Bomarzo: Ein Garten gegen Gott und die Welt 9783035610536, 9783035612035

A Mannerist Garden Masterpiece In his famous garden that "resembles only itself and no others," Vicino Orsin

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Bomarzo: Ein Garten gegen Gott und die Welt
 9783035610536, 9783035612035

Table of contents :
Inhaltsverzeichnis
Vorwort
Ein Garten gegen Gott und die Welt
I. Introitus: Goldenes Zeitalter und Jenseitswelt
II. Plateau der etruskischen Götter: Identität und Selbstbehauptung
III. Am arkadischen Feld
IV. »le cose inferiori e superiori«
V. Abstieg in den etruskischen Orkus
VI. Im etruskischen Orkus
VII. Exitus: Das Ende ist wie der Anfang
Gedankensprung: Die Papacqua des Cristoforo Madruzzo
Exkurs: Vicino der Epikureer
Anhang

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BOMARZO

Edition angewandte

Buchreihe der Universität für angewandte Kunst Wien Herausgegeben von Gerald Bast, Rektor

Renate Vergeiner

Bomarzo

Ein Garten gegen Gott und die Welt

Birkhäuser Basel

für Peter Gorsen

Inhaltsverzeichnis

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Vorwort

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Ein Garten gegen Gott und die Welt

16 18 20 25 26 33 37

Hermetik Der Heilige Wald Vicino Orsini Herr von Bomarzo, Fürst von Arkadien Prädestination Pan, Herrscher der Wildnis Ewiges Leben

113 123 124 127 128 131 135

Dis Pater Orka Inschriften auf Urnen und Amphoren Hekate Brunnen Pans Tomba Arkosolbank

139 III. Am arkadischen Feld 144 Aufstieg zur Hölle

45

I. Introitus: Goldenes Zeitalter und Jenseitswelt

46 51 58 67 79

Reise nach Arkadien Vorwäldchen Sphingen Schiefes Haus Ausblick auf die Hekate

86

II. Plateau der etruskischen Götter: Identität und Selbstbehauptung

93 Anna Perenna 100 Kriegselefant 107 Drachenkampf

153 IV. »le cose inferiori e superiori« 153 157 161 167 169 173 180 182

Aufstieg zum Heiligen Berg Tempietto Sternwarte Kerberos Proserpina Symposion Wappenbären Im Schattenreich

193 194 197 200

Rückkehr vom Tempelberg Etruskischer Felsen Versunkener Tempel Felsenbank

203 V. Abstieg in den etruskischen Orkus 203 Crucibile 209 Kampf der Giganten 217 Tomba

223 VI. Im etruskischen Orkus 229 231 235 241 243 244 246 248 251 257

Dromos Helikon Tartaruga Orka Nymphäum Drei Grazien Wächterlöwen Satiresse Im Nymphäum Delfinbrunnen

278 283 284 287 290

Westterrasse des Palazzo Ducale Südostterrasse des Palazzo Ducale Nordterrasse des Palazzo Ducale Amphitheater Obelisken: Signatur und Datierung

295 Gedankensprung: Die Papacqua des Cristoforo Madruzzo

303 Exkurs: Vicino der Epikureer

259 VII. EXITUS: Das Ende ist wie der Anfang Anhang

260 263 263 272 276

Ägypten in Etrurien Isis Hermes Trismegistos Panhermen, Isis-Koren und Janusköpfe Dialoghi: weltliches Latein und heiliges­ Volgare

316

Personenregister

320

Bibliografie

324

Fußnoten

351

Abbildungs­nachweis

352

Impressum

Vorwort

Der Heilige Wald von Bomarzo ist ein ausgeklügeltes Wahnsystem im besten Sinne des Wortes. Nach dem Willen seines Schöpfers Vicino Orsini vereinigt es die Weisheit der ganzen Welt und kann also wirklich mit »nur sich selbst und nichts anderem« verglichen­werden, ein Anspruch der gleichsam zwangsläufig darauf hinausläuft, dass sich an diesem Ort Weisheit und Wahnsinn kongenial vereinen. Diesem Buch liegt eine Habilitation an der Univer­­ sität für angewandte Kunst zugrunde (Der Heilige Wald von Bomarzo. Das Paradies auf Erden, Uni­ versität für angewandte Kunst Wien 2001), die eine durchgängige und zusammenhängende Deutung der mostri im Sinne eines Programmes unternommen hatte. Im Kontext mit zeitgleich entstandenen Villeggiaturen in Bagnaia, Caprarola und Soriano ergab sich, dass das Wäld­chen des Fürsten Orsini deren Zentrum gewesen war. Das Wäldchen war und ist eine vollkommen extra­ vagante, oppositionelle und originelle Darstel­ lung des Lebens als Läuterungsweg, als Wand­ lungs­geschehen, in dem Leidenschaft Vorrang vor Frömmigkeit eingeräumt wird, und Lust über Todesfurcht triumphiert. Die schrecklichen Monster in Bomarzo und die schamlosen­Satyrn Sorianos antworteten auf die existenzielle Krise des Renaissance­menschen und zeigen anschaulich, wie das Christentum abseits

aller reformatorischen und gegenreformatorischen Kriegereien an die Welt der Neuzeit überliefert werden hätte können. Während Giordano Bruno, der mit seinen Heroischen Leidenschaften den Weg gewiesen hatte, sieben Jahre in der Engelsburg gefoltert und schließlich als Ketzer verbrannt worden­war, frönte Fürst Vicino Orsini in der Sicherheit seines weltabgeschiedenen Bomarzo unbehelligt seinen intellektuellen und anderweitigen Lüsten. In der Attitüde des antiken Philosophen mit langem Haar und Bart, die sich mit der des biblischen Moses in der Papacqua überschneidet, stellte er sich als Prophet, Magier und Herrscher eines neuen Goldenen Zeitalters dar. So wie der Ort eine kongeniale und unentwirrbare Einheit von Kunst und Natur bildet(e), beschreiben­ die Fotos, indem sie Ursache und Wirkung in einem sind, den Verlauf der Gedankengänge durch das Wäldchen. Im Kontext belegen sie groß­ formatig­als Illustrationen, aber auch klein, im Range von Fußnoten, die These eines hermetischen Läuterungsweges und einer Erlösungshoffnung, die sich nicht am römischen­Papst, sondern an den umstürzlerischen Ideen des Giordano Bruno orien­ tierte. In seinem neuplatonischen Arkadien und innerhalb des Melancholiesyndroms des 16. Jahr­ hunderts inszenierte sich Vicino als unglück­ licher, Zeit seines Lebens Gejagter, als moderner Aktaion, dessen lebenslängliche­Verzweiflung und Sinn­suche im heroischen Nymphäum des Heiligen Waldes zu Ende kommt.





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• Georges Glasberg, »Détail de la tête monstrueuse«, Foto­g rafie aus: André Pieyre de Mandiargues, Les mons­ tres de Bomarzo, 1957

Die Monstrosität und Obszönität seiner Darstel­ lungen waren von Inschriften kommentiert, die damals ungeheuerlich wirkten. Ihre korrekte Über­ setzung wurde deshalb hier nicht in der wortwörtlichen, sondern einer neuen, dem renaissancezeitlichen Italienisch entsprechenden Übersetzung vorgenommen, die auch für die Briefe sinnvoll erschien, die in ihrer sehr speziellen Mischung aus italienisch-vulgärsprachlichen, lateinischen und spanischen Elementen bedeutsame Aufschlüsse geben­(im Fußnotenteil).

Fotograf auf meinen Reisen unterstützte und auch bei Herrn Daniel Guarise möchte ich mich für den geistigen Austausch und die Überlassung mehrerer Fotos bedanken. Großen Dank schulde ich Herrn Prof. Metzetlin von der Universität Wien, Institut für Romanistik, der mich in den Übersetzungen beraten und bestärkt hat, wodurch gerade dem deutschsprachigen oder dem nur des modernen Italienischen Kundigen in einigen wichti­gen Fällen der oft mar­kante oder auch nur feine Unterschied in der Bedeutung vermittelt werden­soll.

In Ergänzung der bestehenden und meiner Grund­­­­lagenforschung wurde über Jahre hinweg­ und zu allen Jahreszeiten und Bedingungen im Wäldchen und im Palazzo Ducale fotografiert sowie in Archiven, Museen und Sammlungen nach neuen Dokumenten und Bildbelegen zu Bomarzo geforscht, und nicht zuletzt wurden auch vor Ort die laufenden­archäologischen Grabungen dokumentiert und interpretiert. Es ist das ausdrückliche Bestreben dieser Arbeit, die Bomarzo-Forschung voran­zutreiben.

Die italienische, französische, niederländische und amerikanische Literatur, die an der dominanten Arbeit Bredekamps gemessen, und auch für die hier vorgestellte These eines hermetischen­Gartens von untergeordneter Bedeutung ist, wird nach den für diese Arbeit relevanten Büchern und Aufsätzen im Anhang angeführt, und bei passender Gelegenheit in den Fußnoten.

Die Bedeutung, die vor allem Künstler dem Hei­ligen Wald zuerkannten, mag als Hinweis dafür genommen werden, dass alles an diesem Ort persönlich gemeint ist und nichts dem Zufall überlassen – als einzigem Gesetz der Willkür des Einzelnen unterworfen. Naturrecht für jeden – jedoch unter der geistigen Führung des fürstlichen Gast­gebers. Die Entschlüsselung der Vicino’schen Privatmythologie ist möglich, weil nachvollziehbar. Der Heilige Wald ist sein Vermächtnis und ein Weltkunstwerk per definitionem. Mein Dank gilt insbesondere Prof. Dr. Peter Gorsen, ohne den ich vieles gar nicht hätte denken­und nachvollziehen können. Ganz herzlich danke ich Familie Bettini, die mir uneingeschränkten Zugang zu allen Einrichtungen und ins Museum sowie ihren persönlichen­ Schutz und Protektion gewährte und den Kontakt zu Herrn Vittorio Ercolane herstellte, der mir vor Ort mit seinem Wissen und seinen Verbindungen behilflich war. Ganz besonders bedanke ich mich bei Herrn Dr. Alfred Weidinger, der mich als Kollege und

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Ein Garten gegen Gott und die Welt

Erst nachdem der »Park der Monster« wie seine eleganten Gegenbeispiele als Paradiesgarten betrachtet wurde, gab er gleichsam freiwillig manche­seiner Geheimnisse preis, denn: Die erste Bestimmung des Paradieses ist Überleben in einer feind­lichen Umwelt. Unfreund­liche und frustrierende Gegebenheiten, zu denen das Paradies sich als Gegenwelt verhält, sind unabding­bar. Nicht aufzugeben, sich selbst treu zu bleiben­in einer schlechten Zeit und Gesellschaft war denn auch das Programm des Wäldchens, das den Überlebenskampf in Wüste und unter Bestien auf die Selbstbehauptung des Individuums im Dschungel der römischen Politik ummünzte: In letzter Konsequenz und humanistisch gesteigerter­ Intellektualität verwandelte Fürst Vicino Orsini mit seinem Rückzug in die Wildnis diese zu einem intellek­tuellen Ort, und sich selbst in ein wildes­ Tier. Vicinos etwas aufgesetzt wirkende Begeisterung über seine Zurückgezogenheit und Befriedigung im Boschetto zielte nicht auf einen Abbruch der Beziehungen zur angeblich so verhassten­Welt Roms, sondern auf Bestätigung, denn nur von hier konnte er sich die überzeitliche Wertschätzung erwarten, die ihm in der Provinz mit Sicherheit versagt bleiben würde. Der oppositionelle, antikirchliche, ja sogar häretische Charakter seiner­ Schöpfung entsprach und entsprang jener Hassliebe des Städters für die Stadt und war ein wesent­liches Ingrediens der naturhaften

Konzeption des Wäldchens. Der handverlesene­Freundes­ kreis stellte für den zurück­ gezogenen­Vicino das Tor zur »Welt« dar, indem er von ihm mit Nachrichten und Büchern versorgt wurde und sich wiederum bei jenem mit den paradiesischen Erzeugnissen eigener Landwirtschaft bedankte. Das geheime Band dieser zwischen Gelehr­sam­ keit und Zotigkeit oszillierenden Freundschaft scheint ihre Freigebigkeit gewesen zu sein, mit der sich die Freunde an den jeweils ihnen zugänglichen »Lebens­mitteln­« teilhaben ließen­. Wie ein roter Faden zieht sich die Idee des Symposions, der »banchetti perpetui­«1, in denen sich die Sorg­losigkeit der ewigen­ Jugend selbst noch im Angesicht des Todes verkörpert­, durch Vicinos Biografie. Der Begriff des Gast­mahles mit Freunden, der gelehrte und sinn­liche Austausch mit den ihm Nahestehenden ist dementsprechend zum Leitmotiv und Schlüssel des Wäldchens geworden.

• Vermutlich Porträt des jun­ gen Vicino Orsini. Detail des Freskos »Kriegszug unter der Führung von Kardinal Ales­ sandro Farnese und Karl V. gegen die Luther­aner«, 1560–1566 von Taddeo und Federico Zuccari in der Sala dei Fasti Farnesiani, Caprarola, Villa Farnese

• Blick auf das Theater



Ein Garten gegen Gott und die Welt 15

(Ausschnitt von Abbildung S. 21)

• Lucas Cranach, »Das Goldene Zeitalter«, um 1530 Nationalgalerie, Oslo. Links im Bildhintergrund auf einem Hügel die Burg, aus der wohl die höfische Gesellschaft gekommen ist, um im ummauerten Garten Reigen zu tanzen, zu schwimmen oder der Liebe zu pflegen.

Hermetik

folgt der Leser dieses Buches als Gast dem Weg, auf den ihn der Fürst in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts würde verleitet haben.

Die paradiesische Konstitution des Wäldchens und vor allem die Nähe zu den etruskischen Nekropolen bildeten den Rahmen für die Utopie des Wäldchens. Der Bezug auf Heimat und Vergangenheit als auch auf die harmlosen arkadischen­Topoi von Hirten­ leben, Schatzsuche und Jagd täuschten einen locus amoenus vor, in dem sich jedoch ständig­Abgründe auftaten­, denen mit riesigen­, an Abgründen gela­ gerten­Figuren entsprochen wurde. Monu­mentale Vasen, Urnen, Eicheln und Pinienzapfen makier­ ten sieben besondere­Bereiche innerhalb des Geländes. Eine Rekons­truktion der ehe­maligen Ikonografie der Topografie, der Archi­tekturen und Bepflanzungen2 sowie viele berechtigte Asso­ziationen müssen teilweise im Imaginären und Speku­lativen verbleiben, weil es auch die Wasserspiele und Tiergehege nicht mehr gibt, die die steinernen Wunder mit sinn­lichem Leben erfüllten. Dazu kommt, dass der spezielle Bildungs­ hintergrund vor dem sie erlebt wurden nur mehr annähernd nachvollzogen werden kann. Deshalb

Es sind in erster Linie Vicinos Briefe, die einen lebens­nahen Einblick in seine Persönlichkeit geben und implizit die Entstehung des Wäldchens dokumentieren, weshalb sie auszugsweise im Anhang neu übersetzt als Fußnoten gebracht werden. Der Briefverkehr steht in direktem Zusammenhang mit dem ikonografischen Programm des Wäldchens sowie den dort und an den Terrassen des Palazzo Ducale angebrachten Inschriften. Vicino definierte sein Paradies räumlich und zeitlich als etruskische aetas­ aurea, die ein ideales­ Sein bedeutete: Gegenwelt, Selbstbestimmung, Zeitlosigkeit, Liebesfreiheit und Identitätswechsel repräsentierten als die Vergnügen des Landlebens geistvolle Strategien der individuellen Wandlung und Erlösung. »Errettung« und auch die überkommene Verhei­ ßung einer »Befreiung von allem Bösen« sind als Zivili­sationskritik und als Absage an etablierte

Werte zu verstehen. Zusammengenommen und klug inszeniert verliehen sie dem Heiligen Wald jene mysteriös zwiespältige Atmosphäre, die allen von der Außenwelt abgeschlossenen Retiri gemeinsam­ ist.3 Weil die Fiktion der Gegenwelt nie und nimmer – wie auch die Betrachtung religiöser und politi­ scher Utopien zeigt – im Hier und Jetzt stattfindet­, erforderte ihre Realisierung im Wäldchen­die Herausnahme aus Raum und Zeit. Desgleichen­ löste sich die Gebundenheit des Indivi­duums in alchemistischen Prozessen auf, was im Identi­ tätswechsel vom Fürsten Orsini zum Naturwesen des Orsino lautmalerisch sinnen­f ällig wurde.

In der Metapher des hortus conclusus verschloss sich der Heilige Wald den »balordi­« (»Tölpeln«, siehe im Folgenden und unter Fuß­note 56), eine recht eindeutige Formulierung Vicinos, die darauf hindeutet, dass das Wäldchen tatsächlich hermetisch abgeschlossen war und der Einlass mit dem Aspekt der Initiation verbunden.

• Bomarzo: Blick auf die Ortschaft mit dem Palazzo Ducale. Wie auf dem Bild Cranachs liegen der Hügel mit der Ortschaft Bomarzo und jener mit dem Wäldchen einander direkt gegenüber und halten Sichtkontakt.



Ein Garten gegen Gott und die Welt 17

Der Heilige Wald Bomarzo in der nördlich von Rom gelegenen­ Provinz, nahe der Stadt Viterbo, gilt als eines der merkwürdigsten Arrangements der Kunst­ geschichte. In provinzieller Abgeschieden­heit, die in krassestem Widerspruch zur Monstrosität und Zügellosigkeit der Skulpturen steht, steigen hier wie aus der Unterwelt Gestalten aus Mythologie und Literatur ans Licht des Tages. Die Topografie des Ortes legt eine Gleichsetzung mit der seelischen Unterwelt des nachvollziehenden und bewältigenden Gedächtnisses nahe. Inschriften im Heiligen Wald verstärken die Aura des Ortes mit ihren Anspielungen auf eine irreale, traum- und wahnhafte Wahrheit und Authentizität, die der wirklichen Welt und Identität gegenüberstehen. Der Heilige Wald von Bomarzo ist wegen seiner Einzigartigkeit berühmt. Dabei wurden gerade hier die traditionellsten Motive und Ideen verwirklicht. Es besteht keine Veranlassung, den Heiligen Wald als singuläres Phänomen und als Machwerk eines mehr oder weniger verrückten Adeligen zu verharm­losen – seine Qualität lag und liegt vielmehr in seiner allgemeinen Gültigkeit. Wie den zeitgenössischen Rezensionen zu entnehmen ist, galt er als Inspiration und Aufforderung, über den intellektuellen Prozess der Ver-rückung aus dem wachen und vernünftigen Bewusstsein auszubrechen, um zu Erkenntnis und Läuterung zu gelangen. Die fantastische Ausstattung des Ortes erschuf eine Realität, die sich auf die Wahrnehmung über­ trug. Der ständige Wechsel zwischen Kunst und Natur bewirkte, dass nichts das war, was es schien. Also existierte das Wäldchen tatsächlich und zugleich körperlos als ein Reich zwischen Traum und Wirklichkeit. Darin ließ es sich weniger den üblichen Gartenanlagen vergleichen als den sogenannten Wunschräumen, die umso berühmter sind, als sie keinen wirklichen Garten, sondern eine Idee darstellen. Die altorientalische Pairi-daeza, der umwallte Garten, ist die Vorlage für die Idee des Paradieses.

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Ein Garten gegen Gott und die Welt

Das Phänomen spannt einen Bogen zu den Anfängen der Menschheit. Mythologie und Psycho­ logie verlegen es in prähistorische Zeit, seit der es das absolute Glück und die vollkommene Harmonie verkörpert. Die Sehnsucht nach dem Paradies begründet sich in einer irrationalen und mythischen­Erinnerung an eine glückvolle Zeit an einem als Garten gedachten Ort. Der Mythos vom Paradies verbindet das Glücksgefühl der früh­k indlichen Phase, in der das Ich eine Einheit mit dem mütterlichen Urmedium bildete­, mit der Vorstellung eines Lebens wie es sein könnte, wenn es nicht so wäre, wie es ist. Diese Allianz stellte sich für den Heiligen Wald als schicksalhaft heraus­. Das Paradies ist das statische, unverrückbare­und unzerstörbare Bild eines Zustandes, und »Über­ leben in einer feindlichen Umwelt« gleichsam­ ein Prototypus von Humanitas. Das von Sonne, Wind und Wüste sowie lebensbedroh­lichen Über­ schwemmungen bestimmte Zweistromland Meso­ potamien, wo sich nomadi­sierende Menschen­ gruppen vor rund 10.000 Jahren langsam zu ackerbautreibenden Völkern entwickelten, deren Kultur auf Naturbeobachtung und -beherrschung beruhte, ist das Ursprungsland des Paradieses, oder der Idee eines Garten Eden. 4 Obwohl seine Ursprünge landwirtschaftlicher Natur sind und auf den Über­ lebenswillen der frühesten Kulturen zurück­gehen, besteht die Realität des Paradieses grundsätzlich in seiner Metaphorik und Unwirklichkeit. Schon relativ bald hatte sich der einfache Garten von seiner rein landwirtschaftlichen Bestimmung zum Abbild der göttlichen Schöpfung entwickelt­ und stand nunmehr für Inhalte, die direkt mit dem spirituellen Über­leben des Menschen assoziiert­ wurden­. Die praktische Beobachtung des Phänomens zeigt, dass nicht Gott, sondern der Mensch das Paradies erschaffen hat. Es entstand nicht am Anfang aller Dinge, sondern ist vielmehr die Antwort auf die vom Menschen zivilisatorisch verunstaltete Welt. In Vicinos Paradies galt das in antiker Zeit auf Arkadien übertragene und im Cinquecento neuplatonisch-neuetruskisch und neuepikureisch begründete Modell eines selbstbestimmten­ Lebens. Überleben hatte im manieristischen

Gesamtkunstwerk des Sacro Bosco eine neue Konnotation erfahren, denn in Vicinos Auslegung des Paradieses bot die herkömm­liche Idylle im Rahmen der Forderung nach Selbst­bestimmtheit und Authentizität zusätzlich noch die Befriedigung atavistischer Bedürfnisse, die im Kontext des Gegen­weltlichen Liebesfreiheit bis zum Natur­ recht auslegte. Die schreckliche Authentizität, die terribilitá­(Schrecklichkeit), die im italienischen Manierismus als Ausweis geistiger Überlegenheit galt5, korrespondierte der unterweltlichen Struktur des Wäldchens. Die Topografie des Ortes war selbst schon Ikonografie, als sie mit der etruskischen Kultur untrennbar verbunden­ war. Der ständige Rekurs und der Austausch mit der »Welt der Menschen und Meinungen« (Plato) machte den Garten – der Paradies, Eden, Hortus, Minne­gärt­lein, Arkadien, Kythera und manches mehr heißen kann – zur Projektionsfläche für die üblichen Wünsche, Ängste und Obsessionen, die gemeinhin mit dem Begriff Natur verknüpft werden. Zu Vicinos Zeit entwickelte sich der Begriff Arkadien vorwiegend als gegenweltliche­ Spiegelung der verruchten Stadt – als Ort der Selbstverwirklichung und der Liebesfreiheit, wo der Mensch »das Einssein mit den Urkräften des Lebens erlebte«.6 Arkadien war kein realer­Ort mehr, sondern verfremdete die trostlose griechische Landschaft zur Inszenierung und höchsten­ Steigerungsstufe des Naturbegriffes. Als Ideal war Arkadien so populär wie nie zuvor: Im Neu­ platonismus wurde es in der Neuauslegung der antiken Schriftsteller und Philosophen zu einem Abstraktum. Als Reflex dieser Renaissancen genügte das Wäldchen Vicinos, wie Dotson richtig und unübersetzbar schreibt, dem »most sophisti­ cated Renaissance taste«.7

Illustration der höchst verdächtigen Heroischen Leidenschaften Giordano Brunos angelegt,8 indem es den Wanderer in gefährliche Situationen brachte und an seine Abgründe heranführte: Anschauung fiel sowohl bei Bruno als auch bei Vicino mit dem fulgur, dem Blitzstrahl der Erkenntnis, zusammen. Giordano Brunos Auslegung, dass der menschliche Geist die »blendende Wirkung des Blitzes« nicht aushalte und davon getötet würde,9 nahm auch Vicino als Parabel für die letzte Erkenntnis, die zugleich Tod und Erlösung bringe. Während Bruno die häretischen Implikationen seiner Thesen mit dem Tod verifizierte, setzte sie Vicino mit der Erbauung und Inszenierung eines heroischen Nymphäums in die Tat um.10 Wie innig sich sinnliche Erfahrung im Zwischen­ reich des Gartens mit intellektueller Erkenntnis verbündet, zeigt sich am deutlichsten im Bestreben, den grundsätzlich natürlichen Garten in einen ebenso prinzipiell künstlichen geistigen Ort zu

In seiner Blütezeit, also um 1580, als der Heilige Wald noch entsprechend bepflanzt, bewässert­ sowie von exotischen Tieren bevölkert und durch Symposien belebt war, handelte es sich um Fulgu­ ration im besten Wortsinn: ein materiell und ideell­ naturwissenschaftliches System aus Kunst und Natur, das im Sinne des Ganzen mehr war als die Summe seiner Teile. Das Wäldchen war als



Ein Garten gegen Gott und die Welt 19

• »Lichtmystik« im Inneren des Höllenschlundes

verwandeln: Die Idee des Gartens, oder die Kunst des Gartens, oder auch die ambivalente Stellung des Gartens zwischen Natur und Kunst hatte sich in der Renaissance emanzipiert. Nun war der Garten keine mittelalterlich-symbolische­Metapher mehr für etwas anderes und seine Blumen, Bäume und erst recht das Wasser bedeuteten nichts weniger als sinnlichen Genuss. Auch die materielle und technische Seite der komplexen­Anlage war nicht Selbstzweck. Beides verband sich im Sinne der Fulguration zu einem natür­lichen und doch unwirklichen Konstrukt. Die ständig zwischen Materie und Geist fluktuierende Sphäre der Natur (griech. pantha­ rhei, dt. alles fließt) stellte sich als Träger einer übernatür­lichen Weisheit, eines Wissens um die ersten und letzten Dinge heraus, das sich im ersten­und ältesten Prinzip von Eros und Thanatos manifestierte. Der ständige und doch gleichbleibende Wandel der Natur war die ideale Metapher, und der Garten der ideale Schauplatz für komplexe­Gedankengänge. In der vom Menschen kulti­v ierten Natur trafen die göttlich-natürliche und die menschlich-künstliche Welt aufeinander. In der Sehnsucht nach den Ursprüngen, die zugleich das Ziel dieser Sehnsüchte waren und somit Anfang und Ende in einem, war schon die Idee des Paradieses enthalten, das für den einen eine glückvolle Urvergangenheit, für den anderen eine zukünftige und aus eigener Kraft zu verwirk­ lichende Vision bedeutete. In dieser besonderen Sphäre besaß die sinnliche Realität der Bäume, Blumen, Kräuter und des Wassers eine übertragene Bedeutung, die auf eine übersinnliche, teils sogar verborgene Wahrheit hinwies, sodass bei den meisten Darstellungen von Paradiesgärtlein und horti conclusi nicht klar war, ob es sich um konkrete oder immaterielle Orte handelte. Diese auratische Unbestimmtheit war denn auch ein wesentliches Merkmal des Wäldchens. Dieses Paradies eines übergeordneten, in dem Sinne arkadischen Naturreiches, war viel mehr als nur die Fantasie eines verwöhnten oder abartigen Adeligen, der sich in der Provinz sein lüstern­-intellektuelles Retiro schuf, sondern der Höhepunkt einer kontinuierlichen Entwicklung des Naturverständnisses.

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Ein Garten gegen Gott und die Welt

Vicino Orsini Der Boschetto war so stark mit seinem Schöpfer Orsini identifiziert, das der eine nicht vom anderen zu trennen war. Vicino Orsini wurde am 4. Juli 1523 in Rom geboren.11 Das Erbe, das ihm von seinem­Vater, dem berüchtigten Condottiere Gian Corrado de Orsini durch den vermittelnden­ Kardinal Alessandro Farnese 1542 endlich zugesprochen wurde, umfasste das etruskische Kern­ land mit dem Stammsitz Bomarzo. Durch den Erwerb von Chia und Torre di Chia, die Vicino seinem Bruder Maerbale ablöste, wurden die Gebiete um den Monte Casale im Südosten und dem nordwestlichen Monte Casoli zusammen­ gefasst. Florenz und Venedig wurden in der Folge, und trotzdem Vicino Orsini in Rom zu reüssieren­ schien, wichtige Etappen seiner Entwicklung, die sein Selbstverständnis bis ins Programm des Wäldchens prägten. 1541 fand, nachdem Vicinos langjährige Geliebte Adriana de Roza ganz plötzlich gestorben war, die politisch motivierte Ehe­ schließung mit Giulia Farnese statt, die ihn noch enger an die Papstfamilie anschloss. Bald darauf führten ihn Kriegszüge nach Deutschland und Frankreich. Bei dieser Gelegenheit begründete Vicino seine Freundschaft mit Cristoforo Madruzzo, Alessandro Farnese und Torquato Conti, die den päpstlich-kaiserlichen Zug gegen die Schmalkaldener diplomatisch und praktisch­ koordinierten. Den Winter 1546 bis 1547 verbrach­ ten sie in Deutschland, Anfang 1547 kehrte Vicino nach dem Bruch der päpstlich-kaiserlichen Allianz nach Bomarzo zurück. 1553 führte ihn ein zweiter­ Kriegszug, der ihn nun mit den ehemaligen Fein­ den, den Franzosen, gegen den Kaiser verbündete, nach dem Norden. Im Gefolge der Farnese, die sich dem französischen König anschlossen und diese Allianz 1553 sogar mit der Verbindung Orazio Farneses und der Tochter des Kaisers bekräftigten­, fand sich Vicino erneut bei den Verlierern. Im selben Jahr fiel Orazio in Hesdin und die franzö­ sisch-italienischen Verbände kapitulierten. In Antwerpen gerieten Vicino und Torquato Conti in Gefangenschaft, wurden jedoch bald nach Namur

überstellt, wo sie sich als adelige Kriegsgefangene so manche Vergünstigung zu verschaffen wussten­. Als sich ihre Lage dramatisch verschlechterte und einer von beiden anscheinend ernstlich erkrankte, richteten sie ihre Bitte um Intervention an Alessandro Farnese, der sie immerhin in die trostlose und unverschuldete Lage gebracht hatte. Erst 1554 wurde Torquato Conti, und ein Jahr später Vicino Orsini, freigelassen. Kaum nach Bomarzo zurückgekehrt, wurde er im Kielwasser der Farnese in einen neuerlichen Konflikt verwickelt, diesmal zwischen dem französischen König und Spanien. Als die Farnese erneut die Fronten, diesmal zu Philipp II. von Spanien wechselten – gerade als Vicino in dieser Angelegenheit im Auftrag der Farnese in Frankreich war – kam es zum Bruch mit den Papstenkeln Alessandro und Ottavio, was sich auch im Programm des Wäldchens nieder­schlug. Mit sarkastischem Unterton schrieb Vicino an Ottavio Farnese, dass

er »gedient habe, zu dienen wisse und auch weiter­ hin dienen werde«.12 Als nächstes, und wieder unfrei­w illig, nahm er als Kommandant von Velletri im Auftrag des Papstes am Campagna-Krieg teil. Dabei ging es gegen die fast bis nach Rom vorrückenden Spanier unter dem spanischen Herzog von Alba. Es kam zu einem völlig unnötigen und von den »Päpstlichen« veranstalteten Massaker an der Zivilbevölkerung von Montefortino. Obwohl er es weder angeordnet, noch daran teilgenommen hatte, prägte ihn das Ereignis so stark, dass er sich endgültig und völlig desillusioniert zurückzog. Ab diesem­Moment widmete­er sich bis zu seinem Tod am 28. Jänner 1585 dem Familienleben und seinem­ Wäldchen. Vicinos Charakterbild begründete sich aus diesen­ Erlebnissen menschlicher Niedertracht und der Gebundenheit des Individuums. Erlösung und Läuterung wurden nun zu Symbolen des

• Taddeo und Federico Zuccari, »Kriegszug unter der Führung von Kardinal Alessandro Farnese und Karl V. gegen die Luther­ aner«, 1560–1566, in der Sala dei Fasti Farnesiani der Villa Farnese in Caprarola. Diesen Landsitz ließ Alessandro Farnese, der Enkel des Papstes Paul III., um 1550 nach den Plänen Vignolas errichten und mit einem prachtvollen Garten umgeben. Detail des jungen Vicino Orsini auf S. 15.



Ein Garten gegen Gott und die Welt 21

Renaissancefürsten ist in diesen Briefen gegenwärtig. Parallel zu den Ereignissen seines privaten und öffentlichen Lebens dokumentieren sie die Entstehung des Wäldchens und seine kompen­ satorische Wirkung. Anhand der literarischen und archäologischen Vorlagen, die Vicino Orsini zur Verfügung standen­, ist die originelle, geografisch und genealogisch naheliegende Verbindung des paradiesischen mit dem etruskischen Vor­stellungskreis zu einem Läuterungs­weg nachvollziehbar. Das Programm war von Motiven der Verschlingung und Erlösung bestimmt und als Sehnsucht nach Rück­kehr zu den Ursprüngen in den ständig wiederkehrenden Motiven von Grotten, zähnestarrenden Ungeheuern und vulvischen Formen zum Ausdruck gebracht.15 Seine Logik ergab sich aus der Wechsel­beziehung von locus amoenus und locus terribilis.16

• Im etruskischen Orkus: verschlingende Monster im etruskischen Orkus • Blera: Blick auf die

Wider­standes – gerade deswegen, weil sie von Rom und vor allem von der römisch-katholischen Kirche nicht zu erwarten waren. Vicinos Opposition bestand daher in einer eigenständigen Lösung, die der offiziellen Lehrmeinung anta­gonistisch und konterkarierend gegenüberstand.

Nekropole

Unmissverständlich und bekenntnishaft wirkt der Stil seiner Briefe (siehe Autografe S. 226), die teils in Latein abgefasst sind, teils im Volgare, einer zeitgenössischen und regional fixierten Sprachform, in der sich Vicino »der Endlichkeit der mensch­ lichen Existenz« stellte.13 Insbesondere die immer wiederkehrende Formulierung der »altro mondo«14 bezeichnete wörtlich die Intention einer oppositionellen Gegenwelt zur römischen Gesellschaft und Kirche, die freilich so gut argumentiert war, dass sie von den Uneingeweihten abgeschlossen­ nur einem kleinen Kreis Gleich­gesinnter zugänglich war. Die konfliktbeladene, hochgebildete, chauvinistische und subtile, von Arroganz und Minderwertigkeitsgefühlen, Sinnenlust und Melancholie determinierte Persön­lichkeit des

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Ein Garten gegen Gott und die Welt

Verschlüsselungen verhüllten den wahren Wert des Wäldchens, der im liberalen Kreis um Vicino nicht nur diskutiert, sondern vor allem gelebt wurde:17 Die Villeggiatura als Metapher der Kunst, die sich in der einer hochnoblen Ars Vivendi äußerte und unter der Herrschaft Saturns abspielte – also folg­ ten­die adligen­Fürsten und Kleriker ihrem vor­ gezeichneten­Schicksal, indem sie in den etrus­k i­ schen­Gräbern auf Schatz­suche gingen­18 oder sich in der Gestalt des unglücklichen (melan­cho­lischen) Jünglings Aktaion auf die herme­tische Jagd19 begaben, an deren Ende sie selbst die Beute ihrer geisti­ gen Unrast wurden­. Kunst, Schatzsuche und Jagd waren sublime Meta­phern der Erlösung, mit denen die intellektuelle Elite des Neuplatonismus ihr spiri­ tuelles Bedürfnis nach Selbstvervollkommnung ausdrückte. Konsequent zu Ende gedacht begriff sich Vicino in seiner künstlerischen und geistigen Kreativität, die sowohl intellektuelle Pose als auch natür­licher Hang zum Grübeln war, als Teil eines ewigen Prozesses und daher an der Unsterblichkeit teil­ habend­.



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Ein Garten gegen Gott und die Welt

Herr von Bomarzo, Fürst von Arkadien Bomarzo liegt im Herzen des Etruskerlandes, unweit der Stadt Viterbo und wenig oberhalb­ von Rom. Der Palazzo Ducale, Stammsitz der Familie Orsini, liegt mitten in der Ortschaft Bomarzo, aus der er als einzige einheitliche Form massig­herausragt. Die Ortschaft selbst ist in ihrer mittelalterlichen­Anlage noch unversehrt und gibt einen guten Einblick in die Lebens- und Wohnverhältnisse zu Zeiten Vicino Orsinis. Obwohl es nicht das provinzielle und armselige­ Bomarzo mit dem Palazzo Ducale war, sondern­ die korrupte Welt Roms, die den Anstoß für die Errichtung Arkadiens gab, stand der dominante­ Block des Palazzo Ducale stellvertretend für die Realität der offiziellen Welt, aus der der Fürst mit seinem­gelehrten und unflätigen Freundeskreis auszubrechen wünschte. Die Konfrontation konnte nicht besser gelingen, denn seine Imagination Arkadiens lag gleich auf dem Hügel gegenüber. Die natürliche­Gegebenheit des von einem ungeregelten Bach durchflossenen und von monumentalen Felsblöcken durchsetzten Terrains20 stimmte mit den Äußerungen Vicinos überein, mit denen er seine Rückkehr »in die Wälder Bomarzos« kommentierte.21 Der Rückzug in die Provinz war bereits zivilisationskritisches Aussteigertum; dass die Enge und die Zurückgebliebenheit Bomarzos den verwöhnten Renaissanceadeligen nicht auf Dauer fesselten­ ist so gut nachvollziehbar wie die von hier aus unternommene Entdeckung und Revitalisierung Arkadiens auf dem gegenüberliegenden Hügel. Die an den Terrassen des Palazzo Ducale angebrachten Inschriften dokumentierten dieses Vorhaben. Vicino selbst sprach nur von »mio Boschetto« oder in lautmalerischer Verdrehung in süditalienischem Dialekt von »Bummarzo«, was dem Ort einen irrealen und nach dem Vorbild der Comedia sogar infernalischen Klang verlieh.22

Die Kunstform des italienischen Renaissance­ gartens definierte den Boschetto als zeit­genös­sisches Äquivalent zu Arkadien. Während sich der kultivierte Garten eher mit der christlichen Auffassung eines verlorenen Paradieses verband, galt der Boschetto als zwangfreies Naturreich, in dem der zivilisierte Städter seine Bedürfnisse und Fantasien ausleben, ja sogar einfordern konnte. Der Boschetto als das Reich Pans, in dem hemmungs­ loses Treiben herrschte und die wahre­Identität zum Vorschein kam, stand in Opposition zum zivilisierten Park oder erst recht dem christo­­­logischen Hortus mit seinen idealisierten Vorstellungen von Eros und Thanatos. Aufgeklärte und melancho­ lische Geister wie Vicino stellten die mittelalter­ liche und selbst noch die neuplatonische Kultur mit ihrer Sublimationstheorie, die eine Entfremdung von den authentischen, körperlichen Bedürfnissen bedeutete, in Frage. Antike Philosophen und ultra­ montane Autoren wie Gesner und Celsus, aber vermutlich auch Giordano Brunos Werke die auf dem Index standen, erhielt Vicino von Giovanni Drouet, wie eine lapidare, offensichtlich verschlüsselte Bemerkung über ein Buch nahelegt: »mando a v. s. un libretto in favore delle donne« (»schicke ich Euer Durchlaucht das kleine Büchlein mit dem Frauenlob«).23 Obwohl Vicino Brunos Alterswerk nicht explizit erwähnte, das mit den traditionellen­ Ansichten über die Leidenschaften und dem

• Vicino Orsini, Schaumünze von Pastorino Pastorini, um 1550, vergrößerter Abguss in der Comune di Bomarzo • Bomarzo: Blick auf den Palazzo Ducale inmitten der Ortschaft

• Bomarzo, Palazzo Ducale: Blick auf den Heiligen Wald von der Terrasse des Palazzo Ducale

Paradies im Allgemeinen aufräumte, war die nahezu wortwörtliche Ikonografie des Wäldchens als dessen­Auswirkung offenkundig­. »Damit hört die Paradiesvorstellung auf, als Original und Ideal des menschlichen Lebens zu gelten. Indem Bruno den Paradiesgarten als Ort der Tiere bezeichnet, macht er deutlich, dass die Menschlichkeit erst dort beginnt, wo der Zustand der Unschuld schon verlassen ist«.24 Im Wäldchen kam es zur Rückkehr in die verschiedenen, immer weiblich verschlingenden Formen einer zugleich schrecklich und wunder­bar erlebten Natur. Die Ikonografie des locus terribilis­ verschränkte sich mit der des locus amoenus­, wobei dieser als Vorwand diente, um jenen hervorbrechen zu lassen. Das christliche Paradies gab den Hintergrund ab, vor dem der Anspruch des Wäldchens als kathartische Gegenwelt offensichtlich wurde: der Vorstellungskreis einer endgültigen Vereinigung von Adam und Eva, Geist und Körper sowie der Rückkehr in die paradiesische Einheit mit Gott in einem Garten wurde mit pseudo-antiken, archaischen Initiationsriten er­weitert und als lustvolle Vision erlebt.

• Hieronymus Bosch, Paradiesestafel des »Gartens der Lüste«, Ausschnitt »Garten Eden«, um 1500. Prado, Madrid

Prädestination Vicinos Schwermut, die er an sich selbst wahrnahm­ und in Beziehung zu seiner geistigen Ver­fassung setzte 25 hatte mehrere, sowohl äußerliche als auch innerliche Ursachen: Konstitutionell ein Melan­ choliker und zusätzlich enttäuscht von dem Leben, das er bisher zu führen gezwungen war, repräsen­ tierten vor allem Rom und die römische Kirche, später sogar die nach Rom (sic!) zurück­­gekehrte Kurtisane Laura eine Welt, der er mit dem Wäld­ chen ein starkes Argument entgegenstellte. Seine selbstgewählte und selbstbestätigende Iso­la­tion rechtfertigte er mit der ihn periodisch überfallen­ den Melancholie, die er durchaus als patho­logi­ schen Grundzug seiner Persönlichkeit erkannte und mit »Rezepten« gegen die Verstim­mungen von Magen und Seele bekämpfte.26 Parallel erhielt das Wäldchen die Funktion eines auch geistig fernen­ und abgeschlossenen eigenen Reiches, dessen­ Ikonografie des Gegenweltlichen folgerichtig zu einer des Jen­seitigen ausgeweitet wurde und endlich aus einer oppositionellen Haltung zur römisch-katholischen Lehrmeinung sogar die Idee eines Weiter­­lebens außerhalb von Raum und Zeit erörterte­. Melancholie und Todesgedanken waren untrennbar mit dem Paradies verbunden. Sie implizierten­ die scheinbar unvereinbaren Gegensätze von Garten und Vergänglichkeit, Geist und Materie, Freiheit und Unterordnung. Das die Natur beherrschende Prinzip von Eros und Thanatos, das den ewigen Kreislauf von Werden und Vergehen bestimmt, wurde bereits als Allegorie von Tertul­ lian, dem spätantiken Vertreter der leiblichen Auferstehung, vertreten. Seine Erkenntnis formulierte die einfache Naturbeobachtung, dass nichts Natürliches vergänglich sei, es sei denn zu seiner Erhaltung, und stellte gewissermaßen den ideen­ geschichtlichen Vorläufer des et in Arcadia ego dar. Das Zitat hatte keine antiken Vorlagen,27 sondern­entwickelte sich im Spannungsfeld renais­ sancezeitlicher Ideen und es ist wohl kaum überinterpretiert, den Boschetto sowohl als Ursache als

auch Wirkung dieser Überlegungen zu betrachten. Der Aspekt des Traurigen, ja Melancholischen, den Vicino als geistige Grundhaltung kultivierte, war im Wäldchen all­gegenwärtig. Tatsächlich konnte das humanistische Arkadien als Fort­setzung der christlichen Idee vom verlorenen Paradies gelten. Fast ein halbes Jahrtausend später hatte Erwin Panofsky Arkadien als »die rückwärts gewandte Vision eines unübertrefflichen Glücks« beschrie­ ben­, »das in der Vergangenheit genossen wurde, danach für immer unerreichbar und dennoch in der Erin­nerung dauerhaft lebendig blieb: ein vom Tod beendetes vergangenes Glück«. Weiter fragte er dem Phänomen des Traurigen nach: »Wie geschah es, dass jene nicht übermäßig reiche Landschaft Mittelgriechenlands, Arkadien, dazu kam, dass man sie allgemein für ein ideales Reich vollkommener Glückseligkeit und Schönheit hielt, für einen leibhaftigen Traum unaussprechlichen Glücks, das dennoch ein Schimmer ›süß-trauriger‹ Melancholie umgab?«28

zu Ansehen, vorher richteten sich alle Paradiesessehnsüchte auf weiter entfernte Gegenden wie Sizilien oder überhaupt imaginäre Landschaften einer ebenso sagenhaften Vorzeit. In echter Antikenbegeisterung war auch in der Renaissance Arkadien noch immer ambivalent, indem die von Ovid als quasi prähistorisches Goldenes Zeitalter geprägte Version und jene Vergils als das ultimative Idyll nebeneinander im Bewusstsein der Künstler und Fürsten existier­ ten. Jedenfalls war nicht Ovid, sondern Vergil der Urheber oder zumindest Auslöser jener dissonan­ ten Stimmung aus idealer Landschaft und mensch­ lichem, seelischem Leiden, die in jener elegischen, wehmütig melancholischen Gefühlslage ihren Ausdruck fand und als hauptsächliche Auslegung über die Jahrhunderte bestand.29 Vor allem die Geschichte des Daphnis 30 überlieferte die von Panofsky so treffend zusammengefasste elegi­ sche Stimmung durch das Motiv des Grabsteines an die Renaissance.

Für uns sind seine Bemerkungen insofern bedeut­ sam, als Arkadien als zweiseitig beschrieben wird: einmal als das sogenannte Goldene Zeitalter der ewig jungen und ideal schönen Menschen im ewigen Frühling, die sich von den Früchten der Natur nähren, zum anderen als das wilde, unweg­ same und dornige Arkadien, dessen Bewohner eine fast untermenschliche Existenz führen. Durch die Vermittlung der antiken Literatur und die christo­ logische Paral­lele zum biblischen Garten Eden war dem idyl­lischen­Arkadien der Schäferstündchen eine ständige Hochkonjunktur beschieden. Die übliche Villeggiatura bezog sich auf diese Aus­ legung Arkadiens, die auf das Wäldchen Vicinos nur bedingt übertragbar war. Vielmehr diente sie hier als Vorwand und Bühne für den schrecklichen Aufbruch des Idylls.

Im 16. Jahrhundert hatte das todtraurige und süßliche Sentiment im eindeutig kopflastigen Melancholiesyndrom seine moderne Fortsetzung gefunden. Quasi stellvertretend ersetzten Gräber und Ruinen in der Bedeutung des Memento mori die Fiktion des unwiederbringlich verlorenge­ gangenen antiken Lebensgefühls. Die ständigen Todesbetrachtungen und -sehnsüchte Vicinos, sowohl aus körperlicher als auch astrologischer Disposition herrührend, fanden in den mit Weisheit aufgeladenen etruskischen Nekropolen ihr zeit­ gemäßes Ebenbild. Also spannten Kunstwerke, wie sie die großen antiken Dichter hinterlassen hat­ ten, genauso wie zeitgenössische, extravagante Denkgebäude und Kunstwerke (inganni!), einen Bogen von den antiken Zeiten bis in die Gegenwart des Heiligen Waldes, wo man sie in natura besichti­ gen und sich daran erfreuen konnte.

Arkadien war die fiktive Landschaft schlechthin­. Ihr wichtigstes Merkmal war Distanz, die genauso gut eine räumliche als eine zeitliche sein konnte. Eines der konstituierenden Merkmale des Para­die­ ses war seine Unerreichbarkeit: Das griechische­ Arkadien kam erst in der lateinischen Poetik

Am Beginn der Neuzeit wurde Arkadien zum Wunschraum, dessen kurzfristige Vergegen­wärti­ gung mit der Beschwörung der Antike möglich war, eine anerkannte Utopie, die dem Anspruch auf Unerreichbarkeit genügte. Die räumliche Entfernung, die in der Antike den Wunschraum



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• Torquato Tasso (Alessandro Allori, 1544–1595) war einer der wichtigsten Vertreter

Arkadien glaubwürdig gemacht hatte, wurde nunmehr eine geistige: In der Renaissance waren es Vergangenheit und die Erkenntnis der Vergänglichkeit, die das Ideal so begehrenswert unerreichbar machten. Auch als moralisch integre­ Gegenwelt zur physisch und psychisch zerstörerisch empfundenen Alltagswelt der Städte und Höfe war es jetzt erstrebenswert. Diese Entwicklung machte aus den zuvor als provinzielle Retiri gehaltenen Villen geistige Preziosen einer paradiesischen Bildungswelt. Äußerer Sinnenreiz und höchste Erkenntnis verwirklichten sich im arkadischen Ideal. Diese Verbindung stellte sich als genial heraus und es waren die höchsten geistigen und weltlichen Würdenträger, die sich nun mit Gärten schmückten.

der sogenannten Schäfer­ dichtung, die in der Renais­­ sance die Kultur der Fürsten­ höfe prägte. Tassos Aminta war einer der berühmtesten

Seltsame Blüten trieb Arkadien, indem es als fiktive und daher unangreifbare Kunstwelt die menschliche Verworfenheit und somit Verelendung des Städters kontradiktorisch mit Arkadien gleichsetzte.

Hirtenromane, in dem es darum ging, der Liebe und dem von ihr verliehenen Edelmut zu ihrem Recht zu verhelfen.

• Nicolas Poussin, »Et in Arcadia ego«, 1638–1622 Louvre, Paris

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Mit Aminta entwarf der Meister der zeitgenössischen Anspielung, Torquato Tasso, das Paradoxon der geistigen und moralischen Niedertracht, die sich im fiktiven Schäferspiel und alle Maßstäbe umdrehend – das Drama im Idyll und die zeitgenössische Hofkamarilla im Mäntelchen der Hirten – darstellte. Mit dieser Metapher für den Verfall des Menschen vom edlen Wilden zum Kulturmenschen hatte Torquato Tasso die individuelle und verderbte Existenz des Höflings mit den gleichsam überhistorischen erotischen Tragödien der Arkadier karikiert. Arkadien stand für den ganzen Vorstellungs­kom­ plex eines besseren Lebens, das direkt mit der Villeggiatura, die in der Renaissance so stark in Mode gekommen war, verbunden wurde. Die Idee von einem Leben in natürlicher Einfachheit, weit weg von der Verdorbenheit und Unlust, der Amoral und dem Gestank der Städte, der Arbeitswelt, des Hofes, der römischen Kirche mit ihrer verkommenen Moral und stringenten Etikette, war ganz

allgemein ein städtisches Ideal. 31 Wie das Paradies und Arkadien hatte auch die Wunschwelt Land wenig mit ihrem natürlichen Vorbild gemein, sondern lebte von der Imagination, die die Künste leisteten und die in der Ars Vivendi der Villeggiatura ihren aristokratischen Niederschlag fand. Malerei und Dichtkunst waren die Medien, in denen sich die Inhalte ausdrücken und mit den entsprechenden Anschauungen verbinden ließen­. Die sentimentale Suche oder, besser gesagt, der sentimentale Versuch einer Rückgewinnung oder Wiederherstellung des verlorenen Paradieses, bezog sich auf vorbereitete Bilder, die nicht mehr aus dem Umkreis der katholischen Kirche stammten. Arkadien, antike Lebensphilosophie, mit Vorliebe und Genugtuung die epikureische­, wie auch exotische Lebensformen fremder Völker waren die zeitgemäßen Alternativen, die im Gefolge der allgemeinen neuplatonischen Umdeu­ tungen zunächst noch fromme und dann immer selbstständigere, anthro­pozentristische Thesen ableiteten. Die anspruchslose, verwilderte und unkultivierte Landschaft im Herzen des Peloponnes war von den Dichtern für sich entdeckt worden und hatte schon in der Antike die Fiktion eines naturnahen und alternativen Lebens- und Denkstils entstehen lassen. 32 Als in der Renaissance nach dem leibfeind­ lichen Interregnum des christlichen Mittelalters die pagane Bukolik zu neuen und christologisch umgedeuteten Ehren kam, sprach der Schäferroman Boccaccios, Ninfale d’Ameto, der »eine Allegorie der Erziehung des natürlichen Menschen zur Humanität darstellt« 33, weit über das ländliche Motiv hinausgehende Themen an. Ebenso galt für das Wäldchen Vicinos und den initiatorischen Weg eine eigenständige Auslegung, die nur vorgab, nicht auf die Lehrmeinung und Doktrin der christlich-katholischen Kirche zurückzugreifen, die ohne sie aber nicht möglich gewesen wäre und den Begriff der Läuterung auf eine andere Ebene hob: »Ameto, der anfangs den ursprünglichen Zustand der primitiven Wildheit verkörpert, wird sich durch die Liebe zu der

Nymphe Lia seiner selbst bewusst und lernt durch die Unterweisung der anderen Nymphen Kultur und Ethos der Menschheit kennen. Die paganen Gottheiten stehen nicht, wie es auf den ersten Blick scheint, für sich selbst, sondern­werden allegorisch aufgefasst – in den Nymphen erscheinen die christlichen Tugenden, und mit Venus selbst ist nichts anderes als eine Offenbarung Gottes gemeint«. 34 Die Figuren im Wäldchen Vicinos waren nicht ohne diese noch aus dem Mittelalter heraufreichenden Assoziationen und die zeitgenössischen Auslegungen der antiken Werke durch Ficino und Pico della Mirandola verständlich. Der Naturbegriff stimmte weiterhin mit dem von den antiken Bukolikern besungenen locus amoenus und seiner Beseelung mit den numinosen Kräften überein, was sich in der spürbaren Anwesenheit der alten Götter in den anmutigen Hainen und dunklen Wäldern offenbarte. Auch deren äußerer Ausdruck entsprach noch der antiken Sakrallandschaft mit Tempeln, Statuen, Altären, Gräbern usw. Neu war der metaphorische Charakter, der – ähnlich wie im Rosenroman, der Divina Comedia und halbprofanen Werken wie der Arkadia und dem Aminta – die Natur als Abbild einer inneren Wandlung interpretierte. Der Heilige Wald von Bomarzo verglich sich der literarischen Fiktion des altfranzösischen



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• François Boucher, »Aminta kehrt in den Armen Silvias ins Leben zurück«, 1756 Musée de Beaux-Arts, Tours (FR)

• Tarquinia: Tomba dei Leopardi, Bankettszene, 1. Hälfte des 5. Jhdt. v. u. Z.

Rosen­romans, der den Begriff des locus amoenus aus allegorisch ausgelegten antiken Schriften ableitete. 35 Vicino präsentierte das Wäldchen als neu­platonisches Paradies und sich selbst als Nach­fahre und Erbe der prisca sapientia­: Durchdrungen von der Weisheit der antiken Philo­ sophen, deutschen Gelehrten, ägyptischen Priester und chaldäischen Sterndeuter hatte er mit dem Wäldchen einen Ort erschaffen, der sich vollkommen der Realität entzog. Wie im Rosenroman konnte er nur im Traum betreten werden. Über­ setzt in die irrationale Realität des Wäldchens glich Vicino dem Held des Rosenromans, der an der Umfassungsmauer des herrlichen Gartens eine kleine Pforte fand, durch die ihn Frau Muße einließ. Muße, otium, die freie und ungehetzte Zeit der Villeggiatura, wurde als Schlüssel zur Erkenntnis und zum Paradies demjenigen gegeben, der seine Zeit und Gelegenheit zu nutzen verstand und ihn nach Ablauf seiner­Zeit »freiwillig und mit Dank dem Herrn des Gartens zurückgeben« würde.36

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Stilistisch und inhaltlich retardierende Elemente beschworen eine längst vergangene bessere­ Welt. Im Stil und mit der Metaphorik mittelalterlicher Lyrik 37 fügte sich der Sacro Bosco in den Kreis der exklusiven Wunschräume ein: das lebensspendende Wasser und der Baum des Lebens (aqua fons vitae und arbor vitae), die Vereinigung der Gegensätze im Hieros gamos (die archetypische­ Liaison von Adam und Eva) sowie pantheis­ti­ sche­Selbstverwirklichung und Liebesfreiheit bis zum Naturrecht. Die lebensschaffenden erotischen Aspekte sind denen des Thanatos, der Verschlingung und Todesfahrt, der Initiation und Wiedergeburt, logisch verbunden. Der den Heiligen Wald durchwanderte folgte dem Muster des Helden, das in die Frühzeit menschlicher Vorstellungskraft zurückreicht, die noch nicht zwischen Mythos und Geschichte unterschied. Die Grundstruktur des Gilgamesch-Epos hat sich auf alle späteren Heldenmythen ausgewirkt, die durchgängig den siegreich Abenteuer bestehenden

und sogar die Unterwelt beschreitenden Helden besingen: Herakles, Theseus, Odysseus und sogar die Legendenbildung um die komplexe Figur Jesu Christi haben davon profitiert. Die antagonistischen Entsprechungen und Ambi­ valenzen legten eine Interpretation des Heiligen Waldes nach der Form und nach dem Vorbild des christlichen Paradieses nahe, das selbst wieder auf pagane Vorbilder zurückgreift. Als gegenweltliche Vision war Bomarzo ohne die abgelehnte Zivilisation gar nicht denkbar, ja sogar gegenstandslos. Es handelte sich nicht um eine neuplatonische Weihestätte des etablierten und anerkannten Renaissanceideals, sondern um die Wiederbelebung einer genuin paganen und definitiv etruskischen Lebensart. Die furchtlose Sinnlichkeit der sogar noch in ihren Gräbern unbeschwert weiterfeiernden Etrusker war der denkbar größte Gegensatz zur vergeistigten neuplatonischen Auffassung vom Aufstieg der Seele. Es war klar, dass die Wiedergewinnung jener seligen Unbekümmertheit nicht im unsinnlichen und erbarmungslosen, von blutigen Macht­kämpfen zwischen Papst, Kaiser und König bestimmten eisernen Zeitalter des 16. Jahrhunderts geschehen konnte.

Dazu bedurfte es einer Zeit und Raum überwindenden Reise in eine mythisch verklärte Vergangenheit, die – tatsächlich unmöglich – vermittels einer Rekonstruktion des Genius Loci unternommen wurde. Diese metaphysische Reise hatte ein ebenso immaterielles Ziel, das sich – paradox­genug – mit der Vorstellung einer geläuterten Rückkehr deckte. Der chymische Vorgang der Um- und Verwandlung entsprach ganz und gar dem Grundmuster des Heldenepos nach dem der Held durch siegreich­ bestandene Gefahren, zu denen sogar die Todes­ fahrt gehört, zum überragenden göttergleichen Heros wird. Bomarzo folgte dem Stereotyp, und obwohl hier Eleusis und Ägypten ins Spiel kamen, glich der Läuterungsweg den Mysterien der minneclichen aventiuren, die der »auf Weltreisen Herumirrende« in Bomarzo zu bestehen hatte. Am Ziel seiner Reise standen der Heilige Gral oder das immaterielle Gold des lapis philosophorum­, die ihm als Siegespreis in Gestalt der nackten Polia winkten­. Vicinos Beschwörung der vergangenen Hochkultur und ihrer Geheimnisse setzte einen Kontext der umliegenden etruskischen Nekropolen und literarischen Vorbilder wie der Bibel, der Comedia, der Hypnerotomachia und des gerade in Mode gekommenen Corpus Hermeticum voraus. 38

• Nachahmungen etruskischer Nekropolen auf dem Weg von Bomarzo zum Wäldchen, im Hintergrund der Palazzo Ducale

Pan, Herrscher der Wildnis Der richtige Zugang wurde spontan – nach dem Wesen Pans – gefunden. 39 Vicino und seine Gäste kamen durch das sogenannte Vorwäldchen und betraten das Wäldchen, indem sie zwischen zwei Sphingen hindurchschritten. Damit ergab sich alles weitere. Der Wanderer sah sich von Bomarzo kommend in die ihm aus der Literatur vertraute Identität des Poliphil der Hypnerotomachia40 ver­setzt­ und geriet nacheinander in ebenfalls nicht unbekannte Situationen, die ihn in mehrere psychische Fallen, begeh- und bedenkbare Ensembles, von einer Station zur nächsten lockten und erst im letzten Teil des Rundganges in einen unausweich­lichen landschaftlichen Korridor, der prägnant­auf das Ende zuführte. Mittelpunkt und Schwungrad der ganzen Konzeption war die schlafende Riesin, die schicksalhafte Hekate, die schon vom Eingang aus erblickt worden war.

Die Vermischung eigener und fremder Anteile im ikonografischen Programm erhob seine monstra auf die Ebene allgemeiner Gültigkeit. Das erklärte zum Teil die Vermischung bekannter und berühmter Bilder mit persönlichen Mythen, sodass diese von jenen erklärt und jene von diesen in neue Zusammenhänge gesetzt erschienen. Über das Wunder der Täuschung waren die Wunder der Welt und die des Boschetto, der als Ort innerster und geheimster Vorgänge definiert ist (silva daemono­ rum), miteinander verbunden und – je nachdem – das eine durch das andere verborgen oder ans helle Licht des Tages gebracht. Der Wechsel der Identität brachte die authentische­ und vor der Welt verborgene Seite des Indi­v idu­ums zum Vorschein. Wie der mittelalter­liche Zauber­ bann um geheimnisvolle Gärten eine geistige­, umso wirkungsvollere Schranke vor der Außenwelt aufrichtete 43, war der Eintritt in den Sacro Bosco an die Bedingung der Verwandlung des zivilisierten Menschen in seinen atavistischen Doppelgänger geknüpft.

Mit verschiedenen hermetischen Hinweisen, aufeinander folgenden Ein­weihungsgraden und Stationen des Wissens wurde der gebildete und aufgeschlossene Besucher in den mythischen Zeitraum seines­eigenen Erlebens zurück- und wieder heraufgeführt. Die initiatorische und endgültige Szene der ägyptischen Isis unterhalb der Hekate stand darum am Anfang und zugleich am Ende seiner Reise und führte den Poliphil, egal welchen­Weg er wählte, durch ein merkwürdig vertrautes, idyllisches und erschreckendes Arkadien, das ihn – wie die Ewigkeitsschlange, die sich in den eigenen Schwanz beißt – schlussendlich zum Ort des Anfanges zurückführte . 41

Wie zum Beweis konnten Vicinos Gäste hier die Metamorphose des Fürsten Orsini zum Orsino verfolgen, die ihm – parallel zum Einlass Abstieg in die verschiedenen Unterwelten des Wäldchens – Zugang ins Unterbewusstsein gewährte. In der selbstgewählten und – nomen est omen – vorbestimmten Rolle des Naturwesens spiegelte sich seine adlige, gewissermaßen weltlich-bürgerliche Existenz, die in der zwanglosen Welt Arkadiens befreit, eine Tiefe und Dimension entwickelte, die ihn – rückwirkend – auf eine andere, vergöttlichte­ Stufe des Seins und ganz allgemein der Wahr­neh­ mung erhob. Freilich war die Neu-Geburt dieses Wesens nur auf der höchsten Stufe renaissancistisch humanistischer Bildung möglich.

Vicino Orsini besaß jene Art renaissancistischer Universalbildung, die eine wenn auch zynisch kommentierte Wundergläubigkeit nicht ausschloss, wie seine dazwischengestreuten kleinen Verweise auf die segni­, die Zeichen der Natur und die wiederholten Anspielungen auf die Horoskope der Verwandten und Bekannten, belegen. 42

Die sinnliche Ausstrahlung des Wäldchens war der schlechterdings körperliche Ausdruck der Melancholie. Die eigentümliche Erosvalenz des Sacro Bosco lässt sowohl Lüste als auch Melancho­ lie und ihre moralischen Bewertungen in einem neuen Licht erscheinen: »Die der Moral immanente Zweideutigkeit trennt Brunos Heroismus



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• Wappenbär vom Plateau der Proserpina, Detail

Mensch mit seinen Leidenschaften auseinandersetzen müsse. Im Kampf und nicht in gleichgültiger Tugend reife der Mensch zur Menschlichkeit heran. Vicinos Resignation war eine selbst gewählte Pose, mit der er sich der Auffassung, dass der Heroismus des Melancholikers den wahren Philosophen bezeichne und mit Isolation, Verkanntheit und Trübsinn einhergehe, uneingeschränkt anschloss: »Der Heroismus der Leidenschaft berührt somit die Grenze des Sadismus: ›Uneinigkeit und Zerrissen­heit in sich selbst‹ und ›Gefallen an der eigenen Verrücktheit‹: so lauten die Zustands­be­ schreibungen, mit denen sich Bruno in die europäische Tradition der Abweichung und Abnormität einreiht, die mit dem Melancholie-Syndrom im 16. Jahrhundert ihren Anfang nimmt«. 46 • Giordano Bruno, Philosoph, Dichter, Wissenschaftler, Ketzer und Satiriker. Aus: Opere … ora per la prima volta raccolte e pubblicate da Adolfo Wagner, Weidmann, 1830 Wellcome Library, London

deutlich vom stoischen Ideal des Weisen, der sich von den Affekten distanziert und einen Zustand der Indifferenz erreicht (978). Der Heroismus hingegen erreicht die Selbstbestimmung gerade in der äußersten Steigerung des Affekts, die keine eindeutige Stellungnahme mehr zulässt: ›Daraus folgt, dass das Gesamtgefühl des Leiden­schaftlichen zwiespältig, geteilt und quälend­ist‹ (1097). […] ›Wo die Dinge, die gezeugt werden­und vergehen, in ein und demselben zusammengesetzten Subjekt miteinander verbunden sind, findet sich gleichzeitig das Gefühl von Lust und Traurigkeit‹ (1080).« 44 Im Asclepius 45 hatte Bruno die These einer Läuterung und Erhöhung des Menschen durch Erkenntnis seiner ambivalenten Stellung zwischen Gott und Tier entwickelt. Demnach stellten­ Reflexion und Beherrschung der Triebe einen dynamischen und spannungsvollen Prozess der Selbsterkenntnis dar, in dessen Verlauf sich der

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Obwohl Vicino mit biografischen Bezügen sein individuelles Erleben mit den Geschehnissen und Wundern der Welt verband, ja sie noch übertraf, war der überindividuelle, Zeit und Raum außer Kraft setzende Zug des Konzeptes der bleibende Eindruck, mit dem der Heilige Wald wieder­ verlassen wurde. Der Besucher fand sich in den Wäldern der Dichter, ein Faun oder Schäfer im Reich Pans, ein Ritter in einem mittelalterlichen Zaubergarten, im finsteren Wald verirrt wie Dante oder Poliphil, als er sich selbst in die von den Dichtern entworfenen Szenarien versetzt sah – und wenige Schritte weiter, scheinbar unpassend, als Grabräuber in einer der schaurigen Totenstädte der Etrusker, immer begleitet und geführt von lieb­ lichen Gesängen oder bizarren Schreien der Vögel, dem tiefen Brummen des Bären und dem allgegenwärtigen Wasser, das je nachdem, friedlich murmelte, schrecklich toste, ahnungsvoll rauschte oder aufsehenerregende Wasserspiele bot. Die abwechselnden Versetzungen in fremde und doch bekannte Identitäten nahmen den zeitlich und räumlich begrenzten Menschen aus seinem­Umfeld heraus und rückten ihn in die Sphäre des Ewigen. 47 Trotz seiner Abstammung von einem der ältesten und ehrwürdigsten Adelsgeschlechter Italiens, die ihn für eine entsprechende Laufbahn prädestinierte, und obwohl seine dichterischen Ambitionen

• Giordano Bruno, erste Seite des Dialogo Cena de le Ceneri (Ascher­mitt­ wochsmahl), 1584. In der Vignette zwei Hirsche in den Ranken um ein Medaillon mit der Darstellung eines Falken, der eine Taube tötet. Zugleich findet sich auf dieser Seite die charakteris­ tische Formulierung des »galant homo«, mit der sich auch Vicino seinen großen Vor­bildern Epikur und Bruno verband. Siehe dazu Exkurs: Vicino der Epikureer, S. 302–311. Bruno selbst nennt sieben­ (sic!) Sinnschichten des Ascher­mittwochsmahls und schreibt: »O unbeständige Dialektiken, verschlungene Zweifel, lästige Trugschlüsse, spitzfindige Fangschlüsse, dunkle Rätsel, verworrene Labyrinthe, verteufelte Sphingen, löst euch auf oder lasst euch lösen«, was sich wie eine Wegbeschreibung durch Vicinos Wäldchen liest. Sowohl die furori eroici als auch Cena de le Ceneri erschienen in den letzten Lebensjahren Vicinos im Druck, ihre fast körperliche Präsenz im Wäldchen und ihre Wechselwirkungen dürften, wie Vicino in seinem Brief an Giovanni Drouet andeutet, bereits in den 70er Jahren des 16. Jhdt. diskutiert worden sein. (Siehe Kap. Herr von Bomarzo, Fürst von Arkadien, S. 25).



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schon früh mit Laudationes gefeiert worden waren, war sich Vicino der Vergänglichkeit und der Belanglosigkeit seines Lebens schmerzlich­ bewusst. Dieser speziellen und persönlichen Demütigung – der Unterlegenheit und vor allem der Unfreiheit des Individuums zuzuschreiben­ – stellte er eine Gegenwelt entgegen, die seine säkulare Bedeutungslosigkeit mit einer zeitlosen­ Überlegenheit wettmachte. Indem er sich von der ihm verleideten intriganten und verlogen­en Außenwelt Roms ab- und seiner echten, naturgemäßen, pantheistischen und arkadischen Innenwelt und Bomarzo zuwandte, gelang es ihm, das Missgeschick seiner enttäuschten Hoffnungen in Erkenntnis und Sinn zu verwandeln­. Mit dem Wäldchen leistete Vicino seinen individuell und etruskisch umgeformten Beitrag zur Entstehung der neuzeitlichen Philosophie, die die Gebundenheit des Individuums in einem innovativen und un­orthodoxen Sinne beendete. Im Lichte des aufschlussreichen Briefverkehrs, den Vicino Orsini mit seinen Freunden Alessandro Farnese, Giovanni Drouet, Cristoforo Madruzzo und Annibale Caro führte, wird seine Persönlichkeit als die eines außerordent­lichen, geistig und körperlich hocherotischen Menschen im platonischen Sinne fassbar. Seine selbstgefällig hemmungs­ losen und antikisch verschlungenen Reflexionen über die Sinnenlust steigerte er in seinen unbändig lebensvollen­Briefen zur Stilform des Obszönen und Nonkon­formen. Seine körperlichen und senso­rischen »Schwächen«  48 kommentierte er nur vorder­g ründig als Alterserscheinungen, denn stets gab er im Anschluss an solche Bemerkungen sarkastisch Beweise seiner intellektuellen Über­ legenheit. Obwohl er sich und den Adressaten dieser scheinbar wehleidigen Briefe jene »difetti« als zwangsläufige Begleiterscheinungen seiner hervorragenden Disposition darstellte, erkannte Vicino sein körperliches Diminuendo als Vorboten des großen Nichts, dessen Existenz er aufgrund der Nichtigkeit eines lust- und freudlosen Lebens offensichtlich für bewiesener hielt als das eines christlichen ewigen Lebens: »[…] ma io veggho ch’il non operar con gusto, l’esse privo di speranze et, quando ancora venissero delli beni, il non esser

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Ein Garten gegen Gott und die Welt

atto a valersene, è una spetie di viver morendo e di morir vivendo« (kommt mir vor, dass der, der keine Lust mehr empfindet, auch nicht darauf hoffen darf, dass er, sollten die guten Gelegenheiten wiederkehren, imstande sein wird sich ihrer zu erfreuen und daher eine Art lebender Toter ist) . 49 Obwohl sich Vicino in einem lebenslänglichen Wettkampf um die größere Originalität, das bessere­, oder auch nur unflätigere Argument, das aus­gefallenere Gericht, das pikantere Buch und, als ihm Laura abhanden kommt, die jüngere Geliebte befand, kann wohl kaum angenommen werden, dass sein Wäldchen einzig zu dem profanen Zweck geschaffen worden sein sollte, seine gebildeten Freunde zu beeindrucken und die »Tölpel« vor den Kopf zu stoßen. Ohne Zweifel aber wurde der tödlichen Welt 50 Roms mit Bomarzo im Stammland der Etrusker wie in einem Spiegel ein Ort der ewigen Lust entgegengehalten. 51 Als Neo-Epikureer, als der Vicino den christlichkatholischen Ambitionen des Neuplatonismus mit antiken Argumenten zu antworten imstande war, gelang ihm eine, nach den sarkastischen Untertönen seiner Briefe zu schließen, nicht einmal ihn selbst beruhigende Synthese zeitgenössi­ scher Erosvalenz und antiker Seelenruhe. Die Aufforderung zum Genuss bedeutete einen starken intellektuellen Ansporn für ihn, dessen Virilität sich in kongenialer Weise mit Geschmack und Bildung vereinte und gewissermaßen das eine aus dem anderen lebte.52 Schon der Zeitgenosse und Freund Drouet vermutete in der fanatischen­ Beschäftigung Vicinos mit dem Wäldchen eine kompen­satorische Bestätigung der eigenen Willens- und Sexualkraft 53 und wirklich bestand eine Beziehung zwischen seinen melancholischen Briefen und der unverstellten Bestialität seiner Skulpturen, die in jeder Hinsicht das menschliche Maß überstiegen, und – je mehr Vicino selbst von körperlichem Verfall und Niedergang betroffen war – desto hemmungsloser ausfielen.

Ewiges Leben Im Kontext mit den vielfältigen Todesbetrach­ tungen im Briefverkehr der gelehrten Freunde, vorzüglich­ mit Giovanni Drouet, wird die grundlegende Vorstellung erkennbar, sich gerade in der Sinnlichkeit des Wäldchens von allem Weltlichen zu befreien,54 denn der erste und ursprünglichste Garant für das Weiterleben nach dem Tod war die Vereinigung der Geschlechter und der Gegensätze. Die archetypische Liaison von Adam und Eva ist eines der konstituierenden Merkmale des Paradieses und die Ausgangssituation im hermetischen Opus. Nur im Mythos und in seinen hermetischen Verunklärungen hatte sich das alte Muster erhalten, das Vicino in verschiedenen vulvischen Formen nachstellte.55 Das waren die Grundlagen des zunehmend ungeheuerlichen Gartenkonzeptes, das immer mehr zu einem Tor in die Unterwelt und somit ins Unter­ bewusstsein wurde. Im Grenzbereich zwischen dem Realen und Irrealen, zwischen Imagination und Sinnestäuschung, zwischen Tag und Nacht, wachem Bewusstsein und verführerischem oder aufrührerischem Traum, entstand ein doppel­ sinniges und ver­lockendes aber auch bizarres und gefährliches Terrain, auf das sich nicht viele wagten – schon gar nicht die vielen »Tölpel«56, denen Vicino Orsini Einlass in sein privates Heiligtum gewährte.

heroischer! – Ruhe führte, der für seinen Briefstil der letzten Jahre charakteristisch ist.58 Mit der großzügigen Resignation und Abgeklärt­ heit der letzten Briefe, in denen er davon sprach, seine­Schuld zurückzuerstatten, einen der dunklen Aussprüche des Vorsokratikers Anaximander für sich umformend,59 wies Vicino auf seinen Philosophenstatus hin. Seine Entsagung liest sich nicht als kleinmütige Ergebung in ein übermächtig erkanntes Schicksal, sondern als unbedingtes Bekenntnis zu den sinnlichen Freuden. Tatsächlich endete Vicinos Leben, als der Garten fertig war. Er gilt als Vermächtnis, das gerade wegen seiner geheimnisumwitterten und unlesbaren Botschaft seinem Schöpfer Fortleben nach dem Tod gesichert hat. Spätere Generationen konnten nicht mehr viel mit der Anlage anfangen und erst durch die Aufmerksamkeit von Künstlern wie Salvador Dalí oder Niki de Saint Phalle oder auch André Heller rückte er wieder ins Weltbild

Immer mehr widmete Vicino seine geistigen und auch körperlichen Kräfte dem Wäldchen, das er als Abbild seiner selbst begriff, und sich selbst in psychosomatischer Wechselbeziehung, wie er seinem Intimus Drouet in Begriffen der Homöopathie und Astrologie auslegte.57 Vicinos Gesundung fiel demnach mit seinem körperlichen Tod und mit der Fertigstellung seines Lebenswerkes zusammen und verifizierte – wie Brunos Heldentod – seine These der Läuterung, die freilich keines­wegs christlich inspiriert und intendiert war, aber immerhin zu einem Zustand – nicht sto­ischer, sondern eben



Ein Garten gegen Gott und die Welt 37

• Vicino als melancholischer Heros, Gigantomachie, Detail des Kopfes

des manierismusbegeisterten zwanzigsten Jahr­ hunderts. Seitens der Dichtkunst hat der viel­ gereiste Fritz von Herzmanovsky-Orlando mit der ihm eigenen Hellsichtigkeit die Bedeutung des Heiligen Waldes erfasst und der intellektuellen Preziose im Maskenspiel der Genien ein literarisches­Denkmal gesetzt. Im Kapitel über die Hekate wird aus dem Maskenspiel zitiert, wie die Göttin als Achse und Schwungrad der ganzen Anlage den Lauf der Gestirne zu lenken vermag. Als Ort an dem die Zeit stillgestanden ist, nähert sich der Heilige Wald von Bomarzo den mit Arka­ dien verknüpften Idealen weitestgehend an. Selbst heute, im Verfall, kann nachvollzogen werden, warum er für Vicino Orsinis Zeitgenossen die exklusivste Villeggiatura überhaupt war, die den städtischen Menschen natürlich verwandelte, umund zurückkehren ließ zu seinen Ursprüngen und von seinen Sorgen erlöste:

• Niki de Saint Phalle, »Nana«, Giardino dei Tarocchi in Grossetto (IT), 1979–1996 • Blick der Anna Perenna in das Plateau der etruski­ schen Götter

38

Ein Garten gegen Gott und die Welt

diese menschen waren die sogenannte goldene rasse, untertanen des kronos. sie lebten ohne sorge und arbeit; sie assen nur eicheln, wilde früchte und honig, der von den bäumen tropfte, und tranken die milch der schafe und ziegen. sie alterten nie und tanzten und lachten viel, für sie war der tod ebenso wenig ein schrecken wie der schlaf. sie alle sind nicht mehr. aber ihre seelen überlebten sie als geister glück­licher ländlicher zufluchtsorte, als spender von glück und als hüter der gerechtigkeit.60

Moli Sette (Sieben Welt­ wunder), sieben Stufen

1 Bassin im Vorwäldchen (S. 53)

des hermetischen­Läu­

2 Rampe und alter Eingang

terungsweges (S. 62–63):

3 Sphingen (heute am neuen

I INTROITUS (S. 45)

Eingang – S. 58)

35 Stausee (ehemals) 36 Eingang (heute) 37 Tor (ehemals am Weg von der Ortschaft Bomarzo zum Wäldchen – S. 46)

Bassin im Vorwäldchen,

4 Schiefes Haus (S. 67)

Rampe, Sphingen, Schiefes

5 Polia (S. 76)

38 Stauwehr 39 Kampf der Giganten (S. 209)

Haus, Polia, Obelisken,

6 Mundus (S. 97)

40 Dromos (S. 229)

Amphi­theater, Isisgrotte,

7 Anna Perenna (S. 93)

41 Helikon (S. 231)

Hekate

8 Kriegselefant (S. 100)

42 Tartaruga (S. 235)

II Plateau der etruskischen

9 Drachenkampf (S. 107)

43 Orka (S. 241)

Götter (S. 86)

10 Dis Pater (S. 113)

4 4 Wächterlöwen (S. 246)

Anna Perenna, Mundus,

11 Orka (S. 123)

45 Drei Grazien (S. 244)

Kriegs­elefant, Drachen­

12 Plateau der etruskischen

46 Satiresse (S. 248)

kampf, Dis Pater, Orka,

Götter (S. 124)

Hekate, Quell­heilig ­tum

13 Hekate (S. 127)

48 Delfinbrunnen (S. 257)

Pans, Tomba

1 4 Brunnen Pans (S. 128)

49 Isis (S. 263)

15 Tomba (S. 131 und 217)

50 Hermes Trismegistos (S. 263)

Mundus, Kriegselefant,

16 Arkosolbank (S. 135)

51 Panhermen, Isis-Koren und

Drachen­kampf,

17 Arkadisches Feld (S. 139)

Höllenschlund, Hirsch,

18 Hirsch (S. 139)

52 Amphitheater (S. 287)

19 Bank

53 Obelisken (S. 290)

20 Riesenvase (S. 178)

5 4 Tor mit Pyramide und Kugeln

III Arkadisches Feld (S. 139)

Arkosolbank IV »le cose inferiori

47 Nymphäum (S. 251)

Janusköpfe (S. 272)

e superiori­« (S. 153)

21 Höllenschlund (S. 144)

(ehemals am Weg von der

Tempel, Sternwarte,

22 Tempietto (S. 157)

Ortschaft Bomarzo zum

Pro­serpi­naplateau, Wappen­

23 Sternwarte (S. 161)

Wäldchen – S. 46)

bären, Schattenreich

24 Kerberos (S. 167)

V Crucibile (S. 203) Aztekenschädel VI Etruskischer Orkus (S. 223)

29

25 Proserpina (S. 169) 26 Symposion (S. 173) 27 Wappenbären (S. 180)

Tomba, Gigantenkampf,

28 Im Schattenreich (S. 182)

Helikon, Tartaruga, Orka,

29 Etruskischer Felsen (S. 194)

Nymphäum

30 Versunkener Tempel (S. 197)

VII EXITUS (S. 259)

54

32

31 Felsenbank (S. 200)

Isisgrotte, Hekate, Amphi­

32 Crucibile (S. 203)

theater, Obelisken, Schiefes

33 Ein-/Ausstiegsstelle (?)

Haus, Polia, Sphingen

3 4 Oberes Stauwehr

33

34

V

37 35

36

19

18

6

III 17 24 22

2

II

IV 23

7

20

25

21

8

5

12

26 9

52

53

53

VII

10 11

27

4

1

I

3

51

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28

13

49

14 15 16 30

47 45 46

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48

44

VI

39

40 38

41

42

43

5

10

20 m

• Monte Casoli: Blick auf die etruskische Nekropole gegenüber von Bomarzo

44 Introitus

I. Introitus: Goldenes Zeitalter und Jenseitswelt Den Zeitgenossen galt Vicinos Wäldchen als Sensation im Range eines Abenteuers, was wohl die beste Beschreibung des Phänomens Bomarzo ist. Der Begriff ist nichts weniger als modern, denn die faszinierten Gäste Vicinos empfanden seinen­ Boschetto als Neubelebung der minneclichen aventiure­. Die Ortschaft Bomarzo mit dem Palazzo Ducale gegen­über dem Wäldchen bildeten ein Arrangement, das dem Nexus von Rittertum und Wildnis entsprach: Der Ritter verlässt die Burg und zieht seinem Abenteuer im Wald entgegen.

Bomarzo als ihr Zentrum. Dieser Rundblick war selbst schon ein Antikenzitat und wurde von den Terrassen aus mit tugendhaften­biblischen und antiken Zitaten kommentiert. Vermutlich blieben­sie dem Gast Vicinos unverständlich, bis er die Inschriften im Wäldchen las, die sich erst im Kontext als wechselseitige Welterklärungen zu erkennen gaben. Der Diskurs zwischen der Diesseitswelt des Palazzo Ducale und dem altro mondo des Wäldchens riss daher niemals ab.

Von der Aussichtsterrasse des Palazzo Ducale, der aus der kleinteilig verwinkelten mittelalterlichen Dorfanlage als mächtiger Block herausragte, erblickte der Gast Vicinos zum ersten Mal das Prestigeobjekt des Fürsten, den berühmten Sacro Bosco auf dem gegenüberliegenden Hügel. Die Aussicht auf das umliegende Land band das Kunstwerk des Wäldchens in die Tradition des Landes ein. Die nostalgische Rückerinnerung Francesco Sansovinos an den herrlichen Ausblick von der Terrasse deutet an, dass die Bepflanzung des Wäld­ chens auf diesen Fernblick anglegt war: Von der Aussichtsterrasse waren das Theater, der See und sogar der Tempel des Wäldchens zu sehen.61 Das Panorama, ein Abglanz etrurischer Macht und Herrlichkeit, bezog sich mit arkadischen Motiven, etruskischen Ruinen und den mittelalterlichen Ortschaften Chia, Mugnano und Attigliano auf

Introitus 45

• Die Ortschaft Attigliano Grisail­lemalerei im Palazzo Ducale, Bomarzo • Die Ortschaft Chia, Grisaille­ malerei im Palazzo Ducale, Bomarzo

Reise nach Arkadien Von Bomarzo, respektive vom Palast und vermut­ lich sogar von den privaten Räumen Vicino Orsinis, gab es mit großer Wahrscheinlichkeit mehrere Möglichkeiten, das Wäldchen zu erreichen. Am östlichen Ende der Ortschaft Bomarzo gibt es eine bauliche Verbindung, die durch den Ort und wohl auch durch den gewachsenen Felsen zu einer kleinen­Parkanlage mit einem zentralen Obelisken führte. Dasselbe Symbol ihrer geistigen Allianz hat Cristoforo Madruzzo im Park vor seinem kleinen Casino in Soriano aufstellen lassen und auch in Bagnaia und Caprarola stellten Obelisken die hermetische Verbindung zwischen diesen­Orten her. Die offiziellen Wege führten, wie auch Bredekamp schreibt, direkt vom Palazzo durch das Freigelände, während der legendäre Geheimgang wohl kaum die ganze Strecke zwischen der Ortschaft Bomarzo und dem Sacro Bosco durchmaß, sondern am ehesten

• Das in den 1950er Jahren abgebrochene und in die neu errichtete nördliche Umfassungs­mauer ein­ bezoge Tor (siehe Nr. 54 auf dem Plan, S. 40–41, ganze Ansicht im Abendlicht auf S. 6–7); auf der alten Postkarte (gegenüber­ liegende Seite) in situ

ein privater Zugang, durch ein erst kürzlich restauriertes Stiegenhaus und die teilweise noch immer unerforschten Kellergewölbe des Palazzo Ducale, zu jenem offenen Weg gewesen sein dürfte. Schon wenige Schritte unterhalb der Ortschaft bildete­ein steinerner Torbau mit Pyramide und zwei kleinen Kugeln eine geheimnisvolle Eingangs­­ situation. Die Hindurchschreitenden erin­nerten sich an die Beschreibungen in der Hypnero­to­ machia, wo derartige ägyptisierenden Formeln als emblematische Schriftzeichen und als Hin­ weise auf einen fiktiven Raum gelesen wurden. Wie die Landschaften mit ihren bedeutungsvollen­ Architekturen in der Hypnerotomachia den angemessenen Hintergrund für die Läuterung des Poliphil bildeten, machten dieselben Zitate nun auch das Wäldchen zu einem Ort der Literatur und Schwärmerei. Vicino Orsini war es gelungen­, die fantastische Bildungswelt noch einmal­zu übertrumpfen als er die schemen­hafte Erinnerung an eine graue mythische Vorzeit mit dem Topos der Läuterung verknüpfte. Vor allem die Pyramide galt als Zeichen höchster königlicher, aber auch geistiger und damit weltbeherrschender Macht, indem sie als geometrische Figur die kosmische­ Ordnung abbildete und im Rosarium Philosopho­ rum sogar Symbol und Unterweisung für die Gewinnung des alchemistischen lapis philoso­ phorum war.62 Die Kugel entsprach in ihrer umfassenden Vieldeutigkeit der Pyramide und nahm vorweg, was der Besucher des Wäldchens noch vor sich hatte. Weniger für den Eintretenden, als für den aus dem Wäldchen Zurückkehrenden versinnbildlichte die Kugel die griechischtragische­Verbindung von moira und ananke,63 die Ausweglosigkeit und In-sich-Geschlossenheit des saturnischen Temperamentes und des ihm angestammten Gefildes. Die zeitgenössische, freilich gefälschte, nichtsdestotrotz begeistert aufgenommene Herleitung der etruskischen Kultur aus der ägyptischen,64 lieferte die Vorlage für Vicinos hegemoniale Wunschvorstellungen.

unterhalb der Ortschaft

Etwa dreihundert Meter weiter passierte der Gast Vicinos ein zweites, jedoch festungsartig­ mit Zinnen und den heraldischen Rosen der

zu erkennen (freundlicher Hinweis von Tommaso Cascella, Bomarzo)

46 Introitus

• Blick auf die Talsohle zwischen dem Hügel mit der Ortschaft Bomarzo und dem Wäldchen, gleich unterhalb der Ortschaft ist das erste Tor mit Pyramide und Kugeln zu erkennen und weiter unten das zweite festungs­ artige mit den heraldischen Emblemen Vicinos. • Blick auf das zweite festungsartige Tor, auf die Ortschaft und den Saumpfad, der von dort nach hier führte. Foto Ed. Risca Igino Bomarzo

Orsini geschmücktes Portal, das auf der alten Fotografie gut zu erkennen und heute vor dem Eingang ins Wäldchen aufgestellt ist. Während die symbolträchtige Form des ersten Portales den Hindurchschreitenden in eine andere und enigmatische Sphäre der Wahrnehmung versetzt hatte, wies ihn das zweite Tor, wehrhaft und mit den Emblemen Vicinos ausgestattet, darauf hin, dass er nun das Reich des bestens gerüsteten Gast­ gebers betrete. Die trutzige Architektur bestärkte die Identifikation mit dem Ritter, der hier eine minnecliche­ aventiure suchte. • Pyramide, Hypnerotomachia Poliphili, Holzschnitt, 1500 Albertina Wien. Eingangsvignette mit dem Obelisken zum Kapitel 10 der Hypnero­tomachia Poliphili

Zu Pferd oder – landesüblich – auf Eseln, legten Vicino und seine Gäste den Weg zum Wäldchen durch eine heute nicht mehr rekonstruierbare Anlage eines Parks zurück, die wohl auch landwirtschaftlich genutzt wurde. Man kann davon ausgehen, dass sie nicht mit den Prunkgärten der Zeit mithalten konnte. Wohl auch aus diesem Grund veränderte der Bauherr Vicino Orsini die Proportionen und somit die Wertigkeiten seiner Villeggiatura so, dass sein Wäldchen mit Recht unvergleichlich genannt zu werden verdiente.

Bereits die Form der Pyramide am ersten Portal erinnerte an die Eingangs­v ignette zum Kapitel 10 der Hypnerotomachia Poliphili, jenem Kapitel, worin Poliphil von einem Bankett erzählt und endlich vor drei Durchgänge gelangt, von denen er den mittleren zur vita voluptuosa, zum lustvollen Leben wählt. (siehe Abbildungen der Inschriften an den Terrassen des Palazzo Ducale S. 278–283)

Das kleine, absichtlich naturbelassene Stückchen Wald, der Boschetto oder Heilige Hain, den die großen­Gartenarchitekten am Rande der großen und berühmten Gärten als Relikt und Anspielung auf das räumlich und zeitlich ferne Arkadien stehen­ließen, rückte hier großformatig und monströs­ins Zentrum des Interesses: Hier war dem freien Walten Pans ein Ort zugestanden, an dem sich das Idyll mit Gefahr und Leid verband, wo Freiheit von jedweder weltlichen Beschränkung zum Leitmotiv der Läuterung geworden war. Im kleinen wilden Bereich einer kultivierten Anlage stellte man sich jenes Reich Pans vor, in das die olympischen Götter niederstiegen, um hier, wo Naturrecht und Liebesfreiheit herrschten, Umgang zu pflegen mit merkwürdigen und heiligen Zwitter­ geschöpfen zwischen Tier und Mensch und Gott, Urlaub zu machen in einem Zwischenreich von Natur und Kultur, bevölkert von Hirten und Misch­ wesen, wo als besondere Attraktion badende Nymphen von lüsternen Satyrn belauscht und überfallen wurden.

Es ist davon auszugehen, dass Vicinos Gäste den anschaulichen Wortwitz verstanden und die unzwei­deutige Aufforderung zum Genuss mit der tugendhaften Devise am Bogen der Terrassentür ironisch verglichen. Sinngemäß würden sie ab jetzt die lateinischen Sentenzen mit ihren vulgärsprachlichen Gegenstücken im Wäldchen übersetzen und umgekehrt würde alles, was in der Freiheit des Wäldchens gesagt wurde, die harmlosen antiken Zitate an den Terrassen als umso zungenfertigere Repliken eines Einzelnen gegen die verschworene Gemeinschaft der Tugendhaften erkennen lassen.65

Dass Vicino Orsino dem üblicherweise sehr klein gehaltenen Boschetto so bedeutenden Rang und überdimensionalen Anspruch zuerkannte, zeigte sich vor allem daran, dass er die Planung des Skulpturengartens nicht einem Künstler überließ, sondern selbst das Programm entwarf und auch selbst Hand anlegte.66 Indem er dem kleinen und nur als Reminiszenz an ein altes Naturreich gelten­den Hain zeitlebens seine uneingeschränkte Aufmerksamkeit schenkte, kam es zu einer selbst­ identifizierenden Symbiose, die bald dazu führte, dass Vicino in seinem Wäldchen, wie er bald jenes

Fortschreitend verwandelte sich der Gast Vicinos in Poliphil, einen ritterlich Liebenden, der sein Schicksal selbst in die Hand nimmt – und auch Polia wird in einer letzten Steigerungsstufe des Minnedienstes zu einem immateriellen, dem Gral vergleichbaren Siegespreis. Der Nachvoll­ zug seiner­träumenden Wanderschaft unter dem Motto des Liebeskampftraumes assoziierte eine Reise ins sagenumwobene Ägypten. So mysteriös wie das Ursprungsland der Wunder und der Rätsel, stellte man sich die Reise durch Raum und Zeit bis dorthin­ vor.

48 Introitus

Areal nannte, selbstbestimmt und wahrhaft souverän seine Neigungen auszuleben begann und dem, was kompensiert und unter der angepassten Fassade des humanistischen Fürsten in ihm schlummerte, zu seinem Recht verhalf. Auf der Grundlage eines vergleichsweise enormen­ Bildungshinter­g rundes – und einer sehr speziellen­ Neugier, was die übel beleumundeten Wissen­ schaf­ten und Wissensgebiete betraf –, den finanziellen Mitteln und vor allem einer teils hochgestimmten und arroganten, teils verzweifelnden Gemüts­verfassung, entstand in der Provinz ein ikonografisches Konzept, das als authentischer­ Ausdruck der geistigen und emotionalen Veran­ lagung seines Schöpfers gelten kann – und das, daraus notwendig folgend, gegen die korrupte Welt Roms gerichtet war. Insbesondere die Doktrin der römischen Kirche war das Gegen- und darum Vorbild für die inventio des Heiligen Waldes. Einen wesentlichen Impuls für die Konstruktion seiner nichtchristlichen Gegenwelt dürften Giordano Brunos Thesen von der Unendlichkeit der göttlichen­Schöpfung gegeben haben. Brunos Annahme eines unendlichen Weltalls, das die Existenz vieler­anderer Welten impliziere, relati­ vierte nicht nur individuelle Existenz, sondern

darüber hinaus die dogmatisch und monopolistisch verwaltete römisch-katholische Wahrheit.

• Obelisk im Park vor dem Casino des Kardinals Cristoforo Madruzzo in

Brunos Thesen zeigten den Widerspruch zwischen­ Glauben und Wahrheit auf. Insbesondere seine Heroischen Leidenschaften, die den freiwilligen Exilanten Vicino unwiderstehlich angezogen haben dürften, überholten die neuplatonischen und erst recht die katholischen Glaubenswahrheiten. Der arkadische Identitätswechsel förderte Vicinos Identifikation mit dem »Ketzerfürsten« 67 und stellte für die Zeitgenossen einen Zusammenhang zwischen der gegenweltlichen Fantasielandschaft und Brunos unbedingter, aber eben maximal ausdifferenzierter Gläubigkeit her.

