Gesammelte Schriften: Band 15 Band 2. 1799–1835
 9783110868197, 9783110192674

Table of contents :
Inhalt
1. Tagebuchnotizen von 1799
2. Tagebuch der Reise nach Spanien 1799–1800. Weg von Paris nach Orleans – Weg nach Olmedo
2. Tagebuch der Reise nach Spanien 1799–1800. Weg nach Santa Maria de Nieva – Inhaltsübersicht
3. Tagebuch der baskischen Reise 1801
4. Bruchstück einer Selbstbiographie
5. Londoner Tagebuch
6. Autobiographisches
7. Roman
Namenregister
Inhaltsverzeichnis zu Band 1–15
Alphabetisches Verzeichnis der Titel

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Wilhelm von Humboldts Gesammelte Schriften.

Wilhelm von Humboldts Gesammelte Schriften. Herausgegeben v o n der

Königlich

Preussischen Akademie Wissenschaften.

Band XV.

Dritte Abteilung: T a g e b ü c h e r II.

Berlin B. B e h r ' s V e r l a g (Friedrich Feddersen) 1918.

Photomechanischer Nachdruck Walter de Gruyter & Co. Berlin 1968

der

Wilhelm von Humboldts Tagebücher. Herausgegeben von

Albert Leitzmann.

Z w e i t e r Band. 17991835.

Berlin

B. Behr's Verlag (Friedrich Feddersen) 1918.

Photomechanischer Nachdruck Walter de Gruyter & Co. Berlin 1968

Unveränderter photomechanischer

Nachdruck

der ersten A u f l a g e , Berlin 1918, mit freundlicher G e n e h m i g u n g des B . B e h r ' s E i n Inhaltsverzeichnis für die B ä n d e 1 — 1 5 befindet sich a m E n d e dieses

Verlages. Bandes.

Archiv-Nr. 36 47 680

©

1968 by Walter de Gruyter & Co., vormals G. J . Göschen'sche Verlagshandlung — J . Guttentag, Verlagsbuchhandlung — Georg Reimer — Karl J . Trübner — Veit Sc Comp., Berlin 30, Genthiner Straße 13. Printed in the Netherlands Alle Rechte, insbesondere das der Übersetzung in fremde Sprachen, vorbehalten. Ohne ausdrückliche Genehmigung des Verlages ist es auch nicht gestattet, dieses Buch oder Teile daraus auf photomechanischem Wege (Photokopie, Mikrokopie, Xerokopie) zu vervielfältigen

Inhalt. i.

Tagebuchnotisen

von ljyy

•2. Tagebuch

der Reise

y.

Tagebuch

4.

Bruchstiicl;

5.

Londoner

6.

Autobiographisches

7. Roman

der baskischen

' nach Spanien Reise

einer Selbstbiographie

1801 [iHtti]

ijyrj—1800

41 J

[i8ij—18]

4m

¡1817—28]

5;7

Tagebuch

[1832—35]

Namenregister

zu Band

14 und

s cr

Tagebuchnotizen von 1799. a. Paris. D i e n s t a g . 8te^ J a n u a r . (19. Nivose.

an 7.)

1. Besuch bei Madame Condorcet. — Sie hat vor mehreren Condorcet. Jahren einen Roman entworfen, von dem der Plan ganz fertig ist, aber nur etwa 80 Seiten geschrieben sind. Die Hauptidee davon ist der Contrast der Liebe eines Wilden und eines civilisirten Menschen in dieselbe civilisirte Frau. Sie hat aber, wie sie sagt, das Project aufgegeben. — Als die Stael mit Narbonne in s»a.i. Verhältniss gewesen ist, hat sie sich ungeheuer tremoussirt, ihn immer zugleich beim König in Gunst und mit den Patrioten in Freundschaft zu erhalten. Sie hat Sieyes, Condorcet und einige andre der Gironde zu Narbonne zu Tische gebeten, aber immer selbst gesprochen, ohne Narbonne reden zu lassen. Sie ist so beschäftigt und verwirrt gewesen, dass sie einmal der Condorcet in Gegenwart *) des Mannes von dieser und einiger andern nach Tische gesagt : Vous ne m!enleverez pas Mr. de Narbonne, Madame. Dann ihr die Hand gefasst und hinzugesetzt: je suis bien aise de Vous avoir dit cela und von Decreten und Politik, wie vorher, weiter gesprochen. — Voriges Jahr (1797.) hat sie vor vielen Personen bei Talleyrand am Tische, als Constant neben ihr gesessen, und von Buonaparte die Rede gewesen ist, gesagt: Eh! comment est-il possible que je ne sois pas née pour être la femme de Buonaparte. — Es war noch eine Madame la Chaise bei der Con- weiber. Handschrift von a (¡4 Quartseiten) im Archiv in Tegel. ') Nach „Gegenwart" gestrichen: „ihres". W. V. H u m b o l d t , Werke.

XV.

I

I. T a g e b u c h ¡'.oiizen von 1799.

a.

dorcet, deren Mann lange Consul in Genua gewesen ist, eine anNirbonne. genehme, sanfte Frau. — Narbonne hätte viel Verstand aber nicht genug Conduite gehabt. Bei diesen diners der Stael habe er einem Mädchen geglichen, die man, um sie zu verheirathen, aus dem Consta»*. Kloster bringt, und ihr sagt: c est pour lundi. — Constant ennuyire sich beständig und überall; aus Langeweile -rühre seine Unruhe und sein Ehrgeiz her. (In der That scheint das sehr wahr, er hat gar nicht die Unruhe der Heftigkeit, sondern nur des Zerstreut seyns, des an nichts Befriedigung finden.)

st. AuWn.

Mittagsessen bei Gambs. — St. Aubing war dort. Er ist, wenn nicht aus Deutschland selbst, doch aus den deutschen Provinzen Frankreichs, und spricht vollkommen Deutsch. Er ist klein, mager und hat ein feines, kluges Gesicht. Er spricht viel und amüsant, über interessante Gegenstände, und auf eine französisch witzige Manier, doch zu einförmig, gerade immer so, als er einen Artikel für ein Journal schreibt, also nicht mit gehöriger Anwendung auf die Gesellschaft, die er vor sich hat. Dass er eines eigentlich tiefen, rein untersuchenden Gesprächs fähig ist, konnte man wenigstens nicht sehn, und er schien immer nur zu reden, um sich hören zu lassen. Vieles war eigentlich pedantisch und sogar gedruckte Sachen trug er von neuem der Länge nach vor. — Abibon. Paris hat nicht mehr als 24,312. Häuser, und daher hat man sich mit der Fenstertaxe sehr verrechnet. Sie wird nicht mehr als 400,000. livres einbringen. Die Anzahl der Menschen gab er über Sitten. 700,000. an. — Signeul: man spielt in grossen Gesellschaften hier gewöhnlich Bouillotte, selten Whist, nur in kleinen bürgerlichen Cirkeln boston, nie, auch schon vor der Revolution nicht thombre. Die grossen Spielcirkel, z. B. bei Madame Tallien gehen erst nach Mitternacht an, und dauern bis zum Morgen. Das bouillotte Spiel ist sehr gefährlich für einen Neuling. Er muss schlechterdings verlieren, wenn es die andern darauf absehen. Es scheint eine Geschwindigkeit des Zählens der Augen der Karten vorauszusetzen, in der 2 ) man leicht jemanden zu Irrthümern verleiten kann. Wenn herum gepasst wird, so wird Ein jetton unter den Leuchter gesetzt, und da dies oft kommt und man hoch spielt, so verdient ') Camille Saint-Aubin (1755—1820), ) „in der" verbessert aus „die".

2

Publizist.

I — 3 ' — S- 9- Januar.

