Geschichtspolitik im öffentlichen Raum: Zur Benennung und Umbenennung von Straßen im internationalen Vergleich [1 ed.] 9783737010061, 9783847110064

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Geschichtspolitik im öffentlichen Raum: Zur Benennung und Umbenennung von Straßen im internationalen Vergleich [1 ed.]
 9783737010061, 9783847110064

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ZEITGESCHICHTE

Ehrenpräsidentin: em. Univ.-Prof. Dr. Erika Weinzierl († 2014) Herausgeber : Univ.-Prof. DDr. Oliver Rathkolb Redaktion: em. Univ.-Prof. Dr. Rudolf Ardelt (Linz), ao. Univ.-Prof.in Mag.a Dr.in Ingrid Bauer (Salzburg/ Wien), SSc Mag.a Dr.in Ingrid Böhler (Innsbruck), Dr.in Lucile Dreidemy (Toulouse), Prof. Dr. Michael Gehler (Hildesheim), ao. Univ.-Prof. i. R. Dr. Robert Hoffmann (Salzburg), ao. Univ.Prof. Dr. Michael John / Koordination (Linz), Assoz. Prof.in Dr.in Birgit Kirchmayr (Linz), Dr. Oliver Kühschelm (Wien), Univ.-Prof. Dr. Ernst Langthaler (Linz), Dr.in Ina Markova (Wien), Univ.-Prof. Mag. Dr. Wolfgang Mueller (Wien), Univ.-Prof. Dr. Bertrand Perz (Wien), Univ.-Prof. Dr. Dieter Pohl (Klagenfurt), Dr.in Lisa Rettl (Wien), Univ.-Prof. Mag. Dr. Dirk Rupnow (Innsbruck), Mag.a Adina Seeger (Wien), Ass.-Prof. Mag. Dr. Valentin Sima (Klagenfurt), Prof.in Dr.in Sybille Steinbacher (Frankfurt am Main), Dr. Christian H. Stifter / Rezensionsteil (Wien), Univ.Doz.in Mag.a Dr.in Heidemarie Uhl (Wien/Graz), Gastprof. (FH) Priv.-Doz. Mag. Dr. Wolfgang Weber, MA, MAS (Vorarlberg), Mag. Dr. Florian Wenninger (Wien), Assoz.-Prof.in Mag.a Dr.in Heidrun Zettelbauer (Graz). Peer-Review Committee (2018–2020): Ass.-Prof.in Mag.a Dr.in Tina Bahovec (Institut für Geschichte, Universität Klagenfurt), Prof. Dr. Arnd Bauerkämper (Fachbereich Geschichts- und Kulturwissenschaften, Freie Universität Berlin), Günter Bischof, Ph.D. (Center Austria, University of New Orleans), Dr.in Regina Fritz (Institut für Zeitgeschichte, Universität Wien/Historisches Institut, Universität Bern), ao. Univ.Prof.in Mag.a Dr.in Johanna Gehmacher (Institut für Zeitgeschichte, Universität Wien), Univ.Prof. i. R. Dr. Hanns Haas (Universität Salzburg), Univ.-Prof. i. R. Dr. Ernst Hanisch (Salzburg), Univ.-Prof.in Mag.a Dr.in Gabriella Hauch (Institut für Geschichte, Universität Wien), Univ.-Doz. Dr. Hans Heiss (Institut für Zeitgeschichte, Universität Innsbruck), Robert G. Knight, Ph.D. (Department of Politics, History and International Relations, Loughborough University), Dr.in Jill Lewis (University of Wales, Swansea), Prof. Dr. Oto Luthar (Slowenische Akademie der Wissenschaften, Ljubljana), Hon.-Prof. Dr. Wolfgang Neugebauer (Dokumentationsarchiv des Österreichischen Widerstandes, Wien), Mag. Dr. Peter Pirker (Institut für Staatswissenschaft, Universität Wien), Prof. Dr. Markus Reisenleitner (Department of Humanities, York University, Toronto), Dr.in Elisabeth Röhrlich (Institut für Geschichte, Universität Wien), ao. Univ.-Prof.in Dr.in Karin M. Schmidlechner-Lienhart (Institut für Geschichte/Zeitgeschichte, Universität Graz), Univ.-Prof. i. R. Mag. Dr. Friedrich Stadler (Wien), Assoc.-Prof. Dr. Gerald Steinacher (University of Nebraska), Assoz.-Prof. DDr. Werner Suppanz (Institut für Geschichte/Zeitgeschichte, Universität Graz), Univ.-Prof. Dr. Philipp Ther, MA (Institut für Osteuropäische Geschichte, Universität Wien), Prof. Dr. Stefan Troebst (Leibniz-Institut für Geschichte und Kultur des östlichen Europa, Universität Leipzig), Prof. Dr. Michael Wildt (Institut für Geschichtswissenschaften, Humboldt-Universität zu Berlin).

zeitgeschichte 46. Jg., Heft 1 (2019)

Geschichtspolitik im öffentlichen Raum. Zur Benennung und Umbenennung von Straßen im internationalen Vergleich Herausgegeben von Birgit Nemec und Florian Wenninger

V& R unipress Vienna University Press

Inhalt

Birgit Nemec / Florian Wenninger Editorial . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

7

Artikel Maoz Azaryahu King George or King David? On Renaming the Colonial Past in Israel . .

15

Regina Fritz Die politische Besetzung des öffentlichen Raums. Straßennamenumbenennungen in Budapest, 1945–1989–2011

39

. . . . . .

Idesbald Goddeeris The Nazi and the Colonizers: Flemish debates on street names in 2017 Toni Morant i AriÇo Straßennamen als Politikum: Der Fall Spaniens nach der Franco-Diktatur

.

61

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Florian Wenninger Widmung und Umwidmung öffentlicher Räume. Eine Analyse des Spektrums der Debatten in österreichischen Gemeinden . . . . . . . . . 111

zeitgeschichte extra Linda Erker Erika Weinzierls Salzburger Antrittsvorlesung über Universität und Politik. Vortrag anlässlich des 50. Jubiläums 1968/2018 . . . . . . . . . . 143 Abstracts

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149

6

Inhalt

Rezensionen Maximilian Graf Henning Fischer, Stefan Maurer/Doris Neumann-Rieser/Günter Stocker, Diskurse des Kalten Krieges . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155 Lorenz Mikoletzky Sven Kuttner/Peter Vodosek, Volksbibliothekare im Nationalsozialismus

159

Klaus-Dieter Mulley Rätsel Karl Renner? Bemerkungen zu zwei neuen Renner-Biografien: Siegfried Nasko, Karl Renner / Richard Saage, Der erste Präsident . . . . 162 Autor/innen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169

Birgit Nemec / Florian Wenninger

Editorial

Sowohl die Benennung als auch die Umbenennung von Verkehrsflächen sind eminent politische Vorgänge. Straßennamen sind, wie auch Denkmäler oder Geschichtsbücher, keineswegs ahistorische Zeugnisse der Vergangenheit von Kommunen. Stadtpläne sind vielmehr Inskriptionen hegemonialer Verhältnisse. Sie spiegeln den Blick auf Geschichte und Vergangenheit dominanter gesellschaftliche Gruppen und Werthaltungen wider, die sich zu einem gegebenen Zeitpunkt in den öffentlichen Raum eingeschrieben haben. Zugleich sind Straßennamen auch Gegenstand von Aneignungsprozessen durch Bewohnerinnen und Bewohner einer Kommune, die mit hegemonialen Deutungen in Dialog, mitunter aber auch in Konflikt treten. In den vergangenen zehn Jahren haben zahlreiche europäische Gemeindeverwaltungen historische Kommissionen eingesetzt, die sich kritisch mit der bisherigen Benennungspraxis öffentlicher Flächen befassen sollten. Anlass zur Beauftragung boten umstrittene Namensgeber, die sich in einem persönlichen Naheverhältnis zu antidemokratischen Bewegungen oder menschenfeindlichen Ideologien bewegten, aber auch umstrittene Phasen einer lokalen oder nationalen Geschichte. In bisherigeren Studien zur Geschichtspolitik im öffentlichen Raum am Beispiel von Straßenbenennungen wurden diese meist mit Fokus auf Strategien der Einschreibung politischer Regime und deren Konjunkturen über einen längeren Zeitraum hinweg untersucht. Speziell aus den vergangenen beiden Jahrzehnten liegen kritische Studien von HistorikerInnen, PolitikwissenschaftlerInnen, GeografInnen, AnthropologInnen, und LinguistInnen vor, die sich mit der Macht von Straßennamen in der Konstruktion urbaner Räume befassten, mit Strategien politischer Regime um räumliche Zuschreibungen von Macht, Autorität, ideologischer Hegemonie und symbolischer Macht umzusetzen.1 Dieser 1 Vgl. die Literaturangaben zu Beginn der einzelnen Beiträge. Positiv hervorzuheben ist ein kürzlich erschienener interdisziplinärer Band mit internationalen Fallstudien: Reuben RoseRedwood/Derek H. Alderman/Maoz Azaryahu (Hg.), The Political Life of Urban Streetscapes: Naming, Politics and Place, London/New York 2017.

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Fokus auf geschichtspolitische Tendenzen der Einschreibung von Geschichtspolitik in eine Stadt, etwa in Zeiten politischer Umbrüche, ist zu einem Teil der Quellenlage geschuldet. Gerade, wenn auch nicht nur im Fall jüngerer Benennungen, sind Änderungen in amtlichen Bezeichnungen lückenlos dokumentiert, dahinter liegende Debatten, Formen der Aneignung und Umdeutung jedoch schwer zu rekonstruieren, speziell wenn diese letztlich auf keine Änderung der Straßenbenennung hinausliefen. Ziel des Themenheftes ist es, besonders diese Forschungslücke zu adressieren. Die hier versammelten Analysen widmen sich Straßennamen-Politiken im transnationalen Vergleich im 20. und 21. Jahrhundert. Der innovative Beitrag besteht neben dem Vergleich unterschiedlicher lokaler Kontexte, in einer mikrohistorischen Perspektive auf den Umgang mit Straßennamen. Mehr als die großen Konjunkturen interessieren kleinteilige, oft sehr persönliche Handlungen, politische Entscheidungsfindung im Großen, wie im Kleinen, Überlagerungen lokaler und transnationaler Geschichtspolitiken, überraschende Wendepunkte, und nicht erfolgte Zäsuren. Indem sowohl der Prozesse der Inskription, als auch Formen der Aneignung und Auseinandersetzung mit Straßennamen untersucht werden, gelingt es, übergeordnete politische und identitäre Muster zu identifizieren die Veränderungen befördern oder verhindern. Eine gemeinsame Grundlage bilden dabei speziell folgende geschichtspolitische Aspekte und Fragestellungen: Umbenennungen von Straßen, Parks und Gassen häufen sich speziell in Phasen politischer Umbrüche und herrschaftlicher Systemwechsel. Doch was waren die Hintergründe dieser Namensänderungen? Lassen sich abseits von politischen Zäsuren Benennungs- und Umbenennungskonjunkturen identifizieren? Wer sind jeweils die InitiatorInnen und GegnerInnen, was sind deren jeweilige Motive und gestützt auf welche Strategien versuchen sie zum Ziel zu kommen? Welche kleinteiligen Prozesse der Aushandlung und Entscheidungsfindung, welche Formen der Routine, konstituieren Umbenennungspraktiken in unterschiedlichen lokalen Kontexten? Das Heft behandelt speziell die bislang in der Forschung kaum beachtete Frage des Zusammenspiels von Produktion und Aneignung in Prozessen der Straßenumbenennung, oder breiter gesprochen von hegemonialer Inskription und Formen der Appropriation in der Geschichtspolitik im öffentlichen Raum. Welche Debatten und Kontroversen, welche Prozesse der Meinungsbildung, der Aneignung und kreativen Umdeutung – sowohl durch dominante wie auch subalterne Einflussgruppen und Personen gingen den erfolgten – und den nicht erfolgten – Umbenennungen voraus? Welche öffentliche Bedeutung wurde und wird den Benennungen und Umbenennungen durch unterschiedliche AkteurInnen, von der Politik über Medien bis hin zu Lobbys, als Thema beigemessen?

Editorial

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Welche persönliche, individuelle Bedeutung wird Neu- oder Umbenennung zugeschrieben? Inwiefern werden Straßennamen neben ihrer Funktion als örtliches Orientierungssystem als Teil der eigenen Identität wahrgenommen, reflektiert, verteidigt oder angegriffen? Schließlich: Welche Strategien wurden abseits von Umbenennungen im Umgang mit belasteten Straßennamen entwickelt?

Fallstudien und Ergebnisse Fünf Fallstudien bilden die Grundlage einer transnationalen Gegenüberstellung der geschichtspolitischen Dynamiken im Zusammenhang mit Straßenbenennungen. Mit einem Fokus auf die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts werden Aushandlungsprozesse rund um Straßennamen in spezifischen historischen Settings beleuchtet: Maoz Azaryahu untersucht die Dynamiken des Umgangs mit kolonialen Inskriptionen im post-kolonialen Israel. Ein Überblick über Straßenbenennungen in der Zeit des Britischen Mandats Palestina dient ihm als Kontext, um den Umgang mit diesen Benennungen – speziell jenen nach King George V, dem britischen Monarchen, und Field Marshal Edmund Allenby, dem Oberkommandierenden der britischen Armee in der Eroberung des Nahen Ostens im Ersten Weltkrieg – nach der Unabhängigkeit Israels 1948 in den Blick zu nehmen. Der Rolle von Straßennamen in den mannigfaltigen Systembrüchen Ungarns widmet sich der Beitrag von Regina Fritz. Von besonderem Interesse ist dabei die Art und Weise, wie sich die postkommunistische Wende und damit verbundene Rekonstruktion des offiziösen ungarischen Selbstverständnisses in den Stadtplänen niedergeschlagen haben. Idesbald Goddeeris nimmt die DeKolonisation des öffentlichen Raums in Belgien, speziell in Flandern, im Jahr 2017 in den Blick – das Jahr vor einem Wendepunkt, der Benennung einer Straße nach Patrice Lumumba am 30. Juni 2018, dem 68. Jahrestag der Unabhängigkeit der Republik Kongo. Toni Morant bettet seine Untersuchung in die vielfältigen Versuche der spanischen Gesellschaft ein, einen adäquaten Umgang mit dem Erbe der Franco-Diktatur zu finden. Dabei spürt er nicht nur zeitlichen, politischen und regionalen Besonderheiten nach, sondern insbesondere auch generationellen. Im Fokus des Aufsatzes von Florian Wenninger stehen Umbenennungen als kommunales Politikfeld im Österreich der Jahrtausendwende. Vor diesem Hintergrund gilt das Interesse besonders der Identifikation typischer Debattenverläufe, Motive und politischer Strategien. Die Ergebnisse der fünf Fallstudien geben, zusammengefasst, Einblick in überraschend heterogene, kleinteilige, in ihrem Ausgang sehr unterschiedliche Prozesse der Geschichtspolitik durch Straßenbenennungen und -umbenennungen. An Entscheidungsfindungs-Prozessen waren eine Bandbreite lokaler

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und überregionaler Akteursgruppen beteiligt und deren Verlauf und Ausgang wird nur durch eine Rekonstruktion des komplexen Zusammenspiels von Interessen, Prioritäten und Umständen verständlich. Azaryahu stellt durch den Vergleich der Städte Jerusalem, Tel Aviv-Yafo und Haifa dar, wie lokale Traditionen und Politiken geschichtspolitischen Umbenennungen zu Grunde lagen und diese steuerten. Wesentlich für den Umgang mit seiner kolonialen Vergangenheit war in Israel demnach, ob die Initiative hinter kolonialen Benennungen der 1920er Jahre auf jeweilige lokale Verwaltung oder auf externe Initiatoren zurück ging, wie auch die weitere politische und demografische Entwicklung der Kommunen. Auf diese Weise gelingt Azaryahu ein nuanciertes Bild israelischer Geschichtspolitik, das der kürzlich von Alan Posener gegen deutsche Umbenennungsdebatten vorgebrachten Annahme entschieden widerspricht, die Israelis hätten „ihre Unabhängigkeit gegen die Briten erkämpft“ und es „nicht nötig, alle Spuren der einstigen Kolonialherren aus dem Stadtbild zu tilgen“.2 Fritz rekonstruiert minutiös die Vorgeschichte und Gegenwart nationalistischer und autoritärer Geschichtsbilder in Ungarn und veranschaulicht, wie besonders seit der Übernahme der Regierungsverantwortung durch Viktor =rban mit einer im letzten halben Jahrhundert ungekannten Energie Geschichtspolitik im öffentlichen Raum betrieben wird. Auffällig ist dabei, dass der entsprechende Top-down-Prozess immer wieder auf geharnischte Proteste einer offenkundig unterschätzten, überaus vitalen und geschichtspolitisch ambitionierten Zivilgesellschaft stößt. Goddeeris gelingt es zu zeigen, dass aktuelle Debatten zur postkoloniale Vergangenheit in Belgien sich in Entwicklung, daran beteiligten Koalitionen und vorgebrachten Argumenten, gänzlich von Debatten um Inskriptionen der NSVergangenheit (ein gewichtiger Teil der flämischen Nationalbewegung kollaborierte mit Nazi-Deutschland) unterschieden, wobei er herausarbeitet, dass post-koloniale gesellschaftliche Strukturen hierbei eine große Rolle spielen. Die vorrangig französischsprachigen Kongolesen wurden lange Zeit mehrheitlich von Debatten einer flämischen Teilöffentlichkeit ausgeschlossen. Durch Einbezug neuer sozialer Medien weist Goddeeris schließlich nach, dass sich diesbezüglich jedoch eine Veränderung abzuzeichnen scheint, mit der zweiten Generation der Afrikanischen Diaspora, die zunehmend Raum in geschichtspolitischen Debatten einnimmt. Toni Morant illustriert nicht nur, wie stark die franquistische Traditionslinie innerhalb des konservativen Spektrums Spaniens nach wie vor ist, sondern 2 Alan Posener, Wie die Deutschen ihre Vergangenheit entsorgen, Die Welt, 21. 8. 2012, vgl. https://www.welt.de/kultur/article108718043/Wie-die-Deutschen-ihre-Vergangenheit-entsor gen.html (abgerufen 4. 3. 2019).

Editorial

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räumt nebenbei auch ein verbreitetes Missverständnis aus. Im Übergang zur Demokratie habe die Linke sich – ebenso wie baskische und katalanische NationalistInnen – nicht in einen Pakt des Schweigens über das vorangehende Unrecht zwingen lassen, sondern habe im Gegenteil selbst die Grenzen ihrer geschichtspolitischen Ambitionen definiert. Der Verzicht auf eine umfassende, auch die symbolische Ebene einschließende Abrechnung mit der Diktatur sei demnach zunächst eine bewusste Entscheidung gewesen, so Morant. Die Welle symbolpolitischer Debatten, die seit den 2000ern durchs Land rollt, interpretiert der Autor vor diesem Hintergrund maßgeblich als Zeichen des staatsbürgerlichen Selbstbewusstseins junger SpanierInnen, die unter demokratischen Rahmenbedingungen aufgewachsen sind und keine Veranlassung sehen, der längst verblichenen Diktatur noch Konzessionen zu machen. Wenninger kann durch Analyse von Benennungsdebatten der letzten 25 Jahre zeigen, wie bedeutsam Parameter wie Agglomerationsgröße, demografische Struktur und ethnische Zusammensetzung für deren Ablauf sind. Darüber hinaus identifiziert er auf Basis einer Vielzahl an Fallstudien in unterschiedlichen österreichischen Kommunen eine von parteipolitischen Erwägungen weitgehend losgelöste Tendenz von Stadtregierungen, Umbenennungen so weit als möglich hintanzuhalten. Historikerkommissionen, so die These Wenningers, sind demnach meist nicht als Ansatz zur Entwicklung konstruktiver Lösungsvorschläge zu interpretieren, sondern als Versuch, entsprechende öffentlich geführte geschichtspolitische Debatten an ihr Ende zu bringen.

Desiderate und Forschungsausblick Ziel des Themenheftes ist es auf Basis der vergleichenden Analyse von Archivmaterial, Zeitungsdokumenten, neuer sozialer Medien, Dokumente der Stadtverwaltungen oder Dokumente aus den Gemeinderäten – um nur einige Beispiele zu nennen – einen neuen und tieferen Einblick in Praktiken und Prozesse von Straßenumbenennungen entwickeln. Neben einer historischen Aufarbeitung lokaler historischer Bestände zielt das Heft klar darauf ab mittels der Ergänzung der makrohistorischen durch eine mikrohistorischen Perspektive und durch den Fokus auf Fragen nach Produktion und Aneignung, ein mögliches Analysemodell für zukünftige historische Straßennamenforschung zu entwickeln. Als Desiderat zukünftiger und größer angelegter Studien ist zum einen eine Verknüpfung beider Ebenen zu nennen. Dies könnte speziell durch die bessere Erschließung bislang schwer zugänglicher Quellenbestände, etwa der Dokumentation kommunalpolitischer Debatten, ermöglicht werden und verspricht einen tieferen Einblick in das Zustandekommen politischer Entscheidungsfindungsprozesse. Eine in dieser Weise noch stärker verschränkte Analyse

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wäre, allgemeiner gesprochen, Grundlage eines tieferen Verständnisses für die Art und Weise, wie Geschichtspolitik, öffentliche Erinnerung und administrative Macht sich im Alltag im urbanen und kommunalen Raum überlagern. Ein darauf aufbauendes Desiderat wäre zudem, einen Regelkatalog für erfolgreiche Benennungsdebatten, im Sinn einer mehrheitlich zufriedenstellenden Lösung, zu entwickeln und damit zu demokratischeren und partizipativeren Formen in der Geschichtspolitik im öffentlichen Raum beizutragen. Der von Linda Erker verfasste Essay außerhalb des Themenschwerpunktes widmet sich der österreichischen Zeithistorikerin Erika Weinzierl (1925–2014). Erker veranschaulicht beispielhaft die Zäsur, die Weinzierls Antrittsvorlesung 1968 für den kritischen, gesellschaftspolitischen Anspruch des Faches bedeutete.

Artikel

Maoz Azaryahu

King George or King David? On Renaming the Colonial Past in Israel

In the context of a controversy revolving around the renaming of Hindenburgplatz in Münster in 2012,1 and arguing against renaming streets as a measure of historical revision, the British-German journalist Alan Posener, suggested the handling of colonial street names in Israel as an instructive example: In Tel Aviv, the main business street has since the days of the British Mandate been named after Field Marshal Edmund Allenby, aka the “Bloody Bull,” who conquered Syria and Palestine during the First World War. In Jerusalem, the main street is King George V Street. The Israelis fought hard for their independence from the British. And yet they don’t perceive it as necessary to get rid of all traces of the former colonialists.2

Recent critical academic research on place-names in general and street names in particular has directed attention to the “power-laden character of naming places”.3 Posener’s reference to extant post-colonial street names in Israel and the specific German context in which it was mentioned – the controversial renaming of a square in Münster – highlights the extent to which street names perform as sites of memory that weave together public remembrance, the language of everyday life, political and administrative power, in addition to urban space. Most notably, the commemorative naming of streets inscribes history on street signs. As is evident in the growing number of academic studies that apply a critical approach to the study of street names, street naming practices signify political, ideological and cultural orientations of municipal authorities and societies at large.4 Public controversies revolving around what should and should not be 1 Klaus Baumeister, “Der Abschied vom Hindenburgplatz,” Westfälische Nachrichten, 21 March 2012, https://www.wn.de/Muenster/2012/03/Der-Abschied-vom-Hindenburgplatz-Rat-be schliesst-Umbenennung-in-Schlossplatz (18 February 2019). 2 Alan Posener, “Wie die Deutschen ihre Vergangenheit entsorgen,” Die Welt, 21 August 2012, https://www.welt.de/kultur/article108718043/Wie-die-Deutschen-ihre-Vergangenheit-entsor gen.html (22 February 2019). 3 Lawrence D. Berg and Jani T. Vuolteenaho (eds.), Critical toponymies: contested politics of place naming (Burlington: Ashgate, 2009), 1. 4 For a comprehensive and up-to-date survey of the literature of critical study of street naming,

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remembered publicly through street names pertain to and are emblematic of struggles about the ideological and moral orientation of society at large. In such a context, renaming the past, namely de-commemoration through renaming streets, is a measure of historical revision that expresses control over both public history and urban space. Posener’s observation about the extant commemoration of King George Vand Field Marshal Allenby in the names of central thoroughfares in Jerusalem and Tel Aviv, respectively, is insightful but it is only a first approximation in an attempt to understand how colonial commemorations were dealt with in post-colonial Israel. Understanding the politics underlying decision-making as to what should be done with colonial street names, requires a historical investigation that emphasizes local politics and how politics has shaped commemorative priorities. This article investigates the politics of renaming the British colonial past in three Israeli cities: Jerusalem, Tel Aviv-Yafo and Haifa, with the focus on streets named after King George V, the British monarch, and Field Marshal Edmund Allenby, the supreme commander of the British Imperial forces that conquered the Near East in World War I. It offers insights into the dynamic of (post-)colonial renaming of streets in a particular historical context and sheds light on a specific aspect of the political history of street naming in Israel that has hitherto evaded academic scrutiny. The first part of the article provides the historical context for the analysis. It focuses on the commemorative naming of streets after King George V and Field Marshal Allenby in four major cities of British Mandate Palestine (1918–1948), namely Jerusalem, Jaffa, Tel Aviv and Haifa. The second part of the article expounds on patterns of renaming the colonial past in these cities following Israel’s independence in 1948. At the center of the investigation is the ostensible failure to erase the names of King George V in Jerusalem and Field Marshal Allenby in Tel Aviv-Yafo. The investigation entails a careful historical analysis of how local politics underlay and directed the commemorative renaming of particular streets. It is based on archival materials documenting decision-making procedures found in municipal archives and newspaper reports on naming and renaming streets in the respective cities. The latter are of special significance when no archival records regarding street naming procedures are available.

see: Reuben Rose-Redwood, Derek H. Alderman and Maoz Azaryahu (eds.), The Political Life of Urban Streetscapes: Naming, Politics and Place (London and New York: Routledge, 2017).

Maoz Azaryahu, King George or King David?

I.

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Naming the Past

In pre-modern societies street names, if they existed at all, did not belong to any official system of urban orientation. However, beginning in Paris, when the Chief of Police issued an order in 1728 to inscribe the names of streets on the walls of buildings, thereby making street signs a matter of official record,5 the practice of administrative control over street naming became a hallmark of urban modernity. The commemorative potential of street naming developed fully during the French Revolution and the use of honorific street naming later spread to other European countries. In addition, as a result of European colonialism, honorific street naming became a conventional feature of modernity throughout the world. Making street names a matter of administrative record offered an opportunity to invest the naming of streets with commemorative functions as honorific street naming offers not only spatial orientation but also an opportunity to immortalize those found eligible to be remembered for posterity by the powers that be. In his guide to Paris published in 1882, Charles Dickens enlightened British readers, largely unfamiliar with the use of street names as an honorific measure: “It is easy enough to find new names for streets; and by so perpetuating the memory of a man who has deserved well of his country”.6 Notably, commemorative street naming integrates the remembrance of persons and events into the language of the city and hence into the banal contexts of urban activities and ordinary experiences and routines.7 In their commemorative capacity, street names both reproduce official visions and versions of history and introduce them into everyday-life situations that are ostensibly detached from political and ideological contexts and from societal and communal commitments. The practice of honorific street naming was first introduced into Ottoman Palestine in 1910 in Tel Aviv, the newly founded Jewish neighborhood of Jaffa.8 In the early 1920s Tel Aviv, already a separate town, set up an ad hoc municipal Street Names Committee, the first of its kind in British Mandate Palestine, the purpose of which was to suggest new street names. At the behest of the Mandate 5 Priscilla P. Ferguson, “Reading city streets,” The French Review 51 (1988): 386–397. 6 Charles Dickens, Dickens’s Dictionary of Paris (London: Macmillan, 1882). 7 Michael Billig, Banal Nationalism (London: Sage, 1995). On street names as banal commemorations see: Maoz Azaryahu, “The Power of Commemorative Street Names,” Environment and Planning D, 14 (1996) 3: 311–330; Maoz Azaryahu, “Banal commemoration, the written word, and beyond” in The Political Life of Urban Streetscapes, edited by Reuben Rose-Redwood et. al. (London and New York: Routledge, 2017), 310–312. 8 Maoz Azaryahu, Namesakes: History and Politics of Naming Streets in Israel (Jerusalem: Carmel, 2012), 43 (Hebrew).

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government’s demand to introduce street names as a measure of town-planning, in the late 1930s in Jerusalem, the capital of British Mandate Palestine, and in Haifa, where the British had built a modern seaport, municipal Street Names Committees were established as advisory bodies to recommend to the Municipal Council, the statutory body in charge, the names that should be accorded to streets. Notwithstanding, in both of these cities, honorific street naming was practiced mainly in Jewish neighborhoods. In Arab towns and neighborhoods traditional systems of spatial orientation persisted. In contrast to Tel Aviv, where naming streets was a self-evident aspect of building a new, modern city, British efforts to bring about the comprehensive naming of streets in Jerusalem failed. In his memoirs, R. M. Graves, who served in 1947–1948 as British Mayor of Jerusalem in the last days of British rule in Palestine, noted: “One of the minor defects of the city of Jerusalem – and this applies to both the Old and the New City – is the absence of street names.”9 This observation ignored the success of the British colonial administration in naming major streets in the Jewish areas of the city after British notables.

II.

Naming Streets after King George V and Edmund Allenby in British

British Mandate Palestine A resounding statement about the demise of Ottoman rule in Palestine was the renaming of Jamal Pasha Boulevard in Jaffa after King George V, the British monarch. Named after the Turkish ruler of the Levant when built in 1915, the boulevard was a symbol of Ottoman power in the mixed, Arab-Jewish port city of Jaffa. Renaming the boulevard after the British king followed the British conquest of Palestine in 1917–1918. Although the exact circumstances of this particular renaming are not recorded, the change had already been documented in the Hebrew press in 1919.10 Nevertheless, the symbolic message about regime change was unequivocal.

Jerusalem Jerusalem was conquered by British troops in December 1917 and made the seat of British government in Mandate Palestine. The British had a special interest in 9 Richard M. Graves, Experiment in anarchy (London: Victor Golancz, 1949). 10 Do’ar HaYom, 24 August, 1919, p. 2 (Hebrew).

Maoz Azaryahu, King George or King David?

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naming the streets of the holy, multi-ethnic and multi-religious city that was the capital of British Mandate Palestine. This was clear from the activities of the ProJerusalem Society between 1918 and 1922. Headed by Ronald Storrs, the first British governor of the city, this society took various initiatives to improve the city while preserving its heritage.11 Its policy to name streets in areas outside of the walls of the Old City in accordance with the “historical memories” of Jerusalem was approved by the British Mandate government.12 Prior to establishing the municipal Street Names Committee in 1938, the honorific naming of main streets after British notables in Jerusalem was initiated by the British colonial administration.13 From a British perspective, these honorific names belonged to the symbolic infrastructure of imperial power. December 9 1924, the seventh anniversary of the British conquest of Jerusalem in the First World War, was a day of celebration in Jerusalem. In the morning a solemn service was held at the St. George Cathedral, and later on a festive event took place to announce the naming of a major thoroughfare, still under construction in western Jerusalem, after King George V. The British High Commissioner Herbert Samuel, who proclaimed the opening of the newly named avenue, the District Commissioner Ronald Storrs and Jerusalem Arab-Muslim Mayor Ragheb Bey Nashashibi attended the ceremony. A stone plaque affixed to a wall commemorated the event. The text was in the three official languages of British Mandate Palestine: English, Arabic and Hebrew. The Hebrew newspaper Doar HaYom offered a Zionist perspective and explained that the commemorative name was “a memorial of eternal gratitude”14 – gratitude for both the liberation of Palestine from Ottoman rule and for the Balfour Declaration that proclaimed British support for a Jewish National Home in Palestine. The columnist referred approvingly to that the street bearing the name of the king “will be the most beautiful among the streets of the renewed capital city”. The piece ended with the phrase: “Long live King George in his street in Jerusalem!” Field Marshal Edmund Allenby, the commander-in-chief of the imperial army that conquered Palestine and the Near East in 1917–1918 was honored in Jerusalem by having a centrally located square in the city, near the walls of the Old City and opposite the central post office, named after him. The circumstances of this particular naming are not preserved in the records and were not mentioned in the press, but it seems that it occurred shortly after the naming of King George Avenue, with the designation “Allenby Square” first appearing in the local press 11 Simon Goldhill, Jerusalem: City of Longing (Cambridge, MA: Harvard University Press, 2009), 136. 12 The Jerusalem Street Names Committee, 4 January 1940, 833 A18-6, Jerusalem Municipal Historical Archive (henceforth: JMHA). 13 Ibid. See also: Anonymous, “Within the Walls,” Davar, January 10, 1939, p. 3 (Hebrew). 14 Anonymous, “King George Street,” Do’ar HaYom, 9 December, 1924, p. 2 (Hebrew).

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Fig. 1: George V Street, Jerusalem. A Commemorative Plaque (Photo: Maoz Azaryahu).

in 1925. In 1930 a newly built street at the city center was named Princess Mary Street to commemorate the visit of Mary, the Princess Royal, the king’s eldest daughter to Jerusalem in 1928.15 In June 1931 a street at the center of the city was renamed after John Chancellor, the third and then acting High Commissioner of Palestine. In January 1931 the street had been named Strauss Street after a Jewish-American benefactor who had built a health center there. The renaming of Strauss Street aroused protest in the Jewish population.16 Shortly after the new street signs were in place, they were smeared with soot. Underlying the indignation was the sense that the renaming was improper, in particular as Chancellor was still in office: the honorific gesture was considered as “breach of tradition” and “bad taste”.17 The issue of renaming a street after Chancellor was raised in a meeting held in July 1931 between the Zionist leader David Ben-Gurion and the British Prime Minister Ramsay Macdonald in London, yet the commemoration enforced by the Colonial administration in Jerusalem was not revoked.18 15 16 17 18

Palestine Bulletin, 9 February, 1930, p. 4; 17 June, 1930, p. 2; 28 September, 1932, p. 4. The Sentinel, 10 July, 1931, p. 18. Anonymous, “Within the Walls,” Davar, 10 January, 1939, p. 3 (Hebrew). David Ben-Gurion, The Restored State of Israel (Tel Aviv : Am Oved, 1973), p. 480 (Hebrew).

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Tel Aviv A Jewish neighborhood founded in 1909 north of Jaffa, Tel Aviv, also known as “the first Hebrew city”,19 was the first town to commemorate Field Marshal Edmund Allenby. In a festive event on November 22 1918, a major thoroughfare was named after Allenby. Attended by the victorious Field Marshal, the naming ceremony celebrated the end of First World War. The decision to name a central, though largely unbuilt thoroughfare Allenby Road expressed the gratitude of residents of Tel Aviv to “the victor and redeemer”.20 A special meeting of the residents approved of the commemoration and the ceremony was an expression of gratitude on behalf of a neighborhood whose residents had been exiled by the Turkish authorities during the war. In 1933 Allenby became an honorary citizen of Tel Aviv. In his speech at the ceremony at City Hall he complimented Tel Aviv for its rapid development in the period since a street had been named after him in 1918.21 In subsequent years Tel Aviv named streets after several High Commissioners. In 1922 the name of Herbert Samuel, who had served as the first High Commissioner in Palestine between 1920 and 1925, was assigned to a square.22 In 1934 a square at the entrance to the fairgrounds was named after Field Marshal Herbert Plumer, who served as High Commissioner of Palestine between 1925 and 1928. Plumer’s name was on a list of 140 overwhelmingly Zionist commemorations approved by the City Council.23 King George V had ascended the British throne in 1910. Towards his Silver Jubilee the honorific commemoration of the British monarch was on the public agenda in British Mandate Palestine. The date was May 6 1935, “King’s Day”, which was to be celebrated throughout the British Empire with pomp and circumstance. In this regard, the municipalities of both Jaffa and Tel Aviv celebrated the event with commemorative gestures. As Jaffa’s main boulevard was already named after King George V, the municipality decided to augment the toponymic commemoration by building a square in the boulevard with a garden and a fountain at its center.24 In Tel Aviv municipal decision-making was concerned with which street should bear the name King George V. The naming process in Tel Aviv began at the end of 1934 with a letter sent by an 19 Maoz Azaryahu, Tel Aviv: Mythography of a City (Syracuse: Syracuse University Press, 2006). 20 On the decision and ceremony : Anonymous, no date, “Welcome party for General Allenby”, 1–217, Tel Aviv Historical Archive (henceforth: TAHA). 21 Davar, 23 April, 1933, p. 5 (Hebrew). 22 Yoram Bar-Gal, “The street names of Tel Aviv : a chapter in cultural historical geography of the city 1909–1934”, Cathedra 47 (1988): 123. 23 The Palestine Post, 3 September, 1934, p. 2. 24 Do’ar HaYom, 7 May, 1935, p. 6 (Hebrew).

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acquaintance of the Mayor, Meir Dizengoff, suggesting that a street in Tel Aviv be named after the king to honor the Silver Jubilee. The Mayor agreed, and the Municipal Street Names Committee approved the Mayor’s proposal. The date for the naming was set for “King’s Day” (also known as “Coronation Day”).25 In principle the issue of the honorific gesture was settled, yet its implementation depended upon a resolution as to which street in Tel Aviv should be renamed after the king. Clearly, it needed to be a long and central street, befitting the imperial sovereign. There was a problem in that central streets had already been named. In May 1934, for instance, on the occasion of Tel Aviv’s Silver Jubilee, a newly built thoroughfare in the center of the rapidly expanding city was named after the Mayor – Dizengoff Street. Thus, renaming appeared to be the only option. Ahron Zeev Ben-Yishai, the head of the Street Names Committee suggested renaming Carmel Street after King George: “This is one of the central streets in Tel Aviv, on one side it intersects with Allenby Street, named after the conqueror, and on the other side it joins King David and King Solomon Streets.”26 The municipal authorities accepted this proposal, which entailed no erasure of an existing honorific street name. However, a month before the target date, the municipality decided to upgrade the commemoration and to lengthen the street bearing the name of the British king northwards. This meant that King David Street, the northern continuation of Carmel Street, should also be renamed after King George V. According to the resolution, another main street in a yet unbuilt part of the city would in the future be named after King David. There was little public opposition to renaming King David Street. However a few days before the target day, a piece in the daily newspaper Davar constructed an ironic parallel between the Biblical King David wandering in the desert in fear of King Saul, and his namesake in Tel Aviv forced to wander the streets of Tel Aviv.27 One citizen wrote to the Mayor suggesting that Ha’aliya Street (Aliya – Hebrew for Jewish Immigration to the Land of Israel), a central thoroughfare in the south of Tel Aviv, be named after King David.28 The public announcement issued by the municipality informed the citizens that “Coronation Day” was a festive day for the entire British Empire, including the Jews of British Mandate Palestine, since under King George’s reign the Balfour Declaration had been issued. According to the poster-like public announcement, naming a street after the king was not only an expression of loyalty but also an expression of gratitude. Citizens of Tel Aviv were called upon to participate in the festive event and to hoist British and Zionist flags. 25 26 27 28

Diznegoff to Ben Yishai, no date (probably December 1934), A 4-2624, TAHA. Ben Yishai to Dizengoff, 28 January 1935, A 4-2624, TAHA. Anonymous, “Once upon a time there was a king,” Davar, 29 April, 1935, p. 8 (Hebrew). Tzedek to the Mayor, 30 April 1935, A 4-2624, TAHA.

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Fig. 2: Allenby Street and King George V Street, Tel Aviv (Photo: Maoz Azaryahu).

“King’s Day” celebrations were held throughout the British Empire. In Jerusalem buildings were decorated and photos of the king were on display in shop windows.29 A military parade was held in Jerusalem and in Haifa. In Jaffa and in Tel Aviv the celebrations were centered on namesake commemorations. The guest of honor was Robert E. H. Crosby, the British District Commissioner. In Jaffa the Mayor congratulated the king, and then Crosby opened the faucets of the fountain built at the center of the new King George Square.30 From Jaffa, Crosby moved to neighboring Tel Aviv, where he attended the naming ceremony of the new King George Street. Tel Aviv Municipality had decorated the streets and the old sycamore trees were adorned with greenery and flowers, with the letters G.R. (Latin initials for King George) written prominently. The new street sign was covered with both the British and the Zionist flags.31 A large crowd attended the festive event. In his speech the Mayor congratulated the King on behalf of the “Hebrew city Tel Aviv in the holy land”.32 He reiterated that the decision to name a central thoroughfare after the king was a “token of reverence and admiration”. 29 30 31 32

Palestine Post, 7 May, 1935, p. 1. A-Difaa, 7 May, 1935, p. 5 (Arabic). Davar, 6 May, 1935, p. 7 (Hebrew). Anonymous, no date, “Letter of Congratulations”, A 4-2624, TAHA.

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The Mayor further elucidated on the symbolism entailed in the fact that the street stretched between Allenby Street and the Kings of Israel Square (the future Rabin Square). He concluded his speech with a reference to the revival of Jewish life in the land of the ancestors during the reign of King George V. Full of pathos, the Mayor’s speech combined a proclamation of loyalty to the imperial sovereign with gratitude for British aid in fulfilling the Zionist vision. In his speech, Crosby, the British District Commissioner, commended Tel Aviv for its impressive growth. After unveiling the new street signs, Tel Aviv’s Fire Brigade Band played “God Save the King” and “Hatiqvah” (Hope), the British and the Zionist anthems, respectively.

Haifa In the 1920s Haifa, a mixed Arab-Jewish city, emerged as the strategic hub of the British Empire in the Levant. The new port built by the British government was opened in October 1933. The following month, the municipal planning committee offered new street names for the area of reclaimed land adjacent to the docks.33 The thoroughfare along the port area was named Kingsway, and the square in front of the new railway station was named Plumer Square after Field Marshal Herbert Plumer, who had served as High Commissioner of Palestine in the years 1925–1928. Streets in downtown Haifa were also named after Field Marshal Allenby and Colonel Edward Stanton, the first British military governor of Haifa. These prominent commemorations demonstrated the Imperial orientation of the rapidly developing city. A week after “King’s Day” was celebrated in May 1935 in Jerusalem, Jaffa and Tel Aviv, a special meeting of Haifa’s Municipal Council decided to name a large street being built in downtown Haifa extending westwards from the central railway station after King George.34 However, no official ceremony was planned in Haifa to celebrate the naming of the street after the king. The honorific naming of streets after British notables in Jerusalem was initiated and promoted by the British administration as befitting the capital of British Mandate Palestine. In Haifa naming streets after British notables was limited to downtown Haifa, in the vicinity of the new imperial port built by the British, and was largely initiated by the British District Administration in charge of planning. Naming a street after King George was initiated by the Municipal Council, but this was clearly a late attempt to integrate Haifa into the celebration of King’s Day in Palestine. On the other hand, in Tel Aviv, the center of Zionist 33 The Palestine Post, 14 November, 1933, p. 5. 34 Davar, 14 May, 1935, p. 4 (Hebrew).

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society, the honorific naming of streets and squares after British notables had been initiated by the municipality to convey a message of gratitude for supporting the Zionist endeavor.

III.

Renaming the Colonial Past in Israeli Cities After Independence

The establishment of the state of Israel rendered those street names associated with the colonial regime vulnerable. In light of the bitter conflict between Zionist society and the British government regarding what, from a Zionist perspective, had been a British disavowal of a Jewish National Home in Palestine, a purge of the colonial past inscribed on street signs could deliver a clear message of a new beginning of national independence. In particular, for those who considered prominent colonial heroes to be “foreign rulers”, the fact that major thoroughfares in Israel’s major cities were bearing their names was incongruous with national independence.35 Not surprisingly the issue of de-commemorating colonial heroes was raised on the agendas of municipal administrations. However, patterns of renaming the colonial past in Jewish Jerusalem, Tel Aviv and Haifa demonstrate how local priorities, interests and pressures impacted on how municipal administrations handled the issue.

Jerusalem Shortly before the British left Jerusalem in May 1948 some street signs were removed and replaced by improvised cardboard signs that proclaimed that King George Avenue had become King David Street.36 The changing of the signs was carried out by members of the LEHI (also known as the “Stern Gang”), a small and militant right-wing Jewish underground organization that had been engaged in an armed struggle against the British presence in Palestine prior to independence. Following the 1948 War, Jerusalem was divided between Israel and Jordan. In 1949, the Jewish part of Jerusalem became the de facto capital of the State of Israel. Remarkably the municipal leadership engaged in rebuilding the infrastructure of the war-torn city was also concerned with the naming of hitherto 35 Carmel to the Mayor, 19 July 1949, A 4-2627, TAHA. 36 Yesha’yahu Press to the Jerusalem Street Names Committee, 15 December 1948, 1-18931, JMHA. See also Z. Kloetzel, “Names for Jerusalem’s Streets,” The Palestine Post, 5 August, 1949, p. 5.

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nameless streets, and in particular, with the fate of colonial street names. Some issues regarding British commemorations seemed self-evident. Already by November 1948 the Municipal Council had decided to rename Chancellor Street and to restore its previous name, Nathan Strauss Street.37 De-commemorating Ronald Storrs and Princess Mary did not meet with any opposition either.38 In contradistinction, the option to de-commemorate Allenby was not even raised on the municipal agenda, an indication that the predominant view of Allenby was his being the liberator of Palestine from the Turkish yoke, thereby deserving public commemoration. However, renaming King George Street was at the center of a prolonged conflict. Interestingly, though not officially approved, the new name – King David Street – appeared on maps and was recognized by official agencies such as the Postal Authority. Importantly, it was claimed that this was accepted by residents of Jerusalem.39 The recommendation to rename King George Avenue (later designated ’Street’) had already been raised at a meeting at City Hall on 17 May 1948, a couple of days only after the British had relinquished their sovereignty in the city.40 Contrary to the suggestion to affirm the spontaneous, “from below” renaming of King George Street, Yitzhak Ben-Zvi, a former member of the Street Names Committee of Mandate Jerusalem, a prominent leader of Labor Zionism and a future President of the State of Israel, conveyed his opinion to the Mayor that this particular renaming could harm Israel’s relations with Great Britain. The issue was raised again in the Street Names Committee, an advisory body in September 1948. A proponent of the renaming asserted that the populace had already accepted the change. Opponents of the renaming reiterated Ben Zvi’s argument that such a change could irk the British government. The chairman of the committee recommended deferring the issue to the national government.41 The Municipal Council agreed and authorized the Mayor to consult the Foreign Ministry, while asking him to mention that “the new name has been in use by the public”.42 At this stage, the State of Israel had not yet officially claimed Jewish Jerusalem as part of its sovereign territory. A couple of weeks later acting Mayor Daniel Auster informed the council that Moshe Sharett, Israel’s Foreign Minister in the Labor-led government, was not in favor of changing the name in a period when the fate of Jerusalem was high on the agenda of the UN. Following this

37 38 39 40

Auster to the Strauss Health House, 14 December 1948, 1893/1, JMHA. Kloetzel, ”Names for Jerusalem’s Streets,” The Palestine Post, 5 August, 1949, p. 5. Ibid. Report on the Meeting of the Committee for General Affairs, Municipality of Jerusalem, 17 May 1948, Report and Decisions of the Municipal Council of 21 May 1948, 1893/1, JMHA. 41 The Jerusalem Names Committee, 2 September 1948, session report, 1893/1, JMHA. 42 The Jerusalem Municipal Council, 19 September 1948, session report, 1893/1, JMHA.

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advice, the Municipal Council voted against approving the renaming of King George Street.43 However, the issue was not yet resolved. It was raised again on the municipal agenda in November 1949 by members of the right-wing Herut (Hebrew for Liberty) faction, the political heir of the pre-state militant underground organizations, in the Municipal Council. With a majority of 12:2, the municipality voted “not to rename the street for the time being” and approved, again with a majority of 12:2, to rename Julian Street, where the famed King David Hotel was situated and which ran parallel to King George Street as King David Street. With these two resolutions, both King David and King George were to be commemorated by central street names in Jewish Jerusalem. Thus commemorating King David had not been achieved by de-commemorating King George. Following the resolution of the Municipal Council, the issue of not renaming King George Street in Jerusalem was promoted to the national level in the Knesset. Yaacov Meridor, a Herut member of the Knesset, directed a question in this regard to Prime Minister David Ben-Gurion, the leader of the ruling Labor party and a longtime political rival of the right-wing. The issue revolved around an ostensibly local issue but its symbolic significance provided an opportunity for the right-wing opposition to gain some political capital by doubting the patriotic integrity of the Labor-led government. According to Meridor, replacing King George by King David was “a natural reaction of the Jewish public to the foreign ruler”, while recovering the old street name amounted to a decision of the government “to restore the British order”.44 Specifically, Meridor wanted the Prime Minister to inform the Knesset whether the recommendation of the Foreign Minister represented the government’s official policy. Ben-Gurion’s response was short: the Foreign Ministry did not direct the municipality to rename the street.45 This was not the end of the debate. In December 1949 Israel declared Jewish Jerusalem to be its capital and announced the transfer of the government from Tel Aviv to the city. In February 1950 the Municipal Council deliberated the issue again and confirmed the decision to rename Julian Street as King David Street. The resolution noted that the street chosen to bear King David’s name “was not inferior in its length and significance as compared to King George Street”.46 Yet at the center of the conflict was not the question of which street should be named after King David, but whether a main thoroughfare in the national capital should commemorate the former colonial sovereign King George V. A member of the 43 44 45 46

The Jerusalem Municipal Council, 1 October 1948, session report, 1893/1, JMHA. Meridor, a question to the Prime Minister, 30 November 1949, 7-1893, JMHA. Ibid. The Jerusalem Municipal Council, 12 February 1950, session report, JMHA.

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Herut faction in the Municipal Council demanded that the Street Names Committee should deliberate the issue again. The matter was referred to the Names Committee, but this was a mere formality : the committee convened in May 1950 and reiterated its recommendation from September 1948 not to rename King George Street in Jewish Jerusalem. Yitzhak Ben-Zvi offered a new argument against renaming: since Great Britain and Israel were in agreement about the reality of a Jerusalem divided between Jordan and Israel, there was no Israeli interest in provoking the former ruler of the city.47 The lone voice against the resolution was the representative of Herut faction in the committee. In 1961 the Jerusalem Municipality decided to rename the southern part of the King George V Street as Keren-Hayesod-Street to celebrate Keren Hayesod (Hebrew for Foundation Fund), a major Zionist institution which, since 1920 had served as the primary fundraising arm of the Zionist movement. In his speech at the naming ceremony, the head of Keren Hayesod thanked the municipality which, at this period was ruled by Labor, for “naming one of Jerusalem’s central streets after Keren Hayesod”.48 The renamed part of the street was farthest from the city center and mainly residential, and in an urban sense less important than the part which retained the old name. In 1961 the issue did not attract public attention apart from a single report about the renaming in the newspaper affiliated with Labor Zionism. Remarkably, no mention of the renaming was made in the organ of the Herut party that had been behind the campaign to rename King George Avenue in Jerusalem in 1948–1950, which suggests that 13 years after independence, the issue had ceased to be of political interest even for those who had campaigned for renaming the street. After the 1967 War and the reunification of Jerusalem under Israeli rule the name Allenby Square was relocated to another site. In summer 1967 the Municipal Names Committee was engaged in naming streets in the vicinity of the Old City to commemorate military units and branches of the Israel Defense Forces (IDF) that had participated in the battle for the city in June 1967. The Street Names Committee recommended renaming Allenby Square Kikar Tsahal (IDF Square).49 The new street names celebrating Israel’s military victory and the reunification of the city were made public in November 1967. Notably the name Allenby Square was not discarded, but as had been announced, was to be relocated to an area in the western part of Jerusalem, where the British monument to the surrender of Ottoman Jerusalem to British troops in December 1917 was situated. The new location offered a thematic coherence: the monument and the name 47 The Jerusalem Municipal Names Committee, 30 March 1950, session report, JMHA. 48 Davar, 19 December, 1961, p. 4 (Hebrew). 49 Davar, 30 November, 1967, p. 8 (Hebrew).

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were complementary commemorative elements that celebrated the British conquest of Jerusalem in 1917. The idea of relocation reflected the understanding that Field Marshal Allenby’s public commemoration in Jerusalem was appropriate, even if in a location different to the one originally conceived by the British government in the 1920s. The dedication ceremony of the relocated name took place on December 10 1969, the 52nd anniversary of the surrender of Ottoman Jerusalem to the British. Among the dignitaries present were Mayor Teddy Kollek, the commander of the Central Command of the IDF, and the British consul in Jerusalem.50

Tel Aviv-Yafo After the conquest of Jaffa in May 1948 and the flight of most of its Arab residents, the municipality of Jaffa ceased to exist. The Israeli military administration, which replaced the municipality abolished all existing street names in the former Arab-majority city ; all but one of those – King George Boulevard – were Arab names.51 As a temporary measure of urban orientation, all streets, including those that had not been named, were given numbers and thus King George Boulevard became Street #1. In 1949 the government decided to unify Jaffa, which had been re-settled with Jewish immigrants, with Tel Aviv, the name of the new urban agglomeration becoming Tel Aviv-Yafo (Yafo is Hebrew for Jaffa). By February 1950 the issue of what street names should be given in Jaffa was raised on the municipal agenda. In a meeting of the Tel Aviv-Yafo (further referred to as Tel Aviv) Municipal Council in January 1950 Mayor Israel Rokach explained why the name King George Boulevard had to be abolished: “There is no need for two streets with the same name in one city.”52 Entailed in this explanation was the understanding that King George Street in Tel Aviv was not about to be renamed. Actually, the ideological aspect of renaming streets honoring British colonial rule in Palestine had already been raised in letters sent to Tel Aviv’s Mayor by citizens demanding that street names be changed. The first such letter to Tel Aviv’s Mayor was received in August 1948: “Thank heaven that we rid ourselves from the hostile Mandate government, and it is also worthwhile to get rid of the names that associate us with the English we hate – and to change to names which are congruous with the times.”53 This letter did not mention specific street names. Later letters lamented the delay in renaming the colonial 50 HaZofe, 10 December, 1969, p. 6 (Hebrew). 51 Arnon Golan, Y. Peleg, Y. Bandman and A. Kadish. The Jaffa Battles: 1948 (Sde Boker : The Ben Gurion Research Institute, 2017) (Hebrew). 52 The Tel Aviv Municipal Council, 29 January 1950, session report, TAHA. 53 Horowitz to the Mayor, 20 August 1948, C 4-2626, TAHA.

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street names while focusing on the patriotic necessity to purge the names of Field Marshal Allenby and King George V from the street signs of Tel Aviv.54 In September 1949 Ben-Yishai, the head of the Tel Aviv Names Committee, wrote a position paper regarding expunging street names in Greater Tel Aviv. Renaming Allenby Street was not on his agenda. Ben-Yishai does not explain why, but it should be remembered that Allenby was also an honorary citizen of the city. Concurrently he offered three alternatives as to what should become of King George Street.55 One was to rename the King George Street after King David. Such a change was meant “to eradicate any memory and symbol of British rule in Israel”. A second alternative was to rename the street “George Street”, the idea being that the memory of the King during whose reign the Balfour declaration was issued should be preserved, but without the “King”. The third was to rename King George after King David, but to name a square after King George V. The Names Committee recommended the first alternative, namely, renaming King George Street as King David Street.56 This was a recommendation only with the final decision to be made by the Municipal Council. In January 1950 the Municipal Council deliberated the fate of the names of King George and Allenby Streets. A member of the right-wing Herut faction in the council maintained that it was necessary to eradicate street names that commemorated Allenby and King George that were reminders of British rule.57 Members of the Labor faction were against such changes. One member of the faction explained his opposition to renaming Allenby Street with Field Marshal Allenby having liberated the country and its Jewish residents, thus paving the way for the Balfour Declaration. Mayor Israel Rokach reported that the municipality consulted the Foreign Ministry and there was no problem with renaming King George Street. This appraisal was in contrast to the recommendation given by the ministry to the municipality of Jerusalem, the reason probably being the different geopolitical considerations. The status of Jerusalem was a matter of international diplomacy, while Tel Aviv’s belonging to the Jewish state was not contested by the international community. In regard to King George’s commemoration in Tel Aviv, the Mayor was in favor of the third alternative, namely, renaming King George Street King David Street, and naming a square after King George. Had the Mayor’s idea been endorsed, Tel Aviv would have differed from Jerusalem, where the municipality was opposed to the toponymic purge of King George. The vote taken by Tel Aviv’s Municipal Council was about the formal 54 55 56 57

Carmel to the Mayor, 19 July 1949; Yeshuron to the Mayor, 19 August 1949, A 4-2627, TAHA. Position paper for the Tel Aviv Names Committee, 19 September 1949, A 4-2627, TAHA. The Tel Aviv Names Committee, 5 October 1949, session report, A 4-2627, TAHA. The Tel Aviv Municipal Council, 29 January 1950, session report. See also: Davar, 30 January, 1950, p. 4 (Hebrew).

