Geschichte der USA
 9783486737417, 9783486704822

Table of contents :
Vorwort
I. Darstellung
1. Einleitung
2. Das koloniale Nordamerika
2.1 Die Beziehungen zu den Ureinwohnern
2.2 Die englische Kolonisierung Virginias und die Einführung der Sklaverei
2.3 Das puritanische Neuengland
2.4 Koloniale Organisation und Selbstregierung
3. Von der Unabhängigkeit zur Sezession
3.1 Die Amerikanische Revolution und die Gründung der USA
3.2 Konsolidierung und Expansion
3.3 Gesellschal und Ökonomie in der Antebellum-Ära
3.4 Der sektionale Konflikt und der Weg in den Bürgerkrieg
4. Die USA auf dem Weg in die industrielle Moderne
4.1 Der Bürgerkrieg und seine Folgen
4.2 Kontinentale Expansion und Hochindustrialisierung
4.3 Imperialismus und Progressivismus
4.4 ErsterWeltkrieg und Rückzug in die Normalität
4.5 New Deal und Zweiter Weltkrieg
5. Globale Supermacht und multikulturelle Gesellschaft: Die USA von 1945 bis ins 21. Jahrhundert
5.1 Kalter Krieg und liberaler Konsens, 1945–1965
5.2 Krisenjahre, 1966–1980
5.3 Globale Vorherrschaft und neoliberaler Kapitalismus, 1980–2010
5.4 Gesellschaftlicher Wandel und politische Kultur, 1970–2010
II. Grundprobleme und Tendenzen der Forschung
1. Allgemeine Entwicklungen der neueren amerikanischen Geschichtswissenschaft
2. Kolonialgeschichte, Revolution, Frühe Republik und AntebellumÄra
3. Die USA auf demWeg in die industrielle Moderne
4. Globale Supermacht und multikulturelle Gesellschaft: Die USA von 1945 bis ins 21. Jahrhundert
5. Ausgewähl Themenfelder und Teildisziplinen
5.1 Außenpolitik und Transnationale Beziehungen
5.2 Einwanderung, Ethnizität und Rassenbeziehungen
5.3 Afroamerikanische Geschichte und die Geschichte der Bürgerrechtsbewegung
5.4 Frauen, Geschlechtergeschichte und Sexualität
5.5 Kulturgeschichte, Erinnerungskultur und Religionsgeschichte
5.6 Verbrechen und Gewalt
5.7 Die Geschichte der nordamerikanischen Indianer
5.8 Die Geschichte der Frontier und die Umweltgeschichte
III.Quellen und Literatur
1. Allgemeines
2. Das koloniale Nordamerika
2.1 Die Beziehungen zu den Ureinwohnern
2.2 Die Kolonisierung Virginias und die Einführung der Sklaverei
2.3 Das puritanische Neuengland
2.4 Koloniale Organisation und Selbstregierung
3. Von der Unabhängigkeit zur Sezession
3.1 Die Amerikanische Revolution und die Gründung der USA
3.2 Konsolidierung und Expansion
3.3 Gesellschaft und Ökonomie in der Antebellum-Ära
3.4 Der sektionale Konflikt und derWeg in den Bürgerkrieg
4. Die USA auf demWeg in die industrielle Moderne
4.1 Der Bürgerkrieg und seine Folgen
4.2 Kontinentale Expansion und Hochindustrialisierung
4.3 Imperialismus und Progressivismus
4.4 ErsterWeltkrieg und Rückzug in die Normalität
4.5 New Deal und ZweiterWeltkrieg
5. Globale Supermacht und multikulturelle Gesellschaft: Die USA von 1945 bis ins 21. Jahrhundert
5.1 Kalter Krieg und liberaler Konsens, 1945–1965
5.2 Krisenjahre, 1966–1980
5.3 Globale Vorherrschaft und neoliberaler Kapitalismus, 1980–2010
5.4 GesellschaftlicherWandel und politische Kultur, 1970–2010
6. Ausgewählteemenfelder und Teildisziplinen
6.1 Außenpolitik und Transnationale Beziehungen
6.2 Einwanderung, Ethnizität und Rassenbeziehungen
6.3 Afroamerikanische Geschichte und die Geschichte der Bürgerrechtsbewegung
6.4 Frauen, Geschlechtergeschichte und Sexualität
6.5 Kulturgeschichte, Erinnerungskultur und Religionsgeschichte
6.6 Verbrechen und Gewalt
6.7 Die Geschichte der Nordamerikanischen Indianer
6.8 Die Geschichte der Frontier und die Umweltgeschichte
6.9 Wirtschaftsgeschichte und Labor History
6.10 Rechts- und Verfassungsgeschichte
Anhang
Abkürzungen
Zeittafel
Liste der US-Präsidenten
Bevölkerung der USA nach Hautfarbe und ethnischer Herkunft, 1790–2010
Register
Personenregister
Autorenregister
Orts- und Sachregister

Citation preview

Oldenbourg Grundriss der Geschichte

Oldenbourg Grundriss der Geschichte Herausgegeben von Lothar Gall Karl-Joachim Hölkeskamp Steffen Patzold

Band 42

Geschichte der USA Von Manfred Berg

Oldenbourg Verlag München 2013

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.

© 2013 Oldenbourg Wissenschaftsverlag GmbH, München Rosenheimer Straße 143, 81671 München Internet: oldenbourg-verlag.de Das Werk einschließlich aller Abbildungen ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Dies gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Bearbeitung in elektronischen Systemen. Umschlaggestaltung: hauserlacour Gedruckt auf säurefreiem, alterungsbeständigem Papier (chlorfrei gebleicht). Satz: le-tex publishing services GmbH, Leipzig Druck und Bindung: Grafik+Druck, München ISBN 978-3-486-70482-2 E-ISBN 978-3-486-73741-7

Meinem Bruder Claus

Vorwort der Herausgeber Die Reihe verfolgt mehrere Ziele, unter ihnen auch solche, die von vergleichbaren Unternehmungen in Deutschland bislang nicht angestrebt wurden. Einmal will sie – und dies teilt sie mit anderen Reihen – eine gut lesbare Darstellung des historischen Geschehens liefern, die, von qualifizierten Fachgelehrten geschrieben, gleichzeitig eine Summe des heutigen Forschungsstandes bietet. Die Reihe umfasst die alte, mittlere und neuere Geschichte und behandelt durchgängig nicht nur die deutsche Geschichte, obwohl sie sinngemäß in manchem Band im Vordergrund steht, schließt vielmehr den europäischen und, in den späteren Bänden, den weltpolitischen Vergleich immer ein. In einer Reihe von Zusatzbänden wird die Geschichte einiger außereuropäischer Länder behandelt. Weitere Zusatzbände erweitern die Geschichte Europas und des Nahen Ostens um Byzanz und die Islamische Welt und die ältere Geschichte, die in der Grundreihe nur die griechisch-römische Zeit umfasst, um den Alten Orient und die Europäische Bronzezeit. Unsere Reihe hebt sich von anderen jedoch vor allem dadurch ab, dass sie in gesonderten Abschnitten, die in der Regel ein Drittel des Gesamtumfangs ausmachen, den Forschungsstand ausführlich bespricht. Die Herausgeber gingen davon aus, dass dem nacharbeitenden Historiker, insbesondere dem Studenten und Lehrer, ein Hilfsmittel fehlt, das ihn unmittelbar an die Forschungsprobleme heranführt. Diesem Mangel kann in einem zusammenfassenden Werk, das sich an einen breiten Leserkreis wendet, weder durch erläuternde Anmerkungen noch durch eine kommentierende Bibliographie abgeholfen werden, sondern nur durch eine Darstellung und Erörterung der Forschungslage. Es versteht sich, dass dabei – schon um der wünschenswerten Vertiefung willen – jeweils nur die wichtigsten Probleme vorgestellt werden können, weniger bedeutsame Fragen hintangestellt werden müssen. Schließlich erschien es den Herausgebern sinnvoll und erforderlich, dem Leser ein nicht zu knapp bemessenes Literaturverzeichnis an die Hand zu geben, durch das er, von dem Forschungsteil geleitet, tiefer in die Materie eindringen kann. Mit ihrem Ziel, sowohl Wissen zu vermitteln als auch zu selbständigen Studien und zu eigenen Arbeiten anzuleiten, wendet sich die Reihe in erster Linie an Studenten und Lehrer der Geschichte. Die Autoren der Bände haben sich darüber hinaus bemüht, ihre Darstellung so zu gestalten, dass auch der Nichtfachmann, etwa der Germanist, Jurist oder Wirtschaftswissenschaftler, sie mit Gewinn benutzen kann. Die Herausgeber beabsichtigen, die Reihe stets auf dem laufenden Forschungsstand zu halten und so die Brauchbarkeit als Arbeitsinstrument über eine längere Zeit zu sichern. Deshalb sollen die einzelnen Bände von ihrem Autor oder einem anderen Fachgelehrten in gewissen Abständen überarbeitet werden. Der Zeitpunkt der Überarbeitung hängt davon ab, in welchem Ausmaß sich die allgemeine Situation der Forschung gewandelt hat. Lothar Gall

Karl-Joachim Hölkeskamp

Hermann Jakobs

Inhaltsverzeichnis Vorwort I. Darstellung 1. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Das koloniale Nordamerika . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1 Die Beziehungen zu den Ureinwohnern . . . . . . . . . . . 2.2 Die englische Kolonisierung Virginias und die Einführung der Sklaverei . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3 Das puritanische Neuengland . . . . . . . . . . . . . . . . 2.4 Koloniale Organisation und Selbstregierung . . . . . . . . 3. Von der Unabhängigkeit zur Sezession . . . . . . . . . . . . . . 3.1 Die Amerikanische Revolution und die Gründung der USA 3.2 Konsolidierung und Expansion . . . . . . . . . . . . . . . 3.3 Gesellschaft und Ökonomie in der Antebellum-Ära . . . . 3.4 Der sektionale Konflikt und der Weg in den Bürgerkrieg 4. Die USA auf dem Weg in die industrielle Moderne . . . . . . . 4.1 Der Bürgerkrieg und seine Folgen . . . . . . . . . . . . . . 4.2 Kontinentale Expansion und Hochindustrialisierung . . . 4.3 Imperialismus und Progressivismus . . . . . . . . . . . . . 4.4 Erster Weltkrieg und Rückzug in die Normalität . . . . . . 4.5 New Deal und Zweiter Weltkrieg . . . . . . . . . . . . . . 5. Globale Supermacht und multikulturelle Gesellschaft: Die USA von 1945 bis ins 21. Jahrhundert . . . . . . . . . . . . . 5.1 Kalter Krieg und liberaler Konsens, 1945–1965 . . . . . . . 5.2 Krisenjahre, 1966–1980 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.3 Globale Vorherrschaft und neoliberaler Kapitalismus, 1980–2010 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.4 Gesellschaftlicher Wandel und politische Kultur, 1970–2010 II. Grundprobleme und Tendenzen der Forschung 1. Allgemeine Entwicklungen der neueren amerikanischen Geschichtswissenschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Kolonialgeschichte, Revolution, Frühe Republik und AntebellumÄra . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Die USA auf dem Weg in die industrielle Moderne . . . . . . . . 4. Globale Supermacht und multikulturelle Gesellschaft: Die USA von 1945 bis ins 21. Jahrhundert . . . . . . . . . . . . . 5. Ausgewählte Themenfelder und Teildisziplinen . . . . . . . . . . 5.1 Außenpolitik und Transnationale Beziehungen . . . . . . . 5.2 Einwanderung, Ethnizität und Rassenbeziehungen . . . .

XIII 1 1 3 4 5 7 10 12 12 19 26 34 39 39 45 50 56 62 68 69 76 83 90 99 99 104 113 122 132 132 136

X

Inhaltsverzeichnis

5.3 5.4 5.5 5.6 5.7 5.8

Afroamerikanische Geschichte und die Geschichte der Bürgerrechtsbewegung . . . . . . . . . . . . . . . . Frauen, Geschlechtergeschichte und Sexualität . . . . . Kulturgeschichte, Erinnerungskultur und Religionsgeschichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Verbrechen und Gewalt . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Geschichte der nordamerikanischen Indianer . . . Die Geschichte der Frontier und die Umweltgeschichte

. . . .

141 146

. . . .

150 155 160 164

. . . .

III. Quellen und Literatur 1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.1 Gedruckte Quellen und amtliche Publikationen . . . . . . 1.2 Datenbanken und Online-Quellen . . . . . . . . . . . . . 1.3 Nachschlagewerke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.4 Fachzeitschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.5 Bibliografische und historiografische Werke . . . . . . . . 1.6 Gesamtdarstellungen und Lehrbücher . . . . . . . . . . . 2. Das koloniale Nordamerika . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1 Die Beziehungen zu den Ureinwohnern . . . . . . . . . . . 2.2 Die Kolonisierung Virginias und die Einführung der Sklaverei . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3 Das puritanische Neuengland . . . . . . . . . . . . . . . . 2.4 Koloniale Organisation und Selbstregierung . . . . . . . . 3. Von der Unabhängigkeit zur Sezession . . . . . . . . . . . . . . 3.1 Die Amerikanische Revolution und die Gründung der USA 3.2 Konsolidierung und Expansion . . . . . . . . . . . . . . . 3.3 Gesellschaft und Ökonomie in der Antebellum-Ära . . . . 3.4 Der sektionale Konflikt und der Weg in den Bürgerkrieg . 4. Die USA auf dem Weg in die industrielle Moderne . . . . . . . 4.1 Der Bürgerkrieg und seine Folgen . . . . . . . . . . . . . 4.2 Kontinentale Expansion und Hochindustrialisierung . . . 4.3 Imperialismus und Progressivismus . . . . . . . . . . . . 4.4 Erster Weltkrieg und Rückzug in die Normalität . . . . . . 4.5 New Deal und Zweiter Weltkrieg . . . . . . . . . . . . . . 5. Globale Supermacht und multikulturelle Gesellschaft: Die USA von 1945 bis ins 21. Jahrhundert . . . . . . . . . . . . . 5.1 Kalter Krieg und liberaler Konsens, 1945–1965 . . . . . . . 5.2 Krisenjahre, 1966–1980 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.3 Globale Vorherrschaft und neoliberaler Kapitalismus, 1980–2010 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.4 Gesellschaftlicher Wandel und politische Kultur, 1970–2010 6. Ausgewählte Themenfelder und Teildisziplinen . . . . . . . . . . 6.1 Außenpolitik und Transnationale Beziehungen . . . . . . . 6.2 Einwanderung, Ethnizität und Rassenbeziehungen . . . .

171 171 171 171 172 172 173 173 174 175 175 176 176 176 176 178 179 181 181 181 183 184 184 185 187 187 188 189 190 191 191 193

XI

Inhaltsverzeichnis

6.3

Afroamerikanische Geschichte und die Geschichte der Bürgerrechtsbewegung . . . . . . . . . . . . . . . . 6.4 Frauen, Geschlechtergeschichte und Sexualität . . . . . 6.5 Kulturgeschichte, Erinnerungskultur und Religionsgeschichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.6 Verbrechen und Gewalt . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.7 Die Geschichte der Nordamerikanischen Indianer . . . 6.8 Die Geschichte der Frontier und die Umweltgeschichte 6.9 Wirtschaftsgeschichte und Labor History . . . . . . . . 6.10 Rechts- und Verfassungsgeschichte . . . . . . . . . . .

. . . .

195 197

. . . . . .

199 200 201 202 204 204

. . . . . .

Anhang Abkürzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zeittafel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Liste der US-Präsidenten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bevölkerung der USA nach Hautfarbe und ethnischer Herkunft, 1790–2010 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

207 . . . . . .

207 208 216

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218

Register Personenregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Autorenregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Orts- und Sachregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

221 221 223 226

Vorwort Als ich Ende 2006 das Angebot des Oldenbourg Verlages erhielt, einen neuen, einbändigen Grundriss zur Geschichte der USA zu schreiben, ging ich zuversichtlich davon aus, dieses Projekt innerhalb relativ kurzer Zeit abschließen zu können. Diese Erwartung erwies sich rasch als viel zu optimistisch. Zum einen ließen mir andere wissenschaftliche Verpflichtungen und die ständig wachsenden administrativen Anforderungen des Universitätsbetriebes weitaus weniger Zeit zur Arbeit am Grundriss, als ich vorhergesehen hatte. Zum anderen jedoch stellte ich bald fest, dass ich die Herausforderungen, die das neue Format der Reihe an die Autoren stellt, anfänglich unterschätzt hatte. Während das zweibändige Vorgängerwerk von Willi Paul Adams (1940–2002) noch insgesamt rund 600 Seiten umfasst, stehen für den hier vorgelegten Band gerade einmal gut 200 Seiten zur Verfügung. Dies zwingt sowohl im Darstellungs- als auch im Forschungsteil zur Konzentration und zur Vereinfachung, was angesichts der enormen Quantität und Vielfalt der historiografischen Produktion in den USA, die ich zudem durch die wichtigsten deutschsprachigen Publikationen ergänzt habe, eine sehr zeitaufwändige und bisweilen schwierige Aufgabe war. Da die ältere Forschung bei Adams kompetent und ausführlich behandelt wird, habe ich mich fast durchweg auf die Forschungstendenzen der letzten 25 Jahre beschränkt. Dies erschien mir auch sachlich gerechtfertigt, weil die jüngere US-Geschichtswissenschaft seither einige radikale Paradigmenwechsel vollzogen und insbesondere die „nationalgeschichtlichen Synthesen“, die bei Adams noch im Mittelpunkt stehen, fundamental infrage gestellt hat. Selbst mit dieser Einschränkung kann meine Auswahl der Forschungsfelder und Publikationen keinen vollständigen Überblick bieten, sondern richtet ihren Fokus auf die Themen und Disziplinen, die im vergangenen Vierteljahrhundert nach meiner Einschätzung im Mittelpunkt der US-Geschichtswissenschaft gestanden haben. Darüber hinaus ist es mein Anliegen, den Lesern neben den wissenschaftsimmanenten Aspekten der Forschung auch deren politische und kulturelle Bezüge zu verdeutlichen. Die amerikanische Geschichtswissenschaft versteht sich seit vielen Jahrzehnten, stärker als dies in Deutschland üblich ist, als Teil gesellschaftlicher Emanzipationsbewegungen und steht häufig in krassem Gegensatz zum öffentlichen Geschichtsdiskurs und seinem vornehmlich patriotischen Geschichtsbild. Während der Arbeit an diesem Buch habe ich von zahlreichen intellektuellen Anregungen meiner Kolleginnen und Kollegen am Historischen Seminar der Universität Heidelberg sowie am Heidelberg Center for American Studies profitiert, denen ich meinen Dank hier nicht individuell abstatten kann. Persönlich nennen möchte ich jedoch meine ehemaligen und derzeitigen wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Prof. Simon Wendt, Dr. Michael Lenz, Andreas Riffel, M.A., und Sophie Lorenz, M.A., ohne deren unermüdliche und zuverlässige Unterstützung dieses Buch unmöglich gewesen wäre. Frau Lorenz und Herr Riffel haben nicht nur meine Manuskripte Korrektur gelesen und wertvolle Hinweise auf Irrtümer und Unklarheiten gegeben, sondern darüber

XIV

Vorwort

hinaus die immer wieder auftauchenden Probleme der Textverarbeitung gemeistert. Bei den Herausgebern der Grundriss-Reihe, insbesondere bei Herrn Prof. Dr. Lothar Gall, sowie bei meiner Lektorin Frau Cordula Hubert bedanke ich mich dafür, dass sie trotz meiner ständigen Bitten um Aufschub des Abgabetermins nicht das Vertrauen in die Vollendung des Buches verloren haben. Meine Ehefrau, Dr. Anja Schüler, und unsere Tochter Charlotte haben verständnisvoll in Kauf genommen, dass ich unzählige Wochenenden nicht mit der Familie, sondern mit dem „Grundriss“ verbracht habe. Widmen möchte ich dieses Buch meinem älteren Bruder, Herrn OStR Claus Berg, der mir vor langen Jahren den Weg zum Geschichtsstudium wies. Heidelberg im April 2013

Manfred Berg

I. Darstellung 1. Einleitung Einem bei vielen Amerikanern populären Geschichtsbild zufolge ist die Geschichte der Vereinigten Staaten eine Geschichte des Triumphs von Freiheit, Fortschritt und Demokratie. Diese optimistisch-patriotische „Meistererzählung“ beruht auf einem historischen Sonderbewusstsein, für das sich der Begriff des American Exceptionalism eingebürgert hat. Demnach unterscheidet sich Amerika grundlegend vom Rest der Welt und insbesondere von Europa, von dem sich die Gründerväter 1776 nicht nur politisch, sondern auch moralisch losgesagt hatten. Im öffentlichen Diskurs gründet sich der amerikanische Exzeptionalismus häufig auf die bis zu den Puritanern des 17. Jahrhunderts zurückreichenden religiösen Motive göttlicher Erwählung und einer daraus abgeleiteten historischen Mission. Auch wenn die Ziele und die Sprache dieses Missionsbewusstseins längst säkularisiert und universalisiert wurden – die USA stehen für die weltweite Verbreitung von Freiheit und Demokratie –, verbindet sich mit ihm weiterhin ein moralischer Überlegenheitsanspruch, der politisches Handeln legitimieren soll. So rechtfertigte Präsident George W. Bush seinen „Krieg gegen den Terror“ unter anderem mit dem Argument, Amerika sei immer schon die „größte Kraft des Guten in der Geschichte“ gewesen. Natürlich findet der American Exceptionalism auch in den USA keineswegs ungeteilte Zustimmung. Seit langem kritisieren ihn Historiker unter Hinweis auf die dunklen Seiten der amerikanischen Geschichte, vor allem die gewaltsame Verdrängung der Ureinwohner und die Sklaverei, als nationalistischen Mythos. Mit dem Aufschwung der Globalgeschichte hat zudem die These an Gewicht gewonnen, dass sich auch die Geschichte der USA nur vor dem Hintergrund der transnational wirksamen Entwicklungen und Verflechtungen der Moderne verstehen lasse und von einer historischen Sonderentwicklung der USA – oder einer anderen Nation – kaum die Rede sein könne. Demgegenüber halten akademische Verfechter des amerikanischen Exzeptionalismus daran fest, dass sich die amerikanische Geschichte von der anderer westlicher Gesellschaften markant unterscheide, ohne dass daraus Werturteile abzuleiten seien. Zu diesen konstitutiven Unterschieden gehörten insbesondere das Fehlen einer feudalen Tradition in Amerika, der revolutionäre Ursprung der USA, der ausgeprägte Egalitarismus und Individualismus, die frühe politische Massenpartizipation, das tiefe Misstrauen gegen den Staat und der Glaube an Markt und Wettbewerb. Die Gemeinsamkeiten der USA mit den übrigen westlichen Industrienationen erklären sich nach dieser Lesart nicht zuletzt mit der Übernahme des amerikanischen Modells durch Europa und die Welt. Wenn aber „Modernisierung“ mit „Amerikanisierung“ gleichgesetzt wird, klingt das Motiv der historischen Mission zumindest implizit wieder an. Die Absage an den American Exceptionalism darf freilich nicht dazu füh-

American exceptionalism

Besonderheiten der amerikanischen Geschichte

2

Klassische Themen

race, class, gender

Kontinuität der amerikanischen Geschichte

I. Darstellung

ren, die Geschichte der USA in einer Geschichte globaler Trends aufzulösen. Wie jede Nationalgeschichte, so ist auch die amerikanische Geschichte von Triebkräften, Strukturen und Entwicklungen geprägt worden, die sich in dieser Konstellation nirgendwo sonst finden. Ob Historiker die Besonderheiten der US-Geschichte einer vergleichenden Betrachtung unterziehen oder sie in eine transnationale Verflechtungsgeschichte einbetten, ist primär eine Frage des Erkenntnisinteresses. Der folgende Überblick orientiert sich an den Bedürfnissen deutscher Leser, die erfahrungsgemäß vor allem daran interessiert sind, die Eigenheiten der amerikanischen Geschichte und Kultur besser zu verstehen. Denn trotz aller vermeintlichen „Amerikanisierung“ der deutschen Kultur bleiben die USA in vieler Hinsicht eine fremde Welt, über die zahlreiche Missverständnisse und Klischees im Umlauf sind. Im Mittelpunkt dieser Einführung stehen deshalb „klassische“ Themen der amerikanischen Geschichte: der Kulturkontakt und Konflikt mit den Ureinwohnern, die Westexpansion, die Sklaverei, die Rassenbeziehungen und die ethnische Vielfalt, die Einwanderung, der religiöse Pluralismus, die Gründung und Entwicklung der föderalen Republik, die Ausbildung der Demokratie, die Entwicklung der modernen Industrie- und Konsumgesellschaft, der Aufstieg der USA zur globalen Supermacht. Der Schwerpunkt liegt auf der Politik- und Sozialgeschichte, Wirtschafts- und Kulturgeschichte im engeren Sinne können dagegen nur am Rande berücksichtigt werden. Die moderne amerikanische Geschichtswissenschaft hat das Konzept der nationalen Identität weitgehend zugunsten partikularer sozialer Identitäten aufgegeben. In den vergangenen Jahrzehnten hat die Trias aus Rassenzugehörigkeit, sozialer Klasse und Geschlecht (race, class, gender) die Forschung dominiert. Die Kategorien der durch Hautfarbe definierten „Rasse“ und des Geschlechts werden dabei nicht als biologisch determiniert, sondern als sozial und kulturell konstruiert begriffen. So ist das Geschlecht zwar biologisch bestimmbar, die Geschlechterrollen dagegen sind nicht „natürlich“ festgelegt, sondern kulturell geprägt und mithin historisch wandelbar. Hinzu kommen die regionalen Identitäten, die besonders im Süden und im Westen historische Prägekraft erlangten. Dennoch bleibt es ein faszinierendes historisches Faktum, dass sich die USA trotz aller Vielfalt und Fragmentierung zu einer selbstbewussten Nation entwickelt haben. Im Fahnen schwenkenden Patriotismus und der zivilreligiösen Sakralisierung der Nation, die viele postnational gesinnte Europäer so irritiert, zeigt sich die ungebrochene ideologische Integrationskraft des amerikanischen Exzeptionalismus, an der historisch-empirische Kritik weitgehend abprallt. Dieses robuste historische Selbstbewusstsein beruht wesentlich auf der erstaunlichen Kontinuität der amerikanischen Geschichte, die gerade aus deutscher Sicht ins Auge fällt. Seit mehr als 220 Jahren bildet die amerikanische Bundesverfassung den institutionellen Rahmen des politischen Lebens. Im selben Zeitraum erlebte Deutschland eine Abfolge wechselnder Ordnungen und revolutionärer Brüche, einschließlich zweier Diktaturen. Während kaum ein Deutscher auf die Idee käme, an die politischen Ordnungsvorstellungen des späten 18. Jahrhunderts anzuknüpfen, genießen die Gründerväter der USA bis

2. Das koloniale Nordamerika

3

heute eine beispiellose Verehrung und gilt die Treue zu ihren freiheitlichen Prinzipien als Garant für den dauerhaften Erfolg des 1776 begonnenen Experiments. Historiker haben die Aufgabe, Kontinuitäten und Wandel herauszuarbeiten und den historischen Prozess durch Periodisierungen rückschauend zu ordnen. Da die folgende knappe Darstellung die Vereinigten Staaten zum Gegenstand hat, muss die Geschichte Nordamerikas vor dem Kontakt mit den Europäern entfallen und kann die koloniale Ära nur in einer kurzen Exposition behandelt werden. Die Geschichte der USA wird in drei große Zeitabschnitte unterteilt, die sich weitgehend an den großen politischen Zäsuren orientieren: (1) die Geschichte der aus der Amerikanischen Revolution hervorgegangenen Union bis zur Sezession der Südstaaten 1860/61; (2) die Entwicklung der USA zur modernen Industriegesellschaft zwischen dem Bürgerkrieg und dem Zweiten Weltkrieg; (3) der Aufstieg der Vereinigten Staaten zur globalen Vormacht und ihre Transformation zur multikulturellen Gesellschaft der Gegenwart.

Periodisierung

2. Das koloniale Nordamerika Nimmt man die Gründung der englischen Siedlung Jamestown in Virginia im Jahre 1607 als Ausgangspunkt, dann umfasst die nordamerikanische Kolonialgeschichte mehr als 150 Jahre. Allein angesichts dieses langen Zeitraums gilt es, sich vor einer Geschichtsteleologie zu hüten, der zufolge die historische Entwicklung der englischen Kolonien in Nordamerika zielgerichtet auf die Unabhängigkeit und die Bildung einer neuen Nation hinauslief. Tatsächlich war die Bindung an Großbritannien das stärkste gemeinsame Band zwischen den ansonsten recht verschiedenen Kolonien. Bis in die 1770er Jahre betrachtete sich die große Mehrheit der Kolonisten als treue Untertanen der Krone und begründete ihre Forderung nach Selbstregierung mit ihren in der – ungeschriebenen – englischen Verfassung garantierten Rechten und Freiheiten. Darüber hinaus war es keineswegs sicher, dass sich England im Kampf um die Vorherrschaft auf dem nordamerikanischen Kontinent gegen seine Hauptkonkurrenten Spanien und Frankreich würde durchsetzen können. Lange Zeit beanspruchte Frankreich den größten Teil des nordamerikanischen Territoriums, während die englischen Kolonien auf einen schmalen Streifen an der Atlantikküste beschränkt blieben. Erst der englische Triumph im French and Indian War (1754– 1760), einem Teilkonflikt des Siebenjährigen Krieges, verdrängte Frankreich vom nordamerikanischen Festland und schuf so paradoxerweise die Voraussetzung dafür, dass die Kolonisten es wagen konnten, gegen das Mutterland zu rebellieren.

Kolonialzeit keine Vorgeschichte der USA

4

I. Darstellung

2.1 Die Beziehungen zu den Ureinwohnern

Demografische Katastrophe für die Ureinwohner

Indianischer Widerstand

Auch wenn die Kolonialzeit nicht lediglich als Vorgeschichte der USA zu betrachten ist, prägten zahlreiche Weichenstellungen des 17. und 18. Jahrhunderts entscheidend die weitere amerikanische Geschichte. Dies gilt in besonderem Maße für die Beziehungen zu den Ureinwohnern. Die Neue Welt wurde ja nicht nur entdeckt, sondern vor allem erobert. Die europäische Inbesitznahme Nordamerikas war Teil der europäischen überseeischen Expansion, die im 15. Jahrhundert begann und bis ins 20. Jahrhundert andauerte. Für die Ureinwohner der Amerikas bedeutete der Kontakt mit den Europäern den Beginn einer beispiellosen demografischen und kulturellen Katastrophe. Die mangelnde Immunität der Indianer gegen die von den Europäern eingeschleppten Infektionskrankheiten, z. B. Pocken und Masern, führte zu Pandemien und dramatischen Bevölkerungsverlusten – nach einigen Schätzungen um bis zu 90 % innerhalb des ersten Jahrhunderts der Kolonisierung. Obwohl die dauerhafte europäische Besiedlung Nordamerikas, wo vor 1500 vermutlich um die 7 Millionen Menschen lebten, erst im frühen 17. Jahrhundert begann, hatten Händler bereits zuvor verheerende Seuchen eingeschleppt. Kurz bevor die Pilgerväter 1620 in der Massachusetts Bay eintrafen, hatte eine Seuche die meisten Ureinwohner in diesem Gebiet dahingerafft. Das Massensterben unter der indianischen Bevölkerung führte dazu, dass sich an der Ostküste die demografischen Gewichte rasch zugunsten der Europäer verschoben, und untergrub darüber hinaus die traditionellen Stammesstrukturen. Die Expansion der europäischen Landwirtschaft, der Raubbau an natürlichen Ressourcen und die kommerzielle Pelztierjagd zerstörten das ökologische Gleichgewicht und die indianische Subsistenzwirtschaft, die auf Jagd und dem Anbau von Mais, Bohnen und Kürbis basierte. Die Stämme des östlichen Waldlandes wurden bald vom Handel mit den Europäern abhängig, um an Metallwaren, Textilien und Feuerwaffen zu gelangen. Allerdings waren die Indianer keine hilflosen Opfer, sondern eigenständige machtpolitische Akteure. Der Überlebenshilfe, die sie den ersten englischen Siedlern in Virginia und Neuengland leisteten, lag auch das Motiv zugrunde, die Neuankömmlinge als Verbündete gegen verfeindete Stämme zu gewinnen. Später spielten sie häufig die europäischen Mächte gegeneinander aus, während die Europäer ihrerseits die indianischen Rivalitäten zum eigenen Vorteil nutzten. Zudem waren die Indianer, trotz ihrer waffentechnischen Unterlegenheit, durchaus zur Gegenwehr fähig. Der von den Engländern das „Große Massaker“ genannte Aufstand der Powhatan in Virginia führte 1622 beinahe zum Untergang der Kolonie. In Neuengland forderte der als „King Philip’s War“ bekannte Indianeraufstand von 1675/76 über 600 Todesopfer unter den Kolonisten. Solche temporären Erfolge änderten jedoch nichts an der langfristigen Überlegenheit der Europäer, die auf indianischen Widerstand mit brutaler Gewalt reagierten. Allerdings hatten die Kolonisten keinesfalls die Absicht, die Ureinwohner auszurotten, die sie als Handels- und Bündnispartner brauchten. Es ist auch verfehlt, den antiindianischen Rassismus des 19. Jahrhunderts in die frühe Kolonialzeit zu projizieren. Lange Zeit betrachteten die Europäer die Indianer

2. Das koloniale Nordamerika

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nicht als physisch andersartig und schrieben ihre dunkle Hautfarbe dem Klima zu. Auch die Bilder und Erwartungen, mit denen sie den Einwohnern der Neuen Welt begegneten, waren höchst ambivalent. Dem Stereotyp vom blutrünstigen Kannibalen stand die Bewunderung für den unverdorbenen „edlen Wilden“ gegenüber; der Anklage des „Götzendienstes“ die Hoffnung, dass sich die „Heiden“ bereitwillig der christlichen Mission öffnen würden. Das Siegel der Massachusetts Bay Colony zeigt einen Indianer, dem die Worte: „Come Over and Help Us“ in den Mund gelegt sind. Allerdings hegten die Europäer nie einen Zweifel an der Überlegenheit ihrer eigenen Zivilisation, aus der sie ganz selbstverständlich ihren Unterwerfungsanspruch ableiteten. Die entscheidende Determinante in den europäisch-indianischen Beziehungen war die unaufhaltsam voranschreitende Landnahme, die unvermeidlich zum Konflikt mit den Ureinwohnern führte, sobald diese erkannten, dass sie von ihrem Land verdrängt werden sollten. Während die relativ geringe Zahl französischer Einwanderer nach Kanada den Druck auf die dortigen Stämme niedrig hielt und zu relativ friedlichen Beziehungen beitrug, setzte in den englischen Festlandskolonien früh der Verdrängungsprozess ein. Schon der Indianeraufstand von 1622 in Virginia war eine Reaktion auf die Expansion des Tabakanbaus in der Kolonie. Die Aneignung indianischen Landes wurde unterschiedlich gerechtfertigt, etwa als Ergebnis eines gerechten Krieges oder als Gegenleistung der Indianer für das Geschenk der christlichen Zivilisation. Da die Europäer zudem nur landwirtschaftlich genutzten Grund als Besitz anerkannten, glaubten sie sich befugt, vermeintlich brachliegendes Land in Besitz zu nehmen. Roger Williams, der puritanische Dissident und Gründer der Kolonie Rhode Island (1636), vertrat immerhin die Auffassung, dass man den Indianern das Land abkaufen müsse. Diesen allerdings war ein individualistischer Eigentumsbegriff fremd, so dass sie Landverkauf eher als zeitweilige Überlassung zur Nutzung denn als dauerhafte und exklusive Eigentumsübertragung verstanden – eine Quelle ständiger Konflikte, die fast immer zu Lasten der Ureinwohner gelöst wurden. Der unersättliche Landhunger der rasch wachsenden europäischen Bevölkerung war die wesentliche Triebkraft der nordamerikanischen Siedlungsgrenze, der Frontier, deren Dynamik sich bereits im frühen 17. Jahrhundert entfaltete und bis zum Ende des 19. Jahrhundert zur nahezu vollständigen Verdrängung der Ureinwohner führte. 2.2 Die englische Kolonisierung Virginias und die Einführung der Sklaverei Obwohl europäische Seefahrer die Ostküste Nordamerikas bereits seit den späten 1490er Jahren erkundet hatten, war das Gebiet für die Kolonisation zunächst wenig interessant, weil es im Unterschied zu Mittel- und Südamerika keine Reichtümer und Edelmetalle bot. Die wenigen im Verlauf des 16. Jahrhunderts unternommenen Versuche zum Aufbau von Siedlungen scheiterten kläglich. Das 1565 an der Küste Floridas errichtete spanische Fort St. Augustine blieb

Europäische Stereotypen

Landnahme und Enteignung

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Roanoke

Gründung Jamestowns

Plantagenwirtschaft

indentured servants

I. Darstellung

die Ausnahme und diente vorerst nur als militärischer Stützpunkt. Eine 1585 auf der dem heutigen North Carolina vorgelagerten Insel Roanoke gegründete englische Kolonie musste schon fünf Jahre später aufgegeben werden. Erst zu Beginn des 17. Jahrhunderts gelang es den Franzosen in Neuschottland (Port Royal, 1604) und an der Mündung des St. Lawrence-Flusses (Quebec, 1608) Fuß zu fassen, etwa zeitgleich mit den Engländern, die im Frühjahr 1607 im Süden der Chesapeake Bay die nach Jakob I. benannte Siedlung Jamestown errichteten. Jamestown hätte freilich beinahe dasselbe Schicksal wie Roanoke erlitten, denn die meisten der von der Virginia Company of London entsandten 105 Männer waren Soldaten und Abenteurer, die auf schnellen Reichtum spekulierten und zu landwirtschaftlicher und handwerklicher Arbeit weder willens noch fähig waren. Nach einem Jahr waren zwei Drittel von ihnen verhungert oder an Malaria gestorben. Die Kolonie überlebte nur, weil neue Siedler eintrafen und der erfahrene Söldner Captain John Smith eiserne Disziplin durchsetzte und die Beziehungen zu den Powhatan-Indianern verbesserte. Seine legendäre „Rettung“ durch die Häuptlingstochter Pocahontas, die ihren Vater angeblich davon abhielt, Smith töten zu lassen, war vermutlich ein Initiationsritual, mit dem der Stammesführer seine Autorität über die Neuankömmlinge demonstrieren wollte. Nach Smiths Abreise kehrten jedoch die „Hungerzeiten“ und die Konflikte mit den Indianern zurück. Ihre allmähliche Stabilisierung verdankte die Kolonie zum einen dem stetigen Nachzug neuer Siedler und zum anderen dem Umstand, dass sie mit dem Anbau von Tabak, dessen Konsum in Europa gerade in Mode kam, eine profitable wirtschaftliche Grundlage fand. Allerdings blieb die Sterblichkeit erschreckend hoch. Obwohl die Virginia Company zwischen 1607 und 1622 über 7000 Auswanderer nach Virginia brachte, betrug die englische Bevölkerung der Kolonie zum Zeitpunkt des „Großen Massakers“ nur 1200 Personen. Nach dem Indianerkrieg von 1622 war die Virginia Company ruiniert und die Kolonie wurde unter die direkte Herrschaft der Krone gestellt. Durch die Expansion des Tabakanbaus entwickelte sich die Chesapeake Bay zum nördlichen Rand des bis Brasilien reichenden Plantagengürtels der Neuen Welt, der die Amerikas zum Rohstofflieferanten eines hoch profitablen atlantischen Wirtschaftssystems machte. Im Unterschied zu Brasilien und den karibischen Zuckerinseln, die massenhaft afrikanische Sklaven importierten, deckten Virginia und das 1634 gegründete Maryland ihren Arbeitskräftebedarf bis ins späte 17. Jahrhundert vor allem mit europäischen Einwanderern. Durch Landzuweisungen wurden neue Siedler angelockt. Die Masse der mittellosen Auswanderer kam als so genannte indentured servants, Schuldknechte, die sich vertraglich zur Arbeit für einen Dienstherrn verpflichtet hatten, der ihnen die Überfahrt bezahlte und sie während ihrer zwei- bis siebenjährigen Dienstzeit verpflegen, kleiden und behausen musste. Nach ihrer Entlassung erhielten sie in der Regel eine Prämie, nicht selten sogar ein Stück Land, und konnten hoffen, als unabhängige Bauern zu bescheidenem Wohlstand zu gelangen. Dennoch wurden die Grundlagen für die spätere Sklavenhaltergesellschaft in Britisch-Nordamerika bereits zu Anfang der Kolonialzeit gelegt. Neue Quel-

2. Das koloniale Nordamerika

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lenfunde haben die Anwesenheit von 32 Afrikanern in Virginia schon vor dem Jahr 1619 belegt, aus dem der Verkauf von „twenty-odd Negroes“ durch einen holländischen Sklavenhändler an die Kolonisten in Jamestown überliefert ist und das deshalb lange als Beginn der afrikanischen Sklaverei in Nordamerika galt. Entgegen der in der neueren Historiografie verbreiteten These, dass sich der Status der ersten Afrikaner nicht von dem europäischer indentured servants unterschieden hätte, sprechen die Quellen dafür, dass Afrikaner von Anfang an gewohnheitsrechtlich als Sklaven behandelt wurden, nämlich als das persönliche Eigentum ihrer Herren, denen sie lebenslang zu dienen hatten und dem auch ihre Kinder gehörten. Ab 1660 kodifizierten Virginia und Maryland dann sukzessive die durch afrikanische Herkunft definierte Sklaverei. Allerdings blieb die Zahl afrikanischer Sklaven lange sehr gering und betrug um 1650 gerade einmal 300, auch weil die Chesapeake Bay weit ab von den Routen des transatlantischen Sklavenhandels lag (insgesamt gelangten von den knapp 10 Millionen afrikanischen Sklaven, die zwischen 1500 und den 1860er Jahren in die Neue Welt verschleppt wurden, weniger als 5 % nach Nordamerika). Noch um 1680 machten afrikanische Sklaven nur 4 % der Gesamtbevölkerung Virginias aus, doch nach der Jahrhundertwende vervierfachte sich ihre Zahl innerhalb eines Jahrzehnts von 5000 auf über 20 000. In den Carolinas, wo Pflanzer seit 1670 Reis und Indigo anbauten, betrug der Anteil afrikanischer Sklaven 1720 fast 70 % der Gesamtbevölkerung. Die Gründe für diese rasante Entwicklung zur Sklavenhaltergesellschaft waren vorwiegend ökonomischer Natur. Da das Angebot an europäischen Schuldknechten stetig sank, wurde der Kauf afrikanischer Sklaven immer günstiger, unter anderem weil englische Sklavenhändler seit dem späten 17. Jahrhundert den transatlantischen Sklavenhandel dominierten und verstärkt Nordamerika anliefen. Hinzu kam, dass die allmählich einsetzende natürliche Reproduktion der Sklavenbevölkerung das Eigentum an Sklaven und ihre lebenslange Ausbeutung zur attraktiven Investition machten. Am Vorabend der Amerikanischen Revolution lebten rund 450 000 afrikanische Sklaven in Britisch-Nordamerika, knapp ein Viertel der Gesamtbevölkerung. Von ihnen entfielen 90 % auf die südlichen Kolonien, wo die Sklaverei nicht nur wirtschaftlich, sondern auch sozial und kulturell prägenden Einfluss gewonnen hatte. 2.3 Das puritanische Neuengland Die Kolonisierung Neuenglands unterschied sich in vielfacher Hinsicht von der Entwicklung im Süden. In Neuengland bildeten die englischen Puritaner – eine calvinistische Sekte, die danach strebte, die anglikanische Kirche von allen Überresten des Katholizismus zu reinigen – die Speerspitze der Besiedlung und prägten nachhaltig Kultur und Gesellschaft. Der Impuls zur Auswanderung erwuchs aus den ständigen Konflikten mit der anglikanischen Staatskirche, deren hierarchischen Aufbau die Puritaner strikt ablehnten. Die ersten, die den Schritt in die Neue Welt wagten, waren die so genannten Pilgerväter, eine kleine Gruppe separatistischer Puritaner, die jede Verbindung zum Anglikanismus

Ankunft afrikanischer Sklaven

Wirtschaftlicher Aufschwung der Sklaverei

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Gründung der Plymouth Colony 1620

Gründung der Massachusetts Bay Colony

conversion experience

I. Darstellung

abbrechen wollten. Nach einem Zwischenaufenthalt im holländischen Leiden segelten die Pilgrims 1620 auf der „Mayflower“ in die Massachusetts Bay, wo sie sich noch vor dem Landgang im berühmten „Mayflower Compact“ verpflichteten, unter der Souveränität der englischen Krone ein bürgerliches Gemeinwesen zu bilden, das sie New Plymouth nannten. Auch die Pilgrims durchlitten im ersten Jahr eine „Hungerzeit“, die sie nur dank der Überlebenshilfe der örtlichen Indianer überstanden. Allerdings lernten sie schnell ihre Lektion und schufen sich durch den Anbau von Mais sowie durch Fischfang und Pelzhandel eine Lebensgrundlage. Als 1630 die zweite Welle puritanischer Siedler eintraf, konnte Plymouth den Neuankömmlingen seine Nahrungsmittelüberschüsse verkaufen. Die „Große Flotte“, die 1630 über 1000 Puritaner nach Massachusetts brachte, war ein gut organisiertes Unternehmen, das neben der Suche nach religiöser Freiheit auch wirtschaftlich motiviert war. Im Unterschied zu Plymouth gehörten die Puritaner der Massachusetts Bay Colony mit dem Hauptort Boston der gemäßigten Richtung an, die weiterhin an die Reformierbarkeit der anglikanischen Kirche glaubte. Während der Überfahrt hielt der zukünftige Gouverneur John Winthrop eine Predigt, die unter dem Titel „A Model of Christian Charity“ überliefert ist. Darin gemahnte Winthrop seine Glaubensgenossen an ihren göttlichen Auftrag, in der Wildnis ein „Neues Jerusalem“ zu errichten, eine „Stadt auf dem Hügel“, an der sich die sündige Welt ein moralisches Beispiel nehmen könne. Winthrops Predigt gilt als Schlüsseltext für das Verständnis des historischen Missionsbewusstseins, das die amerikanische Kultur bis heute auszeichnet. Im Zentrum des puritanischen Glaubens stand die Prädestinationslehre, der zufolge die Errettung oder Verdammnis des Menschen in alle Ewigkeit durch göttlichen Ratschluss festgelegt war. Die Puritaner sahen sich als das neue auserwählte Volk. Ein gottgefälliges Leben, fester Glaube und intensives Bibelstudium waren die Voraussetzung dafür, dass der Einzelne durch ein Bekehrungserlebnis Heilsgewissheit gewann. Durch eine von der Gemeinde anerkannte conversion experience erlangten Erwachsene die Vollmitgliedschaft in der religiösen und politischen Gemeinschaft. Obgleich selbst Opfer religiöser Verfolgung, war der Toleranzgedanke den Puritanern fremd. Dissidenten wie der Pfarrer Roger Williams und die Kaufmannsfrau Anne Hutchinson, die eine strikte Trennung weltlicher und geistlicher Autorität verlangten, wurden aus der Kolonie verbannt. Als Ende der 1650er Jahre Quäker, deren Ablehnung kirchlicher Hierarchien noch weiter ging als die der Puritaner, in Massachusetts zu missionieren begannen, wurden sie ebenfalls ausgewiesen und vier von ihnen sogar gehängt. Die „Große Flotte“ von 1630 war der Auftakt zur puritanischen Masseneinwanderung, die innerhalb des folgenden Jahrzehnts ca. 20 000 weitere Puritaner nach Neuengland brachte. Dank des moderaten Klimas war die Sterblichkeit deutlich geringer als in der Chesapeake Bay, während das ausgeglichene Geschlechterverhältnis der im Familienverband einwandernden Puritaner für eine rasche natürliche Reproduktion sorgte. Entgegen ihrem Ruf als Verächter des Fleisches ermutigten die Puritaner ihre Kinder zur frühen Eheschließung und

2. Das koloniale Nordamerika

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gottgefälligen Fortpflanzung. Im Durchschnitt brachte eine puritanische Frau im Neuengland des 17. Jahrhunderts acht Kinder zur Welt. Vierzig Jahre nach der Gründung von Plymouth hatte Neuengland etwa 60 000 englischstämmige Einwohner. Die meisten von ihnen lebten auf Familienfarmen, doch etablierte sich auch eine wohlhabende Kaufmannschaft, die Getreide, Fleisch, Fisch und Holz in die Karibik und nach Europa exportierte. Da Predigt und Bibellektüre die Grundpfeiler der puritanischen Religionspraxis bildeten, konnte ein Großteil der Neuengländer lesen und schreiben. Bereits 1636 wurde das Harvard College in Cambridge gegründet, um dort Geistliche auszubilden; zehn Jahre später legte ein Gesetz den Grundstein für ein öffentliches Schulwesen in Massachusetts. Um die Jahrhundertmitte mehrten sich die Anzeichen, dass der religiöse Eifer nachließ. Zum einen zerschlug die Restauration der Stuart-Dynastie nach dem Ende des englischen Bürgerkrieges die Hoffnung auf eine radikale puritanische Reformation des Mutterlandes, zum anderen beförderte der wachsende Wohlstand Säkularisierungstendenzen. Immer weniger Angehörige der jüngeren, in Amerika geborenen Generation waren bereit, sich der peinlichen Seelenprüfung vor der Gemeinde zu unterziehen, und verzichteten auf eine Vollmitgliedschaft. Auf massiven Druck von unten beschlossen die puritanischen Gemeinden 1662, zumindest die Kinder nicht vollwertiger Kirchenmitglieder zur Taufe zuzulassen (half-way covenant). Angesichts der fortschreitenden Verweltlichung schleuderten die Verfechter der reinen Lehre ihre „Jeremiaden“ gegen den vermeintlichen Sittenverfall und das immer offener zur Schau gestellte Profitstreben. Aus der sozialen Differenzierung erwuchsen zunehmend Spannungen innerhalb der puritanischen Gemeinschaft, in denen Historiker die eigentliche Ursache des Hexenwahns sehen, der 1692/93 die Hafenstadt Salem in Massachusetts erschütterte. Eine Welle von Anklagen führte zur Hinrichtung von 20 Frauen und Männer und wurde erst gestoppt, als sich die Anschuldigungen gegen die koloniale Elite richteten. Nach der Wende zum 18. Jahrhundert schwand die Autorität der puritanischen Orthodoxie immer weiter, ohne dass es deshalb zu einem Verfall der Religion gekommen wäre. Im Gegenteil, in den 1730er Jahren erfasste eine „Great Awakening“ genannte Woge des religiösen Enthusiasmus nicht nur Neuengland, sondern ganz Britisch-Nordamerika. Die Massenwirkung dieser Erweckungsbewegung beruhte auf dem Charisma von Predigern wie Jonathan Edwards und George Whitefield, deren Auftritte bis zu 20 000 ekstatische Gläubige anzogen, sowie auf der volksnahen Botschaft, dass wahrer Glaube und die Gnade Gottes nicht auf theologischer Gelehrsamkeit, sondern auf bedingungsloser Bekehrung und Bußfertigkeit des Einzelnen beruhten. Die antielitäre Stoßrichtung des Great Awakening führte in zahlreichen Gemeinden zu schweren Konflikten zwischen dem etablierten Klerus und den neuen evangelikalen Predigern und bescherte besonders den Baptisten enormen Zulauf. Die Erweckungsbewegung machte die religiöse Landschaft BritischNordamerikas noch vielfältiger und verankerte die Vorstellung, dass religiöse Gemeinschaften nur auf der Basis der Freiheit und Selbstbestimmung koexistieren konnten.

Aufschwung Neuenglands

Säkularisierung der neuenglischen Puritaner

Hexenwahn in Salem

First Great Awakening

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I. Darstellung

2.4 Koloniale Organisation und Selbstregierung

Charter-Kolonien

Eigentümerkolonien

Quäker in Pennsylvania

Gründung Georgias

In der Frühzeit der europäischen Expansion fehlten den europäischen Staaten die Ressourcen zum Aufbau und zur direkten Beherrschung überseeischer Kolonien. Daher versuchten die stets in Geldnöten steckenden Monarchen, das finanzielle Risiko auf private Handelsgesellschaften abzuwälzen, denen sie das Recht zur Gründung von Kolonien, zur Ausübung der Souveränität und politischen Herrschaft sowie umfangreiche Landschenkungen und Handelsmonopole gewährten. Zu Beginn des 17. Jahrhunderts erwarben Kaufleute aus London, Plymouth und Bristol, nach dem Vorbild der 1600 gegründeten englischen Ostindienkompanie, königliche Freibriefe (charters) für das von England beanspruchte Gebiet in Nordamerika, das zu Ehren Elisabeth I. Virginia hieß. Die Virginia Company of London erhielt den südlichen und die Virginia Company of Plymouth den nördlichen Teil zugesprochen. Allerdings erwies sich die wirtschaftliche und administrative Basis dieser Gesellschaften als zu schwach. Die Virginia Company of London war bereits 1624 bankrott und die Kolonie Virginia wurde der Krone unterstellt. Die zweite Variante staatlich sanktionierter privater Kolonisationsprojekte waren Eigentümerkolonien, die der Monarch als individuellen Besitz vergab. So machte Karl II., nachdem englische Truppen 1664 die holländische Kolonie Neuniederlande erobert hatten, seinen Bruder, den Herzog von York, zum Eigentümer. Die Kolonie hieß von nun an New York. Die feudalen Ambitionen, die hinter solchen Eigentümerkolonien standen, ließen sich allerdings in Nordamerika nicht durchsetzen, da Siedler fast überall Land fanden und erfolgreich auf politischen Mitwirkungsrechten bestanden. Hinter einigen dieser Gründungen standen auch religiöse und ideelle Motive. Die 1634 von Lord Baltimore gegründete Kolonie Maryland sollte der katholischen Minderheit in England als Zuflucht dienen, doch waren die protestantischen Kolonisten schon bald in der Mehrheit. In Pennsylvania, das Karl II. 1681 dem Kaufmann William Penn übereignete, hoffte die radikal antiautoritäre Sekte der Quäker, ihr „heiliges Experiment“ einer auf brüderlicher Liebe, Gewaltlosigkeit, Toleranz und Gleichheit gegründeten Gemeinschaft zu verwirklichen. Die Wirklichkeit sah nüchterner aus, denn der durchaus von Erwerbsstreben und autoritärem Führungsanspruch geleitete Penn geriet immer wieder in Konflikt mit seinen Glaubensbrüdern. Dennoch entwickelte sich Pennsylvania nicht nur zu einer prosperierenden Kolonie, sondern hielt an den Prinzipien eines friedlichen Zusammenlebens mit den Indianern und der religiösen Toleranz fest, nachdem die Quäker längst zur Minderheit geworden waren. Keine andere Kolonie versammelte eine so große religiöse und ethnische Vielfalt, einschließlich eines hohen Anteils deutscher Einwanderer. Auch die Gründung der Kolonie Georgia im Jahre 1733 war von einer sozialen Utopie inspiriert, die jedoch im Unterschied zu Pennsylvania sehr schnell an der Realität zerschellte. Ihr Gründer James Oglethorpe träumte davon, eine Modellgemeinschaft unabhängiger Farmer zu schaffen, die zum Anziehungspunkt für die verarmten Massen Englands werden sollte. Großgrundbesitz, Sklaverei und Rum waren zunächst verboten. Tatsächlich wollte die Mehrheit der Siedler

2. Das koloniale Nordamerika

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aber die auf der Sklaverei beruhende Plantagenwirtschaft der nördlichen Nachbarkolonie South Carolina übernehmen. Schon 1742 wurden die Landbesitz und Alkohol betreffenden Restriktionen aufgehoben; 1750 fiel das Verbot der Sklaverei. Handelsgesellschaften und Eigentümer waren zwar in der Lage, Kolonien zu gründen, doch setzte sich bis zum Beginn des 18. Jahrhunderts aus ökonomischen und militärischen Gründen weitgehend die Rechtsform der royal colony durch, die der Krone deutlich stärkere Machtbefugnisse einräumte, darunter die Einsetzung der Gouverneure durch den Monarchen. Für eine effektive wirtschaftliche und politische Kontrolle durch Krone und Parlament fehlten indessen sowohl die Mittel als auch der Wille. Die lange Phase der inneren Wirren, die England im Zeitalter des Bürgerkrieges, der Stuart-Restauration und der „Glorious Revolution“ (1642–1689) erschütterten, ließen keine planvolle Kolonialpolitik zu. Die merkantilistischen Navigation Acts der 1650er und 1660er Jahre, die den Handel der Kolonien zugunsten des Mutterlandes regulieren sollten – Exporte und Importe durften nur über englische Häfen und auf englischen Schiffen abgewickelt werden – waren schwer durchsetzbar und wurden von den Kolonisten durch Schmuggel und Bestechung der Zollbeamten unterlaufen. Zudem sicherte das merkantilistische System den Kolonien immerhin das Monopol auf dem heimischen Markt. Die fortgesetzten Streitigkeiten über die Kompetenzen des Parlamentes, den Handel der Kolonien zu reglementieren, spiegelten bereits den Grundkonflikt, der schließlich zur Amerikanischen Revolution führen sollte. Seit dem erstmaligen Zusammentritt des Virginia House of Burgesses im Jahre 1619 verfestigte sich unter den Kolonisten sukzessive der Anspruch auf Selbstregierung innerhalb des britischen Herrschaftsverbandes. Obwohl sich die politischen Institutionen der Kolonien im Einzelnen stark unterschieden, existierte überall eine koloniale Legislative, deren Mitglieder auf der Grundlage eines an moderate Besitzklauseln gebundenen Wahlrechts für weiße Männer gewählt wurden. Der assembly standen der Gouverneur als Repräsentant der Krone und ein Gouverneursrat gegenüber. Aus Sicht der Kolonisten waren ihre Kolonialversammlungen Pendants zum Parlament in Westminster und hatten folglich dieselben Rechte, einschließlich der Befugnis, Steuern zu beschließen und über deren Verwendung zu entscheiden. Die Verfechter der imperialen Suprematie dagegen betrachteten alle Institutionen kolonialer Selbstregierung lediglich als administrative Hilfsorgane und beharrten darauf, dass die Kolonien unmittelbar der Souveränität der Krone und des Parlaments unterstanden. Gleichwohl kam dieser Grundsatzkonflikt über viele Jahrzehnte nicht offen zum Ausbruch, weil London sich in „wise und salutary neglect“ übte, wie es der den nordamerikanischen Kolonisten wohl gesonnene Philosoph und Politiker Edmund Burke einmal ausdrückte. Auch die königlichen Gouverneure, die immer wieder über die Widerspenstigkeit der Kolonisten klagten und auf eine härtere Gangart der Krone drängten, wussten, dass sie nicht gegen die Kolonialversammlungen regieren konnten. Daneben waren es vor allem die permanenten Kriege gegen die europäischen Rivalen, die Großbritannien und seine nordamerikanischen Kolonien zusammenschweißten. Zwischen 1689

Royal Colonies

navigation acts

Koloniale Selbstregierung

salutary neglect

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Englisch-französische Kriege in Nordamerika

Britische Staatsschulden

Keine Identität als Amerikaner

I. Darstellung

und 1760 führten England und Frankreich vier große Kriege um die Vorherrschaft in Nordamerika. Trotz allen Ärgers über unfaire Handelshemmnisse und das oft anmaßende Gebaren königlicher Beamter und Militärs blieb den Kolonisten stets bewusst, dass sie ohne den militärischen Schutz des Mutterlandes Gefahr liefen, unter die Knute eines absoluten, katholischen Monarchen zu fallen. Als 1760 der Fall Montreals den englischen Sieg im French and Indian War besiegelte, der die riesigen französischen Territorien Kanada und Louisiana unter englische Herrschaft brachte, erwarteten viele Kolonisten, dass Nordamerika nach dem gemeinsamen Triumph über den französischen Erzfeind in Zukunft eine größere Rolle im Empire spielen werde. In der Metropole dagegen herrschte eine gänzlich andere Sicht. Dort wurde der militärische Beitrag der Kolonisten nahezu ignoriert, sie galten vielmehr als Nutznießer eines Kraftaktes, der England an den Rand des Staatsbankrotts gebracht hatte. Während des Siebenjährigen Krieges hatte sich die englische Staatsschuld auf über 130 Millionen Pfund nahezu verdoppelt. Die heimischen Steuerzahler ächzten unter der Last, die jährlichen Zinsen von rund 5 Millionen Pfund aufbringen zu müssen. So erschien es vielen Parlamentariern nur recht und billig, dass auch die Kolonien, wo die Steuern deutlich niedriger waren als im Mutterland, ihren fairen Anteil an den Bürden des Empires tragen mussten. Zwar hegten Krone und Parlament keineswegs die Absicht, die nordamerikanischen Untertanen einer Tyrannei zu unterwerfen, aber sie hielten die Zeit für gekommen, die „wohlwollende Vernachlässigung“ zu beenden und ihre Autorität entschiedener als bisher durchzusetzen. Dabei unterschätzten die Verfechter der imperialen Neuorganisation allerdings das Selbstbewusstsein und die Konfliktbereitschaft der Kolonisten, die auf soliden materiellen Grundlagen beruhten. Britisch-Nordamerika prosperierte wirtschaftlich, seine Bevölkerung betrug um 1760 bereits um die 2 Millionen Menschen (inklusive ca. 400 000 schwarzer Sklaven) und wuchs rasant. Die kolonialen Eliten und die Masse der unabhängigen Farmer und Handwerker betrachteten sich als gleichberechtigte Mitglieder des britischen Herrschaftsverbandes und waren bereit, ihr Recht auf Selbstregierung offensiv zu verteidigen. Vorerst jedoch dachte niemand daran, dass die dreizehn untereinander sehr heterogenen Kolonien eine eigene Nation bilden sollten. Die Selbstbezeichnung „Amerikaner“ war noch kaum gebräuchlich und eine gemeinsame amerikanische Identität bildete sich erst im Verlauf der Konfrontation mit dem Mutterland.

3. Von der Unabhängigkeit zur Sezession 3.1 Die Amerikanische Revolution und die Gründung der USA Seit 1760 ergriff die englische Regierung unter dem neuen Monarchen George III. fiskalische und administrative Maßnahmen, die in den nordamerikanischen Kolonien wachsende Empörung und schließlich offenen Widerstand provozierten. Trotz wiederholter Zugeständnisse und Versöhnungsgesten bei-

3. Von der Unabhängigkeit zur Sezession

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der Seiten wurde diese Eskalationsspirale bis zur Unabhängigkeitserklärung nicht mehr durchbrochen. Ein Grund dafür war, dass sich beide Parteien lange Zeit gegenseitig unterschätzten. Während die Krone darauf vertraute, dass sich die Kolonisten der Autorität des Königs beugen würden, glaubten diese zunächst, dass Monarch und Parlament ihre Politik der imperialen Neuorganisation korrigieren würden. Doch als sich die Konfrontation immer mehr zuspitzte, änderte sich die gegenseitige Wahrnehmung radikal. Die britische Regierung betrachtete den kolonialen Widerstand als Rebellion, die mit aller Härte niedergeschlagen werden musste. Die Kolonisten dagegen sahen sich als Opfer einer Verschwörung mit dem Ziel, Nordamerika einer absolutistischen Tyrannei zu unterwerfen. Es waren nicht allein die materiellen Bestimmungen der königlichen Akte, die den Zorn der Kolonisten weckten, sondern ebenso sehr die Einseitigkeit des Vorgehens. Dabei waren viele der einzelnen Maßnahmen durchaus gut begründet, etwa die Proklamation von 1763, die den Kamm der Appalachen vorläufig als westliche Siedlungsgrenze der Kolonien festlegte. Nach einem nur mit Mühe niedergeschlagenen Indianeraufstand unter Führung des Ottawa-Häuptlings Pontiac wünschte die englische Regierung Frieden an der Frontier. Die ins Ohio-Tal drängenden Siedler jedoch sahen in der Proklamation, die ohne Zustimmung der Kolonialversammlungen erfolgte, die Willkür einer von den Interessen ihrer kolonialen Untertanen weit entfernten Regierung. In der Zoll- und Steuerpolitik, an der sich der Konflikt vornehmlich entzündete, ging es nicht primär um die finanziellen Interessen der Kolonisten – die Londoner Regierung versuchte wiederholt vergeblich, den Widerstand durch finanzielle Anreize zu unterlaufen –, sondern um das Prinzip der Selbstregierung und die angestammten Freiheiten und Rechte englischer Untertanen. So hatten Zollbeamte seit 1760 die Handhabe, Schiffe und Häuser ohne konkreten Verdacht zu durchsuchen und Waren als Schmuggelgut zu beschlagnahmen. Der Eindämmung des Schmuggels mit den französischen Karibikinseln diente auch der 1764 erlassene Sugar Act, der zwar den nominellen Zoll auf Zuckersirup, aus dem in Neuengland für den Export bestimmter Rum destilliert wurde, senkte, aber darauf zielte, den neuen Zollsatz tatsächlich einzutreiben und den Ertrag der Staatskasse zuzuführen. Die Kolonisten bestritten nicht das Recht des Londoner Parlamentes, den Handel zu regulieren, sie lehnten jedoch den Sugar Act als getarnte Verbrauchssteuer ab. Alle Maßnahmen, die den Zweck verfolgten, Einnahmen zu erzielen, galten ihnen als Besteuerung, und Steuern durften nach ihrer Rechtsauffassung nur die von ihnen gewählten Kolonialversammlungen beschließen. Krone und Parlament hielten freilich an ihrem Ziel fest, die Kolonien an der Sanierung der Staatsfinanzen zu beteiligen. Der Stamp Act von 1765, der bestimmte, dass alle Drucksachen, Rechtsdokumente, Zeitungen usw. nur auf versteuertem Papier mit offiziellem Stempel gedruckt werden durften, hatte insofern eine neue Qualität, als das Parlament den Kolonien erstmalig eine allgemeine Steuer aufzwingen wollte. Dem Protestruf „No taxation without representation!“ begegneten die Vertreter der imperialen Neuorganisation mit der Theorie der „virtuellen Repräsentation“, der zufolge alle Abgeordneten in

Proclamation Line von 1763

Sugar Act

Stamp Act

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Bostoner „Massaker“

Boston Tea Party

I. Darstellung

Westminster alle Untertanen im gesamten Empire vertraten. Die Stempelsteuer provozierte nicht nur gewalttätige Ausschreitungen gegen Steuerbeamte, sondern bewirkte nun auch organisierten Protest, der die Grenzen zwischen den Kolonien überschritt. Der Stamp Act Congress, zu dem sich Delegierte aus neun Kolonien im Oktober 1765 in New York versammelten, beharrte auf dem Recht auf Selbstregierung, appellierte aber zugleich an die politische und wirtschaftliche Vernunft des Mutterlandes. Ein Boykott englischer Waren verlieh dem Appell so viel Nachdruck, dass sich das Parlament im Frühjahr 1766 zur Rücknahme des Stamp Act durchrang; auch der Sugar Act wurde de facto außer Kraft gesetzt. Allerdings insistierte das Parlament in einer gesonderten Deklaration auf seiner uneingeschränkten Gesetzgebungskompetenz für die Kolonien. Tatsächlich erließ das Parlament auf Initiative von Schatzkanzler Charles Townshend im folgenden Jahr neue Gesetze, die den Schmuggel unterbinden sollten und gleichzeitig die Einfuhrzölle für die Kolonien drastisch erhöhten. Erneut reagierten die Anführer des Widerstands mit Boykottaufrufen gegen englische Importe, die weithin befolgt wurden. Erneut lenkte das Parlament ein und hob im April 1770 die Townshend-Zölle auf. Einen Monat zuvor hatte es bei Demonstrationen in Boston die ersten fünf Toten des Konflikts gegeben, als britische Soldaten in eine aggressive Menge feuerten; für das vom Bierbrauer Samuel Adams publizierte Journal of the Times bewies das „Bostoner Massaker“ die tyrannischen Absichten der Regierung. In Wirklichkeit nahm der neue Premierminister Lord Frederick North vorläufig eine abwartende Haltung ein. Allerdings wuchs in England der Ärger über die hohen Steuerlasten und die Renitenz der Kolonien. Der Konflikt eskalierte, als die britische Regierung versuchte, die königlichen Gouverneure aus Zolleinnahmen zu bezahlen und sie so von den jährlichen Zuwendungen der Kolonialversammlungen unabhängig zu machen. Das Instrument zur Durchsetzung der königlichen Autorität sollte der im Mai 1773 erlassene Tea Act sein. Um die unter dem nordamerikanischen Boykott leidende englische Ostindienkompanie vor dem Ruin zu bewahren, senkte das Parlament den Einfuhrzoll auf Tee nach Nordamerika, den die Kolonisten bislang durch geschmuggelten niederländischen Tee umgingen, und erlaubte der Kompanie, ihren Tee direkt an die Verbraucher in den Kolonien zu verkaufen. Der billige englische Tee, so das Kalkül, würde die Kolonisten dazu bringen, versteuerten Tee zu kaufen, und auf diese Weise Einnahmen in die Staatskasse spülen, aus denen die Gouverneure bezahlt werden könnten. Natürlich durchschauten die Patrioten, wie sich die Wortführer der kolonialen Opposition inzwischen nannten, die Absicht, die Kolonisten mit billigem Tee zu bestechen, und initiierten eine breite Protest- und Boykottbewegung gegen das Volksgetränk. Am 16. Dezember 1773 stürmten ca. 50 als Indianer verkleidete „Söhne der Freiheit“ drei mit Tee beladene englische Schiffe, die im Bostoner Hafen auf ihre Entladung warteten, und warfen Teekisten im Wert von etwa 10 000 Pfund ins Wasser. Die „Boston Tea Party“ verlief überaus diszipliniert und ohne Gewalt gegen Menschen, war aber eine gezielte Provokation, die die Krone zu harten Gegenmaßnahmen verleiten und so die Kolonisten zu-

3. Von der Unabhängigkeit zur Sezession

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sammenschweißen sollte. London reagierte wie erwartet und erließ mehrere „Zwangsgesetze“ (Coercive Acts), die u. a. die Schließung des Bostoner Hafens und die Suspendierung der charter von Massachusetts verfügten. Der Befehlshaber der britischen Armee in Nordamerika, General Thomas Gage, wurde zum neuen Gouverneur der Kolonie ernannt und alle Bürgerversammlungen (town meetings) unter seine Aufsicht gestellt. Der Versuch, die Kolonien durch Härte zu disziplinieren, scheiterte jedoch auf der ganzen Linie. Der Widerstand radikalisierte sich, patriotische Mobs attackierten systematisch Zollbeamte, um sie zum Rücktritt zu bewegen. In allen Kolonien gab es Solidaritätsbekundungen für Massachusetts. Wichtiger war, dass die Patrioten der verschiedenen Kolonien sich jetzt zum gemeinsamen Vorgehen entschlossen. Im September 1774 versammelten sich Delegierte aus zwölf Kolonialversammlungen in Philadelphia zum ersten Kontinentalkongress, dem u. a. Patrick Henry und George Washington aus Virginia sowie Samuel Adams und John Adams aus Massachusetts angehörten. Obwohl von Unabhängigkeit noch keine Rede war, bezeichneten die Beschlüsse des Kongresses Großbritannien implizit als „fremde Macht“ und drohten, falls London die Zwangsgesetze nicht zurücknehme, mit einem völligen Importstopp englischer Waren. Die Patrioten organisierten überall lokale Komitees und Milizen, um den Boykott zu überwachen und sich auf mögliche Auseinandersetzungen mit der britischen Armee vorzubereiten. Als am 19. April 1775 britische Truppen in der Nähe der Orte Lexington und Concord in Massachusetts ein Waffenlager ausheben wollten, kam es zum ersten Gefecht mit der Miliz, bei dem fast 300 Rotröcke fielen. Obwohl der seit Mai 1775 tagende zweite Kontinentalkongress in einer Petition an George III. Versöhnung anbot, war die militärische Konfrontation nicht mehr zu stoppen. Im August 1775 erklärte der König die nordamerikanischen Kolonisten offiziell zu Rebellen. Gleichwohl blieb die Unabhängigkeit noch immer ein Tabu. Noch Ende 1775 wiesen mehrere Kolonialversammlungen ihre Delegierten zum Kontinentalkongress an, keinen Vorschlägen zuzustimmen, die auf eine „Trennung von unserem Mutterland“ hinauslaufen konnten. Den Umschwung brachte Anfang 1776 eine unter dem Titel Common Sense publizierte anonyme Flugschrift, in der der gerade aus England eingewanderte Autor Thomas Paine die Institution der Monarchie einer ätzenden Kritik unterzog und die sofortige Unabhängigkeit von Großbritannien verlangte. Für Paine waren die Einwohner der nordamerikanischen Kolonien längst zu einer eigenen Nation zusammengewachsen, die nun die Chance habe, „die Welt neu zu erschaffen“. Die Resonanz der Schrift war sensationell. Innerhalb weniger Wochen erschienen dreizehn Auflagen, insgesamt sollen allein 1776 150 000 Exemplare verkauft worden sein. Von nun an ging es nicht mehr um die Wiederherstellung der englischen Verfassung und um koloniale Selbstregierung, sondern um Revolution und nationale Unabhängigkeit. Ein erster entscheidender Schritt erfolgte am 6. April 1776, als der Kontinentalkongress die Öffnung der amerikanischen Häfen für Handelsschiffe aller Nationen, mit Ausnahme Englands, bekannt gab. Am 2. Juli beschloss der Kongress einstimmig die Unabhängigkeit, die am 4. Juli zusammen mit der von Thomas Jefferson verfassten

Coercive Acts

Erster Kontinentalkongress

Lexington und Concord

Common Sense

16 Unabhängigkeitserklärung

Unabhängigkeitskrieg

Yorktown

Bürgerkrieg zwischen Patrioten und Loyalisten

I. Darstellung

„Declaration of Independence“ verkündet wurde. Wichtiger als die in der Erklärung aufgeführten 27 Gravamina gegen George III. ist die Präambel, die, gestützt auf das Naturecht und Vertragsdenken der Aufklärung, legitime Herrschaft an die Zustimmung der Regierten band und ein Recht des Volkes auf Widerstand gegen eine tyrannische Regierung postulierte. Ob die Vereinigten Staaten von Amerika ihre Unabhängigkeit militärisch behaupten konnten, stand in den Sternen. Die Milizen der Kolonien waren oft unzuverlässig, eine reguläre Armee musste erst hastig aufgebaut werden. Großbritannien dagegen verfügte nicht nur über die stärkste Flotte der Welt und ein diszipliniertes Berufsheer, sondern konnte zudem auf die Unterstützung loyaler Milizen und der meisten Indianerstämme zählen, die in der britischen Krone einen Verbündeten gegen den Landhunger der amerikanischen Siedler sahen. Es überrascht daher nicht, dass die Kontinentalarmee unter dem Befehl George Washingtons zu Beginn des Krieges schwere Niederlagen einstecken musste und sich vor allem in der Kunst des Rückzugs übte. Dass die USA dennoch siegreich blieben, lag an den unterschiedlichen Ausgangspositionen beider Seiten. Die Patrioten hatten alles auf eine Karte gesetzt, Großbritannien dagegen musste den Krieg nicht um jeden Preis gewinnen. Die Chance der Amerikaner bestand darin, so lange durchzuhalten, bis England die finanziellen und politischen Kosten des Krieges zu hoch wurden. Militärisch standen die Briten vor dem Problem, dass sie das ganze Land erobern und kontrollieren mussten. Es gab kein Zentrum des Widerstandes, dessen Zerschlagung den Krieg beendet hätte. Und schließlich gelang es den Amerikanern, nach ihrem Sieg bei Saratoga im Oktober 1777 den Konflikt zu internationalisieren. Das nach Revanche dürstende absolutistische Frankreich Ludwigs XVI. erkannte die amerikanische Republik diplomatisch an und gewährte eine großzügige Kriegsanleihe. Im folgenden Jahr schloss Frankreich ein Bündnis mit den USA und machte fortan der Royal Navy das Leben schwer. Als sich im Oktober 1781 die Armee des britischen Generals Cornwallis bei Yorktown in Virginia einer amerikanischfranzösischen Land- und Seestreitmacht ergab, war der Krieg zu Ende. Im Frieden von Paris erkannte Großbritannien 1783 die Unabhängigkeit der USA an, verzichtete auf alle Gebietsansprüche östlich des Mississippi und trat Florida an Spanien ab, das sich 1779 der Siegerkoalition angeschlossen hatte. Kanada jedoch blieb unter britischer Souveränität. Die Frankokanadier hatten dem amerikanischen Unabhängigkeitsstreben die kalte Schulter gezeigt, weil sie in der britischen Krone den Garanten ihrer kulturellen Autonomie sahen. Der Unabhängigkeitskrieg war auch ein Bürgerkrieg zwischen Patrioten und königstreuen Loyalisten, der häufig mit großer Brutalität ausgetragen wurde. Am Ende des Krieges kam es zu Massenvertreibungen und Flucht von ca. 100 000 Loyalisten. Allerdings durchlief die Amerikanische Revolution, im Unterschied zur Französischen, keine Phase des systematischen Terrors. Nach dem Krieg wurden zahlreiche Loyalisten amnestiert und kehrten in die USA zurück. Die Tories, wie die englandfreundlichen Kolonisten genannt wurden, repräsentierten auch keine soziale Oberschicht, sodass die Amerikanische Revolution schwerlich als Klassenkampf gedeutet werden kann. Tatsächlich waren zahlreiche Führer der Patrioten wohlhabende Kaufleute, Anwälte und

3. Von der Unabhängigkeit zur Sezession

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Pflanzer. Obwohl reiche Tories zeitweilig enteignet wurden – viele der Amnestierten erhielten ihren Besitz später wieder zurück – kam es nicht zu einer grundlegenden Veränderung der Besitzverhältnisse. Deshalb besteht freilich kein Grund, den revolutionären Charakter der amerikanischen Unabhängigkeit zu bestreiten. Revolution und Krieg bewirkten einen Austausch der Souveränität und einen radikalen Wechsel der politischen Ordnung und sie beförderten einen neuen egalitären Geist, der die hergebrachten sozialen Hierarchien untergrub. Das Idealbild der Amerikanischen Revolution war die tugendhafte Republik freier und gleicher weißer Männer. Die Besitzklauseln für das Wahlrecht wurden z. B. deutlich gelockert oder ganz abgeschafft. Der Virus der Freiheit infizierte auch viele Sklaven, die die Wirren der Revolution zur Flucht nutzten. Thomas Jefferson schätzte, dass allein in Virginia 30 000 Sklaven davongelaufen waren, darunter mehrere Dutzend seiner eigenen. Allerdings war Jefferson und vielen seiner Standesgenossen durchaus klar, dass nichts ihre Freiheitsrhetorik so kompromittierte wie die Sklaverei. Während der Revolution ließen viele Sklavenhalter zumindest einige ihrer Sklaven frei; allgemein herrschte die Auffassung, die Sklaverei werde sich in absehbarer Zeit von selbst erledigen. In der Tat begann im Norden, wo es nur wenige Sklaven gab, der Prozess der graduellen Emanzipation. Im Süden dagegen fürchtete man aus wirtschaftlichen und sozialen Gründen die rasche Abschaffung der Sklaverei. Mit dem Frieden von Paris hatten die USA ihre Souveränität durchgesetzt, doch ihre innere Ordnung war noch ungefestigt. Seit 1776 hatten sich die meisten Einzelstaaten neue Verfassungen gegeben, die auf den Prinzipien der Volkssouveränität, der Gewaltenteilung – einer Zweikammerlegislative stand ein gewählter Gouverneur gegenüber – und der Sicherung individueller Freiheit durch Grundrechtskataloge beruhten. Bei der Garantie religiöser Freiheit und der Trennung von Kirche und Staat spielte Virginia eine Vorreiterrolle, während sich im puritanisch geprägten Neuengland das Staatskirchentum noch lange hielt. Die entscheidende verfassungspolitische Frage lautete jedoch, welche gemeinsame Regierung sich die Vereinigten Staaten geben wollten. Der Kontinentalkongress verabschiedete 1777 die Konföderationsartikel, deren Ratifizierung durch die Staaten sich jedoch bis 1781 hinzog. Die Artikel schufen einen Staatenbund, der die Souveränität bei den Einzelstaaten beließ. Es gab weder eine Bundesexekutive noch eine nationale Gerichtsbarkeit, der Kongress hatte sehr eingeschränkte Befugnisse und konnte keine Steuern beschließen. Die Delegierten wurden von den Einzelstaatsversammlungen gewählt und jeder Staat hatte nur eine Stimme; wichtige Beschlüsse bedurften der Zustimmung durch mindestens neun Staaten. Als nach Kriegsende der Zwang zum Kompromiss nachließ, trat die Handlungsschwäche des Kongresses immer deutlicher zutage. Immerhin regelte er mit der 1787 verabschiedeten Northwest Ordinance das Verfahren für die zukünftige Aufnahme neuer Gebiete als gleichberechtigte Staaten der Union. Sobald ein Territorium 5000 erwachsene männliche weiße Bewohner zählte, konnten diese eine Legislative wählen. Wenn ihre Zahl auf 60 000 gestiegen war, durften sie im Kongress die Aufnahme als Staat beantragen.

Revolution und Sklaverei

Einzelstaatsverfassungen

Konföderationsartikel

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Shay’s Rebellion

Verfassungskonvent in Philadelphia

I. Darstellung

Eine Lösung der drängenden Finanzprobleme ließen die Konföderationsartikel jedoch nicht zu. Um die Kosten des Unabhängigkeitskrieges zu decken, hatten sich die USA massiv im In- und Ausland verschuldet. Da aber der Kongress keine Steuern erheben durfte und der Wert des im Krieg gedruckten Papiergeldes rapide verfiel, stand die neue Nation kurz vor dem finanziellen Kollaps. Dass Großbritannien seinen Markt vorerst amerikanischen Einfuhren verschloss, verschlimmerte die Lage zusätzlich. Soziale Unruhen waren unter diesen Umständen keine Überraschung. Im Sommer 1786 erhoben sich verschuldete Farmer in Massachusetts, um die Zwangsversteigerung ihrer Höfe zu verhindern. Die nach ihrem Anführer Daniel Shay genannte Rebellion wurde zwar rasch niedergeschlagen, verschärfte aber das Krisenbewusstsein der Zeitgenossen und ließ den Ruf nach einer handlungsfähigen Bundesgewalt immer lauter werden. Die 55 Delegierten aus zwölf Staaten, die im Mai 1787 in Philadelphia zusammentraten, um über eine Revision der Konföderationsartikel zu beraten, setzten sich souverän über ihr Mandat hinweg und entwarfen in nichtöffentlichen Sitzungen bis Mitte September eine völlig neue bundesstaatliche Verfassung, die ursprünglich lediglich sieben Artikel mit 24 Absätzen umfasste. Die beiden Grundprobleme lauteten, wie die Kompetenzen der Bundesregierung gegenüber den Staaten abgegrenzt und Staaten mit geringer Bevölkerung vor der Majorisierung durch große Staaten geschützt werden sollten. Die erste Frage wurde gelöst, indem der Bundesgesetzgeber zwar weitreichende neue Befugnisse erhielt, diese aber konkret aufgezählt wurden. Die Bedeutung der kleinen Staaten wurde durch ein Zweikammersystem gesichert. Das bis heute kaum modifizierte System sieht für das Repräsentantenhaus eine Direktwahl der Abgeordneten nach Bevölkerungsproporz vor, in den Senat entsendet jeder Staat zwei Senatoren, die jedoch noch lange Zeit von den Einzelstaatsparlamenten bestimmt wurden. An die Spitze der Exekutive stellte der Verfassungsentwurf einen von Wahlmännern aus den Einzelstaaten gewählten Präsidenten mit einem Vetorecht, das der Kongress nur durch Zweidrittelmehrheit überstimmen kann. Darüber hinaus sollte es künftig eine Bundesgerichtsbarkeit mit einem Obersten Gerichtshof als höchster Instanz geben. Die Kompetenz, Bundesgesetze auf ihre Vereinbarkeit mit der Verfassung zu prüfen (judicial review), sprach sich der Supreme Court allerdings erst 1803 in der Entscheidung Marbury v. Madison selbst zu. Obwohl sie den Begriff peinlich vermieden, sanktionierten die Delegierten auf Drängen der Südstaatler auch die Sklaverei, u. a. durch Berücksichtigung der Sklavenbevölkerung bei der Zumessung der Abgeordnetenzahl für das Repräsentantenhaus (Dreifünftel-Klausel) und eine Bestimmung, dass sklavenfreie Staaten zu „Dienst und Arbeit Verpflichtete“ ausliefern mussten (fugitive slave clause). Das maßgeblich von James Madison aus Virginia beeinflusste Verfassungswerk zielte einerseits auf die Schaffung handlungsfähiger nationaler Institutionen, spiegelte aber andererseits das in der englischen Rechtstradition wurzelnde Misstrauen gegen eine zu starke Konzentration von Macht. Das Prinzip der checks and balances, der Gewaltenteilung und Verschränkung, sollte autokratischen Ambitionen ebenso einen Riegel vorschieben wie der

3. Von der Unabhängigkeit zur Sezession

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„Tyrannei der Mehrheit“. Gleichwohl entwickelte sich um die Ratifizierung der Verfassung eine heftige Debatte, in der die Gegner des Entwurfs (AntiFederalists) davor warnten, dass eine mächtige Bundesregierung zukünftig die Freiheit der Einzelstaaten und der Bürger bedrohen werde. In den anonym publizierten Federalist Papers verteidigte Madison, zusammen mit Alexander Hamilton und John Jay, die Verfassung als institutionellen Rahmen, der es ermöglichen werde, die widerstreitenden regionalen und sozialen Interessen auszubalancieren und zugleich das übergeordnete Wohl der Nation zu fördern. Letztlich behielten die Befürworter bei den Ratifizierungskonventen die Oberhand, sodass die Verfassung am 2. Juli 1788 in Kraft treten konnte. Zumindest erreichten die Kritiker, dass der erste Kongress und die Einzelstaaten 1791 eine „Bill of Rights“ verabschiedeten, zehn Zusatzartikel zur Verfassung (amendments), die fundamentale Freiheitsrechte sicherten, darunter die Freiheit der Religion und der Rede sowie ein faires Gerichtsverfahren und den Schutz des Privateigentums. Auch wenn man nicht vom „Wunder von Philadelphia“ sprechen will, so belegt der Umstand, dass die zwischen 1787 und 1791 geschaffene Verfassungsordnung bis heute im Wesentlichen Bestand hat, den viel gepriesenen Realitätssinn der Verfassungsväter.

