Gedanken zu einer ersten Philosophie [Reprint 2019 ed.] 9783111479354, 9783111112381

151 84 7MB

German Pages 107 [112] Year 1926

Report DMCA / Copyright

DOWNLOAD FILE

Polecaj historie

Gedanken zu einer ersten Philosophie [Reprint 2019 ed.]
 9783111479354, 9783111112381

Table of contents :
Vorwort des Herausgebers
Inhaltsübersicht
Vorwort
1. Philosophie nimmt ihren Ausgangspunkt von den unbedingten Geltungsarisprüchen
2. Der Widerspruch, die unbedingte Geltung aus einem Anspruch auf unbedingte Geltung herzuleiten
3. [Die undbedingte Gültigkeit ist eine Eigenschaft, die der Gesamtheit der nicht widersprechenden Bedeutungen zukommt.]
4. [Unbedingt gültig zu sein vermag nur ein Satz.]
5. [Nicht alle unbedingt gelten wollende Sätze sind unbedingt gültig.]
6. [Arten der Sätze. Seins- und Sollsätze. Arten der Sollsätze.]
7. [Die Sonderstellung des Satzes vom Widerspruch.]
8. [Die Falschheit des Satzes, dass nichts wahr sei.]
9. [Der Satz, dass es Wahrheit gibt, kann nicht damit begründet werden, dass der Satz: es gebe keine, falsch sei.]
10. [Wahrheit muss gesollt sein. Transzendentaler Normatismus.]
11. [Es gibt weder einen Primat der theoretischen, noch einen der praktischen Vernunft.]
12. [Nur die kleinste Zahl der allen übrigen voranzustellenden Sätze kann den Masstab der Unbedingtheit abgeben. Minimalphilosophie.]
13. [Das Material des Wahrheitsmasstabes sind die subjektiven (psychologischen) Ansprüche auf unbedingte Geltung.]
14. [Evidenz und Intuition.]
15. [Die unbedingte Gültigkeit eines Satzes bedeutet seine Zugehörigkeit zu einem System von Sätzen. Unbedingte Gültigkeit ist ein iogisches plurale tantum.]
16. [Der Begriff der Wahrheit.]
17. [Die Rangordnung der wahren Sätze.]
18. [Wahrheit: ein unendliches Ideal.]
19. Logik
20. Moral
21. Erfahrung und a priori
23. Die nachherige Erfahrbarkeit unserer ersten Voraussetzungen
24. [Erste Begriffe ]
25. [Die ersten Begriffe brauchen nicht die allgemeinsten oder die einfachsten Begriffe zu sein.]
26. [Drei unvermeidliche erste Begriffe.]
22b. Der Adressat des obersten Gebotes der Wahrheitssuche
22c. Fortsetzung
22d. Andere Adressaten ausser dem Menschen ?
22e. Ich
22ea. Der Widerspruch des Solipsismus
22e. Die theoretische „Unzurechnungsfähigkeit"
22f. Kausalität
22f1 Autonomie
22f2 Autonomie
22g. Zeit
22h. Anmerkung über den Raum
22i. System Ordnung. Zusammenhang. Hierarchie der Evidenzen. Wissenschaft
22j. Psychologie der Evidenzen
22j1 Kategorie der Allgemeingültigkeit oder der unbedingten Notwendigkeit
22k. Das Sinngebiet oder die Bedeutungen
Schlusswort
Anhang I.
Anhang II.

Citation preview

GEDANKEN ZU EINER

ERSTEN PHILOSOPHIE

VON

FELIX SOMLÓ f

Y

a

BERLIN und LEIPZIG

WALTER DE GRUYTER & CO. vormals G. J. G ö s c h e n ' i c h e Verlagshandlung — J. Guttentag, Verlagsb u c h h a n d l u n g — G e o r g R e i m e r — Karl

1926

J

Trubr.er -

Veit &

Comp.

D r u c k d e r S z e g e d S t ä d t i s c h e n D r u c k e r e i u. B u c h v e r l a g s A. G. 25—2:66.

Vorwort des Herausgebers. Bei der Veröffentlichung: dieses posthumen philosophischen Werkes des bekannten ungarischen Rechtsphilosophen, sei es erlaubt, einige kurze biographische Daten, eine flüchtige Schilderung seiner wissenschaftlichen Tätigkeit, sowie einige Angaben über Entstehung und Herausgabe des vorliegenden Werkes, vorauszuschicken. I. Felix Somlö wurde am 21. Juli 1873 in Pozsony (Pressburg, Nordwestungarn) geboren, als Sohn eines Oberbeamten der öst.-ung. Eisenbahnen. Die Elementarschule besuchte er in Budapest, das Gymnasium in Zsolna, Trencsen und Temesvär. Das erste Semester seiner rechts- und staatswissenschaftlichen Studien absolvierte er an der Budapester Universität, die folgenden an der rechts- und staatswissenschaftlichen Fakultät der Universität Kolozsvär (Klausenburg), wo er im Jahre 1895 zum Doktor der Rechtswissenschaften und 1896 zum Doktor der Staatswissenschaften promoviert wurde. Nachdem er als Einjährig-Freiwilliger ein Jahr gedient hatte und 8 Monate lang Advokaturskandidat in Kolozsvär und Budapest war, bezog er im Winter-Semester 1896/97 zur Vertiefung seiner Studien die Universität Leipzig. Das Sommer-Semester 1897 verbrachte er in Heidelberg. Vom 1. Aug. 1897 bis Januar 1903 war er als Konzipist bei der Direktion der Königl. ung. Staatsbahnen in Budapest tätig. Im Juni 1899 habilitierte er sich an der juridischen Fakultät der Universität Kolozsvär als Privatdozent der Rechtsphilosophie, vier Jahre später ebenda als