Introitus 49

Soriano • Obelisk im Park unterhalb des Palazzo Ducale in Bomarzo

50 Introitus

• Bartholomeus Breenbergh,

Vorwäldchen

»Der Wald von Bomarzo«, um 1625, Federzeichnung Institut Néerlandais, Paris

Das Vorwäldchen wurde als ein mythischer ZeitRaum wahrgenommen, als es nach dem Freigelände noch zusätzlich und als notwendige Wegstrecke nach Arkadien durchmessen werden musste. Die dadurch zeitlich verzögerte und durch die romantische Unwegsamkeit reizvoll gestaltete Anreise alludierte ein entlegenes und zugleich vergangenes Paradies. Sie war als Motiv der Distanz dazwischengeschoben, um den Topos der Erreichung eines Ziels zu veranschaulichen. 2004 wurden im Bereich des Vorwäldchens bislang der Forschung unzugängliche Strukturen freigelegt, die die These der Annäherung im Sinne der Hypnerotomachia unterstützen. Verschiedene Piscine, Wasserspiele und Figuren um das erst kürzlich freigelegte große (Schwimm-?)Bassin – wobei die offensichtlich unvollendete Skulptur eines sitzenden Bären und der Rumpf eines fisch­ schwänzigen Mischwesens besonders hervorzu­ heben sind – ergänzten sich mit den zahlreichen­ etruskischen Relikten, die natürlich samt und sonders nicht echt sind. Ihre rudimentäre­Aus­ arbeitung erzeugte die Illusion einer wieder­in den Zustand der Natur übergehenden­ Kunst – ein wesentliches Element aller Wieder­geburts­ vorstellungen, die sich in Bomarzo auf jenes Becken konzentriert haben dürften. Im Heiligen Wald dürfte es auch praktisch als Motiv einer allgemein­mythischen Vorstellung des Paradieses gedient haben, denn aufgrund der Größe und teilweiser Abtreppungen darf wohl angenommen werden, dass die Initianten in das Becken stiegen und darin badeten. In seiner reinigenden Bedeutung evozierte das kleine Flüsschen (Fosso della Concia), das das große Bassin mit Wasser speiste, die Hypnero­tomachia, wo Poliphil durch das klare Wasser einer Quelle in den paradiesischen Zustand unverdorbener und sünden­loser Neugier zurückversetzt wurde. Von hier führte der Weg auf eine kleine Rampe und vorbei an Spuren und Relikten wie dem riesigen

Felsen, der als etruskische Tomba in Form eines kleinen Tempels behauen ist. Es kann davon ausgegangen werden, dass Vicino nur der natürlichen Form des Felsens nachgeholfen hatte. Bemerkenswerterweise wird die geografische Mitte des Wäldchens von einem ganz ähnlichen, nur andeutungsweise behauenen natürlichen Felsen bestimmt. Vicino Orsinis hegemoniales Konzept wäre ohne die Kenntnis der etruskischen Stätten und ohne diese Verweise nicht aufgegangen. Bomarzo, das selbst keinerlei derartige Zeugnisse besitzt, ist von einem regelrechten Reigen antiker Stätten umgeben und Vicinos Idee einer diesbezüglichen Aufwertung des Boschetto naheliegend.

• Im Vorwäldchen • Im Vorwäldchen: etruskische Tomba in Hausform, in situ behauener Felsen auf dem Weg zum Wäldchen

Mehrere Cippi, wie sie in den etruskischen Nekro­ polen vor den männlichen Gräbern stehen­, markierten Vicinos Jenseitsreich wie ein Territorium. Mit den nachgeahmten etruskischen Boden- und Felsnischen gehörten sie zur Illusion einer Stadt der Toten.

• Im Vorwäldchen: »etrus­ ki­sches« Mischwesen, daneben Cippus und diverse andere Fragmente, die heute nicht mehr zuzuordnen sind

Wie eine Idee, die zunehmend klarer wird, verdichteten sich die Hinweise auf eine etruskische Nekropole mit der Annäherung an den eigentlichen Boschetto. Vieles, was im Vorwäldchen an die antiken Stätten der Umgebung oder der Literatur erinnern mochte, oder auch nur durch Anspielungen eine rätselhafte und irritierende Zweideutigkeit erhielt, wurde im inneren Bereich des Boschetto Gewissheit. Der Wanderer entdeckte auf seinem Weg seltsame Gesteinsformationen, die – wie so viele andere untrügliche Indizien – im verklären­den goldenen Licht des Ortes mysteriöse Realität erhielten­.

Der Wert dieser Villeggiatura ließ sich nicht an den großartigen Gartenanlagen Bagnaias, Caprarolas oder gar den römischen Gärten wie der Villa Hadriana oder der Villa d’Este messen. Statt der üblichen, gleichermaßen dem Otium als auch der Repräsentation gewidmeten Anlage, konstruierte­Vicino eine nicht minder kunstvolle, aber in ihrer Intellektualität alles andere übertreffende Kunstlandschaft. Als glaubwürdiges Naturheiligtum setzte es den abstrakten, stilvoll artikulierten Thesen der nobelsten Villeggiaturen eine eigenständige und autochthon schöpferische Antithese entgegen. Über mehrere, zwar gefälschte, aber nichtsdestotrotz überzeugende Relikte fügte sich der schlichte Boschetto wie von selbst in den Kreis der auratischen Nekropolen der Umgebung ein. Aus der neuplatonischen und neuepikureischen­Perspektive Vicinos erwies sich das innovative Falsifikat den echten­Zeugnis­ sen der rätselvollen Vorgängerkultur über­legen, deren Geheimnisse von Unberufenen längst ans Tageslicht gezerrt worden waren. Seine Künst­ lichkeit konnte mit der Authentizität der Vorbilder nicht mithalten, vermittelte aber gerade als Täuschung (inganno!) eine der etruskischen Kultur zugeschriebene Qualität, die die historische, aber zerstörte Stätte nicht mehr besaß.68 Vicinos verstreute Hinweise und Andeutungen erweckten den Eindruck, dass hier in Bomarzo eben jenes metaphysische Eindringen in eine etruskische Totenstadt möglich wäre. Alles deutete darauf hin, dass es sich hier um Funde von schlechterdings exorbitanter Bedeutung handeln­ würde.69 Unvermeidlich verband sich die Vorstellung einer Stätte ältesten und profundesten Wissens mit Ägypten, und als Schatzsuche mit der Auffindung der hermetischen Schriften. Diese legendäre Ver­ bindung hatte zu Zeiten Vicinos gleich mehrere­ Historiografen – von denen später noch ausführlich die Rede sein wird –, wissenschaftlich nachgewiesen. Die Erfindung einer Denkfigur wie jener des Hermes Trismegistos lag – ähnlich wie die kompilierende und systematisierende Darstellung des Jenseits, die Dante in der Comedia entwickelt­ hatte – gleichsam in der Luft und antwortete auf die Nachfrage der Zeit. Wiederholt tauchen

52 Introitus

• Im Vorwäldchen: groß­ zügiges Bassin mit Treppen­ stufen und stark erodiertem heraldischen­ Bären

Introitus 53

• Im Vorwäldchen: Tabula Smaragdina, in situ behaue­ ner Felsen auf dem Weg ins Wäldchen

54 Introitus

in der Hypnerotomachia Elemente der geistigen Wanderschaft des Hermes Trismegistos auf. Die langatmig geschilderten, detailliert abgebildeten triumphalen Züge und rätselvollen Szenen der Holzschnitte, wie etwa zum Kapitel 14 in der Hypnerotomachia, illustrieren die zeit­genössische Auseinandersetzung mit der Metapher Reise nach Ägypten. Die historisch nicht nachweisbare Gestalt des Hermes Trismegistos war eine creatio ex nihilo, der in einem allgmeinen Einverständnis der Weisheitssuchenden nicht nachgefragt wurde. Hermes Trismegistos galt als erster Philosoph, der sein überragendes naturkundliches und metaphysisches Wissen über eine mythische Stammbaumlinie von Adam im Paradies ererbt hätte. Wegen seines extravaganten intellektuellen Prestiges erschien er 1488 sogar als prophetische Gestalt im Programm des Sieneser Doms, von wo er als Symbolfigur der Divination in die ideen­ geschichtliche Konzeption des Wäldchen über­ nommen worden war (siehe Abbildung S. 263). Sphingen, Pyramide und die auf Sockeln erhöhten­ Obelisken bildeten gleichsam die Kulisse für seine Anwesenheit und erhoben den irdischen Ort, nach altägyptischem Vorbild, zu einer höheren Potenz. Das physische Höhersteigen auf der Rampe entsprach psychologisch und intellektuell­ dem geistigen Aufstieg. Das Motiv des heiligen Berges war bereits von Bruno für die Auflösung der Seele im Göttlichen gebraucht worden: »Oh Schicksal, oh Geschick, oh göttliche, unveränder­ liche Vorsehung, wann endlich werde ich jenen Berg besteigen, also zu solcher Geisteshöhe gelangen, dass ich mich mitreißen lasse und jenes Aller­ heiligeste und Innerste berühren kann, wo mir jene gezählten­, also seltenen Schön­heiten offenbar werden, gleichsam begriffen und einzeln aufgereiht.«70 Die Erhebung aus der Alltäglichkeit auf eine dem Göttlichen nähere Ebene, implizierte den Prozess der Läuterung und Selbsterkenntnis und nahm schon im Introitus Sinn und Ziel des Heiligen Waldes vorweg. Giordano Brunos These war die philosophische Ausführung des eingängigen Spruches »Der Weg ist das Ziel« (Konfuzius).

Von einer Mauer umschlossen, wirkt der innere Bezirk des Wäldchens spirituell und metaphysisch abgehoben wie die mittelalter­lichen horti conclusi oder ihre profanen Gegenstücke, die Zaubergärten der höfischen Dichtung, die mit einem Bann vor der Außenwelt verborgen und geschützt waren.71 Der Blick auf die wildromantische Bergeinsamkeit ringsum verband das christliche Vorbild mit dem antiken Vorgänger aller Paradiese: »Dort, wo es keine Geschichte und keine Zeiteinteilung gibt, die Pfade ziellos laufen – da ist der geschichtslose, weglos streifende Pan zu Hause. Pindar 72 spricht von ›heilig unbetretbaren Räumen‹ – da ist die Wildnis gemeint: geheiligter Boden, Reich des Pan und der Dämonen.«73 Zunächst jedoch führte die Rampe zielstrebig und feierlich geradewegs auf zwei Sphingen zu, die, auf Sockeln erhöht und antithetisch aufgestellt, kaum einen freundlichen Empfang boten, sondern eine geistige Schranke aufrichteten. Die Annäherung war auf langsame Erkenntnis ausgerichtet. Vom Vorwäldchen aus war nur der ummauerte, wie eine Festung abgeschirmte Hügel zu sehen gewesen. Erst allmählich und tatsächlich schrittweise rückte der Eingang ins Blickfeld. Von der Rampe aus hoben sich die Silhouetten der Sphingen und des Schiefen Hauses vom Himmel ab, was insbesondere in der Morgen- und Abenddämmerung und erst recht im nächtlichen Fackellicht eine höchst unheimliche Wirkung erzeugte. Dahinter, und als er zwischen den Sphingen hindurchgeschritten war, erblickte der Besucher die ägyptischen Hoheitszeichen der Obelisken vor dem wie umarmend geöffneten­Theaterrund.

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• Georges Glasberg, »Le Spinx«, Foto­g rafie aus: André Pieyre de Mandiargues, Les mons­t res de Bomarzo, 1957 • Im Vorwäldchen: Blick auf die Rampe – ehemali­ger Eingang in den Hei­li­gen Wald. Auf der Umfassungs­ mauer erkennt man noch die flachen Posta­mente, auf denen im 16. Jhdt. die Sockel mit den Sphingen auflagen.

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Sphingen Vorerst musste der Schritt durch die Sphingen gewagt werden, die weniger als ägyptische Rätsel­ wesen, denn als griechische Todessymbole mit ihren Blicken ein irritierendes Spannungsfeld aufbauten, in dem sich der Held dieses Abenteuers zutiefst verstört fühlte.74 Nach dem Vorbild der abendländischen Sphinx sind es zwei schöne Mädchen (Koren) mit reichem, in der Mitte gescheitelten und am Hinterkopf zu einem Knoten geschlungenen Haar, die von vorne gesehen ganz und gar menschlich sind. Sogar die fleischigen Oberarme sind von der Schulter an noch menschlich bis dahin, wo sie sich auf der Unterlage abstützen­. Dort gehen sie unvermittelt und doch organisch in die Pranken des Raubtieres über, so wie auch der zunächst eindeutige weibliche Oberkörper mit dem üppigen

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Busen in den zitzenbesetzten Leib der Löwin und ihre Hinterläufe überleitet. Die entspannte, überlegen wirkende Haltung der Löwenmädchen bezeichnete die Ewigkeit. Dem Eindruck der Gelassenheit, ja Bequemlichkeit, entsprach die originelle Polsterform der Steinplatten auf den leicht konischen Sockeln. Als Chimären des Wissens und Symbole Ägyptens repräsentierten die Sphingen die Sphäre, die sie bewachten. Sie drohten wie die oberitalienischen Portallöwen75 und warnten den Eintretenden. Der Unwürdige wurde schon am Eingang abgeschreckt. In der Eingangssituation, in der sich das Rätsel schlechthin personifizierte und die heroische Tat des Ödipus nachgestellt wurde, erlebte der Eintretende

• Introitus: linke und rechte Sphinx; heute am anderen Ende des Heiligen Waldes aufgestellt, wo sie der Besucher ebenfalls beim Eintritt erblickt, aber nicht mehr zwischen ihnen hindurchgehen muss.

sich selbst als Beute der Sphingen, die ihm Verderben oder Leben bringen würden.76 Wie die prophetischen Sphingen, die im Sieneser Dom als Begleiter und Wappentiere des Hermes Trismegistos’ Ägypten auftreten,77 sprachen­ auch die Sphingen Bomarzos den Ein­tretenden mit Worten an, die ihm aus ähnlichen Zusammen­ hängen ein Begriff waren. Im bewussten Gegensatz und vielleicht sogar in ironischer Anspielung auf die sinnentleerten und floskelhaft übernommenen Zierrate so vieler zeitgenössischer Gärten verkörperten diese Sphingen mit ihrem nur angedeuteten archaischem Lächeln den profunden Wissensdurst Vicinos. Eine absolut

vergleichbare rätselhafte, ja fast launisch wirkende Sphinx kannte­Vicino von seinen Besuchen in Caprarola. Neugier, die er als ebenso anarchischen wie selbstbestätigenden (An)Trieb hoch schätzte, wurde zum Leit- und Schlüsselmotiv des Wäldchens. In Verbindung mit dem ägyptischen Repertoire wurde die Sphinx freilich von ihrer arkadischen Konnotation auf eine gänzlich andere, transzendente, eben jenseitige Ebene entrückt. Die Sphingen hielten dem arkadischen Jäger die konsequente Ausweglosigkeit seines Bemühens vor Augen (moira und ananke). Bereits hier fand die freiwillige Metamorphose des aus der »Welt der Menschen und Meinungen« kommenden Besuchers in einen Bewohner Arkadiens statt und unterstellte ihn dem immanenten Naturgesetz des Wäldchens.

Introitus 59

• Hermes Trismegistos, Detail des Kopfes, Fußboden im Dom von Siena, um 1480 (Detail der Abbildung S. 263)

• Sphinx im Garten der Villa

Der keineswegs auf Autoritäten festgelegte Bildungshunger Vicinos kam aus einem natürlichen Interesse am Außerordentlichen. Wie die schillernde Figur des Hermes Trismegistos zwischen­ Mysterium und Weisheit angelegt war, spiegelte und bestätigte sich die ambivalente Figur des Vicino Orsini im Extravaganten.78 Dem okkulten Interesse der Zeit folgend, setzte er sich mit den entsprechenden Wissenschaften als auch Mythen auseinander, wobei er die verschwimmende Grenze zwischen erlaubter und verbotener, im wahrsten Sinne weißer und schwarzer Magie, wo es möglich war, überschritt und in ein absolut souveränes und freigeistiges, ebenso zweifelhaftes wie gefährliches Zwischenreich gelangte. Vicinos medizinische Wissbegierde, was die Beziehungen zwischen Geist und Körper anging, nährte sich von teils seltsam begründeten, esoterischen und sogar häretischen, auf den Index gesetzten Schriften. Dazu zählten­auch vorchristliche Erkenntnisse und Offen­barungen, die jedoch längst aufgrund ihrer Ehrwürdigkeit legitimiert und über alle Zweifel erhaben ins Repertoire der katholischen Kirche aufgenommen­ waren.79

Farnese in Caprarola

Im Banne der Sphingen begriffen sich sowohl der Bauherr als auch seine Besucher als Adepten jener Prisca Sapientia, die gleichnishaft im Garten zu suchen und zu finden wäre. Als legitime Nachfolger der Philosophen vom Garten (siehe Exkurs: Vicino der Epikureer, S. 302–311) besaßen sie außerdem das intellektuelle Rüstzeug, das »Theater«, das die meisten Leute um ihre Angelegenheiten inszenieren, stilvoll und zynisch zugleich zum Gegenstand ihrer metaphysischen Naturbetrachtung zu machen.80 Der Ausblick zwischen den Sphingen auf das Theater ließ an hehre Weihespiele und Tragödien, aber auch an komödiantischen Unfug denken; ganz im Sinne des »überhöhten­ Welttheaters«, das »ja im Grunde eine besser ge­ordnete Wirklichkeit ist«.81 Wie eine Prophezeiung oder Warnung klangen die Worte der Sphinx, die rechts neben dem Schiefen Haus lauerte und an die sich der Wanderer im Verlauf seiner Jenseitswanderung immer wieder erinnern würde:

60 Introitus

tv ch’entri qva pon mente parte a parte et dimmi poi se tante maraviglie sien fatte per inganno o pvr per arte DU DER DU HIER EINTRITTST BENUTZE DEINEN VERSTAND FÜR DAS WAS DAFÜR UND WAS DAGEGEN SPRICHT UND SAG MIR DANN OB SOLCHE WUNDERDINGE DURCH BETRUG ODER DOCH DURCH KUNST GESCHEHEN

Unweigerlich kamen dem Gast Vicinos die beklemmenden Worte in den Sinn, die Dante, von Vergil geführt, über dem Tor zur Hölle gelesen­hatte­: lasciate ogni speranza, voi ch’entrate82 (lasst alle Hoffnung fahren, die ihr hier eintretet­). Sie waren an die unglück­lichen Verdammten gerichtet­ – in Anspielung auf die charakteriologische Widmung des Wäldchens an den Saturniker Vicino83 wandelte die Sphinx die berüchtigte Phrase in die Einzahl ab. Der so Angesprochene war sich im Klaren, dass er nun das Jenseits be­treten würde. Die Mahnung der Sphinx nahm er als Verpflichtung, sein eigenes lügenhaftes Leben mit dem rätsel­haften Wäldchen zu bedenken. Mit ihrem Hinweis, dass er im Wäldchen in die Irre geführt, ja betro­gen­werden sollte, bezog sich die Sphinx auf das Wechselspiel von Kunst und Natur, Lüge und Wahrheit, Stadt und Land, oder auch Leben und Tod, das hier der Schlüssel zur Erkenntnis sein würde. parte a parte­(einerseits und andererseits) solle er alles einer Prüfung unterziehen. Die Idee war nicht neu, aber noch nie so zivilisationskritisch wie hier ausformuliert­: 1543 hatte Claudio Tolomei die Genialität des neuen Kunstschaffens gerühmt, das Brunnen entstehen ließ, in denen sich Kunst und Natur auf eine Weise mischten, sodass nicht zu entscheiden sei, ob es sich um ein kunstvolles Werk der Natur handle oder eines von Menschenhand, das die Natur perfekt­ nachahme.84

• Introitus: Sphinx, Detail des Kopfes

Introitus 61

Die Ansicht, dass das eine die höchste Stufe des jeweils anderen wäre, verband Natur und Kunst­ werk in einem kongenialen Spannungs­verhältnis, das für die renaissancistische und noch mehr die manieristische Gartenkunst kennzeichnend war: ars est celare artem (Kunst ist, die Kunst zu ver­ bergen).85

• Sphingen, Bodenmosaik des Sieneser Doms, Detail der Sphingen, deren Schwänze sich zur hermetischen Acht formen (Detail der Abbildung S. 263)

Der offensichtliche Austausch des antagonistischen Wortpaares Kunst und Natur stellte den inganno, den Trug,86 an die Stelle der Natur und dem Begriff der Kunst gegenüber, wodurch die unentwirrbare, täuschend echte Natürlichkeit oder umgekehrt täuschend natürlich wirkende Künstlichkeit einander die Waage hielten.87 Der erkenntnisfördernde Wert der Täuschung, die die Wahrheit ins Gewand des Unwirklichen und Unglaublichen hüllt und in der überzeichneten bis verzerrten Darstellung bis zum Schock reichen kann, würde im folgenden noch schrecklich klar werden. Der Hinweis auf Wunder spielte natürlich auf die nach der Regel des Hermes Trismegistos nachgeschaffenen Wunder an, denn aus dem Verhältnis zwischen göttlicher Natur und menschlicher Kunst leitete sich die erkenntnisfördernde, genuin sibyllinische Natur des Wäldchens

ab. Die manieristischen Verspieltheiten wurden durch die Realität der Sphingen auf die Ebene der existenziellen Bedrohung gehoben, denn wer das Rätsel nicht zu lösen verstand, war dem Tod ver­ fallen.88 Die Sphingen entlarvten die Welt der Erscheinun­ gen als Täuschung und Kunstprodukt. Inganno bedeutet soviel wie Betrug oder Verrat und war das Stilmittel der Kunst-Welt Natur, die Vicino mit seinem Wäldchen entwarf und die wiederum nichts anderes war als die Spiegelung der Menschenwelt, deren Lügenhaftigkeit hier, ähnlich wie in der Dichtung Tassos, offenbar wurde. Dieser Empfang war dazu angetan, Vicinos Gäste schon am Eingang in den Garten in die angemessen erwartungsvolle Haltung zu versetzen, was sie hier noch an Wundern und Schrecken, eben wunder­barem Schrecken, gewärtigen mochten. Die Inschrift am Sockel der zweiten Sphinx steigerte die Span­nung, indem sie ebenfalls eine bekannte Stelle aus der Literatur zitierte.

chi con ciglia inarcate et labra strette non va per qvesto loco manco ammira le famose del mondo moli sette

wer ohne augen und mund weit aufzusperren hier durchgeht wird nicht einmal über die sieben weltwunder staunen können

Diesmal wählte Vicino die Worte des untreuen Herzogs von Seeland, der als er von der Liebe Olimpias, der Tochter des Grafen von Holland, erfährt »die Lippen strafft und die Augenbrauen wölbt«.89

62 Introitus

Die Formulierung MOLI SETTE (sieben Welt­w under) nahmen Vicinos Zeitgenossen als Anspielung auf die sieben Regionen respektive sieben Stufen des Wäldchens und seine Bedeutung als hermetischer Läuterungsweg. Die sieben Weltwunder waren ein verschlüsselter Hinweis auf die (Be) Deutung der Siebenzahl, die im Wäldchen selber lag.90 Die distinguierte Allegorie wurde von den geist­ reichen Freunden Vicinos geschätzt und trug als Verrätselung ihrerseits dazu bei, den geheimen, hermetischen Sinn des Wäldchens zu bewahren. Wie der Briefverkehr Vicinos beweist,91 spielten sich er und seine Freunde einander in spitzfindiger Gelehrsamkeit abgewandelte Zitate zu. In einem weiteren Sinne des Sammelns und Verstehens gelang Vicino darin die Zusammenziehung des Kosmos im Wäldchen, das er als Konkurrenz der »Welt« gegenüberstellte. Kleine Details und Hin­ weise, die im wahrsten Sinn des Wortes fortschreitend verstanden wurden, ließen Bestimmung und Wert des Wäldchens als Versammlungsort, als Museion jeglichen Wissens und aller Künste erscheinen. Immer wieder tauchte dieses Motiv des jenseits jeden Wettbewerbs laufenden Kosmos Bomarzos auf.92 Präsentiert in einer Welt der Unwis­ senden, offenbarte er sich als Abbild der eigentlichen, geistigen, ganz und gar platonischen Welt. Das Interesse der gebildeten Zeitgenossen Vicinos an einer Realisierung des Unmöglichen im metaphysischen Medium des Gartens war gewisser­ maßen vorprogrammiert und erklärt die außerordentliche, alle Erwartungen übersteigende Wirkung des Wäldchens. Für den Weg durch den Heiligen Wald gab es Vorlagen – wie die 1471 im Druck erschienenen Schriften des Hermes Trismegistos, die Marsilio Ficino übersetzt und unter dem Namen Pimander herausgegeben hatte –, die die altorientalische mit der antiken Geisteswelt und jene wiederum­ mit christlichen Elementen vermischten. Im Wäldchen waren sie mit solchen aus antiker und zeitgenössischer Mythologie, wie auch mit Querverweisen auf die Biografie des Bauherrn, unentwirrbar verschmolzen. Der Anspruch des Programmes hielt dem Vergleich mit dem eines Studiolo oder einer Kunst- und Wunderkammer

stand, in der auf antike und sehr mysteriöse Weise die Wunder der Schöpfung gesammelt, nachgestellt und auf hermetische Weise sogar verherr­licht wurden. Vicinos Gäste nahmen sein Wäldchen als geistige Wunderkammer im Sinne der Platonischen Akademie wahr, die von Marsilio Ficino in Florenz unter dem Protektorat der Medici gegründet worden war.93 Im Kontext des antiken­ Selbstverständnisses, das in der von Vicino betriebenen­Diätetik zum Ausdruck kam, waren die mostri und maraviglie darüber hinaus noch Parabeln der Wechselwirkungen zwischen Geist und Körper.94 Die Vorlagen für einen neuplatonischen Läu­ terungsweg fand Vicino in den mittelalterlichen­, noch an das Ritterideal angelehnten Romanen wie dem Buch vom liebentbrannten Herzen oder dem Rosenroman, deren mystagogische Qualitäten nur vordergründig nicht zu den modernen Interpretationen der psychopathologischen Wildnis passen: Immerhin stellten Ariosts Werke Orlando Furioso und Gerusalemme Liberata ein abenteuerliches, ja sogar angstmachendes Arkadien vor Augen, das wiederum vom Aminta Tassos, einem nur dem Eingeweihten als solches­ erkennbaren Spottlied auf die Gesellschaft, sarkastisch­kommentiert wurde. Den spirituellen­ Beitrag leisteten halbtheologische Werke wie Dantes Divina Comedia sowie natürlich und vor allem die berühmte und vieldiskutierte Hypnero­ tomachia Poliphili von Francesco Colonna, deren initiatorischer Aspekt der Wanderung schon als direkt vorbildlich für Bomarzo genannt wurde: »Dies ist Poliphils Liebes­kampftraum, worin gelehrt wird, dass alles Menschliche nichts als ein Traum ist.« (siehe S. 310) Implizit verwies diese Formulierung auf die Comedia, die in der Form des mittelalterlichen­ Lehrgedichtes95 als Zusammenfassung und Vorlage für alle derartigen obskuren Wege der Erkenntnis gelten kann: Innerhalb der auto­ biografisch-metaphorischen Rahmenhandlung findet auch Dante in der Mitte seines Lebensweges, also mit genau 35 Jahren und am Abend des Kar­ freitags (sic!), aus dem dunklen Wald, in dem

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er sich verirrt hatte, heraus, und wird sogleich von drei Bestien bedroht96 – einem Panther, einem Löwen und einer Wölfin, die die Laster der Wollust, des Stolzes und der Habgier versinnbildlichen sowie darüber hinaus die Sünden der Jugend, der Mannesjahre und des Alters. Vergil97 befreit den verzagten Dichter und klärt ihn auf, dass er den Untieren nur dann entkommen könne, wenn er frei­ willig (sic!) das Totenreich durchschreiten würde. Schon dieser Hinweis verknüpfte die Comedia mit dem antiken Topos der Mysterien von Eleusis. Nach der Vorstellung, dass der Abstieg in die Unterwelt notwendiger, ja unverzichtbarer Teil des Lebensprinzips sei, vereinte die komplizierte Sphinx konsequenterweise alle unterweltlichen Göttinnen: Ceres, Proserpina, Hekate, Venus, Diana und selbstverständlich Isis. Die Sphingen waren die logische Weiterentwicklung des alt­ mesopotamischen Mythos vom Hieros gamos und Personifikationen einer legendären und divi­ natorischen, sibyllinischen Weisheit, die von der Unterwelt mit nach oben genommen werden­ könne. Vicino stellte den Erkenntnisprozess mit der land­ wirtschaftlichen Metapher und im Symbol der

• Ägypten in Etrurien: Janus­ köpfiger Pandeus, der in dieser Kombination als Wächter der Schwellen und des Wandels auftritt. Auf seinem Kopf trägt er deshalb die Cista mystica. • Zerbrochene Reste der Brunnenschalen in der nordwestlichen Ecke der Umfassungsmauer

Cista mystica dar, dem hermetischen Erntekorb, dessen Früchte nur in seinem Garten geerntet werden konnten. Fast schon zynisch bezeichnete­ Vicino seine hermetischen Versuche in der für ihn so typischen, nur vordergründig­bescheide­ nen Attitüde des provinziellen Fürsten auch wört­ lich als Erträge einer »kosmo­lo­g ischen Land­w irt­ schaft«.98 Damit bezog er sich auf Triptolemos, der von den Göttinnen Demeter und Hekate mit landwirtschaftlicher Weisheit beschenkt wurde. Zu den vielfältigen Variationen über die Göttinnen der Geburt und des Todes, der Erkenntnis und des Wahnsinns kam als Assoziation noch die grimmige­Frau der Hypnerotomachia am Ende des vier­ten Triumph­zuges ins Spiel, »die mit irrem Gelächter eine Getreideschwinge über ihrem Kopf erhebt«.99 Im Banne der Sphingen betraten Vicino und seine Gäste also den hermetischen Wald: Gleich doppelt lauerten die Chimären jener im Erdinneren verbor­ genen und geheimen Weisheit dem Eintretenden auf, indem sie ihn mit ihren Blicken in die Enge trieben und ihm hochmütig und fast schon höh­ nisch die Aussichtslosigkeit seiner Wissbegierde spüren ließen.

Nachdem die mysteriöse Schwelle überschritten worden war, konnte der Besucher wählen, ob er der Faszination des Schiefen Hauses erliegen und von jenem oberen Stockwerk Ausblicke auf den Garten und seine Figurenensembles genießen wollte, oder lieber, dem Flusslauf folgend, in den heiligen Bereich Ägyptens zum Amphitheater und die daran anschließende Isisgrotte eindringen würde. Nicht nur der Adept musste hier seinen­Weg wählen, sondern jeder Eintritt, ja sogar jede Richtungsänderung machte den Wald zu einem immer neuen Erlebnis, indem der Weg je nach Charakter und Vorliebe, aber auch im Sinne einer momentanen spontanen Laune oder Fragestellung, eingeschlagen wurde. Nachdem der Wanderer das Abenteuer mit den zwei Sphingen bestanden­ hatte, bot ihm das Schiefe Haus die erste Gelegenheit, sich der sinnbetörenden und -verwirrenden­Wirkung des Schlafes, des Traumes, der Ver-rück­ung und des Rausches hinzugeben. Dort, wo sich mit der natürlichen auch die historische Ebene verschob, konnte Vicino, nachdem er den erkenntnisfördernden Zustand der Ver-rückung erreicht hatte, die divinatorischen Techniken der antiken Völker nachvollziehen. Die mediale Kraft des Schiefen Hauses und seine Widmung an den Zirkel der Freunde, deren ähnliche Interessen hier gewürdigt werden, luden den Ort mit ägyptischer Authentizität: Hier setzten sie sich vermittels okkulter magischer Techniken in den Besitz der verlorenen Prisca Sapientia.100 Damit hatte sich der Schöpfer dieser realitätsverändernden, (alb-)traumhaften Atmosphäre selbst in den Strudel seiner eigenen, höchst emotionalisierten Gelehrsamkeit oder vielleicht besser seiner gelehrten Emotionen, seiner Komplexe und seiner Kreativität geworfen, deren Grenze, wie jene zwischen Natur und Kunst, nicht zu ziehen war. Die bereits angesprochenen Grabungs- und Restau­ rierungsarbeiten brachten auch mehrere, offenkundig fehlende Bauelemente und sogar Figuren zutage. Die ehemals vor dem Amphitheater aufgestellten Obelisken und mehrere steinerne Voluten, die jenen am Palazzo Ducale stark ähneln, sind noch vorhanden. Etwa fünfzig Meter vor dem ehe­ maligen Eingang wurden Teile des zerstörten

originalen Ensembles von Ägypten in Etrurien abgelegt oder erneuert, aber jedenfalls nicht wieder­oder nicht mehr eingebaut. Dicht von Moos überwuchert, wurde hier auch das Pendant des monumentalen Trismegistos-Kopfes der Isis­ grotte gefunden­(siehe Abbildung S. 264–265). Die antikischen Wannen, die an der halbhohen Mauer neben dem Eingang abgestellt wurden101, gehörten mit einiger Wahrscheinlichkeit mit anderen Versatzstücken auf der Rampe zum ehemaligen Ensemble Ägypten in Etrurien und dessen Wasserspielen. Vicino wählte das Motiv der Voluten sowohl für den Palazzo Ducale als auch sein Wäldchen, wohl weil sie Sinnbilder der Bewegung und somit Ausdruck der Lebendigkeit waren. Von seiner offiziellen Welt wiesen sie in sein privates Reich und umgekehrt versorgte das Symbol der Volute seine welt­liche Existenz mit der Energie des Wäldchens.

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• Introitus: Obelisken und Teile eines Voluten­brunnens auf der Rampe

• INTROITUS: das Schiefe Haus

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Schiefes Haus Schon vom Vorwäldchen aus hatte der Besucher eine merkwürdig vertraute und doch irrational wirkende Architektur bemerkt. Gleich rechts neben den Sphingen lässt ein zweistöckiger turmartiger Bau den Besucher seinen Augen nicht trauen. Die stabile Architektur ist ganz einfach aus dem Lot und kippt nach hinten, was technisch durch die wie Strebewerk funktionierende kleine Brücke gelöst ist, die der Zugang ins zweite Stockwerk bildet und zugleich das Bauwerk gegen die Mauerung des kleinen Berghanges daneben abfängt. Die Errichtung des Schiefen Hauses stellte den Bruch mit der ländlichen Idylle und auch der Welt der Tölpel dar, die vielleicht mit dem …lordi von balordi an der Rückseite der rechten Sphinx inschriftlich gewürdigt wurden. Die Inschrift auf der Sockelrückseite der rechten Sphinx, von der nur mehr Wortfragmente erhalten sind, war als Aufforderung zur Selbstreflexion zu lesen. emirate pvr t c ochi che se ben ciel torre son ro …lordi ln

und wundert euch weil t a rocke wer sich gut himmel turm bin (töl)pel ln …

Die Skulptur des Schiefen Hauses war tatsächlich wegweisend, als sie zum Introitus in den Zustand der Ver-rückung wurde und den noch Unwissenden im Sinne einer Initiation zunächst vereinnahmte, verwirrte und in diesem Zustand auf die Ebene

des oberen Plateaus entließ. Wie alle Ensembles des Heiligen Waldes erlegte das Schiefe Haus dem Besucher seine Konnotationen auf. Der Blick aus dem Fenster des Schiefen Hauses war Teil des Introitus und verriet schon jetzt – im Ausblick auf die letzte Station des Läuterungsweges, den Exitus – die Lösung des Rätsels. Vermutlich wurde sich der Gast Vicinos dessen bereits hier inne, jedoch spätestens dann, wenn er den Garten als Geläuterter wieder verließ und das Ende als Anfang erkannte. Mit dem Schiefen Haus, das als Durchgang und Schleuse funktionierte, verband sich zwangs­ läufig der Begriff der Unterwelt, wobei das antike Schattenreich sinngemäß zum Vorbild für das in der Erde und im Menschen Verborgene wurde. Das doppelt bewertete Motiv entsprach sich über beide Bedeutungen: Zum einen assoziierte es das anarchische Potenzial des Menschen, während der traditionell geisteswissenschaft­liche Topos der Schatzsuche mit dem alchemistisch-hermetischen Prozess der Läuterung und Selbsterkenntnis gleichgesetzt war.102 Grundsätzlich galt für das Wäldchen, dass hier, wie in Arkadien, das individuelle und kategorisch unterdrückte menschliche Potenzial frei würde und der althergebrachte Begriff der Liebesfreiheit in einem anarchischen Aufbegehren der unterdrückten Triebe umgesetzt würde. Vicinos Reflexionen über Authentizität gingen – praktisch vulgärsprachlich – über das Thema der primi sensi: Die wichtigsten Sinne,103 nämlich der Bauch und das Geschlecht, die er keineswegs als die inferioren, üblicherweise schlecht angesehenen und zu unterdrückenden Teile der Persönlichkeit betrachtete, sondern als die elementarsten, weil sie sich nicht mit Verboten oder Sublimation zufrieden gäben oder gar abstellen ließen­, sondern auf ihrem Recht bestünden. Selbst die Ikonografie des Schiefen Hauses war verschlüsselt, denn über die formale Anlehnung an die farnesinische Emblematik erwies Vicino zunächst und scheinbar seiner verstorbenen Ehefrau, Giulia Farnese, seine Reverenz104 und erst mit den Inschriften stellte sich die wahre

Introitus 67

auf den Freundeskreis um Vicino und das geheime Programm des Wäldchens beziehen.

• Erste Inschrift am Schiefen Haus:

Als Erster ist am kleinen Anbau des Schiefen Hauses Cristoforo Madruzzo, der Freund aus Kriegstagen107, genannt, dessen Parallelwelt wiederum die extra­ vagante Papacqua war. (siehe Gedankensprung: Die Papacqua des Cristoforo Madruzzo, S. 294–301)

crist madrvtio principi tridentino dicatvm cristoforo madruzzo, dem tridentinischen fürsten, gewidmet

• Emblem der Carolus Ruinus, Kupferstich aus: Achillis Bocchius, Symbolicarum, 1565

Bedeutung des Schiefen Hauses heraus – ebenfalls chiffriert in den Widmungen an Cristoforo Madruzzo, Alessandro Farnese, Giovanni Drouet und Annibale Caro.105 Zwischen Vicino und diesen vier Männern bestand eine lebenslange, bereits in der Zeit seiner militärischen Karriere begründete Freundschaft.106 Die Ambivalenz Vicinos drückte sich in der von ihm taktvoll und strategisch betriebenen Ausdehnung dieser privaten Beziehungen zu übergreifenden politischen Kontakten aus. Ohne sich deshalb selbst zu sehr zu involvieren, baute er gleichsam nebenher und in bewusster Abgrenzung seine arkadische Identität des Orsino aus, die ihn zugleich über die dekadente Welt Roms erhob und mit der unangenehmen Erkenntnis versöhnte, in vieler Hinsicht von dieser Scheinwelt abhängig zu sein. Ambivalent wie seine Einheirat in den inneren Zirkel der Papstfamilie, wobei ihm die Institution sowie ihre opportunistische Politik zunehmend verhasst wurden, blieb das Verhältnis zu den Freunden – insbesondere zu den Farnese. Dem ausgeklügelten Konzept des Schiefen Hauses folgend, umschreitet es der Besucher auf der Suche nach dem Eingang, den er erst nachdem er alles Bemerkenswerte bemerkt hat, an der Rückseite zwischen Haus und Berg findet. Dabei entdeckt er so interessante Details wie das raffiniert ein­ fache System zur Ableitung des Regenwassers, dem sich der hervorragende Erhaltungszustand des Schiefen Hauses verdankt, aber vor allem natürlich die doppelsinnigen Inschriften, die sich

68 Introitus

Zu offensichtlich, um von den Zeitgenossen nicht bemerkt zu werden, war der Verzicht auf den Titel des Kardinals, der immerhin dem Tridentinischen Konzil vorstand. Sein hoher geistlicher Rang interes­sierte im altro mondo des Heiligen Waldes umso weniger, als dieser heilig war und jener­ demgegenüber profan. In der Privatheit des Wäldchens und als »Waldbürger«, der sich nicht an die Regeln der römischen Clique hielt, inszenierte sich Vicino als jemand außerhalb dieser Gesellschaft, ja als davon unabhängiger Wilder, der dem Freund gerade mit diesem offensicht­ lichen Akt der Unhöflichkeit seine Reverenz erwies. Wie er an Giovanni Drouet schrieb, gehe er mit den Höhergestellten – dabei nennt er beide Kardinäle namentlich – recht informell um: komme unge­ laden, frage nicht um Erlaubnis, gehe und komme wie es ihm gefalle.108 In Anspielung auf die von Vicino selbst angemerkte Vanitas aller weltlich geistlichen Titulatur,109 die ihm den Freund entfremdet haben musste, drückte er ihm gerade mit der Weglassung seine besondere Wertschätzung aus, indem er den Affront gleichsam post­wendend mit dem Verweis auf dessen Fürstlichkeit wieder­ wettmachte: Als geborene Fürsten folgten beide, der Temperamentenlehre entsprechend, ihrer schicksalhaften Berufung, denn damit verband sich der Auftrag Kunst und Wissenschaft zu fördern­.110 Diese charakter­ideologische Auffassung passte zu der unmerklichen und umso tiefgreifenderen neuplatonischen Umwertung, die den Begriff des Adels von der alleinigen Bindung an Geburt und Stand herausgelöst und auf einen eingebore­ nen Wert des Menschen bezogen hatte.111 Das neuzeitlich-renaissancistische Faible für den gottbegnadeten Künstler drückte sich im Titel des Göttlichen aus, der sowohl dem unbestrittenen

Genie Michelangelo – aber auch dem Schandmaul Aretino – zuerkannt wurde und auch bestimmten­ Kunstwerken wie der Divina Comedia.112 Die Assoziation funktionierte­natürlich auch umgekehrt und wurde von den adeligen Dilettanten aufge­g riffen, die sich ihrer Prädestination zu Philosophen, Mäzenen und Sammlern bewusst waren. Nach den großen Vor­bildern der Zeit, wie etwa den Medici, die auf wahr­haft souveräne Weise Geld und Macht mit einer Kultur des Geistes zu verbinden wussten­, stellte auch der Freundeskreis Vicinos einen Zusammenhang zwischen dem Begriff des geborenen Fürsten und dem göttlichen­ Künstler her.113 Als Mäzen des vergöttlichten Künstlers oder als Künstler näherten sie sich ihrer Bestimmung im göttlichen Schöpfungsplan weitest­gehend an. Cristoforo Madruzzo, der von Tizian mit Räderuhr dargestellt worden war (siehe Abbildung S. 275), gewann durch dieses­Attribut eine besondere Bedeutung für das Wäld­chen, indem sich das Bild Tizians mit einer charakteristischen Briefstelle Vicinos trifft, in der er sich metaphorisch auf die kosmische Uhr bezieht, die er sinngemäß für sein Wohlergehen und ganz allgemein für eine kosmische Prosperität veranwortlich macht, und die »falsch zu gehen scheine«.114 (siehe zum Ort des Dis Pater, Kapitel Plateau der etruskischen Götter, S. 87 ff.) Die nächste Widmung bezog sich auf Alessandro und Ottavio Farnese, indem sie das Motto des

Studiolos in Caprarola115 leicht ver­ändert übernahm.116 Noch dazu spielte die Form des Schiefen Hauses auf Giulia an, das heißt auf das ihr zugeschriebene Emblem, mit dem ihre Standhaftigkeit gepriesen und in Bomarzo verewigt werden­ sollte. anima fit sedendo et qviescendo prvdentior­(in der stille und im schlaf werde die seele weise) lautete das Vorbild, das Vicino auf sich bezog und einer feinen Ver­ änderung unterzog: Mit der Modulation von Anima in Animus verlagerte sich die Bedeutung von der Erkenntnisfähigkeit der Seele zu der des Geistes. Das Schweigegebot ist durchaus als Ablehnung weltlichen Geschwätzes zu verstehen, aber in einem profunderen und hermetischen Sinne – vor dem Hintergrund des Tridentinischen Konzils, mit dem der Freigeist der Epoche gebannt werden sollte – bezog sich die Aufforderung zur Zurück­ haltung auf die Glaubenswahrheit, die Vicino zusammen­ mit Madruzzo sowohl in Bomarzo als auch in Soriano vor der »Welt« verschwieg. In diesen Zusammenhängen war es das Gebot der Stunde: im schweigen offenbart sich die weisheit. Die vatikanische Clique, zu der auch Vicino nun durch Einheirat gehörte, hatte sich über jenes Konzil hinweggesetzt und es sogar lächerlich gemacht: Im hermetischen Spott, zu dem auch die Selbstdarstellung in der Gruppe der nach Wasser dürstenden Israeliten gehörte, formulierten Orsini, Madruzzo, Drouet und vielleicht selbst die Farnesebrüder ihr hermetisches Credo.

• ANIMA FIT SEDENDO ET QVIESCENDO PRVDENTIOR. Fresko im Studiolo des Alessandro Farnese, Villa Farnese, Caprarola

• Zweite Inschrift am Schiefen Haus: animvs

Diese Verschiebung war umso bemerkenswerter, als Vicino für die Ikonografie seines Wäldchens fast durchgängig weibliche und definitiv lunare Formulierungen und Bilder wählte, während das männliche Element mit Erkenntnis und Selbst­ behauptung verbunden war und mit dem männ­ lichen Orsino, der hier erstmals am Schiefen Haus auftrat.

qviescendo fit prvdentior ergo DER GEIST WIRD (NUR) IM TRAUM HELLSICHTIG, ALSO

Introitus 69

• Schiefes Haus, von vorne gesehen • Francisco de Goya, »El sueño de la razón produce monstruos­« (übers.: Der Traum der Vernunft bringt Monster hervor), 1797–1799, Nr. 43 de Los Caprichos

Der traditionell geschlechtsspezifischen Zuord­nung Animus-Geist-männlich und Anima-Seele-weiblich entsprach die Vorstellung, dass sich die Wahrheit (lat. veritas, ital. verità: weiblich) am unverstelltesten, spontan und inspiriert im Traum offenbare. Dabei dachte man unweigerlich an die antiken Sibyllen, die einer durchgängig männlich dominierten Priester- und Philosophenschaft gegenüberstanden.117 Wie die Philosophen der Neuzeit bezog sich Vicino auf antike und diese wiederum auf altorientalische Quellen und, dem Interesse der Zeit an extravaganten Dingen und Vorstellungskreisen folgend­, auf die Orphik. Allerdings war ihr derselbe Stellenwert beige­messen wie den mittel­ alterlichen Lehrgedichten oder Liebesromanen – sie alle waren Substrate und vermischten sich zu einem kohärenten Ganzen: Den Beginn seiner Wanderung erlebte der Gast Vicinos als Irrfahrt – indem die Begehung des Schiefen Hauses zum Introitus in den innersten Wesenskern seiner Persönlichkeit wurde. Die Ver-rückung aus dem lotrechten, wachen und normalen Bewusstsein in ein ver-rücktes, verborgenes, zugleich vulgäreres und weiseres Unter-Bewusstsein war ein beliebig oft zu wiederholender Effekt, der in der Jenseitswelt der Nacht vermutlich noch wirksamer war als im hellen Licht des Tages. Für den ganzen Komplex des Sacro Bosco galt die antike Hochschätzung des Schlafes, des Traumes und nicht zuletzt des Wahnsinns, die allesamt dem Reich des Nichtbewussten, Jen­seitigen und Dämonischen zugeordnet wurden. Das Wäldchen, beziehungsweise seine Götter, die man sich – wie den Gott und Ort Orkus – sowohl personal als auch lokal vorstellte, verkörperten einen Ort des Jenseitigen, der nicht außerhalb, sondern­auf geheimnisvolle Weise im Inneren des Individuums verborgen lag, und wo parallel zum Wach­ bewusstsein, eine andere

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Wahrheit galt: »Die Orphiker hielten die Ratschläge der dunklen und unbeleuchteten Nacht für die tiefsten Quellen der Weisheit«.118 In Anlehnung an Aristoteles, der der Renaissance als die naturkundliche Autorität galt und den Vasari als Autor des Zitats angibt, wurden die Thesen des großen Naturkundigen über das Hellsehen im Schlaf in Vicinos Wäldchen erprobt. Der wahrheitsfördernde Wert des Schlafes konnte als prophetisch, und nicht zu einem geringeren Teil als selbstreflexiv erlebt werden, denn, kaum legt sich – damals wie heute – der wache, vernünftige Mensch Rechenschaft darüber ab, wie sehr er sich allen möglichen Zwängen unterordnet, um auf dem Schlachtfeld der politischen, privaten und ökonomischen Interessen zu überleben. Viele Zusammenhänge erkennt er nicht, weil nicht sein kann, was nicht sein darf. Aber es sind gerade die Abstrusität und die Gewaltbereitschaft der Träume, durch die sich das träumende Individuum von seiner Subordination befreit, sein Denken und Fühlen maximal steigert, seine Grenzen sprengt und überschreitet – vorzüglich gewaltsam – gleichsam in einem naturrecht­lichen Sinne –, um die Kreatur im Vernunftwesen zu befreien. Die freie Übersetzung der Inschrift, dass der Verstand dem sich selbst entfremdeten Individuum nur im Traum gleichsam rücksichtslos die Wahrheit offenbare, war eine Schlussfolgerung der – zeitgenössischen Berichten zufolge – die verwöhntesten und gebildetsten Römer bereitwillig folgten. Der Hinweis auf den intersäkularen Auftrag der Fürsten als Finder und Bewahrer immaterieller Schätze, als auch – damit verknüpft und daraus folgend – das Motto der Freigeistigkeit, definierte das Schiefe Haus als Sinnbild für die Rezeption des Kommenden. Die hohe Bedeutung, die die Renaissance dem Traum als bewusstseins­erweiternder und erkenntnisfördernder Leistung der menschlichen Seele einräumte, schlug sich im humanistischen All­ gemeinwissen nieder 119 und machte die praktische Umsetzung in der Figur, respektive im Medium

• Im Inneren des Schiefen Hauses, die Türschwelle zum kleinen Nebenraum ist bezeichnenderweise links viel stärker abgetreten, was auf die inzwischen jahrhun­ dertelange Unsicherheit der Besucher zurückzuführen ist.

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des Schiefen Hauses, zu einem wichtigen und naturkundlichen Experiment: Morpheus, der Gott des Schlafes und Bruder des Todes, wie auch die seherische Qualität des Traumes stimmten den Besucher psychologisch auf das Kommende ein, indem sie ihn als Schutzgottheiten auf dem Weg ins Unterbewusste begleiteten. In Anlehnung an die Hypnerotomachia bezeugten sie ihn als einen Suchenden, der auf der Spur seines Traumes durch die Schleuse des Schiefen Hauses in ein tieferes und, ebenfalls wörtlich zu nehmen, schlummerndes Bewusstsein von sich selbst geführt wurde. Also war das Schiefe Haus der Schlüssel, der die Wunder und Schrecken des Gartens erschloss. Mit der begehbaren Skulptur des Schiefen Hauses wandelte sich der locus amoenus zum locus ter­ ribilis, der sanfte Schlaf der Unwissenheit wurde vom Albtraum der Selbsterkenntnis abgelöst. Die Vorstellung, dass man das Bewusstsein verlieren müsse, um zu sich selbst zu kommen, stattete den Topos Arkadien mit innovativen Elementen des Gefährlichen und Schrecklichen aus. Um dies zu erreichen, ging Vicino schritt- um nicht zu sagen phasenweise vor: Die zuerst als Figur wahrgenommene Gestalt des Schiefen Hauses wandelt­sich vom Moment des Eintritts zum Medium. Sobald es seine Kontur verliert und ihn aufnimmt, beginnt es den Betrachter gleichsam zu vereinnahmen. Die hier wirkenden schie­ fen Naturgesetze übertragen sich und machen ihn buchstäblich ver-rückt. Die Anlage des Schiefen Hauses und seine Funktion als Metapher und Methode des Introitus legen nahe, dass es mehrfach begangen wurde und sich auf die folgenden Wahrnehmungen auswirkte. Es verband den Verwunderten mit den Wundern des Gartens. Wie ein traditionelles etrurisches Bauwerk, die zu hunderten in der Region zu finden waren, jedoch verschoben durch die geheimnisvollen und unberechenbaren Kräfte der Natur, hatte sich seine Bedeutung ebenfalls verschoben. Die Lesart einer Schiefstellung als Folge eines Erdbebens120 wäre dennoch wesentlich undramatischer und vor allem nicht so abgründig wie die

einer Schiefstellung infolge einer allmählichen Absenkung, die auf den Umstand zurückginge, dass hier auf Sand gebaut worden wäre. Diese langsame und unmerkliche Veränderung passte zur langsamen und vom Melancholiker an sich selbst beobachteten Verschiebung, die sich metaphysisch und psycho­somatisch vollzog und als sinnenfälliges Stilmerkmal des Wäldchens immer wiederkehrte. Erstmals wurde am Schiefen Haus das unkontrollierte und dämonische Schwan­ ken, das der triebhaft und verschlingend weiblich besetzten Natur inhärent ist, intellektuell von außen thematisiert und im Inneren sogar sinnlich­ empfunden. Das Bestreben, sich in der naturnahen Existenz zu verkörpern und im arkadischen Ideal den paradiesischen Zustand der Einswerdung mit den Ursprüngen und mit sich selbst zu erreichen­, ist eines der konstituierenden Merkmale des Paradieses. Die gegenweltliche Fiktion Vicinos berief sich auf eine äußerst bizzare Form der Archäologie, die über jene mythische Stamm­ baum­linie eine Brücke zum Goldenen Zeitalter schlug. Die Rekonstruktion bedurfte eines fiktiven Raumes, der wiederum nur durch die Schleuse des Unbewussten erreicht werden könne: Diese Schleuse war das Schiefe Haus und seine divina­ torische Kraft. Vicinos Gäste folgten dem antiken Natur-Verständ­ nis, das gerade im Traum, Wahnsinn und in der Ekstase Kräfte der Wildnis vermutete, die im menschlichen Bewusstsein in tiefem Schlaf befangen seien und entsprechend geweckt werden müssten:121 »Im Schlaf bekundet die Seele eindeutig ihre göttliche Natur; im Schlaf wird ihr eine Art Einblick in die Zukunft gewährt, und das geschieht offenbar weil sie im Schlaf vollkommen frei ist«.122 Nicht umsonst war Arkadien der bewährte Schauplatz entfesselter Emotionen und Triebe, deren hemmungsloser­Ausbruch als Folge der Einschränkungen des Individuums betrachtet wurde. Das Schiefe Haus ist tatsächlich über eine Brücke vom Wachbewusstsein in jene arkadische Existenz

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erreichbar. Vicinos etruskophile Rekonstruktion bezog sich ausgesprochen interdisziplinär einerseits auf antike Autoren und andererseits auf deutsche Gelehrte. Insbesondere die ambivalente, zutiefst europäische Figur des Philosophen Giordano Bruno entsprach dem anarchistischen Furor Vicinos, der als Illustration dieses Aufbegehrens den Orsino als seine privateste Signatur123 an die Ecke des Schiefen Hauses setzte, wo er das Wappen der Orsini in seinen Tatzen hält.124 Das Motiv entlehnte Vicino zweifellos aus Pitigliano, wo auf der Piazza San Gregorio vii. ein Bär mit dem Orsiniwappen auf einer Säule aus dem 15. Jahrhundert steht und mit seinem beeindrucken­den Phallus die Potenz des Hauses Orsini symbolisch darstellt. Der Orsino ist eine aus der verdrängten, geistig und sinnlich unbefriedigten Situation entwickelte Meta-Existenz, die eben jene unterdrückten und vermutlich kaum bewussten Anteile der ansonsten­ unauffälligen und seriösen Persönlichkeit verkörpert. Die archaische Bedeutung des Bärenmotivs

• Orsino mit dem Wappen der Orsini. Piazza San Gregorio VII., Pitigliano (IT) •• Bär mit dem Orsini­wappen an der nordöstlichen Ecke des Schiefen Hauses

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steht gleichsam über Raum und Zeit und verbindet die individuelle mythische mit der allgemeinen historischen Zeitachse. Offen­sichtlich setzte die Identifikation mit dem starken, wilden und geheimnisvollen Bären beim Renaissancefürsten und »Waldmenschen« Vicino vergleichbare Asso­ ziationen frei wie bei Natur­völkern, die sich als Jagdgemeinschaften mit dem Beute- aber auch dem Raubtier in unmittelbarer Verbindung spüren­: »Menschliches Wohl­befinden geht weit über ein bloßes Überleben hinaus. Was die meisten von uns für sich selbst und andere wünschen, ist Lebendig­ keit, ein Leben, das wirklich Leben zu nennen ist, mit Arbeit, Teilhabe an den Belangen der Gemein­ schaft, mit gelegentlichen Ekstasen und tiefer Kontemplation. Der Bär ist, wie der Ainu sagt, der Gott des Gebirges. Seine Energie, sein Mut und seine Wachsamkeit sind Ausdruck der Kraft der Waldwildnis. Ihm zu begegnen löst nicht nur Furcht aus, sondern auch Begeisterung und Staunen.«125 Der Bär ist eines der Monster, das im Wäldchen als Wunder nach dem lateinischen Etymon

monstrare figuriert; von dem sich das italienische Wort mostro ableitet, das wiederum die Lesarten des Zeigens, Belehrens und eben des Monströsen in sich vereint. Es erhellt die Absicht des Bauherrn, etwas anderes zur Anschauung zu bringen und kathartisch zu lösen. Die unterdrückten Anteile seiner fürstlichen Person konnten nur im oscuro, dem Dunkel – gerne verwendete Vicino das beliebte Manierismuswort auch im Garten – seiner Kindheit geortet werden. Tatsächlich erfuhr Vicino seine Eltern als extrem ambivalent – auf der einen Seite die hochkultivierte und zarte Mutter, auf der anderen­der für seine Rohheit berüchtigte Vater – was er entweder verdrängen oder sublimieren, oder eben durch Übertragung auf eine künstliche MetaExistenz auflösen konnte.126 Die Initialen, die er in Latein und Volgare, als vv, als vicinvs vrsinvs­oder als vicino orsino am Palazzo Ducale anbringen ließ, deuten darauf hin, dass sich Vicino im Fell des Bärchens ein eigenes Feld der geistigen und körperlichen Betätigung geschaffen hatte, ein Arkadien aus Freiheit und Genuss sowie intellektueller Überlegenheit. So konnte einer Gesellschaft widersprochen werden, die unmoralisch lebte und gleichzeitig vorgab, auf ein Weiterleben nach dem Tod zu hoffen. Dem katholischen Paradies einer völlig sittenlosen und der Natur entfremdeten Gesellschaft setzte Vicino sein Arkadien entgegen, das mit einem unerhört neuen, auf Lebensfreude statt Todesfurcht setzenden Programm Unsterblichkeit verhieß. Der intellektuelle Hintergrund war beachtlich: Die platonische Auffassung von der Unsterblichkeit und vor allem das epikureische Modell der mit dem Verfall der Körperatome sich ebenfalls in den leeren Raum des Alls zerstreuenden Seelenatome, die durch ihre neuerliche Bindung an ein geistiges und somit ewiges­Konzept weiter bestünden, vermischten sich mit den Fabeln über ägyptische Geheimkulte und die Figur des Hermes Trismegistos. Konsequent verwirklichte der Lebemann und Philosoph Vicino das platonische Modell, das Marsilio Ficino oder Pico della Mirandola als logische Verknüpfung von Lust, Vergnügen und Erkenntnis interpretiert hatten. Mit der

• Bei Restaurierungsarbeiten im Dach­geschoss des Palazzo Ducale freigelegtes Fresko eines kleinen Bären (Orsino) mit Rosen und einer Mohnkapsel (sic!) in seiner Tatze

erfreu­lichen Philosophie Epikurs entstand ein para­­diesisches Konzept, das, wiewohl hochberühmt und vieldiskutiert, kaum in seiner letzten­ Konse­quenz verstanden und gar umgesetzt wurde: Die Erschaf­fung eines in der Ewigkeit der Inter­ kosmien existierenden, außerräumlichen und über­zeit­lichen Arkadien. Die Implikationen dieser Natur­betrachtung waren eindeutig kirchenfeindlich, vor allem was die Anschauung der Ewigkeit anging. Bruno wurde dafür als Ketzer verurteilt und verbrannt – der intellektuelle Sprengstoff seiner­Thesen hat sich dennoch, etruskisch und hermetisch verschlüsselt, im unzugänglichen Konzept des Wäldchens erhalten. Die heute gänzlich erodierte Inschrift auf der größten­und ebenfalls von Rollwerk hervor­ ge­ho­benen Tafel dürfte, nachdem das Schiefe Haus bereits mit Inschriften zwei Mitglieder des erlesenen Vicino-Zirkels gewürdigt hatte, wohl dem besten und ihm am nächsten stehenden Freund, Giovanni Drouet, zugewidmet gewesen sein. (Freilich kann außer dem Umstand, dass

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von Vicino Orsini immerhin 77 [sic!] Briefe an ihn gingen­, keinerlei Beweis dafür erbracht werden.) Eine Relieftafel zwischen zwei Streben der Mauer, die den Hang hinter dem Schiefen Haus abstützt und die beim Umschreiten desselben zwangsläufig noch vor dem Eintritt bemerkt wird, ist ein denkwürdiges Detail, das den Introitus noch enger an die Hypnerotomachia anbindet. Wie eine Erscheinung aus der Antike wirkt die Darstellung eines verführerischen weiblichen Aktes, dessen Scham nur unvollkommen von einem leichten Tuch verhüllt wird und das bereits über die Hüften herab­zurutschen begonnen hat. Wie ein Paradoxon wirkt der minutiös herausgearbeitete Kruzifixus, auf den die merkwürdig schwebende oder sich wie in einer Apotheose auf­lösende Verführerin ihre himmelnden Blicke richtet – zugleich wendet

• Schiefes Haus: Nische neben dem Eingang, darin Mensa mit dem Altarbild der Polia; daneben Treppenaufgang vgl. Abbildung gegenüber­ liegende Seite

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sie sich ostentativ vom Baum der Erkenntnis zu ihrer Linken ab, der hier als Symbol der Erbsünde Schuld und Scham bedeutet haben mochte. Faszinierend und irritierend, ja sogar erregend­an dieser Zusam­menstellung, wirkt nicht einmal so sehr die offenkundige Erotik des Mädchenaktes, sondern der Gleichklang, mit dem sich der Kopf des sterbenden Christus und der woll­lüstigen Nymphe nach links wenden und wie im Einver­ ständnis wirken. Diese Abstrusität, die auf eine Provenienz aus der Hypnerotomachia schließen lässt, konnte nur jemand von Vicinos geistiger Statur entwerfen. Seine gebildeten Gäste erkannten Polia127 als Symbolfigur für den katholisch unlösbaren Widerspruch von Erkenntnis und Lust, der ihnen bereits an den Terrassen des Palazzo Ducale mit »frommen« Sprüchen sarkastisch vor Augen

mit der Außenwelt gab, kaum empfunden worden­ war. Die Ikonografie des Schiefen Hauses ist wesent­lich davon bestimmt, dass es vom Erd­ge­ schoss keine Verbindung zum oberen Stockwerk gibt und der Besucher das blicklose Parterre wieder verlässt, um den Berg hinaufzusteigen, um endlich von der turmartigen Warte einen Ausblick auf den Garten zu haben. Im Vergleich zum aussichtslosen Untergeschoss erlebt der Besucher hier die Diskrepanz zwischen der inneren und äußeren Welt, die an das platonische Höhlengleichnis erinnert. Die nur an der Innenseite abgetretene Schwelle zum winzigen Zimmer, in das man vom Hauptraum durch ein kleines renaissancistisches Portal gelangt, zeugt von der Verunsicherung mit der sich die Besucher im Schiefen Haus bewegen.

geführt worden­war und den aufzulösen sie sich mit ihrem Gastgeber ins Wäldchen begeben­hatten. Beim Lesen der Inschriften und geleitet vom Wappenbär, der ihn gastgeberlich zu empfangen und weiter zu führen scheint, wandert der Besucher um das Gebäude herum, um endlich den Eingang zu finden. Zwischen dem Schiefen Haus und dem Bergrücken betritt er also das Untergeschoss und die ebenfalls zwischen Berg und Hausmauer hinaufführende Treppe, die ihn oben angekommen über eine schmale Brücke ins obere Stockwerk führt. Somit haben ihn seine Neugier und die Bereitschaft, das von den Sphingen geheim und verborgen gehaltene Reich einer älteren­und mystischen Weisheit zu betreten, auf eine höhere Ebene des Bewusstseins geleitet. Die Ver-rückung beginnt – wie der Krankheits­ ver­lauf – unmerklich: Im ebenerdig nur durch Oberlichte erhellten Raum hatte sich die leichte Schiefstellung der Mauern als leise Irritation aus­ gewirkt, die dadurch, dass es keinen Blick-Kontakt

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• »Altarbild« der Polia zwi­ schen Kruzifixus und dem Baum der Erkenntnis • Schiefes Haus: Detail der kleinen Brücke ins obere Stockwerk

Ausblick auf die Hekate Der Ausblick aus dem schiefen Fenster auf das Wäldchen war ebenfalls ver-rückt, als er in der Art eines hermetischen Rebus funktionierte: Verdreht und etwas aus dem Gleichgewicht, wie ein schief hängendes Bild, wirkten das wie hinge­gossen daliegende Weib mit dem Hund und dem kleinen Altar im schrägen Rahmen der Fensterlaibung und in der felsigen Wildnis oberhalb des antiken Theaters, das zugleich eine ägyptische Kultstätte mit Obelisken und den üblichen Versatzstücken war. Schon die übernatürliche Größe der Gestalt deutet auf eine mythische Herkunft aus ältesten Zeiten und ihre Lage genau am Kreuzungspunkt verschiedener Zugänge, die sowohl nach beiden Seiten, als auch von unten nach oben führten, war bezeichnend­. Ursprünglich bündelte und beschloss diese Figur, die sich noch unbekannten Orten im tiefen Wald hinter ihr verbindet, die ganze Anlage und war das geistige Zentrum des Wäldchens. Ihre Anwesenheit wirkt vollkommen natürlich – wie eine Hervor­bringung des Ortes; und dieser­ Eindruck täuscht nicht, denn die Schlafende Schönheit wurde aus dem gewachsenen Felsen herausgemeißelt. Die Figur ist nackt, ein schmaler­ Streifen Stoff liegt über ihren Beinen und die Andeutung eines Leintuches oder gefallenen Gewandes unter ihr, das sie sich im Schlaf abgestreift hätte, bringt sie mit den anderen, ebenfalls nicht vollständig bekleideten und doch so eleganten etruskischen Göttern in Verbindung. Die freimütige und völlig ungekünstelt wirkende Schlafposition des nach hinten auf den Felsen weggekippten Hauptes mit der üppigen, antik frisierten­ Haartracht, die locker ausgebreiteten Arme und die entspannt in das weiche Laken greifenden­Finger der rechten Hand sind der Natur nachempfunden und dennoch kunstvoll arrangiert; desgleichen lässt der abgerundete, an einen orientalischen Diwan erinnernde Sockel das ganze Ensemble

weich und einladend wirken (siehe Voll­bild S. 126). Vicinos Gäste sollten bei diesem Anblick an antike Schläferinnen wie Psyche oder auch Ariadne denken­, vermutlich sogar an jenen Holzschnitt der Hypnerotomachia, worin eine ähnliche Bajadere von einem lüsternen Faun entdeckt wird und worin sogar ein weggezogener Vorhang (sic!) eine Analogie zu Badehausszenen, ja selbst zum neuplatonischen­Aktaionmotiv herstellt. Aber erst seit dem Hund in der Beuge ihres linken Armes der Kopf wieder aufgesetzt worden war, ist es möglich, die ehemalige Wirkung nachzuvoll­ ziehen. Die Kombination aus schöner Frau, Kreuz­ weg, Hund und Altar, aber wohl in erster Linie ihre nächt­liche Inszenierung, dürfte Vicinos Gästen einen gehörigen Schrecken eingejagt haben. Die Örtlichkeit war symptomatisch und wurde bei Dunkelheit mit Hilfe verschiedenster Effekte, die nächtliche Beschwörungen und Hexenzauber vortäuschten,128 mit Leben erfüllt. Wie andere antike Gottheiten mit ihrem Ort Identität und Namen teilen, war auch diese Gestalt als Erscheinungsform des Schiefen Hauses und wegen ihrer Personalunion mit dem Kreuzweg eindeutig: Hekate, älter und mächtiger als das regierende Göttergeschlecht. In ihrer ältesten Bedeutung – als Göttin der Schwel­len, der Übergänge und Wächterin der Tore zwischen den Welten – herrscht sie als weibliches Pendant des Großen Pan über Vicinos unterweltliches Arkadien und kann als dessen Allmutter und Weltseele gelten­. In Bomarzo erschien sie jedoch nicht traditionell dreigestaltig,129 sondern in der eher volkstümlichen Gestalt der Empusa, eines schönen Weibes, das sich nächtens in einen Hund oder anderes Getier verwandelt. Der nächtlich jaulende Hund ist ihr unvermeidlicher Begleiter, bildet aber auch das Gefolge der anderen lunaren Göttinnen wie etwa der Jagdgöttin Diana. Als Sternbild der ebenfalls lunaren, unterweltlichen und frucht­baren Isis, die wiederum eine Tochter Saturns ist,130 stellt der Hund eine mythisch-genealogische Verbindung zur ältesten Vergangenheit her. Um die Botschaft des Wäldchens zu verstehen­, sind selbst so kleine Details wie dieser Hund, der sowohl Begleiter der Hekate als auch ihr Opfertier ist, als Teile eines

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• Ausblick aus dem Schiefen Haus: Hekate als Schlafende Schönheit

Autoren bekannt gewesen sein könnte, stellte die Eisenradierung »Der Verzweifelnde« (um 1515) von Albrecht Dürer dar, die als Darstel­lung des saturnischen Temperaments ein fast schon monströs vollbusiges schlafendes Weib zeigt. Dieser beängstigende Eindruck, der sich vor allem nachts geboten haben musste, war tagsüber relativiert, aber immer noch übt beim Umschreiten der Hekate ihre rechte Brust, die als höchster Punkt der Felsenskulptur und wie eine Achse wahrgenom­men wird, eine zwischen Erotik und Dämonie oszillierende­ Anziehungs­­k raft aus.

• Bajadere mit Faun, Hypnero­tomachia Poliphili, Holzschnitt, um 1500 Albertina, Wien • Albrecht Dürer, »Der Ver ­z weifelnde«, Eisen­ radierung, um 1515 National Gallery of Art, Washington

Konglomerats von Bedeutungen zu bedenken. Die Trivia Bomarzos war eine regelrechte Kreuzung von Inhalten und Personifikationen, die im Heiligen Wald eine noch nicht dagewesene Ikonografie der Geheimnisse der Nacht ausbildeten. Obwohl es im obskuren Gedankenzusammenhang der Nacht immer wieder zu Gleichsetzungen kam, galt Hekate als Vertreterin des nächtlichen Schreckens, im Gegensatz zur lieblichen Mondgöttin Selene oder zur keuschen Jägerin Diana, die ebenfalls mit Hunden auftritt, und im Gegensatz zur ent­ weder furcht- oder fruchtbaren Proserpina, die von Kerberos begleitet wird. Aber nur Hekate wurde gemeinsam mit den Furien, die noch den Beinamen »Töchter der Nacht« trugen, an Weggabelungen angerufen.131 Im Spannungsfeld des Dreiweges und in direkter­ Nähe zum etruskischen Friedhof, mit den verstreut liegenden weiblichen (sic!) Cippi, wirkt ihre Schönheit bedrohlich – sinnfällig dargestellt in ihren nicht weiblich schmiegsamen, sondern wie dräuend aufgerichteten Brüsten. Ein überzeugen­ des Vorbild, das Vicino aus den Schriften der »Oltramontani« (siehe S. 178) und der antiken

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Raum und Zeit ihrer Herrschaft sind Körper und Geist, die ohnmächtig im Schlaf liegen. Die schlafende, ihr jenseitiges Reich der Träume beherrschende Riesin war eine unverstellte Anspielung auf die antiken Hexen,132 wobei man in Bomarzo wohl an die berühmteste, Erictho, denken sollte,133 die mit magischen (nekromantischen) Praktiken der Natur ihre Geheimisse abrang. Sie bildete das teuflische Gegenstück zur Gottbesessenheit der Sibyllen.

• Hekate als Schlafende Schönheit, den nächtlichen Schrecken verkörpert der Hund in ihrer Armbeuge.

In Bomarzo war Hekate die Verkörperung dessen was waltet. Die Titanin hatte als einzige Zeus im Kampf der Giganten unterstützt und war von ihm gleichsam zum Dank mit »außerordentlicher­Macht im Himmel, auf der Erde und in der Unterwelt belohnt« worden.134 Seit frühesten Zeiten galt sie als Schicksalsgöttin, mit deren Hilfe man sein Schicksal zu ergründen oder gar zu wenden­hoffte, und die sich deswegen zum Inbegriff der schwar­ zen Magie gewandelt hatte. Die lunare Göttin war die nächtliche Entsprechung des Helios. Sie repräsentierte die weibliche, dunkle Seite, die schwarze Magie und intuitive Mantik, die sich im Traum und in der Ekstase offenbarte. Sie galt als der irrationale­, finstere Gegenpol des strahlenden Apoll135 und übernahm innerhalb des antagonisti­ schen Gegensatzpaares von dionysischem Rausch und apollinischer Klarheit den Part der geheimnis­ vollen Führerin in die Unterwelt.136

die einzelnen Bereiche und Ebenen des Wäldchens miteinander verband, deutete die Vorstellung des lockenden Weibes, das sich schlafend in eine fins­ tere und unbewusste Macht verwandelt, metapho­ risch in die des hellen Tages um, der zur finsteren­ Nacht wird, und setzte letztlich gleich mit der logischen Erkenntnis, die vom Albtraum abgelöst wird. Als Warnung und Vorbereitung wurde mit diesem Ausblick jede romantische Deutung des Kommenden außer Kraft gesetzt. Die Anwesenheit dieser mächtigen Göttin schloss von vornherein­ jede paradiesische Konnotation eines locus amoenus­aus, und markierte mit dem in der drit­ ten Bauphase zeitgleich entstandenen Schiefen Haus den Herausfall aus dem Wachbewusstsein in eine ekstatische, unterbewusste und jenseitige Welt, die von Eros und Thantatos beherrscht ist: Das Experiment des Paradieses hatte sich in sein Gegenteil verkehrt.

Ihre Anwesenheit im Heiligen Wald war von tat­ sächlich monströser Bedeutung und wurde dem Wanderer gleichsam als Warnung auf den Weg mitgegeben: Ihre Stellung im und als Zentrum des ganzen Programmes, ihre Erreichbarkeit inner­ halb einer dreidimensionalen Weggabelung, die

Das sinnliche Erlebnis des Gesamtkunstwerkes kam durch eine ungewöhnliche, nur in eupho­ rischen Beschreibungen erhaltene Bepflanzung zustande, innerhalb derer die Wunder des Gartens erschienen. Schrittweise interpretierte der Wanderer das unmittelbare Nebeneinander und

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• Hekate als Schlafende Schön­heit – der unverstellte Blick auf die Hekate ist heute nur mehr vom Platz vor dem Schiefen Haus möglich. Im Vordergrund weibliche Cippi in der charakteristischen Häuschenform

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Aufeinanderbezogensein der einzelnen­Figuren­ gruppen als auch die Erfahrung des kontrol­lierten Abgrundes. Dazu kamen außer­dem noch die vielfältigen Geräusche der Wasser­spiele137 und die Rufe der exotischen und wilden­Tiere.138 Vicinos Gäste staunten über indische Hühner (Truthähne), die damals in Europa noch weitgehend unbekannt­ waren. Das bizarre Geflügel aus der Neuen Welt wurde mit Gefühlen des Erstaunens und der Abscheu betrachtet, die das sinnliche Erlebnis der altro mondo noch intensiver­ machten. Vicinos Wäldchen, in dem das Individuum einer ganz anderen Dynamik und selbsterfundenen Naturgesetzen unterworfen war, entsprach dem arkadischen Ideal und seiner Verlegung in eine Zeit, die mit der Entstehung der Welt zusammenfiel. Die Perfidie des Schiefen Hauses besteht in seiner Labilität: Die nur leicht ver-rückten Naturgesetze wirken sich sofort aus, aber es dauert nur wenige Minuten und der Gast Vicinos hat sich, wie auf einem schwankenden Schiff, an die hier herrschende Schieflage gewöhnt und bewältigt die kleine Distanz zum winzigen Anbau ohne Stolpern. Umgekehrt verliert er die gewonnene Sicherheit, sobald er das Schiefe Haus über die kleine Brücke verlassen hat und taumelt nun seinen nächsten Abenteuern entgegen.

Verunsichert in seinen ureigensten Wahrnehmun­ gen hatte der Unwissende ein Reich des höheren­ oder, weil sich die Gegensätze berühren, des unteren­Bewusstseins betreten. Erst von hier aus konnte er in Vicinos mythisches Reich einer etruskischen Vorvergangenheit gelangen, das den Begriff der Unterwelt als Synonym für Identität in seiner­wechselseitigen Beziehung von Herkunft und Prädestination auseinandersetzte.

• Im Inneren des Schiefen Hauses, südöstliche Ecke mit Fenster und Ausgang

• Schiefes Haus: Treppen­ aufgang und Ein- bzw. Ausgang über die kleine Brücke

II. Plateau der etruskischen Götter: Identität und Selbstbehauptung

• Vor dem Aufgang zum Plateau der etruskischen Götter; rechts Anna Perenna, die mit ihrem Blick den Wanderer ins Plateau der etruskischen Götter lenkt.

Das Schiefe Haus hatte den Besucher in einen Adepten verwandelt, der die folgenden arkadischen Abenteuer als Szenen seines eigenen Lebens interpretierte. Vicino inszenierte sich selbst als Protagonist einer Art von Selbstreflexion, die nur in seinem Wäldchen möglich war. Ausgerechnet vor den römischen, vorzüglich römisch-katholischen Exponenten jener dekadenten Kultur, die dennoch als einzige fähig war sein Wäldchen zu würdigen, wollte und konnte sich der von Minder­ wertigkeitsgefühlen Geplagte als über­legen darstellen. Während die »Tölpel« wohl nur als Statisten seines arkadischen Dramas figurierten, sollten sich die wenigen Gleichrangigen als Initianten

begreifen, die von ihm in sein Reich, wie auch die biblische­Terminologie lautet­, eingeführt wurden­. Das Schiefe Haus hatte sie in einen Zustand ekstatischer Aufmerksamkeit versetzt, der eine künst­liche und darum kunstvolle Verrücktheit, eine follia139 im manieristischen­Sinne einer exhibitionistischen Freude am Wahnsinn war und der sie sich mit Lust ins Ver­derben stürzen ließ. Als sie das Schiefe Haus verließen, fanden sie sich in einer Zeit und an einem Ort wieder­, die ihnen vertraut und dennoch angst­einflößend schienen: Die tiefe Grotte vor dem Berg­hang, der Drache, der mit Löwen kämpfte, während ein Kriegselefant gleich daneben einen römischen Legionär mit seinem Rüssel zu Fall brachte, waren Fragmente eines historischen Wissens, die in ver-rückter Lesart etwas ganz anderes bedeuten mochten. Am Plateau der etruskischen Götter fand die Beschwö­rung einer ruhm- und segensreichen­ Ver­gangenheit statt, die eine Rückkehr zu den Ursprüngen zu sein vorgab. Zur Vergegen­wärti­ gung der etruskischen Aetas Aurea trugen persön­ liche Elemente bei, die diese Region zur biografisch und ikonografisch dichtesten der ganzen Anlage machten. Vicinos mysteriöse Ahnenforschung legte eine zeitgenössische Mythografie als archäologische und astrologische­Schatzsuche aus – wobei die umliegenden Nekro­polen als Vorbilder für die Architektur einer heiligen Landschaft dienten. Wie die Nekropole von Norchia war auch Vicinos Wäldchen ein dunkles, feuchtes und felsiges

• Aufgang zum Plateau der etruskischen Götter



Plateau der etruskischen Götter 87

• Plateau der etruskischen Götter

• Poliphil im dichten Wald verirrt, Hypnerotomachia Poliphili, Holzschnitt, 1500 Albertina, Wien • Die Ensembles vom Plateau der etruskischen Götter, dazwischen der

Fluss­tälchen, dessen natürliche Gegebenheiten archäologische Sensationen verhießen und sich meta­physisch auf Hegemonie und Schatzsuche ummünzen ließen.

und der Traum eine veränderte Wahrnehmung, die in einer weiteren Stufe der Verwandlung das wahre pantheistisch ungebundene Lebens­ gefühl freisetzt. Damit ist sinngemäß ein Wechsel der Identität verbunden­, der ja eines der konsti­ tuierenden Merkmale des Paradieses ist. Für das Wachbewusstsein wurde von Vicino ein ähnlich­ identitätsstiftender Zusam­men­hang mit den sensi primi angenommen­. Die vordergründige Diskrepanz zwischen­epikure­ischer Seelenruhe und der anarchischen Wildheit des Programms, das er skrupellos in seinem Wäldchen exekutierte­, entsprach – wie die immer wieder angesprochene­ melancholische­Stim­mung140 – keineswegs einer resignativen und krankhaft traurigen seelischen­ Disposition, sondern dem kreativen und über­ schwäng­lichen furor des Saturnikers, dessen Kraft später sogar zum metaphysischen Zerreißen des Weibes reichen­ würde.

Höllenschlund

Urnenvasen und Amphoren bezeichnen das Plateau als historischen Ort und waren wie gewisse Lebens­mittel, die Vicino gleichsam als Visitenkarten seiner etruskischen Identität an die römischen Freunde schickte, für die Region repräsentativ. In ihrer monolithischen Version bilden sie ein angemessenes Gegengewicht zur kolossalen und dennoch eleganten Göttin neben dem Aufgang. Die angemessene Annäherung entsprach der Situation Dantes an jenem schicksalhaften Kar­ freitag, jedoch übersetzt in die Terminologie des Wäld­chens: Also fand sich der Adept wie Poliphil mitten im Wald verirrt, in Anbetracht dessen­, was er bereits erlebt hatte, sogar verwirrt in seiner­tief­ innersten Wahrnehmung. Die literarische Asso­ ziation unterstützte die bewusstseins­erwei­ternde Komponente des Traumes, der als Realität erschien: Ich weiß nicht, träum ich oder wach ich? Das Motiv des Sich-Verirrens im finsteren­ Wald war eine übliche Metapher für den Herausfall aus dem Wachbewusstsein in die zunächst (be)fremde(nde) und doch als eigene erkannte nächtliche Fantasie­ welt, die den Traum mit dem gleichsetzt, was man am Tag nicht sehen kann oder nicht sehen will. Wie die Droge bewirken auch der Schlaf

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Plateau der etruskischen Götter

Vicinos Selbstbehauptung war kein Protest, der sich auf Rom beschränkte, sondern ein Auf­b egeh­ ren gegen die Zeit. Seinen Rückzug in die Provinz führte er den gebildeten Gästen als Renovatio eines Goldenen Zeitalters vor Augen, in dem die Orsini – historisch belegt – die führende Stellung eingenommen hatten. In der etruskischen Realität des Wäldchens rechtfertigte sich Vicinos selbstgewählte Isolation als antike Größe. Vicinos Gäste interpretierten die etruskische Version des Hermes Trismegistos im Zusammenhang mit Vicinos melancholischer Attitüde. Diese Definition des Melancholischen als eine philosophische Haltung141 bestimmte die zeitgenössische Rezeption des Wäldchens142 und Vicinos Selbstinszenierung »… unter dem Zeichen des kosmischen Gottes Pan, der von den Humanisten als Pan Saturnius in eine enge Beziehung zu Saturn, dem Gott der bukolischen Kontempla­ tion gesetzt wurde.«143 Die elitäre und als Ars Vivendi mit der Villeg­g ia­ tura gleichgesetzte Form der Existenz berief sich auf einen ebenso fiktiven, mit dem Topos des platonischen Symposions identifizierten etruskischen Lebensstil, dessen höchstes Ideal und erste Tugend Genuss war.



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Anna Perenna Das halbnackte, in seiner Schwere schon wieder­ anmutige Weib in dem seichten Becken, aus dem es ein ganzer Schwarm von Wasserwesen umschwirrt, entstammt der tiefsten Tiefe der Erde: Im Kontext ist es die recht eigentliche Ver­körperung der Topoi Etrurien und Unterwelt. Vor dem Aufgang zur höheren Ebene des Plateaus und durch ihre Blickrichtung bezieht sie, die zweifels­ohne eine Göttin ist, sich auf ein ebenso machtvolles Gegen­ über, das der Wanderer in der dunklen Grotte am anderen Ende des mysteriösen Platzes vermutet. Der körperliche Ausdruck der göttlichen Matrone ist Erdverbunden­heit, was natürlich auf ihre Ent­ stehung aus einem der riesigen Peperinblöcke zurückzuführen ist und sie als Verkörperung des Goldenen Zeitalters glaubhaft macht. Als Inbild der altorientalischen Magna Mater besitzt sie kraft ihrer unter- und oberweltlichen Macht prophetische Züge, die sie als heiliges Idol auf Vergangenheit und Zukunft zugleich ausrichtet: »Gaea, die breitbrüstige Erdgöttin, die mächtige Riesin, wird mit diesen Bezeichnungen zwar noch nicht in das volle Bild, jedoch in eine angenäherte Vorstellung von einer mächtigen Gestaltung erhoben. Kraft bis in das Ungeheuer­ liche hinein ist ihr Wesen, aber auch weissagender Rat. Sie ist der trefflich gefestigte, dauernde Sitz der Ewigen und die Mutter der auch das Maß des Riesenhaften – gemeint sind die Giganten und Titanen eines mythischen Erdaltertums – überschreitenden ersten Bildungen; sie verkündigt dem Kronos, dass ihm von dem eigenen Sohne Verlust der Herrschaft bevorstünde und hilft dennoch den Zeus zu erretten, damit er ausführe; ›wieviel zu geschehen bestimmt war‹. Im Götterkampfe ist Gaeas hilfreicher Rat bald auf Seiten des Zeus und der Kroniden, bald sendet sie zu deren Vernichtung die furchtbarsten Ungetüme. In allen diesen Beziehungen erscheint Gaea als die große Naturkraft, welche in wuchernder Fülle hervorbringt und dann das Hervorgebrachte ebenso

leicht stört und bekämpft wie wiederherstellt. Von ihrer weissagenden Kraft her war Gaea als Orakelgöttin geehrt; auch Delphi soll vor Apollons Besitznahme ein Orakelort der Erdgöttin gewesen sein. Herausgehoben aus ihrer Mitwirkung in den Götterzeugungen, erscheint Gaea in den Dichtungen und bildlichen Darstellungen als freundliche All­mutter, von deren Reichtum sich die Geschöpfe der Erde, des Meeres und der Luft nähren; welche auch dem Geschlecht der sterblichen Menschen Leben verleihen wie entreißen kann. Gesegnet ist, wer sie ehrt, ihm wird alles in Fülle zuteil. […] In diesem Charakter der Fülle und Güte dargestellt, ist Gaea eine volle­, kräftige­ Frauengestalt, in liegender Stellung und halb entblößt­.«144 Wie oft beim bäuerlichen Menschenschlag trägt der massige, wenig antik wirkende Körper einen edel gestalteten Kopf, dessen feinsinnig geformte Züge von der antiken Frisur akzentuiert werden. Ein zartes, archaisch wirkendes Lächeln spielt um die Lippen der Unsterblichen, die nackt ist, bis auf einen Umhang – wohl die herab­geglittene Tunika, die ihr locker über den Oberschenkeln liegt und die ungezwungene Haltung der Göttin beweist. Die äußerst frei­zügige Kleiderordnung der etruskischen Gottheiten Bomarzos, deren Geschlecht fast immer, wenn auch nur ansatzweise, zu sehen ist, stellt das Naturgesetz des Wäldchens dar, in dem antike Freizügigkeit und Freiheit des Denkens herrschen. Dem souveränen Gestus der monumentalen Figur entsprechen die imposanten Oberarme, die locker seitlich auf die natürliche Felsformation gestützt sind, nicht aber die Wasserwesen145, die »hinter ihrem Rücken« verspielt und schamlos wie kleine Putti Unfug treiben­. Vicinos kombinatorisches Geschick stellt seine Gäste auf eine harte Probe, denn die eindeutige Physiognomie und das Attribut der Fruchtschale in Kombination mit der unbändigen Schar, die die Gottheit umflattert und umkrabbelt, entzieht sie der einfachen Deutung als Ceres oder Pomona. Erst ihr unterweltlicher, definitiv nekromantischer Bezug auf die fruchtbare Erde erklärt die Figur im Spannungsfeld zwischen dem Schiefen Haus und



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• Plateau der etruskischen Götter: Anna Perenna von vorne gesehen, im flachen Wasserbecken

dem halb in der Grotte verborgenen Gott am anderen Ende des Platzes.146 Die wässrigen Putti sind Teil der von Vicino frei erfundenen manieristischen Ikonografie einer machtvollen, über Leben und Tod gebieten­den Göttin des Goldenen Zeitalters – ihr Herrschafts­ gebiet ist sowohl unter wie ober der Erde, auf der Erde wie im Wasser. Das fast identische Motiv in der Villa Lante, wo ein Reigen aus libellenflüge­ ligen, fischschwänzigen Sirenen das breite Becken des Gigantenbrunnens umläuft, von denen allerdings in Anspielung auf den Bauherrn jeweils zwei einen Gambaro (Krebs) zwischen sich halten, war ebenfalls ein Fantasieprodukt jener etruskophilen­ Ikonografie, die im Freundeskreis des garten­be­ geisterten Fürsten entwickelt worden war. • Gigantenbrunnen, Detail des Brunnenbeckens mit Wasserwesen, Villa Lante, Bagnaia (IT) 1447 von Kardinal Raffaele Riario erbaut, ließ Kardinal Giovanni Francesco Gambara die Villa von 1566–1573 ebenfalls nach Plänen Vignolas umbauen und einen prächtigen Garten errichten.

Durchwegs handelt es sich um Wesen der Luft und des Wassers, die den fürstlichen Schatzgräbern aus der etruskischen Sepulkralkunst bekannt waren und die ganz offensichtlich in ihrer Bedeu­tung als Boten eines etruskischen Jenseits in die irdischen Paradiese ihrer Villeggiaturen übernommen wurden. Etruskische Gräber offenbarten im wahrsten Sinne des Wortes Inhalte, die im Vergleich mit den freud­losen antiken und christlichen Alternativen tröstlich und beflügelnd zugleich gewirkt haben mussten­.

Der erotische Übermut der Tritonen und die Sylphiden – von denen einige wie die als Larven im Wasser geborenen Insekten geflügelt­sind und somit dem Wasser als auch der Luft zuge­ hören, und die wie der Delfin als Psychopompoi, Seelenführer, galten – sind Metaphern des Über­ gangs in ein anderes Medium der sinnlichen Erfahrung. Die Verschränkung freigeistiger etrus­ kifizierter Inhalte147 mit der uralten Vorstellung des sowohl unter- als auch oberhalb der Erde ablaufenden Prozesses der Fruchtbarkeit ist ein sogenanntes Überkreuzungsmotiv148, das einen Gegen­ entwurf zu den lustfeindlichen Jenseits­vorstel­ lun­gen der katholischen Kirche darstellte. Vicinos Rekonstruktion der Anna Perenna war das etruskische Pendant zur Demeter der eleusinischen Mysterien, die als Geburts- und Todes­dämon, »wahnsinnig in dionysischer Raserei das gött­ liche Kind in der Getreideschwinge schwingend«149, in die Interpretation miteinfloss. Diese intellektuellen Spielereien wurden vom sinn­­­betörenden Gekreisch der Vögel in den zahl­ reichen Volieren begleitet. Die Anleihe an der etruskischen Sepulkralkunst, die Vögel wie Delfine, Nixen, Tritonen und Libellen als Bewohner zweier Welten darstellte, war offensichtlich – in Bomarzo freilich steigerte das Gekreisch die unwirkliche­, überspannte (»spaniato«) Atmosphäre einer jen­ sei­tigen Welt, die jener Roms und dem allzu hohen Anspruch des Neuplatonismus entgegengesetzt war. Vicinos Liebesphilosophie war in der zweideutigen Erotik zum Ausdruck gebracht, die den geborenen Städter (»cittadin«) Vicino und seine geistigen Bundesgenossen in Naturburschen (»villani­«) verwandelte. Wie eine Provokation wirkte Vicinos Gedicht über die Vogeljagd (»boschetto«)150, dessen sprachwitzige Verschränkungen mit der männ­ lichen Sexualfantasie in einem pseudo-volks­ tüm­lich verspielten, zugleich obszönen und unschuldigen Stil gehalten waren: Im rustikalen und ordinären­Volgare inszenierte sich Vicino als ländlicher Dichter und implizit als Adept einer Weisheit, die das gemeine Volk – von degeneriertem Wissen verschont – gewisserweise als ursprüngliche Weisheit (Prisca Sapientia!) über­liefere. Vicino beschrieb sein Wäldchen in

• Plateau der etruskischen Götter: Sylphiden mit kleinem Triton, erotische Wasserwesen im Rücken der Anna Perenna



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durchaus vergleichbarer Weise und nach dem Vorbild der Divina Comedia. Die Beschrei­bungen seines Natur-Reiches im regionalen Dialekt ließen ein vor der (lateinisch) gebildeten Welt verschontes Zauberreich ungeahnten und vergessenen Wissens entstehen. Vicino verfasste seine Dichtung in einem fiktiven, bewusst rustifizierenden, retardierenden­ und ordinären Medium, das das unzivili­sierte Landleben mit seiner Kultur zu einem Wider­hall des längst verlorenen Arkadien hoch-, oder besser herunter­stilisierte.151 Liebesfreiheit und Naturrecht als seine Hauptattraktionen forderten geradezu kategorisch eine Renaissance des naturrechtlichen Triebes, der in den derben Späßen des Gedichtes eindeutig zweideutig zum Ausdruck gebracht war.152

• Plateau der etruskischen Götter: Der Gott Tages, der Anna Perenna auf die Schulter geklettert ist.

Im Sinne des Programmes von arte und inganno war der Heilige Wald mit echten Vögeln, Fischen, einem Bären und mythologischen Naturwesen aus Stein belebt. Die Naturwesen profitierten von der Kunst und umgekehrt die steinernen Figuren von ihrer natürlichen Umgebung – zeitgenössische­ Berichte und eine Zeichnung Bartholomeus Breenberghs geben ansatzweise die Faszination wieder, die das Gesamtkunstwerk auf die Besucher

des Wäldchens ausübte. Nur dieses Ambiente, wo die Natur wunderbar und umgekehrt die Wunder das Natürliche waren, brachte die komplexe Bedeutung der etruskischen Gottheit zur vollen­ Geltung. Wie wenn er mit dieser Weisheit kokettieren wollte, hat sich ein kleiner Bub, der wohl zur ausgelassenen Gesellschaft im Rücken der Göttin gehört, auf ihre Schulter gesetzt. Mit seinen kalli­pygischen Formen (mit dem schönen Hintern) erinnert­er an den kleinen Satyr der Papacqua, der der Großen ZIege auf der Schulter sitzt; und die verschwörerische Art, mit der er sich an das Ohr der Göttin herandrängt, gleicht auf mysteriöse Weise der Intimität zwischen der Satiressa und ihrem Satyr­ kind (siehe Gedankensprung: Die Papacqua des Cristoforo Madruzzo, S. 294–301). So klein und unbedeutend seine Gestalt, so groß war die Bedeutung des göttlichen Kindes, in dem die mythologisch versierten Gäste Vicinos den Gott Tages erkannten. Tages war die zentrale Figur der etruskischen Haruspicia, der Etrusca Disciplina, wie die Römer die divinatorischen Künste der Etrusker nannten. Der Legende nach war Tages153 als »greisenhaftes Kind«, das heißt in der Gestalt eines Kindes, aber »von urältester Weisheit«, einem etruskischen Bauern beim Pflügen erschie­nen und hatte die Etrusker die Kunst der Weissagung gelehrt. Die in der etruskischen Weissagekunst bedeutsamen Zeichen der Natur, die monstra154, also Missgeburten und Ungeheuer, die die Natur hervorbringt, verbanden sich assoziativ mit den in den Inschriften des Heiligen Waldes angekündigten Wundern. Wenige Meter hinter der Anna Perenna entdeckt der Herum­wandernde im Felsgestein eine etwa eineinhalb Meter lange und schön eingeschnittene Vertiefung, ähnlich jenen, die er in den etrus­k ischen Nekropolen gesehen hatte, wo sie zu geheimnis­vollen Zwecken im Felsgestein zwischen den Tombe eingemeißelt worden waren. Der Vergleich mit den Nekropolen von Norchia, Blera, Castel dell’Asso, Tarquinia, Cerveteri etc. erinnerte

die fürstlichen Grabräuber an ihre astrologische Bestimmung zur hermetischen Schatzsuche155. Das Grab ist unmittelbar mit dem Ideal einer uralten, durch Einweihung gewonnenen Weisheit verbunden und gilt unweigerlich als Ort, an dem das Geheimnis des Lebens gelöst werden­ kann. Die Nekropolen boten nicht nur das sinnliche und spirituelle Erlebnis der Gräber, die auf ihre fürstlichen Grabräuber zu warten schienen, sondern waren auch Stätten, die als noch bestehende geheimnisvolle Zugänge in die Unterwelt galten und in die mit nekromantischen Gebräuchen156 eingedrungen wurde, oder aus der auch Tote in die Oberwelt heraufgezwungen werden konnten. Nach dem Vorbild der etruskischen Nekropolen ließ Vicino in den harten Peperin hinter der Anna Perenna die längsrechteckige Vertiefung ein­ meißeln, die seine Gäste als Mundus interpretierten, eine grabenförmige Aushebung, in die im etruskischen Ver Sacrum die Erstlinge geopfert wurden. Er galt als Abbild des Himmels und wies auch auf dieser verborgenen Ebene auf den mikro-makro­ kosmischen Zusammenhang des Wäldchens hin.157

der Nacht und der Unterwelt. Die Personalunion von Anna Perenna mit Proserpina und Hekate brachte Bomarzo mit Eleusis in Verbindung: Die Einweihung in die berüchtigten Mysterien erfolgte indem der Adept freiwillig die Pforten des Todes durchschritt. Dieses Erlebnis war verstörend und wurde mit göttlichem Wahn, Prophetie und dem Temperament Melancholie assoziiert, das wiederum mit Wissen­schaft und Kunst, Genie und Unsterblichkeit gleichgesetzt war: »Vivitur ingenio­, caetera mortis erunt.« (Vergil) – Das Genie wird weiterleben, wenn alles andere des Todes sein wird.