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aspect of the renaming procedure, namely, whether to refer the renaming of King George Street and Allenby Street to the Names Committee again. The proposal to refer the issue to the Names Committee did not win a majority : six members of the council voted for referral, six against it, thereby removing the issue of the two streets from the agenda of the Municipal Council. As it soon became clear, it was the commemorative afterlife of Field Marshal Allenby in Tel Aviv that was in peril. The renaming of Allenby Street was an option and not necessarily a result of ideological animosity towards the colonial heritage inscribed on the street signs. Of much importance in this regard was that Allenby Street was a major urban artery, and therefore a suitable and even desirable candidate for toponymic commemoration of prominent national figures. The suggestion to rename Allenby Street was raised in 1952 following the death of Chaim Weizmann, the pre-state Zionist leader and the first President of the State of Israel. The need to commemorate Weizmann in Tel Aviv by a street befitting his importance in the Zionist pantheon was a given. Ben Yishai, the head of the Names Committee in the municipality, considered Allenby Street to be an appropriate option.58 In his reasoning, the fact that the Municipal Council did not endorse the renaming of the street did not mean that it was forbidden to “reduce” the commemoration by shortening the street bearing the name. His idea was to rename a part of the street, and the same, in principle, applied to King George Street, “since there is no necessity that ‘Allenby’ and ‘King George’ will be the central streets of the city, as both names could be allotted to more modest streets or squares”. This option did not materialize since another central thoroughfare in a newly built area of Tel Aviv was named after Weizmann, and therefore at this stage there was no need to relocate the commemoration of King George and Allenby. The urban prominence of Allenby Street in Tel Aviv made it a sought after candidate for renaming. In 1963, following the death of Yitzhak Ben-Zvi, Israel’s second President, a resident of Tel Aviv suggested renaming Allenby Street in his memory. However, the municipal authorities preferred another commemorative option.59 As was the case with Ben-Yishai’s idea to rename part of Allenby Street 10 years earlier, this suggestion was also about commemorative priorities rather than an ideological statement. However, as a patriotic statement with much symbolic resonance, renaming Allenby Street was further on the agenda of the Zionist Right in Tel Aviv’s local politics. In 1974 after the defeat of the incumbent Labor Mayor, prominent figures of the right-wing appealed to the newly elected Mayor to rename Allenby Street. For them, having a main thoroughfare named

58 Ben-Yishai, “Proposals for new streets”, DATE, 9(3)-7, TAHA. 59 Anonymous to the Mayor, 1 December 1963, C 4-2637, TAHA.

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after him in Tel Aviv was a major “moral flaw” and an “aesthetic blemish”.60 The issue was the prominence of a commemoration that for its opponents was a national disgrace. The question as to what should replace this commemoration was only of secondary importance. In 1974 the newly elected Mayor Shlomo Lahat, a member of the Liberal wing of the right-wing party, argued for the continuity of street names that had been legally voted on by a municipal authority. In his view, even if in retrospective the choice of a particular name was based on false premises, “utmost care” should be applied to the power of City Hall to replace street names, and this should be restricted to “extraordinary cases only”.61 Lahat maintained that those who had made the choice to commemorate Field Marshal Allenby in 1918 had considered him a liberator from Ottoman tyranny, and the name has since become associated with the street. He reiterated that this was also true regarding King George and other “foreign names” that reflected “a mood and worldview of the time when they were given”. However, what mattered were the mood and worldview of contemporary councilors and pundits. In 1982, a few weeks into the Israeli military operation in Lebanon, a member of the Municipal Names Commission suggested to “abolish the street names King George and Allenby” to protest “Britain’s hostility toward Israel”.62 To buttress his argument he also claimed that “Field Marshal Allenby had a very hostile position and that is why it is proper to abolish the street name in is honor”. Another member of the committee reminded those gathered that the issue had already been raised and rejected. The Chairman was against changing the names, and the issue was left as a mere symbolic protest behind closed doors. In 1990 a member of the public wrote to the chairman of the Municipal Names Committee and suggested renaming Allenby Street. In support of his plea he added the evaluation of a prominent military historian of Field Marshal Allenby’s position on Zionism. However, the historian’s judgement appended to the letter was not an unqualified promotion of renaming Allenby Street. He noted that Field Marshal Allenby was not a friend of Zionism, a fact that was grounded in geopolitical interests. He expressed the view that as a citizen of Tel Aviv he could understand those who argued that it was not right that such a prominent street was named after Field Marshal Allenby. However, he was careful to offer the insight that “Changing the street name now is an unseemly demonstrative act. Allenby Street has meanings far beyond the Field Marshal’s name”63 – a keen 60 61 62 63

Tamir to the Mayor, 22 February 1974; Aktzin to Lahat, 26 March, 1974, C 25-1326, TAHA. Lahat to Aktzin, 3 April 1974, ibid. The Tel Aviv Names Committee, 24 June 1982, session report, 9(3)-27, TAHA. Gefen to Ben Meir, 29 January 1990, 25-5740, TAHA.

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observation about the complex relationship between a street and its name. He concluded by saying that he was of the opinion that Field Marshal Allenby was among the greatest Generals of World War I. In his response, the head of the Names Committee noted: “The Names Committee is not going to deal with changing the name of Allenby Street.”64

Haifa In April 1948, following a short battle waged between Jewish and Arab militias, the former mixed, Jewish-Arab city became predominantly Jewish.65 Following the political and demographic changes in the city, a special committee was set up by the Jewish neighborhood Hadar Hacarmel to propose new street names for the city and renaming of streets “the names of which were not congruous with the new circumstances of Jewish Haifa”.66 The committee recommended changing 21 Arab street names and two colonial names in down-town Haifa: King George Street and Stanton Street.67 According to this proposal, King George was to be replaced by King David and Stanton by Einstein. As in Tel Aviv, the pressure from below to rename streets was expressed in letters to the municipality. The first letter concerning the need to rename streets was discussed by the Municipal Council in October 1948.68 A basic theme was the need to rename the so-called “foreign” names in Haifa – a few British and German names (the latter in the German Colony founded in the 19th century by German settlers) and mostly Arab names. In general terms, replacing “foreign” street names was construed as a statement about post-1948 Haifa as a predominantly Jewish city in an independent State of Israel. Remarkably, these letters did not mention specifically the need to de-commemorate King George V or Field Marshal Allenby. However, the first letter to the municipal government regarding the need to rename streets in Haifa specifically requested the decommemoration of Stanton, the first British governor of Haifa, in light of his anti-Zionist position. As the author of the letter explained, “There should be no objection to renaming Stanton Street … No one will be sorry when this name will no longer adorn the walls of Haifa.”69 64 Ben Meir to Gefen, 18 March 1990, ibid. 65 T. Goren, Fall of Arab Haifa in 1948 (Sde Boker : The Ben Gurion Research Institute, 2006) (Hebrew). 66 Lifschitz to the Shikkun Company, 19 December 1948, 5895, Haifa Municipal Historical Archive (henceforth: HMHA). 67 Friedland to the Mayor, 1 September 1949, 5895, HMHA. 68 The Haifa Municipal Council, 19 October 1948, session report, HMHA (Hebrew). 69 Yaeli to the Mayor, 27 March 1949, 3205, HMHA.

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The municipality deferred the task of renaming streets to the next, yet to be elected, Municipal Council with the argument that the pre-1948 Municipal Council did not represent the electorate and therefore did not have the authority to initiate necessary changes. From the responses of City Hall to letters of citizens urging the authorities to rename streets in the city, it was clear that the question was not whether streets should be renamed, but how to execute “this important task” of making street names in the city “express in terms of content and sound the political transformation that had occurred in our country”.70 Following the elections for a new Municipal Council in November 1950 a new municipal government with Abba Khoushy, the powerful Labor leader, as the new Mayor was elected by the Municipal Council in January 1951. The election of a Mayor put an end to two and half years of caretaker municipal government. In February 1951, the Municipal Council elected a new municipal Street Names Committee that was entrusted with the task of proposing street names to the council.71 The first meeting of the Street Names Committee was convened in March 1951. In its first session the chairman explained that the role of the committee was to institute new names and to replace “the street names which did not have Hebrew names, of which there are approximately one hundred”.72 The consensus among members of the committee was that “foreign” street names should be replaced, but the question was whether the change should be comprehensive or only partial. Most members supported the latter approach. It is noteworthy that among all foreign names – British, German and Arab – the only street name specifically mentioned was Stanton Street, which served as an example of an ”absurd” name that should be expunged.73 However, the renaming of streets in Haifa carried out in May 1951 was not about a purge of “foreign” street names. The incentive was the third anniversary of the Jewish military victory in the battle for Haifa in April 1948 and Israel’s third Independence Day celebrated a few weeks later. For the newly elected Mayor, the anniversaries were both an obligation and an opportunity to celebrate Israel’s Independence on the street signs. In April 1951 he asked the newly instituted Names Committee to offer “a few street names that should be given on Independence Day”.74 In its session a few days after the third anniversary for the battle for Haifa, the council discussed “giving national names to streets” to commemorate the victory.75 According to a newspaper report, the new street 70 71 72 73

Town Clerk to Zilberfarb, 26 June 1949, 32509, HMHA. The Haifa Municipal Council, 5 February 1951, session report, HAMA (Hebrew). The Haifa Street Names Committee, 12 March 1951, session report, 32509, HAMA. On the partial renaming of German and Arab street names in Haifa see: Azaryahu, Namesakes, p. 170–175. 74 The Haifa Street Names Committee, 16 April 1951, session report, 32509, HAMA (Hebrew). 75 Herut, 17 April, 1951, p. 4 (Hebrew).

Maoz Azaryahu, King George or King David?

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names were to celebrate Israel’s third Independence Day.76 In a festive session held some three weeks later, on the eve of Independence Day, the council formally approved five renamings that “symbolized Israel’s War of Independence”.77 Later that month, the Municipal Council approved two more instances of renaming.78 Though the renaming of streets in Haifa in May 1951 were few in number, the impact they had on the symbolic landscape of the city was substantial. In May 1951 three prominent colonial street names were purged from the street signs in downtown Haifa. The new street names celebrated prominent themes pertaining to the Zionist narrative of national revival: Derekh Ha’atzmaut (Independence Road) replaced Kings Road; Rehov Hameginim (Defenders Street) replaced King George V Street. Rehov Shivat Zion (Return to Zion Street) substituted Stanton Street, in what amounted to symbolic retribution: a prominent Zionist principle replaced the name of an anti-Zionist British official. As stated above the purging of “foreign” street names was not the incentive for the renamings, but rather a welcome by-product of the stated intention to commemorate Israel’s independence on street signs: commemoration was a priority, and de-commemoration, though not necessarily undesired, was secondary in its importance. The significance assigned to the new commemorations was underlined by selecting central thoroughfares in downtown Haifa, prominent among these were Colonial commemorations. The commemoration of Israel’s independence on the street signs of Haifa eradicated all colonial toponymic commemoration but one: Allenby Road. The renaming of streets in May 1951 was not directed against specific commemorations, and therefore it should come as no surprise that a prominent colonial commemoration was not affected by the rewriting of street signs in May 1951. Yet the question remains why the possibility of replacing this prominent colonial commemoration by another one that would directly celebrate Israel’s independence was not even raised as an option. What is definitely clear is that for those in charge in the municipality, Field Marshal Allenby deserved to be publicly remembered.

IV.

Concluding Remarks

For Alan Posener the fact that King George Street in Jerusalem and Allenby Street in Tel Aviv were not renamed in post-independence Israel proved that the Israelis “[…] don’t perceive it as necessary to get rid of all traces of the former coloni76 Davar, April 17, 1951, p. 4 (Hebrew). 77 Herut, 9 May, 1951, p. 4 (Hebrew). 78 Al HaMishmar, 22 May, 1951, p. 1 (Hebrew).

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alists.”79 Notably, he was careful to leave open the possibility that beside these extant, prominent colonial commemorations, others had possibly been erased. The comparative perspective afforded by the analysis of colonial naming and renaming in Jerusalem, Tel Aviv and Haifa offers insights into the intricate web of interests, priorities and circumstances that underlay how the colonial past was dealt with by the respective municipal administrations. The picture that arises is nuanced: (re)naming the colonial past was the result of a particular interplay of political pressures, ideological commitments and commemorative concerns that created place-specific patterns of (re)naming the colonial past as variations on larger, period-specific themes. Among the three cities investigated, Tel Aviv stands out as the only one in which no colonial decommemoration was carried out. In Tel Aviv, national independence did not disrupt local government. In contradistinction, both in Jerusalem and in Haifa, the 1948 war meant a discontinuity in political and demographic history, which also meant weaker commitment to decisions made by former municipal governments regarding street names. In addition, in both Jerusalem and Haifa, naming streets after colonial notables in the 1920s and the 1930s was largely initiated by the British Mandate government. In Tel Aviv, on the other hand, the initiative to name streets after colonial notables was that of the municipality, which suggests a stronger commitment to retaining these commemorations. In principle there are two radical strategies regarding the de-colonization of commemorative street names following independence. One is to expunge all “colonial” street names as well as pulling down colonial monuments, the aim being to purge public space from all traces of the colonial regime. An example is post-colonial Singapore, where renaming streets served to de-commemorate the colonial past and celebrate national independence. The other extreme is to leave colonial commemorations in their place. In Abidjan, streets were still named after French colonial heroes as late as 1982, over two decades after gaining political independence, which was interpreted by some as a sign of “cultural alienation” on a national scale.80 The case of Israel suggests that renaming the colonial past may also be selective and contingent on local circumstances and politics. In reality, the fate of colonial street names was determined by two factors. One was that for local politicians other than right-wing activists, King George and Field Marshal Allenby were not considered enemies of the Zionist enterprise. On the contrary : Allenby was above all the liberator from Turkish yoke, and King George was the 79 Posener, “Wie die Deutschen ihre Vergangenheit entsorgen.” 80 Andreas Bänziger, “Jeder Kolonialheld hat seine Straße,” Frankfurter Rundschau, 7 January, 1983, p. 6.

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sovereign of the British Empire when the Balfour Declaration was issued. This aspect was the explanation inscribed on the street signs along Tel Aviv’s King George Street since the early 1960s. The association of the British king with the Balfour Declaration invested his commemoration with Zionist meaning. The other factor was that these colonial commemorations were kept in place as long as their place was not needed for another commemoration. This was the case in Haifa and Jerusalem. In Haifa King George V was replaced by the heroes of Israel’s War of Independence, whose commemoration was considered more important in 1951, when celebrating Israel’s independence was a priority in Haifa. In this case de-commemoration was a by-product of commemoration. In Jerusalem other options were practiced. A part of King George Street was renamed in 1961. Allenby Square was renamed in 1967 but the old name was not eradicated, rather it was relocated. Also in both these cases renaming was a byproduct of another commemoration deemed to be a priority. But these cases also suggest partial renaming or toponymic relocation as an alternative to renaming the past as a measure of historical revision.

Regina Fritz

Die politische Besetzung des öffentlichen Raums. Straßennamenumbenennungen in Budapest, 1945–1989–2011

„In Ungarn hat die jahrhundertelange Kontinuität von Straßennamen keine Tradition“, konstatierte die Sprachwissenschaftlerin Magda T. Somogyi in einem kurzen Abriss über die Straßenumbenennungen der Nachwendezeit.1 Tatsächlich durchliefen Straßennamen mehrere Umbenennungsperioden, wobei bis ins 18. Jahrhundert die Vergabe von Straßennamen im Königreich Ungarn keine politischen Züge trug und in erster Linie die Orientierung zum Ziel hatte, indem die Bezeichnungen den Standort wichtiger Gebäude oder Zünfte markierten. Erst Anfang des 19. Jahrhunderts gingen Stadtverwaltungen dazu über, öffentliche Orte nach Personen zu benennen, die vor Ort gelebt hatten oder denen auf diese Weise in besonderer Weise gedacht werden sollte. Im Zuge der ungarischen Revolution 1848/49 kam es zu ersten politisch motivierten Umbenennungen, Straßenzüge wurden kurzzeitig nach tragenden Protagonisten der Revolution (Batthy#ny utca – Batth#ny Straße, Kossuth utca – Kossuth Straße) bzw. nach zentralen Forderungen des nationalen Freiheitskampfes benannt (Szabadsajtj utca – Freie Presse Straße, Szabads#g t8r – Freiheitsplatz).2 Damit erhielten die ungarischen Straßennamen schrittweise jene identitätsstiftende Funktion, die ihnen heute allgemein zugeschrieben wird. Die geschichtspolitisch motivierte Benennungspraxis, die mit dem Ersten Weltkrieg ihren ersten Höhepunkt erreichte,3 hatte angesichts der bald folgenden Machtverschiebungen und der damit verbundenen Elitenwechsel eine wahre Lawine von Umbenennungen zur Folge, die von ZeitgenossInnen wiederholt kritisch thematisiert wurde. Schließlich durchlief Ungarn seit dem Ende der Realunion mit Österreich 1 Magda T. Somogyi, Budapesti utcan8vv#ltoz#sok 1989 ut#n [Straßenumbenennungen in Budapest nach 1989], URL: http://mnytud.arts.unideb.hu/nevtan/informaciok/pisa/tsm-m.pdf (abgerufen 10. 1. 2018). 2 Mih#hy R#day, Bevezeto˝ [Einleitung], in: Mih#ly R#day, Budapesti utcanevek A-Z [Budapester Straßennamen A-Z], Budapest 2013, 7–20, 13. 3 J#nos Pjtj, Terek 8s nevek. Közt8relnevez8sek a szimbolikus politika t8vffltjain [Plätze und Namen. Benennungen von öffentlichen Räumen auf den Irrwegen der symbolischen Politik], in: Törten8lmi Szemle LIV (2012) 1, 161–173, 165.

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1918 und dem Beginn der Eigenstaatlichkeit mehrere links- bzw. rechtsgerichtete politische Systeme, bis im Oktober 1989 die demokratische Republik Ungarn ausgerufen wurde. Mit unterschiedlicher Klarheit erkannten diese Regime die politische Bedeutung von Geschichte und interpretierten sie gemäß ihrer jeweiligen Interessen neu. Die Versuche, sich selbst zu legitimieren und vorangehende Regime zu delegitimieren, mündeten in Paradigmen, die nicht nur in Reden von PolitikerInnen, in wissenschaftlichen Werken systemtreuer HistorikerInnen oder in der offiziösen Bildpolitik Ausdruck fanden, sondern sich auch in der symbolischen Neubesetzung des öffentlichen Raums in Form von Denkmälern oder Straßennamen niederschlugen. Deutlich lässt sich dies am Beispiel jenes zentralen, achteckigen Platzes in Budapest verdeutlichen, der im 19. Jahrhundert den Namen Nyolcszög t8r (Achteck Platz) erhielt und 1920 in Oktogon (Oktogon) umbenannt wurde, bevor er sechzehn Jahre später, 1936, nur eine Woche nach einer Rede des faschistischen italienischen Diktators in Milano, in der er die ungarischen Revisionsbemühungen unterstützt hatte, die Bezeichnung Mussolini t8r (Mussolini Platz) erhielt.4 Erinnert wurde damit an die freundschaftlichen Beziehungen zu Italien, die beide Staaten in mehreren Freundschaftsverträgen bekundet hatten und mit denen Italien zu einem der wichtigsten außenpolitischen Partner des autoritärkonservativen Horthy-Regimes (1920–1944) wurde.5 Nach dem Einmarsch der Roten Armee und der Befreiung der Hauptstadt im Januar 1945 wurde erneut auf die Bezeichnung Oktogon zurückgegriffen bis der Platz in der stalinistischen R#kosi-Ära 1950 in November 7.-t8r (Platz des 7. November) umbenannt wurde, um damit an die russische Oktoberrevolution zu erinnern. 1990 erhielt er seinen bis heute gültigen Namen, Oktogon, schließlich zum dritten Mal.6 Damit knüpfte die Stadtverwaltung an eine Praxis an, die zahlreiche Straßenumbenennungen seit dem Systemwechsel 1989/90 charakterisierte, nämlich die Reaktualisierung von Bezeichnungen aus der Zeit der Doppelmonarchie bzw. aus der Horthy-Ära. Der vorliegende Beitrag nimmt die Umdeutungen des öffentlichen Raums seit 1945 in den Blick, um an ihrem Beispiel den sich wandelnden Umgang mit autoritären bzw. diktatorischen Regimen in Ungarn in der zweiten Hälfte des 20. und im 21. Jahrhundert zu analysieren und zentrale geschichtspolitische Narrative der letzten 70 Jahre nachzuzeichnen. Dabei sind Straßenumbenennungen nur einer der Ausdrücke jenen Kampfes, die um die politische Deutung und Besetzung öffentlicher Orte ausgefochten wurden. Weitere Beispiele sind die Aufstellungen und die Entfernung von Denkmälern oder architektonische und 4 Vgl. Pjtj, Terek 8s nevek, 167. 5 Siehe den Freundschaftsvertrag zwischen Benito Mussolini und dem damaligen ungarischen Ministerpräsidenten Istv#n Bethlen im April 1927 bzw. die Römer Protokolle vom März 1934 zwischen Italien, Österreich und Ungarn, die 1936 erneuert wurden. 6 Zur Geschichte der Oktogon siehe R#day, Budapesti utcanevek.

Regina Fritz, Die politische Besetzung des öffentlichen Raums

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denkmalbezogene Rekonstruktionsmaßnahmen, wie sie rund um das Budapester Parlamentsgebäude nach der Jahrtausendwende vorgenommen wurden.

I.

Straßenumbenennungen in der Rákosi- und in der Kádár-Ära

Der Zweite Weltkrieg war noch nicht zu Ende und Budapest noch nicht befreit als die am 22. Dezember 1944 gebildete provisorische Regierung (Ideiglenes Nemzeti Korm#ny) bereits mit der Neubewertung der Vergangenheit begann. Zentrales Anliegen der neuen demokratischen Regierung war es ein Narrativ zu schaffen, das die autoritäre bzw. faschistische Politik der vorangehenden 24 Jahre delegitimierte. Gleichzeitig ging es den politischen AkteurInnen der ersten Nachkriegsjahre geschichtspolitisch darum der Gesellschaft „wieder einen minimalen Zusammenhalt zu geben, […] die Autorität und Legitimität des Staates wiederherzustellen“,7 und dabei auch jenen parteikoalitionären Kompromiss zu stärken, auf dem die neue demokratische Regierung gründete. Schließlich umfasste die provisorische Regierung (Dezember 1944-November 1945) Parteien aus unterschiedlichsten Segmenten des politischen Spektrums – von Kommunisten und Sozialdemokraten, bis hin zu den konservativen Kleinen Landwirten oder den liberalen Bürgerlich-Demokraten. Die parteiübergreifende Verständigung fand ihren symbolischen Niederschlag in der forcierten Erinnerung an den politischen Widerstand, personifiziert durch den ermordeten Politiker Endre Bajcsy-Zsilinszky (1886–1944), sowie im Kult um die Revolution von 1848/49.8 Im April 1945 beschloss der Stadtrat für gemeinnützige Arbeit (Fo˝v#rosi Közmunk#k Tan#csa), der seit 1870 u. a. für die Vergabe von Straßennamen in Budapest zuständig war,9 Straßen, „die nach reaktionären Größen und gegenrevolutionären Führern benannt wurden“10 zu ändern. Aus dem Stadtbild der Hauptstadt sollten in den folgenden Jahren Straßennamen, die an Hitler, Mussolini oder Horthy erinnerten, verschwinden – wie auch jene, die mit Personen und Ideen in Verbindung gebracht werden konnten, die mit dem neuen politischen System nicht im Einklang standen. So wurde beispielsweise in der kurzen liberal-demokratischen Phase die Kir#lyok ffltja (Straße der Könige), die 7 Tony Judt, Die Vergangenheit ist ein anderes Land. Politische Mythen im Nachkriegseuropa, in: Transit. Europäische Revue 6 (1993), 87–120, 94. 8 Siehe dazu ausführlich Regina Fritz, Ungarn nach dem Krieg. Geschichtspolitik als Instrument der Demokratisierung, in: Jahrbuch für Politik und Geschichte 3 (2013), 77–93. 9 1948 wurde das Magistrat der gemeinnützigen Arbeit aufgelöst. Seine Aufgabe übernahm die Budapester Stadtverwaltung. Vgl. Pjtj, Terek 8s nevek, 167. 10 Berlini-T8r helyett Marx-t8r [Statt Berliner-Platz Marx-Platz], in: Szabad N8p vom 18. 4. 1945, 2.

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mit der Zeit der Monarchie verbunden war, nach der Roten Armee benannt.11 Mehrere Straßennamen erhielten ihre Bezeichnungen aus der Prä-Horthy-Ära wieder, andere wurden nach Personen benannt, die von den neuen politischen AkteurInnen als zweckmäßig für eine Identitätsstiftung in ihrem Sinne betrachtet wurden. So wurde die zentral gelegene Vilmos cs#sz#r-fflt (Kaiser Wilhelm-Straße) Mitte April 1945 in Bajcsy-Zsilinszky-fflt umbenannt12 und damit eine regelrechte Flut von Straßenumbenennungen nach dem 1944 ermordeten Politiker vorweg genommen, die mit der Erklärung von Bajcsy-Zsilinszky zum „Toten der Nation“13 durch den Ministerrat einige Tage später in Gang gesetzt werden sollte. Geehrt wurde damit der konservative Nationalratsabgeordnete Endre BajcsyZsilinszky, der am 19. März 1944 von der Gestapo verhaftet worden war, wogegen er sich – als einer der wenigen bürgerlichen Politiker – mit Waffengewalt gewehrt hatte.14 Nach der Machtübernahme der Pfeilkreuzler im Oktober 1944 wurde er führender Kopf der Untergrundbewegung, doch schon ein Monat später erneut verhaftet und im Gefängnishof von Sopronko˝h&da erhängt. Bajcsy-Zsilinszky eignete sich für die Koalitionsregierung deswegen besonders gut als personifiziertes Sinnbild des nationalen Widerstandes, weil er zu seinen Lebzeiten mit beiden späteren großen Koalitionsparteien, sowohl mit der Partei der Kleinen Landwirte als auch mit der kommunistischen Partei, sympathisiert hatte. Seine in den 1930er-Jahren gegründete Nationale Radikale Partei schloss sich im Jahr 1936 mit der Partei der Kleinen Landwirte zusammen.15 Im Zuge seiner antifaschistischen Tätigkeit kam Bajcsy-Zsilinszky aber auch immer mehr mit Vertretern der sozialdemokratischen und der kommunistischen Partei in Kontakt. 11 Vgl. Magda T. Somogyi, Budapesti utcan8valtoz#sok 1989 ut#n [Straßenumbenennungen in Budapest nach 1989], URL: http://mnytud.arts.unideb.hu/nevtan/informaciok/pisa/tsm-m. pdf (abgerufen 10. 1. 2018). 12 Berlini-T8r helyett Marx-t8r [Statt Berliner-Platz Marx-Platz], in: Szabad N8p vom 18. 4. 1945, 2. 13 Vgl. Ministerratsprotokoll vom 25. April 1945, abgedruckt in: L#szlj Szu˝cs (Hrsg.), D#lnoki Mikljs B8la Korm#ny#nak (Ideiglenes Nemzeti Korm#ny) Minisztertan#csi Jegyzo˝könyvei 1944. december 23.–1945. november 15. [Ministerratsprotokolle der Regierung von Mikljs B8la D#lnoki (Provisorische Nationale Regierung) 23. Dezember 1944–15. November 1945], Budapest 1997, 368. 14 Auf Drängen der ungarischen Regierung wurde er im Oktober 1944 wieder freigelassen. 15 Bajcsy-Zsilinszky folgte ursprünglich nationalistischen und antisemitischen Ideologien und gründete zusammen mit Gyula Gömbös im Jahr 1924 die rechtsradikale Ungarische Nationale Unabhängigkeitspartei, welche sich als „rassenschützerische Partei“ verstand. Im Laufe der Jahre distanzierte sich Bajcsy-Zsilinszky jedoch von dieser Gesinnung und gründete 1930 die Nationale Radikale Partei. Er setzte sich für die Zurückdrängung des nationalsozialistischen Einflusses ein, lehnte Ungarns Kriegseintritt ab und trat gegen die politische und „rassische“ Verfolgung von Personen auf.

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Neben den Kult um Bajcsy-Zsilinszky setzte die provisorische Regierung vor allem auf die ungarische Revolution 1848/49, die Freiheitsbewegung gegen die Vorherrschaft der Habsburger. Den politischen Interessen kam dabei besonders entgegen, dass dieser Kult von den Oppositionsgruppen des Horthy- und des faschistischen Sz#lasi-Regimes bereits vor 1945 dazu genutzt worden war, um den „gemeinsame[n] Kampf für Demokratie und gegen das Regime und vor allem gegen dessen Bündnis mit dem nationalsozialistischen Deutschland“16 zu legitimieren. Um die demokratischen Traditionen Ungarns unter Beweis zu stellen, verwies nun die provisorische Regierung auf die knapp ein Jahrhundert zurückliegende revolutionäre Phase und betonte, die neu etablierte Regierung bedeute den späten Sieg der Revolution. Die Kollaboration mit der deutschen Besatzungsmacht wurde als historischer Verrat am Kampf für die ungarische Unabhängigkeit gedeutet. So wurde der Krieg gegen Habsburg 1848/49 mit dem gegen Deutschland gerichteten Antifaschismus gleichgesetzt und damit eine Parallele zwischen der nationalsozialistischen deutschen Besatzungsmacht und den Habsburgern gezogen. Indem die Jahre 1920 bis 1945 als ein Bruch mit dem Kampf um nationale Selbstbestimmung dargestellt wurden, schufen die politisch Handelnden der Nachkriegszeit historische Kontinuität und legitimierten die politische Wende 1944/45 als „nationale Wiedergeburt“. Vor allem die kommunistische Partei instrumentalisierte den Kult und erklärte sich selbst zur Erbin der Revolution. Im Sinne der nationalistischen Wende der kommunistischen Propaganda seit den 1930er-Jahren, der Umsetzung der Volksfrontstrategie17 und der damit zusammenhängenden „Übernahme des von Dimitrov propagierten Volksbefreiungsnationalismus in die kommunistische Geschichtspolitik“18 wurden die nationalistischen Revolutionäre der Jahre 1848/49 zu Prä-Kommunisten erklärt.19 Entsprechend waren bei den kommunistischen Feierlichkeiten anlässlich des 100. Jahrestages der Revolution im Jahr 1948 neben dem Politiker Lajos Kossuth (1802–1894) und dem ungarischen Dichter S#ndor Peto˝fi (1823–1849) – zentrale Figuren der ungarischen Revolution 1848/49 –, nicht nur Porträts der führenden Protagonisten der kommunistischen Partei, M#ty#s R#kosi (1892–1971) und Erno˝ Gero˝ (1898– 1980), zu sehen, sondern auch jene der in der Horthy-Zeit ermordeten kom16 ]rp#d von Klimj, Die Bedeutung von 1848/49 für die politische Kultur Ungarns, in: Helgard Fröhlich/Margarete Grandner/Michael Weinzierl (Hg.), 1848 im europäischen Kontext, Wien 1999 ( Querschnitte 1), 205–222, 217. 17 Vgl. dazu ausführlich ]rp#d von Klimj, Nation, Konfession, Geschichte. Zur nationalen Geschichtskultur Ungarns im europäischen Kontext (1860–1948), München 2003 (Südosteuropäische Arbeiten 117), 301–305. 18 Ebd., 306. 19 Vgl. Andr#s Gero˝, K8pzelt tört8nelem. Fejezetek a magyar szimbolikus politika XIX–XX. sz#zadi tört8net8bo˝l [Erfundene Geschichte. Kapitel aus der Geschichte der ungarischen symbolischen Politik des 19.–20. Jahrhunderts], Budapest 2004, 172.

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munistischen Widerstandskämpfer Imre Sallai (1897–1932), S#ndor Fürst (1903–1932),20 Ferenc Rjzsa21 (1906–1942), Zolt#n Schönherz22 (1905–1942) und Endre S#gv#ri23 (1913–1944).24 Doch schon bald nach der Ausrufung der „Volksrepublik“ im Jahr 1949 verlor der geschichtspolitische Bezug auf „1848“ und auf Bajcsy-Zsilinszky zunehmend an Bedeutung; der parteipolitische Kompromiss, der die beiden Kulte begründet hatte, war schließlich nicht mehr notwendig. 1951 wurde der 15. März, der Tag des Ausbruchs der ungarischen Revolution 1848, wieder zu einem ordentlichen Arbeitstag herabgestuft. Der neue zentrale Nationalfeiertag wurde der vierte April und damit jener Tag, an dem die letzten deutschen Truppen ungarisches Gebiet verlassen hatten und der nunmehr als „Tag der Befreiung“ begangen wurde. Ins Zentrum der symbolischen Politik rückten zwei neue Aspekte: der bewaffnete, antifaschistische Widerstand gegen das Horthy- und Sz#lasi-Regime sowie die 133 Tage bestehende Räterepublik (1919). Auftakt des Kultes um die Räterepublik war das Jahr 1949, als der 30. Jahrestag der Ausrufung der Republik begangen wurde.25 Im Rahmen der Feierlichkeiten 20 Imre Sallai war bereits unter der Regierung Kun politisch aktiv. 1932 wurde er verhaftet, in einem Gerichtsverfahren verurteilt und wegen kommunistischer Tätigkeit zusammen mit S#ndor Fürst, der Anfang der 1930er-Jahre als Mitglied der kommunistischen Parteileitung verhaftet worden war, vom Horthy-Regime hingerichtet. 21 1941 ging der Kriegsgegner Ferenc Rjzsa, der bereits in den 1930er-Jahren in seinen Schriften vor dem Nationalsozialismus gewarnt hatte, in die Illegalität und wurde einer der Leiter der sogenannten Unabhängigkeitsbewegung. Als Redakteur der Zeitung „Szabad N8p“ kritisierte er das Horthy-Regime. 1942 wurde er verhaftet und starb noch im selben Jahr im Gefängnis. 22 Ende der 1930er-Jahre ging Schönherz in die Illegalität und war an der Organisation mehrerer gegen den Krieg gerichteter Demonstrationen beteiligt. 1942 wurde er verhaftet, zum Tode verurteilt und hingerichtet. 23 Der Kommunist S#gv#ri war seit den 1930er-Jahren an antifaschistischen Aktionen beteiligt und nahm nach dem deutschen Einmarsch an der Organisation der Widerstandsbewegung teil. Am 27. Juli 1944 verhafteten vier Gendarmen ihn und einen weiteren Kommunisten, wogegen er sich jedoch wehrte und dabei drei Gendarmen verletzte. Einer der Gendarmen erlag später seinen Verletzungen. Bei seiner anschließenden Flucht wurde S#gv#ri schließlich von einem der Gendarmen lebensgefährlich verletzt, er verstarb kurzer Zeit später im Krankenhaus. Nach 1945 wurde L#szlj Kristjf, einer der Gendarmen, u. a. unter dem Vorwurf S#gv#ri ermordet zu haben zum Tode verurteilt und hingerichtet. Am 6. März 2006 wurde dieses Urteil vom Obersten Gerichtshof mit der Begründung, die Gendarmen hätten gegenüber S#gv#ri gemäß dem damaligen Recht verfahren, außer Kraft gesetzt. Diese Entscheidung löste heftige Kontroversen innerhalb der ungarischen Gesellschaft aus. 24 Vgl. Rjbert Szabj, Politikai propaganda 8s tört8nelmi ünnep. Adal8kok az 1948. m#rciusi centen#riumi ünneps8gek tört8net8hez [Politische Propaganda und historische Feier. Angaben zur Geschichte der Hundertjahrfeiern vom März 1948], in: Tört8nelmi Szemle 34 (1998), 215228. 25 Zur Erinnerung der Räterepublik in der R#kosi-Ära siehe P8ter Apor, Elo˝k8p: A Tan#csközt#rsas#g felid8z8se a R#kosi-rendszerben [Vorbild: Die Erinnerung an die Räterepublik

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am 20. und 21. März wurde nicht nur eine Gedenkausstellung in Budapest eröffnet und eine Gedenksitzung in der Nationalversammlung abgehalten, sondern anlässlich der Umbenennung der Istv#n-utca (Stephan Straße) in Landler Jeno˝ utca (Jeno˝ Landler Straße) auch ein Gedenktafel für „den Kommandanten der Ungarischen Roten Armee“ enthüllt.26 In der feierlichen Rede betonte der kommunistische Parteifunktionär Jjzsef Köböl, dass Landler „ zu den tapferen, selbstaufopfernden Führern der ungarischen Arbeiterklasse“ gezählt und sich leidenschaftlich den „Opportunisten und den Verrätern der Arbeiterklasse in der Sozialdemokratischen Partei und in den Gewerkschaften“ entgegengestellt habe. Bemerkenswert ist, dass die kommunistische Partei den „Weißen Terror“ gegen tatsächliche und vermeintliche Protagonisten der Räterepublik, der der Niederschlagung der Räterepublik gefolgt war, als Vorbote der deutschen Besatzung interpretierte. Versinnbildlicht wurde diese Geschichtsinterpretation u. a. im Pantheon der Arbeiterbewegung. Der Vorschlag zu dessen Errichtung war bereits in der R#kosi-Ära (1948–1953), im Jahr 1949 formuliert worden. Das Denkmal, das zehn Jahre später, 1959, im Budapester Kerepes-Friedhof errichtet wurde, diente sowohl als Grabmal für die Opfer des „Weißen Terrors“ als auch für die fünf kommunistischen Märtyrer Imre Sallai, S#ndor Fürst, Ferenc Rjzsa, Zolt#n Schönherz und Endre S#gv#ri.27 Es war auch der Kult um diese fünf Widerstandskämpfer, der seit der kommunistischen Machtübernahme 1948 zunehmend jenen um Bajcsy-Zsilinszky ablöste.28 Der Einparteienstaat veranstaltete anlässlich des Todestags der fünf Märtyrer, die die kommunistische Partei bereits 1945 zu „Märtyrern der Partei“ erklärt hatte, regelmäßig Gedenkfeiern,29 brachte Gedenktafeln an oder errich-

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in der R#kosi-Ära], in: Sz#zadv8g 10 (2005), Nr. 35, 330 sowie P8ter Apor, Fabricating Authenticity : 1919 and the Hungarian Communists between 1949 and 1959, phil. Diss., Universität Debrecen 2009. Landler Jeno˝ eml8kt#bl#j#nak leleplez8se [Enthüllung des Gedenktafels für Jeno˝ Landler], in: Szabad N8p vom 22. 3. 1949, 4. Siehe dazu ausführlich Apor, Elo˝k8p. Vgl. dazu P8ter Apor, Immortalitas imperator: a Munk#smozgalmi Panteon szület8se [Immortalitas imperator: Die Geburt des Pantheons der Arbeiterbewegung], in: AETAS Tört8nettudom#nyi folyjirat 23 (2002), 178–204. Nach der kommunistischen Machtübernahme schwand zwar die Bedeutung der Widerstandskämpfer, dennoch zeugten weiterhin zahlreiche Straßennamen von ihrer wichtigen Stellung in der ungarischen Erinnerungskultur. Im Jahr 1979 zählte die Ungarische Partisanenvereinigung nach wie vor vier Einrichtungen in Budapest, die in Erinnerung an BajcsiZsilinszky seinen Namen trugen. Vgl. Magyar Partiz#n Szövets8g, A forradalmi esem8nyek 8s a felszabad&tj harcok eml8k8t o˝rzo˝ l8tes&tm8nyek haz#nk terület8n [Einrichtungen, die die Erinnerung an die revolutionären Ereignisse und an die Befreiungskämpfe auf dem Gebiet unserer Heimat weitertragen], Budapest 1979. Vgl. dazu beispielsweise die Vorschläge der Propagandaabteilung zur Vorbereitung der Gedenkfeiern für S#gv#ri, Fürst und Sallai vom 19. Juli 1948, Magyar Nemzeti Lev8lt#r Orsz#gos Lev8lt#ra (Ungarisches Staatsarchiv, MNL OL), M-KS 276.f.55.cs.10.ö.e., Bl. 53.

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tete Denkmäler zu ihrer Erinnerung30 und benannte Straßen, die sie zunehmend als Medium der politischen Propaganda erkannte, nach ihnen. Öffentlich gedacht wurde dabei auch im Übrigen bis zum Ende der R#kosi-Ära vor allem Kommunisten, die in der Horthy- oder Sz#lasi-Ära ermordet worden waren, wogegen die Erinnerung an den Partisanenkampf erst in der K#d#r-Ära, seit Ende der 1950er-Jahre Relevanz erhielt. Der Historiker B8la R#sky konstatiert: „Für eine Legendenbildung war der Widerstand nicht so sehr wegen seiner Marginalität oder seiner gesellschaftlichen Isolierung ungeeignet, sondern wahrscheinlich viel mehr deshalb, weil seine wichtigsten Vertreter klarerweise keine ,Moskowiter‘ waren und ab 1949 als ,Nationalkommunisten‘ gewissermaßen das Futter für die kommenden Schauprozesse bilden sollten.“31

So vermutet R#sky, dass der Gegensatz zwischen den regierenden „Moskowitern“ und jenen, die während des Zweiten Weltkrieges in Ungarn Träger des nationalen Widerstandes gewesen waren, als Hauptursache für die schwindende Bedeutung des politischen Widerstandes in der R#kosi-Ära anzusehen ist. Erinnert werden konnte nur an Widerstandskämpfer wie Sallai, Fürst, Rjzsa, Schönherz und S#gv#ri, deren Heroisierung nicht zuletzt dadurch erleichtert wurde, dass sie vor 1945 gestorben bzw. hingerichtet worden waren.32 Die zahlreichen, politisch konnotierten Straßennamen, die in der Phase der Koalition und in der R#kosi-Ära vergeben wurde, währten jedoch nicht lange. Wie der ungarische Historiker J#nos Pjtj hervorhebt, verschwanden zahlreiche ideologisch gefärbte Straßennamen der Nachkriegszeit bereits in den 1950erJahren im Rahmen der Bemühungen, identische Bezeichnungen mehrerer Straßen zu reduzieren, um auf diese Weise eventuellen Verwirrungen im Straßenverkehr vorzubeugen sowie im Zuge der politischen Veränderungen in der K#d#r-Ära (1956–1989).33 So wurden beispielsweise im Sinne der Entstalinisierung bis 1962 alle Straßenschilder, die den Namen von Stalin trugen, entfernt. Stattdessen setzte man in der K#d#r-Ära zunächst auf das Gedenken an „neue Märtyrer“ und widmete den regimetreuen Opfern des 1956er-Aufstandes zahlreiche Straßen. Unter anderem erhielten mehrere Straßen die Namen von Imre Mezo˝ (1905–1956) oder J#nos Asztalos (1918–1956), die in Folge der Kämpfe um die Parteizentrale in der Közt#rsas#g t8r (Platz der Volksrepublik) starben. In der zweiten Hälfte der K#d#r-Ära ab Mitte der 1960er-Jahre wirkte sich die Entpo30 Vgl. beispielsweise die Büste von S#gv#ri, die im Jahr 1949 im fünften Bezirk in Budapest aufgestellt wurde. 31 B8la R#sky, Ungarns Kriege, Ungarns Erinnerung. Vom Märtyrer zum Opfer bzw. vom Erinnerungsgebot über das Erinnerungsverbot zur Erinnerungsverweigerung, in: Siegfried Mattl/Gerhard Botz/Stefan Karner/Helmut Konrad (Hg.), Krieg. Erinnerung. Geschichtswissenschaft, Wien/Köln/Weimar 2009, 153–170, 162. 32 Vgl. ebd., 162. 33 J#nos Pjtj, Terek 8s nevek, 167.

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litisierung des Alltags schließlich auch auf die Straßennamen aus, was sich vor allem in Neubaugebieten zeigte, wo immer weniger neue Straßennamen eine politische Konnotation aufwiesen.

II.

Neue Vergangenheitsdeutungen seit 1989/90

Drei Monate vor der Ausrufung der demokratischen Republik Ungarn, am 14. Juli 1989, wurde die in der Nähe des ungarischen Parlaments liegende Münnich Ferenc utca (Ferenc Münnich Straße) Schauplatz einer politischen Aktion. In den Nachmittagsstunden versammelte sich eine Gruppe, bestehend aus etwa 40 Personen, in der nämlichen Straße. Ausgerüstet mit einer Leiter machte sie sich auf den Weg zu einem Straßenschild, das sie mit einem roten Isolierband schräg abklebten. Darunter brachte die Gruppe eine selbstgefertigte Papiertafel mit der Anschrift N#dor utca (Palatin Gasse) an. György Krassj, zentrale Figur der Aktion, gab anschließend Auskunft über den Werdegang des ehemaligen Innenministers Ferenc Münnich (1886–1967), dessen Namen die Straße seit 1968 trug und beschrieb dessen Rolle bei den blutigen Repressionsmaßnahmen gegen die ProtagonistInnen des Aufstandes im Jahr 1956. Schon wenige Zeit später ließ die Staatssicherheit die insgesamt 29 neu angebrachten „provisorischen“ Straßenschilder entfernen und gab damit den AktivistInnen Anlass, die Aktion mehrmals zu wiederholen. Erst Ende des Monats verkündete die Magyar Oktober P#rt (Ungarische Oktober Partei, MOK), die sich zu der Aktion bekannte, die eigenmächtigen Straßenumbenennungen bis Mitte Oktober 1989 einzustellen, nachdem ihnen der Stadtrat der Hauptstadt in Aussicht gestellt hatte ihr Anliegen einer alternativen Straßenbezeichnung zu prüfen. In den folgenden Wochen holte der Bezirksrat die Meinung der AnrainerInnen über eine mögliche Straßenumbenennung ein. Von den 271 Personen, die sich zu dieser Frage äußerten, sprachen sich zwei Drittel für eine neue Bezeichnung aus und gaben damit dem Stadtrat den letzten Anstoß, die Namensänderungen tatsächlich vorzunehmen und der Straße jene Bezeichnung wiederzugeben, die sie zuvor bereits über einhundert Jahre lang getragen hatte (N#dor utca – Palatin Gasse).34 Die Entscheidung über die Umbenennung der Münnich Ferenc utca (Ferenc Münnich Straße) fiel mit jener Sitzung des Exekutivkommitees des Budapester Stadtrates zusammen, bei der über eine allgemeine Neuregelung der Verordnung entschieden wurde, die das Procedere bei Straßenbenennungen bis dahin geregelt hatte. „Eine Modifizierung wurde einerseits durch die praktischen Er34 Vgl. dazu ausführlich Gabriella Kinda, A N#dor utca-akcij [Die Aktion in der N#dor Straße], in: Betekinto˝ 3 (2017), URL: http://www.betekinto.hu/2017_3_kinda (abgerufen 25. 1. 2018).

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Abb. 1 u. Abb. 2: Der Aktivist György Krassj bei der Umbenennung der Münnich Ferenc utca, 1989 (Foto: Tibor Philipp, T FORTEPAN / Philipp Tibor, 60437 u. 60438).

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fahrungen bei der Umsetzung der Verordnung, anderseits durch den gesellschaftlichen Wandel der letzten Zeit notwendig.“ erklärte dazu das Sekretariat der Hauptabteilung für Stadtplanung und Architektur Anfang Oktober 1989: „Die Straßennamen, die Benennung von öffentlichen Räumen rückten in den Mittelpunkt des Interesses der Parteien, der politischen Organisationen und wurden zum Beweggrund für unterschiedliche Handlungen. Immer mehr Briefe aus der Bevölkerung, staatsbürgerliche Anfragen von öffentlichem Belang und Vorschläge thematisierten Straßennamen und brachten [die Idee] auf, die alten, historischen Bezeichnungen wiederherzustellen bzw. forderten dies auch manchmal ein.“35

Aus diesem Grund erachtete die Hauptabteilung für Stadtplanung und Architektur es für unerlässlich, Namensänderungen unter Einbeziehung der „am ehesten Betroffenen“ – und damit nicht zuletzt der EinwohnerInnen – vorzunehmen. Die Anfang 1990 verabschiedete Verordnung schrieb schließlich fest, dass die Benennung einer Straße nach einer natürlichen Person frühestens ein Vierteljahrhundert nach deren Tod möglich sei.36 Gleichzeitig verfügte sie, dass in den ersten zehn Jahren nach der Vergabe eines Straßennamens ein neuerlicher Wechsel der Bezeichnung nicht möglich sei. Überdies seien „richtungsweisende und ortsgebundene Namen“ generell Bezeichnungen vorzuziehen, die ein erinnerungspolitisches Anliegen verfolgten. So kehrte die Stadtverwaltung in vielen Fällen zu Straßennamen zurück, die bereits vor 1945 in Gebrauch gewesen waren und verzichtete häufig auf eine neue politische Sinnstiftung in Form einer politisch motivierten Neubenennung. Jener Paragraph, der sich auf die Einbeziehung der AnrainerInnen bei Straßenumbenennungen bezogen hatte, fand sich in der neuen Verordnung dagegen nicht mehr. Zwischen 1989 und 2003 entstanden auf diese Weise 1234 neue Straßennamen, darunter wurde in 425 Fällen auf die alte Bezeichnung zurückgegriffen.37 Die Neubewertung der Geschichte, den der politische Umbruch 1989/90 mit sich brachte, spiegelte sich bei der Vergabe von neuen Straßennamen dabei nur begrenzt wider. Manifest wurde sie vor allem anhand jener Straßennamen, die 35 Schreiben des Sekretariats der Hauptabteilung für Stadtplanung und Architektur an den Exekutivkommitee des Stadtrates von Budapest vom 5. 10. 1989, Budapest Fo˝v#ros Lev8lt#ra (Hauptstadtarchiv Budapest, HU BFL) XXIII.102.a.1, Budapest Fo˝v#ros Tan#csa V8grehajtj Bizotts#ga ül8seinek jegyzo˝könyvei, Sitzung vom 16. 10. 1989, URL: https://library.hungarica na.hu/hu/view/HU_BFL_XXIII_102_a_1_1989-10-16/?pg=4&layout=s (abgerufen 24. 1. 2018). 36 9/1989. (1990. I. 31.) Fo˝v. Tan. Rendelet a közterület- 8s v#rosr8sznevek meg#llap&t#s#rjl, valamint azok jelöl8s8ro˝l [Verordnung über die Feststellung der Namen öffentlicher Räume und Stadtteile und über ihre Kennzeichnung]. 37 Tibor Leg#t, Fo˝v#rosi közterület-#tnevez8sek – Hirtelen felindul#sbjl [Umbenennungen von öffentlichen Räumen in der Hauptstadt – Aus einer plötzlichen Gemütsbewegung], in: Magyar Narancs vom 19. 5. 2011, URL: http://magyarnarancs.hu/belpol/fovarosi_kozteru let-atnevezesek_-_hirtelen_felindulasbol-76129 (abgerufen 24. 1. 2018).

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nunmehr aus dem Stadtbild verschwanden. Schließlich betrafen die meisten Umbenennungen insbesondere Straßenzüge, die Namen von bekannten oder weniger bekannten kommunistischen oder anderen linksgerichteten Persönlichkeiten trugen, sowie Begrifflichkeit, die mit der kommunistischen Ideologie assoziiert wurden, wie „Rote Armee“, „Befreiung“ oder „7. November“. Deren Entfernung aus dem öffentlichen Raum war Ausdruck einer ersten Abrechnung mit der kommunistischen Vergangenheit. Mit aller Kraft machten sich die politischen AkteurInnen der Nachwendezeit daran, abermals die Symbole und Spuren des vorangehenden Regimes zu entfernen.38 Dass der Austausch aller Straßennamen, die mit der kommunistischen Diktatur in Verbindung gebracht werden konnten, nicht gänzlich gelang und wohl auch nicht konsequent verfolgt wurde, zeigte sich allerdings nach der Jahrtausendwende, als mit der Neuwahl einer Fidesz-Regierung ein neues politisches Bedürfnis nach einer massiven Umschreibung und Neubewertung von Geschichte erwachte. Die Regierung unter Viktor Orb#n (1998–2002 sowie 2010–heute) hatte bereits Ende der 1990er-Jahre die identitätsbildenden Potenziale einer gezielten Geschichtspolitik erkannt und damit begonnen, deren Symbolkraft zu nutzen.39 Die aufwändige Zelebrierung des Millenniums „1000 Jahre ungarische Staatsgründung“ und die damit im Zusammenhang stehende Überführung der ungarischen Krone ins Parlament im Jahr 2000, sowie die Eröffnung des Haus des Terrors 2002 waren einige herausragende Beispiele dieser neuen Zielgerichtetheit.40 Nach ihrer Wiederwahl im Jahr 2010 trug die Regierung ihre symbolische Politik schließlich noch stärker auf die Straße und begann mit einer forcierten symbolischen Neubesetzung des öffentlichen Raums. Kernpunkt der nationalkonservativen Geschichtsdeutung war dabei ein Opfermythos, der die ungarische Geschichte als eine Kette nationaler Schicksalsschläge interpretierte: Dabei wurde diese Geschichtsbetrachtung aus der Opferperspektive nicht nur auf das 20. Jahrhundert beschränkt, sondern auf die gesamte Neuzeit ausgedehnt. Als Ausgangspunkt der „kollektiv erlittenen Opfererfahrung“ – so die allgemeine Wahrnehmung – wurde die verlorene Schlacht bei Moh#cs 1526 identifiziert, die die Unabhängigkeit des ungarischen Königreichs beendete und die Dreiteilung

38 Siehe dazu auch die zahlreichen Denkmalstürze nach dem Systemwechsel. Ein Teil dieser Objekte befindet sich heute im Budapester Statuenpark. 39 Vgl. Zsjfia Frazon/Zsolt K. Horv#th, A megs8rtett Magyarorsz#g. A Terror H#za mint t#rgybemutat#s, eml8kmu˝ 8s politikai r&tus [Das beleidigte Ungarn. Das Haus des Terrors als Gegenstandsvorstellung, Gedenkort und politischer Ritus], in: Regio 4 (2002), 303–346. 40 Siehe dazu ausführlich, Regina Fritz, Nach Krieg und Judenmord. Ungarns Geschichtspolitik seit 1944, Wallstein, Göttingen 2012.

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des Landes einleitete. Die Schlacht avancierte „zum Sinnbild der nationalen Selbstzerstörung und zum Maß für alle späteren Katastrophen“.41 Seit der verlorenen Schlacht von Moh#cs sei die ungarische Nation Opfer wiederholter Unterdrückung durch unterschiedliche „Fremdmächte“ wie Osmanen, Habsburger, Nationalsozialisten und Kommunisten geworden.42 Eine Herausforderung stellten für dieses Viktimisierungsnarrativ all jene Ereignisse dar, im Zuge derer sich die Nation nicht als Opfer, Held oder Märtyrer, sondern vielmehr als (Mit-)Täter verhalten hatte.43 So führte diese Geschichtsinterpretation zur Leugnung von Verantwortung, zur Abwehr von Erinnerungselementen, die mit dem skizzierten Identitätsprofil nicht kompatibel waren bzw. zur Reduktion von Schuld auf einige fanatische Täter.44 Deutlich wurde dies vor allem anhand des vielkritisierten Verhältnisses der national-konservativen Regierung zur Horthy-Ära. Das Horthy-Regime, das zahlreiche antijüdische Gesetze erlassen und seine Staatsbürger verfolgt hatte, wurde zunehmend rehabilitiert. Diese Entwicklung, die bereits nach der Wende Anfang der 1990er einsetzte, fand ihren Ausdruck in Denkmalsetzungen und politischen Akten wie der Rückführung der sterblichen Überreste des Reichsverwesers Mikljs Horthy (1868–1957) und seiner Frau Magdolna (1881–1959) aus Portugal und ihrer feierlichen Wiederbestattung in der ungarischen Stadt Kenderes im Jahr 1993. Nach 2010 verstärkte sich diese Tendenz weiter und fand ihren vorläufigen Höhepunkt in der Präambel der 2011 verabschiedeten Verfassung, wo die Regierung festschrieb, dass die „staatliche Selbstbestimmung“, die am 2. Mai 1990 mit den ersten freien Wahlen nach der Wende wiederhergestellt worden war, am 19. März 1944 mit der deutschen Besetzung des Landes verlorengegangen sei.45 Die entsprechende Geschichtspolitik beschränkte sich aber nicht nur auf einige wenige symbolpolitische Vorgänge, sondern schlug sich auch nieder in der Konzeption neuer Schulbücher, in der Gründung geschichtswissenschaftlicher Forschungsinstitute oder in der symbolischen Inbesitznahme von öffentlichen Räumen durch die Umbenennung von Straßen und Plätzen sowie durch die 41 György Dalos, Ungarn. Mythen – Lehren – Lehrbücher, in: Monika Flacke (Hg.), Mythen der Nationen: Ein europäisches Panorama, München–Berlin 1998, 528–556, 544. 42 Ebd. 43 Aleida Assmann, Der lange Schatten der Vergangenheit. Erinnerungskultur und Geschichtspolitik, München 2006, 82. 44 Ebd. 45 Magyarorsz#g Alaptörv8nye, in: Magyar Közlöny, 1. 4. 2013, 14584–14614, URL: http://www. kozlonyok.hu/nkonline/MKPDF/hiteles/MK13055.pdf (abgerufen 17. 12. 2018). Das Grundgesetz wurde in deutscher Sprache abgedruckt in: Manfred Sapper/Volker Weichsel (Hg.), Quo vadis, Hungaria? Kritik der ungarischen Vernunft, Berlin 2011 (Osteuropa 12/2011), 29–30. Zum Verhältnis der ungarischen Politik zum Horthy-Regime seit 2010 siehe Regina Fritz, Persönliche Holocaust-Erinnerungen auf Facebook – (Private) Gegenerzählungen in Ungarn im Kontext des Holocaust-Gedenkjahres, in: Zeitgeschichte 43 (2016) 4, 233–249.

