Genetik erblicher Syndrome und Mißbildungen: Wörterbuch für die Familieberatung [2. Aufl. Reprint 2021] 9783112574386, 9783112574379

157 69 80MB

German Pages 1072 [1099] Year 1976

Report DMCA / Copyright

DOWNLOAD FILE

Polecaj historie

Genetik erblicher Syndrome und Mißbildungen: Wörterbuch für die Familieberatung [2. Aufl. Reprint 2021]
 9783112574386, 9783112574379

Citation preview

R E G I N E W I T K O W S K I / OTTO

PROKOP

Genetik erblicher Syndrome und Mißbildungen — Wörterbuch für die Familienberatung —

GENETIK ERBLICHER SYNDROME UND MISSBILDUNGEN Wörterbuch f ü r die Familienberatung

Dr. rer. nat. habil. REGINE WITKOWSKI Prof. Dr. med. habil. OTTO PROKOP

AKADEMIE-VERLAG 1976

• BERLIN

Dr. rer. n a t . habil. Regine W itkowski Nervenklinik, Abteilung f ü r medizinische Genetik, Bereich Medizin der H u m b o l d t - U n i v e r s i t ä t zu Berlin 104 Berlin, S c h u m a n n s t r a ß e P r o f . Dr. med. habil. O t t o P r o k o p I n s t i t u t f ü r gerichtliche Medizin der H u m b o l d t - U n i v e r s i t ä t zu Berlin 104 Berlin, H a n n o v e r s c h e S t r a ß e

Erschienen im A k a d e m i e - V e r l a g , 108 Berlin, Leipziger S t r a ß e 3 — 4 © A k a d e m i e - V e r l a g , Berlin, 1974 L i z e n z n u m m e r : 202 . 100/558/75 E i n b a n d u n d S c h u t z u m s c h l a g : N i n a Striewski Gesamtherstellung: V E B D r u c k h a u s „ M a x i m G o r k i " , 74 A l t e n b u r g B e s t e l l n u m m e r : 7 6 2 1 3 5 7 (5967) • LSV 2057 P r i n t e d in G D R EVP: 5 8 , -

Geleitwort Im Rahmen des allgemeinen Fortschrittes der Naturwissenschaften haben die Biowissenschaften und die medizinische Forschung in den letzten 30—40 Jahren für den Menschen ganz besonders bedeutungsvolle Erfolge erzielt. Diese führten u. a. zur Beherrschung ganzer Gruppen von Erkrankungen, wie vieler Infektionskrankheiten, die noch vor nicht allzu langer Zeit eine sozialhygienische Spitzenposition einnahmen. Andere Krankheitsgruppen nehmen heute deren Bedeutung ein. Dazu gehören neben den Herz-Kreislaufund Geschwulsterkrankungen in immer stärker hervortretendem Maße die in sich heterogene Gruppe von Erbkrankheiten. Dank der sich ständig entwickelnden Diagnostik-Verfahren kennen wir heute mehr als 1500 verschiedene genetische Defekte und wissen, daß etwa 4% aller Neugeborenen Träger eines solchen genetischen Defektes sind. Zu diesen Defekten tragen sowohl Genmutationen als auch numerische und strukturelle Chromosomenaberrationen bei. Die genannte Zahl stellt zweifellos einen Minimalwert dar, da es bekannt ist, daß auch zahlreiche selbst nicht genetisch verursachte Krankheitssymptome durch die genetische Konstitution begünstigt werden können. Bereits diese Fakten machen die Bedeutung sichtbar, die der Entwicklung der Humangenetik und als ihr Teilgebiet der medizinischen Genetik zukommt. Neben der zielstrebigen Erarbeitung neuer, die Erkenntnisse von Molekulargenetik, Biochemie und anderen Grundlagenwissenschaften nutzender therapeutischer Verfahren, steht wie auf allen Gebieten unserer sozialistischen Gesundheitspolitik auch hier die Prophylaxe im Vordergrund. Eines der wichtigsten Instrumente der Prophylaxe von Erbkrankheiten ist ein die gesamte Bevölkerung erreichendes System der genetischen Familienberatung. Es ist das Wesen dieser Beratung, daß ihr Ergebnis den Betroffenen oft vor Entscheidungen stellt, die tief in sein eigenes persönliches Schicksal und das seiner Familie eingreifen. Der Beratende oder das Beraterkollektiv trägt also eine 5

hohe ethisch-moralische Verantwortung, die nur auf der Grundlage eines umfassenden fachlichen und gesellschafts-wissenschaftlichen Wissens wahrgenommen werden kann. Bei der schnellen Heranbildung der notwendigen Anzahl von Spezialisten, die f ü r den Aufbau eines umfassenden genetischen Beratungsdienstes in der D D R erforderlich sind, sowie bei der Weiterbildung der auf diesem Gebiet bereits tätigen Mediziner mitzuhelfen, ist das Anliegen des vorliegenden Buches. Es besteht kein Zweifel, daß es eine wichtige Rolle bei der Entwicklung der medizinischen Genetik und der Nutzung ihrer Ergebnisse als Teil des sozialistischen Gesundheitsschutzes spielen wird. Weite Verbreitung und intensiver Gebrauch seien ihm deshalb gewünscht. H. Böhme

Vorwort In der Humangenetik überschneidet sich das große Gebiet der Medizin mit dem der Biologie, und es läßt sich historisch verfolgen, wie die erfreulichen Fortschritte der Humangenetik in den letzten Jahren auf einer glücklichen Synthese biologischer und medizinischer Forschungsarbeiten beruhen. Die Fragen, die von betroffenen Familien, Erziehern und Ärzten unmittelbar aus der Praxis zur Familienberatung gestellt werden, erfordern deshalb Antworten, die auf biologischem und medizinischem Wissen in gleicher Weise basieren. Unseren Ärzten wird während des Studiums neben dem biologischen auch ein genetisches Grundwissen vermittelt, das jedoch in Anbetracht der geringen Erfahrung vielfach nicht ausreicht, den weiten Weg von der theoretischen Erkenntnis bis zur praktischen Anwendung zu überbrücken. Hier eine Hilfestellung zu geben, ist eines der Anliegen dieses Buches. Der einführende allgemeine Teil soll dabei weniger ein kurzer Leitfaden der Humangenetik sein — dafür gibt es gegenwärtig ausgezeichnete Monografien —, sondern er ist dazu gedacht, Vergessenes aus der Zeit des Studiums wieder ins Gedächtnis zu rufen und den Umgang mit dem Wörterbuch zu erleichtern. Diesem Zweck dient auch eine Erläuterung von wichtigen genetischen Fachausdrücken auf den letzten Seiten. Bei der Aufstellung und Behandlung des Schemas, unter dem wir jeweils die einzelnen Stichwörter abgehandelt haben, hatten wir sowohl den in der Familienberatung tätigen Spezialisten, der in einer zentralen Stelle ein breites Spektrum von Spezialfällen und -fragen zu behandeln hat, als auch den ja häufig mit entsprechenden Problemen zuerst konfrontierten Haus- bzw. Spezialarzt der unterschiedlichsten Disziplinen im Auge. Bei Geburt eines Kindes z. B. mit einem bestimmten Mißbildungssyndrom will das Buch neben der Information über Erblichkeit und Erbgang sowie daraus resultierenden 7

