Tourismus, Hotellerie und Gesundheitswesen)

Fachrichtung Touristik, Hotellerie und Gesundheit

In diesem Ausbildungssegment wurde erstmalig vom SSI-Institut für Tourismus, Hotellerie und Gesundheitswesen, München ein staatlich anerkannter Lehrgang zum/zur

124 • • •

2 Grundlagen im Gesundheits- und Wellnesstourismus

Referent/Referentin im Gesundheitswesen Assistent/Assistentin im Gesundheitstourismus Assistent/Assistentin im Wellnesstourismus

in München und Friedrichshafen angeboten. Diese Lehrgänge, die die Verknüpfung zwischen Tourismus und Gesundheit/Wellness schaffen, dauern i. d. R. zwei Jahre und beinhalten zwei Praktika. Über die Lehrinhalte wachen die jeweiligen Kultusministerien der Länder. Die Inhalte sind sehr „verschult" und der Praxisbezug lässt sich nur sehr schwer implementieren, da bei diesem Schultypus Propädeutika Vorrang haben. Berufsausbildung im Tourismus Die Berufsausbildung in den touristischen Berufen ist stark „handwerklich" geprägt und beschränkt sich auf die Vermittlung von Verfügungswissen. In den letzten Jahren wurde eine Vielzahl alter Ausbildungsordnungen aktualisiert sowie neue Ausbildungsordnungen /Berufsbilder verabschiedet. Nachfolgende Tabelle zeigt die wichtigsten Berufsausbildungen bzw. Berufsbilder im Tourismus, gegliedert in Bereiche: Tabelle 2.40 Berufsausbildungen

und Berufsbilder im Tourismus

Quelle: BERG 1999 Reisemittler, Reiseveranstalter und Freizeit

Hotellerie und Gastronomie

Reiseverkehrskaufmann/-frau IHK mit der Möglichkeit der Spezialisierung auf: Verkehrsträger, Reisemittler oder Reiseveranstalter

Hotelkaufmann/-frau IHK Hotelfachmann/-frau IHK Restaurantfachmann/-frau IHK

Kaufmann/Kauffrau für die Freizeitwirtschaft IHK Veranstaltungskaufmann/-frau IHK Kaufmann/-frau für das Gesundheitswesen IHK

Verkehrswesen Luftverkehrskaufmann/-frau IHK Servicekaufmann/-frau für den Luftverkehr IHK Kaufmann/-frau für den Straßenund Schienenverkehr IHK Servicekaufmann/-frau für den Straßen- und Schienenverkehr IHK

Dienstleistungskaufmann/-frau IHK Veranstaltungskaufmann/-frau IHK

Die Dauer der o. g. Ausbildungen dauert zwischen zwei und drei Jahren, wird i. d. R. nach dem dualen Modell (Vermittlung der Fertigkeiten und Kenntnissen in den Betrieben und der Berufsschule) durchlaufen, und schließt mit der Prüfung vor der zuständigen Stelle, i. d. R. der Industrie- und Handelskammer, ab. Erstmalig wurde im diesem Ausbildungssegment eine kaufmännische Ausbildung im Gesundheitswesen angeboten, jedoch ohne touristische Affinität. Die spätere Tätigkeit der in dieser Ausbildung absolvierten Teilnehmer beschränkt sich in der Hauptsache auf Verwaltungstätigkeiten in Kurkliniken, Krankenhäuser, Pflegeeinrichtungen und Krankenversicherung.

2.4 Interessenvertretung und Bildung im Gesundheits- und Wellnesstourismus

125

Eine weitere Form, einen touristischen Beruf zu erlernen, stellt die Umschulung dar. Umschulungen sind für Quereinsteiger gedacht, die ihren bereits erlernten Beruf nicht mehr weiter ausüben können, aber auch für Studienabbrecher oder bereits im Tourismus tätige Personen, die auf diese Art einen Ausbildungsabschluss absolvieren wollen. Träger von Umschulungsmaßnahmen können sein: • • • •

Unternehmen/Betriebe Berufsschulen und Berufsfachschulen private Bildungseinrichtungen (mit einem sehr umfassenden Angebotsspektrum, ζ. B. Seminare, Umschulungen, Fort- und Weiterbildung) Industrie- und Handelskammern

Gerade der Bereich der Umschulungen bietet für eine flächendeckende Einführung bestimmter Ausbildungstitel im Gesundheits- und Wellnesstourismus gute Möglichkeiten. Sowohl ehemals in touristischen Berufen als auch in Gesundheitsberufen ausgebildete Personen bringen bereits fundierte Kenntnisse als auch Erfahrungen aus dem jeweiligen Berufsbereich in die Ausbildung/Umschulung mit ein.