Federalist Papers

Bill of Rights

3.2 Konsolidierung und Expansion In der Debatte über die Ratifikation der Verfassung schälte sich der Kern eines zukünftigen Parteiensystems heraus, wenngleich Parteien in der Verfassung nicht vorgesehen waren und dem herrschenden Ideal republikanischer Gemeinwohlorientierung widersprachen. Doch auch die Wahl der allseits verehrten Vaterfigur George Washington zum ersten Präsidenten (1789– 1796) konnte nicht verhindern, dass die politischen Gegensätze offen ausbrachen. Die Präsidentschaft Washingtons war vor allem von Konflikten über die Finanz- und die Außenpolitik geprägt. Zunächst galt es, den drohenden Staatsbankrott abzuwenden, denn die USA standen im In- und Ausland mit rund 70 Millionen Dollar in der Kreide und waren nahezu zahlungsunfähig. Durch einen ebenso kühnen wie kontroversen Plan gelang es Finanzminister Alexander Hamilton, den öffentlichen Kredit wiederherzustellen. Die Bundesregierung versprach, alle Staatsschulden, auch die der Einzelstaaten, zu ihrem Nennwert zu honorieren, und emittierte neue langfristige und attraktiv verzinste Schuldverschreibungen. Gleichzeitig steigerte sie die Staatseinnahmen durch höhere Importzölle und den Verkauf von Bundesland. Hamiltons Plan war ein finanzpolitisches Meisterstück, begünstigte aber reiche Spekulanten, die verschuldeten Farmern und Gewerbetreibenden die Staatspapiere weit unter ihrem Nennwert abgekauft hatten. Hamiltons zweite fiskalische Maßnahme war die Gründung einer nationalen Bank zur Finanzierung von Handel und Gewerbe. Private Investoren konnten ihr Geld risikolos in die Bank stecken, da die US-Regierung die Einlagen garantierte. Die von Thomas Jefferson und James Madison geführte Opposition kritisierte nicht nur, dass die Bank Kapitalinteressen auf Kosten der einfachen Steuerzahler bevorzuge, sondern

Wahl George Washingtons zum ersten Präsidenten

Hamiltons Finanzpolitik

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Federalists vs. Republicans

Jay’s Treaty

Washingtons Farewell Address

Die Wahl von 1800

I. Darstellung

bestritt auch, dass die Bundesregierung überhaupt die verfassungsrechtliche Kompetenz zur Einrichtung einer Bank habe. Hinter diesen Differenzen standen grundlegend verschiedene Vorstellungen über die politische und wirtschaftliche Zukunft der USA. Die „Federalists“ um Washington, Hamilton und John Adams favorisierten eine starke Bundesregierung, die Handel und Manufakturen nach Kräften fördern sollte, während die Anhänger Jeffersons, die bald unter den Namen „Republicans“ eintraten oder „Democrats“ bekannt waren, die Souveränität der Einzelstaaten hochhielten und für eine egalitäre, agrarisch geprägte Republik. In der Außenpolitik drohten die USA in den Krieg zwischen Großbritannien und dem revolutionären Frankreich hineingezogen zu werden. Zahlreiche Amerikaner hegten große Sympathie für die französische „Schwesterrepublik“ (seit September 1792) und empörten sich darüber, dass die Briten weiterhin die Indianerstämme westlich der Appalachen zum Widerstand gegen die amerikanischen Siedler ermutigten und dass die Royal Navy amerikanische Schiffe durchsuchte und Matrosen in ihre Dienste presste. Amerikanische Freibeuter beteiligten sich am Kaperkrieg gegen Großbritannien, und besonders im Süden erklangen Forderungen nach einer Kriegserklärung. Die Washington-Administration wollte jedoch den Krieg vermeiden und schloss 1795 einen Kompromiss mit London (Jay’s Treaty), den die Opposition als ungünstig und ehrlos attackierte. Der britisch-amerikanische Ausgleich erzürnte auch die Franzosen, die, nachdem sich ihre Hoffnungen auf einen Sieg Thomas Jeffersons über John Adams bei den Präsidentschaftswahlen 1796 zerschlagen hatten, ihrerseits einen Kaperkrieg gegen amerikanische Handelsschiffe begannen. In seiner berühmten Abschiedsbotschaft von 1796 (Farewell Address) warnte der scheidende Präsident George Washington seine Landsleute vor Parteienzwist, dauerhaften außenpolitischen Bündnissen und „exzessiver Parteinahme zugunsten einer Nation“. Tatsächlich hatte die Französische Revolution erheblich zur politisch-ideologischen Polarisierung der USA beigetragen. Während die Republicans mit Begeisterung verfolgten, dass Frankreich offenkundig dem amerikanischen Vorbild nacheiferte, wandten sich die Federalists spätestens mit Beginn des Jakobinerterrors angewidert von der Französischen Revolution ab, die in ihren Augen alle traditionellen Befürchtungen über die Gefahren entfesselter „Pöbelherrschaft“ bestätigte. Die Republicans galten ihnen als gefährliche Demagogen, die nur darauf warteten, auch in Amerika eine Jakobinerherrschaft zu errichten. Die Republicans ihrerseits verdächtigten die Federalists, Umsturzpläne zur Einführung der Monarchie zu hegen. Doch trotz des durch Putschgerüchte und Repressionsversuche der Adams-Administration aufgeheizten innenpolitischen Klimas kam es 1801 zu einem friedlichen Machtwechsel, nachdem Jefferson die Wahlen von 1800 knapp für sich entschieden hatte. Damit war ein wichtiger und keineswegs selbstverständlicher Präzedenzfall geschaffen – trotz mehrerer heftig umstrittener Wahlen sind bisher alle Regierungswechsel im Rahmen der US-Verfassung erfolgt. Jefferson war bemüht, die parteipolitischen Gräben zuzuschütten – die später von ihm beschworene „Revolution von 1800“ fand nicht statt –, setzte aber mit der drastischen Senkung der Staatsausgaben und Steuern Akzente im Sin-

3. Von der Unabhängigkeit zur Sezession

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ne der Republicans. Sehr viel bedeutsamer war freilich der Kauf des Louisiana-Territoriums (Louisiana Purchase), der mit einem Schlag das Staatsgebiet der USA verdoppelte. Im Jahre 1800 hatte Spanien das riesige, vom Mississippi bis an die Rocky Mountains und den Oberlauf des Missouri reichende Louisiana, das es selbst nach dem Siebenjährigen Krieg vom französischen König übernommen hatte, an das napoleonische Frankreich zurückgeben müssen. Für die Amerikaner entstand damit eine doppelte Bedrohung. Erstens kontrollierte Frankreich nun den Hafen von New Orleans, über den die westlich der Appalachen siedelnden Farmer ihre Erzeugnisse verschifften. Zweitens blockierten die wiederbelebten französischen Gebietsansprüche die Expansion über den Mississippi hinaus. Jefferson, der fest an die amerikanische Mission glaubte, auf dem nordamerikanischen Kontinent, inklusive Kanada, ein „Empire of Liberty“ zu schaffen, entsandte eine Delegation mit dem Auftrag nach Paris, New Orleans zu erwerben. Doch zur Freude der Amerikaner verkaufte Napoleon, der seine Kräfte auf Europa konzentrieren musste, gleich das gesamte Territorium für den moderaten Preis von 15 Millionen Dollar. Der Präsident überwand rasch seine verfassungsrechtlichen Zweifel, ob er zum Kauf neuen Staatsgebietes befugt war, und der Senat ratifizierte den Handel mit überwältigender Mehrheit. Als 1803 ein neuer Krieg zwischen Frankreich und Großbritannien ausbrach, gerieten die USA erneut zwischen die Fronten. Beide Kriegsparteien ignorierten die amerikanische Neutralität und blockierten den freien Handel. Die Royal Navy verhaftete darüber hinaus zahlreiche amerikanische Matrosen als angebliche Deserteure. Als die Lage 1806/7 bis an den Rand des Krieges eskalierte, verhängte Jefferson ein totales Außenhandelsverbot, um England und Frankreich zur Anerkennung der amerikanischen Neutralität zu zwingen. Es stellte sich allerdings heraus, dass die Europäer keineswegs von USImporten abhängig waren und der wenig durchdachte Embargo Act lediglich die heimische Wirtschaft ruinierte. Die Kaufleute und Seefahrer Neuenglands ebenso wie die Baumwollpflanzer des Südens schäumten vor Wut über „Mad Tom“ Jefferson. Kurz nach dem Ende seiner Präsidentschaft im Frühjahr 1809 wurde das Gesetz zwar abgeschwächt, das Embargo gegenüber Frankreich und England blieb aber bestehen. Vor allem die Streitigkeiten mit Großbritannien hielten an. Getrieben von den „Falken“ im Repräsentantenhaus erklärte Jeffersons Nachfolger James Madison schließlich 1812 Großbritannien den Krieg, weil die Briten nicht davon lassen wollten, die Besatzungen amerikanischer Handelsschiffe in die Royal Navy zu pressen. Dieser so genannte zweite Unabhängigkeitskrieg, in dem die Amerikaner mehrfach Anläufe zur Eroberung Kanadas unternahmen, wäre freilich beinahe zum Desaster geworden – britische Truppen brannten die neue Hauptstadt Washington nieder – und endete mit der Wiederherstellung des Status quo ante. Da die Amerikaner jedoch bei New Orleans die letzte Schlacht gewonnen hatten, feierte die amerikanische Öffentlichkeit das Kriegsende als Sieg. Mit dem Ende der napoleonischen Kriege erledigten sich auch die Konflikte um die amerikanische Neutralität und die Freiheit der Meere, die die US-Außenpolitik ein Vierteljahrhundert beschäftigt hatten. Der Krieg von 1812 hatte gewichtige innenpolitische Folgen. Die Federa-

Louisiana Purchase

Embargo Act

Der Krieg von 1812

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Era of Good Feelings

Monroe-Doktrin

Missouri Compromise

I. Darstellung

lists in Neuengland und New York, wo der Krieg wegen seiner wirtschaftlichen Auswirkungen äußerst unpopulär war, hatten offen mit dem Gedanken der Sezession gespielt und standen nach Kriegsende als Verräter am Pranger. Auch in ihren Hochburgen verloren sie fast alle Unterstützung. Madisons republikanischer Nachfolger James Monroe, wie seine beiden Vorgänger ein wohlhabender Pflanzer aus Virginia, gewann die Wahlen von 1816 mit überwältigender Mehrheit. Als er bei seinem Antrittsbesuch in Neuengland überaus herzlich empfangen wurde, sprach eine Bostoner Zeitung vom Anbruch einer „Zeit des guten Einvernehmens“ (era of good feelings). Bei seiner Wiederwahl 1820 hatte Monroe keinen Gegenkandidaten. Der neue politische Konsens gründete auch darauf, dass die Republicans nunmehr zentrale Programmpunkte der Federalists übernahmen, etwa den öffentlichen Straßenbau, Schutzzölle und sogar die Nationalbank. Ihr wachsendes nationales Selbstbewusstsein veranlasste die Amerikaner, ihren kontinentalen Vormachtanspruch immer offensiver zu vertreten. Im Jahre 1819 ließen die USA dem durch die lateinamerikanischen Unabhängigkeitsbewegungen bedrängten Spanien keine andere Wahl, als Florida zu verkaufen, nachdem eine militärische Invasion zuvor deutlich gemacht hatte, dass man sich das Gebiet auch mit Gewalt nehmen würde. Als das spanische Kolonialreich in Mittel- und Südamerika vor dem Kollaps stand, warnte Präsident Monroe in seiner berühmten Botschaft vom Dezember 1823 die europäischen Mächte, die USA würden jeden zukünftigen Versuch, neue Kolonien in den Amerikas zu errichten und ihr System des „politischen Absolutismus“ auf die westliche Hemisphäre auszudehnen, als Gefahr für die eigene Sicherheit betrachten. Den Vorschlag einiger lateinamerikanischer Staaten, die Erklärung zur Grundlage eines Bündnisses zwischen gleichberechtigten Partnern zu machen, lehnte die US-Regierung jedoch ab. Tatsächlich wurde die Monroe-Doktrin in den folgenden Jahrzehnten zur Grundlage für den Hegemonialanspruch der Vereinigten Staaten auf dem amerikanischen Doppelkontinent. Unter der Oberfläche guten Einvernehmens gärte jedoch bereits der sektionale Konflikt zwischen den freien Staaten des Nordens und den Sklavenhalterstaaten des Südens. Bislang war die Machtbalance sorgfältig gewahrt worden. Bis 1817 wuchs die Zahl der Bundesstaaten auf 22; in elf Staaten war die Sklaverei erlaubt, in den übrigen elf verboten. Als 1819 die Siedler des Territoriums von Missouri, wo ca. 10 000 Sklaven lebten, beim Kongress um Aufnahme als Sklavenstaat nachsuchten, drohte das Gleichgewicht zugunsten der Sklavenhalter zu kippen. Der Kongress teilte sich in zwei strikt nach regionaler Zugehörigkeit getrennte Lager. Die Nordstaatler witterten eine Verschwörung der Sklavenhalteroligarchie, die „besondere Einrichtung“ (peculiar institution) des Südens in den Westen auszudehnen, den sie freien weißen Siedlern vorbehalten wollten. Umgekehrt glaubten viele Südstaatler an ein Komplott zur völligen Abschaffung der Sklaverei. Erst nach mehreren Monaten einigte man sich auf den so genannten Missouri Compromise. Missouri wurde als Sklavenstaat in die Union aufgenommen, im Gegenzug ließ der Kongress das bisher zu Massachusetts gehörende Maine als sklavenfreien Staat zu. Das restliche Gebiet des Louisiana Purchase westlich und nördlich von

3. Von der Unabhängigkeit zur Sezession

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Missouri sollte jedoch der Sklaverei verschlossen bleiben. Der Zusammenprall der sektionalen Interessen und Ängste in der Missouri-Krise klang für Thomas Jefferson wie eine „Feuerglocke in der Nacht“, die großes Unheil ankündigte. Die „Zeit des guten Einvernehmens“ endete spätestens mit der Präsidentschaftswahl 1824, in der Andrew Jackson aus Tennessee zwar eine relative Mehrheit der Wähler und Wahlmänner errang, bei der für diesen Fall vorgesehenen Wahl durch das Repräsentantenhaus aber John Quincy Adams aus Massachusetts unterlag, einem Sohn des zweiten US-Präsidenten John Adams. Damit war der Grundstein für ein neues Parteiensystem gelegt. Die Republicans spalteten sich in die National Republicans, die ab den 1830er Jahren Whigs genannt und von John Quincy Adams und Henry Clay aus Kentucky angeführt wurden, und die Democratic Party um Jackson. Während die Whigs viele der konservativen und bundesstaatlichen Traditionen der Federalists fortführten, die als politische Kraft nicht mehr in Erscheinung traten, verstanden sich die Jacksonian Democrats als Partei des einfachen Volkes und der Einzelstaatsrechte. Jackson, selbst ein Kind der Frontier, hatte es schon als junger Mann zum wohlhabenden Pflanzer und Sklavenhalter gebracht und machte sich im Krieg von 1812 einen Namen als Kriegsheld. Sein rustikales Auftreten stand in krassem Gegensatz zur kultivierten Ostküstenelite, wie sie John Quincy Adams verkörperte. „Old Hickory“, wie seine Anhänger Jackson nannten, präsentierte sich als Vertreter des common man und rechtfertigte nach seiner Wahl zum Präsidenten im Jahre 1828 die von ihm betriebene Ämterpatronage mit dem Argument, die Pflichten öffentlicher Ämter seien so simpel, dass jeder einfache Mann sie erfüllen könne und keine volksferne Bürokratie erforderlich sei. Das zweite Parteiensystem wurde von einer breiten Demokratisierungsbewegung getragen, an deren Spitze die westlichen Frontierstaaten marschierten. In den nach 1800 in die Union aufgenommenen Staaten galt von Anfang an das allgemeine Wahlrecht für weiße Männer ohne Besitzklauseln, hier wurde zuerst die Direktwahl von Gouverneuren, Richtern sowie der Delegierten zum Wahlmännerkollegium bei der Präsidentenwahl eingeführt. In der Ära der Jacksonian Democracy, die Alexis de Tocqueville in seinem berühmtem Werk Über die Demokratie in Amerika beschrieb, bildeten sich die Grundlagen der amerikanischen politischen Kultur aus, die man mit folgenden Stichwörtern umreißen kann: Individualismus – verstanden als Recht auf ein Höchstmaß an persönlicher Freiheit und als profundes Misstrauen gegen staatliche Bevormundung; Egalitarismus – verstanden als ökonomische Chancengleichheit und Ablehnung traditioneller Statushierarchien; Populismus – verstanden als Anspruch auf umfassende politische Partizipation der Bürger und Kontrolle der Regierenden. Anfang der 1840er Jahre durften praktisch alle weißen Männer über 21 Jahren wählen. Und während 1824 gerade einmal ein Viertel der Wahlberechtigten ihre Stimmen abgegeben hatten, stieg die Wahlbeteiligung bis 1840 auf 80 %. Eine wichtige Triebkraft der Politisierung war der Aufschwung der Massenpresse in den 1830er Jahren, als die tägliche Gesamtauflage der amerikanischen Zeitungen von 80 000 auf über 300 000 hochschnellte. Während seiner acht Amtsjahre (1829–1837) lenkte Andrew Jackson die USPräsidentschaft in eine plebiszitär-populistische Richtung. Er legte häufiger ein

Spaltung der Republicans

Andrew Jackson

Jacksonian Democracy

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Nullification Crisis

Der „Bank War“

Indian Removal Act

I. Darstellung

Veto gegen den Kongress ein als alle seine Vorgänger zusammen. Und trotz seiner prinzipiellen Sympathie für den Süden und die Einzelstaatsrechte verteidigte er entschieden die Autorität des Bundes und des Präsidenten, als South Carolina 1832 das Recht beanspruchte, ein als wirtschaftlich schädlich betrachtetes Zollgesetz des Bundes für nichtig zu erklären (nullification). Jackson ließ sich vom Kongress ausdrücklich zum Einsatz militärischer Gewalt ermächtigen, um dem Zollgesetz Geltung zu verschaffen, entschärfte den Konflikt aber, indem er gleichzeitig eine deutliche Senkung der Zolltarife in die Wege leitete. Dafür führte er im Namen der Einzelstaaten und der kleinen Leute einen Kreuzzug gegen die Bank of the United States, die er als verfassungswidriges Instrument der Plutokratie verteufelte. Jackson legte erfolgreich sein Veto gegen eine neue Lizenz für die Bank ein, zog alle Bundeseinlagen ab und deponierte sie stattdessen bei Einzelstaatsbanken, die nun allerdings unkontrolliert Papiergeld emittierten. Die Spekulationsblase platzte 1837 und zog eine schwere Depression nach sich. Die Whig-Opposition kritisierte heftig Jacksons zunehmende Selbstherrlichkeit und karikierte ihn als „King Andrew“. Nur auf schwache Kritik stieß dagegen die von Jackson energisch verfolgte Vertreibung der verbliebenen Indianerstämme aus dem Gebiet östlich des Mississippi. Seit dem Ende der britischen Herrschaft sahen sich die Indianer dem ungebremsten Expansionsdrang amerikanischer Siedler gegenüber, während Krankheiten, Alkohol und betrügerische Landverkäufe ihre Lebensgrundlagen zerstörten. Kriegerischer Widerstand, wie der Aufstand der Shawnee, die sich unter ihrem Häuptling Tecumseh im Krieg von 1812 den Briten anschlossen, endete stets mit Niederlagen und Massakern an den unterlegenen Indianern. Gleichzeitig dominierten rassistische Stereotypen immer stärker das Indianerbild der weißen Amerikaner. Ob sie nun als blutrünstige Barbaren oder „edle Wilde“ dargestellt wurden, in jedem Fall erschienen die Ureinwohner als eine zum Untergang verdammte „Rasse“, die der überlegenen amerikanischen Zivilisation weichen musste. In Wirklichkeit hatten sich die Stämme östlich des Mississippi seit Langem der euroamerikanischen Lebensweise angepasst. Dies galt insbesondere für die so genannten „fünf zivilisierten Stämme“ – die Cherokee, Creek, Choctaw, Chicasaw und Seminolen, die große Teile des Südens zwischen South Carolina, Florida und Mississippi bewohnten. Die Cherokee waren sesshafte Bauern geworden und viele hatten das Christentum angenommen. Ein Mitglied des Stammes hatte eine Schrift für die Sprache der Cherokee entwickelt, andere gaben eine englischsprachige Zeitung heraus. Alle diese „zivilisatorischen Errungenschaften“ änderten nichts daran, dass Siedler und Baumwollpflanzer das Land der Indianer wollten. Mehrere Südstaaten übten massiven Druck auf die Stämme aus, ihr Land zu verkaufen und nach Westen zu ziehen. Andrew Jackson, der sich als rücksichtsloser Indianerkämpfer Kriegsruhm erworben hatte, unterstützte die Forderung nach Vertreibung und wollte Schluss machen mit der „Farce“, die Indianer als unabhängige Nationen zu behandeln, mit denen die USA Verträge schließen müssten. Bereits 1830 brachte er den Indian Removal Act durch den Kongress, der den Präsidenten zur Umsiedlung der Indianer, notfalls mit Gewalt, ermächtigte. Einige Stämme fügten sich in ihr Schicksal, andere kämpften bis zum bitteren Ende. Die Che-

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rokee beschritten den Klageweg, aber obwohl ihnen der Oberste Gerichtshof in zwei Entscheidungen bestätigte, dass sie ein Recht auf ihr Land und auf Schutz durch die Bundesregierung hatten, weigerte sich Jackson, den Urteilen Geltung zu verschaffen. Stattdessen wurden 16 000 Cherokee in Reservate in Arkansas und Oklahoma deportiert; etwa 4000 starben auf diesem „Pfad der Tränen“. Zu diesem Zeitpunkt griffen amerikanische Siedler bereits über den Mississippi hinaus. Das Ziel blieb die Expansion bis zur Pazifikküste, wo sowohl die USA als auch Großbritannien Ansprüche auf das riesige Oregon-Territorium erhoben, das den gesamten Nordwesten der heutigen USA sowie das kanadische British Columbia umfasste. Ein britisch-amerikanisches Abkommen teilte 1846 das Gebiet am 49. Breitengrad, nachdem US-Präsident Polk (1845–1849) zuvor lautstark mit dem Säbel gerasselt hatte. Der Südwesten Nordamerikas jedoch stand unter der Herrschaft Mexikos, dem mit der Unabhängigkeit 1821 auch die spanischen Gebiete nördlich des Rio Grande zugefallen waren. Um das dünn besiedelte Texas zu bevölkern, erlaubte die mexikanische Regierung angloamerikanischen Siedlern, darunter zahlreiche Sklavenhalter, sich in Texas niederzulassen. Allerdings waren diese längerfristig nicht bereit, unter mexikanischer Oberhoheit zu leben oder Zuwanderungsbeschränkungen zu akzeptieren. Mitte der 1830er Jahre lebten bereits 30 000 Angloamerikaner in Texas. Der 1836 unternommene Versuch der mexikanischen Regierung, ihre Autorität mit militärischer Gewalt wiederherzustellen, scheiterte jedoch und provozierte die texanische Unabhängigkeitserklärung, die Mexiko nie offiziell anerkannte. Auch die große Mehrheit der Anglo-Texaner glaubte nicht an eine unabhängige Republik Texas, sondern wünschte die Aufnahme als Bundesstaat der USA. Dass eine Annexion höchstwahrscheinlich Krieg mit Mexiko bedeuten würde, war nicht der einzige Grund, warum Texas in den 1840er Jahren zu einer zentralen Streitfrage der amerikanischen Politik wurde. Die Opposition gegen eine Einverleibung der texanischen Republik kam vielmehr vor allem von denjenigen Nordstaatlern, die sich der Aufnahme eines weiteren großen Sklavenstaates widersetzten. Mit der Wahl des Demokraten James Polk 1844, eines Sklavenhalters aus Tennessee, schwenkte die US-Regierung dann aber auf Annexionskurs ein. Nachdem ein texanischer Konvent symbolträchtig am 4. Juli 1845 ein Gesuch auf Aufnahme in die Union beschlossen hatte, entsandte Polk sofort US-Truppen in das umstrittene Grenzgebiet zwischen Texas und Mexiko und bot den Mexikanern an, die Provinzen New Mexico und Kalifornien zu kaufen. Als im Mai 1846 die Verhandlungen scheiterten, erklärte Polk unter einem Vorwand Mexiko den Krieg. Die beträchtliche inneramerikanische Opposition gegen den Krieg verstummte in Anbetracht des schnellen Sieges der US-Armee, die im September 1847 die mexikanische Hauptstadt einnahm. Im nachfolgenden Frieden von Guadalupe Hidalgo vom Februar 1848 musste Mexiko alle seine Territorien nördlich des Rio Grande sowie Kalifornien abtreten. Radikale Stimmen hatten sogar die Annexion ganz Mexikos gefordert. Die große Mehrheit der Amerikaner hatte indessen keinerlei Interesse, Millionen Mexikaner, die einer angeblich degenerierten Kultur und „Rasse“ angehörten, in die Republik freier angelsächsischer Männer aufzunehmen.

Teilung Oregons

Texanische Unabhängigkeit

Der Krieg gegen Mexiko 1846–1848

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Manifest Destiny

I. Darstellung

Die populäre Losung für den territorialen Expansionismus der 1840er Jahre lieferte der Journalist John L. O’ Sullivan, der 1845 die Annexion von Texas und den Anspruch der USA auf das Oregon-Territorium mit der „offenkundigen Bestimmung“ (manifest destiny) der Amerikaner begründete, den gesamten nordamerikanischen Kontinent in Besitz zu nehmen und das „große Experiment“ der Freiheit und Demokratie zum Erfolg zu führen. Der Gedanke einer göttlichen Mission Amerikas war keineswegs neu, doch entfaltete er in der beginnenden Ära der Massendemokratie eine neue Dynamik. Nur durch Expansion konnte Amerika auf Dauer sein Versprechen einlösen, dass alle hart arbeitenden und wagemutigen Menschen die Chance auf wirtschaftliche Unabhängigkeit und Prosperität haben sollten. Viele Amerikaner, darunter James Polk und John O’Sullivan, hofften zudem, dass die territoriale Expansion die Einheit der Nation fördern und so den schwelenden sektionalen Konflikt entschärfen werde. Das Gegenteil war der Fall. Die riesigen Gebietszuwächse warfen sofort die Frage auf, ob diese in Zukunft der Sklaverei offenstehen sollten oder nicht, und lösten damit die Ereigniskette aus, die schließlich zum Bürgerkrieg führte. 3.3 Gesellschaft und Ökonomie in der Antebellum-Ära

Bevölkerungswachstum

Masseneinwanderung aus Europa

John O’Sullivan forderte die kontinentale Ausbreitung der USA auch unter Hinweis darauf, dass nur sie die „freie Entwicklung unserer sich jährlich um Millionen vermehrenden Bevölkerung“ gewährleiste. In der Tat wuchs die Einwohnerzahl der Vereinigten Staaten von der Staatsgründung bis zum Bürgerkrieg mit beispielloser Dynamik, nämlich um rund 35 % in jedem Jahrzehnt. Der erstmals 1790 durchgeführte Zensus ergab knapp 4 Millionen Einwohner; 1840 lag die Bevölkerung schon bei über 17 Millionen und 20 Jahre später bei 31,5 Millionen. In den ersten Jahrzehnten nach der Gründung der USA beruhte das Bevölkerungswachstum, wie schon in der Kolonialzeit, hauptsächlich auf natürlicher Reproduktion, sinkender Sterblichkeit und steigender Lebenserwartung, während Einwanderung noch eine untergeordnete Rolle spielte. Erst nach dem Krieg von 1812 stieg die Zahl der Immigranten deutlich an. Zwischen 1815 und 1840 kamen etwa 800 000 Europäer in die USA. In den beiden folgenden Jahrzehnten setzte dann eine spektakuläre Masseneinwanderung ein, die bis zum Bürgerkrieg ca. 4,2 Millionen Neuankömmlinge nach Amerika brachte. Relativ zur Gesamtbevölkerung war dies die größte Einwanderungswelle der US-Geschichte. In weiten Teilen West- und Mitteleuropas hatte das Wachstum der Bevölkerung zu Landknappheit und Verelendungstendenzen geführt (Push-Faktoren), während in Amerika die Aussicht auf freies Land und hohe Löhne lockte (Pull-Faktoren). Zudem hingen viele europäische Regierungen noch der Malthusianischen Lehre von den natürlichen Grenzen des Bevölkerungswachstums an und förderten Auswanderung als soziales Sicherheitsventil. Die Berichte vieler Auswanderer über den amerikanischen Wohlstand veranlasste die „Kettenwanderung“ ganzer Großfamilien und Dör-

3. Von der Unabhängigkeit zur Sezession

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fer. Obwohl die hochgesteckten Erwartungen zunächst oft enttäuscht wurden, eröffneten der hohe Arbeitskräftebedarf der Frühindustrialisierung und die Erschließung riesiger landwirtschaftlich nutzbarer Gebiete den Immigranten mittelfristig bessere wirtschaftliche Chancen, als sie die Heimat bot. Die meisten Neuankömmlinge ließen sich im Nordosten und im Mittelwesten um die Großen Seen nieder; in den Süden gingen nur wenige, weil die Sklaverei wenig Raum für „freie weiße Arbeit“ ließ. Die Masseneinwanderung der Antebellum-Ära veränderte nachhaltig die ethnische Zusammensetzung der USA, denn die große Mehrheit der Immigranten kam entweder aus Irland oder Deutschland. Zwischen 1840 und 1860 trafen etwa 1,7 Millionen Iren und 1,4 Millionen Deutsche ein, die zusammen fast drei Viertel aller Einwanderer stellten. Die übrigen Immigranten waren Engländer, Schotten, Waliser und Skandinavier. Unter den Deutschen waren die politischen Flüchtlinge, die im Vormärz und nach der gescheiterten Revolution von 1848/49 in die USA kamen, mit maximal 10 000 Personen eine zahlenmäßig kleine, doch prominente Gruppe. Wichtiger war, dass die soziale Struktur der deutschen Immigranten insgesamt recht ausgewogen war. Neben landlosen Bauern zog es zahlreiche Handwerker, Kaufleute und selbst Angehörige der kulturellen Elite nach Amerika. Die gemeinsame Sprache und Kultur, die deutsche Einwanderer in der dominanten angloamerikanischen Umwelt entdeckten, ließ überall deutsche Stadtviertel und Gemeinden entstehen mit deutschen Kirchen, Zeitungen, Biergärten, Turn- und Gesangvereinen. Die Iren dagegen entsprachen eher dem Bild von Elendsflüchtigen, insbesondere nach Beginn der großen Hungersnot in Irland Mitte der 1840er Jahre. Die meist analphabetischen irischen Einwanderer, die überwiegend in den Slums der größeren Städte lebten, mussten harte und schlecht bezahlte Arbeit annehmen, um ein karges Auskommen zu finden. Unter den Neuankömmlingen waren überproportional viele junge Frauen, die sich als Dienstmädchen oder Arbeiterinnen in der Textilindustrie verdingten. Da die Iren unter den europäischen Einwanderern auf der untersten Stufe der sozialen Leiter standen, entwickelte sich ein scharfer Konkurrenzkampf mit der freien schwarzen Bevölkerung des Nordens. Das Verlangen, zur „weißen Rasse“ zu gehören, war bei den Iren besonders ausgeprägt, weil es Bevorzugung auf dem Arbeitsmarkt und soziale Anerkennung verhieß. Die irische und deutsche Masseneinwanderung löste bei vielen Angloamerikanern nativistische Ressentiments aus, zum einen, weil die Immigranten unwillkommene wirtschaftliche Konkurrenten waren, zum anderen, weil beide Gruppen wegen ihrer Sprache, Kultur und Religion als fremd wahrgenommen wurden. Der Nativismus war kein neues Phänomen – schon Benjamin Franklin hatte gegen die „Überfremdung“ Pennsylvanias durch Deutsche polemisiert – doch in der Mitte des 19. Jahrhunderts kam es erstmals zu einer scharfen ethnoreligiösen Polarisierung in der amerikanischen Gesellschaft. Die massenhafte Einwanderung irischer und deutscher Katholiken – deutsche Lutheraner erschienen weniger bedrohlich – ließ den Anteil der calvinistischen Protestanten auf ca. 70 % sinken und rief Ängste und Intoleranz hervor. Unter AngloProtestanten kursierten Verschwörungstheorien, die in der Einwanderung

Deutsche Einwanderer

Irische Einwanderer

Nativismus

Antikatholizismus

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Erwerb der Staatsbürgerschaft

Parteimaschinen

Transportrevolution

I. Darstellung

der Katholiken ein Komplott des Vatikans sahen, Freiheit und Demokratie in Amerika zu untergraben. Gewalttätige Zusammenstöße zwischen Nativisten und Einwanderern waren keine Seltenheit; 1844 kamen bei Unruhen in Philadelphia mindestens 16 Menschen ums Leben. Zudem pflegten Iren und Deutsche Alkoholkonsum als Teil der Geselligkeit und gerieten so ständig in Konflikt mit lokalen Vorschriften, die Alkoholgenuss an Sonn- und Feiertagen untersagten. Ihren Höhepunkt erreichte die nativistische Bewegung Anfang der 1850er Jahre, als die so genannten „Know Nothings“, wie die neue Partei wegen ihrer geheimbündlerischen Ursprünge genannt wurde, zeitweilig die Politik der Neuenglandstaaten dominierten. Auf nationaler Ebene hatten die Forderungen der Nativisten nach drastischen Einwanderungsbeschränkungen und Unterdrückung der Katholiken jedoch keinen Erfolg. Die Grenzen der USA blieben für Einwanderer aus Europa offen, die nach fünf Jahren die amerikanische Staatsbürgerschaft erwerben konnten, sofern sie nicht straffällig geworden waren und einen Eid auf die Verfassung schworen. In der Praxis wurden viele Einwanderer schneller eingebürgert, weil insbesondere die Demokratische Partei sie als Wählerpotenzial entdeckt hatte. Die Korruption der „Parteimaschinen“, z. B. der berüchtigten, von Iren dominierten Tammany Hall in New York – in St. Louis und Milwaukee kontrollierten Deutsche die Demokratische Partei – ist legendär, doch spielten die „Bosse“ und „machines“ für die politische und soziale Integration der Einwanderer eine wichtige Rolle. Um Unterkunft und Arbeit zu bekommen, mussten sich Neuankömmlinge erst einmal an den örtlichen „Parteiboss“ wenden. Die wirtschaftliche Entwicklung der USA verlief in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts ähnlich dynamisch wie die demografische. Die schweren Wirtschaftskrisen von 1819 und 1837, die beide durch geplatzte Spekulationsblasen ausgelöst wurden, bremsten diese Dynamik nur zeitweilig. Bei der wirtschaftlichen Expansion spielte die Bundesregierung eine aktive Rolle. Schutzzölle schirmten den amerikanischen Markt ab, während der Staat den Ausbau des Verkehrwesens vorantrieb. Das Herzstück dieser so genannten „Transportrevolution“ war der Kanalbau, der die Ostküste mit den Großen Seen und den Fluss-Systemen des Ohio und Mississippi verband und es den Farmern des Westens ermöglichte, ihre Produkte schneller und billiger in die Städte des Ostens und nach Europa zu verschiffen. Der 1825 eröffnete Eriekanal, der den Hudson River mit dem Eriesee verband, war mit 584 Kilometern zehnmal länger als jeder bis dahin in Nordamerika gegrabene Kanal. Hinzu kam, dass auf den großen Flüssen und Seen Dampfschiffe zunehmend die langsamen Lastkähne und Flöße ersetzten. Die Ära der Transport- und Passagierschifffahrt wurde aber schon seit den 1830er Jahren allmählich vom Eisenbahnbau abgelöst; 1850 umfasste das Schienennetz bereits 14 500 Kilometer, zehn Jahre später über 48 000. Auch den Eisenbahnbau förderten der Bund und die Einzelstaaten durch großzügige Landschenkungen. Die 1844 erstmals öffentlich ausgeführte Telegrafie markiert den Beginn eines neuen Zeitalters der Kommunikation. Angesichts der weit verbreiteten Vorstellung, dass die USA ihren ökonomischen Aufstieg allein wagemutiger Privatinitiative

3. Von der Unabhängigkeit zur Sezession

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verdankten, muss daran erinnert werden, dass Henry Clay, einer der Architekten der Schutzzoll- und Infrastrukturpolitik, den Staatsinterventionismus des frühen 19. Jahrhundert als „American System“ popularisierte. Die Verbesserung der Transportwege trug maßgeblich dazu bei, dass der Westen Teil der aufblühenden Markt- und Geldwirtschaft wurden. Viele Familienfarmer agierten als landwirtschaftliche Kleinunternehmer, die für die Märkte im Osten und in Europa produzierten. Sie kauften neues Land auf Kredit und gerieten unvermeidlich in eine Schuldenfalle, sobald der Absatz einbrach. Die Transportrevolution ließ außerdem neue Handelszentren entstehen und förderte die Urbanisierung. Noch 1820 lebten lediglich 6 % aller Amerikaner in Städten mit mehr als 2500 Einwohnern und es gab nur zwei Städte, New York und Philadelphia, mit über 100 000 Bewohnern. Bis zum Bürgerkrieg stieg der Anteil der Stadtbewohner auf 20 %, und besonders im Nordwesten entstanden zahlreiche neue Städte, darunter Buffalo, Cincinnati, Cleveland und Chicago, das 1860 über 100 000 Einwohner zählte. Die neuen Verkehrswege hatten allerdings auch Schattenseiten. So breitete sich 1832/33 eine Choleraepidemie von New York über den Eriekanal nach Ohio und entlang dem Mississippi bis nach New Orleans aus. Die Frühindustrialisierung begann in Neuengland, wo sich bereits vor 1800 eine Textilindustrie entwickelte. Im Jahre 1813 gründeten Kaufleute die Boston Manufacturing Company in Lowell und Waltham, Massachusetts, die 20 Jahre später 6000 Arbeitskräfte beschäftigte. Die meisten davon waren junge alleinstehende Frauen, die sich einem strengen Regiment unterwerfen mussten. Große Fabriken waren jedoch untypisch, die gewerbliche Produktion fand eher in Heimarbeit und Kleinbetrieben statt, wo die Arbeitskräfte oft unter härtesten Bedingungen für miserable Löhne schufteten. In den 1830er Jahren kam es zu ersten Arbeitskämpfen für höhere Löhne und eine tägliche Höchstarbeitszeit von 10 Stunden. Wie in Europa verdrängte die zunehmend standardisierte und mechanisierte Produktion immer mehr freie Handwerker, von denen die meisten zu Lohnarbeitern wurden, während die Glücklicheren in die neue Unternehmerklasse aufstiegen. Der materielle Wohlstand war sehr ungleich verteilt, insbesondere im Süden und in den urbanen Zentren des Nordens. Dennoch fiel europäischen Besuchern wie Alexis de Tocqueville und Charles Dickens, die an Adelsprivilegien und starre Klassenhierarchien gewöhnt waren, der egalitäre Geist in den sozialen Beziehungen auf, der nicht zuletzt auf dem Versprechen basierte, dass in Amerika jeder einfache Mann sein Glück machen könne. Als Musterbeispiel für diesen Traum vom sozialen Aufstieg („from rags to riches“) galt der deutsche Einwanderer Johann Jacob Astor, der durch Fleiß, Geschick und politische Beziehungen zum reichsten Mann der USA wurde. Astors Karriere blieb ein Ausnahmefall, aber trotzdem waren die soziale Mobilität ebenso wie der durchschnittliche Lebensstandard in Amerika unbestreitbar höher als in Europa, auch wenn Arbeiterfamilien kaum ohne das Zusatzeinkommen der Frauen und Kinder über die Runden kamen. Dass sie im Verlaufe ihres Lebens Phasen wirtschaftlicher Not erlebten, betrachteten die meisten Amerikaner als Schicksal, das sie keineswegs sozial deklassierte, solange ihnen die Möglich-

American System

Urbanisierung

Frühindustrialisierung

From Rags to Riches

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Second Great Awakening

Mormonen

Moralische Reform der Gesellschaft

Frauenrechte

I. Darstellung

keit verblieb, durch eigene, möglichst selbstständige Arbeit, etwa als Farmer, Handwerker und Kaufmann, wieder auf die Beine zu kommen. Als arm im engeren Sinne galten nur die unverschuldet oder durch vermeintlich eigene Charakterlosigkeit dauerhaft Bedürftigen. Der egalitäre Geist des frühen 19. Jahrhunderts spiegelte sich auch in der zweiten Erweckungsbewegung, in deren Mittelpunkt so genannte revivals standen, religiöse Massenzusammenkünfte, bei denen zahllose Menschen ihre spirituelle Wiedergeburt erlebten und charismatische Wanderprediger allen das Himmelreich in Aussicht stellten, die der Sünde abschworen. Kritiker sahen in der religiösen Ekstase der „Camp Meetings“ geschickt inszenierte Scharlatanerie und einen Vorwand für sexuelle Ausschweifung. Über eines dieser revivals bemerkte ein Spötter, dort seien mehr Seelen gezeugt als errettet worden. Tatsächlich hatte der volkstümliche religiöse Enthusiasmus aber tief greifende soziokulturelle Auswirkungen. Die ohnehin beachtliche religiöse Vielfalt der USA verstärkte sich weiter und ließ zahlreiche neue Kirchen und Sekten entstehen. Die Methodisten wurden zur größten protestantischen Denomination. Endzeitliche Sekten wie die „Millerites“ bereiteten sich auf die Wiederkehr Christi vor und wurden zum öffentlichen Gespött, als ihre Prophezeiungen ausblieben. Der vitale religiöse Pluralismus machte Religionsfreiheit und Toleranz zu Geboten praktischer Vernunft, auch wenn einige Gruppen gewaltsame Ausgrenzung erlebten. Allerdings zogen sich die Mormonen, die „Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage“, den Volkszorn nicht primär deshalb zu, weil ihr Gründer, der 1844 von einem Mob ermordete Joseph Smith, behauptete, ihm sei mit dem „Buch Mormon“ eine neue Offenbarung zuteil geworden, sondern wegen der religiös begründeten Praxis der Vielehe. Wie andere religiöse Dissidenten vor ihnen wichen die Mormonen dem Druck durch Abwanderung aus und gründeten in der Wüste Utahs ihr „neues Zion“. Der optimistische Glaube der Evangelikalen an die universale Erlösung der Menschheit verstärkte die Tendenz zur Ausbildung einer auf Freiheit und Demokratie gegründeten amerikanischen Zivilreligion und inspirierte eine breite Bewegung zur moralischen Reform der Gesellschaft. Protestantische Reformer im Norden verschrieben sich dem Kampf gegen den Alkoholismus und die Sklaverei und traten u. a. für ein öffentliches Erziehungswesen und humanere Gefängnisse ein. Diesen Bestrebungen lag freilich kein genuin gesellschaftskritisches Konzept zugrunde, sondern der Appell an den einzelnen Sünder zu Umkehr und Besserung. Viele Historiker haben deshalb die Reformbewegungen der Antebellum-Zeit primär als Versuch zur sozialen Disziplinierung der Einwanderer und Unterschichten gedeutet, denen das protestantisch-kapitalistische Arbeitsethos beigebracht werden sollte. Dem lässt sich entgegenhalten, dass die Reformer sich durchaus realen sozialen Problemen zuwandten und dass, bei aller moralischen Selbstgefälligkeit, dem Streben nach Selbstdisziplin die Vision einer guten sozialen Ordnung zugrunde lag. Nicht zuletzt veränderte der Reformimpuls auch die Geschlechterrollen und eröffnete Frauen neue Möglichkeiten des sozialen und politischen Engagements. Der 1848 von Lucretia Mott und Elizabeth Cady Stanton in Seneca Falls, New York, einberufene Frauenrechtskonvent war das Ergebnis des sozialen Engagements vieler Frau-

3. Von der Unabhängigkeit zur Sezession

31

en, das ihr Bewusstsein für die eigene bürgerliche Entrechtung geschärft hatte. Die in Seneca Falls verabschiedeten Resolutionen, die rhetorisch der Unabhängigkeitserklärung nachgebildet waren, beklagten unter anderem die gesetzlich sanktionierte Unterwerfung von Ehefrauen unter die Willkür des Ehemanns. Bemerkenswerterweise billigte der Konvent die Forderung nach dem Wahlrecht nur mit knapper Mehrheit, weil selbst viele Frauenrechtlerinnen die Politik im engeren Sinne noch als männliche Domäne akzeptierten. Die radikalste Reformbewegung der Antebellum-Ära, in der Frauen ebenfalls eine aktive Rolle spielten, war der Abolitionismus, also das Eintreten für die sofortige und bedingungslose Abschaffung der Sklaverei. Diese Position vertrat indessen nur eine kleine Minderheit. Der Mehrheit der Sklavereigegner ging es weniger um das Schicksal der Sklaven als um die Würde und die Konkurrenzfähigkeit freier weißer Arbeit. Lange Zeit dominierte der Kolonisationgedanke die Diskussion im Norden. Die Sklaverei, so die Erwartung, würde schrittweise auslaufen, die Sklavenhalter sollten finanzielle Entschädigung erhalten und die freigelassenen Sklaven in ihrer afrikanischen „Heimat“ angesiedelt werden. Immerhin führten die Aktivitäten der „American Colonization Society“ (ab 1817) zur Schaffung der westafrikanischen Republik Liberia (1847), doch erwies sich das Konzept der Kolonisierung als realitätsfern, weil weder die Sklavenhalter noch eine nennenswerte Anzahl freier Schwarzer daran Interesse zeigten. Mit der Gründung der Zeitschrift The Liberator durch William Lloyd Garrison im Jahre 1831 und der American Antislavery Society 1833 formierte sich der Abolitionismus als Bewegung mit regionalem Schwerpunkt in Neuengland. Allerdings stritten die Abolitionisten heftig darüber, ob sie sich politisch betätigen sollten. Garrison lehnte diesen Weg zunächst entschieden ab, weil er unvermeidlich zum Kompromiss mit den Sklavenhaltern führen müsse. Viele weiße Abolitionisten begegneten Schwarzen mit paternalistischer Herablassung. Gleichwohl blieben sie für afroamerikanischen Gegner der Sklaverei wie Frederick Douglass und Sojourner Truth, beide selbst ehemalige Sklaven, die einzigen weißen Bündnispartner. Die Mehrheit der weißen Amerikaner betrachtete die Abolitionisten als gefährliche Fanatiker, die den sektionalen Frieden störten. Vor allem die Furcht, dass sich nach der Emanzipation eine Flut befreiter Sklaven in den Norden ergießen könnte, nährte unter der weißen Arbeiterklasse und den Einwanderern eine wütende Abneigung gegen den Abolitionismus, die sich häufig in Mobgewalt Luft machte. Der Süden betrachtete die Abolitionisten als seine geschworenen Feinde, die notfalls durch „Terror und Tod“ zum Schweigen gebracht werden mussten, wie der Pflanzer und Politiker John Henry Hammond aus South Carolina einmal offen bekannte. Abolitionistische Propaganda wurde konsequent unterdrückt, schon moderate Kritik an der Sklaverei konnte einen Lynchmob auf den Plan rufen. Die peculiar institution des Südens, wie die Sklaverei euphemistisch genannt wurde, war zum Kern eines regionalen Sonderbewusstseins geworden, das sich immer aggressiver artikulierte. Jefferson und andere zögerliche Kritiker der Sklaverei in seiner Generation hatten gehofft, die Sklaverei werde früher oder später von selbst an ihr Ende kommen, weil sie wirtschaftlich nicht mehr rentabel sei. Tatsächlich passierte das Gegenteil. Mit der Kultivie-

Abolitionismus

Kolonisierung

Die Peculiar Institution

Baumwollboom

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Verteidigung der Sklaverei

Freikauf und Freilassung

Nat Turners Rebellion

I. Darstellung

rung des Baumwollanbaus, entscheidend vorangetrieben durch die Erfindung der Baumwollentkernungsmaschine (cotton gin) 1793, und seiner Expansion bis zum Mississippi erlebte die Sklaverei seit dem Ende des 18. Jahrhunderts eine neue Blütezeit. Zwischen 1790 und 1860 stieg die Baumwollproduktion der USA um das Hundertfache. Am Vorabend des Bürgerkrieges erzielte Baumwolle über die Hälfte aller Exporterlöse der Vereinigten Staaten. Besonders der tiefe Süden von South Carolina im Osten bis nach Texas im Westen entwickelte sich zum Cotton Kingdom, wo Eigentum an Menschen nach Landbesitz den zweitgrößten Kapitalstock ausmachte und die großen Plantagenbesitzer wirtschaftlich, politisch, sozial und kulturell dominierten. Die Sklavenbevölkerung wuchs bis 1860 durch natürliche Reproduktion auf rund vier Millionen an. Damit war der Süden der USA zur größten Sklavenhaltergesellschaft der Welt geworden. Das Pro-Kopf-Einkommen des Südens hinkte zwar hinter dem des sich industrialisierenden Nordens zurück, lag aber vor dem aller europäischen Nationen mit Ausnahme Großbritanniens. Die Pflanzerelite mochte sich selbst als aristokratische Oberschicht sehen, wirtschaftlich handelte es sich bei der Plantagenwirtschaft des Südens um einen für den Weltmarkt produzierenden Agrarkapitalismus. Die Verteidigung der Sklaverei brachte neue Rechtfertigungsdiskurse hervor, welche an die Denkmuster anknüpften, die seit dem 17. Jahrhundert zur Legitimation der Rassensklaverei entwickelt worden waren, sie aber in vieler Hinsicht zuspitzten und ideologisierten. Ihren Verteidigern galt die Sklaverei nicht mehr als notwendiges Übel, sondern als eine nützliche, paternalistische Institution, die den angeblich minderwertigen und barbarischen Afrikanern die Segnungen der Zivilisation und des Christentums brachte. Zwar besaßen drei Viertel aller weißen Südstaatler keine Sklaven, doch wurden die Rassenhierarchien der Sklavenhaltergesellschaft zur Identität stiftenden Integrationsideologie. Die breite Unterstützung für die „besondere Einrichtung“ basierte teils auf dem Streben, selbst in die Klasse der Sklavenhalter aufzusteigen, und teils auf der Furcht vor „Negerherrschaft“ im Falle einer allgemeinen Emanzipation. Die Praxis der Sklaverei entsprach nur selten dem paternalistischen Selbstbild der südstaatlichen Oligarchie. Zwar verboten die slave codes exzessive Gewalt, doch de facto waren der Willkür der Sklavenhalter kaum Grenzen gesetzt. Neben brutaler Züchtigung und sexueller Gewalt gegen schwarze Frauen gehörte die Zerstörung von Familien durch Verkauf zu den inhumansten Aspekten der Sklaverei. Immerhin sorgten ausreichende Ernährung und die Förderung von Eheschließungen für ein hohes Wachstum der Sklavenbevölkerung. Plantagen mit 100 oder mehr Sklaven waren die Ausnahme, ein typischer Pflanzer besaß um die 20 „Negroes“. Die allermeisten Sklavinnen und Sklaven mussten harte Feldarbeit verrichten, nur auf großen Plantagen gab es Arbeitsteilung mit Hausdienern und Handwerkern. Sklaven, die ein Handwerk beherrschten, wurden auch als Leiharbeiter vermietet und konnten bisweilen eigenes Geld verdienen, das ihnen den Freikauf ermöglichte. Seit den 1830er Jahren erschwerten die Sklavenstaaten jedoch gezielt Freikauf und Freilassung (manumission). In der gesamten Antebellum-Ära kam es nur zu einem einzigen größe-

3. Von der Unabhängigkeit zur Sezession

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ren Sklavenaufstand, als 1831 eine Gruppe von 120 Sklaven unter Führung des charismatischen Predigers Nat Turner mehrere Plantagen in Virginia niederbrannte und etwa 50 Weiße tötete. Die Rebellion wurde schnell niedergeschlagen und endete mit einem gnadenlosen Strafgericht. Obwohl sie über alle Machtmittel verfügten, einschließlich eines Patrouillensystems, das alle weißen Männer zum Dienst verpflichtete, lebten die Südstaatler in ständiger Furcht vor Aufständen. Immer wieder wurden vermeintliche „Verschwörungen“ aufgedeckt, die mit Hinrichtungen und Auspeitschungen geahndet wurden. In Wirklichkeit wussten die Sklaven sehr gut, dass organisierte Rebellion aussichtslos war. Allerdings waren alltägliche Formen der Widerständigkeit sehr viel häufiger. Dazu gehörten Racheakte von Sklaven, die Feuer legten oder ihre masters vergifteten, Sabotage, Diebstahl und Arbeitsverweigerung. Flucht hatte unterschiedliche Motive. Manche Sklaven entfernten sich nur zeitweilig von der Plantage, etwa um Familienangehörige zu besuchen, andere versuchten, sich in den Norden durchzuschlagen. Die Gerüchte über eine geheime abolitionistische „Underground Railroad“, die massenhaft entflohene Sklaven in den Norden schleuste, waren jedoch weit übertrieben. Die meisten Flüchtlinge wurden rasch wieder eingefangen. Für die 1850er Jahre schätzen Historiker, dass höchstens 1000 Sklaven pro Jahr die sklavenfreien Staaten erreichten, wo sie zudem keineswegs vor dem Zugriff der Sklavenfänger sicher waren. Mit wachsendem Anteil der in Amerika geborenen Sklaven – 1808 wurde die Einfuhr afrikanischer Sklaven offiziell verboten – entwickelte sich eine eigenständige afroamerikanische Kultur, die auf synkretischer Verschmelzung afrikanischer und euroamerikanischer Traditionen beruhte. Sprache, Musik, mündliche Überlieferungen, Religion und Gemeinschaftsbildung waren von den Erfahrungen und Erfordernissen der Sklaverei geprägt. Angesichts der erzwungenen Instabilität der Sklavenfamilien spielten z. B. fiktive Verwandtschaftsverhältnisse in der slave community eine zentrale Rolle. Die Christianisierung der afrikanischen Sklaven hatte bereits mit dem First Great Awakening im 18. Jahrhundert eingesetzt, doch blieben afrikanische Spiritualität und Magie weiterhin präsent. Zudem entzogen sich viele Sklaven der religiösen Belehrung durch ihre masters, die ihnen Demut und Gehorsam als christliche Pflichten predigten, für die sie ihren Lohn im Himmel empfangen würden. Im Mittelpunkt der oft im Geheimen praktizierten Sklavenreligion standen vielmehr diejenigen biblischen Geschichten, die Hoffnung auf Freiheit gaben, so der Auszug der Israeliten aus Ägypten. Auch die nicht versklavten Schwarzen, etwa zehn Prozent der afroamerikanischen Bevölkerung, erlebten die Freiheit als prekär. Auch im Norden waren sie keine gleichberechtigten Bürger, sondern sahen sich vielfältigen Diskriminierungen und Ressentiments gegenüber. Lediglich in Neuengland genossen sie die gleichen Rechte wie Weiße, einschließlich des Wahlrechts. Der weiße Süden dagegen betrachtete freie Afroamerikaner, unter denen sich viele Nachkommen von Sklavenhaltern befanden, als unerwünschte, ja gefährliche Anomalie. Immer wieder unternahmen Einzelstaaten Versuche, freie Schwarze auszuweisen. Außerdem mussten diese ständig nachweisen, dass sie keine Sklaven waren, und

Flucht

Afroamerikanische Kultur

Freie Schwarze

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I. Darstellung

konnten leicht in die Fänge skrupelloser Sklavenhändler geraten. Nur in größeren Städten wie New Orleans lebten sie einigermaßen unbehelligt. Die Tatsache, dass mehr als ein Zehntel der Bevölkerung der USA schwarze Sklaven waren, die rechtlich als bewegliches Eigentum (chattel) ihrer Besitzer behandelt wurden, blieb der fundamentale gesellschaftliche, politische und moralische Widerspruch zu den Idealen der Freiheit und Gleichheit, die Amerikas weiße männliche Bürger selbstbewusst in Anspruch nahmen. Eine friedliche Lösung dieses Widerspruchs erwies sich schließlich als unmöglich, jedoch nicht, weil die moralische Bürde der Sklaverei für die meisten Amerikaner untragbar geworden wäre, sondern weil sich mit der Sklavereifrage untrennbar die Frage nach der Zukunft der amerikanischen Republik verband. 3.4 Der sektionale Konflikt und der Weg in den Bürgerkrieg

„Bruderkrieg“?

Sklavereifrage

Sezessionsgedanken

Der amerikanische Bürgerkrieg ist oft als große Tragödie bezeichnet worden, als ein „Bruderkrieg“ zwischen Angehörigen derselben Nation, die durch eine gemeinsame Sprache, Geschichte, Religion und zahlreiche Familienbande eng miteinander verbunden waren. Auch die wirtschaftlichen Interessen des Nordens und des Südens waren weitgehend komplementär, etwa die der Baumwollpflanzer des tiefen Südens und der Textilproduzenten Neuenglands. Lange Zeit dominierte deshalb die Auffassung, dass der Krieg vermeidbar gewesen wäre und dass Fanatiker und inkompetente Politiker auf beiden Seiten die Eskalation des Konflikts verschuldet hätten. Dieses Geschichtsbild diente der nationalen Versöhnung, ignorierte jedoch, dass schon die Zeitgenossen ein waches Bewusstsein dafür besaßen, dass es sich um einen fundamentalen, über viele Jahrzehnte schwelenden Gegensatz handelte, in dessen Mittelpunkt die Sklaverei stand. Die Sklaverei war der Hauptgrund dafür, dass sich im Norden und im Süden der USA unterschiedliche Gesellschaftsformen herausbildeten, dass sich beide Landesteile einander kulturell entfremdeten und seit dem Ende des Krieges gegen Mexiko politisch auf Kollisionskurs gingen. Freie Arbeit, so das Credo der Nordstaatler, war die Voraussetzung für Bürgertugend, Fortschritt und Demokratie, während die Sklaverei zur Herrschaft einer feudalen Aristokratie, wirtschaftlicher Rückständigkeit und moralischer Korruption führte. Die Apologeten des Südens dagegen verteidigten die Sklaverei als väterliche Fürsorge für unmündige Kinder und als Voraussetzung für die bürgerliche und soziale Gleichheit aller Weißen. Während die Kapitalisten im Norden ihre „Lohnsklaven“ ausbeuteten, sah sich die Elite des Südens als Hüter von Tradition, Religion und Ehre. Je schärfer die Polemik wurde, umso stärker verbreitete sich auf beiden Seiten die Überzeugung, dass beide Gesellschaftsformen nicht auf Dauer im selben Staat koexistieren konnten; wie Abraham Lincoln es in seiner berühmten „House Divided“-Rede von 1858 formulierte: „This government cannot endure, permanently half slave and half free.” In den 1850er Jahren zogen immer mehr führende Südstaatler aus den wachsenden Spannungen die Konsequenz, dass sie eine Union, in der ihre vitalen

3. Von der Unabhängigkeit zur Sezession

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Interessen und ihr Eigentum nicht mehr respektiert wurden, verlassen mussten und durften. Tatsächlich war der Gedanke der Sezession fast so alt wie die USA selbst und hin und wieder sowohl im Norden als auch im Süden erwogen worden. Er beruhte auf der Vorstellung, dass die Union durch einen Vertrag souveräner Staaten zustande gekommen war (compact theory), die das Recht zum Austritt behielten, sollte die Vertragsgrundlage entfallen. Für die Sklavenhalter des Südens war unstrittig, dass ihre Vorfahren der Verfassung nur zugestimmt hatten, weil diese die Institution der Sklaverei anerkannt hatte. Dazu gehörte nach ihrer Auffassung das Recht zur gleichberechtigten Teilhabe an der kontinentalen Expansion der USA. Bis zum Krieg gegen Mexiko hatten der Missouri Compromise und die ausgewogene Aufnahme von freien und Sklavenstaaten das Gleichgewicht in der Union gewahrt. Doch schon der Annexion von Texas hatten viele Nordstaatler im Kongress nur in der Annahme zugestimmt, dass alle weiteren Gebietserwerbungen im Westen für die Sklaverei verschlossen bleiben würden. Der Versuch, dieses Junktim gesetzlich festzuschreiben (Wilmot Proviso), scheiterte jedoch am Widerstand der Südstaatler, die jede Gesetzgebungskompetenz des Bundes in der Sklavereifrage bestritten und verlangten, die Entscheidung über die Einführung der Sklaverei den Siedlern in den neuen Territorien zu überlassen (popular sovereignty). Umgekehrt schlossen sich abtrünnige Demokraten aus dem Norden mit Abolitionisten und dem Antisklavereiflügel der Whigs zur „Free Soil Party“ zusammen, die den Westen ausschließlich freien weißen Siedlern vorbehalten wollte. Erst nach langer und heftiger Debatte, in der führende Südstaatler offen mit Sezession drohten, gelang es Henry Clay und dem demokratischen Senator Stephen Douglas aus Illinois 1850 ein Kompromisspaket zu schnüren. Kalifornien, das mit dem Goldrausch eine Bevölkerungsexplosion erlebte, wurde als freier Staat in die Union aufgenommen. Die Territorien von New Mexico und Utah (inklusive der späteren Staaten Arizona, Nevada und Colorado) sollten die Sklavereifrage erst mit dem späteren Antrag über die Zulassung als Staaten entscheiden. In der Hauptstadt Washington, D.C., wurde der Handel mit Sklaven, nicht aber ihr Besitz verboten. Da diese Bestimmungen implizit die Position des Nordens stärkten, machten Clay und Douglas dem Süden den Kompromiss mit einem neuen Gesetz über die Auslieferung entflohener Sklaven schmackhaft. Der Fugitive Slave Act von 1850 verpflichtete den Bund, flüchtige Sklaven in den sklavenfreien Staaten einzufangen und auszuliefern. Ob ein Schwarzer ausgeliefert wurde, entschied nicht ein Gericht, sondern ein Bundesbeamter, dem bei einer Entscheidung zugunsten der „Eigentümer“ eine höhere Gebühr zustand als bei einer Ablehnung ihrer Ansprüche. Auch Ex-Sklaven, die seit Jahrzehnten im Norden lebten, konnten ausgeliefert werden. Das Gesetz stieß in den freien Staaten auf erbitterten Widerstand, weil es sie dazu zwang, eine Institution durchzusetzen, die eine große Mehrheit ihrer Bürger ablehnte. Einige Staaten verboten ihren Beamten per Gesetz, an Auslieferungsverfahren mitzuwirken, und mancherorts versuchten Mobs, eingefangene Sklaven wieder zu befreien. Der Fugitive Slave Act inspirierte Harriet Beecher Stowe zu ihrem Roman Onkel Toms Hütte

Der Kompromiss von 1850

Fugitive Slave Act

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Kansas-Nebraska Act

Bleeding Kansas

I. Darstellung

(1852), der die Unmenschlichkeit der Sklaverei anprangerte und sich innerhalb eines Jahres über eine Million Mal verkaufte. Anstatt die Sklavereifrage zu entschärfen, vertiefte der Kompromiss von 1850 die Gräben und führte zur Auflösung des bisherigen nationalen Parteiensystems. Die Whigs, die 1848 die Präsidentschaftswahlen noch klar gewonnen hatten, zerfielen vier Jahre später in zwei sektionale Flügel und verschwanden kurz darauf völlig von der politischen Bühne. Die Demokraten wurden überwiegend zur Partei des Südens, weil ihre nördliche Anhängerschaft in der Sklavereifrage zerstritten war. Gleichzeitig bildete sich mit der Republikanischen Partei ein nördliches Sammelbecken für ehemalige Whigs und „Free Soilers“, Abolitionisten, sklavereikritische Demokraten und die nativistische „Know Nothing“-Bewegung. Dass eine derartig heterogene Koalition innerhalb kurzer Zeit zur dominanten Partei des Nordens werden konnte, lag an einer Kette politischer Entscheidungen und Ereignisse, die zahlreiche Nordstaatler von der Existenz einer großangelegten Verschwörung der „slave power“ überzeugte, die zum Ziel habe, die Sklaverei über das gesamte Gebiet der USA auszubreiten. Einen ersten Höhepunkt der Konfrontation löste der Kansas-Nebraska Act von 1854 aus, der auf Stephen Douglas’ Plan zurückging, eine Eisenbahnlinie von Chicago an die Pazifikküste zu bauen. Um die Südstaatler für dieses Projekt zu gewinnen, war Douglas zu weit reichenden Zugeständnissen bereit. Das bislang der Sklaverei verschlossene Gebiet des Missouri Compromise sollte in zwei Territorien geteilt werden: das nördliche Nebraska-Territorium, das weiterhin sklavenfrei blieb, und das südliche Kansas-Territorium, wo das Prinzip der popular sovereignty zur Anwendung kommen würde. Damit wurde der Missouri Compromise endgültig hinfällig. In den Augen der Sklavereigegner fiel damit die wichtigste Schranke gegen eine Ausdehnung der Sklaverei. Das Gesetz wurde verabschiedet, weil viele Senatoren und Abgeordnete aus dem Mittleren Westen, die auf die Vorteile des Eisenbahnbaus spekulierten, gemeinsam mit den Südstaatlern stimmten. In Kansas zeigte sich allerdings rasch, dass die Formel von der popular sovereignty keineswegs einen „demokratischen“ Ausweg eröffnete, sondern im Gegenteil der gewaltsamen Zuspitzung des Konflikts Vorschub leistete. Sofort strömten Befürworter und Gegner der Sklaverei nach Kansas, lieferten sich bürgerkriegsähnliche Auseinandersetzungen und bildeten rivalisierende Regierungen. Als der demokratische Präsident Franklin Pierce das Sklavenhalter-Regime offiziell anerkannte, kam es im Kongress zu wütenden Zusammenstößen. Der Abgeordnete Preston Brooks aus South Carolina schlug Senator Charles Sumner aus Massachusetts, einen Führer der Republikaner, mit seinem Spazierstock bewusstlos, weil Sumner einen anderen Südstaatler persönlich beleidigt hatte. Während der Süden Brooks bejubelte, trieb seine Attacke auf Sumner die Wähler des Nordens in Scharen zu den Republikanern. Bei den Präsidentschaftswahlen 1856 gewann ihr Kandidat John C. Frémont aus dem Stand über 33 % der Stimmen, obwohl er im Süden gar nicht antreten konnte. Der neue demokratische Präsident James C. Buchanan erhoffte sich eine Lö-

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sung der Krise von einer Grundsatzentscheidung des Obersten Gerichtshofes, die dieser kurz nach Buchanans Amtsantritt im März 1857 verkündete. Im Fall Dred Scott v. Sanford ging es um die Klage des Sklaven Dred Scott, der sich mit seinem Besitzer lange Jahre im Territorium von Wisconsin aufgehalten hatte. Dort war gemäß dem Missouri Compromise die Sklaverei verboten, weshalb Scott nachträglich auf seine Freilassung klagte. Das Gericht unter dem Obersten Richter Roger B. Taney wies die Klage aus zwei Gründen ab. Zum einen habe Dred Scott gar kein Klagerecht, weil er als Schwarzer niemals Bürger der USA sein könne. Als die Verfassung angenommen wurde, so Taneys Argument, seien Schwarze nicht als Teil des amerikanischen Volkes, sondern als rechtlose „Angehörige einer minderwertigen Rasse“ betrachtet worden. Mit dieser böswilligen und kaum haltbaren Behauptung hätte der Fall erledigt sein können, aber Taney entschied gleichwohl auch in der Hauptsache. Selbst wenn Scott ein Klagerecht hätte, befand der Vorsitzende, wäre er nicht frei, weil der Missouri Compromise den Eigentumsschutz des 5. Verfassungszusatzes verletze. Der Kongress habe 1820 also gar keine Befugnis gehabt, die Sklaverei in den Bundesterritorien zu verbieten, ja Taney ging so weit, auch den Bewohnern eines Territoriums das Recht abzusprechen, sich gegen die Sklaverei zu entscheiden. Anstatt, wie erhofft, die Sklavereifrage autoritativ zu entscheiden, vertiefte das Oberste Gericht damit die sektionale Spaltung. Die Sklavenstaaten feierten Dred Scott als Sieg, weil das Urteil die Sklaverei ausdrücklich unter den Schutz der Verfassung stellte. Die Sklavereigegner im Norden dagegen sahen das Urteil als weiteren Beweis für eine Verschwörung der Südstaatenaristokratie, die peculiar institution der ganzen Nation aufzuzwingen. Auch viele Südstaatler betrachteten sich als Opfer einer finsteren Verschwörung, nämlich der Abolitionisten, die nur auf eine Gelegenheit warteten, unter den vier Millionen Sklaven im Süden eine Rebellion anzustiften. Ihr Verdacht schien sich zu bewahrheiten, als der militante Abolitionist John Brown, der sich schon im Kampf um Kansas durch Bluttaten ausgezeichnet hatte, zusammen mit einer Gruppe von Gesinnungsgenossen im Oktober 1859 ein Waffenarsenal der US-Armee in Harpers Ferry im Nordwesten Virginias überfiel, um so das Fanal für einen großen Sklavenaufstand zu geben. Die Aktion scheiterte kläglich, und Brown wurde am 2. Dezember 1859 wegen Hochverrats gehängt. Alle führenden Politiker des Nordens verurteilten den Gewaltstreich. Allerdings belegten Dokumente, dass nordstaatliche Abolitionisten Brown zu seiner Tat ermutigt hatten, und in vielen Gemeinden des Nordens läuteten am Tage seiner Hinrichtung die Kirchenglocken. Im Süden steigerte sich die Furcht vor Sklavenaufständen zur Hysterie. In Texas lynchten Mobs 1860 mehrere weiße Prediger, die angeblich im Auftrag der Abolitionisten unterwegs waren. Vor der Präsidentschaftswahl 1860 erklang der Ruf nach Sezession immer lauter. Für die radikalen Südstaatler kam ein Sieg der Republikaner einer offenen Kampfansage des Nordens gleich und musste mit dem Austritt aus der Union beantwortet werden. In Wirklichkeit nahm der republikanische Kandidat Abraham Lincoln eine eher gemäßigte Position ein. Obwohl er die Sklaverei als moralisches Übel verabscheute, vertrat Lincoln die Auffassung, die Bundesregierung habe keine verfassungsrechtliche Autorität, die „besondere Ein-

Dred ScottEntscheidung

John Browns „Raid“

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Lincolns Wahlsieg

Sezession

Beschießung Fort Sumters

I. Darstellung

richtung“ der Südstaaten abzuschaffen. Ihre Ausdehnung dagegen dürfe und müsse der Kongress verbieten. Im Übrigen bekannte sich Lincoln ausdrücklich zur Überlegenheit der weißen Rasse. Dennoch, für die militanten Südstaatler war er der „Black Republican“, der den Süden vernichten wollte. Zwar standen die Republikaner im Süden gar nicht zur Wahl, aber da die zerrissenen Demokraten sich nicht mehr auf einen gemeinsamen Kandidaten einigen konnten, gewann Lincoln im November 1860 mit rund 40 % eine relative Mehrheit der abgegebenen Stimmen und mit 180 Wahlmännern eine deutliche Mehrheit im Wahlmännerkolleg. Die Führer der Sezessionsbewegung warteten nicht ab, bis Lincoln sein Amt antrat. Bereits am 20. Dezember 1860 erklärte ein eigens einberufener Konvent den Austritt South Carolinas aus der Union. Die Sezessionserklärung berief sich auf die Souveränität der Einzelstaaten und ließ keinerlei Zweifel daran, dass der Grund für diesen radikalen Schritt „die zunehmende Feindseligkeit der Staaten ohne Sklaven gegenüber der Institution der Sklaverei“ war. In den folgenden Wochen schlossen sich sieben weitere Südstaaten der Erklärung an und gründeten am 4. Februar 1861 die Confederate States of America (CSA), deren Verfassung die Souveränität der Mitgliedsstaaten anerkannte und die Sklaverei unter besonderen Schutz stellte. Doch der Süden stand keineswegs einhellig hinter der Sezession. Viele Südstaatler, die keine Sklaven besaßen, fühlten sich trotz aller Differenzen der Union verbunden und zögerten, der Sklavenhalterelite in unabsehbare Abenteuer zu folgen. Der obere Süden lehnte die Sezession vorerst ganz ab. Senator Crittenden aus Kentucky, ein Sklavenstaat, schlug als Kompromiss zwei Verfassungszusätze vor, die den Missouri Compromise wiederhergestellt und die Sklaverei im Süden garantiert hätten. An einem Ausgleich waren beide Seiten jedoch kaum mehr interessiert. Die Sezessionisten erwarteten keinen ernsthaften Widerstand der „Yankees“, während umgekehrt viele Republikaner die Sezession für einen Bluff hielten. Bei seinem Amtsantritt schlug Lincoln versöhnliche Töne an, insistierte aber darauf, dass die Union ein direkt vom amerikanischen Volk begründeter, unauflöslicher Bundesstaat sei. Der Präsident hielt an seiner Pflicht fest, die Gesetze des Bundes und die Autorität der Bundesregierung im ganzen Land durchzusetzen, und kündigte an, ein Schiff nach Fort Sumter im Hafen von Charleston, South Carolina, zu schicken, um die dortige Einheit der US-Armee mit Nachschub zu versorgen. Das Schiff sollte allerdings keine Soldaten und Waffen an Bord haben. Die Regierung von South Carolina wartete indessen die Ankunft nicht ab, sondern begann am 12. April 1861 mit dem Beschuss des Forts, das sich bald ergeben musste. Die militärische Eskalation zog nun auch die schwankenden Staaten des oberen Südens auf die Seite der Sezession. Bei vielen Südstaatlern, darunter auch beim General der US-Armee Robert E. Lee aus Virginia, ging die Loyalität zum Einzelstaat über die Treue zur Union. Es galt, die Heimat gegen die „Aggression“ des Nordens zu verteidigen. Doch auch im Norden regte sich jetzt der Patriotismus. Selbst Nordstaatler, die lange einem Kompromiss das Wort geredet hatten, riefen nach Bestrafung der „Rebellen“. Bis heute streiten Historiker darüber, ob es Alternativen zur kriegerischen Eskalation gegeben hätte. Hatten nicht die freien und die Sklavenstaaten seit

4. Der Weg in die industrielle Moderne

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Gründung der USA immer wieder einen Ausgleich gefunden? Genauso gut lässt sich jedoch argumentieren, dass der Bruch schon viel früher hätte kommen können, denn schon 1820 beim Konflikt über Missouri stand die Drohung der Sezession im Raum. Damals beschrieb ein zutiefst pessimistischer Thomas Jefferson das amerikanische Dilemma der Sklaverei in einem drastischen Bild: „Wir haben den Wolf bei den Ohren und können ihn weder dauernd festhalten noch können wir ihn loslassen“. Mit den Schüssen auf Fort Sumter war der Wolf endgültig losgelassen.

4. Die USA auf dem Weg in die industrielle Moderne 4.1 Der Bürgerkrieg und seine Folgen Im Frühjahr 1861, als auf beiden Seiten die Freiwilligen zu den Fahnen eilten, sah niemand voraus, dass der Sezessionskrieg vier lange Jahre dauern und mit rund 620 000 Toten zum verlustreichsten militärischen Konflikt der amerikanischen Geschichte werden würde. Lincoln erwartete einen schnellen Zusammenbruch der Sezessionsbewegung, weil er deren Rückhalt unter den Südstaatlern unterschätzte. Die Sezessionisten wiederum gingen zuversichtlich davon aus, dass den „Yankees“ rasch die Lust am Krieg vergehen werde. Tatsächlich erlitt die Unionsarmee im Juli 1861 beim ersten Aufeinandertreffen mit den Konföderierten bei Bull Run im Norden Virginias eine unerwartete Niederlage, der weitere folgten. Der Norden stand vor der schwierigen strategischen Herausforderung, die Rebellenstaaten zu erobern und zu kontrollieren. Die Konföderierten mussten dagegen nur so lange aushalten, bis die Kriegsmoral des Nordens gebrochen war. Zudem erwarteten die Führer der Sezession, dass Großbritannien und Frankreich aufgrund der Abhängigkeit ihrer Textilindustrien von der Baumwolle des Südens die Konföderation rasch diplomatisch anerkennen, ja möglicherweise sogar zu ihren Gunsten militärisch intervenieren würden. Der Glaube an „King Cotton“ erwies sich freilich genauso als Fehlkalkül wie die Hoffnung, die Kriegsbereitschaft des Nordens werde schnell verfliegen. Bis 1864 waren Virginia im Osten und die Gebiete entlang des Mississippi im Westen die Hauptkriegsschauplätze. Die Vorstöße General Lees auf Unionsgebiet verfolgten allein den Zweck, militärische Stärke zu demonstrieren und den Rückzug von Unionstruppen aus Virginia zu erzwingen. Im Juli 1863 brachten die Schlachten bei Gettysburg in Pennsylvania und Vicksburg in Mississippi die Kriegswende zugunsten der Union. Doch erst der Durchbruch General William T. Shermans von Tennessee nach Georgia im Spätsommer 1864 leitete die endgültige Niederlage der Konföderierten ein. Auf ihrem berüchtigten Zug durch Georgia und die Carolinas rollte Shermans Armee das Gebiet der Konföderation von Süden her auf. Am 9. April 1865, fast auf den Tag genau vier Jahre nach Beginn des Bürgerkrieges, kapitulierte General Lee bei Appomattox in Virginia.

Kriegswende 1863

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Überlegenheit des Nordens

Unzufriedenheit und Opposition

I. Darstellung

Aus der Rückschau erstaunt, dass sich der Süden gegen die erdrückende Überlegenheit des Nordens an Menschen und Material so lange behaupten konnte. Die Staaten der Union verfügten unter anderem über mehr als dreimal so viele wehrfähige Männer und über mehr als 90 % der Produktion an Eisen und Kohle. Zu Beginn des Krieges war die Konföderation völlig von Waffenimporten aus Europa abhängig und musste eine eigene Rüstungsindustrie erst aus dem Boden stampfen. Aufgrund des Arbeitskräftemangels sank auch die Nahrungsmittelproduktion; die großen Pflanzer bauten trotz der Nahrungsmittelknappheit lieber die profitable Baumwolle an, die zudem als Exportgut dringend benötigt wurde. Neben dem Geschick seiner führenden Militärs verdankte der Süden seine Durchhaltekraft vor allem einer ungeheuren Mobilisierungsanstrengung. Die konföderierten Streitkräfte rekrutierten insgesamt 800 000 Soldaten, etwa 80 % aller wehrfähigen weißen Männer. Obwohl die Konföderierten bereits im April 1862 die Wehrpflicht einführten, diente die große Mehrheit der Soldaten freiwillig. Die populäre Vorstellung, der weiße Süden habe einig bis zum bitteren Ende gekämpft, ist allerdings ein Mythos. Vor allem in den Appalachen, wo es kaum Sklavenhaltung gab, leisteten unionstreue Südstaatler bewaffneten Widerstand. Die Entbehrungen und Leiden des Krieges führten sowohl unter den konföderierten Soldaten wie unter der Zivilbevölkerung zu Unzufriedenheit und gelegentlichen Hungerrevolten. Dass wohlhabende Pflanzer, die mehr als 20 Sklaven zu beaufsichtigen hatten, vom Militärdienst freigestellt waren, provozierte die durchaus berechtigte Klage, der Bürgerkrieg sei „a rich man’s war but a poor man’s fight“. Hinzu kamen die ständigen Auseinandersetzungen über die zentralistischen Maßnahmen des konföderierten Präsidenten Jefferson Davis, dessen Kritiker ihm Verrat an der Souveränität der Einzelstaaten vorwarfen. Im Norden waren Unzufriedenheit und Opposition gegen den Krieg noch größer. Obwohl auch die meisten der gut 2 Millionen Unionssoldaten Freiwillige waren, führte die Einführung der Wehrpflicht wiederholt zu Unruhen. Die „draft riots“ in New York City im Juli 1863 mussten von Bundestruppen niedergeschlagen werden. In den Sklaven haltenden Grenzstaaten (Delaware, Maryland, Kentucky, Missouri) gab es starke Sympathien für die Sezession. Lincoln sah sich gezwungen, zeitweilig das Kriegsrecht zu verhängen und bürgerliche Freiheiten einzuschränken. Im Laufe des Krieges wurden mehrere tausend Personen wegen angeblicher Illoyalität inhaftiert. Von einer Diktatur kann jedoch keine Rede sein. Die Pressefreiheit blieb unangetastet und im November 1864 fanden turnusmäßig Präsidentschaftswahlen statt, obwohl Lincolns Erfolg gegen den friedensbereiten Exgeneral George McClellan höchst unsicher schien. Auf politischer Ebene gingen die Auffassungen über die Kriegsziele der Union weit auseinander. Die so genannten „Friedensdemokraten“ verlangten bedingungslose Verhandlungen mit dem Süden und lehnten eine Abschaffung der Sklaverei ab. Der radikale Flügel der Republikaner forderte hingegen, der Rebellion müsse durch die Emanzipation der Sklaven das Rückgrat gebrochen werden. Die große Mehrheit der Nordstaatler war zwar bereit, für die Rettung der Union, nicht aber für die Freiheit der schwarzen Sklaven zu kämpfen. Bis zum Herbst 1862 war die Abschaffung der Sklaverei kein offizielles

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Kriegsziel der Union. Lincoln hielt daran fest, dass er keine verfassungsrechtliche Autorität besitze, die Sklaverei abzuschaffen. Anfangs lieferte die vorrückende Unionsarmee entlaufene Sklaven sogar ihren Herren aus, vom Sommer 1861 wurden sie dann als „Konterbande“ (ein Begriff aus dem Seekriegsrecht, der kriegswichtige Güter bezeichnet) „konfisziert“. Im Juli 1862 bestimmte der Kongress, dass alle Sklaven, die hinter die Unionslinien gelangten, frei waren. Nach der für die Union erfolgreichen Schlacht von Antietam im September 1862 verkündete Lincoln unter Berufung auf seine Autorität als militärischer Oberbefehlshaber die „vorläufige Emanzipationserklärung“. Diese als Kriegsmaßnahme gerechtfertigte Proklamation erklärte alle Sklaven, die sich am 1. Januar 1863 auf dem Gebiet der Rebellen befänden, für „auf immer frei“. Staaten, die bis zu dieser Frist in die Union zurückkehrten, hätten demnach die Sklaverei beibehalten können, doch erwartungsgemäß machte kein Mitglied der Konföderation von diesem Angebot Gebrauch. Auch wenn die Emanzipationserklärung bei ihrem Inkrafttreten keine unmittelbaren Wirkungen hatte, bedeutete sie ein klares moralisches Signal, dass der Krieg nicht mit der Wiederherstellung der alten Union, sondern mit der Abschaffung der Sklaverei enden würde. Die Proklamation kündigte darüber hinaus an, dass die Unionsarmee von nun an auch ehemalige Sklaven rekrutieren werde – bislang hatte es rassistische Vorbehalte gegen schwarze Soldaten gegeben. Insgesamt dienten rund 200 000 Afroamerikaner in den United States Colored Troops, von denen über 40 000 ihr Leben ließen. Während die Emanzipationserklärung das internationale Ansehen der Union aufpolierte, reagierten die Konföderierten empört. Schwarze Kriegsgefangene wurden versklavt oder im Extremfall auf der Stelle massakriert. Die Emanzipationserklärung löste keine Sklavenaufstände in der Konföderation aus, beschleunigte jedoch den Auflösungsprozess der Sklaverei. Wo die Unionstruppen anrückten, setzte eine Massenflucht der Sklaven ein; Sklaven, die auf den Plantagen blieben, entzogen sich zunehmend der Kontrolle durch ihre masters. Das endgültige Ende der Sklaverei besiegelte schließlich der 13. Verfassungszusatz, der im Dezember 1865 in Kraft trat. Der Siegesjubel im Norden wich jähem Entsetzen, als Präsident Abraham Lincoln am 14. April 1865 einem konföderierten Attentäter zum Opfer fiel. Ohne Lincoln, der im Laufe des Krieges zur staatsmännischen Führungsfigur geworden war, erschien vielen Amerikanern die Zukunft ungewiss. In seiner Ansprache auf dem Schlachtfeld von Gettysburg im November 1863 hatte Lincoln erklärt, die Opfer des Krieges würden für eine „neue Geburt der Freiheit“ gebracht. Der Sieg der Union hatte die nationale Einheit gewahrt, aber die Nation blieb vorerst tief gespalten. Vor allem zwei Fragen standen auf der Tagesordnung: Wie sollte der besiegte Süden wieder in den Staatsverband der USA eingegliedert werden? Was sollte mit den ca. 4 Millionen befreiten Sklaven geschehen? Die bis 1877 andauernde, als Reconstruction bezeichnete Periode der Reintegration der Südstaaten in die Union lässt sich in drei Phasen einteilen: Anfangs bestimmte Lincolns Nachfolger Andrew Johnson die politische Agenda (Presidential Reconstruction), ab 1866 dominierten die Radikalen Republikaner im

Emanzipationserklärung

United States Colored Troops

Ermordung Lincolns

Reconstruction

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14. Zusatzartikel

15. Zusatzartikel

I. Darstellung

Kongress (Congressional Reconstruction) und seit Anfang der 1870er Jahre setzte die von den weißen Südstaatlern als Redemption (Erlösung) bezeichnete Wiedereroberung der Macht durch die alten Eliten ein. In allen drei Phasen nahm die Frage nach dem Status der befreiten Sklaven, der so genannten Freedmen, eine zentrale Rolle ein. Schon Lincoln hatte im Interesse der nationalen Versöhnung relativ großzügige Friedensbedingungen in Aussicht gestellt. Der aus Tennessee stammende neue Präsident Johnson hoffte darauf, sich unter den weißen Südstaatlern eine eigene politische Basis zu schaffen, und stellte minimale Bedingungen für die Wiederzulassung zur Union. Die Südstaaten sollten lediglich die Sezession und die Schulden der Konföderation widerrufen sowie den 13. Verfassungszusatz ratifizieren, also die Abschaffung der Sklaverei anerkennen. Ehemalige Konföderierte, die einen Eid auf die Union schworen, kamen in den Genuss einer liberalen Amnestiepraxis. Die meisten Südstaatler nahmen das Angebot einer raschen Rückkehr in die Union gerne an, doch bei den Wahlen Ende 1865 gewannen fast überall frühere Militärs und Amtsträger der Konföderation; Georgia entsandte gar den ehemaligen Vizepräsidenten der CSA Alexander Stephens in den US-Senat. Johnsons Politik provozierte freilich heftigen Widerstand unter den Republikanern im Kongress, die den Ex-Konföderierten die Sitze im Kapitol verweigerten. Ihre Politik zielte darauf ab, die Träger der Sezession bis auf weiteres aus dem politischen Leben auszuschalten und im Süden eine Republikanische Koalition aus unionstreuen Südstaatlern und den Freedmen zu schmieden, die gemeinsam ein Bollwerk gegen das Wiederaufleben der Rebellion bilden sollten. Ein Eckpfeiler dieser Strategie war ein weiterer Verfassungszusatz, der 14. Zusatzartikel, der alle in den USA geborenen Personen, also auch die ehemaligen Sklaven, zu Bürgern der Vereinigten Staaten erklärte, die vor dem Gesetz gleich waren (equal protection of the laws). Zwischen 1866 und 1868 kam es zu einer andauernden Kraftprobe zwischen dem Präsidenten und dem Kongress. Johnson legte gegen alle Gesetzesvorschläge der Republikaner sein Veto ein, das diese jedoch seit den Wahlen vom Herbst 1866 mit einer Zweidrittelmehrheit überstimmen konnten. Im Frühjahr 1868 versuchten die Radikalen Republikaner Johnson durch ein Amtsenthebungsverfahren zu stürzen, das allerdings knapp scheiterte. Während der Congressional Reconstruction wurde der Süden in fünf Militärbezirke eingeteilt und sollte solange von Militärgouverneuren regiert werden, bis die Staaten die Bedingungen für die Wiederzulassung zur Union erfüllt hatten. Dazu gehörten unter anderem die Ratifizierung des 14. Verfassungszusatzes und Einzelstaatsverfassungen, die allen schwarzen Männern das gleiche Wahlrecht zusicherten; 1870 wurde diese Bestimmung durch den 15. Verfassungszusatz in allen Bundesstaaten obligatorisch. Bis 1870 kehrten alle ehemals konföderierten Staaten unter Führung Republikanischer Regierungen in die Union zurück. Insgesamt war die Rekonstruktionspolitik der Republikaner jedoch nicht wirklich radikal. Die Führer der Konföderation wurden nicht wegen Hochverrats bestraft. Vor allem kam es nicht zu einer Landreform zugunsten der ehemaligen Sklaven, da die meisten Republikaner das Privateigentum nicht antasten wollten und eine soziale Revolution ablehnten.

4. Der Weg in die industrielle Moderne

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Die Pflanzeroligarchie des Südens musste einsehen, dass die Sklaverei nicht zu retten war, ging aber unverzüglich daran, die Freedmen auf den Status eines rechtlosen Agrarproletariats herabzudrücken. Kurz nach der Kapitulation verabschiedeten die meisten Südstaaten so genannte Black Codes, die unter anderem verlangten, dass alle ehemaligen Sklaven Arbeitsverträge mit Pflanzern schließen mussten; ansonsten konnten sie als Landstreicher festgenommen und zur Arbeit gezwungen werden. Allerdings setzten die US-Armee und das Freedmen’s Bureau – eine im März 1865 vom Kongress geschaffene Behörde, die den Exsklaven den Übergang in die Freiheit erleichtern sollte – die Black Codes erst einmal wieder außer Kraft. Das landwirtschaftliche System, das sich nach dem Bürgerkrieg im Süden herausbildete, wurde sharecropping genannt. Gegen einen Teil der Ernte verpachteten die Pflanzer Parzellen an die mittellosen Freedmen, denen sie außerdem Saatgut, Gerätschaften, Nutztiere und den täglichen Bedarf auf Kredit vorschossen. Auf diese Weise gerieten die Pächter rasch in eine Schuldenfalle. Da die Freedmen die Plantage nicht verlassen durften, solange sie ihre Schulden nicht bezahlt hatten, entwickelte sich das sharecropping de facto zu einer neuen Form der unfreien Arbeit. Gleichwohl waren die Fortschritte der afroamerikanischen Bevölkerung enorm. Die ehemaligen Sklaven gründeten stabile Familien, Kirchengemeinden und besuchten nach Möglichkeit die vom Freedmen’s Bureau eingerichteten Schulen. Solange die Unionsarmee ihr Wahlrecht schützte, machten die ehemaligen Sklaven regen Gebrauch von ihren politischen Rechten. Während der Reconstruction bekleideten Afroamerikaner zahlreiche politische Ämter in den Gemeinden und Einzelstaaten des Südens; die Staatsversammlung von South Carolina hatte zeitweilig eine Mehrheit schwarzer Abgeordneter. Insgesamt 15 Afroamerikaner wurden in den USKongress gewählt. Die Propaganda des weißen Südens denunzierte die Reconstruction als „Negerherrschaft“, die angeblich Chaos, Gewalt und Korruption über den gebeutelten Süden brachte. Tatsächlich waren die Republikanischen Staatsregierungen nicht korrupter als die übrigen politischen Amtsträger im Lande und leisteten insbesondere im Bildungs- und im Verkehrswesen konstruktive Aufbauarbeit. Die alten Eliten beschworen gezielt das Gespenst der „Negerherrschaft“, gegen die alle weißen Männer bedingungslos zusammenstehen mussten. Die weißen Unterschichten folgten dem Schlachtruf der „weißen Vorherrschaft“ (white supremacy), weil sie die Freedmen als Konkurrenten um Land und Arbeitsplätze fürchteten und auf ihren Status als Mitglieder der „herrschenden Rasse“ pochten. Der Kampf gegen die Reconstruction war eine militante und letztlich erfolgreiche Konterrevolution, den die Demokraten des Südens mithilfe des 1866 gegründeten Ku Klux Klans und anderer paramilitärischer Organisationen gegen weiße und schwarze Republikaner führten. Terror, Lynchjustiz und veritable Massaker forderten vermutlich mehrere zehntausend Opfer. Allerdings leisteten die Freedmen, angeführt von schwarzen Unionsveteranen, durchaus Widerstand. Als der Kongress 1870/71 Gesetze gegen den Klan erließ, die von der US-Armee entschlossen durchgesetzt wurden, ebbte der Terror zeitweilig ab.