Risikoziffern für Verwandte eine Orientierung über den zu erwartenden Krankheitswert und damit zusammenhängend die Behandlungschancen (und nur das, es sind weder unter „Krankheitswert" eine vollständige Symptomatik, also eine Hilfestellung zur Diagnosefindung zu erwarten noch unter „Therapiemöglichkeiten" spezielle Therapiehinweise) sowie über die Verbreitung und über mögliche genetische Spezialuntersuchungen und -maßnahmen vermitteln, alles Gesichtspunkte, die für den letztlich zu gebenden Rat von entscheidender Wichtigkeit sind. Die Literaturangaben sind aus mehreren Gründen zwangsläufig unvollständig. Bei der Auswahl, die wir treffen mußten, haben wir vor allem Arbeiten berücksichtigt, die in irgendeiner Weise für den familienberaterisch Tätigen hilfreich sein können, nach Möglichkeit Übersichtsarbeiten für den nicht in dem speziellen medizinischen Fachgebiet Eingearbeiteten, sowie unter Vernachlässigung älterer Arbeiten vor allem neuere Literaturstellen, an Hand derer dann erstere aufgefunden werden können. Bei der Tülle der Literatur, die sich über viele Fachzeitschriften verteilt, sind wir sicher an einigen Stellen nicht immer „up to date". Deshalb äußern wir die Bitte, sachkundige Leser mögen uns durch Zusendung ihrer Veröffentlichungen unterstützen oder einen Rat erteilen, wo wir in einer weiteren Auflage erweitern sollten. Von uns aus sind wir auf der anderen Seite gern bereit, Interessenten weitere Spezialliteratur anzugeben. Eine Auswahl mußte auch hinsichtlich der behandelten Krankheitsbilder getroffen werden. Als Grundlage haben wir dafür den Katalog von V. A. MCKITSICK, „Mendelian inheritance in man" sowie „Die klinischen Syndrome" von B. L E I B E R und G. OLBKICH verwendet, zwei Werke, die uns auch in anderer Hinsicht bei der Abfassung des Buches sehr hilfreich waren. Generell nicht berücksichtigt und eventuell für eine spätere Auflage vorgesehen haben wir Syndrome oder Mißbildungen, an deren Zustandekommen genetische Faktoren gar keine oder nur eine untergeordnete Rolle spielen, deren nosologische Abgrenzung noch weitgehend unklar ist oder aus deren Verbreitung hervorgeht, daß sie wahrscheinlich nur bei einer Familie bzw. ganz wenigen Merkmalsträgern aufgetreten sind. In bezug auf die Nomenklatur haben wir, dem Charakter des Buches als Nachschlagewerk entsprechend, die gebräuchlichsten Benennungen vorgezogen und unter anderen Synonymen bzw. Eponymen jeweils auf die entsprechende Darstellung verwiesen. Der Leser wird das Anliegen dieses Buches rasch und schon beim einfachen Durchblättern erkennen. Es ist völlig frei von utopischen 8

Betrachtungen zur Manipulation des Erbgutes im Sinne einer falsch verstandenen Eugenik, einer Rassen- oder Typenlehre. Wenn der Leser hier oder dort eine gewisse Zurückhaltung beobachtet, etwa hinsichtlich der heterologen Insemination, so kann das nur als Bemühen angesehen werden, Argumente „für" oder „gegen" im humanistischen Sinne aufzufangen oder soweit aus dieser Sicht abzuleiten, zur Diskussion zu stellen. Nicht weil es üblich, sondern weil es uns ein besonderes Anliegen ist, danken wir allen unseren Lehrern und Freunden, die uns in die Gebiete der medizinischen Genetik, der Humangenetik, der Pharmakogenetik, Zytogenetik und Serogenetik eingeführt haben. Für die Durchsicht von Manuskriptteilen, wertvolle Verbesserungen und Ergänzungen sowie Hinweise sind wir vor allem folgenden Kollegen zu Dank verpflichtet: Den Herren Professoren G. D Ö R N E R , A . K N A P P , K. N I S S L E R , G. R A B E N D I N G und G. U H L E N B R U C H sowie den Damen und Herren Doktoren H. B A R T H E L M E S , D. B I E S O L D , Franziska G Ö T Z , H . G R Y C H T O L I K , K. H A R N A C K , U . H A U S T E I N , F. H. H E R R M A N N , Dorle KETTNER,

K . F . MAHLER, V . STEINBICKER, T . THORMANN, J . W I T T E

und Rosi Z A B E L wie auch den Herren E. K A S T E N und S . R I N A S . Auch unseren Mitarbeitern sagen wir Dank sowie dem AkademieVerlag, besonders den Herren H. P Ö C H E und K. A B E L , die in subtiler Weise und sachkundig die Manuskriptbearbeitung und Gestaltung gelenkt haben. Begine Witkowski

Otto

Prokop

Vorwort zur zweiten Auflage Vergleicht man die vier bisher erschienen Auflagen des Katalogs mendelnder Defekte beim Menschen von M C K U S I C K , so ergibt sich jährlich ein zahlenmäßiger Anstieg von etwa 100 neuentdeckten oder durch genauere genetisch-nosologische Aufgliederung abgegrenzte Anomalien bzw. Krankheitsbilder. Es nimmt daher nicht Wunder, wenn bereits die zweite Auflage dieses Wörterbuches, die reichlich ein Jahr nach der ersten erscheint, eine starke Erweiterung erforderte. So hat sich — auch im Hinblick auf das Erscheinen dieser Auflage im Ausland — die Aufnahme von etwa 100 neuen Stichwörtern ergeben. 9

Betrachtungen zur Manipulation des Erbgutes im Sinne einer falsch verstandenen Eugenik, einer Rassen- oder Typenlehre. Wenn der Leser hier oder dort eine gewisse Zurückhaltung beobachtet, etwa hinsichtlich der heterologen Insemination, so kann das nur als Bemühen angesehen werden, Argumente „für" oder „gegen" im humanistischen Sinne aufzufangen oder soweit aus dieser Sicht abzuleiten, zur Diskussion zu stellen. Nicht weil es üblich, sondern weil es uns ein besonderes Anliegen ist, danken wir allen unseren Lehrern und Freunden, die uns in die Gebiete der medizinischen Genetik, der Humangenetik, der Pharmakogenetik, Zytogenetik und Serogenetik eingeführt haben. Für die Durchsicht von Manuskriptteilen, wertvolle Verbesserungen und Ergänzungen sowie Hinweise sind wir vor allem folgenden Kollegen zu Dank verpflichtet: Den Herren Professoren G. D Ö R N E R , A . K N A P P , K. N I S S L E R , G. R A B E N D I N G und G. U H L E N B R U C H sowie den Damen und Herren Doktoren H. B A R T H E L M E S , D. B I E S O L D , Franziska G Ö T Z , H . G R Y C H T O L I K , K. H A R N A C K , U . H A U S T E I N , F. H. H E R R M A N N , Dorle KETTNER,

K . F . MAHLER, V . STEINBICKER, T . THORMANN, J . W I T T E

und Rosi Z A B E L wie auch den Herren E. K A S T E N und S . R I N A S . Auch unseren Mitarbeitern sagen wir Dank sowie dem AkademieVerlag, besonders den Herren H. P Ö C H E und K. A B E L , die in subtiler Weise und sachkundig die Manuskriptbearbeitung und Gestaltung gelenkt haben. Begine Witkowski

