Gegen die Fußgängermentalität: Deutsche Beat- und Undergroundliteratur 396707823X, 9783967078237

"Schreiben war gut. Besser als die Gemeinschaft mit Menschen war, über sie zu schreiben, und dann nicht an ihnen ha

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Gegen die Fußgängermentalität: Deutsche Beat- und Undergroundliteratur
 396707823X, 9783967078237

Table of contents :
Cover
Titel
Impressum
Inhalt
Wüstenhighways und mittelalterliche Gassen
Niemals alltäglich
Literatur und billiges Bier
Jürgen Ploog
Jörg Fauser
Cut-up als Waffe
Ploogs erster Roman
Carl Weissner
Die deutsche Szene
Alles nur Männer
Seltsame Allianzen
Rezeptionskritik
Bukowski erfinden
Die Reisen von Ploog
Fausers »Rohstoff«
»Woher kommen wir?«
Anmerkungen

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Simon Sahner

edition essay

Gegen die Fußgänger­ mentalität

Deutsche Beat- und Undergroundliteratur

— edition essay —

Simon Sahner

Gegen die Fußgänger­ mentalität Deutsche Beat- und Undergroundliteratur

Mit freundlicher Genehmigung des Transcript Verlags, in dem 2022 die Dissertation von Simon Sahner: »Der Wirklichkeit verfallen. Deutsche Beat- und Undergroundliteratur 1960–1980« erschienen ist.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über www.dnb.de abrufbar. ISBN 978-3-96707-823-7

E-ISBN 978-3-96707-824-4

E-Book-Umsetzung: Claudia Wild, Konstanz Umschlagabbildung: Montage, 1974 © Walter Hartmann Umschlagtext aus: Jörg Fauser: Die Tournee. Die Erstausgabe erschien 2007 im Alexander Verlag, Berlin. Copyright © 2022 Diogenes Verlag AG Zürich Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung des Verlages. Dies gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. © edition text + kritik im Richard Boorberg Verlag GmbH & Co KG, München 2023 Levelingstraße 6a, 81673 München www.etk-muenchen.de Satz: Claudia Wild, Konstanz

Inhalt

Wüstenhighways und mittelalterliche Gassen   7 Niemals alltäglich   13 Literatur und billiges Bier  27 Jürgen Ploog  31 Jörg Fauser  37 Cut-up als Waffe  45 Ploogs erster Roman  49 Carl Weissner  53 Die deutsche Szene  59 Alles nur Männer   73 Seltsame Allianzen   83 Rezeptionskritik  91 Bukowski erfinden   97 Die Reisen von Ploog  111 Fausers »Rohstoff«   119 »Woher kommen wir?«  123 Anmerkungen  129

Wüstenhighways und mittelalterliche Gassen

Es war nicht Berlin. Es war nicht einmal Hamburg oder München. Es war einfach nur Heidelberg. Über den Hamburger Hafen war zu Beginn der Sechzigerjahre mit den Beatles die englische Beatmusik nach Westdeutschland gekommen. In Berlin hatte sich 1961 der Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika, John F. Kennedy, zum Bürger der Stadt erklärt. Im Big Apple Club in München zerschmetterte Jimi Hendrix 1966 zum ersten Mal eine Gitarre. Künstlerinnen und Künstler, Intellektuelle und politisch Engagierte aus den USA reisten nach Westdeutschland und prägten das kulturelle Leben mit. Als sich der US-amerikanische Schriftsteller William S. Burroughs am Abend des 6. Juni 1966 auf den Weg zum Studenten der Amerikanistik, Carl Weissner, machte, war er durch keine dieser Großstädte ge­­laufen. Wahrscheinlich war er stattdessen durch die eine oder andere winklige Gasse im Heidelberger Norden gegangen, bevor er vor dem Haus in der Mühltalstraße 1–3a stand, wo Weissner in einem winzigen Apartment wohnte. Burroughs kam gerade aus Paris und war in einem Hotel einige Straßen weiter abgestiegen. Mit schwarzem Anzug, schwarzer Krawatte und schwarzem Hut habe er im Flur des Mietshauses vor ihm gestanden, beschreibt Carl Weissner die Szene in einem Brief an Victor Bockris.1 Den Abend verbrachten die beiden – der hagere Amerikaner um die fünfzig und der halb so alte Weissner – wohl damit, sich gegenseitig Tapes vorzuspielen und Aufnahmen mit dem Rekorder zu machen. Gegen halb zwei Uhr am Morgen sei Burroughs mit dem Taxi zurück ins Hotel gefahren. 7

Die Begegnung des Pioniers der Cut-up-Technik, der zu diesem Zeitpunkt bereits ein mythenumrankter Schriftsteller war, mit dem späteren Übersetzer und Literaturagenten, der wenige Monate danach für zwei Jahre in den USA leben würde, ist rückblickend ein typischer Moment der deutschen Beat- und Undergroundliteratur. In kleinen deutschen Städten, in engen Studentenzimmern und im direkten Austausch bildete sich die Grundlage einer Literatur, die sich an den US-amerikanischen Vorbildern der Beatund Undergroundliteratur orientierte. Jörg Fauser, der nicht nur in Burroughs eine literarische Leitfigur sah, sondern letztlich seinen eigenen Stil in Anlehnung an Charles Bukowski fand, tat seine ersten literarischen Schritte ebenfalls in Heidelberg, in einem kleinen Krankenhaus im Stadtteil Rohrbach. Sein erster Roman »Tophane« erschien 1972 im Augsburger Indie-Verlag Maro und der erste deutsche Cut-up-Roman »Cola-Hinterland« des Piloten Jürgen Ploog drei Jahre zuvor im Darmstädter Melzer Verlag – alles weit weg von der großen Verlags- und Literaturwelt, die Ploog einmal einen »Tummelplatz übergeschnappter Idioten«2 nannte. Carl Weissner betrieb von seiner Heidelberger Studentenbude aus die Literaturzeitschrift »Klactoveedsesteen« und kam dadurch in Kontakt mit Charles Bukowski und anderen US-amerikanischen Schriftstellern und Schriftstellerinnen, unter anderem mit Burroughs und Mary Beach. Die deutsche Beat- und Undergroundliteratur zeigte sich als Nebenfluss der westdeutschen Literatur in den ersten Jahrzehnten nach dem Zweiten Weltkrieg. Und von heute aus gesehen, wäre die deutsche Popliteratur ohne sie nicht denkbar gewesen.3 Einer ihrer Repräsentanten, Jörg Fauser, avancierte seit seinem frühen Tod im Jahr 1987 über die letzten Jahrzehnte zu einem geliebten enfant ter­ rible des deutschen Feuilletons. All das kann aber nicht verdecken, dass sich die deutsche Literaturkritik und der literarische Betrieb in der Hochphase der deutschen Beat- und Undergroundliteratur nicht für diese Strömung interessierten. Im Gegenteil, wenn man überhaupt von ihr wusste, ignorierte man sie weitgehend. Die Literatur der ersten zwanzig Jahre nach Kriegsende war in der Bundesrepublik vorrangig bestimmt von dem Versuch der 8

kulturellen Wiedergutmachung und der ideologischen Abnabelung von den Verbrechen der Nazi-Zeit. Literatur hatte in diesen Jahren, glaubt man Hans Magnus Enzensberger, eine »Ent­ lastungs- und Ersatzfunktion«.4 Sie sollte als gesellschaftspolitisches Werkzeug der Aufarbeitung und der Neuorientierung dienen. Damals zeugten davon Romane bundesrepublikanischer Autoren, die bis heute als Paradebeispiele für die Nachkriegsliteratur gelten, wie Günter Grass’ »Die Blechtrommel«, Siegfried Lenz’ »Deutschstunde« oder Heinrich Bölls »Billard um halb zehn«. Sie alle verbindet die Suche nach den Möglichkeiten einer deutschen Identität nach dem Nationalsozialismus und sie verstehen sich gleichzeitig als politisch engagiert, als mahnend und belehrend – ihnen ist ihr Zweck und die beabsichtigte Wirkung in jede Zeile eingeschrieben. Auf Seiten der Lyrik lässt sich in diesen Jahren eine Fokussierung auf Innerlichkeit ausmachen, ein sich Verkriechen in das eigene Innere und ein Ausloten der eigenen Position im Gefüge der Welt nach Zerstörung und der Shoa. Diese kulturelle Herkulesaufgabe sollte die deutsche Kultur und das deutsche Gewissen zwar entlasten, für die Literatur jedoch stellte sie letztlich eine Überlastung dar. Das will Hans Magnus Enzensberger 1968 in seinem legendären »Gemeinplätze«-Essay im »Kursbuch 15« festgestellt haben, »das Sterbeglöcklein für die Literatur«5 habe er gehört – heute ist in diesem Kontext meist die Rede vom Tod der Literatur. Jörg Fauser fand die Literatur dieser Jahre einfach nur »zum Gähnen langweilig«6 und lebensfern. Damit gehörte er zu jenen umtriebigen, literaturbegeisterten jungen Männern, die ihre kulturelle Adoleszenz ganz im Zeichen US-amerikanischer Populärkultur erlebten. Die USA waren in diesen Jahren nicht nur als Besatzungsmacht und Beschützer sondern auch als kultureller Einfluss omnipräsent in der Bundesrepublik: US-amerikanische Filme, Musik und Konsumgüter – allen voran Coca Cola und Zigaretten – prägten das kulturelle Leben und den Lifestyle. Fauser und andere waren im Verlauf dieser transatlantischen Kulturerfahrungen auch auf die Romane und Gedichte der Beatliteratur und die raue Schreibweise des literarischen Undergrounds gestoßen. 9

Bevor Fauser aber Ende der Sechzigerjahre in einer Dachwohnung in Göttingen an seinem ersten an Burroughs angelehnten Roman arbeitete und Weissner mit der Beat-Szene im New Yorker East Village feierte, fand die US-amerikanische Beat- und Undergroundliteratur durchaus den üblichen Weg in die deutschen Buchhandlungen. Bereits 1959 war der Klassiker der Beatliteratur und ihr inoffizielles Gründungsdokument, Jack Kerouacs »On The Road«, in deutscher Übersetzung als »Unterwegs« bei Rowohlt erschienen. Kurze Zeit später kamen auch weitere relevante Werke dieser literarischen Strömung in der Bundesrepublik an, namentlich Allen Ginsbergs »Howl« und Burroughs »Naked Lunch« im Limes Verlag sowie eine Anthologie von Karl O. Paetel bei Rowohlt, die eine Vielzahl von Autorinnen und Autoren versammelte. Von einem deutschsprachigen Pendant konnte jedoch zur damaligen Zeit noch keine Rede sein. Typisch für den Umgang mit dieser Literatur in der westdeutschen Republik war eine Rezeption in zwei Richtungen. Als mit »On The Road« die erste eigenständige Publikation der amerikanischen Beatliteratur in deutscher Sprache erschien, nannte Günter Blöcker die Autoren der Beat Generation in einer der ersten Rezensionen in der FAZ »Eichendorffsche Taugenichtse des Maschinenzeitalters«.7 Walter Höllerer wiederum kann als der erste deutsche Literaturwissenschaftler gelten, der sich mit der amerikanischen Beatliteratur auseinandergesetzt hat. In einem ausführlichen Essay über die »Junge amerikanische Literatur« widmete er sich 1959 – bereits wenige Monate bevor »Unterwegs« erschien – den Beatautoren aus den USA und machte bei ihnen Parallelen zur »Menschheitsdämmerungsphase der zwanziger Jahre«8 aus – ein deutlicher Verweis auf die einflussreiche Expressionismus-Anthologie von Kurt Pinthus aus dem Jahr 1919. Eichendorff und Expressionismus – damit lieferten bereits die frühen Reaktionen auf diese Literatur den kulturellen Hintergrund, für die Rezeption in West-Deutschland: Die US-amerikanische Beatliteratur und die Undergroundliteratur wurden selbst von wohlwollenden Stimmen wie Blöcker und Höllerer in einen Vergleich mit dem bildungsbürgerlichen Kanon gedrängt und mussten sich in manchen Fällen gegen den Vorwurf wehren, selbst 10

lediglich eine Literatur von amerikanischen Halbstarken zu sein – fast food für die Jugend. Auf der anderen Seite fand diese Literatur einen großen Widerhall vor allem unter jungen Männern, von denen sich einige selbst als ambitionierte Schriftsteller sahen. Für sie waren Romane wie die von Kerouac und Burroughs und die Gedichte von Ginsberg, Gregory Corso oder Lawrence Ferlinghetti der frische Wind, der den Staub der Schreibstuben von Autoren wie Günter Grass und Martin Walser aufwirbelte und wegblies. »[S]pontan, direkt und hemmungslos«9 sei die Prosa von Kerouac gewesen, äußert Ploog noch Jahrzehnte später in einem Interview mit seinem Bekannten und Kollegen Hadayatullah Hübsch. Auch Fauser kann sich noch zwanzig Jahre später daran erinnern, wie sehr ihn die erste Lektüre von »On The Road« beeindruckt hatte: »Hier gab es Bewegung, Farbe, Rhythmus, Rausch«, und er betont vor allem auch den vorbildhaften Charakter: »Wir lasen Jack K, zogen los, entdeckten die Straßen, beatific, entdeckten vielleicht sogar uns«.10 Die Beatliteratur ist in diesem Fall ähnlich wie der Rock’n’Roll – oder die Filme mit James Dean und Marlon Brando – das Mittel zur Flucht junger Männer aus dem kulturellen Mief der westdeutschen Wirtschaftswunderjahre. Irgendwo in diesem manchmal diffusen Bereich zwischen bürgerlichem Literaturkanon, Aufbruch aus den Wirtschaftswunderjahren und Einflüssen amerikanischer Alternativkultur entstand in den Sechzigerjahren in Westdeutschland etwas, das man als eine deutsche Beat- und Undergroundliteratur bezeichnen könnte. Könnte, denn an dieser Stelle fangen die Schwierigkeiten an. Folgt man nämlich einer Aussage von Jürgen Ploog, der ohne weiteres als einer der größten deutschsprachigen Kenner und Repräsentanten der Beatliteratur und insbesondere von William S. Burroughs gelten kann, dann kann jemand, der nicht in den USA aufgewachsen ist und bestimmte Erfahrungen gemacht hat, gar kein Beatliterat sein: »Ich habe die literarische Herangehensweise zwar übernommen, soweit ich es konnte, aber das Lebensgefühl bekommt man nur, wenn man eine Zeitlang an der Lower Eastside gelebt hat, und das habe ich nicht. Ein Lebensgefühl entsteht nur durch 11

Erfahrung. Es geht darum, wie oft jemand auf die Schnauze gefallen ist, was es bedeutet, wieder hochzukommen. Es geht um die Begegnung mit dem Tod oder der Liebe oder darum, wie sich jemand verhält, wenn er eins in die Fresse kriegt. Das prägt die Sicht auf Welt und auf Menschen.«11 Aber etwas entwickelte sich da in den Jahren um 1968 auch in der Literatur der Bundesrepublik, das direkt anschloss an die Prosa, die Lyrik und die Textexperimente, die seit Ende der Fünfzigerjahre über den Atlantik kamen und die dort unter dem Stichwort Beatliteratur verhandelt wurden – teilweise sehr zum Unmut der Schriftsteller und Schriftstellerinnen selbst. Es liegt also nahe auch für diese deutschsprachige Literatur den Begriff der Beatliteratur zu verwenden, weil auf diese Weise unweigerlich die relevanten Bezüge offengelegt werden. Um zu verstehen, was damals in Deutschland entstanden ist, ist es zunächst wichtig, sich darüber im Klaren zu sein, was Beatliteratur eigentlich ist oder sein soll, warum man von einer Beat- und einer Undergroundliteratur sprechen kann.

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Niemals alltäglich

Wohl kaum eine schriftstellerische Bewegung des 20. Jahrhunderts hat die Grenzen ihres Ursprungslandes, des literarischen Betriebs und der daran interessierten Öffentlichkeit so weit überschritten wie die US-amerikanische Beatliteratur und kaum eine andere hatte einen derartigen Einfluss auf die Populärkultur des sogenannten kulturellen Westens und teilweise darüber hinaus. Als Phänomen hat sie sich nicht nur in der literarischen Kultur manifestiert, sondern ihr Einfluss ist bis in nahezu jede Ecke des (pop)kulturellen Feldes vorgedrungen. Die Beat Generation prägte nicht allein die Literaturszene in den USA und führte in der ganzen Welt zu Nachahmung und begeisterter Lektüre,12 sondern beeinflusste auch in nicht geringem Maße andere Bereiche der Gegenkultur der Sechzigerjahre: Bob Dylans Songtexte atmen den Geist und das Flair der Beatliteratur und das ikonische Road­ movie »Easy Rider« (Regie: Dennis Hopper, USA 1969) thematisiert die Ambivalenz der US-amerikanischen ›Highwayromantik‹, die in vielen Werken der Beatliteraten und -literatinnen, insbesondere in »On The Road«, ihren Ausdruck findet. Vor allem die drei einflussreichsten Autoren dieser Strömung – Jack Kerouac (1922–1969), Allen Ginsberg (1926–1997) und William S. Burroughs (1914–1997) – sind nicht nur zu literarischen Ikonen avanciert, sondern wurden auch Stilvorbilder und Repräsentanten einer widerständigen Populärkultur. Burroughs tauchte in den späten Siebzigerjahren in der Punkbewegung auf, Allen Ginsberg war bis zu seinem Tod in den Neunzigerjahren als Redner in den Vereinigten Staaten und Europa 13

unterwegs und Jack Kerouac geriet trotz und vielleicht auch wegen seines frühen Todes zum Posterboy des Aufstands gegen das bürgerliche Vorstadtleben. Um es mit John Leland zu sagen: »Wenn man in einem Film oder einer Serie die rebellische Figur sucht, sollte man schauen, ob im Regal eine Ausgabe von ›On The Road‹ steht.«13 Insbesondere dieser Roman ist zu einem allgemeingültigen Zeichen für jugendlichen Widerstand gegen die moralischen und gesellschaftlichen Grenzen der Elterngeneration geworden. So allgemeingültig ist seine kulturhistorische Einordnung, dass sogar ein rebellischer Nebencharakter in der Wohlfühl-Unterhaltungsserie »Gilmore Girls« (USA 2000–2007) durch die Lektüre als vermeintlich antibürgerlicher Outlaw markiert wird. »On The Road« handelt von einem Leben unterwegs auf den Highways der USA in den ersten Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg. In Greyhound-Bussen, auf Ladeflächen von Pickups, als Anhalter oder in geklauten Autos fahren junge Männer durch das ganze Land – »roaming the country«, wie es der Verlag Viking Press ausdrückte. Als kurze Zeit vor der deutschen Erstausgabe ein Auszug aus dem Roman in Walter Hasenclevers Band »Junge amerikanische Literatur« erschien, war der Titel noch wörtlich übersetzt worden, nicht unterwegs befand sich der Erzähler Sal Paradise da, sondern auf der Straße. In diesem scheinbar unbedeutenden Unterschied steckt jedoch der Kern des ganzen Romans. Die Figuren, die Kerouac durch die USA reisen lässt, leben eben nicht auf der Straße, was im Deutschen so viel bedeutet, wie unfreiwillig obdachlos zu sein, sondern sie sind unterwegs, sie sind unbehaust, dem konventionell-bürgerlichen Leben und der Sesshaftigkeit entflohen. Der Erzähler Sal Paradise aber, das Alter Ego des Autors, ist anders als sein Freund Dean Moriarty zunächst kein bohemehafter Landstreicher und Draufgänger, sondern ein junger Mann mit schriftstellerischen Ambitionen, der eher zurückgezogen an der Ostküste der USA im Haus seiner Tante in Paterson, New Jersey lebt. Erst als er sich per Fernbus und als Anhalter auf den Weg nach Denver macht, um, wie er sagt, neue Erfahrungen zu sammeln und Moriarty besser kennenzulernen, wird er Teil einer Gruppe von jungen Männern, die auf der Suche nach Jazz, nach Abenteuern und Sex durch die USA ziehen. 14

Nur wenige Wochen nach seinem Erscheinen wurde der Roman zum Manifest der sogenannten Beat Generation erklärt, auch wenn der Verfasser sich gegen dieses einengende Gütesiegel wehrte.14 Kerouac verarbeitete seine Reiseerfahrungen, fiktionalisierte sie, überhöhte sie und schuf damit einen Roman, der auch durch den Mythos seiner Entstehung ein perfektes Beispiel für die Wirkung ist, die Literatur erzeugen kann, wenn sie als Life­ styleprodukt verkauft wird. Die Geschichten aus dem Leben eines modernen Bohemiens, angelehnt an einen US-amerikanischen Mythos des Reisens in den Westen, machten den Roman innerhalb kürzester Zeit zum Symbol für jugendliches Aufbruchsstreben und für Fantasien vom Ausbruch aus gesellschaftlichen Zwängen. Was aber zeichnete diese jungen Männer, von denen Kerouac erzählte, darüber hinaus aus: dass sie den Traum lebten, der vermutlich auch in der westdeutschen Provinz geträumt wurde? Kerouac beschreibt die Gestalten, denen sein Alter Ego nachstolpert – wie er selbst sagt –, als niemals müde Nachtschwärmer, die immer einer neuen, wilden Idee nachjagen: »denn die einzigen Menschen sind für mich die Verrückten, die verrückt sind aufs Leben, verrückt aufs Reden, verrückt auf Erlösung, voll Gier auf alles zugleich, die Leute, die niemals gähnen oder alltägliche Dinge sagen, sondern brennen, brennen, brennen wie phantastische gelbe Wunderkerzen und wie Feuerräder unter den Sternen explodieren, und in der Mitte sieht man den blauen Lichtkern knallen und alle rufen ›Aaah!‹«15 Die Lebenssucht und der existenzielle Enthusiasmus, die sich an dieser zentralen Stelle bahnbrechen, können als zwei der Kernelemente der US-amerikanischen Beatliteratur bezeichnet werden, die auch in der Bundesrepublik Anklang fanden. Während die (pop)kulturelle und literaturhistorische Bedeutung der Beat Generation unbestreitbar ist, ist sie literarisch umso schwerer zu fassen, was auch damit zusammenhängen mag, dass es sich hierbei nicht allein um eine Strömung US-amerikanischer Literatur handelte, sondern um ein in Literatur gegossenes Lebensgefühl. Einen gemeinsamen Stil, wie man ihn etwa in der Lyrik 15

des Expressionismus finden könnte, oder eine bevorzugte Gattung, wie es das Drama im deutschen Sturm und Drang war, sucht man bei der Beatliteratur vergebens. Sie erstreckt sich von experimentellen Cut-Up-Texten von Burroughs über die rhapsodischen Gedichte eines Allen Ginsberg sowie über kurze erotische Poeme einer Lenore Kandel bis hin zu den beinahe konventionell erzählten Prosatexten von Jack Kerouac oder Diane di Prima. Für die einen ist die Beat Generation ein »wütender Angriff auf die Konformität und den Konservatismus der Nachkriegsgesellschaft«,16 für andere einfach nur ein Freundeskreis um Allen Ginsberg17 und der Verlag Viking Press informierte in der Erstausgabe von »On The Road«, es handele sich um »eine weitere Gruppe, die Amerika durchstreift, auf ihrer wilden, verzweifelten Suche nach Identität und einer Bestimmung«.18 Man kommt auch nicht wirklich weiter, wenn man sich dem bestimmenden Begriff beat zuwendet. Das liegt unter anderem daran, dass in dem Moment, als die Beat Generation unter dieser Bezeichnung Bekanntheit erlangte, die meisten der Schriftstellerinnen und Schriftsteller bereits nichts mehr mit diesem Ausdruck zu tun haben wollten. Die mediale Omnipräsenz des Begriffs, die kurz nach Erscheinen von »On The Road« einsetzte, führte dazu, dass Medien und Politik bald jede Form der Abweichung von der gesellschaftlichen Norm unter beat verhandelten. Als beat galt daher Ende der Fünfzigerjahre zur Schau gestellte Regelmissachtung ebenso wie tatsächliche Kriminalität und Gewalt. Kurz gesagt, wenn Jugendliche in irgendeiner Form gegen die Welt ihrer Eltern rebellierten, sich nicht an gesellschaftlichen Regeln hielten oder wenn Banden aus jungen Männern in Kneipen randalierten, nannte man es eben beat, weil dieses Verhalten vage an das erinnerte, was man – meistens in Unkenntnis des Romans – mit »On The Road« verband. Das alles hatte wenig mit dem zu tun, was der Begriff ursprünglich für Kerouac und andere bedeutet hatte. Für Kerouac hieß beat zu sein, sich in einem »Zustand überschwänglicher Erschöpfung« zu befinden, ein Empfinden, das für ihn in Verbindung stand mit einer »katholisch seligen (im Original beatific) Vision, einer direkten Kenntnis Gottes, die die Gesegneten im Himmel genießen.«19 Glaubt man Allen Ginsberg, 16

dann war Kerouac auch der Erste, der den Ausdruck beat genera­ tion verwendete, 1952 in einem Gespräch mit John Clellon Holmes, der Kerouac gefragt haben soll, ob ihre Generation in der Nachfolge der sogenannten Lost Generation um Ernest Hemingway und Gertrude Stein stünde. Worauf Kerouac abwinkte: »Ah, this is nothing but a Beat-Generation!«20 Holmes wiederum war der Erste, der in einem Essay für das »New York Times Magazine« im November 1952 den Begriff zum ersten Mal öffentlich nutzte. Dort beschreibt er beat so: »mehr als nur ein schieres Ausgelaugt­ sein, es schließt ein Gefühl ausgenutzt worden zu sein mit ein, schutzlos und unfertig zu sein. Es umfasst zudem eine Art Freizügigkeit des Geistes, und, schlussendlich, der Seele; ein Gefühl auf das Fundament des Bewusstseins zurückgeworfen zu sein.«21 Holmes sieht eine junge Generation, die nach dem Zweiten Weltkrieg mit den Folgen der Kriegsjahre und ihren Auswirkungen auf die US-amerikanische Gesellschaft zurechtkommen muss, ohne – in den meisten Fällen – selbst am Krieg teilgenommen zu haben. Um die Grundlagen und die Entstehung dessen zu verstehen, was als Beatliteratur bekannt wurde, muss also die gesellschaftliche und politische Situation der Vereinigten Staaten nach Ende des Zweiten Weltkrieges berücksichtigt werden. Als der Schriftsteller Jürgen Ploog 1952 als siebzehnjähriger Schüler zum ersten Mal US-amerikanischen Boden betrat, um ein Jahr im Zuge eines Austauschs in Pittsburgh zu verbringen, stolperte er, ohne es damals zu ahnen, in die Welt von Kerouac, Ginsberg und all der anderen, die später sein literarisches Leben prägen sollten: »Auf den ersten Blick konnte man damals von den Staaten nur beeindruckt sein. Angenehme breite Strassen (sic!) quer durch den Kontinent … Supermärkte, bequeme Restaurants, gute Bedienung, einen Wagen zu haben, war selbstverständlich: kurz, ein Hauch von Vorkriegszeit.«22 Was Ploog hier dreißig Jahre später nach unzähligen weiteren USA-Aufenthalten beschreibt, ist eine mittelständische und konsumorientierte Vorstadtidylle, die die Zerwürfnisse und Ängste der amerikanischen Nachkriegsgesellschaft nur überdeckte. Unter den angenehm breiten Straßen brodelte es. Das Gefühl der ständi17

gen Bedrohung und der Eindruck, dass Missstände und Gefahren ignoriert wurden, konnten Supermärkte und andere Insignien der modernen Wohlstandsgesellschaft nicht auslöschen. Die US-amerikanische Jugend hätte, so Holmes, einen Kalten Frieden geerbt, der nur so stabil war wie die Schlagzeile des nächsten Tages.23 Der »Hauch von Vorkriegszeit«, den der junge Ploog in den USA zu spüren meinte, benennt einen der zentralen Unterschiede, den das deutsche Publikum der amerikanischen Beatliteratur erfuhr, wenn es die Werke seiner Heldinnen und Helden las: Die USA waren zwar ein aktiver Kriegsteilnehmer gewesen, in ihrem Land hatten jedoch abgesehen von dem Angriff auf Pearl Harbor keine Kampfhandlungen stattgefunden. Die Städte waren nicht zerstört worden, die Menschen, die nicht im Krieg gekämpft hatten, hatten keine Bombenangriffe und keine Gewalt erlebt. Gleichzeitig war das Land aber dennoch durch den Krieg verändert worden. Ploog schreibt von einem »fast unsichtbare[n] Riss«, der »noch nicht die Oberfläche der Wirklichkeit«24 erreicht habe. Er habe diesen Riss gespürt aufgrund seiner »unmittelbare[n] Erfahrung mit spiessiger & postfaschistoider Umgebung«.25 Was Ploog im Rückblick von mehreren Jahrzehnten schon als deutscher Teenager in den USA erfasst haben will, ist die Ernüchterung, die auf die Euphorie des Sieges über die Achsenmächte folgte. Das menschliche Zerstörungspotenzial, das durch den Abwurf zweier Atombomben auf Japan sichtbar geworden war, die McCarthy’sche Kommunismus-Paranoia durch die Konfrontation mit der Sowjetunion und die Bilder von Vernichtungslagern und Kriegsverbrechen, die aus dem zerstörten Europa in die USA gelangten, ließen auf die Euphorie bald eine starke Verunsicherung folgen. Einerseits prosperierte trotz allem die US-amerikanische Wirtschaft und Wohlstand breitete sich aus, andererseits – das zeigen die Texte der Beatliteratur deutlich – sind Armut, Arbeitslosigkeit und Drogenmissbrauch keine seltenen Phänomene. Dennoch zeichneten Massenmedien und Politik gleichermaßen ein aufpoliertes und glitzerndes Panorama der US-Gesellschaft. So entstand eine soziale Spannung, die sich vor allem für die Jugend bestimmter privilegierter Milieus offenbarte, deren konkret erfahrene Alltagswelt nicht mit dem Gefühl der Bedro18

hung und der Orientierungslosigkeit in Einklang zu bringen war, das aber unzweifelhaft einen Teil der Lebensrealität darstellte. Hollywood schuf dieser Stimmung in den Rollen von James Dean in »Jenseits von Eden« und »… denn sie wissen nicht, was sie tun« (beide 1955) ein mainstreamgerechtes Denkmal. Dass es sich aber um eine kulturelle Spannung handelte, die nicht nur ein Erzählanlass für Hollywood war, zeigt sich daran, in wie vielen Nischen der US-amerikanischen Kultur sich ihre Spuren wiederfinden. In dieser Spannung sieht auch der amerikanische Schriftsteller Norman Mailer den Ursprung einer kulturhistorischen Figur, die in enger Verbindung zur Beat Generation steht: der Hipster – den Mailer in einem rassistischen Vergleich auch als White Negro bezeichnet. In aller Kürze zusammengefasst erklärt Mailer, der weiße Hipster habe aufgrund seiner Lebensrealität vor der Drohkulisse eines Atomkriegs eine ähnliche Haltung zur alltäglichen Gefahr entwickelt wie die rassistisch unterdrückte Schwarze Bevölkerung der USA. Der Hipster stellt, Mailer folgend, die amerikanische Version des Existenzialisten dar, indem er sich in jeder Sekunde der Gefahr der atomaren Zerstörung bewusst sei.26 Anders als der französische Existenzialist habe sich der Hipster jedoch der Suche nach Sinn verpflichtet. Er ähnelt darin und in einer der Jazzmusik verbundenen kultartigen Begeisterung für Ekstase durchaus den Figuren, die in der Literatur der Beat Generation ihren Widerhall finden. Die literarischen Fluchtbewegungen, die sich in den Texten der Beatliteratur finden, können also als Suche nach Sinn und Orientierung in einer selbstzerstörerischen und verlogenen Um­­ welt gesehen werden. »On The Road« mit seinem Personal, das immer in Bewegung dem nächsten Kick nachjagt, ist ebenso ein Dokument dieser existenziellen Rastlosigkeit wie Allen Ginsbergs atemloses Langpoem »Howl«, das in apokalyptischen Visionen die Verzweiflung und Orientierungslosigkeit junger Menschen in den Nachkriegsjahren zeichnet. Gerade an Ginsbergs Skizze einer Generation, die an den Neurosen einer kapitalistischen Leistungsgesellschaft zugrunde geht und bei dem Versuch, die Überforderung und Orientierungslosigkeit zu betäuben, paranoid wird, lässt sich ein weiteres zentrales Element der ame19

rikanischen Beat Generation zeigen. Denn so zerstörerisch und kaputt die US-amerikanische Gesellschaft in Ginsbergs Lyrik ist, bezieht er sich doch immer noch auf die Freiheit und Hoffnung implizierende Idee ›Amerika‹ als utopischen Ort. Dementsprechend endet seine Anklage in »Howl« auch mit der Beschreibung eines sicheren Ortes, der fest verankert ist im Ideal des ländlichen Amerikas: »Ich bin mit dir in Rockland / in meinen Träumen gehst du tropfend nass von einer Meeresreise auf dem Highway quer durch Amerika die Augen voller Tränen bis zur Tür meines Häuschens in der Westlichen Nacht«.27 Was sich hier andeutet, zieht sich als ideeller roter Faden durch die Beatliteratur: Eine grundlegende Hoffnung auf eine Utopie, die eng verbunden ist mit dem amerikanischen Kontinent und darin verwurzelten Idealen der weißen Bevölkerung von Freiheit, Unabhängigkeit und Gemeinschaft. Darin liegt auch ein Unterschied zur Lost Generation der Zwanzigerjahre um Gertrude Stein und Ernest Hemingway, die häufig in einem Atemzug mit ihren jüngeren Kolleginnen und Kollegen genannt werden.28 Verloren ist die Beat Generation, laut Holmes, nämlich gerade nicht, im Gegensatz zu einem Verlust des Glaubens, erfahre die Beat Generation geradezu eine Notwendigkeit dazu.29 Diese metaphysische oder gar religiöse Komponente der Beatliteratur scheint auf den ersten Blick ihrer Vorbildstellung für eine antibürgerliche Haltung zu widersprechen. Dabei ist diese Seite ein kaum zu überschätzender Bestandteil der Selbstwahrnehmung innerhalb der Beat Generation. Nicht umsonst nannte Kerouac »On The Road« »eine Geschichte von 2 katholischen Kumpels, die auf der Suche nach Gott das Land durchstreifen« und fügt noch triumphierend hinzu: »Und wir haben ihn gefunden.«30 Und sowohl Ginsberg als auch Kerouac wandten sich zudem vermehrt fernöstlichen Religionen zu. Insbesondere für Kerouac spielten bereits in den frühen Fünfzigerjahren Buddhismus und Meditation eine entscheidende Rolle auf der Suche nach Sinnhaftigkeit. Der religiöse Aspekt fungierte in diesem Kontext als Teil seiner Suche nach einer höheren Wahrheit, die 20

nicht im profanen Alltag der bürgerlichen Familienwelt zu finden war. Dabei sind die Reisen, die Kerouac in »On The Road« beschreibt, vor allem auch inspiriert durch die prophetische Figur des Dean Moriarty (das fiktionalisierte Alter Ego des Autors Neal Cassady), den Kerouac einen amerikanischen Heiligen nannte. Die Reisen, die die Grundlage für den Roman bilden, unternahm Kerouac in den Jahren direkt nach dem Zweiten Weltkrieg. Die erste Erwähnung von »On The Road« findet sich 1951 in einem Brief an Allen Ginsberg, in dem Kerouac auch das erste Mal seinen Schreibprozess erläutert, der später zum Mythos werden sollte: »Es musste schnell gehen, weil die Straße schnell ist … hab das ganze Ding auf einem 120 Fuß langen Stück Papier geschrieben […] habs einfach in die Schreibmaschine eingespannt und es hat tatsächlich keine Absätze … habs auf dem Boden ausgerollt und es sieht aus wie eine Straße.«31 Doch erst ungefähr sechs Jahre später erschien der Roman nach unzähligen Überarbeitungen und Revisionen in der englischen Originalfassung und zwei Jahre später auch in der Bundesrepublik (in der DDR offiziell 1978 bei Reclam Leipzig als Lizenzausgabe von Rowohlt). Um nun zu verstehen, warum dieser Roman und alles, was mit ihm an Lyrik und anderen Texten nach Deutschland kam, für eine derartige Begeisterung sorgte, wie sie eben zum Beispiel Ploog und Fauser noch Jahrzehnte später ausdrückten, muss auch ein Blick darauf geworfen werden, was in der Literatur der Bundesrepublik geschah, während Kerouac auf Reisen war und seinen Roman schrieb. Ein Großteil der Reisen, die den Anfang des Romans bilden, fanden im Sommer und Herbst 1947 statt. Im Juli dieses Jahres machte Kerouac sich zum ersten Mal von Paterson, New Jersey an der Ostküste auf Richtung Westen nach Denver. Dort traf er neben Allen Ginsberg auch auf Neal Cassady, Vorbild für den eigentlichen Helden in »On The Road«. Nach einigen gemeinsamen Tagen in Denver, fuhr Kerouac weiter nach San Francisco, wo er später auch Cassady und Ginsberg wiedertreffen wollte. Dazu kam es jedoch nie, denn die beiden machten sich tatsächlich 21

nie auf den Weg nach Kalifornien, sondern besuchten Burroughs und seine Familie auf einer Ranch in Texas.32 Während Kerouac im September 1947 durch den Westen der USA trampte und schließlich einige Zeit in San Francisco verbrachte, waren auch im kriegszerstörten Deutschland einige Schriftsteller auf der Reise. Eine Reise, die für die Nachkriegsliteratur der Bundesrepublik wegweisend sein sollte. Auf Einladung des Journalisten und Schriftstellers Hans Werner Richter waren sie auf dem Weg in ein Haus am Bannwaldsee im Allgäu. Die Zeitschrift »Der Ruf«, die Richter mitgegründet hatte, war von der amerikanischen Besatzungsmacht verboten worden. Nun hoffte Richter mit einigen Mitstreitern, die er ausgewählt hatte, ein neues Magazin unter dem Namen »Skorpion« ins Leben zu rufen. Drei Tage konzentriertes Arbeiten im Allgäu sollten den Auftakt bilden. Als sie etwa die halbe Strecke mit dem Zug hinter sich hatten, mussten sie ihre Fahrt in Weilheim, Oberbayern, unterbrechen, es ging nicht weiter. Nach einiger Zeit des Wartens und der Suche nach einer Lösung, fanden sie einen Holzgas-Lkw, fuhren mit ihm die restliche Strecke bis nach Füssen und er­­reichten dort erschöpft das Haus der Schriftstellerin Ilse Schneider-­Lengyel.33 Drei Tage später ist keine neue Zeitschrift gegründet worden, aber dafür das erste Treffen der Gruppe 47 zu Ende ge­­gangen. Für die kommenden zwanzig Jahre sollte diese lose Gruppe deutschsprachiger Schriftstellerinnen und Schriftsteller, die mindestens einmal jährlich auf Einladung von Richter zusammenkam, quasi stellvertretend für die Literatur der Bundesrepublik stehen. Der »Katalysator des literarischen Lebens« seien diese dreitägigen Zusammenkünfte gewesen, alles habe sich »auf die jeweilige Tagung der Gruppe 47« konzentriert,34 schreibt Helmut Böttiger in seiner Geschichte der Gruppe. Und für Heinrich Böll, der häufig bei den Treffen dabei war, waren die Zusammenkünfte gar die jährlich wechselnde »literarische Ersatzhauptstadt«.35 Als die Gruppe 1966 zu ihrem vorletzten Treffen in die USA nach Princeton reiste – mit all den großen Namen von Günter Grass, Siegfried Lenz und Peter Weiss bis hin zum jungen Peter Handke – wurde sie »begrüßt, als handelte es sich um den repräsentativen 22