4

Privatdozent der Politik. Januar 1903 wurde er zum Professor des Staatsrechts und der Politik an der KönigL Kath. Rechtsakademie in Nagyvärad (Qrosswardein) und am 12. Aug. 1905 zum a. o. — am 6. I. 1909 zum o. ö. — Professor der Rechtsphilosophie und des Völkerrechtes an der Universität Kolozsvär ernannt. Hier, zwischen den Mauern dieser stillen ungarischen Provinzstadt, verbrachte er in wissenschaftliche Arbeit vertieft, die schönsten Jahre seines Lebens, bis er am 3. XII. 1918 zum Professor der allgemeinen Rechtslehre und der rechts- u. staatswissenschaftlichen Encyclopädie an die Budapester Universität ernannt wurde. Ende September 1920 reiste er, — nachdem er testamentarisch sein ganzes Vermögen der für die territoriale Integrität Ungarns kämpfenden „Területvedö Liga" vermacht hatte, — nach der nunmehr unter rumänischer Besetzung stehenden Stadt Kolozsvär, wo er am 28. Sept. 1920 am Grabe seiner 1915 verstorbenen Mutter seinem in unermüdlicher wissenschaftlicher Arbeit verflossenen. Leben ein jähes Ende bereitete. II. Man kann in der sich von 1896 bis 1920 erstreckenden 24-jährigen literarischen Tätigkeit Felix Somlö's zwei grosse Perioden unterscheiden. Jede dieser Entwicklungsstufen umfasst die wissenschaftliche Arbeit etwa eines Jahrzehntes, die Jahre des Überganges nicht gerechnet. In der ersten Periode stand Somlo unter dem Einflüsse Herbert Spencers und sein wissenschaftliches Interesse richtete sich in erster Linie auf soziologische Fragen. In der zweiten Periode stellte er sich auf die Grundlage der Kantischen Philosophie und sein wissenschaftliches Denken beschäftigte sich mit den Grundbegriffen des Rechts sowie in stets wachsendem Masse mit philosophischen Problemen. In der ersten Periode beeinflusste ihn ausser H. Spencer die rationelle naturwissenschaftlich-psychologische Auffassung des Budapester Rechtsphilosophen Julius Pikler, und gewissermassen die Gedankenwelt der materialis-

5

tischen Geschichtsauffassung. Keine von diesen Auffassungen hat er jedoch kritiklos übernommen. Er übernahm nur das, was er mit den Richtungen des eigenen Denkens vereinbaren konnte, und so blieb er trotz der verschiedenartigen Einflüsse ein in erheblichem Masse selbständiger Denker. Den grössten Einfluss hat auf ihn in dieser ersten Zeit zweifellos die evolutionistische Philosophie Spencers ausgeübt. Aus dieser entnahm er als Grundpfeiler seines Denkens die streng naturwissenschaftliche Auffassung, den Gedanken der naturwissenschaftlichen Methode und den der Entwicklung. Er will diese Gedanken sogar folgerichtiger durchführen als sein Meister, und missbilligt, dass "Spencer nicht nur eine descriptive, sondern auch eine praescriptive Ethik, einen neuen Moralkodex, zu entwerfen unternimmt, ferner dass er in der Entwickelung der Gesellschaft einen Zustand der „vollkommenen Anpassung" annimmt und für die Menschen dieser das Ende der Entwickelung bedeutenden Gesellschaft die Vorschriften einer „absoluten" Moral gelten lassen will.1 Den schärfsten Gegensatz zur Auffassung Spencers nimmt er aber im Hinblick auf dessen extremen Individualismus •ein. Er befürwortet nämlich ein weitgehendes staatliches Eingreifen in die individuelle Freiheitstphäre. 2 Indem er sich durch diese Stellungnahme von den politischen Ansichten Spencers wesentlich entfernte, näherte er sich dadurch der Gedankenwelt der materialistischen Geschichtsauffassung. Mit dieser berührte er sich auch in der Auffassung des Rechtes als eines Produktes der Machtverhältnisse, sowie in dem warmen Interesse für die Besserung der Lage der untersten Volksklassen. Die Grundthese der materialistischen Geschichtsauffassung, Vgl. seine Aufsätze: „Die Mehrforderungen der Moral" (ungarisch; in der Zeitschrift „Huszadik Szäzad" Jg. 1902. S. 23.), „Die Ethik Herbert Spencers" (ung. Ebenda Jg. 1904. S. 99.), •„Über die Theorie der gesellschaftlichen Entwicklung und einige praktische Anwendungen derselben" (ung. Ebenda Jg. 1903. S. 399. f.). 1

Vgl. seine Monographie: „Staatlicher Eingriff und Individualismus" (Ungarisch. Sozialwissenschaitliche Bibliothek Bd. II. Budapest 1900. S. X. + 175.). 2

