Geschichte der Bulgaren

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B U L G AK E N. VON

C O N . S T A N T J N JOS. J I R E C E K .

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K. k. Jloflitioliilini’koU'i vim I ruuk i-'iuhtf iu Vrag.

VORWORT. ■Unter den Volkern der europaischen Tiirkei nehmen die Bulgaren durch Zahl iind durch Ausdehnuug ihres Sprachgebietes den ersten Platz ein. H ire' Wolinsitze umfasseii, mit Ausnabtno weniger Enclaven and Kustenstriclie, die altcn Lauder Moesien, Tlirakien und Mnkedonien, ein Territorium von nuliezu 4000 yuadratuieiluii. Im Mittelalter haben sie, einen niachtigen Staat Inldend, gar oft in die.Geschicke der Balkan-Halbinsel wucbtig eingegriifen. In der • ueuesten Zeit lenkt sich die Aufmerksamkeit Europa a in stots wacbsendem Masse ihrer eigenthiiinlichen nationalen Bewegung. ilirein Kampfe urn die Wiederherstellung der alten Nationalkirche und nicht minder ihrer iiidustrielleu und kanfmanuischeu Betriebsamkeit zu. Die Geograpbie der Bulgarenlander ist in neucrer Zeit Gegenstand unausgesetzter Untersuchuugen. Dr. Ami Bou4 der ehrwurdige Nestor der Balkanforscher, fand eine stattliche Reihe von Nacbfolgern. Grisebach. Viquesnel, Lejeau, Hahn, Barth, Hochstetter, Kiepert und der unermiidliche F. Kanitz haben die von ilun liegonncnen Arbeiten mit Erfolg fortgesctzt Das dichte Dimkol, welches noch zu Anfang uusorcs Jahrhundorts auf diesen Laiidern lastote, hat sich, Dank deni Forschungseifer dieser Manner, zum grossten Theile zerstreut. Anders ist es mit der Geschichto der Bulgaren. Den ersten Vorsuch einer zusammenhiingenden Darstellung derselben unternahm der Serbe Raic in seiner Geschichto der Siidslawen (1794). Raid’s Nachfolger J. Ch. Engel bot in seiner „Geschichte der Bulgarei" (1797) zum ersten Male einen kritia"]

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schen TJberblick der gcsanraitcu Vergangenbeit clos Bulgarenvolkes. P. J. Safaflk hat in seinen „Slawischen Altertluimoru“ (1837) und in zahlreichen spilteren Abhandlungen fiir die alteve Periode Unvei’gaiigliclies goleisti^t. Von unverglcichlich geringerem wissenschaftHchen Werth sind die Werke des Russen Venelin. In neuestor Zeit liabon die russischen Historiker Hilfercling, Grigorovic, Golubinski, Makusev, der Kroate Racki und namentlich der Bulgaro Drinov, der vorziiglichste Kennop der Geschiclite seines Volkes. dureh griindliebe Beavlieitung einzelner Partion grosse Verdienate sicb erworben. Nichts desto weniger feblt os an einer ubersicbtlicbcn Darstellung der gesammten Gesebiebte dor Bulgaren, welche, iui Siune der Anforderuugen der historiseben Kritik, das in jiingster Zeit reichlich an den Tag gebraclite Material verwerthen wiirde. Der Wnnsch, diese gnrade jetzt sobr fiihlbare Liicke auszufiillen, leitete den Verfasser des vorliegenden Buebes. Soweit es sicb urn die alte- Gesebiebte handelt, boten ibin die Werke der angefiibrten Schriftsteller eine zuverlassige Grundlage. Aber von der Revolution Asen’s und Peter’s (1186) au bis auf die neueste Zeit binab war or grosstontbeils nur auf eigene Forselmng angewiesen. Dies gilt insbesondere von der Schildorung der altbulgarischen Staats- und Culturvorhaltnissc. Dass bei, dem redlichsten Streben manche Liicken unausgefiillt geblieben sind, liegt w o h ljn der Natur der Sache. Eine grosse Schvvicrigkeit bot ferner die Eigeuthiimliob' keit der Quellon, welche niebt nur in den versebiedensteu Spracheu geschrieben, sondern ausserdcni iibor balb Europa zerstreut und mitnnte.r, wenn auoh gediaickt, fast unzugiinglicb sind. Wenn es dem Verfasser doch gelungeu ist verhilltnissmassig viol davou zu sammeln und zii boniitzen, so verdankt er dies der dankonswertbon Unterstiitzuiig, welche ihm die Herren A. T. Iliev aus Zolezuik, G. D. Nacovic aus Svistov, K. Pomenov aus Prilep, Professor A. Kotljarewski in Kyjev, die Beamten der Universitiitsbildiotliek und des kgl. Museums zu Prag, besonders Herr A. Patera, angedoihon liosson. NOch hat der Verfasser der obenso woblwollendeu als sorgsameu Forderung zu gedeuken, deren sicb seiu Work von

einem ihm scbr nahestehcudcn Crelehrton zu erfreuen liatto. Dcr Dank wird gewiss von ihm, auch wenn seiu Name nicht genannt wird, fvenndlich entgegen genommen werden. Hchliesslicli ist zu bemerkeu, dass nach dom Vorgange der Horren Kanitz imd Ilochstetter in einhoimischen Woiterii luid Namcn ausschliossHch die slawischo ('irthographie durchgftfiihrt wurde.*) Von dor gloicbzeitig orschienenen bohmischen Ausgabe unterscheidet sich dio vorlicgeude deiitscbe Bearbeitung durch Beniitzung einiger neucren Materialien und durch Ilinweglassung manchen Details von geriuger Bedeutimg. Prag, Weihnachten 1875.

Const. Jos. Jirecek.

*) 8 = Rchiiri'oa s (wiasen), s = s c h , c —z (z. 1!. ('!U' = Zar, Taar), 0 :rz tj, 0 = tech, z — wtjiehes r (Hose), i — tVanz. j, v = w. Fiir ilun Lniit '], (a, u) wurJo (h'v kyi'iHiechc HuuliRiabo (S. 4) t>eilieImltcii untl tiir Uaa bal^arisclu* 'll (ea, «?) auch ilcm ^ ovgunge IMikloiich’s c gosotzt.

INHALT. I. Geographische U b e r s i c h t ........................................................ A) Orograpbie. Balkan, Strand^a, Sredna Gora, Vitos, Ryl, Rhodope, §ar u. s. w. B) Hydrographie. Douaugebiot. Gcbiot des Aegaciseben und Adriatiscbon Meeres.

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H. Die Thrako-lllyrer und die R i i m e r ...........................................-S3

Dio Urzeit dor Halbuiscl. Tunmli. Dio Tlirako-Illyrcr, ihre Stiinimc, Spracho, Silten und Schicksale. Die Romorherrscbaft. Romauisiruug der Ureinwobner. Sind die Slawen auf der Halbinsel Autocbtbonen? III. Die slawische Colonisation der Balkan-Halbinsel ....................

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Slawiscbe Eiuwiiuderimp- iin III—VII. Jabrbundort. Romerberrscbaft in Dakiun und Beriibrung der Slawen mit deu Rdmern. l>ie ersten Spuren alawischer Colonisten auf der Halbinsel. Hunnen. Gotbcn. Bulgareii. Kaiser Justinian (527—5G5). Slovenen und Anten in Dakien iin VI. und VII, Jabrbundcrt. Die Avaren. Verfall des Avaren- und Byzautinerreicbes und kriegerischcs Vorriicken slawischer Stslnune bis in den Peloponiies. IV. Leben, Sitten, Ansiedelungen der eingewanderten Slawen und deren Beriibrung mit den Ureinwohnern....................................

A. Lobensweisc der Slawen. B. Die slawiscbe Colonisation. Ortsnamon. (J. Beziebungou der Slawen zu deu liiiigcboreueu. T). Ursprung und Stiimnie der Slawen auf dor Balkau-llalbinsel. Die Slawen in Griechenland. V. Die Einwanderung der B u lg a r e n .............................................. Volkorzug der uraliscben Bulgaren und Griindung cines nuicbtigen Reiches in Moesien im J. 671). Sitten, Gobriiuche, Sprache, Staats- und Kriegswesen der urspriiuglichen Bul­ gareii. Hire Natioualitilt. Verhiiltniss dor Einwandorer zu den altansiissigen Slawen und VerRelnnclzuiig mit denselben.

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VIII Seitc

VI. Krum und O m ortag....................................................................... 139

Dio (JoHchichte der Uulu-uren vou der Einwrinderunpr in ■ Moe‘.1

X. Soito

XX. Der grosste Aufschwung des serbischen R e i c h e s .............. 2i)7 Serbion unter Stephan Dusan (1331—1355) als orate Macht auf der Halbinsel. Dor Bulf^arencar Joannes.. Alexander (1331—1365). Ausbreitun" des serbischen und bulgarisclien Reiches wahrend der byzaiitinischon Biirgerkriege. Dio Tiirkcn in Europa (1353). XXI. Religiose Wirren in Bulgarien im XiV. Jahrhundert

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Bogomilon, Hcsychasten, Adamiten, Juderi. Der hi. Theodosij von Trnovo. Litcratur. XXII. Die ersten Kampfe der Sudsiawen mit den Ttirken . . . . Anarchie in Scrbien nach Car Duaari’s Todo (1356). Innere Zerwurfiiisse in Bulgarien. Die lotzten Kriege der Bulgaren mit don Griechen und die ersten mit don Turken. Theilung Bulgaricns in die Reiche von Trnovo und Bdyii. Expedition des Grafen Amadeo von Savoyon nach Bul­ garien. Die Ungarh in Bdyn (1365—1369). Car Joaniies Sisiuan III. (1365—1393) turkischer Vasall. Schlacht an der Marica (1371). Konig Marko/ Des Despoten Dobrotic Furstoiithum am Pontus.

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X X I I I . Die Eroberung Bufgariens durch die T u rke n .................... 3.37

Die sudslawischc (innfiideration unter Konig Stephan Tvrdko von Bnsnien. Der Sieg dor Vcrbiindoton an dor Toplica (1387). Krat© tjnterwerfung Sisman’s. Die Schlacht am Amselfoldo (1389). Zweiter Sturm der Turken auf ' Bulgarien. Eroberung von Trnovo und Untorgang des bulgarischen Staates und der Nationalkircho (1393). Des Caren Sisman Sohicksal. Schlacht am Ilovinafelde und Konig Marko’s Tod. Schlacht bei Nikopolis (1396). Dos Caren Sracimir Endo (1393). Ganz Bulgarien den Tiirken untorthan. XXIV. Bulgarien im XV. J a h rh u n d e rt ...................................................357 Schlacht bei Angora (1402) und donm Folgon. Aufstand der bulgarischen Prinzon (um 140.5). Biirgerkrieg unter den Sohnen Bajezid’s (1409—1413). Zug Konig Vladislav’s von Ungarn bis nach Zlatioa im Balkan (1443). Schlacht bei Varna (1444). Fall (Jonstanfiuopols und sammtlicher christliehon Staaten aiif der Halbinsel. Skanderbog. XXV. Altbulgarisches Staats- und Culturleben im X II. - X V . lahrh u n d e r t.........................................................................................372 Tlrsachon des Fiillos von Bulgarien. Name, Gruuzon und Eiiitheilung dos Reiches. Staats- und Volkerreobt. lloflebon. Boljaren. Ilof- und Reichsiimter. Staalskircho. Stivdtu. Leibcigenschaft. Rechto, Gesetze, Roichstage, Londesvorwaltnhg und Finanzen. Ackorbau nnd Handel.“ Kriogswoaon. Volkseharaktor.

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Sfitr XXVI. Aitbulgarische L ite ra tu r ..................................................... ... . 422 Konstantin (Kyrill) und Method. Altbulgarisch und altslovenisch. Kyrillica und Glagolica. Die siebenziihligcn Heiligen. Car Symeon. Literatur der Bogomilen. Apokrypheu und griechisch- orientalische Erziihlungen. Lite­ ratur des Reiches von Trnovo. Eutbyraij’s Schule. XXVII. Die Turkenherrschaft in Bulgarien im XVI.—XVIII. Jahph u n d e r t ............................................................................................448

Bulgarischo Vojnikdbrt'cr im Balkan, Sredua Gora und Rhodope. Wlachische Handelsstudto, dcreh Bliithc und Untergang. Ragusaner. Katholiken in Bulgarien. Die Eirchc von Ochrida. Fanarioten. Osterreichisch-turkisebe Kricge. Ilajduken, Tatarcn, Albanesen, Zigeuner. XXVIH. Pasvanoglu und die K rd zalijen ....................................................47!) Tiirkische Wirren 1791—180S. Folgen der franzdsischen Revolution. Reforracn Selim’s III. Unabbiingigo Paseba’s. Die Raubergescllschaft dor Krdzalijen (1792—1804). Osman Pasvanoglu, der abtriinnige Paseba von Vidin. Die serbischo Revolution. Dor Fricden von Tilsit und Napoleon’s onoiitaliHobc I’liiiio. XXIX. Die fanariotischen Bischofe und der Hellenismus in Bulgarien &05 Lugo dos Bulgarenvolkos am Anfang unseres Jabrhunderts. Konntnisse voii den Rulgareii im Oocideut. Fortsebreitendo ndlenisirung. Gricchisebe Scbulen und Schrift. Der fanariolischc Clems, ^erbrennung von Handsebriften. XXX. Die Wiedererwachung des Bulgarenvolkes ............................... 517 Beginn und Cbaraktcr der bulgarischon Nationalbcwegung. Der llistoriker Paysij von Saiuokov (1762) und der Biscbof Sofronij von Vraca (1730—1815). XXXI. Die russischen Feldziige und die griechische Revolution. ■ ■ 524 Der russische Krieg 1806—1812. Die griechische Revo­ lution. Der riiHsischo Feldzug 1828—1820. Kapitiln Goorgi MnmarcOv. Die Kapiuover Vorschwdruug 18-36. Bulgarisebe Colonieu in Bessarabien. XXXII. Die bulgarische N atio n alb ew eg u n g ........................................... 535 Dio Bukarcstor Kaufleule und Eimgrahtcn. Dor Historiker Georg 'Vencliii. Aprilov und die erste Ijulgariecbo Schiilo ill Gabrovo (1835). Noofyt Uylski. Entwickolung dos nonbulgariHcbcn fichulwo.sens. XXXIII. Der bulgarische K irc h e n s tre it..................................... 544 Tiirkisehe Rei'ormcn. Nool'yt Bozveli und Melropolit, Ua. rion. Die biilgarisebc Kirchoiil'rago 1858—1872. Erriclitung des Exarebats. Revolutionsversuebe, XXXIV. Neubulgarische L i t e r a t u r ........................ ................................... ..... Beifage (Wobnsitze und Volkszahl tier Bulgareii) . . 574

E a p ite l I.

G e o g ra p h is c h e tJ b e rs ic lit. Charakter imd Cultur, Sitten imd Gebrauche, Fortschritt und Verfall, kurz die gesamrato geistige Entwickluug eines jeclen Volkes ist zu einem grossen Theile bedingt durch die Gestaltung und die Eigenthiimliclikeiton des Dodens, auf dem es seine Wohnsitze nufgeschlagen hat. An die Beschroibuug der Schicksale des Bulgarenvolkes schreitend, rniissen Avir daher eiuen kurzen geographiscben Uberblick derjenigen Lander voranschicken, welche entweder einst der Schauplatz seiner Geschichte wareu oder jetzt seine Heimath sind. Mitunter muss dabei aucb iiber die ethnograpbischen Grenzen der Bulgaren hinausgegriffen werden; deim auf der siidostlicben Halbinsel, welche gleicbsam eine abgeschlossene Welt fiir sich bildet, blieben Geschichte und Geographie der einzelnen Landschaften, wenn sie ohne Riicksicht auf die Nachbarschaft behandelt wiirden, in hohem Grade uuklar. Von alien Liindern Europas ist die Siidost-Halbinsel, •welche wir, dem allgemeinen Sprachgebrauche folgend, die Balkan-Halhinsel nennen, am Avenigsten bekannt. Bis zum Anbruch unseres Jahrhunderts pflegte man ihr Inneres mit phantastischen Gebirgsziigen, Flusslaufen, Seen und Stadten auszufullen; an eine wissenschaftliche Durchforschung dieser Lander Avar damals nicht zu denken. E rst nach dem Frieden von Adrianopel begann es auf deba Felde der Geographie der griechischen und sudslaAAuschen Lander zu diimmern. All’ unser Wissen von denselbeu verdanken Avir nicht etwa Arbeiten, Avelche von der turkischen Eegierung untevnommpn J i r c 6 c k > Oc'Bch* der Bul^tiren.

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Kaj)itel I.

waren, sondern dem unermiidlichen Eilui- einzelner Reisendeii, welche freilich nur insofern ZuverUissiges brachten, als sie Selbstgesehenes mitzutlieilen verniocbten. Eine systematische Erforschuug dieser denkwiirdigon Liiiider folilt iioch immer. „Nur Aver selbst in dem Lande gereist ist und wilhrend der Bereisuug die Gelegonlieit liatte, sammtlicbe nennonswerthe Karten der Tiirkei zu Rathe zu ziehen, kann es glauben, dass es in Eurojja nocli grosse und dazu dicht bevdlkerte Gebiete gibt mit ansehnlicLen Gebirgeii, mit fruchtbaren Ebenen uad grossen Fliissen, die alle fast so unbekannt sind, wie das Iniiere von Afrika odor Australicn.“ V Ausser Nacbrichteii sowohl westeuropiiischer Reisenden, Englander, Franzosen, Dcutschcn, als auch einiger Russen, beniitzten wir in unserer Darstellung zahlrciche scliriftliche und miindliche Berichte von Einheimischen. Diesen verdanken wir insbesondere die Mdglichkeit, landesubliclie Namen, welche von Fremden mitunter sehr ungenau wiedergegeben werdcn, zum grossen Theile richtig stellen zu konnen. A . O i'o g r a ip liie .

Seit uudenklichen Zeiteu bestand die Meiuung, es sei die Halbinsel vom Adriatischen bis zum Schwarzen Meere von einem hohen unzuganglichen Gebirgswall durchschnitten, von einer liickenfreien alpinen Centralkette, welche nahezu in gerader Linie von West nach Ost ziehend, die Wasserscheide des Aegaeischen und des Schwarzen Meeres (reap. derDonau) bilde. Schon bei Strabo findet man die Ansicht, dass die illyrischeu, paeonischen und thrakischen Berge, fast eine Linie bildend, parallel mit dem Ister von der Adria bis zum Pontus sich erstrecken. Dieser IiTthura vererbte sich auf die GeoI) Prof. Or. K. v. Hochstetter in den Mittheil. der k. k. geogr. Gesellschaft in Wien 1870, 10. ®) Strabo VII. p. 813: Tqotcov ydg r/va rm iaxi rd T« xtd xa Tlaiovixa xai xh 0Quxca oQt]. (iluv nms yQUftfirjv aTioxilovi'xa, di7]Mvaav otzo tuv 'Abqlov (lixQi- xcQog xov TJovxov. Frg. VII, 1. 10. }] Mttv.fHovltt ntQiOQiitxm in Poqqu tjj voovftiv^ tvOiia ygufi/i^ tij diet BtQTtanov oQovg xul ZndqUov xrtl ’Oq^xiIov xal 'Podontig nal Alftov • xa yuQ oqri xavtcf, rov ’Adp/ov, Siijnft nnth evd'finv ?(pg rov F/v^uvov. ,

Orogritpliie.

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graphen des Altertliums, des Mittelalters imd der Neuzeit. Aus dem Mittelalter greifon wir nux' das Zougniss desByzantiners Nikephoros Gregoras hei’aiis. E r spricht von einer zusammcnhungendon Kette, welche lilngs der nordlicheii Grenze Makedouieiis und Thrakiens vom Pontus Euxiiius bis zum lonischen Mcere reicht, und die Quellengebiete des Strymon und Axios in sich fasst. ’) Auf iilteren Karten der Neuzeit von Mercator an ist stets ein Gebirgswall init alpinen Formeu eingezeichnet, ein ununtcrbrochenes Gebirge des Scardus, Orbelus und Ilaemus, gleichsam eine Fortsetzung der Alpen bis zum Gestade des Schwarzen Meeres. Der wahre Sachverhalt wurde erst uni das Jah r 1840 von den Eeisenden Boue und Grisebacb entdeckt.'‘) Dass diese Centralkette von den Karten versebwand, ist ein Verdienst H. Kieperts, uclcher 1853 die Bodcnbildung der'Balkan-Halbinsel zum ersten Male in wahrheitsgetreucm Bilde darstellte. Die Gebirge der Halbinsel stehen au zuei Stellen im Zusammcnhange mit den Gebirgssystemen Mitteleuropas, im Westen mit den Alpen, im Osten mit den Karpaten. Auslaufer der Alpen, vom Karst ausgebend, fiillen ganz Bosnien und die Hercegovina in zahlreichen, dem adriatischen Kiistenlande pa­ rallel laufenden Gebirgsziigen und finden ihren Abschluss im nordalbanischen Gebirgsknoten vor dem tiefen Binnsal des Drimflusses. Jenseits des Drim erheben sich die albanesischen Ketten mit manuigfaltig auslaufenden Kammen. Durcb das Thai des Schwarzen Drim, welches sich von S. nach N. erstreckt, scheidet sich von ihnen der Sar (Scardus), von SW. nach NO, ziehend. An ihn schliesst sich im Siiden der Pindus an, welcher bis nach Hellas reicht. Vom Sar lauft eine durch breite Thaler zerkliiftete Reibe mehr oder weniger isolirter Berge langs der Wasserscheide der Donau und des Aegaeischen ®) Mikephoroa Gregoras ed. Bonn. 1, 376. Tee vjte^xtt/etvee fieyiarce OQ1], a x a tit rh a w t^ is JiciQccTsivst roi> ’loviov Jitkayovg ix rov novrov UQ^ce/itvee Tov Ev^atvov, ogi^ovtce ftiv jz^og fiaatjfifi^/exv xetl vozov uvafiov xal M axtbovlav, n p o g 8’ ^ p x ro v g ta g ra M vcmv zcoeag xu l noraftbv row ’'lavQov.

*) A. Boue, La Turquie J’Europe. Paris 1840. I. 217. Grisebaoh, Reise durch Rumelicn. Gottingen 1841. II. 110. A. Roue, Ueber die sogenannte Centralkette der europ. Tiirkei, Sitzber. W. Akad. LIII. Band (186(1).

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tC ap itel 1.

Meeres nach 0. bis zu einem zweitou Gebirgsknoteii, der sich im Herzen der Halbinsel um den Vito§ und R yl (Scomius) aufbaut. Vom Ryl erstreckt sich in siidostlichcr Eichtung das vielverzweigte Gebirgssystem der Rhodope. Nach O. entsendei. der Ryl das Rumelische Mittelyehirge (Sredna Gora), welches die Grenzscheide des Beckeus von Sofia und der thrakischon Ebene bildet und dann als Parallelkette an den Siidabfall des Balkans sich anschliesst. Der Balkan selbst ist die natiirliche Fortsetzung der Banater Karpaten. Getrennt von ihnen durch die Donauenge, streicht 'e r in einem Bogen von W. nach 0. bis an das Schwarze Meer. Die Thiiler der Morava und des Vardar, welche durch die niedere Einsattelung zwischen der Crna Gora (Kara Dagh) und dem Rujan zusammenhiingen, spalten die Halbinsel in zwei Hiilften. In der westlichen Hiill’t e ziehen die Hauptgebirge meist von N. nach S., oder von NW. nach SO., wiihrend im Osten die Eichtung von W, nach 0. vorhen scht. Zuniichst wollen wir die Osthalfte besprechen. I. Balkan (Siara Planina). 1. Die sorbischen Vorberge. Am rechten Ufer der Donau­ enge bei Orsova erheben sich die steilen Berge Serbiens. Von dort aus streichen mehrere Gebirgsziige nach S ,; im W. werdeii sie durch das MoraVathal, im 0. durch das Donaugeliinde und das Timokgebiet begrenzt. Insbesondere sind da zu nennen das erzreiche Bergland am Pekflusse und die hohen Wande des kahlen Miro6. An diese schliesst sich das Gebirge Omoljey dessen siidliche Fortsetzung Gohibmje genannt wild. Siidlich von diesem erhebt sich der Btanj (bulg. H'trten*), eiue isolirte Pyramids von etwa 1300 Meter Hohe, welche von alien Seiten aus weiter Fem e sichtbar ist. Den siidwestlichen Abhang des Rtanj bedeckt ein schoner Fichtenwald; die Nordostseite ist sehr steil. Vom Gipfel, den man auch zu Pferd erreichen kann, erblickt man das ganze Timokgebiet, den fernen Spiegel ®) tr. V. Hahn, Keise von Belgrad nach Salonik, 2. Aufl. Wien 1868, 148. Der hulg. Laut n wird ausgesi)i'ocheu wic das engi u in but, cu t; wir zogen es vor, ihn uiit dem cynllischcn Kuchsfaben zu bezeichnen, da die Jateinioche Umaclireibung (k oder ii) beirrend isl.

liulkaii.

der Donau, die uniibersehbare Ebeae der Walachei, die biminelanstrebende Gebirgsmauer des Balkan, die Sucba Planiua, den Jastrebac, hinter welcbem der Kopaonik sicb blicken liisst; weiterhin erscheint das Moravatbal, die waldige Sumadia, im ferneu Norden die Ebenen des Banats uud die Ausliiufer der K arpaten.') Siidlicli vein Rtaiij, durch das Moravicaflusschen geschiedeu, erhebt sicb iiber der serbiscben Grenzstadt Alexinac der Ozrjen. Von ihm zieben sicb in sudostlicber llicbtung bis zum Balkan Kalksteiubbben, n elcbe kauin 300 Meter iiberragen; sie scbeiden die Zufliisse der Nisava und des Timok. Den Westland des Timokthales bilden die genannteu Berge, der Miroc und "der Rtanj mit ihren Auslaufern. Der Ostrand gehort schon zum Balkan. Dem Berge Stol gegeniiber steben jenseits des Timok die Vorberge des Balkan, das ostlicbe Grenzgebirge Serbiens, meist mit Buchen bewaldete Kalksteinboben. An der Kadihogae genannten Stelle ging eine erst neulich von F. Kauitz entdeckte Ronierstras.se aus deni Timoktbale hinuber zum Arcarfluss, die Verbinduug vermittelnd zwischen Naissus (Nis) an der uralten Strasse von Belgrad nacb Constantinopel und Ratiaria (Arcar) an der Donau. Jetzt ist sie durch den serbiscben Grenzzaun abgeschlossen; der tibergang ans dem Timoktbale nacb Vidin befindet sicb jetzt weiter gegen Norden beim Gipfel Vrska Cuka. Von den Gipfeln (z. B. Babin Nos) geuiesst man eine weitc Aussiebt nacb Bulgaricn und in die Walacbei. Das obere Timokgebiet gehort gleichfalls der Kalkformation an, ist waldlos mit steilen, hobeu Felsen. Man findet bier viele Hoblen, besonders Eisbbblon, und eine Monge triebterformiger Abgriinde, welche serbisch Vrtace genannt werden, in denen hinuntergenorfene Steiue lange wjderhallen, bevor sie den Boden erreichen. Biiren und Eber kommen hieber vom B alkan; auch Auei-habne zeigeu sicb mancbmal.’j 2. Okarukter des Balkan. Auf dom Gipfel Ivanova Divada dvan’s Wiese) stebt auf dem Trifiniura Serbiens und der Pascbalike von Nis und Vidin eine serbische Karaula (Grenzwache). Dort beginnt der eigentlicbe Balkan. Der Name Balkan ist F. Kanitz, Reise m Svid-Serbien und Nord-Iiulgarien. Wien 1808,31. Or. Macaj, Resclireibung dea Knjuzovacev Ivreises. nGlasnik" der Serb, gclebrton GeseHscbaft (ISiJO) XIX.

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Kapitel 1.

turkisch und bezeichnct einfach ein Gebirge. Im Alterthiim hiess diese Gebirgskette Haemiis (Aifiog). Die Bulgaren neniion den Balkan liberall vom Timok bis zum Meere Stara Planina (der alte Berg) ®), die Tiirken Chodza Balkan (Hauptgebirge). Auf der Noi’dseite senkt sich der Balkan allmahlig zuv Donau, theils in tiiederen Hohenzixgen, theils in stufenformigen Plateaufliichen, tbeils als schiefe Ebene. Der Siidabfall hingegen ist stcil und kahl, und erhebt sich von Pirot bis Mesembria in der Lilnge von etwa 60 Meilen als eine formliche Maner. Bloss an drei Stelleii ist er durch Einsattelungen unterbrocben, welche ihn mit dem parallel streichenden Mittelgebirge verbinden. Dieser scharfe Siidabfall ist entstandon durch eine Dislocationsspalte, wobei die siidlich sich anschliessenden Gebirgstbeile bis auf einige Reste (das Mittelgebii-ge Oder Sredna Gora) untersanken. Am Fusse der gigantischen Felsenraauer trifft man zahlreiche warme Quellen und maniiigfaltige Eruptivgesteine.®) Durch diese Bilduug h at der Balkan eine grosse Ahnlichkeit mit dem bohniischen Erzgebirge, Von der Sudseite gewiihrt er einen grossartigen Anblick; vom Norden iiberrascht or mitunter gar nicht. Aus doni hohen Kamme erhebt sich selten ein auffiilliger Gipfel. Der Dui’chbi'uch ,des Iskerflusses scheidet den Balkan in zwei Theile, einen westlichen und einen ostlichen. Unsere Beschreibung wird vom W. nach 0. fortschreiten. Die Westhiilfte ist noch wehig bekannt. In den letzten Jahren haben ihr der leider fruh verstorbene Lejean und besonders Kanitz'®) grosse Aufmerksamkeit geschenkt, doch die Resultate ihrer Forschungsroisen sind noch nicht vollstiindig veroffeutlicht. 3. Der West-Balknn. Unweit von der Ivanova Livada (an 950 M.) fiihrt durch den Sveti-Nikolapass (1384 M.) eine 1863 aus strategischen Griiuden auf Befehl Mithad Paschas 8) Irrthuinlioh wird dicRer Name auf manchen Karten im Westbalkan localisirt. Die erste Ei-wahnung dea Namena fanden wir in des ragusaniechen Dichters Gundulic (f IRSS) Epos Osman III. 53. Der Name Chodza-Balkan wnrdc bisher in gloicher Weise bald der Westpartie, bald der Centralpartie beigelegt. «l Dr. F. von Hocbstetter, Reise durch Rumelien, Mittheil. der k. k. geogr. Geselhchaft. XIII. 1870. 608. ■®) F. Kanitz, Dunau-Rulgarien und dor Balkan. IlistoriBch-geographiscbe Reisostudicn, I, Baud. Leipzig 1875.

Hulksiu.

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erbaute Strasse von der Nisava in das Lomgebiet friilicr gab es keine Verbindung zwischen Nis und Vidin auf tiivkischem Boden, da der alte Weg seit der serbiscbcn Revolution in fremden Hilnden sich befindet. F. Kanitz, dem wir die Evforschung und gleichsara die Entdeckung des West-Balkans verdanken, b at fiir die westlicbe Partie den Namen ScetiNilcola-BalJcan eingefuhrt. Weiter erhebt sich der Berg Tri CuM zwischen den Stildton Pirot, Berkovica und Belgradcik. Von seinem Gipfel siebt man die Donau mit den anliegenden Stiidten Vidin, Arcar und Orebovo," ) die Sucba Planina, den Rtanj, Sofia, den Vitos und die Berge urn Samokov ••) Die weitere Kette heisst Bcrhovislca Planina, nacb der Stadt Ber­ kovica an der Nordseite, wie iiborhaupt die Theilc des Balkan racist nach naben Stiidten genannt werden. Sie ist kalil bis zura Kamm, erhebt sicb bis znr Hobe von 2000 Meter und gleicbt an der scbneereicben Stelle, wo ein von vier Karaulen gescbutzter Weg von Berkovica nacb Sofia biniiberfubrt, einer Schweizerlandschaft. Weiter nach Osten koinmt raan atif dem Gebirgskarame zu dem fast unzuganglicben Iskerdurcbbrucb, wo der Fluss in cinem tiefen Abgrund sicb aus dem bocbgelegenen Beckon von Sofia einen Weg zur Donau gebabnt b at. Bis dabin ist die Hauptkette von Kalk und Sandstein scbroff nacb beiden Seiten. Am SUdabfall erweitern sicb untor tiefen Stoilwiindcn, die kabi wie einc Nussschale sind, das Thai dor Nisava und das Becken von Sofia. Im Nordcn scbliesst sicb nicbt nur an dieson Theil sondern an den gcsaramten Balkan ein parallel laufendes Kalkgebirge, grosstentheils bewaldet, das von den obcren Stroinlaufen der Donauzuflusse durcbfurcbt wird, vom Lom, Cibra, Ogust und anderen, welcbe siimmtlicb ibre Quelle in der Hauptkette baben. Der westlicbste Theil dieser Vorberge sind die Stolovi zwischen dem Arcar und Lom. Zwischen ihnen und doin Balkan befindet sich eine romantisclie Folscngegond, ' •) Das butg. f. umschreiben wir clurch c; es wird je nach dem Dialecte

e, ea,.ja, a auagosprocben. llior Or.jahovo (Rahovo, Oreovo der Karten). Des bulg. Ilajdukcnvojvodcn Pnnajot Ilitov, welclier oftmals den ganzen Balkan vom Schwarzen Mecre bis nach Sorbien durchwandorte. Memoiren: Mooto liXTyBailHe no (Jrapa UAaHuiin (Jleiue Wanderaugon auf dor Stara Planina). Buknrest 1872, 151.

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Kapitel I.

in der die kleine Festuug Belgradcik liegt. Gigantische Saulen von dunkelrothem Sandstein, gekront von Baunigi’uppen, erheben sich in phantastischen Gestalten fiber 200 Meter und bilden, gescbieden durch Giessbache und umgeben von iippigem Griin, merkwurdige Griiijpen und Alleen, gleicbsam eine versteinerte Stadt mit Tliurmen, Burgen, Hiiusern, B rucken, Obelisken und Schiffen, Menschen und Thiereu. Diese Wunderwelt wurde aufgedeckt von Kanitz.'®). Vor ihm ei’blickte sie nur im eiligen Vorubergelien Blanqui, dor mit Bewunderung schreibt: „Die Engpasse von Ollioula in der Provence, das Defile von Pancorbo in' Spanien, die Alpen, die Pj'renaen, die wildesten Berge von Tyrol und der Schweiz besitzen nichts, was man damit vergleichen konnte." W eiter gegen Osten heisst ein Theil dieser Vorberge Vracansha Planina. Vraca, eine nicht unbedeutende Stadt, h at eine ungemein malerische Lage. Wer vom Norden naht, erblickt hinter der Stadt riesige Kalkmassen, welche, schneeweiss und kahl, in Siiulen und Zacken sich aufthurmen; der Levafluss entstromt dort einer prachtvollen Felsenspalte."®) 4. Der Ost-DaVean. Hinter dem Iskerdurchbrucb erhebtsich die in bulgarischen Volksliedorn viel besungene MurgaS Pla7iina, von deren Gipfel man tief unten den Isker, weiter Sofia mit dem ganzen Becken, den Ryl, die Rhodope, irn Norden Pirot, Vraca, Pleven sieht. Vom Murgas kommt man ostwarts zu einem Passe (1340 M.) mit einer Strasse nebst einem Telegraphen; dies ist der neue Weg von Sofia nach dem von den Tiirken unlangst im Balkan gegrundeten Orchanie. Weiterhin heissen Theile des Karames; Bunovsha oder Etropohka Planina, von der man Sofia, den Vitos und Rhodope erblickt, Mirhovska Planina, welche ein Sattel mit dem Ichtimaner Mittelgebirge verbindet, ZlntiSka Planina fiber der Stadt Zlatica, die an der Siidseite in einem fruchtbaren und volkreichen Thale liegt, und L'hSenska Planina. Die Nordseite ist hier mit grosseu Eichen- und Buchenbestanden beAvaldet. W eiter '*) F. Kanitz, Donau-Bulgarien und der Balkan I. 2C0—26G nebst Abbilduugen. M. Blanqui, Voyage en Bulgario. Paris 1843, 150. '*) G, Lejenn, Voyage en Bulgarie, Le Tour du Monde XIII. 1373, 140, E. Rockstroh, Uebor don Balkan. IVIittheil. der k. k. geogr. Ges. 1874,445.

Balkan.

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komrat man auf die KUsurslca Planina mit den Vidquellen; an ihren Siidabfall schliesst sich die centrale Sredna Gora an. Ferner gegen Osten erhebt sich die So2)otsJca oder Trojanslta PJanina '*) iiber den Quellen der Osma, etwa 2000 Meter boch, kahl bis zum Kainin, mit Kupfer- und Silberlagern. In diesem Theile passirt man den Balkan von Trojan nach Sopot in acht Stunden auf einem Bei’gsteig, welcher TrojansJca-ta pideka genannt wird. Uberall ist die Slid wand (Glimmerschiefer und Urthonschiefer) grossartig schrofF und leblos, ihr Fuss schnurgerad; vor den Ausgangen der kurzen, aber tief einscbneidenden schluchtenartigen Querthaler liegen Dorfer. Jenseits der Stelle, wo ein Grauitriicken den Balkan mit dem ostlichsten Theil der Sredna Gora (Karadza Dagh) verbindet, gelangt man zu zwei Gipfeln, auf welchcn der Schnee im Juui noch nicht schmilzt. Es sind diess der Mara Gedik bei Karlovo und die Kadimlia bci Kalofer. Nordlich von Kazanlyk, welches in einer reizenden Gegend zwischen gewaltigen Bergketten und weiten Rosenfeldern gelegen ist, offnet sich beim Dorfe Sipka (572 M.) der Hauptpass des Balkan (1446 M.), welcher aus dem Tuudzathal zum JantraFluss hinuberfiihrt. Man nennt ihn auch Oazan; zwei Karaule bewacheu ihn. Die Strasse Hess Sultan Mahmud erbauen; von der Sudseite ist sie ungemein steil und in schlechtem Zustand. Von dort beginnen die Urwiilder des Balkan, verborgen in diisteren Scliluchten und fast unzuganglichen Hochthalern. Granit und Gneiss bilden diese Partie der Balkankette. Der hochste und wildeste Theil des Balkan ist hier zwischen Sipka und dem Pass von Sliven, etwa 15 Meileu lang. Ein kahler felsiger Karara iiberragt hoch die dichten Buchenwalder der tieforen Regionen. Seit Jahrhunderten ist in diesem unwegsamen Hochgebirge der Lieblingsaufenthaltsoi-t der bulgarischeii Haiduken (Klephten); jeder Berg, jede Schlucht, jede Quelle hat bei ihnen ihren Namen, ihre Sagen, ihre Lieder. Doch nur zur Soinmerszeit ist auf diesen luftigeu Hohen eine Existenz moglich. Wie es hier im W inter aussieht, wird am Besten illustrirt durch eine Stelle aus den raerkwiirdigen Aufzeich'*) Dio Orte Etropol und Trojan an der Nordseite, Mirkovo, Bunovo, Lx2ena, Klhura, Sopot unter der Siidwaud.

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Kapitel 1.

nungen des Hajdukenvojvoden I’anajot Hitov: „Der Wind wiithcte wie rasend, der Schnee glanzte blendend weiss, die Fliisse und Giessbache brausten klagend dahin, die Wolfe heulten in dem Gebirg und einige Wintervogel ki-eischteu.— sonst horte und sab man gar niclits. Uns war es furchtbar schwer vorwarts zu riicken; von Zeit zu Zeit sanken wir im Schnee ein. In dieser Nacht konnten wir kaura 300 Schritte weit komraen; der Wind trug uns nach seinem Belieben umher und warf uns mitunter um.“ tiber dem Dorfe Tvrdica am Sttdfusse^ wohin aus Jelena eih Steig iiber den Balkan fiihrt, erhebt sich die Tvnliska Planina (oder 6cmcrna), mit mittelalterlichen Ruinen gekrbnt. „Von dieser Stelle", erzahlt Panajot, „erblickt man die Sakar Planina, Adrianopel, Pbilippopel, ja man sieht den Dospat (Rhodope). Wende dich nach Rechts. Da sieht man Jelena, Bebrovo, Trnovo, Gabrovo, man sieht Pleven. Auch erblickt man von dieser Hohe den Tundzafluss, mit Rosenfeldern an den Ufern. Wenn du nach Suden blickest, siehst du eine Ebene und eine Menge Fliisse, und wenn du zur Donau blickest, siehst du ein Hugelland und Haine ; die Walder sind erhellt von don Strahlen der bulgarischen Sonne; die rothen Keremiden (Dacbziegel) scbimmern zwischen den griinen Gefilden; weisse Hauschen verbergen sich zwischen Pdaumen, Niissen, Birnen und Weichseln; und die Flusse glanzen im Sonnensctiein wie silberne Gurtel." Weicerhin ist ein Engpass (1104 M.), tiirkisch Demir Kapu (Eisernes Thor), bulgarisch Vratnik genannt, die Tlvlav der Byzautiner '*); durch ihn fiihrt ein Weg aus Sliven iiber Stara Reka nach Trnovo. Nordiistlich von Sliven erhebt sich umnittelbar aus der Ebene die steile Catalka (tiirkisch datal Daglt), ein gewaltiger Gebirgsstock von Quarzporphyr, wclcher in wildzerrissenen Felszacken gipfelt obru(1za. Strandzn. iSakar Planina.

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nennt.®'') Vora Balkan ist dieses Gebirge getrennt durch ein vulkanisches Hochland mit zahlreichen regelmassig gebildeten Kegeln (Kiicuk Bakadzik etwa 7b0 M.), das von der Tundza bis zum Meere reicht. Eine fruchtbare, theilweise sumptige Ebeiie dehnt sich am Fusse des Balkan selbst aus. Dies Kalkgebirge der Strandza, bis jetzt wenig untersucht, senkt sich steil zum Meere, sanft zur thrakiscben Ebene. Es ist waldreich, von vielen felsigen Thalern durcbfurcht und voll von Hohlen, welche nacb den Sagen des Volkes unter dem Balkan mit der Donau communiciren. Die waldigen Kuppen erreichon wohl die Hdhe von 1000 Meter. Es gibt bier ausgedehnte Eicbenwalder, in denen bulgariscbe Haiduken bis in die Nilbe von Constantinopel gelangen. Diese Gebirgskette liiuft gegen den Bosporus in die Byzantiniscbe Halbinsel aus. Im Winkel zwischen der Tundza und Marica, eine Tagoreise nordlicb von Adrianopel, erbebt sicb die Sal-ar Platiina, ein isolirter Granitgebirgstock mit Eicbenw/iklem (ungefiibr 900 M.), der von alien Seiten aus grosser Feme geseben wird. Ira Mittelalter hiess er griechisch Paraoria, slawisch S kn jtm ja . Ira W. davoii sind jenseits der Marica bei Harmanli, die Granitvoiberge der Ehodope, im 0. jenseits des seeks Stunden langen Tundzadefiles die Auslaufer der Strandza. Liings der AVestkuste der Propontis streiebt von der Strandza gegen SW. ein niederer Hobenzug genannt Tekir Bagh. Beim Golf von Saros spaltet er sich entzwei. Der siidwestliche Theil erfiillt den Thrakiscben Chersones, der westlicho Theil {Kuru Dagli) erstreckt sich liings der Kiiste bis zur Miindung der Marica, wo bei Enos der Catal Tepe (396 M.) mit einer prachtigen Aussicht auf das Meer und seine Inseln aufragt. Zwischen der Rhodope, der Sakar Planina, der Strandza, dem Tekir Dagh und Kuru Dagh befindet sich eine viele Tagereisen weite Ebene, durchstromt von der Marica und Ergina nebst ihren Nebenflussen, an 150—200 Meter .uber der Meeresflache gelegen. Diese einfonnige thrakische Steppe ist flach wie das Meer, obne Baum, ohne Berg; ihr Boden ist theilDor ^'ame gehorl eigentlich einom kleineu Theile bei Istrand^a in der ^ahe von Saraj. Gesammtbenennungen von Hdhenzugen sind axif dev Halbinsel ubevhanpt ziemlich seiten.

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Kapitel I.

weise Sand und Lehm, theilweise schwarzor, aber unbebauter Ackerboden. Nur einige Gegenden sind mit zwerghaftem Eichengestrupp bedeckt. Der grosstfe Theil ist ein trostloses Weideland, wo man jedoch mebr Distoln, IVralven und Camillen tindet als Gras. Im Sommer wil’d es unter der Sonnenglutli zu einer Wiiste. Selten trifft man eiue Heerde; eher Schaaren von Storchen, Geiern und Dohlen, in den Scbluchten zahllose Scbildkroteii, 3. Die Sredna Gora (Rumelisches Mittelgebirge).

Den Balkan begleitet entlang der Siidwand von Sofia bis Sliven eine Parallelkette, welche erst unliingst von Hochstetter untersucht und Rumelisches Mittclyehirge genannt wurde.'**) Friiher wurde es grdsstentheils mit dem Balkan identificirt. Die Strema und Topolnica, Zufliisse der Marica, trennen es in drei Theile, welclie Hochstetter Karadza Dagh, Sredna Gora und Ichtinianer Mittelgebirge nennt. Bei den Bulgaren heisst aber der ganze Gebii’gszug von den Quellen der Marica angefangen bis nach Jambol iiberall Sredna Gorn foder Si’jadna, Srednja G.), d. h. das mittlere Gebirge. Die ostliche Sredna Gora (tiirkisch Karadza Dagh) erhebt sich bei Jambol und strelcht von Ost nach West parallel zum Balkan bis zur Quellengegend der Tundza. Seine runden bewaldeten Kuppen erreichen die Hdhe von 1000 Meter. Zwischen dieser Kette und dem Balkan liegt das obere Tundzabecken, welches mit seinen Rosenfeldern,’ ■zwischen zwei riesigen Gebirgsziigen eingebettet, zu den schonsten Gegenden der Welt gehort; dort liegen die Stiidte Kalofer (650 M.) und Kazanlyk (442 M.). Die Siidseite des Karadza Dagh ist waldlos .und mit Weingiirten bepflanzt. An seinem Fusse beginnt die unubersehbare Ebene des oberen Thrakiens, welche mit ibrem tiefschwarzen Humusboden zu einer wahren Kornkammer der Tiirkei wurde. In diimmernder Feme erspaht man die **) Hochstetter a. a. 0. 600 sq. Boue, La Tnrquie I. 94 erwihnt blosB den Karadza Dagh. Schon aut'^der Karte der Eparchie von PhiIippopolie in dc'g Popen Konstantin ’EyxuQtfiiov tijs 'd'thmtovnoXteog (Wien 1819) sind die Sredna Gora, dor Karadza Dagh und der llaemus richtig verzeichnet.

Srednn Gora (Mittelgebirgel.

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Umrisse clex* Rhodope. Am Siidharg mndet- sich ein Band von Obstgiirten, in welchem zahlreicho Dorfer verborgen liegen. In einera wahren Garten liegt die Bulgarenatadt Stara Zagora Oder Zeleznik (254 M.) und woiter gegen 0. Jeni Zagora (158 M.) Die eigentliche centrale Sredna Gora (neugr. Mt’aov oQog, tiirk. Orta Dagh), die grosste Erhebung des ganzen Mittelgebirges, bildot ein natiirlicli abgeschlossenes Gauze. Es ist ein dem Balkan parallel laufender Plateauriicken von ungeftihr 1700 Meter Hohe. Im 0. wird es vom Karadza Dagh getrennt durch die Strema, im W. durch die Topolnica von dem Ichtimaner Gebirge. Im Thale zwischen der Sredna Gora und' dem Balkan diesst die Gjopca naeh 0. (in die Strema) und die Topolnica nach \V.; zwischen den Quollen beider befindet sich ein niederer Sattel, wo man durch den ProcJiod-Pass aus Klisura nach Zlatica gelangt. Die dem Balkan zugewandte Seite dieses sehr unvollstiindig bekannten Gebirges ist steil. Gegen S. senkt es sich ziemlich sauft; sie ist hier in den oberen Rcgionen bewaldct, in don unteren mit Weinreben bepflanzt und dicht bevolkevt. Die Hauptortschaften der SrMna Gora sind die bnlgarischen Stiidtehen Koprivstica und Panadjuriste. Das Ichtimnncr Mittelgchirye, von dem vorigen durch das tiefe Defile der Topolnica getrennt, verraittelt die Verbindung des Balkan mit dem Ryl und der Rhodope und somit mit der ubrigen Gebirgswelt der Halbinsel, Es bildet auch die Wasserscheide zuaschen der thrakischen Ebene und dem Becken von Sofia, also zwischen den Zuflussen der Marica und der Donau. An den Balkan schliesst es sich durch einen Sattel an (855 M.), wo ein tlbergang aus Zlatica nach Sofia fiihrt. An der Stelle, wo es vom Ryl auslauft, sind die Quellen der Marica und der Pass Momina Klisura (bulg. der Jungfrauenpass, tiirk. Sulu Derbend 1037 M.) mit einer Strasse von Samokov nach Thrakien, Durch das Ichtimaner Gebirge fiihrt die wichtigste aller Strassen der Halbinsel, die Strasse von Constantinopol nach Bel grad. Wer aus Thrakien kommt, wandert hinter dem Ort Vetren (Hissardzik) zuerst durch einen drei Stunden langen Pass, die Sued der Romer, jetzt Trojauom Vrata (das Trajansthor; Oder Kapuddk genannt (809 M ). Darauf steigt man

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Kapitcl 1.

in ein scliones Thalbecken herab, wo das Stadtchen Ichtiman (610 M.) am M ltivir liegt, an einem Nebenfluss der Topolnica, welcher auf alteren Karten irrthumlich zum transbalkanischen Vid erklart und durch phantastische Balkancngen zur Donau hindurch geleitet wurde. Auf dem weiteren Wege Uberschreitet die Strasse die Wasserscheide der Marica und des Isker (840 M.) und eteigt in daS grosse Becken zur Stadt Sofia (bulg. Sredec) herab. 4. Vitos und Ryi (Scomius).

Ein riesiger Gebirgsknoten baut sich im Centrum der Halbinsel auf, an den Quellen der Marica, des Isker, der Struma >und Niiava, zwischen den Becken von Sredec, Kostendil und dem Moravatbale. Bis auf unsere Tage war es eine terx'a incognita. E rst durch die topographischen Aufnahmen behufs der Anlage von Eiseubahnen in der europiiischen Tixrkei wurde dieses unbekanute Labyrinth von Gebirgsziigen geradezu entdeckt, hauptsiiclilich durch die Arbeiten Hochstetters.®*) Die hbchsten Erhebungen sind hier der Vitos und der Mi/l. Sie sind verbunden durch den Hdhenzug der Verila Planina an der Wasserscheide des Isker und der Struma. Von der Verila streicht iiach W. die flache plateauformige Masse des Konjavo und die Vrbina Planina. Vom Vitos selbst laufen aus nach W. das baumlose Plateau des Goto Brdo, nach N. die Lilin Planina, an welche sich eine ausgedehnte Gebirgsraasse zwischen der Nisava und Morava anschliesst. In diesem Gewirre von Gebirgsziigeu liefinden sich die alten Seebecken von Radomir und Dupnica®') und das tiefe Iskerthal bei Samokov, Diese Gegend ist der Wohnsitz des bulgarischen Stammes der Sopen. Der Vitos **), eine gewaltige Syenitmasse, bietet von alien *•’) Prof. Ford. v. Hochstetter, D or Vitos-Gebiet in der CentralTiirkei (Petermann’s Geogr. Mitth. 1872. 1.). Irrthumlich ist die Schreibart Duimica; es kommt nicht von duh (Eichc), sondern vom altsl. duplB bobl, dupina, dupka Hiihle. ’"I Eiuige schreiben Wytos. Die altoste Erwahnung dieses Namons fand icb in einer TJrkunde des Bulgaroncaren Sisman III. (1365—1393), gpgeben dem Kloster dor Mutter Gottes, „ize jest v Vitosi“. Safarik, Pamatky drevnibo pi'semnictvi Jiho.slovanbv. 2, Aufl. Prag, Tempeky 1873, 108. (Alte eiidsl. Denkinaler.) Gundulic (Osman III. 52) orwHtnl des Vitos, dessen «Gipfol emporragt aus Eichongeholz, das im Eise cntspriesst."

Vitos.

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Seiten einen grossartigen Anblick, iudera er aus eincr fast ki-eisruiulen Basis, einem Vulkaukegel iiluilicli, bis zu einer Meereshohe von 2300 Meter emporsteigt. Den Siiclabhang bedecken Alpentriften, den Nordabbang Willdcr, in dereu Sclilucbten zablreiche Btiren hausen. Obeu erbebt sich aus einem felsigen und sumpfigen Plateau eine gewaltige Felspyramide. Vom Gipfel erblickt man in scbwindelnder Tiefe zu seineu Fiissen die Stadt Sofia (5.35 M.), man erblickt den Balkan, dor be* deutend niedriger ist 'als der Vitos, die gewaltigen Felscolosse des Ryl und der Rbodope und das gesammte balb unbekannte Gebirgslabyrintb der Centralbalbinscl. „Ich sebe schon im Geiste,“ sagt Boue, „wenn tiirkiscbe Eisenbahnen ^bestehen, werden die Mitglieder der Alpenclubs, die Schaaren der Tonristen zum Vitos eilen. Es wird da ein Wirthsbaus erstehen, wie am Rigi-Culm und die Unter-Station wird Radomir, Samakov Oder Sofia sein. Tempe am boben Olymp ist romantiscb schon, Vodena in Macedonien ist hoiTlich. Aber die Aussicht vom Vitos uberragt Alles. Wo auf der Welt gibt es solche mannigfaltige Ausichten von einem einzigen, leicht besteigbaren Gipfel?" Sofia und Vitos sind untreunbar wie Neapel und Vesuv, wie Capstadt und Tafelberg. Im Sommer btlufen sich am Gipfel schwarze Gewitterwolken, ura sich mit Sturmesbrausen fiber die griinende Ebene niederzusenken. Wenn aber der Gipfel eine Schneekappe aufsetzt, dann ist der Winter da und furchtbare Orkane brausen fiber dem Flachlande.*") Zwischen der Bulgarischen Morava und der Nisava erheben sich drei hohe Gebirgsketten, die noch sehr unvollstandig bekannt sind; einerseits schliessen sie sich an den Vitos, andererseits an die Bei’ge, welche zura Sar streichen. Hochstetter nannte diese Gruppe die Oher-Moesischen Gebirge. Die ostlichste Bergkette ist der Melaphyrzug der Lilin odei Lelin Planina, welche am Vitos beginnt und nach NW. bis gegen Pirot sich erstreckt, eine lange Reihe kegelformiger Kuppen und dicbt an einander gereihter Rficken. Westlicb davon ist ein Kalkzug von alpinem Cbarakter (ein Theil beisst Baramun P/nniua), rait schroli’en Kegeln, von furcbtbar wilden Schluchten durcbbrochen, deren Steilwande bis 400 Meter hoch die rauV

ITochstcltoi', Drs Vitos-Gebipt 88. Ji refl ok, HenoU. dor BulRoron.

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Kapitel 1

schenden Quellzufliisse der Sukava, welche dor Nisava zueilt, uberragen. In einem roraantischen Thalkessel liegt hier das Stiidtchen Trn (612 M.). Im NW. von Trn heisst ein Berg sarnmt seiner Uingebmig Sncgpolje (bulg. Schneefeld; tiirk. Isnebol). Von Trn' in westlicher Richtnng kommt man auf den steilen Glimmerschieferzug des Vlasina-Gehirges am Vlasinaflusse, das sich von der Struma nordwarts bis gegen Nis erstreckt und zur Morava in einem furchtbar steilen Absturz sich hinabsenkt.®®) Unten reich gegliedert durch die wildesten Wald- und Feldschluchten, erhebt es sich zu flachen baumlosen Riicken, aus denen zahlreiche Bergspitzen bis zu 1900 Meter Hohe emporragen, Dieses Hocbland ist von frohlichen und gastfreundlicben Bulgaren bewohnt. In den Thiilern wird Mais und Hanf augebaut; noch in der Hohe von 1250 Meter gedeiht Hafer, Hirse und Gerste. Auf den herrlicbsten Alpenwiesen sind Sennhiitten und Heerden von Pferden,Rindern und Schafen®'). Der nordlichste Theil dieses Gebirges ist die Sucha Platiina bei Nis (der „diirre Berg“, an 1250 M.) rait kahlen, hellgrauen Kuppen-, der Nisavafluss scheidet sie vom Balkan. Von der Vlasina erstrecken sich gegen W. zahlreiche Anhohen bis zur grossen Einsattelung, welche die Thaler der Morava und des Vardar verbindet. Sie endigen mit dem kuppenformigen flacbgipfligen Biijan (935 M.). Westlich vom Rujan hinter der erwahnten Einsattelung erblickt man die Orna Gora (Kara Dagh). Doch wir wollen wieder uach 0. zuriickkehren, Der E yl odor Rilla Planina (Rillo *Dagh), etwa 4 Meilen siidlich vom Vitos, gipfelt in einem riesigen Felsenkegel (etwa 2750 M.), welcher nach N. und S. zackige und schroffe Felsrlicken entsendet. Ostlich vom Gipfel fiihrt ein Gebirgspfad von Samokov in’s Rylkloster. Samokov am Isker (912 M.), bekannt durch seine Eisenwerke Isamokov bulg. der Eisenhammer), hat ein Gebirgsklima; noch im Anfang Juni Cillt hier Schnee. Dio benachbarten Abhange sind nackt, verwittert, von zahllosen Wasserrissen durchfurcht, und sehen von der Feme wie ungeheure Schlammstrome aus. Das Eisen Auf alteren Karten findet man an dieser Stelle eino Kurbctska Planina, die von keinem neueren Reieendeu vorgefunden wurde. Ilochstetter, Das Vitos-Gebiet 95 sq.

Ryl Planina. Snegpolje.

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fMagneteisen) v/ird aus dem Erzsande der Gebirgbache gewaschen; am Vitos wird etwas Gold gewonnen. Yon Samokov flihrt der genannte Weg zum Rylkloster zuerst liings des Schwarzen Isker durch eine wilde Gebirgslandschaft bis an die Wasserscheide des Schwarzen und Aegaeischen Meei-es (2184 M.). Neben dem Wege sieht man einen kleinen See ohne Abfluss. Er ist, wie es sich neulich herausgestellt hat, nicht vereinzelt.’®) Rockstroh verfolgte weiter ostlich den Lauf zweier Biiche, durch deren Zusammenfluss der Schwarze Isker entsteht und erblickte mit Staunen, dass ein jeder von beiden aus funf dunkelgriinen Gebirgsseen kdmmt, welche iu grossartigen Thiilern zwischen sparlichem Knieholz iiber einander sich reihen. Hinter den Seen steigt der Eeisende iiber einen Sattcl zur Kriva Rjeka oder Eyla herab, welche der Struma zufliesst und demnach schoii dem Gebiete des Aegaei­ schen Mecres angehort. Ihre Thalsohle, welche durch Abhiinge von mehr als 1000 Meter iibcrragt wii’d, erfiillt eiu dunkler Urwald hochstammiger Fichten, Tannen und Buchen. Auch die Ryla hat ihren Ursprung aus Seen, sechs an der Zabl, deren stille tiefblaue Spiegel, zwischen wild zerklilfteten gi-augelben Wiinden versteckt, ihren tlberfluss in zalilreichen brausenden Wasserfiillen in jene finstere Waldschlucht entsenden. Eine dunkle Kunde von diesen Gebirgsseen liegt den antiken Berichten von den sieben Seen, welche der Strymon in der Niihe seines Ursprungs durcheilen soli, zu Grunde. Nicht w eifvon diescr prachtvollen Gegend gliinzt auf eiuer Wiese zwischen Urwiildem und Gebirgscolossen das riesige Gebaude des altbulgarischen Rylklosters (1180 M.) Die Reisenden behaupten, dass die hiesige Landschaft in juancher Beziehung an die Hochkarpaten erinnert. Die menschenleere Umgebung der Rylseen, die den „Meeraugen“ der Tatra fihnlich sind, bewohnen Baren und Luchse; auf den Hohen hausen Gemsen; in den Waldern triift man Hirsche, Rehe und E ber; Adler und Geier wiegen sich uber den Felszacken.

**) El-win Rockstroh, Dio Quellseen des Kara Iskra und der Kriva Rjeka im Rilo Dagh. Mittheil. der k. k. geogr. Gesellschaft XVII. 1874, 481,

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Kapitel I.

5. Rhodope.

Am Ryl beginnt das Gebirgssystem der Rhodope (t] ' Podont], bulg. Rudopa), vor 30 Jahren noch vollig unbekannt und erst unlangst durch die Reisen des Aug. Viquesnel aufgekliirt. Die­ ses Gebirge ist dui'ch das Thai der Mesta entzwei gespalten. Die eine Kette, die eigentliche Rhodope oder Dospat Planina (Despoto Dagh), stroicht nach SO. an der Wasserscheide der oberen Marica und des Aegaeischen Meeres zuerst liings des linken Randes des Mestathales, dann als Nordrand der fruchtbaren Kiistenebene von Gjumurdzina bis zur Maricamiindung. Aus der "Rhodope erhalt die Marica die grosscn Zufliisso Jelidere, Stara Roka, Kricimska Reka, Cepelari und die gewaltige Arda. Zwischen diesen Flussen sind hohe Auslaufer der Rhodope tief in die thrakische Ebene vorgeschoben. Die Rhodope besteht aus Granit-, Gneiss- und Glimmerschieferriicken, zu denen sich einige Kalkziige gesellen. Der Fuss ist mit Eichen- und Tannenbestanden bewaldet; hohere Regionen bedeckt dunkler Fichtenwald; iiber den Fichten griinen Alpentriften, aus welchen malerische graue Zinnen und hohe Felspyramiden mit Schneefeldern emporragen. Die Bulgaren betrachten als Grenze des Ryl und der Rhodope die Stara Reka bei Pestera. Unsere Beschreibung beginnen wir mit dem Passe, welcher, bulgarisch Zelezna Vrata (das Eiserne Thor) genannt, im SW. von Tatar-Pazardzik aus Thrakien zur Stadt Mechomia in der Landschaft Razlog hiniiberfuhrt. Ostlich von diesem Passe liegt das interessante, in der Geschichte oft erwahnte Landchen Gepina^ ein ringsum von Bergen umwallter sumpfiger Kessel. In der Mitte desselben liegt in der Nahe der gleichnamigen Stadt der See von Batak, Batasho jezero, bulgarisch auch Tresavi^te genannt, 1'/« Stunden lang und eine halbe Stunde breit, eingefasst von bodenlosen Morasten, welche, scheinbar ein verfiihrerisch iippiger Wiesengrund, schon manchen Ungliicklichen verschlungen haben. An den Ufern dieses fischreichen Sumpfsees hausen nicht nur Kraniche, Wildgiinse und andere Wasservogcl, sondern auch Wolfe, Fiichse und Hasen. Sein Abfluss miindet in den Jelidere, der durch drei andere Biiche (Bistrica, Jagodinka, Alabak) verstiirkt, in einen eiigeu Erdspalt, welchen

Uhodope. Cepina.

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jede Nacht von Abend an ein ,vecernik“ gelianuter Siidwind dui'chweht, in die tbrakische Ebene hinausbricht. Cepina ist reicb an geriiumigen Hohlen und warmen Quellen. Eine alte einheimische Sage erzahlt, das ganze Liindchen sei eininal ein Bergsee gewesen, bis in einem Erdbeben die Wasser durch das jetzige Defile des Jelidere einen gewaltsamen Ausweg sicb bahnten, einen Riesenfiscb mitreissead, der draussen in der Ebene am „Pesje Pole“ (Hundsfeld) Hunden zur Speise auf dom Trockenen liegeu blieb. Da der Wallfisch neugriecbisch cbarcliaria heissen soli, so erhielt der Nordrand Cepina’s den Namen Karlcarija. Wir haben es bier also mit einer balb geologischen, balb etymologiscben Sage zu thun.®*J Am Gipfel Karlyk (an 2100 M.) entspringt dio Stara Reka, ein Nebenfluss der Marica, der an der hocbgelegenen Stadt Batak (1062 M.) vorbeifliesst, wo der Winter acht Monate dauern und das Obst nie reifen soli. Etwas tiefer liegt in einer an Eisboblen und Gebirgseen reicben Landschaft die Stadt Pestera. Uber den Ardaquellen ragt die KruSova (an 2300 M.) auf, ein wicbtiger Knotenpunkt, von welchem ein mit hoben Gipfelu gescbmiickter, am Nordhange rebenbepflanzter Seitenast zwischen der Arda und der Marica bis in die Nabe von Adrianopel sicb hinziebt. Der Hanptkamm mit Gipfelu von 2000 Meter Hobe reicbt von den Ardaquellen ostwiirts bis zum Miindungsgebiet der Marica. Im Ardagebiete liegen die wenig bekanuten Bprglander Acbyr Celebi und Sultan Jeri. Die Westkette der Rhodope ziebt sicb zwiscben der Struma und der Mesta nacb S. bis an’s. Meer. Bei der Stadt Dzumaja erbebt sicb majestatisch der kable Scbeitel Arisvanica und die Krehia Planina. Uber dem Bergschlosse Melnik (griech. MeUVLKog, 400 M.) ragt die aus Grauit und Gneiss zusamraengesetzte, lang scbneebedeckte Perin Planina (tiirk. Periin Dagb) auf, der antike Orbelos (an 2700 M.). W eiter sudwiirts betindet sicb bei Seres der bewaldete Menildon und hinter ibm der Bos Dagh. Den weiten Tbalkessel der Stiidte Drama und liber Cepina berichtet ausfiibrlich Stephan Zaehariev Teorpa®nK0-ncT0pHK0-CTaTHciH^ecK0 oiiHoauie iia TaTapi-IIajapAacmuES-TAt KaasX. Wien 1870 (bulg.) — Zum Namen Tresaviste cf. poln. trz^sawiszcze (Torfmoor).

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Kapitel 1.

Zichna umfassend, eudigt dieser Theil der Rhodope an der Strumamiindung mit dem steilen Dolomitberg Per««r, dem alien Pangaios (tiirk. Pilav-tepe, 1875 M.). 6. Gebirgsziige zwischen Struma und Vardar. Das Gebiet zwischen der Struma und dem Vardar fiillen drei noch sehr imvoUstandig bekannte Parallelketten in der Hauptrichtung von W. nach 0. aus. Der nordlichste ist der noch unerforschte Osogov *■*), eine schroffe Gneisskette, welche in N. durch eine hohe Wasserscheide (1180 M.) zwischen Kostendil und Egri-Palanka mit den Bergen an der Vlasina im Zusaramenhang steht; im 0. hat er das Strumathal, hinter dem der Ryl aufragt, im W. die Ebene Ovcepolje, im S. das Becken der Bregalnica. An seinera Westende sind die schon im M ittelalter beriihmten Gold- und Silberbergwerke von Kratovo. Die zweite Parallelkette, zwischen den Thiilern der Bre­ galnica und Struniica, beginnt mit der Plaskavica bei Stip und endigt an der Struma mit der dunkel bewaldeten Male§ovsJca Planina Can 1600 M.), an der die Landschaft Malesovo mit halbfreien Bulgarengemeinden gelegen ist. Die dritte Kette, zwischen dem Strumicathal und der Kiistenebene von Salonik, erhebt sich an den Vardarengen. Es ist die in bulgarischen Volksliedern vielbesungene Bclusica Oder BeU6 (an ,1.300 M.*®). Vo’fi ihr lauft ein breiter Hohenzug zwischen den Ebenen von Seres und Salonik nach S. bis zum Meeresufer. Von den waldigen erzreichen Bergen der Ilalbinsel ChalTcidihe, welche im N. durch eine lang gedehnte Niederung mit den Seen If. Vasilios und Basaria (Besik) vom Festlande abgegrenzt ist, sind nennenswerth der GhortjaS (im Mittelalter “ « 34) Auf deii Kartoii Jruwanioa PI., bei Iloohstettor aucli Osego Baikan. Altserbisclie Heriohle erwiilinon eiiimal in einer L e g c n d o die ngoiu Osogovaka.ja“ (Glamiik der aerb. golehrt. Goscll. 2‘2 Bd., 24H); in einer Urkuude 1347 „na Oaognvu“ (Glaanik 27, 291). Viktor Grigorovic (Professor an dor Uuivorsitiit in (idessu) 0'[ei»K'r, j ’lPiiaro iijTemeCTiiiil no Kiiponoitncort TrpniK. Beschreibung einer wi.s9CU9cbaltlie.hen Reise in dei Euriip. Tiirkei. Kazan 1848. (3anjfCKH Kfl.mn, }TniB. TH.) 142, 140.

Osogov. Bfilasica. Atlios.

i ‘.i

Chortiates, 1186 M.) und die Cholotnonda. Die Umgebung des H. Vasiliossees heisst bulgarisch Lagodinsko Pole. Die Chalkidike liiuft in drei Halbinseln aus, Kassandra, Longos oder Sikia und Atbos. Die ostbcbste, der Athos oder slawisch die Sveta Gora ("Ayiov oqos, der heil. Berg) steht im Zusarainenhang mit dem Festlande dui*cb einen Isthmus, der in altslawdschen Urkunden Prevlaha, jetzt griecbisch IJ^dpiaxag genannt wird. Das Innere erfullt ein w'aldigcr Hohenzug, allentbalben dicht iiberwuchert von eineni umlurchdi’inglichen Dickicbt immergriiner lianenumrankter Vegetation und durcbschnitten von herrlicben Waldscbluchten. An den Seeufern glanzen die Mauern der altbei’ubraten Athosldoster. Ein Moncbsstaat ist bier, ein heiliger Boden; seit Menschengedenken darf kein weibliches Wesen den Isthmus uberschreiten. Am sudlichsten Ende ragt ein hellweisser Marniorkegel unmittelbar aus dem Meere bis in die Wolken empor, auf drei Seiteu schroff zur Brandung- abfallend und nur auf einer mit dem Festlande zusammenhiingend. Den Gipfel konntc man von Unten fiir vollig unersteiglich halten. Von oben erblickt man das weite azurblaue Aegaeische Meer, die Inseln Lemnos, Thasos, Samotlirake, Tenedos, Skopelos, Euboea, die entfernten Kuppen des Olj^mp, Ossa, Pelion, die Kiistenstriche von Salonik bis zum Cbersoues, Troas und die Bergraassen Kleinasiens.^®) 7. Sar Planina.

Westlich vom Rujan erhebt sicli die Orna Gora,^~) tiirk. Kara Dagh genannt, ein isolirtes, unfreundliches Gebirge (an 1200 M.) mit kahlen, dunkelgrauen Wiinden und scharfkantigen Kiimraen. Vom Rujan scheidet sie ein breites, waldloses Thai (432 M.) rait der Wasserscheide der Morava unddes Vavdar. Duroh diese Bodeneinsenkung eine Bahn von Belgrad nach Salonik zu bauen war ein Licblingsgedanke des hochverdienten dsterGute BescbruilHUigou des AtLos niebe bei Griacbncb 1. 227 bis 345. Fallinerayer, Fragmento aus dem Orient II. lid. .stutig. 1S45. Al. A. Proust, Voyage au Mont Atlios in Tour du Monde 1800. II. 103 mit vielen scheinen iVbbildungon. *’) lu einer Ilrkuude des l)ulg. Oaren Konotaulin AsOn (126!)—1277) Cmiogora (Safafik, Pamatky 24). (^rna gora Itei ^egligov 1409 (Starine der Agratner Akaderaie I- 49; Glusnik 22, 218).

24

Kapitol r.

reichischen Reiaenden Georg von Halm. Im W. ist die Crna Gora durch den Engpass von Kacanik, welcher das Araselfeld mit dem Vaidarthale verbindet, gescliieden vom Sar. Durch den Engpass liihrt neben der neueu Bahn von Salonik nach Bosnien eine alte Strasse, 1794 von einem der Erbpascha’s von Skopje erbaut, mit einern kurzen Tunnel and zwei hblzernen Gallerien, welche iiber Abgriinden an steile Wande befestigt sind.^®) Westlich vom Pass von Kacanik thiirmt sich hoch in die Wolken empor die herrliche Pyramide des Ljuhotrn^ der Anfang des Sar. Die Sur 'Blanina (auch Sara PI., tiirkisch Sar-Dagh), der antike Scfxrdus, ist k d n weitverzweigtes Hochgebirge, sondern eine enge Sierra, eia kahler Kamm von geringer Breite mit isolirten kegelfbrmigen Gipfeln. Sie streicht von NO. nach SW. Ihre AbhiLnge sind steil, an der Nordseite kahl, an der Siidseite buschig oder waldig; die Giessbache derselben schwellen im Friihjahr zu gewaltigen Stromen an und verursachen grosse Verwiistungen. Ausser dem Ljubotrn sind folgende Gipfel zu nennen: Kohilica, die wild zerrissene und schneebedeckte KrivoSija (tiirk. Egribojur), BabaSanica und der gigantische Korab. tjber die Meereshohe derselben ist nichts sicheres bekannt; einige iiberragen gewiss 2500 Meter. Der Korab, an den Quellen der Luma und Radika, ist ein wichtiger Kuotenpunct; nach NW. streicht zwischen dem Schwarzen Drim und der Luma bis zur Vereinigung beider Drirae der Felsenkamm des Gjaliste (oder Jalica); nach SW. erstreckt sich zwischen dem Schwarzen Drim und der Radika der fast bis zur Spitze bebaute Desat, hinter welchera der hohe Galidnilc iiber der Stadt Dibra steht; sudwarts reicht eine niedere Kette (mit den Gipfeln Fasinica, JeMovec, Vartog, Karcin bis nahe an den See von Ochrida. Ein einziger Pass, 8 Stunden lang, fuhrt iiber den eigentlichen Sar von Piuzren nach Tetovo (2080 M.) Gber drei Gipfel des Sar wollen wir einige Details mittheilen. G. V. Hahn, Reise von Belgrad nach Salonik.

2. Ausgabe.

Wien 1868, H2. Stof. Verkovid, OuHcauie Cura Uo.irnpi Hacejraioin,nxi MaKe^OHiio (ruse., Beschreibung dcr makedon. Bulgaron). Moskau 1868, 6.

Sar Planina (Scardus).

Der Ljnhotrn (albanesisch Ljuhden) sieht von Unten aagesehen wie ein colossaler rasenbedeckter Abbang aus, uber welchem oben an der Spitze weisse Felsenriffe aufragen. Er besteht aus Glimmerscliiefer und blauweisseiii Kalkstein. Nur von der Siidseite ist er zuganglich auf einem engeu Kamm, welcher obne Felsen und Schluchten zwischen furcbtbaren Abgrunden sich herabzieht. Am Fuss sind zahlreiche bulgarische Sennhiitten (Mandra), gehiitet von halbwilden Hunden. Unter dera Nordhang liegt ein kleiner See verborgen, dessen einsamer Wasserspiegel zur Zeit grosser Durre von Popen aus Tetovo geweiht wird, um dadurcb Regen herbeizufuhren; am St. Elias- und St. Georgstag schlacbten dort christliche und mohammedaniscbe Serben Scbafe und lassen das Blut derselben in den See rinnen.'"’) Das Wasser dieses sagenberiihmten Gebirgssees fliesst in einer Schlucht in der Richtung nach Prizren ab. Den Ljubotrn hat von den europaiscben Reisenden bisber der einzige Crisebach im J. 1838 bestiegen.'**) Unten oind Eichenwaldor, weiter hinauf Bucben, oben eine Alpenflora; Coniferen fehlen. Der Gipfel ist eine grasbewacbsene Flache von 10' Lange und 5' Breite, mit zwei Grabern riithselhaftea Ursprungs. Die riesige Aussicht umfasst den gauzen Sar, etwa acht S chneeberge, worunter an letzter Stelle der colossale Korab, dann die Bergmassen Nordalbaniens, in grilulicher Tiefe die beiden Ebenen, das Amselfeld und die Metocbija, welche durch einen vom Ljubotrn nordwarts auslaufenden und am grasbewachsenen baumloseu Kegel Goles (900 M.) endigenden Riicken gescbieden werden. Weiter sieht man die Stadt Pristina, den Kopaonik mit den serbischen Bergen, das Moravagebiet, den Kara Dagh, das Bergland an der Vlasina, den Peristeri. Zu seinen Fiissen erblickt man im Siiden den reizenden Tbalkessel' des oberen Vardar. Die Stadte Prizren und Kacanik bleiben verdeckt •»er See von OcUrida.