In dieser innovativen Verkettung von Mythos und Geschichte stand Anna Perenna, oder Ops Consivia, für Divination. Als zugleich mütter­ liche und tödliche­Gottheit gewährt sie Einblick in die kosmischen­Zusammenhänge, aber auch in die dunklen, ver­borgenen und verbotenen



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• Etruskischer Graben (Mundus) im harten Fels­ gestein (Peperin), hinter der Anna Perenna einge­ meißelt (siehe dazu auch Abbildung auf S. 138) • Blera: etruskische Nekro­ pole, Miniatur­t reppen und Mundi im weichen Tuffstein

• Georges Glasberg, »La géante couronnée d’agaves«, Fotografie aus: André Pieyre de Mandiargues, Les monst­ res de Bomarzo, 1957

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Kriegselefant Das Plateau der etruskischen Götter ist die ereignisreichste Region innerhalb des Heiligen Waldes. Vor dem spektakulären Hintergrund der Grotte, des Höllenschlundes und eines Drachenkampfes erblickte der staunende Wanderer einen monu­ men­talen, ja schon monströsen antiken Kriegs­ elefanten – komplett mit Kampfturm und Elefan­ tenführer. In seinem­Rüssel hängt überwunden ein römischer Legionär, der wie ein Attribut die historische Szene komplettiert­.

• Plateau der etruskischen Götter: Kriegselefant • Kriegselefant, Mosaik­ fußboden, 14.–16. Jhdt., Duomo, Siena

Der Elefant mit dem Turm auf dem Rücken war ein bekanntes und traditionelles emblematisches Tier mit entsprechenden Konnotationen158, die jedoch nur bedingt für dieses Abbild eines historischen Kriegselefanten in Frage kamen159. Emblematische Elefanten dienten einer im Theoretischen der Devise verbleibenden Selbstdarstellung, während­ der Kriegselefant in Bomarzo eine eindeutige Kriegs­­erklärung an Rom war. Freilich profitierte­ auch diese ganz und gar authentische, sinnlich­ nach­vollziehbare Selbstdarstellung von emblema­ tischen Vorlagen.160 Insbesondere die Über­lebens­ größe und Details wie die säulenförmigen, mit unnatürlichen Muskelpaketen ausgestatteten Beine, die mit einer archaisch wirkenden ring­ förmigen Basis fest auf der Erde stehen, sind metaphorisch zu verstehen. Am Plateau der Vergangenheit und in Gesell­ schaft Vicinos, der vorher die Beflaggung des Kampf­turmes angeordnet hatte, war die Szene eine allgemein verständliche, und kaum jemand erkannte nicht, dass es sich um einen wirklichen und wahr­haftigen karthagischen Kriegselefanten handelte­. Schon die großen Ohren kennzeichnen ihn als afrikanischen Elefanten, der wegen seiner Wildheit nur für den Kampf, und nicht, wie der indische Elefant (mit den kleinen Ohren), zur Arbeit abgerichtet

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werden kann.161 Der Kampfturm ist das exakte steinerne Abbild eines antiken Kampfturmes aus leichtem, dabei außerordentlich hartem und in Flechttechnik verarbeitetem Balsaholz und der Elefantenführer entsprach ebenfalls­bis ins Detail den Beschreibungen.162 In der Privatheit des Wäldchens, in dem nach dem Vorbild des Para­dieses Selbstbestimmung und Identitätswechsel Vicino seiner bürgerlichen Existenz enthoben, waren Elefant und Drache Symbole seines Strebens nach Freiheit und Über­ legenheit. Obwohl Vicinos Gäste die historische Szene erkannten, war ihnen gleichzeitig bewusst, dass die letztendliche Deutung jedoch – wie immer – eine persönliche war, die den Mythos Hannibal zu einer Metapher machte. Hinter dem historischen Ereignis wurde ein zweiter, zutiefst individueller Sinn des nicht umsonst üppig mit den heraldischen Attributen der Orsini geschmückten Kriegselefanten offenbar163. Eine Zeichnung Giovanni Guerras bildet – wiederum fälschlich, aber sinngemäß treffend – statt des Kampfturmes die Festung der Orsini di Castello ab. Um 1580 kommentierte Vicino mit Inschriften auf den Vasen die Skulpturen der letzten Bauphase. Für seine These einer Stammbaumlinie aus dem ältesten und sogar biblischen, jedenfalls Rom weit überlegenen Kulturkreis war das naheliegendste und prägnanteste Symbol in der Überwindung des römischen Legionärs durch den Elefanten gefunden, der als Sinnbild des Unmöglichen, wie auch des epikureischen Gedankens, Tod und Zeit durch Ruhm und Einfallsreichtum zu überwinden vermochte, und außerdem noch das langfristige Konzept tarde sed tuto (langsam aber sicher164) veranschaulichte: Der Zustand des Heiligen Waldes ist heute dem von Vicino Orsini angestrebten­Konzept einer zwischen Kunst und Natur, Augen­täuschung und Kunst angelegten Sphäre der Ununterscheidbarkeit, des Überganges in eine andere Seinsweise und der geistigen Verwirrung so nahegekommen, dass sein Plan eines epikureischen, auf Ewigkeit hin konzipierten Paradieses als verwirklicht betrachtet werden kann. Gerade in ihrer

verwitterten Unvollständigkeit geben die fragmentarischen Inschriften heute noch jene dunklen Hinweise auf das in der Natur, der Vergangenheit und der Seele Verborgene.165 Das geistvolle Konzept ist heute mehr denn je vom sinnlichen Naturvorgang des Verfalls und Wiedereintrittes in die Natur kommentiert. Die ehemals vollständigen Inschriften dürften ihre Leserlichkeit durch Rätselhaftigkeit kompensiert haben. Eine eventuell künstliche Beschädigung der Vase mit der Inschrift notte et giorno ist vielleicht gar keine, sondern stellte die Beziehung zur Hypnerotomachia her, wo eine fast identische Vase ebenfalls jene ganz besondere Mischung aus Geheimnis und Verfall sowie eine Bedeutung vermittelte, die ein vollständiger und erhaltener Text gar nie besitzen­ könnte (siehe Abbildung S. 124).

ertönte Jahrhunderte später in ganz neuem Zusam­ men­hang. Der Kriegselefant war das Symbol einer ernsthaften Gefährdung Roms vom Norden, wobei Vicino in die Rolle des nicht nur todes­mutigen (sic!), sondern schon realitäts­verachtenden kartha­ gischen Feldherrn Hannibal schlüpfen konnte.166 Die Begehbarkeit des orsinischen Kampfturmes, der nach dem Vorbild der antiken Kriegselefanten mit einer Leiter von hinten zu ersteigen war, perfektionierte die Illusion des gegen Rom gerichteten Kriegszuges167. Die wehenden Feldzeichen der Orsini auf den Fahnen, die nach antikem Vorbild in die Löcher unterhalb der Zinnen des Kampfturmes gesteckt werden konnten, machten die Allegorie lebendig.

• Elefant mit Obelisk, Hypnerotomachia Poliphili, 1500, Holzschnitt • Giovanni Guerra, »Kriegs­ elefant in Bomarzo«, zweite Hälfte 16. Jhdt., Federzeichnung Albertina, Wien • Georges Glasberg, »L’éléphant«, Fotografie aus: André Pieyre de Mandiargues, Les monstres de Bomarzo, 1957

Zunächst, das heißt in der ersten Bedeutungs­ ebene und in der Realität des Wäldchens, war die Gruppe eine eindeutige Anspielung auf den zweiten Punischen Krieg: Der Rom in schrecklicher Erinnerung gebliebene Ruf Hannibal­ ante portas­



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• Herbert List, »Bomarzo, Sacro Bosco«, 1952

• Plateau der etruskischen Götter: Drachenkampf

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Drachenkampf Gleich anschließend, und im Zentrum der schauer­­ lichen Szenen, kämpft ein fernöstlich wirkender­ Drache mit zwei Löwen, einem männ­lichen und einem weiblichen, die ihn von vorne angreifen, während ihr Junges bereits leblos im Drachen­ schwanz hängt, was als Motiv an den Legionär im Elefantenrüssel erinnert. Auch für diese Szene lag eine vorgefertigte Deutung des Physiologus vor, die der christ­lichen Interpretation des Drachen­ kampfes folgte, um darin jedoch wieder überraschende individuelle und emblematische Elemente unterzubringen. Mit den anderen Ensembles fügte sich der Drachenkampf in einen anderen, weit darüber hinausgehenden Zusammenhang ein, der sich als schicksalhafte, von Saturn beherrschte Konstellation heraus­stellen würde.

geschwungenen, buschigen Augenbrauen und kleinen, runden, an Seeanemonen erinnernden Ohren, die aus der angedeuteten Mähne abstehen. Die charakteristischen Pranken des Löwen wachsen, vermittelt von einem fedrigen Element, organisch aus dem echsenartigen Rumpf und die schön gezeichneten Flügel sind wegen ihres fantastischen Ornaments glaubwürdig. Der Hinterleib besteht wie bei den mittelalterlichen Drachen aus Ganglien, die die verdrehte, sitzende Haltung des Fabelwesens und das Erdrücken des Opfers ermöglichen. Eine

Der Kampf der Löwen mit dem Drachen setzte das etruskische Überwindungs­motiv fort. Die originelle und absolut eigengesetzliche Konzeption orientierte sich auf den Höllenschlund hin, der sich assoziativ mit den eleusischen Mysterien verband, in denen sich der Initiant freiwillig der Todeserfahrung unterzog. In der Gleichzeitigkeit, in der alle Ensembles auf den Betrachter einwirkten, war der Blick in die Hölle, wo sich die Zunge des Monsters erwartungsvoll und unzüchtig zum Picknicktisch aufrollte, ein wesentliches und unverzichtbares Element der Erkenntnis. Die Höhle gehört assoziativ zum Drachenmotiv: Auch im Wäldchen wurde der Zusammenhang so verstanden, dass der Drache aus der Höhle, respektive der Hölle herausgekommen und in das etrus­ kische Plateau eingedrungen wäre, wo er von den Löwen aufgehalten und bekämpft würde. Der Drache ist ein typischer Lindwurm,168 ein Misch­­wesen aus Echse hinten und Löwe vorne, aber mit einem auffallend asiatisch inspirierten Kopf mit hochgezogenen, weichen und faltigen Lefzen über einem schnabelartigen und zähnestarrenden Maul, wild blickenden Glubschaugen unter



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• Giovanni Guerra, »mostri scVlpiti da grossi sassi DI BM. (wohl für Bomarzo, durchgestrichen) TIO«, zweite Hälfte 16. Jhdt., Federzeichnung Albertina, Wien

Zeichnung Giovanni Guerras gibt den Drachen­ kampf so lebensvoll wieder, wie er, vielleicht auch wegen seiner farbigen Fassung, auf die Zeit­ genossen gewirkt haben musste.

• Plateau der etruskischen Götter: Drachenkampf, Detail des Orsino, Aufnahme kurz vor Sonnenuntergang

Die Löwen, die nicht in Europa heimisch waren und deshalb genauso wie der Drache zu fantastischen Wesen einer übergeordneten Wahrheit ausgedeutet wurden, könnten ebenfalls aus der Höhle des Höllenschlundes hervorgekommen sein. Außerdem war ebenfalls nicht klar, ob es der Drache gewesen­war, der die Löwen angegriffen hatte, oder ob sie ihn zuerst attackiert hatten. Jedenfalls agierten­die Löwen im traditionellen Kampfverband der Familie,169 in den anscheinend sogar die Jungen eingebunden waren. Oder aber die Alten hatten den Drachen erst angegriffen, nachdem er ihr Junges ermordet hatte.170 Welche der vielen vertrauten Assoziationen die Szenerie auch geweckt hatte, nach dem Physiologus waren die Löwen die prädestinierten Verlierer dieses Kampfes.

Erst in den wenigen Minuten vor Sonnenuntergang entdeckt der Wanderer im letzten Streiflicht den Sieger dieses ungleichen Kampfes: Am Bauch des Drachen hat sich ein kleiner Bär verbissen, ein Orsino, der das Untier an seiner verletzbarsten­ Stelle gepackt hat und zur Strecke bringen wird. Vicinos Gäste deuteten­die Szene so, dass der kleine (sic!) Bär den gewaltigen Drachen besiegen würde. Im Gedränge der Figuren­g ruppen hatte sich ein internes Beziehungs­gefüge offenbart, das den Betrachter zum Entdecker verborgener Bedeutung macht und nicht umsonst über diesen Begriff der Konstellation an die makrokosmische Beziehung zu den Sternen denken lässt. Der Orsino ist kein offensichtlicher, sondern ein versteckter, auf Überraschung angelegter Effekt, mit dem sich der Gastgeber selbst als Überwindungsmotiv ins Spiel bringt. Eine Inschrift auf der nächststehenden Amphore bezieht sich auf den Drachenkampf und das tiefe Wasserbassin vor der Grotte:

notte et giorno noi siam vigili et pronte a gvadar d’ogni ingivria qvesta fonte

nacht und tag sind wir wachsam und bereit diese quelle vor jedem unrecht zu bewahren

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»Tag und Nacht« waren nach dem Physiologus nur die Löwen wachsam,171 und obwohl ihre Niederlage im Drachenkampf vorherbestimmt war, bewahrten sie die »fons« vor »jedem Unrecht«, wobei die Gäste Vicinos fons (lat. Brunnen, Quelle, Herkunft; ital. fonte für Brunnen) als Hinweis auf die elitäre Abstammung des Gast­gebers verstehen sollen. Während die Löwen kämpfend ihren eigenen­ Untergang betrieben und als Familie »im Strom der Zeit« untergehen würden, hatte sich aus der Casa Orsini ein Orsino erhoben – auch das eine Anspielung auf das berühmte Bibelwort von der Ankunft des Messias172 – um dem schicksal­haften Drachen entgegenzutreten. Die Identifikation des Orsino mit dem Ideal des Heilsbringers und Wiederherstellers alten Ruhmes, respektive­des Goldenen Zeit­a lters, gehörte zu den sprach­ witzigen, zotigen und teils häretischen, auf jeden Fall ungehörigen Assoziationen, die an die Geschichten des Dioneo im Decamerone Boccaccios erinnern. Das Wäldchen und seine heiligen Stätten zeugten und zehrten von den anekdotisch auf ihren Wiedererkennungswert rechnenden, absurden und boshaften Verdrehun­ gen der bekannten Bibelworte, die ihres christlichen Kontextes beraubt, neue und überraschende Bedeutungen erhielten. Angesichts der wiederholten Herab­w ürdigungen gesellschaftlich und vor allem religiös anerkannter Normen war der Schluss naheliegend, dass die Sorgen Vicinos wegen der im Wäld­chen aufgeführten »coglionerie­« (siehe Kap. Amphitheater, S. 287 ff. sowie Fußnoten 350 und 486) dem Zusammentreffen mit der römisch-katholischen Suite von Papst Gregor XIII. und den Vertretern des Tridentinischen Konzils galten­, wobei insbesondere die unter der Maske der Zotigkeit verborgenen Anspielungen auf seine etruskisch begründetete Hegemonie den Papst durchaus verstimmen hätten können.

• Plateau der etruskischen Götter: Urnenvase neben dem Drachenkampf, Inschrift­: NOTTE ET GIORNO …



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• Plateau der etruskischen Götter: Blick des Dis Pater auf den Drachenkampf und den Kriegselefanten, im Mittelgrund rechts am Bildrand der Mundus

• Plateau der etruskischen Götter: Dis Pater in der heute zerstörten Grotte

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Dis Pater Die beherrschende Rolle am etruskischen Plateau spielte jedoch ein Gott, der aus prähistorischen­ Zeiten in die neuplatonische Welt Vicinos hineinwirkte und auf den er sich in mehrerer Hinsicht beziehen konnte. Damals verborgen, aber heute direkt gegenüber der göttlichen Matrone, lagert sich ihr männliches Gegenstück ebenso ungezwungen in der halbrunden, an eine Apsis erinnernden Nische oberhalb des tiefen Wasserbeckens. Das löwenmähnige Haupt und der majestätische­, reife Männerakt charakterisieren ihn als einen der olympischen Brüder: Jupiter, Neptun oder Pluto. Allerdings stellte auch hier die Ikono­g rafie des Gottes die Gäste Vicinos vor ein Rätsel, denn Delfin und Füllhorn sind die Attribute sowohl Jupiters als auch Neptuns, und überhaupt deutete die etruskische Ikonografie des ganzen Ambientes auf eine Personalunion von Neptun und Pluto173, die beide mit Grotten und Höhlen in Verbindung gebracht wurden. Die frappante Ähnlichkeit mit den Flussgöttern Bagnaias und Caprarolas bestätigt die Annahme, dass sich in den fürstlichen Gärten des 16. Jahr­ hunderts ein eigenständiger, markant patriarchaler Typus herausgebildet hatte – wie als Antwort auf die virulenten Fragen des neuzeitlichen Menschen nach seiner Herkunft und Bestim­ mung. Äußerlich ähnlich den Flussgöttern,

die als regionale Gottheiten und Ahnväter großer­ Heldengeschlechter Verehrung genossen, regierte er als Pater Patriae in historischer, mythologischer­, genealogischer und astrologischer Personal­ union. Im manieristischen Dis Pater vereinte sich Noah-Janus als Stammvater der etruskischen­ Kultur mit dem Herrscher des Goldenen Zeit­ alters, Saturnus, der über das melancholische Temperament die charakteriologische Heimat Vicino Orsinis personifizierte: Gebündelt wurde die Personal­union in der fantastischen Kunstfigur des Hermes Trismegistos. Sein Verborgensein macht ihn zu einer Größe, mit der man rechnen musste. Die täuschende Vermischung mythologischer Figuren führte den Doppel-Aspekt von Unterwelt und Vergangenheit aus – das Ergebnis war die untrennbare, der subjektiven Erfahrung unentwirrbare Verbindung zweier Vergangenheiten, die in Form zweier Unter­welten dem mystischen Ort des Dis zugeschrieben wurden: einerseits die genealogische, in die sich Fakten und Mythen mischten, und andererseits die des Individuums und dessen Determiniertheit.174 Finsternis war die treffendste Beschreibung des Gottes und seines Aufenthaltes. Erst als der Initiant direkt vor der dunklen Grotte stand oder erst nachdem er sie betreten hatte und den düsteren Blick des »Schwarzgelockten«175 über sich hinweggehen spürte, erkannte er den Gott, der in Personalunion mit seinem Reich als Orkus bezeichnet wird.



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• Flussgott im Garten der Villa Lante, Bagnaia • Flussgott im Garten der Villa Farnese, Caprarola

• Catena d’acqua mit Delfinen im Garten der Villa Farnese, Caprarola

Der Gott erwartete den Initianten in der tiefsten Tiefe seines Reiches. Vicino rekonstruierte den Dis Pater nach dem Konzept der Anna Perenna und als Vorgänger des klassischen griechischen Gottes der Unterwelt, Hades: »Aides oder Hades, der NichtSichtbare, auch Aidoneus, war sein ursprünglicher­ Name…«.176 Das breite und tiefe Becken davor ist somit kein schlichtes Brunnenbassin wie in Bagnaia oder Caprarola, sondern stellt symbolisch­ die Gewässer177 dar, die die Oberwelt von der Unter­welt trennen178, das Füllhorn versinnbildlicht indes die Schätze der Erdtiefe. Desgleichen sind der kleine Delfin, auf den sich die linke Hand des Gottes stützt, wie die riesige Orka, die gleich neben, aber schon außerhalb der Grotte aus dem Felsgestein des Berges auftauchte, ebenfalls unterweltlich, vielleicht sogar als Anspielung auf das Delphische Orakel gemeint, das als einer der Zugänge in die Unterwelt galt.179 Die Orka taucht hier als erweiterte Version des Delfins auf, des freundlichen und klugen Gefährten und Begleiters ins Ungewisse, im Kontext des Wäldchens ein »… Talisman für eine sichere und gesegnete Reise übers Wasser – häufig aus dem Reich der Sterb­lichen in das Reich der Unsterblichen«180. Der Delfin erfreut sich in der Gartenkunst großer Beliebtheit weil er in sich Mythos und sinnenfäll­ ligen Reiz vereint. In gleich mehreren Varianten, die je nach Anlass grotesk, dekorativ oder ketosförmig ausfielen, kommt er beispielsweise im tiefen Brunnenbecken der »Fontana di Diluvio« und an einer Catena d’acqua aus Delfinen in der Villa Lante in Bagnaia vor.

• Auf diesem Fresko in der Tomba delle Leonesse in Tarquinia wird der Ver­ storbene als Symposiant dargestellt. Ein fröhliches Detail im etruskischen Jenseits sind die Delfine, die aus dem dunklen Meer unter seiner prächtigen Kline springen und ihn auf seinem Weg ins Ungewisse beschützen.

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In den Renaissancegärten verlieh ihm seine Her­ leitung aus dem Arion-Mythos eine grundsätzlich humanistische Bedeutung. Ganze Reihen von intel­ ligenten Delfinen, wie sie etwa den Treppen­aufgang zum oberen Garten in Caprarola begleiten, belegen­ die anthropomorphen Assoziationen, die das Delfin-Motiv allgemein­ weckte. Inspiriert von der neuplatonischen Lesart des antiken Mythos vom kunstsinnigen und philanthro­ pischen Meeresbewohner, der den von Räubern überfallenen Arion sicher durch das Meer ans Ufer trug181 und inspiriert von ihren Entdeckungen in den etruskischen Gräbern entwarfen die fürstlichen Gartenbauer ein glaubhafteres, ja sogar archäologisch belegtes Gegenmodell zur christ­ lichen Gottes- und Todesfurcht.182 Derartige Vorstellungen waren dem etruskischen Totenkult und seinem Verständnis des Jenseits entnommen, das offenbar immer ein fröhliches und kultiviertes Essen im Kreise der Freunde und Familie beinhaltete. Die Delfine unter einer fröhlichen Bankettszene in der Tomba delle Leonesse in Tarquinia stellen ein Motiv des Trostes dar, das jenseits aller Todesbetrachtungen und der Klage um den geliebten Menschen die Hoffnung ausdrückt, gütige Götter möchten die schönen Momente im Jenseits zu wiederholen gestatten. Die Ensembles des Gigantenbrunnens in der Villa Lante in Bagnaia und der Flussgötter im Garten des Palazzo Farnese in Caprarola zeigten den Gegensatz zwischen dem absichtsvoll chaotischen­ und irrationalen ikonografischen Programm des Sacro Bosco und der exklusiv-eleganten Atmo­ sphäre des geordneten Gartens mit seinen klaren­ Perspektiven und Ikonografien. Alles was in Bomarzo kleiner und urtümlicher, archaischer und sogar provinzieller wirkte, hatte einen anderen, viel verschränkteren und schwerer auf­schlüssel­ baren Sinn. Im Kontrast zu den exquisiten Anlagen, in denen Pan vollkommen göttlich und erhaben dargestellt wurde, kamen in Bomarzo die anima­ lischen Züge Pans in der Wildheit des Boschetto, aber auch im vielschichtigen Dis Pater zum Ausdruck.

• Plateau der etruskischen Götter: Blick von oben auf die Grotte des Dis Pater und das tiefe Wasserbassin mit der Orka



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Dialektisch stellen die etruskischen Götter die Macht und Ambivalenz der Geschlechter dar: im Wald, der dem Wasser als Medium gegenüber­gestellt ist, regieren die unsterblichen Götter in der vertrauten Pose der etruskischen Grabfiguren, die fröhlich mit gutem Essen und Trinken, angetan mit edlen Kleidern und erlesenem Schmuck, gleichsam im Jenseits weiterfeiern. In ihrem Aussehen und ihren Bedeutungen gingen sie auf den zeitgenössischen Stand der Archäo­ logie und Ahnenforschung zurück und bildeten­ eher Vicinos Etruskophilie ab, als dass sie eine wissen­schaftlich fundierte Rekonstruktion der etruskischen Götter­welt und Geschichte gewesen wären.183 Nicht trotz­dem, sondern gerade als Fantasieprodukte erfüllten sie alle Bedingungen, um das Plateau als Ursprungsort und Schauplatz etruskischer Geschichte zu imaginieren und mit dem Ideal eines Goldenen Zeitalters zu verbinden, das man allgemein in die Zeit der Herrschaft des Saturnus184 verlegte. Ihre Anwesenheit war ein gutes Omen für Vicinos alchemistisches Experiment Raum und Zeit jener paradiesischen, glück­vollen und naturverbundenen Urzeit wiederherzustellen. Aber Vicino wäre nicht Vicino, wäre nicht dieser Mehr­fachbedeutung noch ein weiterer Hinweis unterlegt, der aufgrund der genealogischen Mystik, – oder mystischen Genealogie? – des Bau­ herrn offensichtlich war: der breit hingelagerte Männerakt mit dem vollständig sichtbaren männ­ lichen Glied oberhalb des nachlässig über die Beine geworfenen­Chitons185, stellt die berühmteste Blöße der Welt- und Kirchengeschichte dar, nämlich die Noahs in seiner­Trunkenheit.186 Auch hier kann durchaus wieder eine dem Sprachwitz der gebildeten­Freunde entstammende Frivolität an­genommen werden,187 die die biblische Szene des berauschten Noah, der als Ahnvater des Weinbaues gilt, zu einer genealogischen und ideologischen Legitimation ihrer Welt- und Jenseitssicht umdeutete. Die Ahnen­reihe, die Noah mit Janus und dazu noch mit Saturnus als dem Begründer eines Goldenen Zeitalters in Etrurien und außerdem noch mit Osiris, dem ägyptischen Retter,

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Plateau der etruskischen Götter

verknüpfte, war tatsächlich in einer einzigen Figur zusammengefasst, die somit aus der heutigen indifferenten Brunnenfigur die komplexeste mythologische Metapher des ganzen Programms machte. Einen subtilen Verweis auf die intellektuelle Konnotation des saturnischen Temperaments gab Vicino mit der fein ausgearbeiteten Hand des Gottes, deren zarte Äderung und manikürte Finger einen faszinierenden Gegensatz zum kraftstrotzenden antiken Torso bilden. Wie man dem vertraulichen, mit Zitaten und scherz­­haft zweideutigen Verdrehungen renommierenden Briefstil des Kreises um Vicino schließen kann, dürfte die zeitgenössische pseudohistorische Herleitung der Etrusker vom biblischen Noah188 den geistig und geistlich hochrangigen Freunden Vicinos einen gutgelaunten Vorwand geboten haben, den üblichen Typus des Flussgottes mit dem des trunkenen Noah als dem Stammvater der für ihre rauschhaften Sinnesfreuden berühmten Etrusker zu verbinden. Die elementare Personal­ union des Dis Pater mit dem Gott der Meerestiefe und dem der Unterwelt sowie überdies mit dem biblischen Noah, als dem einzig von Gott geretteten und doch der Trunkenheit ergebenen Menschen, dessen »Tadellosigkeit« sprichwörtlich in den Exegesen der Kirchenlehrer war, brachte einen ikono­logisch höchst bedenklichen Typus von zugleich elementar-göttlichem und menschlichnatürlichem Zuschnitt hervor. Am Plateau der etruskischen Götter und vor der Titanin Hekate, die einen Grenzort, ein Niemands­ land zwischen dem hehren göttlichen Pathos und dem allzu Menschlichen markierte, fand Vicinos ironisch­gefärbte Apotheose statt.

Unter der Patronanz dieses Gottes, dessen Emana­ tion die Kunstfigur des Hermes Trismegistos war, brachte Vicino im alchemistischen Opus die Ensem­ bles von Elefant, Drachenkampf und Hirsch zum Reagieren.189 Das saturnische Goldene Zeit­a lter war die Anfangssituation schlechthin, und über den Planeten mit dem unedlen Material Blei, über die Säftelehre dem Temperament Melan­cholie, und dem Topos des Genies verbunden­, das sich im Philosophen, Künstler und Propheten – aber auch im Fürsten – manifestierte. Der analoge­Prozess der Verwandlung von Blei in Gold entsprach der Läuterung der Seele und bezog sich vornehmlich auf antike Autoren, wurde aber im Geiste des floren­ tinischen Neuplatonismus als christologischer Läuterungsweg aufgefasst und mit der ehrwürdigsten intellektuellen Ahnenreihe ausgestattet.190 Wie verschiedene Briefstellen nahelegen, leiteten der­ artige Vorstellungen eines paradiesischen, prima­ te­r ialen Paares aus männlichem Geist (Sulphur) und weib­licher Seele (Mercurius-Drache191) den Beginn der Läuterung im Garten192 ein. Die Weiter­ entwicklung der rohen Materie geschah theoretisch und praktisch durch ein ständiges solve et coagula (löse und verbinde­), das im ständigen



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• Plateau der etruskischen Götter: Anna Perenna am westlichen Ende des Plateaus blickt genau zum Dis Pater in seiner Grotte am anderen Ende des Platzes •• Plateau der etruskischen Götter: Dis Pater, indiskreter Blick von oben. Als die Grotte noch intakt und der Gott darin verborgen war, mussten die Gäste Vicinos jene betreten und recht umständlich auf und über den Gott klettern, um dieses raffinierte Detail, das ihr Gastgeber für sie vorbereitet hatte, sehen zu können. • Ehepaarsarkophag aus Cerveteri, 520–510 v. u. Z. Louvre, Paris

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• Benvenuto Cellini, »Saliera«,

Auf und Ab des Wäldchens sinnbildlich nachvollzogen war. Die Verbindung Melancholie-SaturnGenie war der hermetisch begründete Versuch einer Charakterisierung des Schöpferischen an sich und verband die Themenkreise der Divination, Alchemie und Astrologie. Da über diese Vorgänge im Wäldchen in bester­ hermetischer Tradition nichts berichtet ist (siehe Kapitel Inschriften auf Urnen und Amphoren, S. 124 sowie VII. Exitus, S. 258 ff.), kann nur auf die außer­­ ordentlich verschachtelten Beziehungs­gefüge ver­ wiesen und vorsichtig spekuliert werden­: Alchy­ misch verschränkten sich im Wäldchen Vergangen­ heit und Zukunft. Als macht­volle Herr­scher des verlorenen Paradieses und als das primateriale Paar repräsentierten die alten etruskischen Götter Anna Perenna193 und Dis Pater die Möglichkeit oder vielmehr Hoffnung auf eine neue AETAS AUREA.194 Vicino verifizierte seine These, indem er zwei wesent­liche Ansätze, nämlich die etruskische­ Souveränität gegenüber dem Tod und die epiku­ reische­Ehrfurcht vor dem Leben mitein­ander verband (siehe S. 302 ff., Exkurs: Vicino der Epikureer). Die Inschrift auf der Amphore, zwischen dem unterweltlichen Gewässer und dem Drachenkampf, bezog sich auf den gleich daneben stattfindenden Drachenkampf und verwies auf die fons. Uner­ gründ­lich wie die Grotte sind die Geheimnisse und Reichtümer, die die hermetischen Schatzsucher hier vermuten sollten. Das Meer und die Erdtiefe waren Götter als auch Orte, die in diesem Falle in Verbindung mit immenser Tiefe und enormen Reichtümern195 gedacht wurden­. In Bomarzo bedeutete der längst verschwun­dene Dis Pater die unermessliche Tiefe und Fülle des im Dunkel der Geschichte Verborgenen. Der Begriff der Geschichtlichkeit wurde doppelt genommen­: Die historische Zeitachse verflocht sich im Zauber­ garten mit der mythischen und wurde von Vicino als bewusste Verunklärung auf die eigene, zwischen Geschichte und Mythos oszillierende Selbst­ wahrnehmung übertragen.

Paris 1540–1543, Kunst­ historisches Museum, Wien

Die Deutung nach dem Physiologus, die die Löwen als Hüter und Bewahrer196 dieses Zwischenreiches darstellt, ist nicht die einzige Sinnschicht, denn, wie der »Naturkundige« weiter ausführt, sind sie ausgesprochen soziale Fabelwesen, die auch hier als Familie auftraten.197 In perfekter Tiersymbolik und ikonografischer Logik wurde der Topos des Drachen­kampfes umgedeutet. Der Umstand, dass der Unterbauch die einzige Stelle ist, wo der Drache tödlich verwundet werden kann und das Genital zugleich die Stelle, die sich mit der männlichen Verlust- und Kastrationsangst deckt, war von Vicino auf sich gemünzt. Die asiatische Ikono­ grafie des Drachen war höchst komplex und orien­ tierte sich an zeitgenössischen Vorbildern und den Vorstellungen fremder Welten, war aber dennoch abendländisch nach dem Physiologus. In ihr flossen die unheilvollen als auch glücksverheißen­ den­Konnotationen westlicher und fernöst­licher Vorstellungskreise zusammen. Das Konzept war auf die Verteidigung der Quelle ausgerichtet, in der sich Vicino mit den eigenen Ursprüngen identifizierte. In metaphorischer Umdeutung hatte Orsino seinen Ursprung auch im (männ­lichen) Geschlecht, also des Vaters zu bekämpfen und da er bemerkens­werterweise nicht recht viel von seinen legitimen­Söhnen hielt198 entsprach der Verlust der Stamm­halter den steinernen Löwen­ söhnen, die vom Schicksalsdrachen ermordet wurden­.

• Plateau der etruskischen Götter: Dis Pater, Details wie die perfekt manikürte Männerhand zeigen den

Nach dem Vorbild zeitgenössischer Gärten war die Grotte zu begehen und mit Wasserspielen ausgestattet. Der Überraschungseffekt des darin verborgenen Gottes unterstützte die geheimnisvolle



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hohen intellektuellen und künstlerischen Standard der in Bomarzo tätigen Bildhauer.

und altertümliche Ausstrahlung des Platzes und die damit heraufbeschworenen Assoziationen: Im Kontext mit den charakteristischen Formen der Urnenvasen, die die Region nachdrücklich gegen Latium (Rom) abgrenzten, repräsentierte der Dis Pater in der bezeichnenden Pose des halb liegenden­Flussgottes sein Gebiet199.

• Plateau der etruskischen Götter: Blick auf den Dis Pater

Vicinos unverhohlene Absichten wurden 1580 von Alfonso Ceccarelli im Il Simulacro di Casa Orsini (Beschreibung des Hauses Orsini) zwar verbrämt in der üblichen Lobrede, aber dennoch klar zum Ausdruck gebracht. Die Beschreibung des Hauses Orsini begann der Dichter mit der Aufzählung der Verdienste Vicinos, wobei er sowohl seine militärischen Leistungen als auch die auf dem Felde der Dichtkunst nannte. Als Krönung seines­ Lebenswerkes hob er die Errichtung eines außer­ gewöhnlichen Gartens hervor, der mit seiner­ aparten­Bepflanzung und den Kolossen die Restauration der etrurischen Heimat und des vergangenen Ruhmes der Orsini in Angriff nehme: »Doppo l’haver mostrato in ogni parte / Frau l’armi il core invitto, et fra’gli Heroi / L’alta eloquenza di concetti tuoi / Nel’orme impressa de l’antiche carte. Statue, Colossi, e liete piante sparte / Hai nel giardin superbo hoggi frá noi / Acció si scorga insino á i Lidi lo’i / Quanto puo’ far per te natura, et arte. Ò die stirpe Real saggio signore / Che rinovelli á noi gli propii lari / Che ’l’Hetruria honoró con doppio seggio. À te s’ergan le statue, á te gli Altari / Poiche vicino á te Vicino io veggio / Rinato quell’altero Orsin valore« (Nachdem Du Dich auf allen Feldern bewiesen hast / In Waffen durch die Unbesiegbarkeit Deines Herzens, und unter Helden / Die hohe Beredsamkeit Deiner Conzetti / In denen die Spuren antiker Schriften noch immer merkbar sind. Statuen, Kolosse und herrliche Pflanzen hast Du uns / In Deinem überragenden Garten geschenkt / Damit an allen Ufern erkannt werde / Wieviel für Dich Natur und Kunst vollbringen. Oh weiser Herr aus königlichem Geschlecht / Der Du uns die eigenen Laren erneuerst / Den Etrurien mit zweifachem Thron ehrt / Dir errichtet man Standbilder und Altäre / Denn von Dir, Vicino, kommt die Erneuerung des einst so hohen Ranges der Orsini).200

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Plateau der etruskischen Götter

Im Hinblick auf den Höllenschlund – denn tatsäch­ lich schaute der Wanderer zwischen etruskischen Riesenvasen in die schwarze Tiefe der Hölle – gewan­nen die alten Götter neue Bedeutungen. Im Mythos des von seinem Sohn Jupiter entthron­ ten Saturn griff Vicino Rom an, das mit den Etrus­ kern das Paradies und mit ihm Sinnlichkeit und Weisheit vernichtet hätte. Mit der Renaissance des Goldenen Zeitalters unter der Herrschaft Saturns und seiner Gemahlin Ops (ein anderer Name der Anna Perenna) erhielten diese ihre alte Macht zurück. Der Renaissancefürst Vicino Orsini inszenierte­sich in Bomarzo als letzter legitimer (sic!) Abkömmling einer etruskischen Elite; dass er sich unter den Schutz der alten Götter stellte gehörte mit zur Fiktion. Das selbstherrliche Programm des etruskischen­ Plateaus mit dem Drachenkampf und dem Elefan­ ten begründete sich aus der pseudohistorischen Ahnenforschung Nanni da Viterbos, nach der Noahs Arche in Etrurien gelandet sei und seine Nach­kommen und Weisheit gleichsam in den Orsini – nachweislich einer der ältesten Familien – überlebt hätten. Die komplizierte Stammvaterfigur Noah-Saturnus begründete Vicinos Hegemonie in gleich mehrerer Hinsicht (siehe S. 274).

Orka Gleich neben der Grotte blickt der Wanderer ins Maul eines riesigen Fisches, der aus dem felsigen Berg­abhang – nicht aus dem Wasserbassin – auftaucht! Die Anspielung an den biblischen Mythos von Jona, aber auch vom Leviathan ist offenkundig­. Beide sind Metaphern der Unterwelt, ja der Hölle, die im Ketos, einem fabelhaften Fisch­monster, ihren adäquaten Ausdruck gefunden haben. In lautmalerischer Absicht ist der Ketos zum Mörder­ wal geworden, als das italienische Wort für Mörder­ wal, orca, den Orkus assoziiert; zusätzlich stellt die teuflische Ikonografie der Orka mit ihrem weit aufgerissenen zähnestarrenden Maul, den riesigen Glubschaugen unter schweren Lidern sowie den charakteristischen Brustflossen, und überhaupt mit dem Auftauchen aus der Erdtiefe, den formalen Gleichklang mit der Anastasis (Vorhölle) her. Wie der Mundus hinter der Anna Perenna, erfüllte die Orka ihre allegorische Aufgabe. Innerhalb des anarchischen Bildprogramms der Zerstörung, Verschlingung und Wiedergeburt brachten sich die Worte der Bibel in Erinnerung: »Aus dem Schoß der Unter­welt schrie ich auf; du hörtest mein Rufen… Hinab muss ich steigen ins Land, dessen Riegel sich hinter mir schlossen für immer.«201 Als Ausdruck der Verzweiflung und Todesangst ließen sie im Kontext des Wäldchens und inmitten der geballten Versammlung chthonischer Motive um den Vasenplatz an die geheimen, symbolisch den Tod darstellenden Riten der Läuterung denken. Immerhin schöpft auch die biblische Ketosformel aus dem Fundus über­lieferter Vorstellungen und bezieht sich durchwegs auf den Aspekt der verschlingenden Grossen Mutter 202. Erst in der persönlichen Begegnung mit dem Monster begriffen die Besucher die Bedeutung des christlichen JonaMotivs in seiner ursprünglichen und archetypischen Bedeutung der Initiation.203

konzipiert war, sondern um ein Motiv der Erlösung und Wiedergeburt – wie eben die Anastasis. Symbole der Unterwelt, insbesondere des Grabes als Gleichnis der Schatzsuche und der Höhle als Sinnbilder der Erlösung sind im ganzen Wäldchen zu entdecken. Obwohl sie in ihren Bedeutungen miteinander verschränkt sind, stellen sich Grab­ öffnung und Höllenfahrt als zwei verschiedene metaphysische Möglichkeiten der Erkenntnis dar, wobei das Motiv der Graböffnung mit dem Topos des Forschers und Denkers gekoppelt ist, während die Reise in die Unterwelt mit Initiation verbunden­ ist. Wiedergeburt und Initiation waren der nekromantische Weg einer freiwilligen Renaissance des Individuums auf einer anderen, die bloße Physis überwindenden Weise, die dennoch – das christliche Vorbild imitierend – eine Auferstehung im Leibe wäre. Vicinos Ahnvater Dis Pater/Noah/ Saturnus/Osiris, der diese Region beherrschte, war der stärkste und persönliche Ausdruck dieses Überlebenswillens.

Es handelt sich also nicht um einen Ort der Verschlingung, der auf ewige Strafe und Verdammnis eines immerwährenden Todes



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• Plateau der etruskischen Götter: Blick von oben auf die im Felsgestein auftau­ chende Orka • Plateau der etruskischen Götter: Orka neben der Grotte des Dis Pater

Inschriften auf Urnen und Amphoren

• Plateau der etruskischen Götter, Urnenvase mit Inschrift: FONTE NON FV …

• Zerbrochene Vase, Hypnero­ tomachia Poliphili, 1500, Holzschnitt (vgl. S. 103)

Die zwei monumentalen Urnen linker Hand vor der Grotte des Dis Pater bezogen sich ebenfalls mit Inschriften auf Vicinos Rekonstruktion einer eigenständigen, wiewohl nach antiken Vorbildern konstruierten historischen Identität und Mentalität, in der sich etruskische Divination und epikureischer Atomismus kongenial vereinten. Sogar jetzt noch – fast ein halbes Jahrtausend später – zeigen sie die Intention des Bauherrn: im jetzigen Zustand der Verwitterung respektive der Auflösung des Menschenwerks haben die Inschriften eben jenen Idealzustand erreicht, der von Vicino Orsino im Sinne seines lustvoll erkenntnisreichen Konzeptes vorausgesehen war. Mit dem Übergang der Kunst in die Natur hat sich der metaphysische Prozess des Überganges von Materie in Geist vollzogen und die These des epikureischen Atomismus bestätigt, wonach die nach dem Zerfall frei werdenden Atome in den natürlichen Kosmos überführt und einzig die feineren Seelenatome durch ihre Bindung in die zeitlose, das Unvergängliche erfassende Idee unsterblich­ würden­204 . notte et giorno fonte non fv tra… BEI TAG UND BEI NACHT WAR DIE QUELLE NICHT ZWISCHEN … liest man noch auf dem Vasenhals und auf der Wölbung das Fragment eines Satzes (siehe Abbildung S. 123). Auf einer anderen Vase finden­ sich die Reste eines Textes:

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Plateau der etruskischen Götter

a gvardia sia delle piv strane belve SEI STETS AUF DER HUT VOR DEN ABARTIGSTEN MONSTERN Im 16. Jahrhundert las der Wanderer diese Senten­ zen, deren Wert aus der Vergangenheit in die Gegen­wart und sogar in die (beeinflussbare: sapiens­ dominabitvr astris­) Zukunft reichte, vom Kampfturm aus und im Kontext der Ereignisse um das Plateau der etruskischen Götter. Sie bezeich­ neten die Löwen, die mit dem Drachen kämpfen, aber auch den römischen Legionär, der von Vicino im Kampfturm besiegt wurde, als Protagonisten eines überzeitlichen Antagonismus von Stadt und Land, Natur und Kultur, Geschichte und Gegen­ wart. Sie kommentierten den Weg als Abstieg in die Unterwelt der eigenen Abstammung und Prädestination sowie, auf einer weiteren­Sinnebene, den Ort des mystischen Dis als Zwischen­­welt, in der der Initiant zwischen Leben und Tod, Tag und Nacht, Wachsein und Traum, Denken und Hallu­ zinieren hin und hergerissen war. So nahe wie im Traum Schrecken und Erkenntnis, Tod und Eros beisammen sind, schlossen die Bereiche des Heiligen Waldes fast direkt aneinander, was durch die Beengtheit des Geländes vorgegeben war, aber wohl auch willkommen gewesen sein mag, Bezüge in ihrer erschreckenden Unmittel­barkeit zu zeigen. Ob die beiden Urnenvasen, die heute nebeneinan­ der vor der Orka neben der Grotte des Dis Pater aufgestellt sind, tatsächlich hierher gehören und worauf sie sich bezogen haben, kann nicht mit Sicherheit gesagt werden. Eine historische­ Fotografie von Georges Glasberg zeigt das Plateau noch um 1957 als Trümmerfeld, dessen Rekonstruktion ästhetisch kaum zu wünschen­ übrig lässt, aber freilich keine archäologisch gesicherte­ ist.

• Georges Glasberg, »Le vallon de Bomarzo«, Fotografie aus: André Pieyre de Mandiargues, Les monstres de Bomarzo, 1957 Plateau der etruskischen Götter: Zustand vor der Restaurierung



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• Hekate als Schlafende Schönheit – in ihrer linken Armbeuge der Hund

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Hekate Wenige Schritte weiter gelangt der Wanderer zu der schlafenden Riesin, die er bereits aus dem Fenster des Schiefen Hauses erblickt hat. Trotz ihrer Schönheit weckte sie durch ihre Verbindung mit dem Pluto/Dis Pater und der auf dem Weg zu ihr auftauchenden Orka alle Assoziationen des Pavor nocturnus. Immerhin treten sowohl die Hekate als auch der unterweltliche Pluto/ Dis Pater mit denselben bedenklichen Begleitern auf: Thanatos, dem Gott des Todes, seinem Bruder Morpheus, dem Gott des Schlafes sowie den Furien, den Göttinnen der Rache.205 Ihre Bedeutung erschloss sich in der Nacht, und auch die nächtlichen Symposien lebten von dem ahnungsvollen Schrecken, mit dem die entsprechend gebildeten Teilnehmer die verhängnisvolle und magisch wirksame Zusammenrottung nächtlicher und unterweltlicher Götter in der Figur der Grossen Schlafenden erkannten. Allein durch ihre Anwesenheit wurde die Weggabelung im Zentrum des Wäldchens zu einem ganz außer­ ordentlichen, im wahrsten Sinn des Wortes unheilschwangeren Ort, der sich außerdem durch ein regelrechtes Wegenetz mit den anderen Regionen verbunden erwies – denn immer wieder kehrte der Wanderer zur Hekate zurück! Die sinnigen Zusammenhänge wurden über die charakteristische Topografie der Weggabelung und das Attribut des Hundes als Symbol des nächtlichen Schreckens206 wie auch den kleinen­ Opferaltar207 hergestellt. Nach dem Konzept des Wäldchens als Erlebnisraum war auch dieser Ort »in Funktion genommen«. Feuer, Rauch und Geräusch-Effekte erzeugten die Illusion einer Opfer­stätte, die der Anrufung der Hekate diente: »Stimmen, Geräusche, Rufe, betörende Musik, Wohlgerüche, die zu Kopfe steigen… Schatten, die sich bewegen, Nebelschwaden, rußige Gerüche und Dämpfe, Statuen, die sich scheinbar beleben…« Solche unterstützenden Maßnahmen dienten bei den magischen Praktiken der Antike zur sinnlichen Vergegenwärtigung der Sympathie,

der »irrationalen Wechselwirkung zwischen dem Sichtbaren und dem Unsichtbaren, zwischen­ Lebewesen dieser Welt und Wesen einer höheren­ Welt« und wie Luck weiter ausführt: »Wie alle diese Effekte erzielt wurden, ist unbekannt, doch erinnern sie an die Einweihungsriten der Mysterien, soweit sie andeutungsweise über­liefert sind.«208 Die Mysterien waren, wie der Name ja schon sagt, geheim oder so rätselhaft, dass sie nichts von ihrem Wissen und der Macht, die sie verliehen, an Unberufene und Unwürdige preis­ gaben. In einem ähnlichen Sinne riegelte Vicino sein Wäldchen vor den Blicken und Urteilen der »Welt« mit einer steinernen Mauer und einem Wall aus unzugänglichem Wissen hermetisch ab. Die Tölpelhaftigkeit 209 der anderen und die eigene »follia­« (Verrücktheit), die ihn mit »seinem­« Boschetto verband,210 stellten den wirksamsten Schutz dar. Aus demselben Grund verzichtete Vicino nicht auf Effekte, die der geistigen und sinnlichen Vergegenwärtigung des Genius Loci während der nächtlichen Symposien dienten. Nur im Licht der zeitgenössischen Berichte über die »maraviglie« und »effetti« des Wäldchens,211 die sich auf die illusionistischen Effekte der begehbaren, zu befeuernden und auf andere Arten in Funktion zu nehmenden Ensembles bezogen, kann der Ein­druck halbwegs nachvollzogen werden, den die schaurige Szene an diesem ungeheuerlichen Ort, beleuchtet nur vom unsteten Licht eines flackernden (Opfer)Feuers, auf die Teilnehmer einer nächtlichen Wanderung gemacht haben musste. Der arkadische Wald hatte sich im Kontext mittel­ alterlicher Literatur zur paganen silva daemono­ rum weiterentwickelt. Nach dem Vorbild christo­­­­­ logischer Werke wie der Comedia und der Hypnero­tomachia hatte er sich zur Metapher eines Geistes­ zustandes gewandelt, der sich als analoges Zwi­ schenreich mit dem Begriff des traditionell frei und ausschweifend gedachten Arkadien verband. Eine möglicherweise private Bedeutung verband­ Vicino über das Detail des breiten Armreif mit den rautenförmigen, an den Ecken gemugelten­ Schmuckformen am rechten Handgelenk mit der Schicksalsgöttin.



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Brunnen Pans Zum Ensemble der Hekate, das als Zentrum des Wäldchens und wie ein Schwungrad oder auch eine Achse wirkte, um die sich alle anderen Szenen drehten, gehörte auch das Quellheiligtum des Pan, zu dem der Wanderer gelangt, nachdem er den natürlichen Felsen der Hekate wie in einer Heiligen Handlung umschritten hat. Widderhörner, an denen Fruchtkörbe aufgehängt sind, bezeichnen ihn als Jupiter-Ammon, den »verborgenen« Gott, der in seinem­ägyptischen Ursprungsland mit einem Orakel verbunden war.212 Seine naturhaften Züge sind der zeitgenössischen Groteske nachempfunden und kommen in ähn­ licher Form in fast allen Renaissancegärten vor. Als geheimer Herrscher, jedoch ohne die naturrechtlichen Züge, die in Bomarzo als Melancholiegestus und porträthaft hervortreten, erscheinen dekora­ tive und fratzenhafte Pane in der Villa Lante in Bagnaia. Als apotropäisches Bild (gegen die Zivili­ sation?) erscheint der Ziegengott Pan am Ursprung der Catena d’acqua und in hochnobler Form als

• Panische Maske als Brunnen

säulenheilige Pane im oberen Garten der Villa Farnese in Caprarola. Bilder dieser merkwürdig traurig-hässlichen Gottheit gibt es im Wäldchen genauso wie am Palazzo Ducale, wo panische Köpfchen die Fenster­ giebel des Piano Nobile verzieren­und sogar ein ganz ähnlicher, heute nicht mehr erhaltener Brunnen, gleich rechts neben dem Portal plätscherte. Sie verbanden die Welt des Fürsten Orsini mit der des Naturwesens Orsino im Wäldchen. Im weiteren Verlauf des Initiationsweges wird der Wanderer das Motiv des Jupiter-Ammon an der Isisgrotte wieder­erkennen, wenn er es nicht schon bei seinem­ Eintritt von ferne gesehen hatte. Die persönliche Beziehung Vicinos zum arkadischen Gott belegt eine einzige (sic!) als Majo­lika ausgeführte panische Fratze in seinem Schlaf­ zimmer, das er auf dem Dach des Palazzo Ducale errichten ließ. Dieser intimste und intellektuellste Raum der fürstlichen Gemächer führte auf mehrere Terrassen, die sich mit höchst zwiespältigen Inschriften auf das Wäldchen gegenüber bezogen (siehe S. 278–283 Palast­inschriften).

am Ende der steinernen Tafel im Garten der Villa Lante, Bagnaia • Panische Fratze im Schlaf­ zimmer des Fürsten Vicino Orsini, Majolika um 1550, Palazzo Ducale, Bomarzo

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Plateau der etruskischen Götter

• Quellheiligtum Pans in der Wildnis des Heiligen Waldes, dahinter erkennt man in der Waldwildnis Bomarzos noch die Tomba



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• Blick auf die Tomba, von der Seite des Plateaus der etrus­ kischen Götter kommend

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Plateau der etruskischen Götter

Tomba Gleich im Anschluss an das Quellheiligtum Pans kam der Wanderer mitten im Wald zu einer etruski­ schen Tomba, die selbstverständlich keine echte ist, sondern ein raffiniert einfacher Nachbau. Der riesige abgebrochene Felsen in der Miniatur­ schlucht oberhalb des Flüsschens und unterhalb­ des kleinen Berghanges bot sich dazu an. Die Tomba mit Grabeingang und seitlichen­Miniatur­ treppen gleicht den Grabarchitekturen der Nekro­ polen Norchias, Bleras, Castell del’Assos und Sovanas bis ins Detail – tatsächlich dürfte die Tomba di Prostila in Norchia das direkte Vorbild gewesen­sein. Die charakteristische Weichheit des Tuffstein wurde in Bomarzo durch eine dicke Schicht Verputz über dem aufgemauerten Rohbau der Tomba nach­geahmt – die gefassten Strukturen der Scheintüren und Friese konnten darauf ohne weiteres imitiert werden­.

Der Felsen, auf dem die Tomba errichtet wurde, setzt sich über die Abbruchstelle mit einem kleineren Felsstück fort, in das zwei Nischenformen ein­gemeißelt wurden, die an Chor­gestühl erinnern. Die Sitzmulden sind von anthropomorphen Formen flankiert, wobei vor allem der rechts herausge­arbei­ tete weibliche Akt – im Melancholiegestus des in die Hand gestützten Kopfes – ein bestrickendes Memento mori abgibt (siehe Abbildung S. 220). Der Nachbau einer etruskischen Tomba erfolgte schon in der zweiten Bauphase und im Zusam­men­ hang mit den etruskischen Grab­imitationen, die Arkadien als etruskische­Aetas Aurea darstellen. Die endgültige Konzeption des Sacro Bosco übernahm den romantischen­Sitzplatz, indem sie ihn in eine sinnenfrohe Kontemplation ewiger Paradiesesfreuden verwandelt­e. Wie im christlichen Kontext ist auch diese Todes­ betrachtung mit »Umkehr« verbunden und so geht der Initiant an Pan und Hekate vorbei wieder zum Plateau der etruskischen Götter, um von hier aus ins arkadische Feld zu gelangen. So ist er »ans westliche Ende der Erdscheibe« gelangt, wo schon die antike Vorstellung die elysischen Gefilde hinversetzte.213 Die Wegrichtung entspricht dem hochdifferenzierten Zusammenhang von Todesfahrt und Erlösung denn: »Elysium ist dem Hades benachbart und wird von Kronos regiert.«214



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• Tomba de Prostila, Norchia • Tomba, die gemauerte Tomba steht auf dem natür­ lichen Felsen in den sogar noch rechts die charakte­ ristischen kleinen Stufen eingemeißelt wurden.

• Von der Tomba kehrt der Wanderer wieder am Quell­ heilig­tum Pans und der Hekate vorbei zurück zum Plateau der etruskischen Götter.

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Plateau der etruskischen Götter 133

• Am arkadischen Feld: etruskische Arkosolbank

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Plateau der etruskischen Götter

Arkosolbank An der nordwestlichen Peripherie des Heiligen Waldes lädt eine kleine überdachte Bank zum Ver­ weilen ein. Sie erinnert zunächst an die etruskischen Arkosol-Gräber und klinenartigen­Sarko­ phage mit den Liegefiguren der Verstorbenen, die sich wie zum ewigen Bankett gelagert haben. Die Gäste Vicinos dachten dabei an die kleine Nischen­ bank an der Südwestterrasse des Palazzo Ducale. Beide Sitzgelegenheiten waren dem antiken Vorbild folgend zum Liegen gedacht und von der Tomba della Sirena im ebenfalls nahegelegenen Sovana inspiriert, die den fürstlichen Schatzgräbern von ihren Streifzügen durch die etruskischen Stätten bekannt war. Der Wanderer gibt der Versuchung nach und legt sich in die kleine Nische, um von hier aus alles noch einmal zu überblicken. Damit nimmt er die Stelle des Verstorbenen ein und betrachtet aus dieser souveränen Distanz das Erlebte noch einmal. Aus seiner Perspektive und vor dem drohenden Höllenschlund erkennt er, dass die Wunder des Wäldchens jene der Welt übertreffen, da sie die wesentlichen Fragen des Individuums zu beantworten imstande sind, wie die Inschrift im Bogenfeld der Nische groß­spurig verkündet.

Die gewissenhafte Aufzählung der einzelnen Monster entspricht dem Überblick, mit dem von diesem­Punkt am Ende der Welt und des Lebens das arkadische Feld und das Plateau der etrus­ kischen Götter betrachtet wird. Tatsächlich alle Monstra vom Plateau der etruskischen Götter215 sind zur Steigerung ihrer Wirkung in der Mehrzahl genannt und zeigen, dass Vicinos »Weltreise« ebenfalls eine Metapher ist. Der Reisende ruht in der Bank von den Anstrengungen seiner­lebens­ langen und ver­geblichen Reise aus. Hier sammelt­ er seine Kräfte, um den Aufstieg in die Hölle zu wagen, oder er ist gerade aus der Hölle wieder auf die Erde herabgestiegen. In der Arkosolbank und in der Haltung der steinernen Liegefigur auf der etruskischen Grab-Kline beginnt er seinen­ anzunehmend düsteren Gedanken über die kom­ menden oder bereits erlebten Abenteuer seiner­ Reise nachzuhängen. Melancholie und Tod hatten­in der Rezeption des Neuplatonismus und seinem­expliziten Interesse an Irrationalität, Wahn­­­sinn und Auflösung einen gänzlich anderen Stellen­wert erhalten. Eine ganz besondere, charismatische­Anziehungskraft besaß die Orphik,

voi che pel mondo gite errando vaghi di veder maraviglie alte et stvpende venite qva dove son faccie horrende elefanti leoni orsi orchi et draghi IHR DIE IHR VERZWEIFELT DURCH DIE WELT IRRT UM GROSSARTIGE UND ERSTAUNLICHE WUNDER ZU SEHEN KOMMT HER WO SCHRECKLICHES EUCH ERWARTET ELEFANTEN LÖWEN BÄREN MÖRDERWALE UND DRACHEN



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• Tomba della Sirena, Sovana

Zur Befreiung der im Leib (soma) wie in einem Grab (sema) gefangenen göttlichen Seele zeugte Zeus den Dionysos-Lyseus. Dieser Glaube war aus vielen­ verschiedenen Kosmogonien konstruiert und forder­te gewisse rituelle Handlungen, mit denen die in die Körperwelt verbannten Seelen von ihrer peinvollen Wanderung erlöst werden konnten: Reinigungsriten und Enthaltsamkeitsvorschriften (z. B. Fleischverbot) wurden den Gläubigen in geheimen Weihehandlungen durch die Orpheote­ lesten (Weihepriester) vorgegeben. Ihre Einhal­ tung garantierte den Frommen ein glück­liches­ Leben im Jenseits, während die Frevler der Tartaros erwartete.­216

• Palazzo Ducale, Nord­ terrasse mit heraldischen Rosen und Voluten, Bomarzo

die im Neuplatonismus zu neuen Ehren gekommen war. Die wesentlichen Elemente der spirituellen Bewegung, die auf Orpheus zurück­geführt wurde, entsprachen mit ihrem irrationalen und initiatorischen Charakter dem arkadischen Kontext des Läuterungsweges und unterstützten die Selbst­darstellung Vicinos als fürstlicher Dichter, der in die Unterwelt abgestiegen war. Die Sekte der Orphiker besaß eine eigene Theo­gonie und Anthropogonie, nach der Chronos (Zeit) das Weltei geschaffen hatte, woraus der androgyne Phanes entstanden war, der wiederum Nyx (Nacht) geboren und mit ihr Gaia (Erde), Uranos (Himmel) und Kronos gezeugt hatte. Wie Saturnus durch Jupiter entmannt und verstoßen wurde, hatte auch Zeus, als Sohn des Kronos, Phanes verschlungen und so die Weltherrschaft an sich gerissen. Mit seiner Tochter Persephone-Demeter zeugte er den Dionysos-Zagreus, den aber die Titanen zerrissen und verschlangen, weshalb sie von Zeus mit dem Blitz verbrannt wurden. Aus der Asche ihrer Leiber sei der Mensch entstanden, der so gute (dionysische) und böse (titanische) Elemente in sich vereine.

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Plateau der etruskischen Götter

Mit der lockeren Aufzählung der Wunder dirigiert Vicino die Gedankengänge seines Gastes: Nach dem Elefanten sollen die Löwen, der Bär, dann die schauerliche Fratze des Höllenschlundes, die tatsächlich dazwischen sichtbar wird, und zuletzt der Drache betrachtet werden. Der ausdrückliche Hinweis auf Bären ist als Aufforderung an jene Gäste gerichtet, die den Orsino Drachentöter noch nicht entdeckt haben. Die Inschrift der etruskischen Bank am arkadi­schen Feld, die auf die Akteure des dahinter­liegenden etruskischen Plateaus zurückweist, erfüllt jedenfalls den Sinn, den Wanderer in ein Netz von ineinander verschränkten Bedeutungen einzuspinnen. Der Höllenschlund ist die maximale Steigerung dessen, was im Schiefen Haus und mit mantischen oder historischen Versuchen einer Rückkehr zu den Ursprüngen begonnen worden ist und nunmehr in der schaurigen Todeserfahrung kulminiert­. In der schützend gewölbten Bankarchitektur ist dem Wanderer eine kurze Rast und Bedenkzeit gewährt: Die Hölle ist etwas Fremdes und zugleich Vertrautes. Sie brachte die dantesken Schilderungen mit den Berichten über die exotische Azteken-Kultur, die aus der Neuen Welt nach Europa gelangt sind, in Verbindung. Das Motiv verkörpert sowohl Neugier als auch Angst vor dem Unbekannten, wobei die exotischen Assoziationen ganz offenkundig den Exegesen und Illustrationen der Heiligen Schrift entsprechen­:

Immerhin kannten die Zeitgenossen Vicinos die Darstellungen der Höllenstrafen im Florentiner Baptisterium am Dom von Ferrara oder in der Cappella degli Scrovegni. Die mittelalterliche Vorstellung von Schrecken verband das sinnliche Erlebnis der Strafe mit den zuvor genossenen sinn­ lichen Freuden zur Todes­angst. Im manieristischen Vorstellungskreis des wunderbaren Schreckens verliert die Hölle an Schrecken, als sie zur belieb­ ten Metapher des Ein­ganges ins Unbekannte wird, wobei die Angst vor Bestrafung zur Steigerung des sinnlichen Reizes erhalten bleibt. Vergleichbares kannten Vicino Orsinis Gäste von Darstellungen der ewigen Verdammnis in den Bildprogrammen

• Am arkadischen Feld: Blick aus der Arkosolbank auf das arkadische Feld, im Hintergrund der Palazzo Ducale in Bomarzo. Postkarte Ed. Igino Risca Bomarzo, 1940er

der Kirchen und entsprechenden Buchmalereien. Die um 1600 entstandene Riesenmaske im Garten der Villa Aldobrandini bei Frascati, Rom, und auch die späteren Entwurfs­zeichnungen Francesco Borrominis für das Portal des päpst­lichen Gefäng­ nisses und den Palazzo Zuccari in Rom folgen dem­ selben Muster. In der abendländischen AnastasisIkonografie verbinden sich Elemente der Comedia mit exotischen Einflüssen.217 In Anbe­tracht der archäologischen Interessen Vicinos haben wohl auch die etruskischen Stirnziegel, die eine ver­ schlingende baubo­artige, auf jeden Fall chtho­ nische Göttin zeigen, eine Rolle gespielt (siehe Abbildung S. 148).218

• Am arkadischen Feld: das geheimnisvolle Tier, im Hintergrund rechts oben der Mundus

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Am arkadischen Feld

iii. Am arkadischen Feld

Von den Etruskern gelangte der Adept in ein relativ ausgedehntes Gelände, das, soweit dieser Begriff auf die Dimensionen des Heiligen Waldes angewendet werden konnte, das freie Schweifen Pans bedeutet haben mochte. Das ganze Ambiente, vornehmlich aber die relative Weitläufigkeit des Gebietes mit dem Höllen­ schlund und der stark erodierten Skulptur eines lagernden Tieres, bildete die Kulisse für die lebens­w ichtige Erfahrung des et in Arcadia­ ego. Dieses neuplatonische Arkadien war bis auf die etruskische Steinbank und den Mundus ganz und gar verlassen – umschlossen nur von einer niedrigen Mauer, die den unverstellten Blick auf die umliegenden Wälder freigab – offenkundig­ die obligatorische Wildnis, in der sich der Wan­ derer verirren und faccie horrende (schaurige Erlebnisse) haben sollte.

vor allem das glänzende Geweih zeichneten ihn als Herrscher des Waldes aus. Die löwenartige »Mähne« symbolisiert Potenz im spirituellen als auch sexuellen Sinne und macht aus dem Naturwesen des Hirschs ein hoheits­volles Fabeltier, das mit der hermetischneuplatonischen­Sinnschicht des Wäldchens einen eigenen Hand­lungsstrang bildet. Schon der körper­liche Ausdruck des stattlichen Leibes mit den leichtfüßigen Hufen vermittelt den Eindruck eines geistigen Führers wie er im »Tristan« Gottfried von Straßburgs als weißer Hirsch ohne Geweih, aber mit einer weißen pferdeartigen Mähne, die Jagdgesellschaft König Markes in eine Minne­g rotte (sic!) lockt.220 Das Geweih als

Im elysischen Gefilde oberhalb des etruskischen Plateaus verbarg sich in einer dramatisch arrangierten Wildnis ein Tier, das heute wegen seines teilweise zerstörten Kopfes unkenntlich ist, aber aufgrund der charakteristischen Körpermerkmale als fabelhafter Hirsch mit leuchtendem Geweih zu rekonstruieren ist.

• Am arkadischen Feld: das geheimnisvolle Tier, Detail des Kopfes. In den beiden

Das dichte, reiche Fell, das an einen männlichen Löwen erinnert,219 und die charakteristische Form der Hinterhand mit den pferdeähnlichen Hufen und des Wedels (jägersprachlich Schnalle) – aber

Vertiefungen am Scheitel waren wohl die Geweihäste eines männlichen Hirschen verankert.



Am arkadischen Feld 139

• Hermann von Sand, »Einhorn und Hirsch im alchymischen Opus«, 1678, Kupferstich Staats- und Universitäts­bib­liothek Dresden/ Deutsche Fotothek

• Aktaion wird von seinen

Zeichen von Männlichkeit und Macht war – wie die Stoßzähne des Elefanten – aus einem anderen, im Dunkelgrün des Bomarzodickichts leuchten­ den Material. Auch das war ein Effekt, der auf die altorientalischen Wurzeln des Motivs anspielte und sogar noch eine Verbindung zum Einhorn 221 herstellte, dessen heilbringende und giftbannende Eigenschaften auch dem Hirschen zugeschrieben wurden. Beide bilde­ten als Tiere der Waldwildnis eine hermetische Wechselbeziehung, wobei dem Hirsch die lunarischen Qualitäten und damit das gefühlsbetonte, kopforientierte und nachdenk­ lich melancholische Temperament zugeschrieben wurde.222 Auf dieser Bedeutungsebene223 war der Hirsch neben dem Bären und dem Affen das dritte Emblemtier des Wäldchens.

eigenen Hunden zerfleischt, rotfigurige Vasenmalerei, Skyphos, Paestum, um 370–360 v. u. Z. Badisches Landesmuseum, Karlsruhe

Der Hirsch gilt traditionell als mächtiges, starkes­ und potentes Tier, in dem sich sinngemäß Magie und Würde des Königtums vereinen. Was den orien­talischen Kulturen der Löwe, ist der Hirsch dem nördlichen Vorstellungskreis:

Als Fabel­­tier reicht die Vielfalt und Fantastik seiner Eigenschaften und Fähigkeiten an die des Löwen heran.224 Als mystische Lichtgestalt erscheint er den christlichen Heiligen. Wegen des imposanten­ Geweihs, das sich periodisch erneuert, ist er Sinn­ bild des immer wiederkehrenden Lebens, der Neu­ geburt und der Zeitläufe. Wie der Löwe kommt der Hirsch bevorzugt an Kapitellen und Tympana vor, nach den Bestiarien gilt er als Gegenbild zum Teufel und als »Feind der Giftschlangen«, in Psalm 42 wird er sogar als Inbegriff des Gläubigen besungen.225 In Bomarzo diente der Hirsch der Identifikation Vicinos mit dem hermetischen Jäger Aktaion. Der Motivschatz des Palazzo Farnese, wo Pegasus, Einhorn, Hirsch und Drache in fast jedem der reich ausgemalten Räume des Palazzo vor­ kommen, war dem Kreis um Vicino vertraut­und symbolisierte auch im Wäldchen die Umwandlung der Metalle. Vicino, der das ihm Wichtige nicht selbst nennt, sondern entweder den staunenden Besucher ent­ decken lässt oder es gar vor ihm versteckt, ver­ meidet es, den Hirsch in der Inschrift der etruski­ schen Arkosolbank zu nennen: Unvermittelt und unvorbereitet wie Aktaion die Göttin, erkannte sich der Initiant im Spiegel der Wildnis Arkadiens denn: Selbsterkenntnis war der erste Schritt der Läuterung.

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Am arkadischen Feld

• Am arkadischen Feld: der Hirsch, Ansicht von vorne. Man erkennt trotz des aus­ gebrochenen Gesichts die charakteristische Form von Augen und Maul sowie die gelockte Mähne und die Hufe eines Hirschen.

Aufstieg zur Hölle

• Domenico di Michelino, »La Divina Comedia di Dante«, 1465, Fresko in der

Der Weg ins Elysium führte signifikant zwischen der Anna Perenna und dem Mundus ins arka­ dische Feld. Vor dem Hintergrund des etruski­ schen Plateaus figurierte der Hirsch als Mittler und Leitmotiv, das den Wanderer zum »steten­ Mitwisser des tiefsten Geheimnisses der dichterischen Absicht« und – wie eine ebenfalls sehr passende Formulierung lautet – zum »notwendigen­ Mitschöpfer des Kunstwerkes«226 machte. Seine Aufgabe war die Vermittlung zum Höllenschlund.227

Kuppel der Kirche Santa Maria del Fiore, Florenz. Dante Alighieri hält sein Lehrgedicht Die Göttliche Komödie vorzeigend in der linken Hand. Mit der rechten Hand weist er auf eine Pro­zession von Sündern zur Hölle, hinter ihm das Purgatorium und eine his­ torische Ansicht der Stadt Florenz um 1465.

Mit dem Eintritt in den Höllenschlund kehrte der Adept in den unweigerlich assoziierten Mutter­ schoß der Erde zurück.228 In einer folgen­reichen Vernetzung verschiedenster und sich dennoch­ entsprechenden Rückführungen wurden­Arkadien, Ägypten und Etrurien zu einem metaphysischen Ort zusammengefasst, der Anfang und Ende in einem war. Die mit der Höhle assoziierte Hölle229 wurde zum Zentrum derartiger Überlegungen: »Glückselig ist, wer […] den Weg unter die Erde betritt: er kennt das Ende des Lebens und dessen

von Zeus gegebenen Anfang.«230 Also betrat der Adept aus freien Stücken das Reich des Todes. Der Höllenschlund wurde in ähnlicher Weise wie das Schiefe Haus zu einem Medium, das seine Bedeutungen auf den Eingetretenen übertrug. Zunächst war es der unorthodoxe Aufstieg in die Hölle, der schon Schlüsse auf eine andere Bedeutung der vertrauten Form implizierte und wieder die Prisca Sapientia ins Spiel brachte. Wie der ägyptische Totenkult waren auch die Mysterien von Eleusis Rätsel der Vergangenheit,231 die in der Sphäre des Wäldchens zu lösen waren und Antworten forderten, die nur der Betroffene selbst geben konnte. Dazu musste er den frei­ willigen Tod auf sich nehmen, um vor einer überzeitlichen Instanz Gnade oder sogar ewiges Leben erflehen zu können. Diese Metapher tiefster­ Erkenntnis war schon in der Hypnerotomachia mit dem Begriff der Läuterung unmittelbar verbunden232 und in den zehn Stufen versinnbildlicht, die zum Höllenschlund hinaufführten. Diese Form der Erhebung der Seele war den Gästen Vicinos aus der Comedia233 ebenso vertraut wie die Annahme des Pythagoras von einem der Erde gegenüberliegenden gegenweltlichen Planeten, den er mit der Zahl Zehn mathematisch belegt hatte.234 Wie im Ritus vollzogen die zur Hölle aufzusteigen wagten die Erhebung nach, dennoch stellte sich diese Hölle nicht als berechenbares und vorhersehbares Phänomen heraus, sondern im Gegenteil als sarkastische und zugleich genussvolle Karikatur der etablierten­Höllenvisionen. Vicino verband die eleusinische Konzeption des Höllenschlundes mit der Exotik der aztekischen Maske. Beide waren so fremd wie das Unerhörte, das den Adepten dann tatsächlich im Inneren des Höllen­schlundes erwartete­. Neuzeitliche Mythenbildung kompensierte die zeit­­liche Distanz, die die Renaissance von der Antike trennte, mit der räumlichen Entfernung zu rätsel­vollen und unverdorbenen Zivilisationen. Zu Vicinos Zeit war es die aztekische, deren Weisheit, Reichtum und Monstrosität – insbesondere ihre

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Am arkadischen Feld



grau­samen Menschenopfer – faszinierende »faccie­ horrende«­für das europäische Publi­kum235 lieferte­. Wie die mesoamerikanischen Heilig­tümer war auch der Höllenschlund kein unterirdischer Ort, in den hinab, sondern zu dem hinaufgestiegen werden musste wie auf die himmelstürmenden Pyramiden.

Bocca della Verità (das Maul der Wahrheit) in Rom, vermutlich Darstellung des alten Vegetationsgottes Faunus-Silvanus

Die mehr als nur formale Ähnlichkeit mit der berühmten Bocca della Verità, einer antiken römischen Tritonenmaske, in deren Maul verdächtigte Lügner ihre Hand stecken­mussten – wo sie ihnen im Falle der erwiesenen­Schuld abgeschlagen wurde – war eine Analogie, die für den Adepten Bomarzos zu einer ganzkörperlichen Mutprobe geworden war. Läuterung und Neugeburt durch Weisheit war der Erkenntniswert dieses Wagestücks, das die Jenseitsreise Dantes nachvollzog. Der abend­ ländische Mythenschatz erhielt eine unverhoffte und scheinbar objektive Bestätigung durch die Berichte der großen Weltreisenden, zu denen sich in einer hermetischen Auslegung auch Vicino zählen­konnte. Eine einzige Bedingung knüpfte sich an den Eintritt in die Hölle. lasciate ogni pensiero voi ch’entrate ihr die ihr hier eintretet lasst alle besonnenheit fahren Zum wiederholten Male setzte Vicino auf die Ver­ drehung einer bekannten Stelle aus der Litera­tur. Hier war es das bekannte und berüchtigte Zitat aus der Divina Comedia: »Voi ch’entrate lasciate ogni speranza« (Ihr, die ihr hier eintretet, lasst alle Hoffnung fahren), das er ad absurdum führte, um seine Kritik an einer Gesellschaft, die auf Unterdrückung und Doppelmoral setzte, auf den Punkt zu bringen. Sowohl die Form der Hölle als Metapher der Erlösung (Anastasis) als auch die Inschrift handelten von der Angst der Christen vor dem Sterben. Vicinos Alternative zu den Tröstungen der Religion war etwas, das nur ihm einfallen konnte: Sowohl

die Form des Höllenschlundes und seine Botschaft als auch das Gedankengebäude Dantes wurden ganz einfach auf den Kopf gestellt: Der Abstieg in die Hölle und der Aufstieg zum Läuterungsberg – von Dante klar getrennt – wurden in Bomarzo zu einem Aufstieg zur Hölle zusammengezogen. Den Wortlaut der (heute falsch ergänzten) Inschrift überliefert Giovanni Guerras Zeichnung. Der veränderte Sinn der berühmten Phrase, bei der nur speranza mit pensiero ausgetauscht wurde, nahm die Warnung auf, mit der die rechte Sphinx den Eintretenden beunruhigt hatte: Das tv ch’entri erweckte die Assoziation mit der Dante’schen Jenseitswanderung unter der Führung Vergils und hob den Besucher, der sich persönlich angesprochen fühlte, aus der Masse der Unwissen­ den heraus. Als einer von vielen, die nach Bomarzo gepilgert waren, würde er sich nun bewähren oder untergehen. Der Hinweis auf die große Menge der Suchenden – der Verdammten? – machte vor allem deutlich, wie zwangs­läufig die Verbindung zu den »balordi« war, denen Vicino Einlass in sein Wäldchen gewährte236. Die Anspielung auf die Sphinx bestimmte darüber hinaus die Asso­ziationen des Kandidaten, der sich – wissend­, dass er seine ange­borene oder erworbene Ignoranz mit dem Tod



Am arkadischen Feld 145

• Giovanni Guerra, »Höllen­ schlund«, zweite Hälfte 16. Jhdt., Federzeichnung Albertina, Wien

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Am arkadischen Feld

schaudernd vorübergingen, bestand nicht in der materiellen Hinterlassenschaft der leblosen Steine, sondern im geistigen Schatz dieser Erkenntnis, den jeder selbst heben musste.

• Am arkadischen Feld: Eintritt in den Höllenschlund mit der falsch rekonstruier­ ten Inschrift OGNI PENSIERO VOLA statt LASCIATE OGNI

zu sühnen haben werde – der Initiation unterzog. Das frei­w illige Todeserlebnis im Höllen­schlund offenbarte dem, der seine »kluge Vorsicht« aufgab, die letzte Erkenntnis: In Vicinos Hölle gewann er unver­muteten und unchristlichen Einblick ins Paradies. Der, wie alles Wichtige im Wäldchen, marginal wirkende Austausch von speranza in pensiero, gab scheinbar der weltlichen Unvernunft den Vorrang vor der christlichen Tugend (prudentia, die weise Voraussicht). Im Angesicht des Todes wurde alles, was dem arkadischen Ideal so diametral entgegengesetzt war, obsolet, und der Circulus vitiosus­ aus Religion, Politik und sonstigen sitt­lichen Ver­ pflichtungen unterbrochen, irrelevant und »fahren gelassen«237. Der Höllenschlund relativierte nicht nur das »hoffnungsvolle« christlich-katholische Weltbild, sondern das der Vernünftigen, die sich für Anpassung und Subordination entschlossen hatten. Selbst aufgeklärte Geister waren davon nicht ausgenommen, wie sich Vicino und seine Intimi selbstgefällig bestätigen und ausreden konnten­. Eine Zeichnung Giovanni Guerras gibt Inschrift und die Vergnügungen der hier gepflogenen Ars Vivendi wieder. Die manieristische Form des wunder­baren Schreckens, den diese Schwelle verkörperte, und die innere geistige Kraft, sie zu überschreiten, waren der wohl deutlichste Hin­ weis auf die Intention des Wäldchens: Weder Ver­ nunft noch politische Korrektheit, sondern animalische Lust, Naturrecht, Irrationalität, Wahn­ sinn und entfesselte Triebe herrschten hier »in Ewigkeit«. Die veränderte Inschrift verwandelte Hoffnungslosigkeit in die Möglichkeit, die hinter dem Tod liegende Lust zu gewinnen. Die Botschaft, an der die »balordi« vermutlich genüsslich

Wer sich also überwand, die Stufen hinaufstieg und in die Hölle eintrat, fand sich an einem angenehm kühlen Ort, an dem ihn zudem noch Speis und Trank von gewiss erlesener Qualität erwarteten. Im Höllenschlund vereinte Vicino zwei Erfahrun­ wgen, die sich aus seinen geistreichen und lustvollen Beschäftigungen in der Region Etruriens ergaben. Im Kontext der Freundschaft zu Kardinal Gambara ist der Höllenschlund Bomarzos eine karikierende Uminterpretation der zeitgleich entstandenen Villeggiatura in Bagnaia: Vicino übernahm das Motiv der kleinen, den Musen geweihten Pavillons mit ihren auf sehr vornehme Weise rustikalen Räumen, die Orte der Rekreation und der Muße (otium) waren. Die Umdeutung des ele­ganten Pavillons in eine Tomba, deren rohe Wand­­strukturen von der groben Meißelung der Innenwände des Höllenschlundes imitiert wurden, veränderte alle gängigen Erwartungen an den Tod (siehe Abbildung S. 19). Die Imagination eines etruskischen Sarkophages oder auch einer Altarmensa als Zunge war die fantas­tische Ausgeburt der besonderen

PENSIERO VOI CH’ENTRATE • Bagnaia, Villa Lante: elegante Pavillons mit Sitzbänken und Tischen im Garten der Villa

• Etruskischer Stirnziegel, Antiquarium di Poggio Civitate Museo Archeo­ logico, Murlo

nekromantischen Fantasie Vicinos. Die kleinen Pavillons in Bagnaia, wie auch die in Ewigkeit bankettierenden Symposianten der etruskischen Gräber, sind in der Auffassung Guerras miteinander zu einem Bild der Jenseitigkeit verschmolzen, das vermutlich von der Realität bestätigt wurde: Gerade während des »sol lione« (der Löwenhitze) 238 musste der grottenartige Raum einen erfrischenden Aufenthalt geboten haben an dem sich gut speisen und trinken ließ. Die musikalische Umrahmung, Feste und sinnliche Freuden, insbesondere die kultivierten erotischen Fertigkeiten der Cortigiana 239 korrigierten die Szenerie der eleusi­ schen Mysterien zu einer Darstellung des sinnenfrohen etruskischen Totenreichs. Damit kehrte Vicino wieder alles um und stellt, mit dem Hinaufstieg in die Hölle, den Ort der Strafe auf die Höhe des Paradieses mit seinen sinnlichen Freuden. In einer weiteren Sinnschicht setzte Vicino mit dem Höllenschlund seine Theorie der sensi primi um, nach der die wichtigsten Sinne – Magen und Geschlecht – seinem neuinterpretierten Epi­kure­ ismus zufolge das Leben selbst, beziehungsweise seine Macht über den Tod bedeuteten. Seine initiatorische Hölle verkörperte den fatalen­Zusammen­ hang zwischen dem Mund, dem alles verschlingenden höllischen Rachen, und dem Geschlecht der Frau, der vagina dentata, die an sich schon für Geburt als auch Tod steht und hier im Schlund die angemessenste Verbildlichung erfuhr. Die wieder doppelt, nämlich historisch wie mythisch »urälteste« Vorstellung von der Frau als Magna Mater und Todesdämon verkörperte sich in den Fruchtbarkeits- und Todesgöttinnen 240, die als Nachtfahrerinnen im Wäldchen auftauchen: Es

• Gustave Courbet, »L’Origine du monde«, 1866, Öl auf Leinwand, Musée d’Orsay, Paris

waren die hermetischen Wissenschaftler, die das große Geheimnis des Lebens im Erdinneren lösen zu können glaubten und in der Grotte das Ziel ihrer diffusen und obskuren Gelüste fanden. Diese Abart wissenschaftlicher Begehrlichkeit machte den arkadischen Ort, der außerdem anschaulich und sinngemäß mit dem Geschlecht der Frau zusammenfiel, zu einem locus amoenus und locus terribilis, einem zugleich lieblichen und schrecklichen Ort. Der »geheime Ort« des weiblichen Geschlechtes, wie er auch in den Hexenprozessen amtlich genannt wurde, deckte sich mit der Sehn­­sucht nach Rück­kehr ins Paradies, aber auch mit der Angst vor Vernichtung. Da es kaum eine Kultur oder Zeit gibt, die dies nicht verstünde, sei als Illustration der von Courbet gewählte Bildtitel »L’Origine du monde« zitiert und das Bild beispielhaft dem Höllenschlund gegenübergestellt. Im Kosmos des Wäldchens war »Der Ursprung der Welt« eine Anspielung auf die universelle und explizit männliche Wissbegier nach dem Ursprung des Lebens. Die Errichtung des Höllenschlundes fiel noch in die Zeit von Vicinos umfangreichsten und mit viel Optimismus betriebenen Gartenaktivitäten und galt seinen Zeitgenossen als zivilisationskritisches­ und souveränes Vorhaben, gerade im abgelegenen­ Bomarzo das Rätsel des Lebens aus der Betrach­ tung der Natur zu lösen. Geprägt von der Liberti­ nage des freidenkerischen Venedig, zu dessen intellektueller Elite er als junger Mann gehört hatte, bezog sich Vicino in der Folge auf die antiken­ Philosophen, die immer auch Naturforscher waren, insbesondere auf Epikur, aber auch auf die »Oltra­ montani«, deren freigeistige Ideen Vicino auf seinen Kriegs­zügen in die nördlichen Regionen Europas kennen­gelernt hatte.241 Die paradox anmutende Verbindung antiker Philosophie und ultra­montaner Intellektualität überwand das von seiner­antiken Größe zehrende Rom und befreite von der geistigen Bevormundung durch die römische Kirche. Eingedenk seiner­Ver­pflichtung und Prädestination durch die ägyptisch-etrurische Deszendenz richtete sich Vicinos »Zuversicht« nicht auf die Art von Leben nach dem Tod, die mit striktem diesseitigem Gehorsam zu erkaufen

• Herbert List, »Bomarzo, Sacro Bosco, Mostro in the garden of Pier Francesco Orsini«, 1950



Am arkadischen Feld 149

war, sondern gleich darauf, »ein Leben der Götter« zu führen­. Ganz offensichtlich stand Vicino bei der »Erfin­ dung« seines Höllenschlundes das antike Unge­ heuer Medusa vor Augen. Die grauenvolle, zähnefletschende, geflügelte, hypnotisch starrende, von sich ringelnden (sic!) Zotteln umrahmte Fratze der Gorgo war wirklich und wahrhaftig ein Gesicht im Sinne der faccie horrende: des schaurig Schönen und des Visionären. Medusa verkörperte­den manieristischen wunderbaren Schrecken, den ganz besonderen, intellektuell-sinnlichen Bann, in den sich Vicino und sein Freundeskreis begeben­ hatten. Dementsprechend mehrsinnig war denn auch die Zusammenziehung verschiedener verwandter­ Motive wie eben der Gorgo mit dem dantesken, seit Giotto einvernehmlich anthropomorph dar­ gestellten Höllenmaul. Vorbildhaft könnten außerdem Wasserspeier an sakralen und profanen Bauten in ultramontanen Gegenden gewirkt haben, die Vicino auf seinen Kriegszügen bereist hatte. Das Motiv fand Nachahmung und hat bis in die Gegen­wart unterschiedlichste Künstler inspiriert­. Die um 1600 entstandene Fratze im Garten der Aldobrandini in Frascati, und insbesondere die 1652–1653 datierten Entwurfszeichnung Francesco Borrominis für das Portal des päpstlichen Gefängnisses, beweisen die Wirkung des Bomarzomotivs – selbst die Inschrift lasciate ogni pensiero­voi che intrate ist über­ nommen worden. In geistiger oder vielmehr hermetischer Überein­­ stimmung dominiert im nicht weit entfernten­ Grossetto eine dämonische Hohepriesterin den von Niki de Saint Phalle errichteten Garten der Tarocke. Desgleichen hat André Heller in den Swarovski Kristallwelten in Wattens einen Riesenschädel entworfen, der vergleichbare Assoziationen weckt.

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Am arkadischen Feld

• Niki de Saint Phalle,

• André Heller,

»Die Hohe­priesterin«, 1978

»Der Riese«, 1995

Giardino dei Tarocchi,

Swarovski Kristall-

Grossetto

welten, Wattens



Am arkadischen Feld 151

• Am arkadischen Feld: Blick auf die ehemalige­ Situation und die Weg­ führung von der Hölle, kolorierte Postkarte

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»le cose inferiori e superiori«

iv. »le cose inferiori e superiori« Aufstieg zum Heiligen Berg

Die Bedeutung des Wäldchens lag sinnfällig in den hier angebotenen häretischen, aber keineswegs abwegigen Möglichkeiten, die virulenten Fragen des Lebens für sich zu klären. Als gegenweltliche Fantasielandschaft war Vicinos Garten reale Utopie oder auch utopische Realität, was im abgrundtiefen­ Charakter manieristischer Gedankengänge als höchst willkommenes Paradox mitenthalten war. Der Gedanke der kosmischen Sympathie, aber auch das Selbstverständnis des Renaissancefürsten, spiegelten sich im Topos des Paradiesesgartens und dem des (profanen­) Gartens als Symbol der Welt. Nach eigener Aussage betätigte sich Vicino in Nachahmung des göttlichen Schöpfergestus als Erfinder und Bauherr einer »altro mondo« (einer anderen Welt)242, wobei die Vermischung der Begriffe Opposition und Jenseits seine zunehmend abgehobenen, wie aus einer höheren Sphäre des Verstehens klingenden Bemerkungen über die »Welt« in diesem Licht erscheinen ließen.243 Vicinos anfängliche Selbstdarstellung im Sinne einer Teilhaftigkeit an der göttlichen Schöpfung veränderte sich allmählich: In den letzten drei Briefen an Giovanni Drouet war die Identifikation mit der althergebrachten Idee eines persönlichen Gottes unübersehbar.244 Im selbstgeschaffenen Paradies erfüllten sich seine Wünsche genauso wie seine Ängste. Sie bestätigen ihn als ganzheitliches Individuum und banden ihn in einen vor­ bestimmten Ablauf ein.

Der Garten war wie für Dante, Poliphil, Epikur, Jesus und Vicino der klassische Ort, an dem sich für den Umherirrenden (errando) die Klärung entscheidender Fragen ergab. Der Garten als »Born der Erkenntnis« gehörte zum festen Vorstellungskreis um das Paradies, in dem zwei Bäume standen: der Baum des Lebens und der Baum der Erkenntnis.245 Das Lösen des fundamentalen Rätsels fand immer im Paradies statt. Der Garten war eine literarische­ und theologisch inspirierte Fiktion. In einer Tradition stehen das hermetische Werk Viridarium Chymicum des Daniel Stolcius von Stolcenberg, der Hortus Deliciarum der Herrad von Landsberg oder der Garten der Lüste von Hieronymus Bosch – und selbstverständlich die antiken Autoren, die als Philosophen grundsätzlich Gärten bewohnten und dort lehrten. Sie belegen die klassische Vorstellung von der »Geburt der Philosophie aus dem Garten der Lüste«.246 Die Worte des alttestamentarischen Gottes – »Dass er jetzt nicht die Hand ausstreckt, auch vom Baum des Lebens nimmt, davon isst und ewig lebt!«247 – schwangen implizit­im Aufbegehren gegen die katholische Moral­vorstellung vom gott­ gefälligen Leben mit, und bekräftigten Vicinos nichtchristliche Jenseitskonzeption.248 Immerhin war das Wäldchen ein lebendiges Argument gegen die gängigen Vorstellungen über die »cose inferiori e superiori« (Dinge der Unter- und Oberwelt).



»le cose inferiori e superiori« 153

Es waren gerade Vicinos sokratische Talente, die ihn der »Welt« und umgekehrt ihm die »Welt« verleideten. Damit gestattete er sich selbst den Vergleich mit dem großen Philosophen, dessen außerordentliche Fähigkeit »in den Himmel, wie in das Verborgene der Unterwelt zu schauen« den Melancholiker bezeichnet. Vicinos Selbst­ einschätzung »verborgenste Geheimnisse schauen« zu können war Temperaments­ sache249, Bestimmung und ohne Alternative.

• Tempel der Venus Physiozoa, Hypnero­to­machia Poliphili, Holz­schnitt, 1500

Die Synopse antiker und ultramontaner Philo­ sophien 250 war keine bloße und selbstverliebte­ Anhäufung von Weisheit im Privatgarten, in praxi war der Initiant – wie der Held der Zauber­ märchen 251 – damit auf die Probe gestellt, und musste seine eigenen Schlüsse ziehen. Die metaphysische Tour durch die Geschichte des Denkens war lakonisch in der Metapher der Weltreise dargestellt und eine ironisch gefärbte Apotheose, die den Adepten von der üblichen Strategie des anspruchslosen Glaubens ablenkte und als Wanderer auf jenen Läuterungsweg brachte, der die üblichen »Tröstungen«252 schon in ihrer Aufzählung irrelevant und eitel scheinen ließ. Freilich nur für die Selbstreflexion Vicinos galt, dass die »Tag und Nacht« wachsamen Löwen, die den schicksalhaften Drachen bekämpft hatten und dennoch untergegangen waren, vom Orsino auf ihren Platz in der Geschichte verwiesen worden

wären: Sperne Terrenvm,253 wohingegen er sich in den exklusiven Kreis der Herausragenden und an einen jenseitigen, platonisch überzeitlichen und überräumlichen Ort verfügt hätte, an dem ein übergeordnetes pantheistisches Lustprinzip herrsche. Aus einer hermetisch-astrologisch begründeten Disposition und eigener, schöpferischer Kraft konnte Vicino Orsini das Unmögliche versuchen: Die wiederholten, oft pathologisch selbstmitleidigen Hinweise auf Melancholie sind mehr als nur bildungsimmanente Vorstellungen einer zeitlosen Genialität – in Vicinos Weltsicht belegen sie die Hegemonie des saturnischen Temperaments.254 Dem Inhalt entsprach die äußere Form der her­me­ tischen Verunklärung, die mit den hieroglyphischen Rätselbildern ein Gesamt­kunst­werk bildete: »Wo immer wir offen gesprochen haben, haben wir nichts gesagt. Aber wo wir etwas verschlüsselt und in Bildern niedergeschrieben haben, dort haben wir die Wahrheit verhüllt.«255 Wie der kontrollierte Abgrund waren alle Erkennt­ nisse des Heiligen Waldes als Träger einer Wahr­heit und ihres Gegenteiles konzipiert. Dem ent­sprach auch der weitere Verlauf des Initiationsweges, der nunmehr auf den Gipfel des kleinen Berges führte. Fraglos war der Tempel die Krönung des Ganzen, weil er mit seinem astrologischen Programm die anerkannteste aller divinatorischen Praktiken darstellte, mit deren Hilfe die Menschen den göttlichen Willen und Plan erforschen und vielleicht sogar zu wenden hoffen konnten­.256 Die Hypnerotomachia gab die ideale Annäherung an den Tempel der Venus Physiozoa vor 257 und so gelangte der Adept auf den Spuren Poliphils vom arkadischen Feld aus zum Tempietto, wo ihn – rein metaphorisch natürlich – die Liebesvereinigung mit Polia erwartete. Dieser topografische als auch ikonografische Höhepunkt war die erste Etappe ihrer gemeinsamen Reise und im Konzept des Wäldchens eine Zäsur. Die nunmehr folgenden Abstiege stellten den zweiten Teil der »Reise« dar.