Fort- und Weiterbildung im Tourismus Die Begriffe Fort- und Weiterbildung sorgen für eine gewisse Verwirrtheit, da sie häufig synonym verwendet wird. Die Fortbildung stellt eine Weiterqualifizierung im ausgeübten und erlernten Beruf dar. Die Weiterbildung stellt eine allgemeine Qualifizierung, ζ. B. in Schlüsselqualifikationen, Sprachen oder im IT-Bereich dar. Die Fortbildung kann formalisiert durch öffentlich-rechtliche Abschlüsse (ζ. B. IHK's) oder nicht-formalisiert durch sog. Zertifikate freier Bildungsträger oder Seminaranbieter sein. Nachfolgende Tabelle zeigt formalisierte und nicht-formalisierte Fortbildungen im Tourismus auf. Tabelle 2.41 Formalisierte

und nicht-formalisierte

Fortbildungen

im

Tourismus

Quelle: BERG 1999 Formalisierte Fortbildungen (eine Auswahl)

Nicht-formalisierte Fortbildungen (eine Auswahl)

Tourismusfachwirt/-in IHK (mit den Spezialisierungen: Reiseveranstaltungs-, Reisemittler-Management, Hotel- und Gastronomie-Management, Management des Kur- und Bäderwesen, Destinations-Management, Management von Freizeit- und Erlebniswelten, Verkehrsträger-Management)

Touristikfachkraft

Fachwirt/-in fur die Tagungs-, Messe- und Kongresswirtschaft IHK

Anwenderschulungen, ζ. B. für Reservierungssysteme, Buchungsverfahren, Tarifschulungen Produktschulungen, ζ. B. für bestimmte Destinationen, Reiseformen und Reisearten

Fachwirt/-in Gastronomie IHK

Reiseleiter und Reisebetreuer Gästebetreuer Fachkraft für Call Center Verkaufsseminare

126

2 Grundlagen im Gesundheits- und Wellnesstourismus

Weiterbildung stellt eine Qualifikation für Tourismus-Mitarbeiter dar, die nicht tourismusspezifisch ist, ζ. B. Sprachkurse, Rethorikkurse, Persönlichkeitsentwicklung, Lehrgänge in der Informations-Technologie u. a.. Die Träger der Fort- und Weiterbildung sind u. a.: • • •

Unternehmen/Betriebe private Bildungsinstitute Industrie- und Handelskammer der jeweiligen Regionen und Regierungsbezirke

Besonderheiten und Problematiken von Aus-, Fort- und Weiterbildung im Gesundheits- und Wellnesstourismus Hinsichtlich der Aus-, Fort- und Weiterbildung im Gesundheits- und Wellnesstourismus ergeben sich mehrere Problematiken. Für dieses Tourismussegment gibt es bislang keine speziellen und formalen Abschlüsse in Deutschland. Es wurde weder in der Berufsausbildung, noch in der „halbakademischen" und akademischen Ausbildung ein Berufsbild mit einem entsprechenden Syllabus von den zuständigen Stellen erstellt. Dies hat folgende Gründe: die aufgezeigten Aus-, Fort- und Weiterbildungen im Tourismus sind zum überwiegenden Teil kaufmännisch ausgerichtet, während Berufe aus dem Bereich Gesundheit ihren Schwerpunkt im Wesentlichen im Bereich Pflege und Administration haben. Das deutsche Bildungssystem, vertreten durch die zuständigen Stellen (ζ. B. Kultusminister der Länder, DIHK und IHK's sowie das BIBB) benötigen langjährige Entscheidungsprozesse um neue Berufsbilder und Abschlüsse zu entwickeln. Dabei spielt die Flexibilität bzw. Unflexibilität, der zuständigen Stellen, kaufmännische Berufe mit Berufen aus dem Gesundheitswesen zu vernetzen grundsätzlich eine große Rolle. Das konkurrierende Verhältnis zwischen den Kultusministerien der Länder (zuständig für die Universitäten, Fachhochschulen, Berufsschulen, staatlich anerkannte und staatlich genehmigte Berufsfach- und Ergänzungsschulen) und den IHK's (zuständig für Berufsfachschulen, den Lernort Betrieb sowie die Erstellung von Berufsbilder im produzierenden, im gewerblichen und im kaufmännischen Bereich), trägt zur Lösung der Problematik nicht bei. Grundsätzliche Anforderungen an im Gesundheits- und Wellnesstourismus Beschäftigte sind Fachkompetenzen aus dem touristischen als auch Methoden-, Sozial- und Personalkompetenz aus dem Wellness- und Gesundheitsbereich. Nachfolgende Tabelle zeigt jeweils die Anforderungen an die einzelnen Kompetenzbereiche auf.