Verband der deutschen Schriftsteller, der sie weder sein kann noch jemals sein wollte«.36 Doch nicht nur literarisch überstrahlten die inoffiziellen Mitglieder der Gruppe 47 – offizielle hat es nie gegeben – in den ersten Nachkriegsjahrzehnten beinahe alles, was in der Bundesrepublik geschah, auch politisch und gesellschaftlich hatten einige aus ihrem Kreis enormen Einfluss. Grass machte in den Sechzigerjahren Wahlkampf für die SPD, Martin Walser stand offen der KPD nahe und Heinrich Bölls politisch-engagierte Literatur brachte ihm schließlich 1972 den Nobelpreis ein. War die Gruppe 47 durch die Reputation, die sie der deutschen Literatur nach den Jahren der nationalsozialistischen Herrschaft auch international erschrieb, also das deutsche Pendant amerikanischer Beatliteratur? Mitnichten, wenn man den Stimmen glaubt, die sich schließlich zu den deutschsprachigen Nachfolgern von Kerouac und anderen aufschwingen sollten. Hält man sich nämlich an den Bericht von Jürgen Ploog, der 1966 in Princeton erfolglos versuchte, an den Türhütern zur altehrwürdigen Whig Hall vorbei zu den Lesungen im Saal zu kommen, dann wirkte die Ankunft der Gruppe 47 in den USA wie der Einfall der Barbaren in das kultivierte Athen: »Es roch nach schlaflosen Nächten, nach hektischen Sätzen & Wort­ fetzen, nach Rollkragenpullovern, nach Deutschland & bestenfalls nach altem Kontinent, nach hochgekrempelten Hemdsärmeln, nach Schlächtermienen, nach gutem & bösen Spiel.«37 Nun kann man von Ploog, dessen Vorliebe für amerikanische Literatur und insbesondere für Kerouac und Burroughs schon in der Jugend begann, keine objektive Berichterstattung über ein Treffen der Gruppe 47 erwarten, doch auch der Publizist Erich Kuby nimmt bei der Betrachtung der drei Princeton-Tage im »Spiegel« kein Blatt vor den Mund. Zwar könne auch eine »gut beschriebene Dachrinne« Literatur sein, formuliert er mit beißendem Spott, aber »50 von 50 Schriftstellern gut beschriebene Dachrinnen sind keine Literatur, sondern Flucht aus der Wirklichkeit, Unwissenheit, Lebensfremde, Lebensangst, Verkrochenheit, Schwachsinn und Langeweile. Unerträgliche Langeweile.«38 23

Nichts könnte also weiter entfernt sein von dem, was man gemeinhin über die Beat- und Undergroundliteratur sagt. Damit ist die Gruppe 47 spätestens in den Sechzigerjahren das Gegenteil der Literatur, die Fauser, Ploog, Weissner & Co. in den USA finden. Die Literatur ihrer Vorbilder richtet sich »gegen das Etablierte, den verengten deutschen Horizont, die Fußgängermentalität der deutschen Prosa«, wie Ploog es nannte.39 Und so wird die Beatliteratur in der Bundesrepublik auch wahrgenommen. Entscheidend war hierbei das Gefühl, in den Autoren literarische Vorbildfiguren zu finden, die Literatur nicht als Werkzeug zur Vergangenheitsbewältigung und als engagiertes politisches Schreiben verstanden, wie Richter es selbst rückblickend über die Gruppe 47 feststellte,40 sondern, die sich selbst »wie Halbwüchsige, wie Verrückte, wie Propheten aufführten, sündig, süchtig, frei«.41 Doch bis es dazu kommen konnte, mussten diese halbwüchsigen, verrückten literarischen Propheten erst einmal einem deutschen Lesepublikum bekannt werden. Über 150 Artikel, Rezensionen oder kurze Beiträge über amerikanische Beatliteratur, die zwischen 1959 und 1961 in deutschen Zeitungen und Magazinen erschienen sind,42 listet der Band »Beat. Eine Anthologie« auf. Wenn man in Betracht zieht, dass zum damaligen Zeitpunkt lediglich zwei Einzelpublikationen in deutscher Übersetzung vorlagen, muss man bekennen, dass das Interesse an amerikanischer Beatliteratur sehr schnell sehr groß war. Dabei reichten die Reaktionen von Begeisterung, die eine Botschaft erkannte, »der wir uns nicht verschließen wollen«,43 bis hin zu Kommentaren, die in Kerouacs Roman ein »wenig artikulierte[s] Gerede der asozialen Wandervögel«44 sahen. Geradezu gnadenlos ging Hans Magnus Enzensberger mit »On The Road« ins Gericht, schon der Titel der Rezension »Die Dummheit unterwegs« in den »Neuen Deutschen Heften« lässt kein gutes Haar an dem Roman. Enzensbergers Kritik ist polemisch und mannigfaltig, »endlose Autofahrten und endloses Geschwätz« will er als die Kernelemente des Romans erkannt haben. Die Figuren reisten in die verschiedensten Städte, »ohne daß sie dort das geringste zu suchen hätten«, und litten dabei auch noch unter »klinischer Logorrhöe« und ihr hervorragendstes Merkmal sei »ihre Dumm24

heit«. Höhnisch schließt er mit der Erkenntnis, es sei gut, dass es dieses Buch gebe, denn »die Welt, die es darstellt, existiert« und es sei »authentisch und aufrichtig bis ins letzte Komma«. Doch er belässt es nicht bei Kritik am Roman, sondern zielt auch auf den Autor, den er spöttisch als »Hohepriester aller Beatniks«45 bezeichnet. Für Enzensberger handelt es sich bei »On The Road« um das ungeordnete Geschreibsel eines amerikanischen Halbstarken, eines »dummen Schläger[s]«.46 Nach kürzester Zeit hatten sich ideologische Lager gebildet. Die einen – allen voran Enzensberger – sahen in der Beatliteratur die literarische Ausgeburt der »Beatnik-Sekte«, die die Avantgarde zum Warenzeichen verkommen ließ.47 Die anderen wiederum sahen einen »Rausch entfesselten Lebens«48 und eine Generation »[u]nten am Boden und doch voller Leben«.49

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Literatur und billiges Bier

Und dann ist da noch die sogenannte Undergroundliteratur. Allerdings lassen sich im deutschen Sprachraum die beiden Strömungen Beat- und Undergroundliteratur kaum voneinander trennen. Dennoch würde man der Undergroundliteratur nicht gerecht werden, wenn man sie wie Andreas Kramer lediglich als »Radikalisierung bestimmter Beat-Techniken und Sprechweisen« bezeichnet, in deren Verlauf »Sprache und Themen […] direkter, rauer, teilweise obszön«50 werden. Zunächst muss aber festgestellt werden, dass es nicht um Untergrundliteratur in dem Sinne von Werken geht, die in einem unterdrückerischen System gegen die Herrschenden gerichtet sind. Zwar waren auch einige der hier behandelten Werke aus den USA Gegenstand von Gerichtsprozessen, in tatsächlicher Gefahr einer Zensur schwebten sie jedoch nie. Underground bezeichnet hier eine Literatur, die sich dem etablierten Literaturbetrieb verweigert und Schreibweisen und Themen hervorbringt, die im literarischen Mainstream keinen Platz haben. Angesichts des großen Erfolgs, den diese Literatur inzwischen teilweise verzeichnet, gerät der Begriff Underground auch wieder in Schwierigkeiten. Worin besteht nun aber der entscheidende Unterschied zur Beatliteratur? Ihm kommt man am ehesten nahe, wenn man sich dem Schriftsteller zuwendet, der in Deutschland wie kein zweiter für US-amerikanischen Underground steht: Charles Bukowski (1920–1994). Zwar wird Bukowski beizeiten kommentarlos in die Reihe der schreibenden Beat Generation eingegliedert, doch diese Gleichsetzung ist nur unter großen Vorbehalten möglich und zeugt von 27

einem oberflächlichen Blick, der vor allem auf den inszenierten Außenseiterstatus und die Konventionsbrüche gerichtet ist. Vulgäre und obszöne Sprache, freie (männliche) Sexualität und ein literarischer Widerstand gegen ein etabliertes und elitäres Kulturverständnis sind unverkennbare Gemeinsamkeiten der beiden Strömungen. Entscheidend ist aber, dass die Beatliteratur die Orientierungslosigkeit, die unbehauste Ruhelosigkeit, das Unterwegssein und die Armut vor dem Hintergrund eines US-amerikanischen Ideals der Freiheit romantisiert. Bukowski hingegen entwirft ein desillusionierendes Bild einer Arbeiterklasse, die aufgrund ihrer Armut und Abhängigkeit von ökonomischen Faktoren von nichts weiter entfernt ist als vom American Dream.51 Bei Kerouac ist Sexualität (vor allem für Männer) eine Feier der ungezügelten Lebensgier, bei Bukowski ist sie das Ventil für eine rohe männliche Verzweiflung. Die Autorinnen und Autoren der Beat Generation bewegten sich in Intellektuellenzirkeln und experimentierten mit Sprache und Text. Bukowski tippte nach zehrenden Schichten als Briefsortierer noch eine Kurzgeschichte. In Beatkreisen feierte man den Jazz und nahm halluzinogene Drogen. Bukowski hörte europäische klassische Musik und trank billiges Bier – so beschreibt Bukowski selbst den Unterschied.52 Wäre dies ein Buch über die amerikanische Beatliteratur oder den Underground in den USA in den Sechzigerjahren, dann käme die jeweils andere literarische Strömung nicht oder allenfalls am Rande vor. Der Grund dafür, dass hier aber von einer Beat- und Undergroundliteratur die Rede ist, liegt im Umgang mit dieser Literatur in Deutschland. In der Bundesrepublik fand die Rezeption von Beat und Underground durch den gleichen Personenkreis statt und nahm zeitgleich Einfluss auf eine Szene deutscher Literatur. Das zeigt sich nicht zuletzt daran, dass Carl Weissner nicht nur mit Burroughs und Ginsberg, die dem Spektrum der Beatliteratur angehören, befreundet war, sondern auch mit Charles Bukowski. Auf der Vinyl-Platte »12 Great American Poets«, die Weissner 1972 herausgab, sind unter anderem Ginsberg, Bukowski und Diane di Prima vertreten, und Weissner übersetzte zahlreiche Schriftstellerinnen und Schriftsteller aus beiden Bereichen, Beat und Underground. Die Anthologien »Fuck you! Underground Gedichte« 28

(1969) von Ralf Rainer Rygulla und »ACID. Neue Amerikanische Szene« (1969) von Rygulla und Rolf Dieter Brinkmann enthalten neben Texten, die sich am ehesten zwischen Beat und Underground einfügen lassen, auch solche die eindeutig in eines der beiden Lager – wenn man diesen Begriff verwenden möchte – ge­­ hören. Spätestens aber das Literaturmagazin »Gasolin 23«, das ab 1973 von Fauser, Weissner und Ploog publiziert wurde, machte keinen Unterschied mehr, hier tummelten sich Beatliteraten ebenso wie Undergrounddichter. Entscheidend für die Wahrnehmung in Westdeutschland war, dass es sich bei all diesen Schriftstellerinnen und Schriftstellern um solche handelte, die sich über die Grenzen eines europäischen (und teilweise US-amerikanischen) Verständnisses von Hochkultur hinwegsetzten und ihre Literatur aus ihrem Leben schöpften. Eine Poetik des Erlebens bricht sich in ihren Texten Bahn. Mit Beginn der Sechzigerjahre war diese Literatur in der Bundesrepublik angekommen. Eine deutschsprachige Beat- und Undergroundliteratur gab es deswegen natürlich noch lange nicht.

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Jürgen Ploog

Es ist ein ebenso unmögliches wie auch wahrscheinlich irrelevantes Unterfangen, den Moment zu finden, an dem die deutsche Beat- und Undergroundliteratur ihren Anfang nahm. Da diese Überlegungen zu dieser Strömung der westdeutschen Literatur jedoch an irgendeiner Stelle ihren Anfang nehmen müssen, gehen wir ins Jahr 1958 nach Norddeutschland. In einer Flugschule bei Bremen sitzt der dreiundzwanzigjährige Pilotenschüler Jürgen Ploog in seiner Freizeit an seiner Schreibmaschine. Er hat Fernschreibpapier auf einer Rolle eingespannt und tippt wild drauflos. Er hat gehört, dass Jack Kerouac seinen Roman »On The Road« auf diese Weise geschrieben haben soll; ohne Pause auf einer langen Rolle Papier, um nicht vom Wechseln der Seite in seinem flow unterbrochen zu werden. Genauso will Ploog auch schreiben, ungehemmt dem Fluss der Gedanken folgend, die Wahrnehmungen und Sätze direkt auf das Papier bringen, möglichst ohne eine Sekunde zu lange zu überlegen.53 Sponta­ neous prose nennt Kerouac dieses Schreibverfahren, das ebenso wie die Legende der Papierrolle, die sich wie die Straße, die Kerouac beschreibt, durch das Arbeitszimmer des Autors rollte, bereits kurz nach der Publikation von »On The Road« bekannt war. Der Entstehungsmythos des legendären Romans ist wie jede Legende nicht komplett aus der Luft gegriffen, aber er überhöht Autor und Text auch in einer Weise, die aus Kerouac einen genialischen Schriftsteller macht, der berauscht von seiner Reise gar nicht anders konnte, als die perfekte road novel aus sich heraus und auf das Papier fließen zu lassen. Die Wahrheit ist wie immer auch hier 31

komplexer. »On The Road« entsteht über mehrere Jahre und basiert auf verschiedenen Ansätzen, die Kerouac verworfen hat, und auf einem umfassenden Manuskript, das tatsächlich 1951 auf einer langen Rolle Papier entstanden war. Dieses Manuskript überarbeitete Kerouac jedoch über Wochen, kürzte es, schrieb es ins Reine und änderte auf Wunsch des Verlags auch die Namen – fiktionalisierte so die erzählte Geschichte.54 Dass der junge Ploog zunächst, fasziniert von dieser Art zu schreiben, selbst versuchte, es Kerouac nachzutun, zeigt, wie essenziell der Mythos um den Roman und seine Entstehung für seine Rezeption ist. Wie ein paratextuelles Netz spannen sich die Legenden um die Reisen des Autors, seine Freunde und die Geschichte der Urfassung des Romans um den eigentlichen Text. Darin besteht eine der Kerneigenschaften der Beat- und Undergroundliteratur, die sich auch auf deutscher Seite letztlich zeigen wird: Diese Literatur zieht ihre Wirkungsmacht aus einem Zusammenspiel aus einem paratextuellen Netz, das den Autor als Abenteurer, als widerständigen Rebellen des Literaturbetriebs und als suchenden Solitär inszeniert, und einem fiktionalen literarischen Text, der diese Inszenierung als Lebensdokument des Autors beglaubigt. Die amerikanischen Autorinnen und Autoren fungieren damit nicht allein in literarischer Hinsicht als Vorbilder, sondern sie nehmen eine Position ein, die der eines Pop-Idols ähnelt, dem man als menschliches Gesamtkunstwerk nachfolgen will. Die Faszination erwächst dabei nicht allein aus beeindruckender Literatur, sondern aus der gesamten Persönlichkeit und dem damit verbundenen way of life. Diese Übertragung des Literarischen auf das eigene Leben ist typisch für die Wahrnehmung der Beatliteratur – nicht nur, aber gerade auch in der Bundesrepublik. »On The Road« entsprach in seiner stilistischen Spontanität, der Grenzenlosigkeit der beschriebenen Landschaft und den wilden Reisen der Protagonisten »genau einem ersehnten Lebensgefühl«.55 Daran, dieses Lebensgefühl selbst zu Papier zu bringen, scheiterte Ploog bei seinen ersten Versuchen noch nach eigener Aussage. Erst als er sich einem anderen Beatliteraten zuwandte, sah er eine Möglichkeit seine Vorstellung vom literarischen Schreiben umzusetzen. 32

Während Kerouac wie eine Epiphanie gewirkt haben muss, war Ploogs Begegnung mit dem Werk von William S. Burroughs der Moment, in dem sich seine eigene literarische Entwicklung abzuzeichnen begann. Den ersten Kontakt mit der Literatur des amerikanischen Pioniers der Schnittmethode hatte Ploog, als 1962 Burroughs’ heute populärster Roman »Naked Lunch« in einer deutschen Übersetzung erschien und er eine Rezension für die Zeitschrift »konkret« verfasste.56 Ploog bezeichnete die Entdeckung dieses Romans als die Initialzündung für sein literarisches Schaffen mit der Cut-up-Methode, auch wenn »Naked Lunch« trotz seiner fragmentierten und diskontinuierlichen Struktur selbst noch kein Ergebnis der Schnitttechnik ist. Durch seine Begeisterung für »Naked Lunch« – für Ploog nicht nur ein »AntiRoman«, sondern im Gegenteil auch der Versuch, den Roman an sich zu retten, »den alten Kahn noch einmal flott zu machen«57 – stieß er schließlich auf Cut-up. Als Ploog Burroughs, den »Meister der Schnitttechnik«,58 1969 bei einem gemeinsamen Besuch mit Weissner zum ersten Mal persönlich traf, hatte er bereits mehr als vier Jahre mit Cut-up gearbeitet und war gerade dabei seinen ersten Roman »Cola-Hinterland«, zu veröffentlichen. Die Entdeckung von Burroughs und seiner Cut-up-Methode war für Ploog entscheidend, weil er in diesem Verfahren endlich die Möglichkeit gefunden hatte, seine Vorstellung davon, was es heißt literarisch zu schreiben, umzusetzen. Wie für die meisten anderen Schriftsteller und Schriftstellerinnen, die mit der Beatliteratur in Verbindung stehen, war auch für Ploog zeit seines literarischen Lebens die Frage von Bedeutung, wie die tagtägliche Er­­fahrung, das Wahrnehmen der Umwelt und das eigene Leben möglichst unverstellt den Weg in die Literatur finden können. Für Ploog bedeutete das insbesondere eine Auseinandersetzung damit, sein Erleben und Erfahren als Langstreckenpilot zu literarisieren. Das Problem, das sich ihm dabei stellte, bestand darin, dass er als Pilot ständig neuen Reizen, Sprachen, Kulturen und Zeitzonen ausgesetzt war, die sich einem klassischen und linearen Erzählen seiner Ansicht nach widersetzten: »Ständiger Wechsel der realen Kulisse, Zeitunterschiede, Nachtflüge, metabolische Desorientierung & der wenn auch noch so 33

flüchtige & oberflächliche Kontakt mit fremden Lebenswelten […].«59 Dieser »formlose, dissoziative Ansturm«60 machte es ihm unmöglich einem Narrativ zu folgen, das dennoch in enger Verbindung stand zu seinem Weltzugang und seinem Erleben. Eine Geschichte, so erzählte er es, »die im Fernen Osten angesiedelt war«, konnte er nicht weiterschreiben, wenn er danach »ein paar Tage in New York gewesen war«.61 Kontinuierlich zu arbeiten war Ploog nur möglich, wenn er eine Schreibweise finden konnte, die selbst diskontinuierlich war. Das sei kein stilistisches Problem gewesen, »sondern eins der Form-Inhalt-Kongruenz entsprechend der Burrough’schen Formulierung: ›Ein Schriftsteller kann immer nur über eines schreiben: was seine Sinne im Augenblick des Schreibens wahrnehmen …‹«62 Sein Versuch genau das mit der spontaneous prose von Kerouac umzusetzen, war gescheitert, weil der Ansatz für Ploog nicht radikal genug war. Kerouacs Schreibtechnik sieht vor, sich ganz dem Strom der Gedanken zu überlassen, ähnlich der écriture automati­ que, wie sie die Surrealisten, insbesondere André Breton, entwickelt hatten. Für Ploog stellte sich jedoch – lange bevor er auf Cut-up stieß – das Problem, dass er Sprache für sich als das zentrale Problemfeld des Schreibenden erkannt hatte. Sprache ist in seiner Vorstellung ein System, das einer gesellschaftlichen Normierung unterworfen und semantisch vorbelastet ist. In dem sehr frühen, teilweise poetologischen Text »Aufbau einer Situation in Worten« von 1962, in dem Ploog versucht, seine Sicht auf Sprache und ihre literarische Verwendung darzulegen, stellt er fest: »Das Wort ist belastet. Es wird zwar auf seine Wirkung hin ausgesucht, aber es gibt keine Sicherheit dafür, dass es das treffen wird, wofür es ausgesucht wurde.«63 Hier klingt nicht zufällig der sogenannte Chandos-Brief von Hugo von Hofmannsthal und dessen Sprachkrise an. Die Worte, die dem Lord Chandos in dem vielleicht berühmtesten literarischen Brief der Moderne im Mund wie Pilze zerfallen, sind auch Ploogs härteste Widersacher beim Schreiben, weil er grundsätzlich fürchtet, nicht zu erfassen, was »ausserhalb der semantischen, chronologischen, assoziativen, memorati34

ven Bahnen [zu] finden/lesen [ist], was ihm unbewusst auf der Zunge liegt«.64 Genau diese beiden Anforderungen, die möglichst authentische Umsetzung von Wahrnehmung und den Bruch mit konventionalisierter Sprache, denen sich Ploog literarisch gegenübersah, versprach Cut-up zu erfüllen. Es handelt sich um eine Methode, die selbst – ähnlich Ploogs chandoshafter Sprachkrise – an avantgardistische Schreibmethoden der Spätmoderne anschließt und dem Montageverfahren und Experimenten der Dadaisten nicht unähnlich ist. Die Grundidee ist einfach: Man nehme verschiedene Texte – eigene oder fremde, ganz egal –, zerschneide sie und füge die entstandenen Teile wieder neu zusammen. Entscheidend ist dabei, dass einer der Schritte, Schnitt und Arrangement, oder beide dem Zufall überlassen sind. Beispielsweise kann ein Text nach einem bestimmten Muster zerschnitten werden – das Blatt einmal in der Mitte hindurch oder in vier gleich große Streifen – die mit Schnittteilen eines anderen Textes neu zusammengefügt werden. Relevant ist in erster Linie, konventionalisierte Sprachmuster aufzubrechen, neue Assoziationen zuzulassen und lineare Erzählungen zu umgehen. Erst dann, so die Grundidee, kann ein neuer Zugang zu Sprache und Literatur gelingen. Prinzipiell neu war das alles nicht, was man allein daran sieht, dass auch Hugo von Hofmannsthal die Sorge quälte, dass seine Worte nicht das auszudrücken vermögen, was er wirklich sagen wollte. Um 1917 markierte der Dichter Hans Arp mit geschlossenen Augen Wörter in der Zeitung und nutzte sie als Stichwörter für Texte, in die er sie einbaute.65 In den Zwanzigerjahren ließ der Dadaist Tristan Tzara Wörter auf Zetteln aus einem Hut ziehen und schrieb sie in der wahllosen Reihenfolge auf, und das sogenannte Cross-Column-Reading, das Hinweglesen über die Spalten einer Zeitung betrieb schon im 19. Jahrhundert der Schotte Caleb Whitefoord. Als er die Spaltengrenzen bei der Lektüre der Zeitung einfach ignorierte, ging König George III. plötzlich statt zu einem Pferderennen zu fünfzehn Prostituierten.66 Sie alle trieb das Unerwartete, das Neue an und der Reiz, Grenzen der Sprache und des Literarischen zu überschreiten.

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Jörg Fauser

Grenzen in einem ganz anderen Sinne überschreiten, wollte zur gleichen Zeit wie Ploog auch ein anderer junger Mann, der später einmal der bekannteste der deutschen Beat- und Undergroundautoren werden sollte. Wenige Tage vor seinem neunzehnten Geburtstag schrieb Jörg Fauser im Sommer 1963 einen wütenden Brief aus London an seine Eltern, die in der Umgebung von Frankfurt am Main lebten. »Liebe Mami, lieber Pappi, ich bin mir völlig im klaren darüber, welche Reaktion dieser Brief auslösen wird; während der vielen Monate, in denen das, was ich jetzt zu sagen habe, sozusagen zur Reife kam, hatte ich ja auch genug Zeit, mir auszumalen, was passieren wird.«67 Mit beinahe verzweifelten Drohungen bittet er seine Eltern, ihn nicht mit Polizeigewalt aus England zurückzuholen, auch wenn Fauser damals mit neunzehn Jahren noch nicht volljährig war. »Warum um Himmels Willen könnt ihr mich nicht so leben lassen, wie ich es gern möchte? Warum überlaßt ihr nicht meine Zukunft mir?«,68 fragt er und drückt die Hoffnung aus, seine Eltern nicht am Ende hassen zu müssen. Schriftsteller will Fauser schon zu dieser Zeit werden, doch bis er wirklich literarische Texte oder gar Romane veröffentlichen wird, vergehen noch zehn Jahre. Anders als Ploog, der angab, als Kind eher weniger gelesen zu haben, behauptete Fauser von sich, er habe alles verschlungen, was das Bücherregal seiner Eltern hergab. Das reichte von der Gegenwartsliteratur seiner Jugend wie Günter Grass’ »Blechtrommel« bis 37

hin zu den obskuren Dramen von Christian Dietrich Grabbe, mit denen er angeblich lesen gelernt haben soll.69 Dazwischen liegen die Expressionisten, ganz besonders Gottfried Benn, und dann Hans Fallada und Joseph Roth und irgendwann entdeckte er die US-Amerikaner, vor allem Jack Kerouacs »On The Road«, später auch Nelson Algren und den Autor, der eine Zeit lang sein großes Vorbild sein würde, im Schreiben wie auch im Konsum von Heroin: William S. Burroughs. Sie alle hatte Fauser schon gelesen, als er im Herbst 1966 seinen Zivildienst im Bethanien-Krankenhaus im Heidelberger Stadtteil Rohrbach antrat. Seinen literarischen Helden gemein ist eine Affinität zu existenzieller Verzweiflung, zur Sucht und zur Literarisierung des eigenen Erlebens. Grabbe ist für Fauser der »Irrwisch, der im biedermeierlichen Muff« zugrunde gegangen, »im finalen Säufer-Koma gelegen und an den Folgen der Welt krepiert war«.70 Fallada sei »am meisten auf den Rausch des Schreibens«71 süchtig gewesen, aber auch ein »Junkie und Alkoholiker, ein Paranoider und Schizoider, ein Drogen- und Todessüchtiger«.72 Beinahe beklemmend klingen diese Ausdrücke faszinierter Begeisterung Fausers, wenn man sich seinen eigenen Lebensweg vor Augen führt; ein Leben zwischen bürgerlicher Kindheit in Frankfurt und Drogensumpf in Istanbul, zwischen Spießertum und Rebellion – und dann der Unfalltod betrunken auf der Autobahn. Ein Leben zu leben, das der Literatur wert ist, das sich in Literatur verwandeln lässt, das ist Fausers Ziel, als er Ende der Sechzigerjahre anfängt das literarische Schreiben ernsthaft zu betreiben. Deutlich wird das bereits, als er um den Jahreswechsel 1966/67 nach Istanbul geht und im Stadtteil Tophane, der bekannt war für seine Drogenszene, zum ersten Mal richtig abrutscht. Er könne sich nur retten, wenn er schreibe, berichtet er seinen Eltern in einem Brief, Angst habe er außerdem »die Qualen eines Schriftstellers erleiden zu müssen, ohne ein Schriftsteller zu sein«.73 Während Ploog im Alter von dreiundzwanzig Jahren in der Flugschule einen Beruf lernte, der sein ganzes Leben und vor allem sein Schreiben prägen sollte, saß Fauser etwa zehn Jahre später im gleichen Alter in den Straßen Istanbuls und versuchte sich Heroin zu beschaffen – dennoch plagte sie in gewisser Weise die 38

gleiche poetologische Sorge: Wie kann es gelingen, das eigene Er­­ leben so unmittelbar wie möglich in Literatur zu verwandeln? Für Fauser sind das Leiden und der Kampf um die eigene Existenz literarische Notwendigkeiten, zumindest stellt er es zeit seines Lebens so dar. Seinem Alter Ego Harry Gelb, der in Fausers populärstem Roman »Rohstoff« (1984) das fiktionalisierte Leben seines Autors führt, legte er die Worte in den Mund, es könne einem Schriftsteller nichts Besseres passieren, »als in diesem Dreck zu sitzen und das Überleben zu trainieren«.74 Um dieses Über- und Erleben in Literatur zu fassen, wandte er sich mit Burroughs dem gleichen Vorbild zu, das auch Ploog den entscheidenden Anstoß zu seinem Schreiben gegeben hatte. Während für Ploog jedoch die Auseinandersetzung mit den seman­ tischen Herausforderungen der Sprache und ihren Grenzen und Möglichkeiten im Zentrum stand, wird Burroughs für Fauser zum literarischen und habituellen Leitstern. Burroughs ist in Fausers literarischem und essayistischem Schaffen so etwas wie die graue Eminenz im Hintergrund, der Name, der immer wieder auftaucht, derjenige, von dem er sich zu seinem ersten Roman inspirieren ließ, und der, dessen Literatur und dessen Habitus ihn in den härtesten Suchtstunden und bis in den Entzug begleiten. Doch auch wenn die Beschäftigung mit Burroughs und dessen Selbstinszenierung als dandyhafter Junkie sowie seiner Cut-upMethode für den jungen Fauser vor allem in den ersten Jahren seiner schriftstellerischen Karriere essenziell war, spielt die Cutup-Technik für sein Werk eine wesentlich geringere Rolle als für Ploogs. Schon Fausers erster Roman »Tophane«, der in den Jahren von 1967 bis zu seiner Publikation im Maro Verlag 1972 entsteht und der in Thematik und literarischer Ästhetik teilweise wie eine lose Übersetzung von Burroughs anmutet, ist vermutlich nicht mit dem Schnittverfahren entstanden.75 Für Fauser sind vielmehr das Fragmenthafte und Assoziative, das dem Cut-up unweigerlich innewohnt, das, was die entstehende Sprachästhetik zum geeigneten Ausdrucksmittel für seine Erfahrungen als Heroinsüchtiger macht. Die Produktionsweise, die das Cut-up-Verfahren vorgibt, und die sprach- sowie medienkritischen Implikationen sind für ihn eher zweitrangig. 39