Black Codes

Sharecropping

„Weiße Vorherrschaft“

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Ende der Reconstruction

Rassentrennung

Rückständigkeit des Südens

I. Darstellung

In der Folgezeit jedoch erlahmte das Interesse des Nordens an der Reconstruction zusehends. Angesichts der schweren Wirtschaftskrise, die Amerika seit der Panik von 1873 im Griff hatte, waren die meisten Nordstaatler immer weniger bereit, ein teures und unpopuläres Besatzungsregime zu finanzieren. Die „Negerfrage“ sollte der nationalen Versöhnung nicht länger im Wege stehen. Wenn der Süden bereit war, den Ausgang des Bürgerkrieges zu akzeptieren, so der wachsende Konsens, dann war der Norden bereit, dem Süden bei der Lösung seiner „Rassenprobleme“ freie Hand zu lassen. Bis 1875 hatten die Demokraten in fast allen Staaten der alten Konföderation die Macht zurückerobert, nicht zuletzt durch Wahlbetrug, Einschüchterung und Gewalt. Als der Präsidentschaftskandidat der Republikaner, Rutherford B. Hayes, nach der umstrittenen Wahl von 1876 Wahlmännerstimmen aus dem Süden benötigte, um ins Weiße Haus einzuziehen, gestand er im Gegenzug den Abzug der letzten Besatzungstruppen zu. Damit war das Ende der Reconstruction besiegelt. Im amerikanischen Geschichtsbild galt die Reconstruction lange als tragischer Irrtum, weil der Norden den geschlagenen Süden aus Parteikalkül und Rachsucht angeblich der „Negerherrschaft“ ausgeliefert hatte. Heute dominiert die Auffassung, bei Bürgerkrieg und Reconstruction habe es sich um eine „unvollendete Revolution“ (Eric Foner) gehandelt, deren zentrales Projekt, der Aufbau einer farbenblinden Demokratie, am tief verwurzelten Rassismus der amerikanischen Gesellschaft gescheitert sei. In der Tat gelang es dem weißen Süden zwischen 1877 und 1900 die bürgerlichen und politischen Rechte der Afroamerikaner drastisch zu beschneiden, wobei der Oberste Gerichtshof bereitwillig assistierte, indem er die US-Bundesverfassung extrem restriktiv auslegte. 1896 legitimierte das Gericht in Plessy v. Ferguson die gesetzlich vorgeschriebene Rassentrennung mit dem Argument, diese verstoße nicht gegen den Gleichheitsgrundsatz der Verfassung, solange die Einrichtungen für beide Rassen gleichwertig seien. In der Praxis etablierte sich in den Südstaaten eine im Volksmund Jim Crow System genannte Apartheid, die die Afroamerikaner allgegenwärtiger Diskriminierung und Segregation unterwarf und immer wieder auch mit Gewalt und Lynchjustiz durchgesetzt wurde. Nach vorsichtigen Schätzungen ermordeten Lynchmobs in den Südstaaten zwischen den 1880er Jahren und dem Zweiten Weltkrieg rund 3250 Afroamerikaner. Letztlich zahlte der gesamte Süden einen hohen Preis für den Bürgerkrieg und das anschließende Scheitern der Reconstruction. Bis weit ins 20. Jahrhundert hinein litt die Region unter ihrer agrarischen Monokultur und blieb das wirtschaftliche Sorgenkind der Nation. Der Mythos des Lost Cause und die Fixierung auf die „weißen Vorherrschaft“ verhinderten lange Zeit eine politische und kulturelle Modernisierung. Die Vision eines „Neuen Südens“, die progressive Südstaatler seit dem späten 19. Jahrhundert propagierten, blieb für viele Jahrzehnte eine Illusion. Erst die von der afroamerikanischen Bürgerrechtsbewegung getragene Second Reconstruction (C. Vann Woodward) brachte in den 1950er und 1960er Jahren den Durchbruch.

4. Der Weg in die industrielle Moderne

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4.2 Kontinentale Expansion und Hochindustrialisierung Nach dem Bürgerkrieg strömte eine große Zahl landhungriger Siedler in die riesigen Territorien westlich des Mississippi, deren Bevölkerung zwischen 1860 und 1900 von 4,5 auf über 20 Millionen wuchs. Bereits 1862 hatte der Kongress den Homestead Act beschlossen, der jeder Familie gegen eine geringe Registrierungsgebühr ca. 65 Hektar Bundesland überließ, sofern sie dieses mindestens fünf Jahre lang bestellte. Bis zur Jahrhundertwende wurden etwa 700 000 Farmen unter dem Gesetz registriert, wobei allerdings auch Landspekulation eine Rolle spielte. Unter den Neuankömmlingen waren zahlreiche deutsche und skandinavische Einwanderer, die insbesondere in den nördlichen Great Plains ethnische Siedlungsgemeinschaften bildeten. Das trockene Klima mit heißen Sommern und extrem kalten Wintern machte die Landwirtschaft jedoch zu einem schwierigen Geschäft und verlangte den Siedlern harte Arbeit und ein entbehrungsreiches Leben ab. Neben den auf ihren Planwagen westwärts ziehenden Pionieren spielte der Eisenbahnbau, bei dem hauptsächlich chinesische und irische Arbeiter zum Einsatz kamen, eine entscheidende Rolle bei der Erschließung des Westens. Im Mai 1869 wurde die kontinentale Eisenbahnverbindung fertig gestellt, als sich die Strecken der Union Pacific und der Central Pacific in Utah trafen. Auch die Eisenbahngesellschaften profitierten von großzügigen Landzuweisungen des Bundes. Durch die Eisenbahnverbindungen konnten Farmer ihre Ernten und Rancher ihr Vieh in die Städte des Osten transportieren. Die hohen Frachtpreise der Eisenbahngesellschaften provozierten unter den Farmern allerdings Forderungen nach Beschränkungen der Monopole und führten zur Bildung landwirtschaftlicher Genossenschaften, den so genannten Granges. Schwere Konflikte löste auch die Konkurrenz zwischen Farmern und Ranchern um Land und Wasser aus; die zahlreichen „Kriege“ zwischen Bauern und Viehzüchtern waren ein Hauptgrund für das hohe Gewaltniveau des „Wilden Westens“. Der Hunger der rasch wachsenden Städte nach Rindfleisch machte die Viehzucht im Westen zu einem lukrativen Geschäft. Überproduktion, Dürre und Viehseuchen führten in den 1880er Jahren jedoch zu einem jähen Ende der großen Zeit der Cowboys und Viehtriebe. Neben Farmern und Viehzüchtern kamen Goldsucher, die von reichen Funden in der Sierra Nevada und den Rocky Mountains angelockt wurden. Der Löwenanteil der Gold- und Silberproduktion floss indessen in die Taschen der Bergwerksgesellschaften. Die Leidtragenden der Westexpansion waren, wie immer seit der Ankunft der Europäer, die Ureinwohner Nordamerikas. Um die Mitte des 19. Jahrhunderts lebten noch etwa 350 000 Indianer westlich des Mississippi, davon rund 250 000 auf den Great Plains, wo die Bisonjagd die Lebensgrundlage nomadischer Stämme wie der Sioux und Cheyenne bildete. Auch die Prärieindianer erlitten das Schicksal der Dezimierung durch Krankheiten, Krieg, Zerstörung ihrer Lebensgrundlagen und Internierung in Reservate. Die Ausrottung der viele Millionen zählenden Bisons in weniger als 20 Jahren war ein entscheidender Faktor bei der Verdrängung der Indianer und zugleich Symbol für den ökologischen Raubbau bei der Eroberung des Westens. Die vordrin-

Homestead Act

Transkontinentale Eisenbahn

Der Wilde Westen

Ausrottung der Bisons

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Indianischer Widerstand

Ende der Frontier

Industrialisierung

I. Darstellung

genden Siedler machten den Stämmen ihre Jagdgründe streitig, Jäger wie der legendäre William „Buffalo Bill“ Cody schossen die Tiere, um ihr Fleisch an die Eisenbahngesellschaften zu verkaufen, oder einfach zum Zeitvertreib; die Bisonhäute waren zudem als Industrieleder begehrt. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts gewann ein sozialdarwinistischer Rassismus an Boden, demzufolge die Indianer eine dem Untergang geweihte „Rasse“ seien. Immer wieder kam es zu brutalen Massakern, so 1864 in Sand Creek, Colorado, an den Cheyenne und Arapaho oder 1890 an den Sioux in Wounded Knee, South Dakota. Die Indianer leisteten erbitterten Widerstand und errangen sogar zeitweilige Erfolge wie 1876 am Little Bighorn River in Montana, als die Sioux und Cheyenne eine Einheit der US-Kavallerie unter Colonel George A. Custer vernichteten. Auf Dauer hatte der indianische Widerstand jedoch keine Chance. Euroamerikanische Kritiker der Indianerpolitik verurteilten die Gewalt ebenso wie die unzähligen gebrochenen Verträge und Versprechen, sahen aber die Lösung der „Indianerfrage“ vor allem in der Assimilierung der Ureinwohner an die „christliche Zivilisation“. Der 1887 verabschiedete Dawes Severalty Act bestimmte, den größten Teil der Reservate zu parzellieren und das Land an einzelne Familien zu verteilen, um diese zu selbstständigen Farmern zu machen. Tatsächlich eigneten sich Spekulanten das beste Land an. Den Indianern blieb eine Randexistenz in Armut und kultureller Entwurzelung. 1890 lebten noch rund 100 000 Indianer auf den Great Plains und weniger als 250 000 im ganzen Land. Entgegen der weitverbreiteten Erwartung starben die Ureinwohner jedoch nicht aus, sondern erlebten im 20. Jahrhundert eine allmähliche demografische Erholung. Die Westexpansion war eng mit der Hochindustrialisierung verzahnt, die nach dem Bürgerkrieg mit stürmischer Dynamik einsetzte. Der Westen lieferte Rohstoffe und Nahrungsmittel und nahm zugleich Millionen von Zuwanderern auf. Wie viele Zeitgenossen sah der Historiker Frederick Jackson Turner in der westlichen Siedlungsgrenze, der Frontier, ein soziales Sicherheitsventil, das Amerika bislang Klassenkonflikte europäischen Typs erspart hatte. Turners 1893 vorgetragene berühmte These von der Frontier als dem Ort, wo sich der individualistische, egalitäre und demokratische Nationalcharakter der Amerikaner ausgebildet habe, war deshalb auch eine besorgte Reaktion auf den 1890 von der Zensusbehörde publizierten Befund, dass es keine zusammenhängende Frontier, definiert als Gebiet mit weniger als zwei weißen Einwohnern pro Quadratmeile, mehr gebe. Amerikaner, die weiterhin dem Ideal der agrarischen Republik anhingen, sahen den Aufstieg ihrer Nation zur führenden Industriemacht der Welt mit gemischten Gefühlen. Am Beginn des Bürgerkrieges waren die USA noch ein Agrarland. Weit mehr als die Hälfte der Bevölkerung arbeitete in der Landwirtschaft und lediglich 20 % aller Amerikaner lebten in Städten mit mehr als 2500 Einwohnern. Innerhalb der nächsten 40 Jahre verdoppelte sich der Urbanisierungsgrad. Der Anteil der in der Industrie Beschäftigten wuchs um das Vierfache, der Wert der Industrieproduktion gar um das Siebenfache. Technologische Innovationen, kapitalistischer Wettbewerb und die Entstehung eines riesigen Binnenmarktes steigerten kontinuierlich die Produktivität und generierten ein

4. Der Weg in die industrielle Moderne

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durchschnittliches jährliches Wirtschaftswachstum von 4 %, trotz schwerer Wirtschaftskrisen besonders in den 1870er und 1890er Jahren. Noch vor der Jahrhundertwende hatten die USA Großbritannien als größte Industrienation abgelöst, die weltweit rund ein Viertel aller Industriegüter produzierte. Die Leitsektoren der Hochindustrialisierung waren der Eisenbahnbau und die Stahlindustrie. Um die Jahrhundertwende war das Schienennetz der USA mit rund 320 000 Kilometern größer als das aller europäischen Eisenbahnen zusammen. Zwischen 1880 und 1900 verzehnfachte sich die Stahlerzeugung. In allen Schlüsselindustrien vollzog sich ein häufig mit rabiaten Geschäftsmethoden vorangetriebener Konzentrationsprozess. Industriekapitäne wie Jay Gould (Union Pacific), John D. Rockefeller (Standard Oil) und Andrew Carnegie (Carnegie Steel) beherrschten über trusts und holding companies ganze Industriezweige. Carnegie Steel war bereits das größte Industrieunternehmen der Welt, wurde aber 1901 unter Führung des New Yorker Bankiers J. P. Morgan mit seinen Hauptkonkurrenten zur United States Steel Corporation verschmolzen, dem ersten Konzern mit einer Marktkapitalisierung von mehr als einer Milliarde Dollar. Die enorme wirtschaftliche und politische Macht der Großkapitalisten des Gilded Age führte zu Gesetzen gegen Monopolbildung wie den Interstate Commerce Act (1887) und den Sherman Anti-Trust Act (1890), doch blieben diese vorerst zahnlos, nicht zuletzt, weil der Oberste Gerichtshof Eingriffen des Bundes und der Einzelstaaten in das Wirtschaftsleben enge verfassungsrechtliche Schranken setzte. Bis zur Jahrhundertwende wurden weder der oft sozialdarwinistisch legitimierte laissez-faire-Kapitalismus noch die extrem ungleiche Wohlstandsverteilung ernsthaft in Frage gestellt. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts besaßen 10 % der Amerikaner mehr als zwei Drittel des Volksvermögens; allein auf das reichste Prozent entfielen 40 %. Die Vermögen der Superreichen betrugen mehrere hundert Millionen Dollar. Ostentativer Luxus wurde ebenso zum Markenzeichen der amerikanischen Geldaristokratie wie großzügige Philanthropie. Der amerikanische Traum des Aufstiegs from rags to riches, den der als Kind armer Weber aus Schottland eingewanderte Andrew Carnegie vorlebte, erfüllte sich nur ganz selten, blieb jedoch ein kulturell äußerst einflussreiches Wunschbild. Immerhin bestanden insbesondere für Handwerker und gelernte Arbeiter durchaus realistische Chancen auf soziale und wirtschaftliche Verbesserung. Technologische Innovationen steigerten die Produktivität und ermöglichten kostengünstige Massenproduktion. Grundlegend war die Elektrifizierung der Industrie ab den 1880er Jahren. Auch wenn die Privathaushalte der Städte erst später folgten, wurden die Glühbirne und das 1876 von Alexander Graham Bell erfundene Telefon rasch zum Inbegriff amerikanischer Modernität. Mit der Massenproduktion begann die Entwicklung hin zur Konsumgesellschaft. Die wachsende städtische Mittelklasse konnte in den neuen prächtigen Warenhäusern, etwa bei Macy’s in New York oder Wanamaker’s in Philadelphia, ein breites Sortiment an Kleidung, Haushaltswaren, Lebensmitteln und Luxusartikeln einkaufen. Die Verbraucher auf dem Land wurden durch den Versandhandel versorgt, der gerne auch auf Kredit lieferte. Amerikanische Her-

Gilded Age

American Dream

Konsum

48

American Federation of Labor

Ethnische Spaltung der Arbeiterklasse

Wachstum der Großstädte

I. Darstellung

steller betrieben als erste modernes Marketing durch Werbekampagnen und die Etablierung von Markennamen. Die schöne neue Welt der Konsumgesellschaft war vorerst nur für eine relativ kleine Minderheit erschwinglich. Wie in Europa ging die Hochindustrialisierung auch in den USA mit sozialen Härten und Ausbeutung einher. Die Masse ungelernter Arbeiter verdiente kaum mehr als das Existenzminimum. Kinderarbeit in Textilfabriken und Bergwerken war ebenso an der Tagesordnung wie extrem lange Arbeitszeiten und Arbeitsunfälle; allein 1889 ereigneten sich fast 2000 tödliche Unfälle beim Bau und Betrieb der Eisenbahnen. Gleichwohl lockten die im Vergleich zu Europa höheren Löhne große Scharen von Immigranten an. Auch viele junge, unverheiratete Frauen vom Land zogen die harte Arbeit in Baumwollspinnereien und sweat shops dem Farmleben oder der Ausbeutung als Dienstmädchen vor, weil sie ihnen mehr persönliche Freiheit versprach. Zur Verwunderung europäischer Beobachter entwickelte sich in den USA keine starke Arbeiterpartei nach dem Vorbild der deutschen Sozialdemokratie und der britischen Labour Party. Die von Einwanderern gegründeten lokalen sozialistischen Gruppen blieben randständig, die Socialist Party erzielte 1912 mit 6 % ihr bestes Wahlergebnis. Die ab 1886 in der American Federation of Labor (AFL) zusammengeschlossenen Gewerkschaften forderten höhere Löhne und bessere Arbeitsbedingungen, stellten den Kapitalismus aber nicht in Frage und betrachteten es nicht als ihre Aufgabe, die Arbeiterklasse politisch zu organisieren. Bis heute werden zahlreiche Antworten auf die Frage diskutiert, warum es in den USA keinen „Sozialismus“ gegeben hat. Die üblichen Antworten nennen das Fehlen feudaler Traditionen, das soziale Sicherheitsventil der Frontier, das früh durchgesetzte allgemeine Wahlrecht für weiße Männer, das auf der Mehrheitswahl beruhende Zweiparteiensystem, die individualistische politische Kultur usw. Viele Historiker sehen einen wesentlichen Grund in den ethno-kulturellen und rassischen Spaltungen der amerikanischen Gesellschaft, die kein einheitliches „Klasseninteresse“ der Arbeiterschaft entstehen ließen. Die AFL-Gewerkschaften vertraten primär weiße Facharbeiter und wehrten sich heftig gegen die Konkurrenz von Afroamerikanern, Chinesen und neuen Immigranten. Viele betriebliche Gewerkschaften waren ethnisch geprägt und bestanden ausschließlich aus Deutschen, Iren oder native-born Protestants. Darüber hinaus sahen sich „radikale“ Bewegungen scharfer Repression ausgesetzt. Viele Unternehmen versuchten, die gewerkschaftliche Organisation der Arbeiter mit allen Mitteln zu verhindern, einschließlich bewaffneter Privatarmeen und Streikbrecher. Zudem konnten sie im Kampf gegen Gewerkschaften meist auf die Unterstützung der Politik und der Justiz zählen. Zwischen dem Bürgerkrieg und der Jahrhundertwende wuchs die Bevölkerung der USA von 31,5 auf 76 Millionen. Etwa ein Drittel dieses Zuwachses lässt sich der Einwanderung zurechnen, die wesentlich zum rasanten Wachstum der Städte beitrug. Um 1900 hatten bereits ca. 40 Städte mehr als 100 000 Einwohner, Philadelphia und Chicago sogar mehr als eine Million, während New York City mit rund 3,5 Millionen Einwohnern die bei weitem größte Stadt der USA war. Abseits der glamourösen Geschäftsbezirke mit ihren in die Höhe schießenden „Wolkenkratzern“ dominierten die zahllosen Viertel der verschiedenen

4. Der Weg in die industrielle Moderne

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Einwanderergruppen. In New York City, immer schon eine multikulturelle Metropole, lebten am Ende des Jahrhunderts mehr Iren als in Dublin und genauso viele Deutsche wie in Hamburg. Die überfüllten Elendsquartiere der Immigranten, wie die Lower East Side in Manhattan, waren Brutstätten ansteckender Krankheiten und wiesen eine horrende Kindersterblichkeit auf. Ab den 1890er Jahren setzte die so genannte „Neue Immigration“ aus Süd- und Osteuropa ein, darunter viele Juden aus der Habsburgermonarchie und dem Zarenreich, die das ethnische Gesicht der amerikanischen Großstädte weiter veränderten und nativistischen Ängsten vor einer Überfremdung des „weißen, angelsächsischen und protestantischen“ (WASP) Amerika neue Nahrung gaben. Die 1892 im Hafen von New York errichtete Durchgangsstation Ellis Island, auf der alle Neuankömmlinge registriert und ärztlich untersucht wurden, diente jedoch keineswegs dem Zweck, die Einwanderung zu stoppen. Tatsächlich wurden nur etwa 2 % der Antragsteller abgewiesen, zumeist wegen ihres Gesundheitszustandes. Bis zum Ersten Weltkrieg blieben die Tore für europäische Immigranten offen, von denen allein im ersten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts weitere 9 Millionen eintrafen. Ganz anders verhielt es sich jedoch mit asiatischen Einwanderern an der Westküste, die sich trotz ihrer vergleichsweise kleinen Zahl den geballten Hass der Nativisten und Rassisten zuzogen. Schon 1882 hatte der Kongress den Chinese Exclusion Act verabschiedet, der die Einwanderung chinesischer Arbeiter verbot. Chinesen und die noch kleinere Gruppe japanischer Immigranten durften nicht eingebürgert werden und wurden immer wieder Opfer von Rassendiskriminierung und Mobgewalt. In der nationalen Politik dominierten seit 1865 die Republikaner, die bis 1913 fast ununterbrochen den Präsidenten stellten und ihre Basis unter den Geschäftsleuten, Farmern und der protestantischen Mittelklasse des Nordostens und nördlichen Mittleren Westens hatten. Die Demokraten besaßen seit dem Ende der Reconstruction de facto ein Monopol in den Südstaaten, während sie im Norden ihre Anhänger vor allem unter den Einwanderern und Arbeitern der Großstädte rekrutierten. Gleichwohl bildete sich auf nationaler Ebene ein funktionierendes Zweiparteiensystem mit knappen Wahlergebnissen, wechselnden Mehrheiten im Kongress und hoher Wahlbeteiligung. Die Politik des Gilded Age genießt allerdings bis heute einen schlechten Ruf. Die Präsidenten waren schwach, im Kongress regierten Partikularinteressen und Klientelpolitik, die Korruption blühte. Auf Druck des Veteranenverbandes Grand Army of the Republic dehnten die Republikaner im Kongress kontinuierlich die Pensionsansprüche der Unionsveteranen und ihrer Angehörigen aus. Jobs in der öffentlichen Verwaltung wurden bevorzugt mit Parteigängern besetzt. Immerhin beschloss der Kongress 1883 eine Reform des öffentlichen Dienstes, um die schlimmsten Auswüchse des „Beutesystems“ einzudämmen. Die wichtigsten Streitfragen waren der Goldstandard und die Zollpolitik. Die Republikaner beharrten auf der Golddeckung des Dollars als Garant der Geldwertstabilität und auf hohen Zollschranken, um die heimische Industrie vor ausländischer Konkurrenz zu schützen. Das Ergebnis dieser Politik waren hohe Kreditzinsen und hohe Preise für Fertiggüter. Die Demokraten dagegen traten mehrheitlich für eine Politik des „billigen Geldes“ durch eine Silberwährung

Neue Immigration

Chinese Exclusion Act

Goldstandard und Schutzzölle

50

Populistischer Agrarprotest

Die Wahl von 1896

I. Darstellung

und niedrige Zölle ein. Vor allem die von Überproduktion, Preisverfall und Verschuldung geplagten Farmer verlangten eine Ausweitung der Geldmenge durch die Monetarisierung des reichlich vorhandenen Silbers, um so das Kreditvolumen und die Nachfrage nach ihren Produkten zu steigern. Tatsächlich brachten die Befürworter der Silberdeckung mehrfach Gesetze durch den Kongress, die die Bundesregierung verpflichteten, Silber aufzukaufen und für den Gegenwert Banknoten auszugeben. Die vom demokratischen Präsidenten Grover Cleveland (1885–1889 u. 1893–1897) vorgeschlagenen Zollsenkungen, die Konsumgüter verbilligen sollten, scheiterten indessen am Widerstand der Republikaner. Seit den späten 1880er Jahren schwoll die Unzufriedenheit der Farmer zu einer unter der Bezeichnung Populismus firmierenden agrarischen Protestbewegung an, deren Hochburgen in den Staaten der Great Plains und im Süden lagen. Im Süden kam es anfangs sogar zum Bündnis zwischen weißen und schwarzen Kleinfarmern, das jedoch zerbrach, weil die konservativen Südstaatendemokraten geschickt die „Rassenkarte“ spielten und auch vor Gewalt und Wahlbetrug nicht zurückschreckten. Die 1891 gegründete People’s Party forderte unter anderem die Verstaatlichung der Eisenbahnen, Zollsenkungen, eine unbegrenzte Silberdeckung der US-Währung, die Direktwahl der USSenatoren, eine progressive Einkommenssteuer und staatliche Kredite an verschuldete Farmer. Bei den Präsidentschaftswahlen 1892 traten die Populisten mit einem eigenen Kandidaten an und erzielten beachtliche regionale Erfolge. Die „Panik von 1893“, die Amerika in eine schwere Depression mit bis zu 25 % Arbeitslosigkeit sowie dem massenhaften Bankrott kleiner Farmer und Geschäftsleute stürzte, verschaffte der populistischen Revolte weiteren Zulauf. Die Demokraten übernahmen schließlich Teile des populistischen Programms und führten den Wahlkampf 1896 unter dem Schachtruf „freies Silber“ mit William J. Bryan, einem jungen, charismatischen Rechtsanwalt aus Nebraska, an der Spitze. Jedoch unterlag Bryan dem Republikaner William McKinley deutlich. Es zeigte sich, dass die populistische Bewegung zu sehr auf den Schutz agrarischer Kleinproduzenten fixiert war und wenig Resonanz unter den Trägerschichten der Industrialisierung fand. Unternehmer, Industriearbeiter und Angestellte hatten kein Interesse an höheren Lebensmittelpreisen und billigen Importen, die Arbeitsplätze gefährden konnten. Hinzu kam die stark evangelikale Färbung des Populismus, die das traditionell demokratische Einwanderermilieu der Großstädte abschreckte. Auch vier Jahre später war Bryan gegen McKinley chancenlos. Die Republikaner profitierten von der raschen Erholung der Weltwirtschaft und hielten unbeirrbar am Goldstandard und hohen Schutzzöllen fest, die bald weithin als Garanten der wirtschaftlichen Stärke der USA betrachtet wurden. 4.3 Imperialismus und Progressivismus Der Aufstieg der USA zur weltweit führenden Industrienation bedingte fast zwangsläufig ihren Eintritt in den Kreis der Weltmächte. Bis zum Ende des

4. Der Weg in die industrielle Moderne

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19. Jahrhunderts war die US-Außenpolitik vor allem von den Grundsätzen der 1823 formulierten Monroe-Doktrin bestimmt gewesen. Die Vereinigten Staaten hielten sich aus europäischen Konflikten heraus, würden sich aber jeder weiteren europäischen Kolonisierung der westlichen Hemisphäre entgegenstellen. Die US-Navy verteidigte bei Bedarf amerikanische Handelsinteressen – etwa gegen die „Piratenstaaten“ in Nordafrika (Barbary Wars 1801–1815) und gegen die Misshandlung amerikanischer Seeleute in Japan (1854) und Korea (1871) – doch waren die Amerikaner vollauf mit der kontinentalen Expansion beschäftigt. Mit dem Kauf Alaskas von Russland erzielten die USA 1867 einen weiteren, riesigen Gebietszuwachs. Das Ende der Westexpansion um 1890 veranlasste dann aber immer mehr Amerikaner zu der Frage, ob sie in die imperialistische Konkurrenz um überseeische Märkte, Rohstoffe und Einflusssphären eintreten mussten, weil sie nur so die Macht, den Wohlstand und die innere Ordnung ihrer Nation sichern konnten. Alfred Thayer Mahan, US-Marineoffizier und Professor am Naval War College, veröffentlichte 1890 sein berühmtes und international äußerst erfolgreiches Buch The Influence of Sea Power upon History, in dem er unter anderem darlegte, dass Amerika, um im Kampf der Weltmächte bestehen zu können, eine moderne Hochseeflotte und überseeische Stützpunkte benötige. Als eine aus einem antikolonialen Unabhängigkeitskampf hervorgegangene Republik hatten sich die USA bislang vom Imperialismus und Kolonialismus der europäischen Großmächte distanziert. In den 1890er Jahren jedoch ergriff das Fieber des Imperialismus auch große Teile der amerikanischen Öffentlichkeit. Allerdings beschränkte sich der Zeitraum, in dem die USA eine offen imperialistische Politik verfolgten, auf das halbe Jahrzehnt zwischen dem spanisch-amerikanischen Krieg von 1898 und dem Erwerb der Kanalzone in Panama Ende 1903. Im historischen Selbstverständnis vieler Amerikaner war diese Phase deshalb lediglich eine bedauerliche Abirrung von den wahren amerikanischen Traditionen, die jedoch rasch überwunden worden sei. Eine einflussreiche Historikerschule argumentiert dagegen, dass der Erwerb von Kolonien nebensächlich gewesen sei und es dem amerikanischen Imperialismus primär um den Aufbau eines informellen, ökonomischen Imperiums ging, das dem von Überproduktionskrisen bedrohten US-Kapitalismus neue Expansionsmöglichkeiten erschließen sollte. Ideologisch wurde der Imperialismus mit einer angeblichen „Zivilisierungsmission“ der weißen Völker, insbesondere der „angelsächsischen Rasse“, gerechtfertigt, die die Pflicht hätten, den rückständigen, zur Selbstregierung nicht oder noch nicht fähigen „Rassen“ die Segnungen der christlichen Zivilisation zu bringen. Andererseits lehnten zahlreiche Rassisten, vor allem in den Südstaaten, die imperiale Expansion gerade deshalb ab, weil sie zusätzlich zu den Afroamerikanern weitere Angehörige „minderwertiger Rassen“ unter das Dach der amerikanischen Republik brächte und zu Hause die „weiße Vorherrschaft“ bedrohe. Für die konkreten Entscheidungssituationen spielte der von der Massenpresse (yellow press) befeuerte aggressive Nationalismus – im anglophonen Sprachraum als jingoism bezeichnet – eine wichtige Rolle. So verspürte die McKinley-Administration, trotz gewichtiger amerika-

Die USA auf der Weltbühne

Imperialismus

Rassismus und Jingoismus

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Spanischamerikanischer Krieg 1898

Annexion der Philippinen

I. Darstellung

nischer Wirtschaftsinteressen auf Kuba, zunächst wenig Interesse, in dem Konflikt zwischen den kubanischen Rebellen und der spanischen Kolonialmacht zu intervenieren, und favorisierte eine Autonomielösung. Die Berichte über die Gräueltaten der spanischen Militärs waren jedoch ein gefundenes Fressen für die Sensationspresse. Die Explosion des US-Kriegsschiffes Maine am 15. Februar 1898 im Hafen von Havanna, bei der 266 US-Matrosen getötet wurden, machte einen Krieg mit Spanien unvermeidlich, da die amerikanische Öffentlichkeit einen spanischen Hinterhalt unterstellte; 1976 belegte eine Untersuchung des US-Marineministeriums, dass es sich um einen Unfall gehandelt hatte. In seiner Kriegsbotschaft vom 11. April 1898 ließ McKinley durchblicken, dass die USA nicht für die kubanische Unabhängigkeit kämpften, sondern vor allem Ordnung vor der eigenen Haustür schaffen wollten. Der Kongress beharrte freilich darauf, die USA strebten keinerlei Annexion oder Kontrolle über Kuba an. Der schnelle Sieg über Spanien entfachte eine Welle patriotischer Begeisterung und beflügelte die Fantasie der Imperialisten, die darauf drängten, das den USA in den Schoß gefallene karibische und pazifische Kolonialreich der Spanier zu annektieren. Allerdings gab es weiterhin erhebliche Opposition gegen den Erwerb von Kolonien. So wurde Kuba unabhängig, stand allerdings unter dem Protektorat der USA, die sich ein Interventionsrecht und den Marinestützpunkt in Guantánamo Bay ausbedungen. Die Bewohner der ehemaligen spanischen Kolonie Puerto Rico erhielten begrenzte Selbstverwaltung und 1917 sogar die US-Staatsbürgerschaft. Die Insel blieb jedoch ein Territorium der USA und ist bis heute nicht als Bundesstaat in die Union aufgenommen worden, im Unterschied zu Hawaii, das seit 1893 von amerikanischen Pflanzern kontrolliert und nach dem spanisch-amerikanischen Krieg kurzerhand annektiert wurde. Gegen die Annexion der Philippinen formierte sich indessen massiver Widerstand unter Führung der Anti-Imperialist League, der linksliberale Sozialreformer ebenso angehörten wie der pazifistische Stahlmagnat Andrew Carnegie. In der Sicht der Kritiker verletzte die imperiale Expansion der USA nicht nur die Rechte fremder Völker, sondern gefährdete ebenso die republikanischen Werte und Institutionen der USA. Die Annexionisten verwiesen hingegen auf die strategische Bedeutung der Inselgruppe, auf die Japan und das Deutsche Reich bereits ein Auge geworfen hatten, und natürlich auf die „Bürde des weißen Mannes“, so der Titel des berühmt-berüchtigten Gedichts, das der englische Poet Rudyard Kipling 1899 verfasste, um die USA an ihre „Pflichten“ zu gemahnen. Im Kongress behielten die Imperialisten knapp die Oberhand, doch stürzte die Annexion der Philippinnen die neue Kolonialmacht in einen brutalen Guerillakrieg gegen die philippinische Unabhängigkeitsbewegung, in dem mindestens 4000 US-Soldaten und 20 000 Rebellen starben; die Opfer unter der Zivilbevölkerung lagen um ein Vielfaches höher. 1902 begann der US-Senat eine Untersuchung der Übergriffe gegen die Filipinos. Der Widerstand gegen die Kolonialmacht ebbte zu diesem Zeitpunkt jedoch bereits ab und die Filipinos begannen sich mit der amerikanischen Oberhoheit bei begrenzter Selbstverwaltung zu arrangieren. Amerikanische Geschäftsleute betrachteten die Philippinen als Sprungbrett

4. Der Weg in die industrielle Moderne

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nach China mit seinem vermeintlich gigantischen Markt, während christliche Missionare davon träumten, das größte Volk der Erde zu christianisieren. Jedoch strebten die USA keine territorialen Erwerbungen in China an, sondern wollten verhindern, dass die europäischen Mächte und Japan das geschwächte Reich der Mitte politisch und ökonomisch unter sich aufteilten. Obwohl sich die Amerikaner im Jahre 1900 an der Niederschlagung der fremdenfeindlichen „Boxer-Rebellion“ beteiligten, verfolgte Washington primär das Ziel, die übrigen Mächte auf die Anerkennung der territorialen Integrität und Souveränität Chinas sowie des Prinzips der „offenen Tür“, also auf freien Zugang zum chinesischen Markt, zu verpflichten. Insofern gilt die amerikanische Expansion nach China als exemplarisch für die Politik des „informellen Imperiums“. In Wirklichkeit handelte es um ein sehr bescheidenes Imperium, denn die amerikanischen Ausfuhren nach China machten um 1900 gerade einmal ein Prozent des US-Exports aus. Der grenzenlose chinesische Markt blieb noch lange eine Illusion. Auf dem amerikanischen Doppelkontinent reklamierten die USA unter dem Banner der Monroe-Doktrin eine hegemoniale Stellung und wahrten ihre Interessen notfalls auch mit robusten Mitteln. 1903 inszenierte Präsident Theodore Roosevelt, ein entschiedener Verfechter imperialer Politik, einen Putsch mit dem Ziel der Abspaltung Panamas von Kolumbien, um den USA die Kontrolle über den im Bau befindlichen Panamakanal zu sichern. Als Großbritannien, Deutschland und Italien 1902/3 eine Seeblockade über Venezuela verhängten, um das Land zur Anerkennung seiner Auslandsschulden zu zwingen, erzwang Roosevelt ein Schiedsgerichtsverfahren und deutete die Bereitschaft zur militärischen Intervention an. Damit sich solche Zwischenfälle nicht wiederholten, verkündete der US-Präsident Ende 1904 seinen berühmten Zusatz zur MonroeDoktrin. Demnach waren die USA gezwungen, eine „internationale Polizeigewalt“ in den Amerikas für den Fall auszuüben, dass ein Land durch Verletzung seiner internationalen Verpflichtungen oder den Zerfall der Ordnung die Sicherheit der ganzen Region gefährdete. Um Interventionen der Europäer zu verhindern, beanspruchten die USA ein Interventionsrecht. In den folgenden Jahrzehnten entsandten US-Präsidenten immer wieder Streitkräfte in die Inselstaaten der Karibik; so stand das notorisch instabile Haiti von 1915 bis 1934 ununterbrochen unter amerikanischer Besatzung. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts brachte die neue Weltmacht ihr Gewicht auch in den großen Fragen von Krieg und Frieden zur Geltung. Sowohl beim Friedensschluss zwischen Russland und Japan 1905 als auch in der ersten Marokkokrise 1906 spielte Präsident Theodore Roosevelt eine vielbeachtete Rolle als Vermittler, die ihm den Friedensnobelpreis eintrug. Für die meisten Amerikaner war die weltpolitische Rolle ihres Landes jedoch von weit geringerem Interesse als die drängenden inneren Probleme, die aus Industrialisierung, Urbanisierung und Masseneinwanderung resultierten. Das späte 19. und das frühe 20. Jahrhundert standen im Zeichen einer breiten, als „Progressivismus“ bezeichneten Reformbewegung. Im Unterschied zur Agrarromantik der Populisten akzeptierten die Progressives die moderne Industriegesellschaft und richteten ihr Augenmerk primär auf die rasant wachsenden Großstädte, wo

„Offene Tür in China“

Roosevelts Zusatz zur Monroe-Doktrin

Progressivismus

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Staatliche Sozialreformen

Hull House als Vorbild städtischer Sozialarbeit

Pragmatismus und Effizienz

I. Darstellung

Millionen Einwanderer unter schockierenden hygienischen Verhältnissen in beengten Mietskasernen hausten und Kriminalität, Laster und Korruption grassierten. Obwohl zu den Wahlen 1912 eine neu formierte Progressive Party antrat, lässt sich die progressive Bewegung nicht parteipolitisch definieren. Progressives gab es bei den Republikanern und den Demokraten, viele Reformer hegten auch Sympathien für die Sozialisten. Auch sonst war der Progressivismus sehr heterogen. Ein Teil seiner Anhängerschaft bekannte sich im Namen des Fortschritts zur imperialen Mission der USA, ein anderer sah den Imperialismus als gefährliche Abweichung vom Pfad der inneren Erneuerung. Liberale Sozialreformer aus dem Norden gründeten 1909 die antirassistische National Association for the Advancement of Colored People (NAACP), während weiße Progressives aus den Südstaaten die Rassentrennung als fortschrittliche Lösung der Rassenfrage anpriesen. Trotzdem lassen sich einige Grundorientierungen der Reformbewegung benennen: Die Progressives brachen mit dem laissez-faire-Denken des Gilded Age und forderten eine aktive Rolle des Staates bei der Lösung sozialer und wirtschaftlicher Probleme. Wichtige Impulse erhielt die Reformbewegung dabei von sozialkritischen Journalisten, den muckrakers (Dreckwühler), die soziale Missstände und Korruption öffentlich anprangerten. Der Progressivismus stellte indes nicht den Kapitalismus als solchen in Frage, sondern bekämpfte seine Auswüchse, etwa durch Gesetze zum Schutz von Arbeitern und Verbrauchern. Der konservative Supreme Court setzte staatlicher Regulierung freilich immer wieder Grenzen, so als er 1905 ein Gesetz des Staates New York kassierte, das die Arbeitszeit von Bäckern auf zehn Stunden täglich begrenzte (Lochner v. New York). Obwohl sie den Staat in die Pflicht nehmen wollten, standen die Progressives in der amerikanischen Reformtradition zivilgesellschaftlicher Selbstorganisation. Die Gründung von Hull House in Chicago 1889 durch die Sozialreformerinnen Jane Addams und Ellen Gates Starr beruhte auf dem Prinzip, dass die Reformer unter den Slumbewohnern lebten und ihnen, neben praktischen Wohlfahrtsmaßnahmen wie der Einrichtung von Suppenküchen, insbesondere Bildungs- und Kulturangebote machten. Hull House, das selbst einem Londoner Modell folgte, wurde zum Vorbild für rund 500 so genannter Social Settlements in amerikanischen Städten. Im Mittelpunkt progressiven Denkens stand die Vorstellung einer effizienten und professionellen Organisation von Politik und Gesellschaft auf der Grundlage moderner Wissenschaft und Technologie. Der von Charles Peirce, William James und John Dewey propagierte Pragmatismus lieferte den philosophischen Hintergrund für eine praxisorientierte empirische Sozialforschung, die eng mit den Reformanstrengungen verzahnt war. Die neue „soziologische Jurisprudenz“ verlangte, dass bei der Beurteilung von Rechtsfragen nicht nur Gesetzestexte und Präzedenzfälle, sondern auch soziale Tatsachen berücksichtigt werden müssten. In seinem Plädoyer vor dem Supreme Court für ein Gesetz des Staates Oregon, das die Arbeitszeit von Frauen auf 10 Stunden pro Tag begrenzte, argumentierte der Verbraucheranwalt Louis Brandeis erfolgreich

4. Der Weg in die industrielle Moderne

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mit statistischen Daten und medizinischen Forschungsergebnissen, welche die Gesundheitsgefährdung für Frauen durch lange Arbeitszeiten belegen sollten (Muller v. Oregon 1908). Die Progressives wollten die Demokratie durch Ausweitung der Partizipationsrechte und plebiszitäre Verfahren neu beleben und aus den Klauen korrupter Parteimaschinen und plutokratischer Interessen befreien. Zahlreiche Bundesstaaten führten Volksabstimmungen und Vorwahlen ein. Ein bedeutender Erfolg war der 1913 ratifizierte 17. Verfassungszusatz, der die Volkswahl der US-Senatoren vorschrieb. Das Frauenwahlrecht gehörte zu den wichtigsten Forderungen der Progressives, nicht zuletzt, weil Sozialreformerinnen in der Bewegung eine prominente Rolle spielten. Durch ihr Engagement im Sozialwesen eröffneten sich Frauen der Mittelklasse neue Felder der Erwerbsarbeit, z. B. als Fabrikinspektorinnen, und untermauerten so zugleich ihrem Anspruch auf politische und rechtliche Gleichstellung. Da die Träger der Bewegung überwiegend aus der protestantischen Mittelklasse stammten, waren auch Zwangsmaßnahmen zur Durchsetzung der öffentlichen Moral, wie das Verbot von Alkohol und Prostitution, Teil ihres Programms. Unter dem Schlagwort der „Amerikanisierung“ sollten Einwanderer an die Werte und Lebensformen der „WASP“-Kultur assimiliert werden. Viele Progressives versprachen sich eine Hebung der Volksgesundheit und die Lösung sozialer Probleme von eugenischen Maßnahmen, inklusive der Zwangssterilisation „Schwachsinniger“ und Schwerkrimineller. Unter den Befürwortern der Eugenik fanden sich nicht nur Rassisten und Nativisten, sondern auch die radikale Frauenrechtlerin Margaret Sanger, die für Empfängnisverhütung und Abtreibung als Methoden moderner Familienplanung eintrat. Die Gründung der NAACP durch weiße Sozialreformer und schwarze Intellektuelle erfolgte ebenfalls im Kontext der progressiven Bewegung. Allerdings existierten in der afroamerikanischen Gemeinschaft große Meinungsverschiedenheiten über den richtigen Weg zu bürgerlicher Gleichstellung und sozialer Akzeptanz. In den Südstaaten, wo um 1900 noch rund 90 % der Schwarzen lebten, vertrat Booker T. Washington, ein ehemaliger Sklave, der sich zum Präsidenten einer Art Fachhochschule für Schwarze in Tuskegee, Alabama, hochgearbeitet hatte, eine Philosophie der Anpassung an die weiße Gesellschaft. Washingtons Botschaft, dass handwerkliche Ausbildung und der Erwerb von Eigentum vorläufig wichtiger seien als politische Rechte und dass reale Gleichheit nur durch harte Arbeit und Selbstdisziplin zu erreichen sei, passte gut in die gradualistische Fortschrittsideologie des Neuen Südens und öffnete die Taschen weißer Philanthropen. Der Erfolg des Tuskegee Institute und Washingtons Ansehen in der weißen Gesellschaft machten ihn zum einflussreichsten Afroamerikaner seiner Zeit. Seine Kritiker, die sich um den jungen Soziologen W.E.B. Du Bois sammelten, beklagten freilich, dass Washingtons Philosophie der Anpassung weder die rassistischen Gewaltexzesse noch die immer neuen Diskriminierungsmaßnahmen im Süden einzudämmen vermochte. Du Bois und die von ihm mitbegründete NAACP traten deshalb für kompromisslosen Protest gegen jede Form der Rassendiskriminierung ein, die

Plebiszitäre Demokratie und Frauenwahlrecht

Öffentliche Moral und Eugenik

Booker T. Washington

W.E.B. Du Bois

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Theodore Roosevelt

Wilsons Reformpolitik

I. Darstellung

vor Gericht ebenso wie durch Agitation und politische Mobilisierung bekämpft werden sollte. Nach Washingtons Tod im Jahre 1915 wurde die NAACP rasch zum wichtigsten Sprachrohr für die Rechte der der schwarzen Minderheit. Im frühen 20. Jahrhundert erlangten die Progressives in vielen Städten und Einzelstaaten erheblichen Einfluss. Auf nationaler Ebene erhielten sie durch die Präsidentschaft Theodore Roosevelts großen Auftrieb, dessen Amtszeit (1901– 1909) den Beginn der modernen, aktivistischen Präsidentschaft markiert. Roosevelt, der Ende 1901 als Vizepräsident dem von einem Anarchisten ermordeten McKinley mit gerade einmal 42 Jahren ins Präsidentenamt nachfolgte, zeigte sich gegenüber den Gewerkschaften aufgeschlossen und schrieb die Kontrolle der großen Konzerne auf seine Fahnen. Auf seine Initiative hin verabschiedete der Kongress Gesetze zur Regulierung der Eisenbahnen sowie zum Schutz der Verbraucher und der Natur. Roosevelt zog sich 1909 aus der Politik zurück, doch unzufrieden mit dem konservativen Kurs seines Nachfolgers William H. Taft, versuchte er 1912 ein Comeback als Kandidat der Progressive Party. Da Roosevelt den progressiven Flügel der Republikaner auf seine Seite zog, eroberte mit Woodrow Wilson erstmals seit 1892 wieder ein Demokrat das Weiße Haus. Auch Wilson, ein Historiker, Politikwissenschaftler und ehemaliger Präsident der Universität Princeton, war ein Anhänger des Progressivismus, der die Politik der staatlichen Regulierung wirtschaftlicher Großinteressen zugunsten der Farmer, Arbeiter und Verbraucher fortsetzte. In seiner ersten Amtszeit wurde eine Bundeseinkommenssteuer eingeführt, ein neues Gesetz zur Beschränkung von trusts erlassen und das Zentralbanksystem, das Federal Reserve Board, geschaffen, mit dem das chaotische Bankenwesen der USA geordnet und besser gegen Finanzkrisen abgeschirmt werden sollte. Mit Ausbruch des Krieges in Europa im Sommer 1914 rückte freilich immer mehr die Außenpolitik ins Zentrum seiner Präsidentschaft. Spätestens mit dem Kriegseintritt der USA im April 1917 verlor auch der Reformenthusiasmus der Progressives seinen Schwung. 4.4 Erster Weltkrieg und Rückzug in die Normalität

Wilsons liberaler Internationalismus

Woodrow Wilson begann als innenpolitischer Reformer, doch ging er in die Geschichte ein als der Präsident, der die globale Mission der USA neu definierte. Die traditionelle Vorstellung von der „Stadt auf dem Hügel“, an der sich der Rest der Welt ein Beispiel nehmen sollte, hatte sich in der modernen Welt überlebt. Um seine Interessen und Ideale zu bewahren, musste Amerika aktiv und notfalls auch militärisch in die Weltpolitik eingreifen. Unter dieser Prämisse diente der amerikanische Eintritt in den Ersten Weltkrieg der weltweiten Durchsetzung der liberalen Demokratie nach amerikanischem Vorbild. „The world must be made safe for democracy“, lautete Wilsons berühmtes Credo in seiner Kriegsbotschaft vom April 1917. In einer Welt demokratischer und durch einen Bund der Völker geeinter Nationen werde es keine Kriege, sondern nur noch friedliche Handelskonkurrenz geben. Bei der Verkündung seines liberalen Internationalismus verbreitete der aus einer Pfarrersfamilie stammende Präsi-

4. Der Weg in die industrielle Moderne

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dent häufig eine Aura der Selbstgerechtigkeit, die viele Europäer, Gegner wie Verbündete, als Heuchelei empfanden, hinter der sich handfeste Interessen verbargen. Zahlreiche Amerikaner hingegen blieben skeptisch gegenüber Wilsons idealistischer Vision, die ihr Land, entgegen den Warnungen der Gründerväter, dauerhaft in die Händel der Welt zu verstricken drohte. Am Ende scheiterte Wilson an den Realitäten der internationalen Politik und am Überdruss des amerikanischen Volkes, das nach den Aufregungen des Weltkrieges eine Rückkehr zur Normalität wünschte. Bei Ausbruch des europäischen Krieges im August 1914 rief der Präsident seine Landsleute zu „Neutralität im Denken wie im Handeln“ auf, sympathisierte aber persönlich mehr oder weniger offen mit den Westalliierten. Abgesehen von den Bindungen der „WASP“-Elite an Großbritannien, lag ein Europa unter deutscher Hegemonie nicht im amerikanischen Interesse. In der breiten Öffentlichkeit erschien das Deutsche Reich weithin als Aggressor und konnte lediglich auf die Sympathien der deutsch- und irischstämmigen Bevölkerung zählen. Dennoch lehnte die überwältigende Mehrheit der Amerikaner ein militärisches Eingreifen vorerst strikt ab. Der Krieg zwischen den USA und Deutschland war nicht zwangsläufig und resultierte primär aus einer deutschen Politik, die das Machtpotenzial und die Entschlossenheit der USA eklatant unterschätzte. Als neutrale Macht insistierten die USA auf der Freiheit der Meere, die ihnen den Handel mit allen kriegführenden Nationen im Rahmen des Seerechts erlaubte. Dieser Anspruch kollidierte sowohl mit der britischen Seeblockade gegen deutsche Häfen als auch mit dem deutschen U-Bootkrieg gegen Handelsschiffe, die die britischen Inseln anliefen. Aus amerikanischer Sicht bestand der entscheidende Unterschied darin, dass die britische Blockade nicht den Tod von US-Bürgern und die Zerstörung amerikanischen Eigentums zur Folge hatte. Die Versenkung des englischen Passagierdampfers Lusitania im May 1915 durch ein deutsches U-Boot, unter deren rund 1200 Todesopfern 128 Amerikaner waren, führte an den Rand des Krieges, den beide Regierungen aber noch vermeiden wollten. Ende August 1915 stellte die kaiserliche Marine den uneingeschränkten U-Bootkrieg gegen Passagier- und Handelsschiffe vorläufig ein. In der Folgezeit unternahm Wilson mehrere Vermittlungsversuche. Als der Präsident nach seiner Wiederwahl die Kriegsparteien zu einem „Frieden ohne Sieg“ aufforderte, den allerdings weder die Entente noch die Mittelmächte wünschten, hatte die deutsche Führung bereits die Wiederaufnahme des UBootkrieges beschlossen. Ein Kriegseintritt der USA wurde dabei bewusst in Kauf genommen. Als Anfang März 1917 ein geheimes deutsches Bündnisangebot an Mexiko bekannt wurde (Zimmermann-Telegramm) und deutsche UBoote kurz darauf mehrere amerikanische Handelsschiffe versenkten, schwenkte die öffentliche Meinung in Amerika fast einhellig auf Kriegskurs ein. Am 2. April trat Wilson vor den Kongress und verlangte die Feststellung des Kriegszustandes mit dem Deutschen Reich. Der Präsident erklärte ausdrücklich, der Krieg richte sich nicht gegen das deutsche Volk, sondern gegen seine autokratische Regierung; Amerika kämpfe für das Recht und die Freiheit aller Nationen, den Weltfrieden und den Triumph der Demokratie. Der Kriegseintritt löste eine wirtschaftliche, militärische und propagan-

Neutralität

Versenkung der Lusitania

Kriegseintritt der USA

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American Expeditionary Force

Great Migration

Frauenwahlrecht und Prohibition

Wilsons 14 Punkte

Völkerbund

I. Darstellung

distische Mobilisierung aus, wie sie die Amerikaner seit dem Bürgerkrieg nicht mehr erlebt hatten. Die Kriegswirtschaft wurde zentral durch das War Industries Board unter Leitung des Wall-Street-Bankiers Bernard Baruch koordiniert. Der Kriegsboom steigerte die industrielle und landwirtschaftliche Produktion in neue Höhen. Allerdings dauerte es relativ lange, bis die USA ein einsatzfähiges Expeditionskorps von ca. zwei Millionen Soldaten nach Europa entsenden konnten. Erst ab Frühsommer 1918 griffen US-Truppen in großer Zahl in die Kämpfe an der Westfront ein und führten die Kriegswende zugunsten der Alliierten herbei. Insgesamt betrugen die Verluste der American Expeditionary Force knapp 120 000 Tote, mehr als die Hälfte davon fiel Infektionskrankheiten, vor allem der Spanischen Grippe, zum Opfer. Die propagandistische Mobilisierung der Amerikaner übernahm das Committee on Public Information. Die antideutsche Hysterie und Spionagefurcht, die das Komitee entfachte, traf die Deutsch-Amerikaner mit voller Wucht. Auch Sozialisten und Pazifisten sahen sich Repressalien ausgesetzt. Die Zuwanderung einer halben Million Afroamerikaner aus dem Süden in die Industriestädte des Nordens und Mittleren Westens (Great Migration) resultierte in Rassenspannungen, die sich bis in die Nachkriegszeit hinein in blutigen „Rassenunruhen“ entluden. Zugleich ermutigte der amerikanische Kreuzzug für die Demokratie viele Afroamerikaner dazu, mehr Demokratie für sich selbst einzufordern. Dieses Argument benutzte, mit größerem Erfolg, auch die Frauenwahlrechtsbewegung. Im September 1918 sprach sich Präsident Wilson für eine entsprechende Verfassungsänderung aus, die 1920 in Kraft trat (19. Verfassungszusatz), doch auf die politischen Kräfteverhältnisse ohne Einfluss blieb. Den Anhängern der Prohibition gelang es ebenfalls, den Krieg für ihre Ziele zu instrumentalisieren und ein Alkoholverbot auf den Weg zu bringen, das 1919 durch den 18. Verfassungszusatz eingeführt wurde. Im Januar 1918 hatte Wilson sein liberales Friedensprogramm in einem 14Punkte-Programm formuliert, das u. a. die Freiheit der Meere und des Handels, das Ende der Geheimdiplomatie, eine allgemeine Abrüstung, das Selbstbestimmungsrecht der Völker und, als Krönung, die Schaffung eines Völkerbundes umfasste. Im Oktober 1918 akzeptierte die deutsche Führung im Angesicht der Niederlage Wilsons Programm als Grundlage der Friedensverhandlungen. Auf der Pariser Friedenskonferenz im Frühjahr 1919 sah sich der US-Präsident jedoch zu zahlreichen Kompromissen gezwungen, denn seine Alliierten verlangten einen harten Frieden, der ihnen Reparationen, territoriale Gewinne und Sicherheit vor Deutschland garantierte. Aber obwohl Wilson im Versailler Frieden zahlreiche Abstriche an seinen liberalen Prinzipien machen musste, erreichte er mit der Gründung des Völkerbundes sein wichtigstes Ziel. Unter Führung der fünf Siegermächte (USA, Großbritannien, Frankreich, Italien, Japan) sollte der Völkerbund in Zukunft den Weltfrieden sichern. Seinen heimischen Kritikern gingen die aus dem Völkerbund resultierenden Verpflichtungen indessen viel zu weit. Sie fürchteten insbesondere, dass amerikanische Soldaten auf Geheiß des Völkerbundes bald überall auf der Welt kämpfen müssten. Um die Ratifizierung der Völkerbundsakte entwickelte sich ein zähes Ringen im US-Senat, wo sich drei Fraktionen gegenüberstanden. Die

4. Der Weg in die industrielle Moderne

59

„unversöhnlichen“ Gegner Wilsons lehnten den amerikanischen Beitritt rundweg ab, die loyalen Anhänger des Präsidenten wiederum akzeptierten keinerlei Vorbehalte gegen das Vertragswerk. Dazwischen stand unter Führung des Republikaners Henry C. Lodge eine Gruppe, die dem Beitritt nur unter der Bedingung zustimmen wollte, dass der Völkerbund nicht die nationale Souveränität und die Rechte des Kongresses beeinträchtigen dürfe. Wilson selbst lehnte jeden Kompromiss ab und begann eine Rundreise durch die USA, um die Öffentlichkeit zu mobilisieren. Nach seiner Rückkehr erlitt er einen Schlaganfall, von dem er sich bis zu seinem Tod 1924 nicht mehr erholte. Der Beitritt der USA zum Völkerbund unter Vorbehalt scheiterte endgültig im März 1920 an einer unechten Mehrheit aus unversöhnlichen Gegnern und kompromisslosen Anhängern des Präsidenten. Wilsons Unnachgiebigkeit trug fraglos zum Scheitern seiner großen Vision bei, doch sollte der Wilson’sche Internationalismus im Gefolge des Zweiten Weltkrieges eine Wiederauferstehung erleben. Die Ablehnung des Völkerbundes spiegelte die Grundstimmung der Amerikaner wider, die genug von internationalen Kreuzzügen und innerer Mobilisierung hatten und bei den Wahlen 1920 dem Versprechen der Republikaner glaubten, das Land „zurück zur Normalität“ zu führen. In der Tat erfüllte das Nachkriegsjahrzehnt augenscheinlich die Hoffnung auf Prosperität und Stabilität. Unter der Oberfläche der Roaring Twenties schwelten jedoch soziale und kulturelle Konflikte zwischen einer modernen urbanen Gesellschaft und dem konservativen ländlichen Amerika. Der Börsenkrach im Oktober 1929 stieß die Nation dann abrupt in die schwerste wirtschaftliche Krise ihrer bisherigen Geschichte. Unmittelbar nach dem Ersten Weltkrieg erlebten die USA eine Streikwelle, weil die Arbeiterschaft einen Inflationsausgleich forderte. Da Unbekannte gleichzeitig Bombenattentate auf Politiker und Wirtschaftsführer verübten, griff eine Red Scare genannte Kommunistenfurcht um sich. Justizminister Mitchell Palmer ordnete Massenverhaftungen an und ließ radikale Einwanderer in das bolschewistische Russland deportieren, dem die US-Regierung die Absicht unterstellte, die Weltrevolution nach Nordamerika exportieren zu wollen. Da sich aber eine kommunistische Verschwörung in den USA nicht beweisen ließ, ebbte die Hysterie 1920 allmählich wieder ab. Nach einer kurzen Demobilisierungskrise mit hoher Arbeitslosigkeit setzte Ende 1921 erneut eine kraftvolle Hochkonjunktur ein. Zwischen 1922 und 1929 stieg das US-Bruttosozialprodukt von 70 Mrd. auf 100 Mrd. Dollar – bei gleichzeitiger Preisstabilität und Vollbeschäftigung. Die Prosperität der 1920er Jahre beruhte vor allem auf dem Massenkonsum, denn immer mehr Amerikaner leisteten sich neue Konsumgüter wie Kühlschränke, Waschmaschinen, Radios und sogar Automobile wie das legendäre Ford Model T. Die Zahl der Automobile verdreifachte sich bis 1930 auf über 25 Millionen. Als industrieller Leitsektor stimulierte die Automobilindustrie die Produktion von Öl, Kautschuk und Stahl und bildete die Speerspitze bei der Einführung neuer und effizienter Produktionsmethoden. Das Fließband wurde zum Symbol der industriellen Moderne und der Terminus „Fordismus“ zum Inbegriff der technologischen Überlegenheit der US-Wirtschaft, die auf der Verbindung

Scheitern des Völkerbundes im US-Senat

Zurück zur Normalität

Red Scare

Prosperität

60 Fordismus

Internationale Schulden

Abrüstung und Kriegsächtung

Jazz Age

Garveyismus

I. Darstellung

von Massenproduktion und Massenkonsum beruhte. Allerdings erreichte der Boom nicht alle Amerikaner gleichermaßen. Die Vermögen blieben sehr ungleich verteilt. Die Farmer litten unter Überproduktion und Preisverfall, und viele Durchschnittsverdiener konnten sich die Segnungen der Konsumgesellschaft allenfalls auf Kredit leisten. In der Politik dominierten konservative, wirtschaftsfreundliche Republikaner. Die Administrationen Warren G. Hardings (1921–1923) und Calvin Coolidges (1923–1929) senkten die Unternehmenssteuern, kürzten die Staatsausgaben und schützten die amerikanische Industrie und Landwirtschaft durch hohe Zölle vor ausländischer Konkurrenz. Der Protektionismus verschärfte jedoch die internationalen Ungleichgewichte, denn er nahm den Europäern die Chance, durch Exporte in die USA genug Dollars zu verdienen, um ihre aus dem Krieg resultierenden Schulden bei den Amerikanern zu bezahlen. Zur Bedienung ihrer politischen (Reparationen) und kommerziellen Schulden hingen die Europäer vom stetigen Zustrom amerikanischen Kapitals ab, der in der Weltwirtschaftskrise jäh versiegte. Immerhin erarbeiteten die amerikanischen Finanzexperten Charles Dawes (Dawes-Plan 1924) und Owen D. Young (Young-Plan 1929) mit Rückendeckung ihrer Regierung Konzepte zur Lösung der europäischen Schuldenprobleme, die zumindest zeitweilig zur politischen und wirtschaftlichen Stabilisierung in Europa beitrugen. Generell war die US-Außenpolitik keineswegs „isolationistisch“. Bei der Washingtoner Flottenkonferenz 1922 schlossen die großen Seemächte unter Führung der USA ein umfassendes Abrüstungsabkommen. Auch am Zustandekommen des Kriegsächtungspaktes von 1928, für den Außenminister Frank Kellogg den Friedensnobelpreis erhielt, waren die USA maßgeblich beteiligt; da der Pakt keine direkten Beistandpflichten einschloss, passierte er den Senat problemlos. Der Zensus von 1920 ergab, dass die Mehrheit der Amerikaner inzwischen in Städten lebte, und machte so den Durchbruch der urbanen und industriellen Moderne gleichsam amtlich. Die Metropolen New York, Chicago und Los Angeles prägten das Geschäfts- und Kulturleben, das erstmals auch international ausstrahlte. Die sprichwörtliche „Traumfabrik“ Hollywood produzierte unwiderstehliche Massenunterhaltung, die auch das Publikum außerhalb der USA in seinen Bann schlug und den globalen Triumph der amerikanischen Populärkultur im 20. Jahrhundert einleitete. Dass der erste Tonfilm den Titel The Jazz Singer (1927) trug, war kein Zufall, denn afroamerikanische Einflüsse prägten maßgeblich die Großstadtkultur des Jazz Age. Schwarze Musiker wie Louis „Satchmo“ Armstrong und Edward „Duke“ Ellington popularisierten den Jazz für das weiße Publikum der Metropolen, schwarze Schriftsteller wie Langston Hughes und Claude McKay erreichten erstmals eine weiße Leserschaft. Unter den Bewohnern der schwarzen Ghettos der Großstädte erstarkte in den frühen 1920ern ein kultureller Nationalismus, der in der United Negro Improvement Association des aus Jamaika stammenden Panafrikanisten Marcus Garvey ein Sammelbecken fand. Im Gegensatz zur NAACP war Garvey an der Integration der Afroamerikaner in die amerikanische Gesellschaft desinteressiert und propagierte stattdessen die Vision einer glorreichen Zukunft aller Schwarzen

4. Der Weg in die industrielle Moderne

61

in Afrika. Nachdem Garvey wegen einer Betrugsaffäre zunächst inhaftiert und dann deportiert worden war, zerfiel seine Organisation. Die Großstadtkultur brachte einen neuen Frauentypus hervor, die flappers genannten, ebenso mode- wie selbstbewussten jungen Frauen, die öffentlich rauchten und skandalös kurze Röcke trugen. Der flapper war zwar vor allem eine Schöpfung der Medien und der Werbeindustrie, symbolisierte als Rollenbild aber doch gewachsene Freiräume für junge Frauen, auch wenn sich die Geschlechterbeziehungen und die Sexualmoral weit weniger dramatisch veränderten, als dies konservative Kritiker beklagten, die das pulsierende Großstadtleben mit wachsender Abscheu betrachteten. Die Kehrseite der Roaring Twenties waren die Kulturkriege, in denen das ländliche und kleinstädtische Amerika seine Werte und Traditionen zäh verteidigte. Vor allem im Kampf gegen „unassimilierbare“ Einwanderer konnten die Hüter des angelsächsisch-protestantischen Amerika Erfolge verzeichnen. Die Einwanderungsgesetze von 1921 und 1924 beschränkten nicht nur die Zahl der Zuwanderer drastisch, sondern setzten zudem Quoten fest, die den ethnisch und religiös unerwünschten Immigranten aus Süd- und Osteuropa weitgehend die Tore verschlossen. Der rassistische und nativistische Ku Klux Klan erlebte ein Comeback und erlangte mit antikatholischer und antisemitischer Agitation auch außerhalb des Südens zeitweilig erheblichen politischen Einfluss. Fundamentalistische Protestanten, die auf der wortwörtlichen Wahrheit der Bibel beharrten, setzten in rund 20 Bundesstaaten ein Verbot der Evolutionslehre in öffentlichen Schulen durch. In Tennessee, wo ein Lehrer absichtlich gegen das Verbot verstoßen hatte, kam es 1925 zu einer spektakulären Konfrontation. In dem als „The Scopes monkey trial“ bekannten Sensationsprozess gab der Anwalt des Lehrers die Fundamentalisten zwar der Lächerlichkeit preis, doch ist der „Kreationismus“ bis heute eine starke religiöse Strömung geblieben. Auch die Prohibition, von der sich Reformer seit Langem die Lösung sozialer Missstände und die Hebung der öffentlichen Moral versprochen hatten, wurde vor allem von konservativen Protestanten und den Repräsentanten der ländlichen Bundesstaaten unterstützt. In der Praxis scheiterte das Experiment, der Nation Moral durch Abstinenz zu verordnen, auf der ganzen Linie. In den Großstädten mit ihren zahllosen illegalen Bars war das Verbot nicht durchsetzbar, aber auch auf dem Land wurde das Schwarzbrennen zum Volkssport. Der Alkoholschmuggel bescherte dem organisierten Verbrechen, personifiziert durch den berüchtigten Chicagoer Gangsterboss Al Capone, eine legendäre Blütezeit und unterminierte die Gesetzestreue unzähliger Bürger. 1933 hoben die entnervten Amerikaner den 18. Verfassungszusatz kurzerhand wieder auf. Als Charles Lindbergh im Mai 1927 der erste Direktflug über den Atlantik glückte, zweifelte kaum jemand daran, dass Amerika die Zukunft gehörte. Seine wirtschaftliche Stärke und technische Innovationskraft ebenso wie seine kulturelle Vitalität wurden weltweit bewundert, gefürchtet und nachgeahmt. Ende der zwanziger Jahre waren die USA zur größten Gläubigernation geworden und produzierten nahezu 40 % aller weltweit gefertigten Industriegüter. Scheinbar unaufhaltsam steigende Aktienkurse spiegelten den Optimismus der Investoren und Konsumenten, dass sich die Prosperität fortsetzen werde. Bei den

Neues Frauenbild

Einwanderungsbeschränkungen

Religiöser Fundamentalismus

Scheitern der Prohibition

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Börsenkrach im Oktober 1929

I. Darstellung

Wahlen 1928 sah die großen Mehrheit der Wähler in dem Republikaner und bisherigen Handelsminister Herbert Hoover, trotz seiner mangelnden Volkstümlichkeit, den besten Garanten von Wohlstand und Wachstum. Mit einem Stimmenanteil von fast 60 % zog Hoover im Frühjahr 1929 unangefochten ins Weiße Haus ein. Im Wahlkampf hatte er voller Zuversicht erklärt, der Sieg über die Armut in den USA sei nur eine Frage der Zeit. Ein gutes halbes Jahr nach seinem Amtsantritt begann mit dem New Yorker Börsenkrach Ende Oktober 1929 die Große Depression, die das amerikanische Modell des demokratischen Kapitalismus radikal in Frage stellte.

4.5 New Deal und Zweiter Weltkrieg

Große Depression

Wahlsieg Franklin D. Roosevelts

New-Deal-Liberalismus

Bereits 1932 beschwor der Journalist Frederick L. Allen die zwanziger Jahre als „good old days“, denn innerhalb kürzester Zeit hatte sich das optimistische Lebensgefühl der Roaring Twenties in tiefe Verzweiflung verwandelt. Als Ende Oktober 1929 eine gigantische Spekulationsblase platzte, stürzte die USWirtschaft in den Abgrund und riss die gesamte Weltwirtschaft mit sich. Innerhalb weniger Wochen lösten sich Börsenwerte in Höhe von 30 Mrd. Dollar in Luft auf, Millionen Privatleute und tausende Banken wurden in der Folgezeit zahlungsunfähig. Die Folgen des Crashs für die US-Volkswirtschaft waren katastrophal. Allein zwischen 1929 und 1932 schrumpfte das Bruttosozialprodukt von über 100 Mrd. Dollar auf weniger als 60 Mrd., die Arbeitslosigkeit kletterte auf 25 %, hunderttausende kleiner Geschäfte und Farmer gingen bankrott. Weder die lokale Sozialhilfe noch private Wohltätigkeit waren in der Lage, das Elend der Krise abzufedern. Unzählige Amerikaner wurden obdachlos und litten Hunger. Die Selbstmordrate stieg nach einigen Schätzungen um bis zu 30 %. Die sich überall ausbreitenden Obdachlosensiedlungen hießen im Volksmund bald „Hoovervilles“, weil der Präsident ratlos erschien und wenig Anteilnahme an den Nöten seiner Landsleute zeigte. Bei den Wahlen 1932 war Hoover gegen seinen Herausforderer Franklin D. Roosevelt ohne Chance, die Demokraten gewannen zudem beide Häuser des Kongresses. Roosevelt hatte den Amerikanern einen „New Deal“ versprochen und prägte damit einen Slogan, der zur Signatur einer ganzen Ära wurde und den Begriff des Liberalismus in der amerikanischen politischen Sprache neu definierte. Während der klassische Liberalismus staatliche Eingriffe in die Wirtschaft ablehnt, steht der New-Deal-Liberalismus für eine aktive Rolle des Staates, um Wachstum und Beschäftigung zu stimulieren und die Interessen der Arbeitnehmer und Konsumenten zu schützen. Der New Deal wird deshalb oft als Umsetzung der Theorien des britischen Ökonomen John Maynard Keynes gesehen, die in der Krise ein temporäres deficit spending des Staates zur Belebung der Nachfrage empfehlen. Tatsächlich bekannten sich die New Dealer nie offen als „Keynesianer“ – Keynes’ Hauptwerk über Beschäftigung, Zins und Geld erschien ohnehin erst 1936 –, doch in der Praxis führten die zahlreichen Sozialhilfe-, Beschäftigungs- und Infrastrukturprogramme der

4. Der Weg in die industrielle Moderne

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Bundesregierung zu enormen Haushaltsdefiziten; zwischen 1933 und 1940 verdoppelten sich die US-Staatsschulden auf 43 Mrd. Dollar. Roosevelt besaß keinen schlüssigen Plan zur Überwindung der Krise, sondern initiierte in der ersten Phase des New Deal eine Vielzahl unterschiedlicher Maßnahmen zur Stabilisierung des Bank- und Kreditwesens sowie zur Arbeitsbeschaffung, darunter das populäre Civilian Conservation Corps, das junge Männer mit Arbeiten in den Nationalparks beschäftigte. Die Tennessee Valley Authority koordinierte den Bau von Dämmen und Wasserkraftwerken im Süden. Der Agricultural Adjustment Act subventionierte die Stilllegung von Anbauflächen, um die Preise zu stützen, der National Industrial Recovery Act regulierte im Namen des „fairen Wettbewerbs“ den industriellen Sektor und stärkte zugleich die Rolle der Gewerkschaften. Für amerikanische Verhältnisse handelte es sich um beispiellos dirigistische Maßnahmen, die vom Supreme Court teilweise für verfassungswidrig erklärt wurden, weil der Kongress seine Kompetenzen überschritten habe. Gleichwohl machten sich die New-Deal-Demokraten nach ihrem Sieg bei den Kongresswahlen 1934 auch an strukturelle Reformen. Das wichtigste Resultat war der 1935 verabschiedete Social Security Act, der mit der Einführung einer Renten-, Unfall- und Arbeitslosenversicherung die Grundlagen des modernen amerikanischen Sozialstaats legte. Der Fair Labor Standards Act von 1938 verbot endgültig die Kinderarbeit und bestimmte branchenspezifische Höchstarbeitszeiten und Mindestlöhne. Opposition gegen den New Deal kam aus ganz unterschiedlichen Lagern. Konservative Kritiker sahen in ihm verkappten Sozialismus, ihren Epigonen gilt der New Deal bis heute als Sündenfall, der einen „unamerikanischen“ bürokratischen Wohlfahrtsstaat geschaffen habe. Zeitgenössische Populisten versuchten dagegen, Roosevelt durch fantastische Umverteilungspläne zu übertrumpfen, während die radikale Linke den New Deal als Herrschaft des Monopolkapitalismus attackierte. In der breiten Bevölkerung jedoch war der New Deal überaus populär. Ein entscheidender Grund dafür war das Charisma des Präsidenten, der es mithilfe seiner volksnahen Gattin Eleanor, die als erste First Lady auch politisch in Erscheinung trat, meisterhaft verstand, seinen Landsleuten Zuversicht und den Eindruck rastloser Tatkraft zu vermitteln. Kaum jemand wusste, dass „FDR“, der in als „Kaminplaudereien“ inszenierten Radioansprachen dem Volk seine Politik nahe brachte, seit einer Polioinfektion im Jahre 1921 an den Rollstuhl gefesselt war. Bei den Wahlen von 1936 errangen Roosevelt und die Demokraten einen Erdrutschsieg, der eine neue Wahlkoalition hervorbrachte, die in den kommenden drei Jahrzehnten die US-Politik dominierte. Die New-DealKoalition umfasste neben den traditionellen Hochburgen der Demokraten im weißen Süden und in den „ethnischen“ Bezirken der Großstädte jetzt auch viele Farmer des Mittleren Westens sowie gleichermaßen kleine Geschäftsleute und gewerkschaftlich organisierte Arbeiter. Alle diese Gruppen einten die wachsenden Erwartungen an die wirtschaftliche Verantwortung und Handlungsfähigkeit der Bundesregierung. FDRs Botschaft, es dürfe keine „vergessenen Amerikaner“ geben, erreichte auch die Afroamerikaner. Wo diese frei wählen konnten, also vor allem außerhalb des Südens, hatten sie

Maßnahmen des New Deal

Opposition gegen den New Deal

Roosevelts Charisma

New-Deal-Koalition

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Congress of Industrial Organization

Bilanz des New Deal

I. Darstellung

bisher treu zu den Republikanern als der „Partei Lincolns“ gestanden. Ab 1936 vollzogen sie jedoch einen dramatischen Loyalitätswechsel und wurden zur Bastion der New-Deal-Demokraten. Dass der New Deal keine Gesetze zum Schutz der schwarzen Bürgerrechte brachte, war für die von der Krise besonders hart betroffenen Afroamerikaner zweitrangig, entscheidend war, dass sie überhaupt in die Hilfsprogramme einbezogen wurden. Hinzu kam, dass FDR einige afroamerikanische Männer und Frauen in seinen Beraterstab holte. Schon dieser moderate racial liberalism erregte freilich den Zorn der rassistischen Südstaatendemokraten. Angesichts der fundamentalen Krise des Kapitalismus verschob sich das politische Spektrum in den 1930er Jahren deutlich nach links. Die Gewerkschaften wurden gesetzlich als Tarifpartner anerkannt, konnten ihre Mitgliederzahlen verdoppeln und in Streiks Konzessionen erringen. Die seit 1935 aktiven Industriegewerkschaften (ab 1938 Congress of Industrial Organization, CIO) organisierten in Konkurrenz zur AFL auch die ungelernten Arbeiter. In einigen CIO-Gewerkschaften gewannen Kommunisten Einfluss, nachdem die 1919 gegründete Kommunistische Partei der USA (CPUSA) 1935 auf Geheiß Moskaus die Volksfrontlinie übernommen hatte und den New Deal unterstützte. Mit rund 100 000 Mitgliedern am Ende der Dekade erreichten die USKommunisten ihren Höchststand, stürzten aber 1939, wie der internationale Kommunismus insgesamt, als Folge des Hitler-Stalin-Paktes in eine tiefe Krise. Allerdings gab es niemals eine Dominanz der radikalen Linken, der New Deal blieb ein sozialstaatliches Reformprogramm, das den Amerikanern den Glauben an das demokratisch-kapitalistische Gesellschaftsmodell wiedergeben sollte. Darin, dass dies in einer Zeit gelang, als der weltweite Vormarsch totalitärer Regime unaufhaltsam erschien, liegt seine eigentliche historische Bedeutung. Die Große Depression überwand der New Deal allerdings nicht. Die Arbeitslosigkeit blieb hoch und stieg in der Rezession von 1938 erneut über 20 %. Erst die Rüstungskonjunktur ab 1939 und die Mobilisierung im Zweiten Weltkrieg führten die ökonomische Wende herbei. Gleichwohl bleiben die Leistungen der New-Deal-Ära beeindruckend. Millionen bedürftiger Amerikaner profitierten von Unterstützungszahlungen und Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen. Mit dem Bau von Straßen, Schulen, Krankenhäusern und Kraftwerken wurde die Infrastruktur besonders der ländlichen Regionen modernisiert. Und schließlich dürfen auch die zahlreichen kulturellen Projekte nicht vergessen werden, etwa das Federal Writers Project, das u. a. eine wertvolle Sammlung von Interviews mit ehemaligen Sklaven produzierte. Während Roosevelts zweiter Amtszeit verlor der New Deal merklich an Dynamik. Der Präsident erlitt politische Niederlagen gegen die konservativen Südstaatendemokraten und beim Versuch, den widerspenstigen Obersten Gerichtshof durch die verfassungsrechtlich bedenkliche Ernennung zusätzlicher Richter auf seinen Kurs zu bringen (court-packing). Eine scharfe Rezession lasteten die Bürger dem Präsidenten persönlich an. Weitaus gravierender war indessen die aufziehende Kriegsgefahr in Fernost und in Europa, die die Amerikaner vor die Frage stellte, ob sie sich, geschützt durch zwei Ozeane,

4. Der Weg in die industrielle Moderne

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in die „Festung Amerika“ zurückziehen sollten oder ob sie erneut für die Verteidigung der liberalen Demokratie in einen Weltkrieg ziehen mussten. In den dreißiger Jahren hatte eine isolationistische Grundstimmung die amerikanische Öffentlichkeit beherrscht, die sich u. a. in rigiden Neutralitätsgesetzen niederschlug. Obwohl FDR die nationalen Interessen der USA global definierte, verfügte er nicht über den außenpolitischen Handlungsspielraum, um den „Aggressorstaaten“ Deutschland, Japan und Italien entgegenzutreten. Auf Roosevelts Friedensappelle reagierte der deutsche Diktator Adolf Hitler mit unverhohlener Verachtung. Nach Beginn des deutschen Angriffskrieges im Sommer 1939 sympathisierte die überwältigende Mehrheit der Amerikaner zwar mit den Westmächten, lehnte jedoch einen Kriegseintritt strikt ab. Roosevelt erreichte lediglich, dass der Kongress das Verbot von Waffenlieferungen aufhob; diese mussten jedoch bar bezahlt auf Schiffen der Alliierten transportiert werden (cash and carry). Erst im März 1941 autorisierte der Kongress den Präsidenten, Waffen und Kriegsmaterial zu „verleihen“, sofern dies der Sicherheit der USA diente (lend and lease). Roosevelt, der im Herbst 1940 unter Hinweis auf die Kriegsgefahr als erster Präsident für eine dritte Amtszeit kandidiert und diese auch vom Wähler erhalten hatte, versicherte seinen Landsleuten, dass ein Kriegseintritt nicht erforderlich sein werde, wenn die USA als „Arsenal der Demokratie“ zur weltweiten Verteidigung der Freiheit beitrügen. Seine isolationistischen Kritiker, darunter der Fliegerheld Charles Lindbergh, argumentierten dagegen, Amerika dürfe sich nicht noch einmal in einen Weltkrieg hineinziehen lassen und könne sich auf die Verteidigung der westlichen Hemisphäre zurückziehen. Roosevelt ließ sich jedoch nicht von einer aktiven Unterstützung Großbritanniens abhalten. Seit April 1941 operierten die Seestreitkräfte beider Länder gemeinsam gegen deutsche UBoote. Bei einem Treffen mit dem britischen Premier Winston Churchill im August bekannte sich FDR zur „Zerstörung der Nazi-Tyrannei“ und einer liberalen Weltordnung als dem gemeinsamen Kriegsziel (Atlantik-Charta). Trotz der Verschärfung des Seekriegs schreckte der Präsident aus innenpolitischen Gründen aber noch vor einer Kriegserklärung an Deutschland zurück. Tatsächlich bewirkte der japanische Überraschungsangriff auf die US-Pazifikflotte in Pearl Harbor, Hawaii, am 7. Dezember 1941 den Kriegseintritt der USA. Beide Mächte befanden sich auf Kollisionskurs, weil die USA nicht bereit waren, die imperialistische Expansion Japans nach China und Indochina und den Dreimächtepakt des Kaiserreichs mit Deutschland und Italien zu akzeptieren. Unter dem Druck scharfer amerikanischer Wirtschaftssanktionen entschloss sich die japanische Führung zu einem Befreiungsschlag gegen die USA, der ganz Ost- und Südostasien unter die Herrschaft Japans bringen sollte. US-Regierung und Militär erwarteten aufgrund von Geheimdienstinformationen zwar einen Angriff, rechneten aber nicht damit, dass die japanische Flotte sich unbemerkt Hawaii nähern könnte. Verschwörungstheorien, Roosevelt habe den Überfall geschehen lassen, um das amerikanische Volk in den Krieg zu zwingen, entbehren jeder Grundlage. Aber selbstverständlich bedeutete „Pearl Harbor“ das sofortige Ende der isolationistischen Opposition. Zwischen Dezember 1941 und der japanischen Kapitulation am 2. Sep-

Isolationismus

Leih- und Pachtgesetz 1941

Atlantik-Charta

Pearl Harbor

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Mobilisierung im Zweiten Weltkrieg

Bau der Atombombe

Mobilisierung von Frauen

Internierung der Japanese Americans

I. Darstellung

tember 1945 unternahmen die USA eine gigantische Mobilisierung ihrer militärischen und ökonomischen Kräfte. Die Streitkräfte rekrutierten insgesamt 16 Millionen Soldaten, die Kriegsausgaben stiegen auf 50 % des Bruttosozialprodukts und summierten sich zu mehr als 300 Mrd. Dollar. Produktivität und Effizienz erreichten neue Rekorde, ein einfaches Frachtschiff benötigte ab 1943 gerade noch zwei Wochen Bauzeit. Rüstungsindustrie und Landwirtschaft mussten nicht nur die US-Truppen versorgen, sondern auch umfangreiche Lieferungen an Briten und Sowjets bereitstellen; Letztere hatte Roosevelt sofort nach dem deutschen Überfall im Juni 1941 in das lend-andlease-Programm einbezogen. Wissenschaftler verbesserten Waffensysteme wie Radar und Sonar, die den Alliierten die Überlegenheit im See- und Luftkrieg verschafften. Am Bau der Atombombe, dem „Manhattan-Projekt“, waren 120 000 Menschen beteiligt, von denen freilich nur die wenigsten den konkreten Zweck ihrer Arbeit kannten. Durch Lohn- und Preiskontrollen gelang es, die Inflationsrate unter den Anstieg der Löhne zu drücken. Da zahlreiche Konsumgüter rationiert waren, sparten die Amerikaner ihr Geld für die Friedenszeit. Ernsthafte Vorsorgungsschwierigkeiten oder gar Not erlebte die USBevölkerung nicht. Der Krieg bewirkte tief greifende soziale Veränderungen. Millionen Menschen zogen aus den ländlichen Gebieten in die bald völlig überfüllten Industriezentren. Die Regierung forderte gezielt junge Frauen auf, die Industriearbeitsplätze der Männer einzunehmen, erwartete aber, dass „Rosie the Riveter“ (Rosie, die Nieterin: ein bis heute ikonisches Propagandaplakat aus dem Zweiten Weltkrieg) nach dem Krieg wieder ihre Rolle als Ehefrau und Mutter einnehmen werde. Auch die Rassenbeziehungen ließ der Krieg nicht unberührt. Dass die USA gegen eine selbsternannte Herrenrasse kämpften, gab den afroamerikanischen Bürgerrechtlern eine willkommene Gelegenheit, auch im eigenen Land die Überwindung des Rassismus zu verlangen. Schon vor dem amerikanischen Kriegseintritt hatte Roosevelt als Reaktion auf massive Bürgerrechtsproteste Richtlinien gegen die Rassendiskriminierung in Regierungsbehörden und Rüstungsindustrie erlassen; die Rassentrennung in den Streitkräften allerdings blieb bis 1948 bestehen. Der Zustrom schwarzer und weißer Zuwanderer in die Ballungsgebiete erzeugte explosive Rassenspannungen. Im Sommer 1943 erlebten fast 50 Städte eine Welle von „Rassenunruhen“, die allein in Detroit 34 Todesopfer forderten. Schwere Verletzungen ihrer Bürgerrechte hatten die an der Westküste lebenden Japanese Americans zu erdulden. Auf der Grundlage eines Präsidentenerlasses vom Februar 1942 wurden ca. 120 000 Angehörige der Volksgruppe als potenzielle Kollaborateure des Feindes in Internierungslager deportiert, obwohl es sich bei der großen Mehrheit der Internierten um US-Bürger handelte und es keinerlei Beweise für Sabotage oder Spionage gab. Der Plan der Alliierten, zuerst das von Hitlerdeutschland besetzte Europa zurückzuerobern, musste, sehr zum Ärger des sowjetischen Diktators Josef Stalin, immer wieder verschoben werden. Im Juli 1943 landeten alliierte Truppen in Sizilien, am 6. Juni 1944 begann die Invasion in der Normandie (D-Day), die Hitlers Niederlage im Westen einleitete. Zur selben Zeit kämpften sich die US-

4. Der Weg in die industrielle Moderne

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Streitkräfte im Pazifik in verlustreichen Seeschlachten und Landeoperationen den Weg nach Japan frei. Der erbitterte Widerstand der japanischen Truppen bei den Kämpfen auf Iwo Jima und Okinawa im Winter und Frühjahr 1945 ließ Schlimmes für die Invasion der Hauptinseln erwarten. Vor diesem Hintergrund entschied sich Präsident Harry S. Truman, der Nachfolger des am 12. April 1945 verstorbenen FDR, für den Einsatz der inzwischen verfügbaren Atombombe, nachdem die japanische Führung Ende Juli 1945 ein Ultimatum zur Kapitulation abgelehnt hatte. Am 6. und 9. August fielen die Bomben auf Hiroshima und Nagasaki und töteten insgesamt etwa 120 000 Einwohner auf der Stelle. In die bis heute äußerst umstrittene Entscheidung Trumans flossen vermutlich mehrere Motive ein – vielleicht Rache und Rassismus ebenso wie die Absicht, die Sowjets mit der neuen Wunderwaffe zu beeindrucken –, doch halten die meisten Historiker das Ziel, Japan schnell zum Frieden zu zwingen und den USTruppen weiteren Blutzoll zu ersparen, für entscheidend. In der Tat akzeptierte die japanische Führung am 14. August die Friedensbedingungen, nachdem die US-Regierung den Verbleib des Kaisers auf dem Thron konzediert hatte. Auch wenn die amerikanische Kriegspropaganda Stalin und das Sowjetvolk zeitweilig heroisierte, war die Anti-Hitler-Koalition ein von gegenseitigem Misstrauen geprägtes Zweckbündnis ideologischer Gegner. Die Forderung nach bedingungsloser Kapitulation Hitlerdeutschlands spiegelte die Furcht beider Seiten vor einem Separatfrieden. Die Zerschlagung des Nationalsozialismus und des deutschen Militarismus waren unstrittige Kriegsziele, doch darüber hinaus hatten die Westmächte und die Sowjetunion weitgehend unvereinbare Vorstellungen über die Nachkriegsordnung. Roosevelt strebte eine liberale Weltordnung auf der Grundlage kollektiver Sicherheit an, die von den Vereinten Nationen unter Führung der vier „Weltpolizisten“ USA, Großbritannien, Sowjetunion und China gewährleistet werden sollte. Der Präsident war zu weitreichenden Zugeständnissen an das sowjetische Sicherheitsbedürfnis bereit, doch ist es eine Legende, dass die „Großen Drei“ auf der Jalta-Konferenz im Februar 1945 Europa und die Welt in Einflusssphären aufgeteilt hätten. Dort einigten sich Stalin, Churchill und FDR auf das Besatzungsregime für Deutschland und die „Westverschiebung“ Polens, den sowjetischen Kriegseintritt gegen Japan und die Gründung der Vereinten Nationen. Die liberalen Prinzipien der USA spiegelte auch die „Erklärung über das befreite Europa“, die den europäischen Völkern die Wiederherstellung ihrer Souveränität und freie Wahlen zusicherte. Letztlich erwies sich die Strategie FDRs, die Partnerschaft mit der Sowjetunion fortzusetzen und gleichzeitig eine liberal-demokratische Nachkriegsordnung für ganz Europa zu sichern, als illusorisch, denn Stalin hatte keineswegs die Absicht, das von der Roten Armee eroberte Osteuropa wieder aus dem sowjetischen Machtbereich zu entlassen. In der amerikanischen Erinnerungskultur gilt der Zweite Weltkrieg als „good war“, als heroische Anstrengung, bei der 400 000 US-Soldaten ihr Leben opferten, um die Welt vor Tyrannei und Barbarei zu retten. Bei aller gebotenen Distanz zu den patriotischen Geschichtsbildern der Amerikaner besteht kein Zweifel daran, dass ohne das militärische, wirtschaftliche und politische Potenzial der USA die Überlebenschancen der liberalen Demokratie im Zweiten

Abwurf der Atombomben

Jalta-Konferenz

The Good War

68

I. Darstellung

Weltkrieg gering gewesen wären. Mit dem raschen Zerfall der Anti-HitlerKoalition zeichnete sich jedoch bereits die nächste globale ideologische und machtpolitische Konfrontation ab.