6

wonach alle sozialen Erscheinungen aus der Wirtschaft,, als ihrem Urgründe zu erklären sind, verwirft er jedoch als eine unbegründete einseitige Auffassung. 3 Die mit der R. v. Jherings verwandte Auffassung Julius Piklers hat besonders am Anfange seiner schriftstellerischen Laufbahn einen grossen Einfluss auf Somlö ausgeübt. Im Sinne der „Einsichts-Theorie" („belätäsos einiglet") J. Piklers, wonach das Recht und die übrigen sozialen Einrichtungen auf Qrund von Nützlichkeitserwägungen entstanden sein sollten, betrachtet Somlö die Soziologie für angewandte Psychologie, 4 und versucht die Entstehung der völkerrechtlichen Einrichtungen auf Grund von Nützlichkeitserwägungen zu erklären. 5 Schon zu dieser Zeit muss er aber Pikler gegenüber feststellen, dass beim Entstehen des Rechtes nicht nur die Einsicht der Nützlichkeit, sondern auch äussere Umstände, besonders die Machtverhältnisse massgebend sind.6 In den folgenden Jahren wendet er sich dann mehr und mehr von der subjektiven psychologischen Auffassung Piklers ah, um sich endlich energisch gegen diese zu richten. In der letzten Phase seiner ersten Periode bekennt er sich bereits zu der „objektiven" Soziologie, und verlangt, dass man jede Psychologie aus dem Kreise der Gesellschaftslehre verbannen soll, da man auf einer subjektiven psychologischen Grundlage garnicht im stände sei, das soziale Leben zu erfassen. 7 Gedankengängen Emil Dürkheims und des ungarischen Soziologen Karl von Meray-Horvdth 3 Vgl. das soeben zitierte Werk „Staatlicher Eingriff u. Individualismus" S. 15—24; seine in Stampf eis „Wissenschaftliche Taschenbibliothek" — erschienene kleine „Rechtsphilosophie" (ungarisch: Bpest 1901.) S. 22., und seine „Rechtsphilosophischen Vorlesungen" (ungarisch: Kclozsvär 1905.) Bd. I. S. 53—56. 4 Vgl. seinen Aufsatz: „Gesetzmässigkeit in der Soziologie" (Ungarisch.) Budapest 1898. S. 5. 9. 6 Vgl. seine Monographie: „Die Grundprinzipien der Philosophie des Völkerrechts" (Ungarisch.) Budapest 1898. 6

Ebenda S. 65. Vgl. seinen Artikel: „Die Soziologie des XX. Jahrhunderts." (Ungarisch. Budapesti Naplö Album-naptära. 1907.), sowie seinen Aufsatz: „Objektive Soziologie." (Ungarisch. Huszadik Szäzad. Jg. 1907. S. 211.). 7

7

folgend fordert er nun eine objektive, eine rein beschreibende Soziologie. 8 In seinem Aufsatze: „Die neuere ungarische Rechtsphilosophie"'' charakterisiert er diese durch die Gegenüberstellung der beiden Extreme: des subjektiven psychologischen Rationalismus J. Piklers und der objektiven Soziologie Meray-Horväth's. Und seine wissenschaftliche Entwicklung hat den gewaltigen W e g von dein einen zum anderen Extrem bereits durchlaufen. Trotz dieser enormen Umwälzung seiner soziologischen Auffassung blieb jedoch die philosophische Grundlage, worauf er seine wechselnden soziologischen Ansichten aufbaute, unverändert die Spencer'sche evolutionistische Philosophie. Dieser Umstand erlaubt uns eben, die Tätigkeit der Jahre 1896— 1909 als die erste Periode in dem wissenschaftlichen Entwicklungsgänge Felix Somlö's zu bezeichnen. Die wichtigsten literarischen Früchte dieser Zeit sind: „Die Grundprinzipien der Philosophie des Völkerrechts" (1899.), „Staatlicher Eingriff und Individualismus" (1900.), „Rechtsphilosophische Vorlesungen" Bd. I. (1905.), Bd. II. (1906.), und das deutsch verfasste Wierk „Der Güterverkehr in der Urgesellschaft" (1909.). Die erstgenannte Monographie entwickelt den Gedanken, d a s s die derzeitige internationale Verfassung den T y p u s einer olygarchischsn Republik zeigt. Im „Staatlicher Eingriff und Individualismus" wird bewiesen, dass die Gegenüberstellung der „natürlichen Auslese" und der „küns:lichen staatlichen Regelung" ungerechtfertigt ist, dass die staatliche Regelung ebenfalls ein natürliches Ergebnis der sozialen Entwicklung ist. Verfasser kommt sodann zu dem Ergebnis: „Anwachsen der staatlichen Regelung, verbunden mit anwachsender politischer Freiheit: d a s ist die Richtung der Entwicklung; alles umspannende staatliche Regelung und vollkommene Freiheit in der Feststellung und Abänderung dieser Regelung: das ist das Ideal dieser Entwicklung." Die „Rechtsphilosophischen Vorlesungen" fassen die Rechtsphilosophie als Soziologie des Rechtes auf, und suchen die kausalen Zusammenhänge des Rechtes (seine Ursachen und seine Wirkungen) 8 Vgl.: „Zur Gründung einer beschreibenden Soziologie." (Deutsch.) Berlin u. Leipzig. 1909. 9 Im Archiv für Rechts, u. Wirtschaftsphil. I. Jg. 1908. S. 315—323.

8 sowie seine Entwicklungstendenzen aufzudecken. Trotz ihrer naturwissenschaftlich-monistischen Grundanschauung, berühren sie auch das Problem des richtigen Rechtes und versuchen es einerseits objektiv mittels Hinweis auf die Richtung der natürlichen Entwicklung, andererseits auf dem subjektiven W e g e des Bentham'schen Utilitarismus zu lösen. (Bd. I.) Bd. Ii. der „Rechtsphilosophischen Vorlesungen" enthält die Philosophie des S t r a f r e c h t s , d. h. eine Kriminologie. Die Monographie „Der Güterverkehr in der Urgesellschaft" (1909.) stammt aus der Zeit, als Somlö sich für die objektive Soziologie begeisterte, und liefert uns auf Qrund einer sehr gewissenhaften induktiven Untersuchung der Zustände der uns beikannten primitivsten S t ä m m e einige wichtige Feststellungen betreffend die Fragen der Urwirtschaft. 1 0

