Geologie
 9783111377476, 9783111019321

Table of contents :
INHALT
LEHRBÜCHER
Aus der Sammlung Göschen
ZEITSCHRIFTEN
Einleitung
Geschichte der Geologie
Der Erdkörper: Bauplan und Stoff
Erscheinungen und Vorgänge in allgemein-geologischer Sicht
Überblick über die Erdgeschichte
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SAMMLUNG

GÖSCHEN

BAND

13

GEOLOGIE von

D r .

F R A N Z

L O T Z E

o. Professor für Geologie und Paläontologie an der Universität Münster

Mit 80 Abbildungen

WALTER DE GRUYTER & CO. vormals G. J . Göschen'sche Verlagshandlang • J . Guttentag, Verlagsbuchhandlung • Georg Reimer • Karl J . Trübner • Veit & Comp.

BERLIN

1955

Alle Rechte, einschl. der Rechte der Herstellung von P h o t o k o p i e n und Mikrofilmen^ von der Verlagshandlung vorbehalten

Copyright 1955 by W A L T E R DE G R U Y T E R & CO. Berlin W 35, Genthiner Str. 13

A r c h i v - N r . 11 00 13 Gedruckt bei O t t o von Holten in Berlin Printed in Germany

INHALT Seite

Einleitung

7

Geschichte der Geologie

9

Der Erdkörper: Bauplan und Stoff

11

Die Gesamterde

11

Mineralien und Gesteine

17

Erscheinungen und Vorgänge in allgemein-geologischer Sicht Der geologische Stoffkreislauf Der sedimentäre Zyklus (Entstehung der Sedimentgesteine) Vorgänge im Festlandsbereich Vorgänge im marinen Bereich Sedimente und Sedimentgesteine Die Wirkungsweise der endogenen Dynamik Tektonik Verkrümmungen Rupturen (unstetige Deformationen) Dynamische Gliederung der tektonischen Formen . . . . Die Gebirgsbautypen Die tektonischen Vorgänge in ihrem Zeitablauf

19 19 22 22 33 36 39 39 40 45 52 53 56

Heutige Bodenbewegungen Die Bewegungs vorgänge der geologischen Vergangenheit

56 60

Erdzustände und Gesamtablauf des geotektonischen Geschehens

64

Exogene und endogene Dynamik in Wechselbeziehung . .

67

Das magmatische Geschehen

68

Vulkanismus Plutonismus

68 73

Seite

Verknüpfungen zwischen Magmatik und Tektonik . . . Die magmatische Gesteinsbildung Magmatische Lagerstätten

77 79 81

Metamorphose und metamorphe Gesteine

83

Überblick über die Erdgeschichte

85

Allgemeines

85

Zur geologischen Vorgeschichte der Erde

89

Die geologischen Formationen

90

Archaikum Algonkium Kambrium Silur Devon Karbon Perm Trias Jura Kreide Tertiär Quartär

90 93 96 101 108 114 120 127 135 144 152 157

LEHRBÜCHER BRINKMANN, R . :

Emanuel

Kayser's Abriß der Geologie. —•

1. Band: Allgemeine Geologie. — 7. Aufl., 296 S., Stuttgart 1950. 2. Band: Historische Geologie. — 7. Aufl., 359 S., Stuttgart 1954. BUBNOFF, S. v.: Einführung in die Erdgeschichte. — 2. Aufl., 771 S. 1.Teil:

Voraussetzungen, Urzeit, Altzeit. — Halle (Saale) 1949.

2. Teil:

Mittelzeit, Neuzeit, Synthese. — Halle 1949.

(Saale)

CLOOS, H . : Einführung in die Geologie. Ein Lehrbuch der Inneren Dynamik. — 503 S., Berlin 1936. CORNELIUS, H . P.: Grundzüge der allgemeinen Geologie. — 315 S., Wien 1953. EHRENBEJIG, K . : Paläobiologie und Stammesgeschichte. Ein Leitfaden. — 107 S., Wien 1952. KUKUK, P.: Geologie, Mineralogie und Lagerstättenlehre. — 306 S., Berlin, Göttingen, Heidelberg 1951. RINNE, F.: Gesteinskunde. — 12. Aufl., SCHMIDT, H . :

428 S., Leipzig 1937.

Geologie. —

I: Geologische Vorgänge der Gegenwart. — 112 S., Wolfenbüttel, Hannover 1947. Teil I I : Geologische Vorgänge der Vergangenheit. — 148 S., Wolfenbüttel, Hannover 1949.

Teil

SCHWARZBACH, M.: Das Klima der Vorzeit. gart 1950.

211 S., Stutt-

SIMON, W.: Zeitmarken der Erde. Grund und Grenze geologischer Forschung. — 232 S., Braunschweig 1948. STILLE, H . : Grundfragen der vergleichenden Tektonik. — 443 S., Berlin 1924. WAGNER, GEORG:

E i n f ü h r u n g in die E r d -

und

Landschafts-

geschidite mit besonderer Berücksichtigung Süddeutschlands. 2. Aufl., 664 S., Öhringen 1950.

Aus der Sammlung Göschen Bd. 899. Bd.

95.

Bd. 460.

HUMMÊL, K.: Geschichte der Geologie. 1925. ABEL, O . : P a l ä o n t o l o g i e .

1921.

DIENER: Paläontologie und Abstammungslehre. 2. Aufl. 1920.

Bd. 828.

GOTHAN, W.: Paläobotanik. 1920.

Bd. 1137.

HEIL, H . : Entwicklungsgeschichte des Pflanzenreiches. 2. Aufl. 1950.

Bd.

BROILI, F . : P a l ä o z o o l o g i e .

836.

1921.

Bd. 406.

KOSSMAT, F.: Paläogeographie. 3. Aufl. 1934.

Bd.

BRAUNS, R . U. CHUDOBA, K . F . : A l l g e m e i n e

29.

Mine-

ralogie. 9. Aufl. 1955. Bd.

31.

BRAUNS, R . U. CHUDOBA, K . F . : S p e z i e l l e

Mineralo-

gie, 9. Aufl. 1955. Bd. 1098.

AIGNER, A . : G e o m o r p h o l o g i e .

Bd. 173.

BRUHNS, W. U. RAMDOHR, P.: Pétrographie. 4. Aufl.

1936.

Bd.

BRUHNS, W . U. RAMDOHR, P . :

1955. 210.

Kristallographie.

4. Aufl. 1954. Bd. 619.

BUCHWALD, E. Einführung in die Kristalloptik. 4. Aufl. 1952.

ZEITSCHRIFTEN Geologische Rundschau. Herausgegeben von der Geologischen Vereinigung. Jahresbeitrag 20 DM. Anmeldung an den Vorstand: Bonn, Nußallee 2. Neues Jahrbuch für Geologie und Paläontologie, Abhandlungen und Monatshefte. Herausgegeben von FR. LOTZE, H . O. SCHINDEWOLF u n d M . SCHWARZBACH. — V e r l a g E . S c h w e i -

zerbart, Stuttgart. Zeitschrift der Deutschen Geologischen Gesellschaft. Bezug durch Beitritt. Jahresbeitrag 25 DM. Anmeldung durch Mitglieder.

Einleitung D i e G e o l o g i e h a t es m i t d e n G e s t e i n e n z u t u n . Sie trifft sich hierin mit der Mineralogie und Petrographie. Aber sie betrachtet die Gesteine unter ganz spezifischen, ihr allein eigenen Gesichtspunkten; denn während bei jenen Wissenschaften der mineralische Aufbau, der gegebene physiko-chemische Bestand im Vordergrund steht, sieht der Geologe die Gesteine als etwas Gewordenes; sie sind ihm Zeugen der Vergangenheit. D e n n d i e G e o l o g i e ist in i h r e m W e s e n s k e r n eine geschichtliche i s s e n s c h a f t . Sie geht davon aus, daß das heutige Erscheinungsbild der Erde das Ergebnis einer langen und wechselvollen Entwicklung ist, und sie stellt sich die Aufgabe, diese Entwicklung sowohl hinsichtlich ihres Ablaufs in Zeit und Raum wie auch hinsichtlich der dabei wirkenden Faktoren und Kräfte aufzuzeigen; sie will damit das heutige Erdbild aus diesem geschichtlichen Vorgang heraus verstehen lehren. Dabei ist der Rahmen ganz weit gefaßt. Die eigentliche E r d g e s c h i c h t e betrifft die Entwicklung des festen Erdkörpers in seiner Gliederung nach Weite und Höhe (Paläogeographie, Morphogenese), in seinem Klima (Paläoklimatologie), in der inneren Struktur seiner Rinde (Tektogenese). Die L e b e n s g e s c h i . c h t e , die heute kaum noch ein bloßes Teilgebiet der Geologie ist, sondern sich als Paläontologie zu einem Zwillingsstamm aus gleicher Wurzel entwickelt hat, versucht, im besonderen den Szenenwechsel im Bereidi der Organismen zu erfassen; sie hält dabei engste Fühlung zur Geologie, und die Wechselbeziehungen der beiden Wissenszweige sind heute derart, daß der eine auf die Ergebnisse des anderen angewiesen ist.

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Einleitung

Die Geschichtswissenschaft bedarf der U r k u n d e n , der Zeugnisse, um die Zustände und Begebenheiten eines vergangenen Jahrhunderts abzuleiten. Für den Geologen sind die Gesteine der Erdrinde solche Zeugnisse, und besonders die geschichteten Gesteine sind ihm sozusagen Tagebuchblätter, wie für den Paläontologen die versteinerten Reste und Spuren der Organismen, die Fossilien, die überlieferten Urkunden der Lebensgeschichte darstellen. S o wird es vorzügliches Anliegen der erdgeschichtlichen Forschung, diese Urkunden zu sammeln, zu beschreiben, zeitlich einzuordnen — diese Teilaufgabe erfüllt insbesondere die S t r a t i g r a p h i e — und hinsichtlich der Vorzeitverhältnisse zu entziffern. Dieses Entziffern bzw. Deuten setzt die Kenntnis der Bildungsbedingungen der Gesteine voraus, die sich aus einer Untersuchung gegenwärtiger formender und umformender, zerstörender und aufbauender V o r g ä n g e und ihrer Abhängigkeit von den Gegebenheiten des K l i m a s und anderen Umweltbedingungen gewinnen läßt (Aktuogeologie, „aktualistisches P r i n z i p " ) . Die Auswertung des gesamten Tatsachenmaterials aus Vergangenheit und. Gegenwart kann einmal auf die E r fassung des eigentlichen historischen Geschehensablaufs gerichtet sein, sei es von Einzelgebieten, sei es der Gesamterde, — wir sprechen dann von „ H i s t o r i s c h e r G e o l o g i e " oder Erdgeschichte schlechthin (mit den verschiedenen eingangs genannten Teilgebieten, wie Paläoklimatologie u. a.). Sie kann aber auch die Erkenntnis bzw. Ableitung allgemeiner, den Geschehensablauf regelnder Gesetzmäßigkeiten nach Vorgang, Bedingtheiten, K r ä f t e n usw., d. h. des Allgemein-gültigen, bezwecken; — wir sprechen dann insonderheit von „ A l l g e m e i n e r Geologie". D i e Untersuchungen der Lagerungsverhältnisse der Gesteine, des strukturellen Einzelbaus der Kruste mit ihren

Geschichte der Geologie

9

Gebirgen und ihrem Unterbau, ist A u f g a b e der T e k tonik. Sind die Zielsetzungen auf bestimmte, wohl abgrenzbare regionale Einheiten (Landschaften, Länder, Kontinente) beschränkt, wobei diese Einzelgebiete hinsichtlich der Gesteinsabfolge, des tektonischen Baus, der geologischen Geschichte usw. beschrieben werden, so sprechen w i r von „ R e g i o n a l e r G e o l o g i e " . — Steht hingegen das wirtschaftliche Interesse im Vordergrund, so handelt es sich um das Teilgebiet der „ A n g e w a n d t e n G e o l o g i e " . Ihre A u f g a b e n sind mannigfach und erweitern sich fortlaufend. Sie betreffen den Baugrund (Baugeologie, Ingenieurgeologie), den landwirtschaftlich nutzbaren Boden (Agrogeologie), den Wasserinhalt des Untergrunds ( H y d r o geologie) und im Teilgebiet der Lagerstättengeologie auch die nutzbaren Vorkommen von Erzen, Energieträgern (Kohle, Erdöl, Erdgas, heute auch U r a n ) , Salzen und sonstigen Nichterzen, Erden und Steinen. Die nachfolgende sehr geraffte Darstellung muß sich darauf beschränken, die Grundzüge der Allgemeinen Geologie und Erdgeschichte zu umreißen.

Geschichte der Geologie Die Frage der Entstehung der Erde und Ausformung ihres Bildes hat die Menschheit seit alters bewegt. Zunächst hat die Religion mit dem Rüstzeug des Glaubens, dann die Philosophie mit dem des Denkens, schließlich die Wissenschaft durch Empirie u n d Deutung („malleo et mente") sie zu lösen versucht. Der in dem 4000 J a h r e alten Izdubar-Epos bereits enthaltene Schöpfungsbericht der Genesis hat die erdgeschichtlichen Vorstellungen bis in die Neuzeit hinein tiefgreifend beeinflußt. Bei T H A L E S von Milet, HERAKLIT,

PYTHAGORAS,

XENOPHANES,

ARISTOTELES, ERATOSTHENES, STRABO

und

EMPEDOKLES SENECA

finden

10

Geschichte der Geologie

sich erste Ansätze zu Beobachtungen geologischer Erscheinungen oder Überlegungen hinsichtlich des Erdbaus; aber das Wissen des Altertums, das P L I N I U S der Ältere in seiner Historia naturalis (darin auch Berichte über Vulkane, Erdbeben, Versteinerungen) zusammengefaßt hat, blieb gering, und die eigentliche Kernidee der Geologie, diejenige einer „Entwicklung der Erde", blieb dem Altertum unerfaßbar. Auch das Mittelalter brachte keine. Fortschritte. Erst mit dem Beginn der Neuzeit erfolgte ein neuer Ansatz. L E O N A R D O DA V I N C I und andere erkannten die erdgeschichtliche Bedeutung der Fossilien, der bedeutende Däne N I C O L A U S S T E N O ( 1 6 3 1 — 1 6 8 6 ) , der „ y a t e r der Tektonik", beachtete als erster die Lagerungsverhältnisse der Gesteine und versuchte, den Schichtverband einer norditalienischen Landschaft zu gliedern. Als eigentliche Begründungszeit der Geologie, als „heroisches Zeitalter der Geologie", muß aber erst die Zeitspanne 1 7 9 0 — 1 8 2 0 gelten. Bedeutende Männer, unter ihnen besonders der „Vater der Geologie" A B R A H A M G O T T L O B W E R N E R ( 1 7 5 0 bis 1 8 1 7 ) , ferner die Engländer H U T T O N , H A L L und S M I T H und der Franzose C U V I E R legten die Basis echter geologischer Wissenschaft. W E R N E R bezeichnete seine auf der Empirie basierende Lehre als „Geognosie", nachdem der von dem Polyhistor DE LUC geprägte Begriff „Geologie" als allzu spekulative Pseudowissenschaft in Verruf gekommen war.