5. Globale Supermacht und multikulturelle Gesellschaft: Die USA von 1945 bis ins 21. Jahrhundert

Liberaler Konsens und Kulturkriege

Demografischer Wandel

Die Geschichte der USA seit dem Zweiten Weltkrieg ist von zwei grundlegenden Tendenzen geprägt worden: dem Aufstieg zur globalen militärischen, wirtschaftlichen und politischen Supermacht und der Transformation zur multiethnischen und multikulturellen Gesellschaft. Nachdem die Vereinigten Staaten aus dem Kalten Krieg als einzige Supermacht hervorgegangen waren, schien sich die Chance zu eröffnen, als wohlwollender Hegemon eine unipolare Weltordnung gemäß amerikanischen Interessen und Idealen zu schaffen. Inzwischen sind die Probleme der „imperialen Überdehnung“ und die Grenzen der amerikanischen Macht in der multipolaren Welt des 21. Jahrhundert deutlich zutage getreten. Auf der gesellschaftlichen Ebene ist die in den beiden ersten Nachkriegsjahrzehnten dominante Vorstellung von einem breiten „liberalen Konsens“ über Amerikas politische und soziale Grundordnung einer ideologischen Polarisierung gewichen, die oft mit dem Begriff „Kulturkriege“ bezeichnet wird. Die Konflikte über soziokulturelle Werte und kollektive Identitäten stehen in engem Zusammenhang mit dem rapiden demografischen Wandel, der sich seit der Liberalisierung der Einwanderungsgesetze Mitte der sechziger Jahre vollzogen hat und die kulturelle Hegemonie des weißen, europäisch geprägten Amerikas zunehmend in Frage stellt. Die Volkszählung von 1960 listete noch 88,5 % der US-Bevölkerung als „weiß“ (im Sinne europäischer Abstammung). Mit 10,5 % bildeten die Afroamerikaner die bei weitem größte Minderheit, während die aus Lateinamerika und der Karibik stammenden Hispanics noch nicht einmal als eigenständige Zensuskategorie aufgeführt wurden. Fünfzig Jahre später ist der Anteil der Weißen mit europäischen Wurzeln auf rund 64 % gefallen und die Afroamerikaner sind mit 12,6 % nur noch die zweitgrößte Minderheit nach den Hispanics mit 16,3 % und vor den Asian Americans mit knapp 5 % (s. Tabelle im Anhang). Gleichzeitig erodiert im Zuge der Globalisierung die Prosperität der Mittelklasse und wächst die soziale Ungleichheit. Nach der Blütezeit der Konsensdemokratie und der „imperialen Präsidentschaft“ haben die politischen Institutionen zunehmend an Vertrauen verloren. Vor jeder Wahl ertönt der Ruf nach Wandel, change, doch die Klage über gridlock, die Selbstblockade des politischen Systems, bleibt.

5. Von 1945 bis ins 21. Jahrhundert

69

5.1 Kalter Krieg und liberaler Konsens, 1945–1965 Der Triumph im Zweiten Weltkrieg hatte den durch die Große Depression erschütterten Glauben an das amerikanische Gesellschaftsmodell neu gefestigt. Die optimistische Stimmung spiegelte sich u. a. im steilen Anstieg der Geburtenrate; 1946 wurden 3,4 Millionen Kinder geboren, 20 % mehr als im Vorjahr. Der Baby-Boom hielt auch in den folgenden zwei Jahrzehnten an und erreichte 1957 mit einer Reproduktionsrate von 3,6 Kindern pro gebärfähiger Frau seinen Höhepunkt. Zwischen 1945 und 1965 wuchs die U.S.Bevölkerung um etwa 60 Millionen auf rund 193 Millionen Einwohner. Die Hoffnungen auf privates Glück und Wohlstand, mit denen die Amerikaner das Kriegsende begrüßten, erfüllten sich angesichts der wirtschaftlichen Dynamik der Nachkriegsjahre in kaum vorhersehbarem Maße. Die befürchtete Demobilisierungskrise blieb aus, weil der im Krieg entstandene Kaufkraftüberhang ein hohes Nachfragepotenzial nach Konsumgütern geschaffen hatte. Obwohl die Ausgaben der Bundesregierung zwischen 1945 und 1948 um zwei Drittel zurückgingen, wuchs das Bruttosozialprodukt im selben Zeitraum um 46 Mrd. Dollar. Dass die rasche Entlassung von zehn Millionen Soldaten nur zu einem vorübergehenden Anstieg der Arbeitslosenzahlen auf moderate 2,3 Millionen (1946/47) führte, war auch der bereits 1944 verabschiedeten so genannten GI Bill of Rights zu verdanken, die den Veteranen großzügige Hilfen für Existenzgründungen und Studium bot. Das wirtschaftliche Hauptproblem der Nachkriegszeit war die Inflation, die nach Aufhebung der Preiskontrollen zeitweilig auf bis zu 20 % empor schnellte und eine Streikwelle für höhere Löhne auslöste, aber durch Zinserhöhungen unter Kontrolle gebracht werden konnte. Auch politisch kam es zu einer Normalisierung, da viele Wähler nach der langen Dominanz der Demokraten zu den Republikanern zurückkehrten, die 1946 beide Häuser des Kongresses erobern konnten. Präsident Trumans Versuch, die Sozialgesetzgebung des New Deal auszubauen, scheiterte ebenso am Widerstand des Kongresses wie seine Vorschläge zum Schutz der afroamerikanischen Bürgerrechte. Immerhin leitete Truman 1948 durch Präsidentenerlass die Desegregation der Streitkräfte ein, wobei auch wahltaktische Überlegungen eine Rolle spielten, die schwarzen Wähler des Nordens an sich zu binden. Trumans Wiederwahlchancen standen allerdings schlecht, da sich die Demokraten gleich an beiden Flügeln spalteten. Die Linke widersetzte sich Trumans Konfrontationskurs gegenüber der Sowjetunion, während die Südstaatler gegen seine Bürgerrechtspolitik aufbegehrten. Der Wahlsieg des Republikaners Thomas Dewey erschien sicher, doch Truman, „der kleine Mann aus Missouri“, überzog das Land mit einer furiosen Wahlkampagne. Es gelang ihm, die alte New-Deal-Koalition noch einmal zusammenzuhalten und die Wahlen im November knapp zu gewinnen. Optimistisch kündigte der Präsident ein als „Fair Deal“ etikettiertes Reformprogramm an, doch tatsächlich wurde Trumans zweite Amtszeit (1949–1953) völlig vom Koreakrieg dominiert. Angesichts militärischer Erfolglosigkeit und peinlicher Korruptionsaffären in seiner Regierung verzichtete Truman auf eine erneute Kandidatur.

Baby Boom

GI Bill of Rights

Trumans Wahlsieg 1948

70

Beginn des Kalten Krieges

Eindämmung des Kommunismus

Truman-Doktrin

Marshall-Plan

Berlin-Blockade

I. Darstellung

Im Gegensatz zur Geringschätzung, mit der das Washingtoner Establishment Harry Truman begegnete, genießt Truman heute das Image des entschlossenen Führers, der im beginnenden Kalten Krieg Stärke und Weitsicht gezeigt habe. Schon bald nach Kriegsende verfestigte sich bei Truman und den maßgeblichen Außenpolitikern seiner Administration die Einschätzung, dass die Sowjetunion eine prinzipiell unbegrenzte Expansion ihres Machtbereichs anstrebte, die mit dem amerikanischen Interesse an einer liberalkapitalistischen Weltordnung unvereinbar war. Die Fehler der Zwischenkriegszeit – Isolationismus und Neutralität gegenüber Aggressorstaaten – durften sich nicht wiederholen. Gegen die Sowjetisierung der von der Roten Armee kontrollierten Gebiete waren die USA machtlos, aber eine weitere Ausbreitung der sowjetischen Einflusssphäre und des Kommunismus musste unbedingt eingedämmt werden. Die Begründung für die Strategie des containment lieferte der Russlandexperte und US-Geschäftsträger in Moskau George F. Kennan in seinem „langen Telegramm“ vom Februar 1946. Die Politik des Kreml, so Kennan, werde von einer Mischung aus traditionellem russischen Bedrohungsgefühl und marxistischer Ideologie bestimmt und ziele auf die Zerstörung des amerikanischen Gesellschaftsmodells und der internationalen Stellung der USA ab. Ein Krieg sei jedoch vermeidbar, da die Sowjetführer die Sprache der Macht verstünden. Kennan riet zu einer Politik der Eindämmung mit politischen, wirtschaftlichen und militärischen Mitteln, bis der Sowjetkommunismus an seinen eigenen Widersprüchen zerbreche. Damit formulierte Kennan eine Strategie, die im Kern die US-Politik bis zum Ende des Kalten Krieges bestimmte. Da auch die Sowjetführer von einem gegen die Sowjetunion gerichteten Weltmachtstreben des US-Kapitalismus überzeugt waren, war ein globaler Systemkonflikt vorgezeichnet. Im März 1947 erhob Präsident Truman das containment zur außenpolitischen Doktrin. Die USA erklärten sich bereit, alle „freien Völkern“ gegen innere Subversion und äußeren Druck zu unterstützen. Anlass für die Truman-Doktrin waren Militärhilfen für Griechenland und die Türkei, doch schon im Juni verkündete Außenminister George C. Marshall mit dem European Recovery Program einen umfassenden Plan zum Wiederaufbau der europäischen Wirtschaft. Obwohl die USA auch die Sowjetunion und die osteuropäischen Staaten zur Teilnahme einluden, verfolgte der Marshall-Plan primär das Ziel, Westeuropa einschließlich der drei westdeutschen Besatzungszonen wirtschaftlich und politisch zu stabilisieren. Dass die Osteuropäer auf Geheiß Stalins das Angebot ausschlugen, bedeutete einen weiteren Schritt auf dem Wege zur Spaltung des Kontinents. Der im Februar 1948 vom Kongress gebilligte Marshall-Plan, der ein Gesamtvolumen von ca. 17 Mrd. Dollar erreichte, war ein überzeugendes Signal, dass die USA sich nicht aus Westeuropa zurückziehen würden. Die sowjetische Blockade der westlichen Sektoren Berlins ab Juni 1948 stellte die Entschlossenheit der Amerikaner auf eine harte Probe, der sie, gemeinsam mit Briten und Franzosen, durch die Einrichtung einer Luftbrücke begegneten. Die Versorgung von zwei Millionen Menschen über fast ein Jahr war eine gigantische Leistung, die nicht nur die Sowjets zum Nachgeben zwang, sondern auch ein Gefühl westlicher Solidarität schuf, das auch die Westdeutschen

5. Von 1945 bis ins 21. Jahrhundert

71

einschloss. Für die gemeinsame Position des Westens war von zentraler Bedeutung, dass Westberlin und Westdeutschland nicht unter sowjetische Kontrolle gerieten. Der von den Amerikanern gewünschte westdeutsche Beitrag zur im April 1949 gegründeten westlichen Verteidigungsgemeinschaft NATO musste freilich noch bis 1955 warten. Während sich in Europa die Blockbildung verfestigte, bedeutete die Machtübernahme der chinesischen Kommunisten unter Mao Zedong im Oktober 1949 einen Rückschlag für die Politik der Eindämmung, der zu heftiger innenpolitischer Kritik an der Truman-Administration führte. Da die Sowjets im August 1949 mit der Zündung einer Atombombe auch das amerikanische Nuklearwaffenmonopol beendeten, wuchs in den USA das Bedrohungsgefühl. Im April 1950 forderte der Nationale Sicherheitsrat in einem später als NSC 68 bekannt gewordenen Geheimdossier eine Verdreifachung des Verteidigungshaushaltes und eine entschiedene weltweite Verteidigung amerikanischer Interessen. Truman war zunächst skeptisch, doch als am 25. Juni 1950 Truppen des kommunistischen Nordkorea den prowestlichen Süden angriffen, offenkundig mit Rückendeckung aus Moskau und Peking, schien sich die Prognose einer globalen kommunistischen Aggression zu bestätigen. Truman nutzte einen zeitweiligen sowjetischen Boykott des UN-Sicherheitsrates, um die Zustimmung der UNO für eine Militäraktion unter US-Führung zu sichern. Der UN-Oberbefehlshaber (US-General) Douglas MacArthur begnügte sich jedoch nicht mit der raschen Rückeroberung Südkoreas, sondern provozierte mit dem Vordringen nach Nordkorea bis an die chinesische Grenze das Eingreifen der Volksrepublik China. MacArthur verlangte vom Präsidenten den Einsatz von Atomwaffen, den Truman jedoch verweigerte. Als der ehrgeizige General den Präsidenten öffentlich kritisierte, enthob Truman ihn im April 1951 seines Amtes. Inzwischen waren beide Armeen wieder an den 38. Breitengrad, den Ausgangspunkt des Krieges, zurückgekehrt und lieferten sich bis zum Waffenstillstand im Juli 1953 einen Stellungskrieg. Insgesamt verloren im Koreakrieg 45 000 US-Soldaten ihr Leben, die chinesischen und koreanischen Verluste summierten sich auf mehrere Millionen. Innenpolitisch entfachte der Kalte Krieg eine antikommunistische Hysterie, die hinter allen tatsächlichen oder eingebildeten Bedrohungen der nationalen Sicherheit und des American way of life kommunistische Subversion witterte und die Grenze zwischen Dissens und Hochverrat zunehmend verwischte. So billigte der Oberste Gerichtshof 1951 Haftstrafen gegen die Führung der politisch völlig bedeutungslosen Kommunistischen Partei der USA allein deshalb, weil die marxistische Ideologie den gewaltsamen Umsturz propagiere. Doch zielte der antikommunistische Kreuzzug genauso gegen die liberale Elite der New-Deal-Ära, der vorgeworfen wurde, mit dem Kommunismus zu sympathisieren. Außenpolitische Rückschläge, wie den „Verlust“ Chinas, konnten sich viele Amerikaner nur durch eine in höchste Regierungsstellen reichende Verschwörung erklären. Um ihren Kritikern den Wind aus den Segeln zu nehmen, hatte die Truman-Administration bereits 1947 ein „Loyalitätsprogramm“ zur Überprüfung aller Bundesangestellten angeordnet, während der Ausschuss des Repräsentantenhauses zur Untersuchung „unamerikanischer Umtriebe“

Gründung der NATO

Koreakrieg

Antikommunistische Hysterie

72

Rosenberg-Prozess

Joseph McCarthy

Präsidentschaft Eisenhowers

Militärischindustrieller Komplex

„Sputnik-Schock“

I. Darstellung

(HUAC) die angebliche kommunistische Unterwanderung Hollywoods untersuchte. Großes Aufsehen erregten Spionageaffären, insbesondere der Prozess gegen das Ehepaar Julius und Ethel Rosenberg, jüdische Kommunisten aus New York, die der Atomspionage für die Sowjets beschuldigt und trotz dünner Beweislage 1953 hingerichtet wurden. Der Fall blieb allerdings eine Ausnahme und von allgegenwärtiger Repression kann keine Rede sein. Während der Second Red Scare wurden insgesamt rund 200 Personen aufgrund ihrer kommunistischen Aktivitäten zu Haftstrafen von ein bis zwei Jahren verurteilt. Der republikanische Senator Joseph McCarthy aus Wisconsin, der der Hexenjagd ihren Namen gab, betrat erst Anfang 1950 die nationale Bühne mit der sensationellen Behauptung, er besitze eine Liste mit den Namen von 205 eingeschriebenen Kommunisten im Außenministerium. Dass er keinen einzigen Kommunisten in der Bundesregierung namentlich identifizieren konnte, tat seiner wachsenden Popularität keinen Abbruch. Erst als der Senator 1954 die Armee angriff, überspannte er den Bogen. Bei im Fernsehen übertragenen Anhörungen diskreditierte er sich durch Verleumdungen und rüpelhaftes Benehmen. Als ihm der Senat eine Standesrüge erteilte, war sein Sturz besiegelt, auch wenn McCarthy seine Attacken fortsetzte, bis er 1957 an den Folgen seiner Alkoholsucht starb. Der „McCarthyismus“ jedoch hatte weitreichende Konsequenzen. Das gesellschaftliche und politische Leben wurde mit dem Ungeist der Denunziation infiziert, die übersteigerte Furcht vor dem Kommunismus beeinflusste in fataler Weise außenpolitische Entscheidungen und nicht zuletzt erlitt das internationale Ansehen der Vereinigten Staaten Schaden. Der klare Wahlsieg der Republikaner im November 1952 brachte mit dem Weltkriegshelden Dwight D. Eisenhower einen Präsidenten ins Weiße Haus, der seine Popularität vor allem seiner überparteilichen Integrationskraft verdankte. Auch unter Eisenhowers achtjähriger Präsidentschaft gelang es den Republikanern nicht, im Kongress dauerhaft zur Mehrheitspartei zu werden. Eisenhowers „dynamischer Konservatismus“, der die staatliche Reglementierung von Wirtschaft und Gesellschaft zurückzudrängen versprach, war weitgehend Rhetorik. Es fand kein Generalangriff auf den Sozialstaat statt und die Bundesregierung blieb ein bedeutender wirtschaftlicher Akteur, etwa durch den Ausbau interstate highways und die enormen Verteidigungsausgaben, die auch nach dem Koreakrieg noch bei weit über 50 % des Bundeshaushaltes lagen und das Pentagon zum größten Auftraggeber des Landes machten. Bemerkenswerterweise warnte Ex-General Eisenhower in seiner Abschiedsbotschaft von 1961 vor der Übermacht dieses „militärisch-industriellen Komplexes“. Außenpolitisch agierte die Eisenhower-Administration moderat und ließ ihrer Ankündigung, den Kommunismus zurückzudrängen (rollback), keine Taten folgen, als 1953 in der DDR und 1956 in Polen und Ungarn antikommunistische Aufstände ausbrachen. Eine direkte Intervention im Ostblock hätte die Gefahr eines Atomkrieges heraufbeschworen. Spätestens der „SputnikSchock“ 1957, als die Sowjets als erste einen Satelliten ins All beförderten, demonstrierte den Amerikanern ihre eigene Verwundbarkeit durch sowjetische Atomraketen. Ökonomisch jedoch waren die USA eine Klasse für sich. Unmittelbar nach

5. Von 1945 bis ins 21. Jahrhundert

73

dem Zweiten Weltkrieg produzierten die Amerikaner 50 % aller Industriegüter und erwirtschafteten mehr als 40 % des Weltsozialproduktes; das ProKopf-Einkommen lag doppelt so hoch wie in den reichsten europäischen Ländern. In den 1950ern wuchs die US-Wirtschaft um durchschnittlich 4 % im Jahr, die Produktivität in der Industrie stieg jährlich um 3 % und die Arbeitslosigkeit lag konstant bei etwa 5 %. Bei niedriger Inflation wuchsen die Realeinkommen kräftig, so dass sich ein beispielloser Lebensstandard breiter Bevölkerungsschichten entwickelte. Konsumgüter wie Automobile, Fernsehgeräte und Waschmaschinen wurden für die meisten Amerikaner lange vor ihren westeuropäischen Zeitgenossen zur Selbstverständlichkeit. Millionen Amerikaner erfüllten sich den Traum vom Eigenheim in den Vororten der Großstädte, wo die neue weiße Mittelklasse familiäre Geborgenheit und ethnische Homogenität suchte. Während 1960 bereits ein Drittel der USBevölkerung in den suburbs lebte, verwahrlosten gleichzeitig die Innenstädte. Immerhin sank der Anteil der US-Bevölkerung, der unterhalb der amtlich definierten Armutsgrenze lebte, von rund einem Drittel (1950) auf unter ein Viertel (1960). An der Einkommensverteilung änderte sich wenig. Das unterste Fünftel der amerikanischen Haushalte musste sich mit gerade einmal 3,2 % aller persönlichen Einkommen bescheiden, während das oberste Fünftel fast 45 % erreichte. Gleichwohl erreichten die Lebensverhältnisse der meisten Amerikaner nach dem Zweiten Weltkrieg ein Niveau, das dem amerikanischen Traum vom sozialen Aufstieg eine durchaus reale Grundlage gab. Ihrem Selbstbild nach waren die USA in den fünfziger Jahren zum Modell einer modernen Industrie- und Konsumgesellschaft geworden, in der Armut und Klassengegensätze weitgehend überwunden schienen. Umfragen belegten großes Vertrauen der Amerikaner in ihre Institutionen und erstaunlich homogene Wertvorstellungen. Daran hatte nicht zuletzt das neue Medium Fernsehen großen Anteil. Westernserien feierten amerikanische Tugenden, in Unterhaltungssendungen und Werbung dominierten die weißen Mittelklasse und ein traditionelles Familienideal, das Frauen die Rolle der Hausfrau und Mutter zuwies. Tatsächlich war fast ein Drittel aller verheirateten Frauen erwerbstätig, da oft nur ein zweites Gehalt den erstrebten Lebensstandard ermöglichte. Der Frauenanteil an den Universitäten ging allerdings zurück, und Führungspositionen blieben für Frauen gänzlich außer Reichweite. Vor dem Hintergrund des ideologischen Konflikts mit dem „atheistischen Kommunismus“ bekräftigten die Amerikaner auch ihre traditionelle Symbiose von Patriotismus und Religion. Der Kongress fügte dem Loyalitätsgelöbnis („Pledge of Alliance“) die Versicherung hinzu, dass die USA eine „einige Nation unter Gott“ seien, und ergänzte die Dollarnoten durch das Bekenntnis: „In God We Trust“. Kirchenmitgliedschaft und Kirchenbesuch erreichten Rekordzahlen, religiöse Themen eroberten die Medien, und der Erweckungsprediger Billy Graham erreichte mit seinen evangelikalen „Kreuzzügen“ ein Millionenpublikum. Beobachter kritisierten indes, dass die Religion, ähnlich wie die ebenfalls florierende Populärpsychologie, lediglich der Lebenshilfe und Sinnstiftung in einer materialistischen Konsumkultur diene. Intellektuelle beklagten Konformität und Massengesellschaft, doch gleichzeitig entfaltete sich eine neue Ju-

Wirtschaftsboom der Fünfziger Jahre

Traditionelle Geschlechterbilder

Aufschwung der Religion

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Bürgerrechtsbewegung

BrownEntscheidung 1954

Martin Luther King, Jr.

I. Darstellung

gendkultur, deren Ikonen, wie der Rock’n-Roll-Musiker Elvis Presley und der Schauspieler James Dean, Rebellion und Nonkonformismus verkörperten. Die wichtigste politisch-soziale Entwicklung war jedoch, dass die Afroamerikaner entschlossen gegen ihren Status als Bürger zweiter Klasse aufbegehrten. Seit dem Zweiten Weltkrieg formierte sich der schwarze Protest zur breiten Bewegung, die Rassentrennung und Diskriminierung frontal attackierte. Zunächst konzentrierte sich der Bürgerrechtskampf auf die institutionalisierte „weiße Vorherrschaft“ in den Südstaaten, wo noch immer die große Mehrheit der Afroamerikaner lebte. Die Wählerregistrierungskampagnen der NAACP führten dazu, dass die Zahl der schwarzen Wähler im Süden, die 1940 bei gerade einmal 150 000 gelegen hatte, bis 1952 auf über 1,2 Millionen anstieg. Gleichzeitig stritt die NAACP vor Gericht gegen die Rassentrennung mit dem Ziel, den Obersten Gerichtshof zur Revision seiner 1896 verkündeten separatebut-equal-Doktrin zu bewegen. Der Durchbruch gelang im Mai 1954 mit dem Urteil im Fall Brown v. Board of Education of Topeka, Kansas, in dem der Supreme Court einstimmig befand, dass die Trennung schwarzer Schulkinder von ihren weißen Altersgenossen in jenen ein Minderwertigkeitsgefühl erzeuge und sie damit gleicher Bildungschancen beraube. Die Rassentrennung in Schulen sei, so die berühmte Formulierung, „inherently unequal“ und verstoße deshalb gegen das Gleichbehandlungsgebot des 14. Verfassungszusatzes. Der weiße Süden setzte der Brown-Entscheidung Obstruktion und häufig auch gewaltsame Rebellion entgegen. Präsident Eisenhower, der persönlich der Rassenintegration skeptisch gegenüberstand, musste 1957 Bundestruppen einsetzen, um schwarzen Schulkindern den Zugang zur Central High School von Little Rock, Arkansas, zu ermöglichen. Noch 1964 besuchten gerade 2 % aller schwarzen Kinder in den Staaten des tiefen Südens integrierte Schulen. Auf der lokalen Ebene bekämpfte die Bürgerrechtsbewegung die Rassentrennung durch gewaltlosen Protest in Form von Demonstrationen, Boykotten und gezielten Verletzungen der Jim Crow Laws. Der Busboykott von 1955/56 in Montgomery, Alabama, endete nach 381 Tagen mit der Aufhebung der Rassentrennung in den städtischen Bussen und brachte mit dem jungen Baptistenprediger Martin Luther King, Jr., eine charismatische Führungspersönlichkeit hervor, die bald nationale und internationale Beachtung fand. Seit Ende der Fünfziger Jahre organisierten Aktivisten im Süden zivilen Ungehorsam gegen die Rassentrennung in sit-ins und freedom rides. Die unbedingte Gewaltlosigkeit und Leidensbereitschaft der Bürgerrechtler verlieh ihrem Protest eine moralische Kraft, welche den Hass und die Gewalt der weißen Rassisten eindrucksvoll ins Unrecht setzte. Die Fernsehbilder von rasenden Mobs und prügelnden Polizisten trugen entscheidend dazu bei, dass die Bürgerrechtsfrage Anfang der sechziger Jahre zum dringendsten innenpolitischen Problem der USA wurde. Martin Luther Kings Traum von einem brüderlichen Amerika, den er im August 1963 beim friedlichen „Marsch auf Washington“ vor 250 000 Amerikanern verkündete, beantwortete Alabamas Gouverneur George Wallace freilich mit einem trotzigen „Segregation für immer!“ Präsident John F. Kennedy agierte in der Bürgerrechtsfrage zunächst zögerlich, entschloss sich aber unter dem Eindruck der eskalierenden Gewalt zu durch-

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greifenden Reformen, auch weil die Rassendiskriminierung Amerikas Prestige als Führungsmacht der „Freien Welt“ im Kalten Krieg beschädigte. Das Ende des institutionellen Rassismus erlebte er nicht mehr, doch unter seinem Nachfolger Lyndon B. Johnson verabschiedete der Kongress zwei bahnbrechende Gesetze, die die Rassentrennung im öffentlichen Raum verboten (Civil Rights Act of 1964) und das Wahlrecht der Afroamerikaner im Süden sicherten (Voting Rights Act of 1965). Der Amtsantritt des Demokraten John F. Kennedy, der 1960 knapp gegen Vizepräsident Richard Nixon gewonnen hatte, verband sich mit dem Versprechen eines Aufbruchs zu New Frontiers, mit dem der junge (geb. 1917), dynamische Präsident an den Fortschrittsglauben und den Idealismus gerade der jüngeren Amerikaner appellierte. Der aus der reichen Ostküstenelite stammende Kennedy hatte es verstanden, seinen vielen Protestanten verdächtigen katholischen Glauben aus dem Wahlkampf herauszuhalten und sich in den erstmals ausgetragenen Fernsehdebatten in Szene zu setzen. Kennedy versprach neue Führungsstärke im Kalten Krieg, doch in seinen ersten Amtsmonaten erlitten die USA gleich zwei empfindliche Rückschläge. Die noch von Eisenhower geplante Invasion Kubas, wo seit 1959 eine prosowjetische Revolutionsregierung unter Fidel Castro an der Macht war, endete mit einem militärischen Fiasko für die von den USA unterstützten exilkubanischen Rebellen. Im August 1961 mussten die USA tatenlos dem Bau der Berliner Mauer zuschauen. Als Kennedy im Oktober 1962 von der Stationierung sowjetischer Mittelstreckenraketen auf Kuba erfuhr, entschloss sich der Präsident zu einer Seeblockade der Insel. Die Welt stand kurzzeitig am Rande eines Atomkrieges, aber es gelang Kennedy, die Lage zu entschärfen, indem er den Sowjets zusicherte, Kuba nicht anzugreifen und US-Raketen aus der Türkei abzuziehen, wenn die Sowjets ihre Raketen aus Kuba zurückzögen. Um künftig derartige Eskalationen zu vermeiden, wurde ein „heißer Draht“ zwischen dem Weißen Haus und Moskau geschaltet. In der Rückschau markiert die Kubakrise einen dramatischen Höhe- und Wendepunkt des Kalten Krieges hin zur Phase der Entspannungspolitik. Wirtschaftlich ging es in den Kennedy-Jahren weiter aufwärts. Die Wachstumsraten lagen bei bis zu 6 %, auch wegen kräftig steigender Ausgaben für das Militär und das ehrgeizige Raumfahrtprogramm. Ab dem Frühjahr 1963 ließ Kennedy erkennen, dass er Rassismus und Armut offensiv bekämpfen wollte. Doch am 22. November 1963 schockierte die Nachricht von seiner Ermordung in Dallas, Texas, die Vereinigten Staaten und die Welt. Sein gewaltsamer, bis heute von Verschwörungstheorien umgebener Tod machte John F. Kennedy zum amerikanischen Mythos, dem keine Enthüllungen über sein Privatleben etwas anhaben können. Bis heute zählen viele Amerikaner Kennedy zu den „großen Präsidenten“, der, wäre er nicht ermordet worden, die Geschicke des Landes in eine glücklichere Richtung gelenkt hätte. Seinem Nachfolger, dem Texaner Lyndon B. Johnson, fehlten Charisma und intellektueller Schliff, aber dafür besaß er umso größere Erfahrung mit dem Kongress. In Anlehnung an den New Deal seines großen Vorbildes Franklin Roosevelt erklärte er der Armut den Krieg und propagierte seine Vision einer Great Society, in der es keine soziale und rassische Diskriminierung mehr

Bürgerrechtsgesetze

John F. Kennedy

Kubakrise

Ermordung Kennedys

76 Great Society

Krieg gegen die Armut

I. Darstellung

geben sollte. Geschickt münzte der neue Präsident die Trauer über Kennedys Tod in Zustimmung für eine Vielzahl von Gesetzesvorhaben um. Neben den Bürgerrechtsgesetzen verabschiedete der Kongress zwischen 1964 und 1966 ein Gesetz, das benachteiligten Jugendlichen neue Bildungs- und Berufschancen eröffnete, und eine staatliche Krankenfürsorge für Rentner und Bedürftige (Medicare und Medicaid). Daneben umfasste das Programm Maßnahmen zur Sanierung der Städte und zur Verbesserung des öffentlichen Nahverkehrs, Umwelt- und Verbraucherschutzgesetze, Bundesgelder für öffentliche Schulen und Lebensmittelhilfen für die Armen. Konservative kritisierten die Great Society als weiteren Schritt auf dem Weg zum sozialistischen Wohlfahrtsstaat, während vielen Linken der Krieg gegen die Armut nicht entschlossen genug geführt wurde. Als Folge anhaltend guter Konjunktur und staatlicher Sozialprogramme verringerte sich die Zahl der unter der Armutsgrenze lebenden Amerikaner zwischen 1960 und 1970 aber von 22,4 % auf 12,6 %; der entsprechende Anteil unter den Schwarzen von 55 % auf 33 %. Die Einkommensverteilung verschob sich leicht zugunsten der unteren Einkommensgruppen. Mit dem Triumph über seinen republikanischen Gegenkandidaten Senator Barry Goldwater aus Arizona, einem Repräsentanten des äußersten rechten Parteiflügels, erhielt Johnson bei den Wahlen 1964 eine eigene breite Legitimationsbasis und einen reformfreudigen Kongress. Der liberale Konsens stand im Zenit. 5.2 Krisenjahre, 1966–1980

Krise des Liberalismus

Black Power

Statt einer Befriedung der sozialen und politischen Spannungen erlebten die USA in der zweiten Hälfte der sechziger Jahre eine scharfe und zunehmend gewalttätige Polarisierung, zu der sich seit den frühen Siebzigern eine hartnäckige Wirtschaftskrise gesellte. Außenpolitisch mussten die USA schwere Niederlagen hinnehmen. Der Eindruck innerer und äußerer Schwäche schürte Ängste vor dem Niedergang Amerikas, die der politischen und kulturellen Hegemonie des Konservatismus den Boden bereiteten. Der Hauptgrund für die Krise des Liberalismus war, dass dieser sein Versprechen, den gesellschaftlichen Frieden durch staatliche Reformen zu sichern, nicht einlösen konnte. So brachten die Bürgerrechtsgesetze nicht die erhoffte „Lösung“ der Rassenfrage. Schon 1964 begannen die bürgerkriegsähnlichen Unruhen in den schwarzen Ghettos, bei denen es regelmäßig Dutzende von Toten gab, vor allem weil Polizei und Nationalgarde rücksichtslos von der Schusswaffe Gebrauch machten. Die „race riots“ der sechziger Jahre spielten sich überwiegend in den Metropolen des Nordens und Westens ab, wo die Rassenschranken zwar nicht, wie im Süden, institutionalisiert, aber ebenso real waren und wo eine „schwarze Unterklasse“ dagegen aufbegehrte, von den Segnungen der Wohlstandsgesellschaft ausgeschlossen zu sein. Gemäßigte Führer wie Martin Luther King verloren an Einfluss und unter dem Schlachtruf „Black Power“ gewann ein separatistischer Nationalismus an Boden. Radikale wie der 1965 ermordete Black-MuslimPrediger Malcolm X wurden besonders für junge Schwarze zu Leitbildern; die paramilitärisch organisierten „Black Panthers“ propagierten den bewaffneten

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Guerillakrieg. Gleichzeitig führte die Bundespolizei FBI einen geheimen und teilweise illegalen Feldzug gegen militante schwarze Gruppen. Ebenso wie die Ghettounruhen untergrub der eskalierende Vietnamkrieg die politischen und ökonomischen Fundamente der Great Society. Johnsons ehrgeizige Sozialprogramme und die horrenden Kriegskosten ließen Inflation und Haushaltsdefizit ansteigen, während der Protest gegen einen fernen Dschungelkrieg, in den immer mehr junge Amerikaner geschickt wurden, ohne seinen Sinn zu erkennen, zur Massenbewegung anschwoll. Präsident Johnson stand dieser Entwicklung zunehmend hilflos gegenüber. Im März 1968 verzichtete er auf eine erneute Kandidatur, resigniert und verbittert, weil er, der als Reformpräsident in die Geschichte eingehen wollte, als Kindermörder beschimpft wurde. Johnsons Selbstbild als tragischer Präsident, dessen Kampf gegen Armut und Ungerechtigkeit einem aufgezwungenen Krieg zum Opfer fiel, hält einer kritischen Prüfung freilich nicht stand. Die Eskalation des Krieges erfolgte unter der Prämisse, dass Amerika stark genug sei, gleichzeitig in Vietnam den Kommunismus und zu Hause die Armut zu besiegen. Nach der Niederlage der französischen Kolonialmacht im Jahre 1954 und der Teilung Vietnams hatten die Amerikaner den südvietnamesischen Diktator Ngo Diem gegen den kommunistischen Norden unter dem Nationalrevolutionär Ho Chi Minh unterstützt, weil sie befürchteten, der Fall Südvietnams werde einen „Dominoeffekt“ auslösen und ganz Südostasien unter kommunistische Herrschaft bringen. Das korrupte und unpopuläre Diem-Regime konnte sich allerdings militärisch nicht behaupten, sodass Präsident Kennedy immer mehr „Militärberater“ entsandte und im Herbst 1963 Diems Sturz durch das südvietnamesische Militär billigte. Der entscheidende Schritt zur „Amerikanisierung“ des vietnamesischen Bürgerkrieges erfolgte im August 1964, als im Golf von Tonkin nordvietnamesische Patrouillenboote einen US-Zerstörer angriffen. Präsident Johnson nutzte den Zwischenfall, um sich vom Kongress eine Blankovollmacht zur Kriegsführung ausstellen zu lassen. In den folgenden vier Jahren stieg die Zahl der US-Truppen in Vietnam auf über 500 000. Bis zum Abzug 1973 fielen fast 60 000 Amerikaner, mehr als 300 000 wurden verwundet; die direkten Kriegskosten beliefen sich auf ca. 175 Mrd. Dollar. Obwohl hohe US-Entscheidungsträger wie Verteidigungsminister Robert McNamara frühzeitig erkannten, dass der Krieg nicht zu gewinnen war, definierte die Johnson-Administration Vietnam als Testfall für die Glaubwürdigkeit Amerikas und steigerte die militärischen Anstrengungen immer weiter, um die aus dem Norden unterstützte Guerillaarmee des Vietcong zurückzuschlagen. Die südvietnamesische Zivilbevölkerung hatte unter massiven Bombenangriffen und Entlaubungsaktionen zu leiden und geriet ständig zwischen die Fronten. Angesichts der Gräuel, die US-Soldaten gegen Zivilisten verübten – das Massaker von My Lai im März 1968 war kein Einzelfall – ,wurde der Anspruch der Amerikaner, die Südvietnamesen vor dem Kommunismus zu retten, immer mehr zur Farce. Den Wendepunkt des Krieges führte die Offensive der Nordvietnamesen und des Vietcong zum vietnamesischen Neujahrsfest („Tet“) Anfang 1968 herbei, die Amerikaner und Südvietnamesen völlig überraschte; zeitweilig wurde sogar in der US-Botschaft

Vietnamkrieg

Domino-Theorie

Tet-Offensive

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Ermordung Martin Luther Kings und Robert Kennedys

Nixons Wahlsieg

Antikriegsbewegung

I. Darstellung

in Saigon gekämpft. Die Tet-Offensive endete für die Angreifer zwar militärisch mit einem Desaster, doch die US-Öffentlichkeit verlor endgültig den Glauben an ein siegreiches Ende des Krieges. Im Mai 1968 nahm Washington Friedensverhandlungen mit Nordvietnam auf, die aber bald ins Stocken gerieten und sich mit Unterbrechungen noch fast fünf Jahre hinzogen. Im Wahljahr 1968 sahen pessimistische Beobachter Amerika am Rand der Anarchie. Nach der Ermordung Martin Luther Kings am 4. April 1968 brachen in vielen Großstädten schwere Rassenunruhen aus. Zwei Monate später wurde Robert F. Kennedy, der jüngere Bruder John F. Kennedys und aussichtsreicher Bewerber um die Präsidentschaftsnominierung der Demokraten, von einem über seine pro-israelischen Erklärungen empörten Palästinenser erschossen. Die demokratische Nominierung wurde nun zwischen Vizepräsident Hubert Humphrey, einem Befürworter von Johnsons Vietnampolitik, und Senator Eugene McCarthy, dem Kandidaten der Antikriegsbewegung, entschieden. Zum Nominierungskonvent in Chicago erschienen Ende August Tausende jugendlicher Demonstranten, deren zumeist friedlichen Protest die Polizei vor laufenden Fernsehkameras niederknüppelte. Inzwischen hatte sich allerdings auch das konservative Amerika formiert und forderte die Wiederherstellung von „Gesetz und Ordnung“. Der Gouverneur von Alabama, George Wallace, gründete die American Independent Party, die für eine gewaltsame Unterdrückung der Protestbewegung und den Einsatz von Atomwaffen in Vietnam eintrat. Bei den Wahlen im November erhielt Wallace sensationelle 13,5 % der Stimmen. Als Kandidat der „schweigenden Mehrheit“ profilierte sich der Republikaner und Ex-Vizepräsident Richard Nixon, der ein Ende des Aufruhrs und der sozialen Experimente sowie einen „ehrenvollen Frieden“ in Vietnam versprach. Nixons Wahlsieg fiel knapp aus, doch insgesamt zeigte das Wahlergebnis, dass die politische Entwicklung hin zum Konservatismus ging. Die öffentliche Aufmerksamkeit zogen allerdings die Protestbewegungen auf sich. Der afroamerikanische Protest inspirierte nicht nur andere diskriminierte Minderheiten wie Indianer und mexikanischstämmige Amerikaner (Red Power und Chicano Power), sondern wurde auch zum Vorbild der neuen sozialen Bewegungen, die von der jungen, erwartungsvollen Baby-BoomGeneration getragen wurden. Das Manifest der 1962 gegründeten Students for a Democratic Society (SDS), oft als Gründungsdokument der Neuen Linken betrachtet, forderte demokratische Partizipation und soziale Gerechtigkeit. Viele weiße Studentinnen und Studenten beteiligten sich am schwarzen Bürgerrechtskampf. Zu einer politischen Massenbewegung wurde der Jugendprotest jedoch erst durch den Vietnamkrieg, da immer mehr junge Männer zum Militär eingezogen und nach Indochina geschickt wurden. Schätzungsweise 500 000 Wehrpflichtige verbrannten ihre Einberufungsbefehle, einige Zehntausend entzogen sich dem Wehrdienst durch Flucht ins Ausland. Für viele US-Bürger war die Antikriegsbewegung jedoch schlicht Landesverrat. Als die Nationalgarde im Mai 1970 bei einer Kundgebung gegen den Krieg auf dem Campus der Kent State University, Ohio, vier Studenten erschoss, ertönte in Teilen der Öffentlichkeit Beifall. Mit dem amerikanischen Rückzug aus Vietnam zerfiel die Antikriegsbewegung relativ rasch. Dennoch wäre ohne

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den Protest gegen den Krieg die Eskalation in Vietnam womöglich noch weiter gegangen. Zudem gingen viele der in den sechziger Jahren entwickelten Ansätze, vor allem die unkonventionellen Protestmethoden, in die Umwelt- und Friedensbewegungen der kommenden Jahrzehnte ein. Die so genannte Gegenkultur, die Amerikas Mainstream durch lange Haare und betont lässige Kleidung, Drogenexperimente, sexuelle Freizügigkeit und gemeinschaftliche Lebensformen provozierte, war immer nur die Sache einer kleinen Minderheit. Die neue Frauenbewegung, die sich seit den frühen sechziger Jahren artikulierte, knüpfte dagegen an eine lange historische Tradition an und erhob den Anspruch, die Interessen der Hälfte der Bevölkerung zu vertreten. In ihrem 1963 publizierten Bestseller The Feminine Mystique attackierte die Frauenrechtlerin Betty Friedan das von Medien und Wissenschaft propagierte weibliche Ideal der Ehefrau und Mutter und verlangte Chancengleichheit in Beruf und Bildung. Die Frauenbewegung, die 1966 in der National Organization for Women (NOW) einen landesweiten Zusammenschluss fand, forderte ein Ende der gesellschaftlichen und politischen Diskriminierung, die Abschaffung des patriarchalischen Eherechts und nicht zuletzt ein Ende sexueller Ausbeutung. Ob die „sexuelle Revolution“ zur „Befreiung der Frau“ geführt hat, ist umstritten, nicht aber, dass die seit 1960 verfügbare „Antibabypille“ profunde Auswirkungen auf das Sexualverhalten und die Geburtenraten hatte. Das Aufbegehren der Frauen war Teil des allgemeinen Emanzipationstrends, aber die Frauen mussten zugleich feststellen, dass auch in der Bürgerrechts- und Antikriegsbewegung Männer dominierten. Während die Protestwelle Anfang der siebziger Jahre abebbte, vollzog die Frauenbewegung, ähnlich wie die afroamerikanische Bürgerrechtsbewegung, den Übergang vom Protest zur Politik. Da der Civil Rights Act von 1964 auch Diskriminierung aufgrund des Geschlechts verbot, profitierten Frauen von Anti-Diskriminierungsbestimmungen und besonderer Förderung, der so genannten affirmative action. Auch die 1973 vom Obersten Gerichtshof sanktionierte liberale Abtreibungspraxis (Roe v. Wade), die seither von konservativ-religiösen Vereinigungen vehement bekämpft wird, gilt als Erfolg der neuen Frauenbewegung. Allerdings gelang es den Feministinnen nicht, einen neuen Verfassungszusatz durchzusetzen, der ausdrücklich die Gleichberechtigung der Geschlechter festschreiben sollte (Equal Rights Amendment). Am 21. Juli 1969 bescherte die erste Mondlandung dem angeschlagenen Selbstvertrauen der Amerikaner einen willkommenen Triumph. Das vordringliche Problem des neuen Präsidenten blieb aber der Krieg in Vietnam. Nixons Lösung lautete „Vietnamisierung“. Mit amerikanischer Unterstützung sollte die südvietnamesische Armee den Sieg der Kommunisten verhindern, während die US-Truppen bis März 1973 fast vollständig abgezogen wurden. Um Hanoi bei den gleichzeitig laufenden Verhandlungen zu Konzessionen zu bewegen, weitete Nixon zunächst den Luftkrieg gegen Nordvietnam aus und ließ Bodentruppen gegen Vietcong-Stützpunkte in Kambodscha operieren. Das im Januar 1973 unterzeichnete Abkommen mit Nordvietnam brachte jedoch nicht den versprochenen „ehrenvolle Frieden“, denn die US-Truppen verließen Vietnam, während die nordvietnamesische Armee im Süden bleiben

Gegenkultur

Neue Frauenbewegung

Entscheidung zur Abtreibung

Abzug aus Vietnam

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Détente

Ölkrise 1973

Nixons Innenpolitik

Watergate-Skandal

I. Darstellung

durfte. Amerikas südvietnamesische Verbündete fühlten sich nicht zu Unrecht verraten. Im April 1975 besiegelte die demütigende Flucht der letzten Amerikaner aus Saigon die Niederlage der USA. Bis heute wirkt das viel beschworene „Vietnam-Trauma“ in der amerikanischen Politik und Kultur nach. Weltpolitisch führten Nixon und sein Sicherheitsberater Henry A. Kissinger mit der Öffnung gegenüber beiden kommunistischen Großmächten die wichtigste strategische Wende seit Beginn des Kalten Krieges herbei. Im Wahljahr 1972 besuchte der Präsident sowohl China als auch die Sowjetunion. Die realpolitische Logik der Détente beruhte auf der Einsicht in die Notwendigkeit eines Ausgleichs mit der Sowjetunion, wobei Washington geschickt die chinesische Karte spielte: Obwohl ein Bündnis mit Peking für die USA niemals zur Debatte stand, trug die sowjetische Furcht vor einer solchen Allianz dazu bei, dass der Kreml sich insbesondere in der Abrüstungsfrage konzessionsbereit zeigte. Das für die USA wichtigste Resultat der Entspannungspolitik waren die Verträge über die Begrenzung strategischer Atomwaffen (SALT I) und Raketenabwehrsysteme, die das Gleichgewicht des atomaren Schreckens stabilisierten. Nach Nixons Wiederwahl erlahmte die Dynamik der Détente, die im Kongress auf immer mehr Widerstand stieß. Der Nahostkrieg zwischen Israel und den arabischen Staaten im Oktober 1973 überraschte die Nixon-Administration und führte zu militärischen Drohgebärden der Supermächte. Kissingers „Pendeldiplomatie“ erwirkte zwar einen Waffenstillstand, aber die durch das arabische Ölembargo ausgelöste Ölpreisexplosion löste eine weltweite Rezession aus und verschärfte die amerikanischen Wirtschaftsprobleme weiter. Die Inflation stieg 1974 auf 11 % und blieb auf hohem Niveau, während das Wachstum stagnierte; ein Phänomen, das Ökonomen „Stagflation“ tauften und das die US-Volkswirtschaft bis zum Ende des Jahrzehnts fest im Griff hatte. Innenpolitisch kam es unter Nixon allein wegen der demokratischen Kongressmehrheiten zu keiner konservativen Wende. Die Sozialprogramme der Johnson-Ära blieben unangetastet. Entgegen Nixons Ankündigung, den Staatsinterventionismus zurückzufahren, nahm die Administration drastische Eingriffe in die Wirtschaft vor, darunter einen Lohn- und Preisstopp, um die Inflation einzudämmen, sowie die Freigabe des Dollarwechselkurses, um das Handelsbilanzdefizit zu senken. Nixon autorisierte neue Bundesbehörden für Arbeits- und Umweltschutz und legte Pläne für ein staatlich garantiertes Mindesteinkommen vor. Und während der Präsident Sympathien für den Widerstand gegen die Desegregation der Schulen erkennen ließ, führte seine Regierung erstmals verbindliche Regelung zur affirmative action für Minderheiten und Frauen ein. Da die Demokraten 1972 mit George McGovern einen Exponenten des linken Parteiflügels ins Rennen schickten, wurde Nixon mühelos mit 60 % der Stimmen wiedergewählt. Dass die Polizei am 17. Juni fünf Männer mit Kontakten zu Nixons Wahlkampfkomitee beim Versuch verhaftet hatte, in das Hauptquartier der Demokraten im Washingtoner Watergate Hotel einzubrechen und dort Abhörmikrophone zu installieren, spielte im Wahlkampf keine Rolle. Die Recherchen der beiden Washington Post-Reporter Carl Bernstein und Bob Woodward sorgten jedoch dafür, dass „Watergate“ nicht in Vergessenheit

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geriet. Nachdem einer der Einbrecher vor Gericht gestanden hatte, auf Anweisung aus dem Weißen Haus gehandelt und Schweigegeld erhalten zu haben, setzte der Senat einen Untersuchungsausschuss ein, dessen im Fernsehen übertragene Anhörungen eine Flut schockierender Enthüllungen über die kriminellen Machenschaften einer geheimen Spezialeinheit des Präsidenten zutage förderten. Im Laufe der Anhörungen wurde auch bekannt, dass alle Gespräche im Oval Office auf versteckten Tonbändern mitgeschnitten wurden. Es musste also Bänder geben, die Antwort auf die Frage geben konnten, was Nixon persönlich gewusst und angeordnet hatte. Unter Berufung auf nationale Sicherheitsinteressen und ein besonderes Vorrecht der Exekutive verweigerte der Präsident die Herausgabe der Tonbänder, musste aber schließlich nachgeben. Die ab April 1974 veröffentlichten Mitschnitte bewiesen schließlich, dass Nixon Anweisung gegeben hatte, die Affäre zu vertuschen, die Einbrecher zu bestechen und die Ermittlungen des FBI zu behindern. Unter diesen Umständen war eine Amtsenthebung (impeachment) durch ein Votum des Senats so gut wie sicher. Um dieser Schmach zuvorzukommen, verzichtete Richard Nixon am 8. August 1974 als erster und bislang einziger Präsident der Vereinigten Staaten vorzeitig, doch ohne Schuldeingeständnis auf sein Amt. Mit der Begründung, der Nation einen endlosen Prozess ersparen zu wollen, begnadigte sein Nachfolger, Vizepräsident Gerald Ford, Nixon einen Monat später für alle Straftaten, die dieser möglicherweise im Zusammenhang mit der Watergate-Affäre begangen hatte. Die Aufdeckung der Watergate-Affäre wurde einerseits als Beweis für das Funktionieren der checks and balances im amerikanischen Regierungssystem gepriesen, doch andererseits geriet insbesondere die Institution der Präsidentschaft in eine Vertrauenskrise. Die „imperiale Präsidentschaft“ hatte ihre Kehrseite gezeigt und die Notwendigkeit zur Kontrolle präsidialer Macht war überdeutlich geworden. So verabschiedete der Kongress 1973 den War Powers Act, der die präsidialen Befugnisse zum Einsatz militärischer Gewalt einschränken sollte, in der Praxis aber kaum Wirkung entfaltete. Denn schon kurz nach „Watergate“ wurde unter dem Eindruck der glücklos agierenden Präsidenten Ford und Carter erneut der Ruf nach mehr Führungskraft im Weißen Haus laut. Gerald Ford war ein schwacher Übergangspräsident, der sich einem wenig kooperationswilligen Kongress gegenübersah und vom rechten Flügel der Republikaner für seine Fortsetzung der Entspannungspolitik attackiert wurde. Angesichts der schlechten Wirtschaftslage und der allgemeinen Verdrossenheit über eine als korrupt und arrogant empfundene Washingtoner Machtelite konnte im November 1976 ein weithin unbekannter Außenseiter, der demokratische Ex-Gouverneur des Staates Georgia James E. („Jimmy“) Carter, die Präsidentschaftswahlen knapp gewinnen. Carter, ein „wiedergeborener“ evangelikaler Christ, versprach seinen Landsleuten, sie niemals zu belügen, und gab sich ostentativ volksnah. Gegenüber dem Kongress jedoch trat der fachlich kompetente Präsident so ungeschickt auf, dass er immer wieder um Mehrheiten bangen musste, obwohl die Demokraten in beiden Häusern dominierten. Carter begann mit der Deregulierung der Luftfahrt und des Verkehrswe-

Rücktritt Nixons

„Jimmy“ Carter

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Energiekrise

Camp-DavidAbkommen

Geiselkrise in Teheran

I. Darstellung

sens und ermahnte die Amerikaner, nicht länger die Lösung aller Probleme von der Regierung zu erwarten. Andererseits weitete seine Administration Wohlfahrtsprogramme und öffentliche Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen aus. Auch Carters Präsidentschaft war von ökonomischen und politischen Krisen geprägt. Der von der iranischen Revolution 1978/79 ausgelöste zweite Ölpreisschock ließ die Inflation auf 13 % steigen und machte auf schmerzliche Weise klar, wie abhängig Amerika weiterhin von Ölimporten war. Gleichzeitig zeigte der Störfall im Atomkraftwerk Three Mile Island in Pennsylvania im März 1979, dass die Atomenergie keinen risikolosen Ausweg eröffnete. Obwohl sich auch in den USA inzwischen eine Umweltbewegung gebildet hatte, stießen Appelle zum Energiesparen bei der an billige Energie gewöhnten Bevölkerung an mentale Barrieren. Die Amerikaner akzeptierten zwar ein Tempolimit, aber keine höheren Benzinsteuern. Carter ging mit gutem Beispiel voran und ließ auf dem Dach des Weißen Hauses Solarzellen installieren, sein ehrgeiziger nationaler Energieplan wurde jedoch im Kongress von den Lobbyisten zerpflückt. Seine Menschenrechtspolitik trug Carter den Ruf eines weltfremden Moralisten ein, doch tatsächlich erbrachte seine Administration beachtliche außenpolitische Leistungen, darunter der Abschluss eines zweiten SALT-Vertrages mit der Sowjetunion im Juni 1979. Kurz zuvor hatten Israel und Ägypten das von Carter vermittelte Friedensabkommen von Camp David in Washington unterzeichnet. Damit verband sich nicht nur die Hoffnung auf einen umfassenden Frieden im Nahen Osten, es war den USA auch gelungen, mit Ägypten das wichtigste arabische Land auf die Seite des Westens zu ziehen. Diesem Erfolg stand freilich der schwere Rückschlag gegenüber, den Amerika im Mittleren Osten durch den Sturz des Schah-Regimes im Iran hinnehmen musste. Die USAußenpolitik, die Schah Reza Pahlawi jahrzehntelang gestützt hatte, wurde von der islamischen Revolution unter Führung des schiitischen Klerikers Ayatollah Chomeini völlig überrollt. Nachdem Carter einer Krebsoperation des Schahs in den USA zugestimmt hatte, besetzten radikale Studenten im November 1979 die US-Botschaft in Teheran und nahmen 65 US-Botschaftsangehörige als Geiseln. Die Geiselaffäre zog sich über fünfzehn Monate hin, weil das MullahRegime lange kein Interesse an einer diplomatischen Lösung hatte und es vorzog, die Supermacht vor der Weltöffentlichkeit zu demütigen. Ein militärischer Befreiungsversuch schlug im April 1980 fehl und fügte dem Prestige der USA weiteren Schaden zu. Als im Dezember 1979 die Sowjets nach Afghanistan einmarschierten, um ihr dortiges Klientelregime zu stützen, reagierte die CarterAdministration mit einem Handelsembargo gegen Moskau, zog den SALT-IIVertrag aus dem Senat zurück und erklärte den Persischen Golf zum vitalen Interessensgebiet, das die USA notfalls auch militärisch verteidigen würden. Die amerikanische Öffentlichkeit machte vor allem die Schwäche der eigenen Regierung für die quälende Teheraner Geiselkrise und die sowjetische Invasion Afghanistans verantwortlich. Vor den Wahlen im November 1980 hatte Carter weniger Zustimmung unter den Wählern als Nixon während der WatergateAffäre. Seine Niederlage gegen den Republikaner Ronald Reagan war ebenso demütigend wie der Umstand, dass Chomeini die Geiseln ausgerechnet am Tag der Amtseinführung des neuen Präsidenten freigab.

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5.3 Globale Vorherrschaft und neoliberaler Kapitalismus, 1980–2010 Der bei Amtsantritt fast siebzigjährige Ronald Reagan war als ehemaliger Hollywoodschauspieler ein idealer Medienpräsident, den selbst seine Kritiker anerkennend den „Großen Kommunikator“ nannten. Reagan verkörperte für viele seiner Landsleute Führungsstärke und amerikanische Tugenden. Ein Attentat, bei dem ein geistig verwirrter Mann ihn im März 1981 schwer verletzte, überstand der Präsident mit Haltung und Humor. Sein politischer Erfolg beruhte darauf, dass ihm ein massiver Einbruch in die Kernwählerschaft der Demokraten unter der weißen Arbeiterschaft und der unteren Mittelklasse gelang. Diese „Reagan Democrats“ sahen sich als hart arbeitende Amerikaner, die für die Wirtschaftskrise, einen angeblich ausufernden Sozialstaat und die Minderheitenförderung die Zeche zahlten. Daneben profitierte Reagan vom Aufstieg der religiösen Rechten, in der sich evangelikale Protestanten und konservative Katholiken im Kampf gegen Abtreibung und moralischen Verfall zusammenfanden. Reagan versprach den Bruch mit der Vietnam-Watergate-Ära und eine Rückkehr zu traditionellen Werten, Patriotismus und einer Politik der Stärke gegenüber dem „Reich des Bösen“, wie er die Sowjetunion titulierte. Reagans wirtschaftliche und gesellschaftliche Botschaft lautete, dass der Staat keine Probleme löse, sondern selbst das Problem sei. Ein von staatlicher Regulierung befreiter Kapitalismus werde Wachstum, Wohlstand und den amerikanischen Traum wiederherstellen. Das Kernstück der „Reaganomics“ waren massive Steuersenkungen, um Konsum und Investitionen anzukurbeln. Anfang 1981 verabschiedete der Kongress Steuerkürzungen, die sich über fünf Jahre zu einem Einnahmeausfall von insgesamt 750 Mrd. Dollar summierten. Trotz schmerzhafter Kürzungen bei den Sozialausgaben rissen die Steuersenkungen große Löcher in den Bundeshaushalt, zumal die Reagan-Administration die Rüstungsausgaben drastisch erhöhte. Zwischen 1981 und 1986 stieg das Defizit des Bundes von 79 Mrd. Dollar auf über 220 Mrd. Dollar. Zunächst blieb auch die erhoffte wirtschaftliche Erholung aus, stattdessen kam es 1981/82 zu einer scharfen Rezession mit bis zu 10 % Arbeitslosigkeit. Der starke Dollar führte zu einem hohen Handelsbilanzdefizit und verschärfte die Anpassungskrise für Amerikas „alte Industrien“. Ab 1983 nahm die Konjunktur jedoch Fahrt auf und das Wachstum kletterte auf fast 10 %. Am Ende der Amtszeit Reagans betrug die Arbeitslosenrate noch knapp über 5 %. Zwischen 1981 und 1989 entstanden netto rund 18 Millionen neue Arbeitsplätze, und zwar keinesfalls nur im Niedriglohnsektor. Die Einkommensverteilung verschob sich allerdings deutlich zugunsten der Wohlhabenden. Zwischen 1981 und 1989 fiel der Anteil des untersten Fünftels an den Einkommen von 4,2 % auf 3,8 %, während die Spitzenverdiener (Top 5 %) ihren Anteil von 15,6 % auf 18,9 % steigerten. Der Boom der achtziger Jahre heizte eine von spektakulären Betrugsskandalen begleitete Börsenspekulation an, die im Oktober 1987 in einen großen Crash mündete. Da die US-Notenbank sofort die Zinsen senkte, konnte eine Rezession jedoch abgewendet werden. Der wirtschaftliche Aufschwung und Reagans Popularität bescherten dem

Ronald Reagan

Reaganomics

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Iran-Contra-Affäre

Reagan-Doktrin

Rüstungswettlauf

NATO-Nachrüstung

I. Darstellung

Präsidenten 1984 eine triumphale Wiederwahl. Dass in Reagans zweite Amtszeit eine Reihe von Skandalen fiel, tat seiner persönlichen Beliebtheit keinen Abbruch. Dies gilt auch für die so genannte Iran-Contra-Affäre, die zwischen 1986 und 1989 die US-Öffentlichkeit beschäftigte. Nach und nach wurde bekannt, dass die Reagan-Administration geheime Waffengeschäfte mit dem Iran getätigt hatte, um drei im Libanon von radikalen Schiiten festgehaltene Amerikaner freizukaufen. Mit den Erlösen aus den Waffenverkäufen finanzierten Reagans Berater, entgegen einem ausdrücklichen Verbot des Kongresses, Waffenlieferungen an die „Contras“ genannten antikommunistischen Rebellen, die gegen das linke Sandinistenregime in Nicaragua kämpften. Die Verantwortlichen bestritten, dass der Präsident von ihren illegalen Aktivitäten gewusst habe, und auch die Medien schonten Reagan auffällig. Die amerikanische Öffentlichkeit wollte sich offenkundig eine Wiederholung der Watergate-Krise ersparen. Dabei spielte auch eine Rolle, dass die Unterstützung der „Contras“ Teil der US-Strategie war, den sowjetischen Einfluss in der Dritten Welt zurückzudrängen. Gemäß der 1985 verkündeten „Reagan-Doktrin“ war die Unterstützung antikommunistischer Widerstandskämpfer in Afghanistan und Nicaragua legitime Selbstverteidigung gegen sowjetische Aggression. In Afghanistan bot sich die Chance, die Sowjets in einen verlustreichen Guerillakrieg zu verstricken. In Lateinamerika sollten linke, sowjetfreundliche Regime mit allen Mitteln verhindert werden, auch wenn die Contras in Nicaragua und die rechten Todesschwadronen in El Salvador schwere Menschenrechtsrechtsverletzungen verübten. Die kleine Karibikinsel Grenada ließ Reagan 1983 kurzerhand von US-Truppen besetzen, weil sie angeblich zum Außenposten Kubas zu werden drohte. Im Zentrum der außenpolitischen Strategie der Reagan-Administration stand eine rasche nukleare und konventionelle Aufrüstung, die Amerikas militärische Überlegenheit wiederherstellen und die sowjetische Wirtschaft in einen ruinösen Rüstungswettlauf treiben sollte. Zwischen 1981 und 1989 summierten sich die Verteidigungsausgaben der USA auf mehr als 2 Billionen Dollar. Anfang 1983 kündigte Reagan die Entwicklung eines weltraumgestützten Verteidigungssystems (Strategic Defense Initiative, SDI) gegen strategische Atomwaffen an, das bald landläufig „Star Wars“ genannt wurde. Nach Auffassung von Kritikern gefährdete SDI das nukleare Gleichgewicht des Schreckens, doch die technischen Schwierigkeiten waren weitaus größer als erwartet. Ab 1983 stationierte die NATO US-Mittelstreckenraketen in Westeuropa, nachdem Verhandlungen mit Moskau über einen völligen Verzicht auf diesen Waffentyp gescheitert waren. Die gegen den Widerstand einer lautstarken Friedensbewegung durchgesetzte Stationierung der „Pershings“ und „Cruise Missiles“ demonstrierte die Handlungsfähigkeit der westlichen Allianz. Besonders in der Bundesrepublik gab es erhebliche Widerstände gegen eine Abkehr von der Entspannungspolitik. Tatsächlich reagierte die Reagan-Administration nach anfänglichem Zögern konstruktiv auf den Umbruch in der Sowjetunion, der 1985 vom neuen Generalsekretär der KPdSU Michail Gorbatschow eingeleitet wurde. Ende 1987 schlossen die USA und die UdSSR mit dem Vertrag

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über die Abschaffung aller nuklearen Mittelstreckenwaffen das erste echte Abrüstungsabkommen seit Beginn des Kalten Krieges. Bei einem Berlinbesuch im Juni 1987 forderte Präsident Reagan Sowjetführer Gorbatschow emphatisch zur Öffnung des Brandenburger Tores auf. Gut zwei Jahre später sah sich sein Nachfolger und Parteifreund George Bush unerwartet mit dem Zusammenbruch des Ostblocks und dem Fall der Berliner Mauer konfrontiert. Durch entschlossene und besonnene Diplomatie trug das Team um den erfahrenen Außenpolitiker Bush entscheidend dazu bei, dass die Teilung Europas und Deutschlands friedlich überwunden wurde. Die USA, die den Fall der Mauer auch als amerikanischen Triumph betrachteten, traten energisch für ein vereintes demokratisches Deutschland ein, das fest in die westliche Allianz und die Europäische Union eingebunden bleiben sollte. Schließlich akzeptierte auch Gorbatschow die deutsche NATO-Mitgliedschaft, da die NATO zukünftig kein antisowjetisches Bündnis mehr sein würde. Mit der Selbstauflösung der Sowjetunion Ende 1991 ging der Kalte Krieg definitiv zu Ende. Das Ende des Kalten Krieges war nicht der einzige außenpolitische Triumph der Bush-Administration. Der irakische Diktator Saddam Hussein, der sich als Feind des Iran lange amerikanischer Unterstützung erfreut hatte, ließ im August 1990 das Scheichtum Kuwait besetzen und annektieren, um die dortigen Ölreserven unter seine Kontrolle zu bringen. Saddams Erwartung, die USA würden diese Aggression hinnehmen, erwies sich als Fehlkalkül. Mit Rückendeckung der Vereinten Nationen schmiedete US-Präsident Bush eine breite internationale Koalition, einschließlich zahlreicher arabischer Staaten, die Anfang 1991 die irakischen Truppen aus Kuwait vertrieb. US-Präsident Bush sah eine „neue Weltordnung“ kollektiver Sicherheit heraufziehen. Innenpolitisch nützten Bush seine weltpolitischen Triumphe allerdings wenig, denn bei den Präsidentschaftswahlen 1992 bestraften ihn die Wähler für die schlechte Wirtschaftslage und wählten den jungen Gouverneur von Arkansas, William („Bill“) Jefferson Clinton ins Weiße Haus, der versprach, sich vor allem um die heimische Wirtschaft zu kümmern. Mit Bill Clinton (geb. 1946) kam ein hochbegabter und charismatischer Politiker ins Weiße Haus, dessen persönliche Schwächen ihn jedoch immer wieder in Schwierigkeiten brachten. In den Augen seiner Gegner verkörperte der erste Präsident der Baby-Boomer-Generation, der als Student Marihuana geraucht und sich dem Dienst in Vietnam entzogen hatte und der für seine außerehelichen Affären bekannt war, die moralische Verkommenheit der sechziger Jahre. Auch Clintons Ehefrau Hillary Rodham Clinton zog sich den Zorn der Konservativen zu, weil sie sich nicht als traditionelle „First Lady“ präsentierte, sondern eine eigene politische Rolle beanspruchte. Die von Hillary Clinton ausgearbeitete Reform des Krankenversicherungssystems scheiterte sowohl am Widerstand der Lobbyisten als auch an der Kompromissunfähigkeit der First Lady. Bill Clinton brachte mit Steuererhöhungen für Wohlhabende und Kürzungen der Sozialleistungen den politischen Gegner ebenso wie viele Kritiker in der eigenen Partei gegen sich auf. Bei den Kongresswahlen 1994 gewannen die Republikaner mit einem Programm, das einen ausgeglichenen Haushalt, Steuersenkungen und eine drastische Beschneidung

Fall der Berliner Mauer

Golfkrieg 1990/91

Bill Clinton

86 Republikanische Revolution 1994

Humanitäre Interventionen

Balkankriege

NAFTA

New Economy

I. Darstellung

des Sozialstaates versprach, Mehrheiten in beiden Häusern des Kongresses. Der Republikanische Führer im Repräsentantenhaus Newt Gingrich ging auf Konfrontationskurs zum Weißen Haus und ließ die nächsten Haushaltsberatungen scheitern, sodass zahlreiche Einrichtungen der Bundesregierung wegen fehlender Geldmittel zeitweilig schließen mussten. Clinton dagegen positionierte sich als Kraft der Mitte und nahm den Republikanern mit einer durchgreifenden Reform der Sozialhilfe, die Empfänger zur Arbeitsaufnahme zwingen sollte, den Wind aus den Segeln. Bei seiner Wiederwahl profitierte der Präsident von der guten Wirtschaftslage und dem Umstand, dass die Republikaner mit dem dreiundsiebzigjährigen Senator Robert Dole einen schwachen Gegenkandidaten aufstellten. Außenpolitisch sah sich die Clinton-Administration vor allem mit dem Problem humanitärer Interventionen konfrontiert. Aus dem von Hungersnot und Bürgerkrieg heimgesuchten ostafrikanischen Somalia zog Clinton die USTruppen Anfang 1994 wieder zurück, nachdem amerikanische Soldaten bei Kämpfen mit lokalen Milizen getötet worden waren. Kurze Zeit später ignorierte Washington Nachrichten über den Völkermord in Ruanda, um nicht in einen afrikanischen Bürgerkrieg verwickelt zu werden. In den Kriegen, die der Auflösung Jugoslawiens folgten, überließen die USA die Initiative zunächst den Europäern und den Vereinten Nationen, die sich jedoch als unfähig erwiesen, die „ethnischen Säuberungen“ in Bosnien zu beenden. Erst nachdem die Amerikaner NATO-Luftschläge gegen die bosnischen Serben durchgesetzt hatten, gelang es 1995, die Kriegsparteien zum Frieden zu zwingen. Vier Jahre später intervenierte die NATO unter US-Führung erneut, um eine serbische Aggression gegen die albanische Bevölkerung des Kosovo zu stoppen. Grundsätzlich jedoch übte die Clinton-Administration beim Einsatz militärischer Macht Zurückhaltung und widmete sich lieber dem Ziel, den amerikanischen Export zu stärken. Gegen den Widerstand von Gewerkschaften und Umweltschützern setzte Clinton 1993 die Nordamerikanische Freihandelszone (NAFTA) mit Kanada und Mexiko durch und trieb die Liberalisierung des Welthandels im Rahmen der 1995 gegründeten Welthandelsorganisation voran. Die neunziger Jahre waren eine Dekade ungebrochener Prosperität mit robusten Wachstumsraten und steigenden Einkommen bei niedriger Inflation und Arbeitslosigkeit. Die Zahl der Sozialhilfeempfänger halbierte sich und der Anteil der unter der Armutsgrenze lebenden Amerikaner fiel am Ende des Jahrzehnts auf den niedrigsten Stand seit fünfundzwanzig Jahren. Dass sich die Einkommensverteilung immer mehr zugunsten der Reichen verschob – Ende der neunziger Jahre bezogen die Top 5 % bereits 21,4 % der Einkommen – wurde in der politischen Diskussion kaum thematisiert. Der Boom war in erster Linie der rasanten Expansion der „New Economy“ zu verdanken, wie der computergestützte Hochtechnologiesektor bald genannt wurde. Innerhalb weniger Jahre überholte der Marktwert von IT-Unternehmen wie Microsoft die bislang führenden Auto- und Flugzeugbauer. Computer- und Informationstechnologie eröffneten eine neue Konsumwelt und führten zu enormen Produktivitätsfortschritten. Einige Ökonomen verkündeten, die digitale Revolution habe die herkömmlichen Konjunkturzyklen überwunden – eine These,

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die durch den Zusammenbruch des Aktienmarktes 2001 spektakulär widerlegt wurde. Immerhin stiegen die Steuereinnahmen während des Booms so stark, dass sich das Haushaltsdefizit, das 1992 noch 290 Mrd. Dollar betrug, bis zum Jahr 2000 in einen Überschuss von 236 Mrd. verwandelte. Gleichwohl wäre die Präsidentschaft Bill Clintons beinahe vorzeitig zu Ende gegangen, denn die Republikanische Kongressmehrheit betrieb ein Amtsenthebungsverfahren wegen Meineids gegen den Präsidenten, weil dieser unter Eid eine sexuelle Beziehung zu einer im Weißen Haus beschäftigten Praktikantin geleugnet hatte. Obwohl das Impeachment schließlich 1999 scheiterte, weil die Mehrheit im Senat gegen die Anklage stimmte, hielt die bizarre Affäre über zwei Jahre hinweg die US-Öffentlichkeit im Bann. Je länger sich das Schauspiel hinzog, desto mehr überwog das Unbehagen der Amerikaner über parteipolitische Ranküne und die voyeuristische Sensationsgier der Medien die Empörung über Clintons persönliche Verfehlungen. Demgegenüber verlief der Wahlkampf des Jahres 2000 recht unaufgeregt, denn mit Vizepräsident Al Gore, Jr. und dem texanischen Gouverneur George W. Bush, einem Sohn des 41. US-Präsidenten George H.W. Bush, traten zwei wenig inspirierende Kandidaten an. Der Wahlausgang jedoch brachte die USA an den Rand einer Verfassungskrise, denn Gore erhielt zwar landesweit eine halbe Million Stimmen mehr als sein Rivale, hatte aber im Wahlmännerkollegium keine Mehrheit. Der Ausgang der Wahl hing von Florida ab, wo Bush mit wenigen Tausend Stimmen vorne lag, es aber zahlreiche Unregelmäßigkeiten gegeben hatte. Die Demokraten verlangten eine neue Auszählung, die der Oberste Gerichtshof jedoch in einer knappen und höchst kontroversen Entscheidung verbot und so George W. Bush den Weg ins Weiße Haus freimachte. Die neue Administration ließ, abgesehen von Steuersenkungen, zunächst keine klare Agenda erkennen. Obwohl die USA seit Langem im Visier des islamistischen Terrorismus gestanden hatten, trafen die Anschläge vom 11. September 2001 die Regierung und das Land völlig überraschend. Es gelang 19 Angehörigen des Terrornetzwerkes Al Qaida, fast gleichzeitig vier Passagierflugzeuge zu entführen, diese in das New Yorker World Trade Center sowie in das US-Verteidigungsministerium zu lenken und so innerhalb weniger Stunden knapp 3000 Menschen in den Tod zu reißen – die ganze Welt verfolgte in Echtzeit, wie die Zwillingstürme des World Trade Centers in sich zusammenstürzten. Von diesem Augenblick an konzentrierte sich die gesamte Innen- und Außenpolitik der USA völlig auf den „Krieg gegen den Terror“, den Präsident Bush in eine Reihe mit dem Kampf gegen „Faschismus, Nazismus und Totalitarismus“ im 20. Jahrhundert stellte und dessen Endziel die Befreiung der Welt vom Bösen sei. Da sich das afghanische Taliban-Regime weigerte, den aus Saudi-Arabien stammenden Al-Qaida-Führer Osama bin Laden auszuliefern, begannen die USA mit breiter internationaler Unterstützung Anfang Oktober 2001 eine Invasion Afghanistans, die nach wenigen Wochen mit dem Sturz der Taliban endete. Osama bin Laden entkam jedoch und wurde erst knapp zehn Jahre später von einem US-Kommando in Pakistan getötet. Allerdings verfolgte die Bush-Administration sehr viel ehrgeizigere Ziele als die Zerschlagung der Al Qaida. Im September 2002 verkündete sie eine neue

Lewinsky-Affäre

Umstrittene Wahl 2000

Der 11. September 2001

„Krieg gegen den Terror“

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Nationale Sicherheitsstrategie 2002

Invasion des Irak

Bilanz des Irakkrieges

Guantánamo

I. Darstellung

nationale Sicherheitsstrategie, in der sie das Recht zu Präventivschlägen gegen „Schurkenstaaten“ und Terroristen beanspruchte, auch wenn ein Angriff auf die USA und ihre Alliierten nicht unmittelbar drohte. Die neue Doktrin war von neokonservativen Vordenkern inspiriert, die den Krieg gegen den Terror nutzen wollten, um die weltweite Vorherrschaft der USA und der westlich liberalen Demokratie durchzusetzen. Konkret diente die neue Sicherheitsstrategie der Vorbereitung eines Krieges gegen das Regime Saddam Husseins im Irak, den George W. Bush und seine Berater bereits vor dem 11. September 2001 ins Auge gefasst hatten. Nach „9/11“ begründete die US-Regierung ihre Forderung nach einem „Regimewechsel“ in Bagdad damit, dass der irakische Diktator den Besitz von Massenvernichtungswaffen anstrebe, die schon bald Amerika und seine Verbündeten bedrohen würden. Außerdem behaupteten Mitglieder der Administration, Saddam sei in die Anschläge vom 11. September verwickelt gewesen und werde nicht zögern, Terroristen mit ABC-Waffen auszurüsten. Für beide Behauptungen gab es keine belastbaren Beweise, doch gingen selbst Kritiker der Bush-Administration davon aus, dass der Irak an Massenvernichtungswaffen arbeite. Während die Vorbereitungen für eine Invasion liefen, entspann sich ein diplomatisches Tauziehen um ein Mandat des UN-Sicherheitsrates für ein militärisches Vorgehen, das zu einem schweren Zerwürfnis zwischen den USA mit einigen Verbündeten, insbesondere Deutschland und Frankreich, führte. Schließlich befahl Präsident Bush auch ohne UN-Mandat und unter Berufung auf die nationale Sicherheit der USA den Einmarsch in den Irak, der am 19. März 2003 begann und mit der erwarteten schnellen Niederlage der irakischen Armee endete. Saddam Hussein entkam zunächst, wurde aber später gefasst und Ende 2006 von einem irakischen Gericht zum Tode verurteilt und hingerichtet. Die Suche nach Massenvernichtungswaffen verlief allerdings ergebnislos und die von neokonservativen Intellektuellen prophezeite schnelle Transformation des Irak in eine stabile Demokratie mit Vorbildcharakter für den gesamten Mittleren Osten blieb aus. Stattdessen erlebte das Land jahrelangen Terror und Bürgerkriegsgewalt, die erst durch eine massive Aufstockung der US-Truppen ab 2007 eingedämmt werden konnte. Bis 2010 kamen ca. 4500 US-Soldaten und mindest 100 000 Iraker ums Leben. Ende 2011 zogen die letzten amerikanischen Kampftruppen aus dem Irak ab. Nach Schätzungen des Ökonomen Joseph Stiglitz werden sich allein die Kosten des Irakkrieges auf 3 Billionen Dollar summieren. Im Krieg gegen den Terror reklamierte Präsident Bush nahezu unbegrenzte Vollmachten für die Exekutive, die in eklatantem Widerspruch zur Verfassungstradition der checks and balances standen. Der im Oktober 2001 verabschiedete Patriot Act gab den Behörden weitreichende Befugnisse zur Überwachung und präventiven Inhaftierung Terrorverdächtiger. Die BushRegierung ordnete darüber hinaus die unbefristete Internierung so genannter „illegaler Kämpfer“ auf dem US-Stützpunkt Guantánamo auf Kuba an, ohne ihnen irgendeinen Anspruch auf rechtliches Gehör einzuräumen; später wurde zudem bekannt, dass die US-Regierung Terrorverdächtige im Ausland foltern ließ. Während der Kongress sich dem Machtanspruch der Exekutive beugte, beharrte der Oberste Gerichtshof in einer Reihe von Urteilen darauf,

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dass rechtsstaatliche Grundsätze und Gewaltenteilung auch im Krieg gegen den Terror gültig blieben. Die breite internationale Solidarität, die Amerika nach „9/11“ entgegengebracht worden war, bröckelte angesichts der völkerrechtswidrigen Invasion des Irak und der von der Bush-Administration zu verantwortenden Menschenrechtsverletzungen immer weiter ab. Bei seinen Landsleuten genoss George W. Bush bis zur seiner Wiederwahl 2004 breite Unterstützung, die in seiner zweiten Amtszeit vor allem wegen der verfahrenen Situation im Irak jedoch dramatisch zurückging. Der 11. September 2001 hatte kurzfristig relativ geringe wirtschaftliche Auswirkungen. Die US-Wirtschaft kehrte nicht zuletzt dank des ungebremsten deficit spending rasch auf den Wachstumspfad zurück, denn die BushAdministration finanzierte ihre Kriegspolitik nicht durch höhere Steuern, sondern durch neue Staatsschulden. Zwischen 2001 und 2004 wurde aus einem Haushaltsüberschuss von 128 Mrd. Dollar ein Defizit von 413 Mrd. Dollar. Als 2007/8 die seit Beginn des Jahrzehnts aufgeblähten Immobilien- und Hypothekenblasen in den USA platzten und eine globale Finanz- und Bankenkrise auslösten, sahen sich die Bush- und die Obama-Administrationen gezwungen, gigantische Summen zur Bankenrettung und zur Stützung der Konjunktur aufzubringen. Im Jahr 2009 betrug das US-Haushaltsdefizit 1,4 Billionen Dollar, die gesamte Staatsschuld macht inzwischen rund 100 % des Bruttosozialproduktes aus. Die Krise traf eine Bevölkerung, deren Realeinkommen seit der Jahrtausendwende im Mittel um gut 7 % gefallen war und die ihren Lebensstandard zunehmend auf Kredit finanziert hatte. Als Folge der Rezession stieg die Armutsquote zwischen 2007 und 2010 von 12 % auf 15,1 % (ca. 46 Millionen Personen). Am Ende des Kalten Krieges feierten die Amerikaner ihr Land als „einzig verbliebene Supermacht“ und nationalistische Kommentatoren forderten, die Gunst der Stunde zu nutzen und eine von den USA dominierte „unipolare“ Weltordnung durchzusetzen. Nach „9/11“ verfolgte die Bush-Administration dieses Projekt mit missionarischem Eifer, stieß dabei jedoch schnell an die materiellen, politischen und ideellen Grenzen der amerikanischen Macht. Die „imperiale Überdehnung“ Amerikas und der „Aufstieg der Anderen“ sind unverkennbar; mit China erwächst den USA ein weltpolitischer und weltwirtschaftlicher Konkurrent, von dem das Land im Verlaufe des vergangenen Jahrzehnts finanziell abhängig geworden ist. Viele Kommentatoren prophezeiten deshalb dem 2008 gewählten neuen Präsidenten Barack Obama, eine seiner größten Herausforderungen werde darin bestehen, seine Landleute auf eine globalisierte Welt einzustellen, die Amerika weder einseitig dominieren noch souverän ignorieren kann. Dass mit Obama der erste Afroamerikaner ins Weiße Haus einzog, spiegelte zugleich den grundlegenden kulturellen und demografischen Wandel der amerikanischen Gesellschaft in den letzten fünfzig Jahren wider. Obamas Wahlsiege 2008 und 2012 beruhten entscheidend auf der überwältigenden Unterstützung durch Afroamerikaner, Hispanics und Asian Americans sowie einer deutlichen Mehrheit der Frauen. Demgegenüber hatten sich die Republikaner nach Obamas Wahlsieg auf kompromisslose Obstruktion und Widerstand gegen die

Haushaltsdefizit

Finanzkrise 2008

Imperiale Überdehnung

Obamas Wahlsiege

90

I. Darstellung

Einführung einer gesetzlichen Krankenversicherungspflicht festgelegt und vor allem das weiße, konservative Amerika mobilisiert. Ihre Niederlage 2012 demonstrierte, dass sie sich zunehmend in eine demografische Falle manövriert hatten.

5.4 Gesellschaftlicher Wandel und politische Kultur, 1970–2010

Demografischer Wandel

Kulturkriege

Politische Erfolge der Afroamerikaner

Affirmative Action

Die USA sind seit ihrer Gründung eine Einwanderungsgesellschaft, die sich durch eine hohe Integrationsfähigkeit und ein ebenso hohes Maß an ethnischen und kulturellen Konflikten auszeichnet. Die Einwanderungsbeschränkungen zu Beginn des 20. Jahrhunderts führten allerdings zum drastischen Rückgang der Einwanderung, sodass sich um die Jahrhundertmitte der Eindruck verfestigte, die amerikanische Bevölkerung bestehe allein aus einer weißen, anglisierten Mehrheit und einer schwarzen Minderheit. Seit den sechziger Jahren hat sich dieses Bild grundlegend gewandelt. Zum einen brach die Bürgerrechtsrevolution die als selbstverständlich empfundene politische und kulturelle Vorherrschaft des weißen Amerika, zum anderen löste die Liberalisierung der Einwanderungsgesetze neue Einwanderungswellen aus Lateinamerika und Asien aus, die das demografische Profil der USA stark verändert haben. Gleichzeitig verschärften sich in der multikulturellen Gesellschaft des späten 20. und frühen 21. Jahrhunderts Konflikte über Werte und Identitäten, die bisweilen zu regelrechten „Kulturkriegen“ eskalieren. Nach der Verabschiedung der Bürgerrechtsgesetze Mitte der sechziger Jahre begann für die afroamerikanische Minderheit ein langer Marsch durch die Institutionen. Trotz anhaltender Widerstände stieg die Zahl der schwarzen Wähler und Amtsträger beständig an; im Jahre 1970 hatten landesweit knapp 1500 Schwarze ein Wahlamt inne, nach der Jahrtausendwende waren es über 9000. Beschränkten sich die Erfolge zunächst noch auf Wahlkreise mit schwarzer Bevölkerungsmehrheit, so hat die Bereitschaft weißer Wähler, für afroamerikanische Kandidaten zu stimmen, deutlich zugenommen. Die Wahl Barack Obamas zum US-Präsidenten im Jahre 2008 demonstrierte eindrucksvoll, dass Hautfarbe in der US-Politik an Bedeutung verloren hat. Allerdings blieben die Rassenbeziehungen auch nach den Reformgesetzen der Bürgerrechtsära konfliktträchtig. Die als affirmative action bekannte Förderung benachteiligter Minderheiten, etwa durch erleichterte Zugangsvoraussetzungen zu Universitäten, lehnen viele weiße Amerikaner als „umgekehrte Diskriminierung“ ab, während Befürworter darin ein notwendiges Korrektiv gegen den „strukturellen Rassismus“ der amerikanischen Gesellschaft sehen. Auch der Oberste Gerichtshof, der affirmative action mehrfach in Grenzen für zulässig erklärte, hat die Kontroverse nicht beigelegt. Nachweislich hat affirmative action zur Entstehung einer wachsenden schwarzen Mittelklasse beigetragen, doch ist die ökonomische Benachteiligung der Afroamerikaner nach wie vor evident; ihre Armutsquote liegt noch immer fast doppelt so hoch wie der Durchschnitt (2010: 27,4 % zu 15,1 %).

5. Von 1945 bis ins 21. Jahrhundert

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Dass die in einer Welt aus Drogen, Gewalt und sozialer Zerrüttung lebende schwarze „Unterklasse“ lange den öffentlichen Diskurs bestimmte, lag auch an der Welle der Gewaltkriminalität, die zwischen den sechziger und den frühen neunziger Jahren über die USA hereinbrach. Drogenkriege forderten vor allem unter jungen schwarzen Männern einen schrecklichen Blutzoll. Anfang der neunziger waren rund die Hälfte aller Mordverdächtigen und Mordopfer Afroamerikaner; rund ein Viertel aller jungen schwarzen Männer war entweder im Gefängnis oder auf Bewährung entlassen. Linke Kritiker sahen in der desolaten Lage der black underclass den Beweis für Amerikas strukturellen Rassismus, während Konservative die Rückkehr zu traditionellen Werten wie Religion, Familie und Arbeit propagierten. Die Rassenunruhen, die 1992 Los Angeles erschütterten, nährten pessimistische Diagnosen, denen zufolge sich die Rassenbeziehungen immer mehr polarisierten. Auch der Sensationsprozess gegen den ehemaligen schwarzen Footballstar O.J. Simpson, der wegen Mordes an seiner weißen Ex-Frau und ihrem Begleiter angeklagt war, aber von einer mehrheitlich afroamerikanischen Jury 1995 freigesprochen wurde, spaltete weiße und schwarze Amerikaner. Dennoch war die Polarisierungsthese allein deshalb übertrieben, weil die mehr als 30 Millionen Afroamerikaner zu einer sozial differenzierten Bevölkerungsgruppe geworden waren und die Wirklichkeit der multiethnischen Gesellschaft die alte Schwarz-Weiß-Dichotomie längst überholt hatte. Im Zuge der Bürgerrechtsreformen schaffte der Kongress 1965 diskriminierende Immigrationsquoten ab, die europäische Einwanderer begünstigten. Flüchtlingskontingente und Regelungen zur Familienzusammenführung öffneten unerwartet die Tore für die Masseneinwanderung aus Lateinamerika und Asien, von wo bereits in den siebziger Jahren 75 % aller Einwanderer kamen. Der Zensus von 1980 ergab, dass erstmals in der Geschichte der USA die Mehrheit der im Ausland geborenen Einwohner nicht europäischer Herkunft war. In den neunziger Jahren betrug die Zahl der legalen Einwanderer bereits knapp 1 Million pro Jahr, möglicherweise kamen genauso viele Menschen illegal ins Land, die meisten davon über die Grenze zu Mexiko. Schätzungsweise wanderten jedes Jahr etwa 500 000 Mexikaner legal oder illegal in die USA ein. Die demografischen Auswirkungen sind offenkundig. Im Jahr 2000 zogen die Hispanics zahlenmäßig mit den Afroamerikanern gleich, zehn Jahre später waren sie mit einem Bevölkerungsanteil von über 16 % die mit Abstand größte ethnische Minderheit. Einwanderung und hohe Geburtenraten machen die Hispanics zur am schnellsten wachsenden Bevölkerungsgruppe. Einigen Prognosen zufolge werden Euroamerikaner um die Mitte des 21. Jahrhundert zur Minderheit geworden sein; in Kalifornien ist dies bereits heute so. Auch die aus Asien stammende Bevölkerung ist kräftig gewachsen, nämlich von knapp 1 Million 1960 auf fast 15 Millionen 2010, und macht inzwischen rund 5 % der Gesamtbevölkerung aus. Bei beiden Gruppen Hispanics und Asian Americans handelt es sich jedoch um Sammelbezeichnungen für Einwanderer aus ganz unterschiedlichen Nationen und Kulturen. Eine gemeinsame Identität ist allenfalls ansatzweise vorhanden, man versteht sich in erster Linie gemäß der nationalen Herkunft als Mexican American, Chinese American usw.