Den grössten Umschwung: im wissenschaftlichen Denken Somlo's verursachte der nach der soeben skizzierten Zeit erfolgte Wechsel seiner philosophischen Grundanschauung: sein Ubergang von der Philosophie Spencers auf die Grundlage der Kantischen Philosophie. Dieser Übergang änderte sein Denken von Grund aus, bis in die Tiefen seiner Weltanschauung, und eröffnete ihm ganz neue Wege, neue Horizonte. Der W e g zu dieser durchgreifenden Änderung seiner Auffassungen führte durch das rechtsphilosophische Problem des richtigen Rechtes. Bei diesem Problem gähnte diejenige Bresche in seinen alten Anschauungen, durch welche die neuen Einsichten eindringen konnten. Denn obgleich er sich zu einer streng naturwissenschaftlichen Methode bekannte, konnte er doch nicht umhin, bereits in seinen ersten Schriften die Berechtigung der Frage nach dem richtigen Rechte anzuerkennen. Das Ungenügende seines ursprünglichen na10

Aus den Früchten der ersten Periode kann noch angeführt w e r d e n : das Erstlingswerk Somlös: „Der Parlamentarismus im ungarischen Recht" (1896.), das mit J. Pikier gemeinsam herausgegebene H e f t : „Der Ursprung des Totemismus. Ein Beitrag zur materialistischen Geschichtstheorie." Berlin. 1899. (Deutsch), die in Stampfels Taschenbibliothek erschienenen Hefte „Ethik" (1900.) und „Soziologie" (1901), die ungarische Ubersetzung von Spencer's „First Principles" (Bpest 1903.), endlich die oben bereits e r w ä h n t e n Aufsätze und Abhandlungen. — Eine vollständige Zusammenstellung der Schriften Somlö's findet sich in meinem Aufsatz: „Somlö Bödog" in der ungarischen Zeitschrift ..Tärsadalomtudomäny" I. Jg. 1921.

9

turalistischen Lösungsversuches, das „Richtige" aus dem „Naturnotwendigen" abzuleiten, musste ihm bald zur Einsicht kommen. Schon in seinem Vortrage über „Das Problem der Rechtsphilosophie" (1908)11 betont er, dass weder aus der Erkenntnis der kausalen Gesetzmässigkeiten des sozialen Lebens, noch aus der Wahrscheinlichkeit der zukünftigen Entwicklungstendenz irgendwelche Normen des Handelns fliessen.12 Aber auch das Ungenügende einer naturwissenschaftlich gefärbten utilitaristischen Lösung des Problems des richtigen Rechts sieht er nachher ein, und sucht, übrzeugt von der Unrichtigkeit seiner früheren Lösungsversuche, 13 einen neuen Masstab zur Beurteilung der Richtigkeit des Rechtes. An dem Problem des richtigen Rechtes zerschellt mithin seine frühere naturalistische Weltanschauung und er kommt in seinem Vortrage: ,Masstäbe zur Bewertung des Rechts"" zu dem Ergebnis, dass die Frage nach der Richtigkeit des Rechts eine Frage der ethischen Beurteilung sei, da die Richtigkeit des Rechts nur an dem Masstabe einer positiven Moral gemessen werden kann; die Richtigkeit der positiven Moral kann ebenfalls nur auf Grund ^iner positiven Moral entschieden werden, so dass die Beurteilung einer Moral bereits die Annahme einer — von der beurteilten meistens verschiedenen — anderen moralischen Auffassung zur Voraussetzung hat. Auf diese Art wurde Somlö durch das Problem des 11

Gehalten am III. Internationalen Kongress für Philosophie zu Heidelberg. (Vgl. Verhandlungen des III. Int. Kongresses f. Phil. Heidelberg 1908. S. 1054—1059.) 12 a. a. 0 . 1056. — Der Einfluss des Neukantianers Rudolf Stammler aui diese Einsicht ist nicht zu verkennen. (Vgl. dessen „Wirtschaft u. Recht nach der materialistischen Geschichtsauffassung." 1896.) 13 In seinem Aufsätze: „Von der Theorie des richtigen Rechtes" (Ungarisch. Kolozsvär. 1914.) übt er selber die schärfste Kritik an seinen früheren in den „Rechtsphilosophischen Vorlesungen" Bd. I. unternommenen „objektiven" und „subjektiven" Lösungsversuchen •des Problems. 14 Gehalten am I.-ten Kongress der Vereinigung für Rechts TJ. Wirtschaftsphilosophie 18. V. 1910. in Berlin. (Veröffentlicht im „Archiv für Rechts u. Wirtschaftsphil. Bd. III. 1910. S. 503—522.)

10

richtigen Rechtes auf die Grundfragen der Ethik und der philosophischen Wertlehre, sowie auf das Gebiet der durch das Problem des Wahrheitswertes aufgerollten erkenntnistheoretischen Untersuchungen geführt. Die Ergebnisse seiner einschlägigen philosophischen Studien fasste er in der Abhandlung: „Das Wertproblem" zusammen.15 Diese Schrift ist ausser der vorliegenden posthumen „Ersten Philosophie" das bedeutendste philosophische Werk Somlö's. Er vertritt darin den Standpunkt, dass es nur einen absoluten Wert, den Wahrheitswert geben kann, dessen Leugnung bereits seine Anerkennung bedeutet und deshalb logisch unmöglich ist.16 Den ethischen Wert betrachtet er dagegen als durch die Tatsachen unseres Bewusstseins gegeben, als eine fundamentale Erscheinung sui generis unseres Seelenlebens. Das Problem des Wahrheitswertes versucht er also vom Standpunkte der Kantischen Vernunftkritik zu lösen, in der Frage des ethischen Wertes steht er jedoch in diametralem Gegensatz zur Kantischen Auffassung, besonders zur Lehre vom Primate der praktischen Vernunft. Diese philosophischen Studien — wie tief sie auch zir den letzten Problemen philosophischen Denkens hinunterreichen mögen — hat jedoch Somlö in der ersten Phaseseiner von etwa 1910 bis 1920 reichenden zweiten Entwicklungsstufe nicht als Selbstzweck, sondern nur alsMittel zur Lösung der rechtsphilosophischen Probleme,, betrieben. Und infolge seiner nunmehr gewonnenen neuen Weltanschauung änderte sich natürlich auch seine Auffassung" von den Problemen der Rechtsphilosophie. F ü r diese Änderung ist das völlige Schwinden des soziologischen Interesses charakteristisch. Während er in der ersten Zeit die Rechtsphilosophie als Soziologie des. 16