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(bulg. cun) init vollkommen glattem Boden; urn ilir Schwanken zu niiissigen, befestigt man au den beiden Aussenseiten schululicke uiid breite Balken, analog den Auslegern an den Booten der Polynesier. Ubor dem sudlichen Ufer ragt der schrofl'e Kamen empor. Am siidostlicben Ufer stebt in reizender Lage das grosse Kloster S. Naum, bei weicbem aus einem wabi’en Quellenneste ein nnichtiger von Weideu, Erlen, Ulmeu und Pappeln umbuschter Bach bervorstromt — nach den Sagen der Bulgaren der Abfluss des hoher gelegenen Sees von Prespa. Unn eit davon sieht man ein zweites Kloster S. Saum. Am Ostufer erbebt sich ein kables Gebirge mit der Galicica. Die Nordseite umrahmen zwei Ebenen, wovon die kleinere uin die altberiihmte Stadt Ochrida (slaw. Ochrid, ri ’^XQ'Si der alte Lychnidus), die eine priichtige Lage unter zwei.Burgen am Seeufer hat, sich ausbreitet. In der kleineren an 4 Stuuden breiten und gut bevolkerten Ebene, welche, augenscheinlicb ein alter Seeboden, ganz flach und steinig ist, befindet sich mitten in Siinipfen der .30 lileter breite Ausfluss des Schwarzen Drim, der bier das bulgarische Stiidtchen Struga durchstromt. Das Westufer des Sees zeigt eine niedere, senkrecht gegen den See abstiirzende Felsbank, wo an einer Stelle zwischen Kastanienwaldungen das Kloster Kaliste an der Kiiste gelegen ist; weiter hinauf sind unbekannte Gebiete rauberischer Albanesen, Von den Zufliissen des Sees war ebemals der bedeuteudste die SatesJca (eigentlich Siteska, Engpass), die in der Gebirgslandschaft Dehrca entspringend, zwischen Struga und Ochrida raiindete, bis sie neulich ihrer haufigen tiberschwemmungen wegen von den Struganern durcb einen Canal in den Drim hiniibergeleitet ward. Der Drim (slaw. Drim, alb. Drin, dor antike jQUcav) ent. steht aus derVereinigung zweier machtigeV Strbme, des Schwarzen und des Weissen Drim. Der Sclmarze Drim kommt aus dem See von Ochrida und durchfliesst in nordlicher Richtung die Dihra oder Debra (altslov. dnbrt Schlucht), ein halb unabbangiges Gebirgsland von etwa 10 Meilen Lange. In OberDibra wohnen Bulgaren, sowohl Christen als Moharamedaneri in Unter-Dibra mohammedaniscbe Albanesen. Die biesigen Mohammedaner, angeblich 60.000 Flintcn stark, sehen sich fiir Ubor Debrca vergl. Grigorovii op. cit. 123—127. Jir«4«k, Ooioh. dtr nulguron.

i

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Kajiitel I.

den Eckstein ■der gesararaten islamitischen Welt an. Hier bliiht noch heutzutage das Faiistrecbt, hier gelit man noch mit Falken auf die Jagd. Franken^pflegt man hier nicht zu sehen.*®) Der Drimfluss bricht sich in der Dibra durch zablI'eiche Felscanale eine Bahn zwischen den Auslauferu des Malisi und des Sar. Rechterseits empfiingt er hier die EndiJca, welche am Korab entspringend die Landschalt des Bulgarenstammes der Mijaci bewiissert. Links rinnt aus wldschoneu finstern Abgriinden die Lurja, die iliren Ursprung in trichterformigen und ungemein tiefen albanesischen „Meeraugen“ h at; die Lurja-Albanesen, Katholiken und Musiilmanen, sind ein freies Gejjirgsvolk. Der Weisse Drim bricht in den nordalbanischen Alpcn am Gljeb aus einer brunnenartigen Hbble hervor und liiuft zuerst nach 0. durch die Metoja, eine weite an das Amselfeld grenzende Ebene mit vielen altserbischen Stiidten. Nachdem er sich zwischen deni Sar und dem Bistrik gegen SW. gewendet, empfangt er links den wilden Giessbach Luma^ welcher vom Korab herabsturmend durch ein Giganten-Felsthor hervorbraust, das nach der Sage der Albanesen, ahnlich wie die Breche de Roland in den Pyrenaen, ein mythischer Held mit dem Schwerte soil durchgespalten haben. Beim Dorfe Brut oder Rugova ist in einer grossartigen Gegend der Zusammenfluss der beiden Drime. Zwischen riesigen Bergen und tiefen Waldungen grunt eine klcine Ebene mit Wiesen und ’Maisfeldern (an 220 M.). Im S. erblickt man die Enge, aus welcher der Schwarze D/im hervorstrom t; im NO. ist eine tiefe Spalte, wo der Weisse Drim herbeieilt; im W. oflfnet sich der Pass, wo die vereinigten Gewasser beider abfliessen. Die Strasse von Prizren nach Skodra iiberschreitet in diesen dunkeln oden Thalern drei denkwiirdige steinerne Briicken. Zuerst passirt man die Luma, eine Viertelstunde weiter den Weissen Drim, worauf in einer halben Stunde links der Zusammenfluss beider Drime sichtbar wird, und noch "'*) Per ersfe wissenschaftliche Reisende, der in die Uibra eindranp;, war der Arzt I)r, J. Miiller aus Prag. Siehe Dr. Jos. MiiUer, Albanien, Rumelien und die dsterreichisch-montenegrische Grenze. Prag, Calve 1844, mit einer Vorrode von P. J. Safufik.

Drim.

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eine Stunde weiter setzt man atif einer grossen Brucke bei Vezirchan iiber den vereinigten Drim.®‘) Auf der weiteren Strecke erblickt man den Drim erst im Kustenlande, weil die Strasse den Fluss in einem furchtbar tiefen Abgrunde rechts lassend, ibren Weg bocb iiber die Gebirge nhnmt. „Kein Weg fiibrt durcb diese Wildniss, kein Naclien b at sie befabren. Niemand weiss es zu sagen, ob cs dort Wasserfiille oder Stroraschnellen gibt. Wie wichtig, abor auch wie kiibn wiire die Falirt eines Gebirgsforschers durcb diese Tiefen am siidlichen Saum der Alpen 1“ So scbrieb ‘Grisebach 1841. Auch Boue empfabl mit warmeu Worten eine F abrtauf dem Drim entweder vom Ocbrida-See abwiirts oder eber auf einem kleinen Dampfcr von Skodra aufwilrts.**) Diese Falu’t unternabm Generalconsul von Habn 186.3 auf zwei Ruderbarken von Skodra aus; aber Stromschncllen bewogen ibn bald zur Uinkehr. Die Engen des Drim baben eine Diinge von beinahe 20 Meilen. Die Wellen strbmen mit unbeimlichem Rauscben pfeilschnell zwischen ricsigen nackten Felswiinden von grauer Farbe, die vom Eisgange stellenweise vollkommen polirt sind. Oft fallen die Felsen obne Uferrand schroff zum Strome ab, so dass vom Himmel n\ir ein enger Streifen oben sicbtbar bleibt. Das Echo donnert viele Secunden in dor Felswildniss. Wasserfiille gibt es bier nicht, dafiir aber zablreiche Stromscbnellen. Uljer den boben Tbahviinden liegen albanesiscbe Dbrfer, deren Bewobner mittels aufgeblasener Schlaucbe aus Ziegenfellen auf dem Flusse abwiirts zu schwimmen pflegen. Links ist oben die Landscbaft DukadiSin, rechts Hassi, Grasnic und Pulati (im Mittelalter Pilot). In die Kiistenebene tritt der Drim durch ein grosses Felsenthor und schleppt sich miide zum Meere. Pai'allel neben ihm fliesst aus dem See von Skodra die Bojana. Im Winter von 1858 auf 1859 grub sich der Di’ira ein neues Bett bis in die Bojana, so dass er jetzt an zwei Stellen raiindet, bei der Stadt Les und vei-mittels der Bojana. Dies ist nicht der *') Dieso Briicken sind heschrieben von Grisobaoh, Hahn, Tozer und besonders von Boue in dem Sitzber. der Wiener Akad. 37 Bd. 1869, 128; 53 Bd. 1866, 10; 60. Bd. 1869 mit Abhild., 61. Bbri> Tbal oder Scblucbt sein, Bylazora wurde als Byla- zora (die weisse Morgeuriitbe), Uscadama als tizkodora (das enge Haus) erkliirt. Durcb derartige abenteuerlicbe Verzerrungen lasst sich allerdings gar Mancbes als slawiscb deuten, aber von kritiscber Pbilologie ist dieses Verfabren bimmelweit verscbieden. Von den Krovyzen fabelten die Vertbeidigor der tbrakoslawiscben Tbeorie, sie seien nordwarts iiber die Donau gezogen, inn im fernen Norden Russlands sicb als Krivicen niederzulassen; von einer solcben Wanderung ist in den Quellen naturlicb keine Silbe. Der wabren Bedeutung des Namens der Bessen ist bereits oben gedacbt worden. Einige woUten ibu vom slawiscben bds (Dilmon) herleiten, ja Filaret und Leonid bebaupteten sogar auf Grundlage der Bericbte iiber das Cbristentbura der Bessen, dass die Slawen scbon im V. Jabrbundert Cbristen geworden seien und ibre Spracbe gesclirieben baben. Im Betreff der Flussnamen ist nicbt zu iiberseben, dass die Slawen iiborall, wo sie binkamen, freinde Namen durcb ilbnlicb klingende einbeimiscbe ersetzten; so ist es der Fall aucli mit der Mesta und Struma. Die Wurzel sm ist iibrigous alien ludogermanen gemeiuschaftlich.®*) Aug. Uielowski, ein sonst hochverdieuler Maiiui eiitdeokte (Wstqp krytycziiy do dzie,jdw Polski. Lwow 1850) die Ursitze der Polen am See von Ochrida. Die Lqcliiteu (Lynkester) sollen im III- Jalirh. vor Chr. von den Kelten hinter die Donau vertriebeu worden sein, und dort das Dakerreicb gegriindnt haben. Konig Boirebista ist Lesko II., Dekebal ist lieraowit u. s. w.

*") Miklosich, Lexicon palaeoslovenicum sub sinya; saiiskr. sru fluere, griech. lat, rivus, kelt. sruth, altd. strouin, lith. srava etc.

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Kapitel II.

Die Haltlosigkeit diesei- Theorie sieht man am besten an dem Nameu Bylaeora (BvAci^aQcc). Diese Stadt lag in Ober-Makedonien am Vardar, an der Stelle de3 heutigen Veles, und wird um 216 vor Chr. zum ersten Mai erwahnt.*®) Der Name soil rein slawiscb sein; Byla-zora die weisse Morgenrothe. WabrlicL ein sonderbarer Name! Dnsei’er Ansicht nacli ist es geradezu uubegreiflicli, wie man irgendwo auf den absonderlichen Gedanken verfallen kdnnte, eine Stadt mit einer so poetisch Idingeuden Benennung zu bezeichnen. Uberdiess pflegt ja die Morgenrotbe nur roth zu sein. Dazu gesellt sich nocb ein gewaltiges pbilologisches Argument. Das Wort konnte im Bulgarischeu seit undenklicben Zeiten niemals hyla, sobdern stets nur bela-zova, lauteii. Die walire Erkliirung des Namens miissen wir bei den Albanesen suchen. In ihrer Sprache bedeutet ura, ure, welches offenbar den zweiten Bestandtheil des Wortes Bylaz-ora bildet, eine Briicke, und Hahn hebt mit Recht hervor, dass die Natur selbst die Stelle des heutigen Veles zur Briicke iiber den reissenden Vardar bestimmt zu baben scheine und dass bier, so lange der Mensch Briicken baut, eine solche gestanden baben mag. Audi heisst Veles, alb. V'blis, von den Byzantinern und Neugriecben BeXsodog Oder BeXsad genannt, bei den Tiirken einfach Kjopriilii von kjoprii Briicke.®*') Dass im M ittelalter die Hiidlichen Slawenvolker oft fiir Autochthonen gebalten wurdea, ist . ein Missverstiinduiss, das sich bei der Lecture alter Werke aus Unkenntuiss der Geschichte entwickelte. Die altslawiscbe tTbersetzung des Zonaras z. B. bezeichnet die Daker als Serben. Und in dem altbulgarischen Texte der ' trojanischen Cbronik aus der Zcit des Careii Symeon (f 927) lesen wir, dass das Volk des Achilles „damals Myrtnidones, jetzt BHgare^ hiess. Denselben W ertb baben die kroatiscben Fabelu vom bl. Hieronymus (f 420) als il des Namens B vlu ^ -toQ U (Vylaz) Lerstauimt, lasee ioh uneutscbieden.

Bylazora.

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Tabeln verdanken ihre Entstehung lediglicb der Nacbiiffung byzantinisdier Vorbilder. Die Byzantinei* in ihrer antikisirenden Buchergelelirsainkeit benamseten neue Volker mit altcn Namen; die Sei'l)eu biessen Triballer, die Bulgaren Myser oder Odrj'ser, die Biimunen Daker oder Geten, die Albanesen Akarnaiicn, die Deutsclicn Kelten, die Magyaren Pannonier, die Kumauen Skytlien u. s. w. Die slawischen Scribenten des Mittelaltcrs folgten iiur ibrem Beispielo.

Kapitel III.

Die slawische Colonisation der Balkan" Halbinsel. Slatvische Einwanderung im III. VII. Jalirhundert. Romerherrschaft in Dakien und Beriilirung der Slmven mit den Roniern. Die ersten Spuren slatvischer Colonisten aiif der HalUnsel. Hunnen, Got!ie)%, Bidgaren. Kaiser Justinian (527 565). Slovenen und Anten in BaUen im VI. und VII. Jalirhundert. Die Avaren. Vetfall dcs Avaren- und ByzantinerreicJies und kriegerisches Vorrilcken slaimscher Stiimme bis in den Peloponnes. —



Eine gewaltige Umwalzung vollzog sich auf der ^ganzen Balkan-Halbinsel durch die Einwanderung der Slawen. Wann und Avie dieselbe vor sich gihg, dariiber sind verschiedene Ansichten ausgesprochen worden, aber.bis zuin heutigen Tage ist diese hochwichtige Frage bei weitein nicht so aufgehellt, dass man eine neue Untex’suchung derselben fur iiberflussig erkliiren konnte. Der polnische Historiker Surowiecki Avar der Meinung, die SlaAven hatten sich erst nach dem Untergang der Hunnen der unteren Donau genilhert, und behauptete sohin, dass der UI)ergang derselben auf das rechte Ufer dieses Stromes nicht vor dem letzten Viertel des V. Jabrhunderts stattgol'unden babe. Dieser Ansicht scbloss sich auch Safafik a n ; nach ihm hat die friedliche und gertiuschlose EinAvandcrung slaAAischer Familien und die Festsetzung derselben auf den iiden Gefddcn beider Moesien am Endo des V. Jahrhunderts begonnen und wiihrend dcs ganzcn VI. Jahrhunderts fortgcdauert.

Jicginn uml Daucr dor slaw. Colonisation.

7.3

Anlass zu diesen Wanderungen soli das Vorrucken asiatischer Volker gegebon haben.') Der kroatische Forscher Dr. F. Racki *) versetzt das Eintreffen der Slawen an der Donau schon in die Zeit der Hunnenberrschaft. Der Russe Hilferding uimnit zwei Slawenziige an. Zuerst seien einige Slawen den Gbthen, als diese (um 375) vor den Hunnen hiuter die Donau zuruckwichen, nachgefolgt; sodann batten Attila’s Invasionen den Slawen den Weg in das Byzantinerreich gezeigt.®) Neuesteus hat der bulgarische Gelehrte Drinor in der bereits angefiihrten Abliandlung die Frage vom Grunde aus abennals durcbgearbeitet.*) Selbststiindige Studien brachten ibn zu ganz unerwarteten Resultaten. Wabrend alle vier vorgenannten Forscber der Besiedelung der Balkan - Halbinsel durcb die Slawen in die grosse Volkerwanderung verlegen und auf einen kurzen Zeitraum von kaum mehr als 50 Jahren einengen, bebauptet Drinov, diese Colonisation babe nicht auf einmal, sondern albniiblig und zwar im Laufe von wenigstens 300 Jabren stattgefunden, indem sie im III. Jahrbundert, also vor der grossen Volkerwanderung, begann und im VII. Jabrhundert zum Abschlusse kam. Diese Ansicht nun scheiiit aucb uns die ricbtigere zu sein. Im I. Jahrbundert vor Chr. entstand in dem beutigen Siebenbiirgen ein miicbtiges Reich, das selbst den Romern gefahrlicb wurde. Das Volk nannte sich Daker und ^vurde aucb von den Rtiraern so gcnannt. Die erhaltenen Reste der dakischen Sprache “) sind alizu spiirlich, um daraus auf die Nationalitiit dieses miichtigen Volkes mit Sicberheit scbliessen zu konnen; slanisch war sie auf keinen Fall. Indess scbeint es, dass das Reich des Konig Dekebalus, welches von der Tbeiss bis zum Dniester, von der Donau bis tief in die Karpaten reichte, nicht •) Safafik, Gesaranielte Werke (bohm.). II. 109. ®) I m : A r c h i v z a p o v j e s t n i c u j u g o s l a v e n s k u I V . 241.

*’) Ililferding’g Werke (russ. St. Petersburg 1867). I. 6. •*) M. Drinov Sacejente OajGaucKaro noayocTpoBa CjinBaiiaMii. Moskau 1873. 8®. 176 S. (in qi’eiria oCinecTBa ncropin n jpeimocTeit pocc. 1872. B(l. IV. und separat). Cf. unsere Recension im C’asopis Ceskeho Musea (Rohm. Museumszeitschrift) 1874, 601 sq. S) Orts- und Personennamen, dann besondcrs 50 Pflanzennamen, erbalten bei Dioskorides und Pseudo-Appulojtis (abgedr. von R. lloealor, Sitzber. der Wien, Akad. 1860 Mai).

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Kapitel II.

ausschliesslich von den eigentlichen Dakern, sondern neben diesen auch von verschiedenen anderen Stiimmen bewobnt wai', und es ist nicbt unmoglich, dass die ostlichen oder nbrdlichen Grenzdistricte desselben eine slawisclie Bevolkerung batten.®) Finden sich dock in der Romerzeit bestimmte Spuren slawischei Einwohner in Ungarn.') Trajan vereinigte als Sieger iiber Dekebal’s Heere 107 Dakien mit seinem Reiche. Aber die roiniscbe HeiTscbaft in den norddonauiscben Liindern, von feindlichen Nachbarvolkern fortwiibrend bedroht, konnte niemals so feste Wurzeln schlagen, wie etwa in Hispanien oder in Afrika. Schon Hadrian liess did' herrliche Trajansbriicke aus Furcht vor den Barbaren niederreissen. Im III. Jahrhundert ging Dakien unter Gallienus verloren. Aurelian iiberliess 271 die Provinz vollkommen den Barbaren und ubersiedelte die Reste dor rbmischen Colonisten ana den Stiidten und Feldern Dakiens nacb Moesien. Die Rdmer batten also dort ein isolirtes Leben unter eiuer feindlich gesinnten einheimischen Bevolkerung gefiihrt und nacb 166 Jabren verliessen sie wieder die neue Heimatb, obne mit den Dakern verscbmolzen zu sein.®) Die romiscbe Occupation Dakiens bbeb nicbt obne Einfluss auf die in der Nacbbarscbaft und vielleicbt aucb im Lande selbst wobnenden Slawen. Der Name des Besiegers der Daker gewann fiir die Slawen einen so nacbhaltigen Klang,-.dass derselbe nocb bis beute in den Sagen liud Liedern der Kleinrussen, der Serben und der Bulgaren widerhallt. Trajan ward sogar den slawiscben Gdttern bejgeziildt. In der „Wanderung der Mutter Gottes in die H6lle“ (cbozdenie Bogorodici po mukam), einem phantastiscben Apocrypb giiecbiscben Ursprungs, weicber vor dem 6) Auf der Trajanssaule sieht man an den Dakern sehr inanuigfaltige Bewannung und Kleidung, die woLl auf verschiedeno Siftmme T.xi schliessen erlaubt. ’) Siehe Safafi'k’s Werke 1. 255—302, Drinov, op. cit. GC sq. Der Platteusee hiess P e l s o , slaw, pleso See; eine Stadt T d e r n a lag auf der walachiscli-ungarischen (frenze an einem Fliisse, dor noch jetzt O eriiu beisst u. B. w.

®) Die Abstamraung der heutigeu Ruraunen in Ronianien und Siebenbiirgcn von den romiscben Colonisten im alten Dakien erscheint deranacb melir als zweifelbaft. Dock dariiber mebr an anderer Stelle.

Kiiiser Trajan nud die Slawen.

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XII. Jahrhunderte in das Bulgarische iibersetzt wurde, findet man cine wichtige Interpolation des Ubersetzers; es wivd nainlicii erziiblt, die Heiden haben Menschen, naraentlich den Trojan, Cbi>rs, Veles und Perun unter die Gutter versetzt. In einem anderen Apocryph, der Apokalypse der beil. Apostel (Ilandschr. des XVI. J.), ehenfalls in Bulgaiien slawiscU bearbeitet, wird gesagt, man babe friiher den Perun, Chors, Dyj {Zevg), Trojan und Andere als Gutter angebetet und hiezu wird bemerkt, Trojan sei „Car“ in Rom gewesen. In der altrussiscben Heldensage „SIovo o polku Igorove" (aus dem Aufang des XIII. J.) wird Trojan viermal genannt. Grundlos sind Tichonravov’s und Erben’s Versucbe, in.diesem Gedichte Trojan in Bojan umzuandern. Man liest dort von einem „trop Trojanj,“ das heisst, von dem woblbekannteu Trajanswall im Gouvorneraent von Kyjev, einer in der sudrussischen Flacbebene dem Volke jedenfalls auffillligen Erscheinung; man liest vom Lande Trojans jenseits dieses Walles, — nanilicb von Dakien; die Zeit Trojans wird dort weit vor die Jahre Jaroslav’s Oder die Regierung des Oleg Svatoslavio in’s graue Alterthum versetzt. Mit dem genannten Walle verbinden die Kleinrussen allerlei Sagen von Trojan, dem Caren von „Eniialan.“ Bulgarischo Lieder besingen nocb lieute den „Caren Trojan," den Herrn unerscbopflicher Schiitze, welcbera aus 70 Springbrunnen gliibendes Gold und gediegenes Silber fliesst. Unter dem Balkan ist eine Stadt Trojan mit einem Kloster; iiber die Topolnica nabe bei Tatar - Pazardzik fiihrt die Trojansbriicke (Trojanov m ost); unweit davon sind Ruinen, die von den Bauern „Trojanov grad“ genannt werden, und der Pass „Trojanova Vrata“ (Kapudzik). Der Eigenname Trajan (Diminutiv Trajko *) ist unter den Bulgaren allgemein gebrauchlicb; nicbt minder unter den Makedo-Rumunen (Cincaren). Ein Feld „prat de la Traian," magyarisch Keresztes-mezo genannt, Uegt in Siebenbiirgcn."’) Besonders lebhaft erhiilt sich das Andenken an den Riimerkaisor in der Gegend des Eisornen Thores an der Donau, wo seine Briicke und seine Strasse war. In ®) Der Accent auf der eraten Silbe; Trnjan. Die l>opulare Et 3'mologie Icilet den Nnmeu von triijam duro, peraevoro ab, worauf sich aucb ein bulgarischer .Sitteuspruch beziebt. •®) Biisching, Grobse Erdbcsclircibuug. Troppau 1785. VI. 271.

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Kapitel III.

Serbien sind in einera Walde bei Sabac die Ruinen eines „Trojanov grad“ ; doch sollen sie raittelalterlich sein. In serbischen Volkssagen erscheint Trojan einmal dreikopfig mit Wacbsfliigeln, das anderemal mit Ziegenohren, in einer dritten Sage als ein niichtliches Wesen, welches das Ta’geslicht fiirchtet, um nicht zu zerschmelzen.") Der Name des altslawischen heidnischen Feiertages Koleda, welcher aus dem Wortschatze der slawischen Spracben nicht zu erklaren ist, hat seinen Ursprung aus dem lat. Oalendae. E r findet sich fast bei alien slawischen Volkern von (altslaw. kolcda, bulg. koleda, Serb, koleda, kolenda^. rtiss. koljada, poln. koleda, bohm. koleda); Das Trullanische Concil (691) verbot den Christen nicht nur die rbmischen Festtage Vota and Bruraalia, sendern auch KaKdviSas zu feiern. Wahrscheinlich wurde der Name der romischen Januar-Calenden auf irgend einen einheimischen Feiertag der Slawen ubertragen. Die Entlehnung dieses Wortes setzt eiiie unmittelbare Beruhrung der Slawen mit den Romern zu einer Zeit voraus, wo jene ihre Wanderziige nach dem Westen und Suden noch nicht begonnen b atten; der einzigo hiczu geeignete Punkt war Dakien zur Zeit der romischen Occupation. Demi dass die Koleda erst durch christliche Missionare zu alien Slawenstilmraen gcbracht worden sei, wird wohl Niemand behaupten wollen. Der russische Chronist Nestor (f um 1115) erzilhlt, die Slawen waren urspriinglich dort gewesen, wo zu seiner Zeit die Liinder deif Ungarn und Bulgaren waren; von dort aus seien sie auseinander gegangen, „denii die Vlachen uberfielen die Donau-Slawen und setzten sich unter ihnen fest und vergewaltigteu diesclben." '*) Diese Vlachen sind nun keineswegs Kelten, wie Safafik anuahm, sondern Romer, die Eroberer Dakiens. Vlach bedeutot ja bei den Slawen uberall einen Menscheu romanischor Abstararaung, und zwar entweder einen Rumunen, wie bei den ") liber Trajan bei den Slawen aiebe A. Ivotljarcvski’s Aufsatz in den jlpeBiiocTH mock, apxeoa. o6mecTBa. I. (Alterthflmer der Moskauer archftolog. Gesell.) Moskau 1865. MaTep. jura apx. caosapa S. 13. F. Kanitz, Trojanov grad und die serbische Trojaussage (Mittb. der Ceutralcoinmiasion. Wien 1865 Bd. X.). Drinov, .Sace.teiiie 76-81. £anat und nach Siid-Rnssland, und in unserem Jahrhunderte wanderten Hunderttausende von Bulgaren aus ihrer Heimath nach Serbien, in die Walachei, nach der Moldau, nach Bessai'abien, ohne dass europaische Statistiker und Historiker genaue Aufzeichnungen dariiber vorgenomnien hiitten. Ja noch heutigen Tages wcchseln in der Tiirkei Schaaren von Christen, und das nicht etwa nomadisirende Hirten, sondern altsesshafte Ackerbauer in aller Stille ihre Wohnsitze, ohne dass irgend wo dariiber geschrieben wiirde. Die grosse Vblkerwanderung stiirzte binnen hundert Jahrcn alle bestehenden Zustiinde auf der Halbinsel um. Thrakien, Makedonien und Thessalien waren noch im IV. Jahrhundert nach dem Zeugnisse des Zeitgenossen Eunapios bliihende Lander mit einer dichten, thatigen und reichen Bevdlkerung; durch die Colonisimng einer ungeheuren Menge lebensfrischer und arbeitsamer „Barbaren“ unter den verwohnten Romern und Thrako-Illyrern hatten die entvolkerten Lander neue tiichtige Arbeitskrafte erhalten. Aber dieser Aufschwung war es eben, der die „Barbaren“ zur Erneuerung der Einfiille austachelte. Gothen und Hunnen verwandelten Alles wieder in cine Wiiste. Die Westgothen, gedriingt von den Hunnen, erzwangen sich W ohnsitze in Moesien (3Y6). Nach der furclitbarcn Schlacht von Adrianopel (378) verwiisteten sie Alles von Constantinopel bis zu den Alpen. Als sie 402 endlich nach Italien abzogen, wurden sie von den Hunnen abgelost. Fiinf Jahro lang (442 — 447) pliinderten die hunnischen Ilorden «0) Vgl, SaJafik’s Werke II. 170, Drinov 47.

Uer erete Slaweneinfall (493).

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das Ostreich, zerstorten 70 Stiidte und zogen erst heim, als man ihnen einen jilhrlichen Tribut verspracb. Nach dem Tode Attila’s (453) zerfiel rasch das Hunnenreich. Eine Menge kleiner Stiiinme, welche Iriilier den Hunnen uutertlianig waren, uberfluthete die Douauproviiizen. Sarmaten sotzten sich in Illyrien fest, Hunuen in Ufer-Dakien und im aussersten Winkel der Dobrudza, Skyreu, Satager und Alanen in UnterMoesien. Doch urger, als all’ die Geuannten, hausten die Ostgothen, als sie (474) Dardanien, Moesicn und Makedonien durchzogen; unter ihren Schwertern soil in Thrakien das ganze Landvolk verschwunden sein. Allen diesen Eindringlingen zahlte die Regierung Tribut, um sie in Rube zu erhalten; aber es bedurfte nur einer Kleinigkeit, die ilmen nicbt uach Wunsche war, gloich grifien sie zum Schworte. Die Nationalitiit dieser Einwanderer ist zum Theil unbekannt. Die Satager sollon nach Safafik Slawen gewesen sein; ihren Namen tragen noch jetzt die slowakischen Sotaken in Nord-Ungarn *'}. Als auch die Ostgothen nach Italien abzogen (488), da begannen sich die Slaioen jenseits der Donau ernstlich zu regen. Von da an Hessen sie von ihren Invasionen nicbt ab, bis die ganze Halbinsel von Istrien und von den Donaumiindungen bis zu den Felshangen des Taygetos in ihrein Besitze war. Zuerst tielen sie 493 in Thrakien ein, wo der romische Feldherr Julian in einem nachtlichen Kampfo mit ihnen fiel. Sturmischer war der folgende Einfall 517; furchtbar verheerten sie Make­ donien, Epiros, Thessalien bis zu den Thermopylen **). Zugleich mit den Slawen erscbienen an der Donau die nicbtslawiscben Sulffaren, ein finnisches oder tiirkiscbes Nomadenvolk, welches man mit den lieutigen Bulgaren nicbt verwechseln darf. Im J. 482 berief sie Kaiser Zeno gegen die Gothen, aber obgleich man sie uniiberwindlich glaubte, wurden sie von Konig Theodorich (487—526) irgendvvo an der Donau geschlageu. Bald darauf sagten sich die Bulgaren von der Bundesgenosseuschaft * * ) S a f a f i 'k ’B W e r k e I. 2 8 7 .

**) Drinov 92. Diese Invasionen schrieben T h u n m a n ii, Engel, Safafik und Hopf den finnischen B u l g a r e n zu. Dooh boi deni gleichzeitigen Marecllinus (schrieb 584) heissen die Slawen Gotcn, die Bulgaren BulgiriUnd dass unter Geten bier Slawen verstaiiduu werdon, zeigen die Worte des zweiten Zeitgenossen Tbeopbylakton (fi. die folg, Antn.).

Gcech. d er

B ulgaren.

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Kapitel III.

los, schlugen ein rpraisclies Heer an den steilen Ufern des Zurtaflusses und pliinderten zweimal Thrakieii, das Nieniand tnebr vertheidigte (499 und 502). Der Aiisgangspunkt der slawisclieii Invasionen im VI. Jahrhundert war das alte Dakien, das heutige Siobenbiirgen nebst der Walacbei und der Moldau, Dies ist der Gruud, warum bjzantinische Zeitgenossen die Slawen, gewohnlicben Namen nacb ihrer Gewohnheit ausweicbend, urn init der Kenntniss antiker Geschichte prunken zu kdnneu, mit dem Namen Geten bezeicbnen.^®) Diese daldschen Slawen schieden sich im VI. Jabrbundert in zwei Stiimme: der kleinere bstlicbe Stamm hiess Anten, dbr grossere westlicbe Slovenen. Ibre Greuze war der obere Dnjoster; seinen Unterlauf uberscbrittcn die Sitze der Anten, indem sie am linken Donauufer etwa bis zur Alutanuindung sicb binzogen. Das gesammte Alt-Dakien, sowobl die Gebirgsliinder des beutigen Siebenbiirgens, als auch das Tiefland an der Donaii, war iibersaet mit slawiscben Ortscbaften. In Siebenbiirgen findet man noch beute Dorfer mit woblljekannten Namen, die in alien Slawenliindorn wiederk eb ren: Toplica, Bistra, Bukova, Dobra, Gliraboka ('gl.'jboka), Glogovica, Kovaszna (Kvasna), Ponor, Zalatna (Zlatna), Pojaua (Poljana), Presaka, Prislop, Ribice, Rovina, Ruda, Ostrov, Lunka cerna (Lt^ka cerna, Schwarze Wiese). Es gibt dort Fliisse Strela, Cerna, Bistrica, Ilova, K rasna; der Kokelfluss der Sacbsen bcisst rumuniscb.Tirnava (slaw. Dornbacb). Das angrenzende Gebiet Bibar bat einen slawiscben Namen (cf. bobm. Becbory, Serb. Bijor). Aucb dib Bergnaraen sind zumeist slawiscb: Vervu (vricb Gipfel), Dealu (dM Berg), Stina (stena Wand), Magura (97mal in Siebenbiirgen) u. s. w. Ebenso ist auch im beutigen Romanien die iiberwiegende Mebrbeit der topischen Namen slawiscb. Es sind da Fliisse Namens Lngfiva, Dabovica, Susica und zahlloso andero slawiscbc Benennungen. Jotzt sind die Slovenen aus diesen Gegenden vorschwunden; sic sind in den aus der Halbinsel herbcistromenden romanisirten Thrakern, den Rumunen, aufgegangon. Das runiunische Volk wuchs durch die Entnationalisirung der Slawen. Noch vor hundort Jaliren burte man in einigen '•^■*) T o i g

FiTixig, TOVTO yctQ tvii,

(fiC.

Tiof-a^vTfQOV ovofia, Tbeophylakto.? Simokatla VII. 2.

r o i g HxXnpt ^voi g) rh

Slaweii in DnUion.

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siebenburgischcn Dbrfcrii die slawisclie Spvaclie; *■*) jctzt ist sic vollkommen verstummt. Ahnlich, w e das Englisclie mit romanischen, ist das Rumunische mit slawischen Elementon gesattigt. Die Rumunen liaben von den Slovenen die Termiuologie des Ilauswesens, des biirgerlichen Lebens und des Cbristenthums iibei'nommen. Aus Dakieii also iiberflutheten die Slovenen die BalkauIlalbiusel, sowie aucb die ungarischen Ebenen,^uud bald kaiu die Zeit, wo ibre Sprache in manuigfaltigen Dialekten von den Thalern Ai'kadiens bis zu den Karpatenpassen Bukovina’s, von den Ufern des Plattensees und vom Bakonyer-Walde bis ziir Propontis gesprochen wurde. Damals bewohnten sie Ungarn, Siebenbiu’gen, die Walachei, und siidlich von der Donau Moesien, Tlirakien, Makedonien und viele andere seitlier wieder grieclusch und albanesisch gewordene Gebiete. Der nbrdlicho Theil der Slovenen ging unter den Magyaren und Rumuiieu unter, der siidliche lebt noob heute unter dem Oiichtslawiscben) Namen der Bulgai'cn. Im Byzanz berrschte am Ende des V. Jabrhunderts einc solche Lassigkeit, dass das Innere der Halbinsel scbutzlos den Feinden preisgegeben war. Um den Barbaren Tribut zablen zu konnen, pflcgte man die reicheren Provinzen am Mittelmeer an Stattbalter fornxlich zu verkaufen, die dann das Land iii’ger als turkisclie Pasebas aussogen. Der kaiserlicbe Ilof kiimmerte sicb mebr um festlicho Jagdeu, Monchsziiukcreien und Concilien. Auf der See wiitbeteu die Vandalen, denen Hellas zum Opfer fiel. An einen tapfern Widerstand gegen die von alien Seiten heransturmenden Feinde dachte Niemand. Zur Rettung Constantinopels' erbaute man 512 unter Kaiser Anastasius eine grosse Mauer von Selymbria an der Propontis bis nach Derkon am Pontus, 280 Stadien lang, ^ein ZoioJien der Ohnmacht, ein Dcnkmal der Feigheit." Zu all’dem Eltmd gesellten sicb furchtbai’e Erdbeben, welcbe Korintb, Dyrrbachion und die dardariiseben Castelle zerstiirten. Auf Anastas folgte 518 der Slawe Justin J., dessen Energio sicb nur inno*■’) Siehe Miklosich: Die Sprache dor Hulgaren in Siebenbiirgen. Wien 1856. (Denkschriften dor Wien. Akiid. 111.). Auder balten diese Siebenbiirger Slawen fur spiitere ICinwnndorex- in der Turkenaoit.



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Kapitel III.

ren W irren gegeniiber entfalteu koiinte. Es ist nicht uuwahrscheinlich, class auf der dden Halbinsel unter Anastasias and Justinus eine nicht geringe Zahl Slawen nicht nur pliinderte, sondern auch sich ansiedelte.*®) Im J. 527 bestieg den Thron Konstantin des Gi'ossen Justinian I. Seine Regierung gliinzte durcb ICriegstbaten, durch die Verfassung von Gesetzbiichern and darcb grossartige Baaten.. Gleich ira ersten Jahre seiner Regierang warde der Rabm der romischen Heere aaf der Halbinsel wiederhergestellt; der Feldherr Gerraanas schlag eine Schaar Anten, welche die Donau ubersetzt hatte. ■ Langs des Donaaafcrs warden 8(1 Castelle and Wachthiirme theils erneaert theils nea gegriindet and zam Befehlshabcr der dortigen Truppen warde Chilvad ernannt, welcher nach dreijilhrigem glucklichem Kampfe bei einem anbedachtsainen Streifzage in das transdanabische Slawenland seineu Tod fand. Zagleich warde niit den aaf der Halbinsel bereits sesshaft gewordenen Slawen der Kampf aafgenommen; der Feldherr Mando schlag 529 die Slawen in Illyrien and die Balgai en in Thrakien. Hass es aaf der Halbinsel bereits eine Anzahl anabhangiger Slawengaae gab, erhellt nicht nar aas der Nationalitiit der Familie Jastinians, sondern aach aas den Vorkehrangen dieses Kaisers. Za welch’ anderem Zwecke als zar Beherrsohang der Halbinsel-Slawen Hess er aasser Vlen Donaa-Castelleu an 600 befestigte Pliitzo im Jnnern, im aurelianischen Dakien, in Makedonien, in Thessalien and in Epiros erbaaeh? Und wenn diess nicht iiberzeagt, so moge man folgende Worte des Prokopios in’s Aiige fassen, aaf welche Drinov aafraerksam gemacht hat: „Was in Philippopolis and Plotinopolis abging and herabgekommen Avar, das baate (Jasti**) Siehe Karl Hopf, Geschichte Griechenlands vom Beginn des Mittelalters bis a\if unsere Zeit. in Ersrh und Gruber’s Encyclopadie, Baud 86 und 86, ein ausgozeichnetes Werk, ungomein griindlich und auf vieljahrigeu Quellenstudien beruheiid. — Einige behaupton, dass die Slawen unter Anastasius massenbaft eingewandert seien; sie stiitzen sich dabei auf eine Interpolation in der altbulg. Cbersctzung der Chronik des Manasses (um 1340): nP ri Anastasi cari nac(js^ Bligai’O pojemati zemq sijq“ (zur Zeit des Carcn Anastasius begannen die Bulgaren diese Lender zu bcsetzen). Dock es ist dies keine altbulg. Tradition, sondern die Nachricht stammt aus der Gescbicb'e des Zonaras, der sie aus jener des Theophanes (IX. J.) ubernahm.

K aiser Ju stin ian 1.

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nian) in aller Eile, weil es sicli traf, dass die beiden Stadte leicht zu nehmen waren, o b g le ic h s ie in d e r N a c b b a rs c b a f t v i e l e r b a r b a r i s c b e n V d lk e r Ia g e n .“*®) Das Fort Adina in der Niilie von Palmatis in Moesien wurde in Stand gesetzt, weil in der Umgebung ZxKa^r^vol Reisende zu iiberfallen i)flegten und so die Gegend nnsicber raachten.®^) An Stelle seines Geburtsortes griindete der Kaiser eine neue Stadt Jusfminna Prima. Nach Einigen lag sie bei Kbstendil, nacb Andeven bei Skopje, gewiss aber im Centrum der Halbinsel, entweder in der Provinz Dacia raediterranea Oder in Dardanien; anf keinen Fall bei Ocbrida. Das Erzbistbum, welches, von ihm dort errichtet, iiber eine von der Donau bis Skodra ausgedehnte Dioecese gebot, ist leider schon nach huudert Jahren in stiirmischen Kriegen spurlos verschwunden. Alle diese Vorbereituugeu verfelilten ihren Zweck. Wahrend Justinian in entlegenen Provinzen kriegerische Tiiumplie gegeu die Perser im Osten, gegen die Vandalen in Afrika, gegen die Gothen in Italien errang, wurde die Balkan-Halbinsel bis vor die Thore der Kesidenzstadt eine Beute der Slawen. Alljahrlich fielen diese bis nach Hellas ein; weder ein Berg, nocb eine Hohle, noch der geringste Winkel romischen Bodens soli verscbont gebliehen sein. Bei jedein Einfalle sollen iiber 200.000 romische Unlerthanen niedergemetzelt oder fortgeschleppt worden sein. Einige unvollstiindige Bei’ichte iiber diese Invasionen finden sich in Prokopios’ von Caesarea Schilderung dea gothischen Krieges; aber da er von 527 angefangen fast 20 Jahre in Belisars Lager in der Fremde verlebtc, so konnte er von den Vorgiingen anf der Halbinsel mehr durch Geriichte als durch ziiverliissige Zeugen Kundo erlangen. ’ Eine ausfiihrliche Bescbreibung dieser K.am2)fe wiirde zu w'eit fiiliren; wir woollen mir die am meisten beincrkenswertbeu erwiihnen. ^ilm rcovitoK tco s

tb k u I

n X m riv o n o X B u g t a re ivStovTce xcel u n r a -

TttTeovrjxora o n o v S y rfj ndajj u w d o fii^ e a to , litfl a v t a g ^x t^ K xm ta T u g ^ v v ificuvtv B ivat, x a in sQ S9vBai

yB iro vo v a a g §aQpd(/mv JtoXXots.

oeilif. IV. 11. ed. Itonn. p. 304. ” ) Pe aedif. IV. 7, p, 293.

P ro k o p io a do

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Kapifel III.

Die Anten pliindorten 533 Thrakien; nicht lange darauf unterhandelte mit ihnen Justinian, in der Absicht, ihnen die verodete Stadt Tunis am linken Donauufer (vielleiclit Turnu Alagurel auf der Alutamiindung) abzutreten, falls sie sich zur Hiilfeleistung gegen andere Reichsfeinde verpflichten. Im J. 548 di'angen die Slawen unbehelligt bis nach Dyirhachion vox-. Im J. 551 setzte eine Schaar von 3000 Slawen fiber die Donau und verheerte, in zwei Banden getlieilt, Thrakien bis an’s Meer und Illyrikum, wobei sie, nach Prokopios’ Berichteu, Unglaubliches geleistet haben soil. Im folgenden Jahre zogen riesige Massen transdanubischer Slawen gegen Thessalonich, AJs sie bei Nis vernahmen, das romische Heer stiinde bei Serdica, wandten sie sich westwiirts und verwiisteten in drei Haufen den grossten Theil der Halbinsel, bis an die langen Alauern des Anastasias streifend. Im J. 558 traf die arg geplagte Halbinsel eine furchtbare Sturmfluth von Slawen und Nichtslawen, von denen ein Theil bis zu den Thermopylen vordrang, der andere vom greisen Belisar vor Constantinopel zuruckgcschlagen wurde.®®) Gegen das Ende der Regierung Justinians erhielten die Romer einen neuen Nachbaren, der bei Weitem gefahrlicher war, als die Slawen. Ein neues Steppenvolk siedelte sich in der pannonischen Ebene an, um von dort aus Raubziige nach alien Seiten zu unternehmen, — die Avaren. Den Slawen hiessen sie Ohri^ welcher Ausdruck im Laufe der Zeit zur Bedeutung eines Riesen gesteigert wurde (bohm obr, lausitzerserbisch hobr, poln. olbrzym). Um die Hiilfte des V. Jahrhunderts hausten die Avaren noch zwischen dem Kaspischen und Azowischen Meere; hundert Jahre spiiter kampften sie gegen stammverwandte Volkerschaften in der siidrussischen Steppe. Nach Niederwerfung der Anten unterjochten sie die Duljeben, einen russischen Stamm zwischen Bug und Styr, und vergewaltigten sie m it unsiiglicher Tyrannei, indera sie duljebische Weiber sta tt des Zugviehes vor ihre Wagen spannten. Von dort iibersiedelten sie 568 in die Theiss- und Donauebene im heutigen Ungarn. Dritthalb Jalmhunderte dauerte dort ihr Riiuberstaat. Dann verschwanden sie spurlos, ein Ereigniss, ■«j 8ofaHk II. 161—163. Drinov 93—101.

Slawcneiiifalle. Die Avnren.

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das auf die Zeitgeuossen eiiien tiefen Eindruck maclite; noch im XL Jahrhundert gait in Eussland das Sprichwort: „Sie starben aus wie die Avaren.“ Vielfacb wird die von Gibbon eingefubrte Ansicbt vertieten, das Avai’enreich babe eine Ausdehnung gehabt von der Wolga bis zur Elbe, von der unteren Donau' fast bis an's Baltiscbe Meer. Tbatsachlicb bat jedoch die Herrschaft der Avareii die Grenzen des ungariscben Tieflandes kaum iiberschritten; in die Nacbbarliinder pflegten sie nur auf Raubfabrten zu koramen, obne sicb dort je festzusetzen.®®) Die Slawen in Dakien waren von ibnen ganz unabbaugig. Spatere byzantiniscbe Cbronisten wollen freilicb in jeder Bewegung der Slawen avariscben Einfluss wabrnehmen, indem sie die Slawen insgesammt fiir avarische Untertbanen ansehcn, ja nicht selten Avaren und Slawen identificiren. Wenn man aber die Schriften unmittelbarer Zeitgenossen durchmustert — und an diese bat docb der Historiker zuniicbst anzukniipfen, — so findet man gar bald, was es mit der avariscben Tributpflicbtigkeit der Slawen fiir ein Bewandtniss babe. Von den Slawen Panuoniens kann man freilicb nicht im ^Mindesteu zweifeln, dass sie Untertbanen der Avaren waven, denen sie ja Briicken und Scbiffe zum Ubergang iiber die Donau und Save bauen mussten (z. B. 579, 592). Die dakiscben Slawenstiimme bewaluten gleicbwobl ibre voile Unabbiingigkeit und Freibeit. Einen sebr interessanten Bericbt bat uns bier ein Zeitgenosse, der Griecbe Menander bewabrt.®') Nacb der Eroberung Pannoniens Hess der Avarencban dem Vojvoden Dobr^ta { J a v QivTiog, jdavQixag und den Altesten der Slovenen melden, sie solleu sicb den Avaren unterwerfen und ibnen Steuer zahlcn. Aber Dobrqta und die Altesten erwiederteu den herrschsiicbtigen Fremdlingen: „Wer von alien Leuten, welche von den Strablen der Sonne erwiirmt werden, konnte sicb unsere Macht unterthan machen? Wir sind gewobnt die Herrschaft *'•) „Pogybosa aky Obre“. Nestor ed. Miklosioh cnp- ' Bl- Ohrin kommt auoh im Zlatostruj dos Caren Symeon (f 927) uud im Leben des beil. Konstantin (Kyrill) vor. Yg], Mikloaich, imlaeoslov.

Den kritisclien Nacbweis biefur hat Drinov geliefert. •>) M enander cd. Bonn. 406. Aavffhag ist eine u n ric litig e Besart.

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Kapitcl 111.

fiber Andere -au erwerben, koiueswegs aber Anderen sich zu unterwerfen. Und dabei werden wir auch verharren, solange es Kriege und Schwerter gibt!“ Die avarischen Boten, fiber diese Antwort ergrimmt, benahmen sich so hem sch und herausfordernd, dass es zu einem Streite kam, ^velcher mit ilirer Niederraetzelung endigte. Nichtsdestoweniger wagte es der Chan nicht Racbe zu nehmen und musste durch liingeve Zeit die dakischen Slawen in Rube lassen. Die Avaren begannen ihre Einfalle in das Byzantinerreicb im J. 575. Aucb die Slawen liessen iiizwischen von ihren kriegeriscben Besucben in Tbrakien nicbt ab. Im J. 578, als die Romgr eben Frieden mit den Avaren batten, unternabinen sie, an 100.000 Mann stark, einen grossen Zug bis nach Hellas und blieben dann im Lande. Der gleicFzeitige syriscbe Cbronist Johannes von Ephesus (schrieb 584) berichtet daruber Folgendes: „Im dritten Jabre nach dem Tode des Kaisers Justinian und nach der Thronbesteigung Tiberius des Siegrcichen tra t das fluchwurdige Volk der Slawen auf und uberfiel ganz Hellas, die Umgebung von Thessalonich und ganz Tbrakien. Sie eroberten viele Stadte und Festungen, verbeerten, brandscbatzten, plunderten und beherrschten das Land und hausten darin frei, wie in ihrer Heimath, Das dauerte durch vior Jahre, solange der Kaiser mit den Persern kriegte; dadurch batten sie freies Spiel im Lande, bis Gott sie hinauswarf. Ihre Plfinderungen erstreckten sich bis zuv aussersten Mauer; alle kaisorlichen, Heerden wurden von ihnen zur Beute gemacht. Bis beute sitzen und ruhen..sie in den roniiscben Provinzen, ohne Sorge und Furcht, plfindernd, mordend, brennend; sie sind reicli geworden, besitzen Gold und Silber, Heerden von Rossen und viele Waffen; besser als die Romer haben sic Krieg fuhren gelernt."®®) Tiberius rief gegen sie don Beistand der Avaren an, wclche bereitwillig die Gelegenhoit ergriffen, um fur Dobi-^ta’s That Racbe zu nehmen. Tiber Moesien zogen sie am rechten Donauufer bis in die Dobrudza, setzten dort fiber, die Donau, plfinderten die Dorfer und kehrten, nacbdem sie eine Menge gefangener Romer befreit, wieder beira. Johannes von Ephesus, Kirchengeschichte. Aus dotn Syrischen von Schonfelder. Muuchen 18G2. 8. Johannes lebte 558—676 in Goa* sfantinopel.

Kaiser Maurikios (5S2—C02).

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Die dakischen Slovenen blieben jedoch nach wie vor frei und selbststiindig. In den Jahren 582— 602 regierte in Byzanz der Kaiser Mauri?cios, ein trefflicher Cliarakter, aber ein kurzsichtiger Staatsmann, als Feldherr in dei* Theorie ausgezeicbnet bewaudert, aber in der Pi’axis unerfahren. Sein interessantes Werk Tiber Strategie hat sicb auf unsere Zeiten erhalten. Mit den Slawen fiihrte er Krieg oline Unterlass, und ebenso mit den Avaren, nelche nach der Einnahme von Syrniium das gauze Donaugebiet verheerten. Iin J. 583 wurden die Slawen dreimal in Ost-Thrakieu geschlagen, am Erginusfluss, bei Adrianopel, beim Schlosse Ensina.®'*) Trotzdem bracken sie 587 in Hellas ein, setzten sich dort fest und behaupteten unabhangig von Byzanz das altberuhmte Land durch 218 Jahre. IMaurikios stillte nach Beendigung des Perserkrieges den Gelddurst der Avaren durch einen jiihrlichen Tribut und wandte Seine ganze Thatki’aft den dakischen Slawen zu. Er hoffte durch Unterwerfung der Slawenheimath im alten Dakien den luvasionen ein Ende zu setzen. Unter der Fiihrung des erfahrenen Priskos setzte sein Heer fiber die Donau (593), schlug in einem nachtlichen Kampfe den Uferffirsten Badgost und verheerte sein Gebiet. Die Gefangenen wurden mit Bedeckung Unter dera Commando Tatimir’s, eines im giaechischen Dienste stchenden Slawen, zuin Kaiser gesandt; auf dem Marsche von der Donau nach Constantinopel wurde die Expedition am sechsten Tage irgendwo im Balkan von Slawen, welche ohne Zweifel in der Gegend ansassig waren, fiberfallen, so dass Tatimir nur mit Mfihe durchkara. Priskos drang inzwischen, gefuhrt von einem Gepiden, durch ausgedehnte Waldcr und Moraste bis hinter den Fluss Paspirius (vielleicht der Buzeo) in das Land des Konigs Miizuk vor,*®) ubei’fiel diesen, als er eben nach dom Tode seines Bruders mit Gesang und Wein das Todtonraahl *♦) Kach Theophylaktos geschah dieser Einfall auf A u s t i f i e n der Avaren; Menander’erzalilt aber, dass die Avaren damals wieder durch Moesien gegen die Slawen losziehen wollten und demnach mil ihnen uioht im Frieden wareu. Drinov 108. *®) Movaotitos, var. Movaovxiog, Movaovyioe, Ufovaovtuos. S tr ltte r II. 59. D rinov 111. Der Suffix -uk ist bei den Kuthonen in Galizieu u n d in der Bukovina aehr v e rb re ite t, z. B. T o m n s c u fc , D ronjuk,

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Kai-itel III.

feierto, in dunkler Nacht und nahm ihu nach eiiiera fiirchterlichen Gemetzel gefangen. Maurikios, ermuntert durch diese Erfolge, befahl dann, das Heer soil jenseits dei’ Donau iiberwiutern. Doch die Truppen des Maurikios wareii nicht filhig dera Beispiele der altromischen Legionen zu folgen; sie meuterten und kehrten auf das sudliche Ufer zuriick. Darauf rief der Kaiser den Priskos ab nnd ernannte seinen Bruder Peter zum Oberbefehlshaber. Dieser tra f schoii auf dem Marsche zur Donau bei Marcianopolis an der Kamcija eine Schaar pliindernder Slawen, welche sich in eine Wagenburg einschlossen und erst nach verzweifelter Gegenwebr aufgerieben wurdeu. Auf dem weiteren Zuge traf ihn die Nachricht, dass Constantinopel von Slawen bedroht sei; es waren dies, allem Anscheiiie nach, Schaaren aus der Halbinsel und nicht aus Dakien. Nichtsdestoweniger zog Peter vorwai’ts, und an der Donau eingetroffen, erzwang er sich den Ubergang bei der Osmamiindung nach ungeheueren Verlusteu, erst nachdem der feindliclie Anfiihrer Pirogost gefallen Avar (697). Weiterhin verlief jedoch der Krieg fiir die Byzantiner sehr ungliicklich. Mittlerweile wurde auch in Thrakien und Dalmatien rait Avaren gekiimpft, bis sie, geschlagen und durch Seuchen decinairt, Frieden schlossen (600), wobei festgesetzt wurde, dass die Donau die beiderseitige Grenze bilden solle; doch wurde den Romern erlaubt im Falle eines Krieges gegen die Slawen den Strom zu iiberschreiten. Man sieht daraus, dass die Avaren nicht minder wie die Romer die dakischen Slovenen fiircbteten. Im J. 601 pliinderte Guduin, ein Unterfeldherr.^.des Peter, im transdanubischen Slawenlande. Dem kaiserlichen Befeble, im Feindesland zu iiberwintern, wollte das Heer abermals nicht Folge leisten, ja es emporte sich und zog unter dem Centurio Phokas gegen Constantinopel. Maurikios wurde gestiirzt und Phokas zum Kaiser ausgerufen.®') Zu gleicbor Zoit regten sich die Slawen in Makedonien. Kurz vor 597 erschienen unerwartet 5000 Slawen vor Thessalonich, zogen aber bald wieder ab. In kurzer Zoit jedoch erschienen sie wieder mit grossen Streitkrafton vor der Stadt und bogannen den Angriff mit eisernen Sturmbocken, gewal**) Safafik II. 104 sq. Urinov 103 sq.

Kaiser lleraklios (610—641).

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tigen kunstvollen Scbleuderu und manuigfaltigen anderen Kriegsmaschinen; aber die Mauern der Stadt widerstanden. Es ist kaum moglich, dass diese Belagerer Thessalonicb’s aus Dakien herbeigezogen wiiren. Glaubhafter ist es, dass sie aus Makedonien kainen und zu jenen Stilmmen geborten, voii denen Johannes von Ephesus sagt, dass sie auf romischem Boden wohnen und den Krieg besser zu fiihren wissen, als die Rouier. Die achtjiihrige Regierung des grausamen Usurpators Phokas war iiberaus unglucklich. Die Perser liberflutheten Kleiuasien und standen vor Constantiuopel; Avaren und Slawen hausten in E uropa; dazu kam Hunger und Pest. Phokas’ Nachfolger, der edie Heraklios (610 — 641), wollte schon die Residenz des erschiitterten Reiches in das feme Karthago verlegeu. Seine Regierung verbrachte er in Feldziigen gegen Perser und Araber, wahrend die europiiischen Provinzeu nacli dem Berichte des Zeitgenossen Isidor von Sevilla 615 von Slawen besctzt wurden.^0 J- ®26 ging es vor Constantinopel arg her. Avaren kamen aus Pannonien und die Slawen der Ilalbinsel schlossen sich ihnen an. Wahrend die Avaren Zu Lande kampften, unternahmen die Slawen auf Kahnen aus ausgehohlten Baumstiimmen (ftoj/oSuAa) den Angriff zur See. Doch|,unterlagen sie in dem uugleicheu Kampfe gegen die byzantinischen Seeschilfe und wurden vernichtet. Die Herrschsucht der Avaren Ibste den Bund; die Slawen zogen ab und die Avaren, auf sich allein angewiesen, mussten das Gleicho thun. Unter den vor Constantiuopel Gefallenen fanden die Byzantiner auch viele slawische Frauen. Das Missgeschick vor Constantiuopel brachte der Avarenbefrschaft einen tiefen Schlag bei. Bald regten sich die Slawen in Illyricum und in den Alpenlandern. In Dalmatien, wohin sie schon unter Justinian Einfiille machten, begaimen sie urn 6 0 0 nachdriicklicher aufzutreten und drangten das von den Avaren bereits stark verringcrte romanische Element in die Kiisteustadte und auf die Inseln zuriick. Nicht lange darauf entstand im Westen der erste grosse Slawcnstaaf: Sanio' vereinigte die Bohmen, die Slovenen in den Alpenlandern und Roncalli Vetust. lat, script, chrou. II. 400.

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Kaiiitel 111-

einen Theil der Elbeslaweu unter seiner Leitung und selling sowohl Avaren als Franken Um die JHulfte des VII. Jahrhunderts war die slawische Colonisation der Balkan-Halbinsel vollendet. Von da an horen wir nicht mehr von Einfallen der Slawen iiber die Donau und Save; war ja nabezu jeder Winkel der Halbinsel von ihnen besetzt. Im Flussgebiete der Save und iin Adriatiseben Kiistenlande bis tief nach Albanien hinab wobnten Serben und Kroaten, in den iibrigen Liludern die spiiter mit dem Namen Bulgaren bezeichneten Slovfinen, ..Jlas alteinbeimische romanische uild tbrako-illjTische Volk wurde in die Berge gedrangt oder auf dem Flachlaude den Slawen botmassig gemacht. Allniablig amalgamirte es sicb da mit den Slawen, von welchem Processe nocli jetzt Starke Spuren in der Sprache eiu klares Zeugniss geben. Die Griechen zogen sicb auf die Inseln und Kiistensti iche zuriick. Die griechischen Stiidte des Binnenlandes verodeten grosstentheils; ihre Bewolmer sucliten und faiiden Unterkunft in den Seestadten. Die slawiscben Einwanderer wollten sicb bald mit dem Festlande nicht begniigen. Nachdem sie die Sec zu befabren gelernt, unternahmen sie Raubfabrten weit von der heimatlicben Kuste weg. Im J. 641 landeten Slawen, wabrscbeinlicb aus Epiros, an der italiscben Kiiste bei Sipontum und pliinderten A pulien; Ajon, der Herzog von Benevent, fand im Kampfe rait ihnen deri Tod.®*) Zur Z e it, des Kaisers Konstantin Pogonatos (G68 — 685) befuhren slawiscbe Piraten auf sebwankenden Monoxylen, sibnlicb den „odnoderevki“ der spateren Pontus-Kosaken, das loniscbe und das Aegaeische Mecr, Epiros, Achaja, Tbessalien, ja selbst die Kykladen und die Gestade Kleinasiens heimsuebend. Diese Fahrten maebten sie im ganzen Oriente bekannt. Sebon Al-Achtal, einer der iiltesten arabischen Schriftsteller (in der zweiten Hiilfte des VII. Jahr­ hunderts) erwiihnt der hellhaarigen Slawen als eines seinen Lesern woblbekannten Volkes, Der Hauptkampf der Slawen mit den Byzantinern concentrirte sicb am Ende des VII. Jahrbunderts vor den Mauern 3*) Dass dietis 641 und nicht 662 goschah, vgl. Drinov 131.

Die Slawoii vor Thessalouicb.

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Thessalonicli’s. Diese schone, altberiihmte Stadt in ilu’C Gewalt zu bekommen, war der Hauptwunsch der Slawen Makedoniens. Den ersten misslungenen Angriff unternahraen sie, wie bereits erwahiit, miter Maurikioa. Zum zweiten Male kamen sie im J. 676. Wabrend der vierten Belagerung von Constantinopel durcb die Araber haben die makedonischen Sagudaten, die Dragovici, die Brajaken, die tbeasaliscben Velegostici und epirotisehen Vojnici in colossalen Massen Thessalouicb zu Wasser und zu Lande eingeschlossen. Sie kamen mit Familien und Haushalt, um sich gleich in der eroberten Stadt niederlasaen zu kdnnen, miissten aber unverrichteter Dinge abziehen. Zwei Jabre apilter lagerten sich die Slawen zum dritten Male vor den Thoren Thessalonich’s, nach 30 Tagen wurden sie -jedocb durcb Gescbenke zum Abzuge bewogen. Die vierte slawiscbe Belagerung orlitt Tbessalonicb von den Sagudaten, den Buncbinern, den Dragovidi und den StrymonSlawen um 685 — 687; die Velegostici leisteten damala den Thessalonicbern Beistand. Der Beweggrund zu diesem letzten Angriffe war die Hinricbtung des Runchinerfiirsten Prebi^d, welcher in Folge griechischer Verleunidungen auf kaiserlichen Befebl in Konstantinopel zum Tode befordert worden war* Unfiibig die Stadt zu nebmen, iibten die Verbiindeten ihre Racbe durcb riiuberiscbe Seefabrten bis in die Propontis hinein,*®) Kaiser Justinian II. Ilbinotmetos riickte damals, um Tbessalonicb zu retten, mit einem grossen Heere in Slaviuia ein; so hiess bereits alles Land von der Adria bis zur Rho­ dope. Es war dies nicht die erste Expedition dieser Art. Bcbon Konstans II. war 657 xata HxXa^tviag gezogen, macbte viele Gefangene und unterwarf die Gegend wenigstens dem Namen nacb. Justinian, II. drang 687 auf dem Festlande bis Tbessalonicb vor, konnte aber auf dem Mai’scbe nicht in das Innere eindringcn, da die Strymon-Slawen alle Eingiinge mit Vorhauen verrammelten und die Nachbaren zu Iliilfo riefen. In der Umgebung von Tbessalonicb vermocbtc cr die Slawen theils mit Gewalt, theils durcb Vertriige zum Frieden und Gehorsam, worauf er viele derselben in das kleinasiatiscbe *®J Safarik II. 206. Drinov 131, lf>l.

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Kapitol III.

Liindchen Opsikion (Obsequiura) an der Propontis iibcrsiedeltc. Aus diesen Colonisten, die man Sklavisiani {Uxlaprjaucvoi) nannte, errichteten sich. die Kaiser ein an 30.000 Mann starkes Corps Kemtruppen. Als jedoch’ bald darauf in einem Araberkriege (692) zwei D rittel dieses Heeres zu den Mohammedanern iibergingen, wurde der Rest sammt Frauen und Kindern von den Griechen grausam niedergesiibelt Noch ira X. Jahrliundert gab es Slawen in Opsikion. Die heutzutage in Bitbynien zerstreuten Bulgaren sind keineswegs Nachkommen der Sklavisiani, sondern in der Neuzeit von den Tiirken dorthin verpflanzte Colonisten.'*®) im J. 679 brach ein Ereiguiss herein, welches die Geschicke der Halbinsel wieder in neue Bahnen lenkte. Eine Schaar nichtslawischer Bulgaren uberschritt die Donau und brachte durch die Vereinigung der moesischen Stilmme zu einem Staate nnter die zersplitterten Slawengaue ein Eleraenti

das ihnen bisher gefehlt hatte, — die Einigkeit. Blicken wir nun zuriick. Die slawische Colonisation hatte im i n . Jahrhundert begonnen und dauerte fast 400 Jahre. Eine fiinfzig- oder auch hundertjilhrige Wanderung ware zu einer so nachhaltigen Veranderung aller ethnographischen Verhaltnisse kaum hinreichend gewesen. Die Slawen kamen allmahlig. Zuerst Hessen sie sich als Colonen unter den ThrakoIllyrern, Rumunen und Griechen nieder, geAvohnten sich an das romische biirgerliche L’eben und gaben den Byzantinern nicht nur vorziigliche Feldherren,.. sondern auch energische Kaiser. Am Ende des V. Jahrhunderts begann die massenhafte Einwanderung m it bewaffneter Hand. Safafik befand sich im Irrthum, als er meinte, die slawischeniFamilien waren nie in Massen und nie unter Kriegslarm nach Moesien und in die angrenzenden Lander, sondern vereinzelt und in aller Ruhe eingezogen, indem sie nur zur friedlichen Feldarbcit einen geeigneten Boden suchten und nur zur Selbstvertheidigung die Waffen ergriffen. Diese Anschauung ist allzu idyllisch. In der W irklicbkeit waren die Slawen, als sie die Gefilde Thrakiens, Makedoniens, Moesiens und Illyriens besetzten, dasselbe

*") §aftth'k II. 207, 248. Drinov 164.

Riickblick.

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kricgerisclie Volk, welches das ganze Mittelalter liindurch \maufhorlich die Byzantiner bekampfte und in unseren Tagen den Tiirken mehr als einmal seinen Kriegsmuth fiililen liess. Diesen Charakter zeigten die Einwanderer bei den Sturmen auf Thessalonich, auf den Corsarenfabrten im Mittelmeere uqd lU hundertfacben Kiimpfen mit den Griechen.'*')

^') Cf. Drinov Saceaenie 35, 149. Safafik II. 21, 171.

Kapitel IV.

Leben, Sitten, Ansiedlungen, Stamme der eingewanderten Slawen und deren Beruhriing mit den Ureinwobnern. A. Lebensweise der Slawen. Ein Bild der Lebensweise der Slawen aus der Zeit, wo sie Tor dem Exodus nach Westeii und Siiden in ihrer Urheimath weilten, zu entwerfen, kann nicbt unsere Aufgabe sein. Es genugt diesfalls auf die reichliclie Literatur zu verweisen.') tJber die Stamme, die im VI. und VII. Jabi'hundert auf der Balkan-Halbinsel sesshaft geworden sind, besitzen wir gbiichzeitige Nachrichten der Griechen Prokopios und Mamifcos, dann fles Syrers Johannes von Bptesus; Alle Slawen wai’en, nach Prokoj i »'i, lioi l. V, . i c l i s o i i u i i d vom starken Korperbau. Ihr Ilaar v. i f ' ’ ■! /II l.i ' l l i i o c l i 'I I. H " i ih r o n ganz dunkel, sondern vielmehr blonfi '■I S's Hail] thuirp. jotzigen Nachkommcn ist die schwar; < '.'ijiild o rt M 111nicbt sclten. Die Geiniitbsart der alti i '■■iijii h r .ill .'irglos rikios als frei von Grimm und Art-’I' und offen; holies Lob spendet er ihn v ^ ;!'n inidflchafl. Dor Gast wurde von Ort zum Ort geleitot m !•' ,’i I ilciii I. (iiM/, I •) Dr. G. Krek, Einleit.ung in die slav .11 r,'. I 1874, ein sehr cmpfehleiiswortlies Bucli. Jci- IM' Ili,' .'ll .11’iii'ok, 1icKl -rreichische Geschiclite 500- 1000. ^\■ien 186|’ I. alb, rum. ngr., bulg. selten; 7. die Verauderiing des o in « in uubetonten Syliifiii, im alb. rum, und in den Dialocten besondors der Ost.Bulgareii. I>azu koinmen noch syntaktisebe Ersclieimiugen. Reichthum der JJojjpellaute und Debnung der Vocale (ea, oa,

6 sq.; 1.

au, alb. ua, au), der bkulige nasale Arilairt, das Ausfullen des I vor i, der Wecbscl von n und r.

EiniluBs des Altthrakiscben.

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vcrwandte Volker. Abkommlinge der lUyrer sind die Albaneseii; aus den Thrakern entstanden die Rumunen. Miklosicb wies etwa 50 Worte nacb, welche dera Rumunischen und Albanesischen thcils gemeinscliaftlich sind, theils in beiden Sprachen eine besondere Form oder Bedeutung haben. Beachtenswerth ist es, dass die Bulgaren bei den Albanesen &kjau (Bulgarien Shjenia), bei den Rumunen ganz ahnlich Shjeji heissen.®) Eine nicht geringe Zalil lateinisclier Wbrter kam durcb die Beriihrung mit den Rumunen nicht nur iu das Bulgariselie, sondern in sammtliche Halbinselsprachen, z. B, pullus, furca, clausura, fornix, campana, maturus, vigilia u. s. w.') Ausser den Rumunen trafen die Slawen auf der Halbinsel eine bedeutende Anzahl Griechen, welche sich gleichfalls Romer nannten — ' Pafiutog. Jetzt sind unter den Bulgaren nur wenige griecbiscbe Enklaven, wie Stanimaka bei Philippopolis. Der Einfluss des Griecbiscben auf das mittelalterliche und moderne Bulgarisch war sehr bedeutend. Kirclie und Literatur, Ilaiulolsverbindangen, Vorliebe slawischer Fiirsten fiir byzantinisches Weseu, die Byzantinerherrschaft iu Thrakien und Makedonien und die faiiai’iotiscbe Kirclienregierung in der Tiirkenzeit — Alles dies vermittelte seit einem Jalirtausend die unaufliorlicbe Beriihrung der Bulgaren und Griecheu. Griecbiscbe Zeitworter eutlehnten die Bulgaren in der Aoristform (z. B. xcikeaa kalesvara, s(p^aaa ftasvam); dieselbe ") Auf diese wichtigen Erscheinuugen macbte zuerst Kopitar aufmerksam. Mauclie Beriibrungspunkte des Rum. und Alb. sind schon Tbunmann aufgefallen, der auch die Autocbthonie der Albanesen darlegte (Untersuchungen uber die Geschicbte der ostl. europ. Yolker. Leipzig 1774). ') Bulg. Serb, pule (pullus asiui), pie (pullus gallinae, alb. pulja, mruni. pulju); bulg. cer (ijuerous cerrus), bakil (poculum), furka (furon, aucb alb.), furna (serb. furuna, alb. furria, ngr. (povQvog: fornax); bulg. Serb, grio cb. klisura Engpass (clausura), bulg. egrek (Stall, cf. grex), turlo (Heerde, rum. tirla, lat. turma), kambau (campana, auch alb.gr.); altbulg. nblg. ngr. alb. tonta (tentorium), bulg. raka (Sarg, area), ocit (acetum), altbulg. cesar, spater car (aus caesar, niebt aus xateag); nblg. kaptisvam (capio), patji (patior), vireji (vireo. vir6je i zelendje. Volkslied ); altbulg. icom'bkati (communicare); nblg. niator (maturus; trista ovni, 'se matori. Yolkslied in Obst Trud 18(58, III- 64 cf. altserb. volja atari, volja i zamatoreli v obraze. Typicon S. Savae ed. Konst. Jirecek, Olasnik XL (1874) 140). - Vgl. Urinov Sacejienie 146.



8*

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Kapitel IV.

Erscheinung bemerkt man auch iin Scrbischon, Rumuniscbeu und Albanesischen.*) Auf der Halbinscl batten zeitweilig aucb gcrmanische Stilmme ihren Wohnsitz aufgeschlagen, die Bastanier, Gothen, Heruler u. a. Ahnlich wie auf der Krym, bielten sich Reste der Gothen in Bulgarien noch lange Zeit. Zu Jornandes Zoit (551) gab es einige bei Nikopolis. Im IX. Jahrhundert sollen Gothen um Tomi am Poutus die Messe in ihrer Sprache gelesen haben.*) Heruler werden unter'Kaiser Anastasius am Zusammenflusse der Donau und Save erwahnt, drei Gepidendorfcr ,pnter den Slovenen der Walachei unter Maurikios. Alle diese tJberbleibsel gingen unter don Slawcn auf. Auf einige Spuren des Gotbischen im Altslovenischen und im Neubulgariscben h at Safafik aufmerksam gemacht.'”) Auch einige Ilunneii karaen nach Attila’s Tod auf die Halbinsel. Nach Konstantin Porphyrogennetos gab es noch im X. Jahrhundert Reste der Avaren in Kroatien.'') Das Vorhiiltniss dieser Asiaten zu den Slawen mag eiii ahnliches gewesen sein, vrie das der heutigen Tscherkessen zu den Bulgaren.

D. Urspriiiig und Stiiiiime dor Slawcu auf dor Balkanllalbiusel. Die Slawou iu Gricchciilaud. Nachdem wir die alten Sitten und Gebrauche der Slawen, die Art und Weise ihrer Colonisation und ihre Beziehungcn zu den Ureinwohnern dargestcllt haben, wenden wir uns der Frage Zu, looker die slawischen Ansiedler auf die Halbinsel cinwanderten und wo ihre Ursitze zu suchen sind. Dariiber walten drei Meinungen vor. Miklosich, Dio Freindworter in don elaw. Spraclion. Wien 1867, ad aresa. J o r n a n d e s o. 51. W. Strabo Do r e b u s eccl. c. 7. Drinov 143. !*•) Altslov. userqz goth, ausahriggs (inauris), gon’zn% goth, ganisan (sanari). Neubulg. drusam (quasso), raadrusan (conquassatus) goth, drus (ruiua); sctne (serius), setnina (consecutio), goth, seithu, seiths (serum, sero); sakam (quaeroj goth, sokjan; varda (custodia) goth, vardia. 01'. nblg. 5tri,U Storch. Safarik I. 469, 470 Aum. 130.

") Const, do adm. imp. 30.

Urheiiiiat der Ilalbinsel-Slawcu.

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Safafik') verficbt die Ansicht, die Mohrzahl (natiirlicli mit Ausscliluss der ScrLo-Kroatcn) stamme aus dem Lande am Ilinen-See und au den Fliissen Dvina, Dnjeper und Oka. Zum Beweise dessen verweist er auf zahlreiche topisclie Namen, welche man sowolil unter den bulgarisclien Slawen als auch ira nordostlichen Riissland vorfindet; danebeii fiihrt er auch finiiische Worte im Bulgarischeii an, die nur im bohen Norden cntlcbnt werden konnten. Kopitar meint, dass der ganze weite Raum von den (iuellen der Save und Drau bis zum Schwarzen Meere von einem einzigen Volke bewobnt war, welches im VII. Jalirbundert durcb das Einriicken der Serbo-Kroaten in zwei Theile zerrisseii wuide, in die Slovenen und Bulgaren. Drinov, ’) gestiitzt auf die Mannigfaltigkeit der bulgariseben Dialecte, behauptet, die Slawen der Halbinsel hiitten verschiedenen slawisclien Volkern angehort; verschiedenartige Stilmme sowobl der Nord- als West-Slawen sollen zu versebiedenen Zeiten den Uberscliuss ibrer Menscheinnenge in die Provinzen des mit dem Tode ringenden Romerreiches entsandt baben. Wie dem nun auch sein mag, der vorberrsebende einheiraisebe Name jener Slawen, welcbe jetzt allgeraein Bulgaren heissen, war urspriinglich am Anfang des Mittelalters im Sin­ gular Slovenia (c.io«l:iunn.), im Plural Slovene. Ihre Sprache nannten sie slovctihsUi, j^zi/Ti'h. Bei don Griecben nannte man sie £xla^tj7foi, Sd^Xa^}]vol, 27xAd/Joi., IJ&Xofisvot, UxXa^tjGiavoi, bei den Lateinern (bei Jornandes) Sclaveni. Unter alien slawisclien Stiimmen sind die Roraer und Griecben zuerst mit den Slovenen bekannt gewordon. Es ist sehr wabrscheinlicb, dass der Namen „Sloveneu“ sowobl von don Freraden als von den Slawen selbst allmablig auf alle ursprunglich verschieden benannten Stiimme der gesammten slawisclien Nation iibortragen wurde.'') ') Safai-ik’s Werke II. 250 sq. *) Glagolita Clozianus, prolegomena XXX.

•1) Drinov, Sace-neriie 146—148. '•) „Auch die bulgarischen Slawen geliiiren, 'vie die dacischen, deren Tet/.ter Rest sich in der jiingsten .Zeit unler den Rumunen SiebenItiirgens vcrloren bat, so wie die pannonisclieii niul kurantanisehen dem iiloveniachen Stamme an. Sie sind alle JSaehkommeu jeues slawiBcben

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Kapitel IV.

den Slawen -selbst mogen zur Verbreitung dieses Namens die Kirchenbiicher verholfen haben, welche im IX. Jahrhundert in Pannonien in das Slovenische iibersetzt und von dort nach Bulgarien, Alt-Dakien, Serbien, Kroatien, Eussland und Bohmen verbreitet warden, ja selbst bei den Polen an der Weichsel Eingang fanden.') Der oben erwahnte Name der Anten verscbwand bald spurlos. Einige Benennungen der alien Slovenenstamme leben noch heute fort, Aus dem Mittelalter haben wir Nachrichten iiber einige der Seekiiste benachbarten Stamme; die Mehrzahl der bii;\nenlandischen ist unbekannt, da sie weder mit Griechen noch mit Franken in Beriihrung kamen. Mehr als von den slovenischen (oder bulgarischen) ist von den serbo-kroatischen Stiimmen an der Adria bekannt; doch deren Geschichte liegt ausser dem Bereiche unserer Aufgabe. Von den bulgarischen ^tammen wollen wir zuerst die an der Dorian besprechen, und dann die makedonischen.'} Die Severci oder Severane (Ss^dQHg) wohnten in der Dobrudza, wo sie 679 von Isperich’s Bulgaren unterworfen und zum Pass von Beregava, irgendwo am Balkan in der Nahe des Meeres, ubersiedelt wurden. Andere Severanen wohnten in der westlichen Walachei, wo spater das Severiner Banat war. ’) Sieben slawische Stamme in Unter-Moesien warden gleichfalls von Isperich unterworfen. Es erwahnt ihrer schon die Volkes, das Joruandes und Prokopius unter dem Namen Sclaveni und £xXctpr]vol kermeii und dessen Name von Griechen und Riimern und endlich von den Slawen selbst auf alle Slawenvdlker iibertragen worden tMt.“ jVliklntiicli, AK.hIov. F orm onlohre in Pnradi(^moii. Wioii 1874 p. XI. *) tjber den Namen Slovene cf. Safafi'k II. 2 9 —52. «) Die Details s. bei Safarik und bei Drinov 1152 s(j.). f) Safarik I, non idoritifieirle din Kavoraiicjii mit dcii (iiiiiiBOlien

Sabiren (SdfitiQoi), deren tJbersiedelung votn Kaukasus zur Donau ohne Beweis dastebt. Auch den Namen der sebri, einer Classe Iloriger im uUim Sorhion (noch jotzt in Sorliieii und Didmatien scliar, cipor Bauer), leiteto er von den Sabiren ab. Docb njaher kommt in lluHsland nioht nur in mittelallerlichen penkmiilorn, gondern auch in dor jotzigen Sprache vor; a. daruber 25igel’s Ausgabe des Gesetzbuchos des Garen Duhhii, St I'elcrsburg 1H72, Bd. I,, Toxl p. 55 Aiim.

Slawischo Stamme in Moesien.