• SPERNE TERRENvM, Inschrift an der Westterrasse des

Beim Aufstieg erinnerte sich der Adept an die in der Hypnerotomachia überschwänglich gepriesene­

Palazzo Ducale in Bomarzo (siehe Abbildung S. 281)

154

»le cose inferiori e superiori«

Erscheinung der Kuppel: »vidi una superba et eminente cuppola« (sah ich eine stolze und mächtige­ Kuppel).258 Vicinos Begeisterung, mit der er an Alessandro Farnese schrieb,259 galt der eigenen­ Leistung des überaus gelungenen inganno, ver­ mittels dessen man in Bomarzo der Illusion erlie­gen könne, sich tatsächlich dem Tempel der Physiozoa zu nähern: »Die Erscheinung des Tempels wird aus der begrenzten Perspektive des sich dem Bauwerk nähernden Poliphilo zweimal angekündigt. Zunächst zeigt sich über den Bäumen in der Ferne nichts weiter als eine dem Anschein nach über einem Kuppeldach aufragende Spitze (›uno excelso pterygio sopra apparentimi de uno rotondo fastigio‹). Dann rückt die Kuppel mit ihrem Schmuck voll in den Blick…«260 Um das »Erscheinen« seiner­Kuppel möglich zu machen, plante Vicino die Annäherung: vom Höllen­schlund über den getreppten Weg auf den Treppenabsatz des heute noch benutzten Aufstieges vom arka­ dischen Feld. Auf dem Berg angekommen, ändert sich der Blickwinkel und der Tempel liegt auf einmal inmitten einer von sanften Hügeln umrahmten Ebene.261 Eine entsprechende Bepflanzung des kleinen Hoch­ plateaus band sogar noch den Ausblick auf das ehemalige Freigelände in der Talsohle zwischen­ Bomarzo und dem Wäldchen als Hinweis auf die in der Hypnerotomachia langatmig beschriebene Parkanlage um den Venus-Tempel ein.

• Aufstieg zum Tempel: »Das Erscheinen der Kuppel«



»le cose inferiori e superiori« 155

• »le cose inferiori e superi­ ori­«, Tempel auf der kleinen Hochebene am Gipfel des Hügels, dahinter die terra­ kottafarbene Hügel­kuppe des Monte Casoli mit den etruskischen Gräbern

156

»le cose inferiori e superiori«

Tempietto Die bereits durch- und überstandenen Erlebnisse, die den Adepten auf sich selbst zurückgeworfen hatten, konnten durch keine andere Metapher als den Tempel – der noch dazu ein etruskischer war262 – besser verarbeitet und abgeschlossen werden. »Nach außen« stellte sich der Tempel als Zuwidmung an die verstorbene Ehefrau Vicinos, Giulia Farnese, dar,263 aber schon die Ikonografie des Tempels war eine unmissverständliche Anspie­ lung auf die Hypnerotomachia, wo die Inschriften am Tempel der Venus Physizoa – jeden treibt seine lust und jedem ziemt es, sich nach seiner natur zu verhalten – naturrechtliche Ideen und Ideale feierten. Die Anspielung brach die christliche Aussage des Tempels und wendete sie ins Pantheistische.264 Im Tempel, dessen Ähnlichkeit mit gleich zwei Holzschnitten der Hypnerotomachia nicht zu übersehen ist, erwartete den Wanderer auf den Spuren Poliphils – natürlich im Sinne der fiktiven Handlung – die etruskisch sprechende, geheimnisvolle Tempelvorsteherin. Ihre Geheimnisse waren unaussprechliche und unausgesprochen im schlichten Ritus enthalten, in dessen Verlauf Poliphils Nymphe der keuschen Diana abspenstig und zu Polia, einer Dienerin der Venus, gemacht wurde. Freilich durfte auch Poliphil seine Nymphe nicht behalten, sondern sie entschwebte ihm in einer neuplatonischen Version der Himmelfahrt. 265 Im Tempel der Venus Physiozoa geschah die Läuterung unter der Patronanz der Venus, was nach dem mittelalterlichen Verständnis, dem die Hypnerotomachia genauso entstammt wie die Werke Dantes, Petrarcas und Boccaccios, drei wesentliche Aspekte umfasst: »Die humanistische Idee der Wiedererweckung der antiken Kultur; Die höfische Idee der Frauenminne als einer Aufgabe und die alchymische Verwandlung der Stoffe.«266

Raumarchitektur, die ebenfalls den Tempel der Physiozoa zitiert. Für die, die Vicinos Allegorien verstanden, galt jedoch die uneingeschränkt dem Eros huldigende Selbsterkenntnis vor jedem Antikenzitat einer neuplatonischen Idealvorstellung.267 Derartige Anspielungen, oder besser gesagt, Anzüglichkeiten, wie die harmlosen antiken Zitate an den Terrassen des Palazzo Ducale, bestätigten durch diese Spiegelung die formale und inhaltliche Struktur des Tempels, von dem Sansovino immerhin sagte, dass er »von den Grundmauern auf« das Werk Vicino Orsinis sei.268 Seine Wertschätzung des Tempels äußerte Vicino nirgends so klar wie bei der Gelegenheit, als er seine Empfindungen beim Erscheinen der Kuppel in einem regelrechten spirituellen Furor als »quanta consolation«269 beschrieb. Die Wortwahl lässt keine andere Auslegung als die zu, dass das Wäldchen eben jene Tröstungen biete, die zu spenden die etablierten Religionen und Philosophien versäumten. 270 Vicino kombinierte den antiken Antentempel mit einer oktogonalen Kuppel, die sich über der Cella wölbt, und eine Miniaturausgabe der Domkuppel von Santa Maria del Fiore in Florenz ist.271 Die Verbindung von Pronaos und Oktogon, die sich äußerlich in harmonischen Proportionen so verdecken, dass sie eine gewisse Autonomie wahren­, aber durch ein astrologisches Programm

• Poliphil flieht vor dem

Dazu passte im Sinne der Selbstdarstellung Vicinos noch die Szene der Hypnerotomachia, in der Poliphil vor dem Drachen flieht, und zwar in eine

Drachen, Hypnero­tomachia Poliphili, 1500, Holzschnitt



»le cose inferiori e superiori« 157

philosophische Sonne bringt durch ihren Schein und Schatten einen gleichmäßigen Tag und eine Nacht hervor, welche die Latona oder Magnesia genannt werden mag.«273 Giovanni Guerra hielt das ikonografische Konzept in einer Federzeichnung fest, das nach dem Vor­ bild des naturphilosophischen Konzeptes von Empedokles die Existenz zweier Sonnen annahm: einerseits die wahre helle Geist-Sonne, die mit dem philosophischen Gold gleichgesetzt ist, und andererseits die finstere natürliche Sonne, die dem materiellen Gold entspricht. Diese zweite Sonne der Erkenntnis, die neben der natürlichen­ dem Zodiakus des Tempels vorangestellt ist, weist unmissverständlich auf die Botschaft des Wäldchens hin: Wie in der freimaurerischen Sym­ bolik war hier die Sonne das Abbild des un­ver­ gänglichen Geistes. Im Opus war sie das immaterielle Gold und das Endprodukt der komplizier­ ten »Goldmacherei«, als die die Experimente der Alchemisten von den Unwissenden beargwöhnt wurden­.

• Giovanni Guerra, »TEMPIETO NELLI GIARDINI DI BVON MARTIO« (übers.:

verbunden sind, spielte nur vordergründig auf die eheliche Allianz von Vicino und Giulia an, in Wahrheit verbarg es die wahren Absichten Vicinos.

Tempelchen in den Gärten von Bomarzo), Ende 16. Jhdt., Feder ­zeich­nung Albertina Wien

Dieses architektonisch kaum innovative System wurde mit ebenfalls zeitgenössischem astrolo­g ischemblematischen Wissen kombiniert: Mit deutlicher Bezugnahme auf verschiedene astrologische Lehrbücher und natürlich die Hypnerotomachia wurden in traditioneller Manier, nach der sogenannten Häuserlehre, die beiden Hälften des Zodiakus mit zwei (sic!) dominierenden Sonnen und einem Mondsymbol dargestellt.272 Die zwei Sonnenwenden stellten einen anerkannten naturwissenschaftlichen Aspekt der himmlischen Abläufe dar, den die Hermetiker jedoch in ihrem Sinne als Abbild des Geistigen deuteten: »Die

158

»le cose inferiori e superiori«

Vicino bezog sich mit dem astrologischen Konzept seines Tempietto auf das kopernikanische, heliozentrische Weltbild. Die erstmals 1543 veröffent­ lichte These war revolutionär und von emi­nenter­ Bedeutung für die anthropozentristische Philoso­ phie der Neuzeit.274 Dieses Modell besaß einen zusätzlichen, eben metaphysischen­Wert, indem es seinerseits der hermetischen Auf­fassung von der Aufwärtsbewegung der Materie – vom äußersten, grobstofflichen Zustand Saturn-Blei bis zur höchsten Sublimationsstufe Sonne-Gold – entsprach:275 »Die äußere Sonne hungert nach der inneren«, beschrieb Jacob Böhme in seiner­Signatura Rerum das innere Streben nach Selbstvervollkommnung, das sich an den neuesten Erkenntnissen der neuzeitlichen Naturphilosophen festmachte.276 Die Folgen der kopernikanischen Schlussfolgerungen blieben nicht aus. In Florenz schrieb Giordano Bruno seine bis heute irritierende Schlussfolgerung, dass der Mensch/ die Erde nicht mehr Mittelpunkt des Alls sei als irgendein anderer Punkt. Der Gedanke war vom

allgemeinen Interesse der Renaissance für derartige Themen und dem von Marsilio Ficino neubelebten ägyptischen Sonnenkult inspiriert; als inneres Leitbild bahnte er dem Renaissancemenschen den Weg aus der mittel­alterlichen Gläubigkeit in ein aufgeklärtes Zeit­alter, dessen­Mittelpunkt und Schwungrad er, der Mensch selbst, war. Auch Vicinos Rekons­truktion des ursprünglichen göttlichen Entwurfes war von den Kommentaren Marsilio Ficinos zum platonischen Symposion durch­drungen.277 So wie sich die Wissenschaften über Sterne und Landwirtschaft hermetisch kreuzten, entfaltete­das Wäldchen »alle Regeln des Lebens, alle Prin­zipien der Natur, alle heiligen Mysterien des Göttlichen.«278 Im vorgeblich christlichen Tempel kulminierte das divinatorische Konzept, das mit der ägyptisch-hermetischen Eingangs­szene vorbereitet worden war. Das astrologische Konzept des Tempels spiegelte und befriedigte die zeitgenössische Ägyptomanie, die sich insbesondere in einer Art intellektuellen Aberglaubens an die Wiedergeburt des Hermes Trismegistos äußerte. Ägypten war ein Mythos, der zugleich eine räumliche und zeitliche Dimension besaß. Die Geschichtskonstruktion Nanni da Viterbos (siehe S. 221 und 274) bewies mit einer pseudohistorischen Darstellung der ägyptischetrurischen Kontinuität den privaten Mythos Vicino Orsinis. Der kleine Hügel verlor damit seinen weltlichen Charakter und wurde zum imaginären, als überirdisch wahrgenommenen Sacro Bosco, der erst in zweiter Linie von den hehren olympischen oder niederen arkadischen Gottheiten beherrscht war – jedoch zuerst, aber dahinter verborgen und in Wirklichkeit, ein definitiv ägyptisch-hermetisches, dem Hermes Trismegistos unterstelltes Universum war. In seinem Einflussbereich wirkte das weibliche Prinzip der Magna Mater in der ägyptischen Allmutter Isis als sein weibliches, schöpferisches und tödliches Pendant.279 Die grundlegende Idee des Schöpferischen, die im Hieros gamos des Hirten mit der Himmelskönigin

vorgeformt war, hatte sich mythisch weiterentwickelt. Marsilio Ficino hatte sie sowohl im platonischen Symposion als auch in den Schriften der antiken Philosophen verankert gefunden, und überlieferte sie in seinen neuplatonischen Exegesen ebenso weiter wie im Corpus Hermeticum, den er auf Wunsch Cosimo de’ Medicis übersetzt hatte. In der Renaissance wurden diese neuerworbenen und neu entdeckten, ja wie Schätze wiederaufgefundenen (sic!) Kenntnisse ältesten Wissens von liberalen Kreisen wie jenem um Vicino Orsini assimiliert und flossen wie selbstverständlich in zivilisationskritische Denkprozesse ein. Aus diesem Grund war der etruskische (sic!) Tempel mit einer Art Aussichtsturm ausgebaut, der wie eine altorientalische Sternwarte astronomischen und astrologischen Zwecken diente. Ambivalent wie alle Ensembles korrespondierte dem Blick ins nächtliche Himmelsgewölbe der Ausblick untertags auf die cose inferiori am darunterliegenden Plateau der Proserpina und im anschließenden Schattenreich. In Bomarzo bestätigte der astrologische Weg die Erkenntnisse, die auf mysteriöse Weise – durch Wahnsinn und Todeserfahrung – gewonnen worden waren. Nun war es die Rückkehr zum Ort und zur Stunde der Geburt – in die Hölle und zu den Sternen –, die den Blick in Vergangenheit und Zukunft gewährte. Im Bestreben, den Nach­weis einer in sich sinnvollen Welt zu erbringen, die sich also erkennen und voraus­sehen ließe, verband Vicino antike und neuzeitliche Erkennt­ nisse mit solchen, die vermittels divinatorischer Techniken gewonnen wurden. Diese vielen und widerspruchs­vollen Zugänge zur Prisca Sapientia banden magische und wissen­schaftlich nachforschende Methoden in den höheren Zweck der Selbsterkenntnis ein, wobei der etruskischen Variante der Astrologie eine tragende Bedeutung zukam. Immerhin bestätigte die uralte babylonische Kunst der Astrologie den direkten Zusammenhang des Göttlichen mit dem Natürlichen und bot die Möglichkeit, das eigene Schicksal zu erkennen und selbst zu bestimmen­, denn: »der Makrokosmos spiegelt sich im Mikrokosmos und umgekehrt.«280



»le cose inferiori e superiori« 159

Sternwarte Noch innerhalb des Tempelbezirkes281 betrat der Wanderer die kleine runde Plattform, die einen Aussichtspunkt von der Höhe des Tempels über das ganze Gelände bot. Danach nahm er den kleinen, mit Voluten gerahmten Abstieg, der ihn über wenige Stufen auf einen kleinen Umgang brachte, von wo er auf das darunter­liegende Plateau der Proserpina sehen konnte. Zwischen den beiden Ebenen vermittelt die kleine Treppe, was die Themenkreise auch formal miteinander verband: Von der kleinen Plattform oder auch vom Umgang aus konnte der Adept nachts den Sternenhimmel beobachten und bei Tageslicht die Protagonisten des Proserpina-Plateaus: Unmittelbar neben der Sternwarte führt ein Abstieg vorbei am Höllenhund Kerberos in die Apsis zur Proserpina, so wie sie nach der Hypnerotomachia unvermeidlich zusammengehörten.282

zu Gott hin und durch ihn öffnen wir uns und wenden uns mit Freude zu Ihm zurück.«)283 Im Einklang und durchdrungen von Ficinos neu­ platonischer Gottesschau sah sich der Initiant im hermetischen Wäldchen die 8. Regel des Hermes Trismegistos befolgen: »Brauche deinen Verstand im vollen Umfang, und erhebe dich von der Erde in den Himmel; dann steig ab vom Himmel auf die Erde und verbinde die oberen mit den unteren Kräften…«284 Der Blick von der Höhe der Sterne auf die darunter­ liegenden, gleichsam unterweltlichen Belange legte den Begriff der Prädestination doppelt aus. Die Bedeutung des Tempelbezirks erschloss sich nur im Zusammenhang mit der Inschrift, die vom Proserpina-Plateau zu lesen ist und das darunter­ liegende Plateau als einen magischen Ort der Ideen bezeichnet – ein neuplatonisches Arkadien, das neuplatonische, neuepikureische, neu­pytha­ goreische und manieristische Ideale vor der

Die Sternwarte besteht recht einfach aus einem runden geschlossenen Kern mit vier Nischen, die der Bedeutung des Bauwerkes entsprechend ausgestaltet waren. Von unten betrachtet war der Eindruck recht einheitlich, da die Ballustrade der Plattform dem darunter laufenden Umgang mit seinen rustizierenden Elementen zwischen den Nischen korrespondierte.

•• »le cose inferiori e superi­ ori­­«, Sternwarte vom

Die inhaltliche und formale Verknüpfung von Tempel, Sternwarte und Unterwelt versinnbildlichte den sich aus den Niederungen erhebenden Geist. Marsilio Ficinos These vom »Aufstieg der Seele« verwandelte die Idee eines Gottes zu einem imaginären und intellektuellen Ziel. Nur in diesem Kontext konnte der Tempel das Lob Gottes in Bomarzo verkünden: »Summum igitur bonum Deus est, beautitudo autem fruitio Dei. Fruimur Deo per volontatem, quoniam per eam amando quidem movemur ad Deum, gaudendo vero dilatamur convertimurque in Deum.« (»Das höchste Gut ist Gott. Die Glückseligkeit aber ein Genießen Gottes. Wir genießen Gott durch den Willen: durch ihn bewegen wir uns liebend

Plateau der Proserpina gesehen, rechts erkennt man den getreppten Abgang vom Tempelbezirk (Inschrift S. 173). • »le cose inferiori e superi­ ori­«, Sternwarte, Detail der kleinen Treppe, die von der Aus­sichtsplattform auf den kleinen, darunterliegenden Umgang und weiter ins freie Gelände des Tempelberges führt.



»le cose inferiori e superiori« 161

Außenwelt – wie im Paradies – hermetisch abgeschlossen hielt und nur dem Initiierten preisgeben würde. Die Briefstelle, in der Vicino die verflossenen Jugend und ihre Freuden beklagte und dass ihm nur mehr die Kontemplation der unterirdischen und der himmlischen Dinge geblieben sei – »non ci ho da far altra operatione, che la contemplatione­delle cose inferiori et superiori«285 – bezog sich unmissverständlich auf die Sternwarte. »Wie oben so unten« lautet die hermetische Regel, nach der Vicino den Heiligen Wald auf alchymische Weise mit den Sternen verbunden und damit zu einem funktionierenden (sic!) Apparat, einem Laboratorium im eigentlichen Sinn der Worte, gemacht hatte. SAPIENS DOMINABITVR ASTRIS lautet die Inschrift auf der Terrasse, mit der sich Vicino kaum der gängigen Übersetzung anschloss, die da lautete, dass der Weise die Sterne/sein Geschick zu überwinden trachten solle, sondern es ist davon auszugehen, dass die Vicino-Clique wörtlich übersetzte: DER EINGEWEIHTE GEBIETET DEN STERNEN.

162

»le cose inferiori e superiori«

• SAPIENS DOMINABITUR

• »le cose inferiori e superi­

ASTRIS (der Weise gebietet

ori­«, Sternwarte, Nischen

den Sternen), Inschrift

und Ausgang

auf der Westterrasse des Palazzo Ducale (siehe Abbildung S. 281)

• »le cose inferiori e superi­

• »le cose inferiori e superi­

ori­«, ehemaliger Zustand der

ori­«, Sternwarte, Blick von

aus: Brede­kamp, Abbil­

oben

dungsteil, Abb. 109

Sternwarte mit Ballustrade,



»le cose inferiori e superiori« 163

164

»le cose inferiori e superiori«

• »le cose inferiori e superi­ ori«: Abstieg ins Allerheilig­ ste der Proserpina, am Kerberos vorbei



»le cose inferiori e superiori« 165

166

»le cose inferiori e superiori«

Kerberos

führte bezeichnenderweise neben – nicht vor – die Proserpina.

Vom Tempel kann der Wanderer nur mehr hinab­ steigen, entweder über die Sternwarte in eine roman­tische Bergeinsamkeit gelangen oder aber es wagen, am dreiköpfigen Höllenhund vorbei in die Unterwelt einzudringen.

Schon von oben ist die basilikale Form des Pro­ serpina-Plateaus zu erkennen. Die Karikatur ist durch nichts weniger offensichtlich als durch die in der Apsis thronende monumentale weibliche Gottheit, deren weit geöffnete Beine zugleich eine umschlingende Bank sind.

Kerberos ist der Sohn der Unterweltschlange Echidna und des Ungeheuers Typhon. Außer, dass er meist dreiköpfig, aber auch fünfzigköpfig­ (sic!), beschrieben wird, hat er keine besondere Ikono­ grafie. Im ägyptisch-etrurischen Kontext des Wäldchens ist er das griechische Äquivalent zum ägyptischen Anubis, der ein Sohn der Todes­ göttin Nephthys ist und ebenfalls die Seelen in die Unterwelt führt.

• Der dreizüngige Drache, Hypnerotomachia Poliphili, 1500, Holzschnitt

Im Heiligen Wald droht Kerberos in der Apsis nach den drei Richtungen der drei Treppen. Eine wie üblich etwas verballhornte Zeichnung Giovanni Guerras gibt seine Wächterfunktion einwandfrei wieder.

•• »le cose inferiori­e superiori­«, Kerberos • Giovanni Guerra, »CERBARO

Innerhalb des Programmes wurde er als heulender Todesbote mit der ägyptischen und daher etruskischen Todesvorstellung verbunden: »In den frühen europäischen Sagen, die teilweise libyschen Ursprungs sind, wurden die Seelen der Verdammten von einer heulenden Hundemeute in die Hölle gejagt. Anfangs war Kerberos fünfzig­ köpfig wie die Meute, die den Aktaion zerriss, später­aber dreiköpfig wie seine Herrin Hekate.«286 Die Verschmelzung konnte soweit gehen, dass Hekate direkt mit dem Anubis oder dem Kerberos assoziiert war: »[…] wurde als eine Hündin abgebildet, denn Hunde fressen Fleisch von Leichen und bellen den Mond an.«287 Kerberos lässt alle in die Unterwelt hinein, aber niemanden wieder hinaus. In der Realität des Wäldchens verwehrt­ er dem Wanderer – wie der dreizüngige Drache in der Hypnerotomachia – die Rück­kehr­: »Der Rückweg ist Poliphil abgeschnitten – zitternd­, mit gesträubtem Haar stürzt er sich in die Finster­ nis.«288 Der Weg von der Höhe des Tempels

SCVLPITO DA GROSSO SASSO ENTRO GIARDINI DI BVON­ MARTIO« (übers.: Kerberos aus einem großen Stein gehauen in den Gärten von Bomarzo), Ende 16. Jhdt., Federzeichnung Albertina, Wien



»le cose inferiori e superiori« 167

Proserpina

Arme der Pro­serpina sind unbekleidet und liegen in entspannter Haltung auf den sich schlängelnden Beinen.

Der mädchenhafte Oberleib der Proserpina unterscheidet sich markant vom matronalen Typus der Anna Perenna. Das klassisch ovale Gesicht ist jugendlich und fein modelliert. Der elegante­ Kopf wird von einer mittig gescheitelten Frisur umschlossen, die in leichten Wellen auch vorne das Gesicht rahmt und die Ohren freilässt. Am Hinterkopf sind die Haare zu einer weiten Kranz­ frisur geflochten­, die bis in den Nacken reicht. Ihre majestätische Haltung passt zum ernsten und hoheitsvollen Gesichtsausdruck und der eleganten Frauenkrone. Das antike Gewand, das vorne in einem üppigen Sinus über den Busen fällt und ihn sogar teilweise freilässt, aber die Schultern noch in leichten Falten bedeckt, ist göttliche Freizügigkeit und Merkmal der unsterblichen Seele. Derartig leichtbekleidete­Gestalten konnte Vicino höchstens in etruskischen­Gräbern gesehen haben. Die vollen

Proserpina verkörpert mit der Hekate die »prä­ hellenische Hoffnung auf eine Wiedergeburt«.289 Die italienische Etymologie deutet die PersephoneProserpina (pro-serpina: sich vorwärts schlängeln) als Schlangenwesen und Unterweltgöttin im Sinne des ewigen Kreislaufes (Ouroboros). Als Symbol ihrer unterweltlichen Existenz versinnbildlichen die Mondsicheln auf ihrem Kronreif den ewigen Kreislauf von Werden und Vergehen im Ablauf der Mondphasen.290 Vicinos Gäste kannten die Mythen und bezogen sie auf die etruskischen Sarkophage mit den Meerweibchen, Sirenen und Tritonen 291, die sie in den Nekropolen gesehen hatten.

• Plateau der Proserpina: Blick von der Stern­warte in die Apsis des ProserpinaPlateaus

168

»le cose inferiori e superiori«

Im Kontext der Nacht und der wiederkehrenden­ Fruchtbarkeit der Erde sind die unterweltlichen­ Göttinnen Hekate und Anna Perenna mit Proser­­pina verschmolzen.292 Den Aspekt des Schreck­lichen

• Plateau der Proserpina: Proserpina



»le cose inferiori e superiori« 169

• Plateau der Proserpina: Proserpina, Brustbild. Die Mondsicheln auf der Frauen­k rone, Schlangen­ beine und ihre vom Kolpos (Gewandbausch) freige­ lassenen Brüste lassen an die Priesterinnen der minoischen Zeit denken, die im Schlangenkult als Herrscherinnen der Tiere und der Unterwelt den kosmi­ schen Ablauf darstellten.

170

»le cose inferiori e superiori«

hat Proserpina also mit Hekate gemeinsam, der sie seit ihrem Raub durch Pluto nahesteht und mit der sie zu einer stygischen Gottheit verschmolz293 – in ihrer Lieblichkeit ist sie schwesterlich der Mondund Jagd(sic!)göttin Diana verbunden. In dieser Personalunion entspricht die Proserpina dem Archetyp des dämonischen Weibes, das zugleich Gebärerin und Verschlingerin ist – eine schreckliche und schöne Wahrheit zugleich, die sich bis in die christliche Liturgie erhalten hat: »von der Erde bist du genommen und zur Erde wirst du zurückkehren«. Sowohl die Form der Proserpina als Chimäre aus Weib und Schlange, als auch der dreiköpfige­ Höllen­hund sind Elemente etruskischer Sepulkral­ kunst. Ihr gemeinsames Auftreten in der Tomba di Rilievi in Cerveteri und an verschiedenen Sarkophagen war als sinnige Kombination von Tiefsee und Unterwelt den Gästen Vicinos bereits geläufig. Kerberos und Proserpina erwarten den Verstorbenen im sinnlichen Raum zwischen Dies­ seits und Jenseits, den das etruskische Grab in der Rezeption der fürstlichen Grabräuber bedeutet haben mochte. Ihre erotische Anziehungskraft war medusenhaft­ und Inbegriff des wunderbaren Schreckens und wie es im Canticum Canticorum heißt: »Wer ist die, die da aufging, lieblich wie der Mond und schrecklich wie eine waffenstarrende Heer­ schar?«294 Auch die Proserpina Bomarzos wirkt ausgesprochen­zwiespältig, denn trotz ihrer sprichwörtlichen­Furchtbarkeit – in der Odyssee mit der des Gorgonen­hauptes gleichgesetzt – verleugnet sie nicht ihre Provenienz aus den lieblichen Frühlingsfluren. Sie ist die Verkörperung weiblicher Natur. Ihr Wesen besteht zu gleichen Teilen aus Liebreiz und Schrecken. Ihr düsterer Charakter kommt durch Übertragung der dem Pluto zugeordneten finsteren und geheimnis­vollen Eigenschaften zustande und fügt ihrer eigenen mädchenhaft anmutigen Natur die mit der Hölle verknüpften Aspekte der Verdammung und Strafe hinzu – aber auch den der »höllischen Hitze« des sexuellen Triebes. Ihre wol­lüstige und anarchisch sich Recht schaffende Urkraft überträgt sich

sinnlich auf den, der es wagt, sich ihr zu nähern und von ihren Beinen umschlingen zu lassen­. Die »Doppeltheit« der Proserpina drückt sich in ihrer Physiognomie des unorganisch aufgesetzt wirkenden Oberkörpers aus.295 Vermutlich war diese Proserpina drehbar (siehe Abbildung S. 175 »si volge«) und wie die anderen Ensembles in Funktion zu nehmen. Wie das Schiefe Haus oder der Höllenschlund bedeutete auch diese Skulptur Vereinnahmung. Eine unmissverständliche und deutlichere Sprache als alle bildungsbedingte Herleitung spricht die Anlage der Figur als solche: Die Aufnahme des – wohl meist männlichen – Besuchers zwischen den Beinen des Meerweibchens assoziiert die bekannte Redewendung »in Morpheus Armen«, womit die bewusstlose Ohnmacht im Schlaf gemeint ist, und die hier offensichtlich zum Verschlingungstopos des bereitwillig und doch willenlos seinem Natur­ trieb Ergebenen umgedeutet wird. Die stark sinn­liche Qualität der Figur und die enigmatische Aura des Platzes,296 legen eine derartige Gedankenverbindung nahe, die sich nicht zuletzt an der christlichen Verteufelung der Sinnlichkeit orientiert. Immerhin hatte die sexual­feindliche Einstellung in der verführerischen Sirene ein ideales Abbild ihrer Ängste gefunden. Der Vergleich mit der mittelalterlich verballhornten, aber sinngemäß gut passenden Darstellung eines Meerweibchens am Kämpfer der Kirche San Sigismondo a Rivolta zeigt die grundlegende Vorstellung verführerischer und bedrohlicher Weiblichkeit.



»le cose inferiori e superiori« 171

• »Kleine Schlangengöttin«, um 1600 v. u. Z., Fayence Statuette aus dem Palast von Knossos, Archäologisches Museum Iraklio, Kreta • Meerweib­chen am Kämpfer der Kirche San Sigismondo, Rivolta

• Plateau der Proserpina: Blick über das Plateau zur Proserpina

172

»le cose inferiori e superiori«

CEDAN ET MEMPHIS E OGNI ALTRA MARAVIGLIA CH HEBBE GIA IL MONDO IN PREGIO AL SACRO BOSCHO CHE SOL SE STESSO ET NVLL ALTRO SOMIGLIA

Symposion Von der Höhe des Tempelberges steigt der Wanderer in die mit drei Auf- bzw. Abgängen hervorgehobene­ Apsis mit der Proserpina ab. Er erreicht das Jen­ seitsreich als Lebender, und nicht als Toter. Bizarr wie die Skulptur der schlangenbeinigen Gottheit ist diese Form der Annäherung, die den Wanderer neben, nicht vor die Proserpina treten und ihn »ihren Blick« übernehmen lässt. Damit findet er sich nicht als der vor seine Herr­ scherin geführten Untertan in der Unterwelt wieder, sondern dringt gleichsam auf einem anderen Weg in das Allerheiligste des Totenreiches ein, weshalb er nicht die üblichen Stufen der Annäherung und Proskynesis zu durchlaufen hat, sondern wie ein Eingeweihter »hinter das Geheimnis« kommt. Hier wird er zwangsläufig bemerkt werden oder sich in der geheimnisvollen Intimität des Ortes, der mit der Exklusivität des Sterbemoments zusammenfällt, mit der Göttin selbst vereinen und zwischen ihre weit geöffneten Beine setzen.

sowohl memphis als auch jedes andere wunder, das die welt jemals besass, verblassen vor dem meisterwerk des heilgen waldes, der nur sich selbst und nichts anderem gleicht Die Anmaßung war charakteristisch für Vicinos Persönlichkeit. Im selben Satz, in dem er den Vorrang seines Wäldchens vor den »Wundern der Welt« behauptete, zog er sich, gerade so wie Poliphil, der die »Lust« gewählt hatte und nicht die »Welt«, von dieser zurück.297 Mit diesem­Ent­ schluss war er sinngemäß in das Paradies seiner eigenen­Verantwortlichkeit gelangt. Im Wäldchen, das in vollkommen undogmatischer Weise das Wissen aller Zeiten abbildete, um es im selben

Der eindeutig zweideutige Sinn des sich zwischen den Beinen der Proserpina lösenden lebensläng­ lichen Widerspruchs von Leib und Seele war zweifel­los die Erfindung Vicinos. Die erotische Besetzung der Proserpina, die immerhin eine vertraute Formel etruskischer Sepulkralkunst war, entsprach dem modifzierten Neuplatonismus, wonach Tod und Lust ebenso zusammengehören wie Melancholie und ewiges Leben. Die eleusinisch rätselhafte Aura des Plateaus ver­ dankt sich dem ausgeglichenen Verhältnis von Sinnlichkeit und Kontemplation. Im Vergleich­ mit den etruskischen Nekropolen, die in diesen­ Zusammenhängen stets gegenwärtig­ waren, brachte Vicino seine Erwartungen und Anmaßun­ gen in der Inschrift unerhalb der Stern­warte zum Ausdruck.



»le cose inferiori e superiori« 173

• Plateau der Proserpina: Blick zur Sternwarte, darunter­ Inschrift

das Thoth, dem Gott der Weisheit, zugeschrieben wurde und das aufgrund dieser Provenienz alle anderen Offenbarungen aus dem Feld schlug.300 Gleichwohl würde Memphis vom Meisterwerk des Heiligen Waldes der Rang abgelaufen: In einem etrurischen Ägypten, in dem sich der ägyptische Thoth mit der mythischen Gestalt des Hermes Trismegistos in Personalunion vereint habe, wäre eine außerordentliche Macht am Werk. Im originellen etruskischen Jenseitskonzept verbanden sich die magischen, lebenserneuernden Aspekte des ägyptischen Totenbuches mit dem Symposion.

• Geometrische Strukturen am Boden der kleinen Arena lassen an sportliche oder literarische Wettkämpfe denken.

Gedankengang zu überwinden, söhnte er sich mit sich selbst aus. Die Inschrift bezog sich auf die authentisch und freimütig wirkende Intimität des Proserpina-Plateaus: Das uneingeschränkte und noch nie dagewesene, für jeden einzigartige Erlebnis des Todes, wie es die Adepten der eleu­ sischen Mysterien als Weg der tiefsten Erkenntnis freiwillig auf sich nahmen. Wer bis hierher gelangt war, wusste bereits, dass sich im Heiligen Wald die Erklärung für alles außer- und inner-, unter- und oberhalb finden ließ, wobei sich das Große im Kleinen spiegelte und umgekehrt! Der Mikrokosmos des Wäldchens entsprach, erklärte und relativierte den Makrokosmos und alle »Welt«-Wunder. Die bloße Nennung der altägyptischen religiösen Metropole Memphis reichte aus, um den »pregio« (das Meisterwerk, den Ruhm, die Vollkommenheit) des Wäldchens zu charakterisieren: Implizit verwies der Vergleich mit Memphis auf den dort verehrten universalen Schöpfergott Ptah, der mit der Erschaffung aus dem Wort gleichgesetzt wurde.298 Vicino stellte sein Wäldchen dem ägyptischen Weisheitsort gegenüber, der als das Nonplusultra aller geheimnisumwitterten Stätten der alten Welt und den dort ausgeübten magischen Praktiken galt.299 Der übertrumpfenden Formulierung war in einer freien Auslegung sogar der Hinweis auf das berüchtigte »Buch des Lebens« zu entnehmen,

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Zwischen den Beinen der Unterweltsgöttin genießt und erkennt der Adept die übergreifende Bedeutung seines Aufenthaltes in der Unterwelt. Aus dieser Perspektive kann er außerdem in das Schattenreich blicken, wo die Löwenfamilie, stellvertretend für das Haus und Geschlecht der Orsini, zwischen den schauerlichsten Inkarnationen des Todes und des Krieges, Echidna und Ker, »in alle Ewigkeit« gefangen ist. Analog zu den zwei Sphingen, die den Eintretenden empfangen und gewarnt hatten, halten ihm hier ebenfalls zwei Bären die heraldischen Zeichen der Orisini entgegen. Im Bewusstsein, dass er diese Unterwelt als Held wieder verlassen wird, vergegenwärtigt er sich angesichts der prächtigen Eicheln und Pinienzapfen die geheime, heilige und tugendhafte Botschaft antiker Liebesphilosophie.301 Für den belesenen Betracher deuten die dem etruskischen, wie auch dem Motivschatz der Hypnerotomachia entstammenden Symbole auf die Erlösung des Poliphil hin.302 Pinienzapfen und Eicheln umrahmen abwechselnd das Plateau und heben es als eigenen Bezirk aus dem ganzen Programm des Heiligen Waldes heraus. Eicheln sind Symbole des Goldenen Zeitalters, als sie Menschen und Tieren einfach zufallende Nahrung waren, um die man sich nicht mühen und sorgen musste,303 und auch die Pinienzapfen sind uralte Sinnbilder unendlicher und ewiger Fruchtbarkeit.304 Der Vergleich mit dem Plateau der etruskischen Götter zeigt die Möglichkeiten der Steinsetzungen: Während das Plateau der etrus­ kischen Götter mit seinen antikischen Vasen und

• Giovanni Guerra, »PARTE NELLI GIARDINI DI BvON MARTIO« (Partie in den Gärten des Guten Mars, onomato­­poetisch für Bomarzo, Anm.), zweite Hälfte 16. Jhdt., Feder­ zeichnung, Albertina, Wien. In der nordöstlichen Ecke des Plateaus erkennt man eine einzelne große Vase, eventuell einen Athanor. Im Vordergrund die Apsis mit der dem Betrachter zugekehrten Proserpina, die Guerra mit dem handschrift­ lichen Hinweis »si volge« (sie dreht sich) versehen hat.



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Urnen eine ausgesprochen nekrophile Aura verströmt, wirkt das Plateau der Proserpina wie eine orgiastische Bühne. Die »Partie des Proserpina-Plateaus«, das Giovanni Guerra mit kleinen Putti bevölkerte, bildete die stilvolle Kulisse für die Neubelebung des antiken Symposions: Der Platz scheint zur festlichen Tafel und zum Vortrag antiker oder eigener Texte wie geschaffen und lässt schon von daher an das Symposion als Inbegriff freigeistiger Lebensart denken. In einem seiner rückhaltlos melancholischen Briefe gegen Ende seines Lebens griff Vicino auf selige Jugenderinnerungen des Convivio (sic!)305 zurück, die ihm das echte Leben bedeutet hätten, nach dem er sich jetzt im Alter sehne: »[…] speranza de haverci compagnia dolce tanto d’homini come di donne, et con loro conviare, et che insiemi col convivio fussero canti et suoni et similia, credo che l’animo s’allegreria più.« ([…] die Hoffnung auf angenehme Gesellschaft von Männern, aber auch Frauen, schon der Umgang mit ihnen und die Gemeinsamkeit des Festmahles wären Balsam auf meine Seele und ich glaube, dass sich das Gemüt wieder erfreuen könnte.)306 Jetzt sei er leblos­, komme sich wie eine Statue vor – »parer una statua­«307, im Nachhall dieser Worte schwingt die Sehnsucht nach dem Goldenen Zeitalter der Jugend mit und lässt das Proserpina-Plateau als steinernen­Zeugen und Denkmal der genossenen Freuden und seiner Jugendkraft deuten: »Atque ita ex platonica familia revera nos esse testabimur. Ea quippe nihil novit, nisi festum, letum, celeste, supernum.« (So werden wir uns in Wahrheit als platonische Gemeinschaft bewähren, welche nur Heiteres, Erhabenes und Göttliches denkt.)308 Der philosophisch begründete Weg vom sinn­ lichen­Erlebnis zum Vergnügen, das wiederum­ in Erkennt­nis mündet, ist die Devise des Pro­ser­ pina-Plateaus. Die antike Größe des Gedankens spiegelt­ sich mikro­­kosmisch in der Groß­­zügigkeit und Weit­läufigkeit des Ausbaues, der den Berg­ ab­hang zu einem Plateau formte und in dessen Befes­tigungs­mauer noch der Höllenschlund integriert wurde. Obwohl sich der Höllenschlund auf das arkadische Feld öffnet, ist seine Zugehörigkeit

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zur erotischen­Unterwelt der Proserpina und dem daran anschließenden Schattenreich immer mitzudenken. »Erlösung« ist das Schlüsselwort, das der christlichen Auffassung zufolge mit Sühne, in der antiken Auslegung jedoch mit Erkenntnis assoziiert­ ist. An Giovanni Drouet schrieb Vicino mit der ihm eigenen intellektuellen Arroganz, die das Wort Consolatione ausgesprochen inflationär verwendete. In Anspielung auf das berühmte Werk des Boethius De consolatione philosophiae (Über die Tröstungen der Philosophie), rechnete er gleichsam mit all diesen intellektuellen Wort- und Gedankenspielereien ab, wobei die Aufzählung in der Mehrzahl ihren Wert ganz offensichtlich mindern sollte: »Hor consoliamoci con altre sorti di consolationi, e non più con li pianti; noi dovemo fare, già che semo nella settimana santa, come li christiani, e creder che queste siano transitorie e quell’altre, ch’harremo da aver di lá, siano eterne di altra qualità; se non ti piace questa, piglia l’opinion Pytagorica, confortati con l’haver a saltar d’un corpo in un altro, se non ti piace questa, piglia la Platonica, che dopo tante migliaia danni lá tornerai; se non ti piace questa altra, piglia l’Epicurea, e se non ten e piace nessuna, crepa, già che non si trova via de consolarti.« (Deswegen helfen wir uns mit anderen Arten von Tröstungen, und nicht mit Trübsal blasen; wie es uns, überhaupt da wir uns in der Heiligen Woche befinden, als Christen wohl anstünde, diese [die vorab geäußerten Gedanken der Trübsal] als vorübergehend gegenüber dem zu betrachten, was ewig dauert und von ewigem Wert ist; wenn Dir das nicht gefällt, nimm die Meinung der Pythagoreer, die sich damit trösten, von einem Körper in den anderen zu springen, wenn Dir das ebenfalls nicht gefällt, nimm die Platons, dass du nach Tausenden von Jahren zurückkehren wirst, wenn Dir das ebenfalls nicht passt, nimm die Epi­kureische, und wenn Dir gar keine gefällt, so krepier­, weil du gar nicht getröstet werden willst.)309 Ganz offen spricht Vicino in diesem Brief über seine lebenslange Suche nach Wahrheit und – eben in Anspielung auf das Werk des Boethius – die Ver­ geblichkeit dieser Aufgabe. Wie wenn er und sein

klerikaler (sic!) Freund die Wahl hätten, stellt er die großen Philosophien nebeneinander und relativiert sie durch sein eigenes epikureisch-hedonistisches Konzept, wenn auch dieses Drouet ungetröstet lassen­sollte, dann – so die sarkastische Folgerung – könne mit Recht jegliche Sinnsuche aufgegeben werden. Indirekt spricht Vicino in diesem Brief von seinem Vorhaben, sein Leben als Christ in ein sinnvolles­ zu verwandeln und indem er von »all diesen Tröstungen« die epikureische als letzte aufzählte, war klar, dass er eben jener den Vorzug gab. Vicino und sein nobler Freundeskreis bewunder­ ten die Eleganz der antiken, scheinbar unein­ ge­schränkt liberalen Geisteshaltung, die alles Körperliche in so beneidenswert geschmack­voller Weise integrierte. Die einerseits offensive, und andererseits hermetisch verrätselte Sinnlichkeit des Proserpina-Plateaus war ein Ergebnis des Literaturstudiums: Ohne das Symposion wäre dieser Ort, der eine Gegenwelt zur katholischen Messe bildete, gegenstandslos gewesen. Vicino, der das fundamentale Werk Platos kaum ohne die Kommentare Marsilio Ficinos denken konnte, zog gerade deshalb eine andere, weniger christliche, dafür umso geistvollere antike Auslegung vor, die wohl sinngemäß mit einer »Archäologie des platonischen Eros« verglichen werden kann, wie sie 1987 von Wilhelm Schmid als Kommentar der Foucault’schen Theorie über den Eros verfasst wurde: »In der Kunst der Erotik werde Wissen und Wahrheit aus der Lust selber gezogen, als Erfahrung gesammelt, auf ihre Qualität hin analysiert und in ihren Ausstrahlungen im Körper und in der Seele verfolgt, und dieses kunstvolle Wissen wird unter dem Siegel des Geheimnisses in der Initiation durch einen Meister an jene übertragen, die sich seiner würdig erwiesen haben und die es nun wieder in ihre Lust einströmen lassen­um sie intensiver, stärker, vollkommener zu machen.« 310 Weisheit und Erfahrung bestimmen den Umgang mit den Begierden; weder wird die Lust nach den Kriterien des Erlaubten und Verbotenen beurteilt­, noch im Bezug auf ihre Nützlichkeit, sondern



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• Plateau der Proserpina: Eicheln und Pinien­zapfen rahmen das Plateau der Proserpina

einzig im Hinblick auf die ihr innewohnenden Qualitäten und Intensitäten, deren verfeinerte Wahrnehmung und Anwendung den Menschen erst ausmachten: »Auf diese Weise konstituiert sich ein Wissen, das geheim bleiben muss, nicht weil sein Gegenstand irgendeiner Schändlichkeit verdächtig wäre, sondern weil es mit größter Behutsamkeit aufgehoben werden muss, verlöre es doch, wie die Überlieferung lehrt, bei leichtfertiger Ausbreitung seine Wirksamkeit und Tugendkraft.«311

• Triumphzug des Dionysos, Hypneroto­machia Poliphili, 1500, Holzschnitt • Giovanni Guerra, »A bvon martio«, Detail, Amphore als Wasserspiel (Größenangabe: alte Palmi XXV, altröm. Maß, ca. 0,22 m, also fast 5,5 m), Feder­ zeichnung, zweite Hälfte 16. Jhdt., Albertina, Wien

Im entlegenen Bomarzo zeugte die am Plateau der Proserpina verbor­gene Weisheit der ta aphro­ disia von einer Verinnerlichung der antiken Liebes­ techné, einer Kunst des Liebens, die auf Erkenntnis gerichtet ist. Die antike Lebensregel hatte eine »Ästhetik der Existenz« entworfen, die in kongenialer Weise die Interessen des Individuums verband; erstens­: Diätetik, das ist die Sorge um sich, zweitens: Ökonomie, das ist das Verhältnis zur (Ehe)Frau, den Kindern und dem Haushalt sowie drittens: Erotik, das sind die Dinge der Liebe. Sie alle im rechten und richtigen­Maß zu gebrauchen, wobei insbesondere der Erotik als Ausdruck des Individuums besondere Aufmerksamkeit zukam, war notwendiger und lustvoller Teil der Erziehung des freien Mannes. Die griechischen Philosophen stellten den Wahrheitsgewinn der sinnlichen Selbstreflexion in den Vordergrund. Neuplatonisch modifiziert war die antike Haltung eine moderne und aufgeklärte Alternative zu den allzu tugendhaften Artes liberales. Insbesondere die Einstellung zur Erotik wurde zwangsläufig mit dem Wesen des freien griechischen Mannes verglichen, dessen Erziehung und Selbstzucht ihm die Beherrschung der Lüste ermöglichten – im Gegensatz zur unfreien, diesen Trieben ausgelieferten Sklavenexistenz. Das Ziel einer solchen Erziehung war Selbstbestimmtheit und ließ sich mit der Freiheit umschreiben, die Lüste richtig­ und vollkommen zu genießen, sich zu ihrem Herrn zu machen – anstatt ihnen ausgeliefert zu sein. Aus seinen Briefen geht hervor, dass Vicino dieses Verständnis von Selbstbestimmtheit mit einem besonders ausgeprägten Bewusstsein der Verantwortung für sich selbst und für andere

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gekoppelt sah. In diesem Sinne ging es bei den ta aphrodisia um eine nur Eingeweihten verständliche und auszuübende Kunst, über die nicht groß gesprochen wurde,312 da es sich um die Haltung des noblen Mannes handelte. Der Lüstling, der sich nicht um diese philosophischen Aspekte kümmerte, war davon klarerweise nicht berührt, und auch kaum das Gros der »Tölpel«, das Vicino in sein Wäldchen einließ. Mit dem »pregio« des Heiligen Waldes war jedoch nicht nur seine Wirkung auf die Zeitgenossen gemeint, sondern der Ruhm, den der erntet, der sich zuvor von der Erde in den Himmel erhoben hat; dann vom Himmel auf die Erde abgestiegen war und die oberen­mit den unteren Kräften verbunden hatte, wie die achte Regel des Hermes Trismegistos gebot. Damit weiche, so wurde dann weiter ausgeführt, sogleich die »Namenlosigkeit«. Dieser Ansatz war unzweifelhaft dazu angetan die hegemonial getönten Unsterblichkeitsfantasien Vicinos zu bestätigen, genauso wie sich seine Selbsteinschätzung nach dem großen Vorbild richtete: »me sono resoluto che Epicuro fu un galant’ homo« (habe ich mich entschlossen, dass Epikur ein nobler Mann war) – siehe Exkurs: Vicino der Epikureer, S. 302–311. Auch für die überdimensionierte solitäre Vase am arkadischen Feld lieferte die Hypnerotomachia mit

jener Prunkvase, die im Triumphzug des Dionysos mitgeführt wird, das Vorbild: umringt vom üb­li­ chen bacchantischen Zug in dem neben dem Silen auf dem Esel auch nackte (sic!) Mänaden nicht fehlen­. Offenkundig hatte Giovanni Guerra den Wein­stock, der sich aus der dionysischen Riesen­ vase der Hyp­nero­tomachia rankt und seine Blätter­ krone über die ekstatischen Symposianten ausbreitet, in seine Zeichnung übernommen­: In Anlehnung an diesen Holzschnitt imitierten­hier jedoch Wasser­spiele den heiligen Weinstock­, der als Symbol der Fruchtbarkeit und Unkonven­tiona­ lität den ausschweifenden Kontext des ProserpinaPlateaus ergänzte.313 Die Fantasie beflügelten wohl auch Überliefer­un­ gen der berüchtigten, zur Winterzeit abgehaltenen ekstatischen Feiern zu Ehren des Vegetations- und Fruchtbarkeitsgottes, die – von derben und unflätigen Scherzen begleitet – wie selbstverständlich zum Repertoire des Heiligen Waldes gehörten.

• Amphorenbrunnen, ehemals am arkadischen Feld, heute am Plateau der Proserpina • Details der antiken Masken am Amphorenbrunnen



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Wappenbären Die ehemals grasgrünen Bären am anderen Ende des basilikalen Grundrisses bilden das direkte Gegenüber der Proserpina. In dem Augenblick, in dem sich der Wanderer zwischen die Beine der Proserpina gesetzt und auch ihren Blick über­ nommen hatte, war die Konfrontation eröffnet. Ostentativ hielten ihm die Bären die bunt ange­ malten Schilde mit den heraldischen Zeichen der Orsini entgegen, rechts die überdimensionale­ heraldische Rose der Orsini und links das Wappen selbst. Auf dem linken Schild vereinten sich die zwei emblematischen Tiere, die Vicino im Leben nicht zusammenbrachte: Ein lebens­g roßer Bär, der wie sein Pendant am Schiefen Haus würde­voll das Orsini-Wappen hält und ein grell­rotes Äffchen, das vorwitzig über den Schildrand hervorschaut und der Proserpina die Zunge herausstreckt.314 Die Zusammenstellung Bär und Affe hatte Vicino sehr beschäftigt. Wiederholt bat er Alessandro Farnese und Giovanni Drouet um einen Affen und einen Bären.315 Zu seinem Leidwesen erhielt er nur den Bären, und noch dazu ein bresthaftes­ Exemplar, das seine Selbstidentifikation nur negativ unterstützte. Wenig später gab er es auf, beide Symboltiere im Wäldchen zu vereinen,316 deren Verbindung er nicht näher erklärte, wozu aber eine Ikonologie Annibale Caros für die Aus­ malung der Terrasse des Palazzo Ducale mit dem Gigantenkampf vorlag: »Affen und traurige Männer« entstünden aus der zerstörten, blutenden Erde (Lava), eine Analogie, die sie mit Pluto in Verbindung brachte.317

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Die Identifikation des Affen mit dem homo triste stellte den subtilen Zusammenhang zum Plateau der etruskischen Götter her, wo der saturnische Dis Pater regiert. Die zwei ehemals violetten318 Delfine, die das Äffchen flankieren, tauchen als zusätzliche Helfer in Vicinos Erlösungswerk auf. Vor dem Hintergrund der verstörenden Erlebnisse am arkadischen Feld fühlt sich der Gast Vicinos, der schon wieder in eine Unterwelt hinauf (sic!)gestiegen ist, in die Eingangssituation mit den Sphingen zurückversetzt: Gleich zweimal wird er von der offiziellen Person des Fürsten Orsini, den distinguierten Bären, empfangen und ins Symposion Bomarzos aufgenommen – um gleichzeitig von seinem zweiten Symboltier, dem Affen, der Lächerlichkeit preisgegeben zu werden. Zweifellos deuteten die Bären auf den hermetischen Aspekt der Läuterung, denn ihre grasgrüne Farbe319 und das Violett der Delfine bezogen sich auf die damals hier aufgestellte monumentale Vase, die als hermetisches Wasserspiel metaphorisch der Umwandlung und Digestion gedient hatte. Zugleich sind die Bären »umgedrehte« Wächter, die den Wanderer aus der etruskischen Unterwelt hinaus und ins Schattenreich hinein führen. Durch sie betritt der Wanderer den Ort des endgültigen Todes.

• Plateau der Proserpina: Orsino mit dem Wappen der Orsini • Plateau der Proserpina: Orsino mit dem Wappen der

• Plateau der Proserpina:

Orsini, Detail des zunge­

Orsino mit der heraldischen

zeigenden Affen

Rose der Orsini



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Im Schattenreich Zwischen den heraldischen Bären, die sich einerseits der Proserpina zuwenden und andererseits Wächter vor dem Schattenreich sind, tritt der Wanderer in die Region des Abgrundes ein, wo sich in einer zweiten Apsis direkt am Abbruch des Felsens gleichzeitig wunderschöne und abscheu­ liche Sirenen um die Löwenfamilie vom arkadi­ schen Feld schlängeln. So wie das Proserpina-Plateau ein eigenständiges und selbstverwaltetes Herrschaftsgebiet ist, das nicht von Pluto, sondern von seiner Gemahlin Proserpina beherrscht wird, regieren auch im Schattenreich zwei weibliche Ungeheuer. Es ist der Ort der Verdammten und Vergessenen. Wie fast alle vielschichtig gedachten und mit übernatür­ lichen, geheimnisvollen Kräften begabten Nachtund Unterweltswesen sind Echidna und Ker eine Mischung aus weiblichen und tierischen Merk­ malen – eine teuflische Kombination menschlicher Lüste und animalischer Magie. Sie versinnbildlichen nicht nur die Ängste und Bedrohungen der Nacht und der Unterwelt,320 sondern waren konkrete Nachtmahre aus der unbewältigten kriegerischen Vergangenheit Vicinos.

• Im Schattenreich: Echidna

Wie das Gegenstück zur Proserpina, und umgekehrt als Ausstrahlung der Unterwelt, wirken­die zwei sinnlichen Unholdinnen, die sich hier gegenüberstehen. Die Unterweltschlange Echidna ist die christliche Schreckensvision: ein Meerweibchen mit antropo­morph weit gespreizten Beinen. Wie die Göttin der sinnlichen Unterwelt hat auch die Herrscherin des Schattenreiches eine zutiefst menschliche Dimension, die sich in der Pracht ihres nackten, mit üppigen Formen ausgezeich­ neten Leibes, vor allem aber in der klassischen­ Schönheit des Kopfes mit der in schweren Sträh­ nen geordneten Frisur offenbart.321 Im Gegensatz zur Proserpina gibt es bei ihr nicht diesen offen­­ sichtlichen Bruch zwischen Ober- und Unterleib­: Der verführerische Leib ist über die üppige, zweireihig gelockte Schambehaarung über

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• Im Schattenreich: die Löwenfamilie zwischen Echidna und Ker

die ganze Breite des ausladenden Beckens mit den Schlangenbeinen verbunden, wobei sich die Scham der Frau in den Schuppen der Schlangenleiber fortsetzt. Sowohl die Monstrosität ihrer Doppelnatur, als auch ihres sexuellen Gehaltes, sind in den über­lappenden Schuppen ihrer Beine angedeutet­. Als Überkreuzungs­motive, wie sie insbesondere der christlichen Ikonogafie inhärent sind und in literarischer Form den Brief­ verkehr Vicinos bereicherten, bezeichnen sie diese weibliche Ambivalenz. Von ebensolch lockender Schönheit ist das Misch­ wesen ihr gegenüber. Auch diese Figur ist eine Kombination verschiedenster Attribute, die ihr Wesen veranschaulichen. Hinter den Armen des ansatzweise molligen Mädchenkörpers mit dem hübschen diademgeschmückten Kopf breiten­sich drachenartige Flügel. Der antikische­Oberkörper geht in zwei kurze stummelige Beine mit dicken Krallen über und endet in einem langen­, fisch­ artigen Schwanz, der mit denselben­dicken und überlappenden Schuppen besetzt ist, wie die Schlangenbeine der Echidna. Obwohl die Zusammenstellung alles andere als glaubhaft ist, wirkt der Übergang nicht abrupt wie bei der Proserpina. Die Gäste Vicinos dachten dabei an die Sphingen und Harpyien der etruskischen oder griechischen Vasenmalereien und an die Eingangsvignette der Hypnerotomachia.322 Verwandtschaftliche und mythische Bezüge, wie zwischen Unterweltschlange und Höllenhund sowie zwischen Ker und Sphinx, stellen Beziehun­ gen zwischen den verschiedenen und doch einander verbundenen Regionen des Heiligen Waldes her. Echidna, Mutter verschiedener Unter­weltmonster wie des Kerberos und der Chimaira, steht der merk­ würdigen Sirene ebenfalls nahe, und zwar wegen ihrer besonderen Affinität zur Sphinx und ihrer persönlichen Bedeutung für den Kriegs­mann Vicino Orsini: Aus seiner militärischen Vergangenheit suchte ihn die Angstchimäre der Ker heim, ein unterweltlicher Dämon, der die verwundeten oder gefallenen Krieger auf dem Schlachtfeld verfolgte und sich ihnen wie ein Alb auf die Brust setzte, um ihnen das Blut aus­zusaugen.323

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Vicinos Bestimmung für das aus mittelalterlichen­ Zeiten stammende Berufsbild des Söldner­f ührers324 erklärt seine zwischen Extremen oszil­lierende Gemütsverfassung, die als durch­aus manisch beschreibbar ist: einmal hegemonial­überheblich­ und arrogant, dann wieder­voller­Minder­wertig­ keitskomplexe, einmal voll Lebens­lust, dann wieder ganz nah am Tod. Als eine Manifestation der Sphinx repräsentiert die Ker den locus terribilis, indem sie Vicinos persönliche Ängste im Wäldchen verkörpert: »In der Wildnis hausen viele mythische­ Wesen. Da sind die Keren, zähneknirschende und furchtbare Ungeheuer, die ihre Krallen in das Fleisch der Verwundeten oder Gefallenen graben (Hesiod). Sie folgen dem Krieger in die Schlacht, saugen ihm das Blut aus den Adern, wenn er gefallen ist, oder schleppen ihn weg. Der Ker verwandt (in der Frühzeit sogar mit ihr identisch) ist die Sphinx.«325 Für Vicino hatte die Ker den Part der Sphinx als Fragestellerin übernommen, indem sie sein letztes­ und grauenvollstes Kriegserlebnis aufarbeitete.326 Die auffallend prallen Formen der Ker, die bei keiner­der noch so wollüstigen Frauengestalten im Wäldchen ein Gegenstück haben, suggerieren, dass die Ker mit dem Blut der unschuldigen Opfer der Kriegshandlungen, in die Vicino verwickelt war, vollgesogen sei. Die Verfolgung, die sich in der Ker ausdrückte und auf Vicino selbst bezog, hatte darüber hinaus ihre Parallele im Aktaion-Mythos respektive in der Umformung der antiken Fabel durch Giordano Bruno, der die intellektuelle Neugier mit der Jagd und das Zerreißen des unglücklichen Jägers durch die eigenen Hunde mit der Verfolgung bahnbrechender Ideen verglich. »Gleich stürmen, schnell wie der Wind, noch andre herbei: […] von zwei Jungen begleitet Harpyie […].«327 Dass sich in dieser Figur der Ker-Sphinx für Vicino die eigene Angst vor dem Tod mit der Frage nach dem Sinn verband, ist kaum überinterpretiert­, denn immerhin waren es die Ereignisse von Monte­ fortino gewesen, die ihn zu seinem Rückzug in die Einsamkeit von Bomarzo veranlasst hatten.328 Dass es gerade die naturrechtlichen, vom heutigen Standpunkt aus durchwegs chauvinistischen

• Im Schattenreich: Ker



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• Im Schattenreich: Ker

Motive waren, mit denen sich Vicino im Wäldchen auch philosophisch rechtfertigte, kann durchaus als Entsprechung seiner melancholischen Grund­ haltung zur eigenen Biografie gewertet werden und entsprach dem Zeitgeist: »Religiosität und Unmoral, feinsinnige Bildung und Gewalttätigkeit waren nicht nur keine Wider­sprüche, sondern jene Komponenten, die den typischen römischen Grandsigneur dieser Zeit ausmachten.«329

• Im Schattenreich: Löwen­f amilie, im

Hintergrund Ker

Die Selbstdarstellung Vicinos als Etrusker und Ästhet hatte dem Proserpina-Plateau eine sakrale­ Aura der Einswerdung aufgeprägt, die mit geheim­­nisvollen Andeutungen und erotischen Anspie­lungen die kosmogonischen und hermeti­ schen Aspekte des Gartens im Sinne der Liebes­ philosophie erläuterte: »Amor igitur in voluptatem a pulchritudine desinit.« (Die Liebe entspringt also der Schönheit und endet beim Genuss.)330 Das Körperreich der etruskischen Proserpina auf der einen Seite und die Leblosigkeit des antiken

Schattenreiches auf der anderen, veranschaulichen die Situation Vicinos zwischen lebendiger Sinnlichkeit und tödlicher Lethargie, die in den unentrinnbar zwischen den Schlangenleibern der Echidna und der Ker gefangenen Löwen sinnenfällig wird. Ihr Aufenthalt zwischen den grauenvollen Chimären ist die Fortsetzung des Drachenkampfes am arkadischen Feld, wo sie als Vertreter des Hauses Orsini den von vornherein aussichtslosen Kampf gegen den Drachen verloren haben. Zweifellos zog der illustre Kreis um Vicino das sinnliche Paradies der Proserpina dem kalten Himmelreich der katholischen Kirche wie auch der Trostlosigkeit des antiken Schattenreiches vor. In der gegenweltlichen Fiktion des Wäldchens gelang ihnen eine eigenmächtige und die christliche Idee konterkarierende Renaissance des »ewigen Wertes«, den ein humanistisch durchgestaltetes, von gutem Essen und Wein, geistvollen Gesprächen mit gleich Gesinnten und Gebildeten

den Bären direkt auf die Proserpina zu, die ihn im heiligsten Bereich der Apsis schon erwartet.

und dem Umgang mit schönen und freizügigen Frauen geprägtes Leben darstellte.331 Die geheimnisvolle Atmosphäre des Plateaus gewährte im Rückblick auf die genossenen Freuden der Jugend eine Vorahnung der ewigen Paradiesesfreuden. Der Symposiant wurde zum Eingeweihten und des Geheimnisses des Lebens teilhaftig. Diese Vorstellung war umso reizvoller, als sie der biblischen Überlieferung diametral entgegengesetzt war, gemäß der Gott den Menschen den Genuss der Frucht vom Baum der Erkenntnis als auch vom Baum des Lebens verboten hatte.

Von eminenter Bedeutung für das Konzept ist die monumentale Vase, die Giovanni Guerra sowohl mit dem Proserpina-Plateau als auch mit der Arkosol­­bank am arkadischen Feld in Verbindung bringt. Am Proserpina-Plateau hätte sie ihre Funktion im hermetisch-dionysischen Konzept genauso erfüllt wie am arkadischen Feld – eine nachträgliche Versetzung dorthin kommt also genauso in Frage, wie eine Zusammenziehung verschiedener, inhaltlich verknüpfter Motive durch den Künstler, denn auf einer weiteren, detaillierten Zeichnung Guerras auf der die Riesenvase neben dem Aztekenkopf zu sehen ist, tritt ganz offensichtlich etwas aus dem Krater der Riesenvase aus. Der Vergleich mit anderen Zeichnungen des Künstlers und auch die sanft abgemugelten Gesichter der Faune deuten darauf hin, dass Wasser über die ganze Brunnenskulptur der Vase in die flache weite Schale floss, in der die Vase auch heute noch steht – ein Wasserspiel, das nach einem Holzschnitt der Hypnerotomachia die Pflanzung des Weinstockes durch Dionysos versinnbildlicht. Die Weinreben, die aus dem Kantharos der Hypnerotomachia herauswachsen, waren zum Wasserspiel geworden, das als heiliges Wasser fons vitae die Form des heiligen Weinstocks imitierte.

Ein anderer Zugang oder eine Möglichkeit, den Kerberos zu umgehen, bietet sich von dieser Seite des Schattenreiches. Der Adept, der sich der Proserpina von hier nähert, ist zuvor bergab zum Seeufer und auf dem kleinen Weg an der Felsenbank vorbei zum Schattenreich gewandert. So erreicht er das Plateau der Proserpina ein zweites Mal von der anderen Seite und geht zwischen



»le cose inferiori e superiori« 191

• Heinz Zander, »Harpyie mit Gelege und Orgelspieler«, 1986, Radierung • Am Plateau der Proserpina: Felsstrukturen an der Stelle, an der nach der Zeichnung Giovanni Guerras (siehe S. 175) im 16. Jhdt. die riesige Vase aufgestellt war, die heute am arkadischen Feld steht.

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»le cose inferiori e superiori«

»le cose inferiori e superiori« Rückkehr vom Tempelberg

• Blick hinauf zum Tempel, im Vordergrund der versunkene Tempel • Ansicht des Tempelbergs, Abstieg in den etruskischen Orkus: Im Mittelgrund der versunkene Tempel, im Vordergrund die Treppe die scharf abknickt, an der Ecke erkennt man im Verputz die erste Inschrift zum Kampf der Giganten.



»le cose inferiori e superiori« 193

Etruskischer Felsen Noch auf dem kleinen Hochplateau des Tempel­ bergs­kommt der Wanderer an einem Felsen vor­ bei­, der eine merkwürdige und jede Deutung verweigernde Bearbeitung zeigt. Die Anspielung inte­­griert­­das Wäldchen im Zentrum der etruskischen Kulturlandschaft in diesen mythischen Kontext. Als Bestandteil des Ensembles von Tempel, Sternwarte und Plateau der Proserpina wandelt­sich der schlichte Felsblock wie die anderen­pseudoetruskischen Relikte während der letzten, herme­ tischen Bauphase von seiner ursprünglichen Bedeutung als arkadisch-romantisches Motiv zu einem Hinweis auf den Tod und seine metaphy­ sische Bedeutung.332 Als stimmungs­volles Element ruhiger Beschaulichkeit erhebt es die einfache Hügelkuppe zu einem geistvollen Arkadien als den Inbegriff eines antik beruhigten Lebensgefühls, dem sogar der Tod Anlass zu intellektueller Kontem­plation war: »Das Problem des Todes… ruhiger Gelassenheit angegangen, nicht weil eine christliche Heilserwartung die Todes­f urcht mindert, sondern weil der Tod selbst als unver­ meidbares Schicksal und als notwendiges Glied in der Kette des Naturkreislaufs, als Teil der kosmischen Ordnung betrachtet wird. Der Mensch hat

• Auf der Hügelkuppe unter­ halb des Tempelbezirks, von hier führen verschiedene Wege nach unten.

sich ohne Klagen in sein ihm bestimmtes Geschick zu fügen, hat es mit dem Gleichmut der stoischen Lehre zu tragen. Auch in Arkadien, auch im Glück, sollte er das Todesbewusstsein zu einer Lebens­ erfahrung machen.«333 Ohne weiteres kann der Wanderer darin eine der typischen antiken Strukturen sehen, die jede Land­ straße der Umgebung säumen. Rein ästhetisch konnte der Felsen, der einer nicht mehr nachvollziehbaren Funktion gedient hatte, als Hinweis auf die Hand des Menschen verstanden worden sein, oder ganz einfach so, dass jene skulptierte Form nicht durch die Natur allein hätte hervorgebracht werden können. Zum wieder­holten Mal half eine künstlich natürliche Form der Glaubwürdigkeit des Ortes nach, der der Anwesenheit des Menschen schon nicht mehr bedurfte, sondern schon selbst zur Metapher geworden war. Etruskische Spuren und arkadische Motive waren klassische Vorbilder und Denkmuster in einem, die in Bomarzo Autoch­ thonie mit Uni­ver­salität verbanden. Die Affinität zum Tempel-Motiv 334 machte Bomarzo zu eben dem lieblichen und schrecklichen Schauplatz für die arkadischen Topoi des Hirtenlebens, der Schatz­suche und der Jagd, die in hermetischer Verschlüs­selung für Kunst, Wissenschaft und Religion standen­.

• Der etruskische Felsen



»le cose inferiori e superiori« 195

• Versunkener Tempel

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»le cose inferiori e superiori«

Versunkener Tempel Am Fuße des Tempelberges, wo das Tympanon eines etruskischen Tempels noch zur Hälfte aus der Erde ragt, verdichten sich die Anspielungen zu einem wortwörtlichen Zitat. Die Imagination von Historizität und vom Walten der Naturkräfte fällt mit der Arkadiens zusammen: Der vom Menschen erbaute und von der Zeit wieder in den Naturzustand zurückgeführte Tempel ist das Abbild einer harmonischen Wechselwirkung zwischen Natur und Kultur. Der etruskische Felsen und das Tempelgrab sind darauf angelegt, dem Betrachter einen länge­ ren historischen Prozess vorzuspiegeln, in dem das eine das andere um- und verwandelt335. Im Zwischenreich des Gartens wird das kongeniale Wechselspiel zum Inbegriff des Paradieses, in dem Natur und Mensch eine Einheit bilden. Der staunende Wanderer soll angesichts dieses anschaulich gemachten »Verstreichens der Zeit« den neuplatonischen Gedankengang der Wiedergeburt und der Rückkehr zum Göttlichen nachvollziehen. Eine kunstvoll inszenierte Bepflanzung brachte die natürlichen Felsen, zwischen denen der aus dem Erdreich ragende Giebel eines etruskischen­ Tempels herausragte, entsprechend zur Geltung.336 Wie die Hekate ist der »in die Erde zurückkehrende« Tempel, von dem nur noch die Hälfte zu sehen ist, in Wirklichkeit aus dem natürlich­ gewachsenen Felsen herausgearbeitet und blendet sich deshalb so vollständig in die felsige Szenerie ein. Im sinnigen Wechselspiel von arte e inganno bildet diese Ruine, die ja nur künstlich umgeformte Natur ist, ein Gegenstück zu den etruskischen Nekro­polen. Die Nachbildung des doppelgiebeligen­ Tempels in Norchia wurde von Vicino zusätzlich­ mit Motiven etruskischer­Sepulkralkunst versehen­, die auf andere Ensem­bles des Wäldchens verweisen. Die etruskischen Wasserwesen am Tympanon337 sind denen im Giebel­feld der Tomba della Sirena in Sovana verwandt. Diese außergewöhnliche etruskische Tomba ist eine Arkosolbank mit der charakteristischen Liegefigur auf einer Kline und zeigt oberhalb des Bogens eine üppig

sich schlängelnde Proserpina (siehe Abbildung S. 135). Die sirenengestaltige Proserpina, die Ker und auch die Arkosolbank am arkadischen Feld sind Umsetzungen dieses Vorbilds, und auch der Wassergott am Tympanon des Tempelgrabes, der ein Muschelhorn bläst338, ist offenkundig von den Schatzgräbereien der fürstlichen Clique in San Sebastiano angeregt worden. Die im unweit gelegenen Sovana erkundete Tomba Ildebranda respektive die weibliche Gottheit mit Delfinen und Flügelpferden am noch erhaltenen Giebelfeld war eine weitere Inspiration, ebenso wie die hier im Tuffstein noch deutlich zu sehenden Nachahmungen der etruskischen Ziegeldächer, die ebenso in Bomarzo an der nach unten zeigenden Oberseite des Giebels vorhanden sind. Der kunstvollen Imitation der Ruine entspricht­die archaisch kunstlose Darstellung des Wassergottes, die ihn als das Produkt eines primitiven oder wenigstens ungelenken Künstlers einer anderen­ Kulturstufe darstellt. Eventuell formt das künstlich retardierende Motiv eine antike etruskische Vor­lage entsprechend um, die Vicino in Rom ge­sehen haben könnte.339 Das attributiv geschulterte Schilf­rohr weist ihn als Flussgott und vielleicht sogar als Emanation (sic!) des Tiber aus.



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• Versunkener Tempel, Detail des Tympanons, zum besseren Verständnis wurde die Abbildung um 90 Grad gedreht

• Sovana: Tomba della Sirena, Tympanon mit Meerweibchen, Detail (vgl. Abbildung S. 135) • Sovana: Tomba Ilde­branda, Mischwesen am Tympanon,

In dieser festgelegten Ikonografie wurden göttliche Ahnväter großer Heldengeschlechter dargestellt, eine Vorstellung, die bereits auf den Dis Pater übertragen worden war. Das Schilfrohr war zudem Paraphernalium eines uralten Ritus am Tag der Frühlingsäquinoktien, an dem die jungen Männer brennende Schilfbündel durch den Hohlweg von San Giuseppe bei Pitigliano trugen.340

Detail

• Nekropole von Norchia: etruskischer Tempel mit dop­ peltem Giebel im Tuffstein

Hinter dem Flussgott erscheint ein Triton mit dem obligatorischen Delfin, dessen Bedeutung als Seelenführer (Psychopompos) sich der Wanderer aus seinen mythologischen und archäologischen Kenntnissen selbst ableiten konnte: Dem seefahrenden Volk der Etrusker waren die Delfine vertraute Wegbegleiter gewesen, die sich deswegen sogar in ihrer Sepulkralkunst etablierten. Die Vorstellung eines in der Not »auftauchenden« Retters war mythisch vorbereitet (Arion) und übertrug sich auf die Erwartung oder Hoffnung, dass auch die Seelen der Verstorbenen von den geheimnisvollen Tieren der Meerestiefe in die andere, unbekannte Existenz nach dem Tod wie in ein anderes Medium der Wahrnehmung geleitet würden. Der Vergleich mit entsprechenden Grabmalereien und den ausgesprochen fröhlichen Wasserwesen im Rücken der etruskischen Anna Perenna unterstützte die Umdeutung des schreck­lichen Todes in eine vertrauensvoll und neugierig zu unternehmende Reise

ins Unbekannte. Zweifellos kannten die interessierten Zeit­genossen Vicinos die etruskischen Grabmalereien und Vasen­malereien, die bankettierende Festgäste über einem schwarzen Gewässer abbilden, von dem sie nur durch einen apotropäischen Ornamentfries mit Delfinen (sic!) getrennt sind (siehe Abbildung S. 114). Ein fast schon romanisch verballhorntes Meeres­ tier aus Widder und Fisch füllt die Ecke des Tympa­ nonfeldes aus. Eigentlich schon im Erdreich verborgen sind am Abschluss des Giebels nur mehr sehr undeutliche Reste eines vogelleibigen Wesens, eventuell einer Harpyie, zu erkennen. Die Imagination des Etruskergrabes wird durch die bezeichnenden Nischenformen gestützt, von denen sich oft schwer sagen lässt, ob sie für die Aufnahme von Urnen oder als Tritte im Felsen gedacht gewesen waren. Die Skulptur der Ruine fordert zum Umschreiten auf und zeigt auch an ihrer Rückseite die entsprechenden Abbruchstellen, wobei selbst die Überdachungen der Tombe nicht vergessen

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»le cose inferiori e superiori«

wurden, deren schindelgedeckte Struktur die profane Wohnkultur der Etrusker nachahmt. Selbst die charakteristischen Nischenformen, die als zusätzliche raumsparende Möglichkeiten spätere­ Feuerbestattungen ins Familiengrab aufnahmen, fehlen nicht. Was als Installation einer neuen Antiquität offensichtlich war, legte in dieser Lesart neue und vielschichtige Auslegung nahe – immerhin war vor allem das Feuer ein wesentliches

Element der kathartischen Wirkung des Wäldchens. Die genaue Kenntnis der antiken Stätten und eine subtile Beobachtungs- und Improvisationsgabe sind für den Nachvollzug der antiken Trümmer unverzichtbar.



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• Versunkener Tempel, etruskische Nischen an der Oberseite erinnern an die Ruinen der umliegenden Nekropolen.

Felsenbank Der riesige Felsblock neben dem Tempelgrab ist naturbelassen und nur auf der anderen Seite als Steinbank ausgearbeitet, deren angenehm kühle und komplett mit kleinen, quastenbesetzten Pölsterchen ausgestattete Sitzfläche zum Verweilen einlädt. Die Wappen der Orsini, Savelli und Mattei spielen auf die Heiratspolitik an, mit der sich der verantwortungsbewusste Familienvater Vicino den berühmten römischen Häusern verband.341 Die Bank, die zugleich ein unverrückbarer Felsen ist, erweist den Familien Ehre und bindet sie in den Kosmos des Wäldchens ein. Am Ende dieses Weges tritt der Wanderer nach rechts in das Schattenreich ein oder nach links, durch die beiden Orsini, in den heiligen Bereich des Proserpina-Plateaus. Wie er zunächst Position und Blickrichtung der Proserpina übernommen hatte, identifizierte er sich jetzt mit den beiden emblematischen Orsini und mit

• Felsenbank mit Wappen und Sitzpolster

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der Perspektive des Bauherrn. Den Hügel mit der Ortschaft Bomarzo und die Löwen im Schattenreich hinter sich lassend, trat er vor die sinnliche Verführerin. Dieser andere Zusammenhang war von der Aus­ sichtsplattform vorauszusehen gewesen und eröf­f­ net nun eine ganz andere, weniger an die Hypnero­ tomachia erinnernde als zerrbildhaft die christliche Symbolik lästernde Dimension: Von der Seite des Schattenreiches betritt der Wanderer ein zum basilikalen Grundriss ausgebautes Plateau, das mit der alternierenden Reihe von Pinienzapfen und Eicheln den Eindruck eines (Kirchen-)Raumes, ja sogar den des gebundenen Systems (sic!), vermittelt­. Die Eingangssituation, durch die beiden Bären hindurch auf die schamlos regierende Göttin im allerheiligsten Bereich zu, der noch dazu von einer dreifaltigen Treppenanlage hinterfangen wird, ist ein besonderer und schräger Reiz, denn statt von »Christus und allen Heiligen« sieht sich der Eintretende von den ausgebreiteten Beinen der Sirene aufgenommen.

• Blick zwischen den Wappen­bären hindurch zur Proserpina • Auf dem Weg in den etruskischen Orkus, Spuren der ehemaligen, heute nicht mehr benutzten Abstiege

v. Abstieg in den etruskischen Orkus Crucibile Der versunkene Tempel bezeichnet einen natürlichen Kreuzungspunkt, an dem sich der Gast Vicinos zu entscheiden hatte, ob er den Weg an der Felsenbank vorbei zum Proserpina-Plateau nehmen wollte, oder in der anderen Richtung am Seeufer entlang wandern. Freilich besaß er in der Hypnerotomachia eine Wegbeschreibung, denn auch Poliphil wanderte, nachdem er mit seiner Nymphe im Tempel initiiert worden war »Hand in Hand am Ufer des Meeres« weiter.342 Cupidos Meerfahrt343 entsprach gleichsam mystagogisch der damaligen Euphorie über die Entdeckung Amerikas. Die an mehreren Stellen abgetreppte Uferlinie des ehemaligen, etwa 100 Meter langen­ Stausees deutet darauf hin, dass Vicino seine Gäste mit flachen Booten eine »Meerfahrt« unternehmen­ ließ. Liebessehnsucht und Fernweh machten­die schauerliche Entdeckung am Ende dieses kleinen Weltmeeres, das aus dem weitaufgerissenen Mund des fremden­Gottes zu strömen schien,344 zu einer tiefen persönlichen­ Erfahrung. Die »weithin sich erstreckende« Wasserfläche des kleinen Sees alludierte innerhalb der beschränkten Ausmaße des Heiligen Waldes die Distanz zu jenen fremden Zivilisationen am anderen Ende der Welt, die im renaissancezeitlichen Europa Begeisterung für alles Unzivilisierte auslösten, das auf einmal­

als Ausweis von Authentizität und Freiheit genommen­ wurde. Weisheit und Lebensformen der Naturvölker wurden im Sinne zeitgenössischer, weniger von biblischen als von antik-arkadischen Vorbildern genährten Paradiesessehnsüchten ausgelegt. Sie waren die lebendigen Beweise für die Richtigkeit einer aufgeklärten Haltung zum religiös vereinnahmten Topos des Paradieses: Natürlich erhalten­ gebliebene Zivilisationen oder, besser gesagt, autoch­thone Völker 345, die – zeitlich aus der antiken, oder gar der biblischen Achse verschoben­ – in einer Unverdorbenheit lebten­, die sie sich aufgrund der weiten Entfernung vom dekadenten­ Europa erhalten hätten. Ihre Entdeckung ließ Schlüsse auf das verlorene Paradies zu und lieferte zugleich Anleitungen für seine Rückgewinnung. In dieser Betrachtungsweise entsprach die räumliche Distanz, die die wilde, grausame und divinatorische Kultur der Azteken vom humanistischen Europa trennte, der zeitlichen Entfernung zwischen der ägyptischen Kultur mit ihren zauberkundigen Priestern und der italienischen Renaissance mit ihren aufgeklärten Philosophen. Das besondere Interesse Vicinos galt den ver­ gött­­­lichten Herrschern der Azteken, die dem Abendland als Inkarnationen des Naturrechts erscheinen­mussten – sein Einfall im Wäldchen einen aztekischen Kopf aufzustellen, war von



Abstieg in den etruskischen Orkus 203

• Aztekenschädel, im Sonnenlicht sind noch Reste der ehemaligen roten Fassung zu erkennen.

• Crucibile: Mit dem Wechsel von der Vorder­ansicht zur Seite verändert sich die Azteken­maske ins Orkamotiv. • Blick auf die Uferlinie des kleinen Stausees, man erkennt noch die ehe­ maligen Einstiegsstufen.

Berichten über die sagenumwobene aztekische­ Hauptstadt Tenochtitlán inspiriert, deren Schätze seit ihrer Zerstörung 1521 nach Europa gelangten­ und hier als Vorbilder für entsprechende Projek­ tio­nen zur Verfügung standen. Die Statuetten und Köpfe aztekischer Götter, die Cosimo I. de’ Medici seiner­Sammlung einverleibte, wo sie Vicino mit Sicherheit gesehen hatte, waren Miniaturausgaben des monumentalen Kopfes in Tenochtitlán. Mit der Kuppel seines Tempels, die jener von Santa Maria del Fiore so offensichtlich nachempfunden­war, und den anderen florentinischen Zitaten bezeugten in einem weltweiten Sinn auch diese mediceischen Exotika die etrurische Hegemonie. Der Riesenschädel war die perfekte Illustration der abendländischen Fantasien über die Neue Welt, die Freibeuter und Forscher gleichermaßen unreflektiert dem europäischen Mythenschatz hinzufügten – die schauderhafte Grimasse bestätigte die Ideale und Befürchtungen gegenüber dem Unbekannten und stellte Vergleiche zwischen der authentischen Wildheit der Primitiven und der kultivierten Scheinheiligkeit des Europäers an. Die monstra­, die mithin die unterdrückten Bedürfnisse des zivilisatorisch verunstalteten Europäers darstellten, entsprachen der direkten Beziehung zwischen der Fremdheit des Exotischen und der eigenen Unergründlichkeit.

Die zeitgenössische Interpretation der fremd­artigen­ und unverständlichen Kultgegenstände, die wegen ihres materiellen und künstlerischen Wertes hochgeschätzte Sammlerstücke waren, deutete sie zugleich als Beweise der fremden, kannibalistischen und überhaupt teuflischen Kultur, von der Vicino zweifellos sehr angetan war. Die grausige Fremdartigkeit dieser Entdeckung am Rande der bekannten Welt war etwas an den eigenen Vorstellungen zu Messendes. Die Doppel­ deutigkeit, die die fremde Kultur den eigenen­irrationalen Wünschen und Ängsten anpasste, äußerte sich im Vexierbild der schaurigen Groteske, die von vorne dem exotischen Vorbild entspricht, sich jedoch bei verändertem­Standpunkt von der Seite betrachtet in das bereits bekannte Orkamotiv verwandelt: Was von vorne gerade als indianischer Federkopfschmuck erkannt worden ist, wird von einem Moment zum anderen­zur charakteristischen Brustflosse der Orka – dasselbe­gilt für die weit aufgerissenen starrenden­Augen des aztekischen Gottes, die seitlich betrachtet die vorgewölbten Glubschaugen der Orka sind, und auch die wulstigen Lippen des zähnestarrenden Mundes unter der indianisch platten Nase setzen sich, von der Seite gesehen, zur charakteristischen Schnabelform des Mörderwals zusammen. Für den Weltreisenden bedeutet die Wiederholung des Orkamotivs eine Neuauflage seiner­Reise in die Unterwelt, die als Tauchfahrt ins Unterbewusste weitergeht. Dieser anspruchsvollen Morphologie lag ein ausgefeiltes hermetisches Konzept zugrunde, mit dem Vicino in der letzten, vierten Bauphase das arkadische Konzept vervollständigt hatte. Der Entwurf einer mit exotischen und heraldischen Motiven spielenden individuellen Emblematik, die dem alchymischen Zweck der Selbstvervollkommnung diente, war eine manieristische Großtat. Die Installation war dabei weniger kompliziert als effektvoll. Mit ihrem weit aufgerissenen Mund ist die aztekische Orka das kleinere Alter Ego des Höllen­ schlundes am arkadischen Feld. Eine kleine Menschen­figur, die Giovanni Guerra seiner

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Abstieg in den etruskischen Orkus

• Giovanni Guerra, »A bvon

Zeichnung hinzufügte, weist darauf hin, dass diese Installation ebenfalls betreten werden konnte.

martio«, Feder­zeichnung, zweite Hälfte 16. Jhdt.

Die Bedeutung des dämonischen Aztekenkopfes, dessen teuflische Wesensmerkmale mit der Orka am Plateau der etruskischen Götter übereinstim­ men, erschloss sich aus der letzten Bauphase und dem logischen Zusammenhang mit den gleichfalls ab 1570 entstandenen Ensembles.

Albertina, Wien

Tatsächlich ließ die untere Hälfte der Weltkugel an das Element Feuer denken, wobei die steingrauen Streifen die Metallbänder eines Kohlebeckens und die glutrote Farbe dazwischen das sogenannte­ kreative Feuer imitierten, das im Großen Werk nach der Regel des Hermes Trismegistos die Polaritäten auflöst, wandelt und wieder verbindet­. Den krönen­­ den Abschluss über der Halbkugel mit den heral­ dischen Rosen der Orsini bildet eine dreistöckig aufgetürmte Festungsarchitektur – komplett­mit Schießscharten und Zinnen. Die Gäste Vicinos erkannten die Burg der Orsini di Castello – den Stammsitz der Familie Orsini.346 Das plastisch dar­ gestellte Wappen wurde von einem kleinen Schwel­ brand im Inneren des Globus effektvoll über der glühenden Kugel zur Geltung gebracht. Das manie­ rierte Konglomerat heraldischer und exotischer Motive war als eine Vermischung indi­v i­dueller und kosmischer Elemente gedacht. Giovanni Guerra wies mit seiner Zeichnung des Kriegselefanten, der statt des antiken Kampfturmes diese mittel­ alterliche Burg trägt, auf den Zusam­menhang des Elefanten mit dem aztekischen Schädel hin (siehe Abbildung S. 103). Nach allgemeinem humanistisch antikem Wissens­ stand wurde in Vicinos Wäldchen, das eben auch ein alchymisches Laboratorium war, Katharsis durch die reinigende Kraft des Feuers erreicht. Der griechischen Philosophie und Mythologie war diese Deutung so geläufig, dass sie legen­ där mit den größten Gestalten aus Mythos und Philosophie verbunden wurde. Eine Verbindung zwischen dem gewalttätigen Heros Herakles und dem edelmütigen Philosophen Empedokles und dem verkannten Genie Vicino Orsini bestand »über Raum und Zeit« in ihrer charakteriologischen

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Abstieg in den etruskischen Orkus

Disposition: Als homo melancholicus konnte sich Vicino den herausragendsten Gestalten der Menschheitsgeschichte verbunden fühlen347 und in den Kreis der Außer­ordentlichen erhoben­. »So wird das Feuer zur Quelle eines Lebens höherer­ Ordnung: es ist Geist, Logos.« (Heraklit)

• Crucibile, Ansicht von hinten. Man erkennt die Öffnung, durch die qualmende Sub­­stanzen in den hohlen Globus eingebracht werden konnten, die dann durch die Schießscharten der kleinen

Im Programm des Wäldchens erfüllte diese Skulp­ tur einen wesentlichen Aspekt der Läuterung. Die bauherrliche Energie, mit der es sich Vicino angelegen sein ließ, neben den fingierten Beweisen seiner etruskischen Deszendenz auch eine Reise in die Neue Welt in den Kosmos des Wäldchens aufzunehmen, bewies die hervorragende Rolle, die der Aztekenkopf im Läuterungs­weg spielte. Er war eine notwendige Phase und Stufe im Verlauf des Initiationsweges und durfte – zumindest bei einem ersten Rundgang – nicht ausgelassen werden. Erst von den Rändern des nunmehr bekannt gewordenen Weltkreises, konnte der Abstieg in den etruski­ schen Orkus erfolgen­.348

Festung entwichen und für die Betrachter den Eindruck der alchymischen Kochung erzeugten. • Abstieg, Treppe am Rand der ehe­maligen Stauwehr

Kampf der Giganten Der Sog der Treppe führt hinab und abrupt um die Ecke, wodurch der darauf Unvorbereitete jäh mit einer erschreckenden Szene konfrontiert ist: Ein nackter Riese in fünffacher Lebensgröße, damals noch dazu grell rot angemalt, hielt ein weiß gefasstes, ebenso überdimensioniertes, nacktes Weib an den Beinen gepackt. Zum Entsetzen der Gäste trug der furchtbare Koloss die Züge ihres fürstlichen Gastgebers. Freilich handelte es sich um ein kompensatorisches Selbstporträt des kleinen und krummen – »curvo« – Vicino Orsini, dessen Neigung, sich in seinen Geschöpfen selbst darzustellen, sich am offensichtlichsten in der herkulischen Gestalt mit dem durchdringenden Gesichtsausdruck zeigt. Der grobe Zugriff, mit dem der Riese Vicino die Beine des Weibes gepackt und in schmerzhafter­ Position festhält, lässt sich knochenkrachend nachvollziehen und passt zum Gesicht des Weibes, in dessen schmerzverzerrter Grimasse sich der Schrei versteinert hat. Die Pose, die Vicino hier mit der vielleicht ebenfalls porträtierten Laura einnahm, wurde jedenfalls sofort als eine ganz bestimmte der angeblich über siebzig »Stellungen«349 erkannt, die eine kluge Kurtisane beherrschte. Aber selbst im Einverständnis des geschlechtlichen Aktes, den diese Szene unmissverständlich wiedergibt, wird diese Stellung kaum je anders als roh und nur dem Liebhaber Genuss bringend geschildert. Der Schock, den gebildeten und feinsinnigen Herren von Bomarzo, dessen Neigung zu derben, wenngleich metaphorisch verfeinerten Scherzen bekannt war,350 hier als gewalttätigen Riesen zu sehen, wurde durch den fast zynisch gedankenvollen Gesichtsausdruck nicht aufgehoben, sondern eher noch verstärkt und mit Sicherheit auf eine andere Ebene der Wahrnehmung gehoben, die auch topografisch in der heute nicht mehr

vorhandenen kleinen Aussichtsplattform auf Höhe der ehemaligen Staumauer bestand, von wo aus der Betrachter den besten Blick auf die Gruppe der Giganten, den Stausee und den etruskischen Orkus hatte (siehe Abbildung S. 238). Von diesem Aussichtspunkt stieg man im 16. Jahrhundert auf die untere Ebene ab, wo der Welt­reisende die erste Inschrift las, um sich dann aus der Pers­pek­tive des Zwerges der Monstrosität eines wahnsinnig (rasend) gewordenen Vicino zu nähern und die widersprüchlichen Zeichen zu deuten. Aus der Nähe betrachtet lassen die Grimasse der Frau, die als Ausdruck der Ekstase wie der Qual interpretierbar ist, und vor allem aber ihre entspannt in den Falten eines Gewandes oder Polsters spielende351 – sehr gepflegte – Hand auf eine einver­nehmliche Aktion schließen. Die obszöne Drastik der Darstellung verschloss dieses Bild hermetisch vor den Unwissenden. Nur Eingeweihte lasen es als Empörung Vicinos gegen sein Schicksal und als Kritik, die sich indirekt sogar gegen die Farnese richtete, was er nur in dieser gleich­sam metaphysischen Form, im kunstvollsten und intellektuellsten Volgare, dessen­ er hier fähig wurde, wagen konnte: Noch in der Schrecksekunde verband der zeitgenössische

•• Gigantomachie: Vicino als Koloss, ein Weib zerreißend • Marcan­tonio Raimondi, »Polyenos et chrisis«, aus: I Modi, 1524, Kupfer­ stich nach einer Entwurfs­ skizze von Giulio Romano

• Erste Inschrift, die der schockierte­Gast Vicinos als erste gleich neben der Ecke des Treppenabsatzes bemerkt.

Besucher die Szene mit einer der skanda­lösen, von Marcantonio Raimondi nach den Skizzen Giulio Romanos in Kupfer gestochenen »Stellungen«, i modi, und den dazu von Aretino verfassten Zeilen:352 »Posami questa gamba in su la spalla …« (»Komm lege auf die Schulter dies Bein«), die mit einer Anspielung auf den König von Frankreich schlossen: »Io non me n’anderia, Signora cara, da cosi dolce ciancia, S’io ben credessi campar il Re di Francia« (»Mein Lieb, trotz allem Gezier, kann ich davon nicht lassen […] und rutscht mein Schwanz in den Arsch hinein […], verzeih, und käme selbst der König von Frankreich frei«).353 Die bezeichnende Interpretation Giovanni Guerras, der fast jede Zeichnung nach seinem­Verständnis verfasste, beweist indirekt die Anleh­nung 354 und damit die Spitze gegen die Politik der Farnese, in deren Kielwasser Vicino zu definitiv­unfreien, seiner­intellektuellen Libertinage entgegen­ge­ setz­ten politischen und militärischen Rochaden gezwungen war.355 Diese Assoziation verlieh der offensichtlichen Identifikation Vicinos mit dem Koloss ihren besonderen Reiz. Angesichts der skandalösen Gruppe

• Gigantomachie: Vicino als Koloss, ein Weib zerreißend, links Reste des Wand­ver­ putzes, auf dem Verputz die stark fragmentierte zweite Inschrift

bezog der Gast Vicinos die letzten Zeilen dieses fünften Sonetts auf den – resignierten oder doch seelen­ruhigen (sic!) – Gesichtsausdruck des Roland und die hinter ihm sorgfältig abgelegten Embleme seiner militärischen Laufbahn.356 Der männlich aktive Vicino band den Betrachter in seine Tat ein: Über den voyeuristischen Nach­vollzug der »Stellung« identifizierte er sich mit dem in jeder Hinsicht gewagten Sonett und natürlich mit dem Dichter selbst, der seiner Zeit als Inbegriff der Verletzung aller sittlichen Gesetze und als Freigeist par excellence galt: »Der vom Geist phosphores­ zierende Sumpf der Verderbtheit Italiens stellt sich in diesem einen Menschen dar, dem Cesare Borgia der Literatur des 16. Jahrhunderts. […] Er ist ein Phänomen der Unsittlichkeit, wie es in keinem Volk zu irgendeiner Zeit gesehen ward. Man weiß kaum, was man hier mehr bestaunen muss, diese zynische­Frechheit oder die Macht dieses Journalisten, und die Vergötterung, die er seinem Jahrhundert abzwang.«357 Sowohl das Bild, als auch seine innewohnende Aussage bezogen ihren Reiz aus der Zensur 358 und verbrüderten Vicino mit jeglicher Form oppositioneller Wahrheit. In der maximal gesteigerten

diese tragische Figur in den Kosmos des Wäldchens ein. Der Kerngedanke des Ritter­ideals, sei es dem Titel nach »von Rhodos« oder von anglant­, wies auf den mittelalterlich idealistischen Hintergrund der zynischen Weltabgewandtheit Vicinos hin.

• Giovanni Guerra, »SMISV­ RATO COLOSSO FATTO DI GROSSO SASSO ET FORMATO COME ORLANDO FORSENATO SBRANA IN FVRORE IL PAS­ TOREllo. alto palmi xxxv«,

arkadischen Interpretation wurde das Vulgäre zum Stilmittel und Symbol einer genuin humanistischen Gegenkultur.

