Friedrich Schlegels Geschichtsphilosophie (1794-1808): Ein Beitrag zur politischen Romantik 978-3484180789

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Friedrich Schlegels Geschichtsphilosophie (1794-1808): Ein Beitrag zur politischen Romantik
 978-3484180789

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Klaus Behrens

Friedrich Schlegels Geschichtsphilosophie (1794-1808) Ein Beitrag zur politischen Romantik

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Niemeyer

Friedrich Schlegels Geschichtsphilosophie bis 1808, von seinen Anfängen als klassischer Philo¬ loge bis hin zur Konversion und der Übersied¬ lung nach Wien, unterliegt ständigen Wandlun¬ gen, die untrennbar verbunden sind mit der zeit¬ genössischen Umbruchserfahrung der Franzö¬ sischen Revolution. Was seine Studien zur grie¬ chischen Poesie, das frühromantische Kunst¬ programm sowie die Hinwendung zum Orient und zum christlichen Mittelalter verbindet, ist das Bewußtsein der eigenen Geschichtlichkeit und der beständige Versuch, die Geschichte — als vergangene Geschichte — auf eine Gegen¬ wart und Zukunft hin zu beziehen. Damit erhält seine Geschichtsphilosophie in allen Stadien ein revolutionäres Element. Das gilt auch noch für die Zeit restaurativer Tendenzen nach 1802. Schlegels oft zitiertes Wort vom Historiker als „rückwärts gekehrt(en) Prophet(en)“ ist also nicht als regressive Gegenwartsflucht zu verste¬ hen, sondern als stets neu einsetzender Versuch, die an die eigene Zeit gestellten Erwartungen über die Auseinandersetzung mit einer idealen Vergangenheit Bestimmtheit und Erfüllung zu geben. Voraussetzung für Schlegels geschichtsphiloso¬ phischen Ansatz ist das

Konzept von Ge¬

schichte, das sich im 18.Jahrhundert herausgebildet hat und seither bestimmend geworden ist. Die vorliegende Arbeit stellt die wesentlichen Impulse dar, die von dieser „transzendentalen Wende“ (Reinhart Koselleck) des modernen Geschichtsdenkens ausgegangen sind und die auch Schlegels Denkrichtung bis zu einem ho¬ hen Grad plausibel machen. Dabei werden die individuellen biographischen und politischen Erfahrungen Schlegels ebenso berücksichtigt wie der Kontext allgemeiner Zeitströmungen und der historische Generationszusammenhang der romantischen Zeitgenossen.

MAX NIEMEYER VERLAG TÜBINGEN

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STUDIEN ZUR DEUTSCHEN LITERATUR

Band 78

Herausgegeben von Wilfried Barner, Richard Brinkmann und Friedrich Sengle

Digitized by the Internet Archive in 2019 with funding from Kahle/Austin Foundation

https://archive.org/details/friedrichschlegeOOOObehr

Klaus Behrens

Friedrich Schlegels Geschichtsphilosophie (1794-1808) Ein Beitrag zur politischen Romantik

Max Niemeyer Verlag Tübingen 1984

CIP-Kurztitelaufnahme der Deutschen Bibliothek Behrens, Klaus: Friedrich Schlegels Geschichtsphilosophie (1794-1808) : e. Beitr. zur polit. Romantik / Klaus Behrens. - Tübingen : Niemeyer, 1984. (Studien zur deutschen Literatur; Bd. 78) NE: GT ISBN 3-484-18078-1 ©

ISSN 0081-7236

Max Niemeyer Verlag Tübingen 1984 Alle Rechte Vorbehalten. Ohne Genehmigung des Verlages ist es nicht gestattet, dieses Buch oder Teile daraus photomechanisch zu vervielfältigen. Printed in Germany Satz: pagina GmbH, Tübingen Druck: Allgäuer Zeitungsverlag GmbH, Kempten Einband: Heinr. Koch, Tübingen

Inhaltsverzeichnis

Zur Zitierweise.VII

Einleitung

I.

II.

.

Antike und klassische Philologie

(1794-96)

1

27

1. Antike als »hermeneutisches Werkzeug«.

29

2. Idealität und Geschichtlichkeit griechischer Poesie

...

47

3. »Krise des Übergangs«.

61

4. Geschichte als Wissenschaft.

67

Progressive

Universalhistorie

und

Republikanismus

(1796-1802).

81

1. »Philosophie der Philologie«

.

86

2. Kunstlehre.

104

3. Fichte-Kritik

.

113

4. Progressive Universalhistorie.

124

5. Gegenwart als »Centralzeit«

.

133

6. Republikanismus und politische Romantik.

139 V

....

160

.

164

.

171

III. Mittelalter und Universalhistorie

(1802-08)

1. Reise als geschichtliche Selbsterfahrung 2. Europa und Orient

3. Universalhistorie und Theorie des geschichtlichen Wer¬ dens

IV.

.

185

4. Mittelalter und politische Romantik.

206

.

248

.

275

Geschichtsphilosophie und politische Romantik

.

.

(Zusammenfassung)

Literaturverzeichnis

VI

Zur Zitierweise

Es wird nach der von Ernst Behler u. a. herausgegebenen Kritischen-Friedrich-Schlegel-Ausgabe (München-Paderborn-Wien 1958ff.) zitiert. Die römische Ziffer bezeichnet den Band, die arabische die Sei¬ tenzahl; folgt eine weitere, durch Komma abgegrenzte arabische Ziffer, so gilt diese der jeweiligen Fragmentzählung. Die Zitatnachweise aus der Kritischen Ausgabe erfolgen unmittelbar im Text. Wird aus den jeweiligen Einleitungen der Herausgeber zitiert, bzw. auf bestimmte Texte Friedrich Schlegels nur verwiesen, so steht vor der römischen Ziffer die Abkürzung: KA. Siglen werden nach der Kritischen Ausgabe aufgelöst. Hervorhebungen werden, falls nicht ausdrücklich vermerkt, nicht wiedergegeben. Unter dem Familiennamen ist im Folgenden stets Friedrich Schlegel gemeint.

VII

Einleitung

Jede Auseinandersetzung mit Friedrich Schlegel und seinem Werk sieht sich mit der Frage konfrontiert, »wo eigentlich das Zentrum sei¬ nes Wesens und Wirkens lag, wo denn auch der erstrebte Wert seines Schaffens zu suchen ist«1. Das betrifft sowohl die Vielfalt der von ihm 1 J. Körner in: Friedrich Schlegel, Neue philosophische Schriften. Erstmals in Druck gelegt, erläutert und mit einer Einleitung in Friedrich Schlegels phi¬ losophischen Entwicklungsgang versehen von Josef Körner. Frankfurt a. M. 1935. S. 3. - Das betrifft auch die nicht unumstrittene Bewertung des Nach¬ lasses. Vgl. E. Behler in: KA XI, ixff. Für A. Nivelle ist es ein Irrtum, »sich von der Entdeckung und Veröffentlichung unbekannter Manuskripte eine wesentliche Bereicherung und Berichtigung des Schlegelschen Weltbilds (zu versprechen).« (A. Nivelle, Frühromantische Dichtungstheorie. Berlin 1970. S. 41). Modifizierter dagegen F. N. Mennemeier, Friedrich Schlegels Poesie¬ begriff. München 1971. S. 18: »(Die Nachlaßfragmente) sollte man ge¬ gebenenfalls als erläuternden Kommentar zu den Hauptschriften lesen, nicht aber sollte man umgekehrt diese Hauptschriften als Kommentar zu den pri¬ vaten Nachlaß-Notizen benutzen oder die Hauptschriften gar, mit Hinweis auf ihren eventuellen exoterischen Charakter, als quantite negligeable behan¬ deln.« Im Gegensatz dazu J. Körner in: Neue philosophischen Schriften. S. 333: »Denn ohne Übertreibung darf man sagen, daß Friedrich Schlegels sämtliche Druckschriften nur Fragmente sind, Teile, Probestücke, Vorfrüchte viel weiter ausgreifender Unternehmungen, ja großenteils rascher gereifte Nebenarbeiten, die gelegentlich von den ins Gigantische wachsenden und eben darum unvollendbaren Hauptplänen sich ablösten.« - Qualität und Be¬ deutung der einzelnen Nachlaßfragmente sind höchst unterschiedlich. Ihre zum Teil eminente, über einen bloßen Sekundärkommentar hinausgehende Bedeutung zeigt u. a. P. Szondi, Von der normativen zur spekulativen Gat¬ tungspoetik. ln: Poetik und Geschichtsphilosophie II. Studienausgabe der Vor¬ lesungen Band 3. Hg. v. W. Fietkau. Frankfurt 1974. S. 7-183; S. 94ff. Die Eigenständigkeit und Bedeutung der frühromantischen Fichte-Kritik läßt sich nur aus dem Nachlaß rekonstruieren. Vgl. M. Frank, Das Problem der »Zeit« in der deutschen Romantik. Zeitbewußtsein und Bewußtsein von Zeit¬ lichkeit in der frühromantischen Philosophie und in Tiecks Dichtung. Mün¬ chen 1975. S. 21 ff. Mitunter haben die Nachlaß-Fragmente durchaus eigen¬ ständigen Werkcharakter wie im Falle der erstmals von J. Körner 1928 edier¬ ten Aufzeichnungen zur »Philosophie der Philologie« (jetzt in KA XVI 33-81). So erschließt sich auch das ganze Ausmaß von Schlegels 1

behandelten Themengebiete* 2, aber ebenso auch die Person Schlegels und seine geistige Entwicklung. Denn die Frage nach dem inneren Zu¬ sammenhang des Werks läßt sich nicht trennen von der Einheit der sich darin manifestierenden schöpferischen Persönlichkeit3, und bei¬ des, Leben und Werk, ist auf vielfältige Weise mit dem zeitgeschicht¬ lichen Geschehen und dem historischen Generationszusammenhang verwoben4. Schlegels Denken unterliegt einem steten Wandel. Das betrifft nicht nur das, was »gemeinhin als das Friedrich-Schlegel-Problem gilt: sein (. . .) Übertritt (. . .) in (den) Heil- und Denkraum der katholischen Kir¬ che«5, sondern das läßt sich generell bei allen Phasen seines Werks beobachten. Auf ihn trifft zu, was er selbst bezogen auf die Geschichte des Protestantismus schreibt, daß »fast nichts unverändert geblieben (ist) als die Veränderlichkeit selbst« (III 89). Schlegel steht damit nicht allein. Vergleichbares hat man auch über Görrres, Fichte, Varnhagen von Ense und andere geäußert6. Aber bei keinem ist aufgrund der Zeit kulturkritischer Auseinandersetzung mit der habsburgischen Geschichte erst aus dem Nachlaß. Vgl. K. K. Polheim, Friedrich Schlegel und Österreich. In: Aurora 41 (1981). S. 75-92. 2 »Hier ist zu erwähnen, daß Schlegel sein ungedrucktes Opus als eine nach vier Disziplinen sich aufbauende Kulturphilosophie betrachtete. Er gliederte diese aphoristischen Reflexionen nach den Kultursachgebieten: Literatur und Poesie, Philosophie, Geschichte und Politik und Theologie und Philosophie gemäß seiner schon in den >Ideen< dargelegten Überzeugung, daß die >vier Weltgegenden< der schöpferisch entwickelten Kulturwelt des Menschen die Geistsysteme Poesie, Philosophie, Moral und Religion seien.« (E. Behler, Neue Ergebnisse der Friedrich-Schlegel-Forschung. In: GRM N. F. 8. 39 (1958). S. 350-365; S. 352. Zu Schlegels Idee der »Philosophischen Lehrjah¬ re« vgl. E. Behler in: KA XVIII, xiiff. 3 Vgl. K. Röttgers, Kritik und Praxis. Berlin-New York 1975. S. 115. 4 Vgl. W. Schieder in: Romantik in Deutschland. Ein interdisziplinäres Sym¬ posion. Hg. v. R. Brinkmann. Sonderband der DVjs. Stuttgart 1978. S. 42. 5 J. Körner in: Neue philosophische Schriften. S. 7. 6 So z. B. von Görres, »der sich wie kein Zweiter durch die fortlaufende Me¬ tamorphose seines Geistes auszeichnet.« (J. Körner, Nibelungenforschung der deutschen Romantik. Leipzig 1911. S. 102). »Günther Müller vertrat die Auffassung, daß zwischen den verschiedenen Lebensstadien Goethes oder Fichtes eher eine Kluft als zwischen denen Schlegels< bestehe.« (E. Behler in: KA VIII, xx). »Je nach Beschaffenheit seiner Umwelt wechselte Varnhagen daher seinen Standpunkt, und das einzige, was bei ihm zuletzt immer noch unverändert blieb, war die Beweglichkeit, mit der er jede Frage in ihrem Bezug zur Person des Fragenden zu begreifen suchte.« (K. Feilchenfeldt, Varn¬ hagen von Ense als Historiker. Amsterdam 1970. S. 11). - Friedrich steht damit im Gegensatz zu seinem Bruder August Wilhelm Schlegel, dessen »Grundanschauungen (seit 1802) längst gefestigt und keiner wesentlichen Änderung mehr unterworfen (waren) - sehr im Gegensatz zu der philoso-

2

seines Lebens geführten Aufzeichnungen der Prozeß steter Verände¬ rung und Erweiterung des Denkens so unmittelbar einsehbar wie bei Schlegel, der »bei aller seiner Proteus-Wandelbarkeit, (. . .) niemals eine seiner eignen Gestalten verworfen (hat), sondern bis zuletzt für jede eine gewisse Berechtigung behauptet, und in so fern mit allem Grunde, als in seinem Geiste wirklich ein lebendiger Zusammenhang alles die¬ ses Mannigfaltigen war«* * * * * * 7, wie Varnhagen von Ense die Eigenart des Schlegelschen Denkstils charakterisiert. Man hat Schlegel »eine(n) der größten Anreger aller Zeiten« ge¬ nannt8, und als solcher wurde er, keineswegs immer zu seinem Vorteil, phischen Ansicht seines Bruders, die sich in einer ununterbrochenen Entwick¬ lung befand, gleich den von Jahr zu Jahr sich modifizierenden Systemen Fichtes und Schellings.« (R. Haller, Die Romantik in der Zeit der Umkehr. Die Anfänge der Jüngeren Romantik 1800-1808. Bonn 1941. S. 184). Vgl. O. Brandt, August Wilhelm Schlegel. Der Romantiker und die Politik. StuttgartBerlin 1919. Varnhagen von Ense zit. nach: R.-R. Wuthenow, Revolution und Kirche im Denken Friedrich Schlegels. In: Anton Rauscher (Hg.), Deutscher Katholi¬ zismus und Revolution im frühen 19. Jahrhundert. München-PaderbornWien 1975. S. 11-32; S. 13. - Allerdings nahm Schlegel anläßlich der 1822-25 erscheinenden Gesamtausgabe zum Teil gravierende Änderungen vor. Die »Lucinde« und die Athenäumsfragmente wurden nicht mit aufgenommen. Vgl. E. Behler in: KA I, xxixff. 8 H. Finke, Über Friedrich und Dorothea Schlegel. Köln 1918. S. 18. - »Und doch mag nächst Goethe kein zweiter deutscher Schriftsteller für die Begrün¬ dung der neuen Kultur des neunzehnten Jahrhunderts so bedeutungsvoll ge¬ wesen sein als gerade der reife Friedrich Schlegel.« (J. Körner zit. nach Finke, Über Friedrich und Dorothea Schlegel. S. 22). Damit verbunden ist die un¬ terschiedliche Bewertung der einzelnen Entwicklungsphasen des Schlegel¬ schen Werks. Generell wird seit Wiederentdeckung der frühromantischen Traditionen durch Dilthey und Haym um 1870 und den Editionen Minors (1882) und Walzeis (1890) das Frühwerk einseitig zuungunsten der späteren Phasen hervorgehoben. Dem entspricht in der älteren Forschung eine zum Teil einseitige Vereinnahmung des Spätwerks von katholischer Seite. (Vgl. E. Behler, Friedrich Schlegel, Reinbek bei Hamburg 1966. S. 156f. K. Peter, Friedrich Schlegel. Stuttgart 1978. S. 86ff.). R. Wellek sieht, was die literar¬ historischen Leistungen Schlegels betrifft, »in his middle stage (...) clearly the most interesting today« (R. Wellek, A History of Modern Crilicism: 17501950. Vol. 2. The Romantic Age. S. 7). Unter dem Gesichtspunkt »wie nun innerhalb des Idealismus die Erfahrung als historische Methode beherr¬ schend wird und damit die positive Philosophie hervorbringt«, betont A. Dempf (Der frühe und der späte Friedrich Schlegel. In: Weltordnung und Heilsgeschehen. Einsiedeln 1958. S. 79-107; S. 83) die Phase nach 1802. Bei aller Parteilichkeit Schlegels und die seiner Interpreten, was immer mit zu berücksichtigen ist, hat sich doch heute seit Erscheinen der Kritischen Aus¬ gabe die schon von J. Körner (Das Problem Friedrich Schlegel. In: GRM 15 (1927). S. 274-297) vertretene Forderung nach einer ganzheitlichen Betrach-

3

schon von seinen Zeitgenossen gesehen9. Inwieweit ist es aber sinnvoll und möglich, angesichts der weitgespannten geistesgeschichtlichen In¬ teressen und der Wechselfälle dieses Lebens, - von der Sympathie für die Französische Revolution bis hin zu den ultramontanen Überzeu¬ gungen der Spätzeit gen?

Zusammenhänge und Kontinuitäten aufzuzei¬

Es soll dabei im Folgenden nicht beansprucht werden, die Ge¬ samtheit der Schlegelschen Interessengebiete zu berücksichtigen. Nicht einmal das Ganze seiner Geschichtsphilosophie, sondern nur ein Teil davon, die Entwicklung seines Geschichtsdenkens bis 1808, dem Zeit¬ punkt der Konversion und der Übersiedlung nach Wien, soll hier zur Darstellung gelangen10. tung des Schlegelschen Werks weitgehend durchgesetzt. Untersuchungen zu zentralen Problemstellungen wie z. B. die Arbeiten von I. StrohschneiderKohrs, K. K. Polheim, M. Frank und H. Dierkes belegen dies. Zur Forschung vgl. zuletzt: V. Deubel, Die F.-Sch.-Forschung 1945-1972. DVjs 47 (1973). Sonderheft Forschungsreferate. S. 48-181. K. Peter, Friedrich Schlegel. 9 Vgl. Goethe über Schlegel in: S. Boisseree, Tagebücher Bd. 1. 1808-1823. Flg. v. H.-J. Weitz. Darmstadt 1978. S. 63. Vgl. dagegen die positive Gesamtwür¬ digung von Dr. Staudenmaier, Andenken an Friedrich von Schlegel. Mit ei¬ ner kurzen Hindeutung auf seine literarische Thätigkeit, besonders im Fache der religiösen Philosophie, ln: Theologische Quartalschrift. 1832. Heft 4. Tübingen. S. 607-650. 10 Die vorliegende Arbeit verdankt ihre Entstehung vor allem den aus den zahl¬ reichen Arbeiten E. Behlers sowie den aus dem Romantik-Symposion von 1978 empfangenen Anregungen. - Was die immer noch lesenswerte, durch die neueren Editionen inzwischen überholte Arbeit F. Lederbogens (Friedrich Schlegels Geschichtsphilosophie. Leipzig 1908) auszeichnet, ist das Bemühen, der ganzen Geschichtsphilosophie Schlegels in allen Phasen gei echt zu werden, unter Verzicht auf kurzschlüssige Psychologisierungen, wie sie gerade in der frühen F.-Schlegel-Forschung - bedingt durch die WalzelEdition der Briefe an den Bruder sowie durch R. Huchs Romantik-Darstel¬ lung (Die Romantik. Blütezeit. Ausbreitung und Verfall. 1899 u. 1902. (Neudr. Tübingen 1951)) - oft Vorkommen; so z. B. in der materialreichen und weitschweifigen Darstellung von C. Enders, Friedrich Schlegel. Die Quel¬ len seines Wesens und Werdens. Leipzig 1913. Ergiebiger und konziser da¬ gegen: H. Folwartschny, Friedrich Schlegels Verhältnis zur Philosophie. Diss. Breslau 1930. - Die Auffassung von Dierkes, Schlegel sei »Sinn und Möglich¬ keit historischer Aussagen grundsätzlich nicht problematisch geworden« (H. Dierkes, Literaturgeschichte als Kritik. Untersuchungen zu Theorie und Pra¬ xis von Friedrich Schlegels frühromantischer Literaturgeschichtsschreibung. Tübingen 1980. S. 19) verkennt die geschichtliche Stellung der Schlegelschen Geschichtsphilosophie (Vgl. dazu unten Anm. 35). und die Problematik des romantischen Wissenschaftsbegriffs, der weder vom Niveau Diltheys noch von der für das späte 19. Jahrhundert typischen Unterscheidung von Geistes¬ und Naturwissenschaften gerecht beurteilt werden kann. Nicht sinnvoll er¬ scheint mir ferner die von Dierkes getroffene Unterscheidung eines apriori-

4

Schlegel selbst hat sein Denken als in einem steten Progreß befind¬ lich begriffen. Unmittelbarer Ausdruck dafür ist die Mitteilungsform des Fragments, die man »eine Verhinderung des Systems durch Frag¬ mente« genannt hat11. In meinem Leben und philosophischen Lehrjahren ist ein beständiges Su¬ chen nach der ewigen Einheit (in der Wissenschaft und in der Liebe) und ein Anschließen an ein äußeres, historisch Reales oder ideal Gegebenes (zuerst Idee der Schule und einer neuen Religion der Ideen), dann Anschließen an den Orient, an das Deutsche, an die Freiheit der Poesie, endlich an die Kir¬ che, da sonst überall das Suchen nach Freiheit und Einheit vergeblich war12.

So vielgestaltig und widerspruchsvoll seine Interessen auch erscheinen mögen, so vollzieht sich die geistige Auseinandersetzung doch stets im Bewußtsein der eigenen konkreten Geschichtlichkeit13, sowohl hinsichtschen und eines aposteriorischen Ansatzes, die zusammengenommen Schle¬ gels Begriff der Geschichte ausmachen sollen. Die künstliche Trennung ver¬ kennt das Wesentlich-Neue der Schlegelschen Geschichtsphilosophie, die gleichermaßen Wirklichkeits- und Reflexionsbegriff ist, und deren Einheit aus dem jeweils herzustellenden Zusammenhang von res gestae und rerum gestarum memoria zu begründen ist. - »Geschichte, verstanden als die ihr geschichtliches Gewordensein reflektierende Gegenwart, ist - notwendig re¬ lativ zu dieser - stets auf sie bezogen. (...) Der Gegenstand der Geschichts¬ wissenschaft ist nicht als ein unabhängig vom Betrachter existierendes >Gegenüber< objektivierbar, sondern unterliegt der Verwandlung, indem er der analytischen Forschung und Interpretation unterzogen wird. Er befindet sich in einer doppelten Bewegung: sie folgt einmal aus der Prozeßhaftigkeit alles vergangenen Lebens, zum andern aus der ständigen Verwandlung des Ge¬ schichte betrachtenden Menschen, der selbst dem geschichtlichen Werden unterworfen ist.« (H. Mommsen, Historische Methode. In: Geschichte. (Das Fischer Lexikon). Hg. v. W. Besson. Frankfurt 1970 (Erste Auflage 1961). S. 78-91; S. 80). »Mit anderen Worten, die Einsichten, die Verstehen ein¬ bringt, neigen dazu, Einfluß auf die Form der Schilderung zu nehmen. Die Muster der Geschichte (story) des Historikers spiegeln jene seiner aufgehäuf¬ ten Lebenserfahrung wider, als sei sie genährt von dem, was die Vergangen¬ heit ihm mitteilt. Seine Geschichte (story) ist gewissermaßen seine Deutung.« (S. Kracauer, Geschichte - Vor den letzten Dingen. Frankfurt 1973. S. 117). Eben das wurde erstmals von Schlegel erkannt und thematisiert: »Es gibt keine Selbsterkenntnis als die historische. Niemand weiß was er ist, wer nicht weiß was seine Genossen sind, vor allem der höchste Genosse des Bundes, der Meister der Meister, der Genius des Zeitalters.« (II 270, 139). 11 C. Heselhaus, Die romantische Gruppe in Deutschland. In: E. Behler (Hg.), Die Europäische Romantik. Frankfurt 1972. S. 44-162; S. 132. 12 Schlegel zit. nach E. Behler in: KA XVIII, xiii. 13 »Geschichtlichkeit bedeutet 1. Daß jeder erreichte Zustand des Geisteslebens als Resultat des vorangegangenen Geschehens aufzufassen ist und nur so. (Rein aus sich selbst ist er nicht voll verständlich.) 2. Das vorangegangene Geschehen ist Formenumbildung, Strukturwandel oder Metamoprhose. 3. Es

5

lieh des Eingebundenseins in geschichtliche Traditionen als auch der sich daraus ergebenden Totalität von Sinn- und Lebensbezügen als Grundlage jeder historisch-kritischen Erkenntnis. Für Schlegel ist »das geschichtliche

Bewußtsein

Lebensgrund,

beherrschendes

Lebensge¬

fühl«14. In diesem Wissen um die je nach Interessen und Zeitumstände ist auch Formenhöherbildung = Entwicklung. 4. Es bewirkt Aufschichtung, vor allem Summierung von Lebenserfahrungen, die durch Tradition bewahrt werden. Mit diesen Stichworten wollen wir uns begnügen: Genesis, Meta¬ morphose, Auswicklung, Summierung.« (E. Spranger, Über Kategorien des Verstehens. In: Grundlagen der Geisteswissenschaften. Hg. v. H. W. Bähr. Gesammelte Schriften VI. Tübingen 1980. S. 74-90; S. 76.) »Mit dem Begriff der Geschichtlichkeit wird versucht, den permanenten Relativierungsprozeß, dem sich der Historismus vorwurfsvoll ausgesetzt sah, zum Stehen zu brin¬ gen. Die Geschichtlichkeit setzt die Relativität gleichsam absolut (...).« (R. Koselleck, Über die Theoriebedürftigkeit der Geschichtswissenschaft. In: Se¬ minar: Die Hermeneutik und die Wissenschaften. Hg. v. H.-G. Gadamer u. G. Boehm. Frankfurt 1978. S. 262-380; S. 363.) Der Sache nach bereits in der Romantik: »D. h. bereits bei Novalis wird wie in der heutigen Geschichts¬ ontologie das bloß in der Zeit Geschehene (lediglich materialmäßig Geschicht¬ liche) unterschieden von einer spezifischen »Geschichtlichkeit«, die erst ent¬ steht, wenn ein Zeitliches sich zur Totalität alles Zeitlichen (Vorzeit und Zu¬ kunft), zu einer sinnvollen Ganzheit, geistigen Reife und >Mündigkeit< durch¬ gerungen hat.« (W. Emrich, Begriff und Symbolik der »Urgeschichte« in der romantischen Dichtung, ln: Protest und Verheißung. Studien zur klassischen und modernen Dichtung. 3. Aufl. 1968. S. 25-47; S. 31 f.) — Zur Begriffsge¬ schichte vgl. G. Bauer, »Geschichtlichkeit«. Wege und Irrwege eines Begriffs. Berlin 1963. L. von Renthe-Fink, Geschichtlichkeit, Ihr terminologischer und begrifflicher Ursprung bei Hegel, Haym, Dilthey und York. Göttingen 1964. Ders., Art. Geschichtlichkeit. In: Historisches Wörterbuch der Philosophie. Hg. v. J. Ritter. Bd. 3. Darmstadt 1974. Sp. 404-408. 14J. Körner in: Neue philosophische Schriften. S. 16. - »Für Novalis wie für Steffens (...) gehörten jedoch Natur und Geschichte aufs engste zusammen im Gegensatz zu Friedrich Schlegel, von dem Steffens gesagt hat: »Er lebte ganz in der Geschichte, die Natur war ihm völlig fremd.« Die anderen Ro¬ mantiker teilten diese Einseitigkeit nicht « (P. Kluckhohn, Einführung. In: Deutsche Literatur in Entwicklungsreihen. Reihe Romantik. Bd. 10. Deut¬ sche Vergangenheit und deutscher Staat. Hg. v. P. K. Leipzig 1935. S. 5-24; S. 5f.). - Geschichte ist, soweit es ihr um den Versuch, Gesetzmäßigkeiten für die historische Entwicklung aufzustellen, geht, theoretische Philosophie. Als Geschichte menschlichen Handelns und der Wechselbeziehungen der Men¬ schen untereinander ist sie praktische Philosphie: »Subjekt der Geschichte ist nicht ein der Welt transzendenter Gott, der durch seine Vorsehung die Ereig¬ nisse und Geschicke des Weltlaufs lenkt, Subjekt der Geschichte ist der Mensch selbst. Das kritische Moment besteht in dem Hinweis, daß die Ge¬ schichte, bzw. die Gesellschaft mit ihren Institutionen, Normen, Gesetzen historisch entstanden ist, d. h. von Menschen gemacht wurde. Man wendet sich damit gegen alle metaphysischen Ordnungsprinzipien, deren Genesis im Umkreis der philosophischen Tradition unbefragt blieb.« (U. Anacker/H. M.

6

neu zu bestimmende Geschichtlichkeit des eigenen Denkens kann man die Grundlage seines Werks sehen. »Mich ekelt vor jeder Theorie die nicht historisch ist«15, wie er 1798 seinem Bruder schreibt. Theoretische Erkenntnis ergibt sich für Schlegel immer aus der Gesamtheit histori¬ scher Entstehungsbedingungen und ihrer subjektiven Verarbeitung im Akt der Kritik, wodurch Vergangenes und Gegenwärtiges stets neu auf¬ einander zugeordnet werden. An Winckelmanns Kunstbetrachtung fin¬ det Schlegel dies erstmals exemplifiziert, und das gilt für alle Wissens¬ gebiete und Fragestellungen, denen er sich im Laufe seines Lebens zu¬ wendet. Schlegels Geschichtsphilosophie steht immer in einem mehr oder weniger deutlichen Gegenwartsbezug. Obschon also sein Werk von seinen Anfängen als klassischer Philo¬ loge bis hin zu den heilsgeschichtlichen Spekulationen der Spätphilosphie in eminentem Maße von geschichtsphilosophischen Vorstellun¬ gen bestimmt ist, so fällt es doch schwer, dahinter einen inhaltlich und methodisch einheitlichen Standpunkt auszumachen. So bewußt Schlegel seine Zeitgenossenschaft erlebte und mit seinen geschichtsphilosophischen Entwürfen darauf reagierte, so unergiebig wäre es aber, unmittelbare Abhängigkeiten von politischem Geschehen und Geschichtsphilosophie i. S. einer Ursache-Wirkung-Verkettung auf¬ spüren zu wollen. Ebenso unfruchtbar und unsinnig wäre es, den alten Vorwurf subjektiver Willkür und Überheblichkeit romantischen Den¬ kens zu wiederholen, wie er in dem sachlich zwar widerlegten, nichts¬ destoweniger aber wirkungsmächtigen Diktum vom »subjektiven Oc-

Baumgartner, Art. Geschichte. In: Handbuch philosophischer Grundbegriffe. Hg. v. H. Krings, H. M. Baumgartner u. Chr. Wild. Bd. 2. München 1973. S. 547-557; S. 549.). - Für Schlegel wird die Geschichte, bzw. die Geschichts¬ philosophie zur grundlegenden Disziplin: »Man kann im Gegensatz der kri¬ tischen Philosophie unsere Philosophie eine historische nennen. Aber da eine historische Philosophie auch kritisch seyn muß, so wird sie nicht im Gegen¬ satz der kritischen historisch seyn, sondern weil dies das Höhere ist, das jenes umfaßt.« (XII 96). »Schlegels Philosophie ist letzten Endes Geschichtsphilo¬ sophie.« (J. Körner in: Neue philosophische Schriften. S. 16). »Non critice sed historice est philosophandum«, - lautet die achte seiner Dissertationsthesen. Vgl. KA XVIII, xxxvi. - Zum sozialhistorischen Ursprung der Geschichts¬ philosophie und der modernen Geisteswissenschaften vgl. K. Mannheim, Das konservative Denken. Soziologische Beiträge zum Werden des politisch-hi¬ storischen Denkens in Deutschland. In: Wissenssoziologie. Hg. v. K. H. Wolff. Neuwied-Berlin 2. Aufl. 1970. S. 408-508; S. 456ff. W. Dilthey, Der Aufbau der geschichtlichen Welt in den Geisteswissenschaften. Einl. v. M. Riedel. Frankfurt 1974. 15 Friedrich Schlegels Briefe an seinen Bruder August Wilhelm. Hg. v. O. F. Walzel. Berlin 1890. S. 360. (Im Folgenden abgekürzt: Walzel).

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casionalismus« von Carl Schmitt und auf vergleichbare Weise von Georg Lukäcs auf marxistischer Seite erhoben wurde16. Es gibt für die romantische Geistesepoche in Deutschland keine grad¬ linige Entsprechung von politisch-gesellschaftlicher Emanzipation und literarischer Entwicklung17. Man muß das nicht als Verhängnis bewer16 »Die verblüffende Übereinstimmung dieser linken und rechten Kritik, diese gemeinschaftliche Brandmarkung eines angeblich anarchischen Subjektivis¬ mus in der Frühromantik, die noch im Schlußkapitel von Emil Staigers Schil¬ lerbuch in Erscheinung tritt, findet ihre Erklärung in der gemeinsamen Quel¬ le, in Hegel.« (E. Behler, Die Auffassung der Revolution in der deutschen Frühromantik, ln: Essays on European Literature. In Honour of L. Dieck¬ mann. St. Louis 1972. S. 191-215; S. 212). Vgl. G. Lukäcs, Kurze Skizze einer Geschichte der neueren deutschen Literatur. Neuwied-Berlin 1975. S. 64ff. Die neuere marxistische Forschung geht zur Romantik-Schelte von Lukäcs auf deutliche Distanz. Schon W. Krauss verwahrte sich gegen dessen »Schwarz-Weiß-Malerei«. (W. Krauss, Französische Aufklärung und deut¬ sche Romantik, ln: Perspektiven und Probleme. Zur französischen und deut¬ schen Aufklärung und andere Aufsätze. Neuwied-Berlin 1965. S. 266-284; S. 283); vgl. auch H. Mayer, Fragen der Romantikforschung. In: Zur deut¬ schen Klassik und Romantik. Pfullingen 1963. S. 263-305; S. 292ff. - »Die Romantik ist ein Produkt der durch die bürgerlich-demokratischen Umwäl¬ zung selbst in die Geschichte eingetretenen und offenbar gewordenen Zu¬ stände und Widersprüche, keinesfalls reiner Ausdruck der Restauration ge¬ wesen.« (C. Träger, Ursprünge und Stellung der Romantik. In: Weimarer Beiträge 21 (1975) H. 4. S. 37-73; S. 66). - Vgl. auch ders., Historische Dia¬ lektik der Romantik und Romantikforschung. In: Weimarer Beiträge 24 (1978). H. 4. S. 47-73; H.-D. Dahnke, Zur Stellung und Leistung der deut¬ schen romantischen Literatur. In: Weimarer Beiträge 24 (1978) H. 4. S. 5-20; K. Peter, Stadien der Aufklärung. Moral und Politik bei Lessing, Novalis u. Friedrich Schlegel. Wiesbaden 1980. S. llff. - Zur Begriffsgeschichte vgl. zu¬ letzt: R. Brinkmann, Romantik als Herausforderung. Zu ihrer wissenschaft¬ lichen Rezeption. In: Romantik in Deutschland. S. 7-37; neben der dort ange¬ führten Literatur vgl.: H. Eichner (Hg.), »Romantic« and its Cognate. The European History of a Word. Manchester 1972; G. Hoffmeister, Deutsche und europäische Romantik. Stuttgart 1978; S. Vietta, Frühromantik und Auf¬ klärung. In: ders. (Hg.), Die literarische Frühromantik. Göttingen 1983. S. 7-84. 17 So zeigt sich z. B. beim Versuch der politischen Einordnung und Bestimmung frühromantischer Postionen, daß »Begriffe, die auf ein empirisch-unmittelbares Verhältnis zur politischen Wirklichkeit zielen, keine geeigneten Kate¬ gorien sind, um das Verhältnis der beiden Frühromantiker zur Revolution und ihre produktive Auseinandersetzung mit ihr zu verstehen.« (R. Brink¬ mann, Deutsche Frühromantik und Französische Revolution. In: Deutsche Literatur und Französische Revolution. Göttingen 1974. S. 172-191; S. 176). Vgl. auch W. Schieder in: Romantik in Deutschland. S. 41 ff. - Entscheidend für die Verarbeitung der Französischen Revolution war, welcher Generation man angehörte. Vgl. O. Dann, Politische Voraussetzungen und gesellschaft¬ liche Grundlagen der deutschen Literatur zwischen Französischer Revolu-

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ten, sondern kann - mit Rene Wellek - gerade in der gesellschaftlichen Ungebundenheit und sozialen Bewegtheit romantischer Schriftsteller eine der Ursachen für die Radikalität der deutschen Romantik im Ver¬ gleich zu den meisten anderen romantischen Bewegungen sehen18. Da¬ mit soll nicht die Notwendigkeit und Ergiebigkeit sozialhistorischer Untersuchungen bestritten, sondern nur darauf verwiesen werden, daß »die Gleichzeitigkeit von Fortschritt und Reaktion in der damaligen Gegenwart wie überhaupt im geschichtlichen Prozeß«19 sich weder als kausaler Widerspiegelungszusammenhang noch mit dem psychologi¬ schen Kriterium subjektiver Überheblichkeit erfassen läßt. Die Verurteilung des romantischen Denkstils richtet sich dabei so¬ wohl gegen »die Unernsthaftigkeit der Aussagen«20, wie sie vor allem in der fragmentarischen und ironischen Mitteilungsweise zum Aus¬ druck kommt21, aber ebenso auch gegen den Eklektizismus romantition und Wiener Kongreß. In: Europäische Romantik I. Hg. v. K. R. Mandelkow. Wiesbaden 1982. S. 27-48: S. 47. (Neues Handbuch der Literaturwissen¬ schaft. Hg. v. K. von See. Bd. 14). C. Träger betont für die Frühromantik die Gleichzeitigkeit: »Die deutsche Romatnik entwickelte sich in genauer Paral¬ lelität zu den nachthermidorianischen Phasen der Französischen Revolution und als deren direkter ideologischer Reflex.« (C. Träger, Ursprünge. S. 61). Vgl. auch V. Deubel, Die F.-Sch.-Forschung. S. 63ff. 18 Vgl. R. Wellek, Der Begriff derRomantik in der Literaturgeschichte. In Grund¬ begriffe der Literaturkritik. Stuttgart 2. Aufl. 1971. S. 95-143; S. 121 u. 131. Zur Problematik des »sozial freischwebenden Intellektuellen« (A. Weber) vgl. W. Schieder in: Romantik in Deutschland. S. 44. K. Mannheim, Das konservative Denken. S. 454ff. A. Hauser, Sozialgeschichte der Kunst und Literatur. München 1972 (1. Aufl. 1953). S. 693ff. H. Möller, Epoche - sozial¬ geschichtlicher Abriß. In: H. A. Glaser (Hg.), Deutsche Literatur. Eine Sozial¬ geschichte. Bd. 5. Zwischen Revolution und Restauration. Klassik, Romantik 1786-1815. Reinbek bei Hamburg 1980. S. 14-29. - Was über A. Müller ge¬ sagt wird, trifft auch auf Schlegel zu: »Aber Müller hat diese soziale Um¬ schichtung nicht als gesellschaftliche Emanzipation erfahren, sondern vor allem die Kehrseite gesellschaftlicher Mobilität und Freizügigkeit kennen¬ gelernt: nämlich als persönliche Entwurzelung des Einzelnen und als daraus folgenden Verlust kultureller Identität.« (B. Koehler, Ästhetik der Politik. Adam Müller und die politische Romantik. Stuttgart 1980. S. 33. Dazu gehört auch »das Phänomen der Überassimilation« (ebda., S. 30); vgl. S. Vietta, Früh¬ romantik und Aufklärung. S. 36ff.; G. Peters, Das tägliche Brot der Literatur. Friedrich Schlegel und die Situation des Schriftstellers in der Frühromantik. In: Jb. d. dt. Schillergesellschaft 27 (1983). S. 235-282. 19 Chr. Dipper, Diskussionsbericht. In: Romantik in Deutschland. S. 158. 20 K. Röttgers, Kritik und Praxis. S. 115. 21 Vgl. F. N. Mennemeier, Fragment und Ironie beim jungen Friedrich Schle¬ gel. Versuch der Konstruktion einer nicht geschriebenen Theorie. In: Poetica 2 (1968). S. 348-370; bes. S. 358f. u. 366. - Zum Mitteilungsstil Schlegels vgl. K. Briegleb, Ästhetische Sittlichkeit. Versuch über Friedrich Schlegels System-

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scher Weltaneignung. Das betrifft nicht nur das frühromantische Pro¬ jekt einer Enzyklopädie aller Wissenschaften und Künste, sondern auch die spätromanlische Verbindung von Philosophie und Theologie22. Dahinter steht die grundlegende Frage nach dem romantischen Wis¬ senschaftsbegriff. Wie läßt sich einem Denken gerecht werden, das sich auf der Grenze, bzw. in der Spannung von Poesie und Wissenschaft bewegt und dessen Leistungen zunächst in der innovierenden Infrage¬ stellung und Erweiterung des herkömmlichen Wissenschaftsverständ¬ nisses und seiner Gegenstände liegen? Ernst Behler hat wiederholt dar¬ auf hingewiesen, daß Inhalt und Methodik der Geisteswissenschaften, obwohl erst von Dilthey begründet, auf mannigfache Weise von Schlegel und der Romantik vorweggenommen worden sind23. Es kommt also darauf an, der Eigenart und Eigenwilligkeit des ro¬ mantischen Denkstils, wie sie ex negativo im Diktum des »subjektiven Occasionalismus« umschrieben wird, gerecht zu werden. Das ist nicht als Verzeicht auf politische Wertung zu verstehen. »Schlegels Werk provozierte und provoziert die Parteinahme, und das bezeichnet bis heute seine Aktualität.«24 Das gilt erst recht für seine Geschichtsphi¬ losophie. Um aber diesem Geschichtsdenken gerecht zu werden, ist es nötig, die Kriterien zur Erfassung und Darstellung dieser Geschichts¬ philosophie aus der Sache selbst heraus zu entwickeln. Schlegels Denken bleibt Zeit seines Lebens von der Französischen Revolution bestimmt25, die 1792 mit den Koalitionskriegen auf Europa überzugreifen begann. Goethe hat darüber rückblickend in seiner »Cam¬ pagne in Frankreich 1792« Zeugnis abgegeben26. »Sie war keineswegs entwurf zur Begründung der Dichtungskritik. Tübingen 1962. S. 12f., 27ff. u. 30f. 22 E. Behler sieht in der Philosophie das Zentrum des Schlegelschen Werks. Vgl. KA XVIII, ix. Generell wird in der Forschung Schlegels Bedeutung »haupt¬ sächlich im Bereich der Literaturwissenschaft« gesehen. (V. Deutbel, Die F.Sch.-Forschung. S. 157). - Die wichtigsten Arbeiten zu den philosophischen Leistungen Schlegels sind neben denen Behlers die Arbeiten von M. Frank sowie die jeweiligen Einleitungen J. Körners in: Neue philosophische Schrif¬ ten. Vgl. auch K. Peter, Friedrich Schlegel. S. 13f. - Gerade im Falle Schlegels zeigt sich, von Ausnahmen abgesehen, eine weitgehende Vernachlässigung der Spätromantik zugunsten der Frühromantik. Vgl. W. Müller-Seidel in: Ro¬ mantik in Deutschland. S. 523ff. 23 Vgl. E. Behler, Die Kulturphilosophie Friedrich Schlegels. In: Zs. f. phil. For¬ schung 14 (1960). S. 68-85. 24 K. Peter, Friedrich Schlegel, S. 86. 25 Das gilt gerade auch für die Spätphilosophie. Vgl. R.-R. Wuthenow, Revolu¬ tion und Kirche. -‘'Vgl. J. W. von Goethe, Campagne in Frankreich 1792. In: Goethes Werke (Hamburger Ausgabe). Bd. 10. Hamburg 5. Aufl. 1972. S. 188-362; S. 235 u. 365.

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eine bloß französische Revolution. Sie war eine notwendige Krise, durch welche alle Völker Europas mehr oder weniger sich durcharbei¬ ten mußten«27, wie Henrik Steffens 1817 schreibt, und als solche haben Schlegel und seine Zeitgenossen sie, nicht zuletzt durch die dadurch aufgezwungenen Lebensumstände, erfahren und erlebt. Man erkannte sie als epochales Ereignis. Dafür wird häufig auf Schlegels Athenäums¬ fragment verwiesen: »Die Französische Revolution, Fichtes Wissen¬ schaftslehre, und Goethes Meister sind die größten Tendenzen des Zeit¬ alters« (II 198, 216), wobei die Ambivalenz und versteckte Ironie28 dieser Aussage im Gebrauch des Wortes »Tendenz« steckt: »nur Tenden¬ zen ohne gründliche Ausführung« (XVIII 85, 662). Es gilt, das Unvoll¬ endete und Vorläufige des politischen Ereignisses, ineinsgesetzt mit dem, was vergleichbare Veränderungen für die Künste und Wissen¬ schaften bewirkt hat29, in einen höheren, universellen Zusammenhang, »den

hohen weiten Standpunkt der Geschichte der Menschheit«

(II 198, 216), überzuführen und es von dorther zu verstehen30. Das Wort »Tendenz« macht das gewandelte Geschichtsverständnis deutlich. Das Interesse an der Geschichte richtet sich nicht mehr auf die außergeschichtlichen Endursachen, sondern auf die geschichtsim¬ manente Bewegung selbst, die in ihrer Heterogenität und Unbestimmt¬ heit, was ihren zukünftigen Verlauf betrifft, erfahren wird31. Das be¬ stimmt auch Schlegels Diagnose gegenwärtiger Zeit. Denn der Ge¬ brauch dieses Wortes bedeutet, daß »alles (. . .) nur noch Tendenz (sei), das Zeitalter sei das Zeitalter der Tendenzen« (II 367). Das zeitgeschicht¬ liche Erleben ist unmittelbarer Ausdruck dieser neuen Geschichtser¬ fahrung, die nun nicht mehr aus der Vergangenheit, sondern aus der noch unbestimmten Erwartung auf Zukünftiges sich herleitet. Das po27 H. Steffens zit. nach E. Rosenstock-Huessy, Die europäischen Revolutionen und der Charakter der Nationen. Stuttgart 3. Aufl. 1960. S. 5. Vgl. dazu: W. Abelein, H. Steffens’ politische Schriften. Zum politischen Denken in Deutsch¬ land in den Jahren um die Befreiungskriege. Tübingen 1977. 28 Darüber hat Schlegel in seinem Aufsatz »Über die Unverständlichkeit« (in: KA II 363-372) Rechenschaft abgegeben. 29 »Goethe und Fichte, das bleibt die leichteste und schicklichste Formel für allen Anstoß, den das Athenaeum gegeben, und für alles Unverständnis, welches das Athenäum erregt hat.« (II 367). 30 Vgl. W. Emrich, Der Universalismus der deutschen Romantik. Akad. d. Wiss. u. d. Lit. Abhdlgn. der Klasse der Literatur. 1964. Nr. 1. S. 8f. 31 »Die Herauslösung des Gegenstandes aus dem Bereich des bloß Kausalen und Determinierten hebt ihn auf die Stufe einer übergeordneten, nicht mehr zwingenden beweisbaren Sinneinheit, die ihrerseits nur in bezug auf die not¬ wendig eingegrenzte Fragestellung Verbindlichkeit besitzen kann.« (H. Mommsen, Historische Methode. S. 83).

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litische Ereignis selbst wird nicht aus seinen geschichtlichen und gesell¬ schaftlichen Ursachen heraus verstanden, sondern als etwas für die Zu¬ kunft zu Vollendendes32. Die Französische Revolution wurde in Deutschland nicht als sozia¬ ler Emanzipationsprozeß, sondern überwiegend als moralisch-philoso¬ phische Umwälzung und Verwirklichung aufklärerisch-humanistischer Ideale verstanden33. Desto entschiedener vollzog sich dann nach Jako¬ binerdiktatur und Directoire bei den meisten der Zeitgenossen eine Abkehr von der Revolution; man war »von der Notwendigkeit gera¬ dezu >religiös< überzeugt, daß die politisch sich verwirrende >Revolution< in der Sphäre des Geistes gereinigt und vollendet werden müsse.«34 Der ästhetische Kosmopolitismus der Romantiker begriff sich selbst als um¬ fassende kulturpolitische Erneuerung im Zeichen des politischen Ge¬ schehens. Schlegels Geschichtsdenken ist von dieser zeitgeschichtlichen Aktua¬ lität ebenso bestimmt wie es zugleich Ausdruck eines neuen Geschichts¬ verständnisses ist35. Indem die singularisierte Geschichte bzw. die Ge¬ schichtsphilosophie sich gegen die Pluralität der Einzelgeschichten durchsetzt, entsteht ein neuer Geschichtsbegriff mit einem bis dahin unbekannten Grad an Abstraktheit und Komplexität. Mit den Vorgän-

32 Vgl. R. Brinkmann, Deutsche Frühromantik und französische Revolutuion. S. 182. 33 Vgl. dazu H. Segeberg, Deutsche Literatur und Französische Revolution. Zum Verhältnis von Weimarer Klassik, Frühromantik und Spätaufklärung. In: K. O. Conrady (Hg.), Deutsche Literatur zur Zeit der Klassik. Stuttgart 1977. S. 243-266; C. Träger, Die Französische Revolution im Spiegel der deut¬ schen Literatur. Frankfurt a. M. 1979. 34 W. Malsch, »Europa«. Poetische Rede des Novalis. Stuttgart 1965. S. 4f.; vgl. J. Gebhardt (Hg.), Die Revolution des Geistes. München 1968. - Gegenüber dem klassisch-romantischen Kunstprogramm zeichnet sich die jakobinisch¬ spätaufklärerische Literatur durch den Versuch aus, im Zeichen der Revolu¬ tion zu »einer unmittelbar politischen Konkretisierung der Aufklärungs¬ philosophie durch deren Umsetzung in realitätsbezogene Handlungskonzep¬ te« (H. Segeberg, Deutsche Literatur und Französische Revolution. S. 253) gelangen zu wollen. Vgl. I. Stephan, Literarischer Jakobinismus in Deutsch¬ land (1789-1806). Stuttgart 1976; G. Mattenklott/K. R. Scherpe (Hg.); De¬ mokratisch-revolutionäre Literatur in Deutschland: Jakobinismus. Kronberg/Ts. 1975. 35 Ich beziehe mich im Folgenden auf die Arbeiten Kosellecks. Vgl. R. Koselleck, Vergangene Zukunft. Zur Semantik geschichtlicher Zeiten. Frankfurt 1979; ders. u. a„ Art. Geschichte, Historie. In: Geschichtliche Grundbegriffe. Historisches Lexikon zur politisch-sozialen Sprache in Deutschland. Hg. v. O. Brunner, W. Conze, R. Koselleck. Bd. 2. Stuttgart 1975. S. 593-717; ders. u. a., Art. Fortschritt. In: Geschichtliche Grundbegriffe. Bd. 2. S. 351-423.