127

2.4 Interessenvertretung und Bildung im Gesundheits- und Wellnesstourismus Tabelle 2.42 Handlungskompetenz

fiir

Quelle: NEUHAUS2005:

Beschäftigte

im Gesundheits-ZWellnesstourismus

und

Wellnesspersonal

126

Handlungskompetenz für Beschäftigte im Gesundheits-AVellnesstourismus (auch Wellnesspersonal) Fachkompetenz

Methodenkompetenz

Sozialkompetenz

Personalkompetenz

berufsübergreifend

variable Arbeitsverfahren

Leistungsbereitschaft

Koordinationsfahigkeit

berufsbezogen

situative Lösungsverfah-

Wendigkeit

Organisationsfähigkeit

berufsvertiefend

ren

Anpassungsfähigkeit

Kombinationsfähigkeit

berufsausweitend

selbstständiges Denken

Kommunikationsfahigkeit

Überzeigungsfähigkeit

betriebsbezogen

planen, durchführen und

Einsatzbereitschaft

Entscheidungsfähigkeit

kontrollieren

Kooperationsbereitschaft

Verantwortungsfähigkeit

und -fähigkeit

Führungsfahigkeit

erfahrungsbezogen

Umstellungsfahigkeit

Fairness, Aufrichtigkeit Hilfsbereitschaft Teamgeist

Wellnessspezifische Aus-, Fort- und Weiterbildung Eine Vielzahl von Anbieter im deutschsprachigen Raum Europas bieten Ausbildungen und Abschlüsse rund um das Thema Gesundheits- und Wellnesstourismus an, wobei die Schwerpunkte eher im Bereich Wellness und Fitness und weniger im Gesundheit und Tourismus liegen. Nachfolgend ein Überblick über einige Anbieter: Tabelle 2.43 Eine Auswahl von Aus-, Fort- und Weiterbildungsinstitute deutschsprachigen Raum Europas Quelle: eigene Ergänzungen,

in Anlehnung

an NEUHAUS

im Gesundheits2005:

und Wellnessbereich

im

144-147

Anbieter

Abschlüsse

Inhalte

Awela - Akademie für Lebensqualität und Gesundheitsförderung, Erkrath

Wellness-Trainer (Awela)

Wellness-Marktkompetenz, Stressmanagement und aktive Entspannung, gesunde Ernährung, Bewegung und ganzheitliche Körperarbeit, Massagen, Beauty und Körperpflege, Wasser und Wellness, Beratungskompetenz, Wellness-Management

Berufliches Fortbildungszentrum der Bayerischen Wirtschaft gGmbH (bfz)

Wellness-Trainer/in (bfz)

Einführung, Arbeitsmethodik, medizinische Grundkenntnisse, betriebswirtschaftliche und rechtliche Grundlagen, Diensleistungsmarketing, soziale Kompetenzen und Kommunikation, Wellness und Gesundheit, Wellnessanwendungen und -techniken, Projektarbeit

Bildungswerk für Wellness und Gesundheit, Bad Homburg

Diplom- & Zertifikatslehrgänge u. a. WellnessBerater (IHK), Spa & Wellness-Trainer (staatl. geprüft und zuerkannt), Spa & Wellness-Manager (IHK), Gesundheitscoach sowie Spezialisierungslehrgänge

Wellness-Welt, anatomisch-physiologische Grundlagen, Stressmanagement und Persönlichkeitsentwicklung, Wohlfuhlmassagen, Fitness-Training und Outdoor, Personaltraining, Ernährung & Wellness-Küche, ayurvedische Grundlagen, Entspannung und Körperwahmehmung, Beauty- und Thalasso-Anwendungen, Wellness aus dem Reich der Mitte, Sauna & Solarium, Bewegung im Wasser, Anti-Aging u. a.

BSA Akademie, Mandelbachtal

Lehrer für Wellness

Fitness-Trainer Lizenz B, Emährungs-, Entspannungs-, Gesundheitstrainer, Spa-Berater

128

2 Grundlagen im Gesundheits- und Wellnesstourismus

Deutsches Erwachsenen-Bildungswerk e.V. Akademie für Gesundheits· und Sozialberufe, Bamberg

keine spezifische Kursbezeichnung

Wellness-Angebote in Theorie und Praxis, WellnessManagement, Consumer Care und Kommunikation

IST-Studieninstitut für Sport, Freizeit und Touristik e.K., Düsseldorf

Diplom-WellnessTrainer/in, Wellness & Spa-Manager

Anatomie, Physiologie, Trainings- und Bewegungslehre, Diagnostik, Testmethoden, Fitness-Test, Massagen, Krankheitsbilder und Ursachen, zielgruppenspezifisches Gesundheitstraining, Wellness und gesundheitsorientierte Bewegungsprogramme, Emährungskunde und -beratung, Wellnessanwendungen in der Praxis, psychologische Grundlagen, Entspannungsund Konzentrationsmethoden, Entspannungstraining u. a.

Klubschule Migros, Basel/Schweiz

Wellness-Trainer/in

Bewegung, Entspannung, Gesundheit/Prävention, allgemeine Methodik und Didaktik, Ernährung

Niederösterreichische Landesakademie „Wellnessakademie", St. Pölten/Österreich

mehrere spezifische Lehrgänge, keine spezifische Kursbezeichnung

Ernährung, Bewegung, Entspannung, Kommunikation, Recht, Allgemeines

Verband Physikalische Therapie - Vereinigung für die physiotherapeutsichen Berufe e.V., Bad Wörishofen

Medizinische Präventionsund Wellnesstrainer

Module: Wellness-Management, Kommunikation und Gesundheit, Massage, Hydro, Balneo, Natur, Entspannung und Psychologie, wellnessgerechte Fitness, Wellness durch Essen und Trinken, Körperpflege und Ästhetik