In der »Verbrüderung« mit dem außerordentlichen, genau wie er, den Papstfamilien zugleich verpflichteten und mit ihr entzweiten Dichter,360 sprengte Vicino seinen Rahmen. Sein Gesicht spiegelt Iso­ lation und die Distanz des »Außenstehenden«, des wahren Philosophen, der – aus Raum und Zeit entrückt – die Dinge so zu betrachten imstande ist, wie sie wirklich sind. Unter dem Eindruck aretinischer Obszönität und orsinischer Melancholie

Die Inschrift, die der Wanderer gleich links an der Mauer las, bekräftigte diese Assoziation, indem sie eigentlich direkt, jedoch wiederum verrätselt im Topos des Weltwunders, auf den »Göttlichen«, Aretino, hinwies, der 1524 – pikanterweise dem Jahr, in dem I Modi im Druck erschienen waren – vom Papst (Clemens VII.) zum »Ritter von Rhodos« ernannt worden war.359 se rodi altier fv del svo colosso pvr di qvest’il mio bosco ancho si gloria e per piv non poter fo qvant io posso wenn schon rhodos sich mit seinem koloss rühmte um wieviel mehr ruhm verdient mein wald mehr als ich hier vollbracht vermag ich nicht Im Vergleich mit dem Koloss von Rhodos, der noch zusätzlich in einer zweiten Inschrift direkt neben der Figurengruppe, als pier, Bruder, tituliert wurde, verwies Vicino auf die übermenschliche Anstrengung, mit der er das ihm Mögliche versuchte und der epikureischen Maxime folgte: und mehr vermag ich nicht war ein deutliches Bekenntnis zur nach außen verborgenen und sogar im Wäldchen noch verschlüsselten, selbstgewählten Rolle des oppositionellen Außenseiters und Wahnsinnigen: Die Identifikation mit dem rasenden Roland, dem Ritter von Anglant, band auch



Abstieg in den etruskischen Orkus 211

übers.: unbändiger Koloss, aus einem großen Felsen als Roland gestaltet wie er im Wahnsinn das kleine Schäferlein zerfleischt. Höhe 35 Palmi (altröm. Maß, ca. 0,22 m, also fast 8 m), 16. Jhdt., Federzeichnung Albertina, Wien

lasen die Gäste Vicinos die Inschrift, von der heute nur mehr stark fragmentierte Reste gleich neben der Gigantengruppe an der Mauer der ehemaligen Stauwehr erhalten sind. … pier gigante … o scempio … anglante pier gigante bezog sich also entweder nament­ lich, indem Vicino sich hier mit seinem zweiten Taufnamen Pier verewigte, oder im Sinne der wört­ lichen Übersetzung »Bruder« auf das unmissver­ ständliche Porträt. Damit verglich er sich dem »Gigant« des Michelangelo auf der Piazza della Signoria. Im 16. Jahrhundert war der monumen­ tale David eine politische Aussage ersten Ranges.361 Knapp fünf Meter hoch stellte das machtvolle Symbol des republikanischen Florenz – wie der Kriegselefant Vicinos – einen in die künstleri­ sche Freiheit gehüllten Affront gegen Rom dar.362 Michelangelo hatte die biblische Geschichte zum Vorwand genommen, Florenz in der Rolle des klei­ nen, jugendlichen David als Herausforderer des Riesen und selbst als Giganten darzustellen: … »und tilgt damit die Spuren von Goliath«.363 o scempio, eventuell aus einer Anspielung auf Kampf und Blutvergießen, bezog sich auf den »Orlando Furioso«, der mit Beinamen und Titel anglante in der Inschrift genannt wird.364 Die Gäste Vicinos mochten dabei an eine regionale, ebenfalls überdimensionale Kuriosität gedacht haben, nämlich die »Hand des Roland«, der dem Volksglauben nach hier vorbeigekommen sein und einem Felsblock nahe Sovana seine Form gegeben haben soll.365 Die Gigantomachie gibt sich dem Näher­kommen­ den schrittweise als das alchymische Porträt des Bauherrn zu erkennen. Damit wandte Vicino die philosophische Weltentstehungstheorie eines ewig antagonistischen Kampfes auf den Liebeskampf an: »Das Entgegengesetzte passt zusammen, aus dem Verschiedenen ergibt sich die schönste Harmonie, und alles entsteht auf dem Wege des Streites« und auch: »Der Krieg ist der Vater aller Dinge.«366

Es ist die monströse Handlung schlechthin, die hier Vicinos gigantisches Alter Ego ausführt. Die besinnliche, keinesfalls tobsüchtige Mimik, wie auch das keineswegs panisch erigierte, sondern­ schlaffe Glied des Koloss, deuten nicht auf eine vor­ dergründig gewalttätige Absicht, sondern auf eine eigenwillige, naturrechtlich zivilisations­k ritische und intellektuelle Intention. Zweifellos dienten­ derartige Überlegungen der Argumentation einer sehr hintergründigen naturrechtlichen Selbst­ bestimmtheit des Individuums.367 Dieser Schock war und ist ein Haupteffekt wie der Höllenschlund. Gerade für dieses Ensemble ist der Zugang von vorne unverzichtbar. In Vicinos Selbstdarstellung als »Weltwunder« verkörper­ ten sich in einem ideellen, durchaus platonischen­ Sinne die naturrechtliche Grausamkeit des Mannes, und dementsprechend in der zwischen Schmerz und Hingabe oszillierenden Darstellung des Weibes, ihre bedrohlich und fremd368 empfundene irrationale und übernatürliche Macht. Das Motiv war umfassend und verband die Bedeutungen der Begriffe Frau und Natur mit dem göttlichen Fatum – der Betrachter der Raptusszene sollte (sein!) Naturrecht als paradiesische, selbst­ bestimmte Lebensform begreifen. Das galt keines­ wegs nur für das männliche Publikum: Die Frei­ heit und Selbstbestimmtheit der Frau (hier der vielleicht sogar porträtierten Mätresse Vicinos369) war eine ständig zwischen Bedrohung 370 und Attraktion oszillierende Vorstellung des alternden­ Gastgebers,371 die sich mit zeitgenössischen Mythen von wilden Völkern und ihren dominan­ ten Frauen vermischte. Angst und Bewunderung erzeugten den Wunsch, die durch ihre Sexualität und Irrationalität gefährliche Gegnerin zu überwinden­.372 Seit antiken Zeiten wurden die »männlichen« Charak­terzüge der Selbst­bestimmtheit und Liebes­ freiheit den Amazonen zugeschrieben, Vicinos Zeitgenossen vermuteten wegen der Namens­ähn­ lichkeit eine ähnliche »Weiberherrschaft« bei den Amazonasvölkern. In den Kurtisanen fanden Vicinos Gäste ihr nur vordergründig zivilisier­ tes Gegenstück: Schön und geistreich, aber auch



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• Felsblock nahe Sovana, dem Volksglauben nach von Orlando Furioso (rasender Roland) geformt • Georges Glasberg, »Détail de l’Hercule«, Foto­g rafie aus: André Pieyre de Mandiargues, Les monstres de Bomarzo, 1957

• Gigantomachie: ab­gelegte Rüstung hinter der Giganto­ machie

raffiniert und grausam, bedienten die Hetären der Renaissance arkadische Vorstellungen. Unter diesem Aspekt wurden sie, die sie außerhalb und doch mitten in der »besten Gesellschaft« standen, als ebenbürtig behandelt. Ein einschneidendes Erlebnis war für Vicino die langjährige Beziehung zur wesentlich jüngeren Kurtisane Laura, die ihn wegen eines Liebhabers verließ, von Vicino groß­ zügig abgefunden wurde und dann reumütig wieder zu ihm zurückkehrte.373 Diese intensiv erlebte emotionale Krise spiegelte sich metaphorisch im Bild der selbstbestimmten Cortigiana374 als souveräner Herrscherin eines letzten paradiesischen Naturreichs wider. Vicinos über alles geliebte illegitime Kinder, der Sohn Leonida und die Tochter Orontea (sic!), die er nach der Amazonenkönigin benannte,375 waren biografische Parallelen, wie er im Eifer seines neugewonnenen naturhaft wilden und paradiesischen Lebensgefühls an Drouet schrieb.376 Beide Kinder hatte ihm seine »pastorella« Delia di Clemente aus Bomarzo geboren­, die er nach dem Weggang Lauras zu sich genommen­ hatte. Die Kompensation der eigenen schwindenden Mannes­k räfte im mächtigen Roland hatte im über­legenen Gesichtsausdruck des Täters VicinoRoland und seiner toleranten, wahrhaft souveränen­ Haltung gegenüber der ungetreuen Geliebten ihre Entsprechungen.377 Die kompensatorische Über­ windung und Bestrafung der Frau durch den stein­gewordenen schmerzhaften Akt hob die

• Poliphil, neben ihm ein

Liebesangelegenheit auf die höhere Ebene des Naturvorganges und stellte einen sowohl geistigen­ als auch körperlichen Sieg über sich selbst und somit nicht mehr nur über die abtrünnige­Geliebte dar. Im offenkundigen und obszön umgedeuteten Wahn des Koloss Vicino wurde der kompen­ satorische, im lustvoll-traurigen Konnex mit dem Zeitbegriff stehende Aspekt der Gruppe deutlich: »Die Diktatur des Zeitbewusstseins und die Obszönität der Sprache gehören wesenhaft zusammen. Denn das Obszöne ist Ausdruck der Vergänglichkeit, die von keiner Transzendenz aufgehalten wird. Das Bewusstsein des Wechsels, die Erwartung der Veränderung verleiht dem Augenblick die Dauer der Vergänglichkeit, die auszuhalten den Heroismus der Leidenschaften ausmacht­.«378 Abgehoben von ihrer vordergründigen Form des Männlichen oder Weiblichen wurden die triebhaften Komponenten einer sadomasochistischen Einheit im Menschen, die je nach Kontext und Rolle wechselt, vorgeführt und in ihrer Anschauung am eigenen Leib miterlebt. Was Vicino mit seiner Laura erlebte, mochte ihm als Läuterung und im selbstreflexiven Kosmos des Wäldchens abbildenswert erschienen sein. Die Versuche des alternden Vicino Orsini den eigenen körperlichen Verfall und vor allem die Fähig­ keit zum Genuss durch zunehmend heftigere oder verbotene Sensationen zu ersetzen, transformierten die weibliche Anima in den männlichen Animus, dessen intellektuelle Befriedigung er als Ersatz für den sexuellen Akt ansehen konnte. Die hinter ihm abgelegten Symbole männlicher und kriegerischer Macht sollten von seinen Gästen, insbesondere von Farnese und Madruzzo, die immerhin zu dieser Entscheidung beigetragen hatten, interpretiert werden. Auch hier ergibt sich eine bildhafte Analogie einer Illustration in der Hypnerotomachia, auf der neben dem stehenden Poliphil ein abgelegter Harnisch zu sehen ist. In der vordergründig naturrechtlichen Raptus­ szene hatte der alchymische Leitgedanke einen Höhepunkt gefunden. Die farbige Fassung der

abgelegter Harnisch, Hypneroto­machia Poliphili, 1500, Holzschnitt

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Abstieg in den etruskischen Orkus

Gruppe ließ an die hermetischen Begriffe des »roten Gatten und weißen Weibes« denken­: »Empedokles lehrte ferner, dass alles Leben in der Bewegung besteht, die aus dem Konflikt der beiden polaren Kräfte Liebe und Streit resultiert. Im Opus Magnum entsprechen ihnen die beiden abwechselnden Verfahren des Solvierens und Koagulierens, der Auflösung und Bindung, Destillation und Kon­den­sation, Systole und Diastole, ›das Ja und Nein in allen Dingen‹ (J. Böhme). Mit ihnen korrespondieren die beiden polaren Agentien der arabischen Alchimie: Mercurius und Sulphur, philosophisches­Queck­ silber und Schwefel, Sonne und Mond, weißes­ Weib und roter Gatte. Der Höhepunkt des Werkes ist die Conjunctio, d. h. die Vereinigung von männlichem und weiblichem Prinzip in der Vermählung von Himmel und Erde, von feurigem Geist und wässriger Materie (materia von lat. mater, Mutter). Das unzerstörbare Produkt dieses kosmischen Geschlechtsakts ist der Lapis, der ›rote Sohn der Sonne‹.«379 Dem hermetischen Kontext entsprach die reflexive­ Lust am Auseinanderreißen des Weibes als meta­ physisches Interesse an dem was drinnen ist – nach dem eigenen Ursprung – und konnte als ein überhöhtes naturkundliches Interesse angesehen werden, wobei der männliche und solare Intellekt mit dem Riesen und das Weib mit der weiblichen­Sphäre des Abgrundes gleichgesetzt war. Als Synonym der tiefen Kluft, in die der Geist zu stürzen bereit sein musste, war der Adept bereits mehrere Unterwelten hinauf- und hinabgestiegen­: Nunmehr am Abgrund zur Stau­ wehr, wo rauschende­Wasser den sinnlichen Rahmen schufen­, fand sich der Wanderer vor dem nicht mehr metaphorischen, sondern eindeutig­ im Geschlecht verborgenen Geheimnis. Vor allem der antike Topos des Weibes als irrational­von Instinkten gesteuertes Wesen, das allerdings­auf diese Weise Zugang zu fremden Welten und vor allem der Unterwelt (sic!) hätte, war ein stichhalti­ ges Argument und deckte sich – zumindest­äußerlich – mit der katholischen Leib- und Frauen­feind­ lichkeit, die auf diese Weise eine natur­recht­liche Bestätigung erfuhr.



Abstieg in den etruskischen Orkus 215

• Norchia: etruskische Nekropole

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Abstieg in den etruskischen Orkus

Tomba Die Schritte des Wanderers werden auf einen gewisser­­maßen vorgezeichneten Weg wieder zur Tomba gelenkt, die schon einmal vom Plateau der etruskischen Götter entdeckt worden ist (siehe dazu S. 131). Das System ist ein absolut offenes und wie in diesem­Falle auf mehrere und alternativ zu wählende Begehungen, Kombinationen und Konfrontationen ausgerichtetes, das ambivalent­ und genauso in umgekehrter Reihenfolge zu begehen­und zu bedenken ist. Diese Rückkehr in die Vergangenheit war mit dem freien Schweifen Pans assoziiert, der den Wanderer als Pan Deus und Hermes Trismegistos in der etruskischen Nekropole erwartete. Vicinos Gäste erreichten also zum zweitenmal, und in einer doppelten Erinnerung, die sowohl dem Plateau der etruskischen Götter als auch dem nahegelegenen Norchia galt, die Tomba. Das abenteuerliche Vordringen in der unwegsamen Gegend erzeugte den Ein­druck des Gefährlichen und Unheimlichen.

Die Vorstellung »als erster« den uralten düsteren Ort zu betreten, verknüpfte sich mit teils romantischen, teils fatal männlichen Fantasien, die Vicino mit seinen Freunden teilte und auf die Faszination des weiblichen Geschlechts ableitete: »500 scudi por primo ingresso«, berichtete­ der aufgeklärte Kleriker Giovanni Drouet an Vicino, war ihrem gemeinsamen Bekannten, dem Lautenspieler Andrea, die Entjungferung eines fünfzehnjährigen Mädchens wert. So viel bot er ihrer Mutter, die unverständ­licherweise ablehnte.380 Vicinos Fantasie schöpfte aus dem uralten Vor­ stellungskreis, der die fürst­lichen Grabräuber ihr Eindringen in die Unterwelt der antiken Kultur mit dem Heben von Schätzen und Entdecken von Geheimnissen gleichsetzen ließ. So wie der Abstieg in die Gräber als Vordringen in die Vergangenheit wahrgenommen wurde, verband sich das eigentlich frevelhafte Öffnen der Tombe mit der Aussicht auf ungeahnte Schätze, die im hermetischen Kontext mit der Macht über den Tod gleichgesetzt wurden­.381 Vicino baute eine verfallene etruskische Tomba nach, die seine Gäste genausogut in den etruskischen Nekropolen hätten sehen können. Die zentrale kubische Form mit einer bunten Scheintür

• Auf dem Weg zur etruski­ schen Tomba: Unspezifisch behauene Felsen wie der im Vordergrund weisen unauf­ dringlich den »richtigen Weg«.

• Die etruskische Tomba ist als allgemein verständ­ liches Motiv der Todesund Naturbetrachtung dem Gemälde direkt vergleichbar. • Giorgione, »Die drei Philosophen«, um 1590, Kunst­ historisches Museum, Wien

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darüber und der dunklen Höhle des Grabeinganges darunter, waren mit einer einfachen Aufmauerung über dem natürlichen Felsen zu imitieren. Sogar die charakteristischen Miniaturstufen wurden in das viel härtere natürliche Felsgestein eingemeißelt (siehe Abbildung S. 131). Aber auch ohne Effekte war die natürliche Höhle382 Gegenstand von Betrachtungen über Tod und Verfall und passte zu der Selbstdarstellung des Bauherrn als Saturnkind, dem »als rechtmäßigen Erben alter Schätze Schatzfindungen vorbestimmt sind«.383 Im Sinne der panischen Konnotationen, die unabdingbar zum Programm Bomarzos dazugehörten, fühlte sich der hermetische Schatzsucher außerdem an die Divina Comedia erinnert, worin Dante den Alche­misten in die tiefste Hölle verbannt und die gottlose Neugier aufs Schärfste verurteilt hatte, die den Sterblichen seine Hand nach dem göttlichen Mysterium ausstrecken ließ. • Tomba, abgebrochener Felsen mit Sitznischen, rechts der liegende weib­ liche Akt mit in die Hand gestütztem Kopf

Vicino und seine Gäste kannten die Fresken des Paduaner Salone mit den Darstellungen der Plane­ ten­­kinder. Die astrologischen Zuweisungen im Sinne eines vorherbestimmten Geschickes, bezeichneten die melancholischen Saturnkinder als Schatzgräber, die hermetischen Merkurkinder

als Weisheitssucher und die alles beherrschen­ den Sonnenkinder als Dämonenbeschwörer. Dazu lieferten die Paduaner Fresken eine Orts­ beschreibung, die wohl vorbildlich für die Nekro­ pole Bomarzos war: »Der Ort des Geschehens im Paduaner Fresko ist ein höhlenartiges Gebilde, ähnlich wie Ibn Esra (Abraham Ben Ezra) die saturnischen Orte in dem von Pietro di Abano ins Lateinische übersetzten Texte beschreibt: Höhlen, Kerker, alle dunklen unbewohnten Orte und Fried­ höfe, ›concavitates, putrefactiones, puteos et loca carceris atque omnem locum obscurum inhabitatum et cimiteriorum loca‹. Ibn Esra zählt die Eigenschaften der Planeten und die von diesen beherrschten­Tätigkeiten oder Berufe auf. So gehören zu Saturn unter anderem die Totengräber (›mortuorum sepulturas expoliantes‹), Ausgräber oder Leichenschänder, Friedhofsdiebe und Zauberer.« 384 Eine vergleichbare Situation zeigt das Gemälde Giorgiones im Kunsthistorischen Museum in Wien, »Die drei Philosophen« (1508) stehen vor einer dunklen Höhlung eines Berges oder einer Ruine. Auch dieses Bild wurde im Sinne der hermetischen Schatzsuche gedeutet und als Emanation der spezifisch oberitalienischen intellektuellen Hegemonie, der Vicino in seinem Wäldchen, wo immer dies möglich war, den charakteristischen sinnlichen Ausdruck verlieh. Unauffällig, aber für den Eingeweihten keineswegs zu übersehen, sind fast überall im Wäldchen etruskische Hinweise hinterlegt – wie um eine Spur zu legen, anhand derer ein Geheimnis zu lüften sei. Mit der Umdeutung des lieblichen Gartens in einen Ort des Schreckens erscheint natürlich auch das »Natürlichste« in einem ganz anderen Zusammenhang: Die sentimentalen etruskischen Elemente entwickeln Motive des Grauens, die sich als Metaphern wahrer Weisheit offenbaren: Als Memento mori, als Mahnung an den Tod, weisen­ sie auf das, was außerhalb von Raum und Zeit gültig­und wahr ist. Der natürliche Felsen vor der hermetischen Grab­ höhle ist mit zwei Nischen ausgearbeitet, die an mittelalterliches Chorgestühl erinnern. An die

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Abstieg in den etruskischen Orkus

rechte schmiegt sich seitlich ein Frauenakt, der wie die Liegefiguren etruskischer Sarkophage kontemplativ den Kopf in die Hand gestützt hält. An der Seite der anderen Nische stellte ein mit der Rose der Orsini kombiniertes, privates Signet wohl ein Vanitassymbol dar.385 Mit dem Wechsel zum locus terribilis erreicht der anthropomorphe­ Felsen eine vollständige Vergegenwärtigung dieser­ Inhalte. Kongenial vermischt sich der im­materielle, hermetische Aspekt der Grabes mit dem atmos­ phärischen Charakter der antiken Stätte zu einem Konstrukt aus Kunst und Natur, in dem sich die Gottheit offenbart: »Der Ort wird nicht nur von Menschen und Tieren belebt, auch das Numinose, die Gottheit, ist immer in irgendeiner Form gegenwärtig, denn die Natur galt der Antike stets als göttlich und heilig«.386 Dem hergebrachten Muster folgend beseelte Vicino die Natur mit seinem männ­­lichen Geist, wie er schon am Schiefen Haus angekündigt hatte (animvs­ fit prvdentior­). In dieser metaphysischen Partnerschaft war er selbst der Logos aus dem die Welt entstand, die Spuren seines Wirkens determinieren die Landschaft als etruskische und heilige: »Aus diesem Grund fehlt der antiken Landschaft nur selten ein Hinweis auf ihre göttliche Natur, sei es durch sakrale Stätten, sei es durch die Personifikation von Land­schafts­ elementen durch Naturgottheiten.«387 Die Gäste Vicinos kannten die Thesen Nanni da Viterbos und Guillaume Postels, die die etruskische Kultur an den Anfang der Zeiten und in einen direkten Zusammenhang mit der altorien­ talischen Kultur stellten, deren maßgeb­liche Errungenschaft das Verständnis vom Tod als Durchgang zu etwas Neuem war. Vicino dienten die offenkundig­hanebüchenen Thesen Nannis und Postels als Vorwand, seine eigenen Thesen über das Jenseits zu entwerfen. Er erkannte den Zusammenhang der eigentlichen Grablege mit den Scheinöffnungen, die im ägyptischen und sogar im christlichen Auferstehungsmythos ihre Parallelen haben. Die etruskische Tomba Bomarzos war eine Metapher der hermetischen Schatzsuche in der doppelten­Bedeutung als Grablege und als Medium der Auferstehung. Die detailgetreue Nachbildung der etruskischen Tomba dürfte die ursprüngliche,



metaphorische Bedeutung der Stufen übernommen haben, die, wie die farbig gefassten Scheintüren oberhalb der eigentlichen Graböffnung, ebenfalls keinen materiellen Zugang eröffneten, sondern­ »Auferstehungswege« für die unkörperliche Seele sind. Die hermetischen Grabräuber stiegen­ auf diesen Stufen zum Schattenreich hinauf und wieder­hinab und genossen die reizvollen Aspekte des Ein­dringens in die alten Grabstätten, wie sie auch die echten­Totenstädte boten. Die bis auf die Höhe des Proserpina-Plateaus reichende Tomba stellt eine Verbindung zum Schatten­reich und der Löwenfamilie zwischen Echidna und Ker, als auch zwischen den Giganten und dem Plateau der etruskischen Götter her. Außerdem ist die Tomba genau oberhalb des Nymphäums angelegt, als deren Kammer es von unten erschienen sein musste (siehe Abbildung S. 253). Nur Hekate, die im 16. Jahr­hundert ebenfalls die untere mit der höheren Ebene verbunden hatte, besitzt eine vergleichbare Bedeutung, die mit ihrer Macht im Himmel und auf der Erde zusammen­ hängt. Bezeichnenderweise kulminiert diese Macht gerade in der Unterwelt.



Abstieg in den etruskischen Orkus 221

Tomba, abgebrochener Felsen mit Sitznischen, Detail des heraldischen Emblems an der linken Seite

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Im etruskischen Orkus

vi. Im etruskischen Orkus

Bergab erreicht der Adept den tiefsten Punkt des Areals, wo er ein wildes etruskisches Hirngespinst erblickt: Ein kleines, mit mehreren Schichten sich überlagerndes Plateau, das mit seinen bizarren Felsformationen und von dem kleinen Flusslauf begrenzt als etruskische Nekropole glaubhaft ist, noch dazu, wo eine riesige Schildkröte die charakteristische Tumulus-Form imitiert. Ihre unmissver­ ständliche Form, die zusätzlich noch mit ihren sieben Metern Länge die Proportionen perfekt nach­­ahmt, wurde freilich im 16. Jahrhundert durch die Farbe verfremdet: Die blaue Schildkröte war ein eigenständiges Fantasieprodukt, das sich zwar in den Kontext der offensichtlichen etruskischen Anspielungen einband, von ihnen gleichsam kommentiert wurde, aber dennoch seine Autonomie gegenüber den Vorbildern wahrte. Umgekehrt verifi­zierte die Schildkröte die etruskischen Fälschungen des Wäldchens. Die Attraktion antiker Ruinenstätten gehörte in der Renaissance zum Erlebnis der Natur, die als unmittel­­barer Ausdruck des Numinosen erlebt wurde.388 Angesichts der ungeheuerlichen Schild­ kröte erinnert sich der staunende Wanderer der etruskischen Relikte wie an Vorahnungen, die sich nun erfüllen würden. Den denkbar stärksten­ Kontrast stellte eine eindrucksvolle Brunnen­ anlage mit singenden und tanzenden Musen um den Helikon dar. Der Gegensatz zwischen der idyllischen Gruppe und der unheimlichen Schild­k röte war ein manieristischer Zug des

Programmes – obwohl nicht zeitgleich entstanden­, hätte Vicino sie nicht besser aufeinander abstimmen können: »Oh Berg Parnassus, wo ich wohne, Musen, mit denen ich verkehre, Quell Helikon, der du mich nährst; Berg, der du mir ruhige Heimstatt schenkst, Musen, die ihr mir tiefste Gelehrsamkeit eingebt, Quelle, die du mich rein und klar machst; Berg, den hinaufsteigend ich mein Herz erhebe, Musen, deren Umgang meinen Geist belebt, Quell, unter dessen Bäumen kauernd ich meine Stirn schmücke: Verwandelt meinen Tod in Leben, meine Zypressen in Lorbeer und meine Höllen in Himmel, bestimmt mich also für die Unsterblichkeit, macht mich zum Dichter, lasst mich berühmt werden, während ich von Tod, Zypressen und Höllen singe.«389 In den etruskischen Orkus gelangte der Adept durch einen Dromos, der ihn direkt zum Helikon­brunnen führte. Das reizvolle Ensemble war mit der zweiten Bauphase und der Einrichtung der Wasserspiele entlang des aufgestauten Flüsschens entstanden und eine Hommage des Dichterfürsten Vicino an sich selbst. Die Anwesenheit des Flügel­rosses und der Musen erhob das provinzielle Bomarzo zu einem Museion, wo der fürstliche Hirte das Ideal eines beschau­lichen und schöpferischen Lebens in der unberührten Natur lebte. Der Villeggiatura als Nachhall antiker Lebens­ kunst wurde demgemäß eben jene läuternde Wirkung zugeschrieben, die sich der Städter mit



Im etruskischen Orkus 223

• Blick auf den etruskischen Orkus

• Pegasus wie er gerade aus dem Wäldchen gegen die Ort­schaft Bomarzo auffliegt

Recht von der Natur als der Lehrerin der Kunst erwartete: »Bevor Vergil Arkadien zu einem Dich­ tungsbegriff machte, hatte die Bukolik bereits den grundsätzlich damit verbundenen Vorstel­ lungs­k reis geschaffen, der auf einer poetischen Stilisierung des pastoralen Bereichs beruht und vom idyllischen Bild eines locus amoenus ausgeht, den Pan und die Nymphen schützen, und an dem Hirten mit ihrer Herde lagern, um sich der Muße und der Musik zu widmen. Die Wirklichkeit des Hirten, der zentralen Gestalt der Bukolik, besitzt in diesem Zusammenhang wenig Relevanz, da Bild und Dichtung ihn in einen ästhe­tischen Bereich transponieren, der sein reales Dasein weitgehend aufhebt und ihn zu einer ›Kunstfigur‹ macht. Das Leben der Hirten ist nicht als solches interessant; die Hirten sind in erster Linie die Exponenten des bukolischen Gesangs, der von Pan gestifteten Urdichtung, die das eigent­liche Thema der Bukolik darstellt. Der Hirte ist dazu prädestiniert, die Rolle des ursprünglichen, natur­haften Sängers zu übernehmen, da sein Stand als eine ›Grundform menschlichen Daseins‹ betrachtet wird, und zwar eines Daseins, dessen charakteristisches Merkmal die Muße in der freien Natur ist. Diese Muße schafft die Vor­aussetzung für die Inspiration, die Hinwendung zum Hirtengesang, der Urform der Dichtung, sodass ›die Hirten in ihrer Muße gleichsam schon Dichter sind.‹«390

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Im etruskischen Orkus

Das Motiv des Pegasusbrunnens und seine Bedeu­ tung für die Villeggiatura wurde zeitgleich in der unweit gelegenen Villa Lante entwickelt. Im Gegen­ satz zum Flügelpferd Bomarzos, das sich in der Waldeinsamkeit gerade vom Gipfel des kleinen Berges in die Lüfte erhebt, ist in Bagnaia Pegasus in einem hocheleganten, wassergefüllten Innenhof zu sehen, wo er kapriziös aufsteigt und mit seinen Hufen die Hippokrene aus dem Felsen schlägt. Das Element Wasser, das mit Reinigung und Initiation, und hier natürlich mit der reinigenden Kraft der Villeggiatura gleichgesetzt ist, gehört attributiv zum Pegasus. Der Pegasus war ein Symbol der Freund­schaft und der geistvollen Anregungen, die sich Vicino und seine gartenbegeisterten Freunde gegenseitig gaben und tatsächlich stimmt die Form der Flügelpferde in Bagnaia und Bomarzo fast gänzlich überein, wie auch der Helikon ganz ähnlich auf­gefasst ist. Der Unterschied liegt in der Situation, in der der Pegasus der Villa Lante den Eintretenden auf die hehre Bedeutung seiner Anwesenheit in der Provinz hinweist, während der Pegasus Vicinos in freier Wildbahn zu beobachten ist. Im Gegensatz zur Villa Lante, wo der Pegasus als übernatürliche Erscheinung auftritt, ist er in Bomarzo indigen. An der tiefsten und dunkelsten Stelle des Boschetto entspringt er den urtümlichen Kräften der Natur. Sein Aufflug gegen den Palast des fürstlichen Hirten übermittelt der »Welt« die Botschaft des Wäldchens.

Die durch den Verlust Lauras verstärkte Identifi­ kation Vicinos mit dem Landleben, das nicht zuletzt auch im Verhältnis zur »pastorella«391 Delia seinen Ausdruck fand, drückte er selbst mit klaren Bekenntnissen einer als »Zurück zur Natur« formulierten Kritik an der »Welt« aus. Der mit dem Hirtenstand verbundene Urzustand des Menschengeschlechts, »in dem sich die Korres­ pondenz von Gott und Mensch noch uneingeschränkt vollziehen konnte«,392 ist durchaus fürstliche Attitüde wie die sogar vom Christentum übernommene Titulatur des Hirten (Pastor Bonus, der Gute Hirte) beweist. Das Motiv ist uralt, paradiesisch, als es schon im altorientalischen Vorstel­lungskreis um Eros und Thanatos vorkommt:393 Der Hieros gamos des Hirten und Fürsten Tammuz mit der Himmels­königin Inanna stellte die numinose Kraft der Natur im rituellen Beischlaf dar und war die Grundlage für die Fruchtbarkeit der Natur und das Wohlergehen des Volkes, über das er herrschte und für das er verantwortlich war.394 Damit stand Vicino als vorbildlicher Fürst in der bukolischen Tradition des Musenlieblings und Förderers der Künste. In der Verbindung mit der Magna Mater, die hier in der jüngeren mythischen Version der Isis-Kore auftritt, hatte der fürstliche Hirte an ihrer Unsterblichkeit teil.

Mitte April 1574 schrieb Vicino jenen extravagant bukolischen Brief an Giovanni Drouet, der wohl als das persönlichste und arkadischste Dokument seiner­geistigen und emotionalen Verfassung an­zusehen ist.395 Die intime Nähe des Textes und explizit die abschlie­ßende Grußformel weisen diesen Brief als Dokument der Freundschaft zwischen Vicino und Drouet aus396 – immerhin zog er den hohen Beamten der Kurie darin sogar den Mitgliedern des Kardinalskollegiums vor – eine Anspielung die er den allzu weltlichen und wohl des Wäldchens unwürdigen Klerikern Alessandro Farnese und Cristoforo Madruzzo kaum persönlich zu über­ mitteln wagen konnte. Das Leitmotiv des weiblichen Geschlechts, der »Potta«, kehrte im Wäldchen in ständig veränderter Form wieder und wird in diesem Brief sogar explizit, wie zur Bestätigung seines Programmes, erwähnt. Für Vicino wurde es zu einer literarischen und steinernen Metapher eines Sich-Anvertrauens.

• Giovanni Guerra, »Pegasusbrunnen, Bagnaia, Villa Lante«, Ende 16. Jhdt., Federzeichnung Albertina, Wien

• Brief von Vicino Orsino an Giovanni Drouet, Vorder- und Rückseite, Mitte April 1574 Ast. Rom, Deposito Santa Croce, Y 592.139–139

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Im etruskischen Orkus

»S:or mio, è tanta la dolcezza che se gusta mangiando le cose che m’ha mandate, che credo che quelle poma hesperide, per li quali Ercole fece così gran battaglia col sempre desto Dracone, non fossero altro che queste, ma essendoce el nettare de più, tanto più questi excedino de dolcezza, de modo ogni volta che ne gustaró, me parrá, mercé sua, esser deventato un semidio, perché per dir la verità, son troppo delicati cibi per un cittadin de boschi come sono io; pur farró stima d’esser un de questi satiri, che, se ben non se ponevano a mensa con Giove, pur andavano leccando qualche minestra­ ch’avanzava. Quanto alli tre p.p.p., da quali me dice ch’io debbia guardarmi, v.s. non n’ è bono expositore, con dire: pesce, porco et pasta; ma l’expositione che le do io è simile a quella di Il. Iaco Trivulti, che domandandoli in consiglio el re Francesco che bisognava per far guerra per raqusitare el ducato de Milano, lui respose: tre cose sire; domandandoli el re qual erano questa tre cose lui response denari, denari et denari; cosi interpreto le tre p., che vogliano dire potta, potta et potta; hor da questo bisogna guardarci, ma quando che questa è piu dolce che non è né cotognate né mele, se ben non havessi denti, me metteria a leccare; et, si ragionasse con persona che non fosse del mestiere, me vergognarei a dir simil porcarie, ma so che lei non se scandalizzará de cosa alcuna altra che l’avenga. Io l’expettaró a Bummarzo et Dio volesse che havesse un pr suo per vicino, perché crederei passar tranquillamente parecchie giornate, perché nel raccontarme le cose passate ne i soui viaggi, me parse un novo relasso. Quanto a levarme a bon hora, io son del suo parere: ogni volta che se dorme ben la notte; ma non dormendo a compimento, el stomaco me se debilita troppo, Hor li bascio le mani et non se scordi ongi volta che habbia otio de darmi nova del fatto sua. Sor più a lei che a tutto il collegio de Cardinali Vicino Orso«

»Mein Herr, ich hatte ein so außergewöhnliches Vergnügen beim Genuss der Sachen, die Ihr mir geschickt habt, dass ich vermeinte, die hesperidischen Äpfel, um die Herkules mit dem Drachen gekämpft hatte, können nicht anders geschmeckt haben, aber indem sie wie Nektar übersüß sind und jedes Mal noch mehr wenn ich davon genieße, [muss] ich mich für einen Halbgott halten, weil sie, um die Wahrheit zu sagen, viel zu gut für ein Geschöpf der Wälder wie mich sind, darum halte ich es wie einer dieser Satyrn, die zwar nicht mit Jupiter an der Tafel sitzen, doch kommen, um die Suppe aufzuschlecken, die übrig geblieben ist. 427 Was die drei p.p.p. betrifft, wegen der Ihr mich um meine Meinung gefragt habt, [möchte ich sagen] dass Euer Hochwohlgeboren kein guter Interpret sind, indem sie sagen: Fisch, Schwein[efleisch] und Nudeln [Pesce, Porco, Pasta]; dagegen ist die Auslegung, die ich Ihnen gebe, der des I. Trivultio angelehnt, der als König Franz ihn fragte, was er für den Krieg um das Fürstentum Mailand benötige, antwortete: drei Dinge, mein Herr, und auf die Frage, welche diese drei Dinge wären, ihm wieder antwortete: Geld, Geld und Geld. Demgemäß würde ich die drei p. als Potta, Potta und Potta [ein vulgärer italienischer Ausdruck für das weibliche Genital, Anm.] interpretieren. Das ist meine Einstellung zu einer Sache, die, wenn sie mich aufgrund ihrer Süße der Zähne beraubte, weil sie noch süßer ist als dieses Quittenmus und jene Äpfel, ich auch zahnlos noch naschen käme; für diese Schweinereien, die ich nur mit Ihnen als Gleichgesinnten bespreche, müsste ich mich schämen, wenn ich nicht wüsste, dass Sie sich nicht wegen Ihrer Bindung zum päpst­lichen Palast [künstlich] aufregen. Ich erwarte Sie in Bomarzo [Bummarzo!] und Gott gebe, dass [das vicino bezieht sich sprachwitzig auf den Aufenthalt bei und die Nähe zu Vicino] […] wir ein paar ruhige und entspannte Tage verbringen, wenn Ihr mir von Euren Erlebnissen auf Euren Reisen erzählt. Was das zeitige Aufstehen angeht, bin ich Ihrer Ansicht: des Nachts gut zu schlafen; weil, wenn man nicht völlig ausgeschlafen ist, der Magen geschwächt wird. Jetzt küsse ich Ihre Hände und vergessen Sie nicht, wenn dazu Muße ist, mir Nachricht über ihr Wohlergehen zukommen zu lassen. Mehr der Ihre als des ganzen Kardinalskollegiums Vicino der Bär«



Im etruskischen Orkus 227

• Marmorner Cippus in der Tomba dei Rilievi, Cerveteri, Banditaccia

Dromos Mit dem Abstieg zur tiefsten Stelle des Terrains werden die etruskischen Anspielungen sinn­gemäß zu solchen auf die Unterwelt. Überall, wo er vom bezeichneten Weg abkommt – oder auf solche Verirrungen abgestimmt – entdeckt der Wanderer Hinweise auf die geheimnisvollen Grabstätten. In den etruskischen Orkus gelangten die Gäste Vicinos durch die Nachbildung eines traditionellen Dromos, von dem heute nur mehr eine steinerne­ Stufe zwischen dem steinernen Baum auf der rechten­und einem überdimensionaler Cippus auf der linken Seite erhalten sind. Die Szenerie einer der ruinenhaften Totenstädte ließ sich im felsigen Gelände mit etruskischen Relikten wie eben Cippi, Mundi oder einfachen Nischenformen – von Bäumen überwuchert und, scheinbar halb ver­ fallen – glaubhaft verwirklichen. Wie die anderen monstra ist auch der künstliche­, aus dem gewachsenen Stein skulptierte Baum darum ein Naturwesen, Astolfo, der von der lüster­ nen­Hexe Alcina verwandelt worden war und nun die Eintretenden mit einer Inschrift auf seiner Baum­k rone ansprach. Einzelne Buchstabenreste ergeben heute keinen Zusammenhang mehr, beziehen sich aber vermutlich auf den 6. Gesang des Orlando Furioso von Ludovico Ariost.397 Außerdem ist die steinerne Abbildung als Arbor Philosophiae

• Im etruskischen Orkus:

Terrain des etruskischen

Reste der ehemaligen

Orkus wurden verschiedene

Eingangssituation, die aus

undefinierbare Löcher

einer markanten Schwelle

und Strukturen gefunden,

und links einem monumenta­

die Vorrichtungen für die

len Cippus und rechts einem

Nachstellung etruskischer

Baum, alles in massivem

Kulthandlungen gewesen

Stein, bestand. Im ganzen

sein dürften.

eine hermetische Anspielung auf die sieben Metalle (Läuterung), die sich überdies noch mit der Legende von Attis und Kybele vermischt, womit eine weitere infer­nalische Liebesbeziehung in den mythischen Kosmos Bomarzos integriert ist.398 Dagegen handelte es sich beim Cippus um ein wortwörtliches Zitat etruskischer Grabanlagen. Selbstverständlich wählte Vicino diese Form, die den männlichen Grabstätten zugeordnet war, für den Eingang in seinen etruskischen Orkus.399 Mit seiner deutlichen Schrägstellung blendet sich der Cippus im Kontext der Ruine als Relikt und Produkt eines Prozesses in das allgegenwärtige Thema des von der Zeit gleichsam überwundenen und überformten Menschenwerkes ein. 400 Der als Ruine geplante und ausgeführte Dromos war jene charakteristische, gangartige »Zugangs­ passage«401 zur Kammer.

• Im etruskischen Orkus: steinerner Baum

• Im etruskischen Orkus: Pegasus auf dem Helikon

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Im etruskischen Orkus

Helikon Durch diesen künstlich natürlichen Gang des Dromos gelangt der Wanderer in ein ebenso künstlich-natürliches System von Plateaus, die in dieser­ Art der Schichtung wie sich mit doppelten Böden öffnende Erdformationen wirken­. Gleich nach dem Eintritt findet sich der Wanderer an einen der ursprünglichsten arkadischen Orte, den Helikon, versetzt. Der sogenannte »Pferdchen­brunnen« war ein Produkt der zweiten, idyllischen Bauphase, 402 die mit der Aufstauung des Sees verschiedene Wasserspiele errichtete. Die weitläufige und figurenreiche Anlage eines breiten Wasserbassins mit einem kleinen Berg in der Mitte, auf dem gerade Pegasus seine Flügel ausbreitet, um sich in die Luft zu erheben, vereinigte auf dem weiten Rand der Brunnenschale die Musen, die von vier männ­ lichen Göttern begleitet werden. Wieder gibt eine, wenn auch unklare Federzeichnung Giovanni Guerras entscheidende Hinweise zur I. Ordine, der ersten Aufstellung des »Pferdchenbrunnens« vor dem Erdbeben und dem Abtransport der Figuren. Die neun Töchter des Göttervaters Zeus und der Mnemosyne, die wiederum eine Tochter des anfänglichen Paares Uranos und Gaia war, heißen nach Hesiod (Theo­gonie 77–79), den sie selbst zu (ihrem) Dichter berufen hatten: Klio, Euterpe, Thalia, Melpomene, Terpsichore, Erato, Polyhymnia, Urania und Kalliope. Sie wohnen an antiken Stätten, auf Bergen in der Nähe heiliger Quellen wie der Hippokrene oder der kastalischen Quelle. Herodot benannte die neun Bücher seines Geschichtswerkes nach ihnen und die erste antike Universität in Alexandria hieß nach ihnen Museion. Der Zeichnung Guerras nach zu urteilen hielt sich Vicino an die übliche Bezeichnung der Musen vermittels verschiedener Attribute: Erato (Liebesdichtung – trägt und spielt ein größeres Saiteninstrument), Urania (Astronomie – zeigt mit einem Stäbchen auf die Himmelskugel in ihrer Linken), Klio (Geschichtsschreibung – Papierrolle und Behälter), Kalliope (epische Dichtung – Efeu­ kranz und Schriftrolle), Melpomene (Tragödie – Haupt mit Weinlaub und Trauben geschmückt,

in der Rechten trägt sie eine tragische Maske, in der Linken ein Schwert; auch Maske in der Linken und Keule in der Rechten; nachdenklich gebeugtes Haupt und Fuß auf Felsblock aufgestützt), Euterpe (ihre Tätigkeit ist nicht bekannt, aber sie hält eine oder auch zwei Flöten), Terpsichore (Tanz – Lyra spielend und dazu tanzend, den rechten Arm entblößt – »Sie ist, gleich Erato, eine Muse des Tanzes und der erotischen Dichtung«), Thalia (Komödie – auf einem Felsen, Helikon oder Parnass, sitzend­, mit einer Handpauke in der Linken und in der Rechten einen Hirtenstab, Haupt mit Efeu bekränzt, neben sich hat sie eine komische Maske, ihr Ober­ gewand kann mit Fransen besetzt sein), Polyhym­ nia (Mythologie – reich verhüllendes Gewand, den



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• Giovanni Guerra, »I. ORDINE DEL FONTE CABALLINO DI BVONMARTIO CONTIENE OLTRe ALLE MVSE NELLI QVATRO ANGOLI FVOR DEL GIRO FIGVRA DI GIOVE APOLO BACCO E MERCVRIO«, (übers.: Erste Anordnung des Pferdchenbrunnens von Bomarzo. Enthält alle Musen und außerhalb ihres Kreises Figuren von Jupiter, Apoll, Bacchus und Merkur), 16. Jhdt., Federzeichnung Albertina, Wien

• Im etruskischen Orkus: Pegasus auf dem Helikon

Zeigefinger am Mund und die Hand mit gespreizten Fingern auf dem Leib!). 403

• Geflügelte Pferde vom Giebel eines etruskischen Tempels in Tarquinia

Die Zeichnung Breenberghs, die als Vorlage für das Gemälde »Cimon und Iphigenia« diente, zeigt, dass der Abfluss des Wassers »auf ganz natürliche Weise« geschah: Eine leichte Schrägstellung des Beckens ließ das Wasser graziös über den Rand der Schale in den kleinen Fluss zurückfließen.

Pegasusbrunnen, die die Villa als Museion, als Heimat der Künste405 charakterisierten. Die Gleich­ setzung der zeitlosen­Villeggiatura mit der Heimat der Musen als Hüter­innen der Kunst sprach dem Land­leben eine neue Wertigkeit zu:406 Die Ars Vivendi einer ursprünglichen, Leib und Seele wieder vereinenden Lebens­weise war als neuplatonischer Hieros gamos zum erklärten Ziel des zivilisatorisch verunstalteten Menschen geworden.

Für den komplex denkenden neuplatonischen Freundeskreis Vicinos war der anmutige Tanz der Musen auf dem breiten Rand des Brunnen­beckens nicht ein naiver Reigen liebreizender, leichtbeklei­ deter Mädchen, sondern drückte geistige Beflü­ge­ lung und »geistiges Streben«404 aus, die immerhin männliche Tugenden waren und durch die vier männlichen Gottheiten gewährleistet, die an den Ecken eines imaginären Qua­drats den erlauchten­ olympischen Kunstkreis vervollständigten. Sowohl in Tivoli, Pratolino und natürlich Bagnaia gab es

Nur aus der Perspektive des Städters wurde das Land zum Ort der Kontempla­tion und die Natur zur Lehrerin der Künste – das lebenspendende Wasser der Brunnen – aqua fons vitae – stellte sinngemäß die Inspirationsquelle des Intellekts und der Künste dar. 407 Dieser faszinierend (be-)sinnliche und durchgeistigte Ort, dessen Ikonografie vom Wechselspiel zwischen Natur und Kunst, arte und inganno, bestimmt wurde, war vorerst nicht mehr als ein romantisches Ausflugsziel, zu dem man vom gegenüberliegenden Hügel mit dem Palazzo

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Im etruskischen Orkus

• Bartholomeus Breen­

Ducale aufbrach: »Minerva […] begibt sich auf dem ersichtlich kürzesten Weg übers Meer nach Theben und auf den Helikon, den Berg der jungfräulichen Musen. Dort angekommen, machte sie halt und sprach so zu ihren verständigen Schwestern: ›Mir ist das Gerücht von der neuen Quelle zu Ohren gekommen, die das Flügelross der Medusa durch einen kräftigen Hufschlag hervorbrechen ließ. Darum komme ich hierher. Ich wollte das Wunder betrachten, da ich den Pegasus selbst aus dem Blut seiner Mutter408 entstehen sah‹. Ihr antwortete Urania: ›Welcher Anlass dich, Göttin, auch in unsere Behausung führt, du bist uns von Herzen willkommen. Wahr ist auch was du vernommen hast: Pegasus ließ diese Quelle entspringen‹. Darauf führte sie Pallas zu den heiligen Wassern; diese aber betrachtete lange den durch einen Hufschlag entstandenen Quell, blickte dann rings auf die Wälder mit ihren uralten Bäumen, auf die Höhlen und auf die mit zahllosen Blumen geschmückten Wiesen und pries die Musen glücklich, sowohl ihrer Beschäftigung wie wegen ihres Aufenthalts.«409

bergh, »Bomarzo mit Pegasus­­brunnen«, 1625, Federzeichnung British Museum, London • Bartholomeus Breen­bergh, »Cimon und Iphigenia«, 1644, Öl auf Leinwand. Detail des Pegasusbrunnens­; man erkennt in der Ver­­ größerung wie das Wasser auf ganz natürliche­ Weise – durch die leichte Schräg­ stellung der Brunnen­ schale – in die kleine Schlucht abfloss.

Der idyllisch-irreale Aspekt des lieblichen Wunsch­ raumes um die Heli­kongruppe wurde im hermetischen Zusammenhang mit den arkadisch-unterweltlichen Elementen zu einem Motiv etruskischer Jenseitsfreuden. Obwohl geflügelte Pferde keine spezifisch etruskischen Themen, sondern ebenso der späteren römischen Kultur geläufig sind, gab es immerhin formale Vorgänger, wie die berühmte Gruppe der geflügelten Pferde vom Giebelfeld des Tempels in Tarquinia und natürlich das Giebelfragment der Tomba Ildebranda in Castel dell’ Asso, das gleich mehrere Flügelpferde zeigt. Im Zusammenhang mit den ägyptisieren­ den Elementen ist eine Illustration der Hypnero­ tomachia erwähnenswert, die ein Flügelpferd in der »kolossalen Pyramide« abbildet.



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Tartaruga Unleugbar, denn nichts anderes konnte das Vor­ bild für diese inventio gewesen sein, kannte Vicino Orsini die berühmte etruskische Nekro­ pole in Cerveteri. In Anbetracht seiner Interessen und seiner Identifikation mit der etruskischen Kultur war es naheliegend, dass er von den wie riesige Urzeittiere einer grauen Vergangenheit kauernden Tumuli, deren Kuppeln wie Panzer von Riesenschildkröten wirken, so beeindruckt­ war, dass er ihre Metamorphose in seinem Wäld­­­­chen vor sich gehen ließ. Die zoomorphe­ Umdeutung des Todesmotivs in ein Symbol der Langlebigkeit und sogar der Ewigkeit war eine manieristische Meisterleistung. Die formale­Asso­­ zi­ation mit dem lebendigen Symbol der Unsterb­ lichkeit und Fruchtbarkeit 410 wurde zusätzlich­ von Nachrichten aus der Neuen Welt über mythische Riesenschildkröten 411 mit neuem Leben erfüllt. Gerade weil sie nicht vorgab selbst eine Antiquität zu sein, sondern sich auf der Grund­­ lage der antiken Vorlage als etwas völlig­Unerwar­ tetes, ja Sensationelles und intellektuell­Über­ dimensioniertes präsentierte, überbot die Schild­ kröte Bomarzos die überall im Wäldchen verteilten etruskischen Anspielungen. Die befremdliche Blaufärbung transponierte die Tartaruga – noch dazu als weibliches Äquivalent des Tartaros – auf eine andere Ebene der Wahr­nehmung. Die Verfremdung war zunächst eine formale, als die Schildkröte eine Nachbildung der charakteristischen Form der Tumuli ist und sogar die unteren Platten des Schildkrötenpanzers, mit ihrem zum breiten Streifen vereinheitlichten Muster, dem wulstförmigen Abschluss der Tumuli entsprechen. Die blaue Färbung hingegen war »echt«, als sie das eigentümlich blaue Dämmerungslicht nachahmte, das heute noch die Nekropole von Cerveteri seltsam unwirklich erscheinen lässt.

der sich zudem als ein mit Weisheit ausgestattetes­ Wesen aus grauer Urzeit zu erkennen gab:412 was den Tod ausmacht, nämlich Leb- und Bewegungs­ losigkeit, verwandelt sich in der Riesen­schildkröte, die wie aus einem jahrtausende­langen Schlaf erwachend, Kopf und Beine unter dem Panzer hervorstreckt, ins Leben zurück. Diese beängstigende Assoziation wird durch die Flötenspielerin, die aus dem sinnenfrohen Jenseits der etruskischen Grabkunst stammt, in ihr Gegenteil verkehrt und verbindet sich dadurch dem lustvollen­Höllen­ schlund am arkadischen Feld. Wie die Tartaruga scheint sie sich verlebendigt zu haben und – indem sie das plumpe Tier nur mit einer (sic!) Fußspitze auf der Kugel berührt, oder vielmehr gerade im Abflug begriffen ist – als Triumphantin über Tod und Zeit. Mit ihrem ungestüm wegwehenden­ Gewand­­bausch bildet sie den deutlichsten Kontrast zur Schwer­f älligkeit und Erdgebundenheit des Urzeit­tieres. 413 Der massive Schildkrötenpanzer betont diese Wahrnehmung, die eigentlich nicht mit dem posaunenden nackten Knaben auf einem Holz­schnitt der Hypnerotomachia zu vergleichen ist, der ebenfalls mit nur einem Fuß auf einer Kugel balanciert. Dennoch trug auch dieses Vorbild

Die Evokation einer alten Friedhofstätte kulmi­ nierte in der Vorstellung, dass darin etwas zum Leben erwache und erschuf die beunruhigende Chimäre des plötzlich sich regenden Tumulus,



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• Im etruskischen Orkus: Wie die anderen Hauptgruppen war auch die Schildkröte im 16. Jhdt. farbig gefasst: in diesem Fall in Blau, der Farbe der Melancholie. • Cerveteri, Banditaccia: Tumuli in der etruskischen Nekropole des antiken Caere

• Cerveteri, Banditaccia: Tumuli in der etruskischen­ Nekropole; Aufnahme vor Sonnen­untergang • Cerveteri, Banditaccia: Tumuli in der etruskischen Nekropole; Aufnahme kurz nach Sonnen­untergang

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Im etruskischen Orkus

Sinnbild der mysteriösen Erdtiefe die riesenhafte Version Bomarzos beeinflusst haben könnte. Motive der tiefen Irritation wie der eine Fuß Fortunas im schaukelnden Boot, aber auch die Kugel als Inbe­ griff des ständigen Wandels dürfte Vicino in Venedig gesehen haben, wo sie um 1490 Giovanni Bellini seiner Interpretation einer Fortuna-Melan­ cholie (sic!) als Attribut ihres Geisteszustandes hin­ zugefügt hatte. 416 Wieder gibt eine Zeichnung Giovanni Guerras Aufschluss über die Konzeption der Figur als Mischung verschiedener Allegorien. Seine Zeich­ nung wird von der Breenberghs bestätigt, die heute im Louvre bewahrt wird. Beide bilden die Figur übereinstimmend mit einem doppelten Blasinstrument ab, keiner Posaune, sondern­einem etruskischen Subulo, dessen mystische Klänge wohl auch hier erklangen, um den Triumph der Lust stilvoll zu verkünden­.

seinen Teil dazu bei, die Gäste Vicinos unsicher­ zu machen, ob die Instabilität der allegorischen Musikantin vom Fliegen, Taumeln oder gar Stürzen herrühre. Somit waren Interpretationen nach allen Seiten offen und wirkten sich auf die Namens­ gebung der Gestalt als Nike414 (Victoriahaltung, wehendes Gewand und Kugel), Fama (Flügel und Posaune) oder auch Fortuna (Kugel)415 aus.

Die Personalunion von Fama, Fortuna und Nike überflügelte und überhöhte sowohl den Helikon mit den Musen als auch die Tartaruga mit der Orka, die als rebusartig verschlüsselte Hinweise auf überzeitlichen Ruhm und jenseitige Lust verstanden werden wollten. Diese Personalunion war die etruskische Antithese zur christlichen Auffassung.

Den aufmerksamen Betrachtern und dem engsten­ Freundeskreis war die Anleihe bei der Pinturicchio zugeschriebenen Darstellung der Storia della fortuna­(der Geschichte der Fortuna) am Boden des Sieneser Domes unübersehbar: Die Allegorie des wandelbaren und unsicheren Glücks ist als nackte Frau mit einem weit nach hinten sich blähenden Segel dargestellt, die mit dem linken Fuß auf einem im Wasser schwankenden Boot steht und mit dem rechten wohl auf dem festen Land, jedoch auf einer Kugel. Wenige Schritte weiter kriecht eine kleine Schildkröte, deren Auslegung als machtvolles Wesen außerhalb von Raum und Zeit sowie als



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• »FESTINA TARDE«, Hypnero­ tomachia Poliphili, 1500, Holzschnitt • »Storia della fortuna«, Fußboden im Duomo di Siena, 1505

• Bartholomeus Breenbergh, »Tartaruga«, um 1625, Feder­ zeichnung, Louvre, Paris Gut zu erkennen die labile Haltung der Figur, die den etruskischen Subulo spielt, der im etruskischen Ritus unverzichtbar war. Der Klang des Holzblattinstruments ist zugleich erhaben und orgias­ tisch und hat eine gewisse, wenn auch sehr viel ele­ gantere Ähnlichkeit mit den Sack­pfeifen respek­tive dem Dudelsack, den Madruzzo seiner Papacqua hinzufügte (siehe dazu Gedanken­ sprung: Die Papacqua des Cristoforo Madruzzo, S. 294–301) – vgl. dazu auch die Zeichnung Guerras. Im Hintergrund rechts neben dem Schildkröten­panzer die ehemalige Staumauer mit dem Aussichtsplatz auf den etruskischen Orkus.

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Im etruskischen Orkus

Im Kontext mit Melancholie verband Vicino das Attribut der Kugel schicksalhaft mit der mythologischen Gestalt der Tyche oder Nemesis, die zur Zeit Vicinos die Gemüter bewegte: »Tyche ist in ihrem Tun völlig unberechenbar. Ihr Spielzeug ist ein Ball, der die Zufälligkeit des Glücks darstellt. Aber sollte ein Sterblicher, dem sie ihre Gunst erwiesen hatte, sich seiner Reichtümer brüsten und nicht den Göttern einen Teil davon opfern oder damit die Armut seiner Mitbürger lindern, dann greift die alte Göttin Nemesis ein und erniedrigt ihn.«417

• Im etruskischen Orkus:

• Posaunenblasender Putto,

Tyche auf der Schildkröte

Hypnerotomachia Poliphili, 1500, Holzschnitt

• Giovanni Guerra, »Tarta­ ruga«, Ende 16. Jhdt., Federzeichnung Albertina, Wien • Im etruskischen Orkus: Zugang unter die Tartaruga

Der einmal hierher gelangte und der Faszination des Grabraubes erlegene Wanderer ließ sich wohl kaum davon abhalten, den kleinen getreppten Abstieg zu betreten, wie er ähnliche bereits in den etruskischen Totenstätten Norchias, Bleras oder San Giovannis, in der direkten Umgebung Bomarzos, erkundet hatte.

Orka Also stieg der Gast Vicinos in den kleinen Gang ab, der nach wenigen Stufen scharf nach links biegt und ihn ganz und gar unerwartet in das weitauf­ gerissene Maul einer Orka blicken ließ, die gerade aus dem schäumenden Wasser des Flusses auftauchte. Das aufgewühlte Meer war eines der Wasser­­spiele, die mit dem aufgestauten­und in einem Schwall wieder entlassenen Wasser des Stausees erzeugt werden konnten und in diesem­ Falle die Orka sprudelnd und gischt­umtobt aus der Tiefe des Meeres auftauchen ließ. Die Reflexionen über diesen­Abstieg, der nicht, wie der Höllen­ schlund, angenehme Perspektiven eröffnete, sondern den schrecklichen Anblick eines zähnestarrenden Meeresungeheuers, waren selbstverständlich hermetischer­Natur. Die männliche Urangst, die in der zoomorphen vagina dentata 418 ihren sprechendsten allegorischen Ausdruck fand, verbindet sich darin sogar dem Aktaionmythos. In der Symbolik der Höhle, die als Ort des Todes und der Geburt gilt, und über die Metapher des platonischen Höhlengleichnisses sogar als Ort der Erkenntnis, verweist die begehbare Grabinstallation der Kröte auf die anderen­, ebenfalls begehbaren unterweltlichen Orte der Verschlingung, Rückführung und Erlösung. Die Kröte als direkte Analogie zum weiblichen Geschlecht ist motivisch ein Zentrum wie der Höllen­schlund und die Gigantomachie.

• Im etruskischen Orkus: Blick aus dem Geheimgang in das weit aufgerissene Maul der Orka • Im etruskischen Orkus: Rückkehr aus dem Tartaros

Nymphäum

Der Weg wird unausweichlich. Der Wiederaufstieg aus dem Schoß der Erde führt am Helikon wieder vorbei und durch den Dromos aus dem etruskischen Orkus heraus, und der Adept findet sich auf einmal in einem idyllischen, von überwucherten Grotten und mit Steinbänken, Nischen und Wasserbecken gerahmten Weg.

• Auf dem Weg im Nymphäum

Nymphäum 243

Drei Grazien

• »Drei Grazien«, antikes Fresko aus Pompeji Museo Archeologico Nazionale, Neapel • Im Nymphäum: Drei Grazien

Die Wegführung wie durch einen landschaft­lichen Korridor lässt keine Wahlmöglichkeiten und kein Verirren mehr zu. Kaum hat der Wanderer den etruskischen Orkus verlassen, erblickt er zu seiner­ Linken drei nackte Mädchen, deren robuste Formen wenig mit den antiken Darstellungen der Drei Grazien gemein haben. Wie in einem natürlichen und doch exquisiten Heiligtum stehen­sie in der mittleren der drei Nischen, die als Tryp­tichon in den gewachsenen Felsen eingemeißelt sind. Kleine Vorwölbungen am oberen Rand der Konchen (sic!) erinnern an Venusmuscheln und verleihen den Grazien jene ganz besonderen, anmutigen und mystischen Konnotationen. Die linke und die rechte Grazie hielten Gefäße (Krüge?), aus denen Wasser floss – Wasserspiele, die die drei Mädchen als Naturgottheiten eines ganz außer­gewöhnlichen Ortes erkennen ließen.

An dieser dunklen und nur von Lichtreflexen erhell­ten Stelle wirken sie geheimnisvoll und viel­ schichtig, wozu die Wasserspiele das Ihre zur Ver­unklärung beitrugen. Offenkundig sollte sich der Gast Vicinos an die Wandgliederung der südwestlichen Terrasse des Palazzo Ducale und die dort angebrachten Sprüche erinnern. Das durch seine ungelenke Anmut reizvolle Relief leitete­ die Auflösung der menschlichen­Existenz im Göttlichen ein und bereitete den Initianten ent­ sprechend vor. Die Drei Grazien bildeten die neuplatonische Trinität aus Pulchritudo/Venus, Castitas und Voluptas, die dem weiblichen Idealtypus der Nymphe Polia in der Hypnerotomachia entspricht: Als die traditionellen Begleiterinnen der Venus, deren Kult dem der Diana diametral entgegengesetzt ist, geben sie dem Ort eine erotische Umdeutung. Freilich nähme eine solche Lesart nicht Bezug auf die ursprüngliche Artemis als orgiastische Göttin 419 und immerhin könnte die Dreizahl der antiken Mädchen nach Pausanias auch als Triade der Musen gedeutet werden, die als »Dreifaltige Göttin des Geheimkults« verehrt wurden. 420 Derartige Verbindungen, die immer mitgedacht wurden, besaßen jedoch nicht mehr als nur einen bekräftigenden Wert.

244 Nymphäum

Die Haltung der Drei Grazien, von denen sich die mittlere CASTITAS den beiden anderen zuwendet­ und, im Unterschied zum antiken Vorbild, die linke PULCHRITUDO/VENUS anblickt, ist ein unschein­ bares Detail, das die umso bedeutendere Erkenntnis nach sich zieht, dass es hier um Geheimnis und seine Bewahrung gehe. Der Philosoph Marsilio Ficino hatte sich intensiv mit dem Phänomen des Eros auseinander­gesetzt. Neuplatonische Schriften und Bilder überlieferten antike Vorlagen nicht ohne sie für den christlichen Gebrauch zu adap­tieren. Die Erläuterung ihres Hauptsatzes gelang anschaulich durch die Aufspaltung der Anmut in ihre sinnlichen Vermitt­lerinnen, deren Beziehung unter­einander dem höheren­Sinn der Gottesschau diente. Dafür bot die antike Gruppe der Drei Grazien den geeigneten Vorwand. Im Zentrum stand Amor (Liebe), die von Pulchritudo (SCHÖNHEIT) und Voluptas (BEGIERDE) begleitet wurde. Der »Blickkontakt« zwischen Amor und Voluptas deutete die Bezie­hung

an: »Amor igitur in volup­tatem a pulchritu­dine desinit.« (Die Liebe entspringt aus der Schön­heit und endet im Genuss.)421 Marsilio Ficino hatte es in epigrammatischer Kürze zusammengefasst: »Cum amorem dicimus, pulchritudinis desiderium­intel­ligite.« (Wenn wir von Liebe reden, müsst ihr darunter das Verlangen nach Schönheit verstehen­.)422 In dieser Auslegung blickt die mittlere Grazie, Amor, jedoch nicht Voluptas an, die den Vorbeigehenden mit Wasser aus ihrer Scham bespritzte, 423 sondern Pulchritudo! Ebenso könnte eine Medaille Pico della Mirandolas die das Motiv der Drei Grazien als CASTITAS/PULCHRITUDO/AMOR auslegte, vor­ bildlich­gewirkt und die Gruppe ganz neu als die Schönheit (des Geistes) interpretiert haben die auf das keusche Schweigen der hier Einzuweihenden angewiesen ist.

• Vorbild für das Nymphäum Bomarzos dürften wohl auch die faszinierenden, von Pflanzen überwucherten Ruinen der Villa Hadriana gewesen sein. Giovanni Battista Piranesi, »Ruinen einer StatuenGalerie in der Villa Hadriana in Tivoli«, um 1748 aus: Vedute di Roma, Bd. 2, 1835, Kupferstichkabinett, Staat­ liche Museen zu Berlin • Eine Rekonstruktion, die ohne die vielgerühmte fantastische Bepflanzung auskommen muss, soll hier die architektonische Struktur des sich im Berghang direkt unter der Tomba öffnen­den Nymphäums mit dem prächti­ gen Tonnengewölbe andeuten sowie den Abschluss des hei­ ligen Ortes mit einem halben, »eingestürzten« Triumph­ bogen, dessen schiefe (sic!) Funda­mente noch zu sehen sind. Das Gemälde Tizians (S. 255) und der Holzschnitt der Hypnero­tomachia (S. 260) als auch der Kupferstich (oben) der Villa Hadriana mögen der Imagination des Lesers hilfreich sein.

Wächterlöwen Wie die Nymphen den Poliphil, führen die Drei Grazien den Wanderer seiner Bestimmung entgegen. Sie bereiten ihn auf das Kommende, in diesem Falle die »Auflösung im Göttlichen«, vor. Klarerweise ist der Ort, an dem dies geschah, wieder ein verborgener und wird darum von zwei Löwen bewacht, die dem traditionellen oberitalienischen Typus der Wächterlöwen vor den Kirchen entsprechen und als zwei männliche Tiere vor dem Eingang in den heiligen Bereich wachen. Der hermetische Jäger sollte ihn ahnungsvoll betreten. Mit ihrer raubkatzenhaften Geschmeidigkeit, die durch die Kugel unter ihrer Tatze noch betont wird, verkörpern die Löwen den natürlichen Charme des Ortes, der schon durch die Drei Grazien und die sinnlichen Wasserspiele mit Venus in Verbindung gebracht wurde. Die neuplatonische Auslegung der naturrechtlichen Beziehung zwischen Keuschheit (castitas) und Begierde (voluptas), deren Konno­ tationen hier vermischt und ausgetauscht wurden, ist das Geheim­nis, das von den anmutigen, fast verspielt wirkenden Löwen gehütet­ wird.

•• Im Nymphäum: Wächterlöwen

246 Nymphäum

Nymphäum 247

Satiresse Die Eleganz der Löwen bildet den deutlichsten Kontrast zur Animalität der Satyrmädchen, der Satiresse, die als steingewordene Erotika vor dem Eingang in das Nymphäum lagern: Der reizvolle Gedanke, und noch mehr das Sitzen auf den schwellenden Formen der zarten Brüste und des fraulich gerundeten Bauches, der jedoch ab der weiblichen Scham in die zottigen Beine der Ziege übergeht und dann in die fedrige Struktur des Akanthus, der sich wieder­um wie ein Blatt nach innen zur Volutenform einrollt und somit offen lässt, ob es sich um eine Laune der Natur handelt oder um ein täuschend natürliches Werk der Kunst, gehört mit zur Fas­zi­nation eines Ortes, an den die Göttin kommt, um im Kreise ihrer Nymphen zu baden. 424 Sie heimlich in ihrer ganzen Schönheit zu belauschen und ihrer lunaren Geheimnisse teilhaftig zu werden ist mit der Vorstellung verknüpft, dafür mit dem Tod bestraft zu werden und stellt eine unmissverständ­liche Verbindung zu den anderen Unterwelten des Wäldchens her.

Wenn man von einer Aura des Ortes sprechen kann, dann trifft das für das Nymphäum Bomarzos zu. Selten ist es gelungen, die Anwesenheit der Gottheit so sinnenfällig zu machen. Eine einfache Verschiebung der Nischen und Bänke bildenden Einfassungen macht den Raum, den sie auf diese Art umschließen, zu einem Abbild des Numinosen. Die Formen assoziieren Formulierungen wie con­ clusus­oder sanctus, wobei ihre gewissermaßen formbare Konsistenz mit der Bedeutung des Ortes zusammenfällt, an dem sich die Gäste Vicinos an die Erschaffung des Menschen durch Prometheus erinnerten. 425 Die nur halbhohen Bänke, deren weiche, feminine Strukturen wie durch geologische Prozesse der Schichtungen von Lehmen und Tonen zustande gekommen wirken­, sind gerade soviel gegeneinander verschoben­, dass der Wanderer eine natürliche Ursache vermutet. Natürlich sind diese Strukturen wieder künstlich, als sie erneut das Ver­ wirrspiel von arte und inganno beginnen und den Betrachter ohne merklichen Aufwand und dennoch mit raffinierter Präzision in ihren Bann ziehen. Darin steht das Nymphäum in derselben Tradition wie das Schiefe Haus, der Höllenschlund oder das Plateau der Proserpina, die ihre Zauberkraft auf den über­tragen, der sie zu betreten wagt.

• Satiressa vor dem Nymphäum • Nymphäum von oben gesehen, links von der Bildmitte die Satiressa vor dem Nymphäum

Nymphäum 249

• Blick ins Nymphäum

250 Nymphäum

Im Nymphäum Das Nymphäum selbst war eine in den Berghang eingebaute und von diesem überwölbte Grotte, in deren geheimnisvollem Dunkel verschiedene, aus der Mythologie und der Hypnerotomachia vertraute Bilder entweder im Schein von Fackeln oder eben in mysteriösem Halbdunkel zu sehen waren. In kleinen Nischen stehen – wie es sich für ein Nym­ phäum gehört – nackte Mädchengestalten, die an die Nymphen der Hypnerotomachia erinnern – und ein Cippus, der wie ein Obelisk aussieht und ein offensichtliches Phallussymbol ist. Insbesondere die fünf Sinnenfräulein, die Poliphil im Reich der Königin Eleuterida 426, der Königin der Freiheit, willkommen heißen, kamen den bezauberten Gästen Vicinos dabei in den Sinn. Das Nymphäum ist eine Synthese aus Natur und Kunst, triebhafter Lust und maximaler Verfeine­ r­ung, die formal und inhaltlich die natürliche Grotte der Diana mit dem prächtigen Badehaus der Venus der Hypnerotomachia kombinierte. Die geistvolle Überwindungssymbolik des Cippus/Obelisk, der die Ausnahme in der reinen Frauen­runde ist, bestimmte die Bedeutung des Nymphäums als etruskischen Weisheitsort. 427 Vicino war der Held dieser Szenarios, was durch die halbrunden Rosen an der an der Rückwand und am Tonnengewölbe der Grotte, die Embleme der Orsini wie auch der Venus sind, noch zusätzlich bestätigt wurde. Geistreich und elegant wurde die Metamorphose des heiligen Bereiches zu einem Badehaus und Sinnenparadies, das sich dann noch einmal zu einem Ort tiefster Weisheit verwandelte, zur Metapher der individuellen Ent­w icklung und Vicino sein eigener Panegyriker. 428

Die freundlichen Sinnenfräulein bringen Poliphil in eine lustige Situation, als er von einem urinierenden kleinen Putto mit Wasser besprizt wird – in Bomarzo war dem Gast Vicinos dies bereits von der rechten Grazie VOLUPTAS angetan worden – daraufhin verwandelte die plötzlich aufkeimende Begierde den Poliphil zur Erheiterung der Fräulein »in einen Esel«, eine Anspielung auf die folgerichtige Entwicklung des Poliphil429 in der nächstfolgenden Station Ägypten in Etrurien. Im Nymphäum verband sich die exklusive Keusch­ heit (Castitas) der Diana mit den unterweltlich­ triebhaften Qualitäten der Venus (VOLUPTAS), deren Isis-Charakter hier erstmals anklang. In beste­ chen­der Ambivalenz wurde Diana 430 über ihre matriarchal-naturrechtlichen Aspekte einer Natur­ göttin sowohl mit Fruchtbarkeit, als auch mit Tod und Nacht identifiziert, was sie wiederum mit den anderen­Nachtgöttinnen wie Hekate und Proserpina mythologisch vereinte. 431 Das mythische Dunkel des Ortes vermischte sich assoziativ mit der in altorientalische Zeiten hinabreichenden Bedeutung der Göttinnen, die im Wäldchen als einem arkadischen, auf mysteriöse Weise durch die Jahrtausende erhalten gebliebenen Heiligtum noch immer verehrt würden. Mit subtilem Raffinement täuschten unterschiedliche Mauerungen auf dem natürlich gewachsenen Felsen glaubhaft einen autochthonen­ Kult vor. 432

Niedere Bänke, die mit geradezu fleischigen Voluten einzelne Sitzplätze formen, und somit einen ikonografischen Gleichklang mit den Satiresse vor dem Nymphäum erzeugen, besaßen damals kunstvoll-witzige Wasserspiele, mit denen Vicino seine illustren Gäste erschrecken konnte.

• Poliphil in einer reinen Frauenrunde im Badehaus, Hypneroto­machia Poliphili, Holzschnitt, 1500

Nymphäum 251

• Im Nymphäum: Cippus als Obelisk in der ersten Nische der Rückwand und Nymphen in den rechten, mittleren und linken Nischen der Rückwand

Eine mythologische Verbindung der Artemis zum Orsino besteht über die Fabel der Kallisto, eine der Begleiterinnen Artemis’, die von Zeus verführt und geschwängert, der Rache ihrer Herrin zum Opfer fiel. In einen Bären (sic!) verwandelt wäre sie – wie Aktaion – von den Hunden zerrissen worden, wenn Zeus sie nicht als Sternbild an den Himmel versetzt hätte. Ihr Kind, Arkas, wurde gerettet und zum »Ahnherrn der Arkadier« ,433 womit schon wieder eine bärenhafte Assoziation hergestellt war, die von Vicinos beeindruckten Gästen erörtert werden konnte. Dazu gehörten zweifellos auch die in Bärinnen, arktoi434, verwandelten Dienerinnen der Artemis, als deren männliches Gegenstück sich Orsini im Nymphäum darstellte. Antike Mythen und ihre neuzeitlichen Ver­arbei­ tungen wie etwa Brunos Heroische Leiden­schaften standen im Wäldchen gleich­berechtigt nebeneinander und ließen Parallelen zwischen der antiken Fabel und der eigenen Jagd nach Sinn ziehen: »Die Gedanken des Jägers, die hinter den Schönheiten der äußeren Welt her sind, werden im Angesicht der Nacktheit Dianas auf das Innere des erkennenden Subjekts zurück­gelenkt.«435 Die Ortsbeschreibung charakterisiert und deckt sich mit der der Gottheit und der ihres Reiches: »Dort sind die Nymphen, d. h. die glückseligen und göttlichen Intelligenzen. Sie helfen und dienen der ersten Intelligenz, die dort wie Diana unter den Nymphen in der Einöde weilt. Sie allein von allen ist aufgrund ihrer dreifachen

252 Nymphäum

Tugend fähig, jedes Siegel zu öffnen, jeden Knoten zu lösen, jedes Geheimnis zu entdecken und jeg­liche verschlossene Sache zu erschließen. Sie stellt durch ihre bloße Gegenwart und ihren zweifachen Glanz des Guten und Wahren, der Güte und Schönheit, Wille und Intellekt ganz zufrieden­, indem sie sie mit dem heilbringenden Wasser der Läuterung benetzt.«436 Dem Konnex, den die Heroischen Leiden­ schaften zu den neun Musen herstellen, entspricht die unmittelbare Nähe zum Helikonbrunnen: »Daran schließt sich ein Gesang und ein Vorspiel an, wo die neun Intelligenzen bzw. Musen in der Reihenfolge der neun Sphären auf­t reten­.«437 Die Interpretation des Badhauses als Grotte, die sich traditionell zum Belauschen und sogar zum Überfall auf weibliche Badende eignet, bezieht sich auf den Aminta Tassos. 438 Vor allem die Szene, worin der triebhafte und rohe Satyr die der Liebe abgeneigten Sylvia überfällt, und die vorangehen­den Szenen, in denen der ängslich­ liebende Aminta ermutigt und der lüsterne Satyr gerechtfertigt werden, waren allgemein bekannt. Eine ähnliche­Situation konstruierte die Hypnerotomachia Poliphili, worin Polia, die aus ganz anderen Gründen, nämlich weil sie an der Pest erkrankt ist, die Liebe flieht, an das Recht des Liebenden (Poliphil) gemahnt wird. Sein naturrechtlicher Anspruch wird noch durch die Szene untermauert, die Polia zur Zeugin von Eros’ Rache an zwei spröden Mädchen macht, und gehört mit

den ausführlichen Kapiteln über den enttäuschten Poliphil, dessen Briefe die angebetete Polia nicht beantwortet hatte, zu den biografischen Substraten, die Vicino Orsini in sein Wäldchen einfließen­ ließ. 439

Todessehnsucht repräsentierte, wurde durch eine Inschrift vertieft:

Während im Schäferspiel natürlich der rohe Satyr der feinsinnigen Nymphe nachstellt, begegnete Vicino in seinem Wäldchen zwei Satyrmädchen, die es – gleichsam spiegelverkehrt – auf ihn abgesehen hatten, wodurch nunmehr er zur Beute der sinnlichen Verstrickungen der Liebe und des Intellekts wurde. Wie die naturrechtliche Forderung im Aminta und ebenso in der Hypnerotomachia, die beide die Bestrafung derer fordern, die sich der Liebe verweigern, unterwarf sich auch der Gast Vicinos dem arkadischen­ Naturrecht und fand hinter diesem Aspekt noch eine andere Wahrheit, die die intellektuelle Dimension des alten Mythos betraf: die Auflösung im Nymphäum. Was die im Berg sich auftuende Grotte an gedanklicher und emotionaler Tiefe, an Geborgenheit und an Verschlingung, an Weisheit und an Wahnsinn, an Liebes- und an

IN DER HÖHLE DER QUELLE WO IHM… UND VON JEDEM DUNKLEN GEDANKEN HAT ES MICH…

l’antro la fonte il li…et d’ogni oscvro pensiero me gl…

Ohne weiteres entzifferte der Gebildete die Ikono­ grafie der dunklen Höhle als Verweis auf den Meister des Dunklen, Heraklit, der seine Schrift Von der Natur im Artemisheiligtum niedergelegt hatte, damit sie vor der Welt verborgen bliebe. In melancholischer Resignation und zynischer Welt­ entsagung hatte Heraklit sein Alterswerk in der Waldeinsamkeit (sic!) geschrieben und so verrätselt abgefasst, dass es allen Zeitgenossen, ja selbst Sokrates, unverständlich war. Nicht unpassend, und mit der ihm eigenen ironischen Selbst­ gefälligkeit, übertrug Vicino den Bei­namen des Philo­sophen »ho skonteios«, der Dunkle, auf sein Nymphäum.

• Im Nymphäum: Man erkennt, dass man damals zwei flache Stufen in das gepflas­ terte Nymphäum hinunter­ stieg, das genau unterhalb der etruskischen Tomba wie deren Kammer erschienen sein musste.

Innerhalb des Programms ist die Höhle eine weitere Anspielung auf alte Grabstätten und Schatz­­ gräberei, die mit zur Mystifikation des Mutter­ schoßes Erde gehört, aus dem alles hervorgegangen ist und wohin alles wieder zurück muss. Der initiatorische Wert der Geburtshöhle als Ort der Nacht, aus dem das Licht der Sonne sol salutis­geboren wird, ist in der unmissverständlichen Anspielung auf zuinnerst­Verborgenes und im tiefsten Inneren des Weibes zu Findendes enthalten und macht die Höhle zum Inbegriff einer Weisheit oder vielmehr Erkenntnis­, die nur im Schoße der Natur zu entdecken ist. Die verborgene und keusche Qualität der Wahrheit macht die vagina dentata zum Ort der (Neu-)Geburt. Der naturrechtliche Aspekt, der durch Keuschheit und Abwehr umso begehrenswerteren Erkenntnis, ist das Wesen der Göttin Diana und bestimmt das Nymphäum als Ort voyeuristischer und intellektueller Freuden: Das Studium der Antike und extra­vaganter Autoren sowie die hermetisch betriebenen Wissenschaften des adligen Freundeskreises kamen in der Vereini­g ung mit der Göttin zum erlösenden Ende. Der Tod des Jägers fiel mit dem Gewinn der letzten Erkenntnis zusammen. Die »geistige Jagd«, wie Giordano Brunos metaphysische Auslegung des Mythos lautete, nach der Aktaion von seinen eigenen Hunden getötet wurde, nachdem er Diana nackt im Bade erblickt hatte, stellte den durch göttlichen Zufall gelenkten Tod des Jägers in einem über­geordneten Zusammenhang dar: »In den Wäldern die Bluthunde und Wind­ hunde macht der Jüngling Aktaion los, da das Schicksal ihm einen Weg voll Zweifel und Unsicher­ heit weist, den wilden­Waldestieren auf der Spur. Und siehe: zwischen den Wassern den schönsten Körper, das schönste Gesicht, das Mensch und Gott je wohl zu sehen vermögen, in Purpur und Alabaster und feinem Gold sah er; und der große Jäger ward zur Beute. Den Hirsch, der zu undurchdringlicheren Orten leichteren Schrittes sich wandte, verschlangen bald seine vielen großen Hunde. Ich schicke meine Gedanken aus nach erlesener Beute, und sie, zu mir zurückgekehrt, geben mir den Tod mit grausam wilden­ Bissen.« »Aktaion steht hier für den Intellekt, auf der Jagd nach göttlicher Weisheit im Augenblick des

254 Nymphäum

Erfas­sens der göttlichen Schönheit.«440 Die natür­ lichen Metaphern des unwegsamen Waldes und der grausamen Jagdhunde drücken die Unsicherheit des Philosophen und sein Streben nach Erkenntnis aus. Im Angesicht der Göttin erkennt er die göttliche Weisheit Sophia im Spiegel der äußeren Natur und hebt den Schleier von ihrem lunarischen Mysterium, aber die Jagd verkehrt sich ihr Gegenteil, das was er gefunden hat ist Beute und Strafe zugleich: »Er sah sich in das verwandelt, was er suchte, und er merkte, dass er seinen Hunden, seinen Gedanken selbst zur ersehnten Beute wurde. Weil er nämlich die Gottheit in sich selbst zusammengezogen hatte, war es nicht mehr notwendig, sie außerhalb seiner zu suchen«. 441 In der Auslegung Giordano Brunos repräsentiert Aktaion den modernen Heros und Wahrheitssucher, der im Nymphäum das Ziel seiner Wünsche erreicht: »Hier endet sein Leben inmitten der verrückten, sinnlichen, blinden und fantastischen Welt und er führt nun ein geistiges Leben. Er lebt das Leben der Götter, nährt sich von Ambrosia und trinkt Nektar.«442 Der Suchende wird vor dieser Kulisse zum Jäger und Erkenntnis seiner Beute. Er unterwirft sich der Fiktion, indem er sich der melancholischen Überzeugung Vicinos anschließt und die Rolle des herausragenden und vergöttlichten Philosophen auf sich bezieht: der Wahrheitssuchende als antiker­ Heros, ein wohl sterblich geborener, aber durch Schicksal, Unglück und eigenes Verdienst unsterblich gewordener Halbgott, den die unsterblichen Götter in ihren Reihen aufnehmen. Die Auslegung des Aktaion-Mythos durch Giordano Bruno mischte sich nach dem Willen Vicinos mit etruskischer Sepulkralkunst, die ähn­liche Mythen kannte und auf das Todeserlebnis und einen überhöhten Jenseitsbegriff anwandte. Als Vor­lagen dienten etruskische Grabmalereien und Sarko­ phage, wie jener in Arezzo, vor allem aber dürfte wohl das berühmte Werk Tizians »Diana und Actaeon«, das wegen seiner topografischen und ikonografischen Übereinstimmungen am anschaulichsten die ehemalige Wirkung und Bedeutung des Nymphäums wiedergibt, Ursache und Wirkung der zeitgenössischen Arkadiensehnsucht gewesen sein.

• Tizian, »Diana und Actaeon«, um 1556–1559, Öl auf Lein­ wand, National Gallery of Scotland, Edinburgh

Nymphäum 255

• Im Nymphäum: der Delfinbrunnen

256 Nymphäum

Delfinbrunnen Zwischen dem Nymphäum und der kleinen­ Schlucht hatte sich ein mächtiger Felsen zur Gestaltung angeboten. Taktvoll, die geheimnis­­volle Atmos­phäre unterstützend, wurde aus dem massiven Felsen ein wannenförmiges Brunnenbecken herausgearbeit. Die Gäste Vicinos sahen sich angesichts des langsam mit Wasser vollaufenden Bassins an das Verrinnen der Zeit oder sehr sinnig – an ihren eigenen Untergang – gemahnt. Die inventio der freundlichen Meereswesen, die Wasser in ein steinernes Becken mitten in der Waldeinsamkeit spien und es so langsam zum Versinken bringen würden, war in der Bauphase des aufgestauten Flüsschens zunächst wohl nicht mehr als eine manieristische Spielerei, hatte jedoch mit der dritten Bauphase und der neo-etruskischen Jenseitsphilosphie die Bedeutung der verrinnenden Zeit erhalten. Nicht zuletzt und im übertragenen Sinne versinnbildlicht der Delfinbrunnen den Moment des vollständigen Verlorenseins, in dem menschenfreundliche Mittler zur anderen jenseitigen Welt auftauchen. Mehrere Nischenformen, wie sie Vicinos Gäste von den etruskischen Nekro­polen kannten, sind wie zum Beweis in den natür­lichen Felsen eingemeißelt. •

Für den gejagten Jäger lag das metaphysische Wasserspiel gefährlich nah am Abgrund und gestattete ihm kein anderes Entweichen als die Flucht nach vorne. Der Abgrund war ein unverzichtbares Motiv, aber während die Ensembles der Tomba und der Hekate auf den drohenden Absturz bezogen sind, verhindert das weite Becken des Delfinbrunnens dieses Unheil.

Nymphäum 257

Im Nymphäum: Delfin­ brunnen, Detail der Delfine • Delfine an der Catena d’acqua, Villa Farnese, Caprarola

VII. EXITUS Das Ende ist wie der Anfang

• Isis-Kore, ehemals Teil des Ensembles »Ägypten in Etrurien«, heute auf dem Weg zum Crucibile aufgestellt

Exitus 259

Ägypten in Etrurien Ein Eckpfeiler mit halben Bögen, eventuell als Ruine gebaut, war Abschluss und Ausgang aus dem Nymphäum und gab zugleich den Blick auf das Ende frei, das im Anfang beschlossen ist. Für den Adepten hatte das Staunen aufgehört und er sah sich mit Gleichmut im ägyptischen Bezirk am Ende seiner Reise angekommen. Ägypten war die alles auf- und erlösende Endstation, die jenes freie und wilde Arkadien ablöste, das kaum besser und atmosphärisch gelungener hätte dargestellt werden können als in jenem romantischen, halbschattigen Tal, in dem der Wanderer von einem sanften Wasserlauf, der immer wieder in breiten Becken gefangen wurde und in geheimnisvollen­ Grotten aus anthropomorphen Formen sprudelnd­ hervortrat, dezent geleitet worden war. 443 Wie die Schlange der Ewigkeit sich selbst in den Schwanz beißt, kam der Initiationsweg in seinem Anfang zu Ende. 444 Ein »kolossales Amphitheater«, wie es in der Hypnerotomachia Schauplatz der Vereinigung der Liebenden war, 445 stellte durch

• Ruinenlandschaft, Hypnero­to­machia Poliphili, Holzschnitt, 1500

260 Exitus

seine Anlage unterhalb des Plateaus der etruski­ schen Götter Vicinos Geschichtsverständnis einer arkadisch-ägyptisch-etrurischen Kontinuität dar. Es ist nach griechischem Vorbild in den Berghang hineingebaut und relativierte die bisher durch­ laufenen Stationen der Läuterung sowohl vor dem Hintergrund der antiken Tragödienspiele, als auch des Welttheaters. Der Brunnen im Zentrum des Amphitheaters, der im »Liebeskampftraum« Gegenstand detaillierter Beschreibungen ist, wurde in Bomarzo zu einem besonders raffinierten Wasserspiel als die leicht abfallende Orchestra, von Wasser überspült, der leichten Neigung des Schiefen Hauses in Gegenrichtung antwortete. Dieses Wasserkunststück beschloss die zahlreichen Wasserspiele, die als Motiv der Reinigung den Einzuweihenden von Brunnen zu Brunnen durch das Wäldchen bis zum Amphitheater geführt hatten. Nach der Hypnerotomachia vereinigen sich hier Poliphil und Polia im Isismysterium und werden zu Venus und Mars. 446 Der ägyptische Bezirk war ganz und gar dem renais­sancezeitlichen Mythos von der ägyptischen Arkanweisheit gewidmet, die als unüber­ treffbarer­Topos für die tiefste, geheimste und letzte Erkennt­nis gilt. Hermes Trismegistos beherrscht diese Region und ist die Inkarnation des Wissens schlecht­hin. Als neuplatonische Wieder­geburt des ägyptischen Thoth steht er den ägyptischen Priestern vor, die Magier, Astrologen, Ärzte und Naturforscher in einer Person waren. Sie galten als Experten der Naturbeobachtung und -beherrschung, was sie in den Ruf brachte, geheime Prak­tiken auszuüben, vermittels derer sie die letzten Geheimnisse des Lebens zu erkunden und sogar den Tod zu besiegen vermochten. Durchwegs alle antiken Persönlichkeiten, wie die Vorsokratiker, die ihre Thesen aus der Naturbeobachtung ableiteten und in immer gleich benannten Haupt­werken Über die Natur zusammenfassten, ließen es sich angelegen sein, Ägypten als das Land der Wunder (maraviglie­!) und ältester Weisheit zu besuchen. So wie das Land selbst zur Metapher geworden war, bedeutete die Reise dorthin einen initiatorischen Schub, der sich auf die Erkenntnisfähigkeit auswirkte­.447

Vicinos Gäste betraten einen architektonisch gestalteten Bereich mit Obelisken, Panhermen, IsisKoren, Jupiter-Ammonköpfen vor einer Isisgrotte und einem Theater, der mit dem Bild ägyptischer Authentizität übereinstimmte, das Vicinos belesene Zeitgenossen vor ihrem inneren Auge hatten. Die im Museum des Parks gesammelten Reste der ehemaligen Balustraden an Loggien, Aufgängen und Brunnen können mit der Bemerkung Vicinos in dem Brief an Alessandro Farnese in Zusammenhang gebracht werden: »[…] giungendo al boschetto trovai la loggia delle mie fontane che

va a terra« (»[…] fand ich, als ich das Wäldchen erreichte, die Laubengänge meiner Brunnen ab­gerutscht«). 448 Mehrere Löcher in der linken Mauer neben dem Amphitheater, die den Berghang abstützt, lassen­ Schlüsse auf die ehemalige Anlage zu (siehe Abbildung S. 291), die noch einen Aufgang auf das obere Plateau und zur Hekate hatte. Sie lag schicksal­haft in einer gewissermaßen drei­ dimen­­sionalen Weggabel und war Zentrum und Schwungrad des ganzen Programmes.

• Ägypten in Etrurien, Panoramafoto: Ruine der Isisgrotte, rechts oben ist der Kopf des Hermes Trismegistos noch in situ erhalten.

Exitus 261

Isis

Hermes Trismegistos

Beim Verlassen des etruskisch dunklen, »obskuren« Flusstälchens gelangte der Wanderer nicht direkt, sondern durch eine Art Schleuse in den ägyptischen Bezirk und durch eine besondere Eingangsituation zur Isisgrotte. Ägypten war der logische und psychologische Archetypus.

Die Auseinandersetzung mit Hermes Trismegistos als Vicinos geneaologischem und mythologischem Stammvater, der noch dazu sein astrologischer Herrscher war, bestimmte die letzte Station des Läuterungsweges. Unter Verzicht auf allzu offensichtliche, historische Kulissen spannte Vicino Orsini die Gebildeten unter seinen Besuchern in die atmosphärisch aufgeladene Intellektualität des Wäld­chens ein, wobei der Wechsel zwischen sanften­illusionistischen Tricks und ausgesprochen deftigen sensualistischen Schocks den Kontrast zwischen dem lieblichen und dem schrecklichen Arkadien auch sinnlich darstellte.

Das zeitgenössische arkadischen Stimmungsbild des Idylls, das sich aus der Wechselbeziehung zwischen Dichtung und Malerei ergeben hatte, 449 wurde in Bomarzo großen und katastrophalen Veränderungen unterworfen. 450 Wie im mittelalterlichen Lehrgedicht der Comedia waren Wildnis und Schrecken Ursachen und Wirkungen der Katharsis. Vicinos Wäldchen folgt ebenso dem Muster, nach dem die tiefe Beunruhigung traditionell in Ägypten beginnt und hier auch zu Ende kommt. Also bildete der »hieratische« ägyptische Bezirk das Allgemeinwissen oder, besser gesagt, die Vor­ stellungen der Renaissance ab. Im Stil der geheimnisvollen und magischen Schriftzeichen der uralten­, mysteriösen und darum schon als geistig über­­legen angenommenen Kultur entstanden hieroglyphisch verrätselte Bilder und Bildwörterbücher, die zur Illustration jedes gewünschten Inhalts dienten. 451 Die Hypnerotomachia bot auch hier wieder eine Vorlage. Das Phänomen der ineinander geschachtelten Bedeutungsebenen und sich überlagernden Sinnschichten war kaum an einem Kunstwerk der Wirklichkeit so evident wie in Bomarzo, das darin am ehesten den Werken der Malerei und noch mehr denen der Dichtung glich.

Die Überlieferung der Prisca Sapientia in einer arkadisch-ägyptisch-etruskischen Kontinuität war mythisch und historisch begründet. Der faszinierend hässliche und zugleich geistvolle Kopf am Kämpfer des rechten Pilasters neben der Isisgrotte war der Genius Loci, der das kleine Plateau bis zum Eingang mit den Sphingen überblickte. Die sardonisch-pantheistische Fratze war aus gleich mehreren Ikonografien abgeleitet: Vicino und Caro inspirierten sich an Ovids Schilderung im fünften Buch der Metamorphosen, worin der Dichter

• Hermes Trismegistos, Fußboden im Duomo von Siena, um 1480 • Ägypten in Etrurien: Isis in der Grotte, Detail

Exitus 263

beschreibt, wie die aus Angst vor dem erdgeborenen Typhon nach Ägypten geflohenen Götter sich in Tiere verwandelten, wobei Zeus-Jupiter selbstverständlich als Anführer figurierte: » ›Ein Leithammel‹, sagt sie [die Muse, die als Erzählerin auftritt], ›wird Jupiter. Daher wird noch heute der libysche Ammon mit krummen Hörnern dargestellt.‹ «452 Aus einem ikonografischen Handbuch kannten Vicinos Gäste die Schilderung eines Waldes, der dem ägyptischen­Ammon geweiht war und in dem ein Widder dem dürstenden Bacchus den Weg zu einem Brunnen wies. 453

• Vorwäldchen: Hermes Trismegistos, bemoostes und verschollenes Pendant auf der Rampe vor dem ehemaligen Eingang ins Wäldchen

Wie auf der Abbildung gut zu sehen ist, spien die Hermes-Trismegistosköpfe im 16. Jahrhundert Wasser in die wannenförmigen antikischen Becken, die heute zerbrochen im Bereich des ehemaligen Einganges liegen (siehe Abbildung S. 64). Die viereckigen Kopfskulpturen, die als Kämpfer­ steine der kleinen Tonne der Grotte eingesetzt sind, wirken völlig unklassisch und im wahrsten Sinne des Wortes manieriert, als sie eine selbstständige und dennoch eklektische, ganz und gar fiktive Idee als Person abbilden. Durchaus glaubwürdig und für den Eingeweihten offenkundig, verkörpert sich in diesem Gesicht, das zwischen der halb­tierischen Existenz des Jupiter-Ammon-Pan und dem Weis­ heits­gestus des Hermes Trismegistos oszilliert, die Idee eines universalen Allgottes.