»Tophane« ist ein veritabler Horrortrip durch die Stadt Istanbul, immer wieder durchzogen von mäandernden Beschreibungen von Rauschzuständen, die den Erzähler Harry Gelb durch die schmutzigen Gassen der Großstadt und in das brachliegende Umland führen. Die Zeit in Fausers Leben, die diesen Text ge­­ prägt hat, sind die Jahre zwischen 1966 und 1969, in denen er mehrmals einige Monate in Istanbul lebte. Währenddessen konsumierte er offenbar so viel Morphinderivate, dass der Legende nach sogar Burroughs beeindruckt gewesen sein soll. »Junger Mann, Sie müssen ja komplett verrückt gewesen sein.«76 Angesichts von Burroughs eigener jahrzehntelanger Heroinabhängigkeit spricht dieser Satz Bände über Fausers Maß an Selbstzerstörung in diesen Jahren. Bereits zehn Jahre bevor Fauser das erste Mal in Istanbul ankam, stellte Burroughs in »Naked Lunch« fest: »Istanbul is being torn down and rebuilt, especially shabby junk quarters. Istanbul has more heroin junkies than NYC.«77 Istanbul war in dieser Zeit nicht nur die erste Station auf dem sogenannten Hippie-Trail, auf dem Hunderttausende Reisende aus Europa und den USA Ende der Sechziger- und Anfang der Siebzigerjahre nach Indien gelangten, sondern auch eine Stadt, in der Heroin und andere Opiate leicht zugänglich waren. Die Stadt war für viele dieser jungen Menschen untrennbar Hölle und Paradies zugleich. Die kulturelle Spannung, die sich in dieser Funktion der Stadt zeigte, bildet die Grundlage für Jörg Fausers ersten Roman. Die Handlung beginnt jedoch in Frankfurt am Main: »Du stehst unten im Lokus vom Club Voltaire und fummelst an der Spritze die klemmt und mit dem zerfetzten Schlips zum Abbinden und findest das Knötchen in der Beuge nicht wo du das letzte Mal gestern noch so glatt oh so beautiful reinkamst und stößt zweimal ins Leere und gehst schließlich in die Hand – haust einfach rein – das Blut schießt in die Spritze du stößt den Stempel vor die Hand beult sich aus […].«78 Im wahrsten Sinne ohne Punkt und Komma beginnt der atemlose Ritt von Harry Gelb. Auch wenn Istanbul, die Metropole am Bosporus, und insbesondere der Stadtteil Tophane zentral sind für 40

den Roman, der immer wieder mit tatsächlichen und metaphorischen Grenzüberschreitungen des Erzählers arbeitet, ist es von Bedeutung, dass die Erzählung der Reise nach Osten in Frankfurt beginnt. Unter den Reisenden aus Europa und den USA waren auch zahlreiche Schriftstellerinnen und Schriftsteller. In ihren Darstellungen erscheint die Fahrt oft als ein fantastischer Trip in die Tiefen des eigenen Bewusstseins und die Mythen fremder Kulturen – Istanbul ist dabei meist nur der erste Stopp. Tiny Stricker hat diesem eskapistischen Traum einer ganzen »Trip Generation« – so der Titel seines kurzen Romans – 1970 ein literarisches Denkmal gesetzt. Frei von Brüchen ist auch seine Istanbul-Erfahrung nicht, doch »schlendert er zum Hafen hinunter« und wird »verführt von der gebrochenen Melodie des Windes«,79 Harry Gelb hingegen kämpft sich im Regen durch die Gassen Tophanes, »überflutet von Kot und Komas«.80 Dass Fausers Alter Ego sich in einem Frankfurter Politpub erst einmal einen Schuss setzt, bevor er im zweiten Kapitel plötzlich im bulgarisch-türkischen Grenzland auftaucht und erst Seiten später mit »Blut auf dem Kopfkissen, Junk all over us«81 in Tophane aufwacht, macht die Verbindung all dieser Orte deutlich. In Fausers Text gelingt die Flucht aus dem Leben in Deutschland nicht, weil für den Erzähler Harry Gelb die spießige Heimat, der in diesen Jahren so viele entfliehen wollten, nicht das zentrale Problem darstellt. Für den Süchtigen in Fausers Roman ist jeder Raum ein Drogensumpf, in dem er zu versinken droht. Immer wieder springt der Erzähler zwischen diesen Räumen, der Frankfurter Drogenszene, dem türkischen Brachland und den Istanbuler Gassen hin und her. Sein Roman besteht deswegen nicht zuletzt vor allem aus »Suchtnotizen auf dem Hintergrund anonymer Geisterstädte des Westens und eines Orients, der weit entfernt von jeder Reiseromantik ist«.82 Stricker hingegen geht auf seinem Trip gen Osten in dieser brüchigen Romantik auf, er liefert sich – wie er schreibt – »der ROAD« aus und wird »ihr Fanatiker wie ein Zigeuner, ein Mercedes Beduine«.83 Unübersehbar zeigen sich in Fausers schonungslosem AntiHippie-Roman Bezüge zu den US-amerikanischen Beatautoren der ersten Stunde. Das rastlose und bisweilen ziellose Umherfah41

ren erinnert in seinen Grundzügen an den motorisierten Bewegungsdrang von Kerouacs »On The Road«. Die Schilderungen der Drogenszene in Frankfurt hingegen gemahnen in Teilen an die apokalyptischen Visionen in Ginsbergs »Howl«. Vom Großstadthorror in Zeilen wie: »Schmutzig sinkt die Sonne über den Fassadenhimmel in ihren Untergang – haltet euren Bauch, Bürger, frei von der Fäulnis und Gier, den Bauch dieser Stadt die euch mit den Süchtigen betrügt – beschützt eure Kinder vor den Anlangen in denen der Spritzenmann lauert«84 ist es nicht weit zu den Süchtigen in Ginsbergs Langpoem, »die sich amphetaminhigh an U-Bahnen ketteten für die ewige Fahrt von Battery Park bis heiliger Bronx bis das Geräusch der Räder und Kinder sie beruhigte fröstelnd mit zerstörtem Mund und hoffnungslos geprügelt das Hirn alle Anmut ausgelaufen im Trauerlicht des Zoos«.85 Am deutlichsten aber ist Fausers Bezugnahme auf Burroughs. »Tophane« ist eine Fundgrube an Anspielungen, losen Bezügen und Parallelstrukturen. Den frühen Fauser lesen, heißt seine eigene Lektüre der Texte von Burroughs mitlesen. Fausers Alter Ego schildert in »Tophane« wiederholt die Paranoia des Süchtigen, der sich stets verfolgt und von Beobachtenden umgeben sieht: »in jeder Straßenbahn drei Spitzel – überall verfolgen mich Augen – wenn ich mich umdrehe sehn sie nicht mal weg – lehnen sich eiskalt über die Tür der letzten Klozelle im Onkel-Max-Imbiß und schießen ihre Fotos – schreiend wache ich auf – Agenten wessen? – niemand hält fest.«86 Der gleiche Verfolgungswahn steht am Beginn von Burroughs »Naked Lunch« und prägt die paranoide Hatz der ersten Kapitel: »Ich spüre, wie mich die Bullen einkreisen, wie sie da drau­ ßen überall ihren Voodoo-Zauber abziehen und ihre verhexten Spitzel in Stellung bringen, ihre Beschwörungsformeln mauscheln über meinem Besteck, das ich in der U-Bahn-Station am Washington Square wegschmeiße, ehe ich übers Drehkreuz springe, die zwei Eisentreppen runter, und einen A-Train nach Harlem erwische.«87

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Teilweise zeigt sich diese Parallelität bis hinein in einzelne Sätze und deren Struktur, die detailliert den Vorgang des Setzen eines Schusses beschreiben, »Slide the needle in and push the bulb«,88 heißt es im Original bei Burroughs, bei Fauser – kaum anders – »gehst schließlich in die Hand – haust einfach rein – das Blut schießt in die Spritze du stößt den Stempel vor«.89 Bei Fauser tauchen die gleichen Strukturen und Motive wie bei seinem Vorbild auf. Burroughs’ Alter Ego erreicht in »The Soft Machine« Mexiko und spürt quasi im Moment des Grenzübertritts »that heart pulsing in the sun and my cock pulsed right with it and jissom seeped through my thin cotton trousers«.90 Der tatsächliche Übertritt einer Landesgrenze wird mit einer ethischen Grenzüberschreitung parallelisiert, als der Erzähler mit einem Jungen, der ihm in den Schritt fasst, im Schlamm eines Abwasserkanals Sex hat.91 Was bei Burroughs Mexiko ist, ist bei Fauser die Türkei. Auch hier wird nicht nur eine geografische Grenze hinter sich gelassen, sondern vermeintlich auch der letzte Rest europäischer Zivilisation. »Männer scheißen am Wegrand inmitten der Schmeißfliegen« und »[g]ekappte Kehlen rosa Brüste blutender Koitus dünner Samen schwarze Ränder der wilden Vögel Lüleburgaz«.92 Doch scheint es hier nur auf den ersten Blick so, als würden sich Fauser und Burroughs in westlicher Herablassung gegenüber einem schmutzig gezeichneten Anderswo ergehen – Frankfurt und Manhattan stehen Istanbul und Mexiko in Sachen Sumpf und Ekel in nichts nach. In der Wahrnehmung des Drogenabhängigen, dessen vorrangiges Streben auf die Befriedigung seiner Sucht ausgerichtet ist, kommt es bei beiden Autoren zu einer Aufhebung der Grenze zwischen Körper und Raum. Stefan Resch, einer der wenigen, die sich intensiver mit den frühen Texten von Fauser auseinander­ gesetzt haben, beschreibt »Tophane« daher als einen »sensibel austarierten Seismographen, der mit äußerster Genauigkeit die spontanen Reaktionen des Junkies auf innere und äußere Reize aufzeichnet. Was immer von außen wahrgenommen wird, wird nicht rational verarbeitet, sondern direkt an den Körper weitergegeben.«93

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Diese Körperlichkeit der Sprache manifestiert sich in einem Gefühl des Ekels. Die beschriebene Verteilung der Elemente des Körpers im Raum erzeugt die »Erfahrung einer Nähe, die nicht gewollt wird«.94 Für Fauser ist die am Cut-up geschulte Ästhetik somit ein Instrument zur sprachlichen Erzeugung einer spezifischen Wahrnehmungserfahrung. Damit erfüllt die Ästhetik eine andere Funktion als bei Burroughs, auch wenn Fauser viel von ihm übernimmt. Dementsprechend sieht Ploog in Fausers Verwendungsansatz der Cut-up-Ästhetik eine Art Fehlinterpretation von Burroughs’ Arbeitsweise. Ploog zufolge meint Fauser, »Cut-up sei der Schlüssel zu einer Art Fixersprache«.95 Für Burroughs ist Cut-up jedoch ein Instrument zur Sprach- und Medienkritik. Zentral ist für ihn, dass »bestimmte Reaktionen wie Ekel, Scham, Aggression etc. mit bestimmten Wörtern verknüpft und diese Assoziationen im Bewusstsein implantiert«96 sind. Die Anwendung der Methode ist daher im Sinne Burroughs’ nicht einfach nur ein ästhetischer Reiz, der das versprengte und paranoide Denken eines Süchtigen literarisiert, sondern ein sprach-revolutionärer Akt, dessen Ziel es ist, »Wort-Reiz-Reaktionsketten aufzubrechen«,97 indem durch die sprachliche Willkür der Cut-up-Technik Wort- und Bildverbindungen entstehen, die diese erlernten Assoziationen auflösen.

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Cut-up als Waffe

An der Stelle, an der für Fauser die Burroughs-Rezeption aufhört, fängt sie für Ploog überhaupt erst an. Das ideologische Konzept, das er aus dessen Texten schöpft und für sich erweitert und umformt, steht im Kontext von Herrschaftskritik am Ende der Sechzigerjahre. Dass Ploogs Theorie allerdings nicht nur ein medienkritisches Gedankenkonstrukt aus dieser Zeit war, zeigt sich daran, dass er den entscheidenden theoretischen Text »Die erweiterte Rezeptortheorie« 2004 noch einmal überarbeitet und in einer Anthologie publiziert hat. Dadurch stehen seine Thesen auch im Kontext gegenwärtiger Diskurse über sogenannte politische Korrektheit. Ploog beschreibt darin zunächst sprachliche Trigger-Mechanismen, die »dem personalen Organismus unausweichlich aufgezwungen«98 werden. Auch wenn Ploog hier nicht wörtlich von Triggern spricht, beschreibt er im Kern genau das: Wörter sind durch ihren kulturellen Kontext mit assoziativen Reaktionen verbunden, diese sind nicht steuerbar, sondern werden automatisch ausgelöst, wenn Menschen mit bestimmten sprachlichen Reizen, also Begriffen, konfrontiert werden. Der Mensch sei »Spielball reaktiver Bedingungen«.99 Das Resultat davon sei, dass ein »unbelastete[r] Zugriff auf das Wort als Bezeichnungsvehikel unmöglich«100 ist. Das klingt einerseits wie eine theoretische Abhandlung über die bereits erwähnte Sprachkrise der Moderne, in der sich Ploog damit auseinandersetzt, dass sein zentrales literarisches Anliegen – der authentische und unmittelbare Ausdruck des Erlebens – 45

sprachlich eine Herausforderung darstellt, weil Sprache grundsätzlich in semantischen Netzen hängt, aus denen sie nur schwer befreit werden kann. Andererseits wird im Zusammenspiel mit Cut-up aus dieser poetologischen Challenge eine Verschwörungsideologie. Denn für Ploog handelt es sich dabei nicht allein um ein sprachliches Problem, sondern ganz besonders auch um ein politisches. Es gehe dabei, so Ploog mit Bezug auf Burroughs und L. Ron Hubbard, den Scientology-Gründer, um ein »Instrument, um Handlungsfähigkeit in konstruktiver oder destruktiver Weise zu unterdrücken und zu begrenzen«.101 Ploog kritisiert nun ganz im Sinne heutiger Kritik an einer diskriminierungs- und traumasensiblen Sprache, dass bestimmte Wörter unabhängig von ihrem Kontext als »unangenehm oder angenehm empfunden werden & zu Zustimmung oder Ablehnung führen«.102 Die »politisch korrekte« Sprache – Ploog verwendet den Ausdruck selbst – sorge dafür, dass »negativ befrachtete Wörter wie Neger, Putzfrau, Müllabfuhr, Krüppel, Fräulein usf. aus der öffentlichen Sprache getilgt werden«103 sollen. Diesen Vorgang bezeichnet er als »semantische Säuberung« und verweist auf den Stalinismus, in dem »Individuen mit Negativbegriffen«104 belegt worden seien. Ploog entwirft an dieser Stelle ein Konstrukt, in dem sich Machtstrukturen diesen sprachlichen Reiz-Reaktion-Mechanismus zunutze machen würden, um eine sprachliche Kontrolle über die Bevölkerung auszuüben. Sprache diene als »eine höchst verfeinerte Waffe der Reglementierung öffentlicher Verhaltensweisen«.105 Solche Thesen zeigen die Anschlussfähigkeit einiger Strömungen der Gegenkultur der Sechzigerjahre an rechtspopulistische und rechtsradikale Diskursfelder der heutigen Zeit. Die Ansätze, die bei Ploog aus einer Widerstandshaltung gegen staatliche Machtstrukturen entstehen, positionieren sich in den politischen Diskursen der Gegenwart gegen eine Anerkennung von strukturellem Rassismus und Sexismus sowie gegen eine inklusive Sprache. Im literarischen Kontext der Sechzigerjahre verleiht diese These der Textproduktionstechnik Cut-up eine Funktion in einem ideologischen Befreiungskampf innerhalb einer von Medien bestimmten Welt. Das, was wir als Realität wahrnehmen, sei beeinflusst durch unser Denken und unsere Wahrnehmung, die wiederum 46

durch unsere Sprache gemacht seien.106 Ein Mittel im Kampf gegen diese Realität ist für Ploog Cut-up, da es sich um eine Methode handle, »um den Raum hinter den Worten zu erreichen, eine andere Realität, die aus absichtlich hergestellten, unwahrscheinlichen Zufällen besteht«.107

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Ploogs erster Roman

Diese andere Realität, die Ploog mit Cut-up zugänglich machen will, zeigt sich unverkennbar in seinem Debütroman »Cola-Hinterland« von 1969. Auf den ursprünglichen Titel »Coca-Cola Hinterland« verzichtete Ploog um dem kleinen Melzer-Verlag juristische Schwierigkeiten mit dem großen Getränkekonzern zu ersparen.108 Trotzdem verweist der Titel auch in der verkürzten Version auf die Zielrichtung des Textes. Es handelt sich um einen literarischen Blick in die Sphären hinter der schillernden medialen Oberfläche der Sechzigerjahre. Das bewusst willkürliche Schnittverfahren lässt in diesem fragmentierten Parforceritt die Kulissen einer linearen Erzählung zusammenbrechen. Es ist anders gesagt eine radikale Absage an alles, was im westdeutschen Literaturbetrieb unter Hochkultur verstanden wurde. Zudem handelt es sich bei »Cola-Hinterland« um einen zugegebenermaßen verwirrenden Meta-Roman auf die Entwicklung einer neuen medialen Wirklichkeit am Ende der Sechzigerjahre. Ploog hat für seine Texte in diesen Jahren »brachial völlig fremde Texte zerschnitten: Kriminalromane, Pornos«109 und aus den abgeschnittenen Erzählfäden eine wirres Textbild gewoben, in dem sich Figuren wie Paul Caruso, Suzie, Nelly und Kleinbart in Science-Fiction-Welten, in der norddeutschen Provinz und in touristischen Hochburgen weltweit herumtreiben. Die Metapher des Webens ist an dieser Stelle nicht zufällig gewählt. In Ploogs Verständnis von Cut-up als einer Möglichkeit, sich aus den Fängen des sprachlichen Kontextes zu lösen, schwingen ohne Frage Roland Barthes’ ähnlich gelagerte Überlegungen zum »Tod des 49

Autors« mit, nur dass Ploog – so könnte man sagen – den Erzähler gleich mit umgebracht hat. Was Ploogs Text letztlich abbildet, ist der mediale Raum, der entsteht, wenn man auf mehrere Fernsehbildschirme gleichzeitig blickt. Satzfetzen schließen aneinander an und brechen plötzlich ab und werden an anderer Stelle wieder aufgenommen, Bilder entstehen und verschwinden wieder, bevor sie einige Seiten weiter wieder aufscheinen. Ein Zappen zwischen zahlreichen Programmen war Ende der Sechzigerjahre noch nicht möglich, deswegen muss man von mehreren Bildschirmen ausgehen, die alle etwas anderes zeigen. Aus heutiger Sicht ist aber das Hin- und Herschalten zwischen Hunderten von Kanälen ein passender Vergleich für das, was Ploog hier literarisch umgesetzt hat: »Fritz Knüller wurde schließlich als Industriespion in Cuntsville geschnappt / ich besorgte mir ein intergalaktisches Rezept / der Doktor roch nach Orient nach Chikago / morgens nackt beim Yoga / jagte mir einen Strontium-Strahl in die Vene / ich schrie mein übliches ›ach was‹ / er verschrieb ein sofort wirkendes An­­ regungsmittel der Tod & Vernichtungs GmbH / während der Ge­­ hirnoperation verfiel ich in Tiefen-Trance einer anderen Zeit«.110 Das Zeit- und Raumgefüge ist ebenso aufgebrochen wie die sprachliche Ebene. Die große Zahl an erwähnten Orten, die sich über die gesamte Erde und darüber hinaus verteilen, lassen die Bedeutung der einzelnen Orte verschwinden, sie werden zu Chiffren für eine Ortlosigkeit. Ihre Auswahl lässt sie wie das Logbuch eines Piloten erscheinen, es handelt sich um Lokalitäten, die aufgrund ihrer kulturellen Bildhaftigkeit sofort Assoziationen auslösen. Es sind nicht willkürliche Orte, sondern solche, die durch Bilder in einem kollektiven Gedächtnis verankert sind. Durch das direkte Nebeneinander verlieren diese Ortsbezeichnungen jedoch ihre individuellen Zuschreibungen und sind lediglich assoziativ aufgerufene visuelle Abdrücke der tatsächlichen Orte: »Nachmittag in der Sura / unübersehbare Birkenwälder / Wiesen und Hügel jenseits des Kaukasus Nacht leuchtend und klar unter Brücken der Rhône / nachmittags gelben Absinth trinken / meine Zigaretten / ein ganz neues Leben / Häuser stürzten /  50

Big Ben in London / Ur und Babylon / Euphrat atmet schwer in der Hitze«.111 Was sich hier als konfuse Reihung von Vorgängen, Eindrücken und Beschreibungen zeigt, hat im Kontext von Ploogs ideologischer Perspektive auf die Cut-up-Methode eine konkrete Funktion, die letztlich auch an das Authentizitätsgebot der Beatliteratur anschließbar ist. Im Cut-up wird Sprache fragmentiert und neu zusammengesetzt, wodurch automatisch – soweit die Theorie – eine neue, subjektive Wahrnehmung von Realität erzeugt wird. Dieses permanent wiederholte Aufbrechen von sprachlichen Strukturen und das Neuordnen der daraus entstandenen Fragmente nennt Ploog einen »lange[n] Weg in die Interaktion von Bezeichnung und Bezeichnetem mit dem Potential, konditionierte Assoziationen und Vorstellungen aufzubrechen«.112 Diese konditionierten Assoziationen sind das, was Ploog einige Jahre später in seiner erweiterten Rezeptortheorie als reaktives Denken beschreiben würde und das durch das zufällige Nebeneinander von Begriffen ausgeschaltet werden soll. Diese »konditionierten Assoziationen« beziehen sich insbesondere auf das, was auch Ploog »politisch korrekte« Sprache nennt. Diskriminierende, rassistisch konnotierte und gewaltvolle Begriffe können unabhängig von ihrem Kontext Menschen verletzen und lösen Unwohlsein aus. Man kann hier von Sprachsensibilität reden, Ploog spricht – wie bereits erwähnt – von »semantischen Säuberungen«. Das ist mit ein Grund dafür, warum »Cola-Hinterland« durchzogen ist von einer stark sexualisierten, teilweise rassistischen und gewaltvollen Sprache. Das Aufrufen dieser gesellschaftlich brisanten Themenfelder ist eine Irritation der von Ploog wahrgenommenen Sprachkonditionierung. Die Vorstellungen der regulierten Sprache sollen dadurch aufgebrochen werden. In Ploogs ideologischem Ansatz ist das Überschreiten gesellschaftlich vereinbarter Sprachgrenzen eine Be­­ freiung von aufgedrängten Sprachregeln, die einen subjektiven Ausdruck von Realitätswahrnehmung verhindern. Das ist eine von zwei zentralen Funktionsweisen von »Cola-Hinterland«: der Roman soll gelernte Sprach-, Denk- und Literaturkonventionen 51

infrage stellen und seine Leserinnen und Leser dazu befähigen, hinter die glitzernde Fassade einer imperialistischen Kultur zu blicken – ein Wegweiser ins »Cola-Hinterland«. Doch der Roman ist in seiner strukturellen Verschränkung unterschiedlichster Texte und Bilder auch die literarische Umsetzung eines medialen Epochenumbruchs, den Marshall McLuhan mit dem Begriff des global village umschrieben hat. McLuhans Theorie des global village, die trotz der räumlichen Konnotation des Begriffs nicht auf einen Ort, sondern auf eine Epoche verweist, beschreibt die der Gutenberg-Galaxy folgende Epoche des menschlichen Umgangs mit Medien. Während der Mensch seinen Körper in der Gutenberg-Galaxy, der Medienepoche, die mit der Erfindung des Buchdrucks durch Gutenberg einsetzte, immer weiter ausgebreitet habe, entstehe nun in der immer engeren Vernetzung der Welt durch Telefon, Telegrafen, Satelliten und dadurch ermöglichte Live-Übertragungen im Fernsehen ein globales Dorf. Ende der Sechzigerjahre konnte man auf einmal beinahe jedes Ereignis, dem Relevanz zugewiesen wurde, live und in Farbe oder zumindest mit geringer Zeitverzögerung verfolgen. Die Mondlandung, die im gleichen Jahr stattfand, in dem »ColaHinterland« erschien, setzte dieser Entwicklung als extraterrestrisches Live-Ereignis, das im Fernsehen verfolgt werden konnte, die Krone auf. So gesehen ist »Cola-Hinterland« ein literarischer Blick auf mehrere Bildschirme. Auch wenn Ploog diese Bezüge nie erwähnt, geistern sie durch die Rezeption der Cut-upMethode. Sogar McLuhan selbst erkennt in Burroughs Schnittverfahren Ähnlichkeiten mit einem Abend vor dem Fernseher, »eine endlose Folge von Eindrücken und Erzählfetzen«.113

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Carl Weissner

An dieser Stelle kehren wir noch einmal zurück zum Frühsommerabend im Jahr 1966 und der Begegnung von Burroughs und Weissner in Heidelberg. Einige Tage zuvor schrieb Burroughs an seinen Schriftstellerkollegen und Freund Brion Gysin, der mitverantwortlich für die Neuerfindung der Cut-up-Methode war, er habe offenbar einen neuen »assistant« in Heidelberg, er heiße Carl und arbeite mit Aufnahmegeräten.114 Dieser Assistent wurde nicht nur ein Übersetzer von Burroughs, sondern auch ein Kollege und Freund. Bereits zwei Jahre bevor Ploog mit »Cola-Hinterland« versuchte, die Gutenberg-Galaxy von McLuhan literarisch zu pulverisieren, publizierten Burroughs und Weissner, gemeinsam mit dem französischen Schriftsteller Claude Pélieu, das Cut-up-Pamphlet »So who owns Death-TV«. Die drei hatten in einer Kollaboration Textmaterial zerschnitten und daraus eine flickernde An­­ einanderreihung von Eindrücken erzeugt, die Ploogs Roman beinahe konventionell erscheinen lässt. Hier klingt zudem bereits im Titel die Verbindung zu McLuhans »electric age« an. Während für Ploog offenkundig die sprachliche Guerilla-Qualität des Cutups entscheidend war, hatte Weissner einen analytischeren und vielleicht konkreteren Blick auf die Potenziale der Schnittmethode. Das gedruckte Wort sei im elektronischen Zeitalter auf dem Rückzug, aber »[i]mmerhin sind die Cut-up-Texte den Prozessen dieser Übergangsphase auf der Spur geblieben – sie spiegeln etwas von der halluzinatorischen Gleichzeitigkeit der Bildschirm-Informationen«.115 Die politische Vereinnahmung der Methode sah Weissner zumindest etwa zwanzig Jahre später durchaus kritisch: 53

»Was man da jetzt für einen ideologischen Überbau drüberstülpt, ist eine andere Frage. Ich finde, das hatte mit der Zeit damals zu tun, wo man nichts machen konnte ohne es nicht auch gleich politisch zu erklären.«116 Die Haltung passt zu Carl Weissner: Sich nicht mit unnötigem Ballast herumschlagen, schnell zum Punkt kommen und dann weiter. Dieser Ansatz schwingt in beinahe allen Texten mit, die Weissner aus fast fünfzig Jahren des Schreibens hinterlassen hat, unabhängig davon, ob es sich dabei um Übersetzungen, kurze Prosaskizzen, reportageartige Essays oder seine frühen Cut-upTexte handelt. »Eigentlich«, schreibt er 1968 in seinen Notizen aus der Zeit in New York, »will ich einen permanenten Zustand des Overload erzeugen, so dass man dauernd angespannt ist und denkt, jeden Augenblick fliegt die Sicherung raus.«117 Als sich Fauser Anfang und Mitte der Sechzigerjahre als kaum Volljähriger in London und Istanbul herumtrieb, war Weissner Student der Amerikanistik in Heidelberg – zeitweise wohl auch in Bonn und London – und verkehrte in den Jazzclubs, die vor allem von US-amerikanischen Soldaten besucht wurden. Die kleine, literaturhistorisch schon immer nicht ganz unbedeutende Stadt am Neckar war über Jahrzehnte eine Hochburg der US-amerikanischen Militärpräsenz in Europa, ein Umstand, der sich auch auf die Kultur der Stadt auswirkte. Nicht umsonst gingen etwa zwanzig Jahre später auch die Anfänge des deutschen Rap mit der Gruppe Advanced Chemistry von Heidelberg aus. Genauso wie es um diese Ursprungsgeschichte unterschiedliche Meinungen gibt, kann man auch nicht einfach behaupten, die deutsche Beat- und Undergroundliteratur habe in Heidelberg ihren Anfang genommen. Wirklich falsch wäre die Aussage wie auch im Falle von deutschem Rap aber auch nicht. Schließlich war Carl Weissner eine entscheidende Kraft in den Bemühungen der deutschen Literaturlandschaft etwas von der anglo-amerikanischen Coolness zu verschaffen. Jürgen Ploog vermutete, dass Weissner in den besagten Jazzclubs auch auf englischsprachige Literatur gestoßen war, die nicht 54

auf seinem Seminarplan stand.118 Die Autorinnen und Autoren und Magazinmacher und -macherinnen schrieb er einfach an, dadurch kam er in Kontakt mit unzähligen Brieffreundinnen und -freunden aus England und den USA, darunter absolute Größen der Beat- und Undergroundszene. Nach eigenen Angaben stand Weissner in diesen Jahren mit etwa 150 Leuten in ständigem Austausch, teilweise zwanzig Briefe pro Tag soll er geschrieben haben.119 Schon damals zeigte sich das, was Weissner im Kontext der deutschen Beat- und Undergroundliteratur auszeichnen würde. Während Ploog verschwörungsideologische Textguerillakämpfe mit Cut-up ausfocht und Fauser mehr oder weniger ziellos in Istanbul nach Stoff in doppelter Hinsicht suchte, war Weissner damit beschäftigt Kontakte herzustellen und die Menschen kennenzulernen, die für ihn und seine Vorstellung von Literatur relevant waren. Um an all die Texte zu kommen, die Weissner lesen wollte, gab er selbst ein Literaturmagazin unter dem Namen »Klactoveedsesteen« heraus, benannt nach einem Jazzstück von Charlie Parker. Die Idee hinter dieser Aktion war simpel: Wollte Weissner Zugriff auf die Magazine bekommen, die in den USA und in England erschienen, ohne sich selbst in Unkosten für Verkaufspreis und Porto zu stürzen, musste er selbst ein Magazin herausgeben, das er anderen zum Tausch anbieten konnte. Es bleibt eine Vermutung, aber höchstwahrscheinlich wurde von »Klacto/23« – wie das Magazin später hieß – kaum eine bis keine Ausgabe tatsächlich verkauft. Es war Tauschware.120 Welchen Effekt dieses Magazin zudem hatte, wird klar, wenn man sich die Ausgabe aus dem September 1967 ansieht, erschienen kurze Zeit, bevor Weissner in die USA aufbrach. Im Inhaltsverzeichnis tummeln sich die Namen nicht unbedeutender Schriftsteller, die Weissner entweder bereits persönlich getroffen hatte, mit denen er zu dieser Zeit schon in Briefkontakt stand oder die er in den USA auch in persona kennenlernen würde, wie Claude Pélieu, Harold Norse, Charles Bukowski, Allen Ginsberg und William S. Burroughs. Das Heft ist zwar lediglich zusammengetackert, es ist jedoch unverkennbar, dass Weissner sich professionell zeigen wollte: Der Druck ist sauber und sorgfältig und das Cover besteht aus mehre55

ren Fotos der im Heft vertretenen Autoren. Auffällig ist zudem, dass die Texte häufig einen regionalen Bezug zur Weissners Heimat haben: Harold Norse erzählt in seinem Beitrag, wie er Heidelberg besucht hat und in Heilbronn war, die Fotos auf dem Cover sind teilweise erkennbar in Heidelberg entstanden und von Bukowski ist ein persönlicher Brief an Weissner abgedruckt. Das alles zeigt: Weissner war bereits zu diesem Zeitpunkt nicht einfach ein begeisterter Leser englischsprachiger Alternativliteratur, nicht nur ein deutscher Student der Amerikanistik, er war bereits mittendrin in der transatlantischen Szene. »Er ist Menschen bis in die seltsamsten Spelunken und Winkel ein Begriff, den Verfechtern der ›Hungry Generation‹ in Kalkutta genauso wie Nomaden in Griechenland und Luxemburg, bei City Lights in San Francisco, unter Bukowski-Lesern weltweit.«121 Carl Weissner nimmt damit eine Sonderstellung in der deutschen Beat- und Undergroundliteratur ein. Von den drei Autoren, die hier im Mittelpunkt stehen, ist er mit Sicherheit derjenige, dessen literarisches Werk am wenigsten Wirkung erzeugt hat, zumindest, wenn man sich lediglich auf die Texte konzentriert, die seinen Namen als Urheber tragen. Die Begeisterung für die frühen Cutup-Arbeiten, wie den bis wenige Jahre vor seinem Tod einzigen Roman »The Braille-Film«, die man aus zahlreichen Nachrufen und Erinnerungen seiner Kollegen herauslesen kann, sind wahrscheinlich vor allem der Faszination geschuldet, die ein solches absurd komplexes Textkonstrukt erzeugen kann. Genau genommen ist dieser Cut-up-Roman, der 1970 bei The Nova ­Broadcast Press in San Francisco erschien, als Text nicht lesbar, als historisches Dokument einer Schnittstelle zwischen US-amerikanischer und deutscher Subkulturszene ist er jedoch äußerst wertvoll. Als englischsprachiger Roman eines deutschen Schriftstellers, der in der Subkultur der USA dieser Zeit äußerst gut vernetzt war und der sein Wissen, seine Kontakte und die Einflüsse in die deutsche Literatur einschleuste, ist er ein Zeugnis für die engen Verbindungen, die unter der Oberfläche stattfanden. Das übrige literarische Werk Weissners beschränkt sich sonst auf einige kürzere Cut-upTexte, die vorrangig in literarischen Undergroundmagazinen 56

erschienen sind, Cut-up-Kollaborationen mit Autorinnen und Autoren wie Burroughs, Mary Beach, Claude Pélieu sowie mit Jörg Fauser und Jürgen Ploog und einige Short Stories, die sich stilistisch zwischen Burroughs, J. G. Ballard und Charles Bukowski bewegen. »Janis lag vor der Hausbar & war bereits voll wie tausend Mann. Anne Waldmann und Lewis Harsh, zwei Edelpoeten der ›New Yorker Schule‹ (was immer das sein mag), waren gerade aus Paris angekommen, trugen teure Hippie-Konfektion Marke Park Avenue, hockten mit O’Gallagher konspirativ in einer Ecke & redeten über Strukturalismus. Pélieu brüllte YIPPIE! und langte jedem an die Eier. McClure saß nackt auf dem Balkon und murkste auf der Sitar herum; der Boyfriend roch nach Rosenöl und tat so, als sei er ein indischer Tempeltänzer. Ich ging mit Ferlinghetti in die Küche, wir sperrten den Koch ins Bad und räumten den Kühlschrank aus.«122 Der Abschnitt aus dem kurzen Prosatext »Last Exit to Mannheim«, der 1973 in der ersten Ausgabe des Magazins »Gasolin 23« erschien, ist sowohl beispielhaft für Weissners Arbeiten dieser Art als auch für seine (Selbst-)Positionierung in der deutsch-amerikanischen Subkulturszene. Seine kurzen Stories sind noch mehr als die späteren Erzählungen von Fauser schlicht überdrehte Berichte aus seinem Leben. Insbesondere bei Weissners Prosastücken geht es nicht um eine fiktionalisierte Darstellung des eigenen Lebens, es geht um eine Inszenierung gelebter Ereignisse, einfach aufschreiben, was passiert ist und es ein bisschen ausschmücken. Für Fausers Geschmack schrieb Weissner solche Texte viel zu selten, wie er Ploog in einem Brief mitteilt: »Also der Tag bei Carl hat mir richtig gute Laune gemacht, als wir besoffen waren hat er stundenlang america stories gebracht, aber natürlich fände ich besser wenn er die mal SCHREIBEN würde.«123 Die Grundhaltung dieser Texte ist jedoch stets eindeutig: Ich bin hier nicht einfach der deutsche Austauschstudent, ich bin einer von denen. In »Last Exist to Mannheim« – einer unverkennbar 57

autobiografischen Story über eine Party bei dem Künstler Liam O’Gallagher – feiert Weissner mit Lawrence Ferlinghetti, Janis Joplin, Michael McClure und Linda Kasabian von der Manson Family. In »Die Eingeschlossenen von der Lower Eastside« wohnt er zusammen mit dem Beatpoeten Ray Bremser und in seinen Notizen aus seiner New Yorker Zeit um 1968 besucht er hin und wieder Allen Ginsberg, beschwert sich über dessen Freund Peter Orlovsky und ist auf Lesungen von Diane di Prima. Im Sommer 1968 lernte er auch in San Francisco Charles Bukowski kennen, den Schriftsteller, den er mehr oder weniger im Alleingang als Übersetzer und Agent in Deutschland zu einer Legende des USamerikanischen Undergrounds machen würde. Dieses Treffen schildert Weissner in dem kurzen Text »Buk sings his ass off«, in dem er 1970 in »Melzers Surf Rider« den Amerikaner einem deutschen Lesepublikum näherbringen wollte. Und auch hier wird deutlich, wie sehr Weissner darauf Wert legt, dass er nicht einfach Übersetzer, sondern Kenner und Teil der Szene ist: »Ich hatte mit Bukowski schon einige Jahre Kontakt, ich kannte ihn aus unzähligen Briefen, aus seinen Büchern, aus den Manuskripten, die er mir für Klacto/23 schickte […].«124 Nur zwei Jahre später erschien im Melzer Verlag Weissners Übersetzung von Bukowskis »Notes of a Dirty Old Man«. Es war der Beginn einer Zusammenarbeit, aus der über drei Dutzend Bücher mit Übersetzungen hervorgehen sollten, von den unzäh­ ligen Briefen gar nicht zu reden. Als Weissner schließlich 1969 aus den USA zurückkehrte – seine Dissertation, für die er ein Fulbright-Stipendium erhalten hatte, war vermutlich unangetastet geblieben –, hatte er nicht nur zahlreiche US-amerikanische Freundschaften geschlossen und Bekanntschaften gemacht, sondern er stand auch bereits im Kontakt mit Jürgen Ploog. Wenige Monate später lernte er auch Jörg Fauser kennen.