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Rekonstruktion geschichtsträchtiger Orte, wie des Kossuth Lajos Platzes vor dem ungarischen Parlament. Den Beschluss zur Wiederherstellung dieses Ortes in seiner Gestalt von 1944 fällte die Nationalversammlung im Juli 2011. Denkmäler, die dort nach 1944 errichtet wurden, wie die 1975 aufgestellte Statue für Mih#ly K#rolyi (1875–1955) – einem Politiker, der nach dem Ersten Weltkrieg die unabhängige und selbstständige Ungarische Volksrepublik ausgerufen hatte und vor allem in rechten Kreisen als Wegbereiter des Kommunismus galt, der sich mit der Etablierung der Räterepublik 1919 manifestierte – wurden entfernt und an ihrer Stelle früher hier stehende Denkmäler wiedererrichtet. Die ehemaligen Statuen zweier führender Politiker der österreich-ungarischen Doppelmonarchie, Istv#n Tisza (1861–1918) und Gyula Andr#ssy (1823–1890), wurden rekonstruiert und auch die Fassaden der umliegenden Gebäude erhielten ihr ursprüngliches Aussehen zurück. Damit griffen die politischen Akteure bei der Neugestaltung eines öffentlichen Platzes ausschließlich auf rekonstruktive Elemente zurück und vermieden es nicht nur neu darüber zu verhandeln, wer am zentralen Ort der ungarischen Staatlichkeit präsent sein sollte, sondern machten auch deutlich, an welche Traditionen sie anknüpften.46 Dabei zeichnete sich die symbolische Politik der zweiten Orb#n-Regierung nicht nur durch die unkritische Hinwendung zum Horthy-Regime aus, sondern auch durch die abermals intensivierten Bemühungen, mit dem Kommunismus abzurechnen und seiner Opfer zu gedenken. Deutlich illustrieren dies jene Straßenumbenennungen, die seit 2012 erfolgten und die Tradition der zurückhaltenden Straßenumbenennungspraxis der Nachwendezeit beendeten. Den Anfang läutete die Umbenennung zweier zentraler Plätze in Budapest im Jahr 2011 ein, des nach dem amerikanischen Präsidenten benannten Roosevelt t8r (Roosevelt Platz), der nun nach dem ungarischen national-liberalen Staatsreformer zum Sz8chenyi Istv#n t8r (Istv#n Sz8chenyi Platz) wurde und des Moszkva t8r (Moskau Platz) in Sz8ll K#lm#n t8r (K#lm#n Sz8ll Platz), was in Teilen der ungarischen Öffentlichkeit für erhebliches Unverständnis sorgte. Grundlage der allgemeinen Trendwende wurde jedoch schließlich ein im Jahr 2012 verabschiedetes Gesetz, mit dem die Regierung ihr Verhältnis zu den diktatorischen Regimen des 20. Jahrhunderts zu regeln suchte. Das Gesetz CLXVII:201247 ordnete u. a. an, Straßennamen, die mit einem diktatorischen Regime des 20. Jahrhunderts in Verbindung gebracht werden könnten, zu än46 Besonders die Verlegung der Statue des Dichters Jjzsef Attila im Jahr 2013 und die Entfernung der Statue des Reformkommunisten Imre Nagy im Jahr 2018 sorgten für massive Kritik von Seiten der Öffentlichkeit. 47 Gesetz über die Modifikation einzelner Gesetze in Zusammenhang mit dem Verbot von Bezeichnungen, die mit den diktatorischen Regimen des 20. Jahrhundert in Verbindung gebracht werden können, https://mkogy.jogtar.hu/?page=show& docid=A1200167.TV (abgerufen 19. 1. 2018).

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dern. Paragraph 4 schrieb fest, dass die Bezeichnung öffentlicher Räume weder den Namen von Personen, „die an der Begründung, am Ausbau oder an der Aufrechterhaltung von diktatorischen politischen Regimen im 20. Jahrhundert beteiligt waren“, noch Begrifflichkeiten oder Institutionen enthalten dürften, „die auf diktatorische politische Regime im 20. Jahrhundert unmittelbar verweisen“. Insgesamt wurden auf Basis der gesetzlichen Bestimmung bis Dezember 2016 etwa 2200 Namensänderungen durchgeführt, und damit innerhalb von fünf Jahren fast doppelt so viele wie in den ersten zehn Jahren der Nachwendezeit.48 Der Großteil der Änderungen betraf Straßen, die zuvor nach Endre S#gv#ri (254 Fälle), Felszabadul#s/Befreiung (153 Fälle), Imre Sallai (110 Fälle) oder Lenin (101 Fälle) benannt wurden, und damit in erster Linie Flächen, die auf die eine oder andere Weise mit dem kommunistischen System assoziiert werden konnten.49 Problematisch erwies sich die Einbeziehung der Ungarischen Akademie der Wissenschaften (Magyar Tudom#nyos Akad8mia) in den Entscheidungsprozess über die Entfernung bzw. Vergabe von Straßennamen. Seit dem im Jahr 2011 verabschiedeten neuen Stadtverwaltungsgesetz entscheiden nämlich über die Frage, ob die neuen bzw. die bereits vergebenen Straßennahmen mit den neu erlassenen gesetzlichen Bestimmungen in Einklang stehen, zwar die Kommunalverwaltungen, in deren alleinigen Zuständigkeit nun die Benennung von öffentlichen Plätzen und Institutionen fällt.50 In fraglichen Fällen sind die Kommunen allerdings gehalten, eine Empfehlung der Ungarischen Akademie der Wissenschaften einzuholen, ob ein Straßenname im Sinne des Gesetzes als „nicht empfehlenswert“, „tauglich, aber heikel“ oder als „tauglich“ einzustufen ist. Durch die Konsultation der Akademie der Wissenschaften in unklaren Fällen sollten die geschichtspolitischen Entscheidungen auch wissenschaftlich legitimiert werden, eine Vorgehensweise, die von vielen Seiten (nicht zuletzt von Seiten der Akademiemitglieder selbst) auf Kritik stieß. Durch die Betrauung mit einer so offensichtlich politischen Aufgabe sahen viele die Unabhängigkeit der renommierten wissenschaftlichen Einrichtung gefährdet. „Die wissenschaftliche Logik liegt nämlich genau in dieser Differenzierung“, kritisierte beispielsweise der Historiker Andr#s Gero˝. „Sie liegt darin, dass wir uns nur durch Debatten an die Wahrheit annähern können, und auch wenn wir einen Ruhepol 48 Zolt#n Sipos, M8g tavaly is több mint 200 közterületet neveztek #t [Noch letztes Jahr wurden mehr als 200 öffentliche Räume umbenannt], www.origo.hu, 6. 2. 2017, URL: http://www. origo.hu/itthon/20170201-egyre-kevesbe-kisert-a-kommunista-mult-az-utcanevekben.html (abgerufen 21. 1. 2018). 49 Vgl. Datenbank von GeoX, zitiert in: Sipos, M8g tavaly is több mint 200 közterületet. 50 Siehe §13 des Gesetzes CLXXXIX:2011, URL: https://mkogy.jogtar.hu/?page=show& docid =A1100189.TV (abgerufen 19. 1. 2018).

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erreicht haben, kann dies wieder revidiert werden. Das nennt man im Allgemeinen die Freiheit des Denkens und die Akademie ist prinzipiell institutionelle Hüterin der Freiheit des wissenschaftlichen Denkens. Sie urteilt nicht, sie diskutiert. Sie ist nicht an einer Gedankenpolizei, sondern an der Gedankenfreiheit interessiert. Zumindest grundsätzlich.“51 Dennoch beschloss die Akademie letztlich, die ihr zugewiesene Aufgabe wahrzunehmen. Ihr öffentlich erklärtes Ziel war es dabei, sich eng an die Formulierung des Gesetzes zu halten um auf diese Weise auf seine Undifferenziertheit und praktische Unanwendbarkeit aufmerksam zu machen. Die Begutachtungspraxis sollte demnach die Absurdität des Gesetzes herauszustreichen. Der Historiker Attila Pjk, Mitglied der dreiköpfigen Kommission, die zur Beurteilung der eingelangten offenen Fälle eingerichtet wurde, erklärte zudem: „Wir übermitteln den Kommunalverwaltungen keine differenzierten Analysen, sondern kurze Zusammenfassungen“ und führte weiter aus: „Wir haben ein Begutachtungs- und Vorschlagsrecht. Wir sind also keine Rechtsbehörde, die eine Entscheidung fällt, sondern geben lediglich eine Fachmeinung ab. Die Entscheidung liegt in den Händen der zuständigen Kommunalverwaltungen.“52 Doch die öffentlichen Erklärungen besänftigten die kritischen Stimmen nicht, schließlich legimitierte die Akademie das Gesetz selbst indem sie Empfehlungen abgab. Hinzu kamen zahlreiche Mängel, die jene über 200 Seiten langen Ausführungen sichtbar machten, die auf Basis der an die Akademie gerichteten Anfragen erstellt wurde.53 Kritiker beanstandeten dabei nicht nur die Empfehlungen der Akademie selbst, sondern auch die Anfragen der Stadtverwaltungen, die sowohl von einer verbreiteten historischen Unkenntnis zeugten, als auch eine tief sitzende Unsicherheit widerspiegelten, mit der die Verwaltungsorgane auf die neue Bestimmung reagierten. So wurde die Akademie nicht nur im Fall von Personennamen um ihre Einschätzung gebeten, sondern etwa auch bei Begrifflichkeit, wie „Schöpfung“, „Arbeiter“, „Held“, „Freiheit“, „Fortschritt“, „Jugend“, „Verfassung“, „Republik“ oder „Frieden“ – Begrifflichkeiten, die auch 51 Andr#s Gero˝, Kis orsz#g, nagy abszurd [Kleines Land, große Absurdität], www.origo.hu, 29. 3. 2013, URL: http://galamus.hu/index.php?option=com_content& view=article& id= 200643:kis-orszag-nagy-abszurd& catid=9:vendegek& Itemid=66 (abgerufen 29. 3. 2013). 52 Interview von György Bolg#r mit Attila Pjk, www.galamus.hu, 15. 3. 2013, URL: http://gala mus.hu/index.php?option=com_content& view=article& id=197369%3Abolgar-gyoergyinterjui-a-galamusban-2013-marcius-12& catid=69%3Abolgar-gyoergy-megbeszeljuek& I temid=106& limitstart=1 (abgerufen 21. 1. 2018). 53 Összefoglalj a XX. sz#zadi önk8nyuralmi rendszerekhez kötheto˝ elnevez8sekkel összefüggo˝ szakmai vizsg#latrjl [Zusammenfassung über die fachliche Überprüfung der Bezeichnungen in Zusammenhang mit den diktatorischen Regimes des 20. Jahrhunderts], erstellt von der Ungarischen Akademie der Wissenschaften, URL: http://mta.hu/data/dokumentumok/ hatteranyagok/akademiai_szabalyozasok/osszefoglalalo__XX._szazadi_onkenyuralmi_rend szerek_b.pdf (abgerufen 22. 1. 2018).

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abseits diktatorischer Regime im allgemeinen Sprachgebrauch tief verwurzelt sind und durchaus demokratische Werthaltungen repräsentieren. Die Akademie war in jedem Fall verpflichtet die betreffende Anfrage zu prüfen und eine Stellungnahme abzugeben, „selbst in Fällen in denen die unbegründete Art der Anfrage offensichtlich ist.“54 So ließ sie im Zusammenhang mit dem Wort „Schöpfung“ wissen, dass es „keinen ideologischen, politischen Inhalt“55 aufweise und betonte beim Wort „Verfassung“, dass im Fall eines Verbots auch die Bezeichnung „Verfassungsgerichtshof“ geändert werden müsste – „unnötigerweise, da die Bedeutung des Wortes neutral ist.“56 Bei der Bezeichnung „Bakony“ – eine Gebirgsregion in Transdanubien – gestattete sich die Akademie den Hinweis, es sei „kein Fachwissen auf akademischem Niveau“57 notwendig, um darüber zu urteilen, dass dieser geographische Begriff nicht mit einem diktatorischen Regime in Verbindung gebracht werden könne. Dabei ließ der Duktus der einzelnen Begründungen teilweise eine ironische Grundhaltung erkennen. Dass dies mit den Erwartungen an eine akademische, wissenschaftliche Einrichtung nicht im Einklang stand, zeigte sich an der lautstarken Kritik an den meist knappen Empfehlungen, die als unsachlich und befangen beanstandet wurden. Mehrere Zeitungsartikel in regierungskritischen Blätter spotteten beispielsweise über die Ausführungen der Akademie zum Begriff „Freiheit“ – „ein Ausdruck, der in sich (sic!) nicht unmittelbar (sic!) auf ein diktatorisches politisches System verweist, daher auch in Zukunft für die Benenneng von öffentlichen Räumen“58 gebraucht werden könne, so die Formulierung der Akademie. Eine unausgewogene Haltung ließ die Entscheidung erkennen, einzelne Namen als „nicht empfehlenswert“, „tauglich, aber heikel“ oder als „tauglich“ einzuordnen. Während die Benennung von Straßen nach den 1932 hingerichteten Kommunisten S#ndor Fürst oder Imre Sallai nicht empfohlen wurde, da sie nach der kommunistischen Machtergreifung zu Symbolen des kommunistischen Widerstandes avancierten, urteilte die Akademie in Zusammenhang mit der Verwendung des Namens von Ottak#r Proh#szka (1858–1927), des theoretischen Begründers des Hungarismus und damit eines Vordenkers eines diktatorischen Regimes, das nach seinem Ableben installiert wurde: „Sein Name kann nicht mit der [realpolitischen] Ausführung der diktatorischen Regime im 20. Jahrhundert in Verbindung gebracht werden, aus diesem Grund erfordert die Verwendung seines Namens bei der Benennung eines öffentlichen Raumes keine akademische Stellungnahme.“59 Inkonsequent agierte die Kommission auch bei 54 55 56 57 58 59

Ebd. Ebd. Ebd. Ebd. Ebd. Ebd.

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der Beurteilung der beiden Kommunisten Imre Nagy und L#szlj Rajk. In einem Interview 2013 wies Attila Pjk, Mitglied der Dreierkommission, darauf hin, dass die beiden Politiker bei enger Anwendung des Gesetzes gleich beurteilt werden müssten und daher sowohl der Name von Rajk als auch von Nagy für eine Straßenbenennung als ungeeignet eingestuft werden müsse. Auf diese Weise könne, so Pjk, der Gesetzgeber neuerlich darauf aufmerksam gemacht werden, dass das Gesetz nicht zu Ende gedacht sei, schließlich galt Nagy seit dem Ende des realexistierenden Sozialismus als zentrale Ikone des antikommunistischen Widerstandes.60 Doch die Akademie urteilte schließlich anders. Während der im Jahr 1949 in einem aufsehenerregenden Schauprozess wegen volksfeindlicher Vergehen, Spionage, Hochverrat, Mithilfe bei den Kriegsvorbereitungen und Angriff auf die demokratische Staatsordnung hingerichtete Rajk als eine Person beurteilt wurde, die im Sinne der gesetzlichen Bestimmungen „an der Begründung, dem Ausbau und der Aufrechterhaltung eines diktatorischen Regimes im 20. Jahrhundert beteiligt war“61 und aus diesem Grund von der Verwendung seines Namens für die Benennung von öffentlichen Räumen abgeraten wurde, empfahl die Akademie die Würdigung des 1958 hingerichteten Reformkommunisten Imre Nagy ausdrücklich: „Ein öffentlicher Ort, der nach ihm benannt wird, kann sich geehrt fühlen.“62 Auffallend ist, dass die oben erwähnte Liste der an die Akademie herangetragenen Fälle in erster Linie Namen und Begrifflichkeiten anführt, die mit der kommunistischen Diktatur in Verbindung gebracht werden können. Dies zeigte klare Versäumnisse auf, die die Beschäftigung mit dem Kommunismus in Ungarn nach wie vor kennzeichnen und machte das wachsende Bedürfnis nach einer Abrechnung mit diesem politischen Regime deutlich. Das Horthy- bzw. Sz#lasi-Regime spielte bei den Anfragen wiederum fast keine Rolle. Eine der wenigen Ausnahmen stellt Mikljs Horthy selbst dar, zu dessen Person die Akademie mit vier Seiten die insgesamt längste Stellungnahme ausarbeitete. Augenfällig ist die Schlussbeurteilung der Akademie: „Die Beurteilung seiner Persönlichkeit und seiner Tätigkeit, sowie des politischen Systems, das seinen Namen trägt, spaltet sowohl die Öffentlichkeit als auch die ungarische Geschichtswissenschaft. Aus diesem Grund konnte die Frage, ob seine Person mit der Begründung, Ausbau oder Aufrechterhaltung eines diktatorischen Regimes in Verbindung gebracht werden könne, noch durch keine eindeutige, wissenschaftlich begründete Stellungnahme geklärt werden. Unter Einbeziehung dieser Aspekte wird 60 Interview von György Bolg#r mit Attila Pjk, www.galamus.hu, 15. 3. 2013, URL: http://gala mus.hu/index.php?option=com_content& view=article& id=197369%3Abolgar-gyoergyinterjui-a-galamusban-2013-marcius-12& catid=69%3Abolgar-gyoergy-megbeszeljuek& I temid=106& limitstart=1 (abgerufen 21. 1. 2018). 61 Összefoglalj. 62 Ebd.

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jenen Stadtverwaltungen, die einen öffentlichen Raum nach Mikljs Horthy benennen wollen, empfohlen, ihre Entscheidungen so lange aufzuschieben, bis ein geschichtlicher und gesellschaftlicher Konsens über die Beurteilung seiner Peron, seiner Politik und seiner Ära entsteht.“63

Damit sprach die Kommission eine Empfehlung aus, die sie nach dem Dafürhalten von KritikerInnen in zahlreichen anderen Fällen schuldig geblieben war. Doch nicht alle Stadtverwaltungen befolgten den Rat der Kommission. In Kunhegyes erhielt ein Straßenzug, der zuvor nach einem gefallenen Soldaten der Roten Armee benannt gewesen war, im Jahr 2013 den Namen des ehemaligen Reichsverwesers.

III.

Resümee

„Die Straßenschilder haben das größte Lesepublikum“ konstatierte der ungarische Schriftsteller Dezso˝ Kosztol#nyi im Jahr 1917.64 Tatsächlich sind Straßennamen, als Teil des städtischen Alltags, für jedermann sichtbar und lesbar. Durch ihre ständige Präsenz tragen sie dazu bei, Personennamen oder Wertehaltungen im öffentlichen Bewusstsein zu verankern und spiegeln in vielen Fällen die Bedeutung von Ideologien oder Persönlichkeiten zu einem gegebenen Zeitpunkt wider. Geschichtspolitische Überlegungen waren in Ungarn bei der Benennung von Straßen noch Anfang des 19. Jahrhundert ungewöhnlich. Die Tradition, Personen durch die entsprechende Widmungspraxis zu ehren, etablierte sich erst seit Mitte des 19. Jahrhunderts.65 Seitdem avancierten Straßennamen als politische Erinnerungsorte immer wieder zu Objekten politischer Debatten, die häufig in Umbenennungen mündeten. Diese gingen in Ungarn – nicht zuletzt auf Grund antidemokratischer Staatsformen – bis Ende der 1980erJahre vorwiegend von den politischen Eliten aus und erfolgten einhergehend mit politischen Umbrüchen und Machtverschiebungen. Wie bereits Jan Assmann formulierte, treten schließlich „Neuanfänge, Renaissancen, Restaurationen immer in der Form eines Rückgriffs auf die Vergangenheit auf. In dem Maße, wie sie Zukunft erschließen, produzieren, entdecken sie Vergangenheit.“66 So korrespondiert „[d]ie permanente Umschreibung, Überschreibung und Neudeutung von Geschichte […] unter anderem mit politischen Interessen, mit nationalen Legitimationsstrategien und mit Fragen, die verschiedene Generationen 63 64 65 66

Ebd. Dezso˝ Kosztol#nyi, Tömörk8ny Istv#n, in: Pesti Naplj vom 19. 5. 1917. L#szlj P8ter, Az utcan8vad#s t&zparancsolata, in: N8pszabads#g vom 23. 9. 1989, 21. Jan Assmann, Das kulturelle Gedächtnis. Schrift, Erinnerung und politische Identität in frühen Hochkulturen, München 32000, 32.

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an ihre Gegenwart und an die Vergangenheit richten, aber auch mit der geographischen und zeitlichen Nähe zum Geschehen und dem jeweiligen Grad persönlicher Betroffenheit.“67 Seit Ende der 1980er-Jahre, mit dem Erstarken der politischen Opposition und der beginnenden Öffnung des politischen Systems, brachte sich die Zivilgesellschaft immer mehr in die öffentliche Erinnerungspolitik ein und forderte auch selbst die Umbenennung von Straßen ein. Letztlich waren das die Vorboten eines politischen Umbruchs, der sich wenige Monate später durch den Zusammenbruch des kommunistischen Regimes in Ungarn äußern sollte. Die Umbenennungsforderungen, die von politischen AktivistInnen und AnrainerInnen ausgingen, hatten zur Folge, dass die neue Verordnung über die Benennung von öffentlichen Plätzen in der Nachwende-Ära zunächst auch die Miteinbeziehung der Zivilgesellschaft in Entscheidungsprozesse vorsah – ein Ansatz, der jedoch bald wieder aufgegeben wurde. Nach dem Wahlerfolg der Fidesz im Jahre 2010 setzte die neue Regierung massiv auf die identitätsstiftende Kraft geschichtspolitischer Maßnahmen. Dies entsprach ihre Grundhaltung, wonach sie ihren Wahlsieg im Sinne einer politischen Transformation deutete. Viktor Orb#n erklärte in einer Rede 2014: „Vier Jahre später sehen wir bereits, dass 2010 tatsächlich ein Systemwechsel stattfand. Innerhalb von zwanzig Jahren das zweite Mal. Wir haben jenes politische und wirtschaftliche System abgewählt, welches nach dem Sturz des Kommunismus aufgebaut wurde. Nein, sprechen wir Klartext: wir haben jenes System abgelöst, an dessen Aufbau auch wir beteiligt gewesen sind. Genauer : wir haben 2010 jenes System abgelöst, das wir zuvor erfolglos versucht hatten zu reparieren.“68 So ist auch die Entscheidung der neuen Regierung, „belastete“ Straßennamen zu entfernen, ganz im Sinne einer tiefgreifenden politischen Zäsur zu deuten. Anders als in anderen europäischen Staaten zielte die Straßennamenumbenennungspraxis in Ungarn nicht auf die kritische Auseinandersetzung mit den Diktaturen des 20. Jahrhunderts ab, sondern stand eindeutig mit dem Bedürfnis nach politischer Sinnstiftung in Zusammenhang.69 Eine kritische Kontextualisierung der Straßennamen fand nicht statt, stattdessen zog die Regierung durch ihr restriktives Vorgehen und die bewusste Indienstnahme einer wissenschaft67 Katja Köhr/Simone Lässig, Zwischen universellen Fragen und nationalen Deutungen: Der Holocaust im Museum, in: Bernd Schönemann/Hartmut Voit (Hg.), Europa in historischdidaktischen Perspektiven, Idstein 2007 (Schriften zur Geschichtsdidaktik 22), 235–260, 237. 68 A 2014-es 8v8rt8kelo˝ besz8d, www.mandiner.hu, 17. 2. 2014, URL: http://mandiner.hu/cikk/ 20140217_orban_viktor_a_2014_es_evertekelo_beszed (abgerufen 14. 3. 2018). 69 Die Ergebnisse erschienen unter Oliver Rathkolb/Peter Autengruber/Birgit Nemec/Florian Wenninger, Forschungsprojektendbericht. Straßennamen Wiens seit 1860 als „Politische Erinnerungsorte“, erstellt im Auftrag der Kulturabteilung der Stadt Wien (MA 7), Wien 2013, URL: https://www.wien.gv.at/kultur/abteilung/pdf/strassennamenbericht.pdf (abgerufen 4. 3. 2019).

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lichen Einrichtung zur Legitimation dieser geschichtspolitischen Maßnahme heftige öffentliche Kritik auf sich.

Idesbald Goddeeris

The Nazi and the Colonizers: Flemish debates on street names in 2017

On 30 June 2018, the 68th anniversary of the independence of Congo, the city of Brussels inaugurated the Patrice Lumumba Square. This was a watershed in Belgium’s dealing with its colonial past. For more than ten years, social organizations and African diaspora associations in Brussels had been campaigning for a square named after the first Congolese prime minister, who had been assassinated in January 1961. They had employed a wide variety of strategies, covering official nameplates with unofficial alternatives, making extensive use of social media, and even convincing Google Maps to add the name Futur Place Lumumba to its map of Brussels.1 The eventual result, however, was different from the original demand. Initial efforts centered on applying the name to an unnamed square in Ixelles, a municipality in the Brussels Capital Region. Instead, a section of the nearby Bastion Square ultimately received the new title. It was not the municipality council of Ixelles, but that of neighboring Brussels-City (another municipality in the Brussels Capital Region) that allowed a Lumumba Square on its territory. The liberal majority within the Ixelles coalition had refused a renaming proposal in 2013, but the Brussels-City municipality council, which was dominated by socialists, approved the renaming in April 2018. According to some, this was a tactical move in the build-up to the local election of October 2018, and the result of the competition between the two neighboring mayors.2 1 Idesbald Goddeeris, “Colonial Streets and Statues: Postcolonial Belgium in the Public Space,” Postcolonial Studies 18 (2015) 4, 397–409, especially 402; Heleen Debeuckelaere and H8lHne ChristelleMunganyende, “De weg naar het Lumumbaplein,” De Standaard, 29 June, 2018. 2 Simon Grymonprez, “Naast het Lumumbaplein komt het Lumumbaplein,” De Standaard, 25 April, 2018; Lucas Catherine, “Na een plein, een monument voor Lumumba?,” De wereld morgen, 26 April, 2018. In October 2017, the Ixelles municipality council had agreed with a plaque in honor of Lumumba on the Ixelles part of the Bastion Square (of which the Brussels part six months later was renamed Lumumba Square). See: “Gedenkplaat voor Lumumba in Elsene,” Bruzz.be, 26 October, 2017, https://www.bruzz.be/samenleving/gedenkplaat-voorlumumba-elsene-2017-10-26 (8 March 2019) and Robbe Latr8, “Geen plein, maar een plak voor Lumumba,” MO* , 1 November, 2017, https://www.mo.be/analyse/geen-plaats-maareen-plak-voor-lumumba (8 March 2019).

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However, Brussels was not even the first Belgian city to name a street after Lumumba. This honor is held by Charleroi, where the municipality council in December 2017 endorsed the renaming of Paul Pastur Street to Patrice Lumumba Street. The new name plaque was solemnly unveiled on 24 May 2018.3 In spite of the unexpected turns in the final sprint, these first recognitions of Lumumba in Belgian public space may give the impression that Belgium is “coming to terms” with its colonial past. The reality, yet, is that many streets named after explorers and conquerors of Congo remain: in Brussels alone there are 39.4 Most of them had been created as an aspect of colonial propaganda, in a deliberate campaign to find support for the colonial project and, after the First World War, to rehabilitate Leopold II.5 This is not unique and also occurs in neighboring countries. However, whereas one also finds Gandhi statues in London, Rues S8tif in France, Hattasingels in the Netherlands, and Hererostrassen in Germany, prior to 2018 Belgium had only celebrated its colonizers. This article aspires to take a closer look at the decolonization of Belgian public space by analyzing the naming and renaming of streets in 2017, the year preceding the watershed. It will explore the general trends in the choice of names for new streets, discuss some of the existing controversial street names, define the sparks that ignited new debates, analyze the stances of different participants (e. g. political parties, ordinary people, activists, and experts), and examine the authorities’ reaction. In this way, it will compare the development, coalitions, and arguments of postcolonial debates with the handling of other cases of a problematic past (first and foremost the Second World War) or of memory politics (e. g. the aspiration for a gender balance). Rather than exploring the debates in the whole of Belgium, which is a federation of overlapping regions, communities and language areas, and accordingly consists of several sub-nations, each with its own media, political particularities and identities, the article will enquire in depth into Flanders, the most3 Seb G., “Rue Patrice Lumumba: le PTB se r8jouit,” L’Avenir, 12 December, 2017, https://www. lavenir.net/cnt/dmf20171211_01097513/rue-patrice-lumumba-le-ptb-se-rejouit (8 March 2019); Anonymous, “Charleroi names street in honour of Patrice Lumumba,” The Bulletin. The platform for Belgium’s international community, 29 May, 2018, https://www.thebulletin. be/charleroi-names-street-honour-patrice-lumumba (8 March 2019) and “Une rue Lumumba / Charleroi : un moment historique dans les relations belgo-congolaises,” T8l8sambre, 24 May 2018, https://www.telesambre.be/une-rue-lumumba-charleroi-un-moment-historique-dansles-relations-belgo-congolaises (30 November 2018). The project’s driving spirit was Ga[tan Bangisa, a socialist municipality councilor of Congolese origin; just as Brussels-City, Charleroi had a socialist mayor. 4 Idesbald Goddeeris, “Square de L8opoldville of Place Lumumba? De Belgische (post)koloniale herinnering in de publieke ruimte,” Tijdschrift voor Geschiedenis 129 (2016) 3, 349–372 (for the list of colonial street names in Brussels: 354). 5 Matthew G. Stanard, Selling the Congo: A history of European pro-empire propaganda and the making of Belgian imperialism (Lincoln: University of Nebraska Press, 2012), 167–202.

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populated language area (58 % of the entire Belgian population). The conclusions certainly do not account for the whole of Belgium: the above-mentioned Lumumba streets, for instance, were inaugurated in Brussels and Charleroi, which do not belong to the Flemish region. Flanders, however, is an interesting case study due to its more complicated grappling with the memory of the Second World War (a considerable part of the Flemish national movement collaborated with the Nazis) and because of its postcolonial particularities (Congolese, who are mostly French-speaking, have been excluded from the debates; this has only recently changed now that a second generation of African diaspora is increasingly taking the floor). Brussels is included in the analysis: it constitutes a different region but is also part of the Flemish (as well as French-speaking) community. The research starts from an examination of Flemish media, including major newspapers such as De Standaard and De Morgen, local dailies such as Het Belang van Limburg and Gazet van Antwerpen, and weeklies such as Knack and Humo.6 In this way, I created a corpus of articles in which new streets were named and existing street names were debated. I predominantly used these media as a source of factual information, much more than for their editorial stances. Indeed, Flemish media are no longer clearly colored by ideological stances. The coverage of street name debates in the more progressive and left-wing daily De Morgen, for instance, did not substantially differ from the one in the traditionally Catholic, but nowadays secularized De Standaard. This has several reasons, not only the de-pillarization of the Flemish society (which until the 1960s was divided in Christian, socialist and liberal pillars, each with its own media and civil society associations), but also the fact that the bulk of the newspaper articles appeared in the regional sections rather than on the pages for a national readership. There are more radical media, but they are only published online. Of course, they are also included in the analysis. In a further step, I consulted the municipal council reports of places where street names led to debates and political measures. These municipal councils are the institutions that decide the naming and renaming of streets. This happens in a variety of ways, but overall, a councilor submits a proposition, which is then either immediately discussed and/or voted on, or transferred for further advice to, for instance, local historians, cultural circles, special commissions, and even inhabitants of the street under discussion. The article consists of four sections. First, I give a general overview of name 6 The journals are accessible via the database gopress.be. The survey is based on 651 articles that were added on basis of a word-search, with the key words ‘straatnaam’ or ‘straatnamen’ (streetname[s]), but also by additional research, for instance on Patrice Pmery Lumumba, the first prime minister of independent Congo (1961).

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changes and major topics of debates regarding street names. Next, I focus on the repercussions in Flanders of the events in Charlottesville, Virginia, in August 2017. In a third section, I analyze the opinions regarding changing or leaving street names of common people via random polls of residents and readers’ letters. Finally, I compare the background and arguments of experts who participated in the media debates.

I.

A general overview

In 2017, at least 236 streets were mentioned in Flemish media either because they had just received a new name or because they were inaugurated. Some of them collectively gained attention, the largest groups being the 40 street name changes in Oudsbergen, the 21 new streets in a new allotment in Jabbeke, and the 11 new streets in the gentrified harbor district of Antwerp. However, most of these streets were spread across the country. In sum, 66 municipalities at 83 different instances named or renamed streets.7 In most of the cases, the naming did not stir much controversy, and only led to short notices in newspapers. There was more debate about the need to rename streets in seven new municipalities that were being created following a decree of 2016 promoting the amalgamation of neighboring boroughs. Almost all of these new municipalities had to change street names to avoid the confusing situation of having two completely separate but identically-named streets in the same community. One of them, Oudsbergen, changed the names in 2017, the others that year only discussed the need to rename streets and the ways in which this would happen (and accordingly are not included in this analysis).8 7 See the full list and further references on https://www.mo.be/sites/default/files/article/at tachment/Nieuwe%20straatnamen%20in%20Vlaanderen.pdf, which is an attachment to a Flemish summary of an earlier version of this article: Idesbald Goddeeris, “Dekoloniseer de Vlaamse straten en pleinen,” Mo*, 17 January, 2018 https://www.mo.be/opinie/dekolonisering (4 March 2019). 8 Oudsbergen (from Opglabbeek and Meeuwen-Gruitrode) already in 2017 renamed 40 streets (included in the figure); the same task was waiting for Aalter (absorbing Knesselaere) with 8 double streets; Pelt (from Overpelt and Neerpelt) with 54 streets; Deinze (absorbing Nevele) with 32 streets; Puurs-Sint-Amands with 5 streets; Kruisem (Kruishoutem en Zingem) with 28 streets; and Lievegem (a merge of Lovendegem, Waarschoot, and Zomergem) with 30 streets. See: JSA, “Discussie over straatnamen,” Het Laatste Nieuws [Gent-Eeklo-Deinze], 14 July, 2017, p. 15; GVB/PATH, “Volksjury moet drie namen voor fusiegemeente overhouden”, Het Belang van Limburg, 18 September, 2017, p. 24; GRG, “Dertien straatnamen verdwijnen na fusie met Deinze,” Het Laatste Nieuws [Gent-Eeklo-Deinze], 9 December, 2017, p. 39; Anonymous, “Geen Stationsstraat meer na fusie,” Het Laatste Nieuws [Gent-Eeklo-Deinze], 12 December, 2017, p. 16; Guy Delforge, “‘Tussenstap voor grotere fusie met Bornem’,” Het Nieuwsblad [Mechelen-Lier], 13 November, 2017, p. 3; Laurens Van Heuverswijn, “‘Zo weinig

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The vast majority of these 236 new street names – 189, or more than 80 % – do not refer to a person. If they do, they mostly honor a local politician (9 streets) or another local figure (18, excluding the ones mentioned in the following sentences). Interestingly, many of them belong to the religious sphere: three saints, two abbots (in Veurne), a Bible specialist (Bocholt), the recipient of a miraculous healing related to Lourdes (Jabbeke), and three local parish priests (Sint-GillisWaas, Westerlo, and Scheldewindeke). The latter paid homage to Pastoor Wacken, who saved 88 people from execution in the First World War. He was not the only WWI hero to have received a street name: Zoersel honored Jozef Hens, who fell in battle in 1917. The Second World War inspired five street names: four parachutists in Kortrijk and a female resistance fighter in Ninove. Finally, four streets were named after historical figures: King William I of the Netherlands (which between 1815 and 1830 also included Belgium) in Ghent, Martin Luther (on the occasion of the 500th anniversary of his Ninety-five Theses) in Antwerp, Margaret of Austria (governor of the Netherlands in 1507–15 and 1519–30) in Mechelen and Margaret of Parma (governor of the Netherlands in 1559–67) in Beveren (where an entire neighborhood has streets referring to the Dutch Revolt). Apparently, apart from local figures, the sixteenth and the twentieth century fascinated people most. This does not mean that street names were never subject of debate. On the contrary, once in a while discussions erupted. Their subjects can be categorized in three fields: gender, colonial history, and the Second World War. None of these debates were new in 2017. The underrepresentation of women in street names had already been brought up twenty years earlier. The Hasselt mayor in 1998 suggested planners should follow a “zipper” system in denominating new streets and alternate their names from male to female, and the Ghent city authorities in 2009 decided to give more priority to female street names.9 In the course of 2017, the gender balance of street names continued to occasionally make headlines. In April, Ixelles decided to name a series of new streets after women; in May, the Antwerp municipality of Kontich also deliberately opted for a female street name; and in November, a Brussels action group, Women Into The Street, stuck new plaques with famous mogelijk straatnamen veranderen’,” Het Nieuwsblad [Vlaamse Ardennen – Gentse Rand], 16 December, 2017, p. 1; JSA, “Dertig straten krijgen nieuwe naam,” Het Laatste Nieuws, 1 December, 2017, p. 18. 9 Michiel Martin, “Een plein voor Dora, maar ook voor H8lHne,” De Morgen, 7 December, 2017, p. 12. The Ghent policy was not entirely successful: the number of female street names had doubled over eight years, but there were still five times more male street names in 2017, also because some men whom the city urgently wanted to honour had received priority. See: TSA, “Aantal straten vernoemd naar een vrouw verdubbeld,” Het Nieuwsblad [Aan Gent gebonden], 24 October, 2017, p. 3.

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women’s names over official street name plaques of 58 streets in Brussels to denounce the male dominance of public space.10 The city of Antwerp, however, received the most media attention when it in December compiled a list of 58 women after whom a street could be named in the future. The mayor, Bart De Wever (N-VA), explained that 29 % of Antwerp’s street names referred to a person, of whom 93 % were men. As a result, only 2 % of the streets are named after women.11 The measure led to similar conclusions concerning other Flemish cities. In five Limburg cities, an average of 13 % of the streets referring to persons were named after women, and in Mechelen, there were only 18 female streets, versus more than 100 male ones.12 Most importantly, in all of these places, the local authorities acknowledged the problem and promised to tackle it. The issue of female street names did not spark controversy. Society agreed that men and women deserved an equal space. Colonial street names were a similar lingering issue. Colonial references in the public space had increasingly been criticized since the beginning of the century, after new publications revealed details on Leopold II’s rule in the Congo Free State (1885–1908) and blamed the Belgian government for complicity in the assassination of Patrice Lumumba in 1961.13 Protesters repeatedly vandalized monuments of Leopold II all over the country (for instance the one in Ostend in April 2004; in Ekeren in December 2006, June 2007 and November 2009; in Brussels in September 2008, July 2010 and December 2013; in Namur in June 2011).14 Street names were also targeted, not only via the above-mentioned campaign to name an unnamed little square in Ixelles after Lumumba, but also through criticism of colonial street names. In several cities, local politicians made a plea to rename Leopold II streets (for instance in Bruges in April 2004, Sint-Truiden in June 2010, Sint-Niklaas in August 2010 and Kortrijk in September 2014).15 At other places, activists hung plates with new names on con-

10 AMG, “Vrouwelijke straatnamen,” Het Laatste Nieuws [De ring-Brussel], 1 April, 2017, p. 41; PHDE, “Socialistische Vrouwen willen Ballegeerstraat,” Gazet van Antwerpen [Metropool Zuid], 20 May, 2017, p. 31; DCFS, “Marollen krijgen vrouwelijke straatnamen,” Het Laatste Nieuws [De ring-Brussel], 10 November, 2017, p. 43. 11 Patrick Van de Perre, “Slechts 2 % van straatnamen verwijst naar een vrouw,” Gazet van Antwerpen, 6 December, 2017, p. 8. 12 Thomas Jansen, “Moeder Teresa verdient een straat,” Het Belang van Limburg, 7 December, 2017, p. 10; Ward Bosmans, “We willen graag meer straten naar vrouwen vernoemen,” Gazet van Antwerpen [Mechelen], 7 December, 2017, p. 17. 13 Especially Adam Hochschild, King Leopold’s Ghost: A Story of Greed, Terror, and Heroism in Colonial Africa (Boston: Houghton Mifflin, 1999) and Ludo De Witte, The Assassination of Lumumba (London: Verso, 2001 [Dutch orig. 1999]). 14 For more details, see Goddeeris, “Square de L8opoldville”, 356–357. 15 Jan Van Belle, “Stad laat wijziging straatnamen met Leopold II onderzoeken”, Het Laatste Nieuws [Brugge-Oostkust], 29 April 2004, p. 13; Dirk Van den Berghe, “Stad bekijkt andere

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tested street names: in March 2010, for instance, the Movement against Racism, Anti-Semitism and Xenophobia (Mrax) called to rename Colonies Street in Brussels into Anti-racism Street.16 The same happened in 2017. In January 2017, on the occasion of the 66th anniversary of the death of Lumumba, Piet Wittevrongel, an artist and politician of a radical local opposition party who was already involved in protests as early as 2004, and Dominique Lubaki, a Congolese who immigrated to Belgium at the age of 35 and has been living in Ostend for 25 years, made a new plea for a Lumumba Avenue in Ostend. They pasted alternative nameplates on the road signs at the Boudewijnplein, the square named after the Belgian king who has been accused of indirect involvement in the assassination of Lumumba.17 However, just as in the previous years and contrary to the debate on males and females being honored in street names, all of these attempts fell on deaf ears. One severed hand from the statue of a black person cheering Leopold II’s equestrian figure in Ostend has not been restored, and some monuments received contextual signage, but Belgium has to date not removed any colonial statue or established a monument for a Congolese victim of or fighter against Belgian colonization. The country inaugurated its first Lumumba Street and Square as late as in 2018. The third street name debate held in 2017 – though also begun earlier – was more particular and was concentrated on one single person: Cyriel Verschaeve (1874–1949). Verschaeve was a Flemish priest and later also a celebrated writer who became famous during the First World War for his actions in favor of Flemish soldiers. In the interwar period, he was an icon of the Flemish movement, but in the Second World War Verschaeve, just as many leaders of the Flemish movement, was radicalized. Subscribing to the integration of Flanders in a huge German empire, he supported SS Vlaanderen and DeVlag (GermanFlemish Labor Community), was key in the recruitment of Flemish soldiers for the eastern front, and in the summer of 1944 even had a personal meeting with Heinrich Himmler. He fled to German and then Austrian territory in 1944, was sentenced to death by a Bruges court-martial in 1946, but died in Tirol in 1949. Verschaeve, in other words, stood for intellectual and factual collaboration with naam voor Leopold II-straat”, Het Nieuwsblad [Kortrijk-Waregem-Menen], 10 September 2014, p. 23; Goddeeris, “Square de L8opoldville”, 358. 16 Hugues Dorz8e, “La rue des Colonies ‘d8baptis8e’ pendant la Semaine d’actions contre le racisme”, Le Soir [Brabant wallon], 18 March, 2010, p. 10. 17 EFO, “Actie voor Lumumbalaan aan beeld Boudewijn,” Het Nieuwsblad [Oostende-Westhoek], 18 January, 2017, p. 2; TVA, “Noem een straat naar Lumumba,” Het Laatste Nieuws [Middenkust, Westkust], 18 January, 2017, p. 19. About Wittevrongel in 2004: Goddeeris, “Square de L8opoldville,” 358. About Lubaki, see: Annette Roels, “‘Kunst houdt me dichter bij mijn roots’ (Interview met Dominique Lubaki),”, https://kifkif.be/cnt/artikel/kunsthoudt-me-dichter-bij-mijn-roots-interview-met-dominique-lubaki-1132 (18 December 2017).

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Nazi Germany and its most extreme wing, and as such remained an important symbolic figure. In 1973, members of the extreme right Flemish Militants’ Order (VMO) exhumed his body in Austria and reburied it, under a layer of armored concrete, in the Western Flemish village of Alveringem, where he had served as a priest.18 Today, Verschaeve is still honored in street names in six provincial towns or municipalities. There are Cyriel Verschaeve streets in Marke (a borough of Kortrijk, in the province of Western Flanders), Lanaken (in the northeastern province of Limburg) and Puurs (in the province of Antwerp), Cyriel Verschaeve avenues in Zoersel (equally in Antwerp) and Kapelle-op-den-Bos (in Flemish Brabant), and a Cyriel Verschaeve Square (and museum) in Alveringem. The street in Puurs was named in 1937, when Verschaeve had just received an honorary doctorate from the University of Hamburg. This was a clear political statement: the then mayor was a Flemish nationalist who after the war would be condemned to four years in prison for collaboration with the Nazis.19 Other Cyriel Verschaeve streets emerged much later and in a much less political context of commemoration, such as in Lanaken in the early 1970s or in Zoersel in 1981, where they were established in newly built neighborhoods among other streets named after Flemish writers.20 The case of Cyriel Verschaeve streets is remarkable in the context of the broader politics of history and should be understood by the particular way in which the Flemish movement dealt with its war past. As recent scholarly work revealed, the Flemish movement represented collaborators as idealists and was more critical of the excesses of the resistance during the war and the repression of the collaboration immediately afterwards. As a result, Flemish nationalist and Christian democratic circles for a long time saw collaborators as victims or even heroes. Collective memory only shifted in the 1980s and the 1990s, inter alia in the context of the rise of the extreme right party Vlaams Blok.21 Street names, however, prevailed. There are more examples, such as the Joris Van Severen

18 Romain Vanlandschoot, “Cyriel Verschaeve,” in Nieuwe Encyclopedie van de Vlaamse Beweging, edited by Reginald de Schryver et al., 3277–3283. 19 Jeroen De Preter, “Domweg gelukkig, in de Cyriel Verschaevestraat,” Knack, 29 March, 2017, p. 92; Emmanuel Vanbrussel, “Albert Moortgat, de dubieuze grootoom,” De Morgen, 12 February, 2005, p. 4. 20 Timmie Van Diepen, “Weg met de Verschaeve-straat,” Het Belang van Limburg, 11 February, 2017, p. 14; Kristin Matthyssen, “De meeste jongeren hebben nog nooit van Verschaeve gehoord,” Gazet van Antwerpen [Metropool Noord], 31 March, 2017, p. 15. 21 Koen Aerts, “Scherven van de oorlog: de strijd om de herinnering aan de Tweede Wereldoorlog 1945–2010,” Journal of Belgian History 42 (2012)2–3, 322–326; Koen Aerts, “De bestraffing van de collaboratie na de Tweede Wereldoorlog: beeldvorming en onderzoek,” Bijdragen tot de eigentijdse geschiedenis 21 (2009), 55–92.

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Street in his birth place Dentergem. Van Severen was the leader of the fascist party Verdinaso and assassinated in May 1940. One Cyriel Verschaeve Street that is particularly contested is located in Puurs, less than 2 kilometers from the Fortress of Breendonk, which the Nazis used as a labor and transit prison. This has since 1994 led to regular protest, inter alia from Green party politicians, local historians and academics. The municipality – ruled by an absolute majority of Christian democrats – in 2014 took a poll of the street’s residents, but 90 % opposed a name change. After a new motion in November 2016, the college of mayor and aldermen (i. e. the municipality executive) decided to organize a new poll. This caused much vexation among the opposition. A councilor of the (moderate) Flemish nationalist party N-VA called this “stalking” a “futility” and stated that his party had done an inquiry itself and had found out that 22 of the 23 households in the street were against a change. His colleague from the (extremist) Flemish nationalist party Vlaams Belang considered the fact that “Verschaeve was a criminal and the street name is contested” as “pertinent lies” and downplayed the protest as coming “from a small intolerant extreme left club” of “inquisitors”. The opposition also protested the fact that the decision was made by the municipality executive and that the council was not even granted inspection of the poll question(s) and the accompanying letter. The majority, however, decided to have a poll and to respect its results. Three months later, in May 2017, the mayor announced to the press that the case was closed and the name would not be changed.22

II.

The echoes of Charlottesville

In August 2017, the colonial and Verschaeve streets were once again subject to societal debate. This time, it happened simultaneously and on a national scale, being stirred up by events in Charlottesville, Virginia, where American far right marchers on 11 and 12 August demonstrated against the removal of a statue of the Confederate general Robert E. Lee. The rally made international headlines because it led to violent clashes with counter-protesters, leaving dozens injured and one dead, and because President Trump reacted ambiguously. Importantly, these Charlottesville riots also fanned the debate in Flanders.

22 Puurs Municipality Council, 21 November 2016 and 6 February 2017, https://www.puurs.be/ thema/2264/gemeentebestuur (8 March 2019); PP, “EnquÞte rond Cyriel Verschaevestraat op komst,” Gazet van Antwerpen [Mechelen], 3 February, 2017, p. 16; EDT, “Gemeente organiseert enquÞte over naamswijziging Cyriel Verschaevestraat,” Het Laatste Nieuws, 8 February, 2017, p. 21; PP, “Cyriel Verschaevestraat blijft,” Gazet van Antwerpen [Mechelen], 11 May, 2017, p. 19.

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At least three municipalities renewed discussion of colonial street names.23 In Ostend, municipal councilor and Green party member Collins Nweke once again proposed the establishment of a Lumumba Square. The socialist mayor of Ostend replied that he and his party were favorably disposed to the idea but that this new name did not find great societal support and that they did not want to spark polarization. As a result, they abstained from voting and referred to loyalty to their coalition partners, the liberals and the Christian democrats, who did not want to revise their general standpoint of not renaming colonial street names.24 In Mechelen, the socialist councilor Farid Bennasser issued a request to rename the Vankerckhovestraat, named after a close collaborator of Leopold II who committed “numerous atrocities” during military expeditions in the Congo Free State.25 His fellow party member Sophie Bollen suggested to name it Boali Van Ekongolo Street. Bollen introduced Boali as a Congolese woman and an icon of Leopold II’s regime. She had resisted being raped by a guard and had a foot chopped off as punishment. There was possible confusion with another Boali, who in 1904 was killed and cannibalized by members of the private militia of the Anglo-Belgian India Rubber Company. Her hand and foot – the only parts of her body that remained – were used in an iconic photograph that helped trigger the international criticism against Leopold II.26 Just as in Ostend, the mayor principally did not reject the demand, but in practice was more ambivalent and emphasized that the meaning behind street names could change. Using the example of Penny Lane, initially named after a slave trader but today associated with The Beatles, he argued that names could be given a new interpretation without the necessity to rename. In addition, he suggested not to limit the debate to the municipality council, but to also involve the general public.27 This, however, was a tactical move: in fact, the issue was only debated in the media and only accepted as an undiscussed side note at the municipality council of 5 September

23 In some other cities, debates were immediately silenced. For instance, a journalist asked the Sint-Truiden mayor about the Leopold II Street in his city, but he stated that there were no plans to change this since “we don’t want to import a foreign problem into our province.” Timmie van Diepen and Mohamed Laghmouch, “Moet na Verschaeve ook Leopold II wijken?,” Het Belang van Limburg, 19 August 2017, p. 2. It is unclear which foreign problem the mayor was referring to: the colonial past or the riots in Charlottesville. 24 EFO, “Bijna doorbraak voor Lumumbaplein,” Het Nieuwsblad [Oostende-Westhoek], 31 August, 2017, p. 2. Nweke is of Nigerian origin and settled in Belgium in 1993. 25 Mechelen Municipality Council, “Vraag omtrent omstreden straatnamen en openbare monumenten. 31 August 2017,” 5 September, 2017 https://www.mechelen.be/5-f-bennasser– omstreden-straatnamen-en-openbare-monumenten-vraag (4 March 2019). 26 Sven Van Haezendonck, “Noem straat naar slachtoffer Leopold II,” Het Nieuwsblad [Mechelen-Lier], 19 August, 2017, p. 1; Edmund Dene Morel, King Leopold’s Rule in Africa (London: W. Heinemann, 1904). 27 Van Haezendonck, “Noem straat,” p. 1.

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2017. The issue of colonial street names did not come back when the Mechelen municipality council discussed new street names on 28 November.28 In Anderlecht, one of the municipalities of the Brussels Capital Region, the green party Ecolo-Groen brought in a resolution to denounce the colonial glorification of Colonial Veterans Square, which honors – as the nameplate states – the “collaborators of the acquisition of the Congo between 1876 and 1908”, and Sergeant De Bruyne Street, named after a Belgian officer who was killed by Arabic slave traders in Congo. The party explicitly referred to the events in Charlottesville as an inspiration: its members had earlier discussed the problematic naming of the squares but only now found the momentum to call for a revision. They initially wanted to rename the streets, but agreed to a compromise proposed by the mayor : adding more contextual explanation at the site and looking for a name of a person that could be honored in the public space for his contribution to human rights. The municipality council unanimously supported this motion and created an ad hoc working group of councilors and historians to prepare proposals. These were to be presented in January 2018, but the topic did not reappear in the council for the whole of 2018 and only came back in the administrative agreements of the new coalition following the elections of October 2018.29 Anderlecht reacted in a different way than the two other cases, Ostend and Mechelen. A possible reason for this difference may be the multicultural and French character of the Belgian capital, of which Anderlecht was part. The presence of much larger groups of representatives (and voters) of non-Belgian origin in Brussels made the Anderlecht municipality council more sensitive to the topic and aware of steps to be taken in practice. The French language used in the council opened the door to the predominantly French-speaking Congolese diaspora, and one of its organizations, the Collectif M8moire coloniale, participated in the council debate. This is completely different from Flanders, where the Collectif does not have a strong foothold. Flemish media did not cover any of its activities in 2017 and did even not pay attention to the resolution and debate in

28 See Mechelen municipality council, reports of 26 September ; 24 October 2017; 28 November 2017; 19 December 2017, https://www.mechelen.be/zittingen-gemeenteraad and, more particularly, Mechelen municipality council, agenda and conclusions of 28 November 2017, https ://www.mechelen.be/agenda-publiek-website-28-november-2017, https://www.me chelen.be/uittreksel-gr-28-11-2017–punt-41 (4 March 2019) and https://www.mechelen.be/ uittreksel-gr-28-11-2017–punt-42 (4 March 2019). 29 Belga, 22 August and 28 September, 2017; Anderlecht Municipality Council, 28 September 2017, p. 265–269 https://publi.irisnet.be/web/download?pubKey=P2f77e16f-d27b-4aa4a35b-682320c589dd, via https://www.anderlecht.be/nl/de-gemeenteraad (4 March 2019); information by the local Socialisty party member Bieke Comer (December 2018).

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Anderlecht (which only led to communiqu8s by the press agency Belga) or to debates about the colonial public space in French-speaking Belgium.30 In addition to colonial streets, the Charlottesville riots also flamed the debate on Cyriel Verschaeve streets. This time, the small municipality of Lanaken, near the border with the Netherlands, took the lead. On 17 August 2017, a day after the memory debate in the US had reached Flemish media, the Lanaken mayor Marino Keulen declared that the street name had to disappear. The liberal politician had learned from the mistakes of his Puurs colleague some months earlier and also had more political experience, being a Member of the Flemish Parliament and having served as minister between 2003 and 2009. Keulen indeed acted alone: his municipal coalition voted down a resolution by the extreme right opposition party Vlaams Belang to have a debate within the municipality council and a referendum among the inhabitants.31 Instead, the mayor declared to the media that he did not want to leave the choice to the inhabitants but was “going to make them clear on what the name stands for” and unilaterally decided that the name had to change.32 For the new name, he only allowed the residents of the street to choose between three female writers: the 13th-century mystic Hadewijch, the early 20th-century poet Alice Nahon, and the Jewish diarist Anne Frank, who died in a German concentration camp. Interestingly, no immediate link with the Second World War was made and no option was given to, for instance, resistance fighters: the Cyriel Verschaeve Street was located in a neighborhood of streets named after writers, and since most of them were men, a woman was the logical choice. Two months later, on 27 October, the mayor announced that 54 of the 74 occupants older than 16 had participated in a poll and that 38 of them had voted for an Anne Frank Street. Keulen pushed ahead, giving one month for a final public inquiry and deciding to close the file in December. He also promised to pay 170 euro to every household to reimburse the expenses. In so doing, he sparked a concern among the street’s inhabitants,

30 Apart from the above-mentioned name change in Charleroi was Mons, which in September 2017 was the first to install a plaque honoring Lumumba and his struggle for independence. The plaque was installed in the porch of the town hall (next to an existing plaque paying tribute to the Belgian colonizer, which was not removed). See: Ugo Petropoulos, “Mons: les mains coup8es s’agrippent / la statue de L8opold II,” L’Avenir, 13 September, 2017, https:// www.lavenir.net/cnt/dmf20170913_01054469/mons-les-mains-coupees-s-agrippent-a-la-sta tue-de-leopold-ii (8 March 2019); Ugo Petropoulos, “Patrice Lumumba aura sa plaque comm8morative / Mons,” L’Avenir, 7 November, 2017, https://www.lavenir.net/cnt/dmf2017 1107_01081684/patrice-lumumba-aura-sa-plaque-commemorative-a-mons (8 March 2019). 31 See Lanaken Municipality Council, reports, 28 August, 2017, http://www.lanaken.be/Be stuur/Gemeenteraad/Verslagen (20 December 2018). 32 Anonymous, “Burgemeester Lanaken wil straatnaam van collaborateur uit WOII weg,” Belga, 17 August, 2017, [via academic.gopress.com (8 March 2019)].