264 Exitus

Unisono ließen die Prota­go­nisten der Renaissance den alten Hirtengott zu neuen Ehren kommen­, als sie den Tod des Großen Pan mit dem Vergehen der Antike gleichsetzten und im Kontext des Neu­ platonismus seine Rückkehr betrieben. Die dräuenden Stirn­falten des Pandeus und seine Herr­schaft im Goldenen Zeit­a lter des Wäldchens machen ihn zu einem Alter Ego des melancholischen Dis Pater vom Plateau der etruskischen Götter. Das Motiv des ägyptischen Ammon mit den Frucht­­girlanden an seinen Widderhörnern war daher viel mehr als die geläufige, dekorativ verwendete Floskel zeitgenössischer Gartenkunst. Auf der Grundlage der Verwandlungsgeschichte des höchsten Gottes zu einem Pan-Deus454 wurde die Groteske in der Definition Vicinos und Caros zu einem Abbild höchster Weisheit, wie es im elften­orphischen Hymnus heißt: »Pan rufe ich, den Starken, den Widder, der Kosmos Allheit, Der da ist Himmel, Meer, allherrschende Erde und unsterbliches Feuer; denn Elemente sind die Glieder Pans. […] Dem All entsprossen, Aller­ zeuger, vielnamiger Gott. Weltenherrscher, Mehrer, Lichtträger, Fruchtbringer, Paian, Grotten­wohner, Strenggesinnter, wahrer Zeus, Gehörnter.« Die überragende Stellung des zum Welten­herr­ scher avancierten Pan war als emblematisch ägyptisierende inventio des Pan Medicea geläufig, den Naldo Naldi als kosmischen Herrscher in einem panegyrischen Wortspiel mit Cosimo de’ Medici in Verbindung gebracht hatte. 455 Mit Hilfe der gelehrten Freunde und nach dem Vorbild des Florentiner Humanismus widmete sich Vicino in Bomarzo und vermutlich auch in Soriano der Wiederherstellung ältester Weisheit, wobei er als neuer Hermes mit dem Moses der Papacqua eine alchymische Personal­union bildete­. »In der Renaissance wird Pan nicht mehr als der chthonische, halbtierische Hirten- und Fruchtbarkeitsgott verstanden, sondern gilt, der spätantiken Interpretation folgend, die vom Namen Pan ausgehend den Gott als den Herrn des Alls betrachtete, als der umfassende Weltenordner.«456

• Ägypten in Etrurien: Hermes Tris­megistos, aus dem geöff­ neten Mund floss im 16. Jhdt. Wasser in eine heute nicht mehr rekonstruierbare Brunnenanlage, deren Reste im Vorwäldchen und an der Umfassungsmauer abgelegt wurden.

Exitus 265

• Zur Illustration der

• Lucius im Schlafzimmer

führenden Rolle, die

einer liebestollen Dame.

Vicinos Wäldchen inner­

»Ain Schoen Lieblich, auch

halb der hermetischen

kurtzweylig gedichte Lucij

Tradition einnahm, zwei

Apuleij von ainem gulden

Frontispize deutscher

Esel ... lustig zu lesen / mit

Übersetzungen des antiken

schönen figuren zugericht

Märchens: »Sehr lieb­

grundtlich verdeutscht,

liches  /  kurzweiliges­ künst­­

durch Johan Sieder …«,

liches und nütz­liches­

Augsburg, 1538, aus den

Gedicht Lucij Apuleij / deß

digitalisierten Beständen

Fürtrefflichen  / Weit­berüm­

der Universitäts­bibliothek

ten / alten Philosophi­ und

Freiburg i. B.

Oratori / Von seiner auß einem Menschen in einen Vernünfftigen Esel / Wunder­ baren / schnellen und gefährlichen Metamorphoß / Trans­­mutation und Ver ­w and­ lung … Anno 1605«

Vor der hermetischen Kulisse des Theaters mit den Obelisken betrat der Adept die Grotte in besonders ahnungsvoller Weise. Darin stand, hinter einem Wasserschleier verborgen, die Statue einer Göttin, halbnackt, bis auf den um die Hüften geschlungenen Schleier. In ihren Händen hielt sie eine riesige Venusmuschel, aus der Wasser überfloss und sich kaskadenartig bis zu ihren Füßen und über den fächerartigen Sockel ergoss. Diese Begegnung mit der großen Naturmutter 457 traf den Ägyptenreisenden nicht unerwartet, immerhin war er in den verschiedenen Unterwelten, zuletzt im Nymphäum, darauf vorbereitet worden und fand sich nun in einer weiteren unterweltlichen Grotte, wo Isis gemeinsam mit ihrem Bruder Osiris das Urteil über ihn sprechen würde. 458 Zu dieser letzten Station, gleichsam einer letzten Instanz, gelangte der Wanderer auf den Spuren des Poliphil, der sich kurz zuvor von den fünf Sinnenfräulein, in denen der zeitgenössische Betrachter die symbolische Verstrickung in die eigene Sinnlichkeit erkannte, im Nymphäum betören hatte lassen. 459 Zu ihrem Entzücken hatte er sich »von überwältigender Wollust erfüllt« plötzlich in einen Esel und – wiederum vexierbildhaft – in den Helden einer anderen Geschichte verwandelt­: Die Welttheaterallegorie des Amphitheaters verband sich assoziativ mit dem Goldenen Esel von Apuleius, von dem schwer zu sagen ist, ob es sich dabei um eine Komödie oder eine Tragödie handelt. Mit eben den erotischen Anspielungen

gewürzt, die den Briefwechsel der Freunde auszeichneten, bot das antike Märchen ein lebensnahes Identifikationsmodell. Die Verwandlung in die naturhafte, Charakter und Neigungen des Lucius widerspiegelnde Existenz des Esels, der im Laufe der abenteuerlichen Geschichte letztendlich von der ägyptischen Isis Erlösung und Rückverwandlung in seine menschliche Form erflehte, konnte Vicino allegorisch auf sich beziehen­. Im elften Buch der Mysterien der Isis gab Apu­leius eine Schilderung der Isis, die sich wie eine direkte ikonologische Vorlage für die lunaren Göttinnen Bomarzos liest: »Königin des Himmels! Du seiest nun die allernährende Ceres, des Getreides erste Erfinderin, welche, in der Freude ihres Herzens über die wiedergefundene Tochter, dem Menschen, der gleich den wilden Tieren mit Eicheln sich nährte, eine mildere Speise gegeben hat und die eleusinischen Gefilde bewohnt, oder du seiest die himmlische Venus, welche im Urbeginne aller Dinge durch ihr allmächtiges Kind, den Amor, die

verschiedenen Geschlechter gegattet und also das Menschengeschlecht fortgepflanzt hat, von dem sie zu Paphos in dem meerumflossenen Heiligtume verehrt wird, oder des Phöbus Schwester, welche­ durch den hilfreichen Beistand, den sie den Gebärerin­nen leistet, so große Völker­schaften erzogen­hat, und in dem herrlichen Tempel zu Ephesos angebetet wird; oder seiest du endlich die dreigestaltige Proserpina, die nachts mit grausigem Geheul angerufen wird, den tobenden Gespenstern gebietet und unter der Erde sie einkerkert, während sie entlegene Haine durchirrt, wo ein mannig­ faltiger Dienst ihr geweiht ist: Göttin! Die du mit jungfräulichem Scheine alle Regionen erleuchtest­, mit deinem feuchten Strahle der fröhlichen Saat Nahrung und Gedeihen gibst und nach der Sonne Umlauf dein wechselndes Licht einteilst; unter welchem Namen, unter welchen Gebräuchen, unter welcher Gestalt dir die Anrufung immer

am wohlgefälligsten sein mag! Hilf mir in meinem äußersten Elende, stehe mir bei, dass ich nicht gänzlich zugrunde gehe; nach so vielen, so schwer überstandenen Trübsalen verleihe mir endlich Ruhe und Frieden!«460

• … und die hermetische (sic!) Interpretation des Stoffes »Chymische Hochzeit: Christiani Rosencreutz Arcana publicata vilescunt: et gratiam prophanata amitt­

Lucius der Esel, oder vielmehr der Esel Lucius flehte und es erschien aus den Wogen des Meeres Aphrodite Pandea, die natürlich Isis war: »In ihren Händen führte die Göttin weit voneinander verschiedene Dinge; denn in der Rechten hielt sie eine goldene Klapper, durch deren schma­les Blech, das sich wie ein Gürtel zusammenbog, einige Stäbe gezogen waren, die beim dreimaligen Schütteln des Armes einen hellen Klang gaben. Von der Linken aber hing ihr ein goldenes Trinkgeschirr herab, über dessen Handhabe, an der Seite, wo sie sichtbar war, eine Schlange sich emporreckte, mit hocherhobenen Haupte und geschwollenem­ Nacken. Sie spricht den Verzweifelten wie folgt an, indem sie sich als Allgöttin zu erkennen gibt: ›Schau! Dein Gebet hat mich gerührt. Ich, Allmutter Natur, Beherrscherin der Elemente, erstgeborenes­ Kind der Zeit, Höchste der Gottheiten, Königin der Manen, Erste der Himm­lischen; ich, die in mir allein die Gestalt aller Götter und Göttinnen vereine, mit einem Winke über des Himmels lichte Gewölbe, die heilsamen Lüfte des Meeres und der Unter­welt kläg­liche Schatten gebiete; die alleinige Gottheit, welche­unter so mancherlei Gestalt, so verschiedenen Bräuchen und vielerlei­ Namen der ganze Erdkreis verehrt, denn mich nennen die Erstgeborenen aller Menschen, die Phrygier, pessinuntische Götter­mutter. Ich heiße den Atheniensern Kindern ihres eigenen Landes, kekropische Minerva; den eiländischen Kypriern paphische Venus; den Pfeil führenden Kretern diktyn­­nische Diana; den dreizüngigen Siziliern stygische Proserpina; den Eleusiniern Altgöttin Ceres. Andere nennen mich Juno, andere Bellona, andere Hekate, Rhamnusia andere. Sie aber, welche­ die aufgehende Sonne mit ihren ersten Strahlen beleuchtet, die Äthiopier, auch die Arier und die Besitzer der ältesten Weisheit, die Ägypter, mit den angemessensten eigensten Gebräuchen mich verehrend, geben meinen wahren Namen mir, Königin Isis.‹ «461

Exitus 267

unt. Ergo: ne Margaritas obijce porcis, seu Asino substerne rosas. Anno 1459« (Geheimes heiliges Wissen des Christian Rosen­k reutz, das entweiht verloren gehen würde und also freigegeben wird, um nicht Perlen vor die Säue zu werfen oder dem Esel Rosen zu streuen. Im Jahre 1459) belegen den internen Zusammenhang von Humor, Lust und Erkenntnis. Die im Wäldchen aufgeführ­ ten »coglionerie« ähneln den Abenteuern, Witzen und Obszönitäten im Goldenen Esel, als sie hier wie dort dem einzigen höheren Zweck der Erlösung dienten.

• Zu guter Letzt wird der Esel in den Jüngling Lucius zurückverwandelt. Illustration von Apuleius Metamorphoses, 1345 Manuskript Vat. Lat. 2194 Biblioteca Apostolica Vaticana, Rom

• Sandro Botticelli,

• Ägypten in Etrurien: Isis,

»Die Geburt der Venus«,

Detail des Sockels, der von

1484–1486, Detail der

vorne einer Venusmuschel

Venus auf der Muschel

gleicht und als Vexierbild

Galleria degli Uffizi, Florenz

von der Seite den geheimnis­ vollen ägyptischen­Vogel Phönix darstellt. In der Konche hinter und rund um die Figur der Göttin sind noch die zahlreichen­ Öffnungen für die Wasser­ spiele zu erkennen, die den »Schleier der Isis« imitierten­.

Die Isis Bomarzos steht auf einer nach außen gewölb­ten und spitz zulaufenden Konsole, deren Form von vorne betrachtet die Muschel der Aphro­ dite nachahmt. Die sprühregenartigen­Wasserspiele in der Grotte unterstützten die Assoziation mit der schaumgeborenen Göttin der ersten Stunde, die aus dem abgeschnittenen­Glied des Uranos entstanden war. 462 Die Sexual­­­symbolik der Muschel verband sich in der Figur der Aphrodite mit den Begriffen von Zeugung und Fruchtbarkeit, aber auch Geheimnis und Veschlossenheit. Die Grotte der Isis war wie eine Apsis geformt: dasselbe Wort für Altarnische (Konche) und Muschel (Concha) verband die dreikonchige Wandgliederung an der Terrasse des Palazzo Ducale mit dem ganz ähnlich aufgebauten Relief der Drei Grazien. Wie im berühmten Bild Sandro Botticellis »Die Geburt der Venus«, die nackt und sehr verführerisch auf einer Venus­muschel steht, erweist sich die Muschel als zugleich offenbarendes und verbergendes Symbol jener mystischen, lebensspendenden Kräfte, die direkt mit der Schönheit des Weibes und der Liebe verbunden sind. Wie der Aztekenschädel war allerdings auch die Muschel ein Vexierbild: Bei näherem Hinsehen stellt sich die Venusmuschel als inganno und erst recht als Hinweis auf die Isis heraus, denn zwei seitlich herabhängende Kehlsäcke verwandeln die »Muschel« auf geheimnisvolle Weise in den mythischen Vogel der Unendlichkeit und Zeit, Phönix, der sich alle fünfhundert Jahre aus der Asche erneuert. Er ist das Symbol der ständigen Wiederkehr und der chthonischen Macht der Isis. 463 Mit dem Eintritt in das große Finale des ägyptischen Bezirks mit den Sphingen, Obelisken und den Jupiter-Ammonköpfen zu Seiten des Ein­ gangs in die Isisgrotte, worin die hinter einem Wasserschleier verborgene Isis wie die keusche Diana erschien, stand der Ägyptenreisende dem letzten Mysterium gegenüber. Dem Stil der Metamorphosen folgend und als elementares Gegengewicht zur alchemistischen Reinigung im Feuer464 erfolgte hier die rituelle­ Reinigung durch das mystische Wasser. Der legendäre Schleier der Isis wurde mit Wasser­ künsten illusionistisch dargestellt. Das mystische Wasser war eine Vergegenwärtigung jener

268 Exitus

• Im enigmatischen Typus der Isis/Kore/Aphrodite kulminiert­die älteste Weis­ heit. Skulptur des ehemali­ gen Ensembles Ägypten in Etrurien, heute auf dem Weg zum Crucibile aufgestellt.

obskuren Mächte und Isis das ultimative Symbol des Weiblichen. 465 Das Neuaufleben ihres heidnischen Kultes in Bomarzo machte es zum »Arche­t yp des Mysterienweges, an dessen Ende ein Wand­ lungs­­geschehen steht, das am heiligen Ort, im zentralen Raum, dem Uterus der großen Mutter sich abspielt. Dieser Wandlungsort aber ist nur auf einem Einweihungsweg zu erreichen, der durch ein todesträchtiges gefährliches Labyrinth führt, in dem keine Bewusstseins-Orientierung möglich ist«. 466 Die Vorstellung, durch das Opfer in jenes Wandlungsgeschehen einzutreten und somit Teil des Schöpfungsgeschehens selbst zu werden, ist uralt. 467 Das Opfer ist der Beitrag des Menschen zur Erhaltung der Schöpfung. Vicinos Wertschätzung der aztekischen Kultur mit ihren Menschenopfern entsprach in diesem Sinne dem heroischen Tod des Aktaion, der im erotisch besetzten Badehaus­ebenso das Opfer eines höheren Willens ge­worden war. Der Ägyptenreisende, der hinter den Schleier der Isis schaute, verstand die berüchtigte Metapher als Blick auf das, »was nach dem Tod kommt«. Als Ver­körperung des weiblichen – sowohl lebensspendenden als auch todbringenden Prinzips – war Isis das Pendant zum Dis Pater-Saturnus, der die männliche Seite des zeugenden Eros repräsen­ tierte: In der Isis kulminierte die Sehnsucht nach dem Paradies, die den einfachen, nach den Gesetzen des Bauern- und Kirchenjahres lebenden Hirten mit dem hochgebildeten Fürsten verband, der die natürlichen Abläufe als kosmische Energien und intellektuelle Prinzipia verstand (siehe Fußnote 42).

• Tonnengewölbte Decke des Tempietto. Der Esel Lucius kann von Isis nur erlöst werden, wenn er Rosen frisst, die Embleme der Orsini wie der Venus

Die gleichermaßen unnahbare und sinnliche Aus­strahlung der lebensspendenden Göttin im wasserumsprühten Grotteninneren repräsentierte und schloss das hermetisch stufenförmig abgesetzte System ab, das den verschiedenen Einweihungsgraden entsprach. Als Führerinnen waren ausnahmslos weibliche Gottheiten und Dämonen aufgetreten, in denen sich die Begriffe der Weisheit und des Schreckens verkörpern und die zugleich (Schatz-)Hüterinnen ältester und tiefster­Weisheit sind.

sind sowohl im Tempel als auch in der Arkosolbank (S. 135) und erst recht im Nymphäum (S. 245) das beherrschende Ornament. Für die ins Mysterium der Isis Eingeweihten verwies sogar die Kassettendecke des Palazzo Ducale auf diese verborgene Identität des Fürsten (S. 285).

Exitus 271

Panhermen, Isis-Koren und Janusköpfe Zum Programm Ägypten in Etrurien gehörten männliche und weibliche Panhermen – die, wie die Urnen und Vasen, Eicheln und Pinienzapfen, als Steinsetzungen diese Region ikonografisch benannten und gliederten. Unverkennbar bilden die männlichen Panhermen, die sich vom HermesTrismegistos-Motiv ableiten, die Physio­g nomie des Bauherrn Vicino ab. Die weib­lichen Hermen wiederum stellen als Personalunion von Isis/Kore/ Aphrodite das weibliche Pendant dar. Janus, der Gott des Wandels und Neubeginns, ist, wie Proteus, eine sich ständig wandelnde äußere Form und erscheint hier in Personalunion mit dem Gott der sich verändernden und erneuernden Natur. Der bärtige Männerkopf im Herbst seines­Lebens

• Ägypten in Etrurien: IsisKoren mit Cista Mystica, heute am Weg zum Crucibile aufgestellt •• Ägypten in Etrurien: Auch der vierfache Janus-Vicino (Lebens­alter) trägt eine Cista Mystica, heute am Weg zum Crucibile aufgestellt.

272 Exitus

ist die traditionelle Darstellung der Jahreszeit Vertumnus-Janus. Der Legende nach kann er entweder als strahlend schönes Mädchen oder als alter Mann erscheinen, um den Übergang vom Winter zu neuer Fruchtbarkeit und darüber hinaus vom Tod zum Leben zu symbo­li­sieren. Wie Hekate wird er als »Wächter der Türschwellen« verehrt­. 468 So wie die Koren sich doppeldeutig auf die Oberund Unterwelt sowie die Rückkehr im ewigen Kreislauf der Natur beziehen, blicken die männ­ lichen Janusköpfe nach vorne und hinten, respektive in die Zukunft und die Vergangenheit gleichzeitig, was in einem weiteren Sinne meta­phorisch das Geschichtsbewusstsein Vicinos abbildete­. Die ägyptisierenden Isis-Koren waren eindeutig­ hermetischer Provenienz, und spielten, wie die weiblichen Panherme mit Cista Mystica am Sockel des Wappenbären neben dem Treppenaufgang des Palazzo Orsino in Pitigliano, auf ein familiäres Faible für die Geheimen Wissenschaften an.

• Der alte etruskische Gott Vertumnus ist das männ­liche Pendant der Isis-Koren und wies eine gewisse Ähn­lich­ keit zur philosophischen Attitüde des alternden Vicino auf. Skulptur des ehemaligen Ensembles Ägypten in Etrurien, heute am Weg zum Crucibile aufgestellt.

Am Ende der Reise und im Kontext ihrer Wunder genügte die bloße Symbolkraft der ägyptischen­ Wahrzeichen und die Rekonstruktion des Amphi­ theaters aus der Hypnerotomachia, um den Ein­ druck zu erwecken, dass sich in dieser Wirklich­ keit gewordenen Illusion der mysteriöse Isis-Kult erhalten­ habe.

• In der Physiognomie des doppelgesichtigen Janus, der in die Vergangenheit und in die Zukunft zu blicken vermag, bündelt sich das hermetische Wissen, das symbolisch in den Früchten der Cista Mystica dar­gestellt ist. Teil des ehe­ maligen Ensembles Ägypten in Etrurien, heute am Weg zum Crucibile aufgestellt. • Isis mit Cista Mystica am Palazzo Orsini in Pitigliano

Zusammen mit den übrigen ägyptischen Reminis­ zenzen bezeugten die Panhermen die von Ägypten aus begründete etruskische Zivilisation. Sein Geschichts­bild begründete Vicino Orsini mit der zeitgenössischen, freilich gefälschten Konstruktion Giovanni Nannis, der mit einem verwirrenden Konglomerat aus historischen Fakten, mytho­lo­ gischen Figuren und fantastischen Erfindun­gen den direkten Zusammenhang zwischen der arkadischen, ägyptischen und etruskischen Kultur hergestellt hatte: 1498 hatte jener Nanni gefälschte Texte antiker Autoren veröffentlicht, nach denen der biblische Noah und der griechische Janus ein und dieselbe Person gewesen wären. Demnach hätte Noah, der unmittelbar von Gott inspirierte und gerettete Urvater der Menschheit, nach seiner Landung mit der biblischen Arche in Etrurien, dort ein Goldenes Zeitalter eingeleitet: »[…] il Gran Padre Noe, detto Iano dagli antichi, Imperatore & Monarca delle genti, regnó, visse, & morí in quelle parti…« (»[…] der Große Vater Noah, von den Antiken auch Janus genannt, Herrscher und Monarch der Völker, regierte, lebte und starb dort…«). 469 Guillaume Postel folgte mit seinem Werk De Etruriae regionis470 den Ausführungen Nannis, wobei er außerdem die Orsini unter die ältesten Geschlechter der Region zählte, und überdies noch eine Verbindung mit dem ägyptischen Osiris herstellte, der das inzwischen von Tyrannen unterworfene Etrurien befreit hätte: »Di poi Beroso e Diodoro avisano gli Italiani che Osiri liberó l’Italia da tiranni. Insegnó l’Agricoltura, et il raccogliere­il formento. E provasi questo prima per la sacra inscrittione d’Egitto« (»Darüber hinaus wiesen Beroso – ein legendärer chaldäischer Historiker – und Diodorus den Italienern nach, dass Osiris Italien von den Tyrannen befreit hatte. Er lehrte [sie, die Etrusker] Landwirtschaft und wie Getreide geerntet wird. Das belegen die heiligen ägyptischen Inschriften«). 471

274 Exitus

In Viterbo, der Bomarzo nächst­ge­legenen Stadt, habe sich Osiris sogar eine Weihe­stätte errichten­ lassen. 472 Die Verbindung zu Hermes Trisme­g is­ tos, der in der Überlieferung eben­falls als weltlicher und geistlicher Fürst erschien, war naheliegend und hatte sich über die Figur des Pan, der gleichfalls mit Osiris identifiziert wurde, von Arkadien nach Ägypten und von dort nach Etrurien übertragen­: »Pan […] era vno delli otto Dei princi­ pali dello Egitto« (»Pan war einer der acht Haupt­ götter Ägyptens«). 473 Dieses mythologisierende Konstrukt dachte das präselenische Arkadien zusammen mit einem prähistorischen und in biblischen Zeit­räumen existierenden Goldenen Zeitalter vor der Sintflut, das deshalb noch vor

der immerhin historisch fassbaren ägyptischen Kultur existiert haben musste. Die scheinbar unreflektierte Übernahme offensicht­licher Fälschungen und Behauptungen, wie auch die Vermischung autorisierter antiker oder neuzeitlicher Texte mit pseudowissenschaft­lichen oder esoterischen, gehörte zum kompilierenden Charakter des Wäld­ chens, wo sie der begnadete Eklektiker Vicino völlig­undogmatisch und brüder­lich einander gegen­überstellte. Prädestination und Astrologie sind miteinander verbundene und ineinander verzahnte Elemente eines Vorstellungskreises: In der neuzeitlichen Version Nannis wurde der Gott Janus, unter Beru­ fung auf die Fasti, in denen Ovid diesen Gedanken vorformuliert hatte, als großer Astronom und Betreiber des makrokosmischen Uhrwerks charakteri­siert: »moves and turns the heavens and elements and all things that turn«. 474 Das bezeichnende Attribut der Räderuhr mit der Tizian den Freund Vicinos, Cristoforo Madruzzo, dargestellt hatte, erklärt sich im großen Zusammenhang ihrer Freundschaft und ihres Briefverkehrs – und lässt die Widmung am Schiefen Haus in diesem Licht erscheinen. Ägypten selbst relativierte alles bisher Gesehene im Sinne des Welttheaters und war zugleich der eine Pfeiler der dialektisch ausgefeilten geistigen Brücke, die Vicino mit den hin- und herverweisenden Inschriften an den Terrassen des Palazzo Ducale zwischen der offiziellen Welt und dem hermetischen Wäldchen spannte.

• Tizian, »Kardinal Cristoforo Madruzzo«, 1552, Öl auf Leinwand, Museu de Arte, São Paulo. Der Kardinal ist hier mit dem Attribut einer Räderuhr dargestellt.

Exitus 275

Dialoghi: weltliches Latein und heiliges Volgare Eine Zeichnung Breenberghs von der Ortschaft Bomarzo zeigt den Palazzo Ducale, wie er zu Zeiten Vicinos ausgesehen hatte. Besonderes Augenmerk verdient das Schlafzimmer des Fürsten auf dem Dach des Palazzo. Vorne, an der Südfassade schloss es direkt mit dieser ab und hatte zusätzlich zu den Ost- und Westterrassen noch einen Südbalkon. Diese wahrhaftig hervorragende Bedeutung, die Vicino seinem Schlafzimmer zukommen ließ, spricht dafür, dass er es kontextuell zum Wäld­ chen präsentierte. Als Beweis dafür können die gottesfürchtigen Palastinschriften der Ost- und Westterrasse genommen werden, deren hintergründige Bedeutungen sich erst nach und nach und im Dialog mit dem Volgare des Wäldchens offenbaren. Aus diesem Grunde können sie hier erst nach dem Verlassen des Wäldchens sinnvoll zitiert werden.

• Blick auf die Ortschaft Bomarzo mit dem Palazzo Ducale

276 Exitus

Die Inschriften an den Terrassen des Palazzo Ducale entsprechen in ihrer vordergründigen­ Harm­­­losigkeit den anspruchslosen arkadischen­ Topoi des Hirtenlebens, der Jagd und der Schatz­ suche im Wäldchen. Der antagonistische Wert der Zitate und Axiome drückte sich schon in der Wahl des naturrechtlichen Volgare für das Wäldchen und des epigrammatischen Latein für den Palazzo aus. Bezeichnenderweise sind die Texte des Wäldchens viel klarer formuliert als die sprachwitzig verrätsel­ ten Sentenzen, deren Reiz in der Travestie ihrer christlichen Vorbilder liegt.

• Bartholomeus Breenbergh, »The Fantastic Rocks and Castle at Bomarzo«, um 1625 Federzeichnung, National Gallery of Art, Washington

Exitus 277

Westterrasse des Palazzo Ducale Der buchstäblich genüsslich modifizierte Predi­ gerspruch bene vivere et letari (gut zu leben macht glücklich) über dem Torbogen der Südwestterrasse war offenkundig das Motto und Überschrift aller anderen epikureischen Lebensregeln: gut zu leben, statt gut zu handeln. Vicinos Gäste verstanden den Scherz, den Vicino mit dem etablierten biblischen Spruch aus Prediger 312 trieb und dass er gerade an dieser­Terrasse zu lesen stand, von der sie auf das Wäldchen blickten.

• MEDIVM TEN-v-ERE BEATI auf dem bogenförmigen Türsturz der südseitigen Terrassentür, Detail der Abbildung unten • Bomarzo, Palazzo Ducale, Westterrasse, Südfront

278 Exitus

Die Dreiteilung der Fassade nutzte Vicino für eine anschauliche Bloßstellung selbstgerechter Wohlanständigkeit. Die schale Phrase medivm tenvere beati (glücklich die den mittelweg­ einschlagen) war doppelsinnig auf die Hypnero­ tomachia bezogen, denn zwischen den drei Toren: dem zum Ruhm der Welt, dem zur sinnlichen Liebe und dem zur Gottesliebe, entscheidet sich Poliphil für das mittlere. Der Gast Vicinos, der gar keine andere Wahl hatte, als die Terrasse durch den mittleren Torbogen mit der Tür wieder zu verlassen, erkannte darin eine schicksalhafte Fügung, die mit dem Ausflug ins Wäldchen wahr wurde. Auch dort bemerkte er immer wieder dreiteilige Gliederungen, die ihn immer wieder an diesen sehr speziellen Mittelweg erinnerten.

Damit hatte Vicino – zu seiner eigenen Recht­ferti­ gung und Unterhaltung – den Spießbürgern, die er entweder gar nicht, oder höchstens um sich an ihrer Schreckhaftigkeit und Tölpelhaftigkeit zu weiden, ins Wäldchen führte, die Grundlage ihrer naiven Lebensregel entzogen. Wie eine private Signatur Vicinos wirkt das alleine stehende V – bzw. lateinisch gleich geschriebene U – des ten-v-ere am Portalbogen. Rechts davon erörtert Vicino mit der vordergründig tugendhaften Absage an die depra­v ierte Welt der Menschen und Meinungen, die vollendet elegante und unbestechliche Haltung der antiken Philosophen: sperne terrenvm; post mortem vera volvptas (verschmähe das weltliche – nach dem tod die wahre lust, siehe Abbildung S. 154). Die Terrassen waren im wahrsten Sinne des Wortes Betrachterstandpunkte, von denen die Gäste Vicinos ihr eigenes Leben überblicken konnten. Inschriftenblöcke, deren Schriftbild zunächst antik

und deren Anbringung spolienhaft anmutet, stellen­ sich mit ihren verkürzten und verstüm­melten Bot­ schaften als Hinterlassenschaft einer vergangenen Kulturstufe dar, die ihre uralte Weis­­heit fragmentarisch und vermächtnishaft in diesen­Relikten bewahre. Von dieser Terrasse geht der Blick auf das Amphitheater, das jene uralte Weisheit veran­ schaulicht. Die Absage an das »Weltliche« ist epikureische­ Eudä­monie, das in sich Ruhen des (erlösten­) Men­ schen. Zudem fand Vicino sich und sein Außen­ seitertum von den Thesen Giordano Brunos bestätigt, wonach die für den heroischen Philo­sophen symptomatische quälende­Zweispältigkeit und Verstrickung in seine Leiden­schaften zugleich zu deren Überwindung und Transzendenz führten: Nur als Heros konnte er sich mit seinem solitären und elitären Dasein versöhnen und seine Melancholie als lustvoll empfin­den: »Daraus folgt, dass das Gesamtgefühl des Leidenschaftlichen zwiespältig, geteilt und quälend ist (1097) […] Wo die Dinge, die gezeugt werden und vergehen, in ein

• Bomarzo, Palazzo Ducale, Westterrasse, Westfront

Exitus 279

•• Westterrasse, Wandglie­ derung mit der Inschrift: QVID ERGO über der Tür,

und demselben zusammengesetzten Subjekt mit­ einander verbunden sind, findet sich gleichzeitig das Gefühl von Lust und Traurigkeit (1080).«475

links SAPIENS DOMINABITVR ASTRIS und rechts FATO PRVDENTIa MINOR. • Westterrasse: Wand­g lie­ derung mit der Inschrift: IBE BEBE …

Diese Lesart stimmt mit der Inschrift auf dem linken­ Block post mortem vera volvptas­(nach dem tod die wahre lust) überein, als sie ein Para­dox und desgleichen eine Konterkarikatur des christlichen Versprechens ewiger Paradieses­f reuden ist. Statt unkritisch zu glauben, sollen Vicinos Gäste diese Ableitung aus der epikureische Eudämonie auf das jenseits aller oberfläch­ licher Geschäftigkeit liegende Wäldchen Vicinos beziehen­, in dem sie Lust und Erkenntnis finden würden. Wie alle geistvollen Bonmots klingt auch Vicinos Schlussfolgerung lapidar, vor allem weil er nach eigener Angabe alle religiösen und philosophischen Consolationes, inbegriffen der Liebe, 476 bereits verschmäht habe: ibe bebe (unvollst.) lvde post mortem nvlla volvptas (iss trink und spiel – nach dem tod keine lust). Dies scheint kaum zum vorab Gesagten zu passen. Dennoch behauptet Vicino hier, dass nach dem Tod nichts mehr sei und dennoch alles jenseits dieses Lebens liege. Diese vorbedachte Ungereimtheit hinterfragt die gängigen Auslegungen, um damit erst recht die platonischen, epikureischen und die Thesen Brunos’ zu bestätigen. Die Erkenntnis einer entgegengesetzten, »jen­seitigen« und übergeordneten Wahrheit, die auf Lust gründe, verglich Vicino in einem seiner Briefe an Drouet mit einem »Schlüssel zum Garten«, den er sinngemäß mit dem genießenden und erken­nenden Leib gleichsetzte. In die Metaphorik des Wäldchens übersetzt zeigt der ewige Kampf der Geschlechter, dass der Geist des Fleisches bedürfe, um Vervollkommnung zu erreichen, denn: »bei aller Betonung des Aufstiegsgedankens… offensicht­lich weniger am Resultat des Prozesses, am reinen Denken des Einen interessiert (ist), als vielmehr an der Dramatik des Prozesses selbst, der sich aus den Verstrickungen des erkennenden Geistes in die Sinnlichkeit ergibt.«477

In der Verlängerung des Frieses oberhalb der Inschrif­ten­blöcke liest der Gast Vicinos die Worte des christlichen Stoßgebetes dirige gressVs meos dne (lenke meine schritte o herr), 478 die ebensowenig die eines unterwürfigen Christen sind. Wie die vorangehenden Zitate, sind auch sie ironisch gemeint und jedenfalls als Gegenteil ihrer vordergründigen Bedeutung zu lesen. Mit Dominus könnte durchaus Epikur selbst angerufen worden sein, dessen ethische Maxime eines sich selbst und anderen gegenüber verantwort­ lichen Handelns ebenso jene Vicinos war. Immer­ hin ist Selbstbestimmtheit eines der konstituie­ renden Merkmale des Paradieses und das Ergebnis von Selbstreflexion, die wiederum den Nexus von Schicksal und freiem Willen in die eigene Handlungsfreiheit miteinbezieht. Im Wäldchen gelten die hochkarätigen Interpretationen Pico della Mirandolas und vornehmlich die des gelehrten und geweihten Priesters (sic!) Marsilio Ficino, die davon ausgingen, dass sich die Würde des Menschen im Spannungsfeld zwischen Schicksal und Eigenverantwortlichkeit konstituiere. 479 Nur vordergründig gibt die Inschrift darunter­: SAPIENS DOMINABITVR ASTRIS (DER WEISE GEBIETET DEN STERNEN, siehe Abbildung S. 162) die Ansicht der Zeit über das Schicksal des Men­ schen wieder, das er mit Hilfe von Horoskopen ergründen und im vorgegebenen Rahmen gestalten könne, wofür Vicinos Briefverkehr ein beredtes Zeugnis ist. In der wörtlichen Übersetzung DER WEISE GEBIETET DEN STERNEN besteht die

• Aus George Withers (1588–1667) EmblemSammlung, der wiederum zwei ebenfalls berühmte emblematische Werke, der Nucleus Emblematum selectissimorum (1611) und das Emblematum centuria secunda (1613) von Gabriel Rollenhagen (1583–1619) zugrunde lagen.

Exitus 281

eigentliche Botschaft, nämlich dass Vicino mit seinem spagyrischen Wäldchen einen Weg gefun­ den hatte, Herr seines eigenen Schicksals zu sein und ist nichts anderes als der unverhohlene­Stolz auf die verschiedenen, des Nachts aufgesuchten­ Einrichtungen wie das Schiefe Haus oder die Sternwarte. Damit ist die Bestimmung des Wäld­ chens, worin der Initiant in der heroischen Bewälti­ gung des Leib-Seele-Konfliktes das astro­logisch begründete Schicksal zu besiegen vermag, klar und doch nur dem Eingeweihten verständlich ausge­ sprochen.

• Bomarzo, Palazzo Ducale, Westterrasse: Bogenfeld der Banknische, Rosen und Mohnblüten • Westterrasse, Wand­

Lakonisch wirkt dagegen das stoßseufzerähnliche qvid ergo (was also) mit dem Vicino die eigene Erkenntnis, aber auch die Vanitas aller weltlichen Sorgen herunterspielte. Seine Resignation wird darin sichtbar und als Lebenserfahrung im letzten­ Inschriftenblock rechter Hand zusammengefasst: fato prvdentia minor (weisheit ist weniger als schicksal).

gliederung mit Nische

Im Kontext der minneclichen aventiuren, die stell­ vertretend für die Läuterung des Unedlen im Wäld­ chen standen, kann diese Aussage stellvertretend für die Erkenntnis gelten, dass – wie im Falle von Tristan und Isolde – alle Vernunft nichts gegen die Vorsehung vermag. Die kleine Nische in der Wand wurde wie eine Ädikula mit seitlichen Volutenformen, die den steinernen Polster der etruskischen Grabklinen nachempfunden sind, zu einer Bank ausgebaut. Im Bogenfeld über der Sitzfläche sind Mohnblüten und -kapseln als Symbole der Divination und der damit verbundenen rauschhaften Zustände (denen sich die Symposianten im Wäldchen hingaben?) zu sehen. Innerhalb dieses Themenkreises erin­ nern die für Friedhöfe und Sarkophage üblichen Sinnbilder an die direkte Verwandtschaft von Schlaf und Tod und die dahinterliegende Weisheit: Im Wäldchen hatte die Inschrift am Schiefen Haus animvs qviescendo fit prvdentior diese Ver­ bindung angesprochen (siehe S. 69).

282 Exitus

Südostterrasse des Palazzo Ducale An der Südostterrasse des Palazzo Ducale, von wo der Blick über die Häuser der Ortschaft Bomarzo bis nach Penna und ins Tibertal geht, ließ Vicino Orsini unter der unleugbar von ihm stammenden­ Selbstdarstellung non viri locis sed loca viris honestantvr (NICHT ORTE MACHEN MÄNNER BERÜHMT SONDERN MÄNNER ORTE ) die Maximen der bedeutendsten antiken Philoso­phen anbringen, die den Ort Bomarzo assoziativ mit dem griechischen Delphi in Verbindung brachten: NOSCE TE IPSVM SIC – VINCE TE IPSVM ERIS – VIVI TIBI IPSI FELIX (erkenne dich selbst – besiege dich selbst – lebe dir selbst gemäss so wirst du glücklich werden). 480 Ohne falsche Bescheidenheit kommentierte Vicino damit die Leitsprüche an der Südwestterrasse. Der raum- und zeitlose Ort des Wäldchens bot die vollendete Bühne für diese Renaissance antiker Philosophie, der das Wäldchen seinen Ruhm verdankte und der sich umgekehrt ebenso auf seinen Schöpfer übertrug und in die Reihe derer versetzte, die Orten ihre Stempel aufprägten­.

• Bomarzo, Palazzo Ducale, Südostterrasse, Nische mit Inschriften; umlaufend: NON VIRI LOCIS – SED LOCA VIRIS – HONESTAnTVR

Die Zusammenfassung der Maximen der berühmtesten Philosophen in einer Zeile lässt sie als zusammenhängenden Satz lesen, der die souveräne Haltung der antiken Philosophen auf Vicino und sein Bomarzo überträgt. Zugleich relativiert diese Aufforderung zur Selbsterkenntnis die teils zynisch konterkarierend gemeinten Inschriften an der südwestlichen Terrasse, indem sie das Glück des Menschen – die Eudämonie nach Epikur – nicht von Gott oder Moral abhängig macht, sondern allein der Kompetenz und Souveränität des Individuums anheim stellt.

Exitus 283

• Bomarzo, Palazzo Ducale, Südostterrasse

Nordterrasse des Palazzo Ducale Nur die kleine nordwestliche Terrasse (auf gleicher Höhe wie die West- und die Ostterrasse), ermöglichte einen direkten und ungehinderten Blick auf das Wäldchen. Man betrat sie durch die ehemaligen Privatgemächer des Fürsten, in denen heute die Comune di Bomarzo untergebracht ist. Die erst kürzlich behutsam restaurierte Holzdecke stimmt den Besucher auch heute noch auf das klassische Panorama ein, vor dem sich im 16. Jahr­ hundert wie ein Traum – und damals durch die raffinierte Bepflanzung regelrecht inszeniert – das Arkadien Vicino Orsinis ausbreitete. Auch auf dieser Terrasse ist eine großzügige Nische als Sitzplatz eingerichtet. Zusätzliche Bänke laufen seitlich neben diesem zentralen Architekturelement herum, das wie die anderen Loculi oder Arkosol­ bänke mit den bereits bekannten Voluten und vegetabilen Formen sowie den heraldischen Rosen der Orsini verziert ist. Geometrische Formen und stilisierte Blattgewächse, eventuell Farne, ergeben­ im Kontext etwas Geheimbündlerisches, das sich mit den im Wäldchen verborgenen Symbolen ergänzte. Eine Inschriftentafel, auf der nur mehr einzelne Buchstabenreste erkennbar sind, hat möglicherweise – die Vermutung einer absichtlichen­ Zerstörung liegt nahe – den privaten, nicht für die Öffentlichkeit bestimmten Dialog Vicinos mit seinem­Wäldchen festgehalten.

284 Exitus

• Bomarzo, Palazzo Ducale,

• »Sub rosa«, also unter dem

Nordterrasse: Arkosolbank

Siegel der Verschwiegenheit

heraldischen Rosen der

mit heraldischem Schmuck

war sowohl im Wäldchen als

Orsini aus der Zeit Vicinos

Kassetten­decke mit den

und Emblemen, Inschrift

auch im Palazzo des Fürsten

in den neu restaurierten

erodiert

Orsini das Geheimnis

Räumen der Comune di

bewahrt. Originale

Bomarzo

Exitus 285

• Ägypten in Etrurien: das Ende, Blick auf das Schiefe Haus hinter dem Amphitheater

286 Exitus

Amphitheater Das Theater war bereits mit Beginn der Garten­ arbeiten am Wäldchen entstanden, vermutlich als Ausflugsziel am Ende der üblichen Villeggiatura, diente es zum Vortrag antiker und zeitgenössischer Stücke. Es musste Vicino, der es mit einer Jahreszahl datierte und seinem vollen Namen signierte­, sehr viel bedeutet haben. Mit der Fertig­ stellung des Wäldchens um 1580 war es das finale furioso. Als Schlussszene bezeichnete es das Ende des Läuterungsweges und war doppelsinnig als Metapher der Kunst wie auch der Heuchelei der natur­nahen, quasi gött­lichen Lebenssituation in der Natur gegenübergestellt. Damit entwickelte es den gleichen antagonistischen Widerspruch wie ihn Tasso im Aminta thematisiert hatte. Ohne Zweifel erinnerte sich der Gast Vicinos an die Inschriften an den Terrassen des Palazzo Ducale. Erst nachdem ihm Vicino Einlass in sein Privat­heiligtum gewährt hatte, erkannte er im Zusammenhang mit der aufbegehrenden Aussage des Wäldchens ihre eigentliche Bedeutung. Erst im gelehrten Diskurs offenbarte sich auf der pantheistisch naturrecht­lichen Bedeutungsebene des Wäldchens dessen kathartischer Charakter. Wie die klassischen griechischen Theater ist das Amphitheater des Wäldchens Teil der Landschaft. Mit seiner nach innen geschwungenen und mit sieben­ (sic!) Nischen strukturierten Proscenium schließt es direkt an das Plateau der etruskischen­ Götter an und bindet die darüber sichtbaren Amphoren in den Gesamteindruck ein. Breite seitliche Stufen rahmen die nach vorne leicht abfallende Orchestra, über die aus einer heute ebenfalls nicht mehr bestehenden Zuleitung Wasser floss. Vorne waren links und rechts auf gemauerten Plinthen die mit den persönlichen Daten Vicinos versehenen Sockel für die Obelisken aufgestellt, dahinter nehmen niedrige Mauern den Geländeanstieg auf und grenzen die Anlage nach den Seiten und vor allem gegen die rustikale Stützmauer des darüber­ liegenden Plateaus ab – hier gehen sie in den Sockel des Prosceniums über, der zugleich eine Sitzgelegenheit ist.

Die Darstellungen in den sieben Nischen dürften­ den moli sette und, damit verknüpft, dem Themen­­kreis des antiken Theaters gewidmet gewesen sein. Auf dem noch erhaltenen Verputz sind die Reste einer persönlichen Inschrift erhalten, mit der Vicino in der Ich-Form den Wert des Theaters innerhalb des Initiationsweges erläuterte: per simil vanita mi son ac… to on… par mi cor… WEGEN DER GLEICHEN EITELKEIT HABE ICH MICH…FÜR MEINEN HOF-… Die Bedeutung von Vanitas, Eitelkeit, hat sich aus dem christlichen Kontext heraus und zum profanen Topos des Welttheaters weiterentwickelt­: von der ursprünglichen Nichtswürdigkeit der irdischen Freuden zu einer generellen Ableh­ nung des »Theaters«, das die Leute um ihre Eitel­ keiten machen – und als Welttheater nunmehr zum Synonym für Inhaltsleere, Lügen­haftig­­­keit, Prahlerei, Vergeblichkeit und ganz allgemein­für Falschheit geworden war. Sowohl der komödiantische Unernst, hinter dem sich die Wahr­heit verbirgt, als auch die Tragödie des menschlichen Schicksals waren in der Metapher­des Welttheaters ineinander­ verwirrt: »Könnte uns eine Tragikomödie, eine Szene, sage ich, die mehr Mitleid und Gelächter verdiente, in diesem­Welt­theater, auf dieser Bühne unseres Bewusstseins vorgeführt werden.«481 Eine zynische Folgerung aus den im Wäldchen regelrecht aneinandergereihten Consolationes war die Erkenntnis ihrer Bedeutungslosigkeit, die Vicino bereits Drouet gegenüber (siehe Fußnote 252) als eine Anhäufung von Gemeinplätzen erscheinen ließ. Giovanni Drouets Brief vom 12. 12. 1573 gibt einen lebhaften Einblick in den Gedankenaustausch und die Fantastereien der Freunde über das »wahre Leben«482. Seinen Dank für die »saporita e succosa lettera«, den »würzigen und saftigen Brief« Vicinos, den man sich wohl als aus dem vollen Leben gegriffen­ vorstellen darf, ließ der feinsinnige Kleriker, Psycho­loge und Gesundheitstheoretiker Drouet

Exitus 287

• Inschrift im Amphitheater: PER SIMIL VANITA … Bomarzo-Kenner Vittorio Ercolani aus Bomarzo

mit der Haltung Senecas kontrastieren: »il fine del philosophare è imperare a morire« (»Der Sinn allen Philosophierens ist es, das Sterben zu lernen«). Drouet erklärte, nicht viel darauf zu halten, sondern lieber den Tod warten lassen zu wollen. Im Folgenden gab er Vicino Ratschläge betreffend sein leib-seelisches Problem der Magen­verstimmungen und die damit zusammenhängende Melancholie. Beides wäre durch die Tatkraft und Befriedigung zu heilen, die »der eigenen Hände Arbeit« verschaffe – damit ergab sich der Vorwand für ein weiteres biblisches Zitat, aus dem Vicino die Anerkennung des Freundes für sein Lebenswerk heraus­lesen konnte: »bene agere et letari et videre bona de labore manum mearum, hoc enim domum dei est; nam bene agendo vitam eternam meremur, letando annos vite producimus, videndo bonum de labore manuum nostrarum id agimus ut tanto partis fruimur«483. Sinngemäß war die tugendhafte Belehrung über die Freude an dem, was man mit eigenen Händen geschaffen habe und das nicht nur irdische Freude (Lust?), sondern Einlass ins Haus Gottes und das ewige Leben bedeutete, ein weiterer Hinweis auf die hermetische Bedeutung des Wäldchens und erinnerte an die Inschrift an der Terrasse zwischen Westund Südflügel. Drouet, der als Intimus Vicinos seine Gedanken und vor allem die liberale, antikirchliche

Haltung teilte, bezog die salbadernden Sprüche über das »gute Leben« und die damit verbundenen »Freuden«, die das »ewige Leben verdienten«, auf Vicinos Lebensstil. Seine katholische Verfeinerung, die auf der Grundlage eines breitgefächerten theologischen, antiken und humanistischen Wissens einen höchst manierierten und Bomarzo angemessenen Sprachstil entwickelte, bestimmte die Rezeption der zugleich lustvollen und lustigen Briefe. Derartige Wortspielereien, die nur unter den Freunden verstanden wurden, bereicherten auch seine Ausführungen über den Todesgedanken des Kirchenvaters Hieronymus, die er zu einer Parabel von der Welt als Theaterbühne umformulierte »come in un teatro, representando atti di commedia coram Domino Dominorum« (»Wie in einem Theater, wo (wir) Komödie spielen vor dem Herrn aller Herrn«) war eine kaum verstellte Anspielung auf den Papst als den »Servus servorum Dei«. Die abschließende­ Formulierung mit der er noch hinzufügte, dass es einzig darauf­ankomme »unsere Rolle« möglichst gut zu spielen­: »…di rapresentare bene nostra parte…« zeigte mehr als alles andere seine Einstellung zur korrupten Welt des Vatikan. Der weitere Text bezog sich direkt auf die Meta­ phorik des Welttheaters im Garten oder vielmehr

des Gartens als Sinnbild einer souveränen Haltung zum Leben und zum Tod: »Altri ancor piu spirituali dicono che questo nostro Mondo è un giardino pieno d’ogni bene, e che Dio, Signor di esso, gratis dá la chiave a ogni persona che la vole con plena licenza di goderlo come cosa propria; alcuni subito intrati nel primo viale trovano thesauri e lì si fermano, involti nell avaritia senza cercar più oltre; altri per altro viale scorrendo incontrano colla Margarita e senza passar più avanti se fermano ›diebus et noctibus‹ von lei ›in delitiis secundum v. s., ut ante vivum [?] perseverando‹ in questo ballo ›usque ad sepulchrum‹ […] mai di restituir la chiave al Signore, anzi la vorebbono tener sempre in tutta etá ›heretibus et successoribus‹. Altri piu savi se godano el giardino tutto pigliando […] entre con modestia hor questo frutto, hor questo fiore, poi de buona voglia escono del giardino, tornano la chiave al Signor, ringratiandolo come conviene, e questi tali so poi eletti alla gloria eterna.« (»Andere, noch Frömmere sagen, dass unsere Welt ein Garten voll des Guten sei und dass Gott, als Herr desselben, jedem, der will, umsonst den Schlüssel dazu gibt mit der Erlaubnis sich an ihm wie an seinem Eigentum zu erfreuen; [so gibt es] manche, die sofort eintreten und in der ersten Gasse Schätze finden und dort bleiben­, eingesponnen in Habsucht, ohne anderes zu begehren; andere, die einen anderen Weg wählen, begegnen ihrer Margarita [metaphorisch für Geheime Wissenschaften, Anm. R. V.] und ohne weiterzugehen­, bleiben sie, wie Ihre Fürstlichkeit, ›Tag und Nacht‹ ›bei ihren Vergnügungen‹, beharren dabei bis ›ans Grab‹ ohne jemals den Schlüssel wieder zurückzugeben, im Gegenteil wollen sie ihn sogar ›in alle Ewigkeit‹ für ihre ›Erben und Nachfolger‹ behalten. Andere aber, viel Klügere, erfreuen sich am Garten, indem sie in aller Bescheidenheit hier diese Frucht, dort jene Blume pflücken und dann freiwillig den Garten verlassen und den Schlüssel, wie es sich gehört, mit Dank dem Herrn zurückzugeben. Und diese sind es, die zum ewigen Ruhm erwählt sind.«) 484

nahenden Tod als kultivierten Abschied von der Welt beschrieb. Der ärztliche Freund wählte die Metapher des Gartens, um Vicinos behauptete Abge­k lärtheit gegenüber den weltlichen Aufgeregt­ heiten mit der Seelenruhe der wahrhaft Weisen zu vergleichen, die »auserwählt« seien. Als einzige brächten sie es fertig, sich den sinnlichen Genüssen und weltlichen Lüsten des Gartens mit Bedacht und Bescheidenheit zu nähern, sie eingedenk ihrer Vergänglichkeit zu genießen und den Tod, also das Verlassen des Gartens, souverän und nach freiwilliger Rückgabe des Schlüssels, der hier den sinnlich genießenden Körper bedeutete, anzunehmen und sogar noch dem Herrn des Gartens höflich zu danken­. Im Brief verknüpfte sich das Motiv des Theaters mit dem des Gartens und der vanità, der Eitelkeit der menschlichen Betriebsamkeit, deren Unernst offensichtlich war und die den sturen und starren Gegenpol zu den tatsächlich ernsten, weil belangvollen Dingen bildete, die sich gerade im Spielerischen und Leichtlebigen, Ungeregelten und Zufälligen offenbarten. 485 Die von Vicino selbst so benannten »follie« und »coglionerie­«486, all der Blödsinn und die Sauereien des Wäld­chens waren Merkmale des irrationalen, subjektiv sich selbst genügenden Individuums, das hier frei von Zwängen und Regelhaftigkeit sein wahres Selbst in der Verwirklichung seiner Träume und Obsessionen auslebte. Die zwei vor dem Theater­ rund aufgestellten Obelisken waren Sym­bole für diese Wertigkeiten: Traditionell flankieren sie den Eingang zum Heiligtum und markieren darüber hinaus das Ende der Welt, was im zeit­genössischen Kontext und wie die Devise Karls V. als Aufforderung verstanden werden sollte, die Grenzen des Bekannten zu überschreiten.

Taktvoll – vermutlich angesichts des rapiden Verfalls Vicinos – ging Drouet auf das physische­ Diminuendo des Freundes ein, indem er seinen

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• Plvs vltra (darüber hinaus), Devise und Teil des Wappens von Kaiser Karl V. (1500–1558) aus: Le imprese illustri del S.or Ieronimo Ruscelli, 1584, S. 103, Duke University, Gilbert Collection

Obelisken: Signatur und Datierung Vicino überlässt seinen Gästen die Entscheidung, ob die paarweise Symbolik der Obelisken eine Anspielung auf die Kabbalah bedeutet, wo die beiden Säulen Joakin und Boas die Stufenleiter der alchemistischen Läuterung flankieren, oder ob damit die zwei Säulen des Herakles, die der Held am Ende der Welt aufgerichtet hat, gemeint sind 487 – auf jeden Fall sind sie Grenzsteine und ultimative Barrieren vor dem Unbekannten. Die Inschriften an den Sockeln der Obelisken sind natürlich ebenso Verrätselungen.

• Ägypten in Etrurien: Inschrift am Sockel des linken Obelisken

Erst Vicinos Volgare enthüllt durch Verschleierung den wahren Inhalt der banalen Formulierung sfogar il core was mit »Herz ausschütten­« unschuldig genug klingt, aber kaum als seichtes­ Anvertrauen unnützer Bedrängnisse zu verstehen­ ist, sondern die eigentliche Intention des Wäld­ chens zum Ausdruck bringt: Die körperliche und seelische Entäußerung nach den Heroischen Leidenschaften Giordano Brunos, die zwar erst im vermuteten Todesjahr Vicinos im Druck erschienen, ihm aber, wie der Brief an Drouet nahelegt, schon vorher bekannt waren. Quasi en passant ließ die Wortwahl sogar an die zehnte Sefirot der Ausschüttung denken, die – ein kabba­listisches Konzept innerhalb des Programmes vorausgesetzt – das Wäldchen zu einem lebendigen Organismus macht, in das der Eingeweihte wie in einen Dialog eintreten könne. Vor dem Hintergrund des hier immer wieder zitierten Briefverkehrs und nach einem Gespräch mit Univ. Prof. Mezetlin ist das sogar als Entäußerung sehr unmittelbar auf die arkadischen Ambitionen und humanistischen Schlussfolgerungen zu beziehen und entsprechend zu übersetzen: als völlige Überantwortung des leidenden Individuums an seine Triebe.

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Sol per sfogar il core nur um meinen lüsten zu frönen (… um mich sexuell auszutoben, nach einer freundlichen Mitteilung von Univ. Prof. Metzetlin) Eine abschließende Signatur Vicino Orsinos auf dem Sockel des rechten Obelisken stellte mit der Rückdatierung, die mit einem privaten Datum, vermutlich einem initiatorischen Impuls im Jahr 1552 verbunden war, die persönliche Beziehung her. VICINO ORSINO NEL MDLII Nach den Hinweisen, die die Obelisken auf sein egozentrisches Lebenswerk geben, entlässt Vicino seinen Gast in die Welt der Menschen und Meinungen, die nun ihrerseits irreal und monströs erscheinen muss. Eine der hier aufgestellten Panhermen gibt ihm als Warnung vor den Schrecken der Welt mit auf den Weg: …qve trovarete mostri insvet…t …wenn ihr dann das echte entsetzen kennenlernt… Zu guter oder schlechter Letzt liest der nunmehr Ein­geweihte ein zweites Mal die heute stark erodierte Inschrift am Sockel der Sphinx neben dem Schiefen Haus (siehe S. 67). Sie wies ihn auf das hin, das ihn nun in der realen und nach Plato uneigentlichen Welt der Menschen und Meinungen erwartete und das nunmehr zwangsläufig am Maßstab des Wäldchens gemessen würde.

• Ägypten in Etrurien: Das Amphitheater, davor Sockel des linken Obelisken. An der Stützmauer des Berges links neben dem Amphitheater erkennt man noch die Aus­ nehmungen für die Konstruk­ tion der Loggien.

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• Rückkehr, Blick auf den Palazzo Orsini und die Ortschaft Bomarzo vom Wäldchen aus

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Gedankensprung: Papacqua

Gedankensprung: Die Papacqua des Cristoforo Madruzzo Wie ein skurriles Familien­bildnis wirkt die Brun­ nen­­anlage der Papacqua mit ihren Figuren aus der mythologischen und der heimischen Tierwelt; selbst innerhalb der einzelnen Kreaturen ist nicht eindeutig zwischen animalischen, mensch­ lichen und göttlichen Anteilen zu unterscheiden. Hauptdarstellerin ist ein allgewaltiges Weib, eine Göttin, ein Mischwesen, ein regelrechter Dämon aus Frau und Ziege, der sich am Rand eines Brunnenbeckens gelagert hat, eine matriarchale panische Gottheit, fröhlich umsprungen von Ziegenböcken und musikalisch begleitet von Satyrn, unbefangen in ihrer abstrusen, göttlichanima­lischen Nacktheit hat sie ihre Kinder liebevoll bei sich: ein Satyrkind in den Zotteln ihrer leicht geöffneten Beine, ein weiteres das sie mit der Linken an ihrer Brust hält und ein drittes das ihr auf die Schulter geklettert ist. Vor allem dieses kleine Detail zeigt eine künstlerische und thematische­Verwandtschaft mit der Anna Perenna in Bomarzo, der ebenfalls ein kleiner Bub (der etruskische Gott Tages) auf die Schulter gekrabbelt ist, was auf eine gemeinsame Bildhauer- und Steinmetzschule 488 und die intellektuelle Allianz des Vicinokreises hinweist. Felsformationen, Schnecken, Muscheln und die Schildkröte unter ihrem linken Unterarm erinnern formal an die antiken Klinen, desgleichen wirkt die in wilder Ekstase erstarrte Fratze des teuflischen Satyr irgendwie stimmig, dessen panisch erigiertes Glied kaum zur Eule passen mag, immerhin

dem Symboltier der Pallas (sic!), das er wie ein Falkner auf seinem Arm trägt. Der Betrachter kann sich dem Bann der mysteriösen Blicke aus leicht geschlitzten (Ziegen-)Augen und dem ironischen Lächeln, mit dem die Protagonisten der Papacqua ein geheimes Einverständnis herstellen, kaum entziehen­.

• Die Papacqua in Soriano. Im 16. Jhdt. traten die Gäste des Kardinals Madruzzo in den Innenhof seines Casinos wo sie sich dem rätselvoll wissenden Blick einer riesigen­Satiressa ausge­ setzt sahen.

Die Papacqua, nach dem lateinischen papae am ehesten mit »was für Wasser!« übersetzbar, war alles andere als ein der römischen Kirche wohlgefälliges Werk. Cristoforo Madruzzo, Kardinal und Leiter des tridentinischen Konzils, das den römisch-katholischen Glauben und wie jedwede Abweichung davon zu bestrafen sei formulierte, versammelte an seinem Rückzugsort in Soriano ein wildes, unzivilisiertes, naturhaftes Volk, das den Ursprüngen des Lebens beängstigend nahe ist. Unpassend und verwirrend wirken biblische Zitate wie der Baum der Erkenntnis, komplett mit Feigenblättern und Schlange, der wie eine Achse im Zentrum des Geschehens steht und gleich über Eck eine Darstellung des Moseswunders. Ganz offenkundig handelte es sich um ein Rätsel, das auf geheimnisvolle Weise mit dem Heiligen Wald von Bomarzo kommunizierte. Ähnlich abgelegen wie Bomarzo war hier der Ort, an dem der Kardinal seinen Glauben bekannte. Zweifellos unter dem Einfluss Vicino Orsinis, der sogar ein besonders schnelles Pferd »Ragazzino«



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Gedankensprung: Papacqua



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Wie in Bomarzo imitieren sich hier Kunst und Natur gegenseitig: Der gewachsene Felsen, auf dem sich die Ortschaft Soriano erhebt, wurde zu einer künstlich natürlichen Felskulisse, die einen schattigen Talgrund nachahmte; ein raffiniertes System von Wasserfällen bildete geheimnisvolle Wasserschleier, die plätschernd und sprühend die Figuren zum Leben erweckten. Auf der Ebene des Innenhofs flossen sie in das breite antikische Wasserbecken, an dessen moosigem Ufer sich die »Mutter aller Ziegenbeinigen« in ihrer ganzen Natürlichkeit und ohne falsche Scham gelagert hat.

• Erhard Schön, »Der Teufel mit Martin Luther als Sackpfeife«, um 1535

für spontane Stippvisiten nach Soriano bereit­ halten ließ, wurden hier die Vorschriften des triden­tinischen Konzils außer Kraft gesetzt. 1562, als in Bomarzo das große Bassin im Vor­ wäld­chen und das heroische Nymphäum entstanden, schuf Giacomo Barozzi da Vignola im Cortile des Palazzo Chigi-Albani eine der spektakulärsten Brunnenikonografien der Kunstgeschichte: Im innersten Hof des Kardinalspalastes und vor einer Kulisse animalischer Lebenslust ahmten die geistlichen Fürsten die griechischen Götter nach, wie sie von den Höhen des Olymps nach Arkadien hinabgestiegen waren, um sich hier von den Einschränkungen ihrer eminenten Stellungen zu erholen. 489 Die offenkundige Diskrepanz zwischen ihrer weltlichen, urbanen und unfreien Lebensform und ihrer eigentlichen Wesensart, der sie auf ihren Latifundien und kleinen Fürstentümern in Etrurien Raum zur Entfaltung gaben, mochte den Reiz des Verbotenen noch zusätzlich gesteigert haben.

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Gedankensprung: Papacqua

Die zerstörte Physiognomie der Satiressa, von der nur mehr die charakteristische Mundpartie und die rätselvoll geschlitzten Augen erhalten sind, lässt sich im Vergleich mit dem Großen Pan ergänzen, der sich links von ihr aus einer Art Grotte oder Felsspalt herausarbeitet – eventuell eine Anspielung auf den Höhlentempel, den die Athener dem Pan zum Dank für ihren Sieg bei Marathon unterhalb der Akropolis errichteten: In perfekter Allusion schwingt Pan über seinem Kopf einen Dudelsack. Den gelehrten Freunden, die den »Heidenlärm« auf ihren Kriegszügen im Auftrag der Papstfamilie selbst erlebt hatten, war das infernalische Getöse zum Inbegriff schlimmster Misstöne – oder unter den ganz besonderen Umständen ihrer Lebensgeschichten – sogar zum Symbol »arkadischer Freiheit« geworden. »Pan und Satyri, seynd Götter der Hirten / und des Sackpfeifens / wunderlich gestalt / mit ZiegenFüssen / gantz rauch von Haaren / Hörner aufm Haupt habend, lange Ohren / und ein heßlich Gesicht.«490 Lust und ihr direkter Ausdruck in der ekstatischen Flötenmusik gehören zur Ikonografie des »Teufels als Spielmann«. Mithilfe eines zeitgenössischen Spottblattes wurde Martin Luther als Instrument des Teufels verhöhnt. Über ihm sitzt in einer kleinen Felsnische ein Faun und spielt auf seiner Syrinx, wobei er seine Beine locker gekreuzt über den Rand der Grotte hängen lässt. Es sind die vielen kleinen und unausgesprochenen Zeichen, insbesondere die gemeinsamen

• Die Papacqua in Soriano, der Große Pan mit dem Dudelsack



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• Die Papacqua in Soriano, Moses/Vicino und die Israeliten (3. v. re.: Cristo­ foro Madruzzo, siehe auch Abbildung S. 275) • Die Papacqua in Soriano: Satiressa mit einer Weintraube, die sie ganz angelegentlich auf ihrem Oberschenkel hält.

Gesten und Blicke, die im übergreifenden Kontext der ta aphrodisia Soriano, Bomarzo, Caprarola und auch Bagnaia in einen hermetischen Zirkel einbinden. Obelisken, die sich in Höhe und Dimen­ sion glichen, stellten die Verbindung zwischen den provinziellen Orten her, wo die echte und wahrhaftige Renaissance der Antike vor sich ging (siehe Abbildungen, S. 49). Die einzelnen Garten­ motive, seien es die Balustraden der imposanten­ Gartenarchitekturen, sei es der herb-liebliche Typus arkadischer Frauenschönheit, waren ihre geheimen­ Zeichen.

Neben den göttlichen, tierischen und halb­ tierischen Wesen, ergänzen in den Wandnischen der Palastfassade die üblichen Allegorien und Porträts das Programm, das sich in den äußeren­ Gartenanlagen harmlos und neuplatonisch gab, in jenem Cortile jedoch in einer wilden Feier des Naturrechts gipfelte. Das Quellwunder Mose und die Auswahl der stärksten und tapfersten Männer für den Kampf 491 kommentiert die frontale­ arkadische Hauptszene. Die quasi modernen »Charakterköpfe«, vor denen sich die historistische­ Ikonografie des Moses/Saturnus/Aristoteles/ Hermes Tris­megistos abhebt, sind offenkundige Porträts. Vor dem geistigen Hintergrund der Reformation und Gegenreformation bietet die Papacqua den Schlüssel zum Rätsel Bomarzo: Die stark erodierte aber noch als solche kenntliche Weinrebe, die die große Ziegenbeinige in ihrer locker auf dem Oberschenkel ruhenden Rechten hält, gehört zu den hermetischen Symbolen in den Gärten der römischen Fürsten. Der Städter, der mit seiner Flucht aufs Land der sommer­lichen Hitze (sol lione) entkommen möchte, befreit sich hier auch von den anderen Übeln der Zivilisation und erlebt – je höher seine Stellung ist – die arkadische Pose als Protest und Aufbegehren des geknechteten Individuums. Angesichts des zweifelsfrei dionysischen Gesamt­­­­­konzeptes, das weder aus der katholi­ schen Theo­­logie, noch aus der Perspektive des Neu­­platonismus befriedigend zu erklären ist, können­ mit Recht und Erfolg Beziehungen zwischen­der Papacqua und dem Heiligen Wald voraus­gesetzt werden, denn die äußere Erscheinung des Mosè mago492, des Zauberers Moses, deckt sich in Soriano mit der des Herrn von Bomarzo, der in seinen späten Jahren in aristote­ lischer Attitüde auftrat. 493 Alle diese Posen waren sowohl Verunklärungen als auch Ausflüsse jener Geisteshaltung, die den Kreis um Vicino einte.

Exkurs: Vicino der Epikureer »[…] me sono resoluto, che Epicuro fu un galant’ homo.« »[…] habe ich beschlossen, dass Epikur ein Mann von Welt war«, schrieb Vicino am 27. Juni 1558 an Alessandro Farnese. Die geistreiche Anspielung, die nur im italienischen »gentil uomo«, im Französi­schen »honnête homme« und im Englischen »gentleman« ihre Entsprechung hat, 494 verband den großen Philosophen und Lebenskünstler mit dem Vicino-Kreis, allesamt Männer von Stand, mit Geist und Geschmack, die über Raum und Zeit wie in einem intersäkularen Symposion miteinander Zwiesprache hielten. In diesem Brief sprach Vicino von seiner Entscheidung, die eigene, fremd­bestimmte und wenig hervorragende Biografie mit der eines Mannes zu vermischen, der sich souverän über Eitelkeiten und Zwänge seiner Zeit erhoben hatte. Dieser »Entschluss« ist ein Bekenntnis zum Lebens­genuss, der als Widerstand gegen das stringente Modell der römisch-katholischen Kirche einem völlig entgegengesetzten Evangelium folgte: Epikurs »Philosophie der Freude«495. Die Attraktivität Epikurs bestand für Vicino und seine elitären Freunde in der Bestätigung der Lebensform des adeligen Mannes und Renais­ sancemenschen, der nur sich selbst und nicht institutionalisierter politischer und religiöser Macht verpflichtet war. Der anthropozentristische Ansatz Epikurs, der bis in den Neuplatonismus des 16. Jahr­hunderts wirkte, verdichtete die

spannendsten und modernsten Aspekte griechischer Philosophie zu einem neuartigen Welt­ bild, das – im Gegensatz zu Vicino und seinen­ Gefährten! – weder hedonistisch noch zynisch war. Aber gerade wegen seiner sarkas­tischen Umsetzung zeigte Vicinos Strategie der Lebens­ bewältigung den enttäuschten und korrumpierten Mitgliedern der römischen Gesellschaft eine echte Alternative auf. In seinem alchemistischen Universum vereinte Vicino die souveränen Außenseiter Epikur und Bruno, wobei das Überleben in einer feindlichen Umwelt – erstes und wichtigstes der konstituieren­ den Merkmale des Paradieses – sinngemäß die christ­liche Vorstellung vom ewigen Leben ersetzte. Auf höchstem antiken Niveau würde der Lebensstil der galanten Männer sie unsterblich machen.

• Erich Lessing, »Epikur (Epikuros)«, griechischer Philosoph Samos 341 v. u. Z. Musée du Louvre, Paris



Vicino der Epikureer 303

Die Philosophie der Freude von Epikur Ältere Weltentstehungsmythen zusammenfassend war schon Hesiod davon ausgegangen, dass alles aus dem Chaos hervorgegangen war, das von Eros, dem zeugenden Verlangen, sinnvoll organisiert worden­ wäre. Danach entwarfen die Vorsokratiker Modelle nach den Urstoffen Wasser, Erde, Luft und Feuer, die sich in verschiedenen Kombinationen und Kondensationen zu dem, was wir als verschieden erachten, verdichteten, sich nach ergründbaren Gesetzen wandelten und so den Menschen in ihren Kreislauf miteinbezögen. 496 Den Endpunkt dieser Entwicklung fasste Demokrit mit seiner Lehre von den kleinsten und unteilbaren Teilen, den Atomen, zusammen. Der sich in der Vielzahl an Atomen gleichsam verlierende einzelne Mensch würde auf einer anderen Ebene, nämlich der Bedeutsamkeit und Wirkung des individuellen Menschenlebens, zu einer gleichsam höheren Potenz aufgewertet. Zuletzt sprach der große Plato, der nur wenige Jahre vor der Geburt Epikurs gestorben war, sein gewichtiges Wort. Undenkbar, dass Epikur nicht von diesem Höhepunkt aus weiter zu blicken hoffen konnte: Die Idee einer diesseitigen sinnlichen, in ewigem Werden und Vergehen begriffenen Welt, der eine jenseitige, ewige und unveränderliche gegenüberstehe, als deren einziges Verbindungsglied die nach Vervollkommnung strebende Seele angenommen werden könne. Die epikureische Forderung nach moralischer Läuterung497 war daher nichts weniger als eine konsequente Schlussfolgerung. Epikur stammte aus einem alten attischen Adels­ geschlecht. Der Sohn des Neokles und der Chairestrate wurde im Jänner 341 v. u. Z. auf der ionischen Insel Samos geboren. Epikur wuchs am Lande auf. Das Familienleben war äußerst geregelt und glücklich. Schon mit vierzehn Jahren

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Vicino der Epikureer

wurde der lernbegierige Bub von seinem Vater zum Studium nach Teos zu dem Demokriteer Nausiphanes geschickt, nachdem er zu Hause bereits bei dem Platoniker Pamphilos gelernt hatte. Noch während seines Aufenthaltes in Teos wurde sein Vater von Samos vertrieben und Epikur kehrte nach Kleinasien zurück. Hier vollendete er seine Studien und fand gerade in einer Zeit, in der weltabgewandte Wander-Philosophen die Leistungen der großen Philosophen pervertierten, zu einer Geist und Körper beruhigenden, per definitionem kathartischen Philosophie, die nur vordergründig von einfachstem Zuschnitt war. Epikur war bereits über dreißig Jahre alt, als er mit seiner Anhängerschaft ins griechische Zentrum Athen vordrang, wo er, wohl weil sich unter seinen Schülern einige vermögende befanden, ein ausgedehntes Grundstück erwerben konnte, auf dem dann eine großzügige Gartenanlage mit Wohn-, Lehr- und Erholungsgebäuden entstand. Zentrum und besonderer Ausweis der neuen Philosophenschule war der außergewöhnlich schöne Garten, der ihr in der Folge den Namen lieh: »Die Philosophen vom Garten«. 36 Jahre lang ist hier das Wirken Epikurs dokumentiert, seine Schüler sollen ihn wie einen Gott verehrt haben, während er umgekehrt alle – selbst Frauen und Sklaven – als ebenbürtig behandelte. Epikur starb mit zweiundsiebzig Jahren nach einem sehr arbeitsreichen Leben und einem überaus schmerzhaften Krankheitsverlauf, den er in Anbetracht seines erfüllten Lebens als »erträglich« kommentierte­. Die Philosophenschule bestand noch viele Jahr­ hunderte lang, ungeachtet dessen, dass man Epikur als Wollüstling und Atheisten in Verruf zu bringen­trachtete, als sinnlosen Prasser und Verächter jeg­licher sittlichen Grundsätze. 498 Dieser schlechte Ruf, über den sich Vicino dem begnadeten Außenseiter verbunden wissen wollte, kam durch üble Nachrede derer zustande, die mit Recht fürchteten, durch die Implikationen seiner Thesen als Lügner und Betrüger entlarvt zu werden: Vornehmlich Priester und Politiker – eine Gesellschaft, vor der sich auch Vicino in sein Wäldchen zurückgezogen hatte.

Epikur nannte sein Hauptwerk Die Natur, womit er seine Erkenntnisse als naturwissenschaft­ liche bezeichnete und sich gleichzeitig auf die der berühmtesten griechischen Philosophen vor ihm berief. Wie die meisten antiken Texte ist auch dieses Werk nur fragmentarisch erhalten, etwa in den stark verkohlten Resten einer epikureischen Bibliothek Herculaneums und durch den glücklichen Umstand, dass der bereits erwähnte Diogenes Laertios seiner Epikur-Biografie die vollständigen Texte von vier Briefen des Meisters anschloss, die Vicino gekannt haben dürfte. 499 Allgemein wurden drei Teile seines Denkgebäudes unterschieden, die auf bemerkenswerte Weise ineinander griffen und voneinander abhängig­ waren: die allgemeine Naturlehre (Physik), die Erkenntnistheorie (Kanonik), und die spezielle­ Glückslehre (Ethik). Im Zentrum dieses Beziehungs­ geflechtes stand die Eudämonie, die Lehre vom Zustand absoluter Harmonie. Epikurs Philosophie war ein äußerst praxisnahes, auf Lebensbewältigung abzielendes Streben nach Wahrheit – unentbehrlich für den, der sein »irdisches Glück« und sogar »Erlösung« suchte. Als Grundlage galten der Mensch und seine sinnliche Empfindung. Einfach, wie alle im Prinzip revolutionären Gedanken, war der epikureische Ansatz, der den Menschen als natürliches Wesen begriff und seine psychische Konstitution aufs engste mit der physischen verknüpft, weshalb Epikur auch vorzugsweise von Physiologie sprach. In der Renaissance war die offenkundige Depra­ vation der Menschheit seit der Antike Gegenstand der Kritik, die den Boden für die Entstehung der abendländischen Philosophie bereitete. Für die Installation seines Wäldchens als elitäre Gegen­ welt zur verkommenen »Welt der Menschen und Meinungen« orientierte sich Vicino zweifellos an Philosophen wie Pico della Mirandola, der das zwiespältige, oszillierende Vagieren des Menschen zwischen Lust und Trauer, zwischen seinem­ ani­ma­lischen und seinem göttlichen Anteil, beschrie­ben hatte und natürlich an Giordano Bruno, der aus demselben Ansatz seine These der

heroischen Läuterung durch die Leidenschaften abgeleitet­ hatte. Der simpel wirkende Satz von der Eudämonie – »der völligen Schmerzlosigkeit im Bereich des Körpers und eine völlige Beruhigung im Bereich der Seele« – leitete folgerichtig die gesellschaft­liche Pflicht ab, das eigene Leben und die Beziehung zu den anderen mit besonnener Überlegung und im Geiste der Freundschaft zu gestalten. Für die Verwirklichung dieser prinzipiellen Lebens­ einstellung empfahl Epikur im Sinne einer harmoni­schen, geistig-körperlichen Gesundheit Enthaltsamkeit in allen Lebensbereichen. Statt wahl- und hemmungslosem Genuss, bedeutet Epikureismus jene: »ruhevolle Hochstimmung […], die aus einem schuldlosen Gewissen, aus dem Bewusstsein gerecht zu denken und zu handeln, erwächst und die uns jeden neuen Tag, ohne dass wir sklavisch am Leben hängen, als ein beglückendes Geschenk erscheinen lässt. Wir müssen also die Freuden sorgfältig auswählen, müssen ihren Wert zu unterscheiden wissen und unter ihnen die herausfinden, die unserer persönlichen Eigenart am angemessensten und dienlichsten sind. Mit­ unter müssen wir erst durch Schmerzen tapfer hindurchschreiten, wenn hinter diesen Schmer­ zen umso größere und wertvollere Freuden winken­.« Diese Philosophie beruhte auf der richtigen Interpretation der Natur und war – wie der Briefverkehr Vicinos mit seinem Freund und Arzt Drouet veranschaulicht – in erster Linie Lebenskunst. Epikurs These, dass die gesamte Natur aus leerem­ Raum und den Atomen bestünde und das eine nicht ohne das andere sein könne, hatte ältere Vorbilder und war also nichts Neues, neu war jedoch die Aufregung über die Idee einer unzerstörbaren und von keinem Gott und/oder seiner Priesterschaft – oder gar den Menschen! – abhängigen Weltordnung. Epikurs Konzept ging von den Atomen aus, den sogenannten Urteilchen, die von Anfang an bewegt, unendlich viele sowie unzerstörbar (unteilbar) wären und sich im ebenfalls unendlichen Raum bewegten. Von diesen zahllosen



Vicino der Epikureer 305

Atomen gebe es so viele verschiedene Gruppen, die sich in Gewicht und Form unterschieden und sich auch in ihren Schichtungen immer wieder anders formierten, dass die natürliche Vielfalt der Dinge damit erklärt wäre. Die Unveränderlichkeit der Atome und ihre ständige Bewegung im All entspreche dem nicht abreißenden ewigen Kreislauf von Werden und Vergehen. Im Gegensatz zu den ewigen Atomen, seien die von ihnen gebildeten Körper nicht unzerstörbar, sondern gingen immer wieder in Verfall über, worauf sich die freigewordenen Atome wieder neu und zu etwas anderem formierten. Alle Dinge und Lebensformen wären also in einem ständigen Wandel begriffen. Epikurs Annahme, dass die Atome unzerstörbar seien, ersetzte den Glauben an die Unsterblichkeit der Seele – Naturbeobachtung die Verehrung der rachsüchtigen Gottheit. Auch die antike Vorstellung eines unsinnlichen, schattenhaften Weiterlebens im Jenseits wurde damit außer Kraft gesetzt und schwächte die Macht der Priester und Moralisten. Noch 2000 Jahre später konnten von der katholischen Kirche enttäuschte Zeitgenossen wie Vicino die epikureische Vorstellung überzeugend finden, dass sich mit den gröberen Körperatomen auch die feinen Seelenatome auflösten und wieder neue Verbindungen eingingen. Das war weder ein angenehmer, noch ein fürchterlicher Gedanke, denn: »Wenn wir da sind, ist der Tod nicht da, und wenn der Tod da ist, sind wir nicht mehr da.« Die Umsetzung dieser Erkenntnis in die ethische Forderung nach Tugend war die große Leistung des Epikureismus: Die Einmaligkeit des individuellen Lebens verpflichtete dazu, dieses Geschenk zu nutzen, einerseits zum Genuss der sinnlichen Freuden und andererseits zur größtmöglichen geistigen Leistung, der der Mensch fähig sei. Seinen physiologisch begründeten Bedürfnissen könne der Mensch unbehelligt von den Göttern nachgehen, die leidenschaftslos in ihrer Ewigkeit und völlig unbeteiligt am Schicksal der Menschen in den Räumen zwischen den Kosmen, den sogenannten Metakosmien oder Intermundien existierten. Somit wäre der Mensch frei von allen äußeren,

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Vicino der Epikureer

vor allem religiös-ideologischen Zwängen und nur – und das als höchsten Anspruch – sich selbst verantwortlich. »Der Epikureer wird vernunftvoll und gerecht leben und darum freudevoll. Denn freudevoll zu leben ist nicht möglich, wenn man nicht gerecht und edel und vernunftvoll lebt, aber man kann umgekehrt auch nicht gerecht und edel und vernunftvoll leben, wenn man nicht freudevoll lebt. Ein nach den Weisungen der Natur vernunftgeleitetes Leben ist zugleich auch ein glückvolles.« Damit erlöste Epikur den Menschen von seiner Schicksalsbestimmtheit und der Rache der Götter, der Macht der Priester und Volksverführer, womit er sich natürlich mit den Mächtigen der Welt anlegte. Aus der Autarkie wiederum folgte nach Epikur jenes »In-sich-Ruhen«, das der bereits beschriebenen Eudämonie entspreche und den Menschen in die Nähe der Götter (sic!) rücke: »Denn es gleicht in keiner Weise mehr sterblichen Menschen ein Mensch, der in unsterblichen Gütern lebt«. Epikur vertrat die Ansicht, dass Eudämonie nicht in überheblicher Isolation erreicht werden könne, sondern im sozialen Umfeld, mit Gleichgesinnten, Gefährten und Geliebten und immer nach der obersten Maxime der Freundschaft. Vicinos Lebensstil der Villeggiatura, vor der Kulisse eines »interkosmischen Arkadien«, im Kreis seiner­ gleich­gesinnten Freunde und der kapriziösen­ Laura, deren Lebensart von einer »echten« Schäferin nicht übertroffen oder gar ersetzt werden konnte, war gerade wegen ihrer Anachronismen die unmittelbarste Vergegenwärtigung der »Philosophie der Freude«.

Vicino der Ritter Der bemerkenswerte Brückenschlag von Epikurs Eudämonie zum Rittertum mit seinen minnecli­ chen aventiuren innerhalb der Rahmenhandlung der Hypnerotomachia war kennzeichnend für die Persönlichkeit Vicino Orsinis. Mit seiner Einschätzung, dass Epikur ein galant’homo gewesen sei, gab er sich als Poliphil und Betrachter jener Nymphe vor dem Schiefen Haus zu erkennen, die sich in einer merkwürdig wollüstigen Wendung ihres halbnackten Körpers einem Kruzifixus zuneigt. Diese bizarre Zusammenstellung des unkeuschen Weibes mit dem sterbenden Christus am Kreuz war nur innerhalb der Hypnerotomachia des Vicino Orsini möglich. Seine fürstliche Haltung war vom Ideal der hohen Minne bestimmt, die sowohl einen gesellschaftlichen, als auch spirituellen Wert darstellte: Frauendienst fiel in seiner­ höchsten hermetischen Vollendung mit der Suche nach dem Gral und dem lapis philosophorum zusammen. Antike Philosophie und Gralssuche waren im etruskophilen Wäldchen Ausdruck hegemonialer (Wahn-)Vorstellungen, die als Konglo­merat aus gegenweltlichen Fiktionen von Vergangenheit und Jenseits ein Ideal unvergänglicher Schönheit vor Augen stellten.

archetypischen Liaison von Adam und Eva, einem weiteren konstituierenden Merkmal des Paradieses, gekoppelt ist. Aus diesem profund mittelalterlich­ humanistischen Nexus, dessen christlicher Unter­ ton dem Einfluss der Hypnerotomachia zuzuschreiben ist, wird ein Handlungsstrang innerhalb der Konzeption des Wäldchens sichtbar, der bislang nicht eigens ausgeführt werden konnte. Dennoch gehört er unmittelbar, jedoch höchst mysteriös, so wie es die Zeit Vicinos liebte, dazu. Wie die vielfältigen und verwirrenden Wasser­spiele, die einen wesentlichen Anteil an der Ins­zenierung Bomarzos als Raum und Zeit einer längst vergangenen Weis­ heit hatten, verläuft dieser Handlungsstrang gleichsam unterirdisch, geheim und in subtilster Weise die Ereignisse des Heiligen Waldes kommentierend. Er war kein in dem Sinne eigenes Thema, sondern bedurfte der Erklärung im und aus dem Kontext, da er mit den anderen Handlungssträngen untrennbar verwoben war.

Die Frage nach der Verbindung zwischen Epikur, hoher Minne und Hypnerotomachia beantwortet der Held Poliphil selbst, indem er sich den fünf Sinnenfräulein als Liebender vorstellt, wobei er explizit Polia respektive die Antike als Ziel seiner Sehnsucht nennt.500 Vicinos »Entschluss« verband seine Vorstellung von der völligen Hingabe an das Ideal der hohen Liebe mit der Souveränität Epikurs. Im Gegensatz zur intellektuellen Schwermut und Resignation, die Giordano Brunos Heroische Leidenschaften durchzogen, konnte die Philosophie Epikurs durchaus als Vorläufer der zeitgenössischen neuplatonischen Idee einer glückvollen Einheit von Leib und Seele angesehen werden. Vicinos Briefe zeugen von der intensiven Sehnsucht nach einer sinnvollen, Geist und Körper vereinenden Lebensführung, die traditionell mit der

• »Herr Walther von Metze«, große Heidelberger Liederhandschrift (Codex Manesse), 1305–1340 Universitätsbibliothek Heidelberg, Cod. Palm. Germ. 848, Bl. 166v



Vicino der Epikureer 307

Nur unter der Patronanz des Hermes Trismegistos war diese Reise in die Unterwelt respektive Ver­ gangenheit zu unternehmen, die nicht nur synonym mit Identität und Mythos war, sondern in erster Linie mit der Renaissance einer Aetas Aurea, in der sich Sinnlichkeit und Erkenntnis noch (sic!) gleichwertig begegneten. Tatsächlich konnte der Heilige Wald von Bomarzo den Anspruch erheben als perfekte Inszenierung der Liebesphilosophie zu gelten, deren grundsätzliche Bedeutung und letztendlicher Auftrag in der kongenialen Verbindung von Leib und Seele bestand. Vicinos Wäldchen war die Verkörperung der Sehnsucht nach dem Paradies und eine zeitgemäße Form des Aufbegehrens gegen Fremd­bestimmtheit und Tod, womit Vicino seine Kritik an der Zivilisation und der depravierten Gesellschaft auf den Punkt gebracht hatte. Erst aus diesem Ansatz war die Möglichkeit einer Rückkehr denkbar, die – über Raum und Zeit hinweg – vermittels einer intellektuellen Anstrengung gelingen könne. Dem geistvollen Rekurs auf die Antike wurde mit einer Restauration antiker Ars Vivendi entsprochen – seinerzeit einem fast schon religiösen Motiv, das in den Visionen jenseitiger Seligkeit ständig auftauchte und die intellektuelle

• Bacchanten feiern im etrus­ kischen Jenseits und wieder gehört ein Subulospieler zum etruskischen (sic!) Vorstellungskreis eines guten Lebens im Jenseits. Fresko in der Tomba der Leoparden, 475 v. u. Z., Nekropole Monterozzi, Tarquinia

308

Vicino der Epikureer

Herausforderung des Humanismus war. Es war naheliegend, ja sogar unverzichtbar, dass die Imagination einer Zeit und eines Raumes jenseits der Welt des Hier und Jetzt sich auf den Topos des Paradieses berief – und zwar diese Art von Paradies, die als Gegenwelt Anfang und Ende der Zeiten bedeutete, also ewiges­ Leben. Deshalb rekurrierte Vicinos Paradies sowohl auf die epikureische Vorstellung vom ständigen Wandel im Kreislauf der Natur, als auch auf die Idee eines individuellen, Tod und Zeit überwindenden schöpferischen Prinzips, das mit Heroismus und Erkenntnis gleichgesetzt war. Der fiktive Charakter des Paradieses, das nicht umsonst die Domäne von Malerei und Dichtung ist, steht seiner leibhaftigen Vergegenwärtigung entgegen. Grundlegende Vorstellungen, die innerhalb des zeitgenössischen Horizontes geläufig­ waren, ließen eine Umsetzung im Wäldchen Vicinos dennoch und in einer Sphäre gelingen, die mit Absicht eine virtuelle war, und so reagierte die Schöpfung Vicinos auf das leibfeindliche christlich/katholische Konzept mit Ablehnung und mit der Erschaffung einer etruskischen Aetas Aurea.

Vicino der Alchemist Der Vorgabe der Heroischen Leidenschaften folgend, verbarg Vicino seine Philosophie im Wäld­ chen, indem er das Streben nach Wahrheit und Selbstvervollkommnung in hermetische Topoi kleidete: Schatzsuche als Metapher der Weisheit, Jagd als Allegorie der Erkenntnis und Hirtenleben als Tröstung (Consolatione) durch die Kunst. Die archetypische Liaison von Adam und Eva entspricht der Vereinigung der Gegensätze. Das durchgängige und alles beherrschende Motiv des Wäldchens war die Liebe, wie sie in der Hypnerotomachia als Lebens-Aufgabe des ritter­ lichen Mannes geschildert wurde, der den Minne­ dienst als höchste und seine profanen Aufgaben sublimierende Heldentat begriff. In der Alchemie der hohen Minne läuterte sich Blei zu Gold, der Garten als alchemistischer Apparat bestimmte den Lauf der Gestirne. Mithin waren Alchemie und Astrologie vorherrschende Themen im Heiligen Wald, die die althergebrachte Vor­stellung vom Mann als Ritter und seine daraus abgeleitete schick­salhafte Verpflichtung minutiös begründeten. Sittliche Vernunft und intellektueller Eros leiteten sich voneinander ab und ergaben so etwas wie ein gesellschaftliches Ideal, das eindeutig höfisch determiniert war und somit dem Adel, den galant’ homini, vorbehalten. In der Welt die sich Vicino erschaffen hatte, bedeutete Renaissance nicht nur den Rückbezug auf antike oder mittelalterliche, jedenfalls vergangene Zeiten, sondern die moderne Forderung nach Freiheit des Geistes: Nach unkonventionellen, arkadisch-wildwüchsigen Ideen, wie sie von den Büchern verkündet wurden, die die katholische Kirche auf den Index Librorum Prohibitorum gesetzt hatte. Das leib- und lustfeindliche Interregnum der katholischen Kirche hatte den modernen Menschen sich selbst entfremdet und wesentlich dazu beigetragen, dass die Forderung nach intellektueller Freiheit mit antiker Liebesfreiheit gleichgesetzt werden konnte.

Die mittelalterlich allegorische Vorstellung von der Schicksalhaftigkeit der Liebe und der männlich/heldenhaften Verpflichtung zum Minnedienst konden­sierte in der Hypnerotomachia zu einer Vorform dessen, was Giordano Bruno in den Heroischen Leiden­schaften als den Konflikt der Neuzeit benannt – und Vicino auf den Punkt gebracht hatte: FATO PRUDENTIA MINOR (siehe Abbildung S. 281 f.). Der sinnlich genießende und darum schwache Körper ist Fatum, die Beherrschung, aber auch die Hin­gabe an die Leidenschaften und letztlich ihre Überwindung, sind nach Bruno Heldentaten, die – ähnlich wie in der Liebesphilosophie – aus der Sphäre des Menschlichen in die des Göttlichen hinüberreichen. Es ist der erlösende Moment der Erkenntnis, der mit der Auflösung im Göttlichen zusammenfällt (siehe Abbildung S. 255: Tizian, »Diana und Actaeon«, 1556–1559). Zugleich bedeutet die Hingabe an das Schicksal, dessen Übermächtigkeit vor aller Gelehrtheit­ erkannt und zugegeben werden muss, eine Devotion an die Liebe, die eben fatal und unüberwindbar ist. Liebe in diesen Zusammenhängen geht weit über den irdischen Frauendienst hinaus: Sie ist die Schau des Allerhöchsten. Die Hypnerotomachia bot dafür den idealen Rahmen, denn sie war schon von ihrem ganzen Habitus geheimnisvoll, wie schon der Titel nahelegt, der Liebe, Kampf und Traum wie in einer ägyptischen Kartusche zusammenfasst und auf Polia bezog, die als entschwebende Nymphe die passende Assoziation war. Polia, in der unzweideutigen sinnlichen Haltung der Antike blickt himmelnd nach oben, und in Richtung des sterbenden Christus am Kreuz – beide halten den Kopf in der gleichen Weise demütig geneigt. In dieser formalen Entsprechung bilden die nackte Nymphe und Christus eine faszinierende Einheit von Lust und Tod. Poliphil ist also auch im Wäldchen der Held der mysteriösen Erlebnisse, als er freiwillig seinen schicksalhaften Weg geht, der von Gefahr und Leiden, von den Mysterien der Antike, genauso wie vom Wunderglauben des Mittelalters vorgezeichnet



Vicino der Epikureer 309

ist. Der Traum als das Medium der Erkenntnis spielte hier auf die bewusstseinserweiternden, lehrreichen und heilsamen, also hermetisch weitreichenden Möglichkeiten an, wie sie schon im Titel der Hypnerotomachia vorweggenommen waren:

Verwandlung der Stoffe, der heilsamen Selbst­ vervollkommnung, die in den sieben Stationen des Heiligen Waldes erfolgte und mit Effekten in dafür konstruierten Skulpturen illusionistisch/meta­ phorisch dargestellt wurde.

HYPNEROTOMACHIA POLIPHILI, VBI HVMANA OMNIA NON NISISOMNIVM ESSE DOCET. ATQVE OBITER PLVRIMA SCITV SANE QVAM DIGNA COMMEMORAT

Die minneclich verehrte hohe Frouwe wirkte vorbildlich für die sublime Interpretation des Weiblichen in den intellektuellen Anstrengungen des Huma­ nismus. Vicinos Rittertum stand in der mittelalterlichen Tradition des Minnedienstes, der einerseits unüberwindliches Schicksal war, und andererseits die Transformation in ein abstraktes Ideal, das sogar den Tod überwinden konnte.501 Als höchstes sittliches Ziel des edlen Mannes bestimmte es die grundsätzlichen Vorstellungen vom Weib­ lichen und leitete sich umgekehrt davon her. Entsprechend den minneclichen aventiuren waren in Bomarzo die paganen Topoi von Verschlingung und Erlösung allesamt vulvische Symbole, die – vom Höllenschlund abgeleitet – die folgenden Schrecknisse als Symbole der Wiedergeburt darstellten. Der Abstieg in den Orkus und in den etruskischen Tumulus der Tartaruga, die schon lautmalerisch Tartaros und Orkus sowie natürlich formal die vagina dentata assoziierten, war ambivalent auf die schreckliche Zerreißung des Weibes bezogen. Annäherung und Aufstieg in die Hölle waren den etruskischen Nekropolen nachempfunden, die im Wäldchen Allegorien der Erkenntnis waren. Die Präfiguration löste sich im wahrsten Sinne des Wortes in Wohlgefallen auf, denn das Innere des Höllenschlundes erwies sich als Feinschmeckerlokal mit musikalischer Umrahmung. Die Ambivalenz des Humanismus zeigte sich nirgendwo dramatischer als in solchen Effekten, von denen angenommen werden muss, dass sie in der Nacht noch schaurigere Wirkungen hervorriefen, und den gelehrten Diskurs ein weiteres Mal und auf eine noch höhere respektive profundere Ebene transponierten.

dies ist Poliphils Liebes-kampf-traum, worin gelehrt wird, dass alles Menschliche nichts als ein Traum ist, und worin ausserdem noch vieles aufbewahrt wird, was wissenswert und heilsam ist Poliphils Geschichte beginnt wie in der mittel­ alterlichen Erzählung (Comedia, Rosenroman, Vom liebent­brannten Herzen etc.) mit Schlaf­ losigkeit, auf die dann ein erlösender und hellsichtiger Traum folgt. Die Metapher entsprach der antiken Vorstellung, dass sich der Verstand im Schlaf schärfe: ANIMVS QVIESCENDO FIT PRVDENTIOR ERGO steht am Schiefen Haus zu lesen und wirklich ist die sinngemäße Übersetzung, dass der Geist (nur) im Traum hellsichtig würde, im Schiefen Haus verwirklicht, das den Adepten seiner üblichen und vertrauten Wahrnehmung beraubte. Taumelnd und zweifelnd verließ er daraufhin das Schiefe Haus um sich – wie Poliphil in der Waldeseinsamkeit – im Dickicht seiner Gedanken verirrt wiederzufinden.