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Die deutsche Szene

Es war ein unangenehm kalter Novembersonntag im Jahr 1968 in West-Berlin, das Thermometer war den ganzen Tag kaum über den Gefrierpunkt gekrochen und der Schneefall der letzten Tage war in Schneeregen übergegangen. In der Akademie der Künste trafen an diesem Abend die Literaturkritiker Rudolf Hartung und Marcel Reich-Ranicki auf die Schriftsteller Thomas Bernhard und Rolf Dieter Brinkmann. Sie kamen zu einer Ausgabe der Veranstaltungsreihe »Autoren diskutieren mit ihren Kritikern« zusammen. Bekannte Schriftsteller lasen Literaturkritikern eigene Texte vor und mussten sich öffentlich der Live-Kritik stellen. In diesen Wochen neigte sich langsam ein Jahr seinem Ende entgegen, das rückblickend in der kollektiven Erinnerung vieler Menschen in Deutschland, Europa und den USA eine entscheidende kulturelle Wende eingeleitet hatte. Das Jahr und insbesondere der Mai 1968 sind heute historisch vor allem bekannt für zahlreiche Demonstrationen und Besetzungen an westdeutschen Hochschulen, die gegen die herrschende Politik in der BRD und den US-amerikanischen Krieg im Vietnam gerichtet waren. Ganz grundsätzlich erreichte in diesem Jahr ein jugendliches Aufbegehren gegen die Lebenswelt ihrer Eltern und Großeltern einen Höhepunkt. Anfang April war zudem in Frankfurt am Main der erste terroristische Anschlag von den späteren RAF-Führungsfiguren Andreas Baader und Gudrun Ensslin begangen worden und nur etwa eine Woche später war Rudi Dutschke, rebellische Führungsfigur der westdeutschen Studentenschaft, Opfer eines Attentats geworden, das er nur knapp überlebte. Die Jahreszahl 1968 ist 59

heute eine Chiffre für jugendlichen Widerstand gegen das Bürgertum, gegen Imperialismus und gegen verkrustete konservative Strukturen in Politik, Kultur und Gesellschaft. Inwiefern das, was an diesem Abend im November auf der Bühne der Akademie der Künste geschah, etwas mit dieser generell aufgeheizten Stimmung des Jahres 1968 zu tun hatte, ist schwer zu sagen. Klar ist jedoch, dass es sich auf eine ge­­wisse Art passend in die Atmosphäre dieses Jahres einordnen lässt. Die Stimmung auf der Bühne war angespannt, wenn man dem Bericht, der einige Tage darauf in der Wochenzeitung »Die Zeit« erschien, Glauben schenken darf. Thomas Bernhard beleidigte Rudolf Hartung, bezichtigte ihn des »Schwachsinns«, gab auch Reich-Ranicki noch einige Beschimpfungen mit und verließ die Bühne und gleich auch das Gebäude.125 Im kulturellen Gedächtnis geblieben ist aber vor allem der verbale Angriff von Rolf Dieter Brinkmann auf Reich-Ranicki. »Wenn dieses Buch ein Maschinengewehr wäre, dann würde ich sie jetzt niederschießen!«, rief Brinkmann an den bedeutendsten deutschen Literaturkritiker gerichtet aus. Alles, was man heute darüber weiß, stammt von Augenzeugenberichten. Und so einprägsam diese Geschichte erscheint, so un­­klar ist auch, was damals tatsächlich geschehen war. Eine andere Quelle behauptete nämlich, Brinkmann habe bedauert »kein Maschinengewehr zur Hand zu haben, um Reich-Ranicki Be­­scheid zu geben«. In einer weiteren Überlieferung liest man, Brinkmann habe gesagt: »Wenn ich jetzt ein Maschinengewehr hätte, würde ich sie niederschießen.«126 Und in der »Zeit« heißt es sogar, der Ausruf habe gelautet: »Ich müßte ein Maschinengewehr haben und Sie alle über den Haufen schießen« und er sei vor allem an Hartung gerichtet gewesen, nicht an ReichRanicki.127 Auffällig ist vor allem, dass die am häufigsten kolportierte Version diejenige ist, in der das Buch stellvertretend für ein Maschinengewehr steht, mit dem Reich-Ranicki niedergeschossen werden soll. Anders gesagt, die Fassung, die am provokantesten und gleichzeitig am literarischsten ist, hat sich durchgesetzt. Diese Anekdote ist prägnant, ja legendenhaft und sie hat einen sensationalistischen Beiklang – dieser Brinkmann, was für ein unver60

schämter und rebellischer Schriftsteller. Sie war die perfekte Inszenierung. Inszenierung spielte in der Beat- und Undergroundliteratur und vor allem in der deutscher Couleur eine entscheidende Rolle. Denn erst die öffentliche Selbstdarstellung ermöglichte es den Schriftstellern sich aufmerksamkeitswirksam von der etablierten Hochliteratur abzugrenzen. Für Brinkmann, den man selbst zum erweiterten Kreis der deutschen Beat- und Undergroundliteraten zählen kann, war das besonders wichtig. Brinkmann geriet Ende der Sechzigerjahre in eine Zwischenposition. Einerseits hatte er sich mit seinen Gedichten und Erzählungen in einem Kontext positioniert, der dem US-amerikanischen Underground recht nahestand. Andererseits war er durch eine – vom ihm abgelehnte – Einladung zur Gruppe 47 und durch seine Publikationen beim anerkannten Kiepenheuer & Witsch Verlag durchaus in etablierte Gefilde des Literaturbetriebs vorgestoßen. Später würde er durch einen Stipendienaufenthalt in der römischen Villa Massimo und eine Gastdozentur an der University of Texas in Austin weiter an offizieller Reputation hinzugewinnen. Die zeitgenössische Bezeichnung als »Salonlöwen«128 zeigt zudem recht deutlich, dass Brinkmann, so rebellisch er auch war, durchaus vom Literaturbetrieb der Zeit angenommen wurde, wenn auch vor allem als reizvoller Rebell. Ein wildes Tier, das man sich der Unterhaltung wegen zu kultivierten Abendgesellschaften einlädt. Der in gewisser Weise unnötig krasse Verbalangriff auf der Bühne der Diskussionsveranstaltung – wie auch immer der Wortlaut genau gewesen sein mag – ist daher einerseits die Erfüllung seiner Funktion, andererseits kann er auch als ein Akt der Selbstpositionierung gesehen werden: Brinkmann wollte Rebell bleiben. Rebellen sind und bleiben zu dieser Zeit Fauser, Ploog und Weissner – zumindest nach außen hin. So rebellisch will man sein, dass sogar Brinkmann das Ziel höhnischer Angriffe werden wird, und das obwohl er mit seinen Anthologien »ACID. Neue Amerikanische Szene« (zusammen mit Ralf-Rainer Rygulla) und »Silverscreen« (beide 1969) eigentlich in genau die Richtung geht, die auch die drei Freunde Anfang der Siebzigerjahre einschlagen wollen. Aber der Reihe nach. 61

Wobei die Reihenfolge gar nicht so leicht auszumachen ist. Während gesichert ist, dass sich Weissner und Ploog im März 1968 kennenlernten, als Ploog per Brief Kontakt mit Weissner aufnahm, der damals noch in den USA war und dessen Texte Ploog im Magazin »San Francisco Earthquake« gelesen hatte, ist kaum auszumachen, wann Fauser dazustieß. Verwunderlich ist das andererseits nicht, Fauser irrlichterte in diesen Jahren durch Istanbul, Westberlin und die Bundesrepublik und tauchte irgendwann im Kreis um Weissner, Ploog und Udo Breger auf. Breger, selbst Verleger und Schriftsteller mit einer Affinität zur Beat- und Undergroundliteratur, und auch Ploog beschreiben, dass Fauser irgendwann einfach da war und bei Treffen in der Ecke saß, sich im Badezimmer einen Schuss setzte und dann wieder ging.129 In diesen Jahren ganz zu Anfang der Siebzigerjahre begann auch die intensive Zusammenarbeit von Ploog, Fauser und Weissner sowie anfangs auch noch Udo Breger. Zunächst gaben sie zusammen das Magazin »UFO« heraus, das im Verlag von Breger Expanded Media Editions erschien. »UFO« erzeugte kaum größere Aufmerksamkeit und wirkte auf den ersten Blick wie eines der unzähligen Magazine, die in diesen Jahren in der westdeutschen Undergroundszene erschienen waren. Besonders ist aber, dass Weissner wieder seine Kontakte spielen lassen konnte und »UFO« somit unter anderem mit Texten von Ginsberg, Burroughs und Mary Beach aufwartete. Zwischen Juli 1971 und März 1972 erschienen drei Ausgaben, wobei die dritte Ausgabe ein Audio-Magazin war. Zu einer weiteren Nummer kommt es schließlich nicht mehr, auch wenn wohl ursprünglich noch eine vierte geplant war. In einem Brief an die Redaktion vom 8. Mai 1972 schreibt Ploog eine persönliche Notiz an Weissner, in welcher er seinen Unmut über die Entwicklung des Magazins ausdrückt: »auf zur UFO 4 ------ ich weiss die Lust ist weitgehend verklungen --- könnte sein dass es die letzte Nr. wird.«130 Doch es waren umtriebige Zeiten, das erkennt man auch an der Korrespondenz der drei untereinander. Da werden Texte hin und her geschickt und kommentiert, Fauser bittet Weissner immer wieder um Hilfe, Arbeiten bei Verlagen und Sendern unterzukrie62

gen, Weissner beginnt seine Übersetzer- und Agententätigkeit für US-amerikanische Literatur und von Ploog kommen Briefe aus aller Welt, je nachdem, wohin ihn sein Beruf als Langstreckenpilot für die Lufthansa gerade führt. Und im November 1972 informiert Ploog schließlich Weissner darüber, dass er mit Fauser das »Project einer Text-Zeitschrift« besprochen habe und erläutert das geplante Konzept: »Wollen versuchen, unseren Standpunkt nicht literarisch, sondern sozio-psychologisch (mit literarischen Mitteln) zu konkretisieren. Wer wir sind, wo kommen wir her, wie sind wir in Bezug auf das, was uns umgibt. Briefe, Vorfälle, wet dreams etc.«131 Im Juni 1973, nach einigen Schwierigkeiten mit Finanzierung und Druck und mehrere Monate später als geplant, erschien dann die erste Ausgabe des Magazins »Gasolin 23«, herausgegeben von Fauser, Ploog und Weissner. Dass es sich auch hierbei nicht einfach um ein weiteres Magazin handelt, wird schnell deutlich. Schon der Titel zeugt von einer tiefen Verwurzelung der Herausgeber in der Tradition der US-amerikanischen Beatliteratur und des Undergrounds. Laut Weissner bezieht sich »Gasolin 23« auf den Titel des Gedichtbandes »Gasoline« von Gregory Corso und den Spleen von Burroughs, über Flugzeugabstürze Buch zu führen, bei denen die Zahl 23 eine Rolle spielte.132 Solche Spiele mit Bezügen, Andeutungen und Insiderwissen prägen die erste Ausgabe und viele weitere Nummern bis zur Einstellung des Magazins im Jahr 1986. Die erste Ausgabe erschien als »No. 2«, eine Nummer 1 hatte es aber nie gegeben. Schon hier begann das provokante Verwirrspiel, das die drei Herausgeber mit dem ersten Heft aufzogen. Es existiert zudem eine Werbeanzeige, die die »No. 2« ankündigt, darin heißt es: »›GASOLIN 23‹! Wüste Stories! Unsägliche Gedichte! Himmelschreiende Heuler! Internationale Schizo, Comics! Liebesgrüße aus dem Szenen-Puff! Nach der legendären Nr. 1 (mittlerweile verschollen!) wälzten sich unsere Leser auf dem Boden und schrien mit Tränen in den Augen: AUFHÖREN!«133 Des Weiteren findet sich im Nachlass von Weissner eine Fotomontage, die vermutlich ebenfalls als Werbematerial diente oder dienen sollte. Sie zeigt ein 63

Foto des Entertainers Groucho Marx, der die (fiktive) erste Ausgabe von »Gasolin 23« in Händen hält, auf das Foto ist eine Sprechblase mit dem Schriftzug »Hot Jizz!« gezeichnet. Die Zeitschrift auf der Fotomontage zeigt auf dem Cover ein Bild von Marylin Monroe vor der New Yorker Skyline, auf der Rückseite sind als vertretene Autorinnen und Autoren unter anderem Monroe selbst, Brinkmann, Burroughs und Weissner angegeben. Der Verweis auf eine angebliche »legendäre[n] Nr. 1«, die nicht mehr zu bekommen ist, verstärkt das scheinbar skandalöse Potenzial der tatsächlich ersten Ausgabe. Wenn schon die erste Ausgabe so aufregend war, muss es die zweite auch sein. Doch die Herausgeber trieben das Spiel noch weiter und markierten deutlich, wo sie sich selbst im literarischen Feld der Bundesrepublik dieser Jahre sahen: Abseits von allen anderen. Und hier wird deutlich, dass selbst der rebellische Brinkmann, der in seinen Anthologien Burroughs, Bukowski, Kandel und Di Prima publiziert hatte und sich Maschinengewehre auf die Bühne wünschte, nicht widerständig genug war. Auf der ersten Seite dieser Ausgabe finden sich fingierte Leserbriefe zu der vermeintlich legendären und nie existierenden ersten Ausgabe. Unter anderem empört sich Brinkmann: »Der Frascati ist mir in der Kehle steckengeblieben, als ich sah in welcher Gesellschaft ich mich in Ihrer ersten Nummer fand. Wenn Sie schon die deutsche Gegenwartsliteratur als schwachsinnig entlarven wollen, dann bitte in Zukunft ohne mich. Wenn im übrigen Handke sich wie Herhaus liest (haben Sie den Text vielleicht frisiert?) muß ich wohl noch dankbar sein, daß Sie bei mir nur die Tippfehler korrigiert haben.«134 Auch ein falscher Kommentar von Peter Handke ist dort abgedruckt, voller Empörung beschwert sich der Autor, dass ein Gedicht, das den gleichen Titel trägt wie eines von ihm, in der ersten Ausgabe veröffentlicht worden sei. Abschließend kommt wohlwollend und respektvoll auch noch ein Dr. Helmut Kasarek zu Wort, dessen Name eine offensichtliche Anspielung auf den Literaturkritiker Hellmuth Karasek ist. So etwas, legt man ihm die 64

Worte in den Mund, könnten sich »nur unabhängige Zeitschriften« leisten.135 Mit diesen fingierten Kommentaren stellten die drei Herausgeber zur Schau, wo sie sich positionierten: außerhalb aller Kreise des Literaturbetriebs. Selbst Brinkmann als Vertreter einer jungen, progressiven Literatur, die sich auf amerikanische Pop- und Undergroundkultur bezog, war nicht rebellisch genug. Er wurde ebenso abgelehnt wie Peter Handke, der damals – lange bevor er sich für seine Aussagen über Kriegsverbrechen im Jugoslawienkrieg rechtfertigen musste und den Literaturnobelpreis be­­kam – für den progressiven Arm der etablierten Literatur innerhalb der Gruppe 47 stand. Und die arrivierte Literaturkritik in Person von Hellmuth Karasek wurde selbstverständlich der Lächerlichkeit preisgegeben. Zwar sollte man das alles nicht so ernst nehmen, es war in Teilen auch einfach eine postmoderne Spielerei mit einem Augenzwinkern, aber es zeugt von einer gesunden Portion Respektlosigkeit dem Literaturbetrieb gegenüber und einer ebensolchen Portion Selbstbewusstsein – manche mögen sagen Selbstüberschätzung –, sich in so einer Weise zu präsentieren. Insbesondere das Selbstbewusstsein wird in der nächsten Ausgabe noch weitergetrieben. Dort äußern sich die Herausgeber dann programmatisch und durchaus ernsthafter. Nicht einfach »eine Literaturzeitschrift« sei »Gasolin 23«, sondern »die Literaturzeitschrift. Eine Zeitschrift, die wir erfunden haben, um unabhängiges nicht zensiertes Schreiben am Leben zu erhalten.«136 Hier wird nicht nur die eigene Positionsmarkierung deutlicher, hier wird auch der Ton schärfer. Erkennbar wird die eigene Stellung als das non plus ultra gesetzt, ein Schreiben, das außerhalb des Kreises um »Gasolin 23« stattfindet, ist entweder nicht unabhängig oder zensiert. Was an dieser Stelle geschieht, ist auch ein Abstecken der Grenzen des literarischen Feldes nach eigenem Gutdünken und zwar in der Weise, dass nur noch der eigene Zugang zur Literatur gültig ist. Pierre Bourdieu beschreibt die Mechanismen, die an dieser Stelle wirken, in seinen »Regeln der Kunst« sehr genau. Um den eigenen Begriff von Literatur absolut zu setzen, muss alles andere für literarisch nicht relevant erklärt werden, dann kann einem auch niemand 65

vorwerfen, dass man selbst keinen Erfolg hat.137 Schließlich haben einfach alle anderen nicht verstanden, was Literatur ist oder sein sollte. Oder um sich noch einmal der Worte aus dem programmatischen Vorwort zu bedienen: »[…] es stimmt nicht, dass wir nichts von Literatur halten. Wir mögen nur das nicht, was hier Literatur genannt wird.«138 Das Ziel bestand darin, nicht als artiste raté – als ein gescheiterter Künstler – wahrgenommen zu werden, sondern wenn überhaupt als ein artiste maudit, als ein Künstler also, der keinen kommerziellen Erfolg hat, weil er seiner Zeit voraus ist oder weil er sich aus Überzeugung nicht an die ungeschriebenen Regeln der Kunst hält – um das Bild von Bourdieu aufzunehmen. Auf ihm lastet also wörtlich übersetzt ein Fluch, der Fluch der Avantgarde, künstlerisch immer an einem Ort zu sein, wo noch niemand vorher war und wo noch niemand ist, allein auf weiter Flur. Doch genau diese scheinbare Regellosigkeit, die lautstarke Abwendung vom literarischen Höhenkamm, ist in gewisser Weise ein Teil des Spiels mit den Regeln der Kunst. Die offene Verweigerung des Systems, wie sie Fauser, Ploog und Weissner in den ersten Ausgaben von »Gasolin 23« betreiben, ist in den Funktionsmechanismen des literarischen Feldes mit inbegriffen. Ge­­ nauso wie der skandalöse Auftritt in der Akademie der Künste für Brinkmann letztlich von Vorteil gewesen sein dürfte, genauso erhofften sich die Herausgeber des Magazins eine entsprechende Reaktion des Betriebs. Die Schwierigkeit dieses Spiels mit dem scheinbaren Regelbruch tritt jedoch zutage, wenn man bedenkt, dass aus dem Literaturbetrieb eben keine Reaktion kam – zumindest zu dieser Zeit. Eine Provokation kann nur funktionieren, wenn der Provozierte reagiert. Die etablierten Verlage und die Presse zu Beginn der Siebzigerjahre interessierten sich jedoch kaum für die Bemühungen der drei jungen Männer. Besonders Fauser merkte man die Frustration darüber in diesen Jahren an, immer wieder schrieb er Weissner Briefe, in denen er von verzweifelten Versuchen berichtet, endlich einen Verlag zu finden: »was Hanser angeht ---cards are down---gerade mit Arnold gesprochen der zwischen Desinteresse & Ablehnung & ›das paßt 66

doch nicht in unser Programm‹ schwankt … was solls. Bald bleibt mir nur noch der Bankeinbruch.«139 Fast wundert man sich, dass Fauser offenbar beim renommierten Carl Hanser Verlag angefragt hatte, schließlich handelt es sich um einen Verlag, der in seinen Augen für genau das literarische Establishment stehen musste, das er überwinden wollte. Auf den zweiten Blick jedoch zeigt sich, dass die rebellischen Magazinmacher durchaus Interesse daran hatten, dass Feuilleton und Literaturbetrieb sie anerkannten. Fauser äußert sich in einem Brief an Weissner ganz dezidiert: »Gasolin 23« soll so sein, dass es »auch von den selbsternannten Progressiven bei FAZ etc. mal nicht von vorneherein vom Tisch gefegt werden kann«.140 Wie sehr sich hier die Inszenierung nach außen hin und der interne Austausch voneinander unterscheiden, zeigt sich auch etwa zehn Jahre später, als Fauser in einem Interview äußert, das Schlimmste sei damals gewesen, wenn das Feuilleton einen wahrgenommen hätte oder wenn man von der FAZ besprochen werden wollte.141 Was in der literarischen Öffentlichkeit als Respektlosigkeit und triumphale Renegatengeste präsentiert wurde, war im Privaten offenkundig der Versuch eine Balance zwischen eigener Überzeugung, Vorlieben und einem materiellen Auskommen zu finden. Interessant ist zu beobachten, wie sich diese Dynamik in den folgenden Jahrzehnten entwickelte. Während Ploog bis zu seinem Lebensende ausschließlich in kleinen Verlagen publizierte, hatte Fauser spätestens gegen Ende der Siebzigerjahre spürbaren Erfolg und wechselte mit Beginn der Achtzigerjahre zum Publikumsverlag Ullstein. Heute ist er aus den Feuilletons nicht mehr wegzudenken. Weissners eigene Texte wurden zwar Zeit seines Lebens nie bei größeren Verlagen publiziert, als Übersetzer arbeitete er aber bereits seit den frühen Siebzigerjahren mit Rowohlt, Kiepenheuer & Witsch und auch Hanser zusammen. Alle drei jedoch wahrten bis zu ihrem Lebensende nach außen hin die Fassade der widerständigen Unruhestifter im Literaturbetrieb. Für den Moment aber blieb man im Underground und orientierte sich vor allem an den US-amerikanischen Vorbildern. Insbesondere die ersten Ausgaben des Magazins waren auch eine Selbstdarstellung als Teil einer Szene aus US-Schriftstellern und 67

deutschen Autoren. Mit Bukowski, Kerouac, Norse, Ginsberg, Pélieu, Fauser, Ploog, Weissner und Wolf Wondratschek präsentiert das Inhaltsverzeichnis der ersten Ausgabe eine deutsch-USamerikanische Koproduktion. Wie deutlich die Orientierung an der Beat- und Undergroundkultur aus den USA war, lässt den Schluss zu, das Magazin wollte eine Szene unabhängig von Sprach-, Landes- und Kulturgrenzen abbilden. Die drei Herausgeber inszenieren auf diese Weise eine kulturelle und literarische Identität mit ihren Vorbildern und Kollegen aus den Vereinigten Staaten. Anders gesagt, es entsteht der Eindruck, als seien auch Ploog, Weissner und Fauser eigentlich keine Schriftsteller aus der Bundesrepublik, sondern im Herzen US-amerikanische Beat- und Undergroundliteraten, die nur durch einen Fehler des Schicksals auf der falschen Seite des Atlantiks geboren wurden. Das Autorenverzeichnis der ersten publizierten Ausgabe ist daher auf Amerikanisierung und Internationalisierung angelegt, für Carl Weissner ist der Wohnort »Mannheim / Arizona« und für Jörg Fauser »Frankfort / Oklahoma« angegeben. Die biografischen Angaben richten allesamt den Fokus auf das Unterwegssein und die Rastlosigkeit der Autoren und distanzieren sich damit vom Bild des Schriftstellers am heimischen Schreibtisch. Der Schwerpunkt der Inszenierung liegt neben einer Zuordnung zum USamerikanischen Kontext auf einem offenbar ungezügelten und antibürgerlichen Lebensstil. Zu einer Zeit, als sich die Gruppe 47 wenige Jahre zuvor im Gasthof Pulvermühle im oberfränkischen Waischenfeld getroffen hatte, ist die Selbstdarstellung von Autoren als rastlose Schreibende on the road als eine bewusste Distanzierung zum literarischen Betrieb und zu Deutschland als kulturellem Raum zu verstehen. Dementsprechend spielt beispielsweise die Erzählung »Last Exit to Mannheim« von Weissner an der amerikanischen Westküste und erwähnt zahlreiche Personen aus der Kultur- und Subkulturszene der Vereinigten Staaten. Stilistisch ist der Text von der Übersetzung von Charles Bukowskis Shortstory »Tito Vulva & Baby Twat«, die in der gleichen Ausgabe erschien, kaum zu unterscheiden. Grundsätzlich kann man sagen, dass Weissner bei seinen Übersetzungen von Bukowski häufig eine Art eigenen rup68

pigen und plauderhaften Duktus über den lakonischen Ton der Originale gelegt hat. Dieser deutsche Bukowski-Ton taucht dann in Weissners eigenen literarischen Texten teilweise wieder auf. Dadurch erscheint Weissner auch hier wie ein US-amerikanischer Autor, der aus der gleichen Ecke wie Bukowski kommt. Auf ähnliche Weise funktionierte die Positionierung der Erzählung »Highway 73« von Walter Hartmann in der folgenden Ausgabe. Hartmann gab später das Magazin mit heraus und tauchte immer wieder im Umfeld von Ploog auf. Seine kurze Erzählung ist im Heft positioniert zwischen einer Roadtrip-Erzählung von Charles Plymell, einem weiteren Beatautor, und einem kurzen Prosatext von Neal Cassady. Durch diese Abfolge erscheint Hartmann, dessen Text nicht nur vom Titel her, sondern auch strukturell als Road-Story in die gleiche Kategorie wie die von Plymell und Cassady gehört, als ein Autor aus demselben kulturellen Milieu wie seine beiden Kollegen. Dazu kommt noch, dass durch die Verknüpfung des paratextuellen Netzes gar Verbindungen zu Jack Kerouac als dem Übervater der On-The-Road-Texte hergestellt werden, da Neal Cassady bekanntermaßen eine entscheidende Rolle bei der Entstehung von Kerouacs Roman spielte. Aber auch wenn sich hier eine transatlantische Szene zu formieren schien, sahen sich die deutschen Schriftsteller einem Problem gegenüber, das insbesondere in dieser frühen Phase deutlich zu­­ tage trat. Die US-amerikanische Beat- und Undergroundliteratur war das Ergebnis einer bestimmten gesellschaftlich-kulturellen Situation, die die Vereinigten Staaten in den ersten Jahrzehnten nach dem Zweiten Weltkrieg prägte. Zudem sind diese Literatur und die mit ihr verbundene Kultur tief verwurzelt in einem USamerikanischen Ideal von Freiheit und Unabhängigkeit. Der nordamerikanische Kontinent als Topografie und als Teil eines ideellen Konstrukts bildet die zentrale Grundlage für die Funktionsweise dieser Literatur. Auch das Nomadenhafte und die Mobilität, die wir in der Beatliteratur finden, sind prägnante Insignien der US-amerikanischen Kultur. Seit den Trecks der kolonialistischen Siedler bildet die Fortbewegung auf diesem Kontinent einen integralen Teil des US-amerikanischen Selbstverständnisses, immer im Widerstreit von hoffnungsvoller Suche nach Neuem 69

und der beizeiten desperaten Rastlosigkeit von Sinnsuchenden. Ploog beschreibt dieses kulturelle Moment rückblickend als den »Beat eines Kontinents, endlose Omnibusfahrten mit Hot Dogs & Milkshakes«.142 Der Reiz, den dieses Lebensgefühl für die jungen Leserinnen und Leser der Beatliteratur in der BRD ausmachte, ist der Reiz einer Differenz zur eigenen Kultur. Aufregend war Beatliteratur eben nicht zuletzt, weil sie einen way of life vermittelte, der weit entfernt war von der spießigen Gemütlichkeit der Wirtschaftswunderjahre in der westdeutschen Bundesrepu­ blik. Man meint beinahe zu hören, wie Fauser seufzte, bevor er an­­setzt: »Diese Fünfziger, dieser nahtlose Aufbau, Wirtschaftswunder, Wundertüte mit Pepita-Muster, ewige Sonntagnachmittage in den neuen Siedlungen mit Rasenmäher und Paul Anka […].«143 So reizvoll im Gegensatz dazu das Lebensgefühl der Beat Generation auch erschien, als so komplex erwies sich auch seine Übertragung in einen bundesdeutschen Kulturkontext. Wie ließ sich das Lebensgefühl der Hinterhöfe von Manhattan der Fünfzigerjahre in die westdeutsche Kleinstadt übertragen? Großstädte wie New York City, Chicago, Denver oder Los Angeles, die als Kon­ trast zur Weite der US-amerikanischen Landschaft eine zentrale Funktion hatten, wirkten im Vergleich mit selbst den größten westdeutschen Städte wie Metropolen aus einer anderen Welt. In den Texten aus den ersten Ausgaben von »Gasolin 23« versuchten die Autoren und die Herausgeber dieser kulturellen Distanz entgegenzuwirken, indem die Handlung der deutschsprachigen Texte in einem ähnlichen Milieu angesiedelt wurde, wie die der US-amerikanischen Autoren oder in weit entfernten Regionen wie Nordafrika oder in Istanbul. Kein Text der ersten beiden Ausgaben spielt in Westdeutschland oder ist merklich in der deutschen Kultur situiert. Außer einer kurzen Erwähnung einer Stadt in Fausers »Die ersten Tage der Raumfahrt«, die Frankfurt sein könnte, spielt Deutschland keine Rolle. Auch wenn diese literarischen Erzählungen vermutlich auf eigenem Erleben beruhen, wirken sie dadurch wie Produkte einer kulturellen Aneignung, die dem Zweck dienen, den Habitus der US-amerikanischen Autoren auf sich selbst zu übertragen. 70

So sehr sich die deutschen Autoren auch bemühten, den Eindruck zu erzeugen, dass sie den gleichen Geist atmeten wie die US-amerikanischen Beat- und Undergroundautoren, so deutlich wird auch, dass die unterschiedlichen kulturellen Ausgangspunkte ihren Tribut forderten. Aus diesem Blickwinkel betrachtet, drängt sich dann wieder Ploogs zu Anfang zitierte Aussage auf, es könne gar keine deutsche Beatliteratur geben. Bei genauerer Betrachtung fallen auch prägnante Unterschiede auf, die der deutschen Literatur dieser Art eine in Teilen unübersehbar andere Fokussierung, man könnte sagen, einen anderen Beat geben. Das wirft auch ein Licht auf die politisch und gesellschaftlich problematischen Auswüchse der Beat- und Undergroundliteratur auf beiden Seiten des Atlantiks. Sie werden nicht zuletzt deutlich, wenn man auf Unterschiede zwischen US-amerikanischer und deutscher Beat- und Undergroundliteratur achtet.