Ungarisch in der Zeitschrift „Athenaeum" Jg. 1911. Deutsch in der „Zeitschrift für Philosophie und philsoph.isohe Kritik" Bd. 145. 146. Leipzig; 1912. — Mit den Grundfragen der Ethik beschäftigter er sich auch in seinem Aufsatze: „Kausale oder normative Ethik?" (Ungarisoh; in der B. Alexander—Festschrift. Budapest. 1910.) 16

An einer Stelle seiner 6 Jahre später erschienenen, „Juristischen Grund]ehre" (1917.) spricht er von mehreren Arten des a b s o luten Wertes. (S. 59.)

11

Rechts betrachtete, 17 stellt er bereits 1908 die Betrachtung des Rechtes unter dem Wertgesichtspunkt als völlig" gleichberechtigt neben seine kausale soziologische Betrachtung; 18 im Jahre 1911 möchte er endlich die Soziologie des Rechtes gänzlich aus dem Reiche der Rechtsphilosonhie verbannen, denn diase Wissenschaft hätte sich nach seiner neuen Einsicht nur mit der Bewertung des Rechts und mit der Klärung des Rechtsbegriffes und der damit zusammenhängenden Begriffe zu befassen. 19 Zur Frage der Bewertung des Rechts hat er schon in seinen erwähnten Abhandlungen: „Masstäbe zur Bewertung des Rechts" und „Das Wertproblem" Stellung genommen.20 Und so schritt er nun — nachdem er einige hieher gehöringen Fragen bereits gesondert behandelt hatte, 21 — zur Lösung des anderen rechtsphilosophischen Problems, zur Klärung des Rechtsbegriffes und der juristischen Grundbegriffe in seinem grossen Werke, der Juristischen Grundlehre" Dieses Werk, das den Ruf seines Verfassers auch in der deutschen rechtstheoretischen Literatur begründete, kann als das Hauptwerk Somlö's betrachtet werden. Es enthält eine scharfsinnige Analyse des Rechtsbegriffes und der juristischen Grundbegriffe, und beweist gleich17

Vgl. seine „Rechtsphilosophischen Vorlesungen" Bd. I. (1905.) Vgl. seinen bereits zitierten Vortrag über „Das Problem der Rechtsphilosophie." (1908.) 19 Vgl. seinen Vortrag über „Das Verhältnis von Soziologie u. Rechtsphilosophie, insbesondere die Förderung der Rechtsphilosophie durch die Soziologie", gehalten am II. Kongress der Vereinigung für Rechts, u. Wirtschaftsphil, am 8. II. 1911 in Darrnstadt. (Abgedruckt im „Archiv f. Rechts- u. Wirtschaftsphil." Bd. IV. 1911. S. 563—569.) 18

20 Auf Grund dieser Abhandlungen erscheint das Problem des richtigen Rechtes als eine Anwendungsfrage der Moral, und s o tritt es aus der Rechtsphilosophie eigentlich in den Bereich der allgemeinen Ethik hinüber. 21 Vgl. seine Abhandlungen: „Die Anwendung des Rechts", (deutsch, in Qrünhuts Zeitschrift Bd. XXXVIII. 1911., ungarisch in der Zeitschrift „Jogällam" Jg. 1911.); „Das Gewohnheitsrecht" (ungarisch. Festgabe für Ludwig Farkas. Kolozsvär. 1914.); „Das Wesen des Völkerrechts" (Ungarisch. Kolozsvär. 1917.). 22

Deutsch. Verlag Felix Meiner. Leipzig. 1917. X. +

556. S.

12

zeitig den gewaltigen Einfluss, den der Geist der Kantischen Philosophie auf den Verfasser ausgeübt hat. Ähnlich wie Kant in seiner Vernunftkritik die Möglichkeit der Erfahrung selbst zum Gegenstande der Untersuchung macht, und diejenigen Bedingungen „a priori" aufzudecken bemüht ist, die die notwendigen Voraussetzungen einer jeden Erfahrung sind: macht Somlo in seiner „Juristischen Grundlehre" die rechtliche Qualität der Rechtsregeln zum Gegenstande der Untersuchung und bemüht sich, diejenigen im Hinblick auf den Inhalt der Rechtsregeln „a prioristischen" juristischen Grundbegriffe aufzudecken, die notwendige Voraussetzungen der rechtlichen Qualität einer jeden Rechtsregel sind. Ähnlich wie Kant die Grenzen der reinen Vernunft genau abzustecken und diejenigen Begriffe „a priori" die in einer jeden Erfahrung enthalten sind, die aber selbst nichts von dem empirischen Material der Erfahrung enthalten, in ein System zu fassen unternimmt: möchte Somlö die Grenzen des Rechtsbegriffes genau abstecken und alle die juristischen Grundbegriffe, die mit einem jeden Rechte gegeben sind, die aber nichts von dem zufälligen und veränderlichen rechtlichen Inhalt enthalten, in ein vollständiges System fassen. Und ebenso scharf, wie Kant das „a priori" von dem .,a posteriori" unterscheidet, unterscheidet Somlö die „juristischen Grundbegriffe" von den „Rechtsfnhaltsbegriffen". Es ist also e'ine treffende Bemerkung, wenn er von seinem Werke selbst feststellt, dass es „auch als Prolegomena zu einer jeden künftigen Jurisprudenz bezeichnet werden könnte:" 2 3 die Spuren des Kantischen Geistes sind an dem Werke, — womit Scmlo die Kantische Methode für die Rechtswissenschaft fruchtbar machen wollte, und auf Grund dessen er seinen Platz im Bereiche der neukantischen Rechtsphilosophie zugewiesen bekommt, — deutlich zu erkennen. Nach der Fertigstellung dieses grossen Werkes kehrt er wieder zu seinen philosophischen Studien zurück. Nun betrachtet er aber die Philosophie nicht mehr nur als Mittel zum Zweck der Lösung rechtsphilosophischer Fragen, sondern er treibt Philosophie um ihretwillen. In den vier 23