• Georges Glasberg,

Vor dem Hintergrund vielfältiger Wassergeräusche und Tierstimmen war es hier wie in der Hypnero­ tomachia eine »wunderbare Melodie«, die ihn weiter­f ührte. Damit hatte die Initiation begonnen, und der Adept war sich über den hohen Anspruch und das erhabene Ziel im klaren, die wahre Liebe, die sogenannte hohe Minne zu gewinnen, die eine Mischung aus Exklusivität und der Bereitschaft zu leiden war. Sie zeichnete den wahrhaft Edlen, den Adel des Geistes aus und war deshalb von Geheimnis geschützt.

»La baleine«, Foto­g rafie aus: André Pieyre de Mandiargues, Les monstres de Bomarzo, 1957

Die Verweise im Titel der Hypnerotomachia auf »alles Menschliche« und die Möglichkeit der »Heilung« entsprechen der alchymischen­

310

Vicino der Epikureer

Anhang

Personenregister

316 Anhang

Vicino Orsini

Giulia Farnese

Ottavio Farnese

Papst Paul III.

Papst Clemens VII.

geb. 4. Juli 1523 in Rom

gest. 1564

geb. 9. Oktober 1524 in

geb. 29. Februar 1468 in

geb. 26. Mai 1478 in Florenz

gest. 28. Januar 1585

Urenkelin des Bruders von

Valentano

Canino als Alessandro

als Giulio de’ Medici

Fürst, Herr von Bomarzo,

Papst Paul III., Ehefrau

gest. 18. September 1586

Farnese

gest. 25. September 1534

Schöpfer des Heiligen Waldes

Vicino Orsinis (Ehe­schlie­

in Parma

gest. 10. November 1549

in Rom

ßung 1541). Mutter der

Papstenkel von Paul III.

in Rom

Am 18. November 1523 zum

Söhne Scipione, Corradino,

• S. 21, 69

Vertrat als zweitgebore-

Papst gewählt, regierte wie

Alessandro, Marzio, Orazio

ner Sohn die Interessen

seine Vorgänger ganz im

sowie der Töchter Ottavia

der Familie und stieg

Sinne seiner Familie. Unter

und Faustina. (Nicht zu ver-

ab 1493 – unterstützt von

seiner Regierungszeit fällt

wechseln mit ihrer Groß­

seiner Schwester Giulia

die Plünderung Roms durch

mutter, die die Mätresse

Farnese (nicht identisch mit

die kaiserlichen Truppen

Alexanders VI. gewesen war.)

der Ehefrau Vicinos) und

(Sacco di Roma, 1526). Strikt

• S. 20, 67, 157

Delia di Clemente

• Lorenzo Lotto, »Giovane che

Minderjährige Geliebte

sfoglia un libro« (vermutlich

Vicinos, aus Bomarzo, Mutter

Vicino Orsini), um 1527 Gallerie dell’Accademia, Venedig

Mätresse des regierenden

wie seine beharrliche

Papstes Alexander VI. – in

Weigerung die Ehescheidung

der Hierarchie der Kirche

Heinrichs von Katharina von

auf. Am 13. Oktober 1534

Aragon zu erlauben – »non

zum Papst gewählt, machte

possumus« – war seine

er umgehend seine Enkel,

Haltung gegenüber der

Guido Ascanio Sforza und

Reformation. Er war Freund

seiner Tochter Orontea und

• Anonimo Lombardo,

des Sohnes Leonida, die er

»Ottavio Farnese, secondo

Alessandro Farnese (der J.)

und Feind des umstrittenen­

1584 von Papst Gregor XIII.

duca di Parma«, um 1580,

zu Kardinälen und mehrte

Dichters Pietro Aretino,

legitimieren ließ.

Galleria nazionale di Parma

• S. 214

auch sonst Macht und

der vor ihm nach Venedig

Reichtum der Farnese;

flüchtete­.

erkannte das bevorstehende

• S. 211

Schisma der Kirche und Adriana de Roza

Alessandro Farnese

eröffnete 1545 das Konzil

gest. 1544

geb. 1520 in Valentano

von Trient, dem Kardinal

Römische Mätresse Vicinos,

bei Viterbo

Cristoforo Madruzzo vor-

starb drei Jahre nach seiner

gest. 1589 in Rom

stand. Vicino Orsini war

Heirat mit Giulia Farnese an

Papstenkel von Paul III.,

durch Einheirat mit Giulia

einem Fieber.

Kardinal, lebensläng­liche

Farnese (Großnichte

• S. 23

Freund­schaft mit Vicino,

Pauls III.) und wegen seiner

allerdings auch belastet

Teilnahme an den Kriegs­

durch die opportunistische

zügen des Farnese-Papstes mit der Familie verbunden.

Politik Pauls III. Protegiert Laura

Vicino wo er nur kann und

Untreue Nachfolgerin der

verschafft dessen legitimen

Adriana de Roza, die Vicino jedoch großmütig wieder

• Tizian, »Porträt des Papstes

• Sebastiano del Piombo,

wie illegitimen Kindern

Paulus III. mit Kardinal

»Papst Clemens VII.«,

glänzende Partien.

Alessandro Farnese und

um 1531, The J. Paul Getty

aufnimmt, nachdem sie ihn

• S. 20, 36, 68, 155, 180, 225,

Herzog Ottavio Farnese«,

Museum, Los Angeles

mit einem seiner Gäste betro-

261, 303

gen und verlassen hatte.

Detail, 1546, Museo di Capodimonte, Neapel

• S. 26, 36, 209, 214, 224

• Tizian, »Papst Paul III.«, 1543, Museo di Capodimonte, Neapel

Anhang 317

Papst Gregor XIII.

Giordano Bruno

Torquato Tasso

geb. 7. Jänner 1502

geb. Januar 1548 in Nola

geb. 11. März 1544 in Sorrent

in Bologna als Ugo

als Filippo Bruno

gest. 25. April 1595 in Rom

Boncompagni

gest. 17. Februar 1600 in Rom

Italienischer Dichter des 16. Jahrhunderts, der Zeit

gest. 10. April 1585 in Rom

Dominikanermönch, Denker,

1572 zum Papst gewählt

Astronom, Gedächtnis­künst­

der Gegenreformation.

war Gregor ein vehemen-

ler, Philosoph, Ketzer und

Berühmtestes Werk

ter Vertreter der Gegen­

Autor u. a. der Heroischen

La Gerusalemme liberata;

reformation und jener

Leidenschaften, der Ver­

berüchtigt wegen seiner

Besuch den Vicino ganz

brechen der Ketzerei und

Geisteskrankheit.

Magie angeklagt, verfolgt,

• S. 28, 62, 252, 287

dezidiert ablehnte; siehe

• Tizian, »Pietro Aretino«,

Brief an Giovanni Drouet

1545, Palazzo Pitti, Florenz

vom 18. August 1578 (siehe

was am 12. März 2000 von

Fußnote 486).

Johannes Paul III. offiziell

• S. 109 Pietro Aretino

• »Annibale Caro«, 1562–1565

gefoltert und hingerichtet,

Annibale Caro

als Unrecht erklärt wurde.

geb. 19. Juni 1507 in Civita­

• S. 11, 19, 25, 34, 49, 55, 74,

geb. 20. April 1492 in Arezzo

nova Marche

158, 186, 254, 279, 290, 305,

gest. 21. Oktober 1556 in

gest. 21. November 1566

307, 309

Venedig

in Rom

Freigeist, Dichter, Philo­

Bekannt für seinen klassi-

soph und Unruhestifter.

schen Stil und Humor (sic!),

Inspirierte mit seinen frei-

ehrgeiziger Sohn armer

zügigen Gedichten die

Eltern, in den Diensten rei-

Gigantomachie Bomarzos,

cher Bürger und dann adeli-

• Alessandro Allori, »Torquato

floh vor dem Papst, der ihn

ger Kleriker wie den Farnese,

Tasso«, Fondazione Federico

kurz zuvor zum »Ritter von

die ihn als Diplomaten ein­

Zeri, Università di Bologna

Rhodos« ernannt hatte, nach

setzen. Mit seiner Universal­

Venedig.

• Lavinia Fontana,

bildung Vicino bei der Ent­

• S. 210

»Gregor XIII.«

wicklung des ikonografischen Programms für das

Francesco Mosca genannt Il Moschino gest. 28. September 1578

Wäldchen von großem

• Giordano Bruno, aus:

Cristoforo Madruzzo

Nutzen.

»Opere …«, Weidmann, 1830

Torquato Conti

geb. 5. Juli 1512 auf Castel

• S. 36, 68, 180

Wellcome Library, London

Condottiere, kaiserlicher

Madruzzo in Kalfein

Skulp­teur und Architekt, von

Feldmarschall, päpstlicher­

gest. 5. Juli 1578 in Tivoli

Vicino für die Arbeiten im

General und Freund aus

Kardinal, Leiter des Tri­

Sacro Bosco eingesetzt.

den Zeiten der soldatischen

dentinischen Konzils und

Vergangenheit Vicinos

bester Freund Vicinos,

Giovanni Drouet

(etwa 1545–1558).

Schöpfer der Papacqua in

geb. 1516

• S. 20

geb. um 1531 in Florenz in Pisa

Soriano.

gest. 1595

Simone Moschino

• S. 20, 36, 49, 68, 214, 225,

Militärischer und klerikaler

geb. 12. November 1553 in

275, 295

Karrierist, Freund, philoso­

Orvieto

phischer und ärztlicher

gest. 20. Juni 1610 in Parma

Berater Vicino Orsinis.

Sohn von Francesco Mosca,

• Tizian, »Kardinal Cristoforo

• S. 25, 35, 36, 37, 68, 69, 75,

ebenfalls Skulp­teur und

Madruzzo«, Detail, 1552,

153, 177, 180, 214, 217, 225,

Architekt, arbeitete auch im

Museu de Arte, São Paulo

226, 280, 287, 289, 290, 305

Sacro Bosco.

318 Anhang

Pirro Ligorio

Giancarlo Bettini

geb. 1514 in Neapel

Erwarb 1954 mit seiner­

gest. 30. Oktober 1583

Frau Tina Severi das

in Ferrara

Gelände, renovierte die

Maler, Architekt, Antiquar

Ensembles und richtete

und Gartenarchitekt, ab 1547

ein Museum sowie eine

bis in die 1570er Jahre unter

Gaststätte ein, die heute mit

der Ägide Vicinos zusam-

Spielplatz, Streichelzoo und

men mit Sansovino, Vignola

Picknickzone ein beliebtes

und dem einheimischen Steinbildhauer Francesco Moschino und dessen Sohn

Ausflugsziel für Familien • Pirro Ligorio

ist. Das Ehepaar wurde im Oktogon des Tempietto bei-

Simone für Entwurf und

gesetzt. Heute wird der Sacro

Ausführung der Skulpturen

Bosco von Giovanni und

des Sacro Bosco verantwort-

Paolo Bettini verwaltet und

lich.

instand gehalten. Giacomo Barozzi da Vignola geb. 1. Oktober 1507 in Vignola/Modena gest. 7. Juli 1573 in Rom Berühmter Architekt und Architekturtheoretiker, baute u. a. Il Gesù in Rom und die Villa Gambara in Bagnaia sowie die Villa Farnese in Caprarola.

• Tintoretto, »Porträt des Bild­ hauers Jacopo Sansovino«, 1560–1570, Uffizien, Florenz

Jacopo Sansovino geb. 2. Juli 1486 in Florenz als Jacopo d’Antonio Tatti gest. 27. November 1570 in Venedig

• Giacomo Barozzi

Wurde während seiner Lauf­ bahn zum einflussreichsten oberitalienischen, venezianischen (sic!) Architekten und Bildhauer. Zu Zeiten Vicinos dessen Ratgeber und Panegyriker.

Anhang 319

Ackermann, Erich: Die Sagen

Beigbeder, Oliver: Lexikon

Bredekamp, Horst: Vicino

der Römer, Köln: Anaconda

der Symbole. Schlüssel­

Orsini und der Heilige Wald

2013.

begriffe zur Bildwelt der

von Bomarzo. Ein Fürst als

roma­nischen Kunst, Würz­

Künstler und Anarchist,

burg: Echter 1998.

Bd. Ii. (Grüne Reihe: Quellen

Alighieri, Dante: Die Gött­

und Forschungen zur Garten­

liche Komödie, Übers. von

Bibliografie (Auswahl)

Hermann Gmelin, mit

Berberi, Marco: Bomarzo:

kunst, Bd. 7), Worms: Wer­

Anmerkungen und einem

un giardino alchemico del

ner’sche Verlags­a nstalt 1985.

Nachwort von Rudolf Baehr,

Cinquecento, Bologna 1999. Bredekamp, Horst: Vicino

Universal Bibliothek Nr. 796, Bernheimer, Richard:

Orsini und der Heilige Wald

Romanische Tierplastik und

von Bomarzo. Ein Fürst als

Amiels Tagebücher, siehe

die Ursprünge ihrer Motive,

Künstler und Anarchist,

Grimminger 1987

München: Bruckmann 1931.

Bd. II. überarb. Auflage

Apuleius (Madaura):

Bettini, Giovanni: Bomarzo.

Forschungen zur Garten­

Der Goldene Esel, aus dem

Führer durch den Park der

kunst, Bd. 7), Worms: Wer­

Lateini­schen übersetzt

Ungeheuer. Erschaffen im

ner’sche Verlagsanstalt 1991.

von August Rode, Wien:

Jahre 1552 als Park der

Heim 1928.

Wunder­­dinge; auch Heiliger

Brown, Peter: Die Keuschheit

Wald genannt; eine künstle­

der Engel. Sexuelle Ent­sa­

Bachmeister, Christiane

rische und kulturelle Anlage

gung, Askese und Körper­­­lich­

(Hrsg.): Giordano Bruno.

ohne ihresgleichen auf der

keit im frühen Chris­ten­t um,

Von den heroischen

Welt, Narni: Plurigraf 1988.

München: dtv wissen­schaft

Stuttgart: Reclam 1993.

(Grüne Reihe: Quellen und

1994.

Leiden­schaften, mit einer Einleitung von Ferdinand

Biedermann, Hans (Hrsg.):

Fellmann, Hamburg:

Knaurs Lexikon der Symbole,

Bruno, Giordano, siehe

Meiner 1989.

Augsburg: Weltbild Verlag

Bachmeister 1989

2000. Bruschi, Arnaldo/ Zanda,

Barbini, Bruno: Vicino Orsini e il Palazzo di Bomarzo, in:

Birchler, Linus: Über die

Giuseppe/ Fasolo, Furio

Lefevre, Renato (Hrsg.),

Hypnerotomachia Poliphili,

(u. a.): Quaderni dell’Istituto

Rinascimento nel Lazio,

in: Librarium. Zeitschrift

di storia dell’architettura:

Lunario romano 9, 1979,

der Schweizerischen Biblio­

fascicolo speciale dedicato

S. 109–127.

philengesellschaft, Bd. 1, 1958

alla villa Orsini di Bomarzo,

(als PDF-Datei, 18. 3. 2017).

Rom: Facoltà di Architet­t ura dell’Università di Roma 1955.

Barth, Lewis M.: Theolo­ gi­sche Realen ­z yklopädie,

Bischof, Norbert: Im Kraftfeld

Bd. 16, Berlin/New York 1987.

der Mythen. Signale aus

Calvesi, Maurizio: Il Sacro

einer Zeit, in der wir die Welt

Bosco di Bomarzo, in: Scritti

Bassani, Lucia Nadin: Vicino

erschaffen haben, München:

di storia dell’arte in onore di

Orsini tra la cultura dei

Piper 1996.

Lionello Venturi, Rom 1956, S. 369–402.

volgarizzamenti e le favole

320 Anhang

di Bomarzo, in: Quaderni

Brandt, Reinhard: Arkadien.

veneti, Vol. 8, 1988,

In Kunst, Philosophie und

Calvesi, Maurizio: Bomarzo

S. 193–214.

Dichtung, Freiburg i. B.:

e i poemi cavallereschi: le

Rombach 2006.

fonti delle iscrizioni, in: Arte

documento, Heft 3, 1989,

gedruckt zu Wittenberg

Ficino, Marsilio: Über die

Gregorovius, Ferdinand:

amerikanischer Schamanen.

S. 142–153.

durch Hans Lufft, geneh-

Liebe oder Platons Gastmahl,

Geschichte der Stadt Rom im

Heiler und Zauberer, Frei­

migte Ausgabe, Menden/

Hasse, Karl Paul (Übers.)/

Mittelalter, Dresden, o. J.

burg: Herder 1999.

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15. Jahrhundert, Studien

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Anhang 323

Fußnoten

Der Fußnotenteil konzentriert sich auf die authentischen Aussagen Vicino Orsinis, die für diese Arbeit von größtem Interesse sind (zum ausführlichen­wissenschaftlichen Apparat meiner Habilitationsschrift siehe Vergeiner 2001). Die handgeschriebenen Briefe Vicino Orsinis, die die Biblioteca Herziana in Rom bewahrt und von denen einer im Faksimile auf S. 226 erscheint, wurden in der Transkription Bredekamps aus dem 2. Band der ersten Ausgabe seines Buches übernommen. In der Folge werden sie kurz mit Bredekamp 1985 zitiert.

324 Anhang

1 Wie Girolamo Dandino in

der Antike bis zur Gegenwart,

Orsini ist das Verdienst

2. Januar 1557, zit. nach

Die motivische und themati­

seinem Brief an Innocenzo

Köln: Könemann 2000, S. 8.

Horst Bredekamps. Einzig

Bredekamp 1985, S. 15.

sche Rezeption des Topos der

del Monte vom 16. September

ein Brief vom 4. Juli 1563,

Schatzsuche in der Kunst vom

1553 schrieb, vertrieben sich

4

in dem Vicino den Hinweis

13

15. bis 18. Jahrhundert, Berlin:

die Herren Torquato Conti

Genesis 1, 2, 4 b–25 und

auf das Datum als das sei-

Bachmeister 1989, S. XXV

Gebr. Mann 1993.

und Vicino die Zeit ihrer

Genesis 4, 1–16 und 4, 17–24,

nes Geburtstags in die

Kriegs­gefangenschaft in

mit den Fußnoten. In: Die

Abschiedsfloskel einfügt,

14

19

Namur auf eine Art und

Bibel. Einheitsübersetzung.

weist auf seinen Geburtstag

Brief an Ottavio Farnese

Vgl. dazu die antike Fabel

Weise, die ein bezeich-

Altes und Neues Testament,

hin: »De Bummarzo Il di del

vom 20. Juli 1567. Bredekamp

von Publius Ovidius Naso:

nendes Licht auf die

Stuttgart: Katholische Bibel­

mio natale, cioè li quattro de

1985, S. 20.

Diana und Actaeon, 3. Buch,

Persönlichkeit Vicinos wirft

anstalt, Herder 1980.

luglio 1563« (»aus Bomarzo,

Barth, Lewis M.: Theolo­

Vers 131–252 sowie bei:

am Tag meines Geburtstages

gische Real­enzyklo­pädie,

Sautner 1984, S. 27. Die sinn­gemäß Bruno folgende

und seine Art mit »weltlichen«, d. h. fremdbestimm-

5

das ist der vierte Juli 1563«),

Bd. 16., Berlin/New York

ten Ereignis­sen seines

Beck, James H.: Die drei

zit. nach Bredekamp 1985,

1987, S. 565.

Lebens umzu­gehen­: »facen-

Welten des Michelangelo,

S. 17. Dagegen ist sein letz-

doli quel castellano­ban-

München: C. H. Beck 2001,

tes Lebenszeichen mit dem

15

Maskenspiel der Genien, in:

chetti perpetui et sempre

S. 174.

Brief vom 26. Dezember 1583

Steffen, Uwe: Das Mysterium

Torberg, Friedrich (Hrsg.):

an Giovanni Drouet belegt,

von Tod und Auferstehung.

Das Gesamtwerk: Fritz von

in compagnia di honestis-

Version des Stoffes bei Herz­ manovsky-Orlando, Fritz von:

sime dame« (»…dort ständig

6

den er mit der makabren

Formen und Wandlungen

Herzmanovsky-Orlando,

bankettierend und immer

Walter, Hans: Pans Wieder­

Mitteilung beschließt, des-

des Jona-Motivs, Göttingen:

Ullstein Buch Nr. 37094,

in Gesellschaft ehrenwer-

kehr, München: Piper 1980,

wegen nicht an Ludovico

Vandenhoeck & Ruprecht

München/Wien: Ullstein

tester Damen«, womit ein-

S. 69.

de Torres zu schreiben,

1963.

1987, S. 21 ff.

deutig und explizit Kurti­

weil er Angst hätte, seine

sanen gemeint sind, in

7

Briefe würden bereits, wie er

16

20

denen sich der Typus und

Gordon Dotson, Esther:

selbst, »nach Tod stinken«

Schama, Simon: Der Traum

Spielmann, Heinz: Gärten des

Topos der gebildeten antiken­

Shapes of Earth and Time in

(»… non li scrivo, perché ho

von der Wildnis (Titel der

Manierismus, Hamburg: Olde

Hetäre spiegelt), zit. nach

European Gardens, 1982, Art

paura ch le mie lettere non

Originalausgabe: Landscape

Hansen 1977, S. 16.

Bredekamp, Horst: Vicino

Journal, Heft 3, S. 211–216.

li dieno fastidio, puzzando

and Memory, München:

de morto come fo io …«), zit.

Droemer/Knaur 1995),

21

von Bomarzo. Ein Fürst als

8

nach Bredekamp 1985, S. 65.

München: Kindler 1996,

Im Brief an Giovanni Drouet

Künstler und Anarchist,

Bruno, Giordano: Von den

Siehe zur Biografie: Brede­

S. 299 ff.

vom 14. August 1573, zit. nach

Grüne Reihe: Quellen und

heroischen Leidenschaften,

kamp 1991, S. 6 ff. und Brede­

Forschungen zur Garten­

Philosophische Bibliothek

kamp 1991, Kapitel Karriere

17

Orsini und der Heilige Wald

Bredekamp 1985, S. 23.

kunst, Bd. 7, Bd. II, Worms:

Bd. 398, Hamburg: Felix

als Soldat, S. 12 ff.

Colpe, Carsten/ Holzhausen,

22

Werner’sche Verlags­a nstalt

Meiner Verlag 1989,

Siehe auch Hinrichs, Gunda:

Jens (Hrsg.): Das Corpus

Elwert, W. Th.: Die ita­

1985, S. 76.

S. XXXVIII.

Der Heilige Wald von

Hermeticum Deutsch. Die

lienische Literatur des

Bomarzo. Ein rätselhafter

griechischen Traktate und

Mittelalters, München: UTB

2

9

italienischer­ Renaissance­

der lateinische »Asclepius«,

Francke 1980, S. 151. vgl.

»piante liete« (»fantas­t ische

Bruno 1989, op. cit.,

garten und Freuds Traum­

Teil 1, Stuttgart-Bad

Fierz-David 1947, op. cit.,

Bepflanzung«) beschrieb

S. XXXVIII

deutung als Methode seiner

Cann-statt: frommann-

S. 243.

Inter ­pretation, Berlin: Gebr.

holzboog 1997 (Clavis

Mann Verlag 1996, S. 9 ff.

Pansophiae, Band 7, 1).

12

18

an Vicino Orsini vom

Alfonoso Cecarelli um 1580 die Wirkung des Gartens.

10

Bredekamp 1985, S. 71.

Bachmeister 1989, S. XXXII

23 Brief von Giovanni Drouet

3

11

Übersetzt: »[…] et so et

Klinkhammer, Heide: Weis­

25. Dezember 1573, zit. nach

Kluckert, Ehrenfried:

Die Dokumentation der

sarró servitore […]« im Brief

heitssucher, Schatzgräber

Bredekamp 1985, S. 89.

Gartenkunst in Europa. Von

Lebens­geschichte von Vicino

an Ottavio Farnese vom

und Dämonenbeschwörer.

Bachmeister 1989, S. 3 ff.

Anhang 325

24 Bachmeister 1989, S. XVI

34 Antike und Renaissance,

Maisak 1981, op. cit.

Geschichte des Poliphil ist

nescio quid’ commune colli

die Geschichte der Läuterung

influssi celestali et elementi,

35

und Selbstvervollkommnung

così ha come il trattar li for-

Maisak 1981, S. 40

ihres Autors Colonna und

nelli per via de destillati-

schon darin der Schöpfung

oni. […]« Dieser Weinberg –

Köln: DuMont 1984. 25 Klibansky, R./ Panofsky, E./

28

Saxl, F.: Saturn und Melan­

Panofsky, Erwin: Et in Arca­

choly, Frankfurt a. M.:

dia ego. Poussin und die

36

Vicinos vergleichbar. Die

ganz offensichtlich gilt die

Suhr­kamp 1998 (3. Aufl.),

Tradition des Elegischen, in:

Siehe Brief von Giovanni

vor­liegende Arbeit stützt sich

Metapher des Weinberges

(Studien zur Geschichte

Sinn und Deutung in der bil­

Drouet an Vicino Orsini. Zur

vor­nehm­lich auf die Über­

als immaterieller Besitz –

der Naturphilosophie und

denden Kunst, (1. Aufl., engl.

Metapher des Gartens siehe

setzungen und Kommentare

beginnt sich zu lohnen,

Medizin, der Religion und

1957). Köln: DuMont 1978,

Kap. VII, Dialoghi: weltliches

von Fierz-David, Linda: Der

immerhin hat » ›diese Art der

Kunst) sowie Földényi,

S. 351–369.

Latein und heiliges­ Volgare,

Liebes­t raum des Poliphilo.

Landwirtschaft‹ direkt mit

S. 276.

Ein Beitrag zur Psychologie

den himm­lischen Einflüssen

der Renaissance und der

und den Elementen zu tun

Moderne, Zürich 1947.

und ist, ähnlich wie die

László F.: Melancholie, München: Mathes und Seitz

29

1988.

Vgl. Götte, Johannes und

37

Maria (Hrsg.): Landleben.

Maisak 1981, S. 40 f.

26

Cata­lepton – Bucolica –

Vgl. Krüger, Manfred:

41

mit ihren Athanoren arbei-

In den Briefen an Drouet,

Georgica, Zürich: Artemis

Guillaume de Lorris. Der

Eine zusätzliche Brücke

ten, in Betrieb zu nehmen.

der ihn medizinisch berät,

und Winkler 1995, (6. Aufl.),

Rosen­roman, Stuttgart:

in unbewusste Regionen

[…]«, zit. nach Bredekamp

vom 16. November 1573,

Sammlung Tusculum, S. 274.

Ogham Verlag 1985, S. 8.

und Vorgänge, die sich

1985, S. 88. Die metapho-

zudem mit den sehr ratio-

rische Bedeutung der

22. Dezember 1573,

Alchemisten (Destillateure)

26. Januar 1574, Ende März

30

38

nal betriebenen alchemis-

Landwirtschaft, mit der sich

1574, 28. Juni 1574, 28. Juli

Theokrit: Idyllen I, 64–128

Vgl. Fußnote 17 sowie Jäger,

tischen Wissenschaften

Vicino die Zeit und seine

Michael: Die Theorie des

des Vicinokreises decken,

Melencolia vertreibt, wird

1574, 31. Oktober 1574, 10. April 1575, 6. Mai 1575,

31

Schönen in der Renaissance,

bieten die Ausführungen

mit der »Arbeit im Weinberg«

8. Mai 1575, 18. Mai 1575,

Beck 2001, S. 112 ff.

Köln: DuMont 1990, siehe

von Hinrichs, Gunda: Der

verglichen. Die sprach­

Textdokumente, S. 137.

Heilige Wald von Bomarzo.

witzige Entlehnung aus der

Ein rätselhafter italieni­

Bibel wird von den Freunden

7. Juli 1575 über die seelischen und gastronomischen

32

Verstimmungen, und vom

Schama, Simon: Der Traum

39

scher Renaissancegarten

zur Benennung ihrer speziel-

9. November an, ständige

von der Wildnis (Titel der

Białostocki, Jan: Skizze

und Freuds Traumdeutung

len Interessen gebraucht.

Klagen über den nahenden

Originalausgabe: Landscape

einer Geschichte der beab­

als Methode seiner Inter­pre­

Am 22. Dezember 1573 emp-

Tod, belegen die intensive

and Memory, München:

sichtigten und der interpre­

tation, Berlin: Gebr. Mann

fiehlt Vicino seinem Freund,

Beschäftigung der Freunde

Droemer/Knaur 1995),

tierenden Ikonographie, in:

Verlag 1996, S. 9 ff.

Arzt und Berater Drouet,

mit dem Thema Tod und

München: Kindler 1996,

Kaemmerling, Ekkehard

Vergänglichkeit. Alle zit.

S. 299 ff.

(Hrsg.): Ikonographie und

42

mit Rezepten versorgt hatte

Ikonologie. Bildende Kunst

Vor allem die Gespräche

(gegebenenfalls ein herme­

33

als Zeichensystem, Köln:

der gebildeten Freunde

tischer Hinweis!) sein Heil­

27

Maisak, Petra: Zur Bukolik

DuMont 1973 (4. dt. Aufl.,

über Kosmografie und

mittel der kosmologischen

Siehe zur emblematischen­

unter dem Einfluss des

Köln: DuMont 1987), S. 39 ff.

»Landwirtschaft«, wobei

Landwirtschaft: »Ho fatto un

nach Bredekamp 1985.

der ihn offensichtlich zuvor

Umsetzung des et in Arca­

Neu­platonismus und das

der italienische Ausdruck

discorso sopra li ricordi amo-

dia ego: Rudolf Wittkower

Arkadien der Pan Medicea,

40

der agricoltura viel besser

revoli de V. S. et le sue ricette,

zum Bild »Allegorie auf

Kapitel 2, in: Arkadien.

Die Hypnerotomachia ist als

den Nexus zwischen Land­

in effetto tutti sonno buoni et

das Leben und den Tod«,

Genese und Typologie einer

Leitfaden und musterhaft für

wirtschaft und der philoso­

belli et per tali l’accetto, ma

Wittkower, Rudolf: Tod

idyllischen Wunschwelt,

das Programm des Heiligen

phisch begründeten und

come potrei fara metterne in

und Auferstehung auf

Frankfurt a. M.: 1981

Waldes anzusehen. Die

hermetisch betriebenen

exequutione al meno la mag-

einem Bild von Marten

(Europäische Hochschul­

zwischen mittelalterlicher

Wahrheitssuche wiedergibt:

gior parte? ›Spiritus prom-

de Vos, in: Alle­gorie und

schriften), S. 53.

Frömmigkeit und der Liebe

»La vigna andará a spasso,

tus, caro autem infirma‹; et

zur Antike oszillierende

ancora che ’agricoltura habet

chi puol star tanto costante

Wandel der Sym­bole in

326 Anhang

che, ›quandoque non com-

Körper und Geist in Unruhe

fand. (Die Anspielung auf

vom 10. April 1575, zit. nach

massime­in quella di Roma;

moveatur‹, et specialmente

versetzen, könntet Ihr mir

Diokletian im vorherigen

Bredekamp 1985, S. 35, 78

e qui troverà una lira libera

›in iis, in quibus agitur inte-

antworten: ›Im Unglück wird

Brief vom 26. November ist

sowie Bredekamp 1991, S. 46

et non piena d’inganni«.

resse anima et corporis‹,

der Mensch stark‹; das ist

offensichtlich: »come disse

und S. 48.

Auch der inganno, den

come tutto dí occorre; mi

wahr und ich weiß das am

Diocletiano, quando lo vol-

potria rispondere, che ›in

besten. Wann immer mich

sero reassumer allo Imperio

47

Standard­wortschatzes wie-

adversis homo fortis‹; gli è

eine Verstimmung anwan-

et lui non volse, che disse a

Huizinga, Johan: Herbst

derholt für die Betrügereien

vero et io al possibile lo so

delt, versuche ich sie durch

quell’Imbasciatori: se guas-

des Mittelalters, Stuttgart:

und Ungerechtfertigkeiten

et quanto più mi vien occa-

Lesen oder neue Entwürfe

tasero la dolcezza delle lat-

Kröner 1975, S. 89 und 98 ff.

sion de travagli, tanto più

für mein Wäldchen zu

tughe che io pianto di mia

cerco o con legger o con far

vertreiben. Ich versuche

mano, come io fo, non chere-

48

schen Widerspruches der

dissegni nuovi al boschetto,

mein Bestes, weil man am

reste levarmi di qua.« (»Wie

»difetti de’ vecchi« (»die

unfreien Stadt und des freien

passarla, et attendo a tirar

Ende das hat was man sich

Diokletian antwortete, als sie

Gebrechen der Alten«) im

Wäldchens gebraucht, vgl.

innanti meglio che posso,

nimmt. Daher rate ich Euch

kamen um ihn zur Rückkehr

Brief an Giovanni Drouet

die Inschrift am Sockel

certo che l’homo al fine tanto

Dasselbe und mit männli-

an die Herrschaft zu bewe-

vom 8. November 1579, zit.

der rechten Sphinx, siehe

ne ha, quanto se ne piglia,

chem Mut die Gelegenheit zu

gen und er ablehnte indem er

nach Bredekamp 1985, S. 53.

S. 59, (»in die ich [aus] den

et però consiglio V. S. a far

ergreifen und den Weinberg

dem Gesandten sagte: Wenn

l’istesso et, acció più facil-

zu kaufen, wie ich Euch

Ihr die Süße meiner Gemüse

49

der Höfe, vor allem des

mente lo possa fare, l’esorto

schon öfter geschrieben

kostetet, die ich mit eigener

Aus dem Brief an Giovanni

römischen, untergetaucht

che ›prae viribus‹ non lasci

habe. Mit Leib und Seele

Hand gezogen habe, würdet

Drouet vom 8. November

bin; und hier wirst Du

di far compra della vigna,

betriebene Landwirtschaft

ihr [erst] gar nicht versuchen

1579, zit. nach Bredekamp

Frei­heit finden und keine

come più volte le ho scritto,

befreit den Geist von den

mich von hier wegzubrin-

1985, S. 53.

Betrügereien«).

et darsi animo et corpore all

Leidenschaften. Nach unse-

gen.«), zit. nach Bredekamp

agricoltura; che così verrà a

rer Veranlagung ›so wie es

1985, S. 26.

50

51

liberarsi l’animo dalle pas-

über uns beschlossen ist‹

Im Brief an Giovanni Drouet

Der Hinweis, von Giuseppe

sioni, le quali le causano

bereiten sie dem Körper

43

vom 14. August 1573 lädt

Bertussi in Il Raverta, auf die

grandissima indispositi-

grausame Verstimmungen,

Hennebo, Dieter: Gärten

Vicino den Freund ein nach

aretinische Spitz­fi ndigkeit

one al corpo, et come l’uno

deshalb ist es gut bei-

des Mittelalters, München:

Bomarzo zu kommen: »a

morte (Tod) und corte (Hof)

et l’altro è enfermo ›actum

des zu beherrschen (agri-

Artemis 1987, S. 88.

sfogare [diese Wortwahl

zu vermischen, ist offen-

est de nobis‹ et possiamo a

coltura) und ›auf eigenen

wird noch bezüglich der

sichtlich: »Perché come dice

posta nostra dir bona notte.«

Grund und Boden Gute

44

Inschrift des Theaters dis-

l’Aretino, la corte ebbe prima

(»Ich habe mir die bemer-

Nacht zu sagen.‹«), zit. nach

Bachmeister, 1989, S. XXXIV

kutiert werden, siehe S. 287]

il nome di ’morté ma, per-

kenswerten Reflexionen

Bredekamp 1985, S. 27.

qual’humore malinconico,

ché il vocabulo era troppo

E. E. zu Gemüte geführt und

Der Hinweis auf die Heroi­

45

che la corte l’ha causato«

orrido, cangiarono, par farla

Ihre Rezepte (sic!), wirk-

schen Leidenschaften be­zieht

Bachmeister 1989: II. Der

(»um die Verstimmung los-

meno spaventevole, la prima

lich sind sie alle gut und

Brunos Theorie der Über­

lateinische Asclepius, § 6: Der

zuwerden, die ihm [Drouet]

lettera in un c.« (»Weil, wie

schön und deswegen werde

windung auf die kosmolo-

Mensch als Mittelwesen und

der Hof verursacht habe«). Er

Aretino sagt, Hof zuerst wie

ich sie befolgen, aber wie

gische Landwirtschaft, die

Träger des Geistes, S. 259 ff.

selbst (Vicino) bleibe unbe-

Tod geschrieben wurde, aber

soll ich es anstellen wenigs-

Vicino mit der Anspielung

kümmert in den Wäldern:

das Wort zu schrecklich war,

tens die meisten davon (ein)

auf antike Kaiser versieht,

46

»che immerso nelle falla-

änderten sie, um es weniger

nehmen zu können? ›Mit

deren überlegene Denk- und

Bachmeister 1989, S. XXI,

cie et ambitioni delle Corti

furchtbar zu machen, den

dem Heiligen Geist‹ (scherz-

Handlungsweise in der ste-

Einleitung. Dem entspricht

[auch hier verwendet Vicino

ersten Buchstaben auf C.«),

haft für Alkohol) etwa und

reotypen Legende, nach der

die Selbst­darstellung Vicinos

absichtsvoll die Mehrzahl,

zit. nach Bredekamp 1985,

auf meine Frage wer schon

sie direkt vom Pflug oder

»la follia del mio Boschetto«

um die deduktive Logik sei-

S. 73.

gleichmütig bei all den all-

der Arbeit auf dem Felde

(»die Überspanntheiten

ner Ausführungen zu beto-

täglichen Aufregungen

weggeholt werden mussten,

meines Wäldchens«) im

nen, vgl. Inschrift an der

bleibt, die gleichermaßen

ihren adäquaten Ausdruck

Brief an Giovanni Drouet

Arkosolbank, siehe S. 135] et

Vicino als Teil seines

der Welt benutzt, wird hier im Sinne des antagonisti-

Betrügereien und Intrigen

Anhang 327

52

57

Vgl. den Brief an Giovanni

Noch im Brief vom 17. No­­­

werde.«) Am 28. Mai dessel-

sind voller Todesvisionen

quale si uede il Theatro, il

Drouet von Mitte April

vember 1579 schreibt Vicino

ben Jahres schreibt er von

und Reflexionen über das

lago, & il Tempio […]«

1574, in dem die intime

an Drouet »se non fosse il

seiner allgemein nachlas-

Sterben, Antikenzitate und,

(»[…] scheint mir, dass ich

Verbindung zwischen den

Boschetto, io sarria ›mortuus

senden Lebensfreude »m’è

an Stelle der jugendlich wir-

auf dieser Terrasse stünde,

sinnlichen und geistigen

mundo‹« (»wenn es nicht

venuto in fastidio fino al

kenden Zotigkeit, resigna-

die das ganze Land bis zu

Genüssen unverstellt zum

das Wäldchen gäbe, wäre

Boschetto« (»bereitet mir

tive Selbstbeschau wechseln

jenem Hügel überblickt, und

Ausdruck kommt, zit. nach

ich ›der Welt ein Toter‹«),

sogar schon das Wäldchen

ab, bis er am 8. August einen

von wo man an seinem Fuße

Bredekamp 1985, S. 29.

zit. nach Bredekamp 1985,

Überdruss«), zit. nach

Abschiedsbrief an Giovanni

das Theater, den See und den

S. 54. Nur ein Monat spä-

Bredekamp 1985, S. 55.

Drouet verfasst, in dem er

Tempel erblickt.«), zit. nach

53

ter, am 15. Januar 1580, trifft

Eine letzte Reanima­t ion der

von seinem nahen Tod als

Bredekamp 1985, S. 83.

Im Brief vom 25. Dezember

diese Gleichsetzung zu,

Gegenwelt, die er früher

von einer Schuld, die an

1573 an Vicino schreibt

denn nun gibt es für ihn

als bewährtes Mittel gegen

die Natur zurückzuerstat-

62

Drouet: »Quantum ad ani-

keine neue Arbeit und er

die Melancholie beschreibt,

ten wäre, spricht: »bisogna

C. G. Jung: Psychologie und

mum, dice che corpore bene

hat »nel mio Boschetto non

schlägt wegen des kranken

pagare il debito alla Natura

Alchimie, Zürich, 1944.

organizzato […] possa sonar

ci ho da far altra operazi-

Bären, den ihm Alessandro

et resolverse farlo senza

colle sue flaute, l’animo

one, che la contemplazione

Farnese geschenkt hat

tante cierimonie et querele«

63

incontinenti se acquieterá,

delle cose inferiori e superi-

und dem Affen, der nie in

(»man hat der Natur die

Földényi s. o. , S. 56.

se non per natura, per arte e

ori« (»in meinem Wäldchen

Bomarzo eingetroffen ist, in

Schuld zurückzuzahlen und

Siehe Gedankensprung:

industria […] in questo nego-

[…] nichts mehr zu tun als

ihr Gegenteil um: »mi mandi

sich ohne große Zeremonien

Die Papacqua des Cristoforo

tio V. S. sa più di me.« (»So

über die Dinge der Unterwelt

la scimia, ma non patto che

und Klagen aufzulösen«), zit.

Madruzzo, S. 294–301.

viel zum Geist, man sagt,

und die des Himmels nach-

non sia col regresso, come

nach Bredekamp 1985, S. 65.

dass der gesunde Körper mit

zudenken«), zit. nach

l’orsa che m’ ha data il

seinen Flöten spielen könne,

Bredekamp 1985, S. 54.

Car.le …« (»… soll mir

58

Volkmann, Ludwig: Bilder­

[während] der unzufriedene

Nach diversen melancholi-

[Ludovico de Torres] den

Bredekamp 1991, S. 62–69

schriften der Renaissance.

Geist sich, wenn nicht von

schen Todesbetrachtungen

Affen schicken, aber bitte

sich aus, so durch Kunst

und einer sehnsüchtigen

keinen, der in so schlechtem

59

in ihren Beziehungen und

und Handwerk beruhige […]

Retrospektive der golde-

Zustand ist wie der Bär, den

De Crescenzo, Luciano:

Fortwir­k ungen, Leipzig: Karl

hierin weiß Ihre Exzellenz

nen Tage der fröhlichen

mir der Kardinal [Alessandro

Geschichte der griechi­

W. Hiersemann 1923, S. 12 ff.

mehr als ich.«), zit. nach

Bankette gibt er in weiterer

Farnese] gegeben hat«),

schen Philosophie, Zürich:

Bredekamp 1985, S. 89.

Selbstidentifikation noch

zit. aus dem Brief vom

Diogenes 1988, S. 42 ff.

an, sehen zu wollen »vedere

9. Oktober, nach Bredekamp

54

se nella vita malenchonica

1985, S. 58. Am 15. November

60

Bachmeister 1989, S. XXI

si puol trovar qualche pia-

schreibt Vicino, auf den

Ranke-Graves, Robert von:

66

cere et, se non sarrá pia-

Affen verzichten zu können:

Griechische Mythologie.

Sowohl die häufig geäußerte­

55

cere, almeno ›carere dolore‹

»non se ne pigli più scom-

Quellen und Deutung,

Ansicht, dass der Garten als

Uhlig, Helmut: Die Sumerer.

di modo che non havendo

modo che tanto, perché

13. Aufl. (1. Aufl. April 1984),

»Mittel« gegen Melancholie

Volk am Anfang der

piacere, né dolore, l’homo

l’orsa che m’ha donato il Car.

Reinbek: rororo 2000, S. 29.

diene und/oder Vicino die

Geschichte, München:

deventerá statua.« (»es in

Farnese, per un mezzo ser-

C. Bertelsmann 1976, S. 7 ff.

einem melancholischen

vira per orsa et per scimia.«

61

chen aufhielten, als auch

64

Hieroglyphik und Emblematik

65 Bredekamp 1985, S. 119

Arbeiten im und am Wäld­

Leben noch Vergnügen zu

(»… solle er [Ludovico de

Nostalgisch schreibt

andere Meldungen, etwa,

56

finden wäre, und wenn dies

Torres] sich keine Umstände

Francesco Sansovino 1570 in

dass Vicino den Tempel für

»molti balordi che vi ven-

nicht der Fall sei, wenigs-

mehr machen, weil der Bär,

seiner Widmung an Vicino

seine Frau von den Funda­

gono« (»die vielen Tölpel

tens ›Schmerzen zu vermei-

den mir der Kardinal Farnese

Orsini: »Mi pare esser su

menten an selbst gebaut

die hierher kommen«) im

den‹, sodass man, wenn

geschenkt hat, zugleich als

quella loggia, laqual scu-

hätte (Sansovino, in:

Brief an Alessandro Farnese

schon kein Vergnügen,

Bär und Affe dienen wird.«),

opre tutto il paese & mena

Famiglie Illustri, 1582): »[…]

vom 22. April 1561, zit. nach

auch keine Leiden habe,

zit. nach Bredekamp 1985,

l’occhio de’ riguardanti giù

a Bomarzo un bellissimo

Bredekamp 1985, S. 16.

[und] der Mensch zur Statue

S. 59. Die folgenden Briefe

per quella collina, á pie della

Tempio, edificato da lui da

328 Anhang

80 fondamenti.« (»[…] einen

rupestri, Pitigliano 2001.

der griechischen Wild­

che sarria qualche libro stra-

Siehe Exkurs: Vicino der

wunderschönen Tempel in

Paolucci, Fabrizio: Italia

nis, München: Piper 1980,

vagante.« (»[…] bitte ich Sie,

Epikureer, S. 302–311.

Bomarzo, von ihm [Vicino]

Etrusca. Guida Completa,

S. 18.

mir bei Gelegenheit einige zu

von den Fundamenten auf

Firenze: Giunti Editore 2000.

schicken, die den Geist beflü-

81

selbst erbaut.«), zit. nach

Settis, Salvatore: Das Land

74

geln, am liebsten seien ihm

Herzmanovsky-Orlando,

Bredekamp 1985, S. 91, las-

der Etrusker: von der Vorge­

Walter 1980, S. 24

recht außergewöhn­liche.«),

Fritz von: Das Gesamtwerk

sen darauf schließen, dass er

schichte bis zum frühen­

zit. nach Bredekamp 1985,

in zwei Bänden, Frankfurt

neben und mit den professi-

Mittel­alter, Firenze:

75

S. 26. Und vom 13. Dezem­

a. M.: Ullstein 1987, S. 55.

onellen Handwerkern und

Scala 1985.

Vergeiner, Renate: Die Stifts­

ber 1578: »Piglio gran piacer

ausgewiesenen Künstlern

DalMaso, Leonardo B./

kirche von Innichen von der

del libro che m’ha mandato

82

arbeitete – etwa Simone

Vighi, Roberto (Hrsg.):

Gründung 769 bis zur zwei­

et vi sonno di belli tiri per

»Lasst alle Hoffnung fah-

Moschino, dessen Talent

Archäologische Zonen in

ten romanischen Bauphase

dentro­, se gli ne capiterà

ren, die ihr hier eintretet«,

er sich zu fördern angele-

Latium: das südliche­

im 13. Jhdt, Dissertation,

qualch’altro stravagante,

Dante Alighieri: Die Göttliche

gen sein ließ (siehe etwa

Etrurien, Florenz:

Salzburg 1990, S. 189.

me facera parte.« (»Ich ver-

Komödie (Übers. von Her­

einen Brief an Alessandro

Il Turismo 1975.

gnügte mich ganz außer-

mann Gmelin, mit Anmer­

Farnese vom 14. August 1573,

Vulci. Profil einer etrus­

76

ordentlich mit dem Buch,

kungen und einem Nachwort

worin er das jugendliche

kischen Stadt, Pistoia:

Vgl. Klinkhammer 1993,

das Ihr mir geschickt habt,

von Rudolf Baehr), Stuttgart:

Alter des begabten Jungen

Tellini 1985.

S. 243

es enthält bemerkenswerte

Reclam 1993 (Universal

anmerkt, in: Bredekamp

De Feo, Giovanni: Die Tuff­

Schlussfolgerungen, wenn es

Bibliothek Nr. 796), S. 14.

1985, S. 24, und einen weite­

steinstädte im Fioratal: die

77

Euch glückt noch so eins zu

ren an Ottavio Farnese vom

etruskischen und mittelal­

Klinkhammer 1993, S. 43 ff.,

bekommen, lasst mich eben-

83

17. Dezember 1578, in dem

terlichen Orte im Hügelland

52 ff. sowie Vergeiner 1990,

falls daran teilhaben.«), zit.

Wie üblich wird nur die

er Simone nach dem Tod

der Maremma, Pitigliano:

S. 191 ff.

nach Bredekamp 1985, S. 27,

letzte und dramatischste

seines Vaters Francesco

Laurum Ed 1996.

49. Vgl. auch Bredekamp

Zeile der dantesken Höllen-

Moschino protegiert,

Pallottino, Massimo: D. H.

78

1991, S. 41.

Überschrift zitiert. Ohne die

Bredekamp 1985, S. 49). Die

Lawrence. Etruskische

Vergeiner 2001. S. 44 ff.

späteren­selbst identifizie-

Stätten, Siena: nuova imma-

Vicinos Interesse am

79

letzte Satz, der sich auf die

renden Bemerkungen über

gine editrice 1997.

Unge­­wöhnlichen, ja Ver­

Vgl. Bredekamp 1991, S. 58 ff.

melancholische Disposition

botenen hat seine Parallele

sowie Klinkhammer 1993,

Vicinos beziehen lässt,

69

im Jagd­t rieb des hermeti­

S. 29 ff.: »[…] dass Agrippa

nicht vollständig: DURCH

Klinkhammer 1993, S. 26 ff.

schen Aktaion und ließ

[von Nettesheim] ›alle reli-

MICH GEHT MAN HINEIN ZUR

das Wäldchen bestätigen die Hypothese Bredekamps. 67

vorangehenden Zeilen ist der

ihm seine »Beute« umso

giösen Vorstellungen als

STADT DER TRAUER, DURCH

Fourier, Lexikon der

70

begehrenswerter erschei-

gleichwertige Möglichkeiten

MICH GEHT MAN HINEIN ZUM

Symbole, S. 499

Bachmeister 1989, S. 83

nen, desto schwieriger sie

der Erhebung der Seele

EWIGEN SCHMERZE, DURCH

zu erjagen war. Offen­kundig

erkannte‹ […]« passt gut zur

MICH GEHT MAN HINEIN ZU

68

71

betrachtete er gerade die

Bemerkung Vicinos im Brief

DEM VERLORNEN VOLKE.

Klinkhammer 1993, S. 29.

Hennebo, Dieter: Gärten

»extrava­ganten« Bücher

vom 8. November 1579 an

GERECHTIGKEIT TRIEB

Siehe Literatur zum Thema:

des Mittelalters, München:

als Antidepressiva, wobei

Giovanni Drouet, dass nur

MEINEN HOHEN SCHÖPFER,

Torelli, Mario: Storia degli

Artemis 1987, S. 88.

davon auszugehen ist,

die antiken und die Werke

GESCHAFFEN HABEN MICH

dass sie Vicino gleichzeitig

der »Oltramontani«, also

DIE ALLMACHT GOTTES, DIE

Etruschi, Roma/Bari: Ed. Laterza 1999 und ders.: L’arte

72

als Ursache seiner Qualen

der Autoren jenseits der

HÖCHSTE WEISHEIT UND

degli Etruschi, Roma/Bari:

Fragment 76,

erkannte. Als seinen Arzt

Alpen, einige Substanz hät-

DIE ERSTE LIEBE. VOR MIR

Ed. Laterza 1999.

Vergeiner 2001, S. 43

bittet er Giovanni Drouet im

ten: »sì che veggho o l’opere

IST KEIN GESCHAFFEN DING

Brief vom 26. November 1573:

antiche o qualch’una delli

GEWESEN, NUR EWIGES, UND ICH MUSS EWIG DAUERN.

Comune di Sorano/Minist. per i Beni e le Attività

73

»[…] la prego, occorrendole, a

Oltramontani hanno qual-

Culturali (Hrsg.): Gli Etruschi

Walter, Hans: Pans

mandarmene alcuna che mi

che sustanza.« Bredekamp

LASST JEDE HOFFNUNG,

a Socana. Le Necropoli

Wieder­­kehr. Der Gott

conforti alquanto l’animo;

1985, S. 53.

WENN IHR EINGETRETEN. Dante 1993, S. 14.

Anhang 329

84 Dotson 1982, S. 211

92 inganno eine erkenntnis-

»Stumm muss ein jeder blei-

inzwischen, da ich fünf-

ma ho più paura di quel

fördernde und somit läu-

ben und vernichtet, der von

unddreißig bin und nicht

Saturno […] che ’agricoltura

85

ternde Wirkung zuzuschrei-

den sieben Wundern stolz

mehr weiß als wenn ich

habet nescio quid’ comune

Jäger, Michael: Die Theo­r ie

ben. Ebenso berichtet er

berichtet«, auch hier, in der

heute geboren wäre; meine

colli influssi celestiali et

des Schönen in der Renais­

am 14. Mai 1577 im Brief an

53. Strophe des 34. Gesanges,

ich nur in einer Sache älter

elemtenti, così come ha il

sance, Köln: DuMont 1990,

Alessandro Farnese »[…] per-

werden die Weltwunder im

als Nestor zu sein, weil ich

trattar li fornelli per via de

S. 82 ff.

ché, havendo il mio intento

Vergleich zu den Wundern

nämlich entschieden habe,

destillationi.« (»Bei anderen

qual se l’affitatione ne’

Bomarzos als überbewertet

dass Epikur ein edler Mann

Gelegenheiten habe ich ein

86

m’inganna mi par giusto […]«

dargestellt: »Tacia qualun-

war.«), zit. nach Bredekamp

wenig Kosmografie getrie-

Inganno wird im Italieni­

(»[…] machte ich mir selbst

que le mirabil sette/Moli

1985, S. 15. Vicino, der am

ben, […] zweifle ob dies

schen mit Betrug, Täu­

vor, dass es recht sei […]«

del mondo in tanta gloria

4. Juli 1523 geboren war

unter Venus möglich sein

schung, Lüge, Irreführung,

und am 3. Mai 1583 schreibt

mette.«

(Bredekamp 1991, S. 6) setzt

wird, habe aber mehr Angst

Blendwerk übersetzt und

er an Giovanni Drouet, er

also nach eigener Angabe

vor Saturn […], dass die

auch in der Bedeutung

solle sich nicht selbst täu-

93

den für das Programm ange-

Landwirtschaft einiges mit

des Hintergehens und

schen und dann ihn »[…] ma

Beck 2001, S. 44

nommenen »initiatorischen

den himmlischen Einflüssen

Hereinlegens gebraucht.

non vorrei ingannaste prima

Schub« für das Jahr 1558 an.

und den Elementen zu tun

Sehr oft hat inganno den

voi, e poi me.« Bredekamp

94

Beigeschmack der bewuss-

1985, S. 30, 45, 63.

Luck, Georg: Magie und

97

dem was die Destillateure

andere Geheimlehren in der

Die Inschriften an der

[Alchemisten] in ihren

ten, vorsätzlichen und gut

hat, so gleicht sie schon

argumentierten Täuschung.

87

Antike, Stuttgart: A. Kröner

Terrasse und gewisse

Öfen zusammenbrauen.«),

Das Wort gehört zu Vicinos

Lazzaro-Bruno, Claudia:

1990, S. 318.

Bemerkungen, die zwischen

zit. nach Bredekamp 1985,

Wortschatz und wird in

Art Bulletin, College Art

den Zeilen seiner Briefe her-

Bd. II., S. 86.

den vielen Bedeutungs­

Association of Amerika,

95

ausgelesen werden können,

möglichkeiten von ihm, u. a.

Bd. 59, 1977, S. 553–560;

Elwert, W. Th.: Die ita­

deuten darauf hin, dass sich

99

für Laura verwendet: »ch’io

vgl. dazu Bredekamp 1991,

lienische Literatur des

Vicino nach dem Vorbild

Fierz-David 1947, op. cit.,

l’havesse perdonato il suo

S. 76.

Mittelalters, München:

Vergils in seinem Wäldchen

S. 114, 115 sowie S. 124

UTB Francke 1980, S. 119.

in der Rolle des Führers in die Unterwelt gefiel.

fallo, ha voluto partisse […] in vero son restato ingan-

88

Birchler, Linus: Über die

nato et me dole verto che

Klinkhammer 1993, S. 243

Hypnerotomachia Poliphili,

vadi per mala strada […].«

100 Luck 1990, S. 42–43.

in: Librarium. Zeitschrift

98

Wallinger, Elisabeth: Hekate

(»und obwohl ich ihr ihren

89

der Schweizerischen Biblio­

Wiederholt äußerte sich

und ihre Töchter. Wien: Reihe

Fehltritt verziehen habe,

»stringer le labbra et inarcar

philengesellschaft, Bd. 1, 1958

Vicino, (und auch Drouet,

Frauenforschung 1994.

wollte sie mich verlassen.

le ciglia«, aus: Orlando

(als PDF-Datei, 18. 3. 2017).

im Brief vom 12. Dezem­ber

In Wirklichkeit wurde ich

Furioso, 4. Strophe,

1573) über den Zusammen­

101

betrogen, aber es tut mir

10. Gesang; Klink­hammer

96

hang definitiv theoreti-

Bredekamp 1991, S. 65

leid, dass es ihr [jetzt] so

1993, S. 243.

Das fünfunddreißigste

scher Wissen­schaften wie

Lebensjahr nennt Vicino

Kosmo­g rafie und definitiv­

102

Brief vom 10. Juni 1574 an

90

selbst als bedeutsam. Am

praktischer wie Land­w irt­

Klinkhammer 1993, S 81.

Giovanni Drouet zit. nach

Lexikon der Bibel. Eltville am

27. Juni 1558 schrieb er an

schaft (sic!) und Hand­

Siehe dazu auch Bischof,

Bredekamp 1985, S. 30.

Rhein: Bechtermünz 1990,

Alessandro Farnese: »[…]

habung unter himmlischen­

Norbert: Im Spannungsfeld

Immerhin gelingt es dem

S. 335.

et io hormai de trentacin-

und alchemistischen Aspek­

der Mythen. Signale aus

que anni ne so manco che

ten. Vieles Alltägliche

einer Zeit in der wir die Welt

schlecht geht […].«), aus dem

nach eigener Einschätzung Übervorteilten, die Krän­

91

se fosse nato hoggi; in una

wird nur unter bestimmten

erschaffen haben, München:

kung in Erkenntnis und

Siehe Vergeiner 2001, S. 52.

cosa sola me par haver più

Aspekten in Angriff genom-

Piper 1996, S. 129.

Überlegenheit zu verwan­

Inschriften und Rätsel der

anni che Nestorre, perché me

men: »Altre volte attesi un

deln, was ihn wiederum­

Sphingen, siehe Bredekamp

sono resoluto, che Epicuro fu

poco alla cosmografia, […]

103

darin bestätigt, dem

1991, S. 6 ff. und S. 76.

un galant homo.« (»… aber

dubito se reuscirá in Venere,

»[…] il cominciar a non

330 Anhang

gustar cosa, che si mangi o

frustrierenden Erlebnissen

Geistes zunehmend auf diese

vom 14. Mai 1577, zit. nach

wolle, auf den bereits ver-

beva, il cominciar a guadar­

im Gefolge der Farnese nur

Einflüsse zurückgehen; diese

Bredekamp 1985, S. 45.

muteten Gesprächsstoff

alle donne (anchorche bel-

Giovanni Drouet übrig, der

Stunde zum Beispiel, nach-

lissime) senze concupisci-

offensichtlich als Arzt und

dem es jetzt 21 Uhr geschla-

109

Nachschöpfer begriffen und

enza, più che se fossero pro-

geistiger Beichtvater eine

gen hat, beginne ich die-

Seine Kriegserlebnisse, die

dazu passt die folgende

prie figliole, giá sa che questi

eminente Rolle spielte.

sen Brief mit dem Planeten

ihn im Gefolge der Farnese

Anspielung auf die damit

sonno li due primi sensi per

Deshalb kann für ihn auch

Saturn, der für die Bereiche

die Fronten wechseln lie-

verbundene, ebenfalls schon

li quali si conserva von l’uno

die große, mit Rollwerk

der ›greisen Bauersleute,

ßen und seine Kriegs­

mehrfach besprochene Vor­

l’individuo, per l’altro la spe-

hervorgehobene, heute

Arbeits­süchtigen, Traurigen

gefangen­­schaft, wie auch

stellung einer Jenseits- oder

cie […]« (»[…] wenn es damit

leere Inschriftenplatte

[…] und denen die sich der

sein immer wieder bestä-

Anderswelt, wie sie als

anfängt, dass man etwas

des Schiefen Hauses als

Landwirtschaft widmen‹

tigtes mili­tärisches Talent,

grund­legende Konzeption

nicht mehr genießt, ob Essen

Widmungsfäche angenom-

zuständig ist.«), zit. nach

das ihn dennoch nie als

des Wäldchens leicht

oder Trinken oder die Frauen

men werden. Das gemein-

Bredekamp 1985, S. 88.

Sieger dastehen ließ, wie

erkenn­bar ist: »[…] quelli

ohne Begierde anzuschauen

same Gesprächsthema der

Mehrere Briefstellen, die die

auch die Schäbig­keit der

che penso far anvor nel altro

[auch die allerschönsten]

Bedingtheit der menschli-

Adressaten auf die spezielle

päpstlichen Politik desillu-

mondo […].« (»[…] das was

als wenn sie Töchter wären,

chen Existenz durch astro­

Belegung der Landwirtschaft

sionierten Vicino. Im Brief

ich noch in der anderen

so wisse, dass dies die bei-

logische Vorgaben und

als Wissenserwerb und des

vom 20. Juli 1567 an den

Welt machen möchte […].«),

den vorrangigen Sinne sind

eigene Willenskraft wird

Grund­besitzes als Äqui­

Ottavio Farnese (den Bruder

Bredekamp 1985, S. 20.

durch welche sich zuerst

u. a. im Brief Giovanni

valent hermetischer Weis­

Alessandros und seinen,

das Individuum und dann

Drouets an Vicino Orsini

heitssuche hinweisen, ver-

Vicinos, Oberbefehlshaber

110

die Art erhält.«), zit. nach

vom 25. Dezember 1573

deutlichen den arkadischen

während seiner Kriegszüge)

Földényi 1988, S. 20 ff.

Bredekamp 1985, S. 26 und

mit Verweisen auf die

Zusammenhang, der bereits

schreibt Vicino sinngemäß,

Klinkhammer 1993, S. 14,

Bredekamp 1992, S. 29 ff.

Lebensregeln Ficinos sowie

mit den nur vordergründig

dass er ihn nicht als Herzog,

34, 74

antike Diätetik und auch

anspruchslosen arkadischen

sondern als Soldat willkom-

104

den Oltramontano Cornelius

Topoi des Hirtenlebens, der

men heißen möchte, denn

111

Die während der Kriegs­

Celsus wie auch die übli-

Schatzsuche und der Jagd als

dem Titel nach, nicht aber

Jäger, Michael: Die Theorie

gefangenschaft des Fürsten

chen Gemeinplätze über die

Hieroglyphen eines neupla-

»in effetto« wären schon

des Schönen in der italieni­

umsichtig und souverän

»barbari« bereichert: »Io

tonischen Geisteszustandes

einige Herzöge gekommen:

schen Renaissance, Köln:

regierende Giulia wurde mit

scrissi a V. S. come ritornava

ausgeführt worden ist.

»In casa mia non c’è arrivato­

DuMont 1990, S. 57.

der emblematischen Form

a esser matematico cosmo-

der Freunde, die sich als

nesciun duca, se non è forse

des in schweren Zeiten wan-

grafo, tandem ricommin-

107

qualche duca in titulo ma

112

kenden, aber nicht fallen-

cai a contemplar gli pianeti

Bredekamp 1992, S. 12

non in effetto, et se pur ce

Vasari: le vite …, Vita di

den Turmes geehrt. Für die

et me ci sono messo tanto

fusser capitati non forse

Leonardo da Vinci, 1. und 2.

Konzeption des Schiefen

avanti, che ogni attione

108

eran forse degni al parer

Aufl., Florenz 1550/68; Ausg.

Hauses ist freilich eine rein

o motivo die animo trovo

»… ch’ho fatto io con li

mio come l’ecc.« (»In mein

Bettarini, 1976, IV. Testo,

tugendhafte Hommage an

li più delle volte recevere

Car:li Farnese et Trento,

Haus ist noch nie ein Fürst

pag. 15, zit. nach Jäger 1990,

die verstorbene Gefährtin

alteratione dell’influenze.«

cioè ch’insalutato hospite,

gekommen, sondern nur sol-

Quellentext, S. 243.

nicht anzunehmen.

(»Ich möchte an Euer Hoch­

senza dimandar licenza,

che dem Titel nach, nie ein

Bredekamp 1992, S. 6–41.

wohlgeboren schreiben als

vo et torno et fo quel che mi

wirklicher, und ebendeswe-

113

einen, der zur mathemati-

piace« (»… wie ich [mit] den

gen wird mir Eure Exzellenz

Luck, Georg: Magie und

105

schen Kosmografie zurück-

Kardinälen Farnese und

so willkommen sein.«), zit.

anderer Geheimlehren

Bredekamp 1992, S. 6–41

gekehrt ist, also begann

Trento zu machen pflege,

nach Bredekamp 1985, S. 20.

in der Antike, Stuttgart:

auch ich wieder über die

indem ich uneingeladen

Im selben Brief verweist

Kröner 1990, S. 455.

106

Planeten nachzudenken und

komme, ohne um Erlaubnis

Vicino mit der Bemerkung,

Dem Briefverkehr nach zu

habe hier recht viel heraus-

zu fragen komme und gehe

dass er Ottavio als »archi-

urteilen, blieb aus diesem

gefunden wie jede Aktivität

wie es mir gefällt.«) Im

tettore«, als Architektur­

illustren Kreis nach den

und jeder Beweggrund des

Brief an Giovanni Drouet

sachverständigen, bemühen

Anhang 331

114

136

Bredekamp 1985, S. 35.

und 6. September 1558 an

Poliphil zu Christus, weil

Herzmanovsky-Orlando

Alessandro Farnese) etc.

Polia zur sponsa veri sponsi

1987, S. 209

Diese »tierische Signatur«

wird, ist logisch argumen-

137

und wenn mir umständehal-

zieht sich durch den gesam-

tiert bei Fierz-David 1947,

Bredekamp 1991, S. 46

ber Betrübnisse kommen,

115

ten Briefverkehr an die

op. cit., S. 178 und 228 ff.

Földényi 1988, S. 28

immer gleichen Adressaten.

Dem letzten Kapitel der vor-

138

diese entweder mit Lesen

liegenden Arbeit Exkurs:

Bredekamp 1991, S. 68

oder neuen Zeichnungen

Luck 1990, S. 18 ff.

l’homo al fine tanto ne ha, quanto se ne piglia.« (»…

versuche ich umso mehr,

116

124

Vicino der Epikureer ist

Bredekamp 1991, S. 80

Bredekamp 1991, S. 102

sinngemäß die »Hypnero­

139

zu lassen, und ich bemühe

tomachia des Vicino Orsini«

»la follia del mio Boschetto«

mich so gut ich kann, alles

für das Wäldchen vergehen

117

125

beigefügt, worin dieser

(»die Überspanntheiten mei-

in der Gewissheit, dass der

Luck 1990, S. 301

Snyder, Gary: The Old

Nexus noch extra ausgeführt

nes Wäldchens«) im Brief

Mensch am Ende so viel

Ways, Afterworld, in:

wird.

an Giovanni Drouet vom

davon hat, Janus mit dem

10. April 1575 (Bredekamp

Fruchtbarkeitsgott wie er

1985, S. 35).

sich nimmt.«), zit. nach

118

Shepard, Paul/ Sanders,

Földényi 1988, S. 28 ff.

Barry: The Sacred Paw, San

128

Francisco 1977, S. 206–212.

Luck 1990. S. 129 ff. und

119

Zit. aus: Hetmann, Frederik:

Fierz-David 1947, op. cit.,

140

passt die Beschrei­bung eines

Luck 1990, S. 289 ff.

Jenseitsreisen. Rituale

S. 124.

Obwohl Vicinos Briefe eine

archaischen Brauches in

und Mythen amerikani­

Bredekamp 1985, S. 27. Dazu

Differenzierung zwischen

der Hypnerotomachia, bei

120

scher Schamanen, Heiler

129

den »travagli«, den Qualen

dem Janus und Priapus in

Dotson 1982, S. 211 f.

und Zauberer, Freiburg:

Wallinger 1994, S. 177, 183

und Verstimmungen, die

Personalunion mit Eselsblut,

er auch als »mal’umore«,

Milch und Wein bespritzt

130

bedingt durch Schlechtigkeit

werden (siehe Fierz-David

126

Werner, Gabriele: Der Sacro

der Welt erleidet und dem

1947, op. cit., S. 118). Mit

Hinrichs 1996, S. 9 ff. und

Bosco des Vicino Orsini.

Phänomen der »malico-

zunehmendem Alter scheint

122

siehe dazu unter dem Stich­

Garten der Lust und Garten

nia« vornimmt, vermengt

er sich den Einflüssen der

Xenophon [ein Schüler des

wort Metapsychologie in:

der Macht. Aufgezeigt an

sich beiderlei, was er sich

»malinconia« fatalistisch

Sokrates], in: Kyropaedia

Laplanche, J./ Pontalis, J. B.:

ausgewählten Beispielen,

und seinen Freunden als

hinzugeben, da die Seele

8.7.21., Luck 1990, S. 295.

Das Vokabular der Psycho­

Wiss. Hausarbeit zur

die Begleiterscheinungen

bereits einen anderen Platz

analyse, Frankfurt a. M.:

Erlangung. eines mag. art.

des Alters und der nachlas-

einnehmen wolle: »l’anima

123

Suhrkamp (1. Aufl. 1973),

Hamburg 1986, S. 24, 27.

senden sinnlichen Empfin­

voglia­altra sedia« (»die

Vicino Ursino (Brief vom 14.

13. Aufl. 1996, S. 307.

dungen und Kräfte erklärt.

Seele will [schon] an einen

131

Nachdem er die psycho­soma­

anderen Ort«), Bredekamp

Wallinger 1994, S. 184

tischen Bezie­hungen erkannt

1985, S. 55.

Herder 1999, Anm. 3. 121 Zit. nach Luck 1990, S. 296

August 1543 an A. Farnese), Vicino Ursino (Brief vom

127

10. Juni 1544 an Ottavio

Der französische Übersetzer

Farnese), Vicino Orso (Brief

der Hypnerotomachia von

132

net er den Missstimmungen

141

vom 11. August 1548 an

1600, Béroalde de Verville,

Wallinger 1994, S. 219.

mit Arbeit am Wäldchen,

Bachmeister 1989, S. XXXIV

Ottavio Farnese), Vitello

hat derartige Zusammen­

Luck 1990, op. cit., S. 73

worunter er anscheinend

(Kalb!) Orsini (Brief vom

hänge wohl ebenso ange-

sowohl den geistig als auch

142

1. September 1555 an Ottavio

dacht, sonst hätte er kaum

133

körperlich schöpferischen

Hohl, Hanna: Saturn, Melan­

Farnese), Vicino Orso

den Anfangsbuchstaben

Wallinger 1994, S. 219

Prozess meint: »… et quanto

cholie, Genie, in: Schneede,

(Brief vom 21. Februar 1556

des kurzen Kapitels, in

più mi vien occasion de tra-

Uwe (Hrsg.): Saturn – Melan­

an Alessandro Farnese),

dem Polias Ver­schwinden

134

vagli, tanto più cerco o con

cholie – Genie, Ausst.Kat.,

Vicino Orso (Brief vom

erzählt wird, mit dem Bild

Sautner 1984, S. 119

legger o con far dissegni

Stuttgart: Hatje 1992, S. 8.

2. Januar 1557 an Ottavio

des winkenden Erlösers

nuovi al boschetto, passarla,

Dazu passt eine Stelle im

Farnese), zwei mal Vicino

verziert. Die naheliegende

135

et attendo a tirar innanti

Brief Giovanni Drouets an

Orso (Briefe vom 27. Juni

Schlussfolgerung, dass

Wallinger 1994, S. 153, 157

meglio che posso, certo che

Vicino vom 25. Dezember

332 Anhang

und erläutert hat, begeg-

147 1573, die im Sinne antiker

Beigbeder 1989, S. 418

Diätetik die Verbindung

sowohl in der Kindersprache

wird Vicino sehr deutlich

als auch in der Vulgär­

»Hor qua’ci è buona posta, e

impaccio / Quand’è spaniato­

ch’è sparso di fuor non ti dá

zwischen Gesundheit und

148

sprache eine Analogie zwi-

miglior fischio / Ci è, co i ver-

e lasci l’ucellare« (»Und

Seelenfrieden thematisiert –

Beigbeder 1989, S. 411 ff.

schen dem männlichen

goni, il boschetto assettato /

wenn Du bei der Geliebten

Geschlecht und dem Vogel

Acconcio con ragione, che

bist […], beginnt sie ganz

der gesunde Körper spielt auf seinen Flöten! – und gleich

149

besteht, ist die Assoziation

tien’il vischio; Con questo

komisch mit dem Städter wie

darauf die Meisterschaft

Fierz-David 1947, op. cit.,

der gefiederten ucelli mit

bastiti esser’ invitato / Se

zu einem Bauern zu reden,

Vicinos hervorhebt, der

S. 127 ff.

cazzi (ital. Schwänzen)

voi venir te aspetto, e sai la

dass sie einen großen dicken

durchaus nachvollziehbar­.

via / Ancor che tu venisse

bekommen habe, ihn in

seinen­ stets unzufriedenen­ Geist wenn nicht auf [diesen­

150

Die altitalienische Vogel­

accompagnato / Ci sguz-

der Hand halten will – ein

einfachen] natürlichem

Das »Capitolo del Boschetto«

jagd, die zur Vorlage und

zarem con la tua compag-

Theater und ein Aufhebens

Weg, so doch durch Kunst

wird von Bredekamp in

zum Vorwand eines ero-

nia.« (»Jetzt sage ich Dir,

macht wie ein Marktweib

und Handwerk zu beruhi-

zeit­liche Nähe zum Brief

tischen Geplänkels dient,

ist die beste Gelegenheit

beim Ausverkauf – so komm

gen wisse: »Quantum ad

vom April 1574 gesetzt, in

heißt ital. Boschetto, weil sie

zu einem guten Pfiff [der

auch Du zum Markt, denn,

animum­, dice che corpore­

dem Vicino bekennt, keine

sich zwischen den Bäumen

Vögel?, der Vogeljagd?, der

das was da draußen frei ist

bene organizzato […] possa

lateinischen Verse zusam-

aufgehängter, mit belaub-

Dirnen?], der Boschetto [das

soll (auch) Dir kein Hemmnis

sonar colle sue flaute,

menzubringen, dafür aber

ten Zweigen, Moos usw.

Wäldchen, die Vogeljagd?]

sein, wenn du Lust hast, lass

l’animo incontinenti se

das zum Thema wohl auch

getarnter Netze bedient, die

ist gierig­, bereit den Vogel­

sie auf Vogelfang gehen.«),

acquieterá, se non pe natura,

angemessenere Volgare zu

mit Leim bestrichen wer-

leim zu empfangen; […] mit

vgl. dazu Bredekamp 1991,

per arte e industria se suplirá

meistern: »Me se scordato

den. Der Gleichklang der von

diesen­Aussichten mögest

S. 35 ff., alle zit. aus: Rom,

facilmente, in questo negotio

de far versi latini, l’havrei

aufgeregtem Vogelgeschrei

Du immerhin eingeladen

BV. Mss. Chigiani, LIII, 61,

V. S. sa più di me.« (»Soviel

almen fatti vulgari per parer

bestimmten Jagd mit dem

sein, wenn Du kommen

Fol. 145r.

zur Seele, was besagt, dass

de esser poeta.« (»Ich habe

sündhaften Wäldchen, wird

willst, erwarte ich Dich, Du

ein gut gehaltener (diszi-

vergessen wie man latei-

von Vicino auf die sinn­liche

kennst ja den Weg, auch

153

plinierter) Körper […] alle

nische Verse macht, habe

Sensa­t ion der erotischen

wenn Du in Gesellschaft

Cicero: De Divinatione, 2. 50,

Stückeln spielen kann, die

aber dennoch welche in der

Hand­lung gemünzt. Der

kommst, werden wir unsere

zit. aus: Luck 1990, op. cit.,

Seele beruhigt, und wenn

Volkssprache verfasst, um

offensichtlich zu entspre-

Gemeinsamkeiten genie-

S. 291.

nicht durch die Natur, durch

als Dichter gelten zu kön-

chenden Gesprächen und

ßen.«) Dann geht Vicino

Kunst und Beschäftigung

nen.«) Mit dieser Bemerkung

Taten aufgelegte Freund wird

näher darauf ein, wie der

154

leicht jenen Zustand erreicht,

will Vicino offensichtlich

mit dem Boschetto gleich-

Lockvogel im Netz zu berüh-

Siehe Luck 1990, op. cit.,

über den Eure Durch­laucht

glauben machen, dass er

sam geködert: »Duetto ti vó

ren sei, damit er die richtigen

S. 317

mehr wissen als ich.«), zit.

sich sogar schon in seiner

dire il mio parere / Che se

Rufe ausstoße und die ande-

nach Bredekamp 1985, S. 89.

Sprachkultur dem arkadi-

tu non ha perso l’intelletto /

ren Vögel damit anlocke­.

155

schen Vorbild der einfachen

Mi dovresti venir’ a vedere,

Eine derartige Hand­fertigkeit

Siehe Klinkhammer 1993

143

Hirten angenähert habe:

Che avresti tanto piacer’ al

bescheinigt er den Frauen:

(Abb. 7, Kat. 34): Abbildung

Maisak 1981, S. 54

»ihr kunstlos Lied erschallt,

boschetto / Che non fu tanto

»Stai co’ l’amata tua, alla

der Zeichnung »Bücherfund

wie sie’s gelehrt ihr heimat­

a quell’età dell’oro / Che pig-

sienza, Corre pigliarne

auf dem Gianicolo« von

144

licher Wald.« (Huxley,

liava del mondo ogni diletto«

anch’ella, e parle strano S’a

Polidoro da Caravaggio.

Kurts 1997, S. 77

Aldous: Kontrapunkt des

(»Drouet, ich sage Dir meine

cittadin si vede o, a villano /

Lebens, London 1928; dt.

Meinung, dass, wenn Du

O, senton dire, io h ’ho un’

156

übers., Neuaufl. 1998, S. 135.)

nicht den Verstand verloren­

grosso, e grasso / Sempre

Die antike Literatur zur

hast, kommen müsstest, um

lo vogliono un po’tener in

Hekate gibt genaue Anwei­

151

die Lust am Boschetto zu

mano; Stridon tra lor fanno

sun­gen, die gute Vorlagen

Elwert 1980, S. 118

erfahren, wie sie nicht ein-

un rumore, un fracasso / Ci

für die Aufwertung der

mal das Goldene Zeitalter

doveresti hormai pigliare­

Skulp­t ur mit den vermuteten

152

besaß, das jegliche Lust der

spaccio / E non farti da te

»Effekten« abgegeben haben

Da auch im Deutschen

Welt kannte.«). Zum Schluss

d’un tal ben casso: Quel

könnten: »Hekate du wirst

145 Bredekamp 1991, S. 151 146 Bredekamp 1991, S. 151, 152

Anhang 333

161 angebellt an den Städten

Duden. Lexikon von A–Z,

Rande die kämpferische Note

und definitiv spirituelle

Aus­einandersetzung zwi-

der Toten« oder auch die

Bibliographisches Institut,

des Heiligen Waldes bestä-

Begabung ist: »[…] dass er

schen groß und klein, gut

antike Mythologie, Aeneas,

Berlin

tigt. Diese Titulatur »bvon

in seiner Höhle (sic!) mit

und böse, stark und schwach

martio« (»guter Mars«)

offenen Augen schlafe (›So

etc. Dabei wirkt der große

Odysseus, Herakles usw. (Homer: Odyssee 11. 12–224:

162

bezog sich auf den letzten

schläft der Körper mei-

und gefährliche Drache den

»Dort hielten Perimedes und

Irmscher, Johannes: Lexikon

aus dem Hause Orsini kom-

nes Herrn am Kreuz, seine

Löwen nicht über­legen, die,

Eurylochos die Opfertiere,

der Antike, Bindlach:

mende Herrn Bomarzos,

Göttlichkeit aber wacht zur

trotzdem sie viel kleiner und

während ich mein schar-

Gondrom 1987, S. 146 und

Marzio, und konnte, in einer

rechten Hand Gottes des

schwächer erscheinen, durch

fes Schwert von der Hüfte

S. 400.

absichtsvoll flotten und

Vaters‹).« (Biedermann 2000,

einen klugen Angriff und

witzigen Aussprache, als

S. 274). Auf dem ikonogra-

größere Wendigkeit, aber

Bomarzo gehört werden.

fischen Fundament und vor

wohl vor allem weil sie toll-

dem Hintergrundwissen

kühn und todesmutig angrei-

168

über die biografisch nach-

fen, ebenbürtige Gegner

zog, um einen etwa eine Elle langen und ebenso breiten­

163

Graben auszuheben­. Um

Hinrichs 1996, S. 30

ihn herum goss ich Trank­ spenden für alle Toten,

164

Lonicerus, Adamus: Kreuter­

vollziehbaren Beweg­g ründe

sind. Der Drache ist nach

zuerst Milch und Honig,

Bredekamp 1991, S. 148,

buch. Kunstliche Conter­fey­

des Vicino Orsini lässt sich

Bernheimer ein omnipoten-

dann süßen Wein, schließ-

Fußnote 51 und mehrere

tunge der Bäume/ Stauden/

Folgendes auf Vicino Orsino

tes Fabeltier, das eben jene

lich Wasser, und da­r über

Bildbeispiele im Anhang:

Hecken/ Kräuter/ Getreyd/

übertragen­: Die Löwen,

überragen­den Eigenschaften

streute ich glänzende Gerste.

Abb. 141, 142, 143, 144.

Gewürtze […], 1679; zit. nach

schon in den mit­tel­a lter­

in sich vereint, die es als

Schöpf 1988, S. 108.

lichen Bestiarien, vornehm-

Chimäre mit Schlangenleib,

lich dem Physiologus, Hüter

Raubtierpranken und

169

und Bewahrer, Schützer

Gebiss, mit Flügeln usw.

Biedermann, Hans (Hrsg.):

der Guten und Bestrafer der

rein äußerlich besitzt

[…] Nachdem ich zum Volk der Toten gebetet und meine

165

Gelübde abgelegt hatte,

Werner 1986, op. cit., S. 40

nahm ich die Schafe und schnitt ihnen über dem

166

Knaurs Lexikon der Symbole,

Bösen, sind in einen Kampf

(Bernheimer, Richard:

Graben die Köpfe ab, und

Die übliche Besatzung

Augsburg: Weltbild Verlag

mit einem asiatisch anmu-

Romanische Tierplastik und

zwar so, dass das schwarze

eines antiken Kriegselefan­

2000, S. 274.

tenden Drachen verwickelt,

die Ursprünge ihrer Motive,

Blut hinein tropfte.«)

ten bestand aus Offizier,

der eher lustig und sogar

München: Bruckmann 1931).

Infanterist und Elefanten­

170

niedlich aussieht, aber den-

Demgegenüber ist der Löwe

157

führer. Dass ersterer nicht

Eine mögliche Deutung

noch bereits einen jungen

ein in Europa kaum gekann-

Kurts 1997, S. 285, S. 77

als Skulptur bzw. von Vicino

wäre die Familiensituation

Löwen mit seinem schlan-

tes und wahrscheinlich

selbst dargestellt wurde,

Vicinos, der schon früh zwei

genartigen Drachenschwanz

daher ebenfalls ins Fabel­

158

mochte die Illusion noch

Söhne verloren hatte (siehe

erstickt hat. Die deutliche

hafte mystifiziertes und

Volkmann 1923, S. 80 und

unterstützt haben.

dazu Bredekamp 1991, S. 20).

ostasiatische Ikonografie des

ebenfalls omnipotentes

Vicinos Sohn Orazio,

Drachen würde erlauben,

Tier, das deswegen sowohl

167

der bei der Schlacht von

ihn von daher als ehrfurcht­

Christus als auch Satan

Bereits in der Namensgebung

Lepanto ums Leben kam,

gebietendes und glückbrin­

bedeuten kann. Dennoch

159

für den nach Hannibals

könnte gegebenenfalls

gendes Wesen zu sehen.

ist er, ähnlich wie der Adler

Bredekamp 1991, S. 143

Kavalleriekommandeur

mit dem toten Löwen­

Damit hätte der Drache,

als der Herrscher der Lüfte,

benannten Bruder Vicinos,

jungen in der Windung

obwohl europäisches und

auf der Erde das uneinge-

160

Maerbale, äußert sich eine

des Drachen­schwanzes in

eschatologisches Sinnbild

schränkt königliche Tier,

Ruscelli, Girolamo: Le

gewisse Romfeindlichkeit, die

Zusammenhang gebracht

der ewigen Schlange, Satan

dessen Sonnenhaftigkeit

imprese illustri del S[ign]or

sogar in Giovanni Guerras

werden.

und Erzfeind schlechhin,

sich bildlich im Haarkranz

Jeronimo Ruscelli, Venedig

seltsamer Bezeichnung, die

seine guten und sogar intel-

des männlichen Löwen

1572, S. 86 ff. und S. 115 f.;

er seinen Darstellungen der

171

lektuellen Seiten. Von der

verkörpert. Ein wesentli-

desgleichen Henneberg

Skulpturen gibt: »nelli giar-

Die erste Bedeutung des

Ikonografie der Gruppe

ches Merkmal des Löwen

1972, S. 50 und siehe auch

dini di buon martio« (»in

fabelhaften Löwen ist

handelt es sich hier eher

ist seine Aufmerksamkeit,

Bredekamp 1991, S. 143 und

den Gärten des guten Mars«)

seine Wachsamkeit, die

um einen Gigantenkampf,

die ihn zum Wächter präde-

S. 146.

besteht und sozusagen am

eine durch­aus geistige

als eine vorhersagbare

stiniert. Als solche halten

Bredekamp 1991, Abb. 141–144.

334 Anhang

gar drei (sic!) Löwen den

di simil effigie, se non che

più grandetta se potrá

angezeigt hätte, denn ohne

par vedere vadi al contrario

Drachen, der so oder so

quello ha la capillatura e la

considerar­meglio.« (»…

Zeichen geschieht nichts:

di quello che vorria andare,

zu deuten ist, von einer

barba distesa e come bag-

möchte die [genaue] Stunde

» ›beati qui non viderunt, et

e dirró come dice uno di

Quelle (?) ab. Der Ausgang

nata, e questo come incolta

wissen, die Orontea geboren

crediderunt‹ et mit vado ima-

questi paesi che acconicia

des auf jeden Fall kosmo-

ed arruffata.« (»Neptun und

wurde, was nachts als den

ginando che questa come-

l’orologgi, che, dicendoli uno

logischen Kampfes scheint

Pluto, sind, als seine Brüder

folgenden Tag San Sebastian

tuzza desgratiatella, che s’è

che’orologgio andava bene,

ungewiss und der Sieg

von gleicher Gestalt, wobei

war, so ungefähr um die

vista questi notti passate­,

ma che’l sole andava male;

des gegebenenfalls Heil

jedoch dieser Haar und Bart

siebte Stunde herum: mir

sia venuta per questa morte,

or voglio dire che la terra ha

bringenden Drachen auf-

ausgebreiteter und wie nass

scheint, dass sie sich gut

et presa in ponente, poi che

producti li fiori e fa il debito

grund der dargestellten­

trägt und jener ungeordnet

entwickelt und weiß nicht

sempre vogliano che non

suo, ma li cieli non si acor-

Moment­aufnahme nicht

und zerzaust.«), zit. nach

ob sie (nun) als Dame oder

avenga cosa alcuna, che

dino et vanno a traverso, si

außer­halb des Möglichen­.

Bredekamp 1985, S. 80.

als Bäuerin geboren wurde,

prima non ne habbiamo

che so disperato, perché non

wenn sie größer ist, wird

qualche segno.« (» ›Selig die

posso godere la follia del

Freilich scheint die Inschrift eine Deutung des

174

man das besser beurteilen

nichts wissen, aber glauben‹

mio Boschetto.« (»Ich habe

Drachens als Angreifer

Das Interesse und die stän-

können.«), zit. aus dem Brief

will mir scheinen und dass

Angst, dass die Räder des

und Unheilbringer nahe-

dige Auseinandersetzung

an Giovanni Drouet vom

jener Unglückskomet, den

Himmels kaputt sind, und

zulegen, auch wenn seine

mit den Zeichen und Vor­

8. Mai 1575. Am 7. Juli 1575

man letzte Nacht beobachten

dass sie der Herr neu einge-

drollig verharmloste Form

bestimmungen, die er den

wieder­holt er seine Anfrage

konnte, aus diesem­Grunde

stellt hat, weil mir scheint,

eher eine Interpretation als

segni und monstra mit

an Giovanni Drouet: »Quanto

gekommen sei, gesetzt natür-

dass sie verkehrt gehen, und

Mummenschanz, der wiede-

Hilfe der divinatorischen

alla nativitá de l’Oronthea mi

lich den Fall, dass nichts ein-

möchte es sagen wie man-

rum eine eindeutig apotropä-

Praktiken der Alten ablei-

vo imaginando ch’habbia a

trifft, ohne dass es vorher mit

che Uhrmacher, dass die Uhr

ische Wirkung hätte, nahe-

ten zu können glaubt/hofft,

riuscir qualche gran donna

Zeichen angekündigt wor-

richtig, aber die Sonne falsch

legte. Als Apotropaion wäre

bestimmen den zugleich auf-

poiché voi avete procurato di

den wäre.«), aus dem Brief

geht; oder, um es anders zu

der hier noch zusätzlich

geklärt/wissbegierigen und

saper la sua vita, però haró

an Giovanni Drouet vom

sagen, dass die Erde ihre

von Löwen bekriegte Drache

abergläubisch/fatalistischen

a caro che, come sia finita.«

1. Dezember 1580, zit. nach

Blumen hervorbringt und

ein gewisser­maßen geisti-

Ton seiner privatesten Briefe.

(»Und was die Geburt der

Bredekamp 1985, S. 59.

ihre Schuld bezahlt, aber die

ger Blitzableiter, ein Bild, in

Vor allem die mehrfach wie-

Orontea betrifft, möchte ich

Vicinos Haltung auf der wis­

Himmel falsch und rück-

das eine feindlich gedachte

derholte Anfrage nach dem

meinen, dass sie eine große

sen­schaftlichen Grundlage

wärts gehen, so dass ich

Wesenheit einfährt und

Horoskop seiner illegitimen­

Dame zu werden vorhat und

eines astrologischen

ganz desperat bin und mich

somit unschädlich wird.

Tochter Orontea, das er

wollte deswegen noch ein-

Gutachtens die Legitimation

nicht einmal im Irrsinn mei-

unbe­d ingt kennen will, um

mal dem versprochenen­

der illegitimen Kinder vor-

nes Wäldchens zerstreuen

172

sich darauf einzustellen, ob

Horsokop nachfragen […].«),

zunehmen entsprang der

kann.«), Bredekamp 1985,

Mose, 49, 9–10

sie Landwirtschaft betrei-

zit. nach Bredekamp 1985,

Erkenntnis der schick-

S. 35. Vgl. dazu Kather,

ben werde oder als Edelfrau

S. 37. Und aus dem Brief vom

salshaften Einbindung in

Regine: Gottesgarten.

173

reüssieren, belegt seine

9. November 1575: »L’vi bacia

den kosmisch determi-

Weltenrad und Uhrwerk,

In seinem Brief vom

fatalistische Unterstellung

le mane et dessidera sapere

nierten Ablauf. Das etrus-

http://www.phil.uni-sb.de/

12. Dezem­ber 1564 hatte

unter die frei von mensch-

quello che i cieli hanno deli-

kische Format und das

projekte/HBKS/TightRope/

Annibale Caro dem Fürsten

licher Einflussnahme sich

berato die lei.« (»Orontea

astro­logische Konzept des

issue.3/text/kather.html,

seine Gedan­ken und Konzep­

abwickelnde Bestimmung

küsst Euch die Hände und

Tempels sowie der Verweis

8. 3. 2000.

tionen für die Aus­malung

des Einzelnen: »… già che

möchte gerne wissen­,

auf ein übergeordnetes

des Palazzo Ducale mit dem

vole saper l’hora che nacque­

was die Himmel über sie

Uhrwerk dokumentieren

175

Gigantenkampf übermittelt:

l’Orontea, fu la notte che

beschlossen haben.«),

seine Unterwerfung, weni-

Kurts 1997, S. 243.

»Nettuno, e Pluto come suoi

venne il dí sequente San

Bredekamp 1985, S. 37 ff.

ger unter das Schicksal, als

Sautner 1984, S. 243

fratelli [des Giove, Jupiter,

Bastiano su le 7 hore in circa;

Dasselbe Interesse interpre-

unter diese Einsicht: »Io ho

der zuvor als ›capillato e

fin’a mo s’alleva bene, non

tiert die Erscheinung des

paura che siano guaste le

176

barbato‹, mit Lockenhaupt

so s’è nata per esser sig-

kleinen Kometen, der den

rote del cielo et che’l m.o le

Kurts 1997, S. 239

und Bart, beschrieben wird]

nora o villana, come serrá

Tod der Königin von Spanien

racconci di nuovo, perché mi

Anhang 335

177

190

196

Ficino 1993, S. 12 ff.

1. Buch der Könige, 1018–20

initio, poi che il gran padre

191

197

Noe, detto Iano da gli antichi,

Schöpf 1988, S. 59

Bredekamp 1991, S. 12, 16 f.

Ovid: Metamorphosen,

Weidinger, Erich: Die Apo­

gli habitatori & per ’institu-

Buch IV, Vers 432–446, zit.

kryphe Bibel/Die verborgenen

tione ch’ella ricevé nel suo

nach Fink 1994, S. 98.

Bücher der Bibel. Augsburg: Pattloch 1991, S. 25.

178

Imperatore & Monarca delli 187

genti, regnó, visse & morí

192

198

Die Briefe, die zwischen

in quelle parti.« (»Die erste

Werke wie das Viridarium

Obwohl er ihnen aufgrund­

179

Vicino und Drouet ausge-

jener genannten­Provinzen,

Chymicum (Chemisches

seiner Stellung und

Luck 1990 op. cit. S. 308, 328

tauscht wurden, geben ihre

die von den Ansiedlern ver-

Gärtlein) oder Die Geburt der

Kontakte die »besten«

Kurts 1997, S. 240

rhetorischen und dialek-

edelt wurde, war die heilige

Philosophie aus dem Garten

Partien verschaffte, schien

180

tischen Talente wieder,

Toscana in Italien, berühmt

der Lüste führen den anti-

Vicinos Verhältnis zu sei-

Schama 1996, S. 300

die als Artes liberales freie

wegen ihrer Einwohner und

ken Konnex zwischen Lust,

nen Kindern, bis auf das

Männer auszeichnen. Von

wegen ihrer Einrichtungen,

Vergnügen und Erkenntnis

zu den letzten illegitimen

181

Sprachbeherrschung und

die es bei ihrem Beginn

schon im Titel.