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arinenische Geograpliie des Moses von Cliorene ( t Driuov schreibt diesen Bericlit dem Moses selbst zu; Safarik hielt ihn fiir eine Interpolation des X. Jahrhunderts. Die Naraen dieser Stilmme sind nicht bekannt. Die Timocaner (Timociani) am Timokflusse neunt 818 Einhard. Interessant ist es, dass Plinius in dieselbe Landschaft das thrakische Volkchen der Tiinacher versetzt.®) Die Moravanen an der Serbischen und Bulgariscben Mo­ rava besassen nach dera bayerischen Geographen (IX. J.) 30 Burgen, Der Araber AI Masudi (X. J.) erziihlt, jenseits der Sarbin wohne ein Geschlecbt, Morava geziannt, biater welchem dann die Chorvati sassen; die Morava wohne an einem drei Meilen breiten Flusse Balava, welcher in den Pontus luiinde — an der Donau. Auf dem Concil 879 sass ein Erzbischof Agathon von Morava (Magccjiav). Mit der nordlichen Morava des Svatoiduk ist diese sudliclie allerdings iiiclif zu verwechseln.") Von den makedonischen Stammen raachen sich die BhrsjaJcen bemerkbar. An dem Sturme auf Salonik 676 nahmen auch die BsQ^ijrao theil. Der Bulgarenfiirst Cerig sandte 774 12000 RJann nach Berzitia, um das dortige Volk nach Bulgarien zu verpflanzen. Noch jetzt wohneh in Makedonien Biirzaci oder Birsjaci um Prilep, Veles, Bitol herura und in der Landschaft Tikves. Die ostlichen Nachbaren der Brsjaken waren die Stryynonischen Slaiven am Strymon und an dor Strumica. Mit den Rynchinen und Sagudaten belagerten sie Salonik 685 — 687. Mit den Sagudaten 689 plunderten sie am Hellespont die nach Constantinopel segelnden Getreideschiffe und erschienen'sogar V

'*) SafaHk II. 223. Drinov 154. ®) Safarik (II. 227—232) versetzt in die Morava auch die Praeden e c c n t a i und G u d u s k a n e r Einhards, die er fiir die noch jetzt wohlhokonntcn JBranidcvci und TCumvr an dor Rlorava- tind Mlavainiinduna’ in Serbien urklart; Drinov 155.—150 liftH diese lOrklarung I'lir alJzu gfkuastell. Jiiuhard selbst versetze ja die Praedenecenten (824) nach Pakien und (822) nenno sie nls Grenznacbbaren der Miibror. Sic wobnten also nicht auf dor lialbinsul. Dio Guduskaner, dem Dalmatonrursi.ou uhlortliuii wohului) ehcr irgendwo nahcr der Adria, vielleicht bei Gacko. 1") Safarik II. 237, III. 76. Drinov 163.

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Kapifpl IV.

vor tier Resiilenz scibst. Gegen Justinian II. erwobrten sie sich 687 durch Verhaue in den Pussen. Die Smoljaner wohnten in der unzugiingliclien LandscLaft am Mittellaufe der Mesta in der Rhodope. Um 1200 erwiilint Niketas- Choniates die Provinz rb •9'fjao: rmv Ufioltvcav. Am Ende des XI. Jahrhunderts fristete elg rav der griechische Eremit Philipp sein Leben, der Verfasser der auch in’s Bulgarische iibersetzten D ioptra..") Idle ByncMner ( ' Pvyx^voi), ara Golf von Rendina wobnend, trieben Piraterie und betheiligten sich bei den Angriffen auf Salonik. Ihr Wohnplatz und die Etymologic ibres Namens ist unsicher. Tafel verwies auf das Stiidtchen Rendina: HilV ferding erklarte den Namen als R^zdane ^(rqd ordo), Safafik als Racane (russ. rucej, altslov. ware racej tovrens); Drinov dachte an das Flusschen ’ Pr'jxiog, das aus dem Besik-See in den Golf von Rendina abfiiesst. Seit einigen Jahrhunderten ist diese Landschaft graecisirt. Die Sagudaten stiirmten 676 ebenfalls Salonik, Nach Joannes Kameniata (schrieb 905) wohnten auf der Ebene zwischen Salonik und Berrhoea die Sagudaten und Dragovicen, ausgezeichnete Bogenschiitzen. Im J. 904 halfen sie bei der Vertheidigung von Salonik gegen die Saracenen. Die Dragovicen (^Qayovfiirai, /Igovyogirai) standen 676 auch vor Salonik, dessen nilchste Nachbaren sie waren, indem sie allem Anschein nach den Westtheil der Vardarebene bewohnten; den .psttbeil hatteh die Sagudaten bine. „Dragabitia“ bei Berrhoea wird 1204 genannt. Ein, Bisthuin war dem von Salonik untergeordnet. — Andere Dragovid sassen in der westlichen Rhodope, wo noch jetzt ein Fliissclien Dragovica in die Kricimska Reka miindct. Von ihnen hatten die Metropoliten von Philippopolis don Xitel eines Exarchen 0Qf(xrjg jQoyogitiag (bei Kodinos ^gayoftivviag). Eine grosse Bedeutung erlangten die Dragovici in der Geschichte der Bogorailen. Andere Dragovici waren in Russlaud und bei den Elbeslawen. '*) *') SafaHk II. 237. Drinov 166. Der Serbencar Dusan sclienkte 1345 dem Klostnr am Derge Mcnikion bei Seres fv r ij r o n o Q 'f a la t o v £rpokhvov (statl £/i.) dtvSQa rtaBaQdnovTu ^kIuvIShk Olosnik 26, 23. '-) Aafa/ik II. 2,3.6, 2P,n, Drinov ICd—KH),

SIftwcn in Makeilonicn, ThosRalien, Epii'os.

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In Thessalien wohnten die Velesici oder Velrgos ti6i (BeXsysltjrai) am Pagasaeisclien Golf. In den Slawenstiinuen auf Salonik im VII. Jahrliundert waren sie 676 unter den Belagerern, 685 traten sie aber als Buudesgenossen der Belagerten auf. Im J. 799, wollte Akamir, dei’ slawiscbe Beberrscber r >';5 BeXfyjttai;, auf Anstiften einiger Griechen, den in Athen lebenden Sobneji des Kaisers Konstantin zur Regierung verhelfen, freilich vergebens. Safafik verlegte das Fiirstenthura des Akamir in das Brsjakenland, Drinov nach 'Thessalien. Im Vertrage des Alexios III. mit den Venetianern 1199 wird neben Blachien (Thessalien) und Demetrias eine „provincia Belegezitiae“ genannt; ebenso bei der Reichstheilung 1204. Noch lieute ist dort eine Stadt Volestino. ’^) In Thessalien war ohne Zweifel das „slovenische Fiirsten* thum“ (kn^zenie slovensko), welches Metliodios der Slawenapostel unter byzantinischer Oberlioheit verwaltete, bevor er sich in das Olyniplcloster zuruckzog.'"*) Der biilgarische Cbersctzer der Trojaner-Chronik im X. Jahrhundert erkliirte die Myrmidonen fur Bulgaren, nach Drinov wahrscheinlich darum. weil damals in der Gegend Slawen wohnten. Jetzt gibt es am Pcneios keine Slawen mehr. Epiros war ganz iibersaet von slawischen Ansiedolungen.'*) Makuscv berechnete, dass von den 1539 Ortsnamen des heutigen Epiros 717 slawisch seien. Das Albanesische ist veil slawischer W orter; sie sind zusammengestellt von Miklosich. Von den dortigcn Stararaon werden nurdie Vojni6i (Baiovvr]Tat) envahnt, die 676 ebenfalls Salonik beunruhigten. Der Normannenfiirst Boeraund zog 1082 8iu rijg Bayav^riag nach Janina. Malaterra (XI. J.) nennt die Epiroten Bulgaren, Arta eine bulgarische Stadt. In dera erwiihntcn Vertrage des Ale­ xios III. und in andoren gleicbzeitigen Urkundcn wil’d neben den Provinzen von Janina und Glavinica die von Vageneti.a, Vagnetia genannt. Eine Urkunde Symeou’s, des Bruders des **) Safafik II. 242. Drinov 173. Leben des hi. Methodios ed. Safafik (I’amatky) rap- II. III. ”) Miklosich, Alb. Forschungen I. Die slaw. Klcmonte im Albanesischen. (Deiikschriften der W'ien. Akad. XIX.) Wioii 1870. Makusev lIcTop. piwwcicaniff o rjiaBJiuax-u biv AjiOairin b i cpennic n'lh'a (Ooseh. Ontersueltungeu uber die Slawen in Albanien im Millelaller.) Warschau 1871, 153.

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Kapitel IV.

Serbeucaren Dusan, gegeben 1361 einem epirotischen Boljaren, zablt eine Menge von Ortschaften ev ra d-t[iavi vrjg Bayevetiag auf, die sammtlich nordlich vom Golf von Arta gelegen sind. ^Homines Vageniti" hiessen im XIV. Jahrhundert Griechen, die vom Festlande nach Korfii hiniiberzogen und dort Vasallen der Barone und Burger wurden. Nicht nur Epii’os und Tbessalien, auch Hellas, auch die altberiihmten Gefilde des Peloponnesos, Attica und Boiotien sind bedeckt mit slawischen Ortsnamen. Drei Viertel der topischen Benennungen geben ein beredtes Zeugniss von verschollenen Slawencolonien. D erH elikon heisst Zagora, bei Maratbon ist ein Dorf Vrana. Wir linden hier einen Berg Chelmos (chltm) und wohlbekannte Dorfnamen Bistrica, Bukovina, Gorica, Granica, Kamenica, Nivica, Podagora, Cernica u. s. w. Nicbt lange nacb der griecbischen Revolution, als nocb ganz Europa im Philhellenismus scbwarmte, tra t Fallmerayer (1830) auf, einer der besten Kenner des orientalischen und byzantiuischen Lebens, und behauptete kiihn, die Neugriechen seien keineswegs die Nachkommen der Sieger von Marathon und Salamis, ibre Adern belebe nicbt ein Tropfen althelleniscben Blutes, sie seien nicbts als graecisirte Slawen. Einen furcbtbaren Sturm erregte nicbt nur in Hellas, soudern in ganz Europa diese neue, unerwartet mit solcber Bestimmtheit ausgesprocbene Ansicbt. Eine ganze Literatur entstand liber die Frage. Die Slawontheorie Fallmerayers gewann in Kurzem eine'ansehnlicbe Anzahl Anhanger.'®) E rst uulangst gelang es Karl Hopf, Professor an der Universitiit von Konigsberg, in seiner Geschichte Griechenlauds im Mittelalter (1867) die Beweise Fallmerayers grundlich zu widerlegen.**; Aber auch er bestiitigt die unleugbare Wahrbeit, dass auf dem Peloponnes *«) Safah'k III. 77. Drinov 172. •’) Hopf in Erach. Gruber’s EiicykI. Bd. 86 S. .33I’) Safarik It. 243—247 liess sich durch Fallmerayer nicbt beirren, was auch Hopf anerkenut, iudcm er sagt, dass „streng wissenschaftliche Erforscher slawischer Geschichte, wie der uuparteiische Safafik, nur mit grosster Vorsicht die neugowonnenen Rosultate berucksicbtigteu.“ §afafik’a Alterthiimer nennt Hopf 102: „ein classisches, von mir vielfach bciiutztes Wei'k.“ '*) Hopf, Gesch. Griecb. vom Beginn des Mittelalters bis auf unsere Zeit, Erscb-Gi’uber Enc. 85, S. 100—119.

Urspruu" der Keugriechen.

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lange Zeit Slawen wohnten, nur das stellt er in Abrede, dass Athen ode gestanden sei, dass die Altgriechen volUg verschollen und dass die Neugriechen mit den Hellenen dutch nichts als dutch eine herabgekommene Spraclie verwandt sind. Hopf’s Behauptung gewann eine machtige Stiitze dutch die philologischen Untersuchungen von Miklosich.*"J Die Slawen xiberflutheten den Peloponnes 587 und hielten ihn als ein unabhangiges Volk 218 Jahte hindutch in ihter Macht. In don Kiistensttichen behaupteten sich die Griechen. In Athen heiTSchte ein reges Leben ohne “Untetbtechung; mehtete byzantinische Kaisetinen waren in dieset altbetiihmten Stadt geboren und Unzuftiedene wutden dorthin in’s Exil gesandt, Wahtend des Bilderstreites stellten die Griechen in Hellas und auf den Kykladen einen Gegenkaiser Kosmas auf und lieferten mit eigenen Schiffen eine ungliickliche Schlacht vor Constantinopel. Unter Konstantin Kopronyinos (741—775), als die Arabet und eine Pest das Reich verheerten, wurde nach den Worten des Konstantin Porphyrogennetos das gauze Land slaudsirt. Abet nocb 755 liess der Kaiser Colonisten aus Hellas in das entvolkerte Constantinopel kommen. Die Hellenen waren also unter dem Slawenstrom nicbt so ganz verschwunden. Der erste Versuch zur Unterjochung der binnenlandischen Slawengaue geschah 783, als der Feldberr Staurakios nach der Unterwerfung Thessaliens in den Peloponnes eindrang und viele Beute und Gefangene fortfiihrte. Als dann die Slawen 807 ira Bunde mit den Saracenen Patras iiberfielen, warden sie nicht allein zuriickgeworfen, sondern in Elis auch zinsbar gemacht. Die Kaiserin Theodora, unter deren Vormundschaft Michael III. (842—867) stand, sandte den Feldherrn Theoktistos in den Peloponnes, der alle Slawenstamme mit Ausnahme der Milinger und Ezeriten, die sich zu einem Tribut verpflichteten,.unterjochte. \)ieMilinger {MikriyYol-, vielleicht Militici) Wohnten auf den Hohen des Taygotos, die Ezeriten (jE^epiVat, J^ezerci) auf der lakonischen Kiiste. Unter Kaiser Romanos 6mp6rten sich die beiden Bergvolker (933) und wurden erst 940 zu einem Tribut gezwungen. Von den Milingern erzahlt »•') Miklosich, Die slaw. Eleinentc im Neugriechischen. Wien 1870.

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Kapitel IV.

Manchos die Legende vom hi. Nikon (f 998), der in Armenien und auf Kreta, spilter auf Euboea, in Attika und Lakonien predigte, das verwilderte Volk untemchtote, Kii’chen baute und endlich in Lakedaimon starb. Dio Melingcr, ein hcidnisches, kriegerisches Riiubervolk, lebten damals uuter eigenen Anfiihrern auf unzuganglichen Bergen, von denen sic oft lierabstiegen, tun Madchen Oder Viehheerden zu entfiihren. Ubermuthigen Archonten dienten sie oft als „Bravi“ ®'). Slawisch sprach man am Tajgetos noch in der Halfte des XV. Jahrhunderts. Als 1205 die Franken den Peloponnes zu besetzen begannen, stellten sich ihnen die byzantinischen Stildter und die Melinger in dem Olivenhaine ICoiidura bei Kalamata entgegen, konnten aber dera Anprall der geharnischten R itter nicht widerstehen. E rst 1249 huldigten diese „Esclavons“, die Bewohner von Dorfern und Weilern im Gebirge (r« 2JxKa^ixa), dem Fiirsten von Achaja, Wilhelm II. Villehardouiii. Aber 1263 eraporten sich wieder die Slawen in Cakonien und Gardilivo, ganz Vatika, Kisterna, Zarnata und das Land der Melinger; 1272 erhoben sie sich von Neuem. Ihr bedeutendstes Gescblecht waren die Zassi in Janitza und Kisterna; Georgios Zassi wird 1310 als Capitiln von Mologos (Melingos) erwahnt. Die Venetianer unterhandelten oft mit den „Slawen in M aina"; z. B. 1389 wiegelten sie dieselben gegen den Despoten Theodor I. auf, 1414 nahmen sie den Zassi von Janitza mit 400 Reitern in ihren Dienst zuin Schutze von Koron und Modon, Im J. 1480 e^schlugen die Slawen von Maina alle Tiirken in ifirera Gebiete, besetzten 29 Castelle und forderten Ferdinand, den Konig von Neapel, auf, Morea in Besitz zu nehmen. Als unzweifelhafte Reste der alten Hellenen in dem slawisirten Hellas betraclitete Fallmerayer die Mainoten und Cakonen. Dass dio Mainoten eher slawisclion, als griecbischen Ursprungs sind, ist jetzt urkundlich fostgestellt **). Audi die Oalionen, die Bewohner des alten Kynuriens auf dor gebirgigen Kuste zwischen Monombasia und Nauplia sind nadi Hopf **) Falluiorayer Gesch. v. Morea 1. 221. Hopf 127, 133. V'gl. die Landschafl Maine in der Hocca di Cattaro und den Serb. Eigennamen Manijnk, Manjek (l)Hiiicie Pje) und einen Brief des Niketas Choniates in Satbas’ Bibl. graeca I. 79.

Petschenogen und Kumaiien.

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Pferde, die er alle auf seine Kriegsfahrten mitnahm, um nacli Belieben urasteigen zu konnen. Auf ihren^ Raubzugen ritten die Kumanen Tag und Nacht, so dass sie an einem Tage oft seeks Oder mebr gewohnliche Tagemarsche zurucklegten. Zum Obersetzen der Flusse dienten ihnen Schlauche. So lange das Ziel noch nicht in Sicht war, nahmen sie nichts, als sie aber dabei anJangten, war kein Entrinnen mehr; sie raubten Menschen und Tbiere. Den Tod fiirchteten sie nicht. Im Gefechte griffen sie unter griisslichem Geschrei den Feind mifc einem Pfeilbagel an und-zogen sich rasch ziiruck, um den Anprall wieder zu enieuern. Alerkwiirdig war die Art ihrer Todtenbestattung. Als 1241 der Kunianenfiirst Jonas, ein Verbundeter der Lateiner, in Constantiiiopel starb, wurde er als Heide ausserhalb der Stadt unter einem hohen Grabhiigel beigesetzt; 8 Waffentriiger und 2G Pferde opferten die Kumanen an seinem Grabe.®) Von ihrer Sprache wisseu wir, dass sie dem Turkischen niiher war als dein Magyarischen;- ein von einem Venetianer im XIII. Jahrhundert am Pontus verfasstes Lexikon ist noch erhulten..'®) Die Petsebenegen wurden von den Kumanen aus der Dnjestergegend nach der Walachei gedrangt. Im J. 1065 iibersclu'itteu diese zum ersten Male, 60.000 Mann stark; die Donau und ergossen sich iiber Bulgarien bis nach Hellas. Die Eindringbnge wurden yon Seuchen find von den Bulgaren und Petscheuegen aufgerieben; den Rest colonisirte man in Makedonien. Bald nach den Petschenegen- und Kumanenkriegen erfolgte mit Unterstiitzung der unabhiingigen Serben ein neuer Bulgarenaufstand. Die Serben behen-schte damals Stephan, Vojslav’s Sohn Michail (1050 — 1084), dem der Papst den Konigstitel verliehen hatte. Die bulgarischen Boljaren, mit Georg Vojtech (BoCzaxog) an der Spitze, ersuchten ihn 1073, 6r moge ihnen gestatten, dass sie seinen Sohn KonstantiH, Jiodin'') zum Caren ausrufen und unter seiner Ffilirung das Vaterland von der griechischen Tyrannei befreion. Michael ’J Alboricus ed. Leibnitz. Hannover 1608, 570. Vt. Horodot IV. 71. "*) Cf. Roosler, Rom. Stud. S38. *0 BoSivog. Racki (Rad 27, 124) schreibt Rudiu; doch vgl. Bodin in finer Urkunde bei Miklosicb, Mon. serbica 60.

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Kapitel XII.

gab seine Einwilligung und Bodin zog mit 300 Serben nach Priltina, wo eine Boljarenversammlung ihn zum Caren proklamirte, wobei er deii Namen Peter annahm. Der griechische Feldherr Damianos Dalassenos, welcHer aus Skopje gegen ibn auszog, ward geschlagen und gefangen genommen. Nach diesem Siege begingen die Aufstaiidischen in ubermiissigera Selbstvertrauen einen argen Fehler, indem sie ihre Krafte zersplitterten. Bodin zog nach Nis, der serbische Vojvode Petril nach Kastoria. Nachdem Petril’s Heer vor Kastoria vollkommeo zersprengt worden war, riickten die Byzantiner gegen Skopje. Von Nis, das er besetzt, eilte ihnen Bodin iiber die schneebedeckten Felder (es war schon Dezember) entgegen. Aber schon auf dem Marsche traf er mit den Griechen zusammen, verlor die Schlacht,**) wurde sogar solbst- gefangen und nach Antiochia in Syrien gebracht, Es gelang ihm aber mit Hulfe der Venetianer zu entkouimen und zur See nach Skodra zu seinem Vater zuriickzukehren. Vojtech verschied auf der Folter unter den Peitschenhieben byzantinischer Schergen. Der Aufstand war gedampft. In diesem Kriege wurde der Carenpalast auf der Insel des Prespasees von frankischen Sdlduern niedergebrannt; diese Abenteurev pliinderten auch die von Samuel gegriindete Inselkirche des hi. Achilleus aus **). Eine Wendung zum Besseren trat in Byzanz dutch die Erhebung der Komnenen ein, obgleich es unter den trefflichen Kegenten dieser Dynastie, unter Alexios I. (1081—1118), Joannes (1118— ,1143) und Mabuel (1143 — 1180) den bulgarischen Landern nicht besser, als zuvor^ erging. Die Einfjille der Petschenegen und Kumanen nahmen keiu Ende. Bedeutenden Vorschub leistete ihnen die Unzufriedenheit des bulgarischen Volkes, welche, abgesehen von dem Hasse gegen die Griechen, durch die Verfolgung der Bogomilen und Paulikianer genahrt wurde. Im J. 1078, als die Barbaren bis vor Adrianopel raubten und innere Unruhen das Byzantinorreich zerfleischten, insurgirte Lekas, ein griechischer Paulikianer aus Philippopolis, das Volk in der Gegend von Sophia und der '*) Nach Joannes Kuropalates iv tivi rontp tsyo/aaV^ Tatovitp. Vielleicht die altserb. Burg Paun (zuto /erb. paun Pfau) bei Gracanica am Amselfelde, von welchem ein Theil noch jetzfc Paunovo polje heisst. ■8) Die Byzantiner bei Stritter II. 661 sq. Racki im Rad 27,124—127.

])er Aufstnnd Bodin’s il073). Bie Bogomilensturme.

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bogomilische Slawe Dobromir erbob die Fahne des Aufruhis in Mesembria. Wohl wurde das angeblich 80.000 Mann starke, aber ungeordnete und schlecht bewaifnete Insurgeutenheer von einem viel schwiicheren wohlgeiibten byzantinischen Corps zersprengt, aber schon acbt Jahre spater (1086) verbanden sicli die bulgai’iscben Hauptlinge von Drster und der Umgebung (einer hiess SesJav) mit den Kumanen. Gleichzeitig erhoben sicb die Bogomilen und besetzten unter dera Com­ mando eines Paulikianers aus Pbilippopolis, eiues ehemaligen Hoflings, das Bergschloss Beljatovo (irgendwo in der -westlichen Sredua Gora) und braudschatzten von da aus ganx Thrakien. Ihr Befehlsbaber heiratbete sogar die Tochter einos Kuraanenfursten, Mit Hiilfe der Aufriibrer besetzten die Ku­ manen Drster und das Donaugebiet, das den Byzantinern einige Jabre bindurch nur dem Naraen nach unterthan war. Im J. 1087 riickte Tzelgu-Chan mit 80.000 Petschenegen und Kumanen in Tbx’akien ein, fand aber den Tod in einem unglucklicben Treffcn. Kaiser Alexios, der 1088 an die Donau vorriickte, rettete aus einer furcbtbaren Schlacht kaum das uackte Leben. Nur dutch Aufreizung der Petschenegen und Kumanen gegen einander vermocbte man das heranbrechende Unheil abzuwenden. E ist 1091 gelang es dutch die Yernichtung der Petschenegen bei Levunion an der Maricamiindung den gi’ilulichen Verwiistungen der Haemuslander ein Ende zn machen. Ein Tbeil der Barbaren wurde in Moglena colonisirt, die iibrigen niedergehauen. Im J. 1122 gingen die Petsche­ negen zum letzten Male iiber die Donau und wurden bei BeiTboea in Thrakien vollsttindig aufgerieben. Mit dem Ende dieses Jabi'hunderts verschwinden sie vollstiindig; ih)e Sitze nahmen die Kumanen ein. Iin J. 1094 zogen die Kumanen auf Anstifteu eines Gegenkaisers, des Pseudo-Diogenes, neuerdings iiber die Doimu. AIs sie mit Hiilfe der Gebirgsbewobner selbst den Balkan iiberschritten, entschlossen sich die Burger Jambol’s und andcrer umliegouden Orte dem Pseudo-Diogenes zii huldigeii. Bamals musste sich Adriauopel 48 Tage gegen die Kmnanen vertbeidigen. Die Schlacht bei Taurokomon machte der Bowegung ein Ende. Racki, Borba juzuih Sloveiia, Rad J ir o O f'k } (lOfcoh. dor I^iilgaroii*

30,

77 und 31, 196—217. 14

210

Kapitel XIl.

Gefahrlicher als die transdanubischen Nomaden wurden die Norraanuen. " Robert Guiskard landete 1081 in Albanien, schlug den Kaiser Alexios am Arsenflusse und nahin Durazzo. Sein Sohn Boemund besetzte, nach der Eroberung von ganz Epiros, auch Kastoria, Moglena, Skopje und alle makedonischen Stadte bis zum Vardar. Aber die Eingeborenen, obwohl missvergniigt, scblossen sich den „ketzerischen“ Eindringlingen doch nicbt an, und als Robert 1085 starb, gingen alle Eroberungen wieder verloren.

Kapitel XIII.

Der innere Ziistand Bulgariens im XL und XII. Jalirhundert. Hellenidrung der NationaUcirche von Ochrida. Ausbreitung der Bogomilen ilber Griechenland, Bosnien, Italien und Frankreich. EtJmographische Gbersicht der Halhinsel. Ochrida war seit dera XII. Jahrhundert das BoUwerk des Hellenismus in den makedonischen Slawenliindern. Schon der Nachfolger des Joannes von Dibra war ein Grieche und seit der Zeit waren die Bulgaren von dem Erzbisthum aiisgeschlossen. Die Erzbischofe wurden vom Kaiser ernannt, ’) Der hervorragendste unter ihnen war der bekannte, Scbriftsteller Theophglcddus aus Euripos in Euboea (ungefabr 1085— 1107); seine Legenden und Briefe geben manchen Aufschluss uber das danialige Leben in Bulgarien. Ochrida bliob auch nach dem Falle des Carenreiches eine durch Prachtbauten *) und regen Handel aiisgezeichnete Stadt, wie dies auch der arabische Geograph Edrisi (1153) bezeugt. Wahrend der 168 Jahre der byzantinischen Herrschaft nahm die Lehre der Bogomilen einen ausserordentlichen Auf’) Die bulg. Erzbiscbofe und Patriarchen (Golubinski 33 sq.); Joseph 670, Georg 678, Leontij, Dimitrij, Sergij, Georgij, Damian (zu Peter’s Zeit), German oder Gabriel in Voden und Prespa (unter SamueOi Philipp (der erste in Ochrida), David um 1015—1018, Joannes 1019, Deo ( f um 1055), Theodul, Joannes Lampenos (f um 1078), Joannes uoivog , Theophylaktos (um 1086—1107), Leo Mung fein Jude), Michael Maxim (ein Kunuch), Eustathios (um 1134), Joannes Komnenos (der Netl'e Aloxios’ 1. um 1143—1166), Konstantin 1. (abgesetiit 1166), ein Ungomirmter 1183, Joannes Kamateros. Vgl. Zachariae 16—24. *) Die obere Sophienkirche baute Erzbischof Leo, (Jie unter Ihoodul. Eine davon steht noch jetzt als Moschee. ® U*

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K apitel XIII.

sch’vmng. *) Bald fand sie Eingang bei der Griechen, die im M ittelalter an spitzfindigen thcologischen Controversen eiuen besonderea Gefallen fanden. Die gauze Gegend urn Philippopolis war im XI. Jahrhundert voll von Armeniei'n, Bogomilen und Paulikianern. Kaiser Alexios verfolgte die Bogomilen mit Feuer und Schwert; ihren Altesten Basilios, dor sammt seinen 12 ,„Aposteln“ gefaugen wurde, Hess er iin Constantinopler Hippodrom verbrenneu (1111), Die Friicbte dieser Verfolgungen haben wir oben gescliildert. Im J. 1144 warden in Constantinopel zwei Biscbofo wegen des Bogomilismus abgesetzt und ein vom Volke hochgeacbteter Monch Niphon eingekerk e rt; eim^e Jahre friiher verurtheill'e ein Concil den Monch Konstantin Chrysomalas, welcher den bogomilischen Dualismus dahin erweitcrte, dass cr lelirte, der Mcnscb babe zwei Seelen, eiiie gute und eine bose, und Niemand konue ein guter Christ werden, solange er die bose Seele nicht aus sich baune. Aus der Balkan-Halbinsel kam die Bogomilenlebre wahrscheinlicb iiber das byzantinisclie Unter-Italien nach dem Occident. Dock konnte sie sich auf italienischem Boden nur in der Lombardei beliaupten, wo sie in den Stiidten und unter dem Schutze des ihr zugethancn Adels vor den Verfolgungen der Papste gesichert war. Im J. 1017 trcteu die orsten „Manichaei“ in Franki’eich auf; Toulouse wurde ihr Hauptsitz. In Koln am Rhein tauchen sie 1146 auf; bald findet sie man auch in Strassburg und anderen Rheinstiidten. Im Westen hiessen sie nicht mehr Bogomilen oder Babunen, sondern fiihrten zahlreiche audere Namen, wie Manichder, Pohlikancr (aus Paulikiani), Patarener in Italien (von der Mailander Vorstadt Pataria), Katharen in Deutschland und Italien (Ursprung dunkel; davon deutsch Ketzer, bobra. kacir), Albigenser in Frankreich (nach der Stadt Alby), Texerantes, Tisserands (weil ihre beschauliche Lebensweise unter don Webern vielo Anluliiger gewann). Sich selbst nannten sie aber nie andcrs als christiani^ boni christiani, bans hommes. Dass ihr Glaube aus Bulgarien stamme, vergassen weder sie Siehe B acki’s oft erwahntes Work iiber die Uogoraileu und Schmidt, Ilistoire et doctrine de la secte des (Jathares ou Albigeoia. I’ariH 1849. liber die grieoh. Bogomilen: Kuthymios i^ygadenos, cd. Gicneler, Gottingen 1842.

Ausbreitung Jer Bogomilen.

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selbst, noch ihre Gfgner; daher die Nainon Bulgarmum haeresis, Bulgari, Bugri^ woraus das franzosisclie Scbmiibwort hougre entstand. Am Anfang des XIII. Jahrhunderts war ganz Siideuropa von den Pyrenaen und dem Ocean bis zum Bosporus und Olymp von einer fast ununtcrbrocheneu Kette bogoniilischer Ansiedlungen umspannt. Millionen bekannten offentlich oder insgebeim die Lebre des bulgarischen Popen. Die Glaubigen in der lombardiscben Ebcne und in Siidfrankreicb unterbielten einen regen Verkebr mit ibren Glaubensgenossen im Byzantinerreicbe, in Bulgarien und Bosnien. Lange bevor Constantinopel von den lateinischen „Kreuzfabi’ern“ erobert und von den Tiirken eingenommen wurde, bestand ein machtiger, wiewohl gebeimer Gedankenaustausch zwischen Orient und Occident. Ursiniinglicb glaubten die Bogomilen, Gott und Satan seien gleicben Alters. Doch erhob sich gegen diesen absoluten Dualismus schon im X. Jabrlm ndcrt. eine geiniissigte Partei, welcbe den Satan nicbt fiir ein von Uranbeginn besteliendes Wesen, sondern fiir einen gefallenen Engel ansab. An dem alten Ditbeismus bielt die Kivcbc der Dragovicen (in Makedonien) fest; den gemassigten Monotbeismus, den zeitlichen Ursprung des Biisen, vertrat die Kirche von Bulgarien. Dieses Schisma wurde aucb nacb Westen iibertragen. Niketas, der Bischof dor Constantinopler Gemeindc, die mit den Dragovicen eines Sinnes war, botbeib'gte sich an dem Haeretikerconcil in St. Felix de Carainan bei Toulouse, welches den absoluten Dualismus fiir den eohten Glauben erkliirte. Doch blieb dieser Beschluss obnc nacbbaltige Folgen. Im XIII. Jahrhundert warcn es im Occident mir die Kircben in Toulouse und in Albano am Garda-See, wo die Lebre vom ewigen Bestande des Bosen riickbaltlose Anhanger zablte. Auf der Balkan-Halbinscl lag der Scliwerpunkt des Bogomilismus in Makedonien. In Melnik, bei Prilep, in dem Gebirge Babuna, ■*) wo nocli jctzt ein Dorf Bogomili lieisst, und in Moglena, wo unter Kaiser Manuel der hi- Harion als Bischof barte Kiimpfe mit don Bogomilen bestand, gab es '*) Schon im XIII. J. (Babuna, Sai'aHk I’om. 25. „I)er Sage nach war dieser Berg in alter Zeit der Zufluchtsort der Babuneu oder Bogo­ milen." Grigorovic. Reise 139.

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Kapitel XIII.

bogomilische Geraeiutlen. Friihzeitig fand ihre Lehre auch in Serbien Eingang, wurde dort aber (um 1160 —1185; von dem energischen Grosszupan Stephan Nemanja auf irniner ausgerottet. Aus Serbien fliichteten die verfolgten Bogomilen uacli Zacblumien (Hercegovina) zn Stephan’s Bruder, dein Fiirsten Miroslav, der sie aus Bruderhass gern aufnahm. Von Zachlumien aus gelangten bogomilische Glaubensboten nach Bosnien, wo ihre Lehre unter dem Schutze des Adels und dor Bane eine gleiche Macht entfaltete, wie im albigensischen SiidfrankreicTi. Im XIII. Jahrhundert iiberschritt der neue Glaube die Save und griff in Syrmien und Slavonien um sich. Auch in Bohmen taucht er spoi’adisch auf, wohin er entweder von Siiden oder aus den Rheinliindern verpflanzt worden war.”) Die occidentalischen Bogomilen besassen eine Ubersetzung der hi. Schrift in romanischer Volkssprache, die nicht aus der Vulgata, sondern aus griechischen Texten veranstaltet war. Zu den wenigen von den bulgarischen Bogomilen anerkannten Biichern nahmen ihre griechischen Glaubensgenossen noch den Psalter und die Propheten a n ; im Occident gcsellte die Kirche von Albano auch noch die Bucher Job und Sirach, sowio auch die Schriften Salome’s hinzu. Abgesehen von vereinzelten Excentricitaton tritt bei den Bogomilen immer mehr dieTendenz zu Tage, sich-dem Christenthume, dem ihre Lehre ihrem Wesen nach ziemlich feme stand, zu nahern, um so unter den Christen leichter Proselyten zu gewinnefa. So lehrte der Italiener Johannes de Lugio die wirkliche Menschwerdung Christi ‘und nahm das gauze Alte Testament a n ; andere gaben die Freiheit des Willens zu. So gestaltete sich das religiose Lebeu in Bulgarien im XI. und XII, Jahrhundert. Nicht minder wichtig ist es, die Der Serbenkonig Stephan Uroi III. sandte eiust seinen Sohn, den nacbnialigen Curen DuSan, mit Ileeresmacht gegen die „gofctlo9cn und heidnischon" Babuneii, die er nach vielem IJlutvergiesscn schlug und dann zu seinera Veter in das Serbeiiland 'zuruckkehrte. Eine alto JN'otiz vom J. 1329 in Grigorovic's Reise 20. Vielleicht wohnten diese llilretikcr ill Makedonien, dessen Eordtheil die Serben damals schon besassen. ®) I’alacky, tlber die Beziehungen und das Verhiiltiiiss der Waldeiiser zn den ehemaligen Sekten in Bohmen. Prag 1869. Brandi im Cas. malice mnravsko I. 2. Aber die dort erwiihiite Urkunde Innoceuz IV. (1244) betrillt ehef Bosiiien, als Bohmen.

Etliiio»raphische (Jbei’Jiicht.

215

ethnograpliischen Zustiinde kennen zu lernen. Die dortige Volkermischung war damals ebenso bunt, wie jetzt. Das slawische Element war am weitesten verbreitet. Der jetzt verschollenen Slawencolonien in Hellas und Thessalieu haben wir bereits oben gedacht (S. 122). In Albanien und Epiros waren die Thiilcr und Ebenen lange Zeit von serbischen und bulgariscben Stiimmou bewohnt, wahrend auf den Hohen Albanesen und Wlachen, in den Iviistenstadten (Durazzo, Naupaktos) Griechen hausten. Die siidepirotiscben Vojnici werden sclion im VII. Jahrbundert genannt. Im X. Jabrhundert war alles Land von Durazzo bis Janina sammt dem Kiistengebiete ein Tbeil des bulgariscben Reiches. Auf den Bergen Albaniens vorbluteten 1018 die Ictzten Kiirapfer um die bulgarische Unabbiingigkeit. Im Aufstande Doljan’s erhoben sicb die Slawen um Durazzo und die Bewobner der Provinz von Nikopolis (Aetolien und Akarnanien) scblosson sicb den Bulgaren, „ibren Landsleuteii" an. Noch unter den Anjou’s (1250—1350) finden wir Slawen in der Kiistenebene und am Drim. Eiue Verstilrkuug erhielt das slawische Wosen in Albanien und Epirus, als der Serbencar Dusan diese Liinder eroberte,’) Dio Grenze dor Serben und Bulgaren in dieser Periode liisst sicb nicbt bestiramen. Sicber ist es, dass an der Donau das bulgarische Element an das russische grenzte Die Sitze der russiscben Uglici und Tiverci reicbteu im IX. und X. Jahrbundert (nach Nestor) bis an die Donau, an deren Miindungen es damals russische Stiidte gab. Doch die Slawen mussten bier den Petschenegen und Kumaiien Platz macheu. Nach dem Abzuge der Nomaden erscbeinen dann in der Moldau nicbt raehr Slawen, sondorn Runlunen, aber aucb bei diesen bliob das Kleinrussische eine Zeit lang die Staatssprache.*) ’) ISiche das intorosaante, auf neuen Quolloiistudicn basirte Work doe Warschaucr Professors Makusov (s. S. 121 Anin. lf>)*') Als Curiositiit beinerke ich, class ein nltlmlg. Vblkcrkatalog (ungofiihr aus dem XIII. J.), den Bulgaren init oiuom lJuU'el, den Serben mil eiiiem Wolf vergleicht; die Physioguomio der Albanesen wird dort mil der eines Bibers, die des Wlacben mit einem Katzengosiebt zusanimcugestellt. Das Original bei Safafik II. 733>

216

Kapitel XIII.

Die Alhanesen, obwohl das jilteste Volk dcr Ilalbinsel, werdeti vor dem XI. Jahrbundert nirgends erwiibnt. Sich selbst nennen sie Slcjipetaren., vtaa Einige als „Ge]jirgsbewohner“ deuten, ibr Land Skjiperia. Bei den Slawen heisseu sie Arhanasi, bei den Griechen A q^ ccvItui, bei den Occidentalcn Albanenses. Auch dieser Name ist einbeimisch, vielleicbt ein alter Nationalname. Im toskiscben Dialekt bedeutet Arberi oder Arberesi einen Albanesen, und Arbe.ria beisst das Gebirgsland zwiscben Valona und ArgyrOkastro; unter Arbenia wird im Gegiscben ganz Albanien verstanden, in der Mundart dcr Hocbliinder vorzugsweise die Kiistenebene yon Durazzo. Der slawiscbe, Crankiscbe und griecbiscbe Namen ist offenbar dem gegiscben (nordalbanesischen) Dialekte entlobnt. ®) Die erste Notiz von den Albanesen babcn wir aus dem Jabre 1079. Damala emporte sich der griecbiscbe Strateg in Durazzo gegen seine Regierung. Unter seinen Truppen waren neben Normannen, Griechen und Bulgaren auch ’AQ^avltui. Seit dieser Zeit ist von ihnen in griechischen, lateinischen und slawischen Quellen oftei die Rede. Sie lebten auf unzuganglichen Bergen als halbwilde Hirten in Familiengenossenschaften unter der Verwaltung einbeimischer Anfiihrer. Altserbische Denkmiiler des XIV, Jahrbunderts erwabnen albanesiscbe Dorfer am Sar und am Zusammenflusse der beiden Drime, wo sie den Kliistern von Decani und Prizren unterthan waren. Zwei Ortscbai’ten, Arbanasi genannt und gewiss aucb von Albanesen bcWobut, taucben damals inmitten der makedoniscben Slawen auf,") die eine im Gebiete von Zegligovb, die andere bei Pvildp. Aucb in Serbien nomadisirteu Albanesen mit ibren Heerden. '*) Dio Bergbewobner Albanieus, mit Raubziigen und Guerilla seit uralter Zeit wobl vertraut, stiegen allmiiblig in das Tiefland herab und unterjochten die dortigen Slawen, Albane®) T o s k . A r b e r i j a , g o g . A r b e u ij a . —

t l b e r d e n V o J k a n a t n o u rl'. H a lm ,

A lb . S t u d . I. 2 3 0 , f » r in u . W a r d a r 13.

"*) Anna Komnena ed. Bonn. 1. 17- 22. Halm I. 3'2. " ) M i k l o s i c h , M o n . s e rb . U 4 . O la n n ik 13, 370.

**; Kiinig Stephan Vladi.slav 11234—1241) verlieh deni Klosler von Vranina (auf einur Insid dna Snea von Sto.lni), das Kccbt, daas ki n albauoei.scbor llirl uui Hin( n (uiioii) i lierwintern diirfr. Moii. sevi). 27.

Dio Albanesen im Mittelalter.

217

sische Hauptlinge traten an die Stelle dei’ slavrischen BoIjaren. Bald wurde es in Albanien Rcgel, dass nur ein „Serbe Oder Slawe“ Sklave sein konne. Die Eroberer iibernahmen von dem unterworfenen Volke niclit nur Gesetze, Sitten und geordnete Lebensweise, sondern auch die Ausdriicke fur die neuen Begrifife. '^) Eine merkwiirdige Bewegung erfasste die Albanesen ira XIV. Jahrhundert, wo sie das verodote Hellas uberHutbeten. Den Tiirken unterwarfen sich die Albanesen nach einem tapfcrn Kampfe; als ein sinnverwandtes Volk wurden sie ibnen eine trefflicbe Stiitze. Seit Menscbengedenken stets wenigstens dera Nainen nach den Griecben, Bulgaren, Italienern, Serben und Tiirken unterthan, versuchten sie bei all’ ibrer Kriegstiicbtigkeit nie die Griindung eines eigenen albanesischen Reiches; selbst ibr Nationalheld Skanderbeg war ein Slawe von Geburt. Im Glauben schwankten sie unaufborlich zwischen Katbolicismus und Orthodoxie, und selbst die Annahme des Islam bot ibnen keine Schwierigkeit. tiber die ganze Halbinsel unter Albanesen, Griecben, Bulgaren und Serben zersprengt, wohnten die Ettmmien^ slawiscb und griechisch Wlaclien genannt (Vlasi, Blajrot). In neuerer Zeit hat fiir sie besondors in Serbien der Ausdruck CHncar Eingang gefunden, dor einen gewissen spottischen Beigeschmack enthiilt (cincar rum. Stechmiicke). Ausseroi’dcnllicber Untcruobmungsgeist, Vernaclilassigung der eigenen Nationalitiit und daneben treues Festbalten an der Muttersprache sind die Hauptziige in dem Charakter der Wlacben. Im Mittelalter wai’en sie viel zablreicber als jetzt. Obwobl sie zu den iiltesten Bewobnern der Halbinsel gebbren, werden sie nicht fiuher als um 976 in der Gegend zwischen Kastoria und Prespa erwabnt.''*) Das Cbrysobull des Kaisers Basilios II. unteroribiet die Wlacben in ganz Bulgarien, sonacb von Bdyn und Belgrad bis Janiua, dem Erzbisebof von Oebrida. *')

Albai

Makuiov 45. ftlijclosich, Alb. Studien I. Die elav. Klomente im Wien 1870. l\pdrenns II. 435. Hieho S. 189.

' b K ( i \ Xai^^dvHV TO Havovtttbv avToir ndvTtav, x a l t & v &va Tcdactv BovXya liccv JiXdycav x«l rdiv Jrfp) rov ib* T ovqkwVj ooot iv to i

BovXyKi ixmp ot>o>ii ilal. Golubiuski 2b3

218

K a p it e l

XIII.

In Thessalien, das im XII—XV. Jahrliuadert einfach GrossWlnchien (MsydKt} B^axicc) hiess, bildeten die Wlachen den Kern der Bevolkerung. Der jiidische Keisende Benjamin von Tudela (f 117;i) erzilhlt, dass sie damals noch Heideu waren und schnellfiissig wie die Ziegen, aus ihren Bergen auf Baub auszugehen pflegten; Niemand vermoge sie zu unterwerfen. Klein- Wlachien war zu jener Zeit in Aetolien, Weiss- Wlachien in Moesien, Schwarz-Wlachien {MavQo^la%ia) in der Moldau. Das Despotat von Epiros nannten die Serben das Wlachiotculand. Zahlreiche Wlachen wohnten in der Rhodope '*), wo man sie am Pernar und in Nevrokop noch jetzt antrifft. In der Dobrudia und bei der Anchialos werdeu Wlachen 1095 und 1164 erwilhiit, bei Bizye in Thrakien 1284; die Byzantiner bemerken von diescn Pontuswlaclicn ausdriicklich, sie seien Nachkommen italischer (romischer) Colonisten. Jetzt gibt es am Hacmus keine Rumunen mebr. Schr oft werden die Wlachen in Serbien crwahnt. Schon Stephan Nemanja schenkte ihrer 150 dcm Kloster Chilandar. Horiger Wlachen gedenkt das Typikon des Klosters Studenica (um 1200J. Zahlreiche Wlachendorfer nennen die Griindungsui'kunden der Kloster ZiSa am Ibar (urn 1222—1228), Decani an der Bystrica ('13:10), des Erzengolklosters von Pri­ zren (um 1348) und Dusan’s Chrysobull fiir Chilandar (1348). Diese Aiisiedelungeu lagen grdsstenthcils in der Sar-Planina, in den Bergen westlich vom Weissen Drim, am Ibar und der Serbischen Morava, in wclcher Gegend noch jetzt ein Gebirge Btari Vlach heisst. Ein wlachisches Dorf Namens Ponisa war an der Morava. In Makedouien werden Wlachen unter dcm Serbeukonig Milutin (1281—1320) bei Skopje, untor dom bulgarischen Caren Konstantin (1258 —1277) bei Prilep erwahnt. Es ist kein Zweifel, dass man unter Wlachen, welche meist in slawisch'benannten Dorfern wohnten (Susicani, Dobro•«) Daniel ed. Danicid IJl, 354, Eiue Person VlacUiot Dragja in einer Urkunde utn 1348 (Ulasnik 15, 292). K antakuzeuos I. cap. 30. ed. Bonn. I. 143; ava d'f tu >v and to v zluxixov yivovg vo/tdSa SUf/^ncivov (Sarbau). Byz. Kachricliteu liei lloeslcr Rom. Stud. 100. Uopf 1G5. Siehe Danicic’s Altserb. Lexicon, unter Vlach.

Die Rumunen (Wlacben) im Miltelalter.

219

doljani, Goracevci usw.), damals oft auch slatvische Hirten verstand, aber zura grossen Theile waren es wirkliche Rumu­ nen, wie dies schon ihre Eigennamen zeigten, z. B. in der Prizrener Urkunde die auf -ul (Vladul, Dragul, Rajul, Stannl, Negul) Oder in der Insclirift von Zi6a: Sarban, Bun (bonus), Bukor (alb. und rum. bukiir hubsch) u. s. w. In Bosnien werden in Urkunden des XIV. and XV. Jahrhunderts haufig Serben und Wlacben (Sclavi aut Vulahi), Bauern, Hirten und Handler, im Gegensatze zu den Ragusanern angefubrt. In Istrien gibt es noch jetzt vier Dorfer, dereu Bewobner unter einander rumuniscb, mit ihren Nacbbarn kroatisch sprecben. '*) tiber die Lebensweise der mittelalterlichen Wlacben fehlt es nicht an Nachrichten. Sie waren vorwiegend ein Nomadonvolk von einfacher, mitunter aber auch gewaitthatiger Sinnesart. Wie heutzutage, so woideten sie auch damals im Sommer ihre Pferde, Schafe und Ziegen auf hohen Alpeutriften und zogon im Herbst in die Winterquartiere {simiste, zimovista) hinab, wo sie dem Gnindbesitzer fiir die Uberwiuterung von jedem Hundert zwei Stuck Vieb zahlten {travnina). Dass diese winterlicben Giiste dem Besitzer haufig sehr unangenehm waren, liisst sich leicht ermessen. Zwei Bestimmungen der Gesetze des Caren Dusan (1349) beziehen sich auf die Grenzverletzungen durch albanesische oder wlachische Hirten.®'') Die Ragusaner erlaubten den Wlachen nie auf ihrem Territorium zu uberwintein (prestat u zimistech), und als sie einst auf Bitten des bosnischen Konigs Tvrdko Tvrdkovic von dieser Regel abwichen, richteten ihnen die „Vlasi Kujavici" nicht nur einen grossen Schaden an, sondern erschlugen sogar einen von ihren Leuten. *') Die wlachischen Dorfer im Gebirge uannte man Katuni\ es wohnten in ihnen oft iiber •9) Hiehe Miklosioh, Die Istrischen Rumunen (in; Die slav. Klemente im Rumunisoheii. Wien ISGl). Im kroatisohen KiUtonlande verNicherte niich ein glauhwiirdigor Mann, dass auf dor Insel Veglia (Krk) das Kuinuuisobe noch in unserem Jahrhundorl nicht unbekannt war, Was eiiior nilheren Untersuchung werth ist.

®") Dusan’s Gesotzhuch §§. 66, 71. *') M. Pucic CuoMemuiH cpxOcKH (Serb. Denkmaler) 1395 — 1423.

Relgrad 1858, 82.

220

Kapitel XIII.

35 Familien. Ihr Hauptling hiess in Serbien, ebenso wie in den Karpaten hnes oder premikjur. Obgleich eiu unstates Volk, waren die Wlachen meist Unterthanen der Kloster und des Adels, aber da sie ein ungebundeneres Leben fiibrten, als die iibrigen Dorfbewohner, durfte kein leibeigener Serbe eine Wlachin zur Frau nehmen. Fiir das Weiden fremden Viebes erbielten sie entweder einen Antheil an derHeerde (beleg), Oder warden monatlich gezahlt (inesecina). Als Haudelsleutc trieben sie Karavanenliandel nacb Ragusa und Cattaro, besonders mit Salz. Auch in byzantinischen Kriegsdiensten werden sie angetro£fen. Die Sprache, der Halbinsel-Wlachen ist noch immer wenig bekannt, obgleich ihre Erforschung besonders in lexikalischer Beziehung wichtige Ergebnisse zu Tage fordern durfte. **) Eine wlacbische Literatur gibt es nicht; als Scbriftsprache gilt ihnen jetzt das Griechische. Der Name Wlach^ welcher urspriinglich einen Menschen romanischer Abstammung bedeutete, wechselte oft seinen Sinn. In Bosnien nannte man mitunter auch die. Ragusaner Wlachen. Am Ende des XII. Jahrhunderts iibertrug man den Naraen irrthiimlich auf die moesischen Slawen. Niketas Choniates, Ansbert, Villeharduin, Clary und andere Zeitgenossen nennen die Caren Asen und Peter und ihr Volk durclnvegs Wlachen, ihre Sprache wlachisch; erst bcim Akropolita verliert sich diese Verwechslung. Anlass dazu mochten die damals am Pontusgestade noch existireuden echten Rumunendorfer gegeben haben. Jetzt bedeutet Winch in Donau-Bulgavien und Serbien einen Dako-Rumunen, in Thrakien und Makedonien einen Makedo-Rumunen, in Kroatien einen griechisch nichtunh’ten Christen, in Bosnien einen christlichen Slawen, in Dalmatien einen Bauer auf dem Festlande (Morlaken), bei den Slovenen und Bohmen einen Italionei-. Neugriechisch heisst ^Xd%os der Bauer ira Gegensatz zum Hirten (coban). Viel dunkler ist der Ursprung der Rumunen in Dakien. *») Georg ICouHt. Uosa untersebied 180!) den tno8ko])olitaniscben, den grabovenischen, den gramostenischen, den gopisteniseben, den mezuvitiseben oder epirotiseben, den malavietcniachen und den Gebirgs- oder wlacbisoboii Dialekl (Kapitar Kl. Scbrilton I. 182). Dazu ist die inoglrnische Muudart, die dem Pakorumunisoben sebr nahe sein soil, hiuzuzufiigen (Hahn, Diin u. Wardar 261).

Der Name Wlacb. l>ie dnkiscben Rumuuen.

221

Hire ununterbrochene Ansiissigkeit in ihreu gegenwilrtigeii Wohnsitzen ist, cla sie jcdes positiven Beweises entbehrt, neulich sehr in Zwcifel gezogen worclen; doch ist der Streit uni diese ethuographisch hochwichtige Frage noch nicht vollig ausgefochten. Bulgariscbe und russische Slawen, dann iiomadische Magyaren, Petschenegen und Kumaueu bildeten die Bevolkerang der Moldau und der Walachei in der ei’sten Hiilfte des Mittelalters, Wer damals auf den sonnigen Hbhen der Karpaten hausto, ist ein Riitbsel; wolil waren sie von ruiminisclien Hirten bevolkei t, die frubzeitig aus der Halbinsel dahin iibersiedelt sein moohten. Die Thaler Siebenburgens batten, wie sieh aus den Ortsnainen ergiebt, eine slawische Beviilkerung (S. 82). Nach dem Abzug der Kumanen waren die Ebenen niirdlicb von der Doiiau ode und wiist. Da stiegen nun die Hirten von den Bergen herab und liessen sich unter den Uberresten der Slawen nieder. Indem sie sich die Slawen assimilirten, iibernabraen sie von ihnen Hunderte von Wdrtern nicht nur fiir die gewohnlicben, sondern insbesondere fiir die Begriffe des Christenthums. Die christlicbe Teiniinologie der Rumunen gibt ein unzweideutiges Zeugniss dafiir ab, dass sie die Lehre Cliristi von den Slawen angenominen haben. Bis in das vorige Jabrliundert war bei ihnen das Slawische Amt- und Kircliensprache. In Siebenbiirgen werden die „Blaci“ 1222 zum ersten Mai genanut ; leider ist vor der Einwanderung der Sachsen iiber dieses waldigo und verodete Land gar wenig bekaant. In der Walachei linden wir im XIII. Jahrhundert rumunische Geschlechter unter ungarischer Oberhoheit ftXax(c()-, erst im XIV. Jahrhundert entsteht dort ein Staat. Die Gricchen warden oft mitten unter Slawen in Stadten colonisirt, urn diese letzteren im Zauine zii halten; so in Mel­ nik, Viele kleinasiatischen Griechen fliichteten vor den Tiirken bis nach Serbien, wo wir sie unter Kbnig Milutiu ('1281 —1.120) an der Br%alnica antreffen. ■*) '*■'’) „Golegeutlich will ich nu r bem erken, dass die ohristlicho TerTninologie der Rumuiion so wie der b is in eino ziemlioh ajiSfe Zoit forlptesetzte Gebrauch slawischor Kirohenbiioher auf eineu .\nflieil der Slawen In der w ohl eiem lich sp d te n C h ristia n isiru n g des ruiuunischen Volkes eineu Sdiluss g o sta tte t.“ Miklosich, Altslov. F onneulehre (1874) XXV. ’ *) M i k l o s i c h , M o n . s e r b . 69. G l a s n i k 34, 346.

222

Kapitol XIII.

Die Armenier batten seiner Zeit einen solcben Einflnss im Byzantiuerreicbe, dass einige ihrev Landsleute selbst den Kaiserthron bestiegen. 5ie fehlten in keiner grosseren Stadt. In Dorfern wohnten sie bei Pliilippopolis, in Moglena in Makedonien und selbst am Psinaflusse. Die Armenier waren die eigentlichen geistigen Urheber des Bogomilismus. Ancb tiirkische Stiimme wurden von den Kaisern unter den Bulgaren angesiedelt. Die Vardarioten zwischen Thessalonich und Voden waren von Kaiser Tbeophil (829—842) hinverpflanzt. Sie batten einen eigenen Bischof (6 BaQSuQimav tjvot TovQxav), welcher der Kirche von Ochrida untergeordnet war. **) Noch im XVI. Jahrhundert fuhi'te der Bischof von Poljana (.Dorian) die Vardarioten in seinem Titel. ®^) Jetzt sind sie verschollen; nur der Name Vardar soli von ihnen herruhren. Andere Turlcen sassen im XL Jahrhundert bei Ochrida. Die Fetschenegcn^ welche zu derselben Zeit bei Nis, Sophia, in Moglena, auf dem Ovce polje und an der Donau colonisirt wurden, starben bald a u s; nur in einigen Ortsnamen erhalt sich das Andenken an dieses Raubgesindel.®*) Bedoutender war der Einfluss der Kutnanen^ auf welche wir noch zuriickkommen y^erden.*®)

*') Glasnik 24, 245. Ein Dorf Armenica am Hyl (SafaMk Pam. Ausg. 106), Amenochor bei Bitol (Glasnik 11, 136; besteht noch jetzt). nbal* Jeksa Armtoin“ sammt Familie im Strumica in XIV. J. (Mon. Serb. 64). *«) S. Anm. 15. 2’) Tafel, De Bardario et do gente Bardariotarum Mus. Rhen. V *«) Ein DorfPecenfga iin der Donau in der DobrudsSa; Pecenevca an der Bulg. Morava bei Leskovac; Peoensko Prdo auf der Strasse von Sophia nach Berkovica; „Peceneski put“ (der Petschencgenweg) in Polog im XIV. J. (Glasnik XIII. 375). ®®) Kapitel XXV. 4.

2.

Kapitel XIV.

Die Wiederherstellung des Keiches diircli die Briider Asen L imd Peter. Zustand des hyzantinischen Reiches am Ende des XII. Juhrhunderts. Revolution der Briider Peter und Asen im J. 1186. Das neue Bulgarenreich in Moesien. Car Kalojan I {1197 1207). Ivanko in der Rhodope, Strez in Prosek, unahhiingige Theilfiirsten. Unterhandlungen mit Rom. —

Das byzantinische Reich, in seinem inuersten Wesen hinsiechend, niiherte sich von Jahr zu Jahr einer grossen Katastrophe. Kein Jahr verging ohne ungliickliche Kriege und Einfiille. In den Donauprovinzen hausteu die rauberischen Kumaneu ; die griechischen Inseln und die Gestade des Aegaeischen Meeres wurden von normannischen und saracenischen Corsaren verwiistet; in Kleinasien entfaltete sich .die Macht der Seldzuken, welche in Nikaea und Nikomedia ihre Sitze aufschlugen. Die Byzantiner waren nicht mehr lahig ihr Vaterland selbst zu vertheidigen; im Heere fochten fiir sie Normannen, Bulgaren, Russen, Georgier, Tscherkessen, Armenier, Araber, Kumanen und andere Fremdlinge. Den Abgrund, in 'velchen der ganze Staat zu stiirzen drohte, nabm Nieraand wahr; man kiimmerte sich mehr um Mirakol und prunkende Ceremonien. Kldster und Monche wurden immer zahlreicher; am Athos entstaud eine formliche Monchsrepublik. Gleichzeitig wuchs in der Masse des Volkes das Widerstreben gegen die herrschende Kirche; der Bogojuilismus griff bei Griecheu und Slawon unaufIialtsam um sich. Die Komnenen schwiichten iibordies das verfallende Reich durch die Einfiihrung des ocddentalischen Feudalismus. Wiihrend unter der Herrschaft des reinen Absolutis-

Kapitel XIII.

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mus das Individuum eine geringe Geltung hatte, traten unter doni Feudalismus kiiline und unteruehmende Manner in den Vordergrund und der personliche Ehrgeiz gewann freie Bahii. Die gesammte byzantinische Monarchie war ausserdeni mit cinem Netze italionischer Handelsfaktoreien bedeckt; in einer jeden grosseren Stadt bestanden Magazine und Kirchen „lateinischer“ Kaufleute. Die ersten italieniscben Handelsleuto im Orient kamen aus Amalfi. Neben ihnen fassten bald die weit milchtigeren Pisaner, Genuesen und Venetianer, alle von den Kaisern mit glanzenden Privilegien und Imraunitiiten ausgestattet, festen Fuss im Griechenreicbe. Pera in Constantinopel jenseits des Goldenen Hornes war das Hauptquartier der „Laaeiuer“ ; um 1180 wohnten ihrer dort mehr als 60.000. Den grossten Einfluss eirangen die Venetianer. Sie liessen sich von der Begeisterung der Kreuzziige nicht binreissen, sondern suchten aUmiiblig ihre Macbt in den Stiidten zu befestigeu und erwartetcn ruhig den geeigncten Augenblick, wo ihnen die Herrschaft dieser scbouen Liinder zufallen sollte."') Der energische Manuel Komnenos, ein gebildeter und heldenmutbiger, aber vergniigungssuchtiger Herrscher, verschied 1180, einen unmiindigen Sohn hinterlassend, Im Streito um die Vormundscbaft fiber das kaiserlicbe Kind unterlag die lateiniscbe der griechiscben Partei. Es begann ein Blutbad in den Colonien der Italiener, welcbes diese den Griecben durcb die Plunderung der Kustenatadte reicblich vergalten. Nach drei Jahren fiel Alexios durcb die Hand seines Mitregent en Andronikos Konmenos, Die Herrschaft des Andronikos'War von kiirzer Dauer. Das Mass des Unglfickes wurde unter ihm voll. Der ungriscbe Konig Bela III. besetzte BrauiSevo, Nis und Sophia. Sein Bundesgenosse, der serbische Groaszupan Stephan Nemanja, welcher den Widerstand seiner Briider gebrochen, die einzelnen Theilffirstenthiimer vereinigt und so zur serbischen Macht den Grundstein gelegt hatte, verband einen byzantinischen Gau nach dem anderen mit seinein Reicbe. Wilhelm II., der Konig der suditalischen Normannen, erobci’te Thessalonicb und riistete bereits gegen Constantinopel. In der HauptHopf 148—160.

Der Aufstand Peter und Asen’s (118G).

225

stadt entstand eine heillose Verwirrung. Androiiikos tvurde grausam ermordet. Der an seiner Stelle 1185 zum Kaiser erhobene Isaak II. Angelos begann seine Eegierung mit einem gliinzenden Sieg liber die Normannen bei Demetrica am Strymon, aber dem allgemeinen Verfull zu steuern war er, ein habgieriger und bochmiitbiger Feigling, am wenigsten berufen. Der Staatsscbatz stand leer und die Provinzen waren scbon langst ausgesogen; man half sich durcb offizielle Munzfalscbung. Da trat ein Zwiscbenfall ein, welcber das Feuer, welches in Bulgarien scbon lange gbmmte, zum Ausbruche bracbte. Isaak II. beirathete Margaretha, die Tochter des ungrischen Konigs Bela III. Docb zur Hochzeit fehlte es an Geld. Man schrieb eine neue Stduer aus, die im ganzen Reiche mit , grosser Strcnge eingeboben ^\’urde. Am driickendsten presste man um Ancbialos und am Balkan ; die Beamten verfubrtn wie Rauber unter den dortigen Bulgaren und Wlachen Das erbitterte Volk entbrannte in Rache. An die Spitze der Unzufriedenen stellten sich zwei Briidcr aus einem Boljarengescblechte, Peter und Joannes Asm, Nacbkommen der alien Bulgarencaven, gebiirtig aus Trnovo, der Wiege der alten Sismaniden.®) Asen v.-ar ein unternehmender Cbarakter, thatkraftig, unerscbrocken in der Gefahr, nie verzagend; seinen Augen traute er mehr als seinen Ohren. Peter hingegen zog den Frieden dom Kampfe vor. Um einen Vorwand zum Abfalle zu baben, begaben sicb die Bruder an das kaiserlicbe Hoflager mit der Bitte, man moge sie in das Heer aufnebmen und ibnen irgend ein Gut am Balkan zuweisen. Nacb beiden Ricbtungen bin erhielten sie eine abschlagige Antwort. Asen wurde iiberdies von Jo­ annes dem Sevastokrator mit einem Backenstreich regalirt.*) Nacb Hause zuriickgekehrt, beriefen die Bruder das Volk in die Kircbe des hi. Demetrios in Trnovo, die sie daselbst *) Praevaleatibus Greets Bulgari perdiderunt regiam dignitatem, quinimo compulsi sunt gravi sub jugo Coustantinopolitano servire, douec novissime duo fratres, Petrus videlicet et Johannitius, de priorum regum prosapia descendentes, terram palrum suorum non tam occupare, quam recuperare coeperuut. Der Papst an den Kbnig von Ungaru 1204. (Theiner Mon. Slav. mer. I. Nro. LVII.) ®) Der Hauptzeuge fiir diese Zeit bis 1206 ist der Bysantiner Niketas Choniates, welcber selbst an einigen Feldziigoa gegon die Bulgaren J i r « 6 « k , Gaach. der Bulgarsn.

jg

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Kapitel XIV.

gegriindet hatten. Dort verkiindeten, wie erzahlt wird, einige dazu gedungene Manner und Weiber mit prophetischer Be« geisterung, es sei Gottes Wille, dass die Bulgaren das langjahrige Joch abwerfen und die Freibeit zuriickerobern ; der hi. Demetrius habe die Griechen und die von den Normannen verwiistete Kirche von Thessalonich verlassen und sei zu den Bulgaren Hiilfe bringend gekommen. Dieses „Mirakel“ riss auch saumige Geister hin. Boljaren und Landleute griffen zu den Waffen. Peter wurde als Oar der Bulgaren und G rk' cJien gakront."*) Gleichzeitig wurde in Trnovo ein neuer Erzbischof Vasil in volliger Unabhangigkeit vom Constantinopler Patriarchen eingesetzt. Dk Aufstiindischen zogen zunachst gegen Preslav, wandten sich aber, da ihnen die Belagerung zu langwierig schien, nacb Thrakien. Der Kaiser riickte gegen sie in’s Feld und es gliickte ihm nacb einigen Gefecbten die Bulgaren wabrend eines dichten Nebels zu zersprengen. Die Anfuhrer mit einigen Schaaren fliichteten uber die Donau zu den Kumanen. Isaak war der Meinung, dass Alles abgetban sei, und dacbte weder daran, die Bui'gen zu besetzen, noch Geisseln zu verlangen, sondevn begniigte sich mit der Niederbrennung dor Getreidescbober auf den Feldern und kehrte darauf im Triumph in die Kaiserstadt heira (1186). Bald erschion Asen wieder, jedoch nicht mehr allein, sondern im Bunde mit den Kumanen. Das Land zwischen Donau und Balkan wurde rasch’ besetzt. Dann brach er in Thrakien ein und lieferte in offenem Felde ein ungliickliches Treffen gegen Joannes den Sevastokrator. Aber obgleich er in’s theilgenommeu hat. Sein Geschicbtswcrk erschicu in der Bonner Ausgabe der liyzautiner. Seine Reden und Briefe publicirte unlangst Konst. Sathas, Bibliotheca graeca medii aevi. Vol. I. Venetiis 1872, 73—136. Die oinheimischen (iuellon sind sehr sparlich. Unter den neueren Arbeiten ist vnr Allem zu uennen V. V. MakuSev „Bulgaricn am Ende des XII. und in der ersten llalfto des XIII. Jahrhunderts (russisch ini Bapn ia sc E ifl yilHU. H3B'I>CTifl 'Warsebau 1872, Nro. 3. 8.1—66). In den chronologischen Anp;aben bielten wir uns Idor und im Folgcnden zumeist an Hopf. *) pKalopetrus. . . . . . itomque a unis dictus imperator Graeciae" Ansbert (Fontes rer. Austriacarum t. V.) ij. 5i. *) Im J. 1204 war er schon 18 Jabre Bisebof (Theiner Mon. Slav. 2S): quod mca auima desideravit per octavum decimum annum.

Friedrich I. Barbarossa und die Bulgaren.

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GebiVge zuriickweichen musste, blieb ibm das Gliick giinstig. Der Sevastokrator kam niimlicb in den Verdacht, er strebe nach dem kaiserlicben Diadem, und wurde zuriickberufen. Sein Nachfolger Joannes Kantakuzenos campirte sorglos in einem unverschanzten Lager, in dem Wahne, Asen babe sicb aus Furcht vor ihm in die Berge zm'iickgezogen. In finsterer Nacht iiberrumpelten die Bulgaren das Lager und zersprengten die Griechen. Nun entsandte man gegen die Aufstiindischen den Sieger von Demetrica, den tapferen Vranas; allein der wackere Feldherr warf sich in Adrianopel zum Gegenkaiser auf, und biisste diesen Versuch mit seinem Kopfe. Nachdem alle drei griechischen Expeditionen fehlgescblagen batten, war die Unabhiingigkeit des Bulgarenlandes zwischen Haemus und Donau gesicbert. Der Serbenfurst Nemanja war ‘den Aseniden ein na' turlicher Bundesgenosse gegen die Griechen. Wahi-end die' Serben makedonische und albanische Schlbsser zerstbrten, kampften die Bulgaren, mit Wlachen und Kumanen vereint, in Thrakien auf der ganzen Linie von Philippopolis bis zum Scbwarzen Meere. Am 8. October 1187 holte der Kaiser in der Gegend von Jambol das Kumanenheer in dem Augenblicke ein, als es in einem iiber seeks Stadien langen Zuge im Begriffe war, 12000 Gefangene und zahlloses Vieh aus Thrakien wegzuschleppen. Es wurde ein Treffen geliefert, in welchem sich die Griechen zwar den Sieg zuschrieben, aber dennoch nach Adrianopel zuriickwichen. Nicht minder erfolglos war der weitere Krieg. Wo immer dor Kaiser stand, sah man keine Bulgaren; wie er abzog, erschienen sie alsogleich. Durch diese Guerilla erreichten sie mebr, als durch Feldschlachten. Im J. 1188 gelang es den Byzantinern, unbekannt wo, die bulgarische Garin aus einem Ilinterhalte gefangen zu nehmen, worauf ein Waffenstillstand geschlossen wurde. Im J. 1189 zogen die Kreuzfahrer unter Kaiser Fried­ rich I. von Belgrad nach Constantinopel. Die Griechen legten ihnen gegeniiber ein feindseliges Benehmen an deu Tag, ja iiberfielen das Kreuzheer verratherisch in Waldern und Passen, worauf die Kreuzfahrer alles, was nach den gi-ausamen Kriegen in Stildten und Dbrfern noch librig geblieben, aus16*

Kapitel XIV.

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plunderten. Die Serben und Bulgftren befolgten eine den Griechen entgegengesetzte Politik. In Nis wurde Friedrich I. von Nemanja gastfreundlich begrusst; auch Peter und Asen liessen dort durch Boten zuvorkommende Scbreiben iibergeben. Sie versprachen eine ausgiebige Hiilfe gegen die Byzantiner und sucbten den Kaiser zur Eroberung von Constantinopel zu bereden. Fiir diesen Fall stellte Peter ein Hiilfsheer von 40.000 Bulgaren und Kumanen unter der Bedingung in Aussicht, dass er die Bestatigung seines Kaisertitels und die Krone des griechischeu Reiches erhalten wiirde. Jedocb Fried­ rich kiimmerte mehr das heilige Land, als der Umsturz cbristlicher Reiche.®) Die byzantiniscben Soldner, welche lange keine Lobnung bekommen batten, erschlafften immer luehr in ibrem Kriegsmuth, wodurcb Isaak bewogen wurde, sicb bei einem neuerdings iiber Ancbialos in den Balkan unternommenen Zuge personlicb an die Spitze des Heeres zu stcllen. Da gewabrte or, dass die bulgarischen Burgeu rait neuen Mauern und Thurmen befestigt seien. Die Bulgaren liefen „wie Hirsche oder Ziegen" auLden hobenFelsen umber, scbiitteten von oben einen Pfeilregen auf das ITeer herab und wiilzten Felsblocke auf dasselbe berab. In den Passen vor der Stadt Berrboea (vielleicht Eski Zagora) wurde das Byzantinerbeer vollstiindig aufgerieben; kaum rettete der Kaiser das nackte Leben (1190). Nacb diesem Siege wagten sicb die Bulgaren an befestigte Stadte, stiirmten Varna, plunderten Ancbialos, zertriimmerten Nis und eroberten Sopbia. In Sopbia cvbeuteten sie die Reliquicn des bl. Joannes von Ryl, des Patrons der Bulgaren, welche Asen „der ^osseren Ehre und Befestigung seines Carenreicbes wegen“ mit grossem Pompe nacb Trnovo bringen Hess.’) Glucklicber war Isaak gegen die Serben. Nemanja scblug er am Moravaflusse 1194 und stattete darauf personlicb dem Kdnig Bela einen Bosucb ab. Seinen tapferen Vetter Kon­ stantin ernannte er zum Befeblsbaber in Pbilippopolis. Doch dieser wackere Jiingling biisste bald seinen iibermutbigen Ebrgeiz mit dem Verluste des Augenlicbtes. ®) Aiisbert p. 22—64.

’) Kuthymij, Leben des hi. Joannes von Ryl (altbulg.). Glasnik XXII. 284.

Aeon’s I. Tod (1196).

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Die Bulgaren juLelten uber die Unfahigkeit der Angeli^ ja sie beteten zu Gott, er moge ihnen ein recbt langes Leben schenken. Von Neuem bei Arkadiopolis im ostlichen Thi’akien besiegt, riistete Isaak zu einer neuen *grossen Expedition. Die mit ihm verbiindeten Ungarn sollteu iiber Bdyn einfallen. Da wurde er von seinem leiblichen Bruder Alexios I I I . gestiirzt und geblendet, und dieser (1195) vom Heere zum Kaiser ausgerufon. Das Reich am Bosporus bot ein trauriges Schauspiel. Der Usurpator wav ein wcichlicher Sardanapal; seine Gemahlin Euphrosyne, mannlicher als or, regierte mit ihren Licblingen. In Constantinopel Avurde die Orduung nur durch die Wariiger aufrecht gehalten. Das Heer war zerstoben und dio Flotte hatte der Admiral Stryphnos „in Gold und Silber verwandelt." Alexios III. wiinschte Frieden mit den Bulgaren; doch Asen stellte unerhorte Bedinguagen und fiibrte den Krieg mit Nachdruck fort. Bulgarische und kumauische Schaai’en erschienon sogar vor Seres und richteten dort ein griechisches Heer zu Grunde. Da wurde Asen inmitten seiner siegreicben Laufbahn plotzlich gewaltsam aus der Wclt geraumt. Unter seinen Vertrauten hatte er einen Boljaren, Namens Ivanko, einen hochrniithigen, Mann von riesiger Gestalt und leideuscbaftlicher, wenngleich scblau berechneiider Gemiithsart. Es kam zu Ohren des Caren, dass Ivanko insgeheim ein Verhiiltniss mit der SchAvester der Garin Helena unterhalte. Ivanko wurde in der Nacht zu Asen berufen, aber zu rechter Zeit geAvarnt, besprach er sich, bevor er erschien, mit seinen Freunden und VevAvandten. Wiirde der Car sicb freuudlich gegen ihn beUehmen, woUte er Abbitte leisteu; Avurde er ihn jedoch scbrofif anfahren, so wollte Ivanko zu dera unter seinem Gewande versteckten Schwerte greifen. Als nun Ivanko eintrat, rief Asen, iiber alle Masseu aufgcregt, nacb einem Siibel; da siiumte Uun Ivanko nicht, zog lasch sein Schwert und durchbohrte den Caren. So fiel Joannes Asen J., der Wiederhersteller des bulgarischen Reiches, nach neunjahriger *) siegreicher Regierung, in seinem Palaste zu Truovo 1196. ’Jtuvvice yovp iviavrovg Stavvaas- Akropolita cap. XII. p. 23 ed. Bonn.

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Dass Ivanko vor dieser That aller Ahsichten auf das Carendiadem frei war, ist unwahrscheinlich; war ja Ascn’s eiserne Hand den stolzen Boljaren zu unbequem, als dass sie nicht gern an seine Entfemun^ gedacht hiitten. Noch in derselben Nacht wurde Trnovo von Ivanko’s Anhiingern besetzt; abcr schon vor Tagesanbruch verbreitete sich das Gervicht von des Caren Ennordung iiber das ganze Land. Peter riickte aus seinem Theilfurstenthum urn Preslav und Ovec (Provaton) herbei und schloss Trnovo ein. Ivanko suchte Hiilfe bei den Byzantinern, welche in der That ein Hiilfsheer aussandten, aber als dieses in die Balkanpasse einriickte, begann es, von Furcbt ergriffen, zu murren und stob auseinander. Ivanko entkam insgeheini aus der Stadt, und Trnovo ergab sich an Peter. Die Regierung ubomabm Fcter geraeinsam mit seinem jugendlichen Bruder Kalojan."’) Aber seine Friedensliebe behagte den Bulgaren nicht. Nach kurzer Zeit wurde auch er ermordet, und zwar ebenfalls von einera seiner Landsleute (1197). Ihm folgte soin Bruder Kalojccn (1197—1207), ein unversohnlicher Griechenfeind, seinem Charakter nach dem Ason ahnlich', doch ungleieh verschmitzter und grausamer. Als erfahrener Feldherr und Staatsmann setzte er politischen Erfolg iiber religiose Interessen; die BogomUen, so viel wir wissen, liess er unbehelligt, und auch rait dem Papste begann er sich auf freundlichen Fuss zu stellen. Als Jungling wurde er in dem Waffenstillstande von 1188 don Byzantinern als Geissel iiberliefert. Der Kaiser ernannte ihn zum obersten Stallmeister, doch Kalojan entfloh, nachdem er den byzantinischen Hochmuth sattsam erprobt h atte.") Als Car unternahm er mit grossen Heeren Jahr fiir Jahr Einfiille nach Thrakien und Makedonien. Am wildesten hausten die Kumanen, mit denen Kalojan in inniger Freundschaft leb te; er hatte sogar eine Kumanin zur Frau. Bis vor die Mauern Constantinopels erstreckton sich die Baubfabrten dieser grausen Gesollen. Beiche Beute schleppten sie aus den makedonischen *) Akropolita cap. XII. "’) In l)ulg. Denkmalern und in den Briefen an. den Papst Leisst er •Ka/ojun (Calojoannes), Bonst Joannitius,’IcoavWrSijs oder einfauh Joannes. '*) Niketas bei Stritter 681. Rol)erfc de Clary cap. 64.