Otto

Prokop

Vorwort zur zweiten Auflage Vergleicht man die vier bisher erschienen Auflagen des Katalogs mendelnder Defekte beim Menschen von M C K U S I C K , so ergibt sich jährlich ein zahlenmäßiger Anstieg von etwa 100 neuentdeckten oder durch genauere genetisch-nosologische Aufgliederung abgegrenzte Anomalien bzw. Krankheitsbilder. Es nimmt daher nicht Wunder, wenn bereits die zweite Auflage dieses Wörterbuches, die reichlich ein Jahr nach der ersten erscheint, eine starke Erweiterung erforderte. So hat sich — auch im Hinblick auf das Erscheinen dieser Auflage im Ausland — die Aufnahme von etwa 100 neuen Stichwörtern ergeben. 9

Aus zahlreichen übereinstimmenden Hinweisen der Benutzer haben wir entnommen, daß auf Grund der Seltenheit die meisten monogen bedingten Erbleiden dem Arzt bereits von der Diagnostik her in keiner Weise geläufig sind und daß die Diagnosefindung nicht nur eine Voraussetzung, sondern auch einen wesentlichen Bestandteil der erbprognostischen Beratung darstellt. Deshalb haben wir in der zweiten Auflage verstärkt differentialdiagnostische Gesichtspunkte bzw. Hinweise und schließlich einen Anhang mit einem permutierten Symptomenregister aufgenommen. Mit Hilfe des letzteren soll die Auffindung eines vorliegenden Syndroms an Hand von leicht feststellbaren Leitsymptomen erleichtert werden. Für die Anregung dazu und für die sehr wertvolle und sachkundige Mithilfe beim Erstellen des Registers danken wir vor allem den Herren Dr. G. T H Y M N L K , Magdeburg, und Ch. H A R T M A N S , Berlin. Trotz der Erweiterungen erhebt das Wörterbuch auch in der zweiten Auflage noch keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Vor allem haben wir noch verzichtet auf die verschiedenen, in den letzten Jahren mit Hilfe der Banding-Technik neu festgestellten chromosomal bedingten Syndrome, für deren Darstellung uns das vorliegende Material noch zu heterogen erschien. Wir danken allen denen, die uns mit Hinweisen, Ergänzungen und Kritik beim Ausarbeiten der zweiten Auflage geholfen haben, besonders den Damen und Herren Professoren I . S Y L L M - R A P O P O R T , H . - A . FREYE, W . FUHRMANN, MON

und

R . ZUHRT,

G . KOCH,

R . A. PFEIFFER,

T.

sowie den Herren Doktoren K. H.

SAIA-

BAUCH,

E . CZIBOR u n d J . L Ü D C K E .

K. Witkowski

10

O. Prokop

Aufgaben, Möglichkeiten und theoretische Grundlagen der genetischen Familienberatung Seitdem es mit Hilfe der Antibiotika in den letzten Jahrzehnten gelungen ist, bakterielle Infektionen des Menschen weitgehend zu beherrschen und damit die Morbidität und Mortalität von Infektionskrankheiten stark zu vermindern und seitdem auch andere exogen bedingte, Vor allem Ernährungskrankheiten auf Grund neuerer Erkenntnisse viel von ihrer Schicksalhaftigkeit verloren haben, treten Erbkrankheiten immer mehr in den Mittelpunkt des ärztlichen Interesses. Moderne statistische Erhebungen ergeben, daß in Mitteleuropa ca. 5% der Kinder mit einem vorwiegend oder teilweise genetisch bedingten Defekt geboren werden, daß ein großer Teil der Todesfälle im Kindesalter durch derartige Schäden verursacht werden und daß unter den Erwachsenen 50% an einer zumindest von genetischen Faktoren mitbedingten Störung leiden. Indem es also der modernen Medizin gelang, exogen bzw. im weitesten Sinne umweltbedingte Krankheiten unter Kontrolle zu bringen, blieb ein Komplex von Syndromen und Mißbildungen bisher noch wenig beeinflußt, an deren Entstehung vorwiegend genetische Faktoren beteiligt sind. Der mit diesen Tatsachen konfrontierte Arzt hat bereits gelernt, Erbschäden nicht mehr als Schicksal einiger weniger „belasteter" Familien anzusehen, sondern allgemein mit einer genetischen Komponente bei vielen der von ihm behandelten Krankheiten zu rechnen. J e mehr außerdem in einer modernen humanistischen Gesellschaft jeder Mensch die gleichen optimalen geistigen und körperlichen Entwicklungsmöglichkeiten hat, je mehr also gesellschaftlich-soziale Hemmfaktoren zur Realisierung potentieller Fähigkeiten und Talente wegfallen, desto mehr treten anlagebedingte Besonderheiten und Eigenheiten in den Vordergrund. So gesehen gibt es kaum Entwicklungsstörungen bzw. Krankheitsbilder, an deren Zustandekommen oder Verlauf genetische Faktoren keine Rolle spielen. Selbst die Heilung extrem umweltbedingter Defekte, wie Traumen oder Knochenbrüche, wird von individuell unterschiedlichen, erblich disponierten Gegebenheiten mitbestimmt. Vorwiegend genetisch bedingte Schäden haben dabei gegenüber anderen, gegenwärtig besonders beachteten Krankheiten, wie HerzKreislauferkrankungen oder Krebs, die Besonderheit, bereits pränatal irreversibel gesetzt zu werden und sich häufig bereits im frühsten Kindesalter zu manifestieren, also das gesamte Leben über zu bestehen. Darin liegen die spezifische Problematik und die Aufgaben 11