Juristische Grundlehre S. 2.

13

letzten Jahren seines Lebens fühlt er sich derart durch die Probleme der allgemeinen Philosophie gefesselt, dass er sich, — nach den Worten seines Tagebuches, — als endgültig für die Rechtsphilosophie verloren Detrachtet. Das Ergebnis dieser vierjährigen Denkarbeit ist das Manuskript seiner „Gedanken zu einer Ersten Philosophie" und der als deren Fortsetzung geplanten Schrift „Grundlegung zur Ethik".2i Es war ihm nicht vergönnt, diese Werke — an denen er in seinen letzten Jahren mit soviel Liebe hing — zum endgültigen Abschluss zu bringen. Zweck der vorliegenden Publikation ist es, seine „Gedanken zu einer Ersten Philosophie", die auch den Unterbau für die „Grundlegung zur Ethik" enthalten, dennoch — in dem Zustande, wie sie zurückgeblieben sind, — der Öffentlichkeit zu übergeben. Dieser Umstand enthebt uns der Pflicht, dieses philosophische Werk näher zu charakterisieren. Wir möchten bloss darauf aufmerksam machen, dass in diesem Werke ebenfalls erwähnenswerte Änderungen seiner früheren Auffassung festzustellen sind. Der Einfluss Kants nimmt bedeutend ab und der Bolzanos ist deutlich zu merken. Ausserdem kann der Einfluss der Methode seiner „Juristischen Grundlehre" auf die der „Ersten Philosophie" beobachtet werden. 25 Wenn wir auf das allzu früh beendete wissenschaftliche Lebenswerk Somlö's zurückblicken, so eröffnet sich M

Nebenbei hat er in seinem 'letzten Lebensjahre zwei E s s a y s , — einen über „Die Staatslehre Piatons" (Ungarisch. M a g y a r Jogi Szernle Bpest. 1920.) und einen über „Machiavelli" (Ungarisch. Nach seinem Tode erschienen in der Zeitschrift „Tärsadalo.mtudomäny" Jg. 1921.) — fertiggestellt. Er beabsichtige übrigens neben seinen philosophischen Studien eine Essay-Reihe über die Hauptvertreter der politischen Wissenschaft z>u verfassen. 25 Am 3. XII. 1916. schreibt er in sein Tagebuch: „Ich glaube ich werde m i r einmal in Bezug auf die Philosophie dieselbe Aufgabe stellen, die d e r Juristischen Grund'lehre in Bezug auf die Rechtswissenschaft zugrunde liegt: die strenge Scheidung der Allgemeinbegriffe von den notwendigen. In der Philosophie scheint mir, lauft noch Vieles um, was nicht unbedingt ein Apriori ist. Qar Manches, was einfach psychologisch oder sonstwie e r f a h r e n ist,. gebärdet sich trotz Kant „vernünftig" — apriorisch."

14

uns ein in Umbildungen reiches veränderliches Bild der Entwicklung. Unveränderlich und fest war jedoch während der ganzen Zeit der steten Entwicklung sein aufrichtiges und hingebungsvolles Streben nach der Wahrheit. Dieser Umstand verleiht seinem ganzen Wirken einen edlen ethischen Charakter. Das Problem der Moral kehrt denn auch in seiner philosophischen Entwicklung als das Grundthema in verschiedenen Variationen ständig wieder. Auf dem Wege vom Naturalismus zum Utilitarismus, von dem Standpunkt der „positiven Moral" bis zur Höhe der absoluten obersten ethischen Norm des „transzendentalen Normatismus" 26 ist sein .zentrales Problem ständig das der Ethik. Und seine Auffassung der Moral erhebt sich in immer höhere Regionen, sie veredelt sich und vergeistigt sich immer mehr, bis sie sich endlich von allen empirischen Schlacken reinigt. Und die Ethik bricht auf diesem Wege als siegreicher Eroberer vorwärts, es wächst ständig das Reich, auf das sich ihre Herrschaft ausbreitet. Anfangs erscheint sie als bescheidene Provinz innerhalb der Grenzen des ausgedehnten soziologischen Reiches, später emanzipiert sie sich gänzlich und zum höchsten Masstab der Richtigkeit erhoben ergreift sie Besitz vom dem ganzen Gebiete des menschlichen Handelns, bis sie endlich ihre Macht sogar über die transzendentalen Grenzen der Erkenntnistheorie ausbreitet : nach der Auffassung der „Ersten Philosophie" erscheinen auch die kalten wissenschaftlichen Wahrheiten im warmen Glänze der ethischen Normen. III.