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gen in Frankreich wird die Geschichte selbst als machbar und planbar erfahren; zugleich wächst damit die Einsicht in ihre Eigenmacht. Die¬ ser Vorgang der Prozessualisierung und Dynamisierung geschichtli¬ chen Geschehens indiziert einen grundsätzlichen Erfahrungswandel, wie ihn Koselleck an der Auflösung des Topos der Historia Magistra Vitae beschrieben hat: »Die neue Geschichte gewann eine ihr ei¬ gentümliche zeitliche Qualität, deren verschiedene Tempi und wech¬ selnde Erfahrungsfristen einer exemplarischen Vergangenheit die Evi¬ denz nahmen.«36 Die Zeit selbst wird als mehrschichtig, bzw. die Ge¬ schichte in ihrer Heterogenität erfahren, die jede gemachte Erfahrung übersteigt und in eine offene, unbestimmte Zukunft entläuft. »Ge¬ schichte und Fortschritt hatten ihren gemeinsamen Nenner in der Er¬ fahrung einer genuin geschichtlichen Zeit. Sie zu erkennen erforderte einen Standpunkt, der sich selbst als geschichtlich bedingt reflektieren mußte.«37 Damit aber ist die Notwendigkeit neuer Beschreibungskrite¬ rien gegeben, die diese Erfahrung der Gleichzeitigkeit des Ungleich¬ zeitigen, das Bewußtsein der Schnellebigkeit gegenwärtiger Zeit wie den Wechsel von Dauer und Veränderung in der Geschichte zum Aus¬ druck bringen können. Die Vielgestaltigkeit der Schlegelschen Geschichtsphilosophie hat ihre Ursache in dieser transzendentalen Wende des modernen Ge¬ schichtsbegriffs, womit die Bedingungen der Systematisierbarkeit der Geschichte nicht mehr im Bereich der res gestae, sondern dem der rerum gestarum memoria aufzusuchen sind.38 Erst im Durchlauf einer als Ganzes konzipierten Geschichte stellt sich Einheit her, bzw. die Geschichte selbst wird zum Einigungsprozeß aller Faktoren, die Ge¬ schichte ausmachen, wie sie Herder mit den Begriffen der »Bildung« und der »Humanität« zusammenfaßt. Geschichte wird damit selbst zum philosophischen Thema.39 Ihr Gegenstand ist der Wandel und die 36 R. Koselleck, Vergangene Zukunft. S. 46. 37 Ebda., S. 192. 38 Vgl. H. Schnädelbach, Geschichtsphilosophie nach Hegel. Die Probleme des Historismus. Freiburg-München 1974. S. 15f. 39 Von den zahlreichen Arbeiten zur Entstehung der Geschichtsphilosophie sei hier nur auf die Standardwerke verwiesen: F. Meinecke, Die Entstehung des Historismus. Hg. v. C. Hinrichs. München 4. Aufl. 1965; ders., Weltbürger¬ tum und Nationalstaat. Hg. v. H. Herzfeld. 8. Aufl. München 1962; K. Löwith, Weltgeschichte und Heilsgeschehen, Stuttgart-Berlin-Köln-Mainz. 6. Aufl. 1973; H. Blumenberg, Säkularisation und Selbstbehauptung. Erwei¬ terte und überarbeitete Neuausgabe von »Die Legitimation der Neuzeit«, er¬ ster und zweiter Teil. Frankfurt 1974. - Vgl. ferner M. Horkheimer, Anfänge der bürgerlichen Geschichtsphilosophie. In: Anfänge/Hegel und das Problem der Metaphysik/Montaigne und die Funktion des Skepsis. Mit einer Einlei-

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Veränderung. Wenn aber nicht mehr das Exemplarische interessiert, sondern das Kontingente und das Besondere, wie lassen sich dann noch gesicherte Aussagen machen? Wie läßt sich das Faktum des geschicht¬ lichen Wandels erklären, wenn - wie Schlegel in seiner Kritik an Condorcet deutlich macht40 - die Zurückführung auf allgemeine Gesetz¬ mäßigkeiten und damit der naive Fortschrittsoptimismus der französi¬ schen Aufklärung sich als untauglich erwiesen haben? Es geht dabei nicht um die geschehene Geschichte, sondern primär um die erzählte Geschichte, d. h. um die Frage, wie sich die Geschicht¬ lichkeit der Schlegelschen Geschichtsphilosophie aufzeigen läßt. Wo liegen die Ursachen und Gründe für den Wandel innerhalb dieses Ge¬ schichtsdenkens, wenn, wie behauptet wird, diese Veränderungen we¬ der aus dem objektiven zeitgeschichtlichen Ereigniszusammenhang ab¬ zuleiten noch als Ausdruck subjektiver Willkür und Beliebigkeit zu bewerten sind? Schlegel selbst verwendet die Begriffe der Revolution und der Re¬ stauration, bzw. der Wiederherstellung oder der Reaktion als Beschrei¬ bungskriterien für den geschichtlichen Wandel, d. h. für die mit seiner jeweils dargestellten geschichtlichen Zeit verbundenen geschichtsphi¬ losophischen Erwartungen und Perspektiven. So erhofft er im »Studium«-Aufsatz den Umschwung von dem diagnostizierten Zustand ge¬ genwärtiger Zeit hin zum angestrebten Objektiven durch eine Revo¬ lution, wobei offen bleibt, inwieweit die »ästhetische Revolution« (I 269) auch eine politische impliziert. Anläßlich der Wiederveröffent¬ lichung des »Studium«-Aufsatzes 1823 innerhalb der Gesamtausgabe ersetzt Schlegel das Wort »Revolution« weitgehend durch metaphori¬ sche Wendungen wie »Zerstörung und Naturkatastrophe«, »Entwick¬ lungsstufe«, »Wiedergeburt« u. a. m.41 So sehr der Begriff der Revolu¬ tion politischer Parteibegriff ist und als solcher gerade unter Metter¬ nich Gefahr lief, Anstoß zu erregen, so war doch zu jener Zeit immer noch der alte Bedeutungsgehalt von »revolutio« i. S. von »Umkehr« präsent. Alte zyklische und moderne dynamische Revolutionsauffas¬ sung bestanden nebeneinander fort.42 tung v. A. Schmidt. Frankfurt 1971. S. 9-83; U. Dierse/G. Schlotz, Art. Ge¬ schichtsphilosophie. In: Historisches Wörterbuch der Philosophie. Hg. v. J. Ritter. Bd. 3. Darmstadt 1974. Sp. 416-439. 40 Vgl. KA VII, 3-10. 41 Vgl. KA I, 262. I. Oesterle, Der »glückliche Anstoß« ästhetischer Revolution und die Anstößigkeit politischer Revolution. Ein Denk- und Belegversuch zum Zusammenhang von politischer Formveränderung und kultureller Re¬ volution im »Studium«-Aufsatz Friedrich Schlegels. In: Zur Modernität der Romantik. Literaturwissenschaft und Sozialwissenschaften. Bd. 8. Stuttgart 1977. S. 167-216; S. 192ff.

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Schlegel geht es auch dort, wo er auf eine Revolutionierung geschicht¬ licher Zeiten hofft, vor allem aber im Falle der mit dem Mittelalter verbundenen Wert- und Ordnungsvorstellungen, um die Wiederher¬ stellung eines aus der Geschichte entnommenen Ideals, bzw. wie im Falle des »Studium«-Aufsatzes »zunächst (um) eine ästhetische Restau¬ ration«43 antiker Objektivität. Es geht um die Konzeption eines der griechischen Antike vergleichbaren, den historischen Zeitenabstand be¬ rücksichtigenden, idealen Lebenszusammenhanges, wie er ihn mit sei¬ ner republikanischen Gemeinschaftsordnung anstrebt. In seiner späten Geschichtsphilosophie erwartet Schlegel das hereinbrechende Reich Gottes als Wiederherstellung der verlorenen göttlichen Ordnung mit¬ tels einer Revolutionierung geschichtlicher Zeiten, über deren zeit¬ liches Hereinbrechen er sich in endlosen Zahlenspekulationen ergeht. Gerade in der Restaurationszeit nimmt die Wiederherstellungsidee bei Schlegel revolutionäre Züge an.44 Der alte, naturale und transhistorische Revolutionsbegriff impliziert ein kreislaufförmiges Geschichtsmodell, d. h. »daß auch die geschicht¬ liche Zeit immer von gleicher Qualität, in sich geschlossen, wieder¬ holbar sei«.45 Noch Schiller verwendet 1788 den Revolutionsbegriff nicht i. S. eines dynamischen Geschehens, sondern zur Beschreibung 42 Bis 1789 war die Revolution ein der Naturgeschichte entlehntes Wort. Bei Herder finden sich noch alte und neue Bedeutung nebeneinander. Vgl. K. Griewank. Der neuzeitliche Revolutionsbegriff. Entstehung und Geschichte. Aus dem Nachlaß hg. v. I. Horn-Staiger. Frankfurt 1973. (1. Aufl. Weimar 1955). S. 183 u. 189ff.; R. Koselleck, Vergangene Zukunft. S. 70f. 43 H.-D. Weber, Friedrich Schlegels »Transzendentalpoesie«. Untersuchungen zum Funktionswandel der Literaturkritik im 18. Jahrhundert. München 1973. S. 146. »>Revolution< bedeutet weder dem frühen noch dem späteren Schlegel Selbstzweck; die unendliche Progression, als die sich für Schlegel die Revolution entsprechend ihrer strukturellen Identität mit der modernen Ge¬ schichte darstellt, gilt ihm als Mittel der Wiederherstellung.« (F. N. Menne¬ meier, Friedrich Schlegels Poesiebegriff. S. 36). 44 Das zeigt sich gerade in den kürzlich veröffentlichten Nachlaßfragmenten. Vgl. z. B. KA XXII 181,1; 207,80; 234,31.- Die Wiederherstellungsidee ist eine Reaktion auf die Französische Revolution, was sowohl in poetologischer wie in sozialhistorischer Hinsicht von weitreichender Bedeutung ist. »Inner¬ halb der Restaurationszeit nimmt die Wiederherstellung die Form einer ech¬ ten Bewegung an, die dynamisch und evolutionistisch ist. Ihr Kern ist die religiöse Erneuerung und von dieser Haltung her der Versuch einer Regenera¬ tion der Sozietät und der Gesellschaft.« (C. Heselhaus, Wiederherstellung. Restauratio-Restitutio-Regeneratio. In: DVjs 25 (1951). S. 54-81; S. 67. Pro¬ grammatisch erstmals bei Novalis. Vgl. C. Heselhaus, Die romantische Grup¬ pe. S. 96. 45 R. Koselleck, Vergangene Zukunft. S. 72.

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eines lnteressenkonflikts in der Tradition humanistischer Rhetorik.46 Erst mit der Französischen Revolution erweitert sich die partielle me¬ taphorische Bedeutung. Die Revolution wird zu einem unumkehrbaren Prozeß, der nicht mehr zurück in die Vergangenheit, sondern in eine noch unbekannte Zukunft verweist und den Zeitgenossen stets neue Perspektiven eröffnet bzw. Parteinahmen abverlangt. »Mit anderen Worten, die Revolution erhält eine transzendentale Pointe, sie wird zu einem regulativen Prinzip sowohl für die Erkenntnis wie für das Handeln aller von der Revolution erfaßten Menschen. Der revolutionäre Prozeß und das davon affizierte und auf ihn zurückwirkende Bewußt¬ sein der Revolution gehören seitdem untrennbar zusammen.«47 Die ge¬ schichtliche Zeit wird nicht mehr als gleichförmig und wiederholbar erfahren, sondern als singuläres Geschehen, das sich im Wechsel von Beschleunigung und Verzögerung, von Revolution und Reaktion vor¬ antreibt.48 Damit wird eine genuin menschliche Geschichte freigelegt. Alles wird von der Revolution erfaßt. Wesentlich für die politische Romantik ist in diesem Zusammenhang die Frage nach dem handeln¬ den Subjekt in der Geschichte und nach der Art und Weise der Ge¬ staltung des zu erreichenden Endziels, d. h. der jeweils angestrebten idealen politischen Ordnung.49 Wenn man Schlegels geschichtsphilosophisches Denken insgesamt als »postrevolutionär«50 bezeichnen kann, so ist damit dieser zeitge¬ schichtliche Bewußtseinswandel gemeint, wie er von Koselleck auch als Eliatusthematik des neuzeitlichen Geschichtsbegriffs, d. h. als sich zu¬ nehmend vergrößernde Kluft von vergangener Erfahrung und zukünf¬ tiger Erwartung, beschrieben wurde. »Die sich so beschleunigende Zeit benimmt der Gegenwart die Möglichkeit, sich als Gegenwart zu erfah¬ ren, und entläuft sich in eine Zukunft, durch die die unerfahrbar ge¬ wordene Gegenwart geschichtsphilosophisch eingeholt werden muß.«51 Vergangenheit und Zukunft werden stets neu auf eine sich progressiv verändernde Gegenwart hin zugeordnet. Die Geschichtsphilosophie selbst wird zu einem Medium der Zeitkritik. Es ist diese transzenden¬ tale Wende im modernen Geschichtsdenken und der damit verbundene

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Vgl. K. Griewank, Revolutionsbegriff. S. 178f. R. Koselleck, Vergangene Zukunft. S. 76f. Vgl. ebda. S. 34f. u. 148. Vgl. dazu (nach Fertigstellung der Arbeit erschienen): W. Voßkamp (Hg.), Utopieforschung. Interdisziplinäre Studien zur neuzeitlichen Utopie. 3 Bde. Stuttgart 1982. 50 K. Röttgers, Kritik und Praxis. S. 137. 51 R. Koselleck, Vergangene Zukunft. S. 34.

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neue Wissenschaftsanspruch, worin das Selbstverständnis Schlegels als Historiker gründet. Gegenüber Frankreich gab es in Deutschland im 18. Jahrhundert ein Geschichtsdenken, das Progression und Regression miteinander ver¬ band. Entscheidend dafür ist die Rousseausche Kulturkritik und der dort thematisierte Zwiespalt zwischen dem Fortschritt in den Künsten und Wissenschaften und dem Zerfall der Sitten, weshalb die ursprüng¬ liche Natur des Menschen im Gegensatz zum Prozeß der Zivilisation gerät; nicht weniger einflußreich für Schlegel und die Romantik ist Herders zyklisch-progressive Geschichtsphilosophie ebenso wie die Pie¬ tismus- und Aufklärungsradition.52 Es ist vor allem Lessings Chiliasmus und der ihm zugrunde liegende Triplizitätszyklus, »seine (d. h. Lessings) Verkündigung eines neuen Evangeliums, seine Meinung von einem dritten Weltalter, sein Glaube an eine große Palingenesie der Religion« (III 93), was für Schlegel und seine Generationsgenossen Epo¬ che gemacht hat.53 Von Lessing und der Spinoza-Renaissance leitet sich das romantische »Totalitätspathos«54 her, wie es gerade an Schlegels Religionsbegriff ablesbar ist, der zunächst auf die geschichtsphiloso¬ phische Idealität des griechischen Lebenszusammenhanges, dann auf einen gegenwartsbezogenen,

universalen Christianismus und

nach

1802 auf die mittelalterlichen Lebensformen bezogen ist, wie er sie im Ständestaat und einem übernationalen Papsttum repräsentiert findet. In allen diesen Fällen ist das Konstrukt einer idealen Gemeinschafts¬ ordnung verbunden mit der Hoffnung auf revolutionären Umschwung und Erneuerung. Was Antikekult und Mittelalter-Verherrlichung mit¬ einander verbindet, ist der implizite Kontrast zur politischen Wirklich¬ keit Deutschlands. Die mit dem Mittelalter verbundenen Wertsetzun¬ gen sind, - so reaktionär sie heute auch erscheinen mögen -, eine Fortset¬ zung des ästhetischen Humanismus der neunziger Jahre im Zeichen einer zunehmenden Politisierung der literarischen Öffentlichkeit, die im Zusammenhang mit den von Frankreich ausgehenden Veränderun¬ gen zu sehen ist. Dem Begriff der Revolution kommt für Schlegels Geschichtsdenken eine politische Ambivalenz und Bedeutungsvielfalt zu, wie auf vergleich¬ bare Weise auch dem Volksgeistbegriff, der sich gleichermaßen durch 52 Vgl. dazu K. Peter, Stadien. S. 123ff.; K. Griewank, Revolutionsbegriff S. 176. 53 Vgl. dazu M. Bollacher, Lessing: Vernunft und Geschichte. Untersuchungen zum Problem religiöser Aufklärung in den Spätschriften. Tübingen 1978. 54 H. Timm, Die heilige Revolution. Das religiöse Totalitätskonzept der Früh¬ romantik. Frankfurt 1978. S. 15.

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einen emanzipatorischen wie durch einen quietistisch-rückschrittlichen Wert auszeichnet.55 Als

Beschreibungskriterium für Schlegels Ge¬

schichtsphilosophie erhält der Begriff der Revolution wie auch der der Restauration56 seinen Aussagewert erst durch den jeweiligen Sachver¬ halt und durch die Zielsetzung der dargestellten geschichtlichen Zeit, d. h. den Ursprungs- und Zielvorstellungen der jeweiligen geschichts¬ philosophischen Konstruktion. Zugleich erschließt sich damit, in Hin¬ blick auf ein stets sich veränderndes spezifisches Gegenwartsinteresse, Inhalt und Zielsetzung der politischen Romantik.57 Der Begriff der Revolution dient als Indikator für einen herbeizu¬ führenden geschichtlichen Wandel, wobei das optimistische Vertrauen in die Gestaltbarkeit geschichtlicher Kräfte in den neunziger Jahren bald einer zunehmenden Skepsis angesichts der Übermacht der Ge¬ schichte weicht. In seiner Spätphilosophie wird geschichtliche Verän¬ derung nur noch als Vollzug göttlicher Offenbarung konzipiert. Die Geschichte selbst, ausgerichtet auf das Einwirken göttlicher Kräfte, ist damit wieder zu einem statischen Heilsgeschehen geworden. 55 Vgl. E. Rothacker, Einleitung in die Geisteswissenschaften. Tübingen 1920. S. 84ff.; ders., Savigny, Grimm und Ranke. Ein Beitrag zur Frage nach dem Zusammenhang der Historischen Schule. In: Hist. Zs. 128 (1932). S. 415-445; S. 423ff. 56 Restauration und Revolution sind zunächst politisch wertfreie Begriffe, die beide einen Bruch bestehender politischer Ordnung hinsichtlich Tradition, Rechtskontinuität und Legitimität indizieren. Vgl. R. A. Kann, Was heißt Restauration? Begriff und Wirklichkeit eines geschichtlichen Vorgangs. In: Wort und Wahrheit 16 (1961) S. 345-360; S. 345f; ders., Die Restauration als Phänomen in der Geschichte. Graz-Wien-Köln 1974; E. Rosenstock-Huessy, Die europäischen Revolutionen. S. 24. 57 C. Schmitts wirkungsmächtiges Buch (Politische Romantik. Berlin 3. Aufl. 1968) war schon zu seiner Zeit (1. Aufl. 1919) als zwar bedeutendes, aber einseitiges und letztlich, was die deutsche Romantik betrifft, unhistorisches Werk anerkannt und umstritten. »Nicht nur das politische Ideal der katho¬ lisch-monarchischen Einheitskultur, auch das ästhetische Ideal des spanisch¬ französischen, monarchisch-feudalen Klassizismus fundiert (nicht immer völ¬ lig bewußt) seinen Begriff der politischen Romantik.« (C. Brinkmann, Carl Schmitts Politische Romantik. In: Archiv f. Sozialwiss. und Sozialpolitik. 54 (1925). S. 530-536; S. 532). Vgl. dazu auch: P. R. Rohden, Die politische Ge¬ dankenwelt der Neuzeit in ihren weltanschaulichen Grundlagen. In: Archiv f. Politik und Geschichte 2 (1924). S. 167-202; 3 (1924). S. 318-351. Zu den politischen Implikationen vgl. K. Löwith, Der okkasionelle Dezisionismus von C. Schmitt. In: Gesammelte Abhandlungen zur Kritik der geschichtli¬ chen Existenz. Stuttgart 1960. S. 93-126. Daß von Schmitts Buch immer noch wichtige Impulse ausgehen, machen die Referate der ersten Sektion (in: Ro¬ mantik in Deutschland. S. 39ff.) deutlich. Zur Begriffsgeschichte der politi¬ schen Romantik vgl. B. Koehler, Ästhetik der Politik. S. 13ff. Immer noch grundlegend: P. Kluckhohn, Persönlichkeit und Gemeinschaft. Halle 1925.

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So bedeutend die Französische Revolution und ihre Folgen für Schle¬ gel auch sind, so läßt sich sein Geschichtsdenken nicht vom politischen Ereigniszusammenhang der revolutionären Vorgänge in Frankreich her verstehen. Die damals sehr beschränkten Kommunikationsmöglich¬ keiten sind dabei ebenso zu berücksichtigen wie »die fehlende geistige, politische und soziale Kohärenz«,58 weshalb eine Frankreich vergleich¬ bare politische Kultur und die objektiven Voraussetzungn für eine Re¬ volution in Deutschland nicht gegeben waren.59 Die Auseinanderset¬ zung mit der Revolution findet zunächst auf der Ebene der durch die Querelle und der zeitgenössischen Naturrechtsdiskussion vorgegebenen Problemstellungen statt. Die Revolution selbst wurde von Schlegel und seinen Zeitgenossen nicht so sehr als politisches Ereignis verstanden, sondern vor allem als willkürlicher Akt geschichtlicher Diskontinuität,60 bzw. als Anbruch einer »neuen Zeit« (II 409), deren Inhalt und Ziel noch unbestimmt ist. Mit der Französischen Revolution beginnt die Politisierung der Kün¬ ste und Wissenschaften sowie aller Lebensbereiche des Menschen. Für Frankreich ist das exemplarisch ablesbar an der überragenden Bedeu¬ tung Jacques Louis Davids und des an der römischen Antike orientierten Revolutionsklassizismus, dessen heroische, gemeinschafts¬ fördernde Tugendideale sich gleichermaßen gegen eine bürgerlichpatriachalische Weltanschauung wie gegen die Rokoko-Kultur des An¬ den regime richteten.61 Auch der deutsche Philhellenismus der neunzi58 J. Gebhardt, Zur Physiognomie einer Epoche. In: Ders. (Hg.), Die Revolution des Geistes. München 1968. S. 10. 59 Vgl. ebda. S. 11 ff.; dazu zuletzt: G. Schulz, Die deutsche Literatur zwischen Französischer Revolution und Restauration. Erster Teil. 1789-1806. Mün¬ chen 1983. Dort sowie bei J. Gebhardt umfangreiche bibliographische An¬ gaben zur Sozialhistorie. Gerade die neuere Forschung hat sich in Verbin¬ dung von Sozialgeschichte und Werkanalyse der Bedeutung der Französi¬ schen Revolution für die Goethezeit zugewandt. Neben den oben (in Anm. 16ff.) genannten Werken vgl. auch D. Borchmeyer, Höfische Gesell¬ schaft und französische Revolution bei Goethe. Adeliges und bürgerliches Wertsystem im Urteil der Weimarer Klassik. Kronberg/Ts. 1977. 60 »Die Zäsur, welche die Französische Revolution darstellte, verwandelte für das Bewußtsein der Zeitgenossen die Geschichte von einem einheitlichen Kontinuum menschlicher Entfaltungs- und Erfahrungsmöglichkeiten in ei¬ nen Raum der Diskontinuität, in dem die Erinnerung an Zustände und Er¬ zeugnisse, welche dem permanenten Wandel zum Opfer fielen oder zu fallen drohten, bewußt zu bewahren ist.« (W. Hardtwig, Traditionsbruch und Erin¬ nerung. Zur Entstehung des Historismusbegriffs, ln: M. Brix/M. Steinhäuser (Hg.), »Geschichte allein ist zeitgemäß.« Historismus in Deutschland. LahnGießen 1978. S. 17-27; S. 22f. Vgl. auch R. Koselleck, Art. Geschichte, Hi¬ storie, S. 702ff. 61 Vgl. A. Hauser, Sozialgeschichte. S. 662ff.; zum Begriff der Politisierung vgl.

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ger Jahre ist in diesem zeitgeschichtlichen Kontext zu sehen. Was Fran¬ zösische Revolution und Antikekult miteinander verbindet, ist der hu¬ manistische Aspekt einer Erneuerung der menschlichen Kultur, sowohl was die Bildung des einzelnen in Gemeinschaft mit anderen betrifft als auch die Ordnung der Staaten untereinander und die Möglichkeiten »ewigen Friedens«.62 Ästhetische und politische Kultur sind im klassisch-romantischen Kunstprogramm kaum voneinander zu trennen. Denn was die Grie¬ chen so ideal erscheinen läßt, ist die Einheit von individueller Kunst¬ äußerung und gesellschaftlichen Zusammenhang, wie sie im Deutsch¬ land der Gegenwart nicht gegeben war, sondern nur als Forderung nach ganzheitlicher Ausbildung des einzelnen in allen seinen Kräften besteht. Was die eigene Zeit auszeichnet, ist die Vereinzelung und De¬ formation der Individuen, wie sie schon von Winckelmann empfunden wurde und sich in der romantischen Philisterkritik fortsetzt. Demge¬ genüber gibt es in der antiken Idealwelt noch nicht den Gegensatz von Kunst und Leben, von Privatbereich und höfisch-staatlicher Ordnung, wie er die Gesellschaft des Absolutismus prägt und für die Zeitgenossen identisch ist mit dem Gegensatz von Moral und Politik.63 Mit der Kon¬ zipierung einer idealen Gemeinschaftsordnung richtet sich das ro¬ mantische Geschichtsdenken sowohl gegen den mechanisch-absoluti¬ stischen Staat wie gegen den Terror der Jakobinerherrschaft, der als Verrat an den ursprünglichen Zielen der Revolution empfunden wur¬ de. Später, mit der Auflösung der alten Reichsordnung im Jahre 1806, wendet es sich dann gegen Napoleon und die von Frankreich ausge¬ henden Veränderungen. Schlegels Geschichtsphilosophie ist somit immer auch Zeit- und Kulturkritik und als solche parteiisch und standortbezogen.64 »Kultur¬ krisis ist keine Einzelsituation. Es ist das Wesen der Kultur, in der Krisis zu stehen.«65 Die Erfahrungen geschichtlicher Diskontinuität F. Valjavec, Die Entstehung der politischen Strömungen in Deutschland 17701815. Düsseldorf 1978. (1. Aufl. 1951). S. 7ff. 62 Vgl. dazu zuletzt: E. Behler, Französische Revolution und Antikekult. In: Europäische Romantik I. S. 83-112; W. H. Bruford, The German Tradition of Self-Cultivation. »Bildung« from Humboldt to Thomas Mann. London 1975; G. Schulz, Die deutsche Literatur. S. 156ff. 03 Vgl. grundlegend R. Kosellek, Kritik und Krise. Ein Beitrag zur Pathogenese der bürgerlichen Welt. 2. Aufl. Freiburg-München 1969. S. 105ff.; dazu zu¬ letzt K. Peter, Stadien S. 14ff. u. 139ff. 64 Vgl. KA VII, 109 u. 129f. 65 E. Spranger, Die Geburt des geschichtsphilosophischen Denkens aus Kultur¬ krisen. In: Kulturphilosophie und Kulturkritik. Hg. v. H. Wenke. Gesam¬ melte Schriften Bd. V. Tübingen 1969. S. 194-210; S. 204.

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bleibt nicht auf das Ereignis von 1789 oder auf die Jahrhundertwende beschränkt,66 sondern wird zu einer mit dem geschichtlichen Prozeß fortschreitenden Erfahrung. Gerade in Schlegels später Geschichts¬ philosophie spricht sich »ein aufs höchste gesteigertes Krisenbewußt¬ sein«67 aus. Aber auch für Schlegel selbst, ablesbar an den äußeren Stadien seiner geistigen Entwicklung und den ihnen zugrunde liegen¬ den Lebensumständen, wird dieser diskontinuierliche Prozeß erkenn¬ bar, wenn man die Wendepunkte dieses Lebens in seinem zeitgeschicht¬ lichen Zusammenhang betont: der Übergang von der angeblichen »Gräkomanie« zur frühromantischen Theorie, ablesbar u. a. am »StudiumsAufsatz von 1795/7; von der Auflösung des Jenaer bzw. Berliner Ro¬ mantikerkreises zur Übersiedlung nach Paris im Jahr 1802; die sich während seines Pariser und Kölner Aufenthaltes vorbereitende Kon¬ version im Jahr 1808 und der kurz darauf folgenden Übersiedlung nach Wien und dem Eintritt in die habsburgischen Dienste; die Zeit der kurzen »vita activa« als österreichischer Legationssekretär am Frank¬ furter Bundestag 1815, die aufgrund von Intrigen, Enttäuschungen und Mißverständnissen in eine persönliche Krise und zum Rückzug von der politischen Tätigkeit führt; schließlich vollzieht sich um 1820 all¬ gemein eine Konsolidierung der Metternichschen Restauration;68 für Schlegel selbst beginnt die produktive Phase seiner Spätphilosophie. Dieser diskontinuierlichen Abfolge von Lebens- und Entwicklungs¬ stadien entspricht eine auf vielschichtige Weise in sich verwobene gei¬ stige Entwicklung. Vieles von dem, was später ausgeführt wird, findet sich schon präfiguriert in seinen Anfängen. Die neuere Forschung hat darauf immer wieder hingewiesen.69 Gerade mit seinen späteren Vor¬ lesungen kehrt Schlegel zum Teil zu frühromantischen Positionen zu¬ rück. Schlegels Geschichtsphilosophie ist nicht die romantische Geschichts¬ philosophie, sondern eine unter vielen.70 Auch ist sie keineswegs in dem Sinne als repräsentativ für die Goethezeit zu bewerten wie die Geschichtsschreibung Johannes von Müllers71 oder wie im Falle der 66 Vgl. R. Koselleck, Art. Geschichte, Historie, S. 702ff. 67 U. Behler in: KA XXII, xvii. 68 Vgl. E. Winter, Romantismus, Restauration und Frühliberalismus im öster¬ reichischen Vormärz. Wien 1968. S. 101, 110 u. 125f. 69 Vgl. zuletzt K. K. Polheim, Friedrich Schlegel und Österreich. S. 75f. 70 Grundlegend, trotz der tendenziösen Abwertung der aufklärerisch-frühro¬ mantischen Traditionen: A. Baeumler, Das mythische Weltalter. Bachofens romantische Deutung des Altertums. München 1965. 71 Vgl. W. Dilthey, Johannes von Müller. In: Gesammelte Schriften XI. StuttgartGöttingen 3. Aufl. 1965. S. 79-92; vgl zuletzt: Werner Kirchner, Johannes

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österreichischen Historiographie Josef Freiherr von Hormayr.72 Die Bedeutung der Schlegelschen Geschichtsphilosophie liegt zunächst dar¬ in, daß er wie kein anderer seiner romantischen Generationsgenossen den geistesgeschichtlichen Wandel der Romantik und die damit ver¬ bundenen politischen Positionsveränderungen durchläuft, was auch für sein Geschichtsdenken folgenreich ist. Sein Bruder und Tieck behalten Zeit ihres Lebens ihre liberalen Überzeugnungen bei. Novalis, bei dem vieles der späteren romantischen Staats- und Geschichtsphilosophie vor¬ weggenommen ist, stirbt 1801. Adam Müller gehört, trotz seiner Auf¬ arbeitung und Verbreitung der frühromantischen Kunsttheorie, von sei¬ ner Wirkung her schon der nächsten Romantikergeneration an. Anders als Schlegel steht er, bedingt durch den beherrschenden Einfluß von Burke, der Französischen Revolution von Anfang an ablehnend ge¬ genüber. Joseph Görres steht, was die Entwicklung von anfänglicher Sympathie für die Revolution hin zu dem Ultramontanismus der Spät¬ philosophie betrifft, Schlegel in mancher Hinsicht am nächsten, wobei allerdings zu fragen ist, inwieweit dessen Geschichtsphilosophie als »romantisch« zu bewerten ist, bzw. ob und inwieweit Görres wie auch Ernst Moritz Arndt überhaupt zur Romantik zu zählen sind.73 Es gibt bei Schlegel keine einheitliche, in sich kohärente Geschichts¬ philosophie wie im Falle des naturhaft-organologischen Entwicklungs¬ denkens bei Herder, Görres und Savigny oder wie bei der philosophi¬ schen Sicht der Geschichte Hegels als Emanzipation des Geistes.74 Schle¬ gels Geschichtsphilosophie liegt keine philosophische Basistheorie zu-

von Müller über den Fürstenbund. Aus dem Nachlaß mit einer Einleitung v. O. Pöggeler. Hg. v. Chr. Jammers, ln: DVjs 55 (1981). S. 417-556. 72 Vgl. H. Ritter von Srbik, Geist und Geschichte vom deutschen Humanismus bis zur Gegenwart. Bd. 1. München-Salzburg 1950. S. 229ff.; E. Winter, Romantismus. S. 59, 88 u. 117f. 73 So klammert C. Schmitt Görres aus seiner Darstellung weitgehend aus. Für G. Müller gehört Görres nicht zur romantischen Schule. Vgl. G. Müller in: J. Görres, Geistesgeschichtliche und literarische Schriften I. 1803-1808. Ge¬ sammelte Schriften. Bd. 3. S. xvi. - Das gilt mehr noch für E. M. Arndt, was aber nicht der engen Zeitgenossenschaft mit den Romantikern, wie sie sich in parallelen Bestrebungen und Tendenzen niederschlägt, widerspricht. So hat man Arndts »Germanien und Europa« »ein säkulares Gegenstück zu Nova¬ lis’ (Europa-)Essay« genannt. (J. Krogoll, Geschichte im Drama und im Ro¬ man der Romantik. In: Europäische Romantik I. S. 319-354; S. 327). 77 Vgl. W. Wieland, Art. Entwicklung, Evolution. In: Geschichtliche Grundbegrif¬ fe, Bd. 2. S. 199-228; K. Löwith, Von Hegel zu Nietzsche. Der revolutionäre Bruch im Denken des neunzehnten Jahrhunderts. Frankfurt 1969. S. 44ff. u. 221 ff. W. Schulz, Philosophie in der veränderten Welt. Pfullingen 2 Aufl 1974. S. 494ff.

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gründe, obschon gerade das frühromantische Geschichtsdenken an dem Kantischen Entwurf eines möglichen Fortschritts »in weltbürger¬ licher Absicht« orientiert ist.7-’ Am ehesten wird Eduard Sprangers Beschreibung der »Geburt des geschichtsphilosophischen Denkens aus Kulturkrisen« Schlegel gerecht als einer Philosophie der Geschichte, die weder als Theodizee, also von einem absoluten Standpunkt wie im Falle Hegels, noch von der Punktualität des Gegenwärtigen als »das entgegengesetzte Extrem zu dem Hegelschen Standort der Allwissenheit«76 aus zu begreifen ist, sondern als historisch vermittelte Gegenwartserkenntnis: »Die Gegenwart ist immer Krisis, die Zukunft soll die Lösung dieser Krisis bringen.«77 Gerade in den geschichtlichen Umbruchzeiten und dem damit ver¬ bundenen Fragwürdigwerden eines naiven Fortschrittsoptimismus ent¬ steht die kulturphilosophische Besinnung der Gegenwart.78 ln dieser Gegenwartsbezogenheit geschichtsphilosophischer Konstruktion steckt die erstmals von Herder formulierte Einsicht, daß jede Epoche ihren Eigenwert in sich selbst hat. Die damit verbundene kulturkritische, bzw. kulturpessimistische Einschätzung gegenwärtiger Zeit wird ver¬ stärkt durch die eminente, aber meist nur indirekt spürbare Wirkung Rousseaus auf die deutsche Romantik.79 Schlegels Geschichtsphilosophie ist Krisenphilosophie,80 oder wenn man die Verbindung von Zeitkritik und Endzeitbewußtsein her¬ vorheben will - »Katastrophentheorie«81. Das gilt nicht nur für Schle75 Vgl. I. Kant, Idee zu einer allgemeinen Geschichte in weltbürgerlicher Ab¬ sicht. In: Schriften zur Anthropologie, Geschichtsphilosophie, Politik und Pädagogik 1. Werkausgabe Bd. XI. Hg. v. W. Weischedel. Frankfurt 1977. S. 31-50. 76 E. Spranger, Die Geburt. S. 198. 77 Ebda., S. 200. 78 Vgl. A. Dempf, Kulturphilosophie. Handbuch der Philosophie. Hg. v. A. Baeumler u. M. Schröter. Abt. IV. Staat und Geschichte. 1934. S. 5. 79 Mit der Ablehnung der politischen Folgen der Revolution, bzw. mit der Ab¬ kehr vom anfänglichen Revolutionsenthusiasmus endet auch die »aktive« Rousseaurezeption. - »Im Gegensatz zur englischen und französischen ist die deutsche Romantik nicht an Rousseau orientiert; ihr fehlt der moralische Optimismus, das Vertrauen auf Gott und Vorsehung, aber auch der Fort¬ schrittglaube (...).« (R. Wellek, Deutsche und englische Romantik: eine Kon¬ frontation. In: Konfrontationen. Vergleichende Studien zur Romantik. Frank¬ furt 1964. S. 9-41; S. 24). 80 »Das neuzeitliche Geschichtsbewußtsein ist Krisenbewußtsein, und alle neu¬ zeitliche Geschichtsphilosophie ist im Grunde Krisenphilosophie.« (J. Molt¬ mann, Theologie der Hoffnung. München 6. Aufl. 1966. S. 210). 81 R. Stadelmann, Die Romantik und die Geschichte. In: Romantik. Ein Zyklus Tübinger Vorlesungen. Hg. v. Th. Steinbüchel. Tübingen-Stuttgart 1948. S. 151-175; S. 153. Vgl. J. Moltmann, Theologie der Hoffnung. S. 239.

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gel, sondern kennzeichnet generell die Verbindung von Kulturkritik und Geschichtsphilosophie in der Nachfolge der Romantik.82 Der Grund für die Vielgestaltigkeit der Schlegelschen Geschichts¬ philosophie liegt in der transzendentalen Wende des modernen Ge¬ schichtsdenkens. Indem die Geschichte zur sich wandelnden Größe wechselnder, in Vergangenheit und Zukunft entlaufender Perspektiven wird, ist die Möglichkeit gegeben, geschichtliche Zeit selbst zu thema¬ tisieren, wie es Koselleck mit den Kategorien des Erfahrungsraumes und des Erwartungshorizontes getan hat, wodurch die Gegenwart als stets neue Zeit geschichtsphilosophisch bestimmt wird.83 Dahinter wird das romantische Konzept einer sich aus Erinnerung und Ahnung »Zukunft als Vergangenheit, Vergangenheit als Zukunft«84 - zusam¬ mensetzenden Geschichtserfahrung erkennbar, bzw. der alltägliche Be¬ fund, daß vergangene Erfahrung und zukünftige Erwartung nie zur Deckung gelangen.85 Der »heilsame(. . .) Regreß des Geistes in seinen Ursprung«86 enthält immer einen impliziten Gegenwartsbezug, nicht anders wie die Zielvorstellungen vom goldenen Zeitalter, ewigen Frie¬ den oder vom Reich Gottes. Gerade auf die romantische Geschichts¬ philosophie trifft zu, daß sie immer »die Selbstinterpretation einer Zeit, nicht aber die gültige Auslegung der Geschichte überhaupt (ist)«87. Von einer Geschichtsauffassung im »Chroniken-Stil«88 hat sich das Ge¬ schichtsverständnis der Romantiker emanzipiert. »Ohne das epochale Bewußtsein der Romantik, ohne das fort¬ währende Problematischwerden der Gegenwart, das die Gedankenwelt der Romantik beherrscht, wäre der ganze Historismus des 19. Jahr¬ hunderts und damit eine der tiefsten Umwälzungen der Geistesgeschichs: Vgl. dazu W. Schulz, Philosophie in der veränderten Welt. S. 576ff. 83 »Die Kluft zwischen Vergangenheit und Zukunft wird nicht nur größer, son¬ dern die Differenz zwischen Erfahrung und Erwartung muß dauernd neu, und zwar auf immer schnellere Weise überbrückt werden, um leben und handeln zu können.« (R. Koselleck, Vergangene Zukunft. S. 369). 84 A. Henkel, Was ist eigentlich romantisch? Im: Festschrift für R. Alewyn. Hg. v. H. Singer u. B. von Wiese. Köln-Graz 1967, S. 292-308; S. 302. 85 Vgl. R. Koselleck, Vergangene Zukunft. S. 358. 8(1 A. Henkel, Was ist eigentlich romantisch? S. 301. 871. Fetscher, Art. Geschichtsphilosophie. In: Philosophie. Hg. v. A. Diemer/I. Frenzei. (Das Fischer Lexikon). Frankfurt 1967 (l.Aufl. 1958) S 76-95S. 80. 88 A. W. Schlegel, Die Kunstlehre. Kritische Schriften und Briefe II. Hg. v. E. Löhner. S. 16. - »Der Chronikenschreiber ist der Stümper in der Geschichte er will alles geben und giebt nichts.« (Novalis, Vorarbeiten 1798. In: Novalis. Bd. 2. Das philosophisch-theoretische Werk. Hg. v. H.-J. Mähl München 1978. S. 380).

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te undenkbar.«89 In der Theorie wie in der poetischen Praxis manife¬ stiert sich dieses neue Geschichtsbewußtsein auf mannigfache Weise. Die Romantik als literarische und geistesgeschichtliche Bewegung hat ihre Grundlage in der Entdeckung und Aufarbeitung (literar-)geschichtlicher Traditionen für die eigene Zeit unter jeweils wechselnden Par¬ teinahmen und Perspektiven. Das betrifft nicht nur die Poesie, sondern auch die politische Zeitkritik und Tagesschriftstellerei, was sich wie im Falle von Schlegels patriotischer Lyrik mitunter kaum voneinander tren¬ nen läßt.90 Aus dieser Gegenwartsbezogenheit geschichtsphilosophischer Inter¬ essen und Fragestellungen ist auch das oft zitierte Wort vom Historiker als »rückwärts gekehrte(n) Prophet(en)« (II 176, 80) zu verstehen. Der Rückgriff auf die Geschichte dient der Freisetzung neuer Perspektiven für die eigene Zeit. Nicht als fortschreitende Regression,91 sondern in der stets neu einsetzenden, geschichtphilosophisch begründeten Gegen-

89 A. Hauser, Sozialgeschichte. S. 687f. - »They all realized that they were living in a curical period. A keen sense of the flight of time was not only one of the emotional and lyrical leitmotifs in their poetical works, it was also, besides being a great philosophical theme, a kind of theoretical postulate of their aesthetics.« (A. Elistratova, Romantic Writers and the Classical Literary Heritage. In: European Romanticism. Ed. by I. Söter and 1. Neupokoyeva. Bu¬ dapest 1977. S. 91-126; S. 91). 90 »Die politische Operationalisierung historischer Stoffe ist eine romantische Erfindung. Sie repräsentiert einen neuen Abschnitt literarischer Geschichts¬ adaption. (...) Zwei Impulse erwecken neues literarisches Interesse an der Geschichte. Scheinbar unvermittelt, lassen sie sich doch als Aufschlüsse ein und desselben Bedürfnisses nach überindividueller säkularer Selbstvergewis¬ serung begreifen: die transzendentale Geschichtsdeutung des Idealismus und die spekulative Rekonstruktion einer nationalen Identität aus der Historie durch die Vertreter eines beginnenden Irrationalismus.« (J. Krogoll, Geschich¬ te im Drama. S. 319f.). Zum Weiterwirken dieses neuen Geschichts- und Wirk¬ lichkeitsbegriffs vgl. H. V. Geppert, Der »andere« historische Roman. Theo¬ rie und Strukturen einer diskontinuierlichen Gattung. Tübingen 1976. 91 Die quietistisch-rückschrittliche Tendenz wird von Baeumler betont: »Die innere Haltung des Romantikers ist ganz und gar eine Bewegung zurück.« (A. Baeumler, Das mythische Weltalter. S. 195). »Der Liebe zum Vergange¬ nen entspricht ein Erleiden, nicht ein Tun; die Willigkeit ist der Sinn des romantischen >ZurückVorwärts< ist. Der romantische Mensch fühlt sich unmittelbar mit der Vergangenheit verbunden. Sein Ver¬ stehen des Vergangenen ist kein intellektueller Prozeß, sondern ein Erinnern, ein Herausholen aus der Tiefe der Zeiten und zugleich aus der Tiefe des eigenen Wesens.« (Ebda., S. 196). - Vgl. dagegen E. Bloch, Zerstörung, Ret¬ tung des Mythos durch Licht. In: Verfremdungen I. Frankfurt a. M. 2. Auf¬ lage. 1968. S. 152-162; M. Frank, Der kommende Gott. Vorlesungen über die Neue Mythologie. Frankfurt 1982.

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wartserkenntnis und der damit verbundenen Kritik an der eigenen Zeit haben die Romantiker, im Gegensatz zum späteren pejorativem Hi¬ storismusverdikt,92 den Nutzen der Historie gesehen; ganz so, wie es Rahel von Varnhagen 1819 formuliert hat: »Wer ist den vermögend, Geschichte zu schreiben oder zu lesen? Doch nur solche, die sie als Gegenwart verstehen! Nur diese vermögen das Vergangene zu beleben und sich gleichsam in Gegenwärtiges zu übersetzen.«93

12 Vgl- H. Schnädelbach, Geschichtsphilosophie. S. 19ff. 93 Zit. nach: K. Feilchenfeldt, Varnhagen von Ense. S. 15. 26

I.

Antike und klassische Philologie (1794-96)

Winckelmanns Entdeckung griechischer Kunst war eine der folgen¬ reichsten Erscheinungen für die deutsche Literatur des 18. Jahrhun¬ derts und darüberhinaus. Damit wird die Absage an den an der römi¬ schen Antike orientierten französischen Klassizismus vollzogen; »und es ist durchaus angebracht, für diese ästhetische Neuorientierung Be¬ griffe wie Wendepunkt in der europäischen Ästhetik, Bruch mit den geltenden Überlieferungen, ja sogar Umwälzung (revolutio) in der be¬ stehenden Auffassung der Kunst zu verwenden.«' Die Hinwendung zur griechischen Antike hat »deutlich wahrnehmbare emanzipatorische Tendenzen«1 2, deren Folgen bis weit ins 19. Jahrhundert hineinreichen.3 Wie für Winckelmann so bildet auch für den jungen Schlegel das Er¬ leben der griechischen Plastik, »das Leben und die Bewegung an diesen olympischen Marmorbildern« (IV 4), das entscheidende Bildungserleb¬ nis: Den ersten Anfangspunkt meiner Kunstanschauungen gewährte mir die Antiken-Sammlung zu Dresden (...). In dem ersten Jünglingsalter von etwa siebzehn Jahren, bildeten die Schriften des Plato, die tragischen Werke, meine geistige Welt und die Umgebung, in der ich lebte (...).« (IV 4)

Der deutschen klassischen Philologie fehlte eine humanistische Tradi¬ tion, wie sie in England zu Beginn des 18. Jahrhunderts mit dem Na¬ men Shaftesburys verbunden war. Mit ihm begann die Hinwendung zur griechischen Antike und die Entdeckung Homers, was dann Mitte des Jahrhunderts über die englische Literaturkritik und -ästhetik Blackwells, Homes und Woods auf Herder und die philologische Schule Hey¬ nes einzuwirken begann.4 Bis dahin war die klassische Philologie in 1 E. Behler, Französische Revolution und Antikekult. S. 85. 2 Ebda., S. 86. 3 Vgl. W. Jens, Antiquierte Antike? Perspektiven eines neuen Humanismus. In: Republikanische Reden. Frankfurt 1979. S. 45-63. 4 »Im 18. Jahrhundert steht Shaftesbury etwa so am Anfang, wie Byron im 19. als weltmännisch faszinierender Lebensvertreter der >toten und pedanti¬ schem Antike, selbständiger Erneuerer ihrer >exzentrischen< Lebensideale in

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Deutschland ausschließlich an Textkritik und Grammatik orientiert oder diente - vor allem in der Gestalt J. M. Gesners, des Reformators des klassischen Unterrichtswesens in Deutschland, - rein didaktischen Zwecken. So entstand zwar eine enorme Gelehrsamkeit, aber ohne ein eigentliches Verständnis von Literatur und Geschichte. Ablesbar ist das an der überragenden Bedeutung der umfangreichen Arbeiten des J. A. Fabricius, dessen vierzehnbändige »Bibliotheca Graeca« (1705-1728) das Standardwerk zur griechischen Literatur war und noch zu Schlegels Zeiten in den neunziger Jahren seine vierte Auflage erlebte.* * * * 5 Als Quel¬ lenmaterial war es grundlegend für das 18. Jahrhundert. Es fehlte aber bei diesem kompilatorischen, aus allen verfügbaren Sekundärquellen zusammengetragenen Sammelwerk jedes Verständnis für geschichtli¬ che Zusammenhänge. Der Lebens- und Bücherekel des jungen Herder in seinem Reisejournal von 1769 gibt davon beredtes Zeugnis.6 Schlegel, wie sein Bruder ein Schüler Heynes, steht in dieser von Winckelmann begründeten, zu seiner Zeit vor allem durch Herder, F. A. Wolf und W. von Humboldt repräsentierten Tradition eines äs¬ thetischen Humanismus.7

Tagen da >the audience make the poet and the bookseller the authorc« (K. Borinski, Die Antike in Poetik und Kunsttheorie. Bd. 2. Darmstadt 2. Aufl. 1965. S. 106); Vgl. Th. Blackwell, Untersuchung über Homers Leben und Schriften. Übersetzt v. J. H. Voß. Leipzig 1776; D. Hume, Essays. Moral, Po¬ litical and Literary. London 2. Aufl. 1904; R. Wood, Versuch über das Ori¬ ginalgenie des Homers. Frankfurt 1773; H. Home, Elements of Criticism. London 1762. - Vgl. dazu: R. Wellek, A History of Literary Criticism 17501950. Vol. 1. The Later Eighteenth Century. London 3. Aufl. 1970. S. 105ff.; S. von Lempicki, Geschichte der deutschen Literaturwissenschaft bis zum Ende des 18. Jahrhunderts. Göttingen 2. Aufl. 1968. S. 214ff.; R. Pfeiffer, Die Klas¬ sische Philologie von Petrarca bis Mommsen. München 1982; A. Gudemann, Grundriß der Geschichte der klassischen Philologie. Darmstadt 3. Aufl. 1967; A. Hentschke/U. Muhlack, Einführung in die Geschichte der klassischen Philologie. Darmstadt 1972. 5 Vgl. S. von Lempicki, Geschichte. S. 209ff.; W. Mettler, Der junge Friedrich Schlegel und die griechische Literatur. Ein Beitrag zum Problem der Historie. Zürich 1955. 6 Vgl. J. G. Herder, Journal meiner Reise. Im Jahr 1769. In: Sämmtliche Werke Bd. 4. Hg. v. B. Suphan. Berlin 1878. S. 343-486. 7 Vgl. dazu zuletzt: E. Behler in: KA I, Ixxivff.

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1. Antike als »hermeneutisches Werkzeug« Bereits in seiner Erstlingsschrift »Von den Schulen der griechischen Poesie« (1794) läßt sich der an sich selbst gesetzte Anspruch erkennen, für die Kunst der Poesie dasselbe leisten zu wollen, »was Winckelmann für die bildende versuchte; nämlich die Theorie derselben durch die Geschichte zu begründen« (III 334). Mit Hilfe des von Winckelmann entlehnten und hier erstmals auf die Poesie übertragenen Begriffs der »Schule«8 sucht Schlegel in der »unübersehliche(n) Menge und Ver¬ schiedenheit« (I 3) griechischer Poesie nach »der Möglichkeit, in ihnen ein Ganzes finden zu können« (I 3). Was eine Schule auszeichnet, ist »eine regelmäßige Gleichartigkeit des Stils« (I 4), und »die Charakteristik einer Schule« (I 5) beinhaltet sowohl eine Bestimmung der sie konstituierenden Teile - der formalen und stofflichen Elemente sowie des Verhältnisses von Natürlichem und Idealem in den einzelnen Dichtungen - als auch eine Einordnung in den historischen Zusammenhang des Ganzen, womit sowohl die Ab¬ folge der Schulen untereinander, aber auch ihr Eingebundensein in die Totalität des griechischen Lebenszusammenhanges gemeint ist. Er be¬ stimmt auf diese Weise »vier Hauptschulen« (I 5) der Poesie, in denen sich zugleich die Genese ihrer Dichtarten manifestiert: Vom Epos der Ionischen Schule über die lyrische Poesie der Dorier zum Athenischen Drama, das in Sophokles »sein äußerstes Ziel, das höchste Schöne« (1 14) erreicht, und mit der Kritik und Gelehrsamkeit der Alexandrinischen Schule, in der die Poesie zur »Künstlichkeit« (I 16) verkommt, endet. Das Ganze griechischer Poesie und ihrer Geschichte erscheint so als in sich vollendeter, natürlicher Kreislauf: Der Gang der griechischen Poesie war also folgender: Sie ging von der Natur aus (Ionische Schule), und gelangte durch Bildung (Dorische Schule) zur Schönheit. Diese stieg von der Erhabenheit zur Vollkommenheit, und sank wieder zum Luxus, und dann zur Eleganz hinab. Nachdem die Schönheit nicht mehr vorhanden war, ward die Kunst zur Künstelei, und verlor sich endlich in Barbarei. (I 17f.)