Verein ehemaliger Schüler und Freunde der Sebastian Kneipp Schule e.V., Bad Wörishofen

MedicWell Trainer/in Medizinischer Preventions- und WellnessTrainer/in

Basiskurs: Überblick Wellness-Branche, wellnessgerechte Fitness, Wellness durch Essen und Trinken, Körperpflege und Ästhetik, Massage, Hydro, Balneo, Natur Aufbaukurs: Wellness-Management, Kommunikation und Gesundheit, Wellness und Design, Entspannung und Psychologie

Die Dauer der Lehrgänge in o. g. Tabelle erstrecken sich von einem Wochenendseminar bis hin zu zwei Jahren (voll- oder teilzeitlich). Die Voraussetzungen, die o. a. Lehrgänge, Seminare zu besuchen reichen von: keinen Voraussetzungen, abgeschlossene Berufsausbildung in einem einschlägigen Beruf (ζ. B. Masseur, Therapeut, Bademeister), Mittlere Reife, Mindestalter, Allgemeine oder Fachgebundene Hochschulreife, bestandener Aufnahmetest, sportliche und persönliche Eignung u. a.. Zertifizierung von Abschlüssen im Gesundheits- und Wellnessbereich Im Zuge einer nahezu inflationären Anzahl von informellen (Instituts-internen) Zertifikaten und Bildungsabschlüssen in den letzten Jahren, sahen etablierte Bildungsträger aber auch die Interessensvertreter der Gesundheits- und Wellness-Industrie zunehmend die Notwendigkeit, Aus-, Fort- und Weiterbildungen als auch die dazugehörigen Abschlüsse zu zertifizieren. Dies um Interessierten eine Orientierung zu bieten, zum anderen um gewisse Standards und Orientierungspunkte/Benchmarks in einem schnell wachsenden und unübersichtlich werdenden Markt zu schaffen. Nachfolgende Tabelle zeigt einige Beispiele zertifizierter Bildungsträger und deren Angebot beispielhaft auf. Die Zertifizierung wurde vom Deutschen Wellness Verband vorgenommen.

129

2.4 Interessensvertretung und Bildung im Gesundheits- und Wellnesstourismus Tabelle 2.44 Übersicht über Aus-, Fort- und Weiterbildungen Quelle: DEUTSCHER

im Gesundheits- und

Wellnessbereich

WELLNESS VERBAND 2007 Zertifizierung / Urteil des Zertifizierers

Umfang / Kosten

berufsbegleitendes Fernstudium mit Präsenzphasen

DWV/Die Weiterbildung vermittelt grundlegende theoretische und praktische Kenntnisse für berufliche Tätigkeiten im Wellness-Bereich

590 U E i n 18 Monaten / € 3.420,00

Weiterbildung

berufsbegleitendes Fernstudium mit Präsenzphasen

DWV/Die Weiterbildung vermittelt grundlegende Kompetenzen im Bereich Wellness- und SpaManagement

400 U E i n 12 Monaten / € 2.340,00

bfz - Berufliche Fortbildungszentren der Bay. Wirtschaft, gemeinnützige GmbH, Standort Nürnberg

Weiterbildung

Abend- und Wochenendkurs

DWV/Die Weiterbildung vermittelt grundlegende theoretische und praktische Kenntnisse für berufliche Tätigkeiten im Wellness-Bereich

512 UE in 16 Monaten / € 2.950,00 (nur für den Standort Nürnberg)

WellnessTrainer

medi-wellness Akademie fur Wellness und Gesundheit GmbH & Co. KG, Köln

Weiterbildung, staatlich anerkannter Ausbildungslehrgang

Vollzeit- und Teilzeitschule

DWV/Die Weiterbildung vermittelt solide, grundlegende Kompetenzen für berufliche Tätigkeiten im Wellness-Bereich

1.057 UE in 12 Monate Vollzeit oder 22 Monate Teilzeit / €9.535,00

Wellnesstrainer

IMA Institut für Marktwirtschaft GmbH, Standort Stralsund

Weiterbildung

Vollzeit

DWV/Die Weiterbildung vermittelt grundlegende theoretische und praktische Kenntnisse für berufliche Tätigkeiten im Wellness-Bereich

1.830 U E i n 10 Monate / € 3.800,00

Bildungsart

Bezeichnung

Bildungsträger

WellnessTraining

ISTStudieninstitut GmbH, Düsseldorf

Weiterbildung

Wellnessund SpaManagement

ISTStudieninstitut GmbH, Düsseldorf

WellnessTrainer (bfz)