Das nachfolgende „goldene Zeitalter", auch „Zeit der großen Meister" genannt ( 1 8 2 0 — 1 8 6 0 ) , brachte den weiteren Ausbau von Geologie und Paläontologie und die anschließende Zeit bis heute die Vollendung zum derzeitigen Wissenschaftsgebäude. Von den „großen Meistern" verdienen besonders genannt zu werden der Deutsche K.-A. v. H O F F ( 1 7 7 1 — 1 8 3 7 ) , der den Entwicklungsgedanken für

Die Gesamterde

11

das Anorganische wesentlich förderte und mit L Y E L L das „Prinzip des Aktualismus" begründete — wonach die gegenwärtig auf der Erde wirkenden Kräfte durch ihre sich summierenden Dauerwirkungen die gesamte geologische Entwicklung bedingen, so daß man aus den Erscheinungen der Gegenwart heraus auch diejenigen der Vergangenheit zu verstehen vermöge —, und C H . D A R W I N , der den Entwicklungsgedanken für das Organische zum Siege führte. Als großer Geotektoniker nimmt E D U A R D SUESS (1831—1914) eine ganz hervorragende Stellung ein; sein berühmtes Buch „Das Antlitz der Erde" gehört zu den klassischen Werken der Geologie.

Der Erdkörper: Bauplan und Stoff Die Gesamterde Die Erde, von der Sonne aus der dritte unter den neun bekannten Planeten des Sonnensystems, hat ein Volumen von rd. 1083 Milliarden km 3 , eine Gesamtmasse von rund 6000 Trillionen Tonnen (genauer 5,973.12 27 g) und ein mittleres spezifisches Gewicht von wahrscheinlich 5,52. Die Oberfläche des festen Erdballs mißt 509,9 Millionen km 2 , der Äquatorumfang 40 076 594 m, der Äquatorradius 6 378 388 m, der Polradius 6 356 912 m. Die Figur der Erde („Geoid") nähert sich sehr einem kugelähnlichen Rotationsellipsoid mit einer Abplattung 1 :297. Die durch Gebirge und Meere bedingten Unregelmäßigkeiten der Erdoberfläche sind im Verhältnis zur Gesamtgröße nur sehr gering. Auf einem maßstabgetreu verkleinerten Erdmodell von 2 m Durchmesser würden die höchsten Gebirge (Mount Everest 8882 m) und die Tiefseegräben (Marianen-Graben im Pazifik: 10 863 m) vom mittleren Niveau der Krustenoberfläche (2430 m unter N N ) nicht einmal um 2 mm abweichen, also kaum wahrnehmbar sein. Diese große Kugel bewegt sich mit einer Geschwindig-

12

Der Erdkörper:. Bauplan und Stoff

keit von 3,0 km/sec. auf einer fast kreisförmigen, rd. 940 Millionen km langen Ellipse um die Sonne, die in dem einen Brennpunkt steht. Sie hält dabei von der Sonne einen mittleren Abstand von 149,5 Mill. km ein, ist ihr aber Anfang Januar um 2,5 Mill. km näher, Anfang Juli um 2,5 Mill. km ferner. Zugleich rotiert sie um eine Achse, die gegen die Erdbahn unter 66° 33' geneigt ist, in west-östlidier Richtung, wobei die Geschwindigkeit eines Punktes auf dem Äquator 465 m/sec. beträgt. Der A u f b a u d e r E r d e ist konzentrisch-sdialig. Die äußerste Schale, die selbst schichtig unterteilte gasförmige A t m o s p h ä r e , hat eine Mindesthöhe von 800 km, wird nach außen aber außerordentlich dünn; so ist 9 0 % der Luftmasse bereits in den unteren 20 km enthalten. Die unterlagernde H y d r o s p h ä r e ist zwischen 0 und rund 10 km dick; über 9 8 % ihrer Gesamtmasse, nämlich 1370 Mill. km 3 , ist in den Meeren gesammelt; der Rest entfällt auf das Eis (22 Mill. km 3 ) und den Wasserinhalt der Flüsse und der Seen, der allerdings mengenmäßig (0,13 Mill. km 3 ) ohne Belang ist. Der f e s t e E r d k ö r p e r (Lithosphäre und deren Unterlager) ist seinerseits kugelschalig geschichtet. Über seinen Aufbau haben vor allem die Erdbebenwellen, die von den nahe der Oberfläche gelegenen Herden aus den ganzen Erdkörper in allen Richtungen durchstrahlen und auf ihrem Wege mancherlei Veränderungen erleiden, Kunde gebracht (Abb. 1). Die vertikale Großgliederung wird durch eine Unstetigkeitsfläche I. Ordnung in 2900 km Tiefe gegeben. Innerhalb von ihr liegt der „Erdkern", außerhalb die „Erdschale". Letztere zeigt von außen nach innen eine weitere Unterteilung durch eine deutliche Trennungsfläche bei 50—60 und eine undeutliche und nicht ganz sichere bei rd. 1000 (900—1200) km Tiefe in „Kruste", „Mantel" und „Zwischenschicht".

Die Gesamterde

13

A b b . 1. G e s c h w i n d i g k e i t der elastischen R a u m w e l l e n im E r d i n n e r n als F u n k t i o n der T i e f e . N a c h H. HAALCK.

J

l-Tf v^ = G e s c h w i n d i g k e i t der L o n g i t u d i n a l wellen — G e s c h w i n d i g k e i t der Transversalwellen.


3) und Dolomit (MgCOß • C a C 0 3 ) hängt die Löslichkeit in starkem Maße von dem Gehalt des Wassers an freier Kohlensäure ab, da das bei einem C02-Überschuß sich bildende Doppelkarbonat C a C 0 3 • H2CO3 viel löslicher ist als einfaches CaCC>3. Die Kalklösung führt bei reinen Kalkgebirgen an der Erdoberfläche zu Verkarstungserscheinungen, zu Karren, Schratten, geologischen Orgeln, schluchtförmigen Tälern usw.; im Untergrund läßt sie Höhlen, Tunnels, Kanäle, unterirdische Wasserläufe mit Flußversickerungen auf der einen und wasserreichen Quellaustritten auf der anderen Seite entstehen. Einbrüche von Lösungshohlräumen ergeben Versturzhöhlen im überlagernden Gebirge und trichterförmige EJolinen an der Erdoberfläche. Solche Kärsterscheinungen finden sich in den Massenkalkvorkommen des westfälischen Sauerlandes, des Harzes usw., in den Malmkalken des süddeutschen Juras, in den nördlichen Kalkalpen, im Karst bei Triest, in Dalmatien, überhaupt in allen größeren Kalkgebieten der Erde. — Bei mergeligen Kalken und M e r g e l n bleiben als letzte Verwitterungsrückstände zähe Lehme und Tone, bei sandigen Kalken und K a l k s a n d s t e i n e n lockere Quarzsande zurück. Bei der chemischen Verwitterung der s i l i k a t i s c h e n G e s t e i n e , die 95 % der Erdkruste ausmachen und unzweifelhaft die verbreitetsten Gesteine auf der festen Oberfläche sind, spielt neben Wasser und Kohlensäure auch der Sauerstoff eine bedeutende Rolle. Während Quarz (reines S i 0 2 ) kaum angegriffen wird, werden Feldspäte und sonstige Silikate, wie Biotit, Augit, Hornblende u. ä., weitgehend zersetzt. Dabei gehen die Alkalien (Na2Ü,

26

Erscheinungen u. Vorgänge in allg.-geolog. Sicht

K2O) und Erdalkalien (CaO, MgO) und unter bestimmten klimatischen Bedingungen auch mehr oder weniger die Kieselsäure in Lösung über. Es bleiben Aluminiumsilikate, wie Kaolin bzw. verschiedenartige Tonmineralien, zurück; bei völliger Entfernung der Kieselsäure resultiert Aluminiumhydroxyd (Bauxit). Beigemengt sind außer Quarzkörnern Oxyde oder Hydroxyde des Eisens, die den Verwitterungsprodukten eine rote oder braune Farbe erteilen. In unseren Breiten läßt der Gesamtprozeß der mechanischen und diemischen Verwitterung Granit und verwandte quarzreiche Gesteine (auch Gneise usw.) zunächst in grobe rundliche Blöcke (Wollsackverwitterung), diese in einen Grus (Grit), weiter in einen Sand aus Quarz, Glimmer und zersetzten Feldspatkörnern („Arkose"), der einen leichten, warmen Boden darstellt, zerfallen; dagegen verwittern Basalte zu fettem, braunem Lehm mit Brocken restlichen Gesteins, also zu einem kalten, schweren Boden. Im übrigen verläuft die Bodenbildung verschieden nach dem Ausgangsstoff und dem Klima und dem dadurch bestimmten Wasserhaushalt des Bodens (so im gemäßigten humiden Bereich tonige oder siallitische Verwitterung; im halbhumiden und tropischhumiden Klima allitische oder hydratische Verwitterung; Laterit). Starke Durchwaschung des Bodens durch einsickernde Niederschlagswässer führt zur Podsolierung (Bleicherdebildung), wobei im oberflächennahen Bereich auch Eisen- und Humusbestandteile ausgewaschen werden, die weiter unten als „Ortstein" wieder abgesetzt werden. Die Abtragung, d. h. die Entfernung des Materials aus dem Verwitterungsbereich, setzt vielfach schon gleich bei der Verwitterung ein oder folgt ihr auf dem Fuße. In diesem Sinne wirkt ohne Mithilfe anderer Faktoren an Felswänden oder steileren Hängen allein schon die Schwerkraft. Sie bewirkt im Gebirge das ständige Abbröckeln,

Der sedimentäre Zyklus

27

Abrieseln, Abstürzen, Abrollen und Abgleiten gelockerter Gesteinsstücke und in besonderen Fällen auch die talwärtige Bewegung großer Gesteinskomplexe (Felsstürze, Bergstürze, Bergrutsche, Gravitationsströme von Gehängeschuttmassen), die gelegentlich katastrophale Ausmaße annehmen können; so gingen 1881 beim Felssturz von Elm in der Schweiz 11 Mill. m 3 Gestein zu Tal! Hangwärtige Neigung der Gesteinsschichten und natürliche oder künstliche Unterschneidung des Gefällswinkels fördern derartige Vorgänge. Bei geringeren Hangneigungen, ja selbst auf Flächen minimalen Gefälles können durch Wasser aufgeweichte Verwitterungsmassen, besonders wenn sie tonig-lehmige Komponenten in größerem Maße aufweisen, langsam zutal wandern („Gekriech") oder — besonders nach starken Niederschlägen — wie mehr oder minder zähe Flüssigkeiten abströmen (Erdschlipfe, Bodenfluß, Solifluktiön). Wiederholtes Gefrieren und Tauen und häufige Durchnässung begünstigen diesen Vorgang, der deshalb in den periglazialen Gebieten ganz besonders verbreitet ist. Sortierungsvorgänge können hier zu besonderen Strukturen führen (Strukturböden, Polygonböden u. ä.). Plötzliche Bodenerschütterungen wirken bei wasserreichen tonigen Böden verflüssigend (Thixotropie), und so lösen Erdbeben oft große Erdrutsche aus. In allen diesen Fällen bleibt das Material in nächster Nähe des Abtragungsbereichs. Es sammelt sich in Schutthalden usw. am Fuß der Hänge. Jede Verfrachtung über größere Entfernungen .hin bedarf eines transportierenden, bewegten Mediums. Als solches kommen Luft, Wasser und Eis in Betracht. Der W i n d ist nur in der Lage, feinere Bestandteile fortzuführen. Gewöhnlich sind diese staubförmig (Staubstürme) oder feinsandig (Sandstürme der Wüsten, Wanderdünen), ganz g ^

28

Erscheinungen u. Vorgänge in allg.-geolog. Sicht

legentlich werden von orkanhaften Stürmen auch kleine Gerölle bewegt. Der Staubtransport kann unter Umständen außerordentlich weit gehen; so wird roter Saharastaub auf der Westseite Afrikas in den Atlantik bis zu seiner Mitte, ja sogar darüber hinaus geweht; gelegentlich gelangt er bei südlichen Winden bis nach Mitteleuropa, selbst bis nach Grönland („Blutregen", „roter Schnee"). Durch die Fortblasung der Feinbestandteile entstehen in den ariden Gebieten, wo eine schützende Vegetation fehlt, Landschaften mit charakteristischen Vertiefungen (Deflationslandschaften) und Steinwüsten mit Windschliffen auf Felsen und Gesteinsbrocken (Dreikanter; solche in anderen Klimabereichen auch an Sandküsten). Schon das abrinnende R e g e n w a s s e r nimmt Gesteinspartikelchen teils als Schlamm, teils als schwebende Trübe, teils in gelöster Form mit. Die Quellen fördern mit dem Wasser zugleich gelöste Stoffe zutage, die verschieden sind je nach den durchflossenen Bodenschichten. Die zu Bächen, Flüssen und Strömen vereinigten Wassermengen vermögen außer diesen schwebenden und gelösten Teilchen mit wachsender Energie, die von Gefälle und Wassermenge abhängt, zunehmend große Geschiebe und Gerölle als Bodenfracht zu transportieren, wobei diese je nach Größe und Gestalt gewälzt oder gerollt werden oder sich hüpfend bewegen. Dabei werden die Gesteinsbrocken zunächst kantengerundet und schließlich zu kugeligen oder elliptischen Flußgeröllen abgeschliffen. Das flächenhaft angreifende Regenwasser wirkt durch seinen Dauerabtrag im Sinne steter Erniederung aufragender morphologischer Elemente. Der Effekt dieser D e n u d a t i o n hängt von der Resistenz der zutagetretenden Gesteine ab. Die mechanisch wie chemisch schwer angreifbaren Quarzgesteine bilden zwischen andersartigen Gesteinen steil aufragende Rippen und Klippen. Wenn nicht

Der sedimentäre Zyklus

29

andere, endogene K r ä f t e ins Spiel treten, w i r d schließlich eine sehr ausgeglichene E n d f o r m , die Fastebene oder Peneplain (W.M.DAVIS), erreicht (Abb.3). Das weitgehend ein-

Abb. 3. Fortschreitende Abtragung und Einebnung bei aridem K l i m a . Nadi CH. R. LONGWELL.

geebnete Relief überragen d a n n höchstens noch Reste festerer Gesteine als H ä r t l i n g e oder Inselberge (Abb. 4). I m engeren Transportbereich der Flüsse schneidet u n d sägt das Wasser unter M i t w i r k u n g seiner Geschiebefracht immer tiefer ein u n d schafft V-förmige Täler. A u d i diese F l u ß e r o s i o n strebt einer Gleichgewichtsform der Gefällskurve zu, bei der sich bei gegebener Wassermenge Einschneiden u n d Aufschottern die Waage halten. Änderungen der Strömungsenergie durch Bodenhebung oder -Senkung oder V e r m i n d e r u n g oder E r h ö h u n g der Wassermenge f ü h -

30

Erscheinungen u. Vorgänge in allg.-geolog. Sicht

Abb. 4. Die Albvorberge Lupfen und K a r p f e n bei Spaidiingen als Zeugenberge (Blick vom Zundelberg). N a d i G". W A G N E R .

ren zur Aufschotterung oder Wiedereinschneidung; es kommt zur Ausbildung von Flußterrassen. Die feinen Schwebeteilchen, die Flußtrübe, und die chemisch gelösten Stoffe werden am weitesten transportiert; die ersteren können sich in Seen als in Absatzbecken niederschlagen oder bis ins Meer getragen werden. Bei den gelösten Stoffen ist das in der Regel der Fall; Ausnahmen bilden vor allem die abflußlosen Seen der ariden Bereiche, die hier als Endsammler fungieren. Das E i s der Gletscher ist ein wichtiges u n d nahezu das einzige Transportmittel in den nivalen Bereichen, also im Hochgebirge oberhalb der Schneegrenze u n d in den großen Binnenvereisungsgebieten Grönlands und der Antarktis. Während der Eiszeiten war ihre generelle Bedeutung noch wesentlich höher als heute. Die Transportkraft des Eises ist praktisch unbeschränkt;