Schlegel will die Idealität der griechischen Poesie aus der spezifischen Geschichtlichkeit ihrer poetischen Formen, der Abfolge ihrer Schulen und der sie konstituierenden Teile herleiten. Die Winckelmannsche Kunstbetrachtung, im Besonderen des einzelnen Kunststils das Ganze des griechischen Lebenszusammenhanges zu erahnen,9 überträgt Schle8 Zum Begriff der »Schule« und des »Zeitalters« vgl. E. Behler in: KA XI, 279ff.; Anm. 41; KA I, ciiff. 9 Wie z. B. in der berühmten Beschreibung des Apoll: J. J. Winckelmann, Be-

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gel auf die Bestimmung griechischer Poesie. Aber anders als Winckelmann begnügt Schlegel sich dabei nicht mit allgemeinen Hinweisen auf die Einmaligkeit griechischer Natur - »teils dem Einflüsse des Him¬ mels, teils der Verfassung und Regierung und der dadurch gebildeten Denkungsart (. . .) zuzuschreiben«10

sondern er will das, was die

griechische Poesie auszeichnet, mittels einer Charakteristik und »Ent¬ wicklung der Prinzipien welche sie beherrschten und lenkten, der Grün¬ de, aus welchen ihr Charakter und ihr Ton entsprang« (I 4), bestim¬ men; d. h. das, was die »regelmäßige Gleichartigkeit des Stils« (14) einer Dichtart ausmacht: Nur zufällig darf sie nicht sein, sondern sie muß aus einem Prinzip entsprin¬ gen, und unter gewissen Voraussetzungen notwendig sein. Der Zusammen¬ hang nach Zeit und Ort führt uns auf die Regelmäßigkeit der Übereinstim¬ mung: und diese gibt uns den Leitfaden an die Hand, ihre innere Not¬ wendigkeit zu entdecken.« (1 4)

Die »Idee des Ganzen« (I 3), um die es Schlegel geht, ist in der kriti¬ schen Verfahrensweise selbst begründet. Denn es geht ihm nicht nur um die Sache, sondern auch um »eine brauchbare Hypothese« (I 5) ihrer Beurteilung. Inhaltliches und formales Interesse, Sachkritik und der Versuch einer methodischen Fundierung des Kunsturteils lassen sich bei seiner Beschäftigung mit der Poesie, wie er sie auch gegenüber seinem Bruder verteidigt, nicht voneinander trennen: »Für den Schöp¬ fer giebt es keine Gesetze, aber Richter kann man nur seyn, mit Sinn, nach Gesetzen.«* 11 Schlegel will zu gesetzmäßigen Aussagen über den Gang und Fort¬ schritt in der Poesie, hier noch ausschließlich bezogen auf die Geschich¬ te griechischer Poesie, gelangen. Aber was sich bei Winckelmann ana¬ log zur klassizistischen Dichtungstheorie Scaligers als Kreislauf der Natur vom »Notwendigen« über die »Schönheit« zum »Überflüssige(n)«, d. h. zum Verfall vollzieht,12 das wird bei Schlegel zum »historische(n) Substrat für die Beziehungen, in denen die Dichtarten zu¬ einander stehen, d. h. aber für deren potentielles System«13. Was Ru¬ schreibung des Torso im Belvedere zu Rom. In: Kleine Schriften. Vorreden. Entwürfe. Hg. v. W. Rehm. Berlin 1968. S. 169-173. 10J.J. Winckelmann, Geschichte der Kunst des Altertums. Darmstadt 1972. S. 128. (Repr. d. Ausg. Wien 1934). 11 Walzel, S. 110; vgl. unten S. lOOf. 12 Vgl. J. J. Winckelmann, Geschichte. S. 25f. u. 207. 13 P. Szondi, Poetik und Geschichtsphilosophie. Zu Schillers Abhandlung »Über Naive und Sentimentalische Dichtung«. In: Geschichte - Ereignis und Erzählung. Poetik und Hermeneutik V. Hg. v. R. Koselleck u. W.-D. Stempel. München 1973. S. 377-410; S. 379.

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dolf Haym über den jungen Schlegel, vor allem hinsichtlich der Theorie des Epos von 1796/98 schreibt, daß hier »jene Verbindung Herder’scher Feinfühligkeit und philologischer Schärfe, die seitdem als die Grundlage aller ästhetischen Kritik literarhistorischer Erzeugnisse anerkannt ist«14, erkennbar wird, das läßt sich bereits in der Erstlings¬ schrift von 1794 ablesen. Eierders oft zitierte Forderung nach einem »Winckelmann in Ab¬ sicht der Dichter«1/ die sich treffender noch als Wunsch, »ein Lavater in der Physiognomie des Stils zu sein«16, wiedergeben läßt, wird damit auf einer ganz anderen Ebene und mit anderer Zielsetzung erfüllt: »Die Geschichte der griechischen Dichtkunst ist eine Naturgeschichte des Schönen und der Kunst; ich schmeichle mir, ja ich bin überzeugt, das Schöne ganz ergriffen zu haben.«17 Was die Griechen auszeichnet, läßt sich nicht losgelöst von ihrer Geschichte darstellen: Der Begriff des Schönen und der Kunst erschöpft ihre Natur nicht. Voll¬ ständig lernen wir diese nur aus der Geschichte und Beobachtung ihrer freyen Entwicklung kennen. (XVI 9, 20)

Gleichzeitig mit seinen Studien zum klassischen Altertum finden sich bei Schlegel Entwürfe, über Kant und Schiller hinaus Ästhetik als prak¬ tische Wissenschaft zu begründen, was aber, so Eleinz-Dieter Weber, »an den Ergebnissen seiner frühen Geschichtsphilosophie gescheitert ist«.18 Hinter der Suche nach gesetzmäßigen Aussagen für Poesie und 14 R. Haym, Die Romantische Schule. Ein Beitrag zur Geschichte des deutschen Geistes. Darmstadt 1977. S. 197. (Repr. d. Ausg. Berlin 1870). 15 Vgl. J. G. Herder, Sämmtliche Werke Bd. 1. Berlin 1877. S. 294. - Zum Ver¬ hältnis Herder-Schlegel vgl. H.-D. Weber, Transzendentalpoesie. S. 90ff.; F. Finke, Die Brüder Schlegel als Literarhistoriker. Diss. Kiel 1961 (masch.) S. 84ff.; Vgl. zuletzt E. Behler in: KA I, xciiff.; dort weitere Literatur. 16 S. von Lempicki, Geschichte. S. 371 (über Hamann). 17 Schlegel an Novalis. Ende Juli 1794. In: Friedrich Schlegel und Novalis. Biogra¬ phie einer Romantikerfreundschaft in ihren Briefen. Auf Grund neuer Briefe Schlegels hg. v. M. Preitz. Darmstadt 1957. S. 48; vgl. Walzel 173. 18 H.-D. Weber, Transzendentalpoesie. S. 175. J. Körner gibt eine Rekonstruk¬ tion des Schlegelschen Ansatzes, bei dem »Platonisch-Hemsterhuisische Schönheitsbestimmungen (...) überdeckt (sind) von den abstrakteren Kants und diese gelegentlich schon verdrängt von Fichteschen Formeln.« (J. Körner in: Neue philosophische Schriften. S. 345; vgl. S. 347ff.). Vgl. auch E. Behler (in: KAI, lxxviff.), der unter Hinweis auf weitere, noch unveröffentlichte Fragmente betont, »daß Schlegel in seinen Studien des klassischen Altertums von der Transzendentalphilosophie Fichtes und der Kantischen Ästhetik aus operiert.« (ebda., S. lxxvi). - Vgl. dazu neben dem »Studium«-Aufsatz vor allem »Vom Wert des Studiums der Griechen und Römer«. In: KAI, 621-642.

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Geschichte der Griechen steht die Überzeugung, daß erst der Zusam¬ menhang von historisch-kritischem und philosophisch-deduktivem Ver¬ fahren zu einer Bestimmung der Künste führt: Man könnte die Gattungen der Poesie auch a posteriori aufsuchen, nach den Grenzscheidungen und Klaßen, so die Geschichte aller Nationen an die Hand giebt, falls es wirklich hierin etwas Gemeinsames giebt. Wenigstens müßte die Eintheilung a priori mit diesen Klaßen der Erfahrung verglichen werden. (XVI 8, 12)

Erst mit seiner romantischen Kunstlehre, die sich im Falle Schlegels nur aus der Unzahl fragmentarischer Äußerungen rekonstruieren läßt, ist das verwirklicht worden. »Die Historie der modernen Poesie viel¬ leicht in der Ästhetik« (XVI 209, 63). Peter Szondi hat die Bedeutung, die Schlegel im Übergang »von der normativen zur spekulativen Gat¬ tungspoetik«19 zukommt, dargestellt. So wenig wie eine Theorie der Kunst ohne Geschichte möglich ist, so bedarf eine geschichtliche Darstellung, will sie über eine bloß chrono¬ logische Reihung hinausgehen, theoretischer Vorgaben: Die Natur der Kunst überhaupt und eine besondre als der Poesie, läßt sich nicht aus der Theorie allein oder aus Geschichte allein vollständig kennen lernen, sondern nur durch die Vereinigung von beyden. Die Theorie allein wird zu eng seyn, und die Natur beschränken, die Geschichte allein giebt keine Bestimmtheit, keine Einheit des Gesichtspunktes, und keine Einheit des Zusammenfaßens, Begrenzens und Unterscheidens. (XVI 7, 8)

Winckelmanns »Geschichte der Kunst« von 1764 ist eines der frühe¬ sten Zeugnisse für einen Geschichtsbegriff als Einheit von »Sachver¬ halt, Darstellung und Wissenschaft davon«20. Bereits Herder verweist unter Berufung auf Winckelmann auf die ideale Natürlichkeit des griechischen Lebenszusammenhangs und den Modellcharakter ihrer Geschichte: »Die Philosophie der Geschichte endlich gehört vorzüg¬ lich nach Griechenland heim, weil eigentlich die Griechen allein Ge¬ schichte haben.«21 Es ist der Zusammenhang von politischer Freiheit und individueller künstlerischer Produktivität, d. h. »daß es die Frei¬ heit gewesen, durch welche die Kunst emporgebracht wurde«22, was ihre Idealität und das Interesse an der Antike in der Nachfolge Winkkelmanns begründete:

19 Vgl. P. Szondi in: Poetik und Geschichtsphilosophie II. S. 94-151. 20 R. Koselleck, Art. Geschichte, Historie. S. 657. 21J. G. Herder, Ideen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit. In:Sämmtliche Werke Bd. 14. S. 132. 22 J. J. Winckelmann, Geschichte. S. 295.

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Dieser Gemeingeist, alles wenigstens dem Scheine nach für das Ganze zu tun, war die Seele der griechischen Staaten, den ohne Zweifel auch Winckelmann meinte, wenn er die Freiheit der griechischen Republiken als das goldne Zeit¬ alter der Kunst pries.23

Das Neue an der Winckelmannschen Kunstbetrachtung, der die griechi¬ sche Kunst nicht als Geschichte der Künstler, sondern aus der Totalität ihres Lebenszusammenhanges darstellt, besteht in dem damit ver¬ bundenen systematischen Anspruch, »keine bloße Erzählung der Zeit¬ folge und der Veränderungen in derselben, sondern (. . .) einen Versuch eines Lehrgebäudes zu liefern.«24 Eben das will auch Schlegel mit sei¬ ner Absicht, allgemeine Kriterien für ihre Beurteilung und Darstellung zu gewinnen, aber unter Verzicht auf außergeschichtliche Konstanten und allgemeine Erklärungsmuster wie den traditionellen Klimatopos25 oder wie Winckelmanns Rückgriff auf Scaliger. Schlegel fragt nach dem, was die Poesie der Griechen und ihre Ge¬ schichte für die eigene Zeit auszeichnet, so wie der junge Elerder in seinen Parallelen antiker und zeitgenössischer Literatur auf die Frage, »welchen Platz die Griechische Nation gegen andere Völker und Zeiten habe«26, die Antwort gibt: Und so muß man die Griechische Geschichte, wenn ich ein Kunstwort aus der Mathematik anwenden darf, als eine Projektion, und wahrhaftig als eine Orthographische Projektion der ältesten Welthistorie studieren - ein schwe¬ res und kaum angefangenes Studium.27

Im Begriff des Studiums gelangt die Gegenwartsbezogenheit histori¬ scher Erkenntnis zum Ausdruck. Der damit verbundene hermeneuti¬ sche Ansatz findet sich bei Wilhelm von Humboldt ausgesprochen, für 23 J. G. Herder, Ideen. S. 111. 24 J. J. Winckelmann, Geschichte. S. 9; vgl. R. Koselleck, Art. Geschichte, Hi¬ storie. S. 656f. 25 Vgl. dazu: W. Krauss, Der Streit der Altertumsfreunde mit den Anhängern der Moderne und die Entstehung des geschichtlichen Weltbildes. In: Antike und Moderne in der Literaturdiskussion des 18. Jahrhunderts. Hg. v. W. Krauss/H. Kortum. Berlin 1966. S. XXIVff.; M. Fuhrmann, Friedrich August Wolf. Zur 200. Wiederkehr seines Geburtstages am 15. Februar 1959. In: DVjs 33 (1959). S. 187-236; S. 212ff.; Wolfs »Prolegomena ad Homerum« (1795) markieren den Wendepunkt: statt einer Literaturbetrachtung, die Ideen der eigenen Zeit auf historische Erscheinungen projiziert, beginnt mit Wolf die historisch-kritische Textauslegung. - Vgl. auch E. Behler in: KA XI, 286ff, Anm. 73. 26 J. G. Herder, Sämmtliche Werke Bd. 2. S. 115. 27 Ebda.; vgl. H.-H. Reuter, Herder und die Antike. In: Impulse I. Hg. v. W. Dietze u. P. Goldammer. Berlin u. Weimar 1978. S. 89-135; S. 116; Im¬ pulse II. 1979. S. 134-206.

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den der Sinn einer Beschäftigung mit der Antike in der Erweiterung der Kenntnis vom Menschen liegt. Die Auseinandersetzung mit dem griechischen Altertum wird so zugleich zu einem Akt der Selbstbil¬ dung: Denn durch dieses wird der Aufsuchende selbst auf eine ähnliche Weise ge¬ stimmt; Griechischer Geist geht in ihn über; und bringt durch die Art, wie er sich mit seinem eignen vermischt, schöne Gestalten hervor. Es bleibt daher nichts, als eignes Studium übrig, in unaufhörlicher Rüksicht auf diesen Zwek unternommen.28

Der Begriff des Studiums wie auch der der Bildung implizieren einen stets aufeinander bezogenen Akt von Sachkritik, zu dessen zielgerich¬ tetem Vorgehen kritisches Quellenstudium, Darstellung von Antiqui¬ täten und sachgerechte Übersetzung gehören,29 und Selbsterkenntnis i. S. eines nie zum Abschluß gelangenden Prozesses historischen Ver¬ stehens: Um den Charakter Eines Menschen und noch mehr einer noch vielseitigeren Nation in seiner Einheit zu fassen, muss man auch sich selbst mit seinen vereinten Kräften in Bewegung sezen. Der Auffasende muss sich immer dem auf gewisse Weise ähnlich machen, das er auffassen will. (...) Wer sich mit diesem Studium anhaltend beschäftigt, fasst ferner eine unendliche Mannigfal¬ tigkeit der Formen auf, und so schleifen sich gleichsam die Ekken seiner eignen ab, und aus ihr, vereint mit den aufgenommenen, entstehen ewig wie¬ derum neue. - So ist jene Kenntnis gerade darum heilsam, warum jede andre mangelhaft sein würde, darum, dass sie, nie ganz erreichbar, zu unaufhörli¬ chem Studium zwingt, und so wird die höchste Menschlichkeit durch das tiefste Studium des Menschen gewirkt.30

Das bestimmt auch die »Art der Lectüre«31 des jungen Schlegel. Das Einzelne historischer Überlieferung erhält erst in seiner Bezogenheit auf ein aus den Einzelfakten gewonnenes Ganzes, was sowohl die zu beurteilende Sache wie den Beurteiler selbst betrifft, Sinn und Bedeu¬ tung. »Alles beruht auf unzähligen Kleinigkeiten. Nichts ist unwichtig, 28 W. von Humboldt, Über das Studium des Althertums, und des griechischen insbesondere (1793). In: Schriften zur Altertumskunde und Ästhetik. Werke Bd. 2. Hg. v. A. Flitner u. K. Giel. Darmstadt 2. Aufl. 1969. S. 1-24; S. 21. — Zu Schlegel-Humboldt vgl. R. Haym, Die romantische Schule. S. 878, 884f.; vgl. auch M. Riedel, Historische, philologische und philosophische Erkennt¬ nis. Wilhelm von Humboldt und die hermeneutische Wende der Philosophie, ln: Verstehen oder Erklären? Zur Theorie und Geschichte der hermeneuti¬ schen Wissenschaften. Stuttgart 1978. S. 134-159. 29 Vgl. W. von Humboldt, Über das Studium. S. 21 ff.; zum Einfluß Wolfs auf Humboldt vgl. M. Fuhrmann, Friedrich August Wolf. S. 205. 30 W. von Humboldt, Über das Studium. S. 7. 31 Vgl. Walzel, S. 15f.

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denn nichts ist einzeln« (I 398). ln dieser »Freiheit gegenüber aller Überlieferung und insbesondere gegenüber dem Sammeleifer und der Systemsucht des 17. und 18. Jahrhundert«32, die zu einer neuen Sicht auf die geschichtliche Überlieferung und zu neuen Prinzipien philolo¬ gischer Kritik führen, liegen die Grundlagen des ästhetischen Huma¬ nismus der Goethezeit, wie sie mit Friedrich August Wolfs »Prolegomena ad Homerum« von 1795 Epoche gemacht haben. Diese bilden nicht nur Anstoß und Grundlage für Schlegels Theorie des Epos und seiner Kritik des aristotelischen Kunsturteils33 sowie für den Streit um Homer zwischen Herder und Wolf,34 sondern sie liefern noch für die Wiederentdeckung mittelalterlicher Poesie und Geschichte das Paradig¬ ma für einen neuen Zugang zur schriftlichen Überlieferung und dem damit verbundenen Geschichtsverständnis.35 Es geht bei dem Philhellenismus der Goethezeit nicht um eine ein¬ fache Nachahmung griechischer Kunst oder um eine Restauration der mit dem Griechentum verbundenen Wert- und Ordnungsvorstellungen i. S. eines geschichtslosen Klassizismus.36 Man erkennt die historische 32 M. Fuhrmann, Friedrich August Wolf. S. 194f. 33 Vgl. »Über die Homerische Poesie (1796). Mit Rücksicht auf die Wölfischen Untersuchungen. In: KA I. 116-132; vgl. auch die entsprechenden Passagen in seiner »Geschichte der Poesie der Griechen und Römer« (1798) in: KA I, 448f., 488ff. u. 496ff.; vgl. P. Szondi, Poetik und Geschichtsphilosophie II. S. 98ff 34 Dieser von der Sache her belanglose Streit ist insofern aufschlußreich, weil sich hier zwei konträre, gleicherweise verdienstvolle Methoden der Literatur¬ betrachtung gegenüberstehen: eine intuitiv-nachfühlende, die auf das Ganze der Poesie und ihrer Wirkung zielt, und eine philologisch-textkritische, die sich auf die schriftliche Überlieferung beschränkt. Vgl. dazu die Doku¬ mentation in: O. Fambach (Hg.), Ein Jahrhundert deutscher Literaturkritik (1750-1850). Bd. III. Der Aufstieg zur Klassik (1795-1795). Berlin 1959. S. 664-685; besonders aufschlußreich die Urteile Humboldts über Wolf und Herder (ebda., S. 673ff.). 35 So übernimmt Tieck Wolfs Zweifel an der Verfasserschaft eines Autors bei den Homerschen Epen für die Entstehung altdeutscher Minnelieder in seine Edition von 1803; Vgl. J. Körner, Nibelungenforschung der deutschen Ro¬ mantik. Leipzig 1911 ;S. 39; L. Tieck, Die altdeutschen Minnelieder, ln: Ausge¬ wählte kritische Schriften. Hg. v. E. Ribbat. Tübingen 1975. S. 39-66. - Zum romantischen Mittelalterbild vgl. Kap. III. 36 »Die wahre Nachahmung der Griechen bedeutet Wettstreit mit ihnen und beruht auf einer >agonalen< Haltung, bei der es nicht um Nachahmung dieser oder jener Besonderheit oder des Buchstabens der Antike, sondern auf den Geiste des Ganzen ankommt.« (E. Behler, Französische Revolution und An¬ tikekult. S. 88f.). Vgl. W. Rehm, Griechentum und Goethezeit. Geschichte eines Glaubens. Bern 3. Aufl. 1952. - Zur Theorie und Begriffsgeschichte des »Klassizismus« vgl.: R. Wellek, Das Wort und der Begriff Klassizismus in der

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Verschiedenheit von Antike und Moderne und will im Bewußtsein des historischen Zeitenabstandes Funktion und geschichtliche Stellung der Kunst für die eigene Zeit und Gesellschaft bestimmen. Hans Robert Jauß und Heinz-Dieter Weber haben gezeigt, wie sehr Schlegels Ausein¬ andersetzung mit der Antike im Zusammenhang mit der Wiederauf¬ nahme der »Querelle des anciens et des modernes« zu sehen ist, mit dem Unterschied allerdings, daß, wo sich in Frankreich der Übergang von der normativen zur historischen Auffassung der Antike und damit die Entdeckung der Geschichtlichkeit der Kunst vollzog, man in Deutschland mehr als hundert Jahre später von einer historisch ver¬ stehenden Ästhetik zu einer neuen Klassizität deutscher Literatur ge¬ langen will.37 Bei Herder wird erstmals die »hermeneutische Differenz von Geist und Buchstabe für die ästhetische Kritik (.. .) fruchtbar (gemacht).«38 Es ist jenes innere Verstehen i. S. einer »Divination in die Seele des Urhebers«39, wodurch das Individuelle des dichterischen Ausdrucks im Zusammenhang mit dem geschichtlichen Ganzen beurteilt wird, und die Fremdheit der Überlieferung dazu dient, die nationale Eigenart des poetischen Ausdrucks zu befördern.40 Das führt zu einem neuen, erst¬ mals an der Lyrik orientierten Verständnis von Literatur, das wie in Herders »Fragmenten«, in der Darstellung von Literatur nicht mehr »metachronisch-historisch, sondern genetisch-systematisch«41 verfährt, wobei der Sinn für die Geschichtlichkeit und Natürlichkeit des Schö¬ nen immer auch von einem deutlich erkennbaren Gegenwartsinteresse bestimmt ist. Es geht Herder um eine »pragmatische (. . .) Anwendung

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Literaturwissenschaft. In: Grenzziehungen. Stuttgart 1972. S. 44-63; E. Schmalzriedt, Inhumane Klassik. München 1971. Vgl. H. R. Jauß, Schlegels und Schillers Replik auf die »Querelle des Anciens et des Modernes«. In: Literaturgeschichte als Provokation. Frankfurt 1970. S. 67-106; S. 78f.; ders., Ästhetische Normen und geschichtliche Reflexion in der »Querelle . ..«. Einleitung zum Neudruck von Ch. Perraults »Parallele«. München 1964. S. 8-81; ders., Art. Antiqui/moderni. In: Historisches Wör¬ terbuch der Philosophie Bd. 1. Hg. v. J. Ritter. Darmstadt 1971. Sp. 410-414; H.-D. Weber, Transzendentalpoesie, S. 141 ff. u. 166ff. H.-D. Weber, Transzendentalpoesie. S. 98. Vgl. J. G. Herder, Sämmtliche Werke Bd. 8. S. 208f; S. von Lempicki, Ge¬ schichte. S. 372ff. Vgl. J. G. Herder, Sämmtliche Werke Bd. 1. S. 401 f.; Bd. 5. S. 551. S. von Lempicki, Geschichte. S. 395. Indem die Poesie als »Musik der Seele« bzw. als Ausdruck innerer Empfindung bestimmt wird, vollzieht sich die Abkehr von der aufklärerischen imitatio naturae und die Hinwendung zur romantischen Transzendentalpoesie; vgl. S. von Lempicki, Geschichte S. 381f.

auf unsre Zeit wie die Römer von den Griechen gelernt haben, und wie wir von ihnen lernen sollen.«42 Wie sehr sich sein Pragmatismus ge¬ genüber der didaktisch-pragmatischen Nützlichkeit aufklärerischer Li¬ teraturkritik vertieft hat, zeigen seine Überlegungen zur Mythologie.43 Herder sucht nach den Bedingungen und Möglichkeiten einer eigen¬ ständigen Nationalliteratur, wobei er das Studium der Alten nicht als Nachahmung, sondern als Freisetzung der dichterischen Produktivität und Individualität versteht.44 Darin liegt seine Bedeutung für Kritik und

Literaturgeschichtsschreibung des

18. Jahrhunderts,45 aber zu¬

gleich auch das, was ihn von Schlegel trennt. Denn »aus Herderscher Sicht müssen alle kategorialen Unterscheidungen der Dichtkunst ange¬ sichts ihrer historischen Vielfalt und Individuation »vergebliche Ar¬ beit« bleiben.«46 Eben das, was Schlegel mit Hilfe seines Studiums griechischer Poesie und der ihm zugrundegelegten Unterscheidung des »Objektiven« und des »Interessanten« erreichen will.47 Schlegel will zu 42 J. G. Herder, Sämmtliche Werke. Bd. 1. S. 294. 43 Mit Herder wird das historische Verstehen erstmals zur literaturwissenschaft¬ lichen Methode erhoben. Sein inneres Verstehen hat sich vom Dogma objek¬ tivistischer Geschmackskriterien befreit. Vgl. dazu Seminar: Philosophische Hermeneutik. Hg. H.-G. Gadamer u. G. Boehm. Frankfurt 1976; H.-D. We¬ ber, Transzendentalpoesie. S. 88ff. H.-G. Gadamer, Wahrheit und Methode. Grundzüge einer philosophischen Hermeneutik. Tübingen 3. Aufl. 1972. S. 188ff. Zum Herderschen Mythologiebegriff vgl. zuletzt: H. Gockel, Mythos und Poesie. Zum Mythosbegriff in Aufklärung und Frühromantik. Frankfurt 1981. S. 47ff. M. Frank, Der kommende Gott. S. 123ff. 44 Wichtig in diesem Zusammenhang der Begriff der »Heuristik«. Zum Herder¬ schen Gebrauch im Gegensatz zur Aufklärung vgl. M. Frank, Der kom¬ mende Gott, S. 123ff.; H. Gockel, Die alte neue Mythologie. In: S. Vietta (Hg.), Die literarische Frühromantik. S. 192-207; S. 195ff. H. Schepers, Art. Heuristik, heuristisch. In: Historisches Wörterbuch der Philosophie. Bd. 3. Hg. v. J. Ritter. Darmstadt 1974. Sp. 1115-1120. 45 Neben der grundlegenden Arbeit S. von Lempickis vgl. K. Weimar, Zur Ge¬ schichte der Literaturwissenschaft. Forschungsbericht. In: DVjs 50 (1976). S. 298-364; In bezug auf Schlegel: H. Dierkes, Literaturgeschichte als Kritik. F. Finke, Die Brüder Schlegel als Literarhistoriker. Diss. masch. Kiel 1961. 46 H. R. Jauß, Schlegels und Schillers Replik. S. 73; vgl. H.-D. Weber, Trans¬ zendentalpoesie. S. 174f. 47 Zur Begriffsgeschichte des »Objektiven« vgl. F. N. Mennemeier, Friedrich Schlegels Poesiebegriff S. 20f; Mennemeier betont die Kontinuität des Schlegelschen Poesie- und Geschichtsbegriffs der neunziger Jahre i. S. einer Wie¬ derherstellung des objektiven Elements der Poesie. Zur damit eher konser¬ vativen Frühromantik-Interpretation vgl. E. Behlers Kritik in: Zs. f. dt. Phi¬ lologie 93 (1974). S. 607-613. - Zum Begriff des »Interessanten« vgl. H. Kuhn, Die Vollendung der klassischen deutschen Ästhetik durch Hegel. In: Schriften zur Ästhetik. München 1966. S. 15-144; S. U2f.: »Wie das Objek¬ tive der Schönheit als Resultat der Phase natürlicher Bildung im Griechen-

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epochenübergreifenden Prinzipien der Kritik und Geschichte gelan¬ gen: »Das Problem unsrer Poesie scheint mir die Vereinigung des We¬ sentlich-Modernen mit dem Wesentlich-Antiken«48, um so die durch die Querelle vorgegebene Fragestellung, »ob die Geschichte wie ein Zirkel ewig in sich selbst zurückkehre, oder ins Unendliche zum Bes¬ sern fortschreite« (I 35), für die Gegenwart positiv zu beantworten.

tum Wirklichkeit war, so mußte auch die provisorische Gültigkeit des »In¬ teressanten« als Wirklichkeit erwiesen werden. Das heißt: die Begriffe, die zuerst das Negative des Nicht-am-Ziele-seins ausdrückten, mußten charak¬ terisierend werden und zwar nicht typologisch charakterisierend wie bei Schil¬ ler, sondern historisch. Die Bezeichnung eines Abweichens von der absoluten Norm wird zu einem Gesichtspunkt des Verstehens, die bedingte Rechtferti¬ gung der modernen Poesie zu ihrer Geschichte. Mit dem deutlicheren Her¬ vortreten dieses positiven Sinnes werden die systematisch belasteten Termini des Charakteristischen oder Interessanten, die für den kantisch Geschulten zu deutlich die Abweichung, das Heteronome, meinten, durch den noch un¬ verbrauchten, historisch gehaltvollen Begriff des »Romantischen« ersetzt.« Vgl. auch P. Szondi, Antike und Moderne in der Ästhetik der Goethezeit. In: Poetik und Geschichtsphilosophie I. Studienausgabe der Vorlesungen Bd. 2. Hg. v. S. Metz u. H.-H. Hildebrandt. Frankfurt 1974. S. 11-265; S. 117. H.-D. Weber, Transzendentalpoesie, S. 108; Anm. 34. - »Der Begriff des Interesses zielt auf den Einbruch des Nichtkünstlerischen in die Kunst und soll damit zum erstenmal in dieser Weise - erklären, warum im Vergleich mit der An¬ tike, die Moderne notwendig zur Zweitrangigkeit verurteilt ist. Nur bei den Griechen nämlich sah auch Schlegel mit Winckelmann (.. .) den kategori¬ schen Imperativ der Kunst verwirklicht, entsprechend der Bestimmung Kants, die, wie Schlegel es faßte, »unbedingte Zweckmäßigkeit ihres zweck¬ losen Spiels«. In dem Begriff des Interesses jedoch, dem Inbegriff absoluter Zweckbestimmtheit also, treibt die Analyse (...) über das ursprünglich ge¬ steckte Ziel des Aufsatzes weit hinaus. (...) Das Geistige, Reflektierte, mo¬ derner Kunstwerke, Ausdruck eben der in ihnen sich reproduzierenden Sub¬ jektivität, erhebt Schlegels Aufsatz als das zu sich selbst gekommene Bewußt¬ sein der Kunst überhaupt über die blinde Welt der Griechen und entdeckt in ihm das Historische als ihr wesentliches Moment. Was Schlegel als erster aussprach, ist die Differenz zwischen Kunst und Mythus. Schon der Aspekt, unter dem das Studium der griechischen Poesie empfohlen wird, daß diese nämlich die »allgemeine Naturgeschichte der Dichtkunst« darstelle, eine »vollkommene und gesetzgebende Anschauung«, verrät die Tendenz, im Ideal das Griechentum der Geschichte zu entrücken. Vor der Trennung von Kunst und Wirklichkeit war die Griechenwelt objektiv, weil die Götter hier noch unter den Menschen weilten und ihre Unsterblichkeit die Sterblichen einschloß. In noch ungebrochener Einheit charakterisierten Sein und Zeit das mythische Gegenbild von Geschichte.« (K. Peter, Objektivität und Interesse. Zu zwei Begriffen Friedrich Schlegels. In: ders.. D. Grathoff, Ch. N. Hayes, G. Loose, Ideologiekritische Studien zur Literatur I. Frankfurt 1972. S. 9-34S. llf.). 4K Walzel, S. 170. Vgl. dazu F. N. Mennemeier, Poesiebegriff. S. 49ff.

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Während bei dem Herder der »Ideen« von 1787 die Trauer über die Vergänglichkeit griechischer Kultur - »der Genius dieser Zeiten ist vorüber«49 - vorherrscht, will Schlegel diesen Genius für die eigene Zeit fruchtbar machen. So unvollkommen dieser Versuch, wie er sich vor allem in den Arbeiten »Über das Studium der Griechischen Poe¬ sie« und »Vom Wert des Studiums der Griechen und Römer« mani¬ festiert, auch erscheinen mag, der prospektive Zug seiner Geschichts¬ philosophie der neunziger Jahre leitet sich von diesem neuen her¬ meneutischen Ansatz und dem damit verbundenen systematischen An¬ spruch gegenüber der Geschichte als Wissenschaft her. Der Antikekult des 18. Jahrhunderts steht immer in einem impli¬ ziten Gegenwartsbezug. Erst im Bewußtsein »des Getheilten in unserer Natur«50 ergibt sich für Winckelmann der Blick auf das ideale Ganze des griechischen Lebenszusammenhanges.51 Die Grundlagen für seinen Philhellenismus liegen, wie schon Herder erkannte, in der politischen Misere Deutschlands und den dadurch verursachten Lebensumständen Winckelmanns, der - zu alt um selbst Darsteller des griechischen Gei¬ stes zu werden - so »den Schiffbruch seines vorigen Lebens (rettete) und ward - was er geworden ist.«52 Auf vergleichbare Weise hat man über Herder selbst geurteilt,53 und auch vom jungen Schlegel ist be¬ kannt, wie sehr dessen persönliche Bildungsgeschichte begleitet ist von quälerischen Selbstzweifeln und Konflikten, teils psychologischer, teils gesellschaftlicher Natur. Seine poetischen und philologischen Studien sind im Zusammenhang mit diesem subjektiven Erleben der eigenen Zerrissenheit zu sehen: Der Zweck der Kunst ist die Schönheit des Lebens hervorzubringen, und das bewirkt sie auch. Wenn aber ein Mann mit sich selbst oder mit der Welt noch nicht ganz in Uebereinstimmung ist, so fehlt es dazu an Kraft, und sie weckt

49 J. G. Herder, Sämmtliche Werke Bd. 14. S. 113. 50 J. J. Winckelmann, Gedancken über die Nachahmung der Griechischen Werkke in der Mahlerey und Bildhauer-Kunst. In: Kleine Schriften. S. 27-59; S. 38. 51 Vgl. dazu P. Szondi, Poetik und Geschichtsphilosophie I. S. 30-46. 52 J. G. Herder, Sämmtliche Werke Bd’ 8. S. 447; vgl. S. 441 ff. - Zur Rezeptions¬ geschichte Winckelmanns vgl. M. Fuhrmann, Winckelmann, ein deutsches Symbol. In: Neue Rundschau 83/2 (1972). S. 265-283; H. C. Seeba, Johann Joachim Winckelmann. Zur Wirkungsgeschichte eines »unhistorischen« Hi¬ storikers zwischen Ästhetik und Geschichte. In: DVjs 1982 Sonderheft »Kul¬ tur. Geschichte und Verstehen«. S. 168-202. 53 »His ideals seem at times a mirror image of his own frustrations.« (1. Berlin, Vico and Herder, London 1976. S. 205). Vgl. F. Meinecke, Die Entstehung des Historismus. S. 355f.

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grade das Gegentheil, die Harmonie eines Augenblickes macht die beständi¬ gen Dissonanzen fühlbarer; man erliegt desto mehr unter der Last der All¬ täglichkeit. Es liegt dann etwas ganz zerreißendes in der Poesie welches ich aus Erfahrung weiß.54

Es ist wiederholt darauf hingewiesen worden, wie sehr sich Schlegel mit dem Bewußtsein der ihm eigenen »beständigen Dissonanzen« in der Gestalt des Shakespeareschen Hamlet wiedergefunden hat, die dann im »Studium«-Aufsatz zum Paradigma für die Zerrissenheit und Anarchie moderner Poesie und Geschichte, »der ewigen Kolossalen Dissonanz, welche die Menschheit und das Schicksal unendlich trennt« (I 248), und damit für die mit dem Begriff des »Interesanten« gegebenen Ge¬ genwartsdiagnose wird.55 Selbstanalyse und geschichtsphilosophische Bestimmung gegenwärtiger Zeit treffen in Schlegels Hamlet-Interpre¬ tation zusammen:56 Es gibt vielleicht keine vollkommenere Darstellung der unauflöslichen Dis¬ harmonie, (...) als ein so gränzenloses Mißverhältnis der denkenden und der tätigen Kraft, wie in Hamlets Charakter. (I 248)

54 Walzel, S. 2. 55 »Die Bildungsintention ist zunächst noch bezogen auf die der Bildung be¬ dürftige Gegenwart, und es ist diese Nähe zur Gegenwart, die Schlegels For¬ schungen auf dem Gebiet der Poesie, Philosophie, Philologie und Politik be¬ stimmen. Er betreibt die Theorie und Historie nicht im geläufigen Sinn. Theoria sive contemplatio in der durch Aristoteles überlieferten Bedeutung unter¬ scheidet sich von den praktischen Wissenschaften gerade dadurch, daß sie sich selbst aus der Zweckdienlichkeit herauslöst und als autonom, also als Selbstzweck setzt. Historisch antiquarische Forschung will dementsprechend den vergangenen Gegenstand als ihn selbst, unbeeinflußt von interessierter Nutzbarmachung, begreifen. (...) Schlegel dagegen beschäftigt sich mit der Antike aus Interesse an der Moderne.« (B. Bräutigam, Eine schöne Republik. Friedrich Schlegels Republikanismus im Spiegel des Studium-Aufsatzes. In: Euphorion 70 (1976). S. 315-339; S. 318). 56 Zur Hamletinterpretation vgl. B. Bräutigam, Eine schöne Republik. S. 323f.; E, Huge, Poesie und Reflexion in der Ästhetik des frühen Friedrich Schlegel. Stuttgart 1971. S. 35ff.; F. N. Mennemeier, Poesiebegriff. S. lOOff. Die in der Auseinandersetzung mit Shakespeare gewonnene Tragödientheorie ist von entscheidender Bedeutung für die frühromantische Kunsttheorie. Vgl. dazu E. Behler, Die Theorie der Tragödie in der deutschen Frühromantik. In: Ro¬ mantik in Deutschland. S. 572-583. - Wichtig für den jungen Schlegel sind dafür Schellings »Philosophische Briefe über Dogmatismus und Kriticismus« (1795); in: Schriften von 1794-1798. Darmstadt 1975. S. 161-221; bes. S. 215ff. Vgl. dazu P. Szondi, Von der normativen zur spekulativen Gattungs¬ poetik. S. 132; ders., Schellings Gattungspoetik. In: Poetik und Geschichts¬ philosophie II. S. 185-307; S. 190ff.

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Es ist der Dualismus der Götter Griechenlands,57, der Schlegels Anti¬ kebild und Zeitkritik zugrunde liegt: Trostlos und ungeheuer steht die Lücke vor uns: der Mensch ist zerrissen, die Kunst und das Leben sind getrennt. - Und dies Gerippe war einst Leben! (I 36f.)

Demgegenüber

erscheinen

ihm

die

Griechen

»wie

Wesen

über¬

menschlicher Art, Menschen im höchsten Stil« (I 637). Wie Winckelmann im Erleben der griechischen Plastik so geht es Schlegel um den sich in der schriftlichen Überlieferung offenbarenden idealen Lebens¬ zusammenhang: Das Studium der Griechen und Römer ist eine Schule des Großen, Edlen, Guten und Schönen, der Humanität. (I 639)

Sein historisch-anthropologisches Interesse an den Griechen verweist auf den klassizistischen Zug seines Griechenbildes, wie es von Wilhelm von Humboldt,58 bzw. für die Kunsttheorie von Lessing in seiner Laokoonschrift formuliert wurde.59 Auch bei Schlegel findet sich diese am Ideal der griechischen Plastik als Sinnbild des Ideal-Menschlichen orien¬ tierte Bestimmung der Kunst: 57 Vgl. H. Anton, Romantische Deutung griechischer Mythologie. In: Die deut¬ sche Romantik. Hg. v. H. Steffen. Göttingen 2. Aufl. 1970. S. 277-288; bes. S. 280f.; grundlegend dazu F. Strich, Die Mythologie in der deutschen Li¬ teratur. Von Klopstock bis Wagner. Halle 1910. Bd. 1. S. 271 ff. 58 »Humboldts unscheinbare, auch im Aufbau und Ausdruck etwas unbehol¬ fene Skizze gehört also zu jenen wichtigen Dokumenten, die, in der Zeit ihres Entstehens der Allgemeinheit unzugänglich, gleichsam die ideologische Substruktion des deutschen Klassizismus bilden.« (M. Fuhrmann, Friedrich August Wolf. S. 204; Anm. 68); vgl. W. von Humboldt, Über das Studium des Alterthums, und des griechischen insbesondere (1793). 59 »Die Schönheit der menschlichen Form und die Größe des menschlichen Helden werden von Lessing ausdrücklich als die höchsten Gehalte des Le¬ bens herausgehoben und als die Themen bezeichnet, die die Künste mit den ihnen eigenen Mitteln darstellen sollen. Die Relation von Mensch und Natur erläutert die Realtion von Naturwahrheit und Kunstschönheit im Sinne einer Humanitas, die durch die Darstellung von Körpern und Handlungen sich ihrer eigenen Möglichkeiten versichert. Im »Laokoon« geht es also nicht einfach um eine zeitlose Stilgesetzlichkeit der Künste, sondern um die Recht¬ fertigung eines neu heraufkommenden Kunstideals, um die Begründung der klassischen Symbolform der Goethezeit, die den Klassizismus in Dichtung und bildender Kunst rechtfertigte und einem eigenen Stilwillen die Richtung wies.« (P. Böckmann, Das Laokoonproblem und seine Auflösung in der Ro¬ mantik. In: W. Rasch (Hg.), Bildende Kunst und Literatur. Beiträge zum Problem ihrer Wechselbeziehungen im 19. Jahrhundert. Frankfurt 1970. S. 59-73; S. 63).

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Das eigentliche Gebiet der Poesie wie der Kunst überhaupt ist das Mensch¬ liche als das Reich des Schönen. (XI 210)

Zugleich aber geht es Schlegel um den Versuch einer geschichts¬ philosophischen Begründung dessen, was die Griechen für die Moder¬ ne so ideal erscheinen läßt,60 d. h. um ein gegenwartsbezogenes ge¬ schichtsphilosophisches Interesse an dem »Wesentlich-Antiken«:61 Hamlet ist das Gegenstück des Prometheus - weichliche Verzweiflung, die erhaben ist, harte Heldenkraft, welche auch wiederum anziehend ist. (XI 205)

Es geht um den Versuch einer Verknüpfung dieses am Erleben der griechischen Plastik und bei der Hamlet-Lektüre erfahrenen Gegensat¬ zes von äußerer Vollkommenheit der Darstellung und dargestellter in¬ nerer Disharmonie für die Geschichte der Kunst, wie es auch Winkkelmanns bekanntem Diktum von der »edlen Einfalt und stillen Grö¬ ße«62 zugrundeliegt. Die Idealität des Schönen ist unlösbar verbunden mit der Erfahrung ihrer Vergänglichkeit. Stärker als die an der Ganz¬ heit griechischer Kunstformen orientierte klassizistische Kunsttheorie ist Schlegels Antikebild bestimmt von der Zeitlichkeit und Vergänglich¬ keit griechischer Kunst. Die Idealität der Griechen erschließt sich über ihre Geschichtlichkeit, d. h. daß »die Herrlichkeit der Alten von ihrem tiefen Falle unzertrennlich (ist)« (I 36). Dies ist von Anfang an grund¬ legend für sein Interesse an den Griechen: Selbst die Griechische Kunst, welche die Vollkommenheit erreichte, endigte in sich selbst, und beweiset die Hinfälligkeit der alten Größe. Und eben in der Kunst ist auch unsere Verworrenheit und Zerstückelung am offenbarsten. (136)

Antikekult und geschichtsphilosophisches Gegenwartsinteresse treffen im »Studium«-Aufsatz aufeinander. Es geht dort um den Versuch einer Orts- und Zeitbestimmung moderner Poesie im Bewußtsein der un¬ wiederholbaren Idealität griechischer Antike. Richard Brinkmann hat mit Entschiedenheit die Kontinuität des »Studium«-Aufsatzes zur früh-

60 »Dem Gedanken, daß in der griechischen Plastik ein absoluter Maßstab äs¬ thetisch geformt sei, begegnen wir (...) als dem Schibboleth des Klassizismus, bei Goethe, bei W. v. Humboldt, bei Schiller; und Schlegel scheut sich, seinen Grundsatz der »unendlichen Perfektibilität« auf sie zu übertragen.« (H. Kuhn, Ästhetik. S. 105); zur Bewertung der griechischen Plastik durch Schle¬ gel vgl. KA I, 264ff. u. 294; zu Schlegels anthropologischem Interesse an den Griechen vgl. H. Folwartschny, Friedrich Schlegels Verhältnis zur Philoso¬ phie. S. 29f., 37f. 61 Walzel, S. 170. 62 Vgl. dazu P. Szondi, Antike und Moderne in der Goethezeit. S. 44ff.

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romantischen Theorie sowie die Eigenständigkeit Schlegels gegenüber Schillers gleichzeitig entstandener Abhandlung »Über naive und sentimentalische Dichtung« betont und dabei den Vorwurf einseitiger Gräkomanie ebenso zurückgewiesen wie eine Gleichsetzung der Schlegelschen Begriffe des »Objektiven« und des »Interessanten« mit denen Schillers.63 Anders als Schiller, der über Kant hinausgehend das Schöne als ein »Sinnlich-Objektives« aus der praktischen Vernunft heraus be¬ stimmen will,64 bemüht sich Schlegel, »das Ideal des Schönen« (I 13) aus dem konkreten geschichtlichen Lebenszusammenhang der Grie¬ chen

herzuleiten; bzw.

was bei Schiller außergeschichtlicher Na¬

turzustand ist, realisiert sich für Schlegel in der idealen Geschichtlich¬ keit der griechischen Antike: Schon auf der ersten Stufe der Bildung und noch unter der Vormundschaft der Natur umfaßte die Griechische Poesie in gleichmäßiger Vollständigkeit, im glücklichsten Gleichgewicht und ohne einseitige Richtung oder übertrieb¬ ne Abweichung das Ganze der menschlichen Natur. (I 276)

63 Vgl. R. Brinkmann, Romantische Dichtungstheorie in Friedrich Schlegels Frühschriften und Schillers Begriffe des Naiven und Sentimentalischen. Vor¬ zeichen einer Emanzipation des Historischen. In: DVjs 32 (1958). S. 344-371; vgl. dazu H.-D. Weber, Transzendentalpoesie. S. 140ff.; H. Eichner, The supposed Influence of Schiller’s »Über Naive und Sentimentalische Dichtung« on F. Schlegel’s »Über das Studium der griechischen Poesie«. In: GR XXX (1955). S. 260-264. - Wichtiger als die Frage nach der Priorität und des mög¬ lichen Einflusses ist die Verschiedenheit des geschichtsphilosophischen An¬ satzes, bzw. die Unterscheidung einer mehr typologischen Dichtungstheorie bei Schiller im Gegensatz zu Schlegel: »Schlegel ist von vornherein bewegt vom Geist der bewegten konkreten Geschichte. Er ist viel mehr Geschichts¬ philosoph als Schiller.« R. Brinkmann, Romantische Dichtungstheorie. S. 361); ebenso H. Kuhn, Ästhetik. S. Ulf.; vgl. dagegen, H. R. Jauß, Replik. S. 104. - »Der Ästhetiker Schiller war ein Schüler nicht Herders, sondern Kants. Seine Theorie der Kunst zielt mehr auf deren psychologische Entste¬ hungsmotivation im Spieltrieb, auf Wirkung und Funktion. (...) Aber anders als bei Herder, Schlegel und Hölderlin ist Geschichtsphilosophie bei Kant wie in Schillers Briefen über die »Ästhetische Erziehung« Reflexion auf die Geschichte nicht so sehr als Vergangenheit denn als Zukunft (...).« (P. Szondi, Poetik und Geschichtsphilosophie. Zu Schillers Abhandlung »Über Naive und Sentimentalische Dichtung«. S. 384f.); vgl. auch E. Staiger, Friedrich Schlegels Sieg über Schiller. Sitzungsbericht der Heidelberger Aka¬ demie der Wissenschaft. Philosophisch-historische Klasse. Jhg. 1981. Bericht 3. Heidelberg 1981; J. Haupt, Geschichtsphilosophie und Griechenverständ¬ nis im ästhetischen Programm Schillers. In: Jb. d. dt. Schillergesellschaft 18 (1974). S. 407-430. 64 Vgl. dazu D. Henrich, Der Begriff der Schönheit in Schillers Ästhetik, ln: Zs. f. philos. Forschung 11 (1957). S. 527-547.

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Noch 1797, als die ersten Lyceumsfragmente erscheinen, betont Schle¬ gel in dieser Hinsicht die Überlegenheit der Griechen: »Für eine Men¬ schenkenntnis, die aus dem Shakespeare, für eine Tugend, die aus der Heloise geschöpft sein soll, gebe ich nicht viel« (I 214). Erst nach 1802 mit seinen Studien zur indischen Philologie und der Hinwendung zum Mittelalter wird diese Wertschätzung der Griechen mit Nachdruck re¬ lativiert. Damit ändern sich dann auch Inhalte und Zielsetzungen sei¬ ner Geschichtsphilosophie: Man kann sagen, der Charakter der griechischen Poesie im allgemeinen ist Darstellung des Menschen, während der der nordischen mehr Darstellung der Natur und der der indischen mehr Darstellung der Gottheit ist. (XI 40)

Was aber die Griechen als »das höchste Schöne« (I 293), bzw. als »Gipfel der Menschheit« (XI 211) auszeichnet, umschreibt Schlegel mit dem Begriff des »Objektiven«. Die griechische Poesie ist ein »Ur¬ bild der Kunst und des Geschmacks« (I 288). Gegenüber der sich stets verändernden Poesie der Moderne ist sie »objektiv«, d. h. »unverän¬ derlich und beharrlich« (I 255). Was sie so ideal erscheinen läßt, ist die Gleichmäßigkeit ihrer Entwicklung: Nur da ist das höchste Schöne möglich, wo alle Bestandteile der Kunst und des Geschmacks sich gleichmäßig entwickeln, ausbilden, und vollenden; in der natürlichen Bildung. In der künstlichen Bildung geht diese Gleichmäßig¬ keit durch die willkürlichen Scheidungen und Mischungen des lenkenden Verstandes unwiederbringlich verloren. (I 293)

Was die Geschichte der Griechen auszeichnet, ist, daß die Entwicklung ihrer Poesie in unmittelbarem Zusammenhang mit der Entwicklung freiheitlich-republikanischer, öffentlicher Gesinnung steht,65 was sich am Drama der Athenischen Schule, vor allem an der Sophokleischen Tragödie ablesen läßt.66 Diese ideale Gleichzeitigkeit von Kunst und Leben betrifft nicht nur die äußere Abfolge ihrer Schulen, sondern auch die innere Gesetzmäßigkeit ihrer »darstellenden Kunst« (I 291): Objektivität ist der angemessenste Ausdruck für dies gesetzmäßige Verhältnis des Allgemeinen und des Einzelnen in der freien Darstellung. (I 291)

In der künstlichen Bildung der Moderne ist diese Harmonie und Gleich¬ mäßigkeit nicht mehr gegeben: Dies ist es, was der Poesie unsres Zeitalters fehlt! Nicht eine Fülle einzelner, trefflicher Schönheiten, aber Übereinstimmung und Vollendung, und die Ruhe und Befriedigung, welche nur aus diesen entspringen können; eine 65 Vgl. KA I, 286f.; KA XI, 228; vgl. dazu unten Kap. 1.2. 66 Vgl. KA I, 296f. u. 633f.

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vollständige Schönheit, die ganz und beharrlich wäre; eine Juno, welche nicht im Augenblick der feurigsten Umarmung zur Wolke würde. (I 217)

Schlegel umschreibt hier im Winckelmannschen Sprachgebrauch den Defizienzcharakter moderner Poesie, der bestimmt ist von der Erfah¬ rung der Zeitlichkeit und Vergänglichkeit.67 Mit dem Begriff des »In¬ teressanten« bringt Schlegel die »ästhetische Heteronomie« (I 342) mo¬ derner Poesie und die Erfahrung der Heterogenität ihrer Geschichte zum Ausdruck.68 Gegenüber dem in sich geschlossenen, kreislaufför¬ migen Geschichtsablauf der Antike befindet sich die Geschichte der Moderne in unendlicher Fortschreitung. Ihr Ziel ist es, zu einer den Griechen vergleichbaren Objektivität zu gelangen, wie sie sich bereits in Goethe ankündigt. Die natürliche Bildung der Griechen bezeichnet nur »ein relatives Maximum« (I 634). Während die griechische Bildung »in einem völligen Kreislauf auch wieder in sich selbst zurücksank« (I 302), strebt die Poesie der Moderne demgegenüber nach unendlicher Vervollkommnung.69 Schlegels methodisches Vorgehen ist sowohl bestimmt durch den Ver¬ such einer »Deduktion des Interessanten« (I 213) als auch durch eine historische Darstellung des Interessanten gegenüber dem Objektiven. Seine Schwierigkeit, die Einheit moderner Poesie zu bestimmen, rührt daher, daß für ihn das Schönge geschichtsphilosophisch definiert ist und gebunden bleibt an die Kategorie des »Objektiven«. Das ist die Ursache für die Zwiespältigkeit des »Studium«-Aufsatzes: einer an sich positiven Bewertung moderner Poesie (Dante, der Reim, Hamlet, Goe¬ the u. a.) steht eine ex negativo verfahrende Theorie gegenüber.70 Anders als Schillers sentimentalischer Poesie fehlt dem Begriff des »Interessanten« ein ihm immanentes Ausgerichtetsein aufs Ideal, und damit im Grunde auch die Spontaneität und Unmittelbarkeit die den

67 »Die Ästhetik ist von der antiken Kunst aus entworfen. Auch darin ist Hegel nicht Erfinder, sondern folgt dem zuerst von F. Schlegel gezeichneten Plan, in dem sich verrät, daß der Zugang zur Entdeckung der nicht-griechischen Kunst durch die griechische Kunst führte.« (H. Kuhn, Ästhetik. S. 116). 68 Zur Argumentationsabfolge des »Studium«-Aufsatzes vgl. R. Brinkmann, Dichtungstheorie. S. 353ff.; F N. Mennemeier, Poesiebegriff. S. 25-121. 69 Vgl. KA I, 294ff. - »Indessen, zu der Idee der Perfektibilität, die in der Ver¬ wirklichung eine unendliche Progressivität ist, muß die Idee der Universalität der Poesie kommen. Diesen Begriff der Universalität betont Schlegel of¬ fensichtlich gegen Winckelmann und Herder. Die Kunst ist gleicherweise Eigentum der ganzen Menschheit. Sie ist nicht die lokale Frucht des glück¬ lichsten Klimas, nicht eine momentane Epoche.« (R. Brinkmann, Dichtungs¬ theorie. S. 356f.). 70 Vgl. dazu H. R. Jauß, Schlegels und Schillers Replik. S. 85ff.