Car Kfllojan (1197—1207). Furst Strez.

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und thrakischen Stiidten, darunter viele Reliquien der Heiligen, welche man als unscliatzbare Reichspalladien mit grossem Pomp nach Trnovo zu briiigen pflegte, wo ihnen der Erzbischof Vasil an der Spitze des Clerus und der Boljaren in feierlicbem Aufzuge entgegeii kam. ” ) In Makedonien entstand damals eine neue Bulgarenberrschaft. Ein Boljare, Namens Dohromir Strez (Vpwffjjg, Stratius), ein Verwandter Kalojan’s '*) wai- den Byzantinern treu geblieben und half ibnen mit 500 Reitern gegen Asen. Als Commandant des Scblosses von Strumica, das auf einem steilen Felsen gleichsam in den Wolken aufgehangt war, fiel er plotzlicb vom Kaiser ab, und wiiblte zu seinem Sitze das vcrlassene Prosek. Dieses Bergschloss stand auf einem Felsriicken irgendwo in den grossen Vardarengen; von alien , Seiten war es durcb tiefe Abgriinde geschiitzt bis auf oinen scbmalen Zugang, welchen kyklopiscbe Mauern absperrten; tief Unter den Mauern scbaumte der Vardar. „VVie eine SpinnO Oder ein Scorpion zog er auf steile und unzugangliche Felsen, und wie die hausertragenden Scbnecken und die lebendig geborenen Muscheln schliipfte er in die Befestigungen seines Stadtchens, in dieselben wie in einen steinernen Mantel sich einhiillend," sagt von ibm in seinem Bombast der byzantinische Zeitgenosse. Kaiser Alexios selbst scbloss den kiihnen Abenteuerer auf seinem Felsemieste eiu, doch die Besatzuug schlug alle Augriffe mit Felsbldcken ab, die aus kunstvoUeu Mascbinen geschleudert wurden. Alexios musste endlich das obere Makedonien dem emporten Boljaren iiberlassen uird gab ibm, obgleich derselbe scbon verbeirathet war, die Tochter Seines Neffen, des Protostrator Kamytzes, zur Frau (1199). Ivanko, der Morder Asen’s, war indessen zu den Byzan­ tinern geflohon, die ibn freudig aufuahmen. Er nahm den — -'*) Euthymy, Leben des Ilarion von Moglena (Stariue I. 83)- .Toasnf, Leben der hi. Philothea (GInsnik .VXXI. 252). Leben des bl. M ichael von Potuka (Hilferding I. 40). '*) Cara hliiiku (propinquuB) aego. Stephan des Eratgckronten Leben dea Nemauja ('/ap. XVII. (altserb.) VHkn (consaiiguiiieus) Kalojnna cara. Thcodosij ed. Dauieic 103 (altserb.). „Sfratiiis Jobanicii“ ^cbreibt Kaiaer Heinrich (Makusev 60). Dor Name Dobromir bei Niketas (Satbaa Bibl. graeca I. 90): naQci row Jo^Qoftniiov X^iiaov tov natexovrot row Ihfoaawv xal T7]P 2^T^ov/i(uTicev.

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Kapitcl XIV.

Namen Ale.xios und griecliische Sitten an, und wurde niit Theodora, einer Prinzessin aus dcr kaiserlichen Familie vcrlobt. An der Spitze byzantinischer Heere schliig er bei Philippopolis die Angriffe seiner Landsleute zuriick. Aber die Schwiiche der Constantinopler Monarchic war fur jeden unternehmenden Kopf allzu verlockend. Im Vertrauen auf die Burgen, die er in der Rhodope erbaut hatte, emporte sich Ivanko und verband sich mit dem Bulgarencaren. Den gegen ilin ausgesandten Feldherrn Karaytzes nahra er in einem Hinterhalte gefangen nud sandte ihn zu Kalojan. Wiihrend sich die Byzantiner um Kricim und andere seine Burgen umsonst abmiihteD) unternahm Ivanko einen Einfall in die Smolenische Provinz (S. 120) und erreichte sogar das Aegeische Meer. Endlicb wurde er durch List iiberwilltigt und gefangen genommen (

1200).

Den Kamytzes erloste aus Kalojan’s Gefangenschaft sein Schwiegersohn Strez. Aber der Kaiser wollte diesem das nicht unbedeutende Losegeld nicht ersetzen. Kamytzes, dadurch zur Rebellion gegen den kaiserlichen Oheim gedrangt, besetzte iin Bunde mit StrAz die Stadt Prilep und fiel in Thessalien eiu. Doch Strez schloss Frieden und restituirte die eroberten Pliltze (1201). Dabei erhielt er seine dritte Frau, dieselbe Prinzessin, welche unlilngst Ivanko’s Gemahlin gewesen war. Zu gleicher Zeit sahen sich die Byzantiner genothigt mit Kalojan Frieden zu schliessen, besonders als dieser nacb einer verzvveifelten Gegenwehr Varna ersturrate. Samratliche Landschaften, die er erobert hatte, warden in seiner Gewalt belassen. Sein Reich erstreckte sich von Belgrad bis zur unteren Marica und bis nach Agathopolis am Schwarzen Meerc, von den Donaumiindungen bis zum Strymon und zum oberen Vardar. Belgrad und Branicevo waren im Besitze der Bulg aren; von dort zog sich die serbisch-bulgarische Grenze liings der Morava und Nisava bis nach Nis, welches ebenfalls bulgarisch war. AuchSkojye und Velbuzd mit ihren gesainmten Bisthiimern gehorten zum Reiche des Bulgarencaren.'D Kalojan hatte seiuerseits reichlichen Grund Frieden mit den Griechen zu wiinschen. Roman, der Fiirst von Galizien, ” ) Im J. 1204. Theiner Mon. Slav. I. 29.

Fiirst Ivanko. Unterhandlungen mit Rom.

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fiel namlicli in die Moldau eih und ndthigte so die Verbiindeten der ^ulgaren, die Kumanen, einige Zeit zu Hause zu bleiben. Uberdies wm’de die bulgariscbe Westgrenze vom ungriscben Konig Emerich beunrubigt, welcber in Serbien Stephan, den Sohn Nemanja’s enttrohnt, dessen Bruder Vlkan eingesetzt und sicli selbst den Titel „rex Serbiae" beigelegt hatte. Den Bulgarenfiirsten erklarte Emericb fiir einen Usurpator, der recbtlos das Land innehabe, welches vom Konige Bela III. der Gemablin Kaiser Isaak’s als Mitgift gegeben worden war. Obgleich Kalojan das Gebiet des ungarischen Vasallen Vlkan durcb die Kumanen furchtbar verheeren liess, nahmen ihra die Ungarn dennocb fiinf Bistliumer im unteren Moravagebiete weg.‘®) In dieser Lage sab Kalojan ein, wie sehr eine Bekriiftigung seines Herrschertitels nbthig sei. Da dies von Byzanz nicht zu erlangen war, wandte er sicb uach dera Beispielo der alien Caren, deren Thaten damals uoch im frischen Andcnken standeu, an den Papst. Scbon seine Bruder AaC’ii und Peter verfolgtcn diosen Plan, konnten aber wogen dor Menge ihrer Feinde keine Boten nacb Rom sendeu und ibr Yersuch bci Kaiser Friedrich I. schlug fchl.'®) Kalojan versuchte seit 1197 dreimal eine Gesandschaft zum Papste zu senden, aber wegen der Feindseligkoiten der Ungam und Byzantiner immer erfolglos. Docb das Geriicht davon drang bis zu Innoceiiz III. Ira J. 1199 kam nacli Tmovo ganz uiierwartet ein piipstlichor Bote, der griechische Uniatenpi’iester Dominik aus Brindisi. Der Verdacht gegen ibn, da er ein Grieche war, wicb bald dem Vertrauen. Er brachte Kalojan einen Brief vom Papste. Innocenz schrieb, er habe vernommen, dass Kalojan aus einem edlen Rbmergescblechte stamme, und forderte ibn dossbalb auf, er moge nicht zbgern, seine Ergebcnbeit an den riimischen Stubl auch durcb Thaten zu bekriiftigen. Mit Vergniigen ergriff der verscbmitzte Bulgare diese Gelegenbeit. Er war ei-freut, dass ibn Gott an das Blut und das Vaterland erinnert, **) Makusov 17. nQuamvis fratres niei beatae memoriae iam dudum voluerint mittere sanotitati vestre, non tamen ad vos perveiiire propter multos nostros contrarios potuerunt", schreibt Kalojan. Theiner Mon. Slav. !•

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Kapitel XIV.

dem er entstamme ’^) und verlangte vom Papste mit der Aufnahme in die romische Kir die die Kaiserkrone (1202). Ein Jahr darauf sandte er den Erzbischof von Trnovo Vasil selbst nach Rom, um nicht nur die Bitte um die Krone zu wiederholen, sondern auch- die Errichtung eiiies Patriarchats zu erb itten; es handelte sich ihm um die Anerkennung sowohl der staatlichen als auch der kirchlichen Selbstandigkeit. Vasil erreicbte Rom nicbt. In Durazzo musste er umkebren; die Griechen batten ihn dort fast in’s Meer geworfen. Inzwischen brachte der Priester Johannes von Caseraarino ein erzbischofliches Pallium fiir Vasil nach Trnovo (August 1203). Kalojan gewann die, Uberzeugung, dass man den Papst mit blossen Versprechen nicht hinhalten konne; um seine Wunsche schneller erfiillt.zu sehen, gab er dem Priester Johannes ein Chrysobullon, in welchem er sein Land auf ewige Zeiten dem Papste unterwarf. Zur Eile driingte ihn noch ein anderer Umstand, welcher den Lauf der Dinge im Orient plotzlich fiir lange Zeiten bin in neue Bahnen lenkte.

*’) „Multas egimus gratias omnipotenti Deo, qui....... respexit hu* militatem nostram et redu.cit nos ad menioriam sanguinis et patrie nostre, a qua descendimus." Thoiner ib. Vgl. „populus terre tue, qui de sanguine Romanorum se asserit dosoendisse" ib. p. IG. Daraus darf man noch nicht schliessen, dass die Aseniden ihrer Abstammung nach Rumunen Oder Wlachen waren; es war der Paj)8t, welcher zuerst von dieser rdmischen Abkunft Erwahnung that, und die Bulgaren beniitzten schlau seiner Worto zur Erlangung ihrer Absichten. Kalojan wurde freilioh dor Beherrscher der Bulgaren und Wlachen genannt, d. h. der HalbinselWlachen, denn in der Walachei herrschten damals die Kumanon.

Kapitel XV.

Die Kampfe der Biilgaren mit den Lateinern. Die Franhen in Comtantinopel. Die Union Kalojan’s. Das griecJiiscJi-hulgarische Bundniss gegen die Franken. Schicksal des Kaisers Balduin in derSclilacht bet Adrianopel {1205), Blutige Kriege in Thrakien und 3Iakedonien. Kalojan’s Ende vor Thessalonich. Der Usurpator Car Boril {1207 1218). Die Bogomilenverfolgung {1211). Die makedonischen Fiirstcn —

Slav und Sires. Am ?.3. Juni 120.3 bei Sonnenuntergang erschien vor Constantinopel die Flotte der lateinischen ICreuzfahrer; VeDetianer, Lombarden, Franzosen, Deutsche, etwa 40.000 Mann, Waren duf 300 Schifien gekommen, um das Byzantinerreich zu zerstoren. An der Spitze der Expedition, welche die schlauen Venetianer von Palaestina, ihrem urspriinglichen Ziele, hieber gewandt batten, stand der blinde Doge Enrico Dandolo, ein unversbbnlicber Feind der Byzaiitiner; vor dreissig Jabren, als er wabrend einea Krieges als Gesandter nacb Constantinopel kam, wurde er beim Eintritte in den Audienzsaal durcb einen Hoblspiegel, welcher die Sonnenstr/iblen Bcbarf reflektirte, ruchlos geblendet 'j. Constantinopel wurdo nicht in einem Tage genommen. Neun Monate vergingen unter Vrechselnden Kiimpfen. In der eingeschlosenen Stadt wurde ein Imperator nach dem andern ein- und abgosetzt. Dreimal eing die prachtige und stolze Mctropole des Orients in einem Hopf 190.

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Kapitel XV,

Flamijiemneere auf, jedesmal auf Anstiften der Belagerer. Endlich am 13.‘April 1204 warden die Mauern erstiirrat und nach einem furchtbarcn Gemetzel und griisslichen Pliinderungsscenen die Stadt erobert. Graf Balcluin von Flandern, ein frommer und tapferer Held, aber ein schwacher Staatsmann, empfing in der Sophienkirche die Kaiserkrone. Die Eroberer machten sicb sogleich an die Zertrummerung des Romiicrreiches; es bedurfte nur eines Jahres, um dies zu vollbringen. Nur an drei Orten behaupteten die Griechen die Unabhangigkeit: in Trapezunt das neue Kaiserthum des Alcxios Komnenos, in Epiros der neugegriindete Staat des,Michael Angelos, und in Nikaea, wo sich die byzantinischen Fliicbtlinge um den Kaiser Theodores I. Laskaris schaarten. Das iibrige Reich war in der Gewalt der Franken. Die Venetianer besetzten zahlreiche Inscln und Hiifen. Boni­ facio, der edle Markgraf von Montferrat, griindete ein halb selbststandiges Konigreich in Thessalonich. Auf dem altklassischen Boden von Hellas entstanden die neuen Furstenthiimer von Athen, Achaja, Naxos u. s. w,, deren franzosischer und italienischer Adel auf zahlreichen neuerbauten Ritter* burgen die griechische Bevblkerung im Zaume hielt. Nirgends in Europa konnte sich damals das Ritterthum so frei entwickeln, als in den Lateinerstaaten des Orients. Zahlreiche adelige Verbrecher und Schulduer stromten dahin, um im unablassigen Griechenkampf ein roraantisches Abenteurerleben zu fiihren. Auch lateinische Gcistliche kamen in ihrer Begleitung und nahmen zum grossen Argerniss der Griechen stahlgepanzert und hoch zu Ross an alien Kriegsziigen theil. Kalojan’s Lage ward dutch diese Umwiilzung mit einem Schlnge veriludert, Als die Lateiner noch Constantinopol beJagerten, versprach er ihnen mit 100.000 Mann zu Hiilfe zu kommen, sobald sie ihu als Uerrschcr der Bulgaren anerkennen und ihm eine Krone verleihen. Aber sein Anbot wurde zuruckgewieseu. Als danu Kaiser Balduin die thrakischen und makedonischen Stadte besuchto, bot ihm Kalojan von Neuem einen Freundschaftsvertrag an, aber erhielt von den Franken die hochfahrende Antwort, er babe mit ihnen nicht wie ein Konig mit Freunden, sondern wie ein Sklave mit seines Herren ZU verkebren, da er ja die Herrschaft iiber sein Land, das er

Das latoinische Kaiserthura. Die Uilion Kalojan’s.

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den Griechen entrissen, ganz rechtlos sicli anmasse.*) Dieser Hcrausfordcrung folgte bald eine noch ernstcre That. tUtter Renier de Trit. aus Flandein wurde mit dem Herzogthura Philippopolis belebut. Als er im November 1204 in diese Stadt einzog, begriisste ihn die dortige griechische Bevolkerung, von Kalojan’s Schaaren fortwiihrend bedriingt, als ihren Befreier. Der Zusammenstoss dor Bulgaren und Franken ward unabwendbar. Mittlerweile sandte Papst Innocenz III. den Cardinal Leo niit dem ‘febniglicben Diadem nach Trnovo. In der Burg Keve (Kubin bei Pancevo) an der Donau wurde Leo, wilhrend ihn auf dem anderen Ufer Schaaren von Bulgaren freudig erwarteten, vou den Ungarn festgenommen und erst auf pilpstliche Einspracbe freigelassen. ®) In Ti’novo angekommen, weihte der .Cardinal am 7. November 1204 den Erzbischof Vasil zum Primas von Bulgarieii; die Metropoliten von Preslav und Velbuzd erhielten Pallia, die Bischofe von Bdyn, Nil, Branicevo und Skopje Mitien. Tags darauf (8. November) wurde Kalojan vom Cardinal mit grossem Pomp gekront; ausser der Krone erhielt er vom Papste ein Scepter und eine Fahne mit dem Bilde des hi. Peter, dann das Recht Miinzen mit seinem Bildniss zn priigen. In seinem Dauksehreiben bat der neugetronte Konig den Papst um Vermittlung in dem Streite mit den Ungarn und den Constantinopler Lateinern; fiir den Fall aber, dass diese oder jene etwas gegen ihn unternehinen sollten, lehnte er allc Verantwortliclikeit von sich ab. Dies ist die Union, welche neucrcn orthodoxen Schriftstellern Anlass gab, Kalojan mit so viel Schmach zu iiberhaufen. Bedroht von Ungarn und Lateinern, musste er nothgedrungen die Bestiitigung und Anerkennung seines Titels auf diesem Wege aufsuchen. Zu einera gleichen Scbritte entschloss sich wenige Jahre spiiter der Serbenfiirst Stephan der Erstgekroute (Prvovencani); ebenso musste sich damals auch der Albauesenfiirst Demetrios der romiscben Kirche anschJiessen.'*) l^Iit welch’ berechnender Schlaubeit librigeiia Kalojan dem *) Clary, Rad jugosl. akad. V, J55. Niketaa boi Stritter 707. Makusev 3 l—34. *) Theiuor Moii. Slav. mer. I. 34. Golubiaski 264—280. Hopf 224.

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Kapitel XV.

Papste gegeniibejr sich benabm, hat jiingst Golubinski dargelegt. Kalojan bat um eine Kaiser-, oder was dasselbe ist, um eine Carenicrone. Innocenz' verlieh ihm deu Koniystitel und sandte eine Konigskrone {regium diadema). Kalojan nahni die Krone dankbar an, horte aber nicht auf, sich Car (imperator) zu schreiben. Nicht anders war es mit der Wiirde Vasil’s, fiir welchen vom Papste der Patriarchentitel verlangt wurde. Vasil erhielt nur den Titel eines Primas, unter dein - Vorgeben, dass beides gleichbedeutend sei®); sein Dank an den Papst lautete aber dahin, dass ihn der Cardinal Leo „io patriarcham'' geweiht babe*. Die Correspondenz zwischen Roio und Trnovo litt ausser der Unsicherheit der Wege aucb noch an dem Umstand, dass es keine Dolmetscher gab, _die in gleichem Masse des Bulgarischen und Lateinischen machtig waren; alle Actenstucke mussten mit Zubiilfenahme des Griechischen zwei tJbersetzungen durchmachen. Auf die kirchlichen Angelegenheiten, auf Ritus und Dogmen, hatte die Union keinen Einfluss. Kalojan, im Besitze der Konigskrone, erkannte bald, dass die Lateiner nicht unbesiegbar seien, und achtete von da an gar wenig auf den Papst und auf seine eigenen Versprechungen.®) Anlass zum Kiiege gegen die Lateiner gaben die Griechen, indem sie Kalojan zu Hiilfe riefcn. Die griechischen Stiidter und Archonten wurden namlich von den Eroberem iiberall hochmuthig beschimpft und misshandelt, als Leute, die aus angeborener Bosheit und gewofinter Treulosigkeit trotz aller Eidschwiirc stets nur auf Vcrrath be.dacht seien. Als nun die Lateiner in Kleinasien und im Peloponnes vollauf beschaftigt wareii, sandten siimmtliche Stildte Thrakiens Boten zu Kalojan, dcm Beherrscher der ihnen sonst so verhassten Bulgaren, trugen ihm fiir den Fall, dass er sie von der Fremd®) Apud no8 hace duo nomina primas et patriarcha paene penitus idem sonant, cum patriarchae et primates teneant unam formam, licet eorum nomina sint divcrsa. Theiner Mon. Slav. I. 25. «) Die CoiTespondenz Kalojan’s mit Innoceaz III. ist nur in der lateinischen Ubersetzung erlialton; die slawischen Originale sitd vcrloren. Theiner Mon. Slav. mer. I. 15—39. Migne, Innoc. III. ojiera (Paris 1855). Kine griindliche und ausfiihrliche Schilderung bei Golubinski 264—280, freilich vom Standpuukte der orientalischen Kirchengeschiohte. Cf. Drinov’s lJulg. Kirchengesch. 68—80, Makusov op. cit. 18—26.

Die Schlacht bei Adrianopel (1205).

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herrschaft befreie, die Kaiserkrone an und schwuren ibm als Unterthanen Geborsam.'^) Der Bulgarenfiirst verspracb bereitwillig sobald als moglicb mit seiner ganzen Macbt zn ibnen aufzubrecben. Der Krieg begann mit der Ermordung der frankiscben Besatzung von Didymotichon durcb die Stadtbevolkernng selbst, worauf die Franken Adrianopel eilig raumten. Nach einem Monat erscbien Kaiser Balduin' vor Adrianopel, doch von dessen Mauern und Thiimpen wehten schon bulgarische Banner. Wabi’end die Franken mit der Belagerung sick zu schaffen macbten, war Kalojan mit einem gewaltigen Entsatzbeere von Bulgaren und Kumanen im Anmarsch, Am 15. April 1205 gegen Abend kam es zur Entscheidungsscblacht. Der Kumanenhauptling Kotzas griflf das friinkische Lager an, wich aber rascli in verstellter Flucht zuriick. Eine kiihne Schaar unter dem Grafen von Blois jagte den Kumanen nach und fiel in einen Ilinterhalt. Bald waren sie von den Feinden wie von Bicncn umringt; von alien Soiten sausten Bfeile und Wurfspiesse. Die stahlgepanzerten Reiter sanken, Unter der Wucht ibrer Riistung der freien Bewegung beraubt, Mann fiir Mann zusammen. Balduin, den Seinigen zu Hulfe eilend, webrte sicb tapfor mit seiner Streitaxt, bis er im wilden Gedrange pldtzlicb verscbwand. Der Graf von Blois, 300 Ritter und eine Menge Soldatcn verbluteten auf der Wahlstatt. In der Nach't ziindoten die Franken zum Scheine die Wachfeuer vor Adrianopel an und eilten in regelloser Flucht dem Meere zu. Balduin’s Bruder Heinrich, ein tapferer und cdler Jungling, wurde zum ,Bailo“ (Verwcser) des verwaisten Reiches gewilblt; Dandolo starb nach wenigen Wocben. Und so blicb von dem lateiniscben Reiche in Thrakien bereits nacb einem Jahre nichts iibrig als Constantinopel, Rbaedestos und Selymbria; Renier in Pbilippopolis war vollkommen abgeschnitten. *) Das Schicksal Kaiser Balduin’s war lange Zeit vollig Unbekannt und bis zum heutigen Tage ist es nicht vollig aufgchellt. Zwei Monate nach der Schlacht schriob der Bailo ’) Makusev 35 sq. Villohardouin’s Memoireu ed. Wailly (Paris 1872) P- 211 sq., Kap. 80, 81. ^ ") Villehardouin Kap. 140—145. Clary Kap. 112. Makusev 37

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Kapitel XV,

an den Papst, Balduin sei in der Gefangenschaft friscli und gesund nnd werde von Kalojan ziemlich ebrenvoll behandelt.®) Der Papst fordorte den Bulgarenfiirsten auf, mit den Lateinern Frieden zu schliessen und den Kaiser freizulassen, widiagenfg,lls er von den Lateinern und Ungarn arg in’s Gedrange genommen werde; Kalojan soli aber den Legaten m it einer geringeren Hochachtung, als es sich geziemte, empfangen haben und wies des Papstes Wuusch ab.'®) Balduin schloss sein Leben noch in demselben Jahre, man weiss nicht, auf welcbe Art. Der Marschall Villehardouin gibt dariiber keinen AufBchluss. Der Grieche Niketas erzabit, d.ass als die tbrakischen Griechen den Lateinern ubergingen, Kalojan zornentflamrat den seit Langem in Ketten schmacbtenden Balduin aus dem Gefiingniss berausschleppen, ihm Hande und Fiisse abhauen und ihn dann in einen Graben werfen liess, wo er am dritten Tage qualvoll verscbied. Der spatere Akropolita reproducirt die alte Geschicbte von Krum und Kaiser Nikephoros’ Schadel: auch Kalojan soil den Schadel seines kaiserlichen Gefangenen zu einem Pokal sich hergerichtet haben. Albericus") erzahlt, Kalojan’s kumanische Frau hiltte nach fruchtlosen Versuchen, die Keuscheit des schonen Gefangenen zu besiegen, ihn angeklagt, worauf er grausam in Stiicke gehauen wurde; diese Erzahlung erinnert aber gar zu sehr an Joseph und Putipbar’s Weib in der Bibel. Gewjss ist es, dass Balduin eines gewaltsamen Todes starb. Zwanzig Jahre spater trat in Flandern ein Pseudo-Balduin auf, der einen grossen Anhang gewann, bis er zu Lille hingerichtet wurde. Gleichzeitig beniitzte Sisman Kalojan’s Statthalter in Prosek, aus welchera Strez kurz zuvor verjagt worden war, die Abwesenheit Kdnig Bonifacio's dazu, im Buude mit den griechischen Biirgern die Konigin Margavetha auf der Burg von Thessalonich zu belagern. Kalojan kain noch im Laufe des Sommers den Belagerern zu Hiilfa Bonifacio, aus dem Peloponnes eilig zuriickgekehrt, rettete zwar Thessalonich, *) Quod dominus meus iniperator sanus teneatur ot vivus, qui ab eodem Joannitio satis, ut assorunt, pro tempore honorabiliter proouratur. Theinnr Mon. Slav. I. Nro. LXUI. ««) lb. Kro. LXIV. und LXVni. "j tScLrieb um 1241. Ed. Leibnitz. Hannover 1698, 440. Engel 404.

Blutige Kriege mit den Lateinern.

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musste aber das iibrige ^Makedfonien fast ganz den Bulgaven iiberlassen. '*) Aus Makedonien. eilte Kalojan vor Pbilippopolis, wo inzwischen die Mehrzabl der Bevolkerung, besonders die Paulikianer, der Frankenherrschaft iiberdriissig geworden warei). Renier steckte das Paulikanerviertel in Brand und zog nach Stenimacbos (Stanimak) am Nordabhang der Rhodope, wo er eine 13monatliche Belagerung aushielt. Aber schon nach wenigen Monaten begann die wachsende Macht des Bulgarenfiirsten die Griechen um ihre Freiheit und Nationalitat mit Besorgniss zu erfulleu. Den nachsten Anlass zur Unzufriedenheit gaben die Kumanen, welche keine griechische Ansiedelung verschonten und die schonsten Gefangenen ihren Gotzen opferten. In Pbilippopolis erhob sich Alexios Aspietas, ein griecbischer Usurpator, der den Bulgaren allerdings nicht gewachsen war. Kalojan bezwang ihn, und liess Seiner Rache freien Lauf. Eine Menge Vomehmer wurde enthauptet, die Palaste niedergebrannt, die Mauem eingerissen Und die schone Stadt fast dem Erdboden gleichgemacht. Darauf kehrte Kalojan nach Bulgarien heim, um einen dort ausgebrochenen Aufstand zu ziichtigen.'®) Im Friihjahre 1206 wurde der Krieg erneuert, Kalojan’s Kumanen pliinderten an der Propontis, ja selbst vor den Thoren Von Constantinopel. Tausende gefangener Griechen wurden von den Bulgaren an der Donau in Dorfern angesiedelt, auf welche man die Namen der zerstorten Heimathsorte iibertragen haben Soll.'^) Der Chronist Niketas jammert iiber die Ruinen der einst so bliihenden Stadte, fiber die heillose Verwiistung der ehemals so anmuthigen Felder und Garten, wo nun Raubthiere die Stelle der Menscben einzunehmen begannen, Kalojan pflegte zu sagen, er rache die Unthaten des Kaisers Basilios; deuBasilios nenne man den „Bulgarentodter“, er wolle der „Romaertodter" werden Thrakien war- beinahe ganz in seiner Band bis auf Adrianopel und Didymotichon, wo der Grieche Jheodoros Vranas, ein frankischer Lehensherr, regierte.'®) '*) '^) '*) '*)

Niketas ed. Bonn. 816, 817. Makusev 44. tJber Renier Villehardouin ed. oit. 239, 262, Akropolita (Stritter 711). Hopf 217. Akropolita 1. c. Hopf 216 sq.

■ T irtS ek , G tieb . d«r Bulgaren.

16

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Kapitel XV.

Als Renier aus Stanimak, welches in dem Augenblicke, wo die Noth der Belagerten aufs Hochste stieg, endlich entsetzt wurde, die erste verlassliche Nachricht von Balduin’s Ahleben hrachte, ^vurde der auch bei den Griechen beliebte Bailo Heinrich zum Kaiser (1206—1216) gekront. Ihm gelang es die Bulgaren, die nun auch Didjrmotichon zerstort batten und (1207) Adrianopel belagerten, zuriickzutreiben, worauf er einen Zug langs der Pontuskiiste bis nach Anchialos unternahm. Aber dieser Erfolg so w e alle Friedensermahnungen des Papstes an Kalojan blieben bei diesem fruchtlos.'^ Kalojan hatte sich inzwischen durch einen Bund mit Laskaris zu neuen Unternehmungen gekraftigt, doch der letztere sah sich durch die Angiiffe der Seldzuken bald bewogen mit den Lateinern rasch Frieden zu schliessen (1207). Dafur wurde Kalojan eines gewaltigen Gegners los. Konig Bonifacio hatte in Kypselae an der Marica eine Zusammenkunft mit dem Kaiser, wo ein grosser Feldzug gegen die Bulgaren verabredet wurde. Auf der Riickkehr unternahm er von Mosynopolis aus einen Streifzug in die Rhodope, fiel in einen bulgarischen Hinterhalt und wurde durch einen Pfeil getddtet. Seinen Kopf hrachte man dem Kalojan, der iiber den Tod des ritterlichen Fiirston in masslose Freude ausbracb. Bonifacio hinterliess einen unmiindigen Sohn Demetrios. Kalojan riickte ungesaumt ror Thessalonich und pflanzte seine Belagerungsmaschinen vor den Mauern auf. Aber hier ereilte ihn uncrwartet sein Ende. Wohl auf Anstiften der kumanischen Garin trat sein Feldherr Manastras,' ein Kumane, Nachts in das Carenzelt, stach don Schlafenden mit einer Lanze in die Hiifte und verschwand. Als der schwer Verwundete ein Hiilfsgeschrei erhob, lief Manastras wieder aus dem benachbarten Zelte herbei und spielte den Uberraschten. Doch der Car beschuldigte ihn direkt des Mordes. Manastoas widersprach, es sei nur ein Trauragesiclit geWeaen. Am anderen Tag Abends verschied Kalojan unter furchtbaren Schmerzen. Rasch verbreitete sich ein Geriicht, der hi. Demetiios, der Patron von Thessalonich, babe den gefiirchteten Caren mit eigener Hand erstochen'*). ”j Am 26. Mai 1207- Theiner Mun. Slav. I. Nro. LXVIII. '•) Diose Legende findet sich schon bei Clary (Rad V. 156), in des Koiiigs iitephan des Erstgeki’onten Lebensbeschreibung seines Vaters

Kalojan’9 Tod. Car Boril (1207—1218).

24.i

So endete im Herbst (vielleicht am 8 October) 1*207 der Fiirst, der die Byzantiner mit solchem Grauen erfiillte, dass sie ibn Skylojoannes d. li. den Hundejoannes benannten. Mogen die Erzjihlungen gi'iechischer und lateinischer Chronisten iiber ibn uocb so parteilich sein, grundlos sind sie nicht. Sein Cbarakter ist mit blutigen Makeln beflecht, die sich zwar nicbt reinwaschen, aber durch den geselligen Verkebr ttiit den Kumanen erkliiren lassen. Bei den Bulgaren wurde das Andenken des „grossen, fr6mmsten“ Caren freilicb bocb gebalten. Nocb beutzutage lebt er in den Sagen der thrakischen Bulgaren als „car KalijanCo Ibres Oberbauptes beraubt, boben die Bulgaren die Belagerung auf und zogen beim. In Tmovo bestieg Soril {B K , Burile, Burus der Fraiiken), Kalojan’s Schwestersobn, usurpatorisch den Tbron, wobl einer der Mitschuldigen an dera vor Thessalonich verubten Morde; seine Heirath mit Kalojan’s Witwe berechtigt zu dieser Annahme. Der legitime Thronerbe, der nocb junge Sobn Asen’s Joannes Asen, floh mit seinem Bruder Alexander nach Russland.*®) Das grosse Beicb begann in Triimmer zu geben. Mit Hiilfe des serbiscben Grosszupans und spateren Kbnigs Stepban, des Sobnes Nemanja’s, verdriingte Stres den Sisman aus der Felsenburg am Vardar und erneuerte sein Reich. “') Slav (Ud'kd^og, Esclas), ein Vetter Boril’s, errichtete von dom Bergscblosse Melnik aus ein Fiirstenthum in der Rhodope; der schlaue Mann schloss sich bald don Bulgaren, bald den Franken, bald den Epifoten an, ohne »icb Jemandem ganz unterzuordnen und stets nur den eigenen Vortheil im Auge behaltend. oqi

ccs

Nemanja Kap. XVII. (ed. Safafik, Pamatky), bei Albericus 442, und in des Serben Domentian (scbrieb 1264) Lebon der hi. Symeon (Nemary*) Und Sava, ed. Daniuic, Belgrad 1865 p. 209. Die ausfiihrlichste Erzahlung hber Kalojan’s Tod bietet Staurakios (in der Bonner Ed. des Akropolita p. 236). >*) Zaohariev 60, ***) Akropolita Kap. 13 und 20. . •') Konig Stephan 1. c. **) Akropolita 1. o. 24. Hopf corrigirte seinen bei Griechen und Franken verstiimmelten Kamen zu Svatoslav (altbulg. ware Svqtslav), dass aber Slav das richtige sei, zeigt die Stelle des Pomenik (s. Aum. 30): tiSlava despotju veCnaja pamqt" (Kakovski AsSn 51). „Totam terrain do 16'

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Kapitel XV.

Boril wollte nach dem Beispiele seines Oheims in den Frankenkriegen fortfahren, und schloss hiezu einen Bund mit Laskaris. Aber seine Heere warden von Kaiser Heinrich bei Berrhcea zersprengt und Boril selbst mit einem Heere von 33000 Mann am 31. Juli 1208 bei Philippopolis von 18000 Franken furchtbar geschlagen. Vom Schlachtfelde ruckte das siegreiche Frankenheer an die Grenzen von Slav’s Gebiet. Her Beherrscher der Rhodopeliinder kam in das Lager, kiisste dem Kaiser Hand und Scbuh, worauf man ihn als Leheusmann aufnahm, ja> selbst die ganze „la grande Blaquie", namlicb Bulgarien ihin versprach., Ende des Jahres kam Slav nach Constantinopel und erhielt dort als wichtiger Verbiindeter nicht nur den Despotentitel, sondern auch eine uatiirliche Tochter des Kaisers zur Frau. Ein Corps frankischer Ritter unter des Kaisers Bruder Eustach gab ihm das Geleit in die Heimath.*^) Die Franken, sobald sie die Invasionen Kalojan’s nicht mehr zu fiirchten batten, begannen untereinander zu hadern. Biandrate und Buffa, die Vormiinder des unmiindigen Demetrios, Konigs von Thessalonich, verschworen sich mit dem lombardischen Adel von Makedonien, Thessalien und Hellas in der Absicht, ein grosses Reich zu stiften, welches vom Peloponnes bis nach Durazzo und Philippopolis sich erstrecken sollte. Der Kaiser, dem sie die Huldigung versagteu, brach schon im December 1208 nach Makedonien auf, unter dem Vorwande, er habe es auf die Bulgaren abgesehen. In dem darauf folgenden Biirgerkriege rief die lombardische Besatzung von Seres Boril zur Ililfe, aber dutch Verrath der griechischen Biirger drangen die Kaiserlichen in die Stadt. E rst 1210 wurde die Euhe hergestellt, als die vier Reichsfeinde, Boril von Bul­ garien, Laskaris von Nikaea, Michael I. von Epiros und Strez von Prosek sich beeilten, die inneren Unruhen fiir sich auszuniitzen. In Bulgarien fielen damals gar wichtige Dinge vor. Der Bogomilismus hatte eben seinen Hohepunkt erreicht. Die Sclave" Urkunde 1228 (Ljubic Monumenta spectantia hist. Slav, mer, III. 402).' **) Hopf 220. Makusev 51. Akropolila Kap. XXIV. Henri de Valen­ ciennes Kap. II. IX. XI. (Villehardouin ed. Wailly 309, 331).

Die Bogomilenverfolgung (1211).

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Scliriften des Italieners Reniero Sacchoni, welcher lange Zeit patarenischer Lehrer war, dann aber abfiel uad als Mitglied des Dominikanerordens sogar Inquisitor wurde, geben Aufschluss fiber die Verbreitung der Lehre Bogomil’s zu Anfang des XIII. Jahrhunderts. Vom Atlantischen Weltmeer bis zum Pontus zahite man 16 haeretische Bisthfimer. Drei davon waren in Frankreich, sieben in Ober-Italien, drei in den SlawenEndern. Hier war zu den zwei bereits erwahnten Bistbfimern (der Bulgaren und der Dragovifien) ein neues (Sclavouiae) in Bosnien hinzugekommen, wo Ban Kulin, dessen gute Zeit noch jetzt in den Sprichwortern der Sudslawen geruhmt wird, ®‘‘) durch seine Friedenspolitik, alien Bemuhungen der Ungarn und des Papstes zum 'Trotze, den Bogomilen, zu denen er wahrscheinlich aucb selbst sich bekannte, einen besseren Schutz verschaffte als andere durch blutige Kriege. Zu „Phi­ ladelphia in Romanien", was nach Ka5ki ein den Briefen des hi. Paulus entnommenes Pseudonym fur Philippopolis ist, befand sich ein Bogomilenbisthum griechischer Zunge. In Constantinopel selbst waren zwei Gemeinden „ecclesia Latinorum et ecclesia Graecorum," wovon die altere aus Eingeboreuen, die jungere aus Lombarden und Franzosen bestand. Boril untemahm eine Bogomilenverfolgung. Die Lehrer Und hervorragendsten Anhiinger der Irrlehre wurden in dem ganzen Reich e eingefangen. Sodann versammelte der Car am II. Februar 1211 eine Synode (sibor) von Geistlichen und Boljaren in Trnovo. Von den Gefangenen schworen einige ihre Lehre ab; die Hartnackigen wurden den Kirchengesetzen ge•Uass verbannt und fiber die Bogomilenlehre feierlich das Ana­ thema ausgesprochen. tJberdies liess der Car ein Gesetzbuch (sibornik) wider die Bogomilen aus dem Griechischen in’s Slawische ubersetzen. Der Beweggrund zu dieser ungewohnlichen Massregel**) wider eine machtige Sekte, welche von den Vorgangern Boril's Uicht nur in Rube gelassen wurde, sondern, unserer Meinung «) Z. B. DaniCic, Poalovice (alte Spricbwortor). Agram 1871, Nro. 1882. nVor seiner Carenregierung hat Niemand anderer eine solche orthodoxe Synode veranstaltet“ liest man in dem noch erhaltenen Synodik (Rakovski Asen 49).

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Kapitel XV.

nach, bei der Revolution Asen’s und Peter’s, gleich wie bei den Aufstiinden des XI. Jalirbunderts (S. 209), einen bedeutenden Antheil hatte, ist nicht aufgehellt. *•’) Unsere Kenntniss von den inneren Zustanden des damaligen Bulgariens ist uberhaupt noch sehr niangelhaft. *’) Wiihrend man in Bulgarien mit den Bogomilen aufraumte, fand Strfiz, der Fiirst von Prosek, seinen Untergang. Im Friibjabr 1211 griff er, unterstiitzt von Boril, die Franken an, wurde aber von diesen mit Unterstiitzung des Michael I. von Epiros, der noch im vorigen Jahre im Bunde mit ihm in Slid - Makedonien pliinderte, auf den Ebenen Pelagoniens vollstandig geschlagen. Mit dem Reste seiner Truppen wandte er sich gegon den friedfertigen und gelehrten Grosszupan der Serben Stephan, der ihm noch unlangst wieder zur Herrschaft verholfen hatte. Stephan sandte vergebens seinen Bruder, den Hioromonachen und spiiteren Erzbischof Sava, zu dem Storenfried, um ihn zur Rube zu bewegen. Da fiel Strez plotzlich von der Hand eines der Seinigen. Die Sage verkiindete freilicb, der Unraensch sei von dem hi. Symeon (d. h. dem als heilig verehrten Nemanja) oder von einem Engel erschlagen worden, so wie es Kalojan vom hi. Demetrios widerfahren war ’ ®). Das Gebiet des Strez am Mittellauf des Vardar wurde noch lange Zeit hindurch als ein Gauzes betrachtet; noch 1228 ist von *") Rack! (Rad VIII. 178) meint, dass die Regierung selbst wie ia Byzanz uud Serbien die Verfolgung angeordnet babe. Palauzov, der IlerauBgeber des Synodiks (Moskau 185S), erklkrt Boril’s Vorgehen aua ortbodoxem Glaubenseifor. Drinov (Bulg. Kirchengescbichto 83), gestutzt auf Albericus, der die Sendung eines Cardinal’s' aus Rom zu Boril erwkhnt, sieht darin papstlichen Einfluss, *’') Konig Stepban nennt in der Biographie seines Vatera Nemanja den Boril einen Peinigcr, „desson Seele es ein susses Vergniigen macht, das Blut seines Stammes zu vergiessen; er hat aucb unzablige andere Menschen bingemordet, als ob er Laud und Meer vernichten wollte" (Rap. XVII). Es ist dies wahrscheinlich eine Anspielung auf die blutige Bogomilenverfolgung. Stephan ist auf Boril uberhaupt nioht gut zu sprocheu.

'•**) Hopf 213. Makusov 12. Kdiiig Stephan 1. o. (mit rhetorisober ( borscbwenglichkeit). nUnd in diesor Nacbt durcbbohrle ihn der Engel tlottes mit einer Lanzo“, sagt Domeutiau ed. Banicic, Belgrad 186B, 209. Cf. Thoodosij ed. Dauicie (als Bomeutian) Belgrad 1860, 103. Ein marcbenhaftea Leben des Str6z in Glasnik VIll. 144. Cf. aucb den spateren Daniel 18.3.

Tod des Theilfiir&ten Strez. Ues Careu Boril Fall.

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«terra, que fuit de Straces" die Rede®"). Die Bulgaren sangdu deni „Sevastokrator Strez" in iliren Kirchen ein ewiges Andenken *°), wiihrend die Serben ihn zu einem gottlosen Wiitberich stempelteu. Kaiser Heinrich war damals von alien Verbiindeten, selbst von den Vwnetianern, verlassen; der Papst allein unterstiitzte ihn mit Geldmittdln. Da rietlien ihm die Reichsbarone, sich mit Maria, der ob ihrer Schonheit beriihmten Tocbter Boril’s zu vermahlen; dadurch werde er einen rniicbtigen Verbiindeten gewinnen, der sonst als Feind dem geschwachten Reicbe grossen Scbaden zufiigen Aviirde. Dem Kaiser widerstrebte anfangs dieser Plan, aber die Notbwendigkeit bewog ibn darauf einzugehen. Die Vermahlung wurde mit grossom Pomp gefeiert (um 1213). Indess die gliinzenden Hoffnungen erfullten sich ni oht " Ein einziges Mai unternahm Boril mit dem Kaiser einen Feldzug gegen die Serben, aber in Nis mussten sie unverrichteter Dinge umkehren; der hi. Symeon'soll sie zuriickgejagt haben®*). In Bulgarien hatto Boril schon seit liingerer Zeit mit Joannes Asen zu ksimpfen, der mit einer Scbaar Russen aus der Verbannung heimgekehrt, den Boril schlug, grossen Anbaug gewann und den Caren endlicb in Trnovo einschloss, wo derselbe, seit Kaisers Heinrich’s Tod (1216) ganz isolirt, sogar den Papst um Hulfe anrief. Nach einer langwierigen Belagerung erschlaffte die Partei des Boril, er selbst floh, wurdo eingefangen und geblendet (1218). ®V

*®) Ljubic Moimmenta III. 402.

Rakovski Asen 51 (Pomenik d. h. die Namen der Caren, Cnrinen, Bischofe usw., denen ein ewiges Andenken gelesen wurde). 8') Hopf 246. Clary §. 116-118. Kouig Stephan, Kap. XVI. In den librigeu Quellen findet sich kein Wort fiber dieeo Expedition. 88) Akropolita (Stritter 722) spriobt von einor 7jiilirigen Belagernng; so lange mag der ganze Krieg gedauert habon. Joannes Asen II. Hegierungsantritt iallt nach der Inschrift von Truovo (vom Jahre 1230) in das Jahr 1218. Stritter und Golubinski verlangern die Regierung Boril’a bis 1221.

Kapitel XVI,

Car Joannes As^n IL Vie grosste Bliithe des Bulgarenreiches mter dem Caren Joannes Asen II. {1218 1241). Die ScMaeht von Klohotnica und Besetzung von gam Thrdkien und Makedonien. Innerer Aufschwung in Bulgarien. Die Besidemstadt Trnovo. Bimdniss der Bulgaren und Griechen gegen die Gonstantinopler Lateiner. Besiehungen Asen^s zum Papst m d zu den Ungarn. —

Joannes Asen II. „des alien Caren Asen Sohn“ '), der grosste der Aseniden, erweiterte die Grenzen seines Reiches, obgleich er es in einem zerriitteten Zustande ubernommen hatte und selbst kein Eroberer war, zu einem Umfang, wie sie ihn seit Jahrhunderten nicht hatten und auch spater nie mebr erreichten. Auch dem inneren Wohlstand vrendete er seine Sorgfalt zu. Sein Andenken triibt keine Grausamkeit; er war ein menschenfreundlicber und milder Regent. Der Byzantiner Akropolita erzahlt von ihm, alle Zeitgenossen hatten ihn fiir einen merkwiirdigen und gliicklichen Mann angesehen; „denn er hat weder gegen die Einheimischen mit dem Schwerte gewiithf't, noch dutch Ermordung der Giuechen eich befleckt, wie es seine Vorganger unter den Beherrschern der Bulgaren zu thun pflegteu. Datum ist er nicht nur den Bulgaren, sondern auch den Griechen und anderen Volkern theuer und lieb gewesen.“ Und der anonyme bulgarische Monch schreibt iiber ihn; „Joannes Asen, der grosse und fromme Car, der Sohn ') Syn staraago Asene care. Insohrift aus dem J. 1230, Euthymij, Leben der hi. Petka (Rakovski Asen 12), der Pbmenik der Caren (ib. 02). Irrig halten ihn einige Historiker fiir den Sohn Kalojan's.

Joannca Asen 11. (1218—1241).

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des alten Caren Asen, verherrlichte in starker Liebe zu Gott das bulgarische Carenreich mebr als alle bulgarischen Caren vor ihm; er baute Kloster und scbrniickte sie besonders mit Gold, Perlen und Edelsteinen, stattete alle beiligen und gottlicben Barchen mit vielen Geschenken aus, und bewies an ibnen eine lautere Freigebigkeit; einen jeden Grad der Geistlicbkeit, die Arcbibiereen, die Hiereen und die Diakonen bedachte er mit vielen Ebren und erneuerte endlicb das Patriarchat des bulgariscben Carenreicbes. “ *) Das Lateinerkaisertbum in Gonstantinopel war scbon ein Decennium nach seiner Entstebung in Auflosung begriffen. Kaiser Heinricb, der „zweite Ares“, wie ibn die Griecben nannten, war 1216 in Tbessalonicb plotzlicb gestoiben, nach ,der allgemeinen Ansicbt an Gift; einige bescbuldigten seine bulgarische Gemablin, andere seine Vertrauten; Hopf bezeichnet den Lombarden Biandrate als den mutbmasslichen Thater. Sein Nachfolger und Schwager Peter de Oourtenay wurde auf dem Marscbe von Durazzo nach Tbessalonicb von den Epiroten Verratberisch ubei’fallen und starb in der Gefangenschaft. Auf Peter folgte sein Bruder Robert^ welcher 1220 ungehindert durch Ungarn und Bulgarien in Gonstantinopel eintraf. Verwandschaftlicbe Verbaltnisse batten ibm den Weg gebabnt; Asen II. hatte ein Jahr zuvor Maria, die Tochter des Ungamkonigs Andreas II. geheiratet, der hinwiederum ein Schwager Robert’s war.®) Robert, ein ungebildeter Feigling, musste nach unriihmlicben Liebeshandeln 1228 aus Gonstantinopel entfliebeu. Sein Nachfolger Balduin II. war ein kleiner Knabe, wahrend die Lage des Reiches eines energiscben Mannes bedurfte. Einige Hethen, man moge Asen, der als Scbwiegersohn Andreas II. auch dem Balduin verwandt war, zum Reichsverweser berufen Und durch die Verlobung des Balduin mit Helena, Asen’s Xochtercben, das Verhaltniss kraftigen ■*). Asen erklarte sich * ) R a k o v s k i A a e n 50, 64.

®) Theiner Mon. Hung. I. 21 (1219); cum A zeno B u lg aria imperatore mediante nostra filia matrimoninm oelebravinius. *) Oass es Helena (geb. 1225) war, ersieht man aus Sanudo bei Bongars, Gesta Dei per Francos II. 73; spater beiratbete sie Theodor II. taskaris. S. Stammtafel (Kap. XVII).

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Kapitel XVI.

dazu bereit und versprach Thrakien, wo der unermudliche Joannes Dukas Vatatees (1222—1254), Nachfolger des Theodoros I. Laskaris, sogar Adrianopel besetzt hatte, fiir Balduin zuruckzuerobera. Aber die Angst vor den Bulgaren und die Opposition des Clerus behielt die Oberhand, Man berief Jean de Brienne, den Exkonig von Jerusalem, welcher zwar 1231 mit einein starken Heere eintraf, aber durch seinen Geiz und seine Unthatigkeit alle Hoffnungen tauschte. Viele Ritter und Knappen zogen es vor, die lateioischen Fahnen zu verlassen und bei Asen Dienste zu nehmen.*) Inzwischen entstand in den Pinduslilndern ein neues Reich, das bald in die Schicksale" der Halbinsel gewaltig eingriff. ' Dort war (1214) auf Michael I. von Epiros sein Bruder Theodoras, ein wilder und treuloser ICriegsmann, gefolgt. In wenigen Jahren besetzte er Ochrida, Prilep, Pelagonien, unterwarf sich die Albanesen, welche damals unter Demetrios die Venetianer von Durazzo bekampften, nahm Durazzo, Korfh, ja sogar Thessalonich (1222), und gewann durch Verratb Adrianopel dem Vatatzes ab. Slav musste sich ihm anschliesseu und seine Nichte zur Frau nehmen. Das Reich Theodor’s reichte von Meer zu Meer, vom Golf von Korinth bis zur Marica. Da nahm er den Kaisertitel an, Hess sich von Demetrios Chomatianos, dem Erzbischof von Ochrida, kronen und pragte Miinzen mit seinem Bildniss. Asen schloss mit Theodores anfangs einen Bund, zu dessen Bekraftigung Theodores’ Bruder Manuel Maria, eine natiirliche Asen’s, heirathete; aber nicht lange wahrte es, dass Theodores, des Eides uberdrussig, Feindschaft an Stelle der Freundschaft treten Hess. Mit einem gewaltigen Heere von Griechen und Franken (Sbldnern) brach er in Thrakien ein. Bei dem Dorfe Klokotnica in der Nahe der Marica trafeu die feindlichen Heere im April 1230 zusammen. Asen Hess die Urkunde des gebrochenen Vertrages auf einem Lanze vorantragen. Mit einer Schaar von kaum 1000 kumanischen Soldnern erbffnete er den Kainpf. Theodoros wurde besiegt und mit vielen Vornehmen gefangeu geuommen. Die gemeinen Gefangenen Hess Asen gleich nach der Schlacht frei und ruckte unverweilt in Theodoros’ Reich ein. *) MakuSev 58—61. Hopf 252 sq.

Schlacht bei Klokotaica (1230).

251

Durch ungewolinliche Milde und Menschenfreundlichkeit gewann sich Asen dio Bevolkerung des eroberten Reiches, dessen Dorfbewohner ja ,zum grossfi^n Theil Bulgaren waren. Ohne Kampf fielen Adrianopel und fast ganz Makedonien und Albanien bis nach Durazzo dem Sieger zu.®) Auser den Besatzungen in den Burgen und den gewbhnHchen Steuern legte er den neuen Provinzen keine anderen hasten auf. Seit Samuel’s Zeit waren die bulgariscben Slawen >fieder einmal unter einem Scepter vereinigt. Asen’s Reich beriihrte alle drei Meere. Ausser Donau-Bulgarien umfasste es Branicevo und Belgrad, Nis und Velbuzd (Kostendil), Thrakien samint Didymotichon und Adrianopel, ganz Makedonien, niiralich die Kreise von Seres, Skopje, Prilep, Devol und Ochrida, dann das Albanesenland mit Elbassan bis nach Durazzo. Der Despot Slav von Melnik verscbwindet vom Scbauplatze; wabrscheinlich starb er als einer der vornehmsten Hciflinge Asen’s^). In Thessalonicli und in den Resten des Epii’otenreiches wurde Asen’s Schwiegersohn Manuel belassen, der deu Kaisertitel annahm. Der westliche Grenznachbar, der Serbenkonig Stephan Vladislav^ hatte gleichfalls eine Tochter Asen’s zur IFrau Damals erbaute Asen in Trnovo einen Dora (jetzt eine Moschee), in welchem eine Inschrift seine Thaten in folgender Weise Verherrlicht: „Im Jahre 67.38 (d. h. 1230) III. Indiction. Ich Joannes Asen, der in Christo dem Gott getreue Car und Selbstbeherrscher der Bulgaren, der Sohn des alten Asen, babe diesen Uberaus ehrwiirdigen Tempel von Grund aus erbaut und mit Malereien vollstandig ausgeschmuckt zu Ehren der hi. 40 Martyrer, mit deren Hiilfe ich ira 12ten Jahre meiner Regierung, 0.1s der Tempel eben gemalt wurde, in den Krieg nach Roma­ nia auszug und das gricchische Heer schlug und den Caren *) Uber die Schlacht von Klokotnioa (KXoxoTtvir^a, ICioKOTtKaU*) siehe AkropoUta (.Kap. 25), der fiir dieae Periode die UauptqucUo sbgibt. tlf. Albcrious 636.' Ober dio Greuzen dos Reichos Asens 1230—1241 vgl. da» Privilogium der Ragusaner (a. utiten). AkropoUta 1. o.. liuthymij’s beben der hi. Petka (Rakovaki AaCn 12) und daa Vorzoiohnisa der bulg, tlparchien unter Joannes Asen II. (ib. 53). ’) Im Pomenik (Rakovski 61) wird ihm ein ewiges Audenken gelesen, unter den Caren uud ihren Hoflingen.

252

Kapitel XVI.

Kyr Thodor Komnin selbst mit alien seinen Boljaren gefangen nahm. Und alle Lander habe ich erobert von Odrin (Adrianopel) bis nach Drac (Durazzo), das griechische, dann das albanesische and serbische Land. Nur die Stadte um Carigrad (Constantinopel) und diese Stadt selbst hielten die Franken (Frf^zi), aber auch diese unterwarfen sich unter die Hand meines Carenthums, da sie keinen anderen Caren ausser mir batten und nach meinem Widen ihre Tage fristeten, da Gott es so befohlen. Denn ohne ihn wird weder ein Werk nocb ein Wort vollfiihrt. Him sei Ehre in Ewigkeit. Amen.“®) Die Residenzstadt Trnovo wurde von Asen II. ungemein gehoben. Damals hot sie freilich einen anderen Anblick, als das heutige Trnovo mit seinen sparlicben Ruinen. In den bulgarischen Denkmalern wird es nach byzantinischer Art mit glanzenden Epitheten bezeichnet; die Carenstadt Trnov, die von Gott erloste Carenstadt (bogospasnyj carigrad), die Carin der Stadte, die regierende, die hochberuhmte Stadt, die in Wort und That zweite nach der Stadt Konstantin’s*). Wann Trnovo gegriindet wurde, ist unbekannt. Nach der einen Sage sollen es Riesen erbaut haben, nach einer anderen war Kruto der Grunder. Im X. Jahrhundert war es die Wiege der Revo­ lution Sisman’s I. Erst die Briider Asen und Peter begriindeten den Glanz Tmovo’s, iudem sie ihre Residenz hier aufschlugen und den Sitz des Erzbischofs hieher verlegten; es ist nicht unmoglich, dass hier ihre Stammburg stand. Bis auf den heutigen Tag fiberrascht die prachtige Lage der alten bulgarischen Metropole jeden Reisenden.'*) Sie be*) Entdeokt von Daskalov (s. S. 148 Anm. 10). Ein Facsimile bei Rakovski, Asea 9. — Brienne kam erst 1231 nach Byzanz. *) Vgl. §aailevovuaniden von Trnovo,' warfeu das griechische Joch ab und griindeten in Donau-Bulgarien ein neues Reich, dessen siegJ^eicbe Fortschritte zum Sturze der Komnenenmonarcbie nicht Wenig beitrugen. Der dritto Bruder Kalojan verscbafFte den Deherrschern Bulgariens eine legale Stellung uiiter den Fiirsten der Christenheit. Dass das neu gegriindete Lateinerreich so bald zusammenbracb, ist hauptsachlich das Verdienst seiner Vernichtuugskriege. Unter Joannes Asen II. erreichte die Macht des Bulgarenreiches ihren Hohepunkt. Aber nach dem Tode des grossen Caren zeigte es sich, dass alle diese Macht Und Herrlichkeit mit dem Leben eines Mannes stand und fiel. Asen’s II. und seiner Dynastie Ideal, das sich schon in dem Titel des „Caren der Bulgaren und Griechen" ausserte, war eine slawische Monarchie mit der Hauptstadt Constantinopel ; seine' Nachfolger waren nicht einmal im Stande, die Herrschaft iiber die makedonischen und thrakiachen Slawen zu behaupten. »«) Hopf 260. *1) Akropolits. cap. 73.

268

Kapitcl XVII.

Das Constantinopler Frankenreich nahm sclion wenige Jaliie nach dem kliigliclien Tode des letzten Aseniden ein erbarmlicbes Ende, aber das an dessen Stelle aufgericbtete neue Byzantinerreich, obgleicb vorzuglich durch das Zuthun und mit Hiilfo der Bulgaren hergestellt, wurde dieseh nicht minder gefiihrlich '*).

2) Stainmbaum der Aseniden:

I’fter a)

Joannes Asen I. I>) Gem. Helene „nova carica“, als Xoime Kugenia e)

Kalojan

Joannes Asen I I ,

Alexander (f.) 1. Anna, im KlmUr Sevas)okrator g) 2. Vnna oj. 3. Irnne, «ls Nonnf Xfnia. K a'liuan I I ,

(2) Rttliniau I* g . J232 t 1246 h )

(2) Ueleua Gem. Theodoros Haskarifl

12) Thamar Gera. Michael Komnonos i)

J___ Joinnen IV. I,a»knris

Ir e n e

Syhwester N.

IN.

flfm. RiimaBio

(3) Mich, Aseii Gem. U r o s ’s

Tochter

J,

Itoril d) 8lar Despot e) C. ffiltu e Knlojan’s Maria Rem. kiiis. Heinrirbi Kelofllava Gem. Stephan ViaUigiav

IVIaria und Theodora od.

Anna 0

T o e h te r k ) 2opan Dcaa w^Stvastokfitor IMcr ai KulupotrUB b6i AxiBbcrt. b) tTviauiioa; KutliymlJ V ita Jo. Ryb c) Kuthym. bol Kftk, AmAii IJ; Hyitodik ib, 52. BcMoulava lb ‘na’ I'rUuiule iu Rad, jngosl. nknd. I.

Gem. Konstantin

Kapitel XVIII.

Stirgerkriege. Car Konstantin Asen. Ber Usurpator Ivajlo. Tatarische Oberlierrschaft. Innere TVirren tmd Umtvodzungen. Konstantin Asen, ein Serhe {1^58— 1277). Kriege mit Ungarn. Confoderation tier neaiiolitanischen Anjou’s mit den Serben and Bulgaren gegen Bgzunz. Intngmn der Garin Maria. Des Abenteiirers Ivajlo (Luchanas) Bevoliition, Eegierung und Tod {1277 1279). Der bgzantinische Pratendent Joannes Asen ITT. Georg Terferij (1280 1292), der Griinder einer neuen Dynastic. Invasionen Nogaj Chan’s. Car Sinilec, ein tatarischer Vasail. Coki Chan. Sv^tslav, der Befreier des Vaterlandes {1294). —



Nacli Kaliman’s II. Tode versammelten sich die Boljareu auf einera Reiclistage, um einen neueu Carea zu wiiMen. Die Wahl fiel auf deii Serben Konstantin, Sohn des Tich uiul Enkel des Stephan Nemauja,') einen tapferen und verstiindigea Mann, dcssen Familie am Fusse des Vitos bei Sophia begiiteit war (1258— 1277). Um den Scheiu der Erblichkeit zu wahren, uahm er die Tochter des Kaisers Theodor Laskaris, eine Eu•) „Dcr heiligo Symemi Nemauja, mein Grossvnter sagt er selbst in einer Urkunde, iSafafik Pam. 23. „KnIujan tier Sevastokrator, tier Vetter (bratuc^d) dos Caren, der Knkel des beiligen Stephan des Serbenk6nigs“ host man in einer Xnschrift zu Bojaua unter dem Vitos (Glasnik VII. 189). Gewiss war es eine Verwandtsohaft von rniitterliober Seite.

270

Kapitel XVIII,

kelin Asen’s II. zur Frau,-und legte sich den Namen Konstantui Asen bei.®) Seine erste Frau, von welcher er sich hatte scheideii lassen, sandte er als Burge des Friedens nachiN ikaea; die byzantinische Moral sab in seinem Vorgange nichts anstossiges.*) Das nikaiscbe Kaiseweich hatte, obwohl es sich inzwischen von Jahr zu Jahr befestigte, blutige Kriege mit den Epiroten zu bestehen. Der dortige Despot Michael II. besetzte im Bunde mit den Serben ganz West-Makedonien (1257), wobei er den Feldberrn und Geschichtsschreiber Akropolita in Prilep belagerte und gefangen nahm. Seine Hauptstiitze waren seine frankischen Schwiegersohne Wilhelm Villehardouin, Fiirst von Achaja, und Konig Manfred, welcher damals durch Besetzung von Korfu, Durazzo, Valona und Berat in Albanien festen Fuss zu fassen begann. Aber die Niederlage des verbiindeten Epi­ roten- und Moraitenheeres im Vorilaswalde bei Prilep bracb die Macht des Despotats (1259). Nach des Theodores II. Laskaris Tod (August 1258) folgte in Nikaea sein Sohn Joannes IF ., ein Schwager des neuen Bulgar6hcareu. Aber schon nach einem Jahre wurde der Knabe ®) Konstantin As&n in beiden cit. Ueukmalern. 3) So schildert die Thronbesteigung Konstantin’s Akropolita, welcher als byz. Gesandte den neuen Caren 1200 personlich kennen lernte (Kap. 73, ed. Bonn p. 161). Ganz anders lautet der Bericht des vie) jungeren Zeitgenossen Georgios Pachymeres debte 1242 -1308): Asen’s II. Schwiegersohn und des Theodor Laskaris Schwager Mytzes {M vrSrjg) hatte gegen die Griecben ungliicklich gekampft und sei dadurch so unbeliebt geworden, dasB die Boljaren den ,Halbserben“ Konstantin zur Regiernug beriefen. Konstantin bekampfte den Mytzes einige Jahre, bis dieser nach Mesembria eutlloh und dieSladt den Gricchen iibergab (1265), wofur er Outer am Skamander erhielt. Ahnlich lautet die Erzahlung des spaten Nikephoros Gregoras (1295—1360). Nach dem Tode des kinderlosen Mi­ chael Asen sei ihm der Gemabl seiner Schwester Mytzes gefolgt, ein verweichlicbtor Mensch, welchen Konstantin mit dem Beinamen Tich verjagte (Stritter II, 751, 760). Einheimische Anualeu besitzen wir leider nicht. Es diinkt mir sehr wabrscheinlich, dass dieser Mytzes Niemand anderer sei, als der durch Sagen entstellte Michael Asen (Mica Liminutiv fiir Michail). Palauzov in seinem „RoBtislav Macevski* (Journal des russ., Untefrichtsministeriums LXXI.) hat durrh Verschmelzung aller drei Berichte arge Verwirrung angerichtet. Vgl. Palaoky, Radhost II. 269 und Golubinski 219. Fallmerayer, Gesoh. von Morea II. l l sq Hopf 283.

Konstantin As6n (1258-1277).

271

von 3Iichael V I I I ., dem ersten der Palaohgen, gestiirzt und geblendet. Der Usurpator, ein energisclier Mann, trat in freundliche Beziehuugen zu den Bulgaren ; Akropolita kam urn Weihnachten 1260 als sein Gesandter nach Trnovo und wurde dort gliinzend bewirthet.') Das folgende Jahr brachte den nikaiscben Byzantinern die Erfullung ihres sehnlichsten Wunsches. Am 25. Juni 1261 wurde Constantinopel von dem Feldherrn Alexios Melissenos Strategopulos iiberrumpelt und ohne Blutvergiessen besetzt; Balduin II. entkam nach Euboea. Von da an verschwanden die eiseruen frankischen Bitter aus den Ebenen Thrakiens, aber die Erinnerung an sie lebt dort noch heutzutage in den Sagen der bulgarischen Landleute fort. Noch jetzt erzahlen sie von den „Lateinern,“ riesigen Menschen, welche dreimal so gross waren wie andere Sterbliche. Das Hauptaugenmerk des Caren Konstantin rausste sich in den ersten Jahren seiner Regierung nach dem Nordeu richten. Dort gab es jahrelange Kampfe mit den Ungarn. Schon 1260, als die Ungarn mit dem Kouige von Bohmen, Pfemysl Otakar II., Krieg fuhrten, iiberfielen die Bulgaren das Banat von Severin, wurden aber von dem Magister Laurentius geschlagen nnd der Beute beranbt; der Sieger Hess zum abschreckenden Beispiele eine Anzahl der Gefangenen liings der Donau auf Galgen aufkniipfen.*i In den Jahren 1260— 1264 unternahm der Prinz Stephan, welchem Siebenbiu’gen zur Verwaltung anvertraut war, funf Feldziige, zweimal in eigener Person, gegen - die Bulgaren, und eroberte dabei Bdyn. Enter dem Magister Aegidius drangen die Ungarn bis vor die Mauern von Trnovo.’) Damals sandte Stephan eine nicht naher bekannte Expedition „contra Paleologum imperatorem Graecorum“ aus, welche byzantinischeGebiete verheerte.*) Als er dann 1270 den Konigsthron bestieg, schrieb er sich 6) Akrop. Kap. 84. •) Urkunden bei Fejer IV. 2, p. 60, 199. D ie Nachrichten dariiber sind sehr spftrlich. Uae meiste in einer Urkunde Stephan’s von 1270, Fej^r IV. 3, 54. Usque ad oastrum Turnow ib. IV.'2, 526. Der Einnahme Bdyn’s erwahnt Tburocz (Schwandtner, Script, rer. hung. 1, 188). «) Fejer IV, 2, 344, 489; 3, 64.

272

K apitcl XVIII.

stets „rex Bulgariae,“ welchen Titel suiu Vater Bela IV. uur solten gebrauclite.^'j Vou da an datiren sich die Anspriichc der ungarischen Krone auf Bulgarien. Auch im Siiden kam es zu ernsten Kampfen. Auf dio Zuredeu der Garin Irene, welche gegen Michael VIII., well er ihren Bruder Joannes IV. in so ruchloser Weise des Thrones beraubt hatte, einen unversohnlicheu Groll hegte, erkliirte Konstantin dem Kaiser den Krieg, aber obne gliicklichen Erfolg. Ev hatte in der letzten Zeit bedeutende Thoile von Thrakien und Makedonien, hier besouders. Skopje, die Landscbaftcn Porec, Polog und die Uragcbung von Prilep wieder besetzt"’j) jetzt verlor or an die Byzantiner nicht uur Philippopolis und Steuimachos, sondern auch die wichtigen Hafenjdiltzo Mesembria und Anchialos. Ergrimrat dariiber, verbiindete er sich init dem in Enos an der Maricamiiudung internirten Seldzukensultan Izeddin und sogar mit den Tatarcn Siidrusslauds, welche (1265) Thrakien derartig verhecrten, dass man lange Zeit spiiter selten einen Ackersmarin auf dem Folde evblickt haben soil.” ) Als Irene 1270 starb, heirathete Konstantin Maria, eine jSichte MichaeVa VIII. Mesemhria und Anchialos sollten als Mitgift dem Caren zuriickgegchen werden. Als aber der Paliiologe sein Versprecheu zu erfhllen sich weigerte, erhob sich Konstantin zum Kriege, und nur durch ein Biinduiss mit Nogaj-Chan, dem Feldherrn der Boherrscher der Goldenen Horde, vor desscn Macht das gauze Plfntus- und Donaugebiet zitterte, vermocbte der Kaiser die Invasionen der erbittertcn Bulgaren zuruckzuwcisen. Dafur wurde gegen die Byzantiner ein weit gefahrlicherer Schlag von einer anderen Seite geplant. Der ehrgeizige und enei'gische Karl I., der erste Konig vou Neapcl aus dem Hause Anjou, auf dessen Hofe sowohl der vertriebene Lateinerkaiser Balduin II., als auch der hlinde Joannes IV. Laskari.s eijie Zufluchtstiitte fandeu, riistete sich zur Erneuerung des latcinischen Kaiserthums. Am 23. Mai 1267 wurde zwischen Karl und Bal(Fejer IV. 2, 0), 12C,l (ih. 48), 1203, 1270 (044), n>) Konstantin's Clirysobullon, gegi'lion ilcm Gcorgskloster auf dem Berge Virjdno l)ei Skopje (Saf. I’am. 1. o.). n) Paebymeres I. 210, 34!». (iregoraa 1. lY. c. 6 p. 09.

Coalition der Xeapolitaner, Ser1>en und Bulgareii.

273

diiin iu Viterbo der Vertrag geschlosseu; Balduiii verschenkte dabei Provinzen, die noch in Feindesband waren. An den noch von Manfred’s Rittern besetzten Stiidten Durazzo, Valona und Eanina-und an der Insel Korfii, welche sicb Karl ergaben, gewann derselbe einen festen Stutzpunkt auf der Halbinsel. Bald unterwarfen sich ihm auch die Albaneseugaue des rauhen Gebirgslandes, ja selbst Nikephoros, der Despot von Epiros, huldigte dein Konig von Neapel. Aber die Rohhciten der ueapolitanischen Beamten, die gewaltsame Einfiihrung des Katholicismus und die iible Behandlung der albanesiscben Geisseln in'den italienischen Burgen trugen nicht dazu bei, die Frankenherrschaft bei den Albanesen beliebt zu machen. An den Bujgaron und Serben fand Karl d’Anjou willkommene Bundesgenossen. Zahlroiche Siidslawen traten in die Dienste des Kbnigs von Neapel, ja siedelten sich auch auf italienischem Boden an. Auf der Insel Ischia eutstand eine Bulgarenkolonie, in Neapel >vird cin „vicus, qui vocatur Bulgarus* (1323) erwiihnt und Persouen mit den Naraen Slavi, Sclavoni, Sclavolli, Bulgari, Bulgarelli erscheinen in den neapolitanischen Urkunden aus der Zeit 1270—1401 inMenge.’*) In Serbien fanden die neapolitanischen Intercssen einen eifrigen Vertreter an Stephan Uros’s 1. Gemahlin, der Konigin Helena, einer Tochter Balduins II., welche bis zu ihrera Tode wahrend der Regierung ihres Gemahls und ihrer Sohne Dragutin und Milutin auf die serbische Politik einen grossen Einfluss ubte. (iber die Unterhanillungen Karl’s mit den siidslawischen Herrscbern finden sich zahlreiche Nachrichten in dom reichen Archiv von Neapel vor. Schon im September 1271 orWaitote der Konig Boten aus .Serbien und dem „Kaiserthum von Zagora" (Bulgarien'®). Im J. 1273 kamen serbische und bulgarische Gesandte zu 60 Rossen nach Neapel, und Ritter Nikolaus de Saint-Omer, der friinkische Herr des boiotischen Thebens, begleitete sie als Gesandter des Kbnigs in ihro fleiJ*) Makusev, IlTajaaiicsie apxuBU h xpaiungie Has

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niixi MBTepiam

cJiaBflucKo£ HCTopiH (Die ital. Archive und die dort bcfiudlichea Ma-

terialien zur slaw. Geschichte. St. Petersburg ISVl). If. 29, 70—73. Desselben Slawen in Albauien (s. S. 121) 31 sq. 13) Sieho Kap. XXV. 1. J i reiColc, Gesch. der Bulgaren

%

274

Kapitel XVIII.

math zuriick. Dass man mit dem niiUeren Serbien mehr unterbandelte, als mit dem entfernten Bulgarien, ist erkliirlich. Michael VIII. entging das heranziehende Gewitter nicht. Als es nicht gelang, die Serben zu gewinnen (1272 '■*) und diese den Krieg erkliirten, entachloss sich der Kaiser, um den vereinten Angriff der Neapolitaner, Serben und Bulgaren zu sprengen, zu Unionsverhandlungen mit dem Papste. Auf dem Concil, welches 1274 Gregor X. zu diesem Zwecke nach Lyon berufen hatte, schworen die byzantinischen Gesandten, darunter auch Georgios Akropolita, das Schisma feierlich ab. Der schlaue Palaologe wollte boi dieser’ Gelegenheit die slawischen Kirchen von Trnovo und Pec (Ipeh) mit Hulfe des Papstes vernichten. In Absicht darauf erneuerte er schon 1272 durcb ein Chrysobull das hellenisirte Patriarchat von Ochrida in dem Umfange, welchen es 1020 besesaen hatte; hiedurch .sollte den neuen autonomen Kirchen von Serbien und Bulgarien, von welchen diese 1235, jene 1219 von den Griechen anerkannt worden war, ihre Existenzberechtigung abgesprochen werden. In Lyon betonten seine Boten, diese Kirchen seien zur Zeit, als die Griechen im Buude mit den Slawen die Constantinopler Lateiner bekriegten, ohne Erlaubuias des Papstes und demnach wider alies Recht gegriindet worden, und verlangten die Erncuerung der alten angeblichen Justinianischen Kirche von Ochrida, in deren Spi’engel das damaligc Serbien und Bulgarien grosstentheils gehorte.' “) In Constantinopel erregten jedocli diese Verhandlungen eine gewaltige Unzufriedenbeit, wodurch der Union bald ein Ende bereitet wurde. Des Kaisers pigene Schwester Eulogia *‘) PachymereB bei Stritter 195 ff. Das Jahr nach Muralt, Chronographie byz. II. (Hale 1873) 425. IS) Die Urkunde (Aug. 6780) bei Golubinski 259. Auch 1273 (6781) bestafigte Michael die Reohte der langst untergangenen Kirche von Justiniana Prima, weloho nun falschlich mit der von Ochrida identificirt wurde. , E in e e le n d e , wabracheiulieh von e in em Wlachen Oder G riech en v e ra n staltete Cbei'sctzung dieser u u e d irte n Urkunde befindet eich in einer Copie aus dem XVI. Oder XVII. J. bei Prof. Grigorovio (Excerpte in §afarik’e Nachlass). ’“) Ausfiihrlich Drinov, Die bulg. und serb. Kirche vor dem Lyoner Concil 1274, im Period, bpiaanie von Braila 1873. VII. Cf. Capecelatro, Storia del regno di Xapoli (1810) 350 -354.

Intriguen der Catin Maria. Despot bv^tslav.

275

unterstiitzte die tJnionsfeiiide, wobei sie an ihrer Tochter, der bulgarischen Cariu Maria, eine vrerkthatige Genossin fand. Zahlreiche Boten (Mouche) reisten zwischeu Trnovo und Constantinopel bin und her, um die Correspondenz zwischen Mutter und Tochter zu besorgen. Ja die Garin sucbte, wenn auch umsonst, selbst den Sultan von Egypten zum Kiiege gegen Michael VIII. airfzureizen. Da kam ein an sich unbedeutender Zwischenfall, der fiir Bulgarien verhangnissvoll werden sollte. Car Konstantin verfiel in Folge eines Beinbruches in eine schwere Krankheit,. welche ihm die Moglichkeit der freien Bewegung beuahm. Da riss Maria, ibren Sohn, Michael den „Purpurgeborenen,“ eincn kleinen Knaben, zum Mitregenten sicb beigesellend, die Alleinherrschaft an sich und bracbte durch ihre Intriguen unsiiglicbes Unheil uber das Land (1277 In Bulgarien gab es damals einen Fiirsten, welcher bei der Ki'ankheit dos Careu und bei der Minderjiihrigkeit des Thronfolgers ein gefabrlicher Nebenbuhler werden konnte. In den Balkangegenden, wahrscheinlich ira Westen, herrschte der halb selbststandige Despot Jaloh Svf^tslav^ der Sprossling einer russischen Familie. Zum ersten Mai wird er im J. 1262 genannt.'^J Es ist nicht unmbglich, dass er seine Macht den Ungarn verdankte, welche damals in der Macva (bei Belgrad) den Vasallenfiirsten Rostislav, ebenfalls einen Russen, eingeSetzt hatten. Im J. 1271 wurde in den Frieden zwischen Pfe*aysl Otakar II. und Stephan V., Kiinig von Ungarn, neben dem Serbenkonig Uros auch Swetklaus imperator Bulgarorum einbezogen.*®) Zur Gemahlin erhielt er von dem Palaologen die zweite Schwester des geblendeten Laskaris, und wurde also ein Schwager des Caren Konstantin. Diesen Svqtslav riiumte nun Maria durch eine merkwiirdige Arglist aus dem W) Pachymeres bei Stritter 763. Notiz in einem bulg. Codex ana dem J. 6785—1277, herausgegeben von Hanka, Cas. cesk. muses 1851, 154 und von Danicic, Starine I. 86. '*) Sv^tslav sandte 1262 dem Erzbischof Kyrill III. von Kyjev eine Copie des Nomokanons, mit einer Zuschrift, wo man lieat; „Vsya ruskyja lem ll, blagodereavnago rodla mqjego, ich ee otrasl i korin at hych avjatych ofo mojich“. Vostokov, Beschr. der Codd. der Rumjancoyer Bibl. (ru80. tit. Petersburg 1843, 290). ’*) Emler, Regesta Bohemiae et Moraviae II, 302. 18*

2Y6

Kapitel XVIIl.