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Alles nur Männer

Die Beat- und die Undergroundliteratur waren insbesondere ein literarischer Aufstand gegen eine etablierte Vorstellung von Hochkultur und -literatur, gegen konventionelle, bürgerliche Lebensmodelle und gegen Moral und Ethik eines verlogenen Systems, das aus Menschen Rädchen in einer großen Maschinerie machte. In kaum einem Text, der aus der Beat Generation hervorgegangen ist, wird das so deutlich wie in Ginsbergs »Howl«. Bereits der erste Vers setzt den Ton für diesen Klagegesang auf so viele junge Menschen, die in diesem System zermalmt wurden: »Ich sah die bestehen Köpfe meiner Generation, zerstört von Wahnsinn, hungernd / hysterisch und nackt, / in der Dämmerung durch die Schwarzenviertel ziehen, auf der Suche nach einem elenden Schuss«. Doch in genau diesem Vers und vor allem im weiteren Verlauf des Gedichts deuten sich auch zwei der blinden Flecken an, die so viele kulturelle und gesellschaftliche Widerstandsströmungen aus vorrangig weißen und männlichen Milieus dieser Jahre prägten und die man angesichts einer Begeisterung für den rebellischen Drive dieser Gruppierungen schnell übersieht oder als vernachlässigbar abtut. Schon in Ginsbergs Eröffnung seines Gedichts ist die Schwarze Bevölkerung der USA als das Andere markiert, ihre Straßen waren die Viertel, durch die sich die besten Köpfe seiner Generation schleppten, auf der Suche nach Drogen. Auch sind im weiteren Verlauf nahezu alle erwähnten Personen männlich, Frauen waren bei diesen besten Köpfen einer Generation 73

nicht mitgemeint. Hier deutet sich nur subtil an, was sich bei einem genaueren Blick deutlich zeigt: Die Beat Generation war in ihrer Außenwahrnehmung eine in erster Linie weiße und männliche Gruppe, die allenfalls an ihren Rändern Frauen, Schwarze und People of Color miteinschloss. Das ist umso bemerkenswerter, wenn man sich vor Augen führt, wie zentral Frauen und Schwarze Kultur für die weißen Männer der Beat Generation waren: »Im violetten Abendlicht spazierte ich mit schmerzenden Muskeln unter den Straßenlaternen der 27th Street und der Welton Street ins Schwarzenviertel von Denver und wünschte mir, ich wäre ein Schwarzer, denn ich spürte, daß auch das Beste, was die Welt der Weißen zu bieten hatte, mir nicht genug Ekstase bot, nicht genug Leben, Freude, Spaß, Dunkelheit, Musik, nicht genug Nacht.«144 Die Trauer über das eigene anscheinend ereignislose und langweilige Leben als weißer Mann, die Kerouacs Alter-Ego-Erzähler Sal Paradise an dieser Stelle in »On The Road« ausdrückt, war paradigmatisch für den Umgang weißer Beatliteratur mit Schwarzer Kultur. Die Idealisierung der Lebensrealität der Schwarzen USBevölkerung, die Kerouac hier entwarf, ist in dieser Form nur aus der Perspektive einer weißen Person möglich, die den strukturellen, offenen und gewalttätigen Rassismus ausblendete, der unter anderem den Alltag der Schwarzen Bevölkerung der Fünfzigerjahre be­­ stimmte und zum Teil bis heute bestimmt. Stattdessen wurden kulturelle Elemente, die man vor allem positiv mit der afroamerikanischen Kultur verband, herausgestellt. Zentral für das literarische Beat-Selbstverständnis insbesondere bei Kerouac, aber auch bei Ginsberg oder beispielsweise Corso, war der Jazz, um genau zu sein der Bebop. Kerouacs poetologische Strategie der spontaneous prose basiert nicht zuletzt auf der schnellen Improvisation und der intuitiven Spielweise dieser Form des Jazz. Zugleich war die Begeisterung für eine Schwarze Boheme-Kultur in den Vierziger-/Fünfzigerjahren unter weißen Jugendlichen auch eine Form der Revolte gegen die bürgerlichen Strukturen ihrer Eltern. Jazz und ganz besonders Bebop stellten daher aufgrund des mit ihnen verbundenen Lifestyles für Kerouac und andere eine Form des 74

Eskapismus aus den Zwängen der Konventionen einer weißen Mittelschicht dar. Diese Form der kulturellen Aneignung resultierte aber in erster Linie aus der Imagination eines Lebensstils und seiner Fetischisierung, die auf eine gesellschaftlich diskriminierte und teilweise verfolgte Gruppe projiziert wurde. Die Begeisterung für dieses Leben war jedoch kein Ergebnis einer fundierten Auseinandersetzung mit anderen Lebensrealitäten, sondern die Übertragung eigener Wünsche auf eine Lebenswelt, die als aufregend wahrgenommen wurde. Der systemische Rassismus und die gesellschaftliche Ausgrenzung der Schwarzen Bevölkerung und der People of Color wurden zur Grundlage einer authentischen und ekstatischen Lebensweise stilisiert, zu der man als Angehöriger der privilegierten Gruppe keinen Zugang zu haben glaubte. Somit zeigt sich in der Darstellung Schwarzer Menschen und People of Color in der Beatliteratur Vergleichbares wie in der Darstellung weiblicher Figuren: Im gesellschaftlichen Kontext der Zeit ist der literarische Umgang durch die weißen Autoren durchaus respektvoll und fortschrittlich gemeint. Tatsächlich handelte es sich aus heutiger Sicht um den unreflektierten Blick einer weitgehend privilegierten Gruppe. Nur sehr wenige Schwarze publizierten im Umfeld der literarischen Beat Generation. Selbst bei einer Ausweitung der Perspektive lassen sich lediglich LeRoi Jones, Ted Joans und Bob Kaufman nennen.145 Durch ihre Widerstandsgesten gegen einen bürgerlichen und konservativen Lebensstil richtete sich das Schreiben der Beat Generation auch gegen ein patriarchales System, gleichzeitig aber war sie selbst patriarchal strukturiert. Mit Allen Ginsberg, Jack Kerouac und William S. Burroughs bildeten drei Männer die erste Reihe dieser literarischen Strömung. Auch direkt dahinter tummelten sich mit Gregory Corso, Lawrence Ferlinghetti, Harold Norse, Herbert Huncke oder Gary Snyder in erster Linie Männer. Allenfalls Diane di Prima kann als eine Schriftstellerin genannt werden, die häufig miterwähnt wird. Dadurch fungierte sie aber auch als die Vorzeigeschriftstellerin im sonst männlichen Kreis, die als Scheinbeleg angeführt wird, dass auch den schreibenden Frauen Respekt und Aufmerksamkeit entgegengebracht wurde. 75

Lyrikerinnen und Prosaautorinnen hingegen wie Lenore Kandel, Joanne Kyger, Elise Cowen und Bonnie Bremser werden zumeist in die dritte Reihe US-amerikanischer Beatliteratur gestellt, wenn sie nicht gar vollständig übersehen werden. Dadurch ergibt sich ein zentrales Problem: Will man sich der Beatliteratur von einer literaturhistorisch-soziologischen Seite nähern, die erläutert, wie Beatliteratur in der BRD wahrgenommen und rezipiert wurde, als was sie sich zeigte und wie sie verbreitet wurde, muss man sich in erster Linie auf Kerouac, Ginsberg und Burroughs konzentrieren. Sie haben die Wahrnehmung von Beatliteratur in Deutschland und weltweit geprägt. Auf den zweiten Blick findet man den ein oder anderen Text von US-amerikanischen Beatautorinnen auch in deutschen Publikationen, unter anderem von Lenore Kandel in Paetels Beat-Anthologie von 1962; von Kandel, Anne Waldmann und Diane di Prima in der Sammlung »ACID« von Brinkmann und Rygulla und die Zusammenarbeit von Weissner mit Mary Beach. Sie blieben jedoch die Ausnahmen in einem Feld, das zu einem erdrückenden Teil von Männern bestimmt wurde. Eine Fokussierung auf diese Schriftsteller, die das öffentliche Interesse an Beatliteratur in der Bundesrepublik bis heute bestimmen, ist daher zunächst nur logisch. In einem zweiten Schritt muss diesem Effekt jedoch entgegengewirkt werden, sonst setzt man die historische Vernachlässigung der Dichterinnen fort. Ein Blick auf das direkte Umfeld von Fauser, Ploog und Weissner offenbart aber, dass deutsche schreibende Frauen noch weniger eine Rolle spielten als ihre US-amerikanischen Kolleginnen. Zwar gab für einige Zeit Pociao »Gasolin 23« mit heraus und in späteren Ausgaben wurden hin und wieder Texte von deutschsprachigen Autorinnen veröffentlicht, so zum Beispiel Gedichte von Ingeborg Middendorf oder eine Erzählung von Re­­ gina van Tom. Wenn jedoch – wie in der Ausgabe zum Thema Reisen von 1982 – einmal vier Texte nicht von Männern stammen, ist das eine besondere Ausnahme. In den zahlreichen Briefen, die sich Ploog, Fauser und Weissner untereinander geschrieben haben, kommen diese Autorinnen nicht vor. Sie spielten demnach offenbar im alltäglichen Gespräch über Literatur keine Rolle – die deutsche Beat- und Undergroundliteratur war eine Männerwelt. 76

Damit steht sie der Gruppe 47, deren Haltung und Literatur sie so sehr verachtete, in Sachen Patriachat in nichts nach. Die Gründe dafür sind vielfältig, sie liegen einerseits in der grundsätzlichen und strukturell sexistischen Diskriminierung von Frauen, die in diesen Jahrzehnten bekanntermaßen noch deutlicher und offensichtlicher war, als sie es heute teilweise immer noch ist. Andererseits liegen die Gründe auch in der Dynamik und den grundlegenden Prinzipien der Beat- und Undergroundliteratur. Es waren patriarchale Strukturen und ein Spektrum performativer Männlichkeit, die in den USA ebenso wie in Westdeutschland diese Strömung bestimmten und auf mehreren Ebenen prägten. Ginsbergs Behauptung, es habe keine Frauen in seinem literarischen Freundeskreis gegeben, deren Literatur »von solcher Kraft wie die von Kerouac und Burroughs«146 gewesen sei, ist natürlich keine zuverlässige Aussage über die Qualität der literarischen Werke von Kandel, Di Prima und Ginsbergs Ex-Freundin Cowen, sondern vielmehr ein Beweis für die männlich geprägte Vorstellung davon, was literarisch kraft- und wertvoll sei. Insbesondere in der deutschen Literatur dieser Art war literarische Authentizität diskursiv männlich bestimmt. Der Begriff Authentizität ist mit Blick auf diese Literatur ebenso schwammig wie inflationär gebraucht, man kann ihn aber soweit eingrenzen, dass er nutzbar wird, um einige Eigenschaften der deutschen Beat- und Undergroundliteratur zu erklären. Was Authentizität insbesondere in diesem Umfeld bedeutet, lässt sich anhand des Vorworts darlegen, das Carl Weissner für Fausers Gedichtband »Die Harry Gelb Story« geschrieben hat. Weissner entwirft darin seine Perspektive auf die deutsche Literatur zu Beginn der Siebzigerjahre und positioniert Jörg Fauser als Antidot gegen eine Literatur, die Weissners Ansicht nach »eine miese Diät aus Sägemehlbuletten und makrobiotischen Tortillas«147 ist. Die deutsche Literatur heißt es, leide daran, dass es »kein Rülpsen mehr bei Tisch, keine fettigen Finger, keine Kotzflecken in der Diele, keine verstopften Klos«148 mehr gäbe. Sie sei »unheilbar gesund«. Der Gegenpol dazu soll nun Fauser sein, er sei interessant, unter anderem, weil er »zu viel Bier« säuft, »Trouble mit 77

den Weibern« hat und Heroin genommen hat. Schreiben sei für Fauser dasselbe »wie wenn er morgens um 4 aus dem Mansardenfenster wichst«.149 Authentisch ist in diesem Kontext das Schreiben aus einem existenziellen Impuls heraus, Literatur als körperliche Notwendigkeit, die selbst von der Zerstörung des Körpers und der Seele nicht aufgehalten werden kann. Im Gegensatz zu einem reflektierenden Schreiben, das einer gesellschaftlichen Funktion folgt. Zudem wird hier gegenübergestellt: Auf der einen Seite die Reinheit, historisch assoziiert mit dem Weiblichen, und auf der anderen Seite eine unreine Gegenwelt des gesellschaftlichen Außen, die mit dem Männlichen assoziiert wird.150 Authentizität ist hier also außerdem das Unreine, das Nicht-Häusliche und das Nicht-Weibliche. Literatur, die authentisch sein will, darf in dieser Logik also all das nicht sein, was mit Reinheit und vor allem Weiblichkeit assoziiert wird. In diesem Selbstverständnis als authentische Schriftsteller offenbart sich eine der Untiefen der Beat- und Undergroundliteratur per se, aber vor allem der in der BRD. Durch die Verknüpfung von Authentizität mit Unbehaustheit, Unreinheit, Rauheit, Hässlichkeit und Männlichkeit ist das Weibliche, dem das jeweilige Gegenteil zugesprochen wird, das feindliche Gegenüber. Genauso ist die Darstellung von Frauen in den Texten von Burroughs, Ginsberg und Kerouac häufig von einer misogynen Grundlage geprägt, die zeigt, dass der Umgang mit Frauen hier teilweise noch unter dem zu erwartenden Niveau für diese Zeit abfiel. Das reicht von offen frauenverachtenden Darstellungen wie in Burroughs’ »The Wild Boys«, wo Frauen als »monströse Fehler der Schöpfung«151 erscheinen, über die Darstellung einer rein männlichen Generation in Ginsbergs »Howl«, die sich vor allem damit rühmt möglichst viele »girls« flachgelegt zu haben, bis hin zu den Frauenfiguren in Kerouacs »On The Road«, die entweder liebende Mutterfiguren oder teilweise minderjährige Sexualobjekte an verschiedenen Orten in den USA sind. Für Ginsberg ging mit einer Befreiung der Sexualität, die er selbst als homosexueller Mann durchaus anstrebte, in logischer Folge auch eine Befreiung von Frauen einher. Dass gerade diese vermeintlich logische Folge in seiner Literatur und der Realität 78

nicht eintrat, liegt auch daran, dass in Ginsbergs und Burroughs’ Kampf für die eigenen Rechte als Homosexuelle und für ihr offenes Ausleben von Sexualität eine misogyne Darstellung von Frauen mitklingt. Burroughs’ Entwurf einer männlich homosozialen und homosexuellen Gesellschaft in »The Wild Boys« funktioniert nur als grundlegende Ablehnung von Weiblichkeit und ganz dezidiert von Frauen. Ebenso sind Ginsbergs metaphorische Beschreibungen von gesellschaftlichen und politischen Repressionen als Hexen in »Howl«, die Männer unterjochen, auch der Versuch einer Liberalisierung strenger Sexualnormen auf dem Rücken von Frauen. Dadurch geriet die US-amerikanische Beatliteratur in eine ambivalente Spannung, weil diese misogynen Strukturen sowohl auf inhaltlicher als auch auf sozialer Ebene untereinander deutlich erkennbar waren, gleichzeitig lebte die Beat Generation aber eine Form von homoerotischer Sexualität und Homosexualität ganz bewusst aus und brach damit homophobe Strukturen und die Tabuisierung dieser Sexualität auf. Vor diesem Hintergrund ist es wiederum bemerkenswert, wie wenig sexuell diverse Progressivität im deutschen Diskurs um Beatliteratur eine Rolle spielte. Sexualität zwischen Männern kommt in deutscher Beat- und Undergroundliteratur wenn überhaupt nur unter mehr oder weniger deutlichen homophoben Vorzeichen vor. Das trifft insbesondere für Fausers Lyrik in seinem Band »Die Harry Gelb Story« zu, in dessen Gedichten immer wieder abfällige Bemerkungen über »schwule Itaker«,152 »all die kleinen brühwarmen Homos«,153 »irgendeine Tunte«154 oder die »Gelatine-Schwulen vom Savigny-Platz«155 fallen. Homophobie dient in diesem Kontext erneut einer Abgrenzung der Titelfigur Harry Gelb von einer Männlichkeit, die sich weich, zart und sensibel zeigt, anstatt gefühllos, hart und rau. Es geht also wieder um maskuline Authentizität. Die Beat- und Undergroundliteratur deutscher Sprache ist eine Literatur der rauen Männlichkeit. Sie übernimmt in dieser Hinsicht Tendenzen und Perspektiven, die sich auch in der US-amerikanischen Beat- und ganz besonders in der Undergroundliteratur finden lassen, erreicht allerdings nie das relativ diverse Spektrum an Sexualitätsdarstellungen, die sich auf US-amerikanischer Seite finden lassen. 79

Sie verharrt in einer dezidiert rauen und heteronormativen Darstellung von Sexualität. In der Beatliteratur der USA wird die Virilität, die sich in der Darstellung von Neal Cassady in »Howl« als »cocksman« (in der deutschen Übersetzung von Clemens J. Setz »Fickmaschine«) ausdrückt, als hedonistische Feier einer maskulinen Heterosexualität zelebriert und durch eine homosexuelle Erotik kontrastiert, die nicht bei den offen schwul lebenden Ginsberg und Burroughs erkennbar ist, sondern auch bei Cassady und anderen. Sexualität, das zeigt sich vor allem in »On The Road«, ist im Kontext der Beatliteratur auch ein Weg zur Spiritualität, eine Erfüllung, die über körperliche Freuden hinausgeht.156 Kandel und Di Prima wiederum kehren in ihren Gedichten und Prosatexten die Perspektive um und entwerfen eine Form der Sexualitätsliteratur, die mit der Macht der Frau über die sexuelle Erfüllung des Mannes und der Verschmelzung von Körpern im Akt spielt. Hier ist (meist heterosexueller) Sex endgültig eine Feier der Lust zwischen Frau und Mann, in der die Frau nicht mehr nur eines der »unzähligen Mädchen« ist, die Cassady in Ginsbergs Gedicht »nimmt«, sondern eine ebenbürtige Partnerin, deren Befriedigung nicht hinter der des Mannes zurücksteht. Sexualität in der deutschen Beat- und Undergroundliteratur ist hingegen dezidiert maskulin und besitzt vor allem Frustrationspotenzial oder manifestiert sich als Ausdruck einer frustrierten Männlichkeit. Befriedigende Sexualität, wie es sie in »On The Road« für die männlichen Figuren gibt, sucht man bei den deutschen Autoren vergebens. Dieser Umstand ist auch ein Hinweis darauf, an welchen Autoren aus der US-amerikanischen Beat- und Undergroundliteratur sich Fauser, Weissner und Ploog am stärksten orientierten: an William S. Burroughs und Charles Bukowski. Man findet durchaus Anklänge an andere Autoren aus dem Kreis. Fausers Trauergedicht »Manchmal mit Lili Marleen« weist Parallelen zu Allen Ginsberg auf. Fauser beweint hier rückblickend aus dem Jahr 1973 die vergangene Beat Generation und seine Freunde, die an Drogen zugrunde gegangen sind. Es ist die Beschreibung eines Generationenmilieus, dessen Mitglieder an dem Versuch zerbrochen sind, sich von der Gesellschaft abzuwen80

den, in der sie aufgewachsen sind, und denen der Drang nach Selbstfindung und Individualität zum Verhängnis wurde. Fausers »ich hab gesehn wie«, seine dargestellte Augenzeugenschaft und die Beschreibungen der vom Drogenkonsum zerstörten Gefährten erinnern zudem an Ginsbergs »I saw the best minds of my generation«. Gleichzeitig ist »Manchmal mit Lili Marleen« aber auch eine Absage an diese Vorbilder, an ihre Literatur und an den damit verbundenen Lebensweg. Während Ginsberg in »Howl« beschreibt, was mit seiner Generation geschehen ist und noch geschieht und damit einer bestimmten Gruppe von Menschen in seinem eigenen Umfeld ein literarisches Denkmal setzte, war Fausers Perspektive diejenige dessen, der erkannt hat, dass dieser Weg nur aus Illusionen besteht und letztlich in die Sucht und ins persönliche Unglück führt. In den Siebzigerjahren wird trotz aller Begeisterung, die es immer noch für die Beatliteratur gab, in der Szene um Fauser, Weissner und Ploog eine Verschiebung sichtbar, hin zu einer raueren Schreibweise à la Bukowski. Die US-amerikanische Beatliteratur ist zu großen Teilen in all ihrer Verzweiflung und in ihrer Zerrissenheit eine hoffnungsvolle Literatur. Nicht nur endet Ginsbergs »Howl« mit der Hoffnung auf die Utopie eines ländlichen Amerikas im Westen, auch »On The Road« ist trotz seiner Rastlosigkeit die Suche nach einem besseren Amerika oder gar nach Gott. Die US-amerikanische Beat Generation ist eben wie Kerouac sagte, nicht lost, sie ist beat. Geschlagen am Boden liegend, aber von dort aufschauend. Ihr deutsches Pendant ist das in der Form nicht, sie ist keine hoffnungsvolle Literatur. Schon 1959 stellte Walter Höllerer in einem der ersten deutschsprachigen Texte über Beatliteratur die These auf, dass es der deutschen Literatur auch etwa zehn Jahre vor Fauser, Ploog und Weissner im Vergleich zur US-amerikanischen Beatliteratur an »Pionierdrang« und Pathos fehle. Das Pathos sei in Deutschland »durch mancherlei Ereignisse gedämpft und erschüttert«.157 Was Höllerer hier bemerkenswert umständlich formuliert, ist die These einer westdeutschen Angst vor Pathos als Resultat der propagandistischen Ästhetik der nationalsozialistischen Diktatur und ihrer von faschistischem Pathos überladenen Inszenierungen. Fest steht immerhin, dass auch die Texte von Fau81

ser, Ploog, Weissner und anderen in ihrem Umfeld nicht den hymnisch-hoffnungsvollen Geist atmen, den viele Beattexte aus den USA ausströmen. Die starke Bezugnahme auf Burroughs ist bereits deutlich geworden, der nicht das US-amerikanische Pathos von Kerouac und Ginsberg weiterführte, sondern in seiner provokativen Drastik und seiner No-Future-Attitüde vielleicht näher an einem westeuropäischen oder dezidiert deutschen Zeitgeist war. Für Ploog war Burroughs die zentrale Lichtgestalt des Cut-ups und damit mehr oder weniger der Gründervater dieser Form des literarischen Arbeitens. Auch für Fauser und Weissner war Burroughs zentral, aus unterschiedlichen Impulsen heraus zwar, aber dennoch in ähnlicher Weise. Die Deutschen waren begeistert von der überväterlichen Erscheinung des hageren älteren Herren mit seinem aristokratischen Südstaatenflair und seinem Hang zu Verschwörungsmythen. Deutlicher aber noch wird zu Beginn der Siebzigerjahre der Einfluss von Charles Bukowski und führt damit zumindest in Teilen zu einer literarischen Abwendung von der Beatliteratur.

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Seltsame Allianzen

Es gibt eine Anekdote über Charles Bukowski und William S. Burroughs. Um genau zu sein, lässt Bukowski sein Alter Ego Henry Chinaski die Geschichte in Bukowskis Roman »Women« erzählen. Auf einer Lesereise erzählt man Chinaski, dass Burroughs im gleichen Hotel abgestiegen sei, weil er auch eine Lesung in der Stadt habe. Chinaski interessiert sich offenkundig überhaupt nicht für diese Information und öffnet sich stattdessen ein Bier. Nein, er habe keine Lust Burroughs zu treffen. Ein Bekannter will Burroughs aber unbedingt sehen und geht hinüber. Als er Burroughs fragt, ob er denn Chinaski treffen wolle, verneint auch der. Später läuft Chinaski zufällig an Burroughs Zimmer vorbei und sieht den alten Mann reglos im Sessel sitzen, sie ignorieren sich gegenseitig. Angeblich hat sich diese Begebenheit – wie so vieles aus Bukowskis Romanen und Erzählungen – auch in der Realität mehr oder weniger so abgespielt.158 Diese kurze Episode wirkt wie ein kaum versteckter Hinweis von Bukowski darauf, dass er und die Beatliteratur nichts miteinander zu tun haben. Selbst wenn sie nebeneinander im Hotel wohnen, besteht kein Interesse an einem Kontakt. Von beiden Seiten nicht. Als wollte Bukowski selbst ein für alle Mal klarstellen: Wir haben uns nichts zu sagen. Charles Bukowski hat keine Beatliteratur geschrieben. In den Anthologien der Beat Generation ist er nicht vertreten, in den wissenschaftlichen oder essayistischen Sammelbänden zu Literatur und Kultur der Beat Generation taucht sein Name an wenigen Stellen auf, selten aber geht seine Erwähnung über einen Satz hin83

aus. Trotz dieser sehr klaren Distanz wäre es aber verkürzt zu sagen, Charles Bukowski und die Beat Generation hätten nichts miteinander zu tun gehabt und hätten nur ohne jeden Kontakt nebeneinander existiert – wie Burroughs und Bukowski in der Anekdote. Davon zeugt schon die große Bedeutung, die der Beatliteratur und Bukowskis Undergroundliteratur in der BRD gemeinsam zugesprochen wurde. Insbesondere im Kreis um Fauser, Ploog und Weissner sind auf eine unerwartete Art vor allem Burroughs und Bukowski zentrale Bezugspersonen für literarisches Arbeiten und einen Zugang zur Literatur. Während Burroughs vor allem in der zweiten Hälfte der Sechzigerjahre eine wichtige Rolle in der Entwicklung der deutschen Beat- und Undergroundliteratur zukommt, ist es in den Siebzigerjahren Bukowski, der insbesondere für Fauser zum literarischen Leitstern wird. Wer über die deutsche Rezeption von Bukowski sprechen will, muss in erster Linie über Weissner sprechen. Wer aber darüber sprechen will, wie Bukowski die deutsche Literatur beeinflusst hat, der muss sich mit Teilen von Fausers Werk auseinandersetzen. Sich Jörg Fauser zu nähern, bedeutet wiederum auch, sich der postrevolutionären Stimmung nach dem Aufflammen des studentischen Widerstands Ende der Sechzigerjahre, dem Übergang von den Protesten auf der Straße von einigen Tausenden hin zum bewaffneten Terrorismus von wenigen im Untergrund. Es heißt auch, sich mit den Randzonen der Gesellschaft dieser Jahre auseinanderzusetzen: mit denen, die ihre Tage und Nächte in den Spiel- und Trinkhallen, den Eckkneipen und Rotlichtetablissements verbrachten und vielleicht nur im Vorbeigehen mitbekommen haben, was an den Universitäten und mit einem Teil der Gesellschaft geschehen war. Denn vor allem aus den Menschen, die das alles eher am Rande erlebt haben, setzt sich Fausers Figurenpersonal zusammen. Nicht zuletzt heißt es, sich damit zu be­­ fassen, was geschah, als der Hype vorbei war, als die Ekstase des Widerstands in den Kater überging, als die Wirkung der Drogen umschlug und als aus der Befreiung des Geistes Sucht und aus freier Liebe Einsamkeit wurde, wie es Fauser oft beschrieben hat. Der ideologische Zerfall und die Desillusionierung, die nur wenige Jahre nach dem Höhepunkt des studentischen Aufbegeh84

rens einsetzten, entstanden auch aus einem Sinnvakuum heraus. Nach 1968 waren nicht nur die größten Feindbilder der APO (»Außerparlamentarische Opposition«) weggefallen, sondern auch der durch ein Attentat schwerverletzte Rudi Dutschke war nicht mehr als die mediale und ideologische Führungsfigur präsent. Insbesondere Jörg Fauser erfasste diese Stimmung in der Bundesrepublik und ließ seine Gesellschaftsdiagnosen immer wieder in seine literaturkritischen, journalistischen Texte einfließen: »Gerade meiner Generation aber, die nach dem scheinbaren Aufbruch der sechziger Jahre sich heute kaputt und resigniert, ramponiert und oft ratlos in der ziemlich gespenstischen Szenerie unserer Gegenwart zurechtfinden muß, liefert Bukowski genau das, was wir von der Literatur verlangen: Informationen fürs tägliche Überleben.«159 Fauser sieht Bukowskis Schreiben als einen Spiegel seiner eigenen Lebenswelt – der Generationenbegriff, den er verwendet, ist in diesem Kontext allerdings stark strapaziert. Es handelt sich viel eher um ein bestimmtes Milieu, dem Fauser sich selbst zurechnet oder in dem er sich bewegt. In einem Gespräch das Hellmuth Karasek und Jürgen Tomm 1984 in der Sendung »Autor-Scooter« mit Fauser führten, nennt er die Menschen dieses Milieus diejenigen, »die in unserer Literatur kein Thema sind«, darunter seien »Stadtstreicher, Säufer, kleine Huren, […] Leute, die hier ein bißchen unter den Teppich gekehrt werden«.160 Dabei handelt es sich um das westdeutsche Pendant zu dem Milieu und Personal, das auch die Erzählungen von Bukowski bevölkert. In den kurzen autobiografischen Kolumnen, die der US-Amerikaner über Jahre geschrieben hat und die in dem Band »Notes of a Dirty Old Man« gesammelt sind, sind es auch Trinker, Spieler, Prostituierte und Außenseiter, die eine zentrale Rolle einnehmen. Darin erkennt sich Fauser wieder, zumindest ist das der Grundtenor, der aus seinen Texten über das US-amerikanische Vorbild hervorsticht. Und gemäß seinem Credo, »daß man wirklich, wenn man ehrlich ist, nur über das schreiben sollte, was man kennt«, macht er dieses Figurenpersonal auch zu dem seiner Texte.

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Fauser hat daher auch keine zeitlose und allgemeingültige Literatur geschrieben. Seine Texte situieren sich vor einem be­­ stimmten kulturellen und gesellschaftlichen Hintergrund: die Siebzigerjahre der Bundesrepublik Deutschland in proletarischen Lebenswelten. Doch auch hier engt er sein Blickfeld noch weiter ein. Denn auch wenn Frauenfiguren vorkommen, stehen im Zentrum seines Schreibens alleinstehende Männer ohne nennenswerte Schul- und Ausbildung, häufig gezeichnet vom Alkoholmissbrauch und einem ungesunden und unsteten Leben. Die treffendste Charakterisierung dieser Figuren liefert Fausers Er­­ zähler Carl in »Das Weiße im Auge«, beschrieben wird die »rohe Masse Mann«: »Die Welt besteht nicht nur aus Windsurfern und Grasrauchern und Nacktbademeistern, Heidi. Die Straßen sind nicht nur mit Wellenreitern und schwulen Theaterregisseuren bevölkert, sondern mit der rohen Masse Mann. Mit dem Rentner, der seit 37 Jahren keine Frau mehr berührt hat, mit dem Hinterwäldler, der beim Anblick eines Busens in seine lange Unterhose spritzt und sich ein Jahr lang dafür schämt, mit dem Buchhalter, der davon träumt, Jack the Ripper zu sein. Mit den impotenten Säufern, die zur Sentimentalität verdammt sind. Mit all den Zukurzgekommenen und Verzweifelten, die dein Busen an alles erinnert, was sie nie bekommen haben und nie bekommen werden …«161 An der Figur Carl entwirft Fauser ein Bild von Männlichkeit, das in der Gesellschaft im Umbruch der Siebzigerjahre keinen Platz mehr findet. Diese Form der Männlichkeit steht spätestens in dieser Zeit ökonomisch, kulturell und sozial im Abseits. Der Typus Mann, der hier beschrieben wird, wurde in der sich verändernden Gesellschaft zurückgelassen oder sah sich zumindest selbst in dieser Rolle. Der Erzähler Carl ist dabei in einer ähnlichen Position wie Fauser selbst. Er findet sich in der liberalisierten und progressiven Welt, in der sich seine Freundin Heidi bewegt, nicht zurecht, für die düster gezeichnete Gegenwelt der »Zukurzgekommenen und Verzweifelten« ist er allerdings doch zu bürgerlich aufgewachsen und geprägt. Auf der einen Seite steht eine Form der Männlichkeit, die von Carl als verweichlicht und feminin wahrgenom86

men wird. Sie definiert sich über kulturelle Bildung, Offenheit und eine weitgehend gesunde Emotionalität. Auf der anderen Seite steht die »rohe Masse Mann«, eine Männlichkeit, die sich als eine zwanghafte Abkehr von allem erweist, das als weiblich gelesen wird und die in Aggression mündet gegen alles vermeintlich Weibliche und vor allem gegen Frauen an sich. Der bereits erläuterte Authentizitätsbegriff spielt auch hier eine Rolle. Denn auch in den Erzählungen der Siebzigerjahre zeigt sich dieselbe Verachtung gegenüber allem, was als feminin gelesen werden könnte, selbst wenn es nur darum geht, dass man lieber Wein statt Bier trinkt und sich für die eigenen Emotionen interessiert. Fausers Männer befinden sich in einer andauernden Spannung zwischen der Sehnsucht nach heterosexueller Nähe und der Abwehr von jeder Form von Zärtlichkeit. Frauen sind entweder sexuelle Objekte, werden über ihre äußere Erscheinung bewertet oder sie sind Ziele tatsächlicher oder imaginierter Gewalt – eine gesunde Nähe oder eine erfüllende sexuelle Zweisamkeit kommt an keiner Stelle vor. Wenn es doch einmal zu einem einigermaßen gewöhnlichen Gespräch zwischen Mann und Frau kommt, dann häufig mit Prostituierten, die als Frau in dieser Position eine Sonderstellung einnehmen. Der Fokus liegt aber auf der selbstverschuldeten Einsamkeit der männlichen Figuren. Zur authentischen zwischenmenschlichen Nähe und Kommunikation sind die Protagonisten nicht fähig, wie auch im Dialog zwischen Carl und Heidi deutlich wird: »Ich kann nicht, Heidi.« »Ich merk’s.« »Ich fühl mich beschissen.« […] »Was hast du denn auf einmal?« »Kann ich dir nicht erzählen.« »Du willst es nicht erzählen.« »Es gibt Dinge, die kann man nicht erzählen.« »Man muß sich nur öffnen.« »Ach Scheiße.«162 In Carls kommunikativer Kapitulation »Ach Scheiße« versteckt sich ein ganzer Diskurs über Männlichkeitsvorstellungen und den 87

Mangel an emotionaler Selbstreflexion. Natürlich könnte Carl erzählen, was er »denn auf einmal« hat, wenn er gelernt hätte, wie das geht, »sich nur öffnen«. Doch Frauen sind in Carls Lebenswelt stets nur Objekte sexueller Lust, sie tragen »knallrote Satinhosen« und werden von ihm verfolgt. Er findet die »Rothaarige« sähe nicht schlecht aus, sie hat auch einen »hungrigen Mund«.163 Die Kassiererin hat ein »rosiges Gesicht mit einer Stupsnase und vollen, roten Lippen, einen überaus weißen Hals und spitze Brüste unter einem roten Seidenhemd«.164 Es verwundert daher kaum, dass Carl nicht in der Lage ist, zu Frauen ein gesundes Verhältnis aufzubauen. Und so geht es beinahe allen männlichen Figuren in Fausers literarischem Universum. Der Erzähler Harry in »Die Bornheimer Finnin« sucht verzweifelt nach Nähe und einem Zuhause und tappt dabei »[h]inter den Flammen unserer Feuerzeuge […] durch ein leeres verpißtes Haus auf der Suche nach Sex, nach einem scharfen Zahn, wahrscheinlich auf der Suche nach der Frau fürs Leben«.165 Der vermeintliche Sieger in der Erzählung »Der Sieger kehrt heim« verlässt nach unbefriedigendem Sex die Frau, die für ihn namenlos bleibt. Und der Wirt aus »Zuhause hab ich keine Zeit« ergeht sich in brutalen Gewaltfantasien gegenüber der Frau, die ihn verlassen hat. Fausers Männer sind in vielen Fällen, man kann es fast nicht anders sagen, Männer, denen man entweder Mitleid oder Abscheu entgegenbringt. Vor diesem Hintergrund mutet es seltsam an, wie sehr und vor allem für was Fauser bis heute und insbesondere in den letzten Jahren gefeiert wurde. Denn der Fauser-Hype, den man in den letzten Jahren im Feuilleton gelegentlich spüren konnte, feiert den bekanntesten deutschen Beat- und Undergroundautor aus fragwürdigen Gründen. »Dabei sein, einfach mal machen, auf die Fresse bekommen, leben«, so beschreibt Michel Decar Fauser zum Anlass der neuen Gesamtausgabe bei Diogenes in der »Süddeutschen Zeitung« im Mai 2019. Fausers Literatur sei »[s]o schmutzig und cool, das hatte man so nie gelesen«, stellt er fest und bedauert im folgenden Satz, dass »diese Welt beinahe verschwunden, zu Tode kommerzialisiert und marginalisiert« sei. Welche Welt Decar an dieser Stelle meint, steht nicht nur in Fausers Erzählungen und 88

Gedichten, sondern auch in der Rezension: »Die Welt der Kioske, Nachtzüge und Teehäuser. Szenen am Stehausschank, Szenen in der Morgendämmerung der Bahnhofsviertel, in den Frühlokalen und Imbissbuden, im Zwischengeschoss.« Die Welt, in denen Fausers Erzählungen von einsamen, verzweifelten und misogynen Männern spielen. Zwar würden am »Frankfurter Hauptbahnhof noch heute Nadeln in Venen gejagt, aber auch hier hat sich die Nachbarschaft zum Schrecklichschönen verändert«.166 Es ist befremdlich, diese Begeisterung für eine Lebenswelt zu lesen, die alles andere als erstrebenswert erscheint. Das hier beschriebene Milieu entstand nicht zuletzt, als die Gesellschaft und ihr Wirtschafts- und Sozialsystem versagten und indem toxische Ideologien von Männlichkeit unreflektiert weitergetragen wurden. Das alles sind Themen, die literarisch verhandelt werden können und sollten. Diese Form der Fauser-Verehrung basiert jedoch auf einer Romantisierung dieser sozialen Missstände und ethischer Grauzonen. Die Gegenwelt zu diesem romantisierten Umfeld ist, folgt man Decar, die Welt der »Back Factorys, Coffee Fellows und Rewe-to-gos der Innenstädte«, die kapitalistische Markenwelt und ihre glitzernden Fassaden. Man hat Fauser schon immer dafür gelobt, dass er hinter diese Scheinwelt geblickt hat. Maxim Biller stellt Fauser Thomas Mann gegenüber, bei Mann sei alles »immer eine Posse«, ein »Sich-Verstellen«.167 Benjamin von Stuckrad-Barre liest bei Fauser »die volle Wahrheit«168 und Franz Dobler findet in Fausers Lyrik »keine Pose, nichts Erfundenes«.169 Im Zentrum steht die Begeisterung für ein Schreiben, das authentische Lebensrealitäten verzeichnet, die im Gegensatz zu einer verlogenen Scheinwelt stehen.