Der sedimentäre Zyklus

31

es können daher auch größte Gesteinsblöcke und ganze Felssturzmassen mitgenommen werden neben feinstem Material. Eine Sortierung, wie im fließenden Wasser, kann dabei nicht erfolgen, vielmehr wird Grobes und Feines in gleicher Weise mitgetragen. Eine chemische Lösung findet nicht statt. Auch können die Geschiebe nicht zu Gerollen gerundet werden; höchstens werden bei langem Transport durch Vorbeigleiten an anderen Einschlüssen oder am Boden oder felsigen Seitenwänden des Gletschers Kanten abgerundet und Schrammen eingraviert. —• Erst wenn die Gletscherfracht beim Tauen des Eises vom strömenden Schmelzwasser in Rinnen auf dem Eise oder im Raum vor dem Eisrand (Abb. 5) übernommen wird, tritt Abrollung

Abb. 5. Endmoränenwälle und deren Umlagerungsprodukte vor der Stirn eines Gletschers. Nach G. W A G N E R .

und Sortierung ein. Die Geschiebe können dann die Form normaler Flußgerölle annehmen. Durch die Eiswirkung entstehen im Abtragungsbereich Rundhöckerlandschaften mit Gletscherschliffen an heraustretenden Felsen, Kare und ähnliche Formen. Die Transportwege werden, auch wenn sie ursprünglich V-Täler waren, zu U-Tälern ausgeformt. Schon während der Transportphase kommen die mechanisch fortbewegten Komponenten der Frachten oft vorübergehend zur Ruhe. Das ist z. B. bei den Wanderdünen

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Erscheinungen u. Vorgänge in allg.-geolog. Sicht

der Fall, die schubweise in stürmischen Perioden weiterbewegt werden, indem auf der Windseite Sand abgetragen, auf der Gegenseite wieder festgelegt wird. Nur ein Teil der gesamten Sandkörner ist also überhaupt gleichzeitig in Bewegung. Ähnlich bewegen sich Schotter- und Sandbänke in Flüssen. Abtragung und Ablagerung folgen hier also einander in rhythmischem Wechselspiel. In stillen Winkeln und auf ruhigen Strecken des Transportweges kann dabei das Material länger verbleiben, leicht aber tritt in solchen Systemen eine Umlagerung ein. Bereiche endgültiger Ablagerung sind dagegen für die g r ö b e r e G e s c h i e b e f r a c h t des fließenden Wassers markante Gefälleknicke, wie der Fuß von Berghängen oder die Grenzbereiche zwischen Gebirgen und Ebenen. Hier lagert sich die allein durch die Schwerkraft oder unter Mithilfe von Wasser bewegte Fracht in Form von Hangschuttkegeln und Geröllhalden oder als große, flache Schotterfluren und als Schuttflächen ab, die von den Schotterfluren her sich talaufwärts als Flußterrassen rückbauen. Das f e i n e r e M a t e r i a l sammelt sich in großen innerkontinentalen oder gar innermontanen Wannen und Senken. In Binnenseen bauen sich von Flußmündungen aus flache Schuttdeltas seewärts vor, und über den Boden hin setzen sich als schlammige Ablagerungen die Schwebestoffe ab. Faulschlamme entstehen, wenn organische Stoffe, besonders Pflanzenreste, sich der Mineralsubstanz in stärkerem Ausmaß beimengen. Von den chemisch gelösten Stoffen scheidet sich am leichtesten das C a l c i u m k a r b o n a t aus. Erwärmung des Wassers, Verdunstung, auch starke Drehbewegung und Kohlensäureentzug durch Organismen kann zur Verminderung der Kohlensäurekonzentration und damit zur Aüsfällung von C a C 0 3 führen. In unterirdischen Hohlräumen bilden sich so die mannigfach gestalteten Tropfsteine (Sin-

Der sedimentäre Zyklus

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terkrusten, Gardinen, Stalaktiten, Stalagmiten, Tropfröhren, Stengel und Rosetten). An Quellaustritten von Wasser aus Kalkgebieten setzen sich oft lockere Polster von Quelltuff ab; an Wasserfällen und in Steilstufen der Flüsse entstehen Sintermassen (Travertin), in Flußauen bildet sich Wiesenkalk und -mergel, in Seen Seekreide. In ariden Gebieten mit hoher Verdunstung kommt es auch zur Ausscheidung der leichtlöslichen C h l o r i d e . Zunächst reichern sie sich in den Salzseen an, bis die Sättigungskonzentration erreicht ist. Sind verschiedene Ionengruppen vorhanden, so ergibt sich eine Abscheidungsf o l g e in dem Sinne, daß sich zunächst die im Rahmen der Gesamtlösung weniger löslichen, zuletzt die löslichsten Salze niederschlagen. Von den O r g a n i s m e n nehmen an den Ablagerungen auf dem Festland vor allem die Pflanzen teil. Ihre Reste können sich in Moorgebieten zu Torf anreichern, während sich aus den Kieselskeletten von Diatomeen Kieselgur bildet. Tiere spielen eine geringere Rolle. V o r g ä n g e im m a r i n e n

Bereich

Im Meere, das 361,1 Mill. km = 70 % der Erdoberfläche einnimmt und einen Inhalt von 1370 Mill. km 3 hat (wohingegen die über den Meeresspiegel aufragende Landmasse nur 125 Mill. km 3 mißt), spielen sich im Prinzip die gleichen Vorgänge wie auf dem Festlande ab, nur treten hier die zerstörenden Faktoren, also Verwitterung und Abtragung, hinter Transport und Ablagerung zurück. Gegen das Meer als den tiefergelegenen Bereich der Erdoberfläche geht ja das Gefälle von den Festländern, und zu ihm hin strömt das Wasser der Flüsse. Es ist also das große Sammelbecken für das Abraummaterial der Kontinente. 2

Verwitterung und Abtragung sind ganz vorwiegend an 3 I otze, Geologie

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Erscheinungen u. V o r g ä n g e in allg.-geolog. Sicht

die Küstenregion gebunden, wo die medianischen Wirkungen, die der Wellenschlag besonders auf Steilküsten ausübt (s. S. 24), sich an den abbröckelnden und abstürzenden Gesteinsmassen weiter fortsetzen, grobe Brocken zu kleinem H a u f w e r k zerteilend. Vom steten Wellengang am Strand hin und her gerollt, werden die Trümmer weiter abgeschliffen und gerundet (Strandkiese). Muschelschalen werden so zu Schill vermählen, Sandsteine zerfallen zu lockerem Sand. Ähnlich wirkt die Brandung auf Bauten des Meeres selbst, so auf K o r a l l e n r i f f e und V u l k a n b e r g e . Bei ersteren ist die Zerstörung eine mechanische, indem die Kalkskelette der Korallen und sonstigen Organismen zu mehr oder weniger feinen Brodten zerrieben werden, die Schuttwälle am Hang der Riffe bilden. Vulkanische Gesteine oder Komponenten derselben sollen außerdem auch eine chemische Verwitterung submarin erleiden können, die man als Halmyrolyse bezeichnet hat. Dabei sollen sich z. B. eisenhaltige Silikate, wie Biotit, zersetzen. Audi S t r ö m u n g e n können, wenn sie stark genug sind, zerstörend bzw. abtragend wirken. Vor Flußmündungen sich findende Ausfurchungen im Meeresboden sind offensichtlich hauptsächlich so entstanden. Audi in schmalen Kanälen oder über submarinen Schwellen aus der Querschnittsverminderung sich ergebende Strombeschleunigungen führen zu Aufbereitungen des Bodens, wobei bewegliche sandige und tonige Partikel fortgeführt werden. So ist z. B. im Ärmelkanal der Meeresboden von allem lockeren Sediment freigefegt. Die Hauptmasse des Materials, das im Meer zu Sedimenten verarbeitet wird, stammt nun nicht aus der eigenen Werkstatt des Meeres, sondern wird ihm von außen zugeführt. Der Wind trägt Sand- und Staubwolken über das Meer (s.S. 28), Vulkane liefern Aschen, einmündende Glet-

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scher (Antarktis, Grönland) bringen Moränenschutt (Driftmoränen); den Hauptanteil aber haben die Flüsse, und zwar führen sie sowohl feste wie gelöste Stoffe ständig zu. Die jährlich so ins Meer gebrachte Menge wird auf etwa 13 km 3 geschätzt. Den weiteren Transport und die V e r t e i l u n g d e s M a t e r i a l s übernehmen die Strömungen. Bei schiefem Auftreffen der Brandungswellen auf eine Küste entsteht eine küstenparallele Transportkomponente. Durch diesen „Küstenversatz" werden Feststoffe von einer Flußmündung aus einseitig an der Küste entlang getrieben, wenn Winde einer bestimmten Richtung vorherrschen. Im Kampfbereich zwischen Fluß und Meer bauen sich so Strandwälle und Nehrungen auf. Alles gröbere Material kommt im Mündungsbereich der Flüsse in Form mehr oder minder großer Deltas zur Ablagerung. Es sind das mächtige Schutthalden, die sich halbkreisförmig meerwärts vorbauen. Auf der steileren meerwärtigen Seite wird das Material angelagert, es bekommt hier also — ähnlich wie bei künstlichen Halden — eine abfallende Schrägschichtung. Auf der Oberfläche der Schuttdeltas können sich dünne horizontale Schichten über die schrägen decken. Feineres Material wird weitertransportiert; es kann sich als feinsandig-toniger Schlamm auf den flachen Schelfen, den untergetauchten Sockeln der Kontinente, niederschlagen. Die feinsten Partikel, die eine außerordentlich langsame Sinkgeschwindigkeit aufweisen, werden von den Strömungen bis in die küstenferneren (pelagischen) Bereiche, die zumeist zugleich Tiefseebereiche sind, verschleppt und kommen hier endlich zur Ruhe. Sie bilden die feinen Tiefseeschlicke und -tone, an deren Aufbau in starkem Maße auch die Reste planktonischer Mikroorganismen (Foraminiferen, Radiolarien, Diatomeen) beteiligt sind. 3*

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Erscheinungen u. Vorgänge in allg.-geolog. Sicht

Von den im Meerwasser gelösten Stoffen kommt im allgemeinen nur der Kalk zur Ausscheidung, z. T. in direkter Fällung als Kalkschlamm oder in kugelig-schaligen Körnern (Oolith) aus übersättigter Lösung in warmen Meeren, großenteils aber auf dem Umwege über kalkabscheidende Organismen (Kalkalgen, Mollusken- und Brachiopodenschalen, Bryozoen, Schwämme, Korallen, Foraminiferen u. a.); da die mächtige Kaikabscheidungen veranlassenden Riffbildner (Kalkalgen, Korallen u. a.) an warmes Wasser gebunden sind, kann sehr kalkreiches Sediment als Kennzeichen tropisch-warmen Klimas gelten. Zur Abscheidung der Sulfate und Chloride werden im offenen Meere hinreichende Konzentrationen nicht erreicht. Wohl aber kann das in weitgehend abgeschlossenen Buchten der Fall sein, die vom Meere her durch einen Salzwasserstrom mittels eines schmalen Kanals oder mittels unterirdischer Verbindungswege oder bei gelegentlichen Überflutungen d!er trennenden Barre gespeist werden. Herrschen aride Klimabedingungen, so steigt infolge der Verdunstung in solchen Seitenbecken die Sajzkonzentration allmählich an. Es kann dann nacheinander zur Ausfällung von Kalk, Dolomit, Gips, Steinsalz + Gips, Steinsalz + Anhydrit, Steinsalz-I-Magnesiumsulfat und Kalisalzen, zuletzt reineren Kalisalzen kommen. Solcher Entstehung dürfte die Großzahl der fossilen Salzlagerstätten sein. Sedimente und

Sedimentgesteine

Das Gesamtresultat der geschilderten Vorgänge ist die Bildung von Sedimenten. Sie sind außerordentlich mannigfach je nach dem Fortschritt und T y p der Verwitterung, der Art des Transportes und dem Charakter des Transportmittels, dem Grad der Sortierung und den Umständen der Ablagerung. Generell lassen sich drei Gruppen unterscheiden :

D e r sedimentäre Zyklus

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1. K l a s t i s c h e Sedimente (Trümmersedimente) bestehen aus medianisch zertrümmerten, chemisch nicht oder nur wenig veränderten Teilen des Ausgangsgesteins. Alle Korngrößen von groben Blöcken, eckigen Brodten (Hangjbrekzien), grobem bis feinem Kies (über 2 mm Korndurchmesser), grobem bis feinem Sand (2 bis 0,02 mm 0 ) , zu mehligem Staub (Schluff 0,02 bis 0,002 mm 0 ) kommen dabei vor. Vielfach tritt eine Auslese des Materials nach seiner mechanischen und chemischen Resistenz ein (Quarzsande). — Sonderfälle sind Rückstandsbildungen und eluviale Seifen, bei welch letzteren die Fortführung leichter Komponenten eine Anreicherung schwerer, oft wertvoller Stoffe (wie Gold, Platin, Zinnstein) bedeuten kann. — Rückstände der Eisschmelze sind die glazigenen Sedimente, besonders Geschiebemergel und Moränen. 2. C h e m i s c h e S e d i m e n t e , darunter Karbonate, Sulfate, Chloride, Nitrate, Borate usw., sind Badenabsätze aus Lösungen. — In den Verwitterungsgebieten verbleiben als chemische Rückstandsbildungen Bauxite, Laterite, Tone u. a. 3. O r g a n o g e n e S e d i m e n t e entstehen bei starke^ Mitwirkung von Organismen. Auf dem Festland sind es, wie gesagt (S. 33), besonders die Pflanzen (Torfe, Kohlen, Kieselgur u. a.), weniger die Tiere (Knochenlehme in Höhlen, Schneckenmergel, Musdiellagen); in den Meeren ist die Rolle vertauscht, die Pflanzen treten in ihrer Bedeutung (gelegentlich Kalkalgenriffe, Diatomeenschlicke) gegenüber den Tieren (Riffe von K o rallen, Schwämmen, Bryozoen usw., Echinodermenbrekzien, Sdiillagen von Zweischalern, Foraminiferenund Radiolariensedimente usw.) zurück. Die Organismen verleihen den Sedimenten vielfach ihren

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Erscheinungen u. Vorgänge in allg.-geolog. Sidit

Charakter und geben Hinweise auf die Entstehungsbedingungen und die paläogeographisdie Position der Ablagerungen; sie lassen oft überhaupt erst sicher entscheiden, ob ein Sediment in einem limnischen, bradkischen oder marinen Bildungsraum, und im letzteren Fall, ob es küstennah (litoral) oder küstenfern (pelagisch) gebildet wurde, ob ein Wasser bewegt und gut durchlüftet oder sauerstoffarm bzw. -frei und unbewegt (Stillwasser) war. Solche Unterschiedlichkeiten gleichaltriger Ablagerungen je nach den Verhältnissen des Milieus bedingen die F a z i e s eines Sediments, und zwar sowohl die petrographische Fazies (z. B. sandige oder kalkige Fazies) wie die biologische (z. B. Cephalopoden- oder Korallenfazies), wie die paläogeographische (z. B. marine oder limnische Fazies). Meist sind die Absätze zunächst locker (Sand, Schlick, Tonschlamm, Kalkschlamm u. a.). Im Fortlauf von Vorgängen, die als Diagenese bezeichnet werden, tritt gewöhnlich eine Verfestigung zu Sandstein, Schieferton, Kalkstein usw. ein. Dabei wird die Wasserfüllung der Poren (bis 80% des Volumens) durch Kalk oder ein anderes Zement (so Kieselsäure) ersetzt, oder sie wird unter Volumenschwund des Gesamtmaterials ausgepreßt; eingeschlossene Tiergehäuse, wie Cephalopodenschalen usw., können dabei geplättet werden. Ein wirtschaftlich besonders wichtiger Sonderfall ist die Diagenese pflanzlicher Substanzen („Inkohlung"). Sie führt vom Torf zur Braunkohle, von dieser zu Steinkohle und Anthrazit, zuletzt zu Graphit. Die Elementarbestandteile H und O nehmen dabei von 45 % beim Torf ab bis zu 0 % beim Graphit, während der Gehalt an Kohlenstoff (C) von 55 auf 100% ansteigt. — Eine andere diagenetische Reihe führt von organischer Substanz zu Bitumen, Erdöl und Asphalt.