Wege.*®) Auf ihre Einladung und mit der Zusage freien Geleites kam er aach Tmovo. Dort spielte sich in einer Kirche unter den Gebeten der Geistlichkeit und bei dem Glanze der Licbter folgende Scene ab. Die Garin breitete ihren Mantel aus nnd umarmte mit der einen Hand ihren Sohn Michael, mit der andern den Sv^tslav, und nahm den letzteren durch diesen Act offentlich als ihren Sohn an, obgleich er schon langst den Jiinglingsjahren entwachsen war. Aber schon nach kurzer Zeit erlag der bethorte Fiirst den Anschlilgen seiner „Mutter“ (1277). Den griechischen Kiinsten. der Carin fielen auch viele andere, dem Caren trea ergebene Boljaren zum Opfer, Aber mit ihren Erfolgen wuchs auch der Hass gegen sie, und steigerte sich, namontlich in Trnovo, von Tag zu Tag. Wiihrend in der Ilauptstadt byzantinische Intriguen der schiindlichsten Art abgesponnen warden, war das ganze Reich den invasionen der riluberischen Tataren wehrlos blossgestellt. Da trat ein Hajduke Ivajlo^') auf den SchauplatZi urspriinglich ein Hii-t, ein schlauer, aber auch heissblvithiger und ruheloser Kopf; sein Beiname war Brdohva (Lattich), was die Griechen in Lachanas iibersetzteu. Dieser Abenteurer erziihlte, er pflege im Traume Uuterredungen mit den Heiligen zu halten, und verbreitete allerlei Prophezeiungen, dass er z« grossen Dingen berufen sei. Bald sammelte sich ein ansehnliches Heer um ihn. Er begann sich fiirstlich zu kleiden; mit einemSchweri'umgurtet, ritt er hoch zuRoss vor seinen Schaaren einher. Als es ihm gelaug die Tataren zweimal zu schlagen, schlossen sich ihm ganze Landschaften, ja auch viele Boljaren Pachymeres ed. Bonn. 1- 430. *') Mit diesera Namen wurde er bisher nirgends genaniit. Icb stiitze mich aut die Notiz in einem Evangelium. welches geschrieben wurde im J. 6787 (1. Sept. 1278 bis 1. Sept. 1279) „v dni care Ivajla i pri jepiskupe NisevacOm Kikodime v leto 6787 indikta 7, jegi stojaohti Grci pod gradom lrnovom“ (Glasnik 20, 246). Es ist bier die Bclogerung Trnovo’s durch die Byzantiner, wclche den Joannes Asen III. cinsetzeo wolUen, gemeint. Auf keinen Fall ist I voqIo der Car Asen 111., wie Golubinski 12 meint, da dieser von den Griceben nie belagevt wurde. KoqSoiiov^ots uttiXrKisvos . ^ ovo/ia ij 'EXX-rjvtov ylciaaa els Xdxavov iMla/ipdvti, Aa^avds IvztvQev girifiitrjxai. Pachymeres I. 431. Nach der Coujectur Srezudvski’s (Bus. Beseda 1857. II.) ist bier biichst wahrschoinlich B of dowvjJag zu losen {Xd^avov bulg. bridokva),

Dcr Ueurpator Ivajlo (Lachanas).

277

an. Car Konstantin, wahrend seiner Kranklieit durch das Yorgehen seiner Gemahliu fast aller Anhiinger beraubt, brachte mit N6th ein kleiues Heer zusammen und lieferte dem Ivajlo eine Scblacbt. Durch eiaen wiithenden Anprall wui’den die Truppen des Caren zersprengt und er selbst auf seinem Wagen (er konnte wegen seines Leidens nicbt zu Pferde sitzen) webrlos erschlagen (im Winter 1277). Das ganze Volk eilte unter die Fabrien des kiibnen Mannes, der sich nun, vom Krie'gsgliick uberall begunstigt, an die Unterwerfung von Stjidten niachte.®*) In Byzanz riefen diese Ereignisse grosse Bestiirzung hervor. Man fing an zu fiircbten, der verwegene Usurpator konnte die Invasionen Asen’s I. und Kalojan’s erneuern. Kaiser Michael eilte nach Adrianopel, um der Grenze niilier zu seiii. Anfangs wollte er den Ivajlo fiir sich gewinnen, aber bald entschloss er sich in dor Person eines gewissen Joannes aus der Familie der Aseniden,*®) den er mit seiner Tochter Irene vermiihlte, einen Kronpriitendenten als Car Joannes Asm II I . aufzustellen. Misslingt der Versuch, so sollte dem Joannes der Titel eines byzaiitinischen Despoten bleiben. Griechisclie Truppen riickten in Bulgarien ein, um fiir Joannes gegen Ivajlo Und gegen Maria, die sich in Trnovo noch behauptete, zu kampfen. Viele Boljaren wurden durch G^schenke und Versprechungen fiir den neuen Caren gewonnen. Maria, von der Trnover Biirgerschaft, von den Griechon Und von Ivajlo, in gleicher Weise bedroht, wollte die Krone fiir sich und fiir ilu’en Sohn Michael um jeden Preis retten, Und ergab sich an Ivajlo. Der Usurpator horte ihre Boten stolz an und gab ihnen zur Antwort, er brauche nicht das als Geschenk a’...unehmen, was er vermoge seiner Kriegsraacht beiuahe in den Handen halte; wenn er den Friedensantrag der Carin dennoch, um unniithiges Blutvergiessen zu vei'meiden, annehme, so sei dies nur eine von seiner Seite ihr gewiihrte Gnado. Darauf offneten sich die There von Trnovo den Schaaren des Abenteurers und Maria feierte mit Ivajlo Hochzeit und Kronung (Fruhjahr 1278). Aber der giiochischen Feinheit dor iibei' Ivajlo siehe Pachymeres I. 430, ^iki'pboroB Grego* ••as 1. 1.30 (Stritter 764—779). Angeblich ein Sohn des Mytzos; eiehe Anm. 3,

278

Kapitel XVIH.

Carin wurde der rauhe Held der Berge bald iiberdriissig. Von beiden Seiten grififen ihn unversohnliche Feinde an, Tataren und Griechen. Tag fur Tag wurde Blut vergossen; tapfer siegten die Bulgaren durch sturmischen Angriff. Mit Grauen gingen die griechischen Soldaten in den Kampf, denn bei Ivajlo gab es keine Gnade. Obgleich Trnovo von den Griechen fast vollstandig eingeschlossen war,®*) zog sich der Kampf in’s Endlose. Anfangs 1279 verbreitete sich plotzlich in Trnovo das Geriicht, Ivajlo sei in einer Schlacht gegen die Tataren gefallen. Da offneten die Trnover unverziiglich die Thore, lieferten Maria sammt ihrem Sohne den Griechen aus und begriissteh freudig den neuen Caren Joannes Asen II I., welchem bald auch seine Gemahlin nachkam. Maria, schwanger von dem Usurpator, wurde nach Adrianopel gebracht. Die Buigaren trugen ihr kein Leid nach; nur wurde sie, wiihrend man in den Kirchen Bulgariens den verstorbenen Carinen „ein ewiges Andenken" sang, dieser Ehre nicht fur wiirdig geachtet. Joannes Asen III., ein unselbststiindiger Charakter, konnte sich nicht behaupten. Den meisten Anhang im Volke hatte Geor^ Terterij (Tfprcpjjs).*®) Einer kumanischen Adelsfamilie entstammend und mit den machtigsten Geachlechtern verwandt, hatte er sich durch Tapferkeit und Klugheit sehr beliebt gemacht. Asen, der in ihm einen gefiihrlichen Nebenbuhler sah, wollte ihn durch Familienbande an sich ziehen, ernannte ihn zum Despoten und gab ihm seine Schwester zur Frau ; seine bisherige Gemahlin, eine Bulgarin, musste Terterij sammt seinem Sohn Sv^tslav als Geissel nach Nikaea ausliefern. Da erschien unversehens der todtgeglaubte Ivajlo an der Spitze eines grossen Heerea vor den Thoren von Trnovo und beaetzte alle Auagange der Stadt. Der getaufte Tatare Kasimbeg (T^aaifinalig), welcher nicht lange zuvor als »Protostrator“ (Oberfoldberr) des bulgarischen Reiches dem Joan­ nes Asen III. Treue geschworen hatte, und dann von Trnovo verschwunden war, erschien an Ivajlo’s Seite als sein Proto**) P a c h y m e re s I. 446: 7io.lA.ars (tiv ovv rats o;t) Smilec Gar. Sevastokrator Gem. Tochter Konstanti)i’s a) N. 1 Tochter c) Tochter Gem.: Eltimir Georg Terterij I. Gem. Stephan Despot d) Gem. 1. Maria (Bulgarin) d. Uros III. 2. Maria (1280-1283) Schwester Asen’s III. d. e) (1) Theodor Sv^tslav Vojslav (1) To(jhter (2) Tochter Crem. 1 . Euphrosyne d) Despot Gem. Coki Gem- l’ Gros D. 2. Theodora, Schwester An­ dronik’s, als NoniieTheoGem. a Mich. XCutruIes dosia f)

Georgr Terterij II. a j Psoliymorea I- .Syoodik (Bakovski, As8n 69),

a) S tritte r 781, 780. / ) Kanfakuzen I. p. 18. Gregoraa (Strittar 813).

Zacbariev 76. *3) Daniel 120 sq.

284

Kapitel XVIII.

Flucht (1293**). Sein' Sohn Cold {T^axag) wandte sicli mit dem Reste des vaterlichen Heeres nach Bulgarien, Car Smilec suctite gegen ihn Hiilfe bei den Serben, wesbalb er auch seine Tochter mit dem Prinzen Stepban vermablte, der inzwischen aus der tatarischen Gefangenschaft entkommen war.^") Aber bald musste Smilec dem Coki weichen, der als Terterij’s Schwiegersohn ein Erbrecht auf Bulgarien zu haben vorgab und sich an die Eroberung des Landes machte; zu diesero Unternehmen nahra er seinen Schwager, Theodor Sv^tslav (OOipevTLd&Xcc^og oder UftvSoff&Xd^og). zur Seite, denselben, der die IGndesjabre mit seiner Mutter als Geissel in Nikaea zugebracht hatte. Dieser Sv^tslav, welcher in den letzten Wirren all’ sein Vermogen einbiisste, bewarb sich um die Hand Euphrosynens'*'), der Tochter eines gewissen Mankus, deren Taufpathin Nogaj’s Gemahlin Euphrosyne gevresen war, und wurde von ihrem Vormund, dem reicben Kaufraann Pantoleon, nicbt abgewiesen. Im Besitze einer bedeutenden Mitgift, verbalf er dem Coki zur Besetzung von Trnovo. Aber mit einem Male ilnderte er sein Verbalten. Der tatarische Usurpator wurde unvorsehns ergriffen, in’s Gefangniss geworfen und dort von jiidischen Henkern erdrosselt. Coki’s Kopf sandte SvQtslav den Feinden desselben in die Krym. Der Patriarch Joakim III,, liingst als Anhiinger der Tatareu und als Vaterlandsverrather verdachtig, wurde auf seinen Befehl von einem der Burgfelsen Trnovo’s herabgestiirzt. Nach dieser entschlossenen That bestieg Sv^tslav aVs Befreier des Vaterlandes von dem Joche der asiatischen Nomaden den Thron der Aseniden.**)

S9J 1293 nach Muralt II. 462, 1299 nach Hammer, Gescb. der gold. Horde. Pest 1840, 273. Daniel 124.

Euphrosyne heisst sie im altbulg. Poraenik. Pachymeres nennt sie ’Eyxrivij. *^)

**) Pachym eres II. 2G4 sq. Orientalische B erichte bei H am m er 1. c. H am m er schreibt Coke, Cuke, m eistens C«ki.

Kapitel XIX.

Die kiimanisclieii Terteriden und die Bdyner Sismaniden. Car Theodor Sv^tslav {1295— 1322). Kriege m it Bysanz. Georg Terterij I I . {1322— 1323), der letzte seines Staninies. Michael von B d y n {1323— 1330). Der misslungene tJherfall von Constantinopel. Die Schlacht von Vetbuzd am 28. Juni 1330. Svcjtslav’s Throubcsteigung sah man in Byzanz nichf gleichgiiltig zu und suchte den kuhnen Jiingling zu stiirzen. Einige griechenfreumlliche Boljaren erhoben Michael, deu Sobn Konstantin Asen’s und der Maria, zum Gegencaren, • welcber auch mit griechischen Truppen in Bulgarien einbrach, aber nur Schmach erntete (1 2 9 8 ). Auch des Smilec Bruder, der Sevastokrator Badoslm, wurde vom Kaiser Andronikos II. aus Thessalonich mit Heeresmacht nacb Bulgarien ausgesandt, bier aber von Terterij’s Bruder Eltimir (’EAriftJjpij!?), dem Despoten von Kr%n (um Karnobad), gescblagen und geblendet. Gegeu Freilassung der daboi gefangonen vornebmen Griocben verscbaffto Sv(*tslav seinem Vater Terterij I. die Freibeit, iibergab ihm aber die Regierung nicht, sondern wies ihm eine Stadt an, wo er den Rest seiner Tage in Rube verlebte. ’) Svqtslav’s Schwester, welche von ihrem Gemahl, dem Serbenkonigo Milutin ( S . 2 8 1 ) verstosson und n a c b Byzanz geschickt worden war, hoirathete in der Gefangenscbaft don Despoten Michael Dukas Kutrules (130V- Als dieser wogon angeblicben Ilochverratbs sammt seiner Familie eingekei’kert ') Pachym eres II. 266.

286

Kapitol XIX

wurde, erklsirte Sv^tslav wegen dieser Behandlung seiner Verwandten dem Kaiser Andronikos den Krieg. Mehr als dieser aussere Anlass mochte ihn hiezu die Absicht bewogen baben, den elenden Zustand des Byzantinerreiches ausznniitzen. An­ dronikos war gerade damals von den Tiirken in Kleinasien hart bedrangt. Im Bunde mit seinem Oheim Eltimir eroberte Sv^tslav die subhaemischen Stiidte und Burgen von der Tundza bis zura Meere, Diampolis, Mesembria, Anohialos und Sozopolis. Vojslav [Boaailas\ der jiingste Bruder des Smilec, focht iin byzantinischen Heere. Drei Jahre lang wurde mit wecbselndem. Gliick gestritten. Wohl gelang es den Byzantinern durch Vermittlung der Wittwe des Smilec, einer Griechin, Eltmir mit Svqtslav zu eiitzweien, aber dieser wenn auch gegliickte Anschlag brachte ihnen keinen nambaften Vortheil.®) In Asien war indessen an die Stelle der Seldzuken eine neue Macht getreten, welche binnen wenigen Jahren ibr Haupt liber alle Staaten des Orieiites erbob. Ertogrul, der Anfiihrer einer kleineii den Seldzuken staramverwandten Horde turkischer Nomaden, grundete einen kleinen Staat in Bithynien, wolchen sein Sohn Osman (1288—l:i27) auf Kosten der Byzantiner unter furcbtbaren Vcrwiistungen bis an die Gestade der Propontis erweiterte. So entstand das Reicb der Osmanen. In den Kampfen mit den Tiirken, die griechischerseits liissig und planlos gefuhrt wurden, betheiligten sicb auch einige Bulgaren. Einen berubmten Heldcn, Namens Ghranislav, der von den Griechen in dem Kriege gegen Ivajlo gefangen genommen und lange Zeit im Kerker gebalten wurde, ernannte Andronikos zum „Gro88-Caui“ und Befehlshaber in Bithynien, wo derselbe seiuen Namen durch neue Thaten verherrlichte. Bald darauf sammelte Ivan, ein Hirt, der sicb ebenfalls in den bulgarischen Kriegen hervorgethaii hatte, eine Schaar von 300 mit Bogen und Keulen bewaffneter Hajduken, um sicb auf eigene Faust mit den Tiirken zu scblagen. Aber noch ehe er liber die Propontis hinubergeschifft war, verhafteten ihp die argwohnischen Byzantiner. Nach neun Mouaten entsprang er aus dem GefangnisS und begann von Neuem ein romantiscbes Guerillaleben. Die Tiirken belagerteu eben Kenchreae, wohin 3) Pachymeres II.

4 0 fi,

446, 558, 601.

Tiirkeiikriege. Die Catalonier.

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eine Menge Volkes aus dera Skamanderthale sick gefluchtet hatte. Ivan iiberrumpelte iind zersprengte die Tiirken, aber als diese von Neuem losschlugen, fiel er in ihre Gefangenschaft, Sie fiibrten ihn unter die Mauer und verlangten von den Belagerten ein Losegeld. Docb die Griechen geizten mit dem Gelde. Da rief ihnen Ivan auf bulgarisch zn (er wusste, dass einige der Griechen die Sprache verstehen), sie mdgen das Losegeld nur geben, er werde es den Tiirken blutig heiinzahlen. Aber auch von den Tiirken wurden seine Worte verstanden. Sie fiibrten ihn zuriick und hieben ihn nieder. Nach einer anderen Version soil er ihnen entsprungen sein und als ein unter seinen Landsleuten hochberuhmter Bandenchef sich spiiter an der Spitze von 1000 Hajduken in der Umgebung von Thessalonich aufgehalten haben. Diese interessante Episode (um 1306) zeigt uns das geschichtliche Original einer jener violon sagenhaften Gestalton, welche in den Ileldenliedern des Volkes bis auf den heutigen Tag unter verscbiedenen Namen verherrlicht werden.®) Die Gestade des Aegaeischen Meeres batten damals viel zu leiden von der Erpcdition der Catalonier^ „der Anabasis des Mittelalters“. Iin J. 1302 traten 6000 Spanier in byzantinische Dienste und errangen gl'iinzende Erfolge gegen die Tiirken. Aber trotz aller Siege blieben ihnen die Byzantiner den Sold schuldig und wollten sich ihrer schiesslicb nach althergebrachter Manier durcb Betriigereien und Moidthaten entledigen. Jedoch die Spanier waren durch solche orientalische Kiinste nicht zu bothoren. Sie besetzten Kallipolis und unterHahmen von bier aus, verstarkt durch tiirkisebe und andere ^vilde Sbldnerrotten, unabliissig Raubfabrten in das Palaologenreicb. Als nach zwei Jahren in Thrakien und an der Pro­ pontis nichts mehr zu rauben war, zogen sie auf die Halbinsel Kassandria. Selbst die Athoskloster wurden von ihnen ausgepliindert, die Gebaude grosstentbeils niedergebrannt und die Monche getodtet. Um der „gros8en Compagnie" die etwaige Ruckkehr gegen Constantinopel abzusperron, erbauten die Makedonier eine grosse Mauer vom Pangaios bis zum Meere bei Kavala. Aus dem verheerten Makedonien zogen die wilden ®) Biehe Pachymeres bei S tritte r II. 801—803.

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Eapitel XIX,

Gesellen gegen das bluhende und wohlhabende Herzogtbum von Athen, welches damals Attika, Boiotien und Siid-Thessalien unter dem Scepter des Hauses de la Roche vereinigteAm 15. Marz 1311 unterlagen in dem Siimpfen des Kopaissees die Franken von Livadia und Morea, 15.000 Mann, iro Kampfe gegen die unbandigen Catalonier. In dem uberwiiltigten Lande griindeten die Sieger, nachdem sie die Lehen und die Damen der gefallenen Ritter unter sich vertheilt, eine Rauberrepublik, die im Bunde mit den tiirkischen Piraten Kleinasiens die gauze Nachbarschaft durch voile 75 Jahre in Athem hielf*). Gegen die Bulgaren wurden die Catalonier, solange sie noch in kaiserlicheu Diensten standen, nicht verwendet. AIs sie abfielcn, unterhandelte Car Svqtslav rait Roccaforte, einem ihrer Anfiihrer, wegen eines Bundes gegen Byzanz und schlug ihm eine Heirath mit seiner Schwester, der Wittwe Goki’s, vor; doch die Verhandlungen blieben erfolglos (1308*). Die Byzantiner waren in ihrer Noth gezwungen mit Sv^tslav rasch Frieden zu schliessen, in welchem ihm alle seine Eroberungen belassen wurden. Constantinopel ward sodann durch massenhafte Einfuhr bulgarischen Getreides vor einer Hungersnoth gerettet. Die zweite Ilalfte von Svqtslav’s 28jahriger Regierung war eine Zeit des Friedeus, dem sich die Bulgaren seit Langem entwohnt batten. Sv^tslav war im Lande nicht der alleinigie Herrscher. Im Westen sass Michael, „dispoti Bulgarie, dominus de Vigdino (Bdyn)“, ein Sohn Sisraan’s und Schwiegersolm des Serbenkonigs Milutin. Sowohl der Car als auch dieser Bdyner Thcilfiirst batten Freundsebaftsvertriige mit Venedig *). Mit deh Genuesen, Herren der Krym und des Schwarzen Meeres, lebte SvQtslav eine Zeit lang in gespannten Verbaltnissen. Weil er niimlich irgend welche von Bulgaren an genuesiseben Kaufleuten vorubto Riiubercien nicht vergiiten wollte. ) Zinkeisen I. 194 iq. Hopf 443 sq. »n) Hopf 476. **) Nikephoros Greg. XXVI. cap. 63 und 54, ed. Bonn. p. 118 m v l u v n ( fo i t m v 0'6 f^dXa itcs l neTOinijauvtBg^. Diese Worte sind in der nichts weniger als sorgfaitigen lateinisohen Ubersetzung der Bonner Ausgabe ausgelaBsen. 20*

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Kapitel XX.

Bai'bareu zu Grunde geheu. Der Car verdollmetschte den Gesandten die Worte des Volkes und erkliirte sich bereit, den verlangten Beitrag zur Flottenausriistung zu leisten. Docb Dusan machte ihn darauf auftnerksam, er moge dock den Griechen keineii Tribut zahlen. Alexander stand nicbt an, diesem Rathe zu folgen. Daruber erbittert, soli Kantakuzenos ihm den bevorstehenden Sieg der Barbaren vorausgesagt haben*^). Im folgenden Jahre (1362) sandten Dusan und Ale­ xander, der nicbt abliess, in den tiirkischen Invasionen Kantakuzenos’ Intriguen zu erblicken, d.em Kaiser Joannes V. eio Starke? ,HuJfsheer, welches jedoch auf der Avaldlosen Ebene bei Didymoticbon unversehens von 10.000 tiirkischen Reitern iiberrumpelt und zersprengt wurde Im J. 1353 setzte in einer Nacht Orchan’s Sobn Suleiman mit einer kleinen Scbaar iiber den Hellespont und uberfiel das Kiistenschloss Tzympe (jetzt Dzemenlik), ungefahr zwei Stunden von Kallipolis. Hier fassten die Tiirken zum ersten Male festen Fuss in Europa und Niemand verraochte sie wieder zu vertreiben. Kurz darauf wiithete am 2. Marz 1354 ein Erdbeben an den Gestaden der Propontis; Mauern und Hauser stiirzten ein und begruben die Einwohner.®“) Die turkischen Banden zogen umber und durchstoberten pliindernd die friscben Ruinen. Kallipolis, der Schliissel zu Constantinopel, Trapezunt und Kafifa, fiel in die Gewalt der .Tiirken. Es dauerte nicbt lange, und der Osmaneustaat erweiterte sich bis an die Ufer der MaKantakuzenos bei Stritter 878 S(i. Eine dunkle Erinnerung daran fiadet sich in der rumunischen Chronib, welcha Grigorovic 0 Cep* ea oTuouieuiax'B ki coctjniHM'B aepacaBasi'B, iipeHMymecTBejuK) b i XIV. H XV. cToatriaxi. (tjber fierbiens Beziehungen zu den Nachbarstaaten, vorziiglich im XIV. und XV. Jabrhundert, Kazan 1869), Anhang S. 1—46 veroffentlichte. Kantakuzen soil die Fiirsten der Serben und den Careu Alexander mn lliilfe wider die Tiirken gebeten haben. Dock sie antworteten; nVerlheidige dich, wie du kannst“. Er sandte eine zweite Botschaffc, snifc der Bemerkuug, sie mdgen nur Hitlfe leisten, sonst wiirden sie ihr Begiuuen bald bereuen. Aber sie sagten: „Wenn die Tiirken bis zu uns kommen, so wetden wir uns ihrer zu erwebren wissen". Kantakuzenos ib. 331, 880. Byz. Annalen, verfasst 1391 (Ed. J. Miiller, Sitz.-Ber. der Wiener Akad. IX. 392), eine wichtige Quelle fiir die zweite Halfte des XIV. J., wo uns Nikephoros Gregoras (schliesst 1355) und Kantakuzenos (gcbliesst 1365) im Stiche lassen.

Die Tiirken in Fjuropa (1353).

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rica. In den verodeten Dorfern siedelten aich asiatische Colonisten und in den Stiidten tiirkische Edelleute an. Constantinopel fiilltc sicli mit FliicLtlingen aus Thrakien; brodlos bettelten die Bauern auf den Strassen; Bestiirzung und hulflose Angst beherrschten die Gemiither in dem arg zusammengeschraolzenen Palaologenreicbe.®^) Ende 1354 wurde Joannes V. wieder Herr in Constantinopel. Kantakuzenos wurde Moncb, wanderte nach Mistra, nahe bei dem alten Sparta, und verfasste dort seine Memoiren ( t 1383). Im J. 1355 scbrieb Marino Falieri, das anarchische Byzantinerreich miisse unfehlbar eine Beute der Tiirken werden; die Venetianer thiiten am besten, wenn sie ihnen zuvorkSmen. Aber so kiihne Plane, wiirdig eines Enidco Dandolo, taugten nicht mehr fiir die Venetianer der damaligen Zeit.®*)

Nikephoros Gregoras, Buch XXI.X;. Kap. 1 —4 ed. Bonn. p. 224. Zinkeisen I. 206 sq. »8) Hopf 448.

Kapitel XXI. I

t

Religiose Wirren in Bulgarien im XIV. Jalirhundert. Bogomilen, Hesychasten, Adamiten, Juden. Die jUdische Carin. Der hi. Theodosij von Trnovo. Literatur. Blutig und traurig sind die Kriegsereignisse, die wir in den letzten Kapiteln geschildert haben. Nicht minder treat­ ies ist das Bild des damaligen inneren Lebens in Bulgarien, von welchem uns die jungst entdeckte Legende vom hi. Theo­ dosij von Tmovo, ein Werk des Constantinopler Patriarchen Kallistos, werthvolle AufschliiSse gibt. ') Bulgarien, zerrissen durch religiosen Hader, angesteckt von alien Gebrechen des Byzantinismus und durch unaufhorliche Zwietracht geschwiicht, musste friiher oder spater eine Beute der Tiirken werden. Die echte Cultur und Aufkliirung war im Oriente langst monchischen Spitzfindigkeiten gewichen, welche sich den endlosen Kriegsfehden und Hofintriguen ebenbiirtig zur Seite stellten. Um die Mitte des XIV. Jahrhunderts entwickelte sich am Athos, in diesem irdischen Paradiese der Monche, ein My1) Das griechiache Original acheint nunmehr verloren zu aein. Die alawische tjbersetzung, die Arbeit einea Monchea aua dem Rylkloster, Namens Spiridion, iat gedruckt in den ^Teoia oCluecTBi HCTopia npH Moric yHHB. (Abhandlungen der Moakauer hist. Gesellscbaft) 1860- I. Da ich dieaer Ausgabe nicht babhaft werden konnte, musste ich mich mit Auaziigen und Citaten bei Racki, Rad. VIII. 182 aq., Korolev ira Rraila’er Period. Spiaanie V. VI, und Golubinaki 663, 676 begniigen.

Ilesydiastcii uiid Adaniiton lii Bulganen.

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sticismus oigener Art. Seine Aiihiinger, die sogcnannten Hesychasten, vertieftea sich in dunklen Klosterzellen in die Betrachtung ilires Nabels, bis sie um ihn herum ein ubernaturliches Licht zu erblicken wiihiiten, das sie mit himmlischer Wonne erfiillte. Aus dieser Faselei entstanden furchtbare theologische Stiirme, Concilien und Bannflticlie. Daneben fasste auch der Bogomilismus festen Fuss in den ewig griinen Hainen des „Heiligen Berges." Damals lebte in Thessalonich eine Nonne, Naniens Irene, vvelcbe insgeheiin dem Bogomilismus zugethau war; die Monche, welche aus nichts weniger als moralischen Griiuden zu ihr zusammenstromten, empfingen von ihr Unterricht in der Lehre Bogomil’s und verbreiteten diese uber den ganzen Atlios. Langer Kampfe bedurfte es, um die Bogoinileu sammt den Hesychasten aus den Atbosklostern zu bannen. Diese ekien Auswiichse des byzantinischen Klosterlebens verpflanzten sich auch nach Bulgarien. Ein aus Constantinopel hergelaufener Monch, Namens Theodorit, gewann, mit seinen arztlichen Kenntnissen prunkend, viele Hohe und Niedere fiir die Hesycliastenlebre. Er frischte auch die noch immer nicht abgestorbenen Restc des Heidenthums auf und liess sogar einer Eiche gottliche Verehrung erweisen, an deren Fusse viele Schafe und Liimmer geschlachtet warden, bis der hi. Theodosij kam und den Baum uinhieb. Bald nach Theodorit erschienen in Trnovo zwei wegen des Bogomilismus aus dem Athos verjagte Monche, Lazar und Kyrill, benannt Bosota. Kyrill, der vorgab, gottliche Erscheinungen im Traume zu baben, verhohnte die Heiligenbilder, lasterte die Mutter Gottes und den Gekreuzigten, schmiihte Arbeit und Ehe. Lazar lief in Adamstracht auf den Gassen herum, eine einzige Leibesgegeud mit einem ausgehohllen Kiirbiss verhiillend; seine Lehre hiitte den russischen Skopzon zum Vorbild dienen koiinen. Das gemeine Adamitenthum verbreitete Theodosij, ein unwisseuder und gemeiner Klosterbewohner. Durch seine Predigten iiber die Nutzlosigkeit der Ehe schaarte er eine Menge Miinner und Weiber, alt und jung, um sich. In Monchskutten gekleidet, zogen ihm seine Anhiinger in abgolegene Gebirgsthaler und Hdhlen nach , ura dort die wildesten Orgien zu foiern. Es waren dies die Vor-

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Kapitel XXL

laufer jener Adaiiaitenrotten, welche in Bohmen 1421 Zizka mit Feuer und Schwert ausrottete. Aber nicht genug war es an den Hesychasten und Adamiten. Car Alexander wurde durch die Schonheit eines Judenmadchens so bezaubert, dass er sich entscbloss, sie um jeden Preis als Gattin heimzufiihren. Seine ebeliche Gemahlin Theodora, die Tochter des Fursten der Walachei, musste den Glanz der Palaste von Trnovo mit der kldsterlichen Einsamkeit vertauschen, wo sie ihre Tage als Nonne Theophana schloss. Die Jiidin Hess sich taufen, wobei sie den Namen Theodora erhielt, und wurde dann als, „novoprosvestena carica" (neuerleuchtete Carin) mit Alexander vermahlt. Altbulgarische Denkmaler melden von ihr, dass sie, obgleich „roda Jevrejska" (von hebraischer Abstammung), dennoch einen reinen Glauben hatte, viele Kirchen restaurirte und sogar Kloster griindete. Nach ihrem Tode sang man ihr in den Kirchen ein „ewiges Andenken." Die Juden in Bulgarien begannen aber im Vertrauen auf ihren Schutz den Glaubigen unertraglich zu werden, indem sie das Christenthum verspotteten und Boljaren gleich sich geberdeten. *) Und so trieben in Bulgarien Bogomilen, Hesychasten, Adamiten und Juden ihr Wesen, wahrend jenseits des Balkan der Turkenkrieg wuthete. Da tra t ein Mann auf, welcher sich die Bandigung der Irrlehrer und die Herstellung des Religionsfriedens zur Lebensaufgabe gemacht hatte. Theodosij, geboren zu Trnovo, verlebte seine ganze Jugehd in Kldstern, in Bdyn, Arcar, wo er Mbnch wurde, in Trnovo, in Crven (jetzt Ruscuk) und in dem Muttergotteskloster, genannt Epikernev, bei Sliven ira Balkan. Dann begab er sich zu dem beriihmten Meister Gregorios Sinaita, ura welchen sich auf dem Berge Paraoria (Sakar-Planina) nordlich von Adrianopel eine Menge Schuler, Griechen, Bulgaren und Serben sammelten. Grego­ rios fand Gefallen an deiu jungen Theodosij und sandte ihn zu Alexander’, um von ihm gegen die Tiirken, welche auch die *) (Jber die judische Carin siehe den Pomenik der Caren und Carinea (Kakuvski Asen 52), das Leben dos hi. Theodosij, Nikephoros Urcgoras (III. 558 ed. Bonn.) und eine gleicbzeitige Notiz in oincr HandBcbril't des Rylklosters, Big. Knizici 1859, 690.

Die jiidisclie Carin.

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entlegene Klostergegend niclit in Ruhe liessen, Hiilfe zu erbitten. Der „m6ncLsfreundliche“ Car liess in der That den Anachoreten auf eigene Kosten einen festeu Thurm erbauen. Als Gregorios starb, wiililte man an dessen Stelle Theodosij einstimmig zum Oberbaupte. Dieser Auszeichnung hielt sich aber Theodosij nioht fiir wiirdig und kehrte nach Sliven zuriick. Spiiter besuchte er den Athos, Thessalonich, Constantinopel und verweilte in dem St. Antonios-Coenobium in Mesembria. Schliesslich liess er sich auf dem Berge von Emmona (jetzt Cap Emine) hoch iiber den Fluthen des Pontus nieder, wurde aber aus dieser schonen Einsiedelei von Seeraubern vertrieben. Einen anderen Wohnplatz suchend, wahlte sich Theo­ dosij in der Gegend von Kilifarevo, zwei Stunden siidlich von Trnovo, eine Einode, die eher Damonen (besi) als Menschen zuganglich gewesen sein soli. Das Dorf Kilifarevo besteht noch jetzt; es hatte einst 3—4 Kloster, zwei Kirchen, woven die eine noch erhalten ist, und eine Burg. *) Dort saminelte Theodosij an 50 Jiinger um sich, unter denen Euthytoij, der spatere Patriarch, und Dionys, ein ausgezeichneter Kenner des Griechischen und Slawischen, welcher viele Reden des hi. Joannes Chrysostomos, darunter sechs gegen die Juden, in das Slawische iibersetzte, *) die vorziiglichsten waren. Die seit langer Zeit erschlaffte Literatur begann sich zu beleben, und selbst der Car nahm an deren Forderung thatigen Antheil. Alexander liess sich die Chronik des Kon­ stantin Manasses aus dem Griechischen in’s Slawische iibertragen und dicke Bande theologischer Werke copiren. *) Oberhaupt sind aus keiner Periode der bulgarischen Geschichte so viele datirte Codices auf uns gekommen, wie aus den Jahren ®) Als man die Kirche 1830 umbaute, wurde naoh dem Zeugnisse t‘. R. Slavejkov’s (Big. Knizici 1859, 259; cf. Citaliste 1873, 497) in der »2enska crkva“ eine ganze Wagonladung alter Handschriften begraben. ban ahnliuher Fall geschah in Belkovoi, li/j St. westlioh vou Trnovo, wo die nberglauhischen Popen bei dem Umbau der Kircbe der Ul. Petka Zwei Ladungen (dva tovara) Handschriften in die Grundmauern versenkten. *) Starine I. 52. ®) Fiir Alexander ist geschrieben eiu Paterik (1346), jetzt im Kloster Krka in Dalraatien, und zwei tbeologische Miscellaueenoodices, geschrieben Von den AL'iuchen Philipp (1345) und Lavreutij (1348), jetzt in Moskau.

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Kaj.itel XXI.

„des iiberaus hohen und allgewaltigen" Caren Joannes Ale­ xander. Auch die Kloster erfreuten sich seiner Pflege. Die Hauptsitze der bulgarischen Monche, Ryl und Zografu, wurden von ihm mit reicben Schenkungen bedacht. Ein neues Kloster stiftete er am Fusse des Vitos, *) wo ein kleiner Atbos im Entstehen war; es standen dort iiber 14 Kloster, von denen jetzt grosstentheils nur Ruinc.n iibrig sind; ihre reicben Bibliotheken sind langst vermodert und verschleppt. Die herrschende Staatskirche musste gegen die Hiiretiker energische Massregeln ergreifen. Der damalige Patriarch von Trnovo* Theodosij II. berieth sich dariiber mit dem Vorsteher der Monche von Kilifarevo und berief auf dessen Anrathen (ura 1350) ein Concil (sbor), in welchein der Car selbst nebcn dem Patriarchen den Vorsitz fiihrte. Die haretischen Lehrer, die man festgenommen hatte, warden vorgefuhrt. Theodosij stritt mit ihnen iiber die Bogomilenlehre, iiber Dualismus, Ehe, Kreuz n. s. w. Der Monch Lazar bekannte seine Irrthiimer und schwor sie ab, aber Kjrill Bosota und sein Schuler Pop Stephan widersetzten sich jeder Sinneswandlung. Der Car liess sic desshalb den Kirchengesetzen gemass im Antlitz mit gliihendem Eisen brandmarken und des Landes vorweisen. Aber die Macbt der Bogomilen, die sich seit so vielen Jahrhunderten im Lande vollig eingebiirgert batten, war damit nicht gebrochen. Auch die Hesychasten und Juden waren nocb zu demiithigen. Auf einem neuen Concil (um 1355) erschieneo der Car mit den Prinzen Sisman und Asen, sammtliche Bischofe Bulgariens, Theodosij mit den Monchen von Kilifarevo, kurz die gesammte Hierarchie des Landes, tjber Bogomilen und Hesychasten wurde den Fluch ausgesprochen, ihre Altesten und Priester (sluziteli) verbannt und die biirgerlichen Rechte der Juden durch eine Urkunde (svitik, Rolle) beschrankt ^). Ungefahr im J. 1356 begab sich Theodosij nach Constantinopel, ura hier den Patriarchen Kallistos, seinen alten ®) Siehe eiue Urkunde Sisman’a, Safank, Pamatky 2. Ausgabc, 108. Unedirt ist leider nOl^Rstanie sobora Tmovskago k Theodoaiju i Kyr Romanu“ (Antwort des Ooncils von Trnovo dem Theodosij und dom Kyr Roman), Cod. russ. XVI. saeo fol. (Kalajdovic und Strojev, Beichr. der Handschr. der kaia. Bibl. in Peteraburg 126 Nro. 204, 45).

Der hi. Theodosij von Trnovo. Concilien.

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Freund aus den ScLiilerjahren im Paraoriakloster zu besuchen, und starb dort nacb ■wenigen Jahren. Sein Schuler Eiithymij setzte das begonnene Werk fort. In Pera bei Trnovo beschiiftigte er sich in der Einsamkeit mit der Revision der altslawischen tJbersetzung der hi. Schrift, da dieselbe angeblich schwerfallig und nicht genug glatt war, von dem griechischen Original nicht selten abwich und zu vielen Haresien Anlass bot. Nach dem Tode Joanikij’s II. zum Patriarchen erwahlt, hatte Euthymij neue Karapfe mit den Bogomilen zu bestehen; denn selbst nach dem zweiten Concil standen sie ungeschwiicht da, ja, in der Gegend von Bdyn war es schwer einen rechtglaubigen Christen zu finden. Dazu kam eben aus Constantinopel ein neuer Glaubenslebrer Piron nach Trnovo, um hier den Nestorianismus, Hesychasmus und Ikonoklasmus zu verbreiten. Mit Hiilfe eines Pseudomonchs Theodosij verschaflfte er seinen hehren selbst uuter den Hofleuten Eingang. Der Patriarch rersaramelte das Volk in den Kirchen und, um mit den Worten der bombastischen Legende Camblak’s zu reden, „nachdem er seine Kehle den Trompeten von Jericho gleichgemacht hatte," warnte er es vor dem Wolf im Schafspelz, Auf sein Betreiben wurde Piron verbannt.*) Es Uisst sich nicht laugnen, dass die letzten zwei Manner, welche die Schicksale des Bulgarenvolkes lenkten, Car Sisman, Alexander’s ( f 1365) Sohn, und Patriarch Euthymij, sich die Hebung des sinkenden Reiches redlich angelegen sein Hessen, wenn gleich diese Versuche den Stempel dos damaligen allgemeinen Verfalles tragen. Um den gelehrten Euthymij, welcher „haretische Netze wie Spinnengewebe zerriss" und durch Aufhebung von Wallfahrten, bei denen Ausschweifungen vorkamen, die Sittlichkeit zu fordern sich bemiihte, schaarten sich Bulgaren, Russen und Serben *). Eine neue literarische Schule entstand, aber die Erzeugnisse, welche sie zu Tage forderte, waren nichts als Meisterstiicke byzantinischen geist8) Leben Euthymij’s von Camblak (Glasnik 31, 243—292). ») Der TUBS. Erzbiscbof Kyprian, ein geborcner Bulgare, der in Ruasland die wahrend der Tatarenherrsohaft tief gcsunkene Bildung aufzurichten sich bemuhte, besuchte den Euthymij 1379. Grabrede Camblak’s fiir K yprian (Nevostrujev und Gorskij, Beschr. der slaw. Cod. der Moskauer Synodalbibl. II. 3, 139).

316

Kapitel XXL

und geschmacklosen Bombastes. Euthymij's Legenden nebst den Scbriften des Grigorij Camblak und des Philosopben Konstantin von Kostenec geben ein beredtes Zeugniss davon, •wie sehr die Slawen Bulgariens damals schon verbyzantinert waren. ’®) So stand es mit dem geistigen Leben, als die Tiirken an der Grenze Bulgariens erschienen. Vierzig Jahre nach dein Concil von Trnovo durfte Niemand raebr daran denken, zwischen den Orthodoxen und den Haretikern einen Unterschied zu machen, Concilien zu berufen'■Oder Ketzer zu m artern: da gab' 'es nur Mohammedaner und Christen, Glaubige die Raja!

»«) Siehe K ap. XXVI. (AUbulg. L iteratur), Schluss.

Kapitel XXII.

I^ie ersten Kampfe der Stidslawen mit den Ttirken. •Anarchie in Serbien nach Gar Dusan’s Tode (1355). Innere ^erwiirfnisse in Bulgarien. Die letzten Kriege der Bulgaren mit den Griechen und die ersten mit den Turken. Theilung Bulgariens in die Reiche von Trnovo und Bdyn. Expedition des Grafen Amadeo von Savoyen nach Bulgarien. Die Ungarn in Bdyn {1365 1369). Gar Joannes man III. (1365 1393), turkischer VasaU. ScMacht an der Marica (1371). Konig Marko. Des Despoten Dobrotic Furstenthum am Pontus. —



Wir schreiten nun zur Scliilderung der schwierigsten Periode der sudslawischen Geschichte, der Eroberung der BalkanHalbinsel durch die Turken. Lieder und Sagen, in welcben die Helden dieser Kampfe, die Riesengestalten eines Marko Kraljevic, Milos Obili) Zinkeisen I. 272. Rarki in Rad III. 108, 125. Zinkeisen I. 284. Rajezid aagle einst zu Stephan Lazarevic (dessen Biographie von Konstantin dem Philosophen, Glasnik 23, 391): „Wer von den Herrschern, wenn er auch den Ungarn sein Ilaupt gebeugt, hat seine Macht erlangt? Und er erwiihnte namentlich die bulgarisdieti Caren und andere". sn Roesler, Horn. Stud. 307: ^Oie Erwerbung des Ucrrschertitel iiber Dobrudscha und Silistria Hegt ganz im Dunkel.“ Mir ist es zweifellos, dass dies eine Erbschaft nach Ivanko war, der in der Qeschichto spurlos verschwindet. In einer Urkunde Mirda’s von 1387 (Veneliu p, 9) tindet sich der Xitel noch nicht. Engel, Gesch. von Bulgarien sagt 4G6 obne Quellenausgabe: „Sistow, Widin und andere Plfttze, welche der walaohiache Wojwode (jetzt Myi’xa, Sohn des Wladislans) besetzt hielt, leisteten noch Widerstand* (1392). i

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Kapilel XXIll.

Schon 1390, als er mit Wladislaw II. von Polen einen Bund gegen Konig Sigmund scliloss, schrieb er sich „terrarum Dobrodicii despotUB et Tristri dominus*. Und in einef Urkunde, gegeben dem Strugaler Kloster 1399 „v Gjurgove grade" nennt er sich Vojvoda von Ungrowlachien, Herr der Gebiete jenseits der Berge (Togaras und Omlas) und „beider Ufer des ^ganzen Donaulandes bis an das Grosse Meer, und Beherrscber (vladalec) der Stadt D rster.“ Derselbe Titel wiederholt sicb noch 1406.*®) Trnovo iibertraf an Grosse, an Reichthum und durch seine tbeile natiirlicbe theils kiinstliche Bet'estigung alle Stiidte Bulgariens. Dessbalb griffen die Tiirken vor Allem dieses Centrum des bulgarischen Lebens an. Ober die letzten Stundeii der alten Carenresidenz hatte man lange Zeit nichts als die lakoniscben Notizen russischer und serbischer Aunaleu, bis der russische Archimandrit Leonid vor drei Jabren eine Lobrede auf-den Patriarchen Euthymij entdeckte, die einen Zeitgenossen, Grigorij Camblak aus Trnovo, zum Verfasser hat und bei allem Bombast eine unscbiitzbare Quelle abgibt.*®) Im Friihjahr 1393 saramelte Bajezid die asiatischen HeerCi setzte iiber den Hellespont und vereinigte bier mit denselben seine occidentalischen Corps; unter ihnen mbgen wobl aucb die christlichen Herren von Makedonien gewesen sein. Seineni Sohne Celebi*') iibergab er die Fubrung und biess ibn aut Trnovo ziehen. Plotzlicb \var die-Stadt von alien Seiten eingeschlossen. Brand und Tod stellten die Tiirken den Einwobnern in Aussicht, falls sie sich nicht ergeben. Aber erst nacb einer dreimonatlichen Belagerung wurde Trnovo am

V Christa boga blagovernyj i christoljubivyj i samodriavnyj Joan Mirca velikyj vojevoda i gospodin, milostij^ bo5ij% i boiSiem darovaniem obladaj^slu mi i gospodstvuj^stii mi vtsej zcmi Ungrovlacbijskoj i Zaplaninskym stranam i oH/a pol(t po vhsemu Podunavju daee do velikago more, i OrhUtru gradu vladalec- Veneliii p. 18, of. auch 22. 2«) Gedruckt im Glasnik Bd. 31 (1871) 248—292.

^■9 Amuratov syn Celjubij. Russ. Annalen. Camblak nennt nur den uvarvarski cars. Bajezid selbst kampfte im Frubjahr 1393 in Asien bei Kastamuui (Zinkeisen I. 354).

Der Fall Bulgariens. Eratuvmung vou Tmovo (13&3).

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17. Juli 1393 *") vou der Seite des beutigen Hissar®’) ersttirmt. „Alsogleicb,“ klagt Camblak, „wurdeii ausden Kirchen die Priester verjagt und die Lelirer der Scbamlosigkeit in ihnen eiiigesetzt; in der Fremdlinge Hand fiel die Bundeslade und die Sacraracnte Avurden Hunden vorgeworfen. “ Die Pati-iarchalkirche zur Himmelfahrt Christi Avard eine Moschee; die iibrigen Kirchen traf entweder das gleiche Loos, oder sie warden in Stillle und Bader umgeAvandelt. Die Reliquien der Hciligen Avurden in’s Freie geschleppt und verbraniit. Die Burg Trapezica mit ihren Paliisten und Kapellen giug in Flamraen auf und Avurde dem Erdboden gleich gemacbt. Ein gleiches Ende nabmen die Carenpaliiste am Carevec, obgleicb ibre Mauern und Thiimie noch bis in’s XVII. Jahrhundert aufrecht blioben. In AbAA'esenheit des Caren Sisman, Avelcber sein Gluck gegen die Osmanen auderAvarts versuchte, Avar Euthymij die Hauptperson in der Stadt. Mannbaft ging er hinaiis zu den Tiiiken, um den Zorn des Barbarenfiirsten zu besiinftigen. Bajezid's Sohn, als er den Patriarchen unerschrocken und ernst, als ob all’ die Scbrecken des Krieges nur Wandgeraiilde waren, beranscbreiten sab, stand auf, empting ibn freundlicb, bot ibm einen Stubl an, borte seine Bitten an, Hess aber seinen Versprecbungen nur Avenige Tbaten folgen. Vertrieben aiis der Patriarchie am Carevec, begab sich Eutbymij in eine Kircbe unter dem Berge, die geweibt war „na inie Vriichovnych" (d. b. der Apostel Peter und Paul, die jetzige Metropolitankirche) und suchte die Verzweiflung der Biirger durcb Ermabnungen und Trostungcn zu lindern. Der Stadtcoinmandant, den Celebi zuriickliess, „erbob einen grosseren und wilderen Sturm, als der erste war, so dass bei dessen blossen Erwiibnung die Zunge zittert und Scbauder die Knochen ergreift." Durcb eine scbiindliche That ent28) Serb. Annalen. Safank Para. 7d; Bt .niro 6901 npieine Toypuu TpBHOBB iioja -SI- Rnsa. Annalen (Nikon IV. 252); (1393A Toro *e Jitvo AiiyparoBTi cm n. UejnoOiii Awiti>s TypowH bbh seMam 6oJU’«pcKyio a rpa^'B nx-B cJiaBiibiH TepnoBx, h nap* b x i h n arpiapxa n MiiTpono.niTM h eiiHCKOuu nxi. njftiin, a Mon(H cbhtmx’b noatace, h coOopuyio nopaoB^ bb MnariiTT. np'fcTBopH. Der Zeitgenosse Joasapb, Metr. von lidyu (Ulasnik 31, 252) hat das Jahr 6902 (1394) Ind. 3, aber auf dieses .Jalir ftllt die Ind. 2 (Cf Golubiiiski '222). ’'“) Rakovski Asen 126 nach einer Tradition.

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Kapitel XXIII.

ledigte er sich der kriegerischen Bulgaren, wohl wissend, dass sie nur todt Ruhe geben werden. Alle hervorragenden Bur­ ger und Boljaren berief er in eine Kirche, unter dem Vorwande dort eine Berathung iiber irgend welche offentlicbe Angelegenheiten pflegen zu wollen. Ala alle alinungslos zusammengekommen waren, begann ein verratherisches Gemetzel. Man schonte weder Greise noch Jiinglinge; Niemand flehte um Gnade. Alle fielen insgesammt, 110 Martyrer. Das Pflaster mitten in der Kirche war ganz mit Blut bespritzt. Die Leicben wprden den Vogeln des Himmels zum Frasse vorgeworfen.®") Auch Euthymij Wanderte in den Kerker. Der Pascha bcfahl, ihm die geistliche Kleidnng abzunehmen, ihn auf die Mauer (nad stenu grada) fuhren und dort offentlich cnthaupten, damit der Tod des unerschrockenen Kirchenhirten Allen sicbtbar werde. Schon senkte der ehrwurdige Greis den Nacken, als (nach der Legende) des Scharfrichters Hand durch ein Wnnder festgebannt blieb; Entsetzen ergriff den Pascha und alle Tfirken, und sie liessen Euthymij frei. Darauf kam von Bajezid der Befehl, dass alle Trnover, die durch Abstammung, Reichthum und Schonheit hervorragen, nach dem Orient iibersiedelt werden sollten. Zugleich wurde Euthymij nach Makedonien verwiesen. Der Patriarch verliess Trnovo mitten unter dem Zuge seiner verbannten Mitburger, auf einen Stab' gestutzt und bittere Thranen vergiessend uber das Schicksal des Vaterlandes. Es war ein Anblick, der auch den Steinen der Stadt hatte Thranen erpressen konnen. Kin­ der nahmen Abschied von ihren Eltern, Briider von ihren Schwestern, auf Nimmerwiedersehen. Jenseits des Balkans befahlen die Tiirken, welche den traurigen Zug begleiteten, Euthymij babe sich hier zu trennon. Da fielen die Exulanten dem Patriarchen zu J iissen, bedeckten seine Hande mit Kiissen, nannten ihn ihren Vater nnd die Frauen legten ihi’e Kinder vor ihn nieder. Gliicklich waren diejenigen, die seines Kleides Saum mit ihren Lippen beruhren konnten; andere rissen das Gras an der Stelle, wo er stand. Die (Jbrigen empfingen von der Feme Nicht nur Camblak, sondern auch eine Trnover Sage (Rakoveki Aseri m j meldet von diesem Blutbad, iibertragt aber den Schauplatz auf daB Morno pole ausserhalb der Stadt, wo die Grossen bei einent Gastniable verriitheriach niedergemacht worden aein aollen.

Ersturmung

vod

Trnovo (1393).

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unter bitteren Thranen seinen letzten Segen. Euthymij ermahnte zum Ausharren im Christenthum, kniete mit ihnen nieder und betete; dann stand er auf und segnete sie zum letzten Mai. Als einige ausriefen: „Wem vertrauest du uns an, guter H irt!“ antwortete er noch: „Der Dreieinigkeit jetzt und in der Ewigkeit," und die Tiirken fiihrten ihn ab. Die Heimatlosen aus der Metropole der Aseniden verschwanden spurlos im Innern Kleinasiens; vielleicht fanden sie schon nach wenigen Jahren ibren Untergang unter den Schwertern der ^vilden Horden Timur’s, welche halb Asien in eine Wuste umwandelten. Euthymij verlebte seine letzten Tage wahrscheinlich im Lande Konstantin’s, wo er in den Stadten und am Lande, in Hausern und im Freien unabla^sig predigte, das Volk vor dem Islam warnte und zum sittlichen Lebenswandel anleitete. Das ihm von Boljaren und Boljarinen reichbch gespendete Geld vertheilte er unter die Armen; das Evangelium war sein ganzer Schatz. In Makedonieu starb dieser letzte Patriarch von Trnovo und wurde den Nationalheiligen seines Volkes beigezahlt. Die in Trnovo belassenen Reste der Einwohnerschaft mussten Grauenhaftes schauen, wahrlich „eine vollige Zerstorung der Stadt.“ Tiirkische Colonisten nahmen den Carevec in Besitz, der von nun an Hissar (Burg) hiess, um von hier aus den tJberrest der Biirgerschaft im Zaume zu halten. Euthymij's Schiiler zerstoben nach Russland und Serbian, bulgarische Bucher mitbringend, ebenso, wie die griechischen Gelehrten nach dem Falle Constantinopels den Occident mit den alten Classikern bereicherten; war ja in Bulgarien von Alters her die Werkstatte zur Verarbeitung griechischer Cultur fiir die Slawen. Viele Trnover, besonders Boljaren, nahmen den Islam an. Die altberiihmte Lavra der 40 Martyrer, eine Stiftung Asen’s II., bei dem Kampfe stark mitgenommen, wurde zu einer Moschee umgebaut; Christen und Mohammedaner glauben noch jetzt, dass am Vorabend des 9. Miu’z (40 Martyi’er) dariunen Wan­ der geschehen. Das Minaret stiirzte gar oft ein, bis man unliingst die Ursache eutdeckte — die darunter befindlichen Grufte der Caren und Nationalheiligen,®') Daskalov-(s. S- 148 Anm. 10).

350

Kapitel XXIII.

Durch die Einnahme von Trnovo und die Wegschleppung des Patriarchen Euthymij wurde die bulgarische Nationalkii-che vernichtet. Schon im August 1394 iibergab der Patriarch von Constantinopel dem Metropoliten der Moldau (tr)g M uvqo^laxiag) die Ausiibung der bischoflichen Rechte in Trnovo und noch im folgenden Jahre hielt sich derselbe dort auf.®*) Im J. 1402 finden wir in Trnovo einen eigenen, dem byzantinischen Patriarchen untergebenen Metropoliten. So wurde der Staat den Tiirken, die Kirche den Griechen unterthan. 'Dies ist alles, was wir iiber den Fall von Trnovo ausfindig machen'konnten. Das Schicksal des letzten Caren Joannes Sisman III. ist noch immer in sagenhaftes Dunkel gehullt. Einheimische Berichte fehlen. Die Tiirken erzahlen, Sisman, als er neuerdings in Nikopolis von Ali belagert wurde, habe in seiner Verzweiflung, in ein Todtenhemd gehullt, um Gnade gebeten, sei dann in Philippopolia in einen Kerker geworfen und dort nach einer Version hingerichtet, nach der anderen dem Rest seiner Tage belassen worden. Schiltberger, ein sehr naher Zeuge, erziihlt, dass der Herzog der mittleren Bulgarei, genannt Schussmanes, rait seinera Sohrt von Bajezid gefangen wurde; ^der vater starb in der vancknus." Von einer Gefangennahine sprechen auch die russischen Annalen. Die ruraunische Chronik sagt ku’r z: „Und es fing Bajezid Sisman, den Herrn der Bulgaren, und todtete ihn, im J. 6903. Damals nahmen die Tiirken das ganze Land der Bulgaren." *“). Sisman’s, Sohn Alexander nahm, um das Leben zu retten, den Islam an und wurde Statthalter zu Samsun in Kleinasien. Anders klingen die Sagen der Bulgaren. Nach ihnen fand der letzte Car den Heldentod auf dem Schlachtfelde, Man singt noch ein altes schones L ied: „Sowie, meiu licbes MuttercLen, der Morgen graute, brach dns Heer auf, Kohh an Ro«h, Held an Held; die Sabel glilnzen wie die klaro Sonne, das Feuer Mitzt durch die griinen Walder; Car Ivan Sisman 32) Acta pair. II. 223, 241, &70. 33) Ziukeisen I. 284. Hier heisst sein Sohn ebeufalls Sisman, aher 453 ganz richtig Alexander. Schiltberger ed. cit. 65. Rum, Cbron. bei (Irigorovic 1. c. A. 6903 = 1 . Bept. 1394 bis 31. Aug. i 3 9 5 _ npuuce npe lUoyiimaiiB goMHoyji UlBtiuopji jea’ Tte anu •sgr. AToyuve jioyapS ToypuiH u,apa

]Uld!ii.(op'b Key TOToyjiB.

Des letzten Caren Sisman Tod.

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selbst ist ihr Vojvode. Starker Gott! 0 Gott der Schopfer! Es helfe uns Kraft und Heldeninuth I Eine Schlacht wollea wir schiagen auf dem Feld von Sophia, Blut wolleti wir vergiesaen fiir den Namen Christi, verherrlichen woUen wir den christlichen Glauben.“

Es ist dies nur ein Fragment, der Anfang eines Liedes. Die Herausgeber desselben, die Bruder Miladinov, verzeichnen eine Sage, welche in Sa'mokov iiber diese letzte Schlacht des Caren Sisman erzahlt wird, folgenden Inhaltes.®’) Die Tiirken standen bei Kostenec nahe an den Maricaquellen, die Bulgaren bei Sam'okov an einem Brunnen, welcher der „Gebirgsbrunnen am Scblachtfelde" (Sefer cesmesi bair) heisst. Sisman vvurde siebenmal verwundet an einer Stelle, wo jetzt, eine '1^ St. von Samokov, sieben Quellen dem Boden entspringen. Schwer verwundet wich er zuriick in eine Burg, deren Buinen noch heute sichtbar sind, und starb dort; ein Steinhaufen von sechs Ellen Lange ist sein Grab. Die Turken, welche die Stelle Knsum Efiendi, d. h. St. Demetrios nennen, verehren das Grab als heilig und lassen sich von der Steilbeit des Weges nicht abschrecken, dasselbe jeden Freitag zu besuchen Da dieses Treffen um den St. Demetriostag (26. Oktober) geliefert wurde, glauben die Turken, dieser Heilige habe ihnen zura Siege verholfen. Hier haben wir eine klare, an bestimmte Localitaten angekniipfte Sage. Sie ist keineswegs vereinzelt. Die Ebene, welche vor dem Eingange in die Momina Klisura (S. 15) langs der Marica sich ausbreitet, nennen die Bauern Kosteno pole (das Beinfeld) nach den vielen Schlachten, welche die Bul­ garen mit den Byzantinern und zuletzt Car Ivan Sisman mit den Turken geschlagen' babe; Menschengebeine werden hier in der That in Menge ausgegraben. Unweit von dort zeigt man bei Petrie auf einem steilen Berge iiber der Topolnica die Ruinen der Burg SiStnanec, wo Sisman den Turken solch’ einen Widerstand gcleistet haben soli, dass sich der Fluss ganz mit Blut farbte.®®) Auch auf den Hohen des Balkan auf der Tvrdiska Planina zwischen Sliven und Kazanlyk sicht man die Triimmer des augeblich von Car Sisman erbauten Siskin Grad, wo Sisman in einer riesigen Schlacht gegen die Osmanen, K. und D. Miladinov, Bulg. Volksliedor. *78.

Zacbariev 63, 79.

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Kapitel XXIII.

die in der Sage ihren Verlust angeblich selbst auf 10.000 JaniSaren beziffern, gekampft haben soll,®^) Die meisten dieser Sagen kniipfen sich an die Umgebung der Passe von Samokov und Ichtiman. Es ware gefeblt, ibnen jeden historischen Gehalt absprechen zu wollen; auch die Volkssage hat ja ihren Grund. Es ist ferner zu beachten, dass selbst der Carstvennik, welchen der bulgarische Patriot Paysij, der selbst aus der Gegend von Samokov gebiirtig war, auf Grundlage sparlicher Dokumenfe und reicher Sagen 1762 zusammenstellte, diese Schlachten erwahut. Wir lesen dort, Car Si§man habe sich wiihrend der Belagerung von Trnovo mifc seinen Boljaren und Truppen nach Sophia durchgeschlagon, wo er seine Getreuen aus Nikopolis, Svistov, Pleven und Drster antraf. Nachdem er seine Schiitze in einem durch Wiille und Wasser wohl geschiitzten Kloster am Isker zuruckgelasseu, bekampfte er die Tiirken noch sieben Jahre, bis die Bulgaren wahrend des Zwistes von Bajezid’s Sohnen den „Usun Musulman“ in Kostenec erschlugen; da soli Sultan Musa aus Rache Sisraan bei Samokov angegriffen ,und im Kampfo getodtet haben; des Carcn Sohn Vladislav sci nach Bdyn zu Sracimir geflohen.®'') Diese Flucht eines Sohnes Sisman’s ist keine Erfindung. Sic erhiilt ibre Bestiitigung durch eine Urkunde Konig Sig­ mund’s, wb derselbe Frim n, dem Sohne weiland Sisman’s, des Caren der Bulgaren, fiir seine bei gliicklichen und ungliicklicben Feldziigen der Ungarn wider die Tiirken und andere Reichsfeinde bewahrte Tapferkeit ein Gut im Temeser Comitat schenkt.*®) Pana.iot llitov’s Memoiren 149. 38) Paysij’s Carstvennik erschicn bedeulend umgearbeitet in Ofon 1844. — In dor Zeitschrift Ofinm Tpyax (Bolgrad 1868) III, findon wir 22 alte Koledalieder, darnntor Nro.' 6 eines fiir Geistliche: „Sinrt na cara Sisman beja.“ Da heisst es nun; Das schwarze Meer und die weisse Donau schlugen Wellen und schworamten ein woisses Kloster heraus. Die Monobe beichteten und der Igumen schrieb. Der letzte Sunder erzahlt, er sei Car Sisman’s treuor Dicner gewcseu; aber einst, als sic an einer Quelle vorbeifuhren, wollte er dem Caren kein Wasser reicbun und bieb ibm den blondcn Kopf mit dem weissen Barte ab. Darauf Fcblugen die Flutben wieder zusammen. 39) Fruscbin, Frusyn. Engel 465 (olme Jahr).

Sagon von des Caren Sisman Tod.

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Der Begrifif des Reiches Sisman’s erhielt sich bis m d6n Anfang des XVI. Jahrhunderts. In dem -Friedensvertrage zwischen dem Konig Ludwig von Bohmen iind Ungarn mit Sultan Selim am 1. April 1519 werden neben serbischen und bosnischen Burgen genannt: die Burg Florentin (an der Timokmundung), Bdyu (Bodon) sammt seinem Gebiete, ferner ^terra cesaris Si/sman'^ mit Orechovo, Nikopolis. Gjurgjevo, dann die unteren Gebiete mit Drster, Hrsovo und Kilia*®). Der Untergang Bulgariens erregte in Ungarn grosse Besorgnisse. Schon zu Ostern 1394 versamraelten sich die ungarischen Stande in Ofen zu einer Berathung iiber Vertbeidigungsmassregeln gegen die Turken.“') Sigmund sandte eine Gesandtscbaft zu Bajezid, um ihm wegen der Besetzung Bul­ gariens, da es zur ungarischen Krone gehore, Vorwiirfe zu machen. Bajezid zeigte den Gesandten die auf den Wanden aufgebangten Waffenstiicke, und sprach: „Kehret heim zu eurem Herrn und saget ihm, dass mein Eocbt auf Bulgarien auf den Waflfen beruht, die ihr bier geseheu habt“.'**J Auch Byzanz bekam die Siege Bajezid's eindringlich zu fiihlen. Davan trug noch ein anderer Umstand die Schuld. Die an dem prachtigen Hofe des Sultans zu Seres unterwiirfig versammelten christlichen Vasallen, Kaiser Manuel von Byzanz, der Despot Theodoros von Morea, Stephan Lazarevid, Konstantin von Makedonien u. a., durch des Sultans wilde und herrische Manieren aufgebracht, beschlossen nie wieder zur Pforte zu komraen. Zur Kraftigung des Bundes gab Konstantin seine Tochter Helena dem Kaiser Manuel. Doch den Tiirken entging diese ohnmachtige Verschworung nicht, und sie begannen Byzanz barter zu bedrangen, als je.*^) Ein Zug gegen Mirca sollte die Eroberung Bulgariens befestigen. Im Herbst 1394 tiberscbritt Bajezid die Donau; mit ihm zogen, wenn auch ungern, Stephan Lazarevic, Konstantin und Konig Marko. Aber am 10. Oktober schlug Mirca auf einera „na Rovinach" genannten Felde die Tiirken in einom *0) Theiner Mon. Hung. II. 624. «) Racki, Rad III. 147. ♦*) Diese Begebenheit erzahlen ubereinstimmend sowohl Thurooz, als Phrantzes. Zinkeisen I. 286. Zinkeisen I. 281, Ilopf 67. JlroAoft, OdBch. der B«lg»ren,

S3

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Kapitel XXIII.

Gemetzel, in welchem Wolken von Pfeilen den Himrael verdunkelt haben sollen. Eine Menge Pascha’s und Vojvoden fieleu an diesem Tage, unter ibnen der historiscbe Marko und mit ibm Konstantin. Nacb der Erzahlung eines Zeitgenossen sagte Marko vor der Schlacht zu Konstantin: „Icb sage und bitte Gott darum, er moge den Christen beisteben und ich moge in dieser Schlacht unter den Ersten fallen." Die Volkssage liisst ihn aber nicht sterben; man erzahlt, dass er in einer Hohle den Tag abwarte, wo er wieder das Sonnenlicht erblicken soil. Bajezid musste nacb einer unrubmlichen Flucbt mit Mirca Frieden scbliessen.'*'*) Konig Sigmund sandte Anfang 1395 Boten nacb Italien und Frankreicb um Hiilfe gegen die Tiirken, schloss dann in Kronstadt einen Bund mit Mirca und macbte die Moldau tributpflichtig. Im Sommer belagerte er mit seinen Ungarn und einigen Hundert Franzosen Klein-Nikopolis an der Donau, erstiirmte es, namentlich durcb das Zuthun der tapferen Kroaten, und liess dort eine Besatzung zuriick. Auf dem Rxickzuge nacb Siebenbiirgen musste er sich aber durcb die von rumunischen Pfeilscbutzen besetzten Karpatenpiisse durcbschlagen, da Mirca durcb eine Schwenkung seiner Politik sich vor dem Zoin des Grosshcrrn decken woUte.'*') Im Jahre 1396 brack Sigmund an der Spitze eines pracbtvollen Heeres, in welchem sich zahlreiche Ritter aus dem Occidente, besonders Franzosen, befanden, nacb Osten auf, Im Juni boffte er in Constantinopel einzuzieben. Den ersten Widerstand fand man in Bdyn, wo nocb Car Sracimir mit einer turkischen Besatzung sass.**') Am zweiten Tage, als die franzosiscben Ritter sich zura Sturme anschickten, ergab sich ^9 Konstantin’s Leben des Despoten Stephan Lazarevic, varfasst 1431 (Glasnik 28, 393). Der Schlachttag (10. Okt. 6903) in den serb. Annalen, Safarik Pam. 74. Ausfiihrlich, aber ohne Angabe des Jahres und des Ortes, die mm. Chronik bei Grigorovio. «) Racki, I’okret etc., Rad TV. 1—3. ) Safah'k, Palnatky 74. Die rumunische Chronik bei Grigorovic bat die irrige Angabe, »Sracimir imperatul“ sei erst nach der Schlacht bei Nikopolis tiirkischer Vasall geworden. 60) „Mladyj car“ bei Joasaph, dem Metr. von lidyn. Golubinski 224. 61) Konstantin’s Leben des Stephan Lazarevic 424. Der Tag in den serl). Annalen (8af. Pam. 76).

Kapitel XXIV.

Bulgarien im XV. Jahrhundert. ScMacht bei Angora {1402) und deren Folgen. Aufstand der hvXgarisclim Prinzen (urn 1405). Bilrgerkrieg unter den Sbhien Bajezid’s {1409 1413). Zug Konig Vladislav’s von Ungarn bis nach Zlatica im Balkan {1443). ScMacht bei Varna {1444). Fall Constantinopels und sammtlicher christlichen Staaten auf der Halbinsel. Skanderbeg. —

Das Auftreten des Weltstiirmers Timur Chau und die furchtbare Volkerscblacht bei Angora (20. Juli 1402) wiirden einen volligen Zusammensturz des rascb aufgewacbsenen osmaniscbeu Reiches herbeigefubrt haben,,wenn die christlichen Volker des Orients, Griechen, Slawen, Albanesea, Rumunen und die orientalischen Franken, den tiefen Fall ihres Todfeindes besser auszuniitzen verstauden batten. Gegenseitige Eifersucht, der moralische Verfall der Orientalen, die veralteten Vorurtheile der Occidentalen gegen die orientalische Kirche und endlich die irrige Annahme, dass der erbitterte Bruderkrieg der Sohne Bajezid's die Osmanenmacht selbst zu Grunde richten werde, das Alles Licit die Christenheit zui’iick, in dieser entscbeidenden Zeit gegen die Tiix’ken gemeinsain vorzugehen. Bajezid’s altester Sohn Suleiman (MovaovXfidvvs der Griechen, Musolinan der Slawen), ein tapferer und edler, dabei aber genusssuchtiger und besonders dem Weine zugethaner Mann, begann von Adrianopel aus die europaische Tiirkei zu beheiTschen. Mit Kaiser Manuel schloss er 1403 einen Bund, Avobei er ihni nicht nur Thessalonich und Thessalien, sondevn auch die gauze Seekiiste von Panion an der Propontis bis

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Kapite) XXIV,

Mesembria nebat einigen Inseln abtrat. Thrakien genoss eine seit Langem entbehrte Friedensruhe. Im Norden nahm Stephan Lazarevic, der aus der Schlacht bei Angora, wo er als turkiscber Vasall focht, gliicklich entronnen war, alle vaterlichen Lander von der Donau bis zum Sar wieder in Besitz. Gelehrt und heldenmiithig, war er ein schwacher Staatsmann. Serbien, eingeklemmt zwischen Ungarn und die Turkei, und geschwacht durch heimischen JJnfrieden, musste bald ein Opfer der Kriege zwischen den beiden genannten Miichten werden.®) tiber die damaligen Ereignisse in Bulgarien haben wir einen einzigen Bericht in der altserbischen Biographie des Stephan Lazarevi6, einer unschatzbaren Geschichtsquelle, die einen Augenzeugen und Zeitgenossen, Konstantin den Philosophen, einen Bulgaren aus Kostenec, zum Verfasser hat. Urn 1405 emporten sich die Stildte Bulgariens gegen die Tiirken, aufgewiegelt von den Sohnen der bulgarischen Caren, unzweifelhaft yon Konstantin, dem Sohn Sracimir’s, und Fruzin, dem Sohn Sisman’s. Aber Suleiman gelang es dieselben zii bezwingen.®) Suleiman’s jungerer Bruder Mohammed mit dem Beinamen „Kiuisdzi Celebi," d, h. der Herr der Ringer,") ein gei’echter, friedlicher, von jeglichem Fanatismus freier Mann, hatte sich inzwischen ganz Kleinasien wieder* botmassig geinacht. Mit seinem Bruder wollte er sich derart ausgleichen, dass ihm die asiatischen Provinzen, Suleiman die europaischen zuhelen; doch Suleiman’s Herrschsucht vereitelte diesen Plan. Im J. 1409 sandte Mohammed den jungsten Bruder Musa nach Europa, um den Kjieg gegen Suleiman zu eroffnen. Musa schiffte sich in Sinope ein, segolte nach den Donaumundungen und wurde von Mirfia freudig begriisst. Die tiirkischen Besatzungen in don Donaulilndem, Stephan Lazai'evic, sein Bruder 1) Zinkeisen I. 415. Hopf (8C) 71. 2) Cf. Grigorovic iiber Serbiens Ueziehungen zu tleu Nacbbar'staaten. Kazan 1859 (s. S. 308). „Jeste ze i gradi bolgarstii otstupili bSjachu syumi carej bolgarskycL. Tem ze pre^de sego vT>zdvig se car Musulman i prised na I'**-!*, rutju vzjat ,ja.“ Konstantin im Ulasnik XXYIII. 411. ") Uoiniiacii in den serb. Aniiaien (SafaHk Pam . 76) unci bei K on­ sta n tin ( iiO) KriS(ya.

Die Sohne Bajezid’s.

359

VIk und Bulgariens Boljaren und Stadter schlossen sick dem Musa an. Mirca, der noch einige bulgarische Donaustadte besetzt hielt, unterstiitzte ihn aus alien Kraften. Unter den Mauern von Byzanz, bei dem Castell Kosmidion am Goldenen Horn, kam es zu einer Scblacht zwischen Suleiman und Musa. Sultan Suleiman, unterstiitzt von den Byzantinern, siegte dutch den Verrath der Bundesgenossen seines Feindes: mitten in der Scblacht verliessen die Serben Musa, und Vlk ging sogar mit seinem ganzen Heere zu Suleiman iiber.?) Musa entkam und trieb ein Riiuberleben auf dem Balkan und in Thrakien. Vlk wurde von ihin auf dem Riickmarsche in Philippopolis uberfallen und in einem Walde enthauptet (6. Juni 1410®); dasselbe Schicksal tra f dessen Nefifen Lazar nahe bei Adrianopel. Suleiman ergab sich von Neuem in Adrianopel dem Weingenusse, abet nicht lange dauerte seine Herrlichkeit. Pliitzlich erschien Musa vor dor Stadt; zahlreiche Vornehme gingen zu ihm iiber. Suleiman wurde auf der Flucht nach Constantinopel gefangen und erdrosselt (5. Juni 1411 ^). Musa war energischer und sittlicher als Suleiman, aber seine Strenge artete in Tyrannei aus. Von seinem Bruder Mo­ hammed fiel er ab und wurde sein Todfeind. Burch zahlreiche Raubziige und die Belagerung der reichen Bergstadt Novo Brdo rachte er die in der Constantinopler Schlacht bewiesene Untreue der Serben, was ihm Stephan durch die Pliinderung des Gebietes von Pirot heimzahlte. Auch in Bulgarien bracken Unruhen aus. Dariiber berichten kurz die serbischen Annalen: „Im J. 6921 (1413) vernichtete Musia die Bulgaren und ubersiedelte sie am 23. April." Turkische Berichte erwiihnen die Zinkeisen I. 428. Konstantin 412 sld. fiber die Lage von Kos­ midion of. Dotbier, Der Bosphor und Constantinopel. Wien 1873, BU. fiber den Antheil der Bulgaren die rum. Chronik bei Grigorovio,: Kpc avtA Bptne ce pismc* Moyc'fa Koy PoyMimn ma koj UlBitiui (Bulgaren) nia Cie^anB ^uchotb Koy CpBein, aece AoycepX aa ^aplD’pa^B c* ccJOBacKiS Koy Rajianie. ®) Konstantin (41D) und die serb. Annalen (75) haben das Jahr 1410; Zinkeisen verlegt die Constantinopler Schlacht in, das Jahr 140G.

’) Zinkeisen I. 431. Von einer Erdrosseluug sprechen Konstantin und die Annalen, die ein genaucs Datum aulwciseu.

360

Kapitel XXIV.