für die medizinische Forschung und Praxis. Ein Syndrom z. B., dessen schwere Skelettmißbildungen bereits in der Zygote determiniert von der Embryonalperiode an existieren, kann gegenwärtig und wohl auch in der überschaubaren Zukunft weniger ein Gegenstand einer effektiven Therapie als vielmehr nur der Prophylaxe sein. Ein vergleichsweise größerer therapeutischer Spielraum ergibt sich jedoch bei multifaktoriell induzierten Krankheitsbildern, bei denen auf genetischer Grundlage Umweltfaktoren entweder auslösend oder modifizierend wirken. Wenn also auch nicht jeder genetische Defekt in gleicher Weise schwer und schicksalhaft sein muß, so steht doch wegen der verhältnismäßig geringen therapeutischen Beeinflußbarkeit bei vielen Erbschäden die Prophylaxe ganz besonders im Mittelpunkt aller Maßnahmen. In Anbetracht der Besonderheit des Gegenstandes kann eine Prophylaxe in Form der Familicnbcratung weniger darauf gerichtet sein, das Auftreten einer Krankheit zu verhüten, als vielmehr bereits die Geburt bzw. die Konzeption eines durch sie schwer geschädigten Trägers zu vermeiden. Die Verfasser sind sich der Gefahr der Fehlinterpretation solcher prophylaktischer Maßnahmen durch Laien durchaus bewußt, zumal in der Vergangenheit gerade in Deutschland unter dem Deckmantel genetischer Indikationen schwere Verbrechen begangen wurden. Es muß jedoch immer wieder darauf hingewiesen werden, daß, abgesehen von der Unvereinbarkeit der damals eingesetzten „eugenischen Maßnahmen" mit den Grundsätzen einer humanistischen Gesellschaft, eine Einteilung der Menschen prinzipiell in solche, die defekte oder minderwertige Gene besitzen und damit von der Fortpflanzung ausgeschlossen werden müssen, und solche mit „hochwertigem" und besonders vermehrungswürdigem Erbgut unwissenschaftlich und theoretisch nicht haltbar ist. Wir wissen heute, daß auch jeder phänotypisch vollkommen normale und gesunde Mensch im Durchschnitt wahrscheinlich mit mindestens 2—3 rezessiv wirksamen Genen belastet ist, die im homozygoten Zustand zu einer schweren Schädigung führen. Von diesem Gesichtspunkt aus gibt es gar keinen Menschen, der mehr als andere geeignet wäre, eine genetisch „hochwertige" Nachkommenschaft hervorzubringen. Wen man an der Fortpflanzung z. T. auch heute noch hindern zu müssen glaubt, sind in der Mehrzahl homozygote Träger solcher Gene. Auch dafür gibt es jedoch keinen wissenschaftlich haltbaren Grund, denn bei der durchschnittlichen Frequenz rezessiver Erbkrankheiten, ist selbst dann, wenn solche Homozygote die gleiche effektive Fruchtbarkeit wie gesunde Menschen hätten, nicht mit einer beängstigenden Zunahme der Gene in der Bevölkerung zu rechnen, da sich die Frequenz der homozygot Geschädigten lediglich in einem Zeitraum von mehreren hundert Jahren verdoppeln würde. Außerdem ist damit zu rechnen, daß innerhalb solcher großen Zeiträume therapeutische Maßnahmen gefunden werden, die entsprechenden Leiden, die heute bereits mit dem Überleben und der Fortpflanzungsfähigkeit ihrer Träger vereinbar sind, weitgehend den Schrecken nehmen. Aus dem Gesagten geht hervor, daß „eugenische" Gesichtspunkte, die den Genbestand der Menschheit betreffen, für die genetische Prophylaxe, wie sie in Form der Familienberatung betrieben wird, keine Rolle 12

spielen. Das Anliegen ist zunächst und fast ausschließlich einerseits die Vermeidung des z. T. noch abwendbaren Leides und der Tragödie, die mit der Geburt eines schwer geschädigten Kindes verbunden sind, und andererseits da hilfreich einzugreifen, wo bei Verwandten solcher Patienten teilweise ebenso belastende und häufig unbegründete Befürchtungen und Vorbehalte im Hinblick auf die nächste Generation bestehen. Damit sind zugleich die beiden Situationen gekennzeichnet, denen sich der familienberaterisch tätige Genetiker oder Arzt am häufigsten gegenübersieht: a) In einer Familie wird ein geschädigtes Kind geboren und das Risiko für weitere Kinder der gleichen Eltern soll eingeschätzt werden. b) Eine genetische Belastung ist bekannt, und es steht die Frage, ob eine Ehe eingegangen werden soll bzw. welches Risiko für Kinder aus der betreffenden Paarung besteht. c) die Problematik der Verwandtenehe. Zunächst muß einmal bekannt sein, ob ein vorliegender Symptomenkomplex oder eine Mißbildung überhaupt genetisch bedingt und erblich oder von Umweltfaktoren verursacht ist. Diese Frage läßt sich gewöhnlich nicht an dem jeweiligen Fall bzw. der Familie allein lösen. Es ist letztlich die Frage nach der Ätiologie, zu deren Klärung eine umfassende Kenntnis des Krankheitsbildes notwendig ist. Das wiederum setzt eine genaue Diagnose voraus. I n den meisten Fällen wird eine Einordnung in eine bereits bekannte Mißbildungsform oder ein Syndrom möglich sein, womit eine Orientierung über das Problem der Erblichkeit und des Erbganges an Hand vorausgegangener Fälle gegeben ist. Dabei muß die Diagnose so eingehend wie möglich gestellt werden, da sich klinische Varianten oder Unterformen häufig grundlegend in ihrem Erbverhalten unterscheiden. Es genügt also nicht, z. B. eine angeborene Taubheit festzustellen, da diese sowohl teratogen verursacht als auch genetisch bedingt und sehr unterschiedlich vererbt sein kann. Voraussetzung jeder weiteren erbprognostischen Erhebung wird die genaue Feststellung des vorliegenden klinischen Typs sein. Dabei soll nicht unerwähnt bleiben, daß bei manchen Krankheitsbildern auch wiederum der Erbgang bzw. die Familienanamnese wesentlich zur Diagnose beitragen können. Hornhautdystrophien im frühen Kindesalter etwa können traumatisch bedingt sein. Läßt sich jedoch der gleiche Schaden auch in der Aszendenz feststellen, gelingt meistens sehr schnell die Einordnung in eine der monogen vererbten klinischen Formen. Nicht immer muß jedoch eine positive Familienanamnese auf Erblichkeit hinweisen, denn „familiär" bedeutet noch nicht „erblich". Wiederholtes Auftreten eines Krankheitsbildes in einer Geschwisterschaft kann auch durch eine Infektion der Mutter (Syphilis), durch Geburtstraumen infolge anatomischer Besonderheiten der Mutter oder durch Blutgruppenunverträglichkeit (Rh-Unverträglichkeit, Icterus haemolyticus neonatorum) bedingt sein. Auch das Vorkommen des gleichen Schadens in aufeinanderfolgenden Generationen ist möglicherweise Ausdruck der gleichen Umweltbedingungen; psychische Fehlhaltun13