Die Wirkungsweise der endogenen Dynamik

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Die Wirkungsweise der endogenen Dynamik Schon die Schwerkraft, die bei den bisher betrachteten Vorgängen überall und immer mit im Spiel ist, am sinnfälligsten bei Erdrutschen, Hangstürzen, dem Strömen der Flüsse, ist eine endogene Kraft insofern, als ihre Wirkung vom Erdmittelpunkt auszugehen scheint. Aber bei der Betrachtung der endogenen Dynamik lassen wir die Schwerkraft — oft zu Unrecht — im allgemeinen außer acht und verstehen darunter solche Vorgänge, die zweifellos vom Erdinnern her gesteuert werden und denen nicht ausschließlich die Schwerkraft zugrunde liegt. Man kann diese Vorgänge in zwei Gruppen aufteilen, in tektonische und magmatisdie, doch bestehen zwischen ihnen zeitliche und ursächliche Zusammenhänge. Tektonik Unter „Tektonik" verstehen wir ein Doppeltes, nämlich einmal die Lagerungsverhältnisse der Gesteine, wie sie uns die Natur heute darbietet („Strukturtektonik"), und zweitens die Vorgänge, die diese Lagerungszustände schufen („Tektogenese"). Das erste Teilgebiet beinhaltet Beschreibung eines Befundes, Bestandsaufnahme, das zweite die Deutung des Befundes hinsichtlich Zeitlichkeit, Dauer, Bewegungsvorgängen, verursachenden Kräften. Richtige Bestandsaufnahme und einwandfreie Deutung sind wichtig für viele praktische Fragen; so bestehen Zusammenhänge zwischen Verbiegungen der Erdkruste und dem Auftreten von Erdöl, der Zerspaltung der Kruste und dem Vorkommen von Erzgängen, und dem mannigfachen Auf und Ab gefalteter Kohlenflöze hat der Bergbau zu folgen. Die in den Aufschlüssen an der Erdoberfläche teils über weite Flächen hin — so im vegetationslosen Hochgebirge oder in den ariden Bereichen —, teils in kleinen Ausschnitten (Steinbrüchen, Tunnels, Bergwerken, Bohrungen)

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Erscheinungen u. Vorgänge in allg.-geolog. Sicht

zu beobachtenden Lagerungsverhältnisse sind außerordentlich mannigfach. Die ursprüngliche Lagerungsform einer Schicht bleibt nur über geologisch kurze Zeiten hin erhalten. Entweder erlebt sie eine Ortsveränderung derart, d a ß sie über ihr ursprüngliches Niveau aufsteigt oder absinkt, oder sie verändert ihre Form, oder — und das ist das Normale — sie erleidet sowohl eine Ortsänderung (Dislokation) wie auch eine Formänderung (Deformation). Die letztere kann derart sein, daß der Gesteinszusammenhang gewahrt bleibt, aber ursprünglich ebene oder wenig gekrümmte Schichten zu gekrümmten oder stark gekrümmten werden (Verkrümmungen), oder daß der Zusammenhang der Einzelteile unterbrochen wird, das Gestein zerbricht. Es entstehen dann bestimmte Trennflächen (Rupturen), an denen sich weiterhin Bewegungen vollziehen können, indem die Bruchstücke auseinanderrücken oder aneinander entlang gleiten oder beiderlei Bewegungen vollführen. Verkrümmungen Mannigfach können Gesteine „verkrümmt" sein, knieförmig (Flexuren), in nach oben gespannten Bögen (Sättel, Beulen), in nach unten konvexen Bögen (Mulden). Meist ordnen sich Sättel und Mulden zu ^ - f ö r m i g e n Gesamtgebilden zusammen, den „Falten", und diese in rhythmischer Wiederkehr hinwiederum zu Faltenbündeln. Die Gestaltung im einzelnen unterliegt größter Mannigfaltigkeit. Die Sättel können aufrechtstehen (die beiden Flanken sind dann symmetrisch, und die Achsenflächen in der Mitte, d. h. die Fläche, die die höchsten Punkte, den Scheitel, der einzelne Schichten miteinander verbindet, ist Symmetrie-Ebene), sie können gekippt sein -(die Achsenebene liegt Schräg im Raum) (Abb. 6), ja sie können fast horizontal liegen („liegende Falten"). In den beiden letzten

Die Wirkungsweise der endogenen D y n a m i k

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A b b . 6. U n s y m m e t r i s c h e F a l t e m i t g e n e i g t e n A d i s e n . O b e n noch v o l l s t ä n d i g , im u n t e r e n Blöde e i n g e e b n e t . D i e p u n k t i e r t e L i n i e bezeichnet d i e d u r d i d i e U m l e g u n g s s t e l l e n ( A p i k a l l i n i e n ) des S a t t e l s g e l e g t e „ A p i k a i e b e n e " (ScheitelAdisenebene). Nach H . C L O O S .

Fällen zeigen die Scheitel der Falten eines Bündels über weite Strecken hin meist nach der gleichen Seite, sie „vergieren" dorthin. In großen Faltengebirgen vergiert die eine zusammenhängende H ä l f t e eines Faltenbündels o f t gleichförmig in der einen Richtung, die andere H ä l f t e aber in entgegengesetzter. Wir sprechen von einem „zweiseitigen Orogen" mit einer „Scheitelung" in der Mitte. Im Längsverlauf wechselt die H ö h e der Faltenheraushebung gewöhnlich, die Faltenachsen steigen auf und ab, sie sind quergewellt. Einander parallele Sättel werden von dieser Querwellung o f t gleichförmig erfaßt, manchmal aber auch alternierend in der Weise, daß ein neuer Sattel sich heraushebt, während ein anderer eintaucht. Große Mannigfaltigkeit beherrscht auch die Dimension

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Erscheinungen u. Vorgänge in allg.-geolog. Sicht

der Falten. Solche der verschiedensten Ordnung (Groß-, Normal-, Kleinfalten) finden sich oft im gleichen Raum neben- und übereinander oder ineinander geschaltet und, wenn .im gleichen Bewegungsakt entstanden, auch ähnlich geformt und gleichgerichtet. Dabei besteht eine Abhängigkeit der Faltengröße von der Mächtigkeit der erfaßten Schicht; so zeigen dickere Bänke größere Amplituden als dünnere, und bei wechselnd mächtigem Material können übereinander verschieden dimensionierte Falten auftreten („disharmonische Faltung"). Großfalten 1. Ordnung sind immer also auch ein Ausdruck von Verlegungen mächtigerer Krustenteile, Kleinfalten dagegen sind mehr horizont- und schichtgebunden. Verbindet man korrespondierende Gewölbescheitel vieler gleichwertiger Falten eines Systems durch eine Tangentialfläche miteinander, so erhält man den „Faltenspiegel" (CLOOS), der in vielen Fällen in der Vergenzrichtung abfällt (so in einem großen Teil des Rheinischen Gebirges), in anderen dahin ansteigt (Basler Kettenjura), in wieder anderen wellig verläuft (Ostrand des Rheinischen Schiefergebirges), über ein ganzes Gebirge hinweg auch ein großes Gewölbe nachzeichnet. In m e c h a n i s c h e r Hinsicht sind zwei Grundtypen der Faltung zu unterscheiden, die „kompetente" und „inkompetente". Bei der ersteren verlaufen die einzelnen Gesteinsbänke innerhalb einer Falte einander weitgehend parallel, sie sind also nach gleichem Schema deformiert. Derartige Faltung ist immer verbunden mit gleitenden Parallelbewegungen („Abscherungsbewegungen") entlang den Schichtflächen auf den Sattelschenkeln, und überhaupt setzt die kompetente Faltung die Möglichkeit solcher Gleitbewegungen, also eine Gelenkigkeit durch die Existenz einer mechanisch wirksamen Schichtung voraus. Bei der inkompetenten Faltung dagegen reagiert die Gesamtheit des

Die Wirkungsweise der endogenen D y n a m i k

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Gesteins sozusagen wie eine plastische einheitliche Masse, und die Schichtflächen spielen nicht die Rolle echter Trennungsfugen, vielmehr etwa diejenige von Farbstreifen innerhalb einer Knetmasse. Die Verkrümmung, die zum Faltenbild führt, ist dabei eine Art trägen Fließens, wobei sich 'die feinsten Teilchen relativ zueinander um geringste Beträge entlang laminaren, weitgehend parallelen ebenen Flächen („Gleitbrettfaltung") oder mannigfachen, auch gekrümmten, auch wirbelnden Bahnen („Fließfaltung") verschieben. Für den Neuling ist es höchst verwunderlich, Gestein, z. B. Kalkgestein, das heute fest und spröde ist und das zweifellos" auch schon verfestigt war, als es deformiert wurde, in solcher Art wie eine zähe Flüssigkeit verformt zu sehen. Verständlich ist der Sachverhalt auch nicht unter den Bedingungen, wie sie an der Erdoberfläche bestehen, wohl aber unter denjenigen, die in großen Erdtiefen vorherrschen. Unter dem hohen „Umschließungsdruck" und der starken Erwärmung in großen Erdtiefen werden die festesten und sprödesten Körper zu weichen, dehnbaren, zumal wenn die Verformung sehr langsam, im geologischen Zeitmaß, erfolgt. Die Erdtiefe, in der solches geschieht, ist nun bei verschiedenartigem Gestein auch verschieden. So werden Steinsalz und Kalisalze schon in wenigen tausend Metern Tiefe zu „zähen Flüssigkeiten", während die sie überdeckenden Sand- und Kalksteine noch „normal", d. h. spröde und brechend, sich verformen. So pflegen die Salzlagerstätten die intensivste Fließfaltung zu zeigen; und wie eine in eine Tube eingeschlossene Paste unter dem Fingerdruck aus der Tubenöffnung ausfließt, vermögen die Salze unter Pressung in Sättel (Abb. 7), Spalten und Kanäle, die sie dabei erweitern oder bilden, nach oben auszubrechen, Salzstöcke („Diapire") bildend. Andere Gesteine gelangen erst in viel größerer Tiefe

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Erscheinungen u. Vorgänge in allg.-geolog. Sicht

Abb. 7. Vom Salzgebirge durchstoßener Faltensattel. D a s Ältere Steinsalz (Naä) stößt durch die jüngeren Salzschichten nach oben, in Buntsandstein (su — so); darüber Muschelkalk (mu — mo 2 ) und Keuper ( k u — , k o ) . Hildesheimer Wald. Nach FR. L O T Z E 1938.

in einen derartigen Zustand oder dann, wenn sie in bestimmten Bereichen besonders erhitzt, fast geschmolzen werden. Immer aber sind bei Faltungen Pressungsvorgänge im Spiel, seitliche Pressung, meist im Sinne einer „Knickung" (Kombination von Druck- und Biegebeanspruchung) bei kompetenter Faltung, oder seitliche Pressung, kombiniert mit unterschiedlichem Belastungsdruck, bei inkompetenter Faltung schlechthin, oder umgelenkte unterschiedliche Be-

Abb. 8. Großbeule mit Scheitelgraben und 5 verschiedenen Lavaaufbrüchen auf Radialspaltcn. Nach H . C L O O S .

Die Wirkungsweise der endogenen D y n a m i k

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lastungsdrucke, die ein Druckgefälle in der E r d r i n d e mit sich bringen, bei echter Fließfaltung. Nicht eigentlich „ F a l t u n g " im dargelegten Sinne sind Verbeulungen der Kruste, wobei vertikaler Massenauftrieb von unten her gegen Gesteinsverbände an der Oberfläche drückt, sie nach oben a u f t r e i b e n d (Abb. 8). Das drückende Medium k a n n aus der Tiefe aufsteigendes Salz eines Diapirs oder hochdrängende Silikatschmelze der Tiefenbereiche sein. Rupturen (unstetige Deformationen) Brüche sind Erscheinungen der höheren Krustenbereiche oder solcher, die keine tiefe Absenkung u n d d a m i t keine „Erweichung" oder Auf Schmelzung erfahren haben. Die einfachsten Formen sind die K l ü f t e ( D i a k l a s e n ) , die uns in allen Steinbrüchen als die das Gestein in Q u a dern zerteilenden Fugen entgegentreten (Abb. 9). B e i m A b -

A b b . 9. Flache B a n k u n g u n d steile K l ü f t u n g i m G r a n i t des R i e s e n g e b i r g e s ( F e l s g r u p p e d e r D r e i s t e i n e ) . P u n k t i e r t ein flacher, g r a n i t i s c h e r A p l i t g a n g . Nadi H. CLOOS.

bau folgt ihnen der Steinbrucharbeiter weitgehend, und so sind die A b b r u c h w ä n d e meist von solchen natürlichen K l ü f t e n gebildet. Solche „gemeinen K l ü f t e " treten meist in mehreren Scharen auf, wobei die K l ü f t e einer Schar

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Erscheinungen u. Vorgänge in allg.-geolog. Sicht

einander parallel verlaufen und zwei Scharen sich annähernd unter 90° kreuzen (zweischarige Kluftsysteme). Gelegentlich beobachtet man auch drei, einander etwa unter 60° schneidende Kluftsdiaren (dreischarige Kluftsysteme), manchmal sind auch zwei, je aus zwei Scharen bestehende Kluftsysteme ineinandergeschachtelt. Solche „gemeinen Klüfte" sind eine außerordentlich verbreitete Erscheinung sowohl in Sediment- wie in Magmagesteinen; sie ziehen sich wie ein feines Netz- und Linienwerk über weiteste Gebiete oft von überraschender Gleichförmigkeit (Abb. 10), ohne daß irgendwelche Be-

/

Abb. 10. Verschiedene Kluftrichtungen im G r u n d r i ß . Zwei zueinander rechtwinklige (orthogonale) Kluftscharen ordnen sidi zu einem „Kluftsystem". G r a n i t p l u t o n von Friedeberg in Schlesien. Nach FR. K. D R E S C H E R .

ziehungen zu bestimmten tektonischen Erscheinungen deutlich werden. Sie sind wohl von sehr früher Entstehung und offenbar mit großräumigen Verbeulungen und Verlegungen der Kruste in Verbindung zu bringen. Daneben gibt es andere, oft schief verlaufende Klüfte, die zweifellos enge Beziehungen zu bestimmten tektonischen Einzelerscheinungen haben; sie sind sozusagen embryonale Verschiebungsrupturen, von denen noch zu spre-

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chen sein wird. Während bei den gemeinen Klüften das Gestein nur einfach in Blöcke zerlegt ist, ohne daß merkliche Verschiebungen der Blöcke relativ zueinander eingetreten sind, prägen sich solche bei den Verschiebungsrupturen auf das deutlichste aus. Erfolgt die Bewegung senkrecht zu den (steilen) Klüften auseinander, so werden die Klüfte zu S p a l t e n , die mit Luft (offene Klüfte), Erdgas, Wasser, Erdöl, auch erstarrter vulkanischer Schmelze oder Mineralien, darunter Erzen, schließlich auch nachfallendem Erdreich von oben oder abbröckelnden Teilen der Wände (Brekzien) gefüllt sein

Ii Abb. 11. Eruptivgänge (schwarz und p u n k t i e r t ) auf Querspalten in gefalteten Silurschichten. Insel H o v e d ö im O s l o f j o r d . Nach W. C. B R O E G G E R .

können (Abb. 11). Die Mineralfüllung der Spalten geschieht teils durch Lösungsumsatz („Lateralsekretion") aus den Nebengesteinen — wobei z. B. in Kalksteinen sich Kalzit, in Sandsteinen, Grauwacken, Quarziten sich Quarz, in Gipsmergeln sich Gips, in Salzletten sich Steinsalz u. a. ausscheiden —, teils durch aus der Tiefe aufdringende Minerallösungen.