Org.-Form

Eine vom Autor vorgenommene Untersuchung der Bildungsträger, mit einem Bezug zu touristischen Berufen im gesamten Bundesgebiet kommt zu folgenden Kernaussagen: • •



der Anteil der Interessenten für Aus-, Fort- und Weiterbildung im Bereich Gesundheitsund Wellness-Tourismus ist sehr groß an diesem Tourismus-Segment besteht ein großes Interesse seitens von bereits touristisch Aus-, Fort- oder Weitergebildeten als auch aus therapeutischen, pflegerischen Berufen und aus den Bereichen Kosmetik & Beauty kommenden Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern viele Bildungsträger jedoch keine „Kombi-Ausbildung" (also eine vernetzte Ausbildung von Tourismus und Gesundheit/Wellness), sondern lediglich touristische Abschlüsse mit einem Schwerpunkt oder aber Abschlüsse und Zertifikate wie ζ. B. Wellness-Trainer, Fitness-Trainer anbieten

130 •



• •

2 Grundlagen im Gesundheits- und Wellnesstourismus

das Grundproblem darin besteht, dass keine Klarheit darüber besteht, welche genauen Tätigkeiten eine im Gesundheits- und Wellnesstourismus Ausgebildete/Ausgebildeter übernimmt, also keine eindeutige Definition des Tätigkeitsfeldes bislang vorgenommen wurde die angebotenen Seminare, Fort- und Weiterbildungen sich über einen längeren Zeitraum verteilen, zentral an einem Ort durchgeführt werden (was für Teilnehmer aus dem ganzen Bundesgebiet umständlich ist) und bisweilen sehr teuer sind bei vielen Angeboten Informationen über den Nutzwert bzw. mögliche Tätigkeitsgebiete oder Wirkungsbereiche fehlen die in den Syllabi enthaltenen Inhalte nicht vernetzt, sondern eher isoliert gelehrt werden

3

Formen und Anwendungen im Gesundheitstourismus

Gesundheitstourismus umfasst alle Erscheinungsformen, die der Vorbereitung, der Heilung und dem allgemeinen Wohlbefinden dienen. Im Laufe der Jahre haben sich unterschiedliche Formen, Varianten und Ausprägungen unter dem Oberbegriff „Gesundheitsreisen" oder „Gesundheitstourismus" herausgebildet und entwickelt. Dazu gehören auch alle Arten von Wellness- und Beauty Anwendungen und Therapien. Nachfolgendes Kapitel beschäftigt sich hauptsächlich mit den folgenden wichtigsten Formen und Ausprägungen des Gesundheitstourismus: • • • •

Kurtourismus (ehemals Maßnahmen am Kurort/Kurtourismus) Medical Wellness Tourismus Patiententourismus Wellnesstourismus

Der Schwerpunkt der Betrachtung liegt im Kur- und Wellnesstourismus. Die Gründe fur das Wachstum des Segmentes Gesundheitstourismus liegen hauptsächlich im: • • • • •

Körperkult und Hedonismus Verwöhn- und Erlebniskultur gesteigertes und verändertes Gesundheitsbewusstsein der Bevölkerung soziodemografische Wandel der Gesellschaft vielfältige Angebote der klassischen als auch der Volksmedizin

Wie wichtig der Gesundheitstourismus für das Beherbergungswesen in Deutschland ist, zeigt nachfolgende Tabelle über die Gäste und Übernachtungszahlen in deutschen Heilbädern und Kurorten.

132

3 Formen und Anwendungen im Gesundheitstourismus

Tabelle 3.1 Gäste- und Übernachtungszahlen in den deutschen Heilbädern und Kurorte von 1999 bis 2006 Quelle: DHV, Jahresbericht 2007: 15 Ankünfte Jahr

Mineral- und Moorheilbäder

Heilklimatische Kurorte

Seeheil- und Seebäder

Kneippheilbäder und Kneippkurorte

Gesamt

1999

5.700.857

3.312.442

4.788.909

1.837.148

15.639.356

2000

6.099.605

3.534.588

5.064.124

1.970.475

16.668.792

2001

6.234.372

3.336.014

5.265.106

2.048.659

16.884.151

2002

6.129.399

3.250.651

5.361.952

1.982.853

16.724.855

2003

6.109.789

3.263.893

5.787.013

1.968.095

17.129.690

2004

6.203.661

3.277.010

5.698.489

2.035.355

17.214.515

2005

6.240.972

3.453.527

5.848.652

2.080.592

17.623.743

2006

6.476.794

3.458.627

6.044.625

2.084.582

18.064.628

+ 775.937

+ 146.185

+1.255.716

+ 247.434

+ 2.425.272

+ 13,61

+ 4,41

+ 26,22

+ 13,47

+ 15,51

+ 235.822

+ 5.100

+ 195.973

+ 3.900

+ 440.885

+ 3,78

+ 0,15

+ 3,35

+ 0,19

+ 2,50

Veränderungen (a. = absolut) 2006/99 a. 2006/99 in % 2006/05 a. 2006/05 in % Übernachtungen 1999