Zum Schlüsse erübrigt uns noch einige Angaben über das Entstehen und die Herausgabe der vorliegenden „Gedanken zu einer Ersten Philosophie" zu machen. Nach seinem Tagebuche hat Somlo am 7. Okt. 1916 seine „Juristische Grundlehre" beendet, und noch am selben Tage die Vorstudien zu einer Ethik, — „eigentlich nur die Weiterführung dieser Studien", — begonnen. 20

So hat er sein in System bezeichnet.

der

„Ersten

Philosophie" • entwickeltes

15

Nach zweijährigen andauernden Studien notiert er am 4. Okt. 1918 ins Tagebuch: „Beginn der zusammenhängenden Niederschrift meiner philosophischen Ergebnisse unter dem Titel: Prima Philosophia oder die Lehre vom Unbedingten als philosophische Grundwissenschaft". Diese erste Niederschrift seiner „Ersten Philosophie" und der als ihre Fortsetzung geplanten „Grundlegung zur Ethik" konnte er zu Ende führen. Er arbeitete aber auch nachher mit der grössten Liebe und Sorgfalt an seinen Problemen weiter. „Ich fühle es selbst jetzt — schreibt er in der Zeit der Revolutionswirren am 31. XII. 918 in sein Tagebuch, — in diesen Tagen der Aufregungen und Umwälzungen, wenn ich nicht gerade von Früh bis Nacht in Anspruch genommen bin, ist mir nicht woh'l, wenn ich nicht für einige Augenblicke zu meiner Ersten Philosophie zurückkehren kann". 27 „Tagsüber, — schreibt er am 10. Febr. 1919 — Weiterspinnen und Verbesserungen an den Ansätzen zu meiner Ersten Philosophie". Auf diese Art hat er mit der Zeit eine grosse Menge neuer Ausführungen und Notizen zu allen Teilen seines Werkes fertig gestellt, die nun in die ursprüngliche erste Niederschrift hineingearbeitet zu werden verlangten. Dieser Umstand machte die Ausarbeitung einer zweiten endgültigen Fassung notwendig. Mit dieser ist er — was die „Gedanken zu einer Ersten Philosophie" anlangt, — zum grössten Teile ebenfalls fertig geworden. Die ursprünglichen §§ 1—22a der ersten Niederschrift sind in die fertiggestellten §§ 1—26 der zweiten umgegossen worden. Bloss die zweite Fassung der noch erübrigenden §§ 22b, 22c, 22d, 22e, 22ea, 22f, 22h, 22g, 22h, 22i, 22j, und 22k konnte nicht mehr fertiggestellt werden. Von den fortlaufend numerierten §§ 23—43, die den II. Teil seiner Philosophie, die „Grundlegung zur Ethik" aus27

Am 10. I. 919. weist er den Antrag der Stelle eines Vizepräsidenten des Ungarischen Juristenvereins zurück und bemerkt in seinem Tagebuch: ,Jn meinem Kampfe um Müsse und uim d a s alte seeliche Gleichgewicht würde mich alles ähnliche nur stören. Ist es meinen philosophischen Studien förderlich oder hinderlich, ist der Massstab, wonach ich jede an mich herantretende F r a g e entscheide."

16

machen sollten, ist uns ebenfalls nur die erste Fassung,, samt den hinzugefügten zahlreichen späteren Notizen, erhalten geblieben. Da aber die endgültig fertiggestellten §§ 1—26 der „Gedanken zu einer Ersten Philosophie" die Grundgedanken des Werkes bereits entwickeln, und die in eine endgültige Form noch nicht übergeführten §§ 22b—22k nur die Anwendung dieser Grundgedanken enthalten, kann das Werk im Grossen und Ganzen als endgültig fertiggestellt betrachtet werden. Dieser Umstand kann es als nicht unangebracht erscheinen lassen, die Publikation der „Gedanken zu einer Ersten Philosophie" zu unternehmen. Bei der Herausgabe wurde als leitender Gedanke beobachtet, dass an den Formulierungen des Verfassers nachträglich nichts geändert werde. Die §§ 1—26 folgen demnach in der endgültig fertiggestellten zweiten Fassung. Der Rest, der in zweiter Fassung nicht vorliegt, wird durch Hinzufügen der §§ 22b—22k der ursprünglichen ersten Fassung, ersetzt; die hiezu nachträglich eingefügten Notizen und Ausführungen werden in Form von Anmerkungen beigefügt. Die Verschiedenartigkeit des Textes in dieser Hinsicht ist durch eine Verschiedenartigkeit des Druckes auch äusserlich kenntlich gemacht.2Auch bei den endgültig fertiggestellten §§ 1—26 fehlen — einige ausgenommen, — die Überschriften der einzelnen Paragraphen. Es wurden dieselben deshalb gänzlich weggelassen und durch eine dem Werke vorgeschickte Inhaltsübersicht ersetzt. In dieser Inhaltsübersicht sind die vom Herausgeber ergänzten Bezeichnungen der einzelnen Paragraphen in ( ) gesetzt, zum Unterschiede von denen die vom Verfasser stammen. Die Inhaltsübersicht der ursprünglichen ersten Fassung, sowie die der „Grundlegung zur Ethik" — deren Herausgabe einstweilen unterbleibt — sind zur Orientie28

Es dürfte wohl auffallen, d a s s die endgültig fertiggestellten §§. viel knapper und bündiger g e f a s s t sind als die der ersten Niederschrift. D a s machte eine g e w i s s e Disproportion in diese* Ausgabe unvermeidlich.

17

rung über den Aufbau des ganzen Werkes, als Anhang abgedruckt worden. Finanziell wurde die Publikation durch die Opferwilligkeit einiger Professoren der Universität Szeged, sowie durch die Unterstützung der „Gesellschaft der Freunde der Universität Szeged" ermöglicht. Zu der eigentlich nur technischen Arbeit der Herausgabe hat sich Unterzeichneter als Nachfolger des Verfassers auf seinem Lehrstuhle, und als von ihm ernannter Testamentsvollzieher das Recht genommen. Szeged, den 28. Sept. 1925. Dr. Julius o. ö. Prof.

der Rechtsphil,

ung. Universität

Moor an

der -königl.