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namely about the financial cost of the name change. Nevertheless on 18 December, the Lanaken municipality council endorsed the name change.33 Other municipalities did not follow Lanaken. Puurs was bound to its own decision of a couple of months prior, and mayors of other places explicitly expressed their objections against renamings as a means of history politics. The mayor of Alveringem called Verschaeve “part of our past” and wondered if one needed “to erase our entire history”. The mayor of Kapelle-op-den-Bos responded to media debates that the issue has not interested his citizens “for the time being”. The mayor of Kortrijk also referred to the inhabitants’ opinion in explaining the city’s memorial decisions: “they prefer we let bygones be bygones.”34 The last reaction in particular is remarkable: Kortrijk’s mayor Vincent Van Quickenborne is, like Marino Keulen, a senior member of the liberal party and a former (federal) minister. His competent alderman, however, is from the Flemish nationalist N-VA. Although the party has officially distanced itself from the Flemish movement’s collaboration with Nazi Germany, this still was a more sensitive issue. When Lanaken in October 2017 decided to rename Cyriel Verschaeve Street to Anne Frank Street, the N-VA opposition called this “Spanish conditions, in which the people’s will is not respected” (referring to the events in Catalonia unfolding in those weeks). When the renaming took effect in Lanaken in December, an N-VA councilor even called Verschaeve a “visionary” and a “genius”.35 The N-VA is also part of the coalition in Alveringem; Puurs and Kapelle-op-den-Bos are ruled by Christian democrats, who in the decades after WW II were also little critical about Belgian collaboration with NS-Germany. Lanaken, in contrast, is ruled by liberals, socialists, and the Green party. This may certainly account for the name change there.

33 Anonymous, “Lanaken wijzigt Cyriel Verschaevestraat in Anne Frankstraat,” Belga, 27 October, 2017; Guido Kerckhoven, “Cyriel Verschaevestraat wordt Anne Frankstraat,” Het Belang van Limburg, 28 October, 2017, p. 30; See Lanaken Municipality Council, Reports, 18 December 2017, http://www.lanaken.be/Bestuur/Gemeenteraad/Verslagen (20 December 2018). 34 Joost Freys, “Cyriel Verschaeve was een nazi. Weg ermee,” Het Nieuwsblad, 18 August, 2017, p. 8; LPS, “Omstreden dichter Cyriel Verschaeve houdt straatnaam,” Het Laatste Nieuws [Leiestreek], 19 August, 2017, p. 37; Myrte De Decker, “‘Moeten we onze hele geschiedenis uitwissen?’,” De Standaard, 18 August, 2017, p. 13. 35 WJL, “Cyriel Verschaeve- wordt Anne Frankstraat,” Het Laatste Nieuws [Limburg], 28 October, 2017, p. 43; Mark Dreesen, “Fluitconcert voor behoud Verschaevestraat”, Het Belang van Limburg, 20 December, 2017, p. 18.

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III.

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Street polls and readers’ letters: debates among the general public

However, it was not only political antagonism – as in the case of Verschaeve – or linguistic identities – as in the case of colonial street names – that accounted for the different outcomes of the question whether to rename streets or not. The media debates that erupted in the wake of the Charlottesville also had an impact on the unfolding of political discussions and declarations. The chronology of the debates and their relationship with political decisions, as well as the composition of coalitions – and more precisely the homogeneity or heterogeneity of experts’ opinions – mirrored a difference in Flanders’ dealing with the Second World War and with the Belgian colonial past. On the surface, opinions did not essentially diverge. Journalists from different newspapers went both to Vankerckhove Street in Mechelen and to Verschaeve streets in different places to gauge the public opinion on the proposed name change.36 They systematically met with different reactions but, when comparing the various polls, the arguments and their variety showed similarities. Quite a number of respondents did not know who Verschaeve or Vankerckhove were. They were surprised about the campaigns and had never heard any complaints. Many people opposed name changes, and for varied reasons: it came too late, it led to new bureaucracy, it had been decided without having consulted the inhabitants, or the alternatives were worse. Anne Frank, one said, “recalls the gas chamber”.37 The Mechelen branch of the liberal and free-thinking Flemish socio-cultural association Willemsfonds argued that the city should not wipe out its history and instead called for a nuanced dealing with the past. It objected renaming, calling it a “new Iconoclastic Fury” (comparing it to the Iconoclastic Fury, the massive destruction of religious images in the 16th century) and drew on other examples to argue that such a change would easily lead to more and more requests. The involvement of Charles V and his violent conquistadores Hern#n Cort8s and Francisco Pizarro in colonial expansion, for instance, as the association em-

36 These were random polls, about which they did not give many details, for instance regarding the number, age, sex of the respondents or the questions they asked. 37 Kristin Matthyssen, “De meeste jongeren hebben nog nooit van Verschaeve gehoord,” Gazet van Antwerpen [Metropool Noord], 31 March, 2017, p. 15; Timmie Van Diepen, “Het had eerder moeten gebeuren,” Het Belang van Limburg, 18 August, 2017, p. 8; Rik Van Puymbroeck, “Een heel klein beetje oorlog om een ‘foute’ straatnaam,” De Morgen, 30 October, 2017, p. 7; Wannes Vansina, “Van Kerckhoven beging talloze wreedheden in Congo,” Het Laatste Nieuws [Mechelen-Lier], 19 August, 2017, p. 39.

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phasized, could easily lead to a discussion of the moral legitimacy of a statue and local beer (Carolus) named after him.38 The events in Lanaken inspired readers, who rejected the renaming, to write letters to major Flemish newspapers.39 One author emphasized that Verschaeve “had been a hero in WWI”, wondered if a mayor does not have other priorities, and suggested that this was his personal decision and not supported by his population. Another one thought that better education on the Second World War was a much more effective strategy to update collective memory. Just as the Willemsfonds in Mechelen, many authors listed a number of other historical figures honored with monuments or street names but no longer “politically correct”. Next to Charles V, they came up with Ambiorix (a resistance fighter against Caesar), Godfried van Bouillon (a crusader) and Napoleon (who has a statue in Waterloo). They especially targeted commanding officers from the First World War, particularly the French Marshal Ferdinand Foch and the British Field Marshals Douglas Haig and John French. This is no coincidence. On the one hand, the Foch Square in Leuven had already been the subject of debate. The Leuven mayor in 2006 labelled the Supreme Allied Commander during the First World War a mass murderer who had driven hundreds of thousands of young men to their death in pointless attacks. In 2012, the name of the square was changed.40 On the other hand, there had been a small media storm a couple of weeks earlier after a new restaurant in Ypres, one of the major battle fields of WWI, had taken the name of Iepereat – translating both to “Ypres eats” and “yperite”, a synonym of mustard gas. In the debate that followed, people had also questioned the celebration of war commanders.41 Importantly, African migrants’ did not participate in the debates in major print media. Their voices were only heard in left-leaning or globally oriented internet journals, such as Apache, De wereld morgen, and MO*.42 These more

38 KVRO, “Geen ‘beeldenstorm’ in onze stad,” Gazet van Antwerpen [Mechelen], 21 August, 2017, p. 13. 39 Paul LariviHre in Het Nieuwsblad, 21 August, 2017, p. 8; Fred Vandenbussche in Humo, 22 August, 2017, p. 60; Bert Vereecken in Het Nieuwsblad, 22 August, 2017, p. 12; Armand Van Nimmen in Knack, 13 September, 2017, p. 106. 40 SPS, “Leuven houdt vast aan naamsverandering Fochplein in Rector De Somerplein,” Belga, 29 August, 2011, [via academic.gopress.com (8 March 2019)]; Klaas Debacker, “Waarom maarschalk Foch een plein in Leuven kreeg (en het hem nadien weer afgepakt werd),” De Standaard, 7 July, 2014, http://www.standaard.be/cnt/dmf20140704_01167971 (8 March 2019). 41 See the readers’ letters by Paul Durnez in Krant van West-Vlaanderen [West], 4 August, 2017, p. 13, and by Francis Cauwels and Jozef Michielsen in Het Laatste Nieuws, 2 August, 2017, p. 32. 42 StampMedia Jongerenpersagentschap, “Leopold II? ‘Het debat moet op verschillende niveaus gevoerd worden’,” De Wereld Morgen and MO*, 18 August, 2017, http://www.dewereld

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specialized media went onto the streets to ask young migrants about their thoughts on Leopold II statues. They also were the only ones to offer a forum for opinion articles by and interviews with non-white Belgians or Belgian activists.43 All these opinion-makers univocally ventilated criticism of and frustration with the overall recollection of Leopold II. His monuments hurt, shocked and did not allow wounds to heal. Removal was not even sufficient to receive recognition and restore justice. Education and youth work, as well, had to create awareness and inform appropriately. Society had to embark on a decolonization of the mind. According to Marius Dekeyser from Hand in Hand, an organization campaigning against racism, statues and street names “are not the essence of the problem, [but] a visible expression of a much broader range of colonial ideas and power relations that to date keep leading to structural racism.”44

IV.

Interviews and opinion articles: debates among experts and journalists

African voices were neglected, but residents’ opinions and readers’ letters did not have a decisive impact either. Journalists and experts steered the debate, as its chronological reconstruction makes clear. On 16 August, the progressive newspaper De Morgen put the issue of the contested public space in Belgium on the agenda. Picking up on the protests in Charlottesville, it dedicated its title page to a discussion of the statues of Leopold II in Belgium.45 Importantly, De Morgen focused on the postcolonial debate and on statues, not street names. This as-

morgen.be/artikel/2017/08/18/leopold-ii-het-debat-moet-op-verschillende-niveaus-ge voerd-worden (8 March 2019). 43 For instance: Dyab Abou Jahjah, “Geen radicale gelijkheid zonder dekolonisatie,” De Wereld Morgen, 21 April, 2017, http://www.dewereldmorgen.be/artikel/2017/04/21/geen-radicalegelijkheid-zonder-dekolonisatie (8 March 2019); Steven Vanden Bussche, “Kunstenaars laten Congolezen spreken over kolonisatie,” Apache, 24 November, 2017, https://www.apache.be/ 2017/11/24/kunstenaars-laten-congolezen-spreken-over-kolonisatie/?sh=4543ac7b28dcdae 931631-997090934 (8 March 2019); Olivia U. Rutazibwa, “Het einde van de witte wereld,” MO*, 20 December, 2017, https://www.mo.be/essay/het-einde-van-de-witte-wereld-een-de koloniaal-manifest (8 March 2019). 44 Marius Dekeyser, “Koloniale standbeelden verwijderen of duiden noodzakelijk maar onvoldoende. Dekoloniseren gaat over het racisme in de 21ste eeuw,” MO*, 23 August, 2017, Koloniale standbeelden verwijderen of duiden noodzakelijk maar onvoldoende. Dekoloniseren gaat over het racisme in de 21ste eeuw (8 March 2019). 45 Anton Goegebeur and Ewoud Ceulemans, “‘Foute’ standbeelden wankelen op voetstuk,” De Morgen, 16 August, 2017, p. 1. I was interviewed for this article, and my opinion was quoted by other journalists in the following days. However, I did not actively participate in the debate before January 2018, when I wrote an opinion article based on the conclusions of this contribution (Goddeeris, “Dekoloniseer”).

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sociation was logical: a statue sparked the events in the U.S. and colonial monuments in Belgium had been critically targeted in the previous years. On the next day, Herman Van Goethem, the rector of the University of Antwerp who had been the first curator and director of the Kazerne Dossin (the memorial, museum and documentation center about the Holocaust and Human Rights in Mechelen), wrote an op-ed in the same newspaper. He explicitly shifted from colonial monuments to the Second World War. After a short introduction, he wrote: “memory policy requires national debates, but these are almost nonexistent in Belgium. Not only the colonial past, but also the Second World War is a difficulty.” He dedicated the rest of his article to the present dealing with collaboration and resistance during WW II. He also came back to the events in Puurs in the spring of 2017, where residents in a referendum voted down the proposal to rename Verschaeve Street. According to Van Goethem, “a mayor does not need to ask the local population in a referendum if that street name has to disappear, he has to make that political decision himself.”46 This was an important step that did not go unheeded. On the very same day Van Goethem published his op-ed, the Lanaken mayor Marino Keulen issued a press communiqu8 in which he announced the renaming of the Cyriel Verschaeve Street in his municipality.47 In other words, Van Goethem’s text had a double effect. First, it directly inspired the single one street renaming in 2017. Second, it also broadened the debate from colonial statues to other contested references in public space, namely street names honoring a Nazi collaborator. In the following days, other newspapers joined the discussion and also dedicated space to the question of renaming streets. However, two different debates unfolded. The journalists and experts that voiced their opinion on Verschaeve constituted one united front that did not beat around the bush in their assessments. Bruno De Wever, a historian at Ghent who specializes in the collaboration during the Second World War, called Verschaeve “a poet who used his pen in the service of National Socialism.”48 His Antwerp colleague Marnix Beyen characterized Verschaeve as a “radical anti-democrat who was entirely under the spell of [racial] purity thinking”.49 Koen Aerts, a Ghent postdoc who had written a dissertation on the memory of Belgian collaboration with NSGermany, compared Verschaeve with Fouad Belkacem, a Belgian Muslim fun46 Herman Van Goethem, “Waarom voeren we geen nationaal debat over monumenten?”, De Morgen, 17 August, 2017, p. 2. 47 Anonymous, “Burgemeester Lanaken wil straatnaam van collaborateur uit WOII weg,” Belga, 17 August, 2017. 48 Bruno Struys, “Vlaanderen worstelt met duister verleden,” De Morgen, 18 August 2017, p. 3. 49 Jeroen De Preter, “Domweg gelukkig, in de Cyriel Verschaevestraat,” Knack, 29 March, 2017, p. 92. This article appeared earlier, on the occasion of the referendum in Puurs, but also illustrates the homogeneous coalition, giving the floor to De Wever, Beyen, and Aerts.

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damentalist of Moroccan origin who in 2010 founded the organization Sharia4Belgium and had been sentenced to several prison terms, inter alia of 12 years in 2015, for his extremism and violence. According to Aerts, both Verschaeve and Belkacem were “preachers of hatred”.50 Little wonder, all these academics questioned the existence of Verschaeve streets. Regarding the colonial past, however, the coalition was less homogeneous, both in terms of experts’ background and in the opinions they voiced. Whereas historians specialized in the Second World War monopolized the experts’ voice in the Verschaeve debate, a much more diverse group of academics took the floor in the postcolonial debate: inter alia Guido Gryseels (an agricultural economist and the director-general of the Royal Museum of Central Africa in Tervuren), Mark Van den Wijngaert (a retired professor of history and the authority on the history of the Belgian royal dynasty), Filip Reyntjens (a professor of law and politics specialized in Rwanda), and Bram Vannieuwenhuyzen (a professor of urban space and historical cartography). In other words, it was not colonial historians but other academics, specialized in Belgian history or contemporary Africa, who dominated the debate on colonial references in the public space. Not surprisingly, their comments were much more moderate than they were on Verschaeve. Van den Wijngaert emphasized the difference between “a sentenced criminal such as Cyriel Verschaeve and a figure like Leopold II”, putting Leopold’s role into perspective (making mention of merits, contrasting him to his henchmen, and suggesting hundreds of thousand rather than millions of casualties), but also recognizing the king’s final responsibility, awareness, persistent ambiguous policy, and extreme profits.51 Antwerp jurist Reyntjens made a rather disputable comparison with the French monarchy : it had also been abolished, but there are still many symbols from that period all over France.52 Moreover, he assumed that education was now sufficiently dealing with the “filthy sides of every colonial system”, ignoring the academic consensus that Belgian education is weak on colonial history,53 as well as the fact that the Belgian 50 Anonymous, “‘Waarom dan geen Belkacemstraat?’ (historicus Koen Aerts),” Belga, 17 August, 2017. This was not a newspaper article, but a press communiqu8 on the very same day of Van Goethem’s opinion article and Keulen’s decision to rename the Verschaeve Street in Lanaken (which is already mentioned). 51 Timmie van Diepen and Mohamed Laghmouch, “Moet na Verschaeve ook Leopold II wijken?,” Het Belang van Limburg, 19 August, 2017, p. 2. 52 Of course, this is true, but the comparison is disputable because there are many more monuments of republicanism and the French monarchs were not responsible for the killing of so many people in such a short time as Leopold II did in Congo. 53 Karel Van Nieuwenhuyse, “Increasing criticism and perspectivism: Belgian-Congolese (post)colonial history in Belgian secondary history education curricula and textbooks (1990present),” International Journal of Research on History Didactics, History Education, and Historical Culture 36 (2015), 183–204.

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colonial system was more extreme than the systems of most other empires.54 He also noted that the Congolese themselves “were much more relaxed about this period” and referred to a recent plan in Kinshasa to re-install a Leopold statue.55 Again, this is a distorting opinion. The statue had indeed been reinstated in 2005, twelve years earlier, but it was removed after a day.56 Moreover, it neglected the actions of African diaspora organizations, which for almost fifteen years had been campaigning against the Leopold II statues and in favor of a Lumumba Square. None of these experts called for a drastic change of the public space. They ignored colonial street names and only reflected on dealing with colonial monuments, at the most subscribing to contextual information plates near the statues. Gryseels considered the removal of monuments as an overkill of intervention and also made the point that there would be no space to store them in case of removal. Vannieuwenhuyzen had other objections. Monuments evoked various interpretations and reactions and “if ‘wrong’ statues were to move to museums, the whole range of possible emotions and interactions disappears.” There were many more controversial monuments and it was difficult to decide who was to judge the question of whether a statue could stay or not. Vannieuwenhuyzen therefore argued to “give people the chance and the freedom to interact with statues in diverse ways. Give them access to statues and let them touch them. Let artists make installations and performances. Provide reading materials to pupils, students, and guides. Give demonstrators the chance to spread their complaints.”57 Some other opinion-makers were more critical of the colonial monuments. Walter Zinzen, a retired specialist of Central Africa at the national TV station, made a comparison with Berlin, where Karl Marx, Rosa Luxemburg, and Karl Liebknecht had not been removed from the public space, but were flanked by other monuments, such as the Berlin Wall Memorial, the Stolpersteine, and the Holocaust Museum. He called Belgians to do the same and to erect monuments for deported Jews or Congolese victims and to create a Lumumba Street or a Nelson Mandela Street.58 Etienne Vermeersch, a retired professor of moral phi54 Robin A. Butlin, Geographies of Empire: European Empires and Colonies c. 1880–1960 (Cambridge: Cambridge University Press, 2009), 434; David B. Abernethy, The Dynamics of Global Dominance: European Overseas Empires, 1415–1980 (New Haven: Yale University Press, 2000), 126 and 158. 55 Paul Verbraeken, “‘Laat die beelden staan, maar zet er duiding bij’,” Gazet van Antwerpen, 17 August, 2017, p. 4. 56 Jeevan Vasagar, “Leopold reigns for a day in Kinshasa,” The Guardian, 4 February, 2005 https://www.theguardian.com/world/2005/feb/04/congo.jeevanvasagar (4 March 2019). 57 Bram Vannieuwenhuyzen, “Haal ‘foute’ standbeelden en straatnamen niet van straat,” De Morgen, 18 August, 2017, p. 26. 58 Walter Zinzen, “Wat Berlijn ons leren kan,” De Standaard, 21 August, 2017, p. 34. The

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losophy and an authoritative voice in ethical questions, did not mince his words: “Of course references to Leopold II and Cyriel Verschaeve must be removed. They are put there to honor them. But they do not deserve this. In the case of Leopold II, we can easily speak of a mass murderer. I put him on the same level as Hitler and Stalin.”59 However, these opinions were overshadowed by others. Rik Torfs, the former rector of the University of Leuven, belittled the debate by stating that Flemish people “excel in blowing up tiny sensitivities” and by putting the request for “streets named after nice people” on the same level with requests for genderneutral toilets, which was also a much discussed topic in 2017.60 Luckas Vander Taelen, an actor, singer, politician and opinion-maker, said that erasing the past is a feature of dictatorial regimes and made a call to “understand the mistakes of the past rather than looking away from them.”61 Eventually, there was only consensus about the Verschaeve streets. Mark Reynebeau, one of the 8minences grises of De Standaard, who in January had condemned the Geraardsbergen municipality council for its dealing with a colonial monument,62 emphasized the complexity of the matter and stated that only Nazism cannot be put into perspective and that Cyriel Verschaeve had to disappear from the public space.63 A seminar at the University of Antwerp concluded “one can better let statues stand” but that street names should be removed. They were not that numerous: “in Flanders, there are hardly any other names of the level of a Verschaeve”.64 However, in doing so, they reduced colonial references to monuments and neglected the abundance of street names that had been installed as a part of the colonial propaganda. Strikingly, all experts that were consulted in the media debates are white and male. People of non-Belgian origin were almost entirely left out. One particular exception was De Morgen’s front page article that connected the Charlottesville

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comparison is deficient for several reasons, though: Berlin does not have streets named after Nazis, and Belgium does have Stolpersteine (several cities), memorials for deported Jews (Antwerp) and for the Holocaust (Brussels), and even a Nelson Mandela Street (Ostend). However, monuments or streets for Congolese are absent, and Zinzen fails to highlight this. Joost Freys, “‘Haal Leopold II weg. Je laat Hitler toch ook niet staan?’,” Het Nieuwsblad, 17 August, 2017, p. 12. Rik Torfs, [column, s.t.], Het Laatste Nieuws, 19 August, 2017, p. 13. Luckas Vander Taelen, “Het ideale borstbeeld,” De Tijd, 19 September, 2017, p. 12. Marc Reynebeau, “Leopolds vloek,” De Standaard, 7 January, 2017, p. 43. Reynebeau criticized both the text (which stated that the monument was no homage to the colonial past – Reynebeau wondered what it then really was) as well as the fact that the municipality council refused a debate. Marc Reynebeau, “In elke historische erfenis horen lusten en lasten samen”, De Standaard, 18 August, 2017, p. 36. Anonymous,“‘De trage dodendans van straatnamen en standbeelden’,” Gazet van Antwerpen, 14 October, 2017, p. 27.

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riots to contested Belgian monuments and accordingly opened the debate. Dalilla Hermans – a politician, writer and anti-racist activist who was born in Rwanda and had been adopted by a Belgian family – was interviewed. She radically opposed the colonial monuments in Belgium.65 In the rest of the debate, however, Congolese and other migrants did not participate. The only other exception that proves the rule was an opinion article in December by Mathieu Zana Etambala, a Congolese who had also been adopted as a child by a Belgian family and works as a historian at the Africa Museum. Etambala did not give Belgian commemoration practices a high importance. He thought that “drugs and unemployment among African youngsters in Belgium are more urgent problems than the removal of statues”, and argued that Congolese leaders should first ask forgiveness to their population before Belgians should apologize for their crimes.66 In other words, he blamed the Congolese for the calamities, denied the unbalanced power relation between white and black, and neglected the opinion of many other Africans in Belgium, which had only been heard in left-leaning or globally oriented internet journals.

V.

Conclusion

In 2017, two coinciding debates on street names took place in the Flemish media: one on colonial references and one on Cyriel Verschaeve, a Flemish nationalist priest who collaborated with the Nazis, was sentenced to death in 1946, but still has six streets named after him. They eventually led to one name change: in the wake of the protest in Charlottesville, the Verschaeve Street in Lanaken was renamed Anne Frank Street. This was possible because the mayor made the decision on his own, unlike his Puurs colleague who earlier that year had consulted the residents in a ballot. But it was also a success because Nazism is much more contested than colonialism and because the two debates were held in an unequal manner. There were indeed important differences between the two debates. First, the extent of attention differed: Flemish media published about a dozen of articles about postcolonial memory and more than thirty about Cyriel Verschaeve. Second, there was a difference between the participants to the debate. Regarding Verschaeve, only academic historians took part. They unanimously confirmed 65 Anton Goegebeur and Ewoud Ceulemans, “‘Foute’ standbeelden wankelen op voetstuk,” De Morgen, 16 August, 2017, p. 1. This may be connected to the more progressive profile of De Morgen, but on the other hand, this daily in the following days and weeks also failed to give the floor to non-white and women. 66 Mathieu Zana Etambala, “Een volk zonder geschiedenis,” De Standaard, 14 December, 2017, p. 37.

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that such street names were improper, which strengthened the public criticism of Verschaeve. Leopold II’s iconoclasts, in contrast, were given the floor far less. Printed media from all ideological profiles interviewed experts of the monarchy or of urban space, but avoided migrants and other dissident voices. Third, the focus was also different. Whereas the Verschaeve campaign targeted street names, the discussion of postcolonial memory only focused on Leopold II statues. Apart from the Vankerckhovestraat in Mechelen and the Colonial Veterans Square in Anderlecht, the dozens, if not hundreds of colonial street names were never part of the discussion. The public debate did not reflect on their abundance, on their original function as part of colonial propaganda, or on Belgium’s uniqueness of having a complete absence of streets named for colonial victims and resistance fighters. This international dimension was also absent in the Verschaeve debate: nobody noticed that streets honoring Nazi collaborators or inspirators also occur elsewhere, for example the Divisijn Azul streets in Spain, the Dr.-Karl-Lueger-Platz, -Gasse and -Strasse in Austria, the Mussolini column in Rome, and the way in which Stepan Bandera is commemorated in Ukraine or Subhas Chandra Bose in India. However, in this way, Belgium’s uniqueness was further distorted, suggesting that no other countries celebrated Nazis, while ignoring the fact that Belgium was the sole former colonial empire that only commemorated the colonizer, and not the colonized. In spite of these diverging debates, the results do not fundamentally differ. At the end of the day, only one street name changed in 2017. Even the homogenous coalition of experts and journalists and their like-minded arguments could not convince local authorities of five municipalities to rename their Verschaeve streets. Flemish nationalist politicians especially resisted such proposals, but other parties, for instance the Christian Democrats, also backed them. Hundreds of new streets were christened in 2017, but nobody sympathized with the case of decolonization. One may therefore safely assume that street name debates will continue to erupt in the near future.

Toni Morant i AriÇo

Straßennamen als Politikum: Der Fall Spaniens nach der Franco-Diktatur

Ende November 2017 befand sich der spanische Ministerpräsident Mariano Rajoy anlässlich eines euro-afrikanischen Gipfels in Ivory Coast und hielt an Bord eines dort stationierten spanischen Kriegsschiffs eine Rede. Vermutlich um seine Verbundenheit mit der Marine zu unterstreichen berichtete er : „Ich wohnte lange Zeit neben der Marineschule in Mar&n, in der Straße Salvador Moreno. Nun, ich weiß nicht warum, hat man der Straße des Admirals Salvador Moreno ihren Namen weggenommen. Naja, ich wenigstens nenne sie weiterhin so.“1 In Wirklichkeit war die Salvador-Moreno-Straße schon fünfzehn Jahre zuvor, 2002, umbenannt worden und trägt seither den Namen der bekanntesten galizianischen Schriftstellerin des 19. Jahrhunderts, Rosal&a de Castro. Was Rajoy in seiner Rede unerwähnt gelassen hatte war der Grund für die Umbenennung der nach Moreno benannten Straße: Ihr Namensträger war 1936 einer der Mitverschwörer im Putsch gegen die zweite spanische Republik gewesen, der in einen blutigen, drei Jahre währenden Bürgerkrieg mündete. Bis zu dessen Ende 1939 zeichnete Moreno verantwortlich für die Beschießung verschiedener republikanischen Küstenstädte von See, 1937 war er mitverantwortlich für den Tod von drei- bis fünftausend Menschen, als seine Schiffsartillerie fliehende Zivilbevölkerung bei M#laga (Andalusien) unter Feuer nahm. Nach dem Krieg war Moreno, der nach § 8.2b.i des Römischen Statuts des Internationalen Strafgerichtshofs (1998) als Kriegsverbrecher gelten dürfte,2 zwölf Jahre lang Marineminister im Francos Kabinett.3 1 Rajoy no „entiende“ que una calle dedicada a un almirante de Franco se rebautizara como „Rosal&a de Castro“, El Mundo, 30. 11. 2017. 2 Nämlich: „Intentionally directing attacks against the civilian population as such or against individual civilians not taking direct part in hostilities“, in: Rome Statute of the International Criminal Court, Den Haag 2011, 6, URL: online zugänglich unter https://www.icc-cpi.int/nr/ rdonlyres/ea9aeff7-5752-4f84-be94-0a655eb30e16/0/rome_statute_english.pdf, https://www. icc-cpi.int/resource-library/Documents/RS-Eng.pdf sowie unter http://legal.un.org/icc/statu te/99_corr/cstatute.htm (abgerufen 4. 1. 2018). 3 Zur Biographie Morenos siehe: Mateo Madridejos, Diccionario onom#stico de la guerra civil. Las fuerzas en presencia, Barcelona 2006, 242.

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Das Unverständnis des spanischen Ministerpräsidenten angesichts der Umbenennung einer Straße, die den Namen einer zentralen Persönlichkeit der Franco-Diktatur getragen hatte, lässt tief blicken. Sie ist nicht nur paradigmatisch für Rajoys persönliche Weltanschauung, (und wohl auch für die Mehrheit seiner konservativen Volkspartei, des Partido Popular, kurz: PP), sondern zugleich auch bezeichnend für Spaniens öffentlichen Umgang mit seiner diktatorischen Vergangenheit im 20. Jahrhundert. Während etwa ein/e deutsche/r SpitzenpolitikerIn mit einer vergleichbaren Äußerung über Admiral Karl Dönitz zweifellos die eigene Karriere abrupt beendet hätte, blieb Rajoys Einlassung folgenlos und war in der Öffentlichkeit bald wieder vergessen. Die vom spanischen Verteidigungsministerium betriebene, an der Rosal&a-de-Castro-Straße gelegene Primar- und Sekundarschule heißt auch weiterhin „Colegio Salvador Moreno“.4 Obgleich zum Missfallen des Ministerpräsidenten war die Moreno-Straße immerhin umbenannt worden. Doch bei diesem Vorgang handelte es sich keineswegs um ein flächendeckendes Phänomen. Die Plazas del Caudillo (Caudillo-, d. h. Führer-Platz) und die Avenidas Jos8 Antonio (Jos8-Antonio-Primode-Rivera-Allee, benannt nach dem 1936 hingerichteten Gründer und Führer der Falange, Spaniens faschistischer Partei) sind auch weiterhin amtlich sanktionierte Realität in vielen spanischen Kommunen. So berichtete im Dezember 2015 die Onlinetageszeitung El Confidencial, dass noch 317 Straßen nach Franco hießen und sogar 373 nach Primo de Rivera. Insgesamt gab es vierzig Jahre nach Francos Tod und 37 Jahre nach der Verkündigung von Spaniens demokratischer Verfassung mindestens 1.171 Straßen in 637 Ortschaften, die an hochrangige Persönlichkeiten der Diktatur erinnerten. Drei Viertel der betroffenen Verkehrsflächen lagen in kleinen Ortschaften mit weniger als 2000 BewohnerInnen in ländlichen Gebieten.5 Die Recherche konzentrierte sich allerdings ausschließlich auf den Namen von nur neun franquistischen Persönlichkeiten, weswegen eine breiter angelegte Studie noch eine wesentlich größere Fallzahl zutage fördern dürfte. Die nachfolgenden Ausführungen fragen nach den Gründen für den geschichtspolitischen Status quo, der in der Benennungspraxis spanischer Straßen, Gassen und Plätze zum Ausdruck kommt. Dafür gilt es, die entsprechenden Spuren bis zur Transicijn zurückzuverfolgen, also bis Spaniens politischem Übergang von der Diktatur zur konstitutionellen Monarchie ab 1975. Zum 4 Direccijn General de Gobernanza Pfflblica (Gobierno de EspaÇa), Centro de Educacijn Primaria y Eso „Salvador Moreno“ (Pontevedra), URL: https://administracion.gob.es/pagFront/ espanaAdmon/directorioOrganigramas/fichaUnidadOrganica.htm?idUnidOrganica=770& origenUO=gobiernoEstado& volver=volverFicha (abgerufen 4. 1. 2018). 5 Franco affln „vive“ en 317 calles de toda EspaÇa; Jos8 Antonio Primo de Rivera, en 373, El Confidencial, 26. 12. 2015.

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besseren Verständnis wird zunächst der politische und soziale Kontext nach Francos Tod skizziert und dargelegt, wie sich diese Entwicklungen symbolpolitisch im öffentlichen Raum niederschlugen. Daran anschließend wird der politische Konjunkturwandel in den 1990er-Jahren untersucht, als eine Generation, die sogenannten Enkel des Bürgerkriegs, neue Fragen an Spaniens jüngste Vergangenheit stellte und sich mit ihrem „Verlangen nach Erinnerung“ zivilgesellschaftlich artikulierte. In diesem Zusammenhang steht auch das Gesetz 52/ 2007 der sozialistischen Regierung unter Jos8 Luis Rodr&guez Zapatero, das sogenannte ,Gesetz zur geschichtlichen Erinnerung‘, das bis heute den (zweideutigen) gesetzlichen Rahmen zum Umgang mit derartigen Symbolen bildet. Hier konzentriert sich die Untersuchung vor allem auf die Fälle Kataloniens, des Baskenlandes und Madrids bis 2015. Drittens und letztens wird auf einen konkreten Fall näher eingegangen, namentlich auf denjenigen von ValHncia, wo die Stadtregierung im September 2017 nach monatelanger Zusammenarbeit mit der Universität ValHncia und nach Vorlage eines historischen Gutachtens 51 Straßen umbenannte.

I.

Die Wiederherstellung der Demokratie und die ersten Umbenennungen, späte 1970er- und frühe 1980er-Jahre

Ein wichtiger Schlüssel zum Verständnis des öffentlichen Umgangs mit der eigenen Vergangenheit in Spanien ist die Transicijn. Dieser Begriff fasst den – jahrzehntelang nach dem Dafürhalten vieler nationaler wie internationaler BeobachterInnen mustergültigen – Übergang von einem jahrzehntelangen diktatorischen System zu einer parlamentarischen Demokratie in den Jahren 1976 bis 1982. Nach allgemeiner Lesart gilt die Transicijn mit dem Sieg der sozialistischen PSOE bei den Parlamentswahlen des Jahres 1982 und der darauf folgenden Regierungsbildung als abgeschlossen.6 Diktator Franco starb Ende November 1975 nach nahezu vierzigjähriger Alleinherrschaft in einem Madrider Krankenhaus. Obwohl die Opposition, vornehmlich getragen von ArbeiterInnen und Studierenden, seit Anfang der 1960er merklich an Stärke gewonnen hatte, war sie (anders als in Portugal 1974) nicht stark genug, um das Regime zu Fall zu bringen. Auf Francos Tod folgte denn auch kein abrupter Bruch, sondern ein politischer Pakt zwischen reformwilligen franquistischen Politikern und der linken, sowie der katalanischen und baskischen Opposition. Das Ergebnis war keine sofortige Wiederherstellung der re-

6 So Santos Juli#, Echar al olvido. Memoria y amnist&a en la transicijn, in: Claves de razjn pr#ctica, 18 (2003), 14–25, hier 14.

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publikanischen Demokratie von 1931, sondern ein jahrelang verhandelter Übergang hin zu einer konstitutionellen Monarchie. Der Umstand, dass die Transicijn ein Aushandlungsprozess zwischen regierenden und oppositionellen Eliten war bedeutete m. E. allerdings keineswegs, dass diese den Rest der Gesellschaft in Geiselhaft genommen oder über die Vorgänge im Unklaren gelassen hätten. Der Tod Francos hatte große Hoffnungen geweckt, zugleich aber auch wohl begründete Sorgen. Im Zentrum stand dabei im In- und Ausland die Angst vor einem neuerlichen Bürgerkrieg.7 Die Erinnerung an die Jahre 1936–1939 hatte demnach einen wesentlichen Einfluss auf die Wahrnehmungen vieler AkteurInnen. Jahrzehntelang waren entsprechende Ängste von der Diktatur gezielt geschürt worden. Das Regime hatte die Erinnerung an die Republik nicht nur durch Repression, sondern auch kulturell, durch eine spezifische Gedächtnis- und Geschichtspolitik nachdrücklich zerstört. In der gängigen Deutung waren nicht die Putschisten, sondern die Republik schuld am Bürgerkrieg gewesen. Untermauert wurde diese These durch Verweise auf tatsächlich geschehene Verbrechen, die sich aber erst nach dem Putsch 1936 im republikanisch kontrollierten Spanien ereignet hatten und denen etwa 50.000 Menschen zum Opfer fielen, die vermeintlich oder tatsächlich die Sache der Putschisten unterstützt hatten.8 Obgleich die franquistischen Massenverbrechen wesentlich größere quantitative wie qualitative Dimensionen erreicht hatten, untergrub die im republikanischen Spanien unmittelbar nach dem Putsch eigenmächtig ausgeübte Gewalt nachhaltig die Legitimität der Republik.9 In den 1960er-Jahren waren auch Parolen wie „Nie wieder Bürgerkrieg“ oder sogar „Wir alle tragen Schuld“ Ausfluss zielgerichteter geschichtspolitischer Strategien des Franco-Regimes und sind im kollektiven Bewusstsein der SpanierInnen zum Teil noch bis heute wirksam.10 Sie waren letztlich die Ursache 7 So titelte Der Spiegel im Oktober 1975 mit „Diktator Franco. Bürgerkrieg in Spanien?“; Der Spiegel, 41/1975, 6. 10. 1975, URL: http ://www.spiegel.de/spiegel/print/d-41443433.html (abgerufen 4. 1. 2018). 8 Jos8 Luis Ledesma Vera, Total War Behind the Frontlines? An Inquiry into the Violence on the Republican Side in the Spanish Civil War, in: Martin Baumeister/Stefanie Schüler-Springorum (Hg.), „If You Tolerate This…“. The Spanish Civil War in the Age of Total War, Frankfurt/ Main 2006, 154168. 9 Carme Molinero, Memoria de la represijn y olvido del franquismo, in: Pasajes. Revista de pensamiento contempor#neo, 11 (2003), 25–32, 26–27; Jos8 Luis Ledesma, El lastre de un pasado incautado: (ab)uso pol&tico, memoria e historiograf&a de la represijn republicana, in: Carlos Forcadell/Carmen Fr&as/Ignacio Peirj/Pedro Rffljula (Koord.), Usos pfflblicos de la Historia. VI Congreso de la Asociacijn de Historia Contempor#nea, Zaragoza 2002, Band 1, 140155. 10 Paloma Aguilar, Guerra Civil, franquismo y democracia, in: Claves de razjn pr#ctica 14 (2004), 2433, 26; Paloma Aguilar, La presencia de la guerra civil y del franquismo en la democracia espaÇola, in: Pasajes, 11 (2003), 1323, 16 und 19; und Paloma Aguilar, Justicia, pol&tica y memoria: los legados del franquismo en la transicijn espaÇola, in: Alexandra

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dafür, dass nach Francos Tod rasch unspezifische Ängste den politischen Raum dominierten – wiewohl niemand anzugeben vermochte, wie real die entsprechenden Gefahren wirklich waren.11 Ein wesentlicher Kompromiss betraf die politische Repression. Zwei von der Opposition lang ersehnten Amnestie-Gesetze befreiten die politischen Gefangenen der Diktatur.12 Es handelte sich allerdings um eine „gegenseitige Amnestie“.13 Während die politischen Gefangenen die Gefängnisse verließen wurde ein (bis heute gültiger) juristischer Schlusspunkt hinter all jene Verbrechen gesetzt, die durch Beamte, Militärs, Polizeiangehörige und Richter während der Diktatur begangen worden waren.14 Mehr noch: der Staatsapparat wurde keiner Entfranquistisierung unterzogen. Die Staatsgewalt der Diktatur wurde vollständig übernommen,15 weite Teile der Bevölkerung misstrauten daher ihrer demokratiepolitischen Zuverlässigkeit. Auch die Ängste vor einem Putsch waren sehr präsent, wie sich bald zeigte keineswegs grundlos. Das Militär blieb in den ersten Jahren von der schrittweisen Demokratisierung vollständig ausgenommen,16 Militärangehörige putschen in der Tat 1981 erfolglos, entsprechende Bestrebungen setzten sich fort bis 1985. Die Transicijn war auch abseits dessen weit weniger friedlich als sie kollektiv erinnert wird.17 400 Menschen wurden durch terroristische Aktionen umgebracht – die meisten von der baskischen Terrorgruppe ETA, aber nicht nur. Im allgemeinen Bewusstsein weit weniger präsent ist der Umstand, dass zwischen 1976 und 1981 immerhin 72 Menschenleben auf das Konto rechtsextremer Täter gingen. Wie zeitgleich auch in Italien und Deutschland waren dabei aber auch in Spanien deutliche Anzeichen für die Existenz eines „tiefen Staates“ auszumachen. Die Polizei unternahm nicht nur kaum etwas, um die Täter zu fassen, sie wandte auch ihrerseits exzessiv

11 12 13 14 15 16 17

Barahona De Brito/Paloma Aguilar Fern#ndez/Carmen Gonz#lez Enr&quez (Hrsg.), Las pol&ticas hacia el pasado. Juicios, depuraciones, perdjn y olvido en las nuevas democracias, Madrid 2002, 135163, 137; Ismael Saz Campos, Fascism, fascistization and developmentalism in Franco’s dictatorship, in: Social History, 29 (2004) 3, 342357, 352; Jos8 Luis Ledesma, El lastre de un pasado incautado, 155. Aguilar, Justicia, pol&tica y memoria, 137, und Aguilar, Guerra Civil, franquismo y democracia, 26. Aguilar, Justicia, pol&tica y memoria, 149. Ebd., und Ismael Saz Campos, No sjn nom8s arxius. Franquisme, memkria, democr/cia, in: L’Espill 13 (2003), 103–108, 107. Relativ früh wurde ein Konsens darüber erzielt, dass es für Spaniens Demokratie sehr gefährlich gewesen wäre, die Eliten des Franco-Regimes, wie auch dessen Beamten nicht zu amnestieren; vgl. dazu Aguilar, Justicia, pol&tica y memoria, 159. Ebd., 136, 143 und 172. Ebd., 164. Zum sogenannten „Mythos der friedlichen Transicijn“ siehe Sophie Baby, Le mythe de la transition pacifique: violence et politique en Espagne (1975–1982), Madrid, Casa de Vel#zquez, 2012.

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Gewalt gegen Linke an. Bei der Unterdrückung von Protesten und Demonstrationen wurden zumindest 63 Menschen (anderen Quellen zufolge 87) ermordet; die Hälfte der Toten war im Baskenland zu beklagen, obwohl in der Region nur fünf Prozent der spanischen Gesamtbevölkerung lebte.18 Außerdem wurden monatlich 500 Menschen festgenommen, von denen Forschungen zufolge mehr als die Hälfte in Polizeihaft gefoltert wurde.19 In solch einem bedrohlichen Klima war eine zentrale Erwartungshaltung der Zivilgesellschaft nicht die weitere Polarisierung, sondern ganz im Gegenteil die Kompromissfindung zwischen den politischen Antagonismen.20 Die Vermeidung von allem, was bestehende Gegensätze verschärfen statt abmildern mochte war demnach keine Agenda, die politische Eliten gegen ihre Anhängerschaft durchsetzen hätten müssen – es war das politische Credo der antifranquistischen Opposition in ihrer großen Mehrheit.21 Die Führung der SozialistInnen wie der KommunistInnen handelte nicht entgegen sondern in voller Übereinstimmung mit dem Mehrheitswunsch ihrer AnhängerInnen, als sie dieses Prinzip auch auf die Sphäre der Geschichtspolitik übertrug. Das Ergebnis war kein „Pakt des Schweigens“, sondern eher ein von der Mehrheit der Gesellschaft empfundenes „Bedürfnis zu vergessen“,22 das den Rahmen setzte für vergleichsweise moderate geschichtspolitische Interventionen anstelle eines radikalen Bruchs im öffentlichen Symbolhaushalt. Da Straßennamen in den kommunalen Zuständigkeitsbereich fallen, stellte sich die Frage von Umbenennungen in den ersten vier Jahren der Transicijn ohnehin nicht: die ersten demokratischen Kommunalwahlen fanden erst 1979 statt. Besonders in Regionen mit einer starken linken Tradition wie Madrid oder Andalusien sowie in Ländern mit einer eigenen Kultur und Sprache wie dem Baskenland und Katalonien wurden nun vor allem sozialistische, in geringerer Zahl auch kommunistische Kandidaten zu Bürgermeistern gewählt. Vor allem in Ballungszentren und Provinzhauptstädten ließen viele dieser neuen Kommunalregierungen daraufhin bis Mitte der 1980er-Jahre viele Spuren der offiziellen Gedächtnispolitik der Diktatur aus dem Stadtbild beseitigen, vornehmlich solche, die Repräsentanten im direkten Umfeld Francos oder diesem selbst gewidmet waren. In weiterer Folge verschwand ein Gutteil der

18 Aguilar, Justicia, pol&tica y memoria, 145, 147 und 161. 19 So Mikel Bueno Urritzelki, La violencia pol&tica del Estado en las provincias vasconavarras en la Transicijn, in: Dami#n A. Gonz#lez Madrid/Manuel Ortiz Heras/ Juan Sisinio P8rez Garzjn (Hrsg.), La Historia, lost in translation. Actas del XIII Congreso de la Asociacijn de Historia Contempor#nea, Cuenca 2017, 2057–2070, 2067. 20 Santos Juli#, De „guerra contra el invasor“ a „guerra fratricida“, in: Ders. (Koord.), V&ctimas de la Guerra Civil, Madrid 1999, 11–56, 51. 21 Ebd., 49. 22 Ebd., und Ledesma, El lastre, S. 150; Aguilar, Justicia, pol&tica y memoria, 147 sowie 150.

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„Plazas Francisco Franco“ und der „Avenidas Jos8 Antonio“ – wenn auch nicht ohne Widerstände – aus dem städtischen Raum. In der spanischen Hauptstadt Madrid wurden beispielsweise 1980 immerhin 27 Straßen umbenannt, doch eine wesentlich größere Zahl von Flächen behielt ihren Namen, so etwa die Caudillo-Querstraße, die Avenida del Arco de la Victoria (Siegesbogenallee) oder der Plaza de Arriba EspaÇa (Spanien-AufwärtsPlatz, der ihren Namen dem falangistischen Parteiruf verdankte), blieben bis heute bestehen. In der westkatalanischen Provinzhauptstadt Lleida ließ schon 1979 der neugewählte sozialistischer Bürgermeister 40 Straßen umbenennen.23 In Bilbao, einer Großstadt mit starker Arbeitertradition, ließ gleichfalls 1980 der erste Bürgermeister, ein Vertreter der Baskischen Nationalpartei (PNV), nahezu 80 Flächen umbenennen, die bis dahin Teil der franquistischen Traditionspflege gewesen waren, so etwa der Caudillo-Platz und die Generalissimus-Brücke. Drei Jahre später folgte die Umbenennung von 58 weiteren Straßen und Plätzen. Von einigen wenigen Ausnahmen abgesehen nahmen allerdings die neuen Straßennamen in Bilbao nicht Bezug auf republikanische bzw. baskische Erinnerungsorte, sondern hatten ,neutraleren‘ Charakter.24 Diese Tendenz blieb keineswegs auf dieser baskischen Stadt beschränkt, sondern war kennzeichnend für ganz Spanien. In diesem Sinne bildete ValHncia, Spaniens drittgrößter Stadt die während des Bürgerkrieges 1936/37 vorübergehend auch Hauptstadt gewesen war eher eine Ausnahme. Dort traf der sozialistische Bürgermeister sofort nach Amtsantritt im April 1979 Maßnahmen, um die bedeutsamsten Symbolen der Diktatur aus dem öffentlichen Raum zu entfernen. Noch 1979 wurde der Caudillo-Platz in „Platz des Landes ValHncia“, die Jos8-Antonio-Allee in „Allee des alten Königreiches ValHncia“ umbenannt. Mehrere neu errichtete Verkehrsflächen erhielten die Namen republikanischer Schriftsteller, wie Max Aub oder Miguel Hern#ndez; bis Ende der 1980er folgten dann weitere einschlägige Neubenennungen, wie z. B. die „Straße der Internationalen Brigaden“. Allerdings waren diese Verkehrsflächen eher klein und mehrheitlich am Stadtrand gelegen, weit abseits des Zentrums. Sie sind daher im allgemeinen Bewusstsein kaum präsent. Ebenfalls 1979 ließ der PSOE-Bürgermeister, trotz Drohungen und physischer Übergriffe, das Jos8-Antonio-Denkmal entfernen und das heute noch in der Stadtmitte bestehende Monument „für die Gefallenen für Gott und Vaterland“ zu einem „Stadttor zum Meer“ uminterpretieren; 1946 anlässlich der 10. Widerkehr des Putsches als Triumphtor erbaut, wurde 1980 die Franco und den „Gefalle23 Lleida es nega a retirar els carrers als seus alcaldes franquistes, El Pa&s, 15. 12. 2016. 24 Jesffls Alonso Carball8s, La evolucijn de la memoria de la Guerra Civil en el espacio urbano de Bilbao: una mirada comparada, in: Cahiers de civilisation espagnole contemporaine. De 1808 au temps pr8sent, 5 (2009), Absätze 27–31.

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Abb. 1: Das 1946 eröffnete Gefallenendenkmal in der Innenstadt ValHncias wurde 1979 zum ,Stadttor zum Meer‘ uminterpretiert. Das „Kreuz der Gefallenen“ und die Basreliefs sind noch heute zu sehen (Foto: Toni Morant i AriÇo, 2019).

nen“ huldigende Gedenktafel beseitigt, doch das „Kreuz der Gefallenen“ unter dem Hauptbogen sowie alle vier Basreliefs mit Allegorien auf die militärischen Tugenden (Mut, Selbstaufopferung, Friede und Ruhm) die der Stilisierung des Bürgerkriegs zur Heldentat dienten, sind erhalten geblieben.25 Die größte Auseinandersetzung gab es jedoch um die Entfernung von Francos Reiterdenkmal vom „seinem“, dem ehemaligen Caudillo-Platz: Die Behörde konnte ihr diesbezügliches Vorhaben 1983 nur mithilfe vermummter Freiwilliger aus den Reihen linker Parteien und Gewerkschaften umsetzen, die durch eine eher unwillige Polizei vor rechtsextremen Ausschreitungen geschützt wurden.26 Das Denkmal wurde anschließend vom spanischen Militär beansprucht, das es im Haupthof des regionalen Militärkommandos wiedererrichtete, wo es bis 2010 stand.27

25 Helena de las Heras Esteban, La escultura pfflblica en Valencia. Estudio y cat#logo, Diss., Universitat de ValHncia 2003, 98–99; Alonso Carball8s, La evolucijn de la memoria de la Guerra Civil, Absätze 39–40; La oscura y tortuosa historia de la Porta de la Mar, el monumento que no es monumento, ValenciaPlaza, 22. 4. 2018. 26 La estatua de Franco fue retirada de la plaza m#s importante de Valencia entre aplausos y abucheos de miles de personas, El Pa&s, 10. 9. 1983. 27 Defensa retira la estatua ecuestre de Franco en Valencia, El Pa&s, 7. 4. 2010.

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Wie stark jede Form von vergangenheitspolitischer Intervention abhängig war von der Parteizugehörigkeit der handelnden Personen wird durch einen Vergleich ValHncias mit Burgos deutlich. Die nordkastilianische Stadt war zwischen 1937 und 1939 Sitz der franquistischen Regierung gewesen, aus den ersten freien Kommunalwahlen 1979 ging ein konservativer Kandidat als Bürgermeister hervor, der politisch den Grundstein für eine fast vierzigjährige Hegemonie auf Kommunalebene legte. Bis zur Wahl des ersten und bis dato letzten sozialistischen Bürgermeisters der Stadt 1999 wurde keine einzige öffentliche Fläche umbenannt, im Gegenteil: 1987 verehrte Burgos dem ersten Abt des größten franquistischen Erinnerungsortes, des „Tals der Gefallenen“, eine Straße und würdigte auf diese Weise indirekt auch dessen Wirkungsstätte.28 Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass symbolpolitische Eingriffe in der Transicijn weitgehend auf den städtischen Raum beschränkt blieben und hier wiederum auf Kommunen, in denen linke BürgermeisterInnen amtierten. Auch in diesen Fällen bleiben vielerorts aber Straßennamen aufrecht, die an Persönlichkeiten aus der zweiten und dritten Reihe der Franco-Diktatur erinnerten. Ebenso unangetastet blieben viele Denkmäler und Symbole des Franquismus. So hatten zur Jahrhundertwende mehr als die Hälfte der Provinzhauptstädte Straßennamen revidiert und Umbenennungen durchgeführt, dennoch waren Zaragoza, A CoruÇa und Madrid, allesamt langjährige PSOEHochburgen, weiterhin die Städte mit den meisten franquistischen Straßennamen. In ganz Spanien bestanden noch im Jahr 2002 über 3.400 Straßennamen, die der Diktatur, ihren Persönlichkeiten bzw. Erinnerungsorten gewidmet waren, davon trugen alleine 828 noch „Jos8 Antonio“ und 522 „Franco“ im Namen. Anders gesagt: noch zwanzig Jahre nach Ende der Transicijn lebten 42 Prozent der spanischen Bevölkerung in Gemeinden mit franquistischen Straßennamen. Räumlich betrachtet handelte es sich meist um Orte mit weniger als 20.000 EinwohnerInnen, die in Regionen wie Asturien, den Kanarischen Inseln, Kantabrien, der Extremadura, und Galizien lagen – sowie in der Hauptstadt Madrid.29

28 Alonso Carball8s, La evolucijn de la memoria de la Guerra Civil, Absatz 35. 29 Montserrat Duch Plana, Toponimia franquista en democracia, in: Forcadell, Usos pfflblicos de la Historia, 377–391, 383–388.

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II.

Der Bruch des Konsenses: memoria histórica und das Gesetz 52/2007

Seit den 1990er-Jahren erodierte der Transicijn-Konsens beträchtlich, bis er um die Jahrtausendwende letztendlich zerbrach.30 Die Auswirkungen dieses Bruches in Form einer höheren Konfliktintensität stellten keine spanische Besonderheit dar, sondern waren durchaus vergleichbar mit anderen „Erinnerungskämpfen“, die sich besonders in den westlichen Staaten des ausgehenden 20. Jahrhunderts ereigneten und sich in der Herausbildung spezifischer Gedenk- und Traditionskulturen manifestierten.31 Streitet man in den USA über Denkmäler aus der Zeit der Sklaverei, oder in Großbritannien über jene der kolonialen Epoche steht im Zentrum der spanischen Auseinandersetzung eben die Symbolik der Diktatur und die Frage nach einer angemessenen symbolischen Würdigung der Opfer. Das Ende der Zurückhaltung, das die Transicijn geprägt hatte, lässt sich womöglich mit zwei spezifischen Faktoren erklären. Zum einen durch einen Generationenwechsel der nun Jahrgänge hervortreten ließ, die altersbedingt weder durch die Diktatur noch im Geist der Transicijn politisch sozialisiert worden waren. Diese sogenannte „Enkel-Generation“ war neugierig auf die jüngste traumatische Vergangenheit ihres Landes, wollte sie, wie ihre Altersgenossen in anderen postdiktatorischen Gesellschaften wie Frankreich32 oder Südafrika,33 öffentlich zur Diskussion stellen.34 Diese neue Generation stellte ihre eigenen Fragen, die nicht selten anders waren als die während der Transicijn. Dabei regte sich erstmals Kritik an deren gängigen Interpretation als bestpractice-Beispiel eines Systemwechsels. Im Zentrum der Auseinandersetzung standen Zugeständnisse der damaligen Opposition, die als zu weit gehend angegriffen wurden. Dies betraf sowohl den Umgang mit der Erinnerung an die Zweite Republik, als auch den Verzicht darauf, den franquistischen Staatsapparat zu säubern sowie auch und vor allem die Akzeptanz der monarchistischen 30 Molinero, Memoria de la represijn, 25; Aguilar, La presencia de la guerra civil, 20. 31 Mar&a Cruz Romeo Mateo, La cultura de la memoria, in: Pasajes, 11 (2003), 61–65, 61–62. 32 Zur öffentlichen Bearbeitung des Vichy-Regimes siehe exemplarisch: Eric Conan und Henry Rousso, Vichy. Un pass8 qui ne passe pas, Par&s 2013 [1994]; bezeichnenderweise heißt der letzte Teil des Fazits „Une g8neration juge l’autre“; ebd., 275–283. Eine weitere öffentliche Auseinandersetzung betrifft Frankreichs koloniale Vergangenheit, besonders die Unterdrückungspolitik gegen Algeriens Unabhängigkeitsbestrebungen nach 1945; Jan Jansen, Politics of Remembrance, Colonialism and the Algerian War of Independence in France, in: Małgorzata Pakier und Bo Str,th (Hg.), A European Memory? Contested Histories and Politics of Remembrance, New York & Oxford, 2010, 275–293. 33 Wo „the issues of memory and forgetting […] dominate public discourse in post-apartheid South-Africa“ und Gedächtnispolitik sich durch „the intense interest in witness and survivor testimonies“ kennzeichnet; so Andreas Huyssen, Present Pasts. Urban Palimpsests and the Politics of Memory, Stanford, 2003, hier 15 und 8. 34 Aguilar, La presencia de la guerra civil, 32; Saz, Franquismo, el pasado que…, 56.