gen etwa auf Grund von Milieuschäden oder Fettleibigkeit durch von Generation zu Generation weitergegebene Eßgewohnheiten. Umgekehrt ist bei rezessiv bedingten Symptomen eine positive Familienanamnese nur innerhalb einer Geschwisterschaft zu erwarten, falls keine wiederholte Konsanguinität in der Aszendenz vorliegt. Bei den gegenwärtig in Mitteleuropa üblichen geringen Kinderzahlen tritt überhaupt nur 1/3 der Fälle von rezessiven Erbleiden familiär auf. Ein Ahnliches gilt für schwere bzw. letale autosomal dominante Leiden, von denen viele nur sporadisch vorkommen. Eines der wichtigsten statistischen Verfahren zur Klärung einer genetischen Ätiologie ist die Zwillingsmethode. Da eineiige Zwillinge ein identisches Erbgut besitzen, während sich zweieiige Zwillinge hinsichtlich ihres Genbestandes lediglich wie Geschwister verhalten, kann ein statistischer Vergleich der Gleichheit (Konkordanz) der Merkmalsausbildung zwischen ein- und zweieiigen Zwillingen einen Aufschluß über die Erblichkeit des entsprechenden Merkmals geben. Eine hohe Konkordanzrate bei eineiigen Zwillingen und eine niedrige bei zweieiigen spricht für monomeren (durch ein Gen bedingten) Erbgang, wenn das Verhältnis den Wert 4 : 1 nicht überschreitet; höhere Werte lassen auf Polygenie schließen. Annähernd gleiche Konkordanzraten sprechen für eine exogene Ursache. Gelingt also die Einordnung eines Symptomenkomplexes oder einer Mißbildung in eines der bekannten Syndrome, für die Erblichkeit und Erbmodus bereits bekannt sind, können daraus bestimmte Risikoziffern für die Familienberatung abgeleitet werden. Am einfachsten wird das gelingen, wenn es sich um einen der drei einfachen, monomeren, MENDELschen Erbgänge (Erbkrankheiten im engeren Sinne) handelt, bei denen jeweils nur ein Gen betroffen bzw. mutiert ist. Phänotypisch bedeutet eine Mutation in der überwiegenden Mehrzahl der Fälle einen Nachteil für ihren Träger, d. h. das Normaloder „Wild-Typ"-Gen ist bis auf ganz wenige Ausnahmen (s. z. B. Glukose-6-Phosphatdehydrogenasemangel, Heterozygotenvorteil) dem mutierten Gen oder „Allel" überlegen. Wenn ein Gen mutiert, d. h. die DNS eines bestimmten Abschnittes verändert ist, dann bedeutet das, daß das von diesem Genort codierte Eiweiß nicht oder nicht normal synthetisiert wird. J e nachdem, welche Rolle dann das betreffende Eiweiß in der Ontogenese oder im Stoffwechsel spielt, wird sich die Störung nur in einem umschriebenen Merkmal oder aber in einem ganzen Symptomenkomplex (Polyphänie) manifestieren, wobei es meistens noch nicht gelingt, den genauen biochemischen Weg vom Gen zum Phän zu verfolgen und die einzelnen Symptome in einen pathogenetischen Zusammenhang zu bringen. Die Schwere und die Komplexität der Mißbildungen sagen also noch nichts über die Art und den Umfang einer Mutation aus. Nach den Erkenntnissen der modernen Molekulargenetik kann bei einer Genmutation sowohl ein Struktur- als auch ein Regulatorgen betroffen sein. Bei den meisten Stoffwechseldefekten handelt es sich um Strukturgenmutationen, bei denen zwar ein Genprodukt in Form eines dem ursprünglichen ähnlichen Eiweißes noch produziert wird, das jedoch in seiner biochemischen Aktivität stark verändert ist. Dazu genügt nur die Veränderung eines Nukleotids in einem Codon der DNS, das 14

für den Einbau einer Aminosäure in das entsprechende Eiweiß verantwortlich ist (Punktmutation). Regulatorgenmutationen sind in der Humangenetik noch nicht mit Sicherheit nachgewiesen. Sie werden überall da vermutet, wo eine stark veränderte Quantität eines qualitativ normalen Enzymeiweißes synthetisiert wird. Die aus den MENDELSchen Erbgängen (autosomal dominant, autosomal rezessiv, X-chromosomal) abzuleitenden Risikoziffern stellen zunächst einmal lediglich ungefähre statistische Erwartungswerte dar, die in jedem einzelnen Beratungsfall nur als Grundlage für die Einschätzung der speziellen Belastung angesehen werden können und in Abhängigkeit von den genetischen Gegebenheiten der jeweils vorliegenden Krankheit noch einer Modifizierung bedürfen und auch auf Grund neuerer genetischer Erkenntnisse oft noch eine Präzisierung erfahren können. Viele Erbkrankheiten zeigen eine deutliche Abweichung von den MENDELschen Spaltungszahlen und zwar gewöhnlich in der Form, daß weniger Merkmalsträger auftreten, als theoretisch zu erwarten sind. Diese Erscheinung der herabgesetzten „Penetranz" (ausgedrückt als Verhältnis zwischen tatsächlich vorhandenen zu theoretisch zu erwartenden Merkmalsträgern in %) kann sehr unterschiedliche Ursachen haben, die jeweils spezifisch für ein Allel sein dürften, z. B. gametische oder intrauterine Letalität, Einfluß anderer Gene usw. Außerdem kann sich ein Allel bei einzelnen Individuen qualitativ und quantitativ unterschiedlich manifestieren. Diese Erscheinung der variablen „Expressivität" hat ebenfalls für die einzelnen Merkmale unterschiedliche Ursachen. Sie kann wiederum mit der Wirkung anderer Gene, dem Genmilieu oder genetischen „background" im Zusammenhang stehen, häufig läßt sie auch eine Geschlechtsabhängigkeit erkennen. Auf diese Weise bedingt möglicherweise eine geringe Expressivität eines dominant wirksamen Gens auch eine herabgesetzte Penetranz, wenn nämlich die Expressivität so gering ist, daß sie nicht zu klinischen bzw. andersartig feststellbaren Manifestationen führt. Es muß dann bei solchen Merkmalen mit stark variabler Expressivität mit Ausnahmefällen von scheinbar oder offensichtlich merkmalsfreien Überträgern gerechnet werden. Ein Unterschied sollte zwischen der intrafamiliär und der interfamiliär variablen Expressivität gemacht werden. Letzterer können ein unterschiedliches Genmilieu, aber auch multiple Allelie oder Heterogenie und damit verschiedene Erbgänge zugrunde liegen. Theoretischen Berechnungen zufolge ist es sehr unwahrscheinlich, daß sich eine Mutation im Laufe der Menschheitsgeschichte jeweils in ganz der gleichen Form wiederholt, d. h. daß die DNS eines Gens an dem gleichen Ort auf die gleiche Weise verändert wird. Danach hat praktisch jede Familie ihre eigene, ganz spezifische Mutation, die sich zwar, wenn sie in verschiedenen Sippen am gleichen Gen auftritt (multiple Allelie) gleichartig manifestieren kann, die aber bestimmte quantitative oder qualitative Unterschiede zwischen nicht verwandten Sippen in Form der interfamiliär unterschiedlichen Expressivität erklärt. Aus dem Gesagten läßt sich theoretisch schlußfolgern, daß entweder alle Personen, die Träger eines identischen Allels sind, in irgendeiner 15