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»Sprung« vom »Interessanten« zum »Objektiven« plausibel machen würde. Schlegels Begriffen fehlt eine den Schillerschen Begriffen des Naiven und Sentimentalischen vergleichbare geschichtsphilosophische Dynamik, weshalb - wie Eberhard Huge bemerkt - »die historische Durchführung des Übergangsprozesses von natürlicher zu künstlicher Bildung nur höchst unzureichend (gelingt).«71 Das gleiche gilt für die erhoffte Synthese des Interessanten und des Objektiven. Das Problem des »Studium«-Aufsatzes liegt in dem »Moment der Diskontinuität«72 zwischen Antike und Moderne. Die Geschichte der Bildung der Griechen soll »das hohe Urbild der künstlichen Fortschreitung« (1 293) abgeben, aber zu einer »Vereinigung des WesentlichModernen mit dem Wesentlich-Antiken«73 gelangt Schlegel hier noch nicht. Das gelingt erst mit den Begriffen des Klassischen und Progres¬ siven, mit denen das, was die Griechen so ideal erscheinen läßt, zum »transzendentale(n) Bestandteil des historischen Geistes« (II 169, 22) wird; bzw. womit ein einheitlicher transzendentaler Standpunkt gefun¬ den wird, der die geschichtsphilosophische Reflexion mit dem Bewußt¬ sein historischer Fortschreitung verbindet. Die Fösung, die Schlegel aus der geschichtsphilosophischen Dicho¬ tomie von Antike und Moderne herausführen wird, deutet sich aber bereits in der Einsicht an, daß »Manier und Methode der Nachah¬ mung« (I 331) ersetzt werden müssen durch eine bestimmte hermeneu¬ tische Verfahrensweise, bzw. daß eine »Werthersche Ansicht« (I 346) Homers und der griechischen Poesie unzulänglich ist. Es geht ihm dar¬ um, für die gegenwärtige Poesie »das Griechische Geheimnis (zu ent¬ decken), im Individuellen objektiv zu sein« (1321). Darin bestehen Sinn und Nutzen ihres Studiums: Nur der kann die Griechische Poesie nachahmen, der sie ganz kennt. Nur der ahmt sie wirklich nach, der sich die Objektivität der ganzen Masse, den schö¬ nen Geist der einzelnen Dichter, und den vollkommnen Stil des goldnen Zeitalters zueignet. (I 331)

Mit dem Begriff des Studiums umschreibt Schlegel einen produktiven Akt der Aneignung des geschichtlich Überlieferten.74 Das Neue an Schle71 E. Huge, Poesie und Reflexion. S. 28. 7: H. R. Jauß, Schlegels und Schillers Replik. S. 92. 73 Walzel, S. 170. 74 Eben das kennzeichnet schon das Kunsturteil der Griechen: »Und vortreff¬ lich war die Methode ihres Studiums; ein unaufhörliches, stets von neuem wiederholtes Lesen der klassischen Schriften, ein immer wieder von vorn angefangnes Durchgehen des ganzen Zyklus; nur das heißt wirklich lesen; nur so können reife Resultate entstehen und ein Kunstgefühl, und ein Kunst-

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gels Auseinandersetzung mit der Poesie und Geschichte der Griechen liegt in der Paradoxie begründet, »daß die Antike, obwohl als Muster anerkannt, nicht mehr unmittelbar ein Sollen begründet, sondern sich zur Rechtfertigung des Gegenteils ihrer selbst hergeben muß.«75 Es geht im Folgenden darum, den geschichtsphilosophischen Gehalt dessen, was die Antike für die Moderne so »objektiv« erscheinen läßt, darzulegen, um so die Entwicklung zur frühromantischen Geschichts¬ philosophie besser zu verstehen. Denn der Gegensatz von Antike und Moderne »ist nicht ein Dogma, sondern ein hermeneutisches Werk¬ zeug.«76

2. Idealität und Geschichtlichkeit griechischer Poesie »Das Griechische Geheimnis (. ..) im Individuellen objektiv zu sein« (I 321) zeigt sich vor allem im Drama, »wo die Freiheit in der Masse das Übergewicht über die Natur bekam« (I 633). Die Bildung der Grie¬ chen, die wie die der Moderne auf dem Wechselverhältnis von Freiheit und Natur beruht, hat damit ihr gegenüber der Moderne »relatives Maximum« (I 634) erreicht. Sophokles (...) erreichte das äußerste Ziel der Griechischen Poesie. Glück¬ licherweise traf er mit dem höchsten Augenblick des öffentlichen Attischen Geschmacks zusammen. (I 296f.)

Was die Griechen so objektiv erscheinen läßt, beruht auf dieser Koin¬ zidenz von individueller Kunstäußerung und allgemeinem Lebenszu¬ sammenhang. Ich behaupte nur, daß die Gattung des Sophokles die vollkommenste sey und daß die öffentliche Bildung und der öffentliche Geschmack der Griechen vereinigt in ihm die höchste Höhe erreichten. (XI 214)

Die Objektivität der Griechen, die sich gerade an der Sophokleischen Tragödie zeigt, für die »es (. . .) um 1800 eine Art Renaissance (gibt)«77, beruht auf der geschichtsphilosophischen Konstruktion der Gleichzeiurteil, welches allein durch das Verständnis des Ganzen der Kunst und der Bildung selbst möglich ist.« (III 53); vgl. dazu unten Kap. II.1. 75 H. Kuhn, Ästhetik. S. 121. 76 Ebda., S. 114. 77 W. Müller-Seidel in: Romantik in Deutschland. S. 527. Vgl. R.-P. Carl, So¬ phokles oder Shakespeare? Zur deutschen Tragödie um 1800. In: Deutsche Literatur zur Zeit der Klassik. Hg. v. K. O. Conrady. Stuttgart 1977. S. 296-318.

47

tigkeit

und

Gleichmäßigkeit

von

ästhetischer und sittlicher Ent¬

wicklung; denn Kunst, Sitten und Staaten der Griechen sind so innigst verflochten, daß ihre Kenntnis sich nicht trennen läßt. Und überhaupt ist die Griechische Bildung ein Ganzes, in welchem es unmöglich ist, einen einzelnen Teil stück¬ weise vollkommen richtig zu erkennen. (I 206) Die gleichartige Masse der Griechischen Poesie hingegen ist ein selbstän¬ diges, in sich vollendetes, vollkommenes Ganzes (...). (I 305)

Darauf beruht ihre geschichtsphilosophische Idealität, die von Schlegel auch mit dem Begriff des Organischen umschrieben wird,78 im Ge¬ gensatz zu der Heterogenität der Geschichte in der Moderne. 78 »In ihr (der griechischen Poesie; K. B.) ist der ganze Kreislauf der organi¬ schen Entwicklung der Kunst abgeschlossen und vollendet (...).« (I 307). Dar¬ in besteht die Idealität der griechischen Poesie: »jenes höchste Schöne ist ein gewordnes organisch gebildetes Ganzes« (1 293). Von Schlegel wird der Be¬ griff erstmals zur Charakterisierung einer idealen geschichtlichen Entwick¬ lung verwendet; von Schelling 1800 erstmals auf den Staat angewendet; vgl. E. Rothacker, Logik und Systematik der Geisteswissenschaften. Handbuch der Philosophie. München u. Berlin 1926. S. 88; »Als Gegensatz organisch und mechanisch-atomistischer Gesellschaftsideale beherrscht er die ganze ro¬ mantische Staatswissenschaft.« (Ebda., S. 86). Vgl. dazu P. Kluckhohn, Per¬ sönlichkeit und Gemeinschaft. S. 84ff. - »Dieser Gedanke des organischen Wachstums, so wie ihn die jüngere Romantik seit Schelling auf Erscheinungs¬ formen des Geistes (Staat und Geschichte) anwendet, entspringt aus der Scheu vor dem Plötzlichen und Gemachten. Er stammt von Goethe und wird später von der Historischen Rechtsschule Savignys übernommen.« (R. Hal¬ ler, Die Romantik in der Zeit der Umkehr. S. 249). Zum Begriff des Organis¬ mus, »der für Savigny eine noch größere Bedeutung hatte als für Herder« (W. Wieland, Art. Entwicklung. Evolution. S. 214f.) vgl. W. Wieland, ebda., S. 213ff. - »Konservativen Charakter nimmt dieser romantische Gedanke erst dann an, wenn das longum tempus zum letzten Rechtsgrund jeder In¬ stitution, wenn die Zeit zur »obersten Gottheit in der Politik, zum Minister Gottes auf Erden« gemacht wird. Denn erst diese Formel ist aus der Gegner¬ schaft gegen die revolutionäre Herleitung des Gemeinschaftswillens aus dem bewußten Willensakt der beteiligten Einzelindividuen zum Zweck der Befrie¬ digung des individuellen Glückstrebens erwachsen, lenkt den Blick von dem rationalen oder sentimentalen Krampf der Staatsgeburt auf die Stille der or¬ ganisch-gewachsenen Nation und schiebt sogleich dieser Stille die Idee des Stillstands unter.« (P. R. Rohden, Deutscher und französischer Konservatis¬ mus. In: Die Dioskuren. Jb. f. Geisteswiss. Bd. 3 (1924). S. 90-138; S. 116); vgl. dazu grundlegend M. Greiffenhagen, Das Dilemma des Konservatismus in Deutschland. München 1977 (1. Aufl. 1971). S. 200ff. - Zu Burke als Be¬ gründer organischer Staatsauffassung vgl. H. Barth, Edmund Burke und die deutsche Staatsphilosophie im Zeitalter der Romantik. In: Die Idee der Ord¬ nung. Beiträge zu einer politischen Philosophie. Erlenbach-Zürich-Stuttgart 1958. S. 28-62; S. 44ff. - Zu Justus Möser vgl. K. Epstein, Die Ursprünge des Konservativismus in Deutschland: Die Herausforderung durch die Franzö¬ sische Revolution 1770-1806. Frankfurt-Berlin 1973. S. 370ff. - Zu Kant vgl.

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Vollendung heißt der Zustand der Bildung, wenn die innre strebende Kraft sich völlig ausgewickelt hat, wenn die Absicht ganz erreicht ist, und in gleich¬ mäßiger Vollständigkeit des Ganzen keine Erwartung unbefriedigt bleibt. Goldnes Zeitalter heißt dieser Zustand, wenn er einer ganzen gleichzeitigen Masse zukommt. (I 287) Sehr einfach kontrastiert die einfache Gleichartigkeit der ganzen Masse der Griechischen Poesie mit dem bunten Kolorit, und der heterogenen Mi¬ schung der modernen Poesie. (I 302)

Die ideale Ganzheit des griechischen Lebenszusammenhangs um¬ schreibt Schlegel mit dem Begriff des Öffentlichen: Die Stimme des Volks lenkte und beherrschte das Griechische Drama, das aus Volksfesten entstanden und ganz für das Volk bestimmt war. (XI 207)

Schon für Winckelmann und Herder gründet die Freiheit griechischer Kunst auf der politischen Freiheit des griechischen Volkes.79 Darin zeich¬ net es sich vor allen anderen Völkern aus. Es ist diese Totalität des griechischen Lebenszusammenhanges, wie sie von Schlegel mit dem Begriff des »Öffentlichen Geschmacks« (I 287) bzw. im griechischen Mythos als Feier der Humanität - »Feste, Spiele, Geselligkeit und Liebe dieses Zeitalters atmen einen Geist - mächtige Bildung und freund¬ liche Hoheit« (I 55) - veranschaulicht und dargestellt werden. »Diese Heiligkeit schöner Spiele und diese Freiheit der darstellenden Kunst sind die eigentlichen Kennzeichen echter Griechheit« (I 275). Die Kunst gewinnt bei den Griechen eine aus den Bedürfnissen der Arbeit entlassene kultische Funktion.80 Sie ist Ausdruck der gesellschaftlichen M. Frank, Der kommende Gott. S. 155ff. - Zu Fichte vgl. K. H. Ilting, Art. Naturrecht. In: Geschichtliche Grundbegriffe. Historisches Lexikon zur po¬ litisch-sozialen Sprache in Deutschland. Bd. 4. Stuttgart 1978. S. 245-314; S. 303f. 79 Vgl. J. J. Winckelmann, Geschichte der Kunst. S. 130 u. 295; zu Herder vgl. Anm. 23. - Der eminent zeitpolitische Zug der Antikestudien in den neun¬ ziger Jahren zeigt sich nirgends so deutlich wie in der unveröffentlicht ge¬ bliebenen ersten Sammlung von Herders Humanitätsbriefen (1792), die sich »wie ein politisches Programm (lesen)«. (B. Suphan in: J. G. Herder, Sämmtliche Werke Bd. 18. Editorischer Bericht. S. 536; vgl. ebda. S. 303ff.). - Vgl. W. Jens, Antiquierte Antike? S. 52; J. Hermand (Hg.), Von deutscher Republik. 1775-1795. 2 Bde. Frankfurt 1968. 80 Zu Schlegels Theorie des Festes vgl. I. Oesterle, Der glückliche Anstoß. S. 195ff.; zum Einfluß Schillers grundlegend H.-D. Weber, Transzendental¬ poesie. S. 149ff. u. 161 ff. - Anders als Schiller bezieht Schlegel die Spiel¬ theorie auf die konkrete geschichtliche Wirklichkeit der Griechen. »Schlegel bedient sich der transzendentalphilosophischen Begriffe und ist dabei über Kant und Fichte hinaus, ohne sich dessen gewahr zu sein. Auch für ihn wie für Schiller zeigt sich das Wesen der Griechen darin, daß bei ihnen die von theoretisch begründete Freiheit der Kunst zur Wirklichkeit geworden war.

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Ganzheit griechischen Lebens: seiner nationalen und mythischen Be¬ stimmtheit.81 Die Geschichte griechischer Poesie ist die Entwicklung dieses idea¬ len Lebenszusammenhangs. »Mit den öffentlichen Sitten und der öf¬ fentlichen Meinung änderte sich auch der öffentliche Geschmack« (1 60). »Öffentlichkeit« begreift Kant als Prinzip der Rechtsordnung und Methode der Aufklärung gemäß seiner Forderung nach Recht¬ mäßigkeit staatlicher Ordnung, wie er es in einer republikanischen Ver¬ fassung gewährleistet sieht.82 Bei Schlegel wird daraus eine meta¬ phorische Umschreibung für das, was die Griechen allen anderen Völ¬ kern voraus haben: Nur Entwicklung der reinen Menschheit ist wahre Bildung. Wo hat freie Menschheit in der Masse des Volks ein so durchgängiges Übergewicht er¬ halten als bei den Griechen? Wo war die Bildung so echt, und echte Bildung so öffentlich? - In der Tat kaum gibt es im ganzen Lauf der Menschenge¬ schichte ein erhabneres Schauspiel, als der große Augenblick darbietet, da mit einemmale und gleichsam von selbst, durch bloße Entwicklung der innern Lebenskraft, in den Griechischen Verfassungen Republikanismus, in den Sitten Enthusiasmus und Weisheit, in den Wissenschaften, statt der my¬ thischen Anordnung der Fantasie logischer und systematisierender Zusam¬ menhang, und in den Griechischen Künsten das Ideal hervortrat. (I 286)

Was den Griechen, diesem »Urbild der Menschheit« (I 637), in seinen künstlerischen Hervorbringungen auszeichnet, beruht für Schlegel nicht mehr auf klimatisch-natürlicher Gegebenheit, sondern ist Aus¬ druck und Folge bewußten Kunstschaffens; d. h. »daß es eine Stufe der antiken Bildung gab, wo sich die Kunst zum Ideal emporschwang, die Sitten zur Hoheit und Selbständigkeit, die Freundschaft zu gottähnli¬ chem Enthusiasmus, die Philosophie zur Weisheit, der Staat zu freier Gesetzmäßigkeit« (I 633). Eben diese Stufe ist mit dem Drama der Grie¬ chen und dem Republikanismus ihres Gemeinwesens erreicht,83 was (.. .) Mit Unbefangenheit ist hier getan, was für Kant und Fichte, im Grunde auch für Schiller, eine Unmöglichkeit war: der Zusammenhang der autono¬ men Sphären ist aus seiner Transzendenz als einer für Erkennen und Han¬ deln unerrreichbaren Idee in die Wirklichkeit hineingenommen (...), und konkret, aber mit Beschränkung des Blicks, von einem bestimmten histori¬ schen Phänomen abgenommen.« (H. Kuhn, Ästhetik. S. 76f.). 81 Vgl. KA I 2111, 302f„ 333 u. 351. 82 Vgl. J. Habermas, Strukturwandel der Öffentlichkeit. Untersuchungen zu ei¬ ner Kategorie der bürgerlichen Gesellschaft. Neuwied-Berlin 3. Aufl. 1968. S. 118ff. 83 Zu Schlegels undifferenziertem Staatsbegriff und dem Einfluß Fichtes vgl. I. Oesterle, Der glückliche Anstoß. S. 182ff.; zum Einfluß der Platonischen Staatsphilosophie vgl. E. Behler in KA I, cxviiff.

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beides zusammen genommen Produkt der Öffentlichkeit ihrer Bildung ist. »Die Alten konnten sich keine große Handlung anders als öffent¬ lich denken« (XI 206), was sich am Chor und seiner Bedeutung für die Tragödie ebenso zeigt*4 wie im Leben der Griechen selbst, das auf der innigen Einheit von Göttlichem und Menschlichem beruht. »Religion« als »das Verhältniß des Menschen zum höchsten Wesen« (XI 206) ma¬ nifestiert sich bei den Griechen in der sinnlich-sichtbaren Darstellung ihrer Götterwelt bzw. in der dionysischen Lebensfeier. Aber in diesem Religionsgefühle, war nicht das Princip allmählige stete Ver¬ vollkommnung, sondern sie war Produkt der Natur; es gieng der Schönheit der Religion wie der Schönheit der Griechen überhaupt: sie bildete sich, ward vollendet und sank. (XI 206)

Was bei den Griechen ideal und einzigartig verwirklicht worden und wieder vergangen ist, wird für die Moderne zum aufgegebenen Pro¬ gramm mit dem Ziel, den verlorenen Mythos als Kunst- und Humani¬ tätsideal neu zu verwirklichen.85 Die Idealität der Griechen beruht für Schlegel wie im Falle des »Naturstaats« bei Novalis auf der Einheit von Res privata und Res publica.86 Aber anders als Novalis bezieht Schlegel dies auf eine kon¬ krete Epoche der Menschheitsgeschichte. Das goldene Zeitalter hat für ihn nicht die Anschauungsform des Märchens, sondern bleibt gebun¬ den an die Idee der griechischen Polis und einer republikanischen Poesie i. S. einer Gleichwertigkeit aller literarischen und menschlichen Äußerungsformen, wie es mit der frühromantischen Kunstlehre ver¬ wirklicht wird.87 Winckelmanns postnormativer Klassizismus und die damit aufgeworfene Frage nach der Eigenständigkeit moderner Kunst wird so einer Lösung zugeführt, die die Einsicht in die Geschichtlich¬ keit der Kunstformen und ihrer subjektiv-reflexiven Verarbeitung für Antike und Moderne miteinander verbindet. Was aber bleibt, ist die Überzeugung, daß hinsichtlich der politischen Kultur die Alten noch

84 Vgl. KA XI 203ff.; E. Behler, Die Theorie der Tragödie in der deutschen Früh¬ romantik. In: Romantik in Deutschland. S. 572-583. 85 Vgl. dazu H. Gockel, Mythos und Poesie. S. 188ff. 86 Vgl. Novalis, Materialien zu »Die Lehrlinge zu Sais«. In: Novalis, Werkel. S. 235; dazu: H.-J. Mähl, Die Idee des goldenen Zeitalters. S. 305ff., ferner: J. Petersen, Das goldene Zeitalter bei den deutschen Romantikern, ln: Fest¬ schrift f. F. Muncker. Die Ernte. Halle 1926. S. 117ff.; H.-J. Heiner, Das Golde¬ ne Zeitalter in der deutschen Romantik. Zur sozialpsychologischen Funktion eines Topos. In: Romantikforschung seit 1945. Hg. v. K. Peter. Königstein/Ts. 1980. S. 280-303. 87 Vgl. dazu unten Kap. II.2.

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unübertroffen sind, d. h. daß die Modernen »von den Alten in diesem Stücke noch viel zu lernen haben« (VII 18). Die Relevanz der Idealität der Griechen für die Moderne besteht in der bei den Griechen vorübergehend erreichten und für die eigene Zeit anzustrebenden Einheit von Kunst und Leben. Das frühromantische Programm einer neuen Mythologie zielt sowohl auf die zu erneuernde Totalität individueller Bildung wie die des gesellschaftlichen Lebens¬ zusammenhanges; d. h. der von Schlegel konstatierte Verlust des Schö¬ nen in der Moderne »hängt (mit dem) Verlust einer wirklich homoge¬ nen >Öffentlichkeit< zusammen«88. Kunst soll wieder gemeinschaftli¬ cher Ausdruck des Denkens und Handelns eines Volkes werden, wie es Schlegel am nachdrücklichsten im Zusammenhang mit der griechi¬ schen Komödie dargestellt hat. Darin besteht der »ästhetische Im¬ perativ« (I 214) seines Kunstprogramms, und das macht den objektiven Wert der Griechen für die Moderne aus: daß »die ästhetische Bildung durch Freiheit der Kunst und Gemeinschaft des Geschmacks durch¬ gängig durchgreifend und öffentlich werde (. . .)« (I 360). Wenn Baeumler das klassisch-romantische Antikebild der neunziger Jahre und damit ein nur philologisches Interesse an den Griechen als ästhetisch-abstrakt verurteilt und in Gegensatz stellt zum mythisch¬ religiösen Geschichtsdenken Savignys und der Heidelberger Romantik,89 so trifft er damit nur einen »Klassizismus im schlechten Wortsinn«90 und verkennt die Bedeutung Schlegels und der Jenaer Romantik für einen neuen Poesie- und Geschichtsbegriff. Es war gerade die folgen¬ reiche Leistung des jungen Schlegel in seiner Eigenschaft als klassi¬ scher Philologe und geprägt durch den ästhetischen Humanismus sei¬ ner Zeit und den damit zusammenhängenden, neuen hermeneutischen Ansatz, die einzelne poetische Form aus der Lebensimmanenz des griechischen Volkes, - eben das, was der Begriff der »Religion« bzw. die »Öffentlichkeit« griechischer Bildung impliziert -, herzuleiten. Ja, ihr Leben, ihre Erziehung war öffentlich und die Seele ihres Staats in¬ nigste Gemeinschaft und Eintracht, Ruhe, Ordnung und Gesetzmäßigkeit

88 M. Frank, Die Dichtung als »Neue Mythologie«. In: K. H. Bohrer (Hg.), My¬ thos und Moderne. Frankfurt 1983. S. 15-40; S. 29. 89 Vgl. A. Baeumler, Das mythische Weltalter. S. lOff. u. 172ff.; ferner: Kap. III. Anm. 67 u. Anm. 132ff. »Darin liegt der tiefste Mangel der Philologie: daß sie keinen Weg zeigt ins Objektive, zur Gemeinschaft, zum Geist.« (Ebda., S. 274). 90 P. Szondi (Antike und Moderne. S. 45), der sich hier auf die oberflächlich¬ falsche Rezeption des Winkelmannschen Topos’ von der »edlen Einfalt und stillen Größe« bezieht.

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(Eunomia, Hesychia), so daß der Einzelne Bürger im Volke beynahe vernich¬ tet, darin verschmolzen ward. Und nie hat eine so innige Gemeinschaft sonst Statt gefunden. Die Selbständigkeit der Einzelnen verlohr sich gleichsam in die Masse der Menge, welche nur von einem Willen belebt schien. (XI 228)

Das wird an »der republikanischen und religiösen Eigenthümlichkeit der Griechischen Tragödie« (XI 208) erkennbar, aber mehr noch im Zusammenhang mit der griechischen Komödie, deren Ursprung für Schlegel im orgiastisch-dionysischen Kult - »eine öffentliche religiöse Handlung, ein Teil von dem Feste des Bakchus« (I 21) - und im indi¬ viduellen Kunstschaffen des Aristophanes besteht.9' Schlegel begreift die Idealität der griechischen Poesie, die im Drama ihren höchsten Aus¬ druck gefunden hat, als Zusammenspiel von dionysischen und apolli¬ nischen Mächten, von subjektiver Freiheit und objektiver Notwendig¬ keit.9- Baeumler zieht zu Recht eine Verbindung Schlegels zu Nietz¬ sche.93 Aber er meint dies in einem abwertenden Sinne gemäß seines pejorativen Begriffs der Frühromantik und einer Vorstellung von My¬ thos und Geschichte, der jeder kritisch-reflexive Selbstbezug fehlt. Der transzendentale Ansatz im frühromantischen Geschichtsdenken und damit auch das utopische Potential von Schlegels republikanischem Kunstprogramm wird bei Baeumler durch einen dämonisch-regressi¬ ven Ahnenkult ersetzt.94 91 Vgl. KA I 19ff. - Das betrifft auch Schlegels Beurteilung des Euripides, der trotz seiner geschichtsphilosophischen Stellung durchaus positiv charakteri¬ siert wird; vgl. KA I 60ff. - Das Urteil der Brüder Schlegel hat, vor allem über A. W. Schlegels Wiener Vorlesungen, die kritische Einschätzung der griechi¬ schen Tragiker bis in die Gegenwart entscheidend mitbestimmt. Dabei hat die Vorliebe für Sophokles wie für Calderon zu Beginn des 19. Jahrhunderts auch ideologische Gründe. Vgl. Uwe Petersen, Goethe und Euripides. Un¬ tersuchungen zur Euripides-Rezeption in der Goethezeit. Heidelberg 1974. S. 150ff.; hier S. 154; B. Snell, Aristophanes und die Ästhetik. In: Die Ent¬ deckung des Geistes. Göttingen 4. Aufl. 1975. S. 161-183. 92 »Im Gemüte des Sophokles war die göttliche Trunkenheit des Dionysos, die tiefe Erfindsamkeit der Athene, und die leise Besonnenheit des Apollo gleich¬ mäßig verschmolzen.« (I 298); vgl. M. Frank, Der kommende Gott. S. 93ff. 93 Vgl. A. Baeumler, Das mythische Weltalter. S. 267; dazu: E. Behler, NietzscheStudien 7 (1978). S. 59-87; ders., Friedrich Schlegels »Rede über die Mytho¬ logie« im Hinblick auf Nietzsche. In: Nietzsche-Studien 8 (1979). S. 182-209. J. Brummack (Satirische Dichtung. München 1979. S. 16ff.) lehnt es ab, Schle¬ gels Theorie der griechischen Lebensfeier und der Freude mit Nietzsches Begriff des Dionysischen gleichzusetzen, da dieser Begriff bei Schlegel ge¬ schichtsphilosophische Implikate hat, nämlich die Erinnerung an das goldene Zeitalter, das es in der Geschichte wieder herbeizuführen gilt. Demgegenüber dominiert bei Nietzsche der ideologiekritische Aspekt, d. h. die Entlarvungs¬ funktion der Kunst. Vgl. dazu P. Böckmann, Die Bedeutung Nietzsches für die Situation der modernen Literatur. In: DVjs 27 (1953). S. 77-101; S. 81 ff.

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Schlegels Studien zur griechischen Poesie liegt die hermeneutische Einsicht zugrunde, wie er sie dann in seiner »Philosophie der Philolo¬ gie« thematisiert, daß der Wert des zu Kritisierenden sich erst aus der Totalität des geschichtlich-gesellschaftlichen Lebenzusammenhanges ergibt. Deshalb ist »die politische Beurteilung (. . .) der höchste aller Gesichtspunkte« (I 325). Unter den Athenern allein (sonst bei keinem Volke in der alten und neuen Geschichte) genoß die Poesie während einer kurzen Zeit ihr ursprüngliches vollgültiges Recht an gränzenlose äußre Freiheit und unbeschränkte Auto¬ nomie. Besonders die poetische Darstellung des öffentlichen Lebens, die alte Komödie, ist davon ein erhabenes Beispiel. (I 13)

Schlegels Aufsatz »Vom ästhetischen Wert der griechischen Komödie«, der »eine Grundlegung der autonomen poetischen Satire«95 enthält, ist mit dem dort dargestellten Zusammenhang von poetischer Autonomie und Gesellschaftsbezogenheit der Kunst von zentraler Bedeutung für das romantische Dichtungsverständnis. Denn konstitutiv für die roman¬ tische Satire sowie allen subjektiv gebrochenen, poetischen Äußerungs¬ formen des Humors, der Ironie, der Parodie etc. ist, »daß in (ihnen) die Poesie ausschließlich nach Maßgabe ihrer eigenen Zwecke und ohne äußre Beschränkung das Unpoetische der Wirklichkeit angreift«96; 94 Vgl. A. Baeumler, Das mythische Weltalter. S. 148f. u. 195ff. 95 J. Brummack, Satirische Dichtung. S. 11. 96 Ebda., S. 6. Besonders deutlich wird die politische Intention der geschichts¬ philosophischen Bewertung griechischer Poesie bei seinem Urteil über die lyrische Kunst der Griechen in der »Geschichte der Poesie der Griechen und Römer« von 1798. Der »Ursprung). ..) des Republikanismus und der lyri¬ schen Kunst der Hellenen (war) ungefähr gleichzeitig (. ..): denn in diesen großen Veränderungen offenbarte sich bei den Hellenen zuerst das erwachte Streben nach dem Unendlichen und das Vermögen freier Selbstbestimmung« (1413). Deshalb nennt Schlegel sie auch i. S. Herders »eine republikanische und musikalische Poesie« (I 557). Gerade für die Poesie, d. h. hier für die lyrische Kunst der Griechen, zeigt sich die postulierte Koinzidenz von poli¬ tischer und ästhetischer Revolution: »Natürlich mußte daher jene große po¬ litische Revolution, durch welche an die Stelle der nach väterlichem Herkom¬ men herrschenden Fürsten eine genauere Gesetzgebung trat, die Gewohnheit der Erbfolge den Wahlen der versammelten Bürger wich, das Königtum aus den hellenischen Staaten plötzlich verschwand, und mit überraschender Übereinstimmung die Freiheit überall wie von selbst aufblühte, eine ähnli¬ che, ebenso wichtige Revolution in der Kunst zur Begleiterin haben. (.. .) Mit der äußern Lage verwandelte sich selbst das Innere der Poesie, in welcher nun auch wie im Leben Eigentümlichkeit und Leidenschaft herrschend wur¬ den, wie der Geist der Gesetzlichkeit und der Geselligkeit.« (I 555) - Diese Koinzidenz von politischer und poetischer Charakterisierung verbindet an¬ tike und romantische Poesie: »Die Poesie ist eine republikanische Rede; eine Rede, die ihr eignes Gesetz und ihr eigner Zweck ist, wo alle Teile freie

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d. h. der universal-utopische Anspruch romantischer Poesie, gesell¬ schaftliche Totalität oder ein Bild des Zeitalters in Richtung auf eine bessere Zukunft zu geben, findet sich ein dem Versuch einer geschichts¬ philosophischen Ortsbestimmung der griechischen Komödie erstmals ausgesprochen. Die Schwierigkeit, die Schlegel dort mit der Bestimmung des ästhe¬ tischen Werts hat, liegt darin begründet, daß die Objektivität der griechi¬ schen Komödie - aufgrund ihrer geschichtlichen Stellung und auf¬ grund des Wesens des Komischen - eine andere ist als die Objektivität der griechischen Tragödie. Es gibt kein »reines Komisches« so wie es ein »reines Tragisches« gibt, was in der Natur der komischen Begei¬ sterung begründet liegt. Ihr Gegenstand ist, anders als im Falle der Tragödie, das gemeine, rohe, politische Leben.97 Das Komische hat auch einen anderen historischen Ursprung als das Tragische. Denn an¬ ders als die Tragödie gehört die Komödie und deren Repräsentant Aristophanes dem Verfallsstadium der Athenischen Schule an.98 Die Ge¬ schichte der Komödie beginnt zu einem Zeitpunkt, als sich die Ent¬ wicklung der natürlichen Bildung der Griechen bereits dem Verfall zuneigt. Es ergibt sich damit für Schlegel eine Inkongruenz von ästhe¬ tischer Wertung und geschichtsphilosophischer Bestimmung der Ko¬ mödie: Der Künstler Aristophanes schließt sich an die Geschichte vom Anfänge der Kunst, der Mensch Aristophanes findet seinen Platz in der Geschichte vom Verfalle. Dies ist aus.zwei Gründen sehr begreiflich; die komische Kunst bildet sich später als die tragische, und das Publikum der Komödie verdibt früher. (I 25)

Die wirkungsästhetische Definition des Komischen99 konkurriert hier mit dem Versuch einer geschichtsphilosophischen Einordnung der KoBürger sind, und mitstimmen dürfen.« (II 155; 65). Vgl. J. Brummack, Sati¬ rische Dichtung. S. 21; R.-P. Janz, Ästhetische und soziale Funktion der Kunst. Studien zur Ästhetik von Schiller und Novalis. Diss. Berlin 1972. S. 11 lff. - Vgl. dazu unten Kap. II. Anm. 28. 97 »Die Rohigkeit, welche oft auch unsittlich ist, muß man sich hüten mit der ästhetischen Unsittlichkeit zu verwechseln: diese ist nichts als Mangel an Harmonie, Zügellosigkeit der einzelnen Kräfte aus Übergewicht der Sinnlich¬ keit.« (I 27); Vgl. KAI, 25ff. 98 »Seine (d. h. des Sophokles’; K. B.) Werke sind überhaupt der Standpunkt, von welchem man alle übrigen poetischen Werke der Griechen betrachten muß; der Wert, der Charakter eines griechischen Dichters ist, könnte man sagen, nichts anders als sein Verhältnis zum Sophokles.« (I 58f.) 99 Schlegel scheint hier Schillers Bestimmung der ästhetischen Wirkung der Kunst auf die sittliche Natur des Menschen auf sein geschichtsphilosophi¬ sches Ideal vom goldenen Zeitalter der Kunst bei den Griechen übertragen zu haben: »Nur indem sie (die Kunst; K. B.) ihre höchste ästhetische Wirkung

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mödie in den konkreten Lebenszusammenhang der Griechen und der kreislaufförmigen Entwicklung ihrer Poesie. Individuelle Kunstäuße¬ rung und allgemeiner Lebenszusammenhang treffen bei der Komödie nicht mehr zusammen. »Vollkommene Schönheit« hat die griechische Komödie nicht erreicht, denn die griechische Bildung befand sich nicht mehr in der natürlichen Harmonie von Freiheit und Natur.100 Die Un¬ gleichzeitigkeit, die Schlegel hier konstatiert, bewirkt auch die Un¬ sicherheit in der Bestimmung ihres ästhetischen und sittlich-politischen Werts.101 Das höchste komische Schöne hat die griechische Komödie nicht verwirklicht, aber vielleicht vervollkommnet sie sich »in einer späten Zukunft« (I 29). Ebensowenig ist »dramatische(r) Zusammen¬ hang und Einheit« (I 30) in ihr möglich oder ein komisches Drama, das von der Vermischung mit tragischen Elementen frei wäre.102 Schlegels Urteil über die griechische Komödie unterscheidet sich in nichts von dem, was die moderne Poesie gegenüber der antiken »inter¬ essant« macht.103 Die Ungleichzeitigkeit, die im »Gang der Poesie und der Sitten« (I 14) bei Aristophanes erkennbar und hier noch überwieerfüllt, wird sie einen wohltätigen Einfluß auf die Sittlichkeit haben; aber nur indem sie ihre völlige Freiheit ausübt, kann sie ihre höchste ästhetische Wir¬ kung erfüllen.« (F. Schiller, Über den Grund des Vergnügens an tragischen Gegenständen. In: Sämtliche Werke Bd. 5. Hg. v. G. Fricke u. H. G. Göpfert. München 5. Aufl. 1975. S. 358-372; S. 360). Vgl. dazu J. Körner, Romantiker und Klassiker. Die Brüder Schlegel in ihren Beziehungen zu Schiller und Goethe. Berlin 1924. S. 14ff. - Schlegel neigt dazu, konkret-inhaltlich auf die Geschichte der griechischen Poesie zu übertragen, was bei Schiller eine for¬ male Bestimmung der ästhetischen Wirkung des Schönen ist. (Vgl. dazu H. Kuhn oben in Anm. 80). - »Die Kantische Ästhetik hatte den Begriff der Schönheit allein aus der theoretischen Vernunft deduziert, und lediglich der Erhabenheit eine ursprüngliche Beziehung auf Sittlichkeit zugestanden. Schil¬ ler nimmt den gesamten Bereich des ästhetischen Genusses als ein Widerspiel des menschlichen Wesens, das in seinem Grundzuge sittlich ist.« (D. Hen¬ rich, Der Begriff der Schönheit. S. 545); zu Schlegels Schönheitsbegriff vgl. E. Behler in: KA I, cxixff.; zu Schiller die Kallias-Briefe in: F. Schiller, Sämtli¬ che Werke Bd. 5. S. 394—433. 100 Vgl. KA I, 29f. 101 »Wenn irgend etwas in menschlichen Werken göttlich genannt werden darf, so ist es die schöne Fröhlichkeit und die erhabne Freiheit in den Werken des Aristophanes. Aber was die Schönheit der alten Griechischen Komödie mög¬ lich machte, veranlaßte und erzeugte auch ihre Fehler, welche den Verlust ihrer Freiheit und ihrer Schönheit nach sich zogen.« (I 24); vgl dazu KA 1 30ff. 102 Vgl. KA I, 20 u. 32. 103 »Das Kainsmal, das sich aus dem Verlust des Mythos und der Bindung an die Natur ergibt, ist ewiges Streben, Unvollendbarkeit.« (E. Behler in: KAI, lxxxiii). Das zeigt sich für die griechische Poesie zuerst bei der Komödie.

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gend negativ bewertet wird, wird dann wenig später auf der Ebene ge¬ schichtsphilosophischer Reflexion der frühromantischen Theorie Aus¬ druck der Universalität und des Mischcharakters romantischer Poesie.’04 In der griechischen Komödie ebenso wie in den ihr geschichtlich nachfolgenden literarischen Äußerungsformen der Philosophie105 und der Kritik106 manifestiert sich eine Ungleichzeitigkeit historischer Ent¬ wicklung, wie sie für die »ästhetische Heteronomie« (I 342) der Mo¬ derne kennzeichnend ist. Gerade die Äußerungsformen, die in Hin¬ blick auf die geschichtsphilosophische Idealität griechischer Objekti¬ vität Verfallsprodukte sind, werden dann später typisch romantische Mitteilungsformen. Im Gegensatz zum Epos und zur Tragödie zeigt sich in der Komödie schon der Geist unendlicher Fortschreitung und damit eine innere Kontinuität zur romantischen Poesie: Wer frisch vom Aristophanes, dem Olymp der Komödie, kommt, dem er¬ scheint die romantische Persiflage wie eine lang ausgesponnene Faser aus einem Gewebe der Athene, wie eine Flocke himmlischen Feuers, von der das Beste im Herabfallen auf die Erde verflog. (II 189, 154)

Der dem Begriff des Objektiven als »das Ziel des Deutschen« (I 260) implizit zugrunde liegende normative Anspruch läßt sich nicht mehr 104 »Eine aristophansiche Komödie ist gar nicht möglich, wenn nicht eine Tra¬ gödie schon ganz organisirt. Was sie leistet, kann in Arabesken weit besser geschehen.« (XVI 284, 369) - »Jedes Gedicht, jeder Roman soll eine festliche Verschwendung sein, eine aristophanische Komödie, und ein Glücksspiel wie Tragödie.« (XVI 266, 155)- »Der philosophische Roman muß so aristophansich sein als möglich; Maximum von Uebermuth. -« (XVI 193,4) - Auf die Verbindung von Schlegels Antike-Studien, vor allem dem KomödienAufsatz, mit der romantischen Kunsttheorie ist in der neueren Forschung oft hingewiesen worden. Vgl. zuletzt: R. Immerwahr, Classicist Values in the Critical Thought of Friedrich Schlegel. In: J. of Engl, and Germanic Philology 79 (1980). S. 377-389;S. 380f. Vgl. grundlegend R. Brinkmann, Dichtungs¬ theorie. S. 358. 105 Vgl. KA I, 352. 106Vgl. KAI, 15f, 488, - »Erst, nachdem sie nicht mehr klassisch dichten konnten, möchte man beinah sagen, lernten die Hellenen klassisch urteilen.« Der entscheidende Unterschied des griechischen Kunsturteils gegenüber dem modernen ist, daß es »rückwirkend« (I 503) geschah, also zu einem Zeit¬ punkt, als ihre Poesie bereits verfallen war. - »Aber der innerste Grund für das Fehlen einer universellen Kulturphilosophie im antiken Bewußtsein ist offenbar die Tatsache, daß sich der klassische Geist als empfangend, als Ab¬ bild und Spiegel eines vorgebildeten Weltzusammenhanges auffaßte und nicht als Modell und Urbild der freien Schöpfertätigkeit des Menschen (...)’« (E. Behler, Die Kulturphilosophie Friedrich Schlegels. In: Zs. f. phil. Forschung 14 (1960). S. 68-85; S. 75). - Vgl. dazu B. Snell, Der Glaube an die olympischen Götter. In: Die Entdeckung des Geistes. S. 30-44.

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aufrecht erhalten, sobald das Objektive nicht als »unveränderlich und beharrlich« (I 255) im Gegensatz zu dem sich ständig verändernden Charakter moderner Poesie, sondern selbst in seiner »progressiven Ent¬ wicklung« (I 305) dargestellt wird. Dann zeigt sich auch bei den Grie¬ chen eine geschichtsphilosophische Heterogenität nicht anders als bei der Poesie und Geschichte der Moderne, obschon Schlegel zu dieser Zeit noch an der grundsätzlichen geschichtsphilosophischen Dichoto¬ mie von Antike und Moderne festhält. Ein vergleichbarer Zwiespalt ergibt sich in der geschichtsphilosophischen Bewertung von Epos und Tragödie. Schlegel betont in seiner Auseinandersetzung mit Aristoteles, daß die Schönheit des Epos gerade auf der Mischung und Mannigfaltigkeit seiner Teile beruhe. Denn die homerische Poesie ist - ganz wie die moderne Poesie - Ausdruck der »Zertheilung menschlicher Natur« (I 558), d. h. der Bildung des Menschen. Sie ist, wie er 1798 schreibt, »nicht bloß ein künstlerisches Erzeugnis (. . .), sondern auch eine lehr¬ reiche Urkunde zur Geschichte des menschlichen Verstandes« (I 458), was er dann an seiner Kritik des Aristotelischen Kunsturteils weiter ausführt.107 Das »Getheilte in unserer Natur«108 ist bei Schlegel auch zum »Getheilten« der griechischen Natur geworden. Die Antike ist damit - im Jahr 1798 - nicht mehr rückwärts projiziertes Ideal, sondern Bezugs¬ punkt einer progressiven Universalpoesie, die »gleich dem Epos ein Spiegel der ganzen umgebenden Welt, ein Bild des Zeitalters« (II 182, 116) ist.109 Die innere Kontinuität, die sich hier zwischen Epos und Roman ergibt, liegt in dem Kunstcharakter beider Dichtarten begründet. Was 107 Vgl. Anm. 33. 108 Vgl. Anm. 50. 109 Was das Epos vom Roman unterscheidet, ist die Darstellung des Unendli¬ chen, wie es erstmals mit der lyrischen Kunst der Griechen einsetzt. »Wesent¬ licher ist es, daran zu erinnern, daß das Höchste der Kunst, der Schein des Unbedingten und Unendlichen in Stoff und Gestalt, im Dargestellten und in der Darstellung, im reinen Epos durchaus nicht stattfinde; daß also diese Dichtart an und für sich schlechthin verwerflich ist.« (I 498); vgl. auch KA I, 41 Of. Moderater als in der gleichzeitig während der romantischen Kunsttheo¬ rie entstandenen »Geschichte« von 1798 urteilt Schlegel in der Abhandlung von 1796: »Was aber eine ins Unendliche gehende Erwartung erregt, ist eben das Wunderbare; welches allerdings, nur nicht mit den gewöhnlichen Mi߬ verständnissen, ein wesentlicher Bestandteil der epischen Dichtart ist.« (I 125f.). Schlegel urteilt 1798 mit den Augen des romantischen Theoretikers über die Antike. Das bestimmt auch seine geschichtsphilosophische Bewer¬ tung ihrer lyrischen Kunst. Vgl. Anm. 96.

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aber im Jahr 1798 Ausdruck eines bestimmten Reflexionsverhältnisses auf die »poetische Einheit« (I 488) des Kunstwerks ist, das ist in seinen frühen Studien zur griechischen Poesie noch ganz an die ideale Einheit des Lebenszusammenhangs gebunden. Dabei zeigt sich, daß das ge¬ schichtsphilosophische Ideal der Gleichzeitigkeit von ästhetischer und sittlicher Entwicklung sowohl auf das Epos wie auf die Tragödie zutrilft, wobei im Epos das Natürliche, in der Tragödie das Ideale über¬ wiegt. Zugleich ergibt sich eine Unsicherheit in der geschichtsphiloso¬ phischen Bewertung des Epos und damit auch des Mythos als Ursprung der Poesie und Geschichte. So sehr die Idealität der Antike darauf beruht, daß mit Sophokles »die höchste Stufe der Bildung der vollkommensten Gattung der treff¬ lichsten Kunst mit dem günstigsten Augenblick im Strome des öffent¬ lichen Geschmacks glücklich zusammen(trifft)« (I 287), so gilt aber an¬ dererseits auch, daß diese Idealität, die Gleichzeitigkeit von ästheti¬ scher und sittlicher Entwicklung, bereits »auf der ersten Stufe der Bil¬ dung und noch unter der Vormundschaft der Natur« (I 276) verwirk¬ licht ist. Bereits in ihrem »mythischen Urspurng« (I 277) hat die grie¬ chische Poesie das erreicht, wonach die Poesie der Moderne strebt: Bei den Griechen vereinigte und umfaßte schon die erste Stufe der Bildung dasjenige vollständig, was sonst auch auf der höchsten Stufe nur getrennt und einzeln vorhanden zu sein pflegt. (...) Schon im heroischen Zeitalter der mythischen Kunst vereinigt die griechische Naturpoesie die schönsten Blüten der edelsten Nordischen und der zartesten Südlichen Naturpoesie, und ist die vollkommenste ihrer Art. (I 278)

Einerseits nennt Schlegel den griechischen Mythos i. S. Herders »die bestimmteste und zartestete Bildersprache für alle ewigen Wünsche des menschlichen Gemüts« (I 277). »Poesie und der Mythus war der Keim und Quell der ganzen antiken Bildung« (I 333). Andererseits verficht er entschiedener als die anderen Romantiker den Kunstcharakter homeri¬ scher Poesie.110 "° In dieser Hinsicht bleibt Schlegel zeit seines Lebens Schiller verpflichtet. Vgl. F. Schiller, Über Bürgers Gedichte. Sämtliche Werke Bd. 5. S. 970-992; vgl. dazu Walzel, S. 150ff.; O. Fambach (Hg.), Ein Jahrhundert deutscher Literatur¬ kritik (1750-1850). Bd. III. Der Aufstieg zur Klassik. Berlin 1959. S. 448-489. Bei dem für das romantische Poesieverständnis zentralen Streit um Naturbzw. Volkspoesie und Kunstpoesie, um bewußtes und unbewußtes Kunst¬ schaffen betont Schlegel nachdrücklich den Kunstcharakter jeder poetischen Hervorbringung, was selbst für die - gar nicht überlieferte - vorhomerische Poesie gültig ist. Vgl. KA I, 417 u. 445f.; 501 ff. Resümierend: KA II 166,4. Vgl. dazu grundlegend und weit über das Thema hinausgreifend J. Körner, Nibelungenforschungen der deutschen Romantik. Leipzig 1911. S. 44f„ 51 ff., 125, 141.

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Die homerische Poesie ist zwar »noch nicht reine schöne Kunst« (I 6), aber gleichwohl beruht das, was Homer auszeichnet, auf einem Wechselverhältnis von Natur und Ideal,111 so wie die natürliche Bil¬ dung der Griechen auf einer jeweils zu bestimmenden Bildung von Natur und Freiheit beruht. Besonders in seiner »Geschichte der Poesie der Griechen und Römer« von 1798 sowie in der Abhandlung »Über die Homerische Poesie« von 1796 betont Schlegel, beeinflußt durch Wolf, den Kunstcharakter Homers. Andererseits nennt er aber das Epos eine »unreife Dichtart (. . .) (, die) nur in dem Zeitalter an ihrer Stelle (ist), wo es noch keine gebildete Geschichte, und kein vollkommenes Drama gibt« (I 332f.). Auf ver¬ gleichbare Weise urteilt Schlegel auch über den Mythos.112 Mythos und Ideal, Ursprung und Ziel der Poesie und ihrer geschicht¬ lichen Entwicklung werden hier noch nicht als »Harmonie des Ideellen und Reellen« (II 315) verstanden. Die »naive Gegenwärtigkeit (der An¬ tike) war aufgehoben und zerspalten in ein historisch einmaliges und unwiederholbares Griechentum und in seine >IdeeErmordung der Vernunft« dar, und sie unternimmt es, eine Form der Philosophie zu entwikkeln, die den paradoxen Anspruch macht, eine Einholung aller möglichen Wirklichkeit zu leisten als Bedingung der Selbstverständigung und der Selbst¬ verwirklichung des Geistes, eine auf die Gesamtheit der Weltbezüge gerich¬ tete universelle Hermeneutik, in der das unendliche Bewußtsein zur Selbst¬ verständigung über sich selbst gelangt.« (H. D. Weber, Transzendentalpoesie. S. 184). 150 Vgl. oben Anm. 52. 15' Vgl. XVI 219, 201; XVIII 115, 1043; XII 91. 152 Schleiermacher zit. nach: M. Frank, Einleitung zu F. D. E. Schleiermacher, Hermeneutik und Kritik. S. 28. 153 Vgl. ebda., S. 28f. 131

Das romantische Doppelgängertum ist eine Verbildlichung romanti¬ scher Weltaneigung.154 Zugleich artikuliert sich in dieser metaphori¬ schen Umschreibung des Wechselverhältnisses von Bildung und Ent¬ fremdung - »denn niemand kennt sich, insofern er nur er selbst und nicht auch zugleich ein andrer ist« (II 116) - als ein Aus-sich-Heraustreten und In-sich-Hineingehen155 das Bewußtsein für die Standortbezogenheit geschichtsphilosophischer Konstruktionen sowie für die Notwendigkeit historischer Distanz: Ganz und im strengsten Sinn kennt niemand sich selbst. Von dem Stand¬ punkt der gegenwärtigen Bildungsstufe reflektiert man über die zunächst vor¬ hergegangene, und ahnet die kommende: aber den Boden, auf dem man steht, sieht man nicht. (II 115)

Der universale Anspruch frühromantischen Denkens, der sich nicht nur auf die schriftliche Überlieferung, sondern auf alle Lebensäuße¬ rungen des Menschen bezieht156 und darauf gerichtet ist, »den ursprüng¬ lichen Deutschen Mangel an Mitteilungsfähigkeit (I 360) zu wecken,157 - dieser universale Anspruch zeigt sich gerade auch in der Selbstein¬ schätzung Schlegels als Historiker: Ich bin ein fragmentarischer Systematiker und romantischer Philosoph und systematischer Kritiker. (XVIII 97, 815) Meine Philosophie ist ein System von Fragmenten und eine Progreßion von Projekten. (XVIII 100, 857) Die eigentliche Form der Universalphilosophie sind Fragmente. (XVIII 114, 1029) Fragmente der Geist und die Form der Universalität. (XVIII 360, 478) Ich bin ein philologischer Philosoph kein philologischer Künstler. Ich bin mehr als Philolog oder weniger: je nachdem man’s nimmt. (XVI 54, 219) Mein Alterthumslehre ist ein philologischer Roman. (XVI 54, 220)

154 Wie es erstmals in Jean Pauls Siebenkäs gestaltet wurde, den Schlegel von allen seinen bis dahin erschienenen Werken am meisten schätzte. Vgl. Walzel, S. 341. 155 Vgl. dazu W. von Humboldt, Theorie der Bildung des Menschen. In: Schrif¬ ten zur Anthropologie und Geschichte. Werke I. Hg. v. A. Flitner u. K. Giel. Darmstadt 2. Aufl. 1969. S. 234-240; bes. S. 237. Vgl. auch L. Pikulik, Ro¬ mantik als Ungenügen an der Normalität. Am Beispiel Tiecks, Hoffmanns, Eichendorffs. Frankfurt 1979. S. 247ff. 156 Vgl. programmatisch: KA II 182f., 116. I;’7 Von A. Müller 1812 in seinen Wiener »Zwölf Reden über die Beredsamkeit und deren Verfall in Deutschland« weiter ausgestaltet. Vgl. ders., Kritische, ästhetische und philosophische Schriften. Bd. I. Hg. v. W. Schroeder u. W. Siebert. Neuwied und Berlin 1967. S. 297-451; dazu W. Jens, Reaktionäre Beredsamkeit: Adam Müller. In: Von deutscher Rede. München 1969. S. 71-79; B. Koehler, Ästhetik der Politik. S. 165ff.