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Staatsform und ihrer Symbole, die direkt auf den Wunsch Francos zurück gingen, der König Juan Carlos zu seinem Erben ernannt hatte. Im konsolidierten demokratischen System, in dem sie aufgewachsen waren und das ihnen daher auch als primärer Referenzrahmen diente, spielte die Angst vor neuerlicher Polarisierung, gar vor einem Putsch für die meisten dieser jüngeren SpanierInnen keine Rolle mehr. Sie sahen dementsprechend auch keinen Grund zur Zurückhaltung wie noch ihre Eltern während der Transicijn. Das einstmals überwiegende „Bedürfnis zu vergessen“ wurde so um die Jahrtausendwende ersetzt durch ein „Bedürfnis zu erinnern“.35 Neben dem Generationenwechsel hatte zu dieser Verschiebung auch die Veränderung des politischen Kontexts Mitte der 1990er beigetragen. Auf eine lange Phase sozialdemokratischer Dominanz folgte 1996 die erste konservative Staatsregierung. Der Verlust ihrer Macht ließ die ideologisch ausgelaugte PSOE zum ersten Mal versuchen, die Vergangenheit als politische Waffe zu benutzen, sowohl zur Diskreditierung des politischen Gegners, als auch um selbst moralische Legitimität beanspruchen zu können. Zugleich folgte der Bedeutungszuwachs, den Geschichtspolitik in dieser Phase zu erleben begann, nicht ausschließlich einem nüchternen politischen Kalkül, sondern spiegelte auch das Selbstverständnis der Enkel-Generation wider, die mittlerweile die politische Arena betreten hatte. Dessen ungeachtet wurde vier Jahre später, im Jahr 2000, Jos8 Mar&a Aznars Volkspartei wiedergewählt, diesmal sogar mit absoluter Mehrheit. Die neue PP-Regierung war daher nicht mehr auf die Unterstützung durch die baskischen und katalanischen NationalistInnen im Parlament angewiesen und brauchte auf deren Interessen keine Rücksicht mehr zu nehmen. Die Folge war, dass nun nicht mehr nur der PSOE, sondern auch die PP verstärkt geschichtspolitisches Geltungsbedürfnis erkennen ließ. Anders als im Fall der SozialistInnen ging es nun aber nicht um kritische Befassung mit dem diktatorischen Erbe, sondern im Gegenteil um die affirmative Adressierung der imperialen Vergangenheit des Landes. Die vertieften Gegensätze schlugen sich in einer Vielzahl von Auseinandersetzungen nieder, allein in den zwei Jahren von 2000 bis 2002 wurden im spanischen Staatsparlament mehr Gesetzesentwürfe diskutiert die den Bürgerkrieg und die Franco-Diktatur zum Inhalt hatten, als in den dreiundzwanzig Jahren zuvor.36 Der wichtigste Schritt war die schließlich 2003 vom Parlament verabschiedete, freilich immer noch zweideutige Verurteilung der Diktatur und die Anerkennung von deren Opfern.37 Mit dem Bruch des geschichtspolitischen Konsenses aus der Zeit des Über35 Saz, Franquismo, el pasado que…, 56. 36 Aguilar, La presencia de la guerra civil, 20–21. 37 Siehe dazu Diario de Sesiones del Congreso de los Diputados. Comisijn Constitucional (20. 11. 2002). Zur Zweideutigkeit dieser Erklärung siehe Saz, Franquismo, el pasado, 53.

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ganges verfestigte sich innerhalb der politischen Linken auch eine bestimmte Deutung der Transicijn. In der Rückschau wurde sie nun als Phase eines erzwungenen Schweigens interpretiert, die sich letztlich bis in die Gegenwart fortsetze und eine spanische Besonderheit bilde, die sich vom Umgang mit diktatorischen Vergangenheiten in anderen europäischen Demokratien grundlegend unterscheide.38 Der Vorstellung einer tabuisierten Vergangenheit39 steht allerdings nicht nur die große Zahl an Fachbüchern, Filmen und Romanen entgegen, die schon seit Ende der 1970er Jahre entstand,40 sondern auch die Ergebnisse, zu denen HistorikerInnen und SozialwissenschaftlerInnen gelangt waren. Von diesen wurde die Transicijn weder als reiner top-down-Prozess beschrieben,41 noch als ein Altar, auf dem die geschichtliche Wahrheit der politischen Opportunität geopfert worden sei. Vielmehr müsse man resümieren, dass die Befassung mit der Diktatur in den 1970er- und 1980er-Jahren eben so weit gegangen wäre als es eben möglich gewesen sei, ohne das eigentliche Ziel der Demokratisierung zu gefährden.42 Im Endeffekt sei es auf diese Weise gelungen, eben jenes Ziel gegen die alten franquistischen Eliten durchzusetzen.43 Zur Phase des sensibilisierten Umgangs mit der Diktatur in den 1990er-Jahren gehörte als Novum ein breites Echo in den Medien, das die Voraussetzung für eine breite Rezeption bildete.44 Hinzu kamen neue Akteure: quer durch Spanien konstituierten sich lokal bzw. regional zivilgesellschaftliche Vereine. Sie werden zusammengefasst als Movimiento para la Recuperacijn de la Memoria Histjrica („Bewegung zur Wiedererlangung der geschichtlichen Erinnerung“) oder als Foros de la Memoria („Erinnerungsforen“) bezeichnet. Anfänglich war ihr 38 Dies hängt auch mit der im kollektiven Bewusstsein der spanischen Gesellschaft tief verankerten Wahrnehmung zusammen, wonach Spaniens Vergangenheit im Vergleich zu einer normalen westeuropäischen Geschichte eine exzeptionelle Anomalie darstellt; so Juli#, Echar al olvido, 15. Das historiographische Pendant interpretiert das gegenwärtige Spanien als das Ergebnis einer Kette historischer Misserfolge: keine Industrielle Revolution; keine bürgerlich-liberale Revolution; keine Nationalisierung der Massen, usw. Für eine kurze Zusammenfassung, siehe Ismael Saz Campos, Was there Francoism in Spain? Impertinent Reflections on the Historic Place of the Dictatorship, in: Review. Fernand Braudel Center, XXVIII (2005), 281–298. 39 Einer der bekanntesten spanischen Historiker sprach in diesem Zusammenhang gar von einer „Vortäuschung […] eines Zwanges zu Schweigen“; so Juli#, Echar al olvido, 17. 40 Aguilar, Guerra Civil, franquismo y democracia, 25; Juli#, Echar al olvido, 16–18; und Ismael Saz Campos, Franquismo, el pasado que affln no puede pasar, in: Pasajes 11 (2003), 51–59, 52. 41 Ismael Saz, Y la sociedad marcj el camino. O sobre el triunfo de la democracia en EspaÇa (1969–1978), in: Rafael Quirosa-Cheyrouze MuÇoz (Koord.), La sociedad espaÇola en la Transicijn: los movimientos sociales en el proceso democratizador, Madrid 2011, 29–42; Ismael Saz, Fascism, fascistization, 355f. und Aguilar, Guerra civil, franquismo y democracia, 26. 42 Aguilar, Justicia, pol&tica y memoria, 190. 43 Saz, Fascism, Fascistization, 357. 44 Molinero, Memoria de la represijn, 25–27.

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Hauptanliegen die Lokalisierung, Exhumierung, Identifikation und würdige Bestattung der sterblichen Überreste von Bürgerkriegsopfern, vornehmlich solcher, die als RepublikanerInnen den franquistischen Säuberungen zum Opfer gefallen und nach ihrer Ermordung in anonymen Massengräbern verscharrt worden waren. Die genaue Zahl dieser Toten ist bis heute nicht geklärt, Schätzungen der International Commission on Missing Persons gehen mittlerweile von etwa 114.000 Menschen aus, verteilt auf mehr als 2.300 Massengräber.45 Zahlreiche AktivistInnen der Bewegung zur Wiedererlangung der geschichtlichen Erinnerung waren selbst Nachkommen solcher Opfer. Auf die ersten Forderungen nach einer geschichtspolitischen Wende reagierte die Volkspartei Anfang der 1990er-Jahre noch mit passivem Schweigen in der Hoffnung, das Thema werde in der spanischen Tagespolitik bald wieder untergehen. Letztlich unterschied sich diese Haltung nicht wesentlich von jener der PSOE-Regierung 1986 anlässlich des 50. Jahrestages des Militärputschs.46 Als sie aber zur Kenntnis nehmen musste, dass bloße Diskursverweigerung nicht ausreichte um sich des lästigen Themas zu entledigen, änderte die PP ihre Strategie. Sie betonte nunmehr immer wieder, dass die Forderung nach kritischer Reflexion „redundant“ sei: eine Auseinandersetzung mit Vergangenheit sei generell nicht zielführend; der Bürgerkrieg sei eine Tragödie gewesen, die man endlich ruhen lassen solle, um keine Wunde aufzureißen; letztendlich erübrige sich jegliche Kritik an der Franco-Diktatur, der doch die Realität Abhilfe geschaffen habe, indem sie das Regime durch die ab 1977 so erfolgreich aufgebaute De-

45 International Commission on Missing Persons, Spain, URL: https://www.icmp.int/the-mis sing/where-are-the-missing/spain (abgerufen 4. 12. 2018). Diese Zahlen machen aus Spanien dasjenige Land Europas mit der höchsten Zahl an Verschwundenen, deren schiere Quantität selbst den Vergleich mit Massenverbrechen nicht zu scheuen braucht, wie sie etwa in Ländern wie Schreckensregimen gemessen an Beispielen wie Kongo, Afghanistan, Kambodscha, Irak oder Vietnam geschahen, vgl. International Commission on Missing Persons, Where are The Missing?, URL: https://www.icmp.int/the-missing/where-are-the-missing/ (abgerufen 4. 12. 2018) vergleichen. Die spanische Volkspartei-Regierung wurde in den letzten Jahren diesbezüglich mehrmals von den Vereinigten Nationen und Amnesty International gerügt, was die spanische Botschafterin 2013 zu einer öffentlichen Beschwerde gegen diese „übertriebene Aufmerksamkeit“ motivierte, mit der die UN sich vorgeblich Spaniens Vergangenheit widmeten und damit der spanischen Regierung „Unbehagen“ bereiteten, vgl. RTVE.es/ EFE, El Gobierno se queja por la „excesiva atencijn“ de la ONU a los desaparecidos del franquismo, URL: http://www.rtve.es/noticias/20131106/gobierno-se-queja-porque-onu-pone-excesivaatencion-desaparecidos-del-franquismo/785380.shtml (abgerufen 4. 1. 2018). Zum Bericht des UN-Sonderberichterstatter, siehe: Pablo de Greiff, Report of the Special Rapporteur on the promotion of truth, justice, reparation and guarantees of non-recurrence, UN General Assembly, Human Rights Council, 27th Session, 22 July 2014, URL: https://digitallibrary.un. org/record/1310896 (abgerufen 4. 12. 2018). 46 Aguilar, La presencia de la guerra civil, 21, und Carsten Humlebæk, Usos pol&ticos del pasado reciente durante los aÇos de gobierno del PP, in: Historia del Presente, 3 (2004), 157–167, 160.

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mokratie ersetzt habe.47 Als sowohl die linken Oppositionsparteien als auch zivilgesellschaftliche Gruppierungen aber darauf beharrten und die parlamentarische Beurteilung der Diktatur 2002 nicht (wie vom konservativen Lager angestrebt) das Ende der Debatte darstellte, verschärfte die PP ihre Rhetorik und warnte nunmehr vor der vorgeblichen Gefahr einer solchen „revanchistischen“, gar „bürgerkriegsfördernden“ [„guerracivilista“] Haltung für den gesellschaftlichen Zusammenhalt Spaniens.48 Unmittelbar nach den Bombenanschlägen in Madrid 2004 gewann die PSOE die Parlamentswahl und stellte künftig als Ministerpräsident einen jungen Abgeordneten Jos8 Luis Rodr&guez Zapatero, Großenkel eines im Bürgerkrieg hingerichteten republikanischen Offiziers. Die neue Regierung erklärte 2006 zum „Jahr der geschichtlichen Erinnerung“, was vor allem von Universitäten und Provinzregierungen zum Anlass genommen wurde, mehrere wissenschaftliche Tagungen abzuhalten und einschlägige Publikationsprojekte zu initiieren. Die Aktivitäten gipfelten im November 2006 in einer von der staatlichen Agentur für Kulturelles Gedenken (SECC) veranstalteten großen Konferenz mit 350 HistorikerInnen in Madrid.49 Im selben Jahr bekannte sich Rodr&guez Zapatero in einer Parlamentsrede als erster spanischer Ministerpräsident anlässlich des 75. Jahrestages ihrer Ausrufung 1931 zur Zweiten Republik als „einziger demokratischer Vorgängerin“ von Spaniens heutiger Demokratie. Noch im frühen 21. Jahrhundert blicke das Land „mit Anerkennung und Zufriedenheit“ zurück so der Ministerpräsident weiter, der abschließend die „volle Gültigkeit“ ihrer „besten Werte“ unterstrich.50 Die Regierung Zapatero ließ es nicht bei symbolischen Gesten bewenden. Ebenfalls 2006 begannen die langwierigen parlamentarischen Debatten zum Gesetz 52/2007, „demgemäß die Rechte anerkannt und erweitert sowie Maßnahmen getroffen werden zugunsten derjenigen die während Bürgerkrieg und Diktatur Verfolgung oder Gewalt erlitten“. Nach heftigen öffentlichen und parlamentarischen Auseinandersetzungen wurde Ende Dezember 2007 die in der Öffentlichkeit als „Gesetz zur geschichtlichen Erinnerung“ bekannte Vorlage 47 Aguilar, La presencia…, 21. 48 Paloma Aguilar, Memoria histjrica, in: J. Fern#ndez Sebasti#n/Juan Francisco Fuentes (Koords.), Diccionario Pol&tico y Social del siglo XX espaÇol, Madrid 2008, 768–774, 772, sowie konkreter dazu, Humlebæk, Usos pol&ticos, 166. 49 Madrid acoge el congreso m#s ambicioso sobre la Guerra Civil, El Pa&s, 27. 11. 2006. Die darauf folgende (elektronische) Publikation beinhaltete 180 Tagungsbeiträge; zum Inhaltsverzeichnis siehe Dialnet plus, La Guerra Civil espaÇola 1936–1939. Congreso Internacional, Madrid 27, 28 y 29 noviembre de 2006 [Recurso electrjnico], URL: https://dialnet.unirioja. es/servlet/libro?codigo=290456 (abgerufen 4. 12. 2018). 50 El Pa&s, 6. 4. 2006; Paloma Aguilar, Las pol&ticas de la memoria, in: A. Bosco und I. S#nchezCuenca (Hrsg.), La EspaÇa de Zapatero. AÇos de cambios, 2004–2008, Madrid 2009, 153–178, 171 und 173.

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verabschiedet. Seitdem sind laut § 15.1 Symbole und Huldigungen aus der Franco-Zeit aus dem öffentlichen Raum verbannt, sofern sie ausdrücklich Putsch, Bürgerkrieg und Unterdrückung positiv würdigen. Allerdings umfasste das Gesetz nicht solche Symbole und Gesten, die die Diktatur an sich oder ihre Vertreter anpries.51 Dieses kalkuliert zweideutige Wiedergutmachungsgesetz stellt bis heute den legalen Rahmen im Umgang mit den symbolischen Resten der Diktatur dar. Inwieweit das Gesetz auf lokaler Ebene tatsächlich Anwendung fand, war in weiterer Folge meistens von der politischen Farbe der Stadtregierungen abhängig und wies daher in der Praxis erhebliche Unterschiede auf. So wurden 2008 in der andalusischen Hauptstadt Sevilla unter einem sozialistischen Bürgermeister gleich 40 Straßen aufgelistet, von denen bis 2011 tatsächlich 20 umbenannt wurden. Dann jedoch gewann die PP die Kommunalwahl und stoppte sofort nach ihrem Amtsantritt sämtliche weiteren Umbenennungen.52 In der Tat ignorierten viele der damals mehrheitlich konservativ regierten Länder und Gemeinden (so zum Beispiel auch Madrid und ValHncia) das Gesetz jahrelang. Nachdem der konservative Rajoy die Parlamentswahlen 2011 mit absoluter Mehrheit gewonnen hatte, wurde das Gesetz 52/2007 zwar nicht formal außer Kraft gesetzt, dafür bestand eine der ersten Maßnahmen der neuen Regierung jedoch darin, das jährlich für die Umsetzung der Idee des Gesetzes bereitgestellte Budget ab 2013 zu beseitigen, seine Umsetzung demnach weitgehend zu verunmöglichen. In den Worten des sichtlich stolzen Rajoys stünden für geschichtspolitische Maßnahmen nunmehr „im Durchschnitt null Euro“ zur Verfügung. Die Kontaktstelle für Opfer und ihr Nachkommen wurde sofort geschlossen.53 Einen dezidierten Kontrapunkt zu dieser Vorgehensweise auf Bundesebene stellten fortan einzig Katalonien und das Baskenland dar. Die katalanische Landesregierung, bestehend aus einer Koalition linker Parteien, beauftragte das Memorial Democr/tic, ihr neugegründetes öffentliches 51 Gesetz Nr. 52, vom 26. 12. 2007, kundgemacht im Bolet&n Oficial del Estado (BOE), Nr. 310, vom 27. 12. 2007, 53410–53416. 52 Los 50 s&mbolos franquistas que affln quedan en Sevilla, eldiario.es, 5. 5. 2017. 53 El Gobierno de Rajoy desmonta ocho aÇos de Zapatero en cien d&as, La Vanguardia, 18. 3. 2012; La promesa que Rajoy s& cumplij, El Pa&s, 5. 10. 2013. Rajoys genaue Wortwahl in einem von der liberal-konservativen Zeitung El Mundo Ende 2015 organisierten Gespräch waren: „Die Halthausmittel für das Gesetz zur geschichtlichen Erinnerung in den vier bzw. fünf Staatshaushalten unter meiner Regierung sind null gewesen. Der Durchschnitt ist null, weil es jedes Jahr 0 E waren. Und das Thema hat hier auch keine große Polemik entfacht.“; zitiert nach La Moncloa, Intervencijn del presidente del Gobierno en el Foro „La EspaÇa necesaria“, del diario „El Mundo“. Respuesta a los asistentes al acto y a los lectores de elmundo.es, vom Präsidialamt: URL: http://www.lamoncloa.gob.es/presidente/Paginas/enlacetranscripciones /041115-enlacerespuestas.aspx verfügbar (abgerufen 4. 1. 2018).

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Institut für Vergangenheitsbewältigung, mit einem Gutachten zu der in Katalonien noch bestehenden franquistischen Symbolik. Die 2010 vorgelegte Studie bezog zwar „nur“ 186 der über 900 Gemeinden Kataloniens ein, allerdings lebten in den untersuchten Kommunen 81 Prozent der katalanischen Bevölkerung. Die Untersuchung förderte 7.700 Symbole aus der Diktatur zutage, von denen 41 Straßennamen und weitere 3.398 kleine Schilder mit dem Parteizeichen der Falange (dem Joch und den Pfeilen) waren. Derartige Plaketten hatte das falangistisch geführte Wohnungsbauministerium an der Fassade jedes zwischen 1957 und 1975 neu errichteten Komplexes von Sozialwohnungen anbringen lassen. Geographisch betrachtet befanden sich mit 4000 mehr als die Hälfte aller durch die Studie erfassten Symbole in der Hauptstadt Barcelona, die restlichen mehrheitlich im Ebrodelta sowie in den Provinzhauptstädten.54 Am Ebro hatte Mitte 1938 eine der blutigsten und längsten Bürgerkriegsschlachten stattgefunden. Die Franquisten nahmen das nach ihrem Sieg zum Anlass, das Gebiet auch stark symbolisch in Besitz zu nehmen und es in einen Erinnerungsort der Diktatur zu verwandeln. Charakteristisch dafür war nicht zuletzt das franquistische Denkmal in Tortosa, das noch 1966 im Gedenken an Francos Sieg in der Schlacht am Ebro erbaut wurde und das mit 45 Metern Höhe Kataloniens größtes franquistisches Denkmal überhaupt darstellte. Die verschiedenen Gedenktafeln, die an diesem Koloss angebracht worden waren, wurden zwar nach 1979 allmählich entfernt, doch das Denkmal selbst steht noch heute mitten im Fluss, auf staatseigenem Land, weswegen Tortosas Stadtregierung es laut einem aktuellen Gerichtsurteil nur mit Schildern historisch kontextualisieren, aber nicht entfernen darf.55 Auch das Baskenland unterstand zwischen 2009 und 2012 einer linken Regierung in Form eines sozialistischen Minderheitskabinetts. Ministerpräsident Patxi Ljpez beauftragte 2011 eine Arbeitsgruppe von fünf BeamtInnen und WissenschaftlerInnen, 42 Gemeinden, in denen 76 Prozent der baskischen Bevölkerung lebten zu untersuchen und dabei Straßennamen und Symbole des Franquismus (Wappen und Porträts in öffentlichen Gebäuden, Denkmale und Tafeln) zu identifizieren, die zwischen 1936 und 1975 benannt oder angebracht worden waren. Nach sechsmonatiger Tätigkeit legte die Arbeitsgruppe 2012 ihren Bericht vor, der 70 Straßennamen, 30 Wappen und Denkmäler sowie über tausend kleine Schilder des falangistischen Wohnungsbauministeriums auflistete.56 Seitdem haben sich viele baskische Kleinstädte und die drei größten 54 Maria Jesffls Bono/ Jordi Guix8 (Dir.), Cens de simbologia franquista de Catalunya. Informe i conclusions, Barcelona 2010, URL: http://bancmemorial.gencat.cat/simbologia/documents/ cens_simbol_franq_Catalunya.pdf (abgerufen 4. 1. 2018). 55 Tortosa debate el futuro del mayor monumento franquista en pie, El Pa&s, 11. 1. 2015; El monument franquista de Tortosa busca propietari, ara.cat, 2. 3. 2017. 56 Aitor Gonz#lez de Langarica Mendiz#bal/ Virginia Ljpez de Maturana Di8guez, Cat#logo de

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Ballungsräume mit ihren Straßennamen auseinandergesetzt. So hat Bilbao mittlerweile zwei weitere Straßen und zwei Brücken umbenannt. Die örtliche PP antwortete darauf mit der Forderung, gemäß demselben Staatsgesetz auch diejenigen Straßen umzubenennen, die der kommunistischen Politikerin Dolores Ibarruri, bekannt als „Pasionaria“ sowie der Gallionsfigur des baskischen Nationalismus aus dem 19. Jahrhundert, Sabino Arana gewidmet waren. In der Landeshauptstadt Vitoria-Gasteiz, die von einem PNV-Bürgermeister regiert wird, drehte sich die Diskussion um die Frage, ob man die noch bestehenden franquistischen Symbole und Straßennamen ersetzen oder mithilfe von erklärenden Tafeln historisch kontextualisieren solle. In Donostia/San Sebasti#n wurden bis 2016 die letzten Straßennamen ersetzt.57 Auf Landesebene beschloss im Sommer 2017 die neue Koalitionsregierung aus baskische NationalistInnen und SozialistInnen die Bereitstellung von Fördermitteln in Höhe von 30.000 E, um die Entfernung der verbliebenen Symbolik voran zu treiben.58 Wie sehr Wiedergutmachungsmaßnahmen mit politischen Zäsuren einher gingen erwies sich nochmals im Jahr 2015. Die Ergebnisse der Kommunal- und Landtagswahlen begünstigten nun quer durch Spanien in vielen Städten (darunter Madrid, Barcelona, ValHncia, C#diz und Zaragoza) und Ländern wie Andalusien und ValHncia die Formierung progressiver Regierungen. Die meisten von ihnen setzten sich aus VertreterInnen der sozialistischen Partei und der neuen Podemos-Bewegung zusammen, zum Teil auch aus RepräsentantInnen unterschiedlicher nationalistischer Parteien. Dieser Machtwechsel beförderte vielerorts den Ruf, das „Gesetz zur geschichtlichen Erinnerung“ aus dem Jahr 2007 endlich vollständig umzusetzen. Nicht ohne Grund – wie eingangs erwähnt, gemahnten zum damaligen Zeitpunkt noch 1.171 Straßen an hochrangige franquistische Persönlichkeiten. Die betreffenden Verkehrsflächen lagen vor allem im historischen Kastilien, das heute den autonomen Regionen Nord- und Südkastilien, sowie Madrid, Kantabrien, Extremadura, Murcia und La Rioja entspricht.59 Den prominenten Namenspatronen wären außerdem noch die Namen von MitläuferInnen aus der zweiten bzw. dritten Reihe des Franco-Regimes hinzuzufügen, desgleichen jene 11 Ortschaften (allesamt in Kastilien, Andalusien und Extremadura gelegen), die in ihrem Siedlungsnamen Persöns&mbolos y monumentos pfflblicos existentes en Euskadi que supongan una exaltacijn de la guerra civil y de la dictadura, Vitoria-Gasteiz, 2012. Katalog und Gutachten der baskischen Landesregierung sind ebenfalls online zugänglich unter URL: http://www.euskadi.eus/ web01-s1lehbak/es/contenidos/informacion/retirada_simbolos_franquistas/es_dictamen/ index.shtml (abgerufen 4. 1. 2018). 57 La guerra de la memoria histjrica llega al callejero de Euskadi, El Confidencial, 28. 1. 2017. 58 Adijs a los s&mbolos franquista en Euskadi, Deia, 19. 7. 2017. 59 Franco affln „vive“ en 317 calles de toda EspaÇa; Jos8 Antonio Primo de Rivera, en 373, El Confidencial, 26. 12. 2015.

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lichkeiten des Franquismus würdigten, wie z. B. Llanos del Caudillo, Villafranco del Guadiana oder Alcocero de Mola. Bis Dezember 2017 gaben nur drei (nämlich ]gueda del Caudillo, Bemb8zar del Caudillo und Queipo de Llano) ihren franquistischen „Nachnamen“ auf – meistens in Reaktion auf richterlich bzw. parlamentarisch angedrohte Sanktionen. Ein vierter Ort, San Leonardo de Yagüe, benannt nach General Juan Yagüe, dem „Schlächter von Badajoz“ (1936 erschossen die Putschisten in dieser westspanischen Provinzhauptstadt unmittelbar nach deren verlustreicher Eroberung kurzerhand mehrere Tausende Kriegsgefangene und ZivilistInnen), konnte hingegen nach einem Gerichtsurteil seinen Namen behalten.60 Die andalusische Landesregierung verabschiedete 2017 ein eigenes Landesgesetz zur geschichtlichen Erinnerung, das inhaltlich weit über das staatliche Gesetz von 2007 hinaus geht, indem es in Paragraf 32 auch das symbolische Gedenken und Huldigen der Diktatur selbst, ihrer Führer sowie ihrer Organisationen als Entfernungsgrund normiert.61 Im Dezember 2017 wurden in Sevilla daraufhin weitere zehn Straßen umbenannt, in Cjrdoba die Umbenennung von 14 Straßen sowie die Beseitigung mehrerer franquistischer Symbole bewilligt.62 In C#diz wird – ebenfalls auf Grundlage des andalusischen Landesgesetzes – gegenwärtig über die Umbenennung des Fußballstadions Ramjn de Carranza diskutiert, das einen franquistischen Unternehmer würdigt. In M#laga, wo 2010 auf Basis eines Gutachtens der dortigen Universität lediglich fünf Straßen umbenannt worden waren folgte nun 2016 die Entfernung von dreißig Symbolen.63 Dass auch die Anwendung geschichtspolitischer Gesetze letztlich einem Opportunitätsdenken folgt, bewies hingegen der sozialistische, zum Regieren aber von den spanischen liberalkonservativen Ciudadanos abhängige Bürgermeister

60 ¿Sabes qu8 11 pueblos mantienen nombres franquistas?, La Razjn, 10. 2. 2016, Tres pueblos eliminan de su nombre el „apellido“ franquista, eldiario.es, 19. 5. 2016. 61 Der Gesetztext ist unter Bolet&n Oficial de la Junta de Andaluc&a – Histjrico del BOJA, 63 (03/ 04/2017) online zugänglich. URL: http://www.juntadeandalucia.es/boja/2017/63/1 (abgerufen 4. 1. 2018). 62 Siehe die amtliche Mitteilung der Stadt Sevilla: El Pleno municipal aprueba por unanimidad la eliminacijn de las fflltimas calles franquistas de Sevilla en cumplimiento de la Ley de Memoria Histjrica, URL: https://www.sevilla.org/ayuntamiento/alcaldia/comunicacion/no ticias/el-pleno-municipal-aprueba-por-unanimidad-la-eliminacion-de-las-ultimas-callesfranquistas-de-sevilla-en-cumplimiento-de-la-ley-de-memoria-historica (abgerufen 4. 1. 2018); Cjrdoba inicia el camino para cambiar los nombres franquistas de sus calles, eldiario.es, 15. 12. 2017. 63 Ramjn de Carranza, expulsado, La Vanguardia, 29. 11. 2017; La lentitud en la retirada de s&mbolos franquistas encrespa a la oposicijn und Sjlo se han cambiado los nombres de cuatro calles de generales golpistas en diez aÇos, beide in: eldiario.es, jeweils, 15. 11. 2016 und 4. 12. 2017.

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im westkatalanischen Lleida, der sich weigerte, acht Straßen umzubenennen, die noch an Bürgermeister aus der Franco-Zeit erinnern.64 Einen Sonderfall bildet Madrid. Auch die spanische Hauptstadt wird seit 2015 von einer linken Minderheitsregierung aus Podemos mit PSOE-Unterstützung im Gemeinderat regiert. Ende 2015 erteilte die neue Stadtverwaltung dem Lehrstuhl zur geschichtlichen Erinnerung des 20. Jahrhunderts an der Universidad Complutense den Auftrag, eine geschichtspolitische Strategie für die Stadt zu erarbeiten. Allerdings kündigte der Lehrstuhl die Kooperation schon nach vier Monaten vorzeitig auf, nachdem eine Tageszeitung eine polemische, fehlerhafte Auflistung von 256 Straßennamen auf dem Blog eines außeruniversitären Historikers fälschlicherweise und ohne Rücksprache mit diesem gehalten zu haben dem Lehrstuhl zugeschrieben hatte und damit sowohl seitens der konservativen Opposition als auch der Medien massive persönliche Angriffe gegen die beteiligten WissenschaftlerInnen provoziert hatte. Hinzu kamen erhebliche Unstimmigkeiten zwischen den StudienautorInnen und der Stadtregierung, sowohl was Sachthemen als auch Stilfragen betraf – so den schwierigen Zugang zu den Primärquellen im Stadtarchiv, die Alleingänge und die mangelhafte Kommunikationspolitik der Stadtregierung, sowie einen von vornherein unrealistischen, von der Stadt durchgesetzten, vom Lehrstuhl aber letzten Endes akzeptierten Arbeitsplan, der vorsah, innerhalb von nur vier Wochen einen ersten provisorischen Entwurf mit 30 Straßennamen zu erstellen.65 Nach diesem Fehlschlag berief Bürgermeisterin Manuela Carmena eine etwas breiter zusammengesetzte Kommission ins Leben, der neben einer Anwältin und ehemaligen PSOE-Europaabgeordneten als Vorsitzender, zwei emeritierte Zeitgeschichtsprofessoren angehörten, desgleichen eine Ethikprofessorin, eine Architektin, ein Schriftsteller und ein Priester.66 Ein Jahr später wurde ein Gutachten mit der Empfehlung vorgelegt, 52 Straßen umzubenennen,67 das im

64 Lleida es nega a retirar els carrers als seus alcaldes franquistes, El Pa&s, 15. 12. 2016; Als jutjats la retirada de noms franquistes a carrers de Lleida, El Punt Avui, 21. 3. 2017. 65 Für eine wissenschaftliche Zusammenfassung, siehe Juli#n Vadillo MuÇoz, Un proyecto fallido. Historiadores, pol&ticos y periodistas en el no nato Plan Integral de Memoria de Madrid, in: Dami#n A. Gonz#lez Madrid (Hrsg.), La Historia, lost in translation, 2025–2039, bes. 2028–2030. 66 So die amtliche Ankündigung der Stadtregierung am 6. Mai 2016: Constituido el Comisionado de la Memoria Histjrica, URL: http://www.madrid.es/portales/munimadrid/es/Inicio/ Actualidad/Noticias/Constituido-el-Comisionado-de-la-Memoria-Historica?vgnextfmt=de fault& vgnextoid=85a6a1eedf484510VgnVCM1000001d4a900aRCRD& vgnextchannel=a12 149fa40ec9410VgnVCM100000171f5a0aRCRD (abgerufen 4. 1. 2018). 67 Für die amtliche Ankündigung mit den aufgelisteten Straßennamen siehe El Comisionado de la Memoria Histjrica plantea cambiar 52 calles en su informe definitivo, URL: https://www. madrid.es/portales/munimadrid/es/Inicio/Actualidad/Noticias/El-Comisionado-de-la-Me moria-Historica-plantea-cambiar-52-calles-en-su-informe-definitivo?vgnextfmt=default&

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Mai 2017 von allen im Stadtparlament vertretenen Parteien (bis auf die PP) genehmigt wurde. Der Beschluss wurde aber vorerst gestoppt, nachdem im November desselben Jahres ein Richter einer Klage der Francisco-Franco-Stiftung in erster Instanz stattgab.68 Im Frühjahr 2018 nahm die Stadtregierung dann insgesamt 47 Straßenumbenennungen vor, mithin alle von der Kommission empfohlenen mit Ausnahme jener fünf, die angeblich aufgrund mangelhafter Begründung im Gutachten per Richterspruch untersagt worden waren.69 Das war kein singulärer Vorgang: Auch in Alacant, 180 Kilometer südlich von ValHncia, machte im Herbst 2017 ein Richter den Beschluss der Stadtregierung rückgängig, 46 Straßen umzubenennen – in diesem Fall allerdings wegen Verfahrensmängeln, weil die Entscheidung nur vom Plenum des Gemeinderats und nicht durch einen internen Stadtausschuss hätte gefasst werden dürfen. Nach einer schnellen Neuverhandlung mit den konservativen Oppositionsparteien wurde kurz vor Silvester 2017 einvernehmlich die Umbenennung von 36 Straßen beschlossen. Der Preis für die Zustimmung der Opposition war allerdings gewesen, 10 der ursprünglich geplanten Umbenennungen nicht vorzunehmen.70

III.

Die Stadt València als praktischer Feldstudie

Die gestiegene Bedeutung geschichtspolitischer Fragen lässt sich gut am Beispiel der Stadt ValHncia ersehen. In dieser etwa 800.000 Einwohner zählenden Landeshauptstadt am Mittelmeer regierte seit 1991 (auf Länderebene seit 1995) ununterbrochen die PP. Die 24 Jahre lang amtierende Bürgermeisterin Rita Barber#, eine weit über die Stadt hinaus einflussreiche Politikerin, weigerte sich jahrelang konsequent, dem Gesetz 52/2007 Folge zu leisten. Erst nach einem gerichtlichen Urteil 2012 entzog die Stadtregierung Franco den Titel des Ehrenbürgermeisters. Und erst 2015 konnte sich der städtische Kulturausschuss durchringen, dem Diktator auch die Goldmedaille der Stadt zu entziehen, wobei es vermutlich kein Zufall war, dass just fünf Tage früher in diesem Zusammenhang Anzeige gegen die Bürgermeisterin erstattet worden war.71 Weiterhin un-

68 69 70 71

vgnextoid=2ce1b707b0fab510VgnVCM2000001f4a900aRCRD& vgnextchannel=a12149fa4 0ec9410VgnVCM100000171f5a0aRCRD (abgerufen 4. 1. 2018). Un juzgado suspende cautelarmente el cambio de nombre de las calles franquistas de Madrid, eldiario.es, 2. 11. 2017. Jeweils El Ayuntamiento de Madrid empieza a cambiar el callejero tras levantarse las cautelares, eldiario.es, 26. 4. 2018, und El cambio del callejero franquista se le atraganta a Carmena, La Vanguardia, 1. 6. 2018. Siehe jeweils La juez anula el cambio de las calles franquistas de Alicante, El Pa&s, 3. 11. 2017; Alicante aprueba por unanimidad cambiar 36 nombres franquistas del callejero, El Pa&s, 28. 12. 2017. Un juez ordena al Ayuntamiento de Valencia retirar a Franco el t&tulo de alcalde honor&fico,

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angetastet blieben freilich alle weiteren Ehrungen und Auszeichnungen, die während der Franco-Zeit namhaften Vertretern der Diktatur verliehen worden waren – trotz eines seit 2013 vorliegenden, 73 Seiten starken geschichtswissenschaftlichen Gutachtens und einer ergänzenden juristischen Analyse, die im Auftrag der kommunalen Oppositionsparteien durch das Institut für Neueste und Zeitgeschichte und die Juridische Fakultät der Universitat de ValHncia erarbeitet worden waren. Die historische Studie hatte die Zahl von 25 Ehrungen ergeben, die im fraglichen Zeitraum Funktionsträgern der Diktatur zuteil geworden waren, während das juristische Gutachten grundsätzlich die geschichtswissenschaftlichen Ergebnisse bestätigte. Zweifel wurden lediglich im Fall eines Mitglieds der sog. Blauen Division zum Ausdruck gebracht, weil diese 1941–1943 an der Ostfront, der deutschen Wehrmacht als 250. Infanteriedivision angegliederte militärische Einheit Franco-Spaniens nicht in unmittelbarer Verbindung mit dem Putsch, dem Bürgerkrieg bzw. der Unterdrückung gestanden habe und von daher nicht in den Geltungsbereich des Gesetz 52/2007 fiele. Die Kommunalwahl im Mai 2015 führte auch in ValHncia zu einem Machtwechsel. Die Stadt wurde fortan durch eine Koalitionsregierung aus valencianischen NationalistInnen, Podemos und SozialistInnen regiert. Noch im Jahr ihrer Wahl nahmen einige Nachwuchswissenschaftler des Instituts für Neueste und Zeitgeschichte Kontakt mit der neuen Stadtregierung auf. Ein erstes Treffen mit dem nunmehrigen Bürgermeister Joan Ribj und zwei Stadträtinnen Glkria Tello und Pilar Soriano fand im Oktober 2015 statt, fast zeitgleich zum Beginn der Auftragsstudie in Madrid. Danach wurde eine regelmäßige Kommunikation mit dem Ziel in die Wege geleitet, in Zusammenarbeit zwischen Universität und Stadtregierung die diktatorische Vergangenheit kritisch zu reflektieren und das demokratische Erbe positiv zu würdigen. Erste konkrete Folgen hatten diese Konsultationen zwischen April und Juli 2016, als die Entschlüsse getroffen wurden, acht prominente Symbole aus dem öffentlichen Raum der Stadt zu entfernen (einschließlich der Franco-Wappen aus Stein an zwei Volksschulen), sowie den franquistischen Persönlichkeiten die Ehrungen zu entziehen.72 Unmittelbar danach bekam das neugegründete Kolleg „zur geschichtlichen und demokratischen Erinnerung“ der Universität ValHncia73 von der Stadt den Auftrag, noch vor Jahresende 2016 ein vollständiges Gutachten zu den franquistischen Straßennamen vorzulegen. Dem wurde entsprochen, nach einer inPfflblico, 31. 7. 2012; Denuncian al arzobispo y a la alcaldesa de Valencia por mantener menciones y s&mbolos franquistas, El Mundo, 14. 4. 2015; El Ayuntamiento de Valencia retira a Franco la Medalla de Oro, El Mundo, 20. 4. 2015. 72 El Ayuntamiento aprueba la retirada de ocho s&mbolos franquistas, El Mundo, 8. 4. 2016; Valencia aprueba retirar 25 honores del franquismo para cumplir la ley, La Vanguardia, 28. 7. 2016. 73 Aula d’Histkria i Memkria Democr/tica, URL: https://www.uv.es/ahmd (abgerufen 4. 2. 2019).

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tensiven viermonatigen Recherche legte eine vierköpfige, vom Verfasser dieses Aufsatzes koordinierte Arbeitsgruppe der Kulturstadträtin das Ergebnis ihrer Untersuchung vor. Der 175 Seiten umfassende Projektbericht74 bestand seinerseits aus insgesamt 55 Einzelgutachten. Von diesen Einzelgutachten widmeten sich 51 natürlichen Personen, die als Namensgeber für Straßen fungierten sowie weitere vier geografischen Bezeichnungen, die aber politischen Motiven folgten. Die betroffenen Straßenbenennungen sowie die damit einhergehenden Huldigungen erstreckten sich quer durch die ganze Diktaturzeit, von 1939 bis in die frühen 1970er-Jahre. Nur zwei Straßennamen stammten aus der Vorkriegszeit, nahmen aber Bezug auf damals noch lebenden Personen (Ramjn Franco und Federico Garc&a Sanchiz), die sich dann im Bürgerkrieg als Unterstützer der Putschisten hervorgetan hatten. Bei den inkriminierten Fällen handelte es sich demnach fast ausschließlich um Benennungen aus der Diktaturzeit. Räumlich betrachtet lagen nur drei Straßennamen in der Altstadt, die meisten waren dagegen in Gebieten zu finden, die erst im 20. Jahrhundert, vor allem nach 1960 bebaut worden waren, als Stadtfläche und Einwohnerzahl beträchtlich expandierten. Drei der betreffenden Flächen lagen schließlich in vormals selbstständigen, mittlerweile aber eingemeindeten Vororten.75 Im Fall jener vier Straßennamen, die keinen personalen, sondern einen geografischen Bezug aufwiesen, nämlich die Galicia- sowie die Belchite-Straße, der Amerika-Platz, und die Portugal-Allee, empfahl die Arbeitsgruppe ein Vorgehen, das sich am Wiener Beispiel orientierte,76 wo die von Oliver Rathkolb geleitete HistorikerInnenkommission Umdeutungen nahe gelegt hatte, die für die Anrainerschaft mit keinem Adresswechsel verbunden war. Der Bedarf an derartigen Umdeutungen verdankte sich der Tatsache, dass die damalige Benennung aller vier Verkehrsflächen ursprünglich nicht primär geographisch motiviert war, sondern auf verschiedene franquistische Erinnerungsorte Bezug nahm. Konkret würdigten sie das Armeekorps Galicia, die Belchite-Schlacht 1937, pauschal all jene lateinamerikanischen Republiken die Franco bereits 74 Aula d’Histkria i Memkria Democr/tica, Informe per a l’Ajuntament de ValHncia (Regidoria de Patrimoni Cultural i Recursos Culturals) sobre els noms de carrer de la ciutat que remeten a figures de la dictadura franquista, ValHncia 2016, URL: https://www.valencia.es/ayuntami ento/publicaciones.nsf/0/D72934749743708FC12581A3004393A1/$FILE/Informe%20de% 20l%27Aula%20d%27Histkria%20i%20Memkria%20Democr/tica%20de%20la%20Univer sitat%20de%20ValHncia.pdf ?OpenElement& lang=2 (abgerufen 4. 1. 2018). 75 Die begutachteten Straßennamen sind im Anhang des Gutachtens auf zwei Stadtpläne gekennzeichnet; ebd., 171 und 173. 76 Oliver Rathkolb/Peter Autengruber/Birgit Nemec/Florian Wenninger, Straßennamen Wiens seit 1860 als „Politische Erinnerungsorte“, Wien 2013, URL: https://www.wien.gv.at/kultur/ abteilung/pdf/strassennamenbericht.pdf (abgerufen 4. 1. 2018). Sowie die sich daraus ergebende Buchpublikation: Peter Autengruber/Birgit Nemec/Oliver Rathkolb/Florian Wenninger, Umstrittene Wiener Straßennamen. Ein kritisches Lesebuch, Wien 2014. Ich möchte mich bei Frau Dr.in Linda Erker für den damaligen Hinweis diesbezüglich bedanken.

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während des Bürgerkrieges diplomatisch anerkannt hatten sowie Salazars diktatorischen Estado Novo, eine der drei mit Franco „befreundeten Nationen“, die propagandistisch eine bedeutende Rolle für die Diktatur gespielt hatten.77 Die restlichen 51 personalen Straßennamen waren zum Teil gleich in doppelter Hinsicht problematisch, weil in ihnen zwei Aspekte franquistischer Geschichtspolitik zum Tragen kamen. So war in Ramjn Franco nicht nur ein hochrangiger Bomberpilot im Stadtbild verewigt worden, der für die Bombardierung von verschiedenen Küstenstädten (womöglich auch ValHncia selbst) verantwortlich war, sondern wie nebenbei auch Francos Bruder. Der Rest betraf etwa fünf Straßennamen, die weitere Putschisten würdigten (nämlich die Generäle Ib#Çez Alonso, Urrutia sowie des späteren Innenministers Barroso; den von der franquistischen Propaganda zum „Engel des Alc#zar“ stilisierten Antonio Rivera Ram&rez, sowie eine fünfköpfige Gruppe von Putschisten, die nach dem vorläufigen Scheitern in ValHncia erschossen worden waren); den Namen zweier Minister der Diktatur (Alfonso PeÇa und Pedro Gual) sowie des ersten franquistischen Bürgermeisters von ValHncia 1939–1943 (Baron von C#rcer), nebst fünf Propagandisten bzw. Publizisten (Federico Garc&a Sanchiz, Salvador Ferrandis Luna, Samuel Ros, Eduardo Marquina, und Nationalrat Juan Jos8 Ljpez Ibor). Enthalten waren weiters vier Bildungsfunktionäre, die maßgeblichen Anteil an der politischen Säuberung des Erziehungswesen von RepublikanerInnen gehabt hatten, z. T. durch lebenslangen Berufsverbote (Bosch AriÇo, Beltr#n Bigorra, Morote Greus, und Jos8 Mar&a Zumalac#rregui; Letzterer hatte zudem noch als der erste franquistische Universitätsrektor und Provinzregierungspräsident ValHncias fungiert), sowie ein Richter und späterer Präsident (1945–1966) des Obersten Gerichtshofs der Diktatur (Cast#n TobeÇas); zwei führende falangistische Parteifunktionäre (Contreras Mongrell und Federico Mayo), sowie der mehrfache Denunziant des letztendlich 1941 hingerichteten republikanischen Universitätsrektors (Francisco Marco Merenciano).78 Einen Sonderfall bildete darüber hinaus eine Straßengruppe der Anfang der 1970er-Jahre vom Wohnungsbauministerium am damaligen Stadtrand errichteten „Antonio-Rueda-Siedlung“. Der ganze Siedlungsbau an sich war in seiner gesamten Genese durch und durch falangistisch geprägt: das zuständige Ministerium war von einem Falangisten geführt; schon der Siedlungsname würdigte ValHncias damaligen Zivilgouverneur und Provinzführer der Falange; die insgesamt 29 Straßennamen wurden von einem falangistischen Bürgermeister genehmigt und erinnerten allesamt an „für Gott und Vaterland“ Gefallene, mithin an Franquisten, die während des Bürgerkrieges, wahlweise an der Front den Tod gefunden hatten oder im republikanischen Spanien meist ohne ge77 Informe per a l’Ajuntament de ValHncia, 21–33. 78 Ebd., 7–20 und 37–137.

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richtliches Urteil kurzerhand hingerichtet worden waren und daher während der Diktatur als „Märtyrer“ galten.79

Abb. 2: Verteilung der Straßennamen der „Antonio Rueda“-Siedlung (1969–1973) im westlichen Stadtteil ValHncias bis September 2017 (Collage und Fotografien: Toni Morant i AriÇo auf Grundlage eines amtlichen Stadtplans).

Auch wenn nicht alle Betroffenen eigeninitiativ gegen die Demokratie geputscht hatten, wurde durch das Gutachten ihr symbolischer, die Diktatur huldigender Charakter berücksichtigt, da der franquistische Märtyrer- bzw. Gefallenenkult zu den zentralen Legitimationsstrategien der Diktatur gezählt hatte.80 Noch dreißig Jahre nach Bürgerkriegsende beharrte daher die Diktatur auf der Einteilung der spanischen Gesellschaft in Sieger und Verlierer, gerade am Beispiel der Straßennamen erweist sich auch die eingangs erwähnte „Wir alle waren schuld“-Rhetorik als reines Lippenbekenntnis: kein/e einzige/r RepublikanerIn

79 Ebd. 139–168. Für eine Siedlungskarte samt Fotografien aller 28 Straßenschildern, siehe: ebd., 175. 80 Zira Box, EspaÇa, aÇo cero. La construccijn simbjlica del franquismo, Madrid 2010, 178; Jos8 Luis Ledesma/Javier Rodrigo, „Ca&dos por EspaÇa, m#rtires de la libertad. V&ctimas y conmemoracijn de la Guerra Civil en la EspaÇa posb8lica (1939–2006)“, in: Ayer, 63 (2006), 233–255, 233.

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wurde vor der Wiedereinführung der Demokratie 1977 mit einem Straßennamen bedacht. Nach mehreren Monaten interner Vorbereitungen der kommunalen Bürokratie, wurden im Mai 2017 die Straßenum- und Neubenennungen im Rahmen einer gemeinsam mit den beteiligten WissenschafterInnen abgehaltenen Pressekonferenz im Rathaus bekanntgegeben.81 Nachdem die etwa 20.000 betroffenen StadtbewohnerInnen informiert worden waren, genehmigte im Juli 2017 das Stadtparlament gegen die Stimmen der beiden konservativen Oppositionsparteien alle 51 Umbenennungen sowie vier Umwidmungen. Binnen der dafür vorgesehenen Frist von zwei Monaten erreichten die Stadtverwaltung nur zwei Berufungen. In beiden Fällen handelte es sich um Familien von Namensgebern, gestützt auf zusätzliche Gutachten wurde ihren Einwänden jedoch nicht statt gegeben.82 Anders als in Madrid und Alacant machten zudem auch keine RichterInnen rechtliche Bedenken gegen den Umbenennungsentschluss geltend. Ende September 2017, etwas weniger als zwei Jahre nach dem ersten Treffen zwischen UniversitätsvertreterInnen und Stadtregierung, wurden alle 51 Straßenumbenennungen planmäßig vollzogen.83

IV.

Fazit

An den geschichtswissenschaftlichen Instituten wird gelehrt, dass Geschichte von der Gegenwart aus gemacht wird, dass jede Gesellschaft unterschiedlich auf ihre Vergangenheit blickt. Seit den 1990er-Jahren blickt in Spanien eine neue Generation auf die Zeit der Transicijn und stellt ihre eigenen Fragen. Teilweise mögen diese unbequem sein, wie der Vergleich mit anderen Staaten zeigt sind sie aber ein Stück demokratische Normalität und Ausdruck der Festigung demokratischer Haltungen. Auch in Spanien sind Straßennamen keine neutralen, geschweige denn „natürlichen“ Standortangaben. Anders als in der Vormoderne, werden Flächenbezeichnungen in der Regel von Machtinstanzen wie Kommunalbehörden etabliert, meist mit dem Ziel jemanden oder etwas zu würdigen. In diesem Sinne sind die Straßennamen einer beliebigen Stadt das Ergebnis der Überlagerung von verschiedenen Epochen, gesellschaftlichen Ordnungen und Ideologien. Umbenennungen kommen daher auch keiner Löschung oder Zer-

81 ValHncia cambiar# el nombre de 51 calles franquistas, La Vanguardia, 15. 5. 2017; Estas son las 51 calles que cambiar#n de nombre en Valencia, ABC, 15. 5. 2017. 82 El ayuntamiento rechaza la alegacijn de la familia Ljpez Ibor por el cambio de nombre de su plaza, Levante-EMV, 8. 9. 2017; El tripartito niega el recurso de la familia y quitar# la calle a un notario pese a no ser franquista, Las Provincias, 8. 9. 2017. 83 Las calles franquistas „desaparecen“ en ValHncia, Levante-EMV, 23. 9. 2017.

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störung einer vermeintlich objektiven, unveränderten, nahezu gottgegebenen Geschichte gleich. Jüngste Untersuchungen schätzen heute, mehr als zehn Jahre nach Inkrafttreten des Gesetzes 52/2007, die Zahl der nach wie vor bestehenden franquistischen Straßennamen auf ungefähr 2.000, gelegen zumeist in Kleinstädten bzw. Ortschaften in ländlich geprägten, traditionell konservativen Gebieten. Um sich eine Vorstellung von der Präsenz der Diktatur im öffentlichen Raum zu machen, müssen zu diesen Straßennamen Symbole wie Inschriften, Tafeln, Denkmäler und selbst Ortsnamen hinzugezählt werden. Sie alle sind heute Gegenstand jener Erinnerungskämpfe, die seit dem ausgehenden 20. Jahrhundert so typisch sind. Nach Francos Tode 1975 kam es in Spanien zu keinem abrupten Bruch mit der Diktatur, sondern zu einem lang verhandelten politischen Pakt mit der einstigen Opposition. Angst vor einem erneuten Bürgerkrieg, links- und rechtsextremem Terrorismus sowie Polizeigewalt ließen es der Opposition angezeigt sein, sich in ihren Forderungen zu mäßigen. In jenen instabilen Jahren dominierten wohl auch auf der Linken das Bedürfnis nach einem friedlichen Übergang und das „Verlangen nach Vergessen“. Bis Mitte der 1980er-Jahre wurden zwar die wichtigsten Straßennamen und Denkmäler der Diktatur beseitigt, doch weder wurde eine systematische Überprüfung des öffentlichen Raumes unternommen, noch wurden Umbenennungen flachendeckend durchgeführt. Aus der zeitlichen Entfernung erscheint es durchaus plausibel, dass die damaligen AntifranquistInnen der Ansicht waren, mit ihren Forderungen das Maximum des geschichts- und symbolpolitisch Möglichen ausgeschöpft zu haben. Vier Jahrzehnte später, da die einst wiederherzustellende Demokratie konsolidiert ist, lässt sich nichts desto trotz konstatieren, dass die damaligen Erfolge einen Preis hatten. Die Rechte akzeptierte bis zu einem gewissen Maße die symbolische Demontage des alten Regimes. Die Linke verzichtete im Gegenzug allerdings darauf, weiter zu gehen und etwa die politische und gesellschaftliche Ausgrenzung der Erinnerung an die Zweite Republik in Frage zu stellen. Das vorherrschende Bild dieser Zweiten Republik war das Ergebnis einer von der Franco-Diktatur jahrzehntelang aufgebauten Gegenerinnerung, diese negative Abgrenzung wurde nach 1975 wenigstens indirekt fortgeschrieben. Für den Erfolg der Transicijn mag das funktional gewesen sein,84 doch langfristig waren diese Verzichte für die Vertiefung des demokratischen Bewusstseins in Spanien dysfunktional.85 Widerstände gegen eine offenere Auseinandersetzung mit der Vergangenheit kamen vor allem aus dem konservativen Lager und den ihm nahestehenden 84 Alberto Reig Tapia, Memoria de la guerra civil, Madrid 1999, 356. 85 Duch Plana, Toponimia franquista, 379.