Schwarze Unterklasse

O.J. Simpson-Prozess

Einwanderungsgesetz von 1965

Einwanderung

Hispanics

Asian Americans

92

Kampf gegen illegale Einwanderung

Multikulturalismus

Geschlechterbeziehungen

I. Darstellung

Wie in Europa provozierte die Massenimmigration auch in den USA Forderungen nach Einwanderungsbeschränkungen und hartem Durchgreifen gegen illegale Zuwanderer. Die öffentliche Diskussion konzentriert sich vor allem auf Mexikaner, denen häufig der Wille zu Integration und Assimilation abgesprochen wird. Manche Kommentatoren sprechen gar von einer schleichenden Rückeroberung der 1848 verlorenen mexikanischen Gebiete im Südwesten der USA. Die Grenze zu Mexiko ist inzwischen in einer Weise befestigt, die Kritiker zum Vergleich mit der Berliner Mauer veranlasst. Der Bund und viele Einzelstaaten haben Gesetze erlassen, die illegale Einwanderer von Arbeitsplätzen, Sozialleistungen und Schulbesuch ausschließen sollen, und Populisten überbieten sich gegenseitig mit radikalen Vorschlägen zur Eindämmung der Einwandererflut. Erfolg hatten sie bislang nicht, denn die Zahl der legalen Einwanderer liegt weiterhin bei jährlich über 1 Million, und die illegale Immigration ist vermutlich ebenfalls konstant hoch. Gegner von Einwanderungsbeschränkungen verweisen darauf, dass Amerika bislang noch alle Neuankömmlinge erfolgreich integriert habe und die US-Wirtschaft, insbesondere der Dienstleistungssektor, ohne die billige Arbeitskraft der Zuwanderer zusammenbräche. Während die Parteibasis der Republikaner vehement eine restriktive Einwanderungspolitik fordert, unterstützt der Wirtschaftsflügel der Partei die regelmäßigen Amnestien, die Illegalen unter bestimmten Umständen die Legalisierung ihres Status erlauben. Da die USA jährlich rund 1 Million Immigranten einbürgern, gewinnen diese zunehmend auch an politischem Einfluss. Im Jahre 2010 saßen 27 hispanische Abgeordnete im Kongress, darunter zwei Senatoren. Bürgerrechtsbewegung und demografischer Wandel haben dazu geführt, dass sich inzwischen die große Mehrheit der Amerikaner in Umfragen zum Ideal einer multikulturellen Gesellschaft bekennt. An den Schulen und Universitäten gibt es zahlreiche Studienprogramme zur Kultur ethnischer Minderheiten, und Rücksichtnahme auf kulturelle Unterschiede gilt als Bürgertugend. Traditionalisten warnen allerdings vor einer „Balkanisierung“ der USA und vor dem Verlust der nationalen Identität. Angesichts der langen und erfolgreichen Erfahrung Amerikas mit ethnischer und kultureller Vielfalt, erscheinen solche Ängste alarmistisch, selbst wenn der Multikulturalismus bisweilen seltsame Blüten treibt, etwa in der Forderung, schwarze Schulkinder aus dem Ghetto als Sprachminderheit zu behandeln. Auch die Geschlechterbeziehungen und die Rollenbilder von Frauen und Männern haben sich seit Mitte des 20. Jahrhunderts fundamental verändert. Die Vorstellung, dass Frauen sich ausschließlich um Kinder und Haushalt zu kümmern hätten, während ihre Männer Karriere machen, ist ebenso in die Mottenkiste gewandert wie alle Versuche, Frauen aus biologischen Gründen von „Männerberufen“ fernzuhalten. Frauen erstritten sich den Zugang zu Polizei und Militär und drängten massiv in die akademischen Berufe. So stieg ihr Anteil unter Anwälten und Richtern zwischen 1970 und 1990 von 6 % auf fast 30 %. Da mit der „Pille“ ab den sechziger Jahren eine zuverlässige Methode der Empfängnisverhütung zur Verfügung stand, halbierte sich die Geburtenrate für euroamerikanische Frauen zwischen dem Höhepunkt des Baby Booms Ende

5. Von 1945 bis ins 21. Jahrhundert

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der fünfziger Jahre und den Siebzigern auf den statistischen Wert von 1,8 Kindern pro gebärfähiger Frau. Der Wertekonflikt über die sexuelle und reproduktive Selbstbestimmung von Frauen kulminierte in der anhaltenden Kontroverse über das Recht auf Abtreibung während des ersten Trimesters der Schwangerschaft, das der Oberste Gerichtshof 1973 in seiner Entscheidung Roe v. Wade aus einem ungeschriebenen Verfassungsrecht auf Privatsphäre abgeleitet hatte. Wenige Gerichtsurteile haben die USA stärker polarisiert. Feministinnen sehen im Recht auf Abtreibung den Inbegriff weiblicher Selbstbestimmung, Gegner verurteilen Abtreibung als Mord, und einzelne Fanatiker haben Gewalttaten gegen medizinisches Personal in Abtreibungskliniken verübt. Doch trotz einiger Einschränkungen sind bislang alle Versuche gescheitert, das Recht auf Abtreibung aufzuheben. Die wachsende wirtschaftliche Unabhängigkeit der Frauen und die geänderten Rollenbilder der Geschlechter hatten gravierende Auswirkungen auf Ehe und Familie. In den neunziger Jahren wurde jede zweite Ehe geschieden und der Anteil der Familien mit einem alleinerziehenden Elternteil, fast immer die Mütter, stieg auf 20 %. In der afroamerikanischen Bevölkerung wurden drei Viertel aller Kinder unehelich geboren. Das Ideal der aus Kindern und verheirateten Eltern bestehenden Familie spiegelt die gesellschaftliche Realität nur noch bedingt, doch gehört zu dieser Realität auch, dass Kinder in alleinerziehenden Familien ein sehr viel höheres Armutsrisiko haben als solche aus Familien mit beiden Elternteilen. Die größte Herausforderung des traditionellen Familienbildes ist freilich die Forderung, auch homosexuelle Partnerschaften als Ehen und Familien zu akzeptieren. Religiöse Konservative laufen dagegen Sturm und streben einen Verfassungszusatz an, der die Ehe als eine Verbindung von Mann und Frau festschreiben soll. Die Homophobie der religiösen Rechten, deren Sprecher die AIDS-Epidemie anfangs zum göttlichen Strafgericht erklärten, hat gleichwohl nicht verhindern können, dass sich die rechtliche und soziale Situation homosexueller Frauen und Männer in den vergangenen Jahrzehnten dramatisch verbessert hat. Gleichgeschlechtliche Beziehungen zwischen Erwachsenen wurden entkriminalisiert, und inzwischen haben einige Bundesstaaten same-sex marriage legalisiert. Zahlreiche öffentliche und private Arbeitgeber gewähren gleichgeschlechtlichen Partnerschaften dieselben Versorgungsleistungen wie heterosexuellen. Dass es der Homosexuellenbewegung gelungen ist, Diskriminierung aufgrund der sexuellen Orientierung, analog zur Rassenzugehörigkeit, gesellschaftlich zu ächten, bezeugt den radikalen Kulturwandel in weiten Teilen der amerikanischen Gesellschaft. Paradoxerweise vollzog sich die Liberalisierung gesellschaftlicher Normen in einer politischen Kultur, in der seit den achtziger Jahren der Konservatismus dominiert. Schon Richard Nixon hatte erfolgreich an die „schweigende Mehrheit“ patriotischer und gottesfürchtiger Amerikaner appelliert, die sich wirtschaftlich und kulturell marginalisiert fühlten und die Wiederherstellung von Gesetz und Ordnung verlangten. Die konservative Mobilisierung hatte ihre soziale und regionale Basis unter der weißen Bevölkerung der Kleinstädte und Vororte, vor allem im Westen mit seinen libertär-individualistischen Tra-

Konflikt um Abtreibung

Ehe und Familie

Homosexuelle Partnerschaften

Aufstieg des Konservatismus

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Antielitärer Populismus

Misstrauen gegen den Staat

I. Darstellung

ditionen und im Süden, der nach den Bürgerrechtsreformen der Demokraten zur Hochburg der Republikaner wurde. Die Demokraten verloren erhebliche Teile ihrer weißen Wählerschaft, weil sie immer mehr als Partei der Minderheiten wahrgenommen wurden; seit 1964 hat kein Präsidentschaftskandidat der Demokraten eine Mehrheit der weißen Wähler hinter sich bringen können. Ideologisch ist der amerikanische Konservatismus extrem heterogen. Zum konservativen Lager gehören militaristische Nationalisten, denen die USStreitkräfte gar nicht stark genug sein können, um Amerikas nationale Interessen überall auf der Welt durchzusetzen. Als konservativ bezeichnen sich die Anhänger des laissez faire-Kapitalismus, deren Credo freier Markt, Steuersenkung und Deregulierung lautet, ebenso wie Libertäre, die in allen Lebensbereichen so wenig Staat wie möglich wollen. Religiöse Traditionalisten möchten ihre moralischen Vorstellungen allgemeinverbindlich machen und kämpfen für ein christliches Amerika. Bei allen Unterschieden teilen US-Konservative die Überzeugung, dass individuelle Tugend und harte Arbeit – und nicht staatliche Fürsorge – die Schlüssel zum Glück des Einzelnen wie der Gemeinschaft sind. Linke Kritiker verzweifeln geradezu daran, dass konservative Wähler aus der Arbeiterklasse und den unteren Mittelschichten fortgesetzt gegen ihre eigenen wirtschaftlichen Interessen stimmen, weil ihnen moralische Fragen wie Abtreibung und gleichgeschlechtliche Ehe anscheinend wichtiger als ökonomische Verteilungsgerechtigkeit sind. Das antielitäre Ressentiment konservativer Wähler richtet sich eher gegen liberale Intellektuelle als gegen die Reichen, denen sie mit ihren Stimmen Steuergeschenke bescheren; seit der Finanzkrise von 2008 gehört allerdings die Wall Street zum Feindbild auch vieler Konservativer. Der politische Siegeszug des Konservatismus war das Ergebnis einer beachtlichen Mobilisierungsanstrengung. Konservative Aktivisten sammelten sich seit Ende der fünfziger Jahre in der militant antikommunistischen John Birch Society und bei den Young Americans for Freedom. Denkfabriken wie die Heritage Foundation oder das American Enterprise Institute verschafften dem Konservatismus intellektuellen Einfluss. Großzügige Spender aus der Geschäftswelt, die ein Ende des Sozial- und Interventionsstaates der NewDeal-Ära wünschten, öffneten bereitwillig ihre Taschen. Eine Massenbasis fand der Konservatismus u. a. in der National Rifle Association, die das Recht auf Waffenbesitz verteidigt, und bei den lange Zeit eher unpolitischen Evangelikalen. Die Republikanische Partei, die bis Ende der siebziger Jahre noch einen liberalen Flügel hatte, wurde seit Reagans Wahlsieg zum Sammelbecken aller konservativen Strömungen. Im Zentrum des amerikanischen Konservatismus steht ein grundsätzliches Misstrauen gegen den Staat, der sich auf seine Kernfunktionen, nämlich die kompromisslose Gewährleistung der inneren und äußeren Sicherheit, beschränken, sich aber so wenig wie möglich in die Wirtschaft und in das Privatleben der Bürger einmischen soll. Wie die Opposition gegen „big government“ mit einem gigantischen Sicherheitsstaat vereinbar ist, der weltweit fast die Hälfte aller Militärausgaben tätigt, wird nur selten thematisiert. Obwohl die Steuerlast der Amerikaner im internationalen Vergleich moderat ist, wurde der

5. Von 1945 bis ins 21. Jahrhundert

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Kampf gegen als zu hoch empfundene Steuern zum vielleicht zugkräftigsten Programmpunkt der Republikaner. Für einige Wortführer der Steuerrebellen ging es um nicht weniger als um die finanzielle Austrocknung des staatlichen Leviathans. Am extrem rechten Rand nahm das Misstrauen gegen den Staat in den neunziger Jahren pathologische Züge an. Eine Milizbewegung rüstete zum Widerstand gegen eine angeblich tyrannische Bundesregierung; 1995 sprengten zwei Terroristen aus diesem Umfeld ein Gebäude der Bundesregierung in Oklahoma City in die Luft und töteten 168 Menschen. Die politische Kultur der USA trägt im Hinblick auf die Einstellungen zum Staat teilweise paradoxe Züge. Einerseits ist die Akzeptanz des staatlichen Gewaltmonopols im Vergleich zu Westeuropa schwach ausgeprägt. Das im 2. Verfassungszusatz festgeschriebene Recht auf Waffenbesitz gilt vielen Amerikanern als Inbegriff der Freiheit und Tugend des wehrhaften Bürgers, der den Schutz seines Lebens, seiner Familie und seines Eigentums nicht dem Staat überlässt. Dass der de facto unbeschränkte Zugang zu Schusswaffen ein wichtiger Grund für die im Vergleich zu Westeuropa extrem hohe Zahl von Tötungsdelikten ist, wird von der Waffenlobby entweder geleugnet oder als Preis der Freiheit hingenommen. Andererseits befürwortet eine Mehrheit, dass die Staatsgewalt mit aller Härte gegen Kriminelle vorgeht. Tatsächlich erlebten die USA seit den sechziger Jahren eine Explosion der Gewaltkriminalität, die sich bis Anfang der neunziger Jahre mehr als vervierfachte, seither aber wieder deutlich gesunken ist. Auf diese Entwicklung, die zum Teil demografisch bedingt war, weil als Folge des Baby Booms der Anteil junger Männer an der Gesamtbevölkerung deutlich zunahm, reagierte die amerikanische Gesellschaft mit drakonischer Härte. Immer höhere Haftstrafen für immer mehr Straftaten, insbesondere für Drogendelikte, haben dazu geführt, dass die Inhaftierungsquote zwischen 1970 und 2010 von ca. 100 Personen pro 100 000 Einwohner auf nahezu 750 pro 100 000 anstieg; insgesamt liegt die Zahl der Gefängnisinsassen inzwischen bei rund 2,3 Millionen, höher als in jedem anderen Land der Welt. Die Todesstrafe ist derzeit in 36 Bundesstaaten sowie nach Bundesrecht zulässig und seit 1977, als die erste Hinrichtung nach einem zehnjährigem Moratorium stattfand, an rund 1300 Delinquenten vollstreckt worden. Nahezu die Hälfte aller Exekutionen entfallen auf Texas und Virginia. Europäische Kritik beeindruckt die Befürworter kaum, und der Oberste Gerichtshof hat bislang mehrheitlich an der Verfassungsmäßigkeit der Todesstrafe festgehalten. Obwohl bei Umfragen solide Mehrheiten die Todesstrafe befürworten, wachsen seit einiger Zeit die Zweifel, wie viele Unschuldige in den Todeszellen sitzen. Einige Staaten haben Exekutionen vorerst ausgesetzt und die Zahl der Hinrichtungen hat sich seit Ende der neunziger Jahre halbiert. Viele Europäer irritiert die prominente Rolle, die Religion im öffentlichen Leben der USA spielt, und insbesondere der Aufstieg der so genannten religiösen Rechten. Allen Modernisierungstheorien zum Trotz bleiben die Amerikaner eine religiöse Nation, in der sich bis zu 90 % der Bevölkerung zum Glauben an einen persönlichen Gott oder an ein übernatürliches Wesen bekennen. In Wirklichkeit ist die Trennung von Staat und Religion in den USA sehr viel strikter als in den meisten Staaten Europas. Der 1. Verfassungs-

Terroranschlag von Oklahoma City 1995

Recht auf Waffenbesitz

Explosion der Gewaltkriminalität

Todesstrafe

Religion und Politik

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Schulgebet

Aufstieg der religiösen Rechten

Televangelists

I. Darstellung

zusatz verbietet seit 1791 die Einrichtung einer Staatsreligion und garantiert die freie Religionsausübung. Allerdings wird seit der Kulturrevolution der sechziger Jahre heftig darüber gestritten, ob die Verfassung den Staat lediglich zur wohlwollenden Neutralität gegenüber den unzähligen verschiedenen Glaubensgemeinschaften verpflichtet oder ob sie eine strenge Abgrenzung des staatlichen Lebens von der Religion verlangt. Dass der Oberste Gerichtshof 1963 das lange Zeit selbstverständliche morgendliche Gebet in öffentlichen Schulen als Verstoß gegen den 1. Verfassungszusatz untersagte, empörte viele gläubige Amerikaner, die ihrerseits ihr Recht auf freie Religionsausübung verletzt sahen. Alle Versuche, das öffentliche Schulgebet auf freiwilliger Basis wieder einzuführen, sind bisher an den Gerichten gescheitert. Der Kampf für das Schulgebet wurde allerdings zum wichtigen Mobilisierungsfaktor des religiösen Konservatismus, der sich gegen die vermeintliche Verdrängung des Christentums aus dem Leben der Nation stemmt. Der Aufstieg der religiösen Rechten seit den siebziger Jahren reflektierte das Gefühl vieler christlich-konservativer Amerikaner, dass sie in einer säkularen, individualisierten und schrankenlos freizügigen Gesellschaft immer mehr zur bedrängten Minderheit zu werden drohten. Der moralische Niedergang, so die Führer der religiösen Rechten, bedeute den Abfall von Gott, der sich Amerika erst wieder zuwenden werde, wenn die Nation auf den rechten Weg zurückkehre. Die Reduzierung der religiösen Rechten auf die evangelikalen und fundamentalistischen Denominationen, die auf der wörtlichen Auslegung der Bibel einschließlich der Schöpfungsgeschichte beharren und die Menschheit auf die Wiederkehr Christi vorbereiten wollen, ist allerdings zu einseitig, denn zur religiösen Rechten zählen genauso konservative Katholiken und Juden. Der Widerstand gegen das Abtreibungsurteil des Obersten Gerichtshofes ging anfangs von der Katholischen Kirche und weniger von den Evangelikalen aus, die traditionell für die strikte Trennung von Religion und Politik eintreten. Zudem sind längst nicht alle Evangelikalen politisch konservativ, bei den Wahlen 1976 unterstützten vor allem Baptisten mehrheitlich den wiedergeborenen Christen Jimmy Carter. Für die schwarzen Protestanten gilt generell, dass sie theologisch konservativ, politisch aber liberal eingestellt sind. Viele weiße Evangelikale, insbesondere im Süden, zeigten sich jedoch für die konservative Botschaft empfänglich, dass christliche Werte und die Familie von einer dirigistischen Bundesregierung bedroht seien, die Gott aus der Schule verbannt hätte und in allen Lebensbereichen die säkularen Normen der multikulturellen Moderne zwangsweise durchsetze. Politischer Aktivismus war unter diesen Umständen christlicher Auftrag. Charismatische Prediger, die als „Televangelists“ mit eigenen Fernsehsendern ein Millionenpublikum erreichten, spielten für die Mobilisierung der religiösen Rechten eine zentrale Rolle. Ein Pionier war der Reverend Marion „Pat“ Robertson, dessen Christian Broadcasting Network seit 1961 religiös-moralische mit politischen Botschaften wie der Forderung nach Steuersenkungen verband. Robertson schmiedete 1988 die „Christian Coalition“, die vor allem im Süden ein Wahlkampfnetzwerk für konservative Politiker aufbaute. Schon zehn Jahre zuvor hatte Reverend Jerry Falwell die „Moral Majority“ gegründet, die im

5. Von 1945 bis ins 21. Jahrhundert

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Wahlkampf 1980 Ronald Reagan unterstützte.Da die Prediger der religiösen Rechten von reichen Gönnern wie einfachen Gläubigen Spenden in Millionenhöhe erhielten, blieb nicht aus, dass einige selbst vom Pfad der Tugend abkamen und sich in Korruptions- und Sexskandale verstrickten. Der Erfolg des „Televangelism“ und der neuen Megakirchen beruht jedoch keineswegs allein auf dem Appeal von Predigern mit simplen religiösen und politischen Botschaften. Die (post)moderne amerikanische Religion schafft vielmehr eine attraktive Erlebniswelt, die spirituelle Gemeinschaft mit Unterhaltung und Therapieangeboten verbindet. Bis in die Gegenwart ist die religiöse Rechte eine einflussreiche politische und kulturelle Kraft geblieben, doch hat sie niemals die amerikanische Politik dominiert. Angesichts der enormen religiösen Vielfalt der USA, die in den vergangenen Jahrzehnten durch die Masseneinwanderung noch zugenommen hat, ist der Versuch, den traditionellen Protestantismus als gleichsam inoffizielle Staatsreligion der USA wiederherzustellen, zum Scheitern verurteilt. Ebenso wie zum kulturellen und ethnischen Pluralismus gibt es im Interesse der staatsbürgerlichen Integration keine Alternative zum religiösen Pluralismus, der auf dem Boden einer langen historischen Tradition weiterhin gedeiht. Die amerikanische Zivilreligion der Freiheit, des Fortschritts und der Demokratie bleibt dagegen die mehr oder weniger verbindliche Grundlage der Nation, die gemäß dem 1782 geschaffenen Staatssiegel der USA „aus vielen eines“ machen soll. In der globalisierten, vernetzten und multikulturellen Welt des 21. Jahrhunderts ist diese Aufgabe mindestens genauso aktuell wie vor 230 Jahren.

Moralische Mehrheit

Religiöser Pluralismus

Zivilreligion der Freiheit

II. Grundprobleme und Tendenzen der Forschung 1. Allgemeine Entwicklungen der neueren amerikanischen Geschichtswissenschaft Selbst Fachhistoriker überblicken heute kaum noch die Quantität und Vielfalt der amerikanischen und internationalen Forschung zur Geschichte der USA. Das Auffinden von Publikationen und mehr noch ihre historiografische Einordnung stellen Studierende und interessierte Leser deshalb vor beträchtliche Probleme. Allerdings sind diese mithilfe des Internets und einführender Aufsatzsammlungen durchaus zu bewältigen. Zur Orientierung über die wichtigsten neueren Trends der US-Historiografie sind die Kompilationen von F/MG [1.5], M. S [1.5] und R. S. K [1.5] zu empfehlen. Eine umfassende Bibliografie der laufenden Veröffentlichungen zur Geschichte und Kultur Nordamerikas bietet die online verfügbare, jedoch kostenpflichtige Datenbank America: History and Life (AHL) [1.2]. Die Fachzeitschrift Reviews in American History (RAH) ist für die historiografische Orientierung unverzichtbar, ebenso das Journal of American History (JAH), das neben einem umfangreichen Rezensionsteil immer wieder Roundtables zu neuen Forschungstrends und Kontroversen publiziert [1.4]. Rezensionen finden sich darüber hinaus über das Historikernetzwerk H-Net, das sich inzwischen stark nach Themenbereichen und Disziplinen ausdifferenziert hat [1.2]. Die Blackwell Companions to American History [1.5], die zu zahlreichen Ereigniskomplexen (z. B. Revolution, Bürgerkrieg usw.) und Themengebieten (z. B. Frauengeschichte, Geschichte der Afroamerikaner usw.) erschienen sind, geben detaillierte Einblicke in die Spezialforschung, während die Serie Major Problems in American History [1.1], die ausgewählte Quellen und einflussreiche Interpretationen zu zentralen Problemen versammelt, besonders für die Lehre konzipiert ist. Hinzuweisen ist auch auf die zahlreichen Enzyklopädien, die knapp und kompetent informieren [1.3]. Die folgende Einführung beschränkt sich auf die wichtigsten Entwicklungen der letzten 25 Jahre. Für die ältere Forschung und die Geschichte der amerikanischen Geschichtsschreibung kann auf das zweibändige Vorgängerwerk verwiesen werden [A 1.6]. Neben der englischsprachigen Literatur wird auch die deutschsprachige Forschung berücksichtigt. Im Unterschied zur Zeit vor 1990, als sich deutsche Historiker vor allem mit den diplomatischen Beziehungen zwischen Deutschland und den USA sowie der deutschen Amerikaauswanderung beschäftigten, lässt sich heute keine spezifisch deutsche Perspektive auf die Geschichte der USA mehr feststellen. Die deutschen Amerikahistoriker sind längst im Mainstream der US-Geschichtswissenschaft angekommen und verfassen ihre Forschungsarbeiten häufig auf Englisch [D 1.5]. Die enge Verflechtung mit den amerikanischen Trends spiegelt sich auch in den

Historiografische Orientierung

Deutsche Forschung zur Amerikanischen Geschichte

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American Exceptionalism

New American History

II. Grundprobleme und Tendenzen der Forschung

für ein deutsches Lesepublikum geschriebenen neueren Gesamtdarstellungen, die z. B. der Geschichte der ethnischen Minderheiten deutlich mehr Raum geben als ältere Synthesen [H/M 1.6; G u. a. 1.6.; D 1.6]. Eine Ausnahme ist B. S [1.6], der auf 672 Seiten der schwarzen Bürgerrechtsbewegung, immerhin der bedeutendsten sozialen Bewegung der amerikanischen Geschichte, weniger als eine Seite einräumt. Ein Vorteil der in Deutschland und Europa lehrenden Amerikahistoriker ist, dass sie nicht so sehr dem Zwang zur Spezialisierung unterliegen wie ihre amerikanischen Kollegen, von denen viele ihr gesamtes Forscherleben einem einzigen Thema, etwa dem Bürgerkrieg, widmen. Von außen betrachtet, fällt vor allem der tiefe Graben ins Auge, der in den USA die akademische Geschichtswissenschaft vom öffentlichen Geschichtsdiskurs trennt. Die kritische Auseinandersetzung der Geschichtswissenschaft mit amerikanischen Mythen und Selbstbildern empfinden viele konservative Amerikaner als unpatriotisch; immer wieder kommt es zu veritablen Kulturkriegen um die Inhalte des Geschichtsunterrichts [N/C/D 1.5; S 1.5]. Der amerikanische Exzeptionalismus hat zwar in der Geschichtswissenschaft kaum noch Anhänger – der letzte ernsthafte Versuch zu seiner Verteidigung durch den prominenten Soziologen S. M. L [1.6] stieß unter US-Historikern auf fast einhellige Ablehnung –, doch die These von A. M und G. W [1.5: 15], die Idee einer historischen Sonderstellung der USA habe auch ihr politisches Mobilisierungspotenzial erschöpft, erwies sich spätestens nach dem 11. September 2001 als Irrtum. Im Legitimationsdiskurs für George W. Bushs Krieg gegen den Terror bildete der American Exceptionalism eine wichtige ideologische Ressource. Wie das Beispiel der TeaParty-Bewegung seit 2009 zeigt, die ihren Kampf gegen Staat und Steuern in die Tradition der Amerikanischen Revolution stellt, lassen sich die heroischen „Meisterzählungen“ der amerikanischen Geschichte immer noch leicht für politische Zwecke instrumentalisieren [L 5.4]. Die „New American History“ [F 1.5; M 1.5], die in den 1960er Jahren ihren Siegeszug begann, knüpfte an die progressive historians des frühen 20. Jahrhunderts an [F 1.5] und verstand sich dezidiert als Teil der Emanzipationsbewegungen der Zeit. Mit der Hinwendung zur „Geschichte von unten“, zur Geschichte von Arbeitern, Frauen und Minderheiten, zu den Analysekategorien Rassenzugehörigkeit, soziale Klasse und Geschlecht (race, class, gender) und zu den community studies vollzogen ihre Anhänger eine bewusste Abkehr von der elitenzentrierten Politikgeschichte und vom liberalen Konsens. Es ging ihnen nicht darum, den Beitrag bislang vernachlässigter Gruppen zur amerikanischen (Erfolgs-)Geschichte aufzuzeigen, sondern um eine „fundamentale Neudefinition der Geschichte selbst“ [F 1.5: X]. Solange die New American History im Zeichen einer neomarxistischen Sozialgeschichte stand, spielten ökonomische Interessen eine zentrale Rolle, doch mit dem „cultural turn“ wandten sich viele Sozialhistoriker von den deterministischen Prämissen des Marxismus ab und der kulturhistorischen Analyse partikularer Gruppenidentitäten zu [C/G/O’ 6.5]. Der Fokus auf unterdrückten Minderheiten und die Rezeption der Theorien Michel Foucaults, die Macht in

1. Allgemeine Entwicklungen

101

Diskursen anstatt in politischen und wirtschaftlichen Institutionen verorten, haben freilich dazu geführt, dass die Inhaber von Macht und Reichtum in den USA aus dem Blick gerieten, weil diese in der Regel weiß und männlich waren und daher der „traditionellen Geschichte“ zugerechnet werden. In den letzten Jahren wird indessen die Notwendigkeit der Beschäftigung mit den amerikanischen Machteliten wieder stärker betont [F/G 2005]. Der seit den achtziger Jahren stark anwachsende Einfluss postmoderner Theorien hat nicht nur die großen Erzählungen von Freiheit und Fortschritt untergraben, sondern auch das herkömmliche, auf Empirie und kausaler Zuschreibung beruhende historische Erkenntnismodell in Frage gestellt [I 1.5: 101–110]. Für die Protagonisten der „linguistischen Wende“ konstituiert die Sprache das Denken und die Wirklichkeit, nicht umgekehrt. Im Zuge des „cultural turn“ (vgl. Kap. II.5.5) haben die meisten Historiker akzeptiert, dass ihre Gegenstände, etwa Nationen, Klassen, Staaten, Rassen- oder Geschlechterbeziehungen, nicht gleichsam natürlich gegeben, sondern das Ergebnis historisch wandelbarer, kultureller Konstruktionen sind. Nach Auffassung postmoderner Theoretiker hat die Wissenschaft die Aufgabe der Dekonstruktion von Diskursen, Machtstrukturen und Ideologien, muss sich aber von der Vorstellung einer „objektiven“ historischen Wahrheit verabschieden. Die linguistische und kulturalistische Wende hat die amerikanischen Historiker – und ihre Kollegen weltweit – für die Prägekraft der Sprache und Kultur sensibilisiert, aber die radikale postmoderne Erkenntniskritik, der zufolge es kein Wahrheitskriterium für historische Erzählungen und mithin keinen prinzipiellen Unterschied zwischen Geschichtsschreibung und fiktionaler Literatur gibt, hat auch in den USA unter empirisch arbeitenden Historikern nur wenige Anhänger gefunden. In der praktischen Forschung halten Historiker an der Prämisse fest, dass Quellenforschung und Kritik einen Wirklichkeitsbezug haben und dass es möglich ist, zwischen richtigen und falschen Aussagen über historische Sachverhalte zu unterscheiden [D. R, The New and Newer Histories. Social Theory and Historiography in an American Key, in: M/W, 1.5: 85–106, 99; A/R, 5: XVI]. Der Impetus der New American History, den Marginalisierten eine eigene Stimme zu geben, und die postmoderne Kritik an der traditionellen Wissenschaft als einem hegemonialen Projekt weißer Männer haben – unterstützt durch die Politik der affirmative action – dazu beigetragen, dass Frauen und ethnische Minderheiten gleichberechtigt und sichtbar in die amerikanische Historikerzunft integriert wurden. Dass es in der Wissenschaft keine sozialen, kulturellen, ethnischen und geschlechtsspezifischen Hierarchien geben darf, wird heute niemand mehr ernsthaft bestreiten. Welche Konsequenzen sich aus der sozialen Identität und Gruppenzugehörigkeit von Historikern für die Geltung ihrer Argumente ergeben, ist dagegen ebenso umstritten wie die Frage, ob geschichtswissenschaftliche Forschung gegenüber populären Formen der Geschichtsaneignung und dem Wahrheitsanspruch individueller und kollektiver Erinnerung einen erkenntnistheoretischen Vorrang beanspruchen kann. R. Rs und D. Ts [1.5] Plädoyer für eine partizipatorische Geschichtskultur, in der die akademische Wissenschaft den Austausch mit

Cultural Turn

Öffnung der Geschichtswissenschaft

102

Multikulturelle Synthese

Präsidentenbiografien

Internationalisierung

II. Grundprobleme und Tendenzen der Forschung

allen Geschichtsinteressierten suchen und deren Perspektiven ernst nehmen müsse, unterschätzt das Konfliktpotenzial zwischen den Standards empirischkritischer Forschung und einer moralisch-präsentistisch aufgeladenen Erinnerungskultur, das I. B am Beispiel der Sklaverei aufgezeigt hat. „The problem is not confined to the subject of slavery“, so seine Diagnose, „for it arises again and again whenever historians address a subject that, for whatever reasons, engages ,the people‘“ [6.5: 1267]. Die in der amerikanischen Kultur weit verbreitete Skepsis gegenüber Expertenautorität, in diesem Fall der Autorität akademischer Historiker, artikuliert sich in linker Identitätspolitik, die historische Deutungshoheit für die Nachfahren von Opfergruppen reklamiert, ebenso wie im rechten Geschichtspatriotismus (vgl. Kap. II.5.5). Dass sich die akademische Geschichtswissenschaft durch obskuren Jargon, kleinteilige Themenauswahl und „politische Korrektheit“ von der Gesellschaft isoliert habe, ist auch innerhalb der Historikerzunft oft beklagt worden. Liberale Traditionalisten wie A. S jr. [5.4: 68] polemisierten gegen die Fragmentierung der amerikanischen Nationalgeschichte und die Verwässerung wissenschaftlicher Standards durch einen „therapeutischen“ Multikulturalismus. Auch E. F, einer der führenden Protagonisten der New American History, räumte zunächst ein, dass diese zwar die alten Großerzählungen des American Exceptionalism unterminiert, doch selbst noch keine neue Synthese hervorgebracht habe. Inzwischen hat sich die Tendenz durchgesetzt, die kulturelle und ethnische Vielfalt Amerikas zum roten Faden einer neuen Meistererzählung und zur normativen Grundlage einer Identität stiftenden usable past zu machen. So stellte R. T seiner Geschichte des multikulturellen Amerika das Motto voran: „This is the story of our coming together to create a new society in America“ [Author’s Note, 1.6]. E. F produzierte gleich zwei Gesamtdarstellungen, darunter ein erfolgreiches Lehrbuch, deren Leitmotiv die Geschichte der amerikanischen Freiheit ist – verstanden als Kampf um Emanzipation, Gleichberechtigung, sozialökonomische Chancengleichheit und persönliche Autonomie aller Amerikanerinnen und Amerikaner [F, Freedom, 1.6, u. Liberty, 1.6]. Auch andere weit verbreitete Lehrbücher haben längst die Forschungsergebnisse und Perspektiven der New American History integriert [B u. a. 1.6.; N u. a. 1.6]. Dasselbe gilt für die viel gelesenen, von prominenten Universitätshistorikern verfassten Bände der Oxford History of the United States. Daneben florieren weiterhin die für ein breites Lesepublikum geschriebenen Bücher zur „klassischen“ Politik- und Militärgeschichte sowie der riesige Markt für Biografien. Die Biografien der bedeutenden US-Präsidenten und ihrer Gattinnen erfreuen sich im Übrigen auch des großen Interesses deutscher Leser, die auf einschlägige Publikationen der deutschen Amerikahistoriker zurückgreifen können [M 1.6; G/M 1.6; N 4.1; S 4.1]. Die amerikanische Geschichtswissenschaft hat sich in den letzten zwei Jahrzehnten intensiv um Internationalisierung bemüht. Die Organization of American Historians (OAH) und das Journal of American History haben sowohl die Vernetzung mit Amerikahistorikern außerhalb der USA als auch die thematische Öffnung für die neuen Ansätze der transnationalen Geschichte und

1. Allgemeine Entwicklungen

103

der Globalgeschichte vorangetrieben (vgl. Kap. II.5.1). Der Sammelband von T. B [1.5] dokumentiert diese Diskussionen, die auch dazu beigetragen haben, dass die europäischen Amerikahistoriker ihre Position gegenüber ihren US-Kollegen stärker reflektiert haben [ M/H 1.5; D 1.5]. Die Internationalisierung findet allerdings bei der Rezeption fremdsprachlicher Publikationen ihre Grenze. Deutsche Amerikahistoriker, die in der USGeschichtswissenschaft wahrgenommen werden wollen, müssen ihre Arbeiten auf Englisch veröffentlichen. Zugleich haben sie die Aufgabe, ihren heimischen Lesern Orientierungshilfen für ein besseres Verständnis der amerikanischen Geschichtsschreibung und ihrer politischen und kulturellen Kontexte an die Hand zu geben. Der hier unternommene Überblick folgt zunächst dem chronologischen Darstellungsteil. In den meisten dieser Kapitel [II.2–4] liegt der Schwerpunkt auf der Historiografie zur Politik- und Sozialgeschichte. Daran schließen sich ausgewählte historiografische Themenfelder und Teildisziplinen an, die in den vergangenen Jahrzehnten im Zentrum der Forschung und der geschichtswissenschaftlichen Debatten gestanden haben. Dass die Wirtschaftsgeschichte nicht in einem eigenen Kapitel behandelt wird, ist dadurch begründet, dass diese inzwischen fast völlig aus dem historiografischen Mainstream verschwunden ist, wie einer ihrer Vertreter kürzlich beklagt hat [G. W, Economic History and American Historians. From Integration to Segregation in One Century, in: K, 1.5: 92–100]. Durch die Mathematisierung der Ökonomie und die „Kulturalisierung“ der Geschichtswissenschaft ist die interdisziplinäre Kommunikation immer schwieriger geworden. Zwar lebt die Tradition, auch die Ökonomie in kulturelle Zusammenhänge einzubetten, fort [M 5.4; H 6.9; F 6.9], doch ist das Interesse der Ökonomen an diesen Themen gering, während umgekehrt der ökonomische Sachverstand der Geschichtswissenschaft unter dem Niedergang der Wirtschaftsgeschichte gelitten hat. Die Verwerfungen der globalen Finanzkrise werden das Interesse an der Wirtschaftsgeschichte aber vermutlich wieder neu wecken. Auch die Rechts- und Verfassungsgeschichte wird nicht in einem eigenen Kapitel abgehandelt, obwohl der Literaturteil, wie auch für die Wirtschaftsgeschichte, weiterführende Hinweise enthält. Diese Entscheidung liegt nicht am mangelnden Interesse des Verfassers, sondern daran, dass auch diese Themenbereiche in den vergangenen Jahrzehnten nicht als „cutting edge“ galten. Auf wichtige Werke mit rechts- und verfassungsgeschichtlicher Perspektive wird jedoch in den chronologischen Kapiteln des Forschungsteils eingegangen. Selbstverständlich ist die Auswahl der im Folgenden diskutierten Forschungstendenzen und Publikationen auch durch die wissenschaftlichen Interessen des Verfassers beeinflusst. Meine Urteile zu Publikationen, Problemen und Kontroversen sind gewiss diskutierbar, hoffentlich aber nachvollziehbar begründet und geeignet, die Leserinnen und Leser neugierig auf die Amerikanische Geschichte zu machen.

104

II. Grundprobleme und Tendenzen der Forschung

2. Kolonialgeschichte, Revolution, Frühe Republik und Antebellum-Ära

Integrative Kolonialgeschichte

Indianisch-europäische Kulturbeziehungen

Zur Orientierung über die Forschungstrends und Kontroversen der Kolonialgeschichte empfehlen sich der Blackwell Companion to Colonial America [V 2] sowie die Major Problems in American Colonial History [K 2; F/H 2]. Eine erschöpfende deutschsprachige Synthese bietet H. Ws [2] zweibändige Gesamtdarstellung. Die führende Fachzeitschrift ist das William & Mary Quarterly (WMQ) [1.4]. Bis in die siebziger Jahre dominierte in der Historiografie zur Kolonialzeit die Erzählung, wie aus englischen Siedlern Amerikaner wurden, die in der Revolution schließlich eine auf Freiheit und Gleichheit fußende Nation gründeten. Die These, dass im Jahrhundert vor der Revolution eine neue amerikanische Gesellschaft entstand, deren ethnischer und religiöser Pluralismus, partizipatorisches Politikverständnis und transatlantische Wirtschaft den Weg in die Moderne wiesen, hat zuletzt nachdrücklich J. B [2] vertreten. Heute herrscht Konsens, dass eine Gesamtschau der Geschichte des kolonialen Nordamerikas sich nicht auf die englischen Festlandskolonien beschränken darf, sondern die indigenen Kulturen, die europäische Expansion, Neu-Spanien und Neu-Frankreich sowie die karibischen, atlantischen und afrikanischen Bezüge einschließen muss [T 2; H 2; B 2]. Die New American History hat darüber hinaus auch die Frauen der Kolonialzeit als handelnde und wirtschaftende Personen sichtbar gemacht [B 2; N 2], und seit G. Ns [2.1] bahnbrechendem Buch stehen die Kulturbeziehungen zwischen den indigenen, europäischen und afrikanischen Bevölkerungen im Zentrum der Forschung. Die zum 500-jährigen Jahrestag der „Entdeckung“ Amerikas von D. S [2.1] vorgetragene plakative These, die Eroberung der Neuen Welt sei ein mit dem Holocaust gleichzusetzender systematischer Völkermord gewesen, hat in der seriösen Forschung kaum Resonanz gefunden. Eine gute Übersicht über den Forschungsstand zu Bevölkerungszahlen und den Auswirkungen der Pandemien bietet R. T [Population History of Native North Americans, in: H/S, 1.3: 9–50]. Die Vertreter der Ethnohistorie, für die u. a. J. As [2.1] Arbeiten bahnbrechend waren, haben herausgearbeitet, dass die Indianer keineswegs bloß hilflose Opfer der Kolonisierung, sondern Akteure mit eigenen Interessen und Handlungsspielräumen waren. Zahlreiche Studien zum Kulturaustausch und zu den gegenseitigen Perzeptionen [z. B. K 2.1; S 2.1] haben ein differenziertes Bild der indianisch-europäischen Beziehungen gezeichnet und sich um die Rekonstruktion der indigenen Perspektive bemüht [R 2.1; R 2.1; C, Upside Down, 2.1]. Die neuere Forschung betont, dass der Kulturkontakt eine „Neue Welt für Alle“ [C, New Worlds, 2.1] schuf, ohne jedoch die langfristigen Machtasymmetrien und den kulturellen Überlegenheitsanspruch der Europäer aus den Augen zu verlieren [M/M 2.1]. Die Ursprünge der afrikanischen Sklaverei in Britisch-Nordamerika gehö-

2. Kolonial- bis Antebellum-Zeit

105

ren zu den „klassischen“ Debatten der US-Geschichtswissenschaft, an der sich über Jahrzehnte hinweg zahlreiche prominente Historiker beteiligt haben. Dabei ging es um zwei Hauptfragen: 1. Welchen Status hatten die ersten Afrikaner, die kurz nach Gründung der Kolonien Virginia und Maryland eintrafen? Waren sie von Beginn an Sklaven oder wurden sie wie europäische indentured servants behandelt, inklusive der Aussicht auf spätere Freiheit? 2. Welche Rolle spielten rassistische Stereotypen für die Versklavung? Waren sie die Voraussetzung oder die Folge der Sklaverei? Bis vor Kurzem dominierte die von neomarxistischen Einflüssen geprägte Sicht, der zufolge die ersten Afrikaner zunächst in das System der indenture integriert worden seien [M 2.2; B/I 2.2; B 2.2; W 2.2]. Die rassische Stigmatisierung der Afrikaner war demnach eine erst später entwickelte Rechtfertigungsideologie, die den Zweck verfolgte, eine Solidarisierung der weißen und afrikanischen Unterschichten zu verhindern. Diese Interpretation findet sich zwar in vielen Lehrbüchern, war aber nie unumstritten und ist in letzter Zeit erneut in die Kritik geraten [G 2.2; Y, Origins and Institutionalization of American Slavery, in: H, 6.3: 143–158]. Nach Auffassung des Verfassers sprechen die Quellen für eine Kontinuität der Sklaverei und der rassischen Stigmatisierung schon seit dem ersten Drittel des 17. Jahrhunderts [B 2.2]. Ohnehin ist es erforderlich, die Entwicklung der Sklaverei in Nordamerika im Kontext der Plantagensklaverei in der Neuen Welt zu sehen [E u. a. 2.2; M u. a. 2.2]. Die Forschung zum transatlantischen Sklavenhandel ist durch computergestützte Forschungen auf eine solide Datenbasis gestellt worden [R, The African and European Slave Trades, in: H, 6.3: 48–66; K 2.2]. Von den insgesamt ca. 10 Millionen Afrikanern, die zwischen dem 16. und dem 19. Jahrhundert in die Neue Welt verschleppt wurden, entfielen knapp 4 % auf Britisch-Nordamerika bzw. die USA (bis 1808). Die Puritaner Neuenglands, die als vermeintliche Vorläufer der Gründerväter und prägender kultureller Einfluss auf den „amerikanischen Charakter“ lange eine prominente historiografische Stellung einnahmen, sind von der neueren Forschung eher vernachlässigt worden, sieht man vom ungebrochenen Interesse an den Hexenverfolgungen in Salem ab [H 2.3; N 2.3; R 2.3]. Allerdings betonen die neueren Synthesen weniger die religiöse Intoleranz als die ökonomische und politische „Modernität“ der neuenglischen Puritaner. S. I [2.3] knüpft an Max Webers These vom Zusammenhang zwischen protestantischer Ethik und der Entwicklung des Kapitalismus an und betont die säkularisierenden Wirkungen wirtschaftlichen Erfolgs. D. Hs [2.3] Argument, dass der reformatorische Impetus der Puritaner zu einem für die Frühmoderne einzigartigen Maß an „demokratischer“ Partizipation geführt habe, steht in einer älteren Tradition, die im Puritanismus eine der Hauptquellen des American Exceptionalism sieht. In der neueren US-Geschichtswissenschaft herrscht Konsens, dass bis zur Mitte des 18. Jahrhunderts in Britisch-Nordamerika zwar eine spezifisch „amerikanische“ Gesellschaft entstand, die sich insbesondere im Hinblick auf die sozialen Hierarchien markant vom Mutterland unterschied, dass jedoch von einer zwangsläufigen Entwicklung hin zur Unabhängigkeit keine Rede sein

Ursprünge der Sklaverei

Transatlantischer Sklavenhandel

Puritaner

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Ursachen der Revolution

Volksrevolution?

Vergessene Gründer?

II. Grundprobleme und Tendenzen der Forschung

könne. „As late as 1775, few British colonists expected to frame an independent country”, so A. T [2, XV]. Warum kam es gleichwohl zu Revolution und Unabhängigkeit? Auf diese Frage hat die Geschichtsschreibung seit dem späten 18. Jahrhundert wechselnde und vom jeweiligen Zeitgeist geprägte Antworten gegeben. Gute Einführungen in die Historiografiegeschichte geben G [3.1] und M [3.1]. Die patriotische Geschichtsschreibung sah in der Revolution einen heroischen Kampf gegen die Tyrannei der Krone; Historiker des British Empire machten die Fehler der britischen Politik für die Entfremdung verantwortlich; die „progressiven“ Historiker des frühen 20. Jahrhunderts betonten die wirtschaftlichen Interessen der kolonialen Eliten; die Konsensschule der fünfziger Jahre sprach von einer konservativen Rebellion zur Verteidigung der Freiheit; die Republikanismus-Schule verortete die Triebkräfte der Revolution in radikalen Ideen von Bürgertugend und Patriotismus. Und seit dem Durchbruch der „Geschichte von unten“ haben Buchtitel wie T. Bs American Insurgents, American Patriots. The Revolution of the People Konjunktur [3.1; N 3.1; Y 3.1], die das revolutionäre Geschehen aus der Perspektive des einfachen Volkes erzählen. B hat zudem die Bedeutung der Boykottbewegung für das revolutionäre Bewusstsein der Amerikaner hervorgehoben [Marketplace, 3.1]. Auch die Gesamtdarstellung des besten deutschen Kenners der Amerikanischen Revolution folgt dem Ansatz einer Revolutionsgeschichte aus Sicht der einfachen Leute [W, Chaos, 3.1]. H. W hat darüber hinaus wichtige Quellenstudien zur Frage vorgelegt, wie revolutionäre Ideen an der Basis popularisiert und durchgesetzt wurden [Revolution of the People, 3.1]. Neben dem Paradigma von der „Revolution des Volkes“ haben nationalepische Gesamtdarstellungen [F 3.1] und Biografien der Gründerväter unverändert großen kommerziellen und medialen Erfolg. Stellvertretend seien hier die Bücher von J. E genannt, von denen einige auch bei deutschen Publikumsverlagen in Übersetzung erschienen sind [Sie schufen Amerika, 3.1; Seine Exzellenz, 3.1; W, Revolutionary Founders, 3.1,]. Die akademische Geschichtsforschung hat sich dagegen überwiegend den „forgotten founders“ zugewendet, also der Rolle von Unterschichten, Frauen, Indianern und Sklaven. Die Spezialforschung zu diesen Themenbereichen ist inzwischen so stark angewachsen [H, American Revolution and Early Republic, in: F/MG 1.5: 26–33; H, Forced Founders, 3.1], dass von „vernachlässigten Gruppen“ keine Rede mehr sein kann. Leitmotiv der einschlägigen Studien ist der Nachweis, dass Nichteliten und Nichtweiße keinesfalls passive Zuschauer des revolutionären Umbruchs waren, sondern die historische Gelegenheit zur Verbesserung ihrer eigenen Lage zu nutzen versuchten. Für die euroamerikanischen Frauen ziehen die Standardwerke [K 3.1; N 3.1; G 3.1] eine tendenziell positive Bilanz, auch wenn die Revolution den weißen Amerikanerinnen keine politische und bürgerliche Gleichberechtigung bescherte. Dass die Ureinwohner längerfristig zu den Verlierern der Revolution gehörten, ist bei aller Anerkennung ihrer Rolle als historische Akteure [W 2.1] unbestreitbar. Eine gemischte Bilanz ist auch im Hinblick auf den Status der afroamerikanischen Sklaven zu ziehen.

2. Kolonial- bis Antebellum-Zeit

107

Einerseits markiert die Revolution den Beginn der Emanzipation im Norden, andererseits kam es mittelfristig zur Verfestigung der Sklaverei im Süden. Der britische Historiker S. S [3.1] hat, nicht ohne maliziösen Unterton, daran erinnert, dass sich zahlreiche entlaufene Sklaven den Briten anschlossen, weil sie ihre Freiheit vom König und nicht von der amerikanischen Republik erhofften. Seit C. B 1913 [3.1] die Bundesverfassung von 1787 als Ausdruck der materiellen Interessen der herrschenden Eliten und als Schutzwall gegen den demokratischen Geist der Revolution interpretierte, streiten die US-Historiker darüber, wie viel politische und soziale Veränderung die Amerikanische Revolution bewirkte, wer ihre Träger und wer ihre Nutznießer waren. Während die alte Konsensschule den angeblich moderat-konservativen Charakter der Amerikanischen Revolution feierte, dominiert heute in der Nachfolge der New Left History die Klage über eine viel zu wenig radikale Revolution, die das Los der Unterschichten, Frauen, Sklaven und Indianer nicht entscheidend verbessert und vornehmlich den Herrschenden und Besitzenden genützt habe. Demgegenüber hat G. W emphatisch den „Radikalismus der Amerikanischen Revolution“ betont, die „genauso radikal und revolutionär wie jede andere Revolution der Geschichte“ gewesen sei. Ihre Radikalität manifestierte sich freilich nicht, wie in der Französischen Revolution, in Terror und sozialen Unruhen, sondern darin, dass sie einer egalitären Demokratie weißer Männer den Weg bereitete, die langfristig erst die Emanzipation von Frauen und Sklaven ermöglicht habe [Radicalism, 3.1: 5; Kritik in: How Revolutionary Was the Revolution?, in: WMQ 51, 1994: 677–716]. „Neoprogressive“ Kritiker halten dieser Deutung entgegen, auch die Masse der einfachen weißen Männer sei von der Revolution enttäuscht gewesen, weil die Gründerväter nach dem Unabhängigkeitskrieg eine erfolgreiche „Konterrevolution“ gegen demokratische Ideale inszeniert hätten, deren „größter Sieg“ die Bundesverfassung gewesen sei [B 3.1: 4; ähnlich H, Unruly Americans, 3.1]. Ihr wertvollster Teil, der Grundrechtskatalog der Bill of Rights, sei nur auf Druck von unten angenommen worden. Die schärfste Kritik an der Bundesverfassung kommt allerdings von Historikern, die an die abolitionistische Tradition anknüpfen und in der Verfassung primär ein Dokument sehen, das die Sklaverei zementierte [F 3.1; W 3.1; E 3.1]. Der wissenschaftliche Mehrwert dieser Debatten hat sich allmählich genauso erschöpft wie die lang dauernde Kontroverse, ob sich die revolutionäre Ideologie mehr aus republikanischen oder liberalen Quellen speiste. Sehr viel fruchtbarer, wenngleich vom Ansatz her nicht grundsätzlich neu, sind die Arbeiten, die die Amerikanische Revolution sowohl vergleichend [K 3.1; A 3.1] als auch beziehungsgeschichtlich [Z 3.1] in einen atlantischen oder gar globalen Kontext [A 3.1] stellen. Auch auf diesem Feld hat sich der Blick von den Eliten, z. B. Jefferson, Lafayette u. a. [G 3.1], auf die unbekannten historische Akteure verlagert, etwa in M. Js Buch [3.1] über das Schicksal der Loyalisten und bei L/R [3.1], die eine „atlantische Arbeiterklasse“ in einem großen „revolutionären Atlantik“ erkennen wollen. Obwohl Beobachter den Eindruck gewinnen könnten, dass die

Radikale Revolution?

Verfassung als Konterrevolution?

Atlantischer Kontext der Revolution

108

Demokratie und Frühe Republik

Öffentliche Sphäre

Kontinentale Expansion

II. Grundprobleme und Tendenzen der Forschung

Forschung zur Amerikanischen Revolution empirisch und konzeptionell kaum mehr grundlegende Innovationen erwarten lässt [G/P 3.1], wird die Revolution allein aufgrund ihrer Bedeutung für das amerikanische Selbstbild auch in Zukunft im Zentrum des geschichtswissenschaftlichen und öffentlichen Interesses stehen. Die Historiografie zur Geschichte der amerikanischen Republik vom späten 18. Jahrhundert bis zum Vorabend des Bürgerkrieges steht seit Langem unter dem Leitmotiv der Entstehung einer vitalen, egalitären Demokratie und Massenkultur, wie sie schon der französische Aristokrat A  T [3.2.] in seinem Klassiker von 1835 Über die Demokratie in Amerika den Europäern als Blick in die eigene Zukunft vorstellte. Wenngleich mit unterschiedlichen Wertungen, steht das demokratisch-republikanische Experiment auch im Mittelpunkt der in den letzten Jahren erschienenen großen Synthesen von G. W [3.2], S. W [3.2], D. R [3.2] und D. H [3.2]; eine deutschsprachige Darstellung hat F [3.2] vorgelegt. Auf der einen Seite bietet sich das Bild einer dynamischen, auf territoriale und ökonomische Expansion drängenden Gesellschaft, in der weiße Männer ein weltweit einzigartiges Maß an Chancengleichheit, sozialer Ehre und politischer Partizipation für sich reklamierten. Auf der anderen Seite stehen die Sklaverei, die schließlich die nationale Einheit zerstörte, die brutale Vertreibung der Ureinwohner sowie der Ausschluss von Frauen und allen nichtweißen Minderheiten. Für viele USHistoriker sind die „Konsequenzen der Demokratie für weiße Männer“ [H 3.2: 5] zu gravierend, um noch am Begriff der „Jacksonian Democracy“ festhalten zu wollen und Präsident Andrew Jackson als Held des „common man“ zu feiern. Gleichwohl bleibt die Ausbildung eines demokratischen politischen Systems, in dem Politiker und Parteien um die Stimmen einer ständig wachsenden Wählerschaft konkurrierten, ein zentrales Forschungsfeld. Allerdings hat sich das Interesse der neueren Politikgeschichte von den nationalen politischen Figuren sowie von Parteien und Wahlen zur politischen Kultur und zu einer weit definierten öffentlichen Sphäre verlagert, in der auch die vom politischen Prozess Ausgeschlossenen ihre Stimmen geltend machen konnten [R, Jacksonian America, in: F/MG 1.5: 52–74; P u. a. 3.2]. Dass sich Frauen gegen die herrschende Vorstellung, ihr Platz sei die häusliche Sphäre, durch Partizipation in den zahlreichen Reformbewegungen der AntebellumÄra eine öffentliche Rolle erkämpften, ist ein altes Thema der Frauengeschichte [B 3.3; K 3.3; W 3.3]. Die kontinentale Expansion der USA wird von der modernen Geschichtsschreibung längst nicht mehr als Heldenepos wagemutiger Pioniere, sondern als machtstaatliche, kriegerische Eroberungsgeschichte präsentiert. „Power politics, diplomacy, and war proved as much a part of America’s ,manifest destiny‘ as covered wagons“, so D. H [3.2: 707]. Zahlreiche Studien haben die religiösen Wurzeln und die rassistischen Implikationen herausgearbeitet, die der Idee einer „besonderen Bestimmung“ der weißen „angelsächsischen“ Amerikaner zur Errichtung eines „Imperiums der Freiheit“ zugrunde lagen [S 3.2; A/C 1.6; H 3.2]. A. G

2. Kolonial- bis Antebellum-Zeit

109

[3.2] hat die kontinentale Expansion zudem in einen geschlechtergeschichtlichen Kontext gestellt und argumentiert, der aggressive Expansionismus habe kriegerischen Männlichkeitsidealen ein Ventil eröffnet. Die Forschung zum mexikanisch-amerikanischen Krieg ist sich heute weitgehend einig, dass Präsident James Polk den Krieg mit dem Ziel territorialer Expansion provozierte. Das Standardwerk ist J. B [3.2], eine gute neue Synthese bietet D. C [3.2]. Die Quellensammlung von C. C [3.2] ist der erste Versuch, auch die mexikanische Sicht angemessen einzubeziehen. Die Forschung zur Sozial- und Wirtschaftsgeschichte in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts ist immer noch stark von der Diskussion über C. S’ [3.3] Konzept einer kapitalistischen „Marktrevolution“ geprägt. Viele Historiker halten den Begriff für überzogen, weil eine marktorientierte Wirtschaft bereits in der Kolonialzeit existiert habe; wirklich neu seien die Revolution der Kommunikation und des Transportwesens gewesen [H 3.2: 5; A 3.3]. Auch S’ These, Finanzkapitalisten und Unternehmer hätten den Marktkapitalismus gegen die demokratischen Ideale agrarischer und handwerklicher Kleinproduzenten durchgesetzt, ist überwiegend nicht akzeptiert worden. Zuletzt haben J. A [6.9] und J. L [3.3] argumentiert, dass große Teile der US-Bevölkerung die Chancen der Marktökonomie bereitwillig ergriffen hätten. Private Initiative und die Infrastrukturmaßnahmen des Bundes und der Einzelstaaten schufen so die Grundlage für eine beispiellos dynamische wirtschaftliche Entwicklung. Vor diesem Hintergrund verbanden sich wirtschaftliche und politische Freiheit im kollektiven Bewusstsein zum Inbegriff der amerikanischen Demokratie. Das Versprechen auf Freiheit und wirtschaftliche Verbesserung lockte auch Millionen europäischer Immigranten über den Atlantik. Für die lange vernachlässigte Frühphase der Einwanderung bis 1820 hat H. J. G [3.3] eine umfassende Studie vorgelegt. Die irische Einwanderung während der großen Hungersnot behandelt J. M. G [3.3]. Das große Interesse vor allem deutscher Historiker an der Aus- und Einwanderung aus Deutschland, das in den siebziger und achtziger Jahren zahlreiche Studien hervorbrachte, ist merklich abgeflaut. Eine neuere Lokalstudie zu Milwaukee, Wisconsin, mit Fokus auf deutschen Frauen stammt von A. O [3.3], einen Überblick bietet F. G [3.3]. Verdienstvoll ist auch das Lexikon zur politischen Emigration im Vormärz [K 3.3]. Populäre und regionalgeschichtliche Publikationen finden weiter ihre Leser, aber das Forschungsinteresse liegt inzwischen eindeutig auf den komparativen und globalen Kontexten der deutschen Amerikaauswanderung [H/N 3.3; H/K 3.3]. Ein wichtiger Beitrag zu Ethnisierung, Immigration und Urbanisierung ist D. Gs Fallstudie zu Buffalo, New York [3.3]. Zum Nativismus gibt es keine neuere Gesamtdarstellung, die beste Studie zu den „Know Nothings“ ist bereits über zwanzig Jahre alt [A 3.3]. Die Mobgewalt der Antebellum-Ära behandelt umfassend D. G [3.3]. P. G [6.6] interpretiert die zahlreichen nativistischen und rassistischen Krawalle als Konsequenz einer egalitären, kapitalistischen Demokratie, die traditionelle soziale Bindungen aufgelöst habe. Auch die evangelikale

Marktrevolution

Einwanderung

Mobgewalt

110

Abolitionismus

Sklaverei

Plantagenwirtschaft

Paternalismus

II. Grundprobleme und Tendenzen der Forschung

Erweckungsbewegung ist als Ausdruck des demokratischen Zeitgeistes, als „Demokratisierung des amerikanischen Christentums“ [H 3.3.; C 3.3] gedeutet worden. Die evangelikalen Reformbewegungen wurden lange Zeit primär als Versuch gesehen, die Kultur der angloprotestantischen Mittelklasse durchzusetzen und die städtischen Unterschichten sozialer Kontrolle zu unterwerfen. In der neueren Historiografie dominiert dagegen die Geschlechterperspektive [D 3.3]. Dass sich im Abolitionismus die Forderung nach Abschaffung der Sklaverei mit dem Eintreten für Frauenrechte verband, trug zum zeitgenössischen Image der Abolitionisten als radikale Fanatiker bei, das lange in der Geschichtsschreibung nachwirkte. Inzwischen ist es zu einer völligen Umwertung gekommen, der Abolitionismus gilt heute als visionäre Bewegung, und selbst der gewalttätige Eiferer John Brown hat seine modernen Hagiografen gefunden [R 3.3]. Die Forschung hat nicht nur die Bedeutung des autonomen schwarzen Abolitionismus, sondern auch die zahlreichen rassenübergreifenden und interethnischen Allianzen herausgearbeitet [MC/S 3.3]. Die Opposition gegen die Sklaverei brachte selbst säkulare deutsche Sozialisten und evangelikale Protestanten zusammen [H 3.3]. Umgekehrt provozierte der Abolitionismus eine heftige Gegenreaktion. So wurde, wie M. H [3.3: 10] gezeigt hat, die Haltung der amerikanischen Katholiken zur Sklaverei von einem „antiprotestantischen Antiabolitionismus“ bestimmt. Die Geschichtsschreibung zur Sklaverei in Nordamerika füllt Bibliotheken. Die beste Einführung bietet P. K [3.3]. I. Bs [3.3] Geschichte der unterschiedlichen Sklavengenerationen beleuchtet Wandel und Vielfalt der Institution. Ein nützliches Nachschlagewerk haben R. M und J. D. S herausgegeben [3.3], eine neue vierbändige Quellensammlung von M. S [Slavery in North America, 3.3] enthält umfassendes Material zu allen Phasen und Aspekten der Sklaverei. In der Forschung zur AntebellumSklaverei ist allerdings eine gewisse Sättigung eingetreten. Die großen Debatten über Kapitalismus und Paternalismus sowie die Kultur, Gemeinschaft und Handlungsspielräume der Sklaven sind weitgehend ausgetragen. Dass die südstaatliche Plantagensklaverei keine vormoderne Feudalgesellschaft, sondern Teil eines kapitalistischen Weltmarktes war, wird heute kaum mehr bestritten; ebenso wenig, dass die großen und kleinen Sklavenhalter sich an kapitalistischen Marktgesetzen orientierten und die Sklaverei für die meisten von ihnen profitabel war. Allerdings florierte die Plantagenwirtschaft nicht so sehr wegen der Effizienz der Sklavenarbeit, wie R. F [3.3] immer wieder argumentiert hat, sondern eher wegen der großen weltweiten Nachfrage nach Baumwolle. Langfristig behinderte die auf der Sklaverei basierende agrarische Monokultur die wirtschaftliche Entwicklung des Südens. Eine ausgezeichnete Einführung in die wirtschaftshistorischen Debatten zur Plantagensklaverei hat M. S vorgelegt [Debating Slavery, 3.3]. Dass mit der kapitalistischen Praxis ein paternalistisches Selbstbild der Sklavenhalter vereinbar war und die südstaatlichen Ideologen die Sklaverei mit aggressiv antikapitalistischer Rhetorik gegen die „Lohnsklaverei“ des Nordens verteidigten, haben E. G und E. F-G in zahlreichen Studien belegt, zuletzt in The Mind of

2. Kolonial- bis Antebellum-Zeit

111

the Master Class und Slavery in White and Black [3.3]. Die brutale Wirklichkeit der Sklaverei steht im Mittelpunkt der Studien von W. J [3.3] über die Sklavenmärkte und W. D über die Reisplantagen an der südlichen Atlantikküste [3.3]. Die Forschung der vergangenen Jahrzehnte hat überzeugend nachgewiesen, dass die afroamerikanischen Sklaven vielfältige Formen des Widerstands und ein eigenes soziales, kulturelles und religiöses Leben ausbildeten, in dem Frauen eine zentrale Rolle zukam [C 3.3]. Die Nat-Turner-Rebellion, der einzig größere bewaffnete Sklavenaufstand, ist gut erforscht [G 3.3], zum Phänomen der Flucht gibt es ein neueres Standardwerk [F/S 3.3.]. Skeptiker haben allerdings immer wieder vor einer Romantisierung der slave community und übertriebenen Vorstellungen von Handlungsautonomie (agency) gewarnt. Dass die Sklaven nicht dem paternalistischen Stereotyp unmündiger Kinder entsprachen, dürfe nicht dazu führen, den Zwangscharakter der Sklaverei aus dem Blick zu verlieren [K 3.3: 166]. Dieses Zwangssystem, das Menschen zu beweglichem Eigentum ohne eigene Rechte machte, genoss den umfassenden Schutz der Gesetze nicht nur in den Sklavenstaaten, sondern in vielfältiger Weise auch auf der Bundesebene [F 3.3; F 3.3; F 3.3]. Um Flucht und Aufstände zu verhindern, waren alle weißen Männer der Sklavenstaaten zum Dienst in den Sklavenpatrouillen verpflichtet, obwohl die große Mehrheit der weißen Südstaatler keine Sklaven besaß. Wie gelang es einer relativ kleinen Sklavenhalterelite, die Identität und das Schicksal des Südens auf Gedeih und Verderb an seine „besondere Institution“ zu binden und die Masse der Kleinfarmer und ländlichen Unterschichten in die Solidarität der Sklavenhaltergesellschaft einzubinden? Die üblichen Antworten nennen die Furcht vor den Folgen einer Abschaffung der Sklaverei, die daraus resultierende Opposition gegen den nördlichen Abolitionismus, das „Privileg“, der „herrschenden Rasse“ anzugehören, sowie die Hoffnung auf sozialen Aufstieg in die Sklavenhalterklasse, zu der oft verwandtschaftliche Beziehungen bestanden. Eine neuere Studie zur Interaktion zwischen schwarzen Sklaven und weißen Unterschichten argumentiert, dass es sehr viel mehr soziale Kontakte und Solidarität zwischen beiden Gruppen gegeben hätte als gemeinhin angenommen und dass die weißen Unterschichten Sezession und Krieg überwiegend abgelehnt hätten [F 3.3]. Für ein rassenübergreifendes „Klassenbündnis“ fehlten indessen die Voraussetzungen. Dass der weiße Süden vor dem Bürgerkrieg keine monolithische Einheit bildete, ist eine wichtige Einsicht der neueren Forschung, doch lässt sich nicht wegdiskutieren, dass es der Sklavenhalterelite gelang, die Sezession durchzusetzen, als sie die peculiar institution gefährdet sah, und einen vier Jahre dauernden Krieg für ihre Verteidigung zu führen. Ohne die Unterstützung großer Teile der weißen Südstaatler wäre dies kaum möglich gewesen. Schon die Zeitgenossen sahen in der Sklaverei den zentralen Konflikt zwischen dem Norden und dem Süden, der schließlich zu Sezession und Bürgerkrieg führte, und die meisten modernen Historiker teilen diese Ein-

Widerstand

Der Süden und die Sklaverei

112 Sklaverei und sektionaler Konflikt

War der Bürgerkrieg vermeidbar?

II. Grundprobleme und Tendenzen der Forschung

schätzung [M. M, The Road to Secession, in: F, 4.1: 152–166]. Die Sklaverei war der wichtigste strukturelle Grund für die wirtschaftlichen und kulturellen Unterschiede zwischen Nord und Süd. Sie stand im Mittelpunkt aller bedeutsamen politischen Konflikte zwischen den Sektionen und sprengte schließlich das Parteiensystem. Konsens herrscht in der Historiografie auch darüber, dass die Annexionen nach dem Krieg gegen Mexiko eine entscheidende Weichenstellung bedeuteten, weil sie die Frage der Ausdehnung der Sklaverei auf die Tagesordnung der nationalen Politik setzten und so die Eskalationsspirale der 1850er Jahre auslösten. Ihrem Selbstverständnis nach führten die südstaatlichen Sezessionisten einen Verteidigungskrieg gegen die fanatischen Abolitionisten des Nordens, der mit der Wahl Lincolns den Gründungskonsens endgültig aufgekündigt hatte. Umgekehrt sahen sich die Republikaner als Verteidiger der Union, gegen die sich die Sklavenhalter des Südens verschworen hatten. Die Sicht der Sieger findet in der modernen akademischen Geschichtsschreibung zahlreiche Sympathisanten [z. B. R 3.4; S 3.4], während im populären Geschichtsbild des weißen Südens bis heute die Vorstellung vom „War of Northern Aggression“ gepflegt wird [G 6.5]. Die eigentliche, seit vielen Jahrzehnten diskutierte Streitfrage lautet, ob der sektionale Konflikt über die Sklaverei unausweichlich zum Krieg führen musste. Die Mehrheit der US-Historiker hat stets der schon von Lincoln und anderen Zeitgenossen formulierten Position zugeneigt, dass Sklaverei und Freiheit auf Dauer nicht in einer Nation koexistieren konnten [L 3.4]. Die in der Tradition der progressive historians stehenden Historiker deuten den Konflikt deterministisch als unvermeidlichen Zusammenstoß des bürgerlichen Kapitalismus im Norden mit dem halbfeudalen Süden [A 3.4]. Allerdings war das Paradigma vom irrepressible conflict nie unbestritten. Die Gegenposition, auch als blundering generation-Interpretation bekannt, lautet, dass eine Generation unverantwortlicher und unfähiger Politiker das Land in eine vermeidbare Katastrophe geführt habe. Vor allem Politikhistoriker wie M. H [3.4] und W. G [3.4] haben diesen Ansatz in der modernen Forschung weiter verfolgt. In einem interessanten Gedankenexperiment hat G. K [3.4] argumentiert, dass es ohne den Krieg gegen Mexiko und die nachfolgenden Annexionen auch keinen Bürgerkrieg gegeben hätte, allerdings um den Preis, dass die Sklaverei dann wohl bis ins 20. Jahrhundert Bestand gehabt hätte. In seiner zweibändigen Gesamtdarstellung The Road to Disunion sieht W. F [3.4] die Verantwortung für die Sezession bei den Eiferern des tiefen Südens. In seiner neuen großen Geschichte der Bürgerkriegsära macht D. G [4.1] dagegen im fanatischen Evangelikalismus des Nordens die entscheidende Triebkraft eines durchaus vermeidbaren Krieges aus. Die Evangelikalen hätten einen moralischen Kreuzzug gegen die Sklaverei geführt, zu deren Abschaffung jedoch kein Krieg erforderlich gewesen sei. Auch M. G [3.4] hält die Moralisierung der Sklavereifrage für das Grundübel der amerikanischen Politik der 1850er Jahre und geht insbesondere mit Abraham Lincoln ins Gericht, den er als kompromisslosen Gesinnungspolitiker porträtiert. Entgegen der ganz überwiegenden Auffas-

3. Der Weg in die industrielle Moderne

113

sung der Verfassungshistoriker [F 3.4] hält G auch die DredScott-Entscheidung des Obersten Gerichtshofes für durch das zeitgenössische Verfassungsrecht gedeckt. Die Sklaverei hätte als „verfassungsmäßiges Übel“ hingenommen werden müssen, zumal die Alternative ein verheerender Bürgerkrieg gewesen sei. Ob der Bürgerkrieg der unvermeidliche Zusammenprall antagonistischer Interessen und Prinzipien war oder ob ein dauerhafter Kompromiss möglich gewesen wäre, beruht auf der Plausibilität kontrafaktischer Prämissen. In der Rückschau erscheint es kaum vorstellbar, dass der freie Norden und der Sklaven haltende Süden noch bis ins 20. Jahrhundert in einer Nation hätten zusammenbleiben können. Zwar wurde die Abschaffung der Sklaverei in allen anderen Sklavenhaltergesellschaften der Neuen Welt ohne Krieg herbeigeführt, doch polarisierte die Sklaverei keine andere Gesellschaft in vergleichbarer Weise, wie dies in den USA zwischen 1848 und 1861 geschah. In dieser Zeit schwand auf beiden Seiten die Bereitschaft zum Kompromiss und wuchs der Wunsch, endlich eine Entscheidung herbeizuführen. Da wichtige Entscheidungsträger zudem die Entschlossenheit der Gegenseite bezweifelten, entfaltete sich eine aus der Entstehungsgeschichte großer Kriege bekannte Eskalationsdynamik.

3. Die USA auf dem Weg in die industrielle Moderne Angesichts der zentralen Bedeutung des Bürgerkrieges für die amerikanische Nationalgeschichte ist der anhaltend hohe Output der wissenschaftlichen und populären Geschichtsschreibung zu diesem Thema nicht überraschend. Seit fast 60 Jahren existiert mit Civil War History eine eigene Fachzeitschrift. Die von D. H und M. N [4.1] herausgegebene fünfbändige Enzyklopädie bietet einen verlässlichen Einstieg zu einer Vielzahl militärischer, politischer und sozialer Ereignisse und Entwicklungen, die beste Orientierung über die Historiografie findet sich im einschlägigen Blackwell Companion [F 4.1], für die Lehre empfiehlt sich M. Ps [4.1] Anthologie in der Reihe der Major Problems in American History. M. H [4.1] und U. S [4.1] haben 2009 neue deutschsprachige Überblickswerke publiziert. Das amerikanische Standardwerk bleibt das erstmals 1988 erschienene Epos J. MPs The Battle Cry of Freedom [4.1]; MP, der Doyen der Civil War History, hat darüber hinaus noch mehrere Dutzend Bücher zum Bürgerkrieg und zur Reconstruction verfasst und herausgegeben, die der Leser sich am besten über den Online-Katalog der Library of Congress erschließt [1.2]. Die Militärgeschichte des Bürgerkrieges fasziniert weiterhin Millionen. Auch für professionelle Militärhistoriker ist die größte militärische Auseinandersetzung in der Atlantischen Welt zwischen 1815 und 1914 von großem Interesse, insbesondere die Frage, ob der amerikanische Bürgerkrieg den Beginn des Zeitalters des Totalen Krieges markiert [F/N 4.1]. Die vergleichende Perspektive durchzieht auch die neue Synthese des britischen Militärhistorikers J. K [4.1]. Obwohl der Norden ab 1863 die Kriegs-

Militärgeschichte

114

Erfahrungen der Soldaten

Schwarze Soldaten

Kriegsmoral

Lincoln

Zweite Amerikanische Revolution

II. Grundprobleme und Tendenzen der Forschung

führung gegen die Zivilbevölkerung bewusst verschärfte, halten die meisten Historiker den im Zeitalter der Weltkriege popularisierten Begriff des Totalen Krieges für unangemessen. M. G [4.1] hat zudem darauf hingewiesen, dass die Taktik der verbrannten Erde und die Ausplünderung der Zivilbevölkerung in allen europäischen Kriegen seit der frühen Neuzeit gängige Praxis waren und der amerikanische Bürgerkrieg in dieser Hinsicht eher weniger brutal war. Für die Kriegserfahrungen der einfachen Soldaten interessierten sich Historiker bereits vor dem Aufkommen der „Geschichte von unten“. Der Forschung kam dabei zugute, dass die Soldaten beider Seiten zahlreiche Tagebüchern und Briefe hinterließen, die nicht nur den Kriegsalltag, sondern auch ihre Motivation erhellen [MP, For Cause and Comrades, 4.1.]. Dass der Krieg um die Sklaverei geführt wurde, war sowohl den Unionssoldaten wie den Konföderierten klar [M 4.1]. Die Frage nach der Motivation stellt sich in besonderer Weise für die rund 500 000 Einwanderer, darunter viele Deutsche, die auf Seiten der Union kämpften. M. Ö [4.1] argumentiert, dass der Krieg Einwanderern die Chance bot, ihre Loyalität zur amerikanischen Republik unter Beweis zu stellen und so nativistischen Anfeindungen den Wind aus den Segeln zu nehmen. Eine Quellensammlung zu den Deutschen im Bürgerkrieg hat W. H [6.2] herausgegeben. Dass schwarze Soldaten bereitwillig gegen die Sklavenhalter des Südens ins Feld zogen, bedarf kaum einer näheren Erläuterung, doch sind ihre Opfer und militärischen Leistungen erst von der neueren Geschichtsschreibung gewürdigt worden [S, Black Soldiers, 4.1]. Die geschlechtergeschichtliche Forschung hat gezeigt, dass auf beiden Seiten Frauen eine wichtige Rolle für Mobilisierung und Kriegsmoral spielten [F 4.1; S 4.1]. Dass der Süden sich der Übermacht der „Yankees“ beugen musste, wird in der modernen Forschung nicht mehr als Erklärung für die militärische Niederlage akzeptiert; neuere Arbeiten [MC 4.1; R 4.1] betonen die Bedeutung der sozialen Konflikte zwischen der Pflanzeroligarchie und den weißen Unterschichten, die die Kriegsmoral des Südens untergruben. Da der Krieg jedoch auch im Norden keineswegs unumstritten war [N 4.1], erscheint eine Selbstbehauptung der Konföderation nicht unmöglich, wenn nämlich der politische Wille der Union erlahmt wäre. Dass er dies verhinderte, gilt heute als eine der staatsmännischen Leistungen Lincolns, der auch kritischen Historikern wieder als „großer Präsident“ gilt, nachdem er eine Zeitlang vor allem als Opportunist und Rassist porträtiert worden war, der die Emanzipation der Sklaven nur halbherzig vorangetrieben habe [F, Fiery Trial, 4.1; N 4.1.; S 4.1]. Bereits viele Zeitgenossen sahen Bürgerkrieg und Reconstruction als revolutionären Umbruch. Das Schlagwort von der „Zweiten Amerikanischen Revolution“ prägten Charles und Mary Beard in den 1920er Jahren und meinten damit im populär-marxistischen Sinne eine „bürgerliche Revolution“, die dem Industriekapitalismus zum Durchbruch verholfen habe. Die moderne Historiografie sieht dagegen das eigentlich Revolutionäre der Epoche darin, dass innerhalb eines Jahrzehnts knapp vier Millionen schwarze Sklaven zu Staats-

3. Der Weg in die industrielle Moderne

115

bürgern wurden. Das von I. B [4.1] geleitete Projekt zur Geschichte der Emanzipation hat auf eindrucksvoller Quellenbasis gezeigt, dass die Sklaven durch Flucht, Widerstand, Militärdienst und kommunale Selbstorganisation den Prozess ihrer Befreiung aktiv gestalteten. Aus der Rückschau erscheinen auch die zwischen 1865 und 1870 verabschiedeten Verfassungszusätze als Versprechen einer egalitären, farbenblinden Demokratie, die langfristig die Rechts- und Verfassungskultur der USA nachhaltig veränderten [V 4.1]. Gleichwohl blieb die Zweite Amerikanische Revolution „unvollendet“, wie der Untertitel von E. Fs [4.1] Standardwerk zur Reconstruction lautet, weil der Norden das Ziel der Gleichberechtigung der Afroamerikaner nicht entschlossen verfolgte und insbesondere vor einer Landreform zugunsten der ehemaligen Sklaven zurückschreckte. Die neuere Forschung betont zudem die ökonomischen und sozialen Probleme im Norden, die die ohnehin begrenzte Bereitschaft zum Schutz der schwarzen Bürgerrechte im Süden untergruben [R 4.1]. So triumphierte schließlich die von den alten Eliten des Südens unter dem Schlachtruf der „weißen Vorherrschaft“ vorangetriebene, extrem gewalttätige Konterrevolution. Die beste Gesamtdarstellung dieses Bürgerkrieges nach dem Bürgerkrieg stammt von G. R [4.1], der Klassiker zum Ku Klux Klan in der Reconstruction ist A. T [4.1]. S. H [4.1] hat gezeigt, dass das Ende der Reconstruction 1876 keineswegs die politische Kapitulation der afroamerikanischen Bevölkerung des Südens bedeutete. Dennoch konnte der Widerstand auf Dauer nicht die bürgerliche und politische Entrechtung der schwarzen Bevölkerung verhindern. Die Ursprünge der Rassentrennung waren in der Forschung lange umstritten. C. V. Ws Klassiker The Strange Career of Jim Crow [4.1] löste eine andauernde Kontroverse aus, in der seine Kritiker zeigten, dass die Segregation kein Import aus dem Norden war und in den Städten des Südens viel früher praktiziert wurde, als W zunächst meinte. Zentrale Texte zur WThese hat J. D. S ediert [Segregation, 4.1], wichtige Beiträge zur neueren Forschung finden sich bei J. D [4.1]. Die gewichtigste Gesamtdarstellung zum „Neuen Süden“ nach der Reconstruction stammt von E. A [4.1]. Das historiografische Leitmotiv für das späte 19. und frühe 20. Jahrhundert ist die Spannung zwischen dem Aufstieg des Unternehmens- und Finanzkapitalismus (corporate America) und den demokratischen und reformerischen Gegentendenzen der Zeit, die ihren Ausdruck u. a. in der Frauenbewegung, der Arbeiterbewegung sowie im Populismus und Progressivismus fanden. Für J. B [4.2] war das Gilded Age ein „Zeitalter des Verrats“, als das große Geld über die Aspirationen des amerikanischen Volkes triumphierte; auch T. J. L [4.2] kommt in seiner Gesamtdarstellung zu dem Schluss, dass Amerikas Aufstieg zur führenden Industriemacht der Welt zwar eine ungeheure Dynamik entfaltete, aber letztlich auf Kosten der demokratischen Ideale ging. N. P [4.2] dagegen legte bereits 1987 eine „bottom-up“-Geschichte des Zeitalters vor, die ein wesentlich optimistischeres Bild zeichnete. Inzwischen sprechen einige Historiker vom Zeitraum zwischen 1877 und 1917 gar als „Long Progressive Era“ [J, The Possibilities of Politics, in: F/MG, 1.5: 96–124].

Emanzipation

Unvollendete Revolution

Rassentrennung

Gilded Age

116

Amerikanische Bourgeoisie

Arbeiterbewegung

Populismus

II. Grundprobleme und Tendenzen der Forschung

Eine sehr lesbare Einführung ist R. E’ Buch New Spirits [4.2], zudem gibt es ein gutes Nachschlagewerk [B/B 4.2] und eine eigene Fachzeitschrift, das Journal of the Gilded Age and the Progressive Era (JGAPE). Wurden die USA im Gilded Age zur kapitalistischen Klassengesellschaft? In seiner Geschichte der New Yorker Oberklasse benutzt S. B [4.2] bewusst den europäischen Begriff der Bourgeoisie zur Charakterisierung der mächtigsten Kapitalisten der Welt. Zu Recht beklagt er, dass die amerikanische Sozialgeschichte die ökonomischen Eliten zu lange vernachlässigt habe, und plädiert dafür, ihnen einen gebührenden Platz in der Geschichte der USA einzuräumen. Da die amerikanische Arbeiterklasse nicht dem normativen Modell eines klassenbewussten, organisierten Proletariats entsprach, hat sich die Labor History in den letzten Jahrzehnten der Erforschung ihrer kulturellen Identitäten gewidmet und dabei die politische Ökonomie des Kapitalismus vernachlässigt [B, History of American Capitalism, in: F/MG, 1.5: 314–335] bzw. den Sozialwissenschaften überlassen. Die beste Synthese zur berühmten Frage Werner Sombarts, warum es in den USA keinen Sozialismus gebe, stammt von S. L und G. M [6.9], die gegen den Mainstream der Labor History eine amerikanische Sonderentwicklung postulieren. Ein offenes demokratisches System, egalitäre soziale Werte, die ethnische Fragmentierung der Arbeiterschaft und die unpolitischen Gewerkschaften markieren demnach die Hauptunterschiede zu Europa. Die neuere Forschung wendet sich vehement gegen die Vorstellung von einem „schwachen Staat“ im Amerika des 19. Jahrhunderts [B 4.2], welche die beständigen Eingriffe und Subventionen der Bundesregierung vornehmlich zugunsten der Unternehmen und Besitzenden ignoriere. Andererseits hat T. S [4.2] gezeigt, dass die lange als Inbegriff korrupter Klientelpolitik geltende Veteranenversorgung den Grundstein für die bundesstaatliche Sozialpolitik legte. Tatsächlich versuchten alle wirtschaftlichen Interessengruppen, die Politik der Bundesregierung zu ihren Gunsten zu beeinflussen, ob es sich um Schutzzölle oder die Währungsfrage handelte [B 4.2]. Die Populisten, die sich den Kampf gegen Monopole und den Goldstandard auf die Fahnen geschrieben hatten, galten lange als rückständige Agrarbewegung, werden inzwischen aber sehr viel positiver bewertet. G. R [4.2] ordnet sie in eine lange antimopolistische Tradition ein, C. P [4.2] charakterisiert den Populismus als moderne soziale Bewegung, die einen gezähmten Kapitalismus in Amerika anstrebte und direkte Kontinuitäten zum Progressivismus aufweist. Das größte Defizit der Populisten, so P, war ihr Rassismus, der größere Erfolge im Süden verhinderte, sich aber durchaus in den modernen Zeitgeist einfügte. An der Feststellung, dass die Einführung der Rassentrennung, die kontinentale Expansion auf Kosten der Ureinwohner und der Imperialismus über eine populäre Massenbasis verfügten, kommen auch die Vertreter der Demokratisierungsthese nicht vorbei. Die Eroberung des Westens und die Unterwerfung der Prärieindianer sehen viele US-Historiker heute als koloniales Projekt, das unmittelbar in die imperiale Expansion um die Wende zum 20. Jahrhundert überging [N

3. Der Weg in die industrielle Moderne

117

4.3; O 4.2]. Die Frage, warum die USA am Ende des 19. Jahrhunderts in den Kreis der imperialistischen Weltmächte eintraten, zählt zu den großen geschichtswissenschaftlichen Debatten mit weitreichenden Implikationen für das Verständnis der US-Geschichte insgesamt. Handelte es sich um eine kurzlebige, bald wieder korrigierte Verirrung oder um die kontinuierliche Expansion des amerikanischen Kapitalismus? Reagierten die USA lediglich auf reale und vermutete Bedrohungen ihrer nationalen und kontinentalen Interessen, insbesondere der Monroe-Doktrin, durch den europäischen Imperialismus oder betrieben sie zielbewusst die Errichtung eines eigenen „informellen“ Imperiums, das nicht auf territoriale Herrschaft, sondern auf die Sicherung von Rohstoffquellen und Absatzmärkten ausgerichtet war? Welche ökonomischen, sozialen und ideologischen Triebkräfte standen hinter dem US-Imperialismus der Jahrhundertwende? Da weder wirtschaftliche Zwänge noch strategische Interessen hinreichende Antworten liefern, hat sich die jüngere Geschichtsschreibung primär für die gesellschaftlichen und kulturellen Dimensionen des Imperialismus interessiert. In seiner Synthese erklärt F. N [4.3], anschließend an die „Sozialimperialismusthese“ der neomarxistischen Wisconsin-Schule [L 4.3], die Hinwendung zum Imperialismus mit einer durch die sozialen Verwerfungen der 1890er Jahre verursachten Identitätskrise, hält aber daran fest, dass Dauer und Zielsetzung des US-Imperialismus begrenzt gewesen seien. Im Mittelpunkt der gegenwärtigen Debatten stehen nicht mehr strategische und handelspolitische Fragen, sondern kulturelle Konzepte wie Zivilisation, race und gender. K. H [Fighting for Manhood, 4.3] deutet die Begeisterung der weißen amerikanischen Männer für den Krieg gegen Spanien als Versuch, die ins Wanken geratene Geschlechterordnung zu stabilisieren; in einem weiteren Buch argumentiert die Autorin, die neue, von den Frauen der urbanen Mittel- und Oberklassen getragene Konsumkultur sei ein wichtiger Stabilisierungsfaktor für das globale amerikanische Wirtschaftsimperium gewesen [H, Consumers’ Imperium, 4.3]. Obwohl sich die Apologeten des Imperialismus gerne auf die „Zivilisierungsmission der weißen Rasse“ beriefen, sind neuere Studien zum Zusammenhang von Rassismus und Imperialismus zu sehr unterschiedlichen Einschätzungen gelangt. Zahlreiche Autoren [K 4.3.; J 4.3] postulieren einen untrennbaren Zusammenhang zwischen imperialer Expansion und der Konstruktion rassistischer Stereotypen und Institutionen in den USA. E. L [4.3] hat demgegenüber den Rassismus als retardierendes Moment gewertet, da die meisten amerikanischen Rassisten kein Interesse an einem multirassischen Imperium gehabt hätten. Die Bedeutung des Rassismus spielt auch in den geschichtswissenschaftlichen Debatten über den Progressivismus eine zentrale Rolle, den Kritiker primär als eine Bewegung der weißen Mittelklasse zur Disziplinierung von Schwarzen, Einwanderern und Unterschichten darstellen [S 4.3]. Die Bewertung der Fortschrittsbewegung als Projekt einer technokratischen Elite, die den Kapitalismus effizienter machen wollte und ein tiefes Misstrauen gegen demokratische Partizipation hegte, hat in der amerikanischen Historiografie eine lange Tradition. M. MGs Diktum [4.3: XIV] vom Progressivismus

Imperialismusdebatte

Race und Gender

Progressivismus

118

Transnationaler Progressivismus

Wilson

II. Grundprobleme und Tendenzen der Forschung

als „Glaubensbekenntnis und Kreuzzug einer Mittelklasse“, die ganz Amerika nach ihrem eigenen Bild umgestalten wollte, ist zugleich ein typisches Beispiel für den in der US-Historiografie weit verbreiteten pejorativen Gebrauch der sozialen Kategorie „Mittelklasse“, der Akademiker zumeist selbst angehören. Demgegenüber betonen M. A. F [4.3] und A. D [4.3] den heterogenen Charakter des Progressivismus und beurteilen den Reformimpetus und die soziale Verantwortung der progressives insgesamt positiv. Bemerkenswert ist, dass sich die Autoren beider Lager explizit zu ihrer präsentistischen Perspektive bekennen. Die 2000er Jahre gelten ihnen als Wiederkehr des Gilded Age in globaler Dimension. Aber während z. B. A. D [4.3: 10] für eine Wiederbelebung des progressiven Geistes plädiert, verortet M. MG [4.3: XIV u. XVI] im Progressivismus die Wurzel der gegenwärtigen Übel, da sein Scheitern den Glauben der Amerikaner an soziale Reformen und staatliche Intervention grundsätzlich erschüttert habe. Die neuere Spezialforschung zu den progressives hat sich schwerpunktmäßig auf die Rolle von Afroamerikanern und Frauen sowie die internationalen Verflechtungen der Bewegung konzentriert. Ein grundlegender Beitrag zum Aktivismus von schwarzen und weißen Frauen ist der Sammelband von N. F/N. S. D [4.3]. Darüber hinaus sind Biographien zu wichtigen Sozialreformerinnen wie Florence Kelley [S 4.3] und Jane Addams [E 4.3] erschienen. A. S [4.3] stellt Addams und die deutsche Sozialreformerin Alice Salomon in einen transatlantischen Kontext, dessen weiten ideen- und beziehungsgeschichtlichen Horizont die großen Studien von J. K [4.3] und D. R [4.3] erschließen. Allerdings beschränkte sich der Internationalismus der progressives nicht auf Dialog und Ideentransfer, sondern schloss eine globale reformerische Vision von Frieden und Fortschritt ein, die Pazifisten wie Jane Addams durch zivilgesellschaftlichen internationalen Aktivismus zu fördern suchten, während die Präsidenten Theodore Roosevelt und Woodrow Wilson auch auf militärische Macht setzten [D 4.3]. A. Ds Synthese lässt daher die Progressive Era nicht, wie sonst üblich, mit dem amerikanischen Eintritt in den Ersten Weltkrieg enden, sondern zeigt, dass Wilsons liberaler Internationalismus als weltpolitische Fortsetzung des Progressivismus verstanden werden muss [K 4.4]. Eine umfassende Bestandsaufnahme der Wilson-Forschung findet sich bei J. M. C [Reconsidering Woodrow Wilson, 4.4]. Nach dem Ersten Weltkrieg wurden Verschwörungstheorien populär, denen zufolge Waffenproduzenten und Bankiers die USA in den Krieg getrieben hätten. In der Geschichtswissenschaft spielen solche Thesen schon lange keine Rolle mehr, vielmehr herrscht Konsens, dass der Kriegseintritt der USA nach dem Scheitern eines Verhandlungsfriedens fast zwangsläufig wurde, weil eine deutsche Hegemonie in Europa mit den amerikanischen Interessen an einer liberal-kapitalistischen Weltordnung unvereinbar war. Für die internationale Politik des Ersten Weltkrieges haben sich US-Außenpolitikhistoriker nur begrenzt interessiert und sich fast ausschließlich der Analyse und Kritik des Wilson’schen Internationalismus und seiner Auswirkungen auf die amerikanische Außenpolitik bis ins 21. Jahrhundert gewidmet. Zugespitzt geht es um die Frage,

3. Der Weg in die industrielle Moderne

119

ob Wilsons Vision einer neuen, demokratischen Weltordnung auf einer realistischen Einschätzung der nationalen Interessen der USA und der übrigen Großmächte beruhte oder ob der Präsident ein gesinnungsethischer Idealist war, der die innen- und außenpolitischen Machtrealitäten ignorierte und somit das Scheitern seiner Vision selbst herbei führte. Die „realistische“ Schule der Wilson-Kritiker [L. E. A 4.4] beurteilt den demokratischen Missionseifer Wilsons und seine Konsequenzen für die US-Außenpolitik weiterhin skeptisch, obwohl nach dem Ende des Kalten Krieges unter US-Historikern eine Wilson-Renaissance einsetzte, die mit Amerikas Triumph über seine totalitären Herausforderer Wilsons liberalen Internationalismus historisch gerechtfertigt sahen [N 4.4.; P 4.4]. J. M. C [Breaking the Heart, 4.4] hat Wilson sogar weitgehend von der Verantwortung für das Scheitern des Völkerbundes im US-Senat freigesprochen. Der amerikanische „Kreuzzug“ für die Demokratie weckte insbesondere bei der afroamerikanischen Bevölkerung und bei der amerikanischen Frauenbewegung große Hoffnungen, sich durch Patriotismus staatsbürgerliche Rechte sichern zu können. K. J [4.4] zieht im Hinblick auf die Stellung der Frauen eine positive Bilanz. Demgegenüber wurden die Erwartungen der Afroamerikaner zunächst bitter enttäuscht. Dennoch war der Erste Weltkrieg ein wichtiger Katalysator für den schwarzen Bürgerrechtskampf [LS 4.4; A 4.4]. Wie der Krieg das zeitgenössische Verständnis des Staatsbürgers und der Bundesregierung veränderte, steht im Mittelpunkt einer neuen Gesamtdarstellung der amerikanischen Heimatfront [C 4.4]. Obwohl die USA nur gut eineinhalb Jahre am Ersten Weltkrieg teilnahmen, bewirkte die wirtschaftliche, militärische und ideologische Mobilisierung soziale und kulturelle Erschütterungen, die bei vielen Amerikanern eine Abkehr vom nationalen und internationalen Reformeifer der Wilson-Ära hervorriefen. Dass das folgende Jahrzehnt eine Dekade der „Normalisierung“ gewesen sei, behaupten freilich nur noch wenige Historiker. Zu den Ausnahmen gehört der Politikhistoriker N. P [4.4], der den Begriff normalcy als Regierungsprogramm der republikanischen Administrationen ernst nimmt und zu einer freundlicheren Einschätzung insbesondere Präsident Hardings kommt als die übrige Historiografie. Niemand bestreitet, dass die 1920er Jahre eine Zeit scharfer Kontraste und Spannungen waren, aber die Akzente werden unterschiedlich gesetzt. Bei L. D [4.4] dominiert das Bild einer Ära der wirtschaftlichen Prosperität und des Massenkonsums, der kulturellen Blüte und einer zunehmend modernen und pluralistischen Gesellschaft. Im Gegensatz dazu stehen bei D. J. G [4.4] der „Backlash“ eines bigotten, rassistischen und nativistischen Amerikas und der Triumph des Großkapitals im Zentrum der Darstellung. Inbegriff der Kulturkriege ist die Prohibition, die allerdings nicht auf einen Stadt-Land-Konflikt reduziert werden kann, da sie auch unter der urbanen protestantischen Mittelklasse starken Rückhalt hatte. T. W [4.4] hat kürzlich eine brillant geschriebene, deutschsprachige Geschichte der Prohibition vorgelegt, die ihren Anspruch, ein „Panorama der amerikanischen Gesellschaft und Kultur in den 1920er und frühen 1930er Jahren [zu] bieten“, eindrucksvoll einlöst. Neuere Forschungen haben zudem

Folgen des Ersten Weltkrieges

Normalität der 1920er?