Eroberung von vier bulgarischen Stadten, darunter Provad.®) Eine von Zachariev verzeichnete Sage erzahlt, dass das wohlbefestigte St. Nikolakloster bei Kalugerovo an der Topolnica zerstort wurde, als sich dort das umwohneiide Volk gegen Jaja Pascha, den Feldherrn Musa Kesedzija’s, welcher von seinem Bruder Celebi Sultan (Moiiammed) zur Unterwerfung dicser Lander ausgesandt war, vertheidigte.'') Den Byzantinern entriss Musa das pontische Kiistenland und Thessalien und griff Byzanz selbst an, wurde aber zmiickgeschlagen. Dafiir brachte er seinem Bruder Mohammed, als dieser mit Hiilfe der Griechen iiber den Bosporus gesetzt war, bei Indzigis eine solche Niederlage bei, dass derselbe scbleunigst nach Asien heimkehrte. Inzwischen verband sich Stephan Lazarevid gegen Musa mit Jussuf, deni Befehlshaber des „Landes Konstantin’s" (S. 334) unc( mit digit, dem „Grenzvojvoden“ von Skopje, welche beide aus Musa’s Gefangnisa in Dimotika entsprungen und in ihre Gebiete heimgekehrt waren. Gleichzeitig sandten die Byzantiner Suleiman’s Sohn Orclian nach Thessalonich, damit derselbe mit Hiilfe des slawischen Boljaren Bogdan und der tiirkischen Colonisten in Makedonien den Kampf ei offne. Musa nabm aber den Orchan gefangen und li.ess ihn blenden, besetzte Bogdan’s Land,'®) brach dann in Serbien ein und schlug den Despoten bei Vrbnica unweit von Krusevac (1413). Mohammed verbiindete sich inzwischen insgeheim mit alien Feinden seines Bruders und zog iiber den Bosporus geraden Weges nach Serbien.. Unweit von Philippopolis, bei D liga livada oder Makrolivada stellte sich ihm Musa entgegen. Aber Mohammed umging ihn und gelangte nach Nis, wo Stephan Lazarevi6, der makedonische Bogdan und sammtliche Pascha’s der europaischen Provinzen zu ihm stiessen. In den Felsschluchten, durch welche sich der Isker den Weg von Samokov in das Becken von Sophia durchbricht, befiudet sich bei dem Dorfe Camoilu eine kleine, nur eine Meile breite Ebene. Hammer, Gescb. des osiu. Keiches I. 355 nenut Parawadi, Modreni, Kopri, AkdzeboJi (Agathojailig?), vnn di nen nur das erste be* kaiint ist; Leunclavius 442 „Preuedinen cepit et Mutrin", dann Vidin“I Zachariev 75. Seine Jahi’esaungabe (1419) ist irrig; Musa f 1413. GbalkondylaB ^Btritler II. 358). Ober Orchan Konst, 420.

Schlacht bei tamorlu 141B.

Hier wurde am 10. Juli -1413 die eutscheidende Schlacht zwischen Mohammed und Musa geschlagen. Musa, dessen Heer durch Desertion bis auf 7000 JaniCaren zusammengeschmolzen war, kam von Ichtiman und lagerte sich bei Stiponje (Lage unbekannt). Im Heere Mohammed’s zeichneten sich die Serben aus, welche unter den Anfiihrern Radio Celnik, Sain und Michail „unter dem Vitos am Isker“ sich golagert hatten. Es war ein verzweifelter Kampf. Musa hieb mit rasender Tapferkeit eine Menge Feinde eigenhandig nieder, bis ihu Georg Brankovic in die Eippen stach. Auf seinem Pferde suohte er zu entkommeu, wurde aber am Flussufer eingeholt und erwiirgt. Seinen Leichnam liess der siegreiche Bruder in Brussa feierbch bestatten. So endigte Musa, dieses „Thier“ (zver), wie ihn Konstantin von Kostenec nennt; in den'Liedern und Sagen der Siidslawen treffen wir ihu ueben anderen einheimischen Helden als Musa Kesedgija: Musa der Wegelagerer.'') Auf dem Schlachtfelde von Camorlu kamen die Febden der Erben Bajezid’s zum Abschluss. Mohammed 1. (1413-1421) belohnte seine Bundesgenossen durch bedeutende Landerabtretungen. Die Byzantiner erhielten die Pontusstiidte und Thessalien zuriick und Stephan Lazarevic, ohne dessen Mithiilfe Musa kaum iiberwunden worden ware, bekam die Burg Koprian (Lage unbekannt), das Gebiet von Snegpolje und viele andei’e L a n d s c h a f t e u . I n Adrianopel huldigten dem neuen Sultan die Gesandten Mirca’s, der Herren von Morea und der bulgarischen Boljaren.'*) Doch Mix’ca wollte nichts desto weniger durch drei Jahre keinen Tribut zahlen, bis er 1416 durch einen Krieg dazu genothigt wurde. Damals mag er die bulgarischen Stadte am rechten Donauufer verloren liaben. Mohammed nahm auch Gjufgjevo in Besitz, das sodann bis 1829 in tiirkischer Hand blieb. ” ) tJber diese Schlaoht of. Grigorovic. Ober Serbien 51, Konsla'itin 421, die serb. Annalen 76, Leunclavius 444, 458, Zinkeiseu I. 441. liber die Landschaft cf. Hocbstetter, Das Vitos-Gebiet (Petermann’s Mitth. 1872). 1*2) Konstantin 421: grad Koprian i stranu Znepolja (sic!) glagolemuju i ina prostranstvia mnoga. 13) Zinkeisen I. 449. ii) Ibid. I. 467. Irrig ist die Meinung Ziiifieisen’s, dass Gjurgjevo (Georgaburg) damals erst gegrundet wurde. Es stand schon 1399 (s. S. 340).

362

Kapitel XXIV.

• Zwei Jahre spater bargen die Schluchten des Balkan einen merkwiirdigen Gast, keineswegs einen bulgarischen lusurgenten, sondern einen tiirkischen Ketzer. Der Bechtsgelehrte Mahmud Bedreddin, einer der vertrautesten Rathgeber Musa’s, fiel bei Carmorlu in die Gefangenschaft und wurde in Nikaea internirt. Dort fasste er den Plan zu einer gewaltigen Revo­ lution. Eine neue Religionslehre, eine Mischung christlichen und mohanimedanischen Mysticismus, sollte zur Aufregung der Gemiither dienen. Das Werkzeug Mahmud’s wurde Borekludze Mustafa, welcher auf dem Berge Stylarios, Chios gegeniiber, auftrat und Communismus in alien. Dingen mit Ausnahme der Weibergemeinschaft, freiwillige Armuth und Verbriiderung mit den Christen predigte. Die Wirren der letzten Zeit und die damit verbundene Noth und Verzweiflung batten dieser merkwiirdigen Bewegung die Bahn geebnet. Tausende eilten unter die Fahnen dieses Schwiirmers. Schaaren fanatischer Derwische beunruhigten unter der Anfiihrung eines jiidischen Renegaten die Umgebung von Magnesia. Der bulgarische Renegat Alexander, des Caren Sisman Sohn, welcher seit der Bezwingung des Theilfursten Dzuneid durch Sultan Mohammed I. Smyrna verwaltete, zog gegen die Aufriihrer, fand aber sammt seinem ganzen Heere in den stylarischen Schluchten den Tod unter den Schwertern der Fanatiker. Das gleicho Loos traf seinen Nachfolger Ali Beg. Erst als die grossen asiatischen und europiiischen. Heeresmassen eintrafeii, wurden die Sectirer in einem furchtbaren Blutbade bis zum Cap Karaburun zusammengedliingt. Mustafa starb unter fiirchterlichen Qualen einen Miirtyrertod in Epbesos. Mahmud Bedreddin begab sich indessen in die Walachei, setzte sich mit Hiilfe des Mirfia, der ihn als alter Anhanger Musa’s unterstutzte, in Drster fest, und begab sich mit einem Heere unzufriedener Turken auf den Balkan. Aber die Nachricht von dem Schicksal der stylarischen Insurgenten zersprengte seine Schaaren noch vor dem Kampfe. Mahmud streifte auf den Bergen hin und her, bis er umzingelt und von seinen Leuten ausgeliefert wurde. In Seres wurde er um 1419 hingerichtet. '*) 16) Siehe Zinkeisen I. 473—481. tlber Alexander cl. I. 4B3.

Tiirkische Ueteer. Joannes Hunyad.

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Zugleich erhob sich ein Fseudo-Mmtafa, der sich fiir einen seit der Scblacht bei Angora verschollenen Sohn Bajezid’s ausgab, und fand Unterstutzung bei Mirca, bei dem unruhigen asiatischen Fiirsten Dzuueid, welcher unter Suleiman Ochrida, unter Mohammed I. nach seiner abermaligen Demiitliigung Nikopolis verwaltete, und bei den Byzantinern, die bei allem ibren Elend dock noch immer die eitle Hoffnung niilirten, man konne die Tiirken durcb Tntriguen entzweien und dann besiegen. Mustafa, anfangs siegreich, ging durcb Dzuneid’s Verrath zu Grunde und Avurde irgendwo an der Tundza erscblagen (1421). Kriegerischer als Mohammed I. war sein Sohn Murad I I . (1421—1451), ein (selbst nacb den Byzantinern) gerecbter und oflFener Mann von bedeutender politischer Elugbeit. Mit seinem Regierungsantritt bracken fiir die Reste der cbristlichen Staaten arge Zeiten herein. Nacb einer schweren Belagerung von Constantinopel (1422) warden die Byzantiner dem Sultan tributpflichtig; das Komnenen- und PaEologenreich war nun auf die Hauptstadt, auf Ancbialos, Mesembria und den Peloponnesos beschrankt. Im J 1430 ersturmten die Tiirken das

kurz zuvor von den Venetianern besetzte Theasalonich. Bui• garien genoss unter Murad II. bis auf zwei Einfalle des walachischen Vojvoden Drakul, Mirca’s (f 1419) Nacbfolger, vollkomraene Rube. Fiir Serbien begannen nach dem Tode des vielbeweinten Stephan Lazarevi6 (f 1427) traurige Zeiten. Sein Nacbfolger Georg Brankovi6, ein reicber, scblauer und tapferer Greis, verier bis auf Belgrad alle Lander an die Osmanen. Mit der Erbebung Vladislav’s von Polen auf den ungarischen Tbron trat ein Umschwung ein. Die Blicke der gesammten Cbristenheit wandten sich auf Joannes Hunyad, wel­ cher 1442 nach einander zwei grosse tiirkische Armeen unter den Kai’paten verniebtete.'*) Dass dieser in den serbischon Volksliodern als Sibinjanin Janko (Johann von Hermannstadt) lioch gefeierte Kriegsheld von Geburt ein R um uue war, ist 1®) Mezit Beg wurde in Siebenburgen am 26. M&rz 1442 geschlagen, der Beglerbeg Sabin Pascha mit 80.000 am 6. September in der Walachei an der oberen Jalomica. Die Tageaangaben in den serb. Annalen (baf. Pam. 77} cf. die rum, Cbronik bei Grigorovio).

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Kapitel XXlV.

ausgemacht; in alten Schriften fiilu't er bei Serben und Rumunen stets, bei Polen und Bohmen sehr oft die rumuniscbe Namensform Ja nhuV ) Einen grossen Feldzug unternalimen Konig Vladislav und Hunyad im J. 1443. In dem aus Ungarn und Polen bestebenden Heere befanden sich aucb 600 bobmiscbe Kriegswagen, unter dem Befebl -des Rottenmeisters Jenik des Jiingeren von Meckov und Ubersko (bei Hohenniauth), dessen leider unvollstandig erhaltener Brief fiber diesen Zug eine sehr wichtige Quelle bildet.'®) Auch der Despot Georg Brankovic, welcbem an dem Gelingen des Unternebmens am moisten gelegen war, schloss sich dem Zuge an. Bisber sind die Berichte fiber diese interessante Expedition noch von Niemanden vollstandig bearbeitet und mit der Bescbaffenbeit des Landes in Einklaug gebracht worden. Am glaubwfirdigsten scheint uns die Erzfihlung des Serben Michael Konstantinovic, weicber unter Mohammed II. an den Feldziigeu nach Morea, nach Trapezunt, gegen Uzen-Hassan, gegen den walachiscben Fiirsten Vlad und nach Bosnien als Janicar tbeilgenommen hatte, und endlicb unter die Christen zurfickgekebrt, im letzten Decennium des XV. Jahrhunderts in Polen seine Memoireu in polniscber Spracbe verfasste (S. 334). Im Juni zog das Heer von Ofen aus, zerstorte auf dem Marsche Krusevac (Aladzahissar), Nis und Pirot, und drang dutch alle Passe glticklich nach Sophia dutch. Es erubrigteu bis Philippopolis pur mehr drei Tagemavsche. Man hatte bisber fortwahrend schones Wetter und reichlichen Proviant. Die Bulgaren begrussten mit Begeisterung die christlichen Schaaren, insbesondere die Polen und Bohmen, mit denen sie sich uiiscbwer verstandigen konnten. Bewaffnete Serben, Bosnier, Bulgai’en und Albanesen verstarkten das Heer von Tag zu Tag. Auf dem weiteren Marsche wich das Christenheer dem „Trajansthore,“ duich welches die gewohnliche Ilcerstrasse fuhrt, aus und zog fiber den Sattel zwischen dem Balkan und der Dass Hunyad ein Rumuue war, ist nacbge.wieseu voti W. Schmidt, Die Stammhurg der Hunyade in Sicbenhurgen. Hermannstadt 18G5, 78 sq. Auch bei Byzantinern mitunter ’layyog. '**) Abgedruckt von Dr. Ilermenegild Jirecek. ValeCnici cesti XV. stoletl (Die bdbm. Feldbauptleutc im XV. J.), Casopia cosk. muaea 1859,156.

Zug Kouig Vladislav’s bis uach Zlatica (1443).

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' Iclitimaner SrMna Gora (bei Mirkovo) bis ziir bjilgarischen Stadt Zlatica, welch e scbou im Gebiete des Aegaeiscben Meeres liegt; von dort wolltea sie durch das Topolnicatbal in die Ebene gegen Philippopolis. Aber die Janicaren bielten die Berge besetzt. Konig Vladislav musste umkehren. Auf dem Riickmarsche .wurde Sophia in Brand gesteckt. In Pirot kam die Nachricht, Murad sei hinter ihnen schon in Sophia eirgetroffen. Man brach auf und zog auf den Berg Kunovica (zAvischen Bela Palanka und Nis). Dort befindet sich ein wichtiger Pass zwischen den Ausliinfern des Balkan und der Sucha Planina (S. 34), welchen noch jetzt die Strasse von Sophia nacli Belgrad passirt; die alte Benennung erhiilt sich im Namcn des Blockhauses Kunovica. Als man dort in Berge und Walder einriickte, griffen die Tiirken den Despoten, welcher den Nachtrab befehligte, an. Der Konig Hess das Fussvolk bei der Wagehburg und eilte mit der Reiterei zu Hulfe. Die Tiirken wurden vollstandig geschlagen. Es fiel hier ein Bliitverwandter Murad’s, welchem man im Dorfe Tamjanica, das noch jetzt am ostlichen Ausgange des Passes ober der Nisava steht» einem hohen Grabstein mit einer tiii'kisclien Inschrift setzte. Mahmud Celel)i, IMurad’s Schwager, wurde gefangen. Nach der Schlacht schlug der Konig die Tapfersten zu Bittern. Darauf wollten die Christen auf der Ebene Dobrica am Zusnmmenfluss der Morava und Toplica (S 34) liberwintern, aber der Mangel an Zufuhr nothigte zum Aufbruch. Da viele Pferde zu Grunde gingen, verbrannte man die Wiigen bis auf 50 und warf einen Theil der Bcute weg, um im Schnee schneller vorwiirts zu kommen. Im Februar 1444 traf das Heer im Triumphe in Ofen ein.'*) V

1*) Die Zusatnmenatelluiig turkischer und occidentalischer Berichte bei Zinkeisen I. 611—621 ist wegen der fiir die damalige Zeit zu entschuldigenden Unkenntnis des Terrains .aebr mangelhaft. Dass man gegen Zlatica zog, bestiitigen die serb. Annaleu (izvede despot kralja A’Jadislava na Zlaticu i Jankula. Safai-ik Pam. 78), Konstantinovic (Kap. 22, Serb, im Glasnik 18, J)i) und tiirlc. Berichte bei Lounclaviiis (Hist. Turc. 658: ad angustias saltus Isladini). Cf. den bohm. Clironisten Uajek von liibocan (418 b), der Vieles aus Konstantinovic Hchopfte. Das alte Kunovica-Defile beschreibt F. Kanitz, Donau-Bulgarion und der Balkan, Leipzig 1876. I. 170—172.

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Kapitel XXIV,

Die Tiirken waren zum Frieden genothigt, der in Szegedin im Juni 1444 gescUlossen wui’de. Die erste Bedingung lautete, Bulgarien solle ganz dera Sultan vei-bleiben. Dagegen erhielt Brankovic ganz Serbien zuriick, vor Allem Smederevo, Golubac, Krusevac, Novo Brdo, Prokoplje an der Toplica, Leskovac an der Morava, und Zelenigrad bei Trn (S. 18) *”.) Die Walachei blieb unter ungarischer Oberhoheit. Aber noch in demselben Jahre wurde der Friede auf Betreiben des papstlichen Logaten, Cardinal Julian, gebrochen. Trotz der Warnungen des Despoten Georg Brankovic, zogen Konig Vladislav und Hunyad, welcher, da ihra Bulgarien versprochen war, das meiste Interesse an der Expedition batte, im September 1444 mit einem viel schwacheten Heere aus, als im vorigen Jahre. Diistere Vorbbnungen beangstigten noch vor dem Abmarsche den jungen Konig. Bei Orsova setzte man liber die Donau, erreichte iiber Florentin in sechs Tagen Bdyn und brannte es nieder. Wahrend man Nikopolis vergebens berannte, kara der walachische Vojvode Drakul in’s Lager, aber umsonst war seine Warnung vor dem weiteren Zuge. Von osmanischen Truppen sab man weit und breit keine Spur. Die ubermiithigen Soldaten pliindertefi sogar wehrlose bulgarische Dorfer und Kirchen, was die Bevolkerung aehr erbitterte. Sumen wurde erstiirmt, das Meer gliicklich erreicbt und dort Varna, Kalliakra und Kavarna ohne Widerstaud besetzt. Inzwischen war Murad II, aus Asien eingetroffen und es wurde die bekannte Schlacht bei Va,rna (10. November 1444) geliefert. Konig Vladislav fand den Tod auf dem Scblacbtfelde. Die Reste des Christenheeres floben zersprengt iiber die Walachei und Serbien nach Hause; einige verirrten sich bis nach Albanien. *') Die? war der letzte Versuch der occidentaliseberi Cbristenheit Bulgarien zu befreien; von da an war das Loos Bulgariens entscbieden. In Byzanz berrscbte seit 1449 Konstantin X L Dragases, von miitterlicber Seite ein Slawe, der Erikel Konstantin’s von Makedonien. Bei der allgemeinen Verzweiflung gab er allcin, obwobl er den traurigen Zustand des Reiches wohl kannte, **) Die Namen bei Dlugos (bei Zinkeisen I. 626 sehr eutstcllt) und merkwiirdig correct bei Ilajek 1. c. *') Zinkeisen I. 649—705. Mich. Konstantinovic Kap. 24.

Schlacht bei Varua. Eroberung vou Cfmstantinopel u. Bosnien.

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noch nicht die letzte Hoffnung auf und ergab sich aicht der Unthatigkeit. Den ganzen Peloponnesos vereinte er \rieder unter byzantinischer Herrschaft; in Thessalien erhoben sicb schon Albanesen und Wlachen fur ihn, aber die Tiirken unterdriickten noch recbtzeitig diese Bewegung. Murad’s Sohn Mohammed II . (1451—1481), ein Bchwermiithiger, aber scharfblickender, gebildeter und rubmsiichtiger Jiiugling, machte sich die Zerstorung der orientalischen Ghristenstaaten zur Lebensaufgabe. Am 29. Mai 1453 fiel Constantinopel; der letzte Kaiser starb den Heldentod mit dem Schwerte in der Hand. Mesembria und Ancbialos waren drei Monate friiber gefallen. Der Peloponnes wurde erst sieben Jahre spater nach furchtbaren Kampfen mit' den dortigen Albanesen unterjocbt. Das Despotat von Epiros batte schon seit 1449 zu existiren aufgehort; das Herzogthum von Athen ging 1456 zu Grunde. Serbien war bald wieder auf die Stadt Belgrad reducirt. Der letzte der grossen Siidslawenstaaten, Bosnien, fiel 1463. Es fiel ohne heldenmuthigen Widerstand, durch "Verrath. Konig Stephan Tomasevic wurde gefangen und enthauptet. Drei Jahrhunderte lang stritten drei Eeligionsbekenntnisse um die Herrschaft in dem schonen Lande, Katholiken, Orthodoxe und Bogomilen (Patarener). Der Bogomilisraus hatte im Adel und im Volke die Majoritat fiir sich; die Konige aber unterstiitzton aus politischen Beweggriiuden den Katholicismus. Dio Tiirken fanden in dem von Religionsfehden zerfleischten Lande naturliche Bundesgenossen an den Patarenern. Nach der Einnahme des Landes verschwinden die Letzteren spurlos, eine Thatsache, fiber welche uns weder Sagen noch geschriebene Quellen einen Aufschluss geben. Der kroatische Forscher Racki und der russiscbe Golubinski haben unlangst gleichzeitig auf die ungewohnliche Menge der slawischen Mohammedaner in Bosnien hingewesen, auf den machtigen Adel serbischer Zunge und mohammedanischen Glaubens> und daraus nicht ohne Grund geschlossen, dass die Patarener raassenhaft zum Islam fibergetreten sein mussten.. Auch die gedruckte Lage des leibeigenen "Volkes machten sich die Tiirken zu Nutzen, indem sie den Bauern die Freiheit versprachen, worauf diese dep Adel im Stiche liessen.**) **) Siehe Raeki, Bogomili i Patareni, Rad VIII. Racki schreibt auf Grundlage neu eutdeokter Quellen oin eigenes Werk fiber Bosniens Fall.

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Kapitel XXIV.

Zuletzt kam die Reihe auf Albanien, wo ein neuer Kriegsheld, Georg Kastriota, tiirkisch Shnnderheg genannt, den Osmanen 24 Jahre lang heldenmiithig widerstand, unterstiitzt von Rom, Venedig und Neapel. Skanderbeg’s Familie war slawischen Ursprungs. Seinon vaterlichen Urgrossvater Branilo finden wir 1368 an dem Hofe Alexander’s, des Herrn von Valona (S. 319). Sein Vater Ivan, Graf des Landes ara Matflusse, vertheidigte sich mit venetianischer Hiilfe tapfer gegen die Tiirken. Die Geschichte Georg’s, des jiingsten unter vier Briidern, ist durch panegyrische Romane arg entstellt worden. Entgegen der ublichen Erzahlung, dass er sich als Geissel bei den Turken auszeichnete, bis. er aus der Schlacht von Kunovica nacb Hause entfloh, um sein Volk wider die Osmanen zu erheben, ersieht man aus urkundlichen Quellen, dass Georg seine Jugend daheim in Albanien verlebte. Seine Kriege begann er nach einem Reichstage slawischer und albanesischer Boljaren zu Alessio mit einem Siege iiber die Tiirken in der Dibra (1444); doch fuhr er fort dem Sultan einen jahrlicben Tribut von 6000 Dukaten entrichten. Seine Thaten beriibren die bulgarische Geschichte insofern, als die Dibra (S. 49), dei'cn oberen Theil damals ebenso wie heute Bulgaren, den unteren Albanesen bewohnten, gar oft der Schauplatz seiner Kiimpfe war. Besonders um das Schloss Svetigrad in ’ OberDibra wurde viel Blut vergossen. Die dortigen Bulgaren zeichneten sich durch grosse Tapferkeit und Ergebenheit an Kastriota aus; noch je tz t.h a lt ,sich der Bulgai’enstamm der Mijaci im Radikathale unter dem Korab mit aristokratischem Stolz fiir Skanderbeg's Nachkommenschaft. Als Mohammed II. 1466 von Kroja iiber Ochrida heimzog, liess er den dortigen Erzbischof Dorotheos wegen irgend eines Haders, welcher in Ochrida zwischen der Geistlichkeit und den Boljaren ausgebrochen war, mit vielen Boljaren nach Constantinopel ahfuhren.*®) Nach dem Tode Skanderbeg’s (am 17. Janner 1468) nahm der Widerstand der Albanesen ein Ende. Tausende von Ein Brief des Dorotheos an Joannes Stephan, den Vojvoden der Moldau (Glasnik VII. -177) und eine gleichzeitige slawische Notiz bei Grigorovic 0 CepSiit, Beilagen S. 4.1 Anm. Das Datura des Briefes ed. cit, (1456) ist irrig.

Georg Kastriota (Skanderberg).

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ihnen und von Serben wanderten nach Italien, wo man ihre Nachkomnien noch heute Das bezwungene Constantinopel liessen die Eroberer nicht in Ruinen zerfallen, wie einst die Romer Karthago. Die Sultane stejlten ihren Thron am Bosporus auf und Stambul wurde der Mittelpunkt ihres Weltreiches. Von der Stunde an begann der Byzantinismus bei den Siegern sich einzuschleichen. Neben griechischem Einfluss bemerken wir aber auch den slawischen, was nicht Wunder nehmen darf, wenn man bedenkt, dass seit Murad’s Feldziigen bulgarisclie und serbische Fiirstinen den Harem der Sultane zierten: bei Mu­ rad I. Thamar, die Schwester Sisraan’s, bei Bajezid I. die ser­ bische Olivera, bei Murad II. Mara aus dem Geschlechte der Brankovici. Aus der Kanzlei der Grossherren besitzen wir noch zahlreiche slawische (serbische) Urkunden. Die tiirkischen Privilegien der Ragusaner aus dom XV. und XVI. Jahrhundort und die Correspondenzen der Beg’s und Pascha’s init der ragusanischen Republik sind samintlich in dieser Sprache verfasst. Man darf auch nicht yergessen, dass Kaiser Sigmund in den walachischen Landern slawische Urkunden ausstellte, dass Ma­ thias Corvinus sich dieser Sprache bediente, und dass Joannes Zapolya mit dein Tiirken Mechmed Beg serbisch correspondirte.®*) Uber die damaligon Zustiinde in Bulgarien, wo unter Mohammed II. eine friiher ungewbhnliche Ruhe herrschte, finUm die Geschichte Skandorbergs hat sich durch kritische Untersuchungen und archivalische Studicii der russische Professor V. Makusev sehr verdient geroacht. Siehe seine Slawen in Albanien (russ. Warschau 1871) Kap. IV. Cf. auch HopPs oft erwahnte Gesch. Griechenlands im Wittelalter (Ersch. Gruber Bd. 86) S. 123 sq. — Im J. 1422 schenkte Joannes Kastriota mit seinen Sohnen Stanisa, Repos, Konstantin und Georg dem Kloster Chilandar (Athos) die Dorfer Radostusi und Trcbiste. Kach Hahn’s Karte liegen beide Dorfer unter dem Korab an dor Radika (Grigorovic, Reise 6 4 ; Safafik’s, Verzeichniss der siidslaw- Uokunden MS.)

2R) Die ragusanisclien Privilegien von Murad I. (14.30), Moham­ med II. (14801, Bajezfld II. (1481), Selim 1. (1517) bei Miklosich, Mon. Serb. 362, 523, 520, 500; sid enthalten auch Bulgarismen: potna carina (n*T t), bode IfiStHa). Sigmund’s slaw. Urkunden bei Voiielin, Vlachobolg. gram oty 36, 49. Des Mathias und Zapolya Urkunden Mon. serb. 404, 553 sq. J i r o r o k , OrBrh. ilpr Btilgarpn.

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Kapitel XXIV.

den wir einigen Aufschluss in einer Schrift von Vladislav dem Gramraatiker, in welcher er die tJbertragung der Reliquien des hi. Joannes Rylskij aus Trnovo nach dem Rylkloster im J. 1469 beschreibt. Durch stylistisclie Foi’in und reichen Gelialt iibcrtrifift diese einfache Schrift weit die rhetorischen Excurse der vorangegangenen Zeit.**) Yon den Turken bei der Eroberung des Landes bis auf die Kirche und Chrelja’s Thurm (S. 301) zerstort, stand das altehrwiirdige Rylkloster durch viele Jahre verlassen da, bis drei Briider aus einer Boljarenfamilie, Namens Joasaph, David und Theophanes, Sohne des Bischofs Jakob von Krupnik (zwischen Melnik und Dzuma), das Dorf bei Velbuzd, wo sie als G^istliche wohnten, verliessen und in die Einode des Ryl sich zuriickzogen. Das verfallene Kloster wurde von ihnen mit Beisteuer anderer frommen Manner wieder in Stand gesetzt. Als sie noch bauten, iiberraschte sie ein Protopope aus Philippopolis mit der Nachricht, er babe, als er mit seinem Metropoliten auf Reisen war, in der Archiepiskopalkirche von Trnovo die Reliquien des Joannes Rylskij mit eigenen Augen geschaut; seit den furchtbaren Eroberungskriegen waren sie vollkommen verschollen. Ein nach Trnovo eigens ausgesandter Klosterhruder bestiitigte seine Erztihlung. Unverzviglich schickten die Briider zur Carica Maria, Tochter des Georg Brankovic und Witwe Murad’s II. Mit ihrer Schwester Kantakuzina im Dorfe Jezevo, einige Stadien siidlich von Seres, wohnend und von Sultan Mohammed II. gleich der eigenen Mutter verehrt, war sie durch ihren Einfluss den Christen zur miichtigsten Beschiitzerin geworden.*’) Sie erwirkte einen Befehl des Sultan an den Kadi von Trnovo, welcher den Mbnchen die Ubertragung des Heiligen in’s Rylkloster gewiihrte. Als eine Deputation der Rylmonche in Trnovo eintraf, lieferte ihnen der Kadi den Sarg sogleich aus, aber drei Tage lang wollten die Burger den Heiligen nicht aus der Stadt lassen, bis der Kadi einschritt. Noch am selben Tage zogen die Mdnche durch den angeschwollcnen Fluss Rosita. Vor Herausg. von Novakovic im Glannik XXII. 387—302. Serb. Annalen, Safafik Pam. 63. Sie starb 1488 uach dem Gabrover Annalencodex (Grigorovic 0 CepOiu, Beiiagon). Hire Urkundsn in Miklositb, Mon. serb, 5)4 sq.

Bulgarien

im

J.

14G9.

371

Nikopolis begriisste sie ein vornebmer Mann mit alien dortigen Boljaren, fiihrte sie in seine Palaste (polaty) und stellte den Sarg in seiner Kapelle auf.. Nach einer Liturgie versammelte sich bei ibm fast die ganze Stadt mit Frauen und Kindern zu einem grossen Gastmahle; man unterbielt sich und sang fromme Lieder. Der erwilhnte Vornehme sorgte mit seinen Dienern entblossten Hauptes um seine Giiste und wurde erst in der vierten Nachtstunde bewogen, sich unter ihnen niedorzusetzen. Am niichsten Morgen beschenkte er die Monche und geleitete sie sammt den Boljaren bis an die Osma In wenigen Tagen karaen sie nach Sophia, und stellten den Sarg in der dortigen St. Georgskirche auf, wohin in den Turkenkriegen auch Konig Milutin aus seinem Kloster auf dem Amselfelde (Banjski monastir) iibertragen worden war. Sechs Tage lang genossen sie die Gastfreundschaft der Reichen und Boljaren. Am siebenten Tage kam die ganze Stadtbevolkerung *in der Kirche zusammen und berieth sich, wie man den Hoiligen weiter geleiton sollte. Obgleich einige einen plotzlichen Uberfall der ubermuthigen Tiirken besorgten, zogen die Burger zu Pferde und zu Fuss sammt Frauen und Kindern vier Stadion weit. Die Boljaren, Popen und Monche gingen noch weiter mit bis Lesnica. Am Flusse Gjerman (jetzt Dzermen) barrte schon der Igumen David mit seinen Monchen und einer Menge Volkes aus den Bergen der Ankunft des Nationalpatrons. Man begab sich weiter bis unter einen bohen Berg, wo das Volk, auf den griinen Matten gelagert, sich mit Speise und Trank erquickte; an dieser Stelle pflegt sich auch gegenwartig das wallfahrende Volk zu versammeln. Am nachsten Tage (es war das Fest St. Peter und Paul) gelangte der feierliche Zug in das Rylkloster.

24*

Kapitel XXV.

Altbiilgarisches Staats- und Ciiltiirleben im XIL—XV. Jahrliimdert. UrsacMn des Falles von Bulgmien. Name, Grenzen und Eintheilung des Beiclies. Staats- und Volkerrecht. Hofleben. Boljaren. Hof- und Beiclisdmter. Staatskirche. Stddte. Leiheigenschaft. Rechte, Gesetze, Reichstage, Landesverivaltung und Finanzen. Ackerbau und Handel. Kriegswesen. Volkscharakter. Unsere Erziililimg von den Scliicksalen des inittelalterlichcn bulgariscben Carenreiches ist zu Ende. Blicken wir zuriick und durcheilen wir im Geiste nochinals die lange Reibe der wechselvollen Ereigtiisse, welclie das bulgarisclie Volk acht Jahrhunderte hindurch bewegten, so erbalten wir ein Gesammtbild von sebr diisterer Farbung. Durcb so viele Jabrbundorte hielten die Bulgaren die ganze Halbinsel in Athem, theilten ibre Literatur und Cultur der iibrigen ortbodoxen Slawenwelt nut Und erschiitterten durcb die Lebre einer einbeimischen Glaubensgenossenscbaft ganz Siideuropa, und was war derendlicbe Erfolg aller dieser Miihen und Kiiinpfel Leiblicb fiel die einst so angesebene und gefiirchtete Nation unter das Jocb der Tiii'ken, geistig unter das Jocb der Griecben, und blieb in dieser Botmiissigkeit, bis es in unsereu Tageu neuerdings bewies, dass seine gescbicbtlicbe Aufgabe nocb bei Wei tern uicbt abgescblossen ist. Die Dynastien der Aseniden, Terteridcn und Sisnianiden weisen nicbt wenige Manner auf, welcbe politische Klugbeit mit bedeutender Kriegserfabrung vereiuigten. Pie Aseniden or-

Ursaclien ) Cf. Jagic, Starine VI. (1874) 62 sq. R. Hube, O znaczeniu prawa rzymskiego i rzymsko-byzantinskiego u narodow sJowiafiskich. Warszawa 1868, 11. Vgl. Friihauf, Byz. Steuerwesen, Pamktky V. (1863) 155—162. ®^) Xoi^oStKaria und 66oie fi(Xtoaovo(iiov, Acta graeca IV. 362.

Koch jetzt in der Turkei.

Finanzeu, Miinzwesen.

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tlioren. Die Venetianer zahlten nach dem Vertrage von 1352 de covierchio und in den Hafen von jedem grossen Fahrzeug zwei Perperen, von jedera kleinen eine Perpera alborazio (arboragium), die Genuesen nach dem Vertrage mit Ivanko 1387 l®/„ bei der Einfuhr, l ”/o bei der Ausfubr, 2®/u beim Transit. Das Virpiner Chrysobull erwiihnt die Zolle mostnina (Briickenzoll) und brodnina (an Furtben), welcher letztere 1378 schon griechisch diavato (Siafiavixov) heisst. Auch auf den Markten (na forosech) wurden Abgaben eingefordert. Auch die Strafgelder waren eine nicbt unbedeutende Einkommensquelle. Die Verletzung des Besitzstandes einea Klosters wurde unter Konstantin mit einer Strafe von seeks Perperen belegt; der Beamte, welcher den Klosterprivilegien zuwider gerichtliche Akte vornahm, zahlte einige Zlatica (Goldmunzen) als Strafe in die Dimosija (drjfioaiov fiscus). 19. Miinzwesen. Den ausfiihrlichstea Bericht uber altbul' garische Miinzen findet man in dem Handelsvertrag der Venetiauer mit dem Caren Alexander 1352 *’). Die perpera (vat'gxvQOv) war eine Goldmiinze von 16®/3 Karat Gewicht®®); die zlatica der Virpiner Urkuude ist mit ihr wohl identisch. Die gewohnliche Silbermunze hiess groS und zerfiel in sechs asper. Auf eine Perpera kamen 6 Grosi und 5 Asper. Man fand auch Kupfermiinzen, mitunter concav. Aus der Zeit vor 1018 ist noch kein Munzstiick bekannt. Die Miinzen der Caren von Trnovo sind nach byzantinischen Mustern gepragt, ausser denen Michael Asen’s, welche den venetianischen nachgebildet sind Und eine lateiuiache Inschrift tragen (Michael Asenus imperato r); auch Sracimir hielt sich an venetianische Muster. Die Inschriften enthalten meist Monogramme, die schwer zu entriithseln sind. Prof. Ljubid in Agram hat in seiner siidslawi86) Ljubic Mon. III. 247. 86) Mijatovic suebte 1869 in seiner Abhandlnng fiber die altserbb seben Finanzen (Olasnik 25, 198—207) uacbzuweisen, dass die serbische Ferpera nur eine Kochenmunze war; man kannte damals nooh koine Berbiseben (loldmunzen. Die ersten altserbischen Goldstficke. vom Caren l>ukau, vier an der Zabl, warden im September 1874 vou Prizren nacb Belgrad gebraebt, wo ich sie bei dem Metropoliteu und bei Dr. Janko Safarik selbst sab. Neue vier Goldstfioke (von Milutiu, Dusau, VIkasin Und Lazar) besebrieb heuer Stojan Novakovic in der Belgrader nOfadibina" 1875.

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Kapitel XXV.

schen Numismatik 224 Stiick beschrieben, die bis auf 12 Kupfermiiazeu alle von Silber gepragt sind nnd nur von 8 Careu herrubren; von 12 Herrschern, von denen-einige wie Kalojan, Konstantin und Alexander lange Jahre regierten, sind bis jetzt Miinzen nicht aufgetaucht. Allerdings hat in Bulgarian selbst noch Niemand slawische Miinzen gesammelt; auch die occidentaliscben Sammlungen mogen noch manche bulgariscbe Stiicke enthalten, die bisher nicht bestimmt worden sind.®’) 20. Landescultur. Nachrichten dariiber trifft man in den Urkunden, wo die „stasi (oraoiy Besrtz) i prilezania" der Kloster aufgezalilt und ihre mezda (Feldmarke) oder sinor ( gvvoqov, nblg.* sanir) beschrieben wird. Das Dorf heisst (wie in Serbien) selo oder seliSte, die zerstreuten Hofe zaselky. An den Fliissen und Bacben standen mliny, vodenice (von Wasserkraft getriebene Miihlen), SniiTcy Hi mesta zri,n6ana iyvKmv pistrinum). Das aus.serbischen Denkmalern wohlbekannte W ort Icatun, welches eine Sennhutte bedeutet, trifift man in der Virpiner Urkunde an; noch jetzt ist im Balkan bei Kotel ein Dorf Katunista.*®) Der Acker heisst niva oder nivie. ®®) Die Garten werden in den Denkmalern theils slawisch gradina (wie noch jetzt), v n t und vrhtograd, theils (wie in Serbien) griecbisch perivol (t« nagi^okia) und Mpurije (xyitovQiov) geriannt. Von Obstbaumen werden Kirschenpflanzungen (cresoveny Virp.) und Nusshaine (oresie 1347) erwahnt. Die Weinberge (vinograd, lozie) der Serben Und Bulgaren ruhren von den romiscben RebenSime Ljubic, Opis jugoslavenskih novaca. Zagreb 1875. Aut Taf. I.—m . 60 bulgariscbe Miinzen von Asen I., Peter, Asen II., Mi­ chael Asfin, Svqtslav, Michael dem Sismaniden, Sracimir und Sitoan. Cf. auch l)r. J. Safafik, Serb. Numismatik, Glasnik III. Taf. 8. 88) Mittelgriechisch Kazovva supellex, impedimenta, sarcinae militares, tentoria, castra, interdum domus. Kazovvozoniov locus castrorum, castra, domicilium, locus, in quo quis habitat. Katovvefia domiciliuin. Du Cange, Gloss, mediae graeo. Albanesisch katunt Stadt, Dorf. 89) Car Svqtslav rettete eiust Constantinopel durch massonhafle Getreidezufuhr vor einer Hungernoth. Oft wurde das Getreide in Gruben aufbewahrt. Im J. 1189 fanden die Kreuzfahrer vergrabenes Getreide bei Philippopolis; ahnliche VorrSthe von Hirso in colosealen Tdpfen wurden jungst noch in Ruinen mittelalterlicher Burgen entdeckt (Zachariev 63).

Landescultur. Handel.

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culturen her. Die Wiese nannte man bei alien siidlichen Slawenstammen damals wie jetzt livada (Xi^ddiOv), Oder sendkos (Heuplatz). Die Weiden (paSiStn) zerfielen in letovista und zimovista, Sommer- und Winterweiden. Grosse Heerden von Rindern, Schafen, Ziegen und Schweinen bildeten einen nicht geringen Theil des Nationalreichtbums; daneben bliihte im Mittelalter die Pferdezucht, hauptsachlich zu Kriegszwecken; im Dienste der serbischen Kldster z. B. weideten wlachische Hirten Hunderte von Stuten. Ein umfriedeter Wald hiess bei den alten Halbinsel-Slawen zabel\ braniita 1347 bedeutete bulgarisch wie jetzt einen Wald, wo Holz gefallt und Kohlen gebrannt werden. 21. Handel. Die fremden Kaufleute hiessen in BulgaHe'n, ebenso wie bei alien Slawenvolkern, goste (Gaste). *®) Am eifrigsten besucbten das Bulgarenland die Ragusaner (Dubrovcane), welche in dem benachbarten Serbian und Bosnien einen, bedeutenden Einfluss und Besitz sich verschafft b atten; grosse Privilegien erbielten sie von Asen II. und seinem Sohne Michael Asen. Die Venetianer unterbielten zwar freundliche Beziebungen z. B. mit den Caren Svqtslav und .\lexander, verkebrten aber mit Bulgarien weniger als mit Serbien und Byzanz. In den Pontusstiidten und an den Donaumiindungen war der Handel grosstentbeils in der Hand der Genuesen, der Herren der Krym Und des Schwarzen Meeres. Die Eaudeute dieser drei Nationen, Sammtlicb Katboliken, batten in alien grosseren Stadten ihre Logien und Kircben, und wohnten dort mit ihren Frauen und Concubinen, Kindern und Sklaven. ®') Ibre Vertreter gegenbber den Behorden, zugleicb ibre Richter, hiessen schon damals Consulen; der venetianische Consul wobnte in Varna, die gebuesischen in den Hafenstadten. Was die Recbtsverhaltnisse dieser Kaufleute betrifft, so War in den Vertragen mit den Venetianern und Genuesen fest90) L.iubovnym vsevernym gostem oarstva mi. Asen II. 91) Cum uxbribus et concubinis et liberis ipsorum etiam naturalibus. Vertrag der Genuesen mit Ivanko 1387. tjber die Concubinen lateinischer und deutscher Kaufleute klagte man in Bosnien 1373 (Rad VIII. 134). *9) tiber den mittelalt. Binnenverkehr auf der Halbinsel siehe die vorziiglichen Studien fiber die Gescbichte des serb. Handels von Mijatovic, Glasnik Bd. 23, 27, 28.

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Kapitel XXV.

gesetzt, dass weder der Sohn fur den schuldigen Vater noch der Vater fiir den schuldigen Sohn Suhne leisten solle. Weun ein Bagusaner auch ohne Begleitung starb, mochte er eiu Testament gemacht haben oder nicht, so wurde seine Habe von den Behorden geschiitzt und dem Boten des Fiirsten von Eagusa ausgeliefert. In gleicher Weise \vurde der Nachlass eines Venetianers behandelt. Die Genuesen waren nach dem Vertrage ndt Ivanko (ausser Victualien zur Zeit einer Hungersnoth) berechtigt, Waaren aller Art auszufiihren; Gold, Silber, echte Perlen und Schmucksachen (perlae veraces et jocalia) waren zollfrei; im Falle einer Kriegserklarung durften sie ihrc Waaren binnen einem Monat, Salz und Schiffe binnen secbs Monaten aus dem Lande ungehindert binausschaffen. tJber einbeimische Kaufleute sind zwei Nachrichten erhalten. In dem Vertrage Michael Asen’s mit den Ragusanem (1253) wurde bestimrat, dass die bulgarischen Kaufleute, ohno am Tbore, an der Briicke oder an der Furth einen Zoll zu entricbten, in die Stadt Ragusa (slaw. Dubrovnik) komraen und dort Alles kaufen oder verkaufen durfen, und dass sie von dort Gold, Silber, Gewander, goldgewirkte Stoffe (zlatne postave) und Alles andere ausfuhren durfen; nur fur die Ausfuhr des Getreides war die Bewilligung des Fiirsten erforderbch. Das Ryler Chrysobull (1378) verleiht den Unterthanen des Klosters das Eecht, im, ganzen Reiche frei und ungehin­ dert Handel treiben zu durfen. Als Langenmasse werden (in der Legende vom hi. Mi­ chael von Potuka) der alien Slaw on bekannten lalcht (File) und sazhn (Klafter) erwahnt. Das griechische azdSiov hiess bulgarisch p%priUe. 22. Strassen oder drom = dgopog). Die Hauptrichtungen der Wege haben sich seit der Romerzeit bis auf den heutigen Tag wenig geandert. Fine uralte Verkehrsader ist die Strasse von Constantinopel iiber Adrianopel, Philippopel, Sophia und Ni§ nach Belgrad. Der wichtigste Balkanpass scheint im Mittelalter das Eiserne Thor {Tlvkat, 2Jid)]Qat, Demirkapu, S. 10) hei Sliven gewesen zu sein. Was Marschgeschwin digkeit betrifft, so gelangte Alexander 1333 mit seinem - Heere in fiinf Tagen von Trnovo nach Rosokastron, Von Con­ stantinopel nach Philippopolis hrauchte man sowohl im XIII.

Handel, Stiassen, Schifllfahrt.

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als auch im XVII. Jahrhundert 9 Tage.®*) Der Waarentransport wurde durch Saumthiere vermittelt; das Wort Icarvan (Karavane) liest man in ragusanischen Urkunden schon 1398. 23. Schifffahri. Uber den Verkehr auf der unteren Donau in dieser Zeit ist fast nichts bekannt. Nach russischen Annalen pliinderte der Abentenrer Ivan Berladnik mit den Petschenegen 1159 zwei Kubaren (kubara xovfifidQiov langes Schiff) auf der Donau und fugte dem Fischfang von GaliC (jetzt Galac) grossen Schaden zu. Kantakuzenos drohte 1341 dem Caren Alexander, er werde den vertriebenen Sisman II. mit Trieren auf der Donau nach Bdyn senden.®'*) 24. Kriegswesen. Das bulgariscbe Heer bestand theils aus den Contingenten der Boljaren, theils aus den Soldnertruppen des Caren. Car Peter hot 1189 Kaiser Friedrich I. gegen die Byzantiner ein Hulfsheer von 40.000 Bulgaren und Kumanen an, welches durch den Anschluss der Serben auf 60.000 angewachsen ware.®’) Als die Lateiner Constantinopel belagerten, wollte Kalojan mit 100.000 ihnen zu Hiilfe kommen. Bei Philippopolis 1208 fochten 33.000 Mann in 36 Corps, bei Velbuzd 1330 (nach Nikephoros) 12.000 Bulgaren und 3000 tatarische Soldner, bei Aitos 1333 8000 Bulgaren und 2000 Tataren. Die damaligen Heere waren iiberhaupt nicht zahlreich; erst die Tiirken begannen grosse Massen in’s Feld zu stellen. Die fremden Soldner waren theils barbarische Nomaden, theils Franken; die ersteren schatzte man wegen ihres wilden Ungestiims und der Geschicklichkeit ihrer Bogenschiitzen, die letzteren wegen ihrer ausgezeichneten Kriegsiibung. Kumanen gab es in den Heeren aller Aseniden. Tatarische Bogenschiitzen batten in ihren Diensten Fiirst Sisman von Bdyn **) und die Caren Michael und Alexandfir. Franken treffen wir unter Asen 11.®^) Martin, Commandant von 300 gepanzerten Reitern im Dienste des Caren SvQtslav, war schon dem Nanien nach ein Lateiner.®*) Italienische und deutsche Condottieri 83) Villehardouin ed. Wailly p. 205 und Hodzi Chnira. ®*) Ipatijevskij letopis. S. Petersburg 1843, 83. Stritter II. 856, ®’) Ansbert 44, 53. ®*) Daniel 117. »’) Hopf (85) 253. ®*) Kantakuzenos bei Stritter 813,

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Kapitel XXV.

werden wahrend des XIV. Jahrhunderts haufig in serbischen und byzantinischen Diensten erwahnt. Interessaiite Aufschliisse iiber die Bewaffuung des Heeres geben die Bilder des Vatikanischen Codex der altbulgarischen Ubersetzung von Manasses’ Chronik; derselbe stammt aus der zweiten Halfte des XIV. Jahrhunderts.*®) Die Helme sind entweder halbkugelformig und am Scheitel mit Federn geschmiickt, oder sie decken den Kopf vom Scheitel bis auf die Schultern herab, nur das Gesicht ofifen lassend, oder es sind ledeme runde Helmkappen oder spitzige Miitzen. Seltener kommen auf den Bildern Panzer vor. Die Fiisse stecken in hohen Reiterstiefeln, da man meist beritten in’s Feld zog. Die Pferde sind mit Ziigel, Sattel und Steigbiigel versehen. Die Schilde (stit) sind theils rund, theils langlich und nach oben und unten zugespitzt. Die Fiirsten und Boljaren haben lange pelzverhramte Rocke und eine mit Hermelin gezierte Miitze an. Als Angriffswaffen dienten Lanzen (kopije), Schwester (mtc), und Pfeile fstrela), welche .der Reiter in einem langlichen Kocber (tul) an der Seite trug. Der frankische Chronist Henri de Valenciennes meldet, dass die Bulgaren in der Schlacht bei Philippopolis 1208 griine Lanzen mit langen bohmischen Eisenspitzen fuhrten.’*®) Die Signale gab man mit langen, geraden Trompet6n (traba). * Dass man in dem Todeskampfe der Bulgaren mit den Tiirken scbon Feuerwaffen gebraucht hatte, ist sehr zweifelhaft. Die erste Kanone auf der Halbinsel wird, so viel uns bekannt ist, 1383 erwahnt. Damals* verkauften die Venetianer dera Konig Tvrdko von Bosnien eine Galeere und dabei als eine grosse Seltenheit auch einen falconus.''^') S9) Einige Bilder bei Certkov OnHcanie boS h u BeJHKaro k m 3h Cb«Tocaasa HropeBHva npoiHB'B Eoarap'S h FpeKOBi (Beschreibung des Krieges des Grossfui'sten Svjatoslav Igorevio gegen die Bulgaren und Griechen) Moskau 1843. Ein Exemplar mit colorirten Bildern konnte ich leider nicht zu sehen bekommen. 100) Villehardouin ed. Wailly (Paris 1872) 323: „uns glaives k uns Ions fiers de Bohaigne", Wailly iibersetzt „des lances vertes avec de longs fers de Boheme." lot) Acta archivi Veneti ed. Dr. J. §afafik I. 211. Ljubic, Monuinenta IV. 195.

Kriegswesen. Belagerungsmaschinen.

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Kriegsmaschinen bauen lernten die Bulgaren von deu Byzantinern, welche diesen Zweig der altromischen Kriegskunst sorgsam pflegten und ausbildeten. Als die Byzantiner den Strez in Prosck belagerten, warden sie mit Steinen und Wurfgeschossen uberscbiittet; die Maschinen der Bulgaren leitote bier ein Baumeister, der aus byzantinischen Diensten zu den Aufstiindischen entkommen war, weil man ihm seit langer Zeit seinen Gehalt vorenthalten hatte. Grosse Geschicklichkeit ira Ban von Wurfmascbinen und Sturmbocken besass Car Kalojan.'®*) Durch eine Mascbine eigenthumlicher Construction n a W er Varna. Bei der Besturmung von Didy* motichon leitete er sogar den Fluss von den Mauern a b ; aber obgleich die Thurme durch seine Steinblocke stark erschiittert waren, wurden die Bulgaren, als sie auf Leitern die Mauern ersturmen wollten, zuriickgeschlagen. Adrianopels Mauern, Thurme und Hiiuser bombardirte Kalojan 1206 Tag und Nacht mit Steinen aus .30 Katapulten. Nach seinem Tode scheint diese Kunst in Vergessenheit gerathen zu sein ; schon Akropolita wirft den Bulgaren Mangel an Geschicklichkeit in der Belagerungskunst vor. Die Hauptstiirke der Bulgaren lag im Gebirgskriege und iiberhaupt in der Guerilla. Die Engpiisse der Rhodope, der Srediia Gora und des Balkan verschlangen Tausende Byzan­ tiner, die hier unter dem Hagel der Pfeile und Felsblocke ihren Tod fauden. Aber auch im oflFenen Felde wusste der Bulgare gut zu karapfen.’*®) Car Michael (1323—1330^) hielt gute Renner im Lager, um seine Befehle so schnell als moglich weithin verkiinden zu kdnnen, Sollte ein Befehlsbaber rasch umkebren, so sandte man ihm als Zeichen eine angebrannte Feder.'“■*) In Bezug auf das Kriegsrecht gait bei Byzantinern, Serben und Bulgaren das Gesetz, dass, wenn sie un tereinander Krieg fiihren, ob des gemeinschaftlichen Glaubens Niemand in Sklaverei geschJeppt oder ausser der Schlacht getodtet werden 10*) Kiketas bei Stritter II. 704, 711. i03j Die bekannte Beschreibung der Kampfweiso der Bulgaren und Kumaneu bei Niketas, bei welcher die verstelUa Fluoht die Hauptrolle Bpielt, ist woLl cber auf die Kumanen xu beziehen. io«) TIvtQov nvQi nt(jini(pXtynivov. Stritter II. 832. J i r 0 £ e k, Go«ch. dar Bulgaren.

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Kapitel XXV.

diirfe; nur das Pliindern feincllichen Gutes war gestattet. Asen II. entliess nach der Schlacht bei Klokotnica (1230) alle gemeinen Kriegsgefangenen. Nach einem Gefechte am Skafidaflusse (1306), wo des Sinilec Bruder Vojslav den Caren Sv^tslav schlug, wurden alle Gefangenen ausser den Boljaren sogleich freigelassen. Nach der Schlacht bei Velbuzd (1330) entliessen die Serben alle gefangenen Bulgaren (ausser den Vornelimen) als Glaubensgenossen and Staminvcrwandte nach Hause.'***) Anders verfuhr man allerdings mit den heidnischen Kumanen, Tataren u. s. w. Die PliinderuBgen in den hulgarisch-griechischen ICriegen waretnit zahlreichen Fuos. (nur 100 Exx.) Cf. A. Kotljarevski uber die Fortsobritte der Slawistik in Russland, im Clasopis oes. musoa 1874, 26. ®) Safsfik, Ui-sprung des Glag. 12, 20. '“) Napisanie o pravej ver6 ed. Srezndvski O fcA 'tn'« M 38.«tTKH 0 .M a J io iiS B io T U U x i ii a i i a T i i n K a x i (Nacbricbten von wenig bekannten DeiikttiiUeru) St. Pbg. 1867; Slovo ed. A. Popov, Reschr. dor (Jodd. der Gbludovscbeii Itibl. Moskau 1872 uud Sreznevski, Izvdstija akad. VII. 2, 145,

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Kapitel XXTI.

vereinzelt, • bis 1499 der Erzbischof Gennadij von Novgorod den ersten Bibelcodex zusammenstellen liess.'') Methodios ubersetzte ausserdem einen Nomohanon (S. 409) und einen Palcrih (kurze Heiligenleben), dann acht Reden seines Bruders, mit welchen dieser im Chazarenlande das Cbristenthum gegen judische und mohammedanische Lehrer vertheidigte. '*) 5. Die siebenzahligen Heiligen. Nach dem Ableben Method’s (885). fliichteten sich seine Schuler, meist geborene Pannonier, aus Gross-Miihren nach Bulgarien, fanden dortbei Boris freundliche Aufnahme und setzten ihre apostolische Wirksamkeit in Makedonien fort. Die bulgarische Kuxbe bezeichnet sie,»m it Inbegriff der Thessalonicber Slawenlehrer, mit dem Namen der sieheneahligen Heiligen (sv^tii Sedmopo5etui, Sodmocislennici, ol ayioi intd^id-goi). Es waren dies ausser Kon­ stantin und Method: Klemens (slaw. Kliment), Gorazd, Naum, Angelar und Sava. Um die Seen von Ochrida und Prespa herum trifft man nocb uberall Erinnerungen an sie, Bilder, Statuen und K irchen; aber auch anderswo, z. B. in der Rho­ dope, war ihre Verehrung verbreitet.'^) 11) Buslajev, Kirchenslaw. und altruss. Chrestomathie, Moskau 1801, 174. 12) Die altesten datirten aUslov. Codices sind aus dem XI. J. Die alteste datirte Evaiigeliumhandscbrift ist der kyrillische, 1056 vom Diakon Grigori) fiir Joseph Ostromir, den Posadnik von Novgorod, geschriebene Codex. Alter ist die undatirte „Savina kniga“ (entdeckt von Sreznevski; siehe seine JipeBiiie CJiaBancTci^' naMflTmiKH loconaro nHCBiia. St. Ptbg. 1868 wo 33 der altesten kyrillischen Codices bulg. Classe mitgetbeilt sind). Auch der von Racki (Agram 1865) herausgegebene glagolitiscbe Codex Assemani’s ist nicbt y.iel jiinger. Diese drei Handschriften entbalten nach Perikopen eingetheilte Evangelien. Von den Tetroevangelien haben wir uralte glagolitiscbe Handschriften (z. B. die von ZograTu, jetzt in Russland). Auch die bei den Evangelien der bosnischen Bogomilen (um 1404) sind aus sehr alien Texten copirt (Danicic, Starine III.). Die altesten Aposteloodices (XII. J.) fand man in Makedonien, die altesten Psalter (XI. J.) in Busslaud. In Bologna wird oin kyrilli sober Psaltercodex mit vielen glag. Stellen aufbewabrt, welcher in Ravna bei Ochrida 1230—1241 unter Aseu II., dem Eroberor Makedoniens, and keineswegs untor Asen 1., wie man gewohnlich annimmt, geschrieben wurde (S. 251). 13) Siehe Safafik, Die Blillhezeit der slaw. Lit. in Bulgarien. Sebr. spisy III. 182 (deutsch in Jordan’s Slaw. Jahrbiicbern 1848). 11) Bei DebrStica unweit von Pestera sind Ruiuen einer Kircbe des Sv. Sedmopocetni. Zachariev 60.

Klemens und die b1. Sieben.

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Klemens mirde von Boris nach West-Makedonien (Kutmicivica) gesandt, um von Oclirida, Devol und Glavinica (S. 202) aus das Cbristenthum in diesen halb heidniscben Landern zu verbreiten. Car Symeon ernannte ihn zum Biscbof von Velica. Klemens stai’b am 27. Juli 916; sein Grab ist in Ocbrida noch zu seben. E r verfasste Reden fiir die Festtage des ganzen Jahres imd Lobreden zu Ebren einiger Heiligen, darunter auch seines Meisters Konstantin; eine Sammelausgabe dieser durch Sprache Und Styl ausgezeicbneten Werke feblt nocb. Sein Leben schildern zwei alte griecbische Legenden. Ein ebenso dankbares Andenken erwarben sich Naum, welch er auf dem Ofer des Sees von Ocbrida in einem sein en Nam en fiibrenden Kloster rubt (S.'49) Und Goragd, der hervorragendste Schuler Method’s, ein ausgezcichneter, in der sloveniscben, griechischen und lateinischen Sprache gewandter Mann. Diese Manner waren nicht nur die Arbeitsgenossen der Slawenapostel bei der Verbreitung des christlichen Glaubens, sondern auch bei der Ubersetzung der hi. Biicber. Ihnen ist manche alte Ubersetzung griecbischer Kirchenscbriften zuzuschreiben, deren Urheber jetzt vergessen i s t ; von ihnen ruhren ohne Zweifel die Akoluthien und besonders die Lebensheschreihungen dcs Konstantin und Methodios her, denen anspruch> lose Einfachheit des Styles und kernige Originalitat der Sprache einen eigenen Reiz verleiht, •') Zu den iiltesten altsloveniscben tibersetzungen gehoren die Hoinilien des Joannes Ohrysostomos. Ein uraltes Fragment (vielleicbt aus dem X. Jahrhundert) befindet sich in einem 809 gescbriebenen lateinischen Mai’tyrologium im Kloster Raigern (Miibren '*). Einige Homilien enthiilt der Glagolita Clozianus, 20 der kyrillische Codex von Suprasl fX.—XL J.), 6. Oas Zeitalter des Caren Symeon (893— 927). Ein machtiger Forderer der altsloveniscben Literatur war der grosse Car Symeon (S. 164), welchcr selbst eine Sammlung von Herausg. von Safarik, Pam&lky dfevniho pi'semiiiotvi Jihoslovaniiv (Praha 1851, 1873), von Miklosicb und Uuinmler init lat. Uber* setzung (Denkschr. W. Ak. XIX. und Vita S. Methodii. Vind. 1871), von Perwolf in Pontes rer. boh. I. >*) Beschrieben von Bodjanski KypHaat m hh . upocB. XXIII. 1838 und Sreznevski ib. XXXI. 1841.

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K apitel XXVI.

135 Reden des Joannes ChrysoStomos unter dem Titel Zlatostruja' (G-oldfluss) veranstaltete; ob die Ubersetzungen von ihm selbst herriihren, ist zweifelhaft. Vielleicht der iUteste unter den Schriftstellern des- Ki’eises Symeon’s war Konstantin, -ein Schuler Method’s, ebenfalls ein pannonischer Fliichtling. Als Presbyter iib'ersetzte er 894 auf Bitten des Naum eine Sammhmg von Eeden fi'ir allc Sonntage. Ein Gebet in Versen, welches als Vorrede dient und die Christianisirung der Slovenen feiert, ist das alteste Deukmal slawischer Kunstpoesie. Die Reden sind (bis auf eine Originalrede) sehr frei aus dem Griechischen in klarer und schoner Sprache libertragen. Den Abschluss bildet eine byzantinische Weltchronik. Im J. 906 iibersetzte Konstantin, damals schon Bischof (man weiss nicht, in welchor Stadt), auf Befehl.des Symeon selbst vier Reden des hi. Athanasios von Alexandria.”^) Joannes der Exarch, Symeon’s personlicher Freund, iibersetzte auf Wunsch des Mbnehes Theodor Doxov oder Dux, welcher in Syraeon’s Kloster an der Miindung der Tica sich mit dem Abschreiben von Handschriften befasste, des Joannes Damaskin Dogmatik. Sein beriihmtestes Werk ist aber der dem Symeon selbst gewidmete Sestodnev, wo er nach dem Hexameron des hi. Basilios und nach den Werken des Aristoteles, des Joannes Chrysostomos u. a. die Schdpfung der Welt darstellt. Schonheit und Reichthum der Sprache sind die Zierde dieses Werkes, dessen Vei;fasser das Griechische und Slawische meisterhaft inne h a tte .'*) Ausserdem kennt man vier Feiertagsreden dieses Mannes. Von den ubrigen Schriftstellern ist der Monch Grigorij zu erAvalinen, welcher auf Symeon’s Befehl die Chronik des syrischen Rhetors Joannes von Antiochia, genannt Malalas Bisher sind nur Fragmente davon verofl'entlicht. Of. Safah'k III. 179, Nevostrujev, Beschr. der Codd. der Moskauer Synodalbibl. II. 2, 32 und 409, Jagic in Starino V. 28. Dio Verse in Srezndvski’s Glag. Denkraiilern 23. >8) Joannes der Exarch wurde von Kalajdovic neu endeckt (Joan. Exarch. Moskau 1824 fol.). Of. Nevostrujev, Safafik, Jagic (Ilistorija knji2evnosti naroda hrvatskoga ili srbskoga I. 68). Den An.stodnev Hess ProfBodjanski in Moskan ganz abdrucken, jedoch ist aus Ursachen, die uns volliitandig dunkol sind, kein einziges Exemplar davon ausgegeben worden.

Das Zeitalter Syimsou'a.

4:^3

(malcl syr. Ehetor; lebto 474—527) iibersetzte imd diesem Wfii'ke die alttestanieutarische Gdscliiclite uud cine Eiziihlung von Alexander doin Grossen beifiigte. Die Chronik des Malalas ist in dieser altsloveuiscbou 0bj2rsetzuug' voUstiindig Torbanden, wiihrend daS griechisebo Original -in einor sobr corrupten Ge­ stalt sich erbalten hat. In diese Zeit gebiirt aneb die UberSetzuug der -Weltcbronik des Monebs Georgioa Ilamcotohs, seiche im Orient Avilbrend des Mitlelaltcrs die Hau2>tquelle historiseber Kenntnisae Avar. Symeon’s Zeitgonoss(?* war aucb dor Moneb Ohmhr, der Verfasser einer zwar kurzen, aber wiebtigen Abbandlung uber die Erfiudung der slovouischeu Buebstaben. Das umfaugreicbste Work dieser Periode ist Symeon's Sbornik, eine Encyklopildie der damaligeu byzantinisch-cbristlicbeii Gelelirsamkoit, welcbo tbeologiscbe, pbilosopbisebe, rbetorisebe und bistorisebo (Nike^Aboros’ Cbronik bis 920) Abbaudlungon aus 20 grieebiseben Schril’tstellern Umfasst. Die Namen der Mitarbciter, sowie die Anzabl derselben, sind unbekaunt. Zu den iiltesten bulgariscben Denkinillern gebort aucb dor Truktat „das Wunder vom Kreuz und vom Bulgaren", dessen ungenanntcr Verfasser selbst dem neugetauften Bulgarenvolke aiigcborte.’”) Ausserdem stamraen aus dieser Periode Ubersetzuugen der Werke KyrilPs von Jerusalem, Gregor’s von Nazianz, Epbraem des Syrers, des Joannes Klimakos u. a., die in alten glagoUtiseben und kyrilliscben Fragmenten und Ilandsobriften er­ balten sind; die Namen der i'bersotzer sind unbekannt. 7. Verbreitung des Altslovenischen. Im IX. Jabrbundert verbreitete sicb die Ubersetzung der Kirchenbiicber iiber Pannonien, Miihreu, Bobmen, Kroatien und Bulgarien. Nachdem jedoch die Slawenreiehe von Milbren und Paunonien bald von den IMagyaren zerstort wurden uud aucb in Bobmen nacb liingerem Kampfo der lateiniscbe Bitus obsiegte, fliiebtete sich die slawisebe Liturgio nacb Siidon zu den Bulgaren uud wurde 1“) Dio altslov. tU)or(.otzungcn des Mulnlas und llaiunriol sind noch nichl herausgegeben. Zwei Jtiludo oiuer ki-itiHchou Ausgnbo vou Symeon’s Sboniik von Dodjanski, die F ruclit einer 26jiiUriRen -Vi'beit, werdeu demniieliat erscLoinen. Ohrabr’s Abhandluujf jiublicirte Salhfik (I’am.). Das „\Vunder vom Kreuz etc.“ SrezuCvski, Altrussisohe Denkmiilor St. Petersburg 18C3. ’ J i r o i p J t , ()vnrh. dex iiulgureu.

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Kapilel XXVI.

erst von hier aus nach Sei-bien und Russland verpflanzt. Bei den Kroaten erhielt sie sich, obgleich isolirt, alien Verfolgungcn zum Trotz in den Kiistengebieten bis auf den heutigen Tag. Die' altrussische Literatur nabvn ihre ersten Elemente aus Bulgarien, eutwickelte sich aber auf dieser Gruncllage viol selbststiindiger, als das bulgarische Schriftthum selbst. Nach der Taufe des Fiirsten Vladimir (988) wurde die slawische Liturgie in Russland eingefuhrt. Auch die Serben, deren Literatur erst seit dera Auftreten des Grosszupan’s Nemanja und seines Sobnes, des bl. Sava, beginnt, scbbpften Vieles aus bulgariscben Biicbern. Der Mittelpunkt des literariscben Verkehres zwischen den orthodoxen Slawen Avurden die Atboskl6st6r. Der „slovenskyj j(;zykT>“ hatte bis in das vorige Jahrhundert bei Serben, Russen und Bulgaren, ja selbst bei den nichtslawischen Rumunen die unbestrittene Herrschaft im Staate und in der Kircbe. Altsloveniscb wurde nicbt nur die Liturgie gelesen und geistliche Biicber gcscbrieben, sondern aucb Urkunden, Gesetze und Annalen abgefasst. Die Volksspracbe gewann erst nacb langen Kiimpfen (z. B. in Serbien) die Oberhand. Es ist natiirlich, dass sich die Spraobe dem Einflusse der einhoimischen Dialokte uicht cutziehen konnte. So entstanden ueue Abarten des Altslovcnischen,. die bulgarische, russiscbe und die serbische, mit welcher die glagolitisch-kroatische nahe verwandt ist. Hire Uiiterscbiede betreffen moist die Lautlehre und das Lexikon;"*’) 8. Rectitglaubige Literatur 927— 1186. Nach Syraeon’s Ableben gerieth die Literatur wabrencl dcr einheimischen Wirreii in Verfall. Unter Car Peter suchten raube Ereraiten ihren Ruhm nicht in der Abfassung niitzlicher Werke, sondern in Fasten, Geboton und in der Absperrung von aller Welt. Der letzte Vertreter des cifrigen mid lebendigen Goistes der alfce“ Schule ist Prenlytcr Kosmas, dor zur Zeit Samuel’s gelebt 20) Die UnterschioUe bind leiclit wahrzuiiehmeii. Die Bulgaren verwechselten sehr oft die Nnsalzeicheii (Jfi, A), da sie diesciben zum Theil als 1. auspracheu. Die Russen um ohrieben X (%) als u, und gobraucUtou A (S) als j a . Die Serben ersetzen X, a , m, t. durcb die Zeicben oy, e, «, TiDer Duchfitnbe X, genauut (7as, ist das uutvuglicbo Zeiclieu deo bulgariHclien Ursiirungs ciucs Codex.

Verbreitung des Altslov^nischen.

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haben mag. E r scbrieb einige feurige Reden, darunter eine lange Zeit hindurch beliebte gegen die Bogomilen.®') A.uf das Beispiel Joannes des Exarcben und anderer Meister, die noch Vielen im Gediiclitnisse waren, hinweisend, eifert Kosmas gegen die Unthiitigkeit seiner Zeitgenossen, welche die Bucher der Faulniss und Wurmern uberlassen, wahrend das Volk inzwischen lieber Spiele als Kirchen besuche, unter dem Klange der „Gusle“ und unter „teuflischen Liedern“ Wein trinke und albernen Traumereien und Fabeln zuhorche. Nicht viel jiinger als Kosmas ist der Monch Athanas von Jerusalem^ welch er in der „Rede iiber den Baum der Erkenntniss des Guten und des B6sen“ seinem Ereunde Panko alleilei bogomilische Irrthumer von der Ehe, von Christ! Kreuz, von Christus dem Ackermann u. s. w. widerlegt.®*) Nach der Ubertragung der Pa triarch enresidenz nach Prespa und Ochrida (um 971) scheint die altslovenische Literatur in Makedonien, wo ehedem Klemens gowirkt hatte, emsig gepflegt Worden zu sein. Die Anzabl der im XI.—XIII. Jahrhundert in Makedonien geschriebenen glagolitischen und kyrillischen Handschriften ist sehr gross. Die alterthiimliche Glagolica wurde bier erst im Xlll. Jahrhundert durch die Kyi'illica vollkommen verdrangt. Von den damals in dieser Gegend veranstalteten Ubersetzuugen ist bisher eine einzige bekannt. Freshyter Joannes iibersetzte im Auftrage des Erzbischofs Joannes von Ochrida (1019 sq., S. 201) das Leben Antonios des Grossen von Athanasios und das- Leben des hi. Pankratios.*’) ^ 9. Literatur der Bogomilen, Apokryphen. Bald nach der Christianisirung wurde zu den Slawen eine ganze Literatur phantastischer Apokryphen, eine Fluth von Pseudoevangelien, Apokalypsen, Testaraenten und Sagen aus dem Byzantinerreich importirt. Dass die Bogomilen die eifrigsteu Loser und Verbreitor dieser Schriften waren, ist ausser alien Zweifel 2') Die beste Auegiibe in der Kazaner Zeitscbrift npaBocJiiiBimS CeetceAHiiKB 1864 April—August. Herausg. vom A rchim andriten Leonid M ock, enaps- Bt^iosrocTH, Moskau 1871. Cf. Golubinski 709. A thanas scbrieb aucU u bcr den „DlitEe8pfeil.“ 23) Popov OnHCauie pKH. XayjoBa 393. Safafik III. 183 erkliirte dioBcn E rzbisohof Joannes irrthiim lich fiir Joannes den E x arch eu .

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Kapitel XXVI.

gestellt; aber die Mehrzahl dieser Biicher ist weit alter als der bulgariscbe Bogomilismus -oder cler annenische Paulikianismus, ja gar manche Avaren bcreits iu den ersten Jahrliundorten unserer Zeitrechnung boi jiidischen und cbristlichen Sekten im Oriente entstanden. In gricchischen, slawiscben und lateiniscben Texten iiberschwemmte diese merkwiirdige Literatu r ganz Europa, die ganze Christomvell und wurdc in alle Sprachen iibersetzt. Fiir die siidlichen und westlichen Slavenvolker war Bulgarien die Werkstiittc, wo die griechischen Originale dieser hiiretischen Bucher iibersetzt oder umgearbeitet wurden; von dort kamen sio zu den Riisson, Serben und iiber Bosnien zu den Kroaten. Den Avcstlichen Slawen, den Bbhmen und Polen, wurden sie aus lateiniscben Texten bekannt. Ein mittelalterlicber Prediger (S. 105) schreibt: ^In vielen Liindern bin ich herumgezogen, aber nirgends babe icb mebr Brodnica’s (Zauberinen), Samovilen und Magesnica’s (Magierinen) gesehen, als in Bulgarien." Lange Zeit waren nur die unter dom Namen der „bulgarischen Fabeln" verbreiteten russiscben Texte bekannt, denn in Eussland unterbielt sicb das niedore Volk bis in’s vorige Jabrbundert mit der Loctiire dieser „liigenbaften und verAvorfenen Biicher." Dio bulgavischen Originaltexte sind erst in deu lotzten Jahren zura Voi'scbein gekoinmen *■*). Die wissenscbaftlicbc Erforschung dieser interessanten Scliriften hat erst uuUlngst begonnon.®*) Der Inbalt der Apokrypben ist meist auf der Bibel, versetzt mit orientaliscben Phantasicgobilden, basirt. Das Volk p ie Sboi'nik’s von lici’lin (XIII. J.) und Petoraburg (XVII. J.), beichrieben von .Jngio, Starine V.; der’Belkovcoer Codex (XVII. J.), gefunden bei Trnoyo, bescbriebcn von Slavejkov, Bxlg. kaizici 1859; der Belgrader Sbornik (XVIII. J.), beschricben von Novakovic, Starino VI. Einige Godicea aus dem XVI. und sp. Jahrbundorten bei Grigorovic uud Drinov. S’"’) N . S . T i c h o u r a v o v lla M iiT iiiiK n O T p e u ciin o it .lU T e p a T y p u , iM o s k a u 1863 (2 lid o T e x ie ) . A . N . l y p i u pyccKH XT., S t. P b g -

OnoptCJ. .'lu ie p .

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crap .

u o iiIiC T fii

1 8 6 7 ( V e r s u c h e iu e r l a t g r s c b . a l t e r r u s s . S a g e u ), d a n n

z n b ir e i o b e P u b l i c a t i o n o i i i n U a i i i r r m i c u c ra p . pyc. .iirt. S t . P b g .

1863

III.,

in

R i i s s k o j e S l o v o 1 8 0 2 , i n d o n L o t o p i s i d e r a r e b a o o g r a p h . C o r a m ia s io n 1 8 0 1 . I „ . A rc h a e o l. V C s t iiik

I.

u s w . S e b r v ie l o T e x t e p u b l i c i r t e S r o z n u v s k i ; b e i d e n

S iid a lu w e n is t d o r e r a t c K e n n e r .Tagic.

Apolciyiihon, Hopomilisehp Biichcr

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fund an diesen in einfachem Styl verfassten Biicblein grossen Gefallen, da sic ihra niit merkwiirdigen Einzolheiten und mit poetiscliem Scliwung ubei- die Golieimnisse des Hiramels und der Holle, ubor die Scbopfung der Welt, iibor die Scbreckeu des jiingsten Tagcs, iiber das Loben des Erlosers und der Gottes-Mutter cinen weit ausfiihrlicbereu Aufscbluss ertheilten, als die echten Biicber der hi. Scbrift. W ie' sebr musste das Gcraiitb eincs einfachen Ackersmannes oder eines kriegslustigen Boljaren die Schildcrung dor letzten Tage der Welt in den „Fragen des bl. Joannes Bogoslov" ergreifcn! Da las er, es werde der Anticbrist kommen, dessen Ilaare spitz sind wie Pfeile, dessen Auge gliinzt wie der IMorgenstern und dessen Finger wie Sicbel scharf sind. Nacb der Vernicbtung des Antichrist werde die grossartige Aufcrstoliung der Todten cr^ folgen. Dann werde der ganze Erdonrund vcrbrennen, Berge, Wiilder und Thierc; Winde werden weben aus alien vier Weltgegenden und alien Staub wogfegon; die Erde werde weiss und fleckenloa sein glcich eincm Pergaracntblatt, oline Berg und Thai, wie ein woisser Tisch. Darauf werde der Sohn Gottes crschcinen und das furcbtbare Gericbt erbffnen. Ein zweites Beispiol. Dor „Dialog der drci Heiligen" erzablt, Gott babe die Sonne aus seiner Thriine, Himmel und Erde aus dem Schaume der Gewiissor erschaffen; die Erde scbwimme auf einer unermesslicben Wasserflacbe; diese Wasser ruben auf einem flachen Folsen, der Felsen auf vier goldenen Wallfischen, die Wallfiscbe auf einem feurigen Strome und dieses Feuer auf einer eisernen Eiclie, deren Wurzeln in Gottes Macbt ankcrn. Die Volkspbantasie bemiicbtigte sicb dieser iippigen Stoffe und verarbeitete sio in Sagen und Liedern, die man noch heute horen kann. Die Kircbe verfolgte nur die ausgesprochen bogomiliscben und hilretisclien Schriften; Bucher, wo der Inbalt der bl Scbrift nur ausgeschmiickt war, Hess man in Rube. Dor Pope Jcrcmias oder Tiogomil^ ein Zeitgenosse des Caren Peter (927—968), der Bogrunder des Bogomilismus, hat auch in der Literaturgescbicbtc soinon Platz. In altcn Noinokanonen best man von ibm, er sei „v navech na Verziulovo kole d. h, (nacb Pypin’s Deutung) in der Holle auf Beelzel)ub’s PfabI- gosteckt; die Orthodoxen betracbteten ibn also

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Kflpitol XXVI.

als einen Zauberer, einen Vlkodlak (S. 105). Er, compilirto eine Sammlung von Apokryphen in sechs Biichem, sammtlich Ubersetzungen aus dera Griecbischen. Die „Rede vom Holze ■des Kreuzes“ (aucb altital.) enthalt die Gescbichte dreier Btlume von Moses bis auf Cbristum. Die weiteren Traktate erzablen von den tr^slcavici, den 12 Tocbtern des Herodes (nebst Fliicben gegen die bosen Geister dann wie Chfistus Pope wurde, wie Cbristus pfliigte, wie Kaiser Probus Cbristum seinen Freund nannte (Anspiegelungen auf die Heiligkeit des sudslawiscben Pobratimstvo) und aus wie vielen Bestandtheilen Adam erschaffen wurde.'®) ^Ein Hauptbuch der Bogoinilon waren 'die Fragen des hi. Joannes Bogoslov, die er auf dem Berge Tabor an den Herrn gestellt baben soli; es enthalt eine ganze Kosmogonie nebst einer Schilderung des Weltunterganges. Von den Griecben nach Bulgarien gebracht, gelangte es von dort zu den Russen und Serben, und in lateiniscber Ubersetzung zu den Italienern und Franzosen. Aus Bulgarien. bracbtc es uur 1170 nach dem Occidente Nazarius, Bischof der oberitalischen Patarener; er ist es vielleicht selbst, der das Buck in’s Lateiniscbe libersetzte.®’) Andere dera hi. Joannes zugeschriebene Apokryphe sind die Fragen uher Adam und Abraham auf dem Olberg und eine Rede uher den Tod der Mutter Gottes. In grossem Ansehen stand bei den Bogomilen ausserdem die uralte, schon den Gnostikem und Manichtiern wohlbekannte Vision des Isaias, die zum Theil von einem Juden zur Zeit Nero’s verfasst sein soli. Ein bis auf die neuesten Zeiten sebr beliebter Apokryph war der Rundgang der Gotlesmutter in der Ilolle (chozdenie Bogorodice po mukara, rcjtoxdXvtlus rijS vnegaytov Gsordxov negl Vollstandig in den bulg. Sbornik’s’ von Berlin und Petersburg, und in einem kroatischen vom .1. 1468. In Russland nur unvollstandig. Herausg. von Pypin, Tichonravov, Kostomarov, Jagic (Arkiv IX. Starine V. 79; cf. Hist, knjiz. 82). Of. Pypin’s Slaw. I.itgesch. (russ.) 72, llacki in Rad VII. und (Jolubinski 165. Dio lat. Ilandschrift wurde in Concorrezo bei Monza aufbewahrt, wo sich ein pataronisebes Bisthum befand; jotzt ist sie im ohemaligon Inqnisitionsarchiv zu Carcasoniio. Lat. herauagegeben von Benoist, Hist, des Albigeois I. 283, Thilo, Ood. apocr. N. T. 884, altsl. von Jagic (Starine V.), SreznSvski HaM. MC. nHC. dOel, A. Popov, Chludov’s Oodd. 339,

TUBS, von Tichonravov.