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Medien, zum Teil aber auch aus dem Justizwesen und bestimmten Standesvertretungen bzw. wirtschaftlichen Lobbys. Dabei dürfte die Erinnerung an den Bürgerkrieg und an die in seiner ersten Phase auch von den RepublikanerInnen begangenen Verbrechen eine wichtige Rolle gespielt haben. Dies stellt einen nicht zu übersehenden Unterschied zu anderen europäischen Ländern mit autoritärer bzw. faschistischer Vergangenheit dar. Nicht immer allerdings war die politische Farbe entscheidend. Mitunter widersetzten sich auch sozialistische Stadtregierungen Forderungen nach Umbenennungen. Ob darin eine Fortschreibung des „Verlangens nach Vergessen“ zu sehen ist, also primär eine Furcht vor dem politischen Gegner, oder andere Gründe ausschlaggebend waren bzw. sind bedürfte eingehenderer Untersuchungen, wie insgesamt ein flächendeckender innerspanischer und ein systematischerer internationaler Vergleich (beispielsweise zu Ländern mit ähnlichen historischen Erfahrungen wie Frankreich, Portugal, Deutschland oder Österreich) wünschenswert wären. Der wissenschaftliche und der politische Prozess vollziehen sich in unterschiedlichen Geschwindigkeiten und folgen keineswegs immer übereinstimmenden Interessen. In einer ohnehin aufgrund der medialen Aufmerksamkeit angespannten Lage können diese Unterschiede rasch zum Scheitern konstruktiver geschichtspolitischer Ansätze führen. Umgekehrt veranschaulicht das Beispiel ValHncias, dass beidseitige Vorsicht und Zurückhaltung im Umgang, die Einhaltung wissenschaftlicher Standards, präzise Kriterien und Formulierungen sowie eine klare Arbeitsteilung zwischen Wissenschaft und Politik die Erfolgsaussichten massiv erhöhen. Trotz des Generationswechsels in den 1990er-Jahren, dem damit einhergehenden „Verlangen nach Erinnerung“ und punktuellen Erfolgen ist es in Spanien bislang nicht gelungen, einer breiteren Öffentlichkeit zu veranschaulichen, dass es bei der Diskussion um Straßennamen nicht um rechts oder links geht, sondern um die demokratiepolitische Notwendigkeit, zwischen DemokratInnen und Nicht-DemokratInnen zu unterscheiden. Erstere, gleich ob linksstehend oder konservativ, religiös oder laizistisch, haben, ja müssen in einer demokratischen Geschichtspolitik Platz haben, die Gesellschaft bedarf ihres Vorbildes. Für NichtDemokratInnen gilt das schlicht nicht. Auch ihre Geschichte bedarf einer Auseinandersetzung – aber keiner Würdigung.

Florian Wenninger

Widmung und Umwidmung öffentlicher Räume. Eine Analyse des Spektrums der Debatten in österreichischen Gemeinden

I.

Ausgangspunkt und Fragestellung

Die symbolische An- und Zueignung öffentlichen Raums ist auf Ebene kommunaler Verwaltungen ein regelmäßiger, nichts desto trotz wenigstens potenziell ein durchaus heikler Vorgang. Neben ihrer Orientierungsfunktion sind Stadtpläne immer auch Hegemonieverzeichnisse, die erfassten Flächenbezeichnungen spiegeln dominante gesellschaftliche Gruppen und Werthaltungen wider, die zu einem gegebenen Zeitpunkt in den öffentlichen Raum eingeschrieben wurden.1 Obwohl Straßennamen im Alltag vornehmlich die Funktion eines Leitsystems zukommt, entwickeln sie häufig affektiven Gehalt, sobald sie in Frage gestellt werden.2 Die bisherige Forschung zur Benennungspraxis öffentlicher Räume hat sich in erinnerungskulturellen und geschichtspolitischen Untersuchungen vermehrt Benennungskonjunkturen und prominenten Beispielen öffentlich geführten Umbenennungsdebatten zugewandt.3 Dagegen wurde bislang 1 Zur Rolle und Bedeutung von Verkehrsflächenbenennungen vgl. u. a. Derek Alderman, Place, naming and the interpretation of cultural landscapes, in: Brian Graham (Hg.), The Ashgate research companion to heritage and identity, Aldershot 2010, 195–214; Kenneth E. Foote/ Maoz Azaryahu, Towards a geography of memory : geographical dimensions of public memory and commemoration, in: Journal of Political and Military Sociology 35 (2007), 125–144; Michael R. Glass/Reuben Rose-Redwood (Hg.), Performativity, Politics and the Production of Social Space, New York-London 2014; Rainer Pöppinghege, Wege des Erinnerns. Was Straßennamen über das deutsche Geschichtsbewusstsein aussagen, Münster 2007, bes. 15ff. 2 Vgl. Zoran Stiperski u. a., Identity through Urban Nomenclature: Eight Central European Cities, in: Geografisk Tidssdrift. Danish Journal of Geography 112 (2011), 181–194. 3 Für den deutschen Sprachraum vgl. Pöppinghege 2007; Frese, Matthias (Hg.), Fragwürdige Ehrungen. Straßennamen als Instrument von Geschichtspolitik und Erinnerungskultur, Münster 2012; Dietmar von Reeken/Malte Thießen (Hg.), Ehrregime. Akteure, Praktiken und Medien lokaler Ehrungen in der Moderne, Göttingen 2016; Für Untersuchungen zu Österreich siehe beispielhaft Birgit Nemec, Straßenumbenennungen in Wien als Medien von Vergangenheitspolitik. Wien 1910–2010, Dipl. Arb., Wien 2008; Sarah Lintschnig, Über die (Un-)Sichtbarkeit von Frauen im öffentlichen Raum – topografische Bezeichnungen in Graz, Masterarbeit, Graz 2012; Nicole Ringer, Zwischen kulturellem Ausdruck und Repräsentation von Macht. Straßennamen in Wien, ihr Einfluss auf die Produktion des öffentlichen Raumes

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kaum versucht, das Spektrum der Debatten und die mit Umbenennungsforderungen verbundenen Motive und Entscheidungsabläufe auf Seiten politischer AkteurInnen systematischer in den Blick zu nehmen. An dieser Stelle setzt die nachfolgende Arbeit ein. Über einen Untersuchungszeitraum von 25 Jahren, zwischen 1992 und 2017, untersucht sie Benennungen öffentlicher Flächen als ein dynamisches, kommunales Politikfeld. Den analytischen Rahmen bildet die politikwissenschaftliche Politikfeld- und Implementationsforschung, die ein stark auf den politischen Prozess (politics) bezogenes Erkenntnisinteresse verfolgt.4 Diese unterteilt den politischen Prozess in Phasen eines Zyklus, der „die Problemartikulation, die Ziel- und Programmformulierung […], die Politikdurchführung […] und deren Beendigung […] mit dann eingetretenen (beabsichtigen wie unbeabsichtigten) Wirkungen umfasst“.5 Die Implementationsforschung interessiert sich in diesem Schema besonders für jene Faktoren, die den politischen Umsetzungsprozess beeinflussen, das heißt für den politischen und institutionellen Rahmen, für Akteure, deren Motive und Strategien. Das der Untersuchung zugrundeliegende Policy-Feld ist die Geschichtspolitik, die darauf ausgelegt ist, Geschichte politisch nutzbar zu machen und demzufolge darauf abzielt „Traditionen zu schöpfen, Erinnerungen zu gestalten und Identitäten zu konstruieren“6. Während die Politikfeldanalyse im Fall der Geschichtspolitik mehrheitlich von einem elitenzentrierten Paradigma ausgeht, entsprechende Politiken also üblicherweise top down begreift, wird in der gegenständlichen Untersuchung ein weiter gefasstes Akteursfeld in den Blick genommen. Im Unterschied zur klassischen Implementationsforschung wird darüber hinaus nicht von einer a priori feststehenden Motivlage mit einem klar umrissenen Wirkungsziel ausgegangen, sondern von einem Prozess, in dessen Verlauf AkteurInnen durchaus unterschiedliche, kurzfristig identifizierte Ziele verfolgen können. Zunächst werden Auslöser von Benennungsdebatten und AkteurInnen identifiziert, in einem weiteren Schritt Debatten, nach dem Umgang mit umund ihre Bedeutung für die Gender-Thematik, Dipl. Arb., Wien 2012; Matthias Holzer, Vom Franzensplatz zum Freiheitsplatz; vom Franz-Josephs-Platz zum Hauptplatz. Platz(um-)benennungen im Vergleich zwischen Graz und Linz, Dipl. Arb., Graz 2017. 4 Zur Politikfeldanalyse siehe u.a. den Klassiker von Dye, Thomas R., Policy Analysis. What governments do, why they do it, and what difference it makes, University/Ala, 1976, für jüngere Ansätze siehe Winand Gellner/Eva-Maria Hammer, Policyforschungg, München 2010. 5 Hellmut Wollmann, Implementationsforschung/Evaluationsforschung, in: Dieter Nohlen (Hg.), Lexikon der Politik, Bd. 2: Politikwissenschaftliche Methoden, München 1994, 173– 179, hier 173. 6 Edgar Wolfrum, Geschichtspolitik in der Bundesrepublik. Der Weg zur bundesrepublikanischen Erinnerung, Darmstadt 1999, 2. Zum Konzept der Geschichtspolitik siehe auch Stefan Troebst, Geschichtspolitik. Politikfeld, Analyserahmen, Streitobjekt, in: Etienne FranÅois/ Kornelia Kon´czal/Robert Traba/Stefan Troebst (Hg.), Geschichtspolitik in Europa seit 1989. Deutschland, Frankreich und Polen im internationalen Vergleich, Göttingen 2013, 15–34.

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strittenen Flächenbezeichnungen strukturiert, analysiert. Von besonderem Interesse ist die Frage, wie Aushandlungsprozesse zwischen BefürworterInnen und GegnerInnen von Umbenennungen in unterschiedlichen Entscheidungen hinsichtlich des Umgangs mit Benennungen mündeten und ob sich dabei regionale Unterschiede ausmachen lassen. Das Bemühen gilt dabei vor allem einer Systematisierung der vorgefundenen Handlungsweisen. In Österreich gingen im Lauf des 20. Jahrhunderts Umbenennungskonjunkturen zu einem Großteil mit politischen Zäsuren und Regimewechseln einher, so etwa mit dem Übergang von der Monarchie zur Republik 1918 oder mit dem Aufstieg und Niedergang des Faschismus 1933–1945. Als Grundlage der Entscheidung firmieren dabei unter anderem faktische, (noch) nicht verrechtlichte Machtbefugnisse, etwa im Zuge des „Anschlusses“ 1938 oder der Alliierten Besatzung ab 1945. In politisch stabilen Phasen, zu denen auch der gegenständliche Untersuchungszeitraum zählt, gibt es dagegen zwar klar geregelte Zuständigkeiten, aber keine verbindliche Vorgehensweise: Der Artikel 118, Abs. 3 des B-VG weist den Gemeinden die Verantwortung für die Verwaltung der Verkehrsflächen in ihrem Gebiet zu, wozu auch deren Benennung zählt. Wie letztere vorgenommen wird, bleibt den Gemeinden selbst überlassen. Entsprechend heterogen ist auch der Verlauf und der Ausgang von Umbenennungsdebatten. Aktuellere Umbenennungsdebatten sind in Archivquellen schwer zu fassen. Eine mögliche Quelle wären Sitzungsprotokolle der Gemeindeparlamente, diese sind jedoch sowohl in ihrem Umfang und ihrer Aussagekraft, als auch hinsichtlich ihrer Verfügbarkeit sehr unterschiedlich. In jedem Fall würden sie eine mehrwöchige Recherche im gesamten Bundesgebiet notwendig machen. Als wenig ergiebig haben sich Kontaktaufnahmen mit politischen Parteien erwiesen, da entsprechende Prozesse intern offenbar durchwegs nicht dokumentiert wurden. Eine Studie auf Basis von Oral History Interviews könnte schließlich nur punktuelle Tiefenbohrungen vornehmen, wäre aber in Anbetracht des notwendigen Aufwandes kaum geeignet, flächendeckende Erkenntnisse zu generieren, noch dazu über längere Zeiträume hinweg. Als Quellengrundlage für diesen Beitrag wurde folglich ein Korpus von rund viertausend Medienmeldungen aus dem Archiv der Austria Presse Agentur gewählt.7 Weil sich die Fallzahl bei zunehmender Tiefenschärfe rasch jenseits jeder statistischen Signifikanz bewegt, wurde auf eine generelle quantitative Analyse verzichtet und werden aussagekräftige Fallzahlen nur punktuell einreferiert. In einem weiteren 7 Zu diesem Zweck wurde das online über die Universität Wien verfügbare APA-Online-LibrarySystem (https://aomlibrary.apa.at) mithilfe der Suchbegriffe „Straßennamen“, „Benennung“ „Umbenennung“, „Straßen“ „Streit“, „Diskussion“ und „Debatte“ in verschiedenen Kombinationen im Zeitraum vom 1. Jänner 1992 bis 31. Dezember 2016 durchsucht und die Trefferzahl auf das Gebiet der Republik Österreich beschränkt.

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Schritt könnten freilich qualitative Analyse ausgewählter Sitzungsprotokollen bestimmter Gemeinden nicht nur eine sinnvolle Ergänzung bilden, sondern auch die generierten Hypothesen der vorliegenden Arbeit einer kritischen Prüfung unterziehen.

II.

Auslöser von Benennungsdebatten

2.1

Nicht vorhandene Straßennamen

Ein Gutteil der Benennungsdebatten in Österreich zwischen 1992 und 2017 entzündete sich anlässlich der Einführung von Straßennamen für bis dahin offiziell unbenannte Verkehrsflächen. Dies betraf in erster Linie Kleingemeinden, in denen nach wie vor das ältere System von Konskriptions- bzw. Katastralnummern89 vorherrschte und die Adressen daher lediglich aus Ortsnamen und Hausnummer bestanden hatten, wobei die Hausnummernvergabe keinen topografischen Gesichtspunkten folgte, sondern der Errichtungsreihenfolge.10 Ab einem gewissen Agglomerationswachstum, gerade in Tourismusregionen, stieß diese Praxis jedoch auf Kritik, da es „Auswärtige(n)“ , selbst mit elektronische Navigationssystemen, die Orientierung erschwere1112 ; selbst „Alteingesessene“ könnten „meist keine Auskunft geben“.13 Darüber hinaus ergaben sich in Notfällen praktische Probleme, da Einsatzkräfte von Polizei, Feuerwehr und Rettung nur mit Schwierigkeiten und zeitlicher Verzögerung an ihr Ziel gelangten.14 Eine verbreitete, überaus erfolgreiche Strategie von Gemeindevertretungen, bei der Erstbenennung von Straßen einen Konsens in der Bevölkerung zu erzielen, bestand im Untersuchungszeitraum in unterschiedlichen Formen von Bürgerbeteiligungsverfahren, die von Informationsveranstaltungen bis zur öffentlichen Abstimmung der künftigen Bezeichnungen reichten.15 Konflikte ließen sich 8 Vgl. Markus Kolar, Der franciszeische Kataster, Dipl. Arb., Wien 2016. 9 Vgl. Anton Tantner, Die Hausnummer. Eine Geschichte von Ordnung und Unordnung, Marburg 2007. 10 Im Untersuchungszeitraum wurden laut aufgefundenen Meldungen in 76 Orten Straßennamen eingeführt. Die mit Abstand meisten Fälle gab es in Tirol (24), gefolgt von Kärnten (11), Niederösterreich (10), der Steiermark (10), Oberösterreich (9), dem Burgenland (6), sowie schließlich Vorarlberg und Salzburg mit jeweils drei Orten. 11 So in der Tiroler Gemeinde Uderns, vgl. Tiroler Tageszeitung, 13. 7. 2007, 24. 12 Vgl. den Fall Bad Hall in Oberösterreich, Oberösterreichische Nachrichten, 18. 7. 2012, LST 26. 13 So etwa in Thal bei Graz, vgl. Kleine Zeitung (Graz), 17. 7. 2003, 20. 14 So geschehen 2004 in Gammelsdorf bei München. „In dem kleinen Ort gebe es keine Straßennamen und die Hausnummern seien schwer zu lesen gewesen, erklärten die Beamten“, zit. n. Neue Vorarlberger Tageszeitung, 10. 3. 2004, 10. 15 So etwa in Kirchbichl, Engelhartszell, Eberau, Himmelberg, Dürnstein oder Amlach.

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darüber hinaus vermeiden, indem auf politischer Ebene zu Beginn des Prozesses eine Übereinkunft hergestellt wurde, statt Personennamen von vornherein neutrale Bezeichnungen zu favorisieren und das Spektrum möglicher Benennungen demzufolge meist auf Flora- oder Flurbezeichnungen zu begrenzen.16 Generell war deren Akzeptanz hoch17, außer die gewählte Bezeichnung deckte sich inhaltlich nicht mit den Vorstellungen der AnwohnerInnen,18 wurden mehrfach vergeben19 oder provozierten – beispielsweise durch die Verwendung von Hofnamen – soziale Rivalitäten.20 Insgesamt gestaltete sich die Einführung von Straßennamen mehrheitlich konfliktfrei. Sofern es zu Dissens kam, wurde diesem seitens der politisch Verantwortlichen allerdings sehr unterschiedlich begegnet, wie Beispiele aus vier Gemeinden illustrieren. So wies 2006 der Gemeinderat im Tiroler Pettnau den Versuch der Bürgerbeteiligung an Benennungsfragen in Form einer Unterschriften-Aktion gegen die Benennung der Schmalzgasse – auf Grund der „negativen Assoziationen“ mit Schweinefett – öffentlich zurück, wie ein Mandatar erklärte: „da bin ich ganz diktatorisch, da gibt es keine Diskussion mehr“21. Im zweiten Fall entschied sich 2003 die Gemeindeverwaltung von Thal bei Graz eine bereits erfolgte Benennung nicht öffentlich zu machen und distanzierte sich, auf Grund der Kritik der Bevölkerung, sogar von einer gültigen Beschlusslage. Die neuen Straßennamen waren zwar ordnungsgemäß in das Landesinformationssystem eingespeist worden, die Gemeinde brachte jedoch keine Namensschilder an und der Bürgermeister bestritt auf Nachfrage einer Lokalzeitung rundweg, von der Benennung auch nur Kenntnis zu haben: „Ich habe damit nichts zu tun.“22 Ähnlich entschied ein Bürgermeister im dritten Fall, im niederösterreichischen Zwettl im Jahr 2011, die Bevölkerung über eine erfolgte Benennungen nicht in Kenntnis zu setzen – um „seine persönliche Angriffsfläche möglichst klein zu halten“, wie die Opposition mutmaßte.23 Diese Praxis des Nicht-Öffentlichmachens hatten offensichtlich schon manche seiner Vorgänger gepflo16 Vgl. Kronen Zeitung (Burgenland), 23. 10. 1998, 20. 17 Für ein rares Beispiel von Widerstand gegen Flurnamen generell vgl. Kleine Zeitung (Klagenfurt), 29. 12. 2013, 44; Neue Kärntner Tageszeitung, 4. 5. 2007, o. S. 18 So im oberösterreichischen Micheldorf, wo der Bürgermeister sich erklären lassen musste, dass an Flurnamen wohl der Tiefgraben wie auch der Tiefgrabenbach, nicht aber der von ihm herangezogene Tiefenbachgraben existierte. Vgl. Oberösterreichische Nachrichten, 4. 10. 2013, LST 34. 19 So etwa im Ötztal, vgl. Tiroler Tageszeitung, 24. 9. 2014, 41. 20 So etwa im Salzburger Anif, vgl. Salzburger Nachrichten, 19. 2. 2001, o. S., Lokalteil, oder im Tiroler Hart, vgl. Tiroler Tageszeitung, 30. 8. 2013, 37. 21 Vgl. ebd., 1. 12. 2006, 23. 22 Vgl. Kleine Zeitung (Graz), 16. 7. 2003, 20. 23 Vgl. Kurier (Niederösterreich), 26. 1. 2011, 18.

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gen. So wurde in der – ehemals im sowjetischen Besatzungssektor liegenden – Gemeinde durch Zeitungsrecherchen im Jahr 2007 bekannt, dass der Hauptplatz formal nach wie vor Stalin-Platz hieß, während der Neue Markt seit den 1930ern ungebrochen rechtmäßig dem austrofaschistischen Diktator Engelbert Dollfuß eignete.24 Ein etwas anders gelagertes Exempel von gezielter Verschleppung im Amt bildete schließlich der vierte Fall des niederösterreichischen Payerbachs, wo einem Konflikt um die Einführung von Straßennamen parteitraditionspflegerische Gegensätze zugrunde lagen. Eine sozialdemokratische Gemeinderatsmehrheit hatte hier eine Verkehrsfläche nach dem sozialdemokratischen Langzeitbundeskanzler Bruno Kreisky benannt. Als es vor der praktischen Umsetzung des bereits gefassten Gemeinderatsbeschlusses Wahlen und als deren Folge einen Machtwechsel von der Sozialdemokratie zur Volkspartei gab, weigerte sich der neue konservative Bürgermeister neun Jahre lang, die bereits vorhandenen Namensschilder anbringen zu lassen sowie die neu gedruckten Stadtpläne an die Bevölkerung auszugeben. Seine diesbezügliche Entscheidung rechtfertigte er gegenüber der Tageszeitung „Kurier“ unter anderem mit Anrainerprotesten. Schließlich gab die sozialdemokratische Fraktion ihr Beharren auf und lenkte ein, die beschlossene Benennung mutierte im beidseitigen Einvernehmen stillschweigend zu totem Recht.25 Abseits der Einführung von Straßennamen war auch eine zweite Form von Umbenennungen mit vergleichsweise niedrigem Konfliktpotential verbunden, nämlich vulgäre, skurrile oder zumindest missverständliche Bezeichnungen, wie etwa der Wiener Benennung Am Sauhaufen, die auf Ansuchen eines ansässigen Logistik-Unternehmens geändert wurde.26 Wenig Aufmerksamkeit erzeugte auch die Praxis einiger Gemeinden, Benennungen im Sinn der neuen Rechtschreibung anzupassen27, was teils auf Initiative von Privatpersonen erfolgte.28

2.2

Politische Umbenennungsmotive

Die heftigsten Debatten entbrannten überall dort, wo eine bestehende Verkehrsfläche umbenannt werden sollte, weil die namensgebende Person oder der namensgebende Vorgang politisch nicht mehr tragbar schienen. 24 Vgl. ebd., 5. 3. 2007, 10; Wiener Zeitung, 6. 3. 2007, 14. 25 Vgl. ebd.; siehe auch Kurier (Niederösterreich), 30. 3. 2009, 18. 26 Vgl. Kurier (Wien), 21. 12. 1999, 11; desgl. Neue Kronen Zeitung (Steiermark), 5. 1. 2000, 4; Salzburger Nachrichten, 18. 2. 2015, L2. 27 Vgl. Kurier (Wien), 21. 12. 1999, 11; desgl. Neue Kronen Zeitung (Steiermark), 5. 1. 2000, 4; Salzburger Nachrichten, 18. 2. 2015, L2. 28 Vgl. Kleine Zeitung (Graz), 30. 6. 2013, 36.

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Vereinzelt betraf dies Benennungen nach militärischen Führungspersönlichkeiten. Ein besonders prominentes Beispiel hierfür bildeten etwa Diskussionen in Graz29 um die prominent gelegene Hötzendorf-Straße, benannt nach dem Generalstabschef der k.u.k.-Armee im Ersten Weltkrieg, Feldmarschall Franz Conrad von Hötzendorf (1852–1925). Neben dessen Brotberuf stießen sich Kritiker vor allem an Conrads Beitrag zur gezielten Eskalation der Julikrise 1914 und damit seiner direkten Mitschuld am Ersten Weltkrieg, desgleichen an seinem aggressiven völkischen Deutschnationalismus, gepaart mit Antisemitismus und Sozialdarwinismus sowie seine Verantwortung für den menschenverachtenden Umgang mit Kriegsgefangenen.30 Nicht nur, aber besonders in Wien waren überdies Restbestände der austrofaschistischen Benennungspolitik aus den Jahren 1934–1938 relevant, prominenteste Beispiele waren der Gründer der Christlichsozialen Partei und Wiener Bürgermeister Karl Lueger (1844–1910)31 sowie der Heimatdichter und Augustinerchorherr Ottokar Kernstock (1848–1928)32, an deren Würdigung auch die Nationalsozialisten aufgrund ihres antisemitischen und völkischen Gedankengutes nicht gerüttelt hatten. Weil die meisten Kommunen im Falle von Würdigungen durch Benennungen öffentlicher Räume auf der Einhaltung einer Interkalarfrist bestehen, betrafen praktisch alle Debatten um NamensgeberInnen verstorbene Persönlichkeiten. Die einzige Ausnahme von dieser Regel rächte sich prompt. Im Jahr 1997 benannte die steirische Landeshauptstadt Graz das neu errichtete Stadion Liebenau nach dem weltweit prominentesten Sohn der Steiermark, dem Kraftsportler und Schauspieler Arnold Schwarzenegger. Jahre später wollte ihn seine Geburtsgemeinde Thal zusätzlich mit einer Straße ehren. Allerdings war der bereits in den 1960er-Jahren in die USA ausgewanderte Schwarzenegger 2003 zum republikanischen Gouverneur des US-Bundesstaates Kalifornien gewählt worden und in dieser Funktion wesentlich stärker als früher auch politischer Kritik ausgesetzt. Besonderen Unmut erregte dabei seine demonstrative Befürwortung der Todesstrafe. Als nach der zweiten Hinrichtung unter Schwarzenegger im Jahr 2005 absehbar war, dass die Stadt Graz aufgrund des öffentlichen Drucks das 29 Vgl. ebd., 15. 12. 2013, 30. 30 Für die Positionen des politisch breit aufgestellten Bündnisses, das die Umbenennung der Hötzendorf-Straße in Graz forderte und in diesem Zusammenhang die Kritik an der Person konzise zusammenfasste, siehe https://www.openpetition.de/petition/online/conrad-vonhoetzendorf-strasse-in-graz-umbennung-100-jahre-nach-kriegsbeginn (abgerufen 19. 9. 2018). Vgl. außerdem Wolfram Dornik, Des Kaisers Falke. Wirken und Nach-Wirken von Franz Conrad von Hötzendorf, Innsbruck 2013. 31 Zur Person Lueger vgl. John Boyer, Karl Lueger (1844–1910). Christlichsoziale Politik als Beruf. Eine Biografie, Wien 2010. 32 Zum Personenkult, den der Austrofaschismus um die Person Kernstock entfachte vgl. Monika Schuster, Kernstock-Kult. Ein Beitrag zur Memorialkultur, phil. Diss., Graz 2008.

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Schwarzenegger-Stadion umbenennen würde, kam Schwarzenegger dem zuvor, indem er die Verwendung seines Namens im öffentlichen Raum seiner Heimat pauschal untersagte.33 In erster Linie bezogen sich politisch motivierte Umbenennungsdebatten jedoch auf Fälle, die einen Zusammenhang mit dem Nationalsozialismus oder dessen ideologischen Vorläufern aufwiesen. Mit dem Nationalsozialismus in einem engeren Sinne verbunden waren grundsätzlich drei Kategorien von Namenspatronen, wobei für Umbenennungsdebatten im Untersuchungszeitraum 1992–2017 ausschließlich die Personen aus der ersten und der dritten dieser drei Kategorien relevant waren. 1. Lokale Prominenz, meist Kommunalpolitiker, die in ihrer Biografie eine Nähe zum Nationalsozialismus aufweisen, deren Würdigung aber im Hinblick auf ihre Tätigkeit nach 1945 erfolgte. Wiener Beispiele hierfür sind Heinrich Maxa (1907–1992), der vor 1945 NSDAP-Mitglied und SA-Obersturmführer war und nach 1945 als Mitglied der Österreichischen Volkspartei (ÖVP) das Amt des Stellvertretenden Bezirksvorstehers des zweiten Wiener Gemeindebezirks innehatte,34 oder Wilhelm Neusser (1924–1994), der sich 1943 freiwillig zur SS gemeldet hatte, dort rasch zum Untersturmführer aufgestiegen war, nach 1945 ebenfalls innerhalb der ÖVP Wien Karriere machte und es bis zum Stadtrat brachte.35 Beide hatten als ranghohe Gemeindepolitiker nach ihrem Tod in ihren Heimatbezirken Flächenwidmungen erhalten. 2. Benennungen nach lokalen Honoratioren, die während der NS-Ära erfolgten und eindeutig politisch konnotiert waren. Die nationalsozialistische Umbenennungspolitik nach dem „Anschluss“ Österreichs konzentrierte sich vornehmlich auf die Tilgung austrofaschistischer Symbolpraxen im öffentlichen Raum sowie auf die Beseitigung weltanschaulich untragbar gewordener Namen, besonders jene von Juden. Während dies sehr gründlich geschah, erfolgte die Würdigung von Regimeanhängern keineswegs flächendeckend. Stattdessen wurden häufig lokale Honoratioren geehrt, die bereits seit Jahrzehnten tot waren. Offenkundig politisch motivierte Benennungen aus der NS-Zeit wurden nach 1945 flächendeckend für nichtig erklärt oder geändert, besonders dort, wo es sich um Würdigungen von NS-Aktivisten handelte.36 3. Wissenschaftler und Künstler, die nach 1945 vorderhand für ihr Werk geehrt wurden, wobei ihre Verstrickung in den Nationalsozialismus entweder stillschweigend in Kauf genommen oder schlicht übergangen wurde. Als Bei33 Vgl. http://www.graz.net/stadion-in-graz-heisst-ab-sofort-merkur-arena-6028/ (abgerufen 12. 9. 2018). 34 Vgl. Kurier (Wien), 21. 4. 2007, 10. 35 Vgl. Peter Autengruber/Birgit Nemec/Oliver Rathkolb/Florian Wenninger, Umstrittene Wiener Straßennamen, Ein kritisches Lesebuch, Wien 2014, 170f. 36 Vgl. Nemec, Straßenumbenennungen, 90–95.

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spiele ließen sich etwa Ferdinand Porsche (1875–1951)37, der Verhaltensforscher und Nobelpreisträger Konrad Lorenz38 oder Hitlers Haus- und Hofbildhauer Josef Thorak (1889–1952)39 nennen. Neben den beschriebenen Personengruppen im Kontext der Diktaturerfahrungen des 20. Jahrhunderts gehören in die Rubrik der politisch motivierten Umbenennungsdebatten auch die Auseinandersetzungen um die allgemeine Militarisierung des öffentlichen Raumes,40 ferner die Debatten um Personen, die aufgrund ihrer Rolle während der Gegenreformation in die Kritik gerieten wie etwa der für die Protestantenvertreibungen im Erzbistum Salzburg verantwortliche Erzbischof Leopold Anton von Firmian (1679–1744), desgleichen – typischerweise als konservative Entlastungsangriffe – Karl Marx oder Friedrich Engels.41

III.

AkteurInnen in Umbenennungsdebatten

Bei den InitiatorInnen von bzw. AkteurInnen in Benennungsdebatten (die genaue Urheberschaft ließ sich in den wenigsten Fällen zweifelsfrei klären) ist im Untersuchungszeitraum auffällig, dass diese davon abhängig variieren, ob eine Person, ein Ereignis oder eine Institution durch Verkehrsfläche gewürdigt werden soll, sowie ob es sich um eine Neu- oder um eine Umbenennung handelt. Wie bereits dargestellt, erwiesen sich Neubenennungen generell als wesentlich weniger konfliktbehaftet und evozierten offenbar auch weniger Scheu, sich zu exponieren, so jedenfalls ließe sich interpretieren, dass die InitiatorInnen der Debatten bzw. die darin involvierten AkteurInnen in diesen Fällen die weitaus höchste Diversität aufwiesen. Das Spektrum reichte in diesen Fällen abseits von GemeindepolitikerInnen aller Couleur von musikbegeisterten Privatpersonen, 37 Zur Person und ihrer Tätigkeit im Dritten Reich siehe Hans Mommsen/Manfred Grieger, Das Volkswagenwerk und seine Arbeiter im Dritten Reich, Düsseldorf 1996; Wolfgang Graf, Österreichische SS-Generäle. Himmlers verlässliche Vasallen, Klagenfurt 2012, 378–387. 38 Vgl. Benedikt Föger/Klaus Taschwer, Die andere Seite des Spiegels. Konrad Lorenz und der Nationalsozialismus, Wien 2001. 39 Vgl. Susanne Rolinek, Der Bildhauer Josef Thorak als NS-Karrierist, in: Martin Hochleitner (Red.), Politische Skulptur. Barlach/Kasper/Thorak/Wotruba. Ein Projekt der Landesgalerie Linz in Kooperation mit Linz09 Kulturhauptstadt Europas und der Ernst-Barlach-Stiftung Güstrow, Linz 2008, 77–96. 40 So weisen in Wien über 279, in Graz immer noch 70 Verkehrsflächen einen bellizistischen Kontext auf, vgl. Der Standard, 27. 5. 1997, 12; Neue Kronen Zeitung (Steiermark), 4. 10. 1997, 18. 41 Ein typischer Fall: Der Marx-Weg in Klagenfurt, dessen Umbenennung die ÖVP in der Diskussion um die Lueger-Straße ins Spiel brachte. Vgl. Neue Kärntner Tageszeitung, 21. 4. 2012, 10.

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die ihr Idol durch eine Benennung ausgezeichnet sehen wollten42 über Vereine, etwa die Freiwillige Feuerwehr, die ihren Organisationszweck ins Straßenbild einzuschreiben wünschten43 bis hin zu Personen, die – mit unterschiedlichem Erfolg – eine Ehrung für sich selbst zu erwirken versuchten.44 In den weltanschaulich motivierten Umbenennungsdebatten lassen sich hingegen grosso modo drei Akteursgruppen unterscheiden. Die erste und kleinste Gruppe bilden AnrainerInnen. Von 23 untersuchten Debatten gingen lediglich zwei auf einschlägige Forderungen von BewohnerInnen zurück, namentlich in Wien45 und Graz46. Die zweite Gruppe, der immerhin vier Fälle zuzurechnen sind, beinhaltet Personen, die ihre Forderung nach Umbenennung als individuellen oder kollektiven Ausdruck ihrer persönlichen Werthaltung, nicht aber als parteipolitisches Engagement verstanden wissen wollten. Im Unterschied zur ersten Gruppe war die zweite also nicht räumlich, sondern ausschließlich inhaltlich betroffen. Beispiele wären Forderungen einer pazifistischen Gruppierung, das Linzer Stadtbild zu demilitarisieren und Straßen, die nach Militärs heißen, umzubenennen,47 sowie Appelle evangelischer ChristInnen, Akteure der Gegenreformation nicht länger zu würdigen.48 Diese Gruppe umfasst ferner Schulprojekte, die sich mit der Bezeichnung von Verkehrsflächen in ihrer Gemeinde befassten und daraus Forderungen ableiteten,49 sowie enga42 So Fans von Peter Alexander (vgl. Kleine Zeitung (Graz), 8. 1. 2012, 16.), oder des Sängers Ludwig Hirsch (vgl. Kurier (Wien), 17. 12. 2015, 22, ebenda, (kompakt), 12. 5. 2016, 7; https:// www.wien.gv.at/wiki/index.php?title=Ludwig-Hirsch-Platz (abgerufen 14. 9. 2018)) und des Popstars Falco (vgl. Autengruber, Lexikon, 86; Heute, 19. 2. 2008, 8; Heute, 9. 7. 2008, 12). 43 So erreichte die örtliche Freiwillige Feuerwehr im Osttiroler Nussdorf-Debant die Benennung einer Florianistraße, vgl. Kleine Zeitung (Osttirol), 6. 9. 2015, 38. 44 Vgl. Vorarlberger Nachrichten, 14. 7. 1997, B4; Kleine Zeitung (Graz), 24. 6. 1997, o. S. 45 Hier forderten Bewohner die Umbenennung der nach einem katholischen Geistlichen benannten Arnezhofer-Gasse. Ob dieser tatsächlich, wie von den Initiatoren vorgebracht, im Zuge der zweiten Wiener Judenvertreibung 1670/71 als Kommissär zur Regelung israelitischer Angelegenheiten tätig war, ist inzwischen umstritten, nicht jedoch, dass der Benennungszusammenhang 1906 im Zusammenhang mit der Arnezhofer nachgesagten antijüdischen Haltung stand. Vgl. Der Standard, 13. 4. 2007, 11; Die Presse, 13. 9. 2008, 14; Bericht der Wiener Historikerkommission 2013, abrufbar unter https://www.wien.gv.at/kultur/abtei lung/pdf/strassennamenbericht.pdf, 317. 46 Gegenstand der nämlichen Debatte war die Conrad-von Hötzendorf-Straße, vgl. Kleine Zeitung (Graz), 14. 1. 2016, 28. 47 Vgl. die wütenden Proteste von Offizieren des Bundesheeres, Oberösterreichische Nachrichten vom 24. 11. 1998 o. S., Leserbrief Oberst Klaus Lüthje. 48 Vgl. Kronen Zeitung (Salzburg), 1. 1. 2016, 36. 49 So setzte sich etwa in Wien ein Gymnasium mit dem Kult der Gewalt im öffentlichen Raum auseinander, vgl. Der Standard vom 27. 5. 1997, 12. Im niederösterreichischen Amstetten untersuchten Schülerinnen und Schüler die Benennungsgeschichte des örtlichen Straßennetzes, vgl. Kurier (Niederösterreich West), 6. 6. 1998, 11. Eine zentrale Erkenntnis des letztgenannten Projektes war die männliche Dominanz im öffentlichen Raum. Die Stadtpolitik griff diesen Punkt umgehend auf.

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gierte Einzelpersonen, die sich öffentlich gegen bestimmte Benennungen wandten. Die dritte, sowohl zahlenmäßig als auch aufgrund ihrer Einflussmöglichkeiten wichtigste Initiatorengruppe weltanschaulich motivierter Umbenennungsdebatten umschließt AktivistInnen, FunktionärInnen und MandatsträgerInnen von Parteien und parteinahen Organisationen. Auf sie entfielen 17 von 23 Debatten im Untersuchungszeitraum,50 wobei die politische Schwerpunktbildung eindeutig im linken Feld lag. Keine einzige Umbenennungsforderung ging von dezidiert konservativen Parteien, namentlich der Österreichischen Volkspartei, der Freiheitlichen Partei oder vom Ableger der Letzteren, dem Bündnis Zukunft Österreich, aus. Knapp die Hälfte, acht Fälle, wurden von der Sozialdemokratischen Partei initiiert, davon wiederum sechs von deren Jugendorganisationen, wobei in wiederum drei Fällen die Gegenseite aus einer sozialdemokratischen Stadtverwaltung bestand.51 Ausschließlich von den Grünen52 und von der Kommunistischen Partei53 gingen jeweils zwei Umbenennungsdiskussionen aus. Die verbleibenden fünf Debatten wurden von sozialdemokratischen, von grünen, zum Teil von liberalen und von Gruppierungen der slowenischen Minderheit getragen, der ursprüngliche politische Impulsgeber war hier nicht mehr klar auszumachen.54 Interessant sind bei den parteipolitisch motivierten Initiatoren von Umbenennungsdebatten drei weitere Aspekte: der Anlass der Umbenennungsforderung, der Zeitpunkt, zu dem sie erhoben wurde und die Position innerhalb des politischen Systems, von der aus die Forderung vorgebracht wurde. Inhaltlich richteten sich mit einer Ausnahme alle parteipolitischen Umbenennungsforderungen gegen Namensgeber, die ein Nahverhältnis zum Nationalsozialismus aufwiesen. Abseits der Sozialdemokratie gehörten AkteurInnen in Umbenennungsdebatten durchwegs der lokalen Opposition an. Innerhalb der Parteien wiederum stachen besonders zwei Gruppen hervor, nämlich Neu-Abgeordnete und FunktionärInnen der (sozialdemokratischen) Jugendorganisationen. So50 Namentlich in Wels, Linz, Graz, Salzburg, Klosterneuburg, Weiz, Ried, Frankenburg, Feldkirch, Klagenfurt, Wien, Innsbruck, Mödling, Neunkirchen, Steyr und Lambach. Straßennamen, deren Änderung im Zuge laufender Debatten gefordert wurde, um vom ursprünglichen Diskussionsgegenstand abzulenken, wie dies etwa im Fall der Debatte um den Dr.Karl-Renner-Ring in Wien erkennbar der Fall war (vgl. die Meldung in allen Bundesländerversionen der Kronen Zeitung vom 14. 4. 2013, 48), wurden hier ebenso wenig berücksichtigt wie Debatten, deren Auslöser nicht geklärt werden konnten. 51 Aus dem sozialdemokratischen Spektrum stammten Umbenennungsforderungen in Wien, Wels, Linz, Mödling, Neunkirchen, Graz, Klosterneuburg und Weiz. Im Fall von Wien, Wels, Linz, Klosterneuburg, Weiz, Mödling waren die Betreiber in den Reihen der Jugendorganisationen Sozialistische Jugend und Junge Generation zu suchen, drei Fälle richteten sich gegen sozialdemokratisch regierte Kommunen, so Wien, Wels und Linz. 52 Lambach, Feldkirch. 53 Ried, Frankenburg. 54 Klagenfurt, Feldkirch, Ferlach, Steyr, Innsbruck.

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fern sich MandatsträgerInnen ausführlicher positiv gegenüber möglichen Umbenennungen äußerten, fiel der Zeitpunkt dieser Äußerungen überproportional oft in die ersten zwei Jahre der Wahlperiode.

IV.

Strategien politischer EntscheidungsträgerInnen

Stand eine Umbenennungsforderung durch eine unter anderem medial geführte Debatte bereits im Raum, zeigten sich RepräsentantInnen von Stadt- oder Gemeinderegierungen, so die klare Tendenz im Untersuchungszeitraum, anfangs nur in Ausnahmefällen gesprächsbereit. Die übliche Erstreaktion bestand in einer mehr oder weniger resoluten Absage. Die Motivlage hinter der ablehnenden Haltung dürfte unabhängig von der parteipolitischen Verortung der handelnden Personen weniger inhaltlicher Natur gewesen sein, als vielmehr das Resultat einer grundsätzlichen Haltung gegenüber der Änderung von bestehenden Benennungen. Mit bemerkenswerter Offenheit räumte das der sozialdemokratische Salzburger Bürgermeister Heinz Schaden im Jahr 2015 ein. Während der zunächst noch erklärte, er sei grundsätzlich gegen Umbenennungen weil er „problematische Lebensläufe ,beim Namen nennen‘ und nicht ,die Leute zum Verschwinden bringen‘“ wolle, gab er auf Nachfrage aber auch zu, dass dahinter eine pragmatische Überlegung steckt: „Umbenennungen seien bei den betroffenen Anrainern und Inhabern der Adressen ,höchst unbeliebt‘.“55 Vor diesem Hintergrund verhielten sich amtierende Kommunalregierungen unabhängig von den beteiligten Fraktionen fast immer ablehnend gegenüber Umbenennungsforderungen. Dass die spärlichen Ausnahmen durchwegs sozialdemokratisch dominierte Verwaltungen waren, lässt sich nachvollziehbar erklären: nicht nur betrafen die Forderungen keine der Parteitradition nahestehenden Persönlichkeiten, sie wurden auch nicht von politischen GegnerInnen, sondern von ParteikollegInnen erhoben. Bei der ÖVP, die bis heute die weitaus meisten BürgermeisterInnen in Österreich stellt, fiel demgegenüber zweifelsohne ins Gewicht, dass umstrittene Persönlichkeiten wie Lueger oder Kernstock faktisch als Teil der eigenen Parteigeschichte betrachtet werden, und dass Kritik an bestehenden Benennungen durchgehend von Personen außerhalb der eigenen Weltanschauungsgemeinschaft geäußert wurde. Die FPÖ wiederum weist zwar keine klare parteipolitische Traditionslinie zur NSDAP auf, fühlte sich aber offenkundig durch den Umstand, dass nationalsozialistische Involvierung oder aktives Engagement für antisemitische und völkische Gruppierungen für Diskussionen und Umbenennungsforderungen sorgten, ausreichend herausge55 Vgl. Der Standard, 22. 10. 2015, 18.

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fordert um entsprechenden Appellen ebenfalls ablehnend zu begegnen. Auffällig war zudem, dass die FPÖ offensichtlich nicht nur aus inhaltlichen, sondern auch aus taktischen Erwägungen eine dezidiert ablehnende Haltung gegenüber Umbenennungsforderungen einnahm. FPÖ-RepräsentantInnen verfolgten damit in Umbenennungsdebatten erkennbar zwei Ziele: Einerseits erachteten sie den Fortbestand von bestehenden Benennungen als Form der Traditionspflege; FPÖ-Funktionäre betonten stets, dass zwischen den Verdiensten einer Person und ihrem Agieren während der NS-Zeit zu differenzieren sei, dass also letzteres nicht dazu dienen dürfe ersteres zu entwerten, was mit ihrer Gründungsgeschichte, als Sammelbecken ehemaliger Nationalsozialisten, in Zusammenhang zu sehen ist.56 Zum zweiten aber ging das Bestreben der FPÖ in Umbenennungsdebatten dahin, aus dem Anrainerwiderstand politischen Vorteil zu ziehen, Umbenennungsdebatten also – freilich unter negativen Vorzeichen – gezielt zu forcieren. Beispielhaft hierfür ist der Fall Klagenfurts, wo der freiheitliche Stadtrat und nachmalige Bürgermeister Christian Scheider nach dem Beschluss des Stadtsenates zur Umbenennung von vier Straßen alle AnrainerInnen persönlich brieflich kontaktierte und zu einer Protestaktion einlud.57 Wie gestalten sich nun typische Strategien politischer EntscheidungsträgerInnen, sobald sich eine Kommune mit Umbenennungsforderungen konfrontiert sieht? Auf den ersten Blick haben die politisch Verantwortlichen nur zwei Möglichkeiten zu reagieren: Sie können den Wunsch nach einer Umbenennung zurückweisen – oder ihm nachkommen. Bei näherer Betrachtung ist das Repertoire möglicher Reaktionen jedoch deutlich reichhaltiger.

4.1

Strategie I: Abwehr

In sämtlichen untersuchten Fällen bestand die erste Reaktion auf Kritik an vorhandenen Benennungen im Versuch, die Forderungen nach einer Namensänderung abzuwehren oder zu ignorieren. Diese Strategie führte vor allem dann zum erhofften Ziel, dem Fallenlassen der Umbenennungsforderung, wenn diese von Einzelpersonen und Kleingruppen aufgeworfen wurden, die über keine politische Erfahrung oder Anbindung an Parteien bzw. Organisationen verfügten. Entscheidend war in solchen Fällen meist die Bereitschaft der Medien, das Anliegen proaktiv zum Thema zu machen, da die AkteurInnen selbst in der Regel 56 Vgl. Kurt Richard Luther, Die Freiheitliche Partei Österreichs, in: Herbert Dachs u. a. (Hg.), Handbuch des politischen System Österreichs, Wien 1991, 247–262, 247f. Eine exemplarische Debatte fand im Kärntner Völkermarkt statt, vgl. Kleine Zeitung (Klagenfurt), 14. 5. 2014, 26, vergleichbare Einlassungen aber auch in Debatten in Wien, vgl. Kronen Zeitung, 20. 4. 2012, 24; Der Standard, 3. 7. 2013, 30. 57 Vgl. Neue Kärntner Tageszeitung, 8. 4. 2008, o. S.

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nicht über die notwendigen Fähigkeiten, Mittel und Unterstützerzahlen verfügten, die es ihnen ermöglicht hätten, die Forderung aus eigener Kraft zu kampagnisieren. Hier lag zugleich aber auch ein gewisses Risiko begründet, weil mediale Verwertungslogik nicht auf Konsens aufbaut, sondern auf der Thematisierung von Dissens. Umbenennungsforderungen waren deshalb für die Lokalberichterstattung attraktiv und als Thema erstaunlich zählebig. Allerdings wurden Debatten durch Regionalmedien nicht nur am Köcheln gehalten, sondern auch Argumente zugespitzt und verkürzt. Die InitiatorInnen büßten dadurch erheblich an Deutungsmacht ein und trugen durch die Involvierung von Medien ungewollt zur Emotionalisierung der Auseinandersetzung bei. Überdies befeuerte die Berichterstattung den bereits geschilderten Ansatz besonders der FPÖ, Umbenennungsdebatten zur Selbstprofilierung zu nützen – und sei es mit der Forderung nach einem Ende der Debatte.

4.2

Strategie II: Besänftigung

Hatte der Umfang und Verlauf der Debatte eine kritische Größe erreicht, die sich primär am Grad der medialen Verselbstständigung des Themas ablesen ließ, bestand eine zweite Strategie politischer EntscheidungsträgerInnen nicht mehr in direkter Zurückweisung, sondern im Versuch diese zu beruhigen: Sie betonten ihre Aufgeschlossenheit gegenüber einer öffentlichen Diskussion,58 leiteten jedoch keine weiteren Schritte ein. Das Kalkül war offensichtlich ein Spiel auf Zeit. Abermals hatte diese Strategie vor allem an der Peripherie Aussicht auf Erfolg. Mit einem Abflauen der Debatte war speziell dort zu rechnen, wo zu erwarten stand, dass insbesondere junge Menschen, die Umbenennungsforderungen vergleichsweise stärker aufgeschlossen waren, in naher Zukunft abwandern würden. Beispielhaft sind hierfür insbesondere Debatten um Straßenbezeichnungen in mehreren Kärntner Ortschaften, in denen eine slowenischsprachige Minderheit lebt. Deutschnationale Gruppierungen hatten bis in die 1960er-Jahre in Kärnten vielerorts Straßennamen durchgesetzt, die einer symbolischen „deutschen“ Inbesitznahme gleichkamen. Häufig standen diese Namen im Kontext des militärisch ausgetragenen Grenzkonfliktes nach dem Ersten Weltkrieg, des von Deutschnationalen so genannten „Abwehrkampfes“. Alleine in der Landeshauptstadt Klagenfurt finden sich 32 derartige Flächen.59 Besonders sensibel und konfliktfreudig waren in den betroffenen Ortschaften traditionell slowenischsprachige GymnasiastInnen. Nach ihrem Schulabschluss allerdings ver58 Vgl. Neue Kärntner Tageszeitung, 16. 2. 2005, o. S. 59 Vgl. Kleine Zeitung (Klagenfurt), 12. 9. 2010, 32f.

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ließen diese mehrheitlich wenigstens vorübergehend ihren Heimatort, um in weiter entfernt gelegenen Universitätsstädten zu studieren, vornehmlich in Wien und Graz. Ließ sich daher eine Umbenennungsdebatte bis zur ausbildungsbedingten Abwanderung der InitiatorInnen hinziehen, standen die Chancen gut, dass die Auseinandersetzungen sich danach ohne weiteres Zutun verlaufen würden.60 In größeren Gemeinden und Städten verliefen die Debatten dagegen häufig deutlich konfliktreicher als in Dörfern, weil statt Einzelpersonen Akteursgruppen Umbenennungen forcierten. Sobald diese Gruppen generationenübergreifend zusammengesetzt waren, entfiel damit trotz der weiterhin zu erwartenden Absentierung einzelner Mitglieder offenkundig nicht mehr die Debatte als solche. Mehr noch: Umbenennungsfragen wurden zu Fahnenfragen, die ihrerseits die Gruppe stabilisierten. Auch existierte in größeren Agglomerationen, zumal wenn es sich um Universitätsstandorte handelte, ein bei Wahlen relevantes bildungsbürgerliches Milieu, das zwar selbst nicht aktiv wurde, dem von Medien und Politik aber immerhin nennenswertes Interesse an symbolpolitischen Diskussionen zugebilligt wurde. Die Strategie von EntscheidungsträgerInnen, die Debatte zu beruhigen war hier daher insgesamt erheblich schwerer umzusetzen und mit einem konkreten politischen Risiko behaftet sobald die zugrundeliegende Absicht durchschaut wurde. Umso bedeutsamer wurde daher eine zielgruppenadäquate Außenkommunikation. Als eine besonders erfolgversprechende Form einer solchen Außendarstellung erwies sich seit den 1990ern zunehmend die Einrichtung von Historikerkommissionen, sie soll daher im Folgenden anhand eines Beispiels eingehender untersucht werden.

4.3

Strategie III: Das Einsetzen von Historikerkommissionen

Insgesamt wurden seit 1992 in Österreich im Zuge von Auseinandersetzungen um Straßennamen mindestens acht Gruppen mit ExpertInnen ins Leben gerufen.61 In sechs dieser acht Fälle handelte es sich um Initiativen von Stadtregierungen, die sich bereits im Vorfeld skeptisch zu Umbenennungen geäußert hatten. Lediglich die Einrichtung der Kommissionen in Wolfsberg und Klagenfurt gingen auf Forderungen von Umbenennungsbefürwortern, konkret der sozialdemokratischen (Klagenfurt) und grünen (Wolfsberg) Stadtopposition, zurück.62 60 Vgl. Kleine Zeitung (Klagenfurt) 31. 3. 2001, o. S.; Kronen Zeitung (Kärnten), 1. 9. 2016, 26; Kleine Zeitung (Klagenfurt), 14. 3. 2004, 37. 61 In Wien, Wolfsberg, Klagenfurt, Graz, Steyr, Feldkirch, Villach und Salzburg. 62 Vgl. Neue Kärntner Tageszeitung, 16. 2. 2005, o. S.; Kärntner Tageszeitung, 1. 6. 2012, 23.

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Der Verweis politischer Verantwortung in die Sphäre scheinbar neutraler ExpertInnen ist mittlerweile in unterschiedlichsten Politikfeldern gang und gäbe, auch in Fragen der Benennung öffentlicher Räume bringt er für die politisch Verantwortlichen nicht zu unterschätzende Vorteile mit sich. Durch die Einrichtung einer Historikerkommission lässt sich Zeit gewinnen. Derartige Expertengruppen arbeiten zum Teil über mehrere Jahre, bis dahin kann entweder die Diskussion abflauen oder die politische Zuständigkeit gewechselt haben. Politisch Verantwortliche knüpfen an die Einrichtung von Historikerkommissionen zudem offenkundig die Erwartung, verdeckt Einfluss nehmen zu können, vor allem – aber nicht nur – über die Besetzung des zu schaffenden Gremiums. Umgekehrt scheint das Risiko zunächst überschaubar : die „ExpertInnen“ verfügen über keinerlei Entscheidungsmacht, im Rahmen ihrer Betrauung werden sie zudem häufig zum Stillschweigen verpflichtet. Zugleich ist ihr konkreter Auftrag oft vage: Sollen sie sich für oder gegen die Benennung einer bestimmten Straße aussprechen? Sollen sie sich auf problematische Seiten in Biografien von Namensgebern konzentrieren – und wenn ja: was ist ab wann als problematisch anzusehen? In der Stadt Steyr etwa entwickelte sich im Jahr 2010 eine Diskussion um den Namensgeber Robert Stigler, nachdem bekannt geworden war, dass der Mediziner während des Nationalsozialismus nicht nur als Parteimitglied ideell das Regime unterstützte, sondern sich außerdem als Rassehygieniker auch aktiv in seinem Sinn betätigte. Von den Medien kritisch hervorgehoben wurde speziell der Umstand, dass Stigler als Arzt des Kriegsgefangenenlagers Kaisersteinbruch im Jahr 1940 systematisch Geschlechtsteile schwarzer Internierter vermessen hatte, um nachzuweisen, dass deren Penisse im Schnitt keineswegs größer seien als die von Menschen mit heller Hautfarbe.63 Die Stadtgemeinde beauftragte daraufhin nicht etwa medizinhistorische ExpertInnen, sondern den Steyrer Denkmalschutz mit einer „Prüfung“. Was diese Prüfung beinhalten sollte war den Zuständigen dabei offenbar weder auf Seiten der AuftraggeberInnen noch -nehmerInnen restlos klar und der Denkmalschutz beschied daher knapp: „In der Robert Stigler Straße sind sieben Hausnummern vergeben. Der Austausch der Hausnummerntafeln würde ca. 600 Euro kosten.“64 Gleich mehrere andere Beispiele unterstreichen den Befund, dass die unklare Auftragslage in diesem Fall keineswegs ein Einzelfall war, sondern geradezu als Charakteristikum von Historikerkommissionen gelten kann. Ein Beispiel dafür, dass Historikerkommissionen in der Praxis oft Ausdruck des Versuchs sind, eine Beruhigung der Debatte zu erzielen statt sie, wie öffentlich zumeist behauptet, mit einem faktischen Fundament zu versehen und so zu einer differenzierten Betrachtung beizutragen, stellen die Vorgänge in Kla63 Vgl. Oberösterreichische Nachrichten, 4. 2. 2010, LST 29. 64 Zit. in ebenda.