Orontea und Leonida, die

Ovid, Fasti II, 83–118, zit.

einem Witz, der auf frei­

erhielt, dann auch deswegen,

aus Fink, Gerhard: Das Who

zügige Symposianten und

weil der große Vater Noah,

193

Delia di Clemente aus

is Who der griechischen

ihre geistvollen Hetären

von den Alten Janus genannt,

Nach Kurts 1997, S. 267

Bomarzo (sic!) geboren

Mythologie, München: dtv

schließen lässt, zeugt der

des Volkes Herrscher und

1993, S. 55.

Gruß, mit dem Drouet

König, in diesen Gegenden

194

die unwillige Mätresse

regierte, lebte und starb.«,

Als Architekt einer Anders-

tet. Siehe dazu Brede­kamp

182

Vicinos Laura in frivoler

Sansovino, 1583, S. t2; zit.

bzw. Gegen-Welt hatte sich

1991, S. 19 und Bredekamp

Ovid: Metamorphosen,

Umdeutung des bekannten­

nach Bredekamp 1991, S. 101,

Vicino bereits im einem

1985, S. 41: »… ma il male,

Buch III, Vers 574–605,

Christuswortes aufforderte,

Fußnote 14. Postels Schrift

Brief an Ottavio Farnese

che li figlioli­se scusano con

zit. nach Fink 1994, S. 80.

doch das »gladium in vagi-

De Etruriae regionis […]

vom 20. Juli 1567 bezeichnet­

dire: che fece, che fa mio

Biedermann 2000, S. 90

nam« zu legen. »[…] e la

doctrina et vita entstand in

(Bredekamp 1985, S. 20).

patre? et con questa scusa

(preg)o che ›ponat gladium

der Folge und ergänzte die

Diese Formulierungen waren

si vogliono­cavarli appetiti­

183

in vaginam‹ e lassi bronto­

Geschichtskonstruktion

nur Eingeweihten verständ-

loro, ma il voler acquistar

Bredekamp 1991, S. 101 ff.

lare« (»[…] und lasse ihr

Nannis, ebenso wie der

lich und deuteten, wie auch

l’honore et richezze con le

aus­r ichten, Sie möge ›das

Bericht des von Madruzzo

spätere Anspielungen

fatiche­, no le vogliono sen-

184

Schwert in die Scheide legen‹

geförderten Luca Gaurico,

extravaganter oder höherer­

tire fumo.« (»… und das

Kurts 1997, S. 267

und mit der ewigen Nörgelei

der diesen Geschichts­

Dinge oder auch solcher,

Kreuz mit den Kindern, die

aufhören«), Bredekamp 1985,

mythos mit weiteren Legen­

die »nur persönlich zu

sich aus ihrer Verantwortung

S. 89.

denbildungen präzisierte,

besprechen« wären, darauf

stehlen, indem sie sagen:

wonach Italien nach dem

hin, dass der Briefverkehr

(und) was hat schon mein

185 Wie die Proserpina und die

ihm die noch halbwüchsige­

hatte, eher angespannt und von Sorgen belas-

Anna Perenna ist auch die

188

Goldenen Zeitalter unter

gewisserweise kodiert

Vater erreicht? und sich

Figur des Dis Pater wegen

Der Rückbezug auf den

Noah/Janus/Saturnus in

sowohl tiefere Weisheiten

mit dem Vergleich aus der

des herabgeglittenen Chiton

biblischen Noah, der, von

fremde Abhängigkeit geraten

und/als auch gefährliche

Verlegenheit ziehen, selbst

mehr ent- als bekleidet – was

Gott gerettet, in Etrurien

und dann von Osiris gerettet

Gedanken in Marginalia und

nach Ruhm zu streben, aber

als Allusion der Freizügigkeit

gelandet sei, berief sich auf

und mit den Geheimnissen

Unverdächtiges gekleidet

vom eigenen mühevollen

im Wäld­chen zu verstehen­

die populäre und wissen­

der Landwirtschaft und

wiedergab.

Streben nach Ansehen und

ist. Die Nacktheit vermerkt­

schaftlich betriebene Legen­

der Schrift (sic!) beschenkt

auch Bredekamp:

denbildung, die die Region

gemacht worden sei.

195

nichts hören.«) Ansonsten ist

Bredekamp 1991, S. 150.

als das ›gelobte Land‹ dar-

Vgl. Bredekamp 1991, S. 101 ff.

Richter, Gert/ Ulrich,

Vicino ganz der italienische

Gerhard: Lexikon der Kunst­

Familienvater, der auf die

stellte: »Fra le province pre-

Reichtümern, wollen sie

186

dette, la prima fatta nobile

189

motive. Antike und christliche

missratenen Söhne schimpft

1 Mose 9.10, Vers 20, 21.

per suoi coloni, fu la sacra

Luck 1990, op. cit., S. 443

Welt, München-Gütersloh:

und ihnen über seine

Orbis 1993, S. 120.

Kontakte (die Kardinäle

Toscana in Italia, gloriosa­per

336 Anhang

202 Alessandro Farnese und

Steffen 1963, S. 51

Cristoforo Madruzzo) die

211 Grimmige, und bleib bei

folgendes Vorgehen, um die

Dass der Hofphilosoph

mir bis zum Ende. Mach

Liebe einer Frau zu gewin-

Francesco de’ Vieri ausge-

besten Positionen und

203

diese Zaubermittel so wirk-

nen, wobei ein hyper­bore­

rechnet die Worte der lin-

Heiraten verschafft.

Jung 1952, S. 366; zit. nach:

sam wie die der Kirke, der

ischer Magier konsultiert

ken Sphinx von Bomarzo

Steffen, Uwe: Das Mysterium

Medea und der blonden

wird: »Der Magier wartete,

zur Würdigung der regel-

199

von Tod und Auferstehung.

Perimede […] die Hunde heu-

bis der Mond zunahm, denn

losen Extravaganz eines

Kurts 1997, S. 237: »Fluss­

Formen und Wandlungen

len in der Stadt: Die Göttin

derartige Riten werden meist

anderen Gartenkunstwerks,

götter gelten traditionell als

des Jona-Motivs, Göttingen:

ist an den Kreuzwegen.«

um diese Zeit ausgeführt. […]

nämlich der Anlage des

›Stammväter uralter Götter-

Vandenhoeck & Ruprecht

Luck beschreibt die

Dann beschwor der Magier

Gartens von Francesco I.

und Heldengeschlechter‹.«

1963, S. 78.

Bedeutung des Hundes

Hekate herauf, die Kerberos

de Medici in Pratolino bei

Vor diesem Hintergrund

anhand des sogenannten

mit sich brachte, und zog

Florenz verwendete, belegt

der Identifikation mit dem

204

Pariser Zauberpapyrus: »Die

Selene herab, die ein man-

den sprichwörtlichen Ruhm,

jeweiligen Flussgott war der

Siehe Exkurs: Vicino der

Symbolik des Hundes und

nigfaltiges Schauspiel bot,

den das Wäldchen inzwi-

Dialogo amoroso zu lesen,

Epikureer

der Fledermaus liegt auf der

bald so und bald anders

schen erlangt hatte. Dieses

Hand: Fledermäuse schlafen

anzusehen. Denn zuerst

Zeugnis belegt außerdem,

worin Giovanni Bertussi die Abreise Vicinos in

205

des Nachts nicht, und Hunde

zeigte sie sich in weib­licher

dass seine Bedeutung eines

seine Heimat verherrlichte:

Richter/Ulrich 1993, S. 120

können den Menschen

Gestalt, dann war sie ein

Läuterungsweges, der über

schlaflose Nächte bereiten.«

schöner Stier, und dann

verschiedene Stationen

»Quanta il bel Thebro haura gioia & diletto Nel fortunato

206

Die Dreiwege außerhalb der

schien sie ein Hündlein zu

der Verwirrung und des

a lui uostro ritorno, Tanto

Schaurig heulende Hunde

antiken Städte eigneten sich

sein. […]«

Staunens zu Gott (dies die

dolor de la partita il giorno

kündigen traditionell das

für magische Operationen,

Alle zit. aus Luck 1990,

Interpretation des gottes-

Ha dato al Po pien di dogli-

Erscheinen der Hekate an. In

denn mindestens eine der

op. cit., Quellentexte zum

fürchtigen Vieri) führte,

oso affetto.« (»So viel Freude

den Beschwörungsformeln,

Straßen, die sich hier begeg-

Kapitel I. Magie, S. 5 f.

noch gewusst wurde: »[…]

und Lust der schöne Tiber

die von der antiken Literatur

neten, war von Gräbern

wegen Eurer Rückkunft

überliefert sind, vergegen­

gesäumt; dort zeigten sich,

207

la marauiglia, ó lo stupore­

haben wird, so viel Schmerz

wärtigen sie das Unheim­

so glaubte man, Hekate und

Luck 1990, op. cit., S. 66

non è altro, che vn gran

wird an diesem­Tag der Po

liche der Nacht, und ihrer

Persephone, die Göttinnen

empfinden.«) Giuseppe

Herr­scherin: »Hekate, du

der Unterwelt. Beide Gott­

208

di alcuni effetti, che di rado

Betussi: Dialogo amoroso­,

wirst angebellt an den

heiten werden in diesem

Luck 1990, op. cit., S. 42 f.

auuengono­, mercé del quale

1543, zit. nach Bredekamp

Kreuzungen in den Städten

Zauber angerufen. Der

1985, S. 69.

der Nacht! Rächende Furien!

zweite Text nennt ebenfalls

209

nella consideratione, et inu-

Gottheiten der dem Tod

einen Hund. Im Zitat: »Ich

Im Brief an Alessandro

estigatione die essa, per

200

geweihten Elissa!« lässt

beschwöre dich dreimal bei

Farnese vom 22. April 1561,

mente non la trouiamo, inal-

Bredekamp 1985, S. 91

Vergil Dido in namenlosem

Hekate (Zauberworte), dass

vgl. dazu Fußnote 56.

ziamo le ciglia­et stringiamo

und Ceccarelli, Alfonso:

Schmerz um ihren Aeneas

NN … Ich beschwöre dich bei

Simulacro di Casa Orsini,

klagen (Aeneis 4.450–705)

Kore (Persephone), die Göttin

210

ciglia­si fa per dinotare,

1580, zit. nach Bredekamp

und in einem Liebeszauber

der Dreiwege geworden ist

Fast immer schreibt Vicino

che la cagione è notá a Dio,

1991, S. 71.

zur Rückgewinnung des

…« und als Regieanweisung

in selbstidentifizierender­

che è sopra il cielo su alto;

untreuen Geliebten heißt

für die Durchführung eines

Absicht von »il mio

et lo stringere le labbra il

201

es: »Mond schein hell; leise

Zaubers, der wie im Voodoo

boschetto«, und weiters

facciamo­per significare,

Jonas 2 3 aus: Die Heilige

will ich für dich singen,

mit kleinen Figürchen ope-

von ihrer gemeinsamen

che la ci è occulta, et non la

Schrift. Familienbibel.

Göttin, und für Hekate in

riert: »Neben dem Hund soll

Verrücktheit (»la follia del

possiamo ad altrui dare ad

Altes und Neues Testament.

der Unterwelt – die Hunde

ein Räucheraltar stehen, auf

mio Boschetto«), im Brief

intendere.« Vieri: L’opere

Aschaffenburg, Pattloch:

zittern vor ihr, wenn sie

dem Weihrauch liegen muss,

an Giovanni Drouet vom

stupende di Pratolino &

Katholisches Bibelwerk

über die Gräber der Toten

wenn du den Spruch her-

10. April 1575, zit. nach

paragoniamole con quelle

Stuttgart 1966, S. 1444.

und das dunkle Blut kommt.

sagst.« In den Lügenfreunden

Bredekamp 1985, S. 35.

de gli antichi, S. 57; zit.

Sei mir gegrüßt Hekate,

(14–18) überlieferte Lukian

Di qui si puo cauare, che

desiderio­die sapere la causa

desiderio ci occupiamo tutti

le labbra. Lo inarcare la

Anhang 337

nach Bredekamp 1991, S. 86,

222 (»Also kann man annehmen­,

eingeflossen, werden aber

dass diese Wunder oder das

leider nicht explizit erwähnt,

Staunen [darüber] nichts

siehe dazu Bredekamp 1991,

anderes sind als eine große

S. 159.

Begierde, die Ursache gewisser­Phänomene, die

212

hier vorkommen, zu erfah-

Irmscher 1987, S. 32

ren, und deswegen beschäftigen wir uns so sehr damit

213

und fragen nach, weil wir

Sautner 1984, S. 98

unserem Verstand nicht

Schöpf 1988, S. 184

seiende‹ Welt der Dinge hin-

des Korns, das heißt der

wegführt, wird er auch neu

Fruchtbarkeit, zum anderen­

223

geboren: Er kehrt seinem bis-

auch die Verkörperung der

Siehe dazu Beigbeder 1998,

herigen Leben den Rücken.

unendlichen Traurigkeit:

S. 183

Den in den Eleusischen

nachdem Hades ihr die

Mysterien Eingeweihten wird

Tochter genommen und

224

das außerirdische glückliche­

mit sich in die Unterwelt

Siehe dazu Biedermann

Leben garantiert, doch

geführt hatte, irrten ihre

2000, S. 194

Gnade kann man nur unter

Gedanken beständig in

der Voraussetzung einer

der Unterwelt umher. […]

225

symbolischen und freiwilli-

Persephone ist in ihrem

mehr trauen [können] und

214

»Wie der Hirsch schreit nach

gen Aufsichnahme des Todes

Lebenswandel ebenfalls

nur mehr die Brauen heben

Ranke-Graves 2000, S. 106

frischem Wasser, so schreit

erlangen. Der Tod selbst ist

Gefangene dieser­Zweiheit:

meine Seele, Gott, nach Dir.«

das wichtigste­Mysterium; in

einen Teil des Jahres ist sie

(David, Psalm 42)

seinem­Werk über die Seele

genötigt, im Hades zu ver-

schreibt Themistius: ›Wenn

bringen, den anderen Teil

226

der Moment des Todes ein-

aber darf sie, mit Erlaubnis

Lurker, Manfred: Lexikon

tritt, erfährt die Seele etwas

von Zeus, zwischen­den

und die Lippen spannen. Die Augenbrauen wölbt

215

man, weil Gott im Himmel

Zur Bedeutung der Inschrift

(allein) die Ursachen kennt,

siehe Bredekamp 1991, S. 144.

und die Lippen spannen wir, um uns zu bedeuten, dass

216

der Götter und Dämonen,

derartiges wie jene, die in

oberen Göttern verleben.

es sich um ein Geheimnis

Irmscher 1987, S. 400

Stuttgart, Kröner 1989,

die großen Mysterien ein-

Einerseits ist sie die Göttin

S. 809.

geweiht wurden. Deshalb

der Unterwelt (eine mög-

besteht zwischen den Verben

liche Bedeutung ihres

handelt, das anderen nicht verraten werden soll.«) Die

217

Anspielung auf die Gesten

Siehe Bredekamp 1991,

227

sterben­und eingeweiht

Namens ist: Durch-Mord-

des Staunens bezog sich

Abb. 125 f.

Steffen 1963, S. 79 ff.

werden und den durch sie

Vernichtende, anderer­seits

bezeichneten Handlungen

steht sie, gleich ihrer Mutter,

mit der Formulierung des Okkulten und des Geheim­

218

228

eine Ähnlichkeit.‹ (cf. Wind,

ebenfalls mit dem Ertrag der

nisses, das nicht verraten

Steffen 1963, S. 79, siehe

Die Vergegenwärtigung der

181.) Sokrates meint, dass

Blumen und des Korns in

werden darf, auf die ver-

Abbildung S. 148.

eleusinischen Riten stellt

das rechte Philosophieren

Beziehung. Als Göttin des

die Voraussetzung für das

aus einer Vorbereitung auf

Todes und der Fruchtbarkeit

schiedenen Ensembles und ihre »Inbetriebnahme« im

219

Betreten des Höllen­schlundes

den Tod bestehe, und Pindar

umfasst sie das All, und

manieristischen Garten.

Vgl. die männlichen Löwen

dar. Vielfach geschmäht

schreibt über die, die in

Liebe und Zwist erscheinen

Auch Bredekamp weist

des Drachenkampfes

und trotzdem in hohem

den Mysterien von Eleusis

gemeinsam­in ihrer Gestalt.

sinn­gemäß darauf hin,

und der Löwenfamilie im

Ansehen waren sie – wie

eingeweiht werden sollen:

Als Mitglied der göttlichen

dass die Möglichkeiten der

Schattenreich, wie auch

die als Hokuspokus verach-

›Glückselig ist, wer […] den

Welt verkörpert sie, ähnlich

Nacht diese dunklen und

die Wächterlöwen vor dem

tete Etruska Disciplina bei

Weg unter die Erde betritt: er

den übrigen chthonischen

geheimen­ Erfahrungen

Nymphäum.

den Römern – ein Sache des

kennt das Ende des Lebens

Göttern, die Gegensätze in

Glaubens, in die sich aller-

und dessen von Zeus gege-

einer Person; aber wie auch

unterstützt haben dürften­. Die Tafeln 11 und 45 im

220

dings überzeugende­philo­

benen Anfang.‹ (fr. 137). In

die Göttin der Erde, ist sie

Abbildungsteil, die das

Schenda, Rudolf: Das ABC

sophische Folgerungen

den Eleusischen Mysterien

doch eher eine Vertreterin

Schiefe Haus im Mondlicht

der Tiere. Märchen, Mythen

mischten: »Der im 4. Jahr­

verehrten die Eingeweihten

der Schattenseiten des

und den von innen erleuch-

und Geschichten, München:

hundert lebende und den

Demeter und Persephone,

Lebens. Deshalb verlangt der

teten Höllenschlund zeigen,

Beck 1995, S. 174.

Mysterien feindlich geson-

ihre Tochter, und diese zwei

Lebensweg der Eingeweihten

nene Firmicus Maternus

Gottesgestalten symbolisie-

Opfer: der Tod ist nicht

belegen die Faszination, der auch Bredekamp erlegen

221

nennt den in die Mysterien

ren auch selbst das Sich-

nur Erlösung, sondern

ist. Seine Untersuchungen

Schöpf 1988, S. 72

einzuweihenden Menschen

Aneinanderschmiegen von

auch Vergehen von irgend­

der »Nachtwirkung« sind

homo moriturus. Da aber

Leben und Tod. Demeter

etwas. Eben deshalb erzeugt

in seine Interpretationen

der Tod ihn in die ›wahrhaft

ist zum einen die Göttin

das Wissen der Wahrsager,

338 Anhang

240 Wahnsinnigen und Philo­

1985, S. 32), in dem Vicino

Irrtümern und der [sinnlo-

Luck 1990, Einleitung S. 1

sollen­.«, Brief an Giovanni

sophen Melancholie, weil

über die Falschheit des

sen] Betriebsamkeit der Höfe,

und passim

Drouet vom 8. August 1583

es den Menschen an den

Kardinalskollegiums

und vor allem Roms, unter-

Punkt des letztendlichen

schreibt und die spätere­

getaucht bin, ich bin dabei

241

Die Vermischung beider

Unwissens, der ihm entzo-

Wiederaufnahme des

mich völlig zu erneuern und

Bredekamp 1991, S. 6 f. sowie

Jenseitsreiche, dem des

genen Geheimnisse führt.«

Freundes in das päpst­

kann Euch hier (freilich)

im Brief vom 8. November

Wäld­chens und dem jenseits­

Földényi 1988, S. 46 ff.

liche Wohl­wollen (im

nicht nach Eurem (gewohn-

1579 an Giovanni Drouet,

des für ihn fassbaren sinn­

Brief vom 31. Januar 1576,

ten) Rang und Standard

worin Vicino den »Oltra­

lichen­Lebens, ist für die

229

Bredekamp 1985, S. 40;

behandeln wie in Eurem

montani« neben den anti-

Interpretation des Boschetto

Biedermann 2000, S. 199

vgl. dazu auch die entspre-

Palast, aber wie auch immer,

ken Schriften als einzigen

aufschlussreich.

chenden Auslegungen vor

hier werdet Ihr Freiheit und

»qualche sostanza« (»einige

230

dem historischen Hinter­

keine Betrügereien finden.«),

Substanz«) zugesteht (vgl.

243

Pindar, Fragment 137,

grund in Bredekamp 1991,

Bredekamp 1985, S. 22.

Brief an Giovanni Drouet,

Den schöpferischen Aspekt

zit. nach Földényi 1988, S. 47.

S. 22 ff.) zeugen von der

Bredekamp 1985, S. 53).

des – meist groß geschrie-

(Bredekamp 1985, S. 64).

zynischen Weltsicht und

238

Fierz-David 1947, op. cit.,

benen – Boschetto betont

231

Abgehobenheit, die zuneh-

Die immer wiederkehrende

S. 55

Vicino im Briefverkehr

Fierz-David 1947, op. cit.,

mend stärker wird und

Formulierung »sol lione«

S. 162

seine Melancholie zusätz-

im Brief vom 6. Juli 1574 an

242

»mio Boschetto« (»mein

lich verstärkt. Immer wie-

Giovanni Drouet »… Io per

Immer wieder taucht die

Wäldchen«), in den Briefen

232

der bringt Vicino in seinen

passar questi calori leonini

Formulierung jener »anderen­

vom 20. Mai 1561 an

Fierz-David 1947, op. cit.,

Einladungen Kritik an der

et per fuggir li travagli …«

Welt« in den Briefen Vicino

Alessandro Farnese, vom

S. 140 ff.

römischen Gesellschaft an:

(»… um der Affenhitze [den

Orsinis auf und wenn auch

22. Mai 1561 an denselben,

»[…] che venga a sfogare

Hitzen der Löwen!] und auch

manchmal eindeutig­ der

vom 4. Juli 1563 an den­

233

qualch’humore malinco-

den Missstimmungen zu ent-

Jenseits- und Gegen­welt­

selben, vom 29. Dezember

Elwert, W. Th.: Die italie­

nio, che la Corte l’ha cau-

fliehen …«), Bredekamp 1985,

charakter des Wäldchens

1570 an Francesco Sansovino

nische Literatur des Mittel­

sato.« (»[…] dass Sie kom-

S. 32; sowie schadenfroh

gemeint ist, als deren Bau­

usw., siehe dazu Bredekamp

alters, München: utb Franke

men, um die melancholische

und traurig zugleich drei

herr er sich bezeichnet (»[…]

1985, Anhang.

1980, S. 126.

Verstimmung loszuwerden,

Wochen später, am 28. Juli

che penso far ancor nel altro

Die stetig zunehmende

durch die Wendungen

die Ihnen der (röm.) Hof ver-

1574, ebenfalls an Giovanni

mondo …« (»[…] die [zukünf-

Identifikation mit dem

234

ursacht hat.«) schreibt er an

Drouet: »[…] et se Madonna

tigen] Taten, die ich noch in

Wäldchen und seinen

Nach Aristoteles, De caelo,

Ottavio Farnese und führt

Laura gode a questo sol

der anderen Welt zu vollbrin-

Kolossen bezieht sich

11 13, 293a 18, zit. nach

weiters aus: »Hora sia come

lione, dormendo continua-

gen gedenke …«), aus dem

immer mehr auf die ihm

DeCrescenzo 1988, S. 77 ff.

voglia io amo più starmene

mente stretta con li sui inna-

Brief an Ottavio Farnese vom

Nahestehenden, wie etwa

in questi boschi che immerso

morati […].« (»[…] und wenn

20. Juli 1567 (Bredekamp

der Brief vom 1. Mai 1578

235

nelle fallacie et ambitioni

es Frau Laura gefällt bei

1985, S. 20) beziehen sich

an Giovanni Drouet belegt,

Bredekamp 1991, S. 141

delle Corti, et massime in

dieser Affenhitze dauernd

spätere­, melancholisch

worin er die Mitteilungen

quella di Roma; me rincre-

beengt mit ihren Liebhabern

gefärbte Anspielungen auf

über die Entwicklung seiner

236

scerá bene non possarla

zu schlafen […].«, Bredekamp

das Jenseits nach dem Tod:

Kinder und des Koloss im

Aus dem Brief an Alessandro

trattare com’ella merita,

1985, S. 33.

»… et dirli se vogliono­niente

Wäldchen miteinander ver-

Farnese vom 22. Mai 1561, zit.

tanto più essendo avezzo

per quell’altro mondo …«

mischt.

nach Bredekamp 1985, S. 16,

nelle grandezze di Palazzo,

239

(»… und sag ihnen [den

siehe Fußnote 56.

pure siase come si voglia e

Siehe Kurzel-Runtscheiner,

Freunden, von denen sich

244

qui troverá una lira libera

Monica: Töchter der Venus.

Vicino in einem der letzten­

Bredekamp 1985, S. 64 f.

237

et non piena d’inganni.«

Die Kurtisanen Roms im

Briefe an Giovanni Drouet

Vor allem der Brief

(»Sei es wie es sei, ich ziehe

16. Jahrhundert, München:

kumulativ verabschiedet­],

an Giovanni Drouet

es vor in diesen Wäldern zu

dtv 2001, S. 90 ff.

dass sie nichts für jene

(6. Juli 1574, Bredekamp

bleiben, in die ich aus den

andere Welt erhoffen

Anhang 339

245 Genesis 2 9; siehe dazu:

sonno di belli tiri per dentro,

im Brief an Giovanni Drouet

pathologisches und unver-

gibt, dennoch ist die Her­

Shalev, Meir: Der Sünden­fall,

se gli ne capiterá qualch’altro

vom 3. Mai 1583 wieder mit

standenes Genie. Vicino

stellung derartiger Ver­

ein Glücksfall. Alte Geschich­

stravagante, me ne facerá

dem Wort »ingannare« kom-

bezog sich damit auf die alte

bindungen verlockend und

ten aus der Bibel neu erzählt,

parte.« (»Das Buch das Ihr

mentierte, Bredekamp 1985,

Deutung des »mal humore«,

wohl auch im Sinne der

Zürich: Diogenes 1999, S. 60.

mir geschickt habt, bereitete

S. 63), die sich alle nicht

des schlechten feuchten

Charakterideologie von

mir großes Vergnügen, es

bewährten. Schon der Stil

Körpersaftes, der Leib und

Nutzen für die Beschreibung

246

finden sich bemerkenswerte

dieser Art von Briefe deutet­

Seele ins Ungleichgewicht

der Persönlichkeit des Vicino

Schmid, Wilhelm: Die Geburt

Stellen darin und wenn Ihr

die Bestim­mung des Ortes

bringt und als die mittelal-

Orsini und seiner Schöpfung

der Philosophie im Garten

wieder so ein extravagan-

an, an dem sich der, der sich

terliche Acedia, die physi-

des Heiligen Waldes, zwi-

der Lüste, Frankfurt a. M.:

tes habt, lasst mich es auch

freiwillig der Verschlingung

sche und psychische Untätig­

schen denen ebensowenig

Suhrkamp 1987.

lesen.«), zit. aus dem Brief

und dem Tod anheim gege-

keit, galt. Mit zunehmendem

eine klare Unterscheidung

an Giovanni Drouet vom

ben hatte, aus Raum und

Alter und dem Nachlassen

möglich gewesen zu sein

247

13. Dezember 1578 (Brede­

Zeit in den Zustand eines

seiner körperlichen und

scheint.

Genesis 3, 22

kamp 1985, S. 49); siehe auch

wahren Philosophen erhebe,

vor allem seiner sinnlichen

den Brief vom 8. November

dem kaum noch an einer der

Kräfte, die er als einzige

255

248

1579 (Brede­kamp 1985, S. 85),

üblichen Alternativen eines

Bestätigung der Existenz

Aus dem Rosarium philoso­

Bredekamp 1991, S. 92

in dem sich Vicino, wie in

Weiterlebens nach dem Tod

anerkennt und intellektuell

phorum.

fast allen Briefen an seine

gelegen wäre.

begründet, gewann aller-

249

Freunde, für Buchsendungen

dings eine deutlich hypo-

256

Földényi 1988, S. 39

bedankt und worin er

253

chondrische Nabelschau

Wiederholt äußerte sich

sowohl den Antiken wie den

Siehe Kapitel Dialoghi: welt­

die Oberhand und trotz der

Vicino, (und auch Drouet, im

250

Ultramontanen Substanz

liches Latein und heiliges

ausführlichen Versuche

Brief vom 12. Dezember 1573)

Die »extravaganten« Bücher,

zuerkennt: »[…] o l’opere

Volgare, Seite 276 ff.;

seiner letzten Briefe, noch

über den Zusammenhang

die Vicino mehrfach in sei-

antiche o qualch’una delli

Fierz-David 1947, op. cit.,

mit antiken Argumenten zu

definitiv theoretischer

nen Briefen erwähnt, ent-

Oltramontani hanno qual-

S. 81, 85–87, 104 ff.

reüssieren, gelang ihm trotz

Wissenschaften wie

stammen wie die Rezepte

che sustanza […].« (»[…]

des beruhigten Altersstils

Kosmografie und defi-

Gesners zur Lebens­ver­

sowohl die Werke der

254

keine wahrhafte Seelenruhe

nitiv praktischer wie

längerung (im Brief von

Antiken, als auch so man-

Die Hingabe und Identi­fi­

mehr und in seinem letzten

Landwirtschaft (sic!) und

Giovanni Drouet an Vicino

che der Ultramontani (der

kation, mit der sich Vicino

(dokumentierten) Brief an

ihre Handhabung unter

von Anfang November

Deutschen) haben Substanz

seinem Wäldchen widmete­,

Giovanni Drouet meinte er

himmlischen und alchemis-

1573) den hermetischen

[…].«

ließen ihn schon die Arbei­

nicht mehr an Ludovico di

tischen Aspekten. Vieles

ten darin als Akt der Selbst­

Torres schreiben zu wollen,

Alltägliche wird nur unter

Zirkeln jenseits der Alpen, die im Rahmen des italie-

251

vervollkommnung empfin-

da selbst der Brief »puz-

bestimmten Aspekten in

nischen Neuplatonismus

Bischof, op. cit., S. 523

den. Die eigene schlechte

zando de morte« (»nach

Angriff genommen: »Altre

Verfassung schrieb er der

Tod stinke«), Bredekamp

volte attesi un poco alla

die Erkenntnisse der hermetischen Humanisten

252

leib-seelischen Wechsel­­

1985, S. 65.

cosmografia, […] dubito se

des Nordens assimilier-

»[…] altri sorti di consolati-

beziehung zum Wäldchen

Es verbietet sich von selbst

reuscirá in Venere, ma ho

ten. Bomarzo ist mit großer­

oni« (»andere Möglichkeiten

zu. Mit Arbeit und neuen

im neuzeitlich psycholo-

più paura di quel Saturno

Wahrscheinlichkeit und

von Tröstungen«) mit dem

Ideen zur Ausstattung und

gisierenden Jargon von

[…] che ’agricoltura habet

durchaus vergleichbar den

wiederholt und abfällig­

Verbesserung des Wäld­

einer manisch-depressiven­

nescio quid’ comune colli

vielfältigen humanistischen

gebrauchten Wort Conso­

chens verifizierte er seine

Disposition Vicinos zu

influssi celestiali et elem-

Beziehungen über die Alpen,

latione (die im folgenden

These. Beide, das Wäldchen

sprechen, da es keiner-

tenti, così come ha il trattar

ein Beispiel für die konge-

immer wieder in Fußnoten

und Vicinos Lebenskraft,

lei medizinische Anhalts­

li fornelli per via de destil-

niale Verbindung antiker

zitiert werden) spielte Vicino

schienen sich zu bedingen

punkte für eine Trennung

lationi […].« (»Bei anderen

und nördlicher Philosophie:

auf die ungenügenden

und bestätigen seine pri-

bewusst hypochondrisch-

Gelegenheiten habe ich ein

»Piglio gran piacer del libro

Tröstungen der Religionen

vate, antikisierend formu-

pessimistischer Züge von

wenig Kosmografie getrie-

che m’ha mandato et vi

und Philosophien an (die er

lierte Selbstdarstellung als

bewusst künstlerischen­

ben, […] zweifle ob dies unter

340 Anhang

Venus möglich sein wird,

und mir Bescheid geben

Wäldchens waren zu diesem

da lui da fondamenti, nel

Moment nicht mit einem

habe aber mehr Angst vor

wolltet, wenn ihr fertig

Zeitpunkt bereits, bis auf den

quale havendo constituiti

Alltagswort beschreibt, son-

Saturn […] dass die Land­

seid.«), zit. aus Bredekamp

Drachenkampf, den Elefanten

sacerdoti, si prega Nostro

dern mit einer dem religiösen

wirtschaft einiges mit den

1985, S. 37, sowie vom

und natürlich die Tartaruga

Signore di continuo per

Empfinden vorbehaltenen

himmlischen Einflüssen

9. Novem­ber 1575: »L’Orontea

mit der Orka, vollendet,

l’anima sua« (»Giulia, die

Formulierung, sagt viel über

und den Elementen zu tun

vi bace la mane et dessi-

sodass mit Recht ein überhö­

an Vicino Orsini verheira-

die Bedeutung des Tempels

hat, so gleicht sie schon

dera sapere quello che i cieli

hender Aspekt des Tempels

tet war, der diese außeror-

aus, die sich vermutlich erst

dem was die Destillateure

hanno deliberato di lei.«

angenommen werden kann.

dentlich kluge und große

über das ikonografische

[Alchemisten] in ihren

(»Die Orontea küsst Euch die

Vgl. dazu die Pläne der

Dame liebte und ihr einen

Programm erschloss. Der

Öfen zusammenbrauen.«)

Hände und begehrt zu wis-

Bauphasen bei Bredekamp

wunderschönen Tempel

Adressat des Briefes, Ales­

Sogar die Vorsorge(n) für

sen was die Himmel über

(1991, Anhang; hier: Abb.

in Bomarzo weihte, den er

sandro Farnese, mochte

seine Nach­kommenschaft

sie beschlossen haben.«),

6 bis 9). Angeblich sollte

selbst von den Fundamenten

darin »eingeweiht« gewesen

macht Vicino von den

zit. nach Bredekamp 1985,

der Tempel, der wiederholt

errichtete, und wo Priester

sein und die Bedeutung als

Sternen abhängig, wie

S. 37, 38.

als der verstorbenen Giulia

Unseren Herrn unentwegt

»Aufstieg der Seele« verstan-

Farnese zugewidmet und

für Ihr Seelenheil bitten.«),

den haben. Siehe Brief vom

seine Anfragen nach dem Horoskop für seine geliebte

257

sogar mit Gottesdiensten

aus Sansovino, Francesco:

9. Oktober 1565, Bredekamp

illegitime Tochter Orontea

Fierz-David 1947, op. cit.,

aufgewertet beschrieben

Origine e fatti delle famig­

1985, S. 18. Siehe dazu auch

beweisen. Vgl. dazu den

S. 118 ff.

wurde, eine »Entschärfung«

lie illustri d’Italia, Venedig:

Fußnote 409.

des definitiv antikatholi-

Presso Combi & La Nou 1652– 1655, Bredekamp 1985, S. 91.

Brief an Giovanni Drouet vom 8. Mai 1575: »… giá che

258

schen Programms darstel-

vole saper l’hora che naque

Schmidt, Dorothea:

len, das zur Zeit Vicinos, die

l’Orontea, fu la notte che

Untersuchungen zu den

immerhin auch die Zeit der

264

Geistlichen, die dort Messen

venne il dí sequente san

Architekturekphrasen in der

Inquisition war, genügend

Fierz-David 1947, op. cit.,

für das Seelenheil der ver-

Bastiano su le 7 hore in

Hypnerotomachia Poliphili.

Anlass zur Verfolgung und

S. 143 ff.

storbenen Giulia lasen (s. o.)

circa.« (»… und Ihr wolltet­ja

Die Beschreibung des Venus-

Verurteilung des Bauherrn

die Stunde wissen, zu der die

Tempels, Frankfurt a. M.:

geben hätte können. Dieser

265

lich »ihre« Weihe verliehen,

Orontea geboren wurde, es

Fischer 1987, S. 22.

allgemein angenommenen

Fierz-David 1947, op. cit.,

war zweifellos dazu ange-

Interpretation wird hier nur

S. 145, 166

war die Nacht zum nächsten­

270 Die spätere Dotierung mit

und dem Ort noch zusätz-

tan, die neu­platonische und

Tag nach St. Sebastian um

259

bedingt gefolgt, da immer-

etwa die siebte Stunde.«),

»[…] vedi la coppola del mio

hin der Papstbesuch erfolg-

266

zit. aus Bredekamp 1985,

tempio […]« (»[…] sah ich

reich von Vicino verhindert

Fierz-David 1947, op. cit.,

lichkeit zu vertiefen. Im

S. 36, und vom 7. Juli 1575

die Kuppel meines Tempels

wurde und der fast schon

S. 22, 24, 25

Symbol des Tempels, der als

mit der Bitte um Horos­kop­

[…]«), Brief an Alessandro

übertriebenen Zuwidmung

erstellung: »Quanto alla

Farnese vom 9. Oktober 1565,

an Giulia andere, eventuell

267

zwischen dem verlorenen

nativitá de l’Oronthea mi

Bredekamp 1985, S. 18.

verschlüsselte Bedeutungen

Bredekamp 1991, S. 136

Goldenen Zeitalter und

vo imaginando ch’habbia a

im Sinne der Agape sogar neu interpretierte Christ­

hermetisches Bindeglied

zu unterstellen sind: »[…] di

dem irdischen Paradies

riuscir qualche gran donna

260

mia carissima innamorata

268

Vicinos gelten konnte, war

poiché voi havete procu-

Schmidt 1987, S. 21

[…]« (»[…] meiner innigst

Siehe Fußnote 401

somit in einer gewissen

rato di daper la sua vita,

Geliebten […]«) im Brief an

Gleich­berechtigung sogar die

peró haró a caro che, come

261

Sansovino vom 29. Dezember

269

christ­liche Religion unter-

sia finita, me la mandi-

Schmidt 1987, S. 20

1570, Bredekamp 1985, S. 21,

Die deutsche Übersetzung

gebracht. Gegebenenfalls

sowie »Giulia, gli maritata

würde hier sinngemäß »wel-

korrigierte das astrologische

ate.« (»Was die Geburt der Orontea angeht, beginne ich

262

a Vicino Orsini, il quale

che Genugtuung« (»[…] er

Programm als Bekenntnis

mir vorzustellen ob aus ihr

Bredekamp 1991, S. 132

amanda quella prudentis-

beim Anblick der von ihm

zu den autochthonen

sima & magnamima donna,

selbst so konstruierten

christ­lichen Werten den

wohl eine noble Dame werden wird, so wie ihr darüber

263

le consacró a Bomarzo un

Kuppel empfinde«) lauten.

Auseinanderfall christlicher

Nachforschungen anstellen

Anlage und Ausstattung des

bellissimo Tempio, edificato

Dass er diesen triumphalen

und katholischer Ideologie.

Anhang 341

271

273

284

Am 9. Oktober 1565 berich-

Michael Maier: Atalanta

Luck 1990, op. cit., S. 453

tete Vicino Alessandro

Fugiens, Oppenheim, 1618.

Farnese von einem Ausflug

Proserpina vereinigt und

Göttin Diana dient und sich

wird als solche Hekate-Brimo

ihm in einem verwirren-

285

(die zornig-Schnaubende)

den Nymphäum zeigt und

mit dem Vizelegaten ins

274

»… nel mio Boschetto non ci

genannt. […] Beim Raube der

sogleich in nichts auflöst.

Wäldchen, wobei er die

Bachmeister 1989, S. XXXV

ho da far altra operazione,

Proserpina, den niemand

Zuletzt bricht sein Schicksal

che la contemplazione delle

erschaute als der leuchtende

in Gestalt der Hekate-Brimo

schon von weitem zu sehende Kuppel beschreibt:

275

cose inferiori e superiori.

Helios, hörte auch keiner der

über ihn herein: »Nebelfetzen

»[…] andammo […] fin a le

Kopernikus, Nikolaus:

(»… in meinem Wäldchen […]

Götter und Menschen den

trieben auf. Windstöße

forche […] nell aparir d’un

De revolutionibus orbium

nichts mehr zu tun als über

Angstruf der Entführten;

pfiffen. Jäh, wie so oft in

colle, vedi la coppola del mio

caelestium, 1543.

die Dinge der Unterwelt und

nur Hekate vernahm ihn in

dieser­Jahres­zeit begann ein

die des Himmels nachzuden-

ihrer Grotte. Dann half sie

Sturm loszutosen. Aus fah-

tempio, qual me riesce non men nel suo grado propor-

276

ken.«), zit. nach Bredekamp

die Verlorene suchen, und

len Wolken heulte der Atem

tionato ch’all’apparita de

Roob 1996, op. cit., S. 65

1985, S. 54. Ein literarischer­

als Proserpina von Hermes

des Kosmos auf ihn nieder

und interdisziplinärer

auf die Oberwelt zurückge-

und bog den Tann zu seinen

Firenze quella die Sta. Maria del Fiore, ma giungendo­al

277

Quer­verweis sei zu Jud Süß

führt war, begrüßte Hekate

Füßen. Nein, noch lebten die

boschetto trovai la loggia

Ficino 1994, op. cit.

von Lion Feuchtwanger

die Wiedergefundene so

Götter! noch dröhnten Wald

angebracht­, worin der Kab­

freudig und innig, dass sie

und Welt, wenn sie es zor-

delle mie fontane che va a terra.« (»[…] gingen wir

278

balist und Rabbi Gabriel

von nun an die Freundin

nig-schnaubend befahlen!

[…] bis zu den ›Gabeln‹. […]

Ficino 1994, op. cit.

eine Vision der kosmischen

und Dienerin der Proserpina

Mit ausgebreiteten Armen

Wechselbeziehung hat.

wurde.« (Kurts 1997, S. 157)

warf Cyriak sich dem gött-

(Feucht­wanger 2013, S. 46 ff.)

Zur Interpretation der

lichen Atem entgegen, den

gleich­bleibend romantisch­

Blick auf die im Sturm sich

286

entweder als schlafende

duckenden Wipfel gebannt.«

Ranke-Graves 2000, S. 109

Nymphe, Ariadne oder Psyche

(Fritz von Herzmanovsky-

gedeuteten Nachtgestalt

Orlando: Das Gesamtwerk

287

des Schreckens, den sie

in zwei Bänden. Frankfurt

Ranke-Graves 2000, S. 115

im Garten zu verbreiten

a. M.: Ullstein Verlag 1987,

imstande war, sei in der

S. 205). Zuletzt verwandelt

während wir uns dem Hügel näherten, erblickte ich die

279

Kuppel meines Tempels,

Luck 1990, op. cit., S. 291

die mir, was den Grad ihrer Vollkommenheit angeht,

280

nicht weniger gut gelungen

Luck 1990, op. cit., S. 452

erscheint als in Florenz die von Sta. Maria del Fiore, aber

281

als wir (dann) zum Boschetto

Siehe dazu Bredekamp 1985,

kamen, fand ich die Galerien

Abb. 104 und Bredekamp

288

Fußnote auf das genuin

sich der Held in Aktaion und

meiner Brunnen am Boden

1991, S. 137 (Abb. 143).

Siehe Fierz-David 1947,

manieristische Meisterwerk

wird von Artemis mit dem

op. cit., S. 50

Herzmanovsky-Orlandos

Tod bestraft. Die Erzählung

Maskenspiel der Genien ver-

Herzmanovskys, die mit

zerstört.«), zit. nach Brede­ kamp 1985, S. 18. Mit den

282

»forche­«, den Gabeln, war

»INTERNOPLOTONI­TRI­

289

wiesen, worin die altertümli-

keinem Wort auf Bomarzo

die Abzweigung vom Palazzo

CORPORIETCARA­EXORI

Ranke-Graves 2000, S. 108

chen Motive der Verwirrung

anspielt, kann in tatsäch-

Ducale ins Freigelände und

PROSERPINAE TRICIPITIQ.

und Findung nach dem

lich allen Elementen, sogar

zum Wäld­chen gemeint, von

CERBERO« (»Dem im Inneren

290

bereits beschriebenen Muster

dem des Handlungsverlaufs

wo aus er schon die Kuppel

befindlichen dreikörper­

Kurts 1997, S. 247

in literarischer Form wieder­

auf den Ort bezogen werden,

seines Tempels herausragen

lichen Pluto, seiner lieben

kehren: Wie der Poliphil ver-

womit sich der ehrwürdigen

sah. Erst mit dem Eintritt ins

Gemahlin Proserpina und

291

irrt sich auch der Held die-

und allgemein anerkann-

Wäldchen konnte er die an

dem dreiköpfigen Kerberos

Museo Nazionale a Tarquinia

ser Erzählung, Cyriak, auf

ten literarischen Parallelen

der Seite zum Fluss, vermut-

geweiht«), zit. aus Fierz-

seiner Reise nach Kythera

wie der Arcadia Sannazaros

lich über der Isisgrotte sich

David 1947, op. cit., S. 152,

292

im Wald, landet sogar in der

auch noch dieser meisterli-

erhebenden Arkaden (loggie)

168 ff.

Ranke-Graves 2000, op. cit.,

Landesirrenanstalt, folgt

che Essay eines hochgebil-

S. 113

immer wieder einer unnah-

deten und offensichtlich die

baren und betörend schönen­

Zusammenhänge erkennen-

293

Nymphe, die freilich im Ama­

den Dilettanten (siehe Vor-

»Sie ist auf das engste mit

zonenkorps der keuschen

und Nachwort von Friedrich

sehen. 283 272

Ficino 1993, op. cit., S. 258 f.

Bredekamp 1991, S. 134 ff.

342 Anhang

308 Torberg und Maria Carmen

Für die vielen Lobpreisungen

allgemeinen Verbreitung

selbstmitleidige Bemerkung

von Herzmanovsky-Orlando)

die Ihr meinem Boschetto

und der besonderen

des alternden Vicino, dass er

anfügt.

erwiesen habt, wo es doch

Umstände ist es wohl keines-

»der Gast­mahle und guten

309

genug hochberühmte Orte

falls über­interpretiert, dass

Unter­haltung mit Herren

Brief von Vicino Orsini an

294

gäbe, ziehe ich doch soviel

Vicino auf das erstmals in

und Damen bedürfe« – sich

Giovanni Drouet vom 3. Mai

Das Hohelied Salomonis, 6.10

an Tröstungen aus diesem­

Nürnberg, 1473 gedruckte

vermutlich der trotz Kriegs­

1583, Bredekamp 1985, S. 63.

Wald, den ich meiner Gelieb­

Werk als das eines der

gefangenschaft jugend­lich

295

ten gebaut habe, und hoffe

»Oltramontani« reflektierte.

sorglosen Gast­mahle erin-

310

Bredekamp 1991, S. 138

außerdem, Sie so bald als

(Brief an Giovanni Drouet

nernd: »facendoli … ban-

Foucault 1978;

möglich bei mir zu haben

vom 8. Novem­­ber 1579, zit.

chetti perpetui et sempre

L’Occident et la verité

296

und mich an dem Gespräch

nach Bredekamp 1985, S. 53.)

in compagnia die hones-

du sexe, in: Le Monde,

Bredekamp 1991, S. 138

mit Ihnen zu erfreuen

tissime dame.« (»… dort

5. November 1976.

Ficino 1984, S. 26 ff.

sowie in der Hoffnung, dass

298

dauernd Bankette abgehal­

297

das von ihnen bei Ihrem

Zu den Ägyptischen

ten und in Gesellschaft

311

Wie unendlich viel ihm an

ersten Besuch so geprie-

Mysterien (Iamblichos)

ehren­haftester Damen.«)

Schmid 1987, S. 15

der Anerkennung der angeb-

sene Wäldchen von ihrer

siehe Luck 1990, S. 3, 39,

ist anhand des altersbe-

lich so verleideten Welt lag,

Anwesenheit profitiere.«),

44, 167, 208, 220, 325, 326.

dingten Diminuendos der

312

beweist u. a. der Brief an

zit. nach Bredekamp 1985,

sinnlichen Kräfte verständ­

Schmid 1987, S. 41

Francesco Sansovino, in

S. 19 f. Der Topos der Conso­

299

lich und genauso die Ver­

dem er sich, mit falscher

la­t ione ist eine deutliche­

Helck, Otto: Kleines Wörter­

legung seiner unerfüll­baren

313

Bescheidenheit unverdient

Bezugnahme auf das

buch der Ägyptologie, 2. Aufl.

und unwiederhol­baren

Klinkhammer 1993, Abb. 3

gerühmt bezeichnet: »[…]

philo­sophische Werk des

(1. Aufl. 1956), Wiesbaden:

Sehn­­süchte in ein mit gött­

oltre alla gloria che mi porta

Boethius: De Consolatione

1970, S. 225.

licher Jugend assoziiertes

314

molto maggiore che non

Philosophiae, das somit

Goldenes Zeitalter (siehe

Bredekamp 1991, S. 139,

merita la qualità mia. […]

den Ruhm des Wäldchens

300

Fußnote 1).

Fußnote 11.

Prima per le molte lodi date

aus dieser philosophischen­

Fierz-David 1947, op. cit.,

al mio Boschetto, tanto alta-

Richtung bestätigt und recht

S. 104, 168 ff.

mente, che in vero sariano

selbstgefällig in diesen­

bastanti a celebrare ogni

erlauchten intellek­t uellen

301

celebratissimo luogo, dal

Rahmen stellt. Die Trös­t un­

Von einer verzweifelten

che ricevo ogni sorte di con-

gen durch die Philo­sophie

Sehn­sucht nach den para-

303

i. B.: Rombach Litterae 1994,

solatione per tener’io quel

waren das in langer­Kerker­

diesischen Stunden der

Lazzaro-Bruno: Art bulletin,

S. 240 ff.

bosco in luogo di mia caris-

haft (sic!) verfasste Werk des

fröhlichen Gemeinschaft

Bd. 59, 1977, S. 553–560.

sima innamorata, seconda-

Anicius Manlius Torquatus

mit Freunden aber auch

riamente per la speranza

Severinus B., eines römi-

zwischen Geist und Körper

304

che mi dá di haverla a veder

schen Staatsmannes und

zeugen die Zeilen: »[…]

Lurker 1991, S. 577

presto, & conseguentemente

Philosophen um 480 v. u. Z.,

se io havessi speranza de

a godermi la sua gratissima

der als Übersetzer und

haverci compagnia dolce

305

aber unter der Bedingung,

conversatione, & massime

Kom­mentator der aristote-

tanto d’homini comedi

Bredekamp 1985, S. 54

dass er nicht hinfällig

vedendo, quanto aquisto

lischen Werke von größter

donne, et con loro convivi-

possa fare il Boschetto dalla

Bedeutung für die mittel­

are, et che insiemi col convi-

306

der Kardinal schenkte:

vostra presenza, poi che

alterliche Philosophie

vio [›convivio‹, das wörtli-

Bredekamp 1985, S. 54

»mi mandi la scimia, ma

dalla prima sua vista ha fatto

wurde. Mit letzte Römer und

che Zitat des platonischen

tal guadagno.« (»Darüber

erste Scholastiker hatte er

Symposions bei Marsilio

307

regresso, come l’orsa,

hinaus [danke ich] für den

die Verbindung zwischen

Ficino!] fussero canti et

Brief Vicinos an Giovanni

che m’ha data il Car:le.«

Ruhm der mir mehr Ehre

Antike und Mittelalter her-

suoni et similia, credo che

Drouet vom 15. Januar 1580,

(Bredekamp 1985, S. 58)

einträgt als ich verdiene. […]

gestellt und aufgrund der

l’anima s’allegraria più.« Die

Bredekamp 1985, S. 54.

Kröll, Kathrin: Mein ganzer 302

Körper ist Gesicht. Groteske

Vgl. Abb. 15 und 16 bei Fierz-

Darstellungen in der europä­

David 1947, op. cit., S. 112 f.

ischen Kunst und Literatur des Mittelalters, Freiburg

315 Im Brief an Giovanni Drouet vom 9. Oktober 1580 bittet­er um einen gesunden­Affen,

sei wie der Bär, den ihm

con patto che non sia col

Anhang 343

316 So schreibt er einigermaßen

in cielo. Vorrei che si vides-

durch das Wäldchen. (Roob

vi perirono tutti.« (»Also

»[…] i difetti di vecchi […]«

frustriert: »[…] ho intensa

sero in qualche parte alcuno

1996, op. cit., S. 150)

schickte Vicino Orsini seine

(Bredekamp 1985, S. 53), die

la scusa die Mons: r Torres

scimie, che paiano nascere

Leute und sie gingen mit

den Jungen unbekannt seien

sopra la scimia, al quale

dal sangue loro, che scimie

320

Vorsicht – denn sie dachten

und die ihn, wie er in seinen

potrete­dire che per hora

e triste uomini si dice che

Kurts 1997, S. 78 ff.

an alles andere als gerade an

letzten Briefen umständlich­

non se ne pigli più scom-

ne nacquero.« (»Im Teil mit

das – auf dem Weg in einen

und hypochondrisch aus-

modo che tanto, perché

den Titanen soll der blitz-

321

Hinterhalt in Terrazzani. […]

führt, über alles belasten

l’orsa che m’ha donato il

umsprühte Typhon zu sehen

Bredekamp 1991, S. 139

Einer der Gründe für den

und gleichsam von sich

Car.l Farnese, per un pezzo

sein, den Körper unter ver-

Unmut der Päpstlichen mit

selbst fernhalten, da sie den

mi servirá per orsa et per

schiedenen Felsstücken

322

den Montefortinern, war

(sinnlichen) Genuss verhin-

scimia.« (»… habe ich die

begraben und Monster, die

Bredekamp 1991, S. 139 f.

der, von einigen behauptete­

dern.

Entschuldigung Mons Torres

sich daraus hervormühen,

Zufall jenes Brandes, in wel-

Kurzel-Runtscheiner 2001,

wegen des Affen erhalten,

alles zertrümmert in einem

323

chem eine Kirche voll mit

S. 130.

dem Ihr sagen mögt, dass

Erdbeben, zerstörte und

Kurts 1997, S. 190.

jungen Mädchen und Frauen

Irmscher 1987, S. 279

abbrannte, die sich hierher

332

vor der Wut der Soldaten

Maisak 1981, S. 18, 33

er sich nunmehr­nicht mehr

umgestürzte Städte darü-

bemühen­möchte, weil der

ber und Felsspalten und

Bär, den mir der Kardinal

daraus herausflammende

324

geflüchtet hatten und alle

Farnese geschenkt hat, mir

Feuersbrünste und in einer

Hinrichs 1996, S. 10

umkamen.«), zit. nach

333

sowohl als Bär und als auch

derselben male Pluto, der

Bredekamp 1985, S. 77.

Maisak 1981, S. 179

Affe dienen wird.«), zit. nach

herauskommt, um nach-

325

Bredekamp 1985, S. 59.

zusehen, ob das Erdbeben

Walter 1980, S. 24

327

334

Ovid Metamorphosen,

Maisak 1981, S. 19

sein Haus zerstöre, wie 317

Ovid dichtete, und deswe-

326

Buch III, Vers 197–234, nach

In den letzten Zeilen des

gen male Pluto nicht wie die

Alessandro Andrea schreibt

Fink 1994, S. 68.

überlangen und mit ikono-

Olympischen im Himmel.

1557 in Della Guerra di

grafischen Details gespick-

Ich möchte, dass man an

Campa­g na: »Mandovvi

328

ten Briefes liest sich ein

manchen Orten Affen sieht,

allora Vicino Orsini la sua

Hinrichs 1996, S. 10 f.

interessanter, bislang nicht

die aus dem Blut [der Erde,

compagnia, & caminando­

verwerteter Hinweis: »Ne

womit wohl die Lava gemeint

alla sicura (come coloro che

329

la parte de’ Titani, si faccia­

ist] geboren scheinen, man

prima havrebbero pensato

Kurzel-Runtscheiner 2001,

337

speculatamente Tifeo ful-

sagt ja, dass Affen und trau-

ogn’altro cosa, che questa)

S. 100

Bredekamp 1991, Abb. 86–90

minato, tener il corpo sotto

rige Männer daraus ent-

diedero per strada in un

diversi monti, e mostri

stünden.«) Aus dem Brief

imboscata, che gli havevano­

330

338

che nel volversi­muovere,

Annibale Caros an Vicino

fatta in Terrazzani, & furono

»Die Liebe entspringt also

Bredekamp 1991, S. 128

li sconquassi tutti, faccia

Orsini vom 12. Dezember

colti talmente sproveduti­,

der Schönheit und endet

terremoto­, e rovesci alcune

1564, Bredekamp 1985, S. 82.

che furono svaligiati tutti,

beim Genuss.« (Ficino,

339

senza che se ne salvasse­pur’

Marsilio: Commentarium, in:

Bredekamp 1991, Abb. 84

cittá che gli sieno sopra, e si

335 Dotson 1982, S. 212 336 Bredekamp 1991, S. 128

figurino alcune rotture che

318

un tamburino. Questa era

Convivium Platonis de amore,

gittino fuoco per le fiamme

Bredekamp 1991, S. 57

una delle cagioni dello sde-

II/2, S. 38 f, zit. nach Jäger

340

gno de’Papali con Monte­

1990, S. 189.)

De Feo, Giovanni: Die Tuff­

che gli escono dal petto, ed in una d’esse rotture sie

319

fortino, ancor che vogliano

faccia­Plutone che esca a

Der grüne Löwe steht im

alcuni, che lo incendioo

331

vedere che moto è quello,

alchemistischen Opus für

fusse stato á caso, nel quale

Wie sehr ihn der Verlust sei-

dubitando che la terra non

die Phase der Digestion und

si brució una chiesa piena di

ner Manneskräfte schmerzt,

341

s’apra, come finge Ovidio,

das Eisenvitriol. Sinngemäß

fanciulli, & di donne, che vi

schreibt er seinem Freund

Siehe dazu Bredekamp 1991,

che per questo non farei

bedeutet er die IV. Station

s’erano ridotti per salvarvisi­

und Arzt Giovanni Drouet

S. 130 ff.

Plutone come gi altri Superi

oder Stufe im Läuterungsweg

della furia de’ soldati, &

am 8. November 1579:

344 Anhang

steinstädte im Fioretal, Pitigliano 2000, S. 106.

342

359

Fierz-David 1947, op. cit.,

di essere chiamato bugge-

wundern, denn zunächst

siehe zu Clemens VII. Eintrag

Hildes­heim 1982, S. 60.

S. 149

rone od puttaniere , si dice

hätte er die Meinung, dass

im Personenregiser und

DeCrescenzo 1998, S. 81 f.

che è universale, alla mano

wir gewichtige Männer seien

Hettche 1997, S. 53.

343

et buon compagno.« (»Sie

und den großen Dingen

Fierz-David 1947, op. cit.,

wissen nicht, dass der, der

zugewandt und dass uns

360

S. 171

bei Tag für weise gehalten­

kein Gedanke kommen­

Hettche 1997, S. 53

367 Bredekamp 1991, S. 118 368

wird, niemals nachts für

könne der nicht von Ehren­

344

verrückt gehalten­wird; und

haftigkeit und Größe zeugt.

361

Brown, Peter: Die Keuschheit

Bredekamp 1991, S. 120

dass das, was derjenige,­

Aber dann, wenn sich das

Beck 2001, S. 137

der Engel. Sexuelle Entsa­

der als Ehrenmann gilt und

Blatt wendet, erscheinen die-

345

etwas zählt, unternimmt um

selben leichtfertig, inkonse-

362

lichkeit im frühen Chris­ten­

Borgeaud, Philippe: The

seinen­Geist zu erweitern

quent, zügellos und eitlen

Hinrichs 1996, S. 25

tum, München: dtv 1994,

Cult of ancient Greece,

und sinnenfroh zu leben,

Dingen zugewandt. am 31.

Chicago 1988, in: Schama

ihm keine Last, sondern Ehre

1. 1515«), Briefe zit. nach

363

Sorgo, Gabriele: Martyrium

1996, S. 563.

bringt, und anstatt dass er

Kurzel-Runtscheiner 2001,

Beck 2001, op. cit., S. 151

und Pornographie, Düssel­

Fierz-David 1947, op. cit.,

schwule Sau oder Hurenbock

S. 284, übers. von Renate

S. 139 ff.

genannt wird, nennt man

Vergeiner.

gung­, Askese und Körper­

S. 61.

dorf: Patmos 1997, S. 100. 364 Am 1. April 1578 schrieb

369

346

Mann von Welt. am 5. Jänner

351

Vicino an Giovanni Drouet:

Kurzel-Runtscheiner 2001,

Bredekamp 1991, S. 126 ff.

1514.«), zit. aus Kurzel-

Werner 1986, S. 81

»[…] farró deventar l’Orlando

S. 138

ihn leut­selig, großzügig und

Runtscheiner 2001, S. 211.

mezz’huomo« (»[…] werde

347

Inglese Machiavellis Ant­

352

ich den Roland zu einem hal-

370

Földényi 1988, S. 41

wort auf die Prahlerei des

Hettche 1997, S. 53

ben Mann gemacht haben«),

Kurzel-Runtscheiner 2001,

und am 8. September 1578

S. 136

Freundes, dass er sich an 348

der letzten und einzigen

353

ebenfalls an Drouet: »[…] li

Bredekamp 1991, S. 47,

Lust der körperlichen Liebe

Hettche 1997, S. 70.

Colossi del Boschetto vogli-

371

Fußnote 4a

erfreue, ist im selben frivol/

Bredekamp 1991, S. 12 f.

ano pani grandi […]« (»[…]

Hettche 1997, S. 57

intellek­t uellen Ton gehalten:

die Kolosse des Wäldchens

349

»Chi vedesse le nostre let-

354

wollen große Brote […]«),

372

Kurzel-Runtscheiner 2001,

tere, honorando compare, et

Bredekamp 1991, S. 116

zit. nach Bredekamp 1985,

Bredekamp 1991, S. 105 ff.

S. 145 f.

vedesse le diversitá di quel-

S. 46 f. Im Zusammenhang

lesi maravigliarebbe assai,

355

mit der Selbstidentifikation

373

350

perché gli parebbe hora che

Bredekamp 1991, S. 11 ff.

sei die genauso mögliche­

Am 22. Dezember 1573

Bezeichnend für die Selbst­

noi fuissimo huomini gravi,

Übersetzung, dass »die

schrieb Vicino an Giovanni

reflexion des Renais­sance­

tutti vólti a cose grandi, et

356

Kolosse des Wäldchens

Drouet, dass er sich mit

menschen Vicino ist sein

che ne’petti non potesse cas-

Bredekamp 1991, S. 119, 115

große Pane wollten/ver-

Laura überworfen habe:

Briefverkehr mit seinem

care alcuno pensiere che

dienten« zumindest in der

»Laura sta sana, ma non fa

Freund Francesco Vettori

non havesse in sé honestà

357

Fußnote angemerkt.

se non brontolare et non si

aus den Jahren 1513–1515:

et grandezza­. Però dipoi

Gregovius, Ferdinand:

»Cotestero non sanno che chi

voltando carta, gli parebbe

Geschichte der Stadt Rom im

365

dí si lament.« (»Laura geht

è tentuto savio il dí, non sará

quelli noi medesimi essere

Mittelalter, Dresden: o. J.,

De Feo, S. 49

es gut, aber sie nörgelt stän-

mai tenuto pazzo la notte;

leggieri, inconstanti, lascivi­,

S. 1183.

et chie è stimato huomo da

vólti a cose vane.« (»Wer

bene, et che vaglia ciò che

unsere Briefe sehen könnte,

e fa per allargare l’animo et

mein ehrenwerter Freund,

vivere lieto, gli arreca honore et non carico et in cambio

puol viver con ella, et tutto

dig, dass sie nicht mehr hier 366

leben könne und tut den

358

Neese, Gottfried: Heraklit

ganzen Tag nichts anderes

Hettche 1997, S. 59

heute. Die Fragmente seiner­

als herumzunörgeln.«), zit.

würde sich sehr über

Lehre als Urmuster euro­

nach Bredekamp 1985, S. 28.

ihre Widersprüchlichkeit

päischer Philosophie,

Am 10. Juli 1574 teilte Vicino

Anhang 345

380 dem Freund Lauras Weggang

Ebenso belegen die weite-

ankündigte, mit der er Rom

(»wird sie als etwas Neues

mit und dass er sie durch ein

ren Mitleidsbekundungen

mit Bomarzo, die Dame mit

und Ungewohntes empfin-

15- bis 16-jähriges Mädchen

für Laura, die in der römi-

der Schäferin, die Hetäre

den weil sie wegen ihrer

381

aus Bomarzo ersetzt habe

schen Hitze beengt bei ihren

mit der Hure, das Geistige

Herkunft und Manieren nicht

Brief Giovanni Drouets vom

(Bredekamp 1985, S. 31).

Liebhabern schlafe, dass er

mit dem Leiblichen zu

mit Parfüms und solchen

12. Dezember 1573 an Vicino

Am 27. des­selben Monats

noch immer nicht über die-

kompensieren­, ja sogar zu

Galanterien umzugehen

Orsini, Bredekamp 1985,

dankte er dem Freund für

sen Tort hinweg war. Nach

überwinden­ trach­tete: »et

weiß.«), zit. nach Bredekamp

S. 88.

die Nachrichten von Laura,

einigen Jahren anderweiti-

così c’era una putta de 15 in

1985, S. 30 f.

der es nicht gut gehen soll

ger Tröstungen, vor allem

16 anni, zitella, che m’haria

und deren Reue er mit den

durch die Kinder Leonida

un poco gratia et così il

375

Worten der Bibel kommen-

und Orontea, berichtete er

patre me la concesse, la

Bredekamp 1991, S. 57

Roob 1996, op. cit., S. 26

382 Klinkhammer 1993, S. 11 383

tierte: »faxint superi, me

endlich am 28. Februar 1576

quale quanto alla carne m’è

ne sonno lavati le mani […]

Drouet von Lauras Rückkehr,

megliorata asssai in mano

376

mi dole il suo male […] chi

über die er sich offensicht-

et tutta via andará megli-

Mit Vaterstolz berichtete

così vuole, così habbia.«

lich sehr freute: »Mi ero scor-

orando, ma non ha quelle

Vicino über den Sohn und

384

(»geschehen ist geschehen,

dato dirli che Laura è qui,

creanze che se recerceri-

den Giganten, wobei die

Klinkhammer 1993, S. 61,

ich wasche meine Hände [in

il che mi par buon segno,

ano, pur ho speranza de vil-

sprachwitzige Vermischung

87, 92, 94

Unschuld] […] mich dau-

quando la gente se recordano

lana col tempo farla diven-

der beiden als Hinweis auf

ert ihr Unglück […] so wie

de noi« (»Ich habe vergessen

tar gentile.« (»und so [fand]

die Identifikation Vicinos

385

man es will, so hat man es

[dieses Postskriptum nach

ich eine junge Dirne von 15,

mit dem Koloss zu lesen ist:

Kurts 1997, S. 251

dann.«), zit. nach Bredekamp

der Abschiedsfloskel, wirkt

16 Jahren, noch Jungfrau,

»Il figlioccio è giá mezzo

1985, S. 31. Symptomatisch

viel zu absichtlich nachläs-

die mir gefiel und die mir

gigante, et fra lui et Orontea

386

ist der Verlauf der tragi-

sig und die darauffolgen-

der Vater überließ, was das

metteno ogni cosa sotto

Vgl. Schadewaldt, Wolfgang:

schen Beziehung, die wie

den Bemerkungen über ihre

Fleisch[liche] betrifft geht es

sopra, et fanno un trabusto­,

Hellas und Hesperien.

der Weg durch das Wäld­

schlechte Verfassung viel

mir besser […], aber sie hat

che pareno cinquanta

Gesammelte Schriften zur

chen, ein ständiges Auf und

zu selbstgefällig, um glaub-

nicht die Bildung, die man

Tedeschi.« (»Der Sohn ist

Antike und zur neueren

Ab war: So beklagte Vicino

haft zu sein], Ihnen mitzu-

sich wünschen würde, aber

schon ein halber Gigant und

Literatur, Zürich/Stuttgart

im weiteren Verlauf des

teilen, dass Laura wieder da

ich habe [dennoch] Hoffnung

er stellt mit Orontea alles

1960, S. 876.

Briefes indirekt die eroti-

ist, es scheint mir ein gutes

mit der Zeit der Bäuerin

auf den Kopf und macht

sche Mesalliance mit Delia,

Zeichen, wenn sich die Leute

Manieren beizubringen.«)

einen Aufstand wie fünfzig

387

die nur das Fleischliche

an uns erinnern.«), zit. nach

Dieses Vorhaben scheint ihm

Deutsche.«), schrieb Vicino

Maisak 1981, S. 21

abdecke, um dem Freund

Bredekamp 1985, S. 42.

schon nach drei Wochen zu

am 1. April 1578 stolz an

Klinkhammer 1993, S. 60

hoch angesetzt, denn am 27.

Giovanni Drouet, zit. nach

388

seinen­Überdruss und die

374

desselben Monats, macht er

Bredekamp 1985, Bd. II,

Maisak 1981, S. 53.

angeblich erfolgte innere

Kurzel-Runtscheiner 2001,

den Freund auf ihre Defizite

S. 46.

Enea Silvio Piccolomini,

Ablösung von der Geliebten

S. 14. Die Beziehung Vicinos

aufmerksam, indem er ihm

zu bekunden: »non voglio

zur wesentlich jüngeren­

rät, ihr keine parfümierten­

377

memorabilium, XI. 1458/64,

più gentildonne romane,

römischen Kurtisane Laura

Handschuhe »un paio di

Bredekamp 1991, S. 41 ff.

Ausg. Widmer, lat. und dt.,

ma starmi con le mie pasto-

war von jener doppelten­

guanti profumati« mitzu-

relle« (»ich will keine römi-

Erotik des Sinnlichen und

bringen, da sie mit ihren

378

schen Damen mehr, son-

geistigen Austausches

bäurischen Manieren damit

Bachmeister 1989, S. XXV

dern will lieber bei meinen

geprägt. Sehr aussagekräf-

nichts anfange »le recherá

Schäferinnen bleiben.«),

tig für die Interpretation des

cosa nuova et insolita. poi

379

was sich jedoch genauso-

Wäldchens ist der Brief an

che le cose non sono ancho

Fierz-David 1947, op. cit.,

gut auf eine gewisse Giulia

Giovanni Drouet vom 10. Juni

incivilite die maniera che

S. 53

bezogen haben konnte,

1574, worin Vicino seine

habbino cognitione di pro-

die ihn nicht erfreut hatte.

Strategie des Arkadischen

fumi et tal galanteria«

bereits am 28. Juli 1574

346 Anhang

Pius II.: Commentarii rerum

1960, S. 320 f., zit. nach Jäger 1990, S. 270. 389 Bachmeister 1989, S. 29 390 Maisak 1981, Fußnote 56

391

392

402

Maisak 1981, S. 36

Bredekamp von ca. 1558

als zügelnde Kraft. Würde und

bis 1564. Vgl. Pläne der

Lob der Gelassenheit in Kunst

393

Bauphasen im Anhang

und Fabel, oder: Die vier

schicken, sagte sie mir, ich

Seibert, Ilse: Hirt – Herde –

(Bredekamp 1985, Brede­

exem­plarischen Karrieren

tigt er sie nunmehr in einer

weiß [aber] nicht ob sie das

König. Zur Herausbildung des

kamp 1992) und Abb. 6–9.

der Schildkröte, in: König,

Zuwendung zu einem Natur­

nicht reut, wie eben die

Königtums in Meso­potamien

wesen, wie der Pastorella,

Frauen so sind.«) Aus dem

im 3. Jahrtausend vor unserer

403

(Hrsg.): Beiträge zur

die nur in den Schäferspielen

Brief an Giovanni Drouet

Zeit, Berlin 1969.

Kurts 1997, S. 188 ff.

Geschichte der romanischen

wirklich reizvoll ist. In der

vom 21. Oktober 1573, zit.

Maisak 1981, S. 36

Realität Bomarzos ist die

nach Bredekamp 1985, S. 25.

völlig ungebildete Delia

Und auch sonst wüsste sie

394

nicht imstande die hohe und

durchaus zu repräsentieren,

Walter 1980, S. 42 ff.

anspruchsvolle arkadische

wie die Bemerkung über die

Kulturstufe, die sich Vicino

parfümierten Handschuhe

395

ausgedacht hat, zu errei-

beweist, mit denen ihre

Ast. Rom. Deposito Santa

Vicinos Zivilisationskritik

und gestern sah ich sie Gott

ging weit über eine bloße

weiß was für Hähnchen ein-

Abwendung von der »Welt«

kaufen: Sie wolle Sie Euch

hinaus. Fast trotzig bestä-

Bernhard/ Lietz, Jutta

Litera­t uren. Fest­schrift für 404

Margot Kruse, Tübingen

Kurts 1997, S. 187

1990, S. 274.

405

411

Lazzaro-Bruno 1977, S. 555

Bredekamp 1991, S. 112

chen. Vgl. Fuß­note 569: Die

Nach­­folgerin Delia – im

Croce, Y 592, 139–139 v.

406

412

Wendung »starmi con le mie

Gegen­satz zu ihr, die so

(Bredekamp 1985, S. 29 f.)

Jäger 1990, S. 82 ff.

»Sie hat etwas von der

pastorelle« (»möchte [lieber]

implizit genannt und gewür-

und Bachmeister-Fellmann

bei meinen Schäferinnen

digt wird – nichts anzufan-

1989, S. 6.

bleiben«) ist ein Zitat aus

gen wüsste: »[…] un paio de

dem Brief an Giovanni

guanti profumati […] cosa

Drouet vom 28. Juli 1574

uralten­Lautlosigkeit des 407

Lebens, das in der Gefahr

Zur Bedeutung der Villeg­

stets in sich zurückzukrie-

396

giatura als Raum der intel-

chen vermag.« (Aeppli).

nuova et insolita« (»ein Paar

Insgesamt 77 Briefe, alle auf-

lektuellen Entfaltung siehe

Biedermann 2000, op. cit.,

(Bredekamp 1985, S. 33) in

parfümierte Handschuhe

genommen in Bredekamp

Lazzaro-Bruno 1977, S. 555.

S. 382

dem sich ein fast kindisches

[…] eine neue und unge-

1985.

Aufbegehren des altern-

wohnte Sache.«), zit. nach

408

413

den Mannes gegen alle, die

Bredekamp 1985, S. 31. Laura

397

Ovid: Metamorphosen,

Bredekamp 1991, S. 111.

ihn nun verlassen, aus-

stellte offenbar das kulti-

Bredekamp 1991, S. 105 ff.

Buch IV, Vers 757–786, zit.

Werner 1986, S. 50 ff.

drückt. Ohne Laura schien

vierte Element dar: »Das

die arkadische Fiktion des

Bedürfnis, die Sexualität

398

Wäldchens ihrer Seele, die

nicht auf den bloßen

Richter/Ulrich 1996, S. 176.

409

aus Widerspruch bestanden

Geschlechts­a kt zu reduzie-

Sautner 1984, S. 168.

Ovid 1994, op. cit.,

zu haben scheint, beraubt.

ren, sondern sie durch kultu-

Kurts 1997, S. 83, 140, 203,

Vers 253–281

Dass ihm seine Laura mehr

relle Elemente zu verfeinern,

288, 296

war als »nur« fleischliche

war allerdings ein besonde-

Befriedigung, belegen die

res Charak­teristikum, durch

399

Homer, Odyssee 11, 12–224.

416

Briefstellen, in denen sie

welches sich der Umgang mit

Lübbe, Gustav (Hrsg.):

Lurker 1989, op. cit. S. 224,

Gallerie delle Accademie

als echte cortigiana seinem

einer Kurtisane vom Verkehr

Enzyklopädie der Archäo­

646.

in Venedig

Haus vorstand. »La Laura

mit einer gewöhnlichen

logie, Bergisch Gladbach

Biedermann 2000, op. cit.,

bascia la mano di V. S. et

Hure unterschied.« (Kurzel-

1980, S. 120.

S. 256.

417

l’altro di gli veddi comp-

Runtscheiner 2001, S. 146)

Stolcenberg, Stolzius von:

Ranke-Graves 2000, S. 110

rar non so che capponi­: gli

Ihre Überwindung sowohl

400

Viridarium Chymichum,

dimandi quel che ne volea

durch die vulgäre­Liebes­

Dotson 1982, S. 210 f.

Frankfurt 1624.

418

fare, me disse che li voleva

stellung, als auch durch

Roob 1996, op. cit. S. 27.

Die vagina dentata ist

mander a V. S., non so se

den kurzfristigen Ersatz mit

401

Kurzel-Runt­scheiner 2001,

eine mythisch psycholo-

pentirá come sogliono far

der Pastorella Delia, wird in

Lübbe 1980, op. cit., S. 138

S. 215.

gisierende Angstchimäre,

le donne.« (»Laura küsst

Bomarzo zu einem Motiv der

Vgl. auch Papst, Walter: Die

die hier in Verbindung mit

Ihrer Exzellenz die Hände

Zivilisationskritik!

Schildkröte als Läuferin und

dem Höllenschlund und dem

nach Fink 1994. 414 Kurts 1997, S. 290 415 Bredekamp 1991, S. 111 410

Anhang 347

427

441

447

Crucibile (Aztekenmaske)

Fierz-David 1947, op. cit.,

Satyr dieselbe Idee gehabt

Bachmeister 1989, S. 64,

Volkmann 1923, S. 80

buchstäblich auftaucht.

S. 97

und Sylvia bereits an einen

66 ff.

Baum gefesselt. Aminta

Roob 1996, zu Tizians

448

Pontalis, J.-B.: Das Vokabular

428

befreit die Geliebte und über

Gemälde »Diana und

Vicino erwähnt, noch von

der Psychoanalyse, Berlin:

Bredekamp 1991, Fußnote 32,

viele Missverständnisse

Actaeon« (1559).

Vignola den Rat erhalten

Suhrkamp 1973.

S. 104

finden­sich zum Schluss die

Bruno, Giordano: Von den

zu haben, »de modo che

Liebenden.

heroischen Leidenschaften,

l’Vignola è savio più che non

1585, zit. aus dt. Ausg.,

credevo, poi ch’ha voluto le

Hamburg 1989.

chiavi de ferro alla loggia­

Siehe dazu: Laplanche, J./

419

429

Ranke-Graves 2000, S. 47

Fierz-David 1947, op. cit.,

439

S. 79

Auch seine Geliebte Laura,

420 Ranke-Graves 2000, S. 45 421

di Caprarola« (»so wie mir

die ihn zuerst schnöde ver-

442

der Vignola riet und ich

430

nachlässigt, dann sogar ver-

Bachmeister 1989, S. 66

ihm nicht glaubte, als er

Fierz-David 1947, op. cit.,

lassen hatte und nach Rom

S. 165 ff.

gegangen war, wo sie seine

443

wollte, wie für die Loggia

Briefe nicht zu beantworten

Wie der Brief mit der Wid­

in Caprarola«). Brief an

Ficino, Marsilio: de amores,

solche Schlüssel aus Eisen

zit. nach Blum/Blum 1993,

431

pflegte, kehrte wie Polia zu

mung Jacopo Sannazaros

Alessandro Farnese vom

op. cit., S. 39 und Wind, E.:

Ranke-Graves 2000, S. 45

Poliphil zurück und schien

an Vicino von 1570 (1586)

9. Oktober 1565, zit. nach

so einem natürlichen Recht

belegt, identifizierte sich

Bredekamp 1985, S. 18.

Heidnische Mysterien in der Renaissance, Frankfurt a. M.

432

zu gehorchen: »[…] anzi me

der Dichter durch sein Werk

1981, zit. nach Werner 1986,

Dotson 1982, S. 212

ne sarei raligrato con littere

mit dem des Fürsten Vicino

449

qualche volta, ma perché

»Quando mi uiene à mente

Maisak 1981, S. 13

433

non si degnó de rescrivere a

il uostro bellissimo loco di

Ranke-Graves 2000, S. 73

una mia […]« (»[…] vielmehr

Bomarzo«. Vor allem seine

450

hätte ich mich über Briefe

Formulierung »in cosi fatti

Jäger 1990, S. 102 ff.

434

[von ihr] gefreut, aber weil

paradisi terreni«, »in solchen

Ver­gleich­bares hatte

Lurker 1989, S. 42

sie es nicht wert fand mir nur

irdischen Paradiesen«, doku-

Annibale Caro im Konzept

einmal zu schreiben […]«.

mentiert die Ausstrahlung

für die Ausmalung der

S. 46. 422 Ficino, Marsilio: de amores­. Werner 1986, op. cit., S. 46 423 Bemerkenswerterweise

435

Aus dem Brief an Giovanni

Bomarzos, das sowohl als

Loggia im Palazzo Ducale

wurde die Austrittsstelle die-

Bachmeister 1989, S. XXXII

Drouet vom 28. Juli 1574, zit.

Werk der Dichtkunst gewür-

für Vicino entwickelt: »con-

nach Bredekamp 1985, S. 33.

digt wurde als auch als

forme al loco, dove sono

ses Wasserspieles mit etwas Verputz schamhaft verdeckt.

436

Die Parallele zur grausamen

(Garten-)Kunstwerk. Beide

tant’altre cose stravaganti

Ranke-Graves 2000, S. 47

Bachmeister 1989, S. 20

Polia der Hypnerotomachia

Zitate aus Bredekamp 1985,

e sopranaturali« (»entspre-

ist offenkundig, siehe dazu

S. 83.

chend dem Ort, wo es so

424

437

Fierz-David 1947, op. cit.,

Dotson 1982, S. 212.

Bachmeister 1989, S. 20 f.

S. 205.

Werner 1986, S. 42 ff.

viele außerordentliche und 444

übernatürliche Dinge gibt«).

Fierz-David 1947, op. cit.,

Aus dem Brief Annibale

S. 57 ff.

Caros an Vicino Orsini vom

438

440

425

»Silvia t’attende a un fonte,

Laertius, Diogenes: De

Schwab, Gustav: Die schöns­

ignuda e sola« (»Sylvia

clarorum­ philosophorum

445

ten Sagen des klassischen

erwartet dich an einer

vitis (Leben und Meinungen

Siehe Fierz-David 1947,

Altertums, Erstes Buch,

Quelle, nackt und allein«),

berühmter Philosophen),

op. cit., S. 176 ff.

Stuttgart: Reihe Reclam

zit. nach Tasso, Torquato:

II. 22 und IX. 6, O. Appelt

1999.

Aminta, Ditzingen: Reclam

(Übers.), Hamburg 1967,

446

12. Dezember 1564, zit. nach Bredekamp 1985, S. 82. 451 Volkmann 1923, Fußnote 73

1995, S. 84. Tirsi zu Aminta,

siehe auch: DeCrescenzo

Fierz-David 1947, op. cit.,

452

426

indem er ihn auffordert, die

1988, S. 84.

S. 195

Ovid: Metamorphosen,

Siehe dazu Fierz-David 1947,

Geliebte dort zu überraschen.

Buch V, Vers 323–332, zit.

op. cit., S. 77 f., 92

Inzwi­schen hat jedoch der

nach Fink 1994, S. 121.

348 Anhang

453

456

468

Bredekamp 1991, S. 99 ff.

Maisak 1981, S. 53 ff.

Lurker 1989, op. zit., S. 167,

in ihren Beziehungen und

continuamente stretta con

199, 435, 518

Fortwirkungen, Leipzig: Karl

li sui innamorati, sconta

W. Hiersemann 1923, S. 12 ff.

quel mal tempo che hebbe

469

Das Zitat erscheint in vollem

quando fu qua …« (»wenn

Sansovino 1583, zit. nach

Umfang unter Fußnote 74.

die Dame Laura es genießt

Bredekamp 1991, S. 101.

Ackermann, Erich: Sagen

bei dieser Affenhitze eng bei

der Römer, Köln: Anaconda

ihren Liebhabern zu schla-

2013, S. 21.

fen, büßt sie die schlechte

454

457

Annibale Caro an Vicino

Sautner 1984, op. cit., S. 151

Orsini im Brief vom 12. Dezem­ber 1564: »… gli

458

Dei ebbero di questa guerra,

Sautner 1984, op. cit., S. 221 470

perseguitati di Tifeo, per la qual paura, trasformati in

459

Postel, Guillaume: De Etru­

animali, fuggiro in Egitto

Fierz-David 1947, op. cit.,

riae regionis, quae prima in

473

hatte.«). Darum würde er sie

Giove si trasfigurasse in

S. 79

orbe Europaeo habitata est

Lt. Cartari, Diodorus, zit.

nicht beneiden: »in non ho

originibus, institutis, religi­

nach Bredekamp 1991, S. 102.

invidia niente alle sue con-

castrone […] e gli ne rima-

Zeit ab die sie bei mir

sero ancora le corna, dove in

460

onae & moribus et in primis

Africa s’adora per Ammone.«

Apuleius, Lucius: Der

de aurei saeculi doctrina et

474

Giovanni Drouet vom 28. Juli

(»… die Götter wurden in die-

Goldene Esel, August Rode

vita praestantissima quae in

Vgl. Fußnote 42 sowie 192

1574, zit. nach Bredekamp

sen Tagen des Krieges von

(a. d. lat. Übers.), Wien:

divinationis sacrae usu posita

Typhon bis nach Ägypten

Heim 1928, S. 290 ff.

est, Florenz 1551. Schon im

475

solationi«. Aus dem Brief an

1985, S. 33.

ausführlichen Titel wird der

Bachmeister/Fellmann 1989,

477

zu Personifikationen der

461

Inhalt des Geschichtswerkes

S. XXXIV

Bachmeister/Fellmann 1989,

Tiere wurden […] Jupiter

Apuleius 1928, op. cit.,

vorweggenommen, das eine

verwandelte sich in einen

S. 293 ff.

klare Herleitung der etruri-

476

gejagt wo sie in ihrer Angst

S. XXIX

schen Zentren »die als erste

Zu den »Tröstungen« zählt

478

die Hörner, weshalb man

462

in Europa besiedelt worden

Vicino sogar seine über das

Buch der Sprüche, 16.9

ihn in Afrika immer noch als

Hesiod, Theogonie, S. 190 ff.

seien« vornimmt »und die

Erotische hinaus und ver-

hier in ihren Ursprüngen,

Widder […] und so verblieben

mutlich einem echten Gefühl

479

Bredekamp 1985, S. 81.

463

Einrichtungen, Religion und

entstammende Zuneigung

Siehe Kap. Schiefes Haus,

Ranke-Graves 2000, S. 119

Steffen 1963, S. 84

Sitten des ältesten Goldenen

zur untreuen Mätresse

S. 67.

Zeitalters« beschreibe »aus

Laura. Die Episode ihrer

Bredekamp 1991, S. 95

Untreue ist ihm Anlass, die

Ammon verehrt.«), zit. nach

455

464

dem wieder­um die Tradition

Ficino, Marsilio: V. Ekloge,

»er verbrennt, damit er lebt«,

der uralten Techniken der

Relativität des AMOR VINCIT

480

in: Opera Omnia, Basel 1563,

zit. aus Schöpf 1988, S. 133.

Divi­nation und anderer heili-

OMNIA (ALLES ÜBERWINDET

ERKENNE DICH SELBST –

ger Gebräuche stammte.« Zit.

DIE LIEBE) zu diskutieren.

BESIEGE DICH SELBST –

nach Bredekamp 1991, S. 101.

Notwendig und philoso-

LEBE DIR SELBST GEMÄSS,

phisch belegt gilt sie ihr –

SO WIRST DU GLÜCKLICH

S. 648 f., zit. nach Chastel, André 1959, S. 228.

465

Siehe dazu: Hulubei, Alice:

Fierz-David 1947, op. cit.,

Ètude sur la joute de Julien

S. 127 ff., 192

et sur le bucolique dédiées

471

zumindest kurzfristig – mehr

WERDEN. Die Maximen der

Giovanni Annio da Viterbo:

als die Annehmlichkeiten in

berühmtesten griechischen

à Laurent de Médicis, in:

466

I cinque libri de la antichitá

Vicinos Palast, rechtfertigt

Philosophen, die diese in die

Humanisme et Renaissance,

Steffen 1963, S. 82

de Beroso sacerdote caldeo

in der Realität des Genusses

Höhle von Delphi eingeritzt

(Bredekamp 1991, S. 161) ver-

jedoch nichts. Da sie nicht

hatten, ergänzen die Devise,

Nr. 3, Paris 1936, S. 314. Zur Pan Medicea: Saxl, Fritz:

467

weist auf die Übersetzung

mehr, oder besser gesagt,

mit der sich Vicino darüber

Antike Götter der Spät­renais­

Clarus, Ingeborg: Opfer,

von Pietro Lauro, Venedig

nichts anderes bietet als die

in einem Sims verewigt hat.

sance, Leipzig 1927. Studien

Ritus, Wandlung. Eine

1559, S. 70.

üblichen philosophischen

der Bibl. Warburg 23, Anm. 3

Wanderung durch Kulturen

und religiösen Tröstungen,

481

sowie Ficino, Marsilio: Opera

und Mythen, Düsseldorf:

472

lehnt Vicino die Liebe mit

Bachmeister/Fellmann 1989,

Omnia, Basel 1563, alle zit.

Patmos 2000.

Volkmann, Ludwig: Bilder­

besonderem Zynismus ab:

S. 3

schriften der Renaissance.

»se Madonna Laura gode a

Hieroglyphik und Emble­matik

questo sol lione, dormendo

nach Maisak 1981, S. 54 ff.

Anhang 349

482

491

498

nach dem italieni­schen Wort

Der Kampf gegen die Midi­

Epikur 1973, op. cit., S. 20

coglioni­für Hoden aber auch

aniter: Buch der Richter,

483

für Unfug, um der »Welt«

7.4–8.

Übers.: »Gut zu handeln

die klassische­italienische

und sich am Erreichten

Geste der Verhöhnung zu

492

übersetzt von Johannes

zu freuen, hier ist dann

zeigen. Die chauvinistische

Zolla 1983, S. 43

Mewaldt.

das Haus Gottes, denn mit

Machtfantasie, die nicht

richtigem­(gutem!) Handeln

wirklich ins Deutsche über-

493

500

erwerben­wir das ewige

setzbar ist, war dem Adressat

Zander, Giuseppe: Le sta­

Siehe Fierz-David 1947,

Leben, die glücklichen Jahre

seines Briefes unmißver­

tue nei giardini secondo la

op. cit., S. 94

des Lebens sind wir rege, die

ständlich.

consuetudine romana: il

Bredekamp 1985, S. 86 f.

484

Alle Texte bei Epikur 1973,

rinnovarsi di una tradizione

501

487

antica al tempo di farnese,

Ehrismann, Otfrid: Ehre und

Pindar: III. Nemeische Ode,

in: I Quaderni di Gradoli.

Mut, Aventiure und Minne.

Vers 21

Bollettino del centro di studi

Höfische Wortgeschichten aus

Frucht unserer Hände Arbeit genießen­ wir.«

Die Margarita steht hier

e ricerche sul territorio far­

dem Mittelalter, München: C. H. Beck 1995.

sinn­­gemäß für die Wissen­

488

nesiano, Palazzo Farnese –

schaften und geistigen

Bredekamp stellt aufgrund

Gradoli (Viterbo), Nr. 7–8,

Schätze, es handelt sich um

überzeugender stilistischer­

1990, S. 85.

einen hermetischen Hinweis

Ähnlichkeiten mit den

auf das spezielle Wissen, das

Arbeiten im Dom von Orvieto

494

die Vicino-Clique verband.

eine Verbindung zum Bild­

Zur Bedeutung des Begriffes

Siehe S. 267 sowie im Brief

hauerzirkel um Raffaello da

in und aus dem Kontext

an Giovanni Drouet vom

Montelupo her und nennt

der Hypnerotomachia siehe

12. Dezember 1573, zit. nach

des weiteren Ippolito Scalza

Fierz-David 1947, op. cit.

Bredekamp 1985, S. 86.

und Fabiano Toti, die die

S. 232.

Entwürfe geliefert hatten.

Barbini 1979, S. 119

485

499

Vgl. Bredekamp 1992, S. 109 495

Siehe Fußnote 350 489

Siehe dazu Epikur: Philo­so­

486

Zu Morphologie und

phie der Freude­, Johannes

Am 28. August 1578 schrieb

Ikonografie siehe Brede­

Mewaldt (Übers.), Stutt­gart:

Vicino Orsini an Giovanni

kamp 1992, S. 109 ff.,

Kröner 1973, S. 15.

Drouet: »[…] non ch’io hab-

Fußnote 62. Eine eigene

DeCrescenzo 1988, op. cit.,

bia animo d’invitar il Papa

wissenschaft­liche Arbeit

S. 383

a veder le coglionerie des

ist von Daniel Guarise in

Boschetto« (»[…] auch nicht

Vorbereitung.

die geringste Lust hätte den

496 De Crescenzo 1988, op. cit,

Papst [Gregor XIII., Anm.

490

R. V.] einzuladen damit er

Peter Lauremberg (1585–

die Zoten des Wäldchens

1639), zit. aus Kirchner,

497

sieht«). Siehe dazu auch

Bertram (Hrsg.): Drache,

Epikur: Philo­so­phie der

Bredekamp 1991, S. 99 ff.

Einhorn, Feuervogel. Das

Freude­, Mewaldt, Johannes

Zu »Coglionerie«, was am

große Buch der Fabelwesen,

(Übers.), Stutt­gart: Kröner

ehesten mit Unflätig­keiten zu

Düsseldorf: Patmos 2008,

1973, S. 15.

übersetzen ist: Vicino wählte

S. 198.

den vulgären­Ausdruck

350 Anhang

S. 383

Abbildungs­ nachweis

akg-images/Erich Lessing:

Herbert List/Magnum

S. 302;

Photos: S. 104–105, 149;

Albertina, Wien: S. 103, 107,

MASP – Museu de Arte de São

146, 158, 167, 175, 178, 206,

Paulo Assis Chateaubriand/

211, 225, 231, 239;

João Musa: S. 275 (cc),

Bayerische Staatsbiblio­

318 (cc);

thek, München:

Jean Louis Mazieres:

S. 266 (CC BY-NC-SA);

S. 29 (CC BY-NC-SA);

Didier Descouens: S. 317

Metropolitan Museum of Art,

(CC BY-SA);

New York: S. 70 (CC);

Deutsche Fotothek: S. 141;

Museo dei Tasso, Camerata

DIRECTMEDIA Publishing

Cornello: S. 28;

GmbH. (The Yorck Project:

Musée d’Orsay, Paris:

10.000 Meisterwerke der

S. 148 (cc);

Malerei): S. 28 (cc), 318 (cc),

Museo Nacional del Prado,

319 (cc);

Madrid: S. 26;

Giulia Di Vara: S. 150 (CC);

National Gallery of Art,

Duke University, Durham:

Washington: S. 80, 277;

S. 289 (cc);

Marie-Lan Nguyen:

Fondazione Federico Zeri –

S. 144 (cc);

Università di Bologna:

Phyrexian: S. 145 (CC);

S. 318 (CC BY-NC-ND);

Carole Raddato:

Yann Forget: S. 308 (cc);

S. 141 (cc-by-sa);

Christoph Fuchs: S. 42–43,

Staatliche Museen zu Berlin:

46, 137, 152, 245;

S. 245;

Georges Glasberg/Grasset:

The National Gallery,

S. 10, 56, 99, 102, 125,

London: S. 255 (CC);

212, 311;

Tourismusverband Region

The J. Paul Getty Museum,

Hall-Wattens: S. 151;

Los Angeles: S. 317 (CC BY);

Universitätsbibliothek

Google Arts & Culture:

Heidelberg: S. 307 (cc);

S. 219 (cc), 268 (cc);

Wellcome Library, London:

Daniel Guarise: S. 101, 112,

S. 34 (CC By), 318 (CC By);

141, 189, 202, 211, 215, 230, 232, 239, 242, 247, 249, 257,

Wenn nicht anders

269, 270, 271, 272, 273, 291,

angegeben alle Fotos:

294, 296, 300;

Renate Vergeiner/

Herzog August Biblio­

Alfred Weidinger.

thek­, Wolfenbüttel: S. 267 (CC BY-SA); Anonimo lombardo: S. 317 (cc); Library of Congress, Washington: S. 35;

Anhang 351

Bomarzo. Ein Garten gegen Gott und die Welt

Library of Congress Cata­ loging-in-Publication data A CiP catalog record for this

Renate Vergeiner

book has been applied for at

Institut für Kultur­w issen­

the Library of Congress.

schaften, Kunstpädagogik

Impressum

und Kunstvermittlung, Uni­

Bibliografische infor­

versität für angewandte

mation der deutschen

Kunst Wien, Österreich

National­bibliothek

Lektorat

bibliothek verzeichnet diese

Melanie Gadringer

Publikation in der deutschen

Die deutsche National­

Nationalbibliografie; detailGrafische Gestaltung

lierte bibliografische Daten

Christoph Fuchs

sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar.

Projektleitung für die Universität für angewandte Kunst Wien: Anja Seipenbusch-Hufschmied

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lich vergütungspflichtig­.

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Zuwiderhandlungen unter-

frei gebleichtem Zellstoff.

liegen den Strafbestimmun­

TCF ∞

gen des Urheber­rechts.