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Dollardiplomatie

Große Depression

New Deal

II. Grundprobleme und Tendenzen der Forschung

gezeigt, dass die Durchsetzung des Alkoholverbots ein Grund für den Aufschwung des Ku Klux Klans und seine Attraktivität für protestantische Frauen war [B 4.4; ML 4.4.]. Obwohl Fundamentalismus und „Kreationismus“ durch den Scopes-Prozess nicht nachhaltig geschwächt wurden, findet das „monkey trial“ unverändert großes historisches Interesse [M 4.4]. Die Vorstellung, die USA hätten sich nach dem Ende des Ersten Weltkrieges in die außenpolitische Isolation zurückgezogen, haben Diplomatiehistoriker schon lange zu den Akten gelegt. Die durch den Vietnamkrieg geprägte Historikergeneration hat die auf wirtschaftlichen und finanziellen Instrumenten beruhende Stabilisierungspolitik der republikanischen Administrationen gegenüber Europa trotz ihres Scheiterns eher wohlwollend beurteilt, weil sie die Grenzen amerikanischer Macht anerkannt habe [C 4.4]; Kritiker argumentieren jedoch, die durch die „Dollardiplomatie“ ausgelösten Schuldenprobleme hätten letztlich zur Destabilisierung der Schuldnerstaaten beigetragen [R 4.4]. Ob und in welchem Maße die amerikanische Handels- und Finanzpolitik zur großen Weltwirtschaftskrise beitrug, wird unter Ökonomen ebenso kontrovers diskutiert wie die Ursachen der Krise allgemein und die Gründe für ihre lange Dauer. Einigkeit herrscht, dass die Krise nur in internationalem Kontext verstanden werden kann. Der Wirtschaftshistoriker H. J [6.9] deutet sie als den Zusammenbruch der globalisierten Weltwirtschaft, die sich vor dem Ersten Weltkrieg herausgebildet hatte und in den 1920er Jahren nicht wiederhergestellt werden konnte. Im Gefolge der großen Depression triumphierten überall Staatsdirigismus und Wirtschaftsnationalismus, was W. S [4.5] zu einem anregenden Vergleich des New Deal mit dem Nationalsozialismus und dem italienischen Faschismus veranlasst hat. Der entscheidende Unterschied, dass der New Deal eine demokratische Legitimation besaß und die USA eine liberale Demokratie blieben, darf freilich nicht verwischt werden. Als führende Industrienation und Weltwirtschaftsmacht waren die USA von der Krise besonders hart betroffen. In der Cambridge Economic History of the United States hat P. T [The Great Depression, in: E/G, 6.9, Bd. 3: 301–328] die Politik der US-Notenbank und der Hoover-Administration scharf kritisiert, deren stures Festhalten am Goldstandard die Deflation beschleunigt und vertieft habe. Mit der Abwertung des Dollars habe Präsident Franklin D. Roosevelt 1933 den notwendigen „Regimewechsel“ hin zu einer expansiven Geldpolitik vollzogen, der die Erholung der US-Wirtschaft eingeleitet habe. Auch P. T konzediert, dass der New Deal die Depression niemals vollständig überwinden konnte, doch habe mit Roosevelts Staatsinterventionismus „ein halbes Jahrhundert sozialdemokratischer Politik“ begonnen. Unbestreitbar markiert der New Deal eine grundlegende Zäsur der amerikanischen Geschichte, deren politische und historische Bewertung entsprechend umstritten bleibt. Die Deutung der Neuen Linken, der New Deal habe den Kapitalismus stabilisiert, findet heute kaum noch Fürsprecher unter US-Historikern. Dasselbe gilt für die konservative Gegenthese vom New Deal als amerikanischer Variante des bürokratischen Sozialismus. Eine Ausnahme ist A. S [4.5: 9], die sowohl Hoover als auch Roosevelt dafür kritisiert, sie hätten der

3. Der Weg in die industrielle Moderne

121

Kraft des freien Marktes und des amerikanischen Individualismus misstraut. Ihr Diktum: „From 1929 to 1940, from Hoover to Roosevelt, government intervention made the Depression Great”, steht in provokantem Gegensatz zum Mainstream, der im New Deal unverändert eine mutige Strategie zur Krisenbewältigung sieht, wenngleich mit unterschiedlicher Akzentuierung. In seinem Monumentalwerk zur Ära Roosevelt betont D. M. K [4.5] den Improvisationscharakter des New Deal und misst seinen Erfolg weniger an ökonomischen Ergebnissen als daran, dass Roosevelt dem amerikanischen Volk ein Gefühl der Sicherheit und den Glauben an das System des liberal-demokratischen Kapitalismus vermittelte. Andere neuere Synthesen sehen im New Deal ein durchaus wohlüberlegtes Reformprogramm [L 4.5], das die Grundlagen für die künftige wirtschaftliche und militärische Machtstellung der USA geschaffen habe [S 4.5]. Auch die Werke zur Alltags- und Kulturgeschichte der 1930er Jahre bestätigen das Bild tief greifenden Wandels [W 4.5; D 4.5]. Ohne das Charisma und politische Geschick Franklin Roosevelts ist der New Deal unvorstellbar. Die jüngste unter den zahllosen FDR-Biografien erinnert die Amerikaner allerdings daran, dass der heute als größter US-Präsident des 20. Jahrhunderts gefeierte New Yorker Patrizier seinen Standesgenossen als Verräter galt [B 4.5]; seine Ehefrau Eleanor war unter Roosevelts konservativen Kritikern kaum weniger verhasst, weil sie sich ostentativ über Geschlechter- und vor allem Rassenkonventionen hinweg setzte [C 4.5]. Zwar stand die Bürgerrechtsfrage nicht prominent auf der Tagesordnung des New Deal, doch traten zahlreiche New Dealer aktiv für die Rassengleichheit ein, während umgekehrt der New Deal dem afroamerikanischen Aktivismus enormen Auftrieb gab [S 4.5.; S 4.5]. Viele labor historians haben die amerikanischen Kommunisten der 1930er Jahre als radikale Streiter für soziale Gerechtigkeit und Speerspitze der Gewerkschaftsbewegung gefeiert [K 4.5], doch hat der Autor des Standardwerks über die CIO-Gewerkschaften zu Recht darauf hingewiesen, dass auch die Kommunistische Partei der USA eine stalinistische Gruppierung war [Z 4.5]. Wie die Forschung zum New Deal war auch die Geschichtsschreibung zur Außenpolitik Franklin Roosevelts lange Zeit durch ein hohes Maß an Parteilichkeit charakterisiert. Seine Bewunderer zeichneten das Bild des genialen Staatenlenkers, der seine widerstrebenden Landsleute und die Alliierten im größten Krieg der Weltgeschichte zum Sieg führte. Traditionelle Isolationisten klagten ihn dagegen an, die USA in einen unnötigen Krieg verwickelt zu haben; internationalistische Kritiker stellten ihn als doppelzüngigen Zauderer dar, der zunächst Hitler und dann Stalin freie Hand gelassen habe. Für die Historiker der Neuen Linken wiederum verfolgte der Krieg gegen Hitler und Japan vor allem das Ziel, dem US-Kapitalismus den Zugang zu den Weltmärkten zu sichern. Eine gute Einführung in die inzwischen versachlichte und empirisch gesättigte Debatte bietet der Band von J. D/A. S [4.5]. Die neuere Forschung betont wieder stark Roosevelts eingeschränkte Handlungsspielräume. M. H Ms [4.5] Studie über das amerikanische Deutschlandbild konstatiert eine große Diskrepanz zwischen der

Franklin D. Roosevelt

Außenpolitik unter FDR

122

Atombombenabwurf

II. Grundprobleme und Tendenzen der Forschung

Wahrnehmung Nazideutschlands als Aggressorstaat durch Eliten und Entscheidungsträger einerseits und den positiven Deutschlandbildern der breiten Bevölkerung andererseits, die dem Präsidenten keine entschlossenere Politik gegenüber Hitler erlaubt habe. E. B [4.5] sieht in der Politik der Roosevelt-Administration gleichwohl die Vision einer auf Menschenrechte und Demokratie gegründeten internationalen Ordnung. Die Militärgeschichte des Zweiten Weltkrieges ist in den USA ähnlich populär wie die des Bürgerkrieges, findet in der akademischen Geschichtsschreibung aber kaum Interesse. G. Ws A World At Arms [4.5] dürfte auf längere Sicht das Standardwerk bleiben. Der Abwurf der beiden Atombomben auf Japan ist weiterhin die unter Historikern umstrittenste militärische Entscheidung. Kritiker haben immer wieder ihre Notwendigkeit in Zweifel gezogen und behauptet, ihr eigentlicher Zweck sei die Einschüchterung der Sowjetunion gewesen. J. S. W [4.5] argumentiert überzeugend, dass die Truman-Administration der simplen Logik folgte, die mit enormen Ressourcen gebaute Waffe müsse nun auch eingesetzt werden, um Japan rasch zur Kapitulation zu zwingen und den US-Truppen eine verlustreiche Invasion zu ersparen. An dieser Rechtfertigung gab es jahrzehntelang kaum öffentliche Kritik. Eine Ausstellung des National Air and Space Museum zum 50. Jahrestag, die moralische Zweifel andeutete, löste einen Proteststurm der Veteranenverbände aus [L/E 4.5]. Einen informativen deutschsprachigen Überblick zum amerikanischen Erinnerungskult um den Zweiten Weltkrieg hat K. S [4.5] vorgelegt. Für das spannungsreiche Verhältnis zwischen Geschichtswissenschaft und Erinnerungskultur bietet der Zweite Weltkrieg auch in den USA immer wieder reichliches Anschauungsmaterial.

4. Globale Supermacht und multikulturelle Gesellschaft: Die USA von 1945 bis ins 21. Jahrhundert

Synthesen

Den Zugang zu den wichtigsten Themen und Trends der historischen Forschung über die USA seit dem Zweiten Weltkrieg eröffnen die einschlägigen Blackwell Companions to American History von J. C. A/R. R [5] und S. W [5]. Für die Lehre eignet sich G/B [5]. Das Generalthema der großen Synthesen ist die beispiellose wirtschaftliche, technologische, gesellschaftliche und kulturelle Dynamik, die Amerika den Aufstieg zur globalen Hegemonie ebnete [F 5]. Die ökonomischen Grundlagen des liberalen Konsenses der Nachkriegszeit, Wachstumspolitik und Massenkonsum, analysieren R. C [5] bzw. L. C [5]. Die beiden Bände der Oxford History of the United States von J. P [Grand Expectations, 5; Restless Giant, 5], die den Zeitraum von 1945 bis 2000 behandeln, vermitteln bei aller Kritik an einzelnen Fehlentwicklungen ein überwiegend positives Bild. Die „großen Erwartungen“, mit denen die Amerikaner die Nachkriegszeit

4. Von 1945 bis ins 21. Jahrhundert

123

begrüßten, wurden in vieler Hinsicht sogar übertroffen. Breiten Bevölkerungsschichten brachten die Jahrzehnte nach 1945 nicht nur materiellen Wohlstand, sondern auch enormen Zuwachs an Bürgerrechten, persönlicher Freiheit und Lebenschancen. Dass das späte 20. Jahrhundert von einem konservativen backlash geprägt worden sei, bestreitet J. P mit guten Gründen. Der britische Historiker G. H [More Equal than Others, 5] zeichnet dagegen ein skeptischeres Bild, das die wachsende sozioökonomische Ungleichheit und die Verflachung der politischen Kultur in den Mittelpunkt der Darstellung rückt. R. A [5] argumentiert, die freiheitlichen und sozialstaatlichen Umwälzungen nach 1945 seien im Wesentlichen das Werk einer aufgeklärten, liberalen Elite gewesen, die überfällige Reformen oft gegen den Mehrheitskonsens vorangetrieben habe. Die radikalen Exzesse der 1960er Jahre hätten jedoch der liberalen Reformagenda den Boden entzogen und dem Konservatismus in die Hände gespielt, der erfolgreich illiberale Mehrheiten für reaktionäre und plutokratische Interessen mobilisieren konnte. Dieses Erzählmuster, das den Niedergang des Sozialliberalismus mit dem Aufstieg multikulturalistischer Identitätspolitik erklärt, ist allerdings umstritten. Kritiker haben immer wieder darauf hingewiesen, dass sich die weiße Arbeiter- und Mittelklasse schon lange vor den turbulenten Sechzigern von der New-Deal-Koalition abzuwenden begonnen hatte, weil sie das Streben der Afroamerikaner nach gleichberechtigter Teilhabe als Bedrohung empfand [S 5.1]. Die überragende Bedeutung des Kalten Krieges für die Nachkriegsgeschichte der USA ist unbestritten, umso erbitterter sind die Kontroversen über seine Ursprünge geführt worden. Jahrzehntelang standen „Traditionalisten“, die den ideologischen und machtpolitischen Expansionismus des Sowjetsystems für den Kalten Krieg verantwortlich machten, gegen linke „Revisionisten“, die seine Hauptursache im Expansionsdrang des amerikanischen Kapitalismus verorteten; so genannte Postrevisionisten deuteten den Konflikt als Ergebnis gegenseitiger Fehlperzeptionen. Leider waren diese Debatten durch eine einseitige Quellenbasis geprägt, da zu den sowjetischen Motiven und Entscheidungsprozessen kaum verlässliche Informationen zur Verfügung standen. Als sich dies nach 1991 änderte, sahen sich viele Traditionalisten in ihrer Einschätzung des aggressiven Charakters der sowjetischen Politik bestätigt. Vor allem J. L. G publizierte zahlreiche Werke – zuletzt eine auch auf Deutsch erschienene Gesamtdarstellung [5.1] –, die viele Kritiker als Triumphalismus empfanden. Die Thesen der Revisionisten bzw. der Postrevisionisten, dass die Sowjetführung primär defensive Ziele verfolgt hätte und der Kalte Krieg mit gutem Willen und besserer Kommunikation hätte vermieden werden können, finden heute deutlich weniger Fürsprecher als noch vor dem Zusammenbruch des Ostblocks. J. S, ein jüngerer Historiker, urteilt nüchtern: „[T]o imagine a world without a Cold War requires imagining away the Soviet leadership” [The Early Cold War, in: S 6.1: 215–229: 226]. Diese Feststellung bedeutet keinesfalls, die amerikanische Strategie der nach eigener Überlegenheit strebenden globalen Eindämmung als einzig mögliche zu akzeptieren oder gar ihre gigantischen materiellen und menschlichen Kosten zu verdrängen [L 5.1; C/L 5.1].

Wohlstandsgesellschaft

Liberaler Konsens

Debatten zum Kalten Krieg

124

Globalgeschichte des Kalten Krieges

Antikommunistische Hysterie

Kalter Krieg und Rassenfrage

Rassenintegration

II. Grundprobleme und Tendenzen der Forschung

Inzwischen ist Forschung über die alten, auf die US-Politik fokussierten Kontroversen hinausgegangen und versteht den Kalten Krieg als globalen Ereigniskomplex. Maßstäbe setzt die dreibändige Cambridge History of the Cold War [L/W 5.1]. Auch die deutsche Geschichtswissenschaft hat beeindruckende Beiträge zur internationalen Geschichte des Kalten Krieges geleistet. Zu nennen sind hier das unter Leitung D. J entstandene Handbuch Die USA und Deutschland im Zeitalter des Kalten Krieges [5.1], B. Ss Gesamtdarstellung [5.1] sowie die themenorientierten Sammelbände B. Gs [5.1]. Die Debatten über die innen- und gesellschaftspolitischen Rückwirkungen des frühen Kalten Krieges, insbesondere über Ursachen und Folgen der antikommunistischen Hysterie, sind bis heute ideologisch aufgeladen. Vielen Historikern auf der Linken fiel es schwer, den nach dem Ende des Kalten Krieges auf der Grundlage sowjetischer Archive erbrachten Nachweis zu akzeptieren, dass die US-Kommunisten tatsächlich massiv in Spionageaktivitäten verstrickt waren [H/K 5.1]. Allerdings ist E. S zuzustimmen, dass Spionage ebenso wenig eine Erklärung für den McCarthyismus als politische Bewegung liefert wie die mediokre Figur McCarthys [McCarthyism and the Red Scare, in: A/R 5: 371–384]. Im McCarthyismus manifestierten sich sowohl längerfristige Traditionen eines populistischen Antiradikalismus als auch aktuelle politische Interessen. Konservative Republikaner suchten den New Deal zu diskreditieren, während die Kalte-KriegsLiberalen für die Eindämmungspolitik eine innenpolitische Basis schaffen wollten, dabei aber Geister riefen, die sie nicht mehr los wurden. Durch den Opportunismus der Liberalen , so die These links stehender Historiker, sei eine historische Chance zur Transformation der amerikanischen Gesellschaft verpasst worden; stattdessen habe der McCarthyismus für längere Zeit alle progressiven Optionen erstickt [S 5.1]. Dem gegenüber hat der Verfasser [B 5.1] die Legitimität des liberalen Antikommunismus betont und bestritten, dass etwa der Kampf für die schwarzen Bürgerrechte ein Opfer der „Red Scare“ geworden sei. Vielmehr waren die Rückwirkungen des Kalten Krieges auf die Rassenfrage durchaus ambivalent. Einerseits versuchten die Hüter der weißen Vorherrschaft die Bürgerrechtsbewegung als kommunistische Verschwörung zu diffamieren, andererseits haben zahlreiche neuere Arbeiten gezeigt, dass die ideologische Konfrontation mit dem Kommunismus den nationalen und internationalen Diskurs zugunsten der Bürgerrechtler beeinflusste [D 5.1; B 5.1]. Die Forschungstrends zur Bürgerrechtsbewegung werden unten näher behandelt (vgl. Kap. II.5.3). Viele Historiker haben die Brown-Entscheidung des Supreme Court zur Verfassungswidrigkeit der Rassentrennung in Schulen zu Recht als halbherzig kritisiert, aber ihre historische Bedeutung ist nicht ernsthaft anzuzweifeln. M. K [5.1] hat überzeugend argumentiert, dass diese primär in der Mobilisierung des gewalttätigen weißen Rassismus lag, der schließlich den Umschwung der öffentlichen Meinung auf nationaler Ebene bewirkte und das Eingreifen der Bundesregierung erzwang. Auch wenn die Mehrheit der weißen Südstaatler sich nicht an Ausschreitungen und Ter-

4. Von 1945 bis ins 21. Jahrhundert

125

rorakten beteiligte, bildeten die Extremisten durchaus einen repräsentativen Querschnitt der weißen Bevölkerung, die in ihrer überwältigenden Mehrheit an der Rassentrennung festhalten wollte [W 5.1]. Vor allem John F. Kennedy wird von Historikern scharf dafür kritisiert, dass er in der Rassenfrage nur zögernd die Initiative ergriff, doch schmälert dies nicht die epochale Bedeutung der von den Kennedy- und Johnson-Administrationen durchgesetzten Bürgerrechtsreformen. Eine Bilanz der Innen- und Außenpolitik Kennedys bietet der Band von M. B/A E [5.1], in Johnsons Great Society führt J. A [5.1] ein. Die 1950er gelten gemeinhin als Dekade des sozialen Konformismus, die 1960er als Jahrzehnt der Rebellion. Neuere kultur- und geschlechtergeschichtliche Studien haben diese Dichotomie inzwischen gründlich demontiert. Die weiße Mittelklasse hatte schon in den fünfziger Jahren eine Vorliebe für Rebellen [H 5.1], die amerikanischen Frauen entsprachen keineswegs dem Fernsehklischee der Vorstadthausfrau [M 5.1] und die sexuelle Revolution begann im amerikanischen Kernland schon vor der „freien Liebe“ der Hippies [B 5.1]. Gleichwohl markieren die „Sixties“ im historischen Bewusstsein der Amerikaner ebenso wie in der Geschichtswissenschaft eine deutliche Zäsur. Das konservative Geschichtsbild macht die Kulturrevolution der 1960er Jahre für den angeblichen Werteverfall und den Niedergang der Nation in den siebziger Jahren verantwortlich, der erst durch die „Reagan Revolution“ gestoppt worden sei. In der akademischen Geschichtsschreibung dominierte lange ein spiegelverkehrtes Niedergangsnarrativ, demzufolge ein übermächtiger backlash die Hoffnungen und Errungenschaften der „Sixties“ wieder zunichte gemacht hatte. Inzwischen setzen sich jedoch selbst dezidiert linke Autoren von dieser Sichtweise ab und betonen die Kontinuitäten progressiver sozialer Bewegungen [G/M 5.2]. Der neue Konsens läuft darauf hinaus, dass sich zwar die Anhänger des Marktkapitalismus durchgesetzt hätten, aber die Kulturrevolution unter dem Banner des Multikulturalismus und des Individualismus fortgesetzt worden sei [B 5.2; B 5.2]. Gute Einführungen in die Themen und Debatten zur Kultur- und Gesellschaftsgeschichte der USA in den 1960er und 1970er Jahren haben D. F und B. B [5.2] zusammengestellt. Die internationalen Verflechtungen zwischen den Protestbewegungen der „Global Sixties“ sind seit Längerem ein wichtiges Forschungsfeld, zu dem insbesondere deutsche Historikerinnen und Historiker viel beachtete Beiträge geleistet haben [K 5.2; G-H 5.2; D u. a. 5.2]. Die transatlantischen Einflüsse verliefen weitgehend von Westen nach Osten, wobei das wichtigste Bindeglied der Protest gegen den Vietnamkrieg war. Dieser nimmt in der amerikanischen Historiografie nach wie vor eine zentrale Stellung ein. Die beste Einführung in das ständig wachsende Schrifttum ist die von D. A [5.2] herausgegebene Columbia History of the Vietnam War, zu der führende Vietnamhistoriker beigetragen haben. Die beste deutschsprachige Gesamtdarstellung bleibt M. F [5.2]. Die apologetische Behauptung vieler Entscheidungsträger, in den Indochinakonflikt hineingeschlittert zu sein, findet in der akademischen Geschichtsschreibung ebenso wenig Resonanz wie

John F. Kennedy

Gesellschaftlicher Umbruch in den 1960ern

Global Sixties

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Vietnamkrieg

Richard Nixon

Détente

Jimmy Carter

II. Grundprobleme und Tendenzen der Forschung

der Mythos, John F. Kennedy habe kurz vor seinem Tod den Rückzug einleiten wollen. Die amerikanische Vietnampolitik beruhte auf einer bewussten Eskalationsstrategie, der es indessen an klaren Vorstellungen mangelte, wie der Krieg politisch und militärisch gewonnen werden konnte. Im populären Geschichtsbild kursieren zahlreiche Verschwörungs- und Verratslegenden über die amerikanische Niederlage. Um die vermissten US-Soldaten (MIA) und angeblich jahrzehntelang in geheimen Lagern schmachtenden Kriegsgefangenen (POW) entwickelte sich eine bizarre, doch politisch schlagkräftige Subkultur, die lange eine Normalisierung der Beziehungen zu Vietnam verhinderte [A 5.2]. Für die historische Erinnerung in den USA wie für die USHistoriografie gilt gleichermaßen, dass die vietnamesische Perspektive, zumal das enorme Leiden der Zivilbevölkerung, meist eine Blindstelle bleibt. Das beste Buch zu den amerikanischen Kriegsverbrechen stammt vom deutschen Historiker B. G [5.2], der die Verantwortung für die Gewaltexzesse bei den militärischen und politischen Entscheidungsträgern sieht. Die profunden Rückwirkungen des Vietnamkrieges auf Politik und Gesellschaft der USA stellt M. S [At Water’s Edge, 5.2] dar. Die wachsende Frustration der „schweigenden Mehrheit“ über den nicht zu gewinnenden Krieg und die als unpatriotisch empfundene Antikriegsbewegung waren die wichtigsten Gründe für die konservative Wende, die Richard Nixon 1968 den Wahlsieg bescherte. Nixon hatte den Amerikanern einen ehrenvollen Frieden versprochen, doch tatsächlich verschärfte er den Krieg, ohne am Ende die Niederlage verhindern zu können. Die Vietnampolitik ist das gewichtigste Argument derjenigen Nixon-Kritiker, die sich weigern, zwischen dem brillanten außenpolitischen Strategen und dem kriminellen Innenpolitiker zu unterscheiden, und dem Präsidenten sowie seinem Sicherheitsberater und Außenminister Henry Kissinger skrupellose Machtpolitik vorwerfen. Dass die Öffnungspolitik gegenüber der VR China, die Entspannungspolitik gegenüber der Sowjetunion und das Krisenmanagement im Nahen Osten diplomatische Glanzleistungen waren, ist freilich nicht ernsthaft zu bestreiten. Die von einigen Historikern vertretene Ansicht, Nixon sei im Grunde der letzte liberale Präsident in der Tradition des New Deal gewesen [H 5.2], hat objektiv einiges für sich, entspricht aber kaum seinem Selbstverständnis. Der jüngst erschienene Blackwell Companion to Richard Nixon [S, Companion, 5.2] zeigt, wie kontrovers sein Bild in der Geschichtswissenschaft bleibt, erinnert aber auch daran, dass Nixon ein halbes Jahrhundert der US-Politikgeschichte mit gestaltete. Einen „Nixon ohne Watergate“ kann es nicht geben, die Affäre steht bis heute paradigmatisch für die Gefahren der „imperialen Präsidentschaft“ [G 5.2]. Praktische Konsequenzen sind daraus allerdings kaum gezogen worden, wie die Präsidentschaft George W. Bushs einmal mehr deutlich gemacht hat. „Watergate“ dient als Chiffre einer tiefen Vertrauenskrise, die das gesamte Jahrzehnt andauerte. Präsident Jimmy Carter hat von Historikern durchaus Anerkennung dafür erfahren, dass er diese Krise offen beim Namen nannte [H 5.2], doch gilt seine Präsidentschaft bis heute als Höhepunkt der amerikanischen Malaise. Obwohl Carter später zum respektierten elder statesman wurde, halten B. und S. K [5.2] daran fest, dass seine gute

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Absichten seine administrativen und politischen Defizite nicht aufwiegen. Fraglich bleibt indessen, ob ein stärkerer Präsident die wirtschaftliche und politische Krisenkonstellation hätte lösen können. In das kollektive Gedächtnis der Amerikaner gingen die siebziger Jahre als ein Jahrzehnt des fortgesetzten Missvergnügens ein, als eine Zeit des schlechten Geschmacks, der außenpolitischen Demütigungen und innenpolitischen Krisen, der Benzinrationierung und zweistelligen Inflation. In der Rückschau sehen Historiker das Jahrzehnt jedoch vor allem als eine Periode der Transformation, die B. S [5.2: XII] als „bedeutendste Wasserscheide der modernen US-Geschichte“ bezeichnet hat. Die wirtschaftlichen Schwerpunkte verlagerten sich vom industriellen Norden in den vom Dienstleistungssektor geprägten „Sonnengürtel“ von Südkalifornien bis South Carolina, der konservative Süden gewann politisch immer mehr an Einfluss, das Vertrauen in die Problemlösungskompetenz des Staates wich dem Glauben an die Kräfte des freien Marktes und einem kompromisslosen Individualismus; der Schriftsteller Tom Wolfe prägte den Slogan von der „me decade“ [B 5.2: 5]. Im Geschichtsbild konservativer Amerikaner leitete die Wahl Ronald Reagans zum US-Präsidenten die Wende ein, die Amerika neue Stärke und neues Selbstbewusstsein gab. Tatsächlich zeichnen die neueren Darstellungen zur Präsidentschaft Reagans ein überwiegend positives Bild, das Reagan nicht als Ideologen, sondern als nationale Integrationsfigur porträtiert [E 5.3; T 5.3]. Selbst der prominente liberale Historiker S. W [5.3], der Reagans Politik sehr kritisch sieht, betitelte seine Geschichte der dreieinhalb Jahrzehnte zwischen Nixons Rücktritt und dem Ende der Präsidentschaft George W. Bushs The Age of Reagan, weil Reagan die prägende politische Figur der amerikanischen Zeitgeschichte gewesen sei. R. C [5.3] hat allerdings darauf aufmerksam gemacht, dass sich in der Reagan-Ära zwar die politischen Kernbotschaften des Konservatismus – Antikommunismus und freier Markt – durchsetzten, die amerikanische Gesellschaft jedoch gleichzeitig individualistischer, säkularer und multikultureller wurde. Die Debatten um das Ende des Kalten Krieges ähneln denen über seine Ursprünge, insofern sie ähnliche Fragen nach der Rolle von Personen sowie nach dem Verhältnis von historischer Kontingenz und Notwendigkeit stellen. War Reagans Politik der Verbindung von militärischer Stärke mit geschickter Konzilianz gegenüber Moskau der Hauptgrund für das Ende des Kalten Krieges und den Triumph des Westens [J. L. G 5.1], oder gebührt das Hauptverdienst Gorbatschow, der die Konfrontation durch einseitige Konzessionen aufbrach [L 5.1]? War Reagans globale antikommunistische Offensive bis 1985 ein gefährliches Vabanquespiel, das die Reformkräfte in der Sowjetunion schwächte und leicht zum Atomkrieg hätte führen können, oder war die Sowjetunion allein aus ökonomischen Gründen zum Kurswechsel gezwungen? Während viele Historiker die These, amerikanischer Druck habe die Sowjetunion in die Knie gezwungen, für überzogen halten [L/W 5.1, Bd. III], bestreitet niemand, dass die US-Diplomatie unter Reagan und George H.W. Bush in der entscheidenden Phase zwischen 1986 und 1991 besonnen und konstruktiv agierte. Dass Präsident Bush seine außenpolitischen Triumphe

Die 1970er

Die Reagan-Revolution

Ende des Kalten Krieges

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Der 11. September

Finanzkrise

II. Grundprobleme und Tendenzen der Forschung

in Europa und am Golf nicht zu einer Wiederwahl verhalfen, war zugleich ein deutliches Zeichen für den Primat der Innenpolitik, der unmittelbar nach dem Ende des Kalten Krieges einsetzte. Bush scheiterte nicht nur an der Rezession, sondern auch daran, dass es ihm nicht gelang, die konservative Basis der Republikaner zu mobilisieren [G 5.3]. Die Geschichte der USA seit dem Ende des Kalten Krieges steht im Schatten der Terroranschläge des 11. September 2001. W. O’ [5.3] hat die neunziger Jahre als „Zwischenkriegszeit“ bezeichnet, in der die Amerikaner Frieden und Prosperität genossen, das Land seine großen Chancen aber nicht genutzt habe, sondern immer mehr der kulturellen Verflachung anheimgefallen sei. Der 11. September wurde weltweit sofort als ein epochales Geschehen empfunden und markiert nach Auffassung des Verfassers eine bedeutende historische Zäsur [B 5.3]. Die Publikationsflut, die unmittelbar nach den Ereignissen zu 9/11 einsetzte, kann hier nicht diskutiert werden. Eine lesenswerte deutschsprachige Darstellung der Ereignisse und ihrer Folgen hat kürzlich B. G [5.3] vorgelegt. Führende amerikanische Historikerinnen und Historiker reagierten auf die Anschläge mit verdienstvollen Analysen des Verhältnisses der USA zur arabisch-islamischen Welt und seiner historischen Kontinuitäten sowie der kulturellen und politischen Dispositionen, die Amerikas Reaktion bestimmten [M 5.3; D 5.3]. M. Ys These [Ground Zero. Enduring War, in: D 5.3: 10–34], die Administration George W. Bushs versuche die Anschläge dazu zu nutzen, die globale Hegemonie der USA unilateral und mit militärischer Gewalt voranzutreiben, hat angesichts der Vorgeschichte und Umstände des Irakkriegs einige Überzeugungskraft. Während der Bush-Regierung vielfach ökonomische und strategische Motive unterstellt werden, deutet S. B [5.3] den Irakkrieg primär als einen „Akt imperialer Selbstbestätigung“ nach der Erniedrigung durch den 11. September. Dass Präsident George W. Bush und seine Berater subjektiv von ihrer eigenen missionarischen Rhetorik überzeugt waren, ist kaum zu bezweifeln, doch beruhte ihre Irakpolitik, wie Insider enthüllten [D 5.3], auf einem schier unglaublichen Maß an Arroganz und Ignoranz. Die Reaktion der USA auf 9/11 und der „Krieg gegen den Terror“, einschließlich der Kriege in Afghanistan und Irak sowie der zahlreichen Menschenrechtsverletzungen, werden zukünftig ein großes historisches Forschungsfeld eröffnen. Vorerst muss noch auf journalistische Recherchen verwiesen werden [W 5.3.; M 5.3]. Die unmittelbaren wirtschaftlichen Folgen des 11. September 2001 waren marginal im Vergleich zur Finanzkrise, die 2008 die USA und die Welt erfasste. Den Aufstieg der „Finanzindustrie“ behandeln G. K [6.9] und J. S [6.9], die beide die siebziger Jahre als entscheidende Transformationsphase ansehen, als der Niedergang des industriellen Sektors begann und die Politik die Deregulierung der Finanzmärkte vorantrieb. J. Ss Hoffnung auf eine Wiederherstellung der industriellen Basis, einschließlich gut bezahlter Arbeitsplätze und starker Gewerkschaften, erscheint allerdings illusorisch. Der Preis für billige Konsumgüter und Dienstleistungen sind niedrige Löhne und unsichere Jobs, das Modell Wal-Mart, der globale Kaufhausgigant aus Arkansas, hat längst das Modell General Motors abgelöst, das in den fünfziger Jahren für Ar-

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beitsplatzsicherheit, hohe Löhne und Aufstiegschancen stand [L, Retail Revolution, 6.9]. Dass der globale Kapitalismus die soziale Ungleichheit verschärft und vielen Amerikanern unsichere Lebens- und Arbeitsverhältnisse beschert hat, ist ein nicht zu bestreitender empirischer Befund [G 5.3], der in der US-Historiografie und Sozialwissenschaft zu Recht betont wird. Selbst der prominente konservative Soziologe und Ökonom C. M [5.3] beklagt die Wiederkehr der Klassengesellschaft und den Verlust der sozialen Mobilität, die insbesondere das Bild des weißen Amerika dramatisch verändert hätten. Auf der einen Seite habe sich eine Klasse der Superreichen zunehmend aus der gesellschaftlichen Bindung verabschiedet, während auf der anderen Seite eine ressentimentgeladene weiße „Unterklasse“ entstanden sei. Das große Paradox der zeitgenössischen USA ist, dass trotz der enormen Dynamik und Innovationsfähigkeit, die Amerikas Wirtschaft in den vergangenen Jahrzehnten immer wieder unter Beweis gestellt hat, der amerikanische Traum vom sozialen Aufstieg durch Leistung an Realitätsgehalt verloren hat. Neben der wachsenden sozialen Ungleichheit sind die Fragmentierung der amerikanischen Gesellschaft und die Polarisierung der politischen Kultur zentrale Themen zeitgeschichtlicher Debatten und Analysen. In The Age of Fracture spürt D. R [5.4] dem Zerfall des politischen und sozialen Grundkonsenses in den intellektuellen Diskursen des späten 20. Jahrhunderts nach. Der Siegeszug des freien Marktes und partikulare Identitäten hätten einstmals verbindliche Vorstellungen von kollektiven Zielen und Werten verdrängt. Die neue Unsicherheit provozierte scharfe Auseinandersetzungen über gesellschaftliche und religiöse Normen, die seit den frühen neunziger Jahren als culture wars bezeichnet werden [H 5.4]. Allerdings ist immer wieder behauptet worden, dass die Kulturkriege vor allem von den politischen Eliten angezettelt würden und von einer Polarisierung der amerikanischen Bevölkerung keine Rede sein könne. Angesichts der andauernden ideologischen Schlachten um Abtreibung, Homosexualität, Schulgebet usw. ist jedoch nicht daran zu zweifeln, dass die Kulturkriege ein hohes gesellschaftliches Konfliktpotenzial widerspiegeln. Inzwischen gibt es eine zweibändige Enzyklopädie zu den culture wars mit rund 400 Einträgen [C 5.4], die dem Leser hilft, sich auf den unübersichtlichen Schlachtfeldern zu orientieren, und zudem deutlich macht, dass Kulturkriege in der amerikanischen Geschichte kein Novum sind. Nach Ansicht vieler Historiker ist vor allem der neue militante Konservatismus für die Polarisierung verantwortlich. Der Siegeszug des Konservatismus ist seit Mitte der neunziger Jahre zu einem beherrschenden Thema der amerikanischen Zeitgeschichtsschreibung geworden. Die Zahl der einschlägigen Publikationen wächst rapide, eine gute Bestandsaufnahme gibt ein Round Table im Journal of American History aus dem Jahre 2011 [P-F 5.4], dessen Beiträge zugleich deutlich machen, dass es den zumeist linksliberalen US-Historikern immer noch schwerfällt, den Konservatismus als legitime politische Kraft zu akzeptieren. Immerhin haben die neuen Forschungen die stereotype Vorstellung aufgegeben, die amerikanische Rechte sei bis in die 1970er Jahre hinein eine randständige, aus provinziellen Modernisierungsverlierern bestehende Bewegung gewesen [C, The Triumph of

Soziale Ungleichheit

Kulturkriege

Aufstieg des Konservatismus

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Tea Party

Rights Revolution

II. Grundprobleme und Tendenzen der Forschung

Conservatives in a Liberal Age, in: A/R 5: 303–327]. Mehrere Studien haben gezeigt, dass der Konservatismus schon vor den turbulenten Sixties eine gut organisierte Bewegung mit potenten Geldgebern und weitreichender politischer Vernetzung war [P-F 5.4; L 5.4]. Auch die backlash-These, der zufolge populistische Politiker auf der Rechten das Missvergnügen der weißen Arbeiterklasse an Rassenintegration und Protestbewegungen instrumentalisiert hätten und diese Strategie bis heute mit der Entfesselung immer neuer Kulturkriege fortsetzten [F 5.4], reicht als Erklärung für die anhaltende Hegemonie des Konservatismus nicht aus. L. MG [5.4] hat mit ihrer Pionierstudie zu Orange County in Kalifornien nachgewiesen, dass die konservative Bewegung besonders in den wachsenden Vorstädten gedieh, wo die prosperierende weiße Mittelklasse wohnte. Eine kaum zu überschätzende Rolle spielte die Politisierung der evangelikalen Christen, die sukzessive maßgeblichen Einfluss auf die Republikanische Partei gewannen [W 5.4; D 5.4]. Die Allianz von christlichem Konservatismus und freiem Unternehmertum analysiert B. M [5.4] am Beispiel von Wal-Mart. Dass der antielitäre und populistische Konservatismus in den USA kaum etwas mit dem europäischen Verständnis von Konservatismus zu tun hat, betonen J. M und A. W [5.4.]. Allein wegen seiner ideologischen Heterogenität wurde dem amerikanischen Konservatismus in den vergangenen Jahrzehnten immer wieder der baldige Niedergang vorausgesagt, zuletzt von D. F [5.4], der die Wahl Obamas zum Anfang vom Ende erklärte. Tatsächlich führte Obamas Politik zunächst einmal zur Entstehung der radikal-konservativen Tea-Party-Bewegung, die das Banner gegen Steuern und angebliche staatliche Tyrannei schwenkt. Empirische Untersuchungen zur Tea Party brachten allerdings zutage, dass ihre Anhänger und Aktivisten weit überproportional ältere weiße Bürger der Mittelklasse sind, die durchaus solche Regierungsprogramme befürworten, von denen sie selbst profitieren, wie z. B. die Gesundheitsbeihilfe Medicare und das Rentensystem Social Security, aber Sozialprogramme für Arme, Immigranten und Minderheiten strikt ablehnen [S/W 5.4]. So unwahrscheinlich der baldige Niedergang des Konservatismus ist, so wenig begründet sind umgekehrt die Thesen von einem umfassenden backlash gegen die Errungenschaften der kulturellen Liberalisierung und der diversen Bürgerrechtsbewegungen. In The Minority Rights Revolution hat J. S [5.4] darauf aufmerksam gemacht, dass die Expansion der Rechte für Minderheiten und Frauen durchaus auch von konservativen Politikern mitgetragen wurde. Dass sich die gesellschaftliche und rechtliche Stellung der amerikanischen Frauen radikal und unumkehrbar gewandelt hat, demonstriert die Synthese von S. E [5.4], die von einem Triumph des Feminismus spricht. Als ähnlich erfolgreich kann die Bewegung für die Rechte von Homosexuellen eingeschätzt werden [E 5.4]. Sehr viel umstrittener bleibt dagegen, ob die Bürgerrechtsbewegung tatsächlich zu Gleichberechtigung und Integration der Afroamerikaner geführt hat. In seiner ausgewogenen Geschichte der affirmative action zeigt T. A [5.4], dass die gezielte Förderung zur Ent-

4. Von 1945 bis ins 21. Jahrhundert

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stehung einer schwarzen Mittelklasse beigetragen hat. Dennoch argumentieren zahlreiche Autoren, dass informelle Rassen- und Klassenschranken weiterhin große Teile der afroamerikanischen Bevölkerung und andere Minderheiten von den Segnungen des amerikanischen Traums ausschließen und die soziale Segregation perpetuieren [C 5.4]. Das Ideal der angeblich farbenblinden Leistungsgesellschaft halten viele Kritiker für eine neue Legitimationsstrategie des weißen Rassismus. Rassendiskriminierung ist vor allem in der Strafjustiz weiterhin evident. Den extrem hohen Anteil von Afroamerikanern unter den Strafgefangenen deutet M. A [5.4] als Ausdruck eines rassistischen Kontrollsystems unter dem Deckmantel des Strafrechts. Während offene Rassendiskriminierung nicht mehr zulässig ist, erlauben praktisch alle Bundesstaaten die Einschränkung der Bürgerrechte von Vorbestraften, bis hin zum Verlust des Wahlrechts auf Lebenszeit. Dass die USA im Vergleich zu Westeuropa ein extrem drakonisches Strafrecht haben, wird oft mit dem populistischen Charakter der amerikanischen Demokratie erklärt. M. G [5.4] hat darauf hingewiesen, dass auch der im Zuge der rights revolution forcierte Diskurs über Opferrechte dazu beigetragen hat, eine auf Vergeltung beruhende Strafjustiz zu legitimieren. Inbegriff der Rachejustiz ist die Todesstrafe, auch wenn sich in den letzten Jahren die Anzeichen dafür mehren, dass sie an Unterstützung verliert. Einen guten Überblick über ihre Geschichte gibt J. M [6.10.], der zusammen mit A. S [6.10] kürzlich einen vergleichenden Band zur Todesstrafe in Europa und den USA publiziert hat. Ob die Todesstrafe in den USA in absehbarer Zeit tatsächlich abgeschafft wird, bleibt abzuwarten. Das deutliche Absinken der Gewaltkriminalität seit den neunziger Jahren [Z 5.4] hat bislang kaum zu einer milderen Stimmung in der US-Öffentlichkeit geführt; viele Kommentatoren sehen den Rückgang vielmehr als Erfolg der kompromisslosen Politik des Wegsperrens. In den zurückliegenden Jahrzehnten haben sich die Vereinigten Staaten zu einer so vielfältigen und oft widersprüchlichen Gesellschaft entwickelt, dass generalisierende Aussagen nur schwer möglich sind. Die Dauerhaftigkeit und die längerfristigen Auswirkungen gegenwärtiger Trends sind kaum absehbar. Es bedarf jedoch wenig prophetischer Gabe, einige der zentralen Themen vorherzusagen, die im Zentrum der künftigen Geschichtsschreibung zur Gesellschaftsgeschichte der USA im späten 20. und frühen 21. Jahrhundert stehen werden. Ein wichtiges Feld werden der Prozess und die Konflikte um die Ablösung der euroamerikanischen Dominanz und die Herausbildung der multiethnischen und multikulturellen Gesellschaft sein. Zweitens steht zu erwarten, dass Auswirkungen der Globalisierung, die Krisen des Kapitalismus und die wachsende soziale Ungleichheit die Historiker beschäftigen und möglicherweise auch zu einer Renaissance der Wirtschafts- und Sozialgeschichte führen werden. Und schließlich könnte auch die Politikgeschichte eine neue Blüte erleben, wenn Historiker sich ernsthaft der Dauerblockade des amerikanischen politischen Systems zuwenden. Ansätze in diese Richtung sind durchaus erkennbar [J/N/Z 1.5].

Rassismus der Strafjustiz

Todesstrafe

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II. Grundprobleme und Tendenzen der Forschung

5. Ausgewählte Themenfelder und Teildisziplinen 5.1 Außenpolitik und Transnationale Beziehungen

Krise der Diplomatiegeschichte

Transcultural Turn

Außenpolitikgeschichte

Noch vor rund zwanzig Jahren befand sich die Forschung zur Geschichte der amerikanischen Außenbeziehungen nach eigener Einschätzung in der Krise und bedurfte dringend der Erneuerung [H/P 6.1]. „Diplomatiegeschichte“ galt als hoffnungslos rückständig, weil sie angeblich auf staatliche Akteure und nationale Interessen fixiert war und deshalb den Anschluss an die Geschichte von unten ebenso zu verpassen drohte wie an den Prozess der Globalisierung, der den Nationalstaat scheinbar obsolet machte. Schon die von M. H [6.1] um die Jahrtausendwende zusammengestellten Überblicke zeigten jedoch, dass diese Kritik weit überzogen war. Die jüngsten historiografischen Bestandsaufnahmen [Z 6.1; M, The United States in the World, in: F/MG, 1.5: 201–220] verströmen inzwischen unverhohlene Genugtuung, dass die Disziplin nicht nur den Anschluss an den historiografischen Mainstream geschafft habe, sondern im Zuge des „transcultural turn“ sogar in der Vorhut der Geschichtswissenschaft marschiere. Auch wenn die Society for the Historians of American Foreign Relations (S) noch traditionsbewusst an ihrem Namen und an dem ihrer Fachzeitschrift Diplomatic History [1.4] festhält, bevorzugen viele Historiker heute Bezeichnungen wie: „Die USA in der Welt“, wenn sie ihr Arbeitsgebiet umreißen. In der Tat hat das Feld seine theoretischen, methodischen und thematischen Perspektiven dramatisch erweitert. Aus der Politikwissenschaft wurden die Theorien der internationalen Beziehungen rezipiert, aus der Kulturgeschichte der „linguistic turn“ und die Analysekategorien race und gender. Zu den staatlichen Entscheidungsträgern gesellten sich transnationale zivilgesellschaftliche Akteure. Zu Krieg, Frieden, Macht und Handel traten neue Themen wie Menschenrechte und Umweltschutz. Die eurozentrische Perspektive erhielt durch das neue Interesse an anderen Weltregionen, an den Beziehungen der USA zu nichtwestlichen Nationen und an der imperialen Rolle Amerikas Konkurrenz. Gleichwohl hat sich die „klassische“ Geschichte der Außenpolitik durchaus behauptet. Die Beiträge zu den wichtigsten Referenzwerken [S 6.1; D u. a. 6.1] konzentrieren sich weiterhin auf ereignisgeschichtliche Komplexe und zwischenstaatliche Beziehungen; das einschlägige Lehrbuch der Major Problems in American History [M/P 6.1] enthält ganz überwiegend Quellen staatlicher Provenienz. G. Hs From Colony to Superpower [6.1] dürfte auf längere Sicht die maßgebliche Synthese der amerikanischen Außenpolitik bleiben. Unter den deutschsprachigen Publikationen auf diesem Gebiet ist K. S [6.1] hervorzuheben, dessen Darstellung der US-Außenpolitik seit 1898 dem Leitmotiv folgt, wie die USA versuchten, eine liberal-demokratische Weltordnung unter ihrer Führung zu etablieren. Auch der biografische Zugang zur Geschichte der US-Außenpolitik ist keineswegs aus der Mode gekommen, sondern wird in letzter Zeit gerade von Historikern gepflegt, die wesentliche Impulse zur Erneuerung der Diplomatiegeschichte

5. Ausgewählte Themenfelder und Teildisziplinen

133

gegeben haben. J. S [6.1] etwa bettet seine Biografie Henry Kissingers in die Globalgeschichte des „amerikanischen Jahrhunderts“ ein. M. L [5.1] und F. C [6.1] wählen sogar ausgesprochen personalistische Ansätze, wenn sie betonen, dass Entscheidungen einzelner Politiker den Kalten Krieg ausgelöst bzw. beendet hätten und dass es darauf ankomme, die Persönlichkeiten, Motive, Gefühle und Ideenwelten dieser Entscheidungsträger zu verstehen. Auch wenn der Einsatz des Instrumentariums der neuen Kulturgeschichte dabei gute Dienste leisten mag, ist die Frage gestattet, ob hier nicht auch alter Wein in neuen Schläuchen serviert wird, so wenn F. C [6.1] argumentiert, dass die Fortsetzung der Anti-Hitler-Koalition von Franklin Roosevelts und Harry Trumans persönlicher Diplomatie gegenüber Stalin abhängig gewesen sei. Insgesamt hat sich das historiografische Spektrum zur internationalen Geschichte der USA auf beeindruckende Weise erweitert. Hier können nur stellvertretend einige der Autoren und Publikationen genannt werden, die die neuen Felder und Ansätze repräsentieren. Die Erkenntnis, dass internationale und transnationale Beziehungen auf allen Ebenen durch kulturelle Dispositionen geprägt werden, haben seit den 1980er Jahren E. R [6.1] und A. I [Culture and International History, in: H/P, 6.1:214–225] vorangetrieben. In der deutschen Geschichtswissenschaft hat J. G-H [6.1] diesen Ansatz konsequent verfolgt und dabei den anthropologischen Kulturbegriff mit dem traditionellen Feld der „Kulturdiplomatie“ verknüpft. Die der US-Außenpolitik zugrundeliegenden ideologischen Motive und Prägungen sind zwar kein neues Thema [H 6.1], gehören aber weiterhin zu den unverzichtbaren Interpretationsansätzen für Geschichte und Gegenwart, insbesondere das amerikanische Missionsbewusstsein und die Neigung, die Welt in gut und böse zu teilen [J 6.1; H 6.1]. M. L [6.1] hat gezeigt, wie die Modernisierungstheorie, die den amerikanischen Entwicklungspfad zum globalen Modell erklärte, im Kalten Krieg zur Leitlinie der US-Politik gegenüber der Dritten Welt wurde und Ideologien wie Manifest Destiny und den Imperialismus ablöste. Die Entdeckung der Prägekraft von Diskursen über Geschlecht und Rasse für die internationalen Beziehungen gehört zu den wichtigsten Innovationen auf diesem Gebiet, auch wenn gegenüber monokausalen Erklärungen wie Hs [4.3] These, eine Krise der Männlichkeit habe den SpanischAmerikanischen Krieg verursacht, Zurückhaltung geboten ist. Vorsichtiger argumentiert M. M [6.1], die im Image der Israelis als tatkräftige, männliche Pioniere nach dem Ebenbild der amerikanischen Gründungsmythen eine der kulturellen Wurzeln für die besonderen Beziehungen zwischen den USA und Israel sieht, ohne dass solche Images konkrete Entscheidungen determiniert hätten. Zusammen mit gender bildete race die diskursive Basis für die Legitimation der amerikanischen Zivilisierungsmission, wie zahlreiche Studien herausgearbeitet haben [K 4.3]. Einen guten Überblick über den Einfluss des Rassismus auf die US-Außenpolitik gibt M. K [6.1]. Darüber hinaus hat die Geschichtswissenschaft die Afroamerikaner als internationale Akteure entdeckt, die ihre Forderungen nach Gleichberechtigung auf der

Kultur und Ideologie

Gender und Race

134

Transnationale Geschichte

Amerikanisierung

II. Grundprobleme und Tendenzen der Forschung

Weltbühne zu Gehör brachten und sich gegen den Kolonialismus engagierten [R 6.1]. Faszinierend ist P.  Es Buch Satchmo Blows Up the World [6.1] über die US-Kulturdiplomatie im Kalten Krieg, die berühmte schwarze Jazzmusiker wie Louis Armstrong und Duke Ellington um die Welt schickte, um das internationale Image der der USA aufzupolieren, während die Musiker selbst ihre Missionen nutzten, um die Sache der Afroamerikaner vor der Weltöffentlichkeit zu vertreten. Studien wie Satchmo Blows Up the World bilden die Schnittstelle zwischen der Geschichte der US-Außenpolitik und der neuen transnationalen Geschichte, die nichtstaatlichen Akteuren und kulturellen flows nachspürt. Die Verabschiedung des Nationalstaats in die historiografische Mottenkiste und das Bekenntnis, dass Geschichte nur noch in ihren transnationalen, transkulturellen und globalen Verflechtungen verstanden werden könne, ist auch unter US-Historikern zum Mantra geworden. Einige Historiker, die substanzielle Werke zu den USA in der Globalgeschichte vorgelegt haben, distanzieren sich freilich ausdrücklich von der These, das Ende des Nationalstaates stehe bevor, und sehen ihre Aufgabe darin, dem Einfluss globaler Kräfte auf Nationen, Staaten und Gesellschaften nachzugehen [B 1.5 u. 6.1; M 6.1]. In den Theoriediskussionen zur Global- und Verflechtungsgeschichte der letzten Jahre ist manchmal in Vergessenheit geraten, dass das Ausmaß, in dem Menschen, Ideen, Technologien und Institutionen nationale Grenzen überschreiten [T 6.1], und die Einflüsse, die sie entfalten, empirische Fragen sind, die im konkreten Fall nur schwer zu beantworten sind. Die Versuchung, Ausmaß und Wirkung transnationaler Transfers aufzubauschen, wird in einigen Arbeiten allzu offenkundig, so in A. Zs Buch [6.1] über eine zu Beginn des 20. Jahrhunderts von der deutschen Botschaft in Washington initiierte Expedition afroamerikanischer Agrarexperten in die deutsche Kolonie Togo mit dem Ziel, eine Baumwollwirtschaft nach dem Vorbild des amerikanischen Südens aufzubauen. Selbstverständlich gibt es eine Vielzahl brillanter Studien zur transnationalen Geschichte [A 3.1; R 4.3], und niemand wird ernsthaft bestreiten, dass die Verflechtungsgeschichte eine große Bereicherung nicht nur der amerikanischen Geschichte darstellt. Ärgerlich ist jedoch, wenn manche ihrer Protagonisten gleichsam einen Monopolanspruch erheben und die vergleichende Sozialgeschichte für überflüssig erklären. Der von C. M und K. P [6.1] herausgegebene Band Wettlauf um die Moderne: Die USA und Deutschland 1890 bis Heute belegt, wie sich Vergleich und Verflechtung fruchtbar miteinander verbinden lassen. Auch ist die transnationale Geschichte nicht ganz so neu, wie oft behauptet wird, denn Historiker haben sich immer schon für grenzüberschreitende kulturelle Einflüsse interessiert. Die seit vielen Jahrzehnten geführte Debatte über die „Amerikanisierung“ Westeuropas und Deutschlands ist dafür ein instruktives Beispiel. Das Paradigma der Amerikanisierung ging zunächst von einem „top-down“-Modell kultureller Kolonisierung aus, heute bezeichnet der Begriff einen komplexen Prozess der Aneignung amerikanischer Einflüsse gemäß den Traditionen und Kontexten der Empfängerkulturen. Gute Überblicke über den Forschungsstand finden sich bei D. J [5.1] und A. S [6.1]. E. M-

5. Ausgewählte Themenfelder und Teildisziplinen

135

s [6.1] Wilsonian Moment nimmt eine ähnliche Perspektive ein, indem der Autor untersucht, wie Wilsons Rhetorik nationaler Selbstbestimmung, entgegen den Absichten des US-Präsidenten, den antikolonialen Nationalismus von Ägypten bis Korea anfachten. Ms Buch exemplifiziert die durchaus wohltuende Wirkung des „transnational turn“ auf die US-Diplomatiegeschichte, die sich lange Zeit ganz überwiegend auf amerikanische Entscheidungsprozesse, Akteure, Ideen und Interessen konzentriert hatte. Kritiker geben allerdings zu bedenken, dass bei einer zu starken Fixierung auf nichtamerikanische Akteure erstens die innenpolitischen Triebkräfte der US-Außenpolitik aus dem Blick zu geraten drohen und zweitens die realen Machtasymmetrien des internationalen Systems bagatellisiert werden. Die USA, so F. L [Politics and Foreign Relations, in: Z 6.1: 1074–1078], seien nicht einfach eine Macht unter vielen, sondern seit Langem die bestimmende Weltmacht. Historiker wie F. L und T. Z, die an staatlicher Macht und Politik als dem Kern internationaler Beziehungen festhalten wollen, fürchten, dass ihre Disziplin durch die transnationale und kulturalistische Wende ihre Identität verlieren könnte; anderen, wie H [Hop off the Bandwagon, in: Z 6.1: 1087–1091], geht die Öffnung noch lange nicht weit genug. Die Debatte über die Frage, ob Amerika ein Imperium war und ist bzw. ob es eines sein sollte, wird seit langem geführt, hat aber seit dem Ende des Kalten Krieges und vor allem nach den Ereignissen des 11. September 2001 eine neue Konjunktur erlebt. Das historische Argument lässt sich in diesen Diskussionen schwer vom politischen Urteil trennen. Einen guten Einstieg erlaubt der deutschsprachige Band von U. S/N. S [6.1], der Beiträge der prominentesten amerikanischen und europäischen Autoren versammelt. In der inneramerikanischen Debatte dominierte lange die Vorstellung, die USA könnten allein aufgrund ihrer antikolonialen Genese gar kein klassisches Imperium sein. Bei dem imperialistischen Intermezzo nach 1898 habe es sich um eine kurze Verirrung gehandelt, Amerikas wahre Mission sei die Verwirklichung einer liberalen Weltordnung (vgl. Kap. II.4.3). Die Anhänger einer realistischen Außenpolitik warnen, imperiales Streben widerspreche den nationalen Interessen, weil Amerika dabei nichts zu gewinnen habe, aber seine Seele und seine historische Sonderstellung verlieren werde [MD 6.1]. Die Historiker der in der links-progressiven Tradition stehenden Wisconsin School teilen die Sorge um Amerikas republikanisch-demokratische Grundwerte, sehen aber in der steten Expansion des American Empire – zunächst auf dem nordamerikanischen Kontinent und dann global – die eigentliche Dynamik der amerikanischen Geschichte. Eine neue Synthese dieser Argumentationsrichtung stammt von W. N [4.3]. Dagegen beklagt der in Harvard lehrende britische Historiker N. F [6.1] die mangelnde Bereitschaft der Amerikaner, ihrer imperialen Verpflichtung nachzukommen und die Nachfolge des British Empire als globalen Friedensstifters anzutreten. Auch der amerikanische Journalist und Historiker M. B [6.1] hält es für nötig, dass die USA die Rolle des „globocop“ annehmen, zieht aber im Hinblick auf Amerikas Willen und Fähigkeit eine weit positivere Bilanz als F.

Hegemonie der USA

Die Empire-Debatte

136

US-Militärinterventionen

USA und Mittlerer Osten

II. Grundprobleme und Tendenzen der Forschung

Während die Geschichte der US-Militärinterventionen oft als Lehrstück ruchloser imperialistischer Machtpolitik erzählt wird [K 6.1], argumentiert M. B, die USA hätten, von Ausnahmen abgesehen, meist im Interesse der einheimischen Bevölkerungen interveniert, die man vor Tyrannei und Chaos geschützt und mit den Segnungen der Zivilisation beglückt habe. Unter dem Eindruck der „ethnischen Säuberungen“ der neunziger Jahre sowie der Bedrohung durch den Terrorismus gewann die Idee eines wohlwollenden Imperiums, das Demokratie und Menschenrechte schützt, auch in linksliberalen Kreisen zeitweilig an Einfluss [S/S 6.1]. Weniger auf politische Handlungsanweisung denn auf historische Analyse zielen die Studien zur vergleichenden Weltgeschichte der Imperien, unter denen H. M [6.1] und C. M [6.1] herausragen. Beide plädieren dafür, Imperien als Ordnungsmodelle besonderer Art ernst zu nehmen, die im Unterschied zum System konkurrierender Nationalstaaten durchaus Vorteile böten. H. M sieht allerdings im Hinblick auf das Problem der imperialen Überdehnung keinen Unterschied zwischen dem Imperium Americanum und seinen historischen Vorgängern. Tatsächlich, so seine These, verschärfe der ideologische Missionseifer das Problem, da er die USA zum „moralischen Luxus“ humanitärer Interventionen zwinge, die man sich wirtschaftlich eigentlich gar nicht leisten könne. Die These, dass Amerika, wenn überhaupt, ein Imperium sui generis sei, beruft sich vor allem darauf, dass die USA keine territoriale Herrschaft über fremde Nationen anstrebten. Außer auf seine wirtschaftliche Stärke gründe sich Amerikas Einfluss in der Welt auf seine moralische Autorität und kulturelle Strahlkraft. Für das Verhältnis der USA zu Westeuropa nach dem Zweiten Weltkrieg mag dieses Argument einige Plausibilität besitzen, wobei der von G. L [6.1] geprägte Begriff des „Empire by Invitation“ aber eher metaphorisch zu verstehen ist. Für andere Weltregionen, etwa den Mittleren Osten, gilt dies kaum. Hier gründete sich das „informelle“, auf die Sicherung strategischer und ökonomischer Interessen zielende Imperium“ auf „hard power“, vor allem auf Militärhilfe für prowestliche Regime [G 6.1]. Über den imperialen Charakter amerikanischer Machtausübung in der Welt wird in der historischen Forschung wie der Publizistik auch zukünftig heftig gestritten werden. Der analytische Gewinn des Empire-Begriffs liegt indessen auch darin, dass Imperien als kulturelle Integrationsräume verstanden werden müssen. Ob die USA eine solche Integration über das eigene Territorium hinaus leisten können und wollen, ist fraglich. Unbestreitbar ist, dass kulturelle Integration eine der großen inneren Herausforderungen war und ist. 5.2 Einwanderung, Ethnizität und Rassenbeziehungen Einer der einflussreichsten Texte zur Geschichte der Einwanderung in die USA, O. Hs [6.2: 3] erstmals 1951 erschienenes Buch The Uprooted, begann mit der Feststellung: „Once I thought to write a history of the immigrants in America. Then I discovered that the immigrants were American history“.

5. Ausgewählte Themenfelder und Teildisziplinen

137

Alle Amerikaner, so Hs patriotische Botschaft, waren die Nachfahren von Immigranten, die ihren Beitrag zum Aufbau des Land geleistet hatten, der Prozess der Einwanderung und graduellen Amerikanisierung war die amerikanische Erfahrung schlechthin. Hs Epos beruhte auf einer Vorstellung, die heutige Historiker als „Ellis Island“-Modell apostrophieren [S, Race and Immigration 6.2] – benannt nach der Aufnahmestation im New Yorker Hafen (vgl. Kap. I.4.2), wo sich heute ein sehenswertes Museum befindet. Gemäß dem Ellis-Island-Modell – der Begriff des „Schmelztiegels“ (melting pot) spielt in der modernen Historiografie praktisch keine Rolle mehr – verließen die Auswanderer ihre Heimat in Richtung Amerika auf der Suche nach einem besseren Leben, kappten ihre Wurzeln und passten sich über ein bis zwei Generationen der angloamerikanischen Mehrheitskultur an. Die moderne Migrationsgeschichte hat dieses Modell vor allem aus drei Gründen hinter sich gelassen. Erstens ist es selbst auf die europäische Immigration nur eingeschränkt anwendbar. Die Forschungen der 1970er und 1980er fanden keine kulturell Entwurzelten, sondern ethnische Gruppen, die in Amerika eigenständige Gemeinschaften und Identitäten ausbildeten und zugleich Einfluss auf die aufnehmende Gesellschaft ausübten. Zweitens blendet das EllisIsland-Modell die Erfahrungen der nichtweißen Einwanderer aus. Und drittens versteht es Einwanderung in die USA als Einbahnstraße anstatt als Teil globaler Migrationsströme [M. N, Immigration and Ethnic History, in: F/MG, 1.5: 358–375]. Dagegen ist Hs Diktum, dass Einwanderung und die Interaktion ethnisch und rassisch definierter Bevölkerungen im Zentrum der amerikanischen Geschichte stehen, heute mehr denn je historiografischer Konsens [B, A Concise History, 6.2]. Allein die Aufzählung der stattlichen Zahl an Lehrbüchern, Überblicken und Quellensammlungen, die seit 2000 erschienen sind, würde den Rahmen dieser Einführung sprengen. Eine sehr gute Quellensammlung ist R. B [Columbia History, 6.2], für die Lehre ist auch N/G [6.2] empfehlenswert. R. D’ Standardwerk Coming to America [6.2] ist eine eher herkömmliche Einwanderungsgeschichte, dagegen hat P. S [Allmost all Aliens, 6.2] die bislang umfassendste Synthese vorgelegt, die Migrationsgeschichte mit der Geschichte der Ethnizität und der Rassenbeziehungen verbindet. Den Einstieg in die Spezialforschung und grundlegenden Konzepte des Feldes ermöglicht der Blackwell Companion to American Immigration [U 6.2]. Zu den wichtigsten jüngeren Entwicklungen gehört, dass die Migrationsgeschichte ihre Beschränkung auf die Geschichte der Einwanderung aus Europa aufgegeben und ihren Fokus auf nichtweiße Immigranten aus Asien und Lateinamerika gerichtet hat. Damit rückte das Spannungsverhältnis von Ethnizität und Rasse in den Mittelpunkt, und zugleich löste sich das Konzept der Rassenbeziehungen aus seiner Fixierung auf die Beziehungen zwischen Weißen und Afroamerikanern [F/F 6.2]. Beide Begriffe, ethnicity und race, rekurrieren auf Abstammungsgemeinschaften, die jedoch nicht im Sinne realer genetischer Entitäten, sondern als soziokulturelle, auf Fremd- und Selbstzuschreibungen basierende Konstruktionen verstanden werden. Der wichtigste

Ellis-Island-Modell

Referenzwerke

Asien und Lateinamerika

138

Ethnizität und Race

whiteness studies

Kritik der whiteness studies

II. Grundprobleme und Tendenzen der Forschung

Unterschied zwischen beiden besteht darin, dass sich Ethnizität auf kulturelle und sprachliche Gemeinschaften bezieht und im amerikanischen Sprachgebrauch lange fast ausschließlich auf Europäer beschränkt war, während die durch Hautfarbe und andere physische Merkmale definierte Rasse vor allem Weiße von Nichtweißen trennen sollte. Ethnizität als kulturelle Kategorie impliziert Offenheit und Pluralität, race fungierte dagegen als hartes Kriterium der Exklusion, Segregation und Hierarchiebildung [H, Ethnic and Racial Identity, in: U 6.2: 161–176]. Wohlmeinende Vorschläge, den Begriff Rasse ganz durch Ethnizität zu ersetzen, haben sich nicht durchsetzen können, weil die spezifische Erfahrungen von Afroamerikanern und nichtweißen Immigranten ohne die Begriffe Rasse und Rassismus nicht angemessen zu fassen sind. Die bedeutendste Innovation an der Schnittstelle von Rasse und Ethnizität sind die so genannten whiteness studies, die von der Erkenntnis ausgehen, dass auch die „weiße Rasse“ eine historisch gewachsene Konstruktion ist. Seit über zwanzig Jahren erforschen US-Historiker, wie europäische Einwanderer in Amerika eine Identität als Angehörige einer privilegierten weißen Rasse ausbildeten und wie ethnische Gruppen, deren rassischer Status in den Augen der „angelsächsischen“ Mehrheit durchaus zweifelhaft war, zu akzeptierten Mitgliedern einer weißen amerikanischen Nation wurden (der Versuch, diesen Ansatz als „kritische Weißseinsforschung“ in den deutschen Kontext zu importieren, überzeugt m.E. nicht). Die wichtigsten Synthesen stammen von M. J [6.2] und D. R [Working Toward Whiteness, 6.2], hinzu kommen einschlägige Studien zu Einwanderergruppen wie Iren [I 6.2], Deutsche [K 6.2], Italiener [G 6.2] und Juden [B 6.2]. Interessanterweise verstanden sich die Pioniere der whiteness studies als Neomarxisten, denen es nicht mehr ausreichte, den Rassismus der weißen Arbeiterklasse als falsches Bewusstsein und Manipulationsstrategie der herrschenden Klasse anzuprangern. Vielmehr müsse, so D. R [Wages 6.2], whiteness als authentischer kultureller Ausdruck von Klassenbewusstsein verstanden werden, das sich im 19. Jahrhundert in scharfer Abgrenzung von schwarzer Sklavenarbeit ausgebildet habe. A. S [6.2] hat diese Zusammenhänge für die Kampagnen der weißen Arbeiterbewegung in Kalifornien gegen chinesische Einwanderer untersucht. Trotz ihres unbestrittenen Innovationswertes haben die whiteness studies auch Kritik auf sich gezogen, unter anderem wegen des politischen Eiferertums mancher Adepten. Gewichtiger ist der Einwand, dass die fundamentalen Unterschiede zwischen Rassismus und Nativismus verwischt werden könnten. Die Ressentiments, die europäischen ethnics vonseiten der angloamerikanischen Mehrheitsgesellschaft entgegenschlugen, hatten eine andere Qualität als der gegen nichtweiße Minderheiten praktizierte institutionelle Rassismus. Europäische Einwanderer blieben „institutionell weiß“, ihnen standen die amerikanische Staatsbürgerschaft und tendenziell auch der soziale Aufstieg offen. Asiaten und Hispanics sahen sich demgegenüber ähnlichen Exklusions- und Segregationsmechanismen ausgesetzt wie Afroamerikaner [K 6.2; H, Ethnic and Racial Identity, in: F/MG 1.5: 358–375]. Die

5. Ausgewählte Themenfelder und Teildisziplinen

139

zahlreichen Studien zur Geschichte der nicht aus Europa stammenden Einwanderer können durchaus als Spiegelbild zu den whiteness studies gelesen werden. Die Historiografie hat sich freilich längst davon verabschiedet, diese Gruppen allein als Opfer des weißen Rassismus zu sehen, wie das Beispiel der Chinesen im 19. Jahrhundert zeigt. Diese waren einerseits Zielscheibe brutaler Mobgewalt [P 6.2] und strenger Einwanderungsrestriktionen [L 6.2], andererseits gelang es ihnen, selbst in der Ära der Exklusion ab 1882 ihre geringen Handlungsspielräume zu nutzen, um die Einwanderungsbeschränkungen zu unterlaufen und stabile transpazifische Netzwerke aufrecht zu erhalten [C 6.2]. M. Js [6.2] Studie über die „Coolies“ auf den Zuckerpflanzungen in Louisiana erinnert zudem daran, dass die Chinesen auch Akteure in den Rassenbeziehungen zwischen Weißen und Schwarzen waren. Die mexikanische Einwanderung in die USA, die heute politisch den meisten Zündstoff birgt (vgl. Kap. I.5.4), entspricht ebenfalls nicht dem skizzierten EllisIsland-Modell, nicht zuletzt weil die nach dem mexikanisch-amerikanischen Krieg (1846–1848) unter US-Souveränität gekommenen Mexikaner und ihre Nachfahren niemals in die USA eingewandert waren, aber dennoch wie nichtweiße Ausländer behandelt wurden. Einige Autoren sprechen provokativ von besetztem Gebiet [A 6.2]. Die einschlägigen Synthesen zur Geschichte der Mexican Americans und zur mexikanischen Einwanderung betonen nicht nur die lange Präsenz der Mexikaner im heutigen Südwesten und Westen der USA, sondern auch, dass der Zustrom billiger Arbeitskräfte aus Mexiko politisch gewollt war und ist [P 6.2; G 6.2; C 6.2]. Die institutionelle Diskriminierung von Mexikanern ging nie so weit wie die der Afroamerikaner im Süden, aber T/O [6.2] argumentieren, dass ihnen auch nie dieselben Aufstiegschancen eröffnet worden sind wie europäischen Einwanderern. Die traditionelle Forschung zur Einwanderung und Akkulturation europäischer Immigranten ist demgegenüber auf dem Rückzug, wie das Beispiel der Deutschen und Deutsch-Amerikaner zeigt. W. H [6.2] hat seine verdienstvollen Briefsammlungen zuletzt um einen Band zum Bürgerkrieg ergänzt. Lokalstudien, wie A. Os [3.3] Buch über deutschamerikanischen Frauenvereine in Milwaukee, mögen noch Lücken füllen. Der Trend geht indessen bereits seit den neunziger Jahren dahin, die deutsche Migration nach Nordamerika in vergleichende und globale Kontexte einzuordnen [H/N 3.3; H/K 3.3]. Eine neue Enzyklopädie [A 1.3] deckt die politischen und kulturellen Beziehungen zu Nord- und Lateinamerika ab. Dass Migrationsgeschichte per definitionem transnational ist, liegt auf der Hand, doch hat die Globalisierung des späten 20. Jahrhunderts das Bewusstsein dafür geschärft, dass das Ellis-Island-Modell der dauerhaften Auswanderung in eine andere Nation, in die sich die Neuankömmlinge sukzessive integrieren, lediglich eine Dimension der globalen Migrationsgeschichte repräsentiert. Ein weitaus komplexeres Bild entsteht, wenn z. B. die italienische Auswanderung in den Kontext und die Netzwerke der weltweiten italienischen Arbeitsmigration integriert wird [G/O 6.2]. Idealiter beziehen solche Analysen die Wanderungsströme zwischen der

Chinesische Einwanderung

Mexikanische Einwanderung

Deutsche Einwanderung

140

Globale Migrationssysteme

Einwanderungspolitik

Nativismus

II. Grundprobleme und Tendenzen der Forschung

Auswanderungsgesellschaft und den multiplen Destinationen der Migranten sowie kulturelle und finanzielle Transfers und politische Rückwirkungen mit ein. Allerdings ist zu Recht davor gewarnt worden, die hochmobilen Migrationssysteme der Gegenwart auf die Vergangenheit zurück zu projizieren [G, Internationalization and Transnationalization, in: U 6.2: 225– 254]. Im Übrigen bleibt auch nach dem „transnational turn“ die Frage nach den spezifisch amerikanischen Mustern und Erfahrungen der Immigration legitim, zumal die Globalisierung bisher weder den Nationalstaat noch das Konzept der nationalen Staatsbürgerschaft obsolet gemacht hat. Insofern behält auch die Geschichte der Einwanderungspolitik und Einwanderungsbeschränkungen einen wichtigen Platz. Die neueren Synthesen zu diesem Thema kommen durchweg zu dem Schluss, dass die amerikanische Politik immer weitaus restriktiver war, als es das populäre Selbstbild von der Einwanderernation, die bereitwillig den nach Freiheit dürstenden Massen ihre Tore öffnete, wahr haben will, und dass insbesondere nichteuropäische Zuwanderer in vielfältiger Weise diskriminiert wurden [N 6.2; Z 6.2; D, Guarding the Golden Door, 6.2]. Gerade in der Einwanderungsgeschichte zeigt sich die große Diskrepanz zwischen akademischen und öffentlichen Diskursen. Amerikanische Immigrationshistoriker gehen fast durchweg von der unausgesprochenen normativen Prämisse aus, dass jedwede Einschränkung der Immigration moralisch als anrüchig gelten müsse, weil sie Menschen daran hindere, ihr Glück zu machen. Dagegen dominiert in der öffentlichen Debatte die Forderung nach einer restriktiven Einwanderungspolitik vor allem gegenüber Mexikanern. Umso erstaunlicher ist, dass Historiker dem Nativismus, wie die organisierte Opposition gegen Einwanderung im amerikanischen Kontext genannt wird, vergleichsweise wenig Aufmerksamkeit geschenkt haben. J. Hs Klassiker [6.2] aus dem Jahre 1955 wird immer noch neu aufgelegt, eine neue Synthese fehlt völlig. Einer der führenden Experten beklagte vor einiger Zeit zahlreiche Forschungslücken [A, Nativism and Prejudice against Immigrants, in: U 6.2: 177–201]. Ein Kernproblem besteht darin, dass Ressentiments gegen Immigranten bzw. bestimmte ethnische Gruppen sowie die Forderung nach Einwanderungsbeschränkungen in zahlreichen und sehr unterschiedlichen politischen Bewegungen und Bevölkerungsgruppen eine Rolle gespielt haben. Die gängige Vorstellung, Nativismus sei ein Monopol der WASPs, der „White Anglo-Saxon Protestants“, ist irreführend. Tatsächlich haben auch Afroamerikaner immer zu den stärksten Befürwortern von Einwanderungsbeschränkungen gehört, weil sie traditionell mit neuen Immigranten um Arbeitsplätze und Wohnraum konkurrieren. Die historische Forschung hat dieses Thema bislang genauso vernachlässigt wie das häufig zu beobachtende Phänomen, dass arrivierte ethnische Gruppen rasch zu Befürwortern von Restriktionen werden, um ihren eigenen Status zu sichern. Hinzu kommt, dass nicht jede Forderung nach Regulierung der legalen und Eindämmung der illegalen Einwanderung als nativistisch zu qualifizieren ist. Ein wichtiges historiografisches Desiderat besteht deshalb darin, einen trennscharfen Nati-

5. Ausgewählte Themenfelder und Teildisziplinen

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vismus-Begriff jenseits der schrillen politischen Debatten der Gegenwart zu entwickeln. Das Spannungsverhältnis zwischen einem offenen, auf die Ideale der Gleichheit und Freiheit gegründeten Nationalismus einerseits und einem exklusitorischen und rassistisch aufgeladenen Nationalismus andererseits durchzieht die gesamte amerikanische Geschichte [G 6.2]. Es hat die Geschichte der Einwanderung ebenso geprägt wie die Konflikte über die Integration ethnischer und rassischer Minderheiten. Dies gilt in besonderem Maße für die Afroamerikaner, deren Vorfahren im Zuge einer gigantischen Zwangsmigration nach Nordamerika kamen und deren historische Grunderfahrung nicht Ethnisierung und Assimilierung, sondern Versklavung und Ausgrenzung waren.

Nationalismus

5.3 Afroamerikanische Geschichte und die Geschichte der Bürgerrechtsbewegung In den 1990er Jahren haben neue Quellenfunde [vgl. B 2.2] die Anwesenheit afrikanischer Sklaven in der 1607 gegründeten englischen Kolonie Virginia schon vor 1619 nachgewiesen. Die Geschichte der Afrikaner und Afroamerikaner in Nordamerika war also von Anfang an integraler Bestandteil der nordamerikanischen Geschichte. Daher wurden zahlreiche einschlägige Forschungstendenzen und Publikationen bereits im chronologischen Teil dieses historiografischen Überblicks skizziert. Dennoch ist die afroamerikanische Geschichte, insbesondere der schwarze Kampf um Freiheit und Gleichberechtigung, so zentral für das Verständnis der amerikanischen Geschichte wie der modernen US-Geschichtswissenschaft, dass sie ein eigenes Unterkapitel erfordert. Die Einsicht, dass Sklaverei und Rassismus einen prägenden Einfluss auf die amerikanische Geschichte hatten und bis heute haben, ist allerdings relativ neu und allenfalls partiell ins populäre Geschichtsbewusstsein eingesickert. Bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts galten Sklaverei und Rassismus als Abweichung von Amerikas historischem Pfad der Freiheit und des Fortschritts. Die Last der Geschichte wurde als „Negro problem“ diskursiv der schwarzen Minderheit selbst aufgebürdet. Generationen schwarzer Historiker, unterstützt von wenigen weißen Kollegen, kämpften nicht nur gegen die dominanten rassistischen Narrative, sondern auch gegen die eigene Marginalisierung in der Zunft. Die Bürgerrechtsreformen der 1960er Jahre bewirkten auch in der akademischen Welt den Durchbruch. Afroamerikanische Geschichte wurde zu einem der wichtigsten und innovativsten Forschungsfelder [M/R 6.3], das sich nicht mehr durch den Nachweis legitimieren musste, dass auch die schwarzen Amerikaner ihren Beitrag zur amerikanischen Erfolgsgeschichte geleistet hatten. Ein Echo der alten Zeiten findet sich jedoch bis heute in der populären Militärgeschichte [A 6.3], die den Patriotismus und Heroismus schwarzer Soldaten vom Unabhängigkeitskrieg bis ins 21. Jahrhundert zelebriert, ganz so, als müsse bewiesen werden, dass Afroamerikaner sich die Bürgerrechte durch Loyalität und Tapferkeit auf dem Schlachtfeld verdient hätten.