3

ein solcher Leuchter oft 50 LouiscFor in einer Nacht. Dies Geld nimmt jetzt ganz gewöhnlich die Hausfrau. Signeul sagte selbst, dass er gesehn, dass die Frau des Hauses es in ihren Strickbeutel gesteckt habe. — Marron. 1 ) Valckenaer 2 ) hat sehr interessante Manu- v-*lkeol"': Scripte hinterlassen, Emendationen und Anmerkungen fast zu allen alten Schriftstellern. Fragmente des Callimachus will sein Sohn s ) jetzt herausgeben. 4 ) Sonst ist eine so gut als fertige Ausgabe der Griechischen Geschichte Xenophons 6 ) und sehr viel zum Sophocles da; der Sohn hat alle diese Manuscripte, und sucht sie zu verkaufen. Der Sohn ist ein Mensch von sehr viel Talenten, ein Patriot von der heftigen, der jetzt herrschenden entgegengesetzten Parthie; er war Gesandter in Spanien, ist jetzt in Holland, kommt aber in einiger Zeit zurück. E r soll von üblen Sitten seyn, und die Manuscripte sich wirklich in der Wohnung zweier Mädchen befinden, die er hier im Faubourg Poissonniere hält. — Meyer ist gleichfalls von derselben Parthie, aber jetzt mit Valkenaer zerfallen. Er war ehmals Consul in Bordeaux und hat noch Antheil an einem Handlungshause dort.

M i t t w o c h , yten J a n u a r . (20. Nivose.

n. st.)

Oeuvres de Diderot. Vol. 8 . 9 . — 21. Essai sur les régnés de i vderoClaude et de Néron et sur les moeurs et les écrits de Sénèque. Eine s-oec» äusserst interessante Schrift, da sie ganz in Diderots Eigenthümlichkeit geschrieben ist. Es ist keine fortlaufende Geschichte, keine vollständige philosophische Analyse, es geht immer Sprungweise, immer mit Abschweifungen, oft wie ein Brief, oft sogar wie ein Gespräch. Der historische Theil ist sehr gut behandelt, mit einer Beredsamkeit, von der man sich kaum einen Begriff macht. Man sehe z. B. Messalinens Hochzeit und Tod. VIII. 65. und die Stelle J ) Paul Henri Marron (175,4—1832), reformierter Prediger, besonderer Ken "er der holländischen Literatur. s

) Louis Kaspar Valckenaer (1715—85), Geschichte in Leiden. s ) Jan Valckenaer (1758—1820J, diplomatisch tätig. 4

Professor des Griechischen und der

Professor

) Callimachi elegiarum fragmenta, Leiden

der Rechte in Leiden,

1795.

•v! Diese Ausgabe des Xenophon ist nicht erschienen. 1*

damals

I. Tagebuchnotizen von 1799.

4

a.

nach Neros Ermordung. VIII. 307. Seine Hauptbemühung geht dahin, Seneca gegen die Angriffe einiger Alten, wie Dio Cassius und Xiphilinus und einiger Neuern, wie de S a c y z u vertheidigen ; dies ist der Faden, an dem sich das Ganze abwickelt. Es sind daher sehr oft, und meist Antworten auf Vorwürfe, die man dem alten Philosophen, oder auf Einwürfe, die man gegen die Apologie des neueren gemacht hat. Es muss damals, wie man aus dem Ganzen sieht, ein grosser Gegenstand des Streites gewesen seyn, inwiefern Senecas Betragen an Neros Hof Entschuldigung verdient, und unstreitig ist dieser Zwist nicht ohne Rückblicke und Anwendungen auf die Pariser Philosophen, denen man immer zu Leibe wollte, und besonders auf ihre Verbindungen mit Grossen geführt worden. Wenigstens sind starke Ausfälle auf die Priester und ihren Anhang auch in dieser Schrift. — Die Kritik musste an dieser Vertheidigung viel auszusetzen haben. Seneca ist zu günstig und partheiisch darin behandelt. Man sehe nur z. B. VIII. 81. 381. Auch gesteht Diderot geradezu als Maxime ein, dass er an schlechten Handlungen allen seinen Scharfsinn versuche, sie unwahr zu finden, an guten nicht einmal gern zweifle, und nennt das sa façon de lire V histoire. VIII. 93. — Eine ordentliche Charakterwürdigung muss man nicht in dieser Schrift suchen. Immer nur die einzelnen Handlungen und die einzelnen Schriften. Die Enti* Grange, stehung dieser Schrift scheint die von la Grange angefangene und Wiweon. die von Naigeon und Holbach fortgesetzte Uebersetzung des Seneca. 2) Ausser ihrem eigentlichen Gegenstand ist diese Schrift aber an andern interessanten Dingen sehr reich. In der Geschichte ist er ganz Mahler und Moralist, das erste in einem eminenten Grade. Mo:aj. —Ueber die Moral. IX. 58. Sénèque avait remontré la vraie base de la morale. A parler rigoureusement, il n'y a qiûun devoir, c'est d'être heureux ; il n'y a qtiune vertu; àest la justice. Doch heisst es lithologie. IX. 215. Qu!est ce que la vertu ? L'est sous quelque face que Von la considère, un sacrifice de soi-même. — Leidenschaften. Das Thier sagt Seneca ist keines Zorns fähig. Diderot radottirt darüber IX. 12. Man vgl. Kants Anthropologie. S. 227. — Les grandes passions anéantissent les fantaisies qui naissent toutes de la frivolité et de l'ennui; je ne conçois pas, comment un être sensible peut agir sans passion. IX. 13. — J'ai vû l'amour, j'ai vû l'amitié héroïque, le ') Claude Louis Michel de Sacy (1746—go), königlicher Zensor. ) Dieser Paris 1778 erschienenen Übersetzung hatte Diderot einen „Essai »ur la vie de Sénèque" beigegeben. 2

3-



9-

Januar.

5

spectacle des deux amis nia plus touché que celui des deux amans. Dun coté àétait la raison, de l'autre la passion, qui faisait de grandes choses ; lhomme et l'animal. VIII. 369. — Freie und révolutionnaire Révolu*». Stellen : le proverbe dit: pour être heureux, il faut être né sot ou roi. Pour être tres-heureux que fallait-il naître ? *) VIII. 86. Ueber das Recht des Widerstands des Volks gegen beleidigte Menschenrechte, bejaht. VIII. 176. Sehr starke Stellen über das Recht der Sklaven, ihre Herren zu morden, mit Wunsch ausgedrückt. VIII. 370. La plaisanterie coûta la vie à Caligula. foi toujours désiré, que le despote fut plaisant. Vhomme supporte l oppression, mais non le mépris: il répond tôt ou tard a une ironie par un coup de poignard. IX. 110. Lobender Antheil an der Amerikanischen Freiheit. IX. 185. Aber auch se dépopulariser ou se rendre meilleur, c'est la même chose. VIII. 470. — Definition des Philosophen, qui s'exerce constamment à la recherche de la vérité et a la pratique de la vertu. VIII. 391. — Diderots Gutmüthigkeit und dass er lieber honnête als geistreich scheinen will. VIII. 6. zugleich dort über seine abgerissne Art zu schreiben : je ne compose point, je ne suis pas auteur ; je lis ou je converse, j'interroge ou je réponds. Seine oben berührte gutmüthige Kritik. VIII. 93. Prächtige Stelle über die Freundschaft. VIII. 368. Nur mit der in Montaigne vergleichbar. Aber mehr Leidenschaft und Glanz hier, weniger stille und volle Kraft, als im Alten. Uamour est f ivresse de l'homme adulte, Vamitié est la passion de la jeunesse. (Reicher Text.) — Man wird mich eine Art Original nennen. On sera tenté de me prendre pour une espèce d'original; mais qu'est ce que cela fait? Est ce dont un si grand défaut, que davoir pû conserver, en s'agitant sans cesse dans la société, quelques vestiges de la nature, et de se distinguer par quelques cotés anguleux de la multitude de ces uniformes et plats galets qui foisonnent sur toutes les plages? IX. 183. (Zugleich sehr gute Stelle sPr«i»>. für die Sprache: s'agiter, das partieipium, plage, foisonner.) — Er weiss viel Sachen, aber keine recht. Schuld der Zerstreuung auf alle, und seiner unvorteilhaften äussern Lage; Je me crois passable moraliste, pareeque cette science ne suppose qu'un peu de justesse dans [esprit, une ame bien faite, de fréquens soliloques (wesentlich •in Diderot) et la sincérité la plus rigoureuse avec soi-même, savoir y accuser et ignorer Part di s'absoudre. IX. 198. — Gegen J. J. Rousseau enthält diese Schrift fürchterliche Ausfälle, erst die grosse Stelle VIII. 153—172. vor der Herausgabe der Confessions ') „ n a î t r e "

verbessert aus

„être".