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Erscheinungen u. Vorgänge in allg.-geolog. Sicht

Die Spaltenbildung ist ein Dehnungsprozeß. Er kann die Fortsetzung des gleichen Dehnungs- oder Beulungsprozesses sein, der schon die Kluftanlagen schuf; solche Fälle sind Scheiteldehnung in Gewölben, Querdehnung in gestreckten Faltensätteln, Verbeulung bei magmatischem Auftrieb (Abb. 8, oben) oder über Salzdiapiren. In anderen Fällen gleiten die Teilkörper eng aneinander entlang, besonders bei schräger Neigung der Bruchflächen. Die V e r s c h i e b u n g s f l ä c h e n werden dabei geschliffen (Harnisch), manchmal regelrecht poliert (Spiegel), o f t geschrammt oder gestriemt (Rutschstriemen). Aus dem Verlauf der Striemung, die sich auch abgeschiedenen oder in Abscheidung begriffenen Kluftmineralien (wie Kalzit) mitteilen kann, ist die Verschiebungsrichtung ablesbar. Sich kreuzende Rutschstreifen zeigen dabei verschiedene Bewegungen zu verschiedenen Zeiten an der gleichen Zerteilungsfläche an.

A b b . 12. V e r s c h i e d e n a r t i g e V e r s c h i e b u n g e n z w i s c h e n G e s t e i n e n d e s G r u n d g e b i r g e s , d e s Zechsteins u n d d e r T r i a s a m S ü d r a n d des T h ü r i n g e r W a l d e s . V e r t i k a l s c h n i t t nach Aufschlüssen in E i s e n e r z g r u b e n . N a c h E . B Ö H N E .

Ist die Verschiebung entlang den Rutschstreifen derart erfolgt, daß die über der (geneigten) Kluftfläche gelegene

Die Wirkungsweise der endogenen D y n a m i k

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Scholle relativ zur anderen im wesentlichen aufwärts verschoben ist, so daß ältere Schichten über jüngere zu liegen kamen (Abb. 12, links, Abb. 13), so spricht man von „Auf-

A b b . 13. A u f s c h i e b u n g m i t s t a r k e r A u f b i e g u n g u n d Ü b e r k i p p u n g d e r Schichten d e r ü b e r s d i o b e n e n S d i o l l e ; A b t r a g u n g u n d D u r c h t a l u n g . Blockschema nach d e m Beispiel des H a r z r a n d e s bei H a r z b u r g . N a d i H . - C L O O S .

Schiebung" oder „Überschiebung" (auch widersinnige Verwerfung); sehr flache Überschiebungen werden als „Decken" bezeichnet (Abb. 16). Ist die Verschiebung "in entgegengesetztem Sinne erfolgt, so liegt eine Abschiebung (rechtsinnige Verwerfung) vor (Abb. 12, rechts). Ist die Bewegung vorwiegend in der Horizontalen verlaufen, so haben wir es mit einer „Blattverschiebung" zu tun. Die äußere Erscheinungsform solcher mechanisch ganz verschiedenartiger und verschiedenwertiger Erscheinungen kann sehr ähnlich sein. Das Ausmaß der Verschiebung ergibt sich aus dem Abstand korrespondierender Punkte, also ursprünglich benachbarter Punkte, gemessen entlang der Verschiebungsfläche. Die Aufschlußverhältnisse erlauben es oft nicht, den Gesamtbetrag dieser „Verschiebungsgröße" zu bestimmen. i Lotze. Geologie

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Erscheinungen u. Vorgänge in allg.-geolog. Sicht

Ein Mindestbetrag, nämlich die in Richtung des Einfallens der Störung entfallende Komponente, ergibt sich aus der Entfernung der Teilstücke einer Schichtfläche in einem Profil quer zur Verschiebungsfläche. Die „Sprunghöhe" einer Verwerfung ist der gleiche Abstand, doch nicht entlang der Störungsfläche, sondern senkrecht zu den Schichten gemessen. Alle möglichen Beträge von Bruchteilen eines Zentimeters bis zu über 1000 m werden beobachtet. Eine dritte Kategorie von Rupturen sind die A b s c h e r u n g e n . Es sind das schichtparallele Verschiebungsflächen, die dieser besonderen Lage wegen im Gesteinsverband gar nicht recht in Erscheinung treten und sich oft erst als dünne Brekzienbänder oder Schmierzonen bei der Detailuntersuchung zu erkennen geben. Auch ist die Verschiebungsrichtung und -große meist schwer festzustellen; sie lassen sich z. B. an einer Seitenverschiebung querender Gänge u. ä. ablesen. Auch hier kann der Bewegungsvorgang mannigfach sein. Bei kompetenter Faltung bilden sich solche Abscherungen auf den Sattelflanken aus; hier sind die Gleitbewegungen der hangenden Schichten gegenüber den liegenden aufwärts gegen den Sattelscheitel gerichtet. Unter anderen Bedingungen können sich Abscherbewegungen in umgekehrtem Sinne oder in horizontaler Richtung ereignen; der Natur stehen alle Möglichkeiten offen. Die beschriebenen Verschiebungsformen treten meist nicht isoliert auf, sondern ordnen sich gewöhnlich zu gesetzmäßigen Verbänden zusammen. Parallele Abschiebungen bilden Schollentreppen, wobei sich je nach der Gesteinsneigung im Verhältnis zur Neigung der Störung homothetische oder antithetische Schollentreppen unterscheiden lassen (Abb. 14). Gegeneinander konvergierende Abschiebungen bilden Gräben (Abb. 15 und 12, Mitte) und Horste, wobei sich je nach dem Verhalten der Störungen in ihrem Schnitt-

Die Wirkungsweise der endogenen Dynamik

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51

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Abb. 14. Antithetische Bruchschollen und Gräben in Vertikalschnitten. Basler T a f e l j u r a . Nach H . C L O O S 1910.

gebiet Unterformen (X-, Y-Graben) unterscheiden lassen. Überschiebungen vereinigen sich zu Oberschiebungshorsten und überschobenen Gräben; die Flanken eines Salzstocks sind oft oben trichterförmige, sich rundum schließende, nach unten konvergierende bzw. zu schornsteinförmigen

Abb. 15.

Blockschema eines Grabens. Oben vor, unten nach der Einebnung. Nach H . C L O O S . 1—3: verschiedene Schichten. A.-FI.: Abschiebungsfläche m i t Gleitstreifen. AE und F C : Sprungweite. EB und F D : Sprunghöhe der Randabschiebungen des Grabens. 4*

52

Erscheinungen u. Vorgänge in allg.-geolog. Sicht

Kanälen sich verengende zusammenhängende Überschiebungsbahnen. Parallele Uberschiebungen sind Schuppensysteme, oder bei extrem flacher Lagerung Deckenstapel (Deckensysteme mit ihren Teildecken). Dynamische

G l i e d e r u n g der Formen

tektonischen

Hinsichtlich der vorwiegenden Bewegungen u n d der zugrunde liegenden Hauptbeanspruchungsrnotive können wir den ganzen Reichtum der tektonischen F o r m e n in drei G r u p p e n teilen: 1. A u s w e i t u n g s f o r m e n (Abschiebungen, D e h n u n gen, Spalten) sind solche, bei denen die Bewegungen im Sinne einer Auflockerung des Verbandes u n d eines Auseinanderrückens der Bausteine erfolgt sind. D e r zugrundeliegende K r ä f t e p l a n ist derjenige der Z e r r u n g (vorwiegend Zugbeanspruchung). 2. Bei den E i n e n g u n g s f o r m e n (wozu echte Faltung, Überschiebung u n d damit verbundene P h ä n o mene gehören) ist das Gestein auf engeren R a u m zusammengeschoben b z w . bewegt w o r d e n . Z u g r u n d e liegt seitliche Pressung (vorwiegende . D r u c k b e a n s p r u chung mit weitgehend horizontalen K o m p o n e n t e n ) . 3. Reine V e r t i k a l t e k t o n i k (Beulung, D i a p i r t e k t o nik u. ä.) b r i n g t Einengungs- u n d Ausweitungsformen nebeneinander; die Effekte ergänzen sich aber in der H o r i z o n t a l e n zu N u l l . Z u g r u n d e liegen reine Biegebeanspruchung (ohne 'Seitliche Einengung) oder vertikale Pressung. Meist sind Formen gleichen Grundcharakters, wie Ü b e r schiebungen u n d Faltungen, im gleichen System miteinander kombiniert (Abb. 16). Aber auch Formen einander entgegengesetzten C h a r a k t e r s können in einem u n d demselben R a u m neben- und durcheinander a u f t r e t e n , so E r -

Die Wirkungsweise der endogenen D y n a m i k

53

Abb. 16. Kleine Ubcrsdiiebungsdedien im Schweizer F a l t e n j u r a . Nach E. L E H N E R .

scheinungen der Ausweitungs- und solche der Einengungstektonik. Sie- entstammen dann aber nicht dem gleichen tektonisdien Akt, sondern verschiedenen, einander zeitlich folgenden. Auch können in einem ersten Akt gebildete Ausweitungsformen (z. B. Gräben) in einem zweiten Akt durch Pressung überprägt werden (gepreßte Zerrungsgräben) und umgekehrt (gezerrte Pressungsformen). Mit der morphologischen Analyse der tektonischen Phänomene muß also auch eine zeitliche verbunden sein, um zu einem wirklichen Verständnis des Geschehensablaufs zu kommen. Die G e b i r g s b a u t y p e n Die verschiedenen tektonischen Formen, von denen die Rede war (Falten, Brüche usw.) sind auf der Erdoberfläche nicht regel- und gesetzlos verteilt, sondern ordnen sich zu größeren Bereichen („Gebirgen") zusammen, denen ähnliche Bauanlagen eigen sind. So lassen sich folgende Bautypen unterscheiden: 1. B l o c k - o d e r S c h o l l e n g e b i r g e : Die Gesteinsverbände sirtd im Innern wenig deformiert, sondern zeigen auf weite Erstreckung hin noch ihren ursprünglichen Aufbau. Sie sind durch große Bruchlinien in Schollen zerteilt, die gekippt sein und sich in verschiedener Weise aus- oder gegeneinander oder aneinander

54

Erscheinungen u. Vorgänge in allg.-geolog. Sicht

entlang bewegt haben können. Distraktive (zerrende) Tendenzen sind häufig (Beispiel: Südhessen, Basler Tafeljura, Abb. 14). 2. B r u c h f a l t e n g e b i r g e : Zu den Schollenbewegungen und Schollenkippungen gesellen sich Verbiegungen entlang Falten- und Muldenachsen, manchmal verschiedenen Streidiens. Dabei kommt es jedoch kaum zur Ausbildung geschlossener Faltenbündel und Faltensysteme. Bruchformen treten stark hervor. Einengungsund Ausweitungserscheinungen verschiedener, manchmal auch gleicher Richtung fehlen nicht und sind mit den Pressungsphänomenen mannigfach verquickt (Beispiel: Hannoversches Bergland, Abb. 12). 3. F a l t e n g e b i r g e : Die Faltung gibt den Bauverhältnissen das Gepräge. Die Falten bilden zusammenhängende, auf größere Enfernung durchhaltende Parallelsysteme. Überschiebungen sind oft auf den liegenden Faltensdienkeln vorhanden, aber einfache Brüche sind Ausnahmen. Distraktive Tendenzen werden nur in der Querrichtung zum Faltenstreichen deutlich. Die Einengung durch Faltung beherrscht das Bild (Beispiel: Schweizer Faltenjura, Abb. 16). 4. D e c k e n g e b i r g e : Die Faltung übersteigert sich zu weit ausholenden liegenden Falten mit ausgewalzten oder ganz unterdrückten Liegendschenkeln. Stärkste Pressung dokumentiert sich und führt zu großen Einengungseffekten (Beispiel: Alpen, Abb. 17). 5. I n t r u s i o n s g e b i r g e : Zur Faltung kommen in starkem Maße tiefenmagmatische Vorgänge, Aufschmelzungen und Umkristallisierungen. Über die zugrundeliegenden Vorgänge wird weiter unten (S. 73 ff.) eingehender berichtet (Beispiel: Sachsen und Sudeten). Die Aufeinanderfolge von 1 bis 5 bedeutet eine Steigerung der tektonischen Verformung von örtlicher -Dislo-

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Erscheinungen u. Vorgänge in allg.-geolog. Sicht

zierung entlang schmalen Bruchzonen bis zur völligen, weiträumigen Veränderung und Umprägung des Gesteinsgefüges. Zugleich bedeutet sie eine Änderung der H a u p t reaktionsart von spröde mit einfacher Spannungsauslösung durch Bruch zu halb- bis vollplastischem u n d zuletzt halbflüssigem Verhalten. Anders ausgedrückt: die ersten tektonischen Reaktionsformen sind solche festerer, stabilerer Bereiche, die letzten solche mobiler. Die beiden ersten Typen werden auch als „germanotype Gebirge", die übrigen als „alpinotype Gebirge" zusammengefaßt (H. STILLE). Darin kommt zum Ausdruck, daß die „höheren" Formen dem Alpenorogen (und verwandten Gebirgen) eigen sind, die beiden „niederen" Formen dem nördlichen Vorraum der Alpen, dem süd-, mittel- bis norddeutschen Bereich. Die Unterscheidung ist nicht nur eine reine Formsache, sondern es liegen tiefere Motive zugrunde. So sind der Gesamtablauf der Gebirgsbildung und die Vor- und Nachgeschichte in den alpinotypen Gebirgen anders als in den germanotypen (vgl. S. 64 ff.). Die tektonischen Vorgänge in ihrem Zeitablauf Heutige