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Mit diesem Begriff von Geschichte, bei dem es nicht um die Darstel¬ lung von Traditionen und Kontinuitäten geht, sondern um eine stets neue Aktualisierung alles Historischen im Medium der Poesie und ih¬ rer Geschichte, wird zugleich auch die Intention seines frühromanti¬ schen Philosophierens Umrissen:158 Die erste moderne Philosophie ist ethische Philosophie, die zweite kritische Philosophie, die dritte muß nun Historisch sein. (XVIII 74, 543) Also nur Lehrjahre statt Resultate, die Geschichte der Entstehung des Sy¬ stems statt des Systems selbst, chaotische Einzelheiten-Einheit nun wohl drin. Rückführung auf die ewige Wahrheit, nicht Erfindung einer neuen nicht so subjektiv wegen der objektiven Sphäre meiner Studien. (XVIII 199 1068)

5. Gegenwart als »Centralzeit« Geschichte erscheint in der Frühromantik nicht als äußere Kontinui¬ tät, sondern als Akt radikaler Aktualisierung alles Vergangenen, was einhergeht mit einem geschärften Bewußtsein für die Offenheit der Gegenwart. »Jeder Augenblick trägt unendlich viel Zukunft in sich« (XVIII 215, 250), bzw.: »In der neuen Geschichte wiederholt sich der Ursprung der Poesie sehr oft« (XVI 186, 1217).159 Die eigene Zeit wird 158 »Man darf zusammenfassend sagen: Schlegel hat 1795 zwar noch an dem aufklärerischen Modell eines fortschreitenden Geschichtsverlauf festgehal¬ ten, die einzelnen Phasen aber durch eine Theorie des Umschlags und des richtigen >Moments< dramatisiert. Dieser >Moment< ist sowohl dezionistisch vom Subjekt her gedacht(...), wie auch objektiv gefaßt als »eine Zeit«, die kommen muß.« (K. H. Bohrer, Friedrich Schlegels Rede über die My¬ thologie. In: ders. (Hg.), Mythos und Moderne. Begriff und Bild einer Re¬ konstruktion. Frankfurt 1983. S. 52-82; S. 65). Zu den Implikationen dieses den geschichtlichen Progreß zerstörenden, innovierenden Denkens für die moderne Kunst vgl: ders., Plötzlichkeit. Zum Augenblick des ästhetischen Scheins. Frankfurt 1981. - Die Intention der frühromantischen Geschichts¬ philosophie findet sich wiedergegeben in W. Benjamins Geschichtsphiloso¬ phischen Thesen in: Illuminationen. Ausgewählte Schriften. Frankfurt 1969 (1. Aufl. 1955). S. 268-279; bes. S. 276 (Nr. XIV). Vgl. dazu H. R. Jauß, Ge¬ schichte der Kunst und Historie. S. 235f. 159 »Die Bedeutung des Rückgriffs auf eine »neue Mythologie« liegt also para¬ doxerweise darin, daß in diesem Akt die Geschichte selbst vor einem Rück¬ fall gerettet wird: indem der »plötzliche Sprung« als unmittelbar bevorste¬ hend prophezeit wird und dieser »Sprung« selbst schon als ein in der meta¬ phorischen Rede vollzogener erscheint, ist der progressive Begriff von Ge¬ schichte noch einmal gerettet. Dies geschieht aber auf Kosten des eigentlich historischen Elements und zugunsten des ästhetischen.« (K. H. Bohrer, Friedrich Schlegels Rede über die Mythologie. S. 65). Vgl. H.-J. Mähl, Philo-

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als erfüllte, aber geschichtsphilosophisch noch unbestimmte Zeit erfah¬ ren: Es giebt nichts Positiveres als die unmittelbare Anschauung der Gegenwart, die aber unendlicher Potenz fähig ist. - In heiliger Stimmung ist mir das Leben auf der Sonne Gegenwart, an die sich die Rückkehr in den Aether als Hintergrund der Zukunft schließt. (...) Jeder Punkt der Gegenwart ist durch Vergangenheit gebunden, individuell bestimmt und wird durch Zukunft abge¬ rissen. - Diese unmittelbare Anschauung des Lebens ist das einzige Positive der Erkenntniß. (XVI 294, 491)

Schlegels universaler Anspruch gegenüber der Geschichte schärft nicht nur den Sinn für die historische Differenz von Vergangenheit und Ge¬ genwart: »Die Gegenwart muß ganz anders behandelt werden als die Vergangenheit« (XVIII 377, 684).160 Er beinhaltet ebenso auch den Ver¬ such, der Offenheit der Gegenwart mittels der in eine nahe Zukunft projizierten Erwartungen Bestimmtheit zu geben: Das jetzige Zeitalter ist das Zeitalter Kat 8^o%tiv. Eine Theorie der Revolu¬ tion wäre das Chaos zur Politik. (XVIII 246, 637) Es gab eine Menschheit vor uns und wird eine vor uns geben. Diese zu charakterisiren, dahin reicht unsre Divination. Die Menschheit ist aber auch nur ein Proceß. (XVIII 163, 483) Das Zeitalter sucht nach einer Constitution und ist reine Progression. (XVIII 297, 1231)

Bestimmend für das zeitgeschichtliche Erleben ist das Bewußtsein der Revolutionierung geschichtlicher Zeit. »Die schnellste Progression ist jezt Charakter der Zeit und sie eigentlich das geistige Band unsrer Schu¬ le.« (XVIII 385, 777). Die an die eigene Zeit gestellten Erwartungen sollen sich in der Poesie konkretisieren: Die Poesie ist noch schlechthin leer - die alte hatte einen Kern, nämlich die Mythologie und das Chaos - die Romantische bezieht sich durchgängig auf Chaos und Mythologie. (XVIII 337, 179) Das Wesen der Modernen besteht in der Schöpfung aus Nichts - Ein solches Princip lag im Christentum - ein ähnliches in der Revoluzion, in Fichte’s Philosophie - und desgleichen in der neuen Poesie. Nur diese kann den Geist des Altertums zurückbringen - die philologische Kunst hat es nicht gekonnt. (XVIII 315, 1471)

sophischer Chiliasmus. Zur Utopiereflexion bei den Frühromantikern. In: S. Vietta (Hg.), Die literarische Frühromantik. S. 149-179. 160 Jede Zeit hat, wie erstmals Herder feststellte (vgl. R. Koselleck, Vergangene Zukunft. S. 323), ihre eigene Geschichte, die es zu konstruieren gilt. Vgl. KA XVIII 169, 541; 181, 664.

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»Poesie = Chaos« (XVIII 71, 509), bzw. »Chaos ist der Grundbegriff der Mythologie« (XVIII 156, 401). Analog zu dem politischen Ereignis der Revolution, das als Inzitament für einen umfassenderen Umbruch dient,161 ist es die Aufgabe der Mythologie, der »epochale(n) Dignität«162 des geschichtsphilosophischen Augenblicks gegenwärtiger Zeit im Me¬ dium der Poesie Ausdruck zu verleihen, bzw. »die Poesie auf ihre Quel¬ len zurückzuführen, die Mythologie wieder herzustellen« (III 12). Wie jeder höhere Mensch eine eigenthümliche Religion, so hat jedes Zeital¬ ter, das ein Zeitalter ist, eine eigne Mythologie. - Diese darzustellen, ist das Ziel aller Kunst. (XVIII 344, 276) Die Revoluzion war die (antireligiöse) Religion der Franzosen. Durch Worte hat sie Wunder gewirkt; auch sie hat ihre Mythologie. (XVIII 227, 403)

Die Revolutionierung der Künste vollzieht sich als Rückgriff auf ihre Geschichte. »Daß alle Künste historisch werden, (. . .) ist ein(e) (. . .) Revoluzion.« (XVIII 173, 572). Es geht dabei nicht um eine »Regres¬ sion aufs Alte« (XVI 61, 29) i. S. ungeschichtlicher Restauration, son¬ dern um gegenwartsbezogene Aktualisierung: Alle Regression entspringt aus Progression, wenn sie auch diese oft auf ewig vernichtet. (XVI 108, 292) Die ganze classische Poesie war zugleich regredirend und progredirend; nur nahm die Progression immer ab und die Regression immer zu. - Idee einer fixen und vagen Poesie im Gegensatz der progressiven. Bei den Modernen soll die Progression und auch die Regression immer wachsen. Virgils Aeneide als erster Versuch einer fixen Poesie. (XVI 110, 309)

In dieser Aktualisierung geschichtlicher Überlieferung unterscheidet sich

nicht nur die romantische Philologie von dem »Regressor«

(XVI 70, 106) Wolf, sondern die Poesie der Gegenwart hat als »pro¬ gressive Universalpoesie« von jeder ungeschichtlichen Klassizität frei zu sein. Nur so kann sie »ein Spiegel der ganzen Welt, ein Bild des Zeitalters werden« (II 182, 116): 161 Dafür steht sein universaler. Lessing verpflichteter Christianismus. Vgl. dazu: H. Timm, Revolution. S. 132ff. 162 K. H. Bohrer, Friedrich Schlegels Rede über die Mythologie. S. 63. - Anders als Bohrers von Benjamin beeinflußte Interpretation des frühromantischen Mythologie- und Geschichtsbegriffs wird von Mennemeier »der konservative Antrieb des revolutionären Schlegelschen Literaturprogramms« (F. Menne¬ meier, Poesiebegriff. S. 329) hervorgehoben, der sich gerade in der »Rede über die Mythologie« besonders deutlich zeigt: »Nirgends tritt so klar hervor, daß Schlegel mit seiner Forderung einer romantischen Universalpoesie nicht, in modernistisch bodenlosen Progressismus, auf eine Schöpfung aus dem Nichts, vielmehr, an historischen Vorbildern sich orientierend, zyklisch den¬ kend, auf eine Synthese von Antikem und Modernem zielt.« (Ebda.).

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Progressives Gedicht ist der Roman. - Regressiv manches Kunstwerk/ Still¬ stehende Gedichte die gar keine Tendenz haben, giebts auch; (XVI 108f., 293) Absoluter Roman muß wie Homer ein Inbegriff der ganzen Zeitbildung sein. (XVI 115, 365) Der Roman muß sich nothwendig auf einen bestimmten Zeitpunkt beziehen; dieser Realismus ist in seinem Wesen gegründet. (XVI 122, 451) Ließe sich nicht auch ein prophetischer Politischer Roman, das Ideal der Nazion in die Zukunft verlegt denken? (XVI 150, 758)

»Keine Poesie, keine Wirklichkeit« (II 227, 350), wie Schleiermacher schreibt. In der Poesie gewinnt die noch herrschende Ungewißheit über die eigene Zeit - »Charakter des Zeitalters ist absolutes Chaos.« (XVIII 369, 578) - ihren Ausdruck: Die schöne Mitte ist in der Poesie(;) ja sie ist es selbst. - Die Philosophie strebt in die Extreme der Menschheit zu dringen, das Innerste und das Aeußerste. Historie verbindet uns mit Vergangenheit, dem Geist der Zeiten Rhetorik ist auch Organ der Allgemeinheit - Also alle diese kommen zusam¬ men in dem Charakter der Universalität. (XVIII 377, 687)163

In dieser Gegenwartsbezogenheit liegt die geschichtsphilosophische Be¬ stimmung romantischer Poesie begründet, sowie ihre Universalität; pro¬ grammatischen Ausdruck findet dies in der »Rede über die Mytholo¬ gie« : Poesie ist der ursprüngliche Zustand des Menschen und auch der letzte. Alle orientalische Philosophie nur Poesie. (XVI 274, 252) Wird vielleicht in der nächsten Menschheit eine Mythologie entstehen - läßt sie sich selbst und auch ihr Verhältniß zu dem der goldnen Zeit errathen? Bis jetzt giebts nur eine Mythologie - die alte griechische; doch auch die orientalische. (XVI 299, 551) Der Anfang der Menschheit fällt zusammen mit dem Anfang der Erde, und deswegen ist das nicht mehr Geschichte, sondern Mythologie. (XVIII 356, 759) Anfang und Ende der Geschichte ist prophetisch, kein Objekt mehr der rei¬ nen Historie. (XVI 122, 448)

Die gegenwärtige Zeit erscheint so gesehen als Übergang. »Vielleicht das philosophische Interim die Theorie der Historie. Alle Historie nur interimistisch.« (XVIII 257, 765). Die Gegenwart selbst wird als Zwi¬ schenzeit, d. h. als Mittelalter empfunden;164: 163 Das entscheidend Neue des Schlegelschen Rhetorikbegriffs besteht darin, »daß sie (die Rhetorik) ihr grundsätzliches Paradigma nicht mehr allein von der Situation des öffentlichen Redners her bezieht. Paradigmatisch wird viel¬ mehr das Kommunikationssystem >LiteraturRiesenkindes< zurückkehrt.« (R. Stadelmann, Die Romantik und die Geschichte. S. 170). Analog zu den Menschenaltern, zu Schlafen und Wachen etc. treibt sich die Geschichte in progressiven und regressiven Entwicklungen voran. Vgl. J. Görres, Wachstum der Historie. S. 404f. - Geschichte ist für Görres Naturgeschichte, versinn¬ bildlicht am Wirken der »Mythe« als ein organisches Wachsen, angefangen mit der frühesten naturgeschichtlichen Vorzeit: »Darum hat alle Mythe jene

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fortschreitende, immer höher steigende Bildung und Vollendung natür¬ lich verbunden (wäre)« (XIII 283). Statt der geschichtsphilosophischen Dichotomie von Kreislauf und Progression seines frühen Geschichtsden¬ kens verbindet sich für ihn jetzt im Begriff der Entwicklung als Aus¬ druck »des ewigen Lebens und Werdens« (XIII 277) beides miteinan¬ der. Gegenüber dem ersten Gesetz, »welches allein auf Totalitäten an¬ wendbar ist« (XIII 27), gilt das zweite Gesetz nur für »Teile eines Gan¬ zen« (XIII 283). Es betrifft nur einzelne Entwicklungen innerhalb eines Ganzen: Hat die Tätigkeit eines Teilwesens ihre äußerste Grenze erreicht, und findet sie innerhalb ihrer eigenen Schranken keinen Spielraum mehr für ihre wei¬ tere Entwicklung, so bleibt ihr nichts anders übrig, als in das Gegenteil überzu¬ springen. (...) Dieses zweite Gesetz wirkt ebenso allgemein wie das erste, nur daß durch dieses die stille, allmähliche, harmonisch fortschreitende Entwick¬ lung und Bildung der Natur und des Geistes begründet wird; in dem zweiten hingegen die Quelle jener großen Revolutionen zu suchen ist (...). (XIII 284)

Es ist der Gegensatz von organischem Wachstum und individueller Willkür, den Schlegel hier aufstellt; d. h.: (...) daß die einzelnen Entwicklungen gemäß dem für sie geltenden Gesetze des Überspringens in das Gegenteil Gegensätze bilden, in Epochen, Perioden zerfallen, das Ganze der Entwicklung aber einen Kreislauf bildet, in den Anfang zurückkehrt; ein Gesetz, welches allein auf Totalitäten anwendbar ist. (XIII 27)

Dieser Versuch, die individuelle Bewegtheit des geschichtlichen Ab¬ laufs typologisch zu erfassen, wird noch weiter differenziert: Es giebt mehre Arten des Werdens. Das allmählig steigende Werden (Wach¬ sen) das nachdem der Gipfel des Wachsthums erreicht ist in sein Gegentheil überspringende Werden (dieses findet statt im Sterben) und endlich das ange¬ haltene Werden. (XIX 92, 94)

Bewegungsart, d. h. Rückkehr in den Ursprung oder Überspringen in das Gegenteil, und Beschleunigungsgrad, d. h. langsames oder schnelles Werden, sind nicht fest einander zugeordnete Größen.155 Teil und Gan¬ zes, Endliches und Unendliches sind relativ einander zugeordnet.156 tiefe Bedeutung für die Geschichte; als Naturwerk dem Geiste eingebildet, erscheint sie wie die Grundveste, auf der alle weitere Entwicklung sich voll¬ enden soll. (...) Alle Geschichte ist nichts als das Wachsthum dieser Himmels¬ pflanze; durch alle Geschlechter geht sie rankend durch, in der Urwelt hat sie ihre Wurzeln in den Stoff eingeschlagen; in jeder Zeit treibt sie immer neue und immer zartere Blüthen.« (Ebda., S. 413). 155 Vgl. KA XIII 27 u. 282. 156 Vgl. KA XII 416f.; KA XIII 26f.

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Für Schlegel »teilt sich (...) die in eine lange Reihe ausgedehnte Geschichte der Menschheit in mehrere Kreisläufe und Perioden, die im kleinen wieder ein Ganzes sind« (XIV 118). Man wird seinem Versuch einer formalen Beschreibung geschichtlicher Bewegungsabläufe am ehe¬ sten von ihrem heuristischen Nutzen für die Erfassung geschichtlicher Zusammenhänge gerecht.157 Das zeigt sich bei Schlegels Versuch einer Periodisierung der Geschichte, insbesondere der des Mittelalters: Im Mittelalter und schon bei den Römern kann man zweierlei Perioden un¬ terscheiden: erstens ruhige, allmähliche Entwicklung, sodann plötzliche Re¬ volutionen und revolutionäre Zeiten, wo in kurzem die ganze Gestalt der menschlichen Einrichtungen verändert wurde; ein solches Zeitalter war das Friedrichs II., überhaupt das 13. Jahrhundert und früher die Zeit der Völker¬ wanderung von Alarich, Attila und Theoderich bis zu Karl dem Großen, wo endlich die Revolutionen nach und nach aufhörten und eine dauernde Ver¬ fassung anfing; eine Periode der stillen, ruhigen Entwicklung war die Zeit von Karl dem Großen bis zu Ende Friedrichs 1., Friedrichs II. Zeit, und, nachher wieder, von Rudolf bis Karl V.; von diesem an wieder eine Zeit der Revolution. (XIV 228)

Diese formale Beurteilung der Geschichte des Mittelalters enthält aber erst dadurch ihren Aussagewert, wenn man das zugrunde legt, worin für Schlegel »die Ideen des Mittelalters« (XIV 226) bestehen, d. h. die Inhalte dessen, was der Begriff der politischen Romantik für ihn in diesen Jahren ausmacht. Deutlich aber wird hier bereits die Zielsetzung seiner universalhistorischen Vorlesung für die eigene Zeit. Es geht ihm um die Wiederherstellung einer »dauernde(n) Verfassung« angesichts

157 Der heuristische Nutzen dieser Beschreibung unterschiedlicher geschichtli¬ cher Verlaufsformen zeigt sich u. a. bei R. A. Kann (Kanzel und Katheder. Studien zur österreichischen Geistesgeschichte vom Spätbarock zur Frühro¬ mantik. Wien-Freiburg-Basel 1962), der, ohne sich dabei auf Schlegel zu be¬ ziehen, den Wechsel von Überlieferung und Neuerung in dem von ihm be¬ handelten Zeitraum wie folgt beschreibt: »Schließlich aber könnte man (...) innerhalb jedes größeren Zyklus noch kleinere Zyklen finden. Mit anderen Worten: sowohl innerhalb der konservativen als auch innerhalb der fort¬ schrittlichen Phasen findet ein ständiger Wechsel zwischen beharrenden und dynamischen Grundhaltungen statt. Wie in großen Räumen, so folgt die histo¬ rische Entwicklung auch in verhältnismäßig eng umgrenzten einem gewissen Rhythmus. Nach der Ansicht des Verfassers kann man der Struktur der öster¬ reichischen Geistesgeschichte entnehmen, daß die konservativen und verhält¬ nismäßig stetigen Perioden ziemlich lange währen, die dynamischen - oft nur verhältnismäßig fortschrittlichen - aber lediglich von kurzer Dauer sind.« (Ebda., S. 9f.). - Darin manifestiert sich eine betont nicht-materialistische Geschichtsbetrachtung: »Dieses Primat der geistigen Kräfte als motivierende Faktoren gibt der Geistesgeschichte eine beherrschende Stellung in der Ent¬ wicklung der Menschheit.« (Ebda., S. 297).

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der revolutionären geschichtlichen Entwicklung der Gegenwart. Denn der Rückgriff auf das Mittelalter und die damit verbundenen Lebens¬ formen, sowohl was die innerstaatliche Ordnung wie die der Staaten untereinander betrifft, ist als Gegenentwurf zu der mit dem Reichshaupt¬ schluß von 1803 eingeleiteten Napoleonischen Revolution in Deutsch¬ land zu verstehen. Es geht Schlegel darum, Beschreibungskriterien für seine Universal¬ historie zu finden, d. h. um den Versuch einer typologischen Erfassung geschichtlicher Abläufe, wobei Anfang und Ende der Geschichte nicht Gegenstand historischer Forschung und Darstellung sein können.158 Das Ganze der Geschichte erscheint jetzt als Kreislauf, da »was unend¬ lich ist, sich nicht anders als kreislaufförmig bewegen kann« (XII 458). Auch das Denken selbst beschreibt er jetzt als »eine in sich zurückge¬ hende, kreislaufende Tätigkeit« (XII 371 ).159 Gegenüber der »frag¬ mentarische^) Universalität« (II 398) des frühromantischen Denkstils deutet sich hier bereits die Wende zum späteren heilsgeschichtlichen Denken an.

4. Mittelalter und politische Romantik Mit der Romantik vollzieht sich die Abkehr von einem traditionell pejorativen Mittelalter-Bild i. S. eines »finsteren« Zeitalters.160 Für die Romantiker ist das Mittelalter »eine sternenhelle Nacht« (III 234), eine Zeit »der wichtigsten Entdeckungen« (XIV 166), die wie im Falle der Buchdruckerkunst oder auf dem Gebiete der Optik noch das gegen¬ wärtige Leben entscheidend beeinflussen.161 Vor allem aber ist es das Verdienst der mittelalterlichen Kultur, die Kenntnis von der Antike bewahrt und weitergegeben zu haben.162 158 Vgl. KA XII 421; KA XIII 28f. u. 34. 159 Vgl. KA XIII 294. 160 Das Schlagwort vom »finsteren Mittelalter« läßt sich bis ins Mittelalter zu¬ rückverfolgen. In der Aufklärung trat neben der kulturellen und religiösen Verachtung des Mittelalters die staatliche. Vgl. Condorcet, Entwurf. S. 102ff.; L. Varga, Das Schlagwort vom »finsteren Mittelalter«. Baden (usw.) 1932. S. 137f. Hinter der Verachtung des Mittelalters steckt der Gegensatz von »Blütezeiten« und »Verfallszeiten«, wie er übergreifenden geschichtlichen Darstellungen immer zugrunde liegt, aber erst mit dem neuzeitlichen Ge¬ schichtsbegriff thematisiert wird. Vgl. E. Spranger, Kulturzyklentheorie. S. 17; S. Rücker, Art. Dekadenz. In: Historisches Wörterbuch der Philo¬ sophie. Hg. v. J. Ritter. Bd. 2. Darmstadt 1972. Sp. 47f. 161 Vgl. KA XIV 166 u. 221. 162 Vgl. KA XIV 166; besonders KA VI 170ff.

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Zwar hat man auch schon vor der Romantik sich mit dem Mittelalter auseinandergesetzt und den Eigenwert dieser Epoche positiv zu bestimmen versucht. Justus Möser, Herder und Johannes von Müller sind die entscheidenden Vorläufer für eine Umwertung der Mittel¬ alterauffassung.163 Ebenso reicht die Beschäftigung mit der mittelalter¬ lichen Poesie, in philologischer wie in historischer Hinsicht, weit ins 18. Jahrhundert zurück.164 Aber erst die romantische Kunstlehre, die Inbezugsetzung vergangener literarischer Formen mit gegenwärtigen und den damit einhergehenden Übersetzungen mittelalterlicher Dich¬ tungen der Romania sowie der von der klassischen Philologie übergrei¬ fenden Beschäftigung mit der mittelalterlichen Poesie,165 bewirkten 163 Vgl. dazu R. Stadelmann, Grundformen der Mittelalterauffassung von Her¬ der bis Ranke. In: DVjs 9 (1931). S. 45-88; S. 47. - Zu J. Müller vgl. ebda., S. 83 Antn.; H. Ritter v. Srbik, Geist und Geschichte. Bd. 1. S. 161 ff.; zu Möser vgl. K. Epstein, Konservativismus. S. 367f.: F. Meinecke, Die Entste¬ hung des Historismus. S. 303ff.; zu Herder, der an die französische und eng¬ lische Wiederentdeckung des Mittelalters anknüpft, vgl. S. von Lempicki, Geschichte. S. 231. Der Sturm und Drang sucht im Mittelalter unter dem beherrschenden Einfluß Rousseaus das naiv-volkstümliche Milieu, während sich die Romantik »im Gegenschlage gegen das vernunftrechtliche Staats¬ ideal der Französischen Revolution, nach der ganzen ständisch und religiös gebundenen Lebensatmosphäre des Mittelalters zurück(sehnte).« (F. Meinekke, Die Entstehung des Historismus. S. 405). Mit der Hinwendung zum Mit¬ telalter vollzieht sich die Abkehr von Rousseau und der französischen Auf¬ klärung. Vgl. P. Kluckhohn, Persönlichkeit und Gemeinschaft. S. 35. 164 »Ohne Mittelalterkult keine deutsche Romantik, und kein anderer als Bodmer hat das literarische Mittelalter an die deutsche Romantik vermittelt.« (K. S. Guthke, Vorromantik in der Schweiz. In: Neue Zürcher Zeitung Nr. 115 v. 22. 5. 1982. S. 49f.; S. 50). - Vgl. G. Kozielek, Mittelalterrezeption. S. 7ff. - Bereits im 18. Jahrhundert ist das Mittelalterbild wichtig für das Na¬ tionalgefühl, wie es sich während des siebenjährigen Krieges auszubilden begann. Was aber fehlte, war die prospektive Geschichtsbetrachtung, das um¬ fassende Krisenbewußtsein und der ästhetische Kosmopolitismus der Roman¬ tik. Vgl, F. Valjavec, Die Entstehung der politischen Strömungen. S. 332ff.; zur »egoistischen Begründung« des Patriotismus in der Aufklärung vgl. P. Kluckhohn, Persönlichkeit und Gemeinschaft. S. 28ff. l65Tieck überträgt mit seiner Ausgabe der Minnelieder von 1803, das erste selb¬ ständige Buch, das die Romantik dem Mittelalter widmet, den Zweifel Wolfs an der Verfasserschaft Homers auf die mittelalterliche Poesie. Vgl. L. Tieck, Ausgewählte Schriften. Hg. v. E. Ribbat. Tübingen 1975. S. vii-xxi; S. xvif.; J. Körner, Nibelungenforschung. S. 38 u. 193. Die bedeutenden frühromanti¬ schen Übersetzungsleistungen stammen von A. W. Schlegel und von Tieck. »Dennoch war Friedrich Schlegel der erste, der den Zusammenhang der Kunst der Übersetzung mit dem hermeneutischen Erkennen aufdeckte.« (A. Huyssen, Die frühromantische Konzeption von Übersetzung und Aneignung. Studien zur frühromantischen Utopie einer deutschen Weltliteratur. ZürichFreiburg i. Br. 1969. S. 108).

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eine Aufwertung des Mittelalters und seine Gleichstellung mit der Kul¬ tur der Gegenwart. Der Umschlag von negativer zu positiver Einschät¬ zung dieser Epoche läßt sich gerade bei Schlegel selbst gut beobachten. Im »Studium«-Aufsatz finden sich vereinzelt Hinweise zur Poesie des Mittelalters, als »die Fabel der Ritterzeit und die christliche Legende die Mythologie der Romantischen Poesie waren« (I 226), was aber mit einer deutlichen Abwertung dieser Poesie und ihrer Zeit als »das große barbarische Intermezzo« (I 235) zwischen antiker und moderner Bil¬ dung, der Poesie der Griechen und der mit Dante beginnenden moder¬ nen Poesie, verbunden ist.166 Das Mittelalter ist hier noch nicht das goldene Zeitalter. Ebensowenig wird die Gegenwart geschichtsphiloso¬ phisch positiv bestimmt, sondern lediglich als »Krise des Übergangs« (I 355). Die Dichotomie von Antike und Moderne löst sich erst durch die Erweiterung und Vertiefung seiner historisch-philologischen Studien, was vor allem an der »Philosophie der Philologie« ablesbar ist. Mit der romantischen Theorie ist nicht mehr die Antike, sondern die Gegen¬ wart Grundlage historischer Reflexion. Es war Schlegel, der 1798 als erster die Gegenwart zur Mitte geschichtlicher Zeiten und das Mittelalter zum Spiegelbild der eigenen Zeit, bzw. als ein die Gegenwart ver¬ einnahmendes epochales Ereignis bestimmt hat: Sollte der Geist des Mittelalters etwa ewig alle modernen Begebenheiten ver¬ schlingen? (XVIII 368, 565) Wir haben nun die Pole der Menschheit ergriffen und sind im Zentrum. Was jezt schon ist, wird sich selbst ewig höher potenziren, aber es wird keine neue Welt, kein totaler Abschnitt mehr kommen; wir stehn im lezten Mittelalter. (XVIII 356, 421)

In den »Epochen der Dichtkunst« hat er mit wenigen Sätzen einen Abriß der Geschichte mittelalterlicher Poesie gegeben, womit prägnant zusammengefaßt ist, was denn von seinem Bruder ausführlich ausge¬ staltet wird. Josef Körner hat im Zusammenhang mit der bahnbrechen¬ den Mittelalter-Darstellung in den Berliner Vorlesungen August Wil¬ helms geschrieben, daß »Friedrichs flüchtige Hinweise auf das Mittelalter (. . .) zu einer erschöpfenden Rettung desselben geworden (sind): es ist der Ausgangspunkt der Germanistik.«167 Bei ihm findet sich eine 166 Vgl. KA I 280f.; vgl. oben S. 63f u. 136f. 167 J. Körner, Nibelungenforschung. S. 46; A. W. Schlegel, Geschichte der ro¬ mantischen Literatur. S. 40ff.; KA II 290ff. u. 303. - Allgemein wird mit Ja¬ cob Grimms »Deutscher Grammatik« von 1819 der Beginn der Germanistik als Wissenschaft angesetzt. Vgl. K. Weimar, Zur Geschichte der Literaturwis¬ senschaft. Forschungsbericht. In: DVjs 50 (1976). S. 298-364; S. 303f.; L. De-

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radikale Aktualisierung des Mittelalters als Jetztzeit.168 Damit wird nicht nur die krisenhafte Zwischenzeit gegenüber dem »Studium«Aufsatz geschichtsphilosophisch positiv bestimmt. Das Mittelalter wird zum historischen Ursprung der Moderne, demgegenüber die Gegen¬ wart tendenziell als Verfalls- und Endzeit erscheint:169 Das Mittelalter ist wie die Epoche der Krystallisation der modernen Bildung. Europäischer Geist damals wie eine große Korallenbank. (XVI11 128, 73) Die ganze Cultur dieses Zeitalters ist oberflächlich - dagegen die des Mittel¬ alters von Grund aus; Es giebt wohl mehr als ein Mittelalter - eine Pause voll Chaos in der Kultur. (XVIII 239, 544)

»Die endgültige Umwertung des Mittelalters«170 erfolgt mit Novalis’ »Europa«-Aufsatz. Während das Mittelalter-Bild bei Wackenroder und Tieck »noch recht blutleer«171 ist, beginnt mit der Wertschätzung des katholischen Christentums durch Novalis eine ganz andere, ideali¬ sierende Behandlung dieser Epoche.177 Bei ihm wird das Mittelalter necke, Jacob Grimm und sein Bruder Wilhelm. Stuttgart 1971. S. 85ff.; J. Janota (Hg.), Eine Wissenschaft etabliert sich. 1810-1870. Tübingen 1980. 168 Vgl. H. Schanze, Mittelalterbild. S. 770f. 169 Die Aktualisierung des Mittelalters »(...) beginnt charakteristischer Weise im Rahmen der poetologischen Debatte zwischen den >Alten< und den >NeuenQuerelle des Anciens et des Modernes« (...) Auf dem Weg zur Definition des >Romantischen< als des >Wesentlich-Modernen< wird hier en passant >Germaniens Mittelalter< entdeckt.« (H. Schanze, Mittelalterbild. S. 766). Vgl. KA XVIII 222, 338. 170 G. Hoffmeister, Deutsche und europäische Romantik. S. 130. 171 J. Körner, Nibelungenforschung. S. 28. - Dagegen ist Tiecks »Genoveva« eine »Inkarantion von Novalis Europa-Aufsatz« (ebda., S. 37). Vgl. auch J. Krogoll, Geschichte. S. 325ff. Wackenroder studierte in Berlin bei Erduin Ju¬ lius Koch, dessen »Grundriß einer Geschichte der Sprache und Literatur der Deutschen von den ältesten Zeiten bis auf Lessings Tod« (Berlin 1795/98; 2 Bde.) wichtig für die romantische Mittelalterrezeption war. Vgl. M. Bollacher, Wilhelm Heinrich Wackenroder: Herzensergießungen eines kunstlie¬ benden Klosterbruders (1796/97). In: P. M. Lützeier (Hg.), Romane und Er¬ zählungen der deutschen Romantik. Stuttgart 1981. S. 34-57; S. 46fl. - Chr. Schmid, Die Mittelalterrezeption des 18. Jahrhunderts zwischen Aufklärung und Romantik. Frankfurt a. M. (usw.) 1979. S. 360ff.; G. Brinkler-Gabler, Wissenschaftlich-poetische Mittelalterrezeption in der Romantik. In: E. Ribbat (Hg.), Romantik. Ein literaturwissenschaftliches Studienbuch. König¬ stein/Ts. 1979. S. 80-97. 172 Zum Einfluß Schlegels auf Novalis’ Geschichtsphilosophie vgl. R. Samuel, Die poetische Staats- und Geschichtsauffassung Friedrich von Hardenbergs (Novalis). Studien zur romantischen Geschichtsphilosophie. Frankfurt a. M. S. 57ff.; F. Strich, Mythologie. Bd. 1. S. 416. - »Jeder Gedanke an meine hi¬ storische Bildung war mit Deiner Erinnerung verbunden.« (Novalis an Schle¬ gel (8. 7. 1796) in: Werke I. S. 600). Vgl. H.-J. Mähl, Die Idee des goldenen Zeitalters. S. 187ff. u. 372ff.

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zum goldenen Zeitalter. Hinweise auf den für die romantische Mittel¬ alter-Vorstellung grundlegenden Zusammenhang von Christentum und Rittergeist finden sich bereits bei Herder, Johannes von Müller oder ablehnend - bei Schiller.173 Neu aber ist die im »Europa«-Aufsatz und im »Ofterdingen« gegebene Verherrlichung mittelalterlicher Lebens¬ formen und die damit zusammenhängende Rolle des Papsttums als Frie¬ densstifter für eine europazentrierte Staatengemeinschaft. Sowohl hin¬ sichtlich der poetischen Gehalte wie insbesondere der politischen Im¬ plikationen bildet Novalis’ Europa-Vision deshalb ein wichtiges Verbin¬ dungsglied zwischen früher und späterer Romantik.174 Der gegenaufklärerische Impetus der Romantik, wie er sich gerade in der Mittelalterauffassung ausspricht, gelangt hier zum Ausdruck. Das richtet sich zunächst gegen die »schlechte« Aufklärung »als eine ungebührliche Herrschaft des Verstandes im Verhältnis zur Vernunft und Fantasie«175, wie sie in der Plattheit und Sektiererei eines Nicolai zum Ausdruck kommt. Winckelmann, Klopstock und vor allem Les¬ sing sind davon ausgenommen.176 Darüberhinaus aber impliziert der Rückgriff auf das Mittelalter als Ideal einer Einheit von Poesie und Leben, von Individuum und Gemeinschaft im Gegensatz zur Kultur des 18. Jahrhunderts eine Kehrtwende gegen die Säkularisierung politi¬ schen Lebens in der Neuzeit. Das ist erstmals in Novalis’ »Europa«Essay, in Reaktion auf die Auflösung des Kirchenstaates durch Napo¬ leon, geschehen, so sehr dabei auch der »Fiktionscharakter«177 dieser Schrift stets zu berücksichtigen ist. Die politischen Implikationen des »Europa«-Aufsatzes wurden dann, entschieden gefördert durch die po¬ litischen Veränderungen im Zuge der Napoleonischen Revolution in Deutschland, vor allem von Friedrich Schlegel und Adam Müller ausge¬ staltet. Schlegels Beschäftigung mit Karl V. und der habsburgischen Reichsgeschichte wird durch die Auflösung der alten Reichsordnung und die Kaiserkrönung Napoleons ausgelöst. Dem »falsche(n) Kaiser¬ tum« (VII 300) stellt er den »Begriff des wahren Kaisertums« (VII 301) als einen aus der Geschichte sich legitimierenden Herrschaftsanspruch

173 Vgl. F. Schiller, Vorrede zu Niethammers Bearbeitung der Geschichte des Malteserordens von Vertot. In: Sämtliche Werke Bd. IV. Historische Schrif¬ ten. Hg. v. G. Fricke u. H. G. Göpfert. München 5. Aufl. 1976. S. 991-996; S. 995. - Vgl. P. Kluckhohn, Persönlichkeit und Gemeinschaft. S. 40ff.; R. Haller, Die Romantik. S. 68. 174 Vgl. F. Meinecke, Weltbürgertum und Nationalstaat. S. 67. 175 Vgl. oben S. 172 Anm. 51. 176 Vgl. KA III 65ff. u. 70. 177 Vgl. R. Brinkmann, Frühromantik und Französische Revolution. S. 181.

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der Habsburger gegenüber.178 Der Rückgriff auf das Mittelalter ist Ge¬ genentwurf zu den politischen Zuständen und Bedrängnissen der eige¬ nen Zeit. So ruft er sich auf seiner Rheinreise angesichts der verblie¬ benen Burgruinen in Erinnerung, »was die Deutschen ehedem waren, da der Mann noch ein Vaterland hatte« (VII 58). Die Epoche des Mit¬ telalters bildet für die Romantiker die erste und bislang gültigste Aus¬ bildung des deutschen Nationalcharakters.179 Es markiert den Beginn deutscher Geschichte, »denn Deutschland ist der Mittelpunkt, um den sich im Ganzen Mittelalter alles dreht« (XIV 144). Der Rückbezug auf die Geschichte ist Ausdruck eines tiefer greifen¬ den Bewußtseinswandels und gesellschaftlichen Umbruchs, wie er all¬ gemein um 1800, vollends im Zusammenhang mit der politischen Neu¬ gestaltung der von Frankreich besetzten linksrheinischen Gebiete er¬ fahren wurde.ls0 Mehr als im Falle seiner Studien zur Poesie und Ge¬ schichte der Griechen wird der Zusammenhang von Geschichts¬ philosophie und Zeitkritik erkennbar. Das zunächst noch unbestimmte Bewußtsein der Zeitenwende wird geschichtsphilosophisch überhöht; die Gegenwart wird zur Endzeit der Moderne: Das Moderne ist nun vorbey; das Zeitalter soll ewig dauern. Morgenröthe der Bildung Sonne des Lebens Quelle der Weisheit. (XVIII 347, 307)

Die Krise der Gegenwart wird auf die Geschichte übertragen, was andererseits - neue Erwartungen an die eigene Zeit freisetzt: Das Zeitalter hat noch gar nicht angefangen wird nur vorbereitet. Jezt ist gar kein Zeitalter, sondern nur eine düstere, verworrene Mittelzeit. (XIX 9, 71)

So bemerkt Schlegel im Bewußtsein der mit seiner Frankreichreise ein¬ hergehenden subjektiv-persönlichen wie der politischen Veränderun¬ gen um ihn herum, »daß wir eigentlich selbst in dem wahren Mittelalter leben, und dieses fälschlich in die vergangene Zeit versetzt haben« (VII 72). Schlegels Gebrauch der Epochenbezeichnung »Mittelalter« ist

178 Vgl. oben Anm. 34. 179 Für Schlegel zeigt sich das vor allem in den beiden großen Wiener Vorle¬ sungen von 1810/11 und 1812/14, in denen die Epoche des Mittelalters je¬ weils den größten Raum einnehmen. 180 »Erst jetzt (d. h. durch die Abtretung der linksrheinischen Gebiete 1803; K. B.) wurde in vollem Umfang deutlich, welche tiefgreifende Umgestaltung seines politischen Systems Deutschland bevorstand.« (O. Dann, Politische Voraussetzungen und gesellschaftliche Grundlagen der deutschen Literatur zwischen Französischer Revolution und Wiener Kongreß. In: Europäische Romantik I. S. 27-48; S. 36). Vgl. auch F. Valjavec, Die Entstehung der poli¬ tischen Strömungen. S. 343ff.

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um 1800 noch bestimmt von dem frühromantischen Geschichtsden¬ ken, für das die gegenwärtige Zeit zur geschichtsphilosophischen erfüll¬ ten »Centralzeit« (XVIII 395, 897) und zur Mitte historischer Zeiten geworden ist. Erst im Zusammenhang mit seinen in Paris und Köln betriebenen historischen Studien wird daraus eine historiographische Epochenbezeichnung. Mit dem Mittelalter bekommt der ästhetische Kosmopolitismus der Frühromantik sowie der Begriff der Romantik generell seine konkrete »historische Füllung«181. Die von Meinecke beschriebene Herausbil¬ dung nationalstaatlichen Denkens aus der Spannung von Kultur- und Staatengemeinschaft wie die in dieser Zeit sich vollziehende Politisie¬ rung weiter Teile der literarischen Intelligenz zeigt sich gerade im Rück¬ griff auf die Geschichte des Mittelalters.182 »An den politischen Nie¬ dergang des Reiches knüpft sich so der Aufschwung der altdeutschen Studien. Der nationalen Erhebung mußte die Einkehr in die nationale Vergangenheit vorhergehen.«183 Bei Schlegel verbindet sich dies mit der schon in Köln einsetzenden Aufarbeitung der habsburgischen Reichsgeschichte. Gegenüber dem politischen Partikularismus der Ge¬ genwart und dem französischen Nationalstaatgedanken setzt man die Idee einer ständisch gegliederten, übernationalen politischen Einheit, wie sie aus einer - weitgehend - idealisierten Geschichtsbetrachtung gewonnen wurde. Mit dem Mittelalter wird die bewußte Abkehr vom aufklärerisch¬ revolutionären Fortschrittsdenken des 18. Jahrhunderts vollzogen. Ge¬ genüber dem historischen Materialismus der Aufklärung gelangt »die heroistische Geschichtsauffassung der Romantik«184 zum Durchbruch, was sich gerade auch bei dem politisch liberal gesinnten August Wil¬ helm Schlegel zeigt.185 Zwischen dem absolutistischen Machtstaat und 181 G. Hoffmeister, Deutsche und europäische Romantik. S. 129. 182 Zur Wiederbelebung des Reichsgedankens als Reaktion auf die Auflösung von 1806, was sich anfänglich (1809) auf das Haus Habsburg, dann auf die stauffischen Kaiser richtete, vgl. H. Tiedemann, Der deutsche Kaisergedanke vor und nach dem Wiener Kongreß. Untersuchungen zur Deutschen Staats¬ und Rechtsgeschichte. 143. Heft. Breslau 1932. 183 J. Körner, Nibelungenforschung. S. 58. 184 Ebda., S. 46. 185 Die Ereignisse von 1803 und 1806 zerstören den übernationalen ästhetischen Kosmopolitismus. Vgl. O. Brandt, August W. Schlegel. S. 38 u. 50ff.; anders als Friedrich nannte A. W. Schlegel die Habsburger »eine barbarische Mo¬ narchie« (ebda., S. 61). Vgl. oben Anm. 34. - »In seiner Vorlesung über En¬ zyklopädie rechnet er (A. W. Sch.) es der preußischen Monarchie ausdrück¬ lich als Verdienst an, daß sie, anders als Österreich, das nur für sich sorge, >eine wirkliche Nationalkonföderation< gegen Frankreich zustande gebracht habe.« (Ebda., S. 71).

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der revolutionären Gesellschaftsordnung suchen die Romantiker nach einem »dritten Weg«.186 Auf die Krise von Staat und Gesellschaft, - in Frankreich eine Folge der Emanzipation des dritten Standes und des Zerfalls der monarchischen Autorität

wird mit der rückwärtsgerich¬

teten Idee des Staates als transpersonale Gemeinschaft geantwortet, wie man sie auf ideale Weise im Mittelalter verwirklicht glaubt.187 Das zeigt sich an der Wiederbelebung des altdeutschen Reichsgedankens gerade zum Zeitpunkt seiner unwiderruflichen Auflösung.188 Rudolf Stadelmann sieht in der romantischen Mittelalterauffassung »eine ungeheure Reaktionsbewegung«189, die »in dreifacher Gestalt als antirationales, antiabsolutistisches und antirevolutionäres Reflexbild in das europäische Geschichtsbewußtsein eintritt«190. Das bestimmt auch die Wirkungsgeschichte der Romantik für das 19. Jahrhundert und dar¬ über hinaus. Trotz der vor allem bei Schlegel vielfältigen Beziehungen zur deutschen und französischen Aufklärung vollzieht sich mit der Hin¬ wendung zum Mittelalter der für die Romantik als geistesgeschichtli¬ che Bewegung entscheidende Bruch, wie er als Umkehrung des früh¬ romantischen Individualismus in einen kirchlich-geschichtlichen Uni¬ versalismus,191 als Wandel vom pragmatischen Rationalismus und Kulturoptimismus des 18. Jahrhundert hin zur kulturpessimistischen »Geistesströmung der consolatio historiae«192 oder in tendenziöser Zu¬ spitzung bei Baeumler als »Euthanasie des Rokoko« zugunsten eines geschichtsgesättigten Ahnendienstes beschrieben wurde.193 Die dabei mehr oder weniger deutlich sich aussprechende Wertung geschieht im¬ mer ex post. Sie sagt, gerade im Falle Baeumlers, über den Standpunkt des Interpreten mitunter mehr aus als über den dargestellten geistes¬ geschichtlichen Zusammenhang.194 Entscheidend aber ist der mit der 186 Romantik in Deutschland, S. 159. 187 Vgl. ebda., S. 158; dazu W. Conze, Staat und Gesellschaft in der frührevolu¬ tionären Epoche Deutschlands. In: Staat und Gesellschaft. Wege der For¬ schung Bd. 471. Hg. v. E.-W. Böckenförde. Darmstadt 1976. S. 37-76; S. 51 (zur sozialen Restauration nach 1815). F. Schnabel, Deutsche Geschichte im neunzehnten Jahrhundert. Bd. 2. Freiburg. 1949. S. lOff. u. 31. 188 Vgl. dazu K. Epstein, Konservativismus. S. 689; H. Tiedemann, Kaisergedan¬ ke. S. 59; O. Dann, Politische Voraussetzungen. S. 33ff. 189 R. Stadelmann, Mittelalterauffassung. S. 50. 190 Ebda., S. 51. 191 Vgl. dazu E. Troeltsch, Die Restaurationsepoche am Anfänge des 19. Jahr¬ hunderts. In: Gesammelte Schriften Bd. 4. Aufsätze zur Geistesgeschichte und Religionssoziologie. Hg. v. H. Baron. Tübingen 1925. S. 587-614; S. 594ff. 192 R. Stadelmann, Mittelalterauffassung. S. 49. 193 Vgl. A. Baeumler, Weltalter. S. 172ff. 194 Vgl. dazu R. Brinkmann, Romantik als Herausforderung. S. 20f.

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Hinwendung zum Mittelalter einsetzende grundsätzliche Traditions¬ bruch zur Kultur des 18. Jahrhunderts. Schlegels Auseinandersetzung mit dem Mittelalter steht, wie auch seine Studien zur Antike und zum Orient, zwischen idealisierender und historisch-kritischer Darstellung, d. h. zwischen Novalis und Jacob Grimm. Die quellenkritische Erforschung des Mittelalters beginnt erst Anfang des 19. Jahrhunderts.195 Die Aussicht, die ungedruckten Quel¬ len zur österreichischen Geschichte, vor allem zur Person Karls V., zu benutzen, bildeten einen maßgeblichen Grund für die Übersiedlung nach Wien.196 Es geht Schlegel zunächst um die religiös geprägten Lebensformen des Mittelalters. Schleiermacher hat als erster auf den Zusammenhang von Religion und Geschichte verwiesen.197 Bei Novalis finden sich die mit dem idealisierten Mittelalter-Bild verbundenen Wert- und Ord¬ nungsvorstellungen ausgesprochen.198 Bei Schlegel wird dies auf die ge¬ schichtliche Darstellung dieser Zeit übertragen. Die Religion, jetzt ge¬ bunden an die Institutionen von Staat und Kirche, wird bei Schlegel erstmals zum bestimmenden, den Geschichtsprozeß vorantreibenden

195 Vgl. J. Huizinga, Im Banne der Geschichte. Nijmegen 1942. S. 11. Maßgeblich für die quellenkritische Erschließung des Mittelalters ist die vom Freiherrn vom Stein initiierte »Monumenta Germaniae historica«. Vgl. F. Schnabel, Deutsche Geschichte. Bd. 3. S. 101 ff.; H. Ritter v. Srbik, Geist und Ge¬ schichte. Bd. 1. S. 221 ff. 196 »Ich fange es aber sehr gründlich an, mit der altdeutschen Geschichte aus den Quellen und mit den lateinischen Kirchenvätern und Scholastikern. Ich bin überzeugt, daß man das Mittelalter mehr als jedes andre nur im ganzen Zusammenhänge verstehen kann, und daß man es eben desfalls eigentlich noch gar nicht kennt, so sehr auch seit unsrer Zeit die Idee des Romantischen und selbst des Katholischen ist anerkannt worden.« (Schlegel an A. W. Schle¬ gel (1. 1. 1806). Krisenjahrei. S. 271). Am 1. 12. 1807 schreibt er an den in Wien weilenden Bruder, mit dessen und Mme. de Stäels Hilfe er auf eine Anstellung dort hofft: »für unser Mittelalter wird die Bibliothek (in Wien) und die Menge Deutscher Gemählde auf der Gallerie Dir für die Zukunft reichen Stoff und Anreiz geben.« (Krisenjahre I. S. 480). 197 »Die verschiedenen Momente der Menschheit aneinanderzuknüpfen und aus ihrer Folge den Geist, in dem das Ganze geleitet wird, erraten, das ist ihr höchstes Geschäft. Geschichte im eigentlichsten Sinn ist der höchste Gegen¬ stand der Religion, mit ihr hebt sie an und endigt mit ihr - denn Weissagung ist in ihren Augen auch Geschichte und beides gar nicht voneinander zu unterscheiden -, und alle wahre Geschichte hat überall zuerst einen religiö¬ sen Zweck gehabt und ist von religiösen Ideen ausgegangen.« (F. Schleier¬ macher, Über die Religion. Stuttgart 1969. S. 67). Vgl. J. Krogoll, Geschichte. S. 323f. 198 Vgl. R. Samuel, Die poetische Staats- und Geschichtsauffassung. S. 230ff.