6

I. Tagebuchnotizen von

1799.

aber nach Rousseaus Tode, 320. 332. IX. 168. und von Naigeon. Rouisfau. VIII. 355. Rousseau wird ein hypocrite, un ingrat, un monstre genannt; es ist keine Spur einer ehmals mitleidigen Freundschaft, keine innere gerechte Würdigung, keine Rücksicht auf Rousseau's manie. Sein schriftstellerisches Verdienst ist lächerlich ungerecht behandelt. Er hat alles beinah gestohlen, nichts gehört ihm. Je préférerais un petit volume qui contiendrait l'éloge de Descartes (de Thomas), celui de Marc Aurele et quelques pages à choix de l'histoire naturelle a tous les ouvrages de Rousseau, p. 162. VIII. A*-sihciik. Dann wird er ein grosser Colorist genannt, aber incorrect in der voitaiie. Zeichnung und nachlässig im Costüme. VIII. 165. — Voltaire ungeheuer gelobt, der ausserordentlichste Mensch, sein Triumph in curneiiic. Paris so wichtig angesehen. VIII. 451. IX. 105. — Corneille gross und bewundernswürdig, rührt im Alter mehr, Racine in der Jugend. IX. 27. erhält Thränen, nicht die mêlées de plaisir et de peine, ( ¡ccru. mais qui naissent de l'admiration. IX. 38. — Cicero unbillig getadelt. i.a Meurie. Nicht Gehalt genug. VIII. 409. 419. — La Mettrie verachtet. VIII. 389. — Garat honnête behandelt. IX. 183. — Eberhards Apologie des Socrates') erwähnt, ohne ihn zu nennen. VIII. 131. Vol. 9. — 22. Eloge de. Richardson. Vgl. meine ältern Pa i cr, .!,. piere über Diderot. 4 ) — 23. de Térence, wichtig für die ästhetische Kritik. Terenz sehr gelobt. Nicht viel verve, aber sehr viel gout, élégance, correction, finesse. — 24. Entretien dun pere avec ses en/ans ou du danger de se mettre au dessus des loix. Eins der vorzüglichsten Stücke Diderots; ein Meisterstück in der Kunst ein philosophisches Raisonnement ganz erzählend, ganz unterhaltend und doch auf eine f ü r den fonds entscheidende Weise durchzu führen, und zugleich in dem Talent eine wirkliche Scene zu mahlen. E r scheint wirklich seine eigne Familie vor Augen gehabt zu haben. Sein Vater war in der That forgeron. — Principes de politique des souverains. Mittelmässig, flüchtig gemacht, KnfdjM b 2. zum Theil dunkel, immer einseitig und ungerecht. Grossentheils gegen Friedrich 2. — 25. sur la princesse d'Ashkow. Mit Geist, ') Neue Apologie des Sokrates öder Untersuchung der Lehre von der Seligkeit der Heiden, Berlin und Stettin 1772—78. "-) Von diesen Papieren haben sich zwei vereinzelte Blätter erhalten. Dcu> eine enthält folgendes Urteil über Diderots „Jacques le fataliste": „Herr und Bedienter reiten. Der Bediente ist ein Schwätzer, der Herr lässt sich gern erzählen. Jacques soll die Geschichte seiner ersten Liebschaft erzählen. Tausend Umstände, und sein Herr selbst unterbrechen ihn in einem fort. Jacques ist Fatalist und bei allem was ihm begegnet sagt er: das war da oben geschrieben.

9- Januar.

7

Geschmack und Feinheit, ein wenig sehr eitel. Gewiss zu günstig, doch interessant. — 26. Regrlts sur ma vieille robe de chambre. S. meine älteren Papiere. Meisterhaft und äusserst charakteristisch und wichtig. Das Stück mahlt Diderots und die französische Art überhaupt sehr gut. Viel apprêt, viel Lärmen von sich und seiner Philosophie. Doch muss man freilich bedenken, dass alles Scherz ist. Erhabene Stelle in der Schilderung des Vernet, Anrede an Gott über die Felsen : C'est ainsi que ta main puissante les a formés ; c'est ainsi que ta main bienfaisante les a tapissés. IX. 430. — 27. Satire premiere sur les caractères et les mots de caractere, de profession et cet. Ein ausserordentliches Stück. Lauter abgerissene Anekdoten. Worte die Leute gesagt, und wodurch sie ihren Stand, ihren Charakter verrathen haben. Eine fortgehende Conversation. Die praktische Menschenkenntniss der grossen Welt ist darin vortreflich geschildert, und Diderot scheint sie sehr gut besessen zu haben. Rulhières Rath, nie nach den Namen der Personen zu fragen, sondern sie zu errathen, und sein Beispiel. Während der Unterbrechungen werden immer ganz und halb erdichtete, auch wahre Geschichten erzählt, denen das Ganze nur zum Cadre dient. Hübsch und leicht geschrieben, gut erzählt, aber im Ganzen doch nicht durchaus amüsant, zu viel Wiederholungen desselben Scherzes, und bei weitem weniger Natur als in Voltaires kleinen Romanen. Das metier solcher Geschichtchen blickt durch. — Raisonnements, weniger die über den Fatalismus, nicht der Rede werth. Etwas gegen die Verwicklungen der Romane. Eine Art Kritik des bourru bienfaisant u. s. w. — Doch nur Eins der mittelmässigeren Produkte Diderots, die zur Kenntniss oder Erweiterung seines Charakters nichts beitragen." Das andre gibt kurze Auszüge aus Diderots „Salon de 1765 (Vol. iß)", aus denen ich folgende Sätze aushebe:

„Antinous

est l'extrême

de l ' h o m m e

oisif.

Il est né grand comme il est.

(Mit welchen Augen muss Diderot den gesehen haben?) Vorstellung, als entständen verschiedne Gestalten durch allmähliges Zu- oder Abnehmen der Formen. (Ganz falsch und verräth Mangel an Kunstsinn. Aus der Mitte allein entspringt alles.) p. 12g . . . XJebel ausgedachte Idylle über Greuzes weinendes Mädchen. Sie wird den Vogel verhungern lassen, den ihr ihr Geliebter gegeben hat. Sonst doch Phantasie darin. Aber kein Genie. Nur Geschwäz. Die Neuheit der Liebe, wenn man einmal weiter gehn will, macht sie bang, dumpf ; der Vogel stirbt zufällig. Nur natürlich kindischer Schmerz, und Augurium. p. igo . . . Dass die esquisse genialischer ist, als die Ausführung. Uebel bewiesen. Plus l'expression des arts est vague,

plus l'imagination

man sich alles dabei denken kann. tableau une chose prononcée;

est à l'aise.

Er

liebt eine

Eben so mit der Skitze.

combien dans l'esquisse y supposai-je

Symphonie,

weil

Je vois dans le de choses qui y

sont à peine annoncées. — Das heisst ein Kunstwerk nur dazu benutzen, Sick etwas dabei zu denken, nicht sich darin zu vertiefen. In der That ist dies Diderot sehr eigen, p. 106:'

8

I. Tagebuchnotizen von 1799.

a.

Für die philosophische Menschenkenntniss wenig daraus zu nehmen. — Unterschied zwischen Zeichner und Mahler. Jeunes poetes, Moi»«, feuilletez alternativement Molière et Térence. Aprenez de Tun à dessiner, et de Vautre à peindre. S. 251. Ueber Gemälde und Karri•Jtangen. katur und die Englischen Komiker s. Wörterbuch 25. — Das Unübersetzbare ist meist das Beste. 255. — Révolutionnaire Stellen : die Schutzwehr der Freiheit ist allein allgemeine Bewafnung der Bürger. 361. Le supplice public d'un roi change, t esprit d'une nation pour jamais. Niemals, steht vorher, müsse das Volk königliches Blut iiiessen sehen. 378. — Bei Gelegenheit von Dikinsons (S. S. 443.) lettres d'un fermier de Pensilvanie1) cet. : On nous permet la lecture de ces choses là et F on est étonné de nous trouver au bout d'une dizaine (tannées d'autres hommes. Est-ce qu'on ne sent pas, avec quelle facilité des ames un peu généreuses doivent boire ces principes et s1 en enivrer. Ah! mon ami, heureusement les tyrans sont encore plus imbédiles qu'ils ne sont méchans; ils disparaissent ; les leçons des grands hommes fructifient, et l'esprit (Tune nation s'agrandit. 446. — Diderot schildert sich selbst als einen bon homme, bien Dathkow. uni, bien rond. 506. Die Dashkow hat ihn einen der angenehmsten Menschen zu hören genannt, et que sage ou fou, toujours conséquent. 422. Im Geschmack ging er sehr weit über die engen diîïïS-'r Grenzen des französischen Nationalgeschmacks hinaus und liebte die Englische derbe Natur und Wahrheit. 223. Die hohe stille Schönheit schien er nicht so anzuerkennen. E r spricht von der Venus Medicis mehr [als] von einem feinen, zarten, als erhabnen grossen Werke und thut ihr Unrecht, Terenzen bis zu ihr zu erheben. 251. — Nach Naigeons 2 ) Zeugniss ist er sehr ungenau im Citiren, alterirt alle'facta, 372. war unordentlich, machte lieber ein verlornes Manuscript noch einmal, als er es suchte. 450. — In philologischen Erklärungen ist er sehr unglücklich. Beweis Voitair«. sein Brief an Galiani über inmeritus majorum.9) 466. — Voltaire comme le fils de t homme qu'il a tant persécuté. Wer ist das? — RiuwÎre* Ueber Galiani.4) 434. — Ueber die Dashkow. 8) 409. — Rulhieres ') London *) Jean Werken.