Zentrales Thema

Integration schwarzer Historiker

142

black freedom struggle

Synthesen

Afrikanische Traditionen

II. Grundprobleme und Tendenzen der Forschung

Tatsächlich errangen die Afroamerikaner Freiheit und Gleichberechtigung in einem opferreichen Kampf gegen den Rassismus ihrer weißen Landsleute. Die lange Geschichte und vielfältigen Dimensionen dieses „black freedom struggle“ stehen im Fokus der Geschichtsschreibung. Die wechselnden Bezeichnungen für die afroamerikanische Bevölkerung und ihre Geschichte spiegeln das gewandelte gesellschaftliche Bewusstsein. Der lange Zeit gebräuchliche Terminus Negro History ist nicht mehr akzeptabel, weil er mit dem Zeitalter der Rassentrennung assoziiert wird; das 1916 gegründete, traditionsreiche Journal of Negro History änderte allerdings erst 2001 seinen Namen in Journal of African American History. Der zeitweilig gebräuchliche Begriff black history hat eine starke identitätspolitische Konnotation, während African American history den besonderen Status ebenso wie den amerikanischen Charakter dieser Geschichte zum Ausdruck bringt. Seit dem späten 20. Jahrhundert ist die afroamerikanische Geschichte nicht nur fest in der USGeschichtswissenschaft verankert, sondern alle größeren Universitäten und Colleges haben darüber hinaus kulturwissenschaftlich ausgerichtete Institute für African American Studies. Der folgende Überblick konzentriert sich auf die historische Forschung im engeren Sinne und dabei auf die Kernthemen Freiheit und Bürgerrechte. Den besten Einstieg in die thematische Vielfalt der afroamerikanischen Geschichte von der frühen Kolonialzeit bis in die Gegenwart eröffnet eine rezente, unter Leitung P. Fs [6.3] entstandene achtbändige Enzyklopädie. Der Blackwell Companion to African American History [H 6.3] ist vor allem für die Zeit nach 1945 stark kulturgeschichtlich orientiert und vernachlässigt die Politik- und Sozialgeschichte. Als Überblicksdarstellungen und Quellensammlungen für die Lehre sind gebräuchlich H/B [6.3], H/H [6.3] und K/L [6.3]. T. Hs [6.3] kürzlich erschienene Gesamtdarstellung eignet sich aufgrund ihrer eigenwilligen Akzentsetzungen kaum als Einführung für deutsche Leser. Die deutschsprachige Synthese Von Benin nach Baltimore, eine Gemeinschaftsarbeit zweier USHistoriker mit einem deutschen Kollegen [F/H/H 6.3], ist demgegenüber vorzuziehen, auch wenn die Kapitel zur Zeitgeschichte die politisch korrekte Erzählung vom allgegenwärtigen konservativen backlash übertreiben. Eine Veteranin der afroamerikanischen Frauengeschichte ist D. C. H, die u. a. eine verdienstvolle Enzyklopädie [H 6.3] herausgegeben und eine Überblicksdarstellung mitverfasst hat [H/T 6.3]. Die wichtigsten Tendenzen in der Historiografie zur Geschichte der Sklaverei wurden bereits im chronologischen Teil behandelt (vgl. Kap. II.2). Nachzutragen ist noch die alte Debatte, ob und in welchem Ausmaß die Sklavengemeinschaften afrikanische Traditionen nicht nur bewahrten, sondern aus ihnen eine eigenständige afroamerikanische Kultur formten. „Eurozentrische“ Vorstellungen, die Sklaverei habe zu einer nahezu totalen Anpassung an die Kultur der Sklavenhalter geführt, hat die kulturhistorische Forschung eindrucksvoll widerlegt. Doch auch die „afrozentrische“ Gegenthese, die große Mehrheit der Sklaven sei bis zum Vorabend des Bürgerkrieges kulturell afrika-

5. Ausgewählte Themenfelder und Teildisziplinen

143

nisch geblieben [S 6.3], hat sich nicht durchsetzen können. In seiner bedeutenden Studie zur Christianisierung der Sklavenbevölkerung Nordamerikas hat A. R [6.3] gezeigt, dass die Afroamerikaner das evangelikale Christentum der Sklavenhalter mit eigenen spirituellen Vorstellungen und ihrer Sehnsucht nach Freiheit verbanden. Die Gewichtung der diversen kulturellen Einflüsse und die Periodisierung der „Afroamerikanisierung“ bleiben freilich weiterhin umstritten. J. O. H und L. E. H [6.3] argumentieren, unter den freien Afroamerikanern im Norden habe sich die afrikanische Kultur bis in die 1830er Jahre hinein bewahrt. Das große Thema der afroamerikanischen Geschichte nach dem Ende der Sklaverei ist die Selbstbehauptung in den turbulenten Zeiten der Reconstruction und in den nachfolgenden Jahrzehnten der weißen Vorherrschaft. Die neuere Forschung hat einerseits die Brutalität des weißen Widerstands gegen die Emanzipation und Gleichberechtigung der ehemaligen Sklaven und andererseits die Hartnäckigkeit des schwarzen Widerstands betont [H 4.1]. L. Ls Trouble in Mind [6.3] ist das umfassendste Panorama afroamerikanischen Lebens im Süden während des Zeitalters der Rassentrennung. Einige Lokalstudien haben jedoch die Vorstellung allgegenwärtiger Unterdrückung und Gewalt für die Gegenden des tiefen Südens modifiziert, wo paternalistische Klientelverhältnisse relativ „harmonische“ Rassenbeziehungen garantierten [S 6.3]. Seine Aufrufe zur Harmonie zwischen den Rassen unter Führung der weißen Oberschichten machten Booker T. Washington, den Präsidenten des Tuskegee Instituts in Alabama (vgl. Kap. I.4.3] zum einflussreichsten Afroamerikaner des späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts, sind aber auch der Grund dafür, dass er bis vor einiger Zeit vielen Historikern als Opportunist und Anpasser galt. Inzwischen werden Washingtons Verdienste um die schwarze Gemeinschaft wieder sehr viel positiver beurteilt [N 6.3]. Er steht jedoch weiterhin im Schatten seines Widersachers W. E. B. Du Bois, des bedeutendsten afroamerikanischen Intellektuellen des 20. Jahrhunderts, dem in Teilen der US-Historiografie beinahe hagiografische Verehrung entgegengebracht wird. Du Bois’ Lebensgeschichte (1868–1963) verbindet die Reconstruction mit der Bürgerrechtsbewegung, in der Geschichte des schwarzen Freiheitskampfes ist er eine allgegenwärtige Figur. Die umfassendste Biografie ist das zweibändige Werk von D. L. L [6.3], der bei aller Empathie die charakterlichen Schwächen und oft naiven politischen Einschätzungen seines Protagonisten nicht verschweigt. Auch dem aus Jamaika stammenden Panafrikanisten Marcus Garvey, der zu Beginn der 1920er Jahre zeitweilig eine Massengefolgschaft in den USA gewinnen konnte, wird von vielen Biografen eine überragende historische Bedeutung als Begründer des modernen schwarzen Nationalismus zugeschrieben [G 6.3], die angesichts des raschen Zerfalls der United Negro Improvement Association nach Garveys Ausweisung recht fragwürdig erscheint. Die afroamerikanische Bürgerrechtsbewegung war die bedeutendste soziale Bewegung im Amerika des 20. Jahrhunderts und ist seit den siebziger Jahren eines der produktivsten Felder der Geschichtswissenschaft. Die Beschränkung

Selbstbehauptung gegen den Rassismus

Booker T. Washington

W.E.B. Du Bois

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Bürgerrechtsbewegung

Lokalstudien

Transnationale Verflechtungen

Die NAACP

II. Grundprobleme und Tendenzen der Forschung

auf die aktivistische Kernphase zwischen 1954, dem Jahr der Brown-Entscheidung des Obersten Gerichtshofes (vgl. Kap. I.5.1), und Martin Luther Kings Ermordung 1968 hat die Geschichtsschreibung ebenso hinter sich gelassen wie die Konzentration auf die nationalen Führer der Bewegung. Fünf große Trends haben die neuere Forschung geprägt: (1) die Hinwendung zu den lokalen Bewegungen nicht nur im Süden, sondern in den gesamten USA; (2) die Erforschung der internationalen und transnationalen Bezüge der Bürgerrechtsbewegung; (3) die Ausweitung der Chronologie auf das gesamte 20. Jahrhundert; (4) die Interpretation der Bürgerrechtsbewegung als einer radikalen Bewegung, deren Ziel nicht nur die Überwindung des Rassismus, sondern auch des Kapitalismus gewesen sei; (5) die Kontinuität zwischen der Bürgerrechtsbewegung und der Black-Power-Bewegung. Lokal- und Regionalstudien, die die Autonomie der Graswurzelaktivisten betonen, dominierten seit den frühen achtziger Jahren. Zunächst konzentrierte sich das Interesse auf den tiefen Süden, wo die Bürgerrechtler sich einem besonders brutalen Rassismus gegenübersahen. Ein wichtiges Buch war J. Ds Local People [6.3] über die Bürgerrechtsbewegung in Mississippi. Später setzte sich die Erkenntnis durch, dass der Kampf gegen Rassendiskriminierung nicht auf den Süden beschränkt war, sondern landesweit geführt wurde. Zur Bürgerrechtsbewegung im Norden hat T. S [6.3] kürzlich eine Synthese vorgelegt. Einen Überblick über den Stand der Lokalforschungen gibt ein Sammelband von J. F. T und K. W [6.3]. Ein großes Verdienst dieser Arbeiten war, dass sie die schwarzen Frauen vor Ort als Trägerinnen der Bewegung sichtbar gemacht haben [G 6.3]. Lokal- und Regionalstudien florieren weiterhin, weil sie sich für Dissertationen eignen, ihr Innovationspotenzial hat sich jedoch allmählich erschöpft. Die inter- und transnationalen Bezüge der Bürgerrechtsbewegung stehen seit den neunziger Jahren im Fokus. Einige wegweisende Arbeiten über die Wechselwirkung zwischen Rassenfrage und Kaltem Krieg wurden bereits vorgestellt (vgl. Kap. II.4; II.5.1). Der wichtigste Ertrag dieser Studien ist der Nachweis, dass führende afroamerikanische Aktivisten kein enges, nationalstaatliches Verständnis von Bürgerrechten hatten, sondern sich als Teil eines globalen Kampfes gegen Rassismus und Kolonialismus verstanden [P 6.3]. Die Zahl derjenigen, die diese Einsicht nach Afrika führte, blieb indessen sehr begrenzt [G 6.3]. Dass die Geschichte des afroamerikanischen Bürgerrechtskampfes nicht erst 1955 mit dem Busboykott in Montgomery begann, ist schon lange Konsens. Der Verfasser hat in seiner Geschichte der 1909 gegründeten National Association for the Advancement of Colored People (NAACP) die Kontinuität der Bürgerrechtsbewegung herausgestellt und zugleich das Bild der NAACP als einer legalistischen, den weißen Machtstrukturen verhafteten Organisation korrigiert [B 6.3]. Alle neueren Gesamtdarstellungen zur Bürgerrechtsbewegung setzen chronologisch im späten 19. Jahrhundert ein und führen ihre Erzählung zumindest perspektivisch bis in die Gegenwart fort [F 6.3; T 6.3]. Inzwischen liegen auch neue Monografien und Aufsatzsammlungen zum Ersten Weltkrieg [L-S 4.4], zu den zwanziger Jahren

5. Ausgewählte Themenfelder und Teildisziplinen

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[S 6.3] und zum Zweiten Weltkrieg vor [K/T 6.3]. Das von J. D. H [6.3] und anderen dezidiert linken Historikerinnen und Historikern propagierte Paradigma des „long civil rights movement“ verbindet mit der chronologischen Erweiterung jedoch die inhaltlich kontroverse These, die eigentlichen Ursprünge der Bürgerrechtsbewegung seien in der von Kommunisten geführten, rassenübergreifenden Arbeiterbewegung der New-Deal-Ära zu finden. Nicht „schwarze Männer der Mittelklasse in Schlips und Kragen“ [G 6.3: 8], sondern radikale Sozialisten hätten für eine große Vision von Rassengleichheit und sozialer Gerechtigkeit gekämpft, die dann nach dem Zweiten Weltkrieg einer auf formale Gleichheit verengten Agenda geopfert worden sei. Das „long civil rights movement“ ist auf dem Wege zur neuen Orthodoxie, doch stellt die These aus Sicht des Verfassers den problematischen Versuch dar, der amerikanischen radikalen Linken eine heroische usable past zu erfinden. Ihre Protagonisten idealisieren die US-Kommunisten und bagatellisieren gleichzeitig den revolutionären politischen und sozialen Wandel, den die Bürgerrechtsbewegung der sechziger Jahre durchsetzte. Die einschlägigen Arbeiten haben durchaus eine vernachlässigte Dimension der Bürgerrechtsgeschichte sichtbar gemacht, doch die These von der Bürgerrechtsbewegung als rassenübergreifender radikaler Arbeiterbewegung ist empirisch nicht überzeugend. Generell muss auch die lange Geschichte der Bürgerrechtsbewegung zwischen einzelnen Phasen gewichten und kann an der Tatsache nicht vorbei, dass der entscheidende historische Durchbruch in den 1950er und 1960er Jahren von einer gewaltlose Massenbewegung schwarzer Südstaatler erkämpft wurde, in der die schwarzen Kirchen und die NAACP eine führende Rolle spielten. Dringlicher als die weitere Suche nach den vermeintlich verborgenen Wurzeln der Bürgerrechtsbewegung sind Studien, die über 1970 hinausgehen und die Implementierung der Bürgerrechtsgesetze untersuchen. T. M und J. S [6.3] haben unlängst eine Synthese über den Süden vorgelegt, die Maßstäbe setzt, aber weitere Forschungen, vor allem im Bereich der Chancengleichheit im Wirtschaftsleben, müssen folgen. Die traditionelle Bürgerrechtserzählung konstatiert einen scharfen Bruch um das Jahr 1965, als die friedliche Massenbewegung für Gleichberechtigung und Integration der Radikalisierung ungeduldiger junger Schwarzer habe Platz machen müssen, die fortan unter dem Schlachtruf „Black Power“ einen militanten Separatismus vertraten. Die neuere Forschung sieht dagegen zahlreiche Kontinuitäten zwischen den lokalen Bewegungen und hat die Anfänge der Black-Power-Militanz weit in die 1950er Jahre zurückverlegt [C 6.3; J 6.3]. So haben mehrere Studien gezeigt, dass lokale Bürgerrechtsgruppen im Süden bewaffnete Selbstverteidigung praktizierten, lange bevor die Black Panthers zum Schreckgespenst der weißen Amerikaner wurden (vgl. Kap. I.5.2). S. W [6.3] unterscheidet jedoch klar die Selbstschutzgruppen im Süden, die gewaltlose Aktivisten vor den Terroristen des Ku Klux Klans schützten, von den rhetorischen Gewaltfantasien der Panthers. Auch für das Verhältnis von Bürgerrechtsbewegung und Black Power gilt, dass die Grenzen nicht zur Unkenntlichkeit verwischt werden sollten. Der Bruch war keineswegs

long civil rights movement

Black Power

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Martin Luther King und Malcolm X

II. Grundprobleme und Tendenzen der Forschung

so scharf, wie die weiße Öffentlichkeit dies wahrnahm, aber genauso wenig darf übersehen werden, dass die Black Power-Bewegung sich bewusst von der gewaltfreien direkten Aktion und dem Ziel der Rassenintegration abgrenzte. Der historiografische und politische Streit um Geschichte und Vermächtnis der Bürgerrechtsbewegung lässt sich an Martin Luther King, Jr., und Malcolm X exemplifizieren. Während Konservative King als Kronzeugen für einen farbenblinden individualistischen Kapitalismus in Anspruch nehmen, betonen Liberale und Linke Kings Opposition gegen den Vietnamkrieg und sein Eintreten für ökonomische Gerechtigkeit und Umverteilung [S 6.3]. Der Black Muslim Malcolm X galt lange als Gegner Kings, der sich über dessen Ziele und Methoden lustig machte; heute sehen viele Historiker die Beziehung zwischen beiden als ein komplementäres Zusammenspiel von Radikalismus und Mäßigung [W-N 6.3]. Doch während King die zentrale Person der Bürgerrechtsbewegung in ihrer entscheidenden Phase war, blieb Malcolm X der Bewegung bewusst fern. Dies tat seiner postumen historiografischen Karriere jedoch keinen Abbruch, denn heute steht er gleichrangig neben King. Die Biografie des 2011 verstorbenen afroamerikanischen Historikers M. M [6.3], die Malcolm X zu einer der großen und komplexen Figuren der amerikanischen Geschichte erhebt, war ein gigantischer Verkaufserfolg und wurde mit dem Pulitzer-Preis ausgezeichnet. 5.4 Frauen, Geschlechtergeschichte und Sexualität

Frauenrechtsbewegung

gender als Analysekategorie

Ähnlich wie die Pioniere der afroamerikanischen Geschichte sahen sich die Vorkämpferinnen der Frauengeschichte lange Zeit vor der Herausforderung, Frauen als historische Akteure sichtbar zu machen und ihre Geschichte als legitimes Arbeitsfeld zu etablieren. Zunächst stand daher der Kampf der organisierten Frauenbewegung um politische Teilhabe und bürgerliche Gleichberechtigung im Mittelpunkt. Repräsentativ für diese Perspektive ist das Standardwerk von E. F und E. F. F [6.4]. Da diese Perspektive weiße Frauen der Ober- und Mittelklasse privilegierte und nichtweiße Frauen tendenziell marginalisierte, haben radikale Kritikerinnen den amerikanischen Feminismus als rassistisches Projekt gegeißelt [N 6.4]. In den vergangenen dreißig Jahren jedoch hat sich das Feld grundlegend gewandelt. Aus der politik- und sozialgeschichtlich orientierten Frauengeschichte wurde die Geschlechtergeschichte, die gender, im Unterschied zum biologischen Geschlecht (sex), nicht als natürlich gegebene Tatsache, sondern als kulturelle, historisch wandelbare Konstruktion von gesellschaftlichen Normen und Identitäten versteht. J. Ss [6.4] programmatischer Aufsatz aus dem Jahre 1986 gilt als Meilenstein dieses Paradigmenwechsels, mit dem mehrere grundlegende Einsichten verbunden waren. Erstens wird die Geschlechtergeschichte nicht mehr als bloße Fortentwicklung der Frauengeschichte verstanden, sondern als integrale Perspektive jeder Geschichtsbetrachtung. Die chronologischen Kapitel des Forschungsteils geben deshalb im jeweiligen sachlichen Kontext auch Hinweise auf Arbeiten mit frauen- und geschlechtergeschichtlicher

5. Ausgewählte Themenfelder und Teildisziplinen

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Perspektive. Zweitens hat sich die Erkenntnis durchgesetzt, dass auch die Geschlechterrollen von Männern historisch und kulturell geprägt sind. Drittens wird zumindest im amerikanischen Kontext postuliert, dass gender immer in Verbindung mit race gedacht werden muss. Und viertens inspirierte die Einsicht, dass Sexualität ein konstitutives Element der Geschlechteridentität ist, zahlreiche Forschungen zur Geschichte der Sexualität, insbesondere zu solchen Formen des Sexualverhaltens, die von der gesellschaftlichen Norm heterosexueller Monogamie abweichen. Die prominente Historikerin A. K-H [Women’s History, in: K, 1.5: 188–197] hat jüngst konstatiert, dass die Frauen- und Geschlechtergeschichte in den vergangenen Jahrzehnten einen Siegeszug erlebt und die amerikanische Geschichtswissenschaft grundlegend verändert habe Dennoch hat die Integration in den Mainstream nicht dazu geführt, dass die Frauengeschichte als eigenständige Disziplin völlig in der Geschlechtergeschichte aufgegangen wäre. Die neueren Einführungen [H 6.4; N/A 6.4] zeigen eine vitale und ausdifferenzierte Forschung mit Fokus auf dem Handeln und den Erfahrungen von Frauen. Die Diskriminierung von Frauen, besonders im Berufsleben [K-H 6.4], ist ebenso weiterhin ein Thema wie die organisierten Frauenbewegungen im 19. und 20. Jahrhundert [B 3.3; M 6.4; E 5.4]. Inzwischen interessiert sich die Geschichtswissenschaft jedoch nicht mehr nur für den Feminismus, sondern auch für konservative Frauen wie z. B. die antifeministische Aktivistin Phyllis Schlafly [C 6.4] sowie für die Rolle von Frauen in rechtsradikalen und rassistischen Organisationen [B 4.4]. Dass afroamerikanische Frauen selbst unter dem Regime der Rassentrennung eigenständige Formen der politischen Betätigung entwickelten, hat G. G [6.4] nachgewiesen. Die doppelte Unterdrückung schwarzer Frauen aufgrund ihres Geschlechts- und ihrer Rassenzugehörigkeit wird in unzähligen Studien untersucht, wobei jedoch selbst schwarze Sklavinnen keineswegs als hilflose Opfer porträtiert werden, sondern als Frauen, die ihre geringen Handlungsspielräume soweit wie möglich nutzten [C 3.3; W 6.4; J 6.4]. Im Vergleich zur umfangreichen Forschung zu schwarzen Frauen ist die Literatur zu anderen nichtweißen Frauen noch weniger umfangreich. Standardwerke zu Chinesinnen bzw. Mexikanerinnen sind L [6.4] und R [6.4]. Auch dem amerikanischen Staat galten Ehe und Familie als Keimzelle der Nation [C 6.4], und seit der Kulturrevolution der 1960er Jahren beklagen Konservative ihren Niedergang [Z 6.4]. Gleichzeitig hat die Geschichtsforschung gezeigt, dass das Idealbild der Kernfamilie mit ihren traditionellen Geschlechterrollen kaum je der Wirklichkeit entsprach, und benutzt daher programmatisch den Plural „American Families“, um die historische und kulturelle Vielfalt der Familienformen zu unterstreichen [C 6.4]. Dass die Ehescheidung, das Ideal der romantischen Liebe und die wachsende materielle Unabhängigkeit von Frauen den Charakter der Ehe fundamental verändert haben, ist keine amerikanische Besonderheit. Die moderne Vorstellung von der Ehe als einem Projekt, an dem die Partner „arbeiten“, gegebenenfalls

Frauengeschichte

Afroamerikanische Frauen

Ehe und Familie

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Maskulinität

race und gender

II. Grundprobleme und Tendenzen der Forschung

mit Hilfe professioneller Therapie, ist jedoch vermutlich nirgendwo so stark ausgeprägt wie in der US-Gesellschaft. In ihrer neuen Geschichte der Ehe und Scheidung im Amerika des 20. Jahrhunderts argumentiert K. C [6.4], dass die Last dieser „Beziehungsarbeit“ ganz überwiegend den Frauen aufgebürdet worden sei. Seit den 1990er Jahren ist die gender history nicht nur ein äußerst lebendiges Forschungsfeld, sondern fest in den Kanon der universitären Lehre integriert. Ein konventionelles Lehrbuch mit Quellen und historiografischen Texten hat S. D. H zusammengestellt [6.4]. Es erläutert die Grundgedanken der Geschlechtergeschichte und behandelt die historischen Identitäten von Frauen und Männern gleichermaßen. Die Historisierung der Männlichkeit geriet jedoch schnell in den Verdacht, erneut mächtige weiße Männer ins Zentrum der Geschichtsbetrachtung rücken zu wollen; das Wort vom „akademischen Viagra“ machte die Runde [M/S 6.4: 20]. M. K, einer der Pioniere der neuen Männergeschichte, unterschied allerdings ausdrücklich zwischen der „hegemonialen Männlichkeit“ weißer, heterosexueller Angloamerikaner der Mittelklasse und den „marginalisierten Anderen“, Männern der Arbeiterklasse, Homosexuellen, Immigranten und Nichtweißen [6.4]. Bei aller Kritik an der hegemonialen Männlichkeit bestritt K die feministische These, männliche Identität strebe vor allem nach Herrschaft über Frauen. Tatsächlich sei die Furcht, von anderen Männern beherrscht zu werden und die eigene Identität als Mann, Beschützer und Ernährer zu verlieren, der Schlüssel zum historischen Verständnis amerikanischer Männlichkeit. Mit dieser Perspektive verbindet sich ein ausgeprägtes Interesse an den Krisen der Männlichkeit. In der Einleitung zu einem deutschsprachigen Sammelband, der Beiträge amerikanischer und deutscher Historikerinnen und Historiker vorstellt, kritisieren J. M und O. S [6.4] diese Krisenperspektive als wenig überzeugend. In der Tat stellt sich die Frage, wie hegemonial eine Männlichkeit noch ist, die sich angeblich in der Dauerkrise befindet. Andererseits haben Historikerinnen wie A. G [3.2], G. B [6.4] und K. L. H [Fighting, 4.3] Kriege, Imperialismus und Rassismus als aggressive Vorwärtsverteidigung sich bedroht fühlender weißer Männlichkeit gedeutet. Der alte rassistische Schlachtruf, Amerika sei das „Land des weißen Mannes“, verweist auf die enge Verschränkung von race und gender. Ob sich die Geschlechteridentitäten nichtweißer Männer jedoch grundlegend von denen weißer Amerikaner unterscheiden, darf bezweifelt werden. So forderten die Aktivisten der Black-Power-Bewegung in den sechziger Jahren, schwarze Männer müssten endlich ihre „Entmannung“ durch Sklaverei und Rassismus überwinden und den ihnen zukommenden Platz als Beschützer schwarzer Frauen und der black community insgesamt einnehmen, verlangten also Teilhabe an der hegemonialen Männlichkeit [S. W, Gewalt und schwarze Männlichkeit in der Black Power-Bewegung, in: M/S 6.4: 355–369]. Angesichts des Sexismus, der Homophobie und Gewaltverherrlichung, welche die Black-Power-Rhetorik durchzieht, fällt es schwer, den damit angeblich verbunden positiven Beitrag zur schwarzen Identitätsfindung zu würdigen.

5. Ausgewählte Themenfelder und Teildisziplinen

149

Während afroamerikanische Männer der Mittelklasse im späten 19. Jahrhundert viktorianischen Idealen respektabler Männlichkeit nacheiferten [S 6.4], wurde das Schreckgespenst des triebhaften schwarzen Vergewaltigers, der die Sicherheit weißer Frauen und die Integrität der weißen Rasse bedrohte, zum ideologischen Grundpfeiler der weißen Vorherrschaft besonders im Süden der USA und diente u. a. der Rechtfertigung der Lynchjustiz (vgl. Kap. II.5.6). Die strikte sexuelle Trennung der Rassen war ein fundamentales Postulat amerikanischer Rassen- und Geschlechteridentität und bis 1967 in den so genannten anti-miscegenation laws zahlreicher Bundesstaaten gesetzlich festgeschrieben. Die Rechtsgeschichte dieser Verbote erzählt P. P [6.4] in einer neuen Synthese. Mit der Enttabuisierung der Sexualität begann sich die Geschichtswissenschaft zudem für die tatsächliche Praxis der sexuellen Beziehungen zwischen den Rassen zu interessieren. Die – oft erzwungenen – sexuellen Beziehungen zwischen Sklavenhaltern und ihren Sklavinnen waren immer ein offenes Geheimnis gewesen. Doch haben M. H [6.4], J. R [6.4] u. a. gezeigt, dass Sex zwischen den Rassen im 19. Jahrhundert ein relativ häufiges Phänomen war und dass selbst Beziehungen zwischen weißen Frauen und schwarzen Männern stillschweigend geduldet wurden, wenn die Frauen aus der Unterschicht stammten. Ein wichtiges Ergebnis dieser Forschungen ist, dass die obsessive Furcht vor dem schwarzen Vergewaltiger erst nach dem Bürgerkrieg einsetzte, als die Emanzipation die Rassen- und Geschlechterhierarchien im Süden in Frage stellte. Zuvor konnten Sklaven, die der Vergewaltigung einer weißen Frau beschuldigt wurden, mit einem fairen Prozess und der Unterstützung ihrer Besitzer rechnen [S 6.4]. Wie das Tabu der Heirat und Ehe zwischen Weißen und Schwarzen nach dem Zweiten Weltkrieg allmählich überwunden wurde, hat R. R [6.4] beschrieben, die die wachsende Toleranz gegenüber rassenübergreifenden Partnerschaften auch als Ausdruck einer neuen Offenheit gegenüber unkonventionellen Lebensformen allgemein sieht. Die Studien zum Verbot, zur Tabuisierung und zur Praxis rassenübergreifender Geschlechtsbeziehungen spiegeln das Interesse an der Kontrolle von Sexualität, das Historiker im Anschluss an Michel Foucault entwickelt haben. Komplementär dazu betont das einschlägige Lehrbuch zur Geschichte der Sexualität in Amerika [P 6.4] den Kampf um sexuelle Befreiung und Selbstbestimmung. Das Doppelthema Kontrolle und Befreiung bildet vor allem für Arbeiten zur weiblichen Sexualität und zur Homosexualität das Leitmotiv. M. Os [6.4] Buch zeichnet nach, wie sexuell aktive junge Frauen im Reformdiskurs des späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts von schutzbedürftigen Opfern männlicher Lust zu sexuellen Abenteurerinnen mutierten, die diszipliniert werden mussten. Da die sexuelle Selbstbestimmung von Frauen eng mit der Möglichkeiten zur Empfängnisverhütung und Geburtenkontrolle zusammenhängt, finden diese Themen große Aufmerksamkeit [T 6.4], besonders das bis heute hoch politisierte Recht auf Abtreibung [R 6.4]. Auch zu sexueller Gewalt in Ehe und Familie als der schwerwiegendsten Beeinträchtigungen weiblicher Selbstbestimmung gibt es historische Literatur [G 6.4].

anti-miscegenation laws

Sexuelle Beziehungen zwischen den Rassen

Geschichte der Sexualität

Weibliche Selbstbestimmung

150 Sexuelle Revolution

Homosexualität

Konstruktion von Homosexualität

II. Grundprobleme und Tendenzen der Forschung

Mit der so genannten sexuellen Revolution verbinden sich Klischees von „freier Liebe“, erotischen Experimenten und Rebellion [A 6.4]. B. Bs [5.1] Studie über Kansas hat demgegenüber herausgearbeitet, dass der Wandel im Sexualverhalten bereits vor den wilden Sechzigern im Kernland der USA begann. Aus der Rückschau erscheint nicht so sehr die Entkoppelung der Sexualität von Ehe und Fortpflanzung als das wirklich Revolutionäre der letzten fünfzig Jahre, sondern die rechtliche und kulturelle Anerkennung der Homosexualität. Diese war lange kein respektables Sujet der Geschichtsschreibung, aber inzwischen existiert eine beachtliche und ständig wachsende Literatur. Hauptthemen sind die soziale, politische und rechtliche Diskriminierung der Homosexualität, der Kampf gegen diese Diskriminierung und die Ausbildung homosexueller Subkulturen und ihrer Identitäten. Da insbesondere männliche Homosexualität als Bedrohung der Gesellschaft und Nation erschien, machte sich der amerikanische Staat im 20. Jahrhundert ihre Unterdrückung zur Aufgabe [C 6.4; D’, Sexual Politics, 6.4]. Während der McCarthyÄra ging der Vorwurf der Homosexualität häufig mit dem der Sympathie für den Kommunismus einher [J 6.4]. Seit Ende der sechziger Jahre begannen sich Homosexuelle durch sozialen und politischen Aktivismus zu wehren. D. E [5.4] behandelt diese Frühphase des gay rights movements, während J. D’E [The World Turned 6.4] den Durchbruch für die öffentliche Sichtbarkeit und Akzeptanz in den 1990ern verortet. Eine neue Synthese erzählt die klassische, aus der Einwanderungsgeschichte bekannte patriotische Inklusionsgeschichte: Auch Homosexuelle sind Amerikaner und haben das Land aufgebaut [B 6.4]. Die kulturgeschichtliche Perspektive auf die Geschichte der Sexualität betrachtet gleichgeschlechtliches Begehren zwar als universales Phänomen, betont aber die enormen historischen und kulturellen Variationen in seiner Wahrnehmung und Wertung. Viele Historiker argumentieren, dass Homosexualität als fixe Kategorie überhaupt erst im späten 19. Jahrhundert unter dem Einfluss medizinischer Diskurse über Sexualpathologien konstruiert worden sei. Gleichzeitig habe jedoch der moderne urbane Kapitalismus Freiräume geschaffen, wo die Grenzen zwischen hetero- und homosexuellen Praktiken immer fließend gewesen seien. G. Cs [6.4] Gay New York zeichnet das Bild einer offenen Schwulenszene lange vor den 1960ern. Das Leben in großstädtischen Subkulturen dürfte freilich kaum die typische Erfahrung homosexueller Männer und Frauen repräsentieren und sollte nicht den Blick dafür verstellen, dass Homosexualität in Amerika – und weltweit – immer auch mit der Erfahrung von Ächtung, Ausgrenzung und Verfolgung verbunden gewesen ist. 5.5 Kulturgeschichte, Erinnerungskultur und Religionsgeschichte Noch vor rund einem Vierteljahrhundert bezog sich der Begriff Kulturgeschichte primär auf den Bereich der künstlerischen und literarischen

5. Ausgewählte Themenfelder und Teildisziplinen

151

Produktion und fiel, sofern amerikanische Kultur gemeint war, eher in die Zuständigkeit der Amerikastudien als der Geschichtswissenschaft. Die Beschäftigung mit dem Siegeszug der amerikanischen Populärkultur nach dem Zweiten Weltkrieg trug in Deutschland dazu bei, die Unterscheidung zwischen Hochkultur und „Massenkultur“ aufzulösen, die Grenzen zwischen der Kulturgeschichte und der politischen Geschichte durchlässiger zu machen [J 5.1; S 6.1] und neuen Gegenstandsbereichen wie der Filmgeschichte den Weg zu ebnen. Diese „traditionelle“ Kulturgeschichte, die sich mit Kunst, Literatur und Ideen in ihren gesellschaftlichen und politischen Kontexten beschäftigt, floriert weiterhin. Als Beispiele seien M. Ds [4.5] Buch über die amerikanische Kultur zur Zeit der Großen Depression und M. S’ [6.5] Geschichte des wegen seiner rassistischen Darstellung schwarzer Amerikaner berühmt-berüchtigten Stummfilmepos The Birth of a Nation genannt. Die Herausgeber der Encyclopedia of American Cultural & Intellectual History [C/W 6.5] bekennen ausdrücklich, dass „Ideen und künstlerisches Schaffen“ den Fokus des Werkes bildeten. Allerdings spiegeln die einzelnen Einträge deutlich den wachsenden Einfluss des so genannten „cultural turn“ und des aus der Anthropologie übernommenen Kulturbegriffs der „neuen Kulturgeschichte“. Die Protagonisten der neuen Kulturgeschichte betonen, dass diesem weder ein einheitlicher Begriff von culture noch eine einheitliche Methode zu eigen seien. K. Hs [6.5] Charakterisierung des Erkenntnisinteresses der neuen Kulturhistoriker darf jedoch als repräsentativ gelten. Demnach ist Kultur ein „ganzheitliches Konzept“, das die gesamte Bandbreite der Praktiken, Repräsentationen, sprachlichen Formen und Glaubenssysteme einer sozialen Gruppe umfasst. Der Kulturgeschichte geht es um die Dekodierung der „Zeichen, Gesten, Artefakte und Inszenierungen“, durch die Menschen ihre Werte und Überzeugungen ausdrücken. Der von H herausgegebene Companion to American Cultural History ist der beste Überblick über die neue kulturhistorische Forschung zu den einzelnen Perioden der amerikanischen Geschichte, die methodischen und theoretischen Diskussionen sowie die Auswirkungen auf andere Disziplinen. Der Band von C/G/O’ [6.5] versammelt konkrete Beispiele aus der jüngeren Historiografie und diskutiert die Genese der neuen Kulturgeschichte und die intellektuellen Einflüsse, die von der Kulturanthropologie bis zu den französischen Strukturalisten reichen. Für das Selbstverständnis der US-Kulturhistoriker war insbesondere das Verhältnis zur Sozialgeschichte von zentraler Bedeutung. Die „Sozialgeschichte von unten“ hatte zwar die Alltagserfahrungen und Kultur der Unterdrückten und Marginalisierten thematisiert, blieb aber einem statischen Verständnis ihrer grundlegenden Kategorien Klasse, Rasse und Geschlecht verhaftet. Die kulturalistische Wende der Sozialgeschichte bestand darin, diese Kategorien als variable kulturelle Konstruktionen zu begreifen [L. G, The „Cultural Turn“, in: F/MG 1.5: 221–241]. Wenn aber alle Kategorien des Sozialen und Politischen kulturell konstruiert sind, dann wird jede Geschichtsschreibung per definitionem zur Kulturgeschichte. Ohne falsche Bescheidenheit verkünden US-Kulturhistoriker denn auch ihren institutionel-

Traditionelle Kulturgeschichte

Neue Kulturgeschichte

Kultur- und Sozialgeschichte

152

Einfluss auf Geschichtswissenschaft

Emotionen und Sinne

visual turn

II. Grundprobleme und Tendenzen der Forschung

len und intellektuellen Triumph: „It is hard to imagine a topic, approach, or narrative style that has not been assimilated into cultural history“ [ebd.: 222]. Die neue Kulturgeschichte ist also keine durch ihren Gegenstand definierte Teildisziplin, sondern eine intellektuelle Perspektive, die Gesellschaft, Recht, Politik, Wirtschaft usw. als kulturelle Systeme versteht, deren Diskurse und Regeln es zu entschlüsseln gilt. Es muss hier dahingestellt bleiben, ob ein derart erweiterter Kulturbegriff nicht beliebig wird. Unzweifelhaft hat er die amerikanische Geschichtswissenschaft in den letzten beiden Jahrzehnten entscheidend geprägt. Dies gilt ganz besonders für die Historiografie zu Rasse, Geschlecht und Sexualität (vgl. Kap. II.5.2 u. II.5.4), die sich die Dekonstruktion vermeintlich natürlicher Kategorien auf die Fahnen geschrieben hat. Aber auch die Diplomatiegeschichte, einst eine Bastion des Traditionalismus, hat sich der kulturalistischen Wende geöffnet [vgl. Kap. II.5.1; N/B 6.5]. Und natürlich fallen die Kulturkontakte zwischen Ureinwohnern, Afrikanern und Europäern in der Kolonialzeit (vgl. Kap. II.2.1 u. II.2.2) ebenso unter die Rubrik Kulturgeschichte wie die Beziehungen zwischen den vielen ethnischen Gruppen, die Amerika in Vergangenheit und Gegenwart geprägt haben [T 1.6]. Aber lassen sich dann überhaupt noch Themenfelder abstecken, die im engeren Sinne die neue Kulturgeschichte charakterisieren? Eine wichtige Forschungsrichtung ist die Historisierung subjektiver Empfindungen und Sinneswahrnehmungen. Der von J. G-H [6.5] herausgegebene Band Emotions in American History führt in den Forschungsstand ein und bietet darüber hinaus eine vergleichende Perspektive zu Europa. M. Ss [Sensing the Past, 6.5] Überblick über die Geschichte der fünf Sinne wählt sogar einen globalgeschichtlichen Ansatz; in einem anderen Buch zeigt der Autor [S, How Race is Made, 6.5], wie Sinneseindrücke als kulturelle Konstruktionen Vorstellungen von Rasse beeinflussten und zur Legitimation von Sklaverei und Apartheid beitrugen. P.C. H [6.5] entwirft ein faszinierendes Panorama der Sinneswelten, die der Kulturkontakt in der Kolonialzeit hervorbrachte. Die Sinne, konkreter das Sehen und Zuschauen, bilden auch die Grundlage der „visual“ und „performative turns“. Die traditionelle Kulturgeschichte interessierte sich zwar immer schon für die Betrachtung von Kunstwerken, Theater und Filmen, doch für die neue Kulturgeschichte ist prinzipiell jede soziale Interaktion ein mit kultureller Bedeutung aufgeladener performativer Akt. Zahlreiche amerikanische Studien behandeln die populärkulturelle Inszenierung von Rasse und Geschlecht, zum Beispiel die im 19. Jahrhundert beliebten ministrel shows, in denen weiße Laienschauspieler mit schwarz gefärbten Gesichtern afroamerikanische Charaktere karikierten [L 6.5], oder „Buffalo Bill’s“ berühmte Wildwestshows [W 6.5]. Für weiter führende Informationen zum „visual turn“ und zur Bedeutung der Performanz für die neue Kulturgeschichte sei auf die einschlägigen Aufsätze in H [6.5] verwiesen. Ein weiteres kulturhistorisches Thema, das für das Selbstverständnis der US-Geschichtswissenschaft und ihre öffentliche Rolle große Bedeutung besitzt, ist die Erinnerungskultur. Nirgendwo lässt sich die Inszenierung amerikani-

5. Ausgewählte Themenfelder und Teildisziplinen

153

scher Geschichte so gut studieren wie auf der National Mall in Washington, D.C., wo sich die Monumente für die großen Präsidenten und Kriege sowie zahlreiche historische Museen befinden. K. S [6.5] hat zu dieser „Erinnerungslandschaft“ unlängst eine Gesamtdarstellung vorgelegt. Die öffentlichen Auseinandersetzungen um Denkmäler, etwa um das Vietnam War Memorial, veranschaulichen zugleich, wie Amerikas culture wars um die Deutung der amerikanischen Geschichte ausgefochten werden. Sklaverei und Rassismus sowie die Kriege der USA sind erwartungsgemäß besonders konfliktträchtig, wobei allein die Literatur zur Erinnerung an den Bürgerkrieg inzwischen ganze Bücherregale füllt. Zu den wichtigsten Studien gehört D. B [6.5], der nachweist, dass im Interesse der nationalen Versöhnung der weißen Amerikaner Sklaverei und Emanzipation um die Wende zum 20. Jahrhundert systematisch aus der Erinnerung ausgeblendet wurden. Wie der weiße Süden den Mythos des Lost Cause – des ehrenhaft für die Freiheit geführten, doch aussichtlosen Kampfes – in seiner Erinnerungskultur gepflegt hat, beschreiben D. G [6.5] und W. F. B [6.5], die allerdings auch die erfolgreichen Versuche aufzeigen, eine Gegenerinnerung zu etablieren, die Emanzipation und Bürgerrechtskampf als Teile der Geschichte des Südens sichtbar macht. Neben dem Bürgerkrieg nimmt der Zweite Weltkrieg als „Good War“ eine herausgehobene Stellung in der USErinnerungskultur ein. Während sich K. S [4.5] auf die Entstehung und Inszenierung des Kultes um die „Greatest Generation“ konzentriert, geht es J. B [6.5] vor allem darum, die Vorstellung von einem patriotischen Erinnerungskonsens als nachträgliches Konstrukt zu entlarven, der er eine Erinnerung von unten gegenüberstellt, in der auch Erfahrungen von Brutalität, Sinnlosigkeit und Trauer ihren Platz haben. Dass die Amerikaner im Zweiten Weltkrieg nicht nur für eine gerechte Sache kämpften, sondern auch die von ihnen eingesetzten Mittel gerechtfertigt waren, wird in der Öffentlichkeit kaum angezweifelt. Die heftige Kontroverse um die Ausstellung des Air and Space Museums zum 50. Jahrestag des Atombombenabwurfs auf Hiroshima und Nagasaki [L/E 4.5] machte unter anderem deutlich, dass geschichtswissenschaftliche Differenzierung und populäre Erinnerungskultur nur selten harmonieren, wie I. B [6.5] im Zusammenhang mit den Geschichtskriegen um die Sklaverei argumentiert hat. Wer den Konflikt zwischen professioneller Geschichtswissenschaft und populärer Geschichtskultur in Amerika jemals aus der Nähe erlebt hat, wird das Postulat, dass Historiker an die methodischen Standards empirischer Wissenschaft gebunden bleiben, nicht für überflüssig halten. Dies gilt nicht nur gegenüber heroisierendem Geschichtspatriotismus, sondern auch gegenüber Versuchen zur Konstruktion von usable pasts im Namen historischer Wiedergutmachung und Identitätsfindung, wie sie etwa im Zusammenhang mit der Forderung nach „Reparationen“ an die afroamerikanische Bevölkerung für die Versklavung ihrer Vorfahren zu beobachten waren [B 6.5]. Das Interesse an der „Kulturbedeutung“ der Religion ist selbstverständlich nicht neu, diese Frage konstituierte bekanntlich schon Max Webers kultursoziologisches Erkenntnisprogramm. Aber für die neue Kulturgeschichte mit ih-

Erinnerungskultur

Geschichtswissenschaft und Geschichtskultur

154

Religionsgeschichte

Religion und Politik

Religiöser Pluralismus

II. Grundprobleme und Tendenzen der Forschung

rem ausgeprägten Interesse an Ritualen und Symbolen war die Religion von vorneherein ein wichtiges Forschungsfeld. Amerikanische Religionshistoriker konzedieren, dass der Aufschwung, den ihr Fach in den vergangenen zwei Jahrzehnten genommen hat, ganz wesentlich dem Boom der Kulturgeschichte zu verdanken ist [J. T. MG, American Religion, in: F/MG 1.5: 242–260]. Da in den USA im Unterschied zu Deutschland die theologisch gebundene Kirchengeschichte eine untergeordnete Rolle spielt, stieß die Öffnung der Religionshistoriker gegenüber der neuen Kulturgeschichte kaum auf Widerstand. Wegweisend war R. Os [6.5] Buch über den Marienkult italienischer Einwanderer in New York, das mithilfe anthropologischer Ansätze die religiösen Erlebniswelten der einfachen Gläubigen rekonstruierte. Freilich ist das große Interesse an der amerikanischen Religionsgeschichte nicht allein wissenschaftsimmanent, sondern ebenso sehr außerwissenschaftlich begründet. Ein wichtiger Impuls war der Aufstieg der religiösen Rechten, der eine umfangreiche Literatur hervorgebracht hat [vgl. Kap. II.4; W 5.4; D 5.4]; der andere die Anschläge des 11. September 2001, die eine vehemente Diskussion über das Verhältnis zwischen Christentum und Islam auslösten. Aus europäischer Sicht wurde immer wieder darüber räsoniert, ob die augenscheinlich ungebrochene Vitalität der Religion in den USA die These von der unvermeidlichen Säkularisierung moderner Gesellschaften widerlegt. Deutsche Leser werden von M. H [6.5] kompetent über den evangelikalen und fundamentalistischen Protestantismus informiert, R. P [6.5] und die Beiträge in M. Bs [6.5] Sammelband diskutieren das Verhältnis von Religion und Politik. Die neueren deutschen Publikationen verfolgen nicht zuletzt das Ziel, die hiesige Öffentlichkeit darüber aufzuklären, dass die USA keineswegs eine von der religiösen Rechten beherrschte Theokratie sind, und betonen deshalb stets die strenge Trennung von Staat und organisierter Religion sowie den lebendigen religiösen Pluralismus in Amerika. Gleichwohl stehen Evangelikale und Fundamentalisten im Vordergrund, während Katholiken, „Mainline“-Protestanten und die nichtchristlichen Religionsgemeinschaften eher geringe Aufmerksamkeit finden. Demgegenüber behandeln die meisten neueren amerikanischen Einführungen und Lehrbücher [A 6.5; A 6.5; W 6.5] neben den unzähligen christlichen Glaubensrichtungen, denen Amerika im Verlaufe seiner Geschichte eine Heimstatt geboten hat, auch die Religionen der Ureinwohner und der afrikanischen Sklaven, das Judentum, den Islam, den Hinduismus und den Buddhismus sowie die New-Age-Religionen. Während die religiöse Rechte ihre Rückzugsgefechte für eine „christliche Nation“ führt, feiert die Religionswissenschaft die durch die Einwanderung von Nichtchristen immer weiter zunehmende religiöse Vielfalt der USA [E 6.5]. In dieser neuen Konsensperspektive auf die amerikanische Religionsgeschichte fehlen in der Regel die religiös Ungebundenen, Nichtgläubigen und Atheisten, deren Zahl beständig wächst, die aber weder im öffentlichen Diskurs noch in der Geschichts- und Religionswissenschaft hinreichend beachtet werden. Das Standardwerk zum Atheismus, das hauptsächlich das 19. Jahrhundert behan-

5. Ausgewählte Themenfelder und Teildisziplinen

155

delt, ist fast dreißig Jahre alt [T 6.5] und wird lediglich durch eine eher populäre Geschichte des Freidenkertums ergänzt [J 6.5]. Bei aller Wertschätzung des religiösen Pluralismus sollte die historische Bedeutung des protestantischen Christentums nicht zu sehr relativiert werden. In America’s God hat M. N [6.5] nachgezeichnet, wie eng die Ausformung des amerikanischen Protestantismus von der Kolonialzeit bis zum Bürgerkrieg mit der Herausbildung nationaler Identität verwoben war. Auch die im 19. Jahrhundert sukzessive fortschreitende Trennung von Kirche(n) und Staat beruhte auf protestantischen Freiheitsvorstellungen und war nicht zuletzt durch die Furcht vor dem Einfluss der Katholischen Kirche motiviert [H 6.5]. Umgekehrt gilt es, die Besonderheiten der amerikanischen Religionsgeschichte nicht zum religiösen Exzeptionalismus im Sinne einer göttlich sanktionierten historischen Mission zu verklären, wie dies in der öffentlichen Rhetorik in den USA leider an der Tagesordnung ist. Das beste Gegenmittel zum Exzeptionalismus bleibt die internationale Perspektive, die allerdings auch den Schluss nahe legt, dass die Säkularisierung europäischen Typs keinen universalen Entwicklungspfad beschreibt [J 6.5]. Im Unterschied zur neuen Kulturgeschichte definiert sich die Religionsgeschichte weiterhin über einen Gegenstandsbereich, auch wenn sich darüber, was unter Religion zu verstehen ist, schon lange kein Konsens mehr herstellen lässt und der christliche Religionsbegriff als normativer Standard weiter an Boden verlieren wird. Da die politische Brisanz der Religion zukünftig eher noch zunehmen wird, dürfte das Interesse an amerikanischer Religion und Religionsgeschichte anhalten.

Bedeutung des Protestantismus

5.6 Verbrechen und Gewalt Sowohl historisch als auch in der Gegenwart zeichnet die USA im Vergleich zu Westeuropa ein hohes Niveau interpersonaler Gewalt aus. Dieses manifestiert sich insbesondere in der Rate der Tötungsdelikte, die fünf Mal so hoch wie in den meisten westeuropäischen Ländern liegt [R 6.6]. Zugleich findet sich in keiner anderen westlichen Gesellschaft eine ähnlich hohe Akzeptanz privater Gewalt, einschließlich des nahezu unbeschränkten, in der Verfassung garantierten Rechts auf den Besitz von Schusswaffen sowie einer extensiven Konzeption legitimer Notwehr [B 6.6]. Die Überzeugung, dass Amerikaner das Recht und die Pflicht haben, sich in Bürgerwehren (vigilantes) an der Verfolgung von Straftätern zu beteiligen, ist weit verbreitet. Mobgewalt, Lynchjustiz und Rassenunruhen haben eine blutige Spur in der amerikanischen Geschichte hinterlassen. Gewaltverherrlichung hat in der US-Populärkultur eine lange Tradition. Eine ausgezeichnete Einführung in die Thematik bietet der kommentierte Quellenband von C. W und M. B [6.6]. Historiker, Sozialwissenschaftler und Kriminologen haben sich intensiv mit den Ursachen für diesen „negativen Exzeptionalismus“ beschäftigt. Nahezu alle Erklärungsansätze konzentrieren sich auf das historisch gewachsene Misstrauen der Amerikaner gegen staatliche Autorität und die damit einherge-

Gewaltniveau

Negativer Exzeptionalismus

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Recht auf Waffenbesitz

Gewalt und soziale Ordnung

II. Grundprobleme und Tendenzen der Forschung

hende Schwäche des staatlichen Gewaltmonopols. Einen guten Einstieg in die Debatte über die divergierenden Mordraten in Europa und Amerika bietet das AHR-Forum The Problem of American Homicide von 2006 [6.6]. Der Beitrag des inzwischen verstorbenen Rechtshistorikers E. M sieht einen Hauptgrund in der Ineffizienz der lokalen Strafjustiz im 19. Jahrhundert, die Mörder weder entschlossen verfolgte noch hart bestrafte, weil zahlreiche Tötungsdelikte als entschuldbare Selbstverteidigung oder Affekttaten betrachtet wurden; darüber hinaus habe die Sklaverei ein System privater Strafgewalt der Sklavenhalter über ihre Sklaven etabliert, das die staatliche Strafjustiz geschwächt habe. In seinem Kommentar zu Ms Thesen stellte der holländische Historiker P. S die provokante These auf, Amerika habe sich zu Beginn des 19. Jahrhunderts „zu früh“ demokratisiert, nämlich bevor der Staat die Bürger habe entwaffnen und ein effektives Gewaltmonopol errichten können. Vielmehr hätten die Amerikaner seit der frühen Republik Waffengebrauch und bewaffnete Selbstverteidigung als demokratische Rechte verinnerlicht. Zu den politisch heftig umstrittenen Ursprüngen der gun culture hat der deutsche Historiker M. L [6.6] kürzlich eine akribische empirische Untersuchung vorgelegt, die zu dem Ergebnis gelangt, dass die Amerikaner des späten 18. Jahrhunderts den Besitz von Schusswaffen zwar als selbstverständliches Recht betrachtet, aus ihren Waffen aber noch keinen „Fetisch“ gemacht hätten. Das Recht auf Waffenbesitz als solches erklärt nicht die Häufigkeit von Tötungsdelikten. In seiner Synthese American Homicide argumentiert R. R [6.6], die entscheidende Variable, die das historische Auf und Ab der Mordraten erkläre, sei der Glaube an die Stabilität und Legitimität der politischen und sozialen Ordnung. Seit Mitte des 19. Jahrhunderts, als die Mordraten in die Höhe schossen, hätten der sektionale Konflikt, der Bürgerkrieg und die Reconstruction den nationalen und sozialen Zusammenhalt der USA zerstört. Die Schere zwischen Westeuropa und den USA, die sich in diesen Jahrzehnten öffnete, habe sich nie wieder geschlossen. Unbestritten ist, dass die amerikanische Gesellschaft seit den 1830er Jahren eine Gewaltexplosion erlebte. Nicht nur stieg die Zahl der Morde dramatisch an, sondern es kam im ganzen Land zu rassistisch, nativistisch und religiös motivierter Mobgewalt. D. G [3.3] sieht in der sich ständig verschärfenden Auseinandersetzung zwischen Gegnern und Befürwortern der Sklaverei die Hauptursache für die Gewaltexzesse. In seiner Geschichte des Aufruhrs in Amerika macht P. G [3.3] den Aufstieg einer egalitären, kapitalistischen Massendemokratie dafür verantwortlich, dass sich soziale und ethnische Spannungen immer wieder in Krawallen entluden, die Dutzende Todesopfer forderten. Es mag kontraintuitiv erscheinen, Entwicklungen im 19. Jahrhundert als Erklärung für das hohe Gewaltniveau der USA in der Gegenwart heranzuziehen, aber tatsächlich zeigen sich beachtliche Kontinuitäten, wenn man regional differenziert. Während sich der Nordosten der USA nie signifikant von Westeuropa unterschied, verzeichnen der Süden und der sprichwörtlich „Wilde Westen“ der USA seit dem frühen 19. Jahrhundert bis heute durchgehend erheblich hö-

5. Ausgewählte Themenfelder und Teildisziplinen

157

here Mordraten als der Rest des Landes [P 6.6]. Im Hinblick auf den Süden wird immer wieder auf das Fortleben einer vormodernen Kultur der Ehre verwiesen, die einen Mann dazu verpflichtet, jede Andeutung einer persönlichen Herabwürdigung mit Gewalt zu beantworten [W-B 6.6]. Dieser Ehrbegriff galt auch im „Wilden Westen“, wo das Faustrecht regierte, das Schießeisen locker saß und mit Viehdieben kurzer Prozess gemacht wurde. Die exzessive Gewalt an der Frontier westlich des Mississippi war jedoch keineswegs nur spontan motiviert, sondern resultierte auch aus einem regelrechten Bürgerkrieg, in dem kleine Farmer und Rancher gegen die großen Viehzüchter, Bergbau- und Eisenbahngesellschaften standen [R. M. B, Violence, in: M/O’/S 6.8: 393–425]. Eine gute Einführung in dieses Thema liefert M. S. J [6.6]. Sowohl der Süden als auch der Westen hatten im 19. Jahrhundert ein extrem hohes Gewalt- und Kriminalitätsniveau, aber keine funktionierende Strafjustiz, sodass von einem staatlichen Gewaltmonopol keine Rede sein konnte. Dies ist offenkundig heute nicht mehr der Fall. Die USA praktizieren das härteste Strafrecht der westlichen Welt [G 5.4], und die Staaten des Südens und des Westens zeichnen sich durch besondere Strenge aus; nirgendwo werden mehr Todesurteile vollstreckt als in Texas. Der Verweis auf die Prägungen des 19. Jahrhunderts beruht also auf der Hypothese, dass die seinerzeit entstandenen Gewaltkulturen bis in die Gegenwart fortwirken. S. P [6.6: 106] deutet die Hochschätzung von Ehre und Gewalt im Westen und im Süden als verzögerten Zivilisierungsprozess. D. C [6.6] zeichnet eine Kontinuitätslinie von der Frontier zu den schwarzen Ghettos der heutigen Großstädte, wo sich, wie weiland im „Wilden Westen“, schwer bewaffnete, auf ihre Ehre bedachte, junge Männer aus nichtigen Gründen gegenseitig ermorden. Die Kehrseite einer historisch schwachen Strafjustiz und geringer Legitimität des staatlichen Gewaltmonopols waren extralegale Formen der Bestrafung, deren extreme Manifestation die Lynchjustiz war. Diese Praxis ist nach Colonel Charles Lynch aus Virginia benannt, der während des Unabhängigkeitskrieges „Volksgerichte“ gegen Loyalisten abgehalten hatte. Zunächst bedeutete „Lynchen“ nicht notwendigerweise die Tötung der Opfer, sondern schwere Prügelstrafen oder das altehrwürdige „Teeren und Federn“. Erst ab der Mitte des 19. Jahrhunderts kam es immer häufiger zu Lynchmorden an tatsächlichen oder angeblichen Gesetzesbrechern. Seit der Reconstruction wurde die Lynchjustiz dann vor allem zum Terrorinstrument gegen die schwarze Bevölkerung des Südens. Nach konservativen Schätzungen forderte sie zwischen ca. 1880 und 1950 etwa 5000 Menschenleben; mehr als 80 % der Lynchings geschahen im Süden und mehr als 80 % der dortigen Opfer waren Schwarze. Obwohl nach der Jahrhundertwende die Zahl der Lynchmorde kontinuierlich zurückging, hörte das Lynchen als öffentliches Spektakel erst nach dem Zweiten Weltkrieg auf. Danach war die Lynchjustiz lange ein Tabuthema. Die US-Geschichtswissenschaft begann erst in den achtziger Jahren mit ihrer systematischen Erforschung, doch inzwischen boomt das Feld. Der Verfasser hat kürzlich eine Synthese von der Kolonialzeit bis in die Gegenwart vorgelegt, die neben dem Rassismus und dem Erbe der Frontier auch die antiautoritäre, basisdemokratische politische Kultur

Gewalt im Wilden Westen

Kontinuitäten

Lynchjustiz

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race riots

II. Grundprobleme und Tendenzen der Forschung

der USA als Wurzel der Lynchjustiz herausstellt. Lynchjustiz wurde als Popular Justice verstanden, das souveräne Volk durfte Gerechtigkeit üben, wenn die staatlichen Autoritäten dazu nicht fähig oder willens waren [B 6.6]. Daneben sollte der kommentierte Quellenband von C. W [6.6] herangezogen werden. Die Forschung zur Lynchjustiz ist auch deshalb von Interesse, weil sie paradigmatisch die neueren Trends der US-Historiografie widerspiegelt. Die ersten Arbeiten behandelten den politischen Kampf gegen das Lynchen, quantifizierende Studien versuchten, die strukturellen Variablen, etwa den Baumwollpreis als Indikator wirtschaftlicher Prosperität, zu isolieren. Die neue Sozialgeschichte inspirierte zahlreiche Fallstudien, deren Fokus bald auch über den Süden und über die Opfergruppe der Afroamerikaner hinaus erweitert wurde. Mit der kulturgeschichtlichen Wende rückten Ideologien und Diskurse über race und gender, mit denen die Lynchjustiz an Afroamerikanern gerechtfertigt wurden [F 6.6], sowie die Inszenierungen und visuellen Repräsentationen des Lynchspektakels [W 6.6] in den Mittelpunkt. Die wichtigste Studie der letzten Jahre stammt von M. P [6.6], der die Auseinandersetzungen um das Lynchen als langen Kulturkampf um den Charakter der Strafjustiz deutet. Vor allem die ländlichen und städtischen Unterschichten hielten hartnäckig an der Forderung nach unnachsichtiger, von der lokalen Gemeinschaft geübter Vergeltung fest, während die Reformer der Mittelklasse für das staatliche Strafmonopol und rechtsstaatliche Verfahren eintraten. In dieser Perspektive wird die staatliche Todesstrafe als Substitut für das Lynchen verstanden, weil beide den Zweck verfolgen, das populäre Rachebedürfnis zu befriedigen. Lange akzeptierten die US-Historiker die Prämisse zeitgenössischer Kritiker, dass die Lynchjustiz eine nationale Besonderheit der USA darstelle. Tatsächlich zeigt die vergleichende und transnationale Perspektive [B/W 6.6], dass Lynchjustiz in allen Gesellschaften auftritt, in denen kein staatliches Monopol legitimer Gewalt durchsetzbar ist. Der extreme Rassismus, der die amerikanische Lynchjustiz auszeichnete, lässt sich jedoch nirgendwo sonst nachweisen. Eine noch gesteigerte Form rassistischer Gewalt waren die so genannten race riots, die oft Dutzende und manchmal Hunderte Todesopfer forderten. Diese „Rassenunruhen“, die Amerika von der Mitte des 19. Jahrhunderts bis ins späte 20. Jahrhundert immer wieder erschüttert haben, sind Teil der Geschichte der Urbanisierung und der Herausbildung der schwarzen Ghettos und hatten ihre Ursache meist in der scharfen Konkurrenz um Arbeitsplätze und Wohnraum zwischen Weißen und Afroamerikanern. Der Begriff race riot und seine deutsche Übersetzung als „Rassenunruhen“ sind freilich irreführend, insofern sie spontane Gewalteruptionen ohne klar benennbare Ursachen und Verantwortlichkeiten implizieren. Tatsächlich handelte es sich bei race riots bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts fast immer um pogromartige Attacken weißer Mobs gegen schwarze Wohnviertel; manchmal wurden afroamerikanische Gemeinden ganz aus der Stadt vertrieben. Die Forschung der letzten zwei Jahrzehnte hat sich besonders intensiv mit der Phase zwischen dem Ende des Bürgerkrieges und dem Ersten Weltkrieg beschäftigt, als diese Form der rassistischen Gewalt immer wieder neue Exzesse

5. Ausgewählte Themenfelder und Teildisziplinen

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hervorbrachte. Die zahlreichen Massaker während der Reconstruction können als Fortsetzung des Bürgerkrieges bezeichnet werden. Der weiße Süden wehrte sich mit massiver Gewalt und schließlich erfolgreich gegen „Negerherrschaft“ und „Yankee“-Besatzung [R 4.1; K 6.6; H 6.6]. Auch die riots um die Jahrhundertwende waren keine spontanen Ausbrüche, sondern das Ergebnis rassistischer Demagogie, die bewusst zu politischen Zwecken eingesetzt wurde. Im Sommer 1906 brachen in Atlanta mehrtägige Krawalle aus, weil die Kandidaten der Demokratischen Partei sich gegenseitig in ihrer Rassenhetze zu überbieten versuchten [M 6.6]. Im Zuge der schwarzen Abwanderung in die Städte des Nordens und Westens kam es auch dort zu schweren race riots. Die Ausschreitungen in Tulsa, Oklahoma, im Mai 1921 sind besonders intensiv erforscht worden, weil sie mit mehr als 100 Toten und der Zerstörung eines ganzen Stadtteils als schlimmster Fall gelten und weil sie bis heute Gegenstand heftiger Debatten über Wiedergutmachung und historische Erinnerung sind [B 6.6]. Allerdings änderte sich der Charakter der Rassenunruhen seit dem Ersten Weltkrieg, weil die schwarzen Ghettobewohner in Städten wie Chicago und Detroit auf Provokationen zunehmend selbst gewaltbereit reagierten und weißen Mobs Schlachten „auf Augenhöhe“ lieferten. Während zeitgenössische Erklärungen race riots meist zum Werk krimineller Elemente und entfesselter Mobs deklarierten, hat die sozialhistorische Forschung die strukturellen Ursachen wie Klassen- und Rassenspannungen, soziale Entwurzelung und Diskriminierung in den Blick genommen. Die Stadt Detroit, die 1943 und 1967 schwere Unruhen erlebte, ist ein besonders instruktives Studienobjekt, weil sie industriellen Boom und Niedergang in extremer Ausprägung repräsentiert [C/W 6.6; S 5.1]. Historiker wie T. S [5.1] und A. H [6.6] haben gezeigt, dass nach dem Zweiten Weltkrieg gewalttätiger weißer Widerstand gegen die Rassenintegration auch im Norden an der Tagesordnung war. In den sechziger Jahren jedoch wurde der Begriff race riot zum Synonym für die Ungeduld der schwarzen Unterklasse, die gegen ihre trostlosen Lebensbedingungen aufbegehrte und Teilhabe am amerikanischen Traum forderte. Ob die Ghettounruhen in den „langen heißen Sommern“ der sechziger Jahre als Gewaltexzesse frustrierter junger Männer oder als politisch motivierter Protest verstanden werden müssen, war schon in der zeitgenössischen Debatte umstritten. Eine konzise Einführung in die Forschungskontroversen bietet H. A. T [Urban Uprisings. Riots or Rebellions?, in: F/B 5.2: 109–117]. Da sich die Ausschreitungen häufig an der Brutalität der weißen Polizeikräfte entzündeten und gegen Geschäfte und Wohnhäuser richteten, die Weißen gehörten, sprechen viele Historiker heute von Rebellion statt von riots, zumal die Unruhen im Kontext der Black Power-Bewegung standen (vgl. Kap. II.5.3). Um eine organisierte revolutionäre Bewegung handelte es sich gewiss nicht, doch kann die Gewalt durchaus als Mittel der Kommunikation verstanden werden, das die Politik zur Reaktion zwang. Die fiel indessen sehr kontrovers aus. Liberale forderten Sozialprogramme, Konservative Repression. Die race riots ebbten Ende der sechziger Jahre ab, doch das Konfliktpotenzial

Gewalt in der Reconstruction

Wiedergutmachung

Ghettounruhen

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II. Grundprobleme und Tendenzen der Forschung

aus Rassenspannungen und Perspektivlosigkeit bestand fort, wie 1992 die Unruhen in Los Angeles zeigten. Deren Anlass entsprach ganz dem „klassischen“ Muster: weiße Polizeibeamte hatten einen Schwarzen schwer misshandelt und waren anschließend von einem rein weißen Schwurgericht freigesprochen worden. Der Umstand, dass sich die Wut der Ghettobewohner vielfach gegen koreanische Geschäftsleute richtete, spiegelte zugleich die neue Komplexität der Rassenbeziehungen im multikulturellen Amerika. In ihrer einschlägigen Studie waren N. A und J. L [6.6] jedoch davor, die L.A. Riots zum Konflikt zwischen koreanischen Einwanderern und Afroamerikanern umzudeuten und Minderheiten gegeneinander auszuspielen. Im Hinblick auf die Bewertung der Gewalt von unten ist in den vergangenen Jahrzehnten ein bemerkenswerter Paradigmenwechsel in der amerikanischen Geschichtswissenschaft festzustellen. Während die ältere Forschung, etwa im Zusammenhang mit der Amerikanischen Revolution, die konstruktive Rolle von Mobs als Agenten des Volkswillens und des sozialen Protestes betonte, haben die vielen neuen Arbeiten zu rassistischer Mobgewalt und Lynchjustiz von dieser Sichtweise nicht mehr viel übrig gelassen. 5.7 Die Geschichte der nordamerikanischen Indianer

Sonderstellung

Überleben und Selbstbehauptung

Die moderne Historiografie zu den Ureinwohnern Nordamerikas ist mit normativen und methodischen Problemen befrachtet, die dem Feld innerhalb der US-Geschichtswissenschaft eine Sonderstellung geben. Mit der europäischen Expansion seit dem frühen 17. Jahrhundert begann für die indigene Bevölkerung ein über dreihundertjähriger Prozess der gewaltsamen Verdrängung, Beinaheausrottung, Enteignung und Zwangsassimilierung, der aus heutiger Sicht, neben der Sklaverei, als der große „Schandfleck“ der amerikanischen Geschichte gilt. Die sozialdarwinistischen Narrative des späten 19. Jahrhunderts, die den Triumph der Zivilisation über eine zum „Aussterben“ verurteilte „Rasse“ als nationale Mission rechtfertigten, sind natürlich längst ebenso überwunden wie die nachfolgende Praxis vieler US-Historiker, die Indianer weitgehend zu ignorieren bzw. der Ethnologie zu überlassen. Die führenden Experten betonen einhellig, dass ihr Arbeitsgebiet inzwischen hervorragend etabliert ist und den Anschluss an die Fragestellungen des historiographischen Mainstreams gefunden hat [N. B, American Indians and the Study of U.S. History, in: F/MG 1.5: 376–399; H/I 6.7; D/S 6.7]. Gleichwohl lässt sich die Geschichte der Ureinwohner noch schwieriger in nationale Meistererzählungen integrieren als die afroamerikanische Geschichte, die ja durchaus unter das Leitmotiv der Durchsetzung amerikanischer Ideale gestellt worden ist. Demgegenüber ging es für die indianische Bevölkerung, die um die Wende zum 20. Jahrhundert offiziell weniger als eine Viertelmillion Menschen zählte, bis in die Gegenwart primär um kollektives Überleben und kulturelle Selbstbehauptung. Dass beides heute als gesichert gelten darf – der Zensus von 2010 registrierte knapp drei Millionen American Indians, die mehr

5. Ausgewählte Themenfelder und Teildisziplinen

161

als 550 anerkannten Stammesgemeinschaften genießen umfassende Autonomierechte – hält indianische Aktivisten nicht davon ab, vom „American Indian Genocide“ zu sprechen [S 6.7]. Tatsache ist, dass Armut, Arbeitslosigkeit und Mortalität in den Reservaten weit über dem nationalen Durchschnitt liegen. Die moderne Geschichtsschreibung [D/S 6.7; F/A 6.7] musste sich vor allem von zählebigen eurozentrischen Perzeptionen und Stereotypen befreien und sich grundlegende Fragen stellen. Ist es überhaupt zulässig, den Kollektivbegriff „Indianer“ zu verwenden, der bekanntlich auf den grandiosen Irrtum des Kolumbus zurückgeht, Indien erreicht zu haben, und die enorme kulturelle und linguistische Vielfalt der indigenen Völker einebnet? Die Alternativen „Native Americans“ und „First Nations“ implizieren einen historischen Anspruch, Nachfahren der ursprünglichen Eigentümer des Kontinents zu sein, tendieren aber ebenfalls zur kulturellen Homogenisierung und haben den Ausdruck Indianer auch deshalb nicht verdrängen können, weil dieser als Selbstbezeichnung eine Jahrhunderte lange Tradition hat. Wie ist es möglich, die indianische Perspektive auf den Kulturkontakt zu rekonstruieren, wenn es kaum von Indianern verfasste, zeitgenössische schriftliche Quellen gibt? Kann das europäisch geprägte Wissenschaftskonzept überhaupt den Zugang zur indianischen Kultur eröffnen und darf sie Priorität gegenüber der indianischen Überlieferung beanspruchen? Wie lassen sich die Gräben zwischen indianischen und euroamerikanischen Geschichtskonzeptionen überbrücken? Welche Konsequenzen ergeben sich aus der Forderung, die Geschichte der Indianer dürfe nicht länger von den Siegern geschrieben werden [D. F, Ethics and Responsibilities in Writing American Indian History, in: H/I 6.7: 2–8]? Die US-Geschichtswissenschaft hat in den vergangenen Jahrzehnten im Großen und Ganzen überzeugende Antworten auf diese Fragen gegeben. Institutionell wurden die American Indian History in die History Departments integriert sowie gezielt Historiker indianischer Abstammung rekrutiert. Zugleich verknüpften die Vertreter der Ethnohistorie die traditionelle, auf Schriftquellen basierende Geschichtsschreibung mit den Methoden und Forschungsergebnissen der Ethnologie und Linguistik, auch um den Preis, dass durch oral history und teilnehmende Beobachtung in der Gegenwart gewonnene Daten auf die Vergangenheit projiziert werden. Mit diesem Hintergrundwissen sollen Quellen europäischer bzw. euroamerikanischer Provenienz kritisch auf Verzerrungen, Irrtümer und Stereotypen geprüft und ihr Informationswert neu bestimmt werden. Das zentrale Anliegen besteht darin, die Stimmen der Ureinwohner hörbar zu machen und ihre Welt zu rekonstruieren. Zu den Pionieren der Ethnohistorie gehört J. A [2.1], dessen zahlreiche Bücher am besten über den Katalog der Library of Congress [1.2] bibliografiert werden. C. C [2.1] hat mehrere kommentierte Quellensammlungen von „Indian Voices“ für die Lehre vorgelegt, die zugleich in die methodische Problematik einführen, indianische Stimmen aus europäischen Quellen herauszufiltern. Damit verbindet sich eine empathische Umkehrung der Perspektive, wie sie in Buchtiteln wie Our Hearts Fell to the Ground. Plains Indian

Begriffliche Problematik

Indianische Überlieferung und Geschichtswissenschaft

Ethnohistorie

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Vielfalt der Kulturen

Kulturkontakt

Indianischer Widerstand

II. Grundprobleme und Tendenzen der Forschung

Views of How the West was Lost [C 6.7] oder Facing East from Indian Country [R 2.1] zum Ausdruck kommt. Ein neues Lehrbuch [O 6.7] veranschaulicht American Indian History anhand des Schicksals von elf verschiedenen Stämmen. Die Vielfalt der indianischen Kulturen und Sprachfamilien in Nordamerika kann hier nicht annähernd skizziert werden. Das von der Smithsonian Institution zwischen 1978 und 2008 publizierte Handbook of North American Indians [S 6.7] umfasst nicht weniger als 20 Bände und über 1000 Einträge. Weitere Referenzwerke sind die Cambridge History of the Native Peoples of the Americas [T/W 6.7] und die Encyclopedia of North American Indians [H 6.7]. Eine kurze, informative deutschsprachige Einführung stammt von W. A und H. M. B [6.7], auch das Standardwerk der Ethnologen W. L und M. M [6.7] eignet sich als Überblick. Mit Vorsicht zu genießen sind die zahlreichen populärwissenschaftlichen Darstellungen, die den legendären deutschen Indianerenthusiasmus bedienen und romantisierende Stereotypen reproduzieren, aber kaum an geschichtswissenschaftliche Forschungstrends anschließen. Zu den am besten erforschten Themen gehört der europäisch-indianische Kulturkontakt während der Kolonialzeit, der bereits oben behandelt wurde (Kap. II.2). Im Zentrum vieler Studien steht das Konzept der Kulturgrenze, die aber schon lange nicht mehr im Sinne Frederick Jackson Turners (vgl. Kap. II.5.8) als Aufeinandertreffen von „Zivilisation“ und „Barbarei“, sondern als Kontaktzone verstanden wird, wo Machtbeziehungen und Kulturaustausch ausgehandelt wurden. Eine Pionierstudie war R. Ws Middle Ground [2.1], die den Kulturkontakt im Gebiet der Großen Seen über fast 200 Jahre untersucht und dabei sowohl die Einflüsse der Franzosen und Holländer als auch die gravierenden Auswirkungen einbezieht, die Handel, Krankheiten und Krieg auf die Indianerstämme hatten. Bei aller Betonung von Komplexität und Gegenseitigkeit in den Kulturbeziehungen lässt auch die neuere Forschung keinen Zweifel daran, dass die Indianer gegen den Expansionsdrang und die überlegenen Machtressourcen der Europäer auf Dauer keine Chance auf erfolgreiche Selbstbehauptung hatten. Krieg, Gewalt, Vertreibung und kulturelle Unterdrückung bleiben deshalb zwangsläufig zentrale Themen der Geschichtsschreibung zu den indianisch-euroamerikanischen Beziehungen. Im Einzelnen zeichnet die Forschung jedoch ein sehr differenziertes Bild, das die Kreativität des indianischen Widerstandes und den Willen zur Selbstbehauptung herausstellt. Geschickte Diplomatie und militärische Schlagkraft machten den Irokesenbund im 18. Jahrhundert zum bedeutenden Machtfaktor zwischen den Kolonialmächten [R 6.7]. P. H [6.7] spricht gar von einem „Imperium“ der Komantschen, die im 18. und 19. Jahrhundert den Südwesten der heutigen USA beherrschten und erst nach dem Bürgerkrieg der Westexpansion der USA weichen mussten. In Violence over the Land argumentiert N. B [6.7], dass der koloniale Druck aus dem Osten und dem Süden, von wo aus die spanischen und später mexikanischen Eroberer vordrangen, den indianischen Stämmen des Westens keine andere Wahl ließ, als ihr Überleben durch Raubzüge und Sklavenhandel

5. Ausgewählte Themenfelder und Teildisziplinen

163

zu sichern. J. O [4.2] behandelt den Widerstand der Prärieindianer im 19. Jahrhundert, der jedoch am Ende ebenso gebrochen wurde wie jede indianische Gegenwehr seit der frühen Kolonialzeit. Die Brutalität der Kriegsführung gegen die Indianer, die sich rund 300 Jahre lang durch verbrannte Erde, Aushungern und Massaker an Frauen und Kindern auszeichnete, unterschied sich markant von den jeweils zeitgenössischen Regeln des Kriegsrechts zwischen so genannten zivilisierten Staaten. Ein USMilitärhistoriker sieht in diesem oft von irregulären Verbänden geführten, gnadenlosen Eroberungskrieg an der Frontier gar die prägende Erfahrung der amerikanischen Militärgeschichte [G 6.7]. In der Forschung ist heftig umstritten, ob der Begriff des Völkermords oder gar die Gleichsetzung mit dem Holocaust [S 2.1] in diesem Zusammenhang sachlich und moralisch angemessen ist. Diese oft polemisch geführte Debatte und die umfangreiche Literatur können hier nicht ausführlich erörtert werden. Wer den Begriff des Genozids ausschließlich auf die staatlich gelenkten und ideologisch motivierten Massenmorde des 20. Jahrhunderts begrenzen will, wird diesen Terminus für die Indianerkriege in Nordamerika ablehnen. Allerdings hat sich in der Geschichtswissenschaft seit einiger Zeit das Konzept des Siedlerkolonialismus etabliert, der für die Ureinwohner keinen Platz mehr lässt und dessen Logik ihr „Verschwinden“ als unvermeidlich erscheinen lässt. In einer Dynamik von Gewalt und Gegengewalt kommt es dann zu lokalen genozidalen Massakern, die auf die Vernichtung und Vertreibung der indigenen Bevölkerung abzielen, ohne dass dafür eine zentrale Planung erforderlich wäre. In seiner Weltgeschichte des Völkermords behandelt B. K [6.7] die nordamerikanischen Indianerkriege unter diesem Paradigma. Keine US-Regierung verfolgte je das Ziel, die nordamerikanischen Indianer physisch auszurotten, aber die Vorstellung, dass sie der Zivilisation entweder weichen oder sich ihr anpassen müssten, beherrschte die Politik und den gesellschaftlichen Diskurs bis weit ins 20. Jahrhundert. Das Standardwerk zum Indian Removal unter Andrew Jackson ist A. Ws Long, Bitter Trail [6.7]. Der Rechtshistoriker S. B [6.7] hat eine neue Synthese zur Aneignung des indianischen Landes geschrieben, die zeigt, wie die Rechtsförmigkeit von Vertragsschlüssen es den Euroamerikanern erlaubte, an fairen Kauf zu glauben. Seit dem letzten Drittel des 19. Jahrhunderts sollten Assimilierung und „Zivilisierung“ dadurch erreicht werden, dass Stammesverbände und Reservate aufgelöst und die Indianer zu Familienfarmern gemacht wurden. Ein weiterer Baustein der Assimilierungspolitik war die erzwungene Einschulung indianischer Kinder in Internate, wo sie zu guten Amerikanern erzogen werden sollten [H, Final Promise, 6.7; A 6.7]. Ein letzter Anlauf zur Zwangsassimilierung erfolgte in den 1950er Jahren, als die Bundesaufsicht über die Reservate zeitweilig abgeschafft und ein Umsiedlungsprogramm in die Städte gestartet wurde. Die Geschichte der nordamerikanischen Indianer im 20. Jahrhundert war lange Zeit ein Stiefkind der historischen Forschung, ganz so, als seien diese tatsächlich „ausgestorben“, nachdem ihr militärischer Widerstand erlahmt war und ihre Bevölkerungszahl einen historischen Tiefstand erreicht hatte.

Völkermord?

Assimilationspolitik

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Entschädigung und Restitution

National Museum of the American Indian

II. Grundprobleme und Tendenzen der Forschung

In Wirklichkeit ging ihr Kampf um kulturelle Selbstbehauptung sowie die Wiedererlangung ihrer verlorenen Selbstbestimmung und ihres Landes weiter. Dieser Kampf zeitigte seit dem Zweiten Weltkrieg zunehmend Erfolge. Stämme erhielten finanzielle Entschädigungen, Land wurde in erheblichem Umfang restituiert, die US-Regierung gab die Politik der Assimilierung auf und räumte den Stämmen in den Reservaten weitgehende Autonomierechte ein. In Museen verwahrte Kultgegenstände und sterbliche Überreste wurden zurückgegeben. Eine neue Gesamtdarstellung der gerichtlichen und politischen Kampagnen für die Souveränität der Stämme hat C. W [6.7] vorgelegt. Die militante Protestbewegung, die in den 1960er und 1970er Jahren unter dem Schlachtruf „Red Power“ von sich reden machte, behandeln P. C. S und R. A. W [6.7]. Die symbolische Anerkennung der Indianer als Teil der amerikanischen Nation und Geschichte erfuhr ihre Krönung im Jahre 2004, als auf der National Mall in Washington das National Museum of the American Indian eröffnete, an dessen Konzeption und Gestaltung indianische Wissenschaftler und Repräsentanten maßgeblich beteiligt waren [L/C 6.7]. Einige Kritiker bemängelten, dem Museum fehle die historische Kohärenz, es diene vor allem der Selbstdarstellung der diversen indianischen Gruppen. In der Tat überrascht, dass die Ausstellung die Gewaltgeschichte des europäisch-indianischen Kulturkontaktes nur punktuell thematisiert. Der Unterschied zu einem traditionellen „Völkerkundemuseum“ erschließt sich nicht auf den ersten Blick, der Besuch wird dennoch ausdrücklich empfohlen. Die Forderung, die Geschichte der nordamerikanischen Indianer aus ihrer eigenen Perspektive zu verstehen und zu schreiben, ist legitim und sinnvoll, darf aber nicht zu Deutungsmonopolen für indigene Historiker oder zu einem unhistorischen Verständnis indianischer Kulturen führen, die weder vor noch nach dem Kulturkontakt statisch waren. An der Feststellung, dass diese Geschichte in den vergangenen 400 Jahren entscheidend von der Konfrontation mit der europäischen Expansion nach Nordamerika und ihren Folgen geprägt wurde, führt kein Weg vorbei. Daher ist American Indian History Teil der amerikanischen Geschichte und betrifft alle Amerikaner. 5.8 Die Geschichte der Frontier und die Umweltgeschichte

Turner-These

Die Historiografien zur Geschichte der Siedlungsgrenze und zur Umweltgeschichte werden aus drei Gründen im selben Kapitel abgehandelt. Erstens rückte Frederick Jackson Turner (1861–1932) mit seiner am Ende des 19. Jahrhunderts vorgetragenen These über die Bedeutung der Frontier in der amerikanischen Geschichte die Wechselwirkung zwischen Mensch und Umwelt in den Mittelpunkt des historischen Prozesses und nahm so die zentrale Fragestellung der modernen Umweltgeschichte vorweg [A. I, Environment and the 19th-Century West, in: D, 6.8: 77–92, 78]. Zweitens prägte die mit der Frontier verbundene Vorstellung von Amerika als einem Garten Eden mit unerschöpflichen natürlichen Ressourcen den Umgang der

5. Ausgewählte Themenfelder und Teildisziplinen

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Amerikaner mit der Umwelt ganz wesentlich. Und drittens hat das Aufkommen der Umweltgeschichte seit den siebziger Jahren der Geschichtsschreibung zur Frontier und besonders zur Geschichte des Westens jenseits des Mississippi wegweisende Impulse gegeben. Der Text des berühmten Vortrages, den Turner 1893 auf der Jahrestagung der American Historical Association (AHA) hielt, ist relativ kurz und findet sich in zahlreichen neueren Anthologien [M 6.8.; E 6.8.]; eine ausführliche deutschsprachige Untersuchung zur Historiografiegeschichte der Frontier-Debatte hat M. W [6. 8] geschrieben. Mit seiner These, dass die Umweltbedingungen der Frontier – und nicht das europäische Erbe der Siedler – den amerikanischen Nationalcharakter und die amerikanische Geschichte geprägt hätten, formulierte Turner sowohl einen umfassenden wissenschaftlichen Erklärungsanspruch als auch eine identitätsstiftende nationale Meistererzählung. „Up to our own day“, heißt es in der Einleitung zu The Significance of the Frontier in American History, „American history has been in a large degree the history of the colonization of the Great West. The existence of an area of free land, its continuous recession, and the advance of American settlement westward, explain American development” [M 6.8: 2]. Die Turner-These ist die wohl einflussreichste Interpretation der amerikanischen Geschichte, an der sich ganze Historikergenerationen abgearbeitet haben, und ist bis in die Gegenwart der Bezugspunkt aller Debatten zur Geschichte der Besiedlung des nordamerikanischen Kontinent und des Westens geblieben. Turner beschrieb die Frontier als den Ort des Aufeinandertreffens von „Zivilisation und Barbarei“, wo die harten Umweltbedingungen die europäischen Neuankömmlinge zu Amerikanern machte. Der im Kampf mit der Natur und den Ureinwohnern geformte Pioniergeist zeichnete sich durch rastlose Energie, einen ausgeprägten Sinn für das Materielle, Erfindungsreichtum sowie Individualismus und ein unerschütterliches Selbstbewusstsein aus. Auch die amerikanische Demokratie entstand demnach an der Frontier, ihre Grundlagen verortete Turner nicht in den Ideen der Aufklärung, sondern in der durch das freie Land gegebenen ökonomischen Chancengleichheit und der durch den Druck einer erbarmungslosen Wildnis erzwungenen Nivellierung von Klassen- und Statusunterschieden. Individualismus und Egalitarismus nährten ein ausgeprägtes Misstrauen gegen Hierarchie und Autorität sowie den Anspruch auf politische Selbstbestimmung. Für Turner und seine Adepten war es die Frontiererfahrung, die Amerika von Europa unterschied und seine historische Einzigartigkeit ausmachte [E 6.8]. Bis in die Mitte des 20. Jahrhunderts wurde die Frontier-These in der amerikanischen Geschichtsschreibung nicht grundsätzlich in Frage gestellt. Erst die New Western History, die seit den achtziger Jahren ihren Siegeszug antrat und von R. W [6.8], P. L [6.8] und C. M [L/M/R 6.8; M/O’/S 6.8] angeführt wurde, unterzog Turner einer empirischen und ideologischen Fundamentalkritik. Turners Narrativ, so der Tenor, sei eine unhaltbare nationalistische Rechtfertigungsideologie für die Westexpansion, die sowohl die gewaltsame Verdrängung der Ureinwohner als auch den rücksichtslosen Raubbau an der

Frontier und Exzeptionalismus

New Western History

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borderlands

frontier-region debate

Umweltgeschichte

II. Grundprobleme und Tendenzen der Forschung

Umwelt ausblende. Die Heroisierung des weißen männlichen Pioniers habe dazu geführt, dass Frauen und ethnische Minderheiten entweder ignoriert oder auf Stereotypen reduziert worden seien. Die Turner-These basiere auf einem kruden Umweltdeterminismus und einem simplen Einheitsmodell der agrarischen Siedlungsgrenze, das auf die großen Prärien und hohen Bergketten des ariden Westens nicht passe. Nicht die verklärten Pioniere in ihren Planwagen, sondern kapitalistische Interessen wie Landspekulation, Eisenbahnbau, kommerzielle Landwirtschaft und Viehzucht sowie die Ausbeutung von Bodenschätzen seien die eigentlichen Triebkräfte der Westexpansion gewesen. Die Chancengleichheit sei ebenso ein Mythos wie die angebliche Funktion der Frontier als Sicherheitsventil für soziale Spannungen. Tatsächlich hätten Klassenkonflikte an der Frontier eine viel größere Rolle gespielt, als Turner und seine Schüler dies wahrhaben wollten. Als nationale Geschichtsteleologie einer kontinuierlich von Ost nach West voranschreitenden, angloamerikanischen Zivilisation hat die Frontier, zumindest in der akademischen Geschichtsschreibung, ausgedient. Neue Synthesen betonen, dass es nicht nur eine, sondern viele Frontiers in Nordamerika gegeben hat. Die „Spanish borderlands“ im Südwesten – ein Begriff der schon in den 1920er Jahren geprägt wurde [S. A, Frontiers, Borderlands, Wests, in: F/MG 1.5: 261–284] – gehören ebenso zu dieser Geschichte wie die asiatische Einwanderung nach Kalifornien [H/F 6.8]. Andererseits darf bei aller berechtigten Kritik an Turners ideologischen Prämissen nicht übersehen werden, dass seine Frontier-These auch deshalb historiografisch so einflussreich gewesen ist, weil sie durchaus eine reale und in einigen Faktoren singuläre historische Konstellation mit profunden Konsequenzen für die Ausbildung politischer und sozialer Mentalitäten und Institutionen in den USA beschreibt. Ihre historische Erklärungskraft erstreckt sich aber wohl eher auf die Besiedlung des Mittleren Westens in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts als auf die Gebiete westlich des Mississippi. Schon vor der New Western History hatten Historiker insistiert, nicht der Prozess der Besiedlung im Sinne der Frontier-These, sondern die extreme Trockenheit sei der Schlüssel zum Verständnis der Region zwischen den großen Prärien und der Sierra Nevada. Diese „frontier-region debate“ war im Kern eine Debatte über das Verhältnis von Mensch und Umwelt. Die Frontier impliziert die Aneignung und Gestaltung der Umwelt durch den Menschen, während die klimatische Definition einer Region den Menschen durch Umwelteinflüsse bestimmt sieht [A. I, Environment and the 19th-Century West, in: D, 6.8: 77–92]. Die moderne Umweltgeschichte will solche fruchtlosen Dichotomien überwinden, indem sie die dynamischen Wechselwirkungen zwischen menschlichen Gesellschaften und der natürlichen Umwelt in zeitlicher Dimension untersucht, wobei die Untersuchungszeiträume je nach Erkenntnisinteresse stark variieren. Umwelthistoriker, die sich für den Einfluss geografischer, geologischer und klimatischer Bedingungen auf die Entwicklung menschlicher Gemeinschaften interessieren, denken in sehr langen Zeiträumen, Arbeiten zur Umweltpolitik dagegen bewegen sich im gewohnten Zeitrahmen der politischen Geschichte. Die Umweltgeschichte beruht auf der Prämisse, dass

5. Ausgewählte Themenfelder und Teildisziplinen

167

Menschen Teil der Natur sind und ihre Geschichte deshalb nur im Wechselspiel mit dieser verstanden werden kann. Sie will die Vorstellung überwinden, die natürliche Umwelt bilde lediglich einen stabilen Hintergrund für die eigentliche Geschichte [S, Down to Earth, 6.8]. Die Umweltgeschichte hat sich in den USA seit den siebziger Jahren institutionalisiert, als die American Society for Environmental History (1976) und eine erste Fachzeitschrift – seit 1996 trägt diese den Titel Environmental History – gegründet wurden [H 6.8]. Innerhalb relativ kurzer Zeit etablierte sich die Disziplin an den Universitäten und generierte rasch einen beeindruckenden Output an Publikationen. Zum Erfolg trugen herausragende Monografien bei, die heute bereits als Klassiker gelten, etwa D. Ws [6.8] Studie über die große Dürre der dreißiger Jahre und W. Cs [Changes in the Land, 6.8] Buch über die ökologischen Veränderungen, die der Kulturkontakt zwischen Europäern und Ureinwohnern in Neuengland bewirkte. Inzwischen gibt es zahlreiche rezente Einführungen [H 6.8.; M, Introduction, 6.8], Lehrbücher [M, Major Problems, 6.8], Nachschlagewerke [B/L 6.8] und historiografische Überblicke [S 6.8], die Orientierung über Themen und Methoden der Umweltgeschichte bieten. Diese ist auch nötig, denn der Zugang zur Historisierung des Verhältnisses von Mensch und Umwelt erfolgt aus zum Teil sehr unterschiedlichen Perspektiven und über sehr unterschiedliche methodische Zugänge. In seiner gut lesbaren Einführung unterscheidet D. H [6.8] drei große Erkenntnisinteressen der Umweltgeschichte: (1) der Einfluss von Umweltfaktoren wie Klima, Geografie , Flora, Fauna und Krankheitserregern auf die menschliche Geschichte, (2) die von Menschen bewirkten Veränderungen der Umwelt und ihre Rückwirkungen auf menschliche Gesellschaften und (3) die Ideen- und Diskursgeschichte der Umwelt und Natur. Ein vierter Themenbereich ist die Geschichte der Umweltbewegungen [W 6.8] und der Umweltpolitik [H 6.8], obwohl die einschlägigen Arbeiten methodisch eher in die Politik- und Sozialgeschichte fallen. Ein einheitliches Forschungsparadigma Umweltgeschichte gibt es nicht, das Verhältnis von Natur und Kultur wird, je nach Fragestellung und Perspektive, höchst unterschiedlich definiert. Das Spektrum reicht von „Deterministen“, die den Lauf der Geschichte vor allem durch Umweltfaktoren bestimmt sehen, zu „Konstruktivisten“, die Natur als kulturelle, historisch variable Konstruktion betrachten [H 6.8: 98]. Allerdings muss jede ernstzunehmende Umweltgeschichte an einem materiellen Naturbegriff festhalten und sich der interdisziplinären Kooperation mit den Naturwissenschaften, insbesondere der Geografie, Geologie, der Ökologie, der Biologie, der Epidemiologie usw. öffnen, wenn sich die Fragestellungen nicht allein auf kulturelle Konstruktionen und Repräsentationen der Umwelt beschränken sollen. Umgekehrt kann sich auch die naturwissenschaftlich informierte Forschung nicht von der Grunderkenntnis der Kulturwissenschaften abschotten, dass Naturerfahrung und der Umgang mit der Umwelt kulturell vermittelt sind. Die anfängliche Skepsis vieler an der physischen Umwelt interessierter Historiker, von denen viele über naturwissenschaftliche Forschungen zur Geschichte kamen, hat sich augenscheinlich gelegt [S 6.8: XIV].