Bo d en b ew egu n ge n

Das Verständnis der Vorgänge der Vergangenheit, die uns ja nur in erstarrter, versteinerter Form überliefert sind, wird durch eine Betrachtung der gegenwärtigen Geschehnisse, die sich unmittelbar vor unseren Augen abspielen, sehr gefördert und belebt (Prinzip des Aktualismus). Wir beobachten heute zweierlei, in ihrer Erscheinungsform und ihrem Wesen durchaus verschiedene Vorgänge. Die einen, die säkularen Krustenbewegungen, verlaufen sehr langsam, unspürbar und werden erst durch langjährige Summation der Einzeleffekte erkennbar oder meßbar. Pegelbeobachtungen am Meeresufer, wiederholte Präzi-

Die tektonischen Vorgänge in ihrem Zeitablauf

57

sionsnivellements lassen sie erschließen. Außerdem ergreifen sie gleichermaßen oder gleichsinnig weite Gebietsräume. So ist seit langem bekannt, daß große Teile Skandinaviens gegenwärtig in Hebiing begriffen sind. In Stockholm macht sich das in einem Sinken des Ostseespiegels bemerkbar: er ist zwischen 1825 und 1925 um rd. 45 cm gesunken, d. h. um soviel hat sich der Boden relativ zum Meeresspiegel gehoben. D a ß es sich dabei um eine seit langem anhaltende Bewegung handelt, ist aus der Höhenlage von Brandungsterrassen des Meeres abzulesen, die z. B. in norwegischen Fjorden landeinwärts ansteigen, obgleich sie ursprünglich horizontal waren. Kombiniert man alle Einzelbeobachtungen, so ergibt sich das Bild einer schildförmigen Hochwölbung Fennoskandias (Abb. 18), die

Abb. 18. Nacheiszeitliche epirogene A u f w ö l b u n g Fennoskandiens. Links Gesamthebung seit der Yoldia-Zelz in m (seit 7700 v. C h r . ) ; rechts gegenwärtiges Aufsteigen in m m / J a h r . Aus K A Y S E R - B R I N K M A N N .

im Maximum, nämlich im Nordteil des finnischen Meerbusens, seit der Yoldiazeit, d. h. im Laufe von rd. 9700 "Jahren, über 300 m betrug. Gegen die Ränder Fennoskan-

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Erscheinungen U.Vorgänge in alig.-geolog. Sicht

dias zu sinkt der Hebungsbetrag auf 0 m, und weiterhin, so in der Nordsee, der südlichen Ostsee und der norddeutschen Tiefebene, verkehrt sich das Vorzeichen der Bewegung; der Untergrund ist hier seit der Eiszeit gesunken. So liegen z. B. 9000 Jahre alte Torfe, also Bildungen des Süßwasserbereichs, in der südlichen Nordsee unter dem Meeresspiegel. Auch das ständige Vorgreifen („Transgression") des Meeres an der Nordseeküste, ruckweise gesteigert bei Sturmfluten, hat eine wesentliche Ursache in der Küstensenkung, die den exogenen Zerstörungskräften* vorarbeitet. Anderswo hat man Beweise für einen zeitlichen Wechsel der Bewegungstendenz. So zeigen Löcher von Bohrmuscheln an den Resten des Serapis-Tempels in Pozzuoli bei Neapel, daß dieses einst auf dem Festland errichtete und auch heute wieder auf trockenem Boden stehende antike Bauwerk zeitweilig bis über 6 m unter den Meeresspiegel versenkt war. Wieder anderswo ergeben die Messungen Bewegungen in der Horizontalen neben solchen in der Vertikalen; so haben sich die Bayerischen Alpen der Stadt München von 1801—1905 um 34 m genähert, wobei sich der Boden gleichzeitig nach unten durchbog. Diesen langsamen, säkularen Hebungen und Senkungen stehen in den Erdbeben plötzliche, rudiartige Bodenbewegungen gegenüber. Sie beruhen in der momentanen Auslösung von Spannungen, wobei Krustenteilchen Beschleunigungen erfahren. Diese gehen von dem eigentlichen Erdbebenherd, dem „Hypozentrum" aus, das eine annähernd punktförmige oder eine flächenhafte oder eine räumliche Dimension haben kann. Die Beschleunigungen pflanzen, sich als „Erdbebenwellen" vom Hypozentrum aus in allen Richtungen fort, erreichen am ehesten und stärksten den unmittelbar über dem Herd gelegenen Bereich der Erdoberfläche (Epizentrum) und nacheinander auch weiter entfernte Punkte. Die Bebenstärke (gemessen nach

Die tektonischen Vorgänge in ihrem Zeitablauf

59

einer zwölfgradigen Skala) entspricht der auftretenden Maximalbeschleunigung, die alle Werte bis über 500 cm/sec 2 und bis über das V2fache der Schwerkraft annehmen kann. Bei Beben 6. Grades werden erste leichte Beschädigungen an Gebäuden beobachtet, diese werden mit zunehmender Stärke schwerer und umfangreicher. Beben der Stärke 9 bis 12 sind vernichtend und können große Katastrophen bedeuten, besonders wenn sie sich im Küstenbereich abspielen, wo sie oft gewaltige Flutwellen des Meeres auslösen (so Messina 1908 mit 86 000 Toten, Lissabon 1755 mit 32 000 Toten, J a p a n 1923 mit 100 000 Toten). Die Fortpflanzungsgeschwindigkeit der Erdbebenwellen, die teils als transversale (wie Licht), teils als longitudinale (wie Schall) die Erdschichten durchlaufen, zum Teil auch an der Erdoberfläche entlang wandern, hängt ab von der Art der Wellen und von Elastizität und Dichte des durchlaufenen Gesteins. Darum läßt sich aus den Laufzeiten Aufbau und Beschaffenheit des Erdinnern ableiten; auch läßt sich aus dem Zeitintervall, mit dem Longitudinal- und Transversalwellen vom gleichen Bebenherd an einer Beobachtungsstation eintreffen, wo sie mittels empfindlicher Geräte, der Seismographen, aufgezeichnet werden, die Entfernung dieser Station vom Herd errechnen. Mit den schweren Beben sind an der Erdoberfläche oft Krustendeformationen verbunden: Spalten reißen auf, Hebungen oder Senkungen vollziehen sich, seitliche Verschiebungen an bestehenden Verwerfungen oder an neu aufreißenden Rupturen treten ein. So verschob sich bei dem schweren kalifornischen Erdbeben 1906 entlang der 435 km langen San-Andreas-Spalte die südwestliche Scholle gegenüber der nordöstlichen um 3 m gegen Nordwesten. Wiederholen sich solche Bewegungen bei verschiedenen Beben an der gleichen Linie im gleichen Sinne, so kann die Summierung im Laufe der Zeit beträchtliche

60

Erscheinungen u. Vorgänge in allg.-geolog. Sicht

Effekte ergeben. So ist auch die San-Andreas-Spalte eine häufig bewegte, schon etwas ältere Verwerfungslinie von fast 1000 km Länge. Die B e w e g u n g s v o r g ä n g e der Vergangenheit

geologischen

Schon die Betrachtung der Hebung Skandinaviens führte aus der Gegenwart zurück in die geologische Vergangenheit. Ebenso zeigt sich die S e n k u n g N o r d d e u t s c h 1 a n d s als eine durch lange Zeiten rückwärts verfolgbare Erscheinung. Denn hier haben sich während des Tertiärs, während der Kreidezeit, während des Juras und auch schon während der Trias- und Permformation (vgl. S. 131 f.) Sedimente bis zu einer Gesamtmächtigkeit von mehreren tausend Metern angesammelt. Es handelt sich dabei teils um Flachwassersedimente eines Schelfmeeres, das zeitweilig brackisch wurde und auch ganz aussüßte, teils um kontinentale Bildungen (im Buntsandstein und Keuper) oder lagunäre Salzablagerungen (im Perm und der Trias). Hier lag also nicht eine zunächst mehrere 1000 m tiefe-morpbologische Depression von Tiefseecharakter vor, die allmählich aufgefüllt wurde, sondern hier war die Erdoberfläche dem Meeresspiegel von vornherein recht nah und blieb ihm nah, und so ist die große Mächtigkeit der Absätze nur durch eine stetige Senkung des Bodens erklärbar, die derart verlief, daß sich über sehr lange Zeit hin Senkungsbetrag und Sedimentdicke kompensierten. H e b u n g s v o r g ä n g e sind weniger leicht erkennbar. Die aufsteigenden Gebiete sind ja die Werkstätten der Abtragung; hier werden die geologischen Dokumente ständig entfernt. Indirekt läßt sich auf langdauernde H e bung dann schließen, wenn besonders alte Gesteinsbildungen, nämlich der präpaläozoische Sockel der Erdkruste, zutage erscheinen, wobei sich die abgehobelten Späne in

Die tektonischen Vorgänge in ihrem Zeitablauf

61

Sedimentationsräumen am Rande der Hebungsbereiche angesammelt haben. Die Hebungs- und Senkungsvorgänge, die sich heute als „säkulare Krustenbewegungen" charakterisieren, kennzeichnen sich in der geologischen Vergangenheit als langsam verlaufende großräumige Verbiegungen, als „Wellenwurf großer Spannweite", als „Undationen". Sie werden in ihrer Gesamtheit als „Epirogenese" bezeichnet (GILBERT, später besonders H . STILLE). Die Hebungsbereiche heißen „Geantiklinalen", die Senkungsbereiche „Geosynklinalen". Als Prototypen der Geantiklinalen können die „alten Schilde" (z. B. Baltischer und Kanadischer Schild) gelten, als Prototyp der Geosynklinalen gilt seit HALL und DANA der Appalachen-Trog an der Ostseite Nordamerikas, in welchem sich im Laufe des Kambriums und Ordoviziums bis 6000 m Sedimente absetzten. Außerordentlich mächtige Schichten, nämlich bis über 20 000 m, haben sich in Europa in der „Baskischen Geosynklinale" während des Mesozoikums u n d Alttertiärs abgelagert. Es gibt verschiedene Typen von Geosynklinalen. Zu ihnen gehören sowohl die großen Meeresräume, wie der Pazifik oder der Atlantik, wie auch innerkontinentale Becken und Senken. Eine besondere Rolle spielen die sogenannten „Orthogeosynklinalen („Eugeosynklinalen" oder „eigentliche Geosynklinalen"); sie sind im allgemeinen sehr lang gestredet, o f t leicht gewunden, und dabei relativ schmal. In ihnen sind die Absenkungstendenzen besonders stark, und sie sind überdies die Geburtsstätten der alpinotypen Gebirge. In ähnlicher Weise kann man auch bei den Geantiklinalen verschiedene Typen unterscheiden, so außer den ausgedehnten flachen „Schilden" die sich auf weitere Erstrekkung hinziehenden Schwellen im Innern von Geosynklinalen oder Meeresgebieten (Mittelschwelle des Atlantik).

62

Erscheinungen u. Vorgänge in allg.-geolog. Sicht

Gegenüber den Epirogenesen als den langsamen, sozusagen sanften und strukturerhaltenden tektönisdien Vorgängen sind die Orogenesen diejenigen Vorgänge, die die Struktur des Bodens bestimmen und bestehende Strukturen verändern. Hierzu gehören die Faltungs- und Zerbrechungserscheinungen größeren Ausmaßes.

Abb. 19. Schema einer D i s k o r d a n z (im Vertikalsdinitt): D i e tieferen Schichten w u r d e n zuerst gefaltet und „transversal geschiefert", d a n n die Falten eingeebnet, danach die höheren Schiditen d i s k o r d a n t auf dem Faltenrumpf abgelagert, beginnend mit groben Gerollen aus dem U n t e r g r u n d . Nach H. CLOOS.

Das Alter solcher Ereignisse läßt sich aus auftretenden Winkel-Diskordanzen ablesen. Man versteht darunter die Sachlage, daß ein deformiertes Schichtsystem mit deutlicher Trennfuge von einem nicht oder wesentlich schwächer dislozierten System überdeckt ist, während bei konkordanten Folgen die einzelnen Schichten parallel zueinander gelagert sind. So sind im Beispiel der Abb. 19 die Schichten der unteren und oberen Einheit je in sich konkordant, die beiden Einheiten verhalten sich dagegen zueinander diskordant. Offenbar ist n a c h Ablagerung des unteren Systems und v o r Ablagerung des oberen der Deformationsvorgang, die „Oogenese", eingetreten. Sie ist

Die tektonischen Vorgänge in ihrem Zeitablauf

63

also jünger als die jüngste Schicht des unteren Schichtstapels, aber älter als die älteste des oberen. H . S T I L L E hat die Schichtfolgen in den verschiedensten Gebieten der Erde hinsichtlich des Auftretens klarer Faltungsdiskordanzen untersucht; dabei hat sich ergeben, daß es nur eine beschränkte Zahl von Zeiten mit echten Orogenesen gibt und daß diese Zeiten, die als „orogene Phasen" bezeichnet werden, im Verhältnis zur Gesamtdauer der Erdgeschichte recht kurz sind, wenngleich sie natürlich in menschlichem Zeitmaß durchaus noch als lang erscheinen (Größenordnung bis mehrere 100 000 Jahre). Zugleich hat sich gezeigt, daß dieselben Zeitausschnitte sich oft in verschiedenen, sogar sehr weit auseinander liegenden Gebieten der Erde als orogen kennzeichnen. Andernorts, wo sich keine eigentlichen Orogenesen abspielten, trat doch vielfach eine Verstärkung der epirogenen Bewegungen ein („Synorogenesen"). Es ergibt sich also, daß das epirogene Geschehen, also die langsamen, sozusagen bruchlosen Verbiegungen, der „normale" tektonische Vorgang auf der Erde ist und daß sich als vorübergehende Unterbrechung des normalen Ablaufs die Unruhe des Bodens zu gewaltsamem Umsturz, zur Orogenese, steigert („Evolution" und „Revolution"). Es liegt nahe zu fragen, ob die heutige Zeit als orogene Phase oder als epirogene Zeit anzusprechen ist. Häufiges Auftreten von Erdbeben mit z. T. beträchtlichen Bodenbewegungen, gelegentlich beobachtete Verbiegungen von Erdölleitungen und Bohrrohren in der Erde könnten als orogene Erscheinungen gewertet werden; aber einem eigentlichen alpinotypen Faltungsakt großen Ausmaßes wohnen wir sicher nicht bei. Auf der anderen Seite scheinen die r e i n epirogenen Erdzeiten der Vergangenheit wesentlich ruhiger gewesen zu sein als unsere Gegenwart. Viel-

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Erscheinungen u. V o r g ä n g e in a l l g . - g e o l o g . Sicht

leicht darf man deshalb die heutige Zeit definieren als eine solche schwacher Orogenese. Erdzustände und Gesamtablauf des geotektonischen Geschehens Nach H . STILLE läßt sich die heutige Erdkruste nach ihrem geotektonischen Verhalten in drei Hauptbereiche aufgliedern. „Hochkratone" sind die höher hervorragenden festen Bereiche, die Kontinente (zu denen auch die Schelfregionen gehören); sie haben alpinotype Faltungen früher erlebt, sind aber nunmehr zu solchen nicht mehr befähigt; „Tiefkratone" sind gleichfalls feste Bereiche, aber solch« geringer Höhenlage, wie etwa der weite R a u m des Pazifiks. „Mobile Bereiche" sind die noch ungefalteten Orthogeosynklinalen. Die verschiedenen Zustände können ineinander übergehen im Lauf spezifischer geotektonischer Vorgänge. So sind die mobilen Bereiche die Geburtsstätten der alpinotypen Gebirge, aber durch die alpinotype Orogenese werden sie zu Hochkratonen. Diese können, sofern die Faltung zu einer Stabilisierung ausreichte, nicht erneut alpinotyp gefaltet, sondern nur noch germanotyp disloziert werden. Erst durch besondere Senkungsvorgänge im Sinne erneuter Geosynklinalbildung können sie wieder mobilisiert werden („Regeneration"). Aus Tiefkratonen können keine Hochkratone werden, und so sind diese von hohem Alter („Urozeane"). Hochkratone können zerstört werden und in Einzelblöcke zerfallen, indem Zwischenstücke absinken und zu Tiefkratonen werden. Die Orogenesen sind hiernach „Transformationsvorgänge", die mobile Bereiche zu festen machen. Dabei gehorcht die Entwicklung der ganzen Erde den gleichen Gesetzen und dem gleichen Grundschema; so ist die Entwicklung Europas beispielhaft auch für die Entwicklung anderer Kontinente.