1745.

André

Naigeon

(1738—1810),

der erste Herausgeber

') „Dellcta majorum immeritus lues" Horaz, *) Fernando

Galiani

(1728—87),

von

Diderots

Oden ß, ö, t.

Abt, hatte als neapolitanischer

sekretär in Paris freundschaftlich im Kreise der Enzyklopädisten 8 ) Katharina Romanowna Fürstin Daschkow (1743—1810!, Enzyklopädisten, Direktor der petersburger Akademie.

Legations-

verkehrt. Freundin

der

9

3—5- — 9 « — l 2 - Januar

und seine memoiren wohl mit Absicht ungünstig dargestellt. 418. 508. — Thomas, Thomme de lettres le plus eloquent. 504.

xhom«

4-

Gespräch mit dem Sohn des Baron Holbach 2 ) bei der Vandeuil. HoIb«*— Sein Vater hat Rousseaun angeboten, seine Kinder umsonst zu *«»«•••«• erziehen. Dieser aber hat es ausgeschlagen. — Hume hat seinem H,uneVater einen Englischen Brief geschrieben, den der Sohn noch hat, in dem er sagt: er (Holbach) habe ihm wohl vorhergesagt, dass le bon Hume die dupe dieses Menschen seyn werde. — Die Briefe sind merkwürdig, obgleich platt gegen Rousseau. Ich sah sie und las sie selbst. S o n n a b e n d . 12^5 J a n u a r . (23. Nivose.

n. si.)

5Oeuvres de Diderot. Vol. 10. — Les bijoux indiscrets. S. meine oidwot. älteren Papiere. — Voiseau blanc. Conte bleu. Ein Chinesischer Prinz, der die Wahrheit erzogen hat, und verheirathet. In der bekannten Manier, und stellenweis sehr gut und witzig. Im Ganzen indess von keinem grossen Werth, fast eine fortlaufende Allegorie. Vol. 6. Opinions des anciens philosophes. Fortsetzung. — A H™no comparer le philosophe de Noie (Jordanus Brunus) et celui de Leipsic (Leibnitz) Hun me semble un fou qui jette son argent dans les rues, et Vardre un sage qui le suit et qui le ramasse. S. 99. Vol. 7. Fortsetzung. — Einige mir sonst wenig bekannte Männer, auf die ich aufmerksam geworden bin. François la Motte la le Vayer, 8 ) geb. 1586. lePlutarque Français. 28. — Huet, 4 ) sehr ge- H«t. lehn, Sceptiker und Philosoph. 29. — Justus Lipsius. 6 ) S. 373. i-ip««». geb. 1547. Stoiker. Politische Schriften. ') Antoine Léonard Thomas (1732—85), berühmter Festredner der Akademie. ) Paul Heinrich Dietrich Freiherr von Holbach (1723—89), der. Verfasser ¿es „Système de la nature", dessen gastfreies Haus den Mittelpunkt der Enzyklopädisten bildete. *) François de la Mothe Levayer (1588—1672), Erzieher des Herzogs von Orléans; den oben genannten Beinamen gab ihm Naudé. ') Pierre Daniel Huet (1630—1721), Abt von Fontenay, Literarhistoriker itnd Philosoph. ») Justus Lipsius (Joest Lips, 1547—1606), Philologe, Professor der Geschichte wi Leiden. s

io

1

Tagebuchnotizcn von 1 7 9 9 .

S o n n t a g . 13^? J a n u a r . (24.

a.

Nivôse,

n.

st.)

6.

Mauiy.

Mittagsessen bei Bourgoing. — Einige Spanier : Maury, ') eines Weinhändlers Sohn aus Malaga, ein Mensch von Kenntnissen, der aber ein wenig zu sehr den aimablen und den Litérateur Arteaga. macht. — Arteaga 2 ) bei der hiesigen Spanischen Gesandtschaft. — Backho«. E j n gewisser Backhoff, ein alter Mann, Hofmeister bei Bourgoing, der im Besitz Mirabeauscher Manuscripte ist, die er mir zum Literatur. Durchsehen anbot. — Nichts merkwürdiges. — Ins Portugiesische sollen mehr Deutsche Bücher übersetzt seyn, als ins Spanische. Gessner ist es auch in die letztere Sprache. 8 ) — Maury gestand, dass kein Spanisches Heldengedicht der Luisiade gleich komme.

S o n n t a g , 20s>en J a n u a r . (i.

Pluviôse,

n.

st.)

Talma. Besuch bei Madame Talma. — Das Gespräch betraf vorzügweiber. jj c jj d e n Charakter der Weiber, die Art, wie in Frankreich die Li«-t>* Männer über sie denken und sie behandeln, und das Glück der Ehe. Sie klagte über die Sittenverderbniss ehemals. Man habe nichts als Galanterie gekannt ; bei Heirathen und Kindern nur an "omtat16' Vermögen gedacht. Narbonne's Geliebte, die Schauspielerin Contat, habe sich bei Narbonne beschwert, und es übel genommen, dasi seine Frau schwanger geworden sey; und er habe sich damit gerechtfertigt, dass er, für sich ohne Vermögen, ohne Kind nicht von ihr würde haben erben können. Man habe die Engländer getadelt, dass sie nur Sinnlichkeit kennten, keine délicatesse besässen, in liederliche Häuser gingen und nicht Galanterie hätten. Die Talma nahm hierin sehr gut ihre Parthie, und verabscheute diese Galanterie, die die Weiber zu Puppen macht. Sieyes und andrer Männer Grundsatz sey gegen alle Heirathen und bloss für Maitressen. Doch seyen die Frauen daran auch selbst Schuld gewesen, da sie zu Anfang der Revolution die politischen Gespräche der Männer langweilig gefunden und verspottet hätten. ') Don Juan Maria Maury (ij8o— 1845), Dichter und Literarhistoriker. '') Esteban Arteaga (1733—gg), Ästhetiker und Musikhistoriker. *) Sein „Tod Abels" erschien spanisch Madrid 1785.

6—8. — 13.—21. Januar. Dennoch sey seit der Revolution mehr Häuslichkeit, mehr Sorge f ü r die Kinder entstanden. — Die Talma hat offenbar mehr Sinn, als andrç Französinnen ; sie goutirte dass ich sagte, die Franzosen wären ebendeshalb schlechte Republikaner weil sie nicht lieben könnten, und dies sey dem entsprechend, dass sie sich nicht fest an Principien hielten. — Die Condorcet sagte mir, die T a l m a habe schreckliche Leidenschaften gehabt, und sey sehr unglücklich dadurch gewesen. Sie selbst ist aber auch sehr kalt und hält es f ü r besser, dass Mann und F r a u immer getrennt wohnten, den Appetit zu reitzen (!). — Die Talma hat mit Narbonne, ChoiseulGouffier, Champfort cet. viel gelebt. — Alle diese, sagte sie, wären anfangs sehr für die Revolution gewesen, hätten aber nachher die Gesinnung geändert. Sie selbst ist sehr patriotisch. — W o r t v o n R i o u f 2 ) über Buonaparte. Cest un grand citoyen, mais ce ri!est pas un concitoyen.