Institutionalisierung

Themen und Erkenntnisinteresse

Interdisziplinarität

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Professionalisierung

Ökologischer Raubbau

Umweltpolitik

Naturkatastrophen

II. Grundprobleme und Tendenzen der Forschung

Der Umstand, dass die Umweltgeschichte im Kontext der Ökologiebewegungen entstand, trug ihr zunächst den Vorwurf des Präsentismus ein. Angesichts der Ausdifferenzierung und Professionalisierung des Feldes ist der Verdacht, die Umweltgeschichte sei lediglich eine Legitimationswissenschaft für den Umweltschutz, allerdings inzwischen verstummt. Desgleichen haben sich die meisten US-Umwelthistoriker vom Narrativ einer unberührten nordamerikanischen Wildnis, die von den europäischen Eindringlingen ausgeplündert und zerstört worden sei, ebenso gelöst wie von der Idealisierung der Ureinwohner als frühe Ökologen, die in paradiesischer Harmonie mit der Natur lebten [P, Environmental History, in: F/MG 1.5: 284–313: 297; K 6.8]. Städte gelten nicht mehr als negatives Gegenbild zur Natur, sondern werden als komplexe, von Menschen gemachte Ökosysteme behandelt [M 6.8]. Dass der amerikanische Kapitalismus die Natur zur frei verfügbaren Ware gemacht und damit die natürliche Umwelt fundamental umgestaltet habe, bleibt ein Leitmotiv der Umweltgeschichte in den USA [S, Down to Earth, 6.8: XI]. Allerdings richtet sich der kritische Blick inzwischen ebenso auf die Motive und Konsequenzen des Umweltschutzes, der in den USA bis in die 1870er Jahre zurückreicht, als der Yellowstone Nationalpark eingerichtet wurde. Zahlreiche Studien haben herausgearbeitet, dass preservation und conservation in den Nationalparks häufig auf Kosten der Indianer und lokaler Unterschichten ging, deren Lebensgrundlage das Jagen, Fischen und Holzschlagen in der „Wildnis“ war [S 6.8; J 6.8]. Auch Nutzen und Nachteile heutiger Umweltpolitik sind sozial ungleich verteilt, da Umweltbelastungen nicht selten auf unterprivilegierte Schichten und Minderheiten abgewälzt worden sind. Der Hurrikan „Katrina“, der 2005 u. a. die Stadt New Orleans verwüstete, führte dies drastisch vor Augen. Die überwiegend arme schwarze Bevölkerung wurde am härtesten betroffen, weil ihre Wohngebiete in den am meisten von der Flut gefährdeten Gebieten lagen und weil die staatlichen Behörden auf die Katastrophe völlig unzureichend vorbereitet waren [B/W 6.8]. Naturkatastrophen sind auch deshalb ein bevorzugter Gegenstand der Umweltgeschichte, weil sie in dramatischer Weise die Grundfrage der Disziplin nach der Wechselwirkung von Mensch und Umwelt aufwerfen. Das betrifft zum einen die Frage, in welchem Maße menschliche Aktivitäten zu Naturkatastrophen wie Fluten oder Dürren beigetragen haben [S, Acts of God, 6.8], zum anderen die kulturelle Wahrnehmung und Verarbeitung solcher Geschehnisse [B 6.8]. Daneben sind Naturkatastrophen ein wichtiges Feld der transnational ausgerichteten Umweltgeschichte, da Naturereignisse, wie immer sie verursacht wurden, sich bekanntlich selten an politische Grenzen halten. Wichtige Beiträge zur transnationalen und vergleichenden Umweltgeschichte stammen von europäischen Historikerinnen und Historikern [M/P 6.8; L/W 6.8]. Gleichwohl ist die Umweltgeschichte als akademische Disziplin in den USA sehr viel stärker ausgebaut als in Europa und in Deutschland. Sie beeindruckt durch die Vielfalt der Themen und durch ihre interdisziplinäre Anschlussfähigkeit. Einerseits hat sie die Fragestellungen und Kategorien der Politik-, Sozial- und

5. Ausgewählte Themenfelder und Teildisziplinen

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Kulturgeschichte aufgenommen, andererseits baut sie die Brücke zu den empirischen Naturwissenschaften. Zugleich dürften öffentliches Interesse und Akzeptanz der Umweltgeschichte angesichts der großen Herausforderungen, vor die Klimawandel, Bevölkerungswachstum und Ressourcenverknappung die Menschheit stellen, weiter zunehmen.

III. Quellen und Literatur 1. Allgemeines 1.1 Gedruckte Quellen und amtliche Publikationen E. C. H/J. G (Hrsg.), Major Problems in American History. 2 Bde. Boston 2002. Public Papers of the Presidents of the United States. Washington, DC 1963ff. (seit Harry S. Truman). R. S/S. C (Hrsg.), Historical Statistics of the United States. Earliest Times to the Present. 6 Bde. New York 2006. U.S. Department of State (Hrsg.), Foreign Relations of the United States. Washington, DC 1862ff. 1.2 Datenbanken und Online-Quellen America: History and Life: http://www.ebscohost.com/academic/america-history-and-life (kostenpflichtig) (18.2.2013). American Antiquarian Society (AAS) Historical Periodicals Collection: http:// www.ebscohost.com/archives/featured-archives/american-antiquarian-society (kostenpflichtig) (18.2.2013). American Memory: http://memory.loc.gov (kostenfrei) (18.2.2013). America’s Historical Newspapers: http://www.newsbank.com/readex/?con tent=96 (kostenpflichtig) (18.2.2013). Catalog of U.S. Government Publications: http://catalog.gpo.gov (kostenfrei) (18.2.2013). H-Net Reviews in the Humanities and Social Sciences: http://www.h-net.org/ reviews (kostenfrei) (18.2.2013). Internet Archive: http://archive.org (kostenfrei) (18.2.2013). JSTOR: http://www.jstor.org (kostenpflichtig) (18.2.2013). Library of Congress Online Catalog: http://catalog.loc.gov (kostenfrei) (18.2.2013). National Archives and Records Administration: http://www.archives.gov (kostenfrei) (18.2.2013). Nineteenth Century U.S. Newspapers: http://gdc.gale.com/products/19th-century-u.s.-newspapers (kostenpflichtig) (18.2.2013). Project MUSE: http://muse.jhu.edu (kostenpflichtig) (18.2.2013). Proquest Historical Newspapers: http://www.proquest.com/en-US/catalogs/ databases/detail/pq-hist-news.shtml (kostenpflichtig) (18.2.2013).

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III. Quellen und Literatur

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1.3 Nachschlagewerke T. A (Hrsg.), Germany and the Americas. Culture, Politics and History. A Multidisciplinary Encyclopedia. 3 Bde. Santa Barbara, CA 2005. P. S. B (Hrsg.), The Oxford Companion to United States History. New York 2001. P. F (Hrsg.), The Encyclopedia of American Civil Liberties. 4 Bde. London 2006. M. H/R. S (Hrsg.), A Population History of North America. New York 2000. P. K (Hrsg.), Encyclopedia of War and American Society. 3 Bde. London 2006. P. L/D. L (Hrsg.), Länderbericht USA. Geschichte, Politik, Wirtschaft, Gesellschaft, Kultur. 3. Aufl. Bonn 2004. G. N (Hrsg.), Encyclopedia of American History. 11 Bde. New York 2003. I. N, Encyclopedia of American Social Movements. 4 Bde. Armonk 2004. J. P. R (Hrsg.), Americans at War. Society, Culture, and the Homefront. 5 Bde. Farmington Hills, MI 2005. U. S, Lexikon der Amerikanischen Geschichte. München 1997.

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2. Das koloniale Nordamerika

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6. Ausgewählte Themenfelder und Teildisziplinen

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6.4 Frauen, Geschlechtergeschichte und Sexualität D. A, Make Love, Not War. The Sexual Revolution. An Unfettered History. New York 2001. G. B, Manliness and Civilization. A Cultural History of Gender and Race in the United States, 1880–1917. Chicago/London 1995. M. B, A Queer History of the United States, Revisioning American History. Boston 2012. M. C, The Straight State. Sexuality and Citizenship in Twentieth-Century America. Princeton 2009. K. C, Making Marriage Work. A History of Marriage and Divorce in the Twentieth-Century United States. Chapel Hill 2009. G. C, Gay New York. Gender, Urban Culture, and the Makings of the Gay Male World, 1890–1940. New York 1994. S. C (Hrsg.), American Families. A Multicultural Reader. 2. Aufl. New York 2008. N. F. C, Public Vows. A History of Marriage and the Nation. Cambridge, MA 2000. D. T. C, Phyllis Schlafly and Grassroots Conservatism. A Woman’s Crusade. Princeton 2005. J. D’E, Sexual Politics, Sexual Communities. The Making of a Homosexual Minority in the United States, 1940–1970. 2. Aufl. Chicago 1998. J. D’E, The World Turned. Essays on Gay History, Politics, and Culture. Durham 2002. E. F/E. F. F, Century of Struggle. The Woman’s Rights Movement in the United States. 2. erw. Aufl. Cambridge, MA 1996. G. E. G, Gender and Jim Crow. Women and the Politics of White Supremacy in North Carolina, 1896–1920. Chapel Hill 1996. L. G, Heroes of Their Own Lives. The Politics and History of Family Violence. Boston, 1880–1960. 2 Aufl. Urbana 2002. N. H (Hrsg.), A Companion to American Women’s History. Malden 2002. M. H, White Women, Black Men. Illicit Sex in the 19th-Century South. New Haven/London 1997. S. D. H, A History of Gender in America. Essays, Documents, and Articles. Upper Saddle River, NJ 2003. D. K. J, The Lavender Scare. The Cold War Persecution of Gays and Lesbians in the Federal Government. Chicago 2004. J. J, Labor of Love, Labor of Sorrow. Black Women, Work, and the Family from Slavery to the Present. 2. Aufl. New York 2009. A. K-H, In Pursuit of Equity. Women, Men, and the Quest for Economic Citizenship in 20th Century America. New York 2001.

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6. Ausgewählte Themenfelder und Teildisziplinen

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6. Ausgewählte Themenfelder und Teildisziplinen

203

R. V. H/J. M. F, Frontiers. A Short History of the American West. New Haven 2007. J. D. H, What Is Environmental History? Cambridge, UK 2006. K. J, Crimes against Nature. Squatters, Poachers, Thieves, and the Hidden History of American Conservation. Berkeley 2001. S. K, The Ecological Indian. Myth and History. New York 1999. U. L/H. W, Historians and Nature. Comparative Approaches to Environmental History. New York 2007. P. N. L, The Legacy of Conquest. The Unbroken Past of the American West. 2. Aufl. New York 2006. P. N. L/C. A. M/C. E. R (Hrsg.), Trails. Toward a New Western History. Lawrence 1991. C. M/C. P (Hrsg.), Natural Disasters, Cultural Responses. Case Studies toward a Global Environmental History. Lanham 2009. M. V. M, Garbage in the Cities. Refuse, Reform, and the Environment. 2. Aufl. Pittsburgh 2005. C. M, American Environmental History. An Introduction. New York 2007. C. M (Hrsg.), Major Problems in American Environmental History. 2. Aufl. Boston 2005. C. A. M (Hrsg.), Major Problems in the History of the American West. Boston/New York 1997. C. A. M/C. A. O’C/M. A. S (Hrsg.), The Oxford History of the American West. New York/Oxford 1994. D. C. S (Hrsg.), A Companion to American Environmental History. Malden 2010. M. D. S, Dispossessing the Wilderness. Indian Removal and the Making of the National Parks. New York 1999. T. S, Acts of God. The Unnatural History of Natural Disaster in America. 2. Aufl. New York 2006. T. S, Down to Earth. Nature’s Role in American History. 2. Aufl. New York 2009. M. W, Die Erfindung des Amerikanischen Westens. Die Geschichte der Frontier-Debatte. Freiburg i. Br. 1996. T. R. W, Preserving the Nation. The Conservation and Environmental Movements, 1870–2000. Wheeling, IL 2007. R. W, „It’s Your Misfortune and None of My Own“. A History of the American West. Norman, OK 1991. D. W, Dust Bowl. The Southern Plains in the 1930s. 2. Aufl. New York 2004.

204

III. Quellen und Literatur

6.9 Wirtschaftsgeschichte und Labor History J. O. A, The Relentless Revolution. A History of Capitalism. New York 2010. E. B/N. L (Hrsg.), Major Problems in the History of American Workers. 2. Aufl. Boston 2003. S. L. E/R. E. G (Hrsg.), The Cambridge Economic History of the United States. 3 Bde. Cambridge, UK/New York 2000. S. F, Wall Street. A Cultural History. London 2005. S. H, Trucking Country. The Road to America’s Wal-Mart Economy. Princeton 2008. J. R. T. H/L. P. C, American Economic History. 8. Aufl. Boston 2010. L. H, Debtor Nation. The History of America in Red Ink. Princeton 2011. H. J (Hrsg.), The Interwar Depression in International Context. München 2002. G. R. K, Capitalizing on Crisis. The Political Origins of the Rise of Finance. Cambridge, MA 2010. N. L, The Retail Revolution. How Wal-Mart Created a Brave New World of Business. New York 2009. N. L, State of the Union. A Century of American Labor. Princeton 2002. S. M. L/G. M, It Didn’t Happen Here. Why Socialism Failed in the United States. New York 2001. R. C. P, American Economic History. 3. Aufl. Fort Worth 1993. J. S, Pivotal Decade. How the United States Traded Factories for Finance in the Seventies. New Haven 2010. 6.10 Rechts- und Verfassungsgeschichte H. D (Hrsg.), Constitutional Documents of the United States of America, 1776–1860. München 2006. L. M. F, Law in America. A Short History. New York 2004. K. L. H, The Oxford Companion to American Law. New York 2002. K. H/T. S. H (Hrsg.), Major Problems in American Constitutional History. Boston 2010. J. R. H/H. B (Hrsg.), Verfassung – Demokratie – Politische Kultur. US-Amerikanische Geschichte in Transatlantischer Perspektive. Trier 2002. P. C. H/W. H/N. E. H. H, The Supreme Court. An Essential History. Lawrence 2007.

6. Ausgewählte Themenfelder und Teildisziplinen

205

L. D. K, The People Themselves. Popular Constitutionalism and Judicial Review. New York 2004. J. M, Die Geschichte der Todesstrafe in Nordamerika. Von der Kolonialzeit bis zur Gegenwart. München 2002. A. S/J. M (Hrsg.), Is the Death Penalty Dying? European and American Perspectives. New York 2011. J. E. Z/B. J. S, The Constitution and Public Policy in U.S. History. University Park 2009.

Anhang Abkürzungen AEF AFL AHA AHL AHR AMST CIA CIO CPUSA FBI HUAC JAH JGAPE MIA NAACP NAFTA NATO NOW OAH POW/MIA RAH SALT SDI SDS SHAFR UNIA UNO WASP WMQ ZfG

American Expeditionary Force American Federation of Labor American Historical Association America: History and Life American Historical Review Amerikastudien/American Studies Central Intelligence Agency Congress of Industrial Organizations Communist Party of the United States of America Federal Bureau of Investigation House Un-American Activities Committee Journal of American History Journal of the Gilded Age and the Progressive Era Missing in Action National Association for the Advancement of Colored People North American Free Trade Agreement North Atlantic Treaty Organization National Organization of Women Organization of American Historians Prisoner of War/Missing in Action Reviews in American History Strategic Arms Limitation Talks Strategic Defense Initiative Students for a Democratic Society Society for the Historians of American Foreign Relations United Negro Improvement Association United Nations Organization White Anglo-Saxon Protestant William & Mary Quarterly Zeitschrift für Geschichtswissenschaft

208

Anhang

Zeittafel 1565

Errichtung des spanischen Forts St. Augustine an der Ostküste Floridas. 1585–1590 Gescheiterter Versuch zur Gründung der Kolonie Roanoke an der Küste North Carolinas. 1607 Gründung der Siedlung Jamestown in Virginia. 1608 Gründung Quebecs durch die Franzosen. 1619 Dokumentierte Anwesenheit von 22 afrikanischen Sklaven in Virginia. Zusammentritt des House of Burgesses, der gewählten Kolonialversammlung, in Virginia. 1620 Gründung der puritanischen Plymouth Plantation in Neuengland. 1622 Aufstand der Powhatan-Indianer in Virginia. 1630 Gründung der Massachusetts Bay Colony. 1634 Gründung der Kolonie Maryland durch Lord Baltimore. 1636 Gründung des Harvard College in Cambridge, Massachusetts. Gründung der Kolonie Rhode Island durch den puritanischen Dissidenten Roger Williams. 1650er–1660er Navigation Acts etablieren merkantilistisches Handelssystem zwischen Kolonien und Mutterland. 1664 Eroberung der Neuniederlande durch die Engländer; Gründung der Kolonie New York. 1675–1676 „King Philip’s War“ genannter Indianeraufstand in Neuengland. 1681 Karl II. übereignet Pennsylvania an William Penn. 1692–1693 Hexenverfolgungen in Salem, Massachusetts. 1705 Erlass des Virginia Slave Code. 1733 Gründung der Kolonie Georgia durch James Oglethorpe. 1730er Beginn des First Great Awakening. 1754–1760 French and Indian War (Siebenjähriger Krieg). 1764 Der Sugar Act soll kolonialen Schmuggel eindämmen. 1765 Der Stamp Act besteuert Drucksachen in den Kolonien. 1770 Bostoner „Massaker“: Englische Soldaten schießen auf koloniale Demonstranten. 1773 Boston Tea Party: Koloniale „Patrioten“ vernichten englischen Tee. 1774 Erster Kontinentalkongress mit Delegierten aus zwölf Kolonien. 1775 Mit den Gefechten bei Lexington und Concord im April beginnt der Unabhängigkeitskrieg. 1776 In Common Sense fordert Thomas Paine die Unabhängigkeit und die Abschaffung der Monarchie. Am 4. Juli erklären sich die Vereinigten Staaten von Amerika unabhängig. 1781 Britische Niederlage bei Yorktown beendet den Unabhängig-

Zeittafel

1783 1787

1788 1789 1791 1795 1800 1803

1812–1814 1813 1817 1820 1823

1828 1830 1832

1833 1830er 1836 1837 1846–1848

1848

209

keitskrieg. Inkrafttreten der Konföderationsartikel, die die USA als Staatenbund konstituieren. Frieden von Paris: Großbritannien erkennt die Unabhängigkeit der USA an. Northwest Ordinance regelt die zukünftige Aufnahme weiterer Bundesstaaten. Verfassungskonvent in Philadelphia schlägt eine neue, bundesstaatliche Verfassung vor. Veröffentlichung der Federalist Papers zur Verteidigung der Verfassung. Ratifizierung der Bundesverfassung. George Washington wird erster Präsident der USA. Inkrafttreten des Grundrechtkatalogs, der Bill of Rights, zur Bundesverfassung. Jay’s Treaty: Vertrag zwischen USA und Großbritannien vermeidet neuen Krieg. Thomas Jefferson gewinnt die Präsidentschaftswahlen. Erster Regierungswechsel schafft Präzedenzfall. Die USA erwerben das Louisiana-Territorium von Frankreich. Der Oberste Gerichtshof etabliert das Prinzip der Verfassungsgerichtsbarkeit im Fall Marbury v. Madison. Krieg gegen Großbritannien endet mit einem Kompromissfrieden. Gründung der Boston Manufacturing Company markiert Beginn der Frühindustrialisierung. Gründung der American Colonization Society. Der Missouri Compromise stellt noch einmal die Machtbalance zwischen freien und Sklaven haltenden Staaten her. Monroe-Doktrin: Präsident James Monroe warnt die europäischen Mächte davor, weitere Kolonien in den Amerikas zu errichten. Wahl Andrew Jacksons zum US-Präsidenten leitet das Zeitalter der modernen Massendemokratie ein. Der Indian Removal Act leitet die Vertreibung der Indianerstämme aus dem Süden ein. Nullification Crisis: South Carolina beansprucht das Recht, Bundesgesetze für nichtig zu erklären. Präsident Jackson bringt den Staat durch Druck und Konzessionen zum Einlenken. Gründung der American Antislavery Society. Beginn des Second Great Awakening. Texas erklärt seine Unabhängigkeit von Mexiko. Nach dem Platzen einer Spekulationsblase beginnt eine schwere Wirtschaftskrise. Mexikanisch-amerikanischer Krieg. Die USA erobern weite Teile des nördlich des Rio Grande gelegenen Gebietes sowie Kalifornien. Frauenwahlrechtskonvent in Seneca Falls, New York.

210

Anhang

1850

1854

1857

1859

1860

1861

1862 1863 1865

1866 1868

1869 1870 1876 1865–1877 1882 1886 1887 1889

Der Kongress einigt sich auf einen Kompromiss über die Zulassung der westlichen Staaten zur Union. Das Gesetz über entlaufene Sklaven verpflichtet die Nordstaaten zur Auslieferung. Der Kansas-Nebraska Act hebt den Missouri Compromise auf und erlaubt die weitere Ausdehnung der Sklaverei nach Westen. Im Fall Dred Scott v. Sanford entscheidet der Oberste Gerichtshof, dass Schwarze keine US-Bürger sein könnten und dass der Kongress keine Befugnis habe, die Sklaverei in US-Territorien zu verbieten. Der Überfall des Abolitionisten John Brown auf ein Waffenlager der US-Armee löst im Süden Furcht vor Sklavenaufständen aus. Der Republikaner Abraham Lincoln wird zum Präsidenten gewählt. South Carolina erklärt daraufhin seinen Austritt aus der Union. Bis zum April 1861 folgen zehn weitere Südstaaten. Am 4.2. werden die Konföderierten Staaten von Amerika gegründet. Mit der Beschießung Fort Sumters im Hafen von Charleston, South Carolina, am 12.4. beginnt der Amerikanische Bürgerkrieg. Der Homestead Act verteilt im Westen billiges Land an Siedler. Lincolns Emancipation Proclamation erklärt alle Sklaven im Rebellengebiet für frei. Am 9.4. kapituliert die Armee des Südens. Ermordung Abraham Lincolns am 14.4. Der 13. Verfassungszusatz schafft die Sklaverei in den USA ab. Gründung des rassistischen Geheimbundes Ku Klux Klan in Tennessee. Der 14. Verfassungszusatz macht die befreiten Schwarzen zu US-Bürgern und garantiert ihnen die Gleichheit vor dem Gesetz. Fertigstellung der transkontinentalen Eisenbahnverbindung. Der 15. Verfassungszusatz führt das Wahlrecht für schwarze Männer ein. Die Sioux und Cheyenne vernichten eine Einheit der US-Kavallerie am Little Bighorn River in Montana. Wiedereingliederung (Reconstruction) der ehemaligen Konföderationsstaaten in die Union. Der Chinese Exclusion Act soll Einwanderung aus China stoppen. Gründung der American Federation of Labor (AFL). Der Dawes Severalty Act löst große Teile der Indianerreservationen auf und verteilt das Land an einzelne Familien. Die Gründung der Sozialstation Hull House in Chicago gilt gemeinhin als Beginn des Progressivismus.

Zeittafel

1890 1891 1892 1893 1896 1898

1904

1909 1913 1915

1917 1918 1919

1920

1922 1924

1925 1927 1928 1929 1932

211

Die US-Zensusbehörde erklärt das Ende der Frontier. Der Sherman Anti-Trust Act soll der Monopolbildung entgegenwirken. Gründung der People’s Party als Sammelbecken des populistischen Agrarprotestes. Eröffnung der Immigrationsstation Ellis Island im Hafen von New York City. Beginn einer schweren Wirtschaftskrise. Im Fall Plessy v. Ferguson erklärt der Oberste Gerichtshof die Rassentrennung für verfassungskonform. Spanisch-Amerikanischer Krieg. Die USA werden zur imperialistischen Macht. Auf die Annexion der Philippinnen folgt ein Krieg gegen die Filipino-Unabhängigkeitsbewegung. Präsident Theodore Roosevelt verkündet einen Zusatz zur Monroe-Doktrin, der für die USA ein Interventionsrecht in Lateinamerika in Anspruch nimmt. Gründung der National Association for the Advancement of Colored People (NAACP). Der 17. Verfassungszusatz schreibt die Volkswahl der USSenatoren vor. Die Versenkung des britischen Dampfers Lusitania, bei der u. a. rund 130 US-Bürger sterben, führt zu einer schweren diplomatischen Krise zwischen den USA und dem Deutschen Reich. Am 2.4. treten die USA in den Krieg gegen Deutschland ein. Im Januar verkündet Präsident Wilson seinen 14 Punkte-Friedensplan. Der 18. Verfassungszusatz führt landesweit die Alkoholprohibition ein. Auf der Pariser Friedenskonferenz muss Wilson große Abstriche an seinem Friedensprogramm machen. Beginn der Red Scare. Der 19. Verfassungszusatz führt das Frauenwahlrecht ein. Im März scheitert die Völkerbundsakte im US-Senat. Erdrutschsieg der Republikaner bei den Wahlen im November. Auf der Washingtoner Flottenkonferenz erreichen die USA ein umfassendes Abrüstungsabkommen. Ein neues Einwanderungsgesetz setzt Quoten nach nationaler Herkunft fest. Die Immigration in die USA geht drastisch zurück. Sensationsprozess in Dayton, Tennessee, um das Verbot der Evolutionslehre in öffentlichen Schulen. Dem US-Piloten Charles Lindbergh gelingt der erste Direktflug von New York nach Paris. US-Außenminister Frank B. Kellogg initiiert den Kriegsächtungspakt. New Yorker Börsenkrach löst Große Depression aus. Wahlsieg des Demokraten Franklin D. Roosevelt zum US-Präsidenten.

212

Anhang

1933–1938 1938

1940 1941

1942 1943 1944 1945

1947

1947–1954 1948 1949

1950–1953 1954

1955–1956

1957

1961

Der New Deal legt die Grundlagen des modernen amerikanischen Sozial- und Interventionsstaates. Gründung des Congress of Industrial Organizations (CIO) als Verband der Industriegewerkschaften. Präsident Franklin D. Roosevelt scheitert mit seinem Plan, den Obersten Gerichtshof zu vergrößern. Präsident Roosevelt kandidiert erfolgreich für eine dritte Amtszeit. Der Lend and Lease Act ermöglicht Waffenlieferungen an Großbritannien. Im August verkünden Roosevelt und der britische Premierminister Winston Churchill die AtlantikCharta. Der japanische Überfall auf den US-Stützpunkt Pearl Harbor, Hawaii, im Dezember führt zum Kriegseintritt der USA. Internierung der Japanese Americans als potenzielle Saboteure und Spione. Schwere Rassenunruhen in zahlreichen Großstädten der USA. Alliierte Landung in der Normandie. Konferenz der „Großen Drei“ in Jalta im Februar legt Grundzüge der europäischen Nachkriegsordnung fest. Tod Präsident Roosevelts am 12.4. Sein Nachfolger Harry S. Truman ordnet Anfang August den Abwurf zweier Atombomben auf Hiroshima und Nagasaki an. Die Truman-Doktrin macht die Eindämmung des Kommunismus zur Grundlage der US-Außenpolitik. Verkündung des Marshall-Plans zum wirtschaftlichem Wiederaufbau Europas. Antikommunistische Hysterie vergiftet das öffentliche Leben der USA. Die Westalliierten beantworten die sowjetische Blockade Berlins mit einer Luftbrücke. Mit dem Beitritt zum Nordatlantikpakt (NATO) brechen die USA mit dem außenpolitischen Grundsatz, keine dauerhaften Bündnisse einzugehen. Koreakrieg. Im Fall Brown v. Board of Education of Topeka, Kansas, erklärt der Oberste Gerichtshof die Rassentrennung in öffentlichen Schulen für verfassungswidrig. Erfolgreicher Busboykott in Montgomery, Alabama, führt zur Desegregation des städtischen Nahverkehrs und macht Martin Luther King, Jr. zur Führungsfigur der schwarzen Bürgerrechtsbewegung. Der „Sputnik“-Schock führt zu massiver Aufstockung der amerikanischen Forschungs- und Bildungsausgaben. In Little Rock, Arkansas, müssen Bundestruppen die Rassenintegration der öffentlichen Schulen durchsetzen. Der scheidende Präsident Dwight D. Eisenhower warnt vor der

Zeittafel

1962

1963

1964

1964–1968 1965

1966 1968

1969 1970 1972

1972–1974

1973

1973–1975

1976 1979

213

Macht des Militärisch-Industriellen Komplexes. Die von den USA unterstützte Invasion Kubas durch Exilkubaner scheitert. „Freedom Rides“ schwarzer Bürgerrechtler fordern die Rassentrennung heraus. Die Stationierung sowjetischer Atomraketen auf Kuba führt beinahe zum Atomkrieg zwischen der Sowjetunion und den USA. Manifest der Students for a Democratic Society. Gewalttätige Ausschreitungen der Polizei gegen schwarze Bürgerrechtler in Birmingham, Alabama. Präsident Kennedy wird am 22.11. in Dallas, Texas, ermordet. Der Civil Rights Act verbietet die öffentliche Rassentrennung in den USA. Präsident Johnson verkündet unter dem Schlagwort Great Society ein umfassendes Reformprogramm gegen die Armut und für den Ausbau des Sozialstaats. Durch die Golf-von-Tonkin-Resolution gibt der Kongress Präsident Johnson freie Hand zur Kriegsführung in Vietnam. Rassenunruhen erschüttern zahlreiche Großstädte in den USA. Aufstieg der militanten Black-Power-Bewegung. Der Voting Rights Act sichert das Wahlrecht der schwarzen Amerikaner im Süden. Ein neues Einwanderungsgesetz schafft diskriminierende Quoten ab. Gründung der National Organization of Women. Tet-Offensive des Vietcong. Ermordung Martin Luther Kings, Jr. Ermordung Robert F. Kennedys. Der Republikaner Richard Nixon gewinnt die Präsidentschaftswahlen. Die USA gewinnen mit der Mondlandung von „Apollo 11“ den Wettlauf im All. Die Nationalgarde erschießt bei Antikriegsprotesten an der Kent State Universität in Ohio vier Studenten. Détente: US-Präsident Nixon reist nach Peking und Moskau. Abkommen über strategische Atomwaffen mit der Sowjetunion (SALT I). Watergate-Skandal: Die Aufdeckung illegaler Machenschaften im Weißen Haus löst eine Verfassungskrise aus, die im August 1974 mit dem Rücktritt Nixons endet. Im Fall Roe v. Wade erklärt der Oberste Gerichtshof das Verbot der Abtreibung für verfassungswidrig. Ölembargo der arabischen Staaten lässt den Ölpreis und die Inflation in die Höhe schnellen. Friedensabkommen zwischen den USA und Nordvietnam. Die US-Truppen ziehen ab. Im April 1975 erobern die Nordvietnamesen Saigon. Wahlsieg des Demokraten „Jimmy“ Carter. Iranische Revolution löst zweiten Ölpreisschock aus. Besetzung der US-Botschaft beginnt fünfzehnmonatige Geiselkrise.

214

Anhang

1980 1983 1986

1987

1988 1989–1991

1990–1991

1992 1993–1994 1994–1995 1994–2000

1995 1997–1998

2000

2001

2003

2007–2008

Einmarsch der Sowjets nach Afghanistan markiert das Ende der Détente. Wahlsieg des Republikaners Ronald Reagan. Die USA kündigen den Aufbau eines strategischen Raketenabwehrsystems (SDI) an. Iran-Contra-Affäre: Aufdeckung von Waffenlieferungen an den Iran zur illegalen Finanzierung antikommunistischer Rebellen in Nicaragua. Börsencrash an der Wall Street. Abrüstungsvertrag zwischen der Sowjetunion und den USA schafft alle atomaren Mittelstreckenwaffen ab. Gründung der „Christian Coalition“. Wahlsieg des Republikaners George H. W. Bush. Der Zusammenbruch des Ostblocks leitet das Ende des Kalten Krieges ein. Die US-Diplomatie unter Präsident George H. W. Bush unterstützt die deutsche Wiedervereinigung. Nach der Besetzung Kuwaits durch den irakischen Diktator Saddam Hussein schmieden die USA im Auftrag der UNO eine militärische Allianz zur Befreiung Kuwaits. Rassenunruhen in Los Angeles. Wahl des Demokraten Bill Clinton zum US-Präsidenten. Gescheiterte humanitäre Intervention der USA in Somalia. Der Prozess gegen den des Mordes an seiner weißen Ex-Frau angeklagten Footballspieler O. J. Simpson spaltet die USA. Die „New Economy“ wird zum Katalysator robusten Wirtschaftswachstums. Die USA haben im Jahr 2000 einen ausgeglichenen Bundeshaushalt. Bei einem Bombenanschlag rechtsextremer Terroristen auf ein Regierungsgebäude in Oklahoma City sterben 168 Menschen. Lewinsky-Affäre: Eine außereheliche Affäre Präsident Clintons führt zu einem gescheiterten Amtsenthebungsverfahren wegen Meineid. Die Präsidentschaftswahlen enden ohne einen klaren Sieger. Schließlich verhilft ein Urteil des Obersten Gerichtshofes dem Republikaner George W. Bush zur Präsidentschaft. Am 11.9. verübt die islamistische Terrororganisation Al Qaida Anschläge auf das World Trade Center in New York City und das Pentagon nahe Washington. Rund 3000 Menschen werden getötet. Die USA greifen daraufhin Afghanistan an, wo Al Qaida seine Operationsbasen hatte. Die Bush-Administration erklärt den „Krieg gegen den Terror“. Die USA und ihre Verbündeten marschieren in den Irak ein, um den Diktator Saddam Hussein zu stürzen. Die Besetzung des Irak dauert bis 2011 an. Das Platzen einer Blase auf dem US-Immobilienmarkt löst eine weltweite Banken- und Finanzkrise aus.

Zeittafel

2008–2012

215

Mit dem Demokraten Barack Obama wird zum ersten Mal ein Afroamerikaner zum US-Präsidenten gewählt. 2012 wird Obama wiedergewählt.

216

Anhang

Liste der US-Präsidenten Name

Partei

Regierungszeit

George Washington (1732–1799) John Adams (1735–1826) Thomas Jefferson (1743–1826) James Madison (1751–1836) James Monroe (1758–1831) John Quincy Adams (1767–1848) Andrew Jackson (1767–1845) Martin Van Buren (1782–1862) William H. Harrison (1773–1841) John Tyler (1790–1862) James K. Polk (1795–1849) Zachary Taylor (1784–1850) Millard Fillmore (1800–1874) Franklin Pierce (1804–1869) James Buchanan (1791–1868) Abraham Lincoln (1809–1865) Andrew Johnson (1808–1875) Ulysses S. Grant (1822–1885) Rutherford B. Hayes (1822–1893) James A. Garfield (1831–1881) Chester A. Arthur (1830–1886) Grover Cleveland (1837–1908)

Federalist

1789–1797

Federalist

1797–1801

Dem. Rep.

1801–1809

Dem. Rep.

1809–1817

Dem. Rep.

1817–1825

Dem. Rep

1825–1829

Democrat

1829–1837

Democrat

1837–1841

Whig Whig

1841 (verstorben) 1841–1845

Democrat

1845–1849

Whig Whig

1849–1850 (verstorben) 1850–1853

Democrat

1853–1857

Democrat

1857–1861

Republican Republican

1861–1865 (ermordet) 1865–1869

Republican

1869–1877

Republican

1877–1881

Republican Republican

1881 (ermordet) 1881–1885

Democrat

1885–1889

Liste der US-Präsidenten

Name

Partei

Regierungszeit

Benjamin Harrison (1833–1901) Grover Cleveland (1837–1908) William McKinley (1843–1901) Theodore Roosevelt (1858–1919) William H. Taft (1857–1930) Woodrow Wilson (1856–1924) Warren G. Harding (1865–1923) Calvin Coolidge (1872–1933) Herbert C. Hoover (1874–1964) Franklin D. Roosevelt (1882–1945) Harry S. Truman (1884–1972) Dwight D. Eisenhower (1890–1969) John F. Kennedy (1917–1963) Lyndon B. Johnson (1908–1973) Richard M. Nixon (1913–1994) Gerald Ford (1913–2006) James E. „Jimmy“ Carter (*1924) Ronald Reagan (1911–2004) George Bush (*1924) William J. „Bill“ Clinton (*1946) George W. Bush (*1946) Barack H. Obama (*1961)

Republican

1889–1893

Democrat

1893–1897

Republican Republican

1897–1901 (ermordet) 1901–1909

Republican

1909–1913

Democrat

1913–1921

Republican Republican

1921–1923 (verstorben) 1923–1929

Republican

1929–1933

Democrat Democrat

1933–1945 (verstorben) 1945–1953

Republican

1953–1961

Democrat Democrat

1961–1963 (ermordet) 1963–1969

Republican

1969–1974

Republican

1974–1977

Democrat

1977–1981

Republican

1981–1989

Republican

1989–1993

Democrat

1993–2001

Republican

2001–2009

Democrat

seit 2009

217

218

Anhang

Bevölkerung der USA nach Hautfarbe und ethnischer Herkunft, 1790–2010

Bevölkerung der USA nach Hautfarbe und ethnischer Herkunft, 1790–2010

219

Register Personenregister Adams, John 15, 20 Adams, John Quincy 23 Adams, Samuel 14f. Addams, Jane 54 Allen, Frederick L. 62 Armstrong, Louis „Satchmo“ Astor, Johann Jacob 29

Du Bois, William E.B.

60, 134

Baltimore, Lord (Cecilius Calvert) 10 Baruch, Bernard 58 Beecher Stowe, Harriet 35 Bell, Alexander Graham 47 Bernstein, Carl 80 bin Laden, Osama 87 Brandeis, Louis 54 Brooks, Preston 36 Brown, John 37, 110 Bryan, William J. 50 Buchanan, James C. 36 „Buffalo Bill“ (William F. Cody) 46, 152 Burke, Edmund 11 Bush, George H.W. 85, 87, 127 Bush, George W. 1, 87–89, 100, 126–128 Capone, Alphonse „Al“ 61 Carnegie, Andrew 47, 52 Carter, James E. „Jimmy“ 81f., 96, 126f. Castro, Fidel 75 Chomeini, Ayatollah 82 Churchill, Winston 65, 67 Clay, Henry 23, 29, 35 Cleveland, Grover 50 Clinton, Hillary Rodham 85 Clinton, William Jefferson „Bill“ 85–87 Coolidge, Calvin 60 Cornwallis, Charles 16 Crittenden, John J. 38 Custer, George A. 46 Davis, Jefferson 40 Dawes, Charles 60 Dean, James 74 Dewey, John 54 Dewey, Thomas 69 Dickens, Charles 29 Dole, Robert 86 Douglas, Stephen 35f. Douglass, Frederick 31

55, 143

Edwards, Jonathan 9 Eisenhower, Dwight D. 72–75 Elisabeth I. (Königin von England) 10 Ellington, Edward „Duke“ 60, 134 Falwell, Jerry 96 Ford, Gerald 81f. Foucault, Michel 100, 149 Franklin, Benjamin 27 Frémont, John C. 36 Friedan, Betty 79 Gage, Thomas 15 Garrison, William Lloyd 31 Garvey, Marcus 60, 143 George III. (König von England) 12, 15f. Gingrich, Newt 86 Goldwater, Barry 76 Gorbatschow, Michail 84f., 127 Gore, Albert A. Jr. „Al“ 87 Gould, Jay 47 Graham, Billy 73 Hamilton, Alexander 19f. Hammond, John Henry 31 Harding, Warren G. 60, 119 Hayes, Rutherford B. 44 Henry, Patrick 15 Hitler, Adolf 64–66, 121f. Ho Chi Minh 77 Hoover, Herbert C. 62, 120 Hughes, Langston 60 Humphrey, Hubert 78 Hussein, Saddam 85, 88 Hutchinson, Anne 8 Jackson, Andrew 23–25, 108, 163 Jakob I. (König von England) 6 James, William 54 Jay, John 19 Jefferson, Thomas 15, 17, 19–21, 23, 31, 39, 107 Johnson, Andrew 41f. Johnson, Lyndon B. 75–78, 80, 125 Karl II. (König von England) Kelley, Florence 118

10

222

Register

Kellogg, Frank 60 Kennan, George F. 70 Kennedy, John F. 74–78, 125f. Kennedy, Robert F. 78 Keynes, John Maynard 62 King, Martin Luther Jr. 74, 76, 78, 144, 146 Kipling, Rudyard 52 Kissinger, Henry A. 80, 126, 133 Kolumbus, Christopher 161 Lafayette, M.J. Marquis de 107 Lee, Robert E. 38f. Lewinsky, Monica 87 Lincoln, Abraham 34, 37–42, 64, 112, 114 Lindbergh, Charles 61, 65 Lodge, Henry C. 59 Lynch, Charles 157 MacArthur, Douglas 71 Madison, James 18f., 21f. Mahan, Alfred Thayer 51 Malcolm X 76, 146 Mao Zedong 71 Marshall, George C. 70 McCarthy, Eugene 78 McCarthy, Joseph 72 McClellan, George 40 McGovern, George 80 McKay, Claude 60 McKinley, William 50–52, 56 McNamara, Robert 77 Monroe, James 22 Morgan, John P. 47 Mott, Lucretia 30 Napoleon I. Bonaparte 21 Ngo Diem 77 Nixon, Richard M. 75, 78–82, 93, 126f. North, Lord Frederick 14 Obama, Barack H. 89f., 130 Oglethorpe, James 10 O’Sullivan, John 26 Pahlawi, Reza 82 Paine, Thomas 15 Palmer, Mitchell 59 Peirce, Charles 54 Penn, William 10 Pierce, Franklin 36

Pocahontas 6 Polk, James K. 25f., 109 Pontiac 13 Presley, Elvis 74 Reagan, Ronald 82–85, 94, 97, 125, 127 Robertson, Marion „Pat“ 96 Rockefeller, John D. 47 Roosevelt, Eleanor 63, 121 Roosevelt, Franklin D. 62–67, 75, 120– 122, 133 Roosevelt, Theodore 53, 56, 118 Rosenberg, Ethel 72 Rosenberg, Julius 72 Salomon, Alice 118 Sanger, Margaret 55 Schlafly, Phyllis 147 Shay, Daniel 18 Sherman, William T. 39 Simpson, Orenthal J. „O.J.“ 91 Smith, John 6 Smith, Joseph 30 Stalin, Josef 64, 66f., 70, 121, 133 Stanton, Elizabeth Cady 30 Starr, Ellen Gates 54 Stephens, Alexander 42 Stiglitz, Joseph 88 Sumner, Charles 36 Taft, William H. 56 Taney, Roger B. 37 Tecumseh 24 Tocqueville, Alexis de 23, 29, 108 Townshend, Charles 14 Truman, Harry S. 67, 69–71, 122, 133 Truth, Sojourner 31 Turner, Frederick Jackson 46, 162, 164f. Turner, Nat 33 Wallace, George 74, 78 Washington, Booker T. 55f., 143 Washington, George 15f., 19f. Weber, Max 105, 153 Whitefield, George 9 Williams, Roger 5, 8 Wilson, Woodrow 56–59, 118f., 135 Winthrop, John 8 Woodward, Robert „Bob“ 80 Young, Owen D.

60

Autorenregister

Autorenregister A, N. 160 A, R. 123 A, J. C. 122 A, D. 125 A, T. 130 A, J. 125 A, J. 109 A, W. 162 A, J. 104, 161 A, E. 115 B, B. 125, 150 B, P. 122 B, S. 163 B, J. 109 B, R. 137 B, C. 107, 114 B, M. 114 B, J. 115 B, S. 116 B, G. 148 B, M. 155 B, T. 103 B, M. 125 B, I. 102, 110, 115, 153 B, S. 128 B, N. 162 B, D. 153 B, J. 153 B, M. 135f. B, E. 122 B, H. M. 162 B, T. 106 B, M. 154 B, E. B. 142 B, W. F. 153 B, J. 104 C, C. 161 C, K. 148 C, G. 150 C, D. 109 C, L. 122 C, R. 122, 127 C, C. 109 C, J. 151 C, J. M. 118f. C, F. 133 C, D. 157 C, W. 167 D, J.

115

D, R. 137 D, A. 118 D, M. 151 D, J. 144 D, J. 121 D, L. 119 D, W. 111 D’E, J. 150 D, N. S. 118 E, R. 116 E, D. 150 E, J. 106 E, A. 125 E, S. 130 F, D. 125, 130 F, N. 135 F, P. 142 F, N. 108 F, E. F. 146 F, M. A. 118 F, E. 146 F, R. 110 F, E. 44, 99, 102, 115 F-G, E. 110 F, N. 118 F, W. 112 F, M. 125 G, J. L. 123 G, J. M. 109 G, E. 110 G, D. 109 G, A. 106 G, W. 112 G-H, J. 133, 152 G, P. 109, 156 G, G. 147 G, L. 151 G, D. J. 119 G, D. 112, 153 G, M. 131 G, H. J. 109 G, M. 112f. G, A. 109, 148 G, B. 124, 126, 128 G, M. 122 G, M. 114 G, D. 109, 156 G, F. 109

223

224

Register

H, P. 162 H, S. 115 H, D. 105 H, J. D. 145 H, K. 151f. H, O. 136f. H, S. 142 H, D. 113 H, W. 114, 139 H, G. 132 H, J. 140 H, D. C. 142 H, A. 159 H, M. 110, 113, 154 H, M. 149 H, G. 123 H M, M. 121 H, P.C. 152 H, S. D. 148 H, M. 132 H, K. 117, 133, 135, 148 H, M. 112 H, T. 142 H, J. O. 143 H, L. E. 143 H, D. 108 H, D. 167 I, S. 105 I, A. 133 J, M. 138 J, H. 120 J, M. 107 J, K. 119 J, M. S. 157 J, W. 111 J, M. 139 J, D. 124, 134 K, B. 126 K, S. 126 K, J. 113 K, R. 142 K, D. M. 121 K-H, A. 147 K, B. 163 K, M. 148 K, R. S. 99 K, M. 124 K, J. 118 K, P. 110 K, G. 112 K, M. 133 K, G. 128

L, J. 109 L, M. 133 L, T. J. 115 L, M. 133 L, M. 156 L, D. L. 143 L, E. 142 L, J. 160 L, P. 165 L, W. 162 L, P. 107 L, S. M. 100, 116 L, L. 143 L, F. 135 L, E. 117 L, G. 136 M, C. 136 M, E. 135 M, M. 146 M, G. 116 M, M. 133 M, J. 131, 148 M, C. 134 MG, M. 117f. MG, L. 99, 130 MP, J. 113 M, J. 130 M, R. 110 M, C. 165 M, T. 145 M, A. 100 M, E. 156 M, B. 130 M, G. 106 M, H. 136 M, M. 162 M, C. 129 N, G. 104 N, M. 113 N, F. 117 N, M. 155 N, W. 135 O, M. 149 Ö, M. 114 O, R. 154 O, V. 139 O, A. 109, 139 O, J. 163 O’M, M. 151 O’N, W. 128 P, N.

115

Autorenregister P, N. 119 P, P. 149 P, K. 134 P, J. 122f. P, M. 113 P, M. 158 P, S. 157 P, C. 116 P, R. 154

S, J. 128 S, A. 134 S, O. 148 S, B. 100, 124 S, M. 99, 151 S, A. 121 S, T. 144, 159 S, J. 123, 133 S, N. 135

R, G. 115 R, A. 143 R, M. 107 R, D. 108 R, G. 116 R, D. 118, 129 R, D. 138 R, R. 149 R, E. 133 R, R. 101, 122 R, R. 156 R, J. 149

T, R. 102 T, A. 106 T, E. 139 T, P. 120 T, D. 101 T, J. F. 144 T, H. A. 159 T, R. 104 T, A. 115 T, J.F. 165

S, J. 145 S, A. 131 S, K. 153 S, A. 138 S, S. 107 S, W. 120 S jr., A. 102 S, K. 122, 153 S, E. 124 S, A. 118 S, B. 127 S, K. 132 S, J. 146 S, C. 109 S, A. 120 S, T. 116 S, J. 130 S, M. 126 S, J. D. 110, 115 S, M. 110, 152 S, P. C. 164 S, W. 116 S, U. 135 S, P. 137 S, P. 156

 E, P.

134

W, M. 165 W, C. 155, 158 W, J. S. 122 W, A. 163 W, R. A. 164 W, M. 153 W, G. 122 W, H. 104, 106 W, T. 119 W, S. 145 W, R. 162, 165 W, S. 122 W, S. 108, 127 W, C. 164 W, T. 127 W, G. 100, 107 W, C. V. 44, 115 W, A. 130 W, D. 167 Y, M.

128

Z, T. 135 Z, A.

134

225

226

Register

Orts- und Sachregister Abolitionismus 19, 30f., 33, 35–37, 107, 110–112 Abrüstung 58, 60, 80, 85 – Salt-Vertrag 80, 82 Abtreibung 55, 79, 83, 93f., 96, 129, 149 – Roe v. Wade 79, 93, 96 Ägypten 33, 82, 135 Affirmative Action 79f., 83, 90, 101, 130 Afghanistan 4, 82, 84, 87, 128 Afroamerikaner – Arbeitsmarkt 48 – Armut 76f., 90, 168 – Freie Afroamerikaner vor dem Bürgerkrieg 32–34 – Ghettos 60, 76f., 92, 157–160 – Great Migration 58 – Historiographie 99, 118, 133f., 141– 146, 160 – Kultur 33, 60f., 142f. – New Deal 63f., 69, 75 – Reconstruction 41–44, 115 – Schwarze Frauen 32, 144 – Schwarzer Nationalismus 143 – und Einwanderung 140 – Wahlrecht 33, 42f., 75 Alabama 55, 74, 78, 143 Alaska 51 Alkohol 10f., 24, 28, 30, siehe auch Prohibition Amendments siehe US-Verfassung/Verfassungszusätze American Antislavery Society 31 American Colonization Society 31 American Dream 29f., 47, 72f., 83, 129, 131, 159 American Enterprise Institute 94 American Exceptionalism 1f., 100, 102, 105, 135, 155, 165, siehe auch Missionsbewusstsein – als Zivilreligion 2 – Negativer Exzeptionalismus 155–157 American Federation of Labor (AFL) 48 American Independent Party 78 Amerikanische Revolution 1, 11–17, 99f., 104–108, 157, 160 – Einzelstaatsverfassungen 17 – Frauen 106f. – Indianer 16, 106f. – Kontinentalarmee 16 – Loyalisten 16f., 107, 157 – Revolutionärer Charakter 16f., 106f.

– Unabhängigkeitskrieg 12f., 16, 18, 107, 141, 157 Amerikanisierung 1f., 55, 134f., 137 Antietam 41 Antikommunismus 59, 70–72, 84, 94, 124, 127, siehe auch Kalter Krieg – McCarthyismus 72, 124, 150 Appomattox 39 Arbeiterbewegung 48, 115f., 138, 145 Arizona 35, 76 Armut 46, 48, 62, 73, 86, 89f., 93, 161 – Krieg gegen Armut 75–77 Asien 90f., 137 Atlanta 159 Atombombe, Atomkrieg, Atomwaffe 66f., 71f., 75, 78, 80, 84, 122, 127, 153 Außenpolitik – Historiographie 132–136 Backlash 119, 123, 125, 130, 142 Baltimore 142 Banken 19f., 22, 24, 47, 56, 58, 62f., 83, 89, 118, 120 Barbary Wars 51 Baumwolle 21, 24, 32, 34, 39f., 48, 110, 134, 158 Berlin 70, 75, 85, 92 Berliner Mauer 85 Berlin-Blockade 70f. Black Panther Party 76, 145 Black Power 76f., 144–146, 148, 159 Bosnien 86 Boston 8, 14, 22, 29 Boston Tea Party 14f. Brasilien 6 Brown v. Board of Education of Topeka, Kansas 74 Bruttosozialprodukt 59, 62, 66, 69, 89 Bürgerkrieg 3, 26, 29, 32, 44–46, 48, 111 – Historiographie 99f., 111–115, 122, 139, 149, 153, 156, 158, 162 – Konföderierte Staaten von Amerika 38–40, 42, 44, 114 – Lost Cause 44, 153 – Masseneinwanderung vor dem Bürgerkrieg 26f. – Militärischer Verlauf 38–41 – Opposition gegen den Krieg 40 – Rolle von Frauen 114 – Sektionaler Konflikt 34–39, siehe auch Sklaverei/Sektionaler Konflikt – Soldatenerfahrungen 114, 139

Orts- und Sachregister – United States Colored Troops 41, 114 – Zweite Amerikanische Revolution 114 Bürgerrechte, Bürgerrechtsbewegung 44, 64, 66, 69, 74–76, 78f., 90–92, 94, 100, 115, 119, 121, 123–125, 130f., 143–146, 153, 159 Buffalo 29, 109 Bull Run 39 Bundeshaushalt 72, 83 Bundesverfassung siehe US-Verfassung Cambridge, Mass. 9 Camp David 82 Charleston, S.C. 38 Chesapeake Bay 6–8 Chicago 29, 36, 48, 54, 60f., 78, 159 Chicano Power 78 China 53, 65, 67, 71, 80, 89, 126 Cincinnati 29 Civil Rights Act (1964) 75, 79, siehe auch Bürgerrechte, Bürgerrechtsbewegung, US-Verfassung/Verfassungszusätze Civilian Conservation Corps 63 Class siehe Klassen, soziale Cleveland 29 Colorado 35, 46 Common Sense 15 Concord 15 Congress of Industrial Organization (CIO) 64 Corporate America 115 Cultural Turn 100f., 151 Dallas, Texas 75 Dawes Severalty Act 46 Delaware 40 Demografie 4, 8f., 12, 28f., 46, 48, 60, 68, 89–92, 95, 136f. – Baby Boom 69, 78, 85, 93, 95 – Bevölkerungswachstum vor dem Bürgerkrieg 26–29 – Ethnische Vielfalt 10, 27f., 49, 68, 91f., 97, 102, 104, 131, 139–141, 152 – Indianer 4, 45f., 160, 163 – Kolonialzeit 8f., 12 – Sklaven 7, 32 – Zensus 26, 46, 60, 68, 91, 160 Demokratie 1, 23, 26, 28, 30, 34, 36, 44, 46, 55–58, 62, 64f., 67f., 78, 81, 88, 97, 105, 107–109, 115–117, 119–122, 131f., 135f., 156f., 165 Demokratische Partei siehe Parteien Detroit 66, 159 Deutsche Demokratische Republik (DDR) 72

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Deutschland 2, 27, 48, 53, 57f., 65–67, 70f., 84f., 88, 99, 109, 122, 124, 134, 151, 154, 168 – Deutsches Reich 52, 57 Dollardiplomatie 120 Dred Scott v. Sanford 37, 113 Dritte Welt 84, 133 Egalitarismus 1, 17, 20, 23, 29f., 46, 107– 109, 115f., 156, 165 Einwanderung 2, 26, 30f., 48–50, 53, 55, 59, 90, 117, 154 – Asiatische Einwanderer 49, 68, 90f., 137f., 160, 166 – Chinesische Einwanderer 48f., 91, 138f. – Deutsche Einwanderer 10, 27, 29, 45, 49, 57, 99, 109, 114, 138f. – Einwanderungspolitik und -beschränkungen 1, 27f., 49, 61, 68, 90–92, 140f., siehe auch Nativismus – Ellis-Island-Modell 137, 139 – Hispanics 68, 90f., 137–140, 166 – Historiographie 136–141, 150 – Irische Einwanderer 27, 49, 57, 109, 138 – Italienische Einwanderer 138f., 154 – Jüdische Einwanderer 138 – Kolonialzeit 5f., 8f. – Masseneinwanderung nach 1965 91f., 97 – Masseneinwanderung vor dem Bürgerkrieg 26–28 – Neue Immigration 48f., 61 – und Bürgerkrieg 114, 139 Eisenbahnen, Eisenbahnbau 28, 36, 45– 48, 50, 56, 157, 166 Ellis Island 49, 137 Emanzipation, Emanzipationserklärung 17, 31f., 40f., 107, 114f., 143, 149, 153, siehe auch Sklaverei/Abschaffung Embargo Act 21 England siehe Großbritannien Erinnerungskultur siehe Geschichtsbewusstsein, populäres Erster Weltkrieg 49, 56–59, 114, 118–120, 144, 158f. Erweckungsbewegung siehe Great Awakening Ethnohistorie 104, 161f. Eugenik 55, 85 Europa 1, 6, 9, 21, 26, 28f., 40, 48f., 56–58, 60f., 64, 66f., 70f., 84f., 92, 95, 100, 116, 118, 120, 128, 131, 134, 136f., 152, 155f., 165, 168

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Register

Expansionismus 25f., 109, siehe auch Imperialismus, Missionsbewusstsein, Manifest Destiny, Westexpansion Fair Labor Standards Act 63 Federal Bureau of Investigation (FBI) 77, 81 Federal Reserve Board 56 Federalist Papers 19 Finanzkrise (2008-) 89, 94, 103, 128f. Florida 5, 16, 22, 24, 87 Frankreich 3, 5, 12f., 16, 20f., 39, 58, 77, 88, 104, 107 Französische Revolution 20, 107 Frauenbewegung 30f., 55, 58, 79f., 92f., 110, 115, 118f., 130, 146f. Frauenbilder 30, 61, 66, 73, 79, 92f., 108, 125 Frauengeschichte 54, 99–101, 104, 106– 109, 111, 114, 117f., 120, 125, 139, 142, 144, 146–150, 166 Frauenwahlrecht 55, 58 Freedmen’s Bureau 43 French and Indian War (Siebenjähriger Krieg) 3, 12, 21 Frontier 5, 13, 23, 46, 48, 157, 162–166 – Frontierthese 46, 162–166 Fugitive Slave Act 35f. Fugitive Slave Clause 18 Gegenkultur 79 Gender siehe Geschlechterbeziehungen Georgia 10, 39, 42, 81 Geschichtsbewusstsein, populäres 1, 40, 44, 67, 75, 100–102, 112, 118, 122, 126, 133, 140f., 145, 152f., 165f. Geschlechterbeziehungen 8, 30f., 61, 73, 79, 92–94, 101, 117, 121, 146–150 – als Analysekategorie 2, 100f., 109f., 114, 117, 125, 132f., 146–148, 151f., 158 – Männlichkeit 109, 133, 147–149 Gettysburg 39, 41 Gewalt 45, 91, 95, 109, 115, 131, 143, 148, 155–160, 162–164 Gewerkschaften 48, 56, 63f., 86, 116, 121, 128 GI Bill of Rights 69 Gilded Age 47, 49, 54, 115f., 118 Global Sixties 125 Globalisierung 68, 131f., 139f. Goldstandard 49f., 116, 120 Grand Army of the Republic 49 Great Awakening 9, 33 – Second Great Awakening 30, 110 Grenada 84

Großbritannien 3, 10–12, 14–16, 18, 20f., 25, 32, 39, 47, 53, 57f., 65, 67 – als Kolonialmacht in Nordamerika 11– 15 Große Depression 62, 64, 69, 120, 151 Guantánamo Bay 52, 88f. Haiti 53 Harpers Ferry 37 Hawaii 52, 65 Heritage Foundation 94 Hexenverfolgungen 9, 105 Hippies 125 Hollywood 60, 72, 83 Holocaust 104, 163 Homestead Act 45 Homosexualität 93f., 129f., 148–150 Illinois 35 Immigration siehe Einwanderung Impeachment 42, 81, 87 Imperiale Expansion siehe Imperialismus Imperiale Präsidentschaft 68, 81, 126 Imperialismus 50–54, 116f., 133, 148 – Anti-Imperialist League 52 – Imperiale Überdehnung 68, 89, 136 – USA als Imperium 89, 116f., 128, 132, 135f. Indentured Servitude 6f., 105 Indianer 1, 4, 46, 164, siehe auch Rassismus/gegen Indianer – Assimilationspolitik 163 – Begriffsproblematik 161 – „Fünf zivilisierte Stämme“ 24 – Genozid 160, 163 – Heterogenität 162 – Historiographie 104, 106, 108, 152, 154, 160–164, 168 – Indian Removal Act 24f., 163 – Kontakt mit Europäern 4–8, 104, 152, 160–163, 165, 167 – Kriege 3–6, 12f., 24, 46 – Mission 5, 24, 46 – National Museum of the American Indian 164 – Prärieindianer 45, 116, 163 – Red Power 78, 164 – Reservate 25, 45f., 161, 163f., 168 – Selbstbehauptung 160, 163f. Individualismus 1, 5, 23, 46, 48, 93, 96, 121, 125, 127, 146, 165 Industrialisierung, Industrie 2, 27, 29, 32, 39f., 45–50, 53, 58–61, 63f., 66, 72f., 83, 114f., 120, 127f., 159 Interstate Commerce Act 47

Orts- und Sachregister Irak 85, 88f. Iran 82, 84f. Iran-Contra-Affäre 84 Irland 27 Isolationismus 60, 65, 70, 120–122 Israel 33, 78, 80, 82, 133 Italien 53, 58, 65, 120, 138f., 154 Jacksonian Democracy 23, 108 Jamaika 60, 143 Jamestown 3, 6f. Japan 51–53, 58, 65–67, 121f. Jay’s Treaty 20 Jim Crow Laws siehe Rassentrennung Jingoismus 51f. John Birch Society 94 Jugoslawien 86 Kalifornien 25, 35, 91, 127, 130, 138, 166 Kalter Krieg 68, 70–72, 75, 85, 119, 127f., 134f. – Containment, Eindämmung 70, 75, 124 – Entspannungspolitik, Détente 75, 80f., 84, 126 – Historiographie 123f., 127f., 133 – Rassenfrage 75, 124f., 144 Kanada 5, 12, 16, 21, 86 Kansas 36f., 74, 150 Kansas-Nebraska Act 36 Kapitalismus 30, 32, 34, 46–48, 51, 54, 62– 64, 70, 83, 94, 105, 109f., 112, 114–121, 123, 125, 129, 131, 144, 146, 150, 156, 166, 168 Karibik 6, 9, 13, 52f., 68, 84, 104 Kentucky 23, 38, 40 Klassen, soziale 9, 12, 16f., 29–32, 40, 42, 46–49, 54f., 62, 68, 73f., 76, 83, 86, 90f., 94, 105–107, 110f., 114, 116–119, 123, 125, 128–131, 138, 145f., 149, 156, 158f., 165f. – als Analysekategorie 2, 100f., 116–118, 131, 148, 151, 159 Kolonialismus 51, 134, 144, 163, siehe auch Imperialismus Kolonien, Kolonialzeit 3–12, 104–108, 152, 162f. – Gründung der englischen 5–7 – Politische Institutionen 11 – Typen 10f. – Verhältnis zu England 10–19 Konföderationsartikel 17f. Konföderierte Staaten von Amerika siehe Bürgerkrieg/Konföderierte Staaten von Amerika

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Kongress 17–19, 22, 24, 35–38, 41–43, 45, 49f., 52, 56f., 59, 62f., 65, 69f., 72f., 75– 77, 80–85, 87f., 91f. – Repräsentantenhaus 18, 21, 23, 71, 86 – Senat 18, 21, 42, 50, 52, 55, 58–60, 72, 81f., 87, 119 Konservatismus 50, 59–61, 64, 72, 76, 78f., 83, 90f., 93f., 96f., 100, 123, 127–130, 147, 159 – Geschichtsbild 125, 127 – Neokonservatismus 88 – „Schweigende Mehrheit“ 93, 126 Konsum, Konsumgesellschaft 2, 47f., 50, 59–62, 66, 69, 73, 83, 86, 117, 119, 122, 128 Kontinentale Expansion siehe Westexpansion Kontinentalkongress 15–17 Korea 51, 69, 71f., 135, 160 Koreakrieg 69, 71f. Kosovo 86 Kriminalität 54f., 61, 91, 95, 131, 157–160 Ku Klux Klan 43, 61, 115, 120, 145, 151 Kuba 52, 75, 84, 88 Kubakrise 75 Kulturgeschichte 2, 121, 133, 142 – Performative Turn 152 – Transcultural Turn 132 – Visual Turn 152 Kulturkriege 61, 68, 90, 96, 100, 119, 125, 129f., 147, 153, 158 Kuwait 85 Labor History 116, 121 Landwirtschaft 4–6, 27, 29, 43, 45f., 58, 60, 66, 166 Lateinamerika 22, 68, 84, 90f., 137, 139 Lewinsky-Affäre 87 Lexington 15 Liberalismus 62f. Liberia 31 Little Rock 74 Lochner v. New York 54 Los Angeles 60, 91, 160 Louisiana 12, 21f., 139 Louisiana Purchase 21f. Lynchjustiz 31, 37, 43f., 149, 155, 157f., 160 Maine 22 Manifest Destiny 26, 108f., 133, siehe auch Missionsbewusstsein, Imperialismus Marbury v. Madison 18 Marshall-Plan 70

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Marxismus, Neomarxismus 70f., 100, 105, 114, 117, 135, 138 Maryland 6f., 10, 40, 105 Massachusetts 4f., 8f., 15, 18, 22f., 29, 36 Mayflower 8 Medicaid und Medicare 76, 130 Merkantilismus 11 Mexikanisch-amerikanischer Krieg 25f., 109, 139 Mexiko 25, 34f., 57, 86, 91f., 112, 139 Militärisch-industrieller Komplex 72 Milwaukee 28, 109, 139 Missionsbewusstsein 1, 5, 8, 21, 26, 51, 53f., 56, 89, 108, 117, 119, 128, 133, 135f., 155, 160 Mississippi 16, 21, 24f., 28f., 32, 39, 45, 144, 157, 165f. Missouri 21–23, 35f., 38–40, 69 Missouri Compromise 22f., 35–39 Mittlerer und Naher Osten 82, 88, 126, 136 Mobgewalt 15, 28, 30f., 35, 37, 44, 49, 74, 109f., 139, 155f., 158–160 Mobilität, soziale siehe American Dream, Klassen, soziale Monroe-Doktrin 22, 51, 53, 117 Montgomery, AL 74, 144 Montreal 12 Muckrakers 54 Muller v. Oregon 55 Multikulturalismus, multikulturelle Gesellschaft 3, 49, 68, 89f., 92, 96f., 102, 123, 125, 127, 131, 160, siehe auch Rassenbeziehungen, Einwanderung National Association for the Advancement of Colored People (NAACP) 54f., 60, 74, 144f. National Organization for Women (NOW) 79 National Rifle Association (NRA) 94 Nationaler Sicherheitsrat 71 Nationalismus 1, 51, 60, 76, 89, 94, 141, 143, 165 Nativismus 27f., 36, 48f., 55, 61, 109f., 114, 119, 138–141, 156, siehe auch Einwanderung/Einwanderungspolitik und beschränkungen Nat-Turner-Rebellion 32 Navigation Acts 11 Nebraska 36, 50 Neue Linke 78, 120f. Neuengland 4, 7–9, 13, 17, 21f., 28f., 31, 33f., 105, 167 Neuschottland 6

Nevada 35 New American History 100–102, 104 New Deal 62–65, 69, 71, 75, 94, 120f., 123f., 126, 145 New Frontier 75 New Mexico 25, 35 New Orleans 21, 29, 34, 168 New Plymouth 8 New York 10, 14, 22, 28–30, 40, 47–49, 54, 60, 62, 72, 87, 109, 116, 121, 137, 150, 154 Nicaragua 84 Nordamerikanische Freihandelszone (NAFTA) 86 Norden (als Region), Nordstaaten 17, 22, 27, 29–41, 44, 49, 54, 58, 69, 76f., 107, 110–115, 127, 143f., 159 North Atlantic Treaty Organization (NATO) 71, 84–86 North Carolina 6 Northwest Ordinance 17 Nullification Crisis 24 Oberster Gerichtshof 18, 25, 37, 44, 47, 54, 63f., 71, 74, 79, 87f., 90, 93, 95f., 113, 124, 144 – judicial review 18 Ohio 13, 28f., 78 Oklahoma 25, 95, 159 Oregon 25f., 54 Organization of American Historians (OAH) 102 Pakistan 87 Panama 51, 53 Parteien 19–23, 28, 36, 48f., 108, 112 – Communist Party USA 64, 71, 121 – Demokratische Partei 23, 25, 28, 35f., 38, 40, 43f., 49f., 54, 56, 62–64, 69, 75, 78, 80f., 83, 87, 94, 159 – Federalists 19f., 22f. – Free Soil Party 35f. – „Know Nothings“ 28, 36, 109 – People’s Party 50 – Republikanische Partei 23, 36–38, 40– 44, 49f., 54, 56, 59f., 62, 64, 69, 72, 76, 78, 81f., 85–87, 89, 92, 94f., 112, 119f., 124, 128, 130 – Socialist Party 48 – Whigs 23f., 35f. Patriot Act 88 Patriotismus 1f., 14–16, 38, 52, 67, 73, 83, 93, 100, 102, 106, 119, 126, 137, 141, 150, 153 Pazifismus 52, 58, 118

Orts- und Sachregister Pearl Harbor 65 Pennsylvania 10, 27, 39, 82 Philadelphia 15, 18f., 28f., 47f. Philippinen 52 Pilgerväter siehe Puritaner Plessy v. Ferguson 44 Plymouth 8–10 Populärkultur 60f., 151f., 155, siehe auch Kulturgeschichte, Geschichtsbewusstsein, populäres – Film 60, 151 – Jazz 60, 134 Populismus 23, 50, 53, 63, 94, 115f., 124, 130 Präsidentschaft 18, 23, 42, 81, 102 Presse 23, 40, 51f., 54, 80 Progressivismus 53–56, 115–118 Prohibition 11, 55, 58, 61, 119f. Prostitution 55 Puerto Rico 52 Puritaner 1, 4f., 7–9, 17, 105 Quebec

6

Race siehe Rassenbeziehungen, Rassismus Rassenbeziehungen 37, 42–44, 66, 90f., 160, siehe auch Rassismus – als Analysekategorie 2, 100f., 132–134, 136–141, 147f., 151f., 158 – Historiographie 136–141, 147, 152 – Rasse und Ethnizität 137f. – „Weiße Rasse“, whiteness 27, 31, 34, 38, 43, 48f., 51f., 101, 107f., 111, 117, 137–139, 148 Rassenintegration 74f., 124f., 130, 146 Rassentrennung 42–76, 80, 115f., 124f., 131, 138, 142f., 147, 149, 159 Rassenunruhen 28, 40, 58, 66, 76–78, 91, 109, 155, 158–160 Rassismus 46, 49, 51, 55, 66f., 75, 90f., 93, 108, 116f., 119, 131, 133, 138, 141f., 144, 146–148, 153, 156f., 163, siehe auch Weiße Vorherrschaft – Angelsächsische Rasse 25, 49, 51, 61, 108, 138, 148, siehe auch White Anglo Saxon Protestant (WASP) – Anti-Miscegenation Laws 149 – gegen Afroamerikaner 37, 41, 43f., 55, 58, 64, 74f., 90f., 105, 117, 124, 131, 139, 142, 144, 148f., 151f., 158, 160 – gegen Asiaten 49, 66f., 139 – gegen Indianer 4f., 24, 160, 163 – gegen Mexikaner 25, 139 Reconstruction 41–44, 49, 143, 156f., 159 – Historiographie 113–115, 159

231

Religion, Religionsgemeinschaften 10, siehe auch Puritaner – Anglikaner 7f. – Atheisten 154 – Baptisten 9, 74, 96 – Black Muslims (Nation of Islam) 76, 146 – Buddhismus 154 – Evangelikalismus 9, 30, 50, 73, 81, 83, 94, 96f., 109f., 112, 130, 143, 154 – Fundamentalismus 61, 96, 120, 154 – Hinduismus 154 – Historiographie 153–155 – Juden 49, 61, 72, 96, 138, 154 – Katholizismus 7, 10, 12, 27f., 61, 75, 83, 96, 110, 154f. – Kreationismus 61, 120 – Methodisten 30 – Mormonen 30 – Muslime 87, 154 – New Age 154 – Protestantismus 10, 27, 30, 48f., 55, 61, 75, 83, 96f., 105, 110, 119, 154f. – Quäker 8, 10 – Religiöse Rechte 93, 95–97, 154 – Religiöser Pluralismus 2, 30, 97, 104, 154f. – Schulgebet 96, 129 – Toleranz und Religionsfreiheit 8, 10, 19, 30, 105 – Trennung von Religion und Staat 17, 95f., 154f. Republikanische Partei siehe Parteien Republikanismus 106–108, 135 Rhode Island 5 Roanoke 6 Roaring Twenties 59, 61f. Ruanda 86 Russland 51, 53, 59, 70, siehe auch Sowjetunion Salem 9, 105 Sand Creek 46 Saratoga 16 Saudi-Arabien 87 Scopes Trial 61, 120 Segregation siehe Rassentrennung Seneca Falls 30f. Sexualität 8, 30, 61, 79, 93, 125, 146–150, 152, siehe auch Homosexualität – Anti-Miscegenation Laws 149 – Ehe und Familie 93, 147, 149 – Empfängnisverhütung 92 – Sexuelle Befreiung 79, 125, 149f.

232

Register

Sezession 3, 22, 35, 37–40, 42, 111f., siehe auch Sklaverei/Sektionaler Konflikt Sharecropping 43 Sherman Anti-Trust Act 47 Sklaverei 1f., 6f., 17, 27, 40, 64, 102, 111, 141, 153, 160, siehe auch Indentured Servitude – Abschaffung 17, 30f., 37, 40–42, 110, 113–115, 143 – Ankunft und Status der ersten afrikanischen Sklaven 7, 105, 141 – Antebellum 32, 110–113 – Aufstände, Widerstand, Flucht 32f., 35, 37, 110f. – Bewahrung afrikanischer Traditionen, Selbstbehauptung 142f., 147 – Historiographie 104–108, 110–114, 138, 141, 152f., 156 – im Bürgerkrieg 32, 40f., 114 – in der Amerikanischen Revolution 17, 106f. – Kolonialzeit 10, 12, 104f., 152 – Paternalismus 31f., 34, 110f. – Peculiar Institution 22, 31f., 37f. – Plantagenwirtschaft 6, 11, 31f., 43, 105, 110 – Religion 33, 143, 154 – Reparationen 153 – Sektionaler Konflikt 22f., 25f., 34–39, 111–113, 156 – Sklavenhandel 7, 33, 35, 105 – Slave Community 33, 111 – und Geschlechterbeziehungen 147– 149 – und Indianer 162 – US-Verfassung 18, 41f., 44, 107, 115 Social Security Act 63, 130 Somalia 86 South Carolina 11, 24, 31f., 36, 38, 43, 127 Sowjetunion 64, 66f., 69–72, 75, 80, 82– 85, 122–124, 126f. Sozialdarwinismus 46f., 160 Sozialgeschichte 2, 100, 103, 116, 131, 134, 142, 146, 151f., 158, 167 Sozialismus 48, 54, 58, 63, 76, 110, 116, 120, 145 Sozialreformen 30, 52–55, 61, 75f., 108, 110, 115, 118, 158, siehe auch Progressivismus Spanien 3, 5, 16, 21f., 25, 51f., 104, 117, 133, 162, 166 Spanisch-Amerikanischer Krieg 51f., 133 Sputnik-Schock 72 Staatsbürgerschaft 28, 37, 52, 92, 115, 119, 138, 140

Staatsschulden 12, 19, 42, 60, 63, 77, 83, 89, 120 Stamp Act 13f. St. Augustine 5 St. Louis 28 Strafjustiz 131, 155–158 Strategic Defense Initiative (SDI) 84 Students for a Democratic Society (SDS) 78 Süden (als Region), Südstaaten 2f., 7, 17f., 20–22, 24, 27, 29, 31–44, 49–51, 54f., 58, 61, 63f., 69, 74–76, 94, 96, 107, 110–116, 124, 127, 134, 139, 143–146, 149, 153, 156–159, 162 Sugar Act 13f. Supreme Court siehe Oberster Gerichtshof Tammany Hall 28 Tea Act 14 Tea-Party-Bewegung 100, 130 Tennessee 23, 25, 39, 42, 61, 63 Terrorismus – 11. September 2001 87f., 100, 128, 135, 154 – Al Qaida 87 – Anschlag in Oklahoma City 95 – Guantánamo-Gefangenenlager 88f. – Krieg gegen den Terror 1, 87–89, 100, 128, 136 Texas 25f., 32, 35, 37, 75, 95, 157 Todesstrafe 95, 131, 158 Togo 134 Transnational Turn 1f., 102, 132, 134f., 140, 144, 158, 168 Transportrevolution 28f., 109 Truman-Doktrin 70 Trusts 47, 56 Tulsa 159 Tuskegee Institute 55, 143 Umwelt, Umweltschutz 4, 45, 56, 76, 79f., 82, 86, 132 – Energiekrise 82 – Nationalparks 63, 168 – Naturkatastrophen 168 – Umweltgeschichte 164–169 Unabhängigkeitserklärung 13, 15f., 31, siehe auch Amerikanische Revolution United Nations Organization (UNO) 67, 71, 85f., 88 United Negro Improvement Association (UNIA) 60, 143

Orts- und Sachregister Urbanisierung 29, 46, 48, 53, 60, 73, 109, 150, 158, 168, siehe auch Industrialisierung, Industrie Ureinwohner siehe Indianer US-Militär 25, 58, 65–67, 84, 88, 94, 113f., 122, 141 – im Vietnamkrieg 77, 79 – Kriegsgefangene (POW, MIA) 126 – Militärinterventionen 52f., 86, 136 – Rassentrennung 66, 69 – Rüstungsausgaben 40, 64, 66, 72, 75, 83f., 94 – Veteranen, Veteranenverbände 43, 49, 69, 116, 122 – Wehrpflicht 40, 78 US-Verfassung 2, 18f., 44, 107, siehe auch Oberster Gerichtshof – Bill of Rights 19, 107 – Checks and balances 18, 81, 88 – Konvent in Philadelphia 18f. – Ratifizierung 19 – Verfassungsgeschichte 103, 107, 113 – Verfassungszusätze 19, 37f., 41f., 55, 58, 61, 74, 79, 93, 95f., 115 Utah 30, 35, 45 Venezuela 53 Verschwörungstheorien 13, 22, 27, 33, 36f., 59, 65, 71, 75, 118, 124, 126 Vicksburg 39 Vietnam 77–80, 125f. Vietnamkrieg 77–80, 83, 85, 120, 125f., 146, 153 – Massaker von My Lai 77, 126 – Protest 78f., 125 – Vietnam-Trauma 80, 126 Virginia 3–7, 10f., 15–18, 22, 33, 37–39, 95, 105, 141, 157 Völkerbund 58f., 119 Waffenbesitz 94f., 155f. Wahlen 18, 20, 22f., 25, 36–38, 40, 42, 44, 49f., 54, 59, 62f., 68f., 72, 76, 78, 80–82, 84–87, 89f., 96f., 108, 112, 126–128, 130 Wahlrecht 11, 17, 23, 31, 33, 43, 48, 55, 58, 75, 131 Wall Street 58, 94 War Powers Act 81

233

Washington Post 80 Washington, D.C. 21, 35, 45f., 70, 74, 80f., 134, 153, 164 Watergate-Skandal 80–84, 126 Weiße Vorherrschaft 43f., 51f., 74f., 90, 115, 117, 124f., 131, 143, 148f., siehe auch Rassenbeziehungen, Rassismus Westen (als Region) 2, 22, 24f., 27–29, 32, 35f., 39, 49, 58, 63, 76, 92f., 116, 139, 159, 162, 165f. – Bevölkerung 45 – Wilder Westen 45, 156f. Westexpansion 2 White Anglo Saxon Protestant (WASP) 48f., 55, 57, 140, siehe auch Rassismus/Angelsächsische Rasse White Supremacy siehe Weiße Vorherrschaft Whiteness Studies 138f., siehe auch Rassenbeziehungen Wirtschaftsgeschichte 2, 103, 109f., 116, 120f., 131 Wirtschaftskrisen 24, 28, 44, 47, 50, 56, 59f., 62–64, 76f., 80, 82f., 85, 87, 89, 103, 120, 127, siehe auch Finanzkrise (2008-), Große Depression Wirtschaftswachstum 47, 59, 62, 69, 73, 75f., 83, 86, 122 Wisconsin 37, 72, 109, 117, 135 Wohlstandsgesellschaft 76, 123 Wounded Knee 46 Yorktown 16 Young Americans for Freedom

94

Zivilreligion 2, 30, 97 Zollgesetze, Zollpolitik 11, 13–15, 19, 22, 24, 28f., 49f., 60, 116 Zweiter Weltkrieg 3, 59, 64–69, 73, 114, 121f., 153, 157, 164 – Arsenal der Demokratie 65 – Good War 67f., 153 – Internierung der Japanese Americans 66 – Manhattan-Projekt 66 – Pearl Harbor 65 – US-Neutralität 65, 70, 121f.

Oldenbourg Grundriss der Geschichte Herausgegeben von Lothar Gall, Karl-Joachim Hölkeskamp und Steffen Patzold

Band 1a: Wolfgang Schuller Griechische Geschichte 6., akt. Aufl. 2008. 275 S., 4 Karten ISBN 978-3-486-58715-9

Band 7: Hermann Jakobs Kirchenreform und Hochmittelalter 1046–1215 4. Aufl. 1999. 380 S. ISBN 978-3-486-49714-4

Band 1b: Hans-Joachim Gehrke Geschichte des Hellenismus 4. durchges. Aufl. 2008. 328 S. ISBN 978-3-486-58785-2

Band 8: Ulf Dirlmeier/Gerhard Fouquet/Bernd Fuhrmann Europa im Spätmittelalter 1215–1378 2. Aufl. 2009. 390 S. ISBN 978-3-486-58796-8

Band 2: Jochen Bleicken Geschichte der Römischen Republik 6. Aufl. 2004. 342 S. ISBN 978-3-486-49666-6 Band 3: Werner Dahlheim Geschichte der Römischen Kaiserzeit 3., überarb. und erw. Aufl. 2003. 452 S., 3 Karten ISBN 978-3-486-49673-4 Band 4: Jochen Martin Spätantike und Völkerwanderung 4. Aufl. 2001. 336 S. ISBN 978-3-486-49684-0 Band 5: Reinhard Schneider Das Frankenreich 4., überarb. und erw. Aufl. 2001. 224 S., 2 Karten ISBN 978-3-486-49694-9 Band 6: Johannes Fried Die Formierung Europas 840–1046 3., überarb. Aufl. 2008. 359 S. ISBN 978-3-486-49703-8

Band 9: Erich Meuthen Das 15. Jahrhundert 4. Aufl., überarb. v. Claudia Märtl 2006. 343 S. ISBN 978-3-486-49734-2 Band 11: Heinz Duchhardt Barock und Aufklärung 4., überarb. u. erw. Aufl. des Bandes „Das Zeitalter des Absolutismus“ 2007. 302 S. ISBN 978-3-486-49744-1 Band 12: Elisabeth Fehrenbach Vom Ancien Régime zum Wiener Kongreß 5. Aufl. 2008. 323 S., 1 Karte ISBN 978-3-486-58587-2 Band 13: Dieter Langewiesche Europa zwischen Restauration und Revolution 1815–1849 5. Aufl. 2007. 261 S., 4 Karten ISBN 978-3-486-49765-6

Band 14: Lothar Gall Europa auf dem Weg in die Moderne 1850–1890 5. Aufl. 2009. 332 S., 4 Karten ISBN 978-3-486-58718-0 Band 15: Gregor Schöllgen/Friedrich Kießling Das Zeitalter des Imperialismus 5., überarb. u. erw. Aufl. 2009. 326 S. ISBN 978-3-486-58868-2 Band 16: Eberhard Kolb/Dirk Schumann Die Weimarer Republik 8., aktualis. u. erw. Aufl. 2012. 373 S., 1 Karte ISBN 978-3-486-71267-4 Band 17: Klaus Hildebrand Das Dritte Reich 7., durchges. Aufl. 2009. 474 S., 1 Karte ISBN 978-3-486-59200-9

Band 20: Hermann Weber Die DDR 1945–1990 5., aktual. Aufl. 2011. 384 S. ISBN 978-3-486-70440-2 Band 21: Horst Möller Europa zwischen den Weltkriegen 1998. 278 S. ISBN 978-3-486-52321-8 Band 22: Peter Schreiner Byzanz 4., aktual. Aufl. 2011. 340 S., 2 Karten ISBN 978-3-486-70271-2 Band 23: Hanns J. Prem Geschichte Altamerikas 2., völlig überarb. Aufl. 2008. 386 S., 5 Karten ISBN 978-3-486-53032-2 Band 24: Tilman Nagel Die islamische Welt bis 1500 1998. 312 S. ISBN 978-3-486-53011-7

Band 18: Jost Dülffer Europa im Ost-West-Konflikt 1945– 1991 2004. 304 S., 2 Karten ISBN 978-3-486-49105-0

Band 25: Hans J. Nissen Geschichte Alt-Vorderasiens 2., überarb. u. erw. Aufl. 2012. 309 S., 4 Karten ISBN 978-3-486-59223-8

Band 19: Rudolf Morsey Die Bundesrepublik Deutschland Entstehung und Entwicklung bis 1969 5., durchges. Aufl. 2007. 343 S. ISBN 978-3-486-58319-9

Band 26: Helwig Schmidt-Glintzer Geschichte Chinas bis zur mongolischen Eroberung 250 v. Chr.–1279 n. Chr. 1999. 235 S., 7 Karten ISBN 978-3-486-56402-0

Band 19a: Andreas Rödder Die Bundesrepublik Deutschland 1969–1990 2003. 330 S., 2 Karten ISBN 978-3-486-56697-0

Band 27: Leonhard Harding Geschichte Afrikas im 19. und 20. Jahrhundert 3., überarb. u. aktual. Aufl. 2013. 290 S., 5 Karten ISBN 978-3-486-71702-0

Band 28: Willi Paul Adams Die USA vor 1900 2. Aufl. 2009. 294 S. ISBN 978-3-486-58940-5

Band 36: Gerhard Krebs Das moderne Japan 1868–1952 2009. 249 S. ISBN 978-3-486-55894-4

Band 29: Willi Paul Adams Die USA im 20. Jahrhundert 2. Aufl., aktual. u. erg. v. Manfred Berg 2008. 302 S. ISBN 978-3-486-56466-0

Band 37: Manfred Clauss Geschichte des alten Israel 2009. 259 S., 6 Karten ISBN 978-3-486-55927-9

Band 30: Klaus Kreiser Der Osmanische Staat 1300–1922 2., aktual. Aufl. 2008. 262 S., 4 Karten ISBN 978-3-486-58588-9 Band 31: Manfred Hildermeier Die Sowjetunion 1917–1991 2. Aufl. 2007. 238 S., 2 Karten ISBN 978-3-486-58327-4 Band 32: Peter Wende Großbritannien 1500–2000 2001. 234 S., 1 Karte ISBN 978-3-486-56180-7 Band 33: Christoph Schmidt Russische Geschichte 1547–1917 2. Aufl. 2009. 261 S., 1 Karte ISBN 978-3-486-58721-0 Band 34: Hermann Kulke Indische Geschichte bis 1750 2005. 275 S., 12 Karten ISBN 978-3-486-55741-1 Band 35: Sabine Dabringhaus Geschichte Chinas 1279–1949 2. Aufl. 2009. 282 S., 1 Karte ISBN 978-3-486-59078-4

Band 38: Joachim von Puttkamer Ostmitteleuropa im 19. und 20. Jahrhundert 2010. 353 S., 4 Karten ISBN 978-3-486-58169-0 Band 39: Alfred Kohler Von der Reformation zum Westfälischen Frieden 2011. 253 S. ISBN 978-3-486-59803-2 Band 40: Jürgen Lütt Das moderne Indien 1498 bis 2004 2012. 272 S., 3 Karten ISBN 978-3-486-58161-4 Band 41: Andreas Fahrmeir Europa zwischen Restauration, Reform und Revolution 1815–1850 2012. 228 S. ISBN 978-3-486-70939-1 Band 42: Manfred Berg Geschichte der USA 2013. 233 S. ISBN 978-3-486-70482-2