Erdzustände u. Gesamtablauf d. geotektonischen Geschehens

65

Sie verlief hier in den großen Zügen folgendermaßen: Während des Jungalgonkiums wurden im Verlauf eines weltweiten Regenerationsvorganges, des „Algonkischen Umbruchs", ausgedehnte Geosynklinalen angelegt. In Europa erfaßte er den Gesamtraum außer „Fennosarmatia" im Nordosten, das das von Finnland und Schweden bis Südrußland reichende Gebiet umgreift, und den nordwestlichen Rand Schottlands („europäische Urkerne"). In den nachfolgenden Faltungsären wurden dann nach und nach Teile des Geosynklinalraums, voranschreitend von Norden nach Süden, kratonisiert und damit den „Urkernen" angegliedert. So verschmolz zunächst Fennosarmatia mit dem nordschottischen Urkern („Paläo-Europa"), weiter gliederten sich im Süden ein breites Konsolidationsgebiet im jüngeren Paläozoikum an („ Meso-Europa") und schließlich im jüngeren Mesozoikum und im Känozoikum das alpidisdhe System des Mediterranbereichs ( „ N e o Europa"). Europa wuchs also von Norden nach Süden, indem sich „Deszendenzen" um die Urkerne legten. Ähnlich wuchs Afrika von Süden 'nach Norden und Nordamerika von Norden („Laurentia") aus nach Südosten und Südwesten. Der orogenetische Gesamtprozeß verläuft also im Sinne einer Zunahme der kratonischen Bereiche, d. h. in Richtung einer Kratonisierung der Gesamterde. Heute sind kaum noch mobile Gebiete vorhanden, die in der Zukunft noch ausgedehntere alpinotype Faltengebirge gebären könnten, — falls nicht etwa ein neuer „Umbruch" einen neuen Großzyklus einleiten würde. Kurz vor dem „Algonkischen Umbruch" war nach mit der „Megagäa" ein ähnlicher Zustand recht vollständiger Konsolidation bereits erreicht (Abb. 20 a); er wurde durch die große Regeneration des Algonkischen Umbruchs überwältigt (Abb. 20 b). STILLE

5 Lotze, Geologie

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Erscheinungen u. Vorgänge in allg.-geolog. Sicht

'F S Uratiant, A » !

fo

IL.

A b b . 20 a u n d b. D a s E r d b i l d , b e s t i m m t durch die g r o ß e K o n t i n e n t a l m a s s e „ M e g a g ä a " "vor d e m A l g o n k i s c h e n U m b r u c h (oberes B i l d ) u n d d e r Z e r f a l l d e r M e g a g ä a durch d i e A n l e g u n g m o b i l e r Bereiche ( p u n k t i e r t ) d u r c h d e n A l g o n kischen U m b r u c h ( u n t e r e s B i l d ) . N a c h H . S T I L L E .

Die „geotektonischen Ären" (seit dem Algonkium vier) umfassen größere Zeiträume, aber die Orogenesen selbst

Exogene u. endogene D y n a m i k in Wechselbeziehung

67

nehmen von- ihnen nur zeitlich kurze Ausschnitte ein. Die orogenen Einzelphasen scheinen sich weiter aus einer großen Zahl von Einzelrucks nach Art von Erdbeben zusammenzusetzen, also sozusagen eine abnorme, über das heutige Maß hinausgehende Steigerung der Erdbebentätigkeit darzustellen. Exogene und endogene Dynamik in Wechselbeziehung Die zuvor (S. 22 ff.) betrachteten exogen-dynamischen Vorgänge sind mit den tektonischen Geschehnissen der endogenen Dynamik aufs engste verbunden. Beide zusammen vollenden erst den Stoffkreislauf. Die tektonischen Kräfte erzeugen das Gefälle auf der Erdrinde, den Gegensatz von Hoch und Niedrig, der für Ablagerung, Transport und Abtragung so wichtig ist . Es gibt keine isolierten Bereiche, sondern nur ein gemeinsames Kraftfeld der Erdrinde, in welchem das Geschehen abläuft. Die vom Erdinnern herkommenden und die von außen auf die Erde eingestrahlten Energien halten g e m e i n s a m die geologischen Formungs- und Umformungsprozesse im Gang. Abtragung und Sedimentation wirken ihrerseits auf das endogen-dynamische Geschehen der Erdtiefen ein. Denn Abtragung bedeutet Entlastung, Ablagerung Erhöhung der Auflast. Im „latent-plastischen" Bereich der Tiefe entstehen so Druckgefälle, die zu seitlichen Stoffverschiebungen führen können. Die Erdkruste strebt einem Zustand der Ausgeglichenheit zu derart, daß oberhalb einer bestimmten Tiefe („Ausgleichstiefe") überall die gleichen Massen liegen. Leichtere Gesteine ragen höher hinauf, schwerere weniger hoch, so daß das geringere Gewicht der ersteren durch größeres Volumen wettgemacht wird („Isostatischer Zustand"). Abtragung zieht daher neue Hebung nach sich, Ablagerung neue Senkung. Beide Prozesse sind miteinander gekoppelt, und dem exogenen Materialtrans5*

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Erscheinungen u. V o r g ä n g e in allg.-geolog. Sicht

port vom Hebungs- zum Senkungsgebiet an der Erdoberfläche entspricht ein endogener Rückstrom im Tiefenbereich. Thermo-dynamische Prozesse in der Tiefe (radioaktiver Zerfall schafft Energie in Form von Wärme) und die exogenen Strahlungsenergien liefern die nötigen Zusatzkräfte, um das Gesamtgeschehen lange Zeit in Gang zu halten. Das magmatische Geschehen Vulkanismus Es gibt auf der Erde gegen 476 „tätige" Vulkane. Manche davon scheinen erloschen, haben aber noch in historischer Zeit Ausbrüche gezeitigt. Viele Beobachtungen an solchen rezenten Vulkanen vermitteln uns das Gesamterscheinungsbild des Vulkanismus und werfen zugleich Licht auf entsprechende Vorgänge der geologischen Vergangenheit. Allen diesen V u l k a n e n , die der Erdoberfläche auf dem Festland oder im Meer aufgesetzt sind, ist gemeinsam, daß hochtemperierte, energiegeladene flüssige und gasförmige Stoffe ( „ M a g m a " ) aus mehr oder weniger großer Tiefe zur Erdoberfläche aufsteigen und damit den Bereich der festen Kruste verlassen (Abb. 21). Im einzelnen ist der Geschehensablauf verschieden je nach der chemischen Zusammensetzung der Schmelze, besonders dem Gehalt an Kieselsäure, dem Anteil gasförmiger Bestandteile, der Temperatur, der Geschwindigkeit der Abkühlung, dem Milieu (Festland oder submarin). Hochtemperierte und kieselsäurearme Laven, wie die aus großer Tiefe aufsteigenden simatischen Laven (Basalt und Verwandte), sind leichtflüssig. Sie führen zu flachen, oft riesig weit ausgebreiteten Deckenergüssen („Nordatlantischer Basaltpanzer", Plateaubasalte in Indien mit Vi Mill. km 2 Ausdehnung, Basaltdecken in Britisch-Kolumbien u. a.). Ähnlich,

Das magmatische Gesdiehen

69

Abb. 21. Lavaströme aus dem Vesuvkrater (oben), 1929, 5 km lang. N a d i H. CLOOS.

doch etwas steiler sind die Schildvulkane vom Hawaiityp (10 km hoch, 400 km Grunddurchmesser) mit kochenden Lavaseen (Kilauea) und noch etwas steiler diejenigen vom Islandtyp (Böschungen von 4—8°). Die Lavaförderung geht mehr oder weniger stetig und, da die Magmen gasarm sind, redit ruhig vonstatten. Sehr zähe (weniger heiße und kieselsäure-reichere) Laven bauen sich zu Staukuppen oder Quellkuppen (diese unter Tuffbedeckung) auf. Beispiele dieser Art sind Drachenfels (Abb. 22) und Wolkenburg im Siebengebirge bei Bonn. Ist die Lava reich an gelösten Gasen (vor allem Wasserdampf und Kohlensäure, auch Fluor, Chlor, Schwefelwasserstoff u. a.), so führt plötzliche Druckentlastung beim Austritt an die Oberfläche zu explosionsartigen Ersdiei-

70

E r s c h e i n u n g e n u. V o r g ä n g e in a l l g . - g e o l o g .

Sicht

Abb. 22. Vertikalschnitc durch den S u b v u l k a n des Drachenfels im Siebengebirge bei Bonn. K u r z e Striche bezeichnen die schalenförmige A n o r d n u n g der F e l d s p a t k r i s t a l l e des Trachyts, die gestrichelte Linie die r e k o n s t r u i e r t e U m g r e n z u n g des S u b v u l k a n s . Nach H . u. E. C L O O S .

nungen. Die erstarrende Lava zerplatzt; flüssige und erstarrte Lava, vermengt mit Material von den Flanken der Aufstiegswege, werden emporgeschleudert und fallen als Schlacken, Blöcke, Bomben, Aschen usw. zurück. Sie häufen sich zu Tuffdecken, besonders wenn fließendes Wasser transportierend und sedimentierend mitwirkt, in Anpassung an vorhandene Formen und Räume. Im Extremfall der G a s v u l k a n e tritt überhaupt keine Lava mehr in Erscheinung; die explodierenden Gase blasen kraterförmige Vertiefungen (Maare) aus mit wenig vulkanischem Material (so Maare in der Eifel, Explosionsröhren auf der Schwäbischen Alb) und sogar ganz ohne solches und lediglich mit dem Sprengschutt aus Gesteinen der nächsten Umgebung (Nördlinger Ries, Gr. Brukkaros in SW-Afrika). Bei den meisten Vulkanen wechselt die Art der Tätig-

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keit zeitlich entsprechend der Entwicklungsgeschichte des Herdes. Stillstand und Weiterbau, mehr explosive Tätigkeit und ruhige Lavaförderung folgen sich in mannigfachem Wechsel. Solche M i s c h v u l k a n e haben einen geschichteten Aufbau aus Lavadecken und Aschenlagen („Schichtvulkane" oder „Stratovulkane"), aus deren Abfolge die Vulkangcschichte ablesbar ist. Der A u f b a u wird oft auch durch schwere Explosionen ins Gegenteil verkehrt, in dem der Oberbau fortgesprengt wird und eine tiefe Kaldera entsteht, in der sich anschließend wieder ein neuer Stratovulkan bilden kann. So wurde 79 n. Chr. der alte Monte Somma in gewaltiger Explosion zerstört; in der entstandenen Kaldera baute sich seither der neue Vesuv auf, dessen Gipfel ähnlichen Wechselfällen in kleinerem Ausmaß ständig ausgesetzt ist. 2K

Abb. 23. Vulkan (Stratovulkan mit Kaldera und Zentralkegel) und Subvulkan, als angeschnittener Blöde gezeichnet. Nach H . C L O O S . K r . == K r a t e r , Z . K . = Zentralkegel, L . S t r . = Lavaströme, G . = Gänge, S. = Sdilot, S.V. = Subvulkan.

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Erscheinungen u. Vorgänge in allg.-geolog. Sicht

Auf dem Meeresboden, besonders in Tiefseebereichen, verlaufen die vulkanischen Erscheinungen nicht explosionsartig. Der große Wasserdrude verhindert plötzliche Ausbrüche. Meist bleibt die vulkanische Tätigkeit überhaupt unbemerkt, bis der Vulkanbau dem Wasserspiegel nahegekommen ist. So entstand im September 1952 überraschend die neue Vulkaninsel Myojin südlich von Japan. Wenig später wurde sie in einer Explosion zerstört, erschien aber ein zweites und drittes Mal. Die dritte Insel Myojin bestand sechs Monate, bis auch sie explodierte. Nicht immer erreicht das aufsteigende Magma die Erd-

Abb. 24. Gang von Eruptivgestein (dunkel) mit Sdilieren parallel der G r e n z fläche. Das Nebengestein war schon vorher rechtwinklig geklüftet. Langesundf j o r d in Südnorwegen. N a d i H . C L O O S .

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oberfläche, sondern breitet sich vorher in Lockergesteinen (z. B. zuvor selbstgeförderten Aschen und Schlacken) aus, sich vorliegenden Gegebenheiten anpassend. Wir sprechen dann von subvulkanischen Erscheinungen (Abb. 23). Sie können mannigfache Formen annehmen; das Magma kann als flache Lagergänge oder steile Saigergange erstarren (Abb. 24), es kann die Lockerstoffe beiseiteschieben und größere Stöcke, linsenförmige Körper und Staukuppen formen. Werden diese durch die Denudation aus dem I.ockermaterial herausgeschält, so bilden sie markante kegelförmige Bergformen (dahin gehören z. B. die „Vulkankegel" des Siebengebirges, der markante Desenberg bei Warburg, manche „Vulkane" an der oberen Elbe, in Schlesien, Süddeutschland usw.). Die bei der Erstarrung solcher „steckengebliebener" Magmen entstehenden Gesteine unterscheiden sich nicht merklich von den an der Erdoberfläche erstarrten; nur treten Schlackenstrukturen, blasige Texturen usw. zurück. Sind dagegen die vulkanischen Lavamassen und damit ihre Wärmeinhalte sehr groß und geht daher die Erstarrung sehr langsam vonstatten, so können Gesteinstypen entstehen, die den Produkten der noch zu besprechenden tiefenmagmatischen Prozesse ähnlich sind; man spricht dann von Vulkano-Pluronen (Beispiele in Schottland, Oslo, Südwestafrika). Plutonismus Häufig finden sich im Innern alpinotyper Faltengebirge inmitten von Sedimentgesteinen große Körper kristallinkörniger, massiger Gesteine, welche die Sedimente an scharfen Konturen diskordant'durchsetzen (Plutone, Abb. 25). In ihrer Umgebung zeigt der chemisch-mineralogische Bestand der Sedimentgesteine Abweichungen gegenüber den Normalverhältnissen, die auf verändernde Wirkungen seitens der kristallinen Massengesteine bzw. ihres Ausgangs-

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Erscheinungen u. Vorgänge in allg.-geolog. Sicht

A b b . 25. D r e i t e i l i g e s B l o c k b i l d eines P l u t o n s m i t N e b e n g e s t e i n u n d D a c h . N a c h H. CLOOS. U n t e r b a u : P I . = P l u t o n , S. = Schlieren im G e s t e i n p a r a l l e l d e r W a n d . A . = A p o p h y s e ( S e i t e n z w e i g ) , G . = G a n g n a c h s c h i i b e aus 4 e r T i e f e , E . = E i n s c h l u ß von Nebengestein im P l u t o n , K. = K o n t a k t z o n e (verändertes Nebengestein), N . = Nebengestein. II. Oberbau. I I I . D a c h , m i t d u r c h d i e A u f w ö l b u n g e n t s t a n d e n e n S p a l t e n s y s t e m e n , die zu Mineral- oder Erzgängen (M.) gefüllt sind.