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genfurt dar, die exemplarisch etwas ausführlicher behandelt werden sollen. In der Kärntener Landeshauptstadt forderte der sozialdemokratische Vizebürgermeister Ewald Wiedenbauer 2005 die Einsetzung einer Historikerkommission zur Überprüfung der städtischen Straßennamen. Ungeachtet der Unkenrufe seitens der FPÖ entsprach der amtierende ÖVP-Bürgermeister Harald Scheucher dem Begehr seines Vizes umgehend. Als Vorsitzenden des Expertengremiums nominierte er jedoch keine/n WissenschafterIn, sondern seinen Parteikollegen und Stadtrat, Dieter Jandl.65 Bald, nachdem der Protest der Rathausopposition verklungen war,66 ließ ein anderes Mitglied der vom Bürgermeister berufenen Kommission aufhorchen. Hermann Schneider, durch die Abfassung eines Buches zur Geschichte der Klagenfurter Straßennamen als Mitglied des Expertengremiums legitimiert, erklärte, er halte die ganze Diskussion um Straßennamen „nicht unbedingt für gescheit“. Während Konrad Lorenz „zwar ein Nazi“ gewesen sei, wäre die Prof.-Konrad-Lorenz-Gasse aber doch „aufgrund seiner wissenschaftlichen Leistungen und seines Nobelpreises nach ihm benannt“ worden. Während Schneider also in der Würdigung von Nationalsozialisten kein Problem sah – sofern diese auch abseits ihrer Parteimitgliedschaft Verdienste vorzuweisen hatten – galt seine Sorge ansonsten besonders der mangelhaften Würdigung des Hauses Habsburg.67 Die Kommission war schließlich im März 2005 vollzählig und bestand neben dem Direktor des Landesarchivs Wilhelm Wadl und dessen Vorgänger Alfred Ogris aus einem weiteren Landesarchivar, Wilhelm Deuer, dem Historiker Werner Drobesch und dem Sprachwissenschafter Heinz-Dieter Pohl, beide tätig an der Universität Klagenfurt, sowie den bereits erwähnten Hermann Schneider und Dieter Jandl. Die Kommission war daher von Beginn an durch relativ klare Mehrheitsverhältnisse gekennzeichnet, die noch eindeutiger wurden, als eine weitere Mitarbeiterin des Landesarchivs nachnominiert wurde.68 Einen konkreten offiziellen Auftrag gab es nicht. Der Vorsitzende, Jandl, erklärte, man werde „zusammentreten und die NS-Zeit durchforsten. Im Herbst werden dann Empfehlungen zu Umbenennungen an den Hauptausschuss und den Bürgermeister weitergegeben.“69 Danach entscheide der Gemeinderat wie mit den Ergebnissen zu verfahren sei. Dem Ersuchen des SPÖ-Vizebürgermeisters Wiedenbauer, „der Fachkommission einen klaren Auftrag zu geben und jene Personen genau unter die Lupe zu nehmen, die Diktaturen massiv unterstützt haben oder persönlich beteiligt waren“,70 wurde nicht nähergetreten. Allerdings er65 66 67 68 69 70

Vgl. Kleine Zeitung (Klagenfurt), 23. 2. 2005, 23. Vgl. Neue Kärntner Tageszeitung, 23. 2. 2005, o. S. Vgl. Kleine Zeitung (Klagenfurt), 1. 3. 2005, 22. Vgl. Neue Kärntner Tageszeitung, 15.4. 2005, o. S. Vgl. ebd., 9. 3. 2005, o. S. Vgl. ebd.

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klärte ein Kommissionsmitglied einige Monate später, die Namensgeber würden nicht nur auf ihre NS-Belastung überprüft, „sondern allgemein. Wir wollen der Stadt auch Richtlinien empfehlen, nach welchen Kriterien Straßen und Plätze in Zukunft bezeichnet werden sollen.“71 Im Herbst 2005, als ursprünglich Ergebnisse hatten vorliegen sollen, war man von solchen noch weit entfernt.72 Als sich im Mai 2006 abzeichnete, dass auch im Sommer keine Ergebnisse vorliegen würden, regte sich erste Kritik seitens der Umbenennungsbefürworter an der Kommission. Deren Mitglieder wehrten sich unter Hinweis auf notwendige Mittel zur Bedeckung der Recherchekosten, die von der Stadt nicht freigegeben würden.73 Der Abschlussbericht werde aber im Oktober 2006 vorliegen74, was jedoch abermals nicht der Fall war.75 Im Januar 2007 erklärte der mittlerweile zum Kommissionsvorsitzenden avancierte Wilhelm Deuer dann, sein Vorgänger, Stadtrat Jandl, sei aus der Kommission ausgeschieden und es sei unklar, wie es weitergehe, zumal man weiterhin über „keinen formellen schriftlichen Auftrag der Stadt“ verfüge.76 Die Rathaus-Opposition schlug daraufhin vor, aufgrund der unklaren Rahmenbedingungen der bestehenden Kommission eine alternative Expertenrunde mit der Prüfung zu betrauen.77 Dieses Gremium – bestehend aus einem Historiker, Alfred Elste, dem Hobbyhistoriker und Chef der Gemeinderatsfraktion der Grünen, Reinhold Gasper, und dem sozialdemokratischen Vizepräsidenten des Landesschulamtes, Rudolf Altersberger – legte der Öffentlichkeit keine vier Wochen später eine Liste mit fünf problematischen Straßennamen vor.78 Dem folgte ein Monat später der Bericht der von der Stadt mehr oder weniger beauftragten Kommission, deren Ergebnisse jedoch unter Verschluss gehalten wurden. Bekannt wurde lediglich, dass die Kommission die Umbenennung von vier Verkehrsflächen empfohlen habe. Neben der Hindenbergstraße, als deren ursprünglichen Namenspatron die Kommission den einstigen Reichspräsidenten Paul von Hindenburg (1847–1934) annahm79 betrafen die Kommissionsempfehlungen außerdem Straßen, die ihre Namen Philipp Lenard80, Ferdinand Porsche81 und Thomas Rauter82 verdankten. ZahlVgl. Neue Kärntner Tageszeitung, 7. 8. 2005, o. S. Vgl. ebd., 20. 12. 2005, o. S. Vgl. ebd., 9. 5. 2006, o. S. Vgl. ebd. Vgl. Kleine Zeitung (Klagenfurt), 12. 10. 2006, 31. Vgl. ebd., 9. 12007, 27. Vgl. ebd., 16. 1. 2007, 19. Vgl. ebd., 11. 2. 2007, 32. Zur Person vgl. zuletzt etwa Anna von der Goltz, Hindenburg. Power, Myth and the Rise of the Nazis, Oxford 2009. 80 Philipp Lenard (1862–1947) war Physik-Nobelpreisträger, mutierte später zum NS-Propagandisten und wandte sich – auch aus rassistischen Gründen – scharf gegen die Relativitätstheorie von Albert Einstein. Vgl. den von Sören Flachowsky verfassten Eintrag zu Lenard

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reiche weitere offenkundige NS-Verflechtungen von Namensgebern – im unveröffentlichten Bericht ist angeblich von 45 weiteren Personen die Rede, die „in unterschiedlicher Form über das gewöhnliche Mitläufertum hinausgehend [!] mit dem Nationalsozialismus verbunden waren“83 – wurden und werden dagegen weiterhin nicht veröffentlicht. Zu ihnen gehörten etwa die Namen des ersten nationalsozialistischen Abgeordneten im Kärntner Landtag, Alois Michner,84 des Teilnehmers am Grenzkonflikt 1918–1920 und späteren illegalen Nationalsozialisten, Fritz Dörflinger85 oder von Hans Steinacher (1892–1971), einer mythisch verklärten Figur des Grenzkonflikts 1918–1920, langjährigen Volkstumsaktivisten und seit 1933 Mitglied der NSDAP, seit 1934 bei der SS.86 Unklar ist zudem, inwieweit sich die Kommission darüber hinaus mit Antisemitismus und völkischem Nationalismus jenseits der NS-Ära generell auseinander gesetzt hat. Die Berichterstattung durch die von der Stadt Klagenfurt eingesetzte Kommission hatte vorerst keinerlei politische Konsequenzen. Weil Opposition und Medien aber keine Anstalten machten, das Thema ruhen zu lassen, versuchte ÖVP-Bürgermeister Harald Scheucher im März 2008 schließlich Fakten zu schaffen. Auf seine Initiative hin verabschiedete die Stadtregierung eine Vorlage für vier Umbenennungen, die der Gemeinderat sodann beschließen sollte. Dieses Vorhaben provozierte allerdings einen Aufstand innerhalb der Fraktion des Bürgermeisters selbst. Zwei Stadtratsmitglieder der Volkspartei weigerten sich, die Entschließung mitzutragen, diese wurde daraufhin zurückgezogen.87 Dass der eine Renegat, ÖVP-Vizebürgermeister Walter Zwick, seine Weigerungshaltung explizit damit begründet hatte, dass er „keinen Grund dafür (sehe), die Prof.-Porsche-Straße abzuschaffen, für mich ist Prof. Porsche ein ehrenwerter Mann“,88 brachte nun allerdings auch für Mitglieder der stadtoffiziellen Kommission, die sich bis dahin nicht zu ihren Ergebnissen geäußert hatten, das Fass zum Überlaufen. Landesarchivdirektor Wadl zürnte: „Ehrenwert ist eine diffuse Kategorie […] Die Politik (zieht) vor der Wirtschaftsmacht,

81 82

83 84 85 86 87 88

in: Wolfgang Benz (Hg.), Handbuch des Antisemitismus. Judenfeindschaft in Geschichte und Gegenwart, Bd. 2/1, Berlin 2009, 468f. Siehe Anm. 48. Thomas Rauter (1893–1969) nahm an den Kämpfen im Kärntner Grenzgebiet zwischen 1918 und 1920 teil sowie in führender Position am NS-Putschversuch im Jahr 1934. Vgl. den Eintrag Thomas Anton Rauter, in: Anton Kreuzer, Kärntner. Biographische Skizzen. 16.–20. Jahrhundert, Bd. 5, Klagenfurt 1998, 151–153. Vgl. Neue Kärntner Tageszeitung, 25. 5. 2007, o. S. Vgl. Michael Holzmann, Die österreichische SA und ihre Illusion von „Großdeutschland“, Bd. 1., Berlin 2011, 128ff. Vgl. Kleine Zeitung (Klagenfurt), 11. 2. 2007, 32. Vgl. Alfred Elste, Kärntens braune Elite, Klagenfurt-Ljubljana 1997, 150–171. Vgl. Neue Kärntner Tageszeitung, 12. 3. 2008, 18. Vgl. Kleine Zeitung (Klagenfurt), 12. 3. 2008, 29.

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die hinter Porsche steht, den Schwanz ein, […], seit der Entnazifizierung nach 1945 habe sich gezeigt, dass Wirtschaftskapitäne stets ungeschoren davon kämen.“89 Provoziert fühlte sich Kommissionsmitglied Wadl zudem von Überlegungen der Stadtpolitik, sich nach der gescheiterten Abstimmung mit Zusatztafeln zu begnügen:90 „Ich habe das satt. Zuerst liegt der Bericht ein Jahr herum und dann stellt sich Vizebürgermeister Walter Zwick hin und sagt, er wolle nichts verändern“,91 so Wadl, der ankündigte, „vom Landesarchiv wird niemand mehr in so eine Kommission gehen.“92 Nunmehr zwischen allen Stühlen sitzend gelang es Bürgermeister Scheuch schließlich, die Widerspenstigen in den eigenen Reihen zur Ordnung zu rufen und in der Stadtregierung vier Namensänderungen zu beschließen, denen nur die Freiheitlichen ihre Zustimmung verweigerten.93 Zusammenfassend eröffnete die Beauftragung einer externen Kommission politischen Entscheidungsträgern also vielfältige Möglichkeiten, Sensibilität zu signalisieren, dabei aber konkreten Entscheidungen vorerst aus dem Weg zu gehen. Die Besetzung der Kommission erfolgte zumindest in Teilen mit politischen Vertrauten und Personen, die a priori Skepsis gegen Umbenennungen erkennen hatten lassen. Auch ließen sich die Mitglieder der Kommission auf ein intransparentes Verfahren ein, das schon für sich den Anspruch kontrastierte, die weitere Debatte auf Grundlage wissenschaftlich gesicherter Informationen zu führen. Wie wenig ernst es der Politik mit der Kommission war, lässt deutlich der Umstand erkennen, dass ihre Tätigkeit mitnichten gefördert, sondern im Gegenteil direkt und indirekt behindert wurde. Für die daraus folgende Ineffizienz geriet öffentlich jedoch nicht die politische Ebene in die Kritik, sondern die Kommission selbst. Allerdings lässt sich am Klagenfurter Beispiel auch das Risiko ersehen, das Kommissionen für politisch Verantwortliche offensichtlich bergen. Konkret ließen sich gewichtige Teile der Kommission nicht unbegrenzt und nach Belieben instrumentalisieren und reagierten insbesondere empfindlich, als ihre Empfehlungen auf Widerstände stießen. Letztlich verstärkte die Kommission sogar den öffentlichen Druck und trat aktiv Bemühungen von Teilen der Rathauskoalition entgegen, Umbenennungen zu vermeiden.

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Vgl. ebd., 13. 3. 2008, 31. Vgl. ebd. Vgl. ebd., 13. 4. 2008, 40. Vgl. ebd. Vgl. http://www.oe24.at/oesterreich/chronik/kaernten/Vier-Klagenfurter-Strassen-mit-Na zi-Bezug-umbenannt/278608 (abgerufen 17. 9. 2018).

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4.4

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Strategie IV: Zusatztafeln

Die Klagenfurter Stadtpolitik unterließ in der Endphase des geschilderten Prozesses einen Vorstoß, mit dem etliche andere der untersuchten Kommunen Umbenennungen ungeachtet der historischen Expertise erfolgreich umgingen: die Anbringung von erklärenden Zusatztafeln. Üblicherweise werden dabei an einer oder zwei Kreuzungen entlang des Straßenverlaufs kurze Inschriften unterhalb des existierenden Straßenschildes befestigt. Es liegt die Vermutung nahe, dass Zusatztafeln nicht zuletzt deshalb so wenig kontrovers sind, weil die meisten Vorüberkommenden von ihnen keine Notiz nehmen. Auf inhaltlicher Ebene lassen sich Zusatztafeln grundsätzlich positiv, als Mittel einer niedrigschwelligen Volksbildung interpretieren, nicht zuletzt, wenn sie dazu dienen verbreitete Missverständnisse auszuräumen. So konnte etwa im Fall der Wiener Ostmarkgasse durch Zusatztafeln der irrigen Annahme entgegen getreten werden, die betreffende Gasse sei der Erinnerung an die Inkorporation Österreichs in das Deutsche Reich im Jahr 1938 gewidmet.94 Tatsächlich erfolgte die Benennung bereits im Jahr 1900 nach der karolingischen Grenzmark des neunten Jahrhunderts, die Bezugnahme darauf hatte freilich schon damals eine klar deutschnationale Schlagseite. Mehrheitlich dienen Zusatzschilder jedoch nicht so sehr der Erklärung als vielmehr der Vermeidung von weitergehenden Maßnahmen. Sie sollen helfen die Beibehaltung problematischer Benennungen zu legitimieren. Besonders anschaulich illustriert diesen Umstand die Gemeinde Wien, die bisher die umfassendste Studie zu ihren Straßennamen in Auftrag gegeben und veröffentlicht hat. In Wien hatte die dominante Rathauspartei, die Sozialdemokratie, noch im Jahr 2002 verlautbaren lassen, „Wien ist durchforstet. Es gibt keine Leichen mehr im Keller.“95 Wer wann nach welchen Kriterien durchforstet haben sollte, blieb unklar. Im Jahr 2010 stießen SP-intern die Jugendorganisationen einmal mehr eine Diskussion um die Umbenennung des Dr.-Karl-Lueger-Ringes an. Die Parteispitze und der zuständige Kulturstadtrat Andreas Mailath-Pokorny hatten Umbenennungsforderungen in den vorangegangenen Jahren stets eine klare Absage erteilt und dies mit prinzipiellen Erwägungen begründet, dass Umbenennungen ein historisch gewachsenes Namensensemble zerstörten und damit letztlich die Stadtgeschichte mutwillig verfälscht werde.96 Allerdings war ein gleichlautender Antrag auf dem Parteitag ein Jahr zuvor nur knapp in der 94 Vgl. Die Presse, 15. 1. 2009, 31. Tatsächlich erhielt die betreffende Gasse bereits 1901 ihren Namen, schon damals freilich vor einem deutschnationalen Hintergrund. 95 Vgl. Die Presse, 4. 5. 2002, 15. 96 So etwa die Stellungnahme Mailath-Pokornys auf dem 64. Landesparteitag der SPÖ Wien am 25. April 2009, die inhaltlich seinen Wortmeldungen in Umbenennungsdebatten in den Jahren zuvor, aber auch danach entsprach, vgl. Kurier (Kultur), 28. 12. 2012.

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Minderheit geblieben und wollte die Parteispitze im Hinblick auf die bevorstehenden Gemeinderatswahlen 2011 jedenfalls vermeiden, dass sie womöglich genötigt sein würde Umbenennungen vorzunehmen. Der schließlich ausgehandelte Kompromiss mit den antragstellenden Jugendorganisationen sah die Einsetzung einer historischen Kommission vor, die sämtliche personenbezogene Straßennamen untersuchen sollte und ihre Arbeit 2011 aufnahm. Zwei Jahre später, im Juni 2013, legte die vierköpfige Kommission, der auch der Autor des gegenständlichen Artikels angehörte, ihre Ergebnisse vor: Sie identifizierte insgesamt 159 problematische NamensgeberInnen, darunter 28 mit besonderem Diskussionsbedarf.97 Darüber, wie die von den HistorikerInnen angemahnte Diskussion vonstattengehen sollte, hüllte sich die Stadtpolitik zunächst in Schweigen. Vereinzelt wurden Mitglieder der Historikerkommission als Sachverständige in Bezirksparlamente geladen, auch das blieb jedoch die Ausnahme. Drei Jahre später schließlich, im Dezember 2016, präsentierte Stadtrat MailathPokorny im Rahmen einer Pressekonferenz die ersten 14 Schilder, mit denen sämtliche im Bericht der Historikerkommission als Flächen mit besonderem Diskussionsbedarf aufgeführten Straßen, Gassen und Plätze versehen werden sollten: „Die Geschichte der Stadt die auch in Straßennamen dokumentiert sei, solle sichtbar gemacht werden […]. Man wolle nichts verschleiern und nichts vertuschen, sondern sich kritisch mit den Schattenseiten von Leuten auseinandersetzen, die auch etwas für Wien geleistet hätten.“98 Auch Zusatztafeln bergen jedoch ein gewisses Risiko, es bleibt abzuwarten, ob nicht gerade sie längerfristig zu Ausgangspunkten neuer Diskussionen werden könnten. So lautet im Fall der Wiener Porschestraße der Text der im Jahr 2016 angebrachten Tafel: „Vater des Volkswagens und des Porsche. Er beeinflusste durch zahlreiche Erfindungen die Geschichte des Autos. Problematisch in seiner Biografie sind seine Mitgliedschaft bei NSDAP und SS, die Beschäftigung von ZwangsarbeiterInnen sowie seine Tätigkeit in der NS-Rüstungsindustrie.“99 LeserInnen könnte beim Lesen dieser Zeilen ein ähnlicher Eindruck beschleichen, wie ein Mitglied der Klagenfurter Historikerkommission, Wilhelm Wadl, der Widerständen gegen die Umbenennung der Ferdinand-Porsche-Straße in Klagenfurt entgegenhielt: „Wenn ein Mann, der Herr über 20.000 Zwangsarbeiter und KZ-Häftlinge war und von ihnen profitiert hat, einer Straße […] würdig ist, erübrigt sich jede Diskussion über irgendwelche Heimatdichter.“100 Bis dahin allerdings bleibt festzuhalten, dass die Anbringung von Zusatztafeln 97 Bericht der Wiener Historikerkommission 2013, abrufbar unter https://www.wien.gv.at/kul tur/abteilung/pdf/strassennamenbericht.pdf, 13. 98 Der Standard online, 1. 12. 2016, https://derstandard.at/2000048582766/Erste-Zusatztafelnfuer-problematische-Strassennamen-in-Wien (abgerufen 26. 2. 2019). 99 Zit. in ebd. 100 Vgl. Kleine Zeitung (Klagenfurt), 13. 3. 2008, 33.

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sich als die effizienteste, kostengünstigste und unauffälligste Variante des Umgangs mit belasteten Straßennamen erwiesen hat.

4.5

Strategie V: Umwidmen, Entpersonalisieren

Neben Zusatztafeln hat die vorliegende Untersuchung noch zwei weitere Strategien von Kommunen identifiziert, mit allgemein bereits als problematisch erkannten Straßennamen umzugehen, ohne sie tatsächlich umzubenennen: Die Umwidmung und die Entpersonalisierung. Die Umwidmung setzt das Vorhandensein einer Person selben Nachnamens wie der oder die derzeitige NamensgeberIn voraus, die auf eine verträglichere Biografie zurückblickt und eine Würdigung gerechtfertigt erscheinen lässt. Anschließend wird die bestehende Fläche auf diese alternative Person umgewidmet. Die bisherige Benennung wird also – allenfalls unter Weglassung oder Hinzufügung eines Vornamens – aufrechterhalten, ist aber fortan einer anderen Person zugeordnet. Soweit feststellbar, war hier der Umgang mit der Linzer Baumgärtelstraße beispielgebend. Diese führte ihren Namen ursprünglich auf Karl Emmerich Baumgärtel, einen Dichter und NS-Funktionär zurück. Auf Beschluss des Gemeinderates wurde sie 2001 dem Gewerkschafter und einstigen Vorsitzenden des oberösterreichischen Arbeiterrates Emil Baumgärtel zuerkannt.101 Fünf Jahre später folgte diesem Muster das Bezirksparlament des achten Wiener Gemeindebezirks im Fall des Schlesingerplatzes. Dessen vormaliger Namensgeber war der rabiat antisemitische Rektor der k.u.k.-Hochschule für Bodenkultur und christlichsoziale Reichsratsabgeordnete, Josef Schlesinger (1831–1901) gewesen.102 Im Jahr 2006 setzten Grüne und Sozialdemokraten im Bezirksparlament eine Umwidmung durch. Der Platz hieß weiterhin Schlesingerplatz, erinnert seither aber an die Schriftstellerin, Sozialdemokratin und Frauenrechtlerin jüdischer Herkunft, Therese Schlesinger (1863–1940),103 die 1940 im französischen Exil starb. Eine etwas anders gelagerte Umwidmungen, nämlich durch Hinzufügung eines Vornamens erfolgte im Kärntner Wolfsberg, wo der nach einer prominenten ansässigen NS-Familie benannte Gassersteig durch Anfügung des Vornamen Gregor explizit dem einzigen verbrieften Nichtnationalsozialisten im Familienverbund zuerkannt wurde. Da überdies keine einzige Wohnadresse 101 Salzburger Nachrichten, 26. 3. 2013, o. S. 102 Zur Person siehe Autengruber/Nemec/Rathkolb/Wenninger, Umstrittene Wiener Straßennamen, 268f. 103 Zur Person siehe u. a. Eva Bock, Therese Schlesinger (1863–1940). Eine Untersuchung über ihr politisches und publizistisches Wirken in der sozialdemokratischen Frauenbewegung, phil. Diss., Wien 1988.

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betroffen war, handelte es sich bei dem Fall um den „Traum jedes Politikers, der mit Straßenumbenennungen konfrontiert ist“, wie die Lokalpresse ironisch vermerkte.104 Ein eher skurriles Umwidmungsproblem tauchte im Osttiroler Lienz rund um die dortige Prof.-Ploner-Straße auf. Diese wurde im Jahr 1952 benannt und erregte keinerlei Aufmerksamkeit, bis Anfang der 1990er-Jahre der Sohn des vermeintlichen Namensgebers, des Komponisten Josef Eduard Ploner, an die Gemeinde mit dem Ersuchen heran trat, den Titel Professor, den sein Vater nie geführt habe, durch seine Vornamen Josef Eduard zu ersetzen. Die Stadtverwaltung entsprach diesem Ansinnen, aus der Prof.-Ploner-Straße wurde die Jos. Ed. Ploner-Straße, das Problem schien sich damit erledigt zu haben. Bis sich im Jahr 2011 der Historiker Meinrad Pizzinini näher mit der Vita Ploners beschäftigte und feststellte, dass Ploner nicht nur ein überzeugter Antisemit, sondern darüber hinaus auch eine zentrale Figur des Tiroler NS-Musikwesens gewesen war. Die gute, wenn auch etwas peinliche Nachricht für die Gemeinde war allerdings die weitere Entdeckung Pizzininis, dass die nämliche Straße anno 1952 gar nicht Josef Eduard Ploner gewidmet worden war, sondern dem geistlichen Gymnasiallehrer Innozenz Ploner (1852–1914), der im Unterschied zu seinem nachgeborenen Namensvetter seinen Professorentitel auch tatsächlich getragen hatte. Die folgende Umwidmung kam somit einer formalen Richtigstellung gleich und erfolgte alsbald ohne Widerstände.105 Die Entpersonalisierung ist im Grunde eine spezifische Variante der Umwidmung. Ein besonders prägnantes Beispiel stammt aus St. Wolfgang am Wolfgangsee. Dort erinnerte die Dr.-Franz-Xaver-Rais-Promenade jahrzehntelang an einen lokalen Arzt. Dieser war 1933 der NSDAP und der SA beigetreten und nach dem „Anschluss“ Österreichs an NS-Deutschland zum Vizebürgermeister des Ortes aufgestiegen. Nachdem bekannt wurde, dass Rais in dieser Funktion im Jahr 1942 eine Jüdin denunziert hatte,106 forderte u. a. die Israelitische Kultusgemeinde Wien im Jahr 1998 eine Umbenennung der ihm gewidmeten Promenade.107 Es folgte eine jahrelange Auseinandersetzung, in der die lokale Gemeinderatsmehrheit über Parteigrenzen hinweg erkennbar bemüht war, eine Umbenennung zu vermeiden. Weil die Kritik an Rais aber nicht abriss, wurde im Jahr 2006 endlich eine in dieser Form beispiellose Entpersonalisierung vorgenommen. Die vormalige Dr. Franz Xaver Rais-Promenade heißt seither Doktorpromenade.108 Wer möchte und um die Benennungsgeschichte weiß, 104 Vgl. Kleine Zeitung, 5. 5. 2014, 40. 105 Vgl. Tiroler Tageszeitung, 22. 3. 2012, 31; Kleine Zeitung (Osttirol), 22. 3. 2012, 24; Tiroler Tageszeitung, 28. 6. 2012, 12. 106 Vgl. Kurier (Bundesländerausgabe), 27. 4. 1999, 8. 107 Vgl. ebd., 8. 3. 2006, 15. 108 Vgl. Oberösterreichische Nachrichten, 9. 3. 2006, 37.

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kann darin nach wie vor eine kommunale Verbeugung vor Rais sehen, alle anderen eine vor dem Berufsstand der MedizinerInnen. Eine ähnliche Lösung fand sich schließlich auch in Klagenfurt für den oben bereits erwähnten Fall der von der Historikerkommission zur Umbenennung empfohlenen Ferdinand-Porsche-Straße. Ihr wurde kurzerhand der Ferdinand im Namen genommen, womit nicht mehr der Konstrukteur und Firmengründer, sondern sein Werk Pate stand.109

4.6

Strategie VI: Umbenennungen

Diejenigen Fälle, in denen politisch motivierte Diskussionen um Verkehrsflächen tatsächlich mit deren Umbenennung endeten, sind im Untersuchungszeitraum äußerst überschaubar. In einem einzigen Fall – jenem des Dr. Karl Lueger-Rings – handelte es sich um eine prominent gelegene Straße oder Gasse. Vorgenommen wurden Umbenennungen in mindestens elf Gemeinden,110 mit Ausnahme von Wels, Wien und Mürzzuschlag sämtlich nach der Jahrtausendwende, wobei zum Zeitpunkt der Abfassung dieses Textes mehrere weitere Gemeinden Umbenennungen erwägen.111 Die meisten Umbenennungen erfolgten in der Bundeshauptstadt Wien, hier wurde der bisherige Dr.-Karl-Lueger-Ring 2012 zum Universitätsring, der einstige Ottokar-Kernstock-Platz 1992 zum Familienplatz und die vormalige Ottokar-Kernstock-Straße heißt seit 1993 nach dem prominenten hingerichteten Kriegsdienstverweigerer Franz-Jägerstätter-Straße.112 Außerdem umbenannt wurden 2006 die nach dem nationalsozialistischen Wienerlied-Texter Franz Ichmann benannte Gasse in Simon-Wiesenthal-Gasse, sowie die Heinrich MaxaGasse, die 2007 dem Marathonweg zugeschlagen wurde und als eigenständige Verkehrsfläche verschwand.113 Auffällig ist allerdings, dass in Reaktion auf den von der Stadt in Auftrag gegebenen Bericht mit Stand Ende 2018 nur eine einzige Straße sowie ein Park umbenannt wurden.114 In beiden Fällen entsprach dies offenkundig nicht dem Wunsch der Stadtverwaltung, sondern ging von den jeweiligen Bezirksparlamenten aus. Diese haben in der Wiener Realverfassung 109 Vgl. Kleine Zeitung (Klagenfurt), 4. 11. 2008, 25. 110 Wien, Graz, Traun, Mürzzuschlag, Ansfelden, Wörgl, Lambach, Graz, Klagenfurt, Wels, Grein. 111 So etwa Dornbirn, Leoben, Salzburg und Villach. 112 Vgl. Kurier, 28. 10. 2016, 4. 113 Vgl. Die Presse, 18. 5. 2007, 12. 114 Es handelte sich um den Wilhelm-Neusser-Park im vierten Wiener Gemeindebezirk, der in Wanda-Lanzer-Park umbenannt wurde, und um den Richard-Kuhn-Weg im 14. Bezirk, der zum Stadt-des-Kindes-Weg wurde, vgl. https://kurier.at/chronik/wien/heikle-wiener-stras sennamen-stadt-behandelte-nur-30-von-159/400349965 (abgerufen 14. 9. 2018).

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bei Straßenbenennungen ein Vorschlagrecht, dem der zuständige städtische Kulturausschuss und in weiterer Folge der Gemeinderat fast immer entspricht. Dem Ansinnen des 4. Bezirks nach Umbenennung des Neusser-Parks wurde vergleichsweise rasch entsprochen. Ein wesentlicher Grund dafür ist wohl im Umstand zu sehen, dass Parks streng genommen keine Verkehrsflächen sind und daher auch keine Anschriften beinhalten. Anders im Fall des Kuhn-Weges im 14. Bezirk. Auch die dortige Bezirksvorstehung hatte sich um eine Umbenennung bemüht, allerdings blieb ihr Ansinnen über vier Jahre hinweg unerledigt im Wiener Magistrat liegen, das erklärte, den Antrag vor Weiterleitung an den zuständigen Gemeinderat erst „sorgfältig prüfen“ zu müssen.115 Form und Gegenstand der Prüfung (die ja bereits im Historikerbericht erfolgt war, auf den sich die Bezirksvorstehung auch ausdrücklich berief) sind nicht nachvollziehbar, das Ergebnis hingegen schon: der Antrag wurde schließlich dem Gemeinderat zugestellt, der daraufhin die Umbenennung beschloss.116 Nicht minder bemerkenswert waren die näheren Umstände der Umbenennung des Dr.-KarlLueger-Ringes, der, wie oben geschildert, überhaupt erst zur umfassenden Prüfung der Wiener Straßennamen geführt hatte. Lange bevor die Historikerkommission ihren Bericht hatte vorlegen können, wurde der entsprechende Abschnitt der Ringstraße sowohl für die HistorikerInnen als auch die Öffentlichkeit überraschend und ohne längere Vorankündigung umbenannt. Die genauen Zusammenhänge, die zu diesem Schritt führten, lassen sich nicht belegen, da alle dazu vom Autor befragten Personen aus dem Umfeld des zuständigen Stadtrates und des Bundeskanzlers nicht namentlich zitiert werden wollten. Kolportiert werden zwei Erklärungsansätze. Der eine besagt, dass der zuständige Stadtrat Andreas Mailath-Pokorny auf Geheiß von Bürgermeister Michael Häupl aktiv wurde, der wiederum von seinem Parteifreund und Bundeskanzler Werner Faymann um einen solchen Schritt gebeten worden war, nachdem Faymann zuvor im Rahmen einer US-Reise von Arnold Schwarzenegger und dem aus Wien stammenden Nobelpreisträger Eric Kandel eindringlich aufgefordert worden sei, Luegers Würdigung an der Ring-Straße zurück zu nehmen, weil darunter nicht zuletzt die internationale Reputation der Universität Wien leide, die an eben jenem Ringabschnitt liegt. Die andere Erklärung interpretiert das Vorgehen der Stadt als diskursiven Enthauptungsschlag: Es sei absehbar gewesen, dass die Historikerkommission diesem Fall besondere Aufmerksamkeit zuteilwerden lasse, daher sei die Stadt bemüht gewesen, der erwartbaren Debatte von vornherein ihre Spitze zu nehmen und zugleich weitere Umbenennungsforderungen hintanzuhalten. Die Stadt Klagenfurt benannte im Gefolge ihres Historikerberichtes 2008 zwei 115 Ebd. 116 Ebd.

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Straßen um, zwei weitere wurden umgewidmet. Die vormalige Philipp-LenardGasse wurde nach dem Entdecker der Blutgruppen und Nobelpreisträger Karl Landsteiner benannt, die Hindenbergstraße nach dem slowenischen Volksaufklärer Andrej Einspieler. Man mag es als Hinweis auf die gesellschaftliche Stellung der slowenischen Volksgruppe lesen, dass sie bis dahin praktisch überhaupt nicht im öffentlichen Raum vertreten war und nun eine Straße gewidmet bekam, in der sich zum Zeitpunkt der Benennung keine Wohnanschrift befand und deren nunmehr slowenischer Benennungskontext wohl nur Kundigen zugänglich war, sich aber weder aus dem (deutschen) Namenszusatz „Straße“ (statt des slowenischen „ulica“), noch durch Erklärungstafeln erschloss.117 In den oberösterreichischen Gemeinden Grein, Wels, Traun und Ansfelden wurden seit den 1990ern auf Betreiben eines gut organisierten regionalen Netzwerks aus Vereinen und Einzelpersonen, des oberösterreichischen Netzwerks gegen Rassismus und Rechtsextremismus unter ihrem Obmann Robert Eiter alle an Ottokar Kernstock gemahnenden Flächen umbenannt,118 desgleichen in Mürzzuschlag.119 Im gleichfalls in Oberösterreich gelegenen Lambach und im Tiroler Wörgl wurden zwei lokalen Prominenten ihre Straßen aberkannt, in Wörgl 2013 dem einstigen Gaumusikleiter Sepp Tanzer,120 in Lambach 2006 der Malerin Margarete von Pausinger, die den Regimekritiker Fritz Wingen denunziert hatte, der daraufhin im KZ Majdanek ermordet wurde.121 In Graz wurde 2011 der Heinrich-Lersch-Platz, bislang benannt nach dem NSDichter gleichen Namens, zum Helene-Serfecz-Platz; er würdigt damit eine 1943 hingerichtete Widerstandskämpferin.122 Auch hier spielte offensichtlich eine Rolle, dass die fragliche Fläche keine Adresse aufwies. Ein besonders interessantes Phänomen im Zusammenhang mit Umbenennungen ist abschließend der einzige aufgefundene Fall einer nichtamtlichen Umbenennung in Bleiburg. Der größte Platz dieser Südkärntner Gemeinde heißt offiziell nach dem Plebiszit, mit dem sich eine Mehrheit im heutigen Südkärnten im Jahr 1920 für den Verbleib bei Österreich entschied, 10.-Oktober-Platz: Im gemischtsprachigen Gebiet kam das nach allgemeinem Verständnis einer symbolischen Inbesitznahme durch die „Deutschen“ gleich. Im Alltag der Stadtgemeinde scheint diese konfliktbeladene Bezeichnung gleichwohl nie erfolgreich durchgesetzt worden zu sein, im Gegenteil: der betreffende Platz, so vermerkte

117 118 119 120 121 122

Vgl. Kleine Zeitung (Klagenfurt), 3. 11. 2013, 72. Vgl. Oberösterreichische Nachrichten, 1. 3. 2007, 35. Vgl. Kleine Zeitung, 1. 10. 2016, 33. Vgl. Tiroler Tageszeitung, 19. 9. 2013, 38. Vgl. Der Standard, 20. 5. 2006, 13. Vgl. Die Presse, 18. 4. 2011, 7.

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ein Beobachter erstaunt, firmiere im Volksmund schon lange konsensual als Hauptplatz.123 Generell können Umbenennungen als die ultima ratio im Umgang mit belasteten Straßennamen gelten. Die Umbenennungspraxis lässt im österreichischen Vergleich allerdings einige mit Bedacht generalisierbare Tendenzen erkennen. Erstens beschränken sich Umbenennungen als Top-down-Prozesse offenkundig auf Phasen von Regimewechseln. Abseits solcher tiefgreifenden Zäsuren werden Umbenennungswünsche dagegen so gut wie immer von außen an kommunale EntscheidungsträgerInnen herangetragen und praktisch nie von diesen proaktiv betrieben. Legt man zweitens die Zahl der jeweils vorhandenen Verkehrsflächen zugrunde, erweist sich eine eindeutig stärker ausgeprägte Bereitschaft zu Umbenennungen auf Ebene kleinerer und mittlerer Gemeinden. In Großstädten wie Wien und Graz dagegen wurde nach Möglichkeit versucht, Umbenennungen zu vermeiden und sie gegebenenfalls auf kaum oder gar nicht besiedelte Flächen zu begrenzen. Die oberösterreichische Landeshauptstadt Linz hat Umbenennungen bereits in den 1980ern überhaupt praktisch verunmöglicht, indem sich der Gemeinderat auf verpflichtende Befragungen in der betreffenden Straße oder Gasse festlegte, die einstimmig ausfallen mussten.124 Drittens hatten Historikerkommissionen überraschend wenig Einfluss auf Benennungspolitiken, wohl aber darauf, nach Maßgabe welcher Kriterien überhaupt politischer Handlungsbedarf entstand. Viertens schließlich blieb der von der zuständigen Politik befürchtete Proteststurm jedoch durchwegs aus. Wie das Beispiel der Arbeit des Netzwerks gegen Rassismus und Rechtsextremismus zeigt, das in Oberösterreich zahlreiche Umbenennungen durchsetzte, kommt der Bewusstseinsbildung im Vorfeld hierbei entscheidende Bedeutung zu.

V.

Resümee

Wie lassen sich nun die Erkenntnisse des österreichischen Fallbeispiels zusammenfassen? Am ehesten mit der Erkenntnis, dass die Gemeindepolitik ein mannigfaltiges Arsenal an Strategien entwickelt hat, sich des Themas so wenig als möglich annehmen zu müssen. Der Grund für diese Unlust ist augenfällig: politischer Nutzen im Sinne von kurzfristiger Stimmenmaximierung lässt sich für eine Mehrheitsfraktion weder durch die Diskussion um noch die Änderung 123 Vgl. Kleine Zeitung (Klagenfurt), 10. 10. 2014, 18. 124 Vgl. Salzburger Nachrichten, 26. 3. 2013, o. S.

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von Flächennamen generieren. Schon eher muss man mit dem Verlust von WählerInnen rechnen, wiewohl einiges darauf hindeutet, dass die praktischen Auswirkungen von den Verantwortlichen überschätzt werden. Künftige komparatistische Studien könnten die Frage klären helfen, wie weit es sich dabei um ein österreichisches Spezifikum handelt. In der Alpenrepublik jedenfalls entstammte die überwiegende Mehrzahl derjenigen, die politisch motiviert gegen bestehende Straßennamen Stellung bezogen dem Umfeld linksliberaler Parteien (Sozialdemokratie und Grüne, vereinzelt Liberale und Wählerlisten der slowenischen Minderheit) bzw. deren Vorfeldorganisationen. FürsprecherInnen auf parteipolitischer Ebene waren in ihrer überwiegenden Mehrheit entweder JugendfunktionärInnen oder Neu-Abgeordnete, müssen also entweder keine negativen Konsequenzen bei Wahlen fürchten oder stehen unter einem gewissen Druck sich zu profilieren. Im Fall von MandatarInnen war zudem auffällig, dass der Zeitpunkt der Agitation für eine Umbenennung vornehmlich in den ersten Abschnitt der laufenden Legislaturperiode fiel. Dies kann wohl als Indiz dafür gewertet werden, dass auch die politischen NewcomerInnen annahmen, dass sich Umbenennungsforderungen nicht als Fahnenfragen für Wahlkämpfe eignen würden. Die aktivsten GegnerInnen eventueller Umbenennungen finden sich durchweg in den Reihen der Freiheitlichen Partei, die ihre eigenen Traditionslinien angegriffen sieht, zugleich aber auch auf die verbreitete Skepsis von AnrainerInnen setzt und gezielt versucht, diese unter anderem durch (unzutreffende) Warnungen vor exorbitanten Kosten für die BewohnerInnen zu befeuern. Die verschiedenen Strategien von Entscheidungsträgern, Umbenennungen zu vermeiden, reichen vom Versuch, die Debatte auszutrocknen, über das Spiel auf Zeit bis hin zu Zugeständnissen und – in Ausnahmefällen – tatsächlich die Umbenennung. Als besonders effiziente Methode, Verantwortung zu delegieren, Problembewusstsein zu demonstrieren und unbequemen Entscheidungen auszuweichen, haben sich in größeren Städten externe Expertenkommissionen erwiesen. Üblicherweise zeitigen die Ergebnisse von deren Arbeit überraschend wenig konkrete Folgen, zudem gelang es in sämtlichen untersuchten Fällen, laufende Diskussionen durch die Einsetzung von Expertenkommissionen wenigstens vorübergehend zu beenden. Vor diesem Hintergrund tendiert die Kommunalpolitik dazu, dem Risiko keine Beachtung zu schenken, dass letzten Endes die Kommission selbst zum Pull-Faktor einer Umbenennung mutiert. Generell sind Historikerkommissionen allerdings ein Phänomen, das erst im letzten Drittel des Untersuchungszeitraums gehäufter vorkam. Es muss daher künftigen Untersuchungen vorbehalten bleiben, ihre Langzeitfolgen zu erforschen.

zeitgeschichte extra

Linda Erker

Erika Weinzierls Salzburger Antrittsvorlesung über Universität und Politik. Vortrag1 anlässlich des 50. Jubiläums 1968/2018

Als Erika Weinzierl im Juni 1968 ihre Antrittsvorlesung als ordentliche Professorin für Zeitgeschichte an der Universität Salzburg hielt,2 tat sie das in politisch bewegten Zeiten – nicht nur, aber auch an den Universitäten.3 Das Epizentrum der Revolte waren die Studierendenproteste im Mai 1968 in Paris. Doch auch in vielen anderen Ländern Europas führten die studentischen Proteste gegen die überkommenen Verhältnisse innerhalb und außerhalb der Universitäten zu Veränderungen. An den österreichischen Hochschulen hingegen war der Mai 1968 eher nur ein „Lüfterl“ – und das, obwohl zu dieser Zeit immer noch einige Hochschullehrer, die in beiden österreichischen Diktaturen – oder zumindest in einer davon – Karriere gemacht hatten, als Professoren in Österreich lehrten. Immerhin fand vier Tage vor Weinzierls Salzburger Vorlesung das legendäre Happening „Kunst und Revolution“ im NIG in Wien statt und wurde als „UniFerkelei“ zu einem der größeren Skandale der heimischen Universitätsgeschichte. Die Inauguralvorlesung der damals 43-jähigen Historikerin fand am 11. Juni unter dem Titel „Universität und Politik in Österreich“ statt und befasste sich mit der politischen Rolle österreichischer Universitätslehrer vom Ende des 19. Jahrhunderts bis zum „Anschluss“. Am Beginn der gedruckten Fassung stand ein Zitat aus Robert Musils „Mann ohne Eigenschaften“: „Ohne wesentliche Veränderung [wurde er] vom Hauslehrer zum Herrenhauslehrer.“4 Damit 1 Der Vortrag wurde am 25. 6. 2018 im Zuge der Veranstaltung „Universität und Politik in Österreich 1968/2018. Von Erika Weinzierls Antrittsvorlesung zu den jüngsten Uni-Rankings“ an der Universität Wien gehalten und wird hier in überarbeiteter und stark gekürzter Form vorgelegt. 2 Vgl. Erika Weinzierl, Universität und Politik in Österreich. Antrittsvorlesung, gehalten am 11. Juni 1968 an der Universität Salzburg, Salzburg/München 1969. 3 Weinzierl war seit 1964 Vorständin des kirchlichen Instituts für Zeitgeschichte in Salzburg. Zur Biografie von Weinzierl vgl. auch Oliver Rathkolb, Erika Weinzierl. Eine Historikerin als kritische Stimme in der späten II. Republik, in: Mitchell Ash/Josef Ehmer (Hg.), Universität – Politik – Gesellschaft, Göttingen 2015, 341–347. 4 Weinzierl, Universität und Politik in Österreich, 5.

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spielte Weinzierl auf die durchaus übliche Praxis Kaiser Franz Josephs an, nach welcher etliche Professoren – vor allem der Universität Wien – auf dem politischen Parkett sowie in den Regierungen Platz und Gehör erhielten. Danach wandte sie sich der Zwischenkriegszeit zu, konkret der Rolle der Professoren in der Ersten Republik. Auch zu dieser Zeit entfalteten die Wissenschafter politische Wirkungsmacht, allerdings nur in Ausnahmefällen als aktive Politiker im Parlament. Weinzierl sah die „politische Potenz“5 der Hochschullehrer in deren Publikationen, in ihren öffentlichen Äußerungen, in ihren wissenschaftlichen Beiträgen und vor allem in ihrer Lehre an den Hochschulen vor studentischem Publikum. Also rekonstruierte sie auf Basis der Vorlesungs- und Dissertationsverzeichnisse, wie die Professoren „die Politik“ in den universitären Raum trugen und welche politischen Positionen sie dabei einnahmen. So zeigte sie unter anderem, dass sich die Lehrveranstaltungen der Staatswissenschafter und Historiker häufig mit Sozialismus oder der Kriegsschuldfrage befassten, aber in nur einem Fall mit der Demokratie. Weinzierl verwies auf den Antidemokraten Othmar Spann, der während seiner „Anschluss“-Jubelfeier von den Nationalsozialisten festgenommen wurde, wie auch auf Hans Kelsen, den „Vater der österreichischen Verfassung“.6 Beide lasen für und vor Studierenden, nahmen dabei diametral entgegengesetzte politische Positionen ein und hatten damit erheblichen Einfluss auf ihre HörerInnen. Offensichtlich war aber, dass die liberalen und linken Lehrenden schon in den 1920er Jahren an der Hochschule immer mehr an Einfluss verloren. Stattdessen wurde die akademische Kritik an der Demokratie an den Hochschulen immer stärker und wurde bereits in den 1920er Jahren eine einflussreiche Haltung. Im Hauptteil ihrer Vorlesung – und das war die eigentliche Provokation – widmete sich Weinzierl dem intellektuellen Beitrag der konservativen, nationalkatholischen und deutschnationalen Hochschullehrer zum antisemitischen und antidemokratischen Klima der Zwischenkriegszeit und letztlich zum Aufstieg des Nationalsozialismus innerhalb und außerhalb der österreichischen Universitäten. Der Inhalt ihrer Lehre – so Weinzierl – war lange vor dem März 1938 dem völkischen Gedanken, dem „Anschluss“ an das Deutsche Reich und auch dem „Auslandsdeutschtum“ gewidmet gewesen. Die schnell wachsende Stärke der NS-Bewegung, ihre selbstbewussten Forderungen nach einem Numerus clausus für Studierende und Lehrende jüdischer Herkunft und ihre brutalen Ausschreitungen gegen linke und jüdische HochschülerInnen ab den frühen 1920er Jahren waren für Weinzierl die praktischen Begleiterscheinungen dieser Ideologie. Weinzierl erwähnte en passant aber auch, dass etwa der ehemalige Rektor der 5 Ebd., 7. 6 Ebd.

Linda Erker, Erika Weinzierls Salzburger Antrittsvorlesung

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Universität Wien der Jahre 1929/30, Wenzel Gleispach, 1933 als Nationalsozialist pensioniert wurde oder dass Hans Uebersberger, ebenfalls ehemaliger Nationalsozialist und Rektor der Universität Wien (1930/31), nach seiner Entlassung 1934 nach Deutschland ging, um sich dort selbst zugute zu halten, „als erster in Wien entlassener nationalsozialistischer Rektor ein Märtyrer für den Nationalsozialismus zu sein“.7 Sie zeigte, dass der Nationalsozialismus nicht erst im März 1938 über Österreich „hereinbrach“, sondern seine Vorgängerdiktatur indirekt sein Wegbereiter gewesen war. Wurde in den Vorlesungen der 1920er und 1930er Jahre das Wort „Rasse“ zwar noch nicht oft verwendet,8 bedeutete dies für Weinzierl nicht, dass die menschenverachtenden Konzepte dahinter nicht schon längst in wissenschaftlichen Beiträgen der Lehrenden, in den Hörsälen und schlussendlich in den Köpfen der Studierenden angekommen waren. Indirekt sprach sie damit natürlich auch all jene Personen an, die in der Zwischenkriegszeit bei eben jenen Lehrern studiert und damals ihre politische Sozialisation erfahren hatten. Der im Jahr 1968 prominenteste der damaligen Studenten war der von 1964 bis 1970 amtierende Bundeskanzler Josef Klaus, der früh als Studentenpolitiker aktiv gewesen war. Klaus wurde 1929 Mitglied im CV (Rudolfina) und betätigte sich zunächst als studentischer Aktivist und dann Funktionär. 1932 protestierte er als katholischer Studentenvertreter öffentlich gegen die Ernennung des jüdischen Pharmakologen Ernst Peter Pick zum Dekan.9 Klaus war ab Herbst 1933 außerdem der erste austrofaschistische, autoritär ernannte Studentenführer der Universität Wien. Laut seinen eigenen Angaben war er stark beeinflusst von eben jenen Lehrenden, die Weinzierl als Stimmungsmacher und Wegbereiter des Nationalsozialismus identifizierte. So heißt es in den Erinnerungen von Klaus an sein Studium: „Merkel, Hugelmann, Verdroß, Spann haben mir viel mitgeben“,10 und er dankte in seinen Erinnerungen auch dem katholisch-nationalen Historiker Hans Eibl sowie Heinrich Srbik und Otto Brunner, den zwei prominentesten Vertretern der gesamtdeutschen Geschichtsauffassung. Klaus machte in den Jahren des Austrofaschismus politisch Karriere, ab 1939 diente er in der Wehrmacht.11 Nach 1945 half er mit, seinem Duzfreund Taras Borodajkewycz an der Hochschule für Welthandel eine Professur zu sichern.12 7 Ebd., 13. 8 Vgl. Ebd., 12–13. 9 Vgl. dazu auch Linda Erker, Die Universität Wien im Austrofaschismus: Zur politischen Vereinnahmung einer Hochschule – im Vergleich mit der Universität Madrid im FrancoFaschismus, phil. Diss., Universität Wien 2018, 35–65. 10 Vgl. Archiv der Universität Wien, Autographensammlung (1540–1987), 151.261: Gedanken von Josef Klaus über sein Studium an der Universität Wien, o.D. 11 Vgl. Gerhard Hartmann, Josef Klaus, in: Österreichischer Cartellverband, URL: https://www. oecv.at/Biolex/Detail/13200254 (abgerufen 14. 1. 2019). 12 Vgl. Walter Höflechner, Die Baumeister des künftigen Glücks. Fragment einer Geschichte des

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Indirekt angesprochen wurden durch Weinzierls Vortrag aber natürlich auch Personen in ihrem unmittelbaren Umfeld an der Universität Salzburg, wo sie es mit „Ehemaligen“ wie Hans Sedlmayr zu tun hatte. Sedlmayr war 1936 Professor für Kunstgeschichte an der Universität Wien geworden, von 1930 bis 1933 war er NSDAP-Mitglied gewesen und der Partei am 1. Mai 1938 erneut beigetreten.13 Der Kunsthistoriker war sowohl in der Zwischenkriegszeit als auch nach 1938 an der Universität stetig aufgestiegen. Ab 1945 konnte er nach einer längeren „Quarantänephase“14 wieder an Universitäten unterrichten und pflegte mit Taras Borodajkewycz sowohl eine enge private Freundschaft als auch gute berufliche Beziehungen: In der ersten Nachkriegszeit war Borodajkewycz als Lektor für Sedlmayr tätig.15 Sedlmayr erhielt 1951 einen Ruf nach München und 1964 an die Universität Salzburg. Eine Berufung an die Universität Wien, die der damalige Unterrichtsminister Heinrich Drimmel unterstützt hatte, war zuvor gescheitert.16 Zum anderen sei auch auf den Publizisten Ren8 Marcic hingewiesen, der in den Jahren des Zweiten Weltkriegs Presse- und Kulturreferent des faschistischen Ustascha-Regimes am Generalkonsulat in Wien war, nach 1945 zum Chefredakteur der „Salzburger Nachrichten“ und 1963 zum Professor für Rechts- und Staatsphilosophie an der Universität Salzburg aufstieg, deren Rektor er 1966/67 war. In dieser politischen Nachbarschaft zeigte Weinzierl auf, wie früh und wie sehr die Universitäten von den Professoren bereits vor 1938 zur Propaganda genützt worden waren und dass sie wichtige Vorbilder für ihre Studierenden dargestellt hatten. Damit griff die Historikerin vor nun schon über 50 Jahren Forschungsthemen und -fragen auf, die eigentlich schon damals intensive Auseinandersetzungen zum Verhältnis von „Universität und Politik“ in der Zwischenkriegszeit hätten initiieren können. Doch tatsächlich passierte in unmittelbarer Folge von Weinzierls Vortrag nur wenig. Ihre Antrittsvorlesung wurde kaum rezipiert, nur in den „Salzburger Nachrichten“ finden sich vier Tage danach ein paar Zeilen.17 Blickt man auf all das, was Weinzierl bereits 1968 benannte oder andeutete, wird deutlich, dass sie mit dem Motto „Grabe, wo du stehst“ auch an der Universität Ernst machte – und damit auch ihre akademische Lehrergeneration zur Verantwortung zog. Ihr universitäres wie politisches Umfeld ignorierte ihre Ana-

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Hochschulwesens in Österreich vom Ausgang des 19. Jahrhunderts bis in das Jahr 1938, Graz 1988, 276. Vgl. Roman Pfefferle/Hans Pfefferle, Glimpflich entnazifiziert. Die Professorenschaft der Universität Wien von 1944 in den Nachkriegsjahren, Göttingen 2014, 303. Ebd., 33. Vgl. Matthias Falter, Zwischen Kooperation und Konkurrenz. Die „Ehemaligen“ und die Österreichische Volkspartei, in: zeitgeschichte 44 (2017) 3, 160–174 sowie Oliver Rathkolb, Paradoxe Republik. Österreich 1945 bis 2015, Wien 2015, 324. Vgl. Pfefferle/Pfefferle, Glimpflich entnazifiziert. Vgl. „Hochschule –Politik“, Salzburger Nachrichten, 15. 6. 1968, 4.

Linda Erker, Erika Weinzierls Salzburger Antrittsvorlesung

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lysen kommentarlos und strafte sie mit Schweigen. Vermutlich hätte jede Reaktion des damals noch weithin dominierenden österreichischen CV den Verband selbst entlarvt und Weinzierls Thesen zusätzliche Öffentlichkeit verschafft. Zugleich darf man aber auch nicht übersehen, dass ebendieser ÖCV zumindest auf studentischer Ebene zu dieser Zeit weitaus liberaler war als etwa heute. Den ersten großen Aufschwung hatte der ÖCV im Dollfuß/SchuschniggRegime genommen, seine zweiten Hochphase erlebte er genau in den Jahren der ÖVP-Alleinregierung unter Josef Klaus, in der so gut wie alle Minister Verbandsbrüder waren.18 Das wiederum war eine direkte Folge der Restauration in „Universität und Politik“ nach 1945, über deren Ursprünge in den 1930er Jahren die Zeithistorikerin 1968 offen sprach. Erika Weinzierl hatte ihre Antrittsvorlesung mit einem Zitat von Robert Musil eröffnet, der auch schrieb: „Man kann ein Volk auf die Beine stellen, aber gehen muß es dann selbst.“19 Weinzierl ebnete den Weg für eine kritische Universitätsgeschichtsschreibung, doch es sollte noch fast genau ein halbes Jahrhundert dauern, ehe beispielweise die Geschichte der Universität Wien im Austrofaschismus auch tatsächlich intensiv beforscht wurde – 80 Jahre nach dem Ende der Dollfuß/Schuschnigg-Diktatur.

18 In der Regierung unter Josef Klaus (CV-Verbindung Rudolfina) waren Kurt Waldheim (Welfia Ehrenmitgliedschaft) Minister für Auswärtige Angelegenheiten; Vinzenz Kotzina (Amelungia) Bundesminister für Bauten und Technik; Georg Prader (Norica) Bundesminister für Landesverteidigung; Ludwig Weiß (Rudolfina) Verkehr und staatliche Unternehmungen; Hermann Withalm (Norica) Vizekanzler ; Karl Gruber (Austria Wien) Staatssekretär und Roland Minkowitsch (Panonia Ehrenmitgliedschaft) Staatssekretär, vgl. die jeweiligen biografischen Porträts im Personenlexikon des Österreichischen Cartellverbands, verfasst von Gerhard Hartmann, in: Österreichischer Cartellverband, URL: https://www. oecv.at/Biolex (abgerufen 14. 1. 2019). 19 Robert Musil, Der Mann ohne Eigenschaften, Erstes Buch Kapitel 81–123, Hamburg 1978, 348.