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Faktor.199 Damit verschärft sich die gegenrevolutionäre Tendenz, wie sie sich bereits in dem Religionsbegriff der »Ideen« von 1800 artiku¬ liert. Man spricht jetzt vom Ende der Revolution und meint damit, daß die anfängliche Revolutionsbegeisterung als Inzitament für eine um¬ fassende Erneuerung der Künste und Wissenschaften allgemeiner Er¬ nüchterung gewichen ist. Der aus der Revolution sich legitimierende Herrschaftsanspruch Napoleons erscheint als Usurpation: Die Revolutionen in der Gesellschaft und in den Wissenschaften, die unser Zeitalter auszeichnen, stehn beide ungeendigt, aber anscheinend aufgegeben da. (...) Die großen, bald zu entfernt, bald zu nahe gesteckten, immer un¬ deutlichen Ziele dieser Revolutionen liegen umgestürzt und vergessen, und an ihrer Stätte erheben sich unfreundliche Autoritäten. An die Stelle, die für das Gleichgewicht und die Ordnung bereitet werden sollte, tritt die kalte Herrschaft der in einzelnen Häuptern konzentrierten Revolution.200

Wie Adam Müller, der anders als die frühromantische Generation der Französischen Revolution von Anfang an ablehnend gegenüber steht, spricht sich jetzt auch Schlegel gegen die politischen Folgen der Re¬ volution für Deutschland, der »Zerstörung des Vaterlandes und aller alten Verhältnisse« (III 95), aus. Die Reformation, oder Deutschland durch die Reformation hat allmächtig auf Frankreich eingewirkt - wird die Revoluzion es nicht hinwiederum auf Deutschland? - Offenbar ist die stagnirende Masse in Anregung gekommen. In Frankreich ist die Revoluzion erloschen, in Deutschland hat sie eine wahre Gegenrevolution mit veranlaßt, oder doch die Entwicklung derselben beschleunigt. (XIX 12, 96)

Das politische Ereignis, »die ungeheuerste aller Revolutionen« (III 95), wird mit dem geschichtlichen Ereignis der Reformation gleichgesetzt. »Dieselbe Revolution, die sich im Jahre 1789 in Frankreich, wie mit einem Schlage, ereignete, hatte sich in Deutschland in das Unglück von drei Jahrhunderten auseinandergesponnen.«201 Mit der Reformation, schon von Novalis als Spaltung der Christenheit und Beginn der Göt¬ terleere verurteilt,202 beginnt endgültig die Säkularisierung politischen Lebens und die Zerstörung des am Mikrokosmos der Familie orientier¬ ten Gemeinwesens: '"Vgl. J.-J. Anstett in KA-XIV, xlviii. 200 A. Müller, Die Lehre vom Gegensatz. In: Schriften. Bd. 2. S. 193-248; S. 195. 201 A. Müller, Vorlesungen über die deutsche Wissenschaft und Literatur. In: Schriften. Bd. 1. S. 12-137; S. 31. Vgl. auch A. von Martin, Die politische Ideenwelt Adam Müllers. In: Kultur und Universalgeschichte. Festschrift f. W. Goetz. Berlin 1927. S. 305-327. 202 Vgl. Novalis, Werke II. S. 734ff.

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Nur allzu deutlich hat uns erst die Reformation und mehr noch die Revolu¬ tion gelehrt, was es auf sich habe mit der unbedingten Öffentlichkeit, auch dessen, was anfangs vielleicht recht gut gemeint und sehr richtig gedacht war, und was für Folgen es mit sich führe. (III 101 )203

Demgegenüber hofft Schlegel auf »einen gewaltigen Umschwung« (III 96), um so die verloren gegangenen Formen einer auf der christli¬ chen Religion beruhenden menschlichen Gesellschaft wiederherzustel¬ len; d. h.:

203 Zum Typ »repräsentativer Öffentlichkeit« im Mittelalter, die sich in der Neu¬ zeit (Reformation) in »private Elemente« aufzulösen begann, vgl. J. Haber¬ mas, Strukturwandel der Öffentlichkeit. S. 14ff.; vgl. dazu auch G. von Graevenitz (Innerlichkeit und Öffentlichkeit. Aspekte deutscher »bürgerlicher« Literatur im frühen 18. Jahrhundert. In: DVjs 49 (1975). Sonderheft »18. Jahr¬ hundert«. S. 1-82; bes. S. 74ff.), der statt auf den bekannten Topos der »Ver¬ spätung« auf die Verschränkung von »Innerlichkeit« und Öffentlichkeit« für die Entstehung einer literarisch-politischen, »bürgerlichen« Kultur in Deutschland im 18. Jahrhundert verweist. - In Frankreich war die öffentliche Meinung identisch mit dem Programm des dritten Standes; in Deutschland dagegen eine wechselnden Gruppen und Einflüssen ausgesetzte »geistige Macht«. Vgl. dazu L. Hölscher, Art. Öffentlichkeit. In: Geschichtliche Grund¬ begriffe Bd. 4. Stuttgart 1978. S. 413-467; S. 450ff. Gerade von österreichi¬ scher Seite wurde für kurze Zeit (1809) »der Versuch einer planmäßigen pro¬ pagandistischen Bearbeitung der Massen« (F. Valjavec, Die Entstehung der politischen Strömungen. S. 367) unternommen, worin der Hauptgrund für Schlegels Berufung nach Wien zu sehen ist. Unter Metternich wurde dies dann ersetzt durch gezielte, diplomatische Pressepolitik. Vgl. dazu S. Lechner, Gelehrte Kritik und Restauration. Metternichsche Kulturkritik und die Wie¬ ner »Jahrbücher der Literatur« (1818-49). Tübingen 1977.- So wichtig der sozialgeschichtliche Aspekt dieser neuen Öffentlichkeit für den romanti¬ schen Künstler »zwischen dem höfischen >Nicht-mehr< und dem bürgerli¬ chen >Noch-nicht> « (H. Althaus, Ästhetik, Ökonomie und Gesellschaft. BernMünchen 1971. S. 60) für sich genommen auch ist, auch der spezifisch ro¬ mantische Mitteilungsstil im Wechsel von Exoterik und Esoterik ist in die¬ sem Zusammenhang zu sehen. Das betrifft nicht nur die programmatische und anstößige »Unverständlichkeit« der Frühromantiker, sondern in politi¬ scher Hinsicht wichtiger noch den späten Schlegel. Vgl. E. Winter, Romantismus. S. 105f. u. 134ff. Die vor allem durch die Pietismus-Tradition begründete Verschränkung von »Innerlichkeit« und »Öffentlichkeit« be¬ stimmt den romantischen Mitteilungsstil, wobei es schwer sein wird, progressiv-emanzipatorische und quietistisch-rückschrittliche Tendenzen vonein¬ ander zu trennen. - Es ist nicht ohne Ironie, daß Schlegel ausgerechnet in Anknüpfung an Lessings Freimaurer-Gespräche, in denen die bürgerliche Gesellschaft »ein Sprößling der Freimaurer« genannt wird (vgl. J. Habermas, Strukturwandel der Öffentlichkeit. S. 46), das Bild einer gegen-bürgerlichen, geschlossen-hierarchischen »altdeutschen« Verfassung entwirft. - Zum Ver¬ hältnis von Moral und Politik bei Schlegel vgl. K. Peter, Stadien. S. 139ff.

216

(.. .) die altdeutsche Verfassung, d. h. das Reich der Ehre, der Freiheit, und der treuen Sitte wieder hervorzurufen, indem man die Gesinnung bilde, wor¬ auf die wahre freie Monarchie beruht, und die notwendig den gebesserten Menschen zurückführen muß zu dieser ursprünglichen und allein sittlichen und geheiligten Form des nationalen Febens. (III 101)

Das auf »Glauben und Liebe« beruhende totalitäre Ideal des Staates als transpersonale Gemeinschaft, wie es erstmals von Novalis in Abkehr von der naturrechtlichen Vertragstheorie entworfen wurde,204 wird von Schlegel auf die Geschichte selbst übertragen. »Nation heißt Geschich¬ te.«"05 Aus der Geschichte soll sich legitimieren, was in Frankreich Folge eines gesellschaftspolitischen Prozesses war. Wie im Falle seines an der griechischen Polis ausgerichteten republikanischen Gemein¬ schaftsideals so geht es Schlegel auch jetzt um ein aus der Geschichte hergeleitetes Ideal staatlicher Gemeinschaft, wie er es im Mittelalter verwirklicht glaubt: Ehedem war überhaupt ein Geist und eine Kraft der Verbindungen vorhan¬ den, der in Krieg und Frieden, im Flandel wie in der Kunst die herrlichsten Erscheinungen hervorgebracht hat; bei keiner Nation aber war immer dies so rege und so groß als bei der deutschen in ehemaliger Zeit. Jetzt da alle äußern Verhältnisse zerstört und aufgelöst sind in eine chaoti¬ sche Masse tyrannisch revolutionärer Gleichheit, scheint dieser Geist und diese Kraft beinah verschwunden; aber alles, was notwendig ist, ist auch ewig und muß früher oder spät wiederkehren. (III 102)

Die grundsätzliche Ablehnung des gegenwärtigen politischen Zustan¬ des führt zum Rückzug auf die Geschichte. Der Gegensatz, der hier angedeutet und in seinen Darstellungen mittelalterlicher Geschichte weiter ausgeführt wird, ist der von organischem Wachstum einerseits und individueller Willkür andererseits, wie es auch seiner Theorie des Werdens zugrundeliegt.206 Gegenüber der Despotie eines einzelnen, wie er es in dem »von der gewaltsamen Überreizung der Revolution« (III 355) beherrschten politisch-kulturellen Leben in Paris erfahren hat, beruft sich Schlegel auf ein auf Tradition und Anciennität gegründetes Gemeinwesen.207 So aufgeschlossen und tolerant er sich zeit seines Le204 Vgl. ebda., S. 287ff. U. Scheuner, Staatsbild. S. 74ff. 205 J. L. Talmon, Politischer Messianismus. Die romantische Phase. Köln-Opla¬ den 1963. S. 273. Vgl. grundlegend dazu H. Plessner, Die verspätete Nation. S. 15, 64 u. 81 ff. 206 Vgl. Kap. III. 3.; A. Hauser, Sozialgeschichte. S. 692f. 207 In der Zweifrontenstellung gegen Despotie und Revolution stimmen politi¬ sche Romantik und französischer Traditionalismus überein. Was sie grund¬ sätzlich trennt, ist das historisch-genetische Selbst- und Weltverständnis der deutschen Romantik. Vgl. dazu P. R. Rohden, Deutscher und Französischer Konservatismus. In: Die Dioskuren. Hg. v. W. Strich. Bd. 3 (1924). S. 90-138; S. 126ff.; J. L. Talmon, Politischer Messianismus. S. 270ff. 217

bens in der Beurteilung französischer Literatur und Kultur zeigt, so entschieden ist seine Ablehnung des aus der Revolution entstandenen nationalen Machtstaates.208 Er sieht in der Revolution nur ein bislang beispielloses Paradigma geschichtlicherDiskontinuität; d. h. »daß viel¬ leicht nie der Charakter einer Nation so stark durch Willkür nach be¬ stimmten Absichten und Grundsätzen modifiziert worden ist, als der Charakter der Franzosen« (III 351). Keine Nation hat so offen mit der eigenen Geschichte gebrochen wie die französische. Darin zeigt sich, worauf Burke als erster verwiesen hat,209 eine Mißachtung der Ge¬ schichte als traditionsstiftende Kraft. Die Folgen der Revolution haben gezeigt, daß die Revolution als Idee einer Verbesserung und Vervoll¬ kommnung der menschlichen Gesellschaft gescheitert ist: Der Versuch, Vernunft gegen Geschichte zu setzen und zu beweisen, daß nicht das Geschichtliche, sondern das Vernunftgemäße das Natürliche sei, hat in Chaos und Unheil geendet. Anarchie, Tyrannei, Terror und ungesetz¬ liche Regierungen haben die Hoffnung, der Mensch könne sein eigener Ge¬ setzgeber, das alleinige und letzte Kriterium für Gut und Böse sein, Lügen gestraft; ebenso den Glauben, die autonome individuelle Vernunft sei fähig, anstatt Chaos zu gebären, ein System sozialer Harmonie von ausschließlicher und definitiver Gültigkeit zu errichten.210

Der Wunsch nach Wiederherstellung mittelalterlicher Lebensformen ist auch als Versuch zu verstehen, sich dem gewaltsamen Bruch mit der Vergangenheit zu widersetzen, indem man, statt nach den sozialen Ursa¬ chen zu fragen, nach Parallelen und Analogien in der Geschichte für den in der Gegenwart erlebten, beispiellosen Akt geschichtlicher Dis¬ kontinuität sucht. Und gerade das Mittelalter erscheint in politischer und geschichtlicher Hinsicht als Zeit des Umbruchs. Denn Schlegel beansprucht, anders als Novalis’ Utopie vom goldenen Zeitalter, das Mittelalter nicht »in Masse« (XIV 168), d. h. als Gegenbild zur schlech¬ ten Gegenwart, sondern in sich zu erforschen, »die Perioden dieser Zeit genau (zu) bestimmen und die Grenzen richtig anzugeben« (XIV 168).

208 Vgl. F. Meinecke, Weltbürgertum und Nationalstaat. S. 82f. 209 Burkes Eintreten für auf Tradition und Dauer gegründete staatliche Institu¬ tionen ist Ausdruck seines reformistischen Denkens, das er den revolutionä¬ ren Veränderungen entgegensetzt. Vgl. E. Burke, Betrachtungen über die fran¬ zösische Revolution. Frankfurt a. M. 1967. S. 53, 159, 242, 338. Schlegel da¬ gegen strebt mit seinem mittelalterlichen Ständestaat eine gänzliche Rück¬ kehr i. S. einer »revolutio« zu geschichtlich früheren Zuständen an. Was ihn mit Burke verbindet, ist das Krisenbewußtsein; was ihn von Burke trennt, ist zunächst dessen Pragmatismus. 210 J. L. Talmon, Politischer Messianismus. S. 263.

218

Gerade weil »besonders unser Zeitalter sich direkt auf das Mittelal¬ ter gründet und noch manches aus demselben besteht, was noch nicht ganz aufgelöst ist« (XIV 168), bzw. wie im Falle der Reichsrilterschaft dabei ist aufgelöst zu werden,211 ist ein historisches Studium dieser Epo¬ che sinnvoll und nötig. Angesichts der Schnellebigkeit gegenwärtiger Zeit und der Veränderbarkeit ihrer Institutionen als Folge der von Frank¬ reich ausgehenden Veränderungen soll die Bedeutung einer auf Tradi¬ tion und Herkommen beruhenden politischen Ordnung aufgezeigt wer¬ den. Man sucht nach den irrationalen Kräften in der Geschichte, die beides, - national-bewahrende und volkstümlich-freiheitliche Bestre¬ bungen -, in sich vereinen. Politisch relevant wird dieser »dritte Weg« der politischen Romantik zwischen Fortschritt und Reaktion mit dem Volksgeistbegriff der historischen Schule.212 Auf vergleichbare Weise wird dann später, während der politischen Restauration nach 1820, ver¬ sucht. einen sozialreformerischen, romantischen Katholizismus zu be¬ gründen, der weder mit den politischen Bestrebungen Metternichs noch mit denen der römischen Kirche konform geht. Für diese späte Form der politischen Romantik ist gerade für Schlegel der Einfluß des französischen Ultramontanismus, der sich bis in die Zeit seines Pariser Aufenthaltes zurückverfolgen läßt, entscheidend.213 Im Mittelalter sieht Schlegel verwirklicht, was er aufgrund seiner philologischen Studien, die nun nicht mehr von einem primär ästheti¬ schen Interesse, sondern von den Äußerungsformen der Religion in der Poesie und im Leben der Indier bestimmt sind, dank der »Kenntnis und Anschauung des orientalischen Altertums« (VIII 317) gefunden hat. Über die Poesie erschließt sich ihm »die Grundlage der indischen Verfassung und Gesetzgebung« (VIII 199). Zeugnisse der Poesie als Zeugnisse des Lebens, - darin besteht das Neue romantischer Hermeneutik. Die Kenntnis des politischen Lebens eines Volkes erschließt sich aus der schriftlichen Überlieferung. Durch 211 Vgl. F. Schnabel, Deutsche Geschichte. Bd. 1. S. 319f.; F. Valjavec, Die Ent¬ stehung der politischen Strömungen. S. 43ff.; M. Braubach, Von der Franzö¬ sischen Revolution. S. 71. 212 Vgl. oben Anm. 132. Dazu auch: G.-L. Fink, Volk und Volksdichtung in der ersten Berliner Romantik. In: Romantik in Deutschland. S. 532-549. 213 Vgl. dazu grundlegend P. R. Rohden, Deutscher und französischer Konser¬ vatismus. In: Die Dioskuren 3 (1924). S. 90-138; E. Winter, Romantismus; R. Aubert, Die Kirche in der Gegenwart; vgl. oben Kap. II. Anm. 183; E. R. Huber, Deutsche Verfassungsgeschichte. S. 407ff.; zum sozialreformerischen Katholizismus des späten Baader vgl. J. Baxa, Romantik und konservative Politik. In: G.-K. Kaltenbrunner (Hg.), Rekonstruktion des Konservatismus. S. 443-468; S. 466. 219

seine Orient-Studien erkennt er den Wert der Religion als Kristallisa¬ tionsform kulturellen Lebens, »da besonders die Religion der Punkt ist, worauf bei allen Völkern alles beruht« (XIV 35). Der indischen Kultur als der gegenüber den europäischen Kulturen ältesten kommt darin der Vorrang zu. Auch seine Hinwendung zum Katholizismus ist maßgeb¬ lich mit bestimmt durch dessen gegenüber dem Protestantismus histo¬ risch älteren Ursprung.214 Der mit seiner »Rückkehr zum Primitiven und Positiven« (III 89) einhergehende Wandel seines Geschichtsdenkens zeigt sich auch an seinem Begriff des Romantischen, der jetzt auf die historische Epoche des Mittelalters und die jeweiligen nationalen Kulturen dieses Zeit¬ raums bezogen ist. Neben der spanischen, provenzalischen und altdeut¬ schen Poesie und Geschichte sieht er im altenglischen, normannischen Rittertum eine Epoche, aus der sich »der romantische Geist jener Zeiten am besten kennenlernen läßt« (XIV 141 ).215 Was diese wie die anderen Literaturen dieser Zeit auszeichnet, ist jene Einheit von Kunst und Leben, worin für Schlegel ursprünglich die Idealität der griechi¬ schen Antike sowie dann der frühromantische Universalanspruch ge¬ genüber Poesie und Philosophie begründet ist, und was sich jetzt ganz zurück in die Geschichte verlagert hat: Unter der Herrschaft der schwäbischen Kaiser war in Deutschland die Zeit der eigentümlichen Blüte der romantischen Poesie, wenn man diese nicht historisch, sondern nach ihrem wesentlichen Begriffe nimmt. Nie war wohl die Poesie mit dem Leben so innig verwebt, so allgemein verbreitet, und so hoch geachtet. (XI 181)

Das Mittelalter bildet für Schlegel jetzt den Zeitraum, in dem er die mit seinen historischen Studien verbundenen Inhalte und Zielsetzungen auf ideale Weise verwirklicht sieht.216 Es ist eine heroische Auffassung dieser Zeit, wild und erhaben wie die felsenzerklüftete Rheinlandschaft217 und wie die aus der damaligen Poesie, »Ritter- und Heldenpoesie in der edelsten Bedeutung« (XI 181), gewonnene Anschauung mittelalterli¬ chen Lebens. Obschon Schlegel die mittelalterliche Literatur nicht so gut kannte wie Tieck oder sein Bruder,218 so sieht er in ihr ganz i. S. Herders den national-lokalen Zusammenhang jener Zeit repräsentiert: 2,4 Vgl. oben Anm. 81 u. 82. 215 Vgl. dazu H. Dierkes, Literaturgeschichte als Kritik. S. 287ff. 216 Das betrifft vor allem die Frage der richtigen Verfassung, d. h. der idealen politischen Ordnung, was er, vor allem in der Vorlesung von 1810/11, mit der Geschichte des habsburgischen Vielvölkerstaates i. S. eines christlichen Uni¬ versalismus verbindet. 2,7 Vgl. oben Anm. 19. 218 Zur Vorbereitung seiner Wiener Vorlesung schreibt er: »die ungedruckten Quellen benutze ich regelmäßig« (Schlegel an A. W. Schlegel (29. 7. 1808) in: Krisenjahre I. S. 584). Vgl. J. Körner in Krisenjahre III. S. 288, 346, 368.

220

Es war aber diese Poesie so ganz unmittelbare Blüte des Lebens, daß sie ganz an dieses geknüpft war, und mit dem Untergange der Verfassung und Sitten, besonders in Deutschland, zugleich untergehen mußte. (III 54)

Darin besteht die Parallele, aber auch der Unterschied zur griechischen Poesie: Nach dem Fall der großen Kaiser des Hohenstaufischen Hauses, da bürger¬ liche Kriege ohne Ende die Verfassung zerrissen, ging auch jene Poesie zu¬ grunde. Und da sie nicht mehr geübt wurde, mußte sie auch bald in Verges¬ senheit geraten; denn hier war keine Gelehrsamkeit und Kritik vorhanden, welche, wie in Griechenland, da die alte Poesie mit der Verfassung und den Sitten der Nation zugleich untergegangen war, die Stelle der Poesie einiger¬ maßen ersetzen, wenigstens die alten Reichtümer derselben, treu hätte be¬ wahren können. (111 62)

Wie im Falle seiner Studien zur griechischen Poesie so erschließt er sich auch jetzt über die Poesie die Verfassung und Gesetzgebung dieser Zeit.210 Die Sprache, d. h. die schriftliche Überlieferung gibt Aufschluß über die Lebenstotalität eines Volkes, so wie es dann auch von Jacob Grimm beschrieben wurde.220 Schlegel sieht das Mittelalter nicht einfach als Gegenbild zur auf¬ klärerischen Kultur des 18. Jahrhundert wie bei der poetischen Sicht des Novalis; er sieht es als Flistoriker. Sein Mittelalter-Bild ist in emi¬ nentem Maße von seinem Gegenwartsinteresse her bestimmt. Während der Orient »zu sehr entfernt, um auf unser Zeitalter angewandt zu werden« (XIV 167), die Griechen und Römer ihm jetzt insgesamt zu unmoralisch sind,221 so sieht er doch die gegenwärtige Kultur auf viel¬ fältige Weise vom Mittelalter her geprägt, d. h.:

219 Vgl. KA I 14. 220 Aus der Sprachentwicklung leiten sich auch für J. Grimm, so wie zuvor Schle¬ gel in seinem »Indien«-Buch, die Rechtsverhältnisse ab: »(...) dasz das recht mit der poesie entsprungen ist, dasz es in seiner gestalt poetisch gebunden zu sein scheint, dasz es gleich den gedichten voll lebendiger Wörter und in sei¬ nem gesammten ausdruck bilderreich.« (J. Grimm, Von der Poesie im Recht. In: Kleinere Schriften Bd. VI. Berlin 1882. S. 152-191; 169). Zur Rechtsauf¬ fassung Schlegels im Gegensatz zu J. Grimm vgl. A. Kuhn, Die Staats- und Gesellschaftslehre Friedrich Schlegels. Diss. München 1959. S. 23: »Schlegel erstrebt dagegen (gegenüber J. Grimm) nicht so sehr die Wiederbelebung des völkischen Rechtsempfindens als die Wiedererweckung des christlichen Rechtsbewußtseins, das von einer religiösen Empfindung des Menschen zu den göttlichen Gütern durchdrungen ist.« Vgl. auch J. Baxa, Einführung. S. 79ff. u. 150ff. 221 Vgl. KA XIV 167f. 221

(...) daß der tiefsinnige Geist des Mittelalters, auf den unsre ganze Verfas¬ sung und jetziges Leben sich gründen, und noch lange gründen werden, uns in der Geschichte, Dichtkunst und Sittenlehre vor allem am nächsten steht, und die Kenntnis desselben für das Leben am wichtigsten ist. (VIII 315)

Das Mittelalter interessiert also nicht nur als vergangenes goldenes Zeit¬ alter, sondern ebenso in seinem Bezug zur Gegenwart. Gerade aus dieser Spannung von idealisierender und historisch-kritischer Ausein¬ andersetzung ergibt sich die Eigenart der Schlegelschen Beschäftigung mit dieser Zeit. Aufgabe des Historikers ist es, das, was Ausdruck des Zerfalls ist, von dem zu unterscheiden, worin der überzeitliche und ideale Wert dieser Epoche für die Gegenwart besteht. Das macht, wie sich nun im Folgenden zeigen wird, den »pragmatisch(en), d. h. politisch(en) und moralisch(en)« (XIV 72) Geist seiner Universalhistorie aus. Das Mittelalter umfaßt für Schlegel einen sehr weit gespannten Zeitraum. Seine Ursprünge sind in der Entstehung und Ausbreitung des Christentums, dem Untergang des Römischen Reiches und in der Völkerwanderung zu sehen. Das Ende und der Zerfall des Mittelalters setzt mit den habsburgischen Kaisern ein und findet mit der Refor¬ mation und der Entdeckung der Neuen Welt seinen Abschluß. Berück¬ sichtigt man jedoch die Folgen der Reformation, vor allem den Dreißig¬ jährigen Krieg, so muß man »selbst die erste Hälfte des 17. Jahrhun¬ derts noch zum Mittelalter zählen« (XIV 169). Die Neuzeit beginnt dann erst mit dem französischen Absolutismus und dem Aufstieg Eng¬ lands zur Seemacht und dem Beginn der konstitutionellen Monarchie Ende des 17. Jahrhunderts. Die eigentliche, d. h. politische Geschichte des Mittelalters setzt mit Konstantin ein. »Die Ausbreitung des Christentums ist beispiellos; nie ist eine Sache so wunderbar standhaft und fortdauernd uneigennützig ausgebreitet (worden)« (XIX 35, 320. Mit Konstantin wurde es von po¬ litischer Bedeutung für die europäische Geschichte.222 Mit Karl dem Großen hat diese Verbindung von weltlicher und geistlicher Macht ei¬ nen ersten Höhepunkt erreicht. Denn erst »durch die Stiftung des Kai¬ sertums, welches die Geschichte aller übrigen Staaten bestimmt hat« (XIV 137), beginnt auch die politische Rolle des Papsttums für die mit¬ telalterliche Geschichte.22'' Es ist »die mit dem Kaisertum entstandene Idee der Hierarchie als eine der weltlichen entgegen, oder doch an die Seite gesetzte geistliche

222 Vgl. KA XIV 118. 223 Vgl. KA XIV 138f.

222

Oberherrschaft« (XIV 139), worin er das Wesentliche des Mittelalters sieht. Auf annähernd ideale Weise ist es in der »Verbindung Italiens mit Deutschland« (XIV 140) unter den sächsischen und schwäbischen Kaisern - »keine sehr ruhige, aber wohl die glänzendste (Epoche) für Deutschland und auch für Italien« (XIV 162) - sowie später dann unter Karl V. und Spanien verwirklicht worden.“4 Daneben berücksichtigt er auch die Zeit der Kreuzzüge, »die größte gemeinschaftliche Unterneh¬ mung des ganzen Abendlandes« (XIV 161), die Geschichte der großen Päpste22" und gibt eine »Charakteristik des romantischen Geistes« (XIV 174), d. h. ihrer jeweiligen nationalen Ursprünge im europäischen Mittelalter, wobei sich Spanien vor allen anderen auszeichnet: »In der älteren spanischen Poesie ist gleichsam alles, was man romantisch nennt, vereinigt« (XI 156). Obschon Spanien »im Mittelalter in der Kultur zurückstand« (XIV 182) und die Zeit der Habsburger als »die Periode des Verfalls des Kaisertums und der Hierarchie« (XIV 170) bezeichnet wird, so ist doch für Schlegel das, worin sich das Mittelalter auszeichnet, dort am vollkommensten verwirklicht: Der romantische Geist erstreckt sich wirklich nicht nur auf den Charakter der spanischen Phantasie und Dichtkunst, sondern auf die Sitten und selbst auf die Verfassung des ganzen Landes. Das System des Mittelalters erhielt sich hier in allen Stücken eigentümlicher, reiner und strenger als irgend. (XIV 182)

Was Schlegel am Mittelalter interessiert, verteilt sich über mehrere Epo¬ chen, wobei er wiederum einschränkt: Das reine Mittelalter von Constantin bis Kaiser Friedrich II. - circa 900 Jahre 300-1200. Die Völkerwanderung gar nicht Epoche in dem Sinne. (XIX 143, 505)

Obwohl mit den Habsburgern »das Beginnen der Auflösung aller Ein¬ richtungen des Mittelalters sichtbar (wird) und der Übergang zu einer neuen Zeit« (XIV 170), so darf man aber »wegen der allgemeinen mo¬ ralischen Versunkenheit« (XIV 234) den »großen Reichtum an großen Charakteren« (XIV 226) gerade im Spätmittelalter nicht unberücksich¬ tigt lassen, deren Bedeutung darin besteht, wie sie sich dem Verfall ihrer Zeit entgegenstellten. Das gilt vor allem für Karl V. und seine Zeit: »in seiner Hand war in der wichtigsten Krisis das Schicksal von ganz Europa« (XIV 234).

224 Vgl. KAXIX31L, 285. 225 Vgl. KA XIV 151 ff. 223

Das Mittelalter als Ganzes teilt sich für Schlegel in fünf, bzw. in sechs Epochen: Man muß also, wie gesagt, den Anfangspunkt dahin stellen, wo das Christen¬ tum herrschend zu werden beginnt, und dies ist die Zeit unter Konstantin, etwa von Anno 300 (genau 311) bis zum fränkischen Reich. Dies war die Zeit der großen Gärung und Unruhen in Europa, des Untergangs des römischen Reichs und der Entstehung des germanischen, eine Periode, die man in Rück¬ sicht auf Kultur auch wohl die gotische nennen kann, zumal von ihnen hauptsächlich die Völkerwanderung herkam. (. ..) Dann folgt die fränkische Periode (...). Nach der fränkischen kam die sächsische, nach dieser die schwä¬ bische Periode. Die fünfte ist die von Rudolf von Habsburg bis Maximilian (...). Mit Karl V. und der Reformation pflegt man das Mittelalter zu schlie¬ ßen (...). (XIV 168f.)

Nimmt man die Nachwirkungen der Reformation mit hinzu, so kann man die Zeit bis Mitte des 17. Jahrhunderts als sechste und letzte Epoche des Mittelalters bezeichnen. Was hier deutlich werden soll, ist der typologisierende Blick Schlegels, der sich mit seinem Begriff der Universalhistorie bewußt von einer nur nacherzählenden Geschichte abgrenzt. Es geht ihm nicht um eine künstlerische, sondern um eine wissenschaftliche Behandlung der Geschichte und damit um die Mög¬ lichkeit, aus der Geschichte Erkenntnisse für die eigene Zeit zu gewin¬ nen: Die moralische Entwicklung ist es einzig, wonach man den Wert einer Zeit und Nation richtig würdigen kann; die politische und moralische Verfassung, die mit der religiösen zusammenhängt, ist daher dasjenige, worauf man hauptsächlich zu sehen hat, Wissenschaften und Künste nur, insofern sie mit jener in näherer Beziehung stehen. (XIV 166)

Für den frühromantischen Geschichtsbegriff fielen poetische und wis¬ senschaftliche Auseinandersetzung mit der Geschichte zusammen. Die Trennung, erstmals ablesbar in der Einleitung zu seiner »Geschichte der europäischen Literatur« von 1803/04,226 indiziert auch einen Be¬ deutungswandel seines Geschichtsbegriff, dem es jetzt weniger um das zu tun ist, was »erst mit dem Fortschritte der Zeiten sichtbar (wird)« (XVIII 30, 125), sondern der jetzt ganz auf die Vergangenheit aus¬ gerichtet ist. Im Zentrum steht die Frage nach der richtigen Verfassung. Wesentlich dafür sind: (...) in synchronistischer Hinsicht: wie sich bei den verschiedenen Nationen die germanische Verfassung entwickelt und welche besondere Form sie bei jeder angenommen; in chronologischer Hinsicht, wie sich in den verschie¬ denen Perioden das Kaisertum und die Hierarchie, jedes für sich oder im 226 Vgl. KA XI 10.

224

Verhältnis zueinander, entwickelt haben und welche Form das eine und an¬ dere vor und nachher angenommen hat. Nach diesen drei Ideen muß im Mittelalter alles beurteilt werden. (XIV 170)

Wie schon 1795 gegenüber Condorcets Fortschrittsdenken, das für ihn zu wenig Geschichte und zu viel Metaphysik enthält,227 so sucht Schlegel auch jetzt nach Ordnungsprinzipien für die Heterogenität der Geschichte. Seine Universalhistorie ist auf die Frage nach der richtigen Verfassung, d. h. nach dem idealen Gemeinwesen hin ausgerichtet, das er nun nicht mehr in der Antike, sondern im Mittelalter vorzufinden glaubt. Normative und historische Betrachtungsweise liegen hier dicht beieinander. Was die Geschichte des Mittelalters von der der Antike unterscheidet, ist die größere Inkongruenz ihrer geschichtlichen Pro¬ zesse; d. h. das Mittelalter ist keine der griechischen Antike vergleich¬ bare geschlossene Kultur, sondern bildet eine Abfolge einzelner Epo¬ chen. Indem Schlegel nun die Heterogenität des geschichtlichen Ab¬ laufs, d. h. daß »die in eine lange Reihe ausgedehnte Geschichte der Menschheit in mehrere Kreisläufe und Perioden, die im kleinen wieder das Ganze sind, (sich teilt)« (XIV 118), betont, steht er der Herderschen Kulturzyklentheorie näher als in den neunziger Jahren.228 Anders als diesem geht es ihm aber nicht um die Totalität von Bildung und Hu¬ manität, sondern um die richtige Verfassung. Die damit einhergehende Verengung der universalhistorischen Fragestellung im Vergleich zu Herders »Ideen« wird vor allem in der grundsätzlichen Verurteilung der republikanischen Verfassung gegenüber der germanischen erkenn¬ bar. Gerade jetzt zeigt sich, wie sehr Schlegel bestrebt ist, anders als Herder der Geschichte »den wertsetzenden Widerstand«229 zu bieten. Ihren historischen Ursprung hat die germanische Verfassung in den fürstlichen Schenkungen und Belehnungen gegenüber Adel und Geist¬ lichkeit.230 In dieser auf dem Lehnsrecht beruhenden Feudalverfas¬ sung, »welche in den deutschen Sitten ursprünglich gegründet ist« (XIV 140), bilden im Hochmittelalter Adel, Geistlichkeit und Städte »ein heilsames Gleichgewicht« (XIV 148). Im Vergleich zum norman¬ nischen und französischen Feudalsystem erscheint das germanische ge¬ rechter, »sanfter und milder« (XIV 149).231 227 228 229 230

Vgl. KA VII 4ff. Vgl. oben Anm. 152 u. 153. E. Huge, Poesie und Reflexion. S. 25. Vgl. KAXIV140f.; dazu H. Mitteis/H. Liebereich, Deutsche Rechtsge¬ schichte. München 15. Aufl. 1978. S. 145ff. 231 Am vollkommensten hat sich die germanische Verfassung in Skandinavien erhalten. Vgl. KA XIV 197f. In Britannien hat sich, »außer in Spanien, die altdeutsche Verfassung in Betreff der Freien (. ..) am längsten er(halten)«

225

Den Zerfall dieser Ordnung sieht Schlegel in der politischen Rolle des Papsttums232 und im »Einreißen des Faustrechts« (XIV 164) als Aus¬ druck der Verwilderung einer ehemals auf Treu und Glauben be¬ ruhenden staatlichen Gemeinschaft. Beides erreicht unter Friedrich II. seinen Höhepunkt.233 Daneben bewirkt das durch die Universitäten ver¬ breitete römische Recht, obschon dadurch »die Kenntnis des Altertums und der Historie sehr befördert (wurde)« (XIV 173), größten politi¬ schen Schaden. Vom Adel aus Machtinteressen begünstigt, wurde nicht bedacht, (...) daß die Weitschweifigkeit und Künstlichkeit des römischen Rechts in die Verhältnisse des Lebens den Geist der Schikane einführen und die alt¬ deutschen Sitten und Denkart verdrängen würden; waren diese einmal unter, so verlor der Kaiser seine besten Stützen. (XIV 174)

Wie für Adam Müller, Jacob Grimm und Savigny so ist auch für Schlegel die Rechtsordnung Ausdruck für die Individualität einer Kul¬ tur und ihren möglichen Verfall.234 In der Neuzeit setzt sich dieser Verfall mit der Reformation, deren Ursache für Schlegel im »Mangel einer bestimmten Konstitution der Hierarchie, eines richtig bestimm¬ ten Verhältnisses zwischen der weltlichen und geistlichen Macht« (XIV 211) besteht, fort. Das führt im Innern zur Zerstörung religiös geprägter Lebensformen235 und nach außen hin zu »einer fortgehenden Kette von unaufhörlichen Bürgerkriegen« (XIV 214f.), vom Bauern¬ krieg über den Dreißigjährigen Krieg bis hin zur Amerikanischen und Französischen Revolution. In der Neuzeit ist »die alte Verfassung von Europa vollends über den Haufen geworfen« (XIV 224) worden.236 Die

(XIV 186), während »von allen europäischen Ländern in Frankreich die ger¬ manische Verfassung am schlechtesten entwickelt (ist) und (...) hier am frühesten ausgeartet (ist)« (XIV 188). 232 Vgl. KA XIV 152, 155 u. 172. 233 Vgl. KA XIV 164f., 171 f. 234 Auch bei A. Müller findet sich der Gegensatz von römischem Recht i. S. eines Privatrechts und der mittelalterlichen Gesetzgebung, die auf dem »Ge¬ heimnis der Gegenseitigkeit aller Verhältnisse des Lebens« (A. Müller, Ele¬ mente. S. 105) beruht. »So entsteht nun jener berühmte Streit zwischen dem Privatrechte, welches den Akzent allenthalben auf die Personen setzt und seine römische Abkunft nicht verleugnen kann, und den Gesetzen des Mit¬ telalters, welche die Sachen vor den Personen auszeichnen und die Persönlich¬ keit der Sachen allenthalben anerkennen. Die Französische Revolution, aus diesem Gesichtspunkt angesehen, war eine Reaktion des römischen Pri¬ vatrechts gegen die Gesetze des Mittelalters. (.. .).« (Ebda., S. 105f.). 235 Vgl. KA XIV 213. 236 Vgl. KA XIV 229ff.

226

Neuzeit selbst ist für ihn eine steigende »Entwicklung des moralischen Verderbens und des Despotismus« (XIV 240), deren Anfänge über die Reformation hinaus sich bis ins Hochmittelalter zurückverfolgen las¬ sen.237 Friedrich II. und die kaiserlose Zeit vor der Habsburger Herr¬ schaft bilden den Wendepunkt.238 So gesehen »zerfällt das ganze Mit¬ telalter in 2 Teile« (XIV 228). Auf eine Zeit ruhiger Entwicklung folgt eine Zeit der Revolutionen und der fortschreitenden Anarchie, die in der Französischen Revolution gipfelt. Die Geschichte von Friedrich II. angefangen erscheint als »Zeitalter der Revoluzion« (XIX 142, 503) und des fortschreitenden Zerfalls dessen, was für ihn den Wert des Mittelalters ausmacht.239 Grundlegend für Schlegels Mittelalter-Bild ist der Zusammenhang von »Kirche und Staat, als wechselseitig sich einander unterstützend und ergänzend« (XIII 143), d. h. ein Gleichgewicht von weltlicher und geistlicher Macht sowohl innerhalb der Staaten wie der Staaten unter¬ einander. Wo dieses Gleichgewicht gestört ist, wie z. B. im Falle der päpstlichen Doppelherrschaft, droht Verfall. Neben der Reformation sind es die Folgen der Entdeckung der Neuen Welt und des Welthan¬ dels, d. h. die frühen Formen des Finanz- und Handelskapitalismus, wie sie sich bis hin zu den republikanischen Stadtstaaten Oberitaliens im 13./14. Jahrhundert zurückverfolgen lassen,240 wodurch die hierar¬ chische Geschlossenheit von Schlegels Mittelalter-Ideal zunehmend zer¬ stört wird. Die Geschichte der Neuzeit selbst teilt sich für ihn in drei bzw. vier Epochen fortschreitenden Niedergangs, was in der Anarchie und dem Despotismus der Französischen Revolution und der jüngsten Zeitgeschichte seinen bislang äußersten Ausdruck gefunden hat.241 Demgegenüber beschwört Schlegel »das Bild der mittelalterlichen Solidarität«242, weil er jetzt dort jenes Ideal einer »Gemeinschaft der Geistesbildung« (III 234) verwirklicht findet, was er in Jena und Berlin als ein Stück real gelebter Utopie in den romantischen Geselligkeits¬ und Freundschaftsbündnissen erfahren hat. Es ist sicher richtig, daß die »Berufung auf das Mittelalter eher psycho¬ logisch als realpolitisch zu verstehen ist.«243 Ihr kommt aber gerade im Falle von Schlegels Verherrlichung des habsburgisch-katholischen Bünd-

237 238 239 240 241 242 243

Vgl. KA XIV 240f. Vgl. KA XIV 228; KA XIX 142, 503. Vgl. KA XIV 228f. Vgl. KA XIV 221 ff. u. 225ff.; vgl. A. Hauser, Sozialgeschichte. S. 295ff. Vgl. KA XIV 233ff. F. Schnabel, Deutsche Geschichte. Bd. 1. S. 309. Chr. Dipper, Diskussionsbericht in: Romantik in Deutschland. S. 158.

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nisses eine eminent zeitgeschichtliche Aktualität zu. Denn anders als im Falle des »modernen« Preußen ist mit den Habsburgern das Mittelalter bis in die Gegenwart hinein präsent. Er sieht in dem Zu¬ sammenwirken von Papst- und Kaisertum, obgleich, wie er zugibt, dieses Verhältnis »nie ganz in Harmonie« (VII 208) war, jenes Ideal innerer und äußerer Friedenssicherung verwirklicht, - den »höhern Begriff einer christlichen Republik, eines freien und friedlichen euro¬ päischen Staaten- und Völkervereins« (VII 261) -, was er in den neun¬ ziger Jahren in Analogie zur griechischen Polis und zum römischen Weltreich anzustreben suchte. Die eigentliche Ausgestaltung von Schlegels Mittelalter-Bild findet sich erst in den beiden großen Wiener Vorlesungen. Während sich Schle¬ gel dort aber mit einer unmittelbaren Aktualisierung seiner geschichtphilosophischen Darstellung eher zurückhält, werden die politischen Implikationen seines Mittelalter-Bildes in seinen unveröffentlicht ge¬ bliebenen Vorlesungen und Aufzeichnungen desto deutlicher erkenn¬ bar. Die Aktualität seines Mittelalter-Bildes liegt in der »Idee der Nicht¬ revolution«244 zugunsten »einer höheren Wiederherstellung der Ord¬ nung« (XIV 252), d. h. einer auf »Dauer« und »Leben«, - wie es leit¬ motivisch Adam Müllers feudalistische Staatslehre durchzieht -245, ge¬ gründeten politischen Ordnung. Ziel seiner Geschichtsphilosophie ist eine ständisch gegliederte Gemeinschaftsordnung innerhalb eines christ¬ lichen Universalismus. Rudolf Stadelmann verweist auf drei ideengeschichtlich wesentliche Traditionen und Tendenzen, die grundlegend nicht nur für die ro¬ mantische Aufarbeitung des Mittelalters sind: der von Herder bis hin zu Savigny überaus wichtige Organizismus-Gedanke, was verbunden ist mit der Vorstellung von der abendländischen Kulturmission des Mit-

244 R. Stadelmann, Mittelalterauffassung. S. 63. 245 »Immer ist es die Hauptaufgabe aller Staatskunst, die vergangenen Genera¬ tionen in lebendiger Gegenwart zu erhalten, in keinem Augenblicke die Un¬ sterblichkeit und die Totalität des politischen Lebens aus den Augen zu lassen und dem Staate seinen ersten Zweck, die Dauer oder das Leben, auf diese Weise durch Staatswissenschaft und durch Staatskunst zu sichern.« (A. Müller, Elemente. S. 117f.; vgl. auch S. 40f., 103, 109, 145ff. 230f.); Vgl. J. Baxa, Adam Müllers Philosophie, Ästhetik und Staatswissenschaft. Berlin 1929. S. 73ff.; B. Koehler, Ästhetik der Politik. S. 60f. u. 82ff.; Müllers Staats¬ lehre richtet sich vor allem gegen den Besitzindividualismus und Wirtschafts¬ liberalismus Adam Smiths. Vgl. J. Baxa, Adam Müllers Philosophie. S. 87ff.; E. Hanisch, Der »vormoderne« Antikapitalismus der Politischen Romantik. Das Beispiel Adam Müllers. In: Romantik in Deutschland. S. 132-146.

228

telaltersr40 Justus Mösers Verherrlichung der partikularistisch-föderalistischen Zeit gegenüber den zentralisitschen Tendenzen der Neuzeit;247 und schließlich die Furcht vor dem gewaltigen Umbruch, der durch die Französische Revolution bewirkt wurde und bis in die persönlichen Lebensbereiche hinein spürbar ist.248 Das Mittelalter selbst erscheint in Schlegels Wiener Vorlesungen als beispiellose Krisenzeit der Mensch¬ heitsgeschichte, aus der sich die Krise gegenwärtiger Zeit herleiten und verstehen läßt.249 Zwar lobt Schlegel auch jetzt noch den Wert grie¬ chischer Bildung,250 aber was die Antike für die Moderne interessant macht, hat sich jetzt grundlegend geändert. Es ist nicht die Idealität ihres Lebenszusammenhanges, sondern im Gegenteil die mangelnde politische Verfassung und der dadurch verursachte rasche Zerfall ihrer politischen Ordnung, weshalb die Griechen »mit ihren außerordentli¬ chen Kräften nur eine so kurze und keine größere Rolle in der Welt¬ geschichte gespielt haben« (XIV 82): Schon in ihrer politischen Verfassung lag der Keim zum Untergang. Nichts läßt sich (...) in der Geschichte so gewiß a priori bestimmen als der Unter¬ gang einer rein republikanischen Verfassung, die nicht an die monarchische angeknüpft und durch ein monarchisches Prinzip beharrlich gemacht ist. (XIV 62)

Mit Einschränkungen läßt Schlegel die republikanische Verfassung gel¬ ten.251 Für sich genommen aber ist der Republikanismus jetzt ein Para246 Vgl. R. Stadelmann, Mittelalterauffassung. S. 52ff. »Die drei von Herder ka¬ nonisierten Momente sind die wesentlichen Verdienste nicht bloß des Stuhles Petri, sondern des Mittelalters überhaupt: translatio der staatlichen Daseins¬ form, traditio der Bildung und conservatio der zur Humanität berufenen abendländischen Kulturmenschheit im Kampfe gegen die außereuropäische Barbarenwelt.« (Ebda., S. 83). Zum Organismus-Begriff vgl. Kap. I. Anm. 78 u. 137. 247 Vgl. R. Stadelmann, Mittelalterauffassung. S. 66ff.; K. Epstein, Konservati¬ vismus. S. 345ff. 248 Letzteres wird vor allem von Goethes Revolutionsdramen thematisiert. Vgl. dazu W. Müller-Seidel, Deutsche Klassik und Französische Revolution, ln: Deutsche Literatur und Französische Revolution. S. 39-62. 249 Vgl. dazu KA VII 254 u. 270ff. 250 Vgl. KA VIII 317; KA XIV 64f. 251 »Wir wollen keineswegs die republikanische Verfassung unbedingt verwer¬ fen, sondern behaupten bloß, daß diese durch ein monarchisches Prinzip beharrlicher und dauerhafter begründet werden müsse.« (XIII 124). Für Städ¬ te läßt Schlegel die republikanische Verfassung gelten. Vgl. KA XIII 162f. Schlegels Wende zur monarchisch-ständischen Verfassung ist primär eine Fol¬ ge seiner historischen Studien: »Wie sollte ich gegen den Republikanismus seyn, ohne den ja keine Monarchie bestehen kann - da ja auch Deutschlands Verfassung von Conrad I. bis Maximillian ganz republikanisch war - nur

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digma für Zerfall und Anarchie. Es ist der Gegensatz zu all dem, wo¬ durch sich die politische Ordnung des Mittelalters auszeichnet: Die einzige dauerhafte Verfassung ist die ständische, durch Priester und Adel gemilderte Monarchie, sie ist auch zugleich die älteste und beste. Eine Tyran¬ nei aber und eine Republik können nur kurze Zeit erhalten werden (...). (XIV 63)

Die Zeitgeschichte bildet die unmittelbare Anschauung dazu: Eine echte Republik (...), auf Freiheitsliebe, Gleichheit und Volksherrschaft gegründet, muß sich in längerer oder kürzerer Entwicklung endlich selbst eine gewisse Art des Republikanismus, an eine Hauptstadt gefesselt, wo alles hingerissen und verdorben wird, ist mir überall verdächtig, weil doch der schreckliche Despotismus überall schon im Hinterhalt steht, und auf dem Fuße folgt. Und daß auch ich die älteste Einrichtung der Römer als einen edlen Zweig von dem Baum uralter Offenbarung und Verfassung ehre und anerkenne, weißt Du ja; in dieser Absicht möcht ich sie weit über die Grie¬ chen selbst setzen.« (Schlegel an A. W. Schlegel (15.4. 1806) in: Krisenjah¬ re I. S. 319). Schlegels Unterscheidung von ständischer und republikanischer Verfassung liegt der Gegensatz von dynamischer, d. h. revolutionärer, und statischer, d. h. christlich-positiver Staatsauffassung zugrunde, was dann im Zentrum seiner »Signatur des Zeitalters« (1820/23) steht. In der Verurteilung des republikanischen Gemeinwesens, u. a. auch bedingt durch seine Macchiavelli-Lektüre, manifestiert sich die grundsätzliche Ablehnung jeglicher machtpolitischen Emanzipationsbestrebungen in der Geschichte, obschon die historische Bedeutung des italienischen Städtewesens im 14./15. Jhdt. nicht geleugnet wird. Revolution versteht Schlegel im traditionellen Sinn als »rebellio«; (vgl. K. Griewank, Revolutionsbegriff. S. 25ff.); d. h. als partielle Bewegung, nicht als alles umgreifenden politischen Prozeß, obwohl anderer¬ seits das Ereignis der Französischen Revolution als eben solcher erfahren wurde. Was er anstrebt, ist eine statische Gemeinschaftsordnung als Gegenent¬ wurf gegen die Veränderbarkeit und Schnellebigkeit geschichtlicher Prozesse und staatlicher Institutionen in der Neuzeit. - Schlegel wie seine Zeitgenossen stehen noch in der Tradition der aristotelischen Verfassungstypologie, die allmählich durch eine historische Erklärung der Rechtsverhältnisse abgelöst wird. Paradigmatisch dafür ist die widerspruchsvolle Wirkungsgeschichte Montesquieus in Deutschland: Übereinstimmung in der Auffassung, daß der »Geist« der Verfassung den historisch-»klimatischen« Verhältnissen zu ent¬ sprechen habe; Ablehnung gegenüber der Gewaltenteilungslehre. Vgl. dazu R. Vierhaus, Montesquieu in Deutschland. Zur Geschichte seiner Wirkung als politischer Schriftsteller im 18. Jahrhundert. In: Collegium Philosophicum. Festschrift f. J. Ritter. Basel-Stuttgart 1965. S. 403-437; S. 413f. u. 418f. Bezeichnend dafür ist Schlegels Verurteilung der konstitutionellen Monar¬ chie (vgl. K.A XIII 158f.; KA XIV 216), wie jeglicher Gewaltenteilung im Staat (vgl. KA XIII 11 Off. u. 159ff.), sowie Schlegels Aversion gegen England, trotz Burke. Vgl. dazu das Gespräch zwischen Rahel, Varnhagen von Ense und Schlegel (in Krisenjahre III. S. 272). - Eine Ausnahme in dieser Hinsicht bildet das politische Denken von Görres. Vgl. U. Scheuner, Staatsbild. S. 82f.

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zerstören; die Freiheit artet in Zügellosigkeit aus und die Gleichheit in Pö¬ belherrschaft. (XIV 63)

Gegenüber der »ewige(n) Beweglichkeit und Veränderlichkeit des re¬ publikanischen Systems« (XIII 162) zeichnet sich die ständische Ver¬ fassung durch Dauer und Traditionsgebundenheit aus. Wie die griechi¬ sche Mythologie gegenüber der indischen ohne Zusammenhang und höhere Einheit, so auch ihr politisches Gemeinwesen:252 Die Getrenntheit und Verschiedenheit und wieder die Mischung erstreckte sich auf Verfassung, Gottesdienst, Mythologie, Sprache, Sitten, Gebräuche und Literatur. Überall ist die bestimmteste, entschiedenste Tendenz zum gänz¬ lichen Individualisieren sichtbar. (XI 19)

Mit ihrer »Tendenz nach Individualität« (XIV 58) wird den Griechen das abgesprochen, worin sie sich ursprünglich auszeichneten: die Frei¬ heit ihrer Verfassung ebenso wie die Ganzheit ihres Lebenszusammen¬ hanges.