Szeged.

Inhaltsübersicht, Vorwort 1. Philosophie nimmt ihren Ausgangspunkt von den unbedingten Geltungsarisprüchen 2. Der Widerspruch, die unbedingte Geltung aus einem Anspruch auf unbedingte Geltung herzuleiten . 3. [Die undbedingte Gültigkeit ist eine Eigenschaft, die der Gesamtheit der nicht widersprechenden Bedeutungen zukommt.] 4. [Unbedingt gültig zu sein vermag nur ein Satz.] 5. [Nicht alle unbedingt gelten wollende Sätze sind unbedingt gültig.] 6. [Arten der Sätze. Seins- und Sollsätze. Arten der Sollsätze.] 7. [Die Sonderstellung des Satzes vom Widerspruch.] 8. [Die Falschheit des Satzes, dass nichts wahr sei.] 9. [Der Satz, dass es Wahrheit gibt, kann nicht damit begründet werden, dass der Satz: es gebe keine, falsch sei.] 10. [Wahrheit muss gesollt sein. Transzendentaler Normatismus.] 11. [Es gibt weder einen Primat der theoretischen, noch einen der praktischen Vernunft.] 12. [Nur die kleinste Zahl der allen übrigen voranzustellenden Sätze kann den Masstab der Unbedingtheit abgeben. Minimalphilosophie.] 13. [Das Material des Wahrheitsmasstabes sind die subjektiven (psychologischen) Ansprüche auf unbedingte Geltung.] 14. [Evidenz und Intuition.] 15. [Die unbedingte Gültigkeit eines Satzes bedeutet seine Zugehörigkeit zu einem System von Sätzen. Unbedingte Gültigkeit ist ein iogisches plurale tantum.] . .

21 23 23

25 26 28 29 33 33

34 37 38

39

41 42

43 2*

20 16. [Der Begriff der Wahrheit.]

44

17. [Die Rangordnung der wahren Sätze.]

. . .

45

18. [ W a h r h e i t : ein unendliches Ideal.]

47

19. Logik

49

2 0 . Moral

50

2 1 . Erfahrung und a priori

50

2 2 . F o r m a l e Logik. Das Schliessen

51

2 3 . Die

nachherige

Erfahrbarkeit

unserer

ersten

Voraussetzungen

53

2 4 . [ E r s t e Begriffe ] 2 5 . [Die ersten

56

Begriffe

brauchen

nicht die allge-

meinsten oder die einfachsten Begriffe zu sein.] . . . 2 6 . [Drei unvermeidliche erste

Begriffe.]

.

.

.

.

57 58

*

22b. D e r Adressat des obersten G e b o t e s der W a h r h e i t s s u c h e .

61

2 2 c . Fortsetzung

64

22d. Andere Adressaten ausser dem Menschen ?

65

2 2 e . Ich

66

2 2 e a ! D e r Widerspruch d e s Solipsismus

69

2 2 e ! Die theoretische „Unzurechnungsfähigkeit"

70

22f. Kausalität

72

22f x Autonomie

84

22f 2 Autonomie

86

22g. Zeit

89

22h. Anmerkung über den Raum

91

22i. System

Ordnung.

Zusammenhang. Hierarchie der

Evi-

denzen. W i s s e n s c h a f t 22j. P s y c h o l o g i e der Evidenzen

92 95

2 2 j t Kategorie der Allgemeingültigkeit oder der unbedingten • Notwendigkeit 22k. D a s Sinngebiet oder die Bedeutungen Schlusswort

97 97 102

Vorwort. Es ist merkwürdig, dass sich unter den gangbaren Titeln philosophischer Werke die Bezeichnung der Ersten Philosophie so wenig behaupten konnte. Selbst die aristotelischen Schriften über die 7TQ(OTTJ (piZooocpicc mussten es sich gefallen lassen, statt dieser aristotelischen Benennung ihres Wesens unter dem an Äusserlichkeiten haftenden fremden Namen Tä fte%ä tä (pvowä unsterblich zu werden. Auch die Wiederaufnahme des Wortes durch Descartes: Meditationes de prima philosophia fand keinen Anklang. Und doch ist diese schlicht-aufrichtige Bezeichnung der treffendste Ausdruck für die eigentliche Sehnsucht einer langen Reihe philosophischer Untersuchungen. Insbesondere das Wesen der Nachstehenden könnte keine andere Benennung knapper und passender wiedergeben: sie wollen eben eine erste Philosophie sein. So bediene ich mich denn gerne des ungeläufigen glücklichen Wortes so hoher Ahnen und scheue mich nicht, dies schwache Schifflein unter dieser stolzen Flagge auf die bewegte See zeitgenössischer Philosophie hinausgehen zu lassen.

1. Wenn wir nicht dem Ansprüche unbedingter Gewissheit begegneten, gäbe es überall gar keine Veranlassung zu philosophischen Fragen. Geht die Untersuchung nicht auf diesen Anspruch, sondern darauf, was damit gesetzt wird, so befinden wir uns noch ausserhalb aller Philosophie. Es steckt aber hinter jeder sonst möglichen Untersuchung dieser unvermeidliche Anspruch und die auf ihn gerichtete Untersuchung führt zur Philosophie. Philosophie ist daher keine Sammlung von Lösungen irgendwelcher Welträtsel. Die Welträtselwelt gehört der Wissenschaft an. Man habe acht, dass uns die Liebe zur Weisheit nicht aus dem griechischen