Weise womöglich über Hunderte von Generationen zurück miteinander verwandt sein müssen oder daß es sich bei Merkmalsträgern, für die eine Verwandtschaft auszuschließen ist, um nicht vollkommen identische Mutationen handelt. Als Beispiel für die erste Möglichkeit gilt das TAY-SACHS-Syndrom, von dem man annimmt, daß alle Genträger untereinander verwandt sind, indem sie von einer Person des Ostjudentums (Ashkenasim) abstammen, die vor etwa 600 Jahren gelebt hat und erster Träger der Mutation gewesen sein müßte. Das gleiche gilt für die etwa 8000 Porphyriekranken in Südafrika, deren Herkunft sich von einem holländischen Siedlerpaar des 17. Jahrhunderts ableiten läßt. Die Porphyrie ist gleichzeitig ein Beispiel für die genetische Heterogenität gleichartiger Krankheitsbilder nichtverwandter Sippen, indem praktisch jede Familie „ihre eigene Porphyrie" hat. Einer interfamiliär unterschiedlichen Expressivität kann außerdem auch eine Heterogenie zugrunde liegen, das heißt die Mutation unterschiedlicher Gene, deren Produkte in der gleichen Wirkkette angreifen und sich deshalb phänotypisch gleichartig manifestieren. Durch die Erscheinung der Heterogenie läßt sich auch erklären, warum in seltenen Fällen Homozygote eines rezessiven Defektes miteinander wider Erwarten normale Kinder haben, wie das z. B . für den Albinismus oder die Taubheit beschrieben wurde. Es handelt sich dann bei den Eltern um Mutationen jeweils eines anderen Genortes und bei den Kindern um Doppelheterozygote für rezessiv wirksame Allele. Bestehen Heterogenie oder multiple Allelie in der Form, daß klinisch die gleiche Krankheit durch ein rezessiv wirksames Gen einerseits und durch ein dominant wirksames andererseits verursacht sein kann, so gilt als Faustregel, daß bei der rezessiv vererbten Form jeweils mit einer schweren Manifestation gerechnet werden muß (z. B . Xeroderma pigmentosum). Bisher läßt sich bei vielen genetischen Störungen noch nicht sagen, ob der variablen Expressivität die Wirkung eines differenten Genmilieus (Beteiligung von Modifikatorgenen), multiple Allelie, Heterogenie oder die Wirkung unbekannter Umweltfaktoren zugrunde liegt. Auf ein Problem soll in diesem Zusammenhang noch hingewiesen werden, das bei der Erbberatung immer wieder auftaucht, jedoch selten zufriedenstellend gelöst werden kann. E s handelt sich um die genetische Grundlage und damit um die erbprognostische Einschätzung polysymptomatischer Krankheitsbilder, die meistens oligosymptomatisch vererbt werden. Das MELKERSSON-ROSENTHAL-Syndrom z. B . tritt in seiner Symptomentrias von angioneurotischem Ödem einer Gesichtshälfte, rezidivierender Facialisparese und Faltenzunge überwiegend sporadisch auf. Betrachtet man jedoch die Teilsymptome, so läßt sich eine unregelmäßig autosomal dominante Vererbung feststellen. Eine ähnliche Situation besteht, wenn umschriebene Syndrome einesteils isoliert, in anderen Sippen jedoch miteinander kombiniert auftreten, wie etwa beim WiLDERVANCK-Syndrom, das eine Kombination aus STiLLiNG-TÜEK-DuANE-Syndrom, KLIPPEL-FEIL-Syndrom und Taubheit darstellt. Es ist noch nicht klar, ob es sich bei solchen Beispielen 16

um Mutationen eng gekoppelter Gene (Blockmutation) handelt oder ob die phänotypischen Unterschiede nur Ausdruck einer stark variablen Expressivität bzw. multipler Allelie eines einzigen Gens sind. Lediglich bei als polygen bedingt bekannten Krankheiten kann mit einiger Sicherheit angenommen werden, daß den phänotypisch verschiedenen Erscheinungsformen eines Krankheitsbildes (Beispiel Psoriasis: Psoriasis arthropathica, Psoriasis pustulosa, Psoriasis • vulgaris) die Beteiligung unterschiedlicher Gene zugrunde liegt. Für die familienberaterische Praxis bedeuten alle diese Phänomene wie verminderte Penetranz, variable Expressivität, Heterogenie usw. die Notwendigkeit, nicht nur bei den Schlußfolgerungen, sondern bereits bei den erbprognostischen Erhebungen in jeder Familie individuell vorzugehen, möglichst viele, auch als „normal" geltende Verwandte eines Probanden zum Ausschluß von Mikrosymptomen und subklinischen Merkmalen zu erfassen und zu untersuchen und schließlich in jedem Fall einen möglichst alle verfügbaren Daten erfassenden Stammbaum anzulegen. Es empfiehlt sich im Interesse gezielter Untersuchungen und Befunderhebungen und zur Vermeidung von Fehlern, soweit wie möglich für die Erhebungen wichtige Sippenmitglieder selbst in Augenschein zu nehmen und nur, wenn keine Möglichkeit dazu besteht, sich auf die Aussagen von Verwandten zu verlassen. Ein Stammbaum sollte auch physiologische Merkmale enthalten, von denen ein monogener Erbgang bekannt ist. Gegenwärtig kommen als solche vor allem die Blut- und Serumgruppen in Betracht. Besteht nämlich eine Kopplung solcher Merkmale mit der in Rede stehenden genetischen Störung, d. h. liegen die entsprechenden Gene auf einem gemeinsamen Chromosom so eng aneinander, daß sie vorwiegend gemeinsam vererbt werden, so wird an Hand des Blutoder Serumgruppen-Merkmals eine sichere Frühdiagnose möglich. Das ist vor allem bei Krankheiten mit stark variabler Expressivität oder mit einem späten Erstmanifestationsalter von Wichtigkeit. Erst in der letzten Zeit ist es mit Hilfe der interspezifischen Zellhybridisierung gelungen, neben der X-chromosomalen auch in breiterem Umfang autosomale Kopplungsgruppen zu verifizieren und auf jedem Autosom Loci zu bestimmen. Für die Technik des Stammbaum-Anlegens und die Eintragung familienanamnestischer Daten gibt es bestimmte Regeln und Symbole, die im Interesse der Übersichtlichkeit und der Vergleichbarkeit angewandt werden sollten (Abb. 1). Zur Kennzeichnung einer Ehe sind die Symbole der Partner durch einen waagerechten Strich zu verbinden (Abb. 2). Jede aufgeführte Geschwisterschaft muß vollständig und nach der Geburtenfolge von links nach rechts aufgeführt werden. Fehlen entsprechende Informationen, sollte das gekennzeichnet werden. Totund Fehlgeburten können von besonderer Wichtigkeit sein und sollten nicht vergessen werden. Aus dem Stammbaum muß auch hervorgehen, ob eingetragene Personen verheiratet sind und Kinder haben (Abb. 3). Die einzelnen Generationen werden in der Regel von der ältesten beginnend mit römischen Ziffern und Personen einer Generation mit arabischen Ziffern bezeichnet (Abb. 4). 2

Witkowski/Prokop

17

Monogene (monomere) Erbgänge a) Autosomal dominante Vererbung Ein dominant wirksames Gen manifestiert sich im heterozygoten Zustand, d. h. bei jedem seiner Träger. Krankheiten mit autosomal dominantem Erbgang werden, sofern sie nicht letal sind oder die Fertilität ihrer Träger beeinflussen, in aufeinanderfolgenden Generationen angetroffen und ihre Anlagen von Merkmalsträger zu Merkmalsträger weitervererbt. Durch eine dominante Mutation bedingte letale (d. h. der Träger stirbt vor Erreichen des fortpflanzungsfähigen Alters) Störungen treten gewöhnlich sporadisch auf, da sich ihre Träger nicht fortpflanzen. Dabei läßt sich besonders schwer entscheiden, ob einem derartigen Symptomenkomplex eine Genmutation oder eine andere, nicht genetische Ursache zugrunde liegt, so daß bei vielen der angeborenen letalen Syndrome die Frage nach der Ätiologie noch offensteht. In der praktischen Familienberatung spielt dieses Problem eine untergeordnete Rolle, da in jedem Falle nicht mit einer Wiederholung innerhalb der gleichen Familie zu rechnen ist. Bei Auftreten einer durch eine dominante Letalmutation bedingten Störung besteht auch für die Geschwister des Probanden kein erhöhtes Risiko;



Mann

EB

O

Frau

^ V

Individuum unbekannten Geschlechts

C j C )



^ort

Ö ^ O

^ k

©

Totgeburt

J ß

w

w

Proband Zwillinge

Zwillinge

Abb. i .

Ehe Illegitime Verbindung

QJ?

Verwandtenehe Geschwister Abb. 2.