39.238.947

17.534.352

31.342.372

10.347.391

98.463.062

2000

41.549.361

18.296.507

33.141.168

10.840.043

103.827.079

2001

42.428.162

17.735.221

34.303.796

11.174.754

105.641.933

2002

41.386.590

16.620.781

34.502.403

10.544.937

103.054.711

2003

39.776.697

16.273.802

35.737.856

10.282.473

102.070.828

2004

38.199.403

15.579.112

34.585.938

10.186.191

98.550.644

2005

37.558.002

15.885.869

34.164.653

10.081.114

97.689.638

2006

37.803.750

15.548.249

34.476.478

9.917.500

97.745.977

- 1.435.197

- 1.986.103

+ 3.134.106

-429.891

-717.085

-3,66

- 11,33

+ 10,00

-4,15

-0,73

+ 245.748

- 337.620

+ 311.825

- 163.614

+ 56.339

+ 0,65

-2,13

+ 0,91

-1,62

+ 0,06

Veränderungen (a. = absolut) 2006/99 a. 2006/99 in % 2006/05 a. 2006/05 in %

Aufenthaltsdauer (Nächte) 1999

6,88

5,29

6,54

5,63

6,30

2000

6,81

5,18

6,54

5,50

6,23

2001

6,81

5,32

6,52

5,45

6,26

2002

6,75

5,11

6,43

5,32

6,16

2003

6,51

4,99

6,17

5,22

5,96

2004

6,16

4,75

6,07

5,00

5,72

2005

6,02

4,60

5,84

4,85

5,54

2006

5,84

4,50

5,70

4,76

5,41

3.1 Kurtourismus

3.1

133

Kurtourismus

In Deutschland gibt es derzeit ca. 350 prädikatisierte Kurorte (von denen ca. 50 in den neuen Bundesländern liegen) und ca. 1.400 Luftkurorte. Bundesweit hängen ca. 500.000 Arbeitsplätze direkt oder indirekt vom Kur- und Bäderwesen ab. Der traditionelle Begriff „Kur" wurde am 01.01.2000 „Maßnahmen am Kurort" gemäß der neuen Sozialgesetzgebung ersetzt, mittlerweile ist aber der Begriff „Kur" wieder gebräuchlich.

3.1.1

Definitionsansätze Kur bzw. Maßnahmen am Kurort

Was ist nun eine Kur oder was ist unter der Begrifflichkeit „Maßnahmen am Kurort" zu verstehen? Die Kur ist eine komplexe, unter ärztlicher Aufsicht geleitete Behandlung zur Vor- und Nachsorge für entsprechende chronische Krankheiten und Leiden während bestimmter Phasen in einem längeren Krankheitsverlauf. Der DHV (Deutsche Heilbäderverband) und der DTV (Deutscher Tourismus Verband) definieren Kur folgendermaßen: „Die Kur integriert interdisziplinär verschiedene Therapieformen mit der Behandlung durch natürliche Heilmittel des Bodens, des Klimas und des Meeres, (...). Dabei spielen neben einer gegebenenfalls notwendigen und medikamentösen Behandlung die physikalische Therapie, die Bewegungstherapie, die Entspannungstherapie, die Diätetik, die kleine Psychotherapie in Gruppen und in Einzelbehandlungen (zur Verhaltensänderung) und die Gesundheitsbildung (Information, Motivation, und Gesundheitstraining) entscheidende Rollen." (vgl. DHV/DTV 1999 in: FREYER 2001: 190) Eine weitere Definition der Kur nach dem DHV ist: ,f)ie Kur als Begriff beschreibt den besonderen therapeutischen Prozess einer Heilbehandlung mit besonderen Mitteln, Methoden und Aufgaben in Heilbädern, und Kurorten mit charakteristischen Strukturmerkmalen" (vgl. DHV in: BERG 2004: 5). Der Begriff Kur ist gesetzlich nicht geschützt und kann dazu führen, dass kosmetische Produkte oder alle denkbaren Therapien (ζ. B. Kurpackung für die Haare) auch als Kur bezeichnet werden. Im Zusammenhang mit der Kur wird dem Begriff Erholung eine große Bedeutung beigemessen. Auch hier definiert der DHV wie folgt: ,, Erholung ist der umgangssprachliche Begriff für die spontane, primär nicht medizinisch gesteuerte Wiedererlangung (Rekompensation) körperlicher und seelischer Gleichgewichte, nach einseitiger Über- oder Unterforderung, in einer Entlastungssituation bei erhaltener Erholungsfähigkeit, "(vgl. DHV in: BERG 2004: 5) Die Erholung im Sinne der Definition beruht physiologisch auf der Fähigkeit des Organismus zur Selbstregulierung. Natürliche Faktoren des Kurortmilieus können hier eine Komplementärfunktion erfüllen, indem Erholungsvorgänge zugleich medizinisch und physiologisch gezielt über Methoden der Körperpflege und Entspannung gesteuert und verbessert werden. Somit kann die Kur in staatlich anerkannten Heilbädern und Kurorten als eine sehr komplexe Behandlung zur Vor- und Nachsorge (Prävention und Rehabilitation) angesehen werden.