Sie sind ein Volk »ohne durchgehenden Nationalcharakter«

(XIV 83). Eben darin, dem großen Kunstsinn einerseits und der man¬ gelnden politischen Kultur andererseits, ähneln sie den Deutschen.254 Was Antike und Moderne jetzt gegenüber Orient und Mittelalter ver¬ eint, ist der Mangel an Religion. Das gilt für die jeweiligen politischen Lebensformen; »dagegen man die religiöse Verfassung des Mittelalters mit den vortrefflichsten ältesten Einrichtungen des Orients, hauptsäch¬ lich mit denen der Indier und Ägypter vergleichen kann« (XIV 167). Die mit seiner Geschichtsphilosophie verbundenen politischen Vor¬ stellungen findet Schlegel nicht mehr in der Antike, sondern nur noch im Mittelalter verwirklicht:

252 Vgl. KA XI 24ff.; »(...) so wie wir die Nation (der Griechen) gleichsam ohne Kern, so auch ihre Mythologie ohne Einheit finden. Sie erscheint uns wie die Nation selbst auf das mannigfaltigste zerteilt und individualisiert, sehr poe¬ tisch und schön ausgebildet, aber ohne wahren Zusammenhang.« (XIV 58). 253 Was die Griechen jetzt auszeichnet, ist die Ungleichzeitigkeit geschichtlicher Prozesse, d. h. die Trennung von Poesie und Religion, geistlichem und gelehr¬ tem Stand und deshalb mangelnde politische Einheit, »republikanische^ . .) Anarchie« (XIV 72) und Tyrannei und Despotie. Vgl. KA XIV 62ff. - Die ge¬ schichtsphilosophische Idealität beruht jetzt auf der Einheit von Poesie und Religion, weshalb der Zusammenhang von »Gesetzgebung, Religion und Mythologie« (XIV 19) und damit »de(r) Ursprung der menschlichen Bildung in Indien zu suchen« (XIV 19) ist. 254 »Diese bei den Griechen überall herrschende Uneinigkeit und Streitsucht aber, verbunden mit einem überall sich verbreitenden, fortschreitenden Kunst¬ sinn und einer alle menschlichen Kräfte messenden Bildung, gibt ihnen die größte Ähnlichkeit mit den Deutschen.« (XIV 64); vgl. KA XIV 235.

231

Der Name der Freiheit und der Schein derselben ist es, was an der Verfassung der Alten blendet. Dauerhafte und gesetzliche Freiheit aber ist nur bei der ständischen Verfassung möglich und fand auch im Mittelalter in einem viel höheren Grade statt als im Altertum. (XIV 255)

Die republikanische Gemeinschaftsordnung ist ihm jetzt zum Sinnbild für Anarchie und Gesetzlosigkeit, »eine notwendige Quelle ewiger Bür¬ gerkriege« (XI11 124), geworden. Was Schlegel anstrebt, hat sich bislang am vollkommensten in der ständischen Verfassung des Mittelalters ver¬ wirklicht: Das Mittelalter nun steht in moralischer und politischer Flinsicht höher als jede andere Masse der Geschichte: diese seine moralische und politische Grö¬ ße ist aus unserer Moralphilosophie einleuchtend. (XIV 166)255

255 In der Moralphilosophie, die »anstatt auf Vernunft- oder Rechtsprinzipien« (XIII71) wie bei Kant und Fichte auf dem Gefühl gegründet ist (vgl. KA XIII 71 f. u. 85ff.), verwirklicht sich für Schlegel der Wille Gottes. (Vgl. KA XIII 63ff.). »Ohne Religion kann man nie zu einer Moralphilosophie gelangen (...)« (XIII 65); d. h. der Mensch »kann die Sittlichkeit nicht ganz aus sich selbst erzeugen« (XIII 93). Er bedarf der göttlichen Offenbarung. Gegenüber dem Geschichtsprozeß kommt dem, was für Schlegel die Moral¬ philosophie ausmacht, eine normative Kraft zu, wie sie sich in den Institutio¬ nen des Staates und der Kirche manifestiert. Sie sind Ausdruck göttlichen Wirkens. Vgl. KA XIII 49 u. 63ff. - Dabei verweist Schlegel wiederum auf die Geschichte: »In der Moral muß die Philosophie sich Rat erholen bei der Geschichte, wenigstens für die Anwendung ihrer Grundsätze in dem wirkli¬ chen Leben. Aus dem Prinzip allein läßt sich ein vollständiges prak¬ tisch-anwendbares Moralsystem nicht aufstellen, sondern aus der morali¬ schen Erfahrung müssen für das Ganze gewisse Data hergenommen werden. In der Moral darf der Philosoph nichts erfinden, sondern hier muß er die Erfahrung fragen, aber nicht etwa die Erfahrung seines eigenen Lebens, (...) sondern (...) die ganze sittliche Geschichte des Menschen, soweit ihm diese offenliegt, auf die bei allen Nationen und in allen Zeitaltern herrschenden sittlichen Begriffe.« (XIII 78f.). Schlegel verweist dabei auf die Geschichte der Griechen und Römer sowie die des Mittelalters: »Wenn schon die Volks¬ moral der Römer einen Vorzug vor der griechischen verdient, so ist jene des Mittelalters, in Hinsicht ihres höhern sittlichen Charakters, unendlich über beide erhaben.« (XIII 80). Mehr noch als im Falle seine republikanischen Gemeinschaftsideals neigt Schlegel dazu, formale Bestimmungen der Rechts¬ philosophie Kants und Fichtes aus der Geschichte abzuleiten. Vgl. die Kant Kritik in KA XIII 84ff. - Zum Zusammenhang von Politik und Moral für Schlegels Geschichtsphilosophie vgl. grundlegend K. Peter, Stadien. S. 139-183; bes. S. 142ff. u. 148. Was frühe und späte Geschichtsphilosophie miteinander verbindet, ist ihre Realitätsferne, d. h. die mangelnde Vermitt¬ lung der entworfenen Ideale staatlicher Gemeinschaft mit der Gegenwart. Vgl. dazu B. Bräutigam, Eine schöne Republik. S. 317; O. Marquard, Hegel und das Sollen. In: Schwierigkeiten mit der Geschichtsphilosophie. Frankfurt 1973. S. 37-51.

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Das Mittelalter bildet die Norm zur Beurteilung der ganzen Mensch¬ heitsgeschichte. Der Rückgriff auf diese Epoche bildet gemäß seiner eigenen Maxime die Grundlage seiner Geschichtsphilosophie: Das historische Setzen eines Zeitalters, einer Nation - ist eine religiöse Hand¬ lung - Zurückgehen - re-ligio - Rückführung auf den alten Weg. (XIX 42, 8)

ln der ständischen Verfassung sieht Schlegel die älteste und ursprüng¬ lichste Form menschlicher Gesellschaft, »eine übernationale univer¬ sale Norm für das politische Leben der einzelnen Nation«256: Soweit Geschichte und Erfahrung reichen, finden wir das Prinzip der stän¬ dischen Verfassung mehr oder minder entwickelt bei den edelsten Nationen. (XIII 150)

Das beginnt mit der indischen Kasteneinteilung, wie überhaupt die in¬ dische und »die ältere persische Verfassung (. ..) eine große Ähnlich¬ keit mit der deutschen Lehnsverfassung« (XIV 43) haben.257 Anfäng¬ lich besaßen auch die Griechen und Römer eine monarchisch-ständi¬ sche Verfassung, wobei aber »die Griechen der alten ursprünglichen Verfassung aller edlen Völker weniger treu blieben als die Römer« (XIV 64).255 Aufgrund seiner indischen Studien sieht Schlegel in der monarchisch-ständischen Verfassung die historisch ältere, die vom Orient aus auf Europa eingewirkt hat: Nur das eine ist in der Verwirrung der ältesten indischen Geschichte klar, daß es schon damals große Monarchien in Indien gab, obgleich ständische, durch die erblichen Rechte der Priester und des Adels vielfach beschränkte. Auch bei den von Indien abstammenden Nationen und Kolonien dürfte die republikanische Verfassung erst später entstanden, die monarchische in den ältesten Zeiten die herrschende gewesen sein (...) (VIII 289ff.)

Darin, daß Zeugnisse der Poesie zugleich Zeugnisse des Lebens eines Volkes sind, zeigt sich, »wie fruchtbar das indische Studium auch an historischen Folgerungen sein dürfte« (VIII 291). Wie schon im Falle seiner griechischen Studien so gibt auch hier die poetische Überliefe¬ rung Aufschluß über den politisch-rechtlichen Zustand eines Volkes, nur daß sich die damit verbundenen Inhalte und Zielsetzungen jetzt 256 F. Meinecke, Weltbürgertum und Nationalstaat. S. 79. - Die Beurteilung des Mittelalters »in synchronistischer Hinsicht,’ (XIV 170) liegt in dem normati¬ ven Anspruch, den für Schlegel die ständische Verfassung besitzt, begründet: »(...) es wäre ebenso irrig, eine neue Verfassung erfinden zu wollen als eine neue Mathematik« (XIV 254). Deshalb ist die Restauration der politischen Ordnung des Mittelalters Aufgabe gegenwärtiger Politik. Vgl. KA XIV 256. 257 Vgl. KA XIV 28. 258 Vgl. KA VIII 289; KA XIV 59 u. 69ff.

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geändert haben.2'9 So abwegig die genealogische Herleitung der Mo¬ narchie als die gegenüber dem Republikanismus historisch ältere Rechts¬ ordnung auch erscheinen mag, aufschlußreich ist sie insofern, als dabei deutlich wird, daß für Schlegel der Ursprung menschlicher Gesell¬ schaft nicht auf einem Zustand natürlicher Gleichheit, sondern natür¬ licher Ungleichheit beruht; d. h. Schlegel projiziert sein Ideal des Feu¬ dalsystems zurück auf den Ursprung der Menschheitsgeschichte, bzw. auf die Anfänge der jeweiligen nationalen Kulturen.260 In dieser Rück¬ führung des Rechtszustandes in der Gegenwart auf eine vorgeschicht¬ liche Ursprünglichkeit zeigt sich die Wirkung Rousseaus auf die poli¬ tische Romantik,261 die aber im bewußten Gegensatz zur französischen Rousseau-Rezeption verläuft: in Abwehr der Prinzipien der allgemei¬ nen Menschenrechte als Ausdruck des droit naturel und der darauf gegründeten Vertragstheorie.262 Die politische Romantik ist eine Reak¬ tionsbewegung gegen die Französische Revolution und deren Folgen. Das wird gerade im Zusammenhang mit dem Mittelalter-Bild deutlich.26'’ Wie in den neunziger Jahren so gilt auch jetzt, daß »die politische Beurteilung (. ..) der höchste aller Gesichtspunkte (ist)« (I 325), nur 259 Vgl. oben Anm. 220. 260 Im vorgeschichtlichen Zustand paradiesischen Stillstandes sind sich aller¬ dings alle Menschen gleich: »Weder in einem Paradies, noch in einem irdi¬ schen Reich Gottes bedarf es der Stände oder überhaupt einer Verfassung, wohl aber in allen übrigen Stufen und Zeitaltern.« (XIV 254). Dies liegt außer¬ halb der Geschichte und kann nicht Gegenstand historischer Forschung und Darstellung sein. (Vgl. KA XIV 27f.; KA VIII 193 u. 207ff.). - Schlegels Kon¬ zept der Urgeschichte trägt antirousseauistischen Charakter: der damit ver¬ bundene Zustand der Gleichheit ist nicht natürlich gegeben, sondern Aus¬ druck göttlichen Offenbarung. 261 Eine Untersuchung über die Rousseaurezeption der Romantik hätte von dem durch L. Strauß aufgeworfenen Problemhorizont auszugehen. Unergiebig und überholt sind die älteren Arbeiten von R. Fester (Rousseau und die deut¬ sche Geschichtsphilosophie. Stuttgart 1890) und R. Buck (Rousseau und die deutsche Romantik. Diss. Berlin 1939). 262 Im Gegensatz zu R. Wellek (vgl. Einl. Anm. 79) vgl. H. Plessner, Die ver¬ spätete Nation. S. 77. 263 Mehr als im Falle des an der griechischen Polis orientierten Gemein¬ schaftsideals treffen mit der Wiederbelebung des altdeutschen Reichsgedan¬ kens Zeitgeschichte und -kritik und geschichtsphilosophische Utopie zusam¬ men. »In deutscher Perspektive mußte die Blütezeit des Heiligen Römischen Reiches deutscher Nation die Stelle des Goldenen Zeitalters einnehmen. Da¬ mit gewann die romantische Bewegung, in welcher die revolutionäre Phase der Aufklärung und der Emanzipation des Gefühls ihre Krönung und ihre Widerlegung fand, im Unterschied zu England und den romanischen Nationen an Bedeutung für die nationale Integration.« (H. Plessner, Die verspätete Nation. S. 15).

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daß diese nicht mehr an der Idealität der Griechen, sondern am uni¬ versal-historischen Zusammenhang der Menschheitsgeschichte im Mit¬ telalter orientiert ist: Eine Beurteilung (. ..) in politischer Hinsicht ist nicht möglich ohne univer¬ selle Ideen, womit man die Bildung und Verfassung der Nation vergleicht; bloß dieses heißt die Bildung einer Nation aus dem universalhistorischen Standpunkt betrachten. Dergleichen politisch-moralische Ideen sind die bei¬ den, worauf wir auch die griechische Geschichte bezogen haben: die Hierar¬ chie und das Kaisertum oder eine viele große und kleine Staaten umfassende Monarchie. (XIV 85)

Gegenüber den Griechen und dem »äußerst Lokale(n) ihrer Religion« (XIV 54) zeichnet sich das Christentum durch einen universalen und übernationalen Charakter aus, was sich gerade für die Geschichte des Mittelalters aufzeigen läßt. Die für Schlegel damit verbundenen poli¬ tischen Zielsetzungen sind zu dieser Zeit tendenziell in Form einer Universalmonarchie verwirklicht worden.264 Es ist das an die Institutio¬ nen von Staat und Kirche gebundene Christentum, das den Inhalt sei¬ ner Geschichtsphilosophie jetzt ausmacht. Der Grund für seine Hin¬ wendung zum Katholizismus liegt nicht nur im historisch älteren Ur¬ sprung, sondern auch in der politischen Tradition des Katholizismus begründet:265 Nur auf diese beiden Punkte muß bei der Geschichte in Rücksicht auf die (christliche) Lehre aufmerksam gemacht werden: daß Christus selbst seine Lehre als Stifter der Hierarchie vorgetragen und daß er selbst die Hierarchie gestiftet und daß eine Aussicht auf die Zukunft eröffnet worden ist als auf die Errichtung eines Reichs Gottes auch schon auf Erden: denn beides hat auch sehr großen Einfluß auf die politische Geschichte gehabt. (XIV 119)

Schlegel grenzt eine Darstellung des Christentums als Glaubenslehre aus seiner universalhistorischen Fragestellung aus. Ihm geht es hier nur

264 Am vollkommensten zur Zeit der Stauffer und der sächsischen Kaiser; vgl. KA XIV 146, 147 u. 162ff.; d. h. in der »Verbindung Italiens mit Deutsch¬ land« (XIV 140) sieht Schlegel die kulturelle und politische Blützeit des Mittel¬ alters. Das ändert sich nach 1808, da jetzt die spanisch-deutsche, d. h. katholisch-habsburgische Verbindung im Mittelalter, personifiziert in Karl V., hervorgehoben wird; das römische Weltreich implizit gleichgesetzt wird mit dem Herrschaftsanspruch Napoleons. Vgl. KA VII 135f. u. 157. Es zeigt sich gerade in der Vorlesung von 1810/11 eine deutliche Abwertung der stauffi¬ schen Kaiser gegenüber den habsburgischen. Vgl. KA VII 211 f. u. 300f. - Vor¬ bereitet wird diese Wertschätzung des spanisch-katholischen Mittelalters durch die von A. W. Schlegel beeinflußte Aufwertung der Poesie der Roma¬ nia, vor allem des spanischen Dramas. 265 Vgl. K. Peter, Stadien. S. 148; vgl. oben Anm. 213 u. Kap. II. Anm. 183.

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darum aufzuzeigen, wie und warum das Christentum politisch relevant geworden ist. Gerade darin, in der weltgeschichtlichen Bedeutung des Christentums für die Menschheit bis zum heutigen Tage, besteht der grundsätzliche Gegensatz von antiker und moderner Kultur. In dieser universalhistorischen Bewertung des Christentums stimmt Schlegel mit Fichte und Schelling wie mit den poetischen Geschichtsvisionen des Novalis überein: »Die Kirche zugleich eine Geschichte der Menschheit im Keime« (XVI 279, 306).266 In ihr liegt der Ursprung gegenwärtiger Kultur und die Grundlage für »eine geschichtliche Weltauffassung«267. Bereits im Athenäum sprach er davon, daß »der revolutionäre Wunsch, das Reich Gottes zu realisieren (. . .) der Anfang der moder¬ nen Geschichte (sei)« (II 201, 222). Dieser frühromantische Christia¬ nismus konkretisiert sich jetzt an den aus der Geschichte sich legiti¬ mierenden Institutionen von Staat und Kirche, wie es auf ideale Weise in einer auf Deutschland zentrierten Universalmonarchie verwirklicht worden ist.268 Was ehemals als Programm einer Lessing überbietenden Kultursynthese konzipiert war,269 wird jetzt ganz auf die historische Epoche des Mittelalters bezogen:

266 Für Fichte ist in den »Grundzügen des gegenwärtigen Zeitalters«, - »das beste als Buch und auch das merkwürdigste was er je geschrieben« (Schlegel an A. W. Schlegel (22.6. 1808) in: Krisenjahrei. S. 345) die Geschichte Ausdruck der Versittlichung des Menschen, d. h. »dass die Gattung in diesem Leben mit Freiheit sich zum reinen Abdruck der Vernunft ausbilde« (J. G. Fichte, Grundzüge. S. 17), wobei das Christentum die entscheidende Wende in der Menschheitsgeschichte darstellt. Vgl. ebda., S. 53ff., 185ff., 200ff. u. 240ff. - Vgl. R. Lauth, Der Begriff der Geschichte nach Fichte. In: Phil. Jb. 72 (1965). S. 353-384; E. von Sydow, Der Gedanke des Ideal-Reichs in der idea¬ listischen Philosophie von Kant bis Hegel. Leipzig 1914. S. 32ff. - Auch Schel¬ ling bestimmt in seinen »Vorlesungen über die Methode des akademischen Studiums«, - »jenem Grundbuch des deutschen Historismus« (R. Stadel¬ mann, Mittelalterauffassung. S. 65) -, das Christentum als entscheidende Wen¬ de zum zukunftsbezogenen Geschichtsdenken der Moderne. Antike und Mo¬ derne verhalten sich zueinander wie Natur und Geschichte, reale und ideale Welt. Vgl. F. W. J. Schelling, Schriften von 1801-1804. Darmstadt 1976. S. 441-586; S. 522ff. - Vgl. D. Jähnig, Philosophie und Weltgeschichte bei Schelling. In: Studia Philosophica 30/31 (1972). S. 126-166.- Schelling be¬ nutzte u. a. die Berliner Vorlesungen A. W. Schlegels; von Friedrich wird er nicht nur in diesem Fall des Plagiats beschuldigt. Vgl. J. Körner in Krisen¬ jahre III. S. 55. 267 E. Spranger, Die Geburt des geschichtsphilosophischen Denkens aus Kultur¬ krisen. S. 195. 268 Vgl. KA XIV 85, 141 u. 144. 269 Vgl. H. Timm, Die heilige Revolution. S. 132ff.

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Soll die Bildung des Menschengeschlechts bestehen und befördert werden, so ist durchaus notwendig, daß es eine Nation gebe, an welche sich alle anderen kultivierten Völker anschließen, über die sie dann die Oberherrschaft ausübt (XIV 85)

Dreimal ist dies bislang verwirklicht worden; d. h. Schlegel sieht in der Geschichte »drei große Universalmonarchien: eine asiatische, eine vom Mittelmeer ausgehende (eine griechische oder italische) und end¬ lich eine deutsche« (XIV 87). Es ist Aufgabe Deutschlands, die damit verbundenen Wert- und Ordnungsvorstellungen wiederherzustellen. Schlegels Mittelalter-Bild verdeutlicht auf beispielhafte Weise das von Meinecke beschriebene Dilemma einer Herleitung der politischen Nationalstaatidee aus der Kulturgemeinschaft. »So sank bei dieser ro¬ mantisch-universalistischen Geschichtsauffassung die ganze politische Seite der neueren Geschichte in Schatten.«270 Der Begriff der Nation erhält seine Bestimmung aus der Geschichte, wobei die seinen histo¬ risch-philologischen Studien zugrundeliegende Überzeugung von der »Sprache als das geistige Verbindungsmittel und der Beweis des ähnli¬ chen Ursprungs« (XIII 146) die Grundlage zur Bestimmung des Wertes und der Eigenart einer Nation abgibt: (...) je älter, reiner und unvermischter der Stamm, desto mehr Sitten, und je mehr Sitten und wahre Beharrlichkeit und Anhänglichkeit an diese, desto mehr wird es eine Nation sein. (XIII 145)

Mit dieser »spezifisch konservativen Ausdeutung des Nationalitätsprin¬ zips«271 liegt der Wert der Nation in der Anciennität. Gegenüber der 270 F. Meinecke, Weltbürgertum und Nationalstaat. S. 82. - Wenn G. Salomon (Das Mittelalter als Ideal in der Romantik. München 1922) schreibt: »Das ständisch korporative Ideal der Romantik war nicht das der Feudalität. Nicht das 16. Jahrhundert oder die etwa ähnliche Kaiserzeit des 11.-12. Jahrhun¬ derts, sondern das 13.-15. Jahrhundert, vor allem das altdeutsche Städtewesen galt als Ideal in der Romantik.« (Ebda., S. 109) - so trifft dies auf Schlegel nicht zu, ebenso nicht auf A. Müller. Wichtig ist gerade für die Spätromantik der Zusammenhang von Katholizismus und Romantik, der von der älteren Forschung geleugnet wird; mit Entschiedenheit vor allem von A. von Martin: »Die Romantik - als ein eigenes, organisches geistiges Gewächs - hört daher mit der Wendung zur Restauration auf; in dem neuen katholischen Geistes¬ milieu ist Romantisches nur noch als Einschlag möglich.« (A. von Martin, Romantische Konversionen. In: Logos 17 (1928). S. 141-164; S. 153). Vgl. auch: Ders., Weltanschauliche Motive im altkonservativen Denken. In: G.-K. Kaltenbrunner (Hg.), Konservatismus. S. 139-180; S. 144ff.; P. Kluckhohn, Persönlichkeit und Gemeinschaft. S. 18; G. Salomon, Mittelalter. S. 60ff.Die Grundlage für diese Auffassung dürfte bei C. Schmitt (Politische Ro¬ mantik. S. 76, 86ff. u. 179) zu suchen sein. 271 F. Meinecke, Weltbürgertum und Nationalstaat. S. 78.

237

Schneilebigkeit des zerstörerischen Republikanismus sind hier allein Freiheit und Bildung gewährleistet: Die ständische Verfassung ist die einzige, wodurch die Freiheit der Bürger am dauerhaftesten gesichert und die Bildung des Menschengeschlechts am wirksamsten befördert wird. Wo sie in der Geschichte der Nationen sich zu verlieren anfängt, da ist mit dieser Veränderung auch eine gänzliche Entar¬ tung der Sitten, das Verschwinden aller Vaterlandsliebe und Nationalenergie und ein schneller Verfall aller Macht und alles Wohlstandes immer verbun¬ den. (XIII 151)

Schlegels Gemeinschaftsideal steht in explizitem Gegensatz zum Prin¬ zip der egalite und der naturrechtlichen Vertragstheorie.272 Nur das »positive Recht« (XIII 112) garantiert ein organisch gegliedertes Ge¬ meinwesen, d. h. »daß alle Einrichtungen des Staates ein zusammen¬ hängendes Ganze(s) ausmachen« (XIII 132) unter der Oberherrschaft des Monarchen.273 Anders als das römische Recht beruht das »positive Recht« (XIII 112) nicht auf kodifizierten Rechtsnormen, sondern auf dem, was Schlegel »gefühlte Rechtlichkeit« (VII 61) nennt. Für die po¬ litische Romantik ist der Staat weder Rechtsinstitut noch Machtstaat, sondern eine transpersonale, auf »Glauben und Liebe« beruhende Ge¬ meinschaft: Denn der Staat soll nichts anders sein, als ein größeres sittliches Individuum. Dieses ist die positive Seite des Staates, und von dieser kann er sich einzig auf die Kirche gründen. (XIII 142)

Positives Recht ist historisches Recht.274 Es beruht auf einer historisch¬ genetischen Begründung der anzustrebenden Gemeinschaftsordnung, die eine auf den Werten der Dauer und Anciennität sowie auf den personalen Beziehungen der Körperschaften untereinander, d. h. eben »nicht nur eine negative auf Sicherheit und Schutz« (XIII 143) gegrün¬ dete politische Gemeinschaft darstellt. Die Kirche wird also nicht i. S. der weltlichen Herrschaft des Papstes, die Schlegel »verwerflich« (XIII 171) findet, verstanden, sondern als eine der weltlichen gleichran¬ gige Institution. Die Grundlage für beides, für weltliche und geistliche Herrschaft, ist nicht in Recht und Verfassung oder im Wechselspiel 273 Vgl. KAXIII 109f. 158ff. u. 164; zum qualitativen Freiheitsbegriff der poli¬ tischen Romantik vgl. G. Birtsch, Aspekte des Freiheitsbegriffs in der deut¬ schen Romantik. In: Romanik in Deutschland. S. 47-58. 273 Vgl. KA XIII 161. 274 Vgl. dazu A. Kuhn, Gesellschaftslehre. S. 23ff.; G. P. Hendrix, Weltbild. S. 81 ff. Trotz dieser und älterer Arbeiten (Metzger, Volpers, Bleyer) fehlt eine umfassend detaillierte Darstellung von Schlegels Rechts- und Staatsdenken, die auch den noch unveröffentlichten Nachlaß zu berücksichtigen hätte.

238

politischer Macht, sondern einzig in der Gesinnung , d. h. in dem Be¬ streben zu suchen, »alle Realverhältnisse auf die Personalverhältnisse zurückzuführen«275. Die romantische Staatsauffassung hat totalitären Charakter. Der Ein¬ zelne ist nicht zu denken außerhalb des Staates.276 Die politische Ord¬ nung beruht auf der »Forderung absoluter Gemeinschaft als der ein¬ zigen Bedingung der sittlichen Bildung und Vollendung des Menschen¬ geschlechts« (XI11 111). Darin erfüllt sich die geschichtliche Bestim¬ mung des Einzelnen wie die der Menschheit als Ganzes. Anders als bei Adam Müller findet sich bei Schlegel der Versuch, das totalitäre Staats¬ ideal aus der Geschichte selbst herzuleiten mit dem Ziel der Wieder¬ herstellung für die Gegenwart.277 Wie in den neunziger Jahren so zeigt sich auch jetzt dieselbe Tendenz zur Sentimentalisierung und Privati¬ sierung politisch-rechtlicher Verhältnisse.278 »Allein der Staat ist nicht Zweck an sich selbst, sondern bloß Mittel für den höchsten Endzweck der Menschheit« (XIII 157); und dieser ist nun in der religiösen Be¬ stimmung der an die Institutionen von Staat und Kirche gebundenen Freiheit

und

Bildung enthalten.

Schlegels gemeinschaftsbezogener

Staatsbegriff beruht jetzt nicht mehr auf der Unmittelbarkeit einer »volonte generale«, sondern auf den Prinzipien der Dauer und der

275 A. Müller, Die Elemente der Staatskunst. Meersburg-Leipzig 1936. S. 98; vgl. P. Kluckhohn, Ideengut. S. 93. 276 Zum totalitären Staatsbegriff der politischen Romantik vgl. oben S. 155ff. Die liberale Gegenposition dazu findet sich bei W. von Humboldt, dem es nicht darum geht, »den Staat zu reformieren, sondern zu reduzieren. Mög¬ lichst wenig Staat und möglichst viel Individuum war (seine) Losung.« (F. Meinecke, Das Zeitalter der deutschen Erhebung. 1795-1815. Göttingen 6. Aufl. 1957. S. 36. - Vgl. W. von Humboldt, Ideen zu einem Versuch, die Gränzen der Wirksamkeit des Staats zu bestimmen. In: Schriften zur An¬ thropologie und Geschichte. Werke Bd. 1. Hg. v. A. Flitner u. K. Giel. Darm¬ stadt 2. Aufl. 1969. S. 56-233. 277 »In Adam Müllers Denken stellt das Historische nur ein sekundäres Motiv dar: er würdigt das Historische nur, insofern es das natürlich (organisch) Gewordene ist, während er das bewußt (»künstlich«) - also insbesondere vom Absolutismus - Geschaffene als »gemacht« und »mechanisch« verwirft. Andererseits erhebt er keineswegs etwa das Mittelalter zur schlechthinnigen Norm, sondern fordert selbst eine organische Weiterbildung. Nicht eigentlich auf das Historische überhaupt, sondern einerseits auf das Natürlich-Geschicht¬ liche und andererseits auf das Religiöse ist sein Blick eingestellt.« (A. von Martin, Die politische Ideenwelt Adam Müllers. S. 310). Vgl. B. Koehler, Äs¬ thetik der Politik. S. 90ff. - Wo Müller auf die Geschichte verweist, ist er von J. von Müller, Burke und Novalis beeinflußt. Vgl. F. Meinecke, Weltbürger¬ tum und Nationalstaat. S. 120ff. 278 Vgl. oben 157ff. KA XIII 108ff.

239

Anciennität als Rechtsgrund der angestrebten politischen Ordnung, wie sie auf tendenziell ideale Weise im Mittelalter verwirklicht worden ist.279 Denn in Fragen der Verfassung »ist das Streben nach dem Neuen durch¬ aus verwerflich, nur das Zurückkehren zum Alten das Rechte« (XIV 254). Überwog im Republikanismus-Aufsatz die aufklärerisch¬ naturrechtliche Argumentation, so erhält der Begriff der politischen Romantik seine inhaltliche Bestimmung jetzt aus den mit dem Mittelalter verbundenen Wertsetzungen: Das Menschengeschlecht soll doch zu einer wahren Gemeinschaft, wenn nicht unmittelbar geführt, doch dazu vorbereitet werden. Hierzu dient die Hierarchie. Durch das Kaisertum mit durchgehender ständischer Verfassung und die Hierarchie werden beide Forderungen der Absonderung und der Verbindung der Nationen befriedigt. Die Nationen sind auf diese Weise ja nach ihrer Eigentümlichkeit geschieden und selbständig, während ein ge¬ meinsames politisches und geistiges Band sie in eins verbindet. (XIII 168)

Was Schlegel anstrebt, »eine Verbindung mehrerer Staaten zur Einheit ohne Beeinträchtigung der Freiheit des einzelnen« (XIV 141), sieht er im katholisch-habsburgischen Vielvölkerstaat verwirklicht. Sein Ideal staatlicher Gemeinschaft ist nun nicht mehr i. S. eines »universellen Republikanismus« (VII 22), sondern als ständisch gegliederte, christ¬ liche Universalmonarchie konzipiert. Die Gegenstellung zum Kantischen Friedensentwurf bleibt dabei erhalten:280 Die Idee des Kaisertums ist viel kräftiger, um ein sittliches Verhältnis unter den Nationen einzuführen, als jene des Völkervereins. Das beweist schon die Vergleichung des Mittelalters mit der neuern Zeit. (XIII 165)

Ziel seiner Geschichtsphilosophie bildet ein im Mittelalter tendenziell verwirklichtes, d. h. »nie völlig ausgeführt(es), sondern immer noch vor der Reife abgebrochen(es)« (XIV 233) Ideal unmittelbarer Gemein¬ schaft und ewigen Friedens:

279 Vgl. J. Baxa, Einführung. S. 79ff. - »Auf das Gebiet der Politik übertragen, bedeutet die Dauer nur, daß Staat und Volk erst durch die zeitliche Verzah¬ nung der ablaufenden Geschlechterfolge zu Realitäten werden, die mehr sind als die Summe ihrer Teile. (...) Konservativen Charakter nimmt dieser ro¬ mantische Gedanke erst dann an, wenn das longum tempus zum letzten Rechts¬ grund jeder Institution, wenn die Zeit zur »obersten Gottheit in der Politik, zum Minister Gottes auf Erden« gemacht wird.« (P. R. Rohden, Konserva¬ tismus. S. 116). Das betrifft vor allem A. Müller; für Schlegel wäre dessen spiritualistischer Gottesbegriff zu berücksichtigen. Vgl. oben Anm. 110. 280 Das betrifft die Ablehnung der Vertragstheorie und der Idee der Reprä¬ sentation. Vgl. KAXIII 164ff.

240

(.. .) die Möglichkeit eines ruhigen, friedlichen, eines allgemein anerkannten rechtlichen Zustandes, während die neuere Politik doch kein anderer Zu¬ stand ist, als worin die wilden Tiere zueinander leben. (XIV 233)

Im Gegensatz zum Mittelalter erscheint die Neuzeit insgesamt als fort¬ gesetzter Kriegszustand, »ein Krieg aller gegen alle« (XIV 232), was in Napoleon und den Folgen der Französischen Revolution seinen bislang äußersten Ausdruck gefunden hat. Auf die Napoleonische Politik, ineins¬ gesetzt mit der Idee eines mechanisch-künstlichen Gleichgewichts,281 antwortet Schlegel mit seiner organisch-transzendenten Geschichtsauf¬ fassung vom Mittelalter als einer nationalen und übernationalen Ge¬ meinschaftsordnung. Statt des ästhetischen Humanismus der neunziger Jahre, »ein falsches Streben nach Universalität und vielseitiger Bil¬ dung« (III 149), wie er es jetzt nennt, fordert er eine Rückkehr des deutschen Geistes auf »die Tiefe« (III 149), zurück zu den Ursprüngen nationaler Kultur und Geschichte. Die damit verbundenen politischen Inhalte macht Schlegel unmißverständlich deutlich: Was ist die älteste Verfassung gewesen von jener Zeit an, da überhaupt Ver¬ fassung entstand und entstehen mußte? Theokratie und Heroismus: Theokra¬ tie, d. h. die Oberherrschaft der erleuchteten Menschen über die rohere Men¬ ge, und Heroismus (als Gewalt, als Staatsform), d. h. der natürliche Vorzug derjenigen, die ihr Leben für das allgemeine Beste aufopfern. Wo diese beiden Elemente der wahren und göttlichen Verfassung fehlen, da tritt ein bloß natürliches Prinzip in die Verfassung ein, d. h. Anarchie und Despotismus. (XIV 255f.)

In der Gegenüberstellung zum zerstörerischen Zeitgeist und zu der als bedrohlich empfundenen Schnellebigkeit gegenwärtiger Zeit, unmittel¬ bar sichtbar am Untergang der alten Institutionen von Staat und Kir¬ che im Zuge der Napoleonischen Revolution, aber ebenso im Gegen¬ satz zur Antike erhalten die mit dem Mittelalter angestrebten Werte der Dauer und der Anciennität innerhalb einer auf Glauben und Liebe beruhenden Gemeinschaft ihren Aussagewert. In dieser gegenrevolu¬ tionären Intention, d. h. der »Gegnerschaft gegen die revolutionäre Herleitung des Gemeinschaftswillens aus dem bewußten Willensakt der beteiligten Einzelindividuen«282, liegt die zeitgeschichtliche Aktua¬ lität des romantischen Mittelalter-Bildes, dessen Essenz in der »Verbin¬ dung von heroischem Lebenswillen und christlicher Liebesgesinnung«283 zu suchen ist. 281 Vgl. KA VII 299ff.; Friedrich Schlegel, Schriften und Fragmente. Ein Gesamt¬ bild seines Geistes. Hg. v. E. Behler. Stuttgart 1956. S. 320ff. (Auszüge aus dem noch unveröffentlichten Nachlaß). 282 P. R. Rohden, Die politische Gedankenwelt. S. 340. 283 Ebda., S. 347. 241

Für Schlegel verwirklicht sich das in der germanischen Verfassung. Statt des progressiv-utopischen Geschichtsdenkens der Athenäumszeit geht es ihm jetzt um eine »Rückführung auf den alten Weg« (XIX 42, 8), wie er das Wort »re-ligio« versteht. Denn was die Verfassung be¬ trifft, »ist das Streben nach dem Neuen durchaus verwerflich, nur das Zurückkehren zum Alten das Rechte« (XIV 254). Die ständische Ver¬ fassung bildet die Norm für seine heroistische Geschichtsauffassung ritterlich-christlicher Lebensformen im Mittelalter: Die Ritterzeit überhaupt die Blüthezeit der insgesamt europäischen Geschich¬ te - Christus und die deutschen Helden, von denen ist alles Gute gekommen. (XIX 33, 303) Ritterthum das Ideal von romantischen Patriotismus. (XVI 154, 802)

Antinapoleonismus und Romantik sind die Wurzeln des deutschen Patriotismus zu Beginn des 19. Jahrhunderts,284 wobei die Begriffe Volk und Nation weitgehend synonym gebraucht werden.287 Für Schlegel kommt dem Begriff des Volkes eine pejorative Bedeutung zu, da er zu sehr an die alles nivellierende egalite und liberte der Französischen Revolution sowie an das Volkslied der Heidelberger Romantik erin¬ nert, deren Kunstanspruch und Poesiebegriff er ablehnt. Entscheidend ist die Vermischung nationaler und universaler Ideen in einen christ¬ lichen Universalismus, was unter Graf Stadion für kurze Zeit während der österreichischen Erhebung 1809 von der offiziellen Wiener Politik gefördert wurde.286 Auf »den Konflikt zwischen der alten Reichsidee und der neuzeitlichen Nationalstaatlichkeit«287 wird mit der Wieder¬ belegung einer längst überkommenen geschichtlichen Tradition geant¬ wortet. Es geht Schlegel um eine Restauration der mit dieser Zeit ver¬ bundenen Wertsetzungen, wie er sie in der germanischen Verfassung der habsburgischen Geschichte bis in die Gegenwart hinein verwirk¬ licht sieht: Die österreichische Verfassung ist eben noch die einzige germanisch freie ein edles Bündnis der Völker, wo jedes das bleibt, was es ist und sein soll. Darum wird diese Verfassung auch so sehr mißkannt, weil sie auf eine solche germanische Idee gegründet ist.288 284 Vgl. H. Plessner, Die verspätete Nation. S. 13f. 285 »Im allgemeinen wird damals Volk als der engere, Nation als der weitere Begriff gefaßt, so daß man von deutschen Völkern statt von deutschen Stäm¬ men spricht.« (P. Kluckhohn, Ideengut. S. 101). 286 Vgl. L. Bergeron u. a„ Das Zeitalter der europäischen Revolution. S. 155ff. 287 H. Plessner, Die verspätete Nation. S. 37. 288 Schlegel zit. nach Friedrich Schlegel. Schriften und Fragmente. S. 321. - Vgl. dazu J. Bleyer, Friedrich Schlegel am Bundestage in Frankfurt. MünchenLeipzig 1913.

242

Die damit verbundenen politischen und geschichtsphilosophischen In¬ halte führt er vor allem in seiner Wiener Vorlesung von 1810/11 sowie in seiner diplomatisch-journalistischen Tätigkeit unter Metternich wei¬ ter aus.259 Mehr als in den neunziger Jahren ist sein politisches Denken von seiner Geschichtsphilosophie abhängig. Die Geschichte selbst wird ihm zu einer »Theorie des wahren Staates, d. h. der ständischen Ver¬ fassung« (Vll 155). Dabei wird gerade im Zusammenhang mit seinem Mittelalter-Bild die Zeitkritik und Gegenwartsbezogenheit seiner Ge¬ schichtsphilosophie deutlich. Geschichtsphilosophie ist für Schlegel immer »Gegenwartssynthe¬ se«290. Aus der subjektiven Standort- und Zeitbezogenheit ergibt sich die Grundlage geschichtsphilosophischer Konstruktion. Es gibt für Schlegel keine übergeschichtliche, zeitlose Vernunft i. S. der Kantischen Erkenntnistheorie,291 sondern beides, Erkenntnissubjekt und Ge¬ genstand, sind stets aufeinander bezogen: Der Standort und Gesichtskreis des Verfassers geht unvermeidlich in sein Werk um so mehr über, je lebendiger, kraft- und geistvoller dieses selbst ist. (VII 109)

Geschichtsschreibung ist ein Akt bewußter Parteinahme, wie sie es schon für Tacitus gewesen ist,292 und wie sie es gerade angesichts der Napoleonischen Elerausforderung sein muß.293 In dieser »Rückbindung der Geschichte an ihre eigenen Handlungs- und Erkenntnisvorausset¬ zungen«294 manifestiert sich die transzendentale Wende neuzeitlichen Geschichtsdenkens, was in der Mittleren Romantik im Vergleich zur Frühromantik weniger deutlich in Erscheinung tritt. So ausgesprochen reaktionär im heutigen Sinne die mit dem Mittelalter-Bild verbunde¬ nen Wert- und Ordnungsvorstellungen auch erscheinen, es wäre aber ungeschichtlich geurteilt, dies mit dem völkischen Ahnenkult natio¬ nalsozialistischer Gesinnung gleichzusetzen. Daß diese aus den überlie¬ ferten Romantizismen des 19. Jahrhunderts schöpft, bleibt dabei un¬ bestritten.295 289 Vgl. E. Behler in KA VII, xlvff. 290 K. Mannheim, Historismus. In: Wissenssoziologie. S. 246-307; S. 268. 291 Vgl. dazu die Idealismus-Kritik der Kölner Vorlesungen: KA XII 1 13, 285ff., 296ff. u. 305ff.; vgl. E. Behler in KA VIII, cxxx. 292 Vgl. KA VII 129ff. 293 Vgl. auch A. Müller, Zwölf Reden über die Beredsamkeit. Schriften. Bd. 1. S. 297-451; S. 430; ders., Die Lehre vom Gegensatz. S. 202. 294 R. Koselleck, Vergangene Zukunft. S. 181. 295 Eine erstaunlich weitsichtige Kritik der ideologischen Implikationen des ro¬ mantischen Mittelalter-Bildes stellt der Brief Hülsens an A. W. Schlegel v. 18. 12. 1803 dar; in: Krisenjahre I. S. 57ff.

243

Schlegels Mittelalter-Bild hat durchaus, dem frühromantischen Denk¬ stil vergleichbar, experimentellen Charakter. Es ist zunächst als Reak¬ tion

auf die

zeitgeschichtlichen

Ereignisse

zu

verstehen.

Bereits

1805/06 weist er gegenüber Frankreich als dem »störende(n) Prinzip von Europa« (XIV 246) auf die Bedeutung einer von Österreich ausge¬ henden, die Traditionen der Habsburger aufnehmenden Bündnispolitik hin, was zugleich mit einer deutlich antipreußischen Einstellung ver¬ bunden ist.296 Geschichtsphilosophie ist für Schlegel immer Zeitkritik: die subjektive Verarbeitung geschichtlicher Überlieferung im Hinblick auf die geschichtsphilosophische Diagnose gegenwärtiger Zeit: Die Deutschen mußten erst mächtig werden, um durch ihre Sitten und Ver¬ fassung mit der Religion zusammen das schöne Resultat des Mittelalters her¬ vorzubringen. In neueren Zeiten kam aber grade wieder durch sie römische Politik eines christlichen Hofes das größte Unheil in die Welt. (XIII 167)

Auch das Mittelalter-Bild ist rückwärts gewandte Prophetie und als sol¬ ches Entwurf für die Zukunft. »Die Geschichte sollte die Gegenwart rechtfertigen und damit den zu treffenden Entscheidungen ihr Ziel vorgeben.«297 Statt der Erneuerung menschlicher Kultur aus Revolu¬ tionsenthusiasmus und Philhellenismus entwirft Schlegel jetzt eine restaurative Kultur- und Geschichtsphilosophie mit dem Ziel einer Wie¬ derherstellung der durch die Französische Revolution verlorengegan¬ genen Traditionen und Autoritäten,298 um so die »Einsicht wachsender Diskontinuität der gegenwärtigen gesellschaftlichen und politischen Ordnung und der Formen der Kultur gegenüber den vorrevolutionären Zuständen«299 und die dadurch bedingten Veränderungen rückgängig zu machen. Was bezogen auf das politische Gemeinwesen als Verlust jahrhundertealter Traditionen und für den einzelnen als Entfremdung und Unbehaustheit, - an den Lebensschicksalen Schlegels und der ro¬ mantischen Generation unmittelbar ablesbar -,300 erfahren wird, soll 296 Vgl. oben Anm. 34 u. 185. 297 H. Plessner, Die verspätete Nation. S. 99. Vgl. unten S. 258f. 298 Das zeigt sich auch an der durch die Boisserees beeinflußten Kunstan¬ schauung Schlegels. Die Sammel- und Restauriertätigkeit Sulpiz Boisserees ist maßgeblich durch das unmittelbare Erleben der Folgen der Säkularisation in Köln wachgerufen worden. Er hat zum Teil zusammen mit Schlegel den Ab¬ bruch zahlreicher Kirchen und Kunstaltertümer selbst miterlebt und schil¬ dert u. a. eindrucksvoll, wie gerade im Moment des Abbruchs einer Kirche hinter dem Putz »die bemalten Flächen wie in einem Blitz hervortraten, um dann für immer zu verschwinden.« (S. Boisseree, Tagebücher. S. 33); vgl. H. Eichner in: KA IV, xxiiiff. 299 W. Hardtwig, Traditionsbruch. S. 22. 300 Vgl. dazu H. Plessner, Die verspätete Nation. S. 81 ff.; L. Pikulik, Romantik als Ungenügen. S. 122ff. u. 247ff.

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durch den Rückgriff auf die Geschichte wiederhergestellt werden. Über Poesie und Geschichte wird die gemeinschaftliche Erinnerung eines Volkes, die »Entfaltung des vaterländischen Geistes« (111 157), ge¬ weckt, um so zu einer gänzlichen Erneuerung der politischen Ordnung beizutragen: Unleugbar hat auch die französische Revolution z. B. auf die Erregung und den Gang des deutschen Geistes einen sichtbaren und wesentlichen Einfluß gehabt. Sollte die große deutsche Revolution, die jetzt begonnen, nicht noch ganz anders wirken müssen? (...) Es kann nicht fehlen, die gemeinschaftli¬ che Erfahrung wird bei so vielen bis jetzt nur allzu getrennten deutschen Völkern auch die gemeinsame Erinnerung mächtig wecken, aus welcher dann die Einheit der Gesinnung von selbst hervortreten wird, wo die Kraft, und der Mut dazu da ist. (III 156)

Der Begriff des Volkes bzw. der Nation301 als vorgeschichtlich-gemein¬ schaftlicher Urgrund wird zum Ersatz für die fehlende machtpolitische Ausrichtung des Staates.302 Nur in der Vergangenheit ist die Einheit politischer Kultur aufzufinden. »Nur in jenem großem und umfassen¬ den historischen Maßstabe« (III 221) darf man die Idee der Nation aufstellen. Darin besteht das Programm der Wiener Vorlesungen und seiner publizistischen Tätigkeit nach 1808 während der Napoleonischen Erhebung und während der Befreiungskriege.303 Der ehemals ästhetische Kosmopolitismus der Frühromantik hat sich nun ganz auf die Epoche des europäischen Mittelalters zurückge¬ zogen. So sehr sich damit auch die Inhalte seines Poesie- und Geschichts¬ begriffs sowie die mit der politischen Romantik verbundenen Zielset¬ zungen ändern, mit politischem Chauvinismus oder Völkerhaß hat der romantische Volks- und Nationbegriff nichts zu tun.304 Das zeigt sich gerade am Begriff des Romantischen, der seine »historische Füllung«305 aus der Zurückführung nationaler europäischer Literaturen auf die Epo¬ che des Mittelalters als die allen gemeinsame Grundlage erhält. Es ist nicht mehr die Formenvielfalt historischer Überlieferung, son¬ dern die in den Kunstwerken sich mitteilende »göttliche Bedeutung« (IV 203), worin die Funktion der Kunst und Poesie für sein Geschichts¬ denken besteht. »Die Kunst ist eine sichtbare Erscheinung des Reichs 301 Vgl. dazu zuletzt: G. Schulz, Die deutsche Literatur. S. 21 ff. 302 Vgl. H. Plessner, Die verspätete Nation. S. 51; H. u. H. Schlaffer, Studien zum ästhetischen Historismus. S. 54ff. 303 Vgl. auch R. Lorenz, Friedrich Schlegels Wiener Vorlesungen über die Neuere Geschichte. In: DVjs. 4 (1926). S. 696-717. 304 Eine Ausnahme bildet der schon von seinen Zeitgenossen belächelte Turn¬ vater Jahn; mit Einschränkung auch E. M. Arndt. 305 G. Hoffmeister, Deutsche und europäische Romantik. S. 129.

245

Gottes auf Erden« (XIII 55); d. h. ihre Aufgabe ist die Bewahrung und Verkündigung der göttlichen Offenbarung: Die Poesie erhält also im Verhältnis zu dem höchsten Zwecke der Kirche die doppelte Bestimmung, jene alte Tradition lebendig zu erhalten und als Ah¬ nung der himmlischen Zukunft das gemeinschaftliche Medium, das Band und die Sprache der Kirche zu sein. Indem die Verkündigung jener Offen¬ barung und Weissagung das einzige ist, worauf sich die Sprache der Kirche beziehen kann, so erhalten wir das höhere Gesetz, daß alle Poesie mytholo¬ gisch und katholisch sein müsse. (XIII 55)

In seiner Wiener Literaturgeschichtsvorlesung wird Calderon und die spanische Poesie zum Inbegriff romantischer Poesie.306 Programma¬ tisch und folgenreich bis weit ins 19. Jahrhundert hinein wird diese christlich-romantische Kunstanschauung in der Nazarener-Ästhetik als eine gegen den zeitgenössischen Klassizismus, - repräsentiert durch Goe¬ thes Propyläen sowie seinen »Winckelmann«-Aufsatz von 180 5 307-, ge¬ richtete Kunstreligion. Anders als Wackenroder und Tieck verweist Schlegel gemäß seiner Forderung nach einer »Rückkehr zum Primiti¬ ven und Positiven« (III 89) auf die Kunst des frühen Mittelalters. Mit den erstmals in der »Europa« gegebenen Gemäldebeschreibungen for¬ dert er »die Befreiung der Malerei aus den Fesseln der Plastik, das Entstehen einer von christlichem Geist erfüllten und christliche The¬ men behandelnden Malerschule«308. In der Gegenwart soll sich das Mittelalter vollenden, wie es zur Zeit Karls V. seinen höchsten Ausdruck gefunden hat, als es zur gleichen Zeit durch die Reformation - vorübergehend - zerstört und unterbro¬ chen wurde: Das sogenannte Mittelalter und unser jetziges ist nur ein und dasselbe - nur hat es seit einigen Jahrhunderten sehr retardirt. - Um 1450-1550 ließ es sich mehr zur Magie und dem Reich Gottes an wie jezt. - Das Mittelalter culminierte damals und riß plötzlich ab, zu schnell war es zu hoch gestiegen (.) Nur waren die äußern Incitamente vielleicht zu heftig. (XIX 33, 297)

Der universale Anspruch gegenüber Poesie und Geschichte ist ge¬ blieben, aber er ist jetzt gebunden an die Institutionen von Staat und Kirche, bzw. an die Anfangs- und Endpunkte der Geschichte als Er¬ scheinen der göttlichen Offenbarung, was vor allem Gegenstand seiner späten geschichtsphilosophischen Entwürfe sein wird. Der inhaltliche 306 Vgl. KAVI 280ff.; zum Begriff des Romantischen vgl. E. Behler in KA XI 328ff. Anm. 371. 1117 Vgl. Goethes Werke Bd. 12. Hamburger Ausgabe. Hg. v. W. Weber u. H. J. Schrimpf. München 7. Aufl. 1973. S. 96-129. 308 H. Eichner in KA IV, xxiv.

246

Wandel seines Geschichtsdenkens zeigt sich an den Begriffen der Re¬ ligion und der Bildung, die nun nicht mehr Ausdruck des Autonomiean¬ spruchs frühromantischer Subjektivität sind, sondern der Übermacht geschichtlicher Traditionen und göttlicher Offenbarung.309 Das Endziel der Geschichte entzieht sich menschlichem Elandeln. Es ist Gegen¬ stand der Erwartung, nicht der Aktion. Die Revolution, auf die Schle¬ gel hofft, hat restaurativen Charakter. Gemäß dem alten Revolutions¬ begriff soll sie einen gänzlichen Umschwung bewirken, d. h. Vorberei¬ tung

sein

»zu

einer

höheren

Wiederherstellung

der

Ordnung«

(XIV 252).