Abstracts

History politics in public space. An international comparison on the naming and renaming of streets Maoz Azaryahu King George or King David? On Renaming the Colonial Past in Israel Based on insights gleaned from recent developments in critical toponymy and on detailed historical research, this article explores local variations on the theme of renaming of the British colonial past in post-independence Israel by focusing on three cities: Jerusalem, Tel Aviv and Haifa. The main argument of the article is that local commemorative priorities were the result of a dynamic interplay of political pressures and constraints, ideological obligations, and historical commitments. As the article demonstrates, place-specific patterns of (re)naming the colonial past were local variations on larger, period-specific themes that underlay and belonged to the symbolic construction of nationhood in postindependence Israel. Keywords: Street-(re)naming, (de)commemoration, decolonization, Israel

Regina Fritz Political Struggle over Public Space. Renaming of Streets in Budapest, 1945– 1989–2011 “There is no continuity for age-long street names in Hungary.” The repeated renaming of street names since the 19th century confirms this remark of the linguist Magda T. Somogyi. More and more, the political players realized the identity-generating role of public space and used its symbolic power. The renaming of streets was often linked with fundamental political changes and

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marked the beginning of a new symbolic politics. The paper focuses on the manifestation of politics of history in the political praxis of renaming streets in Budapest since 1945. A particular focus is set on the public controversies which were related to the governmental decision 2011 to change all street names which were linked with one of the dictatorial regimes of the 20th century and which resulted in a deluge of street renamings to an extent hitherto unknown. Keywords: Street renaming, memory politics, Hungary

Idesbald Goddeeris The Nazi and the Colonizers: Flemish debates on street names in 2017 This article aspires to take a closer look at the decolonization of Flemish and Brussels public space by analyzing the naming and renaming of streets in 2017. It explores the general trends in the choice of names for new streets, discusses some of the existing controversial street names, defines the sparks that ignited new debates, analyzes the stances of different participants and examines the authorities’ reaction. Focusing on two debates – one on colonial references and one on Cyriel Verschaeve, a Flemish nationalist priest who collaborated with the Nazis – it argues that there was much greater attention to and unanimity about Cyriel Verschaeve streets than about the many more colonial street names. Keywords: Street names, Postcolonial Memory, Colonial History, Memory Culture

Toni Morant i AriÇo Street names as a political issue. The case of Spain after the Franco dictatorship Street names are no neutral, let alone ‘natural’ designations for any given location. They are the superposition of different eras, social orders and ideologies. Since the late 1990s, in Spain, a new generation looks with criticism at the time of the Franco dictatorship and at the ensuing restoration of democracy during the Transicijn. It opened an intense public conversation about the so-called memoria histjrica, in another example for the ‘memory wars’ so typical in the last decades for many countries around the world. This article tackles the development of the politics of history since the Transicijn, which is also behind the renaming of streets related to symbols and personalities of Franco dictatorship after 1977. In doing so, special attention is paid to the cases of Catalonia and the Basque Country, as well as to cities such as Madrid and ValHncia. Keywords: Spain, Street names, memory wars, Franco’s dictatorship

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Florian Wenninger Dedication and rededication of public spaces. An analysis of the spectrum of debates in Austrian municipalities Based on media reports, the article analyses over a period of 25 years (1992– 2017) different ways of dealing with demands for street renaming in Austria. It identifies actors and interests as well as typical debates and strategies of local governments. The study shows that street names are becoming increasingly important as an object of historical policy, but that at the same time the willingness to discuss with which city governments react more and more to demands for renaming is often ultimately the result of avoidance strategies. Keywords: Street-renaming, memory politics, Austria

Linda Erker Inaugural lecture of Erika Weinzierl about University and Politics in Austria, lecture on the occasion of its 50th anniversary 1968/2018 Erika Weinzierl presented her inaugural lecture, “University and Politics in Austria”, as the newly appointed professor of Contemporary History at the University of Salzburg on June 11, 1968. She did so in a time of political dissent that also reached into universities and the epicenter of which was to be found in the Parisian student protests in May 1968. Never the less student protests all over Europe led to (more or less significant) changes in the outdated structures inside and outside (European) Universities. By contrast, May 1968 touched Austrian universities like a gentle breeze – even though some university teachers of the time who still worked as professors in Austria had built their careers in both Austrian dictatorships – or at least in one of them. With her lecture that was published in 1969, Weinzierl gave the first important impulse for the historiography on Austrian universities of the interwar period, which, however, only gained momentum in recent years. On the occasion of its 50th anniversary, the University of Vienna dedicated a lecture to Weinzierl’s inaugural lecture, which forms the basis of this paper. Keywords: Interwar period, University, Inaugural lecture

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Stefan Maurer/Doris Neumann-Rieser/Günter Stocker, Diskurse des Kalten Krieges. Eine andere österreichische Nachkriegsliteratur, Wien/Köln/Weimar 2017, 737 Seiten. Stefan Maurer, Doris Neumann-Rieser und Günter Stocker haben mit ihrem aus einem FWF-Projekt hervorgegangenen Werk „Diskurse des Kalten Krieges“ auf gut 600 Textseiten eine beeindruckende Geschichte einer „anderen“ österreichischen Nachkriegsliteratur von 1945 bis 1966, jenseits des sogenannten Kanons vorgelegt – beeindruckend in Fülle und Gehalt. Sie haben mehr als 50 Romane, Erzählungen und Theatertexte, verfasst von rund drei Dutzend AutorInnen mit verschiedenster politischer Ausrichtung, identifiziert, die in der Gesamtschau dem gängigen Bild einer vornehmlich konservativen und politikfernen Nachkriegsliteratur widersprechen. Die analysierten Werke, von höchst unterschiedlichem Bekanntheitsgrad, partizipieren eindeutig aktiv am zeithistorischen Diskurs. Zudem bilden sie ein breiteres literarisches Spektrum ab, als man für Österreich bisher annahm. Die SchriftstellerInnen reichen von heute noch allseits bekannten Namen wie Ingeborg Bachmann, Friedrich Torberg, Milo Dor und Johannes Mario Simmel oder zum Teil auch aus anderen Gründen unvergessenen Charakteren wie Ernst Fischer, Carl Merz, Helmut Qualtinger und Ernst Hinterberger bis hin zu einigen der breiten Öffentlichkeit unbekannten beziehungsweise vergessenen Figuren wie Reinhard Federmann, Leo Katz, Erik von Kuehnelt-Leddihn und Susanne Wantoch. Vermutlich machen bereits diese Zuordnungen deutlich, dass die vorliegende Rezension nicht aus der Feder eines Germanisten oder Literaturhistorikers stammt, sondern aus der eines Zeithistorikers, der das vorliegende Werk primär aus der Interessenslage seines Faches bespricht. Die VerfasserInnen der Studie haben den Ansatz einer diskursanalytischen Lektüre der ausgewählten Schriften gewählt und bereiten ihre Ergebnisse entlang von 15 zentralen Diskursmustern in jeweils eigenständigen Kapiteln auf. Dies gelingt auf überzeugende und gut lesbare Weise, denn die jeweiligen Themenbereiche sind ausgezeichnet miteinander verknüpft und die Übergänge zwischen den inhaltlich unweigerlich überlappenden und verwobenen Abschnitten fließend. Die zudem angebrachten Vor- und Rückverweise erfolgen in einem Ausmaß, das der Lesbarkeit nicht abträglich ist. Biografische Details können in dem von Desiree Hebenstreit verfassten AutorInnenlexikon, am Ende des Bandes nachgeschlagen werden. Die gewählte Erzählstruktur hat den Vorteil, dass die AutorInnen und ihre Werke sowie deren ProtagonistInnen die Lektüre der Studie von Anfang bis Ende begleiten. Dadurch scheinen sie in verschiedenen Kontexten auf und es zeigt sich, wie sehr der Kalte Krieg in seiner Gesamtheit in der österreichischen Nachkriegsliteratur präsent war. Die RomanheldInnen tragen oftmals autobiografische Züge, gleichzeitig wurden immer wieder leicht

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identifizierbare AkteurInnen der österreichischen Literatur und Politik zur Vorlage für literarische Figuren (vgl. z. B. S. 170). Das kontinuierliche Wiederaufgreifen der analysierten literarischen Werke hat über weite Strecken auch nichts Repetitives, erst im letzten Drittel des Buches fällt die wohl unvermeidliche Wiederholung der einen oder anderen Begebenheit auf. Die Darstellung regt durch ihr breites Eingehen auf einzelne Texte auch zum Weiterlesen in den Originalen an. Zu Eingang jedes Kapitels erfolgt eine Einbettung des jeweiligen Themenkomplexes in die historische und literaturhistorische Forschungsdiskussion. Dies geschieht einerseits durch wissenschaftliche Fachliteratur, andererseits unter Heranziehung weltbekannter einschlägiger Klassiker von George Orwell, Arthur Koestler, Graham Greene oder John le Carr8; die Liste ließe sich beliebig fortsetzen. Darüber hinaus werden die österreichischen Beispiele mit den Literaturen der beiden deutschen Staaten verglichen. Die Verflechtung mit diesen wird dadurch in einem Atemzug deutlich, und am Ende des Buches wird nachdrücklich darauf hingewiesen, dass in diesem Feld große Forschungsdesiderata bestehen. Das Schaffen kommunistischer AutorInnen im Spannungsfeld von Ideologie, Literatur und Politik böte nicht nur anhand der Beispiele Ernst Fischer und Leo Katz ein reiches Betätigungsfeld für Geschichte und Germanistik. Zur Kontextualisierung der österreichischen Debatten wurden „die für den kulturellen Kalten Krieg in Österreich tonangebenden Zeitschriften“ (S. 18), das von der KPÖ finanzierte „Österreichische Tagebuch“ und das über den Umweg des „Congress for Cultural Freedom“ vom CIA als Gegengewicht unterstützte „Forum“ herangezogen. Dazu kommen als Tageszeitungen die „Österreichische Volksstimme“ und die „Arbeiter-Zeitung“, punktuell weitere Medienerzeugnisse und gelegentlich auch Archivquellen. Gerade die medialen Auseinandersetzungen über die Diskurse des Kalten Krieges und deren literarische Verarbeitung machen die, in einem der 15 Kapitel herausgearbeiteten geteilten Sprachwelten der ProtagonistInnen deutlich. Der „eiserne Sprach-Vorhang“ (S. 431) bestand auch in der österreichischen Literatur. Begriffe wie Frieden, Freiheit und Demokratie hatten grundunterschiedliche Bedeutungen. In diesem Zusammenhang wäre es spannend gewesen, mehr über den zumindest teilweisen Wandel dieses Befunds für die 1960er-Jahre zu erfahren, als sich nicht nur der Kommunist Ernst Fischer in seiner Ausdrucksweise grundlegend änderte, sondern auch das „Forum“ schließlich zum „Neuen Forum“ mutierte1 und diverse, die Dichotomie des Kalten Krieges überwindende Dialogprozesse begannen. Auch die im vorliegenden Werk eingehend 1 Siehe dazu: Malachi Haim Hacohen, From „Forvm“ to „Neues Forvm“: The Congress for Cultural Freedom, the 68ers and the Pmigr8s in Austria, in: Oliver Rathkolb/Friedrich Stadler (Hg.), Das Jahr 1968 – Ereignis, Symbol, Chiffre, Göttingen 2010, 239–274.

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behandelten Themenbereiche „Kommunismus und Christentum“, „Kunst im Kalten Krieg“ (das aufgrund der überraschenden wie überzeugenden Abhandlung eine eigene Rezension verdient hätte)2 oder der Komplex „Konversion, Bekehrung, Renegatentum“ lassen eine Untersuchung der österreichischen Literatur der 1960er-Jahre ohne Endpunkt im Jahr 1966 wünschenswert erscheinen. Es verwundert ein wenig, dass beispielsweise im „Tagebuch“ bereits in der ersten Hälfte der 1960er-Jahre geführte Diskurse in der Literatur offenbar kaum Entsprechung fanden. Es würde den Rahmen dieser Rezension sprengen, auf jedes Kapitel einzugehen, weshalb einzelne für die Zeitgeschichtsforschung besonders interessante Aspekte und Befunde herausgegriffen werden. Wenig überraschend stellt die Ost-West-Grenze am „Eisernen Vorhang“ ein wichtiges Sujet dar, neben der abschreckenden Gefährlichkeit, der Abenteuerlust sie zu überschreiten, lässt sich aus der literarischen Verarbeitung durchaus auch die Sehnsucht nach ihrer Überwindung herauslesen. Daraus resultiert jedoch die Frage nach der Thematisierung der Teilung des historischen Raums der ehemaligen Habsburgermonarchie, jenseits von Nostalgie und Mitteleuropadebatten. Offenbar wurde die D8tente der 1960er-Jahre, mit intensiveren – zuvor teils heftig kritisierten – Kontakten zu den sozialistischen Staaten kaum thematisiert, ebenso wie die (jüngst in unsäglicher Weise wieder in Mode gekommene) Selbststilisierung Österreichs als Brücke zwischen Ost und West. Die Analyse des Österreich-Bilds zeigt hingegen, dass andere feste Bestandteile des oft mythisierten Narratives zur Geschichte des Landes im Kalten Krieg (wie die prägende Besatzungszeit oder Ungarn 1956) zentrale Bestandteile des literarischen Erzählens jener Jahre waren. Dies ruft in Erinnerung, dass Literatur immer auch ein (von der Geschichtswissenschaft mitunter vernachlässigter) Spiegel zeitgenössischer Diskurse ist. Beispielsweise waren die sogenannten Menschenraubfälle „offensichtlich ein wesentliches Element der zeitgeschichtlichen Erfahrung der frühen Nachkriegszeit“, das durch die Literatur jener Zeit „aus dem individuellen ins 2 Der Rezensent hätte eine eingehendere Befassung mit dem hinlänglich bekannten BrechtBoykott oder der weit weniger bekannten Pasternak-Debatte zwischen den kommunistischen Kalten Kriegern und ihren GegnerInnen erwartet. Die AutorInnen stellen aber in ebenso überraschender wie überzeugender Manier ein anderes Werk in den Mittelpunkt: Rudolf Henz’ 1965 erschienenen satirischen Roman „Der Kartonismus“, der „in einer für die österreichische Literatur einzigartigen Weise die für die Systemkonkurrenz des Kalten Krieges entscheidenden Diskurse zur gesellschaftlichen Rolle von Kunst“ verknüpft und die im jeweiligen Lager und zwischen diesen geführten Auseinandersetzungen ins Gegenteil verkehrt: „Der Osten will seine Überlegenheit über den Westen in ökonomischer, technologischer und kultureller Hinsicht durch eine neue Kunstrichtung, die allen Dogmen des Sozialistischen Realismus widerspricht, beweisen und mittels eines neuen ,Ismus‘ die Kunst der ,freien Welt‘ desavouieren.“ (S. 466) Dass Henz damit auch dem Antimodernismus in Österreich das Wort redet, versteht sich von selbst.

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kulturelle Gedächtnis“ zurückgeholt wird (S. 610). Als markanter Beleg hierfür kann gelten, dass die zeitgenössisch medial präsente, aber dennoch eher „marginale Episode“ (S. 597), einer durch tatkräftiges Einschreiten der Bevölkerung verhinderten Verschleppung gleich in zwei literarische Texte Aufnahme gefunden hat. Die Studie von Maurer, Neumann-Rieser und Stocker bietet zudem Kapitel zum für die Geschichte des Kalten Krieges immens wichtigen Thema der Atomangst, zur Gulag-Literatur und wenig überraschend zur auch in der österreichischen Literatur sehr stark vertretenen Spionage. Die dazu entwickelten Narrative waren vielschichtiger und nuancierter als man gemeinhin annehmen würde. Die muss aber nicht hier nacherzählt werden, sondern kann im Detail nachgelesen werden. Geschlechterverhältnisse spielen erstaunlicherweise kaum eine explizite Rolle. Ein weiterer zentraler Befund sei abschließend hervorgehoben: Im Kapitel zum „Gespenst des Nationalsozialismus im Kalten Krieg“ wird u. a. deutlich, wie sehr einerseits die Sprache der NS-Zeit auf die AntikommunistInnen abfärbte, während andererseits kommunistische AutorInnen die USA – und mit ihr alle KritikerInnen des Kommunismus – pauschal als Nazis verunglimpften. Der durch den Antikommunismus geeinte „gemeinsame Tisch“ der Nachkriegsliteratur wurde von dieser – zumindest der „anderen“ – selbst aufgegriffen. KritikerInnen wie Ingeborg Bachmann oder Ulrich Becher machten darauf aufmerksam, dass es nicht nur um NS-Kontinuitäten ging, sondern auch um „die Konstruktion neuer Koalitionen und neuer Feindbilder im Zeichen des Kalten Krieges, die diese Kontinuität erst möglich machten“ (S. 293). Einige der analysierten Texte zeigen überdies, dass „auch die Auseinandersetzung mit dem Holocaust und anderen NS-Verbrechen in der österreichischen Literatur bereits viel früher und häufiger statt[fand], als literaturhistorische Klischees das glauben machen“ (S. 611). „Diskurse des Kalten Krieges“ ist aus der Perspektive des Historikers der Beleg, dass sich die AutorInnen der Wiener Germanistik als Vertreter einer modernen Kulturwissenschaft verstehen. Eine künftig noch stärkere interdisziplinäre Zusammenarbeit mit der Zeitgeschichtsforschung würde für beide Seiten einen Gewinn darstellen. Abschließend ließe sich seufzen: Wenn der FWF nur die Mittel hätte, um solch exzellente Projekte der geisteswissenschaftlichen Grundlagenforschung verstärkt zu fördern. Maximilian Graf

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Sven Kuttner/Peter Vodosek, Volksbibliothekare im Nationalsozialismus. Handlungsspielräume, Kontinuitäten, Deutungsmuster (Wolfenbütteler Schriften zur Geschichte des Buchwesens 50), Wiesbaden 2017, 324 Seiten. Jeder Rezensent, jede Rezensentin wird bei Besprechungen von Sammelbänden wie dem vorliegenden, dem eine Tagung im Jahr 2015 in Wolfenbüttel zugrunde liegt, vor der Frage einer in die Tiefe gehenden oder Einzelbeiträge hervorhebenden Analyse stehen. Gelegentlich ist die Aufgabe leicht zu erledigen, wenn die Qualität der Aufsätze sehr schwankt und man sich an dem einen oder anderen Beitrag „gütlich“ tut, um den Rest nur irgendwie zu erwähnen. Hier ist das bei keinem der zwölf Artikel der Fall, hier sind alle von gleichwertiger Qualität und geben zu einer bislang vernachlässigten Materie wichtige Informationen, wobei für den österreichischen Leserkreis die Einblicke in den deutschen Bereich nicht nur interessant und anregend sind und die beiden „inländischen“ Beiträge nicht minder informativ, war doch die Ostmark in der hauptsächlich behandelten Epoche in das Dritte Reich eingegliedert gewesen. Dass so mancher Beitrag in der Zeit vor 1933 bzw. 1938 seinen Anfang nimmt, ist der Materie geschuldet und trägt zum besseren Verständnis mancher Analyse durch die Autorinnen und Autoren bei. Von der Thematik allein schon ist der Band von großem Interesse, gibt er doch viele Überblicke oftmals anscheinend „kleinkarierter“ Probleme, wie sie überall auftauchen, wo Fachleute aufeinander stoßen, die aber nie richtig an die Öffentlichkeit gelangen und doch wichtig sind für den Ablauf vieler Dinge. Ohne einer qualitativen Wertung hier das Wort reden zu wollen, aber ob der Menge der Beiträge gezwungen, seien einige im Detail besprochen, andere nur angeschnitten. In seinem mehr als informativen Vorwort führt einer der Herausgeber (Peter Vodosek) nicht nur im Detail in die Themen ein, sondern darüber hinaus in die Gesamtmaterie der besonderen bibliothekarischen Spezies in der Zeit des Dritten Reiches, die zwischen größter Angepasstheit und (innerem) Widerstand angesiedelt werden kann. Nach der Lektüre legt man das Buch mit dem Wissen zur Seite bzw. stellt es würdigend in die Reihe ähnlicher Bücher zur Zeitgeschichte, dass es in diesem Berufsstand nicht viel anders verlief, als bei so vielen anderen „menschelnden“ Beispielen aus der Zeit des Nationalsozialismus. Sehr gut wird allgemein herausgearbeitet, dass das damalige System an vielen Ecken und Enden nicht immer so perfekt funktionierte, wie es die damals Herrschenden oftmals betonten und gerne gehabt hätten. Angela Graf ging der Tätigkeit des Vorsitzenden des Verbandes Deutscher Volksbibliothekare, Wilhelm Schuster nach, dessen, wie die Autorin feststellt, „geschönter“ Lebenslauf die Grundlage seiner Entnazifizierung bildete. Darüber hinaus finden sich schon Schriften aus den 1920er-Jahren des 20. Jahrhunderts, die den Geist des Autors

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wiedergeben, wenn man liest: „Die Jugend […] lässt sich allein von den widererwachten seelischen Kräften der Rasse tragen“ (S. 43). Einer von vielen Sätzen, der nach 1945 nicht sehr berufshemmend war. Ähnlich verhielt es sich mit „Franz Schiewer : Volksbibliothekar, Referatsleiter der Reichsstelle, Grenzkämpfer“ einer biographischen Erkundung 1921–1953. Auch dieser Bibliothekar kämpfte vor 1933 um die „Volksgemeinschaft“ und suchte diese in den Volksbüchereien Wirklichkeit werden zu lassen. Auch er kehrte nach dem Krieg in die Volksbildung zurück, wobei ihm selbstverständlich, wie bei den meisten hier behandelten Personen, bescheinigt wurde, „weder der NSDAP noch einer ihrer Gliederungen angehört“ zu haben (S. 114). Auch diese „Reinwaschung“ kennt man heute aus unzählbaren Biografien. In den kirchlichen Bereich der evangelischen Pfarramtsbüchereien in Württemberg führt der Beitrag von Andreas Lütjen ein. Stand zwar die evangelische Kirche dem Dritten Reich vielfach näher als die katholische, so war sie doch auch der genauen Kontrolle seitens des Staates unterworfen und gezwungen, verbotenes Schriftgut auszusondern. Dass dies in diesem Bereich nicht immer klaglos funktionierte, ist hier nachzulesen, wobei der etwas makabere Humor nicht zu übersehen ist, wenn ein Pfarrer 1935 dem Oberkirchenrat in Stuttgart unter anderem mitteilt: „An Werken ,jüdischer Autoren‘ fand sich eine ältere Ausgabe der Bibel, die zweifellos von ,jüdischen Autoren‘ geschrieben ist, allderdings von dem Deutschen Martin Luther übersetzt. Ich glaubte es verantworten zu können, dieses Buch nicht auszuscheiden“ (S. 130). Eine Persönlichkeit, die gleichsam über allen Dingen stand, war Prälat Johannes Braun, der der Bonner Zentrale des angesehenen Borromäusvereins vorstand und von dem Siegfried Schmidt ein interessantes Porträt zu zeichnen versteht. „Leipzig – Wien – Salzburg: Stationen der (un)gebrochenen bibliothekarisch Karriere Hans Ruppes“ geht Heimo Gruber in einem, – wie übrigens alle in diesem Band vereinigten Aufsätze, – brillant geschriebenen Beitrag nach. Ein Deutschnationaler, ein Antisemit, ein Karrierist aus Salzburg wird hier zum Leben erweckt. Schon bald trat Ruppe vehement für den Ausschluss von Jüdinnen und Juden aus den Lesesälen ein, verstand es die Leitung des gesamten Büchereiwesens in Wien nicht nur an sich zu ziehen sondern auch maßgebend die Entscheidung über die Weiterverwendung oder Vernichtung von Buchbeständen zu treffen. Auch Ruppe kam nach 1945 wie ein Bumerang wieder und beteiligte sich am damals sehr en vogue seienden Kampf gegen „Schmutz und Schund“. Fritz Mayrhofer stellt „August Zöhrer und das Büchereiwesen in Linz“ vor, einen verhinderten Philosophen und Frömmler, der einer Art von Pantheismus huldigte. Sein Job als (?) Kulturamtsleiter und Gauschrifttumsbeauftragter der „Führerstadt“ Linz ließ Zöhrer viele Wirkungsmöglichkeiten offen.

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Hiltrud Häntzschel zeichnet die Karriere von Hermann Santer auf, dem Direktor der Stadtbibliothek und Leiter der Staatlichen Volksbüchereistelle München – auch er ein Mann, der ideologisch stramm im Geist der neuen Bewegung (1933) tätig sein sollte, um nach Kriegsende lediglich als „Mitläufer“ entnazifiziert zu werden und als Direktor der Universitätsbliothek Mainz in Pension zu gehen. Auch dies ein nach der Lektüre noch lang nachwirkender bedrückender Beitrag. Von Christine Bauer stammt die Untersuchung zu „Hans Hagelmann als Volksbibliothekar in Nürnberg während des ,Dritten Reichs‘“. Auch er ein Mann, der sich im Rahmen seiner Tätigkeit sehr stark für die Entfernung „undeutscher“ Literatur einsetzte, der aber andererseits auch „gute nicht-nazistische Literatur der eigentlich geforderten Makulierung entzog und sie bis zum Kriegsende, das ja mit dem Verschwinden der NSDAP verbunden sein musste, aufhob“ (S. 244). Alles in allem war der promovierte Germanist einer der „Hochbegabten und Gebildeten, die an den Beruf des Volksbibliothekars die Hoffnung auf weitreichende pädagogische Einflussmöglichkeiten knüpften“ (S. 256) und mehr als verstrickt war im NS-System. „Fritz Heiligenstaedt, ein begeisterter Förderer der Volksbüchereien und überzeugter Propagandist des NS-Volksbüchereiwesens“ widmet Ragnhild Rabins ihre Abhandlung; ein fanatischer Gymnasiallehrer als Organisator öffentlicher Bibliotheken in der Weimarer Republik und dann nach 1933 wird hier gleichsam greifbar. Auch bei ihm, wie bei vielen anderen in diesem Band behandelten Personen bedeutete die Kriegsniederlage 1918 einen tiefen Lebeneinschnitt. Dadurch ist vieles danach Kommende zwar verständlich, aber nicht entschuldbar. Auch Heiligenstaedt gelang nach dem Krieg nach einer kurzen Phase des „Spazierengehens“, trotz Parteimitgliedschaft seit Mai 1933, die Rückkehr in den Schuldienst (!). Mandy Schaarschmidt berichtet in ihrem Beitrag zu „Die Entwicklung der Leipziger Städtischen Bücherhallen unter Walter Hoyer in den Jahren 1937 bis 1945“ über eine kurzzeitige Volksbüchereikarriere. Abschließend werden am Beispiel Dänemarks durch Ole Harbo „Öffentliche Bibliotheken und Benutzer“ behandelt, wobei sehr gut die dortige Widerstandstätigkeit herausgearbeitet wird, wobei Dänemark unter den von Deutschland besetzten Ländern in fast jeder Hinsicht einen Sonderfall darstellte. Alles in allem ein „spannendes“ Buch, das beispielgebend dienen kann für Untersuchungen ähnlicher Art für den kulturellen Bereich. Lorenz Mikoletzky

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Rätsel Karl Renner? Bemerkungen zu zwei neuen Renner-Biografien: Siegfried Nasko, Karl Renner. Zu Unrecht umstritten? Eine Wahrheitssuche, Wien 2016, 464 Seiten. Richard Saage, Der erste Präsident. Karl Renner – eine politische Biografie, Wien 2016, 416 Seiten. Der große Saal des Wiener Konzerthauses war gesteckt voll, als am Vortag des 14. Dezember 1930 die österreichische Sozialdemokratie ihrem Vorstandsmitglied, Nationalratsabgeordneten und führenden Genossenschafter, dem ehemaligen Staatskanzler Karl Renner zum 60. Geburtstag gratulierte. Als Vertreter des Parteivorstandes der SDAP gratulierte Wilhelm Ellenbogen und bezeichnete den Jubilar als „Genie des konstruktiven Aufbaues“, den seine „schöpferische Phantasie […] unaufhörlich dazu [bringt, K. M.], aus dem Geiste Geratenes in Ordnung zu bringen, Fallendes aufzurichten, aus Wüsten fruchtbares Land zu machen. Sein ganzes Wesen ist charakterisiert durch eine leidenschaftliche Abneigung gegen die bloße Negation.“1 Ellenbogen nahm damit nicht nur Bezug auf Renners Kritik an der Oppositionsrolle der Partei, sondern sprach damit wohl auch mit feiner wohldosierter Klinge seine Haltung zum und im Ersten Weltkrieg an, die nicht immer der Mehrheit der politischen Elite und schon gar nicht der sogenannten „Linken“ in der SDAP entsprach: „Seine konstruktive Phantasie reißt ihn so mit, dass man manchmal den Eindruck hat, das sei ein in die Politik geratener Dichter.“ Doch 1918 kam der Augenblick – so Ellenbogen – wo die Geschichte Renners Phantasie jenes Objekt präsentierte, „an dem sie sich positiv, also zweckvoll, auswirken kann.“ Renner wurde als erster Staatskanzler der jungen Republik zum „Staatsgründer“ eines demokratischen, republikanischen (Deutsch-) Österreich. Wenn man jene Worte – 1930 von einem Parteifreund und Zeitgenossen gesprochen – Revue passieren lässt, wird man sich heute wohl auch an 1945 erinnern, als sich der 75-Jährige den Sowjets mit Erfolg erbötig zeigte, von neuem die Republik unter seiner Leitung zu errichten. Doch Wilhelm Ellenbogen machte 1930 auch auf die Widersprüche in Renners Person aufmerksam, die dennoch als „in sich harmonische Persönlichkeit“ gesehen werden sollte: „Denn je größer eine Persönlichkeit ist, desto heftiger die äußeren Widersprüche, in denen sie sich darstellt. Man kann sagen, je mehr sie eine innere Einheit in höherem Sinne ist, desto unharmonischer stellt sie sich nach außen dar.“ Es wundert denn auch nicht, dass an dieser scheinbar widersprüchlichen und doch harmonischen Persönlichkeit sich seit mehr als einem halben Jahrhundert Publizisten, Politikwissenschafter, Ökonomen und Historiker abmühen und vielfach zu unterschiedlichen Einschätzungen kommen. 1 Alle folgenden Zitate (soweit nicht anders angegeben) aus der Rede von Wilhelm Ellenbogen anlässlich Karl Renners Geburtstagsfeier, Arbeiter-Zeitung, 14. 12. 1930, 5.

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Der Rezensent hätte diese, wie er meint, sehr zutreffende Einschätzung Wilhelm Ellenbogens nicht nachgeschlagen, würde nicht Siegfried Nasko in seinem neuesten Buch ein Schreiben Renners Gymnasiallehrers erwähnen, der sich als „Rennerianer“ outend, über die Rede mokiert und sie offensichtlich unpassend findet. Siegfried Nasko hat sich wie kaum ein anderer Historiker seit Jahrzehnten mit Karl Renner beschäftigt. Er hat das „Karl Renner Museum“ in Renners Geburtshaus in Gloggnitz gestaltet und zusammen mit dem damaligen Direktor des Gesellschafts- und Wirtschaftsmuseums Josef Docekal zu einem Gedächtnisund Erinnerungsort an den „zweimaligen Staatsgründer“ aufgebaut.2 Ausgehend von seinem 1982 erschienen Buch „Karl Renner in Dokumenten und Erinnerungen“3 hat Nasko in zahlreichen Vorträgen und Aufsätzen zu Renner Stellung genommen und zusammen mit Johannes Reichl einen umfassenden „Buch-Katalog“ zum Renner-Museum veröffentlicht.4 Seine nun erschienene Renner-Biografie stellt nicht nur eine umfassende Zusammenfassung seiner langjährigen Forschungen dar, sondern ist in gewisser Weise auch eine – oftmals sehr scharfe und ins polemische gehende – „Abrechnung“ mit den nicht minder zahlreichen Renner-Kritikern, insbesondere mit Anton Pelinka.5 Wenn man auch über die Verwendung des Begriffes „historische Wahrheit“ – wie ihn Nasko im Untertitel seiner Biografie verwendet – in einer sich einem narrativen Konstruktivismus verpflichtend fühlenden „kritischen Geschichtswissenschaft“ seinen Zweifel anmerken muss, der oftmalige Hinweise auf unterstützende Meinungen von Publizisten wie Hugo Portisch und Paul Lendvai sowie die Abqualifizierung sogenannter „linkslinker“ Kritik durchaus entbehrlich sind, so ist andererseits die Intention des langjährigen Forschers anzuerkennen, mit all jenen Mythen und Unterstellungen aufzuräumen, die das Objekt seiner Untersuchung zeitweilig in einem wohl recht zwielichtigen Schatten erscheinen ließen. In der Tat bietet die scheinbare Widersprüchlichkeit der Persönlichkeit Karl Renners – wie es Wilhelm Ellenbogen damals anklingen ließ – bis zu seinem Tod 1950 zahlreiche Ansatzpunkte unterschiedlicher Interpretationen: von seinem Glauben an einen Fortbestand der Monarchie, seine Unterstützung der „Burgfriedenspolitik“ im Ersten Weltkrieg, über seine Annäherungen an eine Donaukonföderation bis hin zu seinem Rücktritt als Nationalratspräsident 1933, sein darauf folgendes politisches Anbot an das Dollfuß-Regime, seine „Ja“-Erklärung zum „Anschluss“ an Hitlerdeutschland, seine Sudetenabhandlung bis hin zu einer ihm vorgeworfenen „Anbiederung“ an Stalin und einer Bevorzu2 3 4 5

Siehe: https://www.rennermuseum.at/index.htm (abgerufen 6. 7. 2018). Siegfried Nasko, Karl Renner in Dokumenten und Erinnerungen, Wien 1982. Siegfried Nasko/Johannes Reichl, Karl Renner. Zwischen Anschluß und Europa, Wien 2000. Anton Pelinka, Karl Renner zur Einführung, Hamburg 1989.

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gung der Partei gegenüber den das Nazi-Regime überlebenden Juden bei der Restitution enteigneten Vermögens. Waren das alles Widersprüchlichkeiten, war es reiner Opportunismus oder standen all diese Handlungen in einem harmonischen inneren Einklang mit einer zutiefst humanen, in jeder politischen Situation das Beste für die Menschen erstrebenden Persönlichkeit, wie es Nasko meint? Kurz vor dem Erscheinen der genannten biografischen „Streitschrift“ von Siegfried Nasko hat sich der deutsche Politikwissenschaftler Richard Saage mit Renners Schriften beschäftigt und seine Forschungsergebnisse in einer „politischen Biografie“ veröffentlicht. Saage beschäftigt sich weniger mit Renners Politik – diesbezüglich übernimmt er vieles von Naskos früheren Forschungen bzw. von Nasko und Reichl – vielmehr versucht er Renners „Phantasien“ (Ellenbogen) mit seinem wissenschaftlichen und politischen Oeuvre und seinem Marxismus-Verständnis in Einklang zu bringen. Renner wandte sich gegen eine dogmatische Anwendung marxscher Kategorien, denn Gesellschaft und Staat hatten sich in den Jahrzehnten 1878 bis 1914 grundlegend gewandelt. Ausgangspunkt sei deshalb die jeweilige Realität, die undogmatisch und vorurteilsfrei mit Marxscher Methodik zu hinterfragen sei. (Saage, S. 98ff.). Dieser „induktive Marxismus“ bot Renner die Möglichkeit, sich von einem grundsätzlichen Revisionismus genauso abzugrenzen wie von einem jede Theorie negierenden Reformismus sowie selbstverständlich von einem deduktiv argumentierenden Revolutionarismus, den Renner „als eine gravierende Fehlentwicklung des Sozialismus“ ansah. Und doch bot jene „Theorie – Praxis – Beziehung“, die Pelinka als „Theorie des Mitmachens“ geißelt, in welcher der Sozialismus nahezu zur „Theorie der Kollaboration“ verkommt, Renner die Chance, nicht nur 1918 wie 1945 gestaltend in die Politik einzugreifen, sondern auch über all die Jahrzehnte hinweg Beschlüsse der Partei, die nicht seiner Meinung entsprachen, mitzutragen. Saage zitiert denn auch Renners Worte gegenüber den Vorwürfen der Linken in der Partei 1917: „Ich bin weder Reformist noch Revolutionär, ich lasse mich nicht einfach einrangieren in eine Rechte und eine Linke. Ich behalte mir vor, jeden einzelnen Fall so zu beurteilen, wie er am bestimmten Tage am bestimmten Ort ist.“ (Saage, S. 116). Und 1929 betonte Renner nochmals: „Ich halte dafür, dass man immer das tun soll, was richtig am Ort und richtig in der Zeit ist.“ (Nasko, S. 273). Für Renner, dem studierten Juristen, war der Staat das zentrale Element. Es ging ihm nicht darum, den Staat zu zerstören und damit die „Herrschaft des Proletariats“ zu errichten, sondern die Institutionen des Staates sollten durch die Sozialdemokratie von innen her sukzessive erobert werden. Seine Förderung des sozialdemokratischen Vereinswesens, sein Engagement für das Genossenschaftswesen, sein Aufruf zur Errichtung von Arbeiterkammern (1917) und die

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Gründung der Arbeiterbank sowie nicht zuletzt seine theoretischen Abhandlungen über eine „Wirtschaftsdemokratie“6 mögen dafür Beispiele sein. Siegfried Nasko geht mit Saage weitgehend konform. Er schließt sich Saages Ansicht von der Bedeutung des „induktiven Marxismus“ Renners’ (allerdings nur) für die „Aktualisierungsmöglichkeit seines Werkes“ (Nasko, S. 16 bzw. S. 132f.) an, entdeckt jedoch in Renner viel mehr, nämlich einen „stets harmonischen, visionären, konstruktiven und mitfühlenden politischen Menschen, dessen geschichtliches Spiegelbild vielfach vereinfacht, auf wenige spektakuläre Parameter reduziert und daher abgewertet wird“ (Nasko, S. 11). In diesem Licht versucht nun Nasko, ausgehend von einem Anfangskapitel, in dem das erfolgreiche Leben des aus ärmlichen Verhältnissen stammenden mährischen Bauernkindes bis zum ersten Bundespräsidenten der Zweiten Republik skizziert wird, in 13 weiteren Abschnitten Stationen, Ereignissen und Tätigkeiten aus Renners Laufbahn zu analysieren. Nasko wendet sich entschieden gegen Ansichten, die Renner im Ersten Weltkrieg und auch später in der Opposition als Kollaborateur bezeichnen, ging es ihm doch nur darum „Leid, Hunger und Bürgerkrieg, Elend und Not von der Masse der Menschen fernzuhalten“. (Nasko, S. 215). Dieser Topos vom „zutiefst toleranten und humanen Politiker und Menschen“ (Nasko, S. 297) zieht sich durch die gesamte Darstellung und begründet fast alle – auch die diskussionswürdigen und oft nicht ganz zu Unrecht sehr kritisch gesehenen – Äußerungen Karl Renners. Saage etwa macht darauf aufmerksam, dass Renner selbst in seinen Erinnerungen den gegenüber dem Nationalsozialismus viel größeren Hass der Arbeiterschaft gegen das austrofaschistische Regime betonte und damit eventuell eine bisher kaum diskutierte Begründung für sein „Ja“ zum sogenannten „Anschluss“ 1938 präsentierte. (Saage, S. 279). Noch im Oktober 1945 betonte Renner, dass ihm „der braune Faschismus lieber als der schwarze“ gewesen sei, „wenn die außenpolitischen Auswirkungen nicht da gewesen wären“. (Nasko, S. 300). Und doch war er ein entschiedener Gegner des Nationalsozialismus und sah 1937 sehr wohl die Gefahr, dass es in der Jugend eine Tendenz dazu gebe. Siegfried Nasko setzt sich sehr ausführlich mit Renners am 3. April 1938 erschienen Interview auseinander und kommt zu dem Schluss: „Meines Erachtens war Renners ,Anschluss‘-Ja der Versuch, angesichts der Massivität und Präsenz des NS-Systems, mit der komplizierten menschlichen und politischen Situation fertigzuwerden, sich selbst, die Seinen und – wenn möglich – Gesinnungsfreunde vor dem Schlimmsten zu bewahren.“ (Nasko, S. 323). Der Rezensent muss dazu 6 Vgl. Günther Chaloupek, Karl Renners Konzeption des „demokratischen Wirtschaftsstaats“, in: Günther Chaloupek/Heinz D. Kurz/William Smaldone, Rudolf Hilferding, Finanzkapital und organisierter Kapitalismus (Die Ökonomik der Arbeiterbewegung zwischen den Weltkriegen 6), Graz 2011, 73–104.

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anmerken, dass es vielleicht wohl auch in irgendeiner Weise der innere Drang des 68-Jährigen war, sich als Repräsentant der alten politischen Elite sowie als immer deutschnational eingestellter Mährer in den Mittelpunkt des Geschehens zu rücken. Dass Letzteres sicherlich eine Rolle gespielt haben dürfte, beweist nicht zuletzt seine ungedruckt gebliebene, jedoch von ihm selbst noch 1941 als relevante Schrift benannte Befürwortung des „Münchner Abkommens“ mit der damit vereinbarten Abtretung des Sudetenlandes an Hitlerdeutschland. (Nasko, S. 327ff.). Wie 1918, so sah Renner auch 1945 die Stunde gekommen – und wieder passen die eingangs zitierten Worte Ellenbogens – um „aus dem Geiste Geratenes in Ordnung zu bringen, Fallendes aufzurichten, aus Wüsten fruchtbares Land zu machen.“ Der alte Mann, oder vielleicht der „schlaue Fuchs“, bot sich durch eine „reichlich übertriebene Ergebenheitsadresse“ Stalin an, die Republik wieder zu gründen. (Saage, S. 306). Doch Renner „war nicht bloß Taktiker und gewieft“ – wie Nasko allen Kritikern entgegenwirft – „sein politisches Leben lang warb und wirkte er dafür, Leid und Tod von der Bevölkerung fernzuhalten.“ (Nasko, S. 373). Diesen seinen Ansatz hält Nasko dann auch bis zum Eintreten Renners für ein geeintes Europa durch. Was in beiden Büchern nicht erwähnt wird, sei als kleine Ergänzung kurz angesprochen: Karl Renner kann als einer der Mitbegründer der österreichischen Arbeiterkammern angesehen werden. Am 11. Juli 1917 veröffentlichte Renner in der „Arbeiter-Zeitung“ einen Aufsatz „Die Unentbehrlichkeit von Arbeiterkammern in der Übergangswirtschaft.“ Der Autor sieht nun inmitten der Kriegs- und Übergangswirtschaft, in der nahezu alles darniederliegt, zahlreiche ungelöste Probleme in Wirtschaft und Gesellschaft. Es braucht eine Organisation für einen geregelten Aufbau, für eine neue zeitgemäße Arbeitsverfassung, für eine Schulung der durch den Militärdienst ihres Berufes entwöhnten ArbeitnehmerInnen. Da der Staat durch die Gesetzgebung nur Richtlinien geben kann, liegt der Schwerpunkt in der Verwaltung und diese kann nur von unten nach oben in Selbstverwaltung der beteiligten Menschen effizient agieren. Renner folgert daraus: „Das erste Bedürfnis scheint uns zurzeit die Errichtung von Arbeiterkammern. Industrie, Handel und Gewerbe besitzen in den Handelskammern, die Landwirte in den Landeskulturräten seit Jahren Körperschaften, durch die sie beratend, anregend und abwehrend an der Verwaltung mitarbeiten – die Arbeiterklasse besitzt nichts dergleichen.“ Ob es nun nach Saage das Rennersche Konzept einer Reform des Staates von innen oder nach Naskos Ansatz der zutiefst humane Wunsch Renners war, die ArbeitnehmerInnen mit geeigneten Maßnahmen aus dem durch den Krieg hervorgerufenen wirtschaftlichen und sozialen Chaos zu führen, bleibt weiteren Interpretationen überlassen. Erst nach Erscheinen dieses Aufsatzes – jedoch wohl durch ihn motiviert – beschloss die Gewerkschaftskommission im November 1917 die

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Forderung nach Errichtung von Arbeiterkammern. Gemeinsam mit dem Staatssekretär für Soziales Ferdinand Hanusch konnte Renner in seiner „Kanzlerschaft“ jenes Recht durchsetzen, welches er im Juli 1917 für die ArbeitnehmerInnen forderte: „Die Arbeiterklasse hat ein Recht auf staatlich anerkannte Stätten ihrer wirtschaftlichen und sozialen Betätigung und der wirtschaftlichen und sozialen Mitverwaltung des Gemeinwesens.“ Mit dieser wohl gerade heute nicht unwichtigen kleinen Ergänzung sind beide Biografien, die mit unterschiedlichen Ansätzen das Phänomen Karl Renner näher zu bringen suchen, sehr zu empfehlen. Wohl werden jene, die am Einfluss politischer Theorie auf das praktische politische Handeln einer umstrittenen Person interessiert sind, eher zu Richard Saages Werk greifen, andere, die auf die vorgebrachte Anschuldigungen gegen Renner eine Antwort suchen, wohl zu Siegfried Naskos mit Leidenschaft verfassten Buch. Beide Bücher setzen somit mit unterschiedlichen Akzenten neue Standards im Verständnis des wohl berühmtesten österreichischen Staatsmannes des 20. Jahrhunderts. Künftige biografische Versuche über Karl Renner werden sich mit beiden genannten Werken, wohl aber auch mit den eingangs zitierten Worten Ellenbogens intensiv auseinanderzusetzen haben. Klaus-Dieter Mulley

Autor/innen

Maoz Azaryahu, Dr. Director of the Herzl Institute for the Study of Zionism, University of Haifa, [email protected] Linda Erker, Dr. Institut für Zeitgeschichte der Universität Wien, [email protected] Regina Fritz, Dr. Historisches Institut, Universität Bern, [email protected] Idesbald Goddeeris, Univ. Prof. University of Leuven (KU Leuven, Belgium), [email protected] Maximilian Graf, Dr. European University Institute, Florenz, [email protected] Lorenz Mikoletzky, Gen.-Dir. i.R. HR Hon.-Univ.-Prof. Dr. Wien Toni Morant i AriÇo, Dr. Department for Modern and Contemporary History, Universitat de ValHncia, [email protected] Klaus-Dieter Mulley, Dr. Institut für Geschichte der Gewerkschaften und AK, Kammer für Arbeiter und Angestellte für Wien, [email protected] Birgit Nemec, Dr. Institut für Geschichte und Ethik der Medizin, Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg, [email protected]

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Florian Wenninger, Mag. Dr. Institut für Zeitgeschichte der Universität Wien, [email protected]

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Zitierregeln Bei der Einreichung von Manuskripten, über deren Veröffentlichung im Laufe eines doppelt anonymisierten Peer Review Verfahrens entschieden wird, sind unbedingt die Zitierregeln einzuhalten. Unverbindliche Zusendungen von Manuskripten als word-Datei an: [email protected]

I.

Allgemeines

Abgabe: elektronisch in Microsoft Word DOC oder DOCX. Textlänge: 60.000 Zeichen (inklusive Leerzeichen und Fußnoten), Times New Roman, 12 pt, 1 12-zeilig. Zeichenzahl für Rezensionen 6.000–8.200 Zeichen (inklusive Leerzeichen). Rechtschreibung: Grundsätzlich gilt die Verwendung der neuen Rechtschreibung mit Ausnahme von Zitaten.

II.

Format und Gliederung

Kapitelüberschriften und – falls gewünscht – Unterkapiteltitel deutlich hervorheben mittels Nummerierung. Kapitel mit römischen Ziffern [I. Literatur], Unterkapitel mit arabischen Ziffern [1.1 Dissertationen] nummerieren, maximal bis in die dritte Ebene untergliedern [1.1.1 Philologische Dissertationen]. Keine Interpunktion am Ende der Gliederungstitel. Keine Silbentrennung, linksbündig, Flattersatz, keine Leerzeilen zwischen Absätzen, keine Einrückungen; direkte Zitate, die länger als vier Zeilen sind, in einem eigenen Absatz (ohne Einrückung, mit Gänsefüßchen am Beginn und Ende). Zahlen von null bis zwölf ausschreiben, ab 13 in Ziffern. Tausender mit Interpunktion: 1.000. Wenn runde Zahlen wie zwanzig, hundert oder dreitausend nicht in unmittelbarer Nähe zu anderen Zahlenangaben in einer Textpassage aufscheinen, können diese ausgeschrieben werden. Daten ausschreiben: „1930er“ oder „1960er-Jahre“ statt „30er“ oder „60er Jahre“. Datumsangaben: In den Fußnoten: 4. 3. 2011 [Leerzeichen nach dem Punkt, nicht 04. 03. 2011 oder 4. März 2011]; im Text den Monat ausschreiben [4. März 2011]. Personennamen im Fließtext bei der Erstnennung immer mit Vor- und Nachnamen. Namen von Organisationen im Fließtext: Wenn eindeutig erkennbar ist, dass eine Organisation, Vereinigung o. Ä. vorliegt, können die Anführungszeichen weggelassen werden: „Die Gründung des Öesterreichischen Alpenvereins erfolgte 1862.“ „Als Mitglied im Womens Alpine Club war ihr die Teilnahme gestattet.“ Namen von Zeitungen/Zeitschriften etc. siehe unter „Anführungszeichen“.

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Anführungszeichen im Fall von Zitaten, Hervorhebungen und bei Erwähnung von Zeitungen/Zeitschriften, Werken und Veranstaltungstiteln im Fließtext immer doppelt: „“ Einfache Anführungszeichen nur im Fall eines Zitats im Zitat: „Er sagte zu mir : ,….‘“ Klammern: Gebrauchen Sie bitte generell runde Klammern, außer in Zitaten für Auslassungen: […] und Anmerkungen: [Anm. d. A.]. Formulieren Sie bitte geschlechtsneutral bzw. geschlechtergerecht. Verwenden Sie im ersteren Fall bei Substantiven das Binnen-I („ZeitzeugInnen“), nicht jedoch in Komposita („Bürgerversammlung“ statt „BürgerInnenversammlung“). Darstellungen und Fotos als eigene Datei im jpg-Format (mind. 300 dpi) einsenden. Bilder werden schwarz-weiß abgedruckt; die Rechte an den abgedruckten Bildern sind vom Autor/von der Autorin einzuholen. Bildunterschriften bitte kenntlich machen: Bild: Spanische Reiter auf der Ringstraße (Quelle: Bildarchiv, ÖNB). Abkürzungen: Bitte Leerzeichen einfügen: vor % oder E/zum Beispiel z. B./unter anderem u. a. Im Text sind möglichst wenige allgemeine Abkürzungen zu verwenden.

III.

Zitation

Generell keine Zitation im Fließtext, auch keine Kurzverweise. Fußnoten immer mit einem Punkt abschließen. Die nachfolgenden Hinweise beziehen sich auf das Erstzitat von Publikationen. Bei weiteren Erwähnungen Kurzzitat. Wird hintereinander aus demselben Werk zitiert bitte den Verweis „Ebd.“ bzw. mit anderer Seitenangabe „Ebd., 12.“ gebrauchen. Kein „Ders./ Dies.“ Zwei Belege in einer Fußnote mit „;“ trennen: Gehmacher, Jugend, 311; Dreidemy, Kanzlerschaft, 29. Bei Übernahme von direkten Zitaten aus der Fachliteratur „Zit. n.“ verwenden. Monografien: Vorname und Nachname, Titel, Ort und Jahr, Seitenangabe [ohne „S.“]. Beispiel Erstzitat: Johanna Gehmacher, Jugend ohne Zukunft. Hitler-Jugend und Bund Deutscher Mädel in Österreich vor 1938, Wien 1994, 311. Beispiel Kurzzitat: Gehmacher, Jugend, 311. Bei mehreren AutorInnen/HerausgeberInnen: Dachs/Gerlich/Müller (Hg.), Politiker, 14. Reihentitel: Claudia Hoerschelmann, Exilland Schweiz. Lebensbedingungen und Schicksale österreichischer Flüchtlinge 1938 bis 1945 (Veröffentlichungen des LudwigBoltzmann-Institutes für Geschichte und Gesellschaft 27), Innsbruck/Wien [bei mehreren Ortsangaben Schrägstrich ohne Leerzeichen] 1997, 45. Dissertation: Thomas Angerer, Frankreich und die Österreichfrage. Historische Grundlagen und Leitlinien 1945–1955, phil. Diss., Universität Wien 1996, 18–21 [keine ff. und f. für Seitenangaben, von–bis mit Gedankenstrich ohne Leerzeichen]. Diplomarbeit: Lucile Dreidemy, Die Kanzlerschaft Engelbert Dollfuß’ 1932–1934, Dipl. Arb., Universit de Strasbourg 2007, 29.

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Ohne AutorIn, nur HerausgeberIn: Beiträge zur Geschichte und Vorgeschichte der Julirevolte, hg. im Selbstverlag des Bundeskommissariates für Heimatdienst, Wien 1934, 13. Unveröffentlichtes Manuskript: Günter Bischof, Lost Momentum. The Militarization of the Cold War and the Demise of Austrian Treaty Negotiations, 1950–1952 (unveröffentlichtes Manuskript), 54–55. Kopie im Besitz des Verfassers. Quellenbände: Foreign Relations of the United States, 1941, vol. II, hg. v. United States Department of States, Washington 1958. [nach Erstzitation mit der gängigen Abkürzung: FRUS fortfahren]. Sammelwerke: Herbert Dachs/Peter Gerlich/Wolfgang C. Müller (Hg.), Die Politiker. Karrieren und Wirken bedeutender Repräsentanten der Zweiten Republik, Wien 1995. Beitrag in Sammelwerken: Michael Gehler, Die österreichische Außenpolitik unter der Alleinregierung Josef Klaus 1966–1970, in: Robert Kriechbaumer/Franz Schausberger/ Hubert Weinberger (Hg.), Die Transformation der österreichischen Gesellschaft und die Alleinregierung Klaus (Veröffentlichung der Dr.-Wilfried Haslauer-Bibliothek, Forschungsinstitut für politisch-historische Studien 1), Salzburg 1995, 251–271, 255–257. [bei Beiträgen grundsätzlich immer die Gesamtseitenangabe zuerst, dann die spezifisch zitierten Seiten]. Beiträge in Zeitschriften: Florian Weiß, Die schwierige Balance. Österreich und die Anfänge der westeuropäischen Integration 1947–1957, in: Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte 42 (1994) 1, 71–94. [Zeitschrift Jahrgang/Bandangabe ohne Beistrichtrennung und die Angabe der Heftnummer oder der Folge hinter die Klammer ohne Komma]. Presseartikel: Titel des Artikels, Zeitung, Datum, Seite. Der Ständestaat in Diskussion, Wiener Zeitung, 5. 9. 1946, 2. Archivalien: Bericht der Österr. Delegation bei der Hohen Behörde der EGKS, Zl. 2/pol/57, Fritz Kolb an Leopold Figl, 19. 2. 1957. Österreichisches Staatsarchiv (ÖStA), Archiv der Republik (AdR), Bundeskanzleramt (BKA)/AA, II-pol, International 2 c, Zl. 217.301-pol/ 57 (GZl. 215.155-pol/57); Major General Coleman an Kirkpatrick, 27. 6. 1953. The National Archives (TNA), Public Record Office (PRO), Foreign Office (FO) 371/103845, CS 1016/205 [prinzipiell zuerst das Dokument mit möglichst genauer Bezeichnung, dann das Archiv, mit Unterarchiven, -verzeichnissen und Beständen; bei weiterer Nennung der Archive bzw. Unterarchive können die Abkürzungen verwendet werden]. Internetquellen: Autor so vorhanden, Titel des Beitrags, Institution, URL: (abgerufen Datum). Bitte mit rechter Maustaste den Hyperlink entfernen, so dass der Link nicht mehr blau unterstrichen ist. Yehuda Bauer, How vast was the crime, Yad Vashem, URL: http://www1.yadvashem.org/ yv/en/holocaust/about/index.asp (abgerufen 28. 2. 2011). Film: Vorname und Nachname des Regisseurs, Vollständiger Titel, Format [z. B. 8 mm, VHS, DVD], Spieldauer [Film ohne Extras in Minuten], Produktionsort/-land Jahr, Zeit [Minutenangabe der zitierten Passage]. Luis BuÇuel, Belle de jour, DVD, 96 min., Barcelona 2001, 26:00–26:10 min.

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Interview: InterviewpartnerIn, InterviewerIn, Datum des Interviews, Provenienz der Aufzeichnung. Interview mit Paul Broda, geführt von Maria Wirth, 26. 10. 2014, Aufnahme bei der Autorin. Die englischsprachigen Zitierregeln sind online verfügbar unter : https://www.verein-zeit geschichte.univie.ac.at/fileadmin/user_upload/p_verein_zeitgeschichte/zg_Zitierregeln_ engl_2018.pdf Es können nur jene eingesandten Aufsätze Berücksichtigung finden, die sich an die Zitierregeln halten!