Rogoniilisnhe |{ucbor. Apokryi'hon.

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Tciv KOkdGsav), wi'e Sicb denn das gottesfiirclitige Mittelalter ail Wanderungen diii'ch die Holle und au Bescbieibmigeii der Hollenqual ungemein ergdtzte. Wichtig siiid dio Interpolationen z. B. ftber dio beidiiischen Slawen (S. 74, 102j. Der Stoff vieler sudslawisciien Volkslieder ist dioser Legonde entnommen. Kleipere Apokryplieu sind die Fragcn und Aniworten dreier Ueiligen, des Joannes Cbrysostomos, Grigorij Bq^oslov und Basilios von Caesarea, die Besehreihung dcr Gestalt Ghristi und der Gottesmutter, die Gesebiebte der Ohristin, welche iliren beidnischon Maun bekebrte, das Bucb des Methodios von Patara uber Adam, die Erziiblung von den 12 Freitagen (aucb in serbiseben Volksmiibrcbcn), die Gesebiebten von Daniel, Samson, von Ghristi Kinderjahren, der sebr verbreitete T raktat von den bosen Weibern, der schon im Symeon’s Sbornik vorkommt u. s. w. Die moisten waron alien Slid- und Ostslawen von Istrien bis Thessalonicb und Novgorod woblbckannt. Aus Bulgarien stammen wohl auch die russiseben Erziiblungen 0 Solomonc und 0 Solomone i Kitom-ase (xevravQOg). Ob die Zauherbucher (Gromovnik, Trepetnik, Koljadnik u. s. w.) bogomiliseben Ursprunges sind, ist niebt aufgebellt; aucb sie wurden auf dcr Balkan-Halbinsel aus dem Griecbischen iibersetzt und nacb Russland gebraebt.*”) 10. Griechisch-orientalische Erzahlungen. Eine abulicbe Verbreitung, wio die religibsen Apokryphe, erlangten aucb zablreicbe Romano und Miihrchen griecbischen, arabiseben und indiseben Urspi’ungs, welche den Slawen durch bulgarische 0bersetzungen bekannt wurden. Einer der beliebtesten mittelalterlicben Romane war das Lehen Alexander des Grossen (Alexandra makedonskago zitie i povest). Alle romaniseben, germaniseben und slawiscben Alexandreiden stammen aus einer Quelle, aus dem Buebe des Pseudo-Kallistbenes. Die lateinische Ubersetzung des Leo von Constantinopel (X. J.) diente den franzbsiseben, deutseben, lateiniscben, spanischen, bohmiseben und polniscben Aloxandergesebiebten in Versen und in Prosa zum Vorbild. Dio altslovenisebe L'bersetzung ist schr alt. Dio in M a l a la s Cbronik lOinige bulg. im Hboruik von Ilclkoveo. in dor Bibliolliok des Klosters Von Kodosto wird 1077 ein £ n 0fi‘>fifo^’^o^6yiov (Gromovnik?) genanut, Satbas, Bibl. graeca I. 60.

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K apitel XXVI.

(S. 432) ■interpolirte Alexandersage ist noch u uedirt; wir kennen nur eine 1562 in der Moldau geschriebene bulgarische Alexandergeschicbte. Aus Bulgarien kam die Alexandersage nacb Serbian und von dort ungefiihr im XV. Jahrhundert einerseits nacb Russland, andererseits in das adriatische Kiistenland, wo sie im dortigen Dialokte umgearbeitet wurde,- Dem Einflusse der Literatur ist es zu verdanken, dass der Name Ale­ xander’s des Grossen dem bulgarischen Volke jetzt so gut bekannt ist, wie der Konig Marko’s.*’) Nicbt minder bekannt war die Trojanische Sage (o kralecb prica, Sage von den Konigen). Die Ubersetzung des Malalas entbiilt einen aus dem Pseudo-Diktys geschopften Text. Eine andore aus zwei Griinden sehr interessante Erzablung befindet sich in Ubersetzung von Manasses’ Cbronik. Sie ist fast das einzige Denkmal der gewfibnlichen bulgarischen Volksspracbe des XIV. Jabrhunderts (die Cbronik selbst ist altslovcniscb); ausserdem weisen die Formen Prejamus (Priamus), Ipiter (Jupiter), Diskordia (discordia), so wie das magyarische aucb in Kroation und Bosnien iiblicbe riisag (orszag Reicb) auf ein lateiniscbes, vom Westen gebrachtes Original, ein ,Fall, der in der bulgarischen Literaturgeschichte vollkommen vereinzelt dastcht. Man fand auch einen kroatischen, im XIV. oder XV. Jahrhundert mit glagolitischen Zeichen geschriebenen Text. Die russische Trojanersage ist aus Bulgarien entlehnt.®*') Aus griecbischen Bearboitungen ubersetzten die Bulgaren zwei iiber die mittelalterliche Literatur alter Vblker verbreitete urspriinglicb indiscbe Biicber, namlich die Miibrchen der Fancatantra unter dem Namen „Stefanit und Icbnilat“ aus der von dem Juden Synieon Setb um 1080 verfassteri griecbischen Ubersetzung (Z’rtgoaWrjjj wcl ’Ixvrjldr^jg), und den byzantinischen geistlicben Roman Barlaam und Josaphat, welcher der Biograpliie des Buddha in der Lalita Vistara 30^ Der serl). Text hcrau'jg. von Jagic, Starino III, mit literarhist. Kinleitung; deu bulg. (/odex besebrieb cr ebendasclbst V. Eine vom Lebrer Cb. P. Vasiliev 1844 inKarlovo am Balkan aus dom Grioebiseben iiborsetzte „Alexandria“ ist in Bulgarien noben audern Alexandergeaebiebten noch jotzl ein sohr boliebte.s llnterbaltungsbuch. Bnlg. herausg. von Miklosich, Starine III., kroatisch von Jagic, Arkiv LX., russihcb von Pypin OvepKT. JIIIT. HCTOpiU HOBtCTejli pyCC. S5, 306.

Mittclalterliclie Romane.

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entstammt. Die Serben mid Russen lernteu beides friibzeitig aus bulgarischen Texten kennen. Aucb die in Russland sehr beliebte Erziiblung vom Caren Sinagrip oder von dessen Minister Ahh\ die aus der 1001 Nacht berriihrt, ist durch bulgarische tibersetzer den Slawen bekannt geworden.*') Diesu geistlichen und weltUchen Romane bildeteu die geistige Nahrung der ortbodoxen Slawen im Mittelalter, nicht nur der vornehmen Classen, sondern vor Allein des niederen Volkes. In Bulgarien und Russland schwindet der Einfluss der Apokrypben erst in unserem Jabrhundort. Ihr Inhalt berubrte das Gerniith des Volkes derartig, dass viele derselben, nach dem Nationalgescbmack umgebildet, rait den einheimischen Gesiingen und Mahrchen verschmolzen sind. Hier gibt es noch genug Stoff zu wissenschaftlichen Untersuchungen, sowohl in alten Handschriften als in noch lebenden Sagen Und Liedern. 11. Die Literatur des Reiches von Trnovo (1186—1398) Die Wiederherstellung des bulgarischen Reiches mag auch auf die Literatur eiuigen Einfluss gehabt haben. Die Sprache erlitt in dieser Periode grosse Veranderungen. tlberall driingen sich in die „slovenische“ Schriftspracbe Eigenthumlicbkeiten der Volksmundart ein. Im XIV. Jabrhundert taucht auch der Artikel (S. 114)-sporadisch auf. Durch fehlerhafte Anwendung der Nasalzeichen, die meist schon als i ausgosprochen wurden, entstehen unausprechliche Combinationen. Daran schliessen sich grelle Graecismen. Ein genaues Bild davon, worin die Lecture der gebildeten Bulgaren bestand, geben die sogenannten Shornih's (Sammelcodices), welche, ueben Bruchstiicken aus der theologischen Literatur dor Byzantiner, auch zahlreiche Apokryphe, Mahr­ chen, Mirakel, Legenden und wcltliche Aufsiitze enthalteii. Das tibersetzen aus dem Griechischen horte nicht auf. Im J. 1211 ordnete Car Boril die (Jbei’setzung eines Gesetshuclies wider 31) Den Berb. Stefanit mit bulg. Varianten pnblioirte bunioid, Stariue II. Itulg. Codices dos Uarlaam {noch unedirt) im Rylklostor und im Kloster Kickaui atn untoren Dujostr. Pypin’s Vermuthuug von dem bulg. Ursprung des rnssischen Sinagrip bestiitigt der Codex von Belkovoc. — Der bdhmische Bnrlaam (XIV. J.) und „Kalila va Dimna“ (=: StefanitPrag 1528) Bind au» dem Lateinischen ubersetzt.

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Kapitol XXVI.

die Bogomihn an.**) Die neuplatonische Philosophie fand durcb eine 1371 vom M5nch Isaia (S. 330) veranstaltete Ubertragung des Dionysios Areopagita Eingang. . Originalarbeiten sind die Akoluthien und Legenden von Nationalheiligen, Joannes Rylskij, Car Peter u. s. w. Friihzeitig begann der Austausch von Le­ genden mit den Russen und Serben; ein bulgariscber Synaxar von 1330 enthiilt scbon die Lebensgeschichten von Boris und Gleb, der Fiirstin Olga u. s. w. Unsere Aufinerksarakeit fesselt vor Allem die geschicMliclie Literatur. Bulgarische Chroniken kennt man noch keine; dass es aber solche gab, dariiber sind klare Zeugnisse vorbanden, und wir hoffen, dass docb irgend eine Handscbrift davon dem Vandaiismus der Tiirken und Fanarioten entronnen ist. Car Kalojan tbeilte dem Papste mit, er babe die alten einheimischen Bucher, so wie die Gesetze seiner Vorganger unterRucbt und dort gefunden, dass Symeon, Peter und Samuel die Krone aus Rom erbieltcn.**) In einem bulgarischen Nomokanon der Metropolitanbibliothek von Bukarest las Gi-igovic einen Artikel iiber Irrlebrer und darin die W orte: wie es der Car Joan A sm sagte^ wie dies im Letopisec (Annalen) gesehrie^ ben steht." **) Der Chronist Paysij (1762) beruft sich auf einen Trnovslcyj letopis. In der Bibliotliek des engliscben Reisenden Robert Curzon befinden sich zwei bulgarische Handscbriften mit Bildnissen der Aseniden, die noch kein Slawist gesehen h a t; es sind dies Chroniken oder Biographien, deren Veroffentlichung fiir die Slawische Gescbichtschreibung ein Ereigniss sein wird. Indessen besitzen wir docb einige Aufsiitze und Fragmente historischeu Inhalts, niimlich: eine Nachricht von der Grundung des bulgarischen Patriarchats 1235 , einen Ponienik 82) a. Palauzov CiiiiojiHK'B gaps Bopuca. BpeMenmcii Him. oCigecTBa HCTopiU H ApeBUocTClt pocc. XXI, Moskau 1855. Eine vollstandige Edition feLlt noch. Einen uoucn Codex fand houer M. Drinov. 33) Kalojan sohrieb 1202 detn Papste, Peter und Samuel liiittou die Krone aus Eom erhalten, „3icut in lihris nontris invenimus esse sorirtum", worauf dor Papst seinem Boten auftrug, er mdge „tam per libros veteres, quam alia documenta inquirerc diligeutius veritatem." Kalojan schrieb' ).204 wieder „inquisivi antiquorum nostrorum aeripturas et lihros, ot boatae memoriae imperatorum nostrorum pracdecessorum leges",

8‘)

G rigorovic 0 rep(*ili> Jleilagen S. 2.

AUbulgarische Annalen.

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der verstorbenen Caren, Carmen, Patriarchen, Bischofe und Boljaren, einen UbcrUiclc der Volher und Si)rdchcn, worin die Volker mit Thieren verglichen werden (ungefahr aus dera Anfang des XIII. Jahrhunderts), ein sich daran -scbliessendes Vereeichniss der Sprachen und Scliriften, und eiu von Zachariev entdecktes Pergamentblatt aus einer Chronik, wo von dem Kloster Livka in der Rhodope die Rede Daneben entstanden in Bulgarien zwei grosse Compilationen von Weltchroniken, welche auch in Russland und Serbien Eingang fanden. Die erste Recension des Letopisec ellinshjj i ritnshjj (bis 963) ist aus den tlbersetzungen des Malalas, Hamartolos, aus der Alexandersage, der Bibel imd einigen Apokryphen zusammengestellt; hier erhielt sich auch der oft erwahnte altbulgarische Fiirstenkatalog (S. 127). Die zweite Recension, zu deren Bearbeitung man ausser den Byzantinern auch den russischen Nestor beniitzte, reicht bis 1204. Der Ohronograf, jeSe jest letopisec., welcher mit dem Fall von Constantinopel 1453 abschliesst, erfreute sich in Russland solch’ einer Beliebtheit, dass er dort noch drei neue Redactionen (zuerst 1512) erlebte. Seine Verfasser kannten den Nestor, Domentian, Camblak, Konstantin von Kostenec und andere slawische Schriftsteller. Uber bulgarische GCschicJite, iiber Boris,-.Symeon, Samuel, die Bogomilen, Kalojan, Asen II. u. s.w. bietet dor Chronograph nichts Neues.®®) ss) Dio Nachricht vom Patriarcliato bei Palauzov 1. c. und darnach bei Rakovski, Asen 60; sie befindet sich in Boril’s Synodik und einem makedonischen Sbornik in der Bibliothek des greisen Hadzi-Jordan Kon­ stantinov, welche cine Menge unerforschter, meist bogomilischer Handschriften enthUlt; ich hoffe, dass diese Schatze bald an einem sicheren Orte geborgen sein werden. Der Pomenik bei dem Synodik ist von Kon­ stantin bis Alexander liickenhaft; einen zweiten noch unedirten gPomenik mit Namen bulgarischer Caren, Carinen und Patriarohen“ fand Grigorovic in Bojana, Reise 189; einen dritten, leider gleichfalls unvollBtiindigen, entdeckte houer Drinov. Der Vblkerkatalog ist herausgegebon von Safafik II. 732 (Ildschrr. in Karlovoi, bei Grigorovic, Drinov j anch in Bolkovecer Sbornik). Popov, ^Ofisopi xpoiiorpa^oB'B pycc. pe^nKnin. Moskau 186G—69. 2 Bde. Desselben llsOopniriCB cjiaB. h pycc. covniieuilS h ciaT cfi Bncceimuxi. Bt xpoHorpaii>H pycc. pegaKUia. Mo.skau 1869. tf. Raeki’s Recension im Rad XIU.

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Kapitol XXVI.

Eine'-neue literarische Peiiode begann mit doin Regierungsantritt des Caren Joannes Alexander (1331—1365), eincs eifrigen Biicberfreundes. Auf seinen Befehl wurde die Chronik des Konstantin Manasses (bis 1078) in’s Altslovenische iiber' setzt. Das Original ist in Versen, die selir gewandte tJbersetzung in Prosa. Diese Arbeit ist in zwei Handsebriften erhalten, woven die oine (in Moskau) 1345 fur Alexander sclbst geschrieben ist, die andere (im Vatikan) in dor zweiten Hiilfte des XIV. Jahrbunderts copirt und mit 70 gemalten Bildern, welcbe unter Anderem die Kriego des Krum, Symeon, Samuel und die Familic Alexander’s darstellen, geziort ist.- Dio zablreichen Interpolationen des Ubersetzers scheinen eher griechiseben Werkeii, als cinheimischen Chronikon cntlebnt zu sein. Diese altslovenische Ubersetziing wurde 1620 von dein Monch Michael Moxa fiir den Bisebof Tbeophil von Rymnik rumunisch bearbeitet und mit Zusiitzen aus bulgarischon, serbiseben und rumuiiischen Annalen vermehrt.'’') 12. Euthymij und seine Schule. Unter Alexander wirkte dcr oben besprochene Tlteodosij von Trnovo (S, 312), oin Reformator der Kirchenzucht, dessen Thiltigkeit aucb auf literarisebem Gebiote dauernde Spuren binterliess. Von seinen Scbiilern, die er in der Einsiedeloi von Kilifarevo um sicb versaminelte, evlangten Dionysij und Euthymij eine besoridere Bedeutung, Der Hieronionach Dionysij kannte die hi. Schrift griechisch und slawisch fast auj^wendig. Von seinen Arbeiteu kennen wir nur eine fliessende und gclungene Ubersetzung des Margarit von Joannes Chrysostomos.®'*)’ Ein ausgezeichneter Mann war Euthymij^ dessen Gestalt erst unliingst aus dem Dunkel der altbulgarischon Geschichte klar hervorgetroten ist. Auch er war ein Schuler des Gregorios Sinaita. Spiiter schloss er sich Theodosij an, und begleitete 37) Certkov, liber die Chronik des Manassos (russ.). Moskau 1842. Itacki, Oejena izvora za brvaiskii i srbsku povjost (Wiirdigung der ki-oatischen und serbiseben GeschiebtsqueUen). Agram 1804, 15G. Orinov Period. Spis. II. Biljarski 0 cpcxulKiojirapCKO M T. BOTcajHSJit (tiber den niiltelbulg. Vokalismus). Petersburg 1858. Von den Miniaturen dos Vatikaniseben Codex sind nur elwa fiinf publicirt. liber die rum. Chronik Moxa’s sicbe Grigorovic, 0 CepOiu, wo die Zusiitzo abgedruckt sind. ^) MS, 14G0 in Agram, Slarino I. 52.

Eutby)iiij uud seine Schule.

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ihn auf alien Keisen. Nach dem Tode seines Meisters begab er sich auf den Athos, avo Kaiser Joannes, als er 137o mittellos aus Italicn heimkehrte (S. 329), von ibm als eineiu reichoren KlostcrLruder Geld zu erpressen versucbte. Eutbymij hielt sich dann noch einige Zeit auf dor Insel Lemnos auf, kehrte in die Heimath zuriick^und beschaftigte sich in „Pera“ bei Trnovo Bait der Revision dos altslovenischon Textes der hi. Schrift und der liturgischen Biicher®'’). Als er um 1375 zum Patriarchen erwiihlt wurdo, sammelte sich um ihn eine neuo literarische Schule, Bulgareu, Serben und Russen. In seinen Bestrebungen untcrstiitzte ihn auch Car Sismau, dor gleich seinem Vater ein Biicherliobhabor war. Die Werke des Eutbymij, 18 an der Zahl, meist Biographien von Nationalhciligen und Seudschreiben an damalige Kirchenfiirsten, verdienen wegen des in ihncn enthaltenon historischen l\Iateriala einc kritische Gesammtausgabe. Aber bald erlosch dieses none litorarische Leben auf immcr unter dom Scbutt zcrstorter Stiidte uud Kloster. Euthymij’s Lebensondo ist von uns bcreits geschildert Worden (S. 347). Den Euthymij vorherrlichte die Kirche in ihi'en Legenden, don Caren Sisnian das Volk in seinen Liedern.'*®) Aus Euthymij’s Schiilerkreis war wahrscheiulich Joasaph, Metropolit von Bdyn, welcher (nach 1393) eine Lebensgeschichte der hi. Philothea von Trnovo verfasste. Ein Freund Euthymij’s war dor golehrto und fromme ‘Kyiirian (f 1406), 3^) Dio erste Spur der Revision erscheint 1374, wo ein sorb. Triod Bammt Typikon und Oktoicb aus „izvod novogn bugarskoga jezika** kopirt wurdo (Jagic Hist, knjiz. 101). Ein redigirtos Evangelium wurde 1383 copirt (iSafarik, Urspr. des Glag. 21). Auch dor Apostol uud Psalter stimmen soit der Zoit mit dem Original ubereiu. **>) Leben des hi. Joannes Rylskij (gedr. in Kyjev 1071, in Belgrad 1830, 1870, kritisehc Ausgabo von Novakovic iin Glasnik 22), der hi. Pelka (in eiuem Molitvenik 1547, Glasnik VIII.), dor hi. Philothoa Von Trnovo, des lUschoi's llariou von Moglena (ed. Dauicic, Starino I.), Und dos Theodo.sij von Trnovo. Unedirt sind auch dio Sendschreibon au dou Munch Kypriau am Athos, au don rumunischeii Monoh Aikodim uud un den Metropoliton Anthim von Severiu. Eiiio auf Wiuiscli des Oureu HiBinnii verfasste Lobrede auf IConslautin und Ileloua in dcii IVudy der Akndoniio von Kyjev, Okt. 1870. Ausserdom sind von Euthymij das Pro-skomidion vou Zografu (od. iiu Glasnik 25), oino Lobrode auf don 111. Michael von Potuka usw.

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Kapitol XXVI.

der Wi^dorhersteller der Wissenschaften in Russland, soit 1379 Metropolit von Kyjev (S. 31&). , Den Grsten Platz'untey den Schulern Euthymij’s nimmt Grigori] Oatnhlah^ e\n geborener' Trnover, ein.*^} Er lobte am Athos, wurde dann- Iguuien im eerbiscben Kloster Decani, fepater im Kloster des hi. Pandokratof (Njamc) in der Moldau, von wo er auf Kyprian’s Einladung nach Rusaland kam. Der lithauisclie Grossfiirst Witold zerriss das kirchliche Band zwischen Moskaii und Kyjev und liess 1415 den Camblak eigenniachtig von russiachen Bischofon zum Metropoliten von Kyjev weiheu, worauf diesen freilich der Kirchenbann des Constantinqpler Patriarchen traf. Weil Camblak stark zur occidentalischen Kirche hinneigte, wurde er auch in Moskau in Bann gethan. Im J. 1418 sandte ihn Witold der Unionsverhandlungen wegen naoh Konstanz, er kam aber zu spat an und starb schon 1419. Von seinen zahlreichen Werken sind 24 Kirchenreden, die Lobreden auf Euthymij (S. 346) und Kyprian, und die Biographien des hi. Romil und des Konigs Stephan Uros III. besonders nennenswerth.'*^) Konstantin der Philosophy ein Bulgare aus Kostenec (an den Maricaquellen), fand nach dem Falle des Reiches eine Zufluchtstiltte am Hofe des gelehrten Serbenfiirsten Stephan Lazarevic. Seine Thiltigkeit gebiirt eigentlioh der serbischen Literatur an, nalim aber ihre Richtschnur aus Euthymij’s Lehren; Konstantin’s Lebrer Andronik war ein unraittelbarer Jiinger des letzten Patriarchen von Trnovo. Auf des Despoten Stephan Aufforderung verfasste Konstantin seine Orammatik,-in welcher wir mitunter sebr beschi’ilnkte und kindische Ansichten antreffen, die vollstandige Theorie jenes Punkten- und Notenkrams, durch wolchen die einfache Schreibweise zu Ende des Mittelalters so giaulich entstellt wurde. Der Ui’sprung der „sloveniBchen“ Kh-cben- und Schriftsprache war Konstantin schon dunkel (S. 424); er meint, „Kyrill Filosof" und seine Genossen hatten dor Hauptsachc nach in’s Russisebo uboraetzt, Camblak war nach Heinem eigeuen Hericht 1379, als Kyprian, zur Weihe nach llyzanz roisend, den Euthymij in Truovo besuchte, noch , fin Kind. ‘*) Leben des Konigs Stephan UroS III. nach einem bulg. Cod. im Arkl» IV., nach ciuem serbischen Glasnik XI. Of. Racki, Ocjeua 107, 171.

Camblak und Konstantin von Kostentfc.

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dabei aber Wbrter au8 (Jem Bulgarischen, Serbischen, Kroatischen, Bosniscben und BdhmiscUen hiuzugenommen.*^) Eine woit bessere Arbeit ist seiue 1431 geschriebene Biographie des Stephan Laearevid (1389—1427), das'beste Geschicbtswerk der altsorbischen Literatur, frei von Rbetorik und yoll von Einzelnheiten; vielleicht batte der Verfasser bessere griecbische Muster vor sich. Obgleicb man den eifrigen Bemilhungen Euthymij’s und seiner Jiinger gerecbte Anerkenuung nicht versagen kann, so niuss man docli den inneren Werth der Erzeugnisse dieser Sclmle fiir gering crklilrcn. Von dor Klarheit, Energie und Schmucklosigkeit des Exarchen Joannes und desMoncbs Chrabr ist darin keine Spur; die byzantiuische Rbetorik treibt da, tippige Bliithen. Auch die Sprache ist durch griechiscben Einfluss (besonders in der Syntax) verderbt, unnaturlich und schwer verstiindlich. Am beston scbrieb noch Euthymij selbst. Camblak’s Wortschwall und Bombast steht in der bulgarischen Literatur uniibertroffen da. Konstantin bietet in seiner Grammatik gar manclie Curiositilten; auch in seinem Geschichtswerke ist die Sprache mitunter dunkel und gekiinstelt. In's Volk fanden diese Literaturerzeugnisse nie Eingang; ibm hatte sich die gebdirte Kirchensprache mit ihren Archaismen und Graecismen langst entfremdet. Mit der Kirclio und dem Staato erlosch auch das litorarische Leben. In den folgenden drei Jahrbunderten warden weit mehr alte Handschriften durch fremdsprachige Vandalen Oder einheimische Wiirmer und Motten vertilgt, als neue hinzugeschrieben.

**) Auszupfe von Danicio in Starine I. **) Eiiie kritische Ausgabo dioses viel geleseneu, viollUoh interpolirton und aucb in dio russ. Clironografen aufg en cn im en eu Ituches ist sebr zu wiiiiscbon. Kach ciner lldschr. dos XV. J. Iiornusgegebeu von Dr. Safafik, Cilasnik 28. Dio Edition A. Popov’s (lf3()opjil{K7., h. Aura. 30) ist mir leider unbekannt. Violo Codd. bei Cirigorovio, desson (,!itatc (0 CcpCiH) mit der Belgrader Edition nicbt uherpiiistimmen.

Kapitel XXVII.

Die Ttirkenherrschaft in Bulgarien im XVI~XVIIL Jahrhnndert.

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Bulgarische Vojnikdorfer im Balkan, Sredna Gora xmd B.hodope. Wlachische Handelsstiidte, deren Bliithe und TJntergang. Ragusaner. KathoUken in Bulgarien. Die Kirche von Ochida. Fanarioten. Osterreichiscli-tiirhische Kriege. Hajduken. Tataren, Albanesen, Zigeuner. Die* traiirigste und duukelsto Poriode der bulgarischen Geschichte ist die Zeit dor Tiirkeiiherrschaft vom Ende des XV. Jahrlmnderts bis zum Anfang dor nationalen Wiederbelebung. Die Tiirken setzten sich ira Lando fest, Stildte entstanden und verschwandeu, das griecbiscbe Element gewann in Kircbe und Schule die Oberhand, und der kriegerische Volkscharakter schlug in das Gogentbeil um. Aber die Nacbrichteu iiber dieso wichtigo Periode, wo so viele und so tief cingreifende Veriinderungen sich vollzogen, sind ausserordentlich karg. Bulgarien, im Herzen des damals so gewaltigen usmanisclieu Reiches gclcgou und von aller Welt abgeschieden, blieb von der grossen Bewegimg, welche die europaische Civili­ sation seit dem XV. Jahrhundert in neue Bahnen lenkte, unberuhi't. Aushludor durften in der Turkei, ausscr den ragusanischen Kaufleuten, nicht froi hcrumroisen. Dio tiirkischen Archive sind zur Stuiide wissenschaftlichon Studien noch verschlosson, und oinhciniische Nachrichton aus diescn drei Jahrhundcrten sind ungcmeiu selteu. Dem llistoriker bleibt oft keino Wahl, als bei dem Mangel anderer Quellen zu Sagen und Liodom seine Zuflucht zu nehmen.

Rumelieu.

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Die altbulgarischen Lander gehorten in den Verwaltungsbezirk des Beglcrbcgs von Bumelien, der in Sophia residii’te. Buniili, ein Name, der aus Bomania, wie man das Byzantinerreich in der Fremde gowobnlich nannte, corrumpirt ist, hiess in der Tiirkenzeit die gesammte Halhinsel ausser Bosuien, das einen eigenen Beglerbeg hatte; es war in 26 SaitdsaJcs eingetheilt.') Milchtigo halbunabliangige Paschafamilien batten die Herrschaft uber efnzelne Provinzen erblicb inne (z. B. in Skodra, Skopje, Tatar-Pazardzik), wie denn die Landesverwaltung meist feudal war. Die grosseren Kriegsleben (spahiWc) hiessen siamet, die kleineren titnar. Iin XVII. Jabrbundert z. B. ziihlte man im Sandzak von Skopje 20 Siametli’s und 344 Timarioten. Viele christliche Adelsfamilien warden, besonders in Bosiiien, durch Annabme des Islam zu erblichen Spabi’s, deren es um die Mitte des XVII. Jahrhunderts in Rumelien 1294 gab, meist ehemals christliche Bulgaren, Serben, Albauesen und Griechen. Der Zeheut aus den unterthanigen Durfern vertrat den I'aiegssold. Ausserdem waren viele Dorfer als diflilcs das Eigenthum von Grossgiundbesitzern, denen sie den Dritttbeil des Ertragcs entricbtcten. In neuerer Zeit waren die Bestrebungen der Spalii’s moist dabin gericbtet, ihre Spahiliks in Cifliks zu verwandelu. Die Mobammedaner waren die privilegirte Bevolkerangsclasse; die Christen wurden als Rajah auf jeglicbe Art bedriickt. In der Tracht warden sie beschriinkt, Kirchen durften sie nicbt bauen und die Glocken wurden ihnen abgenommen. Entfubrungen von Christenmadchen gehorten und gehdren noch jetzt zu den gewobnlichen Dingen. Ausser dem I£ara6 Oder der Kopfsteuer, welcbe jeder iiber 14 Jabre alte Christ mit eiuem Dukaten jabrlicb zu entricbten hatte, ausser dem Zehent von alien Erzeugnissen und dor Viehsteuor gab es noch Leistungen und Roboten (kuluk) fiir die Spahi’s und allerlei *) Die Saudzaks wareu I'olgende: Visa, Kyrk-klissa, yilislria, Niko­ pol, Vidin, Soi>hia, Gallipolis, Saloiiich, Kosteudil, Skopje, Trikala, Nogroponte mit Atbeii, jMorea, Naupaktos (Lopanto), Karl D* (IVevesa), .lanina, Delvino, Avlona, Klliassan, Skodra, Ochridir, I’rizren, Vueitvii, Dukagin, Krusevac, Smedorevo. Am linkon Donauufer Uielteu die Tiirkon bis 1829 Bruila, Gjurgjevo, Turnul. ('f, Ilad^.i Cbalfa, Kinaoli und Rosua. Uebors. von Hammer. Wien 1812. .l iriifio k , Uohcli.

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Ilulgarou.

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K apitel XXVII.

willkiihrliche Abgaben an die Pascha's und Sandzakbegs. Das schrecklicbste war aber die alle fiinf Jalire sicb wiederholende Aushebung der-achonsten 10—12jabrigen Knaben fiir das Janicaroncorps. Nur die Stadte kauften sich davon dutch grosse Geldsurnmen los. Fiirchterliche Tage erlebten die Dorfer und Stadte, durch welche tiirkische Truppen in’s Feld zogen. Dio Ungiiltigkeit des cbristlichen Zeugnisses und die grauenhafte Hiiufigkeit der Hinrichtungen gestaltete die Rechtsi>flege zu einer wahren Menschenpein. Unter solchen Verhaltnissen ist es kein Wunder, dass der Charakter der Mohammedaner sich zu grenzenlosem Stolz und Ubermutb entwickelte, wahrend der der Christen in scheue Unterwiirfigkeit umschlug. ' ' Doch die argsten Zeiten fiir die Christen brachen erst dann herein, als die Ostnanenmacht selbst zu sinken begann. Im XVI. Jahrhundert, als die Macht der Swltane auf ihrem Hohepunkte stand, traf man in der Tiirkei feste Privilegien und Rechte, einen regen Handel,, reiche Stadte, bliihende Industrie, giite Strassen und herrliche Bauten. Das herrschende Tiirkenvolk war damals allerdings noch nicht so abgelebt, entartet und verderbt, wie jetzt. Die Kitchen und Gemeindeautonomie dor Christen wurde nie angetastet. Den grossten Theil des osraanischen Reiches in Europa bewohnten slawische Volkerschaften. Zahlreiche Slaweu bahuteu* sich durch Annahme des Islam den Weg zu den hochsten Staatsamtern. Im XVI. Jahrhundert, besouders unter dem beriihraten Grossvezier Molimimcd Soholovic, einem Bosnier, angeblich aus dem Geschlechte der alten serbischeii Despoten, bestand die Hiilfte des Rathes der Veziere aus slawischen Mohammedanern, die man auch unter den Beglerbegs, Kapudan Pascha’s (Admiralen) und Provinzgouverneuren iiberall autraf. Am Ende dieses Jahrhunderts waren es drei slawische Veziere, die auf den Sultan den meisten Einfluss hatten, darunter der Bulgare 3Iehmed, ein Mann von niedriger Herkunft irgendwo aus der Gegend zwischen Sophia und dem Amselfelde, dor als Sklave nach Constantinopol kam, anfangs dem Sultau als Barbier diente und albnahlig bis zum Vezierate emporstieg. *) I> r i n o v , P e ij io d . S p i s a n i e I I . 5 4 .

Dio Slawcn dor Turkei.

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Nach dem Zeugniss dea Paulus Jovius (1531) unci anderer Gcwahrsmanner sprach fast da-'- ganze Janicarencorps slawisch. Dem Sultan Selim II. war, nach dor Erzillilung des Luigi Bassaiio (1574), neben dem Tiirkischen aucb das Slawiscbc gelilufig, welches er hoch scluitzte, da sich clesselbeu viele Volker, wie Bassano beraerkt, bedieuen, sowohl in Dalmatien, Serbian, Bosnien, iiberaU in Albanian, in Thessalian und im Peloponnesos, als auch im Bulgarien, Thraldeu und in der Walacbei, dann in Norden die grossen Volker der Polen, Russen, Bohmen und Krainer, Aus der Kanzlei des Sultans wurden aucb slawiscbe Urkunden rait kyrillischer Schrift ausgestellt (S. 369). Auch in den Provinzen, iiberlebten viele lustitutionen den Fall der alten Siidslawenreicbe; so hiess z. B. in Trnovo und Smederevo der mohammedanische Befehlshaber noch in unserem Jahrhundert Vojvoda. Nicht mit Uni'echt bcmerkt der serbische Historiker Mijatovic, dass die dainalige Turkei mit Sultanen, die serbiscli siirachen, mit serbischon Vezieren, Pascha’s und JaniSareu fast auf dem Wege zu sein schien, ein moharamedanisches Slawenreich zu werden.®) Es .ist demnach begreiflich, dass Hans Freiherr von Ungnad, als er mit dem Slovenen Primus Truber und zablreichen Gcbiilfeu aus Istrien, Dalmatien und Bosnien 1561—1564 in Urach bei Tubingen protestantische Bucher in slovenischer und kroatischer Spracho mit latoinisohor, glagolitischer und kyrillischer Schrift drucken liess, grosse lloffnungon hegto, dass auf diese Art der evangelischo Glaube nicht uur unter den Slawen von Kroatien, Bosnien, Scrbien und Bulgarien, sonderu auch unter den Tiirken solbst bis zum kaiserlichen Ilofo am Bosporus sich verbroiten werde. Im XVI. Jahrhundert wurden serbische Bucher auch in der Tiirkoi gedruckt, namentlich in Skodra, Belgrad, im Kloster Gracauica am Amselfelde. Diese Drucke gehoren jetzt zu den gi'ossten bibliographischen Scltenheiteu."*) Von den Bulgai’cn S) Oodomil M ijatiniu „Vor drei h n u d e rt Jn h reu ", Glasiiik XX.VVT sch ildert auafiihrlich doii Zustniid dor lljilbiiisol-Shtwou i7u XVI. .1. auf G rundlago von Iteiaoliesclircilninffou uud voiiotianiiiolioii llolaliimeii. Safafik iibcr ultslaw. l»rucl B o o H o n o U tro g , Im J-

Wlacliischt' FlanilelKstadle (Moschopolia u, a.).

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theils Einwaiulerer aus Gerlovo scin sollen, wird erziihlt, dass eher die Frauen als die Miinuer Nachkommen der alteu Burger seieu; douli uiilaugst noch starb dort eiu Greis, der uur griochiscli sprach. In den Faniilicu spi’icht man eiu mit rumuniscbeu und bulgarischen Elementen stark vermischtes Griechisch.'*) Die Dorfer Bcj Arnaut und Kara Arnatd liegen siidlich von Razgrad, nahe an dor Babn von Varna und Rdscuk. Die Einwohner, wolclie albanesisch, bulgarisch und wohl auch rumunisch sprachon, sollen der Sage nach von einem albanesischen Spain, der in Razgrad Gouverneur war und daselbst eine grosse Moschee erbaute, angesiedelt worden sein. Sie waren tbeils Ackerbauer, theils Viehhiindler und genossen grosse Vorrechte, z. B. dass bei ihneu kein Soldat einquartirt werden diirfe. In den Zeiten der Krdzalijen zerstoben sie meist in die Walachei, nach Sumen und Eski Dzuma; doch das griisste Ungliick traf Arnaut 1810 im russischen Kriege. Noch heute kann man dort, obzwar selten, rein albanesisch sprechen horeu.'") KruSovo, die neueste dieser wlachischen Ausiedelungen, liegt 6 St. westlich von Prilep unter einer alten Burg in einem Bergkessel. Es wurde um 174U von Gebirgswlachen aus Nikolica Oder Nikopolis in Albanien gegriindet, welche, von den Albanesen vertrieben, ziierst in Bitol eine Zufluchtstiitte suchten, aber wegen des dortigen sumpfigen Klima’s weiterzogon und sich in der Gegend von Kruiovo niederliessen. Dio Schicksale dieser Stadt in der Krdzalijonzeit sind u n s u n b ek a n n t. Obgleich Krusover Kaufleute auch nach Wien kommen und Krusover Silberarbeiter (kolundzi) in der ganzen Tiirkei herumzieben, so wurde diese 1400 Hiiuscr zilhlende Stadt fiir Europa erst 1858 von Hahn entdcckt.” ) So wenig waren die tiirkischen 1®) Intcressanto Einzeluheiten iiber Arbanasi theilte Slavejkov in don Constantinopler Citalislo lfi73, 488—493 mit. Vielcs erzahlte mir eiu Jiinpling aus Arbanasi sclbst. — Proben des dortigen Dialektos: gorca liiruo (uiakeclorum. korce), ploko flechte (jtAtKeoi, sapunizo waacUo, eupizo gralie, lojazo rccLuo (loyid^co), misljazo doiike (bulg. iiz inislja), ietizo spaziere (bulg. sclam), dulos Thai .(bulg. dol). ec pniio ee kato liinauf hinab (dvco Kara), ognista Feuerstelle (bulg. ogniste) u. a. w.

J6) Von wo die iiber das russische nessarubina zerstreuten ebristlichen Albanesen atammeu, ist mir unbekannt. Vielleicht aus K. und B. Arnaut. Ilabti, Reise von Belgrud nach Salonik 180.

4H0

Kapitel XXVII.

Binnenlandcr noch in unseren Jahren bekannt! Die Einwobner sind der Mebrzabl nach Ruraunen (Kaufleute, Goldecbmiede, Schneider); unter ilinen ist ein friiher nomadischer Wlachenstamm durch Reichthum und eigene Tracht bemerkbar. Ausserdem leben bier auch sogenannte Mijaci, (Bulgaren aus der Dibra) und christliche Albanesen als Maurer Schneider und Gartner. Mit den rauberischen Albanesendorfern der Umgebung leben die Krusover in ewiger Fehde. — Die Venetianer und Genuesen haben ihre Freiheiteo nach dem Falle der alten Reiche zwar nicht eingebiisst, konnten aber die Concurrenz mit den Ragusanern, die bald den ganzen Binnenverkehr auf der Halbinsel in ihre Hand bekamen, nicht aushalten. Von den tiirkischen Sultanen, mit denen sie seit 1365 freundliche Beziehungen unterhielten, erhielten die Ragusaner Freiheitsbriefe in serbischer Spracbe (S. 369) und zablten ihnen dafiir einen jahrlichen „Hara6“ von 12.500 venetianischen Dukaten. Sie wohnten frei in den Stiidten, verrichteten ungestort ihren Gottesdienst und ihre Karavanen zogen unbehelligt im Reiche herum. Einen Zoll { 2 \ ) zahlten sie nur in den kaiserlichen Stsidten Constantinopel, Adrianopel und Brussa, friiher auch in Philippopolis und Kratovo. Viele orthodoxe Eingeborene wurden, um sich Freibeit und Sicherbeit zu scbaffen, Katholiken und zugleich ragusanische Unterthanen. Die Flagge der Ragusaner sah man damals auf alien Meeren, ihre Colonien, Consulate und Factoreien-in alien Stadten des Orients. Die Bliithe, welche die siidslawische (serbo-ki-oatisqhe) Poesie in Ragusa erreichte, verschafifte dieser Stadt den Beinamen des sudslawischen Athens. Aber das furchtbare Erdbeben von 1667 lahnite Ragusa's Macht und Ruhm in einem Tage. Ragusanische Colonien '*) gab es von Alters her in alien serbischen und bulgarischen Stadten, z. B. an der Donau in

18) ijRelaziono dello stato della religione nelle parti dell’ Europa sottoposte al domiuio del Turco“ von Matthaus Qundulic (ital. Gondola), welcher bis zum Juli 1674 28 Monate in dor Tiirkei sich aufhielt, verfasst in Rom 1675, herausg. von Banduri, Imperium Orientale (Paris II. 1711) vol. II. Animadversiones in Const. Porph, de adm. imp. 99—106. Drinov, der im Per. Spisanie von Braila II. 65 aus eincr Uandschrift einen Auszug brachte, kannte diese Edition nicht. Of. Matkovid uber altital. Keisetagebiicher, Rad XV.

Kagusaniscbe Colouien.

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Belgrade wo 1552 der Ragusaner Trojan Gundulic sogar eine serbische Druckerei besass, in RuSSitk, Silistria und vor Allem an den Donauinundungen. Dort war Babadagh ihr Hauptort, wo sie eine Pfarre batten, deren Priester auch Bakca, Ismail, Tul6a, Bender und Kilia besuchte, um den dortigen Eaudeuten auf einem ubertragbaren Altar die ^lesse zu lesen. Der ragusanische Gesandte Mattluius Gundulic bemei’kt, dass die dortigen Colonisteu iiber ihi’e Priester sehr strenge wacbten, darait dieselben sich nicht in „pratiche disoneste con le donne de’ Turchi" einlassen und ihren Landsleuten nicht Verlegenheiten bereiten. Im ostlicben Balkangebiete wohnten Ragusaner in Varna, Sumen, Pazardftk Und besonders in Provad, wo sie eine alte gewolbte Kirche besassen. Grosse Ragusanergemeinden waren in Adrianopel (1550 angeblich .) Siehe dariiber die kirchengeschichtlichen Arbeiten von Zachariae, Gnlulnnski, Drinov.

Die Kirche von Ochrida.

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bemcrken, welcbe Grigorovic in Ochrida und dessen Umgebung Sab. Um die Mitte des XVI. Jabrhunderts \vurde das Slawiscbe durcb das Griecbische verdriingt; in den Kirchenbiichern beginnen die griecbischen Aufzeichnungen 1555.®®) Golubinski zahlt 50 Erzbischofe aus den Jabren 1450—1767 auf, was wobl kaum ein vollstandiges Verzeicbniss sein durfte.*®) Keiner vonibnen bat lange regiert und wenige baben sicb ein wiirdiges Andenken erworben; wir leseu von unaufborlicben Intriguen und Bestecbungen, nicbt anders, als es damals aucb in Pec und Constantinopel zuging. Von 1586 an pflegten die Erzbiscbofe, um sicb Geldbiilfe zu erbitten, nacb Kussland und.selbst nacb den westeuropaiscben Staaten zu reisen; Mancher kehrte von dort gar nicbt raebr zuriick. Im XVII. Jabrbundert scblossen feicb Viele der Union an.®^) Dem (taxagidraTog rfjg JtdOTjg BovXyagiag x a l Ilgcirrjg ’ lovariviccvtjg '^%qiS k>v waren im XVI. Jahrhnndert ausser den mbkedoniscben und albanesiscben Landschaften aucb die unteritaliscben Griecben in Kalabrien, Apulien, Sicilien und Malta, dann die rumuniscben Fiirstenthumer untcrgeordnet. Die fast nur nominelle Oberhobeit der Kirche von Ochrida iiber die Walacbei dauerte von den Tagen des Fursten Mirca an durcb das gauze XV. Jabrbundert, iiber die Moldau von der Hiilfte'des XV. Jahrbunderts bis zu der Regierung des Fiirsten Lupul (XVII. J.). Zu dieser Zeit war dort nicbt das Rumunische die Staats- und Kircbeiisprache, sondern das Altsloveniscbe in bulgariscber Abart (S. 434). In der Moldau 32) V. Grigorovic, Svedectvi .o slovanskych apostolich v Ochride (Zeugnisse ii.ber die Slawenapostel in Ochrida; bohm.), Gas. ces. Musea 1847, 514. S3) Das Verzeicbniss der Erzbisebofe bei Golubinski 123 sq. Ich bemerke, dass Zosima (S. 134) zu 1669, wo Girit (Kreta) ©robert wurde, und nicbt in’s XV. J. gehbrt. 3*) Im XVII. J. gelidrten unter Ochrida neuu Metropolien (Kastoria, Voden, Korea, Ditol, Strumica, Greveno, Berat, Duraszo, Valona) und sieben Bisthumer (Molesolios, Prespa), Gora l>oi Ochrida, Spathia l»ci Borat, Dibra, Moglena, Sisania mit Satista. Im Anfauge des XVIII. J. vereiniglen sicb viele Kparebien, z. B. Moleschos und Moglena; neu orrichtet wurde die Eparchie von Veles. Die ITntorsehrift des Erzbischofs war in griiner Schrift. In slaw. Urk. nennt sicb derselbe aucb „ErzbiBchof von Serbien." *

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Kapitel XXVH.

herrschte anfanglich daft Kleinrussische vor^ musste aber bald dem Altslovenischen weicben.'’*) In Trgoviste und Kimpolung wurden auf Ko&ten rumunischer Fursten altslovenische Kircbenbiicber gedruckt. Seit deni XVI. Jabrbtmdert begann sicb eine ruraunische Literatur allmahlig berau'szubilden. Aber vor der vdlligen Emancipiruug' des Rumuniscben gab ea noch eine Periode (1711 —1822), wo das Griecbiscbe sowohl am Hofe .und bei den Boljaren, als auch in Kirche und Schule eine grosse Rolle spielte. Die Kirche von Trnovo war schon seit 1394 dem Patriarchen von Constantinopel untertban. Die Bischofswiirde wurde dort *meist nur Griecben verlieben. Neue Eparcbien warden zwei gegriindet, die eine im Anfang des XVIII. Jabrbunderts in Vraca, die zweite um 1760 in Pirot (Eparcbie von Nisava). Es sind die sogenannten Fanarioten, Constantinopler Griecben aus dem Fanar (oder Fener) genannten Viertel, welche die Herrschaft des griecbischen Clerus *in den slawischen Balkanlandern in einen so scblechten Ruf gebracht haben. Die geistlichen Fanaristen herrschten in der Kirche, wahrend die weltlicben als Wecbslerj Kaiifleute oder in tiirkiscben Diensten als Dragomans und Sekretare bedeutenden Einfluss sich verschafften.®') Alle geistlichen Wiirden vom Patriarchat bis zur Pfarrei waren kauflich. Die Patriarchen warden meist durch Intriguen griecbiscber Banquiers, turkischer Grossen Oder fremder Gesandten eingesetzt. Binnen 390 Jahren losten *5) Die von rumunischen Fursten ausgegebenen slovenischen Urkundeu, deren Sprache durch das Rumunische stark beeinflusst ist, sind gpsammelt von Venelin Bjiaxo-^oarapcicia rpaMOTH, St. Petersburg 1840 und von Bogdan Petriceicu-Ilajdeu, Archiva istorica a Romaniei I~1II. Bucuresci 1865—1867. Der prcussische Gesandte Gaflron beschreibt den Fanar 1779 folgender Massen: „Lo quartier est la demeure de ce qu’on appelle la noblesse grecque, qui vivent tons aux d6penses des princes de Muldavio et do Talacbie. C’est uue univcrsitd de toutes les sceleratesses, et il n’existc pas encore de langue assez riche, pour donner des uoms k toutes celles qui s’y conanaettent. Les His y apj)rend do bonne heure k assasiner si adroitenaeut son pere pour quclque argent, qu’il ue sauroit ctro ponrsuivi. Les intrigues, les oabales, rhyiiocrisie, la trabison, la perfidie, surtout I’art d’extorquer de I’ai-gent de toutes mains y sont criseignes mothodiquemeut" Zinkeisen VI. 2,52.

Dio Fanarioten.

m

140 Patriarchen einander ab. Bei dbr Besetzung der Bisthupier siegte derjonige der Candidaten, der das meiste Geld und die sturkste Protektion hatte. So gesebab es, dass so manchev Kocb, Kafedzi oder Cibukdzi die Biscbofswiirde erlangte,.die im .Oriente eine weit grossere Bedeutung bat, als in unseren Landeru, da der Bischof. zugleich auch als das weltliche Oberhaupt und der Vertreter der Rajah vor den Beborden gilt. In seiner Eparchie angekominen, sorgte der Bischof zuerst urn die Auftreibung der Kaufsumme, womit aber die Erpressungen keiueswegs abgeschlossen waren, da er auch spater darauf bedaebt sein musste, einerseits gut zu leben, andererseits seinen Pascha und seine Constantinopler Protektoren sich in giinstiger Stimraung zu erbalten. Mit den griechiseben Bischofen kanien nach Bulgariou auch griecbische Kircbenbiicher. Die slawische Liturgie erhielt sich fast nur in den Dorfern, wo die Popen theils aus alten Pergameuthandschriften, theils aus venetianischen, seibischcn xind walachischen (selten aus russiseben) Drucken lasen. Alter Handschriften bediente man sich z. B. in Tatar-Pazardzik bis etwa 1712, wo der erste fanariotisebe Kircbenbirt binkam. Eine bedeutende Kriiftiguiig erhielt die Macht der Fana­ rioten. als die Tiirken aus Furcht vor den Russen die Fiirstenwiirde in den beiden rumunischen Vojvodschaften an vornehme Fanarioten zu verleihen begannen (IT ll). Von diesen fanariotischen Furstenfaniilien, welche sich gewohnlich fiir sehr alt ausgeben, kann nach Hopf®^) keine ihren urkundlichen Stammbaum hoher als bis in den Anfang des XVI. Jahrhunderts zuriickfiihren. Einige stammen aus Kleinasien und nur zwei aus Byzanz; viele sind niebt einmal griechiseben Ursprungs, sondern Albanesen, Ragusaner, Franken. Ihre Herrschaft Hess kein angenehmes Andenken zuinick. Unter ihnen bliihten griechische Schuleu in den Donaufurstenthiimern und griecbische Biichor wurden fiir das rumunische Publicum geschrieben.®*) Die beiden autokepbalen slawischen Kirchen von Pe6 Und Ochrida fiolen den Fanarioten zura Opfer. Schon 1737 trat * ’) I l o p f ( E r s u h . G r u b e r B a n d 8C) S. 189.

®8) Grieohisch verfassto D. Filippides eine Geographie und eine Gesobichte von Romanien (Leipzig 181(5) und Fotinu eine Geuchiebte der rutnunisebeu Lander (Wien 1818, 3 Bde).

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Kapitel XXVII.

Joannes Ipsilanti mit dem Plane auf, die Tiirkeu sollteu das Erzbisthum von Ochrida aufheben, damit durch die directe Unterordnung der Slawen unter die geistliche Herrschaft des Constantinopler Patriarchates ,den Intriguen der osten*eichichen Regierung, die eben rait den Tiirken Krieg fiihrte, ein Ende gemacht warden konnte. Dooh die Tiirken sahen eine osterreichische Intrigue in'diesera Plane selbst und Ipsilanti biisste sein Projekt mit dem Kopfe. Zwei Ursachen waren es, welche die Griechen zur Vornichtung der beiden Kirchen antrieben; einerseits wollten sie mit Iliilfe der Eiunahmen aus den neuen Kirchengebieten die s.chworen Schulden ihres Patriarchats hezahlen und andererseits hofften sie ihren Lieblingsplan, die Hellenisirung der Siidslawen und die Ausdehnung des griechischen Elementes bis zu den Karpaten und der Save reabsiren zu konnen. Im J. 1766 gelang es dem Patriarchen Samuel die serbische Kircbe von Pec (tiirk. Ipek) zu annektiren, worauf am 16. Jilnner 1767 auch der letzte autokephale Erzbiscbof von Ochrida, der Bulgare Arsenij, zur Abdikation gezwungen wurde. Dock die Pforte fiihrte noch in unseren Tagen in dem Berat des Constantinopler'' Patriarchen die Eparcbien der beiden aufgehobenen Kirchen gesondert auf. Arsenij wurde auf dem Athos internirt, wo er seine letzten Tage ira Zografer Konak zu Karyils zubrachtcv hoch vere^rt von den bulgarischen Mdnchen des Klosters Zografu. Bald wurde ihm das Vergniigen.zu Theil, dort mit dem ebenfalls abgesetzten' und nach dem Athos gesandten Samuel zusammenzutreffen; ihre Begegnung soli nicht besonders freundschaftlich gewesen sein.*®) Was die Kriegsereignisse dieser Jahrhunderte betriflft, so ist uns nur ein einziger bulgarischer Aufstandsversuch aus dieser Zeit bekannt. Als Furst Sigmund Bathory von Siebenbiirgen 1595, unterstiitzt vom Kaiser, vom Papste, von den Rumunen, Polen und von einigen italienischon Fiirsten, dor Tiirkei den Krieg erklilrte und in die Walacbei einbrach, ubergab ihm der Ragusaner Paul Gjorgjid eine ausfiihrliche Relation iiber die Lage der Bulgaren, die er nach einera Abdikationsurkunde Araenij’s im Glaenik VII. tJber die letzten Tage Ar.aenij’s sieke Big. Kai^ici I860, 139. Cf, aucli Golubiiiaki.

Aufstand 1595. Fall dor Kirche vou Ocbrida (1767).

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15jahrigen Aufeutllalt in ilirem Lando kennen gelernt hatte. In diesem Aktenstiicke forderte er den Fiirsten auf, er moge die Unzufriedenlieit der BUlgaren beniitzen und dieses scbbne Reich evobern, und bot ihm seine Dienste an. Die Bulgaron seien ein stolzes, edles Volk, das kein Unrecht ertragen konne Und die Unbilden durch den Tod der Beleidiger rache. Den Tiirken seien sie feind, mit den Griecjien auf gespanntem Pusse, aber mit den Ragusanern wegen der gemeinsamen Spracbe, des Handelsverkelus und der zahlreicben verwandschaftlichen Vorbindungon in don Stud ten eng befreundet. Noch 1580 sei die Lage der Christen sehr gliicklich gewesen, aber schon nach zehn Jahren hatte sich in den Balkangebieten in Polge der Bedruckungen der in die Stadte haufenweise eingewanderten Janicaren und Spahi’s, wegen des Steuerdruckes Und der unerhorten Brutalitaten der durchziehenden Truppen Alles veriindert. Die Bulgai’en erwarten mit Ungeduld den Einzug christlicher Truppen und seien bereit alle Tiirken in ihrera Lande uiederzumetzeln. In Donau-Bulgarien hoffte Gjorgjic 25.000 tapfere Krieger auftreib,en zu konnen; die albanesischen Colonien um Trnovo konnten 7000 wohlbewaffnete Reiter stellen. Bathory nahm Gjorgic’s Anerbieten an. Gjorgjic selbst schurte den Aufstand in Varna, Provad und Sumen, wahrend die Sorkodevici (Sorgho), eine beriihmte Ragusaner Familie, in Trnoyo und Ruscuk thiitig waren. Die Revolution kam 1595 wirklich zu Stande. Ihr Centrum hatte sie in Trnovo. Sie misslang vollstiindig. Leider konnen wir, so lange Gjorgjic’s Briefe nicht veroffentlicht sind, iiber deren V erlauf nichts naheres mittheilea.'*'*) Das siegreiche Vorriicken der osterreichischen Heere am Ende des XVII. Jahrhunderts weckte nicht nur bei den Seiben, sondern auch in Bulgarien die gliinzendsten Hoffnungen. Im J. 1689 nahmen die Osterreicher Nis, Vidin und Skopje, dock schon im folgenden Jahre gingen alle diese Uber die Relation Gjorgjic’s Makuiov Usjjapia noifB TypeUKHMl BjiaABtaecTBowB b'b XV. k XVI. B’fcKax'B. (Bulgarien unter der Tiirkenherrschaft im XV. und XVI. J.) im Journal des ruse. Uuterrichtsministeriums CLXIII. Cf. Drinov im Per. Spisanie I. 44, 59,

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Kapitel XXVII.

Eroberungen verloreu. Das einzige Dcnkmal dieser Occupation sind noch heute die von don kaiserlichen Tnippen in Nis und Vidin zuriickgelassenon Bauten, Willie und Kanbiien. Eine grosse Bewegung riefeu auf der gunzen Halbinscl die gliinzenden Siege des. Prinzen Eugenius und der Frieden von Pozarevac (1718) hervor. Osterreich erhielt die Kleine Walachei und einen grossen Theil dos jetzigen Fiirstenthums Serbien. Im J. 1726 siedelte eine Mcnge katholiscber Bulgaren aus der Tiirkei in die dsterreichische Walachei iiber, wo ihuen Wohnsitze ill Krajova, Rymnik (de Olt) und Bradiceni nebst eigenen Privilegien verliehen wurden. " Im J. 1737 vrurdo der Krieg durch die Einnahme von Nis gliicklich eroffnet. Abcr durch die ungliickseligen Missgi'iffe der kaiserlichen Feldherren, besonders vor Vidin, ging Alles in die Bruche. Im Belgrader Frieden (1739) musste man auf alle Errungenschaften des Pozarevacer Friedens vei’zichteri'*'). Die Hoffnungen der ungliicklichen Rajah wandten sich von nun an von Osterreich ab und Russland zu, das schon 1576 wegen seines Ansehens bei den Glaubensgenossen in Bulgarien, Serbien, Bosnien und Griechenland grosse Besorggnisse unter den Tiirken wachrief^*). Nach der Abtretung der Kleiuen Walachei wanderten die dortigen bulgarischen Colonisten in das Temeser Banat, wo ihre Nachkommen noch jetzt leben. Die einen, die sogenaunten Paulikianer, siedelten sich in Besenovo an. Die anderen, meist Handelsleute, griindoten das Stiidtchou Vinga, welches einige Zeit auch Maria-Theresiopel genannt wurde. Sie besassen eigene, auch von der Kaiserin Maria Theresia 1744 bestiltigte Privilegien. In erster Instanz richteten bei ihnen einhoimische Geschworene und ein erwiihlter Richter nach alten nationalon Rechtsgewohnheiten. Sie fiihrten auch ein eigenes Wappen, das uns leider unbekanut ist. Die Kaiserin verpflichtcte sie im Kricgsfalle ein Contingent (centuria) zur Besatzung von Temosvaa' zu stellcn und dieses auch in Friedenszeiten in Waffen zu iiben. Andere katholische Bulgaren liossen sich um 1740 im don Krasover Bergen nieder, wo sie **) Ausfiihrlich dariiber Kanitz, Donau-Bulgarieu I. 247 scj. i)er Vehetianer Sorauzo (boi Makuaev op. cit.).

Osten’eichische Feldzuge. Bulgaren im Banat.

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nocli in sieben Dorfern zu finden sind. Nacb Siebenbiirgen kamen, wie.envabnt wurde, 1688 Colonisten aus Ciprovec^®). Alle diese Bulgaren waren und sind katholisch. liutbselhaft ist der Urspruiig der in Cserged, Reussdorf und anderen siebenburgischen Dorfern ansassigen protestantischen Bulgaren; diese waren gewiss lange vor den Feldziigen des Prinzen Eugenius dort heimisch geworden, ja Miklosich betrachtet sie fiir Nachkommen der altdakisclien Slovenen (S. 82). Nock im vorigen Jahrhundert sprachen sie bulgarisch; jetzt sind sie romanisirf*^). Zu keiner Zeit der Tiirkenberrschaft fehlte es an Mannern, welche die tiirkiscben Bedriickungen niit bewafifneter Hand zuriickwiesen und in Bergen und Waldern ein freies Leben fuhrten. Der bulgarisclie hajdutin, der serbische hajduh Und der griechische Ideft sind nur verschiedene Namen fiir eine Meuschenclasse. Jlitunter heissen sie auoli tiirkisch aramiji Und ihr Hiuiptling aramhaSa. Ibre in tausendfachen Liedern gefeierten Kainpfe und Abenteuer babeii etwas Ritterliches an sicb. Nicht der Raub, sondern die Racho an den Bedriickern ihrer Glaubensgenossen war ibre Lcbensaufgabe. Den Mohammedaner zu iiberfallen, auszurauben und niederzumachen, den Christen dagegen zu beschiitzen und zu riicben, das war der Beruf des Hajduken. Mannigfach waren die Ursachen, waruin der oder jener zu den Waffen griff und „in die Berge spazicren ging.“ Nur Verzweifelnde konnten dieses Loos wablen, denn wer sich einmal dazu entscbloss, der war bei den Tiirken rettungslos verloren. Dem Einen batten die Tiirken Eltern oder Gcscliwister ermordet, dem Anderen die Braut entfiibrt oder die Sclvwester entebrt; Andere sind durch Erpressungen der Begs um alles Vermogen gekommen, oder es sind ihnen auf Hand^ojsreiseu alle Waaren geraubt und dadurcli ibre Existenz vernicbtet Worden; Viele waren aus dem Kerker entsprungen, ja es sind aucb Fallo bckanut, wo Leute aus ungliicklichor Liobo odor in Folge eines Finches der Eltern Hajduken wurden. Der Pliichtling sammclte entweder selbst cine Scliaar, oder schloss Czoernig, Oest. Ethnographic I. 73. III. 143 sq.

**) Einen Katechismus in ihrem Dialekte verofl'entlichte Miklosich. ii. Kap. 111. Aum. 24.

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Kapitel XXVII.

sich einer schon bestehendou an. Nur auserlesene, tapfere mid unerschrockene Leute (otboi’ junaci) warden aufgenommen. Sie gelobten einander treu zu bleiben and sicU nicht zu trennen. Ihre WafFeu bestanden aus einer Flinte von der Hdhe eines Mannes (dliga puska bojlija), einem Paar Giirtelpistoleu (cifte pistovi na pojas), einem Jatagan und einem Sabel (ostra sabja frengija, der scharfe Frankensabel). Ihre Gewander wareu meist prachtvoll ausgestattet, buntgewirkt und mit Schniiren (gajtani) geziert. Die „treue und einige Schaar" (verna i sgovorna dmzina, serbisch ceta) ziihlte selten mehr als 60 Mann; in den Liedei’n werden die Zahlen allerdings oft' iibertrieben. Die einzelnen Hajduken hiessen serbisch momci (sing, momak), bulgarisch momdeta, insgesammt junad (Helden). Der erfahrenste und tapferste wurde zura Vojvoden erwahlt; dieser nahm eiuen zum BarjaJctar, welcher eine grune Oder rothe Fahne zu fiihren hatte. Die hohen Gebirge Stara Plauiua (Balkan), Rhodope, Sredna Gora, Sakar Planina, Strandza und Sar waren der Aufenthaltsort der Hajduken; am liebsten hielten sie sich in der Niihe der Passe und Saumpfade auf. War es nothwendig, so stiegen sie auch in die Niederungen herab, und durchstreiften, in Wiildern und Auen sich bergend, oft die halbe HalbinselTiirken und iiberhaupt Mohammedaner suchten sie iiberall zu erlegen oder wenigstens auszupliindern. Wean Dorfbewohner von irgend einem Beg oder Spahi allzu sehr tyrannisirt wurden, ko riefen sie die Hajduken zu Hixlfe, welche den Peiniger entweder im Waldesdunkel aus einem Hinterhalt oder in finsterer Nacht in dessen eigener Wohnung urabrachten. Einem Christen that der echte Hajduke nie etwas zu Leide, ebenso wie der moharamcdanische W aldritter nur Christen raordete und beraubte, Ein traditioneller Aberglaube war es unter den Hajduken, dass jeder von ihuen, der an einem Weibe sich vergreifen wurde, durch die unabwendbare Gewalt des Faturas zur tUrkischen Gefangenschaft verurtheilt sei. Der einfache Riiuber Iiiess mit einem Schimpfnamen JcokoSarin (etwa Hiihnerdieb) und wurde in der Schaar nicht gelitten. Doch kamen, wie man aus Volksliedern ersieht, Fiille vor, dass mancher Vojvode durch personliche Rache oder Hunger getrieben, auch seine Glaubeusgenossen nicht verschonte.

I^Injduken.

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Zahlloso Gefahreu uiid Muhsale verfolgteu den Hajdukeu von Tag zu' Tag. Hatte er einen Bedriicker „zum Allah befiirdert", so musste er die Landschaffc schnell verlassen, denn tiirkische Panduren, Kavassen und Seimens setzten ihm rasch nach. Diese Hajdukeujagd hiess potcra. Manchmal warden selbst die Bauern von den Tiirken zur Uinzingelung der Walder und zur Durchsuchung der Berge aufgeboten. Die Kopfe der gefallenen Hajduken warden in den Stiidten ofifentlich ausgestellt. Die lebcndig Gefangonen pflegte man vor den Stadtthoren offontlich zu pfahlen, wobei gar Mancher noch unter den schrecklichsten Qualen den Propheten verspottete und mit drohenden Worten die Rache seiner Freunde verkiindete; eine solche Begebenlieit besingt der kroatische Dicbter Stanko Vraz in seiner Romanze „Hajduk i vezir“. Manchmal ereignete es sich, dass ein soldier Tiirkenverfolger, des wilden Lebens satt, eine schriftliche Amnestie sich erwarb und dann oft sogar tiirkischer Pandur wurde. Der Himmel mit seinen Sternen war' das Obdach des Hajduken; Winden, Stiirmen und Regengussen war er wehrlos e.usgesetzt. Auf ihre Sicherheit bedacht, musste die Schaar den Aufenthaltsort haufig wechselu und in einem Tage oft Unglaubliche Wege, vorsichtig vorwarts sdileichend, zuriicklegen. In der Niihe der Dorfer warden die^ Hajduken von Hirten und Bauern mit Speise und Trank reichlich versorgt. Aber mithnter musste wohl der Ilajduke (nach einem serbischen Lied) »)Vor Hunger schwarze Erde essen, vor Durst Wasser von dem Laube schliirfen." Kranke liessen sich, wenn die Tiirken in der Nahe wareu, von iliren Genossen erschiessen, urn den Beinden nicht in die lliinddzu fallen. Erkrankte ein vereinzelter Oder verirrter Hajduke, so starb er hiilflos auf den Alpentriften Oder im Waldesschatten; „Adler gruben ihm ein Grab" und Hiemand horte mehr von ihm. Das Hajdukonlebcn gedieh nur im Sommer, denn im Winter sind die „kiihlea griinen Wiildor," die auf der Halbiusel fast nur aus Eichcn und Bucheu bestehcn, ganz durch*sichtig; dazu noch der strenge Gebirgswintor. Am „Krstov den“ im September nehmen die Junaci Abschied von einander, Uachdem sie ihre Waffen vergraben und den niichsten Versammlungsort verabredet batten. Das Versteck der Waffen

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Kapitel XXVII.

wurde durch verschiedene Zeichen kennbar gemacht. Iin Balkan sielit man iiberall solche Merkzeichcn: in die Baurarinde eingeritzte Namen mid Jabreszahlen, oder eiugeschlagene Nagel und dgl. Den Winter verbrachte der Ilajduke bei seincm Freunde (jatak) im Dorfe unter Arbeit und Gesang. Im April avn St. Georgstage (Gergjov den, serb. Gjurgjev dan), wenn der Schnee in den Thiilern schwindet, die Baume griin werden und die Schwalben kommen, fiudet sicb die Schaar wieder zusammenBei den Bulgaren lasst sicb die Geschicbte des Hajdukenthuins nicht so genau verfolgen, wie bei -den Serben, wo die Yolksepik oft durcb gesChriebene Dokumente Bestatigung findet. In das XVI.—XVIII. Jahrbundert gehoren folgende Vojvoden: Manus, Strasil auf dor Perin Planina, Semko, Rada, Barbur, Vlko, Nanjo bei Razgrad, Cjavdar am Ryl, Vlcan bei Trnovo, Nenco aus Trojan, der in Makedonien viel besungene Stojan aus Trnovo u. a. Denkwiirdig ist es, class bei den Bulgaren, wie bei den Serben, mancbmal auch Madcben in Begleitung ibrer Briider ein Hajdukenleben fubrten. Bulgariscbe Lieder besingen die Vojvodinen Bojana, Jelenka, Todorka, die gescbickt das Gewehr handhabten, den Siibel fiihrten, und mit verwegener Schlauheit Karavanen iiberrumpelten. Dass es nicht Erdichtungen sind, zeigt folgender Fall. Am Ende des vorigeu Jahrhuiiderts hauste auf den Bergen von Dibra und Kicevo die Sirma Vojvodka aus dem Dorfe Tresance an der Radika im Mijakenlande. Die Schaar wusste lange Zeit. nicht, dass ibr Vojvode ein Madcben sei. Sie war im Stande, 18 Stunden lang ununterbrocheu auf den Fiisseii zu sein. Spater heiratbete sie einen Mijaken aus Krusovo (S. 4.59). Als SOjiihrige Greisiii sab sie Dimitr Miladinov ( j- 1861) in Prilep und boss sicb von ibr ihre Jugendgeschicbte erzahlen. In Uirem Zimmer hatte sie Pistolcn unter den Federbetten versteckt und Siibel an den Wiinden. Audi sie wird in Liedern besungen.*') Das Hajdukentbum macbt den Tiirken nocb heutzutagc genug zu schafifen. Den Bcfreiungskampf der Serben haben Hajduken erofifnet. Nur in Serbien und Montenegro, wo der *•) If. und D. Miladinov, Bulg. Volkslieder S. 328.

Zigeuner, Juruken, Tafaren.

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Christ frei athmet, sind gegenwartig die Hajdukenschaaren schon verschwunden. Zum Schlusse des Eapitels wollen wir der ethnographischen Veranderungen gedenken, welche in dieser Zeit stattgefunden haben. Die Albanesen, treue Anhanger der Osmanen, drangen nach dem Abzuge der Serben aus dem Amselfelde nach Sud-Ungarn in die verlassenen Sitze derselben und ruckten so bis an die Morava vor. Ein neuesBevdlkerungselement waren die Zigeuner (Cigani), ein arisches Volk, welches aus Indien im V. Jahrhundert nach Persien, im VII. nach Syrien, im IX. in das Byzantinerreich gekommen war. In Europa erschienen sie zuerst im XIV. Jahr­ hundert in Griechenland, von wo sie in die Slawenliinder und zur Zeit des Vojvoden Vladislav (um 1370) in die Walachei ein wander ten'. Der Aufenthalt unter diesen Volkern hatte, wie von Miklosich nachgewiesen, zur Folge, dass Spuren des Ruraunischen, Siidslawischen, zumeist aber des Griechischen in alien Zigeunerdialekten Europa’s (selbst in Spanien) und England anzutrefteu sind.'*'*) Uagefiihr in das XVI. Jahrhundert gehort die Niederlassutig turkomanischer Juruken und tiirkischer Konjaren in den siidlicheu Gegenden von Thrakien und Makedonien, vorziiglich in Moglena. In Folge der Angiiffe diesor Eindringlinge traten die einheimischen Rumunen und Bulgaren oft zum Islam liber. Im vorigen Jahrhundert soil die Besetzung der Balkangebiete Tozluk und Gerlovo (tiirk. Karlova, 45 Dorfer) durch turkische Colonisteu aus Asien erfolgt seiu. Das einzigejetzt noch bulgarische Dorf von Gerlovo, Vrbica, wurde die Residenz tatarischer Sultane, welche mit ihren Landsleuten (1776 schon 20.000) aus der Krym in die Tiirkei iibersiedolten. Andere *«) AusRomanien kamea die Zigeuner uach Ungarn, lidlinien (1416), Oeutucbland, und von dort einerseits uach Frankreich und Kngland, andererseits nach I’olen, ItusBlaud, Finnland und Scliwedeu. la Spanien lieKsen sie sich schon 1447 in grosser Menge uiedov. — Miklosich, Uber die Mundarten und Wanderuiigeu der Zigeuner I'iuropas (llenkschr. der Wiener Akad. - \.\ I —X X III. 1874). Cher die llUere Ueschiohte der Zigeuuer cf. M. J. de Goeje, Bijdrage tot de Cioschiodenia dor Zigeuiiors. Amsterdam 1875.

r

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Eapitel XXVII.

Tatarensultane, die unter dem tiirkischen Feudaladel bald cine hervorragende Stelle einnahmen, wobnten in Fundukly be| Jambol und in Sechlari bei Karnobad; einer in Kurudzi bei Jeni Zagora hat noch heuer durch barbarische Bedriickung der bulgarischen Bauern viel von sich reden gemacht. Es waren dies nicbt die ersten Tataren in der Turkei. Scbon 148& hatte Bajezid II* die Tatafenstadt Tatar-Pazardzik zuin Schutz der nahen Piisse gegriindet; erst als Turken und Tataren durch Seuchen decirairt warden, begannen sich Buigaren in dieser Stadt niederzulassen.*^

♦’) Siehe Zachariev 41 sq.

Kapitel XXVIII.

Pasvanoglii und die Krdzalijen, TiirMsche Wii'ren 1791 1808. Folgen der franzosischen Hevolutioh. Beformen Selim’s III. Unabhangige P o s c Jm ’s . Hie Baubergesellschaft der Krdzalijen 1792 1804 Osman Pasvanoglu, der ahtrunnige Pasclia von Vidin.' Hie serbische Bevolution. Der Frieden von Tilsit und Napoleon’s orientaliscJie Plane. —

(



).

-Pie einst uniiberwindliche Osmanenmacht begann seit dem Anbrucb des XVIII. Jahrhunderts unter dem Andrange der siegreichen fussiscben und osterreicliischen Armeen unaufhaltsam zu verfallen. Besonders das russische Reich, dessen Rahnen bald auf den Ebenen der Dobrud^a und auf dem Schwarzen Meere wehten, wurde fiir die Tiiiken ein gefnhrlicher Nachbar. Den Frieden mit den Russen musste diq hohe Pforte stets durcb Abtretung ausgedebuter Landschaften ertaufen. Es erlosch nicht nur das alte Gliick der musulmanischen Heere, sonderu auch das gesammte innere Leben des osmanischen Weltreicbes gerietb in Auflosnng. Der alte kriegerische Geist der turkischen Nation war geschwunden. Allerdings bestand noch imraer das Janicarencorps, aber es waren dies nicht mehr die alten Janifaren, Welche der Macht dcr Sultane nach alien Seiten den Weg bahnton, sondevn allerloi Gesindol, ohne DiscipHn und Kricgslust, welches sich in diese altboriihmte Genossonscbaft der Vorrechte wegen aufnehmen Hess. Seit dem XVII. Jahrbundort hrirte man auf, das Corps durch Christenkinder zu erganzen;

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Kapitel XXVIII.

die JaniCaren, die friiher ein Monchsleben fuhrten, begannen zu heirathen und Handwerke zu treiben. Kaum 20.000 von ihnen waren noch zum Felddienst tauglich. Ausserst gefiihrlich •wurde die Macht der Ulema’s, welche, so oft es ihnen gefiel, die Janicaren und den Stambuler Pobel aufwiegelten und so den Sultan und dessen Rathe in Schach hielten. Die Reichsschatze waren langst erschopft, den Truppen blieh man Jahre lang den Sold schuldig, und k'am es zura Kriege, so musste des Sultans Privatkasse (Chasna) herbalten. Nach den reichen Moscheegiitern Avagte Niemand die Hand auszustrecken. Miinzfalschung war die letzte Zuflucht. In der aussersten Noth tra t zeitweilig noch ein grosser Feldherr oder ein ausgezeichneter Staatsraann auf, aber einen hervorragenden Finanzmann besassen die Osmanen nie. In den von den Pascha’s ausgesogenen Provinzen verfiel der Ackerbau und die'offentliche Sicherheit, fruchtbare Landschaften verodeten und die BeTolkerung nahm von Jahr zu Jahr ab. Es ist natiu’lich, dass die Gesandten der freinden Machte, als sie diesen Zustand des Osmanenreiches, seine Finanznotb und den Mangel an disciplinirten Truppen wahrnahmen, den baldigen Untergang desselben in Aussicht stellt^n.‘) Seit 1780 h at das griechische ProjeJet der Kaiserin Katharina II. in Europa viel Aufsehen erregt. Es handelte sich um nichts geringeres, als um die Vertreibung der Tiirken und die Wiederaufrichtung des Byzantinerreiches. Nach dem 1782 zwischen Joseph II. und Katharina II. vereihbarten Theilungsplane sollte Oesterreich Bosnien mit Serbien, Russland die Krym mit Ocakov erhalten. In der Tiirkei und im Archipelagus sollte ein neues Kaiserthum mit einer Constitution nach englischem Muster und dem russischen Grossfiiisten Konstantin (geb. 1779) an der Spitze errichtet werden. Die Walachei und Moldau sollten unter eineni orthodoxen Herrscher unabhiingig bleiben. Es kam zum Kriege. Die, Ungliicksfalle der cisterreichiBchen Armee sind bekaunt. Nach den glanzenden Siegen der Russen in der Walachei musste die Pforta Frieden schliesson, 1) Kaunitz schi'ieb 1774, die Tiirken seien zum Untorgange bestimmt und ein kleines, aber wohl organisirtes Heer sei im Stande, sie aua Europa zu jagen. Zinkeisen, Gesch. des osniauischen Reiches iu Europe VI. 85.

Tiirkisclio Roformon unlor Soliiu III.

481

1791 mit Osterreicb in Svistov, 1792 mit Russland in Jassy. Die Leiden Bulgariens wiihrend dieses Kiieges waven fdrehtorlich; nach europaisclien Reisebericliten soil 1789 vor der Armee des Grossveziers, die lange Zeit bci Sopbia stand, die Bevolkeruug weit und breit die Fluebt ergriffen baben. Die Untertbanen des Sultans waren an unaufbbrlicbe Pliinderungen sebon 8 0 gewohnt, dass sie vox- Fremdlingen jeder Nation sogleich die Fluebt ergx’iflen. Aber bald bracben viel blutigei'o Zeiten heran. Die franzeisisebe Revolution braebte ganz Europa in Bewegung; ein Vierteljabrbundert sab man niebts als Umsturz und Veranderung. Aucb im Oriente begann ein neues Lebeu; doch der neuen Ordnung der Dinge gingen dort Stiirme voran, die das Osnianenreich fast umgestiirzt hiitteu. Iin J. 1789 tra t Selim I I I . die Regiening an, ein begabter und thiitiger Horrsebor; docb zu den gi'ossen Reformjdanen, die er sicb zur Lebensaufgabe machto, feblte es ihm an Ausdauer, Energie und Vorsiebt. Seine Hauptsorge gait dem Heere Und den Finanzen. Dass die Janicareu, die albancsiscben Horden und die Lebenscontingeute unbrauebbar seien, sab er wobl ein und unternabm die Erviebtung von stebeiiden Truppen, die nacb europiliscbem Muster gekleidet, bewaffnet und oingeubt wurdcu. Schon friiber batte man, besonders mit Hiilfe jireussischor OflFiziere das Heer etwas zu reformiron gesucht; der preussisobe Einduss war bei dor Pforto, nainontlich in den Tagen Friedrich’s des Grosson, sehr bedeuteml. Audi die Flotte wurde veibessert, Fabriken, Pulvenniiblen und sogar eine Ingenicurscbule gegriindet, -Aber alles dies giug nnr langsara von Statten, unter fortwiilirenden Kainpfen gegen veraltcte Vovurtheile. Es fiel sebwer einen Tiirken zu uberzeugen, dass Bajonette und leiebte Artillerie niebt gegen den Koran verstossen. Den grdssten Widerstand gegen die Nixami dxedid (neuen Einriclitungon) leistoten die Janifcaven ; ihren Untoi'gang voraussehend, riofon sie, die. alien Osmanen batten obne aolcbe Neuci’ungon im Feldc gesiegt und ein uniebtigos Reich gegriindet. Dmsoust waren alle Versuebe ilireii Wid('istand zu biindigen. Nacb langen Kampfeu biisste Selim sauunt scinen Ratben die Reformen mit dem Leben. Und aucb spater 4 i r e C u k , Gtiscli. dor Bulgaren.

,

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Kapitel XXVIII.

dauerten 'die Stiim e fort, bis Mahmud II. (1826) das gesammte Janicarencorps iiber die Klinge springen liess. Wiihrend ganz Europa vom Ural bis Gibraltar in Waffeu stand, wurde auch die Tiirkei in den europiiischen Strudel hineingerissen und zur TheUnahme am Kampfe gegen die wachsende Macht Bonaparte’s gezwungen. In Constantinopel stritt der Einfluss Napoleon’s mit dem russischen und englischen. Die Theilung Polens, der Fall von Venedig, die Aufhebung der Republik von Ragusa, die Occupation von Dalmatien durch die Osterreichcr und der lonischen Inseln durcb die Franzosen, dies Alles hielt die Pforte ausser Athem. Indeosen fing das Reich an in unabhiingige Fiirstenthumer zu zerfallen. In Skodra erhob sich Mahmud Busatli, in Albanien, Epirus und Thessalien der beriihmte Ali Pascha von Tepeleni, in Vidin der kiihne Bosnier Pasvanoglu; Montenegro griff zu den Waffen, in Serbien gilhrte es; Bulgarien, Thrakien und Makedonien, also das ganze Rumelien, wurde von Horden aufstandischer Janicaren und rauberischer Krdzalijen uberschwemrat. In Asien sass zu St. Jean d’Acre seit Jabren der unabhangige Tyrann Dzezar Pascha; Abdallah regierte in Damaskiis, aus dem Herzen Arabiens brachen die fanatischen Wahabiten hcrvor, und in Egypten begriindete nach dem Abzug der Franzosen der Albancse Mehmed Ali ein festes Reich, liberal] sah ni£tn Auflosung und Zusammensturz, und es schien, die Tage der Osmanenmonarcbie seien gezahlt. Zu einer schrecklichen Geissel aller Bulgarcnliindern wurden in den Tagen Selim’s III, die beriichtigten Krdsalijen (kyrcali tiirk. Riiuber auf der Wiiste), welche in zeitgenossischen Schriften auch Dugli's (Gebirgsbewohner) oder einfach Hajduti heissen. Noch heutzutage lebt das Andenken an ihre Schreckenszeit in Bulgarien iiberall in Liedern und Sagen fort. Zwdlf Jahre lange dauertcn ihre Raubziige, gegen die weder die ohnmiichtige Regierung, noch das wehrlose Volk eine Abhiilfe hattc. Es war schon seit vielen Jahren ein untriigliches Zeichen des wachsenden Verfalles, dass die Truppen nach Beendigung eines Krieges nicht friedlich heimziehen wollten, sondern in grossem Massstabo ein Riiubcrleben begannen. So war es schon im Anfang des XVII. 'Jahrhunderts in Anatolien, so war es jetzt nach dem Frieden von Svistov.

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Die Krdzalijen (1792—1804).

Zuerst tauchten die Krdzalijen in Chaskoi an der Rho­ dope auf. Dort sollen sie sich unter Emin Aga versamraelt und ihr Unwesen begonnen haben,®) Bald waren ihrer 25.000, ja nocb mehr. Es stromten zu ihnen nicht nur Tiirken, Tataren und Albanesen, sondern auch Bosnier uiid Bulgaren; denn' sie litten alio Nationalitilten unter sich, zumal da sie nicht der Glaube, sondern der Raub vereinigte. Es waren dies keine gewohnlichen ^Yegelagerer, welche Karavanen oder einzelne AVanderer uberfallen, sondern organisirte Truppen, befehligt von erfahrenen und kriegskundigen Bimbasi’s und Buljukbasi’s. Unversehens iiberfielen sie Dorfer und Stiidte, pliinderten sie aus und schleppten die Beute in ihre Standlager in den Thiilern unter dem ostlichen Balkan und der Rho­ dope. Nicht einmal wiihrend der Winterkiilte stellten sie ihre Expeditionen cin. Selbst Constantinopel zitterte mehr als einttial vor ihnen. Siimmtlicli beritten, waren sie mit Siibein, Ristolen und langen Flinten (krdzalijke) bewalTnet; Kanonen batten sie nicht. An ihi*en Prachtgewandern aus Sammt und Seide sah man, dass ihnen reiche Beute im Uberfluss zustromte. In ihrem Lager hatton sie eiue Menge schoner Frauen, die sie gevendii nannten; besonders schlossen sich ihnen viele Zigeunerinen an, die mitunter bewaffnet und zu Pferde an den Expe­ ditionen in ihren Reihen theilnahmen. Zahllose bulgarisclie Madchen und Frauen wurden von diesen Unholden fortgeSchleppt, um in dor kliiglichsten Sklaverei den ziigellosen Bogierden derselben zu dienen. Auch schoue Jiinglingo (olaui, kjofieci) pflegten sie nach tiiikischer und albanesischer Sitte bait sich zu fiihren.'*) Die Peinigung von Menschen hatte fur 2) In der Krdzalijeuzeit sind wir leider wiederum mehr auf Sagen, als auf scbriftliclie Aufzeichnungen angewiesen. Noch unliingst gab es fiir diese Jabre Augenzougen genug, aber jetzt wird man ihrer wouigo inebr finden. Siehe Rakovski lopcKifi uStuhei (ein Hajdukenepos mit sebiitzbaren hist. Anmerkuugen), Neusatzl857, 279 sq. und die Memoiron dea Hajdukenvojvoden Pauajot Hitov (Bukarest 1872, 142 sq.). Cf. aucb Zinkeisen VII.. der diese Periode naob Gesandschaftsberiebten und Reisebesebreibungen scbildort. 3) Turk, gjyvendy Licbeben. '00 Piaster und befahl seinen Genossen, ihn unbehelligt zu ent21) Ein tjohn dou Km i-Feiz (gleichen Namens) schlug 1821 die lletairialcn bei llragaaani in der Kleinen Walachei (Zinkeiscn Oosch. Griechenlands III. 143, wo der alto Kara-Feiz aus den Gebirgen um K6Btendil hcrgoleitot wird; nach bulgarischcn Borichten soil er aus Albanieu gekoinmen soiu). Im J. 1831 iiliinderte er Sophia im Dienste MustapLa Pascha’s von Skoclra, uabm dann an dom bosniscben Aufstande Theil, v?orauf er sich einige Zeit als Fliichtling in Osterreicb aufhielt. Milorad I’opovic, Bowogungen in Bosnion, Glamik XXI. 208, 222. 2'^; Bakovflki PopcKilt iiSiTUnKT. 28.3, I’anojot 144.

Indie’s Tod.

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lassen. So starb Ind2e. Die Leiche brachte man nach Gujumli and begrub sie im Lager; nach einer anderen Version soli er im nahen Sveta Trojica-Kloster ruhen. Eine andere der zahlreichen Sagen meldet, Indze sei an einera Feiertage nach Urum-Jenikoi zura Tanze gekommen und da babe ihn ein Grieche aus einem Fenster erscbossen. . Eine weitere Variante erzablt, ludze sei nur verwundet worden und babe auf Bergen und in Waldern noch drei Jahre lang hingesiecbt. Man sagt, er sei ein so grosser Sunder gewesen, dass ihn die Erde dreinial herauswarf; endhch habe man ihn mit einem todten Hunde vergraben. Indze war namlich kein populiirer Hajduk, wie etwa in unseren Tagen Donco oder Panajot, sondem nur ein beruchtigter Rjiuber. Sein Weib lebte noch lange Zeit in Sliven. _ IndSe’s Schaar, des Anfiibrers beraubt, iiberwinterte dann in Sechlari bei Earnobad. Im iijicbsten Friihjahr unteniabmen die Krd2alijen einen wiitbenden Angriff auf Kaimobad, wurdeu aber von dessen Wallen mit grossen Veiiusten zuriickgescblagen. Als die Tiirken darauf ihr Hauptquartier zu Chaskoi angriffen, scbloss sich Emin Aga in einer Burg bei Gidildi ein, wurde jedoch gefangen und enthauptet. Eine grosse Krdzalijenschaar vernichteten die Bulgaien aus Kotel, Zeravna und anderen Stadten in einem dichten Walde an der Kozja reka (Ziegenfluss) im Balkan zwischen Kotel und Rakovo, welches letztere ^kurz zuvor von diesem Raubgesindel war zerstort worden. Indze’s Barjaktar Karakoljo- trieb sich mit 60 unberittenen Hajduken noch 10 Jahre in Tbrakien herum. Der Weg zwischen Sakar Planina und Bakadzik heisst noch jetzt „Karakoljovij-at p it" ; bei 6anakSi in der Sredna Gora zeigt man noch „Karakoljo’s Quelle". Spiiter begab sich Karakoljo in die Walachei Oder nach .Serbien. Mit Paavan musste sich der Sultan vollstandig versbhnen, ala der serbische Aufstand ausbrach. Die serbische Revolution begann mit einem Kampfc, welchen die Serben gegen die tiirkischen Ruhestbrer im Interesse der Pforte fiihrton. Nach dem Prieden von Svistov rausston namlich die Bolgrador Janicaren, der argste Auswurf ihres Corps, Serbien vorlasson und traton in Pasvan’s Dienste. Zur Abwehr gegen ihre Iiivasionen sah sich der Pascha von Belgrad, der gerechte und nienschenfreundliche Had2i Mustafa (1796 —1801) veranlaast, die Rajah

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Kapitel XXVIll.

zu bewaffuen. Es gelang ihm mit Hiilfe der Christen die Rebollenschaaren einige Mai zu Paaren zu treiben. Aber nach der wiederholten Demiithigung der Pforte vor Vidin kehrtea die JaniSaren wieder nach Belgrad zuriick und fingen hier unter der Anfiihrung ihrer vier Daldjen an so tyranuisch zu hausen, dass die Serben (1804) zu den Waffen grifFen und mit Hiilfe der Regierungstruppen ihnen den Untergang bereiteten. Nach Beendigung des Kampfes wurde die Rajah von den Tiirken aufgefordert ruhig nach Hause zu gehen. Aber die Serben wollten die gunstige Gelegenheit nicht vorubergehcn lassen; entschlossen die Freiheit oder wenigstens die Autonomie si(Sh zu erringen, wandten sie ihre Waffen gegen die Pforte. Aus der ganzen Halbinsel eilten Hajduken herbei, die serbischen Schaaren zu verstiirken. Im J. 1806 fiel Belgrad in ihre Gewalt; der Krdzalija Guianc Ali, welcher 1804 den Dahijen zu Hiilfe gekommen war und seitdera auf der Festung sich behauptet hatte, kehrte auf Schiffen nach Vidin zuriick.*'’) Als die Rnssen Anfang November 1806 den Dnjester iiberschritten, stellte sich ihnen Pasvan im Bunde mit dem beriihmten Mustafa Pascha von Rusfiuk an der walachischmoldauischen Grenze entgegen, wurde aber zuriickgeschlagen. Am .5.’* Februar 1807 starb Osman Pasvanoglu.*^) Es war ein Mann von eisemer Willenskraft, tapfer, energiscb und unerschrocken, ein bedeutender Feldherr. Mit Strenge wusste ef Milde und Grossmuth zuyereinen. Seinen regen Sinn fiir Bauten bezeugeri zahlreiche monumentale Gebiiude, neue Gassen und Befestigungen. Unter den 32 Mcscheen von Vidin ist die Pasvanoglu-Dzamija mit Bibliothek und Schule bemerkenswerth. Pasvan’s ,,Saraj“ (Palast) dient jetzt als Gefiingniss. Zahl­ reiche reich verzierte Brunnen sind sein Werk; er griindcte *«) Bei den Botschaften der Serben nach Constantinopel zeichnete sich der Bulgare Peter Icko aus, welcher als Dolmetsch der turk. Gesandschaffc'in Berlin bedeutends Kenntnisse sich erwarb, spiitor Iladili Mustafa’s Vertrauen gonuss und dann die Gcschal'to ocoidoutaliBoher Kauileute in Belgrad geschickt yerwaltoto. Ziukeiseu VII. 485. Pasvan’s Grabdenkmal ist abgohildct bei Eanitz, Donau-Bulgarien I. 233, wo auch die Bauten Pasvan’s ausfuhrlioh besfirochcn werden. — Die mit einem Sternchen bezeiolmeten Baton sind nach dem occideutaliscben Kalender; sonst behieltcn wir den alien oriontaliscben bei.

Pasvan’s Tod (f 1807).

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auch eine Eisstiftuug, aus welcher im Sommer alltiiglich grosse Mengen Eis aa Arme ganz uneutgeltlich verabfolgt werden. Pasvanoglu’s personlicher Umgang, Privatleben und Ge­ stalt 1st uns unbekaniit; ihn umgaben keipe franzdsischeD und englischen Beobachter, wie den Ali in Janina. Nur iiber seinen Bischof wissen wk etwas. Kallinik, ein walachischer Igumen, ein eigensinniger und'hai-tnackiger Charakter, bot ihm einst 20.000 Piaster fiir die Metropolie von Vidin. Bereitwillig verjagte Pasvauoglu den bisherigen Metropoliten, nachdem er ihm friiher alles, was er besass, weggeuominen, und setzte den Kallinik ein. Dieser, da er keine Bestiitigung vom Patiiarchen hatte, lockte den Bischof Sofronij von Vraca nach Vidin und lieas von ihm die Liturgie in der Kirche lesen, wahrend er selbst Tag und Nacht mit Pasvan's Krdzalijen und Hajdukeu lustig zechte. E rst 1803 kain Kallinik in Begleitung von 50 Tiirken nacb Bukarest, empfing dort die Weihe und entliess den Sofronij, der durch drei Jahre in seiner Gefangenschaft bischofliche Dienste hatte verrichten raussen. Pasvan’s Tod war fiir die erschiitterte Pforte kein Gewinn. -Pranzdsische Sympathien verschafften der Tiirkei zu alien Biirgerkricgen noch die Feindschaft der Bussen und Englander. Die Kussen besetzten die Walachei und verbiindeten sich mit den Serben. Am 20.* Februar 1807 erschien plotzlich Admiral Duckworth mit der englischen Flotte vor Constantinopel, aher obgleich ein Bombardement befiirchtet wurde, verschwand er ebenso, wie er gekommen war. Bald darauf vernicbteten die Bussen die tiirkische Flotte bei Tenedos. itfitten in dieser gefahrlichen Lage brach in Constantinopel eine JanicarenRevolution gegen den Reformsultan aus; am 31.* Mai wurde Selim III. abgesetzt und Miistafa IV. auf den Thron erhoben. Inzwischen war das Schicksal der Turkei im Norden nahezu besiegelt worden. Napoleon und Alexander eiuigton sich in Tilsit fiber die Theilung des Osmanenreiches. Russland soUte Bessarabion, Moldau, Walachei und Bulgarieu bis an den Balkan erhaltcn, Frankreich Albanien, Tiiessalieu, Morea und Kandia; Osterreich gedachte man Bosnien uud eiuen Theil Von Serbien zu uberlassen ; Tbrakien mit Constantinopel und den asiatischen Proviuzen soUten deiu Sultan bleiben. Von den Volkern der Halbinsel, ihrem Charakter, ihrer Zahl und

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Kapitel XXVIII.

Abgrenziing wusste man damals so viel wie gar nichts. Ein besondercr Gegenstand der Besprechungen war Constantinopel. Napoleon wollte es um keinen Preis an Alexander iiberlassen; der Besitz dieser Stadt bedeute die Herrschaft iiber die Welt. So wurde in den geheimen Artikeln des Frieden von Tilsit (8.* Juli 1807) ausgesprochen, dass Frankreich und Russland alle Provinzen des osraanischen Reiches in Europa ausser Rumelien und der Stadt Constantinopel „dem Jocbe und der Tjnrannei der Tiirken“ entziehen werden.*®) Noch am selben Tage schrieb Napoleon an Marmont, seinen Gouverneur in Dalmatien, er solle die tiirkischen Lander zu militariscben Zwecken untersuchen lassen. Darauf bereisten 1807 und 1808 franzosische Offiziere Bosnien und Hercegovina ; einige gelangten bis nach Albanien und Makedonien. Auf Grundlage ihrer Bericbte arbeiteten Vaudoncourt und Lapie ihre Karten, welche diese Lander zuerstin einem verlasslicheren Lichte erscheinen liessen. Die- Tilsiter Vereinbarungen bUebeu nicht geheiin. Die Pforte erhielt Kunde davon durch den englischen und osterreichischen Gesandten. In einer stiirmischen Sitzung des Divan, an welcher auch die Haupter der Janifiaren und Ulema’s theilnahmen, riefen die Letzteren, sie wollen lieber unter der Fahne des Propheten am Scblachtfelde sterben, als den Fall des Reiches iiberlebcn. Hatte aber Napoleon die Tiirkei wirklich angogriffen, um mit Hiilfe der Rajah und der rebellischen Pascha’s etwa ein neues „lateinische8 Kaiserthum" in Constantinopel zu griinden, so hatte dieses Unternehmen trotz allem Fanatismus der verbommenen Osmanon einen gliicklicheren Ausgang genommen, als sein Zug nach Moskau. Ira J. 1808 wurde Constantinopel der Schauplatz furcht* barer Scenen. Mustafa BarjaJetar aus Trstenik, Pascha von RuScuk, traf mit seinen Kerntruppen vor Stambul ein, um Selim III. zu befreien. Wiihrend er jedoch das Serail stiirmte, beeilten sich seine Gegner den gefangenen Selim zu erdrosseln. Das Serail wurde genommen, Mustafa IV. abgesetzt und der junge Mahmud II- zum Sultan erhoben. Mustapha Barjaktar wollte als Grossvezier dies Reformwei’k energiscb durchfiihren, biisste dies aber noch in deinselben Jahre mit dem Tode als Opfer einer Janifiarenrevolte. 28) Ziukeiaen VII. 518, wo auch’die Constanlinopler Begebeuheiten dieuer Juhre auafuhrlicb bosebrieben siud-

Eapitel XXIX.

Die faiiariotisclien Bischofe und der Hellenismus in Bulgarien. Lage des Bulgarenvolkes am Anfange unseres Jahrhunderts. JCenntnisse von den Bulgaren im Occident. Fortschreitende Sellenisirung. Cfrieckische Schulen und ScJirift. Der fanariotisehe Glerus. Verbrennung von Handschriften. Am Anfange unseres Jahrhunderts war das bulgarische Volk, seit vier Hundert Jahren alles politischen und kirchHchen Lebens entbehrend, so sehr vom europaischen Gesichtshreise geschwunden, dass es fast neu entdeckt werden musste. Selbst die Gelehrten, welche damals den Organismus und das gegenseitige Verbaltniss der slawischen Sprachen zu erforschen Unternahmen, bedurften einer ziemlich langen Zeit, bis sie iiber die Beschaffenheit des Bulgarischen eine einigermassen verlassliche Nachricht erhielten. Im J. 1771 wies Schloser darauf hin, wie dringend es noth thue, dass.eine bulgarische Grammatik und ein Lexicon hergestellt werden, aber es vergingen dreissig Jahre und die Sprache der Bulgaren war ihm immer uoch unbekannt.') Bobrovsky hielt 1814 das Bulgarische, ron dem er iibrigens nie eine Probe gesehen hatte, fiir einen blossen Bialekt des Serbischen.*) Kopitar's Wissen im J. 1815 reichte kaum dahin, dass das Bulgarische einen Artikel bositze, don man im Auslaute anfugt.*) 1) Scblozer, Nordische Ueschichte 334. Noslor II. 320. 2) Dobrovsk^, Slovanka. Prag 1814. I. 184. ^ Kopitar, Kleinere Schriften. Wien 1857, 319.

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Kapitel XXIX.

• Di6 erste verlassliche Aufklarung liber die bulgarische Sprache erhielten die slawischen Sprachforscher durch deo Begrunder der neuserbischen Literatur, Vuk Stefanovid Kara' dzid. Auf Kopitar’s Ain-egung besprach er 1821 die Unterschiede des Serbischen uud Bulgarischen in einem an Dr. Frusimr6 noBott 6ojtr. jib t . ®) Was fur ein Geist den Mdnch Neofyt beseelto, siebt man aus eeinfji’ Vorrede zur bulg. Grammatik (Kragujevac 183&), wo er sagt, zuerst iiiiisse man Schulen habon und dann erst Kirchen und Klostor, •/uorst Schulbiicher und daim erst religiose Werke; sonst wurden die Leute nur mit den Augeu lesen und gar nichts verslchen.

D i e S c h u l e v o n G a b r o v o (1 83 6).

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des D. Mustakov in der serbischea Kegierungsdruckerei kostenfrei gedruckt (1835). Dazii ubersetzte Stojanovic eine Weltgeschichte aus dem Eussiscben (Ofcn 1836), Als alles vorbereitet und auch Karten und Erdgloben angescbafft waren, wurde die Schule am 2. Jtinner 1835 feierlich eroffaet, die erste europiiiscbe Volksschule in Bulgarien. Bald versammelten sich an 120 Schuler jeglichen Alters um Neofyt, der sie im Lesen und Schreiben, in der Arithmetik, Geographie, Geschichte, Religion und im Griechiscben unterricbtete. Aprilov wollte bei der Schule auch eine Druckerei mit kyrillischen und griechiscben Lettern errichten. Durch die Vermittlung des Fiirsteu Vogoridi, der bei Mahmud 11. in grosser Gunst stand, hoffte er dazu die Erlaubniss zu erhalten. Dieser Stephan (eigentlich Stojko) Voguridi, geboren 1790 zu Kotel, war ein Enkel Stojko Vladislavov’s, des nachmaligen Bischofs Sofronij. Ein Zogling der griechiscben Akademie zu Bukarest, trat er in die Dienste der Pforte, wurde Dragoman in Aegypten, Kaimakain in der Moldau, und nach der Pucifikation von Samos (Februar 1833) tributiirer Fiirst dieser Insel. Da er aber, verschiedene Staatsiimter verseheud, in Constantinopel lebte und die Insel durch Statthalter verwalten liess, waren die Samioten mit ihm nicht immer zufrieden. Seine Landsleute unterstiitzte er, besonders in der spiiteren Kirchenfrage, bis zu seinom Tode (1859) ]auf das Nachdriicklichste. Aber Aprilov’s Wunscb zu erfullen war er ausser , Stande, obgleich die Griechen auch im Binnenlande Druckereien besassen, wie in Melnik (Mskivixog) und friiber in Moschopolis. Aprilov (f 1848) hdrte nicht auf fiir seine Schule zu sorgen und hinterliess ihr sein ganzes Vermogen. '') Gleichzeitig begann das slawischo Element an eiuem anderen Orte in eine hellenische Schule eiuzudringen, und zwar in der Handelsstadt Svistov an der Donau, wo seit 1813 eine griechische Anstalt bestand. Um 1833 wurde die Schule utraquistisch. Ihr Lehrer OhristaJei oder Chrysani Favlovid aus Dupnica verfasste zum Gebrauch dieser „sIaveno-ellinischen“ Uohranstalt bulgarische Schulbiicher, die in Bclgrad gedruckt ^vurden. Als man 1836 aus dem Nachlasse des dortigen Kauf’) liber Vogoridi vgl. die Loiolieiirodti des Bischofs Ilariou in h ilg . Kni^ici 1859, Seite 615.

Kapitel XXXU.

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mannes ' Iv. Cli, Angelov eiiio rein bulgarische Scliule griiudete, wurde Cbristalci ihr Lehrer und fiihrte dort die BellLancaster’sche Methode nacli dem Gabrover Muster ein. In Svistov wirkte damals auch der Archimandrit Neofyt Bozveli aus Kotel, mit dem oben besprochenen Neofyt Rylski nicbt zu verwcchseln. Dieser nationale Agitator, auf den wir noch znruckkommen werden, verfasste mit Vaskidovic, einem Lebrer an der griechischcn Schule von Svistov, oine Scliulencyklo; pfidie in secbs Biindchen (Kragujevac 1835). Die dritte neubulgarischo Schule eroffnete im Novem­ ber 1837 Neofyt Rylski selbst in Koprivstica (S. 453), auf Binladung der Briider Calikoglu. Indessen blieb er dort nicbt hinge und kohrte in das Rylklostcr zuruck, ura auch dort eine Scliule einzuricbten und sein grosses bulgarischos Lexicon zu vollenden.' Er wurde Igumon seines Klostors und lebt dort noch heute als hochbetagter Greis. Seit dieser Zeit mehrten sich die Schulen unabliissig. Besonders waren es die alten Vojnikdorfer in den Hochtbiilern des Balkan und der Sredna Gora, die am eifrigsten fiiv die Ausbildung ibrer Jugend in der Miittersprache Sorge trugcn. Einige bosassen sobon fnilier alte Popenschulen; andere batten gricclusche Schulen, wo man griechiscbe Buclistaben schrcibeu und einige Phrasen in griechischer Sprache hersagen lernte. Bald verpflanzte sich die neue Bnwcgnng aus den Bergen in die grossen balb graecisirten Stiidte des Flachlandes, namentlich nach Sophia und Truovo. Im Laufe von sochs Jaliren karnen 13 bulgarische Sclinlen zu Stande®). Bucher erhielten die neuen Schulen aus Gabrovo und auch ibre Lehrer waren beinahe ausschliesslich Jiinglinge, die bei Neofyt in Gabrovo und Koprivstica sich eingeiibt hatten. Zur Ausbildiing von tiichtigen Lehvkrilften sandten patriotische Kaufleute juuge Bulgaren an das Lyceum von Odessa. Die turkiscbc Regierung, die damals eben im Stromo der Reformbcwegung sich befand, legte der ") Im K a lo fc r , auf

J. 1 8 3 7 : K a z a n ly k , K a r lo v o ,

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und

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fa n a r io t i-

543

Das neubulgnrische Schulwosen.

Griindung von Scliulen kein Hindernissin den Weg. Die Grioclien dagegen waren damit nichts weniger als zufrieden. Zelin Jabre nach der Griindung der Gabrover Schule (1845) gab es 53 bulgariscbe Volksscbulen, iind zwar in DonauBulgarien 31, in Tbrakien 18, im nordostlichen Makedouien 4.“) Mit den Scbulen wucbs auch die Zabl der Leser. In don vierziger Jabren weist die kaum 20 Jabre alte Literatur scbon Biicber auf, die 2000 Siibscribenten zahiten. Im J. 1844 begann die erste bulgariscbe Zeitscbrift zu erscbeinen. So war die Wiederbelebung des bulgariscbeii Volkes binnen eiuem Menscbenalter mit einer Rasobhoit vollzogeu, die Bewunderung verdient. Nocb am Anfange unseres Jahrhunderts konnte man zweifeln, ob die Bulgaren in Stande scion, sicb je wiedcr auizuraffen; vierzig Jabre spiiter feldte es nirgends an patriotischen Kuiifleuten, Lohrern und OoistlicLen; bulgariscbe Scbulen erstanden in alien Stiidten; und bulgariscbe Bucher wurdon in Tausenden von Exeniplaren selbst untor dem Landvolke gelesen. Nicbt mit 'Waffengewalt und Blutvergiessen, sondeim durcb Bucher und Scbulen war diese tiefgreifende Revolution in aller Stille bewirkt worden. Die nationalen Bestrebungen gewannen eino so grosse Macbt, dass os nicbt mebr moglicb war, dieselbeu einzudihnmon. Es zoigte sicb dies klar in dem darauf folgenden Kavnpfe der Bulgaren gegen die Fauarioteu, deii die Wicdorerwachung dos bulgurischen Kationalbewusstsoins mit unabiinderlicher Notbwendigkeit nacli sicb zog. Kein Bulgare war dariiber im Zweifel, dass, so lango der griecbische Clerus in alter Weiso das Land beberrsebt, Seiner Nation die Aussicht auf jede freie und naturgemiisse Entwickelung verscblossen sei.

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Kapitel XXXIII.

Der bulgarisclie Kirchenstreit. ifiirhische Beformen. Neofyt Bozveli und Metropolit Ilarion. Die bulgarische Kirchenfrage 1858 187^. Errichtung des Exarcliats. Revolutionsversuche. —

Die Wiederherstellung der alten Nationalkirche nach einem mehr als SOjiihrigen Kampfe ist das wichtigste Ereigniss der neubulgarischen Geschichte. Die unlangst noch unbekannten und vergessenen Bulgaren erlangten dadurch eine neue Bedeutung im Orieute, Es war kein Streit um Dograen, sondern ein Kampf um die Erhaltung der eigenen Nationalitat gegen die panhellenistischen Bestrebungen. Bevor aber eine solche Streitfrage iiberhaupt nur entstehen konute, musste die rechtliche Stellung der Rajah sich bedeutend vex’bessert baben. < Mit dem Frieden von A/irianopel (1829) beginnt eine Reilie von Versuchen, durch welche sich die europaisehen Regierungen bemuhten, den christlichen Unterthanen der Pforte eine menschlichere Existenz zu verschafFen. Sultan Mahmud I I . war ernstlich um die Civilisirung und noch mehr um die Centralisirung des Reiches bemuht. Auf der Reise, die er 1837 in die Donau- und Balkanlander untornahm, ermahnte er die Bchorden persbnlich, die Gleichberechtigung der Christen und Mohainmedaner zu acliten, und erwarb sich iiberhaupt grosse Sympathien bei der Rajah. Sein Sohn und Nachfolger, dor weit schwachere Abdul Medzid (1839-^1861), proClamirte auf Anrathen seines Ministers Resid am 2* No­ vember 1839 zur nicht geringeu Cberraschung Europa’s eine

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ncfoiDien und Itpvolufioiion 133ii —1S51.

Art Constitution, den UatUscherif von Giilhane, wclcher die Christen den Mohammedanern nahezu gloich stellt. Er versprach die Sicherheit dcs Lcbens, der Ehre und des Eigcnthums, die Aufliebung der ublicben Steuerverpacbtung (Iltizam), die Abschaffung der Monopole und vide andere, noch heute unerfiillte Reformen. AIs ein Fortschritt ist indessen die Errichtung von Provinzialrathen (Medzlis 1845) zu betrachten, wo neben Mohammedanern auch Vertreter der Christen sitzen, die freilich ihre Stimme in den raeisten Fiillen iiicht geltend machen diirfen, Welcher Art dicse hochgeriihmten Reformen in der That waren, zeigte sich bald an einigen Aufstiinden, die in WestBulgarien liings der serbischen Grenze ausbrachen. Einem aufmerksamen Beobachter kann es nicht entgehen, dass in der Turkei bewafifnete Erhobungen raeistens in den Orenzgebieten zum Ausbrucho koinmen, da die Bcwohner derselben sehen, wie ibre Nachbaren in Serbien, Montenegro oder Osterrcich gliicklich und sicher leben, und daher auch die tiirkische Misswirthscbaft am sdiwersten empfinden. Im J. 1841 haben die bulgarischen Landleute urn Nis, Pirot und Leskovec herum wegou der furohterlichen Erpressungen bei der Einhebung der centralisirten Steuern massenhaft zu den Waffen gegriffen. Sabri Pascha von Nis unterdriickte den Aufruhr mit Hiilfe albanesischer Baschibozuks, welche in den wehrlosen Boi’fern raubend, brennend und mordend so hiramelschreiende Grausamkeiten begingen, dass man selbst im Occidente darauf aufmerksam wurde.') Nur der Mangel an Feuerwaffen und die damalige nach der Vertreibung des Fursten Milos so zerruttcte Lage Serbiens verhinderte, dass dieser verzweifelte Aufstand nicht ^eitere Dimensionen nahm. Doch schon im Mai 1851 brach in Folge der Habsucht der Beamten, dor Spahi’s und des grieohischen Bischofs eine neue Revolution aus, die aus dom Borfe Rakovica bei Vidin ausging und binnen wcnigen Tagen die Kreiso von Vidin, Bolgi’adcik, Berkovica und Lorn in BeMregung braclite. Die Aufetiindischen warou ineist nur mit Keulon, Lauzen und Axtcn bewaffnet, da die sorbisohe Rogierung die E in e f r a n z b s iR c lie u Ilu lg iir ie . P a r is

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Kajntel XXXIII.

Grenze gewaltig hiitete unci weder Zuzug nocb Wafifen durcliliess, Nichts desto weniger unternahraen sie am 13. Juni einen Sturm auf das F ort Belgradcik, wurden aber von dessen Gescliiitzen mit blutigen Kopfen zuriickgewiesen. Nach grauenhaften Massacres bei G irci und Vlasinovci und nach furchtbaren Brandschatzungen wurde diese hoffnungslose Bewegung theils mit Waffengewalt, theils durch Versprechungen unterdriickt. Die bulgarische Rajah, durch die tiirkische Reformbewegung in ihren Hoffnungen auf eine bessere Zukunft bestiirkt, begann nun bulgarische Bischofe zu verlangen. Besonders ■' den Halldaut b ini Inhuite ein. — Grosse V crbreitung findet j e l / t die vom Uniilncr „Knizevno druzestvo" eingel'ulirto Orfliogrn]diie.

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Kapitol XXXIV.

A. Damianov mit Hiilfe amerikanischor Mi.‘^sioniire, nainentlich des Mr. E. Riggs, eine bulgarische Druckerei in Smyrna, wo sich eine Colonie bulgarischer Kaufleute befand. Dort gab seit April 1844 Konst. Fotinov aus Samokov, Professor an der Smymaer griechischen Schule, eine illustrirte Monatsschrift „Ljuboslovie“ heraus; er verfasste auch eine umfangreiche Geograpbie (1845). In Constantinopel beganncn 1843 der Serbe Konst. Ognjanovic, 1844 die Patriarchaldruckerei iind Tbaddaus Divician, ein Armenier, bulgarisch zu druckon.*) Ein Beleg fiir die rasche Entwickelung der Literatur bildet Ognjanovic’s bulgarischer Almanack (Paris, Didot 1845); bald erschienen auch Schauspiele, zuerst eine Komodie zu Kisinev 1873. Klex. Hadzi Russet veroffentlichte in Stx'assburg 1844 eine K arte der Bulgarenlander (4 Blatter). Einen gewaltigen Aufschwung nabm das Scbriftthum seit dem Ausbruch des Kirchenstreites. Eine literarische GesellBchaft wurde von Kaufleuten und Schi'iftstellern 1856 in Con­ stantinopel gegriindet (Bxlgarska narodna kniznina); in ihrer vorziiglichen Zeitschrift „Bilgarski knizici" gewann die Lite­ ratur zuerst einen Mittelpunkt. Dock diese Gesellschaft ging bald ein; erst 1869 gelang es einigen jiingeren Miinnern einen neuen Verein (Bilgarsko knizovno druzestvo) in Braila zu bilden. Patriotische Kaufleute zeicbneten dazu ein Kapital von 200.000 Francs. Pi’iisident wurde Professor Sekretjir jVasil D. Stojanov aus Zeravna (jetzt Professor in Bolgrad®), Das seit 1870 erscheinende „Periodicesko Spisanie" der Gesell­ schaft, auf welches wir in diesem Werke hiiufig hinzuweisen Gelegenheit batten, enthalt viele werthvolle historische und philologische Abhandlungen. Der popnlftrste und geistreichste aller bulgarischen Sclu-iftsteller ist jetzt Fetho R. Slaoejkov aus Trevna (geb. ura 1825), eiix vollkommener Autodidakt. Sein Leben ist eine wabre Odyssoo. Seit 1857 lobt er in Constantinopel als Jour­ nalist. Seine erotischen und satyiiscben Gedichte und Fabeln (1852), nach dem Muster der Volkslieder verfasst, fanden ungetheilten Beifall und warden von der Jugend iiberall goSiehe Ilibliograpbia 343, 370, 484. ,®) Stojanov hat in Prag studirt und bier in biibm. Zeitschriften vieles liber eoin Vaterland geschrioben. — Sektetilr ist jotzt T. Pejov.

XiiterariHcho Vereine.

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sungon. Seine limnoristisclien Zeitschriften und Kalender. wo er die Fanarioten init der scbiirfsten Satyre geissolt, sind iiberall in Stadt und Dorf wohl bekannt. Slavejkov publicirte auch wissenschaftliche Aufsiitze, Sarnmlungen von Volksliedern und Spricbwortern, Bescbreibungen von Volkssitten, werthvoUe pbilologische, historische und geographische Abhandlungen, die sich insgesammt auch durch einen reinen Styl auszeichnen. Auch fiir die Schule schrieb er, wie fast alle neubulgarischeu Schriftsteller. Slavejkov konnte der bulgariscbe Vuk werden; loider war es ihm bisher nicht vergbnnt, mit einem grosseren selbststtodigen Werke aufzutreten; seine Arbeiten sind fast sfimmtlich in Zeitschriften zevstreut. In den letzten Jahreh arbeitet er an einer vielbandigen Geographie Bulgariens, das Niemand so genau kennt, wio er. Als Dichtcr ist neben Slavejkov zuerst Nqjdenuv Gtrrov aus Koprivstica, ein Jiinger des Kyler Neofyt, zu nennen. Er studirte in Odessa, war dann Lehrer in Philippopolis und wirkt dort jetzt als russischer Consul.®) Ein Poet ist auch Xcmfon (Oder Rajko) 1. Siinzifov aus Veles (geb. 1830), der in Moskau studirte, jetzt Professor des Griechischon am dortigen Nikolajever Lyceum. Seine „ Novobllgarska sbirka “ (Moskau 1863) urafasst neben originellen Gedichten tjbersetzungen des altrussiscben Epos Igor, der Koniginhofer und Griinberger Handschrift und einiger Liedcr des Kleinrussen Sevcenko, siimmtlich in niakedonisoher Mundart. Grossen Floiss verwenden die Bulgaren aiif die Pflege ihi’er Volkspoesie, auf dereu Worth sie zuerst Venolin aufmerksam gemacht hatte.'®) Von den Sammlern sind die Briider ®) Aucb Gerov arboitot an einer Saminlung des bulg. Wortschatzos. Dio drei erslen Buchstaben seines Le.xicons erscbienen als Probe ni Moskau 1858. '*) Vuk (8. oben). Bogo.jcv J>,Ti.ir. nap. ntnm. Pest iSia. GrigoroVii

in Agramcr Kolo IV. (18.17). Uerov’s und Palnuzov’s Sammlaug in Sroznovski’s naMaTiiiiKii (St. Ptbg. 1852). P. Bezsonov lio.ir. li'J-i'iiii. Moskau 1855

(2 Bde., hauptskehlich Vonolin’s ISainmluiig). Vorkovic ilCi'li uecMe MaaeByrapa. Belgrad IdCO. K. unJ ]). .MilndiiKU lial.irap. nap. ntciin. Agram 1801. Karavelov JIaM. nap. fiuTa l>g. Knizici 1858, von Konstantin einige Aufsiitze in Bratski Trud. 12) Die Authenticitiit der bulgariscttcn Veda’s, deren sich der gclehrte Pole Alex. Chodiko, Professor in Paris, mit besondoror Wiirme .anuimmt, bat zuorst Professor Louis Logor in Zweifel gezopfoii; in slawischen Kreisen, wo diese Poesien iiberhaupt wenig Ucachtung fanden, bat Jos. .Tirecek in der Sitzung der. k, biibm. Gesellscbaft der WissenscLaften am 17. December 1874 zuerst auf diese Mystification aufraerksam gemacht. Es scheint, dass iiber diese Angelegenhoit unnotbiger Woise eirle ganze Literatur entsteben werde. Unsere Meinung ist in Kiirze folgonde. Dass in dcr Rhodope, die von Melnik bis L'6i>ina und Dimotika durcb so vielo Feldziige der Byzantiner, IJulgaren, Serlmn und Tiirken unaufhdrlich orschiittert wurdo, im Volkagediiebtnisse so alto Epen sicb crhaltcn hiitten, muss a iiriori begriiiideten Zweifel erregen. Ausserdeni ist die Rhodope allzu gut bekaunt, aU dass so merkwurdigo und nngeblioh so vorbreitete Lieder unbekannt hiitten bleibeii konnen; Neofyt Rylski ist selbst aus dcr Rhodope und auch Zachariev war dieses Gebirge uud doH-iOu IJowobncr, nameutlich die Muhainmcdaaer, sebr gut bokannt, und koiiicr von bciden, nocb auch irgend oiii auderer Rulgare, nrwiibnt ahnlicher fjosilnpe aus diesor Gegond auch nur mit einem Wortc. Dio Mythologie dor Veda-Lieder weist sonst unorhorte Gottor wio eiuen Vi.snu, ja eliien Kolcda (sielie S. 70) auf. Ein motrisches Gefiige gobt dieseu „Liedern“ vollkomnien ah; in hunter Uiiordnung wechscln du Ssylbige Zeilon mit 0, 12, 10, ja 1.5sylbigcn ab. Maleriscbo Epifheta, znhlloso tautologischo tknnbinationen (darba duri, lova lo\i), Versliirkungen von Verberi (lurch oin uuohfolgeiulos anderns derselbrn

Bulgarischc Bellctrisfen.

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Der besto Novellist ist der aus doin politischcn Leben bekannte Ljuhcn Karavrlov aus Koprivstica. Er studirto in Moskau, wo er (J861) oinen Band Volkslieder berausgab, lebte danu unter den Serben, bis er sicb 1868 in Bukarest niederliess. Ausser zabb’eicheu Novellen, versuclite er sich aucb in der lyriscben und dramatischen Dichtkuiist; er scbrieb aucb serbisch und russisch. Vasil Drumeo, seit 1874 als Bischof Kliment gcnannt, Suffragan dcs Metropoliten von RusiJuk, verfasste einen Roman aus der lu ’dzalijenzeit „Die ungliickliclie Fami]ic“ und eiu gelungenes Drama „Ivanko, der Mordcr Asen’s.'* Das erste Originalscbauspiel, die Kombdie „MichacI“, scbrieb der Lehrer Sava H. Dohroplodni. Den ersten Versuch, das bulgarischc Drama auf die Biibne zu bringen, maclite vor 10 Jahren der verdienstvolle Lebrer Dohrjo Popov VoJuUov in Sumen, Verfasser einer Eeihe von Scbauspielen. Eine Kombdie nDer Bischof von Lovec“ publicirte 1863 der Bolgrader Professor Thcodosij Ikonomov aus Svistov. Seit 1870 erscbeinen unaus* gesotzt Origiiialdraraen von Blskov, Fingov, Siskov, Starc(>v, Sismanov, Velickov, Vladykin u. s. w. Als tibersetzer aus Fenelon, Bulwer, Scribe u. s. w. bat sich Nikola Miehajlovski aus Jolena (studirte in Moskau), jetzt Beamier im turkischen Unterriclitsministerium bewiihrt; er gilt als dor besto btilgarische Stylist. Von iilteren Ubersetzcrn ist I’h. Dr. Mufjev aus Kalofer, Director dos Bol­ grader Gymnasiums (f 1864J, und seine Schwester //rlena zu nennen. In don letzten fiinf Jahren iibersetzten jiingero Schriftsteller Voltaire's Merojjc, einige Stuck(> von Molibre, V. Hugo's Lucrezia Borgia, Lessing’s Emilia Galotti, Verne’s Ileisoum dio Bedoutuiig (vcli ot^^orovi, zajebilo zatroSielo) and liiiufigc Ainvcudung dor Pallilogio OViedorlioluiig dc.«‘ieIbon Wortos zu Ende eiiier Vorazeilo und zu Anfang der naebfolgemlen): das igl Alloc, was der unbekaiiiito Oiolitor doii wirklicbon Volksliedem abgelauscbt hat. Aus deiusolboii dnimlo mufiscii uuob dio uiimotriscbeii i,iod,!i’ Veikovic’s iu Dozon’s .Snmmluiig 12n, 1Z8, 134, 1.35 u. M. \v. nls uiicolit bozciuhiiot wordoti. Alloni .\nscbeine iincli ist Verkovid soll)at an der KiilBcliung un«oliuliliK; nuch dor Schilderuug dcs Ilcrru Pozon, oiucs Vcrtlieidigorg dor Vodu (Premier Uai>]iurl 8ur uno Mission littoraire en Maeodnine. AreUiveg des Missiuns dos frnnz. Unterricbtsministeriunis 187-1) diirfto der ohcmaligo I.ohrer von Krusovo, welcbor dio „Veda’s“ um tlieuercH Uold dom Vorlcovic verficJ)nfl'le, AufsoblusR (lariiber gebeii kouin'ii.

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Kapitel XXXIV.

Welt lind dgl. mchr. Nr.So Boniov aus' PanaRjuriste (geb. 18S9j, Professor des Griechischen in Moskau, ein ausgezeichneter Stylist, ubersetzte Schiller’s Riiuber und Gogol’s Taras Bulba; er ist der Hauptvertreter der literarischen Kritik, deren das jungc biilgarische Schrifttlium gar sehr bedarf. Zur wissenscbaftlichen Lit.eratur iibergehend raiissen wir vor Allem Georg Stojkov EakovsJci aus Kotel (1818—1868) nennen. E r studirte in Constantinopel, Athen, Paris und lebte als ein unaiisgesetzt verfolgter Agitator und Journalist in der Walaqhei, in Serbian, Osterreich oder Russland, ja einmal war er sogar Hajduk am Balkap. Sehr beliebt ist sein Hajduken'epos „Der Pilger der Berge“ (Gorskij Piitnik 1857). In seinen wissenscbaftlichen Werken, in der Beschreibung des bulgarischea Volkslebens (Pokazalec ili rtkovodstvo 1859), in seinera „Asen I. und II. “ (Belgrad 1859) und in den „Bulgarischen Altei’thumern" (Bukarest 1859), findet man unter dem Wust planlos zusammengetragener Materialien auch viel Werthvolles; Phantasie und ein iiberspannter Patriotismus behielten bei ihm leider stets die Oberhand. Seine Spracbe war halb altslovenisch. Gahricl KrstjoviS aus Kotel, ein Zoghng der Pariser Schulen, frilber Vogoridi’s Kainiakam auf Samos, jetzt Mitglied des obersten Geriebtshofes in Constantinopel, arbeitet seit 1837 durcb historisebe, philologische, politische und populiire Aufsiltze fiir die Aufltlarung seines Volkes; in Wort ^ und Schrift war er einer der Hauptkampfer fiir die Nationalkircbe. Seine bulgarische •Gcschichte (I. Const. 1871) begann er ungliicklicher Weise damit, dass er die Hunnen zu Vorfahren der Bulgaren erkliirte. Der russisebe Staatsrath SjiirhloH N. Palauzov (f 1871),'S o h n des Mitbegriinders der Gabrover Scbule, hatte in Bonn und Miiucben studirt; seine bistorisebeu Arbeiten uber Bulgarien sind racist in russischer Spracbe verfasst. Sehr ^Yertbvoll ist die von uns oft citirte Monographic iiber Tatar-Pazardzik von Stephan Zcichariev (t 1871, S. 56). Der bedeutendste Gelehrte der Bulgaren ist Marin S. Drinov. Geboren 1838 zu Panagjuriste, studirte er in Moskau, lebte als* Erzielier in einer russischen Adelsfamilie sieben Jahre im Occidente und wirkt seit 1871 als Professor der Slawistik an der

VVissenschaft.liche hiterjitur.

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Universitiit zii Clmrkov. Seine bulgarischo Kircheiigeschidite, seine Urgeschichte der Bulgaron (1869), so wie seine „Colonisation der Balkanhalbinsel durch die Sla\ven“ (1871), siud in nnserem Buche oft erwiihnt worden. Zahheiche historiscbo und philologische Abhandhmgen veroffentlichte er in den Pu* blicationen der Brailaer Gosellscbaft. Scbarfsinnige Quelleuki-itik und unbefangene Auffassung, verbunden mit Grumllichkeit und Klai'beit, kennzeichnen seine Arbeiten. Ein eigenthumlicli originelles Buck sind die Mcmoiren des Hajdukenvojvoden Pamjot Hitov (Bukarest 1872). Verfasst von einem Manne, der erst in hoberem Alter schreiben gelernt hat, bieten sie eine fast romanhafte Schilderung eigener und fremder Abenteuer '*). An philologischen Schriften leiden die Bulgaren keinen Mangel, doch steht der Werth derselben ira MissverbiiUniRs zu deren Anzabl. Ausser den schon genannten Pbilologen sind noch JDragan Caniov aus Svistov, der 1852 unter Leituug des Prof. Miklosich eine bulgarische Grammatik in deutseher Sprache herausgab, J. Grujev, Ivan N. Momiihv und der friihverstorbene Nikola Prvanov aus Lom (f 1872), ein Scbulor des serbischen Pbilologen Danicic, hervorzulieben. Alle Zweige der schriftstellerischen Produktion umfasst die Thiitigkeit des MDr. Ivan A . Bogorov aus Philippopolis, der seit 1842 Zeitschriften, Volkslioder, Gcographien, Roisobescbreibungen, Graininatiken u. s. w. publicirt. Zn nennen ist sein gutes franzosisch-bulgariscbes (2. Ausg. 1872) und aoin werthloses bulgariscb-franzdsisches Worterbuch. Die populdre und die Schulliteratur, meist Dbersotzungon aus dem Franzosiscben, Englischen und Ilussischcn, ist sehr umfaugreicb. Das Hauptvordienst haben hier die Bucbbiindler Christo G. Banov, der unter Anderem aucb eine grosse Karte der Tiirkei herausgab (186.‘1, 4 Bl.) und B. V. 3fnnh‘V, dann die Lehrer Grujev, SiSkov, Radulov, Dr. Stojanov-Buron u. A. Uber kirchlicbo Saohon ficliriebcn die Bischofe Nathanael Stojanovic von Ochrida und Grigorij Nemcov von Kiis^uk. Audi die amerikanischen Mission/ire veranlassten eine neubulgurisehe Obersetzung dor Bibel und betroibcn solbst bulgarische Sdirift1(1'j

Siohe S. 552.

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Kapitel XXXIV.

stellerei; G. F . M orse verfasste eine Grammatik und ein bulgarisch-englisches Lexicon. Die bulgarische Journalistik begriindete Fotinov durcb sein Ljahoslovie (Smyrna 1844— 1846). Eine politischo Zoitschrift Bitlgarshy] Orel (spiiter Bitlg. naroden izvestnik) beganu 1846 Bogorov in Leipzig berauszugeben; 1849 griindete er in Constantinopel den Oarigradskyj Vestnik^ der sicb unter Exarcbov’s Lcitung bis 1861 hielt. Seit dera Ausbrucb der Kirchenfrage gewann die Journalistik eine grosse Macht. In Constantinopel selbst arbeiteten Cankov, T. Stojanov-Bunnov, Michajlovski, Najdenov und Slavejkov, wiihrend die Emigrauten in Bukarest, vor Allem .Rakorski und Karavelov, in ihren Blilt{ern nicht nur die Fanarioten, sondern aucb die Tiirken bekiimpl'ten. Heuer (1875) baben die Bulgaren 14 ^eitsebriften. In Constantinopel ersebeinen 4 grosse Zeitungen, Najdenov’s Napredldt^ des Englanders Henly Istocno Vreme, Balabanov’s Vek^ ferner die belletristische Monatssebrift 6 itali§te (seit 1870; Red. Cankov) und der tbeologische V^skresnik. In Bukarest wird das politische Znam e, das belletristische Znanie, der landwirthscbaftliche S tu pan und das piidagogische UoiliSte, in Braila *'•) A) Conatantinopol B'tlgarski Kninci 1858—Cl ( Hed. Mutjov, Bogorov, Kratjovic, Stojanov-Burmov), B%lgaria 1850—Cl (Red. Cankov), Michajlovski’s Si/vetnik 18G3—5, Burmov’s Vremja 18G5—6, Najdenov’a Prato 1867—1872. Slavejkov redigirte die huraoristischen Bliittcr Pccliea 1861, Gajda 18G3—5, Sutos 1873 und das politische Wochenblatt Makedonia 1867—72. Organ der amerikanischen Missioniire war die Zoniica 1864—71; ein Amtsblatt war Turcia *1864—75, B) Ausland: Eine Monats­ sebrift Miroereuie gab mit Unterstiitzung des Ministers Bacli der-Abenfourer Dobrovic in Wien 1850—1 heraus, mit ungewilbnlicher Ortliogriiiihio; oino Fortsetzung publicirte er in Bukarest, Mirozrenic ili B%lg. InvuHd 1870 -1. Rakovski’s Bliitter: B%l(j. Bnevmca'iiema.H 1857, fraiiz.bulg. Dmmvski Lchcd Bclgrad 1860—2, rum, bulg. B%d%Stnost Bukarest 1SG4. Andric’s V'Lstok Belgrad 18G5. In Bukarest; Naroduoat ISCC—9, Svol/oda 1870—2, Nezaiiaimost 1878-^4, rum.-bulg. OUiestvo 18C0—71 (conservutiv); bumoristiseb 18G9—70, Bndilnilc 1673. In Brnila: Vaklidov’s Bldg. Pdcla 1878—4 und Vojnikov’s JDtenavska Zora 18G6—ft. Wissenscbaftlicli und belletristiscb: Bralski Trud 18G0—2 in Moskau, Ikonomov’s vorztigliclie Monatsschrift Ohiit Trud 1868 in Bclgrad, Bogorov’s Journal 1801 in Belgrad und Knigovi^te 1874 in Wien, Zaprjanov’e Zornica 18i>e Uber diese Stiimme achrieben Safarik (III. 72), Grigorovie und Vorkovid (Kap. I. Anra. 39).

In dem ganzen Bulgarengebiet sind Niederlassungen zwdlf anderer Volkerschaften versprengt. Griechen (bulg. Gurci) wohnen in Melnik, in Philippopolis (bulg. Plovdiv), in Staniniaka und den drei benacbbarten Ddrfern Ampolo, Vodina, Kuklen, in Adrianopel (bulg. Odrin) und einigen nahcn Ortschaften. Am Pontus findet man sie in Sozopolis, Burgas, Auchialos, Mesembria, Varna, obgleicb auch bier (z. B. in Varna und Burgas) Bulgnrengomeinden besteboii, dnnn in ungefiibr 20 Kiistendorferu (Snnditak vou Varna 3421 Mftnnor); isolirl ist das Griochendorf Alibeikoi boi 'Puli' (Sand^ak von Tulca 217 M.). Griecbiscbon Uraprungs sind wahrscheinlicb die Gagatiscn, Christen, die gleich den kleinasiatiscbon Kartmanlii und den Baearjuue am Azowischon Meere das Turkischo als Mutlerspraohu spi'ecbon, nur dnss sie es mit griechischen Bucbstaben sohreiben. Sic wohnen am Cap Emine, in Varna und alien Ilafenplatzen der Dobrudita und versprengt aucb iu Bessarabien, Die sMlichen Rumunen (AVlachen, (Jincaren etc., S. 113, 217), an 200.000 Seelen, bewohnen vorziiglioh den Pindua bis zum Devol. Unter Bulgaren sind ihre Ausiedelungen am Peristeri, in den Stfldten At lachoKHsura und Krusovo (S, 469), in Moglena, bei Prilep (1 Pcrf), bei Kunianovo und am Pornar (I’lingnios). Kleinove 'Wlaobongomeinden sind in Bitol, Prilcp (150 M.), Voles, Kieevo, Nevrokop, Po-slora (S, 468), T. Pnzardiik, Philippopolis u. s. w. Wlachisohe llirton, Jiurnkafani gonanul, bringen den Winter am Aegaeiachen Moere, don Sommer auf bolion Bergen wandevnd zu, wobei sie mituntcr bis in den Tro.jan-Balkan golangcu. Bisher hielten die „Vlnsi“ die I’artoi dor Griechen mid gi'Aoisirton sich stark; jetzt brack auch bei ibnen cine imtifanariotibche I'uiliu-

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NacLburen der Bulgarcu.

nische Nationalbewegung los, nameiitlich in Wlaclio-Klisura, in Jlagarovo (am Peristeri) uud am Pindus. Von den niirdlichen liumuncn beutehou am recliton Uonauufer starko Colonien bei Vidin (14.690 M. in 26 Di>rfoi*n, tboilweise Uniaten) und in der Dobrudza (15.512 M.), schwacbere bei Orcchovo und Nikoj>ol. Im Dunavilajet zahlt man ihrer im Ganzen 30.702 M. lias auf vielcn Karten angedeutete dichte Kumunengebiet bei Vraca i»t nacb Slavejkov und Kanitz eine Fabel. Dagegen gibt es in Serbien 127.326 Rumunen (Rad. XI. 249). Die Albancsen (bulg. Arbanasi, tiirk. Arnaut) grenzen an das Rulgarengebiet von Prokopje bis Devol. Einzelne Dnrfer gibt es am rechten Moravaufer (Mazurica), am Karadagh, am Sar, um Krusovo, in Debxrca (S. 49) u. 8. w., dann Arnautkdi bei Razgrad (S. 458). Malko und GoIpmo Arbanesa im Rhodope sind'jelzt bulgarisch. Die Zahl der Albanesen in der Turkei schatzt man auf 1,300.000. Tiirlcen (Osmanli) fohlon in keiuor Festuug oder grosserou Stadt. Ihr Hauptgebiet ist die sudliche Dobrudia von Razgrad uud Sumen bis an’s Meer; es wird jedoch auf den bisberigen otbnographiBcbou Karten zu gross angeschlagen, da sieh um Sumen und J’rovad, in Eski-Dzuma und im Kiistengebiete bei Varna, Balcik, Mangalia und Kiistondze in nicht geringcr Anzahl Bulgaren vorfinden. Zablreicbe Tiirkcndorfer sind in Tozluk und Gerlovo (ti. 477), in Ost-Thrakien, iim Tatar Pazardzik, an der mittleren Struma. Juruken wohnen in Mogleua, bei Salouik und in der Kiistenebeno siidlicb dor Rhodope Konjaren am Ostrovo-Soe. Dio Zabl der Tiirken wird in der Regel dadurcb masslos vergrossert, dass man zu ihnen die Mobammedanorn iiberhaupt, suniit aucb mobammedaniscbu Bulgaren, Bosnior (Serben), Albane«en, Tatai’en und Tscberkcssen hinzuscblagt; eigentlicbe Tiirken gibt es (Constantiuopel miteingcrecbnet) nicbt mehr als ungefabr 1 Million. Titlarcn (iiber 60.000) baben sicb im vorigen Jahrbuudcrt in dor nordliclKbi Dobrudza, im letzton Decennium in 20 Dorforn bei Kikopolis und in 18 bei Vidiu niedcrgo]assen,.wo sie jetzt haufig schon bulgarisch sicb kloiden und bulgarisch sprecberi. Sie sind meist Ackerbauer und Gartner. Tsckcrkesseii (an 150.000 Seelen) hausen an der Donau, am Balkan, an der sorbiscben Grenze und in Ost-Thrakien; im Dunavilajet ohno die Sand2ak’s von Mis, Trnovo und Sophia 30.573 M.' Zigi'Hucr (S. 477), tbeils Nomaden, tbeils Dorfbewohner, vermisst man in keinor Ijundschaft. Im Dunavilajet 7559 Christen, 24.835 Mob. (Manner), im Sandznk von Philippopolis 10.564 M., in dor ganzen Kur. TUrkei an 140.000 Seelen. In den Stiidten bestoben oft armcnieche und jiidische Gemoindon. Annenifr, die sicb meist der turkischen Sprachc bedienen, aber dicselbe mit armenischen Buebstaben achreiben, wobnen in Tulca, Ruseuk, Varna, Burgas, Sliven, Philippopolis, Tatar Pazard:tik u. s. w. (Dunavilajet 4684 M., Phiflppopolis 571 M.). Juden (meist spaniscLc) baben JSiederlassungen in TuJca, Ru^cuk, Lora, Vidin, Vraca, Pirot, Kis, Sophia, Samokov, Kos-

lioviilkeruiifrsvorhilltnisse.

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♦ondil, T. Pnziirdzik, PbilippopoliS) danibol u, s. w., in Makodonion bloss ill JSalonik uiid Ditol. rbiiiniilnjot 5785 M. (Saiidzak von Sophia lf374), SaiidiSnk von Pbilipjiopolis 1416 M., in der Eur. Tiii’koi 96.000 Kiipfo. Uubedeutcnd .sind die Ansiodelungon der Scrl‘cn (Uratjevao am unforeii Tiiiiok und einige Orte bei Ni»), dur liitsseii (Altglftubige) an den l>oii!iumundimgon (1330 Iliiuser. Slavjanskij Sbornik. St. Pcternbarg 1875, OJO) und der DeiitscJien bei Tulua (GOO KOjd'e in 4 Dorl'era; Peter*, Oasit. Ilevuc 18CG, XII. 234). Bei Ochrida uiid Bitol gibt os keiiie Serbencolonien, obwobi sie dort an maiteheu Karten veivciclmot worden. Die i!cthl der Bnlgarcn wird unterscliiedlieh ungegoben, von 2 bi* 7 Mill.: Venelin (1888) 2,545.000, Hone 4,500.000, Snfarik (1842) 3,587.(W0, die Tiirken (1844) 4,000.000, Jaksie (1874) niir 2,ooo.(MM», Itogorov (1851) 5,500.000, Grujov, Bradaika, Kanitz iiber 6,000.000, Budilovic 5,12.3.952, eiiiige biilg. Berichte b',G2o.000, auoh voile 7 Mill. In der Tiirkei zilhlen dio Behordon uur die envacbseneu Manner, die Bisclnife nur die Ehepaare (veneilo, Ebepaar, keiueswegs Familiengenosseiisebaft, S. 97). Beido iSublungeu sind aus vielcn Griindeu nicbt gaiiz verlas.slicb und in Ost. Tbrakien und in Makedouieu lassun siu uus last giuiz im Stiofao. OOiziello Duten t'iir das DunaviUijtt (1874) bietet .lanko Kovaeov’s Lotostruj (Kaluudcr) liir 187(1, S. 1!)8; .SandZak Tulia 12720, Kiiseuk 114.792, Varna 21.359, Trnovo 148.713, Vidiii 121.270, .Sojibia 170.920, Eis (nacb BeLm’s Geogr. Jubrbucb III. Gotha 1870, S. 45) 100.025, alsu 699.408 Bulgai'cn (Manner obue Frauen uml Kinder beideii GeseblccbtoH). Dio Ej)arcbien zitbleu (nacb bulg. Zoi(uugeu): Busciik-Silistna 21.038 Ebejiaare (Kreiso 1874; Biiscuk 0790, Bazgrad 5315, Tutrakan 671, . Silistria 4082, Tulea .3080), fiuiuen 12.000, Trnovo 05 000, Lover 22.163, Vraca 28.000, Vidin (1874) 24.357, .Sophia 20.885, Sainokov 17.4.50, Kitsteudil 22.500, Pivot 10.000, 27.500, also im Dimavilajol 285.803 Ebopaare. Dabei ist zu boiuerkcu. dass dio kiroblieben uml polilisebvn Grenzen nicbt liboreinstimmon. So uuil'u.sst z. B. dio Epnrebie von Trnovo auch die beiden Zagora’s in Tbrakien. Im Ailrianophr Vilajet ist der Sand2uk von Phili]ijn>polis von Griyev, Letostriij 1870 uml 1872 besebriebea: Kaza (Kn isl K'n/onlyk 11.728 M. (5299 Ebepaare). Zolezuik oder Eski-Zagora 10.111 (9200), Cbaskiii 18.361 (0644), Cirpan 14.232 (5397), Pbilippopolis 03.763 aanmit Griecbcu (22.813 bulg. Ebei»aare), Tatar-Pazardzik 11.531 (11.960), Sultaujeri 102, Aehyr Celobi 4517 (1650, im Ganzon 62.963 Eboimaro und 170.346 M., von deueu.jcdocb einige Tausend Grioebon in Philijipopolis (das solbst 1480 bulg. Eheimare bat) und Stauimaka in Abseblag zu bringen B i n d . Ejiarcbio von Sliven 12.000 Ebepaaro, vou Adriniioi'ei 280 bulg. Dorf'er, Sandzak von (Jailipoli (Behm und Wagner, Beviilkerung der Erde. Gotha 1874, 32) 10.009 M. Bulg., t'onstautino))el Ober 40.000 Buignreu. Aus Mahcdomcn (Vilajet von Bitol und .Salonik) bositze icb nur folgeudo Angabon: Kaza Prilep 18.981 M. Bulg. (.Sui>karev, t'ituliate 1873). Nevrokop 6163 cbristl. Ililunor (Dozon), Epurebio Volos 0415 Eliej'aaro, Kaza Ochrida 11.500 Manner obue Greisc und Knaben (llabu, Vardarreiso 136). . l i i v v ' J t , (i(>bcji, d,’i llutKiirui).

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ZaLl der Rulgaron.

AuijtLT doiu Osiiiaueiii'citihe: lUmlaiid !>7.032 (Rudilovie), Umjnni 26.000 (Ficker), Kumunisch Bessaralien an 50.000, das iibrige Romauien ail 100.000. tn»er die Bulgaren in Scrliicu gitit. os keiim Baton. Was Glaubensbckenutniss botrilVt, so wobiieii mohammedanischc lJulgavcn (Pomaci) um Lovec und I’lovcn (an lOO.OOO M.), in dor gaiizeu Rhodoiio (tsultanjei'i 10.303 M., Achyr Celebi 0821 M., Nevrokop C614 II.), bei Salonik, liiiigs dos Vardar, in Moglena, I’rcspa und Ober-Dibra, wobl an 500.000 Soolon. Tiirkisch verstohen nur wenigo von Ibuen. Katholisch (34.000) sind die lianatcr Bulgaren und an 8000 fll’aulikiancr" in I’hilippopolis (400 Fam.) und in 6 umliegenden Borfern. Uniaten gibt es in Adrianopel und Unigebung, seit 1874 bei Salonik (Kukus, Vardar-Jenidze), und bei Svistov (S. 465). Bio Zahl sammtlicher Bulgaren aller Glaubensbekeuntnisse und in alien Gebicten schatze ich auf 6,500.000. Eine genauere Schiitzung geatallet das vorhandone Material niebt.

R E G IS T E R .) Apokiyplicn 435, 464. A ch illeus St., InsclldoBter 47, 102, Aprilov 5.39 tl’., 564. 208. Arbanasi, Stadt (Arranitochori) 257, Adaniiten 311. 458, 471, 492. Adrianopol (Odrin) lOG, 140, 167, ICO, 187, 104, 230 ff. 251 , 301, Arcar 5, 7, 36, 66, 106, 312, 397. Areudarenkc.) 5.1.4. 321, 325, 357 ft'. 389, 417, 461, 485. Ari/vanica 21; -ovci 575. Ai’jane 575. Aitos 12, 298, 302, 326, 341, 377, Armenior 172. 174, 187, 191, 1,97, 485, 529. 204. 212, 222, 576. Akamir 121, A r n a u t k o i l/ci ilii/ y r n d 159. 5 2 5 (s. Akropolita 264, 271, 274, 389. A rl)an aH i|. Alagator 406. Aron 189, 197, 204. Albaneson 29, 57, 67, 216, 250, 273, 299, 367, 868, 450, 477, 576. Asan Alex. 334. Asen (384) Joanuea I. 225, JonuAllinnioii 215. nob II. 243, 248, 378 fl' HI. 277, A lbigonser 212. IV. 320, 323, Jlichaol 264, Sas, Alexander, Jonniios Cur 298—324, Michael II. 299. 320, 323, 3.99. 383 S'.; Sevaetokrator 243, 386; \sj)aruch s. Isporioh, Siamau’s Solin 350, 362; ton VaAthos 23, 223, 258, 287, 311, 344, lona 319, 368; I'urst, der Wala397, 514, 618. 547. chei 327; der Grosse 430. Avilochol 127. Alexandria 530. Avratalan 453. Alu.sian 204. Babadngli 380, 457, 461. Alviuc 463. Rabima 27, 213. Ainsell'eld 34, 343. Uabuni 176, 575. Ancliialos 140, 141, 2l8, 225, 228, 242, 272, 286, 298, 324, 325, 363, llajan 142. 367, 377, 521, 520, 650. bagrenica 383. Anna carioa 290—208. Han 38(;. Antliim, Vojvodo 204; von Severin Bandiu 4115. 327; Exarch 560. BaMirab.i 290, 290. Anten 82, 86, 118. Babclikoi Hiobo Zcravna. *) Entbalt die wichtigetcn Orfs- uiid re)'soiiennumcii aua di'n rein bistoriscben Kaidleln.

580 Batbory Sigmund 470. Bdyn (Vidin) lOG, 194, 202, 229, 237, 271, 282, 288, 290, 293, 301, 312, 320, 324, 327, 353, 354, 366, 366. 878, 392, 395, 397, 399. bcglerbeg 322, 449. Belagerungsm aschincn 101, 417. B61asica 22, 195. Bolaur 295, 299, 381. Belgrad 160, 167, 190, 202, 232, 251, 356, 376, 378, 461, 552. Beigradoik 8, 546. Beljovo 39, 59, 322, 452. Herat (Ui-lgrad) 191, 199, 270, 280, '

300. Berogava 118, 129, 141. Bergwcrke 400, 463. Bcrrhoca (Ber in Makedonien) 202, 319, 330; (in Thrakien) 228, 244, 2C6, 378. Borkovica 463. Bcrovic 535, 5G4. Berzetae 119. Bessarabion 526, 530, 533. Bossen 58, 63, 04, 69, 111. Bescnovo 472. Uozmer 128. B itol 196, 202, 499. Bodiu 207. Bogdan 319, 334, 360. Bogom il, Joremias 175, 437.” Bogom ili 174, 191, 197, 209, 222, 244, 258, 260, 281, 311, 867, 373, 396, 402, 435, 464. Bojan 170. Ibjjanu 197, 427, 443.

brodnina 411. Drsjaci 119, 143, 576. Huchdrurkcri'icn 451, 4.58, 461, 467, 510, 541, 565, 573. Huligrad 198. Bylazora 70. Cakoncn 124. Catnlilak 446. car 168, 381. Carevcc 253. CSpina 20, 264, 266, 302, 322, 455Coi’ig 143. CblSrin 44, 299. ' cbora 404.

Chotovo 204. 194, 209,

O irabr 433. Cliranislav 286. Chrelja 301. Christopolis 334. Chn.sovo (Hirsova) 102, 363. Chtotovo 43. Cincarcn s. WJachen. 6 amorlu 360. Cernik 202. Cicagov 525Ciprovec 400, 463 fl’.

Coki Chan 282 IV.

212, 327,

Bolgrad 534, 666 fl’. Boljar'm 133, 37l, soi^ 4(54. Boril Car 243. Bori« I. 150, II. 186. Byrujalca cbora 378. bougro 213. Braila 529, 530, 566. Braniccvo 119, 167, 202, 224, 232, 237, 25), 376, 378. braniSia 413. < Braukovan 458.

Cm om cn 329, 389. Crvcn 395, 397, 309, 457, D a g li 482. Daker 73. Darzilovci 528. 'Ilavid Car 186, 189. — Patriarch 198, 201. DcbeUus 145, 154. Dcljan Car 203. des^tkar •406. D espot 386. Dovol 48, 106, 198, 199, 202, 251, 265, 378, 431. l>iampoiis 209, 227, 286, 291, 298, .324, 326‘, .377 (s. Jambol). diavato 411. Dibra 49, 201, 281, 368, 510. Didymoticbon (Dimntika) 239 fl',, 251, 301 ir., 321, 417, 485. dnniiia 410.

581 dimosijn 411.

Glnvinica 191, 202, >131.

Dionya, Miinch 444,

ploba 407. goncie 40(i.

Uobr^ta 87.

L>ol)rica 34, 2H3, 3ti5.

Gorn 467gost 100; 413.

Dobrotic 320, .324, 330. D iib ru d zn 13, 81, 118, 218, 379, 380 u. s. w.

120, 133,

Dolnuj.-i zomlja 378. Dos)int s. llhodope.

Drnpra^ 333. Dragovici 120, 17C, 213, 245, 410. Drama 319, 330, 501. Drster (Silistria) 106, 163, 172, 186 a :, 202, 209, 324, 341, 345, 353, 362, 39.5, 399. duka 405. Dulo 127 a: Durazzo 80, 193 ff., 198, 2o2, 204, 2.34, 250, 262, 270, 273, 281, 300, 319. Dusan Car 214, 297 ft’. Elbassan 197, 251, 266. Eltim ir 285, 378, 379. Emona (Einine) 12, 141, 313, 320. Epikoniij 312, 386, Eupbro.syue 279, 284.

Eut.hymi.j 313, 347, 444. ExarcJj 305, 559.

Gostun 127. gradare 406. gracla zidanie 404.

Gradec 452. Gricchen 115, 221, 379. Guduykaiter 119. Guranik 327.

Gnnduliv Ivan 6, Matteo, 460, Tro­ jan 461. Haemimontus 65.

Hajduken 473, 530, 552. harba 322. Huloiia, Aa^u’s I. Frau 2‘2‘J, iVauii'a II. I’cehtor 249, 258; voii 8erbien 273 ft', i Dusau’HGomablin 298 bia 323; JIarkovico 332. Ilir.'iova s. Cbr7.Sec solobe Seeddrfor aiigetroffon haben, und der Name zoigt, dass aucb sie in dirsen Ansiedelungen sich uicderliessen. Das Naborc in meinem Aufsatz im Casoj3is eeskdho inusoa 1875. IV. 113 Z. 1 V. o. Zav Zsilil der Makedo-Rumunen vgl. Beilngo. 140 Z. 10 V. o. 1. Justinian’s II „ 151 Z. 6 V. u. 1. caaBjniCKifl. „ 157 Z. .