M o n t a g . 21 sten J a n u a r . (2. Pluviôse,

T,,rn,a

n. st.)

8.

Théâtre de la république. Brutus von Voltaire. — Brutus, voiuire. Vanhove; Titus, T a l m a ; Aruns, Baptiste. Das Stück ist schlecht combinirt, die Liebe übel angebracht, Titus Umänderung und Verrath doch nicht motivirt genug, auch nirgends eigentliche Individualität. Indess sind die letzten Scenen sehr schön. Brutus allein mit seinem S o h n ; jener sagend, dass er nicht anders handeln könne, aber seine Grösse anerkennend, dieser sich noch freuend f ü r die Freiheit zu sterben, und seines Vaters würdig zu erscheinen. Da sind die Charaktere schön idealisirt, die Lage ist gross und prächtig ausgeführt. Einzelne schöne W o r t e : ai-je encore un fils? Vous rien avez plus. — Je mourrai digne de mon pire. E s ist die Frage, ob das Stück nicht da schliessen sollte? Doch ist sehr geschickt ein langer récit vermieden. — Ich muss Voltaire mehr studiren; es schien mir sehr viel Grösse hierin zu liegen und eine energischere, als in Racine. — Die Talma nannte Voltaire das Ideal eines Franzosen. — Talma spielte ausserordent- raim« lieh gut; sehr malerische Stellungen und viel Ausdruck. Sein ') Marie Gabriel Auguste Florens Graf von Choiseul-Gouffier ,1752—1817), Altertumsforscher, damals Direktor der kaiserlichen Bibliothek in Petersburg. Honoré Riouffe [1764—iSi'-f),

Dichter, Anhänger der Girondisten.

12

I. Tagebucbuotizen von 1799.

a.

Gesicht, wie er auf die Bühne tritt, hat (ich finde nur mit zu viel leidendem Antheil) den Ausdruck des durch Leidenschaften travaillirten Helden. — Es war der Tag der Hinrichtung des Königs; das Haus voll, und der Antheil ziemlich lebhaft.

M i t t w o c h . 20^55 M ä r z . (30. Ventose.

n. st)

9Kosciusko •

Thé bei Zeltner. — K o s c i u s k o , n i c h t gross, mager, sehr eingebogene Nase, kleine ziemlich nah an einander stehende Augen, übrigens kränkliche hängende Züge. Er hat nichts Grosses, nichts Heroisches, aber etwas Festes was wohl an Nationaleigensinn gränzt. In der Gesellschaft ist er äusserst höflich, geschmeidig und gegen Weiber ordentlich höfisch. 10

Mwm«r.

Mesmer. a ) — Ein grosser, dicker, vierschrötiger Mensch mit breitem weder schwärmerischen, noch listigen, bloss unbedeutenden Gesicht. Etwas Steifes im Betragen und Unbehülfliches im Reden. .Soviel es mir vorkam, sehr platt und alltäglich. 11.

Roosüea.!.

Madame Rousseau. •) — Alt, verständig, entschlossen mit Heftigkeit. Soll die Manie haben, als sey die kalte und einfache Vernunft alles, aber selten, dagegen überall nur Laster, esprü, Künstelei cet. Ihre eigne schlichte Vernunft soll indess nicht frei von Eigenliebe seyn. 12.

^•drajes.

Pedrajes. — Einer der zur Bestimmung der Masse und Gewichte hieher geschickten Spanier. — Klein, dick, breites Gesicht; aber sehr schwarze Augen und Augenbraunen. ') Thaddäus Kosciuszko (1746—181-]), der letzte Feldherr Polens, war damala im Auftrage des amerikanischen Kongresses längere Jahre in Paris. ') Franz Anton Mesmer (1733—1815), der Prophet der magnetischen Heilmethode. ") Thérèse Levasseur; vgl. Band 14, 622.

»3

8 — 1 5 . — 21. Januar, 20. MSrz.

'3Arteaga. — Bibliothekar des Chevalier Âzara. Ein kleines ah«*«. feuriges Männchen, eingenommen von seinen Meynungen, ziemlich verächtlich aburtheilend über andre ; doppelter Eigensinn und Eigenliebe, des Alters, und des Spaniers. — Er hat spanisch eine Abhandlung über das Idealschöne geschrieben. *) Er will darin gezeigt haben, dass die Kunst und die Natur und jede einzelne Kunst ihre eigne Schönheit habe. Scheint indess am Ende nicht mehr zu seyn, als dass Gegenstände, die in der einen schön sind, es nicht nothwendig auch in den andern seyn müssen. — Ein andres Buch über den rhythmus hat er Italiänisch im Manuscript.a) Er theilte mir eine Abhandlung daraus über den ritmo mudo visible (Pantomime) und invisible (Sphärenharmonie cet) mit, die einige ziemlich gut vorgetragene Gelehrsamkeit, sonst aber nichts rechtes enthielt. 14.

Dupont de Nemours. — Hat ein Project nach Amerika zu ^ " S ^ 8 gehen, einen neuen Staat zu gründen. Que sera la fin de tout teci en Europe? — Allez à Palmyre et voyez. In einigen hundert Jahren wird man aus Amerika Colonien pach Europa schicken. Sie werden unsre Gebäude und Werke wie Alterthümer ansehen, und wieder unsre Felder beackern und Wein pflanzen. Sie werden keinen Champagner haben, weil dies zu tief ins Land hinein liegt, aber Bourdeaux. — Er giebt jetzt Turgots Werke heraus.3)

Besuch bei Grégoire. — Er ist mit vielen Spanischen Ge- Grégoire, lehrten in Verbindung. Der Bischof Tavari in Salamanca denkt Tavari ernstlich auf die Verbesserung dieser Universität. — Gregoire lässt eine Schrift gegen die Inquisition hier spanisch übersetzen, und wird sie hinschicken, dort vertheilt zu werden. — Er hat einmal auf Französische Idiotica gesammelt und viel Manuscripte darüber zusammengebracht. — Ein gewisser Rocheguide, der in Rocheguide. ') L a belleza ideal l'objeto des artes imitativas, Madrid *) Dies

Werk

sette" ist nie gedruckt ») Paris

178g.

„ D e l ritmo sonoro e del ritmo muto degli antichi

1808—11.

worden.

dissertazioni

I. Tagebuchnotizen von 1799.

'4

a.

den 500 war, hat auf der Bibliothek Untersuchungen über die Provenzalische Sprache angestellt.1) 16. Besuch von Gaillard. — i'urgot hat auf Gaillards Veranlassung eine metrische Uebersetzung des Buchs der Aeneide in HexaProfodie. meiern gemacht. Ein Vers daraus ist folgender: Turgot.

Phosphore, | astre bril\lant || du ma\tin, luis, | ouvre la | barrière.

das stumme e am Ende zählt nicht. — Suard 2 ) hat verbreitet, Turgot habe Voltaire diese Uebersetzung, wie Prose geschrieben, geschickt, und Voltaire habe sie gelobt, aber hinzugesetzt: au reste j'en reviens toujours à mon idée que les poètes doivent être traduits en vers. Dies ist unrichtig. Caillard hat selbst Voltaires Brief gelesen. Er hat die Uebersetzung sehr gelobt, die Verse zwar nicht Italiener, geahndet, aber auch nichts darüber hinzugesetzt. — Die Italiäner haben eine Menge sehr guter und antik rhythmischer Stücke in «estasio, ihren Versen, vorzüglich Metastasio, Anapaesten, Trochaeen, nicht Quinauit. leicht Dactylen. — Quinault sey höchst unmusikalisch. — Die u "ÔTa Italiäner lassen den Wortaccent sehr stark hören. Die Franzosen opfern den grammaticalischen dem oratorischen auf. Nach Caillards Meynung streben sie ganz nach dem Hauptwort hin. Dies ist eine Eigenthümlichkeit vor allen andern Nationen. Mir scheint das häufige apostrophiren dazu zu thun. Das in mais je n'en ai pas u. s. f. kann keinen Accent haben. Wie mochten e« die Griechen halten? Ich glaube nicht übel, fast ebenso. soard.

St, L a m b e r t .

papon.