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Rezeptionskritik

Diese Stimmen sehen in Fauser vor allem den Entlarver verlogener Welten. Und dann ist da auch noch der Journalist und Publizist Matthias Matussek, der 2017 in einem langen Essay für »Die Zeit« von seinem politischen Weg von links nach rechts schrieb. In dem Text, in dem Matussek darlegt, wie er von einem, der in den Siebzigerjahren begeistert für die linke Bewegung eintrat und Hippie war, irgendwann nach rechts gelangte, kommt auch Jörg Fauser vor. Matussek lernte den Undergroundautor beim Berliner Stadtmagazin »Tip« kennen, für das Fauser damals Kolumnen schrieb. Fauser habe die »Grün-Alternativen« als »wehleidige Krätze« bezeichnet, sie für »unkultiviert und egoistisch und dumm« gehalten, man müsse sie bekämpfen, »wo es nur geht.« Die Begegnung mit Fauser ist in Matusseks Essay der Moment, in dem er bekennt »nicht mehr ein selbstverständlicher Bündnispartner der Linken« 170 zu sein, denn die hätten nun die Herrschaft übernommen und Herrschaftskritik musste sich – so Matussek – jetzt gegen links richten. Es erscheint auf den ersten Blick wohlfeil von Matussek, sich Fauser als Gewährsmann für eine Herrschaftskritik jenseits von rechts und links auszuwählen. Aber Fauser hat sich schon als er Ende der Sechzigerjahre nach Deutschland zurückkam der Kehrseite des Hippie-Ideals zugewandt und die linke Bewegung immer von außen argwöhnisch betrachtet. Überblickt man das Gesamtwerk Fausers – sowohl das literarische als auch das journalistische – wird deutlich, dass er den Zeitgeist grundsätzlich danebenstehend verfolgte, anstatt Position für eine Seite zu beziehen. Während die 91

deutsche Studentenschaft den gesellschaftlichen und politischen Aufstand probte, um die Universitäten und die Gesellschaft vom sprichwörtlichen Muff von tausend Jahren zu befreien, befand sich Fauser in Istanbul. Als er schließlich gegen Ende des Jahres 1968 nach Deutschland zurückkehrte und in Berlin in einer Kommune lebte, war der erste große Versuch der linken Revolte schon vorbei und Fauser musste erst einmal sein eigenes Leben einigermaßen ordnen. Matussek hob zudem die ideologische Unabhängigkeit anderer Beat- und Undergroundautoren hervor und betonte seine Begeisterung für diese Art von Widerstand, der bewusst weder links noch rechts sein wollte. Viele Schreibende aus dem Bereich der Beat- und Undergroundliteratur vereint diese Abwehr der politischen Positionierung an sich. Ihr Widerstand ist selten ein Aufbegehren aus einer bestimmten politischen Richtung heraus oder für etwas, sondern ein grundsätzlicher Zweifel an und ein Aufbegehren gegen herrschende Strukturen und gegen wie auch immer geartete Regeln und Vorschriften – ein immerwährendes Dagegenhalten. Ihnen ist daher gleichzeitig auch ein genuin USamerikanisches Ideal eingeschrieben: Das Ideal des Individualismus und der Freiheit. Zentral ist dabei nicht, dass diese Literatur keine politische Wirkung entfalten könnte, sondern dass ihre demonstrative Weigerung politisch sein zu wollen, sie anschlussfähig macht für rechte Narrative.171 Für Fauser ist diese bewusste Abkehr von allem Politischen im Kontext der frühen Siebzigerjahre zu sehen. Fauser will zeit seines Lebens Außenseiter sein, davon zeugt sein eigenes Lesen ebenso wie sein Schreiben. Während also seine Generation in den Post-68er-Jahren die politische Arbeit auf die Spitze treibt, wendet er sich ganz dezidiert davon ab. Dieser Widerstand, ohne politisch sein zu wollen, verbindet ihn auch mit Bukowski, über den er schreibt: »Enttäuscht dürften diejenigen werden, die ›Literatur der Arbeitswelt‹, scharfe Sozialkritik, linke Sprüche erwarten. Ihnen schrieb Bukowski schon vor Jahren ins Stammbuch: ›Politik ist, wie wenn man eine Katze in den Arsch pimpert.‹«172 Auch seine Biografen Matthias Penzel und Ambros Waibel betonen stets, wie 92

unpolitisch Fauser sein möchte, er habe seine Figuren am unteren Rand der Gesellschaft nie als »geborene Helden des antikapitalistischen Widerstands«173 verstanden sehen wollen. Verfolgt man diese Gesten eines absoluten Widerstands und die gleichzeitige entschiedene Abwehr alles Politischen durch die Historie der Beat- und Undergroundliteratur findet man immer wieder deutlich sichtbare Spuren, die ins trübe politische Wasser führen. Erstaunlich ist bereits, was für einen unerwartet großen Raum Faschismus und faschistische Autoren in dem umfassenden Vorwort einnehmen, das Karl O. Paetel seiner Beat-Anthologie von 1962 voranstellt. Eher beiläufig erwähnt er zunächst den NS-Staat im Kontext von Außenseiterbewegungen. Was an dieser Stelle beim Lesen eher eine kurze Irritation hinterlässt, wirft im Verlauf des Essays zusehends Fragen nach der politischen Ausrichtung der Beat Generation auf, die aber jedes Mal relativiert werden. Im Kreise der Vorbilder der Beat Generation nennt Paetel neben vielen anderen auch die beiden Schriftsteller Ezra Pound und LouisFerdinand Céline, deren Antisemitismus und Nähe und Bekenntnis zu faschistischen Regimen allgemein bekannt sind. Paetel weist deswegen auch beinahe pflichtschuldig darauf hin, dass »die oft diametral entgegengesetzte politische oder weltanschauliche Haltung der Betreffenden überhaupt keine Rolle« spiele. Voraussetzung für die Vorbildstellung sei allein »das Außenseiterische, Un­­ konventionelle, Rebellische in Haltung und Stil und nicht die Weltanschauung«.174 Ohne Not erwähnt er auch noch Ernst Jünger, obwohl er unterstreicht, dass dieser Schriftsteller wohl nicht von den US-amerikanischen Autoren zu ihren Vorbildern gezählt werden würde. Ernst Jünger taucht auch im Umfeld von Fauser auf, er ist neben Céline und Knut Hamsun ein weiterer Schriftsteller mit fragwürdiger Vergangenheit in der Nähe des Faschismus, dessen Name bei Fauser öfters fällt. Vor allem Céline und Hamsun nennt Fauser in seinen kulturkritischen Essays, Kolumnen und journalistischen Beiträgen als herausragende Schriftsteller des 20. Jahrhunderts, immer gemeinsam mit Bukowski, der ebenfalls begeisterter 93

Leser von Célines »Reise ans Ende der Nacht« (1932) war. Anlässlich der Verleihung des Goethe-Preises an Jünger verfasste Fauser 1982 unter dem Titel »Das Risiko der Erkenntnis« einen Artikel, in dem er den Preisträger gegen die Angriffe der Frankfurter Grünen verteidigte. Darin nimmt er den Schriftsteller gegen die Vorwürfe in Schutz ein »ideologischer Wegbereiter des Faschismus« und »Träger des Nationalsozialismus von Kopf bis Fuß«175 zu sein und spricht sich für die Verleihung des Preises an Jünger aus. Die Nähe Jüngers zum Nationalsozialismus und seine Mystifizierung des Fronterlebnisses im Ersten Weltkrieg leugnete Fauser nicht, aber er sah darin und in Jüngers eigener Wandlung eher eine Chance, die eigene Geschichte reflektieren zu können. Jüngers Drogenexperimente und die Figur des Anarchen, die er unter anderem 1977 in »Eumeswil« entworfen hat, waren für Fauser Bezugspunkte, in denen er eigene Gedanken gespiegelt sieht. Den Grünen bescheinigte er »miesen Blockwartsmief«, »geistiges Schnüffelantentum und politische Verhetzung und Verleumdung«. Er ging gar so weit, darin die »Struktur des Totalitarismus« zu erkennen. Das Verhalten der Grünen ermögliche erst »Massenaufmärsche und Menschentransporte«.176 Hier scheinen Begriffe, Phrasen und politische Hufeisenargumente auf, die man inzwischen mit rechtskonservativen Strömungen bis hin zu den Neuen Rechten in Verbindung bringt. Wie anschlussfähig dieser Sound für rechte Bewegungen des 21. Jahrhunderts ist, zeigt sich in der begeisterten Rezension, die die neurechte Zeitung »Junge Freiheit« anlässlich Fausers gesammelter Essays und journalistischer Arbeiten 2009 druckte. Fauser wird darin bescheinigt, »ohne Rücksicht auf Gesinnungen und Moden einen ganz eigenen dichterischen Weg zu gehen«.177 Fauser wird seine forcierte Unabhängigkeit vom Zeitgeist zum Verhängnis. Immer dagegen zu sein, hieß für Fauser nämlich auch, sich bewusst Entwicklungen zu verweigern, die heute weitgehend ethischer Konsens sind, wie Feminismus und sexuelle Diversität. Die Rezension in der »Jungen Freiheit« schlägt im Ausdruck den Ton an, den man aus den Diskursen der Neuen Rechten kennt, gleichzeitig erweckt sie den Eindruck, auch selbst den wütenden Duktus eines anti-autoritären Rundumschlags aufneh94

men zu wollen, den man so häufig in Fausers Essays findet. Fauser wird vollends für die rechte Kritik an linken Strukturen eingespannt, denn niemand habe die »Heuchelei der linken Machtkartelle klarer durchschaut und bissiger verspottet als Jörg Fauser«,178 und jetzt würden sich »politisch korrekte Feuilletonchef[s]« an einem Schriftsteller bereichern, der »Gutmenschentotalität zu­­ tiefst verachtete«.179 Fauser macht es einem nicht leicht, ihn gegen diese Vereinnahmung von rechts zu verteidigen. Die Haltung, die die »Junge Freiheit« ihm zuschreibt, lässt sich aus seinen Kolumnen und Essays herauslesen, sie wegdiskutieren zu wollen, würde bedeuten Tendenzen zu leugnen, die sich in Fausers Werk finden lassen. Diese Tendenzen resultieren aber zum einen aus der spezifischen historischen Situation seiner Zeit, in der sich Machtkritik und die Kritik an ideologischen Letztbegründungen zu einer – wie Amlinger  /  Nachtwey es formulieren – »antihegemonialen, dekonstruktiven Gesellschaftskritik«180 vermischen. Zum anderen hätte sich Fauser vermutlich selbst gegen eine Vereinnahmung von rechts ebenso zur Wehr gesetzt wie gegen eine von links. Deswegen ist auch Ambros Waibel zuzustimmen, der Fauser aus den Fängen der Rechten befreien will und konstatiert, er hätte sich niemals mit den »AfD-Leuten und ihren nazistischen Schlägern im Hintergrund«181 eingelassen. Mit Blick auf diese Vereinnahmungen und Verteidigungen kann letztlich vermutlich nur die Feststellung bleiben, dass Fauser zu Lebzeiten als Autor und Kommentator seiner Gegenwart bewusst zwischen Diskursen stehen wollte und sich damit rühmte, in anarchistischer Manier weder links noch rechts zu stehen, wodurch eine Nutzbarmachung seiner Texte heute für viele Milieus möglich ist. Das Männlichkeitsbild und die Wut in seinen Texten auf moralisch-ethische Entwicklungen mit Blick auf Diversität und Gleichstellungsbestrebungen, die vor allem in seinen Kolumnen für »Tip« zum Vorschein kommen, sind aber in gegenwärtigen Diskursen eindeutig auf einer antifeministischen und hegemonial männlichen Seite zu verorten. Die Beat- und Undergroundliteratur in einen politischen Kontext einzuordnen, erweist sich demnach als nicht so einfach, wie man auf den ersten Blick denken könnte – sie war keine linke 95

Strömung. Das gilt für die deutsche und die US-amerikanische Seite teilweise in unterschiedlicher Weise. Auf beiden Seiten gibt es Tendenzen hin zu einer scheinbar unpolitischen Grundhaltung, die durch ihre maximale Unabhängigkeitsinszenierung häufiger in politischen Grauzonen landet, als man zunächst meinen würde. Kerouacs Katholizismus wurde gerade in seinen letzten Lebensjahren auch wieder verstärkt zu einem Konservatismus, zudem wetterte er gegen Linke. Burroughs’ Begeisterung für Schusswaffen und seine verschwörungsideologischen Sprachtheorien, die er mit Jürgen Ploog gemein hatte, die unreflektierte Begeisterung einer beinahe ausschließlich weißen Strömung für Schwarze Kultur, die misogynen Äußerungen, die sich bei all diesen Autoren finden lassen, die Homophobie, die vor allem bei Fauser und Bukowski auffällt, die Faszination für jede Form des Widerstands und des Draufgängertums ungeachtet der politischen Richtung – all das macht es schwer, die Beat- und Undergroundliteratur gegen ein Denken und gegen Ideologien zu verteidigen, die die meisten dieser Autoren dennoch strikt von sich gewiesen hätten.

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Bukowski erfinden

»Von einem Deutschen bei Musso habe ich erfahren, daß man von Mannheim bis Frankfurt anderthalb Stunden unterwegs ist. Carl, Baby, wann wirst du aufhören für mich zu leiden? Na, ich werde mich erkenntlich zeigen – du darfst Linda Lee in den linken Schenkel kneifen. Im Ernst, Kraut, Gott segne dich, du hast mir mehr Glück und Kraft beschert als … was immer sonst hätte sein können und nicht war.«182 Auch wenn es zahlreiche persönliche Bekanntschaften zwischen den deutschen Schriftstellern und ihren US-amerikanischen Kollegen gab, unter denen auch Freundschaften waren, überstieg das Verhältnis zwischen Bukowski und Weissner alle anderen an Innigkeit und Offenheit. Die beiden hatten über mehrere Jahrzehnte bis zu Bukowskis Tod in den Neunzigerjahren ein beinahe symbiotisches Freundschafts- und Arbeitsverhältnis. Davon zeugen nicht zuletzt unzählige Briefe, die sich die beiden teilweise mehrmals im Monat zwischen dem kurpfälzischen Mannheim und dem kalifornischen Los Angeles hin und her schickten. Auch wenn sich Weissner und Bukowski nur wenige Male persönlich getroffen haben, ist in ihren Briefen deutlich die Nähe, die beide füreinander empfunden haben, zu spüren. Angesichts des öffentlichen Bildes als dirty old man und literarischer Haudrauf, das von Bukowski in Deutschland herrscht, ist es fast anrührend, in welchem Ton er seinem zwanzig Jahre jüngeren Freund bereits 1966 schrieb, zu einer Zeit, als die beiden

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gerade einmal ein paar Briefe ausgetauscht hatten und sich noch nie begegnet waren: »Seltsam, aber Briefe von dir scheinen mich ruhiger zu machen, mir wieder festen Stand zu geben. Ich starre dann die rostigen Rasierklingen nicht mehr mit so einem irrationalen Stotterblick an.«183 Die Offenheit und die Verletzlichkeit, die Bukowski hier zeigt, deutet an, wie persönlich und vertrauensvoll das Verhältnis der beiden bereits zu diesem Zeitpunkt war. Und auch zwanzig Jahre später in einem Interview mit dem Magazin »Gargoyle« spricht Bukowski in höchsten Tönen von seinem Übersetzer, dessen Briefe seien eine »Infusion an Leben, Hoffnung und lockerer Weisheit«. Er geht gar so weit zu sagen, dass die Freundschaft ihm das Leben gerettet habe: »Ohne Carl wäre ich tot oder fast tot oder wahnsinnig oder fast wahnsinnig, oder würde irgendwo in einen Fäkalienkübel sabbern und Kauderwelsch reden.«184 Als Bukowski 1994 verstarb, war Weissner – unter anderem mit dem Schauspieler Sean Penn – einer der Sargträger. Den meisten, die vielleicht das ein oder andere Buch von Bukowski in deutscher Übersetzung in der Hand gehabt haben, wird Weissner vor allem als sein Übersetzer bekannt sein. Gleichzeitig war er aber auch sein Agent in Teilen Europas und Süd­amerikas. Mit ein paar Ausnahmen sind die meisten deutschen Ausgaben, die zu den Erzählungen, Gedichten und Romanen Bukowskis vorliegen, von Weissner übersetzt worden. Als Bukowski im Mai 1978 das einzige Mal sein Geburtsland Deutschland besuchte und bei einer Lesung in Hamburg auftrat, war Weissner fast überall dabei und die beiden verbrachten einige Zeit gemeinsam mit ihren Partnerinnen und Weissners Sohn in Mannheim, wo der Übersetzer lebte. Man kann nicht über Weissner schreiben, ohne gleichzeitig über Bukowski zu schreiben – und vielleicht sogar umgekehrt. Auch wenn Bukowski natürlich auch in den USA eine große Bekanntheit erlangt hat, ist seine Popularität in Deutschland im 98

Verhältnis kaum zu übertreffen und das ist in erster Linie der Verdienst von Carl Weissner. Es ist schwer, Zahlen dafür zu finden, aber die Verkäufe der übersetzen Werke von Bukowski gehen im deutschsprachigen Raum in die Millionen – bereits für das Jahr 1988 findet sich die Zahl von 2,5 Millionen verkauften Büchern und damals war noch nicht einmal alles erschienen, was heute von Bukowski auf deutsch zu bekommen ist.185 Weissner hatte dadurch einen großen Einfluss darauf, wie Bukowski in Deutschland bis heute wahrgenommen wird: Er übersetzte, er vermittelte Honorare und kommunizierte mit Verlagen, und er sprach und schrieb über den US-Amerikaner, immer und immer wieder, und prägte dadurch das Bild, das von Bukowski hierzulande entstanden ist. Weissner war – wie es Ambros Waibel in einem Nachruf auf den Übersetzer formuliert hat – »Der Mann, der Bukowski erfand«.186 Bukowski war für Fauser als Vorbild in den Siebzigerjahren zentral und er war derjenige, der Bukowski am deutlichsten auf einen Sockel gestellt hat, aber zahlreiche weitere deutsche Schriftsteller berufen sich auf den Undergroundliteraten: Clemens Meyer, Benjamin von Stuckrad-Barre, Heinz Strunk und andere mehr und die »Westdeutsche Allgemeine Zeitung« bezeichnete ihn anlässlich seines hundertsten Geburtstags 2020 als »deutschen Autor«. Bukowski ist im deutschsprachigen Raum gleichbedeutend mit US-amerikanischer Undergroundliteratur. Es ist daher von besonderer Relevanz, wie er in Deutschland wahrgenommen wird. Insbesondere dann, wenn der deutsche Bukowski in gewisser Weise eine Erfindung von Carl Weissner ist. Weissner begann sich seinen Bukowski 1970 mit der Übersetzung von »Notes of a Dirty Old Man« (zu deutsch »Aufzeichnungen eines Außenseiters«) zu erfinden. Zu diesem Zeitpunkt kannte er den US-Amerikaner mit deutsch-polnischen Wurzeln seit etwa vier Jahren, zwei Jahre zuvor hatte er ihn in Los Angeles besucht. Bis zu Weissners Tod im Jahr 2012 erschienen weit über dreißig Bücher mit Texten von Bukowski in Weissners Übersetzung, von Gedichtsammlungen über Kurzgeschichten und Kolumnen bis hin zu Romanen ist alles dabei. Die gesammelten Kolumnen in »Aufzeichnungen eines Außenseiters« waren die ersten übersetzten 99

Texte Bukowskis, die als Buch bei einem Verlag erschienen sind, bei Melzer, wie auch Ploogs »Cola-Hinterland«. Und bereits diese erste Publikation war ein Erfolg. In der Rubrik »Bücher neu in Deutschland« heißt es damals im »Spiegel«, die »Kolumnen lesen sich wie Geschichten. Ihr Personal rekrutiert sich aus den Randschichten der kapitalistischen Gesellschaft: Säufer, Süchtige, Huren, Killer, Dichter, Neurotiker, Beatniks und Schwarze. Sie zeigen zum einen die Notwendigkeit, daß jenes neue Bewußtsein sich bilde, und zum anderen, wie es sich bilden könnte. Die Skepsis aber überwiegt.«187 Der kritische Ton tat dem Erfolg keinen Abbruch. Bis heute ist der Band in der Übersetzung von Weissner verfügbar, die Verkaufszahlen dürften insgesamt bei über einhunderttausend Exemplaren liegen. Dass es sich bei literarischen Übersetzungen grundsätzlich auch um eine Interpretation des Originals handelt, kann als eine Binsenweisheit betrachtet werden. In jeder Sprache gibt es Ausdrücke, Redewendungen und Konnotationen einzelner Wörter oder Phrasen, die in einer anderen Sprache kaum adäquat wiederzugeben sind. In diesen Momenten bedarf es einer gewissen Freiheit des Übersetzens, um die Formulierung in der Zielsprache zu finden, die den Gehalt des Originals am besten überträgt, auch wenn sie genau genommen etwas davon abweicht. Für diese Spannung zwischen der gebotenen Nähe zum Original und der gezwungenen Abweichung hat Albert Reiner-Glaap das schöne Bild der »Scylla der Reproduktion und der Charybdis der Neuschöpfung«188 gefunden, das den steten Kampf des Übersetzens mit den Eigenheiten der Sprachen beschreibt. Weissner hat diesen Kampf häufig gewonnen. Insbesondere als Übersetzer US-amerikanischer Beatliteratur – vor allem von Ginsberg und Burroughs – hat er als Erster einen Ton im Deutschen gefunden, der das Original adäquat überträgt. Soweit das bei einer Literatur, die so sehr von Slang-Ausdrücken, Bezügen auf das Leben der Autoren und von Neologismen geprägt ist wie die Beatliteratur, überhaupt möglich ist. Deutlich wird das vor allem, wenn man die ersten Übersetzungen von »Howl« und »Naked Lunch«, die nicht von Weissner stammen, mit denen vergleicht, die Weissner später vorgenommen hat. Während Cassady in der 100

ersten Übersetzung von »Howl« »unzählige Schäferstündchen« verbringt, berichtet Weissner von »unzähligen Malen, die er’s brachte mit Girls«. Wenn die ersten Übersetzungen den Begriff »strap-on« mit »Bruchband« übersetzten, einem Band, das man um die Hüfte schnallte, um einen Leistenbruch zu behandeln, muss man sagen, dass Weissners Übertragung als »Dildo« wesentlich adäquater erscheint. In der deutschen Erstausgabe von »Naked Lunch« hat der Heroinsüchtige einen »Notvorrat«, bei Weissner hat er »natürlich was unter Verputz«. Weissner behält auch viele englische Ausdrücke bei, wie »sexy«, »shorts« und »sweetheart«. Begriffe, die seinen Übersetzungen damit auch einen authentischeren Klang verleihen, weil die anglo-amerikanische Basis erhalten bleibt. Am auffälligsten ist aber, dass Weissner einen Soziolekt entwickelt, der sich von einer gehobenen deutschen Literatursprache absetzt und den Versuch darstellt, einen Sound zu erzeugen, der dem Milieu der Beat- und Undergroundliteratur nahekommt. Das liegt nicht zuletzt daran, dass er das Milieu aus seinen Jahren in New York und der amerikanischen Westküste aus nächster Nähe kannte. So weiß er beispielsweise, dass die Paradise Alley, die in Ginsbergs »Howl« auftaucht, keine Straße in Manhattan und auch kein »Hurengäßchen« ist – wie es in der ersten Übersetzung heißt –, sondern ein Hinterhof, der im Freundeskreis um Ginsberg so genannt wurde. Insbesondere vor dem Hintergrund dieser Übertragungsleistungen ist es auffällig, wie groß die Freiheiten sind, die sich Weissner bei seiner Übersetzung von Bukowski nahm. So groß, dass man ohne Übertreibung davon sprechen kann, dass Weissner Bukowski erfunden hat. Weissners Bukowski ist ein lockerer, vulgärer Plauderer, dessen Ton stark an das sogenannte Schnodderdeutsch zahlreicher deutscher Synchronfassungen fremdsprachiger Filme und Serien erinnert. Dieser Soziolekt aus »deutschem Straßenjargon, von zahlreichen Dialekten bis hin zu den Niederungen der Vulgärsprache«189 geprägt, wurde in der Bundesrepublik vor allem durch die Synchrondrehbücher von Rainer Brandt bekannt, der neben vielen Actionkomödien des Duos Bud Spencer und Terence Hill auch die Serie »Die 2« mit Roger Moore und Tony Curtis für ein deutsches Publikum übersetzte. Da Weissners erste Übersetzung 101

von Bukowski, wo dieser Ton am deutlichsten zum Vorschein kommt, von 1970 stammt und der erste Spencer / Hill-Film unter Synchronregie von Brandt von 1972, ist nicht davon auszugehen, dass Weissner sich daran orientierte. Vielmehr weist die Ähnlichkeit auf ein verbreitetes kulturelles Moment um 1970 hin. Um einen Eindruck davon zu vermitteln, wie sich diese Verschiebung im Ton zeigt, zunächst ein Beispiel. In einer der Kolumnen in dem Band beschreibt Bukowski eine Gruppe junger Männer, darunter er selbst, die gespannt am Ring auf den Beginn eines Boxkampfes warten. Die Stimmung des Textes ist nostalgisch, fast melancholisch beschreibt Bukowski eine vergangene Zeit: »those were the days at the Olympic. they had a bald little Irishman making the announcements (was his name Dan Tobey?), and he had style, he’d seen things happen […]. I can still see him reaching up for that cord and pulling the mike down slowly, and most of us were drunk before the first fight, but we were easy drunk, smoking cigars, feeling the light of life, waiting for them to put two boys in there, cruel but that was the way it worked, that is what they did to us and we were still alive.«190 In Weissners Übersetzung klingt die Szene lauter und übermütiger, weniger lakonisch, weniger nachdenklich, bereits der Einstieg setzt einen anderen Grundton. Aus dem nostalgischen »those were the days at the Olympic« macht Weissner »Das waren Abende, damals im Olympic«191 – im Ton anders, aber nicht inadäquat. Man spürt fast den freundschaftlichen Schlag auf den Oberarm, den einem dieser Satz versetzt. Am deutlichsten wird es im zweiten Teil des Abschnitts, hier ist der Duktus ein grundsätzlich rauerer: »[…] wir hatten alle schon vor dem ersten Kampf einen sitzen, pafften Zigarren, fühlten uns wie Graf Rotz«192 – die gelassene Erinnerungsstimmung des Originals ist einem übermütigen Plauderton gewichen. Das beinahe resignierte Zurückbesinnen auf die Grausamkeit dieser Kämpfe und die Ausbeutung, die Bukowski an sich und anderen feststellt, ist bei Weissner verschwunden: »Wir waren eine grausame Meute, aber so wie die Dinge lagen, wollten wir was sehen für unser Geld.«193 Weissners Bukowski ist ein halbstarker Draufgänger, der sich begeistert an die wilden Zei102

ten erinnert. Im Original ist das Erinnern zurückgenommener, der Blick distanzierter, die Nostalgie getrübt von Reflexion. Was sich an dieser Szene beobachten lässt, zieht sich durch die gesamte Übersetzung des Bandes. Als Bukowski in einer der Kolumnen über zwei Männer, die sich gegenseitig auf einer öffentlichen Toilette befriedigen, sagt »Listen, I got to take a shit«, lässt Weissner ihn stattdessen sagen: »Hört her, ihr Schönen, ich müßte mal ne Stange Schit in die Ecke stellen.« Bei Weissner wird der »Teller kahl [gefressen]« und »sich dann über meinen her [ge­­ macht]«, bei Bukowski heißt es nur: »Neal ate all of his plate and most of mine too.« Bukowskis Wecker »was working, the old alarm clock, god bless it«, für Weissner hingegen heißt es: »Die Uhr funktionierte noch, der alte Wecker, Gott sei’s gescheppert.« Und Bukowski hat Sorge, seine Freundin würde »demands on the soul or anything like that« von ihm fordern, Weissner aber befürchtet »Fisimatenten von wegen Seele und so«. Doch Weissners Bukowski ist nicht nur ein lauter, vulgärer Dampfplauderer, sondern er ist stellenweise auch misogyner als Bukowski im Original klingt. Nicht, dass der englischsprachige Bukowski bekannt dafür wäre, auch nur ansatzweise in Richtung Feminismus zu tendieren – im Gegenteil, Frauen sind in seinen Texten entweder mütterlich und alt oder sie sind Sexobjekte. Und dennoch verschärft Weissner den Ton zusätzlich, wenn er aus »some beautiful woman« ein »elegantes Flittchen« macht oder die Frau, die bei Bukowski eine »big white woman« ist, bei Weissner zum »enormen weißen Koffer« wird. Die Erfindung des deutschen Bukowskis begann also mit einer Verschiebung der Autorenpersönlichkeit, die in den von Weissner übersetzten Kolumnen zum Vorschein kommt. Um diese Verschiebung noch einmal auf den Punkt zu bringen: Bukowski ist in seinen Kolumnen ein unflätiger, mal wütender, mal lakonischer dirty old man, der in einer reduzierten Sprache von seinem unsteten Leben erzählt. Der Bukowski, der in Weissners Übersetzungen sichtbar wird, ist ebenfalls unflätig und manchmal wütend, vor allem aber ist er übermütig, vulgär und schnoddrig, seine Sprache ist alles andere als reduziert. Charles Bukowski auf Englisch ist wie Bud Spencer, Weissners Bukowski ist wie Terence Hill. 103

Zur Konstruktion eines deutschen Bukowskis gehört jedoch auch die Art und Weise, wie Weissner von seinem Freund und Kollegen erzählt. Er beschreibt 1974 im Vorwort für den Gedichtband »Gedichte, die einer schrieb, bevor er im 8. Stock aus dem Fenster sprang« seinen ersten Besuch bei Bukowski 1968 in Los Angeles. Als er nach einer langen Fahrt in den Außenbezirken der Metropole ankommt, ist sein Gastgeber zunächst nicht zu Hause. Das Haus selbst bietet allerdings für Weissner schon genug Material, um Bukowski in Szene zu setzen: »Ich ging rein. Die Tür quietschte ein bißchen. Ich blieb stehen und sah mich um. Die Jalousien waren runtergezogen, es roch nach Zigarettenkippen, ranzigen Socken und alten Bierflecken auf dem Teppich. Eine zerfledderte Couch, aus der die Kapokfüllung quoll. Ein Satz Autoreifen in einer Ecke. Regale voller Bücher, Kisten voller Bücher, Zeitungen, Illustrierten. Fotos und Zeitungsausschnitte an den Wänden; Berichte von Schießereien, Raubüberfällen, Sexualmorden; ein riesiger Bogen Packpapier mit komplizierten Berechnungen und Diagrammen – ein mysteriöses System für Pferdewetten […]. Vor dem Fenster zur Straße ein großer Arbeitstisch mit einer wuchtigen alten Remington und einem dicken Stapel Schreibmaschinenpapier.«194 Bukowskis Haus erscheint wie seine Literatur: dreckig, düster, chaotisch und steht stellvertretend für ihren Bewohner und sein Werk. Weissner ordnet den Autor nicht literaturhistorisch ein oder gibt einen Überblick über sein Schaffen. Bukowski erscheint selbst wie eine Figur aus den Kurzgeschichten und Gedichten des USAmerikaners. Als Bukowski schließlich auftaucht, tritt auch Weissner als Figur auf den Plan: »Du bist noch ganz schön auf Draht für dein Alter«, begrüßt er den Mann mit dem »ramponierte[n] Gesicht«, der antwortet ebenso locker: »Mhm, hat sich ab und zu schon ausgezahlt. Hier hast’n Bier.«195 Weissner und Bukowski, das soll aus diesem erzählerischen Vorwort deutlich werden, sind nicht einfach Schriftsteller und Übersetzer, sie sind Gleichgesinnte und Kumpels. Weissners Beschreibung von Bukowski und sich selbst ist damit ein doppeltes Authentizitätsversprechen: Bukowski ist wirklich so, wie er schreibt, und Weissner kennt Bukowski und dessen 104

Leben, trinkt Bier mit ihm und hängt mit ihm ab. Weissner weiß also, wovon er spricht, wenn er von Bukowski erzählt. Erzählen ist hier ein entscheidender Begriff, denn Weissner entwarf Geschichten über seinen Freund und Autor. Es waren keine erfundenen Geschichten, Weissner log nicht, aber er fokussierte sich auf bestimmte Eigenschaften von Bukowski, hob sie hervor und zeichnete so ein bestimmtes Bild von ihm. Eine dieser Geschichten erzählte Weissner 1988 in einem Interview mit der Zeitschrift »Gargoyle«. Bukowski war 1978 zu Gast in der französischen Fernsehtalkshow »Apostrophe« bei Bernard Pivot. Nur kurz vor diesem Auftritt hatte Weissner in einem anderen Interview für ein Kulturmagazin behauptet, Bukowski habe alle Einladungen aus Paris abgelehnt, »abblitzen« habe er sie lassen, als sie einen »Budenzauber« veranstalten wollten.196 Bukowski, der grummelige Dichter, der nicht bereit steht für das Showgeschäft. Bukowski aber trat schließlich im französischen Fernsehen auf. Zehn Jahre später erzählt Weissner davon: »Er hat zwei Flaschen Wein in dieser Livesendung in Frankreich getrunken, die bekannteste im ganzen Land, und dann hat ihn der Moderator von zwei bulligen Sicherheitsleuten wegbringen lassen. Das hat man gesehen. Nicht gesehen hat man, dass Hank (Spitzname für Charles Bukowski, Anm. d. V.) mit einem Messer auf die zwei Typen los ist. Er bekam gute Presse am nächsten Tag, weil er dem überschätzten Moderator gezeigt hat, dass er ihn nicht ernst nimmt.«197 Bukowski, der betrunkene Rebell, der sich von den französischen Intellektuellen nichts sagen und nichts vorschreiben lässt und ein bisschen gefährlich ist – so das Bild, das Weissner hier zeichnet. Die Aufnahme der Sendung vom 22. September 1978 zeigt jedoch vor allem zwei Dinge: Die versammelten französischen Kolleginnen und Kollegen, darunter Catherine Paysan und der Herausgeber der Satirezeitschrift »Charlie Hebdo«, François Cavanna, machen sich über den betrunkenen US-amerikanischen Schriftsteller lustig und lassen ihn spüren, dass sie ihn ebenso wenig ernst nehmen. Bukowski wiederum hat einen Knopf für die Übersetzung im Ohr und ist angesichts der französisch sprechenden und 105

betont intellektuellen Runde offensichtlich gelangweilt und teilweise überfordert, vor allem aber ist er betrunken. Die Stimmung ist angespannt. Schließlich erhebt er sich, an seinen Bewegungen und seiner Mimik erkennt man deutlich, dass er sich nur schwer kontrollieren kann. Er verabschiedet sich von dem Moderator Bernard Pivot, der einen Witz über Bukowskis Zustand macht. Dann wird Bukowski aus dem Studio geführt, weil er nicht allein laufen kann. Bevor er die Runde verlässt, umarmt er ungeschickt einen der anderen Gäste. Natürlich ist nicht zu sehen, ob Bukowski schließlich hinter den Kulissen ein Messer zog, was aber deutlich wird, ist in erster Linie, wie wenig Bukowski in diese Runde gehörte und dass er sehr betrunken war. Der Eindruck von Rebellion und latenter Gewalt, den Weissner vermittelt, entsteht jedoch nicht. Bukowski wurde nicht auf Geheiß des Moderators von »zwei bulligen Sicherheitsleuten« weggebracht. Er stand selbst auf und zwei Männer halfen ihm, weil er nicht mehr richtig stehen und laufen konnte. Dass über Bukowski Geschichten erzählt werden, die manchmal eher Mythen gleichen und dementsprechend auch manchmal übertrieben oder zugespitzt sind, ist schon lange bekannt. Bereits Ende der Siebzigerjahre schreibt Michael Buselmeier in der »Zeit«, dass Bukowski »zum Teil bewußt mythisiert [werde], um Identifikationsprozesse einzuleiten«.198 Bukowski ist einer dieser Schriftsteller, die selbst zur literarischen Figur geworden sind. Das liegt teilweise daran, dass seine Texte in den meisten Fällen tatsächlich autobiografisch sind oder den Anschein erwecken, sie wären es. Dieser autobiografische Basslauf, der alle seine literarischen Werke grundiert, kommt nicht von ungefähr. Bukowski selbst, Carl Weissner und beinahe alle, die je über ihn geschrieben haben, haben diesen Eindruck mitgeprägt. Bukowski erzählte einmal in einem Interview, das Fauser mit ihm für den deutschen »Playboy« führte, eine Anekdote, die andeutet, wie sehr er selbst Wert darauflegte, nur zu schreiben, was er selbst kannte. Er hatte einmal, erzählt er, die Sorge, seine Freundin wäre von einem Stalker entführt worden. Während er zum Haus des vermeintlichen Entführers fährt, malt er sich aus, sie sei möglicherweise ermordet worden. Im Lauf der Fahrt stellt er sich die Szene, seine ermordete 106