materials zurückgehen („Kontakthof"). Zweifellos handelt es sich bei diesen Plutonen um erstarrte Magmen wie bei den Lavagesteinen der Vulkane, nur haben diese Magmen nie die Erdoberfläche erreicht, und sie sind auch nicht wie die

Das magmatische Geschehen

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Subvulkane bis in die Lockerbereiche der Oberflächennähe aufgestiegen, sondern sie sind in der Tiefe verblieben und hier erstarrt. Zwar sind solche Vorgänge unmittelbarer Beobachtung völlig verschlossen, aber das Studium derartiger Körper aus der geologischen Vorzeit, die durch Heraushebung und Abtragung freigelegt und sichtbar geworden sind, w i r f t Licht auf sie. Abweichungen gegenüber den Vulkanen zeigen sich in dem Fehlen von vulkanischen Aschen und Lockerstoffen, dem abweichenden Gesteinsgefüge, der Anordnung der Körper im Nebengestein, den schon erwähnten „Kontaktwirkungen", der Ausdehnung und Größe der Körper. Viele dieser Abweidlungen verstehen sich leicht aus den Umweltbedingungen, unter denen die Magmamassen erstarrt sind. Eingezwängt und eingepaßt in eine mannigfach gestaltete, mechanisch inhomogene Kruste haben sie sich ihren Platz schaffen müssen, und bei hohem Umschließungsdruck und nur langsamer Wärmeabgabe gingen die Abdestillation der flüchtigen Stoffe (Wasserdampf und sonstige Gase) und die Erstarrung nur langsam vonstatten. Die Keime hatten Zeit, sich zu größeren Kristallen zu entwickeln. Die Plutone sind im allgemeinen von wesentlich größerem Rauminhalt als die suprakrustalen Vulkane. Der Brocken-Pluton im H a r z ist mit 135 km 2 Fläche recht klein im Vergleich zu dem 250 000 km 2 bedeckenden ostafrikanischen Zentralgranit oder dem gegen 2000 km langen Pluton der Sierra N e v a d a . Dazwischen gibt es alle Übergänge. Der Form nach werden zwei H a u p t t y p e n unterschieden; mächtige, stockförmig in die Tiefe sich fortsetzende Körper werden als „Batholithe", flache, zungenförmig ins Nebengestein seitlich vorgreifende Körper als „Lakkolithe" bezeichnet. Die Grenze zum Nebengestein, der „Kontakt", kann den vorhandenen Strukturen parallel ver-

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Erscheinungen u. Vorgänge in allg.-geolog. Sidit

laufen, „konkordant" sein, oder das Gesteinsgefüge „diskordant" durchschneiden. Vom ursprünglichen „Dach" oder dem seitlichen „Rahmen" des Plutons können Gesteinssplitter und Brocken, ja ganze Schollen, vom Pluton aufgenommen werden, in dessen heißer Schmelze sie mehr oder weniger umgewandelt und angeschmolzen als Einschlüsse oder Fremdkörper („Xenolithe") zunächst sich von den Eigenausscheidungen („Autolithen") des Magmas noch abheben, bei weiterer Aufschmelzung aber in Schlieren zerfließen und zuletzt völlig verschwinden. Das Einströmen des Magmas in den Erstarrungsraum, die „Intrusion", ist am festen Gestein oft durch Fließspuren markiert. Ein „lineares" oder „flächiges Fließgefüge" kennzeichnet sich oft durch Parallelanordnung von Mineralien, Autolithen, Schlieren und Xenolithen. Nach Erstarrung der äußeren Teile eines Plutons geht bei noch zähflüssigem Zustand der Kernregion die Bewegung, meist ein vertikales Aufsteigen, noch weiter; die äußeren Plutonregionen werden dabei aufgebeult, und es. entstehen regelmäßig angeordnete Systeme von Klüften, Spalten und Scherflächen (Granittektonik, H. C L O O S 1925). Restschmelzen füllen die Spalten als Gänge verschiedenartiger vulkanischer Gesteine, mineralreicher Pegmatite, erzführender Quarzgänge usw. („Ganggefolgschaft"). Herrschen bei der Erstarrung mehr statische Verhältnisse, so ist das Erstarrungsprodukt, das magmatische „Tiefengestein", von vollkristallinem, gleichförmig körnigem Gefüge („Granitgefüge"); sind dagegen w ä h r e n d d e r Erstarrung bei starkem Druck tektonische Bewegungen noch im Gange, so wird das Gesamtgefüge tektonisch gerichtet, d. h. die Mineralien ordnen sich durchweg linear bis flächenhaft (schichtig) parallel: aus normalem Granit wird Gneisgranit oder Granitgneis.

D a s magmatische Geschehen

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Verknüpfungen zwischen M a g m a t i k und Tektonik Die magmatischen Vorgänge sind mit den geotektonischen in gesetzmäßiger Weise verknüpft. Wenn hinsichtlich der Enstehung eines Faltengebirges folgende Stadien unterschieden werden können: vorbereitendes Geosynklinalstadium, reifes Geosynklinalstadium, Tektogenese, Nachstadium, so sind jedem Stadium besondere magmatische Erscheinungen zugeordnet (H. STILLE). Im G e o s y n k l i n a l s t a d i u m werden Magmen von submarinen Vulkanen gefördert, die das Material aus den simatischen Bereichen beziehen. Dieser „ i n i t i a l e V u l k a n i s m u s " ist also gekennzeichnet durch submeerische Laven vom Typus der Diabase, Ophiolithe, Basalte (grüne Gesteine). Im Reifestadium der Geosynklinale kommen halbsaure Keratophyre und ähnliche Gesteine hinzu. Bei der T e k t o g e n e s e geschehen alsdann Intrusionen von sauren, vorwiegend granitisch-dioritischen Plutonen in den Kernbereichen der Faltung („synorogener Magmatismus"). Der Chemismus schwingt also um von basisch zu sauer, zugleich stellt sich höherer Ca- und Mg-Gehalt ein. Dieser Intrusiv-Magmatismus überdauert im allgemeinen die eigentliche tektogene Zeit noch etwas, derart, daß die früheren Intrusionen noch von den Gebirgsbewegungen erfaßt sind (Gneisgranite), die Erstarrung der späteren aber den tektogenen Pressungsakt überdauert und daher nur in geringem Maße oder gar nicht mehr von ihm beeinflußt wird (Granite). — Im Endstadium der Gebirgsbildung dauert die Förderung saurer Magmen, nun aber auch in Form eines subkrustalen Vulkanismus, fort. Ausflüsse porphyrischer Magmen ereignen sich, und Vulkankegel bauen sich'auf; die Gesteinstypen sind von der Art der in den jungen großen Faltengebirgen am Pazifikrande heute geförderten Magmen („subsequenter Vulkanismus").

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Erscheinungen u. Vorgänge in allg.-geolog. Sicht

Weiterhin stellen sich in stärkerem Maße basische Magmen (Melaphyre, Basalte) neben sauren ein, und zuletzt wird der Gesamtcharakter des Vulkanismus wieder entsprechend dem Anfangszustand mit rein basischer Förderung aus großen Tiefen; N a - und K-Vormacht charakterisieren die Förderprodukte als „atlantisch". N u r hat sich im Verlauf des tektonischen Gesamtgeschehens die Untergrundstruktur geändert. Während der initiale Vulkanismus submarin in mobilen Geosynklinalen erfolgte, ist der Bereich nunmehr kratonisch und der Vulkanismus festländischsubaerisch (Beispiel: Vesuv, tertiäre Basalte Hessens usw.). Der Zeitdauer nach ist der basische Vulkanismus der „normale"; er beherrscht ja die großen Zeitabschnitte vor und nach den tektogenen Phasen. Der saure granitischdioritische Magmatismus stellt sozusagen eine Unterbrechung des Normalgeschehens dar und ist zeitlich und sicher auch ursächlich gekoppelt an die paroxystischen Zeiten der Tektogenesen. Diese Magmen stammen aus dem sialischen, d. h. höheren Bereich der Erdkruste; und wir dürfen also schließen, daß diese im allgemeinen nur in den orogenen Umwälzungsepochen zu beweglichen Magmen verflüssigt werden, während in den „Normalzeiten" ein sialisches Magma nicht existiert und flüssige Magmaherde nur in den viel tiefer gelegenen simatischen Bereichen vorhanden sind. Bei den sialischen Magmen handelt es sich also nicht um Dauermagmen, sondern um solche, die erst durch A u f schmelzung fester Gesteine des Sialbereichs entstehen. An solcher Aufschmelzung können nun alle Komponenten der Oberkruste beteiligt sein, frühere Granite, Gneise usw. neben tief versenkten Sedimentgesteinen, aus denen zusammen sich ein Mischmagma, ein „Migma", zu bilden vermag. Die Aufschmelzung wird etappenweise geschehen, indem zuerst leichter schmelzbare Gesteinskomponenten verflüssigt werden, wodurch zunächst eine Art halbfester

D a s m a g m a t i s c h e Geschehen

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Gesteinsbrei entstehen mag, bis schließlich die Gesamtheit verflüssigt ist. Solche Aufweichungen und Teilverflüssigungen werden gelegentlich überliefert und in den -Randteilen großer Plutonite sichtbar. Strukturen der Sedimenthülle zeigen sich dann diffus im Plutonitgestein („Migmatite"). Die m a g m a t i s c h e Gesteinsbildung Durch die Verfestigung der silikatischen Schmelzen, der Magmen in der Tiefe und Laven an der Erdoberfläche, entstehen die magmatischen Gesteine. Die Verfestigung geschieht durch Abkühlung unter den Schmelzpunkt und erfolgt meist durch Kristallisation. N u r wenn die Abkühlung so rasch vonstatten geht, daß dem Kristallwachstum keine Zeit bleibt, entstehen amorphe Gläser (Obsidian und Pechstein, bei starker Blasenbildung Bimsstein); naturgemäß ist das nur an der Erdoberfläche oder submeerisch der Fall, wo starkes Temperaturgefälle besteht und damit schneller Wärmeabfluß erfolgt. Am vollständigsten ist die Kristallisation in der Tiefe, bei den Tiefengesteinen oder P l u t o n i t e n , die deshalb durch ein vollkristallines und gewöhnlich auch grobkristallines Gefüge gekennzeichnet sind (Typ Granit). Bereits weniger vollständig pflegt sie in schmaleren G ä n g e n mit geringerem Stoff- und Wärmeinhalt zu sein; die Kristallisation erfolgt dann ungleichförmig, und neben größeren „Einsprenglingen", deren Kristallisation bereits in größerer Tiefe begann und die im aufsteigenden Magma mitgeschleppt wurden, bildet sich eine feiner kristallisierte Grundmasse (Typ: Granitporphyr). Die ausfließenden Laven erstarren als Ergußgesteine oder V u 1 k a n i t e mit feinkristalliner bis scheinbar amorpher Grundmasse, in welcher gleichfalls als Einsprenglinge früher ausgeschiedene Kristalle schwimmen können (Typ: Q u a r z p o r p h y r ) ; o f t ist dabei das Gefüge „fluidal", d. h. es ist in feinster,

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Erscheinungen u. Vorgänge in allg.-geolog. Sicht

schlieriger „Schichtung" der Fließvorgang abgebildet. Audi blasige Texturen (durch Abspaltung von Gasen wie bei einem „aufgegangenen" Kuchenteig), Schlacken usw. sind Kennzeichen superkrustal erstarrter Laven. Unabhängig von dieser Struktur ist der Chemismus des Gesteins, der bedingt wird von der chemischen Zusammensetzung der Silikatschmelze. So lassen sich nach dem Kieselsäure-(SiC>2-) Anteil saure (mehr als 6 5 % SiC>2), intermediäre (52 bis 6 5 % SiC>2) und basische ( 5 2 % SiC>2) Gesteine und bei den letzteren noch ultrabasische unterscheiden; die sauren sind dabei durch das Auftreten freier SiC>2 in Form von Quarz gekennzeichnet, während den basisdien Quarz fehlt. Weitere Unterschiede werden durch das Mengenverhältnis des Calciums (Ca) zu den Alkalien (Kalium und Natrium) bedingt; so lassen sich die an Erdalkalien reichen Kalkalkaligesteine („pazifische Gesteine") und die an Erdalkalien ärmeren Alkaligesteine („atlantische Gesteine") unterscheiden und bei den letzteren wieder solche mit Kalium-(„mediterrane Sippe") und solche mit Natriumvormacht („atlantische Sippe" i. e. S.). Von der sehr mannigfaltigen Gesamtheit der Magmatite können hier nur die wichtigsten Typen aufgeführt werden: Kalkalkali-Gesteine

Ergußgesteine (Vulkanite)

Ganggesteine

Alkali-Gesteine

Liparit, Quarzporphyr

Alk.-Liparite, Trachyte

sauer

Dacit, Andesit, Porphyrit

Tephrite

intermediär

Basalt, Melaphyr

Alkali-Basalte, Limburgit,Pho- basisch nolith, Augitit

Granitporphyr Dioritporphyrit Diabas, Gabbro

Zahlreiche Ganggesteinstypen

sauer intermediär basisch

D a s magmatisdie Geschehen Kalkalkali-Gesteine

Tiefengesteine (Plutonite)

Granit, Granodiorit Diorit Gabbro, Peridotit

gl

Alkali-Gesteine Alk.-Granit, Syenit Monzonit Alk.-Gabbro, Alk.-Peridotit

sauer intermediär basisch

Der Erstarrungsvorgang selbst bedeutet zugleich eine Veränderung der Schmelze, da nicht alle Mineralien gleichzeitig auskristallisieren und damit durch die Erstkristallisationen der Schmelze Stoffe entzogen werden, die beim weiteren Erstarrungsprozeß nicht mehr in die Mineralbildung eingehen können. Dieser „D i f f e r e n t i a t i o n sprozeß" verläuft bei der Erstarrung eines gabbroiden (basischen) Stammagmas etwa nach dem Schema auf Seite 82. Magmatische Lagerstätten Die wirtschaftlich wertvollen Metallbestandteile sind in den magmatischen Schmelzen normalerweise in starker Verdünnung verteilt; nur dort, wo besondere natürliche Anreicherungsvorgänge stattfanden, können sie als L a g e r s t ä t t e n in wirtschaftlich nutzbarer Konzentration vorliegen. Die Möglichkeit solcher Anreicherung ist im magmatisch-vulkanischen Geschehen besonders im plutonischen Bereich gegeben. Schon bei Beginn der Differentiation können sich durch Entmischungsvorgänge „liquidmagmatische" Lagerstätten bilden. Hierzu gehören z. B. Nickelmagnetkies-Lagerstätten an der Sohle basischer Tiefengesteinskörper (so Sudbury). Durch gravitatives Absinken („Absaigern") sich ausscheidender Bestandteile, die schwerer als das Magma sind, und ihre Ansammlung am Boden kann es zu Lagerstätten von Apatit-Magnetit-Erzen kommen. Besondere Möglichkeiten zur Lagerstättenbildung bietet das „wässerige Restmagma", das am Ende des Differen0 I.otzc, Geologie

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Erscheinungen u. Vorgänge in allg.-geolog. Sicht

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