309 Vgl. dazu KA XIII 36ff.; KA XIX 30, 275.- Zur restaurativen Kulturan¬ schauung, die »mit größter Wucht« bei de Maistre ausgesprochen ist, vgl. A. Dempf, Kulturphilosophie. Handbuch der Philosophie. Hg. v. A. Baeumler u. M. Schröter. Abt. IV Staat und Geschichte. 1934. S. 84: »Autorität und Tra¬ dition werden hier die Grundwerte statt Freiheit und Fortschritt. Die Ord¬ nung wird der oberste Wert. Sie ist vollkommen vom Menschen unabhängig. Auch da, wo noch natürliches Recht erforderlich scheint, wird es mit dem positiven göttlichen Recht gleichgestellt. In ihm ruht die Legitimität und Sou¬ veränität. Die Legitimität aber muß von den letzten Ursprüngen abgeleitet werden, und so entsteht hier bald die Vorstellung von einer Uroffenbarung der gesamten Rechtsordnung, die ein für allemal gültig festgestellt ist.«

247

IV. Geschichtsphilosophie und politische Romantik

Das Jahr 1808 markiert, was Schlegels äußere Biographie betrifft, einen entscheidenden Einschnitt; nicht jedoch für seine innere Entwicklung. Denn die mit der Konversion und der Übersiedlung nach Wien ver¬ bundenen Veränderungen sind lange vorbereitet in seinen Kölner und Pariser Jahren und eng verbunden mit seinen Orient- und MittelalterStudien, wobei letzteres wiederum in unmittelbarem zeitgeschichtli¬ chen Zusammenhang steht. In Wien, wo er am 22. Juni eintrifft, setzt Schlegel seine Studien zur mittelalterlichen Geschichte, vor allem zur Geschichte der habsburgischen Kaiser, dann fort, was sich in seinen Vorlesungen »Über die neuere Geschichte« von 1810 niederschlägt, die man zu Recht als »Reden an die österreichische Nation über ihre deut¬ sche Bestimmung«1 bezeichnet hat. Neben dieser und der bedeutenden Vorlesung über die »Geschichte der alten und neuen Literatur« von 1812 beginnt für Schlegel jetzt eine Zeit vielfältiger publizistisch-jour¬ nalistischer Tätigkeiten, mit dem Ziel einer über Österreich hinausge¬ henden Beeinflussung der öffentlichen Meinung. Gerade für die Zeit nach 1808 ließe sich also eine vielschichtige Verbindung von Geschichts¬ philosophie und Zeitgeschichte aufzeigen. Die Beschränkung auf Schlegels Geschichtsphilosophie bis 1808 ist also nicht in dem Sinne als »wertend« zu verstehen, wie in der älteren Forschung gemeinhin der Übertritt zur katholischen Kirche als Selbst¬ aufgabe2 bzw. die Entwicklung nach der Jenaer und Berliner Zeit ins¬ gesamt als intellektueller Niedergang oder Verfall eines ehemals schöp¬ ferischen Geistes3 verurteilt wird. Bei dieser ablehnenden Bewertung ist allerdings die damals sehr beschränkte Quellenlage mit zu berück¬ sichtigen. Erst mit dem Erscheinen der Kritischen Ausgabe (1958ff.) wurde die Vielfalt des Schlegelschen Werks und sein innerer Zusam¬ menhang allmählich überschaubar. Vor allem wird durch die Publizie-

1 J.-J. Anstett in KA XIV, lxxi. 2 So - z. B. - B. von Wiese, Friedrich Schlegel. S. 54f. 3 So - z. B. - F. Meinecke, Weltbürgertum und Nationalstaat. S. 76.

248

rung des Nachlasses der für Schlegels Denken grundlegende Zusam¬ menhang von exoterischem und esoterischem Mitteilungsstil erkenn¬ bar.4 Nach 1800 vermeidet Schlegel die Esoterik des »Athenäum« in der Öffentlichkeit. Die Zeitschrift »Europa« sowie Schlegels journali¬ stische Arbeiten wie seine Vorlesungen sind von dem Streben nach größtmöglicher Wirkung und Einflußnahme gekennzeichnet. Parallel dazu aber führt Schlegel seine fragmentarischen Aufzeichnungen wei¬ ter, die teils der Konzipierung zu schreibender Werke dienen, teils Gedankennotate im Stil eines ecrit automatique sind, die wie im Falle der »Philosophischen

Lehrjahre«

vorübergehend

auch

zur

Veröffent¬

lichung bestimmt waren. So wie die programmatische Unverständlich¬ keit des frühromantischen Freundeskreises sowohl gruppenspezifische5 als auch publikationsstrategische Ursachen6 hat, so ist auch der eso¬ terische Mitteilungsstil der späten Aufzeichnungen nicht zu trennen von der restriktiven Pressepolitik Metternichs. In diesen Aufzeichnun¬ gen, die damals unter Schlegels Gesinnungsfreunden kursierten, findet sich eine scharfe Abrechnung mit der Metternichschen Restauration. »Nirgends wird die Hoffnungslosigkeit der katholisch-restaurativen Ideologie so deutlich wie in den unveröffentlichten Spätfragmenten Schlegels.«7 Anders als Adam Müller, für Carl Schmitt Prototyp des politischen Romantikers, war Schlegel »nicht der siegessichere Ideolo¬ ge der Restauration, wie ihn Metternich brauchte, sondern der Prophet des Weltuntergangs.«8 Gerade für Schlegels zweite Lebenshälfte wäre diese Spannung von veröffentlichtem und unveröffentlichtem Werk bei einer Auseinandersetzung über Art und Weise seiner politischen Romantik zu berücksichtigen. Entscheidend für die traditionelle Abwertung des späteren zugun¬ sten des frühen Schlegel ist der restaurative Kunstbegriff nach 1802. Wenn Peter Szondi Schlegel »als de(n) neben Hegel wohl genialste(n) Denker jener Jahrhundertwende«9 bezeichnet, bzw. davon spricht, daß zeitgenössische Reflexion über Theorie und Geschichte der Kunst nicht auf Hegel, sondern - wie im Falle Benjamins und des frühen 4 Vgl. B. von Wiese, Friedrich Schlegel. S. 15ff.; oben S. 216f. Anm. 203. 5 Vgl. dazu O. Dann, Gruppenbildung und gesellschaftliche Organisierung in der Epoche der deutschen Romantik. In: Romantik in Deutschland. S. 115-131. 6 Vgl. dazu Schlegel an Novalis (5.5. 1797) in: O. Fambach (Hg.), Das große Jahrzehnt. S. 136. 7 E. Winter, Romantismus. S. 135. 8 Ebda., S. 136. - Zu Müller als Ideologe der politischen Restauration vgl. R. A. Kann, Kanzel und Katheder. S. 268. 9 P. Szondi, Von der normativen zur spekulativen Gattungstheorie. S. 95.

249

Lukäcs - auf Schlegel und die Frühromantik zurückzugehen habe,10 so meint er damit Schlegels Arbeiten und Aufzeichnungen zur Geschichte der Poesie der Antike und Moderne. Demgegenüber wird Schlegels Kunstbegriff aufgrund seiner historischen Studien zum Orient und Mittelalter zunehmend inhaltsbezogen, d. h. im Hinblick auf die Mit¬ teilung und Verkündigung der göttlichen Offenbarung bestimmt.* 11 Er ist nun nicht mehr an einer Geschichte der Formen der Kunst und ihrer Synthetisierung i. S. einer gegenwartsbezogenen »Kunstlehre der Poesie« (II 306) interessiert, sondern an der allegorisierenden Funktion der Kunst als Übermittlung von christlich-heilsgeschichtlichen Bedeu¬ tungen.12 Kunst und Religion sind für ihn jetzt nicht mehr zu trennen,13 wie das erstmals bei seinen Gemäldebeschreibungen von 1803 erkenn¬ bar wird. Damit formiert sich nicht nur die eigentliche Gegnerschaft zum Weimarer Klassizismus, woraus dann die spätere typologische Un¬ terscheidung von Klassik und Romantik entsteht,14 sondern Schlegel bleibt, - was auch zu berücksichtigen ist -, trotz der katholisch-restaurativen Tendenzen dieser Kunstanschauung der grundlegenden Ein¬ sicht seiner frühromantischen Hermeneutik treu, die individuelle Kunst¬ äußerung nicht nach normativen Klassifikationen, sondern »den Wert des Kunstwerks nach seiner eignen Absicht selbst zu prüfen und zu beurteilen« (IV 54), was dann mit der Bevorzugung der altdeutschen Malerei und der frühen italienischen Schule zum Programm der Nazare¬ ner erhoben wird. Unbewußt nimmt Schlegel mit der Bevorzugung des linear-allegorischen Stils wie im Falle des frühen Raffael ein schon von Winckelmann als »Einfalt und Reinigkeit«15 gepriesenes Kunstideal wieder auf, so wie andererseits dann für den alten Goethe der späte Raffael »die reinste Verkörperung des Klassischen seit der Antike«16

10 11 12 13 14

Vgl. ebda., S. 126f. Vgl. KA IV 68; KA XIII 54f. u. 174f. Vgl. KA IV 150f. u. 166. Vgl. KA IV 92f. Bedeutend für die Popularisierung dieser gleicherweise historischen und typologischen Unterscheidung sind A. W. Schlegels Wiener Vorlesungen von 1808, der darin vor allem Jean Paul und seinem Bruder verpflichtet ist. Zur Begriffsgeschichte vgl. zuletzt K. R. Mandelkow, Deutsche Literatur zwi¬ schen Klassik und Romantik in rezeptionsgeschichtlicher Sicht. In: Europäi¬ sche Romantik I. S. 1-26; W. Malsch, Klassizismus, Klassik und Romantik der Goethezeit. In: Deutsche Literatur zur Zeit der Klassik. S. 381-408. 15 Winckelmann zit. nach E. H. Gombrich, Kunst und Fortschritt. Wirkung und Wandlung einer Idee. Köln 1978. S. 54; vgl. ebda., S. 55, 61, 69, 71, 79, 82. 16 H. von Einem, Goethe und Raffael. In: Neue Zürcher Zeitung vom 1./2. 4. 1983. S. 36.

250

geworden ist. Sieht man von den tagespolitischen Polemiken ab, so zeigen sich die Gemeinsamkeiten. Beiden, der klassischen wie der ro¬ mantischen Theorie, geht es um den Kunstcharakter dieser Malerei. Schlegel versucht diesen Kunststil aus seiner spezifischen Geschichtlich¬ keit heraus zu verstehen, was dann für das 19. Jahrhundert folgenrei¬ cher war als die erst 1882 von Minor wieder publizierten Athenäums¬ fragmente. Aber für eine Reflexion auf Theorie und Geschichte der Künste kann

ein

Kunstbegriff,

der

seine

Bestimmung

in

einen

außer¬

künstlerischen und geschichtsexternen Bereich verlagert, nur von sehr beschränktem Nutzen sein, ganz abgesehen von den ideologischen Im¬ plikationen. Denn so wie der frühromantische Poesiebegriff mit einer republikanischen Verfassung korrespondiert, so Schlegels Hinwendung zur mittelalterlichen Malerei und Poesie mit einer ständisch-hierar¬ chischen Gesellschaftsordnung. Es geht ihm jetzt nicht mehr um die Vielfalt und Gleichrangigkeit überlieferter Formen und Traditionen, sondern um ihre zweckbezogene, immer gleiche »göttliche Bedeutung« (IV 203), bzw. um einen Literaturbegriff, der der Nationalerinnerung dient. Abgesehen davon tritt Schlegels Interesse an Kunst und Literatur gegenüber der Athenäumszeit jetzt zunehmend zurück, obschon er es nie völlig aufgibt. So unergiebig oder unoriginell also der spätere Schlegel in Hinblick auf eine geschichtsphilosophie Poetik sein mag, so gilt dies doch nicht für seine Geschichtsphilosophie und für Fragestellungen, die die poli¬ tische Romantik betreffen, auch wenn Schlegels Wiederbelebung des mittelalterlichen Ständestaats oder seine heilsgeschichtlichen Spekula¬ tionen hoffnungslos anachronistisch und reaktionär anmuten. ln diesem Zusammenhang ist die in der älteren Forschung vor allem von Alfred von Martin propagierte These, daß Romantik einerseits, Katholizismus und politische Restauration andererseits, einander aus¬ schließen,r zurückzuweisen. Dahinter steht Carl Schmitts wirkungs¬ mächtiges Verdikt des übersteigerten Subjektivismus und der Wirklich¬ keitsvermeidung, d. h. daß aufgrund der undezisionistischen Haltung des Romantikers, »seine(r) Unfähigkeit, aus freiem Entschluß eine be¬ deutende politische Idee festzuhalten, seine(r) innere(n) Widerstands¬ losigkeit gegen den jeweilig nächsten und stärksten Eindruck«18, ihm 17 Vgl. oben S. 237. Anm. 270. Vgl. auch A. von Martin, Das Wesen romanti¬ scher Religiosität. In: DVjs 2 (1924). S. 367-417; S. 373f., 403. Ders., Ro¬ mantischer Katholizismus und katholische Romantik, ln: Hochland 23 (1925). S. 315-337. - Schon J. Körner (Das Problem Friedrich Schlegel. S. 290) sprach sich gegen von Martins und Schmitts These aus. 18 C. Schmitt, Politische Romantik. S. 77.

251

der Katholizismus ebenso wesensfremd geblieben sei wie eine eigent¬ liche »politische Produktivität«19. Das romantische Subjekt behandle, so Schmitt, die Welt bloß als »Inzitament«, als »Anlaß«, als »occasio« etc.; ihm fehle »aber auch jede Bindung an eine Norm«20. Aus diesem Verzicht auf jedes aktive Verändern der bestehenden Wirklichkeit er¬ gebe sich »die völlige Unvereinbarkeit des Romantischen mit irgendei¬ nem moralischen, rechtlichen oder politischen Maßstab«21. Schmitt zeigt zwar, daß es der Romantik nicht gelang, eine überzeugende Theo¬ rie des politischen Handelns zu entwickeln.22 Aber seine Ausführungen zur Romantik sind wesentlich polemischer Natur.23 Sie beruhen auf der impliziten Gegnerschaft zum liberalen Staat des 19. Jahrhundert bzw. auf dem, worin sich sein Begriff des Politischen auszeichnet, »dessen Wesensmerkmal nicht mehr das Leben in der Polis, sondern nur noch das ius belli ist«24 Löwith spricht vom »aktiven Nihilismus«25, einer »radikale(n) Gleichgültigkeit gegen jeden Inhalt der rein formalen Ent¬ scheidung, die zur Folge hat, daß alle Inhalte einander gleich-gültig sind«26. Der Vorwurf des »subjektiven Occasionalismus«, eher psycho19 20 21 22

Ebda., S. 172. Ebda., S. 22. Ebda., S. 175f. Vgl. B. Lypp, Ästhetischer Absolutismus. S. 42ff. - Der Begriff des »Anar¬ chismus« ist Schlegels auf der Skepsis der Ironie beruhendem Handlungsbe¬ griff angemessener als der des »Occasionalismus«; vgl. ebda., S. 57ff. 23 Vgl. dazu K. Löwith, Der okkasionelle Dezisionismus S. 93. 24 Ebda., S. 109; vgl. auch H. Arendt, The Origins of Totalitarianism. New York 1951. S. 320ff. Hier wird auch die Unhaltbarkeit, die ideellen Wurzeln des Nationalsozialismus aus der Romantik herauszuerklären, erkennbar. (So z. B. A. O. Lovejoy, The Meaning of Romanticism for the Historian of Ideas. In: J. of the History of Ideas 2 (1941). S. 257-278; vgl. G. Lukäcs in Anm. 32). Die Romantik steht, auch dort wo sie konservativ-reaktionär ist, in der Tradition des ästhetischen Humanismus, während der Nationalsozialismus die Annulierung dieser Tradition und das Ende des bürgerlichen Zeitalters bedeutet. Vgl. H. Arendt, Totalitarianism. S. 432ff.; vgl. auch diess.. Die verborgene Tradition. Acht Essays. Frankfurt 1976. S. 17ff. 25 K. Löwith, Der subjektive Okkasionalismus. S. 102f. Vgl. auch Chr. Graf von Krockow, Die Entscheidung. Eine Untersuchung über Ernst Jünger, Carl Schmitt, Martin Heidegger. Stuttgart 1958. 26 Ebda., S. 108. »Sein (d. h. C. Schmitts) totaler Begriff vom politischen Sein erfaßt paradoxerweise weder die Ordnung der menschlichen Dinge in einer Polis noch die Verfassung des Individuums an ihm selbst, sondern er totalisiert nur alles, was ist, mit Bezug auf den Ernstfall, der die mögliche Vernich¬ tung oder auch Behauptung der nackten Existenz von Staat und Individuum ist.« (Ebda., S. 109). - Zur Begriffsgeschichte vgl. dagegen H. Lübbe, Dezisio¬ nismus - eine kompromittierte politische Theorie. In: Praxis der Philosophie, praktische Philosophie, Geschichtsphilosophie. Stuttgart 1978. S. 61-77.

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logisch als historisch fundiert, wird der Eigenart und Bedeutung der politischen Romantik in Deutschland nicht gerecht.27 Schmitts pejorativer Begriff der politischen Romantik geht auf die vormärzliche Romantikkritik zurück. Der Terminus selbst erscheint erstmals 1847 bei David Friedrich Strauß und dient der Kritik an dem Romantikkult von Friedrich Wilhelm IV. von Preußen und Fudwig II. von Bayern. Er wendet sich gegen die vorherrschenden restaurativkatholisierenden Tendenzen, wie sie, verbunden mit einem verklärten Mittelalter-Bild, zur Apologie des Ancien regime beigetragen haben.28 Implizit richtet sich diese Kritik, so vor allem bei Heine, allerdings ohne Rekurs auf die Frühromantik, gegen die Annullierung und Ab¬ wehr der aufklärerischen Traditionen, wie sie, unter anderem Vorzei¬ chen, mit Alfred Baeumlers Verurteilung der Frühromantik als »Eu¬ thanasie des Rokoko«, d. h. als Spätzeit- und Verfallsprodukt des ausge¬ henden Aufklärungszeitalters, wiederholt wurde.29 Die einander aus¬ schließende Gegenüberstellung von Romantik und Aufklärung, in er¬ ster Finie ein Rezeptionsphänomen, verweist auf die unterschwellig wirksamen politischen Implikationen jedes Romantikbegriffs und hat das Romantikbild bis in die Gegenwart entscheidend mitgeprägt, auch wenn, wie z. B. von Werner Krauss, diese einseitigen Frontstellungen längst als unhistorisch verworfen wurden.30 Aufklärung und Romantik verhalten sich nicht antithetisch zueinan¬ der. Das gilt nicht nur für die Frühromantik, wo die vielfältigen Ver¬ bindungen zur Aufklärungskultur in poetologisch-philologischer Hin¬ sicht und was die Naturrechtsdiskussion der neunziger Jahre betrifft, offensichtlich sind. Auch die Naturrechtskritik der Historischen Schule hat man als »Metaphysikkritik« in aufklärerischer Tradition, d. h. als Entlarvung einer überhistorischen Rechtsinstanz als Fiktion bzw. als Oktroi gegenüber den historisch gewachsenen Kräften des Volkes, be¬ zeichnet.31 Zugleich wird damit, wie zuvor schon mit dem qualitativen Freiheitsbegriff der Romantik, eine deutliche Ablehnung der Prinzi¬ pien der egalite und liberte ausgesprochen, also eine betont restaurative 27 Vgl. U. Scheuner, Staatsbild. S. 73f., 80ff. Schon R. Huch (Die Romantik. S. 635) lehnt die Gleichsetzung der politischen Romantik mit politischem Ob¬ skurantismus ab; vgl. dagegen: H. Reiss, Politisches Denken in der deutschen Romantik. Bern 1966. S. 82. 28 Vgl. R. Brinkmann, Romantik als Herausforderung. S. 20ff.; B. Koehler, Äs¬ thetik der Politik. S. 13ff. 29 Vgl. A. Baeumler, Das mythische Weltalter. S. 172ff. 30 Vgl. zuletzt S. Vietta (Hg.), Die literarische Frühromantik. 31 Vgl. H. Schnädelbach, Über historistische Aufklärung. In: Allg. Zs. f. Philo¬ sophie 4/2 (1979). S. 17-36; S. 30f.

253

Kritik an den politischen Auswirkungen der Französischen Revolu¬ tion. Der Vorwurf des Irrationalismus i. S. von »Fortschrittsfeindlichkeit«32 oder »eine(r) Idealisierung der deutschen Zurückgebliebenheit«33 wird der Romantik ebensowenig gerecht wie andererseits der Aufklärung das Klischee, daß ihr der Sinn für das Historische fehle. Schlegels Aus¬ einandersetzung mit Condorcets linearem Fortschrittsbegriff ist Auf¬ klärungskritik: Aufklärung über die Aufklärung bzw. »historistische Aufklärung«34. In dem Versuch der Begründung eines qualitativen Fort¬ schrittsbegriffs besteht das grundlegend Neue seines frühromantischen Geschichtsdenkens. »So war Schlegel der erste, der in der Ausein¬ andersetzung mit Kant, indem er die Kriterien des >ewigen Friedens< aus der Geschichte statt aus der Natur abzuleiten suchte, die Geschichts¬ philosophie auf dem Boden der politischen Realität neu formulierte.«35 Die romantische Kritik an der Aufklärung richtet sich gegen die An¬ nahme einer unveränderlichen Menschennatur und die Übertragung des naturwissenschaftlichen Prinzips der perfectibilite auf die Ge¬ schichte.

Demgegenüber ist romantisches Geschichtsdenken offen;

»daß die Welt noch unvollendet ist, ist außerordentlich wichtig für alles« (XII 42). Und die Kriterien zur Erfassung dieser historischen Wirklichkeit stehen selbst in einem historischen Prozeß. So wird im¬ plizit in der achten Disputationsthese »Non critice sed historice est philosophandum« eine gegenaufklärerische Intention, d. h. die Ableh¬ nung einer überzeitlichen Vernunft, ausgesprochen.36 Die Romantik wendet sich polemisch gegen das, was man den tota¬ litären Charakter der Aufklärung genannt hat,37 wie es z. B. Novalis auf poetische Weise in der Figur des Schreibers im »Klingsor«-Märchen gestaltet hat; sie ist gegen den normierenden, auf die Positivität des Buchstabens fixierten Geist und für eine wirklichkeitserweiternde und

32 G. Lukäcs, Die Zerstörung der Vernunft. Bd. 1. Irrationalismus zwischen den Revolutionen. Darmstadt 2. Aufl. 1979. S. 60. - Zum Irrationalismusproblem vgl. auch K. Mannheim, Das konservative Denken. S. 452f. 33 G. Lukäcs, Die Zerstörung der Vernunft. S. 58. 34 Vgl. H. Schnädelbach, Geschichtsphilosophie. S. 26ff. 35 K. Peter, Stadien. S. 141. 36 Vgl. H. Blumenberg. Die Lesbarkeit der Welt. S. 275. 37 »Denn Aufklärung ist totalitär wie nur irgendein System. Nicht was ihre romantischen Feinde ihr seit je vorgeworfen haben, analytische Methode, Rückgang auf Elemente, Zersetzung durch Reflexion ist ihre Unwahrheit, sondern daß für sie der Prozeß von vornherein entschieden ist.« (M. Horkheimer u. Th. W. Adorno, Dialektik der Aufklärung. Frankfurt 1969. S. 31); vgl. dazu ebda., S. 31 ff. und S. 181.

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-übersteigernde Erkenntnis durch das Medium der Poesie. »Die Kunst, auf eine angenehme Art zu befremden, einen Gegenstand fremd zu machen und doch bekannt und anziehend, das ist die romantische Poe¬ tik.«3*' Statt des linearen Progresses betont der Romantiker die He¬ terogenität des Geschichtlichen, »die Ungleichheit der Fortschritte« (VII 7), und die Rückfälle in der Menschheitsgeschichte, d. h. die Veränderbarkeit, die Offenheit und Unendlichkeit geschichtlicher Abläu¬ fe: Philosophische Historik. (Ob das Menschengeschlecht progrediendo etc. geht, ist eine sonderbare, unbeantwortliche, philosophische Frage; warum fragt nicht auch - Verändert sich das Menschengeschlecht? Diese Frage ist höher Aus der Veränderung läßt sich erst ein Schluß auf die Verbesserung oder Verschlimmerung ziehn.)39

Was das frühromantische von dem aufklärerischen Geschichtsdenken unterscheidet, ist das Moment der Kontingenz. Mit der Französischen Revolution, ein alle bis dahin gemachten Erfahrungen übersteigerndes politisches Ereignis, stellt sich auch die Frage nach der Einheit und der Systematisierbarkeit der Geschichte neu. »Wie läßt sich also über den künftigen Gang der Bildung etwas im voraus bestimmen, da diese vor¬ läufigen Bedingungen selbst von einem glücklichen Zusammenfluß der seltensten Umstände, das heißt vom Ohngefähr abhängen?« (I 359). Wie lassen sich Aussagen über den Geschichtsprozeß der Moderne ma¬ chen, der nicht mehr aus der bisherigen Geschichte ableitbar ist, son¬ dern in eine offene, unbekannte Zukunft entläuft und die Gegenwart als Bruch, Chaos oder »Krise des Übergangs« (I 355) erscheinen läßt? Wie läßt sich Geschichte als Wissenschaft begründen? Schlegels Geschichtsphilosophie steht zwischen Revolution und Re¬ stauration, was zunächst im konkret historiographischen Sinn zu ver¬ stehen ist. Trotz der ursprünglichen Sympathie für die Französische Revolution, trotz der Konversion und des Eintritts in die habsburgi¬ schen Dienste ist seine Geschichtsphilosophie in ihren jeweiligen Pha¬ sen weder dem einen noch dem anderen politischen Geschehen i. S. einer eindeutigen Parteinahme zuzurechnen. »Die konkrete Politik der französischen Revolutionärs blieb Friedrich Schlegel ebenso fremd wie später die Metternichs.«40 Es wäre jedoch nicht richtig, dies lediglich als Gegenwartsflucht, als »Negation der Wirklichkeit«41 zugunsten ei-

38 39 40 41

Novalis, Werke II. S. 839. Ebda., S. 619. K. Peter, Stadien. S. 10. C. Schmitt, Politische Romantik. S. 102.

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ner Verklärung ferner geschichtlicher Zeiten zu bewerten. Demge¬ genüber ist auf die Problematik der Zeitgenossenschaft einer kleinen Schicht Intellektueller »zwischen dem höfischen >Nicht-mehr< und dem bürgerlichen >Noch-Nicht> «42 im damaligen Deutschland sowie auf den in dieser »Sattelzeit«43 sich vollziehenden Bewußtseinswandel hinzuweisen, wie er an der Herausbildung des neuzeitlichen Geschichts¬ begriffs erkennbar wird. Durch die Revolution wurde die Gegenwart als Krise und die Welt¬ geschichte als Zeitgeschichte erfahren.44 In diesem akuten Krisenbe¬ wußtsein für die gegenwärtige politische Kultur besteht das von Burke vorgegebene Rezeptionsmuster,45 das sowohl für Fichte wie für Nova¬ lis, d. h. für eine positive, um die Begründung der formalen Rechtmä¬ ßigkeit der Revolution bemühte Auseinandersetzung als auch für die ablehnende, gegenaufklärerische Kritik an der Revolution Epoche ge¬ macht hat, und beides wurde von Schlegel aufgenommen und ge¬ schichtsphilosophisch weiter ausgestaltet. Man begriff die Revolution als epochales Ereignis und beispielloses Paradigma geschichtlicher Diskontinuität, wodurch die Gegenwart als gegenüber der Vergangenheit grundsätzlich andere Zeit erfahren wur¬ de. Die auf die Zukunft bezogenen Erwartungen lösten sich von allen bisher gemachten Erfahrungen.46 Die Geschichte selbst wird zu einem mehrschichtigen, dynamischen Prozeß, der sich im Wechsel von Re¬ volution und Reaktion, von Dauer und Beschleunigung vorantreibt und jeder exemplarischen Vergangenheit ihre Evidenz nimmt, indem er sich stets neu auf die Zukunft hin entwirft.47 Dieser Vorgang der Verzeitlichung und Prozessualisierung führt zu einer neuen Wirklichkeitsverarbeitung. »Die sich so beschleunigende Zeit benimmt der Gegenwart die Möglichkeit, sich als Gegenwart zu

42 H. Althaus, Ästhetik. S. 60. - »Eine Einsicht in die historische Bedingtheit und Notwendigkeit bestimmter Etappen der Revolution fehlte. Sie wurde er¬ schwert durch den beschränkten Erfahrungshorizont, den Zeitgenossenschaft immer bedeutet, und durch das Fehlen von objektiven Voraussetzungen für eine Revolution in Deutschland.« (I. Stephan, Literarischer Jakobinismus S. 33). 43 Vgl. R. Koselleck, Wozu noch Historie? In: Geschichte und Theorie. Seminar. Hg. v. H. M. Baumgärtner u. J. Rüsen. Frankfurt 1976. S. 17-35; S. 26f. 44 Vgl. dazu K. Löwith, Von Hegel zu Nietzsche. S. 221 ff. u. S. 228ff. 45 Vgl. W. J. Mommsen, Edmund Burke. S. 49f.; vgl. auch O. Vossler, Burke und Rousseau. In: Geist und Geschichte. Von der Reformation bis zur Gegen¬ wart. München 1964. S. 117-129. 46 Vgl. R. Koselleck, Vergangene Zukunft. S. 364f. u. 369. 47 Vgl. ebda. S. 34f.

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erfahren, und entläuft sich in eine Zukunft, durch die die unerfahrbar gewordene

Gegenwart

geschichtsphilosophisch

eingeholt

werden

muß.«48 Das schlägt sich im Gebrauch der poetischen Sprache49 ebenso nieder wie in der klassisch-romantischen Kunsttheorie. ln Schillers Be¬ griff der vorwärtsgerichteten sentimentalischen Idylle wie in Schlegels Theorie der progressiven Universalpoesie verbinden sich die Begrün¬ dung der ästhetischen Autonomie der einzelnen Kunstformen mit dem Versuch ihrer zukunftsbezogenen, geschichtsphilosophischen Ortsbe¬ stimmung. In beiden Fällen wird die Standortbestimmung der Kunst der neunziger Jahre als eine jeweils verschiedene »Vereinigung des Wesentlich-Modernen mit dem Wesentlich-Antiken«50 im Bewußtsein der Zeitgenossenschaft mit den revolutionären Ereignissen in Frank¬ reich vollzogen.51 Die Revolution erschien weniger als konkretes politisches Ereignis, sondern als dynamischer Prozeß von kulturrevolutionärem Ausmaß.52 Erstmals in der Menschheitsgeschichte wurden von einem zunächst be¬ grenzten politischen Geschehen alle Lebensbereiche des Menschen er¬ faßt und mit den Koalitionskriegen auch in zunehmendem Maße die alte Ordnung Europas. Die Revolution wurde zu einem Rezeptions¬ phänomen, wie es Kant mit dem Begriff des »Geschichtszeichen« zum Ausdruck bringt. »Durch die Revolution war die Revolutionsidee (. ..) zum Wirkungsprinzip geworden, das danach drängte, sich ständig zu reproduzieren.«53 Die Geschichte wird zu einem dialektisch-dynami¬ schen Prozeß von naturnotwendiger Eigenbewegung einerseits und dem Versuch ihrer bewußten Steuerung durch eine wechselnde politi¬ sche Führung andererseits:

48 Ebda., S. 34. 49 Vgl. W. Frühwald, Romantische Lyrik im Spannungsfeld von Esoterik und Öffentlichkeit. In: Europäische Romantik I. S. 355-392; S. 380f. - G. Schulz, Die metaphorische Darstellung des Gegensatzes Einsamkeit - Öffentlichkeit in der deutschen romantischen Lyrik. In: Romantik in Deutschland. S. 611-624. 50 Walzel, S. 170. 51 Vgl. K. R. Mandelkow, Kunst- und Literturtheorie der Klassik und Roman¬ tik. In: Europäische Romantik I. S. 49-82; S. 51; J. Haupt, Geschichtsperspek¬ tive. S. 415; H. J. Schneider, Idylle und bürgerliches Epos. In: Deutsche Li¬ teratur. Eine Sozialgeschichte. Bd. 5. S. 130-143. 52 Vgl. I. Stephan, Literarischer Jakobinismus. S. 13ff. 53 H. Berding, Revolution als Prozeß. In: Theorie der Geschichte. Beiträge zur Historik Bd. 2. Historische Prozesse. Hg. von K.-G. Faber u. Chr. Meier. Mün¬ chen 1978. S. 266-289; S. 267.

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Mirabeau hat eine große Rolle in der Revolution gespielt, weil sein Charakter und sein Geist revolutionär war; Robespierre, weil er der Revolution unbe¬ dingt gehorchte, sich ihr ganz hingab, sie anbetete, und sich für den Gott derselben hielt; Buonaparte, weil er Revolutionen schaffen und bilden, und sich selbst annihilieren kann. (II 247, 422)

An der Einschätzung Napoleons lassen sich der Wandel von Schlegels Stellung zur Revolution und damit auch die Veränderungen seines Ge¬ schichtsbegriffs ablesen.54 Mit der Revolution wächst die Einsicht in die Dynamik geschichtlicher Abläufe. »Die Eigenmacht der >Geschichte< wächst mit ihrer Machbarkeit.«55 Das historische Bewußtsein schärft den Sinn für die Endlichkeit und individuelle Geschichtlichkeit des eigenen Standorts, aber auch für die begrenzte Autonomie des ein¬ zelnen gegenüber der Übermacht der Geschichte. So entspricht die Be¬ urteilung Napoleons Ende der neunziger Jahre dem universalen, alles bewegenden und verändernden Anspruch gegenüber der Geschichte. Die Revolution wird durchaus positiv bewertet, obschon sich in den Athenäumsfragmenten bereits eine ambivalente Bewertung des politi¬ schen Ereignisses ausspricht.56 Aber noch von Paris aus schildert Schle¬ gel seinen Lesern der »Europa« das ihn tief beeindruckende Erschei¬ nen Napoleons im Nationalinstitut.57 Ein Umschwung in der Bewer¬ tung findet erst im Winter 1804 statt, als mit der Kaiserkrönung, der vorhergehenden Niederschlagung einer royalistischen Verschwörung und vollends mit der Reichsauflösung von 1806 der sich aus der Re¬ volution herleitende Machtanspruch Bonapartes offenbar wird. Im Win¬ ter 1804/05 beginnt Schlegel mit seinen Studien zur Geschichte der Habsburger. Dem »falschen Kaisertum« (VII 300) des modernen Macht¬ staates setzt er den sich aus der Geschichte legitimierenden Anspruch des »wahren Kaisertums« (VII 301) entgegen. Der habsburgische Viel¬ völkerstaat, vor allem zur Zeit Karls V., wird zum Ideal einer europäi¬ schen Friedensordnung, so wie in den neunziger Jahren sein Kant ent¬ lehnter, an der Geschichte der Griechen und Römer orientierter Be¬ griff des »universellen Republikanismus« (VII 22) und die damit ver¬ bundenen politischen Zielsetzungen. In der »Signatur des Zeitalters« von 1820/23 ist Napoleon für Schlegel zum »Inbegriff aller zerstören¬ den Prinzipien« (VII 491) geworden, Repräsentant einer »Revolution von oben« (VII 509), die für das europäische Staatengefüge viel verhäng-

54 Zur Einschätzung durch die Zeitgenossen vgl. H. Segeberg, Von der Revolu¬ tion. S. 225ff. 55 R. Koselleck, Vergangene Zukunft. S. 61. 56 Vgl. KA II 247ff. 57 Vgl. KA III 345.

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nisvoller sich ausgewirkt hat als die »Revolution von unten« (VII 534) im Jahr 1789. In den Aufzeichnungen dieser Zeit bezeichnet er ihn als »infantia Antichristi« (XXII 228, 9), Indiz für die Endzeit der Mensch¬ heitsgeschichte und der bevorstehenden Totalrevolution, »die große, ernste, Gottes-Revolution« (XXII 181, 1) des hereinbrechenden Jüng¬ sten Gerichts. Das optimistische Vertrauen in die Machbarkeit und Verfügbarkeit geschichtlicher Kräfte in den neunziger Jahren wird nach 1800 von der zunehmenden Einsicht in die Übermacht der Geschichte abgelöst, was sich im Spätwerk zu apokalyptischen Untergangsvisionen steigert, die konterkariert werden von der freudigen Erwartung des »heilge(n) Friede(ns) vom Geist Gottes« (XXII 234, 31). Die Philosophie der Geschich¬ te ist damit wieder zur »Metaphysik der Geschichte« (XXII 389, 97) geworden. Die Entstehung des neuzeitlichen Geschichtsbegriffs gelangt in der damals oft zitierten Schillerschen Sentenz »Die Weltgeschichte ist das Weltgericht«58 zum Ausdruck. Mit der Prozeßmetapher wird die Au¬ tonomie geschichtlicher Ereignisse als Begegnung entgegengesetzter Kräfte innerhalb einer bestimmten zeitlichen Einheit umschrieben. Gesellschaftliche Konflikte werden unter Verzicht auf eine über¬ parteiliche, geschichtsexterne Instanz wie in einem Gerichtsverfahren ausgetragen; »die ganze Geschichte wurde nunmehr prozessualisiert, indem ihrem Vollzug eine rechtsstiftende und rechtswaltende Aufgabe vindiziert wurde«59. In Schlegels Spätphilosophie ist die Geschichte wieder zur Heilsgeschichte geworden. Das Moment der Kontingenz ist verschwunden: Die höchste geschichtliche und moralische Krisis ist das Weltgericht. Nicht »die Weltgeschichte ist das Weltgericht«, wie Schiller sagt; sondern umge¬ kehrt das Weltgericht ist der Schlüssel zur Weltgeschichte. (XXII 123, 1)

Schlegels Geschichtsdenken ist insgesamt durch ein sich steigerndes Krisenbewußtsein, d. h. durch eine zunehmende Erwartung auf einen bevorstehenden Umschwung gekennzeichnet. Das beginnt mit der im »Studium«-Aufsatz gegebenen geschichtsphilosophischen Gegenwarts¬ diagnose als »Krise des Übergangs« und endet in den endlosen heils¬ geschichtlichen Spekulationen über den Zeitpunkt des herbeigesehnten

58 F. Schiller, Resignation. In: Sämtliche Werke Bd. 1. München 5. Aufl. 1973. S. 130-133; S. 133. 59 R. Koselleck, Artikel Geschichte. S. 667.; vgl. R. A. Kann, Historischer Pro¬ zess und Restaurationsproblem. In: Theorie der Geschichte Bd. 2. S. 290-312; S. 291 ff.

259

Jüngsten Gerichts als die eine »wahre, heilsame Krisis« (XXII 205, 70). Die Bestimmung der Gegenwart als Krise bleibt grundlegend für sein Geschichtsdenken. Die mit der Jakobinerherrschaft von 1792/93 an beginnende Er¬ fahrung der »Peripetie der Revolution«60 setzt, für jeden der Zeit¬ genossen individuell verschieden, das geschichtsphilosophische und geschichtstypologische Denken frei,61 aber nicht i. S. einer »contrerevolution« de Maistres, d. h. eines Ungeschehenmachenwollens der Revo¬ lution, sondern im Gegenteil als Universalisierung und Übertragung des geschichtlichen Ereignisses auf alle Äußerungsweisen und Lebens¬ bereiche des Menschen. Wenn Schlegel »die Französische Revolution, Fichtes Wissenschaftslehre, und Goethes Meister« (II 198, 216) als »die größten Tendenzen des Zeitalters« (II 198, 216) bezeichnet, so deshalb, weil hier für Politik, Philosophie und Poesie die Freiheit des mensch¬ lichen Geistes zum Durchbruch gekommen ist, was es nun in einem universalen Sinn weiterzuführen und zu vollenden gilt.62 Statt Um¬ kehr fordert Schlegel eine Universalisierung, ablesbar am Religions¬ begriff der »Athenäums«-Ideen. Man war »von der Notwendigkeit gera¬ dezu >religiös< überzeugt, daß die politisch sich verwirrende >Revolution< in der Sphäre des Geistes gereinigt und vollendet werden müsse«63. Auch seine Orient und Mittelalter-Studien nach 1802 sind als Revolutionierung der Geschichte i. S. einer Erweiterung der historischen Per¬ spektive zu verstehen. »Die ewige Vervollkommung steht wohl den¬ noch fest; nur müssen wir uns das alles in etwas großem Dimensionen auch der Zeit denken, als nach dem Maßstabe der gewöhnlichen Klein¬ heit« (VII 79). Das gilt für die noch unveröffentlichten Vorlesungen »Über die deutsche Sprache und Literatur« von 1807,64 vor allem aber für das Spätwerk. Schlegels ursprünglicher Revolutionsenthusiasmus wie der seiner Zeitgenossen ist eng verbunden mit dem Erneuerungs-

60 W. Malsch, Europa. S. 45. 61 »Kant und Fichte und ihren Jenaer und Tübinger Schülern konnte in sol¬ chem Verständnis die französische Revolution als exemplarische historisch¬ politische Demonstration >bewußt< geübter Freiheit der Selbstgestaltung er¬ scheinen, und so mußte alle Verkehrung der Revolution die Hoffnung ihres Denkens auf eben das Denken der Selbstgestaltung werfen, das im Hervor¬ bringen der Revolution, unbeschadet ihrer Verkehrung, seine Macht unwi¬ derruflich bewährt hat. Dieses Vermögen der Selbstgestaltung kritisch aus seiner neuen Verkehrung zu lösen, blieb trotz ihrer verschiedenen Wege das ihnen wohl allen gemeinsame Ziel.« (Ebda., S. 118f.). 62 Vgl. W. Emrich, Der Universalismus der deutschen Romantik. S. 8f. 63 W. Malsch, Europa. S. 4f. 64 Vgl. dazu K. K. Polheim, Die Arabeske. S. 84ff.

260

pathos gegenwärtiger Kultur in Anlehnung an das in die Antike pro¬ jizierte Ideal des ganzheitlichen Menschen. »Ueberdem gehört ein revoluzionäres Genie dazu, um den politischen Geist der Alten zu ver¬ stehen«63, wie er 1796 seinem Bruder schreibt. Das Bewußtsein für die zeitgeschichtliche

Gegenwartssituation

korrespondiert

mit

der ge¬

schichtsphilosophischen Reflexion auf das, was die Griechen auszeich¬ net. Es geht um den Geist, nicht um den Buchstaben, d. h. um die Totalität des sich in der schriftlichen Überlieferung offenbarenden Le¬ benszusammenhanges und dessen Aktualisierung für die eigene Zeit. Eben darin zeichnet sich »Winckelmanns Historismus« (XVI 35, 9) aus. Der von Schlegel 1797 geprägte Begriff des »Historismus« indiziert sowohl ein Bewußtsein des historischen Zeitenabstandes als auch ein Wissen um die Verfügbarkeit vergangener Traditionen im Medium kri¬ tischer Reflexion, wie er es in seiner »Philosophie der Philologie« und dem dort erstmals thematisierten Zusammenhang von Kunstkritik, Ge¬ schichte und Hermeneutik ausführt. Für Schlegel und die Frühromantik ist der kulturrevolutionäre An¬ spruch ihres Kunstprogramms mit dem Namen Fichtes verbunden. Durch ihn, der den kategorischen Imperativ auf alle Kräfte des Men¬ schen hin erweitert hat,66 den Menschen selbst als gesellschaftsbezoge¬ nes Individuum und das Selbstbewußtsein als freie dynamische Hand¬ lung bestimmt hat,67 »haben sich die wichtigsten Veränderungen und Revolutionen auch in allen andern Teilen des menschlichen Denkens und Bildens gezeigt« (III 6). Die Fichtesche Reflexionshandlung, ein »Verstehensakt der Freiheit«68, führt in der frühromantischen Theorie als »die ins künsterlische Produkt gebannte Reflexion«69 zu einer Er¬ weiterung des Poesie- und Geschichtsbegriffs. So wie sich die Indivi¬ dualität und Geschichtlichkeit vergangener Kulturen über Äußerungs¬ formen der Poesie i. S. eines »Volksgeistes« erschließen und, wie z. B. für Schlegels Orient-Studien, Aufschluß über Recht und Religion als Kristallisationsformen gesellschaftlichen Lebens geben, so sollen die an die Gegenwart gestellten Erwartungen über die Poesie Bestimmtheit erhalten. »Keine Poesie, keine Wirklichkeit« (II 227, 350), wie Schleier¬ macher lapidar formuliert. Die Poesie selbst wird in der Frühromantik

65 Walzel, S. 267. 66 Vgl. J. G. Fichte, Einige Vorlesungen über die Bestimmung des Gelehrten. S. 297ff. u. 320. 67 Vgl. ebda., S. 306ff.; ders.. Zweite Einleitung in die Wissenschaftslehre (1797). Fichtes Werke Bd. 1. S. 451-518; S. 457ff. u. 466ff. 68 W. Schulz, Philosophie in der veränderten Welt. S. 599. 69 B. Lypp, Ästhetischer Absolutismus. S. 27.

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zum Medium der Wirklichkeitsverarbeitung. Das gilt vor allem für Novalis’ poetische Geschichtsvisionen, aber ist kennzeichnend für den frühromantischen Poesiebegriff insgesamt.70 Man hat diese angestrebte oder anzustrebende Identität von Kunst und Leben als »ästhetischen Absolutismus« bezeichnet.71 Aus Poesie und Geschichte sollen neue Formen der Integration, Identitätsbildung und Normsetzung für die Gegenwart entstehen.72 Wenn Schlegel 1804 anläßlich von Lessings »Ernst und Falk« davon spricht, daß wichtiger als das politische Er¬ eignis von 1789 »eine andre größere, schnellere, umfassendere Revo¬ lution (sei), die sich unterdessen im Innersten des menschlichen Gei¬ stes selbst eräugnet hat« (III 96), so hat er sich von dem frühromanti¬ schen Zukunftsoptimismus bereits wieder entfernt und den Republi¬ kanismus durch das Mittelalter, Spinoza durch Jakob Böhme ersetzt. Erst von Heine wird dieser Zusammenhang von ideeller und politischer Revolution erneut aktualisiert.72 Demgegenüber ist aber die

Hin¬

wendung zum Mittelalter nicht nur als reaktionärer Rückschritt zu be¬ werten, sondern zunächst als Folge der Politisierung weiter Teile der Öffentlichkeit nach 1806, was neue Äußerungsweisen für Poesie und Geschichtsschreibung nötig macht. Der Mittelalter-Kult ist ein Versuch politischer Identitätsbildung,74, der sich polemisch zu den eigenen früh¬ romantischen Traditionen verhält. So verurteilt Schlegel während der Napoleonischen Erhebung »diese ästhetische Träumerei« (III 156) und »jene(. . .) Poesie des Frühlings und des Augenblicks« (III 223), wie sie im zeitgenössischen Novaliskult grassierte.72 Im Gegensatz zur epigo70 Vgl. W. Malsch, Europa. S. 31 f. 71 »Absolut wurde der Ästhetizismus also in dem Augenblick, in dem er vorgab, die Forderungen der praktischen Vernunft zu erfüllen, und, indem er die Differenz zwischen Kunst und Realität einebnete, gegen die Notwendigkeit der Moral und ihre Postulate polemisierte.« (K. Peter, Stadien. S. 16; mit Bezug auf Lypp, Ästhetischer Absolutismus. S. 33) - Zum philosophiege¬ schichtlichen Kontext vgl. H. Paetzold, Kunst als Organon der Philosophie. Zur Problematik des ästhetischen Absolutismus. In: Romantik in Deutsch¬ land. S. 392-403; W. Ch. Zimmerli, Schellings »Deduktion eines allgemeinen Organons der Philosophie« als Bindeglied zwischen romantischer Kunstauf¬ fassung und der Neubegründung der Dialektik in Hegels Jenaer Philosophie. In: Ebd., S. 404-420. 72 Vgl. W. Hardtwig, Traditionsbruch. S. 24. 73 Vgl. M. Boilacher, »Aufgeklärter Pantheismus«. Die Deutung der Geschichte in Heines Schrift »Zur Geschichte der Religion und Philosophie in Deutsch¬ land«. ln: DVjs 49 (1975). S. 265-314; D. Sternberger, Über die Idee einer deutschen Revolution. In: Gerechtigkeit für das neunzehnte Jahrhundert. Zehn historische Studien. Frankfurt 1975. S. 67-75. 74 Vgl. H. Blumenberg, Die Lesbarkeit der Welt. S. 267f. 75 Vgl. L. L. Alberlsen, Novalismus. In: GRM Neue Folge XVII (1967). S. 272ff.

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nalen Romantik ist Schlegels Poesie- und Geschichtsbegriff zeitkritisch und gegenwartsbezogen. Dies betrifft nicht nur die Frühromantik,76 sondern gerade auch die Hinwendung zum Mittelalter, die sich bis in die alltäglichen Lebensbereiche hinein auswirkte.77 Jacob Grimms Kla¬ ge von 1813, »daß uns eine Mythologie fehle«78, nimmt unter verän¬ derten zeitgeschichtlichen Umständen die in Schlegels »Rede über die Mythologie« gegebene Gegenwartsdiagnose wieder auf. Bei allen grund¬ sätzlichen Unterschieden bleibt die entscheidende Frage: »Kann das, was der einzelne Dichter bildet, jene Verbindlichkeit erhalten, die der Mythos besaß, als er sich im Geiste einer großen Nation bildete?«79 Durch die Berufung auf die kollektiven Kräfte von Poesie und Ge¬ schichte, eine romantische Fiktion,80 die Schlegel wie kein anderer sei¬ ner Zeitgenossen durchschaut hat,81 soll ein nationaler Zusammenhalt und Gemeinschaftssinn geweckt werden, wie es auf vergleichbare Weise in Frankreich Folge gesellschaftspolitischer Prozesse gewesen ist. Was von Achim von Arnim gesagt wird, trifft auf alle Romantiker zu: »Er sah nur die Wirkung, d. h. die nationale Geschlossenheit Frank¬ reichs und seine sich darauf gründende Vormachtstellung in Europa.«82 Und diese Wirkung suchte man in Deutschland über Poesie und Ge¬ schichte zu erreichen; zunächst über den Antikekult, dann über die Wiederbelegung mittalalterlicher Poesie und Geschichte. Man er¬ kannte in den durch die revolutionären Volksheere erlittenen Niederla¬ gen die Macht nationaler Gesinnung,83 aber man erkannte nicht die 76 »Ich meine, es war eine der nicht mehr rückgängig zu machenden Entdekkungen der deutschen Frühromantik, >Gegenwart< zu denken, das heißt, die Vorstellung von der Gegenwart gegenüber einer fälschlich objektivierten Tra¬ dition behauptet zu haben.« (K. H. Bohrer, Die drei Kulturen. In: Stichworte zur »Geistigen Situation der Zeit«. Bd. 2: Politik und Kultur. Hg. v. J. Ha¬ bermas. Frankfurt 1979. S. 636-669; S. 668). 77 Vgl. dazu K. Pichler, geb. von Greiner, Denkwürdigkeiten aus meinem Le¬ ben. Hg. v. E. K. Blümme. Bd. 2. München 1914. S. 44ff. Während des Wiener Kongresses fand u. a. ein historisches Ritterturnier im mittelalterlichen Stil statt; vgl. dazu auch K. Immermann, Die Epigonen. Familienroman in neun Büchern. 1823-1835. Werke in fünf Bänden. Hg. v. B. von Wiese. Bd. 2. Frank¬ furt a. M. 1971. S. 221 ff. u. 252ff. 78 J. Grimm, Gedanken über Mythos, Epos und Geschichte. In: Deutsches Mu¬ seum Bd. III. 1. Heft. S. 53-75; S. 56. 79 O. Pöggeler, Idealismus und neue Mythologie. S. 193. 80 »Die Idee der kollektiven Erfindung ist eine individuelle Erfindung der Ro¬ mantiker, die Sehnsucht hatten, nicht das zu sein, was sie waren und was von ihnen erwartet wurde.« (H. Blumenberg, Arbeit am Mythos. S. 171). 81 Vgl. KA III 107f. u. 140. 82 J. Knaack, Achim von Arnim - Nicht nur Poet. Die politischen Anschauun¬ gen Arnims in ihrer Entwicklung. Darmstadt 1976. S. 16f. 83 Vgl. E. M. Arndt, Geist der Zeit. Bd. 1. 2. Aufl. 1807. S. 342, 353f. u. 374f.

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politischen Ursachen, wie sie mit der Auflösung des Feudalstaates und dem Emporkommen des Bürgertums gegeben waren. Mit der Romantik entsteht ein neuer Poesiebegriff, der die Herdersche, erstmals vom Lyrischen ausgehende Bestimmung der Poesie als Ausdruck der Individualität und Geschichtlichkeit eines Volkes84 und Schillers zeitkritisch-sentimentalischen Poesiebegriff85 in sich vereint. Revolutionäre und restaurative Bestrebungen romantischer Poesie sind mitunter kaum voneinander zu trennen, bzw. nur durch ihre jeweilige Aktualisierung auf einen bestimmten zeitgeschichtlichen Kontext nä¬ her zu bestimmen.86 So hat Schlegels restaurativ-inhaltsbezogener Kunst¬ begriff als Ausdruck der Nationalerinnerung eines Volkes, wie er ihn in seiner Vorlesung von 1812 propagiert, eine eminent politisch progres¬ sive Funktion im Zusammenhang mit der Napoleonischen Erhebung. Die Poesie wird nicht nur politisch operationalisierbar, wie allgemein die Lyrik der Befreiungskriege, die allerdings über ihren politischen Nutzwert hinaus kaum Interesse beanspruchen kann, sondern als sentimentalische bzw. als progressive Universalpoesie enthält der romanti¬ sche Poesiebegriff immer eine implizite geschichtsphilosophische Refle¬ xion auf die jeweilige, sich stets verändernde Gegenwartssituation. »So bedeutsam die revolutionäre Komponente der Poesie immer sein mag . . . wichtiger - und den Regierenden noch unbequemer - ist ihre konservative: die Fähigkeit zur rückwärts gewandten Prophetie, wie Schlegel und Heine das nannten. Literatur: Das Gedächtnis der Mensch¬ heit. Der Schriftsteller: Ein Erinnerungