Geschichte der evangelischen Brüdergemeinen in Schlesien, insonderheit der Gemeinde zu Gnadenfrei: Eine historisch-kritische Edition [1 ed.]
 9783412522636, 9783412522612

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DAVID CRANZ

GESCHICHTE DER EVANGELISCHEN BRÜDERGEMEINEN IN SCHLESIEN, INSONDERHEIT DER GEMEINDE ZU GNADENFREI EINE HISTORISCH-KRITISCHE EDITION HG. V. DIETRICH MEYER

NEUE FORSCHUNGEN ZUR SCHLESISCHEN GESCHICHTE

NEUE FORSCHUNGEN ZUR SCHLESISCHEN GESCHICHTE herausgegeben von JOACHIM BAHLCKE Band 29

DAVID CRANZ

GESCHICHTE DER EVANGELISCHEN BRÜDERGEMEINEN IN SCHLESIEN, INSONDERHEIT DER GEMEINDE ZU GNADENFREI Eine historisch-kritische Edition

Herausgegeben von Dietrich Meyer

BÖHLAU VERLAG WIEN KÖLN WEIMAR

Die Drucklegung wurde durch Zuschüsse der Historischen Kommission für Schlesien und des Vereins der Freunde des Historischen Instituts der Universität Stuttgart, der Stiftung Kulturwerk Schlesien in Würzburg, der Evangelischen Kirche in Deutschland, der Direktion der Brüder-Unität in Herrnhut, des Kulturraums und der Sparkasse Oberlausitz-Niederschlesien, der Johann-Heermann-Stiftung in Görlitz und des Vereins »Unitas Fratrum. Verein für Geschichte und Gegenwartsfragen der Brüdergemeine« gefördert.

Bibliographische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliographie; detaillierte bibliographische Daten sind im Internet über https://dnb.de abrufbar. © 2021 by Böhlau Verlag GmbH & Cie. KG, Köln Lindenstraße 14, D-50674 Köln Alle Rechte vorbehalten. Das Werk und seine Teile sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung in anderen als den gesetzlich zugelassenen Fällen bedarf der vorherigen schriftlichen Einwilligung des Verlages. Umschlagabbildung: »Gnadenfrei, neu aufgebaut nach dem Brande 1792«. Der kolorierte Stahlstich von Gnadenfrei aus dem Jahr 1795 wurde von Friedrich Gottlob Endler angefertigt. Unitätsarchiv Herrnhut, Sign. TS.Mp.141.13. Satz: Oliver Rösch, Würzburg Umschlaggestaltung: Michael Haderer | GRAFIKDESIGN, Wien

Vandenhoeck & Ruprecht Verlage | www.vandenhoeck-ruprecht-verlage.com ISBN 978-3-412-52263-6

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Inhaltsverzeichnis Vorwort des Herausgebers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 Einführung 1.  Forschungsgeschichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Leben und Werk von David Cranz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1  Studium und Lebenswende in Halle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2 Student am Seminar in Marienborn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3 Schreiber Zinzendorfs und Kopist der Gemeinnachrichten . . . . . . . . . . . . . . . 2.4 Der Aufenthalt in der Schweiz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.5 Die Gemeinde Neuwied und Cranz’ Reise in das Bergische und Märkische Land in den Jahren 1759/60 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.6 Die Grönlandreise und deren Historie 1761–1763 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.7 Die Generalsynode in Marienborn 1764 und die Idea constitutionis Unitatis ­Fratrum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.8 Heirat und Anstellung in (Berlin-)Rixdorf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.9 Prediger von Gnadenfrei . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Angaben zur Quelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1 Motivation zur Niederschrift . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2 Entstehungszeitraum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3 Zweckbestimmung und Adressaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.4 Quellen und Literaturgrundlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.5 Form der Überlieferung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.6 Aufbau des Werks . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.7 Editionsrichtlinien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Quellen- und Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 Edition DAVID CRANZ: GESCHICHTE DER EVANGELISCHEN BRÜDERGEMEINEN IN SCHLESIEN [1773–1775] . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vorbericht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Erster Theil. Kurzgefaßte Geschichte der Evangelischen Religion und der Erweckungen in Schlesien. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Articulus I. Zustand der Religion und der Reformation bis zum Anfang dieses Jahr-Hunderts. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 1. Bekehrung der Schlesier zur Christlichen Religion. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 2. Vorbereitungen zur Reformation. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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§ 3. Einführung der Reformation. Nachricht von Caspar Schwenkfeld. . . . . . . . . . . § 4. Hinderniße und Beförderungen der Reformation, sonderlich durch Rudolph II. Majestäts-Brief. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 5. Böhmische Unruhen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 6. Zustand der Evangelischen im 30jährigen Kriege. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 7. Nach dem 30jährigen Kriege in den Erbfürstenthümern. . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 8. Ingleichen in den Evangelischen Fürstenthümern. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 9. Erleichterung der Religions-Drangsalen durch die Altranstädtsche Convention. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 10. Innerer Zustand der Evangelischen Religion. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Articulus II. Erweckungen seit dem Anfang dieses Jahrhunderts. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 11. Nachricht von den betenden Kindern. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 12. Erweckungen an verschiedenen Orten zwischen 1710 und 1720. . . . . . . . . . . . § 13. Zustand der Erweckungen zwischen 1720 und 1725. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 14. Ingleichen zwischen 1725 und 1730, insonderheit zu Dirsdorf. . . . . . . . . . . . . . § 15. Und zu Teschen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 16. Zustand der Erweckungen zwischen 1730 und 1735, insonderheit in Ober-Schlesien. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 17. Und in der Gegend von Dirsdorf. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Articulus III. Vorbereitungen zu den Brüder-Gemeinen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 18. Zustand der Erweckungen zwischen 1735 und 1740. Abermalige Bewegung unter den Kindern. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 19. Erweckung in Schönbrunn. Seidliz kauft Ober-Peile. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 20. Erweckung in Ober-Peile und der Gegend. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 21. Seidlizens Gefängniß und Befreyung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 22. Bekanntschaft der Brüder mit den Erweckten zu Bresslau und im Oelsnischen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 23. Zustand der Erweckungen im Jahr 1740 und 1741. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 24. Ingleichen im Jahr 1742. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 25. Die Erweckten stammen mehrentheils von den Böhmischen Brüdern her. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 26. Die Erweckungen sind hauptsächlich durch den Ausgang und Besuch der Mährischen Brüder entstanden und unterhalten worden. . . . . . . . . . . . . . . .

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Articulus IV. Veränderter Religions-Zustand seit 1741. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 27. Die Evangelischen bauen viele Bethäuser. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 28. Anzahl derselben und der Kirchen. Aeußerer und innerer Zustand der Religion und der Sitten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 29. Nachrichten von den Reformirten und den Hußiten in Schlesien. . . . . . . . . . . § 30. Schicksale und Zustand der Schwenkfelder. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Zweiter Theil. Geschichte der Gemeine in Schlesien, besonders in Gnadenfrey. . . . . Erster Abschnitt. Von der Einrichtung der Gemeine 1743 bis zur zweyten Concession 1746. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Articulus I. Erstes Gesuch der Kirchen-Freyheit in Schlesien. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 1. Veranlaßungen des Gesuchs der Kirchen Freyheit in Schlesien. . . . . . . . . . . . . . § 2. Unterhandlung der Deputirten in Berlin und erste General Concession. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 3. Special-Concession des Bethauses in Groß Krausche. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 4. Bedenckliche Bedingungen bey der General und Special Concession. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 5. Vorbereitung zur Einrichtung der Gemeine in Ober-Peile. . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 6. Gemein-Schluß in Gnadenfrey den 13. Januarii. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 7. Erstes Abendmahl den 15. Januarii. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 8. Fernere Einrichtungen der Gemeine. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 9. Graf Promnitz weitere Unterhandlungen wegen der Schlesischen Kirchensache. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Articulus II. Des Ordinarii Unterhandlungen bey Hofe. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 10. Des Ordinarii Bedencken bey dem ganzen Gesuch. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 11. Seine und anderer Brüder Vorstellungen deshalb bey den königlichen Ministres. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 12. Concessiones für Buhrau und Peterswalde und Antrag einer Kolonie zu Neusalz. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 13. Synodus zu Hirschberg und Antrag des Ordinarii zur Unterhandlung wegen der Kirchensache in Berlin. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 14. Des Ordinarii Empfang in Berlin mit einem harten Rescript. . . . . . . . . . . . . . . . § 15. Veranlaßung deßelben durch die Bedrückung und Klagen einiger Brüder um Gnadenberg. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 16. Des Ordinarii Antwort darauf in seinem ersten Haupt-Bericht die ganze Schlesische Kirchensache betreffend. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 17. Synodal-Plan wegen der Einrichtung in Schlesien. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 18. Unterhandlungen deshalb mit Cocceji und deßen Anregung beym Corpus Evangelicorum. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 19. Suspension des Gottes-Dienstes in Peile und Concession des Bethauses. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 20. Commission in Peterswalde und Suspension des Bethauses. . . . . . . . . . . . . . . . . § 21. Unruhen in Rösniz und Concession eines Bethauses. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 22. Die Concession für Neusalz und des Etablissements im Glätzischen wird von den Brüdern refusirt. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 23. Vergebliches Gesuch der Brüder in Berlin. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 24. Favorables Rescript bey Gelegenheit einer Klage. Des Ordinarii Reise nach Berlin. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Articulus III. Visitation und deren Folgen in Schlesien. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 25. Aufenthalt zu Gnadeck. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 26. Visitation in Peile und Rösniz. Anbau von Gnadenfrey. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 27. Abermaliger Besuch in Gnadenfrey und Reise nach Liefland. . . . . . . . . . . . . . . . § 28. Veränderungen der Arbeiter in Gnadenfrey. Nachricht von Biele und Dirsdorf. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 29. Bericht der Deputirten von ihrer Visitation in Schlesien und Vorschläge zur Einrichtung der Etablissemens. Bitte um ein Königlich Approbatorium. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 30. Einige favorable Rescripte deshalb unterm 19. Octobris. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 31. Gersdorfs Nachricht, warum dieselbe nicht expedirt worden und die ganze Unterhandlung ins Stecken gerathen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 32. Vergebliches Gesuch der Loslaßung einiger mit Gewalt angeworbenen Brüder. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 33. Gersdorfs erste Unterhandlung mit Graf Münchow. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 34. Streitigkeiten wegen der Brüder in Peterswalde und Aufhebung ihrer Concession. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Articulus IV. Des Ordinarii weitere Unterhandlungen im Jahr 1744. . . . . . . . . . . . . . § 35. Des Ordinarii Rückkunft aus Liefland und Graf Promniz Tod. . . . . . . . . . . . . . § 36. Fernere Nachricht von der Gnadenbergischen Klagsache. Rescript deshalber und Gersdorfs Erinnerungen dabey. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 37. Abermalige Klagen und Vorschläge, dieselben zu beendigen. . . . . . . . . . . . . . . . § 38. Anfang des Mißverständnißes zwischen dem Ordinarius und Graf Münchow. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 39. Visitation in Gnadenfrey und Veränderung der Arbeiter. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 40. Einrichtung des Gottes-Dienstes in Rösniz. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Articulus V. Weitere Verhandlungen des Deputati. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 41. Des Ordinarii scharfe Correspondenz mit Graf Münchow. . . . . . . . . . . . . . . . . . § 42. Deßelben Vorstellung wegen der Verzögerung des Neusalzer-Anbaues an den König und den Ministre Arnim. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 43. Unruhen in Rösniz und Verjagung des Predigers. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 44. Des Ordinarii Unterhandlungen mit dem Inspector Burg wegen Vereinigung der Brüder mit dem Lutherschen Clero. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 45. Einrichtung einer Gemeine unter den deutschen Brüdern in Berlin wie auch in Stettin. Diese erhalten das öffentliche Religions-Exercitium. . . . . . . . . § 46. Unterschlagenes favorables Rescript wegen des Proselytenmachens und betrübte Folgen davon für die Stettinsche Gemeine. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 47. Gersdorfs weitere Unterhandlung mit dem dirigirenden Ministre wegen einer neuen Königlichen Versicherung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 48. Umständlichere Nachricht hiervon nebst denen mit dem Ministre verabredeten Punkten. Abermalige Hinderung derselben. . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Inhaltsverzeichnis

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Articulus VI. Zustand der Gemeine in und um Gnadenfrey vom Jahr 1744. . . . . . . . § 49. Einrichtung eine Pædagogii im Schlössel. Veränderung der Arbeiter. Anfang der Kinder Anstalten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 50. Zustand und Wachsthum der Gemeine von außen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 51. Ausführliche Beschreibung der Grundsteinlegung zum Bethaus in Gnadenfrey den 12. May. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 52. Angenehme Beschreibung der Pfingst-Feyer. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 53. Zustand der Häuflein in Biele und Peterswalde. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 54. Zustand des Häufleins in Dirsdorf und der auswärtigen Geschwister, ingleichen im Oelsnischen, in Bresslau und Lissa. Erster Besuch von Böhmen aus Oberschlesien. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Articulus VII. Zustand der Gemeinen vom Jahr 1745. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 55. Nachricht von den Kriegs-Trublen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 56. Veränderung der Arbeiter. Wachsthum von Gnadenfrey und Einrich tung des Saals. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 57. Klage des Pfarrers in Dittmannsdorf gegen Gnadenfrey. Des Ordinarii Unterhandlungen in Berlin und Besuch in Schlesien. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 58. Zustand und Zunahme der Gemeine. Beßere Einrichtung der Chöre und der Conferenzen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 59. Zustand der Häuflein in Peterswalde, Biele, Dirsdorf und dem Oelsnischen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Zweyter Abschnitt. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Von der 2ten Concession. 1746 bis zum völligen Ausbruch der Widrigkeiten 1749. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vom Jahr 1746. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 60. Das Pædagogium zieht nach Urschkau. Veränderung der Arbeiter und zugleich des Lehr-Vortrags und der Methode. General-Arbeiter der Chöre. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 61. Anfang der Chorfeste und Grundsteinlegung einiger Chor-Häuser. . . . . . . . . . § 62. Abermalige Unterhandlung wegen der neuen General-Concession. . . . . . . . . . § 63. Ausfertigung und Inhalt derselben. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 64. Die Rösnitzer erhalten in Contradictorio ihre freye Religions-Uebung. . . . . . . § 65. Zustand der Häuflein in Peterswalde, Biele, Dirsdorf. etc. . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Vom Jahr 1747. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 66. Erster Provincial-Synodus, deßen Bedancken von der Aufnahme in die Gemeine etc. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 67. Veränderung der Arbeiter, sonderlich nach Bischof Polycarpi Tod. Neuer Versuch einer Vereinigung mit der Lutherischen Verfaßung. . . . . . . . . . . § 68. Johannis, und hernach des Ordinarius und mehrerer Arbeiter Visitationes. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Inhaltsverzeichnis

§ 69. Zustand und Vermehrung der Gemeine. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 70. Gersdorf Bericht vom Zustand der Gemeinen an den dirigirenden Ministre. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 71. Zustand der Gemeine in Rösniz und unbillige Zumuthungen an dieselbe. . . . . . § 72. Bedencklicher Zustand in Biele nach Pastor Hellers Tod und deßen Begräbniß durch den Inspector Minor. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 73. Correspondenz zwischen Gersdorf und dem Grafen, wegen Guts Entweichung aus Biele. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 74. Pastor Conrads Verantwortung vor dem Consistorio und Commission in Biele. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 75. Conrads Absetzung und Verweisung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 76. Nachheriger Zustand in Biele. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 77. Commission in Peterswalde, und Verbot der Versammlungen. . . . . . . . . . . . . . . § 78. Gersdorfs vergebliche Vorstellungen dagegen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 79. Etwas von der Diaspora. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Vom Jahr 1748. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 80. General-Synodus in Gnadenberg, Cochii Einführung dabey und Gerners Præsentation. Zustand der 3 Schlesischen Gemeinen. . . . . . . . . . . . . . . § 81. Gersdorfs Nachricht von dem dermaligen und folgenden Verhältniß des Hofes und der Regierung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 82. Veränderung der Arbeiter. Das Pædagogium kommt von Neusalz aufs Schlössel. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 83. Zustand der Gemeine, wie auch in Biele und Peterswalde und in der Gegend. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 84. Verhinderung des Bethaus-Baues zu Rösniz. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Vom Jahr 1749. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 85. Königliche Verordnung gegen die Brüder Cammer-Verordnung, den Bethausbau in Rösniz zu sistiren. Commission in Rösniz, und widerrechtliches Verbot des Bethausbaues und Gottes-Dienstes. . . . . . . . . . . . . § 86. Lauterbachs Anmerckungen dabey. Verjagung der Arbeiter aus Rösniz. . . . . . . § 87. Die jungen HErrn von Tschirschky und andre, werden aus dem Pædagogio weggenommen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 88. Ernst von Tschirschky Erzehlung davon. Aufhebung des Pædagogii. . . . . . . . . . § 89. Fräulein Jul[iane] Sophie von Tschirschky wird ihrer Mutter weggenommen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 90. Ingleichen Melchior von Seidliz seinen Oncle. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 91. Schimpfliches Gesetz gegen die Brüder im Codex Frideric. Steuerung und Nachwehen der Sichtung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 92. Veränderung der Arbeiter. Sälgen-Gesellschaft, Gemein und Chor Jünger. Lutherische Schul-Einrichtung in Peile. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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278 280 281 283 284 286 286 288

Inhaltsverzeichnis

Dritter Abschnitt. Von dem Gang und Wachsthum der Gemeine unter allerley Beeinträchtigungen zwischen den Jahren 1750 und 1756. . . . . . . . . . . . . . . . . Vom Jahr 1750. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 93. Johannis Visitation. Provinzial-Synodus. Veränderung der Arbeiter. . . . . . . . § 94. Gesegnete Arbeit in der Gemeine. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 95. Widrige Rescripte. Vergeblicher Versuch, die freyen Dörfer zu gewißen Bethäusern zu verbinden. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 96. Commission in Rösniz. Die Brüder müßen zum Lutherischen Bethaus contribuiren, behalten aber ihre Concession. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 97. Neue Bewegung in Mæhren. Nachricht von den Hutterschen Brüdern in Ungarn. Besuch der Böhmen. Unglücksfälle. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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290 291 291 293 294 295 296

Vom Jahr 1751. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 298 § 98. Provincial-Synodus. Veränderung des Directorii der Schlesischen Gemeinen, wie auch einiger Chor-Arbeiter in Gnadenfrey. . . . . . . . . . . . . . . . 298 § 99. Einige Besuche. Veränderungen in Liturgico. Neue Bekanntschaften von außen her. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 299 Vom Jahr 1752. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 301 § 100. Zustand und Aufräumung in der Gemeine. Einige neue Arbeiter. . . . . . . . . . 301 § 101. Veränderung im Oberamt und ihrer Gesinnung. Erlösung der Frau v. Tschirschky. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 303 Vom Jahr 1753. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 304 § 102. Provincial-Synodus. Errichtung eines Schlesischen Diaconats. Einige Verordnungen. Veränderung im Oberamt. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 304 Vom Jahr 1754. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 305 § 103. Johannis Besuch. Provincial-Synodus. Vorschlag wegen der Special Historie jeder Gemeine. Von der Böhmischen Gemeine in Berlin. Leonhards gesegnete Arbeit. Tauf-Liturgie. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 305 § 104. Aufräumung in Neusalz. Sternbergs Daseyn veranlaßt Unruhe, und etliche harte Rescripte. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 307 Vom Jahr 1755. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 309 § 105. Seidliz zieht nach Gnadenberg, und Heithausen übernimmt Ober Peile. Besuch in Bethel und Herrnhuth. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 309 Vom Jahr 1756. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 310 § 106. Provincial-Synodus. Theilnehmung an den Umständen in Neusalz. Pædagogium in Gnadenberg. Zustand der Kinder und der Diaspora. Erweiterung des Brüder Hauses. Einige neue Arbeiter. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 310

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Inhaltsverzeichnis

§ 107. Zustand der Brüder in Rösniz seit 1750. Ernstliche Declaration an sie. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 108. Zustand in Peterswalde seit 1747 bis jetzt. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 109. Zustand in Biele und fortdauernde Bedrückungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 110. Zustand der Böhmen in Oberschlesien und Unruhen unter denselben. . . . . § 111. Zustand der Diaspora. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 112. Einige betrübte Anecdoten von widrigen Predigern. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 113. Äußerlicher Zustand von Gnadenberg und Gnadenfrey. . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vierter Abschnitt. Vom Zustand der Gemeinen während dem Kriege zwischen 1757 und 1763. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vom Jahr 1757. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 114. Ausbruch des Krieges und Folgen deßelben 1757. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 115. Des Ordinarii letzten Besuch in Gnadenfrey. Pastor Walthers Absetzung. Pastor Rothe wird auch damit bedrohet. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

311 313 314 316 318 320 321 322 323 323 324

Vom Jahr 1758. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 326 § 116. Provincial-Synodus in Neusalz. Erweiterung des Schwestern Hauses. Namen der Arbeiter. Zahl der Gemeine. Leonhardts Abreise. . . . . . . . . . . . . . 326 § 117. Kriegs-Umstände. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 329 Vom Jahr 1759. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 330 § 118. Fortsetzung. Verheerung von Neusalz. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 330 § 119. Innerer und äußerer Zustand von Gnadenfrey und Ober-Peile. Unruhe wegen der Professionen. Abruf der General Arbeiter. Beßere Einrich tung der Diaspora. Druck im Oelsnischen und in Biele. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 331 Vom Jahr 1760. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 333 § 120. Johannis und Seidlitz Visitation. Des Ordinarii Heimgang. Veränderung der Arbeiter. Nachricht aus Mæhren. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 333 § 121. Kriegs-Umstände. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 335 Vom Jahr 1761. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 336 § 122. Contribution von Gnadenfrey. Gefahr und Schutz von den Russen. . . . . . . . 336 § 123. Zustand der Gemeine. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 338 Vom Jahr 1762. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 338 § 124. Abzug der Russen. Action auf dem Fischer-Berg. Allgemeiner Friede. . . . . . . 338 Vom Jahr 1763. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 342 § 125. Königliche Anmuthung, Neusaltz wieder zu bauen. Gersdorfs Gutachten darüber. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 342

Inhaltsverzeichnis

§ 126. Koebers Deputation deshalb und wegen eines Anbaues zu Lellichow. Inhalt der neuen General Concession. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 127. Große Veränderung der Arbeiter. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 128. Visitation in Gnadenfrey. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 129. Neue Einrichtungen nach der Visitation. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 130. Nachricht von den Hutterschen Brüdern. Besuch des dirigirenden Ministres von Schlaberndorf. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Fünfter Abschnitt. Vom Zustand der Gemeine vom General-Synodo 1764 bis 1769. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vom Jahr 1764. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 131. General-Synodus und Folgen deßelben. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 132. Vergeblicher Vorschlag einer andern Einrichtung der Diaspora. Pastor Rothes Tod. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 133. Erweiterung von Gnadenfrey; besonders des Brüderhauses. Einrichtung des Accis-Wesens. Beßere Gesinnung des dirigirenden Ministers. . . . . . . . . . .

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344 345 346 347 349 351 352 352 353 354

Vom Jahr 1765. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 134. Provincial-Synodus im Schlößel. Zustand der Schlesischen Gemeinen. Des Directorii Gedanken von der Diaspora in Schlesien. . . . . . . . . . . . . . . . . . § 135. Veränderung der Arbeiter. Visitation. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 136. Nachricht von der Diaspora in Dirsdorf, Schnellewalde, Breßlau. Anerbieten im Oelsnischen. Neue Herrschaft in Peterswalde. . . . . . . . . . . . . .

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Vom Jahr 1766. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 137. Veränderung der Arbeiter. Leonhards Heimgang. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 138. Veränderung der Orts-Obrigkeit. Vergebliche Anstalten zu einer Böhmischen-Colonie, Cyrkew. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 139. Ankauf von Pavlowitzky für die Rösnitzer. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 140. Vermehrung der Gemeine. Zustand und Veränderung der Arbeiter. . . . . . . . .

360 360

355 356 358

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Vom Jahr 1767. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 365 § 141. Veränderung der Arbeiter. Entschluß und Anstalten zum neuen Saalbau. . . . . 365 Vom Jahr 1768. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 142. Erbauung und Einweyhung des neuen Saals. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 143. Vermehrung und innerer Zustand der Gemeine. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 144. Pavlowitzky wird besetzt: Die Transferirung aber der Rösnitzer Concession abgeschlagen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 145. Beßere Einrichtung der Diaspora zu Dirsdorf. Aufnahme einiger Adelichen. Absetzung [für gestrichen Veränderung] des Schulhalters in Habendorf. Druck in Biele. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

368 368 369 369 371

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Inhaltsverzeichnis

Sechster Abschnitt. Von dem Zustand der Gemeine zwischen dem General Synodo 1769 bis 1775. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vom Jahr 1769. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 146. Provincial-Synodus zu Gnadenfrey und General-Synodus zu Marienborn. Einrichtung nach demselben. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 147. Veränderung der Arbeiter und ihrer Haushaltung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

373 374 374 376

Vom Jahr 1770. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 377 § 148. Fernere Einrichtungen nach dem Synodo. Veränderung der Arbeiter in Pawlowitzky. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 377 § 149. Einige Mißverständniße. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 378 Vom Jahr 1771. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 379 § 150. Koebers Deputations Geschäfte. Waiblingers lezter Besuch und Unterhandlung wegen der Neusalzer äußern Bestehen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 379 § 151. Veränderung der Arbeiter. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 380 Vom Jahr 1772. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 152. Veränderungen in einigen Einrichtungen der Gemeine, in dem innern Gange und in den Schulanstalten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . [§ 153. Wahl des Aufseher Collegiums und der Helfer Conferenz. Einteilung der auswärtigen Ehepaare in 10 Klassen] . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 154. Zunehmen von Pawlowitzky. Große Theurung. Probe der guten Gesinnung bey der Regierung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

381 381 382 384

Vom Jahr 1773. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 385 § 155. Loretz Deputation. Friedrich v. Wallewitte [Wattewille] junior wird als Provincial-Mithelfer vorgestelt. Veränderung der Arbeiter und des Witwenfestes. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 385 § 156. Zustand von Pawlowitzky, im Oelsnischen und in Breßlau. . . . . . . . . . . . . . . . 386 Vom Jahr 1774. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 387 § 157. Heimgang einiger merkwürdigen Personen. Nachricht von dem Dorfe Ober-, Mittel- und Nieder-Peile. Veränderung des Gemeindieners. . . . . . . . . 387 § 158. Nachricht von der Diaspora. Beßere Gesinnung bey der Regierung. . . . . . . . 390 Vom Jahr 1775. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 392 § 159. Visitation der Schlesischen Gemeinen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 392 § 160. Vorbereitung zum General-Synodo. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 393 Personen- und Ortsregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 395

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Vorwort Als David Cranz 1771 zum Prediger der Gemeinde Gnadenfrei in Schlesien berufen wurde, war es für ihn als Historiker selbstverständlich, zunächst einmal das Archiv seines neuen Wirkungsortes zu ordnen und sich über dessen Entstehung und Vorgeschichte zu informieren. Da die Anfänge Gnadenfreis eng mit der Entstehung der brüderischen Niederlassung in Gnadenberg�������������������������������������� bei Bunzlau und einer geplanten Siedlung in Oberschlesien verbunden waren, entstand so zugleich eine Geschichte der Anfänge der schlesischen Brüdergemeinden in Schlesien überhaupt, ja man könnte sagen – da Cranz die Vorgeschichte seit der Reformation einbezieht – der schlesischen Erweckung im 18. Jahrhundert, die auf den Anstößen der von Halle ausgehenden Erweckungsprediger ( ­Johann Heinrich Sommer in Dirsdorf und Johann Adam Steinmetz in Teschen) fußt. Das Manuskript von Cranz, das er 1775 der Synode der Brüderunität einreichte, war nicht für die Öffentlichkeit bestimmt, sondern wurde für den internen Gebrauch der Verantwortlichen in den Archiven der Brüderunität in Herrnhut und in der Gemeinde Gnadenfrei verwahrt. Professor Dr. Joachim Bahlcke gab im Jahr 2008 den Anstoß, dieses Manuskript für eine wissenschaftliche Edition vorzubereiten. Cranz hatte als Protokollant der Reden Nikolaus Ludwig von Zinzendorfs die Geschichte Gnadenfreis aus erster Hand miterlebt und als dessen Prediger eine genaue Kenntnis der handelnden Personen besessen, die über die rein schriftliche Quellenbasis hinaus von unschätzbarem Wert ist. Zwar wurde die Geschichte des Pietismus in den letzten Jahren durch die PietismusKommission der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) intensiv erforscht. Die Gebiete jenseits von Oder und Neiße blieben dabei jedoch zur Gänze unbeachtet, so dass die vierbändige, in den Jahren 1993 bis 2004 vorgelegte Geschichte des Pietismus den für die Entwicklung des Pietismus so wichtigen Provinzen Ostpreußen, Pommern und Schlesien keinerlei Beachtung schenkte und damit ein unvollständiges Bild zeichnete. Die Darstellung von Cranz kann durch ihre Materialfülle eine Lücke schließen und damit zu einer ausgewogeneren Sicht beitragen. Sein Werk dürfte auch der kirchengeschichtlichen Forschung in Polen wichtige Impulse verleihen und eine bisher unbeachtet gebliebene Quelle erschließen. Unabhängig von dem Gnadenfreier Projekt bearbeitete der Stuttgarter Doktorand Matthias Noller die von Cranz in den Jahren 1767/68 verfasste Historie der Böhmischen Emigration, die 2013 im Druck erschien. Noller hat sich ausgehend von dieser Quellenedition in seiner Dissertation mit dem Geschichtsverständnis von Cranz auseinandergesetzt und damit die Grundlage für eine weitergehende Beschäftigung mit dem aus Pommern gebürtigen Geschichtsschreiber der Brüderunität gelegt. Die vorliegende Edition folgt den Editionsrichtlinien der Bearbeitung von Noller und knüpft an dessen Arbeiten an. Dieser hat auch den ersten Teil dieser Arbeit durchgesehen und begleitet. Mein besonderer Dank gilt in erster Linie Professor Dr. Joachim Bahlcke, der mich immer wieder zur Bearbeitung ermuntert und mit seinem Rat begleitet hat. Da sich

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Vorwort

die Edition auf die im Herrnhuter Archiv liegenden Quellen stützt, gilt mein weiterer Dank vor allem den Mitarbeitern des Unitätsarchivs in Herrnhut, den Archivleitern Dr. Rüdiger Kröger und nach ihm Claudia Mai sowie den Mitarbeitern Olaf Nippe und Katrin Wagner-Fiebig für ihre stets freundliche Bereitstellung der Akten und inhaltliche Auskünfte. Die Mitarbeiterin Elke Moreau übernahm die buchstabengetreue Abschrift des Manuskripts, Teresa Pojtinger am Lehrstuhl für Geschichte der Frühen Neuzeit an der Universität Stuttgart dessen redaktionelle Bearbeitung, Oliver Rösch in Würzburg die Betreuung des Satzes – ihnen allen sei an dieser Stelle herzlich für ihre Unterstützung gedankt. Professor Dr. Joachim Bahlcke hat die Aufnahme dieser Edition in die Reihe „Neue Forschungen zur Schlesischen Geschichte“ veranlasst, wofür ich ihm herzlich Dank sage. Für vielfältige Unterstützung über mehrere Jahre hinweg ist der Historischen Kommission für Schlesien zu danken. Der Druck wurde ermöglicht durch einen Druckkostenzuschuss der Evangelischen Kirche in Deutschland, der Direktion der Brüder-Unität in Herrnhut, des Kulturraums der schlesischen Oberlausitz und der Sparkasse Niederschlesien-Oberlausitz, der Johann-Heermann-Stiftung in Görlitz, der Stiftung Kulturwerk Schlesien in Würzburg und des Vereins Unitas Fratrum für die Geschichte der Brüdergemeine. Ich danke schließlich meiner Frau für ihr Verständnis, dass ich viele Stunden in meinem Ruhestand mit der Erarbeitung des Textes verbracht habe. Herrnhut, im Januar 2021

Dietrich Meyer

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Einführung An Versuchen, die Geschichte Herrnhuts und seines Missionswerks niederzuschreiben, hat es nicht gefehlt. Nikolaus Ludwig von Zinzendorf selbst unternahm bereits 1727 einen ersten Entwurf und schrieb in Anlehnung an Johann Amos Comenius die Geschichte der Verfolgung der mährischen Brüder nieder. Er wollte auch die Darstellung des bald weit ausgedehnten Netzes von Gemeinden in Europa und der Anfänge der Missionsgeschichte außerhalb Europas organisieren und unternahm erste Ansätze, doch sind diese angesichts vieler anderer Anforderungen schon nach kurzer Zeit stecken geblieben. So ist es der Name von David Cranz, der mit der ersten Gesamtdarstellung der Brüdergeschichte verbunden ist, die 1771, zehn Jahre nach dem Tod Zinzendorfs, als das Werk eines Einzelnen in die Tat umgesetzt wurde. Dieses unter dem Titel Alte und Neue Brüder-Historie oder kurz gefaßte Geschichte der Evangelischen Brüder-Unität erschienene Geschichtswerk von fast 900 Seiten1 war sein wohl bekanntestes und umfassendstes, aber längst nicht einziges Werk, das seinen Namen als Geschichtsschreiber bekannt machte. Neben diesem Gesamtüberblick ist seine zweibändige Historie von Grönland 2 als die erste Darstellung eines brüderischen Missionsgebiets und ein auch außerhalb der Brüdergemeine stark rezipiertes Werk hervorzuheben. Die hier vorgelegte Darstellung der Geschichte der Brüdergemeine in Schlesien blieb zu seinen Lebzeiten ungedruckt. Sie ist aber auf Grund ihrer Quellenkenntnis als Chronik von der Entstehung der schlesischen Gemeinden bis zum Jahr 1775 eine ungemein wertvolle Quelle, die eine Veröffentlichung verdient, auch wenn sie zur Zeit ihrer Entstehung nicht für den Druck bestimmt war. 1. Forschungsgeschichte Obwohl Cranz auf Grund seiner historischen Verdienste in der Brüdergemeine kein Unbekannter war, hat man sich doch erst in jüngster Zeit wissenschaftlich mit seinem Werk näher auseinandergesetzt und seine Lebensgeschichte verfolgt. Am Anfang dieser jüngeren Beschäftigung mit Cranz steht der Nachdruck der zweiten Auflage seines Werks Alte und Neue Brüder-Historie (1772) aus dem Jahr 1973, der mit einem Vorwort von Gerhard Meyer über Leben und Werk von Cranz eingeführt wird.3 Meyer stellte dort anhand der Überlieferung aus dem Unitätsarchiv die wichtigsten Fakten über den Werdegang des Autors zusammen und weckte damit das Forschungsinteresse. 1 Cranz, David: Alte und Neue Brüder-Historie oder kurz gefaßte Geschichte der Evangelischen Brüder-Unität [...]. [Barby 1771]. 2 Ders.: Historie von Grönland enthaltend Die Beschreibung des Landes und der Einwohner etc., insbesondere die Geschichte der dortigen Mission der Evangelischen Brüder zu Neu-Herrnhut und Lichtenfels. Barby 1765. 3 ������������������������������������������������������������������������������������������� Beyreuther, Erich/Meyer, Gerhard (Hg.): Nikolaus Ludwig von Zinzendorf. Materialien und Dokumente. Reihe 2: N. L. von Zinzendorf. Leben und Werk in Quellen und Darstellungen, Bd. 11. Hildesheim/New York 1973 (Vorwort, V–XVIII).

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Einführung

Er hatte zudem Kontakt zu einer Nachfahrin, Martha Cranz in Neuwied, die im Besitz von Familienpapieren war. Diese sind 1964 als „Familienarchiv Cranz“ an das Herrnhuter Archiv abgegeben worden. Meyer wies damals auf wichtige Briefe von Cranz im Unitätsarchiv und auf die Entstehung des Werks Alte und Neue Brüder-Historie hin, die einer darauf aufbauenden Forschung Impulse verlieh. Er hat anhand der Kritik von Johann Renatus Plitt die Sicht der Brüdergeschichte bei Cranz als zu einseitig auf die alte Brüderunität bezogen angedeutet. Ein neuer Forschungsimpuls ging von Holger Finze-Michaelsen aus der Schweiz aus, der die Rolle der Herrnhuter in Graubünden untersuchte und in diesem Zusammenhang den Reisebericht von Cranz aus dem Jahr 1757, der bisher nur in Auszügen4 als Nachdruck vorlag, edierte.5 Damit lag eine wissenschaftliche Edition mit erläuternden Fußnoten, einer Einführung und einem Lebensbild von Cranz im Anhang vor. Dieses wurde auch separat in gekürzter Form veröffentlicht.6 Finze-Michaelsen war insbesondere an den Bezügen von Cranz zur Schweiz interessiert und zog in seinem Lebensbild die diesbezüglichen Herrnhuter Quellen sorgfältig heran. So liegt ein erster Schwerpunkt auf der Reise von Cranz als Zinzendorfs Begleiter nach Genf 1741. Er wertete überdies die Protokolle der Schweizer Konferenzen von 1756 aus und beschrieb die Bedeutung von Cranz’ Schweizer Erholungsreise durch Graubünden, ebenfalls aus dem Jahr 1758. Die 1757 und 1758 entstandenen Tagebuchaufzeichnungen druckte er nicht eigens ab, sondern fasste sie nur zusammen. Dank seiner Kenntnisse der Schweizer Verhältnisse in Graubünden, denen Finze-Michaelsen zahlreiche weitere Studien gewidmet hat, kann dieser Aspekt des Lebens von Cranz als gut erforscht gelten. Finze-Michaelsen gab darüber hinaus wertvolle Hinweise auf die Beteiligung von Cranz an der Diasporaarbeit in England anhand des Jüngerhaus-Diariums; einen kurzen Abschnitt widmete er auch der Grönlandreise von Cranz in den Jahren 1761/62. Dagegen wurden die folgenden Jahre mit der Entstehung des Werks Alte und Neue Brüder-Historie nur beiläufig behandelt. Die Tätigkeit von Cranz als Prediger der böhmischen Gemeinde in Berlin und seine Tätigkeit in Gnadenfrei fanden dagegen keine Berücksichtigung. Einen weiteren Schritt in der Erforschung des Lebenswerks von Cranz bedeutet die Veröffentlichung des Zeremonienbüchleins von 1757. Die Edition aus dem Jahr 2014, 4 Cranz, David: Tagebuch eines Pommerschen Geistlichen auf seiner Reise durch Bünden 1757. In: Der helvetische Volksfreund (1797) 298–302, 303–310, 311–312. Vgl. ferner ders.: Extact aus Br. Cranzens Diario von seinem Besuch in Pündten im Monat Junio, Julio und August, darin zugleich eine Relation ist von der Landesbeschaffenheit und andern historischen Umständen. In: Herrnhut. Wochenblatt aus der Brüdergemeine 46 (1913) 307–308, 317–318, 325–326, 333– 334, 343–344. 5 Ders.: Reise durch Graubünden im Jahre 1757. Ein Zeugnis aus der Geschichte der Herrnhuter in der Schweiz mit historischen und biographischen Erläuterungen. Hg. v. Holger Finze-Michaelsen. Zürich 1996. 6 Finze-Michaelsen, Holger: „Die Sache des Heilands“. David Cranz (1723–1777). Sein Leben und seine Schriften. In: Unitas Fratrum. Zeitschrift für Geschichte und Gegenwartsfragen der Brüdergemeine 41 (1997) 75–108.

Forschungsgeschichte

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die zugleich die verwickelte Entstehungsgeschichte des Werks nachzeichnet, geht auf einen Vortrag von Rudolf Dellsperger, Bern, von 2011 zurück.7 Cranz selbst schrieb in seinem Lebenslauf, dass er auf seiner „Gesundheits Reise in der Schweiz drei Monate in Zürich verweilt habe, wo er „die Nachricht von der Brüder Kirche Verfaßung oder das sogenannte Ceremonien Büchel“ verfasst habe.8 Diese Angabe ist allerdings sehr verkürzt, denn die Arbeit von Cranz beschränkte sich, genauer gesagt, auf die Übertragung eines von Zinzendorf zuvor verfassten Textes für das umfassende, im Folioformat erschienene Ceremonien-Werk von David Herrliberger in der Schweiz. Dellsperger zeigt, dass der Text zwar nicht in diesem alle Religionen erfassenden Werk erschienen ist, aber separat als Folio- und Oktav-Ausgabe von dem Züricher Pfarrer Johann Caspar Ulrich herausgegeben wurde. Er wies zudem die Herkunft der ansprechenden Kupferstiche, die nach Herrnhuter Vorlagen in der Art des Herrlibergerschen Werks von dem Züricher Kupferstecher Johann Rodolph Holzhalb gestaltet worden waren, nach. Dellsperger bezeichnet Cranz daher als den „Redaktor“ des Werks.9 Für Cranz war diese Arbeit von wegweisender Bedeutung, denn durch seine Beteiligung an dieser Edition erkannte er die wichtige Aufgabe, dass die Brüdergemeine ihre Geschichte und Eigenständigkeit auch für ein allgemeines Publikum vermitteln müsse, wenn sie sich nicht hilflos den zahlreichen Angriffen gegen sie ausliefern wolle. Dellsperger konnte mit seiner Publikation zeigen, woran die Aufnahme der Herrnhuter Darstellung in das Herrlibergersche Werk letztlich gescheitert war: Es entsprach nicht dessen aufgeklärter Geistigkeit, sondern blieb einer pietistischen Heilands-Frömmigkeit verhaftet, die ganz der persönlichen Frömmigkeit von Cranz entsprach.10 Den Text des Zeremonienbüchleins hat Dellsperger nicht kommentiert. Eine wissenschaftliche Studie zum Geschichtsverständnis von Cranz legte 2016 Matthias Noller im Rahmen einer bei Joachim Bahlcke in Stuttgart erarbeiteten Dissertation vor.11 Verbunden mit der Monographie war die Edition der Historie der Böhmischen Emigration, die Cranz in der Zeit als Prediger von (Berlin-)Rixdorf während der Jahre 1766 bis 1769 niedergeschrieben hatte.12 Noller verortet Cranz im „Spannungsfeld zwischen traditionsstiftend-legitimierender Historiographie einerseits und 17 ������������������������������������������������������������������������������������������� Dellsperger, Rudolf (Hg.): Kurze, zuverlässige Nachricht von der Brüder-Unität. Das Zeremonienbüchlein (1757) von David Cranz. Herrnhut 2014 (Beihefte der Unitas Fratrum 23). 18 Unitätsarchiv Herrnhut, Sign. R.22.I.a.63 (Lebenslauf ). 19 Dellsperger (Hg.): Kurze, zuverlässige Nachricht von der Brüder-Unität, 28–31 (Abschnitt VII. Die Verfasserfrage), hier 31. 10 Ebd., 32f. (Abschnitt VIII. Das Scheitern des Projekts), 35–38 (Abschnitt X. Schluss). 11 Noller, Matthias: Kirchliche Historiographie zwischen Wissenschaft und religiöser Sinnstiftung. David Cranz (1723–1777) als Geschichtsschreiber der Erneuerten Brüderunität. Wiesbaden 2016 ( Jabloniana. Quellen und Forschungen zur europäischen Kulturgeschichte der Frühen Neuzeit 6). 12 Cranz, David: Historie der Böhmischen Emigration. Eine historisch-kritische Edition. Hg. v. Matthias Noller. Wiesbaden 2013 ( Jabloniana. Quellen und Forschungen zur europäischen Kulturgeschichte der Frühen Neuzeit 4).

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frühwissenschaftlicher Geschichtsschreibung andrerseits“.13 Es ist nun außerordentlich interessant, wie Cranz diese Spannung in seinem Werk meisterte, denn mit seiner Rezeption des Wandels hin zu einem neuzeitlichen Wissenschaftsverständnis ging der Verlust des Erbauungspotenzials einher, dem er auf keinen Fall zustimmen konnte. Noller liefert zugleich eine kurze Biographie des Lebens von Cranz, bedauert aber die mangelhafte Überlieferung und das Fehlen autobiographischer Texte und Briefe, die über seine Familie, sein Studium, seine Beziehungen zu einzelnen Brüdern und vor allem über seine Aufgaben als Sekretär Zinzendorfs genauere Auskunft geben könnten. So bildet die Darstellung der Entstehung und Eigenart der historischen Schriften von Cranz, auch seiner nicht gedruckten Spezialhistorien von Berlin und Gnadenfrei ein gewichtiges Kapitel, dem Noller anhand der Protokolle der Synoden und des Leitungsgremiums der Unität nachgeht. Anhand dieser Schriften und einiger weniger Selbstzeugnisse entwickelt er das Geschichtskonzept von Cranz. Noller nennt zunächst die Gesichtspunkte, die ein Festhalten von Cranz an der älteren, religiös bestimmten Geschichtsauffassung verdeutlichen.14 1. Bei Cranz fallen Vergangenheit und Zukunft nicht wie bei einem säkularisierten Zeitbegriff, der von einer offenen, von Kontingenz geprägten Zukunft ausgeht, auseinander. Cranz sieht die Geschichte vielmehr in einem heilsgeschichtlichen göttlichen Zusammenhang. Demgemäß hält er an dem Topos von der Geschichte als Lehrmeisterin des Lebens fest. 2. Natur, die naturwissenschaftlichen Gesetzen unterliegt, sowie kontingente Geschichte bilden bei Cranz keinen Gegensatz, sondern gehören zusammen, weshalb er in der Historie von Grönland auch die historia naturalis des Landes wie selbstverständlich einbezieht. 3. Geschichte wurde nach dem älteren Geschichtsbegriff der Fabel und dem Raisonnement als ihrem Antipoden gegenübergestellt. Da Cranz Geschichte mit Faktizität gleichsetzte, lehnte er sowohl die Anekdote und Fabel als auch eine Darstellung, die von Reflexionen, Mutmaßungen und individuellen Werturteilen bestimmt ist, ab und wusste sich dem Prinzip der Wahrheit und Unparteilichkeit verpflichtet. 4. Für Cranz war der Geschichtsverlauf durch die göttliche Führung (gubernatio, providentia) bestimmt. Die Brüdergemeine des 18. Jahrhunderts galt ihm als ein von Gott bestimmtes Werk, das der Ausbreitung seines Reiches dienen sollte. Im Sinne der orthodoxen Lehre von der providentia dei, die den menschlichen concursus oder die cooperatio zulasse, bediene sich Gott für seine Zwecke menschlicher Werkzeuge. Darum spielte bei Cranz die Abfolge der Zeugen der Wahrheit – wie bei Gottfried Arnold und anderen Theologen – eine wichtige Rolle, wobei diese Zeugen auch kollektiv als Waldenser oder Böhmische Brüder gedacht werden konnten. Dabei habe sich Cranz, so Noller, wie Johann Lorenz von Mosheim oder Siegmund Jacob Baumgarten der Methode bedient, dass er die Überzeugung von der Geschichtsmächtigkeit Gottes vorab zum Ausdruck bringe, „um sodann nurmehr zurückhaltend auf religiöse Deutungsmuster des Geschichtsverlaufs zurückzugreifen“.15 13 Noller: Kirchliche Historiographie, 2. 14 Ebd., 83–92. 15 Ebd., 86.

Forschungsgeschichte

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Gleichzeitig mit dieser Verankerung seines Geschichtsbildes in einem älteren heilsgeschichtlichen Verständnis befleißigte sich Cranz bei seiner Darstellung der neueren wissenschaftlichen Methoden: 1. Er folgte dem Grundsatz der Wahrhaftigkeit und Unparteilichkeit einer Beschreibung der Begebenheiten. 2. Alle Aussagen müssen auf nachweisbaren Quellen beruhen. 3. Diese Quellen müssen auch in Anmerkungen nachgewiesen werden, und zwar sowohl gedruckte als auch handschriftliche Quellen. 4. Das Prinzip der Gliederung der Darstellung ist nicht mehr das der chronologischen Abfolge des Zeitverlaufs im Sinne der Annalistik, sondern eine nach den Ursachen, Absichten und Zusammenhängen gegliederte Erzählung. Eine solche auf Apologetik, kontroverstheologische Absichten und dogmatische Vorgaben verzichtende Darstellung nannte Johann Lorenz von Mosheim und Johann Franz Buddeus eine „pragmatische“ Geschichtsschreibung. Ihr wusste sich auch Cranz verpflichtet. Noller zitiert aus dem Pro Memoria von Cranz, das dieser anlässlich der geplanten Darstellung seiner Brüderhistorie 1765 an das Unitäts-Direktorium sandte, den für dessen Geschichtsverständnis entscheidenden Satz: „Ich nenne eine pragmatische Gemein-Historie eine umständliche Erzählung der Begebenheiten, wie sie aus den Principiis, die der Heiland seinen vorerwehlten Zeugen ins Herz gegeben, geflossen, mit nothdürftigen Unterlagen aus Documentis versehen, daraus die Nachkommen lernen, wie sie das Werk des Herrn [...] anzusehen und [...] fortzuführen haben.“16 Mit dieser Erhebung des Geschichtsverständnisses von Cranz hat Noller eine wichtige Arbeit zum Verständnis der hier vorliegenden Edition der Geschichte von Gnadenfrei geleistet. Seine Befunde wurden darum hier ausführlicher vorgestellt, um dem Leser einen Zugang zu der Geschichtsschau von Cranz zu verhelfen. Im Folgenden soll eine Einführung in das Leben und das Werk von Cranz gegeben werden. 2. Leben und Werk von David Cranz Jede Darstellung des Lebens von Cranz hat von seinem eigenen Lebenslauf auszugehen, den er in der dritten Person verfasste.17 Der Lebenslauf stellt in aller Kürze die wichtigsten Fakten für sein Wirken in der Brüdergemeine zusammen und nennt präzis die entsprechenden Daten und Örtlichkeiten. Er zeichnet sich aber auch durch das gezielte Verschweigen wichtiger Hintergrundinformationen aus, die für das Verständnis seines Lebens notwendig wären. Wir erfahren weder die Namen der Geschwister noch der Großeltern und deren Berufe noch klare Angaben über seinen Geburtsort. Der Le benslauf verzichtet auf alle Angaben über die innere Entwicklung, die sonst den Inhalt vieler vergleichbarer Texte ausmachen. Wir erfahren nichts über das Verständnis und die Wirkung der Schriften von Cranz, wohl aber über seine gesegnete Tätigkeit auf dem Feld der Diasporaarbeit in der Schweiz, in Westfalen und in Berthelsdorf. Man ge16 Zit. nach ebd., 101. 17 Unitätsarchiv Herrnhut, Sign. R.22.I.a.63 und GN.C.205.1777.4, 537–548.

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winnt den Eindruck, dass ihn diese praktisch-theologische Arbeit vor der Gemeine als ein nützliches Glied ausweisen sollte, wusste er doch, dass wissenschaftliche Arbeit bei den Brüdern keinen hohen Stellenwert besaß. Der Lebenslauf endet 1771. Er umfasst nicht mehr seine Tätigkeit in Gnadenfrei, so dass auch über die hier herausgegebene Geschichte keine Information zu erhalten ist. Der Text vermeidet zudem jede ­Äußerung über seine gesundheitliche Situation und seine ihm angeborene „Schwächlichkeit“, was für seine Lebensführung und die ihm zugewiesenen Aufgaben nicht unwesentlich gewesen sein dürfte. „Am dritten Februar Ein Tausend Siebenhundert drei und Zwanzig (3. Februar 1723) wurde dem Schneidermeister Johann Krantz von seiner Ehefrau Regina geborene Kamke ein Sohn geboren, welcher in der heiligen Taufe am 8ten ejusdem mensis den Namen David erhielt.“ So lautet der Taufschein von David Cranz, der die Taufe am 8. Februar bescheinigt, ausgestellt von Pfarrer J. A. Schultz, Strafanstaltsprediger, am 7. August 1776. Als Taufzeugen werden genannt: Georg Sachre, Corporal von den Dragonern; Peter Seilbinder, Bürger und Baumann, und Michael Friedrich Wegners Geheimraths (?) Ehefrau.18 Auch wenn wir diese Taufzeugen nicht kennen, so ist die gut bürgerliche Herkunft von Cranz damit klar belegt. Dass dieser eine Schwester hatte, erfahren wir 1768, als er Bruder Gregor mitteilt, dass er seine Schwester besuchen wolle und bei der Gelegenheit „Stettin passiere“.19 Über seine Ausbildung und Jugendentwicklung erfahren wir allerdings nur, dass er „bey einem Prediger im Hause erzogen und unterwiesen“ worden ist. 2.1 Studium und Lebenswende in Halle Der namentlich nicht genannte Prediger hatte offensichtlich Kontakte nach Halle, denn von ihm wird der Anstoß zu einem Theologiestudium an der dortigen Universität gekommen sein, das Cranz Michaelis 1738 aufnahm. Leiter der Franckeschen Anstalten war zu jener Zeit Gotthilf August Francke, der Sohn August Hermann Franckes. Bei ihm und bei dem Dogmatiker Professor Joachim Lange muss Cranz damals Vorlesungen gehört haben. Beide bestärkten ihn offenbar in seiner Sympathie für den Pietismus.20 Es wäre interessant zu wissen, ob Cranz auch historische Vorlesungen bei dem Kirchenhistoriker und Systematiker Siegmund Jakob Baumgarten hörte, der der Aufklärung zuneigte. Er könnte es gewesen sein, der Cranz in die methodischen Voraussetzungen historischen Forschens einführte. Da Cranz jedoch bereits nach gut anderthalb Jahren 18 Ebd., Familienarchiv Cranz, Taufschein (ohne Signatur). 19 Protokolle des Unitäts-Directoriums 1768, Bd. 2, 739 vom 16. Mai 1768. 20 Lange sah seine Hauptaufgabe darin, „dem Aufkommen der Philosophie Christian Wolffs mit allen Mitteln zu wehren“ Brecht, Martin: Der Hallesche Pietismus in der Mitte des 18. Jahrhunderts – seine Ausstrahlung und sein Niedergang. In: ders. (Hg.): Geschichte des Pietismus, Bd. 2: Der Pietismus im achtzehnten Jahrhundert. Göttingen 1995, 319–357, hier 329.

Leben und Werk von David Cranz

Abschrift des Taufscheins von David Cranz nach dem Kirchenbuch vom 7. August 1776. Bildnachweis: Unitätsarchiv Herrnhut, Sign. NFC Familien Archiv Cranz.

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an das Brüderseminar in der Wetterau wechselte, muss man vermuten, dass ihm der in Halle zunehmend stärker werdende Geist des Rationalismus nicht gefiel. Cranz kam mit den erweckten Bürgern und Soldaten um Leutnant Carl Heinrich von Peistel zusammen. Dieser berichtet in seinem Lebenslauf anschaulich von der Erweckung unter den Soldaten im Jahr 1738, zu der sich mehr als vierzig Soldaten zählten. „Ich errichtete ein Haus. Zwei Soldatenbrüder – Rauch21 und Jacobi22 – hielten in demselben Versammlungen. Ihr Zeugniß schaffte großen Nutzen auch an solchen, die aus Neugierde, Soldaten predigen zu hören, mit in die Versammlungen kamen. Das machte großes Aufsehen und zwei Prediger verklagten uns beim Obristlieutenant Grafen zu Dohna, unsern Vice-Commandeur; sie erklärten es für Unordnung – ihr Amt werde dadurch verächtlich gemacht, wenn gemeine Soldaten öffentlich lehrten.“23 Cranz war offensichtlich einer dieser neugierigen Studenten. In einem Gedicht beschreibt Cranz seine Lebenswende am 12. April 1740, kurz vor seinem Entschluss, Halle zu verlassen und sich den Herrnhutern anzuschließen. Dieses Gedicht, das dem Leiter des Theologischen Seminars in Marienborn gewidmet war, ist ein Jahr später verfasst worden:24 „Mein Lamm! Ich danck es deiner Gnad, die mich hat aufgewecket, die mich heraus gerissen hat aus dem, was mich beflecket: Du kontst es länger nicht ansehn, wie ich der Sünd must dienen, drum hörtestu mein armes Flehn, ich hörte vom Versühnen.

Allein ich dachte: Nun ists gut! Nun bist du schon geborgen! Du schwimmest nun in Jesu Blut, nun darfst du nichts mehr sorgen. Es kam auch Eigenlieb herbey, die Zucht wolt ich nicht hören, und der Gelehrten Raserey, die that ich wieder ehren.

Ich wurde von dir angeblickt, doch nur als wie im Dunkeln, so schiens, als wär ich ganz entzückt, es fing was an zu funkeln. Es wich der schnöde Erden-Kram aus meinen eitlen Augen. Ich wurde dem Gelüste gram und fing an Gnad zu saugen,

Ein armer Sünder war ich nicht, ich dacht: du musts noch werden. Doch war mein Herz auf nichts gericht als Sachen dieser Erden. Wenn jemand frug: Was denkstu denn, Willstu dem Lamm ganz leben? Ja! sagt ich, aber wie? Und wenn? Das sag ich noch nicht eben.

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Wahrscheinlich identisch mit dem Soldatenbruder Rauch (gest. 1745) auf S. 236. Wahrscheinlich identisch mit dem Soldatenbruder Jacobi (gest. 1745) auf S. 236. Unitätsarchiv Herrnhut, Sign. R.22.121.33. Ebd., Sign. R.21.A.195.I.C.237.

Leben und Werk von David Cranz

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Allein des Lamms Barmherzigkeit und seine grosse Liebe, die sah mich an zu solcher Zeit; Es gabe auch die Triebe Mich anzunehmen, wie ich war; Das wollt mir nicht anstehen, Darüber kam ich in Gefahr, Ich musts nur laßn geschehen.

Mich hungerte nach Jesu Blut Und nach dem Fleisch des Sohnes: Ich hab zwar eines Kindes-Muth Und bin ein Theil des Lohnes Des Creuzes: Aber Blut-Genuß, das ist mir noch verborgen; Ich kriege manchmahl einen Kuß, Nun Lamm! Du wollst des sorgen.

Wenn ich nicht wollt, so hießs in mir: Du gehst darum verlohren, Und sagt ich: ja, so hieß es schier: Du bist dazu gebohren. So kam ich zur Gemeine hin, Voll Elend und voll Schanden. Ich hatte zwar zum Guten Sinn, Doch alles war voll Bande.

Mein Bruder! Das ist so mein Sinn, ich bin vors Lamm gebohren. Er nehme mich nun ganz dahinn, ich hab ich ihm Treu geschworen. Das weiß ich, ich bin seine Beut Und auch sein Hauß-Genoße, gehör mit unter diese Leut, vor die sein Blut vergoßen.

Ich wurde aufgenommen zwar, allein es nuzt mir wenig, der Sünden Menge und Gefahr blieb doch beständig König, so lange, biß ein Bruder sagt: die Seeln sind nicht mehr Knechte, und wer nach dem Erlöser fragt, der hat auch Theil am Rechte.

Nur eine Bitte ist vom Lamm, ach wenn die Zeit bald käme; Ich hänge gern am Creuzes Stamm! (darüber ich mich schäme) Ich ruhte gern in seiner Seit Und küßt die Nägel-Narben, damit ich in der Zeugen-Zeit nicht länger dürfte darben.

Da gieng mein Lamentiren an, ich wolt des Lammes werden; bekannte also meinen Bann und meinen Sinn der Erden. Ein Bruder bet’te über mir, so kriegte ich Genade. Es hieß im Herzen also schier: Nimms Leben, todte Made!

Es liegt mir auch allzeit im Sinn, ein Zeug der Gnad zu werden. Das wär mein einziger Gewinn auf dieser Seegens-Erden. O Lamm, mach deine Sünderschaft in meinem Herzen helle und tränk mich mit dem Wunden-Saft, so komm ich auf die Stelle.

Mein Lamm! Wie war ich doch erfreut, da alles das geschahe. Nun war es auch wohl hohe Zeit, daß ich mich auch umsahe: Wo kriegstu nun ein Ehren-Kleid zu decken deine Mängel? Des Lammes Blut-Gerechtigkeit In dem Gesicht der Engel.

Gedenke meiner vor dem Lamm, das mich auch hat erworben. Er heize mich mit seiner Flamm, in der er ist gestorben. Mir ist nichts liebers in der Welt, als vor das Lamm zu leben, so kann ich auch im Himmels-Zelt vor seinen Wunden schweben.

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Das sind, mein theurer Bruder Nitschmann, meine einfältige Gedanken über die Gnade, die mir das Lamm vorm Jahr an diesem Tage erwiesen. Antworte deinem armen Bruder David Cranz Genff, den 12. Aprill 1741.“ Sein Inneres, seine geheimsten Erfahrungen in einem Gedicht auszusprechen, entspricht der religiösen Praxis von Zinzendorf. Bekannt sind dessen Gedicht Allgegenwart mit dem Titel „Vollendung einer fünfjährig-fortgewährten Betrachtung Gottes“ aus dem Jahr 1722 und seine „Aufrichtige Erklärung, wies ihm ums Herz ist“ von 1734.25 Da beide in der Sammlung seiner Gedichte von 1735 abgedruckt sind, dürften sie Cranz bekannt gewesen sein und als Vorbild im Hintergrund stehen. Wenn es in diesem Gedicht konkret und lebendig heißt: „Ein Bruder bet’te über mir, so kriegte ich Genade“, so muss man wohl an Peistel denken, den Cranz in seinem Lebenslauf hervorhob. Das Gedicht beschreibt sein inneres Ringen, auch seinen Versuch, sich in die Frömmigkeit der Brüdergemeine einzuleben und sie anzunehmen. Diese verlangte keinen Bußkampf wie in Halle, wohl aber das Bewusstsein der eigenen Sündigkeit und Scham über die eigene Unzulänglichkeit und das Sich-Ergeben in die Größe der Barmherzigkeit und der Versöhnung Jesu. Der Begriff des Lamms nahm in Zinzendorfs Liedern um 1739/40 eine zentrale Rolle ein. Darin folgte ihm Cranz in seinen wenigen Gedichten dieser Zeit. Es gibt kaum Zeugnisse von Cranz, in denen er sich über sein persönliches Glaubensleben äußerte. Aber in diesem Gedicht liegt doch wohl mehr als eine bloße Wiederholung pietistischer Topoi vor, wofür der angehängte Briefschluss und die mehrfach genannte Hilfe eines Bruders sprechen. Diese Entscheidung, die in Halle gefallen ist, muss seinem Abschied aus der dortigen Universität kurz vorausgegangen sein. 2.2 Student am Seminar in Marienborn Seinen Entschluss, die Brüdergemeine kennenzulernen, setzte Cranz 1740 in die Tat um. Er kam, wie er in seinem Lebenslauf schrieb, am 10. Mai auf dem Herrnhaag bei Büdingen an. Am 25. Juni wurde er in die Gemeinde aufgenommen26 und am 1. Oktober zum Abendmahl zugelassen. Damit war Cranz ein voll berechtigtes Mitglied. Es kann hier keine ausführlichere Beschreibung des 1739 gegründeten Seminars gegeben werden, aber es sind doch zumindest einige Zeugnisse, die Cranz unmittelbar betreffen, anzuführen.27 25 Abgedruckt in: Zinzendorf, Nikolaus Ludwig von: Teutscher Gedichte Erster Theil. Herrnhut 1735, Nr. 43, Nr. 139; ders.: Teutscher Gedichte Neue Auflage. Barby 1766, Nr. 20, Nr. 130. 26 Die Aufnahme erfolgte zugleich mit dem englischen Verleger und Buchhändler James Hutton und dem lutherischen Pastor aus Camby bei Dorpat, also dem estnischen Teil von Livland. Vgl. Unitätsarchiv Herrnhut, Sign. R.8.33.a.5.a., Diarium von Herrnhaag und Marienborn 1740. 27 ��������������������������������������������������������������������������������������� Zum Theologischen Seminar nach 1740 vgl. Uttendörfer, Otto: Zinzendorf und die Entwicklung des theologischen Seminars der Brüderunität. In: Zeitschrift für Brüdergeschichte 10 (1916) 32–88; 11 (1917) 71–123; 12 (1918) 1–78; 13 (1919) 1–63.

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Der Anlass dieser Einrichtung war ein ganz praktischer. Es ging um die Erziehung von Zinzendorfs Sohn Christian Renatus, die mit einer Lehr- und Lebensgemeinschaft in Jena 1737 begonnen hatte und im April 1739 auf den Herrnhaag verlegt wurde. Dort wurden „Christel“, Louis von Schrautenbach und Charles von Schachmann von neun Theologiestudenten unter der Leitung von Johann Nitschmann28 unterrichtet.29 Aber schon bald trafen dort weitere Theologiestudenten ein. Cranz verließ Halle nicht allein. Am 10. Mai „kamen 4 Studenten Namens Hesse, Elster, Baake, Crantz von Halle und Lauterbach30 von Jena und Schröder aus Quedlinburg“, so notiert das Diarium von Herrnhaag.31 An diesem Abend hielt Zinzendorf eine Singstunde über das Lied: „Lamm, Lamm, o Lamm, so wundersam“.32 Am 18. Mai „gab der Herr Graf den neu angekommenen gelehrten Brüdern ein Liebesmahl“. Am 26. Mai, am Himmelfahrtstag, feierte Zinzendorf seinen Geburtstag mit einem Liebesmahl mit siebzig Personen. Diese Notizen im Diarium lassen etwas von der freudig erregten Stimmung auf dem Herrnhaag erkennen, in die Cranz nun eintauchte. Seine Aufnahme in die Gemeine rund sechs Wochen später erfolgte an einem Gemeintag mit 14 weiteren Brüdern. Unter ihnen war auch der Engländer James Hutton. Lauterbach wurde an diesem Tag konfirmiert und war damit noch stärker in die Gemeinde eingebunden als Cranz. Am 22. Juli erhielten alle ledigen Brüder, also gelehrte und ungelehrte, ein neues Brüderhaus. Die Abendmahlsfeier am 1. Oktober hielt Wenzel Neißer, mit Cranz feierten 14  Brüder und zwei Schwestern zum ersten Mal dieses Sakrament. Am 7. Oktober trafen drei weitere Brüder aus Halle ein, darunter Carl Heinrich von Peistel. Es waren Jahre des Aufbruchs, an denen Cranz vollen Anteil nahm. Am 25. November 1740 zog der ehemalige Zittauer Rektor Polycarp Müller33 in die Wetterau. Er war fortan für die wissenschaftliche Seite nicht nur dieses Seminars, sondern auch der gleichzeitig gegründeten Lateinschule zuständig. Am 31. Januar 1741 wurde das Seminar in das nahegelegene Schloss Marienborn verlegt. Es ist erstaunlich, dass Zinzendorf im März 1741 Cranz ebenso wie Peistel mit auf die Reise nach Genf nahm, wo er die Geschichte und Frömmigkeit Herrnhuts einem reformierten Kirchenrat und Angehörigen der örtlichen Theologischen Fakultät vorstellen wollte. Zinzendorf verstand diese Reise offensichtlich als Bildungsprogramm für seinen Sohn und die ihn umgebenden Studenten. Cranz reiste zusammen mit dem schwedischen Theologen Arvid Gradin und dem sächsischen Theologiestudenten Jo-

28 Johann Nitschmann der Ältere (1711–1772), Bischof. 29 Uttendörfer: Zinzendorf und die Entwicklung des theologischen Seminars, [11] 71. 30 Cranz gehörte mit Johann Michael Lauterbach und Johann Friedrich Francke, der 1746 von Zinzendorf angestellt wurde, zu den wichtigsten „Schreibern“ oder „Protokollisten“. 31 Unitätsarchiv Herrnhut, Sign. R.8.33.a (zum Jahr 1740.5.a–e). 32 Herrnhuter Gesangbuch von 1735, Nr. 1457, von Zinzendorf 1740 gedichtet zur Trauung von August Gottlieb Spangenberg mit Eva Maria, verwitwete Immig. 33 Breymayer, Reinhard: Art. Müller, Gottfried Polycarp. In: Neue Deutsche Biographie 18 (1997) 469–470.

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hann Ludwig von Marschall nach Genf, wo sie am 3. März eintrafen.34 An den theologischen Verhandlungen war Cranz vermutlich nicht beteiligt, oder er wurde – dies wäre eine andere Möglichkeit – schon damals als Protokollant eingesetzt. Die Tatsache, dass er auf dem Rückweg von Genf zur Begegnung und zum Zeugnis in den brüderischen Freundeskreisen eingesetzt wurde, verrät doch eher das missionarische Anliegen Zinzendorfs. Mit Marschall reiste Cranz über Bern nach Thun, wo sie Gespräche mit dem Pfarrkapitel führten, nach Dießbach zu dem befreundeten Pfarrer Samuel Lutz, dann über Beatenberg, Langenthal, Däniken und Waldenburg nach Basel, das sie am 1. Juni erreichten. Erst am 23. Juni kamen sie nach einem langen Fußmarsch wieder in Marienborn an. Nur vier Monate später wurde Cranz nach Herrnhut zum Unterricht in der Kinderanstalt gesandt, auch das verstand Zinzendorf offensichtlich als Teil von dessen theologischen Ausbildung. Als Lehrer unterstand Cranz dem ehemaligen Zittauer Rektor Polykarp Müller, dem er einen lebendigen Bericht über seine Arbeit in Herrnhut gab: „Von 7 – 8 habe ich Geographie und Historie mit den Kleinern, nach Gradins Anleitung. Ich habe ihnen im ersten Cursu die Länder und Provinzen mit den Hauptstädten gezeiget. Im andern laße sie die vornehmsten Städte in jeder Provinz aufsuchen und spielend etwas memoriren. Die Veränderungen bey einem jeden Reich laße sie auch merken nebst dem gegenwärtigen statu. Von 10 – 11 habe mit eben denselben Latein, sie sind aber von zweierlei Gattung. Mit der ersten lese ich Castel, Novum Testamentum, cursorie und staturie, laße sie ein wöchentliches Exercitium machen und bisweilen ein extemporaneum. Dann lernen sie auch Vocabula mit + und * aus dem Cellario.35 Mit den andern explicire ich grammatice das Tirocinium Langii und laße sie die ­Vocabula mit + lernen. Von 11 – 12 applicire ich mich etwas auf die Music. Von 2 – 3 habe ich mit den größeren Montag, Mittwoch und Freitag Geographie und Historie nach Gradins Aufsatz, Dienstag und Donnerstag Rechnen nach dem Jenaischen Rechenbuche erst angefangen. Von 3 – 4 Latein wie von 10 – 11. Von 4 – 5 mit allen Flügel-Kindern Schreiben. Ich bin mit ihrem Fleiß zufrieden. Nur das gantze Herz gegen den Heyland fehlt bey manchen. Die Gnade beweist sich unter ihnen.“36 Dieses etwas längere Zitat zeigt, welche Fächer Cranz zu unterrichten hatte. Es belegt den Schwerpunkt in Latein, aber auch den Unterricht in Geographie und Musik. Mit Gradins Aufsatz wird dessen überarbeitete historische Darstellung der Brüdergeschichte von Zinzendorf, die er nach Comenius’ Brüdergeschichte verfasst hatte, gemeint sein; sie wurde handschriftlich in deutscher Sprache verbreitet und erschien später in englischer Sprache im Druck.37 34 Unitätsarchiv Herrnhut, Sign. R.19.C.2.a.372; Finze-Michaelsen: Cranz, 151. 35 ���������������������������������������������������������������������������������������������� Cellarius, Christoph: Latinitatis Probatae et Exercitiae Liber Memorialis. Merseburg 1731. Unter Umständen war auch eine andere Ausgabe dieses oft aufgelegten Wörterbuchs zum Schulgebrauch gemeint. 36 Unitätsarchiv Herrnhut, Sign. R.21.108.b.160 vom 25. Juni 1742. 37 Gradin, Arvid: A short History of the Bohemian-Moravian Protetant Church of the United Brethren in a Letter to the Archbishop of Upsal. London 1743.

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Die Lateinschule in Herrnhut war so etwas wie eine Außenstelle von Marienborn. Zinzendorf strebte jedoch eine zentrale Ausbildungsstätte in der Wetterau an und wollte Herrnhut nur noch solange halten, wie Johannes Langguth38 dort arbeite etc.39 Langguth blieb bis zum 21. August 1742 in Herrnhut. Cranz muss aber noch länger in Herrnhut unterrichtet haben, denn das Tagebuch des Theologischen Seminars in Marienborn berichtet, dass er erst am 13. Januar 1743 mit Heinrich Nitschmann von Herrnhut in Marienborn eingetroffen sei.40 Damit war Cranz wieder Student des Theologischen Seminars und genoss eine sich vom akademischen Lehrbetrieb an einer Universität wie in Halle wesentlich unterscheidende Ausbildung. Das zeigt sich an verschiedenen Punkten. So fand bei Eintritt in das Seminar eine „nähere Durcharbeitung der ledigen Brüder“ anhand ihres Lebenslaufs durch den geistlichen Leiter des Seminars, Johann Nitschmann, statt; einen solchen Lebenslauf hatte jeder einzureichen.41 Da Cranz erst Anfang 1743 von ­Herrnhut zurückkam, fand bei ihm diese Besprechung erst am 30. Januar statt, und zwar durch Langguth. Dieser konnte hier sehr energisch sein. So hören wir von einer Viertelstunde für die gelehrten Brüder, da Langguth „redete als donnerte es ins Hertz. Sein Eifer ging wider die Leute unter den gelehrten, die durch ihre confusion andere zu verführen und in gleiche confusion zu bringen suchten und schwierig würden, wenn sie nicht mit zum Abendmahle gingen, auch über andere raisonnirten. Er verglich sie dem Teuffel und nannte sie auch selbst Teuffel und verboth erstlich und in Krafft, daß niemand sich künfftig unterstehen sollte bey härtester exemplarischer Straffe, seine confusiones andern beyzubringen und durch raisonniren zu [ver]führen.“42 Einen Tag später gab ­Peistel ein „Thee-Liebesmahl“ und schärfte den Brüdern ein, „keine Schulden zu machen, nachmittags keine Milch und Coffee zu trinken, besonders wurde das Raisonniren ernstlich verbothen“.43 Andererseits trugen die Studenten eine einheitliche Kleidung nach dem Vorbild studentischer Seminare. Hatte der Lehrbetrieb vor der Übernahme des Seminars durch Polykarp Müller weitgehend auf Einzelunterricht von Studenten älterer Semester bei Christian Renatus Zinzendorf und anderen adeligen Zöglingen beruht, so entwarf Müller, der auf der Synode von Gotha 1740 zum Leiter des Schulwesens in der Wetterau bestimmt worden war, das Konzept eines systematischeren Unterrichts auf der Basis der von Zinzendorf entfalteten Grundsätze. Uttendörfer hat sein „Project von dem Seminario“ ab-

38 ��������������������������������������������������������������������������������������������� Johannes Langguth (1718–1788), von Friedrich von Watteville 1744 adoptiert. Er ist also identisch mit Johannes von Watteville. 39 Uttendörfer: Zinzendorf und die Entwicklung des theologischen Seminars, [11] 82: „Vom 28. Februar 1741 bis 21. August 1742 beeinflußt hier Johannes Langguth die Studenten begeistert im Sinne der neuen Frömmigkeit und belebt alle Herzen mit seiner Predigt von den Wunden Jesu.“ 40 Unitätsarchiv Herrnhut, Sign. R.4.B.III.a.3.9. 41 Ebd., Diarium des Seminars vom 11. November 1742. 42 Ebd., 15. April 1743. 43 Ebd., 16. April 1743.

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gedruckt,44 das Zinzendorfs Ziel einer lebendigen Erkenntnis der Wahrheit und Seligkeit in ­Christus dem Gekreuzigten aufnimmt und zu dessen Realisierung die Studenten in sieben Klassen einteilt, die die Weite seines Bildungsprogramms andeuten: 1.  Klasse der biblischen Studien mit Lektüre der heiligen Schrift im Urtext. 2. Klasse der Linguisten, die die neueren auf den Missionsfeldern gesprochenen Sprachen lernen. 3. Klasse der Sprachlehrenden, also der Anwendung der Sprachen. Wenn die Grundsätze darin gelegt sind, genüge eine wöchentliche Konferenz, um „da und dort etwas zu verbessern“. 4. Die Klasse der Kontroverstheologen oder der systematischen Theologie, die die Schriften der Gemeinde und ihrer Gegner studieren. 5. Klasse der Mathematik und Zeichenkunst (classis mathematica). 6. Klasse der Geographie und der Reisebeschreibungen (classis geographica). 7. Klasse der Historie (classis historica), der Kirchengeschichte der ersten drei Jahrhunderte und der neueren Zeit. In jeder Klasse sollte ein dirigierender Arbeiter sein; wöchentliche Konferenzen sollten stattfinden zur Einrichtung, Aufsicht, Besserung und Aufmunterung.45 Cranz gehörte zur zweiten Klasse und lernte dort sicherlich Englisch und Französisch. Er sprach bei seiner Reise in die Schweiz auch Italienisch, konnte dänische Bücher lesen und arbeitete sich 1760/61 in die grönländische Sprache ein. Eine spätere Einteilung vom August 1743 geht von nur vier Klassen für Studenten aus; auch hier gehörte Cranz zur zweiten Klasse. Zugleich schrieb Müller an Zinzendorf, dass er täglich eine Auslegung aus dem Neuen Testament gebe. 1744 und 1745 hielt auch Zinzendorf häufig Ansprachen vor den Seminaristen und regte sie zum Studium der Kirchengeschichte an.46 Aus den Listen über die Mitglieder der Gemeine in der Wetterau ergibt sich, dass Cranz in die Seelsorgegruppen voll eingegliedert war; er wird unter den Klassen und Banden der ledigen Brüder aufgeführt. Nach einer Liste vom 16. Mai 1743 gehörte er zu Klasse II und zu Bande 3 unter Arvid Gradin zusammen mit Johann Ludwig Marschall und zur mittwochs Klasse 2, zusammen mit Christian Georg Andreas Oldendorp.47 Die Banden trafen sich wöchentlich meist um 7 Uhr und dienten der offenen Aussprache. Um eine Vorstellung von dem gottesdienstlichen Leben zu bekommen, mag die „Ord44 45 46 47

Uttendörfer: Zinzendorf und die Entwicklung des theologischen Seminars, [11] 93–108. Ebd., 100–103. Ebd., [12] 38. Christian Georg Andreas Oldendorp (1721–1787) erhielt 1766 den Auftrag, die Geschichte der Brüdermission auf den Karibischen Inseln zu verfassen. Das Werk konnte er 1776 abschließen. Eine gekürzte Fassung erschien 1777 unter seinem Namen. Vgl.: Oldendorp, Christian Georg Andreas: Geschichte der Mission der evangelischen Brüder auf den caraibischen Inseln S. Thomas, S. Croix und S. Jan. Hg. v. Johann Jakob Bossart. Barby 1777. 2000–2002 ist das Originalmanuskript in Berlin in vier Bänden erschienen.

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nung von Tag zu Tag“ vom 16. Mai eine Hilfe sein. Höhepunkt war der Sonntag mit folgenden Versammlungen: „6 Uhr früh die Hausviertelstunde wie alle Tage, wobey die Losungen gelesen wurden 8 Uhr Frühbetstunde über einen freien Text, wie alle Tage 3 Uhr Predigt 4 Uhr ledige Brüder Viertelstunde und Classen.“ In der Woche traf man sich zusätzlich am Dienstag um 7 Uhr zu einer allgemeinen Bandenkonferenz und fast täglich zu einem Stundengebet. Am Samstagabend betete man das Stundengebet und die Litanei. Daneben gab es die Helferkonferenz und die Stundenbeterversammlung. Überhaupt hat man den Eindruck, dass der Einteilung der Studenten in Seelsorgebanden eine große Bedeutung zukam, denn diese trafen sich regelmäßig. Das heißt aber doch, dass die Teilnahme der Studenten am liturgischen und seelsorgerlichen Leben der Gemeine ihrer fachlichen Ausbildung eher übergeordnet war. Auch Johannes von Watteville betonte in einem Brief an Zinzendorf die praktischtheologische Bedeutung des Seminars, das eigentlich sechs Anstalten umfasse: 1. die Knabenanstalt der Gemeinkinder, 2. die Anstalt „unserer Pilger und anderer Geschwister“, 3. die Waisenkinder, 4. die Kostkinder, die ihren Unterricht bezahlen, 5. die Schreiber-Anstalt, „die durch die Communication der Gemein-Nachrichten die Gemeine und Boten in ihrem Gemein-Gange erhalten hilfft“, 6. das Seminarium der Gelehrten, „die aber, biß auf ein Halbdutzend etwa, gewißlich alle entweder in den Kinder-Anstalten oder in der Schreiber-Stube employret sind“.48 Cranz erwähnte in seinem Lebenslauf den Umzug des Seminars in das etwa drei Kilometer entfernte Lindheim, den Sitz des Schlosses von Louis von Schrautenbach.49 Der Umzug, der im Diarium des Seminars genauer beschrieben wurde, erfolgte vom 5. bis 7. Mai 1744. Am 7. Mai schließlich hielt Paul Eugen Layriz50 eine Einweihungsfeier in Marienborn mit einer eigens dafür verfertigten Kantate51 und einer Rede über den eigentlichen Zweck des Seminars. „Der Schluß wurde mit einem herzlichen Liebeskuß gemacht.“ Es fällt auf, dass Cranz unter den Ämtern, die den Studenten zugewiesen wurden (etwa als Lehrer im Pädagogium und der Waisenanstalt oder auch als Krankenwärter oder Fremdendiener) nie genannt wird. Nach seinem Lebenslauf war er erst 1744 zur „Copierung der Gemein-Nachrichten in der Schreiberstube“ angestellt. Möglicherweise hatte er diese Aufgabe auch schon ein Jahr früher gehabt. In einer Liste von 1747 werden zehn Schreiber unter 38 Studenten genannt, von denen allerdings auch drei als Informanten bei den Kindern dienten und einer als Leiter der Schreibstube auch 48 Unitätsarchiv Herrnhut, Sign. R.21.A.183.e.II. Nr. 408. 49 Ludwig (Louis) Carl Freiherr von Schrautenbach (1724–1783). 50 Paul Eugen Layritz (1707–1788) war seit 1732 Konrektor des Gymnasiums in Neustadt/Aisch, wurde 1742 in die Brüdergemeine aufgenommen und wurde im August 1743 Vorsteher des Seminars und Pädagogiums in Marienborn. 51 Büdingische Sammlung, Bd. 3. Büdingen 1744, 400–448.

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andere Funktionen hatte. Das bedeutet aber, dass etwa ein Viertel aller Studenten in der Schreibstube angestellt waren. Der Bedarf an Kopisten der Gemeinnachrichten war demzufolge groß. Die Tätigkeit sollte die Studenten in das Leben der Gemeine einführen. Offensichtlich war diese Arbeit so zeitaufwendig, dass zur Erfüllung von anderen Aufgaben kaum Zeit verblieb. 2.3 Schreiber Zinzendorfs und Kopist der Gemeinnachrichten Seit 1747 stand Cranz ganz im Dienst Zinzendorfs und war für die „Copirung der Gemein-Nachrichten“ zuständig, möglicherweise sogar verantwortlich. Mit dem Jahr 1747 setzt zugleich das „Jüngerhaus-Diarium“ ein, eine fortlaufende Berichterstattung aus dem Umfeld Zinzendorfs sowohl von dessen Reden als auch von wichtigen Besuchen, Auszügen von den Gemeintagen mit Nachrichten aus den Gemeinden und der Mission. Zinzendorf las Korrektur und hatte sicherlich entscheidenden Einfluss bei der Auswahl der Texte. Zinzendorf war sich der Bedeutung eines solchen Diariums, das regelmäßig kopiert und an die Gemeinden weitergeleitet wurde, völlig bewusst. Auf dem Synodus in ­Herrnhaag vom 12. Mai bis 14. Juni 1747 äußerte er: „Das in dem Jahr angefangene Diarium ist eine excellente Sache, dergleichen noch nicht gewesen seit dem Anfang der Gemeine. Die Gemeintage sollten ordentlich wieder eingerichtet und mit dem Gemeindiario angefangen werden.“52 In der 19. Sitzung vom 9. Juni stellte er noch einmal fest: „Das Gemeindiarium ist jetzt die allerwichtigste Sache, die in der Gemeine regiert.“53 Wenn Zinzendorf gleichzeitig die Erneuerung der Gemeintage forderte, so hat das seinen Grund darin, dass er es merkwürdig fand, wenn die auswärtigen Geschwister besser informiert wurden als die am Ort gegenwärtigen. Auf den Gemeintagen sollten die im Diarium gesammelten Texte für die Gemeinde verlesen werden. Auch sah er das Problem der Arbeitsüberhäufung und meinte, es genüge, wenn jeder Hauptarbeiter einer Gemeinde das Diarium bekomme. Inwieweit Cranz die Verantwortung für die pünktliche Auslieferung der Gemeinnachrichten hatte, wird im Protokoll nicht gesagt, doch dürfte in der Zuverlässigkeit der Abschrift und der Pünktlichkeit und Regelmäßigkeit der Auslieferung sein eigentliches Verdienst liegen. Am 11. Oktober 1747 erhielt Zinzendorf nach elf Jahren Verbannung aus Sachsen die Mitteilung, dass diese aufgehoben worden sei. Daraufhin begab er sich am 14. Oktober nach Herrnhut, Berthelsdorf und Großhennersdorf, wo er bis Ende November 52 Unitätsarchiv Herrnhut, Sign. R.2.A.23.B.6 Sessio 16, Bl. 63a: Mitschrift des Synodus durch Paul Eugen Layritz. Im Hauptprotokoll wurde protokolliert: „Das Diarium ist eine excellente Sache. Ich wüßte mich nicht zu erinnern, daß ich jemals eine Anstalt in der Gemeine gesehen, die mir so niedlich eingerichtet hätte [= wäre]. Und der liebe Heiland gibt dem Johannes viel Gnade dazu.“ Ebd., Sign. R.2.A.23.Bd. 2, 745. Langguth war als Protokollant in den Jahren 1738 bis 1740 von Bedeutung; er war offenbar ebenfalls an der Redaktion der Gemeinnachrichten verantwortlich beteiligt. 53 Ebd., Sessio 19 (Bl. 71a).

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blieb. Auf dieser Reise begleitete ihn Cranz; er unterbrach die Reise lediglich, um seine Mutter in Stettin zu besuchen, die ihm entgegengereist war. In Schlesien traf er mit Zinzendorf wieder zusammen, wie wir aus dem Lebenslauf von Cranz wissen. Möglicherweise blieb er im Winter in Schlesien und in der Oberlausitz, während Zinzendorf nach Herrnhaag zurückkehrte. Denn in seiner Geschichte von Gnadenfrei (Teil II, § 82) berichtet er, dass er Anfang 1748 einige Wochen in Gnadenfrei weilte, bevor er am 20. Februar wieder nach Herrnhut ging. Bei der schlesischen Provinzialsynode vom 26. und 27. Juni 1748 dürfte er als Protokollant teilgenommen haben. Auf alle Fälle diente er „mit seiner Gabe“ bei der Sächsischen Untersuchungskommission in Großhennersdorf vom 29. Juli bis 12. August des Jahres. Danach reiste er mit Zinzendorf zurück zum Herrnhaag und folgte ihm später über Zeist in Holland nach London. Während Zinzendorf schon am 23. September in Zeist ankam, traf Cranz dort erst am 31. Oktober ein. Von Zeist brachen sie Anfang 1749 nach England auf. Zinzendorf führte seit 21. Februar Verhandlungen mit dem Britischen Parlament über die Anerkennung der Brüderunität. Die Gespräche endeten erfolgreich mit einer Anerkennung der Gemeinschaft als „uralte protestantische evangelische bischöfliche Kirche“. An diesen Verhandlungen war Cranz nicht beteiligt; er kam erst am 11. Juni nach London zum Jüngerhaus, wo er sein Amt als Protokollant der Reden Zinzendorfs abermals fortführte.54 Das Jüngerhaus Zinzendorfs bestand aus dem Personal, das den Haushalt führte, den Mitarbeitern wie Johannes von Watteville, die als „generelle Arbeiter“ der Unität eingestuft wurden und zu denen auch seine Familie gehörte, und aus Gästen, die von Missions- oder Diasporaposten zurückkamen oder dorthin ausgesandt wurden und die die nötige Kenntnis aus der aktuellen Arbeit besaßen oder im Jüngerhaus erwerben sollten. Cranz gehörte als einer der Schreiber gewissermaßen zum Haushalt. Sein Name taucht in den Akten nur dort auf, wo bei Konferenzen oder Synoden eine Anwesenheitsliste geführt wurde. So bei der Konferenz in Bloomsbury im Dezember 1749 und bei der wichtigen Synode vom 24. August bis 26. September 1750 in Barby bei Magdeburg. Hier bekam Cranz mit einigen Seminaristen die Aufgabe, die von Spangenberg formulierten kritischen Anfragen aus den Streitschriften mit Zinzendorfs Antworten zu protokollieren. Im Jüngerhaus-Diarium heißt es dazu, dass er diese Arbeit „vollkommen wol ausgerichtet“ habe (17. September 1750) und der Text sodann auf Synodalbeschluss allen Gemeinden publiziert wurde. Dieser Teil der Synode wurde später in die von Spangenberg herausgegebene Apologetische Schluß-Schrift von 1752 aufgenommen.55 1750 blieb Cranz in Deutschland und erlebte die Verhandlungen Zinzendorfs mit der sächsischen Regierung, die zu dem Versicherungsdekret vom 23. November 1750 und der Gründung der Brüdergemeine Barby führten. Anfang Juni folgte er Spangen54 So berichtet er in seinem Lebenslauf. 55 ������������������������������������������������������������������������������������������ Spangenberg, August Gottlieb: Apologetische Schluß-Schrift, Worinn über tausend Beschuldigungen gegen die Brüder-Gemeinen und Ihren zeitherigen Ordinarium nach der Wahrheit beantwortet werden. Leipzig/Görlitz 1752, 440–464: „5. Wörtlicher Extract aus demjenigen Theile des Synodalprotocolls von 1750, worinnen über die Formirung eines Status Controversiae pro und contra gehandelt worden Sessio I – IX.“

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berg und vielen anderen zur schlesischen Provinzialsynode nach Gnadenberg, über die er in seiner schlesischen Geschichte berichtet (Teil II, § 98). Dann begleitete er Zinzendorf über Barby, Ebersdorf (1. Juli), Herrnhaag, Neuwied, Zeist und Heerendijk nach London (23. August). Er besuchte die Gemeinde in Bedford nördlich von London (30. September)56 und bezog mit dem Jüngerhaus am 4. November das neue Pilgerhaus in der College Street in Westminster. Nun gab es in London mehrere Orte, an denen Zinzendorf predigte, vor allem in Ingatestonehall, wo Zinzendorf vom 12. Juni bis 21. September 1752 blieb. Cranz erlebte am 29. März 1752 den Einzug in das historisch bedeutsame Lindseyhouse in Chelsea, dessen Versammlungssaal mehrfach auf den Bildern des Zeremonienbüchleins abgebildet ist. Hier erlebte er die aufregenden Tage der Finanzkrise, die Zinzendorf fast ins Gefängnis gebracht hätte, wenn ihm nicht seine niederländischen Freunde in letzter Minute unterstützt hätten. Mit Zinzendorf begab sich Cranz 1754 auf die Reise nach Fulnek (18. Juli bis 15. August 1754) und zu anderen Gemeinden und protokollierte die Konferenz von London im Lindseyhouse (9. September bis 10. Oktober). Am 22. März 1755 verließ Zinzendorf England, um zu den Gemeinden auf dem Festland zurückzukehren, und mit ihm auch Cranz. Am 13. April sammelte sich das Jüngerhaus für einige Wochen in Zeist. Am 27. April zog Cranz mit dem Jüngerhaus im Wagen weiter über Nijmegen (28.4.), über Xanten bei stürmischem Regenwetter bis Dormagen (29. 4) und am 30. April an Köln und Bonn vorbei nach Andernach bis Weißenturm, um von dort auf das andere Rheinufer nach Neuwied zu gelangen. Am 17. Mai traf man in Ebersdorf ein, Anfang Juni schließlich in Niesky. Am 2. Juni wurde die Reisegruppe in Herrnhut mit einem Liebesmahl im Herrschaftsgarten empfangen. Zwei Wochen später tagte eine Konferenz von Finanzfachleuten unter Zinzendorf auf dem Schloss des Grafen Hans Heinrich von Zeschwitz in Taubenheim, um unter dem Druck von Köber und anderen die Finanzen der Unität besser in den Griff zu bekommen. Cranz protokollierte die Trennung des Vermögens in Unitäts- und Privatvermögen Zinzendorfs und die Verpflichtung zur Beteiligung, zur „Mitleidenheit“ aller Geschwister bei der Abzahlung der aufgehäuften Schulden. Er begleitete Zinzendorf auf dessen Reise nach Barby in der ersten Oktoberhälfte bis zum 5. November. Am 22. November war endlich Zinzendorfs Herrenhaus in Berthelsdorf (Bethel genannt) soweit fertig, dass das Jüngerhaus dort mit Cranz und Ewald Gustav Schaukirch als „Schreiber“ der Reden Zinzendorfs einziehen konnte. Damit war endlich wieder eine ruhigere und strukturiertere Arbeit und Kopierung der Gemeinnachrichten möglich. Zu seinem Geburtstag am 3. Februar 1756 würdigte Zinzendorf die Verdienste seines Protokollschreibers und Organisators der Gemeinnachrichten in einem launigen Gedicht. Es soll hier vollständig wiedergegeben werden, mit Ausnahme der letzten, nicht mehr auf Cranz bezogenen Strophen:57 56 Finze-Michaelsen: Die Sache des Heilandes, 82. 57 Unitätsarchiv Herrnhut, Sign. GN.A.46,1756.1, 759–764: Jüngerhaus-Diarium vom 11.  Februar 1756.

Leben und Werk von David Cranz

„So hehr ist mir und theuer Die frohe Jahrs-Tags-Feyer Und die Occasionen, Mein Herze anzutonen.

Darnach kommt Cranz erst fragen, Die Lücken nachzutragen, Zum 8ten wird’s mundiret, Zuletzt collationiret.

Kaum könt ich mich erwehren, Wenn es zu Lieb und Ehren Gereichte meines Cranzes Selbst eines Fackel-Tanzes.58

Wo sind nun die Summarjen All der Gemein-Diarien, Und der Verlauf in nuce Der Wanderschaft sub cruce?

Drum obgleich dem Geschwister Ein ziemliches Register Beywohnt von seinen Thaten, ’s ist doch nicht alls gerathen.

Wo sind erst die Extracta Apostolorum Acta, In mehr als einem Plane Ueber dem Oceane?

Vom Flachs hab ich vernommen, Daß, recht zu Stand zu kommen Mit der nützlichen Sache, Es viel Umstände mache.

Hier bleibt noch unerwogen Das repartirn der Bogen (zu Barby) In all die Officinen, Die’s Volk damit bedienen.

Was denkt ihr, was beyn Wochen, Eh das Paquet erbrochen Und fertig ist zum Lesen Vor Umstände gewesen?

So sehr nun das beschwerlich, So geht’s doch unaufhörlich; Und Cranz ließ seit 8 Jahren Den Faden niemals fahren.

Das Reden ist der eine, Und dann so sind noch neune, Eh von Woch und Beylagen Mit Ehren was zu sagen.   Erst spitzet man die Ohren, Sonst wird manch Wort verloren, Dann schreibt mans abbreviret, Zum dritten wird’s copiret.

Was manchmal von den Arten Sich länger ließ erwarten, Als es die Brüder gern sahn, Ging ihm nichts nah und fern an:

Darnach wird’s revidiret Und dann erst corrigiret Mit Röthel, der nicht bleibet, Wenn mans nicht überschreibet.

Und daß ichs nach der Wahrheit Setz in die ganze Klarheit: So ists zurücke bleiben Mir allzeit zuzuschreiben.

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Das kam zu selben malen Von denen Synodalen Und andern Protocollen, Die man auch liefern sollen.

58 Anmerkung im Original: „Ist die sollenneste und seriöseste unter dergleichen Fest-Ceremonien.“

36 Ich bin zu manchen Zeiten Gar träge zum Arbeiten, Weil ich des Caesars Gabe Nicht im geringsten habe. Cranz thut die Arbeit, ohne Procrastinatione; Und um auch zu bedeuten Von meiner Art Arbeiten: Die Indianer Seele Steht just in Parallele

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Mit meiner Art, die Sachen Zu schicken und zu machen. Ich ruhe gerne lange Und dann so wird mir bange: Die Arbeit wächst abscheulich. Da tummelt man sich freilich. Anstatt dir was zu sagen Mein Cranz! solst du mich fragen: Nam probo meliora, Videnti ruit hora.“59

2.4 Der Aufenthalt in der Schweiz59 Bis Mitte 1756 versah Cranz seinen Dienst als Stenograph und Organisator der Gemeinnachrichten, auch noch bei den Konferenzen über die Schweizer Diasporaarbeit im Sommer 1756. Dann bat er Zinzendorf um „eine Gesundheitsreise in der Schweiz“, wie es im Lebenslauf heißt. Die Reise trat er am 27. August 1756 an; zunächst begab er sich jedoch nach Montmirail zum Sitz der Familie von Watteville. Cranz klagte immer wieder über seine schwache Gesundheit. So berichtete er Zinzendorf aus Montmirail: „In Basel aber ward ich wieder sehr stark angegriffen und ich konnte mich bis Montmirail nicht recht erholen. Die Anfälle haben aber izt nichts mehr zu bedeuten, als daß ich mich aus der Gesellschaft derer, die mit meinen Umständen noch nicht bekannt sind, eine Weile entziehen muss. D. Stähli von Basel, der mit uns hieher gereist ist, will mich lassen auf fünf Wochen einen simplen Kräuter-Trank brauchen.“60 In Montmirail diente Cranz als Protokollant bei der Provinzial-Konferenz über die Schweizer Situation, nachdem der wichtigste Verbindungsmann zu den Erweckten in Graubünden gestorben war. Er besuchte aber zunächst Genf und über Basel die Erweckten in der welschen Schweiz und im französischen Montbéliard, von wo er am 7. Januar erneut an Zinzendorf schrieb. Dann kehrte er nach Montmirail zurück. Etwa Februar bis Mai 1757 muss sich Cranz in der Stadt Zürich aufgehalten haben.61 In seinem Lebenslauf stellte er nur knapp fest: Er „hielt sich auch 3 Monate in Zürich auf und schrieb daselbst die Nachricht von der Brüder Kirche Verfaßung oder das sogenannte Ceremonien Büchel“. Die Leistung von Cranz bestand darin, dass er Zinzendorfs Schrift Summarischer Unterricht in Anno 1753 für Reisende Brüder zu 59 Frei übersetzt: Denn ich zeige Besserung und sehe, wie die Zeit verrinnt. 60 Unitätsarchiv Herrnhut, Sign. R.7.H.I.a.6.79: Brief vom 20. September 1756. Zit. nach FinzeMichaelsen: Die Sache des Heilands, 86. 61 Finze-Michaelsen: Die Sache des Heilands, 88 Anm. 35.

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einer etwa erforderlichen Informatione in Facto für ein breiteres Publikum umformte.62 Cranz reduzierte die 287 Fragen und Antworten bei Zinzendorf auf 47 und gliederte diese in neun übersichtliche Unterabschnitte. Er kleidete sie in eine verständlichere Sprachform, hielt sich im Übrigen aber genau an den Text des Reichsgrafen. Um diese Leistung würdigen zu können, muss man sich beide Fassungen vor Augen halten: Zinzendorf 26. Was halten sie von der Bibel? Sie halten sie, wie sie ist, und ohne sie neumodisch auszuschmücken, oder, wie Paulus ausdrückt, durch Lügen zu verherrlichen, für den Schatz aller Schätze, das Buch aller Bücher, den Anfang und das Band aller Theosophie, Theologie, Praxeos, und Gefühl eines Kindes Gottes, und sonderlich eines Lehrers, außer dem und neben dem nichts gelten kann. 27. Ist diese ihre Norma?

Ja, und aufs allereinfältigste und in allen respectibus die Einige; so gar, daß da sich die Disputatores bemühen, den Sensum daselbst zu suchen, und zu finden, oder zu machen, den sie schon haben; so nehmen die Brüder alles kata to rhäton; und was da steht, das ist ihnen wahr, und mit den andern zugleich wahr, was andere nach ihrer Logic für Contradictiones halten müssen, wenn es nicht erst mühsam gerettet wird.

Cranz § 7 Lehr-Begrif: Die Bibel Nach dieser historischen Einleitung kommen wir zuförderst auf die Lehre der Brüder. Und da ist vornehmlich wahrzunehmen, daß sie die Bibel für das halten, was sie ist, und ohne sie neumodisch auszuschmücken, oder, wie Paulus sagt, durch Lügen zu verherrlichen, für den Schatz aller Schätze, das Buch aller Bücher, den Anfang und das Band aller Theosophie, Theologie, Praxeos und Gefühls eines Kindes Gottes und sonderlich eines Lehrers, ausser dem und neben dem nichts gelten kann, annehmen. Sie nehmen die H. Schrift aufs allereinfältigste und in allen Absichten an, für die einige Regel und Richtschnur der Lehre: Wenn sich andere SchriftErklärer bemühen, einen schon vorgefaßten Sinn daselbst zu suchen und zu finden oder zu machen; so nehmen die Brüder alles kata to rhäton, so stehet geschrieben, so lese ich. Und was da steht, das ist ihnen wahr, was andere nach ihrer Logic für widersprechend halten müssen, wenn es nicht erst mühsam gerettet wird.

62 Zinzendorf, Nikolaus Ludwig von: Summarischer Unterricht in Anno 1753 für Reisende Brüder zu einer etwa erforderlichen Informatione in Facto. London 1755.

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37. Was heißt eigentlich die Unität? Das Wort ist etliche 100 Jahr alt, in eben dem Sinn, darin es heute zu Tage gebraucht wird. Es ist substituirt worden dem alten Axiomati Fratrum Legis Christi; kommt vermuthlich her von des Heylands testament, Joh. 17, daß sie alle Eins seyn; Hat auch wohl eine Referenz auf die Brüder-Vereinigung mit allen Protestanten: Fratres Unitatis, die Brüder, die in Union leben mit allen Evangelischen; Unitatis Fratrum, der Brüder-Verein. 38. Ists Consensus Sendomiriensis? Der Name hat, wie gesagt, dergleichen was in Receß, und mag auch wohl durch die damalige Union aller drey Evangelischen Religionen in der Polnischen Brüder-Kirche ein starkes ­Encouragement bekommen habe[n].

10. Was die Unität sey Es ist bereits § II erinnert worden, daß die Brüder den Namen Unitatis Fratrum führen. Denselben gründen sie auf des Heilands hohepriesterliches Gebet und Testament Joh. XVII, daß sie alle Eins seyn, auf seine Worte, Matth. XXIII, 8 Ihr seyd alle Brüder, und auf Pauli Beschreibung einer Gemeine Ephes. IV und ist, anstat des ersten Namens, Fratres Legis Christi, Brüder des Gesetzes Christi, weil er von den Widersachern verdreht wurde, von den Brüdern in Lititz schon eingeführt worden. Da hernach dieselben sich mit allen Protestanten brüderlich geschlossen und endlich in dem bekanten Consensu Sendomiriensi eine Union oder Verein mit den beiden Evangelischen Religionen in Polen errichtet haben: so hat der Name Unitas Fratrum, das Brüder-Verein, noch die Nebenbedeutung erhalten von Brüdern, die mit allen Evangelischen in Union leben.

Es ist erstaunlich, wie weitgehend Cranz die Formulierungen Zinzendorfs übernehmen konnte und verständlich machte, nur durch Übersetzung von Fremdworten und logischere Bezüge. Seine Kunst besteht im gelegentlichen Auslassen von allzu vielen Details und im Zusammenfassen punktueller Informationen zu größeren Einheiten. Inhaltlich griff er kaum in den Text Zinzendorfs ein, aber er verstärkte die biblischen Bezüge und deutete mit wenigen Stichworten die historischen Kontexte an. Da es sonst kaum möglich ist nachzuvollziehen, wie Cranz als Stenograph der Reden Zinzendorfs gearbeitet hat, wie er Zinzendorfs Sprache wiedergab und sich bei Korrekturen von dessen Ausführungen verhielt, lässt dieser Vergleich ahnen, wie schmal der Grat war, den er als Schreiber beachten musste, um einerseits Zinzendorf als seinen verehrten Grafen zu befriedigen, andererseits aber den Gemeinden eine verständliche Nachschrift zu liefern. Das Zeremonienbüchlein gehört zu den erfolgreichsten Veröffentlichungen Herrnhuts, mit zwei Ausgaben 1757, einer zweiten Auflage von 1762 sowie zwei Auflagen der französischen Übersetzung 1758 und 1762. Diesen Erfolg verdankt es aber vor allem seiner Bebilderung, der Darstellung der liturgischen Handlungen nach dem Modell der

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Ausgabe von David Herrliberger.63 Cranz galt in der Unität seitdem als ausgewiesener Fachmann für die Geschichte der Verfassung der Brüdergemeine. Über die Einzelheiten seines weiteren Aufenthalts in Graubünden hat Finze-Michaelsen genauere Forschungen vorgelegt und das Tagebuch von Cranz über diese Reise von Juni bis August 1757 ediert. Cranz muss es nach Rückkehr in Montmirail ausgearbeitet haben, denn am 3. Oktober traf er dort mit Zinzendorf zusammen. Er konnte nun dem Grafen das Ergebnis seiner Reise nicht nur mündlich referieren, sondern auch schriftlich vorlegen. Im Dezember 1757 erhielt Cranz dann noch einmal den regelrechten Auftrag, die Freunde in Graubünden zu besuchen, um die Kontakte zu festigen und die Arbeit zu strukturieren. Dies war keineswegs eine Erholungsreise, sondern angesichts der winterlichen Verhältnisse und der aufgeheizten Stimmung unter den Pfarrern, die sich leidenschaftlich gegen das Eindringen der Herrnhuter Frömmigkeit in die reformierte Kirche wehrten, eine körperliche Strapaze und zugleich eine seelische Belastung. Möglicherweise verband Zinzendorf mit diesem Auftrag die Hoffnung, in Cranz den geeigneten Verbindungsmann für die dortige Arbeit gefunden zu haben. Über diese zweite Reise verfasste Cranz ein kürzeres Tagebuch, das er nicht mehr stilistisch überarbeitete; es wurde bisher nicht veröffentlicht. Erst im November 1758 verließ er die Schweiz und reiste nach Neuwied, um sich erneut dem Jüngerhaus in Holland anzuschließen. Dieser zweieinhalb Jahre währende Aufenthalt in der Schweiz bedeutete für Cranz eine Lebenswende: Er sollte nie mehr in das Jüngerhaus und in seine geistliche Gemeinschaft und Geborgenheit zurückkehren. Durch seine literarischen Arbeiten in dieser Zeit entdeckte er seine schriftstellerischen Fähigkeiten und die Notwendigkeit, durch historische Darstellungen die Herrnhuter Arbeit für ein breiteres Publikum bekannt zu machen. 2.5 Die Gemeinde Neuwied und Cranz’ Reise in das Bergische und Märkische Land in den Jahren 1759/60 „Abends um 7 Uhr kam unser lieber Bruder Cranz und Capitän Lorez64 aus Pündten bey uns an“, so heißt es im Diarium der Gemeinde Neuwied am 16. Dezember 1758.65 Wer Cranz den Auftrag gegeben hatte, in Neuwied zu bleiben, ist unklar – vielleicht war es Zinzendorf, vielleicht aber auch das Unitätsdirektorium. In seinem Lebenslauf vermerkte Cranz lediglich, dass er „unterwegs in Cölln“ die Anweisung erhalten habe, „als

63 �������������������������������������������������������������������������������������� Herrliberger, David: Gottesdienstliche Ceremonien, Oder H. Kirchen-Gebräuche Und Religions-Pflichten Der Christen. Zürich 1746. 64 Johannes Loretz (1727–1798), 1751 Mitglied des Großen Rats der Stadt Chur und Hauptmann eines Bündtner Regiments, 1759 Aufnahme in die Brüdergemeine. 65 Unitätsarchiv Herrnhut, Sign. R.7.G.b.1.a: Diarium Neuwied 1753–1769.

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Gehülfe beym Helfer- und Diener-Amt des ledigen Brüder-Chors und als deutscher Lector nach Neuwied zurück zu kehren“. Cranz war also bereits von Neuwied weitergewandert, und es muss eine Enttäuschung für ihn gewesen sein, so plötzlich und unvorbereitet ein Amt in Neuwied zu übernehmen. An sich war dies eine durchaus reizvolle Aufgabe. Die Gemeinde Neuwied war auf Einladung von Johann Friedrich Alexander, Graf von Wied, und durch persönliche Kontakte Zinzendorfs, der ihn auf der Rückreise von Genf 1741 besucht hatte, entstanden und wurde nach der Auflösung des Herrnhaag 1750 ein Zufluchtsort.66 Eine erste Kolonne von dort traf am 16. Oktober 1750 in Neuwied ein. Aber erst 1754 erfolgte der endgültige Beschluss einer Gemeingründung und 1756 die Spezialkonzession zum Aufbau einer Brüdergemein-Kolonie innerhalb der Stadt. Als Cranz seine Arbeit in Neuwied aufnahm, entfaltete sich die Gemeinde sprunghaft durch Zuzug von französischen Mitgliedern aus der Schweiz (Montmirail, Genf ). 1759 zählte sie 156 Mitglieder, Ende des Jahres 1760 bereits 200. Interessant ist die Zusammensetzung der Gemeinde, die 1760 nur 18 Ehepaare und daher kaum Kinder hatte, dagegen 56 ledige Brüder und 54 ledige Schwestern. Prediger der Gemeinde war Philipp Heinrich Molther,67 der die französischen Gottesdienste hielt. Als deutscher Lektor predigte Cranz nur etwa einmal im Monat, seine Hauptaufgabe war die Betreuung der ledigen Brüder. Am 10. Dezember 1758 konnte der neue Versammlungssaal durch Johannes von Watteville eingeweiht werden, in demselben Monat auch das neue Chorhaus für die ledigen Brüder. Schon 1759 war deren Zahl so angewachsen, dass sie einen Anbau benötigten, und wir lesen, wie sich Cranz um Holz für diesen Anbau bemühte. In demselben Jahr kam auch das Chorhaus der ledigen Schwestern zustande, ja es wurde auch eine kleine Knabenanstalt eingerichtet. Da die Ansiedler selbst nicht das nötige Geld hatten, konnte man nur „auf Credit“ bauen; man lebte von dem Wohlwollen des Grafen von Wied. Es waren schwierige Zeiten. Während des Siebenjährigen Kriegs waren die Häuser mit Einquartierungen überbelegt. Als Zinzendorf vom 13. August bis 4. September mit seinem Jüngerhaus die Gemeinde besuchte und dort mehrere Konferenzen abhielt, hatte er viel Freude an der Neugründung und predigte fast täglich in französischer Sprache. Er konnte ihr sagen, dass sie „eine ganz neue Creation“ sei. Er fuhr fort: „Sie ist ein national Werck, eine prophetische, himmlische Erscheinung und Gnaden-Phaenomenon über der ganzen französischen Nation.“68 Unter den ledigen Brüdern waren außerordentlich begabte 66 Uttendörfer, Otto: Die Anfänge der Brüdergemeine Neuwied. Manuskript im Nachlass Otto Uttendörfer. Unitätsarchiv Herrnhut, Sign. NUO Nr.69. 67 ����������������������������������������������������������������������������������������� Philipp Heinrich Molther (1714–1780) stammte aus dem Elsass, erlernte in Metz die französische Sprache, studierte 1735 in Jena und unterrichtete dort Christian Renatus von Zinzendorf 1737 in Französisch und Musik. Er bediente 1747 die Gemeinde in Montmirail und brachte sie, als sie 1750 ausgewiesen wurde, nach Neuwied. Dort blieb er bis 1761 ihr Prediger. 68 Unitätsarchiv Herrnhut, Sign. GN.A.72.1759.3: Jüngerhaus-Diarium am 13. und 28. August 1759.

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Handwerker, etwa der Tischler Abraham Roentgen. Cranz wurde sicherlich von ihnen akzeptiert, man schätzte seine Ansprachen, aber sein Talent, seine sprachliche, schriftstellerische Begabung konnte er hier sicher nicht weiterentwickeln. Am 14. April trat Cranz zusammen mit Johann Gottlob Königsdoerfer69 eine Reise zur Erkundung der Erweckten im Bergischen und Märkischen an. Die Reise brachte ihn in Kontakt zur Familie Forstmann in Solingen, zu den Tersteegenianern im Bergischen und zu mit Herrnhut befreundeten Pfarrern in der Mark. Ein Freund Herrnhuts, Johann Gangolf Wilhelm Forstmann,70 Pfarrer in Solingen, hatte mit Zinzendorf korrespondiert; er war am 3. Mai 1759 gestorben. Cranz und Königsdoerfer traten daraufhin in Verbindung mit dessen Sohn Kaspar Friedrich Forstmann, der in Halle studiert hatte und Nachfolger seines Vaters in Solingen wurde.71 Interessant ist das Urteil dieser beiden Boten über Elberfeld, weil es eine indirekte Begegnung mit Tersteegen72 und mit den Ellerianern in Ronsdorf enthält. Der Bericht von Cranz sei hier zitiert: „Elberfeld ist voller Separatisten von allerley Gattung, sonderlich von Tersteegens Parthie, der zu Mühlheim an der Ruhr wohnt und durch eine starke Correspondenz überall hin, sogar nach Schweden, noch eine Connexion unter den Separatisten erhält. Gegen die Gemeine soll er eingenommen sein, doch nicht gegen sie schreiben. Als einer mit Probst Süsmilchs73 Approbation gedruckten Rede über die Worte: Die Liebe Christi dringet uns, die zwar sehr methodisch, aber doch hübsch evangelisch, herzlich und kindlich klingt, haben wir gedacht, es sey der Mühe werth, daß dieser Mann und sein Anhang aufgesucht würde. Diese Rede fiel uns aber zu spät in die Hände. So hörten wir auch zu spät von der zu Ronsdorf, eine Stunde von Elberfeld durch Eller74 und seine Frau und etliche Kaufleute von Elberfeld neu erbauten 69 �������������������������������������������������������������������������������������������� Johann Gottlob Königsdoerfer (1721–1796) hatte nach seiner Seifensiederlehre auf der Wanderschaft durch Holland, Frankreich und mehrere deutsche Länder bis Schlesien durch Ernst Julius von Seidlitz die Brüdergemeine kennengelernt, wurde 1740 in Herrnhut in die Gemeine aufgenommen und 1753 Ältester sämtlicher Brüderchöre. 1763 wurde er als Diasporaarbeiter für die Schweiz bestimmt, erkrankte dort aber 1769 und kehrte nach Herrnhut zurück. 70 Johann Gangolf Wilhelm Forstmann (1706–1759), 1732 bis zu seinem Tod Pfarrer in Solingen. 71 Kaspar Friedrich Forstmann (um 1730–1785), von 1759 bis zu seinem Tod Pfarrer in Solingen. Cranz beurteilte ihn sehr positiv, fällte über den Vater jedoch ein eher kritisches Urteil: „Der junge Forstmann ist wirklich ein hübscher Mann, dem sein eigenes Heil und die Sache des Heilands sehr am Herzen liegt, und man kans merken, daß er nicht ohne Nuzen in der Gemeine gewesen. Wenn er fleißig besucht und mit ihm correspondirt wurde, so ist aller Anschein da, daß er ein seliger und gesegneter Zeuge des Heilands wird. [...] Er hat nach seiner Retour von Zeyst fast überall im Märkischen besucht und uns auch die Reiseroute und Adressen gegeben. Sein Besuch ist den Leuten wichtig und gesegnet gewesen, doch einige sind über seine Unvorsichtigkeit stuzig worden. Er will gern wider zur Gemeine. Wir haben ihm aber gerathen, da zu bleiben, nicht viel zu besuchen, sondern eine Condition und, wo sichs schickt, eine Pfarr-Stelle anzunehmen, wozu aber wenig Hofnung ist.“ Unitätsarchiv Herrnhut, Sign. R.19.B.i.3.1. 72 Gerhard Tersteegen (1697–1769), Mystiker des reformierten Pietismus, Liederdichter. 73 Johann Peter Süßmilch (1707–1767), Propst in Berlin. 74 Elias Eller († 1750) in Elberfeld-Ronsdorf.

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und seit 1737 berühmten Gemeine der Zioniten. Sie sind seit etlichen Jahren von den übrigen Reformirten sehr verfolgt und verlästert, vom König in Preußen aber als SchutzHerr über das Bergische in Religions Sachen protegirt worden, da des Königs Resident sich selbst dazu hält und ihr Haupt-Apologet ist. So viel uns aus Erzehlungen und einer gedruckten apologetischen Predigt bekannt wurde, mögen diese Leute wol was anders suchen und so aus dem gröbsten erweckt seyn, sind aber auf das herrliche Lamm, das auf dem Berg Zion steht, gefallen und erwarten noch eine besonders herrliche Offenbarung seines Reichs, davon sie sich vor den Anfang halten. Übrigens soll man an ihrem Wesen und Wandel keinen Unterschied von andern natürlichen Leuten sehen.“75 Zumindest kurz sei hier die weitere Route durch das Märkische notiert, deren Publikation durchaus lohnte. Am 22./23. April besuchten die beiden Hülsenbeck, am 25. Hemmerde mit Pastor Dümpelmann;76 dieser sei „ein rechter ehrlicher lutherischer Pfarrer, von außen und innen, ein wahrer Liebhaber der Gemeine“, der mit etwa tausend Erweckten in der Grafschaft rechnete. Am 28. April waren sie in Hemern und trafen einzelne Anhänger von Pastor Angelkorte,77 am 29./30. in Iserlohn und Altena, am 1. Mai in Hülscheid, am 2. Mai in Meinertzhagen bei Pastor Dümpelmann junior.78 Im Anschluss kehrten sie dann über Siegen und Hachenburg am 4. Mai nach Neuwied zurück. In einer Schlusszusammenfassung resümierte Cranz das Ergebnis dieser vierundzwanzigtägigen Besuchsreise, in der 21 Orte besucht wurden, mit folgenden Worten: „Im Bergischen ist die Haupt-Religion reformirt und der König von Preußen ist SchutzHerr; die Erweckung aber ist hauptsächlich unter den Lutheranern. Im Märkischen aber ist die Haupt-Religion lutherisch und die Erweckung auch; doch gibt’s auch viel Reformirte, sonderlich in Altena, und alle gehen am liebsten ins Pfarrer Sixt79 Predigten. Die Erweckung ist wol hauptsächlich durch Forstmanns Predigten und Schriften entstanden, die in Altena aber nicht. Daher merkt man an den dasigen Leuten auch nicht das Uebel, daß sie die Lehre von der freien Gnade mit leichtsinnigen Herzen ohne Compunction annehmen und mehr reden als sie haben.“80 Wie in seinem ­Schweizer Tagebuch beobachtete Cranz sorgfältig die Situation in der Landeskirche und versuchte, sich ein eigenes Bild der allgemeinen kirchlichen Lage zu machen. Dass sein Interesse nie nur innerbrüderisch ausgerichtet war, unterscheidet ihn von vielen seiner Herrnhuter Kollegen. Am Schluss steht ein Urteil über die Gemeine in Neuwied: „Die Gemeine zu Neuwied war fast überall ganz unbekant oder man dachte, es wohnten nur etliche Franzosen da. Es freute sich also alles zu hören, daß es so nahe und auch eine deutsche Gemeine da sey, und viele faßten den Entschluß, sie bald zu besuchen. Da die guten Leute so lange 75 76 77 78 79 80

Unitätsarchiv Herrnhut, Sign. R.19.B.i.3.1. Johann Caspar Dümpelmann (1711–1779), 1735–1779 Pfarrer in Hemmerde. Johann Diederich Angelkorte (1710–1751), 1735–1751 Pfarrer in Hemer. Johann Wilhelm Dümpelmann (1717–1760), 1750–1760 Pfarrer in Meinerzhagen. Johann Jakob Sixt (1688–1778), 1711–1787 Pfarrer in Altena. Unitätsarchiv Herrnhut, Sign. R.19.B.i.3.1.

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ohne Pflege gelaßen worden, so haben sie auch nichts von den neuesten Gemein Schriften. Berlinische Reden und Anhänge und Zugaben [des Herrnhuter ­Gesangbuchs, D. M.] ist alles, was sie haben. Ein einiges Exemplar von den Kinder – und Berthelsdorfschen Reden haben wir gefunden, das der sel. Flies81 von Herrnhut seinem Bruder geschickt, der es aber als einen großen Schatz nicht viel aus seinen Händen läßt. Wir recommendiren diese 2 Länder, aus denen der Heiland doch so manches Schäflein in die Gemeine und in seinen Schoos gesammlet hat, und was noch da ist, um Pflege bittet, dem treuen und thätlichen Andenken des Jünger-Hauses und der Gemeine.“82 2.6 Die Grönlandreise und deren Historie 1761–1763 Den Anlass zu seiner Grönlandreise gab Cranz im Vorwort zu seiner Geschichte von Grönland selbst an: „die Arbeit wurde mir schon im Sommer 1759 angetragen“.83 Möglicherweise geschah dies bei Zinzendorfs Aufenthalt in Neuwied im August 1759, als Cranz den Grafen etwas länger sah. Die Ausführung wurde aber durch den Siebenjährigen Krieg und „zweymalige Anfälle von Krankheiten“ verzögert. Auf einer der letzten Hauskonferenzen Zinzendorfs in Herrnhut heißt es dementsprechend: „Cranz will Historiographus werden und in Grönland eine Probe machen.“84 In seinem Lebenslauf informiert Cranz darüber genauer: Im Winter 1761 habe er diesen Auftrag bei der Engeren Konferenz in Erinnerung gebracht und nach deren Billigung seine Reise am 1. März in Neuwied angetreten. In den Protokollen der Engeren Konferenz wird darüber berichtet: „Br. Cranz schreibt an Johannes und bezeugt seine Willigkeit zu allem, was der Heyland mit ihm thun wolle. Er erinnert auch seine ehemalige Determination nach Grönland. Die Absicht dieser Reise war, daß er eine ausführliche Historie dieser Mission, die mit der Zeit dem Publico vorgelegt werden könnte, schreiben sollte. Von diesem wichtigen Project und dessen gantzen Plan und Nutzen wurde umständlich gesprochen. Die Geschwister waren einmüthig dafür und daß Br. Cranz sogleich sollte abgerufen werden. Er könnte gegen Ostern nach Barby kommen, daselbst von Johannes abgefertigt zu werden. Nun kam es auf den Heyland an, und es wurde also gefragt. Da es dann traf: ‚Es ist nach dem gantzen Herzen Jesu, daß Br. Cranz noch heuer in dieser Absicht nach Grönland geht‘*. Er kömt das Jahr drauf wieder heraus. Sollte er Lust kriegen, sich der Grönländischen mission zu widmen, so müßte er heyrathen und könnte als dann wieder hineingehen. Er muß allemal wieder in einem Jahr herauskommen.“85 81 82 83 84 85

Johann Peter Flies (1706–1759). Unitätsarchiv Herrnhut, Sign. R.19.B.i.3.1. Cranz: Historie von Grönland, Vorrede, a4v. Unitätsarchiv Herrnhut, Sign. R.2.A.43.a.: Eintrag vom 6. Februar 1760. Ebd., Sign. R.3.B.4.c.1., 272: Eintrag vom 12. Februar 1761. Am nächsten Tag wurde überlegt, wann Cranz in Copenhagen sein müsste. Da Missionar Böhnisch gerade auf Heimaturlaub war, schien es passend, dass beide gemeinsam das Schiff nach Grönland nehmen. Allerdings sollte Böhnisch nicht auf Cranz warten, falls er doch etwas längere Vorbereitungszeit brauche.

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Nach der Zusage der Engeren Konferenz machte sich Cranz sofort auf den Weg und ging nach Barby, wo er am 9. April von Johannes von Watteville zum Diakon ordiniert und verabschiedet wurde. Damit erhielt er die Möglichkeit, kirchliche Amtshandlungen durchzuführen, die Sakramente auszuteilen und eine Gemeinde zu leiten. Diese Ordination hatte an sich nichts mit seinem Auftrag zu tun, aber er war damit den Missionaren in Grönland gleichgestellt und konnte diese notfalls vertreten. Mit Mühe erreichte er in Kopenhagen das Schiff, das auch den Missionar Friedrich Böhnisch nach Grönland brachte. Das Schiff verließ am 17. Mai Dänemark und traf am 1. August in Neu-Herrnhut ein. Cranz schreibt in der Vorrede zu seiner Historie von Grönland, dass es Zinzendorf war, der es „für gut befunden, daß mit einer Historie von der Grönländischen Mißion der Anfang gemacht und derselben eine Beschreibung des Lebens und der Einwohner voran gesetzt werden sollte“.86 Da bereits im Jahr 1740 eine deutsche Übersetzung von Hans Egedes Publikation seines Tagebuchs Ausführliche und wahrhafte Nachricht vom Anfang und Fortgang der grönländischen Mission (Hamburg 1740) erschienen war – sie war Zinzendorf vermutlich bekannt –, ist zu vermuten, dass der Graf hier anknüpfen und die Arbeit der Herrnhuter Missionare einem größeren Publikum bekannt machen wollte. Cranz hatte von Egede87 zwei dänische Veröffentlichungen im Gepäck; er konnte offensichtlich auch dänische Publikationen lesen, um sich vorzubereiten. Mit Hilfe dieser Literatur begann er seine Beobachtungen der Natur und der Menschen. In einer erstaunlichen Sammelleidenschaft nahm er alles auf, was er über das Land und dessen Geschichte erfahren konnte. Cranz begann seine Arbeit in der Station Neu-Herrnhut, der ersten brüderischen Station, die bereits 1733 durch Christian David, die Brüder Matthäus und Christian Stach angelegt wurde. Ein gutes Jahr später 1734 folgten Johann Beck und Friedrich Böhnisch, die Cranz beide in Grönland erlebte und die ihm Auskünfte aus erster Hand geben konnten. Die Arbeit hatte inzwischen erheblich zugenommen. Ende des Jahres 1761 betrug die Zahl der Getauften 428, dazu kamen noch 39 ungetaufte, im Unterricht befindliche Grönländer. Zum Abendmahl in Neuherrnhut am 8. April zählte man 162 Abendmahlsbesucher, und das war keine Ausnahme. Mit Cranz lebten in Neuherrnhut acht europäische Missionare, die von den Schwestern versorgt werden mussten.88 86 Cranz: Historie von Grönland, Vorrede, A4r. 87 Hans Egede (1686–1758), Apostel der Eskimos. Cranz nannte folgende Werke: Omstaendelig og udfertig Relation angaaende de Gronlandske Missions Begyndelse og Fortsaettelse (Kopenhagen 1738), Det gamle Gronlandse nye Perlustration eller Naturel-Historie og Beskrivelse over det gamle Gronlands Situation […] (Kopenhagen 1741), ferner die Fortsetzung des Tagebuchs durch Egedes Söhne Paul und Niels Egede und Johann Anderson: Nachrichten von Island, Grönland und der Straße Davis (Hamburg 1746). 88 Cranz zählt sie in seiner Historie (1.050) genau auf: In Neuherrnhut Friedrich Böhnisch mit Frau (seit 1734), Johann Sörensen mit Frau (seit 1746), Michael Ballenhorst (seit 1747, zur Zeit in Europa), die alte Mutter Stach (Rosina, geb. Halbgebauer, 1691–1775), Heinrich Hückel (seit

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Bis auf einen kurzen Besuch vom 24. bis 31. August in der Station Lichtenfels wohnte Cranz in Neu-Herrnhut. Lichtenfels, die zweite Station der Brüder südlich von Neu-Herrnhut, wurde 1758 durch Matthäus Stach, Jens und Peter Haven mit der Anlage eines Grashauses eröffnet. Als Cranz die Station mit Bruder Beck und einem Kaufmann besuchte, war man noch sehr mit dem Bau eines festen Hauses beschäftigt. Wegen des schlechten Wetters kehrte Cranz am 31. August wieder nach Neu-Herrnhut zurück. Das Tagebuch vermerkt: „Bruder Crantz hat gleichfals seinen zweck nicht völlig Erreichen können, welches endlich Ihm und uns Lieber gewesen wäre, wen[n] er erst künftiges früJahr gekommen wäre.“89 Cranz behalf sich so, dass er eine Liste mit Fragen an die Geschwister da ließ, die sie dann im Winter beantworten konnten.90 Blättert man das Tagebuch von Neu-Herrnhut durch, so taucht Cranz bei gelegentlichen Veranstaltungen als Helfer oder Vorleser auf, etwa beim Austeilen des Abendmahls, oder auch als Begleiter bei Hausbesuchen, aber er unternahm eher selten Ausflüge oder Reisen. Dazu hätte er überdies eines Bootes und mehrerer Helfer bedurft. Er selbst schreibt im Vorwort: „Von Neu-Herrnhut aus fuhr ich, wenn es seyn konnte, mit in die nächsten Inseln und im Sommer auf den Heringfang und durchsuchte den einen Arm des Bals-Reviers.“91 Im Tagebuch von Neu-Herrnhut ist belegt, dass er am 3. September mit Peter Haven nach Kangek fuhr, um Gras und Fische zu holen, ebenso am 30. März 1762 zusammen mit Johann Sörensen und Heinrich Hückel. Ende Mai machte er mit einigen Geschwistern einen Ausflug zu alten norwegischen Häusern und Heiligtümern. Am 19. Juli folgte er Sörensen und Haven nach Kanneihut, um Lachs oder Rentiere zu erbeuten. Und am 10. August begleitete er Sörensen und Hückel auf der Fahrt zu den Kookörnen Inseln, um dort von den Grönländern Holz, Helleflynder und Heilbut zu kaufen. Am 28. Juni heißt es im Diarium: „Bruder Cranz ging ein Stück auf den Berg, hat aber, weil es stille und klar war, die Grönländische Sommer Hize auf einmahl zu fühlen gekrigt.“ Doch davon nahm er offenbar keinen Schaden. Zweimal war er krank: Mitte Oktober 1761 musste er sich mit einem bösen Fuß 14 Tage ins Bett legen, und am 22. März 1762 ließ er sich eine Ader öffnen, weil er einen „Fluß am Kopfe“ hatte. Am 8. September 1762 kehrte Cranz mit Jens und Peter Haven nach Norwegen und Kopenhagen zurück, wo er am 2. Dezember eintraf. Am 29. Januar des nächsten Jahres gelangte er nach Herrnhut. Hier konnte er seine in Neu-Herrnhut begonnene Historie von Grönland abschließen. Es ist weitgehend eine Materialsammlung mit Auszügen aus den Tagebüchern von Egede und der Diarien von Neu-Herrnhut, mit vielen Zeugnissen der Eingeborenen und deren Lebensläufen sowie Proben ihrer Verkündigung, von Rei

1759), Jens Haven (seit 1758); in Lichtenfels Matthäus Stach (seit 1733), Johann Beck, seit 1734), Peter Rudberg (seit 1755), Peter Haven (seit 1758). 89 Unitätsarchiv Herrnhut, Sign. R.15.J.b.III.2.: Diarium von Lichtenfels am 31. August 1761. 90 Ebd., Diarium am 28. Oktober 1761: „So fingen wir zwey heute an Bruder Crantzens bey seinem Hir sein hinterlassene fragen zur grönländischen Historie zu beantworten.“ 91 Cranz: Historie von Grönland, Vorwort, a5r.

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seberichten und dem Visitationsbericht von Johannes von Watteville 1752. Die Kunst von Cranz besteht in dem Aufspüren von Quellen und Literatur, der geschickten Auswahl und Aufbereitung des Stoffes und einer klugen Präsentation und Verarbeitung mit Karten und Registern. Dadurch wurde seine Missionsgeschichte ein großer Wurf. Sie gewährte zum ersten Mal Einblick in die Arbeit der Brüder und stellte deren entsagungsvolle, aber gerade auf diese Weise glaubwürdige und vom Evangelium getragene Arbeit vor. Vergleicht man sie mit den dänischen Veröffentlichungen, so beeindruckt sie durch ihren Umfang und die Materialfülle. Cranz selbst war von dem Echo in der Öffentlichkeit völlig überrascht,92 aber er befriedigte ganz offensichtlich eine Marktlücke. „Er traf den Nerv der Zeit. Es ist ein Jahrhundert, in dem man ein Schwergewicht auf den Alltag legte, ja heißhungrig suchte man gleichsam durch das Schlüsselloch in verborgene Lebenswelten zu blicken. Alles wurde wichtig, die Eßgewohnheiten, Schlafen, Wohnen, Feste und Spiele, Ängste, Tod und Begräbnis, das Verhältnis zwischen den Geschlechtern, zwischen Eltern und Kindern, zu den Alten usw. Dem entsprach auch David Cranz im Aufbau und in der Durchgestaltung der beiden Bände.“93 Der Druck der Historie von Grönland wurde auf der Synode von 1764 beschlossen.94 Die erste Auflage betrug 3.000 Exemplare. Sie fand so reißenden Absatz, dass man schon nach fünf Jahren an eine Neuauflage und Ergänzung dachte. So erging der Auftrag an Cranz, eine Fortsetzung für die Jahre 1763 bis 1768 zu schreiben. Die Unitätsleitung legte die inzwischen verkaufte Erstauflage unverändert noch einmal mit 1.000 Exemplaren und die Fortsetzung mit 4.000 Exemplaren auf. Diese Fortsetzung enthielt nicht nur die Missionsgeschichte der beiden Stationen Neu-Herrnhut und Lichtenfels, eine Reise von Jens Haven zum südlichen Teil der Straße Davis sowie eine Beschreibung der Grönländer von Labrador, sondern auch einen Nachtrag zur Naturgeschichte mit Wetterbeobachtungen von Christoph Brasen95 und eine Bestimmung der Pflanzen nach Linné. Aus der Arbeit an dieser Fortsetzung hat sich ein Brief erhalten, der zeigt, wie Cranz alles zugängliche Material aus dem Archiv oder von Freunden entlieh, andererseits aber auch zurückhaltend war, Informationen aus dem Unitätsdirektorium abzufordern.96 Über die positive Aufnahme der Schrift in der Wissenschaft gibt Noller Auskunft anhand der in Herrnhut gesammelten Rezensionen.

92 ������������������������������������������������������������������������������������������� Vorwort zur Fortsetzung der Historie von Grönland. Barby 1770, a2r. Neben der deutschen erschien eine englische und eine niederländische Übersetzung. 93 Cranz, David: Historie von Grönland. Hg. v. Erich Beyreuther. Hildesheim 1995, Vorwort, 29*. 94 ���������������������������������������������������������������������������������������������� Unitätsarchiv Sign. R.2.B.44.10, § 11: Verlaß des General-Synodi Marienborn mens. Julii et Augusti 1764. 95 Cranz nennt Christoph Brasen (1738–1774) einen befreundeten Chirurgen im Vorwort seiner Fortsetzung, 252. Vgl. Rollmann, Hans: The Moravians in Labrador. 1. Christoph Brasen. O. O. 1997. 96 Dieser Brief an Hans Christian Alexander von Schweinitz (1740–1802), damals Schreiber bei der Missions-Deputation, sei hier ganz mitgeteilt: „Dein am 14. Mart. 1769 aus Zeist an mich ab-

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2.7 Die Generalsynode in Marienborn 1764 und die Idea Constitutionis Unitatis ­Fratrum Nach einer Erholungsreise nach Schlesien und einer Predigtvertretung in Kleinwelka nahm Cranz an der Generalsynode vom 1. Juli bis 10. August 1764 in Marienborn teil. Es war die erste Generalsynode nach Zinzendorfs Tod. Sie sollte vor allem die Frage der Verfassung der Brüdergemeine klären und wichtige Entscheidungen für die weitere Arbeit festlegen. Cranz wurde gebeten, der Gruppe der Protokollanten mit einigen anderen erfahrenen Schreibern zu „assistieren“.97 Auf der Synode wurde auch über die weitere Beschäftigung von Cranz beraten. Es boten sich mehrere Alternativen. Johannes von Watteville fragte, ob nicht auch eine Geschichte der ältesten Brüdermission, die 1732 auf den karibischen Inseln St. Thomas, St. Jan und St. Crux begonnen hatte, notwendig wäre. Damit sei schon Zinzendorf „umgegangen“ und habe geglaubt, „daß man vielleicht den Bruder Cranz auch dazu brauchen könne“.98 Da Cranz anwesend war, konnte man ihn gleich fragen. Er erklärte sich dazu bereit, „wenn es ihm der Heiland auftrüge“, und unterbreitete den Vorschlag, zu diesem Zweck die Akten in Bethlehem/ Pa. auszuwerten und die Missionsgeschichte nach einem Aufenthalt auf den Inseln in Bethlehem zu schreiben. Es wurde also darüber gelost. Man zog ein leeres Los, und damit blieb das Projekt erst einmal liegen. Die Synode befasste sich ferner mit der Frage, wo das Archiv der Unität in Zukunft untergebracht werden und wer dafür die Verantwortung tragen solle. Da das Los neben Abraham von Gersdorf noch weitere Archivare freigab, schlug man dazu ebenfalls Cranz vor. Aber ihn traf erneut ein leeres Los, was in diesem Fall eine Ablehnung bedeutete.



gelassenes Schreiben habe ich den 28 ej. richtig erhalten nebst den darinnen specifizirten Stücken, nemlich 1. Matth. Stachs Reise-Diarium nach Süden 2. Brasens Obervationes nach dem Baro- und Thermometer, ej. Notata vom Grönl. Minaralien, ej. Notata von Grönl. Vögeln, ej. Notata von Grönl. Kräutern 3. Neu-Herrnhuth und Lichtenfels Diaria von 1767 bis 1769 nebst Briefen Gönl. Geschwister 4. Jens Havens Bericht von seinen Reisen nach Labrador habe schon vorher durch Br. Lairitz aus Herrnhut erhalten; würde ich nicht davor stehen, ob es gantz und ohne Defect ist. So viel habe dir zur Antwort melden und da, wo es hingehört, als ein Recepisse einsenden wollen. Was die Briefe der Grönl. Geschwister und Director. Miss. Deputation betrift, so habe ich die wol niemals verlangt zu sehen, sondern nur, wie auch aus den Zeugnissen von dem effect der Grönl. Historie ein gantz kurtzer Extract durch eine vertraute Hand so viel mir dienen kann. Da aber diese Arbeit zu weitläuftig ist, so abstrahire gänzlich davon in Hofnung, daß ich vor Vollendung der Arbeit Gelegenheit haben werde, selbst das nöthige aufzusuchen. Nur bitte an gehörigem Ort zu sorgen, daß das Recommendations Schreiben Christian VI. an Egede einmal aufgesucht und mir mit sicherer Gelegenheit mitgetheilt werde. Übrigens danke vor deine Mühewaltung und empfehle mich deiner Liebe Rüksdorf, den 2. Apr. 1769 D. Cranz.“ 97 Unitätsarchiv, Sign. R.2.B.44.1.c, 46: Protokoll der Synode. 98 Ebd., 1354.

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Schließlich stellte man Überlegungen zu einer Neuauflage des Zeremonienbüchleins an. Man hielt eine ausführlichere Darstellung und Geschichte der brüderischen Verfassung für notwendig, wozu man auch das Einverständnis des Loses erhielt. Cranz meldete sich in diesem Zusammenhang mit einem schriftlichen Votum am 24. Juli, in dem er versuchte, größere Sacheinheiten zu bilden und einzelne Paragraphen des Zeremonienbüchleins zusammenzufassen: § 3–5 Geschichte der Alten Unität, § 6 Geschichte der Erneuerten Unität, § 8 und § 9 die Lehre der Unität. § 13–20 die äußere Verfassung, dann die innere Gemeinführung. Wie er sich eine Neuauflage dachte, fasste er am Ende kurz zusammen. Er beschrieb dabei sehr treffend, worin er den Nutzen des bisherigen Zeremonienbüchleins sah: „Eine Schrift, die aufrichtig, plain und einfältig erzehlt, wie die Sache ist und wie es ein jeder bey dem Augenschein sehen kann, ist zugleich die beste Apologie, aber der stilus muß nicht apologetisch seyn. Das Büchel, wie es bisher gewesen, hat großen Nutzen geschaft und uns vielleicht manche Streitschrift erspart. Es könnte auf vorgeschlagene Weise, da es hinauswärts gleichsam ein Symbolisches Buch würde, noch nützlicher werden, nur dürfte es nicht über ein Alphabet stark werden.“99 Im Verlass der Synode, der Zusammenfassung der Synodalbeschlüsse, konnte protokolliert werden: „Der Heiland approbirt, daß jezo eine Idea von unserer Constitution verfertiget werde. Bemeldete Nachricht wird zugleich eine kurze Historie der alten sowol als erneuerten Brüder-Kirche enthalten. Br. Cranz hat sie zu verfertigen.“100 Mit diesem Beschluss hatte Cranz eine neue Aufgabe, an die er sich sofort setzte und die ihn offensichtlich mit neuer Schaffenskraft erfüllte. Sein Pro Memoria in Hinsicht auf eine solche Darstellung, das er noch während der Synode an das Direktorium einreichte, um eine grundsätzliche Zustimmung oder Korrektur zu erhalten, ist so aufschlussreich für sein Geschichtsverständnis, dass es hier ganz mitgeteilt wird: „Pro Memoria wegen einer pragmatischen Historie der Unität 1.  Ich nenne eine pragmatische Gemein-Historie eine umständliche Erzählung der Begebenheiten, wie sie aus den Principiis, die der Heiland seinen vorerwählten Zeugen ins Herz gegeben, geflossen, mit nothdürftigen Unterlagen aus Dokumentis versehen, daraus die Nachkommen lernen, wie sie das Werk des Herrn, der es in ihre Hände kommen lassen, anzusehen und den ersten Principiis fortzuführen haben. 2. Zu einer solchen Historie gehören also: 1) Nicht nur die Facta, was sich mit der Unität ins Ganze und in den Theilen nach und nach zugetragen hat; Materie genug , den Meister zu loben, sondern 2) die Grund-Idee, die der Heiland dem seligen Jünger und andern Anfängern ins Herz gedrückt und nach und nach ausgewickelt worden und exequiren lassen.

199 Ebd., Sign. R.28.96.1.b. Die Akte enthält drei Gutachten zu den Überlegungen einer Neuauflage des Zeremonienbüchleins. 100 Ebd., Sign. R.2.B.44.10, § 11: Verlaß des General-Synodi Marienborn mens. Julii et Augusti 1764.

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3) die wunderbare Führung des Heilandes in allen Umständen, die man erst a ­posteriori sieht, worüber man a priori erschrocken wäre. 4) die sonderbare Hülfe des Heilandes in unübersehbaren schweren und intricaten Umständen, nicht nur in Verfolgungen und Bedrückungen von außen her, sondern auch in trüben und verworrenen Umständen von innen her. Um dieses deutlich zu sehen, müssen auch 5) die Fehler, Abweichungen von den ersten und ächten Principiis und die Sichtungen angezeigt werden, damit es desto deutlicher erhelle, daß der Heiland das Haupt und der Aelteste seines Volkes ist, der alles zu redressien und aus Gift eine Arzeney zu bereiten weiß. 3. Die Historie kann in gewisse Periodos abgetheilt werden, z.E. von Anno 1722 bis 27, 32, 36, 43, 48, 55, 60 und außer den Begebenheiten noch in besondern Abtheilungen gezeigt werden: 1) wie die Gemeine in der Lehre gewachsen, welche Materie vor die Zeit besonders getrieben worden und was der effect davon gewesen; 2) wie die Gemeine und ihre Chöre in eine schriftmäßige Moral nach Jesu Herzen gewachsen; 3) die Principia, die von Zeit zu Zeit in Synodis und andern Conferenzen etablirt worden; 4) die Hauptbegebenheiten in Gemein-Orten, Diaspora und Missionen; 5) Einige besondere Personalia entschlafener Geschwister; 6) Ein kurzer Conspectus der controvertirten Puncte, in soweit sie nur zur Nachricht nöthig und zur Behutsamkeit in theoria und praxi nützlich ist. 4. Hieraus sieht man von selbst, welche subsidia dazu nöthig sind. 1) Alle gedruckte und ungedruckte Gemeinschriften und Nachrichten. 2) das alte Herrnhuthisch Gesangbuch, nebst einem zuverlässigen Catalogo der Autoren, Zeit und Umstände. 3) die Haupt-Controvers-Schriften, wenigstens der Journale z.E. Acta Vimariensia. 4) Mündliche Erzählungen der Brüder, die von Anfang oder lange Zeit bey der Sache gewesen 5) Vor allen Dingen das Archiv vollständig ohne Reservation einiges in die Historie einschlagenden Stückes und zwar an einem Ort beisammen. 5. Die Absicht bey einer solchen pragmatischen Historie ist nicht, dem Publico etwas vor Augen zu legen. Dazu ist unsere Sache noch zu jung, und es müssen erst gewisse Personen, die sich getroffen finden könnten, auf die Seit und in Vergessenheit kommen; sondern uns und unsre Nachkommen von den Ein- und Ausgängen des Werkes Gottes zu instruiren. Eine solche Historie wird im Archiv aufgehoben, wie die Thora, und dient nur denen, die um alles wissen müssen, zur Nachricht. Jedoch kann nach und nach, wenn man es nützlich erachtet, ein Auszug daraus mit Hinweglassung der innern Ressors und besonders der noch nicht bekannten Fehltritte dem Publico mitgetheilt werden.

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Es könnte auch ein und anderes Stückweise in die Barbysche Sammlungen, wenn sie ihrem Ersten Entwurf gemäß continuirt würden, inserirt werden. 6. Eine solche Historie ist nöthig, und der Mangel und längere Aufschub derselben höchst bedenklich. Denn 1) der Sachen Menge bringt ins Gedränge. Die Begebenheiten, die Wohlthaten und Wunderwege des Heilands, die ersten Grund Gedanken confundiren sich im Gedächtniß, werden unbekannt und zum Theil gar vergessen. Und wer sich noch ein und anderes besinnt, kann es nicht sogleich in seinem wahren Zusammenhang seinen Mitarbeiter ins rechte Licht stecken, ohne mit großer Zeitversäumniß viele Bücher durchzublättern. 2) Unsre Nachkommen werden einmal nicht wissen quantae moles erat, fraternam condere gentem. Kann gleich ein und anderer mit großer Mühe aus einer solchen Menge Schriften die principia zusammen lesen, so fehlt ihm doch der modus agendi. Und wenn die Fehler, die beseufzt und beweint und verbessert, aber nicht aufgezeichnet sind, nicht wie die Klippen auf der Gerte stehen, wie sollen sie dieselben vermeiden und aus anderer Schaden weise werden? Die Historie ist nicht ein bloßes Amusement, sondern realeste Schule, macht die Einfältigen weise und vorsichtig und giebt ihnen eine prophetische Gabe. Marienborn, den 24. Juli 1764.“101 Cranz verstand seine Geschichtsschreibung als „pragmatisch“, im Gegensatz zu einer dogmatisch oder kontroverstheologisch bestimmten Geschichtsschreibung. Er wollte die Ursachen oder Beweggründe des Handelns der Menschen erkennen und mit ihren Folgen und Auswirkungen vergleichen. Das entsprach durchaus dem ­zeitgenössischen Ideal historischer Arbeit.102 Im Gegensatz zu einer rein innerweltlich-rational begründeten Motivation fragte Cranz jedoch nach den von Christus den Gründern der Unität ins Herz gelegten Prinzipien und deren Weiterwirken oder eben auch dem Abweichen oder Aufgeben bei den späteren Vorständen der Unität. Während Cranz bei der Historie von Grönland alles Material, das er erreichen konnte, publizierte, betont er jetzt die Kürze seiner Darstellung, die für ein allgemeines Publikum geschrieben wurde und bewusst Interna oder etwa Belastendes für einzelne Personen beiseitelassen musste. Das hatte sicherlich auch apologetische Gründe, da er befürchten musste, dass Sachkenner vieles vermissen würden und die örtlichen Interessen je nach Nationalität ganz verschieden waren.

101 ����������������������������������������������������������������������������������������������� Ebd., Sign. R.28.96.1.a und Familienarchiv Cranz. Vgl. die Interpretation von Noller: Kirchliche Historiographie, 56–58. 102 Noller: Kirchliche Historiographie, 99–102; Vierhaus, Rudolf: Historisches Interesse im 18.  Jahrhundert. In: Bödeker, Hans E. u. a. (Hg.): Aufklärung und Geschichte. Studien zur deutschen Geisteswissenschaft im 18. Jahrhundert. Göttingen 1986 (Veröffentlichungen des Max-Planck-Instituts für Geschichte 81), 264–275.

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Cranz schrieb den ersten historischen Teil der von ihm erbetenen Idea constitutionis nieder und reichte ihn Anfang Oktober 1765 dem Direktorium zur Begutachtung mit einem Begleitschreiben ein.103 Den zweiten Teil, die eigentliche Beschreibung der Verfassung und des Liturgikums, vollendete er im April 1767. Die Entscheidung über den Druck überließ die Unitätsleitung auch in diesem Fall der nächsten Synode, die vom 1. Juli bis 17. September 1769 tagte. Diese konnte sich angesichts der noch nicht endgültig fixierten Verfassung der Unität allerdings nicht zu einem Druck entschließen. Die Entscheidung darüber fiel erst bei einer Sitzung der Unitäts-Ältestenkonferenz Anfang des Jahres 1770 mit der Maßgabe, dass Cranz den ersten historischen Teil seines Werks unter seinem Namen veröffentlichen solle.104 Das Werk erschien schließlich 1771 im Druck. Die Ältestenkonferenz hatte offenbar befürchtet, dass eine solche Gesamtdarstellung Kritik und Korrekturen von verschiedenen Seiten erwarten müsse. Dieser Fall trat auch ein, so dass man beschloss, Erich Ranzau als Unitätsarchivar solle diese Kritiken sammeln und anhand der Archivalien überprüfen. Ranzaus ausführliches Gutachten, das die zahlreichen Einzelvoten zusammenfasst, ist überliefert.105 Es enthält vor allem Korrektur- und Ergänzungsvorschläge zur alten Brüdergeschichte, zum Teil mit genealogischen Tafeln und wertvollen historischen Hinweisen.106 Die Synode stellte schließlich eine weitere Aufgabe für alle Prediger fest, die zwar schon zu Lebzeiten Zinzendorfs formuliert worden war, die nun aber noch einmal auf höchster Ebene beschlossen wurde und die für die weiteren Spezialforschungen von Cranz eine gesetzliche Grundlage bot: „Es ist in jeder Gemeine einem Bruder zu committiren, alles, was er von schriftlichen und mündlichen Nachrichten zur Gemein-­ Historie ausfinden kann, zu sammeln und gehörigen Orts entweder in das Gemeinoder Unitaets-Archiv abzugeben, und es wird der Ordinarius aufgetragen, es entweder selbst zu thun oder jemand anderes dem Directorio vorzuschlagen.“107 103 Abgedruckt bei Noller: Kirchliche Historiographie, 63f. 104 Protokoll der Unitäts-Ältesten-Conferenz am 6. Januar 1770. 105 Unitätsarchiv Herrnhut, Sign. R.28.96.3: Anmerkungen und Betrachtungen zu D. Cranzens Alter und Neuer Brüder-Historie von 1771. 106 Das rund 80 Seiten in Folio umfassende Gutachten endet mit einer Feststellung, die bis heute Gültigkeit hat: „Ich achte es für ein gros Versehen, daß man sich in den ersten Zeiten unsrer erneuerten Brüder-Gemeine der ausgegangenen Böhmen nicht mehr angenommen. Es hätte manche Vergehungen und Irrungen unter ihnen vorgebeuget und verhütet werden können. So ein Ausdruck im Dank-Opfer vom 16ten Septembris, 1745 N. 2155 des XIIten Anhangs unter XXV Niesky: das wallende Besmoaken-Volck etc. ist wirklich choquant. Daher einem die Treue, die der sel. Augustin Schulz, mein in Hennersdorf vor einiger Zeit gewesener Praeceptor an diesem Volke bewiesen, desto anmerklicher und wichtiger ist. Und es hat mich inniglich erfreut, da ich gefunden, daß der werthe Verfaßer dieser Brüder-Historie in dieser Schrifft so viel Notiz von den ausgegangenen Böhmen genommen und ihre Historie in das gehörige Licht gesetzt hat. Zieht man aber auch Arbeiter aufs künftige für sie zu? Wenn man den Zeugen-Geist unter ihnen zu erwecken gesucht und tüchtige Subjecta zum Kirchendienst ausgesondert und gehörig bearbeitet hätte, sie sollten nicht weniger Arbeiter abgegeben haben als die teutschen Mährischen Brüder.“ 107 Unitätsarchiv Sign. R.2.B.44.10, §11: Verlaß des General-Synodi Marienborn mens. Julii et Augusti 1764.

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2.8 Heirat und Anstellung in (Berlin-)Rixdorf Für Cranz persönlich wurde ein Beschluss der Unitäts-Ältestenkonferenz Ende 1764 höchst bedeutsam. Im Protokoll des Unitäts-Direktoriums lesen wir: „Da der Heiland angewiesen, auf Br. Cranzens Verheyrathung zu denken, so ist die ledige Schwester Agnes Langen, Bruder Matthäus Langens108 in Kleiwelka älteste Tochter, die aber schon über 12 Jahre im Chorhause wohnt, für ihn in Vorschlag gekommen.“109 Nur vier Tage später erfahren wir das Einverständnis von Cranz, doch haben sich zwei Ärzte mit dem Bedenken zu Wort gemeldet, dass Agnes eine Augenschwäche habe und man Probleme erwarten müsse. „So erklärt sich Br. Cranz dahin, daß er von Herzen zufrieden sey, wenn es bey dieser proportion bleibe, sich aber doch um mehrerer Gewißheit willen eine Anweisung vom Heiland darüber ausbitte.“ Die Anwesenden überlegten, ob Agnes nicht erst eine Augenkur machen und man dann erneut beraten sollte. Doch da Cranz um ein Los gebeten hatte, wurde sofort gelost und ein bejahendes Los gezogen. Bereits am 18. Februar wurde Hochzeit gefeiert. Das wäre kaum möglich gewesen, wenn Cranz Agnes nicht durch ihre Kontakte zum Jüngerhaus gekannt hätte. Agnes110 war das zweitälteste Kind von insgesamt zwölf Kindern, von denen mindestens drei im Kindbett gestorben sind. Ihre Ehe mit David Cranz wurde mit drei Söhnen gesegnet. Der älteste Johann David wurde am 26. Dezember 1765 in Herrnhut geboren; er wurde später Prediger in St. Petersburg. Der zweite Sohn Christian Friedrich wurde am 22. März 1768 in Rixdorf geboren, der jüngste Sohn Christlieb Benjamin am 27. November 1772 in Gnadenfrei. Obwohl Cranz mit der schriftlichen Ausarbeitung einer brüderischen Idea constitutonis reichlich Arbeit hatte, suchte das Unitäts-Direktorium eine praktische Anstellung für ihn, wohl um ihn finanziell unterzubringen. Das Los stimmte einer Anstellung in Genf zu und man glaubte, dass Cranz sich durch seine Besuche in der Schweiz gut dafür eignete.111 Cranz aber reagierte mit Bedenken, „weil es ihm zu früh scheinet nach seiner Verheyrathung schon auf einen Posten zu gehen“. Auch wollte er erst seine schriftliche Arbeit in der Nähe der Direktion zu Ende bringen, wo ihm die „nöthigen subsidia“ zur Verfügung standen. Überdies fehle ihm die notwendige „Fertigkeit der französischen Sprache“. Das dortige Klima und die „Schwächlichkeit“ seiner Frau lassen ihn weiter zögern.112 Das Direktorium nahm also Abstand von einer Berufung nach Genf, griff die Frage einer Anstellung aber im Januar 1766 wieder auf und berief Cranz nach (Berlin-) 108 Matthäus Lange (1704–1786) war seit 1732 verheiratet mit Maria, geb. Handrik/Handrich (1714–1784). 109 Unitäts-Ältesten-Conferenz-Protokolle 1774, Bd. 4, 283f. vom 29. Dezember 1764. 110 �������������������������������������������������������������������������������������� Agnes Lange (1734–1779) wurde in Malschwitz oder Doberschütz bei Bautzen in einer sorbisch sprechenden Familie geboren und 1751 in die Brüdergemeine aufgenommen. 1758 wurde sie zur Akoluthie angenommen und gehörte zur Gemeinschaft der Stundenbeter. Sie hatte vor Zinzendorfs Tod engen Kontakt zum Jüngerhaus. 1760 betreute sie mit anderen Frauen die Mädchen-Anstalt in Berthelsdorf; 1761 wurde sie Stubenaufseherin in Niesky. 111 Protokolle des Directoriums 1765, Bd. 2, 539f. vom 16. April 1765. 112 Ebd., Bd. 2, 672 vom 28. April 1765.

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Rixdorf.113 Da Schwester Cranz sorbisch sprach, glaubte man, dass ihr Mann bei seiner Sprachenbegabung bald auch das Tschechische sprechen könne. Er sollte aber auch die deutsche Predigt in Rixdorf wieder aufnehmen. Cranz vermerkte im Diarium von Rixdorf seine Ankunft am 10. Mai in Berlin, aber auch seine Bedenken, seine „vieljährige Hypochondrie“ und sein schlechtes Gedächtnis angesichts des „überhäuften Sprachen lernens“ in den letzten Jahren.114 Es war keine einfache Zeit für ihn. Er war mit seinen vielen schriftlichen Aufgaben und der für ihn ungewohnten Aufgabe eines Seelsorgers im Grunde überfordert. Noller beschreibt sein zum Teil unglückliches Verhalten in der Gemeinde: „So nahm er bereits kurz nach Amtsantritt im Juni 1766 die brüderischen Rixdorfer durch den Hinweis auf deren um des Glaubens willen aus Böhmen emigrierte Vorfahren in die Pflicht und beklagte die unter diesen Umständen unsichere Perspektive auf eine Fortdauer der Rixdorfer Gemeinschaft. Anfang Mai 1767 nahmen einige Rixdorfer Brüder ihre Kinder von der Erziehungs-Anstalt der Brüdergemeine in Berlin, worüber sich Cranz dermaßen empörte, dass er sich bei August Gottlieb Spangenberg und der Kirchenleitung über die Zustände in Rixdorf beklagte. Er beanstandete in dem Schreiben vor allem das Desinteresse an Erbauungsstunden, mangelndes Gemeinschaftsgefühl, nachlässige Kindererziehung und den Einfluss, den Personen, die bereits aus der Gemeinschaft verwiesen worden waren, weiterhin ausüben konnten, da Rixdorf kein Gemeinort war. Es bestanden also Spannungen zwischen Cranz und seiner Gemeinde, die daher rührten, dass diese den Erwartungen des ungeübten Seelsorgers nicht gerecht wurde, während jener den Dissens durch Strenge vergrößerte.“115 Dem Missions-Sekretär Laer116 in Herrnhut beschrieb Cranz im Januar 1767 seine offenbar auch äußerlich nicht glückliche Unterkunft in düsteren Farben. „Itzt sind die Blattern im Dorf und viele Kinder dran gestorben. Wir haben ihn [ihr erstes reichlich ein Jahr altes Kind, D. M.] dem Heiland hingegeben. Doch wollten wirs für Gnade erkennen, wenn wir ihn behielten, da wir aus allem ein Kind guter Art ominiren können. [...] Wir haben itzt viel Schnee und grimmige Kälte. Die Fenster thauen nicht auf, die Stube ist voll Zug, denn sie communicirt mit 7 Thüren im Cirkel und unten ist der Saal und die Holtz Wände nicht beworffen [?]. Das Bier ist in der Kinder Stub und rother Wein in der Kammer steinhart gefroren. Mit meinem Schreiben geht’s itzt langsam, weil ich in der Stube nicht ungestört seyn und in der Kammer nicht ausstehen kann.“117 Anstatt die tschechische Sprache zu lernen, verfasste Cranz eine Geschichte der böhmischen Emigration und der Brüdergemeine in Rixdorf bis zur Synode 1769. Das hatte die Direktion in dieser Situation gar nicht erwartet. Für Cranz war es aber of113 114 115 116

Ebd., 1766, Bd. 1, 64f. vom 13. Januar 1766. Noller: Historie der böhmischen Emigration, 228. Ebd., 36f. Johannes Renatus Laer (1731–1792) war 1765–1769 Sekretär der Missions- und Anstalts-Diakonie. 117 Unitätsarchiv Herrnhut, Sign. R.21.A.85, Nr.12: Brief vom 7. Januar 1767.

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fensichtlich eine innere Befriedigung und ein Ausgleich zu dem unerfreulichen Alltag. Angesichts mehrerer Beschwerden aus der Gemeinde und der Weigerung von Cranz, Tschechisch so zu erlernen, dass er darin predigen und ohne Übersetzer Erbauungsversammlungen halten konnte, beantragte der zuständige Bischof Andreas Grassmann auf der Generalsynode von 1769 dessen Versetzung. Wenn Cranz in gesundheitliche und seelische Bedrängung geriet, unternahm er gern eine Reise, die er mit dem Besuch von Diasporageschwistern verband. So muss man es wohl auch verstehen, wenn er am 3. Mai 1768 an Bischof Gregor schrieb, dass er seine Schwester in Pommern besuchen wolle und anbot, den Geschwistern in Stettin einen Besuch abzustatten. Die Unitätsleitung ließ sich darauf gern ein. Es sei dem Direktorium durchaus recht, wenn er sich „die Stettinischen Geschwister genau ansieht, sich nach allem erkundigt und sodann dem Directorio einen Bericht abstattet, wie er es daselbst gefunden habe“.118 Diesen Bericht sandte Cranz dann am 16. September 1768 ein. Er wurde zum Anlass genommen, die dortigen Geschwister besser zu betreuen.119 Mit der Abberufung von Cranz aus Rixdorf stellte sich das Problem seiner Anstellung aufs Neue. Die Unitätsleitung, seit der Synode von 1769 nun Unitäts-Ältestenkonferenz genannt, dachte abermals an die Schweiz, an Montmirail, an Zürich, doch das Los stimmte nicht zu.120 Auch bei Genf hielt Cranz weiterhin seine Bedenken wegen der Sprache aufrecht und verwies auf seinen kleinen Sohn und das „melancholische Temperament“ seiner Frau.121 Schließlich schlug man ihm vor, in diesem Winter die ­Diaspora-Arbeit in Berthelsdorf zu übernehmen, wozu Cranz sich bereit erklärte.122 Dafür bekam er eine Entlohnung durch das Berthelsdorfer Gut und für jeden Bogen seiner Druckarbeiten 2 Reichsthaler oder einen Dukaten.123 Aus dem Berthelsdorfer Diarium erfahren wir, dass Cranz von Dezember 1770 bis 18. Juni 1771 die Berthelsdorfer Diaspora-Geschwister bediente, deren Zahl sich Ende 1770 auf 397 Personen belief. Auch sei die Mädchen-Anstalt noch immer „eine besondere Zierde dasiger Sozietät“.124 Nun war Berthelsdorf nur als vorübergehende Lösung gedacht. Im Februar entwickelte die Kirchenleitung den Vorschlag, Cranz zur Bedienung des Buchladens in Barby anzustellen. Eine Nachfrage bei ihm ergab: „Er hat auf einer Seite grosse Neigung dazu, auf der andern Seite aber auch Bedenken, weil er befürchtet, sein Durchkommen nicht ganz dabey zu finden.“125 Cranz stimmte schließlich zu, aber als man darüber loste, fiel das Los negativ aus. Im Frühjahr erschien die Alte und Neue Brüder-Historie und die Frage der weiteren Anstellung von Cranz drängte. Cranz „hat Lust, eine Historie von Herrnhut zu 118 119 120 121 122 123 124 125

Protokolle des Directoriums 1768, Bd. 2, 739 vom 16. Mai 1768. Ebd., Bd. 4, 554f. vom 15. Oktober 1768. Unitäts-Ältesten-Conferenz-Protokolle 1770, Bd. 1, 454–457 vom 5. März 1770. Ebd., Bd. 1, 481 vom 9. März 1771. Ebd., Bd. 3, 394 vom 30. August 1772 und 422f. vom 3. September 1772. Ebd., 468. Unitätsarchiv Sign. R.19.B.a.5.b 1770. Unitäts-Ältesten-Conferenz-Protokolle 1771, Bd. 1, 172 und 198, vom 4. und 6. Februar 1771.

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s­ chreiben, und wenn ihn dasige Gemeine dazu annehmen wollte, so würde es ganz gut seyn. Sie könnten ihn zugleich zum Inspector der Schulen und zum Schreiber in den Conferenzen machen, wie er denn auch bey der Oberlausizischen Diaspora sehr wohl zu gebrauchen wäre und den Br. Schmid im Predigt-Amt subleviren könnte.“126 In derselben Sitzung aber wurde dann der Gnadenfreier Prediger Gottfried Clemens für ­Herrnhut bestimmt und vom Los bestätigt, so dass man nun einen Prediger für Gnadenfrei benötigte. Für diese Aufgabe schlug man Cranz vor – und zog ein positives Los. 2.9 Prediger von Gnadenfrei Cranz war von August 1771 bis zu seinem Tod am 6. Juni 1777 in Gnadenberg Prediger von Gnadenfrei. In seiner Geschichte Gnadenfreis hat er die ersten vier Jahre bis zum Frühjahr 1775 kurz behandelt. Dennoch wird es nützlich sein, einige Aspekte seiner Amtsjahre einführend anzusprechen. Die Gemeinde Gnadenfrei bestand aus Einwohnern des Dorfes Ober-, Mittel- und Niederpeilau und der unmittelbar an das Dorf anschließenden Brüdersiedlung Gnadenfrei, die zusammen ein langes Straßendorf bildeten. In den Mitgliederlisten wurden die Einwohner Peilaus, die zur Brüdergemeine gehören, immer von denen in Gnadenfrei gesondert geführt, da sie rechtlich unterschiedlichen Ortsherrschaften unterstanden. Zur Ortsgemeinde Gnadenfrei gehörten aber auch eine ganze Reihe von Mitgliedern der umliegenden Dörfer: Langenbielau, Peterswaldau, Habendorf, Schönheide, Weigelsdorf, Güttmannsdorf, Kleutsch und Dirsdorf.127 Gnadenfrei bildete faktisch den Mittelpunkt der für den Pietismus gewonnenen Einwohner und der für diese von König Friedrich II. ermöglichten freien Religionsausübung seit 1741. Gnadenfrei war damit die mitgliederstärkste Brüdergemeinde und übertraf noch ­Herrnhut. In den Memorabilien, die jeweils am Ende eines Jahres den Bestand einer Gemeinde beschreiben, zählte Gnadenfrei Ende 1771 insgesamt 1.701 und Ende 1776, im letzten Amtsjahr von Cranz, 1.659 Mitglieder mit 517 Eheleuten, von denen nur 150 in Gnadenfrei wohnten. Insgesamt waren es 1.206 Abendmahlsgäste. Vorgänger von Cranz war der beliebte Prediger Gottfried Clemens. Dieser wurde nach Herrnhut versetzt, was die Aufgabe für Cranz nicht ganz einfach machte. Das zeigt die Einschätzung der Unitäts-Ältestenkonferenz, nachdem das Los einer Berufung von Cranz zugestimmt hatte.128 „Seinetwegen ist zwar, theils im Anfange bei Br. Georgio [Waiblinger], theils auch, wie es scheint, bey den Brüdern in Gnadenfrey einige Bedenken entstanden, ob er den Bruder Clemens zu erstzen der rechte Mann seyn würde; und es ist nicht zu läugnen, daß er letzterem an Gaben nicht beykommt; da er aber gleichwohl das Zeugniß eines evangelischen und auf das Herz gehenden Vortrags hat, auch in Berlin und Berthelsdorf im Segen gewesen ist, so konnte man das Vertrauen 126 Ebd., Bd. 2, 241 vom 15. Mai 1771. 127 Vgl. die Mitgliederliste in Unitätsarchiv Sign. R.27.105 für die Jahre 1772/73. 128 Unitäts-Ältesten-Conferenz-Protokolle 1771, Bd. 2, 243f. vom 15. Mai 1771.

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faßen, daß der Heiland durch seine Ernennung zu dem Amt in Gnadenfrey etwas seliges introduciren und ihn in demselben legitimiren werde.“129 Die Größe der Gemeinde Gnadenfrei erforderte mehrere Mitarbeiter. Dies war neben dem Prediger der Gemeinhelfer und Ehechorhelfer Joachim Heinrich Andresen, seit 1767 in Gnadenfrei. Es war kein gutes Zeichen, dass Andresen Ende Juni erneut Bedenken von Geschwistern aus Gnadenfrei einreichte, die man an Cranz weiterleitete. Aber man sah sich genötigt, Cranz mit seiner Frau zu einer Sitzung des Unitäts-Ältestenkonferenz am 24. Juli vorzuladen. „Insonderheit wurde ihm empfohlen, über denen in den letzten Synodiis festgesetzten Principiis zu halten und in den Conferenzen daran fleißig zu erinnern, besonders auch mit Br. Andresen cordat umzugehen.“130 Da für seine Tätigkeit die Ordination zum Presbyter wünschenswert erschien, wurde überlegt, ob diese wirklich jetzt schon nötig sei und man nicht lieber abwarten sollte, „wie er in Gnadenfrey einpaßt und wie er sich daselbst legitimirt“.131 Tatsächlich wurde sie vier Jahre verschoben. Erst am 8. Oktober 1775 ordinierte man Cranz zum Presbyter. Es fällt auf, dass die Unitäts-Ältestenkonferenz ein größeres Vertrauen zu der Arbeit von Andresen hatte als zu der Arbeit von Cranz. Andresen muss ein recht gesundes Selbstvertrauen gehabt haben, was Waiblinger als Provinzialhelfer für Schlesien, noch bevor Cranz nach Gnadenfrei berufen wurde, kritisch sah und feststellte: Er „regiert alles“; er habe sich „auf eine Art, die mir nicht recht gefällt, in Autorität gesetzt, und die anderen Arbeiter lassen ihn mit Liebe zum Frieden machen. Er denckt dabey, daß er durchgängig geliebet ist, aber er weiß nicht recht, wie es aussieht.“132 Das Verhältnis von Cranz zu Andresen dürfte mithin nicht ganz einfach gewesen sein, und es ist bezeichnend, dass der gesamte Schriftwechsel zwischen Cranz und Herrnhut aus seinen Amtsjahren fehlt, also wohl schon in älterer Zeit kassiert wurde. Als Brüderpfleger und Helfer des Predigers wurde Anfang 1772 Johann Andreas Würgatsch133 eingeführt, der eine ähnliche Vorbildung wie Cranz hatte, insofern er 1766 als Schreiber beim Unitäts-Direktorium angestellt worden war und diese Institution bis 1771 als Protokollant und Bearbeiter der Gemeinnachrichten begleitete. Er blieb bis 1777 in Gnadenfrei und wurde dann bis 1780 nach Pawlowitzky zum Aufbau der Gemeinde Gnadenfeld entsandt. Er konnte Cranz vertreten, wenn dieser auf Reisen zur Diaspora oder bei der Synode war. 129 Ebd., 334 vom 7. Juni 1771. 130 �������������������������������������������������������������������������������������������� Ebd., Bd. 3, 158 vom 24. Juli 1772. Bei der Vorbereitung zu diesem Gespräch am 22. Juli wurden die Punkte genannt, „welche man bey Br. Cranz Art und Betragen zu erinnern hat, in specie, was die Vermeidung alles Scheins einer Begehrlichkeit und Eigennutzes betrifft“ (117). Was damit gemeint ist, ist nicht eindeutig. Am 10. Juni hieß es, dass man ihn warnen wolle, „dass er gleich von vornherein sich so conduisiren möge, damit nicht durch seine hypochondrische Art und besonders durch seine Klagen über den Mangel an dieser oder jener Convenienzien [...] ein und andere Gemüther gegen ihn eingenommen werden mögen“. 131 Ebd., 113 vom 19. Juli 1771. 132 Unitätsarchiv, Sign. R.21.A.21: Brief Waiblingers an das Directorium vom 17. Juni 1769. 133 Johann Andreas Würgatsch (1740–1799) wurde 1780 Prediger in Zeist und 1790 in Stockholm.

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Cranz war die Betreuung der umliegenden Freunde der Brüdergemeine wichtig; die weiter entfernt liegenden Orte besuchte er auch selbst. Das war jährlich einmal ein Besuch in Breslau und Oels mit Umgebung, wobei sich die Prediger offenbar abwechselten. Über seinen Besuch im Oktober 1773 rückte er einen kleinen Bericht in das Diarium ein, der beispielhaft für diese Arbeit hier angefügt sei: „Am 4ten Octobris reiste ich mit dem Bauersmann Neldner und seiner Frau aus Batkerey134 und dem Rademacher Ruprecht aus Juliusburg135 ab. Wir kamen zeitig nach Breslau und die 6 bis 8 Seelen besuchten mich. Den 5ten besuchte ich den Probst Hermes.136 Er freute sich darüber, fragte viel um Grönland und war sehr freundschafftlich. Er hat die Real-Schule hier angefangen. Seine Predigten in der Probstey werden stark besucht, weil man da von Jesu Verdienst hört. Die Direction der Real-Schule hat sein Bruder137 erhalten, welcher bey der Maria Magdalena Kirche Ecclesiastes worden ist. Diesen besuchte ich bey der Retour von Oels und er bezeugte auch viel Freundschafft. Ich reiste dann weiter nach Oels, blieb den 6ten da und besuchte an ein paar Orten. Den Senior Radezky, der ehedem in Roesniz gewesen und ein rechtschaffener Mann seyn soll, auch den Geschwistern nichts in den Weg legt, wenn sie nur still bleiben, wolte ich nicht besuchen, damit Er sich nicht verdächtig mache. Er ist einer von den alten Jenaischen Brüdern. Abends hatte ich Versammlung mit 12–14 Seelen, las ihnen Danckes LebensLauf138 und, weil sie durchs Lesen der Gemein-Nachrichten, die sie seit ½ Jahr kriegen, selbst angeregt werden, etwas beyzutragen, so machte ihnen einen Begrif von den Heiden- und Unitaets-Anstalten-Collecten. Den 7ten reiste ich mit Br. Ruprecht nach Wartenberg,139 4 Meilen von Oels. Meinen Begleiter schickte ich nach Gallwiz,140 2 Meilen von da. Br. Hermann Richter freute sich über meinen unvermutheten Besuch. Der HofPrediger empfing mich sehr brüderlich von seiner ganzen Familie. Er wünscht sehr, Erweckungen zu haben und eine Gemeine im Lande zu sehen. Vom Werck Gottes in der Brüder Unitaet sonderlich ­unter den Heiden ist er sehr angethan. Er scheut sich nicht davor bekannt zu seyn, und viele wissens, ist aber doch behutsam. Br. Richter ist geliebt und legitimirt. An des Hofpredigers Kindern ist seine Arbeit nicht vergeblich. Keine Seele ist da, mit der er ­Connexion hat. Mir ist im Oelsnischen ofte eingefallen, daß wir einmal da noch eine Gemeine haben werden. Es liegt in der Gegend ein Same. Da sehe ich den Hofprediger als einen Vorbereiter an. Er unterhält und verbreitet die guten Gesinnungen bey Geistlichen und Herrschaften. Die Erweckung im Oelsnischen stammt von etlichen Predigern her und 134 Bartkerey/Bartkerei (poln. Bartków). 135 Juliusberg (poln. Dobroszyce). 136 Hermann Daniel Hermes (1731–1807), 1771 Propst zum Heiligen Geist, 1775 an der MariaMagdalena-Kirche. 137 Johann Timotheus Hermes (1738–1821), 1772 Dogmatik-Professor an den beiden kirchlichen Gymnasien. 138 Johann Heinrich Danke (1734–1772), Missionar in Ägypten. 139 Groß Wartenberg (poln. Syców). 140 Gallwitz (poln. Galowice).

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ist hernach von Br. Hoyer, der in des Herrn von Geislers Hause in Schickerwiz Informator war, unterhalten worden und hernach von einem dasigen Bauersmann Nitschke. Sie nimmt aber ab, denn die Leute sind sehr verfolgt worden; viele sind zur Gemeine gezogen; das junge Volck ist durchs Heyrathen abgekommen, und die Alten sind zum Theil auch kalt worden. Den 8ten gegen Abend fuhr ich nach Gallwiz, sahe und sprach beym ­Schulmeister mit 20 Personen, alles alte, bekümmerte, arme und gedrückte Leute. Den 9ten gings über Korschliz141 und Krompusch,142 worinne eine Familie jedens Orts ist, nach Schmollen,143 dahin kamen die von Neu-Schmollen, Groß-Ellguth144 etc. Ich redete mit ihnen, las ihnen Dankes Personalia und that, wie überall, einen Vorschlag zu besserer Gemeinschaft, Erhaltung und vielleicht Vermehrung ihrer Häuflein. Sie sollten 1. alle Vierteljahr an allen Orten alle an einem Sonntag zum Abendmahl gehen, den Abend vorher und den Abend drauf sich vor den Heiland stellen und mit allen Seelen im Lande sich gemeinschafftlich segnen laßen. 2. Wenn sie zum Wochenmarkt nach Oels kommen, sollen sie einen Bruder finden, der ihnen schöne Nachrichten lese. 3. Es sollte alle 4 bis 6 Wochen ein Bruder von Oels zu ihnen kommen und ihnen was lesen. Das leuchtete ihnen sehr ein. Wenn nicht so eine Connexion wird, so geht’s da aus. Die Leute haben zu weit zu uns und sind meist sehr arm und an ihre Dienste gebunden. Alle Jahr oder halbe Jahr ein Besuch von hier hilft auch nicht viel. Gegen Abend fuhren wir über Oels nach Juliusburg in Ruprechts Haus und hielt eine Versammlung mit 12 – 16 Personen. Sie müssen sehr behutsam seyn. Sonntag den 10ten ging ich nach Batkerey, ein kleines abgelegenes Dörfgen im Busch. Hier hält Ruprecht manchmal eine Versammlung für die Seelen auf der Seite von Oels. Heute kamen Leute auch von der anderen Seite von 15 Orten. Es waren bey 70 Seelen. Die entferntesten, die zeitig da waren, hatten sich im Garten gelagert. Der HausVater Neldner gab ihnen zu essen, und ich legte mich zu ihnen und erzehlte ihnen von den Heiden-Gemeinen und den Verbindungen in Liefland. Dann hielt [ich] ihnen in der Stube eine Rede und las und erläuterte Dankes Personalia. Zuletzt nahm die zuverläßigsten apart und erläuterte ihnen den obigen Vorschlag zu besserer Gemeinschaft. Es war mir wohl bey den Leuten, aber sie sind meist alt, fast keine Ledige oder doch ungewisse Leute. Den 11ten brachte mich Neldner nach dem Städtgen und Kloster Trebniz, wo die heilige Piastin Hedwig begraben ist. Hier sind etliche hübsche Leute, aber noch zu wenig mit der Gemeine bekannt. Den 12ten reiste ich nach Breslau. Abends kamen ausser den 6 Geschwistern, die ordentlich zusammen halten, noch 10 Personen, auch etliche von Oels und ich redete etwas.

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Korschlitz, Kr. Oels (poln. Gorzeslaw). Krompusch (poln. Gręboszyce). Schmollen (poln. Smolna). Groß Ellguth (poln. Ligota Wielka).

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Den 13ten muste ich zu etlichen Kaufleuten kommen, mit denen die Brüder Verkehr haben. Einer führte mich auf die Bibliotheken bey der Elisabeth und Maria Magdalena Kirche. In diesen sahe mich um nach der Bibliohek des Mährischen Brüder Patrons Baron Carl v. Scherotin,145 fand aber nichts als sein Portrait und eine schon auf Pergament gedruckte und illuminirte und mit Silber beschlagene Bibel und Brüder Buch in folio von 1606 und die gewöhnlichen Gravamina und Apologien der Böhmischen Nation gegen Ferdinand ca. Anno 1617. Abends sprach ich mit den 6 Geschwistern, die mit uns Gastweise zum Abendmahl gehen wegen besserer Gemeinschafft. Den 15ten kam ich über Marschwiz,146 wo mein Besuch der Herrschaft v. Heigel147 und der Kinder sehr lieb zu seyn schien, wieder nach Gnadenfrey, nachdem ich 12 Tage weg gewesen, an 12 Orten, 37 Meilen herum gekommen und von den benachbarten Orten die meisten gesehen und gesprochen.“ Gnadenfrei war auch für Oberschlesien zuständig, und man hoffte, die Konzession für Rösnitz auf das nur einige Kilometer davon entfernte Gut Pawlowitzky, das Christian Friedrich von Seidlitz 1766 gekauft hatte, übertragen zu können. In dieser Hoffnung ließen sich dort Familien aus Rösnitz und Steuberwitz, auch aus Gnadenfrei nieder. Seit 1767 fanden auf dem Gut regelmäßig Versammlungen statt. Auch ohne obrigkeitliche Konzession, die man erst 1780 erhielt, wurde Pawlowitzky als Filialgemeinde von Gnadenfrei geführt. Als ihr erster Prediger gilt Johann David Stöhr, der dort ab 1770 bis zu seinem Tod 1774 Dienst tat. Cranz fuhr zu dessen Beerdigung nach Oberschlesien und schrieb Stöhrs Vita148 auf, da dieser keinen eigenen Lebenslauf hinterlassen hatte. Sie ist ein wichtiges Zeugnis dieses verdienten Diasporapredigers, den Cranz schon als Buchdrucker von Büdingen kannte. Ein für Gnadenfrei wichtiges Ereignis war die Visitation des Unitätsdirektors Johann Friedrich Reichel,149 der im Auftrag der Unitäts-Ältestenkonferenz die drei schlesischen Gemeinden besuchte, die für Herrnhut zunehmend wichtiger wurden (Teil II, § 158). Seinen Bericht darüber vor der Unitäts-Ältestenkonferenz konnte Cranz nicht kennen. Er ist in mancher Hinsicht aufschlussreich. Über Prediger und Gemeinhelfer urteilte Reichel folgendermaßen: „Man kann indeßen nicht anders sagen, als daß auch des Br. Cranz Zeugniß real und im Segen ist, wenn gleich, sonderlich in Absicht auf die Gemeine und deren Chöre ein und anderes dabey zu erinnern übrig bleibt.“ Und über Andresen sagte er: „Die Arbeit der Geschwister Andresens im Ehechor ist gründlich 145 Karl der Ältere von Žerotin (1564–1636), 1608–1615 mährischer Landeshauptmann. 146 Marschwitz, Kr. Breslau (poln. Marszowice). 147 Über das Geschlecht von Heugel in Breslau, aber auch Marschwitz vgl. Pusch, Oskar: Die ­Breslauer Rats- und Stadtgeschlechter in der Zeit von 1241 bis 1741, Bd. 2. Dortmund 1987, 199–223. 148 Unitätsarchiv Herrnhut, Sign. R.22.44.71. 149 Johann Friedrich Reichel (1731–1809) wurde 1754 Pfarrer in Taubenheim, trat 1758 in die Brüdergemeine ein und wurde Prediger in Niesky. Seit 1761 war er „Protokollist“ in dem Leitungsgremium der Brüderunität und seit 1769 Mitglied der Unitäts-Ältestenkonferenz in verschiedenen Funktionen.

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und gesegnet, und eben so sehr, wo nicht noch mehr, an den auswärtigen Geschwistern als an den Gemeinorts-Einwohnern. Es war auch beym Sprechen der Verehlichten ein allgemeiner Wunsch und Bitte, daß man ihnen Geschwister Andresens als ihre Chorhelfer laßen möchte.“150 Während er Andresen ohne Abstriche positiv würdigte, erinnerte er bei Cranz an diverse Vorfälle. Die Reisen in die Diaspora erwähnte er bei Cranz gar nicht. Dieses seltsame Ungleichgewicht in der Beurteilung der beiden leitenden Geistlichen Gnadenfreis spiegelt die Sicht der Unitäts-Ältestenkonferenz wider. Reichels Bericht enthält manche aufschlussreiche Beobachtung, wenn man damit die Darstellung bei Cranz vergleicht. Er beurteilte die brüderischen Mitglieder in Peilau ausgesprochen kritisch im Vergleich mit der Gemeinde in Gnadenfrei. „Bey den Gemein-Orts-Einwohnern kann man nicht umhin, einen starken Mengel an Liebe, Herzens-Gemeinschaft und Theilnehmung an einander mit Betrübniß zu bemerken; und derselbe entspringt wohl größtentheils aus der unseligen Quelle, daß viele Particuliers sich die Beförderung ihres äußerlichen Durchkommens und Wohlstandes zu einem Haupt-Objekt gemacht haben.“151 Es mag hier dahin gestellt sein, ob diese Beurteilung zu Recht bestand, aber man kann nur froh sein, dass Cranz als Prediger von Gnadenfrei keinerlei Andeutung in dieser Richtung machte. Dahinter steht das Problem ihres rechtlichen Status, da sie Untergebene ihrer adeligen Herrschaft waren, während die Mitglieder der Brüdergemeine von allen Lehnsrechten befreit waren. Reichel benannte das Problem in völliger Klarheit, ohne freilich eine Lösung vorschlagen zu können. „Die Gemeine in Gnadenfrey wünschte, daß sie gegen Erlegung eines gewissen Schutzgeldes für sich und ihre Kinder als Schutzunterthanen angesehen würden; die Herrschafften aber scheinen es darauf anzutragen, sie zwar für ihre Personen frey zu laßen, ihre Kinder aber zur Erb-Unterthänigkeit zu ziehen. Und was ihr Verhältniß mit der Dorfgemeine betrifft, so wäre das billigste, daß sie quoad civile et politicum zu derselben gehörten und an gemeinschafftlichen Lasten und Vortheilen gleich andern Miteinwohnern Theil nähmen. So aber will man sie als Glieder der Gemeine in Gnadenfrey betrachten und sie in Krankheits und andern Unglücks-Fällen deren Besorgung zuweisen.“152 Reichel sprach auch die Rolle der Adeligen in Gnadenfrei an, die hier als Ortsherrschaften, aber auch als Freunde und Verwandte der örtlichen Herrschaften eine wichtige Rolle einnahmen. Er beurteilte ihr innerliches Interesse an der Gemeine und ihre Frömmigkeit grundsätzlich positiv und ging auf gelegentliche ­Interessenskonflikte nicht näher ein. Die Bitte des Herrn von der Heide, eine eigene Gemeinde Cirkev auf seinem Besitz anzulegen, hatte die Synode von 1769 abgelehnt (Teil II, § 138). Auf den Wunsch mehrerer Adelsfamilien nach einem Pädagogium für ihre Kinder in Gnadenfrei konnte sich die Unitäts-Ältestenkonferenz nicht einlassen, weil sie gar keine Erzieher dafür hatte. Der Wunsch wurde aber von Seiten der Einwohner immer lauter. 1776 konnte er zumindest ansatzweise unter Paul Eugen Layritz realisiert werden. 150 Unitäts-Ältesten-Conferenz-Protokolle 1775, Bd. 2, 276 vom 22. Mai 1775. 151 Ebd., 277. 152 Ebd., 278.

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Ein anderes Problem war der Erfolg der Fabrikbesitzer. Das Diarium vermeldet am Ende des Jahres 1776: „Er [Christus] hat einen besondern Segen auf unsre Handwerker und Fabriquen gelegt, so daß es bey den meisten mehr an Händen als an Arbeit gefehlt hat, und hat sie in den Stand gesetzt, nicht nur unsere armen Geschwister, sondern viel hundert armen Leuten in den ferner liegenden Dörfern Arbeit und Nahrung zu verschaffen.“153 Die Kattunfabrik hatte sich so gut entwickelt, dass die Verantwortlichen ein neues „Fabrik und Ladengebäude“ errichten wollten, wozu sie freilich die Herrnhuter Direktion um Erlaubnis bitten mussten. Herrnhut zögerte jedoch, weil es den Neid und die Beschwerden von Seiten der Stadt Reichenbach befürchtete. Ähnliches hatte man in Gnadenberg schmerzlich von Seiten der Stadt Bunzlau erlebt. Man bat daher die Verantwortlichen, vor Christus zu überlegen, ob jetzt der rechte Zeitpunkt für eine solche Einrichtung gekommen sei.154 Einen Höhepunkt der Tätigkeit von Cranz bildete die Generalsynode in Barby vom 1. Juli bis 7. Oktober 1775, die er als Deputierter der Gemeinde Gnadenfrei besuchte. Cranz war also dieses Mal nicht mehr für das Protokoll zuständig, sollte aber das Synodaldiarium führen und erhielt durch das Los zwei wichtige Aufgaben: Er wurde für die Niederschrift des Synodalverlasses als Zusammenfassung der Beschlüsse der Synode bestimmt und für die Formulierung des so wichtigen Artikels 1 über die Lehre der Brüdergemeine.155 Das bedeutete eine hohe Wertschätzung seiner Person: Cranz wurde nun neben den führenden Männern der Unitäts-Ältestenkonferenz wie Paul Eugen Layritz, Bischof Christian Gregor und Johannes Loretz für eine so wichtige, in die Öffentlichkeit der Gemeinden wirkende Aufgabe benannt und durch das Los bestimmt. Das erforderte eine hohe Konzentration und Arbeitslast. Der Synodalverlass macht einen handschriftlichen Band von rund 550 Seiten aus, wozu Cranz Schreiber als Hilfen bekam. Der Text wurde in den letzten Sitzungen der Synode kritisch durchgesehen, selbst die Gliederung wurde von der Synode festgelegt und ein Auszug für die Gemeinden bestimmt. Im Diarium der Gemeinde Gnadenfrei heißt es bei der Vorlesung des Synodalverlasses in Auszügen: „Ja wir müssen auch hinzuthun und bekennen, daß Er [Christus] bey der Publication des Synodal Verlasses auch zu unsern Herzen auf eine durchdringende Weise geredet hat. [...] Die Zeit ist da, worauf treue Herzen lange und sehnlich gewartet haben, daß Er uns nach seiner Verheißung in den Genuß der alten Gnade, Einfalt und

153 Unitätsarchiv Herrnhut, Sign. R.7.D.I.b.1.d 1776: Memorabilien nach dem 31. Dezember 1776. 154 Protokoll der Unitäts-Ältesten-Conferenz, Bd. 2, 177–179 am 29. April 1776: Das Protokoll berichtet, dass das Unitäts-Vorsteher-Collegium „wegen des vorgeschlagenen Baues eines neuen Fabrik- und Ladenhauses nicht ohne alles Bedenken wäre, indem das dadurch leicht zu veranlassende mehrere Aufsehen bey ihrer Handlung ihnen von der Stadt Reichenbach unangenehme Schwierigkeiten zuziehen könnte, daher man ihrer eigenen Ueberlegung überlassen wolle, ob sie nicht nöthig fänden, sich vom Heiland anweisen zu lassen, ob jetzt die rechte Zeit sey, den vorgeschlagenen Bau zu unternehmen“. 155 Der Aufbau dieses Kapitels wurde für die folgenden Synoden maßgeblich und grundlegend.

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Wahrheit zurückbringen will.“156 Die Synode endete am 8. Oktober mit einem feierlichen Ordinationsgottesdienst, in dem unter anderen Layritz und Reichel zu Bischöfen und Cranz zum Presbyter ordiniert wurden. Für Gnadenfrei wurde wichtig, dass Andresen zum Mitglied der Unitäts-Ältestenkonferenz gewählt und Layritz als dessen Nachfolger und zugleich als Provinzialhelfer für Schlesien in der Nachfolge des in jenem Jahr verstorbenen Georg Waiblinger bestimmt wurden. Damit erhielt Cranz Gelegenheit, noch einmal mit seinem früheren Lehrer aus Marienborn zusammenarbeiten zu dürfen. Das gab seiner ­Gemeindearbeit gewiss neuen Auftrieb, zumal er nun seine Geschichte Gnadenfreis abgeschlossen hatte.157 Layritz begann sofort mit der Umsetzung der Beschlüsse der Synode in Gnadenfrei, besuchte die einzelnen Chöre Person für Person und unternahm Reisen in die einzelnen Gemeinden Neusalz, Gnadenberg und Pawlowitzky. Als Pädagoge lag ihm besonders an dem Aufbau eines „Pädagogiums“ oder einer Ortsschule für Gnadenfrei; um eine Lehrkraft bemühte er sich ebenfalls intensiv.158 Auch unabhängig von einer solchen Schule verstand er offenbar die ganze Gemeinde als Stätte der Bildung und Erziehung, wovon das Diarium in Gnadenfrei am 1. Dezember 1776 ein eindrückliches Zeugnis ablegt. „Nach der Predigt wurde statt der Kinderstunde ein allgemeiner Unterricht der sämtlichen Kinder, Knaben und Mägtgen im Beyseyn der Eltern und anderer Erwachsenen angefangen, damit die Kinder aus den Dörfern, die in der Woche an ihren Orten in die Schule gehen und die Knaben und Mägtgen, die schon dienen, aber weit weg wohnen, Gelegenheit haben, des Unterrichts mit zu genießen. Der Unterricht der Jugend in Gnadenfrey nach den Abtheilungen wird dabey fortgesetzt. Kinder und Erwachsene waren dabey sehr aufmerksam und erfreut. Wir erwarten davon auch einen gesegneten Einfluß auf die Kinder Erziehung und Anweisung zur Gottseligkeit in den Häusern. Br. Layriz machte den Anfang dieses Unterrichts mit einem herzlichen Gebet und hielt auch die Gemeinstunde. Im Gnadenfreyischen Ehechor wurde der Besuch so eingerichtet, daß je 2 Paare in einer Klasse einander besuchen und von Zeit zu Zeit abwechseln.“159 Die Diaspora-Arbeit, die Besuche der Erweckten in den umliegenden Städten, ging ungehindert weiter. Es sei hier noch einmal ein Beispiel eines solchen Besuchs von Cranz mitgeteilt, diesmal zu den Erweckten von Brieg:

156 Unitätsarchiv Herrnhut, Sign. R.7.D.I.b.1.d 1776: Memorabilien nach dem 31. Dezember 1775. 157 Im Diarium von Gnadenfrei formulierte Cranz: „Unser lieber Br. Cranz ist in dem Jahre nicht nur mit der Abfaßung einer Brüder-Historie von Schlesien und insonderheit der Gemeine in Gnadenfrey fertig geworden, sondern hat auch ein Manuscript davon an die UAC auf dem Synodo übergeben und ein anderes in hiesiges Gemein-Archiv abgeliefert, nachdem es einer Gesellschaft von Geschwistern, die mit den hiesigen Landes- und Gemein-Umständen bekannt sind, vorgelesen worden.“ Memorabilien 1775. 158 So berichtet das Protokoll der Unitäts-Ältesten-Conferenz, Bd. 2, 176f. am 29. April 1776: „Br. Layriz ist in großer Verlegenheit, daß er zu Errichtung eines Pädagogii in Gnadenfrey noch keinen Bruder hat erhalten können.“ 159 Unitätsarchiv Herrnhut, Sign. R.7.D.I.b.1.d: Diarium von Gnadenfrey 1. Dezember 1776.

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Auszug aus dem Diarium von Gnadenfrei vom 20. April 1776 (die Transkription des Textes ist auf der gegenüberliegenden Seite zu sehen). Bildnachweis: Unitätsarchiv Herrnhut, Sign. R.7.D.I.b.1.d.

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„Br. Cranz ist den 20ten mit Pastor Struensee,160 der die Circular-Predigt in Brieg zu halten hatte, dahin gereist, um dortige Freunde, die zum Theil die Gemeine besucht, näher kennen zu lernen. Ausser einigen speciellen Besuchen unterhielt er sich mit ihnen von unsrer Hauptsache, Jesum als unsern Versöhner recht zu erkennen und von ganzen Herzen zu lieben und dann auch eine vertrauliche, aber wohl geordnete Gemeinschaft unter einander zu haben. Er hat auch mit Pastor Struensee den Superintendenten besucht und dem halbjährigen Examen auf dem Königlichen Gymnasio beygewohnt und mit den anwesenden Profeßoren sich über das Werk Gottes in Grönland und Labrador freundschaftlich unterhalten. Unter den Freunden in Brieg machte er sich am meisten mit dem seit vielen Jahren mit der Brüder-Sache bekannten und mit einigen Brüdern in Correspondenz gestandenen Inspector des Waysen- und Armen-Hauses, Klimm zu thun, dessen Vorfahren durch die Ueberschwemmung der Türken aus Klein-Asien nach Dalmatien und weiter nach Böhmen vertrieben seyn sollen, wo sie sich zur Brüder-Kirche gehalten und im 30jährigen Kriege nach Schlesien entwichen. Er hat in Diensten des Grafen v. Beß zu Berlin und Dresden verschiedene wichtige Männer im Reiche Gottes kennen gelernt; wie er denn auch durch seine Frau, eine geborene Trautmannin aus Brieg, deren Vater in alten Zeiten in Herrnhut gewesen, mit dem sel. Abt Steinmetz verwandt worden. Er wird in Cameral-Sachen viel gebraucht und hat sehr daran gearbeitet, den Brüdern zur Ausbreitung des Reichs Jesu ein Etablißment bey Brieg zu verschaffen. Auf expressen Befehl hält er sonntäglich die ihm sonst verwehrte Erbauungsstunde mit den armen Kindern, dazu sich auch manche Bürgersleute einfinden. Er liebt als ein Eclecticus die Brüder wie alle gute Seelen und sucht allen allerley zu werden und zu dienen. Von Brieg reisten sie in Begleitung eines Schulhalters aus dem Löbenschen nach Nicoline im Oppelschen zu dem alten Herrn Ober-Amts-Rath Sauerma,161 dessen Gemahlin, Schwester unsrer Landräthin v. Pfeil, sich von Herzen über diesen Besuch freute und Anstalt zu einer Versammlung von 60–80 Seelen machte, denen Br. Cranz von der Seligkeit und Gewißheit des Gnadenstandes durch die Vergebung der Sünden in Jesu Blut eine Rede hielt. In dem großen Kirchspiel des Städtleins Löben162 im Briegischen, wohin auch Nicoline163 gehört, soll ehedem eine große Erweckung gewesen seyn, die von dem Pastor Hoppe,164 der, da er noch in Friedersdorf am Queiß gestanden, mit Herrnhut bekannt gewesen, herrührt und durch einen Studenten Ganstock, Informator bey den jungen Herrn v. Sauerma, unterhalten, aber noch bey Lebzeiten des alten Hoppe theils durch seine Widrigkeit gegen die Gemeine (wie denn der alte 160 Wilhelm Christian Struensee (1720–1783), 1765–1783 Pfarrer in Ober Dirsdorf. 161 Friedrich von Sauerma (1699–1779) war verheiratet mit Karoline Katharina Luise Henriette, geb. von Posadowsky (1738–1824). 162 Löwen (poln. Lewin-Brzeskie). 163 Nikoline (poln. Mikolin). 164 Paul Hoppe (1688–1757), 1731–1744 Pfarrer in Friedersdorf am Queis, dann bis1757 Pfarrer von Löwen.

Leben und Werk von David Cranz

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Professor Lange165 auch von ihm einen Brief gegen die Gemeine drucken lassen), theils durch seine sonderbare Meinungen vom 1000jährigen Reich verdorben worden. Durch seinen Nachfolger Pastor Wendland,166 einen sonst redlichen Mann, sind die Seelen noch mehr vor den Brüdern gewarnt und dadurch mehrentheils verschleudert oder eingeschläfert worden. Dem Herrn v. Sauerma und seiner Gemahlin communicirte Br. Cranz den Extract des Synodal-Verlaßes zu ihrem großen Vergnügen und zum Theil Erbauung und kam über Ruppersdorf,167 wo er artige Verwalters Leute des Herrn v. ­Sauerma antraf, den 26ten nach Gnadenfrey zurück.“168 Noch bevor Cranz seine Geschichte Gnadenfreis abgeschlossen hatte, richteten sich seine historischen Ambitionen auf neue Projekte. „Br. Cranz hat vorgeschlagen, nunmehro Bedacht auf die Herausgabe einer Sammlung von Documenten zu nehmen, die theils zum Beweis der Brüder-Historie dienen, theils überhaupt fürs Publicum nützlich und dienlich seyn könten.“169 Cranz dachte an einen Quellenband zur Brüdergeschichte, so wie man auch schon früher einzelne Quellen in den Büdingischen Sammlungen und anderswo abgedruckt hatte. Die Konferenz erinnerte daran, dass man darüber bereits auf der letzten Synode nachgedacht habe, loste dann aber noch einmal darüber und erhielt eine Ablehnung.170 Was die Unitäts-Ältestenkonferenz von Cranz 1777 erbat, war eine weitere Fortsetzung der Historie von Grönland, wozu ein positives Los gezogen wurde.171 Cranz war dazu bereit, fragte aber an, ob sie in der bisherigen chronikartigen Darstellung erfolgen solle oder „ob die Materie unter gewiße Rubriken verfaßt und etwa nach Art der Thomas-Mißions-Geschichte gemacht werden sollte?“ Die Direktion entschied für das erstere.172 Bevor sich Cranz an diese Arbeit setzen konnte, wollte er noch einmal seine beiden ältesten Söhne, die auf der Knabenanstalt in Niesky unterrichtet wurden, die Verwandten seiner Frau in Kleinwelka sowie seine Freunde in Herrnhut besuchen. Er brach in Gnadenfrei am 5. Mai auf, konnte seine Lieben gesund antreffen und Geburtstag feiern und wurde in Herrnhut zur Teilnahme an der Predigerkonferenz am 28. Mai gebeten. Dann reiste er nach Gnadenfrei zurück, bekam aber in Görlitz ein Fieber und musste in Gnadenberg unterbrechen und sich zu Bett legen. Hier starb er am 6. Juni 1777 unter dem Segen des Predigers Samuel Lieberkühn.173 165 ������������������������������������������������������������������������������������������� Joachim Lange (1670–1744), Professor in Halle. Cranz kannte ihn aus seiner dortigen Studentenzeit. 166 Johann Jakob Wendland (1710–1774), 1758–1774 Pfarrer in Löwen. 167 Ruppersdorf, Kr. Strehlen (poln. Wyszonowice). 168 Unitätsarchiv Herrnhut, Sign. R.7.D.I.b.1.d: Diarium von Gnadenfrei, 20.–26. April 1776. 169 Protokolle der Unitäts-Ältesten-Conferenz 1772, Bd. 3, 203 vom 20. Oktober 1772. 170 Ebd., 204. 171 Protokolle der Unitäts-Ältesten-Conferenz 1777, Bd. 1, 232 vom 18. Februar 1777. 172 Protokolle der Unitäts-Ältesten-Conferenz 1777, Bd. 2, 35 vom 4. April 1777. 173 Vgl. seinen Lebenslauf. Samuel Lieberkühn (1710–1777) war vom 3. November 1775 bis zum 9. August 1777 Prediger in Gnadenberg. Die Losung vom 6. Juni 1777, die Cranz noch lesen konnte, lautete: „Selig sind die Knechte, die der Herr, so er kommt, wachend findet.“ (Luk 12,37).

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Seine Frau Agnes schrieb einen Monat später an die Unitäts-Ältestenkonferenz, dass sie mit ihrem jüngsten Sohn, der noch zuhause sei, gern nach Herrnhut zu ihrer Schwester Magdalena174 ziehen würde und erbat eine Unterstützung durch die Sustentations-Diakonie. Dies genehmigte die Direktion, beauftragte aber Bruder Loretz, an den Vater von Agnes Cranz in Kleinwelka zu schreiben, „ob und wieviel er dieser seiner Tochter nebst ihren Kindern noch bey seinen Lebzeiten wolle zukommen laßen, weil man es doch für billig hielt, daß dieser Bruder, der ein großes Vermögen besitzt, zum Unterhalt seiner Kinder wenigstens etwas beytrage, damit sie nicht der Sustentations-Diakonie zur Last fallen dürfen“. Dazu war Vater Matthäus Lange bereit, wieviel er freilich tatsächlich beitrug, erfahren wir nicht. Wir wissen lediglich, dass Agnes Lange wöchentlich zusätzlich zwei Florenen von der Sustentations-Diakonie erhielt.175 Agnes starb 1779 in Herrnhut. 3. Angaben zur Quelle 3.1 Motivation zur Niederschrift Cranz selbst datierte den Anlass zur Verfassung einer schlesischen Ortsgeschichte auf die schlesische Provinzialsynode von 1755, in der man den drei schlesischen Gemeinden den Auftrag gegeben habe, „eine ausführliche Geschichte von dem Anfang und Fortgang einer jeden Gemeine“ zu verfassen.176 Da in jenem Jahr jedoch keine Provinzialsynode stattfand, muss der Auftrag entweder 1754 oder 1756 erfolgt sein. Jedenfalls wurde die Bitte 1756 wiederholt. Größeren Nachdruck erhielt sein Anliegen auf der Generalsynode von 1764, in der man das Fehlen einer allgemeinen Geschichte der Brüderunität bedauerte und aufgrund dieses Mangels erste Schritte mit der Begründung eines Zentralarchivs und der Abfassung von „Special Historien“ der einzelnen Gemeinden einleitete.177 Diese sollten von den jeweiligen Gemeinden verfasst werden. Diesem Auftrag war Cranz bereits in Berlin mit seiner Historie der Böhmischen Emigration (1768–1769) nachgekommen. Diesem Auftrag stellte er sich auch, als er 1771 als Prediger nach Gnadenfrei berufen wurde. Wenn er in seinem „Vorbericht“ ­schreibt, dass er von einigen Mitarbeitern an den Auftrag der Synode erinnert wurde und von ­Peter Böhler 1773 aus der Unitäts-Ältestenkonferenz „nachdrücklich dazu aufgefordert“ wurde, so sind dies allerdings Schutzbehauptungen, um klarzustellen, dass die Niederschrift von außen an ihn herangetragen wurde und es hier nicht um persönlichen Ehrgeiz ging. 174 Magdalena (geb. 1737) war mit Johann Gottfried Henig (1734–1777) verheiratet. 175 Protokolle der Unitäts-Ältesten-Conferenz 1777, Bd. 3, 515 vom 15. September 1777 und 535 vom 19. September. 176 Cranz: Gnadenfrei, Vorbericht, 4 (die Seitenzahlen beziehen sich auf die Seitenzählung in der Handschrift). 177 Noller: Historie der Böhmischen Emigration, XXXIIf.

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Neben dieser rein formalen und äußerlichen Begründung muss man allerdings auch ein persönliches Interesse von Cranz an einer solchen Geschichte ansetzen. Vorangegangen war seine Alte und neue Historie der Brüder-Unität, in der er die Geschichte der Unität nur sehr allgemein beschreiben konnte. Es lag ihm daran, diese Geschichte im Detail zu erforschen und genauer darzustellen. Das sprach er auch aus, als er die Motivation als „theils in mir selbst“ liegend bezeichnete.178 Es ist begreiflich, dass sich in keiner der anderen schlesischen oder deutschen Gemeinden ein Autor fand, der eine solche Geschichte nach 1764 verfasst hätte. Dabei hatte eine solche Spezialhistorie den Vorzug, dass sie nicht zur Veröffentlichung bestimmt war, dass ihr Autor also unbefangen auch persönliche Urteile über Entwicklungen und verantwortliche Personen aussprechen konnte, wovon Cranz durchaus Gebrauch machte. 3.2 Entstehungszeitraum Als Zeitraum für die Niederschrift gibt Cranz in seinem „Vorbericht“ drei Jahre an, das bedeutet von Mitte 1772 bis Ende Mai 1775. Als Cranz die General-Synode von 1775 besuchte, reichte er dort das Manuskript ein. Der Vorbericht ist datiert: „Gnadenfrey, den 29. May 1775“. Seine Geschichte von Gnadenfrei reicht bis zu seiner Abordnung durch die Gemeinde zu dieser Synode. Zur Vorbereitung seiner Niederschrift musste Cranz zunächst das Gemeindearchiv ordnen, das „in Unordnung“ und „unvollständig“ war.179 Erst nach der Sammlung und Erfassung weiterer Dokumente konnte er seine Arbeit beginnen, so dass man den Beginn der Niederschrift kaum vor Mitte 1772 ansetzen kann. Als Prediger war Cranz in erster Linie für die gottesdienstlichen Versammlungen zuständig. Seinen historischen Leidenschaften konnte er nur in seiner freien Zeit nachgehen. 3.3 Zweckbestimmung und Adressaten Der Vorbericht gibt auch über Absicht und Zweck einer solchen Spezialhistorie die gewünschte Auskunft. Sie hatte demnach zwei Ziele: Zum einen war sie als Material für die General-Synode beziehungsweise für die Unitäts-Ältestenkonferenz „zur Nachricht und zum künftigen Gebrauch bey einer ausführlichern Brüder-Historie“ gedacht.180 Zum anderen war sie für die örtliche Gemeinde und deren Mitarbeiter bestimmt, um diese „mit dem hiesigen Gemein-Gang“ bekannt zu machen. Dabei war Cranz bewusst, dass er mit dem ersten Teil seiner Geschichte Gnadenfreis, der Geschichte der „Evangelischen Religion und der Erweckungen in Schlesien“, auch für die anderen schlesischen 178 Cranz: Gnadenfrei. Vorbericht, 5. 179 Ebd. 180 Ebd., 11.

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Gemeinden, Gnadenberg und Neusalz eine Grundlage legte, die für deren Spezialhistorie die Voraussetzung ihrer Entstehung und den allgemeinen politischen Rahmen absteckte. Er betonte daher, dass es sich bei diesem Manuskript um mehr als eine Spezialhistorie handele, dass es vielmehr um „eine Historie der ganzen Schlesischen Kirchensache“ gehe, da er die öffentlichen Verhandlungen mit den staatlichen Oberämtern in Breslau und Glogau, den Kammern sowie dem preußischen König in den Blick nehme. Man wird über diese von Cranz genannte brüderisch-interne Absicht schließlich auch eine allgemein historische Zwecksetzung bedenken müssen. Cranz deutete es in seiner Erklärung an: „Die Absicht meiner Arbeit ist nicht, jemanden, er sey wer er wolle, zu beschuldigen und andre zu rechtfertigen. Ich schreibe Historie für die Nachwelt und nicht Controvers und Apologie für die Gegenwärtige.“181 Auch wenn eine Spezialhistorie nur für die Akten der Gemeinde und der Unität bestimmt war, so verfolgte sie doch das Ziel einer jeden historischen Darstellung: eine Erhellung der Vergangenheit für die Nachwelt zu liefern. Dieses Ziel gilt auch dann, wenn dieses Werk nicht veröffentlicht wird, sondern in den Archiven verschlossen bleibt. Insofern war der Adressatenkreis nicht auf die Brüderunität begrenzt, die seine Darstellung im Augenblick in ihrem Archiv verwahrte, sondern war für die Nachwelt bestimmt, die der Historiker zur Zeit seiner Abfassung noch nicht überschauen kann. 3.4 Quellen und Literaturgrundlage Auch über die Quellen und die benutzte Literatur informierte Cranz den Leser in seinem „Vorbericht“. An erster Stelle nannte er neben dem Gemeindearchiv von Gnadenfrei die „Schlesischen Acten im Unitaets-Archiv“. Es ist dies eine Sammlung von Abschriften der Korrespondenz des für die schlesischen Gemeinden Deputierten Abraham von Gersdorf, die bis heute im Unitätsarchiv vorliegen und von denen zahlreiche Duplikate vorhanden sind. Sie wurden jeweils nachgewiesen, so wie es schon Cranz tat. Die Nachweise zeigen, dass die Abschriften bis auf wenige Ausnahmen noch in der Gegenwart vollständig vorliegen. Mehrfach zitierte Cranz aus einem Bericht von Abraham von Gersdorf über dessen Tätigkeit als Beauftragter für Schlesien, den er für seinen Nachfolger, Köber, angefertigt hatte und der ihm für die Auseinandersetzungen mit dem preußischen Staat als Leitfaden diente. Die zweitwichtigste Quelle sind die Diarien der Gemeinde Gnadenfrei, zu denen Cranz als Prediger der Gemeinde naturgemäß freien Zugang hatte und die er für seine Amtszeit mit den einzelnen Kollegen fortführte. Eine Abschrift dieses Diariums ist im Unitätsarchiv vorhanden. Sie wird an einzelnen Stellen angegeben, wenn das Diarium genauer oder ausführlicher berichtet. Es muss für die Zeit nach 1744 immer vorausgesetzt werden, auch wenn in der Edition nicht ausdrücklich darauf verwiesen wird. An Protokollen von Konferenzen lag Cranz mehr vor, als sich in Herrnhut erhalten hat. Die 181 Ebd.

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Sammlung der schlesischen Akten von Ernst von Tschirschky, auf die sich Cranz bezog, ist nicht mehr vorhanden, da nur Reste des Gnadenfreier Archivs, wahrscheinlich von dem Prediger Heinrich Samuel Reichel noch vor dem Zweiten Weltkrieg, nach Herrnhut abgegeben wurden. Gelegentlich benutzte Cranz auch Lebensläufe von Gnadenfreier Gemeindemitgliedern. So zitierte er eine längere Passage aus dem Lebenslauf von Ernst von Tschirschky, der in Herrnhut vorliegt. Diese Lebensläufe wurden seit etwa 1760 in das Diarium aufgenommen und sehr gewissenhaft von Prediger Adam Schmidt und dessen Nachfolger eingetragen. An gedruckten Quellen nannte Cranz die Protestantische Kirchen-Geschichte der Gemeinen in Schlesien von Johann Adam Hensel182 sowie Die Closter-Bergische Sammlung Nützlicher Materien zur Erbauung im Wahren Christenthum.183 Dass er auch brüderische Quellen verwendete, ist selbstverständlich; einzeln aufgelistet wurden diese nicht eigens. So verwies Cranz auf den Abdruck von Quellen in den Büdingischen ­Sammlungen, wie er es auch schon in seiner Brüdergeschichte praktiziert hatte. Neben diesem 1771 erschienenen Werk bezog er sich gelegentlich auf das Leben Zinzendorfs aus der Feder von August Gottlieb Spangenberg, das 1773/75 erschienen war.184 Es war für Cranz als Historiker von grundsätzlicher Bedeutung, seine Darstellung auf schriftliche Quellen zu basieren und diese auch anzugeben. Während dies in seiner Brüdergeschichte ganz im Sinne heutiger Wissenschaft in Fußnoten geschah, integrierte er die Hinweise in seiner schlesischen Geschichte direkt in den Text. Daneben benutzte er aber auch mündliche Quellen, ohne allerdings anzugeben, von wem solche Informationen stammten. In seinem „Vorbericht“ nannte er nur gelegentlich seine Informationen, etwa den Herrn von Schnorrbein aus Dirsdorf, „ein Mitglied unserer Gemeine zu Dirsdorf, der bey dem seligen Pastor Sommer erzogen worden“.185 In des182 Hensel, Johann Adam: Protestantische Kirchen-Geschichte der Gemeinen in Schlesien nach allen Fürstenthümern, vornehmsten Städten und Örtern dieses Landes [...]. Leipzig 1768. 183 Die Closter-Bergische Sammlung Nützlicher Materien zur Erbauung im Wahren Christenthum. Magdeburg 1745–1761. Zu dem Werk vgl. Lächele, Rainer: Die ‚Sammlung auserlesener Materien zum Bau des Reiches Gottes‘ zwischen 1730 und 1760. Erbauungszeitschriften als Kommunikationsmedium des Pietismus. Halle/Tübingen 2006 (Hallesche Forschungen 18), 90–94. 184 Spangenberg, August Gottlieb: Leben des Herrn Nicolaus Ludwig Grafen und Herrn von Zinzendorf und Pottendorf, Th. 1–2. Leipzig 1773–1775. 185 Adam Heinrich von Hoff-Schnorrbein (1708–1799). Lebenslauf in Unitätsarchiv, Sign. R.22.111.62. Er schreibt: „Bey der damaligen großen Erweckung durch die Prediger Sommer und Medrian [= Mederjan] wurde ich mit aufgeweckt, um meine Seligkeit mehr bekümmert zu seyn, und rief Gott vielmals im Verborgenen auf meinem Angesicht an, daß Er mich zu einem Kinde der Seligkeit machen wolle. [...] Mag. Sommer hätte mich gern nach Halle ins Waisenhaus gebracht, es mißlang aber. Ich blieb daher beständig bey meiner Mutter und ging ihr zur Hand. In meinem 17ten Jahr ging ich zum heiligen Abendmahl nach einer Vorbereitung bey dem sel. Medrian. [...] In meinem 18ten Jahr wollte mich der sel. Graf von Zinzendorf auf Vorbitte des Mag. Sommers zu sich nach Herrnhut nehmen und mich versorgen. Meine Frau Mutter war dazu nicht abgeneigt, ich selber hatte auch große Lust dazu, es kam aber zu meinem großen Schaden nicht zur Ausführung. 1726 wollte mich Mag. Sommer dahin bringen und

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sen Lebenslauf beschrieb dieser seine Erziehung bei Sommer näher. Weiterhin bezeugte Cranz, dass er sein Manuskript der Helfer-Konferenz in Gnadenfrei und älteren Gemeindemitgliedern vorgelesen habe, um weitere Informationen beziehungsweise die Bestätigung der Richtigkeit seiner Angaben zu erhalten. Dieses Verfahren diente freilich weniger der Erweiterung seiner Quellen als der Akzeptanz seiner Darstellung in der Gemeinde; „so kann diese Arbeit nicht anders als ein von der Gemeine approbirtes Werck angesehen werden.“186 3.5 Form der Überlieferung Das Manuskript von Cranz ist in einer sauberen Abschrift in einem fest gebunden Band im Unitätsarchiv Herrnhut unter der Signatur NB.1.R.3.203 vorhanden. Nach dem Findbuch von Gnadenfrei vom Anfang des 19. Jahrhunderts gab es ein Exemplar in Gnadenfrei unter der Signatur PA.II.R.8.G. Dies könnte das Original von Cranz gewesen sein, doch gehört es wie nahezu das gesamte Gnadenfreier Archiv zum Kriegsverlust. Das Herrnhuter Manuskript weist in gelegentlichen Fußnoten Ergänzungen von Cranz auf, die er offensichtlich nachträglich hinzugefügt hat. Der sauber abgeschriebene Text enthält mitunter Korrekturen, die meist über der Zeile eingefügt wurden; sie stammen teils von Cranz, meistens aber wohl von dritter Hand. Da es sich oft nur um einzelne Worte handelt, ist es schwer zu entscheiden, von wem diese Korrekturen oder Ergänzungen stammen. Mit Sicherheit sind dagegen die wenigen mit Bleistift ergänzten Korrekturen von späterer Hand. Das Manuskript wurde in die Herrnhuter Archivbibliothek eingegliedert. Hier wurde es in der Vergangenheit bereits mehrfach für Forschungsarbeiten in Einzelfragen herangezogen. 3.6 Aufbau des Werks Cranz gliedert seine Darstellung in zwei ungleiche Teile mit jeweils neuer Zählung der Paragraphen. Der erste, wesentlich kürzere Teil behandelt die Vorgeschichte vor der wurde ihm aber widerrathen, und wir reisten von Niederwiese, wo wir den Mag. Schwedler besuchten und sehr herzlich und freundlich aufgenommen wurden, wieder nach Hause. Im Frühjahr 1727 kamen die Mährischen Brüder Christian David und Christ. Demuth nach Dirsdorf und richteten durch ihr Singen und Stundenhalten große Erweckung an. Mit denselben machte ich mich auch bekannt und fand in ihrem Umgang vielen Segen für mein Herz, aber ihre Methode konnte ich nicht in allem einsehen und verstehen. 1728 fiel ich in eine große Krankheit und glaubte nicht, davon aufzukommen. In diesem Jahr kam Mag. Sommer in Arrest in Brieg, wo ich ihn auch einigemal besuchte, und zu meinem größten Schmerz wurde er 1730 um des Evangelii willen vertrieben.“ Auch benutzte Cranz eine Abschrift von Sommers Journal 1726–1728, Vgl. Teil II § 14. 186 Cranz: Gnadenfrei. Vorbericht, 9.

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Gründung Gnadenfreis 1743 und greift bis auf die Reformation zurück. Ziel ist es, die Erweckungen in Schlesien seit der Bewegung der betenden Kinder von 1708/09 an den verschiedenen Orten, besonders in Dirsdorf (Pfarrer Sommer) und Schönbrunn (Graf Ernst Julius von Seidlitz), sowie den Einfluss der Böhmischen Brüder auf diese Bewegung zu schildern. Aus heutiger Sicht fällt auf, dass Cranz nicht auf die große Bedeutung der Altranstädter Konvention und den Einfluss von August Hermann Francke und Halle für den Bau der Gnadenkirchen und deren Besetzung mit halleschen Predigern einging. Auch kannte er nicht die Reformbemühungen der lutherischen Orthodoxie. Allerdings erwähnte er zumindest am Rande die Verfolgungsgeschichte der Schwenckfelder. Die Vorgeschichte endet mit den Einmarsch König Friedrichs II. in Schlesien 1740/41, der zu einer völligen Veränderung der politischen und kirchlichen Lage im Oderland führte. Der zweite Teil behandelt die Geschichte Gnadenfreis und der sich nach Gnadenfrei haltenden Erweckten aus den umliegenden Ortschaften, vor allem aus Langenbielau und Peterswaldau, mit Ausblicken auf Breslau und das Gebiet um Oels sowie auf Oberschlesien und die Ortschaft Rösnitz bis zum Jahr 1775. Er ist in sechs Abschnitte gegliedert. Im ersten Abschnitt skizziert er die Entwicklung von der ersten Generalkonzession des preußischen Königs vom 25. Dezember 1742 bis zur zweiten Generalkonzession von 1746. Da diese erste Generalkonzessionen die Rechtsgrundlage für alle weiteren Unternehmungen in Schlesien und insbesondere für die Genehmigung von Bethäusern für die Brüdergemeine in einzelnen Orten war, wird sie an dieser Stelle eingerückt: Erste Konzession vom 25. Dezember 1742187 „Seine Königliche Majestät In Preussen, unser Allergnädigster Herr, ertheilen hierdurch denen Deputirten der sogenanten Mährischen Brüder, auf Ihre unter dem 8ten gegenwärtigen Monats eingereichte untertänigste Vorstellung, zu gnädigster Resolution, was maßen Höchst-Dieselbe in Gnaden gestatten wollen, daß gedachte Brüder, so wie überhaubt in allen Königlichen Landen, also auch insbesondere in Schlesien sich etabliren mögen, anbey eine vollkommene Gewißens-Freyheit, nebst der Erlaubniß Ihren Gottesdienst öffentlich auszuüben, und Ihre Kirche in der bey ihnen hergebrachten Zucht und Ordnung zu halten, genießen; die Prediger bey denen Gemeinden, so sich zu Ihrer Kirche bekennen, nach Gutfinden bestellen, selbige auch in Geistlichen und Kirchen-Sachen keinem Consistorio, sondern unter Seiner Königl. Majest. ­Höchster Ober-Herrschaft und Protection bloß und allein Ihren Bischöffen unterworffen seyn sollen: Wobey jedennoch höchst-erwehnte Seiner Königl. Majest. Sich zuversichtlich versprechen, und als eine Conditionem sine qua non dieser Concession voraus setzen, daß bemeldte Mährische Brüder sich in allen übrigen Stücken, welche Ihre GewissensFreyheit und die Ordnungen Ihrer Kirche nicht berühren, denen Landes-Gesetzen con-

187 Unitätsarchiv Herrnhut, Sign. R.1.D.1.a, abgedruckt in: Büdingische Sammlung, Bd. 3, 122– 124.

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formiren, und so wie es getreuen und gehorsamen Unterthanen anstehet, sich aufführen und betragen werden; Zu welchem Ende dann Seine Königl. Majest. ausdrücklich verlangen, daß diejenigen Bischöffe, welche mehr angezogene Mährische Brüder ihren Gemeinden vorsetzen werden, in denen Königlichen Landen wohnen, oder falls selbige erheblicher Umbstände halber sich anderwerts aufhalten müßen, wenigstens von Höchst-Deroselben bestätiget werden, und ihre Unterthänigkeit, Treu und Gehorsam versprechen sollen. Da auch mehr Höchst-gedachte Seine Königliche Majestät von denen Mährischen Brüdern ferner unterthänigst gebethen worden, daß wenn es hiernächst Zeit und Gelegenheit an Hand geben würde, ihnen erlaubet werden möchte einen Ort in Schlesien, wo sie sich zusammen halten könten, zu wehlen und anzubauen; So wollten Höchst-Dieselben auch diesem Ihrem Gesuch, wenn sie vorher den zu Ihrer Wohnung zu erkiesenden Ort angezeiget und zur Königlichen Approbation gemeldet haben werden, in Königlichen Gnaden fügen, nicht weniger Ihnen alle übrige Vortheile und Avantagen, welche sich gute und getreue Unterthanen von einem umb ihr Wohlseyn unabläßig bekümmerten Landes-Vater jemahls versprechen können, gnädigst angedeyen laßen. Signatum Berlin den 25. Dec. 1742.“ Die erste Generalkonzession wurde entscheidend durch die schlesischen Grafen Ernst Julius von Seidlitz und Balthasar von Promnitz veranlasst. Mit der Entwicklung in Schlesien war Zinzendorf jedoch nach seiner Rückkehr aus Nordamerika im Frühjahr 1743 alles andere als einverstanden, denn die Konzession sah die Brüderunität als eine gesonderte Religionsgemeinschaft in Preußen an. Als Jurist legte der Graf jedoch größten Wert auf deren Zugehörigkeit zur Augsburger Konfessionsfamilie, um so unter reichsrechtlichem Schutz zu stehen. Er hoffte, dass sich Inspektor Friedrich Burg als der Kopf der lutherischen Orthodoxie in Schlesien zur Anerkennung der Brüder bereitfinden würde und wollte in diesem Fall die schlesischen Gemeinden dem lutherischen Konsistorium in Breslau unterstellen. Doch Burg war überzeugt, dass die Herrnhuter Brüder nicht auf dem Boden der Augsburger Konfession stünden und erteilte Zinzendorf eine Absage. Mehr Erfolg hatte Zinzendorf bei der preußischen Regierung, die sich in der zweiten Generalkonzession von 1746 zu einer recht undifferenzierten Formulierung – „da sonderlich die Grundsätze ihrer Lehre nicht wieder die im Römischen Reiche und Unsrer darinnen und außer demselben liegenden Landen tolerirte Religion mit sich führen“ – entschied. Da in der Geschichte Gnadenfreis von Cranz immer wieder auf diese Konzession hingewiesen wird, sei sie hier im vollen Wortlaut wiedergegeben: Zweite Konzession vom 7. Mai 1746)188 „Wir Friderich von Gottes Gnaden König in Preußen, Marggraff zu Brandenburg etc. Thun kund und fügen zu wißen, Nachdem wir Unsere Landes-Väterliche Vorsorge unabläßig auf Verbeßerung, Peuplirung und Vermehrung des Gewerbes Unserer Schlesischen Lande gerichtet seyn laßen und dann Uns allerunterthänigst vorgetragen 188 Ebd., Sign. R.1.D.1.b; abgedruckt in: Acta Fratrum Unitatis in Anglia. [London] 1949, Beilage 75, in englischer Übersetzung.

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worden, daß die sogenanten Maehrischen Brüder sich an einigen Ohrten von Schlesien niedergelaßen, daselbst theils angebauet und sehr nützliche Fabriquen angeleget, theils noch mit mehrern und considerablen im Anbau und mit dem etablissement verschiedener Manufacturiers im Begriff sind, dabey aber von ihnen allerunterthänigst gebethen, wir möchten dieselben mit einer General-Concession zu ihrem beständigen Auffenthalt in Schlesien gnädigst versehen: Und wir dann in Erwegung vorangeführter Umbstände und da sonderlich die GrundSätze ihrer Lehre nichts wieder die im Römischen Reiche und Unserer darin und außer demselben liegenden Landen tolerirten Religion mit sich führen, Als haben wir allergnädigst resolviret, mehrerwehnter Maehrischen Brüderschafft die gesuchte General-Concession zu sothanen ihrem etablissement in Schlesien ihrem selbst eigenem per Deputatum unterm 6ten Octobris 1744 ad Protocollum geschehenen aller unterthänigsten Ansuchen gemäß allergnädigst ausfertigen zu laßen. Thun solches auch hiermit und Krafft dieses dergestalt, daß wir der Maehrischen Brüderschafft zuforderst das denselben schon vorhin verwilligte freye exercitium Religionis nach denen Satzungen und der Disciplin ihrer Kirche hierdurch nochmahls bestätigen, auch denenselben an den ihnen specialiter schon accordirten Ohrten ihres etablissments Beth-Häuser anzulegen, nachgeben; Jedoch dieses alles dergestalt und mit dem ausdrücklichen Vorbehalt, daß die Maehrische Brüder ihrer eigenen per Deputatum geschehenen Declaration gemäß zuforderst in allen und jeden Stücken und zu allen Zeiten sich so betragen, wie es getreuen Unterthanen geziehmet, die gleich allen andern Landes Einwohnern ihnen zuckommende Abgaben willig, prompt und ohne Schwürigkeit entrichten und sich überhaupt gegen die hohe Landes Obrigkeit und von solcher bestalte hohe Collegia und Vorgesetzten Gehorsahm. gegen ihre MitBürger friedlich bezeigen und ferner sonderlich bey Verlust dieser Concession zu keinen Zeiten beyckommen laßen, Jemanden er sey wer er wolle durch Überredung, abgeschickte oder sonst auf irgend eine Arth und Weise dahin zu vermögen, in ihre Gemeinschafft zu treten, sondern daß sie vielmehr es bey ihrer Religion, so wie bey andern, welche in Christlichen Landen toleriret werden, üblich, auf eines jeden eigenen Trieb und Überzeugung anckommen laßen, und wenn solcher gestalt sich jemand ihrer Gemeinschafft zugesellen solte, dabey nicht der geringste Schein übrig bleibe, als ob solcher durch einigerley Bemühung von Seiten ihrer dazu bewogen worden. Wir wollen im Gegentheil nicht gestatten, daß von einem Unserer Unterthanen im Lande die Maehrische Brüder mit Schmäh-Schrifften angetastet oder dieselben sonst auf einige Arth wieder Unsere Intention beunruhiget werden. Zu ihrem etablissement in Schlesien werden ihnen nunmehr ein für allemahl die Öhrter Neusaltz, Buhrau, Roesnitz, Ober Peyle und Groß Krausche bestätiget, und da wir ihnen allergnädigst concediren, noch außerdem im Fürstenthum Oppeln und ohnweit Roesnitz sich niederzulaßen; So wollen wir hingegen, daß sie mit dem etablissement an vorbenannten Öhrtern sich begnügen und an solchen ihre Gemeinden zusammen halten, auch außer selbigen keinesweges einzelne Famillen im Lande hie und da ansetzen und, wenn ja ein und andere zu ihrer Gemeinschafft übergehen wolten, solche alsdann

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von den Gerichts Obrigkeiten angewiesen werden sollen, ihr Domicilium zu verändern und sich an einem der obspecificirten, mit Concessionen versehenen Öhrter zu begeben; jedoch soll keinem, welcher solchergestalt und wie vorgedacht aus eigener Uberzeugung zu ihnen übergehet und sein Domicilium verändert, von der Gerichts-Obrigkeit wegen seines Abzugs, seines Vermögens und Habseligkeit Schwierigkeit gemacht oder solchen mehr als in andern Fällen üblich und Herkommens abgefordert werden. Wir wollen auch ferner denen mehrgedachten Maehrischen Brüdern allergnadigst verstatten, nach ihrem Gutfinden einige oder mehr Famillen von einem der privilegirten Öhrter in Schlesien nach dem andern oder auch außer Landes zu versetzen, ohne vorher gesuchte und erhaltene Concession aber müßen dieselben an keinem außer den obberegten Ohrten einige von ihrer Brüderschafft ansetzen. Da auch der Deputatus der Maehrischen Brüder ad dictum Protocollum Ansuchung gethan, daß selbe mit der Werbung verschonet werden möchten; So soll denenselben, in so weit einige Famillen aus Frembden Landen sich in Schlesien etabliret, dasjenige, was hierunter bereits per Edictum. d. d. 25. Dec. 1741 allen aus frembden Landen in Schlesien sich etablirenden versprochen, auch allerdings und in allewege zustatten kommen, und dahero auch ihnen angedeyhen, daß dieselben von aller Aufzeichnung zum Militair-Dienst befreyet seyn sollen, jedoch ist dieses nur von denjenigen zu verstehen, welche allererst anhero nach Schlesien ziehen, nicht aber von denen, so bereits vor Anno 1742 würklich in Schlesien etabliret und wohnhafft gewesen; Wie wir denn auch ferner wollen, auch vorhin bereits festfesetzet haben, daß von eben denen seith Anno 1742 von andern Ohrten außer Schlesien her sich im Lande niedergelaßenen Famillen der Parochus loci zehn Jahre und bis zu anderweiter Verordung keine Jura Stolae zu nehmen, oder auch nur zu fordern befugt seyn soll: In Ansehung der Evangelischen Pfarrer bey den Beth Häusern aber, als welche ohnedem keine Jura parochalia haben, sollen die Maehrischen Brüder an vorbenanten Ohrten ihres etablissements beständig von Abführung der Jurium Stolae befreyet bleiben. Letzlich sind wir in Gnaden zufrieden, daß wann über ein und andere aus der Brüderschafft von andern GlaubensGenoßen Klagen angebracht werden solten, solche allezeit vorhero ihrem in Schlesien angesetzten Obern communiciret werden mögen; Dahingegen dieselben in allen übrigen Angelegenheiten gleich denen andern Landes Einwohnern unter die nach Beschaffenheit der Sachen bestellete Instanzien stehen und bey selbigen Recht und Bescheid nehmen müßen. Wir befehligen übrigens Unseren im souverainen Herzogthum Schlesien bestalten hohen Landes auch übrigen Collegiis, Instanzien, Gerichts Obrigkeiten und Männiglich in Gnaden, offtgedachte Maehrische Brüderschaff so wohl bey der ihnen verliehenen Gewißens Freyheit und dem libero exercitio Religionis als auch denen in dieser General-Concession begriffenen Beneficien und Freyheiten zu allen Zeiten nachdrücklich zu schützen und Niemanden dagegen einige Beeinträchtigungen, es geschehe solche unter was Vorwand es immer wolle, zugestatten. Zu deßen Uhrkund wir dann diese General-Concession mit Unserer allerhöchsten Unterschrifft bestätiget haben. So geschehen Berlin, den 7ten May 1746

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Liest man diese zweite Konzession, so spürt man bereits das veränderte Klima, das dann in den nächsten Jahren das Verhältnis der preußischen Regierung zur Brüderunität bestimmte. Cocceji verwandelte sich sehr schnell in einen Kritiker der „Mährischen Brüderschaft“, und die Kammern achteten peinlich genau darauf, dass sich die Unität nicht weiter in Schlesien ausbreitete, das hieß nach ihrem Verständnis, keine „Proselyten“ unter den Lutheranern mache. Da auch der Anbau der Siedlung in Neusalz, den König Friedrich II. ausdrücklich wünschte und zu dem das von der Unitätsleitung befragte Los sein Einverständnis gab, nicht so schnell vorankam, wurde die Regierung immer kritischer. Der schlesische Oberamtspräsident von Münchow drängte den Herrnhuter Deputierten Abraham von Gersdorf, diese Schwachstelle zu beseitigen. Zinzendorf zog sich ganz aus Schlesien zurück und weilte von 1749 bis 1755 in England. Treibende Kräfte einer Front gegen die „Mähren“ waren einige adelige Grundherren, vor allem die Grafen von Sandrasky in Peterswaldau und Baron von Trach in Rösnitz, wie auch deren lutherische Untertanen. So standen die schlesischen Brüdersiedlungen in den Jahren nach 1747 unter starkem politischen Druck und konnten die zahlreichen Erweckten aus der Umgebung von Gnadenfrei und Gnadenberg nur unter strikten Bedingungen aufnehmen. Die Brüderunität lehnte es ab, Mitglieder aus lutherischen Gemeinden mit einem eigenen Bethaus, die sich Gnadenfrei anschließen wollten, aufzunehmen. Die Konzessionen für Bethäuser in Peterswaldau und Rösnitz konnten nicht realisiert werden. Cranz bekam diese Entwicklung als Stenograph der Reden Zinzendorfs und Protokollant bei den Synoden aus erster Hand mit. Erst nach Zinzendorfs Tod und dem Ende des Siebenjährigen Krieges entspannte sich die Situation durch Herrnhut freundlichere Oberamtspräsidenten in Breslau langsam. Der Herrnhuter Jurist Johann Friedrich Köber konnte mit dem Versprechen, das durch den Krieg zerstörte Neusalz wieder aufzubauen, 1763 eine neue Konzession für die Brüderunität erwirken, um deren Rechte zu sichern und ihre Anerkennung als Augsburgische Religionsverwandte festzuhalten. Cranz beurteilte sie dennoch zurückhaltend positiv, da sie die Beschwerden der Brüder nicht genauer benenne. Die Konzession wird hier eingefügt, weil sie das verbesserte Verhältnis zum Staat charakterisiert. Dritte Konzession vom 18. Juli 1763189 „Wir Friderich von Gottes Gnaden König in Preußen etc. Thun kund und fügen hiemit zu wißen: Nachdem das Directorium der sich zur Augspurgischen Confession bekennenden Evangelischen Brüder Unitaet durch ihren Syndicum und Deputatum Johann Friderich Koeber sich bereitwillig erkläret, nicht allein den in dem letzteren Kriege verwüsteten Brüder-Gemein Ort zu Neusaltze wiederum herzustellen, sondern auch einen dergleichen neuen Brüder Gemein Ort auf der wüsten Feld-Marke zu Lellchow in der Priegnitz anzulegen, dabey aber gebeten, daß wir die denselben bereits unter dem 25ten December 1742 und 7ten May 1746 von Uns ertheilte Concessiones erneuern und 189 Unitätsarchiv Herrnhut, Sign. R.1.D.1.c.

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bestätigen, auch die Brüder Gemeinen und ihre MitGlieder wieder die von ermeldetem Deputato angezeigte Beeinträchtigungen sicherstellen mögten und Wir solchem Gesuch auch in Gnaden statt gegeben, So erneuern und Bestätigen Wir hiemit obgedachte der Brüder Unitaet unter dem 25ten December 1742 und 7ten May 1746 von Uns verliehene Concessiones nach ihrem völligen Innhalt und versichern hierdurch, daß die Brüder Unitaet mit allen ihren Mitgliedern bey den ihr versprochenen unbehinderten Gewißens-, Religions und Kirchen Freyheit und bey dem ungekränkten Genuß aller in mehr erwehnten Concessionen enthaltenen Privilegien in Unsern Landen gehandhabet und gegen alle dawiederlauffende Beeinträchtigungen von Uns kräfftigst geschützet werden sollen. Wie Wir dann auch allen Unsern Landes Collegiis hierdurch befehlen sich danach zu achten. Dagegen die Brüder Unitaet sich denen Vorschrifften und Bedingungen, welche in gedachten Concessionen enthalten in allem gemäß zu bezeigen und auch ihrem Versprechen zu Folge sowohl die Etablirung der Brüder Gemeine zu NeuSaltze, als auch der Anlegung eines neuen Brüder Gemein Orts zu Lellchow so bald als möglich zu bewerkstelligen hat. Zu deßen Uhrkund haben Wir diese erneuerte Concession mit Unserer Höchst Eigenhändigen Unterschrifft und Innsiegel bestätiget. So geschehen und gegeben zu Berlin den 18ten Julii 1763. Friedrich.“ Cranz ging auch auf die innere Entwicklung der Gemeinde Gnadenfrei ein. Er beschreibt ausführlich den begeisterten Anfang von Gnadenfrei mit dem „Gemein[zusammen]schluss“ 1743. Er sah die Phase des schwärmerischen Aufbruchs der Sichtungszeit, die sich auch in Gnadenfrei mit den überschwänglichen Predigten von Wilhelm Friedrich Adolf Biefer, Prediger von April 1746 bis Juli 1748, zeigte, kritisch und geißelte Fehlentwicklungen. Mit Zinzendorfs Rückkehr aus England habe der Graf bewusst dagegen gesteuert, und Cranz beurteilte die Prediger Johann Adam Schmidt (November 1749 bis November 1763) und Gottfried Clemens (November 1763 bis Juli 1771), die ihm vorangingen, durchaus wohlwollend. Zum Verständnis der schlesischen Gemeinden ist es notwendig zu wissen, dass neben den Predigern für die drei Gemeinden in Gnadenberg, Gnadenfrei und Neusalz ein Oeconomus eingesetzt wurde, der für die äußere, also vor allem wirtschaftliche Entwicklung dieser Gemeinden verantwortlich war. Diese Funktion nahm mit großer Verantwortung und zahlreichen Reisen zu den Behörden Graf Ernst Julius von Seidlitz bis zu seinem Tod 1766 wahr. Er wurde durch Johann Georg Waiblinger 1766 bis 1773 abgelöst, der bereits in den Jahren 1744 bis 1746 Prediger von Gnadenfrei gewesen war. Als Waiblinger aus gesundheitlichen Gründen um Unterstützung bat, wurde ihm der Schweizer Friedrich Rudolph von Watteville zur Hilfe gesandt, der ihm in diesem Amt folgte, das nun den Namen „Provinzialhelfer“ erhielt. Ferner sei hier darauf hingewiesen, dass das leitende und verantwortliche Gremium der Brüdergemeine nach Zinzendorfs Tod bis 1764 als „Engere Konferenz“ bezeichnet wurde, bis 1769 als „Unitätsdirektorium“ und nach 1769 als „Unitäts-Ältestenkonferenz“.

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3.7 Editionsrichtlinien Die Editionsrichtlinien entsprechen weitgehend der von Matthias Noller herausgegebenen Edition der Historie der Böhmischen Emigration von David Cranz. Der Text wurde buchstabengetreu wiedergegeben, wobei folgende Besonderheiten zu beachten sind: – Ligaturen wurden weitgehend aufgelöst. – Eindeutige Abkürzungen (wie u. = und) wurden aufgelöst. Bestehen blieben lediglich Abkürzungen für zeitgenössische Währungseinheiten: rt. = Reichstaler, fl. = Florin, Gulden, g. = Groschen, und gängige Abkürzungen für akademische Grade (Dr.). Darüber hinaus wurden bibliographische Abkürzungen von Cranz beibehalten: cap. = capitulum (Kapitel), P. = Pars (Teil), p./pag. = pagina (Seite). Sie werden im Fußnotenapparat aufgelöst. – Die Interpunktion soll das Verständnis des Textes erleichtern; sie wurde daher sinngemäß dem heutigen Gebrauch angeglichen. Der Editionstext ist gemäß den nachfolgenden Richtlinien aufbereitet: – Unterstrichene Passagen der Vorlage sind durch Kursivierung angezeigt. – Durchgestrichene Worte und Passagen, von den Blatträndern eingewiesene oder über der Zeile eingefügte Einschübe oder Randbemerkungen wurden im textkritischen Anmerkungsapparat vermerkt. Die Herkunft dieser Einfügungen wurde, wenn möglich, angegeben. – Zitate wurden in Anführungszeichen gesetzt. – Quellen- und Literaturzitate von Cranz wurden nachgewiesen. Alle Fälle, in denen das nicht möglich war, wurden jeweils vermerkt. – Von Cranz stammende Auslassungen in Zitaten wurden vermerkt, wenn sie wichtig erschienen. Da Cranz nicht buchstabengetreu im heutigen Sinne zitiert, wurde das nicht im Einzelnen vermerkt. – Lücken in der Vorlage wurden wie folgt angezeigt: ––– – Herausgeberzusätze stehen in eckigen Klammern. – Die Paginierung wurde in eckigen Klammern angegeben. – Personen und Orte wurden in Registern indiziert. – Im Text genannte Personen und geographische Namen wurden, soweit möglich, identifiziert. – Personen- und Ortsnamen, die im Editionstext von ihrer im Register angeführten Schreibweise abweichend erwähnt werden, wurden im Sachapparat des Herausgebers mit dem Hinweis auf ihre im Register indizierte Form versehen. Bei mehrmaliger Nennung von Orten und Personen innerhalb eines Abschnittes erfolgt ihr Nachweis nur bei der Erstnennung; sie wurden aber in jedem neuen Abschnitt wiederholt. – Ortsnamen wurden gemäß ihrer historischen Form aufgenommen; eine Ortsnamenkonkordanz findet sich im Register.

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Dem Editionstext sind drei getrennte Apparate beigegeben. (1) Asterisken (*, **) verweisen auf den Apparat mit den von Cranz stammenden Anmerkungen. Bei mehreren Anmerkungen auf einer Seite wurden mehrere Asterisken wie im Original angegeben. (2) Kleinbuchstaben als Fußnotenzeichen (a, b, d usw.) verweisen auf den textkritischen Apparat des Herausgebers. (3) Arabische Zahlen als Fußnotenzeichen (1, 2, 3 usw.) verweisen auf den Apparat mit den Sachanmerkungen des Herausgebers. Auf neuere Forschungsliteratur wird in diesem Apparat nur dann verwiesen, wenn dort einschlägigen Quellen abgedruckt oder ediert werden. Für die Kommentierung des Editionstextes herangezogene Forschungsliteratur sowie für die Thematik des Editionstextes allgemein wichtige Studien werden in einer separaten Auswahlbibliographie ausgewiesen.

Tuschzeichnung von David Cranz (1723–1777) als Silhouette. Bildnachweis: Unitätsarchiv Herrnhut, Sign. GS. 733.

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Quellen- und Literaturverzeichnis a) Archiv der Brüderunität Herrnhut R.3.B.4.e Protokolle der Unitäts-Aeltesten-Conferenz (UAC) und deren Vorläufer. R.5.B.5.a bis d Acta Silesiaca. R.7.D.I.b.1.a-d Diarium der Gemeinde Gnadenfrei. a. 1743–1750 b. 1751–1759 c. 1760–1770 d. 1771–1777 R.22.62.52 Lebenslauf David Cranz (auch R.22.121.4 und GN 1777, 11. Beil. I,12 (231–242). R.27.101 Verzeichnis der Mitglieder der Gemeinde Gnadenfrei. GN.A.1.1747.1 bis GN.A.83.1760.6 Jüngerhaus-Diarium bzw. Gemein-Nachrichten 1747–1760. NFC, Familien-Archiv Cranz, unverzeichnet. Kirchenbuch 071 Kirchenbuch Gnadenfrei. Verzeichnis der Schriften von David Cranz b) gedruckte Schriften Cranz, David: Kurze, zuverläßige Nachricht Von der, unter dem Namen der BöhmischMährischen Brüder bekanten, Kirche UNITAS FRATRUM Herkommen, LehrBegrif, äussern und innern Kirchen-Verfassung und Gebräuchen, aus richtigen Urkunden und Erzehlungen von einem Ihrer Christlich Unpartheiischen Freunde heraus gegeben und mit sechzehn Vorstellungen in Kupfer erläutert. O. O. 1757 (21762; franz.: O. O. 1758, 21762; veröffentlicht ohne Autorenangabe, Zuschreibung an Cranz nicht völlig gesichert, möglicherweise in Zusammenarbeit mit Johann Kaspar Ulrich oder von diesem allein verfasst). Nachdruck der deutschen Erstauflage. Hildesheim 1965 (Nikolaus Ludwig von Zinzendorf. Ergänzungsbde. zu den Hauptschriften VI). Cranz, David: Historie von Grönland enthaltend Die Beschreibung des Landes und der Einwohner u. insbesondere die Geschichte der dortigen Mission der Evangelischen Brüder zu Neu-Herrnhut und Lichtenfels. Barby 1765 (3 Teile; 21770; niederl.: Haarlem/Amsterdam 1767; Teil 1 und 2 engl.: London 1767, 21820; schwed.: Stockholm 1769). Nachdruck der deutschen Erstauflage. Hildesheim/Zürich/New York 1995 (Nikolaus Ludwig von Zinzendorf. Materialien und Dokumente 2/XXVI.1-2). Cranz, David: Historie von Grönland enthaltend Die Beschreibung des Landes und der Einwohner etc., insbesondere der Geschichte der dortigen Mission der Evangelischen Brüder zu Neu-Herrnhut und Lichtenfels. Barby 21770 [11765].

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Literaturverzeichnis

Cranz, David: Fortsetzung der Historie von Grönland insonderheit der Missions-Geschichte der Evangelischen Brüder zu Neu-Herrnhut und Lichtenfels von 1763 bis 1768 nebst beträchtlichen Zuständen und Anmerkungen zur natürlichen Geschichte. Barby 1770 (schwed.: Stockholm 1770). Nachdruck der deutschen Erstauflage. Hildesheim/Zürich/New York 1995 (Nikolaus Ludwig von Zinzendorf. Materialien und Dokumente 2/XXVI.2). Cranz, David: Alte und Neue Brüder-Historie oder kurz gefaßte Geschichte der Evangelischen Brüder-Unität in den ältern Zeiten insonderheit in dem gegenwärtigen Jahrhundert. Barby 1771 (21772; dän.: København 1772; schwed.: Norrköpping 1772; engl.: London 1780). Nachdruck der deutschen Zweitauflage. Hildesheim/New York 1973 (Nikolaus Ludwig von Zinzendorf. Materialien und Dokumente 2/XI). Cranz, David: Alte und Neue Brüder-Historie oder kurz gefaßte Geschichte der Evangelischen Brüder-Unität in den ältern Zeiten und insonderheit in dem gegenwärtigen Jahrhundert. Barby 21772 [11771]. Cranz, David: Historie der Böhmischen Emigration. Eine historisch-kritische Edition. Hg. v. Matthias Noller. Wiesbaden 2013 ( Jabloniana. Quellen und Forschungen zur europäischen Kulturgeschichte der Frühen Neuzeit 4). c) im 18. Jahrhundert unveröffentlichte Schriften Cranz, David: Diarium aus Pündten mens. Dec. 1757 bis Sept., Oct. und Nov. 1758 (Archiv der Brüder-Unität, Herrnhut, R.19.C, Nr. 8). Cranz, David: Extact aus Br. Cranzens Diario von seinem Besuch in Pündten im Monat Junio, Julio und August, darin zugleich eine Relation ist von der Landesbeschaffenheit und andern historischen Umständen. In: Herrnhut. Wochenblatt aus der Brüdergemeine 46 (1913) 307–308, 317–318, 325–326, 333–334, 343–344. Cranz, David: Geschichte der Evangelischen Brüder-Gemeinen in Schlesien, insonderheit der Gemeine zu Gnadenfrey nebst einer vorläufigen Nachricht von den Schicksalen der Evangelischen Religion u. der Erwekungen, dem Brüder-Synodo 1775 übergeben (Archiv der Brüder-Unität, Herrnhut, NB.I.R.3.203; Kriegsverlust: Gemeinarchiv, Gnadenfrei, PA.II.R.8.G). Cranz, David: Historie der Böhmischen Emigration, und besonders der BöhmischMährischen-Brüder-Gemeinen, zu Berlin und Rücksdorf. Als ein Beitrag zur Historie der Brüder-Unitaet aufgesetzt und dem General-Synodo im Jahr 1769 übergeben (Archiv der Brüder-Unität, Herrnhut, NB.I.R.3.11.a; Archiv der Brüdergemeine, Berlin, II.B.b.5). Cranz, David: Idea Constitutionis Fratrum, 2. Theil. Die alte und erneuerte Constitution der Unität (Archiv der Brüder-Unität, Herrnhut, R.28.7). Cranz, David: Reise Diarium und Relation von Pündten im Monat Junio, Julio, und Augusto 1757 (Archiv der Brüder-Unität, Herrnhut, R.19.C, Nr. 6b; eine Kurzfassung vgl. ebd. R.19.C, Nr. 7). Ediert in: David Cranz: Reise durch Graubünden im

Literaturverzeichnis

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Jahre 1757. Ein Zeugnis aus der Geschichte der Herrnhuter in der Schweiz. Hg. v. Holger Finze-Michaelsen. Zürich 1996, 27–148. Cranz, David: Tagebuch eines Pommerschen Geistlichen auf seiner Reise durch Bünden 1757. In: Der helvetische Volksfreund (1797) 298–302, 303–310, 311–312. d) gedruckte Schriften des 18. Jahrhunderts (nicht von Cranz) Acta Fratrum Unitatis in Anglia. MDCCXLIX. [London] 1749. Anderson, Johann: Nachrichten von Island, Grönland und der Straße Davis.Hamburg 1746. Anton, Paul: Ausführlicher Bericht an Johann Georgen, Herzogen zu Sachsen [...] wegen der Pietisten Unfug zu Halberstadt. Jena 1694. Auszug aus eines Christlichen Freundes besonderen Anmerckungen über des sel. Herrn Insp. Mischkens Amts- und Lebens-Führung. In: Fortgesetzte Sammlung Auserlesener Materien zum Bau des Reichs Gottes 28 (1735) 469–486. Bothe, Heinrich Joachim: Zuverläßige Beschreibung des nunmehro ganz entdeckten Herrenhutischen Ehe-Geheimnisses [...], 2,2 Teile. Berlin 1751. Büdingische Sammlung Einiger In die Kirchen-Historie Einschlagender Sonderlich neuerer Schrifften, Bd. 1–3. Büdingen 1742–1744. [Carpzov, Johann Benedict]: Außführliche Beschreibung des Unfugs, welchen die Pietisten zu Halberstadt im Monat Decembri 1692 ümb die heilige Weyhnachts-Zeit gestifftet. Dabey zugleich von dem pietistischen Wesen in gemein etwas gründlicher gehandelt wird. O. O. 1693. Cellarius, Christoph: Latinitatis Probatae et Exercitiae Liber Memorialis. Merseburg 1731. Christliches Gesang-Buch der Evangelischen Brüder-Gemeinen von 1735, zum drittenmal aufgelegt und durchaus revidirt. [Herrnhut] 1741. Nachdruck der deutschen Erstauflage. Hildesheim 1981 (Nikolaus Ludwig von Zinzendorf. Materialien und Dokumente 4/3). Closter-Bergische Sammlung nützlicher Materien zur Erbauung im wahren Christentum. Magdeburg/Leipzig 1745–1761. Concession von Groß Krauscha. In: Büdingische Sammlung Einiger In die KirchenHistorie Einschlagender Sonderlich neuerer Schrifften, Bd. 1–3. Büdingen 1742– 1744, hier Bd. 3, 127f. Das Gesang-Buch der Gemeine in Herrn-Huth. Herrnhut 1735. Das Liturgien-Büchlein nach der bey den Brüdern dermalen hauptsächlich gewöhnlichen Singe-Weise von neuem revidirt [...]. London 1755. Der Evangelischen Brüder-Gemeine zu Gnadenfrey brüderliches Einverständnis über derselben Ordnungen und ihrer Mitglieder und Einwohner Verhalten nach Christi Sinn. Barby 1771. Des Hrn. Grafen Haupt-Bericht an Ihro Königl. Maj. in Preussen. In: Büdingische

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gen Ordnung In Frag und Antwort [...] vorgetragen werden [...]; Nebst einem Anhange Von den Entschuldigungen, wodurch sich viel Menschen von dem schmalen Wege zur Seligkeit loßzumachen suchen. In Druck übergeben von Daniel Gottlieb Mäderjan, Past. Adj. zu Thommendorf. Sorau 51733. Verbesserte Sammlung Auserlesener Materien zum Bau des Reichs Gottes. Leipzig 1737–1743. Walch, Johann Georg: Der Historischen und Theologischen Einleitung in die Religions-Streitigkeiten Fünfter und letzter Theil. [ Jena 1739]. Winckler, Johann: Schutz- und Anrede an den Autoren der außführlichen Beschreibung des Unfugs und Wesens der Pietisten. Hamburg 1693. Wreech, Curt Friedrich von: Wahrhaffte und umständliche Historie Von denen Schwedischen Gefangenen in Rußland und Siberien. Welchergestalt dieselbe nach dem A. 1709 bey Pultawa in der Ukraine mit denen Rußen gehaltenen unglücklichen Treffen, in ihrer Gefangenschafft, zum Theil von Gott kräfftig zur Buße erwecket worden. Sorau 1728. Zinzendorf, Nikolaus Ludwig von: Common Prayer. O. O. 1744. Zinzendorf, Nikolaus Ludwig von: Einige Reden des Ordinarii Fratrum [...] an die gesammte Berthelsdorfische Kirchfahrt. Barby 1758. Zinzendorf, Nikolaus Ludwig von: Inhalt derjenigen Reden, Welche zu Berlin vom 1ten Januario 1738 bis 27ten Aprilis in denen Abend-Stunden sonderlich für die Manns-Personen gehalten worden. Berlin [1738]. Zinzendorf, Nikolaus Ludwig von: Inhalt einiger öffentlicher Reden, Welche im Jahr 1738 vom Januario bis zu Ende des Aprilis in Berlin an die Frauens-Personen daselbst gehalten worden. Berlin o. J. Zinzendorf, Nikolaus Ludwig von: Summarischer Unterricht in Anno 1753 für Reisende Brüder zu einer etwa erforderlichen Informatione in Facto. London 1755. Zinzendorf, Nikolaus Ludwig von: Teutscher Gedichte Erster Theil. Herrnhut 1735. Zinzendorf, Nikolaus Ludwig von: Teutscher Gedichte Neue Auflage. Barby 1766. Zinzendorf, Nikolaus Ludwig von: ΠΕΡΙ EAYTOY, Das ist Naturelle Reflexiones über allerhand Materien [...]. O. O. [1747]. e) Darstellungen: Bahlcke, Joachim/Dybaś, Bogusław/Rudolph, Hartmut (Hg.): Brückenschläge. Daniel Ernst Jablonski im Europa der Frühaufklärung. Dößel 2010. Bahlcke, Joachim/Korthaase, Werner (Hg.): Daniel Ernst Jablonski. Religion, Wissenschaft und Politik um 1700. Wiesbaden 2008 ( Jabloniana. Quellen und Forschungen zur europäischen Kulturgeschichte der Frühen Neuzeit 1). Baumgart, Peter: Schlesien als eigenständige Provinz im altpreußischen Staat (1740– 1806). In: Conrads, Norbert (Hg.): Deutsche Geschichte im Osten Europas: Schlesien. Berlin 1994, 346–464.

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a von August Gottlieb Spangenberg eingefügt: In dieser von dem seligen Bruder David Cranz entworfenen Geschichte von Schlesien werden die mancherley von den Brüdern gemachten Fehler eben so wenig verschwiegen als ihrer Gegner gottlose Unternehmungen gegen sie. Demnach sieht man daraus, wie bey dem Streit des Lichts und der Finsterniß das Licht zulezt die Oberhand behalten habe, und die Schlesischen Brüder-Gemeinen sind lautredende Beweise davon. Da inzwischen auch manche obrigkeitliche Resolutionen, da immer die eine der andern wiederspricht und daher der Obrigkeit nicht zum Ruhme sind, darin angeführt werden, so ist nicht zu rathen, diese Geschichte in iedermans Hände zu geben, zumahl da auch viele Gegner nahmentlich darin vorkommen. Könte aber ein Auszug daraus gemacht werden, mit der nöthigen Moderation, so würde man denselben mit großem Nuzen gebrauchen können. Joseph, Barby am 16ten May 1782.

_______________________________

1 ������������������������������������������������������������������������������������������� Auf dem schlesischen Provinzialsynodus am 19. und 20. Mai 1756 in Gnadenberg berichtete Johannes von Watteville (1718–1788) mit Angabe von Gründen, dass im Jahr 1755 kein Provinzialsynodus stattfinden konnte (Unitätsarchiv Herrnhut, Sign. R.7.A.12.6, 13). Gegen Ende der Synode wurde die Bitte an die Prediger wiederholt, die Geschichte der schlesischen Gemeinden aufzuschreiben, wie man schon auf dem vorangegangenen Synodus, wahrscheinlich 1754, beschlossen habe (ebd., 20).

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Geschichte der Evangelischen Brüder-Gemeinen in Schlesien

Stoff zu haben. Es ist aber nicht geschehen. Nur Zacharias Hirschel2 hat dem GeneralSynodo 1756 eine Geschichte von der Böhmischen Brüder-Gemeine3 in Berlin und Rixdorf4 übergeben, welche ich 1769 erweitert und fortgesezt habe.5 Auf dem General Synodo 1764 ist den Arbeitern aller Gemeinen aufgegeben worden, eine solche Geschichte von ihren Orten aufzusetzen.6 Von einigen wenigen Gemeinen, und zwar nur solchen, die noch nicht lange entstanden und wo die Prediger die Anfänge derselben meist im Gedächtniß hatten, ist dieses geschehen, bey den größern und ältern Gemeinen ist es unterblieben. In Gnadenfrey7 erwartete man es von dem seligen [5] Seidliz.8 Allein hiezu war er zu alt und schwach. Er ging heim, ohne einen Buchstaben auch nur von seinem Leben zu hinterlaßen. Hätte er etwas aufgesezt, so wäre es ein schätzbares Document und eine Geschichte von Anecdoten gewesen, die die Gemein-Historie gar sehr hätte erläutern und berichtigen können. In Durchgehung und Sammlung der Materialien aus allen dazu dienlichen Quellen hatte er wol noch weniger Zeit, Neigung und Kräfte als seine damaligen und nachherigen Mitarbeiter. Es ist also nichts dazu gesammlet, viel weniger verfaßt worden. Da ich 1771 als Prediger hieher kam, wurde ich theils in mir selbst, theils von einigen meiner Mitarbeiter erinnert, dem Begehren des Synodi ein Genüge zu leisten, und ich wurde 1773 von dem Bruder Petrus Böhler9 aus der Unitäts-Aeltesten Conferenz nachdrücklich dazu aufgefordert. Meine erste Arbeit war, das hiesige Archiv, welches aber unvollständig, in Unordnung und mit vielen überflüßigen Dingen angefüllt war, durchzusehen. Eine wiewol auch unvollständige Sammlung der Schlesischen Acten und Documente war noch dazu der besten und nöthigsten Stücke beraubt. Man [6] hatte sie zu ein und andern Verhandlungen oder zum Unitæts-Archiv herausgenommen und keine Abschrift hinterlaßen. Ich ließ mir von Abraham Gersdorf10 eine Abschrift von

12 Zacharias Hirschel (Zachariáš Jelínek, 1714–1763) emigrierte 1732 aus Böhmen nach Dresden und war 1751–1757 und 1759–1763 Prediger in Rixdorf. 13 Hirschel, Zacharias: Kurze Nachricht und Beschreibung von den Böhmischen Brüder-Gemeinen in Berlin und Rüksdorff (Unitätsarchiv Herrnhut, Sign. NB.I.R.3.202.a.1). 14 Heute ein Stadtteil von Berlin-Neukölln. 15 Cranz verfasste das Werk 1768/69 (Unitätsarchiv Herrnhut, Sign. NB.I.R.3.11.a). Das Manuskript wurde ediert, vgl. Cranz, David: Historie der Böhmischen Emigration. Eine historisch-kritische Edition. Hg. v. Matthias Noller. Wiesbaden 2013 ( Jabloniana. Quellen und Forschungen zur europäischen Kulturgeschichte der Frühen Neuzeit 4). 16 Protokoll der Generalsynode 1764 (Unitätsarchiv Herrnhut, Sign. R.2.B.44.1.c), 312, 964f. 17 Gnadenfrei/Ober Peilau (poln. Piława Górna). 18 Ernst Julius von Seidlitz (1695–1766) erwarb 1734 Ober Peilau und veranlasste nach 1740 die Gründung von Gnadenfrei. 19 Petrus Böhler (1712–1775), Theologe, wurde 1737 in die Brüdergemeine aufgenommen und diente ihr in vielen unterschiedlichen Aufträgen. 10 ����������������������������������������������������������������������������������������� (Wolf Caspar) Abraham von Gersdorf (1704–1784), 1745 Senior civilis, 1752 Kanzler der Advocatie der Brüdergemeine, ordnete 1765/66 mit Böhler das Archiv der Brüder-Unität in Zeist.

Vorbericht

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dem Repertorio11 der Schlesischen Acten im Unitæts-Archiv nebst einem kurzen Inhalt der Hauptstücke geben, welches mir gar sehr zu statten gekommen, hatte aber viele Mühe, die Stücke nach der Ordnung der Zeit und der Orte zu rangiren und den Inhalt derselben auszuziehen. Indessen hatte ich alle Diaria, die in den ersten Jahren sehr weitläuftig sind, Conferenzen und andere mir dienlich scheinende Papiere und Briefe (wiewol viele ohne Nutzen) durchgelesen und Auszüge gemacht. Zuletzt bekam ich ein unerwartetes Hülfs-Mittel. Der selige Ernst von Tschirschky12 übergab mir auf seinem Kranckenbette eine schöne Sammlung der hauptsächlichsten Schlesischen Acten von seiner eigenen Hand. Nunmehr ging ich an die Arbeit, fand aber, daß wenn ich den Anfang der hiesigen Gemeine beschreiben wolte, ich zugleich erzehlen müste, (1) wie, wo und durch wen die vorläufigen Erweckungen in dieser Gegend entstanden. Und da [7] diese mehrentheils an solchen Orten gewesen, wo keine Evangelische Kirchen waren, so muste ich (2) zeigen, wenn und warum nur in einigen Fürstenthümern die Evangelischen der Kirchen beraubt worden und was dieses für einen Unterschied in dem noch jezt fortdauernden Kirchenrecht gemacht. Ich fand also für gut, aus Johann Adam Hensels,13 Pfarrers zu Neudorf am Græzberge,14 Protestantischen Kirchen-Geschichte15 1768 eine kurze Nachricht von den Schicksalen der Evangelischen Religion voranzuschicken. Zu den Nachrichten von den Erweckungen in dieser Gegend hat mir der Herr von Schnorrbein,16 ein Mittglied unserer Gemeine zu Dirsdorf,17 der bey dem seligen Pastor Sommer18 erzogen worden, den ersten Stoff gegeben, welche ich aus Sommers hinterlaßenen Papieren, aus den Closterbergischen Sammlungen zum Bau des ReichsGottes,19 aus den Lebens-Läufen von Geschwistern und dergleichen ergänzt und zum Theil aus mündlichen Nachrichten bis aufs Jahr 1742 fortgeführt habe.

11 Unitätsarchiv Herrnhut, Archivverzeichnis, Findbuch der Akten. 12 Ernst von Tschirschky (1733–1774), verheiratet mit Friederica Johanna Ernestine, geb. von der Golz. 13 Johann Adam Hensel (1689–1778), Theologe und Kirchenhistoriker. 14 Neudorf am Gröditzberge (poln. Nowa Wieś Grodziska). 15 Hensel, Johann Adam: Protestantische Kirchen-Geschichte der Gemeinen in Schlesien nach allen Fürstenthümern, vornehmsten Städten und Oertern dieses Landes […]. Leipzig/Liegnitz 1768. 16 Adam Heinrich von Hoff-Schnorrbein (1708–1799). Vgl. dazu die Einführung Fußnote 182 mit einem Auszug aus seinem Lebenslauf. 17 Bad Dirsdorf (poln. Przerzeczyn-Zdrój). 18 Johann Heinrich Sommer (1675–1758), 1711–1730 Pfarrer in Dirsdorf. 19 Die Erbauungszeitschrift erschien 1731–1761. Erscheinungsverlauf: Sammlung Auserlesener Materien zum Bau des Reichs Gottes. Frankfurt/Leipzig 1731–1734; Fortgesetzte Sammlung Auserlesener Materien zum Bau des Reichs Gottes. Leipzig 1735–1737; Supplementa der Sammlung Auserlesener Materien zum Bau des Reichs Gottes. Leipzig 1737–1740; Verbesserte Sammlung Auserlesener Materien zum Bau des Reichs Gottes. Leipzig 1737–1743; Closter-Bergische Sammlung nützlicher Materien zur Erbauung im wahren Christentum. Magdeburg/Leipzig 1745–1761.

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Geschichte der Evangelischen Brüder-Gemeinen in Schlesien

(3) Wolte ich die Veranlaßung und den Anfang der hiesigen Gemeine erzehlen, so mußte ich zugleich die andern [8] Schlesischen Gemeinen und die Orte, wo sich Häuflein von Brüdern gesammlet, mit dazu nehmen und was ihrentwegen bey Hofe und bey den Lands-Collegien verhandelt worden, erzehlen, um in die ganze Schlesische Kirchen-Sache ein Licht zu bekommen. Hätte ich mich blos auf Gnadenfrey einschrencken dürfen, so hätte ich meine Geschichte um ein Drittel kürzer machen können, weil gar sehr wenig öffentliche Verhandlungen wegen Gnadenfrey, aber desto mehr wegen Gnadenberg,20 Neusalz,21 Rösniz22 etc. vorgefallen, die überall in den Folgen einen großen Einfluß aufs Ganze und besonders auf Gnadenfrey und diese Gegend gehabt haben. Jedoch habe ich nur den Gemein-Gang von Gnadenfrey, und zwar so kurz als möglich, aber nicht von den andern Orten, wo mir die Quellen fehlen, erzehlen können und wollen. Ich habe mir bey Abfaßung dieser Geschichte alle Mühe gegeben, die man in 3 Jahren anwenden kan, um aus mehrentheils schriftlichen Urkunden alles zu sammeln und nach der Wahrheit vorzutragen. Da mir aber noch manches unbekannt blieben, auch was ich gefunden, nicht allemal in dem rechten [9] Zusammenhang vorgetragen und also die Wahrheit verstellen konnte, so habe ich dieselbe der hiesigen großen HelferConferenz und vielen dazu erbetenen, mehrentheils alten Geschwistern in einigen Abendstunden vorgelesen und sie um ihre Erinnerungen gebeten. Ich muß aber bekennen, daß ich wenige bekommen. Haben sie mir dieselben vorenthalten, sind manche gar nicht dazu gekommen oder hernach, anderer Geschäfte und Conversations halber, wo nicht aus Ueberdruß, davon weggeblieben, so kann die Schuld, wenn dis und jenes unrecht befunden würde, nicht mir beygelegt werden (denn ich habe gethan, was ich konnte und solte), und da niemand Einwendungen dagegen gemacht, so kan diese Arbeit nicht anders als ein von der Gemeine approbirtes Werck angesehen werden. Diese Geschichte ist also auf einer Seite eine Special-Historie von Gnadenfrey, auf der andern aber eine Historie von der ganzen Schlesischen Kirchensache, insofern dieselbe nur die öffentlichen Verhandlungen betrift. Wollen die andern Gemeinen ihrer Schuldigkeit gemäß dem Synodo eine Geschichte ihrer Orte liefern, so [10] ist ihnen (ich kanns mit Wahrheit versichern) das schwerste Stück vorgearbeitet worden. Sie dürfen daßelbe, wenn sie mehr Quellen haben, nur ergänzen und verbeßern und aus ihren Diariis den speciellen Gemein-Gang von Jahr zu Jahr hinzuthun. Wen die Weitläuftigkeit dieser meiner Arbeit erschreckt, der wird doch bedencken, daß es ihm weniger Mühe kostet, dieselbe zu lesen, als mir, zu sammeln und zu schreiben. Doch die Absicht ist nicht, daß ein jeder, der gerne etwas lieset, sie lesen soll, so wenig als sie gedruckt und public gemacht werden kan. Ich will die Innhaber und Bewahrer dieser Geschichte inständig bitten und ernstlich warnen, dieselbe niemanden zu bloßer Befriedigung seiner Neugier lesen, noch weniger von Hand zu Hand gehen, am wenigsten etwas daraus ab20 Gnadenberg (poln. Godnów), heute zu Bunzlau (poln. Bolesławiec) gehörig. 21 Neusalz (poln. Nowa Sól). 22 Rösnitz (poln. Rozumice).

Vorbericht

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schreiben zu laßen und zugleich feyerlich hiemit bezeugen, daß ich an dem Schaden, der aus der unvorsichtigen Lesung und Mittheilung von allerley zur Zeit noch bedencklichen Wahrheiten in publico oder privato entstehen könte, keinen Antheil haben und keine Verantwortung auf mich nehmen kann und muß. [11] Die Absicht meiner Arbeit ist nicht, jemanden, er sey wer er wolle, zu beschuldigen und andre zu rechtfertigen. Ich schreibe Historie für die Nachwelt und nicht Controvers und Apologie für die Gegenwärtige. Ich habe nur wollen meiner Schuldigkeit ein Genüge thun und zuvörderst dem Synodo zur Nachricht und zum künftigen Gebrauch bey einer ausführlichern BrüderHistorie, als die meine ist, die Materialien an die Hand geben, und dann auch der hiesigen Aeltesten-Conferenz und den künftigen mit den Schlesischen Umständen und dem hiesigen Gemein-Gang unbekannten Arbeitern eine Einleitung geben, besonders aber in die weitläuftige, mehr als 300 Nummern ausmachende und gar sehr verwirrte Verhandlung der Schlesischen Kirchensache, die außer dem Deputato Abraham Gersdorf gewiß niemanden recht bekannt ist und immer dunckeler werden muß, eine statt vieler Folianten kurze und hinlängliche Einsicht geben, die um so nöthiger ist, weil man sonst überall anstoßen muß, wenn man nicht recht weiß, was den Brüdern concedirt,23 wieder eingeschrenckt oder gar zurück genommen [12] und was connivirt24 oder gar verboten ist. In dieser Absicht und zu diesem Ende übergebe ich diese Geschichte der hiesigen Aeltesten-Conferenz und dem Synodo zu treulicher Aufhebung und Bewahrung in ihren resp. Archiven und zu beliebigen, aber vorsichtigem Gebrauch. Gnadenfrey, den 29. May 1775. David Cranz Prediger. [13] Erster Theil. Kurzgefaßte Geschichte der Evangelischen Religion und der Erweckungen in Schlesien. Articulus I. Zustand der Religion und der Reformation bis zum Anfang dieses Jahr-Hunderts. § 1. § 2. § 3. § 4.

Bekehrung der Schlesier zur Christlichen Religion. Vorbereitungen zur Reformation. Einführung der Reformation. Nachricht von Caspar Schwenkfeld. Hinderniße und Beförderungen der Reformation, sonderlich durch Rudolph II. Majestäts-Brief. § 5. Böhmische Unruhen. § 6. Zustand der Evangelischen im 30jährigen Kriege. § 7. Nach dem 30jährigen Kriege in den Erbfürstenthümern. § 8. Ingleichen in den Evangelischen Fürstenthümern. § 9. Erleichterung der Religions-Drangsalen durch die Altranstädtsche Convention. § 10. Innerer Zustand der Evangelischen Religion.

23 Concedieren = zugestehen, erlauben. 24 Connivieren = nachsehen, ein Auge zudrücken.

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Articulus II. Erweckungen seit dem Anfang dieses Jahrhunderts. § 11. Nachricht von den betenden Kindern. § 12. Erweckungen an verschiedenen Orten zwischen 1710 und 1720. [14] § 13. Zustand der Erweckungen zwischen 1720 und 1725. § 14. Ingleichen zwischen 1725 und 1730, insonderheit zu Dirsdorf. § 15. Und zu Teschen. § 16. Zustand der Erweckungen zwischen 1730 und 1735, insonderheit in Ober-Schlesien. § 17. Und in der Gegend von Dirsdorf. Articulus III. Vorbereitungen zu den Brüder-Gemeinen. § 18. Zustand der Erweckungen zwischen 1735 und 1740. Abermalige Bewegung unter den Kindern. § 19. Erweckung in Schönbrunn. Seidliz kauft Ober-Peile. § 20. Erweckung in Ober-Peile und der Gegend. § 21. Seidlizens Gefängniß und Befreyung. § 22. Bekanntschaft der Brüder mit den Erweckten zu Bresslau und im Oelsnischen. § 23. Zustand der Erweckungen im Jahr 1740 und 1741. § 24. Ingleichen im Jahr 1742. § 25. Die Erweckten stammen mehrentheils von den Böhmischen Brüdern her. § 26. Die Erweckungen sind hauptsächlich durch den Ausgang und Besuch der Mährischen Brüder entstanden und unterhalten worden. Articulus IV. Veränderter Religions-Zustand seit 1741. § 27. Die Evangelischen bauen viele Bethäuser. [15] § 28. Anzahl derselben und der Kirchen. Aeußerer und innerer Zustand der Religion und der Sitten. § 29. Nachrichten von den Reformirten und den Hußiten in Schlesien. § 30. Schicksale und Zustand der Schwenkfelder. [16] § 1. Die ersten Einwohner von Schlesien sind von den eindringenden Deutschen oder Sveviern25 wegen ihrer Widersetzlichkeit Quade, das ist böse, und von den Slaven und Sarmatern,26 die im 5ten Seculo beyde und noch mehr angrenzende Völcker sich unterworfen, Slesi genannt worden. Denn das alte deutsche Wort Quad und das böhmische 25 Die Sweben oder Sueben, lat. suebi oder suevi, bildeten eine germanische Völkergruppe zur Zeit Gaius Iulius Caesars, die zu den Elbgermanen zählte und unter ihrem Heerkönig Ariovist 72/71 v. Chr. über den Rhein nach Westen vordrang. 26 Wie die Skythen ein Steppenvolk iranischer Herkunft, mit dem sie sich zum Teil verbanden.

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Zen bedeutet böse. Die Christliche Religion ist ihnen vermuthlich in den Kriegen, die die Römischen Kayser mit den Quaden und Marcomannen27 geführt, von denen im Römischen Heer befindlichen Christen bekannt gemacht worden, hat aber in jenen unruhigen Zeiten nicht viel Platz gewinnen können und ist bey der Ueberschwemmung der Slaven wieder erloschen. Da aber diese gegens Ende des 9ten Seculi zuerst durch die Predigten der Griechischen Mönche Cyrilli28 und Methodii29 und hernach durch Abgeordnete von Rom die Christliche Religion angenommen, so ist dieselbe auch in Schlesien und Polen, welche damals unter einem Herrn stunden, bekannter worden. Der deutsche Kayser Otto I.30 war dazu sehr beförderlich. Er stiftete eine Heyrath zwischen Mieslas I., Herzog von Polen [17] und Schlesien, und Dambronica,31 des Böhmischen Herzogs Boleslas32 Tochter. Es war am Sonntag Lætare, den 7. Martii 965, als auf Befehl des Herzogs alle Götzenbilder, besonders das Theod oder Thod, mit Koth beworfen, zerbrochen und aus ihren Wohnplätzen ausgeworfen wurden, daher man nachher den Sontag Lætare das Todtenfest genennet, und bey einer solennen Procession ein angekleidetes Strohbild, das man den Tod oder eigentlich Thod genannt, mit Koth beworfen, zum Orte hinaus geführet und auf dem Felde verbrannt hat. Zu Befestigung und fernerer Ausbreitung der Christlichen Religion wurden in den Polnischen Ländern 9 Bißthümer errichtet und dem Erzbißthum Magdeburg33 untergeben. In Schlesien wurde der erste Bischöfliche Sitz und Kirche zu Schmogra,34 einem Dorfe im Nammslauschen Kreyse, gestiftet, 1045 nach Pitschen35 und 1052 nach Bresslau36 verlegt. Weil 27 Der Stamm der Quaden ist seit 21 n. Chr. bezeugt und gehörte wohl zu den Sueben. Sie lebten zur Zeit Gaius Iulius Caesars zwischen Main und Donau. 407 schlossen sie sich den Vandalen auf dem Weg nach Spanien an. Auch der Stamm der Markomannen gehörte zu den Sueben. Sie siedelten Ende des 1. Jahrhunderts in Südmähren und Niederösterreich und bildeten mit den Quaden unter Marbod einen Verband. 28 Kyrill (Kyrillos/Konstantinos Cyprianus, 826/27–869), griechischer Slawenapostel und Bruder des Method, missionierte mit seinem Bruder in Mähren und Pannonien. 29 Method (um 816/825–885), griechischer Slawenapostel, ab 869 Erzbischof von Pannonien und Mähren sowie päpstlicher Legat bei den Slawen. 30 Otto I., der Große (912–973), 936 König des Ostfrankenreiches, 962 Kaiser. 31 Mieszko I. (um 945–992), 960 Herzog von Polen, heiratete 965/66 die böhmische Prinzessin Dubrawka von Böhmen († 977) und nahm 966/67 das Christentum nach lateinischem Ritus an. 32 Boleslav I., „der Grausame“ (um 915–972), 935 Fürst von Böhmen. 33 Das Erzbistum Magdeburg wurde 968 durch Kaiser Otto I. (912–973) gegründet. 34 Schmogra, Schmograu oder Smogra bei Namslau, wo Mieszko I. (um 945–992) im Jahr 966 ein Bistum gegründet haben soll. Cranz gibt hier Johann Adam Hensel (1689–1778) wieder, der auf die Chronica principum Poloniae (1382–1385) zurückgeht. Vgl. Hensel, Johann Adam: Protestantische Kirchen-Geschichte der Gemeinen in Schlesien nach allen Fürstenthümern, vornehmsten Städten und Oertern dieses Landes […]. Leipzig/Liegnitz 1768, 13. 35 Pitschen (poln. Byczyna) im Fürstentum Brieg, wohin das Bistum 1045 verlegt worden sein soll. Gemeint ist die Burg Ritschen an der Oder, wo der Breslauer Bischof zeitweilig Zuflucht suchte. 36 Breslau (poln. Wrocław) wurde um 1000 als Suffraganbistum von Gnesen durch Kaiser Otto III. (980–1002) gegründet, erlangte 1290 Landeshoheit im Bistumsland Neisse und erwarb 1344 Grottkau.

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aber die neuen Christen zu weit zur Kirche hatten und die Geistlichen nicht oft und überall sie besuchen konnten und mochten, so stiftete Peter Danin oder Wlost,37 ein vornehmer Daene, der mit seinem ungerechten Mammon an den Hof des Schlesischen Herzogs Boleslas IV.38 geflüchtet war, ums Jahr 1150 zur Tilgung seiner Sünden und Gewaltthätigkeiten die ersten Klöster und Kirchen. Die Schlesischen Edelleute folgten seinem Exempel und bauten, weil ihnen der Weg zu diesen Kirchen zu weit war, Capellen, versahen sie mit den nöthigen Einkünften und wolten aus dem Grunde das Jus patronatus39 oder das Recht, sie mit Predigern zu besetzen, handhaben, welches ihnen aber vom Pabst und den Bischöfen streitig gemacht wurde, bis sich das Land bey den Polnischen Unruhen unter dem Schutz der Böhmischen Crone begeben,40 da dem Adel aus Erkenntlichkeit dieses Recht verstattet worden. § 2. Es ist wol kein Zweifel, daß bey der großen Verfolgung und Zerstreuung der Waldenser 41 im 11. und 12. Jahrhundert auch viele so wie nach [18] Böhmen und Mæhren also auch nach Schlesien gekommen seyn und bey dem blinden und leblosen Religions-Wesen einen guten Saamen ausgestreut haben. Eben das ist von Wiklefs,42 Johann Huss43 und seiner Anhänger Lehre und Schriften zu vermuthen, sonderlich nachdem George Kunstad von Podiebrad,44 des minderjährigen Böhmischen Königs Ladislai posthumi45 Hofmeister und nach dessen Tode 1457 Regent von Böhmen und also auch von Schlesien worden. Man findet aber nichts gewißes davon, und es scheint, daß das grauerliche46 Andencken an die von den Böhmen unter Ziska47 an Kirchen und Clöstern verübte 37 Wlost/Wlast oder Peter Danin. Cranz übernahm diese Angaben aus Hensels Kirchengeschichte. Vgl. Hensel, Johann Adam: Protestantische Kirchen-Geschichte der Gemeinen in Schlesien nach allen Fürstenthümern, vornehmsten Städten und Oertern dieses Landes […]. Leipzig/Liegnitz 1768, 17. 38 Boleslav IV. „Kraushaar“ (um 1125–1173), 1146 Herzog von Polen. 39 Patronatsrecht. 40 ����������������������������������������������������������������������������������������� Zwischen 1327 und 1336 unterstellten sich die schlesischen Teilherzogtümer der Krone Böhmens. 41 Cranz entnahm dies der zeitgenössischen Literatur. Vgl. Hensel, Johann Adam: Protestantische Kirchen-Geschichte der Gemeinen in Schlesien nach allen Fürstenthümern, vornehmsten Städten und Oertern dieses Landes […]. Leipzig/Liegnitz 1768, 32–34. Der Autor bezog sich wiederum auf Jean Léger (1615–1670). Vgl. Leger, Johan: Algemeine Geschichte der Waldenser oder der evangelischen Kirchen in den Thaelern von Piemont, aus dem Französischen übersetzt von Hans Friedrich Freiherr von Schweinitz, Bd. 1–2. Breslau 1750. 42 John Wiclif (Wycliff, um 1326–1384), englischer Theologe und Verfasser philosophischer Schriften, lehrte in Oxford, zuletzt Pfarrer in Lutterworth. 43 Jan Hus (um 1370–1415), tschechischer Theologe und Reformator. 44 Georg von Podiebrad (1420–1471) aus dem mährischen Geschlecht von Kunstadt, seit 1444 Führer der utraquistischen Partei, 1458 König von Böhmen. 45 Ladislaus Postumus (1440–1457), 1440 König von Ungarn und Böhmen. 46 Das heißt greuliche, Abscheu oder Furcht erregende. 47 Jan Žižka (1370–1424), Anführer der Taboriten.

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Grausamkeiten die Schlesier abgeschrecket haben, der Hussiten oder Calixtiner48 Lehrsätze anzunehmen. Eben so wenig haben die eifrigen Taboriten49 und nachher die stillen und gedrückten Böhmischen Brüder50 bey ihnen gewinnen können, und wenn auch in der ersten Zeit hie und da einzelne Brüder in Schlesien gewesen, so findet sich doch keine Spur von Brüder-Gemeinen. Selbst zur Zeit ihrer größten Ausbreitung um den Anfang des 16ten Seculi sind die Schlesier vermuthlich durch des Königs Uladislai51 1508 gegen die Böhmischen Brüder oder, wie man sie nannte, die Picarden52 gestellten Majestäts-Brief53 davon abgehalten worden. Nach demselben solten (1) alle ihre öffentlichen und geheimen Zusammenkünfte abgeschaft, (2) ihre Kirchen und Klöster geschloßen, (3) ihre Bücher weggenommen und verbrannt, (4) Taufe, Abendmahl und Trauungen ihnen nicht verstattet, sondern dieselben von Priestern entweder derer sub una oder derer sub utraque,54 das ist von Catholischen oder Calixtinern, verrichtet werden und (5) ihre Lehrer und Vorsteher solten vorgefordert werden und sich erklären, zu welcher der erst genannten Partheyen sie sich schlagen wolten und im Weigerungs-Fall gefänglich eingezogen werden. Ob nun gleich keine ordentliche Brüder-Gemeinen in ­Schlesien gewesen, so kann man doch glauben, daß bey den großen Verfolgungen in Böhmen und Mæhren viele Brüder nach Schlesien geflüchtet [19] und in der Stille ihre Lehrer und Gemeinen besuchet und also auch einen guten Saamen in Schlesien werden ausgestreut haben. Und die nach Böhmen reisende Schlesier werden wol auch nicht unterlaßen ­haben, das, was sie dort bey den Brüdergemeinen gesehen und gehört oder auch von den Calixtinern vernommen, in ihrem Lande auszubreiten. Durch diese beyden Mittel ist dem Evangelio der Weg nach Schlesien gebahnt worden, wozu auch wol vieles beygetragen haben mag, daß des verstorbenen König George Podiebrad Söhne55 zur Entschädigung für die ans Hauß Oesterreich abgetretene Crone die Herzogthümer 48 Die Begriffe Calixtiner oder Utraquisten bezeichnen die gemäßigten Vertreter der Hussiten gemäß ihrer Forderung des Laienkelchs beim Abendmahl (lat. calix; „Kelch“). 49 Taboriten waren eine Gruppierung radikaler Hussiten, die nach der von ihnen angelegten Stadt Tabor benannt wurden. 50 Die Böhmischen Brüder (Unitas Fratrum, Brüderunität) waren eine in Böhmen und Mähren nach 1450 aus unterschiedlichen hussitischen Gruppen entstandene Reformbewegung. 51 Wladislaw II. (1456–1516), 1471 König von Böhmen, 1490 König von Ungarn. 52 ����������������������������������������������������������������������������������������� Picarden ist eine Verstümmelung von Begharden. Die Böhmischen Brüder wurden in Regierungserlassen und Briefen Martin Luthers (1483–1546) als Waldenser oder Picarden (Pikarten) bezeichnet. Die Brüder argwöhnten, dass man sie so aus Neid oder Hass bezeichne. 53 Am 25. Juli 1508 erließ der böhmische Landtag das sog. St. Jakobsmandat, das den Böhmischen Brüdern die rechtliche Basis entzog und sie für hundert Jahre zu einer illegalen Sekte machte. Am 24. August wurde eine gemäßigte Form des Mandats in Mähren erlassen. Das Mandat ist in deutscher Übersetzung abgedruckt bei Müller, J[oseph] Th[eodor]: Geschichte der Böhmischen Brüder, Bd. 1. Herrnhut 1922, 346–350. 54 Sub utraque bezeichnet die Austeilung des Abendmahls in „beiderlei“ Gestalt mit Brot und Wein für die Laien, sub una nur die Austeilung des Brots nach katholischer Tradition, also in „einer“ Gestalt. 55 Viktorin von Münsterberg (1443–1500), Heinrich I. von Münsterberg-Oels (1448–1498), Heinrich d. J. von Münsterberg (1452–1492).

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Oels56 und Münsterberg57 erhalten haben und die Prinzeßin Lidmila58 mit dem Herzoge von Liegnitz59 vermählt worden. § 3. Denn kaum hatte Lutherus60 1517 zu Wittenberg angefangen, gegen den Ablaß zu predigen, so sahen sich die Schlesier nach dem aufgehenden Licht um, und viele von den dort studirenden fingen in ihrem Vaterland an, das Evangelium zu predigen. Der Magistrat von Breßlau fing 1522 mit Ernst an zu reformiren und bestelte den Doctor Johann Hess61 zum Prediger in der Maria Magdalenen Kirche. Die ansehnlichsten Städte folgten dem Exempel. Insonderheit war Herzog Friedrich II. von Liegniz,62 oberster Hauptmann von Nieder-Schlesien, ein Enckel des George Podiebrad, und Marggraf Georgius Pius von Brandenburg-Culmbach,63 Hofmeister des Königs Ludwig von Ungarn,64 dem die Fürstenthümer Jägerndorf,65 Radibor66 und Oppeln67 in Ober-Schlesien gehörten, dem Evangelio sehr geneigt, und nach einiger Zeit folgten auch die Herzoge von Oels und Münsterberg, Enckel des George Podiebrad,68 ihrem Beyspiel. Erstgenannte 2 Herren hielten 1523 auf dem Grätz-Berge im Liegnitzischen eine Unterredung,69 wie die Sache anzugreiffen, worauf Marggraf George nach Wittenberg70 reißte, sich mit Luthero unterredete und sodenn in seinen Landen [20] die Reformation einführte*,71 *

Reisniz oder wies gemeiniglich ausgesprochen wird, Rösniz und Steuberwiz im Fürstenthum Jægerndorf, welches leztere Dorf von Böhmen bewohnt wird, sollen die 2 ersten Gemeinen seyn, die das Evangelium 1524 angenommen haben.

_______________________________ 56 Oels (poln. Oleśnica). 57 Münsterberg (poln. Ziębice). 58 Ludmilla von Podiebrad (1456–1503), verheiratet mit Herzog Friedrich I. von Liegnitz und Brieg (1446–1488). 59 Liegnitz (poln. Legnica). 60 Martin Luther (1483–1546), deutscher Theologe und Reformator. 61 Johann Heß (Hesse, 1490–1547), Humanist, lutherischer Theologe und Reformator von Breslau. 62 Friedrich II. (1480–1547), 1499 Herzog von Liegnitz und Brieg. 63 Georg der Fromme (1484–1543), 1515 Markgraf von Brandenburg-Ansbach. 64 Ludwig II. (1506–1526), 1516 König von Böhmen und Ungarn. 65 Jägerndorf (tsch. Krnov). 66 Ratibor (poln. Racibórz). 67 Oppeln (poln. Opole). 68 Die Reformation führten die Söhne Karls I. von Münsterberg-Oels (1476–1536) 1537 ein: Joachim (1503–1562), Heinrich II. (1507–1548), Johann (1509–1565) und Georg II. (1512– 1553), die gemeinschaftlich in Münsterberg regierten. 69 Die Unterredung 1523 auf dem Grätzberg/Gröditzberg konnte nicht ermittelt werden. 70 Georg der Fromme (1484–1543), Markgraf von Brandenburg-Ansbach-Kulmbach, besuchte den Wittenberger Reformator im Jahr 1524. 71 Markgraf Georg der Fromme führte die Reformation im Herzogtum Jägerndorf nach 1523 sukzessive ein. Nach heutigen Erkenntnissen erfolgte das aber in Rösnitz und Steuberwitz erst deutlich später.

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welche auch außerdem in Neiss,72 Troppau73 und Teschen74 um sich griff, wiewol sie wegen der polnischen Sprache, die fast in ganz Ober-Schlesien auf dem Lande geredet wird, nicht allgemein wurde. Er ist derselbe, der 1530 in Gefolge von vielen Schlesischen Herren den Reichs-Tag in Augspurg bezogen, die Augspurgische-Confession mit unterschrieben und, da ihm der Kayser Carl V.75 hart zugeredet, seinen Hals dargeboten.76 Der Prinz George von Münsterberg war in seinem Gefolge und führte nach seines Vaters Tode 1536 die Reformation in diesem und dem Oelsnischen Fürstenthum ein.77 Der Herzog Friedrich von Liegniz bekam unter andern den gelehrten Valentin Trotzendorf78 von Wittenberg nach Goldberg,79 unter dem auch viele Böhmische Brüder studirt haben, und besezte sein ganzes Land und, nachdem er 1534 auch das Fürstenthum Brieg80 von seinem Bruder geerbet,81 auch daßelbe mit Evangelischen Predigern. Er war im Anfang dem Caspar Schwenkfeld von Ossig82 im Liegnitzischen, der in seinen Reden und Schrifften auf wahre Erfahrung des Evangelii und ein inneres thätiges Christenthum drang und gegen den Mißbrauch des Evangelii zur Sicherheit des Fleisches mit Ernst eiferte, sehr günstig, wie denn auch die ansehnlichsten Prediger in Liegnitz seiner Lehre zugethan waren, und ich glaube, daß aus der Reformation fürs Reich Christi in den Herzen viel mehr Gutes heraus gekommen wäre, wenn er [21] auf einer Seite in Wittenberg, wo er 1525 sich mit Luthero und Bugenhagen83 unterredet, mit mehr ­Liebe gehört, das Gute von ihm angenommen und genutzet und Lutherus nach seiner Abreise ihn nicht schriftlich verkleinert hätte, auf der andern Seite aber seine gelehrten Anhänger in Liegnitz84 behutsamer in ihren Predigten und Schriften gewesen wären, sich nicht von den Wiedertäufern einnehmen laßen und allerley schwärmerische Dinge angegeben hätten. Denn da diese sogar Taufe und Abendmahl abschaften, so wurde die zuerst und an sich selbst gute Sache des Schwenckfeld dem Herzog verdächtig gemacht 72 73 74 75 76 77 78 79 80 81 82 83 84

Neisse (poln. Nysa). Troppau (tsch. Opava). Teschen (poln. Cieszyn, tsch. Tĕšín). Karl V. (1500–1558), 1520–1555 Kaiser, als Karl I. 1516–1555 König von Spanien. Die Übergabe der Confessio Augustana auf dem Augsburger Reichstag erfolgte am 25. Juni 1530. Vgl. Anm. 68. Valentin Trotzendorf (1490–1556), 1524–1527 und ab 1531 Rektor des herzoglichen Goldberger Gymnasiums. Goldberg (poln. Złotoryja). Brieg (poln. Brzeg). Das Fürstentum Brieg fiel 1521 nach dem Tod Herzog Georgs I. (1481/83–1521) an Friedrich II. (1480–1547), Herzog von Liegnitz. Caspar Schwenckfeld (1489–1561), seit 1511 am Hof Friedrichs II. (1480–1547), Herzogs von Liegnitz, den er für die Reformation gewann. Er musste Schlesien 1529 nach Auseinandersetzungen mit Martin Luther (1483–1546) in der Abendmahlsfrage verlassen. Johannes Bugenhagen (1485–1558), 1523 Pfarrer in Wittenberg, seit 1525 auch Professor der Theologie. Schwenckfeld besuchte Wittenberg im Februar 1522 und Anfang Dezember 1525. Unter den Anhängern Schwenckfelds war Pfarrer Johann Sigismund Werner (um 1491–1554) in Liegnitz aufgrund seiner Schriften, insbesondere eines Katechismus, der bedeutendste.

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und die zänckischen Theologi nöthigten ihn, den Schwenkfeld und deßen Anhängern den Abschied zu geben,* zumal da er beym Könige Ferdinand von Böhmen85 als seinem Lehns-Herrn aus dem Grunde sehr verunglimpft worden war. Und also nahm die Reformation in Schlesien, die sich unter den gewiß gottseligen Fürsten, Marggraf George und Herzoge Friedrich, sehr schön fürs wahre Reich Christi anließ, wie überall den Gang, den die Deputirten der Böhmischen Brüder Luthero voraus gesaget86 und den er selbst hintennach, aber zu spät, gar sehr beklagt hat. Bey dem allen waren die Herzoge von Liegniz und Brieg nicht ganz mit den strengen Wittenbergischen Theologis zufrieden, sondern hielten es mit der gelinden Parthie,87 derer, die die Zänckereyen mit den Zwinglianern88 verabscheueten und zur Vereinigung riethen. Und da der Riß noch ärger wurde, so traten sie 1600 gar auf die reformirte Seite89 und ließen ihre Hofprediger von der Brüder-Unitæt aus Pohlen kommen,90 suchten auch hie und da mehr Grund für die reformirte Liturgie zu gewinnen. [22] § 4. Bey der Reformation in Schlesien ist noch eine Frage zu beherzigen: Wie hat dieselbe unter der Oberherrschaft eines eifrigen päbstischen Herrn sobald und soweit um sich greiffen können? Antwort: Die 4 auf einander folgende Bischöfe von Bresslau, Johann Thurzo,91 Jacob von Salza,92 Balthasar von Promniz93 und Caspar von Logau94 waren dem Evangelio nicht ungeneigt, blieben zwar aus weltlichen Absichten bey ihrer angestammten Verfaßung, legten aber der Reformation nichts in Weg oder ließen sich doch *

Er ging ins Reich und nahm 1561 zu Ulm ein recht erbauliches Ende.

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85 Ferdinand I. (1503–1564), 1526 König von Böhmen, 1531 römischer König, 1558 Kaiser. 86 Die erste Begegnung der Böhmischen Brüder mit Martin Luther (1483–1546) erfolgte in der ersten Hälfte des Mai 1522 durch Jan Roh ( Johannes Horn, um 1490–1547). Bis 1523 besuchten die Brüder fünf Mal Wittenberg und erkannten einen Mangel in der christlichen Lebensführung der Studenten. 87 Die Gruppe der sog. Philippisten, die der humanistisch-ökumenischen Haltung Philipp Melanchthons (1497–1560) folgten, aber in Schlesien als Zwinglianer oder Calvinisten verdächtigt wurden. 88 Die Anhänger Ulrich (Huldrych) Zwinglis (1484–1531) und seines Nachfolgers Heinrich Bullinger (1504–1575) in Zürich. 89 Die Piastenherzöge Johann Christian von Brieg (1591–1639) und Georg Rudolf von Liegnitz (1595–1653) nahmen 1614 bzw. 1616 das reformierte Bekenntnis an. 90 Zu den Hofpredigern in Liegnitz und Brieg, die aus Lissa kamen, zählen Christian Ursinus († 1672, Hofprediger 1654–1668), Nikolaus Gertich (1624–1671, Hofprediger 1656–1671), Johann Dares (1635–1696, Hofprediger 1664–1675) und Georg Dennert († 1704, Hofprediger 1655–1664). 91 Johann V. Thurzo (1466–1520), 1506 Bischof von Breslau. 92 Jakob von Salza (1481–1539), 1520 Bischof von Breslau. 93 Balthasar von Promnitz (1488–1562), 1539 Bischof von Breslau. 94 Kaspar von Logau (1524–1574), 1562 Bischof von Breslau.

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bald die widrigen Einstreuungen der Feinde benehmen. Der König Ferdinand mußte den mächtigen Fürsten von Liegniz und Brieg, Münsterberg und Oels und der damals freyen und reichen Stadt Bresslau und anderer Städte, von denen er ansehnliche Gelder und Hülfs-Völcker zum Türcken-Krieg95 erhielt, sehr durch die Finger sehen. Er ließ zwar 1527 einen scharfen Befehl gegen die neue Lehre publiciren,96 wurde aber durch die Apologien des Herzogs von Liegniz97 und der Stadt Bresslau bald wieder besänftigt und faßte einen beßern Begrif von den Evangelischen, als er zu Augspurg die Confession98 mit anhörte und das Bezeugen der Evangelischen Fürsten sahe. Zwar wurde er gegen seine Schlesische Vasallen sehr aufgebracht, da sie ihm im Schmalcaldischen Kriege gegen die Evangelischen Deutschen Fürsten nicht geholfen hatten,99 durfte aber nicht so hart mit ihnen verfahren als mit seinen Böhmischen Städten und Vasallen, denen er ihre Freyheiten und einigen das Leben nahm, wie er den sonderlich viel Böhmische Brüder aus dem Lande trieb.100 Er ließ sich durch der Schlesier Vorstellungen desto leichter besänftigen, da er ihrer Hülfe sonst nöthig hatte. Durch die bekannten Religions-Verträge bekamen die Schlesier, die ohnedem mit dem Churfürsten von Sachsen in gutem Vernehmen stunden,101 immer mehr Luft, und sie behielten ihre freye Religions-Uebung, bis die Jesuiten aufkamen, die ums Jahr 1600 die Schlüße des Tridentinischen Concilii102 auch in Schlesien zu bewerckstelligen suchten103 und [23] sonderlich in Ober-Schlesien anfingen, den Evangelischen ihre Kirchen wegzunehmen. Diesem Uebel vorzukommen, machten die Schlesier gemeinschaftliche Sache mit den Evangelischen, Calixtinern und Böhmischen Brüdern in Böhmen und Mæhren wie auch in der Ober-Lausiz und suchten beym Kayser Rudolph II.104 Schuz, der ihnen auch denselben nicht versagte, theils weil 195 Zwischen 1541 und 1547 gab es immer wieder aufflammende Kampfhandlungen zwischen dem Habsburgerreich und dem Osmanischen Reich. 196 ������������������������������������������������������������������������������������������ Ferdinand I. (1503–1564) erließ am 28. Juni und am 20. August 1527 Mandate gegen die evangelische Bewegung. Infolgedessen wurde Georg Reichel, Prediger in Striegau, hingerichtet. Noch schärfer war das Mandat vom 1. August 1528. 197 Friedrich II. (1480–1547), 1499 Herzog von Liegnitz und Brieg. 198 Die Confessio Augustana. 199 Der Schmalkaldische Krieg (1546/47): der Kampf Karls V. (1500–1558) gegen zahlreiche im Schmalkaldischen Bund vereinte protestantische Reichsfürsten, der mit dem geharnischten Reichstag in Augsburg und dem Interim 1547 endete. 100 Das Jakobsmandat von 1508 wurde erneuert, die Adeligen Arnošt Krajíř von Krajek († 1555) und Bohuš Kostka von Postupitz († 1505) und andere erlitten erheblichen Besitzverlust, brüderische Prediger wie Jan Augusta (um 1500–1572) wurden lange inhaftiert (1548–1564). Ein Edikt von Pfingsten 1548 stellte den Predigern, die ihren Glauben nicht widerriefen, die Auswanderung anheim, woraufhin rund 800 Böhmische Brüder nach Polen auswanderten. 101 Cranz bezieht sich hier wahrscheinlich auf den Passauer Vertrag, der im Jahr 1552 zwischen Ferdinand I. (1503–1564) und den protestantischen Reichsfürsten unter der Führung von Moritz (1521–1553), Kurfürst von Sachsen, geschlossen wurde. 102 Das Tridentinische Konzil (1545–1563). 103 Die Jesuitenpatres gründeten ihre erste Niederlassung in Breslau 1581, in Neisse 1608; das erste schlesische Jesuitenkolleg wurde 1623 in Neisse errichtet, Breslau folgte 1638. 104 Rudolph II. (1552–1612), 1576–1611 König von Böhmen, 1576–1612 Kaiser.

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Geschichte der Evangelischen Brüder-Gemeinen in Schlesien

sie ihm im Türcken-Krieg treulich geholfen und theils weil sie versprochen, ihm gegen seinen Bruder, den Ungarischen König Matthias,105 welcher ihn noch bey seinen Lebzeiten ihm seine Länder abzutreten nöthigen wolte, beyzustehen. Sie stifteten mit des Kaysers Bewilligung zu Prag unterm 25. Junii 1609 eine Union oder Confoederation zur Defension gegen alle, die sie in ihrer Religions-Uebung stöhren würden, und erhielten die bekannten Majestæts-Briefe,106 für die Böhmen den 3. Julii, für die Lausitzer den 11. Julii und für die Schlesier den 28. Augusti 1609107.* Ob nun gleich der Erz-Herzog Carl von Oesterreich als Bischof von Breslau108 dagegen protestirte und sich und dem Hause Oesterreich vorbehielt, ohnerachtet dieses Religions Privilegii, das er als erschlichen angab, zu seiner Zeit die päbstliche Rechte zu handhaben, so kehrten sich doch die Confoederirten Stände daran nicht, suchten ihre erlangten Rechte geltend zu machen, denen zu [24] Folge in Schlesien die vorher schon errichteten Evangelischen Consistoria in Liegnitz, Brieg und Oels noch beßer regulirt wurden, und blieben, auch da Kayser Matthias diese Länder erbte, bis 1616 ziemlich in Ruhe. § 5. In diesem Jahr sezte Matthias seinen Vetter Ferdinand109 zum Erben ein. Weil nun die Evangelischen erfahren, daß er sich durch ein Gelübde zu Loretto110 verbunden, die Protestantische Religion auszutilgen, womit er auch schon in Oesterreich, das damals voller Protestanten war, den Anfang gemacht, so wolten sie ihn nicht eher zum König annehmen, als bis er (am 9ten Januarii 1617) versprochen, daß er 4 Wochen nach Matthiæ Tode ihre Freyheiten und sonderlich den Majestäts-Brief beschwören wolte, welches er zu halten hernach sich nicht verbunden achtete. Denn ehe noch Matthias starb, wurden die Böhmen auf verschiedene Weise bedrückt. Man suchte sie mit List und Gewalt zur Catholischen Religion zu bringen und wolte ihnen nicht erlauben, neue Kirchen zu bauen. Sie beschwerten sich in Wien, wurden aber nicht gehört. Die Defensores oder die Häupter der Böhmischen, Mæhrischen und Schlesischen Union beruften die Stände nach Prag und berathschlagten, was zu thun sey. Sie wolten den Kayserlichen Räthen Vorstellung thun, und schickten den 23. May 1618 eine Deputa*

Die Reformirten in Schlesien haben hernach von dem erwehlten Böhmischen Könige Friedrich V. untern 5. Martii 1620 einen besondern Majestäts-Brief erhalten.

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105 Matthias (1557–1619), 1608 König von Ungarn, 1611 König von Böhmen, 1612 Kaiser. 106 Der Majestätsbrief garantierte den Protestanten die Religionsfreiheit und die Einrichtung von Konsistorien sowie die Kommunion unter einer- oder beiderlei Gestalt. Abgedruckt bei Hensel, Johann Adam: Protestantische Kirchen-Geschichte der Gemeinen in Schlesien nach allen Fürstenthümern, vornehmsten Städten und Oertern dieses Landes […]. Leipzig/Liegnitz 1768, 219–224. 107 Der böhmische Majestätsbrief wurde am 9. Juli 1609, der schlesische am 20. August ausgestellt. 108 Erzherzog Karl (1590–1624), 1608 Bischof von Breslau. 109 Ferdinand II. (1578–1637), 1617 König von Böhmen, 1619 Kaiser. 110 Loreto in den italienischen Marken, einer der bedeutendsten Marienwallfahrtsorte.

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tion aufs Rathhauß. Die mehresten Kayserlichen Räthe begegneten ihnen gütig, ihrer 3 aber brauchten ungebührliche Ausdrücke. Darüber entrüstet krigten die Deputirten dieselben zu packen und schmißen sie zun Fenstern heraus.111 Ein Glück für sie wars, daß sie auf einen Misthaufen im Schloß-Graben fielen und alle mit dem Leben davon kamen. In diesen Unruhen starb Kayser Matthias. Die Evangelischen Böhmen, Maehren, Schlesier und Ober-Oesterreicher konnten sich von seinem Nachfolger, dem Kayser Ferdinand II., nichts guts versprechen und erwehlten [25] den 23. Augusti 1619 den Churfürst Friedrich von der Pfalz112 zu ihrem Könige, und ließen ihn den 4.b Novembris zu Prag crönen. Alles rüstete sich zum Krieg und die Schlesier mit.d Am 7. Novembris 1620113 kams auf dem Weißenberg bey Prag zur Schlacht. Friedrich wurde gänzlich geschlagen und flohe mit 2.000 Engländern über Glaz114 und Bresslau nach Berlin. Prag wurde erobert, die Böhmen ergaben sich und die Flüchtlinge kamen auf verheißenen Pardon zurück, wurden aber in Verhaft genommen und den 21. Junii 1621 29 der vornehmsten Herren hingerichtet.115 Die Prediger wurden verjagt, die Kirchen verschloßen und mit Catholischen Pfaffen besezt, und 1627 am Tage Ignatii Lojolæ116 wurde ein Kayserlicher Befehl, daß alles Catholisch werden sollte,117 bekannt gemacht und hernach durch eine Reformations-Commission in 6 Wochen exequirt. § 6. Nachdem man in Böhmen und Mæhren soweit fertig zu seyn glaubte und in dem mit den Böhmischen Unruhen ausgebrochenen 30jährigen Deutschen-Kriege118 die Kayserlichen Truppen die Oberhand hatten, kam die Reihe auch an die Schlesier. Durch

b d

für gestrichen: 5. folgt gestrichen: Diese traten aber bald von der Confoederation ab und blieben neutral.

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111 Der sog. Zweite Prager Fenstersturz am 23. Mai 1618. 112 Friedrich V. (1596–1632), 1610–1621 Kurfürst von der Pfalz, 1619/20 als Friedrich I. König von Böhmen. 1619 wurde er von den protestantischen Ständen zum König von Böhmen gewählt. Nach der Niederlage in der Schlacht am Weißen Berg 1620 wurde er 1621 geächtet und verlor die Kurwürde. 113 De facto fand die Schlacht am 8. November 1620 statt. 114 Glatz (poln. Kłodzko). 115 Das sog. Prager Blutgericht, durch das 27 Todesurteile an führenden Vertretern der Ständerevolte vollstreckt wurden. 116 Ignatius von Loyola (1491–1556), Gründer des Jesuitenordens. Der Gedächtnistag ist der 31. Juli, sein Todestag. 117 Ferdinand II. (1578–1637) erließ nach seinem Sieg 1620 eine Vielzahl von Religionsedikten: Reformierte Geistliche wurden bereits 1621 aus Böhmen ausgewiesen, 1622 sodann die lutherischen. Am 31. Juli 1628 folgte der sog. Reformationspakt; mit ihm wurden alle protestantischen Einwohner des Königreichs aufgefordert, zum Katholizismus zu konvertieren oder das Land zu verlassen. 118 Der Dreißigjährige Krieg, 1618–1648.

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Geschichte der Evangelischen Brüder-Gemeinen in Schlesien

eine Kayserliche Commission, von dem Lichtensteinischen Dragoner-Regiment119 unterstützt, wurden 1628 und 29 in ganz Ober-Schlesien wie auch in den Städten von Niederschlesien die Kirchen weggenommen, die Prediger mitten im Winter verjagt und die Bürgerschaft durch die militarische Execution gezwungen, einen Revers zu stellen, daß sie freywillig Catholisch worden. So verfuhr man in den Erbfürstenthümern als Schweidniz,120 Jauer121 etc. Die Fürstenthümer Liegniz, Brieg und Wolau,122 die noch unter einem Evangelischen Herrn stunden,123 desgleichen das Fürstenthum Oels wie auch [26] die Stadt Bresslau und die freyen Herschaften Militsch124 und Trachenberg125 behielten ihre Kirchen noch für die Zeit. Indeßen nahm sich der Churfürst von Sachsen126 der bedrängten Schlesier an, und da König Gustav Adolph127 aus Schweden den Protestanten in Deutschland zu Hülfe kam, so hatten des Churfürsten Vorstellungen so viel Gewicht, daß 1632 die aus den Fürstenthümern Schweidniz und Jauer verjagten Prediger gröstentheils restituirt wurden. Allein, sobald sich das Glück wieder auf die Kayserliche Seite wendete und der Churfürst von Sachsen 1635 zu Prag Frieden mit Osterreich machte,128 wofür er die Ober-Lausiz bekam, so wurde zwar den Evangelischen Fürstenthümern Liegniz, Brieg, Wolau, Oels und der Stadt Bresslau die Religions Freyheit zugestanden, die Erbfürstenthümer aber, wie es im Frieden hieß, der Gnade des Kaysers überlaßen, und dieselbe äußerte sich darinnen, daß im Winter alle Prediger von neuem fortmußten. Unter diesen Unruhen, da bald die Kayserlichen, bald die Schweden die Oberhand hatten und von beyden Theilen gesengt und gebrannt wurde, starb Ferdinand II. und 1637 succedirte ihm Ferdinand III.,129 welcher 1648 mit Schweden und den übrigen Evangelischen deutschen Fürsten den bekannten Westphälischen Frieden einging. In demselben drangen zwar die Schwedischen und übrigen Evangelischen Gesandten auf eine völlige Religions Freyheit wie überall, also auch in allen Kayserlichen Erblanden, wie es vor den Unruhen von 1618 gewesen, konten aber dieselbe nur für die öfter gedachten Evangelischen Fürsten zu Ligniz, Brieg, Wolau, Münsterberg, Oels und die Stadt Bresslau erhalten und mußten die übrigen Länder abermals der Gnade des Kaysers überlaßen. Und damit sie nur desto eher Frieden und die Länder, die sie gern haben wolten, erhalten möchten, so

119 120 121 122 123 124 125 126 127 128 129

Benannt nach dem Regimentsinhaber Fürst Maximilian von Liechtenstein (1578–1643). Schweidnitz (poln. Świdnica). Jauer (poln. Jawor). Wohlau (poln. Wołów). Sie standen unter der Herrschaft der piastischen Herzöge. Militsch (poln. Milicz). Trachenberg (poln. Žmigród). Johann Georg I. (1585–1656), 1611 Kurfürst von Sachsen. Gustav II. Adolph (1594–1632), 1611 König von Schweden. Der Prager Frieden vom 30. Mai 1635. Ferdinand III. (1608–1657), 1625–1647 König von Ungarn, 1627–1646 König von Böhmen, 1637 Kaiser.

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waren sie zufrieden, daß der Kayser den Evangelischen nach dem 13ten [27] Artickel130 des Westphälischen Friedens erlaubte, in den Vorstädten von Schweidniz, Jauer und Glogau131 eine Gnaden-Kirche zu bauen. § 7. Im Westphälischen Frieden war den deutschen Fürsten das Ius reformandi132 zugestanden worden. Vermöge deßelben fing nun auch der Kayser an, in seinen Erblanden zu reformiren und nahm, wie vorher in den Städten, also auch (der erstgedachten Evangelischen Fürsten Lande ausgenommen) im 1653ten und folgenden Jahren in allen Dörfern seiner Erbfürstenthümer die Kirchen und Schulen weg. Die Prediger mußten sogleich aus dem Dorf und Fürstenthum weichen und wurden zum Theil nach und nach von den Evangelischen Fürsten in ihren vacant gewordenen Pfarreyen angebracht. Viele verbargen sich in den Wäldern und Klüften und hielten daselbst ihren verlaßenen Schaafen Predigten, Taufe und Abendmahl, welches auch von Studiosis geschahe, aber von theologischen Facultaeten nicht approbirt wurde.133 Es wurde zwar niemand, so wie vorher, mit Gewalt zur Catholischen Religion gezwungen, man brauchte aber andere Mittel, sie dahin zu bringen. Diee lutherischen Prediger der benachbarten Fürstenthümer durften die Krancken in den beraubten Gemeinen nicht besuchen und ihnen das Abendmahl reichen. Die Leute mußten in den Chatholischen Kirchen ihres Orts taufen und sich trauen laßen, und wenn sie ihre Kinder und Krancken zu den Gnadenkirchen oder zu den Evangelisch gebliebenen Kirchen fahren wolten, so gestattete man es nicht aus dem Grunde, daß es ihrer Gesundheit schädlich sey. Man wolte keine Evangelische Paten und Vormünder gelten laßen. Ein jeder Hauß-Vater konnte zwar in seinem Hause beten, singen und lesen, durfte aber keinen Nachbarn dazu laßen. Aus dem Lande zu ziehen war ihnen verboten. Wenn sie sich bey den Regierungen beschwerten [28] oder die Evangelischen Fürsten außer Landes für sie beym Kayserlichen Hofe intercedirten, so bekamen sie zwar Versicherungen der Religions-Freyheit, damit sie nur nicht aus dem Lande flüchten möchten, es wurde aber von den Regierungen, die geheime Instructiones hatten, nichts gehalten. Nur in den Fürstenthümern Schweidniz und Jauer wurden vom 8. Decembris 1653 bis 29. Aprilis 1654 durch die Kayserliche Commissarien, von Dragonern unterstützt, 254 Dorf Kirchen weggenommen und die Prediger sogleich vertrieben. Die Evangelischen Kirchen-Patroni behielten zwar das Ius patronatus, durften aber keine andre als Catholische Geistliche vociren. Wo die Dörfer e

folgt gestrichen: Kinder.

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130 Die Bestimmungen zu den drei schlesischen Friedenskirchen finden sich in Artikel V des Instrumentum Pacis Osnabrugensis. 131 Glogau (poln. Głogów). 132 Seit dem Augsburger Religionsfrieden 1555 das Recht des Landesherrn, die Religion seiner Untertanen gemäß seiner eigenen Konfession zu bestimmen. 133 Sie wurden als sog. Buschprediger bezeichnet.

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Geschichte der Evangelischen Brüder-Gemeinen in Schlesien

in dem 30jährigen Kriege verwüstet, verlaßen oder in der Hungers-Noth und Pest ausgestorben waren, wie denn in manchen Dörfern von 100 Stellen kaum noch 5 Häuser bewohnt waren, da wurden etliche Dörfer zu einer Kirche geschlagen. In dem Commissions-Bericht134 finde ich, daß die Kirche in Ober-Peyle,135 welches damals einem Siegmund von Pogarell136 gehörte und fast ganz verwüstet und ausgestorben war, den 20. Martii 1654 eingezogen worden, daß Mittel-Peyle137 einem Joachim Friedrich von Seidliz138 und einem von Glaz139 gehöret, daß die Kirche zu Habendorf140 der Wittwe von Bock141 gehörig, 1585 von den Evangelischen erbauet und zuerst von dem Praedicanten zu Rossenbach142 mit versehen, hernach einen eigenen Prædicanten, wie man die Lutherischen Pfarrer nannte, bekommen und von der Commission zu der Kirche in Rossenbach im Frankensteinischen, die schon vorher den Evangelischenf weggenommen war, geschlagen worden. Nota. Die Kirche zu Rossenbach mußte nach der Altranstädtischen Convention143 als zu dem im Westphälischen Frieden privilegirten Fürstenthum Münsterberg gehörig restituiret werden, die Kirche zu Habendorf [29] aber, welches im Fürstenthum Schweidniz liegt, blieb in der Catholischen Händen und wurde ein Filial von Weigelsdorf.144 § 8. So ging es nach dem Westphälischen Frieden in den Erbfürstenthümern, die schon vorhin dem Kayser unmittelbar gehörten. Die mittelbaren Fürstenthümer, die noch ihre eigene Evangelische Fürsten hatten, behielten zur Zeit noch ihre Religions-Freyheit.

f

von Cranz eingefügt für gestrichen: Catholischen.

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134 Abgedruckt in Hensel, Johann Adam: Protestantische Kirchen-Geschichte der Gemeinen in Schlesien nach allen Fürstenthümern, vornehmsten Städten und Oertern dieses Landes […]. Leipzig/Liegnitz 1768, 416–458, hier 447. 135 Ober Peilau (poln. Piława Górna). 136 Siegmund von Pogarell d. Ä. († 1633). Johann Adam Hensel (1689–1778) berichtet, dass Ober Peilau an Pogarells Erben übergegangen ist, nachdem dieser 1633, wie beinahe die gesamte Einwohnerschaft des Orts, an der Pest verstorben war. Vgl. Hensel, Johann Adam: Protestantische Kirchen-Geschichte der Gemeinen in Schlesien nach allen Fürstenthümern, vornehmsten Städten und Oertern dieses Landes […]. Leipzig/Liegnitz 1768, 447. 137 Mittel Peilau (poln. Piława Górna). 138 Joachim Friedrich von Seidlitz (1616–1690). 139 Konnte nicht nachgewiesen werden. Hensel, Johann Adam: Protestantische Kirchen-Geschichte der Gemeinen in Schlesien nach allen Fürstenthümern, vornehmsten Städten und Oertern dieses Landes [...]. Leipzig/Liegnitz 1768, 447, nennt einen „Herrn von Satz“. 140 Habendorf (poln. Owiesno). 141 Hedwig von Bock. 142 Rosenbach (poln. Różana). 143 Vgl. § 9. 144 Weigelsdorf (poln. Wigancice) im Kreis Frankenstein.

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Als aber den 21. Novembris 1675 der lezte Piast, George Wilhelm,145 Herzog zu Liegniz, Brieg und Wolau mit Tode abging und deßen Lande, ohnerachtet einer alten ErbVerbrüderung,146 nicht an das Churhauß Brandenburg fielen, sondern von Oesterreich in Besiz genommen wurden, so kam die Reyhe auch an dieselben. Die Schloß-Kirche zu Liegniz wurde den Reformirten (denn die Herzoge waren seit 1600 dieser Religion zugethan) weggenommen und den Catholischen gegeben, und die Reformirten mußten aus dem Lande gehen. Die Cammergüter, und deren waren viele, wurden ­sogleich mit Catholischen Geistlichen besetzt. Die krancken Pfarrer auf den Rittergütern durften keine Gehülfen und die alten keine Substituten annehmen, und wenn ein alter Pfarrer gestorben, so wurde die Stelle lange oder gar nicht wieder besezt, um die Leute nach und nach zur Catholischen Religion zu gewöhnen und endlich zu nöthigen. Man machte Schwürigkeiten, Evangelische Vormünder gelten zu laßen, und vielen wurden unter allerley Vorwand die Mündel weggenommen und den Catholischen zur Erziehung gegeben. In Ansehung der Taufen und des Abendmahls ging es hier nicht viel beßer als in den Erbfürstenthümern, wie im vorigen § gemeldet worden. Diese Noth bewog gar viele Leute, ihre Erbauung in den Grenz-Kirchen der Oberlausiz zu suchen, welche daher vergrößert und [30] neugebaut wurden. Pfarrer und Herrschaften befanden sich sehr wohl dabey und suchten die Schlesier auf alle Weise an sich zu ziehen. Die Stadt Greiffenberg,147 die schon 1654 ihre Kirche verloren und sich nach Friedersdorf148 gehalten, wo sie nicht Platz hatte, baute 1669 mit Bewilligung des Churfürsten Johann George III.149 eine eigene große Kirche zu Nieder-Wiese,150 die von der Bürgerschaft erhalten und besezt und von vielen 1.000 Schlesiern besucht wurde, wie sie denn 18.000 Stände hat, die oft nicht hinreichten, die Menge zu faßen. Der in unsrer Geschichte wohl bekannte Magister Schwedler151 (siehe Brüder Historie, S. 117, 143)152 wurde 1699 an derselben bestellt und hatte so viele begierige Zuhörer, daß er von früh 5 Uhr bis spät Abends denselben in verschiedenen Abtheilungen predigen mußte und alle Tage 3 mal, früh, Mittags und Abends, Betstunden hielt, wozu auch sonderlich an den Abenden vor den Sonn- und Feyertagen von den viel 1.000 aus Schlesien bis hinter Hirschberg153 her 145 Georg Wilhelm (1660–1675), 1672 Herzog von Liegnitz, Brieg und Wohlau. 146 Die Erbverbrüderung Friedrichs II. (1480–1547), Herzogs von Liegnitz und Brieg, mit Joachim II. (1505–1571), Kurfürst von Brandenburg, im Jahr 1537 und die Doppelheirat ihrer Kinder. 147 Greiffenberg (poln. Gryfów Śląski). 148 Friedersdorf (poln. Biedrzychowice). 149 Johann Georg III. (1647–1691), 1680 Kurfürst von Sachsen. 150 Nieder Wiesa (poln. Wieża). 151 Johann Christoph Schwedler (1672–1730), 1698 Diakon, sodann 1701 Pfarrer in Nieder ­Wiesa. 152 Cranz, David: Alte und Neue Brüder-Historie oder kurz gefaßte Geschichte der Evangelischen Brüder-Unität in den ältern Zeiten und insonderheit in dem gegenwärtigen Jahrhundert. Barby 2 1772 [11771], 117, 143. 153 Hirschberg (poln. Jelenia Góra).

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herzueilenden Schlesiern viele gerührte Leute kamen.* Weil aber durch die Wallfahrten so vieler 1.000 Menschen nach Sachsen das Geld aus dem Lande ging und viele Waaren mit herüber geholt wurden, so wolte man durch Landesherrliche Befehle Einhalt thun. Darüber verkauften viele Leute in der Stille ihre Güter und zogen ins Sæchsische oder Brandenburgische. § 9. In diesem beschrängten Zustand befanden sich die Evangelischen in Schlesien und hatten einen gänzlichen Religions-Umsturz zu befürchten [31], als der König von Schweden, Carl XII., mit seiner siegreichen Armee durch Polen bis Rawitsch154 an der Schlesischen Grenze vordrang.155 Die Officiers, die oft über die Grenze und bis Bresslau kamen, hörten und brachten die Beschwerungen der Schlesier vor ihren Herrn, und er hörte und sahe noch mehr, als er mit der Armee im Sommer 1706 durch Schlesien in Sachsen einrückte. Da nun am 24. Octobris 1706156 im Lager bey Altranstædt ohnweit Leipzig der Friede zwischen ihm und dem König Augustus,157 vermöge welchem dieser die Crone an Stanislaus Leszinsky158 abtreten mußte, durch Vermittelung des Kaysers Joseph I.159 zu stande kam, so verlangte Schweden als Garant des Westphälischen Frieden, daß in Schlesien alles wieder auf den Fuß, wie es beym Westphälischen Frieden gewesen, hergestellt werden solte. Um dieser Forderung Nachdruck zu geben, rückte die Armee in Schlesien ein. Die Schwedischen Waffen hatten alles, und so gar Rom mit Furcht erfüllt, und man war froh, daß der König nur nicht verlangte, daß sie auch lutherisch werden müßten. Es wurde also am 3. Septembris 1707160 die bekannte Altranstaedtische Convention geschloßen, nach welcher der Kayser in 6 Monaten alles zu erfüllen versprach, worüber der Schwedische bevollmächtigte Minister Baron von Strahlenheim161 nach Abzug der Schwedischen Armee (denn diese sezte sogleich ihren

*

Er hat auch ein Waysen oder Schulhauß und ein Wittwenhauß für der Prediger und andre fromme Wittwen gebauet.

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154 Rawitsch (poln. Rawicz). 155 Karl XII. (1682–1718), 1697 König von Schweden. Im Rahmen der Kampfhandlungen des Zweiten (Großen) Nordischen Kriegs marschierte die schwedische Armee in Schlesien ein. 156 Der Friede wurde am 24. September 1706 geschlossen. 157 Friedrich August I., „der Starke“ (1670–1733), 1694 Kurfürst von Sachsen, 1697 als August II. König von Polen und Großfürst von Litauen. 158 Stanisłav I. Leszcziński (1677–1766), 1704–1709 und 1733–1735 König von Polen, 1735 Herzog von Lothringen. 159 Joseph I. (1678–1711), 1690 deutscher König, 1705 Kaiser sowie König von Böhmen und Ungarn. 160 Die Konvention wurde am 1. September 1707 unterzeichnet; am 8. Februar 1709 folgte ein Vertrag, der die Ausführung der Konvention regelte („Breslauer Executionsrezess“). 161 Henning Freiherr von Stralenheim (geboren als Henning Vieth, 1665–1731).

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Marsch nach der Ukraine fort) mit dem Kayserlichen Minister laut dem Westphälischen-Frieden übereinkommen würde. In der Convention wurde versprochen, (1) alle seit dem Westphälischen Frieden in den Fürstenthümern Liegniz, Brieg, Wolau, Münsterberg, Oels und dem Bressla[u]ischen Stadt-Gebiet weggenommene Kirchen und Schulen wieder herzugeben. (2) Die 3 Gnaden-Kirchen162 solten soviele Pfarrer und Schullehrer bestellen, als sie nöthig [32] fänden, auch ihr eigenes Geläute haben. (3)  Wenn die unter den Catholischen Parochien wohnhaften Lutheraner die Jura Stolæ163 bezahlten (darüber eine billige Taxa festgesezt werden solte), so könten sie die Actus ministeriales164 von lutherischen Predigern verrichten laßen. (4) Die unter lutherischen Parochiis wohnende Catholicken solten den lutherischen Predigern eben dieselbe Taxa geben. (5) Den Kindern der Evangelischen solte man keine Catholische Paten und Vormünder aufdringen. (6) Die Evangelischen Consistoria zu Liegniz, Brieg und Oels solten wieder hergestellt werden. (7) Die Lutheraner solten nicht von öffentlichen Ehren-Aemtern ausgeschloßen seyn und dergleichen. Der Schwedische Minister forderte mehr als in der Convention versprochen worden und wolte zuerst alles wieder in den Stand gesetzt haben, wie es zur Zeit des Westphälischen Friedens gewesen. Folglich hätten die Menge Kirchen, die erst nach dem Frieden, sonderlich im Schweidnitzischen und Jauerschen eingezogen worden, zurück gegeben werden müßen. Weil aber in der Convention nur die damaligen mediaten Fürstenthümer genannt worden und also für die Erbfürstenthümer nichts erhalten werden konnte, so drang er doch bey der viel größern Anzahl der Evangelischen gegen die Catholicken auf die Einräumung etlicher Kirchen in jedem Fürstenthum und Weichbild, konnte aber nichts als das Versprechen erhalten, daß der Kayser außer den alten 3 Gnadenkirchen165 zu Schweidniz, Jauer und Glogau noch 6 zu bauen erlauben wolte, nemlich (1) zu Sagan,166 (2) zu Freystadt167 für das Fürstenthum Glogau, (3) zu Landshut168 für das Fürstenthum Schweidniz, [33] (4) zu Hirschberg fürs Fürstenthum Jauer, (5) zu Militsch und (6) zu Teschen für ganz Ober-Schlesien. Dieses und noch einige weniger bedeutende Freyheiten wurden durch einen Kayserlichen Executions-Recess vom 8. Februarii 1709 getreulich in Stand gesezt und dem zu folge 117 Kirchen in den obbenannten Fürstenthümern den Evangelischen wieder gegeben, auch nach Erlegung einer ansehnlichen Summe (wie den[n] Hirschberg 50.000 Gulden für die Freyheit, eine Gnaden-Kirche zu bauen, zahlte) den Evangelischen an den erstgedachten Orten der Plaz zur Gnadenkirche unter vielen Feyerlichkeiten und Frohlocken abgesteckt, welches zu Hirschberg den 22. Aprilis 1709 durch den 162 Gemeint sind die im Westfälischen Frieden zugestandenen Friedenskirchen zu Schweidnitz, Jauer und Glogau, nicht die weiter unten im Paragraphen erwähnten Gnadenkirchen. 163 Stolgebühren. 164 Geistliche Amtshandlungen. 165 De facto Friedenskirchen. 166 Sagan (poln. Żagań). 167 Freystadt (poln. Kożuchów). 168 Landeshut (poln. Kamienna Góra).

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Geschichte der Evangelischen Brüder-Gemeinen in Schlesien

Lands-Hauptman Grafen von Zinzendorf169 und zu der Jesus-Kirche zu Teschen den 24. May geschehen und bey jeder 4 Prediger bestellt worden. Die Reformirten suchten auch durch den Hollaendischen, Englischen und Preussischen Gesandten ihre Freyheit wieder zu erhalten, konnten aber nichts ausrichten. Es hat zwar nach der bekannten Niederlage des Königs von Schweden zu Pultawa170 und besonders nach deßen 1717171 erfolgten Tode nicht an neuen Bedrückungen gefehlt. Nachdem aber die Klagen der Evangelischen nach vielen Hindernißen dem Kayser Carl VI.172 zu Ohren gekommen, so ist durch einen Kayserlichen Befehl vom 5. Aprilis 1719 den Catholischen Pfarrern geboten worden, den Evangelischen die Erlaubniß-Zettel zu den Ministerial-Handlungen gegen Erlegung der Taxa nicht zu verweigern, und jedermann erlaubt worden, den Haus-Gottesdienst für sich und sein Gesinde zu halten, die Kinder in auswärtige Schulen zu schicken oder ihnen Haußlehrer zu halten, ihre Krancke in den catholischen Parochien zu besuchen und mit dem Abendmahl zu versehen und die Todten feyerlich nach ihrer eigenen Liturgie [34] auf den catholischen Kirchhöfen zu begraben. § 10. Bey der § 7 und 8 beschriebenen Anfechtung lernten die Schlesier mehr aufs Wort mercken, und die Theurung des Evangelii reizte den Hunger nach demselben. Unter den Grenz-Predigern waren wol wenige redliche Hirten, denen es mehr um das Heil der Seelen als um den Gewinst von vielen Zuhörern und Beichtkindern zu thun war, daher man auch wenig von einer wahren Herzens-Erweckung und bleibenden Segen unter den vielen 1.000 Zuhörern weiß. Es gab nur einen Schwedler, und gleichwol sind von den vielen tausenden, die sich bey diesem brennenden und scheinenden Licht gewärmet, wenige zu dem wahrhaftigen Licht gekommen oder doch, nachdem er selbst 1730 erloschen, beklieben.173 Mehr wäre von den Predigern, die ums Ende des 17ten Jahrhunderts von Leipzig und Halle kamen174 und der sogenannten Pietisten Schüler waren, zu erwarten gewesen. Es zeigte sich auch hie und da einiger Nutzen. Allein das wolten die c­atholischen, vermuthlich auf Anstiften der irdisch gesinnten lutherischen Lehrer, nicht leiden, unter dem Vorwand, daß der Pietismus der Augspurgischen-Confession zu wider sey; und die mehresten Herrschaften hatten um so mehr Ursach, sich dem sogenannten Unfug der 169 ���������������������������������������������������������������������������������������� Franz Ludwig Reichsgraf von Zinzendorf und Pottendorf (1661–1742), 1706 kaiserlicher Gesandter am schwedischen Hof, 1717 General in Mähren und Kommandant der Festung Spielberg, 1724 Feldmarschallleutnant. 170 Karl XII. (1682–1718) verlor die Schlacht von Poltawa 1709 im Zweiten Nordischen Krieg gegen Russland, die eine Wende seiner Kriegszüge bedeutete. 171 Karl XII. ist 1718 im Kampf gefallen. 172 Karl VI. (1685–1740), 1711 Kaiser sowie König von Böhmen und Ungarn. 173 = geblieben. 174 Vgl. die Liste der pietistischen Prediger in Schlesien bei Meyer, Dietrich: Der Einfluß des hallischen Pietismus auf Schlesien. In: Wallmann, Johannes/Sträter, Udo (Hg.): Halle und Osteuropa. Zur europäischen Ausstrahlung des hallischen Pietismus. Halle/Tübingen 1998 (Hallesche Forschungen 1), 211–241, hier 216–218.

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Pietisten175 zu widersetzen, weil ihre Brau- und Brantwein-Urbaria vieles darunter litten. Ein gewißer Daniel Schneider,176 Haupt-Pastor zu Goldberg im Liegnitzischen, wurde sogar, weil er auf ein inneres thätiges Christenthum drang, mit Spenern die Hofnung beßerer Zeiten177 lehrte und die Schwenkfelder, die fleißig in seine Kirche gingen, mit Sanftmuth und Nachgeben zu gewinnen suchte, das Land zu räumen genöthigt und kam in Lauban wieder ins Amt. Das ist alles, was mir bis zum Ende des vorigen Seculi von Anbrüchen des [35] Reichs Gottes bekannt worden. Denn was auch hie und da ein redlicher Lehrer in seiner Parochie durch Predigten und erweckliche Gebet und Communion-Bücher und mancher gottseliger Kirchen-Patron durch treuliche Bestellung der Schulen und durch Haußbetstunden Gutes stiftete, unter welchen ich sonderlich die Nahmen Schweiniz und Seidliz178 angemerckt, das blieb doch in einen Winckel verborgen und konnte nicht zum Ausbruch des Reichs-Gottes gedeyhen. § 11. Hiezu ließ es sich im Anfang des iztlaufenden Jahrhunderts mehr an. Als die Schwedischen Truppen 1706 und 1707 ihre Winter-Quartiere in Schlesien hatten und an manchen Orten aus Mangel der Kirchen ihren Gottesdienst unter freyem Himmel hielten, kam eine sonderbare Bewegung unter die Kinder von 3 bis 15 Jahren. Sie fingen zuerst im Gebürge an der Böhmischen Grenze an, täglich des Morgens und Abends unter freyem Himmel zusammen zu kommen, machten einen Crais, fielen auf die Knie und sungen ihre bekannten Kirchenlieder, einer aus ihnen betete die Haußgebete vor, den 175 Die Bezeichnung „Unfug der Pietisten“ bezieht sich auf eine ohne Verfassername publizierte Schrift des Leipziger Theologieprofessors Johann Benedict Carpzov (1639–1699). Vgl. [Carpzov, Johann Benedict]: Außführliche Beschreibung des Unfugs, welchen die Pietisten zu Halberstadt im Monat Decembri 1692 ümb die heilige Weyhnachts-Zeit gestifftet. Dabey zugleich von dem pietistischen Wesen in gemein etwas gründlicher gehandelt wird. O. O. 1693. Gegen diese Polemik bezogen Philipp Jacob Spener (1635–1705), Paul Anton (1661–1730) und Johann Winckler (1642–1705) Stellung. Vgl. Spener, Philipp Jacob: Gründliche Beantwortung Einer mit Lästerungen angefüllten Schrifft (unter dem Titul: Außführliche Beschreibung Deß Unfugs der Pietisten m.f.w.). Zu Rettung der Warheit und so seiner als unterschiedlicher anderer Christlicher Freunde Unschuld. Franckfurt am Mayn 1693; Anton, Paul: Ausführlicher Bericht an Johann Georgen, Herzogen zu Sachsen [...] wegen der Pietisten Unfug zu Halberstadt. Jena 1694; Winckler, Johann: Schutz- und Anrede an den Autoren der außführlichen Beschreibung des Unfugs und Wesens der Pietisten. Hamburg 1693. Vgl. ferner Extract Eines Schreibens aus Halle, de dato 23. Maii 1693 von einem Pietisten, welcher in der Moritz-Kirchen daselbst am Sonntag Rogate großen Unfug gestiftet. Halle 1693. 176 Daniel Schneider (1667–1748), 1695–1703 Prediger und Rektor in Goldberg, 1704 Pastor im hessischen Laubach, 1728 Oberpfarrer und Superintendent in Michelstadt im Odenwald. 177 Vgl. Spener, Philipp Jacob: Behauptung der Hoffnung künfftiger besserer Zeiten in Rettung des ins gemein gegen dieselbe unrecht angeführten Spruches Luc XIIX, v. 8. Franckurt am Mayn 1693. 178 ��������������������������������������������������������������������������������������� Cranz meint wohl die Familien des Moritz von Schweinitz (1686–1739), des Joachim Sigismund von Seidlitz (1656–1714) und des Joachim Friedrich von Seidlitz (1659–1726).

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die andern nachbeteten, und sprach zulezt den Segen. Die Bewegung ging von Dorf zu Dorf und zog sich ins platte Land durchs Briegische und Bresslauische bis ins Oelsnische. Sie ließen sich weder durch Versprechungen noch Drohungen und Schläge davon zurückhalten und sagten denen, die sie zur Rede stelleten, sie beteten um die Kirchen. Sperrte man sie ein, so sprangen sie, wenn die Zeit kam, zum Dach herunter und liefen ihren Brüdern aufs Feld nach. Kaum waren sie durch die Flintenstöße und das Schießen der Soldaten auseinander zu bringen. Die Evangelischen wußten nicht, was sie dazu dencken und thun solten. Einige hielten es für einen Geist der Schwärmerey und predigten dagegen [36], andere glaubten, es wäre eine bloße Nachahmung des Gottesdiensts der Schweden.* Dies am besten meinten, wolten sich dieser Bewegung zur Erbauung von Jungen und Alten bedienen, führten die Kinder in die Kirchen und hielten früh und Abendbetstunde in Beyseyn der Alten mit ihnen. Und damit hörte die Bewegung auf. Das von Gott heimgesuchte Schlesien, ein 1728 beym Schul-Examen zu Teschen verfertigtes Gedicht, redet davon also: Gott hat, mein Schlesien, ein Werck in Dir gethan, darein sich die Vernunft noch itzt nicht finden kann. Die Kinder, die man sonst zum Guten pflegt zu zwingen, Sind auch durch Schläge nicht vom Beten abzubringen. Was Schärfe nicht vermag, das soll die Güte thun. Man bietet ihnen Geld, sie können doch nicht ruhn. Man sperrt sie endlich ein, sie springen ganze Gaden, Wenns Betens-Zeit, hinab und nehmen keinen Schaden. Sie hätten nicht sobald zu beten aufgehört, Wenn sie die Obrigkeit nicht mit Gewalt gestört Und gegen sie sogar Soldaten aufgeboten, Die ihnen mit Gewehr und harten Schlägen drohten. Man sage, was man will, und schreib auch noch so viel, Es sey das ganze Werck ein bloßes Kinderspiel: Ich glaube wenigstens, Gott hat die Hand im Spiele, Wer seinen Finger kennt, sieht wohl, wohin er ziele. [37] § 12. Die Folgen dieser Bewegungen unter den Kindern fingen in den Jahren 1710 bis 20 mit sachten an, sich zu äußern. Die Kinder geriethen zwar wieder in den gewöhnlichen Leichtsinn und die Eitelkeiten der Welt; sie erinnerten sich aber (wie viele von den alten Geschwistern in ihren Lebens-Läufen bezeuget) in den folgenden Jahren oft daran und wurden, da in dieser Zeit viele ernstliche Prediger, sonderlich im Briegschen und Oels_______________________________ *

Ich kann mir dieses kaum bereden, weil es nicht auf dem platten Lande, wo eigentlich die Schweden lagen, sondern im Gebürge anfing. Und was war die Veranlaßung, als sie 30 Jahre hernach ebenfals im Gebürge, auf eben die Weise zu beten anfingen? Wie wir weiterhin hören werden.

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nischen, waren, unruhig und um ihre Seeligkeit verlegen. Dirsdorf im Briegschen bekam 1711 den Magister Johann Heinrich Sommer,179 welcher ums Jahr 1700 in Leipzig studiret und schon an 2 Orten Prediger gewesen. Dieser drang (laut seinem eigenhändigen Lebens-Lauf, den er 1728 in seinem Gefängniß ad Acta gegeben180) auf ein thätiges Christenthum. Darüber wurde er andern Predigern verdächtig und die Leute vor ihm gewarnet, aber eben dadurch begierig gemacht, die neue Lehre zu hören, und es währte nicht lange, so hatte er seine Kirche voll bewegter Zuhörer aus dem Reichenbächischen,181 sonderlich von Peile,182 Biele,183 Peterswalde184 und aus dem Gebürge. 1718 kam Johann Adam Steinmez,185 auch ein Leipziger,186 nach Töppliwode,187 durch welchen eine große Bewegung entstanden seyn soll, daß fast kein Hauß ohne Erweckte geblieben. Mit diesem kam Sommer oft zusammen und errichtete mit ihm wie auch mit seinem Schwiegervater Minor188 zu Zilzendorf189 (einem Oncle des Landshutischen Inspectors190) und dem Pfarrer Eckbrecht191 eben daselbst eine PredigerConferenz, die auch noch 1719 fortgewähret. Zu Glaucha192 im Oelsnischen waren Mischke193 und Sauerbrey194 [38] der Gegend zum Segen und bauten 1719 mit Bewilligung des Herzogs von Oels-Bernstadt195 und

179 Johann Heinrich Sommer (1675–1758), 1703 Pfarrer in Bielwiese, 1708 in Dittersbach, 1711– 1728 in Dirsdorf, 1728 abgesetzt und inhaftiert, 1731 Pfarrer in Schortewitz und Cösitz (Anhalt). 180 Konnte nicht nachgewiesen werden. 181 Reichenbach (poln. Dzierżoniów). 182 Peilau (poln. Piława), getrennt in Ober, Mittel und Nieder Peilau (poln. Piława Dolna). 183 Langenbielau (poln. Bielawa). 184 Peterswaldau (poln. Pieszyce). 185 ��������������������������������������������������������������������������������������� Johann Adam Steinmetz (1689–1762), 1717 Pfarrer in Tepliwoda, 1720 in Teschen, 1730 abgesetzt, dann Superintendent in Neustadt an der Aisch, 1732 Abt von Kloster Bergen und Generalsuperintendent des Herzogtums Magdeburg. 186 Steinmetz hatte in Leipzig studiert, war aber gebürtiger Schlesier. 187 Tepliwoda (poln. Ciepłowody). 188 Melchior Minor (1667–1721), 1688 Pfarrer in Zülzendorf, 1708 in Dittmannsdorf, 1719 in Prauß. 189 Zülzendorf (poln. Sulisławice). 190 �������������������������������������������������������������������������������������� Melchior Gottlieb Minor (1693–1748), 1722 Diakon, 1727 Pastor primarius an der Gnadenkirche in Landshut, dort 1742 Inspektor der Kirchen und Schulen. 191 Johann Wilhelm Eckebrecht d. J. († 1744), 1703–1742 Pfarrer in Zülzendorf. 192 Ober Glauche (poln. Gluchów Górny). 193 Johannes Mischke (1679–1734), 1713 Pfarrer in Roben (Vogtland), 1715 in Ober Glauche, Kreis Trebnitz, 1719 Gründung des Waisenhauses, 1726 Schließung durch kaiserliches Reskript, 1727 Pfarrer in Sorau und Leiter der dortigen Waisenanstalten, 1730 Inspektor der deutschen Schule in Halle an der Saale. 194 Johann Andreas Saurbrey (Sauerbrey) d. Ä. (1685–1762), Informator in Halle an der Saale, 1715–1726 Pfarrer in Ober Glauche, 1727 Adjunkt, dann Pfarrer und ab 1745 Hofprediger in Sorau. 195 Karl (1682–1745), Herzog von Württemberg-Bernstadt.

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durch Vorschub des Herrn von Kessel196 daselbst ein Waisenhauß von 2 großen Gebäuden, darinnen 6 Præceptores lehrten. Weil es aber zu groß wurde, indem sehr viele Polen zum Nachtheil der Jesuiter-Schulen darinnen studirten und nicht nur diese, sondern auch die Evangelischen Geistlichen in Bresslau, deren Gymnasia darunter litten, darüber klagten, so wurde es 1726 durch eine Kayserliche Commission aufgehoben, Mischke aus dem Lande geschickt* und der Herr von Kessel zu 1.000 Ducaten Strafe condemnirt, die ihm jedoch hernach erlaßen worden. In Ober-Schlesien muß in dieser Zeit, vieleicht durch die Predigten des 1709 mit der Entstehung der Gnadenkircheg dahin gekommenen Muthmanns,197 auch eine Erweckung gewesen seyn, denn ich finde, daß ums Jahr 1716 etliche Familien im Troppauischen gefänglich eingezogen worden und nach Grossburg,198 einem Brandenburgischen Ort zwischen Strehlen und Bresslau, gezogen sind, von welchen einige hernach zur Gemeine gekommen. Und [39] daß die erste Regung unter den Nachkommen der Böhmischen Brüder in Mæhren 1715 durch einen abgedanckten Soldaten aus OberSchlesien entstanden, ist aus der Brüder Historie, S. 113, bekant.199 § 13. Den eigentlichen Anfang bleibender Erweckungen finde ich in den Jahren 1720–25. Der Studiosus Daniel Gottlob Mædrian,200 den Magister Sommer 1721 zum Hauß-Præcep*

Er kam nach Sorau und von da nach Halle, wo er 1735 als Inspector des Waysenhauses verstorben. Seine lezten Stunden in der Sammlung zum Bau des Reichs-Gottes sind gar was herrliches, dergleichen man in derselben Zeit nicht vermuthet. Seine Seele hat bis zum lezten Othemzug in Jesu Versöhnung gelebet, und in allen Predigten und Reden hat er, wie es darinnen ausgedrückt wird, das Apostolische Haupt-Thema, womit sie sich nach der Ausgiesung des heiligen Geistes in allen ihren Reden an Juden und Heiden breit gemacht, daß Jesus der Gecreuzigte, der Messias sey, getrieben. [Vgl. Auszug aus eines Christlichen Freundes besonderen Anmerckungen über des sel. Herrn Insp. Mischkens Amts- und Lebens-Führung. In: Fortgesetzte Sammlung Auserlesener Materien zum Bau des Reichs Gottes 28 (1735) 469–486.]

_______________________________ g

von fremder Hand am rechten Rand ergänzt: zu Teschen.

_______________________________

196 Christoph Wilhelm von Kessel (1675–1750), Landrat des Fürstentums Oels, und Johann Friedrich von Kessel (1672–1743) waren die Patronatsherren der Pfarrstelle. 197 Johann Muthmann (1685–1747), 1708 Diakon in Konstadt, Kreis Kreuzburg, 1709 Pfarrer in Teschen, 1730 aus Teschen vertrieben, 1731 Pfarrer in Graba-Saalfeld, 1740 in Pößneck (Thüringen). 198 Großburg (poln. Borek Strzeliński). 199 Cranz, David: Alte und Neue Brüder-Historie oder kurz gefaßte Geschichte der Evangelischen Brüder-Unität in den ältern Zeiten und insonderheit in dem gegenwärtigen Jahrhundert. Barby 2 1772 [11771], 113: „Ein abgedankter Soldat aus Schlesien brachte ihnen 1715 verschiedene erbauliche Bücher, und machte sie mit den Lutherischen Predigern bey der Evangelischen Gnaden-Kirche zu Teschen bekant.“ 200 Daniel Gottlieb Mederjan (Mäderjan, 1691–1734), 1721 Pfarrer in Dirsdorf, die Vocation wurde von Wien allerdings nicht bestätigt, daher 1725 Adjunkt in Thommendorf.

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tor angenommen, ist das gesegnete Werckzeug, durch deßen Predigten, Catechisationen und Hauß-Betstunden viele 100 Menschen in und um Dirsdorf gründlich erweckt worden. Er sollte Sommers Substitut werden; weil es aber die Regierung, der er durch die benachbarten irdischen Lehrer verdächtig gemacht worden, nicht erlaubte, so kam er 1725 als Pastor adjunctus nach Thommendorf am Queiss201 in der Oberlausitz und war nach Magister Schwedler in Nieder-Wiese der Mann, der die Erweckungen fortsezte, aus denen hernach die Gemeine zu Gnadenberg gesammelt worden. Sein Andencken ist in den Lebens-Läufen unsern hiesigen und dortigen Geschwistern im Segen. Zu der Gnaden-Kirche in Teschen, die 1709 erbaut worden, hielten sich 10.000 Deutsche und 30.000 Polnische Zuhörer aus Ober-Schlesien, Polen, Ungarn und Mæhren. Da nun bald anfangs von den 5 dahin [40] berufenen Predigern und Schullehrern ihrer 4 auf Kayserlichen Befehl fortmußten und Johann Muthmann allein blieb,202 so war die Schule sehr verfallen, und die an Sonnabenden, mit denen aus allen Gegenden herbey eilenden, mehrentheils sehr unwißenden Zuhörern angefangene Catechisationes hatten gar aufgehört. Diese verfallene Anstalten zu erneuern, beruften die Kirchen-Vorsteher 1720 den Prediger Johann Adam Steinmez von Töppliwoda* 203 zum Primarius und Schul-Inspector und den Candidaten Samuel Ludwig Sassadius204 von Pitschen als Diaconus bey der Polnischen Gemeine. Diese hielten fleißig Wiederholungen und Catechisationes in der Kirche und Schule wie auch in Häusern. Steinmez machte eine neue Schul-Ordnung und baute ein Schulhauß für etwa 30–40 Kinder auswärtiger Eltern, um sie bequem zu logiren und unter beßerer Aufsicht zu stehen, und in 3 Jahren waren der Pensionairs über 100. Er stellte frome Studiosos zur Information an, die außer ihrer gewöhnlichen Arbeit die gerührten Seelen in der Gegend fleißig besuchten und Stunden hielten, wie denn die Brüder zu Rösniz und Steuberwiz, den ersten 2 Dörfern in Ober-Schlesien, die nach § 3 die Evangelische Lehre angenommen, bezeugen, daß ihre erste Erweckung durch die Studiosos Macher205 und Radezky206 *

Ihm succedirte zuerst der nachherige Landshuthische Inspector Minor und hernach Vater Heller [ Johann Georg Heller (1703–1784), 1742 Pfarrer in Tepliwoda] aus dem Oelsnischen.

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201 Thommendorf Queis (poln. Tomisław). 202 Dem aus Polen stammenden Jakob Jockisch (1687–1750) und dem Slowaken Matthias Platani (1662–1712) wurde von Kaiser Karl VI. (1685–1740) als Nichtschlesiern die Bestätigung als Pastoren an der Gnadenkirche in Teschen verweigert. Sie mussten bereits 1710 ihr Amt niederlegen und die Stadt verlassen. Desgleichen wurden die aus dem Thüringischen stammenden Theologen Christoph Nikolaus Voigt (1678–1732) und Christian Wilhelm Schneider (1678– 1725) als ‚Ausländer‘ ihres Pastorenamts enthoben und des Landes verwiesen. 203 Tepliwoda (poln. Ciepłowody). 204 Samuel Ludwig Sassadius (1695–1756), 1721 Pfarrer der polnischen Gemeinde in Teschen, 1730 ausgewiesen, 1731 Pfarrer in Straußfurt (Thüringen), 1742 in Tarnowitz. 205 Andreas Macher (1698–1762), 1721 theologischer Lehrer an der Jesusschule in Teschen, 1735 Pfarrer der böhmischen Gemeinde an der Bethlehemskirche in Berlin, 1738 Pfarrer in Teltow, 1743 Pfarrer der böhmischen Gemeinde in Münsterberg, 1744 wieder Pfarrer in Teltow, 1746 wieder Pfarrer an der Berliner Bethlehemskirche, 1750 Pfarrer in Altlandsberg. 206 Johann Ernst Gottlieb von Radetzky (1707–1785), 1739 Rektor in Teschen, 1743 Prediger in

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(davon der erste Prediger der Böhmen [41] in Berlin und lezterer zuerst Prediger des Bethauses zu Rösniz worden und nun Hofprediger in Oels ist) enstanden, da sie 1722 in den Hunds-Tags-Ferien sie besuchet und in Versammlungen ermuntert haben. Ein andrer von den Collegen an der Polnischen Schule von 1723–25 war der nachmahlige gesegnete Prediger der Böhmen zu Gerlachsheim und Rüksdorf,207 Augustin Schulz208 (siehe Brüder Historie, S. 204209). Er hatte schon vorher 1721 als Catechet zu Pitschen, unter dem Senior Sassadius,210 bey Jungen und Alten im Segen gearbeitet. Zu Teschen hatte er in den Betstunden der Polnischen Schule des Sonnabends einen großen Zulauf von denen zum Sonntag herbey kommenden Polnischen Zuhörern, und wurde deshalb aus Neid verdrängt. Er arbeitete hernach in Magister Schæffers211 Anstalt zu Görliz, wo er mit Herrnhuth bekannt wurde. Von hier wolte er 1728 nach Halle gehen, vorher aber die Erweckten an verschiedenen Orten in Schlesien und unter andern in Brieg besuchen. Hier wurde er auf Anstiften seiner Feinde gefangen gesetzt und nach einiger Zeit aus dem Lande gewiesen, worauf er nach Groß Hennersdorf und von da nach Gerlachsheim212 kam, da er die Böhmischen Emigranten, die großentheils schon ums Jahr 1720 durch Christian Davids213 Besuch in ihrem Vaterland erweckt worden, in genauere Bekanntschaft mit den Brüdern in Herrnhuth brachte. Siehe Brüder Historie, S. 114.214 § 14. Zwischen den Jahren 1725 und 30 war die Erweckung in und um Dirsdorf am stärksten. Dasige Kirche war der Mittelpunct, wohin die Leute aus allen umliegenden Orten hauffenweise kamen. Und zu Fest-Zeiten hielten sich verschiedene Herrschaften als von

207 208

209 210 211 212 213

214

Rösnitz, 1747 Pfarrer in Juliusburg, 1751 Superintendent, Hofprediger und Konsistorialrat in Oels. Berlin-Rixdorf. Augustin Schultz (1693–1752), 1721 Prediger in Pitschen, 1722 Prediger und theologischer Lehrer an der Jesusschule in Teschen, 1725–1727 Prediger in Pitschen, 1729 Prediger der böhmischen Gemeinde in Gerlachsheim, die 1737 unter seiner Leitung nach Berlin und Rixdorf weiterwanderte und sich dort niederließ. Cranz, David: Alte und Neue Brüder-Historie oder kurz gefaßte Geschichte der Evangelischen Brüder-Unität in den ältern Zeiten und insonderheit in dem gegenwärtigen Jahrhundert. Barby 2 1772 [11771], 204–213. Samuel Sebald Sassadius (1668–1734), 1711 Oberprediger in Pitschen. Melchior Schäffer (Schäfer, 1682–1738), 1712 Prediger an der Dreifaltigkeitskirche in Görlitz. Gerlachsheim (poln. Grabiszyce). Christian David (1692–1751), 1717 durch Pfarrer Melchior Schäffer (1682–1738) in Görlitz erweckt, legte ab 1722 mit Genehmigung Zinzendorfs die Kolonie in Herrnhut an und brach danach immer wieder zu Evangelisationsreisen nach Mähren auf, seit 1731 unterstützte er als Zimmermann und Laienprediger die Mission in der Schweiz, Grönland, Holland, Livland und Pennsylvanien. Cranz, David: Alte und Neue Brüder-Historie oder kurz gefaßte Geschichte der Evangelischen Brüder-Unität in den ältern Zeiten und insonderheit in dem gegenwärtigen Jahrhundert. Barby 2 1772 [11771], 114f.

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Peile, Kloitsch,215 [42] Kosemiz,216 Kunzdorf,217 Tædelwiz,218 Kobelau,219 Klein-Elguth,220 ingleichen die Gräfin Fug von Manze,221 die Frau Generalin von Posadowky222 mit ihren Kindern daselbst auf und ermunterten sich, das Reich Gottes an ihren Orten zu befördern, welches sonderlich durch ihre Hauß-Præceptores in Betstunden fürs Gesinde und Unterthanen geschahe. Einige derselben finde ich in Sommers Journal223 benannt, als Arnold224 beym Herrn von Dobschüz225 in Ober-Peile, Goldbach226 beym Herrn von Pfeil227 in Kloitsch, Henrici228 bei Magister Sommer, Langer229 in Bruct,230 der 1772 als ein Freund der Gemeine in Dittmannsdorf231 gestorben, Abraham Conrad232 in KleinElguth, welcher hernach Hofmeister bey der Wittwe von Tschirschky233 auf Mittel-Peyle und, da sie ihre Kinder nach Herrnhuth brachte, Pfarrer zu Hermsdorf234 bey Görliz und 1742 in Biele235 wurde, undh Conrad236 in Grünharte,237 welcher 1732 den Magister Sommer in Dirsdorf succedirte. Beyde haben großen Antheil an der Erweckung dieser Gegend gehabt. Auch hielten manche Verwalters mit dem Gesinde auf den Höfen, zum Exempel im rothen Hof zu Mittel-Peile, Betstunden, dazu auch das catholische Gesinde mitkam. Der erweckliche Lebens-Lauf des Bürgermeisters Helmbold238 zu Erfurt, der h

am rechten Rand von fremder Hand ergänzt: Gottlieb.

_______________________________ 215 216 217 218 219 220 221

Kleutsch (poln. Kluczowa). Kosemitz (poln. Koźmice). Kunzendorf (poln. Strąkowa). Tadelwitz (poln. Karczowice). Kobelau (poln. Kobyla Głowa). Klein Ellguth (poln. Ligota Mała). Eleonore Charlotte von Gfug, geb. von Hochberg und Fürstenstein (1677–1739), Erbherrin auf Manze. 222 Möglicherweise Eleonore von Posadowsky, geb. von Seydlitz (1702–1796). 223 Zu Sommers Amtsjournal mit Notizen über seine Gemeindeglieder s. W. Sachs, Sommer, 58f. 224 Konnte nicht nachgewiesen werden. 225 Ein nicht genauer bestimmbares Mitglied des Adelsgeschlechts von Dobschütz. 226 Konnte nicht nachgewiesen werden. 227 Möglicherweise Karl Friedrich von Pfeil (1695–1767). 228 Konnte nicht nachgewiesen werden. 229 Konnte nicht nachgewiesen werden. 230 Möglicherweise das ehemalige Gut Brockut, Kreis Nimptsch. 231 Dittmannsdorf (poln. Brodziszów). 232 Abraham Conrad (1716– nach 1750), 1739 Pfarrer in Hermsdorf, 1742–1748 in Langenbielau, dann ohne Amt in Lauban und Sachsen. 233 Möglicherweise Helene Elisabeth von Tschirschky, geb. von Prittwitz (1701–1765). 234 Hermsdorf (poln. Jerzmanki). 235 Langenbielau (poln. Bielawa). 236 Gottlieb Conrad (1696–1746), 1730 Pfarrer in Dirsdorf, konnte sein Amt aber erst 1732 nach Entkräftigung des Verdachts des Pietismus antreten. 237 Grün Harthe (poln. Budzów-Kolonia). 238 �������������������������������������������������������������������������������������� Möglicherweise Ludwig Helmbold (1532–1598) aus Mühlhausen, 1554 Magister, 1562 Professor der Philosophie in Erfurt, 1570 zur Abdankung gezwungen, sodann Rückkehr nach Mühl-

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in Predigten und Beststunden gelesen wurde, trug vieles zur Erweckung bey. Es kamen auch viele Ebersdorfische Bibeln,239 die sehr wohlfeil waren, ins Land. Einige benachbarte Pfarrer waren der Sache geneigt, die mehresten aber warnten dafür, klagten über die Betstunden, welche 1727 (laut einem Kayserlichen Befehl von 1712 gegen die ­Pietisten und die Conventicul)240 vom Briegschen Consistorio von neuem verboten und aufgehoben wurden. Die Pfarrer ruhten aber noch nicht, und da sie dem Magister [43] Sommer nichts anhaben konnten, so klagten sie nur immer, daß er sich von seinen Hauß-Præceptoren, wie ehedem von Daniel Gottlieb Mæderjan also nun von Christoph Seeliger,241 von welchem sie auch einige irrige Sätze aus einer Predigt ans Consistorium zu Brieg einschickten, verleiten ließe. Sommer und Seeliger wurden 1728 vors Consistorium citirt und dem Seeliger die Canzel verboten. Weil aber Sommer ihn nicht ganz wegschaffen wolte,* so ergriffen die Pfarrer eine andre Ursach, ihn selbst zu stürzen. Es hatten im Frühjahr 1728 2 Brüder von Herrnhuth an verschiedenen Orten besucht, und weil Pastor Sommer zu Ostern einige Kinder zum Abendmahl confirmiren wolte, so waren sie, um dieses mit anzusehen, derweile nach Heidersdorf242 gegangen und vom Pfarrer beherbergt worden. Da nun dieser hernach von seinen Leuten erfahren, daß diese Männer ihnen gepredigt und sie zur Bekehrung ermahnet, so hatte er es bey dem Senior des Crayses, Magister Vogel,243 angegeben. Darüber wurde Sommer beym OberAmt in Bresslau verklagt, den 12. Julii 1728 gefänglich nach Brieg ins Stadt-Gefängniß geführt, seine Bibliotheck und seine Briefschaften weggenommen.** Wie es ihm in [44] seinem 2jährigen harten Gefängniß gegangen, ist mir nicht recht bekannt. Die Haupt*

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Er mußte hernach doch fort, und ward zu Holzkirch in der Ober-Lausiz Pfarrer. Sommer nahm dagegen den bisherigen Adjunctum des Pfarrers Rink [Heinrich Rincke (1688–1728)] zu Grünharte, Gottlieb Conrad, zu sich, welcher auch, da Sommer ins Gefängniß kam, währender Vacanz mehrentheils die Predigten besorgte, bis er selbst Pfarrer wurde. Unter diesen war ein Journal von allen seinen Amts-Verrichtungen und Unterredungen mit erweckten Seelen von 1726–28 und die Prediger Conferenzen von 1718 und 19, welche in die Probstey zu Reichenbach gekommen, um daraus über die erweckten Leute in Peterswalde und der Gegend zu inquiriren. Diese hat sich der Herr von Pfeil zu Dirsdorf aus dem Archiv communiciren laßen, und ich habe manches daraus genutzet.

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hausen und tätig als Lehrer und Diakon, 1586 Superintendent in Mühlhausen. Er war auch als Kirchenlieddichter tätig und wurde 1566 von Kaiser Maximilian II. (1527–1576) zum poeta laureatus gekrönt. 239 Eine in Ebersdorf (Vogtland) auf Veranlassung Nikolaus Ludwig Reichsgraf von Zinzendorfs (1700–1760) 1727 gedruckte Bibelausgabe in Folio. 240 Das Patent wurde am 2. Juli 1727 vom Brieger Konsistorium erlassen. Bereits am 22. Mai 1712 hatte die Stadt Breslau auf kaiserlichen Befehl ein Mandat gegen den Pietismus erlassen, das unter anderem ein Konventikelverbot festschrieb. 241 ��������������������������������������������������������������������������������������� Christoph Seeliger (1699–1770), Vertretungsdienste in Dirsdorf und Tepliwoda, 1728 Konrektor in Christianstadt, 1731 Pfarrer in Holzkirch, 1742 in Langenöls. 242 Heidersdorf (poln. Łagiewniki). 243 Georg Christoph Vogel (1675–1745), 1701 Pfarrer in Goldberg, 1703 Senior des Kreises Oels, 1707 Pastor und Senior des Kreises Nimptsch.

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Auszug aus dem Manuskript von David Cranz mit zwei von ihm gesetzten Fußnoten (Abschrift). Bildnachweis: Unitätsarchiv Herrnhut, Sign. NB.I.R.3.203, 43.

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Beschuldigungen waren, daß er die Mährischen Exulanten aufgenommen und ihnen fortgeholfen und daß er mit dem Prælaten von Henrichau,244 der luthrisch worden,245 corresspondiret. Seine Herrschaft, unser seliger Bruder von Pfeil246 und andre, gaben sich am Kayserlichen Hofe viele Mühe um seine Loslassung, und der muthige Schmidt Dietrich247 aus Dirsdorf reißte selber nach Wien, um ihn beym Kayser los zubitten. Sie richteten aber nichts aus, und er wurde im Juni 1730 nach ausgestelltem Revers, daß er sich nicht wolte zu rächen suchen, aus dem Lande geschickt. Er ging zuerst, ohne in Dirsdorf Abschied nehmen zu dürfen, nach Sorau,248 von da an den Cöthenschen Hof und wurde 1731 Pfarrer zu Schortewiz. § 15. Eben dieses Schicksahl erfuhren auch die 3 Prediger Steinmez, Muthmann und Sassadius zu Teschen,* die nach § 13 sehr fleißig waren, das Reich Gottes auf alle Weise zu bauen.249 Die 2 andern Prediger, Schmidt250 und Hentschel,251 waren damit nicht zufrieden und erregten 1722 unter der Hand den Fiscal252 und den Catholischen Decanum, daß sie beym Ober-Amt in Bresslau über pietistische Neuerungen und Conventiculn klagen mußten. Und da kein weiterer Bescheid erfolgte, als daß die Cathechisationes aus den Pfarrhäusern in die Sacristey [45] verlegt werden sollten, so sezten sie doch ihre heimliche Klagen fort. Bey einer 1723 gehaltenen Commission nahmen sich die Kirchen-Vorsteher der 3 bedrängten Prediger treulich an und erhielten vom Ober-Amt eine günstige Resolution. Die Evangelischen Landstände, die nun erst aus den Commissions-Acten ersehen, daß die 2 Prediger diese Unruhen angestiftet, drangen auf eine Vereinigung. Allein dazu hatten diese nicht Lust, sondern ersuchten die theologische *

Ich führe diese Umstände, ob sie gleich nicht eigentlich zur Erweckungs-Geschichte dieser Gegend gehören, aus Walchs Religions-Streitigkeiten darum an, damit man sehe, wie wenig der Geist der Duldung bey denen selbst nur tolerirten Geistlichen geherschet und wie wenig man durch Menschen-Autoritaet vor Ihnen gesichert ist, und daß also die Brüder wol Ursach gehabt, sich vor ihnen, da sie die herschende Parthey wurden, zu hüten und die Exemtion von den Consistoriis zu suchen. Siehe Brüder Historie, S. 378.

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244 Heinrichau (poln. Henryków). 245 Anton Niklas (1685–1729), 1723/24 Abt der Zisterzienserabtei Heinrichau, 1725 in Gießen zum Protestantismus konvertiert, 1726 Stadtprediger in Darmstadt. 246 Karl Friedrich von Pfeil (1695–1767). 247 Konnte nicht nachgewiesen werden. 248 Sorau (poln. Żary). 249 Cranz bezieht sich in seinen Ausführungen zu den innerlutherischen Kontroversen in Teschen auf Walch. Vgl. Walch, Johann Georg: Der Historischen und Theologischen Einleitung in die Religions-Streitigkeiten Fünfter und letzter Theil. [ Jena 1739], 333–376 (§§ CV–CXVII). 250 Gottfried Schmidt (1671–1735), 1708–1713 Pfarrer in Großburg, 1713 in Teschen. 251 Johann Christian Hentschel (1668–1740), 1698–1708 Pfarrer in Schmardt, Kreis Kreuzburg, 1710 in Teschen. 252 Georg Theophil Battik, ein Gegner der Evangelischen.

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Facultæt zu Wittenberg um ihr Bedencken, ob sie sich mit den 3 Predigern, die sie arg genug abmahlten, vereinigen könnten. Die Antwort war: sie solten sie nach der Regul Christi253 zuerst ermahnen und von ihrem Unfug zu überzeugen suchen und, wenn das nicht hülfe, weiter verfahren. Allein auch das thaten sie nicht, sondern fuhren in ihren Klagen fort. Indeßen schickten die Kirchen-Vorsteher eine Speciem facti254 mit den sämmlichen Commissions-Acten an die theologische Facultæt zu Jena und erhielten unterm 22ten Martii 1724 aus Buddæi255 als damaligen Decani Feder ein schönes Bedenken, darinnen die 3 Prediger von allem Schein [46] des Irthums losgesprochen, ihre Amts-Verrichtungen gelobt und angepriesen und die 2 widrigen Prediger angewiesen worden, daß sie der Gemeine ihr gegebenes Aergerniß öffentlich abbitten und im Weigerungs-Fall suspendirt, auch wol gar removirt werden solten. Allein sie excipirten dagegen, daß Buddæus selbst ein Pietist sey. Die Kirchen-Vorsteher wolten also bey den strengen Wittenbergern ein Bedencken einholen. Da sie aber vernahmen, daß D[r]. Wernsdorf256 schon ein Programma gegen das Jenaische Bedenken geschrieben und sie also vermuthen konnten, daß seine Collegen ihr Bedencken nicht gegen seinen Sinn stellen würden, so sandten sie eben dieselben Commissions-Acten an das Ober-Consistorium zu Dresden und erhielten unterm 26. Junii 1725 den Bescheid, daß die 3 Prediger nicht irrig und ihre Anstalten nicht zu tadeln wären und daß man es auf eine Vereinigung unter beyden Partheyen antragen solte. Allein daran war bey den 2 widrigen Predigern nicht zu denken. Vielmehr wirckten sie 1726 beym Ober-Amt einen Befehl an den Fiscal aus, gegen die Winckel-Schulen zu inquiriren. Den 3 Predigern wurde eine Strafe von 300 Ducaten aufgelegt. Sie protestirten, daß sie keine Versammlungen für erwachsene Leute in den Schulen gehalten, daß diese keine Waysenhäuser, sondern Schulhäuser wären etc. und appellirten nach Wien. Hier hing die Sache bis man erfuhr, daß Steinmez im Herbst 1726 auf der Reise durch Schweidniz einen Bürger besuchet und zu etwa 7 Personen über einen Spruch geredet. Darüber wurde er den 13. Julii 1728 suspendirt. Um aber auch der übrigen Prediger los zu werden, [47] wurden die Kirchenvorsteher beschuldigt, daß sie nicht erwählt und partheyisch wären. Dieser nahmen sich die Evangelischen Landstände als Kirchen-Patroni an und bezeugten in einer von mehr als 20 unterschriebenen Schrift die Unschuld der 3 Prediger. Dem ohngeachtet erfolgte am 21. Januarii 1730257 der Ausspruch von Wien: Weil die 3 Prediger Steinmez, Muthmann und Sassadius vieler Irthümer überwiesen worden und sie ein Schul- und Waysen-Haus ohne Consens der Fürstlichen Regierung zu Teschen gebauet, Pietisten 253 Mt 18,15–17. 254 Erzählung des Verlaufs einer Sache. 255 Johann Franz Buddeus (Budde, 1667–1729), 1693 Professor der Moralphilosophie in Halle an der Saale, 1705 Professor der Theologie in Jena. 256 Gottlieb Wernsdorf (1668–1729), 1700 Professor der Theologie an der Universität Wittenberg, 1710 zudem Propst an der Schlosskirche, 1719 ferner Generalsuperintendent von Wittenberg. 257 ������������������������������������������������������������������������������������������� Das Ausweisungsdekret ist abgedruckt in Patzelt, Herbert: Der Pietismus im Teschener Schlesien 1709–1730. Göttingen 1969 (Kirche im Osten 8), 240f.

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dahin berufen, mit Pietisten correspondiret, Conventicula gehalten, sonderlich Steinmez in Schweiniz258 in alieno Territorio, auch sämmtlich von der Universität zu Wittenberg für heterodox erklärt worden, so solten sie nebst dem Rector Jerichovius259 und dem Conrector Sarganeck260 abgesezt werden und in 6 Monaten aus allen Kayserlichen Landen weichen, die 90 Kost-Gänger, die noch im Schulhauß wohnten, solten sonst wo untergebracht und das Hauß zu anderm Gebrauch eingerichtet werden. Es solte auch inquirirt werden, ob Steinmez in Töppliwode261 Unordnung gemacht habe etc. Dem zu folge wurden diese würdige 5 Männer den 8. Martii zum Leidwesen vieler 1.000 Menschen in und außer ihrer Gemeine dimittirt. Aus der Brüder-Historie (siehe S. 171)262 und Graf Zinzendorfs Leben (S. 524 und 612)263 ist bekannt, daß sich auch der Graf von Zinzendorf am Kayserlichen Hofe viele Mühe um sie gegeben und daß Steinmez durch deßen Vermittelung zum Pastor primarius und Inspector der Schule zu Neustadt an der Aisch wie auch Superintendent [48] der Dioces vocirt worden.264 Von hier ist er 1732 nach des seligen D[r]. Breithaupts265 Tod als Abt zu Closter-Bergen266 wie auch General-Superintendent des Herzogthums Magdeburg gekommen. Muthmann kam als Hof-Diaconus nach Saalfeld, Sassadius als Pastor nach Straussfurth, Sarganeck als Rector nach Neustadt an der Aisch und von da als Inspector des Königlichen Paedagogii zu Halle, und unser Bruder Paul Eugen Layriz267 succedirte ihm. Jerichovius las eine 258 Schweidnitz (poln. Świdnica). 259 Traugott Immanuel Jerichovius (1696–1734), 1725–1730 theologischer Lehrer in Teschen, sodann Aufenthalt in Pölzig und Leipzig, Pagenmeister am königlichen Hof in Kopenhagen, 1733 Pfarrer in Osternburg, einer Vorstadt von Oldenburg. 260 ������������������������������������������������������������������������������������� Georg Sarganeck (1702–1743), 1726 Praeceptor in Halle an der Saale, 1728–1730 theologischer Lehrer an der Jesusschule in Teschen, 1730–1736 Rektor der Lateinschule in Neustadt an der Aisch, 1736 Adjunkt des Inspektors am Pädagogium in Halle an der Saale, 1741 Aufseher über die Kunst- und Naturalienkammer der Franckeschen Stiftungen. 261 Tepliwoda (poln. Ciepłowody). 262 Cranz, David: Alte und Neue Brüder-Historie oder kurz gefaßte Geschichte der Evangelischen Brüder-Unität in den ältern Zeiten und insonderheit in dem gegenwärtigen Jahrhundert. Barby 2 1772 [11771], 171f. 263 Spangenberg, August Gottlieb: Leben des Herrn Nicolaus Ludwig Grafen und Herrn von Zinzendorf und Pottendorf, Th. 1–8. Barby 1772–1775, hier Th. 3, 524, 612. 264 Nikolaus Ludwig von Zinzendorf (1700–1760) empfahl Johann Adam Steinmetz (1689– 1762) dem Markgrafen von Bayreuth und besuchte Neustadt an der Aisch Anfang Mai 1732. 265 Joachim Justus Breithaupt (1658–1732), 1685 Hofprediger in Meiningen, 1687 Pfarrer und Professor der Theologie in Erfurt, 1691 Professor der Theologie an der neu errichteten Universität in Halle an der Saale, zugleich 1705 Generalsuperintendent des Herzogtums Magdeburg und 1709 Abt von Kloster Berge. 266 Kloster St. Johannes der Täufer auf dem Berge, kurz Kloster Berge, bei Magdeburg. 267 Paul Eugen Layritz (1707–1788), 1732–1742 Konrektor in Neustadt an der Aisch, 1742 in die Brüdergemeine aufgenommen und sodann 1743–1748 Vorsteher des theologischen Seminars und Pädagogiums in Marienborn und Lindheim, 1749 Direktor des Pädagogiums in Großhennersdorf, 1764–1775 Mitglied der Unitäts-Leitung, zugleich 1765–1769 Gemeinhelfer von Barby, 1775–1782 Gemeinhelfer in Gnadenfrei, dann in Herrnhut.

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Zeitlang als Magister Collegia zu Leipzig, wurde hernach Pagen-Hofmeister zu Coppenhagen und starb 1734 als Pastor in der Vorstadt von Oldenburg. § 16. Der Zustand der Erweckungen in der Epoque vom 1730 bis 35 war betrübt. Es hieß da: Ich werde den Hirten schlagen, und die Schafe der Heerde werden sich zerstreuen.268 An Steinmetzens Stelle kam zwar ein ganz hübscher Mann, namens Richter,269 und auf diesen folgte der eifrige Schuckart,270 der im Oelsnischen den ersten Grund der Erweckung gelegt hatte. Allein es war, als wenn aller Segen mit Steinmetzen exilirt wäre, und man hat seitdem so wenig von Erweckungen in Teschen gehört, daß man jetzt kaum eine Spur ehemahliger Erweckten aufzutreiben weiß. Nur in Rösniz und der Gegend blieb ein Saame, welcher, weil er von den aus Mæhren emigrirenden und hernach besuchenden Brüdern fleißig begoßen wurde, mit der Zeit geblühet und Frucht getragen hat. Die Mährischen Brüder nahmen ihre erste Zuflucht allemal [49] zu den Seelen in Rösniz, die sie in Teschen, dahin sie ebenfals den Steinmez zu hören kamen, hatten kennen lernen. Diese wurden durch ihren Glauben, Muth und rechtschaffenen Sinn sehr ermuntert und wiesen sie zu andern Seelen auf dem Wege durch Schlesien und zunächst im Neustädtischen Crayß, wo sich immer ein Saame erhalten hat, der erst seit wenig Jahren recht bekannt worden. Wenn Christian David und andere Brüder wieder nach Mæhren gingen, so besuchten sie allemal die Rösnitzer und brachten ein neues Feuer unter sie. Als der Graf von Zinzendorf 1726 zum Cardinal von Ollmütz271 reißte, besuchte er auf dem Rückwege mit dem Grafen von Henkel zu Oderberg272 auch die Brüder in Rösniz und hielt ihnen in Vogels-Hause273 zu einer grossen Anzahl eine Rede über Jesaja 25: Sie schleppen sich mit ihren Götzen, und flehen dem Gott, der nicht helfen kann.274 Seitdem hielten sie eine Zeitlang unter sich Versammlungen, besonders nahm sich der alte Vogel der Kinder an und ertheilte ihnen Biblischen Unterricht, davon doch auch ein Segen geblieben. Es schlief wohl immer wieder ein, sie wurden aber auch immer wieder ermuntert. Die meiste Bewegung unter ihnen machte Christian David

268 Mt 26,31. 269 Johann Friedrich Richter (1709–1737), Pfarrer in Kreisewitz und Schönfeld, 1734 in Teschen. 270 �������������������������������������������������������������������������������������� Johann Gottfried Schuchardt (1691–1759), 1724 Rektor in Teschen, 1726 Pfarrer in Jackschönau, Kreis Oels, 1739 deutscher Prediger und Schulinspektor in Teschen. 271 ����������������������������������������������������������������������������������� Kardinal Wolfgang Hannibal Graf von Schrattenbach (1660–1738), 1711 Bischof von Olmütz. Nikolaus Ludwig von Zinzendorf (1700–1760) suchte ihn im August 1726 auf, um sich für die Freilassung des inhaftierten mährischen Exulanten Melchior Nitschmann (1702–1729) einzusetzen. 272 Johann Ernst (1673–1743) oder Wenzel Ludwig Henckel von Donnersmarck (1680–1734) auf Oderberg. 273 ���������������������������������������������������������������������������������������� Ein nicht genauer nachweisbarer Rösnitzer namens Vogel nahm die Herrnhuter Boten in seinem Haus auf. 274 De facto Jes 45,20.

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und Demuth275 1727, und von dem an rechnen sie die Zeit der bleibenden Erweckungen, sonderlich unter den ledigen Leuten. Weil sie in Teschen nicht mehr fanden, was sie suchten, so gingen sie nun nach Schönbrunn,276 welches 12 Meilen, so wie Teschen 8 Meilen von Rösniz ist, in die Versammlungen (wovon bald mehr gesagt werden wird) und bey dem frommen Pfarrer Brink277 in Priborn278 zum Abendmahl [50] und kamen dadurch in mehrere Bekanntschaft mit den Erweckten dieser Gegend und mit der Gemeine zu Herrnhuth. Der Aus- und Durch-Gang der Brüder gereichte also vielen gerührten Seelen in Schlesien, die sie aufnahmen und in der Stille ihren Freunden zuwiesen, zum wahren Seegen, und hiedurch wurde ihnen die neuaufgehende Brüder Gemeine bekannt, wiewol man nicht leugnen kann, daß die mehresten von den frommen Predigern aus Eifersucht mißtrauisch worden und unter der Hand die Seelen vor den Brüdern gewarnet, wodurch sie selbst den ersten Grund zum Separatismo gelegt haben. § 17. In der Gegend von Dirsdorf fingen die Schafe auch an, sich zu zerstreuen, da viele, die in Sommers Journal279 aufgezeichnet waren, vorgefordert, gefangen gesetzt, an Geld gestraft und manche des Landes verwiesen wurden, wie denn auch einige von selber entwichen und nach Sachsen, Berlin und Holland und zum Theil nach Herrnhuth gingen. Die übrigen hielten sich zur Kirche in Rossenbach, wo Selbstherr280 Pfarrer war, und in Töppliwode,281 wohin 1726 der sogenannte Vater Heller282 (der zulezt in Biele283 Pfarrer gewesen) von Jackschenau284 im Oelsnischen* vocirt worden und im Segen stand, bis um Ostern 1732 Gottlieb Conrad, ein Schüler Rambachs285 von Jena her, nach vielen *

An seine Stelle kam Schuckard [ Johann Gottfried Schuchardt (1691–1759)], von dem sich die erste bleibende Erweckung im Oelsnischen herschreibet.

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275 Johann Christoph Demuth (1689–1754) aus Karlsdorf in Mähren. Der Schindelhändler war um 1726 nach Berthelsdorf gekommen und ging 1743 nach Bethlehem, Pa. Christian David (1692–1751) und Demuth besuchten Rösnitz erst im Januar 1728. 276 Schönbrunn (poln. Strużyna), Kreis Brieg. 277 Gottfried Brincke (1700–1734), 1722 Pfarrer in Prieborn, 1730 wurde ihm das Abhalten von Konventikeln verboten. 278 Prieborn (poln. Przeworno). 279 Konnte nicht nachgewiesen werden. Cranz bezieht sich auf eine Abschrift des Tagebuchs von Johann Heinrich Sommer (1675–1758) der Jahre 1726–1728, die ihm vorgelegen hat. Vgl. § 15. 280 ��������������������������������������������������������������������������������������� Siegmund Heinrich Selbstherr (1678 – nach 1745), 1708 ordiniert für die Gemeinde Rosenbach, 1745 Senior des Fürstentums. 281 Tepliwoda (poln. Ciepłowody). 282 ������������������������������������������������������������������������������������������ Gottfried Heller (1686–1747), 1712 Pfarrer in Jackschönau, 1726 in Tepliwoda, 1742 in Langenbielau. 283 Langenbielau (poln. Bielawa). 284 Jackschönau (poln. Jaksonów). 285 ������������������������������������������������������������������������������������� Johann Jakob Rambach (1693–1735), Schüler August Hermann Franckes (1663–1727) in Halle an der Saale und dessen Nachfolger als Professor der Theologie, 1731 Professor und Superintendent in Gießen.

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Bemühungen des Patroni als Pfarrer nach Dirsdorf kam und die meisten von den zerstreuten [51] Erweckten wieder dahin zog.* An manchen Orten aber, sonderlich in Peterswalde, hatten sich inzwischen die Seelen zum Separatismo, der sich daselbst schon 1728 geäussert, geschlagen. Sie wurden irre an einer Religion, deren Diener sich alle berufene Knechte Christi nannten und so wenig von dem Geist der Liebe Christi hatten, daß sie die erkannten Knechte Gottes ihren eigenen Feinden verrieten und aus dem Weinberg Christi286 trieben. Anfänglich hielten sie sich noch zusammen; da aber unterm 21. Julii 1732 ein geschärfter Consistorial-Befehl gegen die Pietisten und Separatisten und ihre Versammlungen heraus kam, auch manche des halber das Land räumen mußten, so zerstreute sich ein jeder in das Seine und geriethen auf allerley schwärmerische Meinungen. Und diese bittre Wurzel hat sich sonderlich in Peterswalde immer mehr ausgebreitet und diejenigen, die nicht von den Brüdern zurück gebracht worden, bis zu einem subtilen Atheismo und epicurischen Wesen verleitet. § 18. Da nun aus Mangel muthiger Zeugen Jesu aus dem Geistlichen Stand alles einzuschlafen schien, so bediente sich Gott 1734 [52] der Unwürdigen und der Layen, wieder ein Leben in diese Gegend zu bringen. Und das gab der folgenden Epoque von 1735–40 eine eigene Signatur. Das erste war, daß wieder eine Erweckung unter die Kinder kam, die auch auf die Alten eine gute Wirckung hatte. Sie fing sich in Biele287 an und zog sich über Peterswalde, Stein-Kunzendorf,288 Tannhausen289 und Wallenburg290 bis ins Hirschbergische. Alle Morgen und Abend um 6 Uhr versammelten sich die Kinder, gingen Paarweise unter Gesang auf den Plaz oder aufs Feld oder auf den Berg, schloßen einen Craiß, sungen die Litaney und andre Lieder stehend, fielen auf die Knie und einige, die sie als Aelteste unter sich erwehlet, um gute Ordnung zu halten, beteten theils ihre gelernten Gebete, theils aus dem Herzen, lasen ein Stück aus der Bibel, aus Magister Sommers Unterweisung zur Seeligkeit 291 und andern erbaulichen Büchern, beschloßen *

Dieser ist der erste Pfarrer, der mit den Brüdern gemeinschaftliche Sache gemacht, 1742 selbst in Herrnhuth besuchte und mit ihnen, sonderlich dem Apotheker Dürr, corresspondirt hat, wodurch ihm ein beßer Licht ins Evangelium und die Seelenführung aufgegangen. Daher ist auch immer ein Häuflein in Dirsdorf geblieben, da an den andern Orten alles erloschen ist.

_______________________________ 286 287 288 289 290 291

Vgl. Mt 20,1–16. Langenbielau (poln. Bielawa). Steinkunzendorf (poln. Kamionki). Tanshausen (poln. Jedlinka). Gemeint ist möglicherweise Waldenburg (poln. Wałbrzych). Unterweisung Zur Seligkeit, Darinnen Die wichtigsten und zu Erlangung des ewigen Heyls nöthigsten Göttlichen Wahrheiten aus der Heiligen Schrift In einer richtigen Ordnung In Frag und Antwort [...] vorgetragen werden [...]; Nebst einem Anhange Von den Entschuldigungen, wodurch sich viel Menschen von dem schmalen Wege zur Seligkeit loßzumachen suchen. In Druck übergeben von Daniel Gottlieb Mäderjan, Past. Adj. zu Thommendorf. Sorau 51733.

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mit Anbeten auf dem Angesicht und gingen, nachdem sie wol 2 Stunden in guter Ordnung ihre Andacht verrichtet, in Procession und mit Gesang nach Hauß. Die Catholischen Pfarrer ließen es durch die Herrschaften und Gerichte verbieten, und viele Eltern woltens den Kindern auf allerley Weise wehren, sie gaben aber zur Antwort: Man muß Gott mehr gehorchen als den Menschen,292 und ließen sich nicht abhalten. Einige aus und nach Polen reisende Sächsische Feld-Prediger wurden durch diesen Anblick sehr gerühret und hielten den Kindern erweckliche Feld-Predigten. Bis ins Jahr 1735 hat diese Bewegung gewähret und sind oft etliche 100 Kinder von [53] verschiedenen Dörfern, sonderlich im Hirschbergischen, beysammen gewesen und Sonnabends Abends zur Kinderlehre nach Hirschberg gezogen. Was es für ein Ende damit genommen, ist mir nicht bekannt worden. § 19. Das andere war, daß Gott unsern seligen Bruder Ernst Julius von Seidliz in diese Gegend führte und ihn zu dem gesegneten Werckzeug machte, die Erweckten wieder zu ermuntern, aus der Zerstreuung zu sammeln und dadurch den Grund zu der jetzigen Gemeine zu legen. Er war den 10. Octobris 1695 auf dem Rothen-Hof in Mittel-Peile geboren. Sein Vater, Joachim Friedrich,293 verkaufte dieses Gut an einen Herrn von Tsirschky,294 Groß-Vater unserer Brüder des Namens, bis auf die obern Güter Schmolzund Glaz-Hof genannt, die Friedrich von Seidliz,295 Vater unserer Schwester Helena von Tschierschky,296 behielt, und unser Seidliz297 zog 1705 mit seinem Vater nach Schönbrunn im Strehlschen, wo 1724 Benjamin Lindner,298 Verfasser des Lebens Lutheri299 und des schönen Auszugs aus allen seinen Schriften,300 als Pfarrer kam und hier und in der eingepfarrten Kirche zu Rosen,301 welches einem dritten Bruder302 des seligen ­Seidliz, Vater unsers Julius Seidliz in Gnadenfrey, gehörte, mit Segen predigte. Unser Seidliz hielt auch Erbauungs-Stunden mit seinen Unterthanen und wiederholte die Predigten. Dazu fanden sich verschiedene Seelen aus der Gegend. Er suchte erweckte Leute in seine Dienste zu kriegen, und verschiedene, die an ihrem Orte gedrückt wur292 Apg 5,29. 293 Joachim Friedrich von Seidlitz (1659–1726). 294 Ernst Leonhardt von Tschirschky und Boegendorff (1657–1721). 295 Friedrich Wilhelm von Seidlitz († 1746). 296 Helene Eleonore von Tschirschky, geb. von Seidlitz (1730–1789). 297 Ernst Julius von Seidlitz (1695–1766). 298 ��������������������������������������������������������������������������������������� Benjamin Lindner (1694–1754), 1724 Pfarrer in Schönbrunn, 1727 in Sorau, 1733 Hofprediger und Superintendent in Saalfeld. 299 Herrnschmidt, Johann Daniel/Lindner, Benjamin: Das merckwürdige Leben des um die Kirche Christi hochverdienten und theuren Rüstzeugs Gottes Herrn D. Martini Lutheri. Salfeld 1743. 300 Lindner, Benjamin (Hg.): Das Nutzbareste aus denen erbaulichen Schriften des seligen [...] Martini Lutheri, Th. 1–9. Salfeld 1738–1742. 301 Nieder Rosen (poln. Rożnów). 302 Joachim Friedrich von Seidlitz († 1733).

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den, zogen zu ihm. Die aus Mæhren emigrirenden Brüder wurden ihm auch zugewiesen, und er bediente sich dieser Besuche zur [54] Aufmunterung der gerührten Seelen in der dasigen Gegend und beförderte sie über Dirsdorf, Mittel-Peile, Biele,303 Peterswalde und Hirschberg nach Herrnhuth. Der selige Graf von Zinzendorf, welcher schon 1723 in Nieder-Schlesien und 1725 in Ober-Schlesien einen Besuch gethan (siehe deßen Leben, S. 262, 320)304 that 1726 auf seiner Reise zum Cardinal Bischof von Olmüz305 auch einen Besuch bey unserm Seidliz in Schönbrunn und hielt zu mehr als 300 Seelen von allerley Ständen eine erbauliche Rede (siehe loco citato, S. 367306), wie er denn an mehrern Orten, unter andern in Dirsdorf (wohin er den 1. Augusti in einem starcken Gewitter von Landshuth gekommen) sowol im Herrschaftlichen Hofe als im Pfarrhause, über die 8 Seligkeiten Matthäus 5307 geredet hat. Hiedurch kam Seidliz in Bekanntschaft und Correspondenz mit dem seligen Grafen und andern Brüdern, die seitdem öfters ihn und andere Freunde in Schlesien besuchten, wie ich denn vom Jahr 1727 einen besonders gesegneten Besuch von Christian David und Christian Dehmuth angemerckt finde, und da er durch den seligen Grafen Nachricht von den Erweckten in Rösniz bekommen, so besuchte er und sein Pfarrer Lindner auf der retour von Teschen dieselben. Als aber 1727 Lindner vom Grafen Promniz308 durch den Superintendenten Josephi309 und den von Sibirien her bekannten Captain von Wrech310 nach Sorau vocirt wurde und Seidliz deßen bisherigen Mitarbeiter Bratke311 nicht zum Pfarrer bekommen konte,* sondern einen

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Er mußte gar des Pietismi wegen aus dem Lande, wurde erstlich Sommers Gehülfe im Cöthenschen und hernach Hofprediger in Ost-Friesland.

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303 Langenbielau (poln. Bielawa). 304 Spangenberg, August Gottlieb: Leben des Herrn Nicolaus Ludwig Grafen und Herrn von Zinzendorf und Pottendorf, Th. 1–8. Barby 1772–1775, hier Th. 3, 262f., 320f. 305 Kardinal Wolfgang Hannibal Graf von Schrattenbach (1660–1738), Bischof von Olmütz. 306 Spangenberg, August Gottlieb: Leben des Herrn Nicolaus Ludwig Grafen und Herrn von Zinzendorf und Pottendorf, Th. 1–8. Barby 1772–1775, hier Th. 3, 367f. 307 Mt 5,3–12. 308 Erdmann II. von Promnitz (1683–1745) auf Sorau und Pleß. 309 Jeremias Josephi (1671–1729), 1691 Konrektor in Züllichau, 1701 Pfarrer in Cossenblatt bei Beeskow, 1709 Probst in Naugard, 1712 Hofprediger und 1715 Superintendent in Sorau. 310 ���������������������������������������������������������������������������������������� Curt Friedrich von Wreech († 1757), schwedischer Offizier aus brandenburgischem Adelsgeschlecht, geriet 1709 nach der Schlacht von Poltawa in russische Kriegsgefangenschaft und gründete im sibirischen Tobolsk 1711 eine pietistische Schule, 1729 Hofmeister bei Erdmann II. von Promnitz. Vgl. Wreech, Curt Friedrich von: Wahrhaffte und umständliche Historie Von denen Schwedischen Gefangenen in Rußland und Siberien. Welchergestalt dieselbe nach dem A. 1709 bey Pultawa in der Ukraine mit denen Rußen gehaltenen unglücklichen Treffen, in ihrer Gefangenschafft, zum Theil von Gott kräfftig zur Buße erwecket worden. Sorau 1728. 311 Johann Adam Bratke (1702–1756), 1727–1729 Prediger in Schönbrunn und Nieder Rosen, sodann Predigtverbot, 1731 Adjunkt bei Johann Heinrich Sommer (1675–1758) in Schortewitz, 1743 Hofprediger in Schloss Fredensborg, 1751 Pfarrer der deutschen Gemeinde in Kopenhagen.

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Geschichte der Evangelischen Brüder-Gemeinen in Schlesien

[55] Mann312 bekam, der ihn in seinen guten Absichten hinderte, so verkaufte er 1734 Schönbrunn und wolte nach Herrnhuth ziehen. Allein unser seliger Herr von Pfeil313 und Pfarrer Conrad in Dirsdorf wolten ihn nicht weglaßen und überredeten, ja drungen ihn auf sein Gewißen, daß er das Theil von Ober-Peile von einem Herr von Pfeil,314 der den Erweckten sehr zuwider war und die Versamlung wie auch die Beherbergung der Heiligen, nemlich der Mährischen Exulanten, verboten, an sich kaufte, um die gute Sache in dieser Gegend, wo alles voll gerührter Seelen war, befördern zu helfen. Am 29. Junii 1734 übernahm er das Gut. Verschiedene seiner Erweckten Dienstbothen und Unterthanen zogen ihm von Zeit zu Zeit nach und einige gar nach Herrnhuth. § 20. Hier hielt er sich im Anfang ziemlich stille und fing nicht eher als nach seinem ersten Besuch im November 1735 in Herrnhuth an, Versammlungen zu halten, und zwar anfangs nur mit seinen Kindern und Haus-Gesinde. Er machte sich aber in der Stille mit den gerührten Seelen, die sich nach Dirsdorf und Töppliwode315 hielten, wiewol in seiner kleinen Gemeine, die aus sehr rohen Leuten bestund, wenige waren, viel zu thun, theilte ihnen 1736 erbauliche Briefe und den Kindern den Cathechismum aus und hielt des Sonntags mit ihnen Catechisation. Darüber wurde er im August 1736 nebst 2 Männern vors Königliche Amt in Jauer citirt und befragt, warum so viel Leute bey ihm aus und eingingen und was für fremde Bücher er unter sie ausgetheilt. Da sie nun vernommen, daß [56] es der Catechismus Lutheri316 sey, konnten sie gegen seine Betstunden nichts einwenden, solange keine Fremde dazu gelaßen wurden. Als er aber 1738 abermal in Herrnhuth besuchet und den Bruder Hans Heinrich Thiel317 als ­Bedienten und Informator seiner Kinder mitgebracht hatte, so fing er den 22ten Aprilis eine allgemeine Versammlung in seiner Stube an; und nach einem 3ten Besuch in Gesellschaft der Frau von Tschirschky318* im December 1738 brachte er den Bruder Dürr,319 Apo*

Derselben gehörte damals der Rothe Hof in Mittel-Peile. Sie hatte sich aber, um der Kirche näher zu seyn und den Versammlungen mit beyzuwohnen, 1738 in Dirsdorf ein Hauß gebauet, welches, nachdem sie in die Gemeine gezogen, immer von Adelichen Personen, die das Gute geliebt, bewohnt worden, unter andern von der Frau Generalin von Posadowsky [Eleonore von Posadowsky, geb. von Seidlitz (1702–1796)], Mutter der Land-Räthin von Pfeil [Anna Eleonore Charlotte Friederike von Pfeil, geb. von Posadowsky (1735–1813)] auf Wilke [Groß Wilkau], und nun von dem Landrath von Prittwiz [konnte nicht nachgewiesen werden].

_______________________________ 312 313 314 315 316

Johann Gottfried Koppe († 1747), 1729 Pfarrer in Schönbrunn. Karl Friedrich von Pfeil (1695–1767). Konnte nicht nachgewiesen werden. Tepliwoda (poln. Ciepłowody). Luther, Martin: Der kleine Katechismus (1529). In: Dingel, Irene (Hg.): Die Bekenntnisschriften der Evangelisch-Lutherischen Kirche: Vollständige Neuedition. Göttingen 2014, 852–911. 317 Johann (Hans) Heinrich Thiel (1718–1774) war mit Seidlitz 1739/40 inhaftiert. 318 Helene Elisabeth von Tschirschky, geb. von Prittwitz (1701–1765). 319 Carl Friedrich Dürr († 1744), 1735 Apotheker in Herrnhut.

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theker, der schon im Juli hier gewesen, und die Geschwister Dieterichs320 von Herrnhuth mit, welche mit den Männern und Weibern besonders sprachen und in seiner Gesellschaft die Seelen in der Gegend besuchten. Nunmehr wurde die Stube zu enge, die Versammlung mußte in die Tafel-Stube und im Anfang des Jahres 1739 auf den Saal verlegt werden. Hiedurch entstund eine neue Regung unter denen ehemals in Dirsdorf und Töppliwode321 erweckten, aber seit Magister Sommers Verjagung322 theils eingeschlafenen, theils ängstlich oder gar separatistisch gewordenen Seelen in [57] Peile und der ganzen Gegend, sonderlich im Gebirge, und sie fanden sich an Sonn- und FeyerTagen, wenn sie aus den erstgenannten Kirchen nach Hause gingen, sehr häufig zu den Versammlungen ein, so daß an einem Bußtage, den 12. Junii 1739, über 500, darunter auch viele Catholicken, gezehlt wurden. Hiedurch wurde auch die Bekanntschaft mit der Gemeine immer genauer. Einige besuchten in Herrnhuth und wurden bey Gelegenheit wieder besucht, wie ich denn finde, daß schon 1736 der Secretarius Böhmer323 aus Schweiniz, der 1741 als Syndicus der Brüder in Marienborn entschlafen, mit etlichen erweckten Leuten von da und von Reichenbach, wo auch Versammlungen waren, und seitdem öfter in Herrnhuth besucht hat und daß die Erweckten die Berlinischen Reden324 wie auch das Gesangbuch der Brüder mit Segen gebrauchet. Sie richteten auch soviel möglich ihre Erbauungen nach dem Muster von Herrnhuth ein, wie den 1738, da die Versammlung in OberPeyle schon aus etlichen 100 Seelen bestanden, ein verbundenes Häuflein vierteljährig das Abendmahl in Dirsdorf hatte. Von dem an kamen öfter als vorher Brüder von ­Herrnhuth, besuchten die Seelen in der ganzen Gegend und machten einige Einrichtung unter ihnen. Insonderheit finde ich, daß im Februar 1739 die Brüder Lawatsch325 und Heinrich Nitschmann326 auf ihrer Reise nach Polnisch Lissa327 in Peile und auf der Rückreise in Rösniz besucht und bey ihrem 8tägigen Aufenthalt am lezten Ort zwar keine Stunde gehalten, aber mit den Seelen und sonderlich den ledigen Brüdern, deren viele ihnen nach Herrnhuth [58] gefolget, gründlich geredet und einen Bleibenden Segen hinterlassen haben.

320 321 322 323 324

Möglicherweise Gottfried Dietrich († 1770) und Anna Susanna Heinke (1708–1776). Tepliwoda (poln. Ciepłowody). Zur Inhaftierung und Entfernung von Johann Heinrich Sommer (1675–1758) vgl. § 14. Johann Gottlob Ehrenfried Böhmer (1700–1741), 1736 Syndicus in Herrnhut. Zinzendorf, Nikolaus Ludwig von: Inhalt derjenigen Reden, Welche zu Berlin vom 1ten Januario 1738 bis 27ten Aprilis in denen Abend-Stunden sonderlich für die Manns-Personen gehalten worden. Berlin o. J.; ders.: Inhalt einiger öffentlicher Reden, Welche im Jahr 1738 vom Januario bis zu Ende des Aprilis in Berlin an die Frauens-Personen daselbst gehalten worden. Berlin o. J. 325 Andreas Anton Lawatsch (1712–1771), Missionar in Surinam. 326 Heinrich Nitschmann (1712–1770), Prediger in Gnadenfrei, erhielt von Nikolaus Ludwig von Zinzendorf (1700–1760) 1743 den Auftrag, sich der Erweckten in Schlesien, Polen und Mähren mit anzunehmen. 327 Lissa (poln. Leszno).

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Geschichte der Evangelischen Brüder-Gemeinen in Schlesien

§ 21. Diese Bemühungen, die erweckten Seelen zu sammeln, machte viel Aufsehen. Seidliz wurde von seinen Freunden gewarnet, konnte sich aber, wenn er den Auswärtigen sagte, sie möchten sich der Versammlungen enthalten, um ihm und sich Verantwortung zu ersparen, und sie so beweglich darum baten, nicht entschließen, dieselben einzustellen. Als ihn der Catholische Pfarrer warnte und ihm die oft wiederholten scharfen Verbote der Versammlungen vorhielt, Seidliz aber mit Bekümmerniß fragte: „Was soll ich thun? Soll ich Menschen mehr gehorchen als Gott?“ So bekam er zur Antwort: „Leiden müßen sie! So gehört sichs für die Kinder Gottes, in welcher Religion sie auch leben, aber ich will sie nicht verklagen und ihnen das Leiden zuziehen.“ Damit er aber nicht selber in Verantwortung käme, warum er die Versammlungen nicht angezeiget, so übergab er seine Pfarre einem Curato und lebte zu Neiss in der Stille. Unter diesen bedencklichen Aspecten, da ihm sein Gefängniß ahndete, weswegen er auch seine Frau und Kinder nach Herrnhuth in Sicherheit brachte, soll Seidliz einen Aufschluß von einer bevorstehenden Religions-Freyheit bekommen und, bey einem aufziehenden Gewitter im Fenster stehend und auf ein Hauß weisend, zu etlichen Freunden gesagt haben: „Auf dem Platz da wird einmal eine Gemeine gebaut werden.“ Und in dem Augenblick habe der Blitz in das Hauß eingeschlagen und es weggebrannt. Die bösen Gerichte von den Versammlungen und die Klagen sowol [59] von Lutheranern als Catholiken brachten es endlich dahin, daß die Regierung zu Jauer auf Befehl vom Ober-Amt ihm den 8. Julii 1739 auf den folgenden Tag vor sich citirten. Ohne noch einen Befehl abzuwarten überlegte er den Abend, da sich die Leute zur Stunde versammelten, mit seinen vertrautesten Freunden, was zu thun sey, und da sie, nach einem Gebet unter vielen Thränen aus einigen wie Lose aufgeschriebenen Versen die Worte gezogen: „Geh Seele frisch im Glauben dran, und sey nur unverdroßen etc.“,328 so sezte er sich gleich auf den Wagen und fuhr die Nacht durch nach Jauer. Die zur Versammlung gekommenen Seelen, da sie ihn nicht herein kommen sahen, muthmaßten gleich, aus den Gerüchten vom Gefängniße, die schon ein halb Jahr gewesen, was da vorging, und sangen ihm nach: „Der HErr ist noch und nimmer nicht, von seinem Volck geschieden etc“.329 Nachdem er den 9. Julii 5 Stunden lang stehend vor der Regierung über allerley Beschuldigungen von greulichen Dingen, die in den Versammlungen geschehen seyn solten, examinirt worden, wurde er mit Bezeugung seiner Unschuld und ihres Mitleidens, daß sie auf höheren Befehl, blos der Betstunden halber, so hart mit ihm verfahren müßten, durch 5 mit Ober- und Unter-Gewehr versehne Soldaten nach dem Rathhauß gebracht, dem Marckt-Meister übergeben und sein Zimmer mit 5 Schlößern verwahrt. Er bat sich einen von seinen Bedienten aus, und 328 FG 846,11 aus dem Lied: „Gott Lob! Ein Schritt zur Ewigkeit“ von August Hermann Francke (1663–1727). 329 EG 320,5 und Christliches Gesang-Buch der Evangelischen Brüder-Gemeinen von 1735, zum drittenmal aufgelegt und durchaus revidirt. [Herrnhut] 1741. Nachdruck der deutschen Erstauflage: Hildesheim 1981 (Nikolaus Ludwig von Zinzendorf. Materialien und Dokumente 4/3), Nr. 921,5, aus dem Lied „Sei Lob und Ehr“ von Johann Jakob Schütz (1640–1690).

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weil der, der ihn begleitet, nicht bleiben konnte, so ließ er den Bruder Hans Heinrich Thiel,330 der seinen Sohn in Aufsicht hatte (und von dem vermuthlich der Bericht,331 aus dem ich dieses genommen, herrührt) zu sich [60] kommen. Dieser wurde aber, nachdem er eine Stunde bey seinem Herrn gewesen, wieder hinaus gewiesen und erhielt erst nach 3 Wochen, nach abgestatteten Bericht beym Ober-Amt, Erlaubniß, sich bey ihm mit einschließen zu laßen. Indeßen waren den 10ten alle seine Briefschaften und Bücher abgeholt worden. Auf erhaltene Nachricht kam die Frau von Seidliz,332 die sich mit ihren Töchtern in Herrnhuth aufhielt,* ihn zu sprechen, wurde aber nicht zu ihm gelaßen und konnte nur aus dem Gasthofe zu den 3 Cronen ihn aus dem gegenüberstehenden Gefängniß durchs Fenster sehen. Erst nach 3 Wochen bekam sie Erlaubniß, im Beysein eines Canzellisten eine Stunde lang mit Ihm zu sprechen und den verlangten Bedienten bey ihm zu laßen, welcher vorher nebst noch 8 citirten Personen den 18., 19. und 20. Julii scharf war examinirt worden. Nach einigen Monaten mußte nach einem abermaligen Befehl vom Ober-Amt Seidliz sich über die weggenommenen Bücher und andere Puncte schriftlich erklären, auch eine Liste von allen Personen, die zu seinen Versammlungen gekommen, eingeben, worauf vom 18.–27ten Novembris noch 40 Personen [61] theils gefänglich eingezogen, theils citirt und scharf examinirt wurden. Unter denselben befand sich auch Friedrich von Seidliz auf Mittel-Peile333 und die Frau von Tschirschky334 und verschiedene Bürger-Leute von Reichenbach. Sie wurden mit Gefängniß, Geld und Leibes-Strafe und Lands-Verweisung bedrohet, wenn sie nicht von den Versammlungen abließen. Manche wolten es nicht erst so weit kommen laßen und zogen von selbst nach Herrnhuth. Indeßen waren die Herrn von der Regierung durch sein und der andern Leute 2 maliges Verhör von seiner Unschuld völlig überzeugt und durch die freymüthige Bekenntniß der Wahrheit und durch seine Gelaßenheit bey allen Umständen dermaßen gerührt worden, daß manche bedauerten, daß er nicht Catholisch sey, da er gewiß für einen Heiligen gehalten werden würde. Insonderheit glaubte man bey dem Præsident, Graf

*

Nach den Umständen, die Bruder Clemens in seiner Parentation anführt, soll er sie schon 1737 mit den Kindern nach Herrnhuth gethan haben, damit, wenn er gefangen würde, sie frey bleiben möchten. Und weil sie dort nicht sicher gewesen, ausgeliefert zu werden, habe sie sich nach Rietschen retirirt [ folgt gestrichen:] und das sey die Gelegenheit zur Erweckung der Wiedebachschen und der Gersdorfschen Familie zu Trebus worden.

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330 Johann (Hans) Heinrich Thiel (1718–1774) wurde 1748 von Nikolaus Ludwig von Zinzendorf (1700–1760) zum Prediger für Gnadenfrei ordiniert. 331 Konnte nicht nachgewiesen werden. 332 Anna Helene von Seidlitz, geb. von Gellhorn (1705–1784), im Jahr 1722 mit Ernst Julius von Seidlitz (1695–1766) getraut. 333 Friedrich Wilhelm von Seidlitz auf Ober und Mittel Peilau, der Bruder von Ernst Julius von Seidlitz. 334 ������������������������������������������������������������������������������������������� Helene Elisabeth von Tschirschky, geb. von Prittwitz (1701–1765), im Jahr 1723 mit Karl Sigismund von Tschirschky (1700–1737) auf Mittel und Nieder Peilau getraut.

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Geschichte der Evangelischen Brüder-Gemeinen in Schlesien

Almsloo,335 eine große Gemüths-Veränderung und tiefes Nachdencken zu bemercken. Er ließ sich fleißig nach Seidlizens Befinden erkundigen, erlaubte nicht nur seinem mit verschloßenen Bedienten täglich eine Stunde aus zu gehen und für seinen Herrn das nöthige zu besorgen, sondern auch den erweckten Leuten, ihn im Gefängniß zu besuchen, und da die Frau von Seidliz sich mit ihren Kindern stellen solte, brachte er es dahin, daß dieser Punct von den Kindern, die ihr leicht hätten weggenommen werden können, ausgelaßen wurde.* Er soll auch seinen Unterthanen Bibeln verschaft haben, damit sie auch solche gute Christen würden wie Seidlitzens Leute. Bey dem allen war an die [62] Erlaßung aus dem Gefängniß nicht zu dencken, und es hieß endlich gar, er würde auf die Vestung Glaz336 gebracht werden. Inzwischen erfolgte der Tod des Kaysers Carl VI.337 den 20. Octobris 1740, und es entstund ein Gerücht, daß die Preußen sich zum Marsch rüsteten. Die vornehmsten Catholischen Geistlichen, auch von Jauer, retirirten sich nach Glaz und nahmen die Canzley mit dahin, die Gefangenen um der Religion willen wurden, um den Könige einen Vorwand zu benehmen, aus dem Stockhause gelaßen, nur Seidliz nicht, den[n] mit solchen Quäckern338 (hieß es) hätte es mehr zu bedeuten. Als aber die Armee den 16. Decembris wirklich einrückte, wurde Seidliz am Thomas-Tage, den 21. Decembris 1740 vor die Regierung auf dem Schloß eingeladen und mit den Worten, daß die Gnade der Königin339 bey Antritt ihrer Regierung sich mit auf ihn erstrecke, mit dem Beding, sich der verdächtigen Versammlungen zu entschlagen, entlaßen und mit allen Ehren bis zum Schloß-Thor begleitet. Er sezte sich sogleich auf die Post, sang vor der Stadt: „Allein Gott in der Höh sey Ehr“ etc.340 und kam den 23. Decembris zur Freude seiner Familie und aller erweckten Seelen wieder nach Ober-Peile. § 22. Während diesem 1½ jährigen Gefängniß, da die Erweckten wie Schafe ohne Hirten waren, zog sich wol mancher aus Menschenfurcht zurück und schlief wieder ein; die *

Der damalige Geheime Kriegsrath Abraham von Gersdorff, der Seidlitzen 2 mal im Gefängniß besuchte, nahm sie darauf mit sich heraus und brachte sie mit ihren kleinen Kindern (die größern waren schon in Herrnhuth) zum Herrn von Wiedebach [Friedrich von Wiedebach (1707–1772)] nach Rietschen.

_______________________________ 335 336 337 338

Konnte nicht nachgewiesen werden. Die Festung Glatz (poln. Klodzko). Karl VI. (1685–1740), 1711 Kaiser sowie König von Böhmen und Ungarn. Die Quäker gehen zurück auf George Fox (1624–1691), der überzeugt war, dass jeder die Stimme Gottes in sich selbst vernehmen könne und 1652 mit Gleichgesinnten die Society of Friends gründete. Der Vorwurf, Quäker zu sein, wurde den Pietisten des 17. und 18. Jahrhunderts oft gemacht, um den religiösen Subjektivismus im Gegensatz zur Bindung an die heilige Schrift zu geißeln. 339 Maria Theresia (1717–1780), 1740 Königin von Ungarn und Böhmen sowie Erzherzogin von Österreich. 340 EG 179, ein Lied von Nikolaus Decius (um 1485 – nach 1546) nach dem Gloria in excelsis Deo (4. Jahrhundert).

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mehresten aber verbanden sich unter dem Creuze desto genauer und besuchten einander fleißig, und ob sie gleich an ihren Orten keine Versammlungen halten noch auch von Brüdern aus Herrnhuth besucht werden durften, so gereichte ihnen doch [63] der Zuspruch der Brüder Gottlieb Thiel,341 Hantsch342 und Caries,343 welche die jungen Herrn von Tschirschky344 zu Dirsdorf in Information und Aufsicht hatten, zu großem Trost und Aufmunterung. Auf die Weise wurde die Erweckung in dieser Gegend erhalten und an noch mehrern Orten ausgebreitet.i Um diese Zeit bekamen die Brüder die erste Bekanntschaft mit den erweckten in Bresslau und im Fürstenthum Oels. Ihren Ursprung kann ich nicht weiter als bis 1726 ausspüren. Denn da in diesem Jahr Mischke von Glauche fortmußte (siehe § 12) und der sogenannte Vater Heller345 von Jakschenau346 im Oelsnischen, der auch Betstunden gehalten, 1726 nach Töppliwode347 kam,* so kam ein gewißer Schuchart348 an seine Stelle. Dieser hat durch seine eifrige Predigten viele Seelen rege gemacht, in seinem Hause täglich und des Sonntags auch in der Bauren Häuser Betstunden gehalten, und seine Predigten sind von den umliegenden Städten und Dörfern, sogar von Bresslau, besucht worden. 1732 hat der Herr v. Geisler349 das eingepfarrte Dorf Schickerwiz350 gekauft und bis 1745, da er nach Gnadenfrey gezogen, beseßen. Derselbe hat, nachdem er und seine Frau auch durch deßen [64] Predigten erweckt worden, sich der Sache mit angenommen, und nachdem Schuchart 1739 oder 40 nach Teschen gekommen, Bekanntschaft mit den Brüdern gemacht.k Zwischen 1737 und 50 hat auch der Hofprediger Pitschmann351 in Oels und nach der Zeit der Pfarrer Pechmann352 in *

Sein Bruder [ Johann Georg Heller (1703–1784)] war Pfarrer zu Bogschüz im Oelsnischen, hielt auch Betstunden, und kam an seiner Stelle nach Töppliwode, als jener 1742 nach Biele kam, lebt auch noch als Senior, hat aber keine Erweckung gestiftet, noch unterhalten.

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k

von Cranz am Ende des Absatzes eingefügt: Hinten nach höre ich von Abraham Gersdorff, daß er nicht nur bey seinem Stiefvater von Falkenhayn in Krausche den Seelen der Gegend ohne Aufsehen Versammlung gehalten, sondern auch 2 mal in Peile besucht und die Erweckten aufgemuntert, nachdem es aber verrathen worden, daß er in Schweidnitz und Reichenbach Gesellschaften gehalten, seine Besuche einstellen müssen. folgt gestrichen: und eine Zeitlang den Bruder Hoyer zum Informator 42 gehabt.

341 342 343 344 345 346 347 348 349 350 351 352

Gottlieb Thiel nicht ermittelt. Johann Georg Hantsch (1718–1768), 1740 in Pennsylvania, dann Missionar auf St. Thomas. Zacharias George Cariés (Carié, 1717–1772), Missionar auf Jamaica. Carl Wilhelm (1731–1802) und Ernst von Tschirschky (1733–1774). Gottfried Heller. Jackschönau (poln. Jaksonów). Tepliwoda (poln. Ciepłowody). Johann Gottfried Schuchardt (1691–1759). Konnte nicht nachgewiesen werden. Schickerwitz (poln. Siekierowice). George Pitschmann (1690–1750), 1735 Pfarrer in Oels. Friedrich Pechmann (1709–1777), 1750–1762 Pfarrer in Mühlwitz, 1762 in Juliusburg.

i

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Geschichte der Evangelischen Brüder-Gemeinen in Schlesien

Mühlwiz,353 dermalen Senior in Juliusburg,354 viele Seelen rege gemacht, wie sich denn das jetzige Häuflein in Gallwiz355 von lezteren herschreibt; sie sind aber beyde widrig gegen die Gemeine gewesen. Die Erweckten in Bresslau, etwa 50 bis 60 (worunter unser hier wohnender Bruder Rösler,356 ein Anverwandter357 des seligen Magister Schwedlers, von dem er auferzogen worden), versammelten sich im Jahr 1736 und 37 bey dem Bitterbier-Brauer Nixdorf,358 der noch als Arbeiter in einer der Land-Gemeinen in Pensylvanien lebt. Sie hatten allerley von Herrnhuth gehört. Da nun Röslers Mittgeselle Rülmann,359 ein Strumpfstricker, 1738 seine Verwandten zu Naumburg an der Saale besuchen wolte, trugen sie ihm auf, durch Herrnhuth zu reisen, um dasige Lehre und Anstalten zu prüfen und ihnen davon Nachricht zu geben. Diesem gefiel es dermaßen, daß er selber da blieb und ihnen schriftlich und bald darauf um Pfingsten, da er seine Bekannten in Bresslau und dem Oelsnischen besuchte, mündlich den Grund und die Einrichtung der Gemeine aufs beste anpries. Durch ihn hatten zugleich die Brüder in Herrnhuth die erste Nachricht von Erweckten in Bresslau bekommen. Als nun der Müller Otto360 zur Wollschar 1738 nach Bresslau kam, um für die Schwestern Wolle zum Spinnen einzukaufen [65], suchte er den Nixdorf und [die] übrigen Erweckten auf und pries ihnen den Evangelischen Weg der freyen Gnade an. Nixdorfs Geselle, Samuel Schulz,361 der 1748 als Kinder-Vater in Gnadenberg heim gegangen, hatte den meisten Nutzen davon. Er fand Gnade, besuchte 1739 in Herrnhuth, wurde ein Zeuge Jesu, nahm sich der Seelen in Bresslau und im Oelsnischen an und machte sie 1740, da Paul Münster362 zum Besuch hinkam, in Bresslau, Oels, Jackschenau, Schickerwiz, Schmollen,363 Elgut,364 etc. mit ihm und mit der Gemeine, die von manchen mit Segen besucht wurde, bekannt. § 23. Ich komme nun wieder auf Peile. Gleich nach Seidlitzens Befreyung, mußte man noch sehr stille seyn, weil man nicht wußte, ob der König365 das Land besetzen und behalten 353 354 355 356 357 358 359 360 361 362 363 364 365

Mühlwitz (poln. Milowice). Juliusburg (poln. Dobroszyce). Wahrscheinlich das Rittergut Galwitz. Johann Gottlob Rösler (1710–1780). Rösler sagt in seinem Lebenslauf, dass er der erste Täufling von Johann Christoph Schwedler (1672–1730) gewesen sei, nichts über seine Verwandtschaft mit ihm. Georg Nixdorf (1700–1785). Konnte nicht nachgewiesen werden. Konnte nicht nachgewiesen werden. Samuel Schulze (1714–1751), 1744–1749 Kindervater in Gnadenberg, dann in Herrnhut. Durch seine Anregung soll das Amt des Kindervaters 1744 eingerichtet worden sein. Paul Münster (1716–1792). Schmollen (poln. Smolna). Klein Ellguth (poln. Ligota Mała). Friedrich II., der Große (1712–1786), 1740 König von Preußen und Kurfürst von Brandenburg.

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würde. Als sichs aber immermehr hiezu anließ, so wurden bei einem Besuch des Bruders Dürr am 3ten Martii 1741 die Stunden in kleiner Anzahl wieder angefangen und nach und nach vermehrt und den 18. Martii gingen 29 Personen, die vor dem Gefängniß besonders verbunden gewesen, wieder zum erstenmal in der Kirche zu Dirsdorf zum Abendmahl, nachdem sie ihre Beichte gemeinschaftlich in der Sacristey abgelegt. Da sichs aber mehr zu einer Gemeine anließ, führten sie die Gebräuche ein, wie sie die Gemeine zu Herrnhuth beym Abendmahl in Berthelsdorf beobachtete, so daß Seidliz oder sonst ein Arbeiter vor dem Altar betete, der Prediger die Absolution ertheilte und die Versammlung ohne Zuthun des Schulmeisters den Gesang besorgte. [66] Im Frühjahr und Herbst 1741 reißte Seidliz zum Besuch nach Herrnhuth und brachte den 24. Septembris die Geschwister Stöhrs,366 die schon auf dem Synodo zu Gotha 1740 zum Besuch in Schlesien bestimmt worden, mit sich. Diese besuchten vorerst die Seelen in Peile, Dirsdorf, Reichenbach, Biele367 und Peterswalde und richteten sie in Gesellschaften ein. Sie mußten aber auch die Seelen an mehr als 60 Orten, im Briegschen, Breßlauischen und Oelsnischen wie auch in Rösniz und der Gegend besuchen.* Damit sie aber für ihre Personen unter der noch Oesterreichschen [67] Regierung desto sicherer wären, solten sie zu Grossburg,368 einem Preußischen Lehn ohnweit Strehlen,369 wohin in vorigen Zeiten viele um der Religion willen aus Ober-Schlesien geflüchtet, die zum Theil nebst vielen Seelen in der Gegend auch erweckt waren, ihren Wohnsitz haben, wurden aber von Seidliz nach Peile zurück [68] berufen, weil hier der Arbeit im-

*

Auf einer solchen Reise nach Rösniz geschahe es, daß sie von einigen Garnhändlern aus dem Neustädtischen Crais im Oppelschen, einer ganz Catholischen Gegend, auf den Wagen genommen wurden. Er merckte bald was besonders an ihnen, und sie entdeckten ihm, daß sie heimlich Evangelisch wären. Der eine, Namens Hase, führte ihn zu seinem Vater in Schnellewalde, den einzigen Mann, dem die Geistlichen es nicht wehren konten, Evangelische Bethäuser zu besuchen. Hier blieb Stöhr einige Tage und legte einer zahlreichen Versammlung aus den benachbarten Dörfern, sonderlich Buchelsdorf und Siebenhuben, wo die Mährischen Exulanten ehedem einige Seelen im verborgenen besucht, den Weg zum Leben deutlicher aus. Da nun der [67] König Schlesien behielt, haben diese Leute und die aus den benachbarten Dörfern Riegersdorf, Laswiz [Laßwitz] etc., deren Voreltern im 30jährigen Kriege zur Catholischen Religion genöthigt worden, bey dem in Neustadt stehenden redlichen Feld-Prediger Michaelis [Christoph Michaelis (1714–1762)] beym Jungdohnaischen Regiment sich wieder zur Evangelischen Religion gewendet, so daß in Schnellewalde kaum ein drittheil mehr Catholisch ist, und nachdem des Michaelis successor Laufheger [ Johann Christoph Laufhäger] Prediger des Bethauses in Schnellewalde worden, ist in den lezten Jahren eine Erweckung daselbst und in den erstgenannten Dörfern entstanden, wobey eine Tochter des alten Hase, die Wittwe Pietschin, und ein Enckel, Hase, mit befindlich sind.

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366 Johann David Stöhr (1702–1774) und seine Frau Eva Philippina, geb. Heckardt (1711–1762), wurden 1741 als Arbeiter für Schlesien bestimmt. 367 Langenbielau (poln. Bielawa). 368 Großburg wurde erst 1801 dem Breslauer Konsistorium zugeordnet. 369 Strehlen (poln. Strzelin).

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mermehr wurde. Sie erhielten daher den 13. Martii 1742 die Brüder Otto370 und Christian Schulz371 und hernach die Geschwister Leupolds372 und Bügels373 zu Gehülfen. § 24. Nachdem am 11ten Junii 1742 der Friede zu Bresslau zu Stande gekommen und den 14. Julii das Friedens-Fest mit einer Danck-Predigt über Psalm 122, 6–9 gefeyert worden, so ging man in der Gemeinmäßigen Einrichtung immer weiter. Am 21. Julii war der erste Bettag, dem auch der Graf Balthasar, Frau von Promniz auf Halbau, 374 der Baron Bibra375 und der Herr von Geisler376 beywohnte. Den 25. Julii kam Martin Dober377 von Herrnhuth und richtete am 4ten Augusti die Abendmahls 4telstunde (auf der damals in Herrnhuth ein besondrer Segen ruhte) wie auch das Stunden-Gebet mit 20 Personen ein. Am 17. Augusti wurde das Holz zum ersten Bet-Saal gefällt und schon den 25. Octobris im Hofe auf gerichtet. Am 2. Octobris kam Liebig378 von Herrnhuth und fing mit 19 Knaben und 7 Mädgen eine Schule an, und den 23. Decembris wurde Hüfel379 hergeschickt, um dem Pfarrer Conrad zu Dirsdorf bey seiner Schwächlichkeit im Predigen beyzustehen, Hauß-Versammlungen zu halten und sich der Seelen daselbst und an andern Orten anzunehmen. Hantsch, der bis her bey den Tschirschkyschen Kindern in Dirsdorf gewesen, kam nach Rösniz, und Samuel Schulz, der von Bresslau nach Herrnhuth gezogen, hatte die erweckten Seelen im Neustädtischen und in den Gebirgigten Theil [69] von Ober-Schlesien, der Kayserlich geblieben, zu besuchen. Da nun die Seelen überall frey besucht und bedient werden konnten, auch sie selber an ihren Orten in kleinen oder großen Gesellschaften sich erbauen, andre mit aufmuntern und die Versammlungen in Peile ohne Scheu besuchen durften, so wuchs die Erweckung immer mehr und breitete sich an noch unbekannten Orten aus. Viele Leute gingen nach Herrnhuth zum Besuch, einige zogen gar dahin, und manche, die voraus sahen, daß auch in Peile eine Gemeine werden würde, verkauften ihre Stellen und zogen nach Peile, wodurch dieses sonst sehr schlechte Dorf, das zum Spott die dürre Peyle genannt wurde, und meist arme, liederliche und böse Einwohner hatte, eine ganz veränderte Gestalt gewonnen. Ich habe mir aus den Lebens-Läufen der in Gnadenfrey und Peile entschlafenen Geschwistern mehr als 100 Städte und Dörfer, sonderlich aus den 370 371 372 373 374 375 376 377 378 379

Konnte nicht nachgewiesen werden. Christian Schulz nicht ermittelt. Augustin Leupold († 1745) emigrierte 1727 aus Böhmen nach Herrnhut. Anton Dietrich Bügel (1714–1775). Balthasar Friedrich von Promnitz (1711–1744) auf Halbau und Burau, verheiratet mit Anna Sophie Christine, geb. von Erbach-Fürstenau, verwitwete von Maltzahn (1708–1759). Friedrich Heinrich von Bibran (1715–1787). Joachim Heinrich Geißler (1697–1757). Johann Martin Dober (1703–1748), Töpfer und Seelsorger in Herrnhut. Jacob Liebig (1717–1779). Johannes Hüffel (1712–1792), 1755 mit Christina Rekruz, geb. Fraisinet, verheiratet, später im Baltikum und in Russland tätig.

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Fürstenthümern Schweidnitz, Brieg, Münsterberg und dem Bresslauischen angemerckt, wo Seelen durch den Besuch der Brüder aufgeregt, oft auch durch die ernstliche Predigten und noch mehr durch die Warnungen ihrer Pfarrer bewogen worden, sich nach Peile umzusehen und zum Theil noch vor der Gemein-Zeit dahin zu ziehen. Auch in Ober-Schlesien und sogar in Mæhren ist Peile durch die Rösnitzer und durch Brüder von Herrnhuth bekannt und von manchen besucht worden. § 25. Auf die Weise kam ein neues Leben unter die heranwachsenden [70] betenden Kinder und die eingeschlafenen, aber nun wieder aufgeregten Nachkommen der ­Böhmischen Brüder, die sich in und nach dem Westphälischen Kriege,380 solange die Schlesier noch einige Freyheit hatten, ins Gebirge und, da auch hier die Kirchen weggenommen wurden, in die Evangelischen Fürstenthümer retirirt hatten, wies in der Brüder Historie, S. 378381 ausgedrückt wird. Mit vielen Historischen Documenten kan man dieses nicht belegen. Ich finde aber doch in den Actis einer Fürstlich-Liegnitzischen Kirchen-Visitation vom Jahr 1674,382 daß der Pfarrer zu Adelsdorf383 im Goldbergischen Creise ohnweit Gnadenberg über einige Leute, die als Exulanten aus Böhmen gekommen, geklaget, daß sie einen eigenen Böhmischen Lehrer hätten und sich nicht zum Gottesdienst in der Pfarrkirche hielten und daß ihm der Bescheid gegeben worden, man müste die Leute gehen laßen, bis sie deutsch verstünden und keinen Böhmischen Lehrer mehr nöthig hätten. Daß aber viele, wo nicht die mehresten unsrer Gemein-Glieder in den Dörfern aus Böhmen herstammen, kann man daraus abnehmen, daß noch viele Böhmische Geschlechts-Namen unter ihnen sind, ohngeachtet die Böhmen ihre schwer auszusprechende Namen gern mit deutschen verwechseln. Viele wißen noch ihr Geschlecht von Väterlicher und Mütterlicher Seite aus Böhmen oder Mæhren und einige namentlich von den Brüdern herzuleiten, wie denn fast alle Geschwister in Schönheide384 daher stammen, ja einige wißen, daß ihre Groß- oder Urgroß-Väter Aemter in der Brüder-Kirche bekleidet und ihre Kinder, sonderlich ums Jahr 1720, so wie die sterbenden Väter in Böhmen (siehe [71] Brüder Historie, S. 112, 210)385 mit der Hofnung beßerer Zeiten vertröstet, daß bald völlige Religions-Freyheit und wahre Gemeinen 380 Der Dreißigjährige Krieg, 1618–1648. 381 Cranz, David: Alte und Neue Brüder-Historie oder kurz gefaßte Geschichte der Evangelischen Brüder-Unität in den ältern Zeiten und insonderheit in dem gegenwärtigen Jahrhundert. Barby 2 1772 [11771], 378: „Schlesien war voll von Nachkommen der alten Böhmischen Brüder, die sich aus Böhmen und Mähren über das Gebirge dahin retirirt hatten.“ 382 Kirchen-Visitations-Relation 1674 (Archiwum Państwowe we Wrocławiu, Oddział w Legnicy, Sign. II 1096). 383 Adelsdorf (poln. Zagrodno). 384 Schönheide (poln. Przedborowa). 385 Cranz, David: Alte und Neue Brüder-Historie oder kurz gefaßte Geschichte der Evangelischen Brüder-Unität in den ältern Zeiten und insonderheit in dem gegenwärtigen Jahrhundert. Barby 2 1772 [11771], 112, 210.

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Jesu aufkommen würden, zu denen sie sich dann halten solten. Es ist auch eine allgemeine Sage, daß sie auf dem sogenannten Kretschamberge bey Lampertsdorf386 ohnweit Gnadenfrey Gottesdienst gehalten, wo noch das Pfarr-Bäumel gezeigt wird, unter welchem ein Böhmischer Prediger erschlagen worden, und der Platz, wo die Taufbuche, die aber 1726 umgehauen worden, gestanden, in welcher eine Höle mit Waßer gewesen, daraus sie ihre Kinder getauft haben. Wir haben sogar aus den Oelsnischen Geschwister, zum Exempel die Schedewigsche Familie,387 deren Vater in Niesky heimgegangen, die in den lezten bedrängten Zeiten aus Böhmen dahin geflohen und ihre Namen und Hauß-Gottesdienst beybehalten haben. § 26. Daß aber diese neue Erweckung großentheils und die Fortdauer und Befestigung derselben allein von den Mährischen Brüdern und der Gemeine zu Herrnhuth herzuleiten ist, solches bestätigt sich durch die Nachricht, die der selige Seidliz, das gesegnete Werkzeug bey derselben vom Anfang an, bey einem Liebesmahl von 500 Personen nach der Grundsteinlegung des alten Bethauses am 12. May 1744 von dem Ursprung der hiesigen Gemeine gegeben, wie selbige Bruder Hehl388 als damaliger Prediger ins Diarium389 eingetragen, mit den Worten: „Die Gemeine sey aus den Durchzügen der ehemahls aus Mæhren exulirenden Brüder entstanden. Die hätten 2erley Wege durch Schlesien genommen, einige über Schönbrunn, wo sie bey ihm eingekehret und von ihm über Dirsdorf [72] weiter befördert worden, die andern über Peterswalde, wo sie sonderlich von Bruder Klette390 beherbergt und über Hirschberg weiter befördert worden.* Es wären in Dirsdorf zur Zeit des Herrn Sommers und Mædrians391 zwar viele Seelen erwekt worden, aber nicht geblieben. Denn in Peterswalde wären die besten Separatisten worden, die übrigen in der Gegend wären wieder eingeschlafen oder als ängstliche Leute vor sich ohne allen Zusammenhang geblieben. Auch der Segen, den *

Dieses continuirte auch, da Seidliz im Gefängniß war, wie ich denn in des Bader Ritters Diario [konnte nicht nachgewiesen werden] von der damaligen Zeit finde, daß er am 4. Octobris 1739 12 Personen aus Mæhren von Peile aus begleitet und sie theils über Hirschberg, theils über Bunzlau nach Herrnhuth gewiesen.

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386 Lampersdorf (poln. Grodziszcze). 387 Georg Schedewig (1678–1755), Johann Schedewig (1707–1767). 388 Matthäus Gottfried Hehl (1705–1787), 1745 ging er nach Pennsylvania, 1751 Ordination zum Brüderbischof. 389 �������������������������������������������������������������������������������������������� Der Bericht findet sich nicht im Diarium von Gnadenfrei, sondern in einer gesondert abgelegten Darstellung Hehls über die Grundsteinlegung (Unitätsarchiv Herrnhut, Sign. R.7.D.I.a.1, Nr. 3). Sie beginnt: „Nach der Grundlegung des Beth-Haußes in Peilau, den 12. May Mittwochs nach 11 Uhr, war auf dem Saal ein Liebes-Mahl vor einige Arbeiter und Gäste, wobey Bruder Seidlitz erzählete und sehr deutlich machte, wie sich die heutige Gemeine in Peilau und ihr Zusammenhang originarie entsponnen.“ 390 Anton Klette (1693–1764), verheiratet mit Rosina, geb. Girnth. 391 Daniel Gottlieb Mederjan (Mäderjan, 1691–1734).

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die Durchmärsche der Mährischen Brüder hie und da gehabt, hätte sich nach und nach wieder verloren, weil niemand darum bekümmert gewesen, eine Connexion und Bekanntschaft mit diesen Leuten zu unterhalten. Er (Seidliz), bey dem sie in Schönbrunn auf ihrer Hinaus- und wieder Hinein-Reise nach Maehren fleißig zugesprochen, habe auf die Art immer Nachricht von der Gemeine bekommen und sein Auge auf sie gehabt […].“392 Nachdem er nun die Gemeine besucht und angefangen, in Peile Stunden zu halten, auch nach und nach von den Brüdern mehr Besuch gekommen, so wären alle die Seelen, bey denen von Alters her was gelegen, wieder rege worden und unter Druck und Verfolgung eine Gemeine daraus entstanden, wie sie heutiges Tages ist. [73] § 27. Ehe wir aber zu der wircklichen Errichtung der Gemeine in Schlesien fortgehen, muß ich erst etwas von dem veränderten Religions-Zustande gedencken. Da dem Berliner Hofe nicht unbekannt war, daß in den ehemaligen Erbfürstenthümern außer den 9 GnadenKirchen393 gar keine Evangelische Gotteshäuser waren und die Leute mehrentheils viele Meilen weit, ja außer Landes zum Gottesdienst gehen und ihre Kinder oft mit Lebens-Gefahr zur Taufe bringen mußten, ingleichen daß in den mehresten Dörfern, sonderlich in Nieder-Schlesien, 1.000 bis 3.000 Lutheraner und oft nicht der hundertste Theil Catholicken waren, denen man doch die Kirchen nicht wieder nehmen wolte, um sie nicht abwendig zu machen und gegen die Alt-Ranstädtische Convention zu handeln, mithin die Catholischen Fürsten aufzubringen, so konte man den Evangelischen Schlesiern, um sie zu gewinnen, keinen beßeren Gefallen thun, als daß man ihnen Prediger mitbrachte. Es wurden also bey dem Einmarsch der Armee 12 durch den Probst Reinbeck394 ordinirte Candidaten mit herein geschickt und im Januar 1741 durch den Prinzen Leopold von Dessau395 in eben so vielen Orten eingewiesen, mit der kurzen Vocation: „Auf allergnädigsten Befehle soll N. N. zu N. N. in einem großen Saal Gottesdienst halten und alle Actus ministeriales396 verrichten, übrigens den ­Chatholicken keinen Eingriff thun. Wornach sich zu achten.“ Wie diese mit Freuden aufgenommen wurden, ließ der [74] Feld-Marschall durch das Feld-Ministerium den 16. Februarii 1741 im Lager vor Glogau noch 9 Prediger ordiniren und einweihen. Sobald dieses im Lande 392 In der von Cranz gekennzeichneten Auslassung fährt der Bericht von Hehl fort: „[…] biß er sich vor 10 Jahren resolvirt, mit seiner gantzen Familie auf Herrnhuth zu ziehen, deswegen auch wircklich Schönbrunn verkauft; im Begriff aber nach Herrnhuth zu reißen vom Herrn von Pfeil in Dirschdorff angehalten und recht forciret worden, Peilau zu kaufen, woselbst seit ohngefehr 8 Jahren, seit dem nemlich Bruder Seidlitz die Gemeine Persöhnlich besucht und ein paar Jahr hernach angefangen, in Peilau Stunden zu halten.“ Am Schluss des Berichts stehen kurze Hinweise auf die Anfänge von Gnadenberg und Prediger Mäderjan. 393 Die drei Friedens- und sechs Gnadenkirchen. 394 Johann Gustav Reinbeck (1683–1741), 1717 Propst von Cölln und 1728 Konsistorialrat im Berliner Konsistorium. 395 Leopold (1676–1747), 1693 Fürst von Anhalt-Dessau und Offizier in der preußischen Armee. 396 Geistliche Amtshandlungen.

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bekannt wurde, fanden sich nach und nach Deputirte von mehr als 100 Orten im Lager ein, um Prediger zu bitten, und brachten zum Theil ihre Candidaten mit, aus denen 28 erwehlt wurden. Weil aber die Herrschaften (und viele aus Antrieb der Lutherschen Pfarrer in den benachbarten Evangelischen Fürstenthümern, welche dadurch auf einmal ihre Kirch-Gäste, die ihnen bisher mehr als Wiedmuth397 und Decimen398 eingetragen, zu verlieren fürchteten) bey dem Könige sich über die Unordnung beschwerten, daß die Unterthanen ohne Einwilligung der Herren, die von Alters her das Jus patronatus behalten hätten, Prediger vocirten, daß sie an vielen Orten keine Prediger brauchten, daß die Gemeinen schlechte Leute wählten und sie, wie auch die zu erbauenden Bethäuser, zu erhalten nicht im Stande wären, so wurden auf Königlichen Befehl aus den 28 Candidaten nur 10 durchs Loos erwehlt und den 23. Februarii 1741 ordinirt. Es lieffen aber noch immer viele Klagen ein, daher wurde unterm 5. Julii 1741 befohlen, daß die neuen Prediger nicht ohne die Kirchen Patronen und ordentliche Pfarrer mit den Bauren den Gottesdienst einrichten und den Catholischen und den benachbarten Evangelischen Pfarrern nicht in ihre Rechte eingreiffen solten. Es wurde auch nach der im Altranstädtischen Frieden beliebten Taxa, die Jura stolæ399 von beyden Seiten zu zahlen befohlen, das ist, daß sowol die Catholischen [75] in den Evangelischen Parochien, als die Evangelischen in den Dörfern, wo die Kirchen Catholisch sind, erstlich dem Pfarrer des Orts und dann auch dem, der es verrrichtet, das Taufen, Trauen, Begraben etc. bezahlen, und nur die Geistlichen Beyder Theile, wie auch die Königlichen Bedienten davon aus genommen seyn solten. Und dieses hat gewährt bis 1758, da, vermuthlich um die Catholischen zu züchtigen,m durch einen Königlichen Befehl die Jura stolæ an den Pfarrer einer andern Religion zu zahlen verboten worden. Im Jahr 1754 wurden die Feyertage eingeschrenckt, zum Theil auf den nächsten Sonntag verlegt, die mehrsten Marien- und alle Apostel-Tage gar abgeschaft und 1773 wurde auch der dritte von den 3 hohen Feyertagen, Himmelfahrt und die Bußtage aufgehoben. § 28. Nach einem Verzeichniß in Hensels Kirchen-Geschichte von Schlesien400 sollen in Städten und Dörfern 330 alte Kirchen den Evangelischen gehören, wobey 400 Geistliche sind, indem manche Kirchen mehr als einen und die Gnadenkirchen 4 bis 5 Geistlim

von Cranz am unteren Seitenrand eingefügt: Eigentlich, weil Herzog Carl von Lottringen [Karl von Lothringen (1712–1780)] es nacher den Catholschen verboten.

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397 Land, das den Geistlichen einer Gemeinde zur Nutzung und Bewirtschaftung zur Verfügung stand, um den Lebensunterhalt zu bestreiten. 398 Der Zehnte, eine Abgabe der Gemeindeglieder für die Kirche. 399 Die Stolgebühren. 400 Hensel, Johann Adam: Protestantische Kirchen-Geschichte der Gemeinen in Schlesien nach allen Fürstenthümern, vornehmsten Städten und Oertern dieses Landes […]. Leipzig/Liegnitz 1768, 751–754.

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che haben. Nach veränderung der Regierung sollen 206 Bethäuser erbaut worden seyn, nemlich im Schweidnitzischen und Jauerschen 122, im Glogauischen und Saganschen 60 und im Breßlauischen und in Ober-Schlesien 24. Die Prediger stehen unter gewißen Inspectoren oder Seniores, deren einer, wie in den Evangelischen Fürstenthümern, einen Crais oder Weichbild, in den Erbfürstenthümern aber, wo nicht in allen Dorfern Bethäuser sind, einen, auch wol mehrern Fürstenthümern vorgesezt [76] ist. Die Evangelischen Fürstenthümer Brieg und Oels haben ihre Consistoria behalten, und ihre Superintendenten installiren die Prediger. Alle übrige Angelegeheiten aber müßen vor die Ober-Consistoria in Breßlau und Glogau, die 1742 errichtet worden, gebracht werden, und seitdem [ist] in Oppeln ein Ober-Amt errichtet worden, ist auch daselbst ein Ober-Consistorium für Ober-Schlesien, das aber nun nach Brieg verlegt worden. Die obersten Geistlichen in denselben heißen nur Inspectores und sind, wie auch manche an andern Orten, Consistorial-Räthe. Wo die Lutheraner ihre Kirchen behalten haben, da haben auch die Pfarrer die Wiedmuth und Decimen, die in diesem fruchtbaren Lande gemeiniglich sehr einträglich sind. Sie müßen aber auch soviel an Steuren und Fourage401 abgeben, daß mancher lieber eine Stelle bey einem Bethauß annimmt. Die Prediger bey denselben haben kein oder doch sehr wenig Land und brauchen es also auch nicht zu versteuren. Sie haben ein fixum von 200 rt. mehr oder weniger, welches die Herrschaften und Unterthanen zusammen tragen, und die Accidentien402 von ihren Verrichtungen nach einer Königlichen Taxa, welche, weil viele Dörfer zu einem Bethause gehören und sich auch ofte freywillige Kirchen-Gäste von andern Dörfern dahin halten, oft mehr als das Fixum ausmachen, und an manchen Orten wird ihnen auch ein Deputat an Victualien403 gereicht. Da aber die Einkünfte von den Gästen sehr ungewiß sind, so haben die Patroni der Bethäuser [77], das ist nicht nur der Herr, in deßen Dorfe das Bethauß steht, sondern alle, die es haben errichten helfen, durch ein Consistorial Befehl darauf angetragen, daß die Herrschaften und Unterthanen sich ein vor allemal erklären solten, zu welchem Bethauß sie sich halten wolten. Dieses haben aber die wenigsten thun wollen, weil sie dadurch verpflichtet wurden, zur Erhaltung des Bethauses und des Predigers beyzutragen. Die Bethäuser sind mehrentheils von Holz und manche, um die Kosten zu sparen, schlecht gebaut, haben auch kein Geläute und Kirchhof, sondern sie begraben auf den Catholischen Kirchhof mit dem Geläute der Catholischen Kirche, und wo kein Bethaus ist, da begräbt der Schulmeister mit einer kleinen Parentation,404 wenn die Leute nicht die Kosten dran wenden wollen, einen Prediger kommen zu laßen, der im Sterbehauß die Leichen-Predigt hält. Nirgends ist das Simultaneum,405 da nemlich die Evangelischen nach dem Catholischen Gottes-­Dienst 401 Futter für das Vieh, vor allem für die Pferde der Armee. 402 Nebeneinkünfte, hier die Stolgebühren für Amtshandlungen. 403 Lebensmittel. 404 Trauerrede, Abdankung. 405 ��������������������������������������������������������������������������������������� Gemeinschaftlicher Gebrauch einer Kirche durch zwei Gemeinden unterschiedlicher Konfession.

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sich der Kirche bedienen, eingeführt, ob es gleich an den mehresten Orten, wo die Catholischen Kirchen fast leer stehen, füglich hätte geschehen und den Evangelischen den kostbaren Bau eines Bethauses ersparen können. Auf jedem Dorf, auch wo kein Bethauß ist, muß ein Schulmeister von der Herrschaft und Gemeine erhalten und die Schulen in Dörfern, die nicht zu einem gewißen Bethause gehören, von einem benachbarten Prediger, den die Herrschaft wehlen kann, visitirt werden. Jedoch schicken auch manche ihre Kinder in die Catholische [78] Schulen, und diese, wo ihrer zu wenig sind, in die Evangelische. Wer die Schlesier vor der Veränderung gekannt hat, der beklagt, daß sie sich in ihren Sitten gar sehr verändert. Sie sollen nicht mehr so bescheiden, aufrichtig und treuherzig seyn und manche vorher unbewußte, aber doch durchgängig ­verabscheuete Laster angenommen haben, welches den bösen Exempeln, die die Jugend besonders an den Soldaten gesehen, zugeschrieben wird. Sie sollen auch nicht mehr die Begierde nach Gottes Wort und nach der privat-Erbauung zu Hause und mit andern Freunden und die Ehrerbietung vor Geistlichen Sachen und Personen haben, welches theils eine natürliche Folge der völligen Religions-Freyheit ist, theils aber auch dem schlechten Character und Leben der mehresten Geistlichen, die sie gleich zu Anfang aus der Hand der Soldaten erhielten, zugeschrieben wird. Bey der großen Anzahl der Prediger, die die Schlesier gleich zu Anfange begehrten, konte man sich freylich ihrer Tüchtigkeit nicht sehr versichern. Mancher konnte da sein Stück Brod finden, das ihm an Orten, wo er beßer bekannt war, mangelte, und die Schlesier, die vorher mehrentheils sehr wackere Männer im Lehr-Amt gesehen und die größte Eherbietung vor ihnen gehabt hatten, ließen sich alles gefallen und folgten in Einfalt ihrem Exempel. Die Neuerungen406 in der Lehre haben zwar in Schlesien auch Eingang gefunden und sind sonderlich von einigen der angesehensten, die vorher Feld-Prediger gewesen, getrieben [79] worden; ins Ganze aber kann man sagen, daß dieselben von den mehresten Predigern nicht beliebt und wol auch öffentlich widersprochen worden. Es hat auch jederzeit, wiewol wenige treue und gesegnete Männer gegeben, sie sind aber von ihren Obern gedrückt, zum Theil vertrieben worden. Es sind hie und da große Bewegungen entstanden, und es entstehen noch welche an Orten, wo man es am wenigsten vermuthete; sie nehmen aber immermehr ab, selbst in den Gegenden um die Gemeinen, und was aufgeweckt und nicht durch Eifersüchtige verblendet wird, sieht sich nach dem Licht der Gemeinen um. § 29. Bey der Veränderung der Regierung haben die Reformirten die seit dem 30jährigen Kriege verlorne Religions-Freyheit wieder erhalten und in Breßlau und Glogau Kirchen bekommen, an andern Orten wird auf Rathhäusern und Sälern Gottesdienst gehalten. Seit 1742 findet man auch Hussiten407 in Schlesien. Weil die hiesige Gemeine 406 Cranz denkt hier wohl an die von der Aufklärung und dem Rationalismus beeinflussten Prediger. 407 Der Begriff bezeichnet hier die aus Böhmen ausgewanderten Nachfahren der utraquistischen Kirche im Unterschied zu den Böhmischen Brüdern.

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mit denselben zu thun bekommen (siehe Brüder Historie, S. 633),408 so muß ich aus einer schriftlichen Nachricht ihres Predigers Machers409 und aus meiner Historie der Böhmischen Emigrationen etc.410 etwas von ihrer Herkunft melden. Als der GeneralFeld-Marschall Kalckstein411 im Winter 1741 die Winter-Quartiere im König-Grätzer Creis bezog, entdeckte ihm ein gewißer [80] Wenzel Tichey,412 daß viele heimliche Hussiten da wären, die, wenn nur das Evangelium böhmisch gepredigt würde, sich offenbaren und ins Königs Lande übergehen würden. Sobald der damalige Böhmische Prediger in Berlin, Liberda,413 hievon Nachricht erhielt, dachte er seine 1732 von GroßHennersdorf aus versuchte, aber sehr übel abgelaufene große Emigration aus Böhmen (siehe Brüder Historie, S. 199)414 nun noch ins Werck zu stellen, that der Regierung Vorschläge und erhielt Königliche Erlaubniß und Instruction, mit 6 Böhmischen Männern dahin zu gehen. Zu Weynachten 1741 kam er unter der Kleidung und mit dem Namen eines Doctor Frey nach Königs-Grätz415 und ließ durch seine 6 Emissarien überall den Hussiten bekannt machen, daß der König sie aufnehmen und bey Münsterberg (denn da hatte er sich einige ungebauete Stellen ausgesucht) Land geben würde. 408 Cranz, David: Alte und Neue Brüder-Historie oder kurz gefaßte Geschichte der Evangelischen Brüder-Unität in den ältern Zeiten und insonderheit in dem gegenwärtigen Jahrhundert. Barby 2 1772 [11771], 633. Cranz berichtet an dieser Stelle über die Kontakte, die die Nachfahren der Utraquisten mit der Brüdergemeine anstrebten: „Man konte ihnen aber in Gnadenfrey wegen Verschiedenheit der Sprache nicht nach ihrem Verlangen dienen, sondern verwies sie an die böhmische Brüder-Gemeine zu Berlin.“ 409 Undatiertes Schreiben von Andreas Macher (1698–1762) an Gotthilf August Francke (1696– 1769); Archiv der Franckeschen Stiftungen, Halle an der Saale, Sign. C 375:56. Abgedruckt in Winter, Eduard: Die Tschechische und Slowakische Emigration in Deutschland im 17. und 18.  Jahrhundert. Beiträge zur Geschichte der hussitischen Tradition. Berlin 1955 (Deutsche Akademie der Wissenschaften zu Berlin. Veröffentlichungen des Instituts für Slawistik 7), 438– 441, hier 438f. 410 Cranz, David: Historie der Böhmischen Emigration. Eine historisch-kritische Edition. Hg. v. Matthias Noller. Wiesbaden 2013 ( Jabloniana. Quellen und Forschungen zur europäischen Kulturgeschichte der Frühen Neuzeit 4), 80f. 411 Christoph Wilhelm von Kalkstein (Kalckstein, 1682–1759). 412 ������������������������������������������������������������������������������������������� An anderer Stelle nennt Cranz die Person Wenzel Tichy. Vgl. Cranz, David: Historie der Böhmischen Emigration. Eine historisch-kritische Edition. Hg. v. Matthias Noller. Wiesbaden 2013 ( Jabloniana. Quellen und Forschungen zur europäischen Kulturgeschichte der Frühen Neuzeit 4), 81. 413 Johann Liberda (1700–1742), 1726 Prediger der böhmischen Exulantengemeinde in Großhennersdorf, 1732, nachdem er seine Gemeinde aus der Oberlausitz nach Berlin geführt hatte, als Aufrührer im sächsischen Waldheim inhaftiert; nach der Flucht 1737 Pastor primarius der böhmischen Gemeinde an der Bethlehemskirche in Berlin. 414 Cranz, David: Alte und Neue Brüder-Historie oder kurz gefaßte Geschichte der Evangelischen Brüder-Unität in den ältern Zeiten und insonderheit in dem gegenwärtigen Jahrhundert. Barby 2 1772 [11771], 199f. Vgl. ferner ders.: Historie der Böhmischen Emigration. Eine historischkritische Edition. Hg. v. Matthias Noller. Wiesbaden 2013 ( Jabloniana. Quellen und Forschungen zur europäischen Kulturgeschichte der Frühen Neuzeit 4), 57. 415 Königgrätz (tsch. Hradec Králové).

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Es meldeten sich sogleich viele 100 Leute und bekamen (weil es nicht heißen solte, daß Leute unter dem Namen der Religion aus dem Lande gezogen würden) als Recruten Pässe, nach Schlesien zu gehen, jedoch mit dem Befehl zu warten, bis sie unter Bedeckung der Armee ausgehen könten. Sie wolten aber gleich fortgehen, meldeten sich bey ihren Herrschaften und wolten den Werth ihrer Güter bezahlt haben. Diese konnten sie als Recruten nicht aufhalten, wolten aber ihre Weiber und Kinder nicht ziehen laßen und noch weniger zugeben, daß sie ihre Güter verkauften und mitnähmen, und stellten der Generalitæt vor, daß [81] sie ihre Contribution und Fourage nicht liefern könten, wenn so viele Bürger und Bauern frey ausgingen. Sie wurden also angehalten zu bleiben, ja mit schwerer Execution belegt, bis sie ihre Contribution abgeführt hatten. Darüber wurden viele verdrüßlich, wollten sich wieder mit ihren Herrschaften aussöhnen, gute Catholicken seyn und ihre Päße ausliefern, wurden aber als Recruten von ihren Herrschaften abgewiesen. Viele, die das Ihrige unter der Hand verkauft und sich wegen der Contribution abgefunden hatten, gingen mit Liberda aus, gaben ihre Sachen in einem Wirths-Hauß bey Rickerts416 im Glætzischen in Verwahrung und holten andre nach. Die Böhmischen Herrschaften holten mit Hülfe eines Preußischen Comanndo diesen 2ten Zug bey Nachod417 ein, führten sie als Vagabonds in die Gefängniße und nöthigten sie, ihre Contribution zu bezahlen. Die aber bey Rickerts halte gemacht und ihre Güter, Weiber und Kinder bewachten, wurden von Oesterreichschen Frey-Beutern überfallen, jämmerlich zerschlagen und alles des Ihrigen beraubet. Liberda wolte eine Bedeckung für diejenigen haben, die noch aus gehen wolten, erhielt aber dieselbe nicht und mußte geschehen laßen, daß die Flüchtlinge noch einigemal auf dem Wege beraubet und ein Trupp Leute, die das Geld für ihre verkauften Güter aus Böhmen nachgeholet, bey Glaz aufgefangen und unter allerley Mißhandlung zur Oesterreichschen Armee nach Mæhren [82] geschleppt wurden, wiewol sie auf das Gerücht, daß Preußen im Anmarsch wären, bald Gelegenheit fanden zu entfliehen. Und so kamen anstatt der 20. bis 30.000, die Liberda nach dem Exempel der Salzburger418 mit Haab und Gut auszuführen dachte, etwa 2.000 Seelen geplündert, zerschlagen, durch die widerwärtige Behandlung confus gemacht nach Münsterberg und saßen, da Liberda am 9. Augusti 1742 zu Berlin starb, auf einem Haufen, ohne Rath und Hülfe. Sie hatten sich laut den Versprechungen vorgestellt, daß sie beysammen bleiben, eine besondere Colonie anbauen und einen Böhmischen Prediger bekommen würden. Da sich aber dieses nicht thun ließ und sie durchs Loos unter verschiedene Herrschaften vertheilt, auch einige unter die Soldaten genommen und andere sonst übel angesehen und behandelt wurden, so liefen viele wieder nach Böhmen. Einige zerstreuten sich hie und da im Lande, andre gingen nach Berlin, wie denn manche dort zur Gemeine gekommen sind, und endlich ließen sich die mehresten nach vielen Schwürigkeiten und Ungemach bewegen, unter einige Herrschaften, besonders unter 416 Bad Reinerz (poln. Duszniki-Zdroj, tsch. Dušníky). 417 Nachod (tsch. Náchod). 418 Nach dem Vorbild der 1732 zur Emigration gezwungenen Salzburger Protestanten.

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den Grafen von Reichenbach419 nach Goschüz420 und unter den Grafen Henckel421 nach Tarnowiz422 30 Meilen auseinander zu ziehen. Die wenigsten waren noch in Münsterberg, als sie nach vielen Vorstellungen die Königliche Erlaubniß da zu ­bleiben erhielten und den vor und nach Liberda in Berlin gestandenen [83] Böhmischen Prediger Macher auf eine Zeitlang bekamen. Die im Lande Zerstreueten haben nach und nach durch Hülfe der etliche mal durch Collecten eingekommenen Gelder einige Colonien angelegt, als zu Hussinez423 und Podiebrad424 bey Strehlen, Friedrichs-Tabor425 und Ziska426 bey Wartenberg427 und Friedrichs-Grätz428 bey Oppeln. Etliche 100 haben sich zu ihren Lands-Leuten im Brandenburgischen begeben und sind zum Theil der Brüder Gemeine zu Berlin und Rixdorf einverleibt worden, und einige wenige sind in Münsterberg geblieben, deren Prediger zugleich die Hußiten in einigen Dörfern der Grafschaft Glaz zu bedienen hat. Sie nennen sich gern Böhmische Brüder oder die Brüder-Einigkeit, haben sich aber seit 1747 nicht weniger als die Berlinischen Böhmen (siehe Brüder Historie, S. 517)429 übers Brod-Brechen gezanckt und sich theils zu den Lutheranern, die mehresten aber zu den Reformirten geschlagen. Von ihren Obern werden sie Hussiten genannt, und sie stehen weder bey denselben noch bey ihren Mittbürgern in guter Achtung. § 30. Da endlich die Brüder-Gemeine mit den Schwenkfeldern, die aus Schlesien emigrirt sind, verschiedenes zu thun gehabt, so muß ich von ihrem zeitherigen Zustand auch etwas nachholen. Obgleich Caspar Schwenkfeld beym Herzog Friedrich II. von Liegniz in Ungnade gefallen (siehe § 3) und aus dem Lande ging, auch die Prediger, die es mit ihm hielten, abgesezt wurden, so waren [84] doch viele Leute seiner Lehre zugethan, wie denn in der Grafschaft Glaz alles voll Schwenkfelder gewesen seyn soll, bis sie im 30jäh419 420 421 422 423 424 425 426 427 428 429

Heinrich Leopold von Reichenbach-Goschütz (1705–1775). Goschütz (poln. Goszcz). Karl Erdmann Henckel von Donnersmarck (1690–1760). Tarnowitz (poln. Tarnowiec). Hussinetz (poln. Gęsiniec). Podiebrad (poln. Gościęcice). Groß Friedrichstabor (poln. Tabor Wielki). Klein Friedrichstabor (poln. Tabor Mały, tsch. Žižka). Groß Wartenberg (poln. Syców). Friedrichsgrätz (poln. Grodziec). Cranz, David: Alte und Neue Brüder-Historie oder kurz gefaßte Geschichte der Evangelischen Brüder-Unität in den ältern Zeiten und insonderheit in dem gegenwärtigen Jahrhundert. Barby 2 1772 [11771], 519–522. Unter den Berliner Böhmen entstand 1747 heftiger Streit, ob das Abendmahl mit gebrochenem Brot oder mit Oblaten zu feiern sei. Infolge dieses Streits trennten sich die Berliner Böhmen in eine böhmisch-lutherische und eine böhmisch-reformierte Gemeinde. Vgl. ders.: Historie der Böhmischen Emigration. Eine historisch-kritische Edition. Hg. v. Matthias Noller. Wiesbaden 2013 ( Jabloniana. Quellen und Forschungen zur europäischen Kulturgeschichte der Frühen Neuzeit 4), 117–122.

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Geschichte der Evangelischen Brüder-Gemeinen in Schlesien

rigen Kriege so wie in Ober-Schlesien genöthigt worden, Catholisch zu werden. Sie wären gewiß ein guter Saame in Schlesien gewesen und hätten in der großen ­Religion manches gute stiften können, wenn sie nicht, wie zuerst von den Wieder-Täufern also hernach durch Böhmens430 Schriften wären verdorben worden. Ihren Hauptsitz hatten sie zu Harpersdorf431 und in den benachbarten Dörfern am Grätzberg432 im Liegnitzischen, wo gegens Ende des vorigen seculi noch ein paar 1.000 waren. Sie hatten bey jedermann den Ruhm, daß sie stille, fleißig, arbeitsam, wohlhabend, gegen ihre Nachbarn und sonderlich die Armen dienstfertig und ihren Herrschaften gehorsam wären, daher sie von diesen, ohngeachtet aller Befehle gegen sie, gern tolerirt und beschützt und nur gehindert wurden, sich noch mehr auszubreiten. Ihre Kinder mußten sie taufen und sich von den Evangelischen Geistlichen copuliren laßen. Viele gingen auch in die Kirche, wo sie die Prediger nicht durch anzügliche Worte heraustrieben; zur Communion aber waren sie nicht zu bereden. Nach und nach ließ sich mancher, der gerne eine luthersche Person heirathen oder ein Ehren-Amt haben wolte, gefallen, luthrisch zu werden, und sie waren bis auf etliche 100 herunter geschmolzen, als 1718 die Pfarrer im Liegnitzischen auf Kayserlichen Befehl ans Consistorium einberichten mußten, wie groß ihre [85] Anzahl noch sey und wo sie sich aufhielten. Sie mußten auch vor den Lands-Hauptmann des Fürstenthums Liegniz erscheinen und Rechenschaft von ihrem Glauben geben, da sie denn auch ein schriftliches Glaubens-Bekenntniß von sich stellten. Bald darauf kamen 2 Jesuiten als Missionarii mit einem Kayserlichen Befehl vom 9. Octobris 1719, daß sie Catholisch werden und von den Lutheranern nicht daran verhindert werden solten. Der eine, Johannes Milan,433 sezte sich in Harpersdorf und der andere, Carl Regent,434 in Neudorf.435 Diese besuchten sie in ihren Häusern, trieben ihre Kinder zusammen und catechisirten sie, disputirten mit den Erwachsenen und brauchten allerley Überredungs-Mittel, und da sie damit nichts ausrichteten, hingegen einige aus Furcht vor ihnen luthrisch wurden, wurde es den Evangelischen verboten, sie anzunehmen. Man durfte die Gestorbenen nicht mehr ehrlich auf den Kirchhöfen, sondern auf dem Feld begraben, neu angehende Eheleute nicht copuliren, und wenn sie sich vergingen, kamen sie ins Gefängniß und mußten Catholisch werden. Viele verkauften ihre Güter und gingen heimlich aus dem Lande. Und da verboten wurde, ihnen etwas abzukaufen, so rottirten sich viele zusammen, packten ihr Haab und Gut auf und gin-

430 431 432 433

Jakob Böhme (1575–1624), Mystiker und Theosoph in Görlitz. Harpersdorf (poln. Twardocice). Gröditzberg. Johannes Milan SJ (1662–1727), 1698 Seelsorger der katholischen Werftarbeiter am Asowschen Meer, 1719 kaiserlicher Missionar gegen die Schwenckfelder von Harpersdorf aus. 434 ����������������������������������������������������������������������������������������� Karl Xaver Regent SJ (1689–1752), 1719 kaiserlicher Jesuitenmissionar gegen die Schwenckfelder von Langneundorf aus. Ab den späten 1720er Jahren polemisierte er mit theologischen Kontroversschriften gegen die sich in Herrnhut formierende Brüdergemeine und den Grafen Zinzendorf. 435 Langneundorf (poln. Dłużec).

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gen davon. Aus dem Leben des Grafen von Zinzendorf (S. 266)436 ist bekannt, daß er, nachdem er bey seinem ersten Besuch in Schlesien auch von diesen Leuten Nachricht eingezogen, bey seiner Reise [86] ans kayserliche Hoflager in Böhmen im September 1723437 sich ihrer bey dem Ministre mündlich und beym Kayser schriftlich angenommen und die Versicherung erhalten, daß sie emigriren könnten. Und aus der Brüder Historie ist bekannt, daß er viele in Bertholdsdorf438 aufgenommen und daß der Missionar Carl Regent wegen seiner Bemühung für sie sich an ihm 1729 durch die erste Streitschrift: Nachricht von einer in Ober Lausiz und Schlesien einreißenden neuen Secte etc.439 zu rächen gesucht, welche von den Predigern Schæfer, Schwedler und Rothe, die auch darinnen angegriffen waren, widerlegt worden, und daß er den Schwenkfeldern, die in Bertholdsdorf wohnten, auf ihre Bitte 1734 behülflich gewesen, sich in Georgien zu etabliren, wiewol sie nach Pensylvanien gezogen, welches die erste Veranlaßung zu den Colonien der Brüder in Georgien und Pensylvanien geworden (siehe Brüder Historie, S. 172, 219, 248, 316, 22440).441 Dahin sind hernach die mehresten aus Schlesien nachgefolgt, und ob sie gleich durch die Königlich-Preußische Declaration vom 8. May 1741442 der Gewissens-Freyheit versichert und die entwichenen wieder eingeladen wurden, so befinden sie sich doch im Leiblichen dort so gut, daß sie nicht wieder gekommen, haben sich auch im Geistlichen beßer eingerichtet und ihre Geschichte, GlaubensBekäntnisse [87] und Cathechismum443 drucken laßen, wovon die im Liegnitzischen 436 Spangenberg, August Gottlieb: Leben des Herrn Nicolaus Ludwig Grafen und Herrn von Zinzendorf und Pottendorf, Th. 1–8. Barby 1772–1775, hier Th. 3, 266. 437 Die Feierlichkeiten anlässlich der Krönung Karls VI. (1685–1740) zum böhmischen König. 438 �������������������������������������������������������������������������������������� Gut Berthelsdorf von Nikolaus Ludwig von Zinzendorf (1700–1760) in der Oberlausitz unweit von Herrnhut. 439 �������������������������������������������������������������������������������������� Regent, Carl: Unpartheyische Nachricht von der in Laußnitz überhandnehmenden und hieraus in die benachbarte Länder, insonderheit in Schlesien einreissenden Neuen Sect der so genannten Schefferianer und Zinzendorffianer […]. Breßlau 1729. 440 22 = Lesart unsicher. 441 Cranz, David: Alte und Neue Brüder-Historie oder kurz gefaßte Geschichte der Evangelischen Brüder-Unität in den ältern Zeiten und insonderheit in dem gegenwärtigen Jahrhundert. Barby 2 1772 [11771], 172f., 219f., 248–251, 316. 442 Abgedruckt in Hensel, Johann Adam: Protestantische Kirchen-Geschichte der Gemeinen in Schlesien nach allen Fürstenthümern, vornehmsten Städten und Oertern dieses Landes […]. Leipzig/Liegnitz 1768, 738. 443 Erläuterung für Herrn Caspar Schwenckfeld, und die Zugethanen, seiner Lehre, wegen vieler Stücke, beydes aus der Historie und Theologie, welche insgemein unrichtig vorgestellet, oder gar übergangen werden: Worinnen deroselben Historie bis 1740 kürtzlich entworffen; Ihre Glaubens-Bekänntnisse summarisch verfasset; und der eigentliche Zustand der Streitigkeiten, über dem heiligen Predigt-Amt, den heiligen Sacramenten und der Gloria der Menschheit Jesu Christi entdecket ist. Alles aus bewährten, glaubhaften und vielen noch niemahls an Tag gekommenen, richtigen Documenten, und eigener Erfahrung, treulich und einfältig beschrieben, und allen aufrichtigen Nachforschern und Liebhabern der Wahrheit zu Dienste, ans Licht zu stellen bedacht, durch Etliche der ehmaligen Emigranten aus Schlesien, und nunmehro eingesessene Innwohner in Pensylvanien in Nord-America. Jauer 1771.

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Geschichte der Evangelischen Brüder-Gemeinen in Schlesien

noch befindlichen wenigen Schwenkfelder durch ihre Abgeordnete den Aeltesten zu Gnadenberg und der Schwester Elisabeth von Wattewille444 als einer Tochter des Grafen von Zinzendorf, dessen Bemühung für ihre Glaubens-Verwandte rühmlich erwehnet wird, ein Exemplar zur Danckbarkeit überreicht haben. [88]

444 Elisabeth von Wattewille, geb. Reichsgräfin von Zinzendorf (1740–1807).

Zweiter Teil, Abschnitt 1: 1743 bis 1745

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Zweiter Theil. Geschichte der Gemeine in Schlesien, besonders in Gnadenfrey. Erster Abschnitt. Von der Einrichtung der Gemeine 1743 bis zur zweyten Concession 1746. Articulus I. Erstes Gesuch der Kirchen-Freyheit in Schlesien. § 1. § 2. § 3. § 4. § 5. § 6. § 7. § 8. § 9.

Veranlaßungen des Gesuchs der Kirchen Freyheit in Schlesien. Unterhandlung der Deputirten in Berlin und erste General Concession. Special-Concession des Bethauses in Groß Krausche. Bedenckliche Bedingungen bey der General und Special-Concession. Vorbereitung zur Einrichtung der Gemeine in Ober-Peile. Gemein-Schluß in Gnadenfrey den 13. Januarii. Erstes Abendmahl den 15. Januarii. Fernere Einrichtungen der Gemeine. Graf Promnitz weitere Unterhandlungen wegen der Schlesischen Kirchensache. [89]

Articulus II. Des Ordinarii Unterhandlungen bey Hofe. § 10. Des Ordinarii Bedencken bey dem ganzen Gesuch. § 11. Seine und anderer Brüder Vorstellungen deshalb bey den königlichen Ministres. § 12. Concessiones für Buhrau und Peterswalde und Antrag einer Kolonie zu Neusalz. § 13. Synodus zu Hirschberg und Antrag des Ordinarii zur Unterhandlung wegen der Kirchensache in Berlin. § 14. Des Ordinarii Empfang in Berlin mit einem harten Rescript. § 15. Veranlaßung deßelben durch die Bedrückung und Klagen einiger Brüder um Gnadenberg. § 16. Des Ordinarii Antwort darauf in seinem ersten Haupt-Bericht die ganze Schlesische Kirchensache betreffend. § 17. Synodal-Plan wegen der Einrichtung in Schlesien. § 18. Unterhandlungen deshalb mit Cocceji und deßen Anregung beym Corpus Evangelicorum. § 19. Suspension des Gottes-Dienstes in Peile und Concession des Bethauses. § 20. Commission in Peterswalde und Suspension des Bethauses. § 21. Unruhen in Rösniz und Concession eines Bethauses. [90] § 22. Die Concession für Neusalz und des Etablissements im Glätzischen wird von den Brüdern refusirt. § 23. Vergebliches Gesuch der Brüder in Berlin. § 24. Favorables Rescript bey Gelegenheit einer Klage. Des Ordinarii Reise nach Berlin.

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Geschichte der Evangelischen Brüder-Gemeinen in Schlesien

Articulus III. Visitation und deren Folgen in Schlesien. § 25. Aufenthalt zu Gnadeck. § 26. Visitation in Peile und Rösniz. Anbau von Gnadenfrey. § 27. Abermaliger Besuch in Gnadenfrey und Reise nach Liefland. § 28. Veränderungen der Arbeiter in Gnadenfrey. Nachricht von Biele und Dirsdorf. § 29. Bericht der Deputirten von ihrer Visitation in Schlesien und Vorschläge zur Einrichtung der Etablissemens. Bitte um ein Königlich Approbatorium. § 30. Einige favorable Rescripte deshalb unterm 19. Octobris. § 31. Gersdorfs Nachricht, warum dieselbe nicht expedirt worden und die ganze Unterhandlung ins Stecken gerathen. § 32. Vergebliches Gesuch der Loslaßung einiger mit Gewalt angeworbenen Brüder. § 33. Gersdorfs erste Unterhandlung mit Graf Münchow. § 34. Streitigkeiten wegen der Brüder in Peterswalde und Aufhebung ihrer Concession. [91] Articulus IV. Des Ordinarii weitere Unterhandlungen im Jahr 1744. § 35. Des Ordinarii Rückkunft aus Liefland und Graf Promniz Tod. § 36. Fernere Nachricht von der Gnadenbergischen Klagsache. Rescript deshalber und Gersdorfs Erinnerungen dabey. § 37. Abermalige Klagen und Vorschläge, dieselben zu beendigen. § 38. Anfang des Mißverständnißes zwischen dem Ordinarius und Graf Münchow. § 39. Visitation in Gnadenfrey und Veränderung der Arbeiter. § 40. Einrichtung des Gottes-Dienstes in Rösniz. Articulus V. Weitere Verhandlungen des Deputati. § 41. Des Ordinarii scharfe Correspondenz mit Graf Münchow. § 42. Deßelben Vorstellung wegen der Verzögerung des Neusalzer-Anbaues an den König und den Ministre Arnim. § 43. Unruhen in Rösniz und Verjagung des Predigers. § 44. Des Ordinarii Unterhandlungen mit dem Inspector Burg wegen Vereinigung der Brüder mit dem Lutherschen Clero. § 45. Einrichtung einer Gemeine unter den deutschen Brüdern in Berlin wie auch in Stettin. Diese erhalten das öffentliche Religions-Exercitium. [92] § 46. Unterschlagenes favorables Rescript wegen des Proselytenmachens und betrübte Folgen davon für die Stettinsche Gemeine. § 47. Gersdorfs weitere Unterhandlung mit dem dirigirenden Ministre wegen einer neuen Königlichen Versicherung. § 48. Umständlichere Nachricht hiervon nebst denen mit dem Ministre verabredeten Punkten. Abermalige Hinderung derselben.

Zweiter Teil, Abschnitt 1: 1743 bis 1745

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Articulus VI. Zustand der Gemeine in und um Gnadenfrey vom Jahr 1744. § 49. Einrichtung eine Pædagogii im Schlössel. Veränderung der Arbeiter. Anfang der Kinder Anstalten. § 50. Zustand und Wachsthum der Gemeine von außen. § 51. Ausführliche Beschreibung der Grundsteinlegung zum Bethaus in Gnadenfrey den 12. May. § 52. Angenehme Beschreibung der Pfingst-Feyer. § 53. Zustand der Häuflein in Biele und Peterswalde. § 54. Zustand des Häufleins in Dirsdorf und der auswärtigen Geschwister, ingleichen im Oelsnischen, in Bresslau und Lissa. Erster Besuch von Böhmen aus Oberschlesien. [93] Articulus VII. Zustand der Gemeinen vom Jahr 1745. § 55. Nachricht von den Kriegs-Trublen. § 56. Veränderung der Arbeiter. Wachsthum von Gnadenfrey und Einrichtung des Saals. § 57. Klage des Pfarrers in Dittmannsdorf gegen Gnadenfrey. Des Ordinarii Unterhandlungen in Berlin und Besuch in Schlesien. § 58. Zustand und Zunahme der Gemeine. Beßere Einrichtung der Chöre und der Conferenzen. § 59. Zustand der Häuflein in Peterswalde, Biele, Dirsdorf und dem Oelsnischen. [94–95 = vacat] [96] § 1. Noch vor dem Tode des Kaysers Carl VI.1 und also noch vor dem Anschein zu einiger Veränderung der Regierung oder zu Seidlitzens2 Befreyung wurde im Synodo 1740 zu Gotha3 beschloßen, sich der Schlesier mehr als bisher nicht nur durch einstweiligen Besuch, sondern durch beständige Arbeiter anzunehmen und es auf eine Gemeinmäßige Einrichtung, etwa nach dem Muster von Hernhuth, anzutragen. Zu dem Ende wurde Bruder Johann David Stöhr,4 welcher damals in Büdingen wohnte und sich der zerstreuten Seelen in der Wetterau annahm, mit seiner Frau5 ausgemacht und in die Pilger-Gemeine aufgenommen. Ihre Abreise aber verzögerte sich bis ins folgende 1 Karl VI. (1685–1740), 1711 Kaiser sowie König von Böhmen und Ungarn. 2 Ernst Julius von Seidlitz (1695–1766) erwarb 1734 Ober Peilau und veranlasste nach 1740 die Gründung von Gnadenfrei. 3 12. bis 19. Juni 1740. Synodalprotokoll: Unitätsarchiv Herrnhut, Sign. R.2.A.3.A.1. 4 Johann David Stöhr (1702–1774) und seine Ehefrau Eva Philippina wurden 1741 als Arbeiter für Schlesien bestimmt. 5 Eva Philippina Stöhr, geb. Heckardt (1711–1762).

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Geschichte der Evangelischen Brüder-Gemeinen in Schlesien

Jahr. Indeßen starb der Kayser, es entstand der Successions-Krieg,6 die Preussen rückten ein, Seidliz ward befreyet, und ob man gleich nicht wußte, ob und welchen Theil von Schlesien der König behalten würde, so dachte man doch immer ernstlicher drauf, es auf die öffentliche Predigt des Evangelii und auf Gemeinen in Schlesien anzutragen. Und dieses wurde von dem seligen Jünger7 bey seiner am 7ten Septembris 1741 erfolgten 2ten Reise nach Amerika den zurückbleibenden Arbeitern und insonderheit dem Bruder Johannes,8 der von Herrnhuth aus sich der Schlesischen Erweckung besonders angenommen und gleich wieder dahin abreißte, nachdrücklich empfohlen. Stöhr reißte sogleich nach Schlesien ab und kam den 24. Septembris 1741 mit Seidliz nach OberPeile. Er wohnte eine Zeit lang in Grossburg, besuchte die Erweckten in Nieder- und Ober-Schlesien, [97] machte mit Hülfe mehrerer Geschwister, die ihm nachgeschickt wurden, einige Ordnung unter ihnen, besonders in Peile, wo er sich am meisten aufhielt, eine Gemeinmäßige Einrichtung (siehe Theil 1, § 22). Nachdem nun im Bresslauischen Frieden, den 11. Junii 1742, fast ganz Schlesien unter Preußische Regierung kam, die Evangelischen das Haupt empor huben und auf eine Art dominant wurden, so konnte man sich von ihnen jezt weniger Toleranz versprechen, als sie in ihrem bedrückten Zustand gegen die Erweckungen und die besuchenden Brüder, ja nicht einmal gegen ihre Glaubens-Genoßen und Mittarbeiter, zum Exempel zu Teschen, bewiesen hatten. Und also getrauete sich die damals sogenante GeneralConferenz der Bischöfe und Aeltesten9 zu Marienborn nicht, unter den Flügeln der Lutherischen Geistlichkeit das Werck Gottes in Schlesien durch die Predigt des Evangelii und Bedienung der Seelen nach einer Gemeinmäßigen-Ordnung fortzusetzen. Daher that Johannes, dem die Schlesischen Umstände am besten bekannt waren, den Vorschlag, dem Exempel der übrigen Evangelischen zu folgen und um Concession zu einigen Bethäusern anzuhalten. Die Schweizer wolten gern einen Gemein-Ort zu Montmirail10 im Fürstenthum Neufchatell11 haben und hielten durch ihre Deputirten, Henry Cossart12 und Henrich Giller,13 unter des damaligen [98] Syndici David Nitschmanns14 Rath und Hülfe zu Ber16 Österreichischer Erbfolgekrieg (1740–1748). 17 Nikolaus Ludwig von Zinzendorf (1700–1760). 18 Johannes von Watteville, geb. als Johann Michael Langguth (1718–1788), 1744 von Baron Friedrich von Watteville (1700–1777) adoptiert. 19 ����������������������������������������������������������������������������������������� Die von der Synode in Marienborn im Sommer 1741 eingesetzte Leitung der Brüderunität während Nikolaus Ludwig von Zinzendorfs (1700–1760) Abwesenheit in Nordamerika. 10 Schloss in La Tène, Kanton Neuenburg, Wohnsitz der Familie von Watteville. 11 Das Fürstentum Neuenburg (frz. Neuchâtel) unterstand 1707–1792 den preußischen Königen. 12 ����������������������������������������������������������������������������������������� Heinrich Friedrich Cossart (1714–1763), 1737 Aufnahme in die Brüdergemeine, 1742 in Montmirail, Gesandter der Brüdergemeine in verschiedenen Missionen und Ländern. 13 Heinrich Giller (1701–1764), Kaufmann, 1740 Aufnahme in die Brüdergemeine, 1748–1752 Vorsteher der Hausgemeinde in Montmirail. 14 David Nitschmann („der Syndicus“, 1703–1779), 1724 aus Mähren nach Herrnhut emigriert, danach in diversen Führungspositionen der Brüderunität.

Zweiter Teil, Abschnitt 1: 1743 bis 1745

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lin um Kirchen-Freyheit an, bekamen aber von dem Minister Graf von Podewills15 den Rath, daß, da der König in jenem Fürstenthum ohne das Conseil und Classis nichts neues vornehmen könte, sie lieber in andern Preußischen Landen, besonders in Schlesien, darum Ansuchung thun möchten. Dieses leuchtete den Brüdern um so mehr ein, als sie damals noch keinen Begriff von den Tropis16 und von Bedienung der Seelen in der Diaspora hatten. Sie hatten auch bey der Einschrenckung der Gemeine zu Herrnhuth, die unter der Lutherschen Verfaßung stand, und bey der Widrigkeit, ja Verfolgung der Lutherschen Geistlichen an den mehresten Orten keinen Anschein dazu. Sie wolten nicht gegen das Verbot im Synodo 1739, After-Gemeinen in Städten und Dörfern unter der Lutherschen Verfaßung zu errichten, handeln, und überdem war damals alles auf Errichtung neuer Gemeinen von der Mährischen Verfaßung bedacht. Sie beschloßen also, nachdem Johannes im Herbst 1742 mit nähern Nachrichten von dem Zustand in Schlesien, von Herrnhuth in Marienborn angelangt war, den Bruder Wenceslaus Neusser,17 Pastor der Evangelischen-Mährischen Brüder Gemeine zu Herrnhaag, nach Berlin zu senden, mit einer den 12. Novembris 1742 von den Bischöfen Polycarp Müller18 und Johann Nitschmann19 unterschriebenen Vollmacht: „um die Freyheit der Mährischen Kirche in Ihro Majestät Landen, insonderheit in Schlesien anzuhalten, besonders um die Erlaubniß, Bethäuser [99] unserer Kirche daselbst aufzurichten“ etc.20 § 2. Mit dieser Vollmacht und einer Instruction21 von der General-Conferenz reißte Neisser zuerst nach Herrnhuth, um mit den Brüdern Martin Dober22 und Grasmann23 Abrede zu nehmen, und meldete den 26. Novembris dem Herrn von Falkenhayn,24 daß Bruder

15 Heinrich Graf von Podewils (1696–1760), preußischer Minister. 16 ��������������������������������������������������������������������������������������������� Tropus, Tropen – Abteilungen innerhalb der Brüderunität, orientiert an der Konfessionszugehörigkeit (lutherischer, mährischer und reformierter Tropus). 17 Friedrich Wenzeslaus Neisser (Neusser, 1716–1773), 1722 nach Herrnhut emigriert, 1738 zum Prediger ordiniert, seit 1764 Mitglied der Direktion der Brüderunität. 18 Polycarp Müller (1684/85–1747), 1740 Bischof der Brüderunität, 1741 Leiter des brüderischen Pädagogiums und des Theologischen Seminars, 1744 Brüderbischof in Schlesien. 19 Johann Nitschmann („der Bischof “, 1713–1772), 1741 Bischof der Brüderunität. 20 Unitätsarchiv Herrnhut, Sign. R.5.B.5.a, Nr. 3: „[...] so wohl um die Freyheit der Mährischen Kirche in Ihro Maj. Landen anzuhalten als auch insonderheit um diese Kirchen-Freyheit in Schlesien, besonders um die gnädige Erlaubniß, Bethäuser unserer Kirche daselbst aufzurichten“. 21 Ebd., Nr. 4, undatiert. 22 Johann Martin Dober (1703–1748), 1724 aus Franken nach Herrnhut übergesiedelt, später Oberältester, 1739 auf der Synode von Ebersdorf zu einem der „Apostel von Schlesien“ bestimmt. 23 ������������������������������������������������������������������������������������ Andreas Grasmann (Grassmann, 1704–1783), 1728 aus Mähren emigriert, diente in unterschiedlichen Aufträgen, war unter anderem Prediger der böhmischen Gemeinde in Berlin, 1756 Bischof der Brüderunität, 1765–1768 Provinzialhelfer der schlesischen Gemeinden. 24 Hans Friedrich von Falkenhayn (1681–1745), Rittmeister auf Groß Krauschen bei Bunzlau.

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Geschichte der Evangelischen Brüder-Gemeinen in Schlesien

Samuel Lieberkühn25 zum Prediger für die zu errichtende Gemeine in Groß Krausche26 ordinirt worden und daß er zu gleicher Zeit um ein Bethauß ansuchen solte. Er reißte in Gesellschaft des Grafen Balthasar Friedrich von Promniz27 nach Berlin ab und übergab ein den 8. Decembris von dem Syndicus der Mährischen Kirche, David Nitschmann, und von ihm unterschriebenes Memorial,28 darinnen laut der Aufschrift die Kirche der Mährischen Brüder um Aufnahme in des Königs Landen, insonderheit in Schlesien, bey denen sich zu uns bekennenden Prediger zu bestellen, einen Ort anzubauen und in Kirchen-Sachen unter dem Könige und keinem Consistorio als nur unter ihren Bischöfen zu stehen bittet. Dieses Memorial wurde vom Grafen Promniz mit einem Schreiben an die verwittwete Königin29 den 8. Decembris30 begleitet, darinn er meldet, daß und warum er sich zur Mährischen Brüder Kirche halte und vom Graf Gotter31 den neu angelegten Ort Neudietendorf im Gothaischen gekauft, um daselbst denen vielen in dortiger Gegend befindlichen Mährischen Brüdern einen Aufenthalt zu schaffen, daß aber [100] noch viel mehrere in Schlesien wären, auch viele Adeliche, die vorher wegen des GewißensZwangs aus dem Lande gegangen und nun um das freye Religions-Exercitium bäten, welches Ansuchen zu unterstützen er die Königin bittet. An eben dem Tage übergab Hans Friedrich von Falckenhayn auf Groß-Krausche und Loswiz,32 nebst einem Schreiben an den Staats-Ministre Freyherrn von Cocceji33 sein Gesuch,34 zu Groß-Krausche, auf eigene Unkosten ein Bethauß zu erbauen, einen Prediger von der Mährischen Kirche dabey zu halten und alles nach der Mährischen Kirchen-Verfaßung einzurichten. Beyde wiederholten ihr Gesuch in ihren Memorialen den 17. Decembris, und Neisser35 suchte demselben dadurch Nachdruck zu geben, daß viele Brüder, sonderlich Fabricanten, nach Schlesien kommen, auf eigne Kosten anbauen, die Schlesischen Brüder im Lande erhalten und noch mehrere aus andern Landen, sonderlich aus Mæhren, hereinziehen würden. Er hielt auch besonders in einem Schreiben36 an den Geheim-Rath

25 �������������������������������������������������������������������������������������������� Samuel Lieberkühn (1710–1777), studierte in Halle an der Saale und Jena Theologie, Judenmissionar in Amsterdam, 1765–1772 in Neusalz. 26 Groß Krauschen (poln. Kruszyn). 27 Balthasar Friedrich von Promnitz (1711–1744) auf Halbau und Burau, verheiratet mit Anna Sophie Christine, geb. von Erbach-Fürstenau, verwitwete von Maltzahn (1708–1759). 28 Unitätsarchiv Herrnhut, Sign. R.5.B.5.a, Nr. 9, 10. Dezember 1742. 29 Sophie Dorothea von Hannover (1687–1757), Königin von Preußen. 30 Unitätsarchiv Herrnhut, Sign. R.5.B.5.a, Nr. 7. 31 Gustaf Adolf von Gotter (1692–1762). 32 Loßwitz (poln. Łoslowice). 33 Samuel von Cocceji (1679–1755), 1738/39 und 1741–1746 preußischer Justizminister, ab 1747 Großkanzler. 34 Unitätsarchiv Herrnhut, Sign. R.5.B.5.a, Nr. 10, 10. Dezember 1742. 35 Ebd., Nr. 14. 36 Ebd., Nr. 13.

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und Præsidenten des Consistorii von Reichenbach,37 wie auch den 18. Decembris an ­Cocceji38 um baldige Resolution an. Lezterer ließ sich den 19. Decembris mit ihm in eine Unterredung ein, darinnen er zwar anfänglich viele Vorurtheile gegen den Grafen von Zinzendorf äußerte und nicht gern zugeben wolte, daß derselbe nach Schlesien komme und predige, noch auch, daß die Brüder vom Consistorio eximirt würden, hernach aber selber vorschlug, daß einer von den Bischöfen im [101] Lande wohnen und wenn auch nicht mit dem Eyd, doch mit dem Handschlag die Unterthänigkeit versprechen und vom Könige confirmirt werden solte. Neisser hielt den 20. Decembris bey Cocceji nochmals um baldige Resolution an39 und versprach, daß wir keine Proselyten machen wolten. Hierauf erfolgte den 22ten Decembris die königliche Resolution40 an Cocceji, dem Gesuch der Brüder zu willfahren, mit dem Grafen von Promniz das Nöthige deshalb zu concertiren, jedoch nichts durch gedruckte Edicte bekannt zu machen, welches einen vergeblichen Eclat machen und der Sache allerhand Hinderungen in den Weg legen würde.* Nachdem Neisser den 23. Decembris nochmals mit Cocceji gesprochen, so erfolgte den 25. Decembris 1742 die erste sogenannte und in Büdingische Sammlung, III. Band, S. 122 befindliche General-Concession oder Resolution vor die Deputirten der Mährischen Brüder etc.41 des Inhalts, daß sie sich, wie überhaupt in allen Königlichen Landen, also besonders in Schlesien etabliren, eine ­vollkommene Gewißens-Freyheit haben, Prediger bey ihren Gemeinen bestellen, unter keinem Consistorio, sondern unter ihren Bischöfen stehen, in Sachen aber, die nicht die GewißensFreyheit und ihre Kirchen-Ordnung betreffen, sich den [102] Landes-Gesetzen conformiren und zu dem Ende ein Bischof im Lande wohnen oder doch vom König bestätigt werden und Unterthänigkeit versprechen soll und daß ihnen erlaubt seyn soll, einen eigenen Ort anzubauen. Unter eben dem dato wurde die General-Concession der ­Ober-Amts-Regierung in Bresslau und Glogau insinuirt.42 § 3. Was nun noch Falkenhayns Gesuch betrift, so wurde unterm 19. Decembris von der Ober-Amts-Regierung in Bresslau ein Bericht erfordert,43 ob Bedencken wegen des zu

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Es ist aber nachher mündlich erlaubet worden, das Hauptsächlichste von dieser Verhandlung durch den Druck bekannt zu machen.

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Benjamin Friedrich von Reichenbach (1698–1750). Unitätsarchiv Herrnhut, Sign. R.5.B.5.a, Nr. 15. Ebd., Nr. 17. Ebd., Nr. 18. Friderici II. Königs in Preussen Majestät-Brief vor die Mährische Brüder-Kirche in Dero Landen. In: Büdingische Sammlung Einiger In die Kirchen-Historie Einschlagender Sonderlich neuerer Schrifften, Bd. 1–3. Büdingen 1742–1744, hier Bd. 3, 122–124. 42 Ebd., 124–126. 43 Unitätsarchiv Herrnhut, Sign. R.5.B.5.a, Nr. 16.

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errichtenden Bethauses vorhanden. Ehe aber noch derselbe eingehen konnte, ertheilte der König den Brüdern den 25. Decembris die General-Concession44 und dem Herrn von Falckenhayn den 5. Januarii 1743 die Special-Concession, „zu Gross-Krausche ein Bethauß zu errichten, und darinn den Gottes-Dienst nach der Vorschrift der Mährischen Confession öffentlich auszuüben, einen Prediger gedachter Confession nach Gutfinden zu bestellen, auch die bey den Mährischen Brüdern hergebrachte KirchenZucht und Ordnung beobachten zu laßen“, womit zugleich nach Anleitung der General-Concession die Gemeine der Jurisdiction der Consistorien gänzlich eximirt wurde, jedoch ohne weder dem Römisch-Catholischen Parocho noch sonst jemanden an seinen wohlhergebrachten Rechten zu præjudiciren.45 In der Insinuation dieser Concession an die Breßlauische Ober-Amts-Regierung von eben dem dato, declarirt der König noch überdem, „daß er den Brüdern aus eigener Bewegung die [103] Erlaubniß gegeben, in allen seinen Landen Bethäuser nach ihren Principiis zu haben“ etc.46 Es kam also der Bericht des Ober-Amts vom 9ten Januarii zu spät. Dieser mochte (da er uns nicht bekannt worden) dahin gehen, daß es bedencklich sey, die Brüder von der ­Cognition der Landes-Collegien zu eximiren. Der Inspector Burg47 zu Bresslau hatte auch sein Bedencken48 wegen der Mährischen Religions-Uebung gestellet, welches vom Grafen Promniz widerlegt worden. Da aber inzwischen die General-Concession und auch die Concession des Bethauses erfolget, so wurde unterm 19. Januarii darauf rescribirt, daß es bey der Exemtion vom Consistorio in der General-Concession sein Bewenden habe, mit den Worten: „Ihr habt ihnen hierunter freye Hände zu laßen und euch in dergleichen passibus keine Cognition über ihre Kirche und Disciplin anzumaßen. [...] Aber dafern sie ein Scandalum verursachen, Proselyten machen, die Ruhe und Bürgerliche Einigkeit turbiren, darinnen sind sie von eurer Aufsicht nicht eximirt.“49

44 Ebd., Nr. 21. 45 Ebd., Nr. 24; Concession von Groß Krauscha. In: Büdingische Sammlung Einiger In die KirchenHistorie Einschlagender Sonderlich neuerer Schrifften, Bd. 1–3. Büdingen 1742–1744, hier Bd. 3, 127f. 46 Unitätsarchiv Herrnhut, Sign. R.5.B.5.a, Nr. 23; Büdingische Sammlung Einiger In die KirchenHistorie Einschlagender Sonderlich neuerer Schrifften, Bd. 1–3. Büdingen 1742–1744, hier Bd. 3, 128f. 47 ��������������������������������������������������������������������������������������������� Johann Friedrich Burg (1689–1766), 1713 in Breslau ordiniert, 1735 Prediger an der Elisabethkirche und zugleich Kirchen- und Schulinspektor, 1742 Oberkonsistorialrat im Breslauer Oberkonsistorium. 48 Unitätsarchiv Herrnhut, Sign. R.5.B.5.a, Nr. 26. 49 ������������������������������������������������������������������������������������������������ Ebd., Nr. 25. Im Original lautet der Text: „Aber da fern sie ein Scandalum verursachen oder Proselyten machen oder sonst etwas, so unsern höchsten Gerechtsamen und Interesse nachtheilig und der Wohlfarth des Landes schädlich wäre oder die Ruhe und Bürgerliche Einigkeit, welche wir unter Unsern sämtlichen Unterthanen, von was Glaubens Meynungen sie seyn mögen, sorgfältig unterhalten und conservirt wissen wollen, turbiren könne, So ist Unsere Gnädigste Intention im geringsten nicht, dieselbigen in solchen Fällen Eurer Aufsicht zu eximiren.“

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§ 4. In diesem Rescript wird des Proselyten machens, womit man in den folgenden Jahren so oft und bey jeder Gelegenheit die Brüder belästiget, zum erstenmal gedacht. Ohne Zweifel hat das Ober-Amt oder vielmehr der Inspector Burg diesen Stein des Anstoßes den Brüdern in den Weg zu werfen und die Weißagung des Heylandes [104] (Luc. 12),50 daß das Evangelium, wenn es mit Ernst und Kraft verkündigt wird, nicht durchgängig Friede bringt, sondern in den Familien eins gegen das andere erregt und also (wies in dem Rescript ausgedrückt wird) Ruhe und Bürgerliche Einigkeit turbiret, gegen die Aufnahme der Brüder zu Nutzen gesucht. Allein diese Schwürigkeit ist noch weiter hinauf zu suchen. Neisser hatte schon in seinem ersten Schreiben an Cocceji den 20. Decembris51 diese bedencklichen Worte einfließen laßen: Wir wollen aber keine Proselyten machen, und in seinem 2ten Memorial an den König den 17. Decembris hatte er versprochen, daß nützliche Fabricanten ins Land kommen und viele Leute aus andern Landen hereingezogen werden solten (s. § 2). Nun aber finde ich in Neissers Unterredungen mit Cocceji nicht, daß ihm dieses zugemuthet worden. Es muß also dieser Minister durch den Hofrath Mirdelius,52 an den die Brüder gewiesen waren, oder durch den Grafen Promniz die Deputirten zu diesem zwiefachen Versprechen, die uns hernach so viele Noth gemacht, verleitet haben. Es ist aus einigen Berichten des Grafen Promniz zu schließen, daß er aus Begierde, den Brüdern zu dienen, bald fertig gewesen, mehr zu versprechen, als die armen Brüder sogleich zu præstiren im Stande waren; daher man sich auch nachher in Rescripten an ihn gehalten, da aber nicht alles gleich, so wie man sichs vorgestellt, geschehen können, seinen Zorn über die Brüder ausgeschüttet hat. [105] § 5. Mit der General-Concession reißte Neusser sogleich nach Herrnhuth ab, und mit dem Herrn von Seidliz, den er daselbst fand, wie auch den Brüdern Matthäus Schindler53 und Lintrupp54 den 4. Januarii 1743 nach Schlesien.55 In Gross-Krausche hielt er den 5ten eine Rede56 an 200 Seelen, die den Bruder Nicke zum Arbeiter hatten, und etliche verbundene Brüder erklärten sich für die Gemeine, baten um einen Prediger und 50 51 52 53

Lk 12,51–53. Unitätsarchiv Herrnhut, Sign. R.5.B.5.a, Nr. 17. Valentin Mirdelius (1685–1758). Matthäus Schindler (1694–1771), emigrierte 1731 nach Herrnhut und wurde 1743 nach Peilau zur Einrichtung der Gemeinde Gnadenfrei gesandt. 54 ������������������������������������������������������������������������������������������ Severin Falck, genannt Lintrup (1700–1758), besuchte 1723 die Akademie in Kopenhagen, wurde 1734 in die Brüdergemeine aufgenommen und 1743 Prediger in Groß Krauschen. 55 ���������������������������������������������������������������������������������������������� Mit dem Bericht über diese Reise am 4. Januar 1743 nach Schlesien über Görlitz, Neudorf, Bunzlau nach Groß Krauschen, wo sie am 5. Januar abends eintrafen, beginnt das Diarium der Gemeinde Gnadenfrei 1743. Vgl. Unitätsarchiv Herrnhut, Sign. R.7.D.I.b.1.a.1743–1750, 1. 56 Der Rede legt die Losung vom 10. November 1743 zugrunde: „Sie haben dein Gesetz zerrissen“ (Ps 119,126).

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erboten sich, ein Bethauß zu bauen. Den 7ten kamen sie über Schweidniz, wo ihnen etliche Mährische Leute begegneten, nach Ober-Peile und hielten den 8ten nebst dem Bruder Stöhr und seiner Frau und der Frau von Seidliz eine Enge Conferenz, worinnen der 15. Januarii bestimmt wurde (wies im Diario heißt57), dem Lamm zu huldigen und das heilige Abendmahl zu halten mit den Seelen, die sich aus Ueberzeugung zur Brüder-Gemeine bekennen. Auch solte Bruder Hüfel,58 der den folgenden Tag mit einem ­Testimonio des Superintendenten zu Brieg59 und der Erlaubniß zu predigen zurückkam, mit der Nachricht von der Kirchen-Freyheit nach Maehren gehen. Weil aber über der Mährischen Leute Fortgehen Unruhen entstanden, so hatte er (wie Samuel Schulz60 die Nachricht von Rösniz brachte) nur von dort aus schriftlich Nachricht hinein geschickt. In einer andern Conferenz, den 10ten, wurde Seidliz einmüthig zum Vorsteher erklärt, Stöhr zum General-Helfer und Charnier in der Conferenz und Lintrupp bis auf weitere Verordnung der Bischöfe zum Prediger bestellt. Dieser besuchte nebst [106] Schindlern die Seelen in Peterswalde und Stein-Kuntzendorf, sahe ihre Einrichtungen an, machte den Bruder Gloger61 als ihren Führer und einigen andern die Königliche Concession und vorhabende Einrichtung bekannt und bestellte 6 von dasigen Brüdern zu einer Conferenz. Mit dem Herrn von Pfeil62 und dem Pfarrer Conrad63 in Dirsdorf wurde den 12. wegen der Kirchen-Freyheit geredet und ihnen die Einrichtungen einer Gemeine klar gemacht, wozu es Sonntags, den 13. Januarii, kam. § 6. Diese Handlung, die man hier den Gemein-Schluß nennt,64 geschahe also: Nachdem Lintrupp um 6 Uhr die gewöhnliche Frühstunde über Ps. 100 gehalten, hielt Neusser um 8 Uhr an die verbundenen Geschwister, die bisher gemeinschaftlich in Dirsdorf zum Abendmahl gegangen, eine Rede von der Seligkeit, ein Glied Jesu und seiner Gemeine zu seyn, ganz für Ihn zu leben und in genauer Ordnung und Zucht zu stehen. Nachdem sie seine Frage: „Ob das ihr aller Sinn sey?“ einmüthig unter häufigen Thränen mit Ja 57 Diarium der Gemeinde Gnadenfrei 1743. Unitätsarchiv Herrnhut, Sign. R.7.D.I.b.1.a.1743– 1750, 7. 58 Johannes Hüffel (1712–1792), 1740 in der Brüdergemeine aufgenommen, 1742 nach Schlesien entsandt, traf im März 1775 in Pawlowitzke ein, erblindete aber im Juni und ging nach Gnadenfrei in den Ruhestand, 1755 verheiratet mit Christina Rekruz, geb. Fraisinet aus Königsberg (1725–1781). 59 Johann Caspar Lessel (1695–1752), 1721 zweiter Pfarrer (Diakon) in Brieg, 1735 Superintendent. 60 Samuel Schulze (1714–1751). 61 Georg Gloger (1703–1774). 62 Carl Friedrich I. von Pfeil (1695–1767). 63 Gottlieb Conrad (1696–1746), 1730 Pfarrer in Dirsdorf, konnte sein Amt aber erst 1732 nach Entkräftigung des Verdachts des Pietismus antreten. 64 Diarium der Gemeinde Gnadenfrei zum 13. bis 15. Januar 1743. Unitätsarchiv Herrnhut, Sign. R.7.D.I.b.1.a.1743–1750, 13–21.

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beantwortet, ermahnte er einen jeden, der noch nicht ganz davon überzeugt sey, für dismal lieber noch zurück zu bleiben, verlas die Königliche Concession und declarirte diese Versammlung zu einer Mährischen Brüder Gemeine. Um 10 Uhr kam eine große Menge zusammen. Weil ich die Absicht und Behandlung dieser allgemeinen Versammlung nicht verstehe, so will ich [107] sie aus dem Diario wörtlich beschreiben und einen jeden selbst urtheilen laßen. „Neusser redete über die Worte ,Ich glaube eine heilige Christliche Kirche‘65 von den Seligkeiten und Herrlichkeiten einer wahren Gemeine aus Eph. 4.66 Er bat diejenigen, die nicht mit Wahrheit behaupten könnten, daß sie zu gegenwärtiger Verbindung gehörten, abzutreten. Wie sie nun statt des Weggehens anfingen zu weinen, wurden die zur vorhabenden Verbindung ernannten Geschwister aus einem Zettel öffentlich verlesen und die ungenannten gebeten, sich zum Weggehen zu bequemen. Als diese Erinnerung noch nicht statt fand,67 wurden diese apart gerufen und vom Bruder Seidliz aufs herzlichste angeredet und wegen ihrer Aufnahme auf eine andere Zeit vertröstet. Unterdeßen hatten sich doch bey die 30 wider alles Zureden zur solennen Verbindung herzugedrungen, die auch beym Abend68 mahl geblieben und als Glieder der Gemeine mit angeschrieben worden.“ *�� [108] In einer dritten Versammlung von mehr als 200 Personen, die nun die Gemeine aus machten, redete Neusser über Apoc. 1 Gnade sey mit euch69 etc. von der vorhabenden Verbindung auf des Lammes Blut und Tod und der damit verknüpften Uebergabe ans Lamm und seine Gemeine und erinnerte nochmals: Wer diese Hingabe nicht für ein Glück hielte und sich noch getrauete, auf eigene Hand in der Welt durchzukommen, der möchte lieber noch abtreten. Nach einem Zwischenraum, in welchem aber niemand abtrat, hielt er noch eine Rede von der Vergebung alles vorigen in Jesu Namen, that

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Der Bader Ritter hat in seinem Diario noch folgende Umstände angemerckt: Es kamen alle zusammen, die in Gesellschaften waren. Auch kam eine erstaunliche Menge Volcks unter einander, so daß das Hauß voll war, indem es kund worden, daß ein Prediger hier wäre, und sie dachten, es wird ein ordinaires Bethauß seyn. Bruder Neusser kam zur [108] Thür herein mit den Worten: Her zu mir, wer den Herrn angehöret. Er applicirte es auf die Gemeine und sagte: die vor der Welt als Auskehricht gehalten werden wolten, solten hier bleiben; die andern solten herausgehen unter dem Singen. Es ging aber niemand heraus. Hernach kam er und sagte: die solten bleiben, die verlesen würden, wer aber sich noch beym Gnädigen Herrn im andern Zimmer melden wolte und seinen Sinn sagen, könnte es thun. Wie das geschehen, wurde die Thür verschloßen etc. etc. Es war eine erstaunliche Bewegung zu spüren etc. [Gemeint ist der Arzt Dr. Johann Jacob Ritter (1714–1784); das Tagebuch konnte nicht nachgewiesen werden].

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65 Er sprach also über den 3. Artikel des Apostolischen Glaubensbekenntnisses. 66 Eph 4,1–6. 67 Im Diarium der Gemeinde Gnadenfrei 1743 heißt es: „wie das noch nicht half “. Unitätsarchiv Herrnhut, Sign. R.7.D.I.b.1.a.1743–1750, 17. 68 Diarium der Gemeinde Gnadenfrei 1743. Unitätsarchiv Herrnhut, Sign. R.7.D.I.b.1.a.1743– 1750, 16–18. 69 Offb 1,4.

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4 Fragen70 an die Versammlung des Inhalts: Ob sie die Mährische Kirche für eine wahre Gemeine [109] Jesu hielten? Ob sie es für ein Glück hielten, derselben zugethan zu seyn? Ob sie auch der Gnade würdiglich wandeln? Und zu dem Ende sich der Zucht und den Ordnungen derselben untergeben wolten? Nachdem sie dieselben mit einem lauten Ja und vielen Thränen beantwortet, verlaß er abermals die Königliche Concession, erzehlte kürzlich den Verlauf dieser Sache, versprach ihnen den Genuß aller Freyheiten, die unsere übrige Gemeinen haben, und erinnerte, daß er dieser Versammlung wie zuvor den bisherigen Abendmahls Geschwistern nicht eher als nach ihrem freywilligen Bekenntniß zur Brüder Gemeine die Königliche Versicherung habe bekannt machen wollen. Um 7 Uhr hielt er die Gemeinstunde über die Losung Ebr. 2: Er mußte allerdings seinen Brüdern gleich werden71 etc., und so wurde dieser für Peile gesegnete Tag mit dem Stunden-Gebet und Liebes-Kuß beschloßen.72 Anmerckung: Ich weiß diese 2 malige Fragen und Versicherungen der Kirchen-Freyheiten nicht anders zu erklären, als daß entweder bey der ersten Versammlung etliche von denen aufgeschriebenen gefehlt haben müßen oder daß einem noch etliche eingefallen, bey denen man eben diesen Sinn vermuthet und die man gleich gern zur Gemeine gezehlt hätte. Man ist aber hernach bald aus den Folgen inne worden, daß diese Vermuthung bey vielen ungegründet gewesen. [110] § 7. Nun heißts im Diario weiter: „Der 15. Januarii war der Tag, den der Herr eigentlich für Peile gemacht hatte. Vormittags war eine Versammlung mit einer großen Menge Seelen, die von allen Orten hergekommen, gehalten über Joh. 4, 10 ,Wenn du erkennetest die Gabe Gottes’ etc.73“74 Nachmittags um 1 Uhr wurde eine getheilte Versammlung an

70 Die hier zusammengefassten Fragen lauten wörtlich: „(1) Seyd Ihr von Hertzen überzeuget, daß unsere Mährische Kirche eine wahre Kirche des Lammes sey? Und das Volck, das Jesus Christus zusammen gebracht hat durch sein Blut, das vom Hertzen an Ihn glaubet und Ihm alleine leben und sterben will? Antwort: Ja. (2) Wißt Ihr kein gröser Glück auff Erden, als wenn Ihr mit dieser Gemeine dürffet und könnet Geistgemeinschafft haben? Antwort: Nein. (3) Ist Euch auch von gantzem Hertzen darum zu thun, daß ihr der Gnade würdiglich mit der Gemeine wandeln möget? Antwort: Ja. (4) Haltet Ihr vor eine wahre Gnade, wenn ihr der heiligen Zucht und Ordnung, die der Herr seinem Volck geschencket, dürffet gantz unterthänig seyn? Antwort: Ja.“ Diarium der Gemeinde Gnadenfrei 1743. Unitätsarchiv Herrnhut, Sign. R.7.D.I.b.1.a.1743–1750, 19. 71 Hebr 2,17: „Daher mußte er in allem seinen Brüdern gleich werden, damit er barmherzig würde und ein treuer Hoherpriester vor Gott, zu sühnen die Sünden des Volkes.“ 72 Diarium der Gemeinde Gnadenfrei 1743. Unitätsarchiv Herrnhut, Sign. R.7.D.I.b.1.a.1743– 1750, 18–21. 73 ������������������������������������������������������������������������������������������������� Joh 4,10: „Wenn du erkenntest die Gabe Gottes und wer der ist, der zu dir sagt: ‚Gib mir zu trinken!’, du bätest ihn, und der gäb dir lebendiges Wasser.“ 74 Diarium der Gemeinde Gnadenfrei 1743. Unitätsarchiv Herrnhut, Sign. R.7.D.I.b.1.a.1743– 1750, 21. Das Zitat ist frei wiedergegeben.

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2 verschiedenen Orten gehalten. Pastor Conradi von Dirsdorf hielt eine Rede an die, so nicht bey der genauen Verbindung seyn konnten. Den verbundenen Geschwistern hielt Neusser eine Rede75 von dem Grunde des Heils und den Kenntzeichen eines wahren Gemein-Gliedes, daß man am Lamm und seinem Creuz genug hat, versprach ihnen dabey zugleich die Leiden, die in Christo sind, und die Herrlichkeit darnach und segnete sie in einem Gebet. Hierauf kam man zum Abendmahl zusammen. Neusser that noch einige Fragen an die Versammlung, ob das ihr Sinn noch sey, wie sie sich vorgestern 2 mal erklärt, ob sie wirklich auf dem dargelegten Grunde der Gemeine stehen und kindlich ohne raisonniren dabey bleiben wolten. Und nachdem er eine gründliche Rede vom heiligen Abendmahl gehalten und die Consecration der Elemente mit den Worten der Einsetzung und einem kurzen Gebet verrichtet, traten je 6 zum Tisch und empfingen das gebrochene Brod, und nachdem es die ganze Gemeine genoßen, auch den Kelch unter einer schönen Liturgie des Consecratoris, wozwischen ein Bruder aus dem Hauffen zum besondern [111] Eindruck der Gemeine einige Verse sang.* Nach einer Weile kam man zum Anbeten zusammen. Es wurde der Hymnus „Dich Jesum loben wir“76 etc. Chorweise gesungen und zulezt der Segen des Herrn auf die Gemeine gelegt.77 § 8. Das war der sogenannte Gemein-Schluß, der seitdem alle Jahr zuerst an beyden Tagen, da immer am 15. Januarii das Abendmahl war, hernach aber beydes zusammen am 13. Januarii mit einer Dancksagungs-Liturgie, Liebesmahl und Abendmahl oder Bundes-Kelch78 und andern Versammlungen, und gewiß allemal mit erneuerter Gnade und hinreißenden Segen gefeyert worden. Ich will nun nach der Zeitordnung hinzuthun, wie die übrigen Kirchenhandlungen, nach und nach angefangen worden. Am 20. Januarii war die erste öffentliche Predigt, vormittag über 1 Tim. 1, 15 und nachmittag über Apoc. 12, 11.79 Den 27. wurde das erste Ehe-Paar eingesegnet.80 Es war der ledige

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Unter der Handlung des Abendmahls wurde (laut Ritters Diario) die Thür aufgemacht, daß die Fremden zusehen konnten. Unter diesen waren die beyden Geistlichen [Gottlieb] Conrad von Dirsdorf und [Abraham] Conrad von Biele mit ihren Frauen.

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75 Ebd., 27: „unten aber in dem ordentlichen Singe-Saal“. 76 Das Te Deum laudamus nach Christliches Gesang-Buch der Evangelischen Brüder-Gemeinen von 1735, zum drittenmal aufgelegt und durchaus revidirt. [Herrnhut] 1741. Nachdruck der deutschen Erstauflage. Hildesheim 1981 (Nikolaus Ludwig von Zinzendorf. Materialien und Dokumente 4/3), Nr. 1266 von Zinzendorf (1739). 77 Diarium der Gemeinde Gnadenfrei 1743. Unitätsarchiv Herrnhut, Sign. R.7.D.I.b.1.a.1743– 1750, 21–34. 78 Liturgische Feier zur Stärkung der Gemeinschaft. 79 Diarium der Gemeinde Gnadenfrei 1743. Unitätsarchiv Herrnhut, Sign. R.7.D.I.b.1.a. 1743– 1750, 45. 80 Kirchenbuch Gnadenfrei. Ebd., Sign. Kirchenbuch 071, 69.

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Bruder Fischer81 und die ledige Schwester Susanna Schreiberin.82 Auch wurde an diesem Tage eine größere Helfer-Conferenz von 17 Personen angefangen. Den 1. Februarii wurde das erste Kind getauft. Es war Gottfried Dierig83 aus Nieder-Peile. Den 2. Februarii war der erste Bettag. Den 6. und 7. Februarii verspürte man eine große Bewegung unter den Kindern der Gemein-Glieder, [112] und sie baten, daß man ihnen Gesellschaft halten möchte. Sie wurden den 20. Martii bey einer genauen Gemein-Einrichtung mit einer Kinderstunde am Sonntag und Mittwoch bedacht.84 Am 5. Aprilis ist eine abermalige große Bewegung unter ihnen angemerckt, und den 29. Aprilis wurde eine SchulEinrichtung85 gemacht, daß Knaben und Mädgen besonders unterrichtet wurden, und dazu wurden Fischers gebraucht, nachdem Liebigs den 13. Martii nach Herrnhuth zurückgegangen. Man hatte den 5. Junii ihrer 100 bey einem Liebesmahl zusammen.86 Den 16. Martii wurden die ersten 2 Leichen, ein Mann, George Kober,87 und ein Kind, Gottlob Steinbrig,88 auf den neuen Begräbniß-Platz beerdigt. Es war bisher ein Calvarien-Berg gewesen. Darüber lästerten viele Menschen. Das hinderte nicht, daß an die 600 Begleiter von allerley Art, so wie den 28. Aprilis bey dem 2ten Begräbniß89 des Bruders Johann Georg Hancke,90 eines fleißigen Mitarbeiters in vorigen Jahren, an 1000 Personen mit großer Freymüthigkeit eine Predigt gehalten und dieser Platz mit Gebet und mit dem Te Deum eingeweihet wurde. Dieses geschahe vom Bruder Samuel Lieberkühn, welcher den 8. Martii mit Martin Dober angekommen, an Lintrupps Stelle, der den 2. Martii nach Groß-Krausche gereiset, um dieser Gemeine, die den 6. Martii eingerichtet wurde, als Prediger zu dienen. Dober that vorerst einen Besuch in Rösniz, und da er den 17. Martii zurückgekommen, machte er den 19. nach einer ausführlichen Rede von den [113] Aemtern einer Gemeine eine neue Einrichtung, bestätigte Seidliz als Vorsteher, stellte Lieberkühn als Prediger und Bügeln,91 der mit seiner Familie und 81 Gottfried Fischer (G 1715), Schneider. 82 Susanna Maria Fischer, geb. Schreiber (1721–1750). 83 Gottlieb Dierig (Dürig, 1743–1745). Kirchenbuch Gnadenfrei. Unitätsarchiv Herrnhut, Sign. Kirchenbuch 071, 96. Dort wird der Vorname Gottlieb angegeben. 84 Diarium der Gemeinde Gnadenfrei 1743. Unitätsarchiv Herrnhut, Sign. R.7.D.I.b.1.a.1743– 1750, 47. 85 Ebd., 50. 86 ������������������������������������������������������������������������������������������� Ebd., 52: „Den 4ten wurde ein grosses Liebesmahl auf unserm neuen Versammlungs-Saal mit allen sowol hiesigen als auswärtigen Gesellschafts-Gliedern veranstaltet und bestand aus 300 Personen.“ Ebd., 87: „360 Personen“. 87 ������������������������������������������������������������������������������������������� Ein Gärtner aus Ober Peilau. Kirchenbuch Gnadenfrei. Unitätsarchiv Herrnhut, Sign. Kirchenbuch 071, 97. 88 Das Kirchenbuch gibt den Namen Gottlob Steinberg aus Mittel Peilau an, der am 14. März starb. Kirchenbuch Gnadenfrei. Unitätsarchiv Herrnhut Sign. Kirchenbuch 071, 97. 89 Diarium der Gemeinde Gnadenfrei 1743. Ebd., Sign. R.7.D.I.b.1.a.1743–1750, 50, 83f. 90 ��������������������������������������������������������������������������������������������� Johann George Hancke († 1743) aus Ober Peilau. Das Kirchenbuch sagt, dass er „ein treuer Helfer in der hiesigen Gemeine“ war. Kirchenbuch Gnadenfrei. Ebd., Sign. Kirchenbuch 071, 97. 91 ��������������������������������������������������������������������������������������� Anton Dietrich Bügel (1714–1775), kommt im März 1743 nach Peilau, 1744 nach Peterswaldau, Lehrer in Berthelsdorf und Trebus, heiratet 1735 eine geb. Frank(e) aus Gollnow.

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mit Leupolds den 15. hier angekommen als Aeltesten vor. Leupolds aber kamen auf Verlangen der Peterswalder den 13. Martii dahin, reißten aber in etlichen Monaten wieder nach Herrnhuth. Dober sprach den 20ten alle, die den 15. Januarii bey dem ersten Abendmahl gewesen, und theilte sie nach der ehemaligen Art von Herrnhuth in 9 Classen.92 (1) Ganze. (2) wahre Abendmahls-Genoßen. (3) Candidaten. (4) Leute von guter Hofnung. (5) Erweckte. (6) Unzuverläßige. (7) Confuse. (8) Gerührte. (9) Gefährliche. Von der 9ten Classe war keiner und von der 7ten nur einer. Mit allen diesen hielt er den 21ten ein Liebesmahl, und hernach hatten auch 35 Emigranten aus Mæhren und OberSchlesien, die sich die zeither hier gesammelt, ein Liebesmahl. Es wurde ihnen auch zu mehrern Unterricht besondere Stunden gehalten. Den 23ten ward das Stunden-Gebet, welches schon vor dem Gemein-Schluß angefangen worden, von neuem mit 37 Personen eingerichtet.93 Man hatte zwar bald anfangs resolvirt, das Abendmahl wie in andern Gemeinen alle Monat zu halten. Man wagte aber dieses, außer ein paarmal, da die Arbeiter es hatten, nicht eher als am großen Sabbath, den 13. Aprilis, da auch nur 70 von den ersten Communicanten seit dem 15. Januarii zum erstenmal nach einem Liebesmahl das heilige Abendmahl hielten. Denn man hatte nummehro [114] wohl bey verschiedenen Gelegenheiten wahrgenommen, daß, nachdem das erste Feuer vorbey war, die wenigsten von denen, die man als Gemein-Glieder aufgeschrieben und die sich selbst mit eingedrungen hatten, dafür zu halten wären und daß viele es mehr auf die äußerliche Religions-Uebung als auf die wahre Herzens-Aenderung und Gemein-Gnade antrügen, daher manche von selbst aus den Gesellschaften wegblieben oder auch ausgeschloßen wurden, wie am 20. Octobris mit 16 Personen, denen mit solchen Gemein Einrichtungen nicht gedient war, geschahe. Ich finde, daß zu Ende des Jahrs über 50 von den ersten 220 Communicanten zurück geblieben und daß die mehresten Abendmahle nicht über 100 starck gewesen. Die meisten mußten nach einer gründlichen Bearbeitung von neuem aufgenommen und zum Abendmahl admittirt werden. Zur Predigt war der Zulauf sehr groß. Am 15. Aprilis zehlte man über 100 Personen aus der Diaspora und in Pfingsten94 Besuche von 26 Orten, manche 12 Meilen weit, worunter nur von Männern 100 in einer Fremden-Gesellschaft waren. Diese Besuche machten Aufsehen, und manche wurden genöthigt, zum Theil nach allerley Bedrückung, ihre Stellen zu verkaufen und nach Peile zu ziehen. § 9. So ging es in dieser Gemeine ordentlich fort, bis im Juni dem Herrn von Seidliz der öffentliche Gottes-Dienst untersagt wurde, wie sich [115] weiter unten finden wird. Wir müßen erst aus den Actis sehen, wie die Schlesische Kirchen-Sache ins Ganze bey Hofe behandelt worden. Der König hatte in der Cabinets-Resolution vom 22ten Decembris 92 Diarium der Gemeinde Gnadenfrei 1743. Ebd., Sign. R.7.D.I.b.1.a.1743–1750, 47, 79. 93 Ebd., 48, 80. 94 3. Juni 1743. Ebd., 52.

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174295 befohlen, die Sache weiter mit dem Grafen Promniz zu concertiren. Dieser that im Januario einen Besuch in Schlesien und war den 18. in Gnadenfrey voller Freude, daß die Sache einen so erwünschten Anfang genommen, und stattete unterm 30. Januarii an Cocceji eine Relation96 von der Situation der Brüder seit der General Concession ab, erhielt auch von diesem wie auch vom Grafen Gotter97 die Versicherung, daß sie, der vielen Contradictionen ohngeachtet, die Brüder auf alle Weise protegiren würden. Dieses meldete er unterm 9. Februarii der General Conferenz98 zu Marienborn und ersuchte sie, die Schlesische Sache (das ist das Versprechen, viele Ausländer ins Land zu ziehen, siehe § 4) bald zu stande zu bringen. Hieran wurde er von Seiten des Hofes von Zeit zu Zeit erinnert. Er bekam unterm 12. Februarii ein Rescript, „daß der König gern sähe, wenn die Mährischen Brüder sich insonderheit in Ober-Schlesien niederließen und ganze Gemeinen anbauten“.99 Und unterm 20. Februarii erhielt er ein Schreiben von Cocceji,100 daß er von Zeit zu Zeit melden solte, wie viele ausländische Familien sich in Schlesien etablirt hätten, indem diese Absicht den König bewogen, die Brüder aufzunehmen. Er hatte auch schon einigemal und zulezt den 1. Martii101 um die Concession [116] eines Bethauses auf seinem im Saganschen belegenen Gut Burau102 angehalten und den 8. Martii103 wie hernach mehrmals zum Bescheid erhalten, daß er anzeigen möchte, wie viel Familien sich dazu halten würden und wie er seine Versprechen wegen der Ausländer hielte, welches freylich er sogleich zu thun nicht im Stande war. § 10. Unterdeßen war der Ordinarius104 aus America zurückgekommen und hatte schon unterm 10. Novembris 1742 eine Protestation gegen verschiedene Unternehmungen der damaligen General Conferenz voraus gesandt (siehe Brüder Historie § 105105). Von der Unterhandlung an dem Preußischen Hofe konnte er damals noch nicht wißen. Er erfuhr zuerst etwas davon, als er den 17. Februariia in England ankam, und bekam davon einen

a

Von fremder Hand über der Zeile ergänzt: 1743.

195 196 197 198 199 100 101 102 103 104 105

Ebd., Sign. R.5.B.5.a, Nr. 18. Ebd., Nr. 29. Ebd., Nr. 28, 26. Januar 1743. Ebd., Nr. 30. Ebd., Nr. 31. Ebd., Nr. 33. Ebd., Nr. 34. Burau (poln. Borowe). Unitätsarchiv Herrnhut, Sign. R.5.B.5.a, Nr. 35, 9. März 1743. Nikolaus Ludwig von Zinzendorf (1700–1760). Cranz, David: Alte und Neue Brüder-Historie oder kurz gefaßte Geschichte der Evangelischen Brüder-Unität in den ältern Zeiten und insonderheit in dem gegenwärtigen Jahrhundert. Barby 2 1772 [11771], 365–367.

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übeln Eindruck. Abraham Gersdorf106 schreibt davon in seiner Historischen Nachricht von dem Verlauf der Schlesischen Kirchen-Sache für Bruder Köber zu seiner Negotiation in Berlin 1763:107 „Dieser wichtige Vorgang frappirte ihn bey seiner retour aus America ungemein, und ob er schon gegen die erhaltene freye Ausübung unsers Gottesdienstes und die andern Prærogativen an und vor sich certo respecto nichts zu erinnern hatte: so war ihm doch der Modus, wie es tractirt worden, um der Consequenzenb willen gar sehr zuwider, weil nicht nur der Nexus mit der Lutherischen [117] Kirche dabey ganz außer Acht gelaßen, sondern auch die Special-Concession zum Bethauß in Groß-Krausche sogar auf die Mährische Confession fundirt worden.“ So weit Gersdorf. Hierüber erklärte sich der Ordinarius ausführlich und ernstlich gegen die Bischöfe Polycarp Müller und Johann Nitschmann wie auch den Grafen Promniz, die er bey seiner Ankunft in Holland im Anfang des Aprills vor sich fand. Er hatte nichts dagegen, daß die Brüder gleich andern Evangelischen Concessionen zu Bethäusern gesucht, um das Evangelium öffentlich zu predigen, auch nicht, daß sie es auf einen oder mehrere Gemein-Orte antrügen, um die zerstreueten Seelen zu sammeln, denn beydes hatte er ihnen vor seiner Reise nach America angerathen, sondern daß sie ihn als den von Anfang her erkannten Vorsteher und Advocatum Fratrum vorbey gegangen und ohne sein Wißen und Willen sich in Unterhandlungen mit Höfen, sonderlich dem Preußischen, eingelaßen, die sowol unnöthig als schädlich wären. Er hielt es für unnöthig, weil das Brandenburgische Hauß schon seit 200 Jahren die Brüder Kirche [an]erkannt und beschützt (das bezieht sich auf die Aufnahme der Brüder in Preußen), erst vor 40 Jahren einen Bruder von der Unitæt, den seeligen Jablonsky,108 zum Hof-Prediger genommen und ihm hernach erlaubt, neben dieser differenten Liturgie und Seelsorge noch das Bischöflische Amt in der [118] Polnischen Unitaet anzunehmen und zu bedienen. Und da nun auch 1735d die erneuerte Mährische Branche oder die jetzigen Brüder von dem vorigen Könige erkannt und auf deßen Befehl das Bischöflische Amt auf dieselbe transferirt worden, so sey es ganz unnöthig gewesen, erst jetzt um Kirchen-Freyheit anzuhalten und dadurch ein altes erkanntes Recht aus den Händen zu geben und ein neues zu suchen. Wenn denn auch das alte Recht nicht hätte erkannt werden wollen, so hätte eine gründliche Untersuchung vorhergehen und unser Recht auf die Augspurgische Confessions Verwandschaft, nicht aber auf die Mährische Confession gegründet werden müßen. Dieses hielt er darum für schädlich, weil es in publico ein unnöthiges Aufsehen mache und sonderlich bey der Geistlichkeit und den Consistoriis, von denen wir eximirt worden, Neid und Widrigkeit erwecke. Sie würden dieses als eine freywillib d

Von fremder Hand korrigiert aus: Conferenzen. Von fremder Hand für gestrichen: 1737.

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106 (Wolf Caspar) Abraham von Gersdorf (1704–1784), 1745 Senior civilis, 1752 Kanzler der Advocatie der Brüdergemeine, ordnete 1765/66 mit Böhler das Archiv der Brüderunität in Zeist. 107 Unitätsarchiv Herrnhut, Sign. R.5.B.12.b.1. 108 Daniel Ernst Jablonski (1660–1741), 1693 reformierter Hofprediger in Berlin, 1699 Senior und Bischof des polnischen Zweigs der Böhmischen Brüder.

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ge Separation von der Evangelischen Kirche auslegen und uns als eine separirte und nur wie andere Secten blos tolerirte Kirche zwar gehen laßen, aber auch alle Gemeinschaft mit ihnen versagen, und also würde das Gleichrecht an beyde Evangelische Religionen, worüber wir bisher wie die alte Brüder Kirche so fest gehalten, verloren gehen. Sie würden, um uns ein gleiches zu vergelten, unsre Ordination nicht mehr wollen gelten laßen und unsern Predigern und Candidaten ihre Canzeln versagen, wie solches schon dem 109 Bruder Lauterbach*��� zu Minden geschehen, dem man [119] erst nach diesem Vorgang die Canzel verboten, welches auch in Berlin approbirt worden, und also würde unsre Arbeit in den Christlichen Religionen verhindert werden. Da sich nun die Deputirten auch verleiten laßen zu versprechen, daß viele Familien sich im Lande etabliren und Fabriquen errichten solten, so würde dieses, wenn es nicht sogleich und in der Maaße, wie man sichs vorstellte, geschehe, Verdruß, die Klagen aber der widrigen Herrschaften und Geistlichen Unruhen erwecken und den Brüdern zur Last gelegt werden, welches ihnen ihre Freyheiten gar sehr verbittern und zu manchen Einschränckungen und Beeinträchtigungen Anlaß geben würde. § 11. Daß der Ordinarius wahr geredet, hat sich in der Folge mehr als zu viel gewiesen. Indeßen übernahm er auf der Brüder Bitten die Sache am Königlichen Hofe in einen ordentlichen Gang einzuleiten, wiewol nicht viel mehr dabey zu redressiren war und manche Sache nur noch verwickelter worden. Er ließ zu dem Ende den Syndicus Nitschmann, der sich noch in Berlin aufhielt, unterm 14. Aprilis an den Graf Gotter schreiben110 und ihn bitten, daß er bey Cocceji eine dreymonatliche Frist für die Brüder auswircken möchte, bis sie einen Synodum gehalten, da mit Rath und Einstimmung aller Brüder die Kirchensache im Brandenburgischen eingerichtet werden solte. Der Ordinarius selbst aber eröfnete sein Geschäfte mit einem sehr offenherzigen Schreiben [120] an Cocceji, Herrnhag de dato 3. May.111 Darinnen er declarirt, daß er weder etwas von der Unterhandlung gewußt noch damit zu thun gehabt, aber aus Liebe zu den Brüdern und auf ihre Bitte die Sache auf eine dem Könige angenehme und den Brüdern sowol als der Geistlichkeit des Landes unschädliche Weise einleiten wolle und müße. Wolle man ihn, weil er in Miß-Credit sey, nicht dabey brauchen, so wolle er weichen, aber auch nicht dafür stehen, wenn die Sache am Ende nicht gut ablaufe. Um aber ein gutes Vertrauen *

Er war 1742 vom Kaufman Clausen als Director des Waysenhauses zum Schul-Inspector berufen worden und hatte ein paar Brüder als Gehülfen zur Aufsicht und Anweisung zur Arbeit mit bekommen.

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109 Johann Michael Lauterbach (1711–1787), 1740 in die Brüdergemeine aufgenommen, 1743 Leiter der Hausgemeinde in Burau (Gnadeck), 1744 in Gnadenberg, 1744 für elf Jahre Sekretär Nikolaus Ludwig von Zinzendorfs (1700–1760). 110 Unitätsarchiv Herrnhut, Sign. R.5.B.5.a, Nr. 52. 111 Ebd., Nr. 60.

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zu gewinnen, so bitte er bey seinem vorhabenden Besuch seiner Frau Mutter112 in Berlin, mit ihm sich unterreden zu dürfen, er überlaße es ihm, was er hernach dem Könige vor ein Concept von ihm machen wolle und müße. „Wenn sie (heißt es zu Ende) lieber mit jemand anders zu thun haben, so ersuche ich doch, ob Ewer Excellenz mir so lange trauen wollen, bis sie selber gesehen haben, daß mir nicht zu trauen ist“ etc. Dieses Schreiben begleitete Bischof Müller mit einem Dancksagungs- und EntschuldigungsSchreiben, Marienborn, den 3.e May.113 darinnen er zugleich die Sache im Synodo vorzunehmen und die feindseligen Nachrichten in einer generalen Declaration abzuthun verspricht. Beyde erhielten eine gewierige114 Antwort unterm 21. May.115 Unter [121] obigem Dato, den 3. May, schrieb auch Neusser116 als Pastor zu Herrnhag an den dirigirenden Minister in Schlesien, Graf Münchow,117 beschwerte sich, daß just zu der Zeit, da man die Sache nach des Königs Sinn in Schlesien einzurichten suche, die Brüder in Rösniz heftig verfolgt würden, welches er abzuändern bittet, damit die Brüder im Synodo nicht abgeschreckt werden; wovon hernach an seinem Ort besonders. § 12. Indeßen hatte Graf Promniz unterm 17. Martii118 nochmals um eine Concession auf sein Landgut Burau angesucht und unterm 23. Martii119 erhalten. Unter eben dem dato erfolgte auch auf der Peterswalder, von 6 Brüdern unterschriebene Supplique vom 14. Martii120 die Concession eines Bethauses.121 Dafür ließ er nach seiner Rückkunft aus Holland ein Dancksagungs-Schreiben122 an den König abgehen und meldete zugleich, daß er 30 Mährische Leute in Burau ansetzen wolte. Eben dieses meldet er an den StaatsMinister Podewills123 und berichtet als eine gute Wirckung der General Concession, daß die Wittwe von Tsirschky,124 die bey der vorigen Regierung mit ihren Kindern nach Sachsen geflüchtet, zurückgekommen und das Gut Nieder-Peile gekauft habe, macht auch Hofnung, daß es mehr solche gute Wirckungen bey den Brüdern haben werde. e

Unsichere Lesart; überschrieben und korrigiert aus: 3.

112 113 114 115 116 117 118 119 120 121 122 123 124

Charlotte Justine von Natzmer, geb. von Gersdorf, verwitwete von Zinzendorf (1675–1763). Unitätsarchiv Herrnhut, Sign. 5.B.5.a, Nr. 61. Das heißt gewährende, einer Bitte gemäße. Unitätsarchiv Herrnhut, Sign. R.5.B.5.a, Nr. 68f. Ebd., Nr. 57. Ludwig Wilhelm von Münchow (1709–1753). Unitätsarchiv Herrnhut, Sign. R.5.B.5.a, Nr. 37. Ebd., Nr. 44. Ebd., Nr. 36. Ebd., Nr. 45, 23. März 1743. Ebd., Nr. 47. Ebd., Nr. 48. Helene Elisabeth von Tschirschky, geb. von Prittwitz (1701–1765), zog nach dem Tod ihres Ehemanns Karl Sigismund von Tschirschky (1700–1737) 1737 nach Herrnhut, 1744 nach Gnadenfrei.

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Der gute Graf Promniz mußte freylich alles hervor suchen, um seinem Versprechen und den drauf folgenden Zumuthungen ein [122] Genüge zu thun. Unter andern hatte der König durch den dirigierenden Minister Graf Münchow unterm 15. Aprilis125 an ihn gelangen laßen, daß die Brüder das Städtlein Neusalz, welches zu einer Niederlage ausersehen war, mit anbauen solten. Hierüber erklärte er sich unterm 19. Mayi in einer Relation126 an den König, welche er durch Graf Münchow übersendete, daß er es bey den Brüdern angebracht und die Versicherung erhalten, daß 20 Familien dazu ausgesucht und der Ort des Anbaues besehen werden solte, klagt aber auch über den harten Druck an verschiedenen Orten und die falschen Nachrichten von den Brüdern und bittet demselben Einhalt zu thun, damit die auswärtigen Brüder nicht abgeschreckt werden, sich in Schlesien niederzulaßen. Worinnen dieses bestanden, wird sich zeigen, wenn wir mit dem Ordinario vom Synodo nach Berlin kommen. § 13. Dieser Synodus wurde vom 1ten bis 12ten Julii auf dem Gräflich-Reußischen Schloß Hirschberg im Vogtlande gehalten.127 Nachdem sich der Ordinarius wie über alle Veränderungen und Unternehmungen währender seiner Abwesenheit, also besonders über die ihm gefährlich scheinende Unterhandlung mit dem Preußischen Hofe erkläret und der Synodus der andern Brüder Gegengründe dagegen abgewogen hatte, wurde ihm, wie auch den Brüdern Abraham von Gersdorf, als Deputato ordinario, Jonas Paulus Weiss128 und David Nitschmann (wozu noch Paul [123] Eugenius Layriz129 kam) eine Synodal-Vollmacht den 11. Junii130 ertheilt, die Schlesische Kirchen-Sache in Ordnung zu bringen, dem Könige eine völlige Einsicht in unsre Gemein-Sache zu geben und die erforderten Etablissements unserer Beschaffenheit gemäß und zu des Landes Besten ohne Turbationes zu machen etc. (siehe Brüder Historie, S. 379;131 Zinzendorfs Leben, S. 1506132 etc.). Am 20. Julii kam er in Berlin an und berichtete seine Ankunft sogleich 125 Konnte nicht nachgewiesen werden. 126 Unitätsarchiv Herrnhut, Sign. R.5.B.5.a, Nr. 65. 127 Das Protokoll und weitere Dokumente des Synodus finden sich ebd., Sign. R.2.A.8. 128 ������������������������������������������������������������������������������������� Jonas Paulus Weiß (1696–1779), Kaufmann, 1740 Anschluss an die Brüdergemeine, im Ökonomat tätig. Er heiratete 1745 Anna Magdalena Elisabeth Fend. Er löst 1749 Leonhard Dober (1706–1766) als Ökonomus in Schlesien ab. 129 Paul Eugen Layritz (1707–1788), 1732–1742 Konrektor in Neustadt an der Aisch, 1742 in die Brüdergemeine aufgenommen, danach 1743–1748 Vorsteher des Theologischen Seminars und Pädagogiums in Marienborn und Lindheim, 1749 Direktor des Pädagogiums in Großhennersdorf, 1764–1775 Mitglied der Unitätsleitung, zugleich 1765–1769 Gemeinhelfer von Barby, 1775–1782 Gemeinhelfer in Gnadenfrei, dann in Herrnhut. 130 De facto 11. Juli. Unitätsarchiv Herrnhut, Sign. R.5.B.5.a, Nr. 95. 131 Cranz, David: Alte und Neue Brüder-Historie oder kurz gefaßte Geschichte der Evangelischen Brüder-Unität in den ältern Zeiten und insonderheit in dem gegenwärtigen Jahrhundert. Barby 2 1772 [11771], 379–381. 132 ��������������������������������������������������������������������������������������� Spangenberg, August Gottlieb: Leben des Herrn Nicolaus Ludwig Grafen und Herrn von Zinzendorf und Pottendorf, Th. 1–8. Barby 1772–1775, hier Th. 3, 1506–1508.

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dem Minister Cocceji und bat um eine Conferenz mit ihm,133 worinn er ihm alles ehrlich vortragen wolle, welches auch geschehen. So eingenommen dieser Minister anfänglich geschienen, so lieb krigte er nun den Ordinarium, und dieser ging so herzlich und vertraulich mit ihm um, daß er ihn in Unterredungen und Schreiben nur immer seinen lieben, gnädigen Papa nennte. Wenn er nicht mit ihm sprechen konnte, so that er seine Anfragen schriftlich und bekam am Rande die nöthige Antwort. Bey dem Aufenthalt des Ordinarii zu Berlin, welcher bis zum 8. Augusti währte, wurden verschiedene Sachen abgehandelt: (1) hatte er dem Könige den Synodal-Plan wegen Schlesien zu übergeben und darüber mit dem Königlichen Minister weiter zu handeln, (2) hatte er die Bedrückungen gegen die Krauscher-Brüder134 vorzustellen und die Klagen über sie zu beantworten, (3) mußte erst jezt eine Concession zum Bethauß für Ober-Peyle geschaft werden, (4) gabs wegen der [124] verlangten Colonie nach Neusalz was zu thun, (5) desgleichen wegen der Concession eines Bethauses der Peterswalder-Brüder, (6) wurde eine Concession für Rösniz gesucht und erhalten, (7) suchten auch die Böhmischen und Deutschen Brüder in Berlin ein Bethauß zu bekommen, (8) mußte man sich wegen der verlangten Colonien in Ober-Schlesien wie auch in der Grafschaft Glaz erklären. Ich will nun von einer jeden Sache besonders handeln, die Sache mit Krausche aber wegen der Zeit-Ordnung und ihres Einflußes in die ganze Kirchen-Sache zuerst nehmen. § 14. Der Ordinarius war kaum in Berlin angekommen, so wurde ihm ein an ihn und den Bischof Müller gerichtetes Rescript vom 9. Julii135 übergeben, darinnen ihnen 3 Klagschriften136 aus dem Fürstenthum Jauer über die Brüder zu Krausche137 communicirt werden und denn befohlen wird: Die Brüder solten ihre Einrichtungen so machen, daß keine Klagen entstünden, sich nur an gewißen Orten, in den dazu confirmirten Bethäusern versammeln, keine Proselyten von andern Orten machen und an sich ziehen, sich der Privat-Zusammenkünfte enthalten, die Herrendienste nicht versäumen, keine Irrungen machen, wodurch anderer Geist- und Weltlichen ihren wohlhergebrachten Rechten zu nahe getreten und die Einigkeit und Ruhe der Unterthanen gestört würde. Und weil die von den Brüdern angeführte Motive bey [125] ihrer Bitte um die Aufnahme gewesen, das Commercium zu befördern, so solten sie demonstriren, worinnen die realen Vortheile fürs Land, die man noch nicht sehen könnte, bestehen solten. Wenn sie dieses nicht zeigen könnten und nichts vorhanden sey, was die Incommoda bey der Aufnahme der Brüder balancire, so sehe man sich genöthigt, solchen Leuten, von denen kein Vortheil, sondern Unruhe entstehe, die Begnadigungen wieder zu entziehen und dadurch die Ruhe wieder herzustellen. 133 134 135 136 137

Unitätsarchiv Herrnhut, Sign. R.5.B.5.a, Nr. 98. Die Brüder in Groß Krauschen (poln. Kruszyn). Unitätsarchiv Herrnhut, Sign. R.5.B.5.a, Nr. 93. Ebd., Nr. 94. Groß Krauschen (poln. Kruszyn).

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Dieses Rescript giebet ein Licht, in die beyderseitige Denck- und Handelweise und in die beschwerlichen Folgen bey der Schlesischen Sache. Man hatte sich große Vorstellungen von der Aufnahme der Brüder und ihrem Versprechen gemacht und konnte es nicht erwarten. Man communicirte Klag-Schriften, darauf sich die Brüder verantworten solten, und versprach die Sache fiscalisch untersuchen zu laßen, und zugleich wurde gerichtet und gedrohet. Man hatte sich gefallen laßen, die Einrichtung der Kirchen-Sache bis nach dem Synodo aufzuschieben, und zugleich wurde vorgeschrieben, wie man es wolte gehalten haben. Und da es nicht so ging, wie man es sich einmal vorgestellt und vorgesetzt hatte, so wurde man verdrießlich und hinderte die Ausführung der besten Absichten. § 15. Was der Ordinarius hierauf geantwortet, wird sich in [126] seinem Haupt-Bericht an den König unterm 21. Julii138 finden. Ich muß erst zeigen, worinnen diese Klagen bestanden. Es wolten einige Herrschaften, sonderlich die, so Bethäuser an ihren Orten hatten, nicht zugeben, daß ihre Unterthanen den Gottes-Dienst in Krausche139 besuchten und von ihren Arbeitern besucht wurden. Unter andern hatte ein Herr von Axleben, genannt Magnus,140 zu Thomaswaldau141 deshalb einige seiner Unterthanen sehr barbarisch und fast mörderisch behandelt.142 Gottlieb Fiebig und Jeremias ­Rothe143 gingen nach Berlin und klagten darüber. Es erging also unterm 1. Junii ein Befehl ans Ober-Amt zu Bresslau, die Klage dieser 2 Ackers-Leute fiscalisch untersuchen zu laßen.144 Gleich darauf ließ Axleben eine bittere und sehr confuse Klageschrift vom 30.  May145 einreichen, worinn es unter andern ungereimten Beschuldigungen heißt, daß die Herrnhutschen Brüder durch ihr auf den Dörfern herum vagiren und nächtliche Versammlungen die Leute auf einen fanatischen Irrweg brächten, von seinem Bethauß ab und nach Krausche zögen, die Krancken besuchten und ihnen ohne Consens des Herrn und des Catholischen Pfarrers das Abendmahl hielten und die Todten dort begrüben, dem Herrn, dem Pfarrer, der Schule, dem Bethauß, dem Klingebeutel das ihrige entzögen, die Unterthanen von der Arbeit abhielten, nächtliche Tumulte erregten und durch die Gemeinschaft der Güter die Leute arm machten. Er bitte daher um eine Untersuchung und um einen Befehl an die Leute, (1) daß sie nicht herumlaufen, sondern ihre Nahrung abwarten [127], (2) dem Herrn seine Dienste thun, (3) zum Bet138 Unitätsarchiv Herrnhut, Sign. R.5.B.5.a, Nr. 99. 139 Groß Krauschen (poln. Kruszyn). 140 Wahrscheinlich Hans Christoph von Axleben, genannt Magnus (1695–1753). 141 Thomaswaldau (poln. Tomaszów Bolesławiecki). 142 Unitätsarchiv Herrnhut, Sign. R.5.B.5.a, Nr. 73–75. 143 Gottlieb Fiebig und Jeremias Rothe; die beiden Bauern wurden als mährische Brüder bezeichnet. 144 ���������������������������������������������������������������������������������������������� Unitätsarchiv Herrnhut, Sign. R.5.B.5.a, Nr. 75, mit der Bemerkung, die Religionsfreiheit dürfe auf keinen Fall gehindert werden. 145 Ebd., Nr. 73.

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hauß, Prediger, Klingebeutel und Opfer geben, und (4) sich zur lutherischen Kirche und Abendmahl halten solten. Hierauf erfolgte sogleich unterm 4. Junii ein Befehl146 ans Oberamt zu Bresslau, dahin zu sehen, daß die Brüder sich geschloßen und still halten, keine Verwirrungen machen, andern in ihren Rechten keinen Eingriff thun, nicht Proselyten machen und ihren Gottes-Dienst nur in den privilegirten Bethäusern halten solten. Nach diesem, auf obige als für wahr angenommene Klagen gegründeten Deciso wird denn gleichwol befohlen, fiscalisch untersuchen zu laßen, ob die Klagen Grund haben. Unter eben dem dato wurde nebst Communication der Klage an Bischof Müller rescribirt, daß die Brüder sich ruhig halten und kein Aufsehen machen sollen, damit man die Concession nicht einziehen dürfe. Auf diese erstgedachte Rescripte vom 4. Junii hatte der Ordinarius in einem Schreiben aus Hirschberg, den 1. Julii,147 an Cocceji schon geantwortet: Er desapprobire, daß die 2 Brüder sich verleiten laßen, über das mörderische Tractament dieses weltbekannten Tyrannen zu klagen, wundere sich aber auch über den unverschämten Bericht und das Gutachten deßelben, wie der König nicht nur seine Dorf-Sache, sondern die ganze Mährische Kirchen-Sache tractiren solte. Er [128] approbirte das Rescript ans OberAmt; wenn aber in dem Decret an Bischof Müller befohlen würde, die Mährischen Brüder solten in solchen Fällen kein Aufsehen machen, so sey das eben so viel als verbieten, kein Gepolter zu machen, wenn man die Treppe hinunter geworfen wird. Denn da man sich wie seit 300 Jahren nicht getraue, uns durch Untersuchungen zu überwinden, so suche man uns durch Tumulte zu verdrängen und uns hernach Schuld zu geben, daß wir das Waßer trübe gemacht. Versprechen, kein Aufsehen zu machen, sey wider alle Evangelia und Episteln, wider die Kirchenhistorie, die tägliche Erfahrung, die Natur der Sache und wider den Respect, den wir dem König und seinem Ministerio schuldig seyn, weil es nicht möglich sey zu halten. § 16. Allein ehe noch die anbefohlne fiscalische Untersuchung vor sich ging, ja ehe Cocceji dieses Schreiben erhalten konnte, wurden unterm 1. Julii noch 3 Klagschriften148 gegen die Brüder aus dem Jauerschen von dem Baron Nostiz,149 dem Grafen von Frankenberg150 und dem Besitzer151 des Groß-Hartmanns-Dorfschen152 Lehngutes eingereicht, und hierauf erfolgte das § 14 angezeigte bedrohende Rescript vom 9. Julii. Darüber er-

146 147 148 149 150 151 152

Ebd., Nr. 78. Ebd., Nr. 92. Ebd., Nr. 94. Ernst Sigismund von Nostitz. Franz von Frankenberg. George Güschner aus Berlin. Ober Groß Hartmannsdorf (poln. Raciborowice Górne).

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klärt sich der Ordinarius gleich den Tag nach seiner Ankunft in Berlin und der Einhändigung deßelben unterm 21. Julii153 in seinem in den Büdingischen Sammlungen III, S.  145–159154 befindlichen Haupt-Bericht an den König, der seine ganze Gesinnung und Handel-Weise bey der Schlesischen Sache sehr schön und aufrichtig darlegt und wohl verdient, ganz gelesen und erwogen [129] zu werden. Ich will nur kurz den Inhalt anzeigen. Er legt zuerst seine Bedencklichkeiten bey der Schlesischen Kirchen-Sache dem König aufrichtig dar, wie er sie vorher gegen die Brüder geäußert und schon oben § 10 angezeigt worden. Dann behauptet er in 8 Sätzen einige zur Sache dienliche Wahrheiten, die er zugleich zu untersuchen bittet, nemlich daß wir würcklich Nachkommen der Mährischen Brüder und nicht eine neue Secte seyn, daß wir keine besondre Religion und Confession sondern nur eine eigene und ältere Liturgie als andre Religionen haben, daß kein Schaden sondern Nutzen aus unserm Anbau zu erwarten und daß es schon ein realer Vortheil sey, daß etliche 1000 Leute im Lande bleiben. Daß wir uns nicht mit Versprechungen und Projectenmachen ins Land genöthiget. „Es ist offenbar (heißts bey diesem Punckt), daß die Landes-Herren keinen Schaden von uns haben. Wir sind aber keine Projectenf-Macher und wollen die Vortheile nicht zum Voraus darlegen. Daher wir unsern Deputirten diesen ihnen von andern an die Hand gegebenen medium terminum improbirt haben“ etc.155 Und endlich bittet er um ein Examen in Lehr und Praxi, daß wir nicht nur eine generale Toleranz wie alle Secten, sondern eine besondre Achtung verdienen, und daß der König die seit 1735 in Regenspurg156 und Wezlar157 gesuchte Untersuchung befördern möge. Als denn antwortet er auf die obangezeigten Klag-Schriften. [130] Man sieht daraus, daß der Baron Nostiz über die Versäumung der Arbeit geklaget. Antwort:158 Leute, die fünf Viertelstunden weit zu ihrem Bethauß gehen, versäumten sich doch nicht so wie vorher, da sie 2 Tagesreisen weit zu einer Kirche gehen mußten. Wenn aus dem Besuch der Prediger in ihren Dörfern gleich Conventicula gemacht würden, so müßten die Leute zu ihrem Prediger gehen. Solten sie das nicht thun und auch ihre Kinder nicht bey ihm taufen laßen, so sey die ganze Religions-Freyheit nichts. Des Grafens von Frankenberg Klage muß das Kindel-Brod betroffen haben, daß die Brüder nicht den Bierzug

f

Von Cranz eingefügt für gestrichen: Proselyten.

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153 Unitätsarchiv Herrnhut, Sign. R.5.B.5.a, Nr. 93. 154 Des Hrn. Grafen Haupt-Bericht an Ihro Königl. Maj. in Preussen. In: Büdingische Sammlung Einiger In die Kirchen-Historie Einschlagender Sonderlich neuerer Schrifften, Bd. 1–3. Büdingen 1742–1744, hier Bd. 3, 145–159. 155 Ebd., 161. 156 Regensburg, Tagungsort des Immerwährenden Reichstags. 157 Wetzlar, Sitz des Reichskammergerichts. 158 Des Hrn. Grafen Haupt-Bericht an Ihro Königl. Maj. in Preussen. In: Büdingische Sammlung Einiger In die Kirchen-Historie Einschlagender Sonderlich neuerer Schrifften, Bd. 1–3. Büdingen 1742–1744, hier Bd. 3, 154.

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halten und ein gewißes im Kretschem159 vertrincken. Antwort: Das müßen die Leute bezahlen, aber sie zum Sauffen zu zwingen, sey gegen die Gewißens-Freyheit. Dem Ansehen solcher Kläger setzt er den Grafen von Promniz, den Rittmeister Falkenhayn, die Seidlitze, den Landrath von Pfeil,160 die von Gersdorf, Kalckreuth,161 Tschirschky,162 Baron Bibra,163 Larisch164 etc. entgegen, die sich nach gründlicher Untersuchung zu einer Verfaßung gewendet, davon sie weder Nutzen noch Ehre haben und mehr Consideration als die Kläger verdienen. Er überläßts dem König, ob er eine Commission zur Untersuchung der bisherigen und noch zu erwartenden Klagen anordnen und fortsetzen oder ob er wegen der Klagen, wie man ein paar mal gedrohet, das Privilegium zurücknehmen wolle. In diesem Fall werde [131] aber auch müßen gesorgt werden, wie die Mährischen Brüder, die Vasallen sind, entweder abziehen oder im Lande bleiben könnten, ohne der generalen Gewißens-Freyheit Eintrag zu thun etc. etc. Das war dreist, und eben so dreist antwortet er auf die Forderung zu demonstriren, worinnen der reale Nutzen von unsrer Aufnahme bestehen soll. Er sagt:165 Wenn der König durch die Klagen schon in seiner Absicht mit uns gestört sey, so könnten alle unsre Demonstrationen von realen Vortheilen die Unruhen nicht balanciren. Da solten die Brüder lieber nur gleich ihre General-Concession fahren laßen. Die Schlesischen Vasallen könten leicht bey ihren einmal erlangten Bethäusern geschützt und die Klagen gegen sie untersucht werden. Der Vortheil dabey sey, daß etliche 1000 Leute im Lande blieben, und doch immer etliche Brüder aus andern Ländern mit hereinziehen würden, wodurch die dem König verursachten Unruhen genugsahm compensirt würden. § 17. Wie diese derbe Declaration von den Ministern (denn daß sie der König selbst gelesen, ist kaum zu vermuthen) aufgenommen worden, wird sich hernach zeigen. Ich muß das in Büdingische Sammlung III, 160166 befindliche Gemein-Schreiben des Synodi an [132] den König oder den sonst so genannten Synodal-Plan wegen der Einrichtung in

159 Schenke beziehungsweise Kneipe. 160 Carl Friedrich I. von Pfeil (1695–1767). 161 Johann Sigismund von Kalckreuth († 1771) auf Ober-Steinsdorf. 162 ���������������������������������������������������������������������������������������� Die Familie des Karl Sigismund von Tschirschky und Boegendorff (1700–1737), 1723 verheiratet mit Helene Elisabeth, geb. von Prittwitz (1701–1765), und ihre Kinder Maria Eleonora (1724–1784), Helene Charlotte (1728–1768), Carl Wilhelm (1731–1802), Ernst Sigismund (1733–1774) Sophie Juliane (1734–1781) und Julius Friedrich (1737–1814). 163 Friedrich Heinrich von Bibran (1715–1787). 164 Heinrich Christoph von Larisch († 1753). Zu dessen Korrespondenz mit Nikolaus Ludwig von Zinzendorf (1700–1760) seit 1728 vgl. Unitätsarchiv Herrnhut, Sign. R.6.A.a.14, Nr. 2, 5, 8. 165 Des Hrn. Grafen Haupt-Bericht an Ihro Königl. Maj. in Preussen. In: Büdingische Sammlung Einiger In die Kirchen-Historie Einschlagender Sonderlich neuerer Schrifften, Bd. 1–3. Büdingen 1742–1744, hier Bd. 3, 158f. 166 Extract des Gemein-Schreibens des Synodi. Ebd., 160–169.

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Schlesien, welches die Deputirten den 26. Julii überreicht haben, kürzlich erörtern.167 Sie thun folgende Vorschläge. Was (1) die einzelne Brüder in den alten Erblanden betrift, so solten sie die innere Gemein-Verfaßung der Brüder unter sich in der Stille, ohne Aufsehen und Nachfrage, haben, sich aber zu einer der Evangelischen Kirchen halten. Die Mährischen Brüder, oder die aus den Seperatisten zu den Brüdern getreten, solten entweder weg und in die privilegirten Brüder Gemeinen ziehen oder einen eigenen Ort anbauen, um andern nicht beschwerlich zu fallen. Was (2) die Brüder in Schlesien betrift, so müße man zwar bey den Consistoriis Unruhe befürchten, wenn ein Bischof der Brüder mit seinem Seminario sich in Schlesien niederließe, es solle aber doch nach dem Königlichen Befehl geschehen. Der verlangte Anbau von Neusalz sollte, wenn der König darauf bestünde, vor sich gehen. Eigentlich aber sey unsere Absicht auf folgende 4 Oerter gerichtet: (1) Burau, wo schon 30 Personen aus Mæhren sind, die zwar, weil sie alles verlaßen, außer Stand wären, anzubauen, aber von uns fortgeholfen werden solten. Bey der Gelegenheit wird eine ausführliche Idée gemacht vom Diaconat und dem oeconomischen Zustand und der [133] Beyhülfe der Gemeinen. (2) Der andere Ort ist Krausche.168 Da könten die Brüder, die unter widrigen Herrschaften stehen, sich hinziehen und anbauen. (3) Peile könte eine der grösten Gemeinen werden, sobald die Suspension des dortigen Bethauses cessirt. Da könte auch das Bethaus zu Peterswalde, das die Herrschaft nicht gern sieht, wegfallen, wenn sie die Brüder nicht hindert, nach Peile zu gehen. (4) Rösniz sey eigentlich für die Leute in Mæhren bestimmt, wir wolten aber, ohne des Baron Trach169 guten Willen, es nicht poussiren. Schlüßlich zeigen die Brüder an, daß, so wenig Hofnung sie auch davon hätten, der Herr Graf von Zinzendorf doch noch versuchen wolle, ob er mit seinen irenischen Combinations-Ideen bey den Schlesischen Theologis reussiren werde.170 Ich will nur noch dieses hiebey erinnern, daß diese gute Absicht, die Brüder Gemeinen in Schlesien bey ihrer innern Verfaßung den Consistoriis zu subordiniren, dem Ordinarius das mal von Cocceji aus triftigen Gründen, die man in Naturelle Reflexiones, S. 276, lesen kan, ganz ausgeredet,171 aber im Jahr 1744 dennoch, wiewol vergeb-

167 Unitätsarchiv Herrnhut, Sign. R.5.B.5.a, Nr. 107: Abschrift des Anschreibens. Ebd., Nr. 108: Der Synodalplan. Gegenüber der Handschrift ist der Abdruck in der „Büdingischen Sammlung“ gekürzt. Es fehlen beispielsweise die Bezüge auf die genannten Orte. 168 Groß Krausche (poln. Kruszyn). 169 Konnte nicht nachgewiesen werden. 170 Büdingische Sammlung Einiger In die Kirchen-Historie Einschlagender Sonderlich neuerer Schrifften, Bd. 1–3. Büdingen 1742–1744, hier Bd. 3, 168. 171 ��������������������������������������������������������������������������������������� Zinzendorf, Nikolaus Ludwig von: ΠΕΡΙ EAYTOY, Das ist Naturelle Reflexiones über allerhand Materien [...]. O. O. [1747]. Vgl. Meyer, Dietrich (Hg.): Bibliographisches Handbuch zur Zinzendorf-Forschung. Düsseldorf 1987, A Nr. 174, 276, bezieht sich allerdings nicht auf Schlesien.

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lich, von neuem versucht worden. (Siehe Brüder Historie, S. 386,172 Zinzendorfs Leben, S. 1512173). § 18. Was diese schriftliche und andre mündliche Unterhandlungen mit den Ministern eigentlich zum Zweck gehabt und was herausgekommen [134], davon kann uns [Abraham] Gersdorf[s] § 10 angeführte Historische Nachricht etc.174 belehren: „In Berlin kam der selige P[romniz] mit Cocceji gar bald in einen sehr amicablen und vertraulichen Nexum. Die Deduction, so er den 21. Julii 1743 dem Cocceji übergab, enthält unter andern hauptsächlich dieses in sich, daß die General Toleranz aller Religionen und Secten auf uns nicht applicable sey und daß man uns zuförderst in Lehr und Praxi gründlich examiniren müße etc. Cocceji aber hielt lezteres für unnöthig, weil das vorher schon geschehen wäre und wir auch schon als Augspurgische Confessions-Verwandten durch das bekannte Sendschreiben an den König von Schweden,175 so P[romniz] dem Cocceji eingereicht hatte, bekannt wären. Weil aber P[romniz] darauf bestand, daß uns doch einigermaßen der Vorwurf, als ob wir eine aparte Religion ausmachten und folglich nicht Reichs tolerabel wären, aus dem Wege geräumt würde, (Dieses geschahe in der in Büdingischen Sammlungen, III, S. 130,176 befindlichen französischen Requete der Waldensisch Mährischen Brüder zum Departement der Ausländischen Affairen, die Mittel und Wege eröfnen zu dürfen, daß der ihnen zur Ungebühr beygelegte Name einer tolerirten Secte, dazu sie ihre Gegner gern [135] machten und sich sogar der Königlichen Concession dazu bedienten, auf einmal cessiren möge etc. etc., wie auch in Gersdorfs Memorial 29. Julii177 sich wegen der vielen Schmähschriften, bey dem Corpore Evangelicorum zu interessiren etc. etc.), so ergriff Cocceji, occasione der vielen Lästerschriften im deutschen Reich die Gelegenheit, dem Departement der auswärtigen Affairen unser deshalben eingegebenes Memorial, mit einem Communicato, den 8. Augustii,178 zu behändigen, darinnen bejahet er ausdrücklich, daß ehe und bevor man denen Mähri172 Cranz, David: Alte und Neue Brüder-Historie oder kurz gefaßte Geschichte der Evangelischen Brüder-Unität in den ältern Zeiten und insonderheit in dem gegenwärtigen Jahrhundert. Barby 2 1772 [11771], 386–388. 173 ��������������������������������������������������������������������������������������� Spangenberg, August Gottlieb: Leben des Herrn Nicolaus Ludwig Grafen und Herrn von Zinzendorf und Pottendorf, Th. 1–8. Barby 1772–1775, hier Th. 3, 1512f. 174 Unitätsarchiv Herrnhut, Sign. R.5.B.12.b.1. 175 Sendschreiben an Ihro Königliche Majestät von Schweden, von Grafen und Herrn Ludewig von Zinzendorf, betreffende sein und seiner Gemeinde Glauben und Bekenntnüß. O. O. [1735]. In: Büdingische Sammlung Einiger In die Kirchen-Historie Einschlagender Sonderlich neuerer Schrifften, Bd. 1–3. Büdingen 1742–1744, hier Bd. 1, 72–108. Vgl. Meyer, Dietrich (Hg.): Bibliographisches Handbuch zur Zinzendorf-Forschung. Düsseldorf 1987, A 126. 176 Büdingische Sammlung Einiger In die Kirchen-Historie Einschlagender Sonderlich neuerer Schrifften, Bd. 1–3. Büdingen 1742–1744, hier Bd. 3, 130f. 177 Unitätsarchiv Herrnhut, Sign. R.5.B.4, Nr. 10. 178 Ebd., Nr. 11, 2. August 1743, und Nr. 12, 5. August 1743.

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schen Brüdern eine allgemeine Gewißens-Freyheit, in Ihro Majestät Landen verstattet, derselben Lehre von den beyden hiesigen Pröbsten (nemlich 1737) sorgfältig examinirt worden, da sich den[n] gefunden, daß selbige mit der Augspurgischen Confession in allen Stücken übereinkomme, wie solches auch aus dem hiebey gehendeng GlaubensBekenntniß179 sich augenscheinlich zu Tage lege. S[eine] Majestät hätten auch aus solchem Grunde ihren ersten Hof-Prediger ( Jablonsky) erlaubet, nicht nur die Stelle eines Bischofes, über erwehnte Gemeinen anzunehmen; sondern auch den Grafen von Zinzendorf zum Bischof der Mährischen Brüderschaft einzuweihen. Der ganze Unterschied [136] also zwischen ihnen und den übrigen Protestanten bestünde in der Disciplin, daß sie nemlich ihren eigenen Bischof hätten, unter ihrem besondern Synodo stünden“. etc. etc. (Siehe Brüder Historie, S. 380180 und Cocceji Schreiben in: Acta Fratrum, S. 15, Beyage XIX181). „Dieses Communicatum hatte auch den Effect, daß disfals aus dem Departement der ausländischen Affairen ein Rescript den 18. August an den damaligen Brandenburgischen Minister v. Pollmann in Regenspurg erging182 (mit dem Befehl, über das Gesuch der Deputirten seine Gedancken zu eröfnen, auch einige Moderationes von den Evangelischen Gesandschaften zu sondiren, ob daßelbe bey dem Corpore Eingang finden dürfte etc.), es wurde aber von ihm das gesuchte Vorschreiben an das Corpus Evangelicorum in widrigen und spitzigen terminis widerrathen.“183 So weit Gersdorf. Ich will nur noch dieses hinzuthun, daß der Ordinarius, sobald er von der intendirten Notification ans Corpum Evangelicorum gehöret, noch vorher am Tage seiner Abreise, den 8. Augusti, an den geheimen Rath Reichwein geschrieben184 (Siehe Büdingische Sammlungen III, S. 170185), daß die Sache nicht darauf ankomme, uns im Römischen Reich zu stabiliren (wir wären schon recipirt), sondern, da uns der König nach unserm Glaubens-Bekenntnis [137] pro receptis supponire, es darauf anzutragen, ob die Reichs-Stände mit dem Könige dazu helfen wolten, daß die Schmähschriften eingeschrenckt und ihre Verfaßer zur Verantwortung angehalten würden etc.

179 ������������������������������������������������������������������������������������������� Wahrscheinlich ist gemeint Sendschreiben an Ihro Königliche Majestät von Schweden, von Grafen und Herrn Ludewig von Zinzendorf, betreffende sein und seiner Gemeinde Glauben und Bekenntnüß. O. O. [1735]. In: Büdingische Sammlung Einiger In die Kirchen-Historie Einschlagender Sonderlich neuerer Schrifften, Bd. 1–3. Büdingen 1742–1744, hier Bd. 1, 72–108. 180 Cranz, David: Alte und Neue Brüder-Historie oder kurz gefaßte Geschichte der Evangelischen Brüder-Unität in den ältern Zeiten und insonderheit in dem gegenwärtigen Jahrhundert. Barby 2 1772 [11771], 380f. 181 ������������������������������������������������������������������������������������������ Acta Fratrum Unitatis in Anglia. MDCCXLIX. O. O. o. J. Vgl. Meyer, ������������������������������ Dietrich (Hg.): Bibliographisches Handbuch zur Zinzendorf-Forschung. Düsseldorf 1987, A 187, Nr. 19, 15. 182 Adam Heinrich von Pollmann (1685–1753). 183 Bis hier reicht das Zitat von Abraham von Gersdorf (1704–1784). Unitätsarchiv Herrnhut, Sign. R.5.B.12.b.1. 184 Ebd., Sign. R.5.B.5.a, Nr. 170, 171. 185 Büdingische Sammlung Einiger In die Kirchen-Historie Einschlagender Sonderlich neuerer Schrifften, Bd. 1–3. Büdingen 1742–1744, hier Bd. 3, 170f.

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Und da des Gesandten Pollmanns Antwort vom 12. Septembris ans Departement der Ausländischen Affairen den Brüdern am 3. Octobris communicirt worden, so hat daßelbe die in Büdingische Sammlungen III, S. 131186) befindliche Verwahrungs-Schrift der Mährischen Brüder wegen jezt oder künftiger Anregung bei dem Corpori Evangelicorum, Burau,187 den 29. Octobris, veranlaßet, daß sie weder eine neue Autorisirung im Römischen Reich noch ein absolutes Verbot der Gegenschriften verlanget, sondern nur den Schein eines von ihnen veranlaßten Schismatis abzulehnen gesucht, und da sie auf keine Gegenschriften mehr antworten würden, sich hiemit nochmals vor dem Könige und dem ganzen Corpus Evanglicorum zur Untersuchung und Verantwortung bereitwillig darstellen wolten. § 19. Die dritte Arbeit der Deputirten in Berlin betraf Ober-Peile. Seidliz hatte schon 1742 nach dem Vorgang andrer Evangelischen, aber ohne erst um Concession Ansuchung zu thun, es auf ein Bethauß angetragen. Am 17. Augusti 1742 war das Holz dazu [138] gefällt und das Gebäude in seinem Hofe neben der Scheune aufgeschlagen worden. Vieleicht war es das erste Bethauß im Lande, das gebaut wurde. Denn vor dem Frieden getrauete sich wol niemand, sich deshalber in Kosten zu setzen. Weil Seidliz, wie sich der Ordinarius in einem Schreiben an Cocceji188 ausdrückt, der Urheber des ganzen Gesuchs der Kirchen-Freyheit gewesen, so hatte er nicht geglaubt, nach der erhaltenen General-Concession noch eine besondre Freyheit zum Bethauß nöthig zu haben. Man hatte sich nur mit dem Bischöflichen General vicariat in Bresslau verstanden und von demselben einen Befehl den 23. Aprilis an den Pfarrer in Peile189 ausgewirkt, des HErrn von Seidliz Vorkehrungen sich nicht zu opponiren, sondern sich mit den Accidentien nach der Taxa Suecica zu begnügen. Indeßen war vermuthlich von einem Neider und Gegner durch die Zeitungen verbreitet worden, daß in Peile ein prächtiges Bethauß gebauet würde. Das Ober-Amt zu Bresslau, wo man keine Freunde hatte, stellte dem HErrn von Seidliz in einem Rescript vom 16. Mayi190 darüber zur Rede. Obgleich daßelbe schon den 31. Mayi insinuirt wurde, so ließ man sich doch nicht abhalten, das Bethauß am Pfingstfest, den 2. Juni, bey einer großen Menge besuchender Freunde von 26 Orten und andrer Zuhörer aus der Nähe mit einer Predigt, und den 4ten mit einem Liebesmahl aller in Gesellschaften befindlichen Geschwister, deren 360 waren, [139]

186 ������������������������������������������������������������������������������������������ Ebd., 131–135: „Der Mährischen Brüder Verwahrungs-Schrifft wegen jetzt oder künfftiger Anregung bey dem Corpus Evangelicorum ihrenthalben“. 187 Ebd., 135: „Berlin“. 188 Unitätsarchiv Herrnhut, Sign. R.5.B.5.a, Nr. 89, 15. Juni 1743. 189 Ebd., Nr. 54.b., an den Administrator Michael Mattiba. 190 Ebd., Nr. 66.

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einzuweihen,���* am 8. Junii das Abendmahl mit 128 Personen, davon 30 zum erstenmal dazu gelangten,192 zu halten, und den 15. in Peterswalde ein Kind193 zu taufen. Seidliz suchte sich zwar beym Ober-Amth zu verantworten,194 und der Ordinariuŝ legte unterm 15. Junii aus Marienborn eine Fürbitte bey Coccejii für ihn ein.195 Dem ohngeachtet langte den 13. Julii ein den 1. Julii datirter Befehl196 von Bresslau an, daß ihn zwar seine Privat-Andacht zu halten nicht verwehret, aber ohne Königliche Concession Actus ministeriales verrichten zu laßen nicht erlaubt sey. Die Deputirtenk gaben ein Memorialm unterm 25. Julii197 deshalben ein,n worauf den 27. Julii die Concession erfolgte und dem Ober-Amt insinuirt wurde. Das Insinuations-Rescript befindet sich im Repertorio der Schlesischen Acten Volume 1 No. 86,198 von der Concession selbst, die den 15. Augusti in Peile angekommen seyn soll, findet man keine [140] Spur, weder in den hier befindlichen Acten noch im Repertorio des Unitæts-Archivs, wohin sie doch laut einem Zettel im Gnadenfreyschen Archiv abgegeben worden. NB. Die Orginal-Conzession befindet sich gegenwärtig im Unitäts-Archiv. (1840) siehe Repertorio.199

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Diese waren aus 24 Orten, und die mehresten um der Gemeine willen hieher gezogen, nemlich aus Peile, Reichenbach, Arnsdorf, Peterswalde, Biele, Habendorf, Dittmannsdorf, Gittnannsdorf, Seifersdorf, Schweidniz, Bresslau, Münsterberg, Reichstein, Giersdorf, Deutsch-Breyle, Tschammendorf, Rose, Doms, Heidersdorf, Tirpiz, Pistole, Sorau, Dommer und aus Braniz in Ober-Schlesien. [Diese Angabe entnahm Cranz nicht dem Diarium, sondern offenbar einer heute nicht mehr vorhandenen Gnadenfreier Quelle].

_______________________________ h i k m n

Von andrer Hand für gestrichen: in einem Schreiben an Cocceji. Für gestrichen: demselben. Von andrer Hand für gestrichen: Man ließ hierauf. Folgt gestrichen: nach Berlin abgehen, welches den. Für gestrichen: von den Deputirten übergeben wurde.

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191 Diarium der Gemeinde Gnadenfrei 1743. Unitätsarchiv Herrnhut, Sign. R.7.D.I.b.1.a.1743– 1750, 52f., 86f. 192 Laut Diarium der Gemeinde Gnadenfrei 1743 kamen 25 aus Peile und fünf aus Peterswalde. Vgl. Unitätsarchiv Herrnhut, Sign. R.7.D.I.b.1.a.1743–1750. 193 David Rohrbach (G 1743). Kirchenbuch Gnadenfrei. Ebd., Sign. Kirchenbuch 071,1. 194 Brief vom 14. Juni an N. N. Ebd., Sign. R.5.B.5.a, Nr. 66. 195 Ebd., Nr. 89. 196 Ebd., Nr. 90. 197 ���������������������������������������������������������������������������������������� Ebd., Nr. 102. Das Memorial an den König ist unterschrieben von Nikolaus Ludwig von Zinzendorf (1700–1760), Abraham von Gersdorf (1704–1784), Jonas Paulus Weiß (1696–1779), David Nitschmann (1703–1779) und Paul Eugen Layritz (1707–1788). 198 Unitätsarchiv Herrnhut, Sign. R.5.B.5.a, Nr. 103. 199 Ebd., Sign. R.1.D.3.e, 27. Juli 1743.

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§ 20. In Peterswalde hatten sich von den ehemals erweckten, aber zu den Separatisten gewandten Seelen einige zum Herrn v. Seidliz gehalten und waren von Bruder Stöhr besucht und beßer eingerichtet, auch etliche mit zur Gemeine gezehlt worden und hatten den Bruder Tobias Leupold200 zum Arbeiter bekommen. Diese hielten in einem von 6 Brüdern unterschriebenen Memorial Mense Martii um ein Bethauß an201 und erhielten die Concession durch des Grafen Promniz von Halbau Vermittelung mit der für sein Bethauß zu Burau zugleich am 23. Martii.202 In Gefolge derselben verrichtete Bruder Lieberkühn als Prediger in Peile den 14. Junii die erste Taufe an David Rohrbachs Kinde,203 und den 18. kamen Münsters dahin an Leupolds Stelle.204 Ihre Herrschaft der Graf v. Promniz auf Sorau wolte ein Bethauß daselbst bauen und hatte schon eine Zeitlang den Evangelischen Gottesdienst in einem Saal des Schloßes, wo er noch bis jezt gehalten wird, halten laßen. Er widersezte sich also dem Vorhaben der Brüder, und da diese ihre [141] Concession der Herrschaft insinuirten,205 beschwerte sich der Gräfliche Raht Stein206 in einem Memorial ans Ober-Amt, den 21ten Junii, über die Concession207 als ohne Wißen und Willen seines Herrn erschlichen und bat, dieselbe aufzuheben und die wenigen Brüder zum Bethauß in Peile zu verweisen. Hierauf erfolgte den 27. Junii ein Decret208 an den Justitz-Rath des Reichenbächischen Cräises, von der Heide (der damals noch keine Connexion mit den Brüdern hatte) in loco zu untersuchen, wieviel Personen der Herrnhutschen Lehre* zugethan und ob sie allein und ohne Beytrag auswärtiger Herrnhutschen Gemeinen ein Bethauß zu errichten und nebst einem Lehrer zu unterhalten im Stande seyn. Die Commission wurde den 4 Julii gehalten209 und frag-

*

In solchen Terminis: Herrnhutsche Lehre etc. war weder des Rath Stein Memorial noch einiges von den bisherigen widrigen Rescripten aus Berlin abgefaßt worden. Diese Sprache fing das Ober-Amt zuerst an.

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200 Da Tobias Leupold († 1734) schon 1734 als Missionar auf St. Croix starb, muss es sich um Augustin Leupold († 1745) handeln, der 1727 nach Herrnhut emigrierte und 1745 in Gnadenfrei starb. 201 Unitätsarchiv Herrnhut, Sign. R.5.B.5.a, Nr. 36.b, o. D.: „Derer allergetreuste Unterthanen zu Peterswalde, so zu der Kirche der Brüder sich bekennen und über 60 Seelen ausmachen“. 202 Ebd., Nr. 45. Die Konzession für Burau ebd., Nr. 44. Ausfertigung: Ebd., Sign. R.1.D.3.c. 203 Kirchenbuch Gnadenfrei. Ebd., Sign. Kirchenbuch 071, 1. 204 Diarium der Gemeinde Gnadenfrei 1743. Ebd., Sign. R.7.D.I.b.1.a.1743–1750, 88. Es handelt sich um Hans Münster (1700–1754). 205 gerichtlich zustellen. 206 Konnte nicht nachgewiesen werden. 207 Konzession für Peterswaldau vom 23. März 1743. Unitätsarchiv Herrnhut, Sign. R.1.D.3.b. 208 Konnte nicht nachgewiesen werden. Das Dekret ging an Julius Conrad von der Heyde (Heide, 1713–1797), den späteren Grundherrn von Habendorf und Mitglied der Brüdergemeine. 209 Einen Bericht über diese Untersuchung mit dem Protokoll der vorgelegten Fragen schrieb Ernst Julius von Seidlitz (1695–1766). Vgl. Unitätsarchiv Herrnhut, Sign. R.5.B.5.a, Nr. 91 a und b.

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te mehr, als ihr vom Oberamt befohlen worden. Der Rath Cellarius210 von Sorau hatte der Commission viele verfängliche Fragen unterlegt und mit seinen Sophistereyen und Geschrey die Brüder verhindert, die rechten Antworten darauf zu geben. Der Bericht ging also dahinaus, [142] daß unter den 60 Seelen, für die man ein Bethauß gesucht, nur 22 Manns-Personen waren, die sich dazu bekannten, daß sie sich seit 6/4 Jahren, und also da Bruder Stöhr ins Land gekommen, zu den Brüdern bekannt, aber noch bis zum Anfang des Jahrs 1743 zum Evangelischen Gottesdienst im Schloß gehalten und zuerst am 20. Mart[ii] bey der Herrschaft sich als Mährische Brüder declarirt hätten. Sie wollten, obgleich viele der Herrschaft noch schuldig sind, auf eigene Kosten das Bethauß bauen, sie hoften dabey nicht auf auswärtige Hülfe, es würden sich schon gutwillige Herzen dazu finden und ihr Häuflein sich vermehren, und wenn auch das nicht wäre, wolten es die 6 Brüder bauen, die das Memorial um die Concession unterschrieben. Dieser Bericht von der Commission war den 6. Julii211 datirt, und das Ober-Amt, das sonst in der Brüder Sache sehr langsam zu Wercke ging, säumte hier nicht, weiter an den König zu berichten, und erhielt unterm 22. Julii aus Berlin ein Rescript,212 ­darinen es heißt: „Wir haben zwar euren Bericht von 11. Juli betreffend den eigentlichen Zustand der Mährischen Brüder-Gemeine zu Peterswalde zu Recht empfangen: da aber die Sache wegen dieser Brüder mit [143] nächsten näher eingerichtet werden soll, so ist unser Wille, daß die Concession solange in suspenso bleiben soll. Sind“ etc. Dieses bezieht sich darauf, daß die Deputirten in Berlin bey dem Widerstand des Grafen Promniz selbst vorgeschlagen, die Concession des Bethauses zu Peterswalde, wenn der Graf die wenigen Brüder nicht hindere, nach Peile zu gehen, aufzuheben. Und diese hat hernach zu einer Controvers zwischen dem Ordinario und dem Rath Cellarius Gelegenheit gegeben.213 § 21. Im Frühjahr 1742 war Stöhr olaut Theil I § 23o auch nach Rösniz gekommen und bey der Gelegenheit mit den Erweckten in Schnellewalde und der Gegend bekannt worden. Diese bekamen in Herbst deßelben Jahres den Bruder Sam[uel] Schulz und die Rösnitzer den Bruder Hantsch,214 welcher öffentliche Stunden hielt, die von vielen Leuten aus Neugier besucht wurden. Gleich nach dem Gemein-Schluß 1743 wurde Matth[äus] Schindler dahin geschickt, um den Erweckten die Kirchen-Freyheit der Mährischen o-o

Von anderer Hand über der Zeile ergänzt.

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Johann Ludwig Cellarius († 1754). Konnte nicht nachgewiesen werden. Unitätsarchiv Herrnhut, Sign. R.5.B.5.a, Nr. 119.b, mit dem von Cranz zitierten Text. Nikolaus Ludwig von Zinzendorf (1700–1760) an den Rat Johann Ludwig Cellarius († 1754). Ebd., Nr. 122. Vgl. auch ebd., Sign. R.5.B.5.b. 3 und 7 vom 16. und 24. September 1743. 214 Samuel Schulze (1714–1751). Johann Georg Hantsch (1718–1768), Schneider, 1739 in die Brüdergemeine aufgenommen, im November 1742 Prediger in Rösnitz, ging 1743 nach Pennsylvanien.

Zweiter Teil, Abschnitt 1: 1743 bis 1745

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Brüder und die Einrichtung in Peile bekannt zu machen und nachzufragen, wer sich von ihnen zur Brüder Kirche halten wolte.* Er [144] fand, daß die Versammlung von 400 Personen besucht wurde, die mehrentheils sehr angefaßt waren, aber noch keinen rechten Verstand von der Sache hatten.215 Die sich für die Gemeine erklärten, reißten mit ihm nach Peile und wurden den 24. Januarii zur Gemeine hinzugethan. Mit diesen kam Hantsch wieder dahin zurück und sezte die Versammlung fort, fand aber großen Widerstand. Denn die Leute, die ehemals seine Stunden aus Neugier besucht, wol auch manchmal kräftig gerührt gewesen, aber sich doch nicht für die Brüder declariren wolten, beschuldigten ihn, daß er sie habe von ihrer Religion abziehen und zur Brüder Kirche bereden wollen. Hierüber wurden die mehresten Einwohner, die ein Bethauß bauen wolten, gegen ihn aufgebracht, die Versammlungen verboten, und da er es nicht laßen wolte, wurde er von dem Pöbel-Volck aus der Versammlung heraus gerißen, sehr geschlagen, im Rath herumgeschleppt, in eine Pferde-Scheune geworfen und mit genauer Noth vom Tode errettet. Auf die Nachricht hievon, machte sich Dober und Stöhr den 10. Martii216 dahin auf, besänftigten die Leute in etwas, machten einige Einrichtung, nahmen den Hantsch mit zurück und ließen Johann Münsters217 als Arbeiter der Verheyratheten und Sam[uel] Schulz für die ledigen Brüder da. Sobald aber dieser wieder [145] anfing, Stunden zu halten, ging der Lerm von neuem an, er wurde in Arrest genommen, und Münsters blieben blos auf des Bruder[s] Franz Caution, bey dem er als Geselle arbeitete, davon frey. Auf diese Nachricht reißte Seidliz den 8. Aprilis nach Bresslau218 und brachte die Sache bey der Cammer an. Von Baron Trach zu Törpiz, dem Rösniz gehörte, bekam er einen Befehl unterm 11. Aprilis an dortige Gerichte219 mit, reißte auch den 15. nach Rösniz wie auch zum Landrath Baron v. Morawizky,220 der ebenfals unterm 18. Aprilis Befehl221 gab, die Brüder los und in Ruhe zu laßen. Endlich erfolgte unterm 26. Aprilis ein Befehl222 von der Cammer an den Landrath, die 2 Herrnhuter loszulaßen, mit der Anweisung daß sie sich in die Colonien zu Neusalz oder Peile ziehen solten. Die 2 Brüder zogen also weg, die Rösnitzer aber sezten ihre Versammlungen unter sich fort und *

Mit dieser Nachricht schickte er den Bruder Kremser nach Mæhren.

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215 Das Diarium der Gemeinde Gnadenfrei sagt darüber nichts. 216 Das Diarium der Gemeinde Gnadenfrei 1743 sagt zu diesem Datum: „Der Heiland wieß an, Störs sollten mit Br. Dober nach Rösniz gehen.“ Unitätsarchiv Herrnhut, Sign. R.7.D.I.b.1.a. 1743–1750, 77. 217 �������������������������������������������������������������������������������������� Hans Münster (1700–1754), Leinweber, emigrierte 1725 nach Herrnhut, seit 1743 in Nazareth, Pa. Er heiratete 1734 Rosina Nitschmann (G 1706) oder Johann Münster (1697–1764), 1744 in Neusalz. 218 Diarium der Gemeinde Gnadenfrei 1743. Unitätsarchiv Herrnhut, Sign. R.7.D.I.b.1.a.1743– 1750, 49, 81. 219 Ebd., Sign. R.5.B.5.a, Nr. 51. 220 Johann Carl von Morawitzky (1711–1782), Landrat des Kreises Leobschütz 1743–1747. 221 Unitätsarchiv Herrnhut, Sign. R.5.B.5.a, Nr. 54a. 222 Ebd., Nr. 56.

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Geschichte der Evangelischen Brüder-Gemeinen in Schlesien

besuchten von Zeit zu Zeit in Peile. Was Neusser in einem Schreiben an Graf Münchow unterm 3. Mayi223 der Rösnitzer Bedrängniße halber vorgestellt, ist schon oben § 11 angezeigt worden. Die Brüder in Rösniz wolten aber doch die General Concession gelten machen und hielten im May um die Erlaubniß an, ein Bethaus zu bauen.224 In dem § 17 angeführten Synodal-Plan [146] wurde auch wegen Rösniz ein Vorschlag gethan und den 25. Julii von den Deputirten ein Memorial225 um die Concession eines Bethauses eingegeben, welche den 27. Julii226 erfolgte und in einem Rescript ans Ober-Amt zu Bresslau unter diesem dato insinuirt wurde. § 22. Nach § 9 war vom Graf Promniz unterm 12. Februarii verlangt worden, daß sich die Brüder in Ober-Schlesien etabliren und ganze Gemeinen anbauen möchten, und nach § 12 war auch unterm 12. Aprilis eine Colonie nach Neusalz verlangt und unterm 18. Mayi von ihm versprochen worden. Der Synodus hatte dieses laut § 17 auch, wiewol ungern, versprochen, wenn der König darauf bestünde. Es wurde also auf Königliche CabinetsOrdre an Cocceji227 den 11. Junii die Concession für die Mährische Brüderschaft, so sich in Neusalz etabliren würde, unterm 13. Junii ausgefertigt.228 Weil aber eine gewiße Clausul (ich weiß nicht welche? Vermuthlich, daß die Prediger erst zur königlichen Confirmation præsentirt werden solten) mit der General-Concession nicht accordirte, so wurde dieselbe von den Brüdern nicht an-, sondern bey der Deputirten Daseyn unterm 6. Augusti zurückgenommen und eine neue auszufertigen versprochen.229 Ob, und wenn eine neue Concession erfolgt, [147] kann ich im Repertorio der Schlesischen Acten nicht finden. Wie man des Königs Verlangen, daß sich die Brüder besonders in Ober-Schlesien anbauen möchten, ein Genüge thun wolte, wird sich hernach bey dem Bericht von des Ordinarii Besuch in Schlesien, finden. Es muß aber schon vorher ein Befehl ans Ober-Amt ergangen seyn, die Mährischen Brüder unterzubringen, wo noch kein Evangelisch Bethaus ist, vermuthlich um den Neid und die Unruhen der andern zu verhüten. Das Ober-Amt hatte auf die Grafschaft Glaz, wo alles catholisch ist, gedacht und darüber mit der Kriegs- und Domainen-Cammer communicirt. Diese antwortete den 16. Julii,230 wie sie nicht glaubten, daß die Mährischen Brüder sich daselbst sicher und mit Nutzen würden etabliren können. Dem ohngeacht stattete das Ober-Amt diesen 223 224 225 226 227 228 229 230

Ebd., Nr. 57. Ebd., Nr. 67. Ebd., Nr. 101. Ebd., Nr. 104. Ebd., Nr. 80. Ebd., Nr. 84. Ebd., Nr. 85, 13. August 1743. Ebd., Nr. 97.

Zweiter Teil, Abschnitt 1: 1743 bis 1745

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Bericht den 26. Julii231 ab, daß die Grafschaft Glaz der einzige District unter ihrer Jurisdiction sey, worinnen zur Zeit noch kein Bethaus wäre. Diesen Bericht stellte Cocceji in einem eigenhändigen Pro memoria den 31. Julii dem Ordinariuŝ zu, der es aber mit Nein beantwortete. Man wird hernach sehen, daß das Oberamt und besonders der dirigirende Minister Graf von Münchow aus Jalousie gegen Cocceji alles angewendet, die Aufnahme und Etablirung der Brüder zu erschweren. § 23. Nach dem § 17 gedachten Vorschlag, daß sich die Brüder in den alten [148] Erblanden zu einer Kirche halten oder besonders anbauen solten, hätten die deutschen Brüder in Berlin nicht auf einen besondern Gottes-Dienst in der Stadt dencken können. Sie verstunden sich aber mit den Böhmischen Brüdern in Berlin und ersuchten in einem von 32 deutschen Brüdern unterzeichneten Schreiben die Deputirten für sie und die Böhmischen Brüder, die Freyheit zur Erbauung eines Bethauses auszuwürken. Und die Böhmischen Brüder übergaben nicht ohne Wißen und Willen ihres bisherigen Pastor Schulze232 eine von dem Deputirten Zinzendorf visirte233 Supplic den 7. Augusti,234 darinn es heißt: „Wir Brüder, die sich der alten Brüder Verfaßung bedienet, ehe wir in Dero Lande kommen, und gegen 300 Personen ausmachen, bitten nach der uns in allen Dero Landen ertheilten Religions-Freyheit um ein Bethaus und wollen dazu entweder das Böhmische für ein Theil miethen oder ein eigenes anbauen etc.“ Der Deputatus Gersdorf hat nacher öfters daran erinnert, es ist aber, weil sich ein gewißer HErr von Herold235 dagegen gesetzt, nichts daraus worden. Die Böhmen haben hernach 1751 ein großes Haus in der Willhelms-Straße gekauft, wo sie ihren öffentlichen Gottes Dienst halten und auch die deutschen Brüder, die aber bey der Kirche bleiben, ihre privat-Andacht haben. § 24. Kurz vor der Abreise von Berlin übergaben die Deputirten den [149] 7ten Augusti eine Vorstellung wegen der eingegebenen Beschwerde, in Ansehung einer von Bischof Müller verführt seyn sollenden Anna Susanna Kümmelin236 aus Creuzburg,237 welche, wie aus einem nachfolgenden Rescript ans Ober-Amt den 3. Septembris zu ersehen, ohne 231 Ebd., Nr. 102b. 232 Gemeint ist wahrscheinlich Augustin Schulz (Schultz, 1693–1752), böhmischer Prediger in Gerlachsheim. 233 ������������������������������������������������������������������������������������������ Visieren = eichen, ins Auge nehmen; das Schriftstück trägt den Vermerk: „Visum von dem Deputirten [Nikolaus Ludwig von] Zinzendorf “, wahrscheinlich in der Bedeutung von „vidimirt“ = beglaubigt. 234 Unitätsarchiv Herrnhut, Sign. R.5.B.5.a.115. 235 Konnte nicht nachgewiesen werden. 236 Anna Susanna Kümmel. 237 Unitätsarchiv Herrnhut, Sign. R.5.B.5.a, Nr. 116.

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Geschichte der Evangelischen Brüder-Gemeinen in Schlesien

Väterlichen Consens an Jacob Wagner verheyrathet worden.238 Diese Vorstellung veranlaßte das in Büdingische Sammlungen III, S. 999239 befindliche schöne Rescript 10. Augusti ans Ober-Amt zu Bresslau, sowol die angebrachte Beschwerde zu untersuchen als auch die vorhin anbefohlne Untersuchungen zu beschleunigen und davon Bericht zu erstatten, mit dem Beyfügen: „allermaßen wir zwar auf der einen Seite keine Desordres, welche von den Mährischen Brüdern in unsern Landen veranlaßet werden dürften, im Geringsten conniviren; an der andern Seite aber auch keines weges gestatten wollen, daß bemeldten Brüdern, welche sich quoad doctrinalia zu der Augspurgischen Confession bekennen und dannenhero von uns in sofern nicht anders, als Glaubens-Genoßen angesehen werden können, einiges Unrecht und Verunglimpfung wiederfahren soll. Damit wir aber gleich Anfangs bey dem ersten Etablissement der Mährischen Brüder in Schlesien solche Verfügung machen können, wodurch künftighin allen von ­ihnen zu besorgenden Unordnungen und Klagen nachdrücklich vorgebeugt werde, so wird [in allen Dingen] nötig sein, [150] die Untersuchung zu beschleunigen, worauf wir dann entweder denen angegebenen Verführungen und andern desordres kräftigen Einhalt thun oder [aber, falls sich dergleichen Vorgeben ungegründet finden sollte,] an den frevelhaftigen Calumnianten ein Exempel statuiren werden. Sind etc.“240 Dieses Rescript war schön, aber doch nicht so schön, wie Gersdorf in seiner historischen Nachricht schreibt: „In diesen für uns Favorablen Terminis stand damals die Sache, und wir erhielten von Cocceji, was wir nur begehrten.“241 Was hatte man denn begehrt? Und was erhielt man? Eine Untersuchung in Lehre und Praxi und eine Declaration, daß wir nicht als eine tolerirte Secte, sondern als eine von den Böhmischen Brüdern herstammende, unter der vorigen Regierung schon untersuchte, approbirte und erkannte, der Augspurgischen Confession zugethane und wegen der besondern Kirchen-Zucht und Verfaßung blos von andern unterschiedene Kirche alle den andern etablirten Religionen competirende Freyheiten und Rechte genießen und daher von den Theologis nicht ungestraft verketzertp und verlästert werden solten; [die Declaration] erfolgte zwar von Cocceji ans Departement der Ausländischen Affairen, aber nicht vom Könige, und wurde [von] Cocceji gar bald zurück genommen und ganz ein anders bey aller Gelegenheit von ihm declarirt. [151] Indeßen reiste der Ordinarius nebst den vornehmsten Deputirten am 8. Augusti nach Schlesien ab, mit einem Rescript vom 27. Julii242 an die Ober-Ämter in Bresslau

p

Von andrer Hand nachträglich korrigiert aus: verkehret.

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238 Ebd., Nr. 118. 239 Ebd., Nr. 117, auch Büdingische Sammlung Einiger In die Kirchen-Historie Einschlagender Sonderlich neuerer Schrifften, Bd. 1–3. Büdingen 1742–1744, hier Bd. 3, 999–1001. 240 Zit. nach Büdingische Sammlung Einiger In die Kirchen-Historie Einschlagender Sonderlich neuerer Schrifften, Bd. 1–3. Büdingen 1742–1744, hier Bd. 3, 1000f. 241 Unitätsarchiv Herrnhut, Sign. R.5.B.12.b.1. 242 Ebd., Sign. R.5.B.5.a, Nr. 106.

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und Glogau,243 daß, da der Graf von Zinzendorf von den Mährischen Brüdern bevollmächtigt worden, die ihnen concedirten Bethäuser in Schlesien nach Königlicher Intention einzurichten, sie ihm in seinem Vorhaben auf keine Weise hinderlich seyn, sondern alle billige Assistenz leisten solten etc. Und dieses Rescript244 wurde vom Ordinarius unterm 31. Augusti von Peile aus an die Præsidenten, den Fürsten von Corolath245 zu Bresslau und den Grafen von Reder246 zu Glogau vermittelst Schreiben insinuirt.247 § 25. Seinen Aufenthalt nahm der Ordinarius in Burau, wo er auf dem Schloß, welches er Gnadeck nannte, vorerst vom 11. bis 26. Augusti und nach einer Reise durch Schlesien von 9. Septembris bis den 2. Novembris verblieb248 und mit den bey sich habenden Arbeitern und Pilgern eine ungemein vergnügte Haußhaltung führte. Weil er noch nicht nach Sachsen kommen durfte, so ließ er nach und nach alle Arbeiter und verschiedene Geschwister von Herrnhuth dahin kommen, um mit ihnen zu conferiren und bekannt zu werden. Hier wurden auch viele neu verheyrathete Geschwister zum Dienst des Heilands in Pensylvanien abgefertigt. Er [152] machte sich besonders mit den von Peile dahin genommenen Mährischen Exulanten zu thun, hielt ihnen besondre Reden und Bibel-Lectionen und sprach sie einzeln. Hier machte er auch den ersten Entwurf von den Gemein- und Chor-Liturgien unter einem besondern Gefühl der Gnade,249 schrieb verschiedene Briefe, besonders ein ernstliches Warnungs und Ermahnungs-Schreiben in alle Gemeinen250 und den sogenannten Pilger-Brief,251 wie solches ausführlicher gelesen werden kann in seinem Leben, S. 1518–1531.252 243 Ebd., Nr. 106. 244 Ebd., Nr. 124. 245 ��������������������������������������������������������������������������������������� Hans Karl Fürst zu Carolath-Beuthen (1688–1763), Präsident des Oberamts und Konsistoriums in Breslau. 246 Karl Albert Graf von Roedern/Reder/Roeder (1704–1766), Präsident des Oberamts in Glogau. 247 Unitätsarchiv Herrnhut, Sign. R.5.B.5.a, Nr. 124. 248 Vgl. das „Journal“ (Tagebuch) von Johann Michael Lauterbach (1711–1787) von August bis November 1743. Ebd., Sign. R.7.A.15.4. 249 Gemeint ist das „Common Prayer“ von Nikolaus Ludwig von Zinzendorf (1700–1760), 1744 gedruckt. Vgl. Meyer, Dietrich (Hg.): Bibliographisches Handbuch zur Zinzendorf-Forschung. Düsseldorf 1987, A Nr. 520. 250 Gemeint ist wahrscheinlich das Rundschreiben an alle Geschwister. Vgl. Spangenberg, August Gottlieb: Leben des Herrn Nicolaus Ludwig Grafen und Herrn von Zinzendorf und Pottendorf, Th. 1–8. Barby 1772–1775, hier Th. 3, 1521. Man könnte auch an Zinzendorfs „Avertissement“ an die Verfasser von Streitschriften denken, das Spangenberg im Anschluss an das vorangegangene Schreiben nennt. Vgl. Büdingische Sammlung Einiger In die Kirchen-Historie Einschlagender Sonderlich neuerer Schrifften, Bd. 1–3. Büdingen 1742–1744, hier Bd. 3, 611–616. 251 Der sogenannte Pilgerbrief ist ein gefalteter Brief ohne Titel und beginnt: „Mein lieber MitPilger!“ O. O. o. J. Vgl. Meyer, Dietrich (Hg.): Bibliographisches Handbuch zur ZinzendorfForschung. Düsseldorf 1987, A Nr. 162. Die englische Fassung des Briefes erschien bereits 1742 in London im Druck. 252 ��������������������������������������������������������������������������������������� Spangenberg, August Gottlieb: Leben des Herrn Nicolaus Ludwig Grafen und Herrn von Zinzendorf und Pottendorf, Th. 1–8. Barby 1772–1775, hier Th. 3, 1518–1531.

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§ 26. Nachdem er am 25. Augusti unter Assistenz des Bischof[s] Müller seinen alten Freund Friedrich von Watterwille zum Bischof für Schlesien ordinirt, so reiste er den 27. mit demselben und mit seiner Tochter Benigna253 wie auch den Brüdern Abraham Gersdorf, Langguth, David Nitschmann, Heinrich Nitschmann,254 Stöhr und Jacob Müller255 wie auch der Rosina Nitschmannin256 nach Ober-Peile ab.257 Den 31. Augusti kam er daselbst an und unterhielt sogleich die Abendmahls-Geschwister bey einem Liebesmahl mit einem Diario von den Indianern in Nord-America, hielt eine Tauf-Rede und Wattewille die Taufe, und er selbst zulezt mit 180 Geschwistern das Abendmahl. Den 1. Septembris hielt Bruder Langguth oder Johannes die Predigt und Stöhr die Kinderstunde. Dann wurde der Platz zum Anbau des [153] Gemein-Orts ausgesehen. Nachmittags hielt der Ordinarius die Predigt und Johannes die Kinderstunde unter einer großen Bewegung und vielen Thränen der Jungen und Alten. Darauf hielt der Ordinarius die Chor-Viertelstunden. Ueber 100 Briefe und [= um] die Aufnahme waren die 2 Tage eingelaufen und gelesen worden.258 Der Ordinarius vertröstete diese Geschwister, die in der Gemeinstunde auf den vordern Bäncken saßen, auf eine bequemere Zeit und reiste den 2. Septembris, nachdem er ein Mandatum für den HErrn v. Seidliz, seine Vices in Schlesischen Sachen zu vertreten, ausgestellt, mit Johannes Gersdorf259 und Wattewille nach Ober-Schlesien, um sich die Gelegenheiten zu einem Gemein-Ort anzusehen. Er ging aber nicht ganz bis Rösniz, vermuthlich um nicht einen Bauern-Aufstand zu veranlaßen, sondern blieb in Pommerswitz260 und sandte nur den Bruder Johannes dahin. Er kam den 5. Septembris zurück und reiste sogleich über Groß-Krausche, wo er am 8. Septembris das Bethauß mit einer Predigt einweihete, nach Gnadeck ab. Inzwischen war am 5. Septembris auf dem von Ordinaro ausersehenen Bau-Platz von Heinrich Nitschmann der Grundstein zu dem ersten Wohnhaus (es war Johannes

253 Benigna von Wattewille, geb. Zinzendorf (1725–1789). 254 Heinrich Nitschmann (1712–1770), Prediger in Gnadenfrei, erhielt von Nikolaus Ludwig von Zinzendorf (1700–1760) 1743 den Auftrag, sich der Erweckten in Schlesien, Polen und Mähren mit anzunehmen. 255 �������������������������������������������������������������������������������������� Johann Jacob Müller (1712–1781), 1740 in die Brüdergemeine aufgenommen, diente Zinzendorf als Schreiber und in der Diasporaarbeit. 256 Rosina Nitschmann, geb. Fischer (1714–1772), verheiratet 1737 mit David Nitschmann (1703–1779). 257 Diarium der Gemeinde Gnadenfrei 1743. Unitätsarchiv Herrnhut, Sign. R.7.D.I.b.1.a.1743– 1750, 91, zum 30. August: „Heute kamen die Brüdr Stöhr, Heinrich Nitschmann und Jacob Müller von Gnadeck und den 31. die übrigen theuren Pilger-Geschwister zu unserer großen Freude hier an.“ 258 Im Diarium der Gemeinde Gnadenfrei 1743 heißt es unter dem 1. September: „Gestern und heute wurden über hundert Briefe an die Gemeine um die Aufnahme eingegeben.“ Ebd., 91. 259 Wahrscheinlich Johannes Georg von Gersdorf (G 1715). 260 Pommerswitz (poln. Pomorzowice).

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Obere Bildhälfte „Gnadenfrei in der Vogelperspektive“. Tuschzeichnung von Johann Georg Obermüller, 1754. Bildnachweis: Unitätsarchiv Herrnhut, Sign. TS.Mp.248.03. Untere Bildhälfte Kupferstich von Gnadenfrei ( Johann Georg Obermüller, 1755) aus der Sammlung der „Kupferstiche aus Herrnhuter Kolonien“ mit Bezeichnung der wichtigsten Gebäude. Bildnachweis: Unitätsarchiv Herrnhut, Sign. TS.Mp.140.01.

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Geschichte der Evangelischen Brüder-Gemeinen in Schlesien

George Grünwalds261 aus Biele262) gelegt worden, und den 6. wurde es gehoben, welches auch den 11ten mit Guhrs263 und den 12. mit Osts264 Hause geschahe. Diese [154] Häuser werden jezt von den Wittwern, von Stillers265 und Johrs266 und vom Laden bewohnt. Es waren gleich vom Anfang der Erweckung – in Hofnung, daß hier eine Gemeine werden würde, und sonderlich nach dem Gemein-Schluß in Erwartung eines GemeinOrts – etliche Familien aus dem Lande hieher gezogen, und diese machten bald Anstalt zum Bauen, ließen aber, weil man noch nicht über dem Plaz verstanden war, ihre Häuser im Walde abbinden. Es war ein sumpfigter Platz, und stunden noch etliche Häuser da, deren zum Theil feindselige Besitzer man erst mit vieler Mühe wegbringen mußte. Inzwischen hatte man auf einen an der Landstraße von Reichenbach nach Franckenstein unterm Mittel-Berg belegenen dürren Fleck, wo die Straße von Habendorf267 sie durchschneidet, gedacht. Nun war bei des Ordinarii Daseyn der Plaz ausersehen und ausgemeßen worden, und man eilte mit dem Bau, so daß Grünwald schon den 18. Octobris einziehen konte; der Bau stund unter Seidlizens als Vorstehers Direction, er verwaltete zugleich das Richter-Amt in der Gemeine und ließ sich den 27. Novembris von den Anbauern Reverse gegen die Gemeine ausstellen. Der neue Gemein-Ort wurde Gnadenfrey genannt, zur Erinnerung von Seidlitzens Befreyung aus dem Gefängniß. Und [155] der Ordinarius machte darauf den im DanckOpfer von 1745 befindlichen Vers: „Wenn man in den Ketten dachte ans Erretten, so gedachte man: Diesen Mann des Herren, solln sie nicht versperren. Jesus sprach: Wohlan! Und sein klein Creuz-Kirchelein ist bey Seidliz Ketten-Feyer Gnadenfroh und freyer.“268 § 27. Am 6. Novembris kam der Ordinarus zum andermal hieher mit einer großen Gesellschaft von Pilger-Geschwistern, für die er das Schlößel in Nieder-Peile gemiethet hat261 ���������������������������������������������������������������������������������������� Johann Georg Grünwald (1704–1770), Helfer des Wittwer-Chors, 1743 in Peilau in die Brüdergemeine aufgenommen, Erbauer des ersten Hauses von Gnadenfrei, Saaldiener, 1745–1753 mit der Bedienung der Geschwister in Peterswaldau betraut, zieht dann nach Gnadenfrei. 262 Langenbielau (poln. Bielawa). 263 Johann Georg Guhr (G 1704), Weber. 264 Christian Gottlieb Ost (1704–1769), Helfer, Gemeindiener, und Johanna Elisabeth Ost (1712–1765), Gemeindienerin, legitimierte Helferin. 265 Wahrscheinlich Johann Caspar Stiller (1707–1779). 266 Konnte nicht nachgewiesen werden. Die Angaben zu den Häusern stammen nicht aus dem Diarium der Gemeinde Gnadenfrei. 267 Habendorf (poln. Owiesno). 268 ��������������������������������������������������������������������������������������� Unitätsarchiv Herrnhut, Sign. R.2.A.17.1, Nr. 146 vom 16. September 1745. Das „Dank-Opfer“ ist in Christliches Gesang-Buch der Evangelischen Brüder-Gemeinen von 1735, zum drittenmal aufgelegt und durchaus revidirt. [Herrnhut] 1741. Nachdruck der deutschen Erstauflage. Hildesheim 1981 (Nikolaus Ludwig von Zinzendorf. Materialien und Dokumente 4/3), Nr. 2155, abgedruckt. Dort findet sich der Passus über Ernst Julius von Seidlitz (1695–1766) unter Nr. XXXI ohne Nennung des Namens von Seidlitz.

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te.269 Er setzte hier die Pilger-Haußhaltung fort, die er in Gnadeck angefangen und hernach in Marienborn einige Jahre geführt hat.r Er hielt mit Ihnen verschiedene Conferenzen, zu denen, wie auch zu den abbaths-Liebs-Mahlen, die Arbeiter und andre Geschwister von Gnadenfrey genommen wurden. Den 11. Novembris war Gemeintag in Ober-Peile und die erste Aufnahme seit dem Gemeinschluß, da 81 Personen von den 100, davon Briefe im Septembris gelesen worden, aufgenommen wurden. Den 17. Novembris hielt der Ordinarius vor- und Bruder Wattewille nachmittags die Predigt.270 Zwischen derselben wurde von ihnen beyden Johann Michael Langguth zum Coepiscopo ordinirt im Beyseyn des Grafen Sandrezky von Biele271 und des Landraths Pfeil [156] von Kloitsch. Den 19. reißte der Ordinarius mit einem Theil seiner Gesellschaft von Schlössel nach Bresslau ab. Hier wurde ihm den 21ten die Vocation zum bevollmächtigten Diener272 überreicht, wovon in der Brüder Historie S. 395273 nachzulesen, sodann sezte er über Lissa in Pohlen seine Reise nach Liefland fort. In den hier gehaltenen Conferenzen bezeugte der Ordinarius ebenfalls seinen Kummer darüber, daß nicht nur nach dem Sinn des Heilands Erlaubniß, Bethäuser und Gemein-Orte zu bauen, sondern erst Religions Freyheit und die Exemtion von den Consistoriis gesucht worden, wodurch uns die Hände gebunden worden, in ganz Schlesien das Evangelium zu predigen und dem Heiland nach seiner Absicht, Seelen zuzuführen. Unsre Gemeinen würden als ein Numerus clausus angesehen und gehindert werden, Leute aufzunehmen. Nach seiner Abreise wurde von Wattewille den 26. Novembris auf dem Schlössel eine General-Conferenz der daselbst wohnenden Pilger und der Arbeiter aus Gnadenfrey, Peterswalde, Biele und Dirsdorf angefangen274 und darinn unter ander geäußert, r

Für gestrichen: wurde.

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269 Diarium der Gemeinde Gnadenfrei 1743. Unitätsarchiv Herrnhut, Sign. R.7.D.I.b.1.a.1743– 1750, 95. 270 Ebd., 96. 271 Langenbielau (poln. Bielawa), zu Sandrezky vgl. Anm. 275. 272 Abgedruckt in Siegfrieds Bescheidene Beleuchtung. O. O. 1744. Vgl. Meyer, Dietrich (Hg.): Bibliographisches Handbuch zur Zinzendorf-Forschung. Düsseldorf 1987, A Nr. 168, 177f. Vgl. auch Zinzendorfs Antwort: Des Vollmächtigen Dieners der Evangelischen Mährischen Kirchen Antwort Auf das unterm 20. Novembris 1743 an Ihn ergangene Erneuerte Beruffsund Auftrags-Schreiben und Resp. Zeugniß. O. O. o. J. Vgl. Meyer (Hg.): Bibliographisches Handbuch, A Nr. 171. 273 Cranz, David: Alte und Neue Brüder-Historie oder kurz gefaßte Geschichte der Evangelischen Brüder-Unität in den ältern Zeiten und insonderheit in dem gegenwärtigen Jahrhundert. Barby 2 1772 [11771], 395f. 274 Im Diarium der Gemeinde Gnadenfrei 1743, 60, heißt es dazu: „den 26. und 27ten wurde die General-Conferenz im Schlößel, die alle 8 Tage einmal seyn soll, angefangen und fortgeführt.“ Ebd., 96 heißt es genauer dazu: „Diese General-Conferenz wird wöchentlich am Sabbath im Schlößgen von besagten Geschwistern gehalten. Die Ämter und Arbeiten in der Gemeine werden jedem angewiesen: allerhand wegen des hiesigen ganzen Plans gemeinschafftlich überlegt

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daß die Absicht in Schlesien mehr auf die Predigt des Evangelii als auf Gemeinen gehe. Wer in eine Gemeine ziehen wolle, müsse alles ums Heilands willen können fahren laßen und nicht ohne Loos [157] Erlaubniß bekommen. Mit der Aufnahme müßten wir behutsam seyn, sonderlich mit solchen Leuten, die unter Herrschaften stehen, die es nicht gern sehen, zum Exempel unter dem Grafen Sandrezky,275 wir müßten auch nur der Aufgenommenen Kinder taufen, keine Versammlung[en] außer Peile halten (Peterswalde ausgenommen, das eine Concession habe), um nicht für Proselyten-Macher gehalten zu werden. Für den Gemein-Orten wurden eingerichtet: eine Arbeiter- oder Helfer-Conferenz, die wöchentlich 4 mal gehalten wurde, eine Besucher-Conferenz, die alle Mittwoch, da den Tag über die Seelen in Peile besucht worden, gehalten wurde, eine Diener und eine Bau-Conferenz und der Gemein-Rath. Seidliz wurde als Vorsteher der Gemeine, auch zum Director der General Conferenz und zum Gemein-Richter ohne Collegium gesezt. Wattewille verrichtete aber seine Bischöfliche Function in Schlesien nicht lange, sondern reiste den 29. Novembris mit Ludwig Marschall276 nach der Schweiz und blieb hernach bey der Pilger-Gemeine. § 28. Mit Ankunft des Ordinarius und der Pilger-Gemeine ging auch eine Veränderung der Arbeiter vor. Lieberkühn war den 6. Octobris nach Gnadeck abgereiset, an seine Stelle kam Heinrich [158] Nitschmann als Prediger und zugleich als Visitator in der Gegend und in Bresslau und dem Oelsnischen, wo er auch den 29. Octobris einen Besuch gethan. Ihm solte mit der Zeit Peter Werwing,277 der im Schlössel wohnte, succediren und mußte auch für ihn vicariren. Bügel wurde zum Gemein-Aeltesten gesezt, hielt aber auch dabey Schule und wurde von dem General-Aeltesten Jac[ob] Till,278 der im Schlössel wohnte, eingeleitet und unterstüzt. Der Weiber aber nahm sich die Rosine,279 David Nitschmanns, wie auch Maria, Heinrich Nitschmanns Frau,280 an. Stöhr war den 19. Aprilis in Gemein-Angelegenheiten zur Conferenz nach Marienborn gereiset und und der Sinn des Heilands in triftigen Fällen ausgefragt.“ Unitätsarchiv Herrnhut, Sign. R.7.D.I.b.1.a.1743–1750, 60, 96. 275 Johann Ferdinand von Sandrasky (Sandretzky, 1711–1775), Erbherr von Langenbielau oder Gottlieb Friedrich von Sandretzky (1721–1748). 276 Johann Ludwig Marschall (1720–1800), 1740 in die Brüdergemeine aufgenommen, wird 1743 mit dem „Syndicat“ der Gemeinen in Schlesien betraut, 1745 Vorsteher in Neusalz, 1746 mit Helene Charlotte von Tschirschky (1728–1768) verheiratet, 1753–1755 in Gnadenberg, 1764 in Neusalz. 277 Petrus Werwing (1715–1755), 1741 in die Brüdergemeine aufgenommen, Februar bis April 1744 Ordinarius von Gnadenfrei, 1752 in Gnadenberg. 278 ��������������������������������������������������������������������������������������� Jacob Till (1713–1783), Müller, 1733 in die Brüdergemeine aufgenommen, 1740 General-Ältester der ledigen Brüder-Chöre, 1747 General-Kindervater, 1753 nach Pennsylvanien. 279 Rosina Nitschmann, geb. Fischer (1714–1772), zweite Ehefrau von David Nitschmann (1703– 1779). 280 Maria Appolonie Nitschmann, geb. Trumpf († 1770), aus Schwaben.

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bekam den Auftrag, in Burau die Pilger-Haußhaltung einzurichten und zu führen, wohin er den 4. Julii seine Frau abholte. Er kam beym zweyten Besuch des Ordinarii auch aufs Schlössel und wurde hernach nach Neudietendorf geschickt. Den ledigen Brüdern wurde Georg Neusser,281 der die Nachricht von der Seereise der Geschwister nach Pensylvanien überbrachte, im November als Arbeiter hinterlaßen, und ihm hernach ­Christian Schulz zugegeben. Für die ledigen Schwestern hatte Seidliz den 2. Novembris von Gnadeck die Rosina Gneussin282 als Arbeiterin mitgebracht. Kettner283 wurde zum Conferenz-Diener und Seidlitzens-Schreiber angestellt. [159] Im Schlössel wohnte die Pilger-Gemeine bis zu des Ordinarii Rückkunft aus Liefland. Sie hatte ihre ordentliche Gemein-Einrichtung. Zu ihrem Sabbaths Liebesmahl kamen auch die Arbeiter, und zu den Gemeinstunden die Aufgenommenen von Gnadenfrey wie auch die Brüder von Reichenbach und Peterswalde, welche, nachdem ­Münsters den 6. Augusti nach Gnadeck abgereiset, keine Versammlungen hatten. In Biele hielten sich die schon vorher erweckten Brüder, auch die in die Gemeine aufgenommenen zu den Versammlungen des 2ten Predigers Abraham Conrad,284 der 1742 nebst dem sogenannten Vater Heller von Töppliwode zu dem dasigen Bethauß vocirt worden und viele Seelen rege machte. Heller war nicht ganz mit der Sache, widersetzte sich aber auch nicht und hielt denen, die nicht mit der Gemeine waren, Versammlungen. Conrad wolte zwar seine Erweckten nicht ganz der Gemeine überlaßen, sahe aber ihre Connexion mit derselben gern und bat um Gehülfen. Er bekam den 14. Novembris die Geschwister Guts.285 In Dirsdorf hatte Pfarrer Gottlieb Conrad schon 1742 den Bruder Hüfel zum Gehülfen im Predigen und bey den Erweckten erhalten. Er wurde wegen seiner Connexion mit der Gemeine am 28. Novembris vors Consistorium in Bresslau citirt, verantwortete sich gut und [160] behielt den Bruder Hüfel, nachdem er schon den 14. Novembris die Geschwister Melchior Tills286 zu Gehülfen für die erweckten Seelen bekommen hatte. Sie wurden von der General Conferenz angewiesen, sich fleißig zur Kirche zu halten, alle 4tel Jahr gemeinschaftlich zum Abendmahl zu gehen, jedoch andre Leute nicht davon zurück zu halten, und außer den Gesellschaften und Versammlungen auf dem Pfarrhofe nichts besonders zu machen, sondern ihre Liebesmahle in Peile zu halten. 281 ���������������������������������������������������������������������������������������� Georg Neisser (1715–1784), Helfer und Vicevorsteher in mehreren amerikanischen Brüdergemeinden. 282 Rosina Gneuss (1720–1786), 1736 in die Brüdergemeine aufgenommen, 1740 Ältestin der Großen Mädchen. 283 Johann Georg Kettner (1715–1810), 1738 in die Brüdergemeine aufgenommen, DiasporaArbeiter, arbeitet als Apotheker, 1743 in Gnadenfrei, 1741 verheiratet mit Maria, geb. Lehmann († 1746). 284 Abraham Conrad (1716 – nach 1750), 1739 Pfarrer in Hermsdorf, 1742–1748 in Langenbielau, dann ohne Amt in Lauban und Sachsen. 285 Johann Michael Guts († 1770), 1743 verheiratet mit Helena, geb. Berger (1711–1778). 286 Melchior Till sen. (1716–1803), 1741 verheiratet mit Sophia, geb. Everts (1713–1791), diente als Informator, Gemeinhelfer, Evangelist in Wittstock.

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Geschichte der Evangelischen Brüder-Gemeinen in Schlesien

§ 29. In diesem Gang war die Gemeine bis zum Ende des Jahres 1743. Ich muß nun nachholen, was bis dahin in der Verhandlung mit dem Hofe vorgekommen. Der Ordinarius ließ einen am 11. Septembris zu Buhrau von Abraham Gersdorf* unterschriebenen Bericht an den König287 überreichen, wie die Deputirten bey ihrer Visitation in Schlesien alles gefunden und was sie hie und da nützlich anzulegen glaubten. Ihre Vorschläge gingen [161] dahin, 1.) ob sie gleich in Neusalz wenig Terrain gefunden, so könnten doch wegen der Nachbarschaft von Polen eine Streif-Leinewand-Fabrique und allerley Künstler angesezt, das gemeinschaftliche Waisenhaus aller Colonien, eine privilegirte Apotheke, Buchladen und Buchdruckerey angelegt werden und der Schlesische Bischof daselbst wohnen. 2.) Ins Schlössel könnte das Seminarium von Marienborn von 36 bis 40 Studiosis und das Pædagogium der Studirenden Jugend aus allerley Nationen wohnen. 3.) Nach Ober-Schlesien könte die Haupt-Colonie von 100 Familien kommen, davon schon einige junge Leute nach Buhrau verschrieben worden, wo sie als in einer Pepiniere288 zubereitet werden solten. Den Platz dazu könte man nicht bestimmen, bis Cocceji zur Visitation des Justits-Wesens im Fürstenthum Oppeln und Ratibor gewesen, mit dem man es näher überlegen würde. Alles dieses könte nicht sogleich und auf einmal ins Werck gestellt werden, weil wir durch andre Etablisemens seit einem Jahre sehr erschöpft und mit Schulden belastet worden, die man aus unserm Mittel tilgen muste. Man machte auch (auf Bruder Spangenbergs289 Anregung)** Hofnung zu einer Englischen Tuch-Fabrique (durch Englische Brüder) vermittelst geschickter Auslesung und Bearbeitung der innländischen Wolle. Darauf berichten sie, daß das [162] Bethaus in Burau am 25. Augusti eingeweihet worden, mit der Consecration des Bischofs Wattewille, der nach seiner Reise in die Schweiz zur Regulirung der Gemein-Sache im Fürstenthum Neufschatell daselbst wohnen werde, wie denn auch der Graf Zinzendorf mit seiner Familie sich auf Jahr und Tag daselbst etabliret habe. In Peile hätten sie alles in guter Ordnung und in Ruhe mit den Nachbarn gefunden, wie denn der Graf von Biele um die Aufnahme seiner Kinder in unsern Anstalten gebeten und der Pfarrer von Dirsdorf nach einer Unterredung mit dem Inspector Burg den Grafen Zinzendorf um eine Predigt ersucht, die er aber für dasmal verbeten. * �������������������������������������������������������������������������������������� Er wurde in einer den 16. Septembris von denen vom Synodo gesetzten Comissariis unterschriebenen generalen Vollmacht zum Deputato ordinario in den Schlesischen Angelegenheiten bestellet. ** Von Spangenberg eingefügt am Seitenrand: Das kan wol nicht seyn, denn Bruder Spangenberg wuste, daß in England der jenige, welcher wollen-manufacturisten aus dem Lande schickt, das Leben verwirckt.

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287 Unitätsarchiv Herrnhut, Sign. R.5.B.5.b, Nr. 1. 288 Baumschule, Pflanzschule, Bildungseinrichtung in Berlin. 289 August Gottlieb Spangenberg (1704–1792), Bischof.

Zweiter Teil, Abschnitt 1: 1743 bis 1745

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In Peterswalde würden wir, wenn der Graf dem Prediger von Peile die Curam Animarum290 nicht gestatten wolte, um die Aufhebung der von uns selbst gesuchten Suspension des Bethauses bitten müßen, damit dortige Brüder nicht der Conventiculn und wir eines Eingrifs in an derer Rechte beschuldigt werden. Das Bethaus in Rösniz wolle der Baron Trach nach seiner mündlichen Versicherung nicht hindern, und der dortige Evangelische Prediger Radezky291 habe auch Freundschaft zu halten versprochen: aber wegen dem rebellischen Geist dortiger Unterthanen dächte man das Bethaus lieber in dem von der Mährischen Grenze ebenfalls nicht weit entfernten Stäuberwiz,292 wo fast lauter Böhmen wohnen, zu [163] bauen. Das Bethaus in Krausche sey im Flor und habe von den Nachbarn Ruhe bis auf den Axleben, der in der Barbarischen Verfolgung seiner Unterthanen, die Brüder sind, fortfahre. Die obangezeigten Vorschläge wiederholte Gersdorf in einem Pro Memoria an Cocceji den 8. Octobris293 und bat um Königliche Approbation derselben. Er erhielt sogleich ad Marginem294 des Ministers Gedancken, der alles approbirte, aber wegen ­Peterswalde erinnerte, es wäre beßer, davon zu abstrahiren. Wegen der Klageschriften approbirte er, daß sie zuerst dem in Schlesien residirenden Bischof der Brüder communicirt würden. Gersdorf hatte auch, um dem Lästern und unverschämten Klagen wie auch dem Verketzern auf den Canzeln ein Ende zu machen, und damit unsern Lutherischen Studiosis nicht mehr, wie in Schlesien und Minden geschehen, die Canzeln verboten werden möchten, um [?] eine gedruckte Königliche Declaration gebeten. Das[s] man den Mährischen Brüdern nicht wie ohnedem jedermann GewißensFreyheit geben,s sondern die Reichs-Religions-Aequalitæt295 einräumen müste, da sie keine besondere Religion, sondern ein unter Direction Lutherscher oder Reformirter Theologen mit dem jure vocandi et ordinandi296 versehener coetus evangelicorum297 wären, und ihr [164] Unterscheid von andern Protestanten blos in der Kirchen-Disciplin stünde etc. etc. Hierauf hatte eben der Ministre, der nach § 18 unterm 5. Augusti eben dieses ans Departement der Ausländischen Affairen declarirt und es beym Reichs-Tag notificirt haben wolte, zur Antwort am Rande gesetzt: Das können Seine Majestät nicht thun.

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Für gestrichen: gegeben.

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290 Seelsorge. 291 Johann Ernst Gottlieb von Radetzky (1707–1785), wurde am 3. August 1743 für Rösnitz ordiniert, wo er bis 1747 blieb, 1751 bis zu seinem Tod Superintendent/Senior des Fürstentums Oels. 292 Steuberwitz (poln. Sciborzyce Wielkie). 293 Unitätsarchiv Herrnhut, Sign. R.5.B.5.b, Nr. 11. 294 am Rand. 295 religiöse Gleichberechtigung im Reich. 296 Recht der Berufung und Ordination. 297 Zusammenkunft von evangelischen Christen.

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Geschichte der Evangelischen Brüder-Gemeinen in Schlesien

§ 30. Dem ungeachtet suchte Gersdorf seine Absicht zu erreichen und hielt den 14. Octobris in 2 Memorialien an den König deshalber um einen Befehl an die Regierungen und einen an die Con-sistoria an (Siehe Repertor[io] Vol[ume] II, No. 13. 14.)298 und erhielt darauf die ibidem N[ummer] 23 und 24299 in extracto angezeigte Befehle unterm 19. Octobris an die Ober-Amts-Regierungen zu Bresslau und Glogau. In dem ersten heißts, daß sie nicht allein dem strafbaren Verfahren nach unpartheyischer Untersuchung Einhalt thun und die Mährischen Brüder schützen, sondern auch den Unter-Obrigkeiten und den Grundherrschaften eines jeden Craises durch die Justiz-Räthe bekannt machen solten, daß niemand bey Vermeidung ernstlicher Ahndung sich gelüsten laße, die unter ihrer Gerichtsbarkeit stehende Personen und Unterthanen um deswillen, daß sie sich zur Mährischen Kirche bekennen, unter falschen prætexten zu kräncken. [165] In dem andern300 heißt es: Sie solten auch durch die Consistoria den sämmtlichen Geistlichen in Städten und auf dem Lande durch eine Currende bekannt machen, daß der König die Mährischen Brüder in Schutz genommen und ihnen eine vollkommene Gewißens-Freyheit verstattet, daher die Geistlichen bey Vermeidung dero Ungnade und Ahndung sich alles Scheltens, Lästerns, Verketzerns und Verdammens der Mährischen Brüder zu enthalten und dieselbe der ihnen concedirten Freyheit ruhiglich genießen laßen solten, um so mehr, als selbige sowol mündlich als schriftlich declarirt, daß sie sich außer der Disciplin, welche doch nach den bekannten Sätzen der gesammten Protestantischen Kirchen das Wesen der Religion nicht berühret, in allen andern Stücken zu der Augspurgischen Confession aufrichtig bekenneten. Ich finde im Repertorio Vol[ume] II N[ummer] 25301 auch ein Rescript tvon ­Cocceji an dem designirtet Præsidenten Grafen v. Henkel,302 mit Beyfügung vorstehender 2 Rescripte in Copia mit dem Befehl, solches der Oberschlesischen Oberamts-Regierung, zu Oppeln, sobald selbige in troducirt seyn würde, bekannt zu machen. § 31. Allein diese schönen Rescripte kamen nicht zur Ausführung. Wir wollen hören, was Gersdorf in seiner historischen [166] Nachricht303 davon schreibet.

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Von anderer Hand über der Zeile ergänzt.

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298 Unitätsarchiv Herrnhut, Sign. R.5.B.5.b, Nr. 16, Nr. 17. 299 Ebd., Nr. 27, Nr. 28, mit dem Vermerk, dass sie nicht expediert wurden, da Samuel von Cocceji (1679–1755) das Departement für Schlesien verlor. 300 Ebd., Nr. 28. 301 Ebd., Nr. 29. 302 Erdmann Heinrich von Henkel (1681–1752) oder Leo Maximilian von Henkel (1691–1771). 303 Unitätsarchiv Herrnhut, Sign. R.5.B.12, Nr. 1.

Zweiter Teil, Abschnitt 1: 1743 bis 1745

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„Cocceji war über alle unsre Vorschläge (wie wir uns hie und da zu etabliren gedächten) ungemein satisfait, sezte auch das verlangte Approbatorium (unterm 19. Octobris) nebst verschiedenen special Concessionen und sogar 2 Circularia in den härtesten Terminis, die Orts-Obrigkeiten und den Clerum betreffend in Ansehung ihres Verhältnißes gegen uns, zu Ihro Majestät Unterschrift auf. Ehe er sie aber zu dem Ende abgeschickt, zeigte er mir solche, und ließ mir sogar von allen Copien aus der Geheimen Canzley zukommen ... Es verzog sich aber des Königs-Vollziehung von Zeit zu Zeit, welches mir als etwas sonst ungewöhnliches bedencklich vorkam. Endlich nach 14 Tagen meldete mir Cocceji, daß ihn der König von dem Schlesischen Departement auf sein Anhalten dispensiret und solches dem Etats-Ministre von Arnim304 anvertrauet hätte, an welchen ich mich in Zukunft halten müste. Die eigentliche Ursache aber dieser Veränderung kam daher, daß Cocceji und Münchow sich brouillirt305 hatten und lezterer damals ein großes Ueber-Gewicht über den andern beym König hatte.* [167] Um nun recht hinter die Sache zu kommen, ging ich zum Geh[eimen] Rath von Eichel, welcher mir ganz offenherzig entdeckte, ich müste mich wegen der Vollziehung der quæstionirten306 Rescripte lediglich an den Graf Münchow halten, denn als der König bey Vorlegung derselben auf das von Neusalz gekommen, so hätten Sie ihm sogleich gesagt, dieserhalb müste Graf Münchows Gut-Achten gefordert werden, weil es als ein Cammergut zu seinem ressort gehöre, und die andern Sachen solten so lange liegen bleiben, bis diese eingelangt wäre. Weil Graf Münchow gerade zu der Zeit in Berlin war, so ging ich unverweilt zu ihm. Er speiste mich aber damals mit lauter politessen und vaguen Erklärungen ab. Kurz, ich sahe deutlich, daß er aus Jalousie einen Widerwillen gegen uns gefaßt, weil wir ihn als den dirigirenden Schlesischen Ministre præteriret307 und uns statt seiner an Cocceji gewendet hatten. Dieses verursachte beym Papa308 gleichfals eine Ablehnung und Mißtrauen gegen Münchow, welches nicht lange drauf, [168] zu einem ziemlich scharfen Brief-Wechsel ausschlug. Inzwischen geschahe es, daß kurz hintereinander 3 Brüder mit Gewalt zu Soldaten weggenommen wurden, welches denn die Gelegenheit war, daß der Anbau von Neusalz noch länger verschoben ward, welches Münchow immermehr in Mißtrauen gegen uns sezte, und das blieb so, bis Papa aus Liefland retounirte,309 etc. etc.“

*

Ich finde auch ein Schreiben von Münchow an Cocceji [167] den 30. Octobris [Unitätsarchiv Herrnhut, Sign. R.5.B.5.b, Nr. 41], darinnen er ihm meldet, daß der König die Colonien-Sache in Schlesien ihm übergeben und er daher die Brüder an ihn weisen solle.

_______________________________ 304 305 306 307 308 309

Georg Dietloff von Arnim-Boitzenburg (1679–1753), preußischer Justizminister. entzweit, überworfen. erbetenen. übergangen. Nikolaus Ludwig von Zinzendorf (1700–1760). Er traf am 11. Februar 1744 wieder in Burau ein.

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Geschichte der Evangelischen Brüder-Gemeinen in Schlesien

§ 32. Ich will von der Werbung, und was dieselbe für Hinderung verursachet,u zuerst reden. Die Deputirten hatten schon zu Berlin unterm 7. Augusti310 um eine specielle Versicherung, der Exemtion von aller Werbung angehalten. Ich finde aber nicht, daß etwas drauf erfolget sey. Im Anfang des Septembers war der ledige Bruder Bitterlich311 von Herrnhuth, der einen jungen Menschen Namens Mehl zu seinem Vater nach Stralsund bringen solte, unterm Thor in Berlin von dem Truchseßschen Regiment mit Gewalt weggenommen und in der Stockwache gehalten und übel tractiret worden. Sobald man dieses erfahren, stellte Gersdorf in einem Memorial, Berlin den 7. Octobris,312 die Nothwendigkeit vor, wenn aus den versprochenen Etablissemens, die er kürzlich wieder ins Gedächtniß bringt, etwas werden und die Ausländischen [169] Fabricanten, die nicht aus Noth und Armuth, sondern um die Sache in Schlesien zu befördern, freywillig hereinziehen, nicht abgeschreckt werden solten, den Bitterlich los zugeben und den Brüdern eine königliche Declaration wegen der Werbung zu ertheilen. Und da hierauf keine Resolution erfolgte, so wiederholte er den 11. seine Bitte an den König313 und ersuchte den Grafen Podewils, diese Supplique zu befördern und eine gewierige314 Antwort auszuwürcken.315 Er stellte nochmals in einem pro Memoria an Podewills den 16. Octobris316 wie auch unter demselben dato an Cocceji die Vortheile vor, die der König von den versprochenen Etablissemens haben würde (wie solches weitläuftiger in dem § 29 angeführten Bericht von der Visitation geschehen) und wiederholte seine Bitte wegen der Werbung. Unter eben dem dato, nemlich den 16. Octobris, erfolgte endlich aus Potsdam, das in Büdingischen Sammlungen III, S. 135317 befindliche Königliche Handschreiben an Gersdorf, worinnen es heißt: „Ich weiß nicht anders, als daß dieser Mensch, sich gutwillig bequemt habe, Dienste zu nehmen, indeßen soll solches doch sonder Consequenz seyn, [...] ich werde solche [170] Vorsehung thun, daß sie (die Mährischen Brüder) mit aller Werbung verschont bleiben sollen etc.“ Hierauf gab Gersdorf gleich den folgenden Tag, den 17. Octobris, ein Memorial318 ein, daß dieser Mensch nicht gutwillig sich dazu bequemet, welches sein 8 wöchiger Arrest genugsam anzeige.

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Für gestrichen: veranlaßet.

_______________________________ 310 311 312 313 314 315 316 317

Unitätsarchiv Herrnhut, Sign. R.5.B.5.a, Nr. 114. Johann Georg Bitterlich (1712–1760). Unitätsarchiv Herrnhut, Sign. R.5.B.5.b, Nr. 19. Ebd., Nr. 13. erwünschte. Unitätsarchiv Herrnhut, Sign. R.5.B.5.b, Nr. 14. Ebd., Nr. 22. Büdingische Sammlung Einiger In die Kirchen-Historie Einschlagender Sonderlich neuerer Schrifften, Bd. 1–3. Büdingen 1742–1744, hier Bd. 3, 135f. 318 Unitätsarchiv Herrnhut, Sign. R.5.B.5.b, Nr. 24.

Zweiter Teil, Abschnitt 1: 1743 bis 1745

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Indeßen war der Missionarius Friedrich Böhnisch319 auf seiner Reise aus Grönland nach Schlesien von dem Dessauischen Regiment zu Gardelegen angehalten worden. Der Ordinarius zeigte dieses in einer Französischen Requéte aus Buhrau, den 22. Octobris, dem König an320 und bat um deßen und Bitterlichs baldige Loslaßung mit Vorstellung der übeln Folgen für die Etablissemens in Schlesien. Gersdorf, der vermuthlich davon noch nichts wuste, bat in einem Memorial, den 28. Octobris, nochmals um Bitterlichs Loslaßung321 und erhielt unterm 30. Octobris von des Königs Hand322 zur Antwort: er solle sich gedulden, bis er selber nach Berlin käme, da wolle er den Menschen sehen und seinetwegen disponiren. Nachdem Gersdorf auch von Böhnisch erfahren, bat er auch unterm 5. Novembris um deßen und Bitterlichs Loslaßung.323 Der König antwortete ihm den 7. Novembris, daß er sich darum erkundigen und darauf das nöthige resolviren werde.324 Der König muß bald hernach den Bitterlich gesehen und seine Loslaßung abgeschlagen haben. Denn Gersdorf thut in einem Memorial den 6. Novembris (muß wol verschrieben und später datirt seyn) die Vorstellung, daß Bitterlich zwar heut früh dem König vorgestellt worden, aber zur Montur [171] theils gezwungen, theils überredt worden. Siehe Repert[orio] Vol[ume] II, 41,325 und ist dabey angemerckt: Ist nicht weiter beantwortet worden. § 33. Inzwischen hatte Gersdorf seine Unterhandlung mit dem dirigirenden Ministre Graf Münchow angefangen, aus deßen bisherigen Handelweise man sich nicht viel Förderung versprechen konte. Der Ordinarius hatte kein Vertrauen zu ihm und schrieb in einem sehr herzlichen Schreiben an Cocceji unterm 15. Novembris.326 Er könne sich mit demselben nicht einlaßen, er wolle lieber von Neusalz, welches Münchow zuerst im Vorschlag gebracht, abstrahiren. Er könne auch in der ganzen Schlesischen Sache nichts machen, bis die Brüder von den Soldaten los gegeben worden. Er bat dem Deputato Gersdorf, den er bey seiner Reise nach Liefland zurücklaßen müßen, mit gutem Rath beyzustehen. Dieses war von Cocceji, nachdem er disgustirt327 worden, nicht zu erwarten. Münchow war nicht nur verdrießlich, daß man ihn vorbeygegangen, sondern auch schon gegen die Brüder eingenommen und mochte seine schlechte Meinung von ihnen gegen Gersdorf geäußert und ihre Versprechen für betrügliche Mittel, etwas an319 Friedrich Böhnisch (1710–1763), emigrierte 1725, 1734 Missionar in Grönland, 1743–1745 Europareise. 320 Unitätsarchiv Herrnhut, Sign. R.5.B.5.b, Nr. 35.a. 321 Ebd., Nr. 37. 322 Ebd., Nr. 39. 323 Ebd., Nr. 43. 324 Ebd., Nr. 44. 325 Ebd., Nr. 47. 326 Ebd., Nr. 49. 327 geringschätzig behandelt.

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ders auszuführen, gehalten haben. Gersdorf nahm daher Gelegenheit, ihm in einem pro Memoria den 24. Decembris328 seine Bedencken [172] zu benehmen, welche darinnen bestunden, daß die Brüder unvermögende Leute wären, die nur arme Exulanten aus Maehren ansetzen wollten, daß sie nicht an einem Ort blieben und die Leute wieder wo andershin versetzten, und daß sie keine Soldaten würden, zugleich zeigt Gersdorf an, wie ungeachtet der Königlichen Versicherung unterm 16. Octobris, daß der Casus mit Bitterlich sonder Consequenz seyn solte, gleichwol bald darauf der Missionarius Böhnisch und nun auch der Studiosus Theologiae Georg Pilder,329 der einen jungen Herrn aus Liefland in unser Seminarium bringen wollen, hinter Danzig vom Wagen herunter gerißen und weggenommen worden. Er bittet daher, diesen Brüdern zu ihrer Freyheit zu verhelfen und eine Königliche Versicherung für die künftige Sicherheit auszuwircken, ohne welchen man keinem Bruder zumuthen könne, nach Schlesien zu ziehen. Eben diese Bitte wiederholt er in einem Pro Memorial den 31. Decembris,330 nachdem er dem Ministre eine Idèe von unsern intendirten Etablissemens gegeben. Allein diese Vorstellungen beym dirigirenden Ministre richtete so wenig aus als die vorhin so oft wiederholten Suppliquen an den König, und die Brüder musten eben los gekauft werden. Es erfolgte auch keine Versicherung, daß sie [173] nicht als eine blos tolerirte Secte anzusehen, kein Approbatorium331 der gethanen Vorschläge, keine Weisung an die Regierungen, Herrschaften und den Clerum, die Brüder nicht zu bedrücken und zu verketzern, hingegen erhielten die Widersacher fast alles und viel eher und mit weniger Mühe als die Brüder. Es ist nicht zu begreifen, daß diese blos aus Ungeneigtheit oder politischen Gründen hergefloßen: ich glaube, es ist eine Vorsehung darinnen, daß den Brüdern wider ihren Willen eine Ursache an die Hand gegeben werden solte, warum sie so große Versprechen, die über ihre Kräfte waren, nicht gehalten haben. § 34. Mit solchen fruchtlosen Vorstellungen ging das Jahr 1743 zu Ende. Ich muß aber noch etwas von Peterswalde nachholen. Ehe der Ordinarius seinen Bericht von der Visitation in Schlesien, den 11. Septembris, nach Hofe ergehen ließ,332 schrieb er an den Rath Cellarius in Sorau,333 da das Bethaus zu Peterswalde, welches dortige Brüder nach der General Concession ohne Mitwürckung der Herschaft zu suchen befugt gewesen und auch erhalten, auf der Deputirten Vorschlag suspendirt worden, der Graf Promniz aber die Bedingung, unter welcher sie das Bethaus wolten fallen laßen, wenn er nemlich die

328 Unitätsarchiv Herrnhut, Sign. R.5.B.5.b, Nr. 57. 329 Georg Pilder (1716–1793), 1741 in Reval in die Brüdergemeine aufgenommen, AbessinienMissionar, Informator, seit 1777 in Gnadenfrei. 330 Unitätsarchiv Herrnhut, Sign. R.5.B.5.b, Nr. 57. 331 billigendes oder anerkennendes Schreiben. 332 Unitätsarchiv Herrnhut, Sign. R.5.B.5.b., Nr. 1. 333 Ebd., Sign. R.5.B.5.a, Nr. 122.

Zweiter Teil, Abschnitt 1: 1743 bis 1745

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dortigen Brüder ihren Privat-Gottesdienst nicht störten und dem Peilschen Prediger die Curam Animarum [174] über die Peterswalder Brüder frey ließe, nicht erfüllen, sondern ihnen blos erlauben wolle, nach Peile zu gehen,* so bitte er um eine schriftliche resolution, um dieselbe seinem General-Bericht beyzulegen und um die Aufhebung der Suspension des Bethauses anzuhalten. Cellarius antwortete den 16. Septembris,334 die Suspension des Bethauses unterm 22. Julii sey nicht auf der Deputirten Eingabe, sondern auf den Bericht des Ober-Amts nach der Peterswaelder Commission (s. § 20) erfolget, davon werde sein Principal nicht abgehen, sondern sich nach den Königlichen anderwärtigen Rescripten richten, daß die Brüder keine Unordnungen und Unruhen verursachen, keine Proselyten machen und in anderer Rechte keinen Eingriff thun, sondern sich zu den privilegirten Bethäusern halten sollen etc., s. § 15. Der Ordinarius beschwerte sich in seiner Antwort335 an Cellarium über deßen anzügliche Ausdrücke von den Mährischen Brüdern und behauptete, die suspension sey nicht auf den Bericht von der [175] Commission, wovon uns nichts communicirt worden, sondern auf unser Begehren geschehen.** Nach der Zeit-Ordnung scheint Cellarius Recht zu haben. Die Deputirten kamen erst den 20. Julii nach Berlin und übergaben erst den 26. das Synodal-Schreiben, darin des Bethauses in Peterswalde Erwehnung geschieht. Der Ober-Amts-Bericht vom 11. Julii ist eher nach Berlin gekommen als die Deputirten, und die Suspension erfolgte schon den 22. Julii, ehe noch der Synodal-Vorschlag bekannt worden. Dem ohngeachtet können doch die Deputirten schon den 20. und 21. mündlich die Suspension vorgeschlagen haben und darauf die Resolution vom 22ten erfolgt seyn, und dieses ist mir desto wahrscheinlicher, weil es in dem Suspensions-Decret336 heißt: „Wir haben zwar euren Bericht erhalten; da aber die Sache der Brüder näher eingerichtet werden soll [...], so soll [...] die Einrichtung eines Bethauses solange in suspenso bleiben etc.“ (s. § 20) Woraus man deutlich siehet, daß mehr auf der Deputirten Vorschläge der vorhabenden Einrichtung, als auf des Ober-Amts-Bericht reflectiret worden. Hierauf ließ Wattewille und Gersdorf unterm 20. Septembris [176] ein Memorial337 an den König ergehen, daß, da das Bethaus auf unsere Vorstellung suspendirt worden, *

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In dem Synodal-Schreiben an den König den 28. Julii war auch nur der Freyheit, nach Peile zu gehen, erwehnt worden. Siehe § 20 Büdingische Sammlungen III, 160 [Büdingische Sammlung Einiger In die Kirchen-Historie Einschlagender Sonderlich neuerer Schrifften, Bd. 1–3. Büdingen 1742–1744, hier Bd. 3, 160–169, aber mit Auslassung der örtlichen Bezüge. Die Nota bezieht sich auf 167]. Diese 3 Briefe sind zu lesen in Büdingische Sammlung Einiger In die Kirchen-Historie Einschlagender Sonderlich neuerer Schrifften, Bd. 1–3. Büdingen 1742–1744, hier Bd. 3, 172–183.

_______________________________ 334 335 336 337

Unitätsarchiv Herrnhut, Sign. R.5.B.5.b, Nr. 3. Ebd., Nr. 7, 24. September 1743. Unitätsarchiv Herrnhut, Sign. R.5.B.5.a, Nr.119.a und b. Ebd., Sign. R.5.B.5.b, Nr. 6.

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Geschichte der Evangelischen Brüder-Gemeinen in Schlesien

der Graf Promniz aber behaupte, es sey auf seinen Bericht ans Ober-Amt geschehen, so bäten sie um Communication dieses Berichts, um sich darüber zu erklären, und weil der Graf Promniz sich geäußert, daß die Religions-Freyheit und die Cura animarum nicht statt habe, solange das Bethaus suspendirt sey, so bäten sie die Suspension aufzuheben. Der Erfolg war ganz gegentheilig. Nicht die Suspension sondern das Bethaus wurde aufgehoben, und die Brüder nicht erst darum befragt, wie Gersdorf zuerst aus einem Schreiben des Grafen Promniz an Cocceji338 unterm 4. Octobris, das vermuthlich auf der Brüder Memorial erfolget, ersahe. Dieses Schreiben wurde Gersdorfen communicirt, und er erklärte sich darauf unterm 13. Octobris.339 1.) Daß die Brüder in Peterswalde nicht als Lutheraner, sondern als vieljährige Separatisten zu den Brüdern getreten. 2.) Daß die Rede, die der Peilsche Prediger Lieberkühn bey dem Begräbniß auf dem Catholischen Gottes-Acker gehalten, noch kein Actus ministerialis und der Suspension entgegen sey und daß daraus keine Unordnungen aufs künftige zu befürchten. 3.) Daß die Brüder [177] nicht Proselyten machen, sondern es den Leuten schwer machen,340 und daß uns eben sowol als den Lutheranern und Reformirten erlaubt seyn müste, Leute, die unsern Gottesdienst besuchten und ohne Ueberredung zu uns treten wollen, in unsere Gemeinschaft aufzunehmen. Da nun das Bethaus aufgehoben worden, so bittet er um Handhabung der in der General Concession versicherten Freyheit, unsre Kirchen-Zucht und Ordnung zu üben. Hiezu gehöre, daß ein Bruder zur Aufsicht über die Brüder und einer zur Erziehung der Kinder bestellt werde. Dieses könte eine Person verrichten, ohne einen öffentlichen GottesDienst zu halten. Er schlug weiter vor, daß der Peilsche Prediger wegen des weiten und beschwerlichen Weges die Tauffen in loco verrichten und den Krancken das Abendmahl reichen möchte, wie bey voriger Regierung von ausländischen Predigern geschehen, sonst würde unsre General Concession entkräftet und die Brüder übler dran seyn als vorher. Dieses zu erhalten, übergab er den 15. Octobris ein Memorial341 um Erlaubniß, einen Catecheten zur Aufsicht der Brüder und Haltung der Schule in Peterswalde zu setzen. Auf dieses Memorial wurde unterm 19. Octobris (da Cocceji etliche gute Rescripte [178] aufgesezt, die aber nicht ausgeführet worden, siehe § 30) an den Grafen Promniz rescribirt,342 daß er sich binnen 4 Wochen erklären solle, ob etwas erhebliches dagegen einzuwenden sey. Es ist aber dieses wie die andern Rescripte stecken blieben, der Brüder Bitte aber, wie es scheint, auch nicht abgeschlagen, sondern unter der Hand von der Herrschaft verstattet worden, weil in folgendem Jahr ein paar Geschwister in der Absicht bey ihnen gewohnt haben. Indeßen war auf des Rath Steins Beschwerde den 9. Oc338 339 340 341 342

Ebd., Nr. 10. Ebd., Nr. 15. Ebd., so in Gersdorfs Schreiben ergänzt: „eh wir Sie in unsere Gemeinschafft aufnehmen“. Ebd., Nr. 20. Ebd., Nr. 33.

Zweiter Teil, Abschnitt 1: 1743 bis 1745

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tobris über den Peilschen Prediger, der bey einem Begräbniß auf dem Gottes-Acker einen Sermon gehalten, unterm 10. Octobris ein Rescript343 erfolgt, daß den Brüdern das öffentliche Begräbniß zugelaßen sey, ob ihnen gleich der öffentliche Gottes-Dienst refusiret344 worden. § 35. Im Anfang des Jahres 1744 reiste der Ordinarius aus Liefland über Königsberg und Berlin nach Schlesien zurück. Wie er an ersterm Ort ein Colloquium zur Untersuchung seiner Person und Kirchenhandlungen bey der theolgischen Facultaet gesucht, aber nicht erhalten, und was dieses Gesuch für Folgen gehabt, davon findet man in seinem Leben S. 1549–1553345 Nachricht. Er kam den 11. Februarii in Gnadeck an,346 fand aber nicht [179] mehr den Haus-Herrn Graf Promniz. Dieser war im Anfang des Jahres seiner Gemahlin nach Erbach347 bey Franckfurth nachgereiset und daselbst mit den Blattern befallen worden, an welchen er den 2. Februarii verschied. Er war laut der Notification seines Ablebens in den Franckfurther-Zeitungen (in Büdingischen Sammlungen III, 433348) 1711 geboren und 1737 mit der verwittweten Gräfin v. Malzan, geborene Gräfin von Erbach vermählt worden. Auf der Rückunft von seinen Reisen hatte er in Weimar einen Fürstlichen Waldhornisten zu seinem Cammer-Diener bekommen, und denselben als Königlicher Obrister von der Cavallerie mit auf den Feldzug in Pohlen und hernach als Kayserlichen Geheimen Rath mit nach Wien genommen. Dieser Diener, unser seliger Bruder Rost,349 der 1745 nach Gnadenfrey gekommen und 1747 daselbst entschlafen, war bey aller seiner Lebhaftigkeit oft melancholisch und um seine Seligkeit verlegen. Das gab dem Grafen Gelegenheit, über seinen Zustand nachzudencken. Als er nun einmal seines Verwalters Preuss Sohn, der erweckt war, in Briese350 leichtsinnig anredete und von ihm bestraft wurde, auch zugleich durch ihn Nachricht von den Brüdern bekam, reiste er 1741 incognito nach Herrnhuth und besprach sich mit einigen Brüdern. Bald darauf endeckte er ihnen schriftlich, wer er sey, bat sich [180] Besuch von Brüdern aus und begab sich mit einer ungemein ganzen Resolution, für den Heyland zu leben und ihm und seiner Sache zu dienen, in die Gemeine. Er schämte sich des Heilands und seines verachteten Brüder Volckes nicht und suchte Seelen für ihn zu gewinnen. Er nahm sich insonderheit der Sache der Brüder am Berlinischen Hofe nach 343 Ebd., Nr. 12. 344 verweigert. 345 ��������������������������������������������������������������������������������������� Spangenberg, August Gottlieb: Leben des Herrn Nicolaus Ludwig Grafen und Herrn von Zinzendorf und Pottendorf, Th. 1–8. Barby 1772–1775, hier Th. 3, 1549–1553. 346 Das Diarium von Burau zum Datum. Unitätsarchiv Herrnhut, Sign. R.7.A.15, Nr. 5. 347 Erbach im Odenwald. 348 Büdingische Sammlung Einiger In die Kirchen-Historie Einschlagender Sonderlich neuerer Schrifften, Bd. 1–3. Büdingen 1742–1744, 433f. mit einem Epicedium Zinzendorfs auf den Tod des Grafen von Promnitz (ebd., 434–439). 349 Sein Tod wird im Kirchenbuch von Gnadenfrei nicht verzeichnet. 350 Wahrscheinlich ein Ortsname, Briese bei Oels oder bei Crossen.

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Geschichte der Evangelischen Brüder-Gemeinen in Schlesien

§ 2 sequentes eifrig an, wurde zum Agenten der Brüder ernannt, suchte auch auf seinen Gütern die Gemeinsache zu befördern, erhielt eine Concession auf Buhrau und wolte die Mährischen Emigranten daselbst aufsetzen, wie er denn auch schon etliche Häuser daselbst erbauet, die aber, da man sich nach seinem Tode mit der Gräfin351 nicht verstehen konte, verlaßen und 1747 den abgebrannten Einwohnern zu Halbau geschenckt worden. Er reiste dem Ordinarius auf seiner retour aus America bis Holland entgegen. Dieser bekam ihn, ohnerachtet er über seinen Beytritt zur Gemeine und über seine Activitaet vieles zu erinnern hatte, sehr lieb und nahm bey seiner Visitation in Schlesien seinen Aufenthalt bey ihm in seinem Schloß zu Buhrau, welches Gnadeck genannt wurde. Allein hier wurde er, vermuthlich weil gegen seine Art, in der Schlesischen Sache zu unterhandlen, viel erinnert worden und er [181] nicht mehr gebraucht wurde, bedencklich und irre an manchen Sachen, ließ sich aber nicht vom Heiland und der Gemeine abwendig machen. Nach einer gründlichen und tröstlichen Unterredung mit einem Bruder zu Herrnhuth reiste er nach Erbach und kam nicht wieder. Der Ordinarius hat seine Gedancken über ihn ausgedrückt in den in Büdingischen Sammlungen II, 434352 befindlichen Epicedio. § 36. In der Schlesischen Kirchensache fand der Ordinarius alles noch, wie ers verlaßen hatte. Blos in der Gnadenbergischen Klagsache war eine Resolution erfolgt. Auf die § 14 und 15 angezeigte Klagen des Axleben in Thomaswalde war eine fiscalische Untersuchung gehalten und unterm 17. Augusti 1743 der Bericht ans Oberamt353 erstattet worden, aber der Bericht von diesen an den König unterblieben. wIndeßen hatte ein Herr von Nostiz354 auf Eichberg w seine Unterthanen, die Brüder waren, tyrannisch zu behandeln fortgefahren und unter andern einen George Hofmann,355 der Frau und 9 Kinder hatte, 2 Zähne aus dem Mund geschlagen, ihn 14 Tage ins Gefängniß gelegt und hernach unter die Soldaten gesteckt, wo er jämmerlich zerprügelt worden, um ein Bekenntniß der Herrnhutschen Geheimniße und die Abschwörung ihrer Lehre zu erzwingen, und da der Mensch als zum Dienst untauglich los gegeben worden, hatte der Herr ihn [182] mit seinen kleinen Kindern fortgejagt, die größern aber behalten. Dieses war in dem Bericht von der Visitation den 11. Septembris (s. § 29) und in Gersdorfs Pro Memoria an Cocceji den 8. Octobris356 mit angezeigt, aber nicht gerügt worden. Auf ein Memow–w Von andrer Hand über der Zeile korrigiert aus: Axleben hatte fortgefahren.

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351 Henriette Eleonore Reuß-Lobenstein (1706–1762). 352 Büdingische Sammlung Einiger In die Kirchen-Historie Einschlagender Sonderlich neuerer Schrifften, Bd. 1–3. Büdingen 1742–1744, hier Bd. 3, 434–439. 353 Unitätsarchiv Herrnhut, Sign. R.5.B.5.a, Nr. 120. 354 Ernst Sigismund von Nostitz. 355 George Hofmann. 356 Unitätsarchiv Herrnhut, Sign. R.5.B.5.b, Nr. 11.

Zweiter Teil, Abschnitt 1: 1743 bis 1745

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rial des Deputierten Gersdorfs erfolgte endlich an dem favorablen 19. Octobris (s. § 30) ein ernstliches Rescript ans Oberamt zu Bresslau, die enormen Violencen, so Nostizz den Mährischen Brüdern, insonderheit dem George Hofmann zugefügt haben soll, fiscalisch aufs rigoureuseste untersuchen zu laßen und davon schleunig zu berichten. Ob dieses geschehen, kann ich nicht sagen. Es findt sich nichts davon im Repertorio, auch in keinem der folgenden Rescripte. Unter eben dem dato erging ein Rescript ans Oberamt, den noch nicht eingesandten Bericht in der Thomaswalder UntersuchungsSache binen 14 Tage zu erstatten, siehe vol[ume] II, 27. 28.357 Dieser Bericht erfolgte endlich unterm 7. Decembris, und darauf ward unterm 17. Decembris ans Oberamt rescribirt,358 dem Axleben sein aus einem unreinen und übel digerirten Religions-Eifer, wo nicht aus andern sträflichern Passionen herrührendes hartes und unchristliches Verfahren gegen seine Unterthanen, so sich zu der Mährischen Kirche bekennen, zu verweisen und ihm aufzugeben, sich aller eigenmächtigen Unternehmungen [183] bey Vermeidung härterer Verordnungen gänzlich zu enthalten; die zu Krausche befindlichen Mährischen Confessions Verwandte sollten bedeutet werden, sich in den vorgeschriebenen Schrancken zu halten, insonderheit die benachbarten Bethäuser und Parochien bey scharfer Ahndung und Verlust ihrer Concession nicht zu beunruhigen, vielmehr die Ihrigen anzuhalten, daß sie sich dem nöthigen Beytrage zu Bethäusern und den herrschaftlichen Pflichten nicht entziehen. Hieraus kann man schließen, wie der Bericht abgefaßt gewesen. Gersdorf schwieg dazu nicht stille, sondern stelte in einem Memorial den 18. Aprilis 1744a an den StaatsMinistre von Arnim,359 dem statt Cocceji das Schlesische Departement übergeben worden, vor, daß der Prediger der Mährischen Brüder nicht unrecht gethan, daß er einer krancken Person in Schwiebendorf360 das Abendmahl gebracht, weil unsre Prediger zu der Zeit, da wir völlige Gewißens-Freyheit haben, nicht deterioris conditionis seyn könten als die Sächsischen Grenz-Prediger unter der vorigen Regierung, sub Ecclesia pressa, denen es zu jederzeit frey gestanden, die Krancken ohne Begrüßung des Gerichts-Herrn zu communiciren, wiewol, daß es ohne Anmeldung bey dem catholischen Parocho ordinario geschehen, nicht zu billigen sey, [184] weil solches nach Maasgebung der Altranstädtschen Convention, so ihm aber unbekannt gewesen, sich geziemet hatte. Es habe zwar vor Erbauung des Bethauses, aber nicht mehr hernach, ein Bruder eine Stunde in Thomaswaldeb gehalten;361 daß die Brüder öfters dort besucht, könte nach unserer Verfaßung nicht anders seyn, da die Lehrer Aufsicht über die Seelen haben müßten; daß z a b

Für gestrichen: Axleben. Am Rand geschrieben: 18. Januar? Für gestrichen: Peterswalde.

357 358 359 360 361

Ebd., Nr. 32. Ebd., Nr. 55. Ebd., Nr. 59, 18 Januar 1744. Schwiebendorf (poln. Świeborowice), Kreis Bunzlau. Thomaswaldau (poln. Tomkowice), Kreis Schweidnitz.

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Geschichte der Evangelischen Brüder-Gemeinen in Schlesien

unsre Kirchkinder die Kinder zur Taufe ins Bethaus bringen, gehöre mit zur ReligionsFreyheit. Die übrigen Beschuldigungen wären keiner Attention werth. Hierauf erfolgte weiter nichts als ein Rescript des Oberamts zu Bresslau den 9. Merz362 an die zu Krausche befindliche Mährische Confessions Verwandten, daß sie sich nach dem Königlichen Rescripte vom 17. Decembris, welches ihnen zugleich insinuirt wurde, richten solten. § 37. Inzwischen war der Ordinarius wieder gekommen und, da er von den selbst nach dem erstgedachten Königlichen Rescript fortdaurenden Bedrückungen hörte, schrieb er aus Krausche den 25. Februarii an Axleben,363 bekam aber eine grobe Antwort. Unterm 3. Merz ließ er aus Nieder-Peile einen Bericht364 an die Ober-Aemter zu Bresslau und Glogau ergehen, daß es zwar in der Gegend von Peile sehr ruhig und freundschaftlich [185] zugehe, an andern Orten aber die Brüder sehr bedrückt werden. Zum Exempel 1.) daß Leute, die sich zu einem Mährischen Bethaus halten, ausgekauft werden, 2.) die Kinder den Eltern weg und in Dienste genommen werden, um sie von ihrem GottesDienst abzuhalten, 3.) Kinder gegen die Eltern aufgehezt und die verdammliche Lehre der Eltern abzusagen angehaltend werden, 4.) Wehmüttern untersagt wird, die Kinder zu bringen, bis die Mütter versprechen, es nicht bei den Brüdern taufen zu laßen. 5.) Leute zu der Zeit, wenn sie zum Abendmahl gehen wollen, vor Gericht geführt und solange aufgehalten werden, bis es vorbey ist. Hierauf erfolgte unterm 30. Merz von Bresslau ein Oberamts-Rescript,365 die in dem Bericht angezeigten 5 Klage-Puncte, specifice, wo, von wem und an wen sie geschehen, nahmhaft zu machen, und wenn sie verificirt wären, promte Justiz zu erwarten. Ehe aber der Ordinarius dieses Rescript erhielt, war er nach Marienborn abgereiset und antwortete unterm 8. Junii366 darauf, daß er nicht habe klagen, sondern nur berichten wollen, wie er es in Schlesien befunden, er habe nicht fiscalische Untersuchungen veranlaßen, sondern nur bitten wollen, wenn [186] andre über Eingriffe, Verhetzung der Unterthanen, Proselytenmachen und dergleichen klagten, es untersuchen, und wenn sie es nicht beweisene könten, zu ahnden. Siehe Büdingische Sammlungen III, 884.367 Indeßen war unterm 18. Merz abermals eine Supplique368 von Graf Franckenberg, Baron Nostiz und Axleben in Berlin eingelaufen, darinnen sie über die Brüder in Kraud e

Für gestrichen: genöthigt. Für gestrichen: bezahlen.

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362 Unitätsarchiv Herrnhut, Sign. R.5.B.5.b, Nr. 68. 363 Ebd., Nr. 63, 26. Januar 1744. 364 Ebd., Nr. 66. 365 Ebd., Nr. 81. 366 Ebd., Nr. 100. 367 ��������������������������������������������������������������������������������������������� Das Reskript ist abgedruckt in Büdingische Sammlung Einiger In die Kirchen-Historie Einschlagender Sonderlich neuerer Schrifften, Bd. 1–3. Büdingen 1742–1744, hier Bd. 3, 884–886. 368 Unitätsarchiv Herrnhut, Sign. R.5.B.5.b, Nr. 77.b.

Zweiter Teil, Abschnitt 1: 1743 bis 1745

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sche eben dieselben Klagen führen, die von ihnen im vorigen Jahr geführt und fiscalisch untersucht und abgethan worden, Zum Exempel, daß sie keine Ausrichtungen machen und Bier consumiren, durch die Communionem bonorum verarmen, nicht arbeiten, so oft zum Bethaus reisen, Nacht- und Liebes-Mahle auch ohne Licht halten etc. Sie bitten um einen Befehl, daß diese Leute verkauffen und wegziehen sollen, und fügen eine Nachricht aus Riga bey, daß die Herrnhuter in Liefland viele Unruhen angerichtet und der Graf Zinzendorf zurückgewiesen worden. Diese Supplique, nebst des Graf von Zinzerndorf Vorklage (wovon ich aber nichts finde) wurde von Arnim unterm 11. Aprilis dem dirigirenden Ministre in Schlesien communicirt,369 ihm überlaßend, was er wegen der Auskauffung für rathsam finden würde; wegen der Beschwerden aber glaubte er, daß den Breßlauischen Oberconsistorio aufgegeben werden könte, [187] dieselben genau zu untersuchen und abzuthun, und daß man mit aller Sorgfalt dahin sehen müste, daß aus der Duldung der Mährischen Brüder keine Inconvenienzen370 entstehen, insonderheit der so ernstlich verbotenen Proselyten-Macherey vorgebeugt, jedoch die Brüder bey ihrer Gewißens- und Gottesdiensts-Freyheit geschützet würden. Ob wegen des Auskauffes der Brüder in den Dörfern und wegen der Untersuchung vom Consistorio etwas vom Ober-Amt verfügt worden, ist mir nicht bekannt. Im Repertorio findet sich weder von diesem noch dem folgenden 45., 46. und 47. Jahr nichts mehr wegen Gnadenberg. Es scheint also, daß auf die obangezeigte Klage nicht weiter reflectirt, und da ohnedem die Brüder unter den widrigen Herrschaften sich losgemacht und nach Gnadenberg und andre Orte gezogen, in der Gegend von selbst ruhig worden. § 38. Die Königlichen Ministres in Berlin und Bresslau warteten immer und verlangten, daß die Brüder viele und zwar reiche Familien hereinschicken und bey den versprochenen Etablissemens mit dem Bau von Neusalz gleich den Anfang machen solten. Und die Brüder warteten immer auf eine Königliche [188] Versicherung, sonderlich in Ansehung der Werbung. Der Ordinarius declarirte gleich nach seiner Ankunft in Buhrau, den 12. Februarii, in einem weitläuftigen Schreiben371 an Gersdorf, um davon bey dem Ministerio Gebrauch zu machen, daß wir wegen der gewaltsamen Enrollirung von der verlangten Ansetzung neuer Colonisten abstrahiren372 müßten. Repertorium Supplementum V[olume] II, 8. Darüber verzögerte sich der Anbau von Neusalz. Beyderseitige Erwartungen gingen al pari373 und müßen also mit einander besehen werden. Der Ordinarius ließ den

369 370 371 372 373

Ebd., Nr. 85. Schwierigkeiten, Nachteile. Unitätsarchiv Herrnhut, Sign. R.5.B.5.b, Nr. 61. absehen, aufgeben. parallel.

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Geschichte der Evangelischen Brüder-Gemeinen in Schlesien

25. Februarii ein Memorial374 an die Breßlauische Cammer abgehen, darinnen er kürzlich wiederholt, wie er zu der Schlesischen Unterhandlung gekommen, was er an den König vorgestellt und mit Cocceji abge-redet. Er inserirt aus seinem Haupt-Bericht unterm 21. Julii den Vorschlag, daß, wenn der König durch die Klagen gegen die Brüder eingenommen gewesen und sich nicht soviel von ihrer Aufnahme versprechen könne, das die Beunruhigung balancire, er lieber die General Concession und die Aufnahme auswärtiger Brüder fallen laßen und die innländischen Brüder bey der generalen Gewißens-Freyheit schützen möchte. Dieses voraus gesezt, wolle er alles mögliche beytragen, des Königs Intention zu erfüllen [189], nur müßte 1.) der Werbungs-Punct, 2.) die Unsicherheit des status wegen der beständigen Bedrohungen, die Concession aufzuheben, und 3.) ein Approbations-Rescript auf die den 11. Septembris eingegeben Vorschläge in Richtigkeit gebracht werden. Hierauf ertheilte Münchow unterm 5. Merz an Gersdorf auf Königlichen SpecialBefehl die Resolution,375 daß der König den Mährischen Brüdern nicht allein eine vollkommene Gewißens-Freyheit und die nöthigen Bethäuser verstatten,f sondern auch daran Etablissemens in Peile, Buhrau und Krausche, führnemlich aber zu Neusalz, auf alle Weise favorisiren wolle. Und da auch dieselben außer der bereits erhaltenen Königlichen Versicherung über ein und andern Punct eine besondere Verschreibung verlangten, so würden Seine Majestät auch dieses accordiren und hätten die Brüder allenfalls selbst einen Entwurf der verlangten Versicherung zu machen. Gersdorf übergab also den 14. Aprilis in einem Schreiben376 an Münchow mit Bitte, die Vollziehung noch vor dem innstehenden Synodo zu beschleunigen, eine vom ­Ordinario concipirte Declaration, wie und unter welchen Conditionen, das vorseyende [190] Etablissement in Schlesien ins Werck gebracht werden könnte. Diese belauffen sich auf 4 Puncte, die der neuen General Concession zu inseriren wären. 1.) Eine völlige Gewißens-Freyheit für alle und jede, auch einzelne Brüder von der Böhmischen und Augspurgischen Confession, Freyheit sich überall zu etabliren, und diejenigen, die wohlbedacht und ohne Überredung zu den Brüdern treten, nicht für Proselyten zu halten. 2.) Die Freyheit von gewaltsamer Werbung und die neu ankommenden Familien nicht an gewiße Orte zu binden, sondern ihnen zu erlauben, von einem Ort an den andern, auch außer Landes zu ziehen und ihre Stellen mit andern zu besetzen. 3.) Auf die Verfaßer der Gegenschriften eine beßere Aufsicht zu haben, und wenn sie ja alles, was sie wollen, drucken laßen dürften, sie zum Beweiß anzuhalten. 4.) Uns Zeit zu den versprochenen Etablissemens zu laßen. Zugleich übergab Gersdorf einen Entwurf einer neuen General Concession, darinnen die erstgedachten 4 Puncte ausführlich enthalten sind.

f

Für gestrichen: verschaffen.

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374 Unitätsarchiv Herrnhut, Sign. R.5.B.5.b, Nr. 62. 375 Ebd., Nr. 67. 376 Ebd., Nr. 86.

Zweiter Teil, Abschnitt 1: 1743 bis 1745

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Münchow antwortete hierauf den 19. Aprilis,377 daß der Entwurf nicht so großen Schwürigkeiten unterworfen seyn würde, nur müßte 1.) ein würcklicher Anfang des Anbaues [191] ge-macht und einiges Vermögen anhero gebracht worden seyn, 2.) wäre des Königs Intention, es sey auch von den Mährischen Brüdern nie mehr gesucht worden als ein auf einige Orte restringirtes Etablissement, die Brüder würden also mit Neusalz, Peile, Krausche und mit einem Ort im Fürstenthumg Oppeln und noch einem in Ober-Schlesien zufrieden seyn. 3.) Der König würde nicht erlauben, daß sie hincinde378 im Lande dispersirt379 blieben, als wogegen vom ganzen Schlesischen Lande Vorstellungen geschehen. Wenn die Brüder mit diesen Puncten einig wären und mit dem Anbau von Neusalz den Anfang machten, so würde er dieselben der Concession einrücken und sorgen, daß solche dem Deputato gleich Anfangs May zugefertigt würde. Dieses gab Gelegenheit zu dem § 31 gedachten scharfen Briefwechsel, zwischen dem Ordinarius und Münchow, wodurch das beyderseitige Mißtrauen vermehret und der Anbau von Neusalz, folglich die lang erwartete neue königliche Versicherung verzögert wurde. Weil aber der Ordinarius inzwischen nach Marienborn zum Synodo gereiset war, so muß ich erst seine Visitation in Gnadenfrey und übrige Verrichtungen in Schlesien berühren. [192] § 39. Gegend Ende des Februarii reiste der Ordinarius von Gnadeck nach Krausche und hielt sich daselbst einige Tage auf. Von seinen Handlungen in der Gemeine weiß ich nichts zu berichten. Von hier langte er den 1. Merz in Gesellschaft seiner Gemahlin und Sohnes, ingleichen Johannes,380 Jonas Paul Weiss, Martin Dobers, Abraham Gersdorfs, Anna Nitschmannin,381 nebst etlichen Domestiquen auf dem Schlössel an,382 wo ebenfalls unter Jacob Tills Aufsicht eine kleine Pilgerhaußhaltung war. Johannes sprach am 4. Merz die ledigen Brüder und der Ordinarius den 5ten im Schlössel die ledigen Schwestern, kam den 8. nach Gnadenfrey,383 hielt die Predigt und Chor-Vierteltelstunden und sprach, nachdem Johannes den 9. mit der Gräfin nach Herrnhuth abgereiset, den 12. die Eheleute, wie auch die bey der ersten Aufnahme den 12. Januarii und bey der zweiten den 11. Novembris 1743 zur Gemeine gezehlt worden, aber noch nicht zum Abendmahl gelanget. Er bezeugte über alle eine große Zufriedenheit. Jedoch wolte er, daß die von der ersten Aufnahme und Abendmahl am 15. Januarii 1743, so seitdem nicht g

Von andrer Hand über der Zeile ergänzt: Fürstenthum.

377 378 379 380 381 382 383

Ebd., Nr. 88. auf beiden Seiten. verstreut, aufgeteilt. Johannes von Watteville, geb. als Johann Michael Langguth (1718–1788). Anna Nitschmann (1715–1760). Die diesbezüglichen Seiten im Diarium von Burau scheinen verlorengegangen zu sein. Diarium der Gemeinde Gnadenfrei 1744. Unitätsarchiv Herrnhut, Sign. R.7.D.I.b.1.a.1743– 1750, 3.

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Geschichte der Evangelischen Brüder-Gemeinen in Schlesien

mit zum Abendmahl gekommen, bey ihrer admission erst eingesegnet werden solten. Bey dem Abendmahl, das er den 14. Merz hielt, wurde die Wunden-Lytaney, [193] die er aus den Susspiriis384 des am 27. Decembris in Herrnhuth verschiedenen Polnischen Bruders Nitsche385 verfertiget, zum erstenmal gesungen. Den 17. redete er mit den Peterswaldern Brüdern das nöthige ab wegen ein paar Geschwistern, die sie gern bey sich haben wolten, schickte den Bruder Weiss und Baumgarten386 nach Schaftschütz,* ­einem Gut des Herrn von Larisch im Oppelschen,387 um einen Platz zum Anbau auszusehen, so wie er schon vorher 2 Brüder nach Neusalz geschickt, von dasigen Umständen Nachricht einzuziehen, und reiste den 18. Merz über Herrnhuth, wo er seit seinem Exilio von 1736 zum erstenmal wieder besuchte und den 20. Martii feyerte, nach Gnadeck zurück. Ihm folgten bis zum 14. Aprilis die übrigen Pilger-Geschwister vom Schlössel, als Jacob Tills, Werwings, Petschins,388 Grünwalds,389 welche 2 hierländische Paare sich zur Pilgerschaft entschloßen hatten, ingleichen Hüfel von Dirsdorf und der alte Keller. Hiermit wurde auch [194] die Pilger-Haushaltung im Schlössel aufgehoben. Dagegen kam den 28. Aprilis Matthaeus Hehl390 als Prediger nebst seiner Frau nach Gnadenfrey und brachte die Martha Mikschin391 für die Wittwen, die schon ein Chor von 40 Personen waren, und die Susanna Graebnerin392 als der Gneussin Gehülfin bey den ledigen Schwestern wie auch die Frömmigin393 bey den ledigen Schwestern auf den Dörfern, undh Wallis394 kam für die ledigen Brüder her, behielt den Christian Schulz zum Gehülfen. *

Dieses Gut wurde 1747 von Adolf von Marschall [1716–1753], der die Tochter des Herrn von Pfeil geheirathet, in der Absicht gekauft, ein Etablissement daselbst zu machen, welches aber, durch die bald darauf ausgebrochene Widrigkeiten und Infractiones der Freyheiten unterbrochen wurde.

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Im Original mit, wahrscheinlich ein Schreibfehler.

384 385 386 387 388 389 390

Seufzern. Johann Nitsche († 1743). Johann Baumgarten (1687–1778), Gründungsmitglied von Gnadenfrei. Schoffschütz (Schofftschitz, Schäfftschitz, poln. Sowczyce), Kreis Rosenberg. Friedrich Petsch (1708–1780) oder Johannes Petsch (1720–1795). Gottfried Grünwald (G 1713), Weber aus Langenbielau. Matthäus Gottfried Hehl (1705–1787), 1735 in die Brüdergemeine aufgenommen, 1745 nach Pennsylvanien, 1751 zum Bischof ordiniert, 1737 verheiratet mit Anna Maria, geb. Jähne (1716–1777). Martha Elisabeth, geb. Jähne (1708–1789), 1730 verheiratet mit Matthäus Miksch († 1734) aus Kunewalde, 1754 verheiratet mit Gottlieb August Spangenberg (1704–1792). Susanna Graebner, wird 1744 als Stundenbeterin genannt in Unitätsarchiv Herrnhut, Sign. R.27.101.2.a. Sabina Frömmig, wird 1744 als Mitglied im Stundenbeter-Chor genannt in ebd., Sign. R.27.101.2.a. Johann Georg Wallis (1720–1776), 1740 in die Brüdergemeine aufgenommen, 1764–1767 in Gnadenfrei, 1774 Missionar in Salem (North Carolina).

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391 392 393 394

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§ 40. Nachdem die Rösnitzer unterm 27. Julii die Concession zum Bethaus erhalten395 und der Ordinarius die Gegend besuchen laßen und in seinem Bericht vom 11. Septembris396 Stäuberwitz397 zum Bethaus-Bau vorgeschlagen (s. § 29), wurde in Erwartung eines Königlichen Approbatorii398 weiter nichts daselbst vorgenommen. Ich finde auch nicht, daß ein Bruder zum Predigern dahin gesendet worden, und werden wol dortige Brüder ihren Privat-Gottes-Dienst unter sich fortgesezt haben. Da aber Gersdorf in Berlin war, um die Schlesische Sache bald in Ordnung zu bringen, so bat er auch in einem Memorial den 14. Octobris399 zur Vorbeugung aller sonst zu befürchtenden neuen Excesse, durch das Oberamt in Bresslau dem Landrath des Leob- [195] schützer Craises400 zu befehlen, daß er dem Richter in Rösniz die bereits gegen unsre Brüder verübten groben Excesse nachdrücklich verweisen und ihn, sich derselben hinführo zu enthalten, bedeuten solle. Ein solches Rescript erging auch unterm 19. Octobris401 von Berlin ans Oberamt in Bresslau, mag aber so wenig expedirt worden seyn, als die übrigen an diesem Tage ergangene Rescripte (s. § 30). Im Februarii 1744 reiste Seidliz selbst nach Rösniz, um den Gottes-Dienst in Ordnung zu bringen, und brachte es dahin, daß den Rösnizer Gerichten in Beysein ihres Herrn, des Baron von Trach zu Pommerswitz, am 24. Februar die Concession der Brüder publicirt und von ihnen schriftlich versprochen wurde, denselben nichts in den Weg zu legen. Vol[ume] .II. 60.402 Seidliz muß es wol hierauf bey dem Baron Trach auf die Erbauung des Bethauses angetragen haben. Den[n] ich finde Vol[ume] II. 59403 von diesem eine Antwort an Seidliz, warum er keine fernere categorische Genehmhaltung wegen eines Bethauses ertheilen könne; wie auch Vol[ume] II. 63 eine Antwort an den Graf von Zinzendorf unterm 17. Martii,404 daß er wegen des Widerstandes der Einwohner zu Rösniz nicht sehe, wie des Königs Intention wegen des Bethauses erfüllt werden [196] könne; er gebe es dem Herrn Grafen zu überlegen, wie diesem Unwesen abzuhelfen sey. Nun war es aber doch ausgemacht, daß Heinrich Nitschmann als Prediger dahin solte. Gersdorf wendete sich also im Martio mit einem Memorial405 an das neu errichtete Oberamt in Oppeln, mit Bitte, den JustizRath des Leobschützer-Craises in omnen eventum406 zu instruiren, daß er den dahin zu sendenden Prediger, da nöthig, gegen alle Attentata des dortigen Richters schützen 395 396 397 398 399 400 401 402 403 404 405 406

Unitätsarchiv Herrnhut, Sign. R.5.B.5.a, Nr. 105. Ebd., Sign. R.5.B.5.b, Nr. 2. Steuberwitz (poln. Ściborzyce Wielkie). Bestätigung. Unitätsarchiv Herrnhut, Sign. R.5.B.5.b, Nr. 18. Johann Carl von Morawitzky (1711–1782), Landrat des Kreises Leobschütz 1743–1747. Unitätsarchiv Herrnhut, Sign. R.5.B.5.b, Nr. 27. Ebd., Nr. 70. Ebd., Nr. 69, 9. März 1744. Ebd., Nr. 75. Ebd., Nr. 76. auf jeden Fall.

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Geschichte der Evangelischen Brüder-Gemeinen in Schlesien

solle. Er übersandte dieses Memorial407 an den Ober-Amts-Præsidenten von Benekendorf408 zu Bresslau mit Bitte, nach seinem Versprechen daßelbe der neuen OberamtsRegierung zu Oppeln bestens zu empfehlen. Es erfolgte auch unterm 24. May ein Rescript409 vom OberAmt zu Oppeln an den Baron Trach, die Brüder in ihrem anzurichteten Gottes-Dienst durch niemand stören zu laßen und sie gegen alle Beeinträchtigungen zu schützen. Inzwischen war Heinrich Nitschmann schon den 4. May nach Rösniz abgereist und fing den Gottesdienst der Brüder an. Es sezte aber gleich Lerm, der Richter wendete sich an die Cammer zu Bresslau und wirckte unterm 5. Junii einen Befehl410 aus, den Herrnhuthschen Lehrer nicht predigen zu laßen. Weil aber dieses in den 2ten Abschnitt [197] dieses Jahres fällt, so soll es unten weiter erörtert werden. § 41. Wen[n] wir sehen wollen, was diese ganz unerwartete Infraction411 der General- und Special Concessionen für Folgen gehabt, so müßen wir vorher die von Gersdorf § 31 gedachte scharfe Correspondenz des Ordinarii mit Münchow und andern Ministres erörtern. Auf Münchows Erinnerungen gegen Gersdorfs Entwurf einer neuen General Concession unterm 19. Aprilis (s. § 38) ließ der Ordinarius den 15. Mayi aus Marienborn* ein weitläuftiges Schreiben an ihn ergehen, darinnen er sich wegen der Beschuldigung des Proselytenmachens und über das Zusammenziehen der Brüder aus den Dörfern, und wie beydes gegen die Gewißens-Freyheit streite, erkläret und darauf zu attendiren bittet (Volume II, 76412). Hierauf antwortet Münchow den 29. Mayi: Der König habe auf seine Vorstellung der Brüderschaft erlaubet, sich an einigen Orten niederzulaßen, sie müßten sich nur [198] erklären, an welchen Orten sie wohnen wollten; dazu sey Neusalz ausgesetzt worden. Die Brüder könnten noch 2 bis 3 Orte in Ober-Schlesien und einen in Nieder-Schlesien benennen. Wenn sie mit einen von diesen Orten den Anfang machten,

*

Es wurde hier eben vom 1ten Mayi bis 15. Junii der Synodus gehalten, und bey der Einrichtung der Troporum der für Schlesien ordinirte [Friedrich von] Wattewille zum Bischof für den reformirten Tropum, Polycarp Müller aber für Schlesien bestimmt (Cranz, David: Alte und Neue Brüder-Historie oder kurz gefaßte Geschichte der Evangelischen Brüder-Unität in den ältern Zeiten und insonderheit in dem gegenwärtigen Jahrhundert. Barby 21772 [11771], 409; Spangenberg, August Gottlieb: Leben des Herrn Nicolaus Ludwig Grafen und Herrn von Zinzendorf und Pottendorf, Th. 1–8. Barby 1772–1775, hier Th. 3, 1569f.).

_______________________________ 407 408 409 410 411 412

Unitätsarchiv Herrnhut, Sign. R.5.B.5.b, Nr. 77.a. Karl Friedrich von Beneckendorff (1713–1788), Agrarrechtler. Konnte in den Herrnhuter Akten nicht nachgewiesen werden. Unitätsarchiv Herrnhut, Sign., R.5.B.5.b, Nr. 99. Verletzung, Übertretung. Ebd., Nr. 91.

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so solte ihnen in allen Stücken gefüget werden. Indistincte413 aber in allen Orten zu 2 und 3 Familien anzusetzen, würde weder den Brüdern convenable seyn noch vom König ­accordirt werden. Nun sey nach allen Versicherungen wegen Neusalz von der Societaet noch nicht die geringste Anstalt zum Bauen, gemacht, daher auch von der Realitaet ihres Versprechens nicht geurtheilt werden könne. Ehe aber einige bemittelte Leute sich nach Neusalz begeben, könne er nicht weiter in die Sache entriren. Er habe von den ganzen Etablissemens noch nicht den geringsten Nutzen, wol aber täglich viele Unruhen und gegründete Klagen wahrgenommen (Volume II, 77).414 Auf dieses positive, doch ganz höflich abgefaßte Schreiben antwortete der Ordinarius unterm 16. Junii noch positiver, aber zugleich etwas hitzig, und mich dünckt, daß er Münchows Worte mißverstanden. Er habe keine Societæt mit jemanden aufgerichtet, in Schlesien Etablissemens zu machen, sondern die [199] selben vielmehr disapprobirt und für unnöthig gehalten, erst jetzt Religions-Freyheit zu suchen. Er (Münchow) habe den 5. Junii 1743 vom Grafen Promniz das Etablissement von Neusalz begehrt, nicht als eine Gnade für uns, sondern daß es der König gern sähe. Die Concession aber für Neusalz sey nicht acceptable gewesen. Darauf wären die offenbaren Infractiones der General Concession und die gewaltsame Werbung erfolgt, der Ministre, an den er gewiesen worden, sey ihm weggenommen und kein andrer angewiesen worden, und er (Münchow) habe sich nie positiv erklärt. Nun sey der Synodus verstrichen, Bitterlich nicht los gegeben, in Schlesien uns keine Justiz geschehen und die zweimal versprochene Königliche Erklärung nicht erfolgt. Weil er nun unsre Etablissemens geringschätzig erkläre, so komme es auf ihn an, ob er die Ordre zu bauen zurücknehmen wolle. Er (Zinzendorf ) werde sich nicht mehr drein meliren, bis der König es befehle und ihm zugleich den Ministre anweise, mit dem er zu tractiren habe (Volume II, 83415). Ich finde keine Antwort vom Ministre hierauf. Der Ordinarius aber schrieb unter eben dem dato den 16. Junii an Arnim416 und bat ihn, seinen Verwandten, den dirigirenden [200] Ministre, in der Brüder Sache zu bedeuten und sich wegen des Zusammenziehens der einzeln wohnenden Brüder zu erklären; ob die neuen Colonisten darunter zu verstehen (die begehrten aber ja nicht sich einzeln anzusetzen) oder die Bauern in den Dörfern, die könnten ja nicht ihre Güter stehen laßen und in die neuen Colonien ziehen, dadurch würde ja auch die Religions-Freyheit aufgehoben. Arnim aber verwies ihn in seiner Antwort 21. Junii417 an Münchow und rieth ihm, den Brüdern das Proselyten machen zu verbieten. Hierauf antwortete der Ordinarius418 den 29. Junii, daß die Brüder keine Proselyten machten, sondern wol hunderte zurückwiesen, die unter der vorigen Regierung sich zu ihnen gerechnet hätten etc. (Volume II, 85, 88). 413 414 415 416 417 418

unbestimmt. Ebd., Nr. 94. Ebd., Nr. 103. Ebd., Nr. 107. Ebd., Nr. 106. Ebd., Nr. 109.

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Geschichte der Evangelischen Brüder-Gemeinen in Schlesien

§ 42. Der Ordinarius hatte auch schon im May in einer in Büdingische Sammlungen III, 763419 befindlichen französischen Requète420 den König gebeten, durch einen Secretair untersuchen zu laßen, woran es eigentlich fehle, daß der Bau von Neusalz noch nicht seinen Anfang genommen. Dieses hatte er nebst den nöthigen Beylagen vermuthlich durch den Grafen Gotter dem Könige einhändigen laßen, denn ich finde in einer den 27. Julii (soll wol Junii heißen) datirten Antwort des Grafen Gotters, Volume II, 87,421 daß [201] er die Piecen in des Königs Hände gestellt und zur Antwort erhalten, er solte ihm (dem Grafen Zinzendorf ) das neue Etablissement in Neusalz als ein meritorisches Werck in Ansehung Seiner recommendiren. Er rathe ihm, die dabey gemachten Hinderniße unmittelbar an den König zu berichten und um remedur zu bitten. Auf diese Versicherung ließ sich der Ordinarius nochmals mit Münchow ein und schrieb Ihm den 11. Julii,422 er bliebe zwar bey seiner den 16. Junii gegebenen Antwort, weil aber der König in der Antwort auf seine Requête zu verlangen scheine, daß er in seinen Diensten bey den Etablissemens fortfahren solle, so bitte er ihn, dem König die Nothwendigkeit der oft gebetenen Versicherung vorzustellen. Ich finde keine Antwort hierauf und, ehe eine kommen konnte, schrieb der Ordinarius an den Oberamts-Præsidenten423 von Benekendorf, daß er der Brüder Curator seye und ihm erlauben möchte, ihn dazu beym König vorzuschlagen. Ja die Nachricht von dem Verbot des Gottes-Dienstes zu Rösniz durch die Breßlauische Cammer unterm 5. Junii424 bewog ihn, den 13. Julii an Arnim425 zu schreiben, daß wir an kein Etablissement dencken könnten, solange der dirigirende Ministre uns als eine Secte behandle und das Principium [202] hege: haereticis non est servanda fides,426 und sich nicht scheue, de dire inter pocula et en public, qu’il se moque de nous, et qu’il veut nous persecuter [...] S’il y reussit, il se pendrai comme bien d’autres, et notre Eglise subsistera après lui, comme elle a subsistèe après toutes les persecutions Imperiales, etc. Er bittet ihn als einen Verwandten, denselben davon abzubringen. Das war kühn geschrieben. Arnim aber antwortete unterm 20. Julii427 abermals: er könne nichts bey den Schlesischen Etablissemens thun, und verwies ihn an Münchow.

i

Am Rand ergänzt: perdra.

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419 Büdingische Sammlung Einiger In die Kirchen-Historie Einschlagender Sonderlich neuerer Schrifften, Bd. 1–3. Büdingen 1742–1744, hier Bd. 3, 763f., vom Mai 1744. 420 Gesuch. 421 Unitätsarchiv Herrnhut, Sign. R.5.B.5.b, Nr. 108. 422 Ebd., Nr. 112. 423 Ebd., Nr. 113, 13. Juli 1744. 424 Ebd., Nr. 99. 425 Ebd., Nr. 115. 426 Den Häretikern ist kein Glauben zu schenken. 427 Ebd., Nr. 119.

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Dieser hatte dem Ordinario seit den scharfen Schreiben nicht mehr geantwortet, vor Empfang deßelben aber unterm 16. Junii an Gersdorf428 geschrieben, daß die zu accordirenden Freyheiten schon determinirt wären, es käme nur drauf an, daß die Bau-Plätze und versprochenen Materialien zu Häusern in Neusalz angewiesen und der Anfang mit dem Bau gemacht würde, ehe könne er sich nicht weiter einlaßen (��������������������� Volume II, 84). ����� Gers429 dorf antwortete den 14. Juli, daß wircklich Anstalt zum Bau gemacht worden, (Er zielt damit auf ein den 5. Junii datirtes Synodal-Decret430 an die Diaconos Jonas Paulus Weiss, Adolph von Marschall431 und Siegmund von Gersdorf,432 noch dieses Jahr das Terrain [203] in Neusalz aufzunehmen und, sobald die Königliche Erklärung eingelangt seyn würde, einige Familien einziehen zu laßen). Allein nach einer gestern erhaltenen Nachricht sey das Bethaus in Rösniz aufgehoben worden. Dieses bittet er zu hintertreiben und die Rösnitzer Brüder zu schützen, weil sonst keine Colonisten nach Schlesien ziehen würden. Hierauf antwortete eben der Ministre,433 unter deßen Augen das Cammer-Rescript ausgefertigt worden, den 18. Julii, daß es ihm lieb sey, von dem Anbau zu hören und daß der Rösnitzer Concession in keinem Punct entgegen gehandelt werden solte (��� Volume II, 92. 93). Indeßen war unterm 13. Julii aus Marienborn eine Verordnung an den Deputierten Gersdorf ergangen, die gemachten Anstalten in Neusalz aufzusagen und alles zu suspendiren, weil eine öffentliche Infraction des Religions privilegii434 erfolgt und die Bethäuser unterminirt worden (Supplement Volume II, 27435). Der Ordinarius machte sich auch von der Schlesischen Unterhandlung los, und Bischof Müller notificirte aus Nieder-Peile den 26. August an den Praesidenten des Oberamts v. Benekendorf, daß in dem lezten Synodo ihm aufgetragen worden, die Schlesische Sache zu besorgen (Supplement Volume II, 31436). § 43. Die Rösnitzer Sache hatte diese Bewandniß. Heinrich Nitschmann [204] war den 6. May daselbst angekommen und hatte den öffentlichen Gottes-Dienst angefangen.437 Es kamen viele Leute auch von andern Dörfern zur Predigt, andere horchten an den Fenstern 428 Ebd., Nr. 105. 429 Ebd., Nr. 116. 430 Unter diesem Datum findet sich ein Schreiben von Johannes von Watteville (1718–1788), Abraham von Gersdorf (1704–1784) und Polycarp Müller (1684/85–1747) an die GeneralDiakonos und Diakonos ohne deren Namen zu nennen. Vgl. ebd., Nr. 98. 431 Georg Adolph von Marschall (1716–1753). 432 ������������������������������������������������������������������������������������ Siegmund August von Gersdorf (1702–1777), 1746 zum Diaconus ordiniert, 1750 zum Consenior civilis. Er war bedeutend als Architekt der Brüdergemeine. 433 Unitätsarchiv Herrnhut, Sign. R.5.B.5.b, Nr. 118. 434 öffentliche Verletzung des Religionsprivilegs, gemeint ist die Konzession von 1742. 435 Unitätsarchiv Herrnhut, Sign. R.5.B.5.b, Nr. 114, eine Verordnung der Colonisten-Direction. 436 Ebd., Nr. 125. 437 Das Tagebuch von Mathäus Franz. Ebd., Sign. R.7.A.14, Nr. 3.5.1.

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Geschichte der Evangelischen Brüder-Gemeinen in Schlesien

auf die neue Lehre. Der Evangelische Prediger von Radezky bezeugte sich freundschaftlich. Die Bauern aber fingen wieder an zu tumultuiren und redeten von nichts als todtschlagen. Matthäus Franz438 mußte ins Gefängniß, weil er den Beytrag zum Lutherschen Bethaus nicht geben wolte. Matthäus Kremser439 wurde unter die Soldaten gesteckt. Der Richter und der catholische Pfarrer widersezten sich der Taufe eines Kindes. Alles dieses geschah gegen das unterm 24. Mayi vom Oberamt zu Oppeln an Baron Trach ergangene Rescript,440 die Brüder in ihrem anzurichtenden Gottesdienst durch niemand stören zu laßen (§ 40). Dem ohngeachtet schickte der Richter durch den Landrath ein Memorial nach Bresslau voller Beschuldigungen und stellte vor, daß das Dorf nicht 2 Prediger erhalten könte und die Herrnhutschen Einwohner wegen der vielen Gaben an ihren Lehrer verarmen müßten, daß sie nicht mehr die Königliche Abgaben præstiren441 könten. Hierauf erfolgte das erst gedachte Cammer [205] Decret unterm 5. Junii442 an den Landrath, daß er den Herrnhutschen Lehrer in Rösniz ferner nicht predigen laßen noch gestatten solle, daß ihm etwas von den der Herrnhutschen Lehre zugethanen Wirthen zum Unterhalt gereicht werde (Volume II, 80). Schon den 6. Junii hatten sie diesen Befehl und exequirten ihn sogleich an Nitschmanns Frau, die sie aus dem Dorfe jagten, suchten die Häuser aus, ob Nitschmann, der verreist war, wo versteckt wäre, und bewachten das Dorf, daß er nicht wieder hinein könte. Mit dieser Nachricht kam Nitschmann den 13. Junii nach Gnadenfrey und reiste mit Seidliz nach Bresslau, um gegen diese Gewaltsamkeit Vorstellung zu thun. Ich finde auch im Diario von Gnadenfrey443 unterm 3. Julii, daß der Richter vom Landrath darüber bestraft worden. Ich finde Volume II, 82444 ein vom Ordinario concipirtes und von Seidliz nomine des Evangelisch Mährischen Kirchen Directorii absente Episcopo445 unterschriebenes Memorial ans Oberamt zu Oppeln, daß man den Prediger der Mährischen Brüder wegen der Drangsalen zu Rösniz zurück berufen und die dortigen Brüder bedeutet, sich entweder bey der hohen Obrigkeit einen freyen Kirchgang zu verschaffen oder sich los zumachen und in andere [206] Orte in Schlesien zu emigriren. Dieses aber werde ihnen eben so schwer eingehen, als ohne einen Lehrer zu seyn: wir hätten aber hierinnen gegründete principia, daß, wem Hab und Gut lieber ist als die Evangelisch Mährische Verfaßung, solcher ganz wol entbehren könne, etc. Was Gersdorf deshalber an Munchow unterm 14. Julii446 geschrieben und dieser den 18. Julii 438 Matthäus Franz (1711–1783), Diakon und Stundenhalter in Rösnitz und Gnadenfeld. 439 �������������������������������������������������������������������������������������� Matthäus Kremser (1723–1774), 1743 in die Brüdergemeine aufgenommen, seit 1753 Missionar auf den Westindischen Inseln. 440 ������������������������������������������������������������������������������������������ Gemeint ist das Rescript der Oberamtsregierung von Oppeln vom 24. März 1744. Vgl. Unitätsarchiv Herrnhut, Sign. R.5.B.5.b, Nr. 78. 441 leisten. 442 Ebd., Nr. 99 (vgl. § 40). 443 Im Herrnhuter Exemplar des Diariums der Gemeinde Gnadenfrei wird unter dem 3. Juli 1744 nicht darüber berichtet. Vgl. ebd., Sign. R.7.D.I.b.1.a.1743–1750. 444 Ebd., Sign. R.5.B.5.b, Nr. 101. 445 In der Abwesenheit des Bischofs von Seidlitz unterschrieben. 446 Unitätsarchiv Herrnhut, Sign. R.5.B.5.b, Nr. 116.

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geantwortet,447 ist schon im vorigen § angezeigt worden. Er schickte dem ­Ministre den 21. Julii448 eine Refutation449 des Cammer-Befehls und bat um Remedur, danckte auch den 25.450 für des Ministres Versicherung vom 18. Julii und bat, dieselbe dem Landrath bekannt zu machen, damit der Gottes-Dienst in Rösniz bald wieder anfangen könne. Ich finde aber weder im Repertorio eine Verordnung deshalber noch im Diario, daß der Gottes-Dienst wieder frey gegeben worden. Ich finde erst unterm 21. Septembris im Volume II, 103451 eine Deduction von Gersdorf an Münchow wegen der Rösnitzer-BethausSache, nebst einem Inserat452 (vermuthlich die von der Gräfin Zinzendorf als Herrschaft von Herrnhut, Supplement Volume II, 30453 angeführte Beschwerung vom 14. Augusti) wegen des von der Cammer gemißbrauchten Worts: Herrnhuter. Und hierauf ist unterm 8. Octobris ein Rescript von der Cammer in Bresslau an den [207] substituirten Landrath des Leobschützer Creises von Reisewiz454 erfolgt, daß die Rösnitzer Brüder nicht ferner beeinträchtiget werden sollen (Volume II, 107455). Ich finde aber nicht, daß hierauf wieder ein Bruder nach Rösniz gesandt worden. Vermuthlich haben dortige Brüder ihren Gottes-Dienst unter sich bis ins Jahr 1746 in der Stille fortgesezt. § 44. Auf dem Synodo zu Marienborn kam auch die Vereinigung der Schlesischen Brüder mit den Lutherschen Consistoriis wiederum in Bewegung. Der Ordinarius hatte gleich anfänglich nicht nur gegen die Brüder auf dem Hirschbergischen Synodo (s. § 13), sondern auch in dem Haupt-Bericht an den König (§ 16) seine Bedencken wegen der Exemtion der Brüder von den Consistoriis und der schädlichen Folgen für uns, die sich zum Theil schon zu Tage gelegt, geäußert und es auf eine Vereinigung und Subordination unter die Consistoriis angetragen. Seine Absicht war, die Brüder solten zwar ihre eigene Gemein-Einrichtung und Kirchen-Zucht, auch das Recht, ihre Prediger selbst zu vociren, zu ordiniren und zu tranclociren, behalten; diese aber solten sich dem Lutherschen Consistorio zum Examen darstellen, die Augspurgische Confession unterschreiben und unter deßelben [208] Inspection stehen. Er conferirte darüber mit Cocceji 1743 in Gegenwart der übrigen Deputirten, denen die Sache nicht ganz einleuchtete. Dieser aber brach den Disput mit den Worten ab: Dancken sie doch Gott, daß die Brüder aus solchen Klauen heraus sind. Ich schwöre Ihnen zu Gott, und es kanns niemand besser als ich wißen, daß der Männer, zu denen sie die Brüder nöthigen wollen, ihr 447 448 449 450 451 452 453 454 455

Ebd., Nr. 118. Ebd., Nr. 120. Widerlegung. Ebd., Nr. 122. Ebd., Nr. 130. Ebd., Nr. 131. Ebd., Nr. 124. Konnte nicht nachgewiesen werden. Ebd., Nr. 143.

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Geschichte der Evangelischen Brüder-Gemeinen in Schlesien

herzlicher Wunsch ist: Utinam una cervix456 etc. Siehe Naturelle Reflexiones, S. 276.457 Allein der Ordinarius gab sein Vorhaben nicht auf und schrieb, nachdem er auch mit den Brüdern in Schlesien davon geredet, den 3. Septembris aus Buhrau458 sehr freundschaftlich an den Inspector Burg zu Bresslau, daß er im November ihm in der Stille eine Visite zu geben gedächte, um zu sehen, ob sie durch des Herrn Gnade Mittel finden möchten, diejenige Combination der Lutherschen und Mährischen Kirche zu projectiren, die zwischen der Böhmischen und Reformirten in Polen schon ein Seculum so gut gegangen ist459 (Supplement Volume I, 21). Hierauf erfolgte keine Antwort, sondern Burg erkundigte sich (wie aus dem folgenden Schreiben des Ordinarii zu ersehen) bey andern Theologis, wie er sich dabey zu verhalten habe. Da konte man schon dencken, was die rathen würden, und er gab seine Meinung in einem Schreiben an Cocceji zu erkennen, welches Schreiben laut Volume II, 32460 Gersdorf unterm 26. Octobris zu widerlegen gesucht hat. Der Ordinarius unterließ also auch bey seiner Durch-Reise [209] nach Liefland, ihn zu sprechen. Nach seiner Rückkunft aber ließ er unterm 3. Merz 44 aus Peile, das in der apologetischen Erklärung, S. 213461 befindliche Schreiben462 an ihn ergehen, darinnen er sich erkläret, daß nicht die Mährische Kirche bey der Lutherschen Religion um Schutz und Aufnahme anhalte, sondern die bey der Mährischen Kirche befindlichen Lutherschen Theologi sich bemühen, sie in Connexion mit der Lutherschen Religion zu erhalten und zu befestigen. Hiezu könne man die Mährischen Brüder nicht zwingen, denn sie wären bisher gar zu schlecht von den in den wichtigsten Aemtern stehenden Theologen behandelt worden. Wolten aber nun die Lutherschen Theologen nicht mit uns gemeinschaftlich dahin arbeiten, die Mährischen Brüder auf billige Conditionen mit sich zu associiren, so müßten sie es uns nicht imputiren, wenn nach unserm Tode das Brüder-Volck die Luthersche Verfaßung entsaltze. Im Post Scriptum fügt er hinzu, wie es ihm lieb gewesen zu vernehmen, daß er sich deshalber gegen Gersdorf und Martin Dober gütig erkläret. In Erwartung einer Antwort reiste der Ordinarius auf den Synodum zu Marienborn und legte denselben den in Büdingische Samm456 Ach dass doch mit einerlei Festigkeit (cervix = Nacken, Hartnäckigkeit). 457 Zinzendorf, ��������������������������������������������������������������������������������������� Nikolaus Ludwig von: ΠΕΡΙ EAYTOY, Das ist Naturelle Reflexiones über allerhand Materien [...]. O. O. [1747]. Vgl. Meyer, Dietrich (Hg.): Bibliographisches Handbuch zur Zinzendorf-Forschung. Düsseldorf 1987, A Nr. 174, 276. Hier findet sich der Beleg für das Zitat von Samuel von Cocceji (1679–1755). 458 Unitätsarchiv Herrnhut, Sign. R.5.B.5.a, Nr. 125, 13. September 1743. 459 Nikolaus Ludwig von Zinzendorf (1700–1760) denkt an den Consensus Sendomiriensis von 1570. Vgl. Cranz, David: Alte und Neue Brüder-Historie oder kurz gefaßte Geschichte der Evangelischen Brüder-Unität in den ältern Zeiten und insonderheit in dem gegenwärtigen Jahrhundert. Barby 21772 [11771], 62f. 460 Unitätsarchiv Herrnhut, Sign. R.5.B.5.a, Nr. 36. 461 ���������������������������������������������������������������������������������������� Spangenberg, August Gottlieb: Darlegung richtiger Antworten auf mehr als dreyhundert beschuldigungen gegen den Ordinarium Fratrum. Leipzig/Görlitz 1751. Nachdruck Hildesheim 1965. Vgl. Meyer, Dietrich (Hg.): Bibliographisches Handbuch zur Zinzendorf-Forschung. Düsseldorf 1987, B 331, 213–217. 462 Unitätsarchiv Herrnhut, Sign. R.5.B.5.b, Nr. 65.

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lungen III, 1001463 befindlichen Plan vor, wie die Mährischen Brüder Augspurgischer Confession mit den Lutherschen Consistoriis zu vereinbaren wären, suchte auch diek Brüder dazu zu bewegen. Inzwischen lief Burgs Antwort unterm 14. Aprilis464 auf beyde Schreiben [210] ein, worinnen er seine Bedencken gegen die Vereinigung und Aufnahme der Brüder als die in der Lehre nicht mit der Lutherschen Kirche einig wären, auf eine höfliche Weise äußert, und hierauf gab ihm der Ordinarius die in Büdingischen Sammlungen III, 881465 befindliche Antwort unterm 3. Junii, daß er, solange die Brüder als irrig angesehen würden, es auf keine Vereinigung, die auf den Fall ein latudinarischer466 Mischmasch seyn würde, antragen und die Brüder um ihr Privilegium bringen könte. Er ließ auch ein Schreiben an die Oberammts-Räthe in Bresslau ergehen, wie er sich verbunden achte, ad perpetuam rei memoriam467 hiedurch zu contestiren, daß er, nachdem die freundschaftliche Unterhandlung mit den Lutherschen Consistoriis und die von ihm vorgeschlagene Vereinigung der dortigen Brüder Gemeinen, von der Hand gewiesen worden, an allen drauf erfolgenden Inconvenienzen und der de Facto unternommenen Abschneidung der Brüder von der Lutherschen Religion nicht den geringsten Theil nehme, etc. (Supplement Volume II, 36468). § 45. In Berlin waren durch des seligen Pastor Assmann469 an der Gertrauder-Hospital ­Kirche und Pastor Fuhrmanns470 Predigten Erweckungen entstanden, und dasige Seelen durch Christian David471 und [211] sonderlich durch des Ordinarii ­Predigten k

Nachträglich über der Zeile ergänzt: die.

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463 Büdingische Sammlung Einiger In die Kirchen-Historie Einschlagender Sonderlich neuerer Schrifften, Bd. 1–3. Büdingen 1742–1744, hier Bd. 3, 1001–1004. Auch Unitätsarchiv Herrnhut, Sign.R.5.B.5.b., Nr. 90. 464 Unitätsarchiv Herrnhut, Sign. R.5.B.5.b, Nr. 87. 465 Büdingische Sammlung Einiger In die Kirchen-Historie Einschlagender Sonderlich neuerer Schrifften, Bd. 1–3. Büdingen 1742–1744, hier Bd. 3, 881–884. 466 weitherziger. 467 zum immerwährenden Gedächtnis. 468 �������������������������������������������������������������������������������������������� Dieses Schreiben konnte nicht nachgewiesen werden, entspricht inhaltlich aber zum Teil Nikolaus Ludwig von Zinzendorfs (1700–1760) Schreiben an Johann Friedrich Burg (1689–1766) vom 3. Juni 1744 (Unitätsarchiv Herrnhut, Sign. R.5.B.5.b.100) und seinem Schreiben an Ludwig Wilhelm von Münchow (1709–1753) vom 16. Juni 1744 (ebd., Sign. R.5.B.5.d, Nr. 19). 469 Gottlieb August Assmann (1696–1745), Pfarrer an der St. Gertraudenkirche 1721–1745. 470 Georg Gottlieb Fuhrmann (1702–1769), Pfarrer am Friedrichsspital und am Waisenhaus 1730–1733. 471 Christian David (1692–1751), 1717 durch Pfarrer Melchior Schäffer (1682–1738) in Görlitz erweckt, legte ab 1722 mit Genehmigung Zinzendorfs die Kolonie in Herrnhut an und brach danach immer wieder zu Evangelisationsreisen nach Mähren auf; seit 1731 unterstützte er als Zimmermann und Laienprediger die Mission in der Schweiz, in Grönland, den Niederlanden, Livland und Pennsylvanien.

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Geschichte der Evangelischen Brüder-Gemeinen in Schlesien

1738472 mit der Gemeine bekant worden. Wie sie 1743 durch die Deputirten eine Concession zum gemeinschaftlichen Bethaus mit den Böhmen gesucht, ist § 23 gemeldet worden. Sie bekamen jezt die Geschwister Bussens473 so wie die Böhmen Geschwister Jæschkens474 zu Arbeiter, und Martin Dober machte eine Gemein-Einrichtung unter den Deutschen. David Nitschmann [hielt] sich auch noch eine Zeitlang bey ihnen auf. In Stettin waren durch die Schinmeyerschen Predigten475 und Anstalten viele Seelen erweckt und einige durch die nach Liefland reisende Brüder mit der Gemeine bekannt worden. Diese baten um Arbeiter und bekamen Vippachs476 wie auch den ledigen Bruder Schwimmer477 für ihre Kinder, und David Nitschmann hielt sich auch lange Zeit [bei] ihnen auf. Die Geistlichkeit wolte die Versammlungen unter die verbotenen Conventiculn rechnen und klagte darüber in Berlin. Der Ordinarius nahm sich unter der Hand ihrer an und schrieb den 17. Merz 44 an Cocceji.478 Er bedauerte, daß er ihn in der Schlesischen Sache verloren, bat aber, daß er sich der Gemeinen außer ­Schlesien, in Stettin, Halle, Berlin, Minden, Königsberg annehmen und ihn belehren möchte, ob nicht alle Brüder in der Gewißens-Freyheit mit eingeschloßen wären? und ob sie, wenn sie so wenige sind, daß sie kein Bethauß [212] bauen könten, nicht in einer Stube Gottes-Dienst halten dürften, ohne gegen das Verbot der Conventiculn anzustoßen etc. Ich finde keine Antwort hierauf und zweifle, daß eine erfolget, weiß aber, wie ich auch in der Brüder Historie S. 384479 gemeldet, daß auf die Klage der Geistlichkeit die Resolution erfolgt, daß man den Mährischen Brüdern nicht wehren könte, in einem Hause zusammen zu kommen, solange sie keine Kirche hätten. Hierauf reißte Martin Dober nach Stettin und machte wie in Berlin eine Gemein-Einrichtung, die der Ordinarius in

472 Die sogenannten Berliner Reden haben den Titel: Inhalt dererjenigen Reden, Welche zu Berlin vom Iten Januario 1738 bis 27ten Aprilis in denen Abend-Stunden sonderlich für die MannsPersonen gehalten worden. Berlin [1738] und: Inhalte einiger öffentlichen Reden, Welche im Jahr 1738 vom Januario bis zu Ende des Aprilis in Berlin an die Frauens-Personen daselbst gehalten worden. Berlin [1738]. Vgl. Meyer, Dietrich (Hg.): Bibliographisches Handbuch zur Zinzendorf-Forschung. Düsseldorf 1987, A Nr. 130. 473 Joachim Busse (1704–1763) und Marie Elisabeth, geb. Krieger (1715–1798) dienten 1744– 1751 der deutschen Gemeinde in Berlin. 474 Nikolaus Andreas Jaeschke (1718–1762) und seine Ehefrau Elisabeth, geb. Hirschel (1719– 1746) dienten der böhmischen Gemeinde in Berlin und Rixdorf von 1744–1746. 475 Johann Christoph Schinmeyer (1696–1767). Im Jahr 1733 erschien in Stettin ein erster Teil seiner Predigten mit dem Titel „Erster Theil Einer Miscellan-Predigten“. 476 ���������������������������������������������������������������������������������� Heinrich Wilhelm Gottlieb Vippach (1713–1773), 1739 in die Brüdergemeine aufgenommen, ging 1769 nach Pennsylvanien. Er heiratete 1739 Christiane Kleist (1720–1761). 477 ����������������������������������������������������������������������������������� Johann Peter Schwimmer (1715–1769), 1742 in die Brüdergemeine aufgenommen, Hauslehrer, Erzieher in Kinderanstalten, 1766 zur Mission nach St. Thomas. 478 Unitätsarchiv Herrnhut, Sign. R.5.B.5.b, Nr. 74. 479 Cranz, David: Alte und Neue Brüder-Historie oder kurz gefaßte Geschichte der Evangelischen Brüder-Unität in den ältern Zeiten und insonderheit in dem gegenwärtigen Jahrhundert. Barby 2 1772 [11771], 384f.

Zweiter Teil, Abschnitt 1: 1743 bis 1745

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dem Danck-Opfer von 1745480 nennt: „seichten Plan in Berlin, zu frühen in Stettin.“ Auf ein Mandat der Regierung, den 22. Aprilis 1744.481 an den Chirurgus Schulz,482 den Kaufmann Schmidt483 und Mauermeister Drews,484 Zeugniße aufzuweisen, daß sie zu den Mährischen Brüdern gehören, stellte Dober den durch Vippach praesentirten Brüdern ein Zeugniß aus, daß sie bis zum nächsten Synodo und bis man sie binnen 2 Jahren genauer geprüfet, dafür gehalten werden solten. Hierauf erfolgte unterm 22. Augusti ein Rescript485 an die Pommersche Regierung, daß den Mährischen Brüdern in Stettin auf das beygebrachte Attestat das freye Religions-Exercitium solange verstattet werden solle, bis ein anders zu verordnen gut gefunden würde. [213] Jedoch solten sie sich ruhig halten und keine Proselyten machen (Büdingische Sammlungen III, 722. 723).486 § 46. Diese Clausul veranlaßte eine neue Unterhandlung, die sich aufs ganze bezieht. Gersdorf sezte in einem Memorial ans Departement der Geistlichen Sachen unterm 26. Augusti487 deutlich auseinander, was unter dem verbotenen Proselytenmachen, deßen wir auch gar nicht beschuldigt werden könten, zu verstehen, und bat, um allen Streitigkeiten vorzukomen, an die Regierung in Pommern zu rescribiren, daß jedesmal auf den Unterscheid gesehen werden möchte, ob jemand aus Ueberredung von unsern Lehrern und Arbeitern oder aus selbst eigener Ueberzeugung und wohlbedachten Muth zu unsrer Kirchen-Verfaßung sich begeben habe (Büdingische Sammlungen III, 724488). Hierauf erfolgte unterm 31. Augusti ein Rescript489 an die Pommersche Regierung und Consistorium, sich nach dieser Vorstellung zu richten. Allein auch dieses favorable Rescript, das allen Streitigkeiten von der Art ein Ende gemacht haben würde, wurde nicht expedirt. Der Staats-Minister von Brand490 als Praesident des Departement der Geistlichen Affairen hatte Gersdorfen schon eine Copie davon, aus der Geheimen Canzley 480 ��������������������������������������������������������������������������������������� Unitätsarchiv Herrnhut, Sign. R.2.A.17.1, Nr. 146 vom 16. September 1745. Das „Dank-Opfer“ ist abgedruckt in Christliches Gesang-Buch der Evangelischen Brüder-Gemeinen von 1735, zum drittenmal aufgelegt und durchaus revidirt. [Herrnhut] 1741. Nachdruck der deutschen Erstauflage. Hildesheim 1981 (Nikolaus Ludwig von Zinzendorf. Materialien und Dokumente 4/3), Nr. 2155. Das Zitat entspricht Strophe Nr. XX, ist im Druck aber umgedichtet. 481 Konnte nicht nachgewiesen werden. 482 Konnte nicht nachgewiesen werden. 483 Christian Schmidt, Kaufmann. 484 Konnte nicht nachgewiesen werden. 485 Unitätsarchiv Herrnhut, Sign. R.5.B.4.a, Nr. 25. 486 Büdingische Sammlung Einiger In die Kirchen-Historie Einschlagender Sonderlich neuerer Schrifften, Bd. 1–3. Büdingen 1742–1744, hier Bd. 3, 723f. 487 Unitätsarchiv Herrnhut, Sign. R.5.B.4.a, Nr. 27. 488 Büdingische Sammlung Einiger In die Kirchen-Historie Einschlagender Sonderlich neuerer Schrifften, Bd. 1–3. Büdingen 1742–1744, hier Bd. 3, 724–726. 489 Unitätsarchiv Herrnhut, Sign. R.5.B.5.b, Nr. 129. 490 Christian von Brand (1684–1749).

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Geschichte der Evangelischen Brüder-Gemeinen in Schlesien

zustellen laßen, Cocceji aber, der es contrasigniren solte, protestirte dagegen [214] und unterdrückte es. Inzwischen hatte das Consistorium in Stettin das Schinmeyersche Waisenhaus unterm 27. Junii und 10. Augusti an die Mährische Brüderschaft und deren Vorsteher als ihr eignes Gut nach ihrem Gutdüncken zu gebrauchen für 600 Reichsthaler verkauft und diesen Kauf unterm 24. Augusti confirmirt (Büdingische Sammlungen III, 1004, 1007).491 Diese Brüder fingen in demselben ihren öffentlichen Gottesdienst an und bekamen dazu den Pastor Schmidt,492 der vorher in Böckingen bey Heilbrunn als Pfarrer gestanden. Er schreibt davon in seinem Lebens-Lauf: „1744 krigte ich einen Ruf nach Stettin, wo ich den 16. Octobris eintraf. Hier fand ich eine ordentlich eingerichtete Gemeine. Weil ich aber ein paar Kinder der Geschwister taufte, so brachten es die Pfarrer durch ihre Klagen dahin, daß ich den 2. Januarii 1745 vor die Königliche Regierung gefordert und befragt wurde. Das Ende war, daß Tauf und Abendmahl und alle Versammlungen verboten wurden. Ich protestirte zwar dawider und berief mich auf die General-Concession in allen Preußischen Landen. Dis wolten sie aber in Stettin nicht gelten laßen. Wir ließen uns jedoch nicht stören, sondern hielten unsre Versammlungen fort. Im May erhielt ich aus Marienborn meinen Abruf von Stettin. Dem zu folge endigte ich am 2. Junii meine [215] Arbeit unter dem dasigen Häuflein und reiste am 3ten über Berlin nach Gnadenberg, wo ich für die Zeit Prediger seyn solte.“493 So weit Schmid. Jemehr die Brüder in Stettin über Kirchen-Freyheit hielten, je mehr wurden sie gedrückt mit Gefängniß, Geldstrafen und Vestungs-Bau bedrohet, wenn sie fortfahren würden, Versammlungen und Liebesmahl zu halten, auch nur mit einander zu speisen und dabey zu beten und zu singen. Ja es erfolgte ein Rescript von Berlin, daß ein von Pastor Schmid getauftes Kind noch einmal getauft werden solte, welches doch nicht geschehen. Der Saal des Waysenhauses wurde auch versiegelt. Den Erfolg kan ich nicht beybringen, weil mir die Acta fehlen, ich finde nur im Repertorio Generalia Nummer 27 angezeigt eine ausführliche Deduction vom Ordinario, die Stettinische Proceduren betreffend mit Bitte, eine Commision zur Untersuchung in Ansehung seiner Concurrenz dabey und überhaupt bey den ganzen Etablissement der Brüder in des Königs Landen nieder zusetzen (Mensis Junii 1745494).

491 Büdingische Sammlung Einiger In die Kirchen-Historie Einschlagender Sonderlich neuerer Schrifften, Bd. 1–3. Büdingen 1742–1744, hier Bd. 3, 1004–1007. 492 Johann Adam Schmidt (1710–1774), Theologiestudium in Jena, 1736 in die Brüdergemeine aufgenommen, 1745 Prediger in Gnadenberg, 1749–1763 in Gnadenfrei, 1764 in Gnadenberg, 1772 in Neusalz, 1736 verheiratet mit Louise Maria, geb. Commerell (1714–1776). 493 Der Lebenslauf ist überliefert im Unitätsarchiv Herrnhut, Sign. R.22.30.7. Dort findet sich das obige Zitat. 494 Unitätsarchiv Herrnhut, Sign. R.5.B.4.a, Nr. 31.

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§ 47. Während dieser Unterhandlung erhielt Gersdorf, der vielleicht manchem in Berlin im Wege war, eine Königliche Cabinets-Ordre vom 4. Augusti,495 sich nach Bresslau zum dirigirenden Ministre zu begeben. Mit demselben fing er eine neue und etwas glücklicher [216] anscheinende Unterhandlung an. Er schreibt davon:496 „Als ich bald darauf nach Berlin kam verschiedener Pressuren halber in Rösniz und andern Orten, bey den Etats-Ministre v. Arnim Vorstellung zu thun, so kriegte ich durch ihn, anstatt daß er darein entriret, aus der Geheimen Canzley ein Königliches Rescript mit der Ordre, daß ich mich unverlangt zum Graf Münchow verfügen und mich mit Ihm über alles, was wir verlangten, concertiren solte. Auf meinen disfalls an Papa497 gethanen Bericht krigte ich von ihm zu dieser Unterhandlung die Instruction: ‚In der Hauptsache ginge die Mährische Kirche von der General-Concession keinen Schritt ab. In der ColonienSache käme alles an auf die Sicherstellung im Soldaten-Punct, auf eine vernünftige Determination des Proselyten-Puncts und auf die Conservation unsers Grund-Plans, an keinem Ort so fest gebunden zu seyn etc. Uebrigens solte ich an nichts gebunden seyn, wenn ich nähere Ordre von oben hätte, wenns nur in substantialibus498 ginge, wie es solte: cæteris paribus,499 wäre das Neusalzer-Etablissement dem Heyland nicht zuwider.‘ Ich ging hierauf nach Bresslau und war so glücklich in einer [217] fast 3 stündigen Conferenz mit dem Grafen Münchow und dem Geheimen Rath von Aussen,500 wobey ein Secretarius das Protocoll führte, die neue General Concession zu concertiren, davon mir eine authentische Copie des dabey geführten Protocolls den 6. Octobris 44 einbehändigt worden ist.“501 Soweit Gersdorf. § 48. Ehe es aber dazu kam, gab er dem Kriegs-Rath von Hagen,502 der in der Sache zu arbeiten hatte, unterm 23. Septembris eine kurze Erzehlung503 von dem Verlauf der Schlesischen Sache und wie der Anbau von Neusalz durch Aufhebung der Peterswaelder Concession, durch die dreimalige gewaltsame Werbung, durch das Ansinnen, die einzeln wohnenden Brüder in die Colonien zusammen zu ziehen, und durch das Cammer-Rescript gegen Rösniz unterm 5. Junii ins Stecken gerathen, aber durch Münchows Versicherung, 495 Ebd., Sign. R.5.B.5.b, Nr. 123. 496 Es folgt ein wörtlicher Auszug aus Abraham von Gersdorfs (1704–1784) Bericht an Johann Friedrich Köber (1717–1786) 1763. Vgl. ebd., Sign. R.5.B.12.b.1. 497 Nikolaus Ludwig von Zinzendorf (1700–1760). 498 In den wesentlichen Dingen. 499 Unter den im übrigen gleichen Umständen. 500 Konnte nicht nachgewiesen werden. 501 Hier endet der Auszug aus dem Bericht Abraham von Gersdorfs (1704–1784) von 1763. 502 Konnte nicht nachgewiesen werden. 503 Der Bericht konnte nicht nachgewiesen werden.

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Geschichte der Evangelischen Brüder-Gemeinen in Schlesien

daß der Rösnitzer Concession nicht entgegen gehandelt werden solte, wieder aufgelebet sey. Und hierauf legt er demselben in einem pro Memoria die Sache, worauf es uns in Schlesien ankommt, in etlichen Puncten vor,504 die ich bald näher erörtern werde. Unter eben dem dato meldete er auch an Graf Münchow,505 daß wircklich Anstalt zu[m] Neusalzer Bau gemacht worden und bey 30 Zimmerleute im Wald [218] beschäftigt seyn, Holz zu fällen und noch heuer 4 Häuser aufzusetzen, bittet aber das Cammer-Decret wegen Rösniz durch ein anderes aufzuheben und eine Königliche Versicherung zu bewircken, da denn bald die gegen den Grafen Zinzendorf geäußerte Unzufriedenheit sich in eine völlige Wohlgewogenheit verwandeln werde. Hierauf kam es am 6. Octobris zu der obgemeldeten Conferenz zwischen ihm und dem Grafen Münchow, da von den von ihm eingegebenen Puncten laut Protocoll506 folgende bewilligt und versprochen wurden: 1.) Wegen der Versicherung gegen gewaltsame Werbung bleibe es bey der schon unterm 25. Decembris 1741 allen Ausländern durch ein gedrucktes Patent versprochene Exemtion. 2.) Deren Kinder und Domestiquen solten nicht aufgeschrieben und enrollirt werden. 3.) Die Brüder solten die Concession zu Neusalz, Buhrau, Rösniz, Ober-Peile, Krausche behalten, auch bey Rösniz anbauen, die zerstreut wohnenden aber solten ohne Hinderung von ihren Herrschaften in eine dieser Colonien ziehen, jedoch solte ihnen erlaubt seyn, zu ihrem und des Landes Besten ein und andre Familien in andre einländische Colonien, auch außer Landes, zu versetzen. Solte eine Herrschaft ein, 10 bis 20 Mährische Bauer-[219] Familien auf ihrem Gut ansetzen wollen, so könte eine neue Concession dazu gesucht werden. 4.) Die Brüder machten keine Proselyten, könnten aber Leute, die aus eigner Bewegung zu ihnen kommen, aufnehmen. 5.) Außer der Taxa stolae an den Catholischen Ordinarium brauchten sie den Predigern bey den Evangelischen Bethäusern nichts zu bezahlen. 6.) Auf die Schmähschriften sollte genaue Aufsicht gehalten werden. 7.) Die Klagen gegen die Brüder solten zuerst ihrem Bischof communicirt werden. Gersdorf hatte noch mehrere Puncte eingegeben. Zum Exempel: an Orten, wo 40– 50 Personen uns[rer] Verfaßung wären, einen Aufseher zu setzen, dem Axleben wegen seiner fortdauernden Bedrückungen Einhalt zu thun, das Rescript gegen Rösniz aufzuheben. Derselben aber ist in dem Protocoll keine Erwehnung geschehen. Nun schien die Sache auf dem besten Wege zu seyn, sie wurde aber wieder verhindert und bis ins Jahr 1746 aufgeschoben. Gersdorf schreibt davon507 also: „Weil aber Münchow eines theils noch etwas mißtrauisch war, ob wir zu dem versprochenen Anbau von Neusalz wirklich Anstalt nehmen würden, auch der Krieg dazwischen kam; so wurde die Ausfertigung der General Concession bis ins Jahr 46 trainirt,508 und seitdem muß ich dem Graf Münchow das [220] Zeugniß geben, daß er mir nichts, was ihm nur 504 505 506 507 508

Unitätsarchiv Herrnhut, Sign. R.5.B.5.b, Nr. 135, Nr. 137. Der Bericht konnte nicht nachgewiesen werden. Unitätsarchiv Herrnhut, Sign. R.5.B.5.b, Nr. 134, Protokoll des Treffens. In seinem Bericht von 1763. Vgl. ebd., Sign. R.5.B.12.b.1. Schreibfehler des Abschreibers für trahirt = hingezogen, verschleppt.

Zweiter Teil, Abschnitt 1: 1743 bis 1745

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möglich war, abgeschlagen hat, und das hat solange continuirt, bis ich 1748 aus den Schlesischen Sachen heraus kam und nach Holland berufen wurde.“ § 49. Ich muß nun den Zustand von Gnadenfrey und der benachbarten Posten nachholen. Die verwittwete Frau Helena Elisabeth von Tschirschky auf Mittel-Peile hatte schon 1739 ihre 2 Söhne zur Erziehung nach Herrnhuth gethan, mußte aber, da Seidliz ins Gefängniß kam, sie wieder ins Land schaffen, und ließ sie unter Caries509 und Hantsches510 Aufsicht in ihre[r] Wohnung zu Dirsdorf erziehen. Im Martio 1741 brachte sie ihre 3 Söhne wegen der Kriegs-Unruhen wieder nach Herrnhuth. Bey beßerer Einrichtung der Gemein-Sache in Schlesien solten sie mit dem unter Aufsicht des Bischof Müllers zu errichtenden Paedagogio wieder ins Land kommen. Ihr Oncle Tschirschky auf Stampen511 konnte dieses nicht erwarten und beschwerte sich in 2 Schreiben an den Landrath von der Heide512 auf Habendorf unterm 21. May und 12. Junii 1744, daß die Vormünder Carl Friedrich von Pfeil und Ernst Julius von Seidliz gegen das Königliche Verbot ihre Pupillen außer Landes erziehen ließen, und droheten, sie höhern Orts zu belangen. Diese gaben dem Landrath unterm 21. Junii zur Antwort, daß schon alle Anstalt gemacht worden, die Kinder herein zu [221] bringen.* Die Mutter kam also den 3. Julii mit ihren 2 Töchtern und ältesten Sohne in Herrnhuth an und machte unter Bezolds513 Aufsicht, der den 25. Julii zur Oeconomie aufs Schlössel kam, Anstalt zu des Seminarii Aufnahme. Den 5. Augusti langte Bischof Müller und den 7. und die folgenden Tage Bruder Saalwaechter514 als Inspector des Paedagogii mit noch 5 Brüdern *

Ich finde auch im Supplement Volume II. Nummer 7 [Unitätsarchiv Herrnhut, Sign. R.5.B.5. b.50] ein Rescript des Oberamts den 11. Decembris 1743 an die Vormünder der 2 Fräulein von Schweiniz auf Welkersdorf, daß sie dieselben, wenn ihre Mutter sie nicht zu sich nehmen will, von Herrnhuth kommen und nach Gutfinden erziehen laßen sollen; und No. 14 ein Schreiben des Ordinarii an den Oberamts Präsidenten von Benekendorf aus Burau 31. Martii 44 [ebd., Nr. 82] diese 2 Fräulein betreffend, ferner No. 32. ein Memorial [222] der Vormünder, des jungen Herrn von Heithausen, datiert Lorenzberg. den 25. Septembris 44 [ebd., Nr. 133] und des Oberamts Befehl an ihn 30. Septembris [ebd., Nr. 147], daß er sich bey Vermeidung der schärfsten Ahndung ins Land begeben soll, nebst deßen Memorial an den ­König.

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509 Zacharias George Cariés (Carié, 1717–1772). Die Eltern waren Flüchtlinge aus Lyon. Cariés wurde Perückenmacher, 1739 in die Brüdergemeine aufgenommen, Missionar in Jamaika. 510 Johann Georg Hantsch (1718–1768), Schneider, 1739 in die Brüdergemeie aufgenommen, 1742 Prediger in Rösnitz, 1743 nach Pennsylvanien. 511 Ernst Leonhard von Tschirschky auf Stampen. 512 Julius Conrad von der Heyde (Heide, 1713–1797), 1731 Besuch des Pädagogiums in Halle an der Saale, Jurastudium an der dortigen Universität, 1751 Besuch in Gnadenfrei, 1761 in die Brüdergemeine aufgenommen. 513 Johann Gottfried Bezold (1701–1775), 1734 Gemeinrichter in Herrnhut. 514 ������������������������������������������������������������������������������������� Christian Hillmar Saalwächter (1712–1786), 1743 in die Brüdergemeine aufgenommen, Informator, Erzieher in den Kinderanstalten.

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Geschichte der Evangelischen Brüder-Gemeinen in Schlesien

und einigen adelichen und bürgerlichen Kindern daselbst an. Gersdorf meldete dieses an Münchow in einem Post Scriptum zu seinem, den 6. Octobris zur neuen General Concession eingegebenen Puncten und bat das Paedagogium, welches, sobald in Neusalz gebaut worden, dahin kommen solte, in Schutz zu nehmen Sie richteten sich auf dem Schlössel Gemeinmäßig ein, und die Peterswälder und andre benachbarte Brüder hielten sich zu ihren Versammlungen. Die Docenten [222] Zurmühlen und Hufmann, unterhielten auch eine Brüderliche Gemeinschaft mit dem Pastor Töpfer515 und deßen Gehülfen Walther516 in Peterswalde. Die Oeconomie im Schlössel veranlaßte auch einige Veränderung der Gemein-Arbeiter. Saalwæchter solte sich an Wallis Stelle, der den 18. Septembris nach Holland kam, der ledigen Brüder annehmen. Weil ihn dieses aber zu sehr in seiner Inspection hinderte, so kam den 19. Septembris Hieser517 als sein Gehülfe nach Gnadenfrey. Hier hatten sich einige ledige Brüder aus den Dörfern zusammen gezogen und den 7. Augusti in Grünwalds Hause eine Chormäßige Einrichtung angefangen. Am 13. Julii war Georg Waiblinger518 als Prediger hergekommen und den 15. Hehls nach Herrnhuth, vorher aber schon den 7. Julii Heinrich Nitschmann nach Marienbornm abgereiset. Weil Biegels519 nach Peterswalde kamen, so wurde den 13. Septembris Samuel Krausens,520 welche den 2. angekommen, dem Ehechor als Aeltesten vorgestellt, bis Christoph ­Voigts521 herkommen würden, und alsdenn solten Krausens Helfer in Peile und Rösniz sein. Die Anna Lena Haberlandin,522 welche [223] ihrem Mann, der den 3ten Mayi zum Bau des Bethauses gekommen war, nachgeschickt worden, wurde nebst Krausens bis den 18.  Septembris als Gehülfin beym Ehechor gebraucht. Bey den ledigen Schwestern blieben diejenigen Arbeiter, die § 39 angezeigt worden. Nur finde ich, daß die Gneussin den 12. Mayi nach Marienborn abgereiset und die Susanna Graebnerin ihre Stelle ersetzet und daß den 29. Augusti die Mikschin wieder nach Herrnhuth abgereiset und ihre Stelle den 20. Septembris mit der Wittwe v. Tschirschky und ihrer Gehülfin, der Nitschmannin aus Herrnm

Nach Marienborn über der Zeile nachträglich ergänzt.

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515 Ernst Ludwig Töpfer (1707–1788), 1743–1780 Pfarrer in Peterswaldau. 516 ���������������������������������������������������������������������������������������� Gottlieb Eberhard Walter (1721–1796), 1743 Pfarrgehilfe in Peterswaldau, 1745–1758 Pfarrer in Ober Panthenau, 1758–1793 in Küpper, Kirchenkreis Lauban. 517 Er wird in Unitätsarchiv Herrnhut, Sign. R.27.101.2.a als Mitglied des Stundenbeter-Chors genannt (ohne Vorname), 1744. 518 Johann Georg Waiblinger (1704–1775), Magister der Universität Tübingen, 1750 Bischof der schlesischen Brüdergemeinen. 519 �������������������������������������������������������������������������������������� Anton Dietrich Bügel (1714–1775), kommt im März 1743 nach Peilau, 1744 nach Peterswaldau, Lehrer in Berthelsdorf und Trebus, heiratet 1735 eine geb. Frank(e) aus Gollnow. 520 ���������������������������������������������������������������������������������������� Samuel Krause (1710–1777), Schuhmacher, Diasporaarbeiter, 1738 in die Brüdergemeine aufgenommen, verheiratet mit Rosina, geb. Schindler (1713–1769). 521 Johann Christoph Vogt (Voigt, 1703–1747), Kutscher beim Hauptmann von Schweinitz, 1738 in die Brüdergemeine aufgenommen, 1745 nach Gnadenfrei. 522 ����������������������������������������������������������������������������������������� Anna Helena Haberland, geb. Jähne (1710–1787), Diaconisse, verheiratet mit Michael Haberland (1698–1782).

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huth, besezt worden. Was die Kinder betrift, so hatte der Bruder Hahn523 aus Bresslau den 22. Martii die Schule der Knaben, und die Rachnern524 bey den Mägdgen von Bügels übernommen. Den 28. Augusti zogen 6 grosse Mägdgen, die ohne Schaden nicht bey ihren Eltern bleiben konten, unter der Rosina Schreiberin525 und Anna Steinerin526 Aufsicht in Osts527 Hause in eine Anstalt zusammen. Desgleichen zogen den 18. Novembris 17 Knaben mehrentheils aus Gnadenfrey, wiewol auch nach und nach einige aus Peile dazu genommen worden, unter der ledigen Brüder Trispels528 und Göbels529 Aufsicht in Röslers530 Hause in eine Gemeinmäßige Schul-Anstalt zusammen. § 50. Die Einrichtungen und den innern und äußern Zustand der [224] Gemeine kann man aus folgendem ersehen. An dem Gedenktag des vorjährigen Gemeinschlußes, den 13. Januarii,531 war ein Liebesmahl von 300 Gemeingliedern. Man erinnerte sich, daß von den erstenn 220 aufgenommenen in dem Jahr 4 heimgegangen und 6 zurückgetreten oder aus gethan worden, zum Theil ohne Hofnung, daß von den ersten Communicanten einige 50 seitdem nicht haben können admittirt werden und manche, die mitgegangen, in einen nicht erfreulichen Zustand stehen. Ich finde, daß den 27. Septembris dieses Jahrs 27 Brüder und 12 Schwestern von den ersten Communicanten wieder zum Abendmahl gelanget,532 und allererst dazu eingesegnet worden. Es waren in diesem Jahr 91 Personen zum Abendmahl gelangt und nur 32 aufgenommen worden.533 Denn seit d[ato] 11. Novembris 43 hatte man sich wegen des Proselyten-Puncts nicht getrauet, jemanden aufzunehmen. Man entschloß sich erst bey Gersdorfs Besuch, den 10. Octobris, Leute aufzunehmen, und dieses geschahe seit dem 11. Novembris 43 zum erstenmal den 11. Octobris mit 7 alten Vätern und 4 alten Müttern.534 Sonst waren in dem Jahr 27 Kinder getauft worden,535 darunter des ersten in Gnadenfrey getrauten Ehepaars n

Folgt gestrichen: 200.

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523 Heinrich Hahn (1701–1775), Schulhalter. Vgl. Unitätsarchiv Herrnhut, Sign. R.27.101.1. 524 ����������������������������������������������������������������������������������������� Helena Rachner aus Gnadenfrei († 1771). Vgl. Kirchenbuch Gnadenfrei. Ebd., Sign. Kirchenbuch 071. 525 Rosina Schreiber (G 1745). Vgl. ebd., Sign. R.27.101.6. 526 Wahrscheinlich Anna Steiner († 1759). Vgl. ebd., Sign. R.27.101.7. 527 Christian Gottlieb Ost (G 1701) aus Reichenbach, einer der Helfer. Vgl. ebd., Sign. R.27.101.1. 528 Richard Trispel, Weber. Vgl. ebd., Sign. R.27.101.4. 529 Konnte nicht nachgewiesen werden. 530 �������������������������������������������������������������������������������������������� Johann Gottlob Rösler (1710–1780) aus Egelsdorf bei Friedberg, Stricker, Mitglied des Aufseher-Collegiums. 531 Diarium der Gemeinde Gnadenfrei 1744. Unitätsarchiv Herrnhut, Sign. R.7.D.I.b.1.a.1743– 1750, 1. 532 Ebd., 18. 533 Ebd., 28. 534 Ebd., 20. 535 Zu diesen statistischen Angaben vgl. jeweils die Angaben nach dem 31. Dezember eines Jahres.

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Geschichte der Evangelischen Brüder-Gemeinen in Schlesien

Fischers Töchterlein Maria Magdalena,536 den 12. Julii,537 der Erstling der [225] im Ort Gnadenfrey Gebornen war, und eben so den 16ten Septembris, [der Erstling] der daselbst Entschlafenen wurde, deren in diesem Jahr zusammen 24 waren. Unter diesen war auch der Erstling aus dem Paedagogio auf dem Schlössel, Hans Casimir [Carl] von Damniz,538 den 16. Septembris.539 Es waren in diesem Jahr auch 8 Häuser gebauet, und den 28. Aprilis mit 36 Personen, die gebauet oder noch bauen wolten, ein Abendmahl gehalten und ihnen der Revers vorgelesen worden. Ein Mann, der seine Stelle auf dem Bau-Plaz nicht verkauffen wolte, mußte nebst andern, die vom Landrath zur Recrutirung gestellt worden, drum spielen, und es traf ihn. Dadurch wurde der Bau-Platz völlig geräumet. § 51. Wegen immer stärckern Zulauf zu den Predigten sahe man sich genöthiget, ein neues Bethauß zu bauen. Der Grundstein wurde den 12. Mayi in Gegenwart von 500 Menschen und vieler Zuschauer aus dem Dorf gelegt.540 Ich will aus der von Bruder Hehl. sehr schön und lebhaft beschriebenen 3 stündigen Solennitæt, einen kurzen Auszug mittheilen.541 Die Gemeine versammelte sich um 8 Uhr im alten Bethauß im Hofe. Hehl hielt eine Rede und erzehlte die Denckwürdigkeiten dieses [226] Tages seit 1724.o Die Versammlung ging Chorweise in Procession unter Music und Gesang auf den BauPlaz und schloß einen Crais. Unter dem Gesang: „O wie sehr lieblich sind all’ deine Wohnung“ etc. richteten Seidliz und Hehl den Stein auf, Leupold, Melchior Till, Guts und Bügel bestrichen ihn mit Kalck, und erstere legten ihn in den Grund. Seidliz stellte sich darauf und danckte dem Heiland für alle seit 6 Jahren an diesem Ort und Gegend erzeigte Gnade und Wunder und flehete für diese Gemeine und alle aus den namentlich angeführten Dörfern, dazu gehörige Seelen, für die Obrigkeit und das ganze Land, für alle Gemeinen in Schlesien und in der ganzen Welt, sonderlich für Herrnhuth, von daher so viele Segen auf Peile gefloßen. „Er bat den Heiland, daß er sein Volck von Kind auf Kindes-Kind bey dieser Gnade wolle bewahren und diese Segens-Oeconomie in keinen Verfall gerathen laßen oder lieber auch dieses Hauß und Ort zerstört werden laßen“.542 Zulezt bat er um Vergebung alles, was er bisher in der Sache des Heilands o

Am Rand ergänzt: 1742? Cranz denkt wohl an den 12. Mai 1727, als die Herrnhuter Statuten erlassen wurden. Vgl. Cranz, David: Alte und Neue Brüder-Historie oder kurz gefaßte Geschichte der Evangelischen Brüder-Unität in den ältern Zeiten und insonderheit in dem gegenwärtigen Jahrhundert. Barby 21772 [11771], 140.

_______________________________ 536 537 538 539 540 541 542

Maria Magdalena Fischer (1758–1798). Kirchenbuch Gnadenfrei. Unitätsarchiv Herrnhut, Sign. Kirchenbuch 071, 98. Hans Casimir (Carl) von Damniz (1736–1744). Kirchenbuch Gnadenfrei. Unitätsarchiv Herrnhut, Sign. Kirchenbuch 071, 98. Diarium der Gemeinde Gnadenfrei. Ebd., Sign. R.7.D.I.b.1.a.1743–1750, zum Datum. Ebd., Sign. R.7.D.I.a.1, 3. Das Zitat findet sich ebd., 4.

Zweiter Teil, Abschnitt 1: 1743 bis 1745

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versehen, versäumet oder gehindert, und empfahl sich, die seinigen, die ganze Peilsche Gemeine und sonderlich Gnadenfrey zum ewigen Bund der Gnade und des Friedens. Es geschahe alles mit einer solchen Bewegung, daß kein [227] Herz ungerührt blieb, bey gewißen Passagen war ein allgemeines Weinen, und unsers theuren Bruder Seidliz Herz war so voll, daß seine Hütte zitterte und Herz und Mund und Hände und alle Kräfte seines Leibes beteten und redeten. Nach einigem Gesang wurden die Kinder herbey gerufen. Inzwischen hielt Hehl eine Rede des Inhalts: Die Kirchenfreyheit und Privilegia seyn oft eine Gelegenheit zum Verfall und laodicaeischen Wesen gewesen; dafür solle uns der Heiland bewahren, und lieber, wie wir gebetet, alles äußerlich zu Trümmern gehen laßen. Es müße aber nicht immer so gehen. Wir stünden ja auf dem ewigen Felsen. Das Evangelium bringe Leben und Unverweslichkeit mit sich und sei ein Balsam gegen alle putrefaction.543 Das Halten über dem Wort von Jesu Leiden bewahre eine jede Seele vor der Stunde der Versuchung. Wir machten uns auf dieser Stelle dazu verbindlich, daß in diesem Hause nichts als das Wort von Jesu Versöhnung gepredigt werden solle, und zwar von Leuten, denen es selbst zur Gottes-Kraft geworden. Und wem das nicht anstehe, der würde von selbst davon gehen. Unsre jetzige Kirchen-Freyheit bleibe also immer in der Schwebe und auf der Wage, wir würden deswegen immer das verachtetste Volck bleiben und woltens gern bleiben. Wir wolten uns nicht an die Kirchen-Freyheit [228] binden oder uns durch unsre privilegirten Plätze binden laßen. Wir bauten das Hauß nicht für uns, die in 10, 20 Jahren vieleicht nicht mehr lebten, sondern für unsre Kinder, daß sie auch in der Gnade Jesu aufwachsen solten etc. Indeßen waren die Kinder paarweise und nach den Mägdgen eine grosse Heerde Mütter mit ihren Kindern auf den Armen, zusammen 228, herbeygekommen und stellten sich in den Crais. Hehl redete sie herzlich an,544 erklärte ihnen die Absicht dieses Baues und ließ jedem zum Andencken eine Semmel austheilen. Darauf begab sich die Procession wieder in den Hof, schloß vor dem alten Saal einen Crais und beschloß mit Lobgesang. Zulezt hatten die Arbeiter und einige Gäste ein Liebesmahl, wobey Seidliz den Anfang der Erweckung und der Gemeinsache in Schlesien erzehlte, welches schon Pars I § 26 angebracht worden. § 52. Man kan hieraus abnehmen, was für Gnade, Liebe, Einfalt und Lauterkeit bey allen Gebrechen und dem Mangel der Einsicht bey dem ersten Anfang dieser Gemeine gewaltet. Wie lebhaft der Gottes-Dienst gehalten worden und wie begierig alles nach dem Wort Gottes gewesen und sich alle Gelegenheit zu Nutze gemacht, kann man aus folgenden kurzen Auszug, der Beschreibung des Pfingstfestes, sehen. Am 23. Mayi545 [229] früh wurde das Fest mit Trompeten und Music angemeldet, die ledigen Brüder machten mit 543 Verwesung, Fäulnis. 544 Unitätsarchiv Herrnhut, Sign. R.7.D.I.a.1, 6. 545 Diarium der Gemeinde Gnadenfrei 1744. Unitätsarchiv Herrnhut, Sign. R.7.D.I.b.1.a.1743– 1750 vom 24. bis 26. Mai 1744. Der 23. wurde korrigiert aus 25. Mayi.

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Geschichte der Evangelischen Brüder-Gemeinen in Schlesien

ihrer Music die Antiphone. Alles kam aus den Häusern heraus und stimmte mit Gesang ein, auf dem Bau-Plaz des neuen Bethauses wurde gesungen: „Komm heiliger Geist, Herre Gott“546 etc. Um 8 Uhr war die Predigt und darauf die Kinderstunde. Um 12 Uhr gingen die mehresten Geschwister und Gäste aufs Schlössel. Es waren 520 Personen. Da wurde von Bruder Christian Heintke547 die Fest-Geschichte musicalisch abgesungen, und von Bischof Müller darüber geredet. Dann hatten die Stunden-Beter, dazu etliche neue kamen, 52 an der Zahl, ein Liebesmahl, und wurden die bedrückten Umstände von Rösniz und einige Personen ins Gebet empfohlen. In Gnadenfrey wurde der Tag mit der Gemeinstunde beschloßen. Am 2. Feyertage, den 25., war um 8 Uhr Predigt, und darauf wurden in 2 Theilen des Gemeintages Briefe von vielen Seelen in der Nachbarschaft wie auch Nachrichten von andern Gemeinen und Posten gelesen und dann ein paar Chor Viertelstundenp gehalten. Im 3ten Theil des Gemeintages wurden noch einige Briefe gelesen, eine Rede gehalten und ein lediger Bruder aus Sachsen (Caspar Beyer548) in die Gemeine readmittirt. Um 6 Uhr war alles zu Ende. Allein nun gingen nach geschehener Anzeige ein Häuflein Männer auf den Mittelberg, die ledigen Brüder auf den [230] Gottes-Acker und die ledigen Schwestern auf den Questenberg. Erstere sezten sich auf den Mittelberg in einen Crais, redeten, fragten und antworteten einander und sungen zu den abgehandelten Materien einige Verse. Ohne die aus den nächsten Dörfern, die immer herkommen, waren die anwesenden Männer, aus 7 benachbarten Städten und 28 Dörfern. Im Heruntergehen unter Gesang sahen sie die ledigen Brüder auf dem Gottes-Acker, die Wallis549 je 2 und 2 zusammen rangirt, da sich denn die 2 ins besondere verbanden, des Heilands zu seyn und einander darinnen beförderlich zu seyn. Wallis, Christian Schulz und Heintke holten ihre geschenkten Pfingstkuchen, hielten Liebesmahl mit den Brüdern und mit den Knaben und Kindern, die in einiger Entfernung beysammen saßen und zusahen. Diese 3 Arbeiter verbanden sich mit dem ganzen Chor, für den Heiland zu leben und ihm unter ihnen zu dienen. Es waren 70 ledige Brüder. Die Männer grüßten bey ihrer Annährung die ledigen Brüder mit dem Vers: „Sagt uns was, wie heißt der Paß, den man in aller Welt bey euch ließt?“550 Die ledigen Brüder antworteten: „Hier ist wer, der weiß nichts mehr, als daß sein Schöpfer sein Heiland ist“ [...] Alle: „Sey gelobt, Herr Jesu Christ, daß du Mensch geboren bist.“ Unter dem Gesang stellten sich die Männer hinter die ledigen Brüder und folgten ihnen, da sie und die Knaben [231] mit Music in den Hof zogen, dahin nach, formirten einen Crais und sungen etliche p

Für gestrichen: Abendstunden.

_______________________________ 546 547 548 549

HG Nr. 148 von Martin Luther (1483–1546), EG Nr. 125. Christian Heintke (1719–1776), Organist. Johann Caspar Beyer (1719–1785), Gehilfe von Sigismund von Gersdorf, Wirtschaftsinspektor. Johann Georg Wallis (1720–1776), 1740 in die Brüdergemeine aufgenommen, 1764–1767 in Gnadenfrei, 1774 Missionar in Salem (North Carolina). 550 HG Nr. 1340, 7 von Nikolaus Ludwig von Zinzendorf (1700–1760) 1739 aus dem Lied „Seligs Volk der Zeugenwolk“.

Zweiter Teil, Abschnitt 1: 1743 bis 1745

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Verse zum Abendsegen. Die ledigen Brüder gingen darauf in ihr Hauß und hielten die gewöhnliche Viertelstunde und Abendsegen. Am 3ten Feyertage, den 26., war Predigt und denn Kinder-Bettag. Um 12 hatten die ledigen Brüder ihre Viertelstunde und um 3 Uhr hielt Seidliz eine allgemeine Stunde. Zwischen den Versammlungen kamen die Besuchenden, zum Theil noch über etwas auszureden, zum Theil Abschied zu nehmen, welches Dörferweise geschahe. Um 7 Uhr war Gemeinstunde. Nachher hatten die Arbeiter ein Liebesmahl zu des Ordinarii Geburts Tag. Seidliz erzehlte seine erste Bekanntschaft mit demselben und deßen Besuch in Schönbrunn551 1726. Inzwischen kamen die ledigen Brüder, die mit Music im Ort herum gezogen, vors Bethaus und sungen der Arbeiter-Gesellschaft Verse. Nachdem diese ihnen angezeigt, warum sie beysammen wären, stimmten die ledigen Brüder mit ihrer Music dem Ordinario noch einige Verse an. So wurden mit danckbarem Gefühl aller genoßenen Gnade die Feyertage beschloßen. § 53. In Biele hielt Pastor Conrad mit mehr als 200 Seelen, die die Gemeine liebten und besuchten, Versammlung, zu welcher [232] sich auch die beym Gemeinschluß Aufgenommenen hielten.552 Mehrere aber wurden vor die Zeit nicht aufgenommen. Und die schon mit der Gemeine zum Abendmahl gelanget, mußten doch nebst ihren Arbeitern Guts553 im Bethaus mitgehen, wenn Pastor Conrad von Dirsdorf dem dasigen Conrad das Abendahl reichte, wobey dieser nachr dem schon in Dirsdorf beschriebenen Gebrauch (Pars I § 23) vor dem Häuflein die Beichte ablegte. Ein solches gemeinschaftliches Abendmahl von 125 Erweckten, wobey die Aufgenommenen zum erstenmal gewesen, wird unterm 18. Mayi im Diario554 als ein besondrer Segens-Tag beschrieben. Conrad hatte auch zur Gehülfenschaft bey den ledigen Schwestern, derer sich bisher seine Stief-Tochter Elisabeth Kretschmerin,555 nunmehrige Jacob Müllerin,556 angenommen, am 5. May die Schwester Sabina Frömmigin erhalten, die bey ihm in Girnts557 Hause wohnte und beköstigt wurde. Sie konnte sich aber mit deßen Frau nicht wohl betragen558 und kam den 5. Octobris als der Graebnerin Gehülfin nach Gnadenfrey. Damit man aber doch wüßte, welche Seelen eigentlich zur Gemeine gehören und weder r

Für gestrichen: bey.

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551 ���������������������������������������������������������������������������������������������� Schönbrunn (poln. Struźina), Kreis Strehlen, gehörte zur Herrschaft von Ernst Julius von Seidlitz (1695–1766). 552 Catalogus von Langenbielau 1745. Unitätsarchiv Herrnhut, Sign. R.27.101.8. 553 Helene Guts, geb. Berger (1711–1778) und ihr Ehemann Johann Michael Guts († 1770). 554 Das Herrnhuter Exemplar des Diariums sagt darüber nichts. 555 Elisabeth Kretschmer, verh. Müller (1723–1788), 1746 Diaconisse. 556 Johann Jacob Müller (1712–1781), 1740 in die Brüdergemeine aufgenommen, diente Nikolaus Ludwig von Zinzendorf (1700–1760) als Schreiber und in der Diasporaarbeit. 557 Hans Christoph Girnt (G 1715), Freigärtner. 558 vertragen.

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Geschichte der Evangelischen Brüder-Gemeinen in Schlesien

die jetzigen noch künftigen Prediger ihre Freyheit kränken könten, so solte ein Catalogus gemacht und dem Grafen praesentirt werden, ja Conrad wie auch der in Dirsdorf solten einen Revers dieser Seelen halber von sich stellen. Ich finde aber nicht,559 [233] daß eins oder das andre geschehen. Conrad ließ ihnen alle Freyheit und sahe es gerne, daß sie von Guts und der Frömmigin mit Besuch und Gesellschaften bedient wurden und nach Gnadenfrey gingen, wolte sie aber doch beym Bethaus erhalten, und obgleich einige schon mit der Gemeine zum Abendmahl gingen, die Aufnahme von mehrern und die Taufe der Kinder nicht zugeben. Uebrigens continuirte die Herrschaft in ihrer freundschaftlichen Gesinnung, die Gräfin besuchte mit ihren Comtessen die Versammlungen und bewog ihren Herrn, 3 derselben bey den im Herbst ausgebrochenen Kriegs-Troublen zur Erziehung nach Herrnhuth zu bringen. Es muß aber doch der Graf über Guts dahin ziehen ohne seine Erlaubniß unzufrieden gewesen seyn, denn ich finde Volume II 61 ein Entschuldigungs-Schreiben deshalb vom Ordinario an ihn unterm 11. Merz 44560 und im Supplement Volume II 12 eine höfliche Antwort von demselben, den 12. Merz.561 Die Peterswalder hatten zwar nach § 34 ihre Concession verloren und auf Gersdorfs Ansuchen, ihnen einen Catecheten zu erlauben, keine resolution erhalten, sezten aber an Sonntagen ihre Versammlungen fort und bekamen mit mündlicher Erlaubniß von Seiten der Herrschaft die Geschwister Bügels, welche ihnen bey einem Liebesmahl von 90 Personen im Schlössel [234] den 22. Merz als Aeltesten vorgestellt wurden.562 Sie wollten nach dem Exempel der Stettiner auch bey sich das Abendmahl, Bettag und Chor-Viertelstunden haben, wurden aber bedeutet, daß sie dieserhalb nur 3 Stunden weit bis Gnadenfrey zu gehen hätten. Jedoch wurde ihnen nach der Besetzung des Schlössels erlaubt, den Gemeinstunden und den Abend Mahlen daselbst beyzuwohnen, und in der Woche ein paarmal die Abendmahls Viertelstunde an ihrem Ort zu halten. § 54. In Dirsdorf gings nach der § 28 beschriebenen Ordnung ruhig fort. Die Græbnerin hielt sich eine Zeitlang bey dasigen ledigen Schwestern auf. Die Abendmahls Gesellschaft, die manchmal eine Unterredung und Liebesmahl in Gnadenfrey hatte, belief sich auf 130 Seelen. Die auswärtigen Geschwister wurden alle Mittwoch von 15 Brüdern und 15 Schwestern besucht, und diese hatten hernach Conferenz. Die Weigelsdorfer563 baten um ein paar Geschwister zu sich, mußten sich aber mit Gutsens Besuch begnügen. Daß aus der Gegend in der Nähe und Ferne viele Leute zum Besuch gekommen, ist bekannt, sie 559 Damit ist wahrscheinlich der oben genannte Catalogus gemeint. Unitätsarchiv Herrnhut. Sign. R.27.101.8. 560 Ebd., Sign. R.5.B.5.b, Nr. 71. 561 Ebd., Nr. 72. 562 Diarium der Gemeinde Gnadenfrei 1745. Ebd., Sign. R.7.D.I.b.1.a.1743–1750, 4. 563 Weigelsdorf (poln. Wigancice), Kreis Frankenstein.

Zweiter Teil, Abschnitt 1: 1743 bis 1745

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mußten aber an einigen Orten viel darüber aus stehen, wie denn der Baron von Cettriz564 in Wenigmonden565 in kurzer Zeit 39 Personen darüber [235] vertrieben, jedoch mit dem Attetstat, daß sie ehrliche Leute seyn. Die Lutherschen Prediger forderten an einigen Orten von den Brüdern die Jura stolæ für Taufen und Begraben, und es wurde sogar durch ein Cammer-Decret von Bresslau gut geheißen, daß der Seiffensieder Baudiss566 zwar von Reichenbach ziehen könte, aber dem Lutherschen Prediger für Begraben und Taufen und der Stadt wie vorher sein Nahrungs-Geld zahlen solte. Im Oelsnischen hielt sich Bruder Hoyer567 noch beym HErrn von Geisler568 als Informator seines Schwesternsohns auf. Er hielt alle Tage Stunden in Schickerwiz.569 Es war da und in der Gegend eine große Erweckung, und im Juni that Seidliz und Heinrich Nitschmann von Bresslau aus einen Besuch daselbst. Es kamen auch viele von daher zum Besuch nach Gnadenfrey. Das machte Aufsehen, und Hoyer mußte sich im Juli vor 2 Pfarrer[n] verantworten. Er nahm bald darauf seinen Abschied und reiste den 24. August von Gnadenfrey nach Herrnhuth ab. An seine Stelle reisten Leupolds den 26. Augusti dahin zum Besuch, der bis im December dauerte. Wenn Hoyer auf seinen Besuch in Gnadenfrey durch Bresslau reiste, hielt er auch daselbst die Stunde, die sonst alle Sonntag und Mittwoch von dem Thorsteher570 Hahn571 oft zu 100 Personen, die meist aus Neugier kamen, gehalten wurden. Als aber 1743 die mit dem Inspector Burg verwandte [236] Pfarrer-Wittwe Segnerin572 aus Unruhe ihres Herzens in Herrnhuth besucht hatte, entstund (wies schon 1742 geschehen, da Seidliz die Versammlungen gehalten) zu Ende des Jahrs 1743 abermals ein gefährlicher Auflauf des Volcks; und gleichwolt wurde den Brüdern nicht vom Magistrat die Versammlung verboten (denn sie konnten so wenig als die Pfarrer dem Hahn ankommen), sondern von Gnadenfrey aus widerrathen. Hahn zog von da weg aufs Schlössel und übernahm hernach die Schule in Peile. In Bresslau fanden sich aber 1744 bald wieder einige Seelen beym Bruder Just573 zusammen, und da Samuel Krause die dort im Winter-Quartier befindlichen Soldatens t

Folgt gestrichen: oben. Für gestrichen: demnach.

_______________________________ 564 565 566 567 568

Konnte nicht nachgewiesen werden. Konnte nicht nachgewiesen werden. Ferdinand Baudiss (G 1711). Jens Hoyer (1716–1792). Joachim Heinrich von Geißler (1697–1757), 1732 verheiratet mit Anna Catharina, geb. Braugsch, kaufte 1732 das Gut Schickerwitz, Kreis Oels, wurde 1743 in die Brüdergemeine aufgenommen und verkaufte sein Gut. 569 Schickerwitz (poln. Siekierowice). 570 in der Bedeutung Türwächter, der in der Schule zwischen dem Pedell und Schuldiener stand. 571 Wahrscheinlich identisch mit Heinrich Hahn (1701–1775). 572 ���������������������������������������������������������������������������������������� Wahrscheinlich die Mutter von Johann Joseph Segner (1739–1804), der Beziehungen zur Brüdergemeine hatte. 573 Johann Georg Just (1719–1779), Saaldiener in Gnadenfrei, Curator der Witwen.

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Geschichte der Evangelischen Brüder-Gemeinen in Schlesien

Brüder besuchte und in Gesellschaften einrichtete, hielten sich auch einige BürgersLeute zu den Versammlungen, die von Jacobi,574 und nach deßen Tode von Mühlhof575 in Justs Hause gehal ten wurden. Von Lissa in Polen vernahm man, daß etliche Seelen, die sich mit den Brüdern eingelaßen, auf Anstiften der 2 Seniorium der dortigen Unität ins Gefängniß gelegt worden. Seitdem die Böhmen in Schlesien von ein paar Böhmischen Brüdern aus Berlin besucht worden, wurde diesen auch die Gemeine bekannt. Am 28. Februarii kam einer von Münsterberg [237] und einer aus Tarnowiz in Oberschlesien, dem Graf Henkel gehörig, zum Besuch und empfahlen sich der Gemeine.576 Am 22. Junii kamen abermals 2 Böhmen aus Tarnowiz577 und referirten den Zustand dasiger Böhmen, deren einige Erscheinungen und unter allerley Verdrehungen, Offenbarungen zu haben vorgegeben.578 Sie wollten der Brüder Meinung darüber vernehmen. Die wurde ihnen dahin schriftlich gegeben, daß sie dadurch vom einfältigen Wege zur Seeligkeit ab und in schwärmerische Abwege verleitet werden würden. Man hat hernach erfahren, daß sie dadurch zu den gräulichsten Schandthaten verleitet worden. Jedoch sind hernach einige wieder nüchtern worden und zur Böhmischen Gemeine in Berlin gekommen. § 55. Im Sommer des Jahres 1744 war der 2te Schlesische Krieg ausgebrochen, und die Geschwister in Peile wurden den 11. Augusti mit der ersten Einquartirung beunruhigt.579 In Weynachten wurden sie abermals starck damit beschwert, aber noch vor Ende des Jahrs davon befreyt.580 Das Jahr 1745 empfanden sie die Kriegs-Noth am meisten. Die erste Einquartirung den 8. Januar währte zwar nur eine Nacht, den 27ten aber rückten 2 Regimenter in Peile ein. Sie marschirten [238] zwar immer wieder aus, es kamen aber 574 Jacobi († 1746). 575 Konnte nicht nachgewiesen werden. 576 Diarium der Gemeinde Gnadenfrei 1745. Unitätsarchiv Herrnhut, Sign. R.7.D.I.b.1.a.1743– 1750, 3. 577 Tarnowitz/OS (poln. Tarnowskie Góry). 578 Diarium der Gemeinde Gnadenfrei 1745. Unitätsarchiv Herrnhut, Sign. R.7.D.I.b.1.a.1743– 1750, 3: „Waren zwei Böhmen von Tarnowitz da und berichteten ihren Zustand und Erscheinungen, worüber Sie der Brüder Gedadnken und Sinn wißen wollten. Man ließe Sie mit einer Hertzlichen Warnung vor dergleichen außerordentlichen wegen, davon wir keine Freunde wären, wieder von hier in frieden ziehen.“ 579 Diarium der Gemeinde Gnadenfrei 1744. Ebd., 12, zum Datum. „War auf dem Hofe hier und im Dorff eine Starke einquadrdirung von Preußischen Reuttern, sie hielten sich aber ganz still und zogen den andern morgen wieder in Friede ab.“ 580 Ebd., 26f., zum 26. und 27. Dezember: „Wurden die Versammlungen und Gelegenheiten in ihrer Ordnung fest gehalten und wir haben dem lamm besonders zu danken, daß es uns wieder alles vermuthen solche stille und ruhige feyertage geschenkt bey der vielen Einquartirung und marchen und andern Kriegs trubeln um und um, welches uns alles in Gnadenfrey gar nicht und in dem Dorf einige wenige der unsrigen Brüder troffen hat und doch diese noch so, daß sie die gütte des Heylands zu preisen ursache fanden.“

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immer neue, so daß sie in 14 Wochen derselben nicht los wurden. Und da zugleich das Lazareth da war, so riß eine graßirende Kranckheit ein, daran im Januar 40 Geschwister in Peile danieder lagen, auch einige, die der Heiland dadurch retten wolte, starben.581 Gnadenfrey blieb zwar verschont: allein der Gemeingang gerieth in Unordnung. Die Chor-Virtelstunden mußten eine lange Zeit und auch einigemal das Abendmahl ausgesezt werden, weil die Geschwister sich nicht wohl aus ihren Häusern entfernen durften. Einigen Eltern mußte man sogar die Kinder abnehmen, damit sie nicht verführt würden. Sie geriethen auch manchmal in Feuers-Gefahr, wie denn am 17. Merz ein Lieutenant auf dem Mittel-Peilschen Hofe, der unter seinem Bett Pulver stehen hatte, das Licht neben seinem Bett brennen ließ, welches den Stuhl entzündete, doch ehe es das Bett und Pulver ergriff, gelöscht wurde. Man konnte den Geschwistern nicht so oft mit dem sonst gewöhnlichen Besuch zu Hülfe kommen, und doch fand man zum Lobe Gottes, daß ihnen diese Noth mehr zum Segen als Schaden gewesen. Die Soldaten hatten auch die Predigten fleißig, und viele nicht ohne Segen, besucht, daher ihnen zu Liebe statt der Chor-Virtelstunden des Nachmittags eine Predigt gehalten und den [239] 1ten Merz der Saal zu ihrem Abendmahl eingeräumt wurde. Am 24. Aprilis marschirten sie ab ins Lager bey Frankenstein, allein den 30. May sahe man die ganze Armee von 80000 Mann neben Peile vorbey ins Lager zwischen Reichenbach und Schweidnitz defiliren. Dadurch wurde diese Gegend den feindlichen Streifereyen blos gestellt. Dieses bewog die Brüder, das Schlössel aAugusus zu leeren und die Kinder, bis auf etliche wenige, die nach Ober-Peile kamen, mit ihren Brüdern nach Bresslau in Sicherheit zu bringen, wo sie bis den 9. Julii blieben. Den 4. Junii war die bekannte Schlacht bey Striegau zum Vortheil des Königs. Dem ohngeachtet streiften und plünderten die feindlichen Husaren auf den Straßen und in den benachbarten Dörfern, auch in Biele und Peterswalde, wo sie sonderlich den Graf Promniz so übel behandelt, daß sein Ende dadurch befördert worden. Den 3. Septembris kam die Reihe an Peile. Im Schlössel hatten sie sich mit einigen silbernen Löffeln der Kinder befriedigen laßen; auf den Peilschen Höfen aber etwas Vieh und Pferde weggetrieben. Auf den Ober-Peilschen Hof kamen sie zum SabbathsLiebesmahl der Arbeiter zu recht. Sie forderten 300 Ducaten, und da der alte HErr von Schrautenbach582 sie mit harten Worten [240] abweisen wolte, banden sie ihn und fingen an, Excesse zu begehen. Die Geschwister besänftigten sie aber bald mit ihrem Liebesmahl Kuchen und Bier und mit 80 Stück Ducaten, womit sie, ohne in Gnadenfrey einzusprechen, vergnügt fort ritten. Nachdem sich beyde Armeen wieder nach Böhmen gezogen, wo den 29. Septembris die Schlacht bey Sorr oder Trautenau zum Vortheil der Preussen war, auch die Sachsen nach der Schlacht bey Kesselsdorf den 15. Decembris 581 Ebd., 8 zum 14. Januar 1745: „In der Zeit war die Kranckheit, die im niederen theil von Peilau durch die Soldaten zurückgelassen worden, aufs höchste gekommen, da im dorff über 40 Personen dran lagen, meist von leuten, die zu unserer Gemeine gehören. Doch sind nicht mehr als 4 Männer dran heim gegangen. Der erste davon war Martin Böhm, dessen Hütte am heutigen Nachmittag auf den Gottesacker gebracht worden.“ 582 Wahrscheinlich Ernst von Schrautenbach (1691–1750).

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Geschichte der Evangelischen Brüder-Gemeinen in Schlesien

Friede gemacht, wurde man nicht viel mehr vom Kriege gewahr, bis zum 15. Decembris, da Peile Einquartirung bekam, die aber auch noch vor Weynachten abmarschirte. Die Arbeiter hatten die Soldaten-Brüder in ihren Stand-Quartieren fleißig besucht, die ihre 2 begabten und gesegneten Lehrer, Jacobi, an einer Kranckheit zu Bresslau im Merz und Rauch an einer blessur zu Schweidniz im December verloren. Und endlich erfolgte noch vor Ende des Jahrs der edle Friede, der den 12. Januarii 1746 mit einer Predigt über Ps. 118, 23. 24. celebrirt wurde. § 56. Unter diesen Unruhen ging gleichwol eine große Veränderung der Arbeiter vor. Heckners583 kamen den 23. Februarii von Marienborn als Kinder-Eltern hieher. Die Sabina Frömmigin reiste den 4. Martii mit Bügels nach Herrnhuth ab, und ihre Stelle [241] wurde den 15. mit der Langkophin,584 Aeltestin der ledigen Schwestern in Gnadenbergel, ersezt, bis den 29. Augusti die Augustine585 herkam, welche allen ledigen Schwester Chören in Schlesien vorgesezt war. Bischof Müller reiste den 12. Aprilis nach Gnadenberg und kam erst den 31. Octobris wieder aufs Schlössel. Waiblinger reiste den 11. Junii über Gnadenberg, wo er den Pastor Schmid einführte, zum Synodo in Marienborn und kam den 20. Augusti zurück. Seidlitz mußte manche Reise sowol in Gemein- als Vormundschafts-Sachen nach Bresslau thun. Den 29. Augusti kamen Christoph Voigts von Marienborn als Aelteste der Gemeine an Krausens Stelle, die den 6. Septembris nach Gnadenberg abreisten. Die Frau von Tschirschky brachte den 9. Novembris die Martha Mikschin als ihre Gehülfin bey den Wittwen an der Nitschmannin Stelle von Herrnhut wieder hieher. Den 30. Octobris kamen Petschins und Grünewalds von der Pilger-Gemeine wieder hier an, um in Schlesien gebraucht zu werden. So kamen auch Heinrich Nitschmanns, die vorher im Würtenbergischen besucht, von Marienborn wieder nach Schlesien, thaten vom 9. bis 22. Novembris einen gesegneten Besuch in Oberschlesien und Rösniz, wo es noch immer [242] unruhig zuging, und reisten den 1. Decembris nach Neusalz. Leupold586 aber, der schon vor dem Gemeinschluß herein gekommen und in der Gegend wie auch im Oelsnischen gebraucht worden, ging nach einer schmerzlich auszehrenden Kranckheit den 8. Octobris zum Heyland. Auch nahm in diesem unruhigen Jahr Gnadenfrey an Einwohner und Gebäuden zu, wie denn der HErr von Geisler den 7. Septembris aus Schickerwiz im Oelsnischen hieher zog, und so wie der HErr v. Pfeil auf Dirsdorf ein Hauß baute. Der neue Betsaal wurde völlig aus gebauet, und den 17. Octobris bey einem starcken Besuch aus der 583 Gottfried Häckner (1718–1810), 1743 in die Brüdergemeine aufgenommen, 1744 verheiratet mit Catharina, geb. Neißer († 1754), 1745 in Gnadenfrei zum Dienst an den Kindern. 584 Regine Maria Langkopf (1706–1789), 1740 in die Brüdergemeine aufgenommen, 1743 in Gnadenberg und Gnadenfrei, 1750 Diakonisse. 585 Maria Magdalena Augustin(e) (1714–1784), Ältestin. 586 Augustin Leupold († 1745).

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Nähe und Ferne von Bischof Müller mit einer Rede über die Losung: Gott stehet in der Gemeine Gottes.587 Psalm 82, 1. Wir küßen ihn im Geist die Hand588 etc. und mit dem Abendmahl von 252 Personen eingeweihet. § 57. Die unruhige Kriegs-Zeit brachte den Schlesischen Gemeinen eine durchgängige Ruhe vor ihren Drängern und einen Stillstand in den Unterhandlungen zu wege. Nur der Pfarrer Pfeiffer589 in Dittmannsdorf590 hatte, weil einige Leute, die sich sonst zu seiner Kirche gehalten, nach Gnadenfrey gingen, darüber geklaget591 und ein Rescript vom Oberamt den 11. Merz veranlaßt, mit dem Verbot, [243] demselben keinen Eingriff in seine Parochial-Rechte zu thun, ihm die Jura stolæ zu entziehen und Proselyten zu machen. Auf einen Gegen-Bericht des HErrn v. Pfeil592 auf Kleitsch und Dittmannsdorf, Bruder unsers Pfeil, daß die Klage keinen Grund habe, hatte dieses Rescript keine weiteren Folgen. Ich finde in dem Repertorio keine Verhandlungen weder ins Ganze noch in Ansehung einiger Gemeine angezeigt, außer der § 46 angeführten Deduction des Ordinarii Mensis Junii wegen Stettin, wo die Brüder nun anfingen, sehr behelliget zu werden. Und da der Professor Baumgarten593 in Halle durch die Widerlegung seines ­Bedenckens, das die Brüder von der Evangelischen Kirche ausschließt, sich verleiten ließ, um sein Recht zu zeigen, die Brüder nicht nur allerley Abweichungen in der Lehre, sondern auch gottlose Dinge schuld zu geben, so that der Ordinarius ein Ansuchen, denselben zum Beweis anzuhalten, worauf unterm 2. Septembris die Verordnung an Baumgarten erfolgte, sich darüber zu erklären.594 Was hierauf erfolget, ist mir nicht bekannt. Ich finde nur unterm 24. Septembris eine Deduction des Ordinarii595 wegen der Beschuldigungen mit Bitte, dieselben durch eine Comission untersuchen zu laßen. Er reiste selber [244] mit seiner Gemahlin, Sohn und Tochter Benigna und Wattewille im October nach Berlin, um eine solche Untersuchung beym Ministerio zu bewürcken, und übergab eine Idée seiner mit dem Staats-Ministre zu haltenden Conferenz wegen des Proselyten-Puncts und des Etablissements in den Alt-Brandenburgischen Landen nebst 3 Beylagen.596 Was aber deshalber an Cocceji gesandt, wurde ihm von demselben den 7. Octobris remittirt 587 So die alte Lutherübersetzung von 1545. 588 Aus dem Lied von „Willkommen unter deiner Schar“ von Nikolaus Ludwig von Zinzendorf (1700–1760) 1741, HG Nr. 1778, 2. 589 Christoph Pfeiffer (1689–1758), von 1719–1746 Pfarrer in Dittmansdorf. 590 Dittmansdorf (poln. Brodziszów), Kreis Frankenstein. 591 Unitätsarchiv Herrnhut, Sign. R.5.B.5.c, Nr. 1, mit zwei Klagschriften des Pfarrers. 592 Julius Friedrich von Pfeil und Klein-Ellguth (1698–1772) auf Kleutsch und Dittmannsdorf, 1728 verheiratet mit Luise Charlotte von Studnitz (1701–1748). 593 Siegmund Jacob Baumgarten (1706–1757), Professor der Theologie in Halle an der Saale. 594 Unitätsarchiv Herrnhut, Sign. R.5.B.4, Nr. 32. 595 Ebd., Nr. 40, Nr. 41. 596 Ebd., Nr. 36–39, Schreiben Nikolaus Ludwig von Zinzendorfs (1700–1760) und die 3 Beilagen.

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und ans Departement der Geistlichen Sachen verwiesen.597 Dieses war nicht anders zu vermuthen, da Cocceji schon eine geraume Zeit die eigentliche Triebfeder aller unbilligen Behandlungen, sonderlich gegen die Stettiner war. Indeßen hatte doch des Ordinarii Aufenthalt und Unterredungen mit verschiedenen Ministres in Berlin den Nutzen, daß sie sich in Ansehung der enormen Beschuldigungen bedeuten ließen und sich willig bezeugten, die Brüder gegen die Beeinträchtigungen zu schützen. Man kan davon etwas mehrers finden in deßen Leben, S. 1620.598 Von Berlin reiste der Ordinarius den 20. Octobris über Neusalz nach Gnadeck und hielt den 27. und 28. eine Conferenz mit den Schlesischen Arbeitern, wozu von Gnadenfrey Bischof Müller, Seidliz, Voigt und die Augustine berufen wurden. [245]599 § 58. Die Gemeine ging und bauete sich in der Stille ohne Aufsehen und Unruhe bey allen Lästerungen, womit die Welt um diese Zeit mehr als vorher überschwemmt wurde. In Gnadenfrey waren schon im September 218 Einwohner gezehlt, und die Gemeine vermehrte sich durch die Aufnahme mit 173 Gliedern.600 Nur an dem ersten Gemeintag auf den neuen Gemeinsaal den 20. Novembris wurden 67 Personen aufgenommen, darunter auch die Peterswälder und Bieler, die im Anfang mit beym Abendmahl gewesen, aber aus Furcht, bey ihren Herrschaften Unruhen zu erregen, bisher nicht als Mährische Brüder sondern als Diaspora waren behandelt worden. Zum Abendmahl gelangten in diesem Jahr 36, die Taufe hatten 33 Kinder erhalten und 22 Personen waren heimgegangen. Ein Mann aber, der etliche mal mit zum Abendmahl gegangen und doch keine Veränderung, auch währender Krankheit an sich blicken laßen, wurde auf den Catholischen Kirchhof begraben. In Liturgico finde ich keine weitere Veränderung, als daß am 13. Novembris das Pedilavium,601 welches bisher nur die Arbeiter manchmal gehabt, allen Communicanten gehalten worden. Im Diario wird einigemal angemerckt, daß bey Vogts602 Ankunft ein neues [246] Leben in die Versammlung gekommen. Er theilte das Ehechor und hielt jeder Abtheilung nach dem Maas ihrer Einsicht und Treue unterschiedene Anweisungen. Von den ledigen Schwestern finde ich angemerckt, daß sie den 4. May ihr erstes Chorfest gefeyert und daß die aus den Dörfern fast alle nach Gnadenfrey ziehen wollen, welches ihnen ernstlich gewehrt worden. Man sezte fest, keine in den Ort zu nehmen, bey der man nicht einen besondern Ruf und Geschick 597 Ebd., Nr. 42, 17. Oktober. 598 ��������������������������������������������������������������������������������������� Spangenberg, August Gottlieb: Leben des Herrn Nicolaus Ludwig Grafen und Herrn von Zinzendorf und Pottendorf, Th. 1–8. Barby 1772–1775, hier Th. 3, 1620f. 599 Ebd., 1621. 600 Diarium der Gemeinde Gnadenfrei 1745. Unitätsarchiv Herrnhut, Sign. R.7.D.I.b.1.a.1743– 1750, nach dem 31. Dezember. 601 Feier der Fußwaschung nach Joh 13,1–15. 602 Johann Christoph Vogt (Voigt, 1703–1747), Kutscher beim Hauptmann von Schweinitz, 1738 in die Brüdergemeine aufgenommen, 1745 nach Gnadenfrei.

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ins Heilands Dienst gebraucht zu werden wahrnehme, und die übrigen anzuweisen, in ihren Diensten treulich auszuhalten und sich von der Welt unbefleckt zu bewahren. Unter den Kindern ging es abwechselnd. Man hörte oft Klagen, daß die Eltern zu Hause wieder einreißen, was in der Schule gebaut worden. Den 29. Septembris wurde mit einigen, die in Gesellschaften eingetheilt worden, ein Liebesmahl gehalten und damit ein Anfang zur Kinder-Gemeine gemacht. Am 14. Novembris war eine große Bewegung in ihrer Stunde, und den 4. Decembris wurde auf ihr Bitten ein KinderBettag mit ihnen angefangen. Am 10. Decembris wurden die Conferenzen von neuem eingerichtet,603 so daß alle Tage etliche, und manche die Woche mehr als einmal gehalten wurden. Ich will sie hersetzen: [247] 1.) Helfer-Conferenz, Montags, Dienstags und Freytags Vormittag. 2.) Kinder Conferenz. Mittwochs Nachmittag von 2 – 4 Uhr. 3.) Besucher Conferenz Donnerstags nach der Singstunde. 4.) Gesellschafts Conferenz alle 14 Tage, Freytags Abends. 5.) Kranckenwärter Conferenz alle 14 Tage, Freytags Abends. 6.) Wittwen Conferenz Freytags Nachmittage. 7.) Ledige Brüder Conferenz Dienstags nach der Helfer Conferenz. 8.) ledige Schwestern Conferenz Freytags Abends. § 59. Die Peterswaelder hatten Geschwister Bügels bey sich; weil ihnen aber ihr Unterhalt schwer fiel und sie mit den Abendstunden, Gesellschaften und Besuchen nicht zufrieden waren, sondern auch Ehevirtelstunden und Bettage haben wolten, da doch der innere Gang bey den meisten gleichgültig und trocken war, so wurden ihnen den 28. Februarii diese Geschwister genommen. Sie reisten den 4. Merz nach Marienborn. Es wurde nun darauf angetragen, daß sie eine luthersche Societæt werden; die aber in die Gemeine aufgenommen waren, in eine Schlesische Gemeine ziehen sollten. Und ­Georg Gloger,604 der ihnen bisher die Stunden gehalten, machte den Anfang und zog den 29. Octobris nach Gnadenberg. Auf vieles Bitten erhielten sie die Geschwister Grünwalds, die ihnen den 18. Novembris von Voigts bey einem Liebesmahl von 80 Personen [248] vorgestellt wurden. Ihre Kinder-Anstalt wurde wieder angefangen, und den 20. Novembris wurden 18 Personen, die schon beym Abendmahl gewesen, in die Gemeine aufgenommen. Grünwald hielt ihnen alle Abend eine Stunde, und am Sonntage wurde ihnen von einem der Docenten des Paedagogii eine öffentliche Predigt gehalten, und Taufe und Abendmahl hatten sie auf dem Schlössel. In Biele gings ebenfalls eine Zeitlang träge, sonderlich unter den ledigen. Die Chorarbeiter wolten sie nicht mehr besuchen und die Gesellschaften gar aufheben. Es kam aber ein neues Leben unter das Häuflein, als Vogts den 23. Septembris mit 60 Brü603 Dies wird nicht im Diarium berichtet. 604 Georg Gloger (1703–1774).

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dern und 80 Schwestern ein Liebesmahl hielten, und den 20. Octobris zog die Graebnerin dahin, sich der ledigen Schwestern anzunehmen. Uebrigens hielten sie sich zum Bethaus und zu Conrads Versammlungen, und nur die, so beym Gemein-Schluß zum Abendmahl gekommen, wurden zur Gemeine gezehlt. Es müßen auch einige Leute gegen Geschwister Guts geklagt haben, denn ich finde im Supplement Volume III, 4 ein Decret vom Grafen Sandrasky, vom 12. Merz 1745.605 daß die Beschwerden gegen ihn nicht erheblich gefunden und den beyden Geistlichen verschiedene Anordnungen bekannt gemacht worden. In Dirsdorf bekam der Pastor Conrad wegen [249] zunehnehmender Schwachheit den Bruder Timæus606 zum Gehülfen im Predigen, und es wurde drauf angetragen, daß er ihm substituirt werden solte. Melchor Tills607 zogen den 9. Novembris nach Gnadenberg, an ihre Stelle kamen Hantrupps,608 die es gar bald darauf antrugen, daß die besten Seelen in Dirsdorf zur Gemeine gezogen werden solten, daher den 20. Novembris bey der großen Aufnahme auch etliche aus Dirsdorf waren. Im Oelsnischen waren seit Leupolds Besuch keine Geschwister mehr, und HErr von Geisler, bey den sich die Geschwister sonst aufgehalten, hatte Schickerwiz verkauft. Ich finde auch keinen Besuch von hier angemerckt, sie kamen aber, soviel sichs bey den Kriegs-Unruhen thun ließ, von Zeit zu Zeit zum Besuch nach Gnadenfrey. [250]

605 Konnte nicht nachgewiesen werden. 606 Johann Heinrich Timaeus (1717–1769), 1737 zweiter Stadtprediger in Buchsweiler, 1744 in die Brüdergemeine aufgenommen, vicariiert 1745–1746 bei Pfarrer Conrad (1696–1746) in Dirsdorf. 607 Melchior Till sen. (1716–1803), 1741 verheiratet mit Sophia, geb. Everts (1731–1791). 608 Konnte nicht nachgewiesen werden.

Zweiter Teil, Abschnitt 2: 1746 bis 1749

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Zweyter Abschnitt. Von der 2ten Concession. 1746 bis zum völligen Ausbruch der Widrigkeiten 1749. Vom Jahr 1746. § 60. Das Pædagogium zieht nach Urschkau. Veränderung der Arbeiter und zugleich des Lehr-Vortrags und der Methode. General-Arbeiter der Chöre. § 61. Anfang der Chorfeste und Grundsteinlegung einiger Chor-Häuser. § 62. Abermalige Unterhandlung wegen der neuen General-Concession. § 63. Ausfertigung und Inhalt derselben. § 64. Die Rösnitzer erhalten in Contradictorio ihre freye Religions-Uebung. § 65. Zustand der Häuflein in Peterswalde, Biele, Dirsdorf. etc. Vom Jahr 1747. § 66. Erster Provincial-Synodus, deßen Bedancken von der Aufnahme in die Gemeine etc. § 67. Veränderung der Arbeiter, sonderlich nach Bischof [251] Polycarpi Tod. Neuer Versuch einer Vereinigung mit der Lutherischen Verfaßung. § 68. Johannis, und hernach des Ordinarius und mehrerer Arbeiter Visitationes. § 69. Zustand und Vermehrung der Gemeine. § 70. Gersdorf Bericht vom Zustand der Gemeinen an den dirigirenden Ministre. § 71. Zustand der Gemeine in Rösniz und unbillige Zumuthungen an dieselbe. § 72. Bedencklicher Zustand in Biele nach Pastor Hellers Tod und deßen Begräbniß durch den Inspector Minor. § 73. Correspondenz zwischen Gersdorf und dem Grafen, wegen Guts Entweichung aus Biele. § 74. Pastor Conrads Verantwortung vor dem Consistorio und Commission in Biele. § 75. Conrads Absetzung und Verweisung. § 76. Nachheriger Zustand in Biele. § 77. Commission in Peterswalde, und Verbot der Versammlungen. § 78. Gersdorfs vergebliche Vorstellungen dagegen. § 79. Etwas von der Diaspora. Vom Jahr 1748. § 80. General-Synodus in Gnadenberg, Cochii Einführung [252] dabey und Gerners Præsentation. Zustand der 3 Schlesischen Gemeinen. § 81. Gersdorfs Nachricht von dem dermaligen und folgenden Verhältniß des Hofes und der Regierung. § 82. Veränderung der Arbeiter. Das Pædagogium kommt von Neusalz aufs Schlössel. § 83. Zustand der Gemeine, wie auch in Biele und Peterswalde und in der Gegend. § 84. Verhinderung des Bethaus-Baues zu Rösniz.

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Vom Jahr 1749. § 85. Königliche Verordnung gegen die Brüder Cammer-Verordnung, den Bethausbau in Rösniz zu sistiren. Commission in Rösniz, und widerrechtliches Verbot des Bethausbaues und Gottes-Dienstes. § 86. Lauterbachs Anmerckungen dabey. Verjagung der Arbeiter aus Rösniz. § 87. Die jungen HErrn von Tschirschky und andre, werden aus dem Pædagogio weggenommen. § 88. Ernst von Tschirschky Erzehlung davon. Aufhebung des Pædagogii. § 89. Fräulein Jul[iane] Sophie von Tschirschky wird ihrer Mutter weggenommen. [253] § 90. Ingleichen Melchior von Seidliz seinen Oncle. § 91. Schimpfliches Gesetz gegen die Brüder im Codex Frideric. Steuerung und Nachwehen der Sichtung. § 92. Veränderung der Arbeiter. Sälgen-Gesellschaft, Gemein und Chor-Jünger. Lutherische Schul-Einrichtung in Peile. § 60. Die seit der Visitation im Herbst 1743 gesuchte und durch das Mißverständniß und scharfe Corresspondenz zwischen dem Ordinario und Grafen Münchow,1 zulezt aber durch den Krieg verzögerte neue Königliche Versicherung oder General Concession erfolgte endlich unterm 7. Mayi [17]46.2 Den Inhalt derselben wollen wir bald sehen. Sie machte eine neue Epoque in der Schlesischen Sache überhaupt und in den Gnadenfreyischen Plan. Das Paedagogium zog den 8. Februarii vom Schlössel, ich weiß nicht recht, warum, nach Urschkau,3 von wo es nach Neusalz kommen solte. Weil nun Hieser4 seinen Gehülfen unter den ledigen Brüdern an Bruder Saalwaechter5 dadurch verlor, so bekam er den 10. Februarii den Bruder Drews6 als Vorsteher. Die Augustine7 wurde nach Herrnhuth berufen und reiste den 10. Aprilis dahin ab, nachdem den 8. Aprilis die Hannel Sperrbachin8 und Seidelin9 gekommen, sich der ledigen Schwestern [254] un-

1 Ludwig Wilhelm von Münchow (1709–1753). 2 Das Original wird im Unitätsarchiv Herrnhut, Sign. R.1.D.1.b aufbewahrt, vgl. Einführung. 3 Urschkau (poln. Orsk), Kreis Wohlau. 4 Gottfried Hieser, als Brüderpfleger 1748 bis Ende 1749 in Neusalz nachgewiesen. 5 ������������������������������������������������������������������������������������������ Christian Hillmar Saalwächter (1712–1786), 1743 in die Brüdergemeine aufgenommen, Informator, Erzieher in den Kinderanstalten. 6 Christian Drews (1722–1793), 1741 in die Brüdergemeine aufgenommen, Diasporaarbeiter. 7 Maria Magdalena Augustin(e) (1714–1784), Ältestin. 8 Johanna Rebecca Sperbach (1716–1803), 1742 in die Brüdergemeine aufgenommen, 1746–1752 Schwesternpflegerin in Schlesien und England, 1752 nach Nordamerika entsandt. 9 Anna Johanna Seidel, geb. Piesch (1726–1788), 1743 Mitgeneralältestin, 1744 Generalältestin aller ledigen Schwesternchöre, 1760 verheiratet mit Nathanael Seidel (1718–1782).

Zweiter Teil, Abschnitt 2: 1746 bis 1749

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ter der Langkophin10 in Gnadenberg Aufsicht anzunehmen. Die Dorel Wunderlingin11 war 45 als Wittwen Aeltestin in Schlesien nach Gnadenberg gekommen und besuchte die hiesigen in diesem Jahr ein paar mal. Diese Geschwister kamen aus der Pilgergemeine und brachten die freyen frölichen Begriffe und die Spielereyen mit, die aus den Vorstellungen von den Creuz- Luft-Vögelein und der Seitenhöhle entstanden waren. Den 19. Aprilis reiste Waiblinger12 auf den Synodum zu Marienborn und Biefer13 kam den 21. an seine Stelle als Prediger.14 Bis dahin war es mit dem Vortrag in der Gemeine, den Conferenzen und Diario in Ordnung gegangen. Erst bey Waiblingers Abschieds-LiebsMahl heißts im Diario, daß es lustig dabey zugegangen.15 Man findet Monate lang nichts im Diario und von Conferenzen aufgezeichnet. Der Lehr-Vortrag änderte sich wie bekannt. Bey den Liebesmahlen, die sehr verfielfältigt wurden, führte man die Illuminationen und allerley Tändeleyen ein. Es entstund ein großer Zulauf zu den Predigten, wie denn in Ostern und Pfingsten an den 1200 Zuhörer16 von fernen Orten, darunter auch Catholicken gezehlt wurden, so daß die Geschwister ihnen Platz machen mußten, und es ist nicht zu leugnen, daß Biefers Vortrag nicht nur sehr lebhaft und rührend, sondern mit einer besondern [255] Geistes-Kraft begleitet gewesen und in den Gemüthern vieler fremden Leute große Veränderung hervorgebracht, ja selbst die Geschwister in der bisherigen Religionsmäßigen Denck- und Handelsweise gestört und mehr auf ihr Herz und in einen Gemeinmäßigern Gang gebracht hat. Nunmehr drang sich alles zur Gemeine. Am ersten Gemeintag seit Biefers daseyn, in Pfingsten, den 30. May, wurden etliche 90 aufgenommen.17 Man hatte in der Conferenz mit den Vorschlägen inne halten wollen, aber immer weiter fragen müßen. Beym Abendmahl, den 18. Junii, wurden 36 neue dazu eingesegnet, und am Gemeintag, den 2. Julii, wiederum 70 aufgenommen. Nun machte zwar ein gewißer Punct in der neuen General Concession einen Aufent-

10 �������������������������������������������������������������������������������������� Regine Maria Langkopf (1706–1789), 1740 in die Brüdergemeine aufgenommen, 1743 in Gnadenberg und Gnadenfrei, 1750 Diakonisse. 11 Dorothea Maria Wunderling, geb. Tonne (1702–1774), 1740 verheiratet mit Christian Friedrich Wunderling, 1745 Diakonisse, 1746 in Gnadenfrei Witwen-Pflegerin. 12 Johann Georg Waiblinger (1704–1775), Magister der Universität Tübingen, 1750 Bischof der schlesischen Brüdergemeinen. 13 Friedrich Wilhelm Adolf Biefer (1706–1779), Prediger im Baltikum, dann Gnadenfrei, 1760 vom Amt und aus der Brüdergemeine ausgeschlossen. 14 Diarium der Gemeinde Gnadenfrei 1746 zum Datum. Unitätsarchiv Herrnhut, Sign. R.7.D.I. b.1.a.1743–1750, 116f. 15 Im Diarium der Gemeinde Gnadenfrei 1746 heißt es dazu: „Wir freuten uns mit recht lustigen Herzen über unsere Gnadenwahl. Das liebe Herz Vogt redete manches von einem sel. Ledigen Bruder. Papa Seidlitz machte zum Abschied Br. Waiblingers noch ein Liebesmahl von einigen verbundenen Herzen.“ Ebd., 116. 16 So die Angabe im Diarium der Gemeinde Gnadenfrei zum Pfingstfest am 30. Mai 1746. Ebd., 150. 17 Diese Zahlenangaben finden sich im Diarium der Gemeinde Gnadenfrei, wobei die Zahl der Aufgenommenen in 89 korrigiert wurde.

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Geschichte der Evangelischen Brüder-Gemeinen in Schlesien

halt darinnen, und es wurde auf Johannis18 Anrathen am Gemeintag, den 28. Augusti, declarirt, daß wir niemanden mehr aufnehmen würden, der nicht aus eigenem HerzenDrang mündlich und schriftlich darum bäte, weil es das Ansehen haben wolte, als ob die Leute durch die Aufnahme eine neue Religion annähmen. Man könne ja in andern Religionen auch selig werden: wir müßten aber von dem Grund des Herzens der Leute, die in die Gemeine wolten, versichert seyn, und diesen zu erfahren, würden ihnen mehr Schwürigkeiten ge[256]macht werden. Allein gleich nach dieser Declaration meldeten sich viele Leute. Am nächsten Gemeintag wurde zwar niemand, am 23. Octobris aber schon wieder 22 und am 19. Novembris 52 Personen aufgenommen. Die Zahl aller in diesem Jahr Aufgenommenen war 295 und der zum Abendmahl admittirten 115. Es waren auch 43 Kinder getauft und 24 Personen heimgegangen. Bey der Veränderung der Arbeiter, will ich nur noch dieses anmerken, daß mit Biefers die Mutter Lawatschin19 herkam, welcher die Besorgung nicht nur der Ehechöre, sondern aller Gemeinen in Schlesien aufgetragen war und daher alle Gemeinen auf eine Zeitlang besuchte. Eben so besuchte Andresen20 von Herrnhuth aus die ledigen Brüder Chöre und machte damit den 28. Junii den Anfang, die Wunderlingin von Gnadenberg die Wittwen und die Langkophin eben daher die ledigen Schwestern Chöre. § 61. Nunmehr begingen auch alle Chöre, so wie die ledigen Schwestern schon im vorigen Jahre, zum erstenmal ihre Chorfeste,21 die Wittwen, deren beynahe 100 waren, am 2. Februarii; einige 80 große Mädgen, davon 34 aus Biele, am 25. Merz; 70 ledige Brüder am 2. May (ich dencke zum Andencken eines Liebesmahls, das der Ordinarius bey seiner Rückkunft aus America an dem Tage [257] in Herrnhag mit ihnen gehalten); bey den ledigen Schwestern am 4. May waren 200 beysammen und die Eheleute am 7. Septembris. Sie hatten eine Chorrede und Liebesmahl; bey den ledigen Brüdern und Schwestern war der Saal mit grünen Pfeilern und Cränzen und mit den Portraits einiger abwesenden Chor-Arbeiter gezieret, und den Beschluß machte eine Illumination. Der Gesang war lustig und spielend. Am 11. Januarii wurde beschloßen, 3 Chorhäuser zu bauen. Zum ledigen Bruder Hause wurde den 12. May Abends, da fast alles zu Bette war, 18 Johannes von Watteville, geb. als Johann Michael Langguth (1718–1788), 1744 von Baron Friedrich von Watteville (1700–1777) adoptiert. 19 ��������������������������������������������������������������������������������������� Anna Maria Lawatsch, geb. Demuth (1712–1760), emigrierte 1731 nach Herrnhut, 1740 General-Ältestin aller Schwestern, während Anna Nitschmann (1715–1760) nach Pennsylvanien ­reiste, 1744 gab sie das Amt an Anna Nitschmann zurück und übernahm das Mutteramt, das sie 1746 an diese abgab. Sie ging 1752 mit ihrem Ehemann Andreas Anton Lawatsch (1712–1771) nach Pennsylvanien. 20 �������������������������������������������������������������������������������������� Joachim Heinrich Andresen (1715–1781), 1743 in die Brüdergemeine aufgenommen, 1767 Gemeinhelfer in Gnadenfrei, 1758 verheiratet mit Anna Maria, geb. Stauber (1723–1794). 21 Im Diarium der Gemeinde Gnadenfrei werden die einzelnen Chorfeste unter dem jeweiligen Datum ausführlicher beschrieben.

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Grundriss von Gnadenfrei, kolorierte Federzeichnung von 1750 mit Bezeichnung der einzelnen Gebäude. Bildnachweis: Unitätsarchiv Herrnhut, Sign. TS.Bd.03.12.

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Geschichte der Evangelischen Brüder-Gemeinen in Schlesien

in der Stille im Beysein etlicher ledigen Brüder und ihrer Arbeiter, v. Seidliz,22 Voigt,23 Biefer und Lawatsch der Grundstein gelegt, es solte aber, um nicht Aufsehen und Nachfrage zu machen, das Anstalten-Hauß genennt werden.24 Der Grundstein zum Wittwenhauß wurde den 22. Junii öffentlich und mit mehr solennitæt geleget. Zum ledigen Schwestern Hauß wurde erst im folgenden Jahr der Grundstein gelegt. Die Adelichen bezeugten sich dabey sehr freygebig.25 Heithausen26 gab zum ledigen Bruder Haus 500 Reichsthaler. Pfeil27 für seine 3 Söhne 1000 Reichsthaler und der Bruder Klette,28 ein Fabricant aus Biele, 100 Reichsthaler. Zum Wittwenhaus gab ihre damalige Arbeiterin Fr[iederica] von Tschirschky29 2000 Reichsthaler. Zum ledigen Schwestern Haus gab eben dieselbe für ihre 3 Töchter 1000 Reichsthaler. Seidliz aus Mittel-Peile für seine Tochter 300 und Pfeil für seine Tochter 1000 Reichsthaler. [258] Das Bethaus wurde auch vollends ausgebaut, zu Ende Aprilis zogen die Arbeiter ins neue, und Seidliz bekam auch eine Wohnung in demselben. Ihre bisherige Wohnungen in dem alten Bethaus wurden von den Anstalts Mägdgen bezogen. § 62. Da der Anbau von Neusalz im Jahre 1744 den Anfang genommen und ohngeachtet des mißlichen Krieges 45 einen guten Fortgang gehabt, so erinnerte Gersdorf30 unterm 18. Februarii 46 den dirigirenden Ministre an das unterm 2. Novembris 1745 gethane Versprechen wegen der solange gebetenen königlichen Versicherung, damit die Begierde der Brüder, die nur drauf warteten, um sich in Neusalz zu etabliren, nicht gedämpft wurde. Der Ministre gab unterm 2. Aprilis zur Antwort,31 daß er schon den Antrag dazu an den König gethan. Gersdorf danckte sogleich unterm 26. Aprilis32 aus Marienborn und bat, noch vor dem Synodo, welcher den 12. May in Zeist gehalten werden sollte, ihm dieselbe zuzustellen. Der Ordinarius schrieb nun auch wieder unterm 5. May an

22 Ernst Julius von Seidlitz (1695–1766) erwarb 1734 Ober Peilau und veranlasste nach 1740 die Gründung von Gnadenfrei. 23 Johann Christoph Vogt (Voigt, 1703–1747), Kutscher beim Hauptmann von Schweinitz, 1738 in die Brüdergemeine aufgenommen, 1745 nach Gnadenfrei. 24 Diarium der Gemeinde Gnadenfrei mit dem Text der eingelegten Urkunde. Unitätsarchiv Herrnhut, Sign. R.7.D.I.b.1.a.1743–1750, 140. 25 Diese Spendenliste findet sich nicht im Diarium der Gemeinde Gnadenfrei. 26 Georg Ernst von Heithausen (1724–1791). 27 Carl Friedrich I. von Pfeil (1695–1767). 28 Anton Klett (G 1697), Weber, Witwer. 29 Friederica Johanna Ernestine von Tschirschky, geb. von der Golz (1734–1758). 30 ����������������������������������������������������������������������������������������� (Wolf Caspar) Abraham von Gersdorf (1704–1784), 1745 Senior civilis, 1752 Kanzler der Advocatie der Brüdergemeine, ordnete 1765/66 mit Petrus Böhler (1712–1775) das Archiv der Brüderunität in Zeist. 31 Unitätsarchiv Herrnhut, Sign. R.5.B.5.c, Nr. 7. 32 Ebd., Nr. 10.

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Münchow,33 welcher unterm 17. May antwortete,34 es sey ihm lieb, daß er die desavantageusen35 Idéen, die er sich von ihm formirt, ohne ihn zu kennen, fahren laßen. Von der Antwort, die ihm Arnim36 geschickt haben könte, wüste er nichts. Um nun zu wißen, ob es ein Misverstand oder böser Wille wäre, welches leicht möglich [259] sey, wenn die Rede von Anlegung guter Etablissemens in Schlesien sey, so bäte er diese Antwort ihm zu schicken etc. Worinn diese Antwort bestanden, finde ich nirgends angezeigt. Münchow gibt aber damit zu verstehen, daß andere der Brüder Sache in Schlesien im Wege stehen. Er hat vermuthlich auch eine Abschrift der Königlichen Versicherung vor der Ausfertigung derselben an Gersdorf gesandt, denn dieser schreibt an ihn unterm 10. May aus Marienborn,37 erklärt sich weitläuftig über die Proselyten-Sache und sendet einen veränderten Punct dieserhalben ein, mit Bitte, ihn der Concession noch zu inseriren. Münchow aber antwortete unterm 19. May, daß er nicht gegen diesen veränderten Punct sey, die Concession sey aber schon zur Unterschrift abgegeben, und darinnen alles so abgefaßt, wie es laut dem Protocoll in der obgedachten Conferenz verabredet worden, es sey auch nichts bedenckliches und nachtheiliges darinnen, obgleich die Ausdrücke anders lauteten. § 63. Es kamen auch wircklich alle Erinnerungen, die wohl nöthig waren, zu spät, denn die neue General Concession war den 7. May schon expedirt worden, ob sie gleich etwas später, und in Gnadenfrey erst den 11. Juli bekannt wurde. Der [260] Inhalt ist dieser: die Brüder hätten an einigen Orten angebaut und sehr nützliche Fabriquen angelegt, wären auch willens, noch mehrere zu bauen und anzulegen. Sie bäten also um eine General Concession zu ihrem beständigen Aufenthalt in Schlesien. Da nun die Grundsätze ihrer Lehre nichts wider die 3, im römischen Reich und unsern Landen tolerirten Religionen enthielten, so werden ihnen nach ihrem per Deputatum den 6. Octobris ad Protocollum geschehenen Ansuchen das vorhin schon erlangte freye Exertitium Religionis nach den Satzungen und Disciplin ihrer Kirche und die Bethäuser an den schon accordirten Orten von neuem bestätigt, jedoch daß sie sich so betragen, wie es getreuen Unterthanen geziemet, und sonderlich bey Verlust ihrer Concession niemanden durch Ueberredung und durch Abgeschickte auf einige Art und Weise vermögen in ihre Gemeinschaft zu treten, sondern es bey ihrer Religion, so wie bey andern tolerirten Religionen üblich, auf eines jeden Trieb und Ueberzeugung ankommen laßen, daß nicht der geringste Schein übrig bleibe, als ob ein solcher durch einigerley Bemühung dazu bewogen worden. Sie sollen nicht mit Schmähschriften angetastet oder auf einige

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Ebd., Nr. 12. Ebd., Nr. 14. nachteilig. Georg Dietloff von Arnim-Boitzenburg (1679–1753), preußischer Justizminister. Unitätsarchiv Herrnhut, Sign. R.5.B.5.c, Nr. 11.a.

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Art beunruhigt werden. Zu ihren Etablissemens werden ihnen ein für allemal, Neusalz, Buhrau, Rösniz, [261] Ober-Peile und Groß-Krausche bestimmt und außerdem im ­Fürstenthum Oppeln und ohnweit Rösniz sich niederzulaßen accordirt. Damit sollen sie sich begnügen, sich daa zusammen halten und keine einzelne Familien im Lande hie und da ansetzen, und wenn ja ein und anderer zu ihrer Gemeinschaft übergehen wolte, so sollen sie von ihren Gerichts-Obrigkeiten angewiesen werden, ihr Domicilium zu verändern, ihnen auch hierinnen keine Schwürigkeit gemacht und mehr als üblich abgefordert werden. Es wird ihnen verstattet, nach ihrem Gutfinden eine oder mehrere Familien von einen privilegirten Ort an den andern oder auch außer Landes zu versetzen: aber ohne vorhergesuchte und erhaltene Concession müßen sie keine an andern als an privilegirten Orten ansetzen. Die aus fremden Landen, jedoch erst seit 1742 hereingezogenen Familien, sollen nach dem Edict vom 25. Decembris 1741 von der Werbung und Aufzeichnung wie auch auf 10 Jahr von der Abführung der Jurium stolae38 an die Parochos befreyt seyn, und von der Abgabe an die Pfarrer bey den Bethäusern, die ohnehin keine Jura stolæ haben, sollen sie an den benannten Orten ohnedem frey bleiben. Wenn Klagen über sie einlaufen, sollen sie vorher ihrem in Schlesien angesezten Obern communicirt werden; in allen übrigen [262] Angelegenheiten sollen sie gleich den andern Landes Einwohnern unter den Instanzen stehen. Berlin den 7. May 1746. F. R.,39 Arnim, Münchow.40 Wenn man diese Concession, mit denen nach § 48 in der Conferenz des 6. Octobris 44 verabredeten und protocollirten Puncten vergleicht, so findet man, daß alles dem gemäß abgefaßt worden. Daß aber der Punct wegen des Ansetzens einzelner Familien nicht deutlicher bestimmt und nach Gersdorfs zur Conferenz eingegebenen Puncten auf die ins Land kommenden fremden Familien eingeschrenckt, sondern deutlich und zweymal auf die bereits an andern Orten ansäßigen ausgedehnt worden,* hat den Brüdern hernach manche Behelligung verursacht, und hätte der Sache des Heilands außer den Gemein-Orten und der Seelsorge für die auswärtigen Geschwister leicht ein Ende machen können, wenn nicht der Heiland sein Auge darüber gehalten und die vormaligen Klagen über das Auslaufen der Brüder verhindert, und wo dergleichen entstanden, bald wieder abgewendet hätte, wozu vieles beygetragen, daß es den Herrschaften selbst nicht gelegen war, auf diese Weise viele, und wie sie nach und nach einsehen lernten, besten Unterthanen zu verlieren. [263]

*

Ingleichen, daß anstatt der Worte im Conferenz Protocoll: „sie können“ gesetzt worden „sie sollen“ angewiesen werden, ihr Domicilium zu verändern.

_______________________________ a

Über der Zeile für gestrichen: alle.

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38 Stolgebühren; Abgaben für Amtshandlungen des Pfarrers (Taufe, Trauung, Begräbnis). 39 Fridericus Rex = König Friedrich II. (1712–1786). 40 Vgl. den Abdruck der Konzession von 1746 in der Einführung.

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§ 64. Nachdem in der neuen General Concession die Special Concession für Rösniz abermals bestätigt worden, so wendete sich Seidliz als Vorsteher der Mährischen Brüder in Schlesien bey des Deputati ordinarii41 Abwesenheit in einem Memorial den 22. Septembris an die Breßlauische Kriegs und Domainen-Cammer42 und bat um ein Decret an das Oberamt in Oppeln und an den Landrath, die Gemeine in Rösniz bey der vorhabenden Religions Einrichtung zu schützen. Hierauf erfolgte unterm 8. Octobris eine Verordnung an den Landrath des Leobschützer Craises, Baron v. Morawizky,43 die Mährische Brüder Gemeine in Rösniz in der vom Könige verliehenen Freyheit laut dem Rescript vom 8. Octobris 174444 zu schützen und dahin zu sehen, daß dem Vorsteher derselben in den von ihm zu machenden Einrichtungen nichts in Weg gelegt werde. Dieses wurde von der Cammer unter eben dem dato dem Oberamt in Oppeln communicirt,45 mit dem Ersuchen, das nöthige deshalb an die Geistlichkeit in Rösniz zu verfügen. Vol[ume] III, 11. 13. 14. Inzwischen war Lieberkühn,46 der zum Prediger in Rösniz ersehen worden, am 1. Octobris in Gnadenfrey angekommen und wurde den 14. von Seidliz dahin gebracht und vorgestellt, fand aber alles sehr widrig: daher Seidliz noch vor Insinuation47 der erstgedachten Rescripte nach Bresslau reiste, um mit Münchow zu sprechen. [264] Lieberkühn muste sich also auch noch sehr stille halten, jedoch nahm er sich der dasigen Geschwister fleißig an und richtete am 13. Novembris die Rösnizer Gemeine ein, hielt auch mit dem von Jena her mit den Brüdern bekannten lutherischen Prediger v. Radezky48 gute Freundschaft. Die Rösnizer Gerichte aber beklagten sich beym Landrath Baron v. Morawizky, und dieser that unterm 17. Novembris eine Vorstellung an die Cammer, daß ihm das Rescript vom 8. Octobris 44 unbekannt sey, wohl aber die vorhergehenden widrigen Rescripte. Und da das aus dem Lande schleppen der Rösnizer Kinder und andre Unordnungen noch nicht cessirten, so glaubte er, daß es mehr zu des Königs Interesse gereichen werde, wenn diese Art Leute, die viele Fabricanten unter sich hätten, in ein unbewohntes Städtgen als Cosel gezogen würden. Er erhielt aber bald darauf mit Communication des Rescripts vom 8. Octobris 44 den Befehl, dahin zu sehen, daß eines theils die Mährischen Brüder in dem Genuß ihrer Concession aus gehäßigen Ursachen nicht 41 ����������������������������������������������������������������������������������������� (Wolf Caspar) Abraham von Gersdorf (1704–1784), 1745 Senior civilis, 1752 Kanzler der Advocatie der Brüdergemeine, ordnete 1765/66 mit Petrus Böhler (1712–1775) das Archiv der Brüderunität in Zeist. 42 Unitätsarchiv Herrnhut, Sign. R.5.B.5.c, Nr. 20. 43 Johann Carl von Morawitzky (1711–1782), Landrat des Kreises Leobschütz 1743–1747. 44 Unitätsarchiv Herrnhut, Sign. R.5.B.5.c, Nr. 22. 45 Ebd., Nr. 23. 46 �������������������������������������������������������������������������������������������� Samuel Lieberkühn (1710–1777), studierte in Halle an der Saale und Jena Theologie, Judenmissionar in Amsterdam, 1765–1772 in Neusalz. 47 gerichtliche Einhändigung. 48 ����������������������������������������������������������������������������������������� Johann Ernst Gottlieb von Radetzky (1707–1785), wurde am 3. August 1743 für Rösnitz ordiniert, wo er bis 1747 blieb, 1751 bis zu seinem Tod Superintendent/Senior des Fürstentums.

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gestöret, anderntheils aber den vergeblichen Excessen derselben gesteuret und sie allenfalls zur Strafe gezogen, auch die außer Landes geschleppte Kinder bey Confiscation ihres Vermögens wieder ins Land sistirt49 werden möchten. Vol[ume] III. 25, 26, 27.50 Nun blieb den Rösnizer Gerichten nichts weiter übrig, als sich in einem Memorial den [265] 24. Novembris an den König51 zu wenden, darinnen sie ihren totalen Ruin, durch die ins Dorf gekommenen Herrnhuther vorstellen, mit Bitte, da die Gemeine einen dritten Pfarrer zu erhalten nicht im Stande sey, die Herrnhuter an einen andern Ort zu verweisen. Dieses Memorial wurde durch einen Bericht des Jægerndorfschen Landhauptmannes, Baron v. Henneberg,52 unterstützt und ans Oberamt in Oppeln abgegeben. Dieses übersandte dieselben piecen mit einem Bericht vom 5. Decembris an den König und bat um Verhaltungs-Befehle. Vol[ume] III. 15 – 18.53 Ehe aber Antwort hierauf eingehen konnte, erfolgte unterm 7. Januar 47 von der Breßlauischen Cammer ein Rescript54 an den Landshauptmann v. Henneberg, daß die der Herrnhutschen Lehre zugethane Personen in Rösniz in der General Concession vom 7. Mayi 46 mit begriffen wären und Erlaubniß hätten, ein Bethauß anzulegen. Da nun die im Dorf angeseßenen und der lutherschen Religion zugethan gewesene dem Catholischen Pfarrer Jura stolæ berichtigen müßten, der Evangelische Pfarrer aber keine Jura Parochialia habe: so könnte die Herrnhutsche Gemeine an keinen andern Ort zu ziehen, gezwungen werden.* [266] Solten sie sich aber nicht ruhig halten, so müßten Casus speciales angezeigt weren. Eben dieses, nebst den unterliegenden Klagen der Gerichte wurde unter eben dem dato dem Landrath Morawizky zugesandt,55 mit Befehl, sich darnach zu achten und beyde Theile zur Vertragsamkeit anzuhalten. Vol[ume] III. 20. 21. Erstgedachte Klage der Rösnizer wurde von Arnim dem Deputierten Gersdorf communicirt und von ihm unterm 11. Januarii 47 refutirt,56 worauf unterm 28. Februarii aus Berlin ein Königlich Rescript ans Oberamt in Oppeln57 auf ihren Bericht vom 5. Decembris erfolgte: da laut der beyliegenden Vorstellung des Deputati alle Beschwerden der Rösnizer ihre vollkommene Erledigung erhalten, so hätten sie die Quærulanten zur Ruhe und beßeren Verträglichkeit anzuweisen, wie solches der Deputatus den Mährischen Brüdern ebenfalls einzuschärfen, sich anheischig gemacht. Vol[ume] III. 19. 24. *

Es wurde also eben das Argument der Gerichte, daß die Brüder fort müßten, weil das Dorf nicht 3 Pfarrer erhalten könnte, gegen sie gebraucht, daß die Brüder da bleiben müßten, um dem Catholischen Pfarrer nichts zu entziehen.

_______________________________ 49 50 51 52 53 54 55 56 57

bringen, sich einfinden vor Gericht. Unitätsarchiv Herrnhut, Sign. R.5.B.5.c, Nr. 24. Ebd. Konnte nicht nachgewiesen werden. Unitätsarchiv Herrnhut, Sign. R.5.B.5.c, Nr. 25–27. Ebd., Nr. 29. Ebd., Nr. 30. Ebd., Nr. 28. Ebd., Nr. 36.

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§ 65. In Peterswalde kauften die Brüder Rohrbach,58 Winkler59 und Süssbrich60 des Gottfried Glogers61 Hauß und richteten einen [267] Versammlungs-Saal, der den 19. Januarii eingeweihet, darinnen zu, auf welchem nicht nur alle Tage von Grünwald62 eine Stunde, sondern auch, solange das Pædagogium im Schlössel war, alle Sonntag, und zwar währendem Evangelischen Gottesdienst eine Predigt und nachmittags eine Kinderstunde gehalten, auch nach des Paedagogii Abreise von Grünwald fortgesezt wurde, ob er gleich keine förmliche Erlaubniß bekommen, sich als Catechet daselbst aufzuhalten und gar zu predigen. Es machte wol einige Unruhe unter dem losen Volck, wurde aber von der Herrschaft übersehen. Zum Bettag und Abendmahl gingen sie nach Gnadenfrey, die Todten aber wurden nach einer Rede im Versammlungs-Hauß, auch wol mit einer Rede auf dem Gottes-Acker öffentlich begraben, welches gemeiniglich von dem Prediger in Gnadenfrey verrichtet wurde. In Biele ging es bey allen Murren der Bethaus Vorsteher noch ruhig, und die Geschwister, deren den 19. Junii 200 in Gnadenfrey beysammen waren, wurden angewiesen, sich in dasige Verfaßung zu schicken, wie denn auch Guts63 sein Kind vom Pfarrer Heller64 taufen ließ und ihn dahin vermochte, die Stunde für seine und Conrads65 Leute zusammen zu halten. Gleichwol spürte man schon bey einem Besuch der Brüder Seidliz, Pfeil und Biefer am 14. Julii bey dem Grafen bey aller Höflichkeit eine Widrigkeit,66 wie er [268] sich denn auch gegen den HErrn v. Schweidniz67 aus Leube, der ihn den 26. Octobris besuchte, beklaget, daß Guts der General Concession entgegen Proselyten mache.68 Es kam aber in diesem Jahr noch zu keinen Ausbrüchen. 58 Gottfried Rohrbach, Zeugmacher. 59 Michael Winckler, Bauer. 60 Johann Friedrich Süsbrich (G 1712), 1743 in Oberpeile in die Brüdergemeine aufgenommen, Raschfabrikant, Curator der Schwestern. 61 Gottfried Gloger, wird nicht unter den Herrnhuter Freunden genannt. 62 ������������������������������������������������������������������������������������������ Johann Georg Grünwald (1704–1770), Helfer des Wittwer-Chors, 1743 in Peilau in die Brüdergemeine aufgenommen, Erbauer des ersten Hauses von Gnadenfrei, Saaldiener, 1745–1753 mit der Bedienung der Geschwister in Peterswaldau betraut, zieht dann nach Gnadenfrei. 63 Johann Michael Guts († 1770), 1743 verheiratet mit Helena, geb. Berger (1711–1778). 64 Gottfried Heller (1686–1747), 1742–1747 Pfarrer von Langenbielau. 65 Abraham Conrad (1716 – nach 1750), 1739 Pfarrer in Hermsdorf, 1742–1748 in Langenbielau, dann ohne Amt in Lauban und Sachsen. 66 Das Diarium der Gemeinde Gnadenfrei 1746 zum 14. Juli lässt davon nichts erkennen, vielmehr heißt es: „Den 14ten reiseten Papa und Bruder Pfeil und Bieffer zum Herrn Grafen [Sandretzky] von Bielau, um zu sehen, ob man ihn gelinde und wahre Ideen beibringen könnte und ob Er etwa schädliches wieder die Geschwister in Bielau tentirt; Allein wir fanden ihn recht höflich und tractable, daß man sich vor ihm nicht zu fürchten hat.“ Unitätsarchiv Herrnhut, Sign. R.7.D.I.b.1.a. 1743–1750, 206, 213. 67 Hans Christian von Schweinitz (1707–1750). 68 Das Diarium der Gemeinde Gnadenfrei 1746 berichtet am 27. Oktober, „wie daß die Vorsteher des Bielauischen Bethhauses gar nicht zufrieden wären, weil Guts wie ein Werbe-Offecier da säße,

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Geschichte der Evangelischen Brüder-Gemeinen in Schlesien

In Dirsdorf verlor das Häuflein, welches bey einem Liebesmahl daselbst den 17. Januarii aus 63 Männern, 67 Weibern, 30 ledigen Schwestern, 26 Wittwen und 5 ledigen Brüdern, Summa 191 Seelen, bestand,69 ihren treuen und mit der Gemeine wohl verstandenen Pfarrer Gottlieb Conrad,70 nachdem er schon resignirt hatte und nach Gnadenfrey ziehen wolte, den 14. Merz durch einen seligen Tod, und sein Adjunctus Timæus71 reiste den 18. nach Herrnhuth zurück. Der Pfarrer Rothe72 von Ludwigsdorf73 kam an seine Stelle und continuirte in seiner bisherigen Freundschaft, wie er denn den 30. Augusti mit Walther,74 der von Peterswalde als Pfarrer nach Panthen75 gekommen, einen freundschaftlichen Besuch bey den Brüdern ablegte. Auch sind den 11. Juli Hantrup[p]s von ihren Posten abgerufen worden, weil sie den Leuten die Gemeine anpriesen und, um die Aufnahme zu bitten, reizten. Daher den 25. Junii in einer Conferenz beschloßen worden, die dasige Aufgenommene nicht zum Abendmahl zu nehmen und an ihrem Ort kein Liebesmahl zu halten. An ihre Stelle bekam Rothe auf seine mündliche Bitte (denn eine schriftliche wollte er wegen seines Versprechens, keine Neuerungen zu machen, nicht [269] wagen) den 30. Septembris die Geschwister Proskens76 aus Berlin. Ins Oelsnische thaten Voigts den 10. Januarii einen Besuch. In der Grafschaft Glaz ließ sich unter denen ehemals Evangelisch gewesenen Einwohnern eine Regung spüren, und die 3 Freyrichter, Streck,77 Fritsch78 und Ruprecht,79 kamen oft zum Besuch. Der Bürgermeister Gabriche80 in Landeck81 bemühte sich, eine Gemeine dahin zu bekommen.

und [Pfarrer] Conrad hülfft ihm Meisterlich dazu, die besten Leute zögen herüber“. Unitätsarchiv Herrnhut, Sign. R.7.D.I.b.1.a.1743–1750, 254, 261. 69 Ebd., 10, 17. Januar 1746, das ebenfalls von „191 Personen“ (ohne Aufschlüsselung) spricht. 70 Gottlieb Conrad (1696–1746), 1730 Pfarrer in Dirsdorf, konnte sein Amt aber erst 1732 nach Entkräftigung des Verdachts des Pietismus antreten. 71 Johann Heinrich Timaeus (1717–1769), 1737 zweiter Stadtprediger in Buchsweiler, 1744 in die Brüdergemeine aufgenommen, vicariiert 1745–1746 bei Pfarrer Conrad (1696–1746) in Dirsdorf. 72 ���������������������������������������������������������������������������������������� Johann Christoph Rothe (1709–1764), 1742–1746 Pfarrer in Ludwigsdorf, 1746–1764 in Dirsdorf. 73 Ludwigsdorf (poln. Chrośnica), Kreis Schönau. 74 Gottlieb Eberhard Walter (1721–1796), 1743 Pfarrgehilfe in Peterswaldau, 1745–1758 Pfarrer in Ober Panthenau, 1758–1793 in Küpper, Kirchenkreis Lauban. 75 Ober Panthenau (poln. Ratajno). 76 Wahrscheinlich Georg Proske (1719–1764), 1746 verheiratet mit Rosina, geb. Fritsch (1721– 1756), aus Mähren. 77 Konnte nicht nachgewiesen werden. 78 Johann Peter Fritsch (1710–1773), Mitglied des Aufseher-Collegiums. 79 Konnte nicht nachgewiesen werden. 80 Konnte nicht nachgewiesen werden. 81 Wahrscheinlich Landeck (poln. Lạdek Zdrój), Kreis Glatz.

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In der Gegend von Gnadenfrey war eine große Regung. Viele 100 Leute kamen dahin zur Predigt, und am 4. Junii zehlte man Zuhörer von 109 Orten.82 Die Brüder ließen sich auch durch den bedencklichen Punct in der General Concession nicht abhalten, die Seelen in den Dörfern, die zu keiner Kirche oder Bethaus gehören, zu besuchen, aufzunehmen und ihre Kinder zu taufen. Die Böhmen in Münsterberg wurden den 3. Januarii von 2 Brüdern besucht. Ihr Prediger Pinzger83 kam den 8. Julii zum Besuch, um sich Raths zu erholen, wie er einen Theil seiner Gemeine, dem von seinem Collegen reformirte Principia beygebracht worden, wegen der lutherschen Ceremonien beym Abendmahl bedeuten und ihnen das Brodbrechen benehmen solte. Man rieth ihm, statt deßen ihnen Jesum den Gecreuzigten zu predigen. Die Reichenbacher klagten bey der Cammer, daß soviele Profeßionisten von ihnen und andern Orten nach Gnadenfrey zögen, [270] und weil sie keine Accis84 gäben, die Stadt-Nahrung ruinirten und die Handlung an sich zögen. Seidliz reiste deshalb nach Bresslau, konte aber das Cammer-Decret nicht hintertreiben, daß die Professionisten, die von Reichenbach nach Gnadenfrey ziehen, eben soviel, als sie sonst gezahlt, von ihren Handwerckern geben müßten, sie möchten gleich ihre Profeßionen mehr oder weniger als sonst daselbst treiben. § 66. Im Jahr [17]47 fing man an, Provincial-Synodos in Schlesien zu halten. Der erste war unter Præsidio des Bischof Polycarpi85 in Beysein des Deputati [Abraham] Gersdorf, der kurz vorher in Gnadenfrey besucht, vom 7. bis 10. Merz in Gnadenberg,86 und wurde in Gnadenfrey durch Seidliz und Voigt beschickt. Man besahe den innern und äußern Statum der 3 Gemein-Orte, wie auch von Biele, Peterswalde, Dirsdorf, Rösniz und Urschkau, und überlegte insonderheit, wie weit man nach der neuen Concession mit der Aufnahme gehen könnte. Die Gnadenfreyer Arbeiter inclinirten, Leute aus Städten und Dörfern, wo auch Bethäuser, ja Parochien sind, aufzunehmen. Dieses wurde vom Deputato sehr wiedersprochen, und nach des Ordinarii Sinn gerathen, nur aus den Dörfern, die zu keiner Kirche und Bethaus gehören und deren Obrigkeiten nicht widrig sind, Leute aufzunehmen, die andern müsste man schwerlich und erst, [271] nachdem sie sich ein paar Jahr vorher ohne uns von der Lutherschen Verfassung los gesagt oder

82 Im Diarium der Gemeinde Gnadenfrei wird zum 4. Juli 1746 vermerkt: „Es wurden auch noch mahlen alle die Orte, wo Seelen sind, die sich zur Gemeine halten, durchgangen und von den gegenwärtigen Geschwistern noch manche angebracht und aufgeschrieben.“ Unitätsarchiv Herrnhut, Sign. R.7.D.I.b.1.a.1743–1750. 83 Paul Pinzger (1706–1778), 1746–1767 Pfarrer der böhmischen Gemeinde in Münsterberg. 84 Steuer. 85 Polycarp Müller (1684/85–1747), 1740 Bischof der Brüderunität, 1741 Leiter des brüderischen Pädagogiums und des Theologischen Seminars, 1744 Brüderbischof in Schlesien. 86 Protokoll der Synode. Unitätsarchiv Herrnhut, Sign. R.2.A.22 und R.7.A.12.2.

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Geschichte der Evangelischen Brüder-Gemeinen in Schlesien

ausgestoßen worden und einen Revers gestellt, das[s] sie die Accidentien87 an ihre vorige Prediger bezahlen wollten, aufnehmen. Auf lutherische Gemeinen in den Dörfern könnten wirs nicht mehr antragen, da die Theologie die Vereinigung abgeschlagen. Wir müßten aber die Seelen nicht in die Mährische Kirche, sondern in die Seelen-Pflege aufnehmen, wie sich der Ordinarius in seiner Aufnahm-Rede den 11. Novembris 43 in Gnadenfrey erklärt,88 damit sie nicht beschuldigt würden, die Religion verändert zu haben, welches sonderlich denen in Kayserlichen Theil wohnenden eine Verfolgung zuziehen könte, daher diese gar nicht aufgenommen, sondern nur Gastweise zum Abendmahl gelaßen werden solten. Nach der neuen Concession müßten wir die Leute nicht aufsuchen: das sey auch nicht nöthig, weil sie selber zur öffentlichen Predigt kommen. Die aber aus eignen Triebe darum bitten, dürften wir aufnehmen, ohne Unterschied des Orts (wenn derselbe nemlich nicht eingepfarrt ist), und sie müßten deshalb nicht von ihren Orten weg und in eine Gemeine ziehen, weil nach Münchows Erklärung das Wort sollen ein Schreibfehler sey. Der Sinn eigentlich [272] der neuen General Concession sey, die einzelnen Familien können in eine der Colonien ziehen, wenn nemlich ihre Herrschaften solche Leute nicht unter sich haben wolten. Die Arbeiter müßten auch nur die Aufgenommenen in den Dörfern besuchen und mit ihnen einzeln sprechen, damit es nicht den Schein der verbotenen Versammlung habe. Wir könten wol unterthänige Leute in die Gemeine, aber nicht in den Gemein-Ort, in die Chorhäuser und in die Kinder-Anstalten, aufnehmen, und in die leztern lieber keine gar Auswärtige, weil sie wieder heraus genommen werden und hernach desto eher Schaden leiden könten. Man zehlte zur Gnadenfreyischen Gemeine 500 und zur Gnadenbergischen 300 Kinder, die von den Kinder-Eltern besucht werden, und wolte (vieleicht ohne Grund) behaupten, daß noch keins derselben verführt sey. Bey Gnadenfrey waren 1246 Seelen in der Pflege, davon 400 im Ort wohnen,89 und bey Gnadenberg 530, und davon 188 im Ort. Man beschloß nummehro auch, der Leute Kinder, die noch nicht aufgenommen, sondern erst in der Pflege sind, zu taufen. Was wegen Rösniz und andrer Orte verabredet worden, will ich bey jedem Ort anzeigen, und nur noch anmercken, [273] daß zu Partsch90 sich an die 70 Seelen zu dem Schulhalter Schwarz [ge]haltenb und die Versammlungen in Urschkau fleißig beb

[ge] wurde nachträglich eingefügt.

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87 Nebeneinkünfte, Sporteln. 88 Das Diarium der Gemeinde Gnadenfrei vom 11. November 1743 berichtet: „Bruder Ludwig hielt eine ausführliche und wichtige Rede von der Kirche und der Mährischen in specie, von ihrem nexu mit der übrigen Religion, von der Aufnahme in die Gemeine und was von Seiten der Gemeine und der Aufgenommenen daran hängt.“ Unitätsarchiv Herrnhut, Sign. R.7.D.I.b.1.a. 1743–1750, 95. Die Rede ist vorhanden in ebd., Hs. 1 zum Datum. 89 Diese Zahlen sind auch im Protokoll des oben genannten ersten Synodus in Schlesien belegt. Vgl. ebd., Sign. R.7.A.12.2, 8f. 90 Bartsch war der Herrensitz der Majorin Sophie von Kalckreuth (1690–1748). Die Angabe von Cranz bezieht sich auf den Bericht des Synodalprotokolls zu Urschkau.

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suchen,91 und daß die Hirschberger um ein paar Geschwister gebeten, die auch nöthig seyn würden, wenn Hartmanns Informator Hersen92 abgerufen werden solte. Von Gnadenberg und Neusalz kann ich aus Mangel der Nachrichten nichts sagen, als daß der Anbau beßer von statten gehen würde, wenn sie in Gnadenberg mehr Freyheit vor den Bunzlauern, und in Neusalz mehr nüzliche Fabricanten und Künstler hätten und mit Capitalien unterstüzt werden könten. Die Cammern bezeugten uns alle Geneigtheit, die Oberämter aber nicht, weil wir von den Consistoriis eximirt wären. § 67. Der Provincial-Synodus und der darauf im May und Juni 1747 zu Herrnhag gehaltene General-Synodus,93 wie auch die bey des Ordinarii Rückkehr aus Sachsen im Herbst erfolgte Visitation veranlaßte einige Veränderungen der Arbeiter. Schon vorher den 7. Januarii wurde die Sus[anna] Græbnerin94 von den ledigen Schwestern abgerufen. An ihre Stelle kam den 17. Februarii die Anna Maria Hantschin95 hauptsächlich für die Mägdgen. Die Lawatschin brachte sie her, sprach den 19ten mit Voigts die Eheleute, hielt den Weibern und ledigen Schwestern Virtelstunden, und kehrte den 27. nach Gnadenberg zurück. Mit [274] ihr kam auch [Abraham] Gersdorf, wie erst gedacht, zur Visitation, um dem Ministre von dem Zustand der Schlesischen Gemeinen Relation zu thun. Er richtete den 27. ein Richter-Collegium ein, welches bisher, da die Orts-Obrigkeit zugleich das Vorsteheramt bekleidet, für unnöthig gehalten worden. Es bestund aus den Brüdern Baumgarten,96 Drews, Ost,97 Türstig,98 HErrn von Geisler und Rösler.99 Hierauf folgte der Provincial-Synodus.100 Nach demselben reiste Christoph Voigt mit seiner Frau den 17. Aprilis nach Herrnhag ab und ging daselbst im September heim. Ihre Stelle wurde den 11. Augusti mit Antons101 besezt. Seidliz reiste den 24. Aprilis zum General 191 Das Synodalprotokoll sagt, dass etliche Familien nach Partsch gezogen sind, „um den Bruder Schwarz zu genießen mit der Hoffnung, einmahl in die Gemeine zu kommen. Zu diesen haben sich bis etliche und 70 nach und nach gefunden mit gleicher Absicht.“ Unitätsarchiv Herrnhut, Sign. R.7.A.12.2, 65. 192 ������������������������������������������������������������������������������������� Ernst August Hersen (1714–1750), 1742 in die Brüdergemeine aufgenommen, 1744 als Kinderinformator bei Johannes Hartmann, einem Freund der Brüdergemeine in Hirschberg, angestellt. 193 12. Mai bis 14. Juni 1747. Synodalprotokoll: Unitätsarchiv Herrnhut, Sign. R.2.A.23.A. 194 Susanna Graebner, 1744 Stundenbeterin.. 195 Anna Maria Hantsch, geb. Kremser, verheiratet mit Johann Georg Hantsch (1718–1768) oder Anna Maria Hantsch aus dem Chorhaus Gnadenfrei. Unitätsarchiv Herrnhut, Sign. R.27.101.18. 196 Johann Baumgarten (1687–1778), Gründungsmitglied von Gnadenfrei. 197 Christian Gottlieb Ost (1704–1769), Helfer, Gemeindiener. 198 Ehepaar Türstig aus Mittelpeilau ist nachgewiesen in Unitätsarchiv Herrnhut, Sign. R.27. 101.15. 199 �������������������������������������������������������������������������������������������� Johann Gottlob Rösler (1710–1780) aus Egelsdorf bei Friedberg, Stricker, Mitglied des Aufseher-Collegiums. 100 22. Februar bis 5. April 1747. Synodalprotokoll: Unitätsarchiv Herrnhut, Sign. R.2.A.21.2. 101 Joseph Anton (1705–1785), 1738 verheiratet mit Haberland.

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Synodo. Er kam den 21. Julii zurück, und brachte die Dor[othea] Teicherin102 als Arbeiterin der ledigen Schwestern mit. Auch reisten Kettners,103 die wol mehrentheils Seidlitzen zur Hand gewesen waren, den 11. Julii nach Herrnhag ab. Den 29. Augusti kam die Wittwen-Pflegerin Dor[othea] Wunderlingin von Gnadenberg an, um eine Zeitlang hier zu wohnen. Eben denselben kam Johannes zur Visitation, reiste aber noch dieselbe Nacht nach Rösniz ab. Von seiner Arbeit will ich hernach sagen und erst anzeigen, daß der Bischof Polycarp Müller den 17. Junii im Paedagogio zu Urschkau, welches bald darauf nach Neusalz zog, heimgegangen und in Neusalz begraben worden. Dieses veranlaßte eine Veränderung im Directorio der Schlesischen Kirchen-Sachen. Der Ordinarius [275] gedachte diese Stelle nicht wieder zu besetzen, sondern die Schlesischen Gemeinen doch einiger maßen, mit der Lutherschen Verfaßung zu vereinigen. Der Probst Gerner104 in Coppenhagen war wegen seiner Connexion mit der Gemeine in Gefahr, sein Amt zu verlieren. Um ihm die Schmach der Absetzung zu ersparen, sandte man ihm eine Vocation zum Lutherschen Præposito der Evangelischen Brüder Gemeinen in Preußischen Landen, und er wurde in dieser Qualitaet von seinem König mit Ehren entlaßen. Siehe Brüder Historie Seite 515.105 Johannes hatte den Auftrag, mit dem Consistorial-Rath und Inspector Minor106 zu Landshuth, der sich bey einer Durchreise durch Gnadenfrey freundlich bezeuget,107 aber vermuthlich verstellt wegen einer Vereinigung zu sprechen. Er reiste deshalb zu ihm, obgleich nach starckem Widerspruch der hiesigen Arbeiter, und sonderlich Biefers, der nichts als Mährische Kirche gelten laßen und alles zu derselben ziehen wolte. Ich finde weiter nichts davon angezeigt, als daß Johannes den 6. Septembris in Seidliz und Heithausens Beysein eine schöne Unterredung mit Minor gehabt,108 und laut dem Repertorio Supplemento Vol[ume] III. 21109 ein Schreiben an denselben, wie die freundschaftliche Connexion zwischen den Brüdern 102 Dorothea Teicher, Schwesternpflegerin. 103 Johann Georg Kettner (1715–1810), 1738 in die Brüdergemeine aufgenommen, DiasporaArbeiter, arbeitet als Apotheker, 1743 in Gnadenfrei, 1741 verheiratet mit Maria, geb. Lehmann († 1746). 104 Heinrich Georg Gerner (1717–1800), Probst in Seeland und Pfarrer der Kathedralkirche in Kopenhagen, dann Administrator des lutherischen Tropus der Brüdergemeine. 105 Cranz, David: Alte und Neue Brüder-Historie oder kurz gefaßte Geschichte der Evangelischen Brüder-Unität in den ältern Zeiten und insonderheit in dem gegenwärtigen Jahrhundert. Barby 2 1772 [11771], 515–517, § 163, berichtet über die Schwierigkeiten dieser Berufung. 106 �������������������������������������������������������������������������������������� Melchior Gottlieb Minor (1693–1748), 1722 Diakon, 1727 Pastor primarius an der Gnadenkirche in Landshut, dort 1742 Inspektor der Kirchen und Schulen. 107 Minor war am 16./17. Februar anlässlich der Beerdigung von Pastor Heller (1686–1747) in Gnadenfrei. Vgl. Diarium der Gemeinde Gnadenfrei 1747. Unitätsarchiv Herrnhut, Sign. R.7.D.I.b.1.a.1743–1750, 7f., 34f. 108 Das Diarium der Gemeinde Gnadenfrei 1747 berichtet über den Besuch von Johannes von Watteville (1718–1788), Seidlitz, Georg Ernst von Heithausen (1724–1791) und Christian Drews (1722–1793) bei Minor und am 7. September nach Rückkehr, dass sie eine „unvergleichliche Unterredung mit Minor“ gehabt haben. Ebd., 69. 109 Ebd., Sign. R.5.B.5.c, Nr. 52.

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und der lutherischen Kirche zu erhalten sey, ergehen laßen. Den Erfolg davon werden wir bald sehen. [276] § 68. Was nun Johannis Verrichtungen hier betrift, so kam er den 2. Septembris früh mit Seidliz von Rösniz zurück, und gleich darauf erfolgte die Einweihung des Wittwenhauses bey einem Liebesmahl und Rede an die 24 neue Einwohner.110 Das ledige Brüder Haus war schon den 13. Januarii von ihren Arbeitern bezogen, der Saal deßelben von Bruder Andresen den 20. Februarii und der Schlafsaal den 24. eingeweiht worden.111 Und den 28. Julii war auch durch die Doro[thea] Teicherin und Hannel Sperbachin der Grundstein zum ledigen Schwestern Haus gelegt worden.112 Den 3. Septembris hielt Johannes die Predigt und darauf die Kinderstunde unter viel 1000 Thränen aller Anwesenden und hernach mit 498 Personen das heilige Abendmahl.113 Er sahe sie nach damaligen Gebrauch den 4. unter der Frühstunde Person vor Person an, und machte eine neue Einrichtung der Versammlung114 in folgender Ordnung: Sontag Predigt, nachmittag Fremdenstunde, Kinder und Chorviertelstunde, hernach die 3 Claßen der Fremden, der Aufgenommenen, der Abendmahls-­Geschwister (ich verstehe, vom Ehechor, denen nach Unterschied der Einsicht, eine Rede gehalten wurde, wie es vorher von Vogt und Biefer gutgefunden worden). Abends war Gemein[277]stunde, Liturgie und allgemeiner Abendsegen. In der Woche alle Tage Frühstunde, nachmittags um 3 Kinderstunde, in der Dämmerung Gemeinstunde für die Aufgenommenen, halb 9 Liturgie der Abendmahls-Geschwister und gleich drauf Singstunde und in Chören Abendsegen. Das Stunden-Gebet fiel für die Zeit aus. Am Sonnabend hatten die Arbeiter Sabbath Liebesmahl dabey, wie auch an den vielen GeburtsTagen, sonderlich der abwesenden Haupt-Arbeiter, es gemeiniglich sehr lustig zuging: es folgte nicht nur eine Illumination auf die andere, sondern zu Christels Geburts Tag den 19. Septembris wurde auch, und nachher öfter, ein Feuerwerck gespielt. Hierauf sprach Johannes bis in die Nacht 18 ledige Brüder zur Einrichtung, welches die erste in Gnadenfrey war und den 5ten Abends nach einer ausführlichen Rede an dieselbe geschahe.115 Den Vormittag hatte er nach der Kinder abermaligen Bitten ihnen den ersten Kinder Gemeintag unter durchgängigen Weinen von Jungen und Alten gehalten, mit ihnen nach seiner Art einen Bund gemacht, der vielen, die hernach abgekommen, eindrücklich geblieben, und mit 40 Kindern eine Kindergemeine angefangen, auch die Einrichtung gemacht, daß diese alle Wochen 2 mal eine Viertelstunde haben, und in 110 111 112 113 114 115

Ebd., Sign. R.7.D.I.b.1.a.1743–1750, 68. Ebd., 39f. Ebd., 62. Ebd., 68. Diese Einrichtung findet sich nicht im Diarium. Diarium der Gemeinde Gnadenfrei 1747. Unitätsarchiv Herrnhut, Sign. R.7.D.I.b.1.a.1743– 1750, 69.

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derselben die Aufnahme der Kinder geschehen solte. Abends sezte er mit etlichen [278] Arbeitern über Peterswalde, wo er sich nur die Gegend und das Versammlungs-Haus ansahe, seine Reise nach Landshuth fort. Es waren auch verschiedene Arbeiter und Pilger mit und nach Johannes zum Besuch gekommen, zum Exempel Jacob Schellingers,116 die Mutter Schindlerin, WittwenArbeiterin zu Herrnhuth,117 Esther Davidin,118 Lisel Schweinizin,119 ingleichen David Nitschmann,120 Episcopus aus Pensilvanien, Friedrich Martin aus St. Thomas121 und Beutel aus Berbice.122 Leztere 3 besuchten auch ihre alte Bekannten im Lande, sonderlich in Ober-Schlesien. Den 29. Septembris kam ein noch stärckerer Besuch mit dem Ordinario, nemlich Johannes, Christel,123 Wenzel Neusser,124 Abraham und Siegmund Gersdorf,125 Friedrich Wattewille,126 die Gräfin Zinzendorf, Benigna von Wattewille,127 die Comtesse Agnes von Promniz,128 Anna Nitschmannin,129 Anna Johanna,130 Schellingers, Stöhr,131 Franke132 und Königsdörfer.133 Der Ordinarius sahe sich den 30. den Ort, die Lage und die Chorhäuser mit Wohlgefallen an, hielt die Gemeinstunde und den 1. Octobris das heilige Abendmahl und trat den 2. seine Rückreise nach Herrnhuth

116 ���������������������������������������������������������������������������������������� Jakob Schellinger (1706–1769), 1745 Consenior, 1734 verheiratet mit Magdalena, geb. Beuning (1711–1779). 117 Elisabeth Schindler, geb. Scherzer (1686–1769), 1726 Witwenarbeiterin in Herrnhut, 1732 verheiratet mit Matthäus Schindler (1694–1771). 118 Eine Esther David ist nicht bekannt. Wahrscheinlich ist es eine Verwechslung mit Rosina David (1688–1760). 119 Helene Elisabeth von Schweinitz (1724–1795), 1750 verheiratet mit Friedrich Wilhelm von Marschall. 120 David Nitschmann („der Syndicus“, 1703–1779), 1724 aus Mähren nach Herrnhut emigriert, danach in diversen Führungspositionen der Brüderunität. 121 Friedrich Martin (1704–1750), ab 1736 Missionar auf den Jungfern-Inseln 122 Heinrich Beutel (1711–1763), ab 1739 Missionar unter den Indianern in Berbice. 123 Christian Renatus von Zinzendorf (1727–1752), Sohn von Nikolaus Ludwig von Zinzendorf (1700–1760). 124 Friedrich Wenzeslaus Neisser (Neusser, 1716–1773), 1722 nach Herrnhut emigriert, 1738 zum Prediger ordiniert, seit 1764 Mitglied der Direktion der Brüderunität. 125 ������������������������������������������������������������������������������������ Siegmund August von Gersdorf (1702–1777), 1746 zum Diaconus ordiniert, 1750 zum Consenior civilis. Er war bedeutend als Architekt der Brüdergemeine. 126 Baron Friedrich von Watteville (1700–1777). 127 Benigna von Wattewille, geb. Zinzendorf (1725–1789). 128 Agnes Sophia von Promnitz, verh. Reuß (1720–1791). 129 Anna Nitschmann (1715–1760). 130 Anna Johanna Seidel, geb. Piesch (1726–1788), 1743 Mitgeneralältestin, 1744 Generalältestin aller ledigen Schwesternchöre, 1760 verheiratet mit Nathanael Seidel (1718–1782). 131 Johann David Stöhr (1702–1774) und seine Ehefrau Eva Philippina, geb. Heckardt (1711– 1762), wurden 1741 als Arbeiter für Schlesien bestimmt. 132 Johann Friedrich Franke (1717–1780), Sekretär Nikolaus Ludwig von Zinzendorfs (1700– 1760). 133 Johann Gottlob Königsdörfer (1721–1786), 1743 Ältester aller ledigen Brüderchöre.

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an.134 Biefer that vom 9. bis 29. Novembris dahin einen Besuch, in welcher Zeit Hans Petsch135 für ihn vicarirte. Er brachte den Bruder Layriz136 als nunmehrigen Director des Paedagogii mit zum Besuch, und den 2. Decembris kamen Vippachs137 hieher, um nebst [279] Haekners138 bey den Kindern gebraucht zu werden. § 69. Gnadenfrey war also gut mit Arbeitern besezt, und sie machten bey allen Tändeleyen noch ziemliche Arbeit, obgleich Seidliz oft unzufrieden war, und wie vorher mit Vogt also nun auch mit Biefer, weil sein Vorsteheramt nicht behörig respectirt wurde, nicht allemal in der besten Harmonie lebte. Das meiste rührte wohl von der Oeconomie der verheyratheten und der ledigen Schwestern Arbeiter im Gemeinhause her, die unter Seidliz Direction gehalten und dazu er durch die freywilligen Beyträge der wohlhabenden Brüder in Stand gesezt wurde, wie denn HErr v. Pfeil 80 Rtl. jährlich dazu hergab. Es wurde auch auf dem Provincial-Synodo eine Provincial-Caße zur Bestreitung der Reisen in Schlesien und zum Ersatz der Defecte139 der Oeconomien in Vorschlag gebracht. Der Zulauf zu den Predigten dauerte nicht nur fort, sondern wurde durch Biefers lebhaften und mehrentheils paradoxen Vortrag, ja auch wohl Extravaganzen sehr vermehrt. Manche Pfarrer, die ihre Gemeinen aus Freseniis140 und andern Lästerschriften zu erbauen und von den Brüdern abzuschrecken suchten, trugen viel zu dem starcken Zulauf bey. [280] Die Leute kamen von Neugier getrieben, und viele wurden dadurch eines andern überzeugt, hielten sich zur Gemeine und baten um die Aufnahme. Das machte die Arbeiter bey der Vorsichtigkeit, die sie nach der neuen Concession brauchen mußten, sehr verlegen, gleichwol wurden auch in diesem Jahr 102 aufgenommen und 158 zum Abendmahl admittirt. Der Getauften waren 47 und der gestorbenen 40.141 Etwas außerordentliches that Biefer, daß er 2 Kinder solcher Eltern, die beym Gemein134 Diarium der Gemeinde Gnadenfrei 1747. Unitätsarchiv Herrnhut, Sign. R.7.D.I.b.1.a.1743– 1750, 75f. 135 Johannes Petsch (1720–1795), 1748 ein Jahr Prediger in Gnadenfrei, dann in Zeist. 136 Paul Eugen Layritz (1707–1788), 1732–1742 Konrektor in Neustadt an der Aisch, 1742 in die Brüdergemeine aufgenommen, danach 1743–1748 Vorsteher des Theologischen Seminars und Pädagogiums in Marienborn und Lindheim, 1749 Direktor des Pädagogiums in Großhennersdorf, 1764–1775 Mitglied der Unitätsleitung, zugleich 1765–1769 Gemeinhelfer von Barby, 1775–1782 Gemeinhelfer in Gnadenfrei, dann in Herrnhut. 137 Heinrich Wilhelm Gottlieb Vippach (1713–1778), Theologiestudium in Halle an der Saale, 1739 in die Brüdergemeine aufgenommen, ab 1747 mit seiner Ehefrau Christiane Vippach (1720–1761) Kindereltern in Gnadenfrei, dann Neusalz. 138 Gottfried Häckner (1718–1810), 1743 in die Brüdergemeine aufgenommen, 1744 verheiratet mit Catharina, geb. Neißer († 1754), 1745 in Gnadenfrei zum Dienst an den Kindern. 139 Fehlbetrag. 140 ���������������������������������������������������������������������������������������� Johann Philipp Fresenius (1705–1761), Verfasser von: Bewährte Nachrichten von Herrnhutischen Sachen, Bd. 1–4. Frankfurt/Main 1746–1751. 141 Diarium der Gemeinde Gnadenfrei 1747. Unitätsarchiv Herrnhut, Sign. R.7.D.I.b.1.a.1743– 1750, 80.

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schluß gewesen, aber nicht in einen Gemeinmäßigen Gang waren und sich nicht wolten abweisen laßen, mit einem Exorcismo taufte. Man fing nun auch an, die Wöchentlichen Nachrichten142 aus der Pilgergemeine, die in diesem Jahr angefangen und hernach sehr vergrößert worden, nebst dem kurzen Auszug aus des Ordinarii Reden der Gemeine vorzulesen.143 § 70. Ich finde in dem Gnadenfreyischen Archiv (von Ernst Tschirschkys144 Consignation Nr. 119)145 einen Bericht von Gersdorf, Groß Krausche 24. Merz 1747, an Münchow, wie er es bey seiner Visitation der Schlesischen Gemeinen gefunden:146 in Neusalz gehe alles gut von statten, nachdem der Iurisdictions-Punct in Ordnung gebracht worden. [281] Die Brüder Colonie solte kein besonders Gemein-Gericht haben, sondern unter dem Stadt-Magistrat stehen. Hierüber hatte Gersdorf mit demselben den 3. Februarii 47 einen Vergleich getroffen147 und mit einer Vorstellung den 6. Februarii ans Glogauische Oberamt148 eingesandt, welches denselben in einem Rescript den 13. Februarii149 und 19. Junii 47150 bestätigte, des Inhalts, daß 2 Deputirte vom Gemein-Directorio der Brüder in rebus contentiosis151 die Brüder betreffend, als Senatores im Rath cum voto sitzen, und dazu mit einem Handschlag angenommen werden solten. In Sachen aber, die die Kirchen-Freyheit und das Etablissement der Brüder direct betreffen, solte von der Cammer unmittelbar Verordnung an die Gemeine ergehen. Siehe Vol. III. 22, 23. Gersdorf berichtet weiter: in und um Peile sey bis auf Biele alles ruhig und ansehnliche Fabriquen im Werck. In Rösniz halte sich seit dem lezten Rescript Mensis Novembris 46 der Richter ruhig, scheine aber wieder einen Lerm anfangen zu wollen, wenn die Brüder ihr Bethaus bauen würden. In Gnadenberg sey man wegen der Professionen, die die Bunzlauer nicht leiden wolten, sehr gehindert. Er bittet um Freyheit, für die 142 Gemeint ist das sogenannte Jüngerhaus-Diarium, das 1747 begonnen und an alle Gemeinden in Abschrift versandt wurde. Es enthält vor allem die Reden Nikolaus Ludwig von Zinzendorfs (1700–1760). Der Begriff „Pilgergemeine“ meint dasselbe und bezieht sich auf die engere Gemeinschaft der Mitarbeiter um Zinzendorf, die mit diesem unterwegs ist, da er seit 1736, seit seiner Ausweisung aus Sachsen, seinen Wohnsitz immer wieder wechselte. 143 �������������������������������������������������������������������������������������� Damit sind wahrscheinlich die Nachschriften der Reden Zinzendorfs im Jüngerhaus beziehungsweise dessen gekürzter Auszug gemeint, da es keinen Druck mit dem Titel „Kurzer Auszug [...]“ gibt. 144 Ernst von Tschirschky (1733–1774), verheiratet mit Friederica Johanna Ernestine, geb. von der Golz. 145 Die Akten aus dem Gnadenfreier Archiv sind leider nur ganz bruchstückhaft vor 1945 nach Herrnhut gekommen. Die genannte Consignation ist in Herrnhut nicht erhalten. 146 Unitätsarchiv Herrnhut, Sign. R.5.B.6.c, Nr. 47: Abschrift des Berichts. 147 Ebd., Sign. R.5.B.5.c, Nr. 33. 148 Ebd., Nr. 31. 149 Ebd., Nr. 32. 150 Konnte in den Herrnhuter Akten nicht nachgewiesen werden. 151 in den strittigen Sachen.

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ausländischen Professionisten, wenigstens [282] solche, die sie in Bunzlau nicht haben. ­Schuster und Schneider könten allenfalls nur für den Ort arbeiten. Unter den Nachbarn spüre man zwar noch hie und da einige Widrigkeit und Bedrückung ihrer Unterthanen, die Brüder sind, die mehresten aber sähen ein, daß die Brüder ihre besten Unterthanen wären, und dächten nicht mehr ans fortjagen. Er stattete auch aus Herrnhuth 16. Octobris einen Bericht ab an Münchow wegen des Seminarii in Neusalz,152 daß kürzlich dahin gezogen, und sobald der Bau deßelben fertig sey, sich ansehnlich vermehren werde, sucht auch des Grafen Zinzendorfs153 Character, der in Berlin übel angeschrieben, zu retten. Das Glogaische Oberammt hatte den 12. Junii an den Grafen Zinzendorf, Bischof der Mährischen Brüder, rescribirt,154 eine Consignation155 der in den Gemeinen Glogauishen Departemens, Neusalz und Buhrau wohnenden Personen ans Ober-Consistorium einzusenden, und damit jährlich zu continuiren; und nach einem Rescript den 24. Novembris156 auch die jährlichen Communicanten beyzufügen. Beydes erfüllte Gersdorf den 22. Decembtis ans Ober-Amt,157 meldete aber zugleich, daß der Graf Zinzendorf schon einige Jahre sich nicht mehr mit der Schlesischen Sache abgebe, und bat, dergleichen Verordnungen an das dermalen zu Neusalz etablirte Directorium der Schlesischen Brüder Gemeinen zu senden. [283] § 71. In Rösniz wars seit dem auf des Landraths Klage im Novembris 46 erfolgten CammerRescript,158 die Brüder zu schützen, ziemlich ruhig gegangen. Lieberkühn bekam einen Ruf zur Pilgergemeine und reiste im Februario nach Marienborn ab. An seine Stelle war ad interim Heinrich Nitschmann159 im Januario aus Neusalz gekommen und ging im May auch nach Marienborn, nachdem den 14. Mayi Lauterbach160 als Prediger und Melchior Zeisbergers161 als Gemein-Arbeiter dahin gekommen waren, und den 9. Augusti zog die Hannel Sperrbachin aus Gnadenfrey dahin als Arbeiterin der ledigen Schwestern. Zu 152 153 154 155 156 157 158 159

Konnte in den Herrnhuter Akten nicht nachgewiesen werden. Nikolaus Ludwig von Zinzendorf (1700–1760). Unitätsarchiv Herrnhut, Sign. R.5.B.5.c, Nr. 47. gerichtliche Aufzeichnung. Unitätsarchiv Herrnhut, Sign. R.5.B.5.c, Nr. 57. Ebd., Nr. 59, 60. Ebd., Nr. 23. Heinrich Nitschmann (1712–1770), Prediger in Gnadenfrei, erhielt von Nikolaus Ludwig von Zinzendorf (1700–1760) 1743 den Auftrag, sich der Erweckten in Schlesien, Polen und Mähren mit anzunehmen. 160 Johann Michael Lauterbach (1716–1787), studierte in Jena Theologie, war Amanuensis von Prof. Walch, 1743 in Burau, 1744 in Gnadenberg, Mai 1747 in Rösnitz und Steuberwitz, Sekretär Zinzendorfs. Er heiratete 1743 Susanna Helena Golkowsky (1716–1777). 161 Melchior Zeisberger (1701–1781), 1724 ausgewandert, 1747–1749 in Rösnitz und Oberschlesien, 1749–1751 in Gnadenfrei, dann Holstein. Er heiratete 1728 Anna Böhnisch († 1763).

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Ende Augusti bekamen sie einen Besuch von Johannes.162 Er sprach die Geschwister, regulirte die Versammlungen und sahe mit den Brüdern die am Ende des Dorfs gelegene Freystelle des Bruder Vogels163 zur Erbauung des Bethauses aus. Seidliz meldete dieses an die Cammer und erhielt unterm 26. Septembris ein Rescript164 an den Landrath, Graf v. Solms,165 die auf dieser Stelle haftende onera publica166 wie auch Herrschaftliche und Gemein-Abgaben zu reguliren und davon zu berichten. Der Bericht (von dem ich nichts finde) mag nicht gut ausgefallen seyn, den[n] ich finde Vol[ume] III. 33. ein Rescript vom Oberamt in Oppeln an die Mährische Brüder Gemeine zu Rösniz 20. Octobris,167 [284] daß diejenigen, so vorhin zu des Evangelischen Predigers Unterhalt zu contribuiren, schuldig gewesen, solches auch noch fernerhin thun müßten. Gersdorf stellte zwar unterm 22. Decembris168 die Unrechtmäßigkeit dieses Ansinnens vor. Wie die Vol[ume] III. 42 befindliche Antwort vom 12. Januarii 48169 darauf an die Evangelische Herrnhutsche Gemeine zu Rösniz gelautet, ist mir nicht bekannt. Ich finde aber Vol[ume] 47 ein Rescript unterm 2. Februarii 48,170 darinnen das vom 10. Octobris bestätigt wird, weil die von dem Deputato angeführten Gründe überall unerheblich befunden worden. Wie es mit dem Bethaus-Bau ergangen, wollen wir beym folgenden Jahr 1748. sehen. § 72. In Biele machte des Pfarrers oder sogenannten Vater Hellers Tod, welcher, ob er gleich nicht mit, doch nicht gegen die Gemeine war und den Grafen wie auch die KirchenVorsteher immer zu besänftigen suchte, eine betrübte Epoque. Er starb den 10. Februarii, wie man sagte, nach einer ängstlichen Verzagung etwas getröstet und wurde von Consistorial-Rath und Inspector Minor zu Landshuth begraben. Dieser Mann, auf deßen Ausspruch, wie Biefer im [285] Diario schreibt, mehr geachtet wird als auf Inspector Burgs,171 kam vom Begräbniß den 16. Februarii zum Besuch nach Gnadenfrey und 162 Johannes von Watteville, geb. als Johann Michael Langguth (1718–1788), 1744 von Baron Friedrich von Watteville (1700–1777) adoptiert. 163 ������������������������������������������������������������������������������������������ Andreas Vogel. Die Akte im Unitätsarchiv Herrnhut, Sign. R.5.B.5.c, Nr. 78 spricht von einem Garten. Landrat Christian Ernst von Solms (1706–1748) (ebd., Nr. 83) rät daher vom „Vogelschen Fundum“ ab und empfiehlt ein Grundstück von Matthäus Proske, einem Gerichtsgeschworenen. 164 Ebd., Nr. 53.a. 165 Christian Ernst von Solms (1706–1748), 1748 Landrat von Leobschütz. 166 Allgemeine öffentliche Lasten (zum Beispiel Steuern). 167 Unitätsarchiv Herrnhut, Sign. R.5.B.5.c, Nr. 55. 168 Ebd., Nr. 61. 169 Ebd., Nr. 67. 170 Konnte in den Herrnhuter Akten nicht nachgewiesen werden. 171 Diarium der Gemeinde Gnadenfrei zum 17. Februar 1747: „Dieser Minor ist ietziger Zeit das Lumen der Theologorum in Schlesien, und seine Approbation und Disapprobation soll, wie ers auch selber zu verstehen gab, mehr als Inspector Burg in Breßlau gelten. Seine Meynung überhaupt ist, daß es sich noch mit beyden Kirchen, der Mährischen und Lutherische geben werde.“ Unitätsarchiv Herrnhut, Sign. R.7.D.I.b.1.a.1743–1750, 35.

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erklärte sich sehr freundschaftlich, daß er die Beschuldigungen gegen Graf Zinzendorf, der überall im Segen arbeite, nicht glauben könte172 und nur wünschte, daß unsre Ordnungen nicht möchten den Schein einer Trennung von der Lutherschen Kirche geben, da wir doch in der Lehre einig und eben das lehrten, was die Lutheraner lehren solten, damit nicht vollends alles Gute aus ihrer Religion heraus gezogen würde. Er schätzte den Pastor Rothe in Dirsdorf glücklich, daß er alle 8 oder 14 Tage die Gemeine besuchen könte, und gegen denselben hatte er gesagt, er solte sich fleißig was von Gnadenfrey holen und seinen Seelen bringen. Nur müßte er sich nicht in die äußerliche Verfaßung einlaßen, denn damit käme er beym Consistorio nicht durch. So redete sein Mund. Ob sein Herz so gedacht, weiß Gott. Man hat aber Ursach zu vermuthen, daß es Betrug gewesen und daß eben dieser Mann alles Unheil in Biele und Peterswalde angestiftet, ja daß er es auf den gänzlichen Umsturz der Brüder Sache in Schlesien angetragen und des wegen überall herum und endlich nach Berlin gereiset, aber auf einer [286] abermaligen Reise nach Bresslau 48 durch einen plötzlichen Tod an Schlagfluß daran verhindert worden, wiewohl man die Würckungen noch etliche Jahre gefühlt hat. Vermuthlich hat er den Grafen Sandrasky dahin vermocht, den Klagen der KirchenVorsteher gegen Guts und den Pfarrer Conrad,173 die er vor 2 Jahren nach geschehener Untersuchung abgewiesen, Gehör zu geben und die Brüder Sache in Biele zu zerstören, die er vorher, um doch auch den Schein eines gottseligen Wesens zu haben, unterstüzte. Und hiezu war er nunmehr desto eher geneigt und fähig, da er fürchtete, daß die ledigen Schwestern, die er im Dienst hatte, durch die Bekäntniß der Versuchungen, auch wol Versündigungen, ihn blos stellen möchten. § 73. Der Graf174 machte den 27. Februarii mit dem Bruder Guts den Anfang und ließ eine Verordnung an ihn ergehen,175 bis zu fernerer Untersuchung keine Stunden und Liebesmahl zu halten, noch sonst etwas, das nurd den Geistlichen zukomme, zu verrich-

d

Über der Zeile für gestrichen: sonst.

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172 Diarium der Gemeinde Gnadenfrei zum 16. Februar 1747: „Nach der Abend-Stunde, welcher er mit beygewohnt, speisete er bey Br. Seidliz. Allwo man zu allerhand Discoursen Gelegenheit fand, unter andern aber ließ er sich also verlauten: ‚Alles das, was wieder den Herrn Grafen gesagt und geschrieben wird, kann ich keinen Augenblick glauben, denn so lange Jahre nacheinander mit dem Heyland und der eintzigen Haupt-Sache umgehen und kein redliches Herze haben, muß endlich Gott und die Natur rächen.“ Ebd., 34. 173 Gottlieb Conrad (1696–1746), 1730 Pfarrer in Dirsdorf, konnte sein Amt aber erst 1732 nach Entkräftigung des Verdachts des Pietismus antreten. 174 Johann Ferdinand von Sandrasky (Sandretzky, 1711–1775), Erbherr von Langenbielau oder Gottlieb Friedrich von Sandretzky (1721–1748). 175 �������������������������������������������������������������������������������������������� Unitätsarchiv Herrnhut, Sign. R.5.B.5.c, Nr. 34, Nr. 35, mit dieser Mitteilung an den Ortspfarrer.

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ten. Auf diese Verordnung wurde Guts, um (wie sich Gersdorf im Provincial-Synodo ausdrückte) dem Grafen nicht die Freude zu machen, einen Bruder [287] verwiesen zu haben, nach Peile zurück gerufen, und [Abraham] Gersdorf erklärte sich in einem Schreiben an den Grafen den 2. Merz,176 daß, da Guts schon vorm Jahr auf sein Verlangen abgerufen worden, aber wegen seiner Frauen-Umstände nicht reisen können, derselbe nun, um die Vorsteher zu befriedigen, abgerufen worden. Die Bieler hätten wie alle Schlesier Freyheit, sich zur Mährischen Kirche zu bekennen, und Guts sey etliche Jahre mit des Grafen Consens zur Aufsicht bey ihnen gewesen. Er habe ihn genau wegen des Proselyten-Machens befragt, welches dieser geleugnet, wie auch, daß er keine Stunden, wol aber Gesellschaften und Herzens-Unterredungen und selten Liebesmahl mit etwas Thee und Semmel gehalten. Wenn nun der Graf nicht erlauben wolte, daß ein paar andre Geschwister zur Aufsicht hingeschickt würden (wozu er doch rathen wolte, damit die Leute beym Bethaus erhalten und nicht genöthigt würden, sich dem GottesDienst zu entziehen oder gar den Ort zu verlaßen), so müßten sie durch die Peilischen Arbeiter besucht werden, oder wir müßten bey diesem Eingriff in die erste und andre General Concession beym König Schutz suchen. [288] Graf Sandrasky antwortete hierauf den 14. Martii.177 Er bezeugte seine Unzufriedenheit, daß Guts auf seine einseitige Verantwortung abgerufen und nicht ordentlich verhört worden, da es sich den[n] wohl gefunden haben würde, daß er laut der Menge Klagen ad protocollum Leute geworben und an sich gezogen. Er habe ihm ex post auf des Grafen Zinzendorf Versicherung, daß er sich nicht in unerlaubte Sachen mengen würde, Erlaubniß ertheilt, in Biele zu wohnen, die Peilsche Gemeine aber hätte gemacht, daß er ein Ascendant178 über seine Unterthanen bekommen und hätte Biele auf den Fuß wie Berthelsdorf setzen wollen. Die neue Concession hätte ihm die Augen aufgethan, daß die Brüder keine einzelne Familien ansetzen solten, und er wiße noch nicht, ob es mit der Concession bestehen könnte, daß sie Leute ohne Anzeige beye ihrer Obrigkeit in die Gemeine aufnehmen. Er könne also nicht erlauben, ein paar ­Geschwister dahin zu schicken, auch nicht, daß die Peilschen Arbeiter sie besuchten, oder er würde sie in Arrest nehmen und den Instanzen übergeben. Wenn die Mährischen Brüder mit den Lutheranern einerley Glaubens-Grund hätten, so dürften sie sich nicht von ihnen trennen, zumal da sie in Biele noch einen treuen Lehrer hätten, der selbst [289] gestanden, daß er ein Mährischer Bruder sey, wiewol es noch zu untersuchen wäre, ob ein Mährischer Bruder zugleich ein Lutherischer Prediger seyn könte, worauf er nun seine Attention richten werde, etc.

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Nachträglich über der Zeile ergänzt.

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176 Ebd., Nr. 44. 177 Konnte in den Herrnhuter Akten nicht nachgewiesen werden. 178 Übergewicht, Überlegenheit.

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§ 74. Daß dieses keine leere Drohung gewesen, wurde man bald gewahr, als der Pfarrer Conrad im April vors Consistorium in Bresslau citirt179 und unter andern befragt wurde:180 ob man in der Lutherschen Religion nicht selig werden könte? Warum er denn in Peile besuche und seine Zuhörer mit dahin führe? Warum er nicht das Gesetz predige? Wie seine Antworten beschaffen gewesen, kann man aus der einigen ersehen, die man aus seinem Munde im Diario unterm 18. Aprilis aufbehalten: den ruchlosen Welt-Menschen predige er das Gesez, aber den Gläubigern das Evangelium. Und auf das Zumuthen, er müße die Gemeinschaft mit den Mährischen Brüdern meiden, hat er declarirt, er wolle lieber kein Amt haben. Die Bieleschen Brüder baten in einer Supplique den Grafen um Erlaubniß, einen Mährischen Bruder bey sich wohnen zu haben. Er gab ihnen aber unterm 11. Mayi zur Antwort,181 daß deshalb die Königliche Resolution zu erwarten, und weil das Mahrische Kirchen- [290] Directorium ihn auf eine unanständige Weise in seinem Obrigkeitlichen Amt, seinen Unterthanen nach seinen Principiis die Freyheit zu erhalten, verhindert, so müßten sie nun die Commision abwarten. Diese wurde den 28. und 29. Mayi von Minor gehalten.182 Im Suppl[ement] III, 15, 16 ist eine Relation davon angezeiget von den Bielschen Brüdern wie auch von Conrad, ingleichen eine schriftliche Declaration der Bielschen Brüder vor der Commision,183 daß, wenn ihnen ihr Gewißen gebunden werden solte, sie genöthigt seyn würden, sich in der Stille zu retiriren oder sich solange des Gottes-Dienstes zu enthalten, bis ihnen der HErr helfen würde. Nach einer mündlichen Nachricht beliefen sich der Vorsteher Klagen gegen Pastor Conrad darauf, daß er mit den Herrnhutschen Leuten besondere Versammlungen hielte, sie nach Gnadenfrey wiese und selber mit hingehe, daß er Herrnhutsch predige und solche Verse singe. Minor drang darauf, daß er versprechen solte, dieses zu unterlaßen, weil er sonst kein luthrischer Prediger seyn könnte. Er declarirte aber, daß er eher seinen Hirtenstab niederlegen wolle. Das erklärte Minor dahin, so sey er ein Miethling, der von der Heerde fliehe. Es ging etwas hitzig und unordentlich zu. Minor sprach daher mit ihm besonders 179 ����������������������������������������������������������������������������������������� Zum Verhör von Gottlieb Conrad (1696–1746) vgl. Schwencker, Friedrich: Friedrich der Große und die schlesische Brüdergemeine. Herrnhut 1937, 48–57. 180 Der Passus heißt im Diarium der Gemeinde Gnadenfrei vom 18. April 1747: „Es kam auch heute der Pfarrer von Biehlau, Conradi, zu uns und relationirte uns, was er von dem Ober-Consistorio in Bresslau gefragt worden und was er hierauf geantwortet: z.B. ob er ein EvangelischLutherischer Prediger wäre? Ob man in der Lutherischen Religion nicht seelig werden könnte? Was er in Peylau machte? Warum er mit seinen Zuhörern zuweilen dahin ginge? Warum er nicht das Gesez predige? Respondens ille: er predigte das Gesez auch, nehmlich denen ruchlosen Welt-Menschen, den Gläubigen predigte er das Evangelium, [...] ferner: ob er nicht die Gemeinschaft mit den Mährischen Brüdern laßen wollte? Resp.: Nein. Lieber wollte er kein Dienst haben.“ Unitätsarchiv Herrnhut, Sign. R.7.D.I.b.1.a.1743–1750, 46. 181 Ebd., Sign. R.5.B.5.c, Nr. 37. 182 Ebd., Nr. 40, 41. 183 Ebd., Nr. 39.

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und declarirte am Sonntag den 29. in der Predigt gegen die Gemeine, daß Conrad sich beßer [291] gegen ihn erkläret und Hofnung gegeben, sich zu ändern. Conrad aber declarirte in der Nachmittags-Predigt, daß er nicht wiederrufen habe noch es thun werde. Hiedurch wurde Minor aufgebracht und ließ in der Kinderlehre bittere und spöttische Dinge über die Gemeine und ihre Lehrart, sonderlich von der Seitenhöhle, einfließen. Von den Leuten, die bey Guts in die Gesellschaft gegangen, erklärten sich die meisten für die Gemeine und baten den Grafen um seinen Schutz. Da aber dieser es abschlug mit dem Vorwurf, daß Guts,f den er hätte schützen können und wollen, ohne sein Wißen davon gegangen, so thaten sie die oberwähnte Declaration. Die Gräfin gab sich alle Mühe, ihren Herrn und den Inspector auf andre Gedancken zu bringen, und sagte lezterem manche bittere Wahrheit, es war aber alles vergeblich, und sie mußte geschehen laßen, daß der Graf bald darauf seine Töchter von Herrnhuth wegnahm. § 75. Der Ordinarius schrieb unterm 5. Julii einen französischen Brief an den Grafen,184 suchte die Fehler gegen des Grafen Person gut zu machen und schlug ihm Conrads Schwiegersohn, (Bruder Jacob Müller185) an Guts Stelle vor. Er antwortete höflich, daß er dieses zu thun nicht mehr im Stande sey.186 Den 28. Junii kam [292] der Pfarrer Rieger187 an Hellers Stelle auf des Oberamts-Præsidenten Benckendorfs Vorschlag, ja wie man sagt, gegen seinen eigenen Willen. Dieser hitzige Mann, der es aber hernach doch auch mit dem Grafen verdorben hat, that alles, die Gemüther noch mehr zu verbittern und den Conrad anzuschwärzen. Er wurde zum 2ten mal vors Consistorium gefordert und examinirt; das Consistorium stattete unterm 22. Junii einen Bericht188 von der Commision an den König ab, worauf unterm 22. Julii die von Podevils und Arnim gezeichnete Resolution ans Breßlauische Ober-Consistorium erfolgte,189 da nach dem abgeforderten Gutachten etlicher Gottes-Gelehrten die bey der Brüderschaft eingeführten Neuerungen mit den Grundlehrsätzen der Evangelischen Kirche nicht harmonirten und es incompatible sey, daß ein im Evangelischen Lehramt stehender Prediger zugleich ein Mährischer Bruder sey, welches nichts als Aergerniß und Verwirrung bey den Gemeinen und endlich den gänzlichen Untergang derselben nach sich ziehen könne. So solte, um dem überhand nehmenden Unwesen in Biele zu steuern, der Pfarrer Conrad citirt f

daß Guts über der Zeile ergänzt.

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184 Ebd., Nr. 48. 185 Johann Jacob Müller (1712–1781), 1740 in die Brüdergemeine aufgenommen, diente Nikolaus Ludwig von Zinzendorf (1700–1760) als Schreiber und in der Diasporaarbeit. 186 Unitätsarchiv Herrnhut, Sign. R.5.B.5.c, Nr. 49, 28. Juli 1747. 187 Georg Friedrich Rieger (1699–1768), 1747–1760 in Langenbielau. 188 Konnten in den Herrnhuter Akten nicht nachgewiesen werden. 189 Schwencker, Friedrich: Friedrich der Große und die schlesische Brüdergemeine. Herrnhut 1937, 55.

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und ermahnt werden, davon abzustehen und sich in seinem Lehramt ohne Einmischung fremder und nach dem Fanaticismo [293] schmeckender Uebungen und Anstalten, einzuschrencken. Würde er nun denselben eidlich entsagen, so solle er wegen seiner guten Gaben und übrigens unsträflichen Wandels bey seinem Amt bleiben; wo nicht, so solle er abgesezt und nach der Concession vom 7. Mayi 46 in eine der Brüder Colonien zu ziehen angewiesen werden. Indeßen kamen die Bieler häufig nach Gnadenfrey und hielten um die GemeinPflege an, die man ihnen auch nicht versagen konnte. Gersdorf suchte in einem Pro memoria aus Berthelsdorf den 8. Decembris190 sich der Sache anzunehmen und die Unschuld des Pfarrer Conrads und die Folgen, die aus seiner Absetzung kommen würden, darzuthun. Alleine den 14. Januarii 48 mußte Conrad zum 3ten mal vor dem Cosistorio erscheinen, da ihm obstehende königliche Resolution vorgelesen und auf seine Declaration, daß er den Umgang mit deng Herrnhuthern und ihrer Sache nicht eidlich absagen könne, die Absetzung angekündigt, wurde, mit dem Befehl, in 4 Wochen von Biele zu ziehen und sich nicht in Peile, sondern in Gros-Krausche oder Neusalz, oder wo er wolle, aufzuhalten. Beym Abschied hatte sich Burg191 in sein Gebet befohlen, zu einem Zeugniß über sie! [294] Er zog den 19. Januarii mit großen Wehklagen, selbst vieler natürlichen Leute und des Catholischen Pfarrers, die das Unrecht einsahen, begleidet nach Gnadenfrey.192 Der Graf selber stellte sich beym Abschied sehr wehmüthig und suchte weitläuftig zu beweisen, daß er keine Schuld daran habe. Er sezte den 5. Februarii seine Reise nach Neusalz fort, von wo er als Gehülfe zum Predigen nach Gnadenberg gekommen, nachdem er den 2ten unter großem Zulauf von Biele die Abschieds-Predigt in Gnadenfrey gehalten. § 76. Die mehrsten von den Bieler Geschwistern hielten sich nun laut ihrer Declaration vor der Commision nach Gnadenfrey, und den 9. Februarii geschahe die erste Taufe an Meyers Kinde, ohne dem Lutherschen Prediger dafür zu zahlen. Er wurde vor die Gräfliche Canzley gefordert, erschien aber nicht, weil er unter das Dom-Capitel in Bresslau g

mit den über der Zeile verbessert aus der.

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190 Unitätsarchiv Herrnhut, Sign. R.5.B.5.c, Nr. 58. 191 Johann Friedrich Burg (1689–1766), 1713 in Breslau ordiniert, 1735 Prediger an der Elisabethkirche und zugleich Kirchen- und Schulinspektor, 1742 Oberkonsistorialrat im Breslauer Oberkonsistorium. 192 ������������������������������������������������������������������������������������� Das Diarium der Gemeinde Gnadenfrei berichtet zum 12. Januar 1748: „Den 19ten bewillkommten wir oben gedachten Br. Conradi, welcher nun wirklich seinen Exulanten-Stab ergriffen und mit Sack und Pack ad interim zu uns herüber gezogen kam. Sein Abzug soll einen großen Allarm unter den Leuten verursacht haben, auch so gar die sonst natürlich Gesinnten behaupten öffentlich, daß er ein guter Mann gewesen, der niemand Unrecht gethan, und sind theils entschlossen, sich der Lehre der Brüder zu ergeben.“ Unitätsarchiv Herrnhut, Sign. R.7. D.I.b.1.a.1743–1750, 3.

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gehörte, deßen Antheil damals noch nicht dem Grafen verkauft war, und gab seiner Obrigkeit zum Bescheid, daß die Brüder nach der General Concession von der Bezahlung an den Bethaus-Prediger eximirt seyn. Der Graf aber ließ ihnen auch den 21. Merz das Begraben in Gnadenfrey verbieten. Sie hielten in einer Supplique [295] bey den Grafen um diese Erlaubnis an, mit Beylegung des den 10. Octobris 43 in eben der Sache nach Peterswalde ergangenen Decrets und baten, sie gegen des Pfarrer Riegers Feindseligkeiten zu schützen. Er ertheilte ihnen unterm 26. Martii zur Antwort, daß die königliche Resolution darüber abzuwarten.193 Dieselbe erfolgte unterm 26. Aprilis 48 vom Ober-Amt auf seinen Bericht vom 4. Aprilis,194 daß, da sich alle Evangelische Unterthanen in Biele lange vor dem von den Brüdern erlangten Gottes-Dienst zum Bethaus geschlagen, so müßten alle, auch die nun Mährische Brüder sind, wenn sie Actus Ministeriales in Peile verrichten laßen, dem Bethaus-Prediger das seinige entrichten, für ihre Kirchstellen zahlen und ihre Leichen mit Weglaßung der von den Mährischen Brüdern dabey affectirten rituum in Biele begraben laßen. Dieses ließ der Graf den 7. Mayi den Mährischen Geschwistern in Biele, wie er sie in seinen Decreten immer spottweise nennet, publiciren195 und hat bisher fest darüber gehalten. § 77. Inzwischen waren die Peterswalder mit ihrem Bruder Grünwald noch ruhig gelaßen worden und hatten die öffentliche [296] Predigt und ihre Schul-Anstalt unter Connivenz der Herrschaft und des Pastor Töpfers196 fortgesezt. Allein nun kam die Reihe auch an sie. Johannes hatte kaum den Inspector Minor besucht und eine freundschaftliche Unterredung wegen Vereinigung der Brüder und Lutheraner mit ihm gehabt197 (man hätte ihn doch schon aus seiner Handelweise in Biele als einen von den Füchsen, die den Weinberg verderben, kennen sollen), so kam er den 12. Octobris nach Peterswalde zum Besuch, und besprach sich beym Wirthschafts-Hauptmann v. Bomsdorf,198 der als Seidlizens Schwager für einen Freund gehalten wurde, mit einigen der angesehensten Unterthanen (worunter auch der Schultz Winkler,199 einer von den Vorstehern 193 Supplik ( = Bittschrift) und Antwort konnten in den Herrnhuter Akten nicht nachgewiesen werden. Das Diarium der Gemeinde Gnadenfrei berichtet am 22. März 1748: „Den 22ten schickte der Graf Sandrasky ein Decret an Br. Melchior Jung, daß wegen des Begrabens erst höhern Orts sollte angefragt werden“ und unter dem 26. März 1748 „Dern 26ten baten die Bieler Brüder in einem Memorial ihren Grafen um seine assistenz, die freyheit der Mährischen Brüder in Taufe, Abendmal und Begräbniß der ihrigen in Biele exerciren zu dürfen.“ Ebd. 194 Konnte in den Herrnhuter Akten nicht nachgewiesen werden. 195 Konnte nicht nachgewiesen werden. 196 Ernst Ludwig Töpfer (1707–1788), 1743–1780 Pfarrer in Peterswaldau. 197 Brief vom Juli 1747 von Johannes von Watteville (1718–1788) an Melchior Gottlieb Minor (1693–1748). Unitätsarchiv Herrnhut, Sign. R.5.B.5.c, Nr. 52. 198 Konnte nicht nachgewiesen werden. 199 Michael Winkler, Bauer.

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der Brüder) über die Verfaßung des Lutherischen Bethauses und der Brüder Versammlung. In seinem Bericht ans Consistorium vom 7. Novembris,200 der sonst moderat genug abgefaßt ist, beruft er sich auf keinen Befehl, und aus einem Schreiben des HErrn v. Landwust201 12. Decembris aus Sorau202 im Namen der Herschaft an Bomsdorfh kann man deutlich schließen, daß weder diese noch Pastor Töpfer geklaget oder eine Untersuchung verlanget. Vermuthlich ist es eine zwischen ihm und Burg und andern feindseligen Theologis als Baumgarten203 abgeredete Sache gewesen. [297] Sogleich erfolgte unterm 9ten Novembris ein Oberamts-Befehl an den Justits-Rath von der Heide,204 den Brüdern in Peterswalde nach Maasgabe der neuen Concession vom 7. Mayi 46 und des noch ältern Suspensions-Decrets ihres Bethauses vom 22. Julii 43 zu gebieten, alle Versammlungen und Actus ministeriales205 binnen 14 Tagen einzustellen und ihre Sache commissarisch zu untersuchen. Sobald man in Sorau dieses vernommen, mußte HErr v. Landwust wie obgedacht an Bomsdorf schreiben, daß diese, der Herrschaft liebe und werthe Unterthanen nicht hart angegriffen und genöthigt werden möchten, weg oder gar aus dem Lande zu ziehen. Er wolle nicht hoffen, daß Pastor Töpfer wider diese, Tugend und Aufrichtigkeit liebende Schafe geklaget. Wo nun kein Kläger, da sey kein Richter. Desto eher würde HErr von Heide und Minor durch gelinde Mittel diese, wenn auch irrige Leute gewinnen. Den 18. Decembris hielt HErr v. Heide, welcher damals noch nicht mit der Gemeine, sondern mit Pastor Töpfer genau verbunden war, die Commission206 und stattete unterm 23. Decembris Bericht ab.207 Das Häuflein bestehe aus 67 Aufgenommenen, 23 Unaufgenommenen und Kindern. Sie wären Separatisten gewesen und hätten sich zu [298] den Brüdern geschlagen, auch im Anfang des Krieges, noch ehe Töpfer hergekommen, ihre Versammlungen gehalten und hätten nur einmal von Conrad aus Biele sich das Abendmahl reichen laßen. Sie wären nicht ums Evangelische Bethaus befragt worden, hätten nicht darum gebeten, sich auch zu nichts verbindlich gemacht. Sie hätten ein Haus auf Rohrbachs Namen gekauft und zur Versammlung aptirt, darinnen auch Grünwald und Georg Schmidt208 Schule hielten. Sie hielten sich h

im Namen der Herschaft an Bomsdorf über der Zeile ergänzt.

200 201 202 203

Konnte in den Herrnhuter Akten nicht nachgewiesen werden. Konnte nicht nachgewiesen werden. Konnte in den Herrnhuter Akten nicht nachgewiesen werden. Baumgarten ist ein Theologe in Berlin, den Inspektor Burg (1689–1766) um ein Gutachten über Pfarrer Abraham Conrad (1716 – nach 1750) in Langenbielau gebeten hatte. Vgl. Schwencker, Friedrich: Friedrich der Große und die schlesische Brüdergemeine. Herrnhut 1937, 55. Julius Conrad von der Heyde (Heide, 1713–1797), 1731 Besuch des Pädagogiums in Halle an der Saale, Jurastudium an der dortigen Universität, 1751 Besuch in Gnadenfrei, 1761 in die Brüdergemeine aufgenommen. Pfarramtliche Tätigkeit. Das Protokoll liegt vor im Unitätsarchiv Herrnhut, Sign. R.5.B.5.c, Nr. 56. Ebd., Nr. R 62: Abschrift des Berichts von Julius Conrad von der Heyde (Heide, 1713–1797). Georg Schmidt, Schuhmacher, 1744 in Steinkunzendorf bei Peterswaldau belegt. Vgl. ebd., Sign. R.27.101.3.

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204 205 206 207 208

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mit Taufe und Abendmahl nach Gnadenfrey und begrüben ihre Todten auf den Catholischen Gottes-Acker, wobey der Peilsche Prediger eine Rede halte. Nach Publication des Oberamts-Befehls, hätten sie um Erlaubniß gebeten, sich wöchentlich, doch nur einmal in der Stille zu versammeln, und mit Thränen in den Augen angehalten, daß ihnen die Schule und Pflege der Kinder nicht untersagt werden möchte. Er habe keine weitere Klagen über sie gehört, als daß sie nicht zum Bethaus geben, und wenn sie sich vermehrten, den Prediger der übrigen zu sehr zur Last fallen würden. Allein was konte dieser noch so billige Bericht von der Commision (dabey HErr v. Heide zum erstenmal von dem lautern Grunde der Brüder Gemeine überzeugt worden) helfen, da [299] man schon vorher alles drauf angestellt zu condemniren, auch sogar die Inquisition schon mit der Execution angefangen hatte. Es erfolgte drauf unterm 11. Januarii 48 an die Mährischen Brüder zu Peterswalde eine Resolution209 auf gut Oesterreichisch, daß ihnen das Beten und singen für sich nicht verwehret, aber nicht erlaubt sey, zusammen zu kommen und Schule zu halten. Sie könnten ihre Kinder nach Peile in die Schule schicken oder sie zu Hause unterrichten. etc. § 78. Nunmehr nahm sich der Deputatus Gersdorf ihrer an in einem Memorial vom 10. Junii 48.210 Er erzehlte, wie die Peterswalder ihre Concession erhalten, dieselbe aber auf unserer Deputirten Vorstellung suspendirt und der öffentliche Gottes-Dienst und Actus ministeriales aufgehoben und nur ein Bruder zum Schulhalten und privat Andacht ihnen gelaßen worden. Dieses sey, da Graf Promniz211 sich dagegen gesetzt, durch ein Rescript gut geheißen worden, welches aber, weil Cocceji212 eben das Schlesische Departement verloren, nicht expedirt worden.i Indeßen sey der Graf Promniz begütigt worden und hätte sich nicht mehr gegen den [300] Arbeiter aus Peile gesezt. Dieser sey also, wie auch der in Biele, lange vor der Concession von 46 da gewesen, und also sey dadurch nicht gegen des Königs Willen gehandelt worden.k Nun haben sich zwar der Graf von Biele gegen Guts aufbringen laßen, und dieser sey um Friedens willen weggenommen worden. Man habe aber den intendirten Zweck, die Leute von uns abzuziehen, nicht erreicht, vielmehr hätten sie sich vom Lutherschen Bethaus ab und zu den Brüdern gewendet, die sich ihrer auch annehmen müßten. Um nun in Peterswalde die Unruhen beyzulegen, so bittet er, daß die Klagen gegen die Brüder (wie nach der königlichen Verordnung schon mit Minors unabgeforderten Bericht hätte geschehen sollen) zuerst i k

Folgt gestrichen: und hatte. Folgt gestrichen: Man habe aber den intendirten Zweck, die Leute von uns abzuziehen.

209 210 211 212

Ebd., Sign. R.5.B.5.c, Nr. 71. Ebd., Nr. 64, 10. Januar 1748. Erdmann II. von Promnitz (1683–1745) auf Sorau und Pleß. Samuel von Cocceji (1679–1755), 1738/39 und 1741–1746 preußischer Justizminister, ab 1747 Großkanzler.

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dem Directorio der Brüder communicirt werden möchten. Endlich intercedirt er für die Peterswalder, daß ihnen bey dem bösen weiten Weg von 3 Stunden erlaubt seyn möge, eine Schule zu halten, und im Nothfall durch den Peilschen Prediger die Kinder daselbst taufen und den Krancken das Abendmahl reichen zu laßen. Er bekam aber unterm 18. Januarii213 zur Antwort: Lex posterior priori derogat.214 Die neue Concession limitirte die [301] alte. Das allegirte Rescript ist nicht insinuirt worden. Der Graf Promniz hat sich beschwert. Es bleibt beym Verbot. Gersdorf that unterm 20. Februarii noch eine Vorstellung215 dagegen, daß er nicht Erlaubniß zu einer öffentlichen Schule gesucht, sondern zur Privat Aufsicht und Unterricht der Kinder, welches auch zu Kaysers Zeit erlaubt gewesen und ein höchstnöthiges Stück unser Kirchen-Zucht und Gewißens-Freyheit sey, zumal da es den armen Leuten nicht möglich sey, ihre Kinder nach Gnadenfrey zu thun, und sie auch nicht Zeit und Geschick hätten, sie daheim zu bewahren und zu unterrichten. Die Herrschaft sey auch damit zufrieden. Er bitte also nochmalst flehentlich um die privat Versammlungen, Anstalt und Nothtaufe. Er erhielt aber unterm 29. Februarii zur Antwort,216 dass es bei dem Verbot bliebe, dass die Mährischen Brüder sich außer den 3 privilegierten Orten nicht etablieren sollen und dass es ihm nicht zustehe, die königliche Concessionenm zu interpretiren. Und unter eben dem dato wurde an den Graf Promniz rescribirt, über den Befehl an die Peterswälder Brüder zu halten. Die Herrschaft konte also, auch auf der Brüder ­Supplique vom 4. Februarii 1748,217 ihnen die Erlaubniß wegen ein paar Geschwister für ihre Kinder zu verschaffen, unterm 18. [302] Merz218 nichts anders zur Antwort geben, als daß höchsten Orts nichts auszurichten sey, man wolle ihnen aber gern auf Verlangen ein Attest wegen ihres stillen Wandels und guter Aufführung ertheilen. § 79. Zum Schluß will ich nur noch was weniges von der Diaspora anmercken. Des seligen Pfarrer Conrads Wittwe219 zog den 20. Februarii von Dirsdorf nach Gnadenfrey ins Chorhauß. Proskes220 reisten den 10. Aprilis von da ab nach Herrnhuth und kamen zu den Böhmen nach Berlin. An ihre Stelle kamen den 25. Aprilis Guthens von Biele, sie m

nach seinem Eigendünkel über der Zeile eingefügt.

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213 Unitätsarchiv Herrnhut, Sign. R.5.B.5.c, Nr. 70. 214 Wörtlich: Das spätere Gesetz macht das frühere ungültig. Vgl. die freiere Übersetzung von Cranz im Text. 215 Unitätsarchiv Herrnhut, Sign. R.5.B.5.c, Nr. 75. 216 Ebd., Nr. 79. 217 Konnte nicht nachgewiesen werden. 218 Konnte nicht nachgewiesen werden. Vgl. aber das Schreiben vom 16. März 1748 von Christian Ernst von Solms (1706–1748). Unitätsarchiv Herrnhut, Sign. R.5.B.5.c, Nr. 83. 219 Emilie Henriette Conrad (1703–1765). 220 Georg Proske (1719–1764) und seine Ehefrau Rosina, geb. Fritsch (1721–1756). Proske war ab 1752 in Berlin und 1757–1764 in Rixdorf.

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reisten aber auch den 24. Mayi weiter nach Herrnhag, und Dirsdorf blieb unbesetzt. Die Bieler und die Weigels-Dorfer,221 derer sich Guts auch angenommen, drungen sich mit Gewalt zur Gemeine. In Glaz zeigte sich bey dem Fouquetschen Regiment eine Erweckung unter etlichen Officiers und Soldaten, und die dortigen Freyrichter schloßen sich immer mehr an die Gemeine. Im Oelsnischen continuirte die Erweckung zu ­Schickerwiz222 und in andern Dörfern. Sie machten von selbst eine Gemeinmäßige Ordnung unter sich, besuchten und ermahnten einander und nahmen sich der ­Krancken an, welches selbst den Herrschaften und Pfarrern wohl gefiel. Von manchen aber wurden [303] sie wegen ihrer Connexion und Besuch in Gnadenfrey sehr gedrückt und in den eisernen Prügel gesteckt, sie liessen sich aber nicht davon abhalten. § 80. Im Jahr 1748 solte der Synodus zu Groß Hennersdorf gehalten und von 2 Sächsischen Theologis wie auch von dem Königlich Preußischen Oberhofpredigern Cochius,223 welcher 1746 mit Beystimmung der Theologischen Facultaet Frankfurth an der Oder und nacho Erfolgter königlichen Approbation zum Administrator des reformirten Tropi an Friedrich Wattewilles Stelle gesezt worden, besucht werden. Weil aber dieser die königliche Erlaubniß, zum Synodo zu reisen, mit der Bedingung erhielt, wenn der Synodus in Schlesien gehalten würde, und die Sächsischen Theologi auch nicht wohl ohne Erlaubniß außer Landes gehen dürften, so ging dieser Synodusp zurück und wurde vom 26. – 29. Junii im Beysein Cochii ein Special-Synodus in Gnadenberg gehalten,224 zu welchem Seidliz, Antons, Linde,225 die Mutter Schindlerin und die Sperrbaching gingen. Was auf demselben wegen durchgängiger Annahme der Augspurgischen Confession gehandelt worden, ist in des Ordinarii Leben S. 1742 zu lesen.226 Ich will nur noch dieses erinnern, daß unterm 5. Decembris 1748 [304] aus Zeyst ein Synodal-Schreiben an das Königliche Ministerium227 erlaßen worden, darinnen zuerst dargelegt wird, wie der Ordinarius von Anfang der Schlesischen Verhandlungen es auf eine Untersuchung und Declaration, daß n o p

Für gestrichen: Oberamts-Haupt-Mann. Für gestrichen: auf. Für gestrichen: diese Erlaubniß.

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221 Weigelsdorf (poln. Wigancice), Kreis Frankenstein. 222 Schickerwitz (poln. Siekierowice). 223 Christian Johann Cochius (1688–1749), 1741–1749 Hof- und Domprediger in Berlin. 224 Das Protokoll befindet sich im Unitätsarchiv Herrnhut, Sign. R.7.A.12, Nr. 3. 225 ������������������������������������������������������������������������������������� Joachim Friedrich Linde (1717–1786), Goldschmied, 1739 in die Brüdergemeine aufgenommen, 15. Februar 1748 als Chorhelfer in Gnadenfrei, November 1748 bis 25. Mai 1750 in Gnadenberg. 226 ��������������������������������������������������������������������������������������� Spangenberg, August Gottlieb: Leben des Herrn Nicolaus Ludwig Grafen und Herrn von Zinzendorf und Pottendorf, Th. 1–8. Barby 1772–1775, hier Th. 3, 1741–1743. 227 Unitätsarchiv Herrnhut, Sign. R.5.B.6.c, Nr. 163, Nr. 164, mit Rötelkorrekturen von Nikolaus Ludwig von Zinzendorf (1700–1760).

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die Brüder Kirche der Augspurgischen Confeßion zugethan sey, und was vor Schaden, aus der geflißentlichen Uebergehung derselben entstanden und hernach nochmals bezeigt wird, daß, und wenn wir überall, wo wir etablirt sind, uns dazu bekannt mit der Bitte, eine solche Untersuchung und Declaration noch nachzuholen. Wegen der Schlesischen Gemeinen konnte hier nicht viel gehandelt werden. Seidliz wurde als Oeconomus der Schlesischen Gemeinen bestätigt und Sigel228 ihm zum Gehülfen in Expeditions Sachen mitgegeben. Der Probst Gerner wurde als Administrator der Episcopii der Schlesischen Gemeinen eingeführt, nachdem er in einem Schreiben an Gersdorf aus Zeyst den 29. Mayi 1748 dem Graf Münchow præsentirt worden,229 mit Bitte, sich hinführo an denselben, in der Brüder Sache zu halten, da er (Gersdorf ) wegen seines anderweitigen Auftrags und weil er auch in den billigsten Sachen nicht mehr gehört worden, seine Deputation in Schlesien geendigt und nur wünscht, daß man ein [305] beßer Vertrauen, zum Ordinario faßen möge, ohne welches in Schlesien, sonderlich in Neusalz, nicht viel weiter würde ausgerichtet werden können. Wegen Gnadenfrey finde ich, daß die Einwohner schon an 700 angewachsen und daß mit den Auswärtigen 1300 Seelen in der Pflege gewesen, ohne etliche hundert Fremde, die fast beständig dahin zur Predigt kommen. In Neusalz solte das Seminarium fortgebaut werden und aus Lutherschen, Reformirten und Mährischen Brüdern bestehen,* das Pædagogium aber solte an einen abgelegenen Ort mitten im Lande, etwa nach Peile, kommen. Laut einer Klage von Gersdorf ans Oberamt den 29. Merz230 hatte es zwar in der Gegend von Gnadenberg nicht an Bedrengungen gefehlt, darüber man aber nicht hatte klagen wollen, allein erst kürzlich hatte ein gewisser Nostiz231 auf Eichberg einen seiner Unterthanen, Gottfr[ied] [306] Gerwig,232 mit Gewalt sein Kind nehmen und im Bethaus zu Tillendorf233 taufen laßen, ihm auch mit der Faust 2 Zähne aus dem Munde geschlagen und bey den Haaren herum geschleppt. Ich finde aber keine Antwort drauf, noch weniger Bestrafung, obgleich zu eben der Zeit alle Klagen und Berichte gegen die Brüder sehr geschwind beantwortet und ohne Untersuchung gegen sie resolvirt worden.

*

Als Fußnote eingefügt: Was wegen Anlegung einer Buchdruckerey, eines Ziegelofens, einer Promenade im Eichenwäldgen über der Oder und der Besetzung der 2 Senatoren Stellen aus den Brüdern bey der Cammer gesucht und rescribirt worden, übergehe ich als allzu specielle Materien, die keinen Einfluß ins Ganze gehabt haben.

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228 Christoph Friedrich Siegel (1704–1764), 1734 in die Brüdergemeine aufgenommen, 1748 wurde er für Gnadenfrei bestimmt zur Besorgung der ökonomischen Geschäfte. 229 Unitätsarchiv Herrnhut, Sign. R.5.B.5.c, Nr. 87, Gersdorf an Ludwig Wilhelm von Münchow (1709–1753). 230 Ebd., Nr. 86. 231 Ernst Sigismund von Nostitz. 232 In dem Schreiben Gersdorfs heißt er: „Görbig“. 233 Tillendorf (poln. Bolesławice) bei Bunzlau.

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§ 81. Ich finde auch einen kurzen Entwurf vom dermaligen Statu in Schlesien vom Mensis Aprilis,234 darinen Gersdorf schreibt: „Es ist zwar an dem, daß wir vor die Zeit über alles, was nicht præcise in der lezten General Concession steht, abschlägige Antwort bekommen, auch in den billigsten Sachen, so wie ich solches wegen Peterswalde deutlich wahrnehmen können;235 hingegen was den freyen Kirchgang anbelangt, so sind dasige und die Bieler Brüder darinen ungestört gelaßen und für Mährische Brüder erkannt worden. –236 Münchow hat immer gerathen, wir solten jetzo zufrieden seyn mit dem, was wir haben, und keine neue Declarationes suchen, denn vor die Zeit könte er mich als ein Freund versichern, wäre kein tempo dazu.237 [307] Daraus ich schließe, daß er in Ansehung unsrer vom Könige widrige Sentimens gehört haben müße oder daß er selbst die partie genommen, uns nicht mehr zu favorisiren, weil er sieht, daß die Cabale gegen uns zu starck ist. – Ich glaube also, daß es vor die Zeit beßer sey, abzuwarten, wo es hinaus will, weil sonst der martialische238 Geist zum Nachtheil der eingebornen Brüder aus brechen dürfte“ etc. Hiemit will ich zur Einsicht in den bisherigen und bald weiter zu beschreibenden Statum verbinden, was aus Gersdorfs Historischer Nachricht von 1763239 noch hieher gehört: „Ich muß bekennen, solange ich mit den Schlesischen Sachen melirt gewesen bis 1748, daß alle Rescripte, wenn sie auch sonst widrig waren, doch allemal mit decenten Worten und, wie es die Dignitæt unsrer Kirche erfordert, abgefaßt worden sind. Das Wort Secte, Schwärmerey und dergleichen indecente Titulaturen für eine Evangelische Kirche sind allererst 1749 aufgekommen, wie aus dem Vol[ume] IV. Actor[um] Siles[iae]240 zu ersehen ist. Den Grund hiezu hat Cocceji gelegt, denn seit 1746, da die neue General Concession [308] zum Vorschein kam, hat er angefangen, uns je mehr und mehr entgegen zu handeln, besonders in den Stettinschen Händeln, da er verschiedene für uns aus gefallene favorable Rescripte nicht contrasigniren wollen, ohngeachtet es der Etats-Ministre von Brand241 (als Præsident vom Departement der Geistlichen Sachen) schon gethan hatte. Ich glaube auch, daß vieles von ihm aus disgust geschehen, weil er gern auf sein Gut in Pommern 15 – 20 Bauer-Familien von unsern Brüdern haben wolte, wozu ihm auch unser lieber seliger Papa Hofnung gemacht, das aber nicht in Erfüllung gebracht werden konte, weil die Brüder keine Lust dazu hatten und es aller234 Unitätsarchiv Herrnhut, Sign. R.5.B.5.c, Nr. 88.d. 235 Cranz lässt folgenden Halbsatz aus: „da man nicht nur auff meine Gründe gar nicht reflektiret, sondern auff das, was ich nicht gesucht, abschlägliche Antwort ertheilet hat“. 236 Der Gedankenstrich zeigt eine Auslassung des Originaltextes an. 237 Im Schreiben von Gersdorf heißt es hier: „welches er mir etliche tage nach seiner retour von berlin eröffnete“. Daraus ergibt sich für Cranz die anschließende Vermutung. 238 Im Brief von Gersdorf heißt es: „preußische martialische“. 239 Unitätsarchiv Herrnhut, Sign. R.5.B.12.b.1. 240 Ebd., Sign. R.5.B.5.d. Die Abschriften beginnen hier mit dem Jahr 1750. 241 Christian von Brand (1684–1749).

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hand Bedencklichkeiten unterworfen war.* Münchows Credit beym Könige war auch in der Zeit gefallen, Cocceji hingegen als ‚Groß-Canzler‘ sehr in die Höhe gestiegen, und als er auf [309] die Visitation der Pommerschen und Schlesischen königlichen Regierungen gegangen war, so hat das schädliche Influenzen gegen uns verursacht. Arnim, der ein sehr ehrlicher und lieber Mann, aber ein bisgen zu timide und bedächtigt war, starb indeßen, wie auch der Etats-Ministre von Brand, der das Departement der Geistlichen Sachen hatte und sich immer freundschaftlich und favorable für uns bewiesen. Der Baron Dankelmann242 krigte darauf, sowol des erstern Departement der Schlesischen Justiz-Sachen als auch des lezten seines der Geistlichen Sachen. Dieser Ministre zeigte gar bald, daß er uns entgegen war. Die Oberamts-Regierungen haben vom ersten Anfang her, wo sie nur haben hinlangen können, ihre widrige Absichten gezeigt, doch, solange Cocceji unser Freund war, nicht viel gegen uns ausrichten können. Bey den Cammern hingegen, besonders bey der Glogauischen, haben wir keine data von Widrigkeit; was sie auch gegen uns ergehen laßen, sind Transsumte243 von immediaten königlichen Rescripten. Au cotraire, wir haben vielmehr Proben von ihrer guten Gesinnung gegen uns.“ etc. etc. [310] § 82. Der Aufenthalt der Pilgergemeine in Groß Hennersdorf244 und die Commision daselbst veranlaßte abermals einige Veränderungen der Arbeiter. Den 10. Februarii kam die Mutter Schindlerin als Wittwen-Pflegerin an der Wunderlingin Stelle, welche nach Ebersdorf kam. Linde kam von Neusalz an Hiesers Stelle zu den ledigen Brüdern und dieser dagegen nach Neusalz. Ich war damals eben auf ein paar Wochen hier zum Besuch und reiste den 20. Februarii nach Herrnhuth ab. Probst Gerner kam den 27. Februarii zum erstenmal von Gnadenberg, wo er am meisten wohnte, zum Besuch. Den 22. Julii reiste Bifer, der viel Volck herzugepredigt hatte, aber mit Seidlizen nicht zurecht kommen konte, nach der Lausiz ab,245 und Hehl246 kam an seine Stelle zu vicariren, *

Der Ordinarius suchte ihn in einem herzlichen submissiven Schreiben aus London den 12. Decembris 49, welches ihm Jonas Paulus Weiss [1696–1779] bei der Durchreise in Neusalz übergeben mußte, zu bedeuten: es war aber nichts auszurichten. [Unitätsarchiv Herrnhut, Sign. R.5. B.5.c.114].

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242 Carl Ludolph Freiherr von Danckelmann (1699–1764), preußischer Staatsminister. 243 Beglaubigte Abschrift. 244 Nikolaus Ludwig von Zinzendorf (1700–1760) war mit der Pilgergemeinde vom 30. Juni bis ca. 23. August in Großhennersdorf. 245 Im Diarium der Gemeinde Gnadenfrei 1748 heißt es dazu nur: „Dem 22ten reisten Geschw. Biefers mit dem Kinde und einer Wittwe aufs Gnadenbergel.“ Unitätsarchiv Herrnhut, Sign. R.7.D.I.b.1.a.1743–1750, 21. 246 Matthäus Gottfried Hehl (1705–1787), 1735 in die Brüdergemeine aufgenommen, 1745 nach Pennsylvanien, 1751 zum Bischof ordiniert, 1737 verheiratet mit Anna Maria, geb. Jähne (1716–1777).

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bis die Mutter Lawatschin den 31. den Bruder Johann Heinrich Thiel247 als Ordinarium herbrachte. Eine sonderbare Erscheinung, daß Seidlizens ehemaliger Diener nun sein Amts-Gehülfe und Prediger einer so ansehnlichen Gemeine seyn solte. Es fehlte ihm nicht an Beredtsamkeit, sonderlich nach damaliger spielenden und allegorischen Weise, aber desto mehr an dem bey aller Ausschweiffungen seines [311] Verfahren doch hinreißenden Geist und Kraft. Zugleich kamen Köhlers248 als Kinder-Eltern für Schlesien an und besorgten nebst Heckners dieses Geschäft, Vippachs aber kamen nach Neusalz, und an ihre Stelle kamen Tixens249 von Herrnhuth als Gehülfen der Kinder-Eltern. Sie brachten auch die Gneussin250 und Græbnerin, wieder mit zu den ledigen Schwestern. Da schon am 22. Januarii die Anna Seidelin abgereiset und nun auch den 4. Septembris die Dorel Teicherin abgelößt wurde. Am 25. Octobris kam Brodersen251 und bald hernach auch Carl Schröter252 an Lindes Stelle zu den ledigen Brüdern und brachten vollends mit, was hie noch an Ausschweifungen und Nachäffereyen gefehlt hatte, und den 7. Novembris ­reisten Antons, die als General Aeltesten sonderlich des Ehechors sich angenommen, nach England ab. Den 28. Septembris kam auch das Pædagogium unter Layritzens Direction von Neusalz wieder aufs Schlössel. Nach der Hennersdorfschen Commission253 kamen viele Brüder von der Pilger-Gemeine zum Besuch nach Schlesien, davon wol die wenigsten etwas reales Gutes mitgebracht und also beßer zu verschweigen sind, zumal da ich vom 9ten Septembris bis zum Ende des Jahres kein Diarium finde. [312] § 83. Was den Zustand der Gemeine und der Chöre betrift, so war der Gang seicht und leicht. Man blieb nicht bey dem ersten Plan, da man nur aus der Nähe von solchen Orten, wo keine Kirchen und Bethäuser sind, Leute, die man lange geprüft und unter Aufsicht haben konnte, in die Gemeine aufnehmen solte, sondern es gelangten nun aus allerley auch entfernten Orten zum Exempel aus Glaz, Leute in die Gemeine und zum Abendmahl. Man hatte es hernach auch zu genießen, zum Exempel an dem Bürgermeister

247 Johann (Hans) Heinrich Thiel (1718–1774), 1738 Erzieher bei Seidlitz, 1748 zum Presbyter ordiniert, 30. August 1748 bis ca. 15. November 1749 in Gnadenfrei, 1763 in Gnadenberg. 248 ������������������������������������������������������������������������������������ Andreas Köhler (Kohler, 1720–1802), Schuhmacher, 1741 in die Brüdergemeine aufgenommen, 1744 verheiratet mit Maria Elisabeth, geb. Müller (1723–1793). 249 Abraham Tix (Dix, G 1702), 1735 verheiratet mit Susanne Eleonore, geb. Klett († 1759). 250 Rosina Gneuss (1720–1786), 1736 in die Brüdergemeine aufgenommen, 1740 Ältestin der Großen Mädchen. 251 Martin Brodersen (1718–1803), Schuhmacher, 1744 in die Brüdergemeine aufgenommen, 1745 in Gnadenberg, dann Neusalz, Missionar in Ostindien. 252 Carl Schröter (Schröder, 1712–1759). 253 Cranz, David: Alte und Neue Brüder-Historie oder kurz gefaßte Geschichte der Evangelischen Brüder-Unität in den ältern Zeiten und insonderheit in dem gegenwärtigen Jahrhundert. Barby 2 1772 [11771], 463–469. Cranz war Protokollant der Verhandlungen.

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Gabrike254 aus Landeck, der deshalber einen Beystand mit Geld verlangte, als ein freyer Bruder brav mit tanzte und daßelbige mit der damaligen Lehrart rechtfertigen wolte. Ob die Dorf-Geschwister aus Mangel des Platzes oder aus andern Ursachen das Abendmahl besonders hatten, wie am 16. Junii mit 350 Personen geschehen, kann ich nicht sagen.255 Das Chorhaus der ledigen Schwestern wurde den 12. Januarii bezogen und eingerichtet.256 Die Orts-Anstalt wurde so eingerichtet, daß die Kinder auch da schlafen mußten, jedoch wurde ihnen von den Eltern das Eßen gebracht. Gleichwol kosteten sie schon zuviel. Von Biele und Peterswalde ist nun nichts weiter [313] anzumercken, als daß sich dasige Erweckte sehr zur Gemeine gedrungen und viele ihrer Kinder halber gar herziehen wollen. Einige bekamen auch die Erlaubniß, bey den mehresten fand man Bedencken, theils wegen ihres seichten Grundes, theils daß man nicht den Schein gäbe, als zögen wir die Leute von da weg, theils damit diese Orte nicht ganz abandonnirt werden dürften. Grünwalds blieben daher auch noch unter herrschaftlichen stillschweigenden Schutz in Peterswalde und nahmen sich der Seelen, und sonderlich der Kinder, in dem Rohrbachschen Hause an. Viele aber zogen nach und nach weg, sonderlich nach Habendorf.257 Es schien, als ob man es nicht beyr Conrads Absetzung und der Zerstörung der Versammlungen in Biele und Peterswalde bewenden laßen, sondern weiter gehen und vollends das Nest rein machen wolte. Denn dem Organisten Geisler258 in Töppliwode, der seine Söhne in der Gemeine hatte und sie manchmal besuchte, drohete man im Januario mit der Absetzung, die aber nicht erfolget. Und die Pfarrer Rothe von Dirsdorf und Walther von Panthen wurden den 25. Mayi vors Consistorium citirt und wegen ihrer Bekanntschaft mit den Brüdern wegen der Haus-Versammlungen und des aparten Abendmahls der Erweckten genau [314] examinirt. Vor das mal aber konte man noch nicht an sie kommen. § 84. Die Brüder in Rösniz wolten nach § 71 den Vogelschen Garten kauffen, hatten auch der Cammer Erlaubniß und Befehl an den Baron Trach259 dazu, um ihr Bethaus, dazu das Holz schon eingefahren war, zu bauen. Allein Trach wolte nicht in den Verkauf des Hauses willigen. Auf Seidlizens Vorstellung unterm 22. Aprilis erhielt er einen Befehl, r

Für gestrichen: auf.

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254 Konnte nicht nachgewiesen werden. 255 Im Diarium der Gemeinde Gnadenfrei heißt es unter dem 16. Juni 1748: „Nach Predigt und Chorversammlung war „der Auswärtigen Abendmahls Geschwister ihr mit ungemeiner Gnade seeliges Abendmahl aus 350 Gliedern.“ Unitätsarchiv Herrnhut, Sign. R.7.D.I.b.1.a.1743– 1750, 16. 256 Der Bericht im Diarium der Gemeinde Gnadenfrei. Ebd., 2. 257 Habendorf (poln. Owiesno). 258 Johann Christian Geisler (1729–1815), Organist und Gemeindiener. 259 Konnte nicht nachgewiesen werden.

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sich in 14 Tagen darauf zu erklären, damit der Bau des Bethauses nicht länger verzögert würde. Er that seine Gegen-Vorstellung den 3. Augusti.260 Hierauf erhielt der Landrath Trach261 unterm 6. Augusti Befehl,262 die vom Baron Trach gegen den Ankauf des Vogelschen Fundi angebrachte Umstände zu untersuchen. Dieses geschahe den 21. Septembris. Der widrige Bericht des Landraths vom 20. Octobris263 nebst dem Protocoll der Untersuchung enthielt so viel Schwürigkeiten und Beschuldigungen gegen die Brüder, daß die Cammer den 24. Octobris an Seidliz rescribirte,264 wie man den Baron Trach nicht nöthigen könne, in den Verkauf des Vogelschen Hauses zu consentiren, dahingegen Proskens265 Garten zum Bau des Bethauses gekauft werden solte. Da [315] aber auch aus dem Protocoll zu ersehen, daß die Mährischen Brüder in actibus secularibus et civilibus266 sich der ordentlichen Iurisdiction entzögen, auch sonst aüserlich verlauten wolte (das muß wol nicht im Protocoll gestanden haben, sondern nur aus Hörensagen im Bericht eingefloßen seyn), als ob sie durch allerley Machinationen andere Glaubens Genoßen an sich zu ziehen und ihren Anhang zu vermehren suchten, beydes aber der Concession vom 7. Mayi 46 zuwider sey, so solte Seidliz allen Mißbräuchen und Excesse[n] mit Ernst steuern, damit der König nicht genöthigt werde, die Concession aufzuheben oder doch einzuschrencken etc. Unter eben den dato wurde an den Landrath rescribirt, daß es zwar vor izt bey der Concession sein Verbleiben haben müße, je mehr aber nach seinem Anführen Mißbräuche zu besorgen, desto sorgfältiger hätte er seine Attention auf das Verhalten dieser Leute zu richten und [über] jeden bedencklichen Casum klar erwiesen zu berichten. Hiedurch wurde nun den Rösnitzer Querulanten, wie sie im Novembris 46 genannt und bestraft worden, Muth gemacht, Klagen zu sammeln und einzugeben. Wie darauf der gänzliche Umsturz der Rösnitzer Religions-Freyheit erfolgt, [316] wird sich im folgenden Jahr zeigen. § 85. Ich will das Jahr 1749, da die Widrigkeit des Hofes zuerst recht gegen die Brüder ausgebrochen, mit Rösniz anfangen. Gleich den 12. Januarii erfogte auf eine immediate beym Könige eingegebene Klage des Richters über die Verwirrungen und das Proselyten machen der Brüder an den Groß Canzler Cocceji eine Cabinets Ordre,267 daß er an die Schlesischen Regierungen und Consistoria die nachdrückliche Verfügung ergehen 260 261 262 263 264 265 266 267

Unitätsarchiv Herrnhut, Sign. R.5.B.5.c, Nr. 92. Georg Franz von Trach, Landrat des Kreises Leobschütz 1748–1750. Unitätsarchiv Herrnhut, Sign. R.5.B.5.c, Nr. 91. Ebd., Nr. 93, Protokoll der Untersuchung und Bericht des Landrats Georg Franz von Trach (1748–1750). Ebd., Sign. R.5.B.6.c, Nr. 162. Matthäus Proske. Er korrespondierte von 1748–1759 mit Heinrich Nitschmann (1712–1770). in weltlichen und bürgerlichen Angelegenheiten. Unitätsarchiv Herrnhut, Sign. R.5.B.5.c, Nr. 96.

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laßen solle, dahin zu sehen, daß an keinem Orte Herrnhutsche Emissarien und Verleiter der armen Leute geduldet, am wenigsten aber ihnen eigene Kirchen neben andern zu bauen gestattet werden möge etc. Dergleichen Cabinets-Ordre erging auch unter eben dem dato an Münchow268 mit dem Zusatz, das nöthige deshalb aufs schleunigste an die Landräthe zu verfügen. Und unterm 18. Januarii erfolgte aus Berlin ein Rescript269 ans Oberamt in Oppeln, auf die von den Emissarien der Herrnhutscher verursachte Verwirrungen eine ganz besondre Attention zu haben, und dergleichen Unternehmungen nachdrücklich Einhalt zu thun. Den Brüdern in Rösniz wurde dieses nicht eher als den 13. Mayi publicirt. Indeßen brachten [317] sie den 20. Januarii den Kauf des Proskischen Hauses und Gartens zur Erbauung des Bethauses zu stande270 und suchten die Confirmation beym Baron Trach, weil sie aber die Schwürigkeiten voraus sahen, wenn 2 Bethäuser in einem Dorf, das mit seinem Herrn Process führt, stehen solten, und daß sie beständig von den Tumultuenten beunruhigt werden würden, so brachten sie abermals das 3 Stunde von da entlegene Dorf Rakaw271 in Vorschlag zu kaufen. Der Richter konte auch nicht ruhen und gab den 12. Merz noch eine Supplique272 um Sistirung des Kirchenbaues und Wegschaffung des Mährischen Predigers ein, worauf den 31. Martii von der Breßlauischen Cammer eine Verordnung an den Landrath Trach273 erfolgte, den Herrnhutschen Kirchenbau sofort zu sistiren. Nun erst bekamen die Brüder durch den Richter Nachricht von seinen eingegebenen Klagen und denen drauf erfolgten Königlichen Cabinets-Ordres und baten unterm 29. Aprilis274 den Bruder Seidliz als ihren Vorsteher, sich ihrer anzunehmen und ihre Unschuld zu retten. Er that dieses in einem Memorial unterm 6. Mayi an Graf Münchow,275 welches er ihm in Schweidniz übergeben ließ, erhielt aber unterm 10. Mayi zur Antwort:276 Da die Königlichen Verfügungen gegen die Brüder auf Antrag des Groß Canzlers Cocceji geschen, so könnte [318] er vor jetzo nichts dabey thun, stelle es ihm aber anheim, ob die Mährischen Brüder nicht immediate beym König Vorstellung thun und Copiam der ihnen ertheilten Concession beylegen wolten. Ehe Seidliz noch sich diese Mühe gegeben, hatten die Rösnitzer Brüder schon unterm 3. Mayi eine Supplique277 um die Erhaltung der 1743 und 46 erhaltenen Concessionen zum Anbau eines Bethauses aufgesezt und dem Könige den 5ten zu Ratibor durch 2 Brüder übergeben laßen. Ich finde keine Resolution darauf. Am 13.  May wurde ihnen vor einer Commission von dem Landrath die Cabinets-Ordre 268 Ebd. Nr. 97. 269 Ebd. Nr. 109. 270 ��������������������������������������������������������������������������������������� Ebd., Nr. 99, Kauf-Kontrakt vom 20. Januar 1749 zwischen Matthäus Proske und den Mährischen Brüdern. 271 Rakaw (poln. Raków), Kreis Leobschütz. 272 Unitätsarchiv Herrnhut, Sign. R.5.B.5.c, Nr. 101. 273 Ebd., Nr. 110. 274 Ebd., Nr. 104. 275 Konnte in den Herrnhuter Akten nicht nachgewiesen werden. 276 Unitätsarchiv Herrnhut, Sign. R.5.B.5.c, Nr. 105. 277 Ebd., Nr. 107.

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vom 12. Januarii und der Cammer-Verordnung vom 31. Merz publicirt, der intendirte Bau des Bethauses wie auch alle öffentliche Versammlungen und Betstunden verboten und ihren Lehrer zu dimittiren befohlen. Das Vol[ume] III. 77 befindliche Protocoll war von Trach und den Gerichten unterschrieben, wie auch Johann Michael Lauterbach, bestellter Ordinarius der Evangelisch Mährischen Brüder Gemeine,278 jedoch protestando gegen alle darinnen befindliche Eingriffe in unsre allergnädigst ertheilte Kirchen-Freyheit und appellando an Seine Majestät. Ebenso hatte Matthäus Franz279 und Matthäus Proske unterschrieben. § 86. Lauterbach und Zeisberger statteten hievon die Vol[ume] III. [319] 76280 befindliche relation ab, die mir nicht zu Gesicht gekommen, und reisten sogleich nach Gnadenfrey, mit Seidliz das abzureden. Allein dieser war nicht da, sondern bey einer Conferenz zu Barby. Lauterbach meldete ihm von Herrnhuth aus den 20. Mayi281 noch einige Anecdoten, zum Exempel, daß der Landrath laut seinem Befehl nur den Bethaus-Bau hätte sistiren sollen, dagegen aber denselben aufgehoben und auch ohne Ordre die Wegschaffung des Lehrers und die Aufhebung aller Versammlungen befohlen habe. Er habe auch nicht untersucht, 1.) ob Herrnhutsche Emissarii da wären, 2.) ob die Brüder Proselyten wären, 3.) ob sie eine Kirche oder ein Bethaus bauen wolten, 4.) ob sie Verwirrung angerichtet und Leute verleitet. Und da sich die Brüder drauf verantworten wollen, hätte er geantwortet, er sey dazu nicht hergeschickt worden. Es war also weder die Klage laut der Königlichen Versicherung vom 7. Mayi 1746 dem Directorio der Brüder zur Verantwortung communicirt noch die Brüder in loco gehört worden. Lauterbach schlug abermals Rakau282 vor, ingleichen in Steuberwiz, wo der Baron Trach den Brüdern seine Wiesen zu einer Colonie angeboten und einige Bauern mit den Brüdern in Rösniz (wo besser Land und weniger Abgaben sind) ihre Güter zu vertauschen [320] willig wären, das Bethaus zu bauen. Ob darauf reflectirt worden, ist mir nicht bekannt. Die Brüder hatten in 14 Tagen von Rösniz wegziehen sollen, die Schwestern Zeisbergern,283 Lauterbachin284 mit ihren Kindern und die Hannel Sperrbachin wurden fortgejagt, die Häuser durchsucht und bewacht, ob noch Herrnhuter da wären, und als Zeisberger wieder dahin kam, Anstalt zum Ausziehen zu machen, ließen ihm die Tumultuenten nicht soviel Zeit, seine Sachen einzupacken, er mußte um sein Leben zu retten, sogleich weiter gehen, und die Gemeine, die aus 67 Abendmahls-Geschwistern, 12 Aufgenommenen und mit den übrigen Seelen in der Nachbarschaft im Oesterreichschen und in 278 279 280 281 282 283 284

Ebd., Nr. 111. Matthäus Franz (1711–1783), Diakon und Stundenhalter in Rösnitz und Gnadenfeld. Unitätsarchiv Herrnhut, Sign. R.5.B.5.c, Nr. 108. Konnte in den Herrnhuter Akten nicht nachgewiesen werden. Unitätsarchiv Herrnhut, Sign. R.5.B.5.c, Nr. 100. Anna Zeisberger, geb. Böhnisch (1705–1763). Susanna Helena Lauterbach, geb. Golkowsky (1716–1777).

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Maehren aus 200 Personen bestand, Gott befehlen. Sie hatten nun weiter nichts übrig, als in Gnadenfrey zu besuchen, wo einige Einrichtung unter ihnen gemacht wurde, wie sie durch brüderlichen Besuch sich untereinander erbauen könten. § 87. Es blieb aber nicht bey diesen, durch die unaufhörlichen Unruhen und Klagen der Feinde veranlaßten Eingriffen in die ein und sovielmal versicherte Religions- und Gewißens-Freyheit, sondern man fing nun auch an, denen der Brüder Gemeine zugethanen Eltern und Vormündern die Kinder [321] wegzunehmen. Schon vorher hatte man sich an die Wittwe von Kalkreuth auf Urschkau285 gemacht und ihr unterm 11. Januarii 48 von wegen des Consistorii zu Glogau befohlen, den Schulmeister Schwarz (siehe § 66) wegzuschaffen,286 damit man nicht genöthigt würde, ins Mittel zu treten. Sie mußte auch ihren Sohn287 aus dem Pædagogio der Brüder wegnehmen und zu Kriegs-Diensten hergeben, daher der Ordinarius veranlaßet wurde, unterm 5. Februarii 48 an Gersdorf zu schreiben,288 daß auf die Weise an kein Collegium in Schlesien zu dencken sey. Auf ein den 15. Martii 48 datirtes Memorial289 eines von Hellmrich290 an den Herzog von Würtenberg-Oels291 wegen der Erziehung eines jungen HErrn v. Geisler292 im Pædagogio der Brüder erfolgte unterm 26. Martii ein Rescript293 an deßen Oncle Geisler294 zu Gnadenfrey, sich den 26. Aprilis mit seinem Curando295 vor der Herzoglichen Regierung zu sistiren. Er erhielt ihn doch noch und ließ ihn im Pædagogio erziehen, er ging aber hernach, da er keinen Sinn zum Heiland hatte, wiewol anfänglich unter Direction des Bruder Oldendorps296 auf Universitäten, wo er wie der verlorene Sohn lebte, sich deshalber um sein zeitlich Glück brachte, da ihn sein Oncle vorher [322] zum Universal-Erben bestimmt hatte, und endlich genöthigt war, sich zu einem AufschauerDienst in Reichenbach bestellen zu laßen.

285 286 287 288 289 290 291 292 293 294

Konnte nicht nachgewiesen werden. Unitätsarchiv Herrnhut, Sign. R.5.B.5.c, Nr. 66. Konnte nicht nachgewiesen werden. Unitätsarchiv Herrnhut, Sign. R.5.B.5.c, Nr. 73. Ebd., Nr. 80. Konnte nicht nachgewiesen werden. Karl Christian Erdmann (1744–1792), Herzog von Württemberg und Oels. Wahrscheinlich Karl Heinrich Gustav von Geißler. Unitätsarchiv Herrnhut, Sign. R.5.B.5.c, Nr. 84. Wahrscheinlich ein Sohn von Joachim Heinrich von Geißler (1697–1757), 1732 verheiratet mit Anna Catharina, geb. Braugsch, kaufte 1732 das Gut Schickerwitz, Kreis Oels, wurde 1743 in die Brüdergemeine aufgenommen und verkaufte sein Gut. 295 Pflegekind, Mündel. 296 ��������������������������������������������������������������������������������������� Christian Georg Andreas Oldendorp (1721–1787), studierte in Jena, 1743 in die Brüdergemeine aufgenommen, Lehrer im Pädagogium in Urschkau, dann Großhennersdorf. Geschichtsschreiber der Brüdermission in der Karibik.

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Geschichte der Evangelischen Brüder-Gemeinen in Schlesien

Endlich trat der unruhige Oncle der Tschirschkyschen Kinder, Ernst Leonhard von Tschirschky auf Stampen,297 der schon 1744 geklagt, daß seines Bruders Söhne außer Land erzogen würden, welches mit eine Veranlaßung war, daß das Pædagogium nach Schlesien kam (siehe § 49), wieder auf den Plan. Er wurde abermals (vermuthlich von höhern und verschlagenern Feinden) aufgeregt, unterm 18. Mayi 48 über die Erziehung derselben, in einer andern Religion zu klagen.298 Ihre Vormünder Seidliz und Pfeil thaten unterm 15. Junii ihre Vorstellung dagegen und mußten den 5. Julii mit dem Oncle vor dem Ober-Amt erscheinen, welches folgenden Rechts Bescheid unterm 10. Julii299 that: Da die Kinder in der Eltern Religion erzogen werden müßen, die Tschirschkyschen Söhne aber in Neusalz sind, wo die Sätze der Mährischen Brüder öffentlich docirt werden, so sollen sie in 14 Tagen vor dem Ober-Amt sistirt, examinirt und für ihre fernere Erziehung gesorgt werden, jedoch sollen sie unter ihren Vormündern, mit deren Rechnung man wohl zufrieden, verbleiben. Wie [323] dieses befolgt worden, wird sich im folgenden § zeigen. Ihre Mutter Helena Elis[abeth] Tschirschky300 that deshalb eine Vorstellung an den König, es erfolgte aber den 17. Septembris eine von Cocceji und Podewils unterschriebene resolution:301 Da die Kinder in des Vaters Religion erzogen werden müßen und den Herrnhutern untersagt worden, Proselyten zu machen, so müße es bey dem vorigen verbleiben. Dieses wurde der Mutter unterm 18. Octobris vom Oberamt insinuirt302 mit dem Befehl, die Söhne in 14 Tagen zu stellen. Auf eine abermalige Vorstellung der Vormünder erfolgte unterm 27. Novembris ein Oberamts Rescript,303 daß ihre Curandi zwar bis Ostern in Neusalz bleiben, ihr Præceptor in Theologicis aber sich zur Prüfung stellen solte. Ob dieses geschehen, ist mir nicht bekannt. So viel geschahe in der Sache im Jahr 48. Ich will nur noch das hinzuthun, daß unterm 21. Novembris 48 von der Breßlauischen Cammer eine Verordnung304 an den Landrath Gellhorn,305 des Reichenbächischen Craises (vermuthlich auf eine Klage gegen die Brüder) erging, dahin zu sehen, daß keine Adlichen Männ- und Weiblichen Geschlechts außer Lands gehen und sich daselbst verheyrathen.

297 298 299 300 301 302 303 304 305

Ernst Leonhard von Tschirschky auf Stampen. Unitätsarchiv Herrnhut, Sign. R.5.B.5.d, Nr. 1. Ebd., Nr. 4. Helene Elisabeth von Tschirschky, geb. von Prittwitz (1701–1765), zog nach dem Tod ihres Ehemanns Karl Sigismund von Tschirschky (1700–1737) 1737 nach Herrnhut, 1744 nach Gnadenfrei. Unitätsarchiv Herrnhut, Sign. R.5.B.5.d, Nr. 6. Ebd., Sign. R.5.B.5.c, Nr. 94. Konnte in den Herrnhuter Akten nicht nachgewiesen werden. Unitätsarchiv Herrnhut, Sign. R.5.B.5.d, Nr.7. George Friedrich von Gellhorn (1747–1759), Landrat von Reichenbach/Eulengebirge in Schlesien.

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Ostern war kaum herbey gekommen, so klagte der [324] unruhige Oncle unterm 19. Aprilis 49,306 daß die Vormünder darum so zauderten, damit den Curandis die Herrnhutschen Principia noch beßer möchten beygebracht werden. Hierauf erfolgte ein Befehl vom 23. Aprilis an die Vormünder,307 sie solten ihre Curandos in 14 Tagen in einer solchen Situation stellen, daß sie sofort ins Briegsche Gymnasium abgegeben werden könten. Auf eine abermalige Vorstellung der Vormünder vom 23 Mayi erhielten sie unterm 29. Mayi zur Antwort,308 sie solten sie den 12. Junii vor den Præsidenten des Oberamts sistiren, damit sie sogleich dem Rector Theyne309 übergeben werden könten. Und dieses muste befolgt werden, wie wir aus folgender Relation des seligen Bruder Ernst Siegmund von Tschirschky laut seinem Lebens-Lauf, sehen werden. § 88. Er hat mir davon folgendes310 in die Feder dictirt: „Unser Oncle, der die Vormundschaft abgelehnt und dem Herr von Seidliz aufgenöthigt hatte, fing nun an, sich in unsre Erziehung zu mengen, und klagte, daß wir in einer andern als der Religion unsers seligen Vaters und also gegen deßen Absicht erzogen würden. Wir wurden im Septembris 48 vor die Regierung in Bresslau gefordert. Der Bruder Layriz [325] als damaliger Director des Pædagogii begleitete uns dahin, und wir wurden, jeder einzeln von dem Præsidenten HErrn von Benekendorf311 examinirt, welcher mit unsrer Erziehung seine Zufriedenheit bezeugte. Um aber unsern Oncle zu befriedigen, wurde für gut befunden, daß wir auf unsern Gütern erzogen werden solten; das gab Veranlassung, daß das ganze Pædagogium im Herbst 48 wieder aufs Schlössel zog. Allein unser Oncle ruhte nicht, bis er den Befehl aus wirckte, daß wir auf einem Gymnasio erzogen werden solten. Das verursachte, daß das Pædagogium in Schlesien aufgehoben und nach Groß Hennersdorf in der Ober-Lausiz verlegt wurde. Wir wurden also im Junii 49 von dem Præsidenten von Benekendorf dem Rector Theyne zu Brieg übergeben, jedoch war uns erlaubt, einen Hofmeister, nemlich den Bruder Zimmermann,312 nunmehrigen Prediger in Liefland und einen Bedienten mitzunehmen. Der Rector Theyne behandelte uns mit aller Billigkeit und erlaubte uns gleich in den ersten Ferien, zu unsrer Mutter nach Gnadenfrey zu gehen. – Wir gingen nach gewöhnlicher Weise mit der Schule jährlich 2 mal zum Abendmahl und thaten es mit einfältigem Herzen. Allein unser Bedienter, der [326] reformirter Religion war, machte uns darinnen irre. Und das hatte die Folge, daß wir 306 307 308 309 310

Unitätsarchiv Herrnhut, Sign. R.5.B.5.c, Nr. 103.b. Ebd., Nr. 103. Konnte in den Herrnhuter Akten nicht nachgewiesen werden. Carl Heinrich Theine, Rektor des Gymnasiums in Brieg. Der folgende Text findet sich wörtlich im Lebenslauf von Ernst Sigismund von Tschirschky (1733–1774). Vgl. Unitätsarchiv Herrnhut, Sign. R.22.104.32. 311 Konnte nicht nachgewiesen werden. 312 Johann Georg Zimmermann (1717–1783), 1747 in die Brüdergemeine aufgenommen, Lehrer in Urschkau, dann Neusalz, 1760 in Riga, Pastor in Camby.

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Geschichte der Evangelischen Brüder-Gemeinen in Schlesien

nicht mehr die Gemeine besuchen durften und endlich gar unser Hofmeister entlaßen wurde. Im Herbst 1750 erhielten wir Erlaubniß, eine Universitæt zu beziehen.* Wir gingen in Gesellschaft der jungen Herrn von Seidliz313 und Pfeil314 aus Dirsdorf, die bisher im Pædagogio zu Hennersdorf gewesen, unter Direction des Bruder Scholler315 nach Halle. Wir waren als Brüder bekannt und reisten alle hohe Feste nach Barby, wurden aber gleich wol von den Professoren und Studenten mit aller Bescheidenheit und Achtung behandelt. Nach 3 jährigen Aufenthalt in Halle zogen wir im Herbst 53 aufs Schlössel – und bey der Theilung der Güter übernahm ich das Schlössel.“ Soweit Tschirschky. Ich will nur noch dieses anmercken, daß das Pædagogium zwischen den 22. und 25. Novembris 49 auseinander gegangen und das Schlössel, welches seit deßen Ankauf 1743 ein Pilgerhaus gewesen, wo manche gesegnete Conferenz und Versammlung besonders für Peterswalde und die [327] Nachbarschaft gehalten worden, ganz ausgeleert worden. Von 20 Kindern und Jünglingen, die noch daselbst waren, kamen 5 nach Gnadenfrey zur Erziehung, die andern kamen nebst den Docenten und Domestiquen nach Henersdorf316 oder wurden von ihren Eltern zu Hause genommen. Hieher gehört auch die in Supple[ment] III. 30. befindliche Resolution des Diaconats zu Zeist den 18. Junii 49317 auf die Anfrage der Vorsteher zu Neusalz, daß man sich nicht entschließen könne, mit dem Bau des Seminarii fortzufahren, bis die gegenwärtige Situation zu unserm Trost sich geändert. § 89. Kaum waren die Tschirschkyschen Söhne der Mutter weggenommen, so machte sich der Oncle auch an die Töchter. Er beschuldigte die Mutter, in einer immediaten ­Supplique vom 25. Junii 49 an den König,318 daß sie dieselben in den Herrnhutschen principiis erziehe und ihr Vermögen wol in die Herrnhutsche Caße gegeben habe, bitte also, sie ihr wegzunehmen und seiner Freundschaft zu übergeben. Hierauf erfolgte unterm 12. Julii ein vom Friderico Rex und Dankelmann unterschriebener, unerhörter und alle vorige Versicherungen aufhebender Special-Befehl319 ans Oberamt des Inhalts: da das Tschirschky Gesuch [328] billig und unsrer Intention gemäß, wir auch nicht zugeben wollen, daß die Herrnhuter Proselyten machen und jemand von unsern Unterthanen zu *

Nemlich die 2 ältesten Söhne Ernst [1733–1774] und Carl [1731–1802], der jüngste Julius [1737–1814] mußte bis zum 17. Septembris 54 in Brieg bleiben und allein die Universität ­beziehen.

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313 Georg Sigismund von Seidlitz (1733–1780). 314 Carl Friedrich II. von Pfeil und Klein-Ellguth (1735–1807) auf Groß-Wilkau und Kleutsch, Landrat von Nimptsch. 315 Friedrich Adam Scholler (1718–1785), 1749 Lehrer am Pädagogium in Großhennersdorf. 316 Großhennersdorf bei Herrnhut. 317 Unitätsarchiv Herrnhut, Sign. R.5.B.5.c, Nr. 98. 318 Ebd., Sign. R.5.B.5.d, Nr. 11. 319 Ebd., Nr. 10.

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ihrer Secte anziehen, sondern die ihnen verstattete protection und Gewißens-Freyheit blos und allein von den Einkömmlingen verstanden wißen wollen, so sollen die Töchter wie die Söhne in des Vaters Religion erzogen werden. Der Oncle brachte in einem Memorial vom 12. Augusti die Landräthin von Berge320 auf deutsch Breyle321 zur Erziehung der Töchter in Vorschlag. An dieselbe nun wurde den 10. Septembris rescribirt,322 sich zu erklären, unter welchen Conditionen sie dieselben nehmen wolte. Und dieses wurde der Mutter communicirt. Dieselbe that unterm 1. Octobris eine Vorstellung an den König,323 Sie könne den Eifer ihres Schwagers für ihre Kinder nicht begreifen, da er die Vormundschaft über dieselben abgeschlagen. Er habe falsche Umstände angegeben. Ihre Töchter wären nicht Herrnhutsche Proselyten und ihr Vermögen sey nicht in die Herrnhutsche Caße gegeben worden, die Vormundschafts-Rechnungen würden zeigen, wo ihr Vermögen stünde und wie die Interessen angewendet würden. Ihre Töchter brauchten seiner Attention nicht, weil die eine der Unverheyratheten längst Majoren,324 und die [329] andere im 16. Jahre sey und also annos discretiones habe.325 Sie bittet ihr mütterliches Recht, welches man doch bey den ehemaligen bedrückten Zeiten behalten, nicht einzuschrencken. Die von Podevils und Dankelmann unterschriebene Antwort vom 18. Octobris ans Oberamt326 enthielt, daß die Verordnung auf die ältere Tochter nicht applicable sey, die jüngste, die schon annos discretiones habe, werde wol schon von ihrer Mutter verkehrte Religions-principia gefaßt haben, jedoch sey zu hoffen, daß sie durch eine vernünftigere Erziehung zurück gehalten werden könte, sich weiter in die Schwärmerey zu vertiefen. Die jüngste Tochter, Sophia Juliana v. Tschirschky, ließ den ersten Decembris eine Supplique an den König327 ergehen, darinnen sie erklärt, daß sie vom 5ten bis ins 16. Jahr sich bey der Brüder Gemeine wohl befunden und die freye Entschließung gefaßt, bey derselben zu bleiben, es gehe, wie es wolle. Ihre Mutter unterstützte dieselbe mit einer Bitte. Ich finde aber keine Antwort darauf. Auf die Einwendung der Mutter,328 daß die Frau von Berge keine Kinder erziehen könne, weil sie selbst keine gehabt, wurde die Ober Lieutenant Schlichting329 in Bresslau vorgeschlagen. Eine Verwandte v. Kessel, geborene ­Tschirschky330 in Bresslau [330], gab ihr unterm 28. Januarii 50 hievon Nachricht331 320 Charlotte Elisabeth von Berge, geb. Scköhl. 321 Breyle (poln. Bryłówek), Kreis Ohlau. 322 Unitätsarchiv Herrnhut, Sign. R.5.B.5.c, Nr. 113. Unter dieser Nummer werden insgesamt 17 Abschriften von Schriftwechseln in Sachen der Tschirschyschen Kinder gewechselt. 323 Unitätsarchiv Herrnhut, Sign. R.5.B.5.c, Nr. 113.8. 324 Maria Eleonora von Tschirschky und Boegendorff (1724–1784). 325 Sophie Juliane von Tschirschky und Boegendorff (1734–1781). 326 Unitätsarchiv Herrnhut, Sign. R.5.B.5.c, Nr. 113, 16: „Königlicher Specialbefehl“. 327 Konnte nicht nachgewiesen werden. 328 Unitätsarchiv Herrnhut, Sign. R.6.B.5.c, Nr. 113, 8. 329 Konnte nicht nachgewiesen werden. 330 Konnte nicht nachgewiesen werden. 331 Konnte nicht nachgewiesen werden.

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und bot ihre Dienste an. Diese bat sich die Mutter zur Education ihrer Tochter aus. Sie mußte erst auf Königlichen Befehl ein Examen von Inspector Burg untergehen, ob sie auch Herrnhutsche principia habe. Und da sie richtig befunden worden, mußte die arme Mutter sich ihre Tochter unter beyderseitigem Wehklagen den 8. Aprilis 50 entreißen und durch ihren Vormund der Frau v. Kessel übergeben laßen. § 90. Nun kam die Reihe auch an Seidliz. Er erhielt unterm 24. Octobris 1749 einen Oberamts-Befehl,332 seines Bruders Friedrich Willhelm Seidliz333 auf Mittel-Peile Sohn, Melchior Friedrich,334 der von seinem seligen Vater als ein Kind in die Anstalten der Brüder gethan worden, aufs Gymnasium nach Brieg zu bringen. Ob er einige Gegen-Vorstellung gethan, weiß ich nicht. Er brachte ihn den 18. Decembris 49 dahin, that aber unterm 11. Novembris 1750 eine Vorstellung ans Oberamt,335 daß ihm zuviel geschehen, indem sein seliger Bruder schon 10 Jahr der Brüder Gemeine zugethan gewesen und unter der vorigen Regierung deshalber manche Bedrängniß aus gestanden, auch oft ihn gebeten, nach seinem Tode seinen Sohn in der Brüder Anstalten zu lassen. Seine Mutter336 sey auch in der Brüder Gemeine. Er bittet [331] also, daß ihm sein Pupille vom Rector Theyne wiedergegeben und nach des Vaters Verlangen deßen Education ihm überlaßen werde. Die Resolution vom 17. Novembris ans Oberamt337 lautete also, daß sein Gesuch nicht statt finde, da das Pupillen-Collegium überzeugt sey, daß der junge Seidliz bey dem Rector Theyne beßer als irgendwo erzogen werden könne. Er mußte also da bleiben, und da er schon vorhin einen Weltsinn von sich blicken laßen und nun vollends aus allzu starcker Neigung zum studiren und sich in der Philosophie hervorzuthun ein Freygeist wurde, so nahm er Dienste und bekam bey der Bataille vor Prag 1757338 eine tödtliche Blessur, an welcher er bald darauf nach vielmaliger Bereuung und Abbitte an seinen Oncle gestorben. § 91. Bey diesen bösen Aspecten durfte man sich nicht wundern, wenn an vielen Orten auf den Canzeln gegen die Brüder gepredigt und gelästert wurde, zumal da die Menge Lästerschriften ins Land geflogen kamen und begierig gelesen wurden. Den größten 332 Unitätsarchiv Herrnhut, Sign. R.5.B.5.c, Nr. 113, 12. 333 Friedrich Wilhelm von Seidlitz († 1746) auf Ober-Mittel-Peilau. 334 Melchior Friedrich von Seidlitz († 1760), Offizier. 335 Unitätsarchiv Herrnhut, Sign. R.5.B.5.c, Nr. 113, 9. 336 Johanna Charlotte, geb. Dyhrn (1706–1759). 337 �������������������������������������������������������������������������������������� Schreiben vom 14. November 1749 von Benekendorf an die Vormünder (Unitätsarchiv Herrnhut, Sign. R.5.B.5.c, Nr. 113, 15) und den Specialbefehl des Königs vom 18. Oktober 1749 (ebd., 16). 338 Schlacht bei Prag im Siebenjährigen Krieg (1756–1763) Preußens gegen Österreich, die mit dem Sieg Friedrichs II. (1712–1786) endete.

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Schandfleck hängte Cocceji den Brüdern damit an, daß er in dem Codex Fridericianus,339 welcher auch in Schlesien eingeführt werden solte, wiewol man viele [332] Einwendung dagegen machte, die vor 6 Jahren von ihm so angepriesene als längst erkannte, der Augspurgischen Confession zugethane Brüder nun unter die schlechteste Sorte von Menschen sezte und das Gesez machte: Kein Socinianer, kein Jude, kein Infamer, kein Vernunftloser, kein Herrnhuter soll außer bey seines Gleichen, aber nicht bey andern religions-Verwandten zur Vormundschaft bestellet werden. Es redeten manche sonst gutgesinnte Herren von einem Project, den Brüdern vollends alle Freyheit zu nehmen, und der Pfarrer Rieger in Biele machte es öffentlich von der Canzel bekannt. Der Satan hatte eben um die Zeit einen grossen Zorn gegen alle Europäische Gemeinen, wie im Diario340 angemerckt wird. Es konte aber die Widrigkeit auch eine natürliche Folge der vielen Streitschriften und noch mehr der Extravaganzen in Lehr und Leben seyn. Diesen wurde nun zwar durch das ernstliche Schreiben des Ordinarii aus London in alle Gemeinen, welches den 6. Martii eintraf,341 einigermaßen Einhalt gethan. Allein es schien, als ob man es nicht sehr respectiren wolte. Die Arbeiter schrieben deshalb an Jonas Paul Weiss342 nach Herrnhut als darmaliger Oeconomus [333] von Schlesien und machten einige Einwendungen dagegen, und es scheint mir, daß die Antwort der Helfer Conferenz unterm 24. Merz (die ich aber nicht gefunden) nicht viel anders gewesen. Indeßen mußte man sich doch sehr einschrencken und nach und nach wieder in den vorigen Gang einlencken, wie denn auch vom May an die Diaria, die man bisher aus Furcht oder Nachläßigkeit zurück gehalten, wieder alle Monate ans Jüngerhaus eingeschickt werden mußten. Man spürte aber die Nachwehen noch eine lange Zeit. Etliche ledige Leute fingen an, einander zu freyen, und ließen sich vom Catholischen Pfarrer trauen. Selbst im Ehechor war ein schlechter Zustand. Viele dachten und redeten von der Ehe nicht anders als natürliche Leute und mußten zum Theil von der Gemeine abgesondert werden. Sogar etliche Eheleute im Gemeinort suchten ledige Brüder mit ihren principiis anzustecken und durch allerley Aussetzungen an den Arbeitern und an der Gemeinund Chor-Verfaßung zum Heyrathen und zur Verlaßung der Gemeine zu bewegen. Der elende Lochmann,343 ehemaliger Gastwirth in Marienborn, den Biefer hereingezogen

339 Codes Fridericianus Marchicus von 1748, eine Zivilgerichtsordnung. 340 Das Zitat konnte im Diarium der Gemeinde Gnadenfrei nicht gefunden werden. 341 Der sogenannte Strafbrief Ludwig Nikolaus von Zinzendorfs (1700–1760) vom 10. Februar 1749 aus London ist abgedruckt in Hahn, Hans-Christoph/Reichel, Hellmut (Hg.): Zinzendorf und die Herrnhuter Brüder. Quellen zur Geschichte der Brüder-Unität von 1722 bis 1760. Hamburg 1977, 172–176. 342 ������������������������������������������������������������������������������������� Jonas Paulus Weiß (1696–1779), Kaufmann, 1740 Anschluss an die Brüdergemeine, im Ökonomat tätig. Er heiratete 1745 Anna Magdalena Elisabeth Fend. Er löst 1749 Leonhard Dober (1706–1766) als Ökonomus in Schlesien ab. 343 Konnte nicht nachgewiesen werden.

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Geschichte der Evangelischen Brüder-Gemeinen in Schlesien

und viel aus ihm gemacht, zog den 15. Decembris weg nach Reichenbach,344 und einige, die er mit angesteckt, [334] zogen ihm nach. Er machte allerley Prætensionen an die Gemeine und fing an, sie beim Oberamt wegen allerley Vergehungen gegen das Landsherrliche Interesse zu verklagen, wurde aber durch eine besondre Vorsehung Gottes in seinem bösen Vorhaben verhindert. § 92. Was auf der Provincial Conferenz, welche im May in Gnadenfrey gehalten und von den Brüdern Seidliz, Thiel und Brodersen von Gnadenfrey und Layriz vom Schlössel beschickt worden, vorgekommen, davon finde keine Nachricht.345 Seidliz reiste von da mit Weiss und Neisser aus Herrnhut zu einer Diaconats-Conferenz in Barby und brachte Weissen den 10. Julii mit hieher, welcher in einer Conferenz den 13. bekannt machte, daß der Ordinarius sich declarirt, wie er die Kirchensache, die klein angefangen und sehr groß worden, nicht mehr allein tragen könne, daher ein jeder auch mit seinem Vermögen zugreiffen und jede Provinz für sich selbst sorgen solle. Dem Herrn von Seidliz sey das General Oeconomat von Schlesien aufs neue aufgetragen worden, daher in äußerlichen Sachen alles durch seine Hände gehen und nichts ohne ihn unternommen werden müße. [335] Nunmehr wurden auch Lawatschens abgelöst. Sie reisten den 23. Augusti ab, und den 23. Novembris kamen Weissens an ihre Stelle als Oeconomi. Zeisbergers wurden nach ihrer Vertreibung von Rösniz als Gehülfen im Ehechor hier behalten und Lauterbach als Thiels Gehülfe im Predigt-Amt bestellt, bis er den 17. Augusti mit Layriz zum Synodo nach London346 abreiste. Thiel aber ist den 6. Novembris nach Neusalz abgereist, und an seine Stelle ist den 13. Novembris Pastor Schmidt347 von Gnadenberg gekommen. Gerner hat im August als Inspector der Schlesischen Gemeinen hier besucht und gepredigt, und von Neusalz sind Schmidsfelds348 als Gehülfen im Ehechor hieher versetzt worden und den 11. Decembris angekommen, nachdem Siegels349 den 5. Decembris wieder abgereiset.

344 ������������������������������������������������������������������������������������ Laut Diarium der Gemeinde Gnadenfrei vom 15. Dezember 1749 reiste der Gastwirt Lochmann am 16. Dezember ab. Vgl. Unitätsarchiv Herrnhut, Sign. R.7.D.I.b.1.a.1743–1750. 345 Das Protokoll findet sich in ebd., Sign. R.7.A.12, Nr. 4. Die Synode tagte vom 12. bis 13. Mai 1750. 346 11. bis 15. und 21 bis 30. September 1749. Synodalprotokoll: Unitätsarchiv Herrnhut, Sign. R.2.A.26.3. 347 Johann Adam Schmidt (1710–1774), Theologiestudium in Jena, 1736 in die Brüdergemeine aufgenommen, 1745 Prediger in Gnadenberg, 1749–1763 in Gnadenfrei, 1764 in Gnadenberg, 1772 in Neusalz, 1736 verheiratet mit Louise Maria, geb. Commerell (1714–1776). 348 Karl Friedrich Schmid von Schmidsfeld, Helfer in Neusalz. 349 Christoph Friedrich Siegel (1704–1764), hessen-darmstädtischer Regierungsrat, zog 1734 nach Herrnhut, wurde 1748 nach Gnadenfrei in ökonomischen Geschäften entsandt. Er heiratete 1727 Wilhelmine Rosine Kanißberg, die zur Diaconisse eingesegnet wurde.

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An der Mutter Schindlerin Stelle, die nach Herrnhut retournirte, ist den 5. Junii die Wunderlingin wieder von Ebersdorf als Pflegerin und die Martha Mikschin350 als Vorsteherin zu den Wittwen gekommen. Und die von Rösniz vertriebene Hannel Sperrbachin wurde an der Græbnerin Stelle, die den 2. Julii nach Herrnhut ging, bey den ledigen Schwestern und den 5. Aprilis die Schwester Helena v. Seidliz,351 Tochter [336] des seligen HErrn von Mittel-Peile als der Hantschin Gehülfin bey den Mädgen angestellt. Tixens reisten den 1. Aprilis nach Herrnhut zurück, und den 3. Aprilis kamen Gewinns352 an ihre Stelle als Gehülfen der Kinder-Eltern. Für die Knaben-Anstalt wurde ein Flügel am Bethaus angebaut und den 26. Julii bezogen. Weil die Anzahl der Gemeinglieder überall sehr groß und gemischt war, so wurde auf dem Synodo zu London, vieleicht um die an den vorigen Gang größtentheils noch sehr verwöhnte Geschwister zu befriedigen, für gut gefunden, eine Auswahl der nach menschlicher Prüfung besten Seelen zu machen, die man die Hunderte in einem Geist und, weil sie auf den Säälgen der Gemeine-Häuser besondre Versammlungen und Elegantien, wie etwa die Collegia privatissima, hatten, die Sälgens Gesellschaft nannte. Aus demselben wurden zuerst alle 2, hernach alle 4 Wochen eins oder ein Ehepaar ausersehen, in ihrem Chor oder vor der ganzen Gemeine den Jünger an der Brust Jesu zu repræsentiren. Hier bestund die Sälgens-Gesellschaft außer den Arbeitern, anfänglich aus 14 Ehepaare, 2 Wittwern, 4 Wittwen, 12 ledigen Brüdern und 12 ledigen [337] Schwestern. Sie hatte den 4. Decembris ihre erste Versammlung, und den 14. wurden Schmidsfelds als die ersten Jünger bey einem privat-Abendmahl eingeführt. Weil aber die Saal-Diener, die man nicht alle dazu nehmen konte, darüber schwürig wurden, so wurden sie den 9. alle abgedanckt und andre dazu genommen. Zum Schluß will ich noch anmercken, daß der Luthersche Prediger in Reichenbach353 im Namen des Inspector Hoyer354 zu Schweidniz an Seidliz geschrieben, daß nach Königlichen Befehl in allen Dörfern Schulhalter zu bestellen und er als Vormund einen für Mittel und Nieder-Peile dazu vorzuschlagen habe. Es ist nachher so eingerichtet worden, daß ein Luthrischer Schulhalter, der um der Gemeine willen in die Nähe gezogen, unter Direction des Inspectors des Schweidnitzischen Fürstenthums dazu bestellt, demselben auch der Geschwister Kinder zugewiesen und die Schule von einem benachbarten Prediger visitirt worden. In Ober-Peile aber ist ein Bruder zum Schulhalter bestellt worden. [338]

350 Martha Elisabeth, geb. Jähne (1708–1789), 1730 verheiratet mit Matthäus Miksch († 1734) aus Kunewalde, 1754 verheiratet mit Gottlieb August Spangenberg (1704–1792). 351 Helene Eleonore von Seidlitz (1730–1789), 1755 verheiratet mit Karl Wilhelm von ­Tschirschky (1731–1802). 352 Matthäus Gewinn (1721–1781). 353 Gottfried Friedrich Krancher (1711–1763), 1742–1763 Pastor primarius in Reichenbach. Die zweite Pfarrstelle vertrat Pastor Gottfried Jüttner (1695–1759), seit 1743 Pastor in Reichenbach. 354 Ernst Hoyer (1709–1774), 1745–1774 Inspektor des Kirchenkreises Schweidnitz-Reichenbach.

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Geschichte der Evangelischen Brüder-Gemeinen in Schlesien

Dritter Abschnitt. Von dem Gang und Wachsthum der Gemeine unter allerley Beeinträchtigungen zwischen den Jahren 1750 und 1756.

Vom Jahr 1750. § 93. Johannis Visitation. Provinzial-Synodus. Veränderung der Arbeiter. § 94. Gesegnete Arbeit in der Gemeine. § 95. Widrige Rescripte. Vergeblicher Versuch, die freyen Dörfer zu gewißen Bethäusern zu verbinden. § 96. Commission in Rösniz. Die Brüder müßen zum Lutherischen Bethaus contribuiren, behalten aber ihre Concession. § 97. Neue Bewegung in Mæhren. Nachricht von den Hutterschen Brüdern in Ungarn. Besuch der Böhmen. Unglücksfälle. Vom Jahr 1751. § 98. Provincial-Synodus. Veränderung des Directorii der Schlesischen Gemeinen, wie auch einiger Chor-Arbeiter in Gnadenfrey. § 99. Einige Besuche. Veränderungen in Liturgico. Neue Bekanntschaften von außen her. [339] Vom Jahr 1752. § 100. Zustand und Aufräumung in der Gemeine. Einige neue Arbeiter. § 101. Veränderung im Oberamt und ihrer Gesinnung. Erlösung der Frau v. Tschirschky. Vom Jahr 1753. § 102. Provincial-Synodus. Errichtung eines Schlesischen Diaconats. Einige Verordnungen. Veränderung im Oberamt. Vom Jahr 1754. § 103. Johannis Besuch. Provincial-Synodus. Vorschlag wegen der Special-Historie jeder Gemeine. Von der Böhmischen Gemeine in Berlin. Leonhards gesegnete Arbeit. Tauf-Liturgie. § 104. Aufräumung in Neusalz. Sternbergs Daseyn veranlaßt Unruhe, und etliche harte Rescripte. Vom Jahr 1755. § 105. Seidliz zieht nach Gnadenberg, und Heithausen übernimmt Ober-Peile. Besuch in Bethel und Herrnhuth. [340]

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Vom Jahr 1756. § 106. Provincial-Synodus. Theilnehmung an den Umständen in Neusalz. Pædagogium in Gnadenberg. Zustand der Kinder und der Diaspora. Erweiterung des Brüder Hauses. Einige neue Arbeiter. § 107. Zustand der Brüder in Rösniz seit 1750. Ernstliche Declaration an sie. § 108. Zustand in Peterswalde seit 1747 bis jetzt. § 109. Zustand in Biele und fortdauernde Bedrückungen. § 110. Zustand der Böhmen in Oberschlesien und Unruhen unter denselben. § 111. Zustand der Diaspora. § 112. Einige betrübte Anecdoten von widrigen Predigern. § 113. Äußerlicher Zustand von Gnadenberg und Gnadenfrey. [341] § 93. Das erste, was einem beym Jahr 1750 in die Augen fällt, ist die Visitation Johannis,1 die er nach seiner Rückunft aus America in allen Gemeinen that, um die Reste der vorigen Sichtungs-Zeit vollends auszufegen. Er kam den 29. Aprilis hier an2 und fing den 30. nach einer Conferenz mit den Arbeitern, an, dieselben einzeln und Paarweise zu sprechen. Ein gleiches that er im Ehechor, bey den Wittwern und ledigen Brüdern, von welchen den 4. Mayi 29 eingerichtet wurden. Er hielt Predigten und Kinderstunden und alle Gemein-Versammlungen, wie auch das ledige Schwestern Fest. Den 4. ließ [er] sich von 33 Kindern, die vor der ganzen Gemeine ins Mädgen-Chor aufgenommen wurden, und von 52 Knaben, die so eben zusammen gekommen waren, unter vielen Thränen die Hand drauf geben, daß sie des Heilands werden wolten, welches in der Folge von guten Wirckungen gewesen. Er reiste den 10. May über Neusalz zum Provincial-Synodo3 in Gnadenberg ab, wohin ihm den 10ten Seidliz,4 Kohler,5 Zeisberger,6 Brodersen,7 1 �������������������������������������������������������������������������������������������� Johannes von Watteville, geb. als Johann Michael Langguth (1718–1788), 1744 von Baron Friedrich von Watteville (1700–1777) adoptiert. 2 „Nachmittags 5 uhr kam das mit so grossen verlangen erwartete allerliebste Johanneslein hier an und hatte in seiner gesellschaft die Brüder Jonas Paul Weiss, Andresen, Gammern, Laer. Die darüber empfundene freude ist nicht zu beschreiben.“ Diarium von Gnadenfeld. Unitätsarchiv Herrnhut, Sign. R.7.C.b.1.b, 51. 3 12. bis 13. Mai unter der Leitung von Johannes von Watteville (1718–1788). Synodalprotokoll: Ebd., Sign. R.7.A.12.4. 4 Ernst Julius von Seidlitz (1695–1766) erwarb 1734 Ober Peilau und veranlasste nach 1740 die Gründung von Gnadenfrei. 5 Andreas Köhler (Kohler, 1720–1802), Schuhmacher, 1741 in die Brüdergemeine aufgenommen, 1744 verheiratet mit Maria Elisabeth, geb. Müller (1723–1793). 6 Melchior Zeisberger (1701–1781), 1724 ausgewandert, 1747–1749 in Rösnitz und Oberschlesien, 1749–1751 in Gnadenfrei, dann Holstein. Er heiratete 1728 Anna Böhnisch († 1763). 7 Martin Brodersen (1718–1803), Schuhmacher, 1744 in die Brüdergemeine aufgenommen, 1745 in Gnadenberg, dann Neusalz, Missionar in Ostindien.

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Drews8 und Grünewald9 folgten. Was dabey verhandelt worden, kann ich nicht sagen. Soviel will ich nur noch erinnern, daß bey Johannis Hierseyn ausgemacht worden, mit der Aufnahme der [342] Auswärtigen in die Gemeine nicht auf ihre Loslaßung zu warten, in den Gemein-Ort aber niemand als freye Leute aufzunehmen. Außer diesem Besuch wurde die Gemeine den 16. May mit dem Besuch des erst kürzlich aus America angekommenen Bruder Spangenbergs10 und den 22. Augusti von Christian David11 und David Schneider12 erfreuet. Mit den Arbeitern gingen keine sonderliche Veränderungen vor, außer daß den 9. Martii die Martha Mikschin13 nach England abgereiset und den 29. Mayi die Anna Zipfelin14 als Vorsteherin der Wittwen an ihre Stelle gekommen, und daß den 23. Aprilis Peters15 als Ehechor-Arbeiter aangestellt und dagegena Schmidsfelds,16 die die vorigen Principia nicht ganz wolten fahren laßen, von ihren Amt entlaßen worden und den 15. Decembris nach Herrnhuth abgereiset. Von da brachte Andresen den 17. Decembris Moritz Hummel17 für die Knaben her. Auch ist den 2. Junii der D. Ritter18 als Gea–a Über der Zeile ergänzt für gestrichen: und.

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18 Christian Drews (1722–1793), 1741 in die Brüdergemeine aufgenommen, Diasporaarbeiter. 19 ������������������������������������������������������������������������������������������ Johann Georg Grünwald (1704–1770), Helfer des Wittwer-Chors, 1743 in Peilau in die Brüdergemeine aufgenommen, Erbauer des ersten Hauses von Gnadenfrei, Saaldiener, 1745–1753 mit der Bedienung der Geschwister in Peterswaldau betraut, zieht dann nach Gnadenfrei. 10 August Gottlieb Spangenberg (1704–1792), Bischof. 11 Christian David (1692–1751), 1717 durch Pfarrer Melchior Schäffer (1682–1738) in Görlitz erweckt, legte ab 1722 mit Genehmigung Nikolaus Ludwig von Zinzendorfs (1700–1760) die Kolonie in Herrnhut an und brach danach immer wieder zu Evangelisationsreisen nach Mähren auf; seit 1731 unterstützte er als Zimmermann und Laienprediger die Mission in der Schweiz, in Grönland, den Niederlanden, Livland und Pennsylvanien. 12 ������������������������������������������������������������������������������������������� David Schneider (1693–1755), Leineweber, 1725 emigriert, machte Evangelisationsreisen, verheiratet mit Catharina, geb. Münster. 13 Martha Elisabeth, geb. Jähne (1708–1789), 1730 verheiratet mit Matthäus Miksch († 1734) aus Kunewalde, 1754 verheiratet mit Gottlieb August Spangenberg (1704–1792). 14 ��������������������������������������������������������������������������������������������� Anna Zipfel (1705 –1762), 1723 mit Johann Philipp Zipfel verheiratet, wurde 1737 mit Christian Renatus von Zinzendorf (1727–1752) in Jena unterrichtet, zog 1747 in die Brüdergemeinde Gnadenthal, dann Herrnhut, und hatte 1749 „die Ehre, die erste Gemein-Jüngerin in Herrnhut zu werden“, 1749 in Gnadenfrei, 1758 als Diaconisse und Chorpflegerin ordiniert. Vgl. Diarium der Gemeinde Gnadenfrei zum 2. Oktober 1762. Unitätsarchiv Herrnhut, Sign. R.7.D.I.b.1.c. 1760–1770. 15 Johann Friedrich Peter (1707–1791), 1735 in die Brüdergemeine aufgenommen, kam 1750 als Ehechorpfleger mit seiner Ehefrau Susanna, geb. Jacksch (1711–1760) nach Gnadenfrei. 16 Karl Friedrich Schmid von Schmidsfeld, Helfer in Neusalz. 17 �������������������������������������������������������������������������������������� Moritz Hummel (1722–1794), am Eisenacher Hof erzogen, 1744 in die Brüdergemeine aufgenommen, kam 1750 als Gehilfe des Brüder- und Knabenpflegers nach Gnadenfrei, 1751 nach Gnadenberg, verheiratet mit Christiana Catharina, geb. Stottler († 1770). 18 Johann Jacob Ritter (1714–1784), nach einem sechsjährigen Medizinstudium war er Leibarzt beim Fürst Homberg von der Höhe (1673–1746), dann vier Jahre bei Burggraf von Riedesel in Lauterbach, wurde 1748 in die Brüdergemeine aufgenommen, war von 1751 bis zu seiner Emeritierung aus gesundheitlichen Gründen 1764 Arzt in Gnadenfrei.

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mein-Medicus hieher gekommen. Zum General-Synodo in Barby19 ist den 30. Augusti Seidliz abgereiset und hat Zeisbergers mitgenommen. § 94. Die erstgedachten Besuche, Weissens20 Arbeit in der Gemeine und Schmidts21 Vorträge, die ordentlich, gesund und doch mit Geist und Kraft begleitet waren, würckten in der [343] Gemeine und in den Chören viel Segen und machten die Glieder nach und nach die vorigen Unordnungen vergeßen. Die öffentlichen Vorträge zogen viele Fremde an Sonn- und Feyertagen herzu, wie denn in Ostern 150 aus 50 Orten angemerckt wurden.22 Die bösen Gerüchte und die Verketzerungen auf vielen Canzeln (wie denn auf manchen aus den infamsten Lästerschriften vorgelesen wurde) hatten zwar auf einer Seite die Wirckung, daß manche Herrschaften ihren Unterthanen, nach Gnadenfrey zu gehen, verboten, und wenn sies doch thaten, sie straften oder gar weg und zur Gemeine jagten; auf der andern aber, daß viele, um hinter die Wahrheit zu kommen, zum Besuch herkamen, das Evangelium hörten und eines andern überzeugt wurden. Unter diesen bemercke ich sonderlich den HErrn von Falkenhayn23 auf Gittmannsdorf mit seiner Schwester, die vor wenig Jahren durch Walthers24 Predigt erweckt und mit ihm verbunden waren, daß sie hier besucht und wieder besucht worden. Beym Liturgico in Gemeine und Chören finde ich anzumercken, daß die besondern Abendmahle, die man mit der Säälgens-Gesellschaft und manchmal sehr oft gehalten, aufgehöret und die ganze Gemeine alle 4 Wochen dazu genommen bworden. Beym Abendmahl am Charfreytag ist zum erstenmal öffentlich in albis25 administirtb [344] worden. Bey demselben wechselten nunmehr alle Monat die special-Jünger für diese Gemeine; und für die 3 Schlesischen Gemeinen wurden General Jünger eingeführt. Man baute auch ein Leichen-Cämergen in der Grund-Mauer des Bethauses vorne auf b–b Am unteren Rand der Seite ergänzt.

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19 24. August bis 24. September 1750. Synodalprotokoll: Unitätsarchiv Herrnhut, Sign. R.2.A.28. 20 ���������������������������������������������������������������������������������������� Jonas Paulus Weiß (1696–1779), Kaufmann, 1740 Anschluss an die Brüdergemeine, im Ökonomat tätig. Er heiratete 1745 Anna Magdalena Elisabeth Fend. Er löst 1749 Leonhard Dober (1706–1766) als Ökonomus in Schlesien ab. 21 Johann Adam Schmidt (1710–1774), Theologiestudium in Jena, 1736 in die Brüdergemeine aufgenommen, 1745 Prediger in Gnadenberg, 1749–1763 in Gnadenfrei, 1764 in Gnadenberg, 1772 in Neusalz, 1736 verheiratet mit Louise Maria, geb. Commerell (1714–1776). 22 ��������������������������������������������������������������������������������������� So das Diarium der Gemeinde Gnadenfrei zum zweiten Osterfeiertag am 30. März 1750. Unitätsarchiv Herrnhut, Sign. R.7.D.I.b.1.a.1743–1750, 41. Das Diarium vermerkt zum Ostertag: „Hierauf wars Zeit zum Frühstücken, um ½ zehn uhr und wieder um 2 uhr predigte ich, es waren wohl 1000 Menschen da, Saal und Logen und Vorhaus alles voll. Der Herr stund mir bei. Ich bin aber recht müde.“ Ebd., 39. 23 Nikolaus Florian von Falkenhayn (1715–1800) und Marie Juliane von Falkenhayn (1717–1799). 24 Gottlieb Eberhard Walter (1721–1796), 1743 Pfarrgehilfe in Peterswaldau, 1745–1758 Pfarrer in Ober Panthenau, 1758–1793 in Küpper, Kirchenkreis Lauban. 25 In weißen Talaren.

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den Plaz hinaus. Ich finde auch eine Anzeige von Chortagen und Liturgien, aber nicht, wenn sie eingeführt worden. § 95. In publicis äußerte sich die Widrigkeit, womit die Feinde bey Hofe und in der Regierung fast alles gegen die Brüder eingenommen, immer mehr. Gott erweckte ihnen aber einen Freund an den Cammerdirector ď Alençon zu Bresslau,26 ein Enckel eines in Franckreich verbrannten Märtyrers,27 der mit dem Stiefbruder des Ordinarii von Nazmer28 erzogen worden und in Marienborn besucht hat. Er wendete in der Stille manches Unheil ab und gab den Bruder Seidliz zeitige Nachricht davon, konte aber doch nicht verschiedene widrige Rescripte abwenden, dergleichen war das an den Landrath von Gellhorn29 vom 7. Julii,* denen im Reichenbächischen Craise etablirten Mährischen Brüdern bekannt zu machen, daß sie 1.) sich alles Proselytenmachens im Lande enthalten, 2.) keine LandesKinder, unter keinerley prætext, auf ihre Commissiones außer Landes versenden, 3.) alle die Evangelischen, so sich in Zukunft zu ihnen gesellen, zum Beytrag des Unterhalts der Evangelischen Prediger und Bethäuser, wozu sie sich bisher [345] gehalten, unweigerlich anhalten, oder gewärtigen sollen, daß sie der ertheilten Concession verlustig erklärt werden etc.** Unter eben dem dato erging vom Glogauischen Oberamt ein gleichlautendes Rescript, an die Häupter und Vorsteher der Mährischen Brüderschaft, welches unterm 27. Julii30 wiederholt wurde mit dem Zusaz, die Contravenienten, insonderheit aber die Emissarien, solten aller Orten, wo sie sich ­blicken laßen, sofort mit Arrest belegt werden. Dergleichen Rescripte ergingen auch unter eben den datis ans Oberamt in Oppeln und den Landrath des Leobschützer ­Craises. So viel sahe man wol, daß es von den Feinden der Brüder bey Hofe und der Regierung, auf die gänzliche Beraubung aller Freyheit und Abschneidung des Zuwachses der Gemeinen gemünzt war, und aus dem Grunde mochte auch das Rescript vom 4.  Ju*

das an den Landrath von Glaubiz in Bunzlauischen Creise von dem 9ten Julii datirt [Unitätsarchiv Herrnhut, Sign. R.5.B.5.d, Nr. 24]. ** Der 2te Punct ist grade gegen die Concession von 46 und wurde erst 1772 beßer erklärt, der 3te aber billigt implicite die Aufnahme anderer Religions-Verwandten.

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26 Jean Pierre Antoine d'Alencon (1687–1752), seit 1743 erster Kammerdirektor. 27 Im 16. Jahrhundert fasste die evangelische Bewegung auch in der französischen Stadt Alençon Fuß und viele wurden um ihres Glaubens willen verfolgt und erlitten als Märtyrer den Tod. 28 ��������������������������������������������������������������������������������������� Wahrscheinlich Carl Dubislav vom Natzmer (1705–1738) und nicht Heinrich Ernst von Natzmer (1709–1738). 29 ����������������������������������������������������������������������������������������� George Friedrich von Gellhorn (1747–1759), Landrat von Reichenbach/Eulengebirge in Schlesien. Das Reskript befindet sich unterschrieben von d’Alençon, Haenel und Graf von Schwerin in Kopie im Unitätsarchiv Herrnhut, Sign. R.5.B.5.d.26 und R.5.B.5.d.28. 30 Ebd., Nr. 29. Ein fast gleichlautendes Rescript für Neusalz vom 17. Juli 1750 enthält den Zusatz: „Und will ich instar Documenti insinuationis dieser Verordnung a die recepti binnen 8 Tagen der gedachten Gemeinde Erklärung darauf ohnfehlbar ad acta gewärtigen.“ Ebd.

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nii 1750,31 welches vom Inspector Hoyer32 den 3. Octobris an Seidliz insinuirt wurde, herkomen, daß alle Dörfer, die noch nicht zu einem gewißen Bethaus gehören, sich in 4 Wochen erklären sollen, zu welchem Bethaus sie sich vor [346] beständig halten wolten. Auf dieses Rescript wurde von der Weigels-Dorfer-Herrschaft33 dortigen Brüdern bey 10 rt. verboten, in Gnadenfrey taufen zu laßen. Sie wurde aber von Heithausen34 und Baumgarten35 soweit bedeutet, daß sie ihren Unterthanen die Wahl laßen wolte, sich nach Gnadenfrey, Silberberg,36 Biele, Rossenbach,37 Peterswalde oder Lampersdorf38 zu halten, aber hernach auch dabey zu bleiben. Allein das ganze Project wurde rückgängig [gemacht], weil die Herrschaften sich und ihre Unterthanen an kein Bethaus wolten binden laßen, um nicht zum Unterhalt derselben verbindlich zu seyn. § 96. Den Brüdern in Rösniz war auch schon im vorigen Jahr befohlen, zum Unterhalt des Lutherschen Predigers und Bethauses zu contribuiren, und da sie sich deßen geweigert, im Decembris 2 Männer zur Execution aufgelegt worden, die sie bis im Januar 1750 behalten mußten. Sie wolten sich eben in dem Recht ihrer Concession als Mährische Brüder mainteniren. Und da eine Schwester wolte taufen laßen, ersuchten sie den Bethaus-Prediger Oelschlaeger39 und hernach den Feld-Prediger in Ratibor,40 es gegen einen Revers, daß es ihren Rechten als Mährische Brüder nicht zum præjudiz gereichen solte, zu taufen. Da es aber beyde nicht thun wolten, bot sich der Catholische [347] Pfarrer41 dazu an und that es. Auf ihre fortdaurende Weigerung des Beytrags erfolgte aus Berlin den 1. Augustid 50 ein Rescript ans Oberamt,42 welches unterm 10. Decembris43 den Consistorial Rath Schüssler44 zu Neustadt als Inspector der Lutherischen Bethäuser in Oberschlesien die

d Korrigiert aus: Octobris.

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31 Konnte in den Herrnhuter Akten nicht nachgewiesen werden. 32 Ernst Hoyer (1709–1774), 1745–1774 Inspektor des Kirchenkreises Schweidnitz-Reichenbach. 33 Weigelsdorf (poln.Wigancice), Kreis Frankenstein. 34 Georg Ernst von Heithausen (1724–1791). 35 Wahrscheinlich Johann Baumgarten (1687–1778), Gründungsmitglied von Gnadenfrei. 36 Silberberg (poln. Srebrna Góra). 37 Rosenbach (poln. Rożana), Kreis Frankenstein. 38 Lampersdorf (poln. Grodziszcze). 39 Jakob Oelschlaeger (1722–1781), 1749–1781 Pfarrer in Rösnitz. 40 Die Feldprediger in Ratibor vor 1755 werden im Schlesischen Pfarrerbuch nicht nachgewiesen. 41 Konnte nicht nachgewiesen werden. 42 Unitätsarchiv Herrnhut, Sign. R.5.B.5.d, Nr. 32. 43 Ebd., Nr. 33. 44 �������������������������������������������������������������������������������������������� Johann Albrecht Schüssler (1714–1763), seit 1745 Oberkonsistorialrat und Inspektor der oberschlesischen Geistlichkeit.

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Commission auftrug, die den 25. Januarii 51 in Rösniz45 gehalten wurde. Die Brüder erklärten sich ad Protocollum, daß sie großentheils seit 39, da schon eine Kayserliche Commission ihrentwegen gehalten worden, zu den Mährischen Brüdern gehöret und niemals ihre Einwilligung zum Luthrischen Bethaus gegeben, auch nicht einmal davon gewußt bis 1745, aber aus gutem Willen etwas dazu beygetragen. Ob nun gleich die ­Luthrische Gemeine nichts erhebliches dagegen einwenden konte, so wurde ihnen doch laut Königlicher und Oberamts-Verordnung vom 1. Augusti und 10. Decembris 50 anbefohlen, zum Bethaus zu contribuiren und den Nachtrag seit 45 zu thun. Die Vorsteher erklärten sich hierauf: „Im Namen aller Brüder aus Rösniz und Stäuberwiz: Wenn uns ohne Ausnahme zuerkannt wird, daß wir schuldig sind, den Beytrag zu thun, so wollen wir uns im Geringsten nicht weigern, wenn wir es schuldig sind, dawider aber protestiren [348] wir, daß wir jemals am Gesuch des Bethauses hätten theil genommen, und bitten, daß wir beye unserer Bekenntniß und Uebung bleiben“46 etc. Sie zahlten auch sogleich den Nachtrag von 15 fl. ohne das Getraide und die Commissions-Kosten von 9 rt. 12 gg. nebst 1 rt. für die Abschrift des Protocolls. Die Lutherische Gemeine hatte auch um die gänzliche Aufhebung der Concession suplicirt, weil aber in dem Königlichen Befehl fstand, daß man noch zur Zeit bedencken trage, sothanen Gesuch zu deferiren,47 so durftef man, so gern man auch gewolt hätte, ihnen dieselbe nicht nehmen. § 97. Im verwichenen Jahr hatte sich wieder eine neue Regung in Mæhren hervorgethan, und es waren einige Leute emigrirt. Dieselbe continuirte in diesem Jahr, und es kamen den 10. Januarii 16 und den 12. Decembris 24 Leute, ohne was noch einzeln kam, hier an, die aber freylich, wenige ausgenommen, nicht die Art und den Sinn der ehemaligen Exulanten hatten. Es hatte auch der Ungarische Bruder Simon,48 ein Sporer,49 auf seinem vorjährigen Besuch in Ungarn, die Hutterschen Brüder angetroffen und brachte Nachricht hieher mit. Man glaubte, daß sie Nachkommen der Brüder aus Mähren wären, und Bruder Weiss50 [349] schrieb heuer den 17. Februarii an sie, da unsre Fabricanten nach Nickels-

e Für gestrichen: Brüder. f–f Über der Zeile für gestrichen: davon keine Meldung geschehen, so durfte.

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45 ���������������������������������������������������������������������������������������������� Im Unitätsarchiv Herrnhut, Sign. R.5.B.5.d, Nr. 39 liegt das Commissions-Protokoll vom 25. Januar 1751 vor. 46 Dieser Text ist dem Commissions-Protokoll entnommen. 47 willfahren, anzuerkennen. 48 Konnte nicht nachgewiesen werden. 49 Kleinhandwerker. 50 ��������������������������������������������������������������������������������������� Jonas Paulus Weiß (1696–1779), Kaufmann, 1740 Anschluss an die Brüdergemeine, im Ökonomat tätig. Er heiratete 1745 Anna Magdalena Elisabeth Fend. Er löst 1749 Leonhard Dober (1706–1766) als Ökonomus in Schlesien ab.

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burg51 reisten. Ein Lehrer von ihnen, Meyer52 aus St. Johannis53 gin Ungarn, kam den 17. Aprilis hieher, und Johannesg hatte auf seinem Besuch den 3. Mayi eine Unterredung mit ihm, fand aber einen confusen und socinianisch54 gesinnten Mann an ihm, der von cherubinischen55 und transcendentalen Dingen und von geistlichen Wunden redte. Sie stammen nicht von den Böhmischen Brüdern, sondern von den Wiedertäufern her, die den Brüdern in Böhmen bey Gelegenheit einer Streitigkeit eine Verfolgung zugezogen haben. Siehe Brüder Historie S. 32 und 77.56 Die Böhmen wurden in ihren Colonien in Schlesien vom 8. Aprilis bis 9. Mayi durch Bruder Zacharias Hirschel57 besucht, und sein Gefährte Singer58 reiste auf einen Besuch seiner erweckten Lands-Leute in Siebenbürgen. Ein paar Unglücksfälle will ich nur noch anmercken. Den 21. Junii 49 flog der Pulverturm zu Bresslau von einem Donnerstrahl zu großem Schaden der Stadt und Entsetzen der umliegenden Gegend, indem man in Gnadenfrey die Erschütterung spürte, in die Luft,59 und den 13. Martii 1750 brannte David Kühnels,60 nunmehr Büttners61 Gut

g–g Über der Zeile eingefügt.

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51 Nickelsdorf am Neusiedler See, seit 1921 zu Österreich gehörig, oder Nikolsburg (tsch. Mikoluv) in Südmähren, heute in Tschechien. 52 Das Diarium der Gemeinde Gnadenfrei berichtet unter dem 17. April 1749: „Der Hutterische Bruder Maier kam aus Ungarn zum Besuch hier an.“ Unitätsarchiv Herrnhut, Sign. R.7.D.I.b.1.a. 1743–1750, 49. 53 ��������������������������������������������������������������������������������������� St. Johann auf dem Heideboden (ung. Jánossomorja), fünf Kilometer vom Grenzübergang Andau zu Österreich entfernt. 54 Anhänger von Lälius und Faustus Socinus, die im 16. Jahrhundert die Gottheit Christi leugneten. 55 Nach Gen 3,24 Engel, die den Menschen am Eindringen in das Paradies hindern. 56 Cranz, David: Alte und Neue Brüder-Historie oder kurz gefaßte Geschichte der Evangelischen Brüder-Unität in den ältern Zeiten und insonderheit in dem gegenwärtigen Jahrhundert. Barby 2 1772 [11771], 32, 77f. 57 Zacharias Hirschel (Zachariáš Jelínek, 1714–1763) emigrierte 1732 aus Böhmen nach Dresden und war 1751–1757 und 1759–1763 Prediger in Rixdorf. In seinem Lebenslauf heißt es dazu: „1750 wurde mir angetragen, die Böhmen in Schlesien, Sachsen und Brandenburg zu besuchen, welcher Besuch mir auch für mein eigen Herz zum Segen war.“ Unitätsarchiv Herrnhut, Sign. R.22.28.19. 58 Konnte nicht nachgewiesen werden. 59 Das Diarium der Gemeinde Gnadenfrei berichtet zum Datum: „Diese Nacht war auch die Stadt Breslau durch einen entsezlichen Donnerschlag, der in einem, doch noch den kleinsten Pulverturm zündete, plözlich in einen unsäglichen Schrecken, Confusion und Schaden gesezt worden, wovon bald das ganze Land voll wurde, und das Andenken davon durch ein verordnetes gedrucktes fürchterliches Bußgebet durchs Land und durch den Verlust so vieler Menschen und die häufigen rissen (?) der Häuser und den so bald und so leicht nicht verwindlichen Schaden noch manche Zeit conservirt werden wird.“ Unitätsarchiv Herrnhut, Sign. R.7.D.I.b.1.a.1743–1750, 25. 60 David Kühnel (G 1710), Dreschgärtner in Peilau. 61 Konnte nicht nachgewiesen werden.

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in Ober-Peile ab,62 und der alte 80 jährige Vater Petschin,63 in deßen Cammer es aus gekommen, wurde mit verzehrt. [350] § 98. Bey der zunehmenden und in eine Verfolgung ausschlagenden Widrigkeit des Lutherschen Cleri fiel das Vorhaben, die Brüder-Gemeinen mit denselben zu vereinigen, wozu ihnen in der Person des Probst Gerners64 ein Lutherscher Inspector gesezt worden, vollends weg. Dieser wurde im vorjährigen General Synodo65 zum Mit-Administrator des Lutherschen Tropi erwehlt, und dagegen der Senior im Ministerio Fratrum und der älteste Prediger der Brüder in Schlesien, Johann George Waiblinger,66 zum Bischof der Brüder Gemeinen in Schlesien consecrirt. Gerner meldete dieses in einem Memorial, Neusalz den 9. Januarii, ans Oberamt in Glogau,67 womit er die Consignation der Gebornen und Gestorbenen begleitet und zugleich sich über die in den Rescripten vom 17. und 27. Julii wiederholte Beschuldigungen des Proselyten machens beschwert, und den Unterschied unter Herrnhutschen oder Lutherschen und den Mährischen Brüdern zeiget. Im Provincial-Synodo,68 welchen Johannes, præsente Ordinario Fratrum, vom 6.–9ten Julii theils zu Krausche, theils in Wehrau69 hielt, wurde Waiblinger introducirt und zugleich Weissens Abruf bekannt gemacht, deßen Oeconomat Leonhard70 übernahm. In dieser Dualitæt kam er [351] den 23. Junii nach Gnadenfrey. Zugleich wurde Seidlizen Vorsteher-Amt in Schlesien, das durch Widerstand einiger Brüder in etwas verabsäumet worden, erneuert, und Louis v. Schrautenbach,71 der im Synodo zum De62 ����������������������������������������������������������������������������������������������� „Freitag 13. war ein fataler Tag. Frühe zwischen 1 und 2 uhr kam Feuer in des alten Vaters Petschins Häußgen aus, durch seine oder seiner Frau unvorsichtigkeit. Der ganze Hof, da Künels, Jonaßens und Petschens wohnten, brannte ab. Das allersensibelste und lamentableste war, daß unser lieber ehrwürdiger 74jähriger Vater Petschin, mit dem ich mich so offte divertirt, sein Leben im Feuer eingebüßt hat. Ich habe den rest seines schwarz gebranten, übel zugerichteten Hüttgens gesehen.“ Diarium der Gemeinde Gnadenfrei 1750. Unitätsarchiv Herrnhut, Sign. R.7.D.I. b.1.a.1743–1750, 22f. 63 Wahrscheinlich Hans Petsch (G 1676) 64 ������������������������������������������������������������������������������������������� Heinrich Georg Gerner (1717–1800), Probst in Seeland und Pfarrer der Kathedralkirche in Kopenhagen, dann Administrator des lutherischen Tropus der Brüdergemeine. 65 24. August bis 24. September 1750. 66 Johann Georg Waiblinger (1704–1775), Magister der Universität Tübingen, 1750 Bischof der schlesischen Brüdergemeinen. 67 Heinrich Georg Gerners (1717–1800) Brief an das Oberamt bei Einreichung der Einwohnerlisten. Unitätsarchiv Herrnhut, Sign. R.5.B.5.d, Nr. 38. 68 6. bis 9. Juni 1749 in Groß Krausche. Synodalprotokoll: Ebd., Sing. R.7.A.12.5. 69 ������������������������������������������������������������������������������������������� Wehrau (poln. Osieczníca), in unmittelbarer Nähe von Groß Krausche, wo vor allem die Adeligen untergebracht waren. 70 Leonhard Dober (1706–1766). 71 Louis Carl von Schrautenbach (1724–1783), wurde 1737 mit Christian Renatus von Zinzendorf (1727–1752) in Jena erzogen, zog sich 1752 ganz auf sein Gut in Lindheim zurück und galt als „Freund“ der Brüdergemeine.

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putirten an Gersdorfs72 Stelle ernannt worden, bekannt gemacht, wiewol weder er noch die Gemeine einigen Nutzen davon gehabt haben. An Andresens Stelle, der von Herrnhut nach England berufen worden, kam Joachim Meyer73 als Oeconomus der ledigen Brüder Chöre. Brodersen war schon den 10. Februarii zur Pilgergemeine abgereist und ging mit ihr nach England. An seiner Stelle blieb Wohn74 bey den ledigen Brüdern, und Hummel kam nach Neusalz. Drews wurde nach Herrnhut abgerufen, und Johann Jac[ob] Kolesch75 kam den 19. Aprilis an seine Stelle als Vorsteher des ledigen Brüder Hauses. Die Anna Zipfelin, die schon vor einem Jahr hergekommen, kam an der Mutter Schindlerin76 Stelle, die Alters halber nach Herrnhut kam; und die Wunderlingin77 bekam die Maurer Fritschin78 von Herrnhut als Gehülfin zu den ledigen Schwestern und Gewinns zogen den 23. Augusti nach Nisky. Von den Wittwern, die bisher zerstreut gewohnt, zogen 10 in Klettes79 Haus zusammen. [352] § 99. Unter den Besuchen sind anmercklich Christels,80 der Anna81 und Anna Johanna82 vom 24. bis 29. Aprilis, da sich die Gemeine besonders an Christels ganz veränderten Vortrag erbaut hat; und der Gräfin Zinzendorf mit ihren Töchtern am 8. Octobris. Es sind in diesem Jahr auch viele Exulanten von Herrnhag angekommen, und nur unter den ledigen Brüdern die Zahl der Ausländer über 30 vermehrt worden. Was das Liturgicum betrift, so wurde den 12. Junii die Sälgens-Gesellschaft83 wie auch auf eine Zeitlang die Jünger-Sache84 zu großem Schmerz der Geschwister aufgehoben, weil sie des wahren Zwecks verfehlte und üble Wirckungen, besonders bey den andern Geschwistern, hatte. Die ledigen Brüder feyerten wie in allen Gemeinen den 72 ����������������������������������������������������������������������������������������� (Wolf Caspar) Abraham von Gersdorf (1704–1784), 1745 Senior civilis, 1752 Kanzler der Advocatie der Brüdergemeine, ordnete 1765/66 mit Böhler das Archiv der Brüderunität in Zeist. 73 Joachim Meyer (1720–1774), Kaufmann, 1742 in die Brüdergemeine aufgenommen, wurde 1751–1759 Chorhelfer in Neusalz und 1758 zum Presbyter ordiniert. 74 Johann Christian Wohn (1724–1773), Schneider, 1744 in die Brüdergemeine aufgenommen. 75 Johann Jakob Kolesch (1719–1798), Bäcker, 1743 in die Brüdergemeine aufgenommen, 1751– 1763 Vorsteher des ledigen Brüderchors in Gnadenfrei, dann bis 1768 in Gnadenberg. 76 �������������������������������������������������������������������������������������������� Elisabeth Schindler, geb. Scherzer (1686–1769), 1726 Witwenarbeiterin in Herrnhut, 1732 verheiratet mit Matthäus Schindler (1694–1771). 77 Dorothea Maria Wunderling, geb. Tonne (1702–1774), 1740 verheiratet mit Christian Friedrich Wunderling, 1745 Diakonisse, 1746 in Gnadenfrei Witwen-Pflegerin. 78 Konnte nicht nachgewiesen werden. 79 Anton Klett (G 1697), Weber, Witwer. 80 Christian Renatus von Zinzendorf (1727–1752), Sohn von Nikolaus Ludwig von Zinzendorf (1700–1760). 81 Anna Nitschmann (1715–1760). 82 Anna Johanna Seidel, geb. Piesch (1726–1788), 1743 Mitgeneralältestin, 1744 Generalältestin aller ledigen Schwesternchöre, 1760 verheiratet mit Nathanael Seidel (1718–1782). 83 Vgl. dazu die Erläuterung von Cranz in Teil 2 § 92. 84 Ebd., 1749 für alle Gemeinen von Nikolaus Ludwig von Zinzendorf (1700–1760) eingeführt.

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18. Januarii ein besondres Danckfest für die Errettung aus der Sichtung85 und die wieder hergestellte Reinigung der Lehre, wobey des Ordinarii Schreiben86 vom Leichnam Jesu als dem eigentlichen Object der ledigen Brüder unter vielen Thränen gelesen und nach einem Liebesmahl von 79 Brüdern das Chor-Abendmahl gehalten wurde. Man fing nun auch wieder an, Monatliche Gemeintage zu halten. Der im Gemein-Ort Abgeschiedenen [353] Heimgang wurde den 13. Octobris zum erstenmal mit Posaunen der Gemeine bekannt gemacht.87 Waiblinger wurde im Synodo ermuntert, sein Gesangbuch für die Schlesischen Gemeinen, davon der erste Theil schon fertig, bald zu vollenden,88 es ist aber vermuthlich wegen dem Druck des großen Brüder Gesang-Buchs89 in London 1752 zurück gelegt worden. Die Widrigkeiten gegen die Brüder, die wol dahin abzielten, ansehnliche Leute von ihnen zurück zu schrecken, hatten noch immer die Wirckung, daß sie desto begieriger wurden, die Gemeine kennen zu lernen, wie denn unterm 4. Julii angemerckt wird, daß in 3 Tagen 30 mit der Gemeine sonst nicht bekannte Personen hier besuchet, und ich finde, daß der Justiz-Rath v. der Heide90 auf Habendorf, der manches widrige hat 85 Beschreibung des Festes in Herrnhut, wo Johannes von Watteville (1718–1788) und Zinzendorf die wichtigsten Reden hielten. Unitätsarchiv Herrnhut, Sign. GN.C.1751, Beilage 7, 156–178. Der Begriff „Sichtung“ bezeichnet die schwärmerische Periode von 1746–1749. Cranz, David: Alte und Neue Brüder-Historie oder kurz gefaßte Geschichte der Evangelischen Brüder-Unität in den ältern Zeiten und insonderheit in dem gegenwärtigen Jahrhundert. Barby 21772 [11771], 502, 506. 86 Welches Schreiben hier gemeint ist, ist nicht klar. Zinzendorf dichtete in Herrnhut ein Lied: „O Haupt voll Blut und Striemen, Haupt voll nächtliches Thaun“ (9 Strophen, ebd., 161–165) und eine Rede über die Worte: „Ich bleib fest darauf gestellt, daß es Leichnams-Art behält“ (ebd., 165–178) gehalten, die die Brüder auf die Kreuzestheologie einschwor. Möglicherweise meint Cranz diese Texte. 87 �������������������������������������������������������������������������������������������� Im Diarium der Gemeinde Gnadenfrei heißt es genauer anlässlich des Todes von Schwester Geißler: „Dieser Heimgang wurde das erstemal mit Posaunen vom Bethauße herunter angezeigt.“ Ebd., Sign. R.7.D.b.1.a.1743–1750. 88 Auf dem schlesischen Provinzialsynodus heißt es dazu genauer: „Den Bruder Waiblinger ist vom Synodo generali aufgetragen worden, ein Gesangbuch für die Schlesischen Gemeinen von den besten und legitimirtesten Versen zu colligiren. Er hat den ersten Theil schon fertig und arbeitet nun am 2. Theil. Es wird hernach von etlichen Brüdern revidiret und alsdenn etwa in Schlesien gedruckt werden. Es wurde ersucht, das Gesangbuch noch vor Ende des Augusti anni praesentis wo möglich fertig zu liefern.“ Johannes ergänzt: „Wir wollen das bisherige Gesangbuch, Anhänge und Zugaben nicht mehr als unser Gesangbuch angesehen und auf dem Saal liegen haben.“ Man erwarte ein neues Gesangbuch, „da dann das Schlesische der Vorgänger wird“. Ebd., Sign. R.7.A.12.5, Sessio II am 7. Juni 1749, Punkt 4. Das sind offensichtlich die Anfänge für das 1754 gedruckte „Kleine Brüdergesangbuch“. Vgl. Meyer, Dietrich (Hg.): Bibliographisches Handbuch zur Zinzendorf-Forschung. Düsseldorf 1987, A 510. 89 Cranz denkt also an das Londoner Gesangbuch: Etwas vom Liede Mosis [...]. London 1753. (Probedruck, London 1752). 90 Julius Conrad von der Heyde (Heide, 1713–1797), 1731 Besuch des Pädagogiums in Halle an der Saale, Jurastudium an der dortigen Universität, 1751 Besuch in Gnadenfrei, 1761 in die Brüdergemeine aufgenommen.

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e­ xequiren müßen, den 1. May zum erstenmal hier besucht91 und von dem an sich genauer mit den Brüdern bekannt gemacht hat. Ein Wolckenbruch, der den 12. Julii in Nieder-Peile vielen Schaden gethan,92 verdient auch noch angemerckt zu werden. Was die Diaspora betrift, so wird davon in den nächsten Jahren das anmercklichste erinnert werden. [354] § 100. Bey dem Jahr 1752 fällt mir hauptsächlich in die Augen, daß Leonhards oftmaliger Besuch und zum Theil langer Aufenthalt hieselbst, seine Conferenzen und Reden, besonders die ans Ehechor, eine gesegnete Wirckung ins Ganze und in den Chören gehabt haben; worunter auch das gehört, daß einige schwürige Familien und etliche durch sie verführte ledige Brüder weggezogen sind, so wie schon im vorigen Jahr einige auswärtige Eheleute, die ihre Kinder nach väterlicher Weise heyrathen ließen, abgewiesen worden. Unter diesen war Vater Schreiber in Gittmannsdorf,93 deßen Haus sonst von jeher ein Gottes-Haus gewesen und bis diesen Tag geblieben, indem wenigstens 50 Menschen, die bey ihm gedienet, erweckt und zur Gemeine gekommen, ja wie Melch[ior] Schmidt94 in St. Crux gesegnete Arbeiter worden sind. Er hält sich jezt als unser Freund zur Diaspora in Dirsdorf, und sie ist wieder in die Gemein Gnaden gesezt worden. Um vor solchen Abweichungen zu warnen, ließ Leonhard den 11. Junii eine schriftliche Declaration95 bekannt machen, daß, wer ohne den Consens der Aeltesten heyrathe, sich dadurch auf 91 Das Diarium der Gemeinde Gnadenfrei vermerkt zum 1. Mai 1750: „Herr von Falckenhain und von Heide, Bürgermeister Gabrique von Landeck, Herr Opiz, Rathsverwandter, und ein Cämmerer von Reichstein waren unter den fremden auditoribus. Saal, Logen und Vorhäußer sind voll geweßen.“ Unitätsarchiv Herrnhut, Sign. R.7.D.I.b.1.a.1743–1750. 92 Das Diarium der Gemeinde Gnadenfrei vermerkt zum 12. Juli 1750: Die Helfer-Konferenz fiel aus, „weil diesen Nachmittag Gewitter mit einer Art von einem Wolkenbruch ausbrachen und die Brüder beim Teich alle Hände voll zu thun hatten, daß das große gewäßer den damm nicht durchbrach. Das Waßer floß wie ein Strohm durch Gnadenfrey und that in Mittel- und NiederPeile, im Dorff und auf dem Felde großen Schaden, riß unter andern ein Hauß nieder, ersäuffte viel Schafe, Schweine und Kühe. Die Menschen stunden viele gefahr aus und mußten sich so gut sie konnten retiriren, ist aber nur ein lahmer Mensch ums leben kommen, den das Waßer mit seinem Bett herausgetrieben hat.“ Ebd. 93 Im Verzeichnis der Gnadenfrei umgebenden Ortschaften werden unter den Freunden Herrnhuts in Gittmannsdorf drei Familien genannt, darunter auch „Schreibers“. Vgl. ebd., Sign. R.27.101.15. 94 ������������������������������������������������������������������������������������ Melchior Schmidt (1722–1784), Weber, 1743 in die Brüdergemeine aufgenommen, Krankenwärter, 1765 Missionsdienst in St. Croix. 95 ������������������������������������������������������������������������������������������ Das Diarium der Gemeinde Gnadenfrei zum 11. Juni 1752 gibt den Inhalt der Deklaration wieder: „daß, wo sich künfftighin Leute aus unserm Mittel auf ihre eigene Hand ohne Vorwißen und Consens der Gemeine verheurathen würden, sie sich eo ipso der gemeinschafft mit uns verlustig machen und als Personen angesehen werden müßten, die zu unserer Kirchen-Verfaßung nicht mehr gehören. Das gelte auch in absehung der Eltern, wenn Sie zu einer ungemein-mäßigen Ehe ihrer Kinder, die bei der gemeine sind, behülfflich seyn sollten.“ Unitätsarchiv Herrnhut, Sign. R.7.D.I.b.1.b.1751–1759.

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immer von der Gemeine ausschließe; welches denn wol manche zum Nachdencken [355] gebracht hat. Hiedurch wurden die Erweckten Leute nicht von der Gemeine abgeschreckt: es wurden vielmehr bey aller Vorsichtigkeit, an sich zu halten, um den Schein des Proselytenmachens zu vermeiden, mehrere als die lezten Jahre hinzugethan, nemlich 67 zur Gemeine und 66 zum Abendmahl. Und die Chorhäuser litten auch nicht dabey. Zu den ledigen Brüdern zogen 14 und zu den ledigen Schwestern 22.96 Die Relation von Christels Heimgange am 28. Mayi hujus anni, welche den 17. Junii hier verlesen wurde,97 hatte gewiß auch eine schöne Wirckung, wie auf die ganze Gemeine also besonders auf die ledigen Brüder. Diese bekamen den 9. Augusti an Bruder Wohns-Stelle einen sehr gesegneten Arbeiter an den studiosus Ambdi Paulin Thrane.98 Er reiste zwar den 8. Novembris zum ledigen Brüder Synodo nach London, kam aber den 28. Januarii 53 zurück. Die Knaben hatten schon den 7. Januarii einen eignen Arbeiter an Bruder Walther99 bekommen. Und unter den ledigen Schwestern machte die Augustine,100 welche den 8. Aprilis von Gnadenberg als Oeconoma herkam, gründliche Arbeit. Gnadenfrey wurde also von innen gesäubert und beßer gegründet und von außen vermehrt, und die Nahrung verbeßerte sich auch immer mehr, sonderlich da die Rasch-Fabricke101 so beträchtlich zunahm, wie denn die 4 [356] verbundene Fabricanten, Süssbrüch,102 Herzog103 und beyde Grünwalds104 2 große Häuser dazu bauten und bezogen. 196 Die Zusammenstellung am Ende des Jahres. Diarium der Gemeinde Gnadenfrei nach dem 31. Dezember 1752. Ebd. 197 Prediger Schmidt (1710–1774) liest am 17. Juni 1752 Nikolaus Ludwig von Zinzendorfs (1700–1760) Brief über den Tod seines Sohnes Christian Renatus von Zinzendorf (1727– 1752): „Es wurde mir aber so weh ums Herz, daß ich unterm lesen pausen machen und meinen Herz-Stößen und heißen Thränen Raum geben mußte. Wir waren wie vor den Kopf geschlagen und äußerst afficirt über den so frühen verlust einer so incomparablen, der Kirche und Chor so werth geachteten allerliebsten Person. Deficit aller. Kein Christel kommt nicht wieder. Er war ohne Streit ein Licht, das nur einmal am Kirchen-Himmel erscheint, ein eigenes Original. Wer Ihn im grunde gekennt und angesehen hat, der weiß sein außerordentlich zärtliches attachement an Jesu Leichnam und Todes-Leiden.“ Ebd. 198 �������������������������������������������������������������������������������������� Amadeus Paul Thrane (1718–1776), Theologiestudent, 1744 in die Brüdergemeine aufgenommen, 1752–1760 Gehilfe des Predigers in Gnadenfrei, 1761 verheiratet mit Anna Maria Benzin, geb. Neißer (1724–1783). 199 ������������������������������������������������������������������������������������ Johann Christoph Walther (1731–1802), 1746 in die Brüdergemeine aufgenommen, Schneiderlehre, 1752 Krankenpfleger in Gnadenfrei dann in Gnadenberg und Herrnhut. 100 Maria Magdalena Augustin(e) (1714–1784), Ältestin. 101 Fabrik für grobes Wollgewebe. 102 Johann Friedrich Süsbrich (G 1712), 1743 in Oberpeile in die Brüdergemeine aufgenommen, Raschfabrikant, Curator der Schwestern. 103 Wahrscheinlich Johann Christian Herzog, 1757 verheiratet mit Eva Rosina Dierig. 104 Gottfried Grünwald (G 1713), Weber aus Langenbielau und Johann Georg Grünwald (1704– 1770), Helfer des Wittwer-Chors, 1743 in Peilau in die Brüdergemeine aufgenommen, Erbauer des ersten Hauses von Gnadenfrei, Saaldiener, 1745–1753 mit der Bedienung der Geschwister in Peterswaldau betraut, zieht dann nach Gnadenfrei oder Johann Caspar Grünewald, 1747 in die Brüdergemeine aufgenommen.

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§ 101. Die infame Lästerschrift des Berlinischen Schneiders Bothe105 machte zwar den Namen der Brüder bey vielen Leuten stinckend und das Evangelium zu einem Geruch des Todes, zog aber auch viele Leute herzu, den Grund derselben mit eignen Ohren und Augen zu prüfen, und manchem wurde bey der Gelegenheit das Evangelium ein Geruch des Lebens, und wurden zum theil hernach gar der Gemeine einverleibt. Ja es schien sich auch die Gesinnung der Lands-Regierung in etwas zu ändern. Herr v. Pfeil106 wurde den 21. Februarii vom Oberamt zu der Schwester Helena v. Seidliz107 auf Mittel-Peile Curator108 gesezt und Seidliz als ihres Bruders Vormund bestätigt. Und da lezterer laut § 90 nicht in der Brüder Religion, sondern in Brieg erzogen werden mußte, so konnte dieses schon als eine Ausnahme von dem schimpflichen Gesez im Codice Fridericiano, daß die Herrnhuter bey keinem andern als ihres gleichen Vormünder seyn solten, angesehen werden. Es ging eine anmerckliche Veränderung beym Oberamt vor. Der Præsident deßelben v. Benekendorf,109 [357], der im Diario als ein Freund der Brüder angegeben wird, den ich aber aus allen Verhandlungen als einen Heuchler (denn er war fromm und wolte es bey niemanden verderben) und heimlichen Feind halten muß, wurde im Merz wegen Malversation110 in Rechnungs-Sachen nach Glogau auf die Festung gebracht, und der bisherige Kriegs-Rath v. Münchhausen,111 der einmal mit gutem Eindruck in Gnadenfrey gewesen, kam an seine Stelle. Die Sophie von Tschirschky112 wurde bald eine gute Wirckung davon gewahr. Sie hatte den 30. Aprilis den König um ihre Erlösung supplicirt. Den 16. Julii erhielt sie von Münchhausen Erlaubnis, ohngeachtet der Widersetzung ihres Oncles auf 4 Wochen zu ihrer Mutter zu reisen. Burg113 mußte sie im Merz 53 auf Befehl des Oberamts examiniren, ob sie bey der Lutherschen oder der Brüder Kirche bleiben wolle, und da sie sich frey für die Gemeine erklärte, so wurde sie auf deßen Bericht ans Oberamt von demselben frey gesprochen und kam den 9. Junii nach 3 jährigem Zwang zu grosser Freude der Gemeine, die dadurch eine Legitimation erhalten, wieder nach Gnadenfrey. 105 Heinrich Joachim Bothe schrieb Zuverläßige Beschreibung des nunmehro ganz entdeckten Herrenhutischen Ehe-Geheimnisses [...], 2 Teile. Berlin 1751. Vgl. Meyer, Dietrich (Hg.): Bibliographisches Handbuch zur Zinzendorf-Forschung. Düsseldorf 1987, B339. 106 Carl Friedrich I. von Pfeil (1695–1767). 107 Helene Eleonore von Seidlitz (1731–1784), 1735 verheiratet mit Karl Wilhelm von ­Tschirschky (1731–1802). 108 Vormund. 109 Von Beneckendorff (1713–1788) missbilligte die Justizreform von Cocceji (1679–1755) und zog sich darum auf sein Gut in Blumenfelde zurück. 110 Veruntreuung. 111 Ernst Friedemann von Münchhausen (1724–1784), ab 1751 Präsident in Breslau. 112 Sophie Juliane von Tschirschky und Boegendorff (1734–1781). 113 Johann Friedrich Burg (1689–1766), 1713 in Breslau ordiniert, 1735 Prediger an der Elisabethkirche und zugleich Kirchen- und Schulinspektor, 1742 Oberkonsistorialrat im Breslauer Oberkonsistorium.

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§ 102. Am 23ten und 24. Mayi 1753 wurde abermals ein Provincial Synodus zu Gnadenberg114 gehalten, unter welchem [358] der ehemalige Bielische Prediger Conrad115 hier an Schmidt Stelle vicarirte. Bey demselben bedauerte man den Mangel der Gemeinräthe, und den daher fließenden Mangel des Gemein-Verstandes und der Harmonie der Chöre, die seit 47 eben soviel Secten oder besondere status in der Gemeine ausmachten. Man wünschte auch ein beßeres Theilnehmen aller Gemein-Glieder an dem äußern Bestehen, nicht nur einer jeden Gemeine und ihrer Chöre, sondern auch der Gemeinen in eben derselben Provinz, sonderlich zu Neusalz und der Unitæt, Heiden Missionen etc. Diese guten Wünsche fingen an in Erfüllung zu gehen, als den 10. Julii116 die Nachricht von dem am 2. Januarii hujus anni zu Herrnhut gehaltenen Gemeinrath und der Errichtung eines Gemein-Credits wie auch der Collecte zu den currenten Bedürfnißen gelesen und mit vieler Bewegung und Wünschen, es hier auch so zu haben, angehört wurde. Dieser Bewegung bediente sich Leonhard und fing den 16. Juli117 einen solchen Gemeinrath an mit allen Erwachsenen AbendMahls Geschwistern. Er reiste den 29. Julii auf den General Synodum in Lindseyhouse118 und kam den 13. Decembris zurück. Indeßen hatte Seidliz, der abermals im Provincial-Synodo zum Diacono [359] der Schlesischen Gemeinen bestätigt worden und den Herr von Pfeil zum Gehülfen bekommen, den 22. Merz bey einem LiebesMahl von 80 Geschwistern einen Beytrag zu den GemeinBedürfnissen, sonderlich in Ansehung der Noth des General Diaconats in England, die aus der Brüder Historie119 bekannt ist, proponirt und mit gutem Erfolg eingeleitet, und bekam den 1. Octobris zu seinem Beyrath die Brüder Pfeil, Heithausen, Baumgarten und Ost,120 und den 13. Julii 54 den Bruder Benzen121 zum Buchhalter der Gemeine. In Ansehung der Arbeiter kamen nicht viele Veränderungen vor, außer daß die Wahlin122 den 26. May als Vorsteherin der Wittwen herkam. Der Knaben-Arbeiter Walther

114 Eine kurze Beschreibung dieses Provinzialsynodus findet sich im Diarium von Gnadenberg zum Datum. Vgl. Unitätsarchiv Herrnhut, Sign. R.7.C.b.1.b, die obige Beschreibung muss Cranz aber einer anderen Quelle entnommen haben. 115 Gottlieb Conrad (1696–1746), 1730 Pfarrer in Dirsdorf, konnte sein Amt aber erst 1732 nach Entkräftigung des Verdachts des Pietismus antreten. 116 Darüber wird im Diarium von Herrnhut zum 10. Juli 1754 ausführlich berichtet. 117 Diarium der Gemeinde Gnadenfrei zum 16. Juli 1754. Unitätsarchiv Herrnhut, Sign. R.7.D.I.b. 1.b.1751–1759. 118 Der sogenannte Ratstag von Lindseyhouse fand vom 27. August bis 10. September 1753 statt. Vgl. das Protokoll im Unitätsarchiv Herrnhut, Sign. R.2.A.33. 119 Cranz, David: Alte und Neue Brüder-Historie oder kurz gefaßte Geschichte der Evangelischen Brüder-Unität in den ältern Zeiten und insonderheit in dem gegenwärtigen Jahrhundert. Barby 2 1772 [11771], 559–572, § 178–181. 120 Christian Gottlieb Ost (1704–1769), Helfer, Gemeindiener. 121 Johannes Benzen (1707–1775). 122 Johanna Juliana Wahl († 1756).

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kam nach Gnadenberg, und den 2. Augusti kam Andreas Busse123 an seine Stelle. Thrane wurde den 17. Decembris von Leonhard und Schmidt zum Diacono ordinirt. Adolph v. Marschall,124 der das Gut Schaftschüz125 von Larisch126 gekauft hatte in der Absicht, eine Gemeine in Ober-Schlesien nach dem Versprechen von 1743 daselbst anzulegen, ging den 16. Augusti aus der Zeit, und also fiel dieses Vorhaben vollends weg. In politicis fiel weiter nichts vor, als daß den 8. Januarii ein Patent vom 10. Octobris 52 publicirt wurde, daß bey Strafe [360] des Strangs niemand ohne Königliche Erlaubniß aus dem Lande ziehen, die Werber und Emissarii von der nächsten Obrigkeit in 24 Stunden gehenckt, und wer was darum gewußt, auf die Vestung kommen solte.127 Nach einer Verordnung vom Oberamt mußte die Consignation der Gebornen und Gestorbenen von Neusalz nicht mehr an die Regierungen, sondern ans Consistorium zu Glogau eingegeben werden. Eben dieses mußten die Catholischen thun. Die Brüder ließen dieselbe, um Consequenzen vorzubeugen, durch einen Cammer-Agenten thun. Man bekam auch den 27. Octobris Nachricht, daß der Herr von Massow,128 bisheriger Chef-Præsident der Cammer in Königsberg, zum dirigirenden Ministre in Schlesien bestellt worden. Ein gütiger Herr, von dem die Brüder alle Billigkeit hätten erwarten können, wenn er lange am Ruder geblieben wäre. § 103. Gnadenfrey hatte 1754 abermals einen sehr angenehmen und gesegneten Besuch vom Johannes. Er kam mit Carl Tschirschky129 aus England durch Frankreich und die Schweiz den 22. Martii hier an und war vom 23. bis 28. von früh bis in die Nacht mit dem Sprechen der Eheleute und der ledigen Brüder, mit dem Sehen der übrigen in Claßen und beym [361] Besuch in den Häusern und Stuben, mit dem Halten aller Versammlungen, deren den 25. Merz 20 waren, und mit Conferenzen sehr beschäftigt. Eine hinreißende Gnade begleitete alle Handlungen, und der Zulauf zu den Predigten war ungemein starck. Im May erfreuten auch Graf Heinrichs130 und die Anna Johanna die Geschwister mit ihrem Besuch.

123 Andreas Busse (1734–1806), 1748 in die Brüdergemeine aufgenommen, seit 1753 Chorpfleger in Gnadenfrei. 124 Georg Adolph von Marschall (1716–1753). 125 ������������������������������������������������������������������������������������� Eine Beschreibung des Guts Schowtitz und Lomnitz im Fürstentum Oppeln im Kreis Rosenberg findet sich im Unitätsarchiv Herrnhut, Sign. R.21.A.100.27. 126 Heinrich Christoph von Larisch († 1753). Zu dessen Korrespondenz mit Nikolaus Ludwig von Zinzendorf (1700–1760) seit 1728 vgl. ebd., Sign. R.6.A.a.14, Nr. 2, 5, 8. 127 Konnte nicht nachgewiesen werden. Vgl. aber das ähnlich lautende Rescript vom 27. Juli 1750. Ebd., Sign. R.5.B.5.d.29. 128 Joachim Ewald von Massow (1697–1769), 1751 Kammerpräsident in Königsberg. 129 Carl Wilhelm von Tschirschky (1731–1802). 130 Heinrich XXVIII. von Reuß (1726–1797).

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Am 15. May hielt Johannes den Provincial-Synodum zu Gnadenberg.131 Den Arbeitern jeder Gemeine wurde empfohlen, eine Historie vom Anfang und Fortgang des Wercks Gottes an ihrem Ort zu schreiben und zum künftigen General Synodo einzuschicken. Es kam aber keine zu Stande als die von der Böhmischen Brüder Gemeine zu Berlin und Rüksdorf, welche diesen Provincial Synodum auch beschickten. Zacharias Hirschel in Berlin übergab seine Historie,132 die erste von der Art, dem General Synodo 1756 zu Bethel.133 Die Böhmische Gemeine hatte laut der Brüder Historie, S. 629,134 nach dem Tode des Predigers Augustin Schulz135 1752 Lehrer von der Brüder-Gemeine bekommen, und Grasmann136 hatte dazu eine schriftliche Ordination erhalten. Dieselbe wurde ihm zum Schluß dieses Provincial Synodi durch Auflegung der Hände der Bischöfe bestätigt. Am 13. Augusti kam Leonhard, nachdem er wegen der Gicht [362] seit einem halben Jahr nicht herkomen können, wieder hier an. Und da muß man sagen, daß von der Zeit an ein neuer Gnaden-Periodus in der Gemeine und besonders im Ehechor angegangen ist. Seine Reden an die Gemeine und Chöre haben unstreitig viel dazu beygetragen. Er hielt auch manchmal einer Auswahl theils der Arbeiter, theils aus dem Ehechor besondre Reden, Pedilavium und AbendMahl. Im Provincial Synodo hatte man schon angemerckt, daß die Liturgischen Versammlungen von guter Wirckung aufs Herz gewesen und den Geschwistern mehr Gemein-Verstand gemacht hätten. Die Reden aus dem Jüngerhause und die Gemeinnachrichten wurden mit großer Begierde und Segen gelesen und gehört. Verschiedene liturgische piecen oder die sogenannten Elegantien aus dem Jüngerhause dienten zur Ermunterung der Gemeine. Das Saarons-Büchel oder das kleine Brüder-Gesangsbuch wurde auf dem Saal gelesen und zum Theil gesungen. Das Kinder-Gesang-Büchel brachte ein neues Leben unter die Kinder, als es ihnen zum Weynachts-Geschenck ausgetheilt worden. Die in den Anstalten waren in einem erfreulichen Gang und hatten zu Weyhnachten recht artige Verse gemacht. Destomehr waren 131 Darüber berichtet das Diarium von Gnadenberg zum Datum, ohne aber über den Beschluss der Verfassung einer „Historie“ für jede Gemeine zu informieren. 132 �������������������������������������������������������������������������������������� Hirschel, Zacharias: Kurze Nachricht und Beschreibung von den Böhmischen Brüder-Gemeinen in Berlin und Rüksdorff (Unitätsarchiv Herrnhut, Sign. NB.I.R.3.202.a.1). Vgl. auch Cranz, David: Historie der Böhmischen Emigration. Eine historisch-kritische Edition. Hg. v. Matthias Noller. Wiesbaden 2013 ( Jabloniana. Quellen und Forschungen zur europäischen Kulturgeschichte der Frühen Neuzeit 4), XXXV. 133 9. Juni bis 5. Juli 1756. Das Protokoll findet sich im Unitätsarchiv Herrnhut, Sign. R.2.A.39.B. 134 Cranz, David: Alte und Neue Brüder-Historie oder kurz gefaßte Geschichte der Evangelischen Brüder-Unität in den ältern Zeiten und insonderheit in dem gegenwärtigen Jahrhundert. Barby 2 1772 [11771], 627–630, § 208, wo Cranz über den Tod von Augustin Schulz (1693–1752) am 15. Mai 1752 und seinen Nachfolger Zacharias Hirschel (1714–1763) oder Jelinek und die Einsetzung von Andreas Grasmann (1704–1783) als böhmischen Bischof berichtet. 135 Augustin Schulz (Schultz, 1693–1752), böhmischer Prediger in Gerlachsheim. 136 ������������������������������������������������������������������������������������� Andreas Grasmann (Grassmann, 1704–1783), 1728 aus Mähren emigriert, diente in unterschiedlichen Aufträgen, war unter anderem Prediger der böhmischen Gemeinde in Berlin, 1756 Bischof der Brüderunität, 1765–1768 Provinzialhelfer der schlesischen Gemeinden.

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die auf den Dörfern zu bedauren, die seltenh zu einer Versammlung kommen und ohne allen Untericht, ja in manchen [363] Häusern ohne Morgen und Abendgebet aufwuchsen, daher die Eltern hiezu ernstlich ermahnt und angehalten wurden, ihre Kinder in die Dorf-Schule zu schicken, damit sie nicht aus Unwißenheit einmal Atheisten würden. Eine gewiße Anecdote veranlaßte eine neue Einrichtung im Liturgico. Der Pastor Heller137 zu Ulbersdorf138 (izt zu Ninptsch139), ein Sohn des in Biele verstorbenen Vater Hellers, der die Leute, die die Gemeine besuchten, gern abwendig machen wolte, fragte einmal die Kinder beym Examen, obs recht sey, in Jesu Tod zu taufen? Nein; Gut, laßt uns sehen wie man taufen muß. Schlagt nur nach, Röm. 6, 3. Die Kinder lasen: wir sind in Jesu Tod getauft. Er wurde confus und beschloß die Catechisation. Diese gab dem Ordinario die Gelegenheit, die Tauf-Liturgie140 zu verfertigen, die zuerst den 21. May hier gebraucht wurde. § 104. In Neusalz hatte man die Nachwehen von der Sichtungs-Zeit am meisten empfunden. Einige ledigen Leute hatten einander heimlich gefreyet, waren mit etlichen Familien, die nach dem Willen des Fleisches und der Vernunft leben wolten, davon gezogen und hatten sich zur Schmach der Gemeine ins Städtel gesezt. Im Leiblichen wolte es auch nicht recht fort. Und weil [364] es zum Theil an den Arbeitern fehlte, so waren einige weggeschaft und andre an ihre Stelle gesezt worden. Unter andern war Bruder Sternberg141 der Gemeine als Prediger gegeben worden. Dieser hatte ein schönes Vermögen in Stettin, wovon er nicht nur selbst leben, sondern auch den Unterhalt der übrigen Arbeiter damit erleichtern konte und wolte. Man wolte es ihm aber nicht heraus geben, weil er ein Herrnhuter sey und es in die Heilands Casse geben möchte. Er wolte ein Gut in Schlesien kaufen. Dieses wurde ihm aus dem Grunde, daß die Herrnhuter sich nicht weiter ausbreiten solten, abgeschlagen, wie denn auch Seidliz aus eben dem Grunde ein

h

Handschriftlich über der Zeile mit Bleistift korrigiert aus: sollten.

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137 Johann Gottfried Heller (1722–1780), 1751–1763 Pfarrer in Olbersdorf, 1773–1780 Pfarrer in Nimptsch. 138 Olbersdorf (poln. Rososznica) bei Münsterberg. 139 Nimptsch (poln. Niemcza). 140 Die neue Taufliturgie Nikolaus Ludwig von Zinzendorfs in England traf am 1. Mai 1754 über Hamburg und Neusalz in Gnadenfrei ein und wurde am 21. Mai bei der Taufe des Mädchens A.M. Girnd gebraucht. Die Taufliturgie ist abgedruckt in Das Liturgien-Büchlein nach der bey den Brüdern dermalen hauptsächlich gewöhnlichen Singe-Weise von neuem revidirt [...]. London 1755. 141 Martin Gottfried Sternberg (1725–1798), wurde in Kloster Bergen konfirmiert, besuchte die Universität in Halle an der Saale, wurde 1747 in die Brüdergemeine aufgenommen, 1752 nach Neusalz berufen und war 1753 vorübergehend in Gnadenfrei.

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der Schwester Sophiei von Gersdorf142 im Liegnitzischen gehöriges Gut Prinsnik143 und 1759 Heithausen das Gut Gerlachsdorf144 bey Ober-Peile nicht kaufen durfte. Sternbergs-Sache komt vor den König, und es erfolgte unterm 14. Octobris 53 eine sehr ungünstige Cabinets-Ordre145 an die Gemeine der Herrnhuter zu Neusalz: kDaß sie ohngeachtet des Verbots, keine Proselyten zu machen, den Ordinarium Theologicum Sternberg zu ihrem Ordinarium angenommen, mit der Verwarnung, weder diesen Sternberg noch jemand von Seiner Majestät Unterthanen zu ihrer Secte zu ziehen. Auf der Gemeine Vorstellung von 14. Novembris wegen beybehaltung des zu ihnen freywillig und aus eigner Ueberzeugung übergetreten Sternbergs wurde von der Glogauschen Cammer unterm 7. Januarii 54 zur resolution146 ertheilt,k immediate [365] Vorstellung beym König deshalb zu thun. Gersdorf gab unterm 19. Februarii 54 zu Zeyst sein Gutachten147 darüber und sezte zugleich in Waiblingers und Gammerns148 Namen eine Vorstellung auf, daß Sternberg kein Proselyt, sondern nach seiner eigenen schriftlichen Declaration und einem Attest vom Neusalzer Magistrat aus eigenem Trieb und Ueberzeugung zur Brüder Gemeine gekommen, wobey sie den klaren Buchstaben dieserwegen, aus der erneuerten Concession von 1746 anführen. Ich will hiebey nur noch dieses anmercken, daß der Ordinarius unterm 8. Martii149 zwar diese Vorstellung approbirt, aber ernstlich mißbilligt, daß man bey Coccejis150 Leben einen Stettiner (denn dieser war den Stettinischen Brüdern besonders gram) und überhaupt einem Preußischen Unterthanen zum Ordinario in Schlesien mache, wie er denn aus dem Grunde den Bruder Seebass151 von Gnadenberg weggenommen, er könne auch nichts als Unglück aus den Combinationen des Mammons und des Wercks Gottes, da man verwickelte Capitalisten in eben den Ländern in geistliche Aemter setze, præsagiren.152 i

i–i Über der Zeile korrigiert aus: dem Bruder Abraham. k–k Über der Zeile eingefügt für gestrichen: Worin dieselbe bestanden, ist mir nicht bekannt. Ich sehe aber aus einer Resolution der Glogauischen Cammer vom 7. Januarii 54 auf die Vorstellung des Gemeine-Directoris der Mährischen Brüder zu Neusalz unterm 14. Novembris 53, daß die Brüder abermals des Proselytenmachens in Ansehung Sternbergs beschuldigt werden, und daß sie ihn nicht zu ihrem Ordinarium behalten sollten, jedoch wurde ihnen freygestellt.

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142 �������������������������������������������������������������������������������������� Helena Sophia von Gersdorf, geb. von Landskron (1713–1784), 1729 verheiratet mir Abraham von Gersdorf (1704–1784). 143 Prinsnig (poln. Brennik). 144 Wahrscheinlich Girlachsdorf (poln. Gilów). 145 Unitätsarchiv Herrnhut, Sign. R.5.B.5.d, Nr. 41. 146 Die Resolution ist zitiert ebd., Nr. 42. 147 Ebd., Nr. 42, 43. 148 Abraham von Gammern (1717–1766), 1750 Vorsteher in Neusalz. 149 Unitätsarchiv Herrnhut, Sign. R.5.B.5.d, Nr. 43.b. 150 Samuel von Cocceji (1679–1755), 1738/39 und 1741–1746 preußischer Justizminister, ab 1747 Großkanzler. 151 Wahrscheinlich Friedrich Wilhelm Seebaß (1718–1758), 1746–1749 in Gnadenberg. 152 vorausahnen, vorhersagen.

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Was auf diese Vorstellung an den König erfolget, ist mir nicht bekannt, ich finde bloß eine Anzeige von einem Cammer-Decret, Glogau den 13. Junii,153 an den ­Magistrat zu Neusalz, mnach einer vorgelegten Tabelle Nachricht einzuziehen, wer und woher und von welchen Gewerbe und Vermögen jemand seit 1746, freywillig oder dazu überredet, zu den Mährischen Brüdern übergetreten, ob jemand ausser Landes geschickt worden und ob aus fremden Landen nützliche Leute zu ihnen übergetreten und dieses geschehe von Haus zu Haus. Ehe aber der Bericht erstattet werden konte, erfolgte [366] einem Cammer-Verordnung vom 8. Augusti 54154 an die Landräthe,n die den 23. Augusti nebst mehreren Currenden155 in Peileo insinuirt wurde,p daß sie darauf sehen solten, daß die dem Lander höchst schädliche Secte der Herrnhuter oder die Mährischen Brüder sich nicht weiter ausbreite und keine neue Etablissemens im Lande mache. Und wenn sie was bedenckliches bemercken, daß sie sich unterstehen, Proselyten zu machen, so solten sie es sofort an die Cammer berichten, damit der Anwachs derselben auf alle Weise verhindert werde. § 105. Vom Jahr 1755 finde ich außer dem gewöhnlichen Gemeingang, der im Segen continuirte, und was noch von den auswärtigen Orten nachzuholen seyn wird, nicht viel zu berichten, als daß Seidliz, nachdem er Krausche von Wiedebach156 gekauft und Ober-Peile an seinen Schwiegersohn Heithausen überlaßen, den 11. Merz nach Gnadenberg gezogen, dabey aber die Aufsicht übers Oeconomicum hiesiger Gemeine so wie das Vorsteher-Amt aller Schlesischen Gemeinen behielt. Ich finde, daß bey seinem Abschieds-LiebesMahl 108 Gehülfen aus allen Chören gegenwärtig gewesen. Da im Sommer dieses Jahres das Jüngerhauß aus England nach Herrnhut kam und daselbst Synodal-Conferenzen [367] gehalten wurden, zu welchen den 10. Augusti auch Bruder Schmid berufen wurde,157 so vicarirte Bruder Thrane, und da auch dieser

m–m Über der Zeile für gestrichen: wegen der Brüder umständlich zu berichten. Vielleicht war die. n Gestrichen: den Landrath v. Gellhorn und vermuthlich an alle Landräthe. o Über der Zeile eingefügt: in Peile. p Folgt gestrichen: eine Wirkung davon. r Folgt gestrichen: so.

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Unitätsarchiv Herrnhut, Sign. R.5.B.5.d, Nr. 45. Ebd., Nr. 46. Rundschreiben. Friedrich von Wiedebach (1707–1772) auf Groß Krausche. Bei dieser Konferenz handelt es sich um die 6. Prediger- oder Pastoral-Konferenz, die erste, die Nikolaus Ludwig von Zinzendorf (1700–1760) nach der Rückkehr aus England miterlebte. Diese Konferenzen waren in Zinzendorfs Abwesenheit 1754 im Zinzendorf-Schloß in Berthelsdorf begonnen worden. Sie dauerten jeweils einen Tag. Über die 6. Konferenz berichtet das Jüngerhaus-Diarium (GN.A.42.1755.3, 503–505, 14. August 1755). Vgl. auch Reichel, Hellmut: Die Anfänge der Herrnhuter Predigerkonferenz. In: Unitas Fratrum 17 (1985) 7–56, hier 17f.

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den 4. Septembris zum ledigen Brüder Synodo158 dahin ging, so kam Waiblinger auf einige Zeit zum predigen her. Es gingen auch die übrigen Chor-Arbeiter, sonderlich von den ledigen Chören, zu ihren dort gehaltenen Synodis, und viele andere Geschwister zum Besuch und brachten alle einen aparten Segen für ihre Geschwister mit. Und was sie von dem niedlichen Gang unter den Kindern in den Unitæts-Anstalten zu Herrnhut und Hennersdorf mitbrachten, das hatte die Wirckung, daß auch ein neues Leben und Bewegung unter hiesige Kinder in den Anstalten kam, die nicht nur ebenfalls in Versen catechisirt wurden, sondern selber schöne Singstunden hielten und damit die Gemeine erbauten und zierten. § 106. Im May 1756 wurde abermals in Beysein Johannis ein Provincial-Synodus in Gnadenberg gehalten.159 Man fand Ursach, sich über den innern Wachsthum der Gemeinen und Chören (wozu die schönen Reden aus dem Jüngerhause, besonders die an die Chöre und die Kinder, vieles beygetragen) zu freuen und sonderlich Gott zu dancken, daß es in dem Theil auch in Neusalz seit ein paar Jahren beßer ging. Allein der äußerliche Zustand dieser Gemeine, welcher bis auf die ledigen Brüder, die [368] sich nun durchbrachten, sehr verschuldet war, machte eine kummerhafte Ueberlegung. Und da sich alle Schlesischen Gemeinen wegen des Schutzes, den sie um des, dem Könige wohlgefälligen Anbaus von Neusalz willen genießen, für schuldig achteten, an ihrer Noth theil zu nehmen, so wurde eine Collecte zu Tilgung ihres Interessen-Defects von 1200 rt. proponirt und sogleich gehalten. Und sie trug 160 rt. mehr aus, als für dies Jahr nöthig war. Man that auch Vorschläge zu Errichtung eines Pædagogii für die Söhne der Geschwister in Schlesien und den Brandenburgischen, die was lernen sollen und doch nicht in die Unitæts-Anstalten ziehen dürfen. Und es ward daßelbe in Gnadenberg angefangen. Über den Zustand der Kinder (deren in Gnadenfrey am 25. Martii 300 das Fest begingen) und der heranwachsenden Knaben und Mädgen fand man besonders Ursach, sich zu freuen.160 Desto mehr wurde den Kinder-Eltern empfohlen, sich der auswärtigen 158 ������������������������������������������������������������������������������������������� Zinzendorf hielt im September ferner Konferenzen für einzelne Chöre, so am 12. und 13. September für die ledigen Brüder, zu denen auch drei ledige Brüder aus Schlesien kamen. Vgl. Jüngerhaus-Diarium (GN.A.42.1755.3, 727f.). 159 Bericht im Diarium von Gnadenberg im Mai 1756. Unitätsarchiv Herrnhut, Sign. R.7.C.b.1.b. 160 Prediger Schmidt (1710–1774) berichtet im Diarium der Gemeinde Gnadenfrei: „Sobald die Arbeit [Sprechen der auswärtigen Geschwister vor dem Abendmahl] vorbey war, kamen 300 Kinder zusammen, denen Pennsilvanische Kinder-Nachrichten, die Memorabilia des MädgenStifts in Herrnhuth, des Paedagogii in Hennersdorf von Anno 55, die personalien des Knaben Bennings, der in Zeist, und der kleinen Seyboldin, die in Herrnhuth heimgeflogen ist, vorgelesen und die heutige Fest-Materie ihrer Losung [Kinder-Losung] zu Folge ans Herz gelegt und angesagt wurde, daß 19 Kinder ins Große Mädchen-Chor versetzt werden würden. Zuletzt betete ich mit Ihnen auf den Knien und hielt sie dem Marter-Lamm zum Segen vors Herz. Es war eine durchgängige Bewegung unter Kleinen und Großen auf dem Saal, und die Versammlung gieng mit rothen Augen auseinander.“ Es folgte um 1 Uhr ein Kinderliebesmahl und die Aufnahme der Großen Mädchen. Ebd., Sign. R.7.D.I.b.1.b.1751–1759.

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Kinder mit fleißigem Besuch anzunehmen, und damit sie hieran nicht verhindert würden, sich mit der Führung der Anstalten Oeconomie nicht mehr zu befaßen, auch nicht mehr wie bisher in den Anstalten zu wohnen. Die Besorgung der Diaspora war auch eine Ueberlegung [369] des Synodi. Man desapprobirte, daß Leute aus Orten, wo Kirchen und Bethäuser sind, in die Gemeine aufgenommen werden und zum Abendmahl gelangen. Außer Peile und solchen Dörfern, die noch zu keinem Bethauß geschlagen sind, solten die Leute in ihren Kirchen zum Abendmahl gehen und nur selten mit der Gemeine Gastweise dazu genommen werden.* Wolten sie in die Gemeine aufgenommen werden, so mußten sie um der Gemeine willen alless fahren laßen. Damit aber die Seelen in der Diaspora befriediget und recht besorgt würden, so drang Johannes, ohngeachtet die mehresten Arbeiter die Unmöglichkeit vorschützten, darauf, daß man nach dem Muster der Ober-Lausiz eine Einrichtung in der Diaspora machen solte, die hernach auch zu stande kam und einige, doch nur wenige Jahre, im Segen blühte. Nach dem General Synodo zu Bethel,161 welchen Schmid [370] besuchte, kam Johannes den 29. Augusti auch zum Besuch nach Gnadenfrey und weihete den 3. Septembris das ehemalige Bethaus, welches die ledigen Brüder aus dem Hofe transportirt und darinnen einen Schlafsaal aptirt162 hatte[n], ein. Von Veränderungen der Arbeiter ist anzumercken, daß den 23. Martii die Schwester Mikschin als Chor-Pflegerin der Wittwen und die Rostin163 als Vorsteherin derselben und die Maria Wettsteinin164 als Pflegerin der ledigen Schwestern hergekommen. § 107. Ich muß nun den Zustand der auswärtigen Brüder Häuflein seit den lezten Jahren nachholen. Die Rösnizer hatten seit der Verjagung ihrer Arbeiter (§ 85, 96) laut der Aussage *

Auf die Weise, gelangte der Herr v. d. Heyde mit seiner Gemahlin, die seit 54 als beständige Zuhörer ein Quartier in Gnadenfrey hatten, den 15. Augusti mit zum AbendMahl, bis sie 1761 als der erste Zuwachs von Adelichen mit Herrnhut in die Gemeine aufgenommen wurden. Und er blieb doch gegen den Codex Fridericianum Justiz-Rath.

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Folgt: könten, das vergessen wurde zu streichen.

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161 Die Synode tagte vom 8. Juni bis 5. Juli in seinem Herrschaftshaus in Berthelsdorf, das Nikolaus Ludwig von Zinzendorf (1700–1760) „Bethel“ nannte. Das Protokoll der Synode findet sich in Unitätsarchiv Herrnhut, Sign. R.2.A.39.B. 162 zurecht machen. 163 ������������������������������������������������������������������������������������������� Dorothea Elisabeth Rost, geb. Reisig (1717–1775), wurde bei der verwitweten Gräfin von Malzahn in Halbau erzogen, diente später der Gräfin von Promnitz und wurde 1745 mit ihrem Ehemann Rost, dem Kammerdiener von Promnitz († 1747), in die Brüdergemeine aufgenommen. 164 Maria Wettstein (Wetzstein, 1722–1771), wurde 1744 in die Brüdergemeine aufgenommen, diente 1750 in Herrnhut, 1756 in Gnadenfrei und 1765 in Ebersdorf.

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ihrer Deputirten zum Provincial Synodo 1751 Matthäus Franz165 und Matthias Proske166 sich ohne öffentliche Versammlung noch so ziemlich zusammen gehalten, bis auf ein paar junge Leute, die heyrathen wolten und deshalb zum lutherschen Bethaus übergingen. Sie wurden von der Regierung noch immer als Mährische Brüder angesehen, und des wegen bekamen sie auch alle gegen die Brüder ergangene Rescripte. Sie hattens auf eine Art schwerer als zu Kaysers Zeiten, da sie nur von den Catholicken, nun aber von den Lutheranern beobachtet und verklagt wurden. Sie wünschten daher, daß ein Gut in Oberschlesien gekauft würde, und schlugen Rakau,167 2 Meilen von ihnen, vor, wo sie sich hinziehen könten. Man ließ in der Absicht dieses Gut im Juli besehen. Der Ordinarius declarirte ihnen im Synodo,168 daß man sie nicht als eine Gemeine, sondern als Diaspora ansehen könte, weil sie zerstreut wohneten [371] und keine ledigen Chöre hätten. Ein Bethaus schickte sich nun dahin nicht, das wäre Altar gegen Altar. Sie hätten es sollen eher als das luthersche bauen und nicht solange zaudern und sich darüber viele Jahre zancken. Jezt sey nichts beßer für sie, als in andre Gemeinen ziehen, zumal man nicht sicher sey, ob ihr District nicht einmal mit einem Oesterreichschen aus getauscht werden könte. Diesen Rath suchten sie laut der Aussage ihrer Deputirten beym Synodo 1753 zu folgen, konntens aber nicht bewerckstelligen, da sie der Herr, wenns Ernst würde, nicht los geben wolte. Und das ließen sie sich um so mehr gefallen, da sie doch nicht gern ihre guten Aecker und den Grenz-Handel einbüßten. Indeßen mußten sie, um nur Ruhe zu haben, sich immer mehr nach den übrigen Einwohnern accommodiren. Die Alten hielten zwar noch über ihrer Concession und dem Recht, sich zur Mährischen Brüder Kirche zu bekennen, geriethen aber (wies im Provincial Synodo 1754169 heißt) in einen trockenen Laodicæischen Gang, durften und mochten auch nicht mehr zusammen kommen, und ihre Besuche unter einander handelten auch mehr von irdischen Dingen als vom Herzen. Darüber hatten sie auch den Respect bey der Welt verloren. Sie kamen von Zeit zu Zeit nach Gnadenfrey zum Abendmahl, und man wußte nicht, wies mit ihrem Herzen und Wandel aussähe. Ihre jungen Leute hielten sie mit Gewalt vom Bethaus ab und wolten sie gern [in] die Gemeine aufgenommen haben; und es war doch kein Leben bey [372] ihnen zu spüren. Man kam gar auf die Gedancken, sich von ihnen los zu sagen. Indeßen war der Baron Trach170 gestorben, und der Oberste Nettelhorst171 hatte 1755 Rösniz gekauft. Er declarirte den Brüdern, daß sie sich entweder zum Lutherschen Bethaus halten oder aus dem Dorf ziehen müßten. Dafür küßten sie ihm die Hand und 165 166 167 168 169

Matthäus Franz (1711–1783), Diakon und Stundenhalter in Rösnitz und Gnadenfeld. Unitätsarchiv Herrnhut, Sign. R.7.A.12.5, 26f., Sessio IV am 8. Juni 1751. Rakau (poln. Raków). Unitätsarchiv Herrnhut, Sign. R.7.A.12.5. Ein Protokoll der Synode liegt in Herrnhut nicht vor und im Diarium von Gnadenberg wird darüber nichts gesagt. 170 Konnte nicht nachgewiesen werden. 171 Konnte nicht nachgewiesen werden.

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machten Anstalt zum wegziehen. Er hatte aber kaum einen, den Paul Kremser,172 los gelaßen, so gab er auf alle Bitten deshalber abschlägige Antwort. Sie konten also für die Zeit nichts weiter thun, als sich in der Stille zu erbauen und in Gnadenfrey zu besuchen, von wo sie auch im Juli 1757 durch Bruder Kohler besucht wurden, welcher ihnen ein gut Zeugniß gab, daß ein neues Leben unter sie gekommen sey. Man sahe deutlich, daß der Heiland noch ein Auge auf sie und ihre Gegend habe. Seit der Verjagung ihrer Arbeiter hatten die Erweckungen doch nicht ganz aufgehört, wie denn zu Ostern 53 aus 6 Orten in Oberschlesien wie auch aus Mæhren 30 Personen in Gnadenfrey zum Besuch waren.173 So hatte man auch zu Pfingsten 55 viel Besuch daher,174 und vernahm, daß an verschiedenen Orten im Gebürge oder im Oesterreichschen Oberschlesien neue Erweckungen wären, und sonderlich in der Gottschdorfer Herrschaft175 30 Seelen zusammen hielten. Von diesen wolten einige emigriren, und es kamen den 29. Septembris 2 Familien von Hillersdorf176 an, die weiter nach Herrnhut gingen, und andre folgten ihnen. Man vernahm auch, daß an einigen Orten in Mæhren, zu Raudenberg,177 [373] Neu-Waltersdorf178 und Christdorf179 die erweckten Leute in der Stille zusammen kommen. § 108. In Peterswalde hatten die Brüder nach der Commission [17]47, die die Schule und alle Versammlungen aufgehoben, durch die Nachsicht ihrer Herrschaft die Geschwister 172 Paul Kremser (1689–1765). 173 Im Diarium der Gemeinde Gnadenfrei wird zu Ostern am 22. April 1753 vermerkt: „Unsere gäste, die wenigstens aus 50 nahen und fernen Städten und Dörffern zum Besuch da waren, reißten heute vergnügt nach Hauße.“ Eintrag am 24. April 1753. Unitätsarchiv Herrnhut, Sign. R.7.D.I.b.1.b.1751–1759. 174 Pfingsten am 18. Mai 1755 wird im Diarium der Gemeinde Gnadenfrei berichtet: „Wir hatten von 2,3 biß 15 Meilen über 100 gäste.“ „In Österreichisch OberSchlesien geht’s scharff [zu], weil sich auf des Baron Scribenzky seinen gütern neue Erweckungen äusern. Wir haben einen hübschen Brief von Andreas Raschke, ein Bauer zu Raudenberg in Mähren, gekriegt, daraus wir sahen, daß daselbst und in Neu Waltersdorff und Chrisdorf erweckte leute sind, die in der Stille gemeinschafft miteinander haben. Nun heißts bey unsern Rößnizer und Steuberwizer geschwistern auf, auf; das punctum criticum ist da. Ihr jetziger Herr, der Oberst Nettelhorst, hat den Brüdern Franz und Proske, die in Peterwiz bey Ihm waren, declarirt, daß Er ihrer bisherigen Situation nicht länger indulgiren könne, entweder müßten sie sich zum Lutherischen Bethaus bequemen oder aus dem Dorffe ziehen. Wenn sie Herrnhuther bleiben wollten, so könnte Er sie nicht mehr leiden und wäre bereit, sie alle mit ihren familien loszugeben, sie möchten Hauß und Hof verkauffen, so gut sie könten.“ „Nun scheinen sie alle resolvirt zu seyn, weil die Thür offen ist, ihre Seligkeit zu suchen und bitten in der Gemeine um aufnahme. Es muß sich zeigen, wie weit es geht.“ Ebd. 175 Gotschdorf (tsch. Hošťálkovy) bei Jägerndorf. 176 Hillersdorf (tsch. Holčovice), nordwestlich von Jägerndorf. 177 Raudenberg (tsch. Roudno), südlich von Freudenthal. 178 Neu-Waltersdorf (tsch. Nové Valteřice). 179 Christdorf (tsch. Křišťanovice).

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Geschichte der Evangelischen Brüder-Gemeinen in Schlesien

Grünwalds behalten, welche ein paar Kinder, die im Rohrbachschen180 Hause wohnten, unterrichteten, den Geschwistern Gesellschaft hielten und sie und ihre Kinder besuchten. Zur Predigt, Taufe und Abendmahl hielten sie sich nach Gnadenfrey, und ihre Leichen begrub Grünwald auf dortigem Kirchhof. Es wolte verlauten, daß die jetzige Herrschaft den Brüdern zwar nicht helfen, aber auch nicht widerstehen würde, wenn sie Erlaubniß [er]hielten, ein Bethaus zu bauen. Sie wurden aber doch im August 51 durch eine Commission genöthigt, zum Lutherschen Bethaus bey zutragen. Grünwalds waren dort noch im Segen; weil aber die besten Geschwister da weg und nach Gnadenfrey, Gnadenberg und Neusalz, zum Theil auch nach Habendorf zogen, viele junge Leute aber, um nur bald nach eigner Wahl heyrathen zu können, sich zum Bethaus schlugen, auch einige von den Alten abgingen oder abgewiesen wurden, so zog Grünwald,181 zumal da seine Frau immer kräncklich war, den 20. Decembris 1753 nach Gnadenfrey, und behielt die Freyheit, die Todten wie bisher zu begraben (welche aber nun nach Gnadenfrey gebracht werden) und wieder dahin zu ziehen, wenn er wolle. Es hat aber seitdem kein Arbeiter mehr da gewohnt, und das zahlreiche Häuflein, das [17]56 noch aus 51 Seelen, darunter 31 Abendmahls Geschwister bestand,182 obgleich schon über 60 zur Gemeine oder näher gezogen, ist nach und nach bis auf eine Familie und einen alten Mann geschmolzen. [374] § 109. In Biele hatte sich das Häuflein seit der Commission 1747 erhalten, ja vermehrt. Sie hielten sich seit Pastor Conrads Absetzung nach Gnadenfrey und wurden in die Gemeine aufgenommen, mußten aber dort begraben laßen und für Taufen und Trauen ans Bethaus zahlen. Verschiedene waren zwar nach Gnadenfrey gezogen: man zehlte aber doch noch den 29. Junii 1751 bey einem Liebesmahl der Bieler zu Gnadenfrey 32 verheyrathete Brüder und 35 Weiber. Sie baten die Gemeine abermals um ein paar Geschwister, die bey ihnen wohnen und sich ihrer mit Besuchen und Gesellschafthalten annehmen könnten. Und weil der Graf ihnen bisher nicht entgegen gewesen, die Gräfin aber, die oft mit ihren Töchtern in Gnadenfrey besuchte, es gern gesehen hätte, so thaten Seidliz und Schmid bey einem Besuch den 6. Augusti dem Grafen den Antrag, ob nicht ein Bruder da wohnen könte, der sein Brod verdiente, um sich der dasigen Seelen anzunehmen.183 Seine Antwort war, er wolle es als ein Freund der Gemeine nicht

180 Gottfried Rohrbach, Zeugmacher. 181 Johann Georg Grünwald (1704–1770), 1728 verheiratet mit Eva Maria, geb. Emler (1711– 1765). Das Diarium der Gemeinde Gnadenfrei berichtet: „Heute zogen Geschwister Grünewald und ihre 2 ledigen Schwestern von Peterswalde ab, in Gnadenfrei zu wohnen.“ Unitätsarchiv Herrnhut, Sign. R.7.D.I.b.1.b.1751–1759. 182 So die Angaben im Protokoll der Provinzialkonferenz 1756. Ebd., Sign. R.7.A.12, Nr. 6, Sessio II, 27. 183 So im Diarium der Gemeinde Gnadenfrei zum 6. August 1751.

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hindern, fürchte aber, der Pfarrer Rieger184 werde aufs neue Lerm erregen. Allein die wahre Gesinnung des Grafen wurde bald offenbar, da am 13. Januarii 52 ein Schreiben von ihm an Seidliz einlief, daß ohne sein Wißen niemand von seinen Unterthanen in die Gemeine aufgenommen werden solte.185 Er hatte in Biele alle Geschwister aufzeichnen laßen, nebst dem Tage, da sie aufgenommen oder zum Abendmahl admittirt worden, und in allen seinen Dörfern, wo Erweckte waren, öffentlich verboten, daß sich keiner in die Gemeine, ein Ding, das zwischen Himmel und Erden schwebe, bey 20 rt. Strafe aufnehmen laßen und kein Kind bey 10rt. dahin in die Schule schicken solte, damit dem einreißenden Uebel gesteuret und der Seelen Heil befördert werde. Wenn nun jemand ihn um Erlaubniß bat, sich aufnehmen laßen zu dürfen, so erhielt er zur Antwort: Alle, die nach Gnadenfrey gehen, sind verflucht und verdammt. Ich will euch nicht wehren, nach Gnadenfrey in die Predigt zu gehen, aber nach Königlichem Befehl sollen keine Leute in [375] die Gemeine aufgenommen werden, oder sie müßen sich von ihrer Herrschaft los machen und dahin ziehen. Wolten sie sich nun los machen, so machte ers ihnen durch ungerechte Forderung und Behandlung so schwer, daß ihnen die Lust wol vergehen mußte. Er ging 1754 so weit, daß er den Eltern, die vorher schon in die Gemeine aufgenommen waren, verbot, ihre Kinder mit nach Gnadenfrey zu den Versammlungen zu nehmen, und den erwachsenen Kindern, sich in die Gemeine aufnehmen zu laßen, das ist, in der Religion ihrer Eltern erzogen zu werden. Und wenn es die Eltern doch thaten, so wurden sie von seinen Beamten, sonderlich von den sogenannten Wirtschaftsfräulein oder Maitressen boß geplaget, wie denn auch fast niemand an der Ehre unangetastet blieb. Da mußte man freylich behutsam seyn, um ihn nicht noch mehr auf zubringen und neuen Lerm zu erregen.* Weil aber viele, sonderlich Fabricanten und wohlhabende Leute, um diesen Plackereyen zu entgehen und die Gemein Gnaden für sich und ihre Kinder ruhig zu genießen, aus dem Antheil von Biele, der damals noch dem Domcapitel zu Bresslau gehörte (denn des Grafens Unterthanen, durften daran nicht dencken), sich los machten, wodurch die Einnahme nicht nur des Bethauses, sondern auch der Herrschaft vieles einbüßte; so wußte ers dahin zu bringen, daß das Wegziehen der wohlhabenden Leute in die Gemeine nach § 104 verboten wurde. Und da doch der Fabricant Gottlieb Girnt186 nach Gnadenfrey ziehen wolte, aber wegen des Rescripts vom 8. Augustii 54 sowol bey dem Domcapitel als bey der Cammer abschlägige Antwort erhielt, und nun endlich an den König gehen wolte; so erhielt er zwar auf die Vorstellung des Landraths durch ein Cammer-Rescript vom *

Diese, wie auch, daß man von höheren Ort der Vermehrung der Gemeine entgegen arbeitete, mag wol Uhrsach seyn, daß man 54 nur wenige auswärtige, und auch diese nicht öffentlich in die Gemeine aufgenommen, und zwar auch nur, nachdem sie ihr Verlangen schriftlich dargelegt, damit man die Beschuldigungen der Proselytenmacherey ablehnen könte.

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184 Georg Friedrich Rieger (1699–1768), 1747–1760 in Langenbielau. 185 Das Diarium der Gemeinde Gnadenfrei berichtet nur vom Eingang des Schreibens bei diesem Datum. 186 Gottlieb Girnt (1716–1758).

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14. Merz 55187 die Erlaubniß, jedoch mit dem Beding, daß er seine Handlung von Gnadenfrey aus in Biele fortsetzen solle, und mit der von einem Königlichen Collegio nicht erwarteten Clausul: „Ihr habt von selbigen noch eine besondre Caution wegen seines Vermögens bestellen zu laßen, daß er solches nicht dilapidiret188 oder zur sogenanten Heilands Caße abgebe. [376] § 110. Im Provincial-Synodum 1754 kam die Sache mit den Böhmen zu Friedrichgrætz in Oppelschen, die sich zur Gemeine schlagen wolten, in Ueberlegung.189 Einer von ­ihnen, Wenzel Horascheck,190 war den 20. Novembris 1753 auf seiner Reise nach Niesky hieher gekommen. Man erfuhr von ihm, daß er zu den Böhmen gehöre, die sich etliche Jahre in Ungarn aufgehalten, ums Gewißens willen aber wieder ausgegangen und seit 1 und ½ Jahr 3 Meilen weit nach Oppeln etwa 60 Häuser, die Friedrichgrætz heißen, gebauet.191 Sie haben sich theils zur Lutherischen, theils zur reformirten Parthie geschlagen, und ihrer 12 Familien incliniren zu den Brüdern. Den 3. Januari 1754 kam dieser Mann mit Jan Gelineck,192 einem von den § 54 gedachten Schwärmern aus der Tarnowitzer Herrschaft, wieder und bat, daß die Brüder sich ihrer annehmen möchten. Sie wurden hierauf durch Bruder Kohler und den aus Maehren hieher emigrirten Böhmen Jerhabeck193 besucht. Er konnte ihnen kein sonderlich Zeugniß geben. Es war ihnen wol mehr um die Kirchenhandlungen als um den Heiland zu thun. Auf eine Klage der andern Böhmen, die sie mit zur reformirten Parthie nötigen wolten, war im Februar ein Rescript erfolgt, daß solche Leute, die sich zu den Herrnhuthern hielten, nicht im Dorf wohnen könnten, damit keine Confusion entstehe; es solte ihnen aber von der Cammer ein Platz zum Anbau angewiesen werden. Den 13. und 14. Aprilis194 kamen abermals t

Von anderer Hand eingefügt.

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187 Eine Abschrift liegt in Herrnhut nicht vor. 188 verschleudern, verschwenden. 189 ���������������������������������������������������������������������������������������� Das Protokoll dieser Provinzialsynode ist nicht mehr erhalten und im Diarium von Gnadenberg findet sich kein Hinweis auf die Böhmen. 190 Wenzel Horascheck nicht ermittelt. 191 Štěříková, Edita: O Kolonistech v exulantské kolonii Friedrichův Hradec v pruském Slezsku. Kalich 2017. 192 Jan Gelineck nicht ermittelt. 193 Wahrscheinlich Pavel Jeřabeek (1705–1782). Vgl. Unitätsarchiv Herrnhut, Sign. R.19.B.b.1, Nr. 1: Relation von Br. Kohlers und Gürsabecks Besuch unter des Böhmen in Friedrichgrätz im Januar 1754. 194 Das Diarium der Gemeinde Gnadenfrei berichtet unter Karsamstag, dem 13. April: „Es kamen heute viele Gäste aufs Fest, unter andern auch wieder 3 Böhmen aus Friedrichgräz: Jellineck, Horaczek und Carúczeck. Die guten leutgen sind in großer verlegenheit und bitten von der Gemeine supportirt zu werden.“ Dann folgt der Bericht über den Forstmeister Rehdanz und den reformierten Hofprediger Jacob Loos (1712–1782) oder Christian Ludwig Finne (1720– 1782). Unitätsarchiv Herrnhut, Sign. R.7.D.I.b.1.b.1751–1759.

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etliche Deputirte von ihnen und erzehlten, daß der Ober-Forstmeister [377] von Rehdanz195 und der reformirte Hof-Prediger von Bresslau eine Commission daselbst gehalten, da sie erst darauf bestanden, daß sie sich nicht zu den reformirten, sondern zu den Mährischen Brüdern halten wolten, und weil sie deßhalb von den übrigen verdrängt wurden, so hätten sie um einen Platz zum Anbau für sich gebeten, zumal da sie Hofnung hätten, daß noch 50 Familien aus Böhmen zu ihnen kommen würden. Hierauf hätte ihnen der Ober-Forstmeister versprochen, bey der Cammer in Bresslau für sie zu sorgen. Dieselbe hätte den Land Rath im May eine Comission in loco aufgetragen, da sie von den übrigen Böhmen gräulich verlästert worden, und auf ihr Erbieten eines eigenen Anbaues vom LandRath zur Antwort erhalten, daß ihnen der König dieses nicht verstatten werde, da die Mährischen Brüder außer den 3 Orten sich nirgends etabliren solten. Gleichwol wendeten sie sich im Juni196 mit ihrem Gesuch an die Cammer in Bresslau und erhielten (nachdem sie inzwischen von 2. Brüdern aus Rücksdorf besucht worden) auf ihre von 14 Männern im Namen von 60 Seelen den 8. Novembris unterschriebene Supplique unterm 29. Novembris 1754 zur Resolution,197 daß den Mährischen Brüdern zu Friedrichgrætz zwar ein Platz angewiesen werden solte, da aber verlauten wolle, wie sich bey ihrem Gottesdienst verschiedene Schwärmereyen äußerten, welche mit der Herrnhuthischen Lehre gar nicht überein kämen, so könnte man ihnen weder zu Unterhaltung eines besondern Geistlichen noch zu Erbauung eines Bethauses [378] einige Beyhülfe accordiren, noch weniger zulaßen, mehrere bereits im Lande befindliche Colonisten in der Religion irre zu machen und an sich zu ziehen etc. etc. u Auf die erstgedachte Resolution suchte der Land Rath bey Creutzburg198 und der Ober-Forstmeister bey Friedrichgrætz ihnen Land für 14 Familien zu verschaffen. Weil es sich aber w immer damit verzog, so wolten sie an den König gehen. Die Brüder in Berlin aber widerriethen ihnen dieses und machten ihre Deputirten mit den Obrist Retzow,199 damaligen Patron der Bohmen, bekannt, der sich bey Berlin etabliren wolte. Ehe aber was ausgerichtet werden konnte, zog ein Theil von ihnenz im May 1755 nach

u w z

Gestrichen: Dieses zeigte sich bald. Über der Zeile ergänzt. Gestrichen: noch.

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195 Konnte nicht nachgewiesen werden. 196 Am 1. Juni 1754 berichtet das Diarium der Gemeinde Gnadenfrei: „Heute kamen unter andern auch wieder 3 Böhmen Kinel, Horaczek und Skersik von Friedrigräz zu Besuch. Ihre Sache nimmt eine ganz neue tour.“ Dann folgt der Bericht über den Landrat, der ihnen einen Platz anbietet, wenn sie sich zur lutherischen Religion bekennen. Unitätsarchiv Herrnhut, Sign. R.7.D.I.b.1.b.1751–1759. 197 Ebd., Sign. R.5.B.5.d, Nr. 49. 198 Kreuzburg. 199 Wolf Friedrich von Retzow (1699–1758), ab 1751Aufseher über die böhmischen Kolonien.

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Berlin und Rücksdorf,200 die übrigen sind ihnen nachgefolgt und haben sich großentheils zu den Brüdern gewendet; wiewol noch immer welche in Schlesien, sonderlich in Hussinetz201 bey Strehlen geblieben sind, die drauf warten, daß die Brüder sich ihrer annehmen sollen. § 111. Aus der Diaspora continuirte der Besuch noch immer sehr häufig, wie denn zu Pfingsten 1754 300 Zuhörer von 68 Orten und 32 aus Ober-Schlesien gezehlt wurden.202 Man ließ es aber bey der Predigt des Evangelii bewenden, und getraute sich nicht, sich ihrer speciella anzunehmen, bis zum Provincial Synodo 1756203 diese Sache ernstlich empfohlen worden. Es war doch zu beklagen, daß man wenig mehr von Erweckungen hörte. Das war die Frucht der Widrigkeit auch [379] der besten Pfarrer: desto mehr freute man sich, da man hie und da Erweckungen unter den Soldaten wahrnahm, wie denn in Ostern 1756 von 4 Regiementern etliche hier zum Besuch waren, und man vernahm, daß in Liegnitz ein Unter Officier (der itzige Leutnant Arndt204 im Jauer) und 10 Soldaten nebst etlichen Bürgers-Leuten beym Scharfrichter Versammlungen hielten und um Besuch bäten. In Dirsdorf schien die Erweckung aus zugehen, da man sie nicht mehr in die Gemeine aufnehmen wolte; und manche, die zu Hantrups205 Zeiten aufgenommen waren, nicht den besten Schein von sich gaben. Pastor Rothe206 hatte keine Gabe, Leute zu erwecken, und der Bruder Anders,207 den er einige Jahre als Informator bey seinen Sohn gehabt hatte, kam nicht auf die Canzel. Dieser reiste den 13. Januarii 1755 in die Anstalt zu Gnadenberg, und Pastor Rothe schickte ihm seinen Sohn bald nach. Da war denn vollends niemand, der sich der Seelen annahm.

a

Im Manuskript heißt es: speciall.

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200 Das Diarium der Gemeinde Gnadenfrei berichtet unter dem 1. März 1755: „Heute kamen 2 Böhmen von Strehlen zum Besuch, die reformirten, uns von der gegenwärtigen Situation der Friedrichgräzer Sache [zu berichten].“ „Sie haben nun um Passeports nach Berlin angehalten; wenn sie die kriegen könten, so wäre ihnen vielleicht am besten gerathen.“ Unitätsarchiv Herrnhut, Sign. R.7.D.I.b.1.b.1751–1759. 201 Hussinetz (poln. Gęsiniec). 202 ������������������������������������������������������������������������������������������ Das Diarium der Gemeinde Gnadenfrei berichtet unter dem 4. Juni 1754: „Heute reisten unsere gäste, deren wir aus 68 und mehr Orten wohl 300 hier hatten, vergnügt ihre Straße. Aus dem Oeslnischen waren unter andern 28 und aus dem Preußisch und Oesterreichisch OberSchlesien 32 Personen da.“ Unitätsarchiv Herrnhut, Sign. R.7.D.I.b.1.b.1751–1759. 203 19. bis 20. Mai 1756. Synodalprotokoll: Ebd., Sign. R.7.A.12, Nr. 6. 204 Konnte nicht nachgewiesen werden. 205 Konnte nicht nachgewiesen werden. 206 Johann Christoph Rothe (1709–1764), 1742–1746 Pfarrer in Ludwigsdorf, 1746–1764 in Dirsdorf. 207 Valerius Traugott Anders (1727–1792), 1758–1764 Pfarrer in Hermsdorf.

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In Bresslau wurden, so lange die Soldaten Brüder von der Garde in den Winter Quartieren da waren, bey Bruder Just208 die Versammlungen gehalten, dazu sich auch die wenigen Bürgers-Leute hielten. Da nun nach dem Frieden die Soldaten in ihre Stand-Quartiere und die meisten von den Bürgern 1746 in die Gemeine zogen, hörten die Versammlungen auf, und die Erweckten besuchten und redeten mit dem Bruder Seidlitz, wenn er nach Bresslau kam, in seinem Logis. Es wurden um die Zeit von erweckten Leuten, die mit den Herrn v. Bogatzky209 im Oelsnischen connectirten, [380] Versammlungen gehalten. Einer von ihnen Namens Knebel210 wurde bey einen Besuch in Gnadenfrey 1748 sehr angefaßt und fing wieder eine Herrnhuthsche Versammlung an. Man kann sich vom damaligen Original in der Gemeine vorstellen, wie die Copie oder Nachäffung gewesen. Eine scheinheilige Schwätzerin (die Musterstecher211 Kaiserin von Dresden,212 die in Herrnhuth allerley aufgeschnapt hatte, kam mit ihrer Krämerey dazu. Da wurden Liebes Mähler und allerley Liturgica in der Gemeine nachgeäft, bis endlich der Geist ins Fleisch geführt wurde und die Arbeiter in Gnadenfrey genöthigt waren, das ganze Ding, nachdem es etwa ein Jahr gedauert, zu zerstören. Unter diesen Leuten war auch der Schuster Baatz,213 einer von den in Berlin bekanten Musfeldern.214 Der fing 1752 wieder eine Versammlung an, redete und betete mit einer solchen Geistes Kraft, daß auch die Arbeiter davon hintergangen wurden. Knebel trat 1754 auch wieder auf den Plan, fing seine Versammlungen von neuen an, schrieb nach Gnadenfrey und wolte Rath, dadurch zugleich Bestättigung gegen den Baatz erhalten. Man sagte sich aber von ihm loß, und seine Versammlungen hörten bald wieder auf. Im Oelsnischen war die Diaspora seit 1746, da der letzte Besuch von hier geschehen, und Geisler215 Schickerwitz216 verkauft hatte, ziemlich verlaßen gewesen, weil man sich aus Furcht, neue Beschuldigungen des Proselytenmachens zu erregen, nicht ­getrauete, sie zu besuchen. Der Heiland erweckte ihnen aber an den Schulzen ­Nitschke217 zu ­Schickerwitz einen Mann Gottes, der sie in eine Gemeinmäßige [381] Ordnung brach208 ���������������������������������������������������������������������������������������� Wahrscheinlich Johann Georg Just (1719–1779), Saaldiener in Gnadenfrei, Curator der Witwen. 209 ��������������������������������������������������������������������������������������������� Gemeint ist wahrscheinlich die Familie des Erbauungsschriftstellers Karl Heinrich von Bogatzky (1699–1774). 210 Über Knebel wird in der Provinzialsynode von 1756 berichtet: „daß durch einen gewissen Menschen Knebel eine Bewegung entstanden war, ist aber weder von Inspector Burg noch irgend jemand sonsten für eine Arbeit der Gemeine gehalten worden und ist alles wieder zergangen.“ Unitätsarchiv Herrnhut, Sign. R.7.D.I.b.1.b.1751–1759, 50f. 211 Musterschneiderin, Modeschneiderin. 212 Konnte nicht nachgewiesen werden. 213 Schuster Baatz ist von 1752–1785 in Breslau nachgewiesen. Meyer, Dietrich: Die Entstehung und Entwicklung der Societat Breslau. In: Unitas Fratrum 79 (2020) (169–206). 214 Konnte nicht nachgewiesen werden. 215 Joachim Heinrich von Geißler (1697–1757), 1732 verheiratet mit Anna Catharina, geb. Braugsch, kaufte 1732 das Gut Schickerwitz, Kreis Oels, wurde 1743 in die Brüdergemeine aufgenommen und verkaufte sein Gut. 216 Schickerwitz (poln. Siekierowice), Kreis Oels. 217 Konnte nicht nachgewiesen werden.

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te, sie besuchte und ihnen Stunden hielt. Von Zeit zu Zeit kamen sie hieher zum Besuch und unterhielten ihre Connexion mit der Gemeine durch Briefe, ob sie gleich vieles darüber leiden mußten. Ich sehe aus einen Breßlauschen Cammer Rescript vom 29. Septembris 1755218 an Hans Kurz in Groß-Elguth219 und Heinrich Zimmer,220 Schmiehd in Bielau, daß man sie wegen Verführung verschiedener Landes Inwohner zur Herrnhuthschen Secte angeklaget. Sie wolten sich deshalber bey der Cammer verantworten. Anstatt sie zu hören, erhielten sie zur Resolution: Da der König der Ausbreitung der Herrnhuthschen Secte, ihren heimlichen Zusammenkünften und denen damit verknüpften Land verderblichen Folgen zu steuren verordnet, so wäre an das Oelsnische Consistorium unterm 3. Julii rescribiret worden, daß Hans Kurz,221 wenn er Versammlungen halten oder sonst wider die Verordnung vom 8. Augusti 1754 handeln würde, mit scharfer Strafe angesehen werden solle. § 112. Daß in den letztern Jahren auf vielen Canzeln gegen die Brüder gepredigt und sogar aus den Lästerschriften, ohngeachtet der Königlichen Versicherungen, impune222 vorgelesen worden, ist aus obigen bekannt. Der gerechte Richter aber ließ es nicht immer so ungestraft dahin gehen. Folgende Casus sind davon bekannt worden. Ein gewißer Candidat Müller223 in Peterswalde hatte in einer öffentlichen Versammlung von der verfluchten Lehre der Brüder geredet und den Inspector Hoyer aufgebracht, gegen die Herrnhuther in Peterswalde zu agiren. Am 30. Novembris 1752 solte er als [382] Töpfers224 Gehülfe installirt werden. Er bekam aber einen Blutsturz und starb. Der Pfarrer Simon Streit225 in Jauer hatte auf die Lehre von Blut und Wunden öffentlich losgezogen. Der Inspector Walde226 (ein Landsmann des Bruder Lauterbach227) setzte ihn darüber zur Rede und begehrte, daß er revociren solte. Er versprachs, wurde aber im hinausgehen aus der Kirche krank und starb, und der Inspector revocirte an seiner Stelle auf seine Bitte. Siehe Diarium 10. Martii 1754.228

218 219 220 221 222 223 224 225 226 227 228

Unitätsarchiv Herrnhut, Sign. R.5.B.5.d, Nr. 50. Groß Ellguth (poln. Ligota Wielka). Heinrich Zimmer. Hans Kurz. ungestraft. Wahrscheinlich Daniel Gottlieb Müller, 1752 in Peterswaldau, gestorben am 16. November 1752 oder 1773, vgl. die unklare Angabe bei Neß, Dietmar: Schlesisches Pfarrerbuch, Bd. 3/3. Leipzig 2014, 483. Ernst Ludwig Töpfer (1707–1788), 1743–1780 Pfarrer in Peterswaldau. Christian Simonstrat (1692–1753). Johann Christian Walde (1722–1777), 1763–1777 Inspektor des Kirchenkreises Jauer. Johann Michael Lauterbach (1711–1787), 1740 in die Brüdergemeine aufgenommen, 1743 Leiter der Hausgemeinde in Burau (Gnadeck), 1744 in Gnadenberg, 1744 für elf Jahre Sekretär Nikolaus Ludwig von Zinzendorfs (1700–1760). So im Diarium der Gemeinde Gnadenfrei zum Datum.

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Der Pfarrer in Leutmannsdorf229 wurde von einen abgegangenen Bruder gewarnet, die Gemeine nicht mehr, wie bisher öfters auf der Canzel geschehen, eine verfluchte Secte zu nennen. Er provocirte (und schlug dabey 3mal auf die Brust), daß Gott ein Zeichen an ihm thun solte, wenn er unrecht hätte. Gleich drauf mußte er sich legen, der Schlag rührte ihn in 14 Tagen 3 mal und riß ihn dahin (siehe Diarium 2. Martii 1756).230 § 113. Ich finde noch etwas von dem äußerlichen Zustand nachzuholen. Die Bunzlauer wolten die Treibung Städtischer Gewerke in Gnadenberg nicht leiden und klagten den 17. Januarii 52b bey der Cammer in Glogau. Sie erhielten aber den Bescheid 18. Februarii 52,d daß noch vor dem Edict vom 10. Decembris 1748 wegen der Landhandwerker den Mährischen Brüdern unterm 6. Septembris 1746 die Treibung derselben auf dem Gnadenberg, ohne welche ihnen ihr Privilegium nicht viel helfen würde, verstattet [383] worden. Sie hätten sich also mit den Brüdern nur um die Quartal Gelder zu verstehen. Es müßen aber die Bunzlauer sich hiezu nicht verstanden und Wiedebach sich deshalb von neuen an die Cammer gewendet haben. Denn ich finde unterm 14. Aprilis 1752 von eben derselben Cammer ein ganz widersprechendes Rescript an den Land-Rath Baron v. Glaubitz,231 daß der v. Wiedebach mit seinem Gesuch, den Mährischen Brüdern in Gnadenberg die Treibung Städtischere Professionen zu erlauben, schlechterdings abgewiesenf und daß es wegen der Handwerker bey dem Decret vom 18. Decembris 1750 sein Verbleiben haben soll. Die Gährung, die seit einigen Jahren zwischen dem Preußischen und den benachbarten Höfen entstanden, brachte allerley Beschwerligkeiten mit sich, sonderlich wurde das Commercium und die davon abhangende Nahrung der mehresten Einwohner dieser Gegend dadurch sehr gehindert, wie denn 1753 vom Wienerschen Hofe auf ein jedes Stück Rasch232 5 fl. und 1754 30 pro Cent drauf geschlagen und 1755 von unsren Hofe das Commercium mit Sachsen gesperrt wurde. Die Vermehrung der Truppen ließ auch nichts guts erwarten, und die ledigen Brüder hatten Ursach, sich davor zu fürchten, als den 12. Novembris 1755 die Orts-Herrschaft einen Befehl vom Land Rath erhielt, daß sich 2 ledige Brüder in Gnadenfrey zum messen stellen solten und ein Catalogus von allen ledigen Brüdern eingegeben werden solte, welches doch auf eine gute Art abgelehnt wurde. [384] b d e f

Datum am rechten Rand nachgetragen. Datum am rechten Rand nachgetragen. Über der Zeile korrigiert aus: ihrer. Korrigiert aus: abgewiesen haben.

229 230 231 232

Carl Heinrich Friderici (1700–1755), 1742–1755 Pfarrer in Leutmannsdorf. So im Diarium der Gemeinde Gnadenfrei zum Datum. Konnte nicht nachgewiesen werden. Ein grobes, gewebtes wollenes Tuch.

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Geschichte der Evangelischen Brüder-Gemeinen in Schlesien

Vierter Abschnitt. Vom Zustand der Gemeinen während dem Kriege zwischen 1757 und 1763.

Vom Jahr 1757. § 114. Ausbruch des Krieges und Folgen deßelben 1757. § 115. Des Ordinarii letzten Besuch in Gnadenfrey. Pastor Walthers Absetzung. Pastor Rothe wird auch damit bedrohet. Vom Jahr 1758. § 116. Provincial-Synodus in Neusalz. Erweiterung des Schwestern Hauses. Namen der Arbeiter. Zahl der Gemeine. Leonhardts Abreise. § 117. Kriegs-Umstände. Vom Jahr 1759. § 118. Fortsetzung. Verheerung von Neusalz. § 119. Innerer und äußerer Zustand von Gnadenfrey und Ober-Peile. Unruhe wegen der Professionen. Abruf der General Arbeiter. Beßere Einrichtung der Diaspora. Druck im Oelsnischen und in Biele. Vom Jahr 1760. § 120. Johannis und Seidlitz Visitation. Des Ordinarii Heimgang. Veränderung der Arbeiter. Nachricht aus Mæhren. [385] § 121. Kriegs-Umstände. Vom Jahr 1761. § 122. Contribution von Gnadenfrey. Gefahr und Schutz von den Russen. § 123. Zustand der Gemeine. Vom Jahr 1762. § 124. Abzug der Russen. Action auf dem Fischer-Berg. Allgemeiner Friede. Vom Jahr 1763. § 125. Königliche Anmuthung, Neusaltz wieder zu bauen. Gersdorfs Gutachten darüber. § 126. Koebers Deputation deshalb und wegen eines Anbaues zu Lellichow. Inhalt der neuen General Concession. § 127. Große Veränderung der Arbeiter.

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§ 128. Visitation in Gnadenfrey. § 129. Neue Einrichtungen nach der Visitation. § 130. Nachricht von den Hutterschen Brüdern. Besuch des dirigirenden Ministres von Schlaberndorf. [386] § 114. Endlich brach die Gährung in einen offenbaren Krieg aus, da die Preußischen Truppen im August 1756 von allen Seiten zugleich in Sachsen und Boehmen eindrungen. In Gnadenfrey sahe man die ersten den 27. Augusti in Peile Quartier nehmen und den 28. ins Lager bey Frankenstein, das aus 18.000 Mann bestand, marschiren. Bis zum 11. Octobris wurde man nichts weiter gewahr, da sich Käiserliche Husaren in Frankenstein sehen ließen, nachdem Tags zuvor die Dank-Predigt wegen des Sieges bey Lowositz gehalten worden. Am 3. Novembris bezog der General Krokow1 mit seinen Curassiers die Winter-quartier in Peile. Die Königliche Freyheit, wie er Gnadenfrey nannte, ließ er frey. Seine Leute kamen fleißig in die Predigt, und er ließ durch seinen Feld-Prediger Müller2 (itzigen Vice Inspector in Bresslau) um Erlaubniß bitten, das AbendMahl auf unsern Saal zu halten. Man erlaubte es und bat sich dagegen aus, daß sie uns in den Versammlungen, zu denen nicht gelautet wird, nicht stören möchten; welches auch gehalten wurde. Man konnte also das Aeltsten-Fest, wiewol nur mit den ­Gnadenfreyern, ruhig feyern. Beym Abmarsch den 29. Novembris weinten manche Soldaten und bedauerten, daß sie sich die Predigten und das Quartier bey Geschwistern, die sie am Blick von andern Leuten distinguiren konten, nicht beßer zu Nutz gemacht hätten. Der General Krokow ließ einige Monat hernach durch einen Bruder versichern, daß er seinen Aufenthalt hier nicht vergeßen und ein ewiger Freund der Brüder bleiben werde. Sonst sahe man hier von vornehmen Officiers den 19. Decembis [387] den Prinzen von Holstein-Beck3 mit seiner Gemahlin und einer großen Suite, den 19. Februarii den General Winterfeld4 und den 9. Aprilis den General Feld-Marschall Schwerin,5 welcher die Kiowschen Curassiers, die den 25. Martii in Peile einquartiert worden, musterte. Für diese war der Char-Freytag ein besonderer Segenstag, da sie viele Thränen vergoßen und sagten: Die Predigt wolten sie mit vor den Feind nehmen. Und als sie den 11. Aprilis abmarschierten, baten sie die Geschwister, für sie zu beten. Am 22. May war das Dank-Fest wegen des Sieges vom 6ten bey Prag, da die Soldaten Brüder bewahrt geblieben. Außer kleinen Marschen im May und Juny wurde

1 Hans Kaspar von Krockow (1700–1759), Generalmajor. 2 Christian Ludwig Müller (1721–1778), seit 1748 Feldprediger, 1772 Pfarrer an St. Elisabeth in Breslau und Pro-Inspektor, 1775 Inspektor. 3 Karl Anton August (1727–1759), preußischer Major, der in der Schlacht bei Kunersdorf fiel. Er war verheiratet mit Friederike von Dohna-Schlobitten (1738–1786). 4 Hans Karl von Winterfeldt (1707–1757), preußischer Generalleutnant. 5 Kurt (Ludwig Adalbert) von Schwerin (1684–1757), preußischer General.

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Geschichte der Evangelischen Brüder-Gemeinen in Schlesien

man nichts vom Kriege gewahr, bis im August, da nach der unglücklichen Schlacht bey Collin die Communication mit Herrnhuth abgeschnitten war und das Schicksahl von Zittau einem bange machte. Im September rükten beyde Armeen in Schlesien ein und schloßen Gnadenberg ganz ein. Den 30. Septembris sahe man die Käyserlichen Husaren herum schwärmen und die Armee campirte zwischen Schweidnitz und Bresslau. In den Städten waren Käyserliche Patente angeschlagen, daß sich das Land submittiren und alles Schutzes genießen, auch die Religion in statu quo bleiben solte. Den 4. Octobris that der Kayserliche General Janus,6 ein Evangelischer Herr, einen freundschaftlichen Besuch hier und erkundigte sich um der Brüder Einrichtungen, nahm auch einige Gemein-Schriften mit. Nadasti7 hatte sein Haupt-Quartier in der Geschwister Just Hofe zu Boegendorf8 und machte es ganz hübsch. Schweidnitz wurde stark canonirt, gerieth etlichemal in Brand und ging den 12. Novembris über. Eben solches fürchterliche Getöse hörte man den [388] 22. Novembris bey der Schlacht bey Bresslau, und die Haupt-Stadt mußte sich bald darauf ergeben. Es war eine ängstliche Zeit, und man erwartete noch was fürchterlichers, als man den 5. Decembris entsetzlich schießen hörte. Es war die Schlacht bey Leuthen, da die Kayserliche Armee gänzlich geschlagen und großentheils gefangen wurde. Am 9. Decembris sahe man sie häuffig durch Gnadenfrey fliehen. Man mußte gute Wache halten, weil in Peile geplündert wurde. Am meisten hatte man sich vor den Croaten zu fürchten, die in Nimptsch waren und sich verlauten laßen, daß sie Gnadenfrey plündern wolten. Sie mußten aber auf der Seite weg marschiren. Den 11ten kamen wieder Preußen und machten auch in Gnadenfrey Gefangene. Und den 19. Decembris mußte sich die Besatzung von Bresslau von 17.600 Mann gefangen geben. Eine wunderbare Catastrophe, die, so unerwartet sie vor 4 Wochen war, der Gemeine doch durch das Wort des Herrn gleichsam vorbedeutet worden. Denn am Gemein Tag den 13. Novembris hatte es in der Biblischen Pericope, die, wie damals gewöhnlich, mit untermischten Choralen musicirt wurde, geheißen: Fürchte dich nicht, werde nicht weich etc. ( Jes. 25).9 Und am Gemein Tag den 11. Decembris hieß es: Er hat uns geholfen. Wir haben uns nicht vergeblich auf Ihn verlaßen etc.10 § 115. Von besondern Vorgängen in der Gemeine finde ich außer dem ordinairen gesegneten Gang im Jahr 1757 nichts Besonders angemerkt, als daß der Ordinarius seit 10 Jahren einmal wieder, und zwar das letztemal, hier besucht und in seiner Gesellschaft Johan-

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Franz Maximilian Freiherr Jahnus von Eberstädt (1711–1772). Franz Leopold von Nádasty (1708–1783), Generalfeldmarschall. Boegendorf (poln. Witoszów). Die Angabe der Bibelstelle stimmt nicht, wohl ein Abschreibfehler für Jes 35,3f. Diarium der Gemeinde Gnadenfrei vom 11. Dezember 1757. Unitätsarchiv Herrnhut, Sign. R.7.0.I.b.1.b

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nes11 und Benigna12 und Anna13 [389] gewesen. Am 17. May kam er an und erfreute die Gemeine mit der Singstunde. Den 18. hielt er den Kindern Liebs Mahl und LiederCatechisation und der Gemeine die Liturgie und Rede. Am Himmelfahrts Fest den 19ten hielt Johannes die Früh-Liturgie und Predigt und der Ordinarius die Chor-Reden, wobey er zugleich alle Geschwister ansahe. In der Nacht von 10 bis 12 Uhr hielt er ein Fest LiebsMahl. Den 20ten besahe er den Ort und Gegend und reiste nach einer Liturgie nach Neusalz ab. Im Juli war auch Ignatius oder Heinrich XXXI. Reuss14 nebst Nathanael Seidel15 hier zum Besuch, und sprach als Jünger aller ledigen Brüder Chöre seine hiesige Brüder. Daß sich die Gesinnung höhern Orts gegen die Brüder noch nicht sehr geändert, konnte man unter andern daraus sehen, daß man gegen den Pfarrer Walther16 in Panthen,17 der eine Maitresse des Grafen von Biele nicht hatte zum AbendMahl nehmen wollen, wenn sie nicht Buße thäte und von der Sünde abließe, die Klage annahm, daß er ein Herrnhuther sey, und im Martio den großen Theologum Burg18 zur Untersuchung zu ihm schickte. Soviel im Diario davon aufgezeichnet worden, bestunden die Klag-Puncte darinn, daß er mit den Brüdern Connexion habe, Herrnhuthisch predige, Haus-Versammlungen hielte, nicht allen Kranken, die es verlangten, das AbendMahl reiche etc. Er hat auch vor dem Inspector predigen und catechisiren müßen, und dieses ist approbirt worden. Er konte um somehr versichern, daß er kein Herrnhuther sey, weil er vieles an ihnen auszusetzen fand, und nachdem seine besten Kirch-Kinder, darunter auch Herr v. der Heide19 und Falkenhayns20 beyde, von ihm ab und zur Gemeine gingen, seine Leute vielmehr gegen die Gemeine warnete und einzunehmen suchte. Allein alles das konnte ihm nicht helfen. Sein Fall war beschloßen [390] und die erleuchtesten Männer mußten Diener der Ungerechtigkeit werden. Er wurde im Juli nach Bresslau citirt und ihm die Absetzung angekündigt, durfte auch nicht mehr nach Panthen, um

11 Johannes von Watteville, geb. als Johann Michael Langguth (1718–1788), 1744 von Baron Friedrich von Watteville (1700–1777) adoptiert. 12 Benigna von Wattewille, geb. Zinzendorf (1725–1789). 13 Anna Nitschmann (1715–1760). 14 Heinrich XXXI. von Reuß, genannt Ignatius (1731–1763). 15 Nathanael Seidel (1718–1782), Indianermissionar. 16 Gottlieb Eberhard Walter (1721–1796), 1743 Pfarrgehilfe in Peterswaldau, 1745–1758 Pfarrer in Ober Panthenau, 1758–1793 in Küpper, Kirchenkreis Lauban. 17 Ober Panthenau (poln. Ratajno). 18 ��������������������������������������������������������������������������������������������� Johann Friedrich Burg (1689–1766), 1713 in Breslau ordiniert, 1735 Prediger an der Elisabethkirche und zugleich Kirchen- und Schulinspektor, 1742 Oberkonsistorialrat im Breslauer Oberkonsistorium. 19 Julius Conrad von der Heyde (Heide, 1713–1797), 1731 Besuch des Pädagogiums in Halle an der Saale, Jurastudium an der dortigen Universität, 1751 Besuch in Gnadenfrei, 1761 in die Brüdergemeine aufgenommen. 20 Nikolaus Florian von Falkenhayn (1715–1800) und Marie Juliane von Falkenhayn (1717–1799).

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von seiner Gemeine Abschied [zu] nehmen, sondern mußte sich zum Haus-Arrest bequemen, bis die Final Sentenz vom Tribunal in Berlin einlief, daß er 8 Meilen von einem jeden Gemein Ort und 6 Meilen von Panthen zu entfernen sey, da er denn Jauer zu seinem Aufenthalt erwählet. Daß ihm Unrecht geschehen, wußte nicht nur jedermann, sondern wurde auch in Bresslau erkannt, als Burg auf eine Anfrage von Rothenburg in der Ober-Lausitz, obs wahr, daß er ein Herrhuther sey (wie einige der Kirchen-Patronen, die dieses gegen seine Wahl zum Amt daselbst excipirten,21 behaupteten), die Versicherung gab, daß er ein reiner und gesegneter Evangelischer Lehrer sey. Er ist hernach zu Kipper22 ohnweit Görlitz ins Amt gekommen und hat noch jtzt keine Connexion mit der Gemeine. Dem guten Pfarrer Rothe23 in Dirsdorf wäre es bald eben so ergangen, und mit mehr Grund, weil er wirklich die Brüder liebte, mit ihnen in Connexion stand und seinen Sohn nach Gnadenberg ins Pædagogium gethan hatte. Darüber mußte er sich den 30. Juny vor dem Consistorio verantworten. Die Erklärung, daß er den Anders,24 ehmaligen Lutherischen Prediger 4 Jahre im Hause als Informator gehabt und ihn als ein wahres Kind Gottes erkannt, welches ihn bewogen, da er abgerufen worden, ihm seinen Sohn noch ferner anzuvertrauen; half ihm nichts. Man stellte ihm vor, daß man ihn zwar nicht absetzen, ihm auch nicht wehren wolle, die Brüder lieb zu haben und mit ihnen umzugehen, er müßte aber declariren, daß sie Irrthümer hätten, und deshalb seinen Sohn [391] von ihnen wegnehmen; wenn er das nicht könne und wolte und also sich selbst als einen Mährischen Bruder declarire, so könne er nicht zugleich ein Lutherischer Lehrer seyn. Dieses wurde ihm gleich nach Walthers Absetzung in einem Consistorial-Befehl unterm 15. Julii angedeutet und 2 Monat Bedenkzeit gegeben. Er mußte sich also entschließen, seinen Sohn wieder zu sich zunehmen; sandte ihn aber nach 3 Jahren, ohne erst bey den Brüdern um Erlaubniß anzusuchen, im Glauben und mit Dranwagung seines Amts ins Pædagogium zu Niesky,25 und es hat ihn weiter niemand darüber behelliget. § 116. Im Juni 1758 wurde zu Neusalz im Beysein des Ordinarii ein Provincial-Synodus26 der Schlesischen Arbeiter gehalten, wovon ich weiter nichts finde, als daß die Geschwister

21 vor Gericht vorbringen. 22 Küpper (poln. Miedziana). 23 ���������������������������������������������������������������������������������������� Johann Christoph Rothe (1709–1764), 1742–1746 Pfarrer in Ludwigsdorf, 1746–1764 in Dirsdorf. 24 Wahrscheinlich Valerius Traugott Anders (1727–1792), 1758–1764 Pfarrer in Hermsdorf. 25 Niesky, Kreis Görlitz. 26 10. bis 15. Juni 1758. Ein eigenes Protokoll der Synode ist nicht erhalten geblieben.

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Peters,27 Bruder Kolesch28 und Heckner29 von Gnadenfrey und Bruder Walther30 von Gnadenberg, wie auch die Schwester Leidebachin,31 die seit 1750 der Mägdgen Pflegerin gewesen, zur Diaconie eingesegnet worden. Ich finde auch, daß die Anna Zipfelin,32 die schon einige Jahre in Gnadenfrey als Arbeiterin gewesen und auf eine Zeit nach Gnadenberg gekommen, an der Mikschin33 Stelle, die wieder nach Herrnhuth kam, den 4. Augusti als Pflegerin der Wittwen hieher gekommen. Den ledigen Schwestern war ihr Haus schon zu enge worden, und sie legten den 9.  Septembris den Grundstein zum Hinter-Gebäude [392] und zu einem geräumlichern Schlaf- und Versammlungs-Saal. In der Inscription finde ich die dermaligen Arbeiter der Gemeine also angezeigt:34 Leonhard,35 Oeconomus der Schlesischen Gemeine, Georgius (Waiblinger)36 Episcopus per Silesiam, Ernst Julius von Seidlitz,37 Vorsteher der Schlesischen Gemeine, Georg Ernst von Heithausen,38 Orts Herr,

27 Johann Friedrich Peter (1707–1791), 1735 in die Brüdergemeine aufgenommen, kam 1750 als Ehechorpfleger mit seiner Ehefrau Susanna, geb. Jacksch nach Gnadenfrei. 28 Johann Jakob Kolesch (1719–1798), Bäcker, 1743 in die Brüdergemeine aufgenommen, 1751– 1763 Vorsteher des ledigen Brüderchors in Gnadenfrei, dann bis 1768 in Gnadenberg. 29 Gottfried Häckner (1718–1810), 1743 in die Brüdergemeine aufgenommen, 1744 verheiratet mit Catharina, geb. Neißer († 1754), 1745 in Gnadenfrei zum Dienst an den Kindern. 30 ��������������������������������������������������������������������������������������� Johann Christoph Walther (1731–1802), 1746 in die Brüdergemeine aufgenommen, Schneiderlehre, 1752 Krankenpfleger in Gnadenfrei dann in Gnadenberg und Herrnhut. 31 Maria Margareta Leidebach (1727–1780), 1746 in die Brüdergemeine aufgenommen, 1751 in Gnadenfrei als Chorhelferin der großen Mädchen. 32 ��������������������������������������������������������������������������������������������� Anna Zipfel (1705 –1762), 1723 mit Johann Philipp Zipfel verheiratet, wurde 1737 mit Christian Renatus von Zinzendorf (1727–1752) in Jena unterrichtet, zog 1747 in die Brüdergemeinde Gnadenthal, dann Herrnhut, und hatte 1749 „die Ehre, die erste Gemein-Jüngerin in Herrnhut zu werden“, 1749 in Gnadenfrei, 1758 als Diaconisse und Chorpflegerin ordiniert. Vgl. Diarium der Gemeinde Gnadenfrei zum 2. Oktober 1762. Unitätsarchiv Herrnhut, Sign. R.7.D.I.b.1.c. 1760–1770. 33 Martha Elisabeth, geb. Jähne (1708–1789), 1730 verheiratet mit Matthäus Miksch († 1734) aus Kunewalde, 1754 verheiratet mit Gottlieb August Spangenberg (1704–1792). 34 Der Bericht und die Liste im Diarium der Gemeinde Gnadenfrei unter dem 9. September 1758: „Es ist nicht zu beschreiben, was für ein extraordinaires Awe diese ganze Solennität begleitet hat.“ Unitätsarchiv Herrnhut, Sign. R.7.D.I.b.1.b.1751–1759. Bei der Liste fällt auf, dass im Unterschied zum Diarium folgende Namen nicht genannt werden: Johannes von Watteville (1718– 1788), Anna Johanna Piesch (1726–1788) als Älteste aller Schwestern Chöre und Rosina Kriener als Chorjüngerin. Diese galten also nicht als Mitarbeiter der Gemeinde Gnadenfrei. 35 Leonhard Dober (1706–1766). 36 Johann Georg Waiblinger (1704–1775), Magister der Universität Tübingen, 1750 Bischof der schlesischen Brüdergemeinen. 37 Ernst Julius von Seidlitz (1695–1766) erwarb 1734 Ober Peilau und veranlasste nach 1740 die Gründung von Gnadenfrei. 38 Georg Ernst von Heithausen (1724–1791).

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Johann Adam Schmid,39 Ordinarius, Friedrich Peters, Ehe-Chor Pfleger, Andreas Kohlers,40 Kinder Eltern, Ambdi Paulin Thrane,41 lediger Brüder Pfleger, Johann Jacob Kohlesch, lediger Brüder Vorsteher, Gottfried Heckner, Arbeiter der Wittwer, Anna Zipfelin, Pflegerin der Wittwen, Dorothea Elisabeth Rostin,42 Vorsteheri der Wittwen, Maria Magdalena Augustinin,43 General Diaconisse aller ledigen Schwestern Chöre, Maria Wettsteinin,44 Pflegerin der ledigen Schwestern, Maria Leidebachin, Arbeiterin der großen Mägdgen, Anna Fosterin,45 Helferin bey den ledigen Schwestern, Johanna Baumgartin, Vorsteherin der ledigen Schwestern.46 Das ledige Schwestern Chor bestund aus 367 Personen, davon im ChorHaus 148, im Ort 25 und auf den Dörfern 194 wohnten. Die Gemeine bestund aus 1.492 Personen, davon im Ort 533 und auf den Dörfern 959 wohnten.47 Beym Gemein-Fest den 15. Januarii hatte man alle diejenigen, mit denen die Gemeine hier 1743 angefangen [393] worden, aufgezeichnet. Man brachte 192 Personen zusammen. Davon waren noch am Leben und in hiesiger Gemeine 108 Personen, die beym LiebsMahl auf den ersten Bänken saßen. 45 waren heimgegangen, 13 in andre Gemeinen versetzt worden, und 26 hatten die Gemeine verlaßen. Noch ist anzumerken, daß in diesem Jahr so viele als noch nie bisher, nehmlich 57 Personen, zum Heiland gegangen. 39 Johann Adam Schmidt (1710–1774), Theologiestudium in Jena, 1736 in die Brüdergemeine aufgenommen, 1745 Prediger in Gnadenberg, 1749–1763 in Gnadenfrei, 1764 in Gnadenberg, 1772 in Neusalz, 1736 verheiratet mit Louise Maria, geb. Commerell (1714–1776). 40 ������������������������������������������������������������������������������������ Andreas Köhler (Kohler, 1720–1802), Schuhmacher, 1741 in die Brüdergemeine aufgenommen, 1744 verheiratet mit Maria Elisabeth, geb. Müller (1723–1793). 41 �������������������������������������������������������������������������������������� Amadeus Paul Thrane (1718–1776), Theologiestudent, 1744 in die Brüdergemeine aufgenommen, 1752–1760 Gehilfe des Predigers in Gnadenfrei, 1761 verheiratet mit Anna Maria Benzin, geb. Neißer (1724–1783). 42 �������������������������������������������������������������������������������������������� Dorothea Elisabeth Rost, geb. Reisig (1717–1775), wurde bei der verwitweten Gräfin von Malzahn in Halbau erzogen, diente später der Gräfin von Promnitz und wurde 1745 mit ihrem Ehemann Rost, dem Kammerdiener von Promnitz († 1747), in die Brüdergemeine aufgenommen. 43 Maria Magdalena Augustin(e) (1714–1784), Ältestin. 44 Maria Wettstein (Wetzstein, 1722–1771), wurde 1744 in die Brüdergemeine aufgenommen, diente 1750 in Herrnhut, 1756 in Gnadenfrei und 1765 in Ebersdorf. 45 Anna Foster nicht ermittelt. 46 Johanna Baumgarten (1725–1787). 47 Diese Zahlen sind auch im Diarium der Gemeinde Gnadenfrei unter dem 9. September 1758 angegeben. Vgl. die Memorabilien am Ende des Jahres.

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Eine Haupt-Veränderung erfuhren alle Schlesischen Gemeinen, da Leonhard von sein[em] gesegneten Oeconomat abgerufen wurde und den 11. Septembris von hier nach Barby abreiste.48 § 117. Der Sieg bey Leuthen und die Einnahme von Bresslau, worüber das Dank-Fest den 8. Januarii 1758 mit einer Predigt über Ps. 21, 1, 2, 3 gefeyert wurde, hatte unter andern die Folge, daß durch ein Patent verordnet wurde, den Catholischen Parochis keine Jura Stolæ mehr zu bezahlen*, aber auch, daß die Adelichen Befehl erhielten, ihre Söhne vor den König zu stellen, um welche zum Dienst auszusuchen. Herr v. Pfeil49 bekam diesen Befehl auch, erhielt aber bald Nachricht, daß sie davon [394] dispensirt worden. Das Fouquetsche Corps hatte diese Gegend besetzt und der General sahe sich freundschaftlich in Gnadenfrey und sonderlich im Brüder Haus um. Viele Officiers folgten seinema Exempel. Den 24. Februarii bekam der Herr v. der Heide einen halbstündigen Besuch vom König in Habendorf, wo er mit den Generals Fouquet50 und Lentulus51 die Gegend recognoscirte. Das Geistische, ehmalige Amselsche Regiment, davon einige es in Herrnhuth schlecht gemacht, rückte in Peile ein. Die Soldaten erinnerten sich dran und versprachen, es beßer zu machen als ihre Cameraden, die nun alle todt wären, und machten es auch recht hübsch. Der Major Graf Mellin52 hatte vom General Fouquet Anweisung, in Gnadenfrey Quartier zu nehmen: er that es aber nicht. Schweidnitz wurde den 2. Aprilis belagert und ging den 16. über; worauf die Armee vorbey nach Maehren marchirte. Nun war Ruhe in der Gegend bis den 24. Augusti, da sich wieder Käyserliche Husaren sehen ließen. Den 10. Septembris war das Dank-Fest wegen des den 25. Augusti bey Zorndorf53 über die Rußen erhaltenen Sieges, über Ps. 18, 47. Allein bald drauf kam die Kayserliche Armee bey Frankenstein zu stehen und den 26. Septembris kamen etliche 100 Ulanen nach Nieder-Peile. Man hatte Ursach, sich für diesen Mahometanischen Freybeutern zu fürchten. Allein die Vorsehung hatte schon dafür gesorgt. Der General

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Die Ursach soll gewesen seyn, weil der Kayserliche General Herzog Carl von Lothringen verboten, daß die Catholischen den Evangelischen Pfarrern keine Jura Stolae zahlen solten, und also am ersten gegen die Altranstädtsche Convention gehandelt hatte.

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Korrigiert: aus ihrem.

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48 So auch im Diarium der Gemeinde Gnadenfrei mit dem Hinweis, dass er der Gemeinde sieben Jahre gedient habe. 49 Carl Friedrich I. von Pfeil (1695–1767). 50 Heinrich August von Fouquet (1698–1774), preußischer General. 51 Robert Scipio von Lentulus (1714–1786), preußischer General. 52 Georg Bernhard Petrus von Mellin (1704–1785), Major. 53 Zorndorf (poln. Sarbinowo).

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Lieutnant Marschallb von Zeschwitz,54 Chef der Sächsischen Cavallerie und der Ulanen, der bey Frankenstein stund, verlangte einen Bruder zu sprechen, erkundigte sich nach den Umständen der Gemeine und nach seinen Bruder zu Taubenheim, und gab ihm eine Schriftliche Ordre an den Mahometanischen55 Ulanen Obrist Rudnicky56 im Schlössel mit, seinen Freund, den Herr v. Heithausen in Ober-Peile zu menagiren.57 Und sie thatens, bis sie den 4. Octobris abzogen. Bis zum Ende dieses Monats war [395] eine ängstliche Zeit. Bald hatte man Preußische, bald Kayserliche Husaren und Ulanen. Sie lauerten auf einander auf den Questen-Berg und jagten einander in Peile die Leute ab. Die da verloren, wurden wilde und wolten sich rächen, daß man sie verrathen hätte. Das währete, bis der König nach der verlornen Schlacht vom 14. Octobris bey Hochkirch in der Ober-Lausitz mit der ganzen Armee nach Reichenbach kam, und den 5.  Novembris Gnadenfrey vorbey über Gerlachsdorf58 zum Entsatz von Neiss59 marschirte, und nachdem die Käyserlichen geflohen, den 8. eben den Weg zurück marschirte. Man wurde weiter nicht davon beunruhigt, als daß den 8. Decembris 4 Regimenter in Peile übernachteten. Und das Jahr 1758 ging ruhig zu Ende. § 118. Diese Ruhe dauerte bis im May 1759. Zwar machte der General Zastrow60 im Januar einige Angst, als er in Gnadenfrey Recruten ausheben wolte, welches aber vom Landrath61 vereitelt wurde. Und im Martio hielt das Bernstädtische Regiment Rasttag in Peile. Der Commandeur aber hatte seinen Leuten befohlen, sich ja ruhig zu halten und nicht zu fluchen, denn es wohnten hier gar fromme Leute, bey denen sies gut haben würden. Am 2. May in der Nacht war der König auf seiner retour von Neiss durch ­Gnadenfrey gefahren.62 Das war das einigemal. Denn er nahm sonst immer einen Umweg. Vom 5. bis 19. May waren 2 Regimenter in Peile einquartirt, wobey 5 Soldaten Brüder63 waren, b

Über der Zeile mit Bleistift ergänzt: Feld(marschall).

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54 Joachim Friedrich Gotthelf von Zezschwitz (1740–1820), sächsischer Marschall. 55 muslimischen. 56 Czymbay Rudnicky, Oberst. 57 in Acht zu nehmen. 58 Gerlachsdorf (poln. Zgoda). 59 Neisse (poln. Nysa). 60 Carl Anton Leopold von Zastrow († 1779), preußischer General. 61 ����������������������������������������������������������������������������������������� George Friedrich von Gellhorn (1747–1759), Landrat von Reichenbach/Eulengebirge in Schlesien. 62 ���������������������������������������������������������������������������������������� Im Diarium der Gemeinde Gnadenfrei heißt es zum 2. Mai 1759: „Diese Nacht um 11 Uhr passirte unser lieber König durch Gnadenfrei. Er kam aus Ober Schlesien zurück, hatte keine Bedeckung bey sich und saß ganz allein im Wagen.“ Unitätsarchiv Herrnhut, Sign. R.7.D.I.b.1.b. 1751–1759. 63 ���������������������������������������������������������������������������������������� Das Diarium der Gemeinde Gnadenfrei nennt sie am 12. Mai 1759: „Die Soldaten-Brüder Dragun, Rexius, Ludwig von den Gens d’Armes, Regulin und Knitter, Carabiniers, kamen à propos und hatten zu ihrer unbeschreiblichen Freude die Gnade, unsre Gäste zu seyn.“ Ebd.

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die den 12. May hier mit zum AbendMahl gingen. Man hatte viel Besuch von Officiers, als das Fouquetsche Corps im Juni bis zum 5. Juli, da es vorbey nach Waldenburg im Gebirge marschirte, bei Frankenstein stand, und man merkte [396] viele Spuren von den guten Eindrücken, die Officiers und Gemeine von den Predigten gehabt, und wie manche ein seliges Ende genommen. Nun kam die Käyserliche Armee in die Nähe, und den 29. Augusti muste einem Commando 200 fl. und den 11. Novembris den Husaren, die schon in Gnadenfrey zu plündern anfingen, 300 rt. gezahlt werden. Von dem an hatte man Ruhe bis zu Ende des Jahres, außer daß im August viele Geschwister an der Disenterie danieder lagen, eine Folge von der Krankheit bey den Armeen, und daß man den 29. Septembris durch die Nachricht von der Verheerung von Neusalz betrübt wurde.64 Die hiesige Gemeine nahm werkthätigen mitleidigen Antheil daran. Die Geschwister trugen reichlich Betten, Leinwand, Kleider und Geld zusammen, die theils denen 52 ausgeblünderten Personen, die zwischen den 12. und 18. Octobris hieher kamen und mit vielen Thränen bey einen LiebsMahl empfangen, ausgetheilt, theils den übrigen nach Gnadenberg zugeschickt wurden. § 119. Ich muß hier anmerken, daß der sonst sehr fleißige Pastor Schmidt in seinem Diario in Beschreibung des Gemein-Ganges sehr nachläßig worden und oft mehr von Soldaten als von Geschwistern aufgezeichnet hat, so daß es mehr einem Kriegs- als Gemein-Diario ähnlich sieht.65 Desto angenehmer ists, wenn man hie und da angezeigt findet, daß bey allen äußern Unruhn die Geschwister sich im Umgang mit dem Heiland selig befunden, die Versammlungen fleißig besuchet und die schönen Reden aus dem Jünger Hause,66 sonderlich die Praeparations Reden, die in diesem Jahr in Zeist gehalten worden, [397] mit Begierde gehört und zum Segen angewendet haben. In Peile that sich auch eine neue Gnaden-Arbeit hervor. Und es wird angemerkt, daß in Ober-Peile, nehmlich Heithausens Antheil, nur noch 3 Häuser sind, die sich nicht zur Gemeine halten. Unter den Familien in Peile, die zur Gemeine gehören, waren nur 15 eingeborne und hingegen 66, die um der Gemeine willen von andern Orten hergezogen. Und diese hatten die sonst sogenannte Dürre Peile gut angebaut und die andern Einwohner zum Fleiß aufgemuntert, so daß Seidlitz und seine Erben durch die am Werk Gottes ­bewiesene Treue nichts verloren, sondern reichlich gesegnet und belohnt worden. Er war mit Waiblinger im 64 Die bewegenden Worte des Predigers und Tagebuchschreibers Schmidt (1710–1774), der bei der Mitteilung des Unglücks an die Gemeinde vor „Herz-Stößen die worte kaum aussprechen“ konnte. Diarium der Gemeinde Gnadenfrei zum 29. September 1759. Ebd. 65 �������������������������������������������������������������������������������������������������� Diese Beobachtung von Cranz ist leicht übertrieben. Es ist erstaunlich, wie er trotz des Kriegsgeschehens die Versammlungen in der Gemeinde durchführt. Aber da er ein sehr beweglicher Geist ist, schildert er auch die Kriegsereignisse im Detail. 66 Nikolaus Ludwig von Zinzendorf (1700–1760) nannte sich „Jünger“ Jesu und den Ort, wo er sich gerade mit seinen Mitarbeitern aufhielt, das „Jüngerhaus“. Seine Reden wurden im „Jüngerhaus-Diarium“ handschriftlich nachgeschrieben und den Gemeinden regelmäßig zum Vorlesen zugesandt. Zinzendorf weilte vom 11. Juli bis 8. August und vom 8. September bis 14. November 1759 in Zeist.

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Martio zur Visitation hier und revidirte insonderheit den äußern Statum, da sichs denn fand, daß ohngeachtet des Kriegs und der Sperrung des Commercii noch vor denselben und der starken Auflage auf die Rasche67 die Fabrique soviel absetzte und soviel Arbeit hatte, auch andere Professionen, sonderlich bey den ledigen Brüdern so mit Arbeit überhäuft waren, daß Seidlitz seinen Kummer bezeugte, die Geschwister möchten von der ersten lautern Absicht, warum sie zur Gemeine gekommen, ab- und ins reich werden und es denn auch genießen wollen hineinkommen; wie denn die Weber, um nur recht vield zu bereiten, einander heimlich die Spinner abspannten und so viele kleine Krämereyen entstunden, daß es bald so aussahe, wie im Tempel zu Jerusalem, da der Heiland die Krämer heraus treiben muste. Die Städtischen Professionen, die hier sehr stark getrieben wurden und in der Nähe und Ferne ihre [398] Arbeit absetzten, hatten schon lange die Eifersucht und Klagen der benachbarten Städte erweckt, und die von der Cammer zur Revision deputirten Kriegs-Räthe, die die Sache ums Königliche Interesse willen zu mainteniren suchten, wußten weiter keinen Rath, als es darauf anzutragen, daß sich die Gnadenfreyer zu eben den Lasten und Städtischen Abgaben, die sie einem im Ort wohnenden Accis Filialisten zu unterrichten hätten, bequemen müßten: wozu es endlich auch gekommen. Mit den hiesigen Arbeitern ging keine Veränderung vor. Die General-Arbeiter aber für alle 3 Gemeinen68 hörten vollends gar auf, indem die Maria Magdalena im Martio und Meyer im April zum Jünger Haus nach Holland abgerufen wurden, und Leonhard, der schon voriges Jahr nach Barby gekommen, rufte Kettners,69 die ohnedem keinen bestimmten Posten hier gehabt, zu sich, um sie in der Brandenburgschen Diaspora zu brauchen. Was die hiesige Diaspora betrift, so kam es endlich nach dem Wunsch des Provincial Synodi von 175670 am 3. Ostertage den 17. Aprilis zu einer Einrichtung, da von 50 Orten an die 200 gegenwärtig waren.71 Man sang mit ihnen den Hymnum von der

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Folgt gestrichen: arbeiten.

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67 Rasche oder Rasch ist ein gröberer Kammgarnstoff. 68 Als die drei Generalarbeiter für Gnadenberg, Gnadenfrei und Neusalz wurden Joachim Meyer (1720–1774), Maria Magdalena Augustin und Leonhard Dober angesehen. 69 ������������������������������������������������������������������������������������� Johann Georg Kettner (1715–1810), 1738 in die Brüdergemeine aufgenommen, Diaspora-Arbeiter, arbeitet als Apotheker, 1743 in Gnadenfrei, 1741 verheiratet mit Maria, geb. Lehmann († 1746). 70 Das Protokoll dieser Synode befindet sich im Unitätsarchiv Herrnhut, Sign. R.7.A.12, Nr. 6. Dort heißt es über die Diaspora: „Der Besuch der Diaspora active ist anfangs nicht rathsam, viel weniger, daß man Versammlungen an andern Orten hält. Die Diaspora soll künftig eine eigene rubrique in den Catalogis seyn, die die Arbeiter an uns einschikken. Die Diaspora muß von der Gemein-Sache ganz separat tractirt werden und ist fast das, was die Societäten in England und Irrland sind.“ Ebd., 66f. 71 ����������������������������������������������������������������������������������������� Im Diarium der Gemeinde Gnadenfrei heißt es unter dem 17. April 1756 „Es waren 170 Personen [von Auswärtigen], die um 1 Uhr zusammen kamen“ „Um 2 Uhr hielten wir ein Liebesmahl mit Ihnen und zehlten 50 Orte, aus denen Sie zusammen gekommen waren.“ Ich „suchte Ihnen von unserem jezigen Diaspora-Plan eine idee zu machen.“ Ebd. Sign. R.7.D.I.b.1.b.1751–1759.

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Diaspora,72 hielt ihnen ein Liebs Mahls Rede und Anbeten unter unzähligen Thränen. Dergleichen Gelegenheiten hatten sie öfter an Fest-Tagen, und alle Sontage wurde ihnen nach der Predigt eine besondere Versammlung gehalten. Man zehlte 38, die vierteljährig mit der Gemeine zum AbendMahl gingen, und blos von den Eheleuten waren 88 in Gesellschaften. Diese Einrichtung hat einige Jahre im Segen geblühet, und ich weiß nicht, wenn und warum sie wieder in Abgang [399] gerathen. Der Schaden davon ist offenbar. Der Druck im Oelsnischen dauerte seit 1755 noch immer fort. Die Leute, die nach Gnadenfrey gingen, wurden ins Gefängniß,e in den Stock, in den eisernen Prügel gesetzt und mußten noch oben drein Geldstrafe geben. Sobald sie heraus kamen, gingen sie doch zur Gemeine, einige zogen in die Peile und die Erweckung nahm immermehr zu. Von Biele ist nur noch anzumerken, daß der Graf Sandretzky73 die 3 praebendarischen Antheile, die der Dom zu Bresslau wegen der Ungnade, worein der Bischof wegen der gegen den König begangenen Untreuen gefallen, nicht mehr besitzen solte, für 20.000 rt. an sich gekauft, und also auch diese armen Leute unter deßen immediaten Druck gerathen. § 120. In dem für alle Gemeinen sehr schmerzhaft merkwürdigen Jahr 1760 merke ich zuerst eine Visitation des Bruder Johannis mit Seidlitz vom 11. bis 17. Martii an, da ersterer unter andern gesegneten Gelegenheiten die Ledigen Brüder gesprochen und 44 eingerichtet und Letzterer noch eine Zeitlang hier geblieben und die damalige sogenannte Mitleidenheit74 eingerichtet, auch einen Theil der Schulden von dem zerstörten Neusalz auf die Schlesischen Gemeinen repartirt hat. Er kam im November wieder her, den statum oeconomicum zu revidiren, und machte unter andern die Einrichtung, daß die Einwohner in Gnadenfrey den Peilschen Unterthanen die Lasten, die sie bey den vielen Einquartirungen und Boten laufen und noch mehr bey dem Schanzen erlitten, durch einen proportionirlichen Geld Beytrag erleichterten. Am 24. Aprilis erlitt die hiesige Gemeine und sonderlich das [400] Ehe-Chor einen großen Verlust durch den Heimgang der treuen und in der Stille sehr gesegneten EheChor Pflegerin Peterin,75 und ihr Mann reiste nach einen 10 jährigen treuen Dienst e

Folgt gestrichen: gelegt.

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72 Abgedruckt in Zinzendorf, Nikolaus Ludwig von: Einige Reden des Ordinarii Fratrum [...] an die gesammte Berthelsdorfische Kirchfahrt. Barby 1758, Anhang. 73 Johann Ferdinand von Sandrasky (Sandretzky, 1711–1775), Erbherr von Langenbielau. 74 Das Diarium der Gemeinde Gnadenfrei erläutert den Begriff der Mitleidenheit (= Anteilnahme an der Not einer Gemeinde) so: „Bruder Seidliz blieb noch bey uns und hielt Vor- und Nachmittag Conferenz zur repartition der Mitleidenheit auf die Individuen der Abendmahls-­Geschwister.“ Unitätsarchiv Herrnhut, Sign. R.7.D.I.b.1.b.1751–1759, 35. 75 Susanna Peter, geb. Jacksch (1711–1760), 1731 verheiratet mit Johann Friedrich Peter (1707– 1791).

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den 13. May ins Jünger Haus und hernach nach Pensylvanien ab. Das Jünger-Haus aber, ja alle Gemeinen verloren den 9. May den großen Mann Gottes, den Ordinarium der Brüder Kirche. Die Nachricht davon lief den 12. May ein,76 und verursachte bey der unerwarteten Bekanntmachung auf den Saal unaussprechliche Wehmuth und Thränen. Und den 25. erhielt man auch die Nachricht, daß ihm die Jüngerin Anna Caritasf den 21. May nachgefolgt sey.77 Von hier war bey des Ordinarii Heimgang Pastor Schmid zugegen gewesen und hatte die Leiche mit zu Grabe tragen helfen. Was die Chöre betrift, so wurde Peters Stelle dermalen nicht weiter besetzt, sondern von Kohlers besorgt. Zu den ledigen Brüdern kam Heinrich Brüning78 den 20.  Decembris von Herrnhuth und wurde den ledigen Brüdern an Thranes Stelle, der im ­Januar des folgenden Jahrs nach America abreiste, als Pfleger vorgestellt und zugleich als Lector und Cantor gebraucht. Die ledigen Schwestern bezogen den 10. Decembris ihren neuen Schlafsaal79 und weiheten ihren Versammlungs-Saal mit einem Liebs Mahl und AbendMahl ein. Zu einem Mägdgen-Hause wurde den 21. Aprilis gleich neben dem ledigen Schwestern Hause der Grundstein gelegt, und den 12. Decembris zog die Mägdgen-Anstalt schon ein. In die Knäbgen-Anstalt kam den 22. Julii Timæus junior80 als Informator und zugleich als Knaben Arbeiter. Die ledigen Brüder übernahmen die Knäbgen-Anstalt, die den 30. Decembris in Grünwalds Haus zog, in ihre Verpflegung, und die ledigen Schwestern die Mägdgen in die Kost. Der Zulauf zu den Predigten wurde immer stärker, und sonderlich fanden sich aus der Diaspora immer mehrere ein, wie denn [401] im Pfingsten ihre Versammlung 300 Personen stark war. Der Wunsch, einen größern oder gar einen neuen Saal zu haben, wurde wieder rege; bey Johannis Hierseyn aber wurde beschloßen, mit dem Bau eines neuen Saals bis nach dem Kriege zu warten und auch alsdenn erst auf eine Vermehrung der Familien aus den Chor Häusern zu denken. Aus Stromberg81 in Maehren gingen einige Böhmische Leute aus und kamen zum Theil zur Gemeine, wurden aber nach Berlin gewiesen. Die ins Böhmische übersetzten Berlinischen Reden82 waren diesen Leuten zum Segen gewesen, und die in der Vorrede f

Caritas nachträglich mit Bleistift gestrichen. Gemeint ist Anna Nitschmann (1715–1760).

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76 Diarium der Gemeinde Gnadenfrei zum 12. Mai 1760. Unitätsarchiv Herrnhut, Sign. R.7.D. I.b.1.c.1760–1770, 71. 77 Diarium der Gemeinde Gnadenfrei zum 21. Mai 1760. Ebd., 75. 78 Heinrich Bruiningk (1738–1785), diente 1760 bis zum Tode Nikolaus Ludwig von Zinzendorfs (1700–1760) als „Wochenschreiber“ des Jüngerhaus-Diariums, 1760 bis Juli 1766 Brüderpfleger, 1777–1782 Prediger in Gnadenfrei. 79 Das Diarium der Gemeinde Gnadenfrei sagt unter diesem Datum: „Mitten im Kriege ist der Bau so weit fertig worden, daß er heute eingeweihet werden konnte.“ Unitätsarchiv Herrnhut, Sign. R.7.D.I.b.1.c.1760–1770. 80 Johann Heinrich Timaeus jun. (1733–1805). 81 Stramberg (tsch. Štramberk). 82 ������������������������������������������������������������������������������������������ Krátké Obsażenj Nékterých Ewangeliských Rżeċj [...]. Wytisstėné w Roce 1743 mit einem Vorwort für die tschechischen Brüder, 15 Seiten. Unitätsarchiv Herrnhut, Sign NB.II.160.o.

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gegebene Nachricht von der Erneuerung der Brüder Kirche und ihren Gemein-Orten hatte sie aufgeregt, daß Brüder Volk aufzusuchen. Man erhielt auch Nachricht, daß um Neu-Titschein83 150 Leute zusammen hielten und obgedachte Reden lesen.84 Vor einigen Jahren war ein lediger Bruder von hie, Namens Lehmann,85 gegen der Brüder Sinn aus eigenem Zeugen Triebe dahin gegangen, Leute aufzumuntern und auszuführen, war aber gefangen und als ein Verführer zum Tode verdammt worden. Dasige Judenschaft hatte durch die Vorstellung, daß die Preußen seinen als eines Unterthanen Tod rächen möchten, es dahin gebracht, daß seine Strafe in ein ewiges Gefängniß verwandelt worden. In demselben war er nach 4 Jahren den 13. Novembris 1760 zur Verwunderung aller Menschen mit großer Freudigkeit im Lazareth zu Neu Titschein gestorben und durch Vermittelung des Bürgermeisters, der nach seinem Versprechen keinen Pfaffen mehr zu ihm gelassen, nicht unter den Galgen, sondern auf den KirchHof an dem Orte, wo die in der Religion zweydeutige Leute liegen, begraben worden. [402] § 121. Bisher hatte man von den Beschwerlichkeiten des Krieges noch wenig erfahren und dagegen manchen Nutzen gehabt, von 1760 aber an erfuhr man mehr von Angst, Druck und Schaden. Die ersten 5 Monate dieses Jahres wurde man außer der Einquartirung in Peile und kleinen Maerschen nicht viel gewahr, im Juno aber sahe es fürchterlich aus, da die Laudonsche Armee86 bey Frankenstein und ein starkes Corps Husaren und dergleichen, die oft in Peile einfielen und plünderten, bey Kloitsch,87 die Preußen aber bey Reichenbach stunden und mit ihren Feinden scharmuzirten. Den 5. Junii steckten die Kayserlichen wiewol nur pro Forma ein Lager neben dem ledigern Brüder Garten ab. Man hatte viel Besuch von ihren Officiers, die sich aber honett bewiesen. Den 14. wurden alle ihre Posten auf allen umliegenden Dörfern in der Nacht von Preußen delogirt,88 nur in Peile wars ruhig. Diese besetzten den Fischer-Berg und die Käyserlichen zogen sich ins Gebirge und trieben viele Leute zum schanzen bey Glatz89 und Silberberg90 zusammen. Der General Fouquet wurde den 22. Juni mit seinem Corps bey Landshut91 geschlagen und gefangen, und den 26. Julii ging Glatz an die Käyserlichen über. Um diese Zeit und im August war hiesige Gegend bald mit Preußen, bald und mehrentheils mit Käyserlichen angefüllt, und man erhielt zu gleicher Zeit von beyden Armeen Ordre, LebensMittel zu liefern und zu schanzen. Nachdem der König den 25. Augusti das Laudonsche 83 84 85 86 87 88 89 90 91

Neu Titschein (tsch. Novy Jičín). Diese Nachricht findet sich nicht im Diarium der Gemeinde Gnadenfrei. Konnte nicht nachgewiesen werden. Freiherr Gideon von Laudon (1717–1790), österreichischer Feldmarschall. Kleutsch (poln. Kluczowa), Kreis Frankenstein. vertrieben. Glatz (poln. Kłodzko). Silberberg (poln. Srebrna Góra). Landeshut (poln. Kamienna Góra).

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Corps bey Liegnitz geschlagen,* kam den 29. Augusti wieder [403] ein Käyserliches Lager unter dem General Janus92 auf den Bieler und Habendorfer Hügeln zu stehen, und man hatte viel Besuch von Officiers und Dames, die sich hübsch aufführten. Sie zogen sich zwar, da die Preußen den 31. Augusti von Bresslau hier anrückten und ihr Lager zwischen Schweidnitz und Reichenbach bezogen, zurück ins Gebirge, fouragirten aber doch noch in der Gegend und bezogen im October ein Lager bey Frankenstein, da es denn oft Scharmützel setzte, bis sie im December von den Preußen vertrieben wurden, und seit dem 13. Decembris, da Peile Einquartirung bekam, blieb man in Ruhe. § 122. Im Winter 1761 hatte man viel Besuch von Preußischen Officiers, unter andern vom Prinzen von Bernburg93 gehabt, die Soldaten hatten sich die Predigten und die FeldPrediger den Saal, zum AbendMahl halten, zu Nutz gemacht, bis sie den 20. Aprilis 1761 aus marschirten, und Käyserliche Husaren die Gegend besetzten, da es denn manchmal Scharmützel auf den Ober-Peiler Feldern setzte. Im Juli campirten beyde Armeen in der Nähe. Laudon marschirte den 20. durch Peile, und der König den 21. über Gittmannsdorf94 und Gerlachsdorf nach Münsterberg. Im August war es sehr ängstlich. Man sahe alles vor den Rußen, die sich aus dem Oelsnischen heraufzogen, in die Städte und ins Gebirge flüchten, und unsre Freunde flohen nach Gnadenfrey. Der Heiland stärkte die Brüder in einer Conferenz mit der Anweisung, nicht ans Flüchten zu denken, auch keine Salve Garde zu suchen, die Laudon auch nicht gegeben haben würde, in dem er, wie es scheint, böse war. Denn da ein Bruder bestellte Arbeit [404] ins Lager brachte, wurde er gefangen und mit dem Verbot, keinen Herrnhuther ins Lager zu laßen, verwiesen. Man krigte den Zorn empfindlicher zu fühlen. Den 9. Augusti kam ein Käyserlicher Commissarius und forderte bey der schärfsten Execution 10.000 rt. von Gnadenfrey und, was noch grausamer, 5000 rt. von denen hieher geflüchteten Neusalzern. Alles Bitten und Vorstellen der Unmöglichkeit half nichts, es hieß, die Heilands Casse oder die Gemeine zu Herrnhuth, die 400.000 rt. von ihnen gelöset, könnte es schon zahlen, sie wolten nur eine Anweisung an den Herrn von Ranzau95 haben. Sie könnten nicht glauben, daß wir arm wären, weil wir so schöne Häuser baueten.96 Den folgenden Tag kam *

den 3. Novembris hat auch der König den General Daun [Leopold Joseph Graf von Daun (1705– 1766)] bey Torgau geschlagen.

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Franz Maximilian Jahnus von Eberstädt (1711–1772). Franz Adolf von Anhalt-Bernburg-Schaumburg-Hoym (1724–1784), Generalmajor. Güttmannsdorf (poln. Dobrocín), Kreis Reichenbach. Wahrscheinlich ist der Herrnhuter Archivar Erich von Ranzau (1719–1796) gemeint, der Sohn des dänischen Baron Hans von Ranzau († 1744). Er wurde auch von Preußen 1762 als Geisel genommen. 96 Das Diarium der Gemeinde Gnadenfrei berichtet zum 9. August, dass die Brüder Carl Gottlob Herzog (1735–1804) und Matthias Baine zum Hauptquartier nach Kunzendorf gingen, um zu verhandeln.

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ein Comando Dragoner, das Geld abzuholen. Man hatte 5.000 rt. aufgetrieben. Die nahmen sie und den Bruder Kolesch dazu als Geissel für das übrige und ritten mit ihm in der Nacht, man wußte nicht wohin, erfuhr aber bald, daß er in Silberberg sey und daß an keine Nachlaßung der übrigen 10.000 rt. zu denken sey. Indeßen hatte man ein paar Brüder mit einem Memorial ans General-Kriegs Comissariat abgeschickt, die den 11. Abends folgende Resolution97 mitbrachten. Es sollen die Herrnhuther Gebrüder in Peile inclusive derer von Neusalz dahin geflüchteten in Ansehung inberührter Motiven 6.000. rt. binnen 24 Stunden als eine Anticipation abführen; im Verzögerungs-Fall aber zum Ersatz des ganzen Quanti von 15.000 rt. mit aller Schärfe und militaerischen Execution angehalten werden. Es wurde also den 12ten das 6te tausend nach Silberberg gebracht und darauf Bruder Kolesch mit einer Quittung entlaßen. [405] Das war eine Noth. Nun kam die andere. Man hörte, wie die Cosacken überall ­hausten. Die Schwestern in Gnadenberg waren schon vor ihnen nach Sachsen geflüchtet. Gnadenfrey aber war eingeschloßen. Salve Garden konnte man nicht bekommen. Auf die Nachricht, daß sich der Rußische General Czernischef98 mit Laudon bey Freyberg99 conjungiret, resolvirte man, bey ihm Salve Garde zu suchen. Und siehe, der Schuster Meister aus dem Brüder Hause, Ultsch,100 bey dem sich der General nach der Verfassung der Brüder Gemeine, und ob sie sich nicht in Russland etabliren könnten, erkundiget, brachte den 15ten 2, aus eigener Bewegung gegebene Salve Garde Briefe für Peile und Hennersdorf mit, nebst dem Befehl, in beyden Lägern zu arbeiten. Und da Hastfer101 auf seiner retour nach Herrnhuth den 19. Septembris ihn dafür danken wolte, erhielt er noch 2 Salve Garden für Boegendorf und Dirsdorf. Ganz konnte die Noth dadurch wol nicht abgewendet werden, wie denn den 26. Septembris gleich nach dem AbendMahl die Cosacken in Ober-Peile einfielen und in der Geschwindigkeit (denn die Preußen waren hinter ihnen drein) plünderten und unter andern den Herrn von Mittel-Peile 10 Pferde wegtrieben. Sein Verwalter aber forschte sie aus, bekam sie wieder und mußte mit zusehen, wie die Cosacken nebst ihren Popen dafür mit Potocken102 bestraft wurden. Der König marschirte zwar den 28. Septembris auf einer Seite über Gerlachsdorf nach Töppliwoda, die Käyserlichen Husaren aber und die Cosacken, die bey Kloitsch stunden, ließen [406] sich dadurch so wenig als durch die Salve Garden abhalten, einmal in Peile einzufallen und zu plündern, und da sie sich den 1. Octobris (an welchem Tage auch Schweidnitz überrumpelt wurde) nach Reichenbach zurück zogen, hörte doch das Fouragiren103 noch lange nicht auf, bis die Convention wegen des Winter-Quartiers zu stande kam, da denn Peile in den Käyserlichen Canton kam. 197 198 199 100 101

Das Diarium der Gemeinde Gnadenfrei zitiert den Wortlaut der Resolution vom 11. August 1761. Zacharias Czernischef (1761/1764), russischer General. Freiburg (poln. Ṡwiebodzice), Kreis Schweidnitz. Johann Conrad Ultsch (G 1733), Schuhmacher, 1755 in die Brüdergemeine aufgenommen. Gustav Ludwig von Hastfer (1724–1774), Soldat in Schwerden, 1747 in die Brüdergemeine aufgenommen, in der Forstwirtschaft von Trebus tätig. 102 Konnte nicht nachgewiesen werden. 103 das Beschaffen von Futter und Lebensmitteln.

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§ 123. Von besondern Vorgängen in der Gemeine finde ich vom Jahr 1761 nichts besonders angemerkt, als daß den 8. Januarii Samuel Krausens104 von Gnadenberg auf eine Zeitlang im Ehe-Chor zu dienen und den 24. Januarii die Gustel Gersdorfin105 von Herrnhuth an der Leidebachin Stelle als Mägdgen Arbeiterin hergekommen, wie auch, daß Geschwister Schmids im Juni die Diaspora in Bresslau und im Oelsnischen, die sich seit kurzen und unter allen Druck sehr vermehrt, besucht haben. Bey aller Angst und Unruhe war die Gemeine in der Feyer der Feste wie auch der AbendMahle ungestört geblieben. An den Gemein Tagen hatte es nie an Nachrichten gefehlt, und die heiligen Engel hatten die Boten immer durchgebracht. Die Professionisten hatten volle Arbeit gehabt und waren auf ihren Reisen durch die gegenseitige Posten glücklich durchgekommen. Nur die armen Dorf-Geschwister waren oft von den Versammlungen, sowie die Diaspora vom Besuch abgehalten und durch Einquartirung, Ordonanzen, Steuren, Schanzen [407], Fouragiren und zum Theil Plündern sehr mitgenommen worden. Alles seufzete nach den lieben Frieden: es mußte aber noch ein hartes Jahr ausgestanden werden. § 124. Das war das Jahr 1762. Das gefährlichste für Gnadenfrey. Bis in den Februar wars ruhig, da man Croaten nach Peile bekam, welche den 24. Martii abzogen, da zugleich die Rußen nach der Kayserin Elisabeth106 Tode die Kayserliche Armee verließen und aus dem Glätzischen über Habendorf nach Striegau defilirten.107 Die Theurung machte zwar viele Noth, der Scheffel Korn galt 12 rt. und das Gerüchte, daß nach des Käysers Peters III. Tode108 die Rußen von neuen gegen die Preußen agiren würden, machte die vorige Angst wieder rege. Diese verschwand, als den 20. Mayi der Friede mit Russland in Bresslau publicirt wurde. Und nun vereinigten sich die Rußen nach ihrn Herzens-Wunsch mit den Preußen und halfen ihnen die Kayserlichen aus dem Gebirge vertreiben. Diese satzten sich auf der Eule, den höchsten Berg bey Peterswalde. Der König belagerte im Juli Schweidnitz, sein Haupt-Quartier hatte er zu Bögendorf und im August in Peterswalde, der Prinz von Würtemberg109 stand bey Habendorf, der Herzog von Bevern110 besetzte den 13. Augusti den Fischer Berg, eine halbe Stunde von Gnadenfrey auf der Nord Seite. Der Käyserliche General Beck111 stand eben so weit von Gnadenfrey auf der Süd Seite 104 ���������������������������������������������������������������������������������������� Samuel Krause (1710–1777), Schuhmacher, Diasporaarbeiter, 1738 in die Brüdergemeine aufgenommen, verheiratet mit Rosina, geb. Schindler (1713–1769). 105 ������������������������������������������������������������������������������������ Augusta Erdmuth von Tschirschky, geb. Gersdorf (1736–1765), Tochter von Siegmund August von Gersdorf (1702–1777), heiratet 1763 Ernst Sigismund von Tschirschky (1733–1774). 106 Elisabeth Petrowna (1709–1762), Zarin von Russland. 107 vorbeimarschieren. 108 Peter III. Feodorowitsch (1728–1762), Zar von Russland. 109 Friedrich Eugen (1732–1797), Herzog von Württemberg. 110 August Wilhelm (1715–1781), Herzog von Braunschweig-Bevern. 111 Philipp Levin Beck (1720–1768), österreichischer General.

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bey Kloitsch. Am 15. Augusti [408] war der Herzog von Bevern mit den Rußischen Gesandten, Fürst Repnin,112 und mit den General Ziethen113 und Lentulus in Gnadenfrey. Der Ort war voller Preußen, die Brod kauften. Die Käyserlichen wolten Schweidnitz entsetzen und in der Absicht zuerst die Preußen vom Fischerberg delogiren. Zu dem Ende rückte die Daunsche Armee in der Nacht zum 16. Augusti aus den Bergen hervor, conjungirte sich bey Weigelsdorf mit dem Beckschen Corps und bezog ihr Lager längst der Peile auf den Habendorfer, Schönheider und Kloitscher Hügeln. Die Preußen stunden den Vormittag noch auf den Mittel-Berg und scharmutzirten mit ihnen eine 4tel stunde von Gnadenfrey. Den Nachmittag zogen sie sich durch Peile zurück, und die Kayserlichen besetzten die Höhen auf der Südseite von Gnadenfrey. Alle Anstalten waren zur Schlacht gemacht. In einer Conferenz wurde beschloßen, die Schwestern mit ihren Kindern ins ledige Schwestern Haus zu nehmen und die Brüder zur Wache in und außer den Häusern zu bestellen. Um 2 Uhr nachmittags rückten die Kayserlichen an und suchten den Beverschen Corps von der rechten und linken Seite in die Flanquen zu fallen. Dieses Maneuvre machte, daß sie nicht grade zu durch Gnadenfrey und Peile, sondern oben weg marschirten, um den Preußen von Gerlachsdorf her in den Rücken zu kommen. Abends um 4 Uhr nahm die Canonade ihren Anfang. Die Kayserlichen Canonen stunden auf den Creutzberg gleich hinter der Ober-Peilschen Kirche und hinter Kühnels114 und Büttners115 Bauer Hofe, dicht vor Gnadenfrey. Man sahe beyde Armeen in Schlacht-Ordnung stehen und das Pfeiffen und Knallen der Canonen, das Wiehern und Geschrey der Pferde und Menschen machten ein fürchterlich [409] Getöse. Die Preußen litten auf der linken Flanque, die Gnadenfrey am nächsten war, das meiste, bis ihnen der König von Peterswalde zu Hülfe eilte, da sich denn die Käyserlichen ins Lager bey Habendorf zurück zogen. Man konnte es für nichts anders als ein Wunder ansehen, daß Gnadenfrey nichts gelitten und keine Kugel in den Ort getroffen. Hernach fand man viele Canonen-Kugeln im Teich, auch eine im Abzug beym Gemein Logis. Der General Beck schickte währender Attaque einen Secretair ins Brüder Haus mit der Versicherung, daß kein Mann nach Gnadenfrey kommen solte. Und nach der Schlacht ließ der Herzog von Bevern dem General Beck ein Danksagungs Compliment machen, daß er Gnadenfrey menagirt116 habe. Es wurde zwar den 17. Gestalt zu einem neuen Angrif gemacht, es kam aber nicht dazu. Die Preußen besetzten wieder die Süd-Seite von Gnadenfrey und schoßen (?) victoria, welches die Käyserlichen auch thaten, und die Gemeine verrichtete ihre Danksagung auf den Knien unter vielen Thränen. Man hatte desto mehr Uhrsach dazu, da die Kayserlichen auf ihrer Raitirade117 ins Gebirge plünderten, welches auch die 112 Nikolai Wassiljewitsch Repnin (1734–1801), Fürst, Generalfeldmarschall der kaiserlichen ­Armee. 113 Hans Joachim von Zieten (1699–1786), preußischer Reitergeneral. 114 David Kühnel (G 1710), Dreschgärtner in Peilau. 115 Konnte nicht nachgewiesen werden. 116 geschont, verschont. 117 Retirade, Rückzug.

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Schlacht bei Reichenbach am Fischerberg, oberhalb von Gnadenfrei, am 16. August 1762. ­Abbildung bei Ludwig Müller: Abris der drei Schlesischen Kriege zur Erklärung einer Kupfertafel, auf welcher sechs und zwanzig Schlachten und Hauptgefechte abgebildet sind. Potsdam 1786, Anhang.

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Bieler erfuhren. Das war der ängstliche und gefährliche 16. Augusti 1762, der seitdem alle Jahr als ein Dank-Fest angesehen worden.118 Nach diesem hatte man vielen Besuch von Officiers, sonderlich am 24. Augusti vom Prinzen von Preußen119 in Begleitung des Herzogs von Bevern, dem es hier sehr wolgefiel und es dem König zu rühmen wußte. Letzterer nahm den 10. Septembris sein Quartier auf dem Schlössel und besuchte den 19. die Predigt. Den 9. October wurde Schweidnitz eingenommen, [410] und nun ging die Armee vom Fischerbergg in die Quartiere. In die Peile wurde[n] 10 Batalion Infanterie und 2 Regimenter Dragoner verlegt, so daß in manches Haus bis 70 Mann kamen. Gnadenfrey blieb abermals frey, obgleich einige Lust dahin bezeugten. Sie marschirten zum Theil ab, da der Konig mit seiner Armee den 31. Octobris von Peterswalde aufbrach. Dieses Dorfh verlor den 9. Novembris durch Unvorsichtigkeit im Feuer 51 Häuser.120 Das Gemein Logis bekam den 1. Decembris das erste und letztemal Einquartierung von 5 Husaren, die als eine Post da liegen solte. Auf Vorstellung aber beym Prinzen von Würtemberg, der im Schlossel lag, mußten sie sich den 11. Quartier im Dorf suchen. Von dem an hatte man in Gnadenfrey und Peile Ruhe, bis zum Anfang des Jahres 1763 ein Frey-Battalion in Peile zu liegen kam. Und ehe man sichs versahe, wurde man den 18. Februarii mit der Post erfreut, daß ein Officier mit 2 Feldjägern und 10 Postilions dem Herzog von Bevern zu Reichenbach die Nachricht von dem den 15. Februarii zu Hubertsburg121 geschloßenen Frieden überbracht habe. Die Loosung122 hieß: Weil die Elenden zerstört werden und die Armen seufzen, will ich auf, spricht der HErr.123 Du bist ihr Beystand in all ihren Nöthen und ihr Heiland, der sie kann erretten.124 Das gab ein fröliches Friedens-Fest, welches den 10. Martii in Bresslau und den 13. im Lande und auch in Gnadenfrey gefeyert wurde.125 Die Predigt wurde über Ps. 29, 10 etc. gehalten: Der HErr bleibet König etc. und die Loosung126 g h

vom Fischerberg über der Zeile eingefügt. Dieses Dorf korrigiert aus Dirsdorf.

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Diarium der Gemeinde Gnadenfrei unter diesem Datum. Heinrich (1726–1802), Prinz von Preußen, Bruder Friedrichs II. (1712–1786). So im Diarium der Gemeinde Gnadenfrei zum Datum. Hubertusburg, Kreis Torgau-Oschatz. Losung vom 18. Februar 1763 nach dem Losungsbuch: „Weil die Elenden verstöret werden und [...]“. 123 Ps 12,6. 124 Etwas vom Liede Mosis [...]. London 1753. [Londoner Gesangbuch], Teil 1, Nr. 129, 10 aus dem Lied von Jan Augusta (um 1500–1572): „O wie sehr lieblich sind all deine Wohnung“. Vgl. Gesangbuch der Evangelischen Brüdergemeine, 2007, Nr. 626, 5. 125 ������������������������������������������������������������������������������������������ Beschreibung im Diarium der Gemeinde Gnadenfrei. Es wurde ein „Psalm“, das heißt eine Kantate „mit voller Music“ aufgeführt, ein „von unserm Organisten Geißler [ Johann Christian Geisler (1729–1815)] unvergleichlich componirter und von einem durchdringenden Wehen begleiteter Psalm“, der in vollem Wortlaut zitiert wird. 126 Losung vom 13. März 1763. Ps 45,12.

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hieß: aEr ist dein HErri und du solst ihn anbeten. Statt der Nachmittags Predigt über Jer. 29, 11 – Capitel 33, 6 wurde bey den Agapen ein Dank-Psalm angesungen und hernach die Nachricht von [411] den Kriegs Jahren vorgelesen, und den 20. Martii der Kelch der Danksagung ausgetheilt. Den Tag drauf hatte man die Freude, den König auf seiner Reise nach Frankenstein mit einer Sonate auf Posaunen, die auf den Mittelberg stunden, zum Frieden zu gratuliren. Er ließ mit Fleiß ganz langsam fahren, und da er vorbey kam, dankte er mit Abziehung des Huts und Verbeugung auf eine gnädige Weise.127 § 125. In der Gemeine gingen im Jahr 1762 keine sonderbare Veränderungen vor, als daß den 2. Octobris die Pflegerin der Wittwen, Anna Zipfelin, heimging, und die bisherige Vorsteherin Dorothea Elisabeth Rostin an ihre Stelle kam und die Gebauern128 Vorsteherin wurde, ingleichen, daß die Diaspora im Oelsnischen, die im Kriege bey der Einquartirung der Rußen viel Angst, aber auch manche Bewahrung ausgestanden und dabey doch nicht ganz den Besuch aufgehoben, im April ihr Leit-Schaf Bruder Nitschke129 zu Schickerwitz durch den Tod verlor, und daß der Bruder Reinhold130 aus Ober-Peile mit seinen Sohn bey einem Ochsen-Wagen auf dem Feld den 9. Junii vom Blitz getödtet worden. Ich komme also zum Jahr 1763, da viel merkwürdiges vorgefallen. Das erste betrift die Schlesische Kirchen Sache ins Ganze. Der König wolte nach den Frieden Neusalz wieder hergestellt haben. Man ging sehr ungern an diesen kostbaren Bau in einer Gegend, wo keine Erweckungen sind, und zu einer Zeit, da man die Noth der Unitaet am meisten fühlte. Man erinnerte sich, daß Neusalz eigentlich [412] dem Königlichen Willen zu Folge, wiewol nicht ohne Approbation des Heilands gebaut worden, um die vom Heiland in Schlesien intendirte Sache desto leichter zu erhalten und ihr Protection zu verschaffen. Man wußte, wie schwer es mit den ersten Anbau gegangen und was für Noth man in den ersten Jahren, nicht nur mit den äußern Bestehen, sondern auch mit den innern Gange gehabt. Man erinnerte sich auch, was der Ordinarius eini

Korrigiert über der Zeile aus: Texte.

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127 Das Diarium der Gemeinde Gnadenfrei beschreibt den Vorgang am 21. März 1763 so: „In der 9ten Stunde vormittag sahen wir unsern lieben König auf seiner Reise nach Glaz beym relaix an der Frankensteiner Straße.“ Da der König nicht durch Gnadenfrei fuhr, „bliesen unsre Musici eine Sonata am Mittelberge. Der König fuhr langsam und bogen sich zum Wagen heraus. Sie sahen gnädig und freundlich aus, wie ein alter Vater, dem theils die grossen Strapazen des Krieges, theils das Vergnügen über ein großes gewonnenes Spiel anzusehen waren.“ Unitätsarchiv Herrnhut, Sign. R.7.D.I.b.1.c.1760–1770. 128 Rosina Gebauer, geb. Schinke (1707–1788), 1726 verheiratet mit Christian Gebauer († 1760), zogen 1743 nach Gnadenfrei. 129 Konnte nicht nachgewiesen werden. 130 Christian Reinhold (1712–1762). Kirchenbuch Gnadenfrei. Unitätsarchiv Herrnhut, Sign. Kirchenbuch 071.

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malk geäußert: Wenn Neusalz nur 12 Jahr stünde (und die hatte es von 1746 bis 1758 gestanden), so wäre die Absicht des Heilands damit erreicht.131 Weil aber Neusalz bisher als der Schutz-Ort für die Schlesische Sachem angesehen worden; so konnte man es nach eigenem Gutfinden nicht liegen laßen, und da man es vor den Heiland brachte, so hieß es132: es sey dem Heiland an der Restitution von Neusalz was gelegen: Zuerst aber wolte man die Beschwerden über die vielen Beeinträchtigungen gegen den klaren Sinn der bisherigen Concessionen abgethan haben und zugleich eine Declaration erhalten, daß man die Brüder für Augspurgische Confessions Verwandte erkenne, und endlich versuchen, ob der vom seligen Ordinarius 1743 und 1744 vergeblich gesuchte Nexus mit dem Lutherischen Clero nicht noch erhalten, wenigstens der Lutherische Tropus und die Diaspora wie in Sachsen stabilirt werden könnte. Zu dem Ende wurde Bruder Köber133 zum Deputato nach Berlin ernannt. Bruder Abraham Gersdorf134 als vormaliger Deputatus mußte zur Einsicht in die Sache die oftgedachte Historische Nachricht von dem Verlauf der Schlesischen Kirchen-Sachen135 für demselben ausfertigen und sein [413] Gutachten beyfügen. Dieses fiel dahin aus: Daß zwar beym ersten Gesuch der Schlesischen Sache (in Ansehung der Exemtion vom Consistorio) ein Versehen gemacht worden, welches der Ordinarius unter gewißen Modificationen zu redressiren gesucht; da es aber von den Theologis nicht angenommen worden, so sey die Schuld der Trennung nicht uns, sondern ihnen beyzumeßen. Im Londonschen Synodo 1749 sey nach einer Anweisung des Heilands declarirt worden: „Die Schlesischen Gemeinen haben nichts übrig, als sich platt für Mährisch zu declariren und vom Lutherischen Tropo nunmehro ganz abzusehen.“ Nach Gersdorfs Meinung war die Veränderung der Brüder Verfaßung in Schlesien weder nöthig noch nützlich und wol gar impracticabel und könnte, ohne die Gemeinen darüber zu fragen, nicht vorgenommen werden. Die Schlesischen Gemeinen wären auch nicht unfruchtbar in der Lutherischen Kirche, wie die Diaspora um Gnadenfrey zeige, welche auf eine den Umständen gemäße Weise behandelt werden müßte. Der Lutherische Tropus sey nicht in Schlesien, sondern in Lellichow,136 welches die Churmärksche Cammer den Brüdern zu bauen angetragen, zu stabiliren und von daher eine gute Wirkung auf die Schlesische Geistlichkeit zu erwarten. Man solte also nur in Ansehung der bisherigen Beeinträchtigungen Sicherk m

Korrigiert aus: nunmehr. Korrigiert aus: Gemein Sache.

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131 Konnte nicht nachgewiesen werden. 132 nach in einer Befragung durch das Los. 133 ������������������������������������������������������������������������������������� Johann Friedrich Köber (1717–1786), Jurastudium, 1747 von Nikolaus Ludwig von Zinzendorf (1700–1760) für die Gemeinde von Graf von Gersdorf erbeten, 1751 Syndicus der Unität. 134 (Wolf Caspar) Abraham von Gersdorf (1704–1784), 1745 Senior civilis, 1752 Kanzler der Advocatie der Brüdergemeine, ordnete 1765/66 mit Böhler das Archiv der Brüderunität in Zeist. 135 Unitätsarchiv Herrnhut, Sign. R.5.B.12.b.1. 136 In der Priegnitz, vgl. Unitätsarchiv Herrnhut, Sign. R.5.B.13.

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heit fürs künftige suchen. Diese bestünden Hauptsächlich darinn: 1.) daß man uns seit 1749 fast in allen Rescripten eine Secte, ja wol eine dem Lande schädliche Secte genannt, 2.) im Codice Friderico in eine Classe mit den Juden etc. gesetzt, 3.) gegen die deutlichen Worte der Concession 1746 Leute, die aus [414] eigener Ueberzeugung sich zur Gemeine gehalten, als Proselyten angesehen, und die Gewißens-Freyheit nur auf die Einkömlinge einschränken wollen. 4.) daß man, ohne uns nach der Concession 1746 die Klagen erst zu communiciren, uns auf einseitige Vorstellung gleich condemnirt, wie bey der Einziehung des Bethauses in Rösnitz geschehen. 5.) daß man den Prediger in Biele137 wegen der Connexion mit uns und einen andern, der uns nicht verketzern wollen,138 abgesetzt und 6.) einen andern139 damit bedrohet, weil er seinen Sohn in Gnadenbergischen Pædagogio erziehen laßen. 7.) daß man Adelichen Brüdern nicht anders als gegen einen unanständigen Revers erlauben wollen, Güther zu kaufen; nicht zugedenken der unbilligen Proceduren gegen die Stettinschen Brüder. § 126. Köber reiste also mit Vollmacht und Instruction der damaligen Engen Conferenz140 oder Directorii im Juni nach Berlin ab und hatte zugleich Auftrag wegen des Antrags zu einem Anbau der Brüder auf der seit dem 30 jährigen Kriege wüsten Feld-Mark zu Lellichow in der Priegnitz mit der Churmärkischen-Cammer weiter zu tractiren. Von seiner Negotiation kann ich nichts insonderheit beybringen, da mir die Umstände unbekant sind und die Acta fehlen.141 Er kam damit, ehe man sichs vermuthet, zu Ende, und erhieltn die den 18. Julii 1763 vom König und dem Ministre Herzberg142 unterschriebene Erneuerte Concession,143 des Inhalts: „Nachdem das Directorium der sich zur Augspurgischen Confession bekennenden Evangelischen Brüder Unitæt durch ihren Syndicum [415] (...) sich bereitwillig erkläret, nicht allein den verwüsteten Brüder Gemein-Ort Neusalz wiederum herzustellen, sondern auch einen dergleichen neuen Brüder Gemein-Ort auf der wüsten Feldmark zu Lellichow (...) anzulegen, dabey aber gebeten, daß Wir die denselben bereits unterm 25. Decembris 1742 und 7. May 1746 n

Korrigiert aus: erklärt.

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137 Abraham Conrad (1716 – nach 1750), 1739 Pfarrer in Hermsdorf, 1742–1748 in Langenbielau, dann ohne Amt in Lauban und Sachsen. 138 ���������������������������������������������������������������������������������������� Gottlieb Eberhard Walter (1721–1796), 1743 Pfarrgehilfe in Peterswaldau, 1745–1758 Pfarrer in Ober Panthenau, 1758–1793 in Küpper, Kirchenkreis Lauban (s. II. Teil § 115). 139 Johann Christoph Rothe (1709–1764), 1742–1746 Pfarrer in Ludwigsdorf, 1746–1764 in Dirsdorf. 140 So nannte sich die Leitung der Brüderunität vom 21. Januar 1762 bis zur Synode von 1764. 141 Die Verhandlungen Johann Friedrich Köbers (1717–1786) sind ausführlich dokumentiert in den beiden Bänden Unitätsarchiv Herrnhut, Sign. R.5.B.11 und R.5.B.12. 142 Ewald Friedrich von Hertzberg (1725–1795). 143 Das Original liegt im Unitätsarchiv Herrnhut, Sign. R.1.D.1.c. Vgl. den vollen Wortlaut in der Einführung.

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ertheilte Concessiones erneuern und bestättigen, auch die Brüder Gemeinen und ihre Mitglieder wieder die (...) angezeigten Beeinträchtigungen sicher stellen möchten; so erneuren und bestättigen Wir (...) obgedachte Concession (...) und versichern, „daß sie (...) bey der Gewißens-Religions- und Kirchen-Freyheit (...) gehandhabet und gegen alle dawider laufende Beeinträchtigungen (...) geschützt werden sollen. (...) dagegen die Brüder Unitæt sich den Vorschriften (...) in gedachten Concessionen gemäß bezeigen und sowol die Etablirung zu Neusalz als eines neuen Brüder Gemein-Orts zu Lellichow sobald als möglich zu bewerkstelligen hat“ etc. etc. Ich will nur noch dieses hinzu thun, daß im Synodo 1764 nicht nur die Deputirten der Schlesischen, sondern auch anderer Gemeinen manches bey der Verhandlung in Berlin erinnert, z. E. daß man mit dieser Concession nichts weiter als den Namen der zur Augspurgischen Confession sich bekennenden Brüder, aber nicht die Erörterung und Abtuung der Beschwerden erhalten und daß man versprochen, auf Kosten der Unitæt massive und also viel theurere Häuser als vormals zu bauen und dazu von der Cammer weniger, als man vermuthet, bekommen habe. Was endlich Lellichow betrift, so wolte das General Directorium in Berlin nicht alle von der Cammer [416] vorgeschlagene Freyheiten concediren und endlich wurde der Anbau vom König gänzlich abgeschlagen. § 127. Das zweyte merkwürdige vom Jahr 1763 ist die große Visitation144 vieler Glieder der Engen Conferenz in Gnadenfrey im August September und November145 und die vor und nachgehende Veränderung vieler bisherigen Arbeiter. Schon am 22. Martii reiste die Maria Magdalena ihren Ruf nach America zu Folge aus den Schlesischen Chören ab. Ihr folgte den 12. Aprilis die Gustel Gersdorfin,146 die bald darauf an Ernst ­Tschirschky147 vermählt wurde. An ihre Stelle kam den 1. May die Marie Leidebachin als der Wettsteinin Gehülfin bey den ledigen Schwestern. Geschwister Kohlers reisten den 26. Aprilis nach 15 jährigen treuen Dienst theils als Kinder Eltern, theils nach Peters Abreise beym Ehe-Chor nach Klein-Welke ab, und die jüngst verheyrathete Geschwister Joachim Meyers148 von Herrnhuth kamen an ihre Stelle beym Ehe-Chor. Und weil Bruder Kohler sich auch des Aeußerlichen mit angenomen hatte, so bekam nun

144 �������������������������������������������������������������������������������������� Diarium der Gemeinde Gnadenfrei. Die Mitglieder der Engen Konferenz reisten am 27. August 1763 an und blieben zunächst bis zum 15. September 1763. Das Diarium nennt folgende Namen: Johannes und Benigna [von Wattewille], Joseph [Spangenberg] und seine Ehefrau [Martha Elisabeth, geb. Jähne], Koeber, Jorde, Voelcher, Quandt, Praetorius, Zimmer und Wagner. Ebd., Sign. R.7.D.I.b.1.c.1760–1770. 145 Der Bericht von Cranz weiter unten. 146 Augusta Gersdorf, verh. von Tschirschky (1736–1765). 147 Ernst Sigismund (1733–1774) von Tschirschky und Boegendorff, Heirat 1763. 148 Joachim Meyer heiratete 1762.

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die Gemeine den 21. Junii an Bruder Wallis149 einen eigenen Vorsteher. Den 26. Junii reisten Geschwister Schmids mit Herr und Frau v. der Heide150 zum Besuch nach Herrnhuth, und Bruder Clemens151 kam den 27. Junii hieher zum Besuch. Dieser kam nach der Visitation den 9. Novembris als Prediger hieher und Schmids reisten den 16. Novembris aufs Bergel,152 nachdem sie im October ihren ersten Besuch in Rösnitz gemacht und der hiesigen Gemeine und Gegend 14 Jahr mit großen Segen gedient hatten. [417] Die ledigen Brüder verloren den 15. Septembris ihren 12 jährigen gesegneten Vorsteher Jacob Kolesch, der nach Gnadenberg kam und Bruder Gebauer153 succedirte ihm. Der schwache Doctor Ritter154 bekam den 27. Decembris den Bruder Wredow155 aus Zeist zu seinem Gehülfen in Bedienung der Kranken, welches unter seinem Namen und Dirėction geschehen mußte, wie denn auch die Apotheck auf seinen Namen stund. § 128. Was nun die Visitation selbst betrift, so war dieselbe um so nöthiger, da die Gemeine und ihre Diener mit ihrem Orts-Herrn, den Bruder v. Heithausen wegen allerley vermeintlichen Eingriffen von beyden Seiten in ihre Rechte und Grenzen gänzlich zerfallen waren und keine Conferenz, in denen der Ortsherr mit saß, ohne Zerrüttung und Nachtheil für die Gemeine gehalten werden konnte. Worinnen die Beyderseitigen Beschwerden, die sich mehrentheils auf Argwohn und Verhetzung gründeten, eigentlich bestanden, finde ich nicht angezeigt. Der Herr dachte, die Einwohner wolten sich aller Unterthänigkeit entziehen, und diese glaubten, er wolle sie als Erb-Unterthanen wie im Dorf behandeln, in ihrer Wohnung einschränken und mehr haben, als sie schuldig und vermögend waren zu geben. Um den Frieden und die Ordnung wieder herzustellen, sandte die Enge Conferenz die Brüder Johannis und Spangenberg156 ab. Sie kamen den 27. Augusti mit Bruder Waiblinger an, und den 3. Septem149 Johann Georg Wallis (1720–1776), 1740 in die Brüdergemeine aufgenommen, 1764–1767 in Gnadenfrei, 1774 Missionar in Salem (North Carolina). 150 Johanna Elisabeth von der Heyde (Heide), geb. von Kittlitz (G 1709). 151 Gottfried Clemens (1706–1776), Theologe, 1735 Hofprediger bei Graf Heinrich XV. Reuß, 1738 bei Graf von Promnitz in Sorau, 1745 in Ebersdorf, 1750 Direktor des Theologischen Seminars und Schlossprediger in Barby, 1763–1771 Prediger in Gnadenfrei. 152 Gnadenberg (poln. Godnów). 153 �������������������������������������������������������������������������������������� Johann Christian Gebauer (1728–1785), Kürschner und Schuhmacher, 1745 in die Brüdergemeine aufgenommen, 1752 Aufseher der Knaben in Gnadenfrei, 1763 Vorsteher der ledigen Brüder, 1765 als Diaconus ordiniert. 154 Johann Jacob Ritter (1714–1784), nach einem sechsjährigen Medizinstudium war er Leibarzt beim Fürst Homberg von der Höhe (1673–1746), dann vier Jahre bei Burggraf von Riedesel in Lauterbach, wurde 1748 in die Brüdergemeine aufgenommen, war von 1751 bis zu seiner Emeritierung aus gesundheitlichen Gründen 1764 Arzt in Gnadenfrei. 155 Johann Friedrich Wredow (1719–1782), Medizinstudium in Halle an der Saale, 1743 in die Brüdergemeine aufgenommen, seit 1763 bis zum Tod Arzt in Gnadenfrei, 1764 verheiratet mit Maria Magdalena, geb. Grünewald (1732–1798). 156 August Gottlieb Spangenberg (1704–1792), Bischof.

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bris kam Seidlitz mit Köbern dazu. Johannes beschäftigte sich anfänglich mehrentheils [418] mit Versammlung halten und mit dem Sprechen der Geschwister in allen Chören, und Bruder Spangenberg und die übrigen mit Durchsehung der äußern Umstände. Indeßen machte Köber einen Aufsatz eines Recesses zwischen dem Herrn und der Gemeine, und wegen Erweiterung und Bestimmung des Gemein-Landes,157 welcher den 12. Septembris einer Conferenz und den 13. den Haus-Vätern und den Vorgesetzten in den Chor-Häusern vorgelesen und approbirt wurde, worauf noch denselben Abend die Grenzen abgesteckt wurden. Zugleich wurde die bisherige Helfer-Conferenz bis auf weiter aufgehoben und dagegen den 14. eine Oeconomats Conferenz angefangen. Nachdem Johannes denselben Abend noch mit den Adelichen Geschwistern eine gesegnete Conferenz über ihr Verhalten als Glieder einer Gemeine und Bürger von Gnadenfrey gehalten, so trat er mit seiner Gesellschaft die Rückreise nach Herrnhuth an. § 129. Nachdem in der Engen Conferenz der in- und äußerliche Status von Gnadenfrey reiflicho erwogen worden, kam Bruder Spangenberg den 9. Novembris mit Clemens wieder her, um die Resolutionen derselben ins Werk zu setzen. Das erste war, daß den 11. Novembris die neu eingerichtete Helfer-Conferenz von 46 Personen und den 12.  Novembris das Stunden-Gebet wieder gehalten wurde. Den 14. Novembris wurde das Gemein-Gericht eingerichtet und den 20. kam außer der Helfer Conferenz auch die Aeltsten- und die Vorsteher Conferenzen zu stande. [419] Spangenberg hielt den 28. eine besondre Conferenz mit den Orts Herrn wegen beßerer Einrichtung der äußern Status und conferirte auch mit den Fabricanten und Professionisten wegen ihre Arbeit und deren Absetzung. Das neu begränzte Gemeinland wurde den 1. Decembris in kleine Lots getheilt und verpachtet, der Gotts Acker mit 10 Ellen auf jeder Seite erweitert und im Frühling des folgenden Jahrs mit einer grünen Hecke eingefaßt und mit dem Portal versehen, mit der Aufschrift auf der äußern Seite: Ihr Geist ging zur Gemeine, und auf der andern Seite: Hier ruhet ihr Gebeine. Dem Orts Herrn wurden den 3. Decembris die Schöppen oder Gerichts-Männer (eine neue Einrichtung in Gnadenfrey) paesentirt und durch den Handschlag in Pflicht genommen, es waren Gottfried Köhler,158 Gerichts-Schreiber, Johann Peter Fritsch,159 Johann Gottlieb Rösler160 und Johann Georg Hilbert.161 Dieses wurde den 4. der Geo

Korrigiert aus: reichlich.

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157 Johann Friedrich Köbers (1717–1786) Rezess am 12. September 1763. 158 Gottfried Köhler (G 1719), Gerichtsschreiber und Zolleinnehmer. 159 Johann Peter Fritsch (1710–1773), Mitglied des Aufseher-Collegiums. 160 �������������������������������������������������������������������������������������������� Johann Gottlob Rösler (1710–1780) aus Egelsdorf bei Friedberg, Stricker, Mitglied des Aufseher-Collegiums. 161 Johann Georg Hilbert sen. (1696–1774), Raschweber oder Johann Georg Hilbert jun. (G 1732), Raschfabrikant.

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meine in einer Policey-Versammlung bekannt gemacht und der Unterschied vom Gemein-Gericht gezeigt, mit einer Ermahnung aller weltlichen Ordnung p unterthänig zu seyn. Den 12. wurden die Versammlungen in der Woche so eingerichtet, daß Dienstags und Donnerstags in der Dunkeley nur die AbendMahls Geschwister zu einer Liturgie und Homilie, die übrigen Tage aber jedermann zur Lection aus den Reden zusammen kämen, und daß die Eheleute am Sonntag und Donnerstag Chor-Abendsegen hätten, welches noch so continuirt, außer daß man zu [420] einigen Wochen Liturgien nun auch die Aufgenommenen kommen läßt. An den Monatlichen Gemein Tage war einige Jahre her die Predigt ausgefallen, damit man desto mehr Nachrichten lesen möchte, wodurch aber die Menge der fremden Zuhörer irre in der Zeit wurden und nebst manchen Geschwistern, die von den Nachrichten nicht viel Begrif haben, gar weg blieben. Dieses wurde nun geändert und alle Sontag Predigt gehalten. Man bemerkte eine neue Bewegung in den umliegenden Dörfern, und die Leute kammen mit Haufen, das Evangelium zu hören. Und da man bisher nicht recht gewußt, welche Leute man ohne Anstand in die Gemeine aufnehmen könnte, so war in einer Conferenz den 8. Decembris festgestellt worden, solche Leute, die Kinder der Geschwister sind und in der Gemeine getauft worden, auch solche, die zu keinem Bethaus gehörenr und sich immer zu unsern Bethaus gehalten haben, als Gemein Glieder zu behandeln; die aber an Kirchen und Bethäuser gebunden sind, oder deren Herrschaften den Besuch der Arbeiter nicht erlauben, an ihre Kirche zu verweisen und sie als Diaspora zu behandeln. Die in Herrnhuth revidirte Gemein-Statuten162 kamen den 9. Decembris an und wurden den 20ten den neu eingerichteten Gemein-Rath, bestehend aus allen verheyratheten Brüdern und Wittwern, den Arbeitern, Meistern und Stuben-Aufsehern des Brüder Chors und den Pflegern, Vorstehern und bemittelten Personen der übrigen ledigen Chöre, publicirt, [421] mit der Erinnerung, daß, wer gegen einigen Punct etwas zu erinnern hätte, es anbringen solte. Sie wurden approbirt und den 27. Decembris in einer Conferenz mit den Adelichen auch ihr Einverständniß damit vestgesetzt.*

*

Nur einer, der Uhrmacher Hunderstund, widersetzte sich und mußte darüber den Gemein Ort meiden. Er sahe sich in Bresslau nach einer Wohnung um, wurde krank und ging [den] 30. Junii daselbst als ein reuiger Sünder aus der Zeit.

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Gestrichen: Obrigkeit. Für gestrichen: gehalten haben.

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162 �������������������������������������������������������������������������������������� Das Diarium der Gemeinde Gnadenfrei bemerkt dazu: Am 9. Dezember 1763 „trafen die Brüder Carl Siegmund von Seidlitz und [Gottfried?] Fleischer von Herrnhut an. Wir bekamen mit ihnen die in Herrnhut für unsern Gemein-Ort verfertigte Statuten, welch auch sogleich der Aeltesten-Conferenz communiciret wurden.“ Unitätsarchiv Herrnhut, Sign. R.7.D.I.b.1.c.1760– 1770. Der Entwurf dieser Statuten ist abgedruckt in Meyer, Max: Berufen zur Verkündigung. Ein Herrnhuter Beitrag aus Peilau, Gnadenfrei, Niesky und Gnadenfeld zur Geistes- und Kulturgeschichte Schlesiens. Bearb. und hg. v. Gerhard Meyer. München 1961, 165–172.

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Die Schwester Meyerin163 wurde den 26. Decembris und Busse164 den 13. Januarii 1764 zur Diaconie eingesegnet. Die Kinder wurden auch bedacht. Weil zu wenig Kinder in den Anstalten waren, so wurde den 11. Januarii 1764 die Anstalts-Küche aufgehoben und die Kinder theils aus den Chor-Häusern, theils von ihren Eltern beköstiget. Die Schule in Ober-Peile, die mehrentheils aus der Geschwister Kindern besteht, wurde wie die zu Berthelsdorf getheilt und die Knaben Vor-, die Mägdgen Nachmittag informirt. Und den 21. Januarii wurde den Knaben und Mägdgen Arbeitern befohlen, die Kinder auf den Dörfern fleißig zu besuchen und alle Monat einen Kinder-GemeinTag, vorher aber eine Kinder-Conferenz zu halten, worauf Bruder Spangenberg den 22. Januarii mit jedermanns Zufriedenheit sein Visitations-Geschäfte endigte und nach Herrnhuth abreiste. § 130. Ich finde von diesem Jahr nichts weiter anzumerken, als daß den 21. Aprilis165 abermals 2 Huttersche Brüder aus Ungarn ankamen, die zuerst von einer Marketenderin etwas von [422] den Brüdern erfahren. Sie hießen Johannes Pollmann166 und Andreas Titel167 aus Sabbatisch.168 Sie sagten, daß sie in Schützen169 und Johannishof170 in Ungarn und in Ollwinz171 in der Wallachey auch Gemeinen hätten, aber sehr verfolgt würden und vor 2 Jahren ihre 4 Lehrer, darunter ihr Primarius Walther,172 der mit Dom Decknatel173 in Coresspondenz gestanden, nach Ofen ins Gefängniß geführt worden. Eine Commission habe ihnen ihre Bücher weggenommen und ihr Bethaus verschloßen. Seitdem kämmen sie des Nachts zusammen zu beten. Man fand aus ihren Erklärungen, daß sie bloße Wiedertäufer und zwar von der strengsten Art sind. Den 27. May kamen 2 andere und berichteten, daß die ersten 2 nach ihrer Rückunft gefangen genommen und Catholisch zu werden gezwungen worden.

163 Henrietta Meyer, geb. Müller (1736–1782), nach dem Tod ihres Ehemannes Joachim Meyer (1720–1774) verheiratet mit Martin Mack (1715–1784). 164 Andreas Busse (1734–1806), 1748 in die Brüdergemeine aufgenommen, seit 1753 Chorpfleger in Gnadenfrei. 165 Bericht im Diarium der Gemeinde Gnadenfrei zum Datum. 166 Johannes Pullmann. Es gab zahlreiche Mitglieder mit dem Namen Pullmann, er lässt sich nicht genauer bestimmen. Für die folgenden Angaben zu den Hutterischen Brüdern danke ich Herrn Dr. Martin Rothkegel, Elstal, ganz herzlich. 167 Andreas Titel nicht ermittelt. 168 Sabatisch (slow. Sobotište), bis 1907 Szobotist, in der Westslowakei. 169 Großschützen in der Westslowakei (slow. Vel’ke Leváre). 170 St. Johann an der March in der Westslowakei (slow. Moravský Svätý Ján). 171 Alwinz (rum. Vinţu de Jos). 172 �������������������������������������������������������������������������������������������� Zacharias Walter, 1746–1761 Bischof der Hutterischen Brüder in der Slowakei, seit 1736 Priester in Sabatisch, 1761–1763 in Gefangenschaft. 173 Johannes Deknatel (1698–1759), mennonitischer Pfarrer (Domine).

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Endlich ist auch anzumerken, daß den 13. Septembris just zur Zeit der Visitation noch eine Visitation hier angestellt wurde. Es war der diregirende Ministre Herr v. Schlaberndorf174 in Gesellschaft seines Sohnes und des Kriegs-Raths Michaelis.175 Er sahe sich im Saal, in den Chor-Häusern und Professionen um, bezeugte sein Wohlgefallen und seine Bereitwilligkeit, zur Aufnahme derselben beförderlich zu seyn. [423 vacat]

174 Ernst Wilhelm von Schlaberndorf (1719–1769), preußischer Minister in Schlesien. 175 Friedrich Gottlieb Michaelis (1726–1781), Kriegsrat.

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Fünfter Abschnitt. Vom Zustand der Gemeine vom General-Synodo 1764 bis 1769.

Vom Jahr 1764. § 131. General-Synodus und Folgen deßelben. § 132. Vergeblicher Vorschlag einer andern Einrichtung der Diaspora. Pastor Rothes Tod. § 133. Erweiterung von Gnadenfrey; besonders des Brüderhauses. Einrichtung des Accis-Wesens. Beßere Gesinnung des dirigirenden Ministers. Vom Jahr 1765. § 134. Provincial-Synodus im Schlößel. Zustand der Schlesischen Gemeinen. Des Directorii Gedanken von der Diaspora in Schlesien. § 135. Veränderung der Arbeiter. Visitation. § 136. Nachricht von der Diaspora in Dirsdorf, Schnellewalde, Breßlau. Anerbieten im Oelsnischen. Neue Herrschaft in Peterswalde. Vom Jahr 1766. § 137. Veränderung der Arbeiter. Leonhards Heimgang. § 138. Veränderung der Orts-Obrigkeit. Vergebliche [425] Anstalten zu einer Böhmischen-Colonie, Cyrkew. § 139. Ankauf von Pavlowitzky für die Rösnitzer. § 140. Vermehrung der Gemeine. Zustand und Veränderung der Arbeiter. Vom Jahr 1767. § 141. Veränderung der Arbeiter. Entschluß und Anstalten zum neuen Saalbau. Vom Jahr 1768. § 142. Erbauung und Einweyhung des neuen Saals. § 143. Vermehrung und innerer Zustand der Gemeine. § 144. Pavlowitzky wird besetzt: Die Transferirung aber der Rösnitzer Concession abgeschlagen. § 145. Beßere Einrichtung der Diaspora zu Dirsdorf. Aufnahme einiger Adelichen. Absetzung [für gestrichen Veränderung] des Schulhalters in Habendorf. Druck in Biele. [426]

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§ 131. Das merkwürdigste vom Jahr 1764 war der im Juli zu Marienborn zu haltende GeneralSynodus:1 davon das Ausschreiben der Gemeine den 20. May von dem Bischof Georgius2 und dem Vorsteher Seidlitz,3 die zur Visitation hergekommen, publicirt wurde. Zum Deputirten ward Bruder Clemens4 erwählt und seine Vollmacht den 7. Junii unterzeichnet. Der Orts-Herr und die Adelichen, die Geschwister unter ihren Unterthanen haben, waren auch dazu invitirt worden: sie entschuldigten zwar anfänglich, als aber Bruder Clemens abgereiset, entschloßen sich Heithausens5 und Carl v. Tschirschky,6 auch dahin zu gehen, und verlangten eine besondre Vollmacht von der Gemeine, die ihnen auch nach einigen Bedenken vom Gemeinrath ertheilet wurde. An Bruder Clemens Stelle solte Friedrich Schmid7 im Predigen vicariren; es war aber selten nöthig. Nachdem die Deputirten den 14. Septembris vom Synodo zurückgekommen, wurden dem 16ten der Aeltesten- und Vorsteher-Conferenz und den 18ten der AbendMahls-Gemeine die bekanten 12 Worte8 mit Beugung und Thrähnen bekant gemacht, in den folgenden Tagen erwogen und darüber durchgeredet. Es hatte eine selige Wirkung auf die Herzen, welches man beym Sprechen zum heiligen AbendMahl, das bis zum 30. Septembris ausgesezt und als dann mit [427] besonderer Gnade gehalten wurde, deutlich spüren konte. In diesem Gefühl fing man an, die Synodal-Schlüße auszuführen. Die Pfleger und Vorsteher machten nun eine Aeltesten-Conferenz aus. Das Gemein-Gericht wurde von neuem regulirt und Aufseher-Collegium genant. Zum Gemeinrath, wie er bey der vorjährigen Visitation eingerichtet worden, wurden noch die Vorgesezten aus den Chorhäusern hinzugethan. Der Verlaß des Synodi wurde den 2. Octobris und der Synodal-Schluß wegen des Vermögens-Status den 22ten Novembris der sämtlichen AbendMahls Gemeine publicirt, da die Loosung hies: Das Volk war fröhlig, daß sie freywillig waren.9 1 2. Juli bis 10. August 1764. Synodalprotokoll: Unitätsarchiv Herrnhut, Sign. R.2.B.44.1. 2 Johann Georg Waiblinger (1704–1775), Magister der Universität Tübingen, 1750 Bischof der schlesischen Brüdergemeinen. 3 Ernst Julius von Seidlitz (1695–1766) erwarb 1734 Ober Peilau und veranlasste nach 1740 die Gründung von Gnadenfrei. 4 Gottfried Clemens (1706–1776), Theologe, 1735 Hofprediger bei Graf Heinrich XV. Reuß, 1738 bei Graf von Promnitz in Sorau, 1745 in Ebersdorf, 1750 Direktor des Theologischen Seminars und Schlossprediger in Barby, 1763–1771 Prediger in Gnadenfrei. 5 Georg Ernst von Heithausen (1724–1791). 6 Karl Wilhelm von Tschirschky (1731–1802) auf Mittel-Peilau. 7 Friedrich Schmidt (1724–1805). 8 Die Synodalmitglieder hatten den Eindruck, dass die Leitung die Synode zu geschäftsmäßig abwickele und formulierten in einem besonderen Komitee unter Johannes von Watteville (1718– 1788) zwölf Sätze, die der Selbstprüfung dienen sollten. Satz eins lautet: „Der Heiland hat etwas zu erinnern gegen die schon vor dem Synodo gefaßten Ideen, die man in demselben durchsetzen wollen.“ Die zwölf Worte wurden auch in den Synodalverlass, die Zusammenfassung der Beschlüsse, unter Punkt VIII. übernommen. 9 1 Chr 30,9. Die Losung vom 22. November 1764 heißt vollständig: „Das Volk ward frölich, daß sie freywillig waren: Denn sie gabens von ganzem Herzen dem Herrn freywillig.“

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§ 132. Mit der Diaspora ging auch was vor: Sie hatten die lezten Jahre her am Sonntage eine besondre Versammlung und Liebesmahl gehabt. Dies wurde noch manchmal, weils aber zur Gewohnheit worden, weder von den Arbeitern noch von den Leuten, mit der ersten Gnade gehalten. Bruder Clemens hätte die Sache gerne anders eingerichtet und, wenn nicht alle, doch viele der auswärtigen Geschwister auf Diaspora-Fuß behandelt. Das war ohne eine Zerrüttung derselben nicht zu rathen. Weil aber doch viele Leute um die Pflege der Gemeine baten, die man nicht auf Gemein-Fuß behandeln [428] konte, so proponirte er in einer Conferenz den 21. Aprilis,10 künftig die Auswärtigen nicht mehr gleich in die Gemeine aufzunehmen, sondern in der Versammlung der Diaspora, die schon mit uns zum AbendMahl geht, ihre Namen zu nennen und hernach aus ihnen solche, die eine Destination und Anlage zur Gemeine haben, zur Aufnahme und AbendMahl vorzuschlagen, damit die Gemeine nicht zu sehr vergrößert und hingegen die Diaspora beßer eingerichtet werde. Man fand aber gleichwol Bedenken, dieses zubewerkstelligen. Da nun Clemens zum Synodo reiste, brachte er seine Vorschläge zu Papier (welche mir aber nicht zu Gesichte gekommen) und nahm dieselben von der Conferenz approbirt mit dahin. Es ist aber nicht viel darinnen gethan worden, und weil man seine gute Absicht dabey mißdeutete, so hat er es hernach zum Schaden der Diaspora-Geschwister ganz aufgegeben. Ich finde auch eine Anzeige, daß die noch wenigen Geschwister in Biele, vermuthlich um die beständigen Plackereyen los zu werden, einen Aufsatz11 zum Synodo mitgegeben, in wie ferne sie sich zum dasigen Bethause, ohne die Gemeinpflege ganz zu verlaßen, halten, und gleichsam eine Religions-Gemeine vorstellen wollten. Ich habe denselben zwar auch nicht gefunden, sehe aber, daß [429] Seidlitz bey seiner Visitation im December mit ihnen darüber gesprochen, da sie dann sich erklärt, daß sie es nicht recht überlegt und es nun bereuten und daß sie sich nicht zum Bethause, sondern zur Gemeine halten würden. In Dirsdorf ging den 14ten Septembris der Pastor Rothe12 selig aus der Zeit. Er war ein Liebhaber Jesu und Seines Volkes, predigte die Versöhnung, hatte aber keinen sonderlichen Segen und sahe es gerne, wenn sich seine Erweckten nach Gnadenfrey hielten. Nach einigen Schwierigkeiten der eingepfarrten Herrschaften kam Struensee13 aus ­Beverungen in der Priegnitz den 14. Novembris an deßen Stelle.

10 Laut Diarium der Gemeinde Gnadenfrei redete Gottfried Clemens (1706–1776) erst am Ende des Osterfestes, am Osterdienstag, den 24. April 1764, die Diasporageschwister persönlich an und „bat sie in einem freien und guten Herzen zu bewahren und an ihren Orten zu beweisen, was der Heiland an Ihren Herzen gethan.“ Unitätsarchiv Herrnhut, Sign. R.7.D.I.b.1.c.1760–1770. 11 Konnte nicht nachgewiesen werden. 12 ���������������������������������������������������������������������������������������� Johann Christoph Rothe (1709–1764), 1742–1746 Pfarrer in Ludwigsdorf, 1746–1764 in Dirsdorf. 13 Wilhelm Christian Struensee (1720–1783).

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Im Oelsnischen hatte Bruder Seldenschlo14 einen gesegneten Besuch gethan, und von den Böhmen bey Strehlen kamen von Zeit zu Zeit einige zum Besuch. Es kamen auch etliche Leute aus Mähren und wurden als Exulanten aufgenommen. § 133. Es war eine Folge der vorjährigen Visitation und der Erweiterung und Bestimmung des Gemeinlandes und des Einverständnißes mit der Herrschaft, das in diesem Jahre angefangen nurde, den Ort zu erweitern. Die Brüder Beyer15 und Seldenschlo bauten 2 Häuser unter einem Dache. Und die ledigen Brüder, die sich in den 18 Jahren, die [430] ihr Haus stund, so vermehrt, daß sie ohngeachtet des Anbaus vor 8 Jahren in ihren engen Wohnungen hätten verderben mögen und sich in ihren Gewerben nicht rühren konten, legten den 22. May in Beysein des Bruder Seidlitz als Oeconomi und Waiblinger16 als Bischof den Grundstein zu einem geräumlichen Sing- und Schlafsaal und den nöthigen Werkstätten in einem Hintergebäude,17 welches aber viel größer wurde und mehr unnöthige Parade machet als das Hauptgebäude und doch weniger Bequemlichkeit enthält, als man von den großen Kosten und Ansehen erwarten könte. Man sagt, daß ihr Riß verworfen und gegen ihren Sinn so verändert worden. Die bisherigen Streitigkeiten mit der Stadt Reichenbach wegen der städtischen Nahrungen wurden dadurch beygelegt, daß Gnadenfrey, welches, um sich auf einer Seite zu helfen und den Dorflasten zu entgehen, sich als eine neue Colonie von der DorfGerichtbarkeit los gesagt, sich nun auch muste gefallen laßen, städtische Accis und eine Consumtions Biersteuer zu erlegen, welche nach einer vom Landrath von Schindel18 und dem Kriegsrath Eversmann19 den 5. Novembris in Loco gehaltenen Commission regulirt wurde. Gnadenfrey muste sich nun einen Accis-Einnehmer als einen Filialisten20 von Reichenbach setzen laßen. Ein Glück wars, daß der Bruder Koehler21 dieses Amt bekam und den 10. Februarii [431] dazu installirt wurde, und daß der Aufschauer, ein ausgedienter Soldat, nachdem der dazu vorgeschlagene Bruder verworfen worden, seine Wohnung im Dorfe bekam. Es war eine gute Folge von des dirigirenden Ministers vorjährigem Besuch, daß Heithausen im September eine gnädige Audienz deshalb bey ihm fand; und eben der veränderten Gesinnung und noch mehr der erneuerten Concession von 63 war es zuzuschreiben, daß ohngeachtet des Puncts im Codice Friedericiano der Herr von Dirsdorf 14 ��������������������������������������������������������������������������������������� Johann Ludwig Seldenschlo (1717–1793), Goldschmied, 1739 in die Brüdergemeine aufgenommen, kam 1751 nach Gnadenfrei. 15 Matthäus Beyer (1716–1795), Schuhmacher, 1743 in die Brüdergemeine aufgenommen 16 Johann Georg Waiblinger (1704–1775), Magister der Universität Tübingen, 1750 Bischof der schlesischen Brüdergemeinen. 17 Ausführlicher Bericht im Diarium der Gemeinde Gnadenfrei mit dem vollen Wortlaut der Gründungsurkunde. 18 George Rudolph von Schindel, 1765–1768 Landrat von Reichenbach. 19 Konnte nicht nachgewiesen werden. 20 Unterbeamter des Acciseamtes in Reichenbach. 21 Gottfried Köhler (G 1719), Gerichtsschreiber und Zolleinnehmer.

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vom Pupillen Collegio zum Commissario wegen der Verlaßenschaft des Pastor Rothe ernant wurde, mit der Vollmacht, den Curator der Witwe selbst zu ernennen, wozu sogar ein Einwohner von Gnadenfrey, nemlich Bruder Süssbrig,22 ernant ward. § 134. Im Gefolge des vorjährigen General-Synodi wurde im Jahr 1765 von 3ten bis 12. Junii auf dem Schlößel vom Bischof Georgio im Beysein des Oeconomi und einiger Arbeiter aus Gnadenberg und Neusalz ein Provincial-Synodus23 gehalten. Auser den hiesigen Arbeitern waren von der Gemeine dazu deputirt die Brüder Just24 und Beyer, und das Directorium hatte die Brüder Gregor,25 Abraham Gersdorf26 und Graf Heinrich27 dazu abgeordnet. Nach einigen praeliminair-Conferenzen wurden den 6., 7. und 8. Junii in 6 Sessionen die Materien [432] abgehandelt, die folgenden Tage mit Commitees der Aeltesten Conferenzen verbracht, und den 12ten der Verlaß gemacht. Mitunter hielt Georgius gar unvergleichliche Reden, die in allen Gemeinen, wo sie gelesen worden, Aufmerksamkeit verursachten. Man fand, daß die Publication des Verlaßes und sonderlich der 12 Worte gesegnete Folgen gehabt und bey vielen Geschwistern den wahren Gemeinsinn erneuert; insonderheit hatten sich manche ledigen Brüder schriftlich zum Dienst Jesu unter den Heiden angebothen, worunter auch Eingeborne waren, bey denen Behutsamkeit angerathen wurde. Es hatten sich auch wie in andern Gemeinen manche verirrte Schäflein wiedergefunden und schriftlich um Absolution gebeten. Was aus diesem Synodo zur historischen Einsicht in den dermaligen Statum der Schlesischen Gemeinen dienet, beläuft sich auf folgendes. Wir haben einen freyen und ungestöhrten Kirchgang. Im Aeusern wird uns als Brüdern nicht mehr als andern aufgelegt, und wir werden billig behandelt. Mit den benachbarten Geistlichen stehen wir in beßerer Harmonie als jemals. Unsre Commercium und Professionen sind gesegnet. Wir haben unser gutes Durchkommen, und unsre Aermsten sind beßer dran als die Armen in der Welt. [433] Auch das Theilnehmen an der Noth der Unitaet und andrer Gemeinen hat uns nicht ärmer gemacht, sondern den Segen Gottes gebracht. Wir haben wenig Anfechtung wegen des Puncts der Proselyten, und es wird uns nicht gewehrt, Leute, die, ohne sie aufzusuchen und zu bereden, aus eigner Bewegung zu uns kommen aufzunehmen. Die Predigt des Evangelii ist gesegnet und wird von vielen Leuten au22 Wahrscheinlich Johann Friedrich Süsbrich (G 1712), 1743 in Oberpeile in die Brüdergemeine aufgenommen, Raschfabrikant, Curator der Schwestern. 23 3. bis 12. Juni 1765. Synodalprotokoll: Unitätsarchiv Herrnhut, Sign. R.7.A.12.7. 24 Johann Georg Just (1719–1779), Saaldiener in Gnadenfrei, Curator der Witwen. 25 �������������������������������������������������������������������������������������������� Christian Gregor (1723–1801), Organist und Liederdichter, seit 1764 Mitglied der Unitätsleitung. 26 ����������������������������������������������������������������������������������������� (Wolf Caspar) Abraham von Gersdorf (1704–1784), 1745 Senior civilis, 1752 Kanzler der Advocatie der Brüdergemeine, ordnete 1765/66 mit Petrus Böhler (1712–1775) das Archiv der Brüderunität in Zeist. 27 Heinrich XXVIII. Reuß (1726–1797).

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ßer uns mit Nutzen gehört. Diese sollten an ihren Orten mehr besucht werden, nur müßen wir keine Versammlung da halten. Der Gemeinrath ist in Ordnung, es ist aber auch nöthig, etwann alle Vierteljahre einen Policey-Tag zu halten, um die Königlichen, Herrschaftlichen und Gemeinverordnungen zu jedermanns Wißenschaft zu bringen. Das Gemeinhaus in Gnadenfrey muß reparirt werden. Die Witwer müßen ein Chorhaus haben. Der Witwen Anbau aber soll noch suspendiret werden. Unsere Vorschläge wegen der Diaspora sind im General-Synodo beherzigt und seitdem im Directorio28 folgendes angerathen worden. „Die Erweckten von Orten, die in keine Parochie gehören, wo die Herrschaften Geschwister sind und deren Aeltern zur Gemeine gehören, können in die Gemeine aufgenommen werden. [434] Sie müßen aber erst über Seele und Hütte gründlich mit den Arbeitern ausgeredet haben. Man kann nicht allen Diaspora Geschwistern das Gastrecht beym heiligen AbendMahl absprechen wie in der Ober-Lausitz, weil manche 20 Jahre nicht zum AbendMahl in der Kirche gehen und nicht dazu zu bereden sind. Es muß aber nur Gastweise, nach jedes maligen Befinden und nicht vierteljährig geschehen. Leute, die zu einer gewißen Kirche gehören, d. i. Diaspora, müßen in ihrer Kirche zum AbendMahl gehen. Wer aber schon zur Gemeine gehört, wird darum nicht in die Religion zurück gewiesen. Es muß keine solenne Aufnahme in die Diaspora seyn. Man soll nicht alle Leute, die in die Pflege kommen, als Diaspora ansehen; es gibt Leute darunter, die zur Gemeine gehören. Unsre Schlesischen Gemeinen müßen nicht als Lutherische Diaspora behandelt werden und unsre Jugend muß in Brüderkirchen-Ideen aufwachsen. Unser Beruf in Schlesien gehet nicht auf eine Diaspora: wenn sie sich aber ohne uns machet, so wollen wir gerne dabey halten.“29 [435] § 135. Der General- und Provincial-Synodus brachten auch einige Veränderungen der Arbeiter und im Liturgico mit sich. Die Provincial-Gemein- und Chor-Jünger, die vor 3 Jahren aufgehört, wurden im Juni wieder eingeführt. Den Kindern in beyden Anstalten 28 So lautet der Name der Unitätsleitung seit der Generalsynode von 1764. 29 Konnte in den Akten nicht nachgewiesen werden. Vgl. aber den Beschluss des Ältestenrates der Gemeine Gnadenfrei: „Was diejenigen auswärtigen Brüder und Schwestern betrifft, welche 1) Kinder der Geschwister sind, 2) in der Gemeine getauft worden, 3) in ihren Orten kein Bethaus haben und 4) sich von Kind auf zu dem hiesigen Bethaus gehalten haben, so werden dieselben wie andre Gemein-Glieder tractirt und nach Beschaffenheit ihres innern Ganges zu den GemeinGnaden admittirt. Was aber Leute betrifft, die an ihrem Orte ein Lutherisches Bethaus oder Kirche haben und da eingepfarrte Kirch-Kinder sind, mit denen hat mans auf den in der Lausiz eingeführten und gesegneten Diasporafuß anzutragen, insonderheit wenn sie unter Herrschafften und Pfarrern stehen, die den Brüdern keine Freyheit geben, sie an ihren Orten zu besuchen und sich ihrer Leute anzunehmen, die auch ihren Unterthanen und KirchKindern, so viel an ihnen ist, zu den Brüdern zu kommen und in die Gemeine aufgenommen zu werden, keinesweges verstatten. Finde man aber, daß eine besondere Gnadenwahl auf einer Person ruhe und ihre Herrschafft wolle sie losgeben, so könne man an die Aufnahme denken.“ Protokoll des Ältestenrates Gnadenfrei vom 8. Dezember 1763. Unitätsarchiv Herrnhut, Sign. R.7.D.I.b.5.a.

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wurden von der Gemeine die Bibel und Augspurgische Confession in die Hände gegeben, und die Knabenanstalt bekam den 15ten Junii den Bruder Hans Bugge30 aus Hennersdorf31 zu ihren Informator. Die Caritas32 brachte den 19. Januarii die Julgen Marchin33 an der Maria Wetsteinin34 Stelle, die 9 Jahre dem hiesigen Schwester Chore als Pflegerin vorgestanden und nun nach Ebersdorf kam. Eben dahin kam Andreas Busse,35 der 12 Jahr Pfleger der Knaben und hernach Vice-Pfleger der ledigen Brüder gewesen, auch die lezten 5 Jahr sich der Kinder auf den Dörfern angenommen hat; und Dietrich36 kam den 13.ten Martii von Herrnhut an seine Stelle. Die Maria Leidebachin37 kam nach neun vierteljährigem Dienst als Vice-Pflegerin der ledigen Schwestern nach Gnadenberg, und Anna Kalkern38 den 23. Augusti an ihre Stelle. Die Witwen verloren den 20ten Decembris ihre treue Vorsteherin Elisabet v. Tschirschky,39 die vom Anfang an der Gemeine und diesem Chore viele [436] Wohlthaten erwiesen hat, und die PfarrWitwe Emilie Henriette Conradin,40 die seit dem Tode ihres Mannes im Witwenhause gewohnt, ging den 8. Aprilis aus der Zeit. Zum Gemein Diener wurde an Bruder Osts41 Stelle, der es Schwachheitshalber nicht mehr verwalten konte, Bruder Just bestellt. Am 9. Novembris bekam die Gemeine noch eine angenehme Visitation von den Geschwistern Johannes,42 Leonhard,43 Neisser,44 Luise Müllerin45 und Salome Gros30 Hans Wilhelm Bugge (1725–1792), 1756 in die Brüdergemeine aufgenommen, 1765 Vorsteher der Ortsknabenanstalt. 31 Hennersdorf (poln. Tuszyn), Kreis Reichenbach. 32 Konnte nicht nachgewiesen werden. 33 Martha Juliane Marche (1736–1819), 1765–1812 Schwesternpflegerin in Gnadenfrei, 1769 zur Diaconisse ordiniert. 34 Maria Wettstein (Wetzstein, 1722–1771), wurde 1744 in die Brüdergemeine aufgenommen, diente 1750 in Herrnhut, 1756 in Gnadenfrei und 1765 in Ebersdorf. 35 Andreas Busse (1734–1806), 1748 in die Brüdergemeine aufgenommen, seit 1753 Chorpfleger in Gnadenfrei. 36 Heinrich Gottfried Dietrich (1733–1791), 1747 in die Brüdergemeine aufgenommen, 1765 Brüderpfleger in Gnadenfrei und Betreuer der auswärtigen Kinder. 37 Maria Margareta Leidebach (1727–1780), 1746 in die Brüdergemeine aufgenommen, 1751 in Gnadenfrei als Chorhelferin der großen Mädchen. 38 �������������������������������������������������������������������������������������� Anna, geb. von Calker (1732–1784), 1763 Diaconisse in Gnadenberg, 1765–1769 in Gnadenfrei, 1773 verheiratet mit dem Gutsverwalter Johann Heinrich Matusewitz (1721–1787). 39 Helene Elisabeth von Tschirschky, geb. von Prittwitz (1701–1765), zog nach dem Tod ihres Ehemanns Karl Sigismund von Tschirschky (1700–1737) 1737 nach Herrnhut, 1744 nach Gnadenfrei. 40 Emilie Henriette Conrad (1703–1765), verheiratet mit Pfarrer Gottlieb Conrad (1696–1746). 41 Wahrscheinlich Christian Gottlieb Ost (1704–1769), Helfer, Gemeindiener. 42 Johannes von Watteville, geb. als Johann Michael Langguth (1718–1788), 1744 von Baron Friedrich von Watteville (1700–1777) adoptiert. 43 Leonhard Dober (1706–1766). 44 ���������������������������������������������������������������������������������������� Georg Neisser (1715–1784), Helfer und Vicevorsteher in mehreren amerikanischen Brüdergemeinden. 45 Dorothea Louise Müller, geb. Pulster (1720–1785), Diaconisse.

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sin.46 Auser den gesegneten Gelegenheiten, so die Brüder gehalten und dem Sprechen in den Chören finde ich nichts besonders angemerkt, als daß den 1. Decembris 25 Geschwister zur Acoluthie angenommen worden. Die erste Handlung von der Art in Gnadenfrey, worauf die Visitation den 3ten wieder abgereiset. Leonhard aber kam wieder nach Gnadenfrey und blieb bis übers neue Jahr hier. § 136. Der Segen des Evangelii breitete sich in der Gegend, sonderlich in Mittel-Peile sehr aus, wo eine große Bewegung auch unter den rohsten Leuten wahrgenommen wurde. Es schien, als ob Struensee in Dirsdorf einen freywilligen Gehülfen bekommen würde [437] an dem Studiosus Segner,47 dem Sohne jener Pfarr-Witwe, die nach § 54 in Herrnhut besucht und dadurch bey ihrer Rückkunft in Breßlau die Veranlaßung zu dem Auflauf gewesen. Sein Oncle, der Inspector Burg, wolte ihn, weil er den Brüdern geneigt war, nicht befördern, er suchte also Arbeit in Dirsdorf und nahm sich sonderlich einiger Kinder mit informiren an. Allein er konte hier nicht lange ruhig seyn, ging das folgende Jahr nach Berlin, wo er etliche Kinder informirte und in den meisten Kirchen mit Beyfall predigte: endlich hat er ein Amt in der Priegnitz angenommen. Zu Pfingsten hatte man Besuch von 300 Seelen aus der Diaspora, darunter war auch des Prediger Laufheger48 aus Schnellewalde im Oppelschen Ehefrau49 mit etlichen erweckten Weibsleuten. Bey der Rückkehr der mehresten Einwohner dieses Orts und etlicher benachbarten Dörfer zur Evangelischen Religion waren einige Seelen erweckt und mit Bruder Stoehr50 bekant worden. (Part 1 § 23) Diesen wurde durch einen daselbstwohnenden Soldaten Burghard,51 der in Sachsen die Brüder kennen gelernt, die Gemeine bekant gemacht, und des Predigers Frau hatte, da sie noch als ledig bey Pastor Toepfer52 in Peterswalde gewohnt, einen beßern Begrif [438] von der Gemeine bekommen und ihrem sonst dawider eingenommenen Mann beygebracht. Nach ihrem Besuch allhier funden sich an die 70 gerührte Weibsleute zu ihr, mit denen sie Gemeinschaft machte, und es entstund eine neue Bewegung im Dorfe, wie denn den 23. Junii abermals 10 Leute hierher zum Besuch kamen, weil aber ein gewißer begabter Mensch, an dem sie sich

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Catharina Salome Groß (1725–1778), 1743 in die Brüdergemeine aufgenommen. Wahrscheinlich Johann Joseph Segner, vgl. dazu S. 233 Anm. 572. Johann Christoph Laufhäger (1718–1776), seit 1746 Pfarrer in Schnellewalde. Sophie Elisabeth, geb. Raabe, 1747 verheiratet mit Johann Christoph Laufhäger. Johann David Stöhr (1702–1774) und seine Ehefrau Eva Philippina, geb. Heckardt (1711– 1762), wurden 1741 als Arbeiter für Schlesien bestimmt. 51 Das Diarium der Gemeinde Gnadenfrei zum 23. Juli 1765 berichtet über ihn: „Die erwekten Mannsleute halten sich zu einem schon seit geraumer Zeit mit der Gemeine in Bekantschaft stehenden Soldaten Bruder namens Burkhart, einen gesezten, lieben Mann, der bey diesen Umständen sein eigen Hertz selber anfängt besser kennen zu lernen.“ Unitätsarchiv, Sign. R.7.D.I.b.1.c. 1760–1770. 52 Ernst Ludwig Töpfer (1707–1788), 1743–1780 Pfarrer in Peterswaldau.

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gehangen, in große Sünden gerathen, so ist die Gemeinschaft vergangen; jedoch haben viele Seelen das Herz zum Heiland und der Gemeine nicht verlohren. Aus dem Oesterreichischen Oberschlesien kamen abermal etliche Exulanten an und wurden zum Theil nach Herrnhut befördert. Die Böhmen wurden an allen ihren Orten in Juny von Bruder Sternberg53 aus Berlin, in Geselschaft des ledgen Bruder Prochaska54 aus Niesky, besucht, und von Hußinitz55 bey Strehlen hatte man hier oft Besuch. (Siehe meine Böhmische Historie56 § 89 und 90) In Breßlau, wo Baaz57 noch immer mit Approbation der Schlesischen Arbeiter Versammlungen hielt, vermehrten sich die Erweckten: man fing aber doch schon an, Unordnungen zu befürchten und wünschte ein Paar Geschwister als Commissionaira für unsre commercirende58 Brüder daselbst zu haben, die die Versammlungen dirigirten, sich der Seelen annähmen und also auch mit wenigerem [439] Aufsehen, als von Geschwistern geschehen kan, im Oelsnischen besuchten. Man muste aber aus Mangel eines solchen Bruders es vor die Zeit bey dem Besuch von hier aus bewenden laßen. Ein solcher Besuch wurde im August59 vom Bruder Grunwald60 und der Schwester Anna Foslern61 gethan, und im Februar hatten auch die Brüder Süsbrig und Herzog die dasigen Seelen besucht, als sie von Seidlitz mit einer Antwort an den Baron Krause62 zu Schönwalde in der Standsherrschaft Wartenberg63 auf seine Offerte eines Brüder Etablissements daselbst abgefertigt wurden, mit dem Auftrag, sich nach den Umständen genauer zu erkundigen. Es wurde aber nicht weiter darauf reflectirt, so wenig als vor 7 – 8 Jahren auf die Bemühungen eines gewissen, durch Herrnhut gelaufenen Studenten, George Suche,64 der bey einem Herrn im Oelsnischen Kinder informirte und viel a

Korrigiert aus: Commissionariis.

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Martin Gottfried Sternberg (1725–1798), 1760–1770 Prediger in Berlin. Jiřík Procházka (1704–1790), Sohn von Adam Procházka (um 1715/1717–1773). Hussinetz (poln. Gęsiniec). Cranz, David: Historie der Böhmischen Emigration. Eine historisch-kritische Edition. Hg. v. Matthias Noller. Wiesbaden 2013 ( Jabloniana. Quellen und Forschungen zur europäischen Kulturgeschichte der Frühen Neuzeit 4), 230–234. 57 Vgl. dazu Teil II § 111. 58 Handel treibende Brüder. 59 Am 22. August 1766 kehrten die beiden nach einem Besuch von 16 verschiedenen Orten nach Gnadenfrei zurück. Vgl. Diarium der Gemeinde Gnadenfrei. Unitätsarchiv Herrnhut, Sign. R.7.D.I.b.1.c.1760–1770. 60 ���������������������������������������������������������������������������������������� Wahrscheinlich Johann Georg Grünwald (1704–1770), Helfer des Wittwer-Chors, 1743 in Peilau in die Brüdergemeine aufgenommen, Erbauer des ersten Hauses von Gnadenfrei, Saaldiener, 1745–1753 mit der Bedienung der Geschwister in Peterswaldau betraut, zieht dann nach Gnadenfrei. 61 Anna Foßler (1714–1772), 1745 in die Brüdergemeine aufgenommen, 1751 nach Gnadenfrei als Gehilfin der Schwesternchors. 62 Konnte nicht nachgewiesen werden. 63 Groß Wartenberg (poln. Syców). 64 George Suche konnte nicht nachgewiesen werden.

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erweckte Seelen, sogar den seligen Nitschke, mit seiner Schwatzhaftigkeit einnahm, hernach aber als ein Schwärmer und grober Betrüger bekant wurde. Zum Schluß will ich nur noch anmerken, daß der Platz mit Bäumen und Hecken in Gnadenfrey bepflanzet und die Straße gebeßert wurde, Peterswalde einen neuen Herrn bekam, indem der Graf Promnitz65 mit seinem Vetter, dem Grafen zu Stollberg Wernigerode,66 eine Convention einging, vermöge welcher er von dem [440] so wie wegen der an die Landesherrschaft zurückfallende Lehne67 eine genugsame Pension auf Lebenszeit erhielt, und ihnen dafür seine Ländereyen cedirte, wobey die Gräfin Agnes Reuss,68 ohne deren Wißen alles geschahe, gar sehr verkürzt ward. § 137. Leonhard war von der vorjährigen Visitation zurückgeblieben, um eine und andre Resolution ins Werk zu stellen. Eine war, daß Gottfried Heckner,69 der 12 Jahr dem Witwer-Chor vorgestanden, den 4. Januarii 1766 mit der ledigen Schwester Johanne Verone Hofmannin70 verheyrathet wurde, mit dem Auftrage, sich der hiesigen auswärts wohnenden Geschwister mit Besuchen und Sprechen anzunehmen und in der Diaspora zu besuchen. Dagegen zog George Grünwald, deßen Frau71 10. Martii vorigen Jahres heimgegangen, zu den Witwern und übernahm die Aufsicht und Arbeit bey denselben. Und da er selbst ein Haus, das erste, so hie gebaut, besaß, welches er zum Chorhause hergab, so zog die Knabenanstalt aus demselben ins Brüderhaus, und die Witwer nahmen es den 22. Novembris in Besitz. Die Schwester Gebauerin,72 Vorsteherin der Witwen, wurde nebst ihrem Sohne,73 dem Vorsteher der ledgen Brüder, von Leonhard zur Diaconie eingesegnet, den 13. Januarii. Er machte [441] den 21. Januarii seinen Abschied mit der Gemeine in einer Rede über die Loosung: Laß der Gemeine ihren Gang durch nichts

65 Johann Erdmann von Promnitz (1719–1785). 66 Christian Ernst zu Stolberg-Wernigerode (1691–1771), übernahm die Herrschaft im Jahre 1712, oder dessen Sohn Heinrich Ernst zu Stolberg-Wernigerode (1716–1778). 67 Lehen. 68 Agnes Sophia Reuß, geb. von Promnitz-Sorau (1720–1791), 1747 verheiratet mit Heinrich ­XXVIII. Reuß (1726–1797). 69 Gottfried Häckner (1718–1810), 1743 in die Brüdergemeine aufgenommen, 1744 verheiratet mit Catharina, geb. Neißer († 1754), 1745 in Gnadenfrei zum Dienst an den Kindern. 70 Johanne Veronika Hofmann (1735–1814). 71 ������������������������������������������������������������������������������������������� Johann Georg Grünwald (1704–1770), Helfer des Wittwer-Chors, 1743 in Peilau in die Brüdergemeine aufgenommen, Erbauer des ersten Hauses von Gnadenfrei, Saaldiener, 1745–1753 mit der Bedienung der Geschwister in Peterswaldau betraut, zieht dann nach Gnadenfrei, verheiratet mit Eva Maria, geb. Emler (1711–1765). 72 Rosina Gebauer, geb. Schinke (1707–1788), 1726 verheiratet mit Christian Gebauer († 1760), zogen 1743 nach Gnadenfrei. 73 Johann Christian Gebauer (1728–1785).

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gestöhret werden.74 Den 7. Aprilis bekam man von Herrnhut die Nachricht von seinem daselbst den 1. Aprilis erfolgten Abruf von aller Arbeit. § 138. Diesem gesegneten Oeconomo75 der Schlesischen Gemeinen folgte der zeitherige Oeconomus und beständiger Vorsteher Ernst Julius v. Seidlitz bald nach,76 als er im Begrif war, einige nach der vorjährigen Visitation vom Directorio resolvirte Veränderungen zu stande zu bringen. Eine derselben war, daß sein Schwiegersohn Heithausen die OberPeile an seinen Sohn George Siegmund Seidlitz77 gegen Krausche austauschte und also dieser Orts-Herr von Gnadenfrey im Junij wurde. Die andre Sache solte zum Besten der Böhmen vorgenommen werden. Diese hatten schon lange die Gemeine gebeten, sich ihrer anzunehmen und ihnen Lehrer von der Brüder Unitaet zu geben; und obgleich die mehresten nach Berlin gezogen waren, so blieben doch noch einige, die darum baten. Es kamen noch immer von Zeit zu Zeit unruhige Leute aus Böhmen nach Schlesien und Berlin und [442] geriethen in schlechte Hände. Mit der Jugend unsrer Brüder in Berlin und Rixdorf wolte es aus Mangel einer genauen Gemeine- und Chor-Verfaßung auch nicht recht gehen, und wenn sie in deutsche Chorhäuser kamen, so hatten weder sie noch die Böhmen, wenn sie wieder nach Hause kamen, viel Nutzen davon. Man war daher auf einen Böhmischen Gemeinort in der Nähe der Emigranten in Schlesien bedacht, damit man die Jugend von Berlin dahin verpflanzen und die ausgehende Seelen aus Böhmen dahin weisen könte. Das Directorium wählte dazu Habendorf, dem Herrn v. Heide gehörig, und es wurde von ihm mit Freuden bewilligt. Seidlitz suchte den 27. May78 einen Platz 1 gute Stunde von Gnadenfrey dazu aus. Derselbe wurde im Directorio dazu bestimt und Cyrkew79 genant (d. i. Gemeine). Es fanden sich auch unter den aus Mähren emigrirenden Böhmen 2 Familien, Paul Stephan80 und Blaschek Sucha,81 die dahin zogen. Einige Böhmen von Husinitz wurden aufmerksam darauf, und viele in Berlin und Rixdorf bezeugten Lust, ihre Stellen zu verkaufen und sich dahin mit ihren Kindern zu salviren; zumal da ihr geliebter Bischof Grasmann82 die 74 ����������������������������������������������������������������������������������������� Des kleinen Brüder-Gesangbuchs Zweyter Theil. London 1754, Nr. 1131. Die Liedstrophe beginnt: „Wir bitten dich gemeinschaftlich“. 75 Leonhard Dober (1706–1766). 76 Gestorben am 3. Juli 1766. 77 Georg Sigismund von Seidlitz (1733–1780), 1764 verheiratet mit Elisabeth, geb. von der Goltz (1736–1791). 78 So das Diarium der Gemeinde Gnadenfrei 1766. Unitätsarchiv Herrnhut, Sign. R.7.D.I.b.1.c. 1760–1770. 79 Ebd., Sign. R.5.B.14.b.3. 80 Paul Stephan. 81 Blaschek Sucha. 82 ������������������������������������������������������������������������������������� Andreas Grasmann (Grassmann, 1704–1783), 1728 aus Mähren emigriert, diente in unterschiedlichen Aufträgen, war unter anderem Prediger der böhmischen Gemeinde in Berlin, 1756 Bischof der Brüderunität, 1765–1768 Provinzialhelfer der schlesischen Gemeinden.

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Sache noch [443] in diesem Jahre zu besorgen krigte. Cyrkew wurde daher den 26. Octobris abgesteckt, und das Holz dazu gefället. Es entstund aber bald ein Zweifel, ob es nicht unter der Meile von der Stadt Reichenbach liege, welches eine große Hinderniß in ihrer Nahrung seyn würde. Und obgleich einige das Gegentheil behaupteten, so fanden sich doch noch so viele Sachen zu bedenken in Ansehung ihres äusern und innern Status, daß der Synodus 1769 nach einer langen Corresspondenz mit dem SyndicatsCollegio bewogen wurde, von der ganzen Sache abzusehen.83 § 139. Die dritte Sache betraf die Rösnitzer Brüder: Diese hatten den Synodum ersucht, sich ihrer von neuem anzunehmen, und der Synodus hatte die Anweisung erhalten, es auf die Erneuerung ihrer Concession anzutragen,84 wozu man nach der General-Concession von 63 Hoffnung hatte. Hierauf wurden die Brüder Matthäus Franz,85 David Gottsmann,86 und George Kremser87 von Rösnitz und Steuberwitz zu einer Conferenz nach Gnadenfrey gerufen; und nachdem sie den 22. Septembris 65 in Namen aller dortigen Brüder declarirt, daß sie bey der Brüder Gemeine wie bisher treulich aushalten wolten und entweder Proskens88 Gut in Rösnitz oder, wenn das nicht ginge, [444] eines von Simon Kremsers89 Güter in Steuberwitz dazu kaufen, und wenn auch das nicht seyn könte, ihre Güter verkaufen und an einen Ort ziehen wolten, wo sie diese Freyheit haben könten: so wurde ihnen gerathen, eine von allen Brüdern unterschriebene Bittschrift90 an den Bischof George91 und den Herrn v. Seidlitz aufzusetzen, daß sie sich dieserhalb bey der Regierung verwenden könten. 83 So heißt es im Synodalverlass der Synode von 1769 unter Punkt XIII.A.: „Von dem Vorschlage, auf dem ausgesuchten Platz in Habendorf und Cyrkew (das ist, einen Gemein-Ort für die Böhmen) anzulegen, ist nunmehr abzusehen.“ (Losentscheid) 84 Über die Frage, ob man in oder bei Rösnitz eine Brüdersiedlung gründen solle, wurde auf der Synode gelost und zog das Los mit der Entscheidung: „Es ist die Renovation der Rösnitzer Concession zu suchen.“ Unitätsarchiv Herrnhut, Sign. R.2.B.44.1.c.2, 1701. Das Protokoll fährt fort: „Wir wissen nun, was der Heiland will. Er muß uns nun auch lehren, wie wirs machen sollen.“ Sessio 39 am 21. August 1764. 85 Matthäus Franz (1711–1783), Diakon und Stundenhalter in Rösnitz und Gnadenfeld. 86 David Gottsmann (1710–1781) aus Steuberwitz. 87 Georg Kremser (1682–1760) als Mitglied des Ehechors ist sowohl in Rösnitz wie in Steuberwitz unter den Kommunikanten genannt für 1757–1764 (Unitätsarchiv Herrnhut, Sign. R.27.102.4). Es sind offenbar zwei verschiedene Familien. 88 Eine Familie Proske wird sowohl zweimal unter dem Namen Mattheus Proske in Rösnitz als auch einmal unter Hans Proske im Verzeichnis der Kommunikanten der auswärtigen Ehegeschwister genannt (ebd.). Es sind offenbar drei verschiedene Familien. Es könnte auch der Garten von Matthäus Proske gemeint sein, der in § 84 genannt wird. 89 Die Familie Simon Kremser wird unter den auswärtigen Abendmahlsgästen in Steuberwitz von 1757–1764 genannt (ebd.). 90 Konnte nicht nachgewiesen werden. 91 Johann Georg Waiblinger (1704–1775), Magister der Universität Tübingen, 1750 Bischof der schlesischen Brüdergemeinen.

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Porträt von Ernst Julius von Seidlitz ( 1695–1766). Ölgemälde, nach Vernon Nelson von Johann Valentin Haidt gemalt. Bildnachweis: Unitätsarchiv Herrnhut, Sign. GS.104.

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Nach reifer Uiberlegung fand man, daß es beßer seyn würde, von Rösnitz abzusehen und nach dem Erbieten der Brüder einen Ort zu kaufen, wo noch kein Bethaus ist, dahin die Brüder ziehen könten, und um die Transferirung ihrer alten, noch nicht erloschenen Concession anhalten solten. Seidlitz bekam hiezu vom Directorio Auftrag, es für seinen Sohn Christian Friedrich92 zu kaufen. Man fiel auf Pawlowitzky,93 ein Pohlnisches Dörfgen im Coselschen, und den 26. May brachte der jüngste Sohn unsers Seidlitz, Christian Friedrich unter Assistenz des Herrn v. Heithausen und des Lieutenant von Burska,94 den Kauf mit dem Herrn Baron v. Sauerma95 auf Oyas,96 aber zu theuer und mit schweren Conditionen, zu stande, da die Loosung hies: Gott gedachte es gut zu machen (...),97 zu erhalten [445] viel Volk. Ihr Frieds-Gedanken, o wie tief !98 Den 24. Junii kam Seidlitz von Gnadenberg hier an, um zu weiterer Ausführung der Sache nach Pawlowitzky zu reisen, wurde aber krank und ging den 3. Julii in seine Ruhe ein. Seine Leiche wurde den 6ten begraben. Das erledigte Oeconomat wurde mit dem Schlesischen Bischof Waiblinger, dem Böhmischen Bischof Grasmann und dem Vorsteher der Schlesischen Gemeinen Heithausen besezt. § 140. Die Gemeine zu Gnadenfrey nahm in diesem Jahre mehr als bisher zu, da durch die Predigten viele Leute unruhig wurden und um die Pflege baten. Es wurden 77 aufgenommen und 51 zum AbendMahl admittirt, und das ganze Volk, welches aus 1569 Seelen bestund, hatte sich mit 177 Personen vermehrt.99 Wenn man aber der damals dazu gekommenen Leute ihren Gang genau ansieht, so kan man auf die Gedanken gerathen, daß mit manchem zu sehr geeilt worden und daß wir mehr Kirchleute als Gemein- und Chormäsige Glieder bekommen haben. Nach der Liebe zu urtheilen, mag dieses der Grund zu dem in diesem Jahre ausgebrochenen Mißhelligkeiten unter den Arbeitern, worein [446] sich auch Eigenliebe und Amtsneid gemengt, gewesen seyn, welche, laut dem Diario den 20. Martii,100 durch eine Bandenmäsige Unterredung der AeltestenConferenz und bethräntes Flehen um Absolution, wovon Bruder Clemens auch der Gemeine Nachricht gegeben, geendigt und das neue Band der Liebe und Einigkeit mit 192 193 194 195 196 197

Christian Friedrich von Seidlitz (1739–1789), 1766–1787 Herr von Pawlowitzke. Pawlowitzke (poln. Pawłowiczki). Konnte nicht nachgewiesen werden. Konnte nicht nachgewiesen werden. Oyas (poln. Gniewomierz), Kreis Liegnitz. „Gott gedachte es gut zu machen, daß Er thät, wie es itzt am Tage ist, zu erhalten viel Volk.“ Gen 50,20. So die Fassung der Losung nach der alten Luther-Übersetzung. 198 Die hier zitierte Strophe aus Des kleinen Brüder-Gesangbuchs Zweyter Theil. London 1754 lautet: „Sein inniges Umarmen ist lauter Liebserbarmen, und gnaden-rath an mir; die ewgen frieds-gedanken, die walten ohne wanken: ihr seligen gedanken ihr!“ 199 Die Memorabilien im Diarium der Gemeinde Gnadenfrei am Ende des Jahres 1766 mit der Auflistung der einzelnen Chöre. 100 Das Diarium der Gemeinde Gnadenfrei gibt unter diesem Daum keine weiteren Aufschlüsse.

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den Bundeskelch101 besiegelt worden. Aus ihrer Mitte verloren sie den Bruder Heinrich Brünink,102 der nach 5½ jährigen Pfleger-Amte bey den ledgen Brüdern nach Herrnhut kam und den 13. Julii von Bruder Joachim Woltersdorf103 aus Barby abgelöset wurde. Der Anbau des ledigen Brüderhauses war glücklich zu stande gekommen und die Gemeine hielt den 16. Augusti ihr Dankfest104 für die vor 4 Jahren erfahrne Bewahrung bey der Schlacht auf dem Fischerberge mit einem LiebesMahl von 900 Personen auf dem Schlafsaal desselben, welcher darauf bezogen und am Chorfeste den 29ten Augusti105 nebst dem Versammlungsaal eingeweyhet worden. Eine dankvolle Anmerkung war es, daß 2 drittel dieses Chores aus Leuten bestund, die vorher im Knaben-Chor gewesen, woraus abzunehmen, daß die Arbeit unter den Knaben bisher gesegnet gewesen in dem Herrn. Sonst ist noch anzumerken, daß Bruder Carl Gottlob [447] Herzog106 den vom Bruder Ost angefangenen Laden den 22. Februarii übernommen und für die Gemeine fortgeführt und vermehrt hat. § 141. Das Jubeleum der ersten Brüder Ordination seit 1467 wurde den 4ten Martii 1767 mit den hier ordinirten Geschwister und Acoluthen bey einem LiebesMahl feyerlich begangen.107 Der Gemeine wurde von Bruder Clemens eine deutliche Nachricht von dem Entstehen der Brüder-Kirche und von ihrer ersten Ordination und Succession unter allen Verfolgungen gegeben, und die Beterversamlung108 verband sich beym Lobekelch109 zu wahrer brüderlichen Liebe und zum Theilnehmen am Dienst Jesu.

101 Eine liturgische Feier zur Stärkung der Verbindung der Gemeinde oder einzelner Chöre, die Cranz auch „Lobeskelch“ oder „Verbindungskelch“ nennt. 102 ������������������������������������������������������������������������������������ Heinrich Bruiningk (1738–1785), diente 1760 bis zum Tode Nikolaus Ludwig von Zinzendorfs (1700–1760) als „Wochenschreiber“ des Jüngerhaus-Diariums, 1760 bis Juli 1766 Brüderpfleger, 1777–1782 Prediger in Gnadenfrei. 103 Joachim Woltersdorf (1720–1786), ab 1771 Missionar in Ost-Indien. 104 Das Diarium der Gemeinde Gnadenfrei berichtet ausführlich darüber. 105 Das Diarium der Gemeinde Gnadenfrei erwähnt, dass die vorangegangene Bauzeit zwei Jahren gedauert habe. 106 ������������������������������������������������������������������������������������� Carl Gottlob Herzog (1735–1804) hatte eine kaufmännische Ausbildung und übernahm später die neu errichtete Kattunfabrik. 107 Auf der Synode von Lhotka, die nach der Tradition am 26. März 1467 stattfand, wurden die ersten drei von Rom unabhängigen Priester gewählt und durch Michael Bradacius († 1504), einem Utraquistischen Priester, ordiniert. Cranz, David: Alte und Neue Brüder-Historie oder kurz gefaßte Geschichte der Evangelischen Brüder-Unität in den ältern Zeiten und insonderheit in dem gegenwärtigen Jahrhundert. Barby 21772 [11771], 22, § 11; Crews, C. Daniel: Faith, Love, Hope. A History of the Unitas Fratrum. Winston Salem, NC 2008, 109–112. 108 Die Gruppe der Geschwister, die für das kontinuierliche tägliche Stundengebet verantwortlich waren. 109 Bundeskelch. Vgl. Teil II § 140.

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Der Zulauf zu den Predigten nahm in diesem Jahre noch mehr zu, auch von nahe gelegenen Orten, wo bisher alles tod gewesen, als von Kloitsch,110 da die Leute zuerst durch den 9ten, 10. und 11ten Anhang,111 den die Croaten112 da liegen laßen, aufmerksam worden. Es kamen auch viele von den ehemals abgegangenen wieder zur Gemeine; und die neugerührten Leute baten fleißig um die Pflege. Man fand zum Schluß des Jahres, daß die Gemeine aus 1692 Personen, 123 mehr als [448] vorm Jahre bestand, und der Communicanten waren 1038.113 Der Saal war schon längst zu klein, die Leute zu faßen. Die Einwohner von Gnadenfrey und viele auswärtige Geschwister mußten aus der Predigt weg bleiben und den Fremden Platz laßen, und dennoch wurden viele ohnmächtig von dem Geruch und Engigkeit des Raums. Man dachte, damit zu helfen, daß das AbendMahl getheilt und die Hälfte der Gemeine am Sonnabend, die andere am Sonntage die Communion hatte. Man wolte den Saal, der schon durch einen Anbau von ein paar kleinen Logen und Orgelchor erweitert worden, durch einen ­neuen Anbau und Emporkirchen vergrößern, konte aber nicht darüber einig werden, bis neue Arbeiter neue Vorschläge brachten. Es war nemlich den 8ten May Bruder Wallis114 nach Zeist abgereist, und der bisherige Chordiener der ledgen Brüder und GemeinOrganist, Geissler,115 der schon dem Bruder Benzen116 wegen deßen schwachen Augen die Rechnung abgenommen (dieser kam mit einer Pension von hiesiger Gemeine nach Herrnhut), hatte das Vorsteher Amt erhalten, und den 19. May kamen Geschwister Andresens117 von Niesky als Oeconomus und Ehechor-Pfleger an Meyers Stelle, die nach Marienborn kamen, wie [449] auch Heinrich Dietrich, der nach Niesky kam, avon Michael Busse118 den 29. Octobrisa in der Arbeit bey den Knaben abgelöset wurde. Man fand nach vieler Uiberlegung und Besichtigungen des alten Saals, daß eine Erweiterung weder rathsam noch zulänglich und dennoch sehr kostbar seyn würde. Man sahe sich a–a Am linken Rand ergänzt.

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110 Kleutsch (poln. Kluczowa). 111 Gemeint sind die Anhänge zum Herrnhuter Gesangbuch von 1735, die nach 1739 erschienen sind. Der Titel des Herrnhuter Gesangbuchs lautet Das Gesang-Buch der Gemeine in HerrnHuth. Herrnhut 1735. 112 Wahrscheinlich haben die Kroaten die tschechische Übersetzung des Anhangs der übrigen Brüder-Lieder seit 1749, einem Anhang zum Londoner Gesangbuch von 1753, benutzt, da dessen erste 53 Seiten die Lieder von Christian Renatus von Zinzendorf (1727–1752) und von Zacharias Hirschel (1714–1763) ins Tschechische übersetzt wurden: Pjsně gednoho prawdiwého Molownjka Muk Gežíssowých [...]. O. O. 1758. 113 So in den Memorabilien am Ende des Jahres 1767 im Diarium der Gemeinde Gnadenfrei. 114 Johann Georg Wallis (1720–1776), 1740 in die Brüdergemeine aufgenommen, 1764–1767 in Gnadenfrei, 1774 Missionar in Salem (North Carolina). 115 Johann Christian Geisler (1729–1815), Organist und Gemeindiener. 116 Johannes Benzen (1707–1779). 117 Joachim Heinrich Andresen (1715–1781), 1767–1775 Gemeinhelfer und Ehechorpfleger in Gnadenfrei. 118 Michael Busse (1738–1803), Weber, 1767–1772 Kinderpfleger in Gnadenfrei.

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also genöthigt, auf einen neuen Saal wie der in Herrnhut zu denken. Man glaubte, die auswärtigen Geschwister, um derer willen hauptsächlich der alte Saal gebaut worden und die Erweiterung nöthig war, würden so willig als schuldig seyn, sowol zum Aufbau als zur Bestreitung und allmähligen Tilgung der Interessen und des Capitals beyzutragen und nicht mehr verlangen, daß blos die Gnadenfreyischen Einwohner die Reparaturen des Bethauses und die Erhaltung der Arbeiter wie bisher trügen. Man proponirte also im November119 im Beysein des Bruder Grasmanns vom Oeconomat dem GemeinRath, einen neuen Saal zu bauen, ein Capital dazu aufzunehmen und durch den Beytrag aller Gemein Glieder die Interessen zu bestreiten. Ob sich nun gleich einige Einwohner in Gnadenfrey mit einer [450] ungemeinmäsiger Heftigkeit dagegen sezten, indem sie glaubten, daß die Schuldenlast dadurch zu sehr vergrößert und durch den Beytrag der mehrestentheils sehr armen auswärtigen Gemein Glieder nicht erleichtert werden würde und daß eine so kostbare Erweiterung, wenn gleich jezt, doch nicht bey einer etwanigen Veränderung der Person des Predigers wegen des Zulaufs so vieler Fremden nöthig wäre, so ließen sie sich doch nach einigen Zureden, auch zum Theil Ernst, bedeuten und der Saalbau wurde resolvirt. Bruder Andresen und Gebauer120 reisten sogleich zum Oeconomat nach Gnadenberg, und zum Vorsteher-Collegio in Herrnhut und brachten mit demselben den Plan des Baues und die Eintheilung der Kosten zu stande; und noch vor dem Schluß des Jahres wurde das Bauholz angekauft.121 Sonst ist noch anzumerken, das der treue Bruder Carl Friedrich v. Pfeil122 auf Dirsdorf, ein alter Jünger Jesu und Beförderer der Sache Gottes in dieser Gegend und ein würdiges Glied und Helfer der Gemeine von Anfang her, zu Dirsdorf entschlafen und daselbst beerdigt worden. In seiner Grabschrift wird bdieses auch mit angemerkt.b [451] Am 16. Junii that Prinz Friedrich Erdmann v. Köthen123 mit seiner Gemahlin,124 einer gebornen Gräfin v. dStollberg Wernigerode,d auf der Reise nach Pleße einen freundschaftlichen Besuch in Gnadenfrei.

b–b Für gestrichen: er genannt. d–d Für gestrichen: Promnitz aus Sorau.

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119 Am 10. November 1767 traf Andreas Grasmann (1704–1783), von Pawlowitzke kommend, in Gnadenfrei ein. An dieser Stelle wird nichts über einen neuen Bau gesagt, vielmehr in den Memorabilien nach Monat November 1768. Diarium der Gemeinde Gnadenfrei. Unitätsarchiv Herrnhut, Sign. R.7.D.I.b.1.c.1760–1770. 120 �������������������������������������������������������������������������������������� Johann Christian Gebauer (1728–1785), Kürschner und Schuhmacher, 1745 in die Brüdergemeine aufgenommen, 1752 Aufseher der Knaben in Gnadenfrei, 1763 Vorsteher der ledigen Brüder, 1765 als Diaconus ordiniert. 121 So wird in den Memorabilien des Diariums der Gemeinde Gnadenfrei für 1768 berichtet. 122 Carl Friedrich I. von Pfeil (1695–1767). 123 Friedrich Erdmann von Anhalt-Köthen-Pleß (1731–1797). 124 Verheiratet 1766 mit Louise von Anhalt-Köthen-Pleß (1744–1784), Tochter von Heinrich Ernst zu Stolberg-Wernigerode (1716–1778).

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§ 142. Mit der Zurüstung zum neuen Saalbau war man den Winter durch so weit gekommen, daß schon am 25. Martii 1768 hinter dem alten Gemeinhaus im Garten der Grundstein dazu gelegt wurde. Der Bau dieses großen Hauses, das im lichtenb 127 Fuß lang und 61 Fuß breit und um etliche Fuß größer als der Herrnhutische Saal ist, ging so gut und glücklich von statten, daß der Saal den 13ten Novembris125 eingeweyht werden konte. Dieses geschahe in dem Festmorgensegen, welchen Bruder Grasmann unter besondern Geistes Wehen und Zerschmelzung der Herzen hielt. Zur Einweyhungs-Predigt (es war ein Sonntag), die Bruder Clemens über Ps. 34, 4, 7 unter großer Bewegung der Zuhörer hielt, hatten sich über 2000 Seelen versamlet, so daß der Saal schon beym Anfang und dem nachherigen Liebesmahl, wozu man auch einige Freunde, [452] die beym Bau Handreichung gethan, eingeladen hatte, fast zu enge war. Ein schöner Dankpsalm126 machte diese Versamlung besonders lieblich. Nach dem Anbeten der Gemeine zum Aeltesten Fest hielt Bruder Andresen die Gemeinstunde, und dann theilte die Gemeine den Verbindungskelch127 zur Danksagung für den freyen Kirchgang und für dieses schöne Bethaus unter sich. Im May folgenden Jahres wurde der neue Saal mit einer schönen Orgel, die etwad 1000 rt. kostet, gezieret. Die Flügel des Gemeinhauses, worinnen die Knaben-Anstalt bisher gewesen, wurde translocirt und statt deßen und der Wirthschafts-Gebäude das Gemeinhaus mit dem neuen Saal durch 2 Flügel verbunden und darinnen die nöthigen Conferenz- und Gast-Zimmer wie auch die gemeinschaftliche Küche, Speise-Zimmer und Waschhaus und die Küche, nebst der Vorraths-Stube für die Saal-Diener erbauet, daß also der neue Baue 12.240 rt. zu stehen kam. Viele Gemächer in den Flügeln hätten erspart oder doch nutzbarer eingerichtet [453] werden können, wenn man hätte können voraussehen, daß, ehe noch die Flügel ganz ausgebaut wurden, im Synodo 1769 eine ganz andere Einrichtung in der Oeconomie der Arbeiter getroffen werden würde.128 Indeßen dankt man Gott, daß man einen neuen, zur Predigt und mancherley Gemeinversamlungen bequemen und geräumlichen Saal hat, da doch niemand mehr von der Predigt des Evangelii abgehalten, wer wegen seiner Gesundheit in Gefahr seyn darf, und man danket Ihm desto mehr, da man nun nach wenigjähriger Erfahrung

b d e

Über der Zeile handschriftlich von Cranz ergänzt. Über der Zeile ergänzt. Folgt gestrichen: den man auf (...) rt. angeschlagen hatte.

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125 Eine detaillierte Beschreibung der Feierlichkeit bietet das Diarium der Gemeinde Gnadenfrei zum Tag. 126 ����������������������������������������������������������������������������������������� Ein Psalm ist eine Kantate, die im Wechsel von Liturg, Chor und Gemeinde mit Orchesterbegleitung gesungen wird. 127 Bundeskelch. 128 Kapitel III. Vom Oconomico der Unitaet und Der neuen Einrichtung der Kinder Anstalten mit dem Anhang über die Änderung der bisherigen Einrichtung. Synodalverlass der Synode. Unitätsarchiv Herrnhut, Sign. R.2.B.45.1.

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sieht, daß die Hoffnung derer, die im Glauben gebauet, nicht zu Schanden worden, so daß die Gemeine nach 7 Jahren, da Bruder Geisler129 sein Amt als Vorsteher 1774 abgab, nicht mehr Schulden hatte als vor den Bau deßelben. § 143. Der Segen des Evangelii ging immer weiter fort. Fast alle Sonntage kamen neue Zuhörer, und viele baten mit Thränen um die Pflege. Ich finde, daß von Ostern 68 bis 69 119 Personen in die Gemeine aufgenommen und 116. zum AbendMahl [454] admittirt worden.130 Besonders hatte sich das Ehe-Chor sehr vermehrt und mehr Einsicht in ihre Chor-Gnade und Plan bekommen. In der Gemeine regirete Friede und Eintracht, und wo noch was dem entgegen im verborgenen war, das wurde offenbar und (wenn auch durch schmerzliche Mittel) abgethan. Das Schwerste war, daß einige, wie wol junge Leute im Brüder Chor schon Jahre lang in einem so gleichgültigen Gange waren, daß sie nicht zum AbendMahl gelaßen werden konten, und ob man sie gleich keiner Vergehung beschuldigen konte, doch einen Welt-Sinn äuserten und gerne fort gegangen wären, wenn sie außer der Gemeine ihr Durchkommen hätten finden können. Einige forderten, daß man sie, wenn auch nur alle Vierteljahre, zum AbendMahl nehmen oder in einer Lutherische Kirche zu communiciren und dabey doch im Gemein-Orte zu wohnen, ihnen gestatten solte, weil sie sich deßen ja durch keine Uibelthat verlustig zu machen meinten. Sie fanden aber nach und nach Gelegenheit fort zu kommen oder vergingen sich so, daß man sie wegschicken muste, und andere nahmen daran ein Exempel und ließen sich durch die Gnade im Herzen und äuserm Wandel ändern. Und es war [455] erfreulich, daß sich bey manchen der Pilger- und Jünger-Sinn äuserte, wie dann der ledge Bruder Peter Weitenauer131 seinem Trieb und Ruf zu Folge über Neuwied nach Frankreich abreiste. § 144. Was den Zustand der auswärtigen Brüder betrift, so machten die Rösnitzer bald nach dem Ankauf von Pawlowitzky 1766132 Anstalt, ihre Güter zu verkaufen und dahin zu ziehen. Heithausen reiste nach Breßlau und hielt beym dirigirenden Minister133 schriftlich und mündlich um die Transferirung der Rösnitzer Concession [an]. Bekam aber zur Antwort: Er wolle den Brüdern gerne willfahren, müße aber erst nachsehen, ob es nicht gegen des Königs Willen, die weitere Ausbreitung der Brüder Etablissemens zu verhindern und gegen die neuen Befehle streite. Am 12. Decembris erfolgte seine schriftliche 129 Johann Christian Geisler (1729–1815). Gemeinvorsteher in Gnadenfrei 1767–1774, leitete die Erbauung des Großen Saals. 130 �������������������������������������������������������������������������������������� Die Zahl der Abendmahlsgeschwister beträgt nach den Memorabilien von 1769 (nach Dezember 1769) 1.132 insgesamt, ohne die 50 Abendmahlsgeschwister in Oberschlesien. 131 �������������������������������������������������������������������������������������� Peter Weitenauer (1721–1805), Glaser, 1743 in die Brüdergemeine aufgenommen, 1768 Diasporaarbeiter im Elsass und in Frankreich, 1776 Diaconus in Sarepta/Russland. 132 Vgl. § 139. 133 Ernst Wilhelm von Schlaberndorf (1719–1769), preußischer Minister.

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Antwort: Weil die Ursachen der Suspension des Rösnitzer Bethauses auch bey Pawlowitzky gelten, so könte ihnen nicht gewillfart werden.134 Man ließ sich dadurch nicht abschrecken, sondern hielt abermal im Juli 68 mit Beyfügung einer Species facti, was für [456] Unrecht die Brüder in Rösnitz, ohngeachtet so vieler favorablen Rescripte, die mit beygelegt wurden, erlitten, darum an; und erhielt abermal abschlägliche Antwort, und zwar, wie es hies, auf specielen Befehl Seiner Majestät.135 Indeßen hatte Mattheus Franz das Gut für die Herrschaft übernommen und machte Anstalt, daß die 3 verfallenen Bauerhöfe wieder hergestellt und von soviel Wirthen aus Rösnitz übernommen und andere Stellen von Brüdern aus Rösnitz und Steuberwitz besezt werden könten.136 Den 27. Octobris 67 wurden vom Bruder Grasmann die Geschwister Heckners als Arbeiter dahin gebracht. Den 4. Julii 68 zog der Herr, welcher mit der Schwester Juliana v. Heide verehligt worden,137 dahin. Was aber mit der Concession zu thun sey, da der dirigirende Minister es schon 2 mal abgeschlagen, konte man noch nicht absehen. Indeßen muste es sich fügen, daß der neue Justiz-Minister v. Karmer138 und der OberamtsPraesident v. Seidlitz,139 ein Schwiegersohn des [457] Grafens von Biele, in Begleitung des Grafen und mehrerer Herren den 20ten May 68 der Predigt des Bruder Clemens beywohnten und sich zu ihrer Satisfaction im Orte umsahen. Da nun die Redressirung der Beeinträchtigungen, dergleichen man auch in der Rösnitzer Sache viele erdulden müßen, für den Justiz-Minister gehören, so reiste Bruder Clemens mit dem Herrn von Pawlowitzky nach Breßlau und hatte beym Justiz-Minister den 31. Augusti eine sehr gnädige Audienz, deren Schluß war: Herr v. Seidlitz sollte, ohngeachtet der abschläglichen Antwort des dirigirenden Ministers, wovon der König nichts wiße, ein Bittschreiben an den König wegen der Concession einschicken, daß er aufs beste zu unterstützen versprach. Dieses geschahe unterm 3. Septembris 68.140 Der König nahm diese Bitte mit nach Berlin, ließ sie durch die Collegia gehen, und es hatte den besten Anschein zu einer favorablen Antwort. Dem ohnerachtet erfolgte unterm 11. Decembris 1768 die von Finkenstein141 und Münchhausen142 unterzeichnete Resolution,143 daß die Bitte, die der [458] Evangelischen Brüder Gemeine zu Rösnitz ehedem ertheilte Concession (...) auf Pawlowitzky zu transferiren, nicht statt finden könte. Es war also für die Zeit weiter nichts zu machen, als stille seyn und warten, was weiter werden soll. 134 Das Rescript vom 11. Dezember 1768 liegt in Kopie vor im Unitätsarchiv Herrnhut, Sign. R.7.D.I.b.9.a.1.Nr. 38. 135 Konnte nicht nachgewiesen werden. 136 Vgl. § 139. 137 ��������������������������������������������������������������������������������������� Christian Friedrich von Seidlitz (1739–1789), 1766–1787 Herr von Pawlowitzke, 1766 verheiratet mit Sophie Juliane Magdalene, geb. von der Heide (1746–1806). 138 Johann Heinrich von Carmer (1720–1801), seit 1768 Justizminister. 139 Ferdinand Siegismund von Seidlitz-Gohlau (1725–1806). 140 Konnte nicht nachgewiesen werden. 141 Karl Wilhelm von Finckenstein (1714–1800), preußischer Minister. 142 Ernst Friedemann von Münchhausen (1724–1784), ab 1751 Präsident in Breslau. 143 Unitätsarchiv Herrnhut, Sign. R.7.D.I.b.9.a.1, Nr. 38.

Zweiter Teil, Abschnitt 5: 1764 bis 1768

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§ 145. Mit der Diaspora ging es seit dem Provincial-Synodo 1765, da Bruder Clemens Vorschläge144 verworfen und gar unrecht ausgelegt worden, nicht mehr wie vorher. Es scheint, daß Bruder Clemens den Muth verloren, sich der Sache wie vorher und nach dem anders beliebten Ort (?)145 anzunehmen, und es sind die besagten Gelegenheiten, die sie von Zeit zu Zeit hatten, endlich gar eingegangen. In Dirsdorf sahe es nicht beßer aus. Sie gingen zwar noch immer gemeinschaftlich zum AbendMahl, wobey sich einige Seelen aus der Gegend mit anschloßen, es war aber kein weiterer Zusammenhang unter ihnen und niemand, der sich ihrer recht annahm. Der Pastor Struensee glaubte, dazu keinen Beruf zu haben, und wolte es gerne der [459] Gemeine überlaßen. Indeßen fanden sich doch wieder etliche 20 Seelen, davon einige in alten Zeiten aufgenommen und nun vierteljährig mit der Gemeine zum AbendMahl gingen, zusammen, suchten ihre Erbauung bey den Verwalters-Ventur,146 die Gemein-Glieder sind, und baten, da diese nach Habendorf kamen, um genauere Pflege. Ein gleiches that der Pastor. Hierüber wurde mit dem jetzigen Herrn147 gesprochen, und endlich für gut befunden, daß er Geschwister Heyns148 aus Gnadenfrey den 10. Januarii 69 in seine Dienste auf der Bleiche nahm. Diesem wolte der Pastor den Besuch und die Gesellschaften der Seelen überlaßen; er selbst aber wöchentlich 2 Versamlungen in seinem Hause halten und mit den Geschwister Heins fleisig über dem Zustand der Seelen conferiren. Im übrigen ließ man sie, wenn sie nach Gnadenfrey kamen, eine und andre Gemein- und Chor-Versamlungen mit genüßen. In Dirsdorf wohnte in dem von der Witwe v. Tschirschky erbauten Hause die Generalin v. Posadowsky.149 [460] Dieselbe hielt sich mit ihren 2 Töchtern die lezten Jahre auch zur dasigen Societaet, machte sich die Gemeine zu Nutz und gelangte im April 69 als Gast mit zum AbendMahl, eworauf sie bald zum Heiland ging. e Eine ihrer Töchter150 war an den Landrath Carl Friedrich v. Pfeil auf Wilke,151 welcher von Brüdern erzogen, e–e Am rechten Rand ergänzt.

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144 Ebd., Sign. R.19.A.b.4.c. 145 Es muss heißen: nach der anders beliebten Art. 146 Christoph Ernst Ventur (G 1717), verheiratet mit Anna Marta, geb. Schaffer (G 1719), Verwalter in Habendorf. 147 Friedrich Ludwig von Pfeil (1741–1821). 148 Christoph Hayn (Hajn/Hein, G 1715), verheiratet mit Anna Catharina, geb. Wilhelm (G 1717). Im Diarium der Gemeinde Gnadenfrei heißt es dazu: „Die Geschwister Hayns zogen auf anhaltendes Verlangen unsers Bruders v. Pfeil, eine Bleiche anzulegen und sich vielleicht der dortigen erweckten Seelen in der Stille anzunehmen“ nach Dirsdorf. Unitätsarchiv Herrnhut, Sign. R.7.D.I.b.1.c.1760–1770. 149 Eleonore Elisabeth von Posadowsky, geb. von Seidlitz-Gohlau (1702–1796). 150 Anna Charlotte, geb. von Posadowsky (1735–1813), 1758 verheiratet mit Carl Friedrich II. von Pfeil und Klein-Ellguth. 151 Carl Friedrich II. von Pfeil und Klein-Ellguth (1735–1807) auf Groß-Wilkau und Kleutsch, Landrat von Nimptsch.

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Geschichte der Evangelischen Brüder-Gemeinen in Schlesien

auch in die Gemeine aufgenommen worden, aber hernach abgegangen war, verheyrathet. Diese hielten sich nun auch zur Gemeine, und da sie anhaltend um die Aufnahme baten mit Dranwagung ihrer Ehre und seines Amtes, auch nach dem Rath der Brüder ihrem Vetter dem Consistorial-Praesident v. Seidlitz ihr Vorhaben erklärt hatten, so wurde er nach der Anweisung unsers Directorii in sein verlornes Gemein-Recht restituirt und sie durch die Aufnahme den 26. Decembris 68 mit zur Orts-Gemeine gezählt. Zugleich wurden Oberst-Lieutenant v. Seidlitz152 in Entersdorf,153 die nach dem lezten Kriege als Diaspora-Geschwister in Berthelsdorf gewohnt und hier vierteljährig zum AbendMahl [461] gekommen, durch die Aufnahme zur Gemeine hinzu gethan; jedoch um alles Aufsehen zu vermeiden, geschahe dieses nicht am Gemeintage vor allem Volk, sondern in der Beter-Versamlung und zwar nur als auswärtige Gemein-Glieder. Der Pfarrer Kirstein154 in Roßenbach155 hatte als von Herrn v. Heide erwählter Visitator der Schule zu Habendorf den dasigen Schulhalter Jestinsky156 beym Consistorio verklagt, daß er sich zum Gottesdienst in Gnadenfrey halte und die Kinder zur Herrnhutschen Lehre verführe. Jestinsky erhielt den Befehl, daß er die Kinder nicht nach Gnadenfrey führen und auch selbst nicht da, sondern in Roßenbach zur Kirche gehen solte. Er wolte sich darüber vertheidigen und Patronus nahm sich seiner an, wurde aber aus dem Grunde, daß er sich hartnäckig erwiesen, seines Dienstes entsezt und zog nach Peile. Dem Patrono wurde sogar wider seine Parochial-Rechte ein andrer Schulhalter aufgedrungen. Die Bedrückungen in Biele gingen noch immer fort, und der Graf beschwerte sich schriftlich beym [462] Herrn v. Heide, daß man wider sein Verbot seine Unterthanen in die Gemeine und zum AbendMahl nähme, und drohete darüber zu klagen; ließ sich aber doch in so weit bedeuten, daß er durch die Finger sehen wolte, wenn die Leute ihn um Erlaubnis bäten. Weiter konte es auch Bruder Clemens nicht bringen, als er ihm im Februar 69 besuchte. [463]

152 �������������������������������������������������������������������������������������������� Ernst Friedrich von Seidlitz (1711–1789) auf Endersdorf, verheiratet mit Eva Ernestine Charlotte, geb. von Rothkirch (1732–1788). 153 Endersdorf (poln. Jędrzejów). 154 Siegismund Kirschstein (G 1717), seit 1751 Pfarrer in Rosenbach. 155 Rosenbach (poln. Różana). 156 Wahrscheinlich Johann Georg Jestinsky (G 1707).

Zweiter Teil, Abschnitt 6: 1769 bis 1775

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Sechster Abschnitt. Von dem Zustand der Gemeine zwischen dem General Synodo 1769 bis 1775. Vom Jahr 1769. § 146. Provincial-Synodus zu Gnadenfrey und General-Synodus zu Marienborn. Einrichtung nach demselben. § 147. Veränderung der Arbeiter und ihrer Haushaltung. Vom Jahr 1770. § 148. Fernere Einrichtungen nach dem Synodo. Veränderung der Arbeiter in Pawlowitzky. § 149. Einige Mißverständniße. Vom Jahr 1771. § 150. Koebers Deputations Geschäfte. Waiblingers lezter Besuch und Unterhandlung wegen der Neusalzer äußern Bestehen. § 151. Veränderung der Arbeiter. Vom Jahr 1772. § 152. Veränderungen in einigen Einrichtungen [464] der Gemeine, in dem innern Gange und in den Schulanstalten. [§ 153. Wahl des Aufseher Collegiums und der Helfer Conferenz. Einteilung der auswärtigen Ehepaare in 10 Klassen] § 154. Zunehmen von Pawlowitzky. Große Theurung. Probe der guten Gesinnung bey der Regierung. Vom Jahr 1773. § 155. Loretz Deputation. Friedrich v. Wallewitte [de facto Wattewille] junior wird als Provincial-Mithelfer vorgestelt. Veränderung der Arbeiter und des Witwenfestes. § 156. Zustand von Pawlowitzky, im Oelsnischen und in Breßlau. Vom Jahr 1774. § 157. Heimgang einiger merkwürdigen Personen. Nachricht von dem Dorfe Ober-, Mittel- und Nieder-Peile. Veränderung des Gemeindieners. § 158. Nachricht von der Diaspora. Beßere Gesinnung bey der Regierung. Vom Jahr 1775. § 159. Visitation der Schlesischen Gemeinen. § 160. Vorbereitung zum General-Synodo. [465]

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Geschichte der Evangelischen Brüder-Gemeinen in Schlesien

§ 146. Im Jahr 1769 wurde abermal ein General-Synodus zu Marienborn gehalten.1 Das Circular-Schreiben2 wurde den 19. Februarii gelesen und zugleich ein Provincial-Synodus angesezt. Nachdem der Verlaß von 1764 in der Helfer-Conferenz gelesen und zum Provincial-Synodo præparirt worden, wurde derselbe vom 9ten bis 15. Martii zu Gnadenfrey3 gehalten. Vom Oeconomat war Waiblinger4 und Grasmann5 dabey. Gnadenberg, Neusalz, und Pawlowitzky hatten ihre Deputirten dazu geschickt, und von hiesiger Gemeine waren die Brüder Just,6 Süsbrich,7 Beyer,8 John,9 Roesler,10 der Witwer Peter Fritsch11 und die ledgen Brüder Simon Meyer12 und Niederhof13 dazu deputirt worden. Zum Schluß wurden 45 Geschwister zu Acoluthen angenommen, und die Geschwister Geislers14 wie auch der Bruder Johannes George Grünwald15 und die Schwester Juliane Marchin16 zur Diaconie eingesegnet. Zum General-Synodo waren die Geschwister Andresens17 und Clemens18 berufen;

11 1. Juli bis 17. September 1769. Synodalprotokoll: Unitätsarchiv Herrnhut, Sign. R.2.B.45. 12 Ebd., Sign. R.2.B.45.2.d. 13 Ein kurzer Bericht über den Provinzialsynodus findet sich im Diarium der Gemeinde Gnadenfrei vom 9. bis 15. März 1769. Ein vorschriftsmäßiges Protokoll ist nicht vorhanden. 14 Johann Georg Waiblinger (1704–1775), Magister der Universität Tübingen, 1750 Bischof der schlesischen Brüdergemeinen. 15 ������������������������������������������������������������������������������������ Andreas Grasmann (Grassmann, 1704–1783), 1728 aus Mähren emigriert, diente in unterschiedlichen Aufträgen, war unter anderem Prediger der böhmischen Gemeinde in Berlin, 1756 Bischof der Brüderunität, 1765–1768 Provinzialhelfer der schlesischen Gemeinden. 16 Johann Georg Just (1719–1779), Saaldiener in Gnadenfrei, Curator der Witwen. 17 Johann Friedrich Süsbrich (G 1712), 1743 in Oberpeile in die Brüdergemeine aufgenommen, Raschfabrikant, Curator der Schwestern. 18 Matthäus Beyer (1716–1795), Schuhmacher, 1743 in die Brüdergemeine aufgenommen oder Johann Caspar Beyer (1719–1785), Gehilfe von Sigismund von Gersdorf, Wirtschaftsinspektor. 19 Gottlieb John sen. (1705–1772), 1764 verheiratet mit Rosina, geb. Girth (1707–1783). 10 ��������������������������������������������������������������������������������������������� Johann Gottlob Rösler (1710–1780) aus Egelsdorf bei Friedberg, Stricker, Mitglied des Aufseher-Collegiums. 11 Johann Peter Fritsch (G 1709), Mitglied des Aufseher-Collegiums. 12 Simon Meyer (1719–1786), Knopfmacher, seit 1748 in Gnadenfrei, 1771 in Pawlowitzke. 13 Johann Christian Niederhof (G 1720), Schneidermeister. 14 Johann Christian Geisler (1729–1815), 1769 Diaconus. 15 ������������������������������������������������������������������������������������������ Johann Georg Grünwald (1704–1770), Helfer des Wittwer-Chors, 1743 in Peilau in die Brüdergemeine aufgenommen, Erbauer des ersten Hauses von Gnadenfrei, Saaldiener, 1745–1753 mit der Bedienung der Geschwister in Peterswaldau betraut, zieht dann nach Gnadenfrei. 16 Martha Juliane Marche (1736–1819), 1765–1812 Schwesternpflegerin in Gnadenfrei, 1769 zur Diaconisse ordiniert. 17 Joachim Heinrich Andresen (1715–1781), 1767–1775 Gemeinhelfer und Ehechorpfleger in Gnadenfrei. 18 Gottfried Clemens (1706–1776), Theologe, 1735 Hofprediger bei Graf Heinrich XV. Reuß, 1738 bei Graf von Promnitz in Sorau, 1745 in Ebersdorf, 1750 Direktor des Theologischen Seminars und Schlossprediger in Barby, 1763–1771 Prediger in Gnadenfrei.

Zweiter Teil, Abschnitt 6: 1769 bis 1775

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und Waiblinger vertrat indeßen ihre Stelle. Der Bruder Gebauer19 und die Schwester Marchin kamen im Namen ihrer Chöre mit dazu. Ein Ausschuß aus dem Gemein-Rath wählte etliche Deputirte für die Gemeine, es traf aber keinen das Loos, die Arbeiter [466] wurden also auch im Namen der Gemeine bevollmächtigt. Sie reisten den 9. Junii nach Marienborn ab und kamen den 1. Octobris zurück. Der Verlaß20 wurde zuerst der Helfer-Conferenz21 ganz, allen AbendMahls-Geschwistern nur die Punkte von der innern Verfaßung, das Oeconomicum aber den Gnadenfreyischen AbendMahls-Geschwistern publicirt. Hernach schritt man zur Wahl der Helfer-Conferenz. Auf Anweisung in der Aeltesten-Conferenz solte dieselbe aus 13 Ehemännern, 9 Weibern, 3 Witwern (aber dasmal keine Witwen, außer die als Glieder der Aeltesten Conferenz dazu gehören), 8 ledigen Brüdern und 6 ledigen Schwestern bestehen. Man fand für gut, daß jedes Chor die aus ihm erforderlichen Glieder allein wählte. Dieses geschahe den 20. Octobris, und den 21ten22 wurde in der Aeltesten-Conferenz nach der Anweisung des Heilands, daß nicht die, so die meisten Stimmen haben, es seyn solten, sondern über jedes apart gefragt werden müße, die vom Heiland dazu beliebten Glieder, die nicht alle die meisten Stimmen hatten, bestimt: die Brüder Susbrich und Just, die schon vorher, theils von den ledigen Schwestern, theils vom Witwen-Chore als ihre Curatores23 bestätigt [467] worden, kamen Amts halber soviel in die Helfer-Conferenz als Aufseher Collegium, welches aus 15 Brüdern bestehen solte. Es mußten also zu denen, die Amts wegen dazu gehören, noch 4 Männer, 3 ledige Brüder und 1 Witwer vom Gemein-Rath dazu erwählt werden. Das geschahe den 23. Octobris, und da man über einem jeden apart fragte, traf es die jenigen, die die meisten Stimmen hatten, und der Herr v. Heide24 wurde als Praeses davon bestätigt. Nachdem im November auch das Synodal-Diarium verlesen worden, wurde mit den Aeltern gesprochen, ob sie ihre Kinder in der Anstalt laßen oder zu sich nehmen wolten. Weil aber einige, die nicht die Kosten dazu nöthigten, das leztere schon gethan hatten und sogar ihre Kinder selbst unterrichten wolten, so wurde auf Gutachten einer dazu 19 �������������������������������������������������������������������������������������� Johann Christian Gebauer (1728–1785), Kürschner und Schuhmacher, 1745 in die Brüdergemeine aufgenommen, 1752 Aufseher der Knaben in Gnadenfrei, 1763 Vorsteher der ledigen Brüder, 1765 als Diaconus ordiniert. 20 Die Zusammenfassung der Beschlüsse in systematischer Ordnung. 21 Große Helfer-Conferenz und Aufseher-Collegium wurden auf dieser Synode neu geordnet. 22 Diarium der Gemeinde Gnadenfrei vom 19. bis 21. Oktober 1769. Unitätsarchiv Herrnhut, Sign. R.7.D.I.b.1.c.1760–1770. 23 Der Synodalverlass von 1769 sagt dazu: Die Schwestern haben „sich in keine äußeren Sachen von Eheblichkeit ohne deren [der Curatoren] Zuziehung einzulassen, sondern sich auch mit ihnen allemal vorzüglich zu besprechen, ehe sie sich bey andern Raths erholen, und die Aeltesten-Conferenzen werden keine schriftliche Eingabe über Sachen, die sich auf dieses Amt beziehen, von den Schwestern-Chören annehmen, wenn nicht der Curator solche mit unterschrieben hat.“ Synodalverlass 1769 Punkt VI. D. 24 Julius Conrad von der Heyde (Heide, 1713–1797), 1731 Besuch des Pädagogiums in Halle an der Saale, Jurastudium an der dortigen Universität, 1751 Besuch in Gnadenfrei, 1761 in die Brüdergemeine aufgenommen.

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gesezten Committee, daß die Anstalten bey dem immer zunehmenden jährlichen Defect insoutenable wären, die Anstalten zum Schmerz mancher Aeltern, die ihre Kinder nicht in gehöriger Aufsicht haben können, aufgehoben,25 und dieses den 31. Decembris beym Jahres Schluß den Kindern unter vielen Thränen bekant gemacht. Sie wurden den 3. Januarii bey einem LiebesMahl ihren Aeltern mit zu Hause gegeben. Und den 4ten wurdea vom Bruder Bugge26 bey den Knäbgen, und der Hannel Johnin27 bey den Mägdgen in den Flügeln des Gemein- [468] hauses die Schule so wie den 8ten und 10. Januarii von Bruder Clemens der Unterricht in den Wahrheiten der Religion, angefangen. Man merkte gar bald, daß die Kinder bey dem Mangel einer beständigen und egalen Aufsicht Schaden litten. Die monatliche Conferenz mit den Geschwistern, die sich der Kinder annehmen, konte denselben so wenig als die Conferenz und das Sprechen mit den Aeltern verhüten. Es fehlte bey den mehresten, sonderlich bey denen, die nicht in den ledigen Chören gewesen, an Einsicht und Plan, und man konte dabey nicht viel helfen, als die Sache Gott befehlen. § 147. Der Synodus brachte auch eine Veränderung der Arbeiter mit sich. Bruder Grasmann wurde wegen zunehmender Schwachheit auf seine Bitte vom Oeconomat dispensirt und blieb gleich nach dem Provincial-Synodus in Berlin. Seine Stelle wurde nicht wieder besezt. Bruder Waiblinger bekam das Provincial-Helfer-Amt, wie nun mehr die Oeconomi genant wurden, Herr v. Heithausen28 hatte das Vorsteher-Amt bey der Regierung zu repraesentiren. Schon den 16. Januarii kam die Elisabeth Meyerottin29 von Herrnhut, an der Anne Kalkerin30 Stelle, die nach Gnadenberg als Vice-Pflegerin oder Chorhelferin der ledigen Schwestern [469] gekommen. Johann Heinrich Timeus31 reiste bey Aufhebung der Knabenanstalt nach Herrnhut, und Gebauer kam als Gemein-Diener (sonst Vorsteher) nach Neusalz und der bisherige Webermeister Johann Gottfried Schubert32 wurde an deßen Stelle Chor-Diener (sonst Vorsteher) der ledigen Brüder. a

Über der Zeile nachgetragen.

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25 Die Synode hob die örtlichen Erziehungsanstalten oder Schulen auf. Vgl. Synodalverlass III B „Synodal-Resolution die Abänderung der bisherigen Einrichtungen der Unitaets-Anstalten betreffend“. 26 Hans Wilhelm Bugge (1725–1792), 1756 in die Brüdergemeine aufgenommen, 1765 Vorsteher der Ortsknabenanstalt. 27 Johanne Juliane, geb. John (1738–1812), seit 1746 in Gnadenfrei, 1771 verheiratet mit Johann Conrad Herold (1720–1812). 28 Georg Ernst von Heithausen (1724–1791). 29 Elisabeth Meyerotto (1736–1797), 1769–1773 Schwesternhausvorsteherin. 30 Anna von Calker (1732–1784). 31 Johann Heinrich Timaeus (1733–1805). 32 Johann Gottfried Schubert jun. (1737–1797), Beutler oder Johann Gottfried Schubert sen. (1732–1795).

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Zu Folge eines Synodal-Schlußes, die gemeinschaftliche Haushaltung der Arbeiter33 in Gemeinen und Chören wegen des, wie man glaubte, größeren Aufwandes und der manchmal sich äußernden Unzufriedenheit über ungleiche Besorgung aufzuheben, wurde nach Erwegung hiesiger Umstände, zumal da die Arbeiter es selbst fürs beste fanden, dieselbe auch hier aufgehoben und von einer dazu gesezten Committee nach einen Durchschnitt des Aufwands der letzten Jahre jeder Familie vom Anfang des Jahres 70 an und so auch den ledigen Chorarbeitern ein gewißer Gehalt nebst freyer Wohnung ausgesezt. Einige lieblose Urtheile von unbefugten Leuten verursachten dabey allerlei Verdruß, und die im Februar 70 erfolgte Vertheilung der Cassen, die sonst der Vorsteher gehabt, unter einige Glieder des Aufseher Collegii [470], die aus Argwohn herzufliesen schien, konte auch wol nicht anders als Empfindlichkeit, die in der Folge das gute Vernehmen stöhrte, hervor bringen. § 148. Im Jahr 1770 kamen die Veränderungen nach den Synodal Schlüßen vollends zu stande und in Gang. Es wurden auch einige Veränderungen im Liturgico gemacht. Auf Anweisung der Aeltesten Conferenz wurde die Beter-Versammlung nicht verändert, sondern den 20. Martii aufgehoben und blos die Helfer-Conferenz als die Beterversamlung34 angesehen und behandelt. Mit der AbendMahls Gemeine im Orte wurde des Sonnabends Abends eine Liturgie angefangen, die sehr beliebt und gesegnet war: hingegen wurde mit allen, auch den auswärtigen AbendMahls-Geschwistern Sonntags Nachmittags nach den Chor-Viertelstunden einer von den neuaufgelegten und verbeßerten Liturgischen Gesängen,35 welche die Unitaets-Aeltesten-Conferenz (so wurde das neugesetzte Directorium genynnt) allen Gemeinen umsonst zugeschickt hatte, gesungen, worauf auch ein lieblich-liturgischer Geist ruhte. Die Geschwister Beyers36 wurden den 3. Martii zu Almosenpflegern und Baumgarts37 zu ihren Gehülfen und Johns38 zu Krankenpflegern gesezt. Mit denselben wie [471] auch mit den Kranken-Besuchern in Gnadenfrey und Peile hielten die Gemein-Arbeiter alle 4 Wochen eine Conferenz. Roeslers39 thaten mit der Anne Foslerin40 einen gesegneten 33 ������������������������������������������������������������������������������������������� Der gemeinschaftliche Haushalt, die gemeinsame Versorgung und das gemeinsame Essen der Mitarbeiter und „Pilger“, der Gäste, wurde durch die Synode aufgehoben. Synodalverlass III Nr. 94. 34 Das heißt also, dass die Helfer-Conferenz nun die Stundenbeter unter sich verteilen musste. 35 Liturgische Gesänge der Brüdergemeine, aufs neue revidirt. Barby 21773, darin angebunden Litaneyen der Chöre. O. O. 1773. 36 Matthäus Beyer (1716–1795), 1756 verheiratet mit Johanna Eleonore, geb. Geisler (1724–1779). 37 Johann Baumgarten (1687–1778), Gründungsmitglied von Gnadenfrei, 1715 verheiratet mit Elisabeth, geb. Fritz (1699–1778). 38 Gottlieb John sen. (1705–1772), 1764 verheiratet mit Rosina, geb. Girth (1707–1783) oder Gottlieb John jun. (1732–1795), verheiratet mit Susanna, geb. Hilbert. 39 Johann Gottlob Roesler (G 1710), 1738 verheiratet mit Anna Susanna, geb. Starck (G 1710). 40 Anna Foßler (1714–1772), 1745 in die Brüdergemeine aufgenommen, 1751 nach Gnadenfrei als Gehilfin der Schwesternchors.

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Besuch im Oelsnischen; sonst wird nichts von der Diaspora angemerkt. Unter den Arbeitern gingen keine Veränderungen vor; außer das Johannes George Grünwald, zeitheriger Arbeiter des Witwer-Chors, den 23. Novembris heimging; man fand niemanden an seine Stelle; es musten sich also die Ehechor-Arbeiter in die innere Arbeit bey diesem Chore theilen, und sein Vorsteher Geschäfte wurde einigen Brüdern aus dem Chore committirt, unter welchen der im Hause wohnende Bruder Abraham Tix41 die Aufsicht des Hauses übernahm. Von Pawlowitzky wurden Heckners42 abgerufen und reisten den 22. Martii als Gemein-Diener nach Klein-Welke. An ihre Stelle waren Geschwister Stoehrs43 aus Zeist berufen worden; und sie reisten den 6. Junii von hier dahin ab. Dieses Häuflein wurde als ein Filial von Gnadenfrey behandelt, jedoch von nun an so, daß Stoehr selbst taufen und AbendMahl halten, aber nicht trauen und zu Vorschlägen zur Aufnahme und AbendMahl aus der hiesigen Aeltesten Conferenz Resolution erwarten solte. Bruder Franz44 kaufte von der Herrschaft [472] ein Stück Feld von 40 Quadrat-Ruthen für 40 fl. zu einem Gottes-Acker und im folgenden Jahre das alte Herrschaftshaus für 100 fl. zum Versamlungs-Saal und Wohnung für die Arbeiter. § 149. Die Predigt des Evangelii hatte in Gnadenfrey noch immer starken Zulauf, die Gemeine aber nahm nicht mehr so sehr zu, wie in den lezten Jahren. Uibrigens war die Gemeine bis auf einige Schwache und Kranke in einen gesegneten Gange, und man freute sich, da in Februario und Martio das Synodal-Diarium und Verlaß von neuem gelesen wurde, daß die Hauptsachen zustande gekommen und daß die im Synodo erneuerten Wahrheiten und Grund-Principia der Gemeine und Chöre eine so gesegnete Wirkung bey den Geschwistern hervorgebracht hatten. Die Gemein-Versamlungen waren mit Segen begleitet, und sowol in der Gemeine, als zwischen den Conferenzen fing der so oft gewünschte Geist der Einigkeit an zu regieren. Desto gegründeter war die Furcht, darinnen gestöhrt zu werden, da der von der Unitaets-Aeltesten-Conferenz eingesandte [473] Entwurf einer Instruction für die Aufseher Collegia und Curatores45 eine Verschiedenheit der Meynungen nicht nur mit der Unitaets-Aeltesten-Conferenz, sondern 41 Abraham Tix (Dix, G 1702), 1735 verheiratet mit Susanne Eleonore, geb. Klett († 1759). 42 Gottfried Häckner (1718–1810), 1743 in die Brüdergemeine aufgenommen, 1744 verheiratet mit Catharina, geb. Neißer († 1754), 1745 in Gnadenfrei zum Dienst an den Kindern. 43 Johann David Stöhr (1702–1774) und seine zweite Ehefrau Maria Elisabeth, verw. Würz wurden 1741 als Arbeiter für Schlesien bestimmt. 44 Matthäus Franz (1711–1783), Diakon und Stundenhalter in Rösnitz und Gnadenfeld. 45 �������������������������������������������������������������������������������������������� Enthalten in Unitätsarchiv Herrnhut, Sign. UVC I.106, Nr. 1 Unitaets-Syndicats-Acta: „Erneuerte Instruction für die Aufseher Collegiem nach dem Einverständnis des letzten Synodi“. Darin heißt es: „Es soll hiernächst das Aufseher-Collegium in jeder Gemeine der Beyrath des GemeinDieners seyn, mit welchem letzterer gemeinschaftlich zu Werke gehen, über alle Einnahmen sowohl als Ausgaben, besonders wenn Gelder zu erborgen wären, Rath pflegen, auch Rechnung ablegen und überhaupt das Beste der Gemeine und ihren Wohlstand mit befördern helffen soll.“ Er ist der Ältesten-Conferenz „subordinirt“.

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auch zwischen den hiesigen Conferenzen verursachte. Das Hauptbedenken war, daß dadurch eine doppelte Gemein-Direction zu entstehen schien, welche nichts andres als Uneinigkeit und den gänzlichen Ruin der Gemeine nach sich ziehen würde. Die Aeltesten-Conferenz sandte die verlangte Erinnerung über diesen Entwurf, darüber selbst die Glieder des Aufseher Collegii nicht einerley Gedanken hatten, an die Unitaets-Aeltesten Conferenz ein und erhielt eine ausführliche Beantwortung derselben, welche von hiesiger Seite nicht unbeantwortet blieb und die Gemüther noch mehr trente. Die Unitaets-Aeltesten-Conferenz wurde dadurch veranlaßet, es auf eine Visitation anzutragen. Allein auch dabey fand man Bedenken und glaubte, daß die Gemeine, die die Kosten tragen müste, die Nothwendigkeit davon nicht einsehen würde. Weil aber doch auf einen abermaligen Antrag die Aeltesten-Conferenz einen solchen Besuch wünschte und das Aufseher Collegium auch darein acquiescirte,46 so wurde endlich eine Deputation in die Schlesischen Gemeinen beschloßen.47 [474] § 150. Diese Deputation wurde 1771 dem Bruder Koeber48 übertragen und zuerst in Gnadenberg gehalten. Von da traf er den 10. Martii mit seiner Frau hier ein und eröfnete den 12ten der Aeltesten-Conferenz und den 13ten dem Aufseher Collegio, der Helfer Conferenz und dem Gemein-Rath sein Geschäfte, welches sich auf 4 Punkte belief. 1.) Die Gemein-Ordnungen,49 wobey die im Herrnhut vom Gemein-Rath approbirten zum Grunde gelegt wurden, auch hier zu stande zu bringen. 2.) Den 1763 zwischen der Orts-Herrschaft und der Gemeine vollzogenen Recess50 zu revidiren und zu erneuern. 3.) Die Instruction fürs Aufseher-Collegium, welche in andern Gemeinen nach denen, von einigen Aeltesten Conferenzen eingeschickten Erinnerungen verbeßert und eingeführt worden, auch hier zu vollziehen, und 4.) den oeconomischen Statum der hiesigen Gemeine zu revidiren. Dieses geschahe dann in den folgenden Tagen nicht nur in den Conferenzen, sondern auch mit Sprechen der Glieder derselben und anderer Brüder. In den Memorabilien51 dieses Jahres heiset es davon also: „Während dem 9. wöchentlichen Aufenthalt [475] wurden die nach Masgabe des Synodal-Verlaßes entworfene 46 damit zufrieden sein, darauf eingehen. 47 In der Sitzung der Unitäts-Ältesten-Conferenz vom 4. Januar 1771 legte der Syndicus Köber (1717–1786) „die von ihm gesammelten Puncte, die Object seiner Deputation nach Schlesien betreffend“ vor. (Protokoll der Unitäts-Ältesten-Conferenz, Sign. R.3.B.4.e 1771, Bd. 1, 29) 48 Konnte nicht nachgewiesen werden. 49 Die Gemeinordnung für Gnadenfrei wurde nach dem Vorwort am 6. Mai 1771 in den Druck gegeben und hat den Titel: Der Evangelischen Brüder-Gemeine zu Gnadenfrey brüderliches Einverständnis über derselben Ordnungen und ihrer Mitglieder und Einwohner Verhalten nach Christi Sinn. Barby 1771, 72 Seiten. Unitätsarchiv, Sign. NB.V.R.1.23. 50 Der erneuerte Recess liegt handschriftlich vor in der Akte Unitätsarchiv, Sign. UVC IX 160. Vgl. Unitätsarchiv Herrnhut, Sign. R.7.D.I.a.3. 51 Das folgende Zitat ist weitgehend wörtlich aus den Memorabilien nach dem 31. Dezember 1771 entnommen. Das Diarium von Gnadenfrei berichtet vom 11. März bis 10. Mai 1771 über die jeweiligen Schritte der Visitation.

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Gemein-Ordnungen in den Conferenzen und sämtlichen Gemein-Rath, auch in kleinen Gesellschaften gelesen, genau erwogen, und mit Zustimmung aller Herzen als ein Brüderlich Einverständniß unter uns vollzogen. Auch ist der erneuerte Recess zu stande gebracht und von beyden Theilen durch die Unterschrift bestättigt worden. In gleichen von der hiesigen Aeltesten Conferenz und dem Aufseher-Collegio eine vollständige Instruction ausgefertigt worden. Beym Schluß dieses wichtigen Deputations Geschäftes (Es war den 9. May, nachdem den 6ten dem Gemein-Rath eine Relation von dem, was geschehen, gegeben worden) verband sich die sämtliche Orts-AbendMahls-Gemeine nach einer beweglichen Rede des Deputati mit der ganzen Unitaet zum wahren Christus-Sinn.“ Und den 10ten sezten Geschwister Koebers ihre Reise nach Neusalz fort. Hier will ich noch hinzuthun, daß Gnadenfrey vom 11ten bis 23. Septembris den lezten Besuch von ihrem vieljährigen Bischof Waiblinger gehabt und mit gesalbten Gemeinund Chor-Reden erfreut worden. [476] Um die eigentliche Absicht seines Besuches, die Unterstützung der Neusalzer im äuserlichen Bestehen, zu bewirken, reiste Bruder Schubert und Geisler zu einer Conferenz52 mit dem Bruder Gebauer nach Gnadenberg. § 151. Um das völlige Einverständnis mit der Unitaets-Aeltesten-Conferenz zu bevestigen, reiste Bruder Andresen den 3. Junii nach Herrnhut und Hennersdorf53 und kam den 20ten mit der Anweisung zurück, den schon unterm 22ten May ergangenen Abruf des Bruder Clemens zu seiner schon lange resolvirten Destination als ein Lutherisch-ordinirter Prediger der Gemeine in Herrnhut zu dienen, der Gemeine alhier bekant zu machen. In den Memorabilien heiset es davon also: „Der Abruf unsrer lieben Geschwister Clemens nach Herrnhut nach 8 jährigem treuen Dienst bey der hiesigen Gemeine und die Wiederersetzung ihrer Stelle durch die lieben Geschwister Cranzes54 machte eines Theils Schmerz und Verlegenheit, andern Theils Trost und Beschämung“ (Erstere reisten den 22. Julii ab und leztere kamen den 31. Julii hier an.) Zum Dienst des Evangelii unter den entferntesten Heiden und besonders in Trankebar hat unser lieber Herr unsern geliebten Bruder Woltersdorf55 nach 5 jährig [477] treuen und gesegneten Dienst in der Gemeine und sonderlich im ledigen Brüder-Chore abgerufen.b Zu deßen Nachfolger hat der Heiland den Bruder Würgatsch56 ernant.“ Ersterer reiste den 25. Octobris nach b

Folgt gestrichen: wurde.

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52 ����������������������������������������������������������������������������������������� Die Abreise fand am 23. September 1771 statt. Diarium der Gemeinde Gnadenfrei. Unitätsarchiv Herrnhut, Sign. R.7.D.I.b.1.d.1771–1777. 53 Großhennersdorf. 54 Mit diesem Zitat aus den Memorabilien teilt Cranz, der Verfasser dieser Chronik, seine Berufung nach Gnadenfrei mit. Vgl. die Einleitung. 55 Joachim Woltersdorf (1720–1786), ab 1771 Missionar in Ost-Indien. 56 Johann Andreas Würgatsch (1740–1799), Lehrer in Großhennersdorf, viele Jahre Schreiber der Unitäts-Ältestenconferenz, 1772 zum Diaconus ordiniert und nach Gnadenfrei, 1777 als Prediger in Pawlowitzke berufen.

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Barby ab, wohin sich seit dem August die Unitaets-Aeltesten-Conferenz begeben, und lezterer kam den 30. Januarii 72 hier an. Die Hannel Johnin wurde zur Diaspora Arbeit in Altona mit Bruder Herold57 verheyrathet. An ihrer Stelle übernahm die Bienel Seebassin58 die Schule und Liesel Kaulin59 den Besuch der Mägdgen. Es gingen auch im April 4 ledige Schwestern nach Sarepta, so wie im vorigen Jahre Heinrich Mente60 nach Suriname, und Nicolas Müller61 nach St. Thomas. Dem Bruder Simon Meyer hatte es bey einem Besuch in Pawlowitzky so gefallen, daß er sich zur Gehülfenschaft daselbst anbot. Er reiste im December dahin, richtete sich auf sein Knopfmacher-Handwerk ein, unterstützte den alten und oft kranken Bruder Stoehr mit dem Lesen und Stundenhalten und nahm sich sonderlich der ledigen Brüder und Knaben an, wie auch der Diaspora in Schnellewalde und der Gegend, wo sich auch einige Schulhalter, denen das Heil der Seelen anliegt, mit ihm bekant machten. [476] § 152. Was den innern Zustand der Gemeine betrift, so offenbarte sich zwar der Schaden, den die Mißdeutung einiger Punkte des Synodal-Verlaßes und die übeln Nachrichten von andern Orten veranlaßet hatten, erst recht in diesem Jahre, und es fingen einige jungen Leute an, nach dem Willen des Fleisches und der Vernunft zu leben und auch andre dazu zu verleiten: daher man genöthigt war, einige vom AbendMahl auszuschlüßen und 7 junge ledige Brüder, wenn sie nicht selbst gingen, zu verweisen; von denen doch einige bußfertig zurück gekommen. Ins Ganze aber war in der Gemeine ein gesegneter, ruhiger und lieblicher Gang, und seit dem Aeltesten-Feste, spürte man überall eine besondre Gnade, Liebe und Harmonie. Von der Diaspora ist nichts sonderliches angemerkt worden, außer daß im Juny 2 Männer aus Rabitsch62 in Pohlen den Jauerschen Soldaten Brüdern, dem Obrist-Lieutenant v. Vormann63 und Lieutenant Arnd,64 die daselbst in Quartier stunden, von vielen gerührten Seelen Nachricht brachten. Im October kam Bruder Herrmann Richter65

57 Johann Conrad Herold (1720–1812), verheiratet mit ( Johanna) Juliane, geb. John. 58 Anna Benigna Seebaß (1748–1779). 59 Anna Elisabeth Kaul (1738–1797), seit 1760 Gehilfin, dann Mitarbeiterin bei den Kindern, 1775 Diaconisse und 1779 Schwesternhausvorsteherin. 60 Johann Heinrich Mente (1716–1783), von 1763–1770 in Gnadenfrei. 61 Johann Nicolaus Müller (1741–1772), seit 1765 in Gnadenfrei, diente als Krankenwärter. 62 Rawitsch (poln. Rawicz). 63 ������������������������������������������������������������������������������������ Christian Heinrich von Vormann (1714–1788), Kommandant von Jauer, zog 1779 nach Gnadenfrei. 64 Konnte nicht nachgewiesen werden. 65 Hermann Richter (1746–1821), wurde 1775 auch Informator der jüngsten Söhne des Ortsherrn Georg Ernst von Heithausen (1724–1791), 1808 Bischof.

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von Barby66 hier an und sezte [479] seine Reise nach Pohlnisch Wartenberg fort, um des Hof-Prediger Sassadius67 Kinder zu informiren und ihm in Predigen zu assistiren, weswegen er bey den Senior Radezky68 zu Oels die Erlaubnis dazu suchte und erhielt. So kam auch der Bruder Christian David Rothe,69 ein Sohn des seligen Pastor Rothe70 zu Dirsdorf, von Niesky, zu dem Sohn des Landrath v. Pfeil auf Wilke71 und wurde auch in der Gemeine, in der Musik, zu Kinderstunden halten und Predigen gebraucht. Der Herr v. Falkenhayn72 und seine Schwester,73 die sich viele Jahre in der Nähe als Diaspora zur Gemeine gehalten, wurden auf inständiges Bitten in die Gemeine aufgenommen und zur Orts-Gemeine gezehlt, und doch verlor er nichts dadurch von seinem guten Namen, sogar wurden ihm noch mehrere Vormundschaften auferleget. Ich will nur noch dieses vom vorigen Jahre nachholen, daß der dirigirende Minister v. Hoym,74 der vor 2 Jahren an Schlaberndorfs75 Stelle gekommen, den 6. Junii 70 einen freundschaftlichen Besuch in Gnadenfrey76 gethan und sich alles mit Vergnügen angesehen hat. Diesem Herrn hat man viel von der veränderten Gesinnung der Regierung zu zuschreiben. [480] § 153. Bald zu Anfang des Jahres 1772 wurden 4 im Aufseher Collegio und 4 in der HelferConferenz fehlende Brüder, wie im Anfang geschehen, von der Gemeine gewählt und bestättigt und zugleich auf Anweisung 5 Schwestern aus dem Witwen-Chore in die Helfer-Conferenz genommen. Und da bisher nur die Helfer-Conferenz als die Betherversamlung angesehen worden, so wurden im Januar alle erwachsene AbendMahls-Geschwister, die ohne dem den Gemein-Rath ausmachen, zu dieser Versamlung declarirt und dieselbe statt der bisherigen Sonnabends Liturgie gehalten. Da die auswärtigen

66 Er kam vom Theologischen Seminar der Brüdergemeine in Barby. 67 Johann Wentzel Sassadius (1736–1814), 1766 bis zu seinem Tod dort Hofprediger. 68 ������������������������������������������������������������������������������������������ Johann Ernst Gottlieb von Radetzky (1707–1785), wurde am 3. August 1743 für Rösnitz ordiniert, wo er bis 1747 blieb, 1751 bis zu seinem Tod Superintendent/Senior des Fürstentums. 69 Christian David Benjamin Rothe (1745–1801), 1789 Bischof. 70 Johann Christoph Rothe (1709–1764), 1742–1746 Pfarrer in Ludwigsdorf, 1746–1764 in Dirsdorf. 71 Carl Friedrich II. von Pfeil und Klein-Ellguth (1735–1807) auf Groß-Wilkau und Kleutsch, Landrat von Nimptsch. 72 Nikolaus Florian von Falkenhayn (1715–1800). 73 Marie Juliane von Falkenhayn (1717–1799). 74 Karl Georg Heinrich von Hoym (1739–1807), seit 1770 dirigierender Minister von Schlesien. 75 Ernst Wilhelm von Schlaberndorf (1719–1769), preußischer Minister. 76 Das Diarium der Gemeinde Gnadenfrei berichtet: Am 6. Juni 1770 „kamen Seine Excellenz der dirigirende Minister Herr v. Hoym anhero, hielten sich eine halbe Stunde hier auf, besuchten das Brüder- und Schwestern-Hauß, den neuen Saal und im Laden die hier fabricirten Cattune mit Wohlgefallen.“ Unitätsarchiv Herrnhut, Sign. R.7.D.I.b.1.c.1760–1770.

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verehlichten Geschwister in vielen und zum Theil weitentlegenen Dörfern zerstreut wohnen und weder von den Gemein-Arbeitern noch von ihren Gesellschafts-Haltern gehörig besucht werden konten, so wurden sie in 10 Claßen oder Districte abgetheilt77 und einer jeden Abtheilung ein Ehepaar vorgesezt, die nebst 1 oder 2 Paaren von den Gesellschafts-Haltern sie von Haus zu Hause besuchen. Die bisherigen Gesellschaften von Geschwistern aus allerley Dörfern, die alle in Gnadenfrey gehalten werden, gehen dabey [481] in ihrer Ordnung fort. Diese Einrichtung wurde den 22ten Januarii angefangen und brachte eine neue Bewegung unter sie. Die Abtheilungen sind 1.) Ober-Peile, Dobschütz-Antheil. 2.) Ober-Peile, Seidlitz-Antheil. 3. 4. 5. Mittel-Peile. 6. NiederPeile und Gittmannsdorf. 7. Kleitsch und Schönheide. 8. Habendorf und Roßenbach. 9. Weigelsdorf und Biele. 10. die in etlichen Dörfern einzeln wohnende Geschwister. Der im vorigen Jahre bemerkte selige Gang und die gründliche Arbeit des Geistes Gottes an den Seelen veroffenbarte sich in diesem Jahre je mehr und mehr, sonderlich unter den ledigen Brüdern, die im April nach langer Zeit wieder ein Chor-AbendMahl haben konten. Einige aus Trockenheit zurück gebliebene gingen wieder mit zum AbendMahl, und manche sowol aus diesem als andern Chören wurden readmittirt, unter welchen ein Mann 12 Jahre, ein lediger Bruder (der zugleich wieder ins Chorhaus kam) 20 Jahre und noch ein Mann 25 Jahre ihre eigene Wege gegangen. Lezterer erhielt nach der Zeit auch Erlaubnis, in den Gemein Ort zu ziehen. Die ledigen Schwestern verloren eine besondere Zierde ihres Chores und treue Gehülfin, sonderlich bey den Auswärtigen, an der Anna Foslerin,78 welche, nachdem sie vor Pfingsten noch einen gesegneten Besuch im Oelsnischen [482] gethan, den 23. Au77 Dieser Punkt der mangelnden Betreuung der um Gnadenfrei herum wohnenden auswärtigen Geschwister war für Cranz eine wichtige seelsorgerliche Aufgabe, und er hat dies im Diarium der Gemeinde Gnadenfrei ausführlich erläutert: „Diese Woche war das Sprechen der auswärtigen Geschwister in classenmäßigen Abtheilungen, daran schon im vorigen Monat gearbeitet worden. Man hat mit Betrübniß wahrgenommen, daß die Geschwister in den Dörffern, auch die nächsten Nachbarn keine oder doch nicht die rechte Brüderliche Liebe und Gemeinschaft haben, daß man von manchen wenig oder doch nicht zeitig genug die gehörige Notiz bekomt und daß schädliche dinge oft zu spät offenbar werden. Da nun die geringe Anzahl der Gemein Arbeiter bey dem grossen in viele und weitentlegene Dörfer ausgebreiteten Werk nicht hinlangt, überall nachzusehen und sich um alle Specialia zu erkundigen und die Gehilfen, die Brüder und Schwestern in ihren Gesellschaften, wo sie aus vielerley und oft weit auseinander gelegenen Orten beysammen sind, auch nicht gehörig besuchen können: so wurden die auswärtigen Geschwister in 10 Classen oder Districte abgetheilet, einem jeden einer der bißherigen Gesellschaftshalter nebst einem oder 2 Paar Gehülfen vorgesetzt, die die Geschwister in ihrer Abtheilung von Haus zu Haus besuchen, mit ihnen und ihren Kindern reden, sie zur Gemeinschaft ermuntern, auch wol, wo es angeht, sie manchmal zusammen nehmen, sich nach den Irrungen und Abweichungen, die vorkommen, erkundigen und, wenn sie den Grund davon heraus gebracht, dieselben beylegen oder zur Remedur am gehörigen Ort anbringen sollen. Die bisherigen Gesellschaften von Geschwistern aus allerley Orten, die alle in Gnadenfrei gehalten werden, gehen in ihrer Ordnung fort und die Geschwister besuchen ihre Gesellschaftshalter und werden von ihnen so viel möglich besucht.“ Diarium der Gemeinde Gnadenfrei am 19. Januar 1772. Ebd., Sign. R.7.D.I.b.1.d.1771–1777, 6f. 78 Anna Foßler (1714–1772).

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gusti heimging. Ihre Stelle beym Fremden-Besuch wurde einigermasen durch die Susanne Moserin79 besezt. Die ledigen Brüder gaben den 28. Decembris den bisherigen Knaben- und KinderArbeiter, Michael Busse,80 als ledigen Brüder Chor-Helfer in Gnadenberg ab. An seine Stelle kam Johann Gottfried Schubert,81 der Beutler in Gnadenfrey, und im November 73 kam auch dieser in die Aeltesten Conferenz. Der bisherige Schulhalter Hans Bugge reiste den 28ten May auf seinen Diaspora-Plan zu Bergen in Norwegen ab, und der von Leipzig her mit den Brüdern in Barby bekante Bruder Johann August Klingsohr82 kam den 6. Junii an deßen Stelle; und Bruder Pritzelwitz83 ließ sich willig finden, sein Gehülfe in der Aufsicht zu seyn. Die 4 Töchter84 des Landraths v. Pfeil auf Wilke zogen den 15. May nach Gnadenfrey in das sogenante Pfeilische Haus unter der Aufsicht ihrer Tante, der Witwe v. Marschall,85 und Information [von] Mademoiselle Laurent86 im Französischen, wobey sie jedoch die Schule besuchten. Nach ein paar Jahren kamen auch der Geschwister v. Seidlitz auf Guhlau 2 Töchter87 dazu und formirten also einen Anfang einer adelichen Anstalt, der wir Nachfolge auf der Knäbgen-Seite wünschen. [483] § 154. Pawlowitzky nahm, ohngeachtet es keine Concession hatte, nach und nach mit wenigen zu, und sonderlich heuer mit 3 Ehepaaren aus Gnadenfrey, wie auch mit etlichen aus dem Oesterreichischen-Schlesien, die einige leere Stellen übernahmen und auch neue bauten. Von nun an hatten sie das AbendMahl alle 4 Wochen und legten einen GottesAcker an. Die Theurung, die seit 1770 und sonderlich in diesem Jahre halb Europa sehr gedrückt hatte, war auch in Schlesien besonders vor der Ernte 71 sehr empfindlich. Heuer schenkte Gott einen schönen Segen, der aber auch mitten in der Ernte Schaden litte, jedoch galt der Scheffel Korn nicht über 4 rt., da er in andern Ländern 10 rt. kostete. Die Armen litten dabey manche Noth, doch durfte keines verderben. Und Gott machte die Herzen willig, an der Noth ihrer Mitmenschen Theil zu nehmen. Dieses erfuhr auch 79 80 81 82 83 84 85 86 87

Susanna Maria Moser (1723–1792). Michael Busse (1738–1803), Weber, 1767–1772 Kinderpfleger in Gnadenfrei. Johann Gottfried Schubert jun. (1737–1797), Beutler. Johann August Klingsohr (1746–1798), Besuch der Malerakademie in Dresden, 1772–1777 Schulhalter in Gnadenfrei. Johann Heinrich Pritzelwitz (1738–1789), im Krieg 1760 schwer verwundet und 1770 aus dem Militär entlassen. Charlotte Marie Eleonore (1761–1825), Christiane Friederike (1764–1849), Juliane Henriette Eleonore (1765–1806), Sophie Friederike Elisabeth (1767–1848). Sophie Charlotte von Marschall, geb. von Pfeil (1727–1806). Margaretha Laurent (1709–1785). Christiane Friedrike von Seidlitz-Gohlau (G 1768), Charlotte Sophie von Seidlitz-Gohlau (G 1770).

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die Unitaet ins Ganze, so daß man viele Ursache hatte bey Gelegenheit der Nachricht von der Brüder Gregor88 und Loretz89 Deputation in America,90 wodurch sich der trübe Anblick der allgemeinen Noth sehr aufklärte, den HErrn für seine Gaben und [484] Wohlthaten zu preisen. Eine abermalige Probe der beßern Gesinnung der Regierung gab ein Rescript der Kammer an die Colonie zu Gnadenfrey unterm 23. Junii 1772,91 daß, da nach der General-Concession vom 7. May 46 denen in Schlesien etablirten Brüder Gemeinen verstattet worden, nach ihrem Gutbefinden einige oder mehrere Familien von einem der privilegirten Orte in Schlesien nach einem andern oder auch außer Landes zu versetzen, bey Versendung außer Landes aber der Abzug vom Vermogen entrichtet werden müste; so müste bey Versendung einiger Personen oder Familien das außer Land gehende Vermögen jedesmal angezeigt werden, damit man urtheilen könne, ob die Abzugs-Gelder dem Fisco oder der Grundherrschaft zu entrichten. § 155. Der im Jahre 1771 von den Americanischen Gemeinen bey Gelegenheit der Deputation gethane Vorschlag, einen Tilgungs-Fond92 in der ganzen Unitaet einzurichten, war in Gnadenfrey angenommen worden, hatte aber bey dem Mangel einer hinlänglichen Einsicht von der Zulänglichkeit deßelben nicht viel ausgetragen und [485] wurde, da andere Gemeinen, sonderlich Herrnhut, bey der fortwährenden drückenden Theurung und Mangel der Nahrung denselben für unzeitig und unthunlich hielten, für die Zeit suspendirt. Da aber nach der Ernte 1772 die Theurung etwas nachließ und die Gemeine zu Herrnhut aus sich selbst den Fond errichtete und zu beßerer Einrichtung eine Deputation vom Diener-Departement begehrte, welche dem Bruder Loretz aufgetragen wurde, so nahm man auch hier die Sache wieder vor und Bruder Loretz kam 1773 den 5. Martini mit seiner Frau in der Absicht hieher. Mit ihm kam Bruder Friedrich von Watteville junior,93 welcher bey zunehmender Schwachheit unsers alten Waiblingers den Ruf zum Provincial Mithelfer der Schlesischen Gemeinen erhalten und angenommen, und auch hier vorgestellt wurde. Loretz proponirte senen Auftrag den 7. und 8ten den Conferenzen und den 9ten dem GemeinRath nach den Chor-Abtheilungen auf eine recht liebliche und faßliche Weise, und wir 88 �������������������������������������������������������������������������������������������� Christian Gregor (1723–1801), Organist und Liederdichter, seit 1764 Mitglied der Unitätsleitung. 89 Johannes Loretz (1727–1798), Senior civilis. 90 Die Reise nach Nordamerika dauerte von November 1770 bis Mai 1772. 91 Konnte nicht nachgewiesen werden. 92 Die Unität hatte nach Trennung des Privatvermögens Nikolaus Ludwig von Zinzendorfs (1700– 1760) und der Unität und der damit übernommenen Schulden mit der Tilgung erheblicher Lasten zu kämpfen. 93 ������������������������������������������������������������������������������������������ Friedrich Rudolph von Watteville (1738–1811), verheiratet mit der jüngsten Tochter Zinzendorfs Elisabeth von Wattewille, geb. Reichsgräfin von Zinzendorf (1740–1807).

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müßen (wies im Bericht heiset) bekennen, daß der Erfolg unsere Erwartung weit über stiegen und unsere Kleinmütigkeit sehr beschämt hat, wofür den 21ten dem Heilande nach einer Rede im Gemeinrath über die Loosung, die zum neuen Jahr für die Unitaet [486] aufgeschlagen worden: Du erfreuest mein Herz, ob jene gleich viel Wein und Korn haben,94 herzlich gedankt wurde, und unsre lieben Gäste reisten den 22ten Martii über Gnadenberg nach Neusalz ab. Im Juni erfreute Bruder Lieberkühn,95 deßen Andenken bey vielen noch von 1743 her im Segen ist, die Gemeine mit seinem Besuch und Vorträgen. Es traf sich just, daß Bruder Cranz eine Reise nach Herrnhut vornehmen muste. Dieser begleitete den 16. Junii die Schwester Elisabeth Meyerottin, bisherige Mithelferin des ledigen SchwesternChors, nach Gnadenberg, und den 22ten kam die Schwester Beata Reichelin96 an ihre Stelle aus Niesky hier an. Die revidirten oder vielmehr ganz neuverfertigten Chor-Liturgien97 wurden hier im October eingeführt und hatten einen gesegneten Einfluß in die Chöre. Aus den ledigen Brüdern ging Christian Belling,98 ein Schmid, den 30. Augusti nach Ost-Indien. Die Witwen hatten den 2ten Februarii ihr Chorfest zum lezten mal, denn da wegen eines erschrecklichen Schneewetters und Gestöbers die wenigsten kommen konten und, die doch kamen, es mit Lebens-Gefahr thaten, indem sie kaum aus ihrem Hause auf den Gemein-Saal kommen konten, so hielt man bey der Unitaets Aeltesten Conferenz an, dieses Fest auf eine beßere Jahrs [487] Zeit zu verlegen, und es wurde der 31. Augusti ins künftige zu ihrem Chorfest bestimt. Ein lediger Bruder Johann Gottlieb Hildenhagen99 hatte den 1. Februarii das Unglück, nicht weit von Dobschütz, Ober-Peile, zu erfrieren. § 156. Von Pawlowitzky war im April Bruder Simon Meyer nach Pensylvanien abgereist, und also wurde der alte, oft kranke Bruder Stoehr abermals ohne Hülfe gelaßen. Allerley übele Nachreden von ein Paar Leuten, die er hatte genau nehmen müßen, verursachten ihm viel Herzleid und in der Gemeine eine Confusion, die durch eine innständig erbetne Untersuchung, wozu im Juli Geschwister Andresens und Julgen Marchin dahin reisten, zwar beygelegt, aber nicht eher ganz gehoben wurde, als bis im folgenden Jahre nach dem Heimgange des Bruder Stoehrs diese 2 Leuhte, nachdem sie in der ganzen Gegend stinkend worden, von da weg und nach Peterswalde gezogen. 94 Die oben zitierte Losung vom 21. März 1773 steht in Ps 4,8. 95 �������������������������������������������������������������������������������������������� Samuel Lieberkühn (1710–1777), studierte in Halle an der Saale und Jena Theologie, Judenmissionar in Amsterdam, 1765–1772 in Neusalz. 96 Dorothee Beate Reichel (1735–1782), Schwester von Johann Friedrich Reichel sen. (1731–1809). 97 Liturgische Gesänge der Brüdergemeine, aufs neue revidirt. Barby 21773, darin angebunden Litaneyen der Chöre. O. O. 1773. 98 Christian Belling (1746–1817), seit 1767 in Gnadenfrei, 1773 Missionar in Ost-Indien, 1783 in West Indien. 99 Johann Gottlieb Hildenhagen (1745–1773), Schuhmacher, seit 1769 in Gnadenfrei.

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Bruder Cranz that im October einen Besuch in Breßlau, im Oelsnischen und in Wartenberg.100 Er hatte an einigen Orten die Seelen aus allen Dörfern zusammen und proponirte ihnen auser dem gewöhnlichen Zuspruch einen Vorschlag zu einer mehreren Gemeinschaft [488] unter einander, daß sie 1.) überall an einen Tage in ihren Kirchen zum AbendMahl gehen und im Gebet einander gedenken mögten. 2.) daß ein und der andere Bruder in Oels und Juliusburg101 die Seelen in 3 Dörfern, wo sie aus den nahgelegenen Orten zusammen kämen, besuchte und ihnen aus den Gemein-Nachrichten, die ihnen nun mitgetheilt werden, vorläse und 3.) daß dieses besonders an den WochenMärkten in Oels geschehe. Sie nahmen diesen Vorschlag mit Freuden an und haben ihn mehrentheils mit Segen bewerkstelligt. In Breßlau hatte Baaz102 (siehe § 136] die Versamlungen seit 1765 mit ziemlicher Stimme und Ordnung fortgesezt, obgleich manchen dabey bange war. Er hatte das in der Canonade weggebrante Haus der Witwe Lammin103 vollends auszubauen und zu Versamlungen und zur Pilgerherberge einzurichten, übernommen, gerieth aber mit der Lammin in einen öffentlich ä��������������������������������������������������������� ���������������������������������������������������������� rgerlichen Process, da man sich denn ihm gänzlich entziehen muste, und die Versamlungen hörten von selbst auf, zumal da manche Leute, die seine Unlauterkeiten gemerkt, von ihm sehr gedrückt wurden. [489] Das Haus brante den 22. Januarii 1773 kurz nach der Beylegung des Processes so schnell bis auf den Grund ab, daß sich die Leute zu den Fenstern hinaus retten musten und doch einige verunglückten. Der Brüder darinnen niegergelegte Waaren wurden wunderbar gerettet. Seitdem haben einige wenige, denen etwas Gemein-Nachrichten mitgetheilt werden, bey Rauschmann104 zuweilen eine Lesestunde. Knebel105 hat zwar seit 1771, da er in Gnadenfrey besucht, auch wieder eine Versamlung angefangen; man nimt aber keine Notiz davon. § 157. Der Provincial-Mithelfer Friedrich v. Watteville that mit seiner Familie von 26. May bis 28. Junii 1774 einen angenehmen Besuch hier, wie auch in Pawlowitzky, wo den 8. Septembris Johann David Stoehr heimging, da dann Bruder Cranz daselbst besuchte, AbendMahl und Taufe hielt und zugleich die Nachrichten dahin brachte, daß deßen Stelle durch Bruder Hüfel106 aus Altona ersezt werden würde. Diesem alten Arbeiter, 100 Der Reisebericht von Cranz über seine Reise vom 4. bis 15. Oktober 1773 ist im Tagebuch eingefügt. Vgl. die Einführung. 101 Juliusburg (poln. Dobroszyce). 102 Vgl. Teil II § 111. 103 Barbara Dorothea Lamm (1700–1776) in Breslau. 104 Elias Rauschmann (1720–1788), verheiratet mit Maria Elisabeth, geb. Herbst (1721–1788), Strumpfstricker, gehörte zu den vierteljährigen Abendmahlsgeschwistern. 105 Daniel Knebel (1748–1791), Tischler, seit 1776 Missionar in Surinam. 106 Johannes Hüffel (1712–1792), 1740 in der Brüdergemeine aufgenommen, 1742 nach Schlesien entsandt, traf im März 1775 in Pawlowitzke ein, erblindete aber im Juni und ging nach

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der zuerst 1741 nach Schlesien gekommen und zur Gemeine in Gnadenfrey praeparirt, auch die Rösnitzer, die nun [490] in Pawlowitzky sind, besucht und endlich auch die Freude gehabt, den Segen von seiner Saat in Schnellewalde und der Gegend zu sehen, folgte den 26. Septembris der am längsten, nemlich 14 Jahre in Gnadenfrey gestandne Prediger Johann Adam Schmid in Neusalz. Bruder Cranz hielt ihnen beyden am lezten Sonntage des Kirchen-Jahres den 20. Novembris in der Predigt über Apocalypse 14[,13] „Selig sind die Toden, die“ etc. eine Parentation und las hernach ihre Lebensläufe. Unter den 42 in diesem Jahre heimgegangenen war merkwürdig der 82 jährige Wittwer Johann Jonas,107 der in seinem 23 jährigen Todengräber-Dienste alhier 864 Leichen begraben hat. Ferner am 12. May als am Himmelfahrts-Tage und Jubileo von der Erbauung des ersten Gemein-Saals (welches auch hier feyerlich begangen wurde) der Königlich Preußische Geheimde Rath und Ritter des Johanniter-Ordens ­Willhelm v. Rohwedel,108 ein lediger Greis, der in seinem jüngern Jahren dem Könige als damaligen Kron-Prinzen in Küstrin Gesellschaft geleistet und hier bey seiner Niece, der Frau v. Seidlitz auf Ober-Peile, geborene von der Golzin,109 seine Tage in der Stille verbrachte und sich die Gemeine nach dem Mas seiner Erkenntnis [491] zu Nutze machte; und endlich Ernst Siegmund v. Tschirschky110 auf Nieder-Peile-Schlößel, am Sonntage der Marterwoche, ein correspondirendes Mitglied des ehemaligen Syndicats-Collegii und nach dem lezten Synodo eine Zeit lang Protocolist im hiesigen Aufseher-Collegio. Seine Witwe111 überließ das Gut deßen Bruder Julius v. Tschirschky,112 der bisher in Neusalz gewohnt. Und Ludwig v. Pfeil113 auf Dirsdorf kaufte im May von der Frau v. Dobschütz114 die oberste Peile, so daß nun dieses ganze Dorf bis auf wenige Häuser, die zu dem angrenzenden, aber im Münsterbergischen Fürstenthum gelegenem Gut Haunold115 gehören, von Brüdern beseßen wird. Es gehöret nemlich dem Herrn v. Pfeil der Oberste Theil von Ober-Peile mit 3 Höfen (die Höfe sind ehedem so viel adeliche Güter gewesen), und in diesem Theil wohnen viel Geschwister. Der untere Theil von Ober-Peile, welcher 2 Höfe hat, wird fast von lauter Geschwistern bewohnt, welche mehrentheils um der Gemeine willen, die auf diesem Territorio stehet, hieher gezogen sind. Die Mittel-Peile besteht aus 2 Gütern, zuerst der Gladshof und Schmolzhof, welGnadenfrei in den Ruhestand, 1755 verheiratet mit Christina Rekruz, geb. Fraisinet (1725– 1781) aus Königsberg. 107 Johann Johnas (1692–1774), Stubenaufseher und Leichenbestatter, seit 1762 Witwer. 108 Wilhelm von Rohwedel (1704–1774). 109 Elisabeth, geb. von der Goltz (1736–1791), 1764 verheiratet mit Georg Sigismund von Seidlitz (1733–1780). 110 Ernst Sigismund von Tschirschky und Boegendorff (1733–1774). 111 Johanna Helene Susanne von Schweinitz (1737–1807). 112 ����������������������������������������������������������������������������������������� Julius Friedrich von Tschirschky und Boegendorff (1737–1814), Landesältester von Reichenbach. 113 Friedrich Ludwig von Pfeil (1741–1821). 114 Konnte nicht nachgewiesen werden. 115 Haunold (poln. Kopanica), Kreis Frankenstein.

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che des seligen Seidlitz Bruder Friedrich116 gehört und durch Heyrath an den [492] jetzigen Besitzer Carl v. Tschirschky117 gekommen, dem vorhin schon der untere Theil von Mittel-Peile, nehmlich der Rothe- und der Weiße-Hof, der Stangen- und Nieder-Hof nebst dem uralten Rittersitz, aber nun eingegangenem Jäkelhof, gehörte; und in diesem Theil wohnen auch viele Geschwister. Die Nieder-Peile oder das Schlößel besitzet nun Julius v. Tschirschky und hat nicht viele Geschwister zu Unterthanen. Die Peile ist über 2 Stunden lang und hat 2 Catholische Kirchen und Wiedmuthen, die aber nur von einem Pfarrer besorgt werden. Bruder Geisler,118 der im hiesigen ledigen Brüder Hause, so zu reden, aufgewachsen, demselben viele Jahre als Chor- und Haus-Diener und zugleich der Gemeine als Organist und die lezten 7 Jahre als Gemein-Diener oder Vorsteher gedient und die Freude gehabt, während seines Amtes den neuen großen Saal und die schöne Orgel nicht nur erbaut, sondern auch die dadurch verursachten Schulden bis auf eben so viel, als sie vor dem Bau waren, getilgt zu sehen, nahm den Ruf als Conferenzd Schreiber beym Diener Departement in der Unitaets-Aeltesten Conferenz an und reiste mit seiner [493] Familie den 7. Martii nach Barby ab. An seine Stelle kam den 19ten von Gnadau der dasige bisherige Gemein-Diener Johann Jacob Kolesch119 mit seiner Frau, der von der Gemeine um so lieber angenommen wurde, als ihn die mehresten von seinem ehemaligen gesegneten Vorsteher Amte bey den ledigen Brüdern allhier noch kanten. Der Candidatus Theologiae Jacob Willhelm Schulz,120 ehemaliger Informator des Grafen Alexander v. Dohna121 (durch deßen Dienst auch der Graf Moritz v. Dohna122 zur Gemeine gekommen), der beye seinen Dienst in Preusen, Berlin, Halle, Frankfurth und andern Orten viele Gelegenheit gehabt, das Evangelium mit Segen zu verkündigen, und da man ihn wegen seiner Connexion mit den Brüdern in Berlin, ohnerachtet aller Bemühung einiger Großen, ja auch Königlicher Personen, nicht ins Amt nehmen wollen, vorm Jahre ins Brüder Haus alhier gezogen und der Gemeine einverleibt worden, bekam einen Ruf zum Chorhelfer der ledigen Brüder in Ebersdorf, und reiste den 4. Mart nach 6 monatlichen Aufenthalt dahin ab. Auch reiste der ledge Bruder Ernst

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Über der Zeile mit Bleistift eingefügt. Für gestrichen: durch.

_______________________________ 116 117 118 119

Friedrich Wilhelm von Seidlitz († 1746) auf Ober-Mittel-Peilau. Karl Wilhelm von Tschirschky (1731–1802) auf Mittel-Peilau. Johann Christian Geisler (1729–1815). Johann Jakob Kolesch (1719–1798), Bäcker, 1743 in die Brüdergemeine aufgenommen, 1751– 1763 Vorsteher des ledigen Brüderchors in Gnadenfrei, dann bis 1768 in Gnadenberg. 120 Friedrich Wilhelm Schulz (1728–1813), begleitet Alexander von Dohna auf die Universitäten in Halle an der Saale und Frankfurt an der Oder. 121 Wahrscheinlich Friedrich Alexander von Dohna-Schlobitten (1741–1810). 122 Moritz von Dohna (1737–1777), verheiratet mit Maria Agnes, geb. von Zinzendorf (1735– 1784).

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[494] Krause123 auf erhaltenen Ruf zum Dienst unter der Diaspora den 13. Aprilis nach der Insel Oesel124 und Bruder Andreas Steengaard125 den 21ten nach Gotenburg126 ab. § 158. Ich muß noch einiger besondern Vorgänge gedenken, die in die Diaspora einschlagen. Der Baron v. Dyhrn auf Resewitz127 in der Stands-Herrschaft Wartenberg, der durch den Umgang des Hofprediger Sassadius und durch Lesung der Grönländischen- und Brüder-Historie128 Hochachtung vor der Gemeine bekommen, hatte bey Gelegenheit, daß der König, neue Colonien mit ansehnlichen Freyheiten anzulegen, befohlen, bey der Unitaets Aeltesten-Conferenz um eine Brüder Colonie auf seinem Gut Drottwitz, Deutsch Rudelsdorf,129 angehalten, und da man ihm nicht willfahren können, um den Besuch eines Bruders gebeten, den er sein Herz und die Intention, der Sache Gottes zu dienen, darlegen könte. Bruder Andresen bekam hierzu den Auftrag und besuchte diesen Herrn zu beyderseitigen Vergnügen den 15. und 16. Martii, erfreute auch die Brüder in Oels, Juliusburg und Breßlau mit seinem Besuch. Man dachte, ob nicht etwa Brüder aus dortiger Diaspora, die viel Lust dazu bezeugten, sich daselbst niederlaßen könten, allein es war [495] vor die Zeit nicht darauf zu reflectiren. Der Baron hat also die Colonie mit andern Leuten besezt und continuirt in seiner freundschaftlichen Gesinnung gegen die Brüder: Sonst hat noch Bruder Boehnisch130 in Juli und Seldenschlo131 im November die Diaspora im Oelsnischen besuchet. Der Candidat Pauli132 aus Taubenheim gebürtig, der in Görlitz auf der Schule in der Brüder Pflege gewesen, von Jena und Leipzig aus die Gemeine besucht, hernach in Kloster-Bergen und Bunzlau gestanden und zulezt bey Seidlitz133 in Endersdorf Hofmeister gewesen und von vielen als ein Herrnhuter angesehen worden, muste auch bey

123 Friedrich Ernst August Krause (G 1740). 124 Oesel (estn. Saare), Ostseeinsel bei Riga. 125 Andreas Stengard (1742–1813), seit 1768 in Gnadenfrei. 126 Göteborg, Schweden. 127 Wahrscheinlich Friedrich Leopold Hans Ernst von Dyhrn (1741–1792), Landrat. 128 ��������������������������������������������������������������������������������������� Cranz, David: Historie von Grönland enthaltend Die Beschreibung des Landes und der Einwohner etc., insbesondere der Geschichte der dortigen Mission der Evangelischen Brüder zu Neu-Herrnhut und Lichtenfels. Barby 21770 [11765]; ders.: Alte und Neue Brüder-Historie oder kurz gefaßte Geschichte der Evangelischen Brüder-Unität in den ältern Zeiten und insonderheit in dem gegenwärtigen Jahrhundert. Barby 21772 [11771]. 129 Rudelsdorf oder Droltwitz (poln. Drołtowice) in der Standesherrschaft Groß Wartenberg. 130 Johann Georg Böhnisch (G 1730), Weber. 131 ������������������������������������������������������������������������������������ Johann Ludwig Seldenschlo (1717–1793), Goldschmied, 1739 in die Brüdergemeine aufgenommen, kam 1751 nach Gnadenfrei. 132 Chrisian Friedrich Paul (1741–1782), 1774–1778 Pfarrer von Grünhartau. 133 �������������������������������������������������������������������������������������������� Ernst Friedrich von Seidlitz (1711–1789) auf Endersdorf, verheiratet mit Eva Ernestine Charlotte, geb. von Rothkirch (1732–1788).

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der Vacanz in Biele predigen und wurde vom Grafen Sandrasky134 zu einem Colloquio mit 2 Predigern, dem jetzigen Inspector des Nimptischen Creises Profe zu Panthenau135 und den Pfarrer Mauersberger136 zu Jordansmühle,137 eingeladen, und nachdem er sich auf ihre Fragen erklärt, daß er kein Mährischer Bruder sey, wiewol er viele Kinder und Knechte Gottes unter ihnen kenne und liebe, zum Pfarrer nach Grünharte138 vocirt. Der Graf bezeugte, daß er ihn [496] ohne einige Recommendation etlichen 40 andern recommendirten Candidaten darum vorzöge, weil er ihn einmal in dem Berthause zu Hennersdorf139 mit Rührung predigen gehört. Man solte fast auf die Gedanken kommen, daß sich der Graf in seiner Gesinnung gegen die Gemeine geändert; wenigstens weiß man seit 1768 kein Exempel, daß er Leute um der Gemeine willen mehr als andre gedrückt. Bey Pauli Examen in Breßlau haben sich die Prediger bey Gelegenheit der neuen Streitigkeiten schön geäusert: zum Exempel: die Bekehrung müße nicht nur zu Gott überhaupt, sondern zu Christo geschehen. Er sey nicht nur Causa instrumentalis, sondern Causa prinzipalis efficienz. Und bey der Ordination hat der Inspector substitutus Müller140 den Ausdruck gebraucht: „Ihr Schöpfer und Heiland vertraut ihnen das Amt“ (...) etc. An Paulis Stelle wurde durch unsern Bruder Klingsohr der Studiosus Johann Christoph Drosky141 aus Leipzig verschrieben, welcher beym ersten Anblick [497] der Gemeine, sonderrlich beym Anbeten am Pfingstfest so gerührt und von der Gemeine so überzeugt wurde, daß er in einem schönen Briefe, welcher auch nach Barby geschickt worden, inständig anhielt, sich zur Gemeine rechnen zu dürfen, und das Jawort erhielt. Der Landrath des Frankensteinschen Creises Christian Willhelm v. Prittwitz142 hatte sich schon einige Jahre nebst seiner Gemahlin, einer gebornen v. Krekwitz,143 als Freunde zur Gemeine gehalten, sonderlich seitdem sie in Dirsdorf wohnten. Auf inständige Bitte und nach geschehener Vorstellung, daß er sein Amt darüber verlieren könte, erhielten sie Erlaubnis, in die Gemeine aufgenommen zu werden, welches, Aufsehen zu vermeiden, in der Beter-Versammlung den 3. Septembris geschahe. Niemand hat ihm was darüber gesagt. Uiberhaupt schien sich die Gesinnung der Regierung sehr geändert zu haben. Der Magistrat zu Nimptsch hatte in einer Streit-Sache mit dem Landrath v. Pfeil von der 134 135 136 137 138 139 140

Johann Ferdinand von Sandrasky (Sandretzky, 1711–1775), Erbherr von Langenbielau. Johann Gottlob Profe (1729–1811), 1773–1780 Pfarrer von Ober-Panthenau. Ernst Friedrich Gottlob Mauersberger (1725–1791), 1773–1791 Pfarrer von Jordansmühl. Jordansmühl (poln. Jordanów Śląski). Grünhartau (poln. Zielenice). Hennersdorf (poln. Tuszyn), Kreis Schweidnitz-Reichenbach. Christian Ludwig Müller (1721–1778), seit 1748 Feldprediger, 1772 Pfarrer an St. Elisabeth in Breslau und Pro-Inspektor, 1775 Inspektor. 141 Johann Christoph Drosky (Droschky) konnte nicht nachgewiesen werden. 142 Christian Wilhelm von Prittwitz und Gaffron (1739–1807), 1763–1780 Landrat des Kreises Frankenstein. 143 Sophie Renate Christiane von Prittwitz und Gaffron, geb. Kreckwitz (1741–1809).

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Kammer einen Verweis bekommen, daß sie ihn aus dem Grunde, seit [498] dem er sich zur Herrnhutschen Secte bekenne, einer Malversation beschuldiget. Und da sie hernach in einem Memorial ans Pupillen Collegium geklagt, daß der Verwalter zu Habendorf Ventur144 seiner Frauen Bruders Tochter, eine Waise aus Nimptsch, zu sich genommen und verführt, um sie der Mährischen Brüder Gemeine, deren Anwachs man doch laut dem Rescript vom 8. Augusti 54 widerstehen solte, einzuverleiben, oder vielmehr ihr Geld, ohne welches man sich nicht so viele Mühe geben würde, an sich zu ziehen: so muste der Herr v. Heide als Justizrath diese junge Person ad protocollum befragen, und auf seinem Bericht wurde der Magistrat angewiesen, sie nach eigener Wahl bey ihrer Muhme zu laßen und ihre Sachen unweigerlich abfolgen zu laßen. Wir denken nicht zu irren, wenn wir den Grund dieser veränderten Gesinnung, die grade gegen den Codex Fridericianum und so viele widrige Rescripte angehet, in dem Wohlverhalten der Brüder, die öffentliche Aemter bekleiden, suchen. [499] § 159. Der Anfang des 1775 Jahres machte sich durch eine gesegnete Visitation des Bruder Reichels145 aus der Unitaets Aeltesten Conferenz merkwürdig. Er kam den 25. Januarii von Gnadenberg, wo er vor dem Ende des vorigen Jahres seine Visitation angefangen, hier an, eröfnete den 26ten der Aeltesten Conferenz und hernach der Gemeine in einer herzlichen Rede und Gebet seinen Auftrag und fing das Sprechen der Geschwister den 30. bey den Witwen an. Im Februar sprach er zuerst die Witwer und dann die Männer von Gnadenfrey, darauf die auswärtigen Eheleute und endlich die von Gnadenfrey Paarweise. Mit unter erfreute er die Gemeine mit den gewöhnlichen Reden und ChorVersamlungen und das zahlreiche Auditorium mit der Predigt. Nachdem er noch die ledigen Schwestern gesprochen, da inzwischen Geschwister Hüfels aus Altona angelangt, begleidete er dieselbe in Bruder Kolesch Gesellschaft den 6. Martii nach Pawlowitzky, stelte sie dasigem Häuflein als ihre Arbeiter vor, und nachdem er auch dort alles angesehen und gesprochen, brachte [500] er den 18. Martii die Schwester Stoehrin146 mit zurück. Inzwischen war den 12ten die Schwester Dorothea Elisabet Rostin,147 welche dem hiesigen Witwen-Chore 7 Jahre als Vorsteherin und 13 Jahr als Pflegerin mit vielen Segen gedient, heimgegangen. An ihre Stelle wurde die Schwester Stoehrin der Unitaets Aeltesten Conferenz vorgeschlagen, und mit Approbation derselben, am 9. May dem Witwen Chore als Helferin vorgestellt. Nach der Wiederkunft aus Pawlowitzky continuirte Bruder Reichel das Sprechen bey den Mägdgen und endlich bey den ledigen Brü144 Christoph Ernst Ventur (G 1717), verheiratet mit Anna Marta, geb. Schaffer (G 1719), Verwalter in Habendorf. 145 Johann Friedrich Reichel sen. (1731–1809), seit 1769 in der Unitäts-Ältesten-Conferenz, 1775 Bischof. 146 ��������������������������������������������������������������������������������������� Marie Elisabeth Stöhr, geb. Trautmann (1719–1779), 1761 Diaconisse, 1774 Witwenarbeiterin in Gnadenfrei. 147 Dorothea Elisabeth Rost, geb. Reisig (1717–1775).

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dern und Knaben. Inzwischen machte er den Anfang, sich mit den Chören bey seligen Chor-AbendMahlen zu verabschieden, wohnte allen Conferenzen bey; besuchte den 4. Aprilis auch die Prediger Conferenz zu Dirsdorf, die Pastor Struensee daselbst mit Pastor Wulle148 von Wilkau149 und Pauli von Grünharte schon im December vorigen Jahres angefangen, machte mit allen Conferenzen bey LiebesMahlen, und den 6. Aprilis mit der Gemeine, und zulezt beym Bundeskelch mit dem Gemein-Rath einen gesegneten Verlaß, [501] nachdem er von allen Geschwistern in ihren Wohnungen Abschied genommen und reiste den 7ten mit vielem Vergnügen über das hiesige Werk Gottes und mit dem Segen und Dankbarkeit der Gemeine begleitet, über Gnadenberg, wo er den kranken Bruder Georgius noch sehen wolte, zur Visitation nach Neusalz ab. § 160. Währender Visitation war auch das Ausschreiben150 des im Juli in Barby zu haltenden General-Synodi151 eingelaufen und wurde den 11. Februarii von Bruder Reichel dem Gemein-Rath publicirt. Nachdem nun den 22. in der Aeltesten Conferenz auf Anweisung des Heilandes der Bruder Cranz zum Deputirten aus derselben ernant worden und den 24. die Helfer-Conferenz beschloßen, 2 Deputirte von Seiten der Gemeine dahin zu senden; so wurde die Wahl derselben dem Gemein-Rath empfohlen und den 27ten von sämtlichen Brüdern die Vota eingegeben, da dann den 28ten in der Aeltesten Conferenz neben dem Bruder Cranz, der die meisten Stimmen hatte, noch der Bruder Johann George Just [502] zum Mit-Deputirten für die Gemeine ernant wurde. Auserdem ist unser Orts-Herr George Siegmund v. Seidlitz152 und deßen Bruder Christian Friedrich v. Seidlitz153 als Orts-Herrschaft von Pawlowitzky und aus der hiesigen Aeltesten Conferenz die Schwester Julgen Marchin dazu invitirt worden. Da Bruder Reichel bey der Visitation in allen Schlesischen Gemeinen eine völlige und genaue Kentnis von allen innern und äusern Umständen zur Einsicht für die Unitaets Aeltesten Conferenz und den Synodum eingezogen, so hielt man es nicht für nöthig, noch einen Provincial-Synodum zu halten. Jedoch wurde der Verlaß des lezten Synodi, der im vorigen Jahre in Hinsicht auf den Synodum der Helfer Conferenz in etlichen Sessionen vorgelesen worden, nochmals Extract-weise den 30. Aprilis dem ganzen Gemein-Rath vorgelesen und die Geschwister gebeten, ihre etwa habende Erinnerungen binnen 14 Tagen einzugeben, um die Instruction der Deputirten darnach einrichten zu können. Und nachdem dieses geschehen, reisten die Deputirten den 21ten Junii nach Barby ab. 148 149 150 151 152

Siegmund Gottlieb Wulle (1740–1809), 1771–1809 Pfarrer von Groß Wilkau. Groß Wilkau (poln. Wilków Wielki). Unitätsarchiv Herrnhut, Sign. R.2.B.46.2. 1. Juli bis 9. Oktober 1775. Synodalprotokoll: Ebd. Sign. R.2.B.46.1. Georg Sigismund von Seidlitz (1733–1780), 1764 verheiratet mit Elisabeth, geb. von der Goltz (1736–1791). 153 Christian Friedrich von Seidlitz (1739–1789), 1766–1787 Herr von Pawlowitzke.

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Personen- und Ortsregister Adelsdorf (poln. Zagrodno) 383 Agnes Sophia von Reuß, geb. von PromnitzSorau (1720–1791) 360 Alencon, Jean Pierre von (1687–1752), Kammerdirektor 294 Alençon 294 Almsloo, Graf von (1739), Oberamtspräsident 134 Altena/Westfalen 42 Altlandsberg 117 Altona 381, 387, 392 Altranstädt, Konvention 71, 85, 90 Alwinz (rum. Vinţu de Jos) 349 Amsterdam 156, 249, 386 Andau (ung. Mosontarcsa) 297 Andernach/Rhein 34 Anders, Valerius Traugott (1727–1792), Pfarrer 318, 326 Anderson, Johann (1746), Autor 44, 81 Andresen, Anna Maria, geb. Stauber (1723–1794) 244 Andresen, Joachim Heinrich (1715–1781), Gemeinhelfer 56, 59f., 62, 244, 257, 291f., 366–368, 374, 380, 390 Angelkorte, Johann Diederich (1710– 1751), Pfarrer 42 Anton, Joseph (1705–1785) 255, 272, 276 Anton, Paul (1661–1730), Prof. theol. 81, 113 Ariovist, Heerkönig (72/71 v. Chr.) 96 Arnd (Arndt, 1756), Leutnant, Soldatenbruder 318, 381 Arnim-Boitzenburg, Georg Dietloff von (1679–1753), preuß. Minister 8, 152, 197, 205, 207, 213f., 223, 247f., 250, 266, 275 Arnold, Gottfried (1666–1714), Prof. theol. 20 Arnold (1728), Hauslehrer bei Graf Dobschütz 119 Arnsdorf (poln. Milikowice) 180 Assmann, Gottlieb August (1696–1745), Pfarrer 219 August Wilhelm, Hzg. von BraunschweigBevern (1715–1781) 338–341

Augusta, Jan (um 1500–1572), Bischof 103, 341 Augustin (Augustine), Maria Magdalena (1714–1784), Ältestin 236, 242, 302, 328, 332 Aussen (1744), Geheimrat in Breslau 223 Axleben, Hans Christoph von, gen. Magnus (1695–1753) 172, 195, 204– 206, 224 Baaz, Schuhmacher in Breslau, 1752–1785 Stundenhalter 319, 359, 387 Bad Dirsdorf (poln. Przerzeczyn-Zdrój) 6, 8f., 13, 15, 55, 64, 69–71, 93, 115, 117–122, 126–131, 135–140, 160, 191–194, 231f., 236, 240, 252, 263, 301, 318, 337, 353f., 358, 367, 371, 393 Bad Reinerz (poln. Duszniki-Zdrój) 146 Bahlcke, Joachim, Prof. 15f., 19, 84, 86f. Baine, Matthias (1761), Bruder 336 Ballenhorst, Michael (1721–1777), Missionar 44 Balthasar von Promnitz (1488–1562), Bischof von Breslau 102 Barby bei Magdeburg 33f., 43f., 54, 61, 91, 170, 259, 280, 284, 288, 293, 329, 332, 346, 352, 365, 374, 381f., 384, 389, 391, 393 Bartkerei (poln. Bartków) 57f. Bartków → Batkerei Bartsch (poln. Parcz) 254f. Basel 28, 36, 85, 88 Battik, Georg Theophil (1722) 122 Baudiss, Ferdinand, Seifensieder 233 Baumgarten, Elisabeth, geb. Fritz (1699– 1778), Schwester 377 Baumgarten, Johann (1687–1778), Bruder 210, 255, 295, 304, 377 Baumgarten, Johanna (1725–1787), Vorsteherin der ledigen Schwestern 328 Baumgarten, Siegmund Jacob (1706– 1757), Prof. theol. 20, 22, 237 Bautzen (sorb. Budyšin) 52 Beatenberg 28

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Personen- und Ortsregister

Beck, Johann (1706–1777), Missionar 44f. Beck, Philipp Levin (1720–1768), österr. General 338f. Bedford 34 Beeskow 129 Belling, Christian (1746–1817), Schmied 386 Benekendorff (Beneckendorff ), Karl Friedrich von (1713– 1788), preuß. Minister 212, 214f., 225, 283, 286, 303 Benzen, Johannes (1707–1779), Bruder 304, 366 Benzin, Anna Maria, geb. Neißer, verh. Thrane (1724–1783) 302, 328 Berbice 258 Berge, Charlotte Elisabeth, geb. Scköhl (1749), Landrätin 285 Berlin 18–20, 30, 41, 52f., 55, 64, 66, 72, 74, 76, 92, 105, 117f., 126, 141, 145–147, 155f., 167–174, 177, 179–182, 185, 194, 197–199, 201, 203, 206f., 211, 219–223, 234, 237f., 248, 250, 252, 261, 263, 269, 271f., 274, 279, 295, 303, 306, 317–319, 326, 334, 343–345, 358f., 361, 370, 374, 376, 389 Bern 19, 28 Berthelsdorf bei Herrnhut 21, 32, 34, 43, 52, 54f., 84, 126, 137, 149, 164, 264, 267, 309, 311, 333, 349, 372 Bethel → Berthelsdorf Bethlehem/Pennsylvania 47, 128 Beutel, Heinrich (1711–1763), Missionar 258 Beyer, Johann Caspar (1719–1785), Wirtschaftsinspektor 230, 374 Beyer, Johanna Eleonore, geb. Geisler (1724–1779) 377 Beyer, Matthäus (1716–1795), Schuhmacher 354f., 374, 377 Beyreuther, Erich (1904–2003), Prof. theol. 17, 46, 85 Bezold, Johann Gottfried (1701–1775), Gemeinrichter 225 Bibran, Friedrich Heinrich von (1715– 1787) 138, 175 Biedrzychowice → Friedersdorf am Queis Biefer, Friedrich Wilhelm Adolf (1706–

1779), Prediger 76, 243f., 246, 251, 256f., 259, 262, 275, 287 Bielawa → Langenbielau Biele → Langenbielau Bielwiese (poln. Wielowieś) 115 Bitterlich, Johann Georg (1712–1760), led. Bruder 198–200, 213 Blaschek, Sucha (1766) 361 Bloomsbury → London Bock, Hedwig von, Witwe 108 Böckingen bei Heilbronn 222 Bogatzky, Karl Heinrich von (1699–1774), Erbauungsschriftsteller 319 Bögendorf (poln. Witoszów) 324, 337 Bogschüz (poln. Boguszyce) 135 Boguszyce → Bogschüz Böhler, Peter (1712–1775), Theologe 66, 92, 167, 246, 249, 299, 343, 355 Böhme, Jakob (1575–1624), Theosoph 148 Böhmer, Johann Gottlob Ehrenfried (1702–1741), Syndicus 131 Böhnisch, Friedrich (1710–1763), Missionar 43f., 199f. Böhnisch, Johann Georg, Weber 390 Boleslav I., der Grausame, Fst. von Böhmen (um 915–972) 97 Boleslav IV. Kraushaar, Hzg. von Polen (um 1125–1173) 98 Bolesławice → Tillendorf Bolesławiec → Bunzlau Bomsdorf (1747), Wirtschaftshauptmann 268f. Bonn 34 Borek Strzeliński → Großburg Borowe → Burau Bothe, Heinrich Joachim (1751), Kritiker der Bgm. 81, 303 Bradacius, Michael († 1504), utraqu. Priester 365 Brand, Christian von (1684–1749), EtatsMinister 211, 274f. Branice → Branitz Branitz (poln. Branice) 180 Brasen, Christoph (1738–1774), Chirurg 46, 88 Bratke, Johann Adam (1702–1756), Pfarrer, Hofprediger 129

Personen- und Ortsregister

Breithaupt, Joachim Justus (1658–1732), Prof. theol. 124 Brennik → Prinsnig Breslau (poln. Wrocław) 6, 9 – Bistum 97, 102–104, 179, 267, 315, 333 – Evang. Gemeinde 100, 116, 120, 323, 391 – Friedensfest 1763 341 – Friedensschluss 1742 138, 154 – Konsistorium 72, 137, 156–158, 193, 263–265, 325f. – Kreis 59, 114, 139 – Regierung, Oberamt 68, 75, 120–122, 157, 172f., 179f., 183f., 186f., 196, 205–207, 211f., 216f., 235, 253, 283, 294, 303, 317 – Sozietät der Herrnhuter 71, 87, 135f., 180, 192, 227, 233, 235, 319, 323, 338, 348, 387 – Stadt 57–59, 88, 97, 105f., 110, 116, 138, 285, 297, 324f., 329, 336, 338 – Zinzendorf in Breslau 191 – Zinzendorf und Insp. Burg 218f. Breyle (poln. Bryłówek) 180, 285 Brieg (poln. Brzeg) 62, 64, 70, 97, 100– 104, 106, 109, 111, 114, 118, 120, 126, 137, 139, 143, 160, 283–286, 303 Brincke, Gottfried (1700–1734), Pfarrer 126 Brodersen, Martin (1718–1803), Schuhmacher 276, 288, 291, 299 Brodziszów → Dittmannsdorf Bruiningk, Heinrich (1738–1785), Prediger in Gnadenfrei 334, 365 Bruntál → Freudenthal Bryłówek → Breyle Brzeg → Brieg Buchelsdorf (poln. Niemysłowice) 137 Buchsweiler 240, 252 Buda → Ofen Buddeus (Budde), Johann Franz (1667– 1729), Prof. theol. 21, 123 Büdingen 26, 31, 59, 81–83, 153, 157f., 174–178, 186f., 198, 201–206, 214, 219, 221f.

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Budyšin → Bautzen Bügel, Anton Dietrich (1714–1775), Lehrer 133, 164, 192, 226, 228 Bugenhagen, Johannes (1485–1558), Prof. theol. 101 Bugge, Hans Wilhelm (1725–1792), Lehrer 357, 376, 384 Bullinger, Heinrich (1504–1575), Reformator 102 Bunzlau (poln. Bolesławiec) 15, 61, 94, 140, 155, 159, 205, 255, 260f., 273, 294, 321, 390 Burau (poln. Borowe) 138, 156, 166–169, 176, 179, 181, 187, 193f., 197, 203, 209, 225, 261, 320 Burg, Johann Friedrich (1689–1766), evang. Theologe 8, 72, 152, 158f., 194, 218f., 233, 262, 267–269, 286, 303, 319, 325f., 358 Burghard (Burkart, 1765), Soldat 358 Burska (1766), Leutnant 364 Busse, Andreas (1734–1806), Chorpfleger 305, 349, 357 Busse, Joachim (1704–1763) 222 Busse, Marie Elisabeth, geb. Krieger (1715– 1798) 220 Busse, Michael (1738–1807), Weber, Kinderpfleger 366, 384 Büttner (1762), Bauer in Mittel Peilau 292, 339 Byczyna → Pitschen Caesar, Gaius Julius (um 100–44 v. Chr.), Feldherr 96f. Calker, Anna von (1732–1784), Diakonisse 357, 376 Camby (Kamby, estn. Kambja) 26, 283 Carié (Cariés), Zacharias George (1717– 1772), Missionar 135, 225 Caritas, Anna → Nitschmann, Anna Carmer, Johann Heinrich von (1720– 1801), Justizminister 370 Carolath-Beuthen, Hans Karl Fürst von (1688–1763), Präsident von Regierung und Konsistorium in Breslau 187 Carpzov, Johann Benedict (1639–1699), Prof. theol. 81, 113

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Personen- und Ortsregister

Cellarius, Johann Ludwig († 1754), Rat 81, 182, 200f. Český Těšín → Teschen Cettriz, Baron von (1744), in Wenigenmonden 233 Chelsea 34 Christdorf (tsch. Křišťanovice) 313 Christian Ernst, Gf. zu Stolberg-Wernigerode (1691–1771) 360 Christianstadt (poln. Krzystkowice) 120 Chrośnica → Ludwigsdorf Chur 39 Ciepłowody → Tepliwoda Cieszyn → Teschen Clausen (1742), Kaufmann in Minden 168 Clemens, Gottfried (1706–1776), Prediger in Gnadenfrei 352f., 264f., 368, 370– 372, 374, 376, 380 Cocceji, Samuel von (1679–1755), preuß. Justizminister 7, 75, 151, 156–159, 166, 168, 171, 173, 176–180, 185f., 194– 199, 202–205, 208, 217–222, 237f., 270, 274, 278f., 282, 287, 303, 308 Cochius, Christian Johann (1688–1749), Domprediger 272 Cölln (Alt-Köln) bei Berlin 141 Comenius, Johann Amos ( Jan Amos Komenský, 1592–1670) 17, 28 Conrad, Abraham (1716–nach 1750), Pfarrer 119, 163, 193, 251, 269, 344 Conrad, Emilie Henriette (1703–1765), verh. mit Gottlieb Conrad 271, 357 Conrad, Gottlieb (1696–1746), Pfarrer 119f., 126, 138, 160, 163, 231f., 240, 252, 263–269, 304, 357 Cösitz 115 Cossart, Heinrich Friedrich (1714–1763), Gesandter 154 Cossenblatt → Kossenblatt Cranz, Agnes, geb. Lange (1734–1779), verh. mit David Cranz 52, 66 Cranz, Christian Friedrich 52 Cranz, Christlieb Benjamin 52 Cranz, David (1723–1777), Prediger, Geschichtsschreiber 5, 15–95 Cranz, Johann David 52 Cranz, Martha 18

Creuzburg 185 Czernischef (1761/64), russ. General 337 Cyrkew bei Gnadenfrei 13, 351, 361f. Damniz, Hans Casimir (Carl) von (1736– 1744) 228 Danckelmann (Dankelmann), Carl Ludolph Frh. von (1699–1764), preuß. Staatsminister 275, 284f. Däniken 28 Danin (Wlast, Wlost), Peter, 98 Danke, Johann Heinrich (1734–1772), Missionar 57f. Dares, Johann (1635–1696), Hofprediger 102 Darmstadt 122 Daun, Leopold Joseph Gf. von (1705– 1766), österr. General 336 David, Christian (1692–1751), Zimmermann 44, 70, 125f., 129 David, Rosina (1688–1760) 258 Decius, Nikolaus (um 1485–1546), Liederdichter 134 Deknatel, Johannes (1698–1759), mennonit. Pfarrer 349 Dellsperger, Rudolf, Prof. theol. 19, 85 Demuth, Johann Christoph (1689–1754) 70, 126 Dennert, Georg († 1704), Hofprediger 102 Deutsch-Breyle → Breyle Dierig, Eva Rosina (1757) 302 Dierig (Dürig), Gottlieb (1743–1745) 164 Dietrich, Anna Susanna, geb. Heinke (1708–1776) 131 Dietrich, Gottfried († 1770) 131 Dietrich, Heinrich Gottfried (1733–1791), Brüderpfleger 357 Dirsdorf → Bad Dirsdorf Dittersbach 115 Dittmannsdorf (poln. Brodziszów) 9, 115, 119, 153, 180, 237 Dłużec → Langneundorf Dober, Johann Martin (1703–1748), Töpfer und Seelsorger 138, 155, 164f., 218, 220f.

Personen- und Ortsregister

Dober, Leonhard (1706–1766), Generalältester 170, 183, 287, 293, 296, 298, 327, 332, 357, 361 Doberschütz → Malschwitz Dobrocin → Güttmannsdorf Dobroszyce → Juliusburg Dobschütz (1728/1774), Ehepaar in Ober Peile 119, 383, 386, 388 Dohna, Maria Agnes von, geb. von Zinzendorf (1735–1784) 389 Dohna, Moritz von (1737–1777) 389 Dohna-Schlobitten, Friederike von (1738– 1786) 323 Dohna-Schlobitten, Friedrich Alexander Gf. zu (1741–1810) 389 Dommer 180 Doms 180 Dormagen 34 Dragun (1759), Soldatenbruder 330 Dresden 64, 86, 92, 123, 297, 319, 384 Drews, Maurermeister in Stettin 221 Drews, Christian (1722–1793), DiasporaArbeiter 242, 255f., 292, 299 Drołtowice → Rudelsdorf Droltwitz → Rudelsdorf Drosky (Droschky), Johann Christoph 391 Dubrawka von Böhmen, Hzgn. von Polen († 977) 97 Dümpelmann, Johann Caspar (1711– 1779), Pfarrer 42 Dümpelmann, Johann Wilhelm (1717– 1760), Pfarrer 42 Dürr, Carl Friedrich († 1744), Apotheker in Herrnhut 130, 137 Duszniki-Zdrój → Bad Reinerz Dyhrn, Johanna Charlotte (1706–1759) 286 Dyhrn, Leopold Hans Ernst von (1741– 1792), Landrat 390 Dzierżoniów → Reichenbach Ebersdorf → Saalburg-Ebersdorf Eckenbrecht, Johann Wilhelm d. J. († 1744), Pfarrer 115 Egede, Hans (1686–1758), Missionar 44f., 47, 82

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Egede, Niels, Sohn von Hans Egede 44 Egede, Paul, Sohn von Hans Egede 44 Egelsdorf (poln. Mroczkowice) 227, 255, 347, 374 Elberfeld 41 Elisabeth Petrowna I., Zarin vom Russland (1709–1762) 338 Eller, Elias († 1750), Gründer der Ellerianer 41 Endersdorf (poln. Jędrzejów) 372, 390 Erbach 203f. Erfurt 119, 124 Eversmann (1764), Kriegsrat 354 Falck, Severin → Lintrup, Severin Falkenhayn, Hans Friedrich von (1681– 1745), Rittmeister auf Groß Krausche 135, 155, 175 Falkenhayn, Marie Juliane von (1717– 1799) 293, 325, 382 Falkenhayn, Nikolaus Florian von (1715– 1800) 293, 325, 382 Fend, Anna Magdalena Elisabeth (1745), verh. mit Jonas Paulus Weiß 170, 287, 293, 296 Ferdinand I., Ks. (1503–1564) 102f. Ferdinand II., Ks. (1578–1637) 59, 105f. Ferdinand III., Ks. (1608–1657) 106 Fiebig, Gottlieb, Bruder 172 Finckenstein, Karl Wilhelm von (1714– 1800), preuß. Minister 370 Finne, Christian Ludwig (1720–1782), Hofprediger 316 Finze-Michaelsen, Holger, Pfarrer 18, 28, 36, 39, 81, 86 Fischer, Gottfried, Schneider 164 Fischer, Maria Magdalena (1758–1798) 228 Fischer, Susanna Maria, geb. Schreiber (1721–1750) 164 Fleischer, Gottfried (?), Bruder in Gnadenfrei 348 Flies, Johann Peter (1706–1759) 43 Forstmann, Johann Gangolf Wilhelm (1706–1759), Pfarrer 41 Forstmann, Kaspar Friedrich (um 1730– 1785), Pfarrer 41

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Personen- und Ortsregister

Foster, Anna (1758), Helferin der led. Schwestern 328 Fouquet, Heinrich August von (1698– 1774), preuß. General 329, 335 Fox, George (1624–1691), Gründer der Quäker 134 Francke, August Hermann (1661–1727), Prof. theol. 22, 71, 132 Francke, Gotthilf August (1698–1762), Theologe 22, 145 Francke (Franke), Johann Friedrich (1717– 1780), Schreiber 27 Frankenberg, Franz Gf. von (1743) 173f. Frankenstein (poln. Ząbkowice Śląskie) – Kreis 108, 232, 237, 272, 295, 335, 388, 391 – Stadt 235, 323, 329–331, 335f., 342 Frankfurt an der Oder 272, 389 Franz, Matthäus (1711–1783), Diakon 215f., 280, 312, 362, 370, 378 Franz Adolf von Anhalt-Bernburg-Schaum burg-Hoym (1724–1784), Generalmajor 336 Freiburg in Schlesien (poln. Świebodzice) 357 Fresenius, Johann Philipp (1705–1761), Pfarrer 82, 259 Freudenthal (tsch. Bruntál) 313 Freystadt (poln. Kożuchów) 111 Friderici, Carl Heinrich (1700–1761), Pfarrer 321 Friedberg (poln. Mirsk) 227, 255, 347 374 Friedersdorf am Queis (poln. Biedrzycho- wice) 64, 109 Friedrich I., Hzg. von Liegnitz und Brieg (1446–1503) 100 Friedrich II., Hzg. von Liegnitz und Brieg (1480–1547) 100–104, 147 Friedrich II., der Große, Kg. von Preußen (1712–1786) 55, 75, 88f., 248, 265f., 269, 284 Friedrich V., Kfst. von der Pfalz, als Friedrich I. Kg. von Böhmen („Winterkönig“) (1596–1632) 104f. Friedrich August I., der Starke, Kfst. von Sachsen, als August II. Kg. von Polen (1670–1733) 110

Friedrich Erdmann, Fst. von AnhaltKöthen-Pleß (1731–1797) 367 Friedrich Eugen, Hzg. von Württemberg (1732–1797) 338 Friedrichsgrätz (poln. Grodziec) 147, 316– 318 Fritsch, Johann Peter (1710–1773), Aufseher 252, 347, 374 Frömmig, Sabina (1744), Stundenbeterin 210 Fuhrmann, Georg Gottlieb (1702–1769), Pfarrer 219 Fulneck (Fulnek) bei Pudsey 34 Gabrike (Gabriche, 1748), Bürgermeister in Landeck 277 Gallwitz (poln. Galowice) 57 Galowice → Gallowitz Gammern, Abraham von (1717–1766), Vorsteher in Neusalz 291, 308 Gdańsk → Danzig Gebauer, Christian († 1760) 342, 360 Gebauer, Johann Christian (1728–1785), Diakon 346, 360, 367, 375f., 380 Gebauer, Rosina, geb. Schinke (1707– 1782) 342 Geisler, Johann Christian (1729–1815), Organist, Vorsteher 277, 341, 366, 369, 374, 380, 389 Geißler, Anna Catharina von, geb. Braugsch, verh. mit Joachim Heinrich von Geißler 233, 281, 319 Geißler, Joachim Heinrich von (1697– 1757) 136, 233, 236, 240, 255, 281, 319 Geißler, Karl Heinrich Gustav von, Sohn von Joachim Heinrich von Geißler 281 Gelineck, Jan (1754) 316 Gellhorn, George Friedrich von (1747– 1759), Landrat von Reichenbach 282, 294, 309, 330 Genève → Genf Genf (fr. Genève) 18, 26–28, 36, 40, 52, 54 Georg I., Hzg. von Brieg (1481/83–1521) 101 Georg II., Hzg. von Münsterberg-Oels (1512–1553) 100

Personen- und Ortsregister

Georg der Fromme, Mgf. von BrandenburgAnsbach (1484–1543) 100 Georg von Podiebrad, Kg. von Böhmen (1420–1471) 98–100 Georg Friedrich Karl, Mgf. von Brandenburg-Bayreuth (1688–1735) 124 Georg Rudolf, Hzg. von Liegnitz (1595– 1653) 102 Georg Wilhelm, Hzg. von Liegnitz, Brieg und Wohlau (1660–1675) 109 Gerlachsdorf (poln. Zgoda) 308, 330, 336– 339 Gerlachsheim (poln. Grabiszyce) 118, 185, 306 Gerner, Heinrich Georg (1717–1800), Probst in Seeland, Administrator 256, 273, 275, 288, 298 Gersdorf, Abraham von (1739), Kriegsrat 134 Gersdorf, Augusta, verh. von Tschirschky (1736–1765) 345 Gersdorf, Helena Sophia von, geb. von Landskron (1713–1784), verh. mit Abraham von Gersdorf 308 Gersdorf, Johannes Georg von 188 Gersdorf, Sigismund von (1744), Wirtschaftsinspektor 230, 374 Gersdorf, Siegmund August von (1702– 1777), Consenior civilis, Architekt 215, 258, 338 Gersdorf, (Wolf Caspar) Abraham von (1704–1784), Deputierter für Schlesien 10, 47, 68, 75, 92, 95, 166–170, 175– 180, 185–188, 194–201, 205–208, 211f., 215–218, 221–228, 241, 246– 250, 253, 255, 260–264, 267, 270–274, 281, 299, 303, 308, 343, 355 Gertich, Nikolaus (1624–1671), Hofprediger 102 Gerwig (Görbig), Gottfried (1748) 273 Gęsiniec → Hussinetz Gewinn, Matthäus (1721–1781), Gehilfe 289 Gfug, Eleonore Charlotte Gfn. von, geb. von Hochberg und Fürstenstein (1677– 1739) 119 Giersdorf (poln. Podgórzyn) 180

401

Gießen 122, 126 Giller, Heinrich (1701–1764), Kaufmann, Vorsteher in Montmirail 154 Gilów → Girlachsdorf Girlachsdorf (poln. Gilów) 308 Girnd, Anna Magdalena (1754) 307 Girnt, Gottlieb (1716–1758), Fabrikant 315 Girnt, Hans Christoph 251 Glatz (poln. Kłodzko) 7 – Kreis 151, 252, 338 – Stadt 134, 335 Glaubitz, Baron von (1752), Landrat 321 Glogau (poln. Głogów) – Konsistorium 143, 281, 305 – Regierung, Oberamt 68, 157, 186f., 196, 206, 260f., 275, 294, 298, 308f., 321 – Stadt 107, 111, 141, 144, 303 Gloger, Georg (1703–1774) 160, 239 Gloger, Gottfried (1746), in Peterswaldau 251 Głogów → Glogau Głubczyce → Leobschütz Gluchów Górny → Ober Glauche Gnadenberg (poln. Godnów) 11f., 15 – Gemeinde 55, 62, 65, 67, 86, 94, 117, 136, 150, 168, 192, 222, 236, 239– 244, 253, 255f., 261, 267, 272, 275f., 288, 290–293, 299, 302, 305, 308f., 314, 320, 324, 327f., 331f., 338, 346, 357, 364, 367, 376, 384, 386, 389 – Gründung 15, 141 – Klagsachen 7f., 61, 161f., 204–207, 255, 260, 273, 321 – Krieg 331, 337 – Pädagogium 11, 254, 291, 318, 326, 344 – Prov. Synode 10, 34, 91, 272, 291, 304, 306, 310–312, 316, 326, 355, 374, 379f. – Umgebung 75f., 139 – Visitation 392f. Gnadenfeld (poln. Pawłowiczki) 56, 86– 88, 216, 280, 291, 312, 362, 376 Gnadenfrei bei Ober Peilau 9, 13 – Brüderhaus 13, 351, 360, 365

402

Personen- und Ortsregister

– Saal 9, 13, 131, 136–141, 164, 229, 235, 334, 351, 366–368 – Schwesternhaus 244, 257, 327, 334 – Statuten 348, 379 – Witwenhaus 257 Gnesen (poln. Gniezno) 97 Gneuss, Rosina (1720–1786), Ältestin der großen Mädchen 193, 276 Gniewomierz → Oyas Gniezno → Gnesen Godnów → Gnadenberg Goldbach (1728), Hauslehrer bei Gf. von Pfeil auf Kleutsch 119 Goldberg (poln. Złotoryja) 101, 113, 120 – Gymnasium 101 – Kreis 139 Goleniów → Gollnow Gollnow (poln. Goleniów) 164, 226 Görlitz 65, 118, 148, 159, 219, 292, 326, 390 Gorzesław → Korschlitz Goschütz (poln. Goszcz) 147 Gościęcice → Podiebrad Goszcz → Goschütz Göteborg 390 Gotha 6, 156 – Synode 29, 137, 153 Gotschdorf (tsch. Hošťálkovy) 313 Gotter, Gustaf Adolf Rgf. von (1692–1762) 156, 168, 214 Gottsmann, David (1710–1781), aus Steuberwitz 362 Graba-Saalfeld 116 Grabiszyce → Gerlachsheim Gradin, Arvid (1704–1757), Theologe, Missionar 27, 30, 82 Graebner, Susanna (1744), Stundenbeterin 210, 255 Grasmann (Grassmann), Andreas (1704– 1783), Bischof, schles. Provinzialhelfer 54, 89, 155, 306, 361, 364, 367–370, 374, 376 Gręboszyce → Krompusch Gregor, Christian (1723–1801), Organist, Bischof 22, 54, 61, 355, 385 Greiffenberg (poln. Gryfów Śląski) 109 Grodków → Grottkau

Grodziec → Friedrichsgrätz Grodziszcze → Lampersdorf Groß, Catharina Salome (1725–1778) 358 Groß Ellguth (poln. Ligota Wielka) 58, 320 Groß Friedrichstabor (poln. Tabor Wielki) 147 Groß Krauschen (poln. Kruszyn) 155, 159, 171 Groß Wartenberg (poln. Syców) 57, 147, 369 Groß Wilkau (poln. Wilków Wielki) 130, 284, 371, 382, 393 Großburg (poln. Borek Strzeliński) 127 Großhennersdorf 32f., 51, 124, 145, 170, 259, 275f., 281, 283f., 310, 380 Großschützen (slowak. Veľke Leváre) 349 Grottkau (poln. Grodków) 97 Grünhartau (poln. Zielenice) 119f., 390f., 393 Grünwald, Eva Maria, geb. Emler (1711– 1765), verh. mit Johann Georg Grünwald 314, 360 Grünwald, Gottfried, Weber 210, 302 Grünwald, Johann Caspar (1747) 302 Grünwald, Johann Georg (1704–1770), Helfer 190, 239, 251, 268f., 292, 302, 314, 360, 374, 378 Gryfów Śląski → Greiffenberg Guhr, Johann Georg, Weber 190 Güschner, George (1743), aus Berlin 173 Gustav II. Adolph, Kg. von Schweden (1594–1632) 106 Guts, Helena, geb. Berger, verh. mit Johann Michael Guts 193, 228, 231f., 240f., 251, 263, 266 Guts, Johann Michael († 1770) 193, 228, 231f., 240f., 251, 263f., 266, 270, 272 Güttmannsdorf (poln. Dobrocin) 53, 293, 301, 336, 383 Habendorf (poln. Owiesno) 13, 55, 108, 180f., 190, 225, 272, 300, 314, 329, 336, 338f., 351, 361f., 371f., 383, 392 Haberland, Anna Helena, geb. Jähne (1710–1787), Helferin 226

Personen- und Ortsregister

Haberland, Michael (1698–1782) 226 Hachenburg 42 Häckner, Catharina, geb. Neißer († 1754) 236, 259, 327, 360, 378 Häckner, Gottfried (1718–1810), Pfleger 236, 259, 327, 360, 378 Hagen (1744), Kriegsrat 223 Hahn, Heinrich (1701–1775), Schulhalter 227, 233 Halbau (poln. Iłowa) 138, 156, 181, 204, 311, 328 Halle an der Saale 5 – als Pietismus-Zentrum 15, 24–27, 87, 113 – Pädagogium 124, 225 – Stadt 220, 284 – Universität 22, 29, 124, 237, 249, 259, 269, 307, 346, 389 – Waisenhaus 69, 116 Hamburg 307 Hancke, Johann Georg († 1743), Helfer 164 Hantrup (1745), Stundenhalter 240, 252, 318 Hantsch, Anna Maria, geb. Kremser (1747) 225 Hantsch, Johann Georg (1718–1768), Missionar 123, 138, 182f., 225 Harpersdorf (poln. Twardocice) 148 Hartmann, Johannes (1747), in Hirschberg 255 Hartmannsdorf (poln. Raciborowice Górne) 173 Hastfer, Gustav Ludwig von (1724–1774), Soldat, Förster 337 Haunold (poln. Kopanica) 388 Haven, Jens (1769), Missionar 45–47 Haven, Peter (1769), Missionar 45f. Hayn (Hajn, Hein), Anna Catharina, geb. Wilhelm, in Dirsdorf 371 Hayn (Hajn, Hein), Christoph, in Dirsdorf 371 Hedwig von Andechs, Hzgn. von Schlesien, Hl. (1174–1243) 58 Heerendijk 34 Hehl, Anna Maria, geb. Jähne (1716–1777) 210, 275

403

Hehl, Matthäus Gottfried (1705–1787), Bischof 140f., 210, 228f., 275 Heidersdorf (poln. Łagiewniki) 120, 180 Heilbronn 222 Heinke, Anna Susanna, verh. Dietrich (1708–1776) 131 Heinrich, Pz. von Preußen (1726–1802) 341 Heinrich d. J., Hzg. von Münsterberg (1452–1492) 99 Heinrich I., Hzg. von Münsterberg-Oels (1448–1498) 99 Heinrich II., Hzg. von Münsterberg-Oels (1507–1548) 100 Heinrich XV., Gf. von Reuß (1735) 346, 352, 374 Heinrich XXVIII. von Reuß (1726–1797) 305 Heinrich XXXI., Gf. von Reuß zu Ebersdorf, gen. Ignatius (1731–1763) 325 Heinrich Ernst, Gf. zu Stolberg-Wernigerode (1716–1778) 360, 367 Heinrichau (poln. Henryków) 122 Heintke, Christian (1719–1776), Organist 230 Heithausen, Georg Ernst von (1724–1791) 11, 225, 246, 256, 290, 304, 308f., 327, 330, 346, 352–354, 361, 364, 369, 376, 381 Heller, Gottfried (1686–1747) 126, 193, 251, 256 Heller, Johann Georg (1703–1784), Pfarrer 117, 135, 193 Heller, Johann Gottfried (1722–1780), Pfarrer 307 Hellmrich, Gf. von (1743) 281 Helmbold, Ludwig (1532–1598), Prof. theol. 119 Hemer 42 Hemmerde 42 Henckel (Henkel), Erdmann Heinrich von (1671–1752) 196 Henckel (Henkel), Leo Maximilian von (1691–1771) 196 Henckel von Donnersmarck, Johann Ernst Gf. (1673–1743) 125

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Personen- und Ortsregister

Henckel von Donnersmarck, Karl Erdmann Gf. (1690–1760) 147 Henckel von Donnersmarck, Wenzel Ludwig Gf. (1680–1734) 125 Henig, Johann Gottfried (1734–1777) 66 Henig, Magdalena, geb. Lange 66 Henneberg, Baron von (1747), Landeshauptmann von Jägerndorf 250 Hennersdorf (poln. Tuszyn) 357, 391 Henrici (1728), Hauslehrer 119 Henryków → Heinrichau Hensel, Johann Adam (1689–1778), Pfarrer, Geschichtsschreiber 82, 93, 97f., 104, 108, 149 Hentschel, Johann Christian (1668–170), Pfarrer 122 Hermes, Hermann Daniel (1731–1807), Propst 57 Hermes, Johann Timotheus (1738–1821), Prof. 57 Hermsdorf (poln. Jerzmanki) 119, 193, 251, 318, 326, 344 Herold, von (1743) 185 Herold, Johann Conrad (1720–1812) 376, 381 Herold, Johanne Juliane, geb. John (1738– 1812) 376 Herrliberger, David (1697–1777), GraphikVerleger 19, 39 Herrnhaag bei Büdingen 26f., 33f., 40, 86, 155 Herrnhut 11 – Archiv 18, 23f., 46f., 56, 68–70, 79, 260 – Gesangbuch 43, 49, 131, 300, 306, 366 – Heilands-Kasse 284f., 306, 336 – Herrnhuter als Sekte 149, 168, 174, 177, 186, 214 – Lehre, Prinzipien 283, 292, 317, 372, 378 – Saal als Vorbild 367f. – Statuten erneuert 348, 379 – Vorwurf des Proselytenmachens 8, 75, 157–159, 171–174, 192, 201f., 206– 208, 212f., 221–224, 227, 237, 247, 251, 264, 278, 280, 282, 284f., 294, 298, 302, 308f., 315, 319, 344, 355

Hersen, Ernst August (1714–1750), Kinderinformator 255 Hertzberg, Ewald Friedrich von (1725– 1795), preuß. Minister 344 Herzog, Carl Gottlob (1735–1804) 336 Herzog, Eva Rosina 302 Herzog, Johann Christian (1757) 302 Hesse, Johann Peter, Student 27 Heß, Johann (1490–1547), Reformator 100 Heugel (Heigel), Fam. in Breslau 59 Heyde (Heide), Johanna Elisabeth von der, geb. von Kittlitz 311, 346 Heyde (Heide), Julius Conrad von der (1713–1797) 181, 225, 269, 300, 311, 325, 375 Hieser, Gottfried (1748/49), Brüderpfleger 242 Hilbert, Johann Georg jun., Fabrikant 347 Hilbert, Johann Georg sen. (1696–1774), Raschweber 347 Hildenhagen, Johann Gottlieb (1745– 1773), Schuhmacher 386 Hillersdorf (tsch. Holčovice) 313 Hirschberg (poln. Jelenia Góra) 109, 111, 127–129, 140, 255 Hirschberg/Vogtland 7, 151, 170, 173, 217 Hirschel, Zacharias → Jelínek, Zachariáš Hochkirch/Oberlausitz 330 Hoff-Schnorrbein, Adam Heinrich von (1708–1799) 69, 93 Hofmann, George (1743) 204f. Hofmann, Johanne Veronika (1735–1814) 360 Holčovice → Hillersdorf Holzhalb, Johann Rodolph (1757), Kupferstecher 19 Holzkirch/Oberlausitz 120 Hoppe, Paul (1688–1757), Pfarrer 64 Horascheck, Wenzel (1753) 316 Horn, Johannes → Roh, Jan Hošťálkovy → Gotschdorf Hoyer, Ernst (1709–1774), Inspektor in Schweidnitz 289, 295, 320 Hoyer, Jens (1716–1792), Informator 58, 135, 233

Personen- und Ortsregister

Hoym, Karl Georg Heinrich von (1739– 1807), preuß. Minister 87, 382 Hradec Králové → Königgrätz Hubertusburg 341 Hückel, Heinrich (1762), Missionar in Grönland 44f. Hüffel, Johannes (1712–1792), Prediger 138, 160, 387 Hülscheid 42 Hülsenbeck 42 Hummel, Christiana Catharina, geb. Stottler († 1770) 292 Hummel, Moritz (1722–1794), Gehilfe des Brüderpflegers 292, 299 Hunderstund († 1763), Uhrmacher in Gnadenfrei 348 Hus, Jan (um 1370–1415), Reformator 98 Hussinetz (poln. Gęsiniec) 318 Hutton, James (1715–1795), Buchhändler 26f. Ignatius von Loyola (1491–1556), Gründer des Jesuitenordens 105 Iłowa → Halbau Iserlohn 42 Jablonski, Daniel Ernst (1660–1741), Hofprediger, Senior 84, 86, 167 Jackschönau (poln. Jaksonów) 125f., 135 Jacobi († 1745), Soldatenbruder, Lehrer 24, 234, 236 Jaeschke, Elisabeth, geb. Hirschel (1719– 1746) 220 Jaeschke, Nikolaus Andreas (1718–1762) 220 Jägerndorf (tsch. Krnov) 100, 313 Jahnus von Eberstädt, Franz Maximilian Frh. von (1711–1772) 324, 336 Jakob von Salza (1481–1539), Bischof von Breslau 102 Jaksonów → Jackschönau Jánossomorja → St. Johann auf dem Heideboden Jauer (poln. Jawor) 107, 111, 130, 134, 318, 320, 326, 381 Jawor → Jauer Jedlinka → Tannhausen

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Jędrzejów → Endersdorf Jelenia Góra → Hirschberg Jelínek, Zachariáš (Zacharias Hirschel, 1714–1765), Prediger 92, 297, 306, 366 Jena 27, 40, 57, 123, 126, 156, 222, 249, 261, 281, 288, 292–294, 327, 386, 390 Jeřabeek ( Jeřabek), Pavel (1705–1782) 316 Jerichovius, Traugott Immanuel (1696– 1734), Lehrer, Pfarrer 124 Jerusalem 332 Jerzmanki → Hermsdorf Jestinsky, Johann Georg, Schulhalter 372 Joachim, Hzg. von Münsterberg-Oels (1503–1562) 100 Joachim II., Kfst. von Brandenburg (1505– 1571) 109 Jockisch, Jakob (1687–1750), Pfarrer 117 Johann, Hzg. von Münsterberg-Oels (1509–1565) 100 Johann V. Thurzo (1466–1520), Bischof von Breslau 102 Johann Christian, Hzg. von Brieg (1591– 1639) 102 Johann Georg I., Kfst. von Sachsen (1585– 1656) 106 Johann Georg III., Kfst. von Sachsen (1647–1691) 109 Johannishof → St. Johann an der March 349 John, Gottlieb jun. (1732–1795), Krankenpfleger 377 John, Gottlieb sen. (1705–1772) 374, 377 John, Johanne Juliane, verh. Herold (1738– 1812) 376 John, Rosina, geb. Girth (1707–1783) 374, 377 John, Susanna, geb. Hilbert, verh. mit Gottlieb John jun., Krankenpflegerin 377 Johnas, Johann (1692–1774), Leichenbestatter 388 Jordanów Śląski → Jordansmühl Jordansmühl (poln. Jordanów Śląski) 391 Joseph I., Ks. (1678–1711) 110 Josephi, Jeremias (1671–1729), Pfarrer, Hofprediger, Propst 129 Juliusburg (poln. Dobroszyce) 57f., 118, 135f., 387, 390

406

Personen- und Ortsregister

Just, Fam. in Bögendorf 324 Just, Johann Georg (1719–1779), Saaldiener 233, 319, 355, 357, 374f., 393 Jüttner, Gottfried (1695–1759), Pfarrer 289 Kaiser (1754), Musterstecherin in Dresden 319 Kalckreuth, Johann Sigismund von († 1771) 175 Kalckreuth, Sophie von (1690–1748) 254 Kaliningrad → Königsberg Kalkstein (Kalckstein), Christoph Wilhelm von (1682–1759), Generalfeldmarschall 145 Kambja → Camby Kamby → Camby Kamienna Góra → Landeshut Kamionki → Steinkunzendorf Kangek (grönländ. Kangeq) 45 Kangeq → Kangek Kanißberg, Wilhelmine Rosine, verh. Siegel (1727), Diakonisse 288 Kanneihut 45 Karczowice → Tadelwitz Karl, Ehzg. von Österreich (1590–1624), Bischof von Breslau 104 Karl, Hzg. von Württemberg-Bernstadt (1682–1745) 115 Karl, Pz. von Lothringen und Bar (1712– 1780) 142, 369 Karl I., Hzg. von Münsterberg-Oels (1476– 1536) 100 Karl V., Ks., als Karl I., Kg. von Spanien (1500–1558) 101 Karl VI., Ks. (1685–1740) 112, 117, 134, 153 Karl XII., Kg. von Schweden (1682–1718) 110–112 Karl Anton August, Pz. von Schleswig-Holstein-Sonderburg-Beck (1727–1759), preuß. Major 323 Karl Christian Erdmann, Hzg. von Württemberg-Oels (1744–1792) 281 Karlsdorf 126 Kaspar von Logau (1524–1574), Bischof von Breslau 102

Kaul, Anna Elisabeth (1738–1797), Gehilfin 381 Kessel, Christoph Wilhelm von (1675– 1750), Landrat 116 Kessel, Johann Friedrich von (1672–1743) 116 Kesselsdorf 235 Kettner, Johann Georg (1715–1810) 193, 256, 332 Kettner, Maria, geb. Lehmann († 1746) 193, 256, 332 Kirschstein, Siegismund, Pfarrer 372 Klein Ellguth (poln. Ligota Mała) 119, 136 Klein Friedrichstabor (poln. Tabor Mały) 147 Klein-Welke → Kleinwelka Kleinwelka 47, 65f., 345, 378 Kleist, Christiane, verh. Vippach (1728– 1761) 220 Klett, Anton, Fabrikant 246 Klette, Anton (1693–1764) 140 Klette, Rosina, geb. Girnth (1743) 140 Kleutsch (poln. Kluczowa) 55, 119, 237, 284, 335, 366, 371, 382 Klingsohr, Johann August (1746–1798), Schulhalter 384, 391 Kłodzko → Glatz Kluczbork → Kreuzburg Kluczowa → Kleutsch Knebel (1754) 319 Knebel, Daniel (1748–1791), Missionar 387 Knitter (1759), Soldatenbruder 330 Kobelau (poln. Kobyla Głowa) 119 København → Kopenhagen Kober, George († 1743) 164 Köber, Johann Friedrich (1717–1786), Jurist 34, 68, 75, 167, 223, 343f., 347, 379 Kobyla Głowa → Kobelau Köhler (Kohler), Andreas (1720–1802), Schuhmacher 276, 291, 313, 316, 328, 345 Köhler, Gottfried, Gerichtsschreiber 347, 354 Köhler, Maria Elisabeth, geb. Müller (1723–1793) 276, 328

Personen- und Ortsregister

Kolesch, Johann Jakob (1719–1798), Bäcker, Vorsteher 299, 327, 337, 346, 389, 392 Köln 34 Komenský, Jan Amos → Comenius, Johann Amos Königgrätz (tsch. Hradec Králové) 145 Königsberg (russ. Kaliningrad) 160, 203, 220, 305, 388 Königsdoerfer (Königsdörfer), Johann Gottlob (1721–1786), Ältester der led. Brüder 258 Konstadt (poln. Wołczyn) 116 Kopanica → Haunold Kopenhagen (dän. København) 44f., 124, 129 Koppe, Johann Gottfried († 1747), Pfarrer 130 Korschlitz (poln. Gorzesław) 58 Kosemitz (poln. Koźmice) 119 Kossenblatt (Cossenblatt) 129 Kostka von Postupitz, Bohuš († 1505) 103 Koźmice → Kosemitz Kożuchów → Freystadt Krajíř von Krajek, Arnošt († 1555) 103 Krancher, Gottfried Friedrich (1711– 1763), Pfarrer 289 Krantz (Cranz), Johann (1723), Vater von David Cranz 22 Krantz, Regina, geb. Kamke (1723) 22 Krause, Baron von (1765), in Schönwalde 359 Krause, Friedrich Ernst August 390 Krause, Rosina, geb. Schindler (1733– 1769) 226, 338 Krause, Samuel (1710–1777), DiasporaArbeiter 226, 233, 338 Kreisewitz (poln. Krzyżowice) 115 Kremser, Georg (1682–1760) 362 Kremser, Matthäus (1723–1774), Missionar 183, 216 Kremser, Paul (1698–1765) 313 Kremser, Simon (1757/64), aus Steuberwitz 362 Kretschmer, Elisabeth, verh. Müller (1723– 1788), Diakonisse 231 Kreuzburg (poln. Kluczbork) 116, 122, 312

407

Kriener, Rosina (1758), Chorjüngerin 327 Křišťanovice → Christdorf Krnov → Jägerndorf Krockow, Hans Kaspar von (1700–1759), Generalmajor 323 Krompusch (poln. Gręboszyce) 58 Kruszyn → Groß Krauschen Krzystkowice → Christianstadt Krzyżowice → Kreisewitz Kühnel, David, Dreschgärtner 339 Kümmel, Anna Susanna (1745), aus Creuzburg 185 Kunersdorf (poln. Kunowice) 323 Kunewald (tsch. Kunín) 210, 289, 292, 327 Kunín → Kunewald Kunowice → Kunersdorf Kunzendorf (poln. Strąkowa) 119, 336 Küpper (poln. Miedziana) 226, 252, 292, 325f., 344 Kyrill (Kyrillos), Konstantinos Cyprianus (826/7–869), Slawenapostel 97 La Tène 154 Lądek-Zdrój → Landeck Ladislaus Postumus, Kg. von Ungarn und Böhmen (1440–1457) 98 Laer, Johannes Renatus (1731–1792), Sekretär 53, 291 Łagiewniki → Heidersdorf Lamm, Barbara Dorothea (1700–1776), Wirtin in Breslau 387 Lampersdorf (poln. Grodziszcze) 295 Landeck (poln. Lądek-Zdrój) 252, 277, 301 Landeshut (poln. Kamienna Góra) 115, 119, 256, 258, 262, 335 Landwust, von (1747) 269 Lange, Joachim (1670–1744), Prof. theol. 22, 65 Lange, Maria, geb. Handrik (Handrich) (1714–1784) 52 Lange, Matthäus (1704–1786), Vater von Agnes Cranz 52, 66 Langenbielau (poln. Bielawa) 8–13, 55, 71, 115, 119, 126–129, 137, 163, 180, 190–194, 210, 231, 238–241, 244, 251, 253, 260–274, 277, 287, 291, 295, 307,

408

Personen- und Ortsregister

314–316, 322, 325, 333, 336, 341, 344, 351, 353, 370, 372, 383, 391 Langenöls 120 Langenthal 28 Langer († 1772), Hauslehrer in Bruct und Dittmannsdorf 119 Langguth, Johann Michael → Watteville, Johannes von Langkopf, Regine Maria (1706–1789), Diakonisse 236, 243 Langneundorf (poln. Dłużec) 148 Larisch, Heinrich Christoph von († 1753) 175, 210, 305 Lasowice → Laßwitz Laßwitz (poln. Lasowice) 137 Laubach 113 Laudon, Gideon Frh. von (1717–1790), österr. Feldmarschall 335–337 Laufhäger, Johann Christoph (1718– 1776), Pfarrer 137, 358 Laufhäger, Sophie Elisabeth, geb. Raabe (1747) 358 Laurent, Margaretha (1709–1785), Lehrerin 384 Lauterbach 346 Lauterbach, Johann Michael (1711–1787), Schreiber, Prediger 27, 168, 187, 261, 280 Lauterbach, Susanna Helena, geb. Golkowsky (1716–1777) 261 Lawatsch, Andreas Anton (1712–1771), Missionar 131, 244, 246 Lawatsch, Anna Maria, geb. Demuth (1712–1760), Generalältestin der Schwestern 244 Layritz, Paul Eugen (1707–1788), Pädagoge, Gemeinhelfer 31f., 60–62, 85, 124, 170, 180 259 Léger, Jean (1615–1670), Geschichtsschreiber 83, 98 Legnica → Liegnitz Leidebach, Maria Margareta (1727–1780), Chorhelferin 327, 357 Leipzig 110, 112f., 115, 124f., 384, 390f. Lellichow 13, 323, 342–345 Lentulus, Robert Scipio von (1714–1786), preuß. General 329, 339

Leobschütz (poln. Głubczyce) 183, 211, 217, 249, 262, 276, 279, 294 Leopold, Fst. von Anhalt-Dessau (1676– 1747) 141 Lessel, Johann Caspar (1695–1752), Pfarrer 160 Leszno → Lissa Leupold, Augustin († 1745) 138, 181, 228, 236 Leupold, Tobias († 1734) 181 Leuthen (poln. Lutynia) 324, 329 Leutmannsdorf 321 Lewin Brzeski → Löwen Lhotka (tsch. Rychnov nad Kněžnou) 365 Liberda, Johann (1700–1742), Prediger 145–147 Lichtenfels 17, 45–47, 79f., 390 Lieberkühn, Samuel (1710–1777), Prediger 65, 156, 164, 181, 192, 202, 249, 261, 386 Liebig, Jacob (1717–1779), Lehrer 138 Liegnitz (poln. Legnica) 100f., 318, 336 Ligota Mała → Klein Ellguth Ligota Wielka → Groß Ellguth Linde, Joachim Friedrich (1717–1786), Goldschmied, Chorhelfer 272, 275 Lindheim bei Büdingen 31, 124, 170, 259, 298 Lindner, Benjamin (1694–1754), Superintendent 83, 128f. Linné, Carl von (1707–1778), Naturforscher 46 Lintrup (Falck), Severin (1700–1758), Prediger 159 Lissa (poln. Leszno) 9, 102, 131, 191, 234 Lititz 38 Lochmann (1749), Gastwirt in Marienborn 287f. London 33f., 37, 82, 187, 275, 287–289, 300, 302, 307, 341, 343, 361, 366 Loos, Jacob (1712–1782), Hofprediger 316 Loreto 104 Loretz, Johannes (1721–1798), Jurist 39, 61, 66, 385 Louise, Fst. von Anhalt-Köthen-Pleß, geb. von Stolberg-Wernigerode (1744– 1784) 367

Personen- und Ortsregister

Löwen (poln. Lewin Brzeski) 64f. Ludmilla, Hzgn. von Liegnitz und Brieg, geb. von Podiebrad (1456–1503) 100 Ludwig (1759), Soldatenbruder 330 Ludwig II., Kg. von Böhmen und Ungarn (1506–1526) 100 Ludwigsdorf (poln. Chrośnica) 252, 318, 326, 344, 353, 382 Luther, Martin (1483–1546), Reformator 100–102, 230, 364 Lutterworth 98 Lutynia → Leuthen Lutz, Samuel (1674–1750), Pfarrer 28 Lyon 225 Macher, Andreas (1698–1762), Pfarrer 117, 145–147 Mack, Martin (1715–1784), Missionar, Bischof 349 Magdeburg 35, 69, 97 Malschwitz bei Bautzen 52 Malzahn, Grfn. von (ca. 1730), auf Halbau 311, 328 Mańczyce → Manze Manze (poln. Mańczyce) 119 Marbod, Kg. der Markomannen 97 Marche, Martha Juliane (1736–1819), Diakonisse 357, 374 Maria Theresia, Kgn. von Böhmen und Ungarn (1717–1780) 134 Marienborn bei Büdingen 5, 14, 24, 26–31, 46–51, 62, 124, 131, 154f., 166, 169f., 180, 191f., 196, 206, 209, 212, 215, 217f., 222, 226, 236, 239, 243, 246f., 259, 261, 287, 294, 352, 366, 373–375 Marschall, Friedrich Wilhelm von (1721– 1802) 258 Marschall, Georg Adolph von (1716–1753) 210, 215, 305 Marschall, Johann Ludwig von (1720– 1800) 28, 30, 192 Marschall, Sophie Charlotte von, geb. von Pfeil (1727–1806) 384 Marschwitz (poln. Marszowice) 59 Marszowice → Marschwitz Martin, Friedrich (1704–1750), Missionar 258

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Massow, Joachim Ewald von (1697–1769), Kammerpräsident 305 Matthias, Ks. (1557–1619) 104f. Mattiba, Michael (1742), Administrator 179 Matusewitz, Anna, geb. von Calker (1732– 1784), Diakonisse 357 Matusewitz, Johann Heinrich (1721– 1787), Gutsverwalter 357 Mauersberger, Ernst Friedrich Gottlob (1725–1791), Pfarrer 391 Maximilian, Fst. von Lichtenstein (1578– 1643) 106 Maximilian II., Ks. (1527–1576) 120 Mederjan (Mäderjan, Medrian), Daniel Gottlieb (1691–1734), Pfarrer 69, 116, 140 Meinerzhagen 42 Meiningen 124 Melanchthon, Philipp (1497–1560), Reformator 102 Mellin, Georg Bernhard Petrus von (1704– 1785), Major 329 Mente, Johann Heinrich (1716–1783), Missionar 381 Method (um 816/25–885), Slawenapostel 97 Metz 40 Meyer, in Biele 267 Meyer, Lehrer 297 Meyer, Gerhard (1900–1984), Bibliotheksdirektor 17f., 85, 87, 348 Meyer, Henrietta, geb. Müller (1736–1782) 349 Meyer, Joachim (1720–1774), Kaufmann, Ökonom 299, 332, 345, 349, 366 Meyer, Max (1860–1942), Prediger 87, 348 Meyer, Simon (1719–1786), Knopfmacher, Missionar 374, 381 Meyerotto, Elisabeth (1736–1797), Schwesternvorsteherin 376, 386 Michaelis, Christoph (1714–1762), Feldprediger 137 Michaelis, Friedrich Gottlieb (1726–1781), Kriegsrat 350 Michelstadt 113 Miedziana → Küpper

410

Personen- und Ortsregister

Mieszko I., Hzg. von Polen (um 945–992) 97 Mikolin → Nicoline Miksch, Martha Elisabeth, geb. Jähne, verh. Spangenberg (1708–1789), Vorsteherin der Witwen 210, 226, 236, 289, 297, 311, 327 Miksch, Matthäus († 1734) 210, 289, 296, 327 Mikulov → Nikolsburg Milan, Johannes (1662–1727), kath. Missionar 148 Milicz → Militsch Milikowice → Arnsdorf Militsch (poln. Milicz) 106, 111 Milowice → Mühlwitz Minden 168, 193, 220 Minor, Melchior (1667–1721), Pfarrer 115 Minor, Melchior Gottlieb (1693–1748), Inspektor 115, 117, 241, 256, 262, 265–270 Mirdelius, Valentin (1685–1758), Hofrat 159 Mirsk → Friedberg Mischke, Johannes (1679–1734), Pfarrer, Inspektor 81, 115f., 135 Mittel Peilau 119, 128–130, 133, 225, 246, 286, 289, 303, 337, 358, 383, 388f. Molther, Philipp Heinrich (1714–1780), Prediger 40 Mömpelgard (fr. Montbéliard) 36 Montbéliard → Mömpelgard Montmirail 36, 39f., 54, 154 Moravský Svätý Ján → St. Johann an der March Morawitzky, Johann Carl von (1711– 1782), Landrat 183, 211, 249 Moritz, Kfst. von Sachsen (1521–1553) 103 Moser, Susanna Maria (1723–1792), Gehilfin 384 Mosheim, Johann Lorenz von (1695– 1755), Prof., Historiker 20f. Mosontarcsa → Andau Mroczkowice → Egelsdorf Mühlhausen 119f. Mühlheim an der Ruhr 41 Mühlwitz (poln. Milowice) 135f.

Müller, Christian Ludwig (1721–1778), Feldprediger, Pfarrer 323, 391 Müller, Daniel Gottlieb († 1752), Kandidat der Theologie 320 Müller, Dorothea Louise, geb. Pulster (1720–1785), Diakonisse 357 Müller, Elisabeth, geb. Kretschmer (1723– 1788), Diakonisse 231 Müller, Johann Jacob (1712–1781), Schreiber, Diaspora-Arbeiter 188, 231, 266 Müller, Johann Nicolaus (1741–1772), Krankenwärter, Missionar 381 Müller, Ludwig (1786), Autor 340 Müller, Maria Elisabeth, geb. Müller (1723– 1793), Kindereltern 276, 291, 328 Müller, Polycarp (1684/85–1747), Pädagoge, Bischof 27–30, 85, 155, 167–173, 185, 188, 212, 215, 225, 230, 236–238, 253, 256 Münchhausen, Ernst Friedemann von (1724–1784), Kriegsrat, 303, 370 Münchow, Ludwig Wilhelm von (1709– 1753), Kriegsrat, Oberamtspräsident 8, 75, 152, 169f., 184f., 197–199, 208f., 212–219, 223–226, 242, 247–249, 254, 260f., 273–275, 279 Münster, Hans (1700–1754), DiasporaArbeiter 181 Münster, Johann (1697–1764) 183 Münster, Paul (1716–1792), DiasporaArbeiter 136 Münsterberg (poln. Ziębice) 100–103, 106, 117, 145–147, 180, 234, 253, 307, 336 Muthmann, Johann (1685–1747), Pfarrer 116f., 123f. Nachod (tsch. Náchod) 146 Náchod → Nachod Nádasty, Franz Leopold Gf. von (1708– 1783), Generalfeldmarschall 324 Namslau (poln. Namysłów) 97 Namysłów → Namslau Natzmer, Carl Dubislav von (1705–1738) 294 Natzmer, Charlotte Justine von, geb. von Gersdorf, verw. Rgfn. von Zinzendorf (1675–1763) 169

Personen- und Ortsregister

Natzmer, Heinrich Ernst von (1709–1738) 294 Naugard (poln. Nowogard) 23, 129 Naumburg an der Saale 136 Nazareth/Pennsylvania 183 Neisse (poln. Nysa) 103 Neisser (Neusser), Friedrich Wenzeslaus (1716–1777), Prediger, Diplomat 27, 155–159, 258, 288 Neisser, Georg (1715–1784), Brüderpfleger 193, 357 Nettelhorst (1755), Oberst, Besitzer von Rösnitz 312f. Neu Titschein (tsch. Nový Jičín) 335 Neu-Herrnhut (dän. Ny Herrnhut, grönländ. Noorliit) 17, 44–47, 79f., 390 Neu-Waltersdorf (tsch. Nové Valteřice) 313 Neuchâtel → Neuenburg Neudietendorf 156, 193 Neudorf am Gröditzberge (poln. Nowa Wieś Grodziska) 93, 148, 159 Neuenburg (fr. Neuchâtel) 154 Neusalz an der Oder (poln. Nowa Sól) 7f., 10–12, 14 – Anbau der Kolonie 75, 94, 171, 176, 183f., 194, 197, 199, 207–210, 213– 215, 223–226, 246, 255 – Gemeindeleben 62, 68, 76, 86, 209, 223, 260, 304, 307–310, 388, 393 – Consignation der Mitglieder 26, 298, 305 – Konzession 7, 184, 213, 248 – Neuaufbau 342–345 – Pädagogium 242, 256, 261, 273, 276, 282, 284 – Stadt 170, 212f., 308f., 343 – Zerstörung 75, 331, 333, 336f. – Zinzendorf in Neusalz 238, 267, 275, 325f. Neustadt an der Aisch 31, 115, 124, 170, 259 Neustadt O.S. (poln. Prudnik) 125, 137f., 295 Neuwied 5, 18, 34, 39–43, 369 Nickelsburg 296f. Nicoline (poln. Mikolin) 64

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Nieder Peilau (poln. Piława Dolna) 14, 115, 135, 164, 169, 190, 206, 215, 289, 301, 329, 373, 383, 388f. Nieder Rosen (poln. Rożnów) 128f. Nieder Schmardt (poln. Smardy Dolne) 122 Nieder Wiesa (poln. Wieża) 109, 117 Niederhof, Johann Christian, Schneider 374 Niemcza → Nimptsch Niemysłowice → Buchelsdorf Niesky 34, 51f., 59, 65, 140, 316, 326, 348, 359, 366, 382, 386 Nijmegen → Nimwegen Niklas, Anton (1685–1729), Abt, Prediger 122 Nikolsburg (tsch. Mikulov) 297 Nimptsch (poln. Niemcza) 119f., 160, 175, 246, 284, 307, 324, 391f. Nimwegen (ndl. Nijmegen) 34 Nitsche, Johann († 1743), poln. Bruder 210 Nitschke († 1762), Bauer und Stundenhalter in Schickerwitz 58, 342, 360 Nitschmann, Anna Caritas (1715–1760) 209, 244, 258, 299, 325, 334 Nitschmann, David (1695–1772), Bischof 258 Nitschmann, David (1703–1779), Syndikus 154, 156, 180, 188, 192, 300 Nitschmann, Heinrich (1712–1770), Prediger in Gnadenfrei 29, 131, 188, 192, 211f., 215f., 226, 233, 236, 261, 278 Nitschmann, Johann (1713–1772), Bischof 26f., 29, 155, 167f., 170 Nitschmann, Marie Appolonie, geb. Trumpf (1716–1770), verh. mit Heinrich Nitschmann 192, 216 Nitschmann, Melchior (1702–1729) 125 Nitschmann, Rosina, geb. Fischer (1714– 1772), verh. mit David Nitschmann, Syndikus 188, 192, 236 Nixdorf, Georg (1700–1785), Bierbrauer, Missionar 136 Noller, Matthias (2016), Autor 15, 19–21, 46, 50–53, 77, 80, 87, 92, 145, 147, 306, 359

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Personen- und Ortsregister

Noorliit → Neu-Herrnhut Nostitz, Ernst Sigismund von (1743) 73f., 204–206, 273 Nové Valteřice → Neu-Waltersdorf Nový Jičín → Neu Titschein Nowa Sól → Neusalz an der Oder Nowa Wieś Grodziska → Neudorf am Gröditzberge Nowogard → Naugard Ny Herrnhut → Neu-Herrnhut Nysa → Neisse Ober Glauche (poln. Gluchów Górny) 115, 135 Ober Panthenau (poln. Ratajno) 226, 252, 293, 391 Ober Peilau (poln. Piława Górna) 6f., 11f., 119, 130, 134, 154, 160, 179, 188, 191, 224, 235, 248, 281, 289, 298, 306, 309, 330f., 336f., 342, 349, 361, 383, 386, 388 Oels (poln. Oleśnica) 9, 12–14 – Konsistorium 104, 143, 320 – Kreis 57f., 71, 96, 114f., 120, 125f., 135f., 140, 192, 233, 236, 240, 252, 319, 333, 336, 338, 342, 354, 359, 378, 383, 387, 390 – Stadt 57f., 118, 135, 282, 387, 390 Oelschlaeger, Jakob (1722–1781), Pfarrer 295 Ofen (ung. Buda) 349 Ohlau (poln. Oława) 285 Oława → Ohlau Olbersdorf (poln. Rososznica) 307 Oldenburg 124f. Oldendorp, Christian Georg Andreas (1721–1787), Lehrer, Geschichtsschreiber 30, 88, 281 Oleśnica → Oels Olesno → Rosenberg O.S. Olmütz (tsch. Olomouc) 125, 129 Olomouc → Olmütz Opava → Troppau Opole → Oppeln Oppeln (poln. Opole) – Regierung, Oberamt 143, 196, 211f., 216, 249f., 262, 279, 294

– Stadt 147, 316 Orsk → Urschkau Osiecznica → Wehrau Ost, Christian Gottlieb 227 Ost, Christian Gottlieb (1704–1769), Gemeindiener 190, 255, 304, 357, 365 Ost, Johanna Elisabeth (1712–1765), Gemeindienerin 190 Osternburg bei Oldenburg 124 Otto (1738), Müller 136, 138 Otto I., der Große, Ks. (912–973) 97 Otto III., Ks. (980–1002) 97 Owiesno → Habendorf Oxford 98 Oyas (poln. Gniewomierz) 364 Parcz → Bartsch Paul, Christian Friedrich (1741–1782), Pfarrer 390–393 Paulus, Apostel 37 Pawłowiczki → Pawlowitzke Pawlowitzke (poln. Pawłowiczki) 14, 56, 59, 62, 160, 364, 367–370, 374, 378, 380f., 384–387, 392f. Pechmann, Friedrich (1709–1772), Pfarrer 135 Peistel, Carl Heinrich von (1704–1782) 24, 26f., 29 Peter, Johann Friedrich (1707–1791), Ehechorpfleger 292, 327f., 333f., 345 Peter, Susanna, geb. Jacksch (1711–1760) 292, 327, 333, 345 Peter III., Zar von Russland (1728–1762) 338 Peterswaldau (poln. Pieszyce) 7–13, 115, 120, 127, 129, 137, 140, 160, 165, 169, 171, 176, 180, 182, 191–195, 200–202, 205, 210, 226, 232, 235, 238, 251–253, 258, 263, 268–271, 274, 277, 284, 295, 313f., 320, 338f., 341, 358, 360 Petsch, Friedrich (1708–1780) 210 Petsch, Hans (1676–1750) 298 Petsch, Johannes (1720–1795), Prediger 210, 236, 259 Pfeiffer, Christoph (1689–1758), Pfarrer 237

Personen- und Ortsregister

Pfeil und Klein-Ellguth, Anna Charlotte Friederike von, geb. von Posadowsky (1735– 1813), Landrätin 64, 130, 371 Pfeil und Klein-Ellguth, Carl Friedrich I. Gf. von (1695–1767), auf Dirsdorf 119f., 122, 130, 141, 160, 175, 191, 210, 225, 236, 246, 251, 259, 282, 303f., 329, 367, 371 Pfeil und Klein-Ellguth, Carl Friedrich II. Gf. von (1735–1807), auf Groß-Wilkau und Kleutsch, Landrat von Nimptsch 284, 371, 382, 384, 391 Pfeil und Klein-Ellguth, Charlotte Marie Eleonore Gfn. von (1761–1825) 384 Pfeil und Klein-Ellguth, Christiane Friederike Gfn. von (1764–1849) 384 Pfeil und Klein-Ellguth, Friedrich Ludwig Gf. von (1698–1772) 237 Pfeil und Klein-Ellguth, Friedrich Ludwig Gf. von (1741–1821) 388 Pfeil und Klein-Ellguth, Juliane Henriette Eleonore Gfn. von (1765–1806) 384 Pfeil und Klein-Ellguth, Julius Friedrich von (1698–1772) 237 Pfeil und Klein-Ellguth, Luise Charlotte von, geb. von Studnitz (1701–1748) 237 Pfeil und Klein-Ellguth, Sophie Fiederike Elisabeth von (1767–1848) 384 Pieszyce → Peterswaldau Piława Dolna → Nieder Peilau Piława Górna → Ober Peilau Pilder, Georg (1716–1793), Missionar 200 Pinzger, Paul (1706–1778), Pfarrer 253 Pistole 180 Pitschen (poln. Byczyna) 97, 117f. Pitschmann, George (1690–1750), Hofprediger 135 Platani, Matthias (1662–1712), Pastor 117 Pławidło → Tirpitz Plitt, Johann Renatus (1778–1841), Inspektor, Archivar 18 Podewils, Heinrich Gf. von (1696–1760), preuß. Minister 155, 169, 198, 282 Podgórzyn → Giersdorf Podiebrad (poln. Gościęcice) 147 Pogarell, Siegmund d. Ä. von († 1633) 108

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Pollmann, Adam Heinrich von (1685– 1753), Minister 178f. Pollmann, Johannes → Pullmann, Johannes Pölzig 124 Pommerswitz (poln. Pomorzowice) 188, 211 Pomorzowice → Pommerswitz Posadowsky, Eleonore Elisabeth Gfn. von, geb. von Seidlitz-Gohlau (1702–1796) 119, 130, 371 Pößneck 116 Potsdam 198 Prag (tsch. Praha) 104–106, 286, 323 Praha → Prag Prauß (poln. Kołaczów) 115 Prieborn (poln. Przeworno) 126 Prinsnig (poln. Brennik) 308 Prittwitz und Gaffron, Christian Wilhelm von (1739–1807), Landrat 391 Prittwitz und Gaffron, Sophie Renate Christiane von, geb. von Kreckwitz (1741–1809) 391 Pritzelwitz, Johann Heinich (1738–1789), Gehilfe 384 Procházka, Adam (um 1713/14–1773) 359 Procházka, Jiřík (1704–1790), DiasporaArbeiter 359 Profe, Johann Gottlob (1729–1811), Pfarrer, Inspektor 391 Promnitz, Agnes Sophia Gfn. von, verh. von Reuß (1720–1791) 258, 360 Promnitz, Anna Sophie Christine Gfn. von, geb. von Erbach-Fürstenau, verw. von Maltzahn (1708–1759) 138, 311, 328 Promnitz, Balthasar Friedrich Gf. von (1711–1744) 151, 156, 166, 203 Promnitz, Erdmann II. Rgf. von (1683– 1745) 129, 270 Promnitz, Johann Erdmann von (1719– 1785) 360 Proske, Georg (1719–1764) 252, 271 Proske, Hans (1766) 362 Proske, Matthäus (Mattheus, 1748/59) 262, 278–280, 312f., 362 Proske, Rosina, geb. Fritsch (1721–1756) 252, 271 Prudnik → Neustadt O.S.

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Personen- und Ortsregister

Przedborowa → Schönheide Przerzeczyn-Zdrój → Bad Dirsdorf Przeworno → Prieborn Pullmann (Pollmann), Johannes 349 Quandt, Johann Christian (1733–1822) 345 Quedlinburg 27 Rachner, Helena († 1771), Lehrerin 227 Raciborowice Górne → Hartmannsdorf Racibórz → Ratibor Radetzky, Johann Ernst Gottlieb von (1707–1785), Pfarrer 117f., 195, 249, 382 Rakau (poln. Raków) 280, 312 Raków → Rakau Rambach, Johann Jakob (1693–1735), Prof. theol. 126 Ranzau, Erich von (1719–1796), Archivar 51, 336 Ranzau, Hans von († 1744) 336 Ratajno → Ober Panthenau Ratibor (poln. Racibórz) 194, 279, 295 Rauch († 1745), Soldatenbruder, Lehrer 24, 236 Rauschmann, Elias (1720–1788), Stundenhalter 387 Rauschmann, Maria Elisabeth, geb. Herbst (1721–1788) 387 Rawicz → Rawitsch Rawitsch (poln. Rawicz) 110 Regensburg 174 Regent, Karl Xaver (1689–1752), Jesuitenmissionar 83, 148f. Regulin (1759), Soldatenbruder 330 Rehdanz, von (1756), Oberforstmeister 316f. Reichel, Dorothee Beate (1735–1782), Schwesternhelferin 386 Reichel, Georg († 1527), Prediger 103 Reichel, Gerhard (1874–1953), Dozent, Bischof 88 Reichel, Heinrich Samuel (1872–1954), Prediger 69 Reichel, Hellmut (1916–2012), Prediger, Bischof 86, 88, 287, 309

Reichel, Johann Friedrich sen. (1731– 1809), Prediger 59–62, 386, 392f. Reichenbach, Benjamin Friedrich von (1698–1750), Konsistorialpräsident 157 Reichenbach (poln. Dzierżoniów) – Kreis 115, 181, 282, 289, 294f. – Stadt 61, 120, 131, 133, 135, 137, 147, 180, 190, 193, 227, 233, 235, 253, 281f., 288f., 330, 335–337, 340f., 354, 362, 391 Reichenbach-Goschütz, Heinrich Leopold von (1705–1775) 147 Reichstein 180 Reinbeck, Johann Gustav (1683–1741), Propst 141 Reinhold, Christian (1712–1762) 342 Reisewitz (1744), Landrat 217 Rekruz, Christina, geb. Fraisinet (1725– 1781) 138, 160, 388 Repnin, Nikolai Wassiljewitsch Fst. (1734– 1801), Generalfeldmarschall 339 Retzow, Wolf Friedrich von (1699–1758), Aufseher, Obrist 317 Reuß-Lobenstein, Henriette Eleonore von (1706–1762) 204 Reval (estn. Tallinn) 200 Rexius (1759), Soldatenbruder 330 Richter, Hermann (1746–1821), Informator 57, 381 Richter, Johann Friedrich (1709–1737), Pfarrer 125 Riedesel, Bgf. von (1747), in Lauterbach 292 Rieger, Georg Friedrich (1699–1768), Pfarrer 266, 268, 287, 315 Riegersdorf (poln. Rudziczka) 137 Riga (lett. Rīga) 207, 283, 390 Rīga → Riga Rincke, Heinrich (1688–1728) 120 Ritter, Johann Jacob (1714–1784), Arzt 161, 163, 292, 346 Rixdorf, heute Berlin-Neukölln 5, 19, 52– 54, 92, 113, 147, 220, 271, 292, 306, 361 Roben/Vogtland 115 Roeder (Reder, Röder), Karl Albrecht von

Personen- und Ortsregister

(1704–1766), Präsident der Regierung und des Konsistoriums von Glogau 187 Roentgen, Abraham (1711–1793), Kunstschreiner 41 Roesler, Anna Susanna, geb. Starck 377 Roesler, Johann Gottlob (1710–1780) 374, 377 Roh, Jan ( Johannes Horn, um 1490–1547), Prediger 102 Rohrbach, David 180f. Rohrbach, Gottfried (1746), Zeugmacher 251, 269, 277, 314 Rohwedel, Wilhelm von (1704–1774), Geheimrat 388 Rom (ital. Roma) 97, 110, 365 Roma → Rom Ronsdorf → Elberfeld Rose 180 Rosen → Nieder Rosen Rosenbach (poln. Różana) 126, 372 Rosenberg O.S. (poln. Olesno) 210, 305 Rösler, Johann Gottlob (1710–1780), Strumpfstricker 136, 227, 255, 347, 374 Rösnitz (poln. Rozumice) 9, 13, 59, 71, 125f. – Bethaus 211, 215, 217, 344, 370 – Ev. Gemeinde 75, 175, 278 – Konzession für Brüdersiedlung 75, 215, 224, 241, 351, 362, 369 – Sozietät der Herrnhuter 139, 182– 184, 215–217, 225, 261, 279, 346, 362, 364, 369 Rososznica → Olbersdorf Rost (1747) 303, 311 Rost, Dorothea Elisabeth, geb. Reisig (1717–1775), Vorsteherin der Witwen 311, 328, 342, 392 Rothe, Christian David Benjamin (1745– 1801), Bischof 382 Rothe, Jeremias, Bruder 172 Rothe, Johann Andreas (1688–1758), Pfarrer 149 Rothe, Johann Christoph (1709–1764), Pfarrer 12f., 252, 263, 277, 318, 322, 326, 344, 351, 353, 355, 382 Rothenburg Różana → Rosenbach Rożnów → Nieder Rosen

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Rozumice → Rösnitz Rudberg, Peter (1764), Missionar 45 Rudelsdorf (Droltwitz, poln. Drołtowice) 390 Rudnicky, Czymbay (1758), Ulanen-Obrist 330 Rudolph II., Ks. (1552–1612) 95, 103 Rudziczka → Riegersdorf Rülmann (1738), Strumpfstricker 136 Ruppersdorf (poln. Wyszonowice) 65 Ruprecht (1745), Freirichter 252 Ruprecht (1773), Rademacher in Juliusburg 57f. Rychnov nad Kněžnou → Lhotka Saalfeld 124, 128 Saalwächter, Christian Hillmar (1712– 1786), Informator 225, 242 Sabatisch (slowak. Sobotište) 349 Sachre, Georg (1723), Korporal 22 Sagan (poln. Żagań) 111, 143, 166 Salem → Winston-Salem Sambórz → Tschammendorf Sandrasky (Sandretzky), Johann Ferdinand Gf. von (1711–1775) 75, 192, 240, 263f., 268, 333, 391 Sandretzky, Gottlieb Friedrich Gf. von (1721–1748) 192, 263f. Sankt-Peterburg → St. Petersburg Sarbinowo → Zorndorf Sarepta (heute Wolgograd) 369, 381 Sarganeck, Georg (1702–1743), Lehrer, Rektor 124 Sassadius, Johann Wentzel (1736–1814), Hofprediger 382, 390 Sassadius, Samuel Ludwig (1695–1756), Pfarrer 117, 122–124 Sassadius, Samuel Sebald (1668–1734), Pfarrer 118 Sauerma, Baron von (1766), Rittergutsbesitzer in Pawlowitzke 364 Sauerma, Friedrich von (1699–1779) 64 Sauerma, Karoline Katharina Luise Henriette, geb. von Posadowsky (1738– 1824) 64f. Saurbrey (Sauerbrey), Johann Andreas d. Ä. (1685–1762), Pfarrer 115

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Personen- und Ortsregister

Schachmann, Charles (Karl Adolf Gottlob) von (1725–1789) 27 Schäffer (Schäfer), Melchior (1682–1738), Pfarrer 118, 219, 292 Schaukirch, Ewald Gustav (1725–1805), Schreiber, Missionar, Bischof 34 Schedewig, Georg (1678–1755), aus Oels 140 Schedewig, Johann (1707–1767), aus Oels 140 Schellinger, Jakob (1706–1769) 258 Schellinger, Magdalena, geb. Beuning (1711–1779) 258 Schickerwitz (poln. Siekierowice) 233, 281, 319, 342 Schindel, George Rudolph von (1765/79), Landrat von Reichenbach 354 Schindler, Elisabeth, geb. Scherzer (1686– 1769), Witwenpflegerin 258 Schindler, Matthäus (1694–1771), Verwalter 159f., 182, 258 Schinmeyer, Johann Christoph (1696– 1767), Pfarrer 220, 222 Schlabrendorf, Ernst Wilhelm von (1719– 1769), preuß. Minister 13, 323, 350, 369, 382 Schmardt → Nieder Schmardt Schmid von Schmidsfeld, Karl Friedrich (1750), Helfer 288f., 292 Schmidt, Christian (1744), Kaufmann 221 Schmidt, Friedrich (1724–1805), Prediger 352 Schmidt, Georg (1744), Schulhalter 269 Schmidt, Johann Adam (1710–1774), Pfarrer, Prediger in Gnadenfrei 222, 288, 293, 302–305, 310, 326, 331 Schmidt, Louise Maria, geb. Commerell (1714–1776) 288, 293 Schmidt, Melchior (1722–1784), Missionar 301 Schmograu (poln. Smogorzów) 97 Schmollen (poln. Smolna) 58, 136 Schneider, Catharina, geb. Münster, verh. mit David Schneider 292 Schneider, Christian Wilhelm (1678– 1725), Pastor 117

Schneider, Daniel (1667–1748), Pfarrer, Rektor 113 Schneider, David (1693–1755), Evangelist 292 Schnellewalde (poln. Szybowice) 13, 137, 182, 358, 381, 388 Schoffschütz (poln. Sowczyce) 210 Scholler, Friedrich Adam (1718–1785), Lehrer 284 Schönau 252 Schönbrunn (poln. Strużyna) 6, 71, 126, 128–130, 140f., 231 Schönfeld 135 Schönheide (poln. Przedborowa) 55, 139, 227, 339, 383 Schönwalde 359 Schortewitz 115, 129 Schrattenbach, Wolfgang Hannibal Gf. von (1660–1738), Bischof von Olmütz 125, 129 Schrautenbach, Ernst von (1691–1752), Besitzer von Lindheim 235 Schrautenbach, Louis (Ludwig) Carl von (1724–1783), Sohn von Ernst von Schrautenbach 27, 31, 298 Schreiber, Fam. in Gittmannsdorf 301 Schreiber, Rosina, Aufseherin 27 Schröter (Schröder), Carl (1712–1759), Brüderpfleger 276 Schubert, Johann Gottfried jun. (1737– 1797) 376, 380, 384 Schubert, Johann Gottfried sen. (1732– 1795) 376, 380 Schuchardt, Johann Gottfried, Pfarrer, Lehrer 125f., 135 Schulz (1744), Chirurgus in Stettin 221 Schulz (Schultz), Augustin (1693–1752), Prediger 51, 118, 306 Schulz, Christian (1742), Gehilfe 138, 193, 210, 230 Schulz, Friedrich Wilhelm (1728–1813), Erzieher 389 Schulze, Samuel (1714–1751), Kindervater 136 Schüssler, Johann Albrecht (1714–1763), Oberkonsistorialrat 295

Personen- und Ortsregister

Schütz, Johann Jakob (1640–1690), Rechtsanwalt, Liederdichter 122 Schützen → Großschützen Schwedler, Johann Christoph (1672– 1730), Pfarrer 70, 109, 112, 117, 136, 149 Schweidnitz (poln. Świdnica) – Friedenskirche 111 – Kreis 111, 143, 205, 289, 295, 337, 391 – Stadt 41, 235, 324, 329, 336f. – Versammlungen 135 Schweinitz, Georg Abraham (1684–1740), Hauptmann 226, 238, 246 Schweinitz, Hans Christian (1707–1750) 251 Schweinitz, Hans Christian Alexander von (1740–1802), Sekretär 46 Schweinitz, Hans Friedrich von (1750), Autor 83, 98 Schweinitz, Helene Elisabeth von, verh. Marschall (1724–1795) 258 Schweinitz, Johanna Helene Susanne (1737–1807) 388 Schweinitz, Moritz von (1686–1739) 113 Schwenckfeld, Caspar von (1489–1561), Rat 71, 82, 88, 90, 101, 148f. Schwerden 337 Schwerin, Gf. von (1750) 294 Schwerin, Kurt (Ludwig Adalbert) von (1684–1757), preuß. General 323 Schwiebendorf (poln. Świeborowice) 205 Schwimmer, Johann Peter (1715–1769), Hauslehrer 220 Ściborzyce Wielkie → Steuberwitz Scribenzky, Baron von (1755) 313 Seebaß, Anna Benigna (1748–1779), Lehrerin 380 Seebaß, Friedrich Wilhelm (1718–1758), Prediger 308 Seeliger, Christoph (1699–1770), Pfarrer 120 Segner, Johann Joseph (1739–1804), Pfarrer, 233 Seidel, Anna Johanna, geb. Piesch (1726– 1788) 242, 258, 276 Seidel, Nathanael (1718–1782), Missionar, Bischof 242, 235

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Seidlitz, Anna Helene von, geb. von Gellhorn (1705–1784) 133 Seidlitz, Christian Friedrich von (1739– 1789) 59, 364, 370, 393 Seidlitz, Elisabeth von, geb. von der Goltz (1736–1791), verh. mit Georg Sigismund von Seidlitz 361, 388, 393 Seidlitz, Ernst Friedrich von (1711–1789), Oberstleutnant 372, 390 Seidlitz, Ernst Julius von (1695–1766), Gründer von Gnadenfrei 12, 41, 71f., 76, 89, 96, 128, 130, 133f., 136, 140f., 153, 175, 181, 190, 193, 216, 231, 236, 243, 246, 256, 276, 291, 319, 322, 327, 331–338, 347, 352–354, 359, 361, 364 Seidlitz, Eva Ernestine Charlotte von, geb. von Rothkirch (1731–1788) 372 Seidlitz, Friedrich Wilhelm von († 1746) 128, 133, 286, 389 Seidlitz, Georg Sigismund von (1733– 1780) 284, 361f., 388, 393 Seidlitz, Helene Eleonore von (1731– 1784) 303 Seidlitz, Joachim Friedrich von (1616– 1690) 108 Seidlitz, Joachim Friedrich von (1639– 1726) 113, 128 Seidlitz, Joachim Friedrich von († 1733) 128 Seidlitz, Joachim Sigismund von (1656– 1714) 113 Seidlitz, Johanna Charlotte von (1706– 1759) 286 Seidlitz, Melchior Friedrich von († 1760), Offizier 286 Seidlitz, Sophie Juliane Magdalene von, geb. von der Heide (1746–1806), verh. mit Christian Friedrich von Seidlitz 370 Seidlitz-Gohlau, Charlotte Sophie von 384 Seidlitz-Gohlau, Christiane Friederike von 384 Seidlitz-Gohlau, Ferdinand Siegismund von (1725–1806), Oberamtspräsident 370–372 Seifersdorf 180 Seilbinder, Peter (1723), Baumann 22

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Personen- und Ortsregister

Selbstherr, Siegmund Heinrich (1678– nach 1745), Pfarrer, Senior 126 Seldenschlo, Johann Ludwig (1717–1793), Diaspora-Arbeiter 354, 390 Siegel, Christoph Friedrich (1704–1764), Regierungsrat, Ökonom 273, 288 Siegen 42 Siekierowice → Schickerwitz Silberberg (poln. Srebrna Góra) 295, 335, 337 Simonstrat, Christian (1692–1753), Pfarrer 320 Singer (1747/52), Diaspora-Arbeiter 297 Sixt, Johann Jakob (1688–1778), Pfarrer 42 Smardy Dolne → Nieder Schmardt Smogorzów → Schmograu Smolna → Schmollen Sobotište → Sabatisch Solingen 41 Solms, Christian Ernst von (1706–1748), Landrat 262, 271 Sommer, Johann Heinrich (1675–1758), Pfarrer 15, 69f., 93, 115–120, 126–131, 140 Sophie Dorothea, Kgn. von Preußen, geb. Pzn. von Hannover (1687–1757) 156 Sorau (poln. Żary) 115f., 122, 128f., 180– 182, 200, 269 Sörensen, Johannes (1713–1802), Missionar 49f. Sowczyce → Schoffschütz Spangenberg, August Gottlieb (1704– 1792) 27, 33, 53, 69, 83, 91, 187, 194, 210, 212, 289, 292, 327, 345–349 Spangenberg, Eva Maria, geb. Ziegelbauer, verw. Immig (1696–1751) 27 Spangenberg, Martha Elisabeth, geb. Jähne (1708–1789) 210, 289, 345 Spener, Philipp Jacob (1635–1705) 83, 113 Sperbach, Johanna Rebecca (1716–1803), Schwesternpflegerin 242, 257 Srebrna Góra → Silberberg St. Croix (Crux) 47, 181, 301 St. Jan 47 St. Johann an der March (slowak. Moravský Svätý Ján) 349

St. Johann auf dem Heideboden (ung. Jánossomorja) 297 St. Petersburg (russ. Sankt-Peterburg) 52 St. Thomas 47, 135, 220, 258, 381 Stach, Christian († 1739), Missionar 44 Stach, Matthäus (1711–1787), Missionar 44–47 Stach, Rosina, geb. Halbgebauer (1691– 1773), Missionarin 44 Stanislaus I. Leszczyński, Kg. von Polen (1677–1766) 110 Stein (1743), Rat 181, 202 Steinberg, Gottlob (1743) 164 Steinberg, Hermann (1928), Autor 89 Steiner, Anna († 1759), Aufseherin 227 Steinkunzendorf (poln. Kamionki) 127, 269 Steinmetz, Johann Adam (1689–1762), Pfarrer, Pädagoge 15, 64, 115, 124f. Stengard, Andreas (1742–1813), DiasporaArbeiter 390 Stephan, Paul (1766) 361 Sternberg, Martin Gottfried (1725–1798), Prediger 11, 290, 307f., 359 Stettin (poln. Szczecin) 8, 22, 33, 54, 220– 222, 232, 237f., 274, 307f., 344 Steuberwitz (poln. Ściborzyce Wielkie) 59, 100, 261, 362, 370 Stiller, Johann Caspar (1707–1779), Witwer 190 Stöhr, Eva Philippina, geb. Heckardt (1711–1762) 137, 153, 258 Stöhr, Johann David (1707–1779), Dru- cker, Diaspora-Arbeiter 59, 137, 153f., 160, 181–183, 188, 192, 258, 378 Stöhr, Maria Elisabeth, geb. Trautmann, verw. Würz (1719–1779), Diakonisse 378, 392 Strąkowa → Kunzendorf Stralenheim, Henning Frh. von, geb. als Henning Vieth (1665–1731) 110 Stramberg (tsch. Štramberk) 334 Štramberk → Stramberg Straußfurt 117 Streck (1745), Freirichter 52 Strehlen (poln. Strzelin) 116, 137, 147, 231, 318, 354, 359 Striegau (poln. Strzegom) 103, 235, 338

Personen- und Ortsregister

Struensee, Wilhelm Christian (1720– 1783), Pfarrer 64, 353, 358, 371, 393 Strużyna → Schönbrunn Strzegom → Striegau Strzelin → Strehlen Suche, George (1765), Student 359 Sulechów → Züllichau Sulisławice → Zülzendorf Süsbrich, Johann Friedrich, Fabrikant 251, 302, 355, 374f. Süßmilch, Johann Peter (1707–1767), Propst 41 Świdnica → Schweidnitz Świebodzice → Freiburg i. Schlesien Świeborowice → Schwiebendorf Syców → Groß Wartenberg Szczecin → Stettin Szybowice → Schnellewalde Tabor (tsch. Tábor) 99, 147 Tábor → Tabor Tabor Mały → Klein Friedrichstabor Tabor Wielki → Groß Friedrichstabor Tadelwitz (poln. Karczowice) 119 Tallinn → Reval Tannhausen (poln. Jedlinka) 127 Tarnowitz (poln. Tarnowskie Góry) 117, 234, 316 Tarnowskie Góry → Tarnowitz Taubenheim 34, 59, 330, 390 Teersteegen, Gerhard (1697–1769) 41 Teicher, Dorothea (1748), Schwesternpflegerin 256f., 276 Teltow 117 Tepliwoda (poln. Ciepłowody) 115, 117, 120, 126 Teschen (poln. Cieszyn, tsch. Český Těšín) 6, 15, 101, 111f., 114, 116–118, 122– 126, 129, 135, 154 Theine, Carl Heinrich (1749), Rektor in Brieg 283 Thiel, Gottlieb (1743), Informator 135 Thiel, Johann (Hans) Heinrich (1718– 1774), Prediger in Gnadenfrei 130, 133, 276, 288 Thomaswaldau (poln. Tomaszów Bolesławiecki) 205

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Thomaswaldau (poln. Tomkowice) 172, 204f. Thommendorf (poln. Tomisław) 116f., 127 Thrane, Amadeus Paul (1718–1776), Brüderpfleger, Prediger 302, 305, 309, 328, 334 Thrane, Anna Maria, geb. Neißer, verw. Benzin (1724–1781) 302 Thun 28 Tichey, Wenzel (Václav Tichy, 1741), Hussit 145 Till, Jacob (1713–1783), Kindervater 192, 209f. Till, Melchior sen. (1716–1803), Gemeinhelfer 193, 228, 240 Till, Sophia, geb. Everts (1713–1791) 193 Tillendorf (poln. Bolesławice) 273 Timaeus, Johann Heinrich (1717–1769), Pfarrer 240, 252 Timaeus, Johann Heinrich jun. (1733– 1805), Informator 334, 376 Tirpitz (poln. Pławidło) 180 Titel, Andreas (1763), aus Sabatisch 349 Tix (Dix), Abraham 276, 378 Tix (Dix), Susanne Eleonore, geb. Klett († 1759) 276, 378 Tobolsk 129 Tomaszów Bolesławiecki → Thomaswaldau Tomisław → Thommendorf Tomkowice → Thomaswaldau Töpfer, Ernst Ludwig (1707–1788), Pfarrer 226, 268f., 320, 358 Torgau 336, 341 Trach, Baron von, Grundherr von Rösnitz 75, 176, 183, 195, 211f., 216, 277–280, 312 Trach, George Franz von (1748/50), Landrat von Leobschütz 278–280 Trachenberg (poln. Żmigród) 106 Trebnitz (poln. Trzebnica) 58, 115 Trebus 133, 164, 226, 337 Trispel, Richard (1744), Informator 227 Troppau (tsch. Opava) 101, 116 Trotzendorf, Valentin (1490–1556), Rektor 101 Trzebnica → Trebnitz Tschammendorf (poln. Sambórz) 180

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Personen- und Ortsregister

Tschirschky, Augusta Erdmuth von, geb. von Gersdorf (1736–1765) 338, 345 Tschirschky, Ernst von (1733–1774) 10, 69, 93, 135, 242, 260 Tschirschky, Ernst Leonhard von (1744/ 49), auf Stampen 225, 282, 284 Tschirschky, Friederica Johanna Ernestine von, geb. von der Golz (1734–1758) 93, 246, 260 Tschirschky, Helene Eleonore von, geb. von Seidlitz (1730–1789) 128, 289 Tschirschky und Boegendorff, Carl Wilhelm von (1731–1802) 135, 175, 242, 305, 352, 389 Tschirschky und Boegendorff, Ernst Leonhardt von (1657–1721) 128 Tschirschky und Boegendorff, Ernst Sigismund von (1733–1774) 175, 242, 283f., 338, 345, 388f. Tschirschky und Boegendorff, Helene Charlotte von (1728–1768) 175, 192 Tschirschky und Boegendorff, Helene Eli- sabeth von, geb. von Prittwitz (1701– 1765) 119, 130, 133, 169, 175, 225f., 236, 282, 290, 357, 371 Tschirschky und Boegendorff, Julius Friedrich von (1737–1814) 175, 388f. Tschirschky und Boegendorff, Karl Sigismund von (1700–1737) 133, 169, 175 Tschirschky und Boegendorff, Maria Eleonora von (1724–1784) 175, 285 Tschirschky und Boegendorff, Sophie Juliane von (1734–1781) 10, 175, 242, 285, 303 Türstig (1747), Ehepaar in Mittel Peilau 255 Tuszyn → Hennersdorf Twardocice → Harpersdorf Ulm 102 Ulrich, Johann Caspar (1705–1768), Pfarrer 19, 79 Ultsch, Johann Conrad, Schuster 337 Urschkau (poln. Orsk) 9, 242, 253f., 256, 281, 283 Ursinus, Christian († 1672), Hofprediger 102

Uttendörfer, Otto (1870–1954), Unitätsdirektor 26–29, 40, 89 Veľke Leváre → Großschützen Ventur, Anna Marta, geb. Schaffer 371, 392 Ventur, Christoph Ernst, Verwalter 371, 392 Vieth, Henning → Stralenheim, Henning Frh. von Viktorin, Hzg. von Münsterberg und Troppau (1443–1500) 99 Vinţu de Jos → Alwinz Vippach, Christiane, geb. Kleist (1720– 1761) 220, 259, 276 Vippach, Heinrich Wilhelm Gottlieb (1713–1773) 220f., 259, 296 Vogel (um 1730), in Rösnitz 125, 253, 255, 257 Vogel, Andreas (1747), in Rösnitz 262, 277f. Vogt (Voigt), Johann Christoph (1703– 1747), Kutscher 224, 238f., 243, 246, 257, 259 Voigt, Christoph Nikolaus (1678–1732), Pfarrer 117, 226 Vormann, Christian Heinrich von (1714– 1788), Kommandant 381 Wahl, Johanna Juliana († 1756) 302 Waiblinger, Johann Georg (Georgius, 1704–1775), Bischof 14, 55f., 62, 76, 226, 236, 243, 298, 300, 308, 310, 327, 331, 346, 352, 354, 362, 364, 373–376, 380, 385 Wałbrzych → Waldenburg Walch, Johann Georg (1693–1775), Prof. theol. 84, 122, 261 Walde, Johann Christian (1722–1777), Pfarrer, Inspektor 320 Waldenburg (poln. Wałbrzych) 127, 331 Waldenburg/Schweiz 28 Waldenser 20, 83, 98f., 177 Waldheim 145 Wallis, Johann Georg (1720–1776), Missionar 210, 226, 230, 246, 366 Walter, Gottlieb Eberhard (1721–1796), Pfarrer 12, 226, 252, 277, 293, 322, 325f., 344

Personen- und Ortsregister

Walter (Walther), Zacharias (1746–1761), Bischof der Hutterer Brüder 349 Walther, Johann Christoph (1731–1802), Krankenpfleger 302, 304, 327 Watteville, Benigna von, geb. Rgfn. von Zinzendorf (1725–1789) 188, 237, 258, 325, 345, 385 Watteville, Elisabeth von, geb. Rgfn. von Zinzendorf (1740–1807) 150 Watteville, Friedrich von (1700–1777) 29, 154, 258 Watteville, Friedrich Rudolph von (1738– 1811) 76, 385, 387 Watteville, Johannes von, geb. als Johann Michael Langguth (1718–1788) 29, 31–33, 36, 40, 44, 47, 91, 154, 209, 215, 244, 256, 262, 268, 291, 300, 325, 327, 352, 357, 345 Wegner, Michael Friedrich (1723), Geheimrat 22 Wehrau (poln. Osiecznica) 298 Weigelsdorf (poln. Wigancice) 55, 108, 232, 272, 295, 339, 383 Weimar 203 Weiß (Weiss), Jonas Paulus (1696–1779), Kaufmann, Ökonom 170, 180, 215, 275, 287, 293, 296 Weitenauer, Peter (1721–1805), DiasporaArbeiter 369 Wendland, Johann Jakob (1710–1774), Pastor 65 Werner, Johann Sigismund (um 1491– 1554), Pfarrer der Schwenckfelder 101 Wernsdorf, Gottlieb (1668–1729), Prof. theol 123 Werwing, Petrus (1715–1755), Prediger in Gnadenfrei 192, 210 Wettstein (Wetzstein), Maria (1722– 1771), Schwesternpflegerin 311, 328, 345, 357 Wetzlar 174 Wied-Isenburg, Johann Friedrich Alexander zu (1706–1791) 40 Wiedebach, Friedrich von (1707–1772) 133f., 309, 321 Wien 104, 116, 122f., 203, 321 Wieża → Nieder Wiesa

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Wigancice → Weigelsdorf Wilków Wielki → Groß Wilkau Winckler, Johann (1642–1705), Autor 113 Winckler, Michael (1746), Bauer 251 Winston-Salem/North Carolina 210 Winterfeldt, Hans Karl von (1707–1757), preuß. Generalleutnant 323 Witoszów → Bögendorf Wittenberg 100–102, 123f. Wittstock 193 Wladislaw II., Kg. von Böhmen und Ungarn (1456–1516) 99 Wlost (Wlast), Peter → Danin, Peter Wohlau (poln. Wołów) 106, 109, 242 Wohn, Johann Christian (1724–1773), Brüderpfleger 299, 302 Wołczyn → → Konstadt Wolff, Christian (1679–1754), Prof. phil. 22 Wołów → Wohlau Woltersdorf, Joachim (1720–1786), Missionar 365, 380 Wredow, Johann Friedrich (1719–1782), Arzt 346 Wredow, Maria Magdalena, geb. Grünewald (1732–1798) 346 Wreech, Curt Friedrich († 1757), Offizier 84, 129 Wrocław → Breslau Wulle, Siegmund Gottlieb (1740–1809), Pfarrer 393 Wunderling, Christian Friedrich (1747) 243 Wunderling, Dorothea Maria, geb. Tonne (1702–1774), Witwenpflegerin 243f., 256, 275, 289, 299 Wuppertal → Elberfeld Würgatsch, Johann Andreas (1740–1799), Brüderpfleger, Prediger 56, 380 Wyclif (Wycliff ), John (um 1326–1384), Pfarrer, Prof. theol. 98 Wyszonowice → Ruppersdorf Xanten 34 Ząbkowice Śląskie → Frankenstein Żagań → Sagan Zagrodno → Adelsdorf

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Personen- und Ortsregister

Żary → Sorau Zastrow, Carl Anton Leopold von († 1779), preuß. General 330 Zeisberger, Anna, geb. Böhnisch 261, 280, 291, 293 Zeisberger, Melchior (1701–1781), Gemeindiener 261, 280, 288, 291, 293 Zeist 33f., 46, 56, 92, 167, 246, 259, 284, 310, 331, 346, 366, 378 Žerotín, Karl d. Ä. von (1564–1636), Landeshauptmann 59 Zeschwitz, Hans Heinrich Gf. von (1696– 1778), auf Taubenheim 84 Zeschwitz, Joachim Friedrich Gotthelf von (1740–1820), Marschall 330 Zgoda → Gerlachsdorf Ziębice → Münsterberg Zielenice → Grünhartau Zieten, Hans Joachim von (1699–1786), preuß. Reitergeneral 339

Zimmermann, Johann Georg (1717–1783), Lehrer, Pfarrer 283 Zinzendorf, Christian Renatus Rgf. von (1727–1752) 27, 258, 292, 298f., 302, 327 Zipfel, Anna (1705–1762), Gemeinjüngerin, Diakonisse 292, 299, 327f., 342 Zipfel, Johann Philipp (1723), verh. mit Anna Zipfel 292 Zittau 27f., 324 Žižka, Jan (1370–1424), Anführer der Taboriten 98 Złotoryja → Goldberg Żmigród → Trachenberg Zorndorf (poln. Sarbinowo) 329 Züllichau (poln. Sulechów) 129 Zülzendorf (poln. Sulisławice) 115 Zürich 19, 36, 54, 102 Zwingli, Ulrich (Huldrych, 1484–1531), Reformator 102