Freundin aufzufinden als den Schluss seines Romans vor. Er denke, sagt er, in diesem Moment »wirklich auf zwei Ebenen«199 – auf der Ebene der Realität, auf der er Angst, um seine Freundin hat, und auf der Ebene der Literatur, auf der der grausame Moment, ein gutes Ende für einen Text bieten würde. Die Tatsache, dass sich seine Vorstellung schließlich als falsch herausstellt und seine Freundin in Sicherheit ist, enttäuscht ihn für einen kurzen Moment, da er nun immer noch kein Ende für seinen Roman hat: »Essig mit meinem schönen Schluss«, stellt er fest. Was Bukowski hier erzählt, kann man mit Genette unter dem Begriff Paratext fassen: All das, was wir abgesehen vom Text selbst über ein literarisches Werk erfahren – vom Namen des Autors über den Klappentext bis hin zum obskuren Detail aus dem Leben des Verfassers – und was dann die Wahrnehmung des Werkes beeinflusst. Gerade für Bukowski, Fauser, Burroughs, Kerouac und beinahe alle anderen der Beat Generation und des literarischen Undergrounds ist der Paratext von entscheidender Bedeutung, da ihr Verständnis davon, was es heißt literarisch zu schreiben, grundsätzlich auf eine Symbiose zwischen ihrem Leben und ihrer Literatur angelegt ist: Das Leben bereichert die Literatur und umgekehrt und beides scheint miteinander zu verschwimmen. Charles Bukowskis Literatur funktioniert nur, weil jedes Detail, das über sein Leben und seine Person an die Öffentlichkeit gerät, wirkt, als sei es aus seinen Texten entnommen. »On The Road« zieht einen großen Teil der Faszination, die um den Roman herum entstanden ist, aus der Tatsache, dass Kerouac den Urtext auf einer langen Rolle Papier geschrieben hat, nachdem er selbst von all den wilden Reisen zurückgekehrt war. Burroughs’ Leben mit seiner Kindheit in den US-amerikanischen Südstaaten, seinen Europareisen kurz vor dem Zweiten Weltkrieg, seiner Heroinsucht, dem mysteriösen Unfall, bei dem er seine Frau erschoss, und mit seinem Auftreten in düsterer Kleidung, Burroughs’ Leben könnte selbst ein abstruser Roman der Postmoderne sein. Und schließlich Jörg Fauser, der Zeit seines Lebens dem Credo nachjagte, nur das zu schreiben, was er selbst erlebt hat, vor allem den Schmerz und das Leiden. Beat- und Undergroundliteratur ist eine Literatur, die in einem paratextuellen Netz hängt, einem Netz aus all den 107

Mythen, Geschichten und Erzählungen, die aus den Schreibenden selbst Figuren machen. Aus diesem Grund ist Carl Weissner trotz seines relativ geringen eigenen literarischen Output so zentral für die deutsche Beat- und Undergroundliteratur. Weissner war der Chronist der Beat- und Undergroundliteratur in Deutschland und teilweise in den USA. Während seines zweijährigen Aufenthalts in den Staaten Ende der Sechzigerjahre dokumentierte er mit einem Aufnahmegerät die New Yorker Undergroundszene für das »German Avantgarde Archive«. Weitere schriftliche Aufzeichnungen dieser Zeit sind inzwischen teilweise in dem Band »Aufzeichnungen über Außenseiter« erschienen. Seine Bibliothek, die im Literaturarchiv in Marbach lagert, ist eine Fundgrube des literarischen Undergrounds der Sechziger- und Siebzigerjahre. Obskure literarische Magazine aus West-Deutschland, Großbritannien und den USA lagern dort ebenso wie zahllose Erstausgaben US-amerikanischer Bücher und kistenweise Briefe, Fotografien und Aufzeichnungen aus mehr als vierzig Jahren als Agent, Übersetzer und Schriftsteller. Interviews mit Weissner finden sich in US-amerikanischen Magazinen wie dem »Gargoyle«, genauso wie in deutschen Studentenzeitungen oder dem Magazin »Kozmik Blues«. Er war offenkundig jemand, mit dem man gerne redete, was wahrscheinlich auch einfach daran lag, dass er viel zu erzählen hatte, und wer viel weiß, viele Menschen kennt und viel zu sagen, der hat Deutungsmacht. Zwar erfand er andere Persönlichkeiten der Beat- und Undergroundszene nicht im gleichen Maße wie Bukowski, aber er erzählte von ihnen, wie man von alten Bekannten und Freunden erzählt – was sie für Weissner ohne Zweifel waren. Für Fausers Gedichtband »Die Harry Gelb Story« schrieb er 1973 ein langes Vorwort, in dem er Fauser als den deutschen Charles Bukowski entwarf und ihn gleichzeitig zum Junkie-Autor stilisierte, dessen Lyrik vor allem interessant sei, weil er »jahrelang nichts als Heroin gepumpt und auf seinen großen Zeh gestarrt hat«.200 Auch für Ploog schrieb Weissner Vorworte und Klappentexte zu den Bänden »RadarOrient« und »Straßen des Zufalls« und einige Jahre später erzählte er in einem Interview, dass der Cut-up-Autor und Pilot so gut sei, dass die großen Verlage ihn ignorieren würden, 108

weil er eine zu große Konkurrenz für deren Hausautoren sei.201 Keine dieser Äußerungen kommt ohne Seitenhiebe gegen den etablierten Literaturbetrieb aus, es sind Erzählungen von wilden und unabhängigen Autoren, die stets anzuschreiben scheinen »gegen die Fußgängermentalität«. Und Fauser und Ploog spinnen diese Erzählungen, die auch ihre eigenen sind, immer weiter fort. Fauser mit seinen Kneipengeschichten und seinen Gedichten, in denen immer wieder Figuren auftauchen, die an den Autor selbst erinnern und die manchmal Harry heißen, wie Harry Gelb, der Protagonist aus »Tophane« und Fausers Bestseller »Rohstoff«. Harry Gelb ist auch hin und wieder der Name, mit dem Fauser seine Briefe an Weissner unterschreibt. Weissner wiederum redet, wenn er von Bukowski spricht, oft von Hank Chinaski, das Alter Ego von Bukowski in vielen seiner Texte. Die Grenzen zwischen den Geschichten, die man in Interviews, Vorworten und Widmungen übereinander und von sich selbst erzählt, verschwimmen in diesem Literaturmilieu mit den offiziell fiktionalen Erzählungen, Gedichten und Romanen, die geschrieben werden. Es ist ein Verwirrspiel aus Fakt und Fiktion, das Methode hat, weil es aus den Autoren Figuren macht, deren Geschichten in den Texten weitergeschrieben werden. Darin liegt der Reiz dieser Literatur, weil sie nicht von der Realität abgehoben ist, sondern ganz nah an den Menschen zu sein scheint, die sie geschrieben haben.

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Die Reisen von Ploog

Kerouac reiste Ende der Vierziger-, Anfang der Fünfzigerjahre auf endlos scheinenden Routen durch die Vereinigten Staaten und Mexiko. Burroughs lebte in verschiedenen Städten in Europa, in den USA, in Mexiko und in Tanger. Fauser fuhr mehrmals nach Istanbul, lebte zeitweise dort und reiste in die USA und durch Europa. Weissner verbrachte längere Zeit in New York und an der US-amerikanischen Westküste. Ginsberg kam bis nach Indien und in andere von den USA weit entfernte Regionen. Und Ploogs gesamtes Leben bestand berufsbedingt aus einem steten Überqueren des Planeten. Im Oktober 1971 schrieb er Weissner aus Indien, im Mai 1973 aus Bangkok, im darauffolgenden Monat erreichten seinen Freund Walter Hartmann zwei Briefe, zuerst am 2. Juni aus Sydney und dann am 25. Juni erneut aus Bangkok.202 Nur knappe zwei Wochen später, am 9. Juli 1973, bedankte sich Ploog mit einem Brief aus Tokio bei Weissner für ein Exemplar der ersten Ausgabe von »Gasolin 23«. Aus dem November desselben Jahres findet sich wieder ein Schreiben an Hartmann, diesmal aus Frankfurt. Sein Itinerar als Pilot führte ihn also zwischen Mai und November 1973 in zahlreiche Metropolen auf mehreren Kontinenten. Ebenso weisen Fotos aus den Siebzigerjahren, die in Saigon, Swayambhu (Nepal) und Kathmandu aufgenommen wurden, auf Ploogs permanentes Unterwegssein hin.203 Das Reisen, das ortsungebundene Leben und die räumliche Unabhängigkeit sind einige der, wenn nicht die zentralen Themen der Beatliteratur in den USA wie auch in Deutschland. Während Undergroundliterat Bukowski beinahe sein ganzes Leben in Los 111

Angeles verbrachte und sich in einem steten Kampf zwischen Liebe und Hass für die Westküstenmetropole befand, lässt sich für die meisten aus dem Umkreis der US-amerikanischen Beat Generation kein fester Wohnort angeben. Allenfalls können New York und San Francisco als zwei geografische Fixpunkte gelten, von denen die Reisen ausgingen und zu denen die Schriftsteller immer wieder zurückkehrten. Das Umherziehen ist in die Grundfesten dieser literarischen Strömung eingeschrieben. Zwar wäre es verkürzt »On The Road« als Manifest der Beatliteratur anzusehen, die Wahrnehmung des Romans in der literarischen Öffentlichkeit und seine Positionierung in der Populärkultur lassen es jedoch zu, ihn als den übergreifenden Text der Strömung zu sehen. Von daher beschreibt sein Titel in gewisser Weise ein Begriffsfeld, von dem eine Vielzahl anderer Beattexte ausgehen. Dass diese Form der Bewegung auch kulturellen und historischen Faktoren unterliegt, das stellte Ploog bereits fest, als er 1952 mit siebzehn Jahren zum ersten Mal in den USA war. Diese Fahrt mit einem Schiff nach Amerika war ein Aufbruch im geografischen wie im biografischen Sinne: »Bis dahin hatte ich meine Tage in einem langweiligen Vorort von München verbracht, wo sich nichts tat, als dass alles, was man anschaute, mit nichtssagender Endgültigkeit zurückstarrte, bis einem schliesslich klar wurde, was es heisst ab-zu-hauen, das Weite zu suchen.«204 Nicht von ungefähr stellt die Überfahrt nach New York den Moment dar, da Ploogs Reisen begann, der Vorort verschwindet im Hintergrund: »An einem diesigen Augustmorgen tauchte die Skyline von Manhattan auf & die Reise begann …«205 Das Reisen der deutschen Beat- und Undergroundliteratur gestalteten sich anders als das Kerouacs. Seine Routen standen von Beginn an im Zeichen der Siedlertrecks, die im 19. Jahrhundert von der Ostküste her über den amerikanischen Kontinent nach Westen zogen. Noch bevor die Figur Sal Paradise in »On The Road« seine erste Fahrt beginnt, liest er Bücher aus der »Pionierzeit« und lässt sich Namen wie »Platte und Cimarron«, die für die fahrenden Siedler eine wichtige Funktion hatten, »auf der Zunge zergehen«.206 Die deutsche und die europäische Geschichte ken112

nen diesen Mythos des Reisens ins Unbekannte auf der Suche nach einem neuen Leben nicht auf dem eigenen Kontinent – zumindest nicht in dieser Form. In Europa pflegte man zwar seit der Renaissance Bildungsreisen wie die Grand Tour, doch über die schier grenzenlosen Weiten der Vereinigten Staaten, die ein solches on-the-road-Sein ermöglichen würden, verfügt Europa nicht. Allein der erste Roadtrip, der bei Kerouac beschrieben ist, Sal Paradise’ Reise von dem Haus seiner Tante in New Jersey zum ersten großen Ziel in Chicago, ist weiter als eine Fahrt vom südlichsten Punkt der Bundrepublik zum nördlichsten. Die Weite, die Dimensionen, die das Reisen in Kerouacs Roman ausmachen, sind in Europa in dieser Form nicht reproduzierbar und schon gar nicht in der BRD der Fünfzigerjahre. Um es pointiert zu sagen: Die B3 ist kein Wüstenhighway durch Kansas oder Colorado. Hinzu kommt die Idee der Freiheit, die dem Reisen über den amerikanischen Kontinent seit der europäischen Kolonialisierung kulturell eingeschrieben ist und ihm ein vages Ziel oder wenigstens eine Idee gibt. Das US-amerikanische Land ist in der Beatliteratur eines der Hoffnung, das verloren ging. So sehr von Hoffnung durchzogen aber, dass Ginsberg selbst in seiner Anklage gegen die moderne US-amerikanische Gesellschaft die Vereinigten Staaten »an [sich] drücken und abküssen« will. »[J]ene Vereinigten Staaten die uns die ganze Nacht wachhalten mit ihrem Gehuste.«207 Die Reisen der deutschen Autoren verlassen den deutschen Raum meistens schnell, als sei er ihnen zu eng und zu historisch belastet. Am sichtbarsten wird dieses Muster bei Jürgen Ploog, er bereiste als Langstreckenpilot alle Ecken der Welt. Sein Schreiben gleicht vor allem ab Mitte der Siebzigerjahre einem Logbuch eines literarischen Weltenbummlers. Ploogs Leben ist ebenso wie sein Schreiben geprägt von einem permanenten Wechseln der Zeitzonen und Kulturen. Die Beschreibungen der Städte und fremden Räume sind deswegen häufig nur ein Abtasten von Oberflächen, bei dem der atmosphärische Eindruck eines Ortes zum Vorschein kommt – Ploog selbst nennt dieses Vorgehen »geomatisches Zapping«.208 Seine Sammlung »RadarOrient« ist ein Abbild dieser Bewegungen über den Globus. Dabei sind die einzelnen Texte eher als ein Ganzes anstatt als klar voneinander getrennt zu sehen, 113

sie sind strukturell unabschließbar. Sie steigen nicht nur in medias res ein, sondern enden beinahe immer auch – so könnte man sagen – ex mediis rebus, also mittendrin. So wirken sie wie literarische Wahrnehmungsinseln aus Ploogs Leben. In ihnen erkennt man die Fortführung der Idee des Cut-ups als Möglichkeit ­»[s]tändigen Szenenwechsel der realen Kulisse, Zeitunterschiede, Nachtflüge, metabolische Desorientierung« literarisch umzusetzen. Dabei tritt der radikale Ansatz der Cut-up-Methode, der sich in »Cola-Hinterland« noch deutlich zeigte, in den Hintergrund. Die mäandernde Diskontinuität des Romandebüts wird ersetzt durch eine fragmentierte und teilweise ebenso aufgebrochene Wahrnehmung unterschiedlicher Kulturräume, die sich über den gesamten Globus erstrecken: »Momentaufnahmen aus dem Leben eines Langstreckenpiloten haben etwas spiegelbildliches …. andere Hälfte der Existenz schimmert durch sie …. das Ende des Tunnels, Mister …. das Abbrennen der Kerze von beiden Seiten …. Tage verkürzen sich zu physiologischen Ritualen, aufstehen, hinlegen …. Jahreszeiten verlieren ihre Einseitigkeit, Sprachen ihre Aufdringlichkeiten ….«209 Dieses Aufbrechen aller ordnenden Systeme von Zeit und Raum lenkt die Aufmerksamkeit des Schreibenden auf den konkreten Ort der Wahrnehmung: »Ich schreibe also, was die Atmosphäre einer Stadt in mir auslöst.«210 Anders als das Reisen eines Jack Kerouac, das immer auf ein – wenn auch unbekanntes – Ziel hin ausgerichtet und historisch getragen war, glich das Reisen von Ploog einem odysseehaften Treibenlassen, nur dass sein Schiff ein Flugzeug war. Seine Erfahrungswelt als Pilot gibt diese Form des Reisens schon vor. Kerouacs Sal Paradise ist in allen Städten in soziale Kontexte eingebunden, kennt Menschen, die dort leben, geht Beziehungen oder Affären ein, sucht Arbeit oder eine Unterkunft für die Nacht. Ein Pilot wie Ploog steht außerhalb dieser sozialen Gefüge und Abhängigkeiten, anders als der Tourist oder der Reisende auf der Suche kommt er als Träger einer Funktion in verschiedene kulturelle Räume und als solcher ist er immer nur vorübergehend anwesend, jeder Ort ist nur Zwischenstation, nie ist er um des Ortes Willen 114

dort. Er ist sichtbar und gleichzeitig unsichtbar und an jedem Ort der Welt anzutreffen, denn »[e]in Flug kann überall beginnen«.211 »Fliegende Händler, Gammler, verirrte Touristen zwischen überflüssigen Waren und exotischen Requisiten … Keine Möglichkeit, dem Lärm der City zu entkommen. Stimmen hinter dünnen Wänden, Sprungfedern schnappen zu, irgendwo tönt ein Radio. Weisse Körper wie angeschwemmt auf Wiesen der Parks, verzerrte Lieder, der leicht säuerliche Geruch menschlichen Eiweisses … Die Spur führt durch eine Gegend mit verrosteten Eisenzäunen und verlassenen Villen … schmale Fassade mit schreienden Kindern im Stiegenhaus, brüchiger Stuck, lose Dielen … eine vergitterte Glastür im Jugendstil«212 Als Ploog 1976 diese Reisetexte in »RadarOrient« veröffentlichte, war der erste große Schwung der deutschen Beat- und Undergroundliteratur vielleicht nicht verflogen, aber er hatte sich gelegt. In den Siebzigerjahren setzten eine gewisse Resignation und Müdigkeit ein. Man spürt das in den Texten dieser Jahre. Fausers Hinwendung zu einem Undergroundstil im Geiste Bukowskis ist ein Hinweis darauf, Ploogs Abtasten kultureller Räume und weit entfernter Orte ein anderer. Die Ränder beginnen auszufransen und immer wieder tauchen in den Texten Spuren des Zerfalls auf. Die »weissen Körper wie angeschwemmt auf Wiesen der Parks, verzerrte Lieder, der leicht säuerliche Geruch menschlichen Eisweisses« sind die Überreste der westeuropäischen und amerikanischen Generation der Weltenbummler, der Hippie-Trail-Reisenden. Wie vom Weg abgekommen, sind sie in Ploogs Beobachtungen erkennbar. Was Fauser 1972 in »Tophane« aus eigenem Erleben heraus beschrieben hat, steht bei Ploog einige Jahre später spiegelbildlich in den Texten in »RadarOrient« aus einer anderen Perspektive. Mit dem Ende der Siebziger- und dem Übergang in die Achtzigerjahre vollzieht sich in der deutschen Beat- und Undergroundliteratur ähnliches wie in der US-Beatliteratur in den Sechzigerjahren. Die Protagonisten der Strömung beginnen sich anderem zuzuwenden, zurückzublicken und driften auseinander. Die Abstände zwischen den Ausgaben von »Gasolin 23« wurden zum Ende hin immer länger. Ab 1983 erschien für acht Jahre keine 115

eigenständige Publikation von Jürgen Ploog mehr. In den Essays von Fauser und Ploog fällt in den Jahren um 1980 ein reflektierender Ton auf. Ploog blickt zu Beginn der Achtzigerjahre in »Die Strassen des Zufalls« zurück auf sein Leben und Schreiben im Zeichen der Beat Generation und vor allem von Burroughs. In »Die Legende des Duluoz« sinnt Fauser 1978 der Bedeutung von Jack Kerouac nach, schwelgt in Erinnerungen an die ersten Lektüren und blickt auch abgeklärt auf den literarischen Helden, der eben kein mythischer Cowboy gewesen sei. Die Wut auf den deutschen Literaturbetrieb blieb, auch wenn er manche Kollegen mit mehr Gleichmut behandelte. Rolf Dieter Brinkmann nennt er rückblickend den Einzigen in Deutschland, der »ehrlich, geschlagen wie wir alle« war und der nun auch tot, »in London überfahren«, »nicht mal sterben [könne] man, ohne Angst zu haben, verschaukelt und verscheißert zu werden«,213 merkt er an in Bezug auf die Vermarktung Brinkmanns nach seinem Tod. Mit Blick auf den Fauser-Hype der letzten Jahre, sind diese Sätze fast prophetisch. Alles deutet darauf hin, dass sich die Wege in unterschiedliche Richtungen entwickeln und dass jeder auf seine Weise auf das zurückblickt, was den gemeinsamen Weg geprägt hat. 1980 erschien die großformatige Anthologie »Amok / Koma«, herausgegeben von Jürgen Ploog, Pociao und Walter Hartmann. Carl Weissner steuerte einen Text bei, Fauser aber ist nicht vertreten. Es passt, dass er derjenige war, der hier fehlt. Die Texte sind auf eine andere Art abgründig als Fausers Kneipengeschichten und die Stories vom trostlosen Leben der Trinker. »Ein Bericht zur Lage« soll die Anthologie sein und sie wirkt wie der Sprung des literarischen Undergrounds heraus aus den Nachwehen der Post68er-Jahre in vermeintlich düstere Achtzigerjahre. Stärker noch als die ersten Ausgaben von »Gasolin 23« weckt sie den Anschein, ein ungeordneter Mix aus Texten, Bildfragmenten und grafischen Collagen zu sein – das Chaos ist aber Programm. Eine »kompromißlose, aufsässige Grundstimmung« erkennt die Mitherausgeberin Pociao in den versammelten Texten, eine »Härte der Aussage« und einen »Pessismismus der Schreiber«. Das Gegensatzpaar »Amok/Koma« vereint den »wilden Aufstand einer Generation, die am Rand eines schweren Vulkans tanzt«, und »die Hilfslosig116

keit und Resignation, die sich in der monotonen Beschreibung einer öden Computerlandschaft manifestiert«.214 Die Autorinnen und Autoren der Anthologie spiegeln diese Haltung wider, die Größen der Beatliteratur sind bis auf William S. Burroughs weitgehend verschwunden. Dass er der last man standing aus dem Kreis der US-Amerikaner der Fünfzigerjahre war, ist nur konsequent. Anders als Kerouac, Ginsberg, Corso, Di Prima oder Kandel waren seine Texte schon immer entweder düstere Gegenwartsdiagnosen oder dystopische Zukunftsgespinste. Damit stand er um 1980 ganz im Zeichen der No-Future-Attitüde, die sich aus der englischen Punk-Bewegung herauskristallisierte. Mit weiteren Texten von Jürgen Ploog, Udo Breger, Charles Plymell, Carl Weissner, Claude Pélieu-Washburn und Hadayatullah Hübsch gestaltet sich der Band als Übergang von einem Milieu, das in den Sechzigerjahren aus der Beat- und Undergroundliteratur hervorging, hin zu einer Literatur im Underground, die mit Beginn der Achtzigerjahre Linien anderer Subkulturen aufgenommen hat. Die Zukunft bilden jüngere Autorinnen und Autoren, auch wenn man feststellen muss, dass von den anderen Namen, die in der Anthologie auftauchen, nur wenige einen literarischen Nachhall hinterlassen haben. Das gilt am ehesten noch für Kiev Stingl oder Daniel Dubbe. Es schien sich mit dem Blick auf die Achtzigerjahre zu bewahrheiten, was der Schriftsteller Enno Stahl rückblickend vor wenigen Jahren feststellte: Das Jahrzehnt sei in Bezug auf eine wie auch immer geartete Popliteratur (wobei er darunter auch Fauser und Ploog fasst) ein »missing link«. Erst in den Neunzigerjahren setzen wieder eine verstärkte Rezeption und Produktion einer vergleichbaren Literatur ein. Den Grund dafür macht er in der starken Fokussierung auf die Musik aus: »Dass diese Phase bislang so wenig Aufmerksamkeit gefunden hat, mag daran liegen, dass Literatur in den Umwälzungen jener Tage eine eher marginale Rolle spielte. Die Musik stand damals klar im Zentrum. […] Die Literatur aber schien zu stagnieren, bzw. ging über in andere Medien, wie Peter Glaser vermerkte, ›in den frühen achtziger Jahren wanderte die dichterische Kraft ab in Liedtexte und Bandnamen‹.«215 117

Für diese These spricht jedenfalls, dass Musik in »Amok/Koma« schon eine tragende Rolle einnimmt. Kiev Stingl war schon damals vor allem als Sänger bekannt und mit Texten von Patti Smith und der Band Throbbing Gristle von Genesis P-Orridge sind weitere Undergroundkünstler:innen, die vor allem musikalisch relevant sind, vertreten. Will man einen Endpunkt für die deutsche Beat- und Undergroundliteratur, wie sie sich seit Mitte des Sechzigerjahre zeigte, markieren, dann ist es vielleicht diese Textsammlung.

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Fausers »Rohstoff«

Der große Abgesang auf die deutsche Beat- und Undergroundliteratur und gleichzeitig ihr kommerzieller Höhepunkt war aber Fausers Rundumschlag durch die eigene Biografie der Sechzigerund vor allem der Siebzigerjahre, der Roman »Rohstoff«. Als er 1984 erschien, war drei Jahre zuvor Fausers erster kommerziell erfolgreicher literarischer Text bei Rogner & Bernhard publiziert worden, der Thriller »Der Schneemann«, der nur wenige Jahre später mit prominenter Besetzung mit Marius Müller-Westernhagen auch verfilmt wurde. Mit dem Übergang in die Achtzigerjahre veränderte sich Fausers literarisches Arbeiten nach der BurroughsPhase und den Bukowski-Jahren ein drittes Mal. Mit »Der Schneemann« und dem späteren »Das Schlangenmaul« (1985) schrieb Fauser zwei Hardboiled-Romane im Stile von Raymond Chandler und Dashiel Hammett und übertrug damit erneut eine Form des literarischen Schreibens aus dem anglo-amerikanischen Raum in die eigene Sprache und Kultur. Dazwischen erschien sein bis heute bekanntester Roman »Rohstoff«. Es ist bei genauerer Betrachtung erstaunlich, wie sehr »Rohstoff« Kerouacs »On The Road« ähnelt. Wenigstens in gewisser Hinsicht. Der Vergleich drängt sich zunächst nicht auf, zu abgebrüht und reflektiert ist Fausers Ton, ihm fehlt der pathetische Enthusiasmus, das Mittendrin-Sein, das »On The Road« so dynamisch und mitreißend macht. Wo der ganze Mythos von ­Kerouacs Roman auf der Idee der spontaneous prose und der Entstehung aus dem Moment beruht, ist Fausers autobiografischer Roman eine Rückschau voller Lakonie und Selbstironie für sich selbst und das 119

eigene Milieu. Aufgrund dieser deutlich unterschiedlichen Oberfläche übersieht man leicht, dass Fauser Kerouacs Prinzip übernimmt: Er erzählt die Biografie einer Szene entlang der Fiktion des eigenen Lebens. Genau wie Kerouac in »On The Road« anhand von Sal Paradise erzählt Fauser in »Rohstoff« einen Teil seiner Biografie durch die Perspektive des Alter Ego Harry Gelb und lässt in zahlreichen Figuren Weggefährten seines Lebens auftauchen. Anatol Stern ist Jürgen Ploog, Lou Schneider ist Carl Weissner und viele weitere sind hinter den Namen, die im Roman auftauchen, erkennbar. Die Handlung beginnt in Istanbul und zeichnet Fausers eigene Erfahrungen im Stadtteil Tophane nach. Damit liefert er zwölf Jahre nach seinem Debüt die fiktionalisierte Entstehungsgeschichte von »Tophane«, das in »Rohstoff« »Stamboul Blues« heißt. Verzweifelt versucht Harry Gelb in Istanbul zwischen Drogen und billigem Essen, auf zugigen Hoteldächern seinen Roman zu schreiben und nimmt Hippies aus, die begeistert vom Spirit der Beat Generation auf die Reise nach Osten gehen: »Wenn dann noch der Joint rumging, war es richtig beat, und seit Kerouac war beat der Schlüssel zur Seele dieser jungen Amerikaner.«216 An dieser frühen Stelle im Roman, als der junge Gelb für amerikanische Hippies eine Beatnikshow inszeniert, um sie zu sich zu locken und ihnen dann das Geld aus den Taschen zu ziehen, wird der Ton für den ganzen Text gesetzt. In Harry Gelb zeichnet Fauser eine Variante von sich selbst, die sich in den Jahren nach ‘68 durch die deutsche Subkultur und das linkspolitische Milieu schlängelt, aber nie wirklich in den Szenen aufgeht: »ich war der Außenseiter, der auch bei den Außenseitern auf der Außenseite saß und gelangweilt diese Pamphletchen durchging«.217 Fausers Harry Gelb ist wie ein Agent, der in verschiedenen Subkulturen auftaucht, mitmischt, aber nie wirklich dazugehört, weil er immer schon erkennt, wo die Risse im Selbstverständnis der Beteiligten sind. Genauso ist das Alter Ego des Autors aber auch

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verzweifelt auf der Suche nach Halt, unfähig sich auf etwas oder jemanden einzulassen. Nach dem Beginn in Istanbul kehrt die Handlung nach Deutschland zurück. Gelb tummelt sich im linken Polit-Milieu in Berlin, in der alternativen Szene in Frankfurt, besucht Burroughs in London und sucht zunehmend verzweifelt nach einem Verlag und nach Möglichkeiten zu publizieren. Wie auch »On The Road« ist »Rohstoff« häufig als faktualer Tatsachenbericht gelesen worden, was Fausers Roman ebenso wie Kerouacs nicht ist. Der Titel sagt es bereits, das Leben Fausers ist der Rohstoff für den Text, in dem Begegnungen zugespitzt, Dinge weggelassen, andere hinzugefügt und überzogen sind. Was bleibt, ist eine Variante einer Biografie in der Vorstellung des Autors. Damit ist »Rohstoff« in gewisser Hinsicht die Geschichte der deutschen Beat- und Undergroundliteratur als Roman aus der Perspektive von Jörg Fauser.

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»Woher kommen wir?«

Die folgende Szene hat sich so vermutlich nie abgespielt. Historisch wäre sie denkbar und es gibt eine kleine Chance, dass sich etwas Ähnliches Anfang der Fünfzigerjahre ereignet haben könnte, aber gehen wir einmal davon aus, dass es sich hierbei um reine Fiktion handelt. Es ist März 1949, in Manhattan inszeniert der deutsche Regisseur Erwin Piscator das Stück des deutschen Dramatikers Wolfgang Bor­ chert »Draußen vor der Tür« in englischer Sprache unter dem Titel »Outside the door«. Der Autor ist zwei Jahre zuvor an den Folgen seiner Kriegsverletzungen gestorben. Im Publikum, das in diesem Frühjahr die Aufführungen des Dramatic Workshop sieht, ist der junge Dichter Allen Ginsberg. Drei Jahre später erscheint in den USA eine Sammlung mit Texten von Borchert in englischer Überset­ zung. Der Band »The Man Outside. The Prose Works of Wolfgang Borchert« enthält unter anderem das Theaterstück, aber auch Texte wie »Unterwegs – Generation ohne Abschied«. Als Ginsberg das Buch zufällig in die Hände gerät, erinnert er sich an den Theaterabend einige Jahre zuvor und beginnt darin zu lesen. Der Text »Unterwegs – Generation ohne Abschied«, in dem Borchert seine Vision einer euro­ päischen Jugend auf einem Kontinent ohne Grenzen schildert, faszi­ niert ihn besonders. Die Wahrscheinlichkeit, dass Ginsberg wirklich auf die Texte von Borchert stieß, ist gering. In seinen Briefen und den mir bekannten Aufzeichnungen lässt sich nichts dazu finden. Die historischen Rahmendaten der Inszenierung des Theaterstücks 1949 in New York und der Publikation des Bandes »The Man Outside« 123

im Jahr 1952 machen es aber theoretisch möglich. Überlegenswert ist diese kleine Spielerei mit der Literaturgeschichte, weil Borcherts »Unterwegs – Generation ohne Abschied« auffällige Parallelen mit Ginsbergs »Howl« aufweist. Am augenfälligsten zeigen sie sich in der Struktur der Texte, die beide häufig mit sich wiederholenden Satz- und Versstrukturen arbeiten. Bei Ginsberg ist es vor allem die Ansprache an Carl Solomon »I’m with you in Rockland«, die im zweiten Teil des Gedichts die übergeordnete Struktur bildet. Borchert erzeugt einen ähnlichen lyrischen Duktus durch die Konstruktion eines generationellen Wir, das ebenso wie Ginsberg und Solomon an verschiedenen Orten auftaucht. »Wir begegnen uns unter der Kathedrale von Smolensk, wir sind ein Mann und eine Frau – und dann stehlen wir uns davon. Wir begegnen uns in der Normandie und sind wie Eltern und Kind – und dann stehlen wir uns davon. Wir begegnen uns eine Nacht am finnischen See und sind Verliebte – und dann stehlen wir uns davon.«218 Der junge Autor, der nur wenige Jahre schreiben konnte, bevor er mit gerade einmal sechsundzwanzig Jahren starb, entwirft in »Generation ohne Abschied« in einem rhapsodischen Tonfall die Idee einer freien europäischen Jugend, die in den Trümmern des Kontinents zusammenfindet, als Reisende auf der Suche nach einem neuen Anfang, die sich einer transzendentalen und tatsächlichen Obdachlosigkeit ausgesetzt sehen. Motive, die sich einige Jahre später in den Texten der US-amerikanischen Beat Generation finden, tauchen hier vor dem Hintergrund eines kriegszerstörten Europas auf. Das permanente Unterwegssein, die Suche nach Sinn und Halt – wie auch Kerouac war Borchert gläubig und suchte nach Gott – und die Grenzenlosigkeit, die die Beatliteratur prägen, scheinen auch in Borcherts Lyrik und kurzen Prosatexten auf. Auch die Spannung zwischen Verzweiflung und dem Gefühl, dass jetzt alles möglich sei, fällt auf: »Wir sind eine Generation ohne Heimkehr, denn wir haben nichts, zu dem wir heimkehren könnten […] so sind wir eine Generation ohne Abschied geworden und ohne Heimkehr. Aber wir sind 124

eine Generation der Ankunft. Vielleicht sind wir eine Generation voller Ankunft auf einem neuen Stern, in einem neuen Leben.« Man spürt in diesem Text und anderen von Borchert teilweise das Pathos, das Höllerer etwa zehn Jahre später in der deutschen Literatur vermissen sollte und das er stattdessen in der US-amerikanischen Beatliteratur wahrnahm. Borcherts überschaubarem Werk ist trotz aller Verheerung, Verzweiflung und Zerstörung eine grundlegende Hoffnung auf etwas Neues eingeschrieben – eine Hoffnung, die auch in der Beatliteratur spürbar ist. Auch wenn der reizvolle Gedanke, dass sich Ginsberg ein bisschen von Borchert hat beeinflussen lassen, weit hergeholt ist, lässt es sich kaum leugnen, dass es auch in der deutschen Literatur schon früher das Potenzial gab, eine ähnliche Strömung wie die der Beat Generation entstehen zu lassen. Es ist eine streitbare These, aber vielleicht hat die alles überstrahlende Gruppe 47 in den Fünfzigerjahren ein bisschen zu viel überstrahlt. Lässt man den Gedanken einmal zu, dass die Verbindungen zwischen US-amerikanischer Beatliteratur und deutscher Literatur nicht nur in den hier dargestellten Einflüssen der Sechzigerjahre bestehen, werden weitere Spuren sichtbar, die auch in die deutsche Literaturgeschichte vor dem Zweiten Weltkrieg führen. Dabei handelt es sich nicht immer um direkte Einflusslinien, auch bei Borchert ist das wie gesagt unwahrscheinlich, aber es deutet darauf hin, dass das, was für Ploog, Fauser, Weissner und andere an der USBeatliteratur so faszinierend war, nicht erst um 1950 in New York entstanden ist. Kerouac selbst hat in »On The Road« einen Verweis auf die deutsche Literaturgeschichte versteckt, in dem sich andeutet, wem er sich verbunden fühlt. »Wie nannte man solche jungen Leute in Goethes Deutschland?«, fragt Sal Paradise, nachdem er voller Enthusiasmus die Menschen beschrieben hat, die ihn begeistern, »die Verrückten, die verrückt sind aufs Leben, verrückt aufs Reden, verrückt auf Erlösung, voll Gier auf alles zugleich«. Die naheliegende Antwort ist: Stürmer und Dränger. Das bekannte auch Ploog Jahrzehnte später, als er in seiner persönlichen Rückschau in »Strassen des Zufalls« das Zitat von Kerouac aufgreift und vervollständigte: »Ja, wie nannte man sie? Sturm & Drang.«219 125

Auf die Bezüge zu teilweise faschistischen und antisemitischen Autoren ist an anderer Stelle schon eingegangen worden. Aber es zeigt sich, dass die große Geste, mit der Ploog, Weissner und Fauser die etablierte deutsche Literatur ablehnten und verwarfen, vor allem auf den Zustand der Literatur ihrer Gegenwart gerichtet war. Fauser selbst war begeistert von Autoren wie Joseph Roth, Gottfried Benn oder dem Dramatiker Christian Dietrich Grabbe. Weissner griff immer wieder auf die Dadaisten zurück, um Cutup zu erläutern, und von André Bretons écriture automatique lässt sich eine Linie ziehen zur spontaneous prose von Kerouac bis hin zu Ploogs früher Schreibweise. Auch Bezüge zum literarischen Expressionismus sind nicht fern. Die deutsche Beat- und Undergroundliteratur berief sich offen und laut vor allem auf die USamerikanischen Vorbilder, aber ihre Wurzeln reichen weit zurück in die Literaturgeschichte, aus der sich auch die US-amerikanische Beatliteratur wiederum speiste. Literarische Aufbrüche und Widerstände gegen etablierte Strukturen der Literatur kommen nie aus dem Nichts, sie stehen immer auf den Schultern ähnlicher Strömungen, die vor ihnen kamen, und gehen oft ein in den etablierten Kanon, gegen den sie sich so lange gewehrt haben. Die deutsche Beat- und Undergroundliteratur hat ihre Spuren in der Literaturlandschaft ohne Zweifel hinterlassen, als widerständige Literatur gegen etablierte Strukturen taugt sie jedoch nicht mehr. Allenfalls leistet sie noch Widerstand gegen den Fortschritt. Den literarischen Aufbruch bilden heute keine weißen Männer aus bürgerlichen Verhältnissen mehr, die sich gegen ihre Elterngeneration wenden. Von wo der nächste literarische Aufbruch kommt, ist nicht einfach vorherzusagen, aber am wahrscheinlichsten aus dem digitalen Raum. Wie ihm begegnet werden wird, ist leichter zu erahnen. Als Jörg Fauser 1984 beim Ingeborg-Bachmann-Preis las und ihm von Marcel Reich-Ranicki und anderen bescheinigt wurde, das, was er schreibe, sei keine Literatur, hätte sich bestimmt niemand der Anwesenden träumen lassen, dass eben Jörg Fauser etwa vier Jahrzehnte später die dritte Werkausgabe bekommen würde, die letzte gerade erst beim Schweizer Verlag Diogenes. Nicht einmal die vermeintlich findigsten Literaturkritikerinnen und -kritiker können 126

erahnen, welche Literatur langfristig relevant sein wird. Wer also mit kulturkritischem Furor anprangert, dass dieses oder jenes, Lyrik auf Instagram, Statusmeldungen auf Twitter, Texte, die mit Hilfe einer künstlichen Intelligenz generiert wurden, oder obskure Debütromane in Kleinverlagen keine Literatur sei, der denke an die Aussage von Reich-Ranicki und an Fausers Werkausgaben.