18

r 11905 r^inj

—179-41



H

Beburts- und Sterbejahr bzw. Alter (BeiverstorbenenSippenmitgliedernsollte die Todesursache so genau als möglich in Erfahrung gebracht werden)

Merkmalträger bzw. Vorhandensein mehrerer Symptome

© G ^

'

Konduktorin O

Untersucht bzw. nicht untersucht

Abb. 3.

denn eine Neumutation geschieht mit großer Wahrscheinlichkeit erst während der Gametogenese und betrifft deshalb als einmaliges Ereignis nur wenige Gameten, von denen nur eine zur Befruchtung kommt. Das Auftreten mehrerer Merkmalsträger in einer Geschwister Schaft spricht somit gegen einen autosomal dominanten Erbgang, sofern das Merkmal in der Aszendenz noch nicht aufgetreten ist. Aus dem Gesagten geht hervor, daß es sich bei dominanten Letalmutationen in jedem Fall um eine Neumutation handeln muß. Auf diese Weise läßt sich auch die Mutationsrate eines Gens am einfachsten feststellen: Sie entspricht hier der Häufigkeit der Patienten unter Neugeborenen. Andererseits gibt es autosomal dominant vererbte Syndrome, die die Fortpflanzungsfähigkeit ihrer Träger primär nicht beeinflussen und bei denen bisher noch kein sporadischer Fall, d. h. keine Neumutation mit Sicherheit nachgewiesen wurde (z. B. Chorea H U N T I N G T O N ) . Theoretisch wird beim autosomal dominanten Erbgang ein Merkmal auf 50% der Kinder vererbt, wenn das entsprechende Allel bei einem Elternteil heterozygot vorhanden ist. Sind beide Eltern heterozygote Merkmalsträger, 2*

19

werden 3/„ der Kinder betroffen sein und davon wiederum 1 / 3 homozygot. Ein dominant wirksames Allel wirkt homozygot meistens wesentlich gravierender bzw. letal (Homozygotie-Effekt), selbst wenn es bei Heterozygoten nur zu relativ leichten klinischen Erscheinungen führt (z. B. Steatocytoma multiplex, homozygot wahrscheinlich letal), weshalb sehr oft vor Ehen zwischen Merkmalsträgern auch harmloser dominanter Störungen gewarnt werden muß. Charakteristika eines autosomal dominanten Erbganges und sich daraus ergebende Schlußfolgerungen: 1. Merkmalsfreie Überträger kommen nur in Ausnahmefällen vor. 2. Für erbprognostische Erhebungen müssen im Hinblick auf eine mögliche variable Expressivität auch klinisch offensichtlich normale Sippenangehörige auf Mikro- und Teilsymptome untersucht werden. 3. Handelt es sich bei dem Probanden um einen sporadischen Fall, besteht für weitere Kinder der gleichen Eltern kein erhöhtes Risiko. 4. Ein Risiko von 50% besteht für alle Kinder aus der Ehe eines heterozygoten Merkmalsträgers mit einer Normalperson. 5. Ehen zwischen Merkmalsträgern sollten vermieden werden, da bei zu erwartenden homozygoten Kindern (Wahrscheinlichkeit 25%) mit unverhältnismäßig schwerer Symptomatik zu rechnen ist. 6. Der Anteil an Neumutationen am Krankengut erhöht sich mit der Schwere der Krankheit. Im Extrem (Letalmutation) handelt es sich bei jedem Fall um eine Neumutation. b) Autosomal

rezessive

Vererbung

Ein autosomal rezessiv wirksames Allel manifestiert sich nur im homozygoten Zustand, d. h. nur wenn beide homologe Loci durch das gleiche Allel besetzt sind, kommt es zu phänotypischen Erscheinungen. Eine Vererbung klinischer Symptome auf die nächste Generation durch einen Merkmalsträger kann somit nur erfolgen, wenn der entsprechende Partner ebenfalls homozygoter oder heterozygoter Träger des entsprechenden Allels ist. Die Wahrscheinlichkeit für das Zusammentreffen zweier Träger des gleichen Allels liegt auf Grund ihrer geringen Frequenz in der Durchschnittsbevölkerung sehr niedrig. Sie erhöht sich jedoch, wenn beide Partner miteinander verwandt sind. J e seltener eine rezessiv bedingte Krankheit, desto höher ist die Konsanguinitätsrate. Deshalb treten rezessiv vererbte Störungen vermehrt bei Kindern aus Verwandtenehen und somit in Isolaten auf, in denen aus geografischen, religiösen, rassischen oder sozialen Gründen eine erhöhte Inzuchtrate besteht. Beispiele für eine Häufung rezessiv vererbter Syndrome in geografischen Isolaten sind bestimmte Schweizer Alpentäler und für religiöse Isolate einige Sekten, besonders in Nordamerika (Mennoniten). Es liegt andererseits an der Besonderheit bestimmter Krankheitsbilder, daß für ihre Träger Heiratschancen fast ausschließlich mit gleichartig geschädigten Partnern 20

bestehen. Auf diese Weise heiraten z. B. Taubstumme oder Zwergwüchsige vorwiegend untereinander. Bedenken bestehen dagegen dann, wenn es sich auch genetisch um den gleichen Defekt, d. h. die Mutation eines identischen Gens handelt, z. B. bei Patienten mit PARROT-Syndrom oder derselben Form der Taubheit. Läßt sich das ausschließen, besteht kaum ein erhöhtes Risiko für die nächste Generation. Es ist einer der optimistischen Gesichtspunkte der modernen Humangenetik, daß durch Auflösung der Isolate in der Neuzeit und durch den Abbau von Rassenvorbehalten eine verstärkte Bevölkerungsdurchmischung stattfindet, von der eine Senkung der Häufigkeit rezessiv vererbter Störungen erwartet werden kann. Die Wahrscheinlichkeit, daß aus der Ehe zweier Heterozygoter ein homozygotes Kind und damit ein Merkmalsträger hervorgeht, liegt bei 1 : 4. Ebenso groß ist die Chance für jedes Kind, homozygot normal zu sein, während für Heterozygotie eine Wahrscheinlichkeit von 5 0 % besteht. Kommt es in Sippen, in denen bereits Merkmalsträger auftreten, zu Ehen zwischen Homozygoten und/oder Heterozygoten, wie das häufig in Inzuchtgebieten geschieht, so kann das Merkmal in mehreren Generationen manifest werden. Diese Erscheinung, als Pseudodominanz bezeichnet, läßt sich nicht immer eindeutig von echter Dominanz unterscheiden. In entsprechenden Familien fällt jedoch neben den Verwandtenehen eine Häufung von merkmalsfreien Überträgern auf. Das Problem für die Familienberatung sind bei der autosomal rezessiven Vererbung vor allem die phänotypisch normalen Heterozygoten. Existiert in einer Familie ein (homozygoter) Merkmalsträger, so müssen beide Eltern als heterozygot für dieses Gen angesehen werden. Für die Geschwister der Eltern besteht dann ebenfalls eine Wahrscheinlichkeit von 50%, Genträger zu sein. Ein Nachweis an Hand von bestimmten Mikrosymptomen bzw. Stoffwechselanomalien gelingt jedoch nur bei einem Teil der Syndrome bzw. Mißbildungen. Dabei handelt es sich dann schon nicht mehr um im engeren Sinne des Wortes rezessiv wirksame Gene, da sich diese der Definition nach im heterozygoten Zustand gar nicht manifestieren. In neuerer Zeit besteht die Tendenz, von dieser engen Begriffsfassung abzugehen, ohne daß bereits eine einheitliche neue Definition oder Meinung besteht. Im Rahmen dieses Buches soll auf diese Fragen nicht weiter eingegangen werden. Die Bezeichnungen werden rein pragmatisch unter Vermeidung des Begriffes „intermediär" in dem Sinne verwandt, daß „rezessiv" bedeutet, klinische Erscheinungen treten nur bei Homozygoten auf, unabhängig von subklinisch meßbaren oder erkennbaren, phänotypischen Verschiebungen, „dominant" bedeutet dann, daß klinische Symptome sowohl bei Homozygoten als auch bei Heterozygoten erkennbar sind, wobei die Schwere der Erscheinungen unterschiedlich sein kann. Erfolgreiche Heterozygotennachweise lassen sich bei einem großen Teil der Stoffwechselkrankheiten (s. Tabelle 1 und 2), aber auch bei Syndromen mit Skelettanomalien und teilweise auch mit psychischer Symptomatik durchführen. Heterozygotie äußert sich dabei gewöhnlich in Form einer biochemisch, röntgenologisch oder anderweitig 21