134

3 Formen und Anwendungen im Gesundheitstourismus

Kuren haben sehr umfangreiche und mannigfache Aufgaben und Funktionen; sie umfassen ein breites Spektrum von Therapieverfahren, die abhängig vom Schweregrad der Erkrankungen nach differenzierter Vorsorge oder/und Rehabilitation eingesetzt werden können. Entscheidend für den Erfolg einer Kur ist es, diese in die richtige Phase des Krankheitsverlaufes zu integrieren (vgl. DHV 2000: 7). Kuren streben neben einer unspezifischen Normalisierung und Stabilisierung des Organismus auch eine Beeinflussung chronischer Krankheitszustände an. Erfolge durch Kuren treten üblicherweise erst nach einem Aufenthalt von drei Wochen auf. Die passiven Wirkungen und die Stärkung der Entwicklungen von aktiven Kräften, Fähigkeiten und Kompetenzen durch Übung begünstigen gemeinsam die Wiedererlangung des biologischen und psychosozialen Gleichgewichtes des Patienten nach einer Kur. Kuren stabilisieren und verbessern Lebens- und Arbeitskräfte. Nach Ansicht des DHV ergänzt die Kur im Gesundheitssystem (gesamtgesellschaftliche Betrachtung) die ambulante ärztliche Versorgung sowie die Behandlung im Akutkrankenhaus mit einer systematisierten gezielten und naturgemäßen Allgemeinbehandlung. Die Kur ist, durch ihre besondere Aufgabe in der Gesundheitsforderung, der Prävention in allen Stufen sowie der Rehabilitation in allen Schweregrade gegliederten Struktur seiner Leistungsanbieter eine wichtige Säule (3. Säule) in der medizinischen Versorgung der Bevölkerung (vgl. DHV/DTV 2005: 22).

3.1.2

Strukturen und Formen im Kursystem

Die heutige Struktur der Kur in Deutschland ist nach Meinung des DHV das Ergebnis nachfolgender normativer, interaktiver und fortdauernder dynamischer Prozesse in den Bereichen der Medizin und der Gesellschaft in der Form, dass (vgl. DHV 2005: 22-23, BERG 2004: 7, REICK 2005: 15): • •

• • • •



ein stetiger Fortschritt und Entwicklung von Methoden in der Medizin sowie in ihren Teilbereichen stattfindet internationale Entwicklungen in den Rehabilitations- und in den Gesundheitswissenschaften, der Sportmedizin, den naturgemäßen Heilmethoden auch im Kontakt mit anderen Medizinkulturen, des Umweltschutzes, der Umweltmedizin sowie der medizinischen Klimakunde stark voranschreitet und die Vernetzung immer stärker wird eine zivilisatorische Entwicklung der Arbeits- und Lebensbedingungen stattfindet Veränderungen im deutschen Sozialschutz als auch der Sozialversicherungssysteme in Deutschland als auch in weiten Teilen Europas Veränderung der versicherungsrechtlichen Rahmenbedingungen im deutschen Gesundheitssystem durch den Gesetzgeber eigenständige Fortentwicklung der Tradition der jeweils zeittypischen Gesundheitsstrukturen im Heilbäderwesen in Anpassung an die Veränderungen in der Medizin und der Gesellschaft zu erkennen ist Kurortgesetze und Kurortkonzepte, auf der Grundlage der Begriffsbestimmungen des Deutschen Kur- und Heilbäderverbandes als gültiges Normenwerk zur Qualitätssicherung, von den Ländern geändert werden

3.1 Kurtourismus

135

Aufgrund der strukturellen Entwicklungsfaktoren und der Normenbildung im Gesundheitssystem (Zusammenarbeit mit den Sozialversicherungsträgern und den politischen Verantwortlichen für die Gesundheitspolitik) wurde aus der ehemals undifferenzierenden „klassischen Kur" ein differenziertes und gegliedertes Kursystem entwickelt. Kuren werden heute in Deutschland vom Gesetzgeber und den gesetzlichen Kranken- und Rentenversicherungsträgern unterteilt in: • •

ambulante Vorsorge- oder Rehabilitationskuren stationäre Vorsorge- oder Rehabilitationskuren

Ambulante Vorsorgekuren; bei dieser Kurform (früher auch unter der Bezeichnung „offene Badekur", heute nach dem SGB V § 23, 2 „Ambulante Vorsorgeleistung in anerkannten Kurorten") kann der Gast/Patient/Gesundheitstourist den Kurort und Unterkunft im Einvernehmen mit dem Arzt weitgehend frei wählen. Der Leistungsträger (ζ. B. Krankenkasse) übernimmt grundsätzlich die Kosten der ärztlichen Behandlung sowie 90% der Kurmittelkosten. Zu den übrigen Kosten wie ζ. B. Unterkunft, Verpflegung, Fahrtkosten, Kurtaxe kann die Krankenkasse einen pauschalen Zuschuss in Höhe von höchstens € 13,00 für Kleinkinder und €21,00 pro Erwachsener pro Kurtag gewähren (Stand 2006). Eine besondere Form der ambulanten Vorsorgekur ist die Kompaktkur. Sie wird indikationsbezogen in bestimmten Kurorten durchgeführt (i. d. R. in Gruppen mit bis zu 15 Teilnehmern fur die ein besonderes intensives Behandlungsprogramm mit festem Zeitplan festgelegt wird) (vgl. DHV 2006: 7, LUFT 1995: 31). Ambulante Rehabilitationskuren; bei dieser Kurform bzw. Kurleistungen in stationären oder wohnortnahen Rehabilitationseinrichtungen (nach SGB V § 40, 1) empfiehlt die Krankenkasse dem Patienten/Gast/Gesundheitstouristen eine Vertragseinrichtung und übernimmt die vollen Kosten für Arzt und Kurmittel, jedoch muss der Patient sich mit € 10,00 pro Tag an den Kosten beteiligen (vgl. DHV 2006: 7, LUFT 1995: 31). Der ambulante Sektor „ambulanter Kuren" in Heilbädern und Kurorten ist folgendermaßen gegliedert (vgl. DHV/DTV 2005: 22): • • • •