Besuch bei St. Lambert 3 ) mit Holbach. — Ein alter, wie es scheint, sanfter und liebenswürdiger Mann. Sein Gesicht und sein Gespräch indess nicht bedeutend. 18.

Besuch bei St. Croix. *) — Papon b ) war da. Er hat jetzt eine weitläuftige Abhandlung über die Pest geschrieben,9) und ist mit

') Rochegudes provenzalische Arbeiten sind erst Toulouse 181g erschienen. ) Jean Baptiste Antoine Suard (1734—1817), Historiker. ') Jean François Marquis de Saint-Lambert (1716—1803), der Freund der

a

Gräfin

d'Houdetot.

*) Guillaume Emanuel Joseph Guilhem de Clermont-Lodève, Croix (1746 -180g), Altertumsforscher. 5

) Jean Pierre

Papon (1734—¡803),

Baron von Sainte-

Mitglied des Nationalinstituts.

De la peste ou les époques mémorables de ce fléau et les moyens de s'en préserver, Paris

1800.

15—20. — 20.—24. März.

15

einer Geschichte des Handels im Mittelalter beschäftigt. l ) Auf seine Veranlassung hat das National Institut das Gouvernement gebeten, dazu Documente aus den Archiven von Genua zu verschaffen. Es ist auch wirklich eine Sendung geschickt worden, die viel Interessantes enthalten hat. Seitdem aber ist es ins Stocken gerathen. D o n n e r s t a g . 21 ^

M ä r z . (1. Germinal.

n. st.)

19. Gespräch mit Schlabrendorf. — Man spielt in Paris ohne alle ¡¿¡¿j^. Vergleichung besser Schach als in London. Ein berühmter noch Charakter lebender Schachspieler ist Leger. Philidors Lehrmeister hiess Legat und lebt vielleicht noch. — Alle Franzosen nehmen, wenn sie einen Stein schlagen, erst den Stein des Gegners in die Hand, und dann ihren. Schlabrendorf hatte die entgegengesetzte Gewohnheit. (Ob wohl alle Deutschen?) Die Franzosen wunderten sich darüber. Es verwirrte sie, weil sie nun nicht wussten, ob er bloss ziehen, oder schlagen wollte. Im Spiel hat beides Vortheile. Nehme ich erst den Stein des Gegners, so steht es mir noch frei, ihn mit welchem der meinigen ich will zu schlagen; nehme ich erst meinen, steht es mir frei zu ziehen oder zu schlagen.

S o n n t a g . 2 4 ^ 5 M ä r z . (4. Germinal.

n. st.)

20. Palais des Thermes. — In der rue de la Harpe unfern der Alterthiimer Ecke der rue des Mathurins. Aus des Buchhändlers Fuchs Garten sieht man die eine Mauer mit einem rund gewölbten Fenster. Es ist ein weites und hohes Gewelbe mit mehreren Bögen und grossen runden Fenstern. Es ist anizt die Werkstatt eines Böttigers, voll Tonnen und finster. Merkwürdig ist nichts daran, als dass man die Bauart der Römer sieht. Oben darauf ist ein neues Stockwerk aufgesetzt, oben auf dem alten Gemäuer ist ein Garten, er soll i j Diese im Nationalinstitut vorgetragene Abhandlung „Sur le commerce du Levant dans le moyen âge et principalement sur celui des Génois" scheint nicht ge-

druckt worden zu sein.

i6

I. Tagebuchnotizen von 1799.

a.

nach Verschiedenheit der Stellen 3—6 Fuss tief Erde haben. Es sind einige Obstbäume und ein kleines Lusthaus darin. Das ganze Gebäude gehört zum hôtel de Cluny, das jetzt der Nation ist. Zu dem Garten geht man auf einer Treppe von 79 Stufen. 21. faudemtu. Scarron.

Vaudeville. — Le mariaee de Scarron. M — Sehr hübsch und »

*

'

ausgearbeitet. Scarron heirathet Mademoiselle d'Aubigné, ein andrer Liebhaber von ihr muss zurückstehen, Menage und andre Freunde Scarrons railliren ihn über seine Heirath, Ninon l'Enclos interessirt sich erst für seinen Nebenbuhler, hernach aber für ihn. ') Hübsche Erfindung, witzige Einfälle, niedliche Couplets; man versetzt sich lebhaft in jene Zeit. Auch ist das Costume gut beCarpeotier. wahrt. — Carpentier, als' Scarron, spielt ausserordentlich gut ; er drückt mit den Augen, den Händen, dem Rücken auf dem Stuhl, da er nicht aufstehn kann, prächtig die körperlichen Unbequemlichkeiten, seine Verlegenhèit, ob ihn die d'Aubigné nehmen wird, nachher seine Freude u. s. f. aus. — Mademoiselle Sara als d'Aubigné auch sehr gut in der Steifheit, der reserve, der Keuschheit jener Sitten. — Nachher: Comment faire? ou les épreuves de Kouew Misanthropie et Repentir. Eine recht glückliche Persiflage dieses Stücks. Wenig neuer und schlagender Witz. Aber viel Lustigkeit, gute Einfälle, wenn auch der leichtern Art und localiiaet. luiien. Unnachahmliches Spiel Juliens als Muscadin. Nie sieht man die non-chalance, den abandon, das Gehen, als hätte der Leib keine Knochen, das unverschämte Hinleftnen, das affectirte Lispeln so ch°mps § u t u n d so ohne Uebertreibung nachgeahmt. Das Stück ist von Longchamp. M o n t a g . 255155 März. (5. Germinal,

n. st)

22.

Mittagsessen bei Azara. — Die Meynung, dass der Apoll nicht Griechisch, sondern aus Carrarischem Marmor in Italien zu Adrians Zeit gemacht ist, rührt eigentlich von ihm her und er hat sie in seiner zweiten Ausgabe von Mengs Werken 8 ) ausgeführt. — E r hat ') Die Verfasser dieses Stückes sind Barré, Radet und Desfontaines. ) Nach „ihn" gestrichen: „Scarron". 3 ) Bassano 1783.

s

20—34- —

2

4- März—J. April.

'7

auch eine naturhistorische Schrilt, eine Einleitung zur physischen Geographie Spaniens g e s c h r i e b e n . — Der Apollo hat zerbrochene Füsse, sie sind nur angeleimt; dies ist aber unter Michel Angelo's Direction geschehen, und Michel Angelo hat dabei schriftlich hinterlassen, dass man ihn nur ja nicht wieder rühren mögte. — Azara hat einen Bruder in Buenos Ayres der ein Naturforscher und schon einige 20 Jahre dort ist. 2 ) Er hat mehrere naturgeschichtliche Bücher im Manuscript an Azara gesandt. — Izquierdo 8 ) ist in Paris gewesen, aber auf einen Verdacht verbannt worden, so dass er noch nicht zurückkehren darf. — Azara ist sehr unterrichtet, angenehm und gutmüthig. — Ciceros Leben von Middleton hat er auf den Ruinen des Landguts des Pompejus übersetzt.*)

lz ui rto

i " -

Abend bei St. Croix. - Barbie du Bocage, s ) der die Karten /um Anacharsis gezeichnet") hat. Seine Frau ist die Tochter des Kupferstechers,') den d'Anville 8 ) immer brauchte, und sticht auch selbst Karten. Doch ist sie jetzt zu sehr beschäftigt, sich damit abzugeben. Sonntag.

A p r i l . (18. G er mina l. n. st.) •14.

Thé bei Coquebert. — Lecouteulx, aus dem Rath der Alten, Banquier, hatte ehemals ein Haus in Cadiz, eigentlich Lecouteulx de Canteleu. Redete von dem ungezweifelten Zusammenhange der Terroristen und Royalisten. — Ein junger la Tremouille habe mit ihm zusammen in der terreur im Gefängniss gesessen ; dieser ') Nach „geschrieben" gestrichen: „die". — Das Madrid 1782 erschienene Werk ist eine spanische Übersetzung von Bowles' 7 7 7 5 erschienener „Introduction to the natural bistory and pbysical geograpby of S p a m " . ä

) Don Feiice d'Azara (1746—1811), spanischer Generai. ) Don Eugenio Izquierdo (17J2—1816), Vertrauter Godois.

3

*) Azaras spanische Übersetzung von Middietons London 1741 „liistory of the life of M. Tullius Cicero" kam Madrid l"]QO heraus. 6

) Jean Denis Barbié du Bocage (1760—1825), ") „gezeichnet" verbessert aus ,gesto[chen]". *) „Kupferstechers"

verbessert aus

8

) Jean Baptiste Bourguignon

der Reformator

der

Professor

der

erschienener Geographie.

„Zeich[nersJ".

d'Anville

(lö'grj—1782), königlicher

Geugraph.

Kartographie.

W . v. H u m b o l d t , Werke.

XV.

2

Lecouteulx.

£

Geschicb,c

i8

i. Tagebuchnotizen Ton 1799.

a.

habe öffentlich erzählt, dass er 8—lomal in London gewesen; dass er seine Verwandte die Princesse de Tarente so aus den Septemberscenen gerettet habe, dass er seine eigne Leute mit unter die Mörder gestellt u. s. f. Ungeachtet dessen sev er unangegriffen geblieben, und habe andern, guten Patrioten aber Exadlichen vorhergesagt, ohne sich zu irren, dass sie guillotinirt werden würden, weil sich die Emigrirten durch die Terroristen an ihnen rächten. Erst wenige Tage vor dem 9. thermidor sey er hingerichtet worden, weil [er] zu arge Unordnungen mit «p£rre Weibern im Gefängniss getrieben. — Robespierre habe den Plan gehabt, den Sohn Ludwigs 16. auf den Thron zu setzen, und r.astevy. sich zu seinem Regenten zu machen. — Lastery, ein Gelehrter, der sich mit Économie rurale beschäftigt, und deshalb eine Reise in Spanien gemacht. •25. Fauchet. General Fauchet. 2 ) — Ein Gascogner, offen, gutmüthig, enthu Physiologe, siastisch, hübsche und naive Natur. Wunderbares Gesicht. Zwischen ihm und seinem Bruder soll eine so wunderbare Sympathie herrschen, dass beide immer, auch in den grossesten Entfernungen, zugleich dieselbe Krankheit, leichter oder schwer, bekommen.

M i t t w o c h . io^ n A p r i l .

(21. Germinal,

n. st.)

26. cómeme.

Truppe des Odeons in der Oper.

Rodogune von Corneille.

Rodogune, Madame Fleury; Cléopatre, Mademoiselle R a u c o u r . — Aesthetik. Das Stück ist ganz in der alten gigantesken Manier. Eine ungeheure, bis zur Unnatur boshafte Leidenschaft zeigt und entwickelt sich frei und frank, ohne Scheu und Bedauern. Cleopatras Rachsucht tritt geradezu auf, ohne sich in irgend einen Mantel zu hüllen; sie gesteht ihre Schandthaten, und rühmt sich damit, wie die Clytemnestra des Aeschylus. Ausser diesen Zügen ist indess auch nichts ausgemahlt. Selbst der übrige Charakter Cleo patras bleibt im Dunkel; ihre Söhne sind schwach; Rodogune ') Charles Philibert Graf de Lasteyrie du Saillant (175g—184g}. ) Einer der „deux jumeaux de Laréole" César und Constantin Faucher (l159—d'e> Zwillinge geboren, auch am gleichen Tage durch militärische Exekution ihr Ende fanden. 2

24. — 26. — 7-—Ia April.

»9

unbedeutend, ein Paar Vertraute unerträglich, — Der Plan ist ohne Kunst angelegt, und schlechterdings nicht zu loben, er hat aber doch das Gute, dass er den Zuschauer fortführt, und nicut langweilig wird. In dem Ganzen desselben herrscht eine steife Symmetrie. Die beiden Prinzen lieben Rodogunen m e h r als den T h r o n ; sie wollen beide f ü r sie auf diesen Verzicht thun. Cleopatra will dem das Erstlingsrecht geben, der sie an Rodogunen rächen w i r d ; Rodogune dem, der den Mord seines Vaters an der Mutter rächen wird. Antiochus fleht erst Rodogunens Mitleid an, dann Cleopatras. Die Hebel der Intrigue sind erstaunlich einfach, und nicht übel angebracht. Cleopatra will Rodogunens T o d ; dies ist der einfache Inhalt des Stücks. Sie will sich dazu ihrer Söhne bedienen; die Söhne stellen sich auf Rodogunens Seite; sie will also den T o d aller drei und richtet ihn selbst ins Werk. Dazu wird ihr Antiochus behülflich, indem er ihr Mitleid anfleht. Sie stellt sich gerührt und nun hat ihre Verstellung freies Spiel. Die letzte Entwicklung ist schön, vielleicht das Einzige abgerechnet (was aber auch z u m gigantesken Stil gehört) dass die Nachricht von Seleucus Tode in demselben Augenblick ankommt, in dem Antiochus den Giftbecher an die Lippen setzt. Da Antiochus nemlich hört, dass Seleucus letzte W o r t e sind: une main qui nous fut chere a tous deux1) habe ihn umgebracht, so zweifelt er, ob es die Hand Rodogunens oder Cleopatras ist, und in dieser schrecklichen Ungewissheit steht er endlich auf, sagt "dass er sich dem Schicksal hingeben, derselben Hand, vor der ihn sein Bruder warne, überlassen wolle, und greift nach dem Giftbecher. Rodogune halt ihn zurück, und schlägt vor, den Becher zu versuchen; darauf nimmt ihn Cleopatra, leert ihn aus, entdeckt noch was sie gethan, und bricht in Verwünschungen über Rodogunen und ihren Sohn aus. Dieser Moment des Ueberlassens an sein Schicksal ist gewiss einer der grossesten, die die tragische Bühne kennt. Es ist die Frage, ob der Dichter nicht wirklich dem Stück diesen Ausgang geben sollte. So gehört es jetzt ganz zu der Art von Tragödien, in denen die Katastrophe aktiv ist, durch einen Menschen allein absichtlich herbeigeführt wird, da die Griechen gewöhnlich das Schicksal allein freier walten lassen. Rodogune ist darin ein sonderbares Stück, dass es eigentlich keinen Helden hat, an dem man allein Theil nähme. Cleopatra kann dies nicht seyn; sonst „Uus roain qui nius fiu bicn cliera" Rodogune Vers ft>43-

w

l. Tagebuchnotizen von 1799. a.

wäre der Gang des Schicksals vollkommen da, weil sie gezwungen wird den Giftbecher den sie') Rodogunen bereitete selbst zu leeren. Rodogune soll es seyn. Allein man fühlt, vom ersten Augenblick an, so sehr die Gefahr, in der zugleich die beiden Prinzen schweben, diese interessiren so sehr durch ihre Freundschaft, und Rodogune'n wird so wenig Mittel gegeben sich zu entwickeln, ja indem sie die Söhne gegen die Mutter brauchen will, fällt so ein schiefes Licht auf sie, dass das Interesse wenigstens ebensosehr die Prinzen trift. Es ruht also eigentlich auf allen Dreien, auf der Unschuld überhaupt gegen das Laster. Das nun macht die Katastrophe freilich weniger rein und dem Zuschauer ists am Ende nicht sowohl darum zu thun zu wissen: ist dieser, ist jener gerettet? als n u r : hat die Bosheit ihren Plan durchgesetzt, oder ist sie selbst daran gescheitert? — Noch fiel mir an diesem Stück auf, und auch dies ist wohl eine Eigentümlichkeit des gigantesken Stils, dass ich bei mehrern Stellen lachen musste und so auch nicht selten das Parterre überhaupt lachte. Z. E, Cleopatra hat an Antiochus (nur verstellterweise) den T h r o n und Rodogunen gegeben; sie lässt seinen Bruder kommen, sie erzählt ihm dies mit den schwärzesten Farben, um ihn aufzubringen und zu ärgern, und er antwortet ruhig: grade damit hast Du mir einen Gefallen gethan. Das ist geradezu eine Komedienscene. Sollte dies gemildert werden, sollte Seleucus Grossmuth darin hervorblicken, so musste Cleopatra feiner verfahren, sie musste nicht thun, als wollte sie ihn damit ärgern, sondern ihn nur, sich se ' b s t entschuldigend, aufhetzen. Bei dieser Stelle klatschte das Pariser Publikum, - und nur wenige lachten. Die Grossmuth schlägt sie immer mit Ehrfurcht. Antiochus sagt Seleucus, man müsse Thränen bei der Mutter versuchen, dasselbe sagt er auch nach der Scene mit Rodogunen; Seleucus antwortet: pleurez donc a leurs yeux. *) Hier lachte alles und mit Recht. Ein andermal sagt Seleucus der Mutter, dass sie ja aber das Erstlings-Recht ganz nach Gefallen drehe. Wieder allgemeines Lachen. Ich rechne diese Stellen zum gigantesken Stil, weil es in diesem ist, die Sachen und Personen nackt und gleichsam roh darzustellen, und weil, wer darin schreibt, seiner Grösse so gewiss ist, dass er diese Disparaten nicht sieht. Doch kann man diese Dinge nicht Naivetäten des Genies nennen, wie die Alten einige haben. Ks Nach „sie'' gestrichen, „selbst". Rodogune Vers um.

20. — io. April.

sind mehr Grotesken der Ueberspannung. Das Giganteske der französischen Bühne und Corneillen's insbesondre stammt von der Ritterzeit, den Spaniern, und — dies ist besonders zu merken — dem Einfluss der Ideen von Römergrösse und Römerenergie her. Dies hat der Französischen Bühne eine entscheidende Rieh tung gegeben. — Für die Franzosen eigenthümlich, und etwas, das den Spaniern fehlt, und die Italiäner weniger haben, halte ich einige sensible Stellen, die auch Corneille besitzt. — Die Rau cour spielte unendlich gut. Sie überschrie sich nicht und nahm mit wunderbarer Geschmeidigkeit die verschiednen Gestalten ihrer Rolle an. Am schönsten macht sie sich im Grossen. Die abgebrochnen Bewegungen, das Reden zu sich und aus sich heraus, selbst schon ein sonst manchmal übertrieben tragischer Ton passten hier treflich. Vor allem haben ihre Bewegungen etwas so Determinirtes und Sicheres, dass man daran die Meisterin fühlt. So wenn sie erst auftritt, ganz in den langen schwarzen Mantel gehüllt, und dann mit einemmal den rechten Arm*) hervorstreckt. Ihr Costüme half ihr sehr. Die Fleury spielte mittelmässig; die übrigen schlecht. Dies vermehrte das Groteske sehr. — Wenn man in den ersten Scenen die beiden goldbedeckten Prinzen herum stolziren und jeden 8 ) dem andern einen T h r o n für ein Weib anbieten sieht, glaubt man in einer Marionettenbude zu seyn, und bewundert das Publikum, das sich geduldig diese Farce vormachen lässt. — Corneille findet in England allein Gnade und natürlich. 8 ) Ueberhaupt aber ist Corneille mehr für das Ausland. Racine kann 4 ) fast nur in seiner Sprache gelten. Auch wird man so oft gefragt, ob man die Schönheiten dieses Dichters alle fasste. Es ist wahr, dass sie genau in die Sprache verwebt sind, und es ist nicht bloss, als wäre die Feinheit der Diction, die Schönheit der Verse schwer zu fühlen, aber es ist, dass seine sensibilitaet meistentheils nur in den nuancen seiner Diction liegt, dass man sie also, wenn auch wohl versteht, doch nicht so fllhlt, da man des Eindrucks dieser nuancen auf die Seele nicht gewohnt ist. — Noch eine Gelegenheit, wo die Franzosen im Trauerspiel oft lachen, ist w^nn sie die Intriguen eines Bösewichts durchsehn. Recht eigentliche Freude am Verstände. ') ') ') *)

„den rechten Arm" verbessert aus „die rechte , jeden" verbessert aus „einen". „natürlich" verbessert aus „mit [Recht]". ,J.

Fructidor.)

Frühstück bei D e g e r a n d o . — Dupont de Nemours. Tollheit p,^",;^, kommt manchmal von Continenz. Er selbst hat an sich bemerkt, dass wenn er in zu langer Zeit nicht bei einer Frau gewesen ist, er reizbar gegen Widerspruch, ärgerlich und heftig wird. Die Entledigung des Bedürfnisses ist dann ein sichres Hülfsmittel. — Er ist der Verfasser des grossen tableau raisonné des principes de Péconomie politiquea) das man hier auf den quais sieht. Er hat es in Strasburg gemacht. Er nennt es ein fort travail. Er hat immer 16 Stunden gearbeitet, ist den Abend so matt gewesen, dass er sich an den Wänden fort zum Bette geschlichen, und hat nichts als Reis und Birnen gegessen. Da er bei einer Stelle verzweifelt, hat er Turgot consultirt. Turgot hat die Lösung unmöglich gefunden, er hat sie aber doch herausgebracht. — Roederer. Un- Ro«der^( begreiflich. Sicards Grammaire8) ist ein genievolles Werk. Es SICMJ enthält unter andern ein prächtiges Mittel, die Art, wie der Geist abstrahirt, deutlich zu machen. Z. B. man will zeigen, wie man von einer hohen Mauer den Begriff Höhe abstrahirt. Man schreibe an eine Tafel : un und weit auseinander die einzelnen Buchstaben ') Joseph Marie Baron von Degérando (1772—1842), Philosoph. Paris 1775. ®) Éléments de grammaire générale appliquée à 1» langue française, Paris ¡JQSTi| Er ist aus Montauban. Densch. — Aus Lübeck, Kaufmann, kennt Pauli's *) und die Hamburger Cirkel, und ist mit der am meisten gebildete, den ich hier antraf. Fuhrleute, die nach Spanien fahren, giebt es hier mehrere. Sie pflegen nicht Tagweise zu lodern, sondern Eine Summe zu machen. Diese ist gewöhnlich von 40 Dublonen, den Dublon zu 15 livres gerechnet, also 600 livres. Wohlfeiler wird man einen viersitzigen Wagen mit 6 Maulthieren, der kein retour ist, nicht leicht erhalten. Dieser Preis ist theurer, als der von Fischer in den Geographischen Ephemeriden angegebne,2) weil er 3 ) nur 8 Tage zu 60 livres täglich, also nur 480. livres rechnet. Aber sie fahren auch nicht unter 10 Tagen hin, und er ist sogar wohlfeiler, da ich über Valladolid, St. lldefonso, und Escurial Zu fahren mir ausbedang, also 12 Tage, und doch nicht mehr gab. Dafür, wenn man einen Tag liegen bleiben wollte, pflegt man besonders eine Summe zu bedingen. Ich gab täglich 20 livres. Für beide Preise fodern sie weit mehr, oft wohl ein Drittel. Aber man muss nur Concurrenz unter mehrern erregen, und sie lassen gleich herunter. Gute Fuhrleute sind ein gewisser Freron, Daguerre (der mit des Gastwirths Picard Maulthieren fährt, und den besten Wagen hat, aber selbst ungefällig und grob ist) und noch wird ein andrer Lacaze gelobt. Sie nehmen sehr viel Gepäck mit und man hat den ganzen Wagen zu seiner Disposition.*) *) Die Art, die Maulthiere anzuspannen, ist sonderbar.

Alle 6 ziehen an dem

Vorhengsel der Deichsel, indem von jedem Paar lange Strenge dorthin gehn.

Diese

Strenge sind rund und so, dass wenn ein Thier zurückbleibt, das andre dadurch von selbst vorkommt.

Die Maulthiere selbst haben eine blosse Art von J o c h um den Hals,

Uber den Stricken aber gar keine Querricme, und damit die sehr langen Strenge sich nicht verwickeln sind an der Deichselspitze und zwischen dem mittelsten Paar lederne Rieme, die einen Kreis bilden, in denen, wie in einem Ringe die Strenge laufen. Dennoch aber ist es natürlich, dass sie, so oft sie einmal nicht recht anziehen wollen, wegen des

Mangels der Querrieme augenblicklich übertreten.

Die zwei

hintersten

haben Zügel, jedoch nur an der Nase, kein eigentlich Gebiss, die andern nichts.

Sie

werden von zwei Leuten geführt; einer sitzt gewöhnlich auf dem Bock und hält die Zügel.

Der andre läuft daneben, oder setzt sich auch auf den Bock, selten auf das

vorderste Maulthier.

Die Maulthiere haben eigne Namen, doch habe ich die Bayonner

Kutscher nicht Gebrauch davon machen hören.

Vgl. Band 14, 342. *) Vgl. Zach, Allgemeine geographische Ephemeriden 3, 222. ') „er" verbessert aus „sie".

Slttn.

126

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