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Anmerkungen

 1 Vgl. Carl Weissner in einem Brief an Victor Bockris, in: Victor Bockris: »With William Burroughs. A Report from the Bunker«, New York 1996, S. 8.  2 Jürgen Ploogs Brief an Carl Weissner, September 1968, zitiert nach Florian Vetsch (Hg.): »Ploog Tanker. Texte von & zu Jürgen Ploog«, Herdecke 2004, S. 43.  3 Vgl. Andreas Kramer: »Von Beat bis ›Acid‹. Zur Rezeption amerikanischer und britischer Literatur in den sechziger Jahren«, in: Heinz Ludwig Arnold / Jörgen Schäfer (Hg.): »Pop-Literatur«, Text+Kritik Sonderband, München 2003, S. 26.  4 Hans Magnus Enzensberger: »Gemeinplätze, die Neueste Literatur betreffend«, in: »Kursbuch« 15 (1968), S. 189.  5 Ebd., S. 187.  6 Jörg Fauser, Hellmuth Karasek und Jürgen Tomm: »Schreiben ist keine Sozialarbeit. Auszüge aus einem Gespräch zwischen Jörg Fauser, Hellmuth Karasek und Jürgen Tomm in der Sendung »Autor-Scooter« vom 25.9.1984, in: Jörg Fauser: »Rohstoff. Werkausgabe in neun Bänden«, hg. von Alexander Wewerka, Zürich 2009, Bd. 2, S. 305.  7 Günter Blöcker: »Die angeschlagene Generation«, in: »Frankfurter Allgemeine Zeitung«, 14.11.1959, S. 5.  8 Walter Höllerer: »Junge amerikanische Literatur«, in: »Akzente. Zeitschrift für Dichtung« 6 (1959), S. 37.  9 Gespräch zwischen Jürgen Ploog und Hadayatullah Hübsch, unter: https://www.satt.org/literatur/11_05_ploog.html. 10 Jörg Fauser: »Die Legende des Duluoz«, in: Jörg Fauser: »Der Strand der Städte. Gesammelte journalistische Arbeiten von 1959–1987«, hg. von Alexander Wewerka, Berlin 2014, S. 385 f.

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11 Jürgen Ploog im Gespräch mit Martina Weber, unter: http//www. poetenladen.de/martina-weber-juergen-ploog.htm. 12 Das Routledge Handbook of International Beat Literatur versammelt Beiträge zum Einfluss der amerikanischen Beatliteratur auf Literaten in der ganzen Welt. A. Robert Lee (Hg.): »The Routledge Handbook of International Beat Literature«, London 2018. Es muss allerdings die Frage gestellt werden, inwiefern sich hier noch von Beatliteratur sprechen lässt oder ob der Begriff erst dann gerechtfertigt ist, wenn auch deutliche Einflusslinien ausgemacht werden können. 13 John Leland: »Why Kerouac matters. The Lessons of On The Road. (They’re not what you think)«, New York 2007, S. 5 (Übersetzung der Verfasser). 14 Vgl. Ann Charters, Einleitung zu: Jack Kerouac: »On The Road«, London 1991, S. VIII (römische Paginierung im Original). 15 Jack Kerouac: »Unterwegs«, Reinbek bei Hamburg 2006, S. 13. 16 David Sterrit: »The Beats. A Very Short Introduction«, New York 2013, S. 1 (Übersetzung der Verfasser). 17 Vgl. Bill Morgan: »The Typewriter Is Holy. The Complete, Uncensored History of the Beat-Generation«, New York 2010, S. XVIII (römische Paginierung im Original). 18 Aus dem Klappentext der Erstausgabe: Jack Kerouac: »On The Road«, New York 1957 (Übersetzung der Verfasser). 19 Ann Charters, Einleitung zu: Kerouac: »On The Road«, London 1991, S. VIII (Übersetzung der Verfasser). 20 So beschreibt es Allen Ginsberg in einem Vortrag, in: Ders. (Autor); Bill Morgan (Hg.): »The Best Minds of My Generation. A Literary History of the Beats«, London 2017, S. 1. 21 John Clellon Holmes: »This Is The Beat-Generation«, in: »The New York Times Magazine«, 16.11.1952. 22 Jürgen Ploog: »Straßen des Zufalls. Über William S. Burroughs & für eine Literatur der 80er Jahre«, Bern 1983, S. 10. 23 Vgl. Holmes: »This Is The Beat-Generation«. 24 Ploog: »Straßen des Zufalls«, S. 10. 25 Ebd. 26 Vgl. Norman Mailer: »The White Negro«, in: »Dissent Magazine« 3 (1957), unter: https://www.dissentmagazine.org/online_articles/thewhite-negro-fall-1957. 27 Allen Ginsberg: »Geheul«, Übersetzung: Clemens J. Setz, in: Allen Ginsberg: »Lyrik. Poetry. Zweisprachige Ausgabe«, hg. von Michael Kellner, Berlin 2022, S. 47.

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28 Vgl. Gregory Stephenson: »The Daybreak Boys. Essays on the Literature of the Beat-Generation«, Southern Illinois University 1990, S. 11. 29 Vgl. Holmes: »This Is The Beat-Generation«. 30 Jack Kerouac in einem Brief an Carroll Brown vom 9. Mai 1961, in: Jack Kerouac: »Selected Letters. 1957–1969«, hg. von Ann Charters, New York 1999, S. 289 (Übersetzung der Verfasser). 31 Brief von Jack Kerouac an Neal Cassady, 22. Mai 1951, in: Jack Kerouac: »Selected Letters. 1940–1956«, hg. von Ann Charters, New York 1995, S. 315 (Übersetzung der Verfasser). 32 Vgl. Ann Charters: »Kerouac. A Biography«, New York 1994, S. 83 ff. 33 Vgl. Hans Werner Richter: »Aufenthalt in Weilheim, September 1947«, in: »30 Jahre Literarische Turnhalle Weilheimer Anthologie 1980 – 2010«, 66 Weilheimer Hefte zur Literatur, S. 59. 34 Helmut Böttiger: »Die Gruppe 47. Als die deutsche Literatur Geschichte schrieb«, München 2012, S. 9 f. 35 Zitiert nach Hermann Glaser: »Deutsche Kultur. 1945–2000«, München/Wien 1997, S. 256. 36 Dieter E. Zimmer: »Gruppe 47 in Princeton«, in: »Die Zeit«, 6.5.1966, unter: https://www.zeit.de/1966/19/gruppe-47-in-princeton. 37 Jürgen Ploog: »Princeton – von aussen. Zu einem Treffen der Gruppe 47«, in: Vetsch (Hg.): »Ploog Tanker«, S. 33. 38 Erich Kuby: »Ach ja, da liest ja einer«, in: »Der Spiegel« 19 (1966), S. 163. 39 Interview mit Carl Weissner, in: konkret. »Politik & Kultur« 6 (2010), S. 62. 40 Vgl. Walter Jens / Hans Werner Richter (Hg.): »Hans Werner Richter und die Gruppe 47«, München 2007, S. 76. 41 Wolf Wondratschek: »Sie schreiben eben, wie sie leben«, in: Ders.: »Menschen Orte Fäuste. Reportagen und Stories«, Zürich 1987, S. 271. 42 Karl O. Paetel (Hg.): »Beat. Eine Anthologie«, Reinbek bei Hamburg, 1962, S. 266–273. 43 Blöcker: »Die angeschlagene Generation«, S. 5. 44 Anonym: »Bücher. Neu in Deutschland«, in: »Der Spiegel« 14 (1960), S. 59. 45 Hans Magnus Enzensberger: »Die Dummheit unterwegs«, in: »Neue Deutsche Hefte. Beiträge zur europäischen Gegenwart«, hg. von Joachim Günther und Rudolf Hartung, 6 (1959/1960), S. 758 f.

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46 Hans Magnus Enzensberger: »Antwort an Herrn Paetel«, in: »Neue Deutsche Hefte« 6 (1959/1960), S. 1175. 47 Vgl. Hans Magnus Enzensberger: »Die Aporien der Avantgarde«, in: »Merkur« 5 (1962), S. 415. 48 Wolfgang Maier: »Rausch entfesselten Lebens. Die »Beat Generation«: Ginsberg und Kerouac«, in: »Diskus. Frankfurter Studentenzeitung« 10 (1959). 49 H. B. Kranz: »Unten am Boden und doch voller Leben. Die Dichter der amerikanischen »Beat« Generation«, in: »Tagesspiegel«, 31.5.1958. 50 Andreas Kramer: »Von Beat bis »Acid«. Zur Rezeption amerikanischer und britischer Literatur in den sechziger Jahren«, in: »PopLiteratur«, Text+Kritik Sonderband, S. 33. 51 Vgl. Jean-Francois Duval: »Bukowski und die Beats. Von Konterboxern und Popliteraten«, Augsburg 2015, S. 32 f. 52 Bukowski, zitiert nach: Paul Clements: »Charles Bukowski, Outsider Literature, and the Beat Movement«, New York 2013, S. 72. 53 Ploog beschreibt die Anfänge seines Schreibens im Gespräch mit Hübsch. 54 Vgl. Ann Charters: Introduction, in: Kerouac: »On The Road«, London 1991, S. xxii. 55 Gespräch zwischen Ploog und Hübsch. 56 Vgl. Jürgen Ploog: »Wie es zu meiner ersten Begegnung mit Burroughs Literatur kam«, in: Vetsch (Hg.): »Ploog Tanker«, S. 47. 57 Jürgen Ploog: »Cut-up revisited«, in: Ders.: »Rückkehr ins Coca & Cola Hinterland«, Ostheim/Rhön 1995, S. 41. 58 Ploog: »Wie es zu meiner ersten Begegnung mit Burroughs Literatur kam«, S. 41. 59 Ploog: »Cut-up revisited«, S. 44. 60 Gespräch zwischen Ploog und Hübsch. 61 Ploog: »Cut-up revisited«, S. 44. 62 Ebd., S. 45. 63 Jürgen Ploog: »Aufbau einer Situation in Worten«, in: Vetsch (Hg.): »Ploog Tanker«, S. 20. 64 Ploog: »Cut-up revisited«, S. 42. 65 Hans Arp: »wortträume und schwarze sterne. auswahl aus den gedichten der jahre 1911–1952«, Wiesbaden 1953, S. 6. 66 Vgl. Carl Weissner: »Das Anti-Environment der Cut-up Autoren«, in: Ders: »Eine andere Liga: Der Tod in Paris. Roman und Stories, bei denen man auf die Knie geht und vor Glück in die Fußmatte

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beißt«, hg. von Matthias Penzel und Vanessa Wieser, Wien 2013, S. 39. Jörg Fauser am 13.7.1963 an seine Eltern, in: Jörg Fauser: »›Ich habe eine Mordswut‹. Briefe an die Eltern 1956–1987«, Frankfurt a. M. 1993, S. 18. Ebd., S. 19. Vgl. Jörg Fauser: »Kein schöner Land«, in: Fauser: »Der Strand der Städte«, S. 974. Jörg Fauser zitiert nach: Matthias Penzel / Ambros Waibel: »Rebell im Cola-Hinterland. Jörg Fauser. Die Biografie«, Berlin 2004, S. 24 f. Jörg Fauser: »Fallada«, in: Ders.: »Der Strand der Städte«, S. 1036. Ebd., S. 1040. Jörg Fauser am 26.1.1967 an seine Eltern, in: Fauser: »Ich habe eine Mordswut«, S. 29. Jörg Fauser: »Rohstoff. Werkausgabe in neun Bänden«, hg. von Alexander Wewerka, Zürich 2009, Bd. 2, S. 26. Siehe auch: Penzel / Waibel: »Rebell im Cola-Hinterland«, S. 57. Stephan Resch: »›We’ll never stop living this way‹: Drugs in German Literature from 1945 to the present«, in: »AUMLA« 55 (2008), S. 86. William S. Burroughs: »Naked Lunch. The Restored Text«, London 2015, S. 7. Jörg Fauser: »Tophane«, in: Ders.: »Alles wird gut. Gesammelte Erzählungen und Prosa I, Werkausgabe in neun Bänden«, hg. von Alexander Wewerka, Zürich 2009, S. 307. Tiny Stricker: »Trip Generation«, Hamburg 1972, S. 14. Fauser: »Tophane«, S. 336. Ebd., S. 341. Jörg Fauser zitiert in: Ders.: »Jörg Fauser Edition. Erzählungen I«, hg. von Carl Weissner, Hamburg 1990, Bd. 3, S. 40. Stricker: »Trip Generation«, S. 19. Fauser: »Tophane«, S. 312. Allen Ginsberg: »Howl«, in: Ders.: »LyrikPoetry. Zweisprachige Ausgabe«, Berlin 2022, S. 31 ff. (Übersetzung: Clemens J. Setz). Fauser: »Tophane«, S. 344. William S. Burroughs: »Naked Lunch«, Frankfurt a. M. 1978, S. 291. William S. Burroughs: »The Soft Machine«, London 2010, S. 6. Fauser: »Tophane«, S. 307. Burroughs: »The Soft Machine«, S. 11. Vgl. ebd. Fauser: »Tophane«, S. 321.

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 93 Resch: »We’ll never stop living this way«, S. 87 (Übersetzung der Verfasser).  94 So definiert Winfried Menninghaus den Begriff Ekel. Winfried Menninghaus: »Ekel. Theorie und Geschichte einer starken Empfindung«, Frankfurt a. M. 1999, S. 7.  95 Jürgen Ploog: »Enthüllungen über Harry Gelb oder Unser Mann in Istanbul. The untold Story«, in: Fauser: »Gesammelte Erzählungen und Prosa I«, S. 429.  96 Ebd.  97 Ebd.  98 Jürgen Ploog: »Die erweiterte Rezeptortheorie«, in: Vetsch (Hg.): »Ploog Tanker«, S. 212.  99 Ebd. 100 Ebd., S. 213. 101 Ebd., S. 216. Es ist unklar, wen Ploog an dieser Stelle zitiert. Es kann sich entweder um William S. Burroughs oder um L. Ron Hubbard handeln. 102 Ebd. Das N-Wort wurde aus dem Originaltext zitiert. 103 Ebd. 104 Ebd. 105 Ploog: »Cut-up revisited«, S. 60. 106 Vgl. ebd. 107 Vgl. ebd., S. 58. 108 Vgl. Vetsch (Hg.): »Ploog Tanker«, S. 10. 109 Jürgen Ploog im Gespräch mit Martina Weber, unter: www.poeten laden.de/martina-weber-juergen-ploog.htm. 110 Jürgen Ploog: »Cola-Hinterland«, Darmstadt 1969, ohne Paginierung (nach eigener Zählung S. 43). 111 Ebd., S. 26. 112 Ploog im Interview mit Hübsch. 113 Marshall McLuhan: »Notes on Burroughs«, in: »The Nation« Vol. 199 Issue 21 (1964), S. 517 (Übersetzung der Verfasser). 114 Vgl. Brief von Burroughs an Brion Gysin am 27.5.1966, zitiert nach: https://realitystudio.org/publications/death-in-paris/in-memory-ofcarl-weissner. 115 Carl Weissner: »Das Anti-Environment der Cut-up Autoren«, in: Penzel/Wieser (Hg.): »Carl Weissner. Eine andere Liga«, S. 43 (ursprünglich als Vorwort von »Cut-up. Der sezierte Bildschirm der Worte«, 1969).

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116 Carl Weissner im Interview: Klaus Wegener, Ulli Möller und Peter Kühl: »Die Mannheim-Connection. Ein Gespräch mit Carl Weissner«, in: »Kozmik Blues« 5 (1987), S. 21. 117 Carl Weissner: »›Wir fuhren die ganze Nacht wie in einem Film.‹ US-Notizen von ‘68 feat. Party für Enzensberger im Chelsea«, in: Ders.: »Aufzeichnungen über Außenseiter. Essays und Reportagen«, hg. von Matthias Penzel, Meine 2020, S. 25. 118 Vgl. Jürgen Ploog: »Ein sprachliches Kraftwerk. Zur Saga Carl Weissner«, in: Penzel / Wieser (Hg.): »Carl Weissner. Eine andere Liga«, S. 86. 119 Carl Weissner im Interview: »Wer ist Carl Weissner oder Wie der Underground nach Mannheim kam«, in: Penzel / Wieser (Hg.): »Carl Weissner. Eine andere Liga«, S. 133. 120 Carl Weissner deutet das an in: »Wer ist Carl Weissner oder Wie der Underground nach Mannheim kam«, in: Penzel / Wieser (Hg.): »Carl Weissner. Eine andere Liga«, S. 133. 121 Matthias Penzel / Vanessa Wieser: »Vorwort der Herausgeber«, in: Dies. (Hg.): »Carl Weissner: Eine andere Liga«, S. 13. 122 Carl Weissner: »Last Exit to Mannheim«, in: »Gasolin 23« 2 (1973), S. 32. 123 Jörg Fauser in einem Brief an Jürgen Ploog, 12. Juli 1973, Deutsches Literaturarchiv Marbach, A: Fauser, Briefe von ihm an Jürgen Ploog, Korrespondenz Jörg Fauser – Carl Weissner. 124 Carl Weissner: »Buk sings his ass off«, in: Ders.: »Aufzeichnungen über Außenseiter«, S. 16 (ursprünglich in »Melzers Surf Rider«, Darmstadt 1970). 125 Vgl. Sybille Grack: »Dichter schießen sich ein. Unfälle bei einer literarischen Podiumsdiskussion«, in: »Die Zeit«, 48 (1968), unter: https://www.zeit.de/1968/48/dichter-schiessen-sich-ein/komplettan sicht. 126 Die unklare Quellenlage ist aufbereitet nachzulesen bei: Dirk Niefanger: »Rolf Dieter Brinkmanns Poetik der Selbstinszenierung«, in: Markus Fauser (Hg.): »Medialität in der Kunst. Rolf Dieter Brinkmann in der Moderne«, Bielefeld 2011, S. 68 ff. 127 Vgl. Grack: »Dichter schießen sich ein«. 128 Walther Huder: »Die Pop-, Beat-, Hippie- und Underground-Generation und ihre Literatur. Frage, Antwort und Bericht«, in: »Welt und Wort. Literarische Monatsschrift« 24 (1969), S. 139. 129 Beschrieben unter anderem bei: Penzel / Waibel: »Rebell im ColaHinterland«, S. 64 f.

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130 Deutsches Literaturarchiv Marbach, A: Weissner, Briefe an ihn von Jürgen Ploog. 131 Jürgen Ploog in einem Brief an Carl Weissner, November 1972, Deutsches Literaturarchiv Marbach, A: Weissner, Briefe an ihn von Jürgen Ploog. 132 Vgl. Interview mit Carl Weissner in: »konkret. Politik & Kultur« 6 (2010), S. 62. 133 Deutsches Literaturarchiv Marbach, A: Weissner, Materialsammlung zu »Gasolin 23«, 1. Ausgabe. 134 »Gasolin 23« 2 (1973), S. 4. 135 Ebd. 136 Vorwort aus »Gasolin 23«, 3 (1974), S. 3. 137 Vgl. Pierre Bourdieu: »Die Regeln der Kunst. Genese und Struktur des literarischen Feldes«, Frankfurt a. M. 1999, S. 353 f. 138 Ebd. 139 Jörg Fauser in einem Brief an Carl Weissner vom 19.8.1971, in: Jörg Fauser, Carl Weissner: »Eine Freundschaft. Briefe 1971–1987«, hg. von Matthias Penzel und Stephan Porombka, Zürich 2021, S. 49. 140 Brief von Jörg Fauser an Carl Weissner vom 30.11.1972. 141 Vgl. Jörg Fauser: »›Wir Schriftsteller existieren eigentlich nur in unseren Texten.‹ Ein Interview mit Jörg Fauser von Ralf Firle«, in: Ders.: »Der Strand der Städte«, Berlin 2014, S. 1527. 142 Ploog: »Straßen des Zufalls«, S. 10. 143 Fauser: »Die Legende des Duluoz«, S. 385. 144 Jack Kerouac: »Unterwegs«, Reinbek bei Hamburg 2011, S. 221 f. (Übersetzung: Thomas Lindquist). 145 Siehe dazu auch: A. Robert Lee: »The Beats and Race«, in: Steven Belletto (Hg.): »The Cambridge Companion to The Beats«, Cambridge, S. 200 ff. 146 Allen Ginsberg zitiert nach Ronna C. Johnson: »The Beats and Gender«, in: Belletto (Hg.): »The Cambridge Companion to The Beats«, S. 165 (Übersetzung der Verfasser). 147 Carl Weissner: »Reklame für Harry Gelb. Ein Vorwort von Carl Weissner«, in: Jörg Fauser: »Die Harry Gelb Story«, Augsburg 1973, S. 7. 148 Ebd. 149 Ebd. 150 In einer Untersuchung der Entwicklung und Bedeutung der sogenannten »Geschlechtscharaktere« hat Karin Hausen gezeigt, dass sich im 18. und 19. Jahrhundert die Aufteilung des Männlichen bzw.

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Weiblichen auf die Sphären des gesellschaftlichen Außen und des Häuslichen gebildet hat. Demnach ist der Mann dem Außen zugeordnet, während die Frau dem Innen verbunden ist. Die Merkmale, die wiederum mit den beiden Sphären verbunden sind, übertragen sich demnach auf die stereotypisierten Eigenschaften, die den Geschlechtern zugesprochen werden. Siehe dazu: Karin Hausen: »Die Polarisierung der »Geschlechtscharaktere«. Eine Spiegelung der Dissoziation von Erwerbs- und Familienleben«, in: Werner Conze (Hg.): »Sozialgeschichte der Familie in der Neuzeit Europas. Neue Forschungen«, Stuttgart 1976, S. 367 f. 151 Ebd., S. 173. 152 Jörg Fauser: »Zum Alex nach Mitternacht«, in: Ders.: »Die Harry Gelb Story«, S. 13. 153 Ebd., »Charly und Harry«, S. 15. 154 Ebd., »Geschenkt«, S. 23. 155 Ebd., »Mister Go goes kaputt«, S. 28. 156 Vgl. Polina Mackay: »The Beat and Sexuality«, in: Belletto (Hg.): »The Cambridge Companion to The Beats«, S. 182 f. 157 Walter Höllerer: »Junge amerikanische Literatur«, in: »Akzente. Zeitschrift für Dichtung« 6 (1959), S. 32 f. 158 Siehe dazu auch: Duval: »Bukowski und die Beats«, S. 28 f. 159 Jörg Fauser: »Informationen fürs tägliche Überleben«, in: Ders.: »Der Strand der Städte«, S. 260. 160 Fauser: »Schreiben ist keine Sozialarbeit«, S. 302. 161 Jörg Fauser: »Das Weiße im Auge«, in: Jörg Fauser: »Mann und Maus. Gesammelte Erzählungen II. Werkausgabe in neun Bänden«, hg. von Alexander Wewerka, Zürich 2009, Bd. 5, S. 40. 162 Ebd., S. 43. 163 Ebd., S. 33. 164 Ebd., S. 35. 165 Jörg Fauser: »Die Bornheimer Finnin«, in: Ders.: »Alles wird gut. Gesammelte Erzählungen und Prosa I. Werkausgabe in neun Bänden«, hg. von Alexander Wewerka, Zürich 2009, Bd. 4, S. 139. 166 Michel Decar: »Auf dem Asphalt«, unter: https://www.sueddeutsche. de/kultur/deutsche-literatur-auf-dem-asphalt-1.4461325. 167 Maxim Biller im Gespräch mit Josef Bielmeier, in: »Alpha-Forum«, Sendung vom 11.10.1999, unter: https://kipdf.com/maxim-billerschriftsteller-im-gesprch-mit-josef-bielmeier_5ad1e81b7f8b9a778d8b 45b6.html.

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168 Benjamin von Stuckrad-Barre: »Durst war ja auch nur ein Synonym für Leben. Harry Gelb in Rohstoff«, in: Jörg Fauser: »Rohstoff. Werkausgabe in neun Bänden«, hg. von Alexander Wewerka, Zürich 2009, Bd. 2, S. 291. 169 Franz Dobler: »Der Blues geht nicht weiter«, in: Jörg Fauser: »Trotzki, Goethe und das Glück. Gesammelte Gedichte und Songtexte, Werkausgabe in neun Bänden«, hg. von Alexander Wewerka, Zürich 2009, Bd. 7 S. 385. 170 Matthias Matussek: »Wie ich von rechts nach links gelangte«, in: »Die Zeit«, 6.7.2017, unter: https://www.zeit.de/kultur/2017-07/68ermatthias-matussek-rechtspopulismus-identitaere/komplettansicht. 171 Inwieweit sowohl Fausers als auch Bukowskis Literatur in gewisser Weise ein politisches Schreiben nolens volens ist, lässt sich bei Russell Harrison und meiner Monografie »Der Wirklichkeit verfallen« nachlesen. Russel Harrison: »Against the American Dream. Essays on Charles Bukowski«, Santa Rosa 1995, S. 159–182; Simon Sahner: »Der Wirklichkeit verfallen. Deutsche Beat- und Undergroundliteratur 1960–1980«, Bielefeld 2022, S. 188–193. 172 Jörg Fauser: »Heiße Kartoffel. (Zu zwei Büchern des amerikanischen Schriftstellers Charles Bukowski)«, in: Ders.: »Der Strand der Städte«, S. 179. 173 Penzel / Waibel: »Rebell im Cola-Hinterland«, S. 79. 174 Karl O. Paetel: »Einleitung«, in: Ders. (Hg.): »Beat. Eine Anthologie«, Reinbek bei Hamburg 1962, S. 18. 175 Zitiert nach Jörg Fauser: »Das Risiko der Erkenntnis«, in: Ders.: »Der Strand der Städte«, S. 676. 176 Ebd., S. 677. 177 Anonym: »Clint Eastwood ist Hamlet«, in: »Junge Freiheit«, 10.7.2009, unter: https://jungefreiheit.de/kultur/2009/clint-eastwoodist-hamlet. 178 Ebd. 179 Ebd. 180 Carolin Amlinger / Oliver Nachtwey: »Gekränkte Freiheit. Aspekte des libertären Autoritarismus«, Berlin 2022, S. 239. 181 Guido Speckmann: »Sekt hat das Sagen«, in: »Neues Deutschland«, 15.10.2019, unter: https://www.nd-aktuell.de/artikel/1127015.buchmesse-frankfurt-main-sekt-hat-das-sagen.html. 182 Charles Bukowski an Carl Weisser, 3.5.1978, in: Charles Bukowski: »Schreie vom Balkon. Briefe«, Hamburg 2012, S. 316 f. 183 Charles Bukowski an Carl Weissner, 18.11.1966, in: Ebd., S. 125.

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184 Interview mit Charles Bukowski: Jay Dougherty: »Charles Bukowski and the Outlaw Spirit. An interview with Charles Bukowski«, in: »Gargoyle« 35 (1988), S. 94 (Übersetzung der Verfasser). 185 Vgl. Interview mit Carl Weissner: Jay Dougherty: »Translating Bukowski and the Beats. An Interview with Carl Weissner«, in: »Gargoyle« 35 (1988), S. 69. 186 Ambros Waibel: »Der Mann, der Bukowski erfand«, in: »die tageszeitung«, 25.1.2012, unter https://taz.de/!5102282. 187 In der Rubrik »Bücher neu in Deutschland«, »Spiegel« 31 (1970), S. 116. 188 Albert-Reiner Glaap: »›Translation is at best an echo‹ – Probleme des Übersetzens englischsprachiger Literatur«, in: Herwig Friedl, AlbertReiner Glaap / Klaus Peter Müller (Hg.): »Literaturübersetzen: Englisch. Entwürfe, Erkenntnisse, Erfahrungen«, Tübingen 1992, S. 136. 189 Christian Heger: »Die rechte und die linke Hand der Parodie. Bud Spencer, Terence Hill und ihre Filme«, Marburg 2019, S. 123. 190 Charles Bukowski: »Notes of a Dirty Old Man«, London 2008, S. 30. 191 Charles Bukowski: »Aufzeichnungen eines Außenseiters«, Darmstadt 1970, S. 39. 192 Ebd., S. 40. 193 Ebd. 194 Carl Weissner: »Der Dirty Old Man von Los Angeles«, Vorwort zu: Charles Bukowski: »Gedichte, die einer schrieb, bevor er im 8. Stockwerk aus dem Fenster sprang«, Augsburg 1974, S. 8. 195 Ebd., S. 9. 196 Interview mit Carl Weissner mit dem »Kulturmagazin, Stadtillustrierte für Wuppertal, Solingen und Remscheid«, in: »Wer ist Carl Weissner? Oder wie der US-Underground nach Mannheim kam«, in: Penzel / Wieser: »Eine andere Liga«, S. 151. 197 Interview mit Weissner, in: Dougherty: »Translating Bukowski and the Beats«, S. 82. 198 Michael Buselmeier: »Geschichten vom alltäglichen Wahnsinn. Ein Porträt des amerikanischen Schriftstellers Charles Bukowski«, in: »Die Zeit« 42 (1977), unter: https://www.zeit.de/1977/42/geschich ten-vom-alltaeglichen-wahnsinn/komplettansicht. 199 Jörg Fauser: »Playboy-Interview mit Charles Bukowski«, in: Ders.: »Der Strand der Städte«, S. 306. 200 Weissner: »Reklame für Harry Gelb«, S. 8.

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201 Vgl. Interview mit Carl Weissner: Klaus Wegener, Ulli Möller und Peter Kühl: »Die Mannheim-Connection. Ein Gespräch mit Carl Weissner«, in: »Kozmik Blues« 5 (1987), S. 22. 202 Siehe Briefe an Walter Hartmann, in: Vetsch (Hg.): »Ploog Tanker«, S. 146 u. S. 146. 203 Vgl. Vetsch (Hg.): »Ploog Tanker«, S. 82, 154, 166. 204 Jürgen Ploog: »Kinder der amerikanischen Nacht«, in: Ders.: »­Strassen des Zufalls. Über William S. Burroughs & für eine Literatur der 80er Jahre«, Bern 1983, S. 9 f. 205 Ebd., S. 9. 206 Jack Kerouac: »Unterwegs«, Reinbek bei Hamburg 2006, S. 17. 207 Allen Ginsberg: »Geheul«, in: Ders.: »Lyrik. Poetry. Zweisprachige Ausgabe«, Berlin 2022, S. 47. 208 Ploog: »Cut-up revisited«, S. 45. 209 Jürgen Ploog: »RadarOrient«, Berlin 1976, S. 49 f. 210 Ploog: »Strassen des Zufalls«, S. 34. 211 Ploog: »RadarOrient«, S. 27. 212 Ebd., S. 8. 213 Fauser: »Die Legende des Duluoz«, in: Ders.: »Der Strand der Städte«, S. 385 f. 214 Pociao: »Am Anfang war die Zukunft«, in: Dies. u. a.: »Amok / Koma. Ein Bericht zur Lage«, Bonn/Hamburg 1980, S. 245. 215 Enno Stahl: »RAWUMS — Die »Jungen Wilden« der Literatur. »Popautoren« der 1980er Jahre«, in: »Studia Litterarum« (2019), S. 143. 216 Fauser: »Rohstoff. Werkausgabe in neun Bänden«, S. 10. 217 Ebd., S. 246. 218 Wolfang Borchert: »Unterwegs. Generation ohne Abschied«, in: »Ders.: Das Gesamtwerk«, hg. von Michael Töteberg, Reinbek bei Hamburg 2009, S. 68. 219 Ploog: »Straßen des Zufalls«, Berlin 1998, S. 11 (in der ersten Ausgabe von 1983 wird »Sturm & Drang« noch nicht wörtlich erwähnt, erst bei der Wiederauflage 1998, hat Ploog es eingefügt).

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— edition essay —

1 Heribert Tommek: Flecken Walter Höllerer und die Epiphanien der Moderne 190 Seiten 2 Simon Sahner: Gegen die Fußgängermentalität Deutsche Beat- und Undergroundliteratur 140 Seiten