ambulante ambulante ambulante ambulante

Kindervorsorgekur Präventionskur Rehabilitationskur Kompaktkur (sowohl in der Ausprägung Vorsorge- als auch Reha-Kur)

Der klinische Sektor der „stationären Kuren" in Heilbädern und Kurorten ist gegliedert in: • • • •

stationäre Kur in einer Vorsorgeeinrichtung Vorsorgekur für Mütter sowie die Müttergenesungskur stationäre Rehabilitationskur/stationäres Heilverfahren (einschließlich für Kinder und Jugendliche) Anschlussrehabilitation (AHB)

136

3 Formen und Anwendungen im Gesundheitstourismus

Stationäre Vorsorge- oder Rehabilitationskur und stationäre Anschlussrehabilitation; reichen ambulante Vorsorge- oder Rehabilitationskuren nicht aus, dann kann die Krankenkasse bzw. der zuständige Sozialleistungsträger eine stationäre Behandlung mit Unterkunft und Verpflegung in einer Kurklinik, einem Sanatorium oder einer Rehabilitationseinrichtung bewilligen (§ 23, 4 SGB V), mit denen ein Vertrag nach § 111 SGB V besteht. Hierbei werden vom Leistungsträger in der Regel fur drei Wochen die gesamten Kosten übernommen, es sei denn, fur die Krankheit ist eine andere feste Behandlungszeit vorgegeben oder eine Verlängerung ist aus gesundheitlichen Gründen dringend erforderlich. Letzteres gilt auch bei einer früheren Wiederholung dieser Maßnahmen vor Ablauf von vier Jahren, dem gesetzlich festgelegten Kurintervall. Die Selbstbeteiligung beträgt € 10,00 pro Kurtag (Stand 2006). Schließt sich eine Heilmaßnahme einem Krankenhausaufenthalt unmittelbar an („Stationäre Anschlussrehabilitation"), so müssen die Versicherten über 18 Jahre die vorgenannte Selbstbeteiligung für 28 Tage erbringen, es sein denn, sie haben den Betrag bereits im Krankenhaus bezahlt (vgl. DHV 2007: 7). Kuren für Mütter/Väter (Mutter-/Vater-/Kind-Maßnahmen); nach § 24 und 41 SGB V haben Mütter/Väter spezielle Rechtsansprüche auf bedarfsgerechte Vorsorgekuren durch Krankenkassen, wenn die medizinische Voraussetzungen gegeben sind. Eine Reihe von Kursanatorien, Kliniken und Kurheimen führen Mutter-/Vater-Kind-Kuren oder Mütter-/ Väter-Kuren durch. Diese sind Pflichtleistungen der Krankenkassen (Vollfinanzierung bei € 10,00 pro Erwachsener pro Kurtag Zuzahlung). Der Kurort bietet als Ganzes ein sehr differenziertes und gegliedertes Kursystem mit zum Teil sehr eigenen versicherungsrechtlichen Rahmenbedingungen. Der „Weg zur Kur" ist in diesem Zusammenhang ein oftmals schwieriger und etwas undurchsichtiger. Der DEUTSCHE HEILBÄDERVERBAND e. V. strukturiert anschaulich den „Weg zur Kur". Nachfolgendes Schaubild skizziert in anschaulicher Weise die einzelnen Schritte von der gewünschten Maßnahme am Kurort und die zugrunde liegenden gesetzlichen Rahmenbedingung zur Finanzierung über die einzelnen Schritte bis hin zur Durchführung.

137

3.1 Kurtourismus

Ihre Rechte auf eine Kur Der traditionelle Begriff ,Kur" umfasst ein weit verzweigtes System von Vorsorge- und Krankheltsbehandlungen. In der neuen Sozialgesetzgebung wird der Begriff „Kur" nicht mehr angewendet. Für Mitglieder der Gesetzlichen Krankenkassen (GKV) und der Gesetzlichen Rentenversicherung (GKV) lind vor allem die folgenden Formen von Bedeutung:

Mutter-/VaterKW-MaBnahmen

ι ski 55 24 / 41 SGB-V

Ambulante Vorsorg«IClStWltfMl" in anerkannt«! Kurorlen I GKV 5 23,2 SGBV

Nähere Informationen:

ay-Heuss-KnajipSWUHi Deutsches MutterganeMignMrit Bergstraße 63