feststellbaren Mikro- und Teilsymptomatik. Für die Familienberatung stellen die Heterozygotennachweismethoden wichtige Hilfsmittel zur Präzisierung der Risikoziffern und Erwartungswerte dar. Bei Syndromen, in denen sie keine verläßlichen Kriterien liefern, muß auf jeden Fall von Ehen zwischen potentiellen heterozygoten Genträgern für schwere rezessive Schädigungen, das sind vor allem Verwandte von Merkmalsträgern, abgeraten werden. Charakteristika eines autosomal rezessiven Erbganges und sich daraus ergebende Schlußfolgerungen: 1. Konsanguinität gesunder Eltern eines Merkmalsträgers spricht für autosomal rezessive Vererbung. 2. Rezessiv vererbte Störungen treten gewöhnlich nur innerhalb einer Generation auf, wobei mehrere Geschwister betroffen sein können (Verhältnis homozygot normal : heterozygot normal : homozygot geschädigt = 1 : 2 : 1 ) . Das Risiko für eine Wiederholung bei Geschwistern eines sporadischen Falles liegt somit bei 25%. 3. Kinder von Merkmalsträgern sind nur dann gefährdet, wenn der entsprechende Partner ebenfalls Anlageträger ist, und zwar gehen aus Ehen zwischen zwei Homozygoten nur Merkmalsträger hervor, während bei Ehen zwischen einem Homo- und einem Heterozygoten das Risiko für die Kinder 50% beträgt und alle klinisch Normalen Heterozygote sind. 4. Vor Ehen zwischen Verwandten 1. Grades muß in betroffenen Familien besonders gewarnt werden, vorausgegangene Verwandtenehen erhöhen das Risiko nicht. 5. Stoffwechseldefekte werden bis auf wenige Ausnahmen rezessiv vererbt. 6. I n dem in Mitteleuropa üblichen 2- bis 3-Kinder-System treten 2 / 3 der rezessiven Störungen sporadisch auf. c) X-chromosomaler

Erbgang

Bei X-chromosomalen Genen verwischt sich der erkennbare Unterschied zwischen dominant und rezessiv noch mehr als bei autosomalen, da der Mann nur ein X-Chromosom (Hemizygotie) besitzt und das zweite X-Chromosom der Frau ebenfalls nur bedingt funktionsfähig ist. Nach einer von M. LYON 1961 aufgestellten und inzwischen allgemein anerkannten Hypothese wird ein großer Teil der Gene eines der beiden X-Chromosomen bei der Frau schon während der frühen Embryogenese irreversibel inaktiviert (LYON-Effekt). Da von Zelle zu Zelle unterschiedlich, wahrscheinlich zufallsgemäß, eines der beiden X-Chromosomen inaktiv bleibt, stellt der weibliche Organismus praktisch ein Mosaik aus zwei hinsichtlich ihres aktiven X-Chromosoms verschiedenen Zellinien dar. Es ist also zu erwarten, daß bei der Frau ein rezessives (Jen in durchschnittlich der Hälfte der Zellen wirksam wird, da das entsprechende homologe dominante Gen inaktiv bleibt. Trotzdem ist es noch üblich, genau wie bei autosomalen auch bei X-chromosomalen Störungen von rezessiv zu sprechen, wobei sich jedoch ein X-chromosomales rezessives Gen im heterozygoten 22

o s ©

4 +1-1

1

4-

-h

4 - 4 - 4 -

4-

4-4-4-

ö a © S H

bo N o

K

+

4-4-4-4-4-4-

+

©

OQ CS e © 50 s 5 1 © m g - i a cS cS '

CS

=1 CO •S .2 © es ja © a O © © n^iKjCMXi

I

>>

ja ©

' f i

s

00 §

bo

e» cj mm •4) -S3 bD

JH

-p cS ja

©

fi

ft

U

ja

>>

° "S r> co 1: ja b I WCS oft o JH © J S œ -S d SS-rS9 * ? © -P ' ' O 1 1 c FJH 0 IB 9 9 çs P*> 05 CÖ s & g - S fe 3 Ò ¿ 3 "M cS ntí Q S E 4) © es tH c3 cc s a s ©

ï

"Ö ja

Jh ©

âôôô fiiiS

§

bo o

c3 S "53 o © i 3 M mm S ö «

li

X

O J2 ^ CS J4

© _>> -S -a

T3 >> j© a

g

fi

S ® S HHHÎ>-g «•s ^ s ft ft ft ftja ' o RRgR-à-a-a-gf-Js.S n n ü u s g « ^ ! ' ! g O © © © © á • ?s - c M œ ïi w mW tí" © .S © O O O O -i, • ñ tí tí e ia«? ' 3 ® o © © © © © CT1 © J^ j a ft' es j a bO bO 60 bD mCS - © W W d O .Th O ,>. ft O S O»" W O W O O



® O r t « m

^

ia

cot>

23

o

ss -S a>

id

+

¿ W

++++

-f

+

SS S

s ®ß

•a-s H g N

M

+

++ a e H

'S 8

an

cd © 7? 02 cô X ^ o

n H o m

o «

®

&

02

®

§

S

s a

s

•a S S .s .2

2 O ¿ í 0> 02 " 8 i .£3 eô n s o' ' S 3 f^ S f ii » - s P 2 Œ o ® Ü ^ « J ^ » i_u CÔ ^- • jSj coS S es 3 S u 3 ^ t - S "S W W S l é * » ce P4 m S

S

5 & g 9

§

(H ¿ I H O

"S o a

o ffi j

2 4 2 ja -g ° S ce J S ®

SS

fr

S

cs.2

O ¡Q 'C . o

M

JS Oh m O X C^

O M) C c3

« H H &

à

A h .S « 8 fi 3 b ß ta ce

6 0

'S O

o h T)

S M © H M 1 * § g S . s aw „H ® GQ 3 > 3 fe -V O » ' S o § J M ¡> s m o m . S œT a o ? O « " » à » è l ce - â S ft T S o q! fP H œ . . ai m • __ * • I « • » ftô o S aO X 3) H M « S I Se g i s ® à g ï ^ ' t S i î o -S 3 ta a g o a - i 1 1 i £ £ •í g I B M I H O K f e ^ t c K e f f S O Î Z î H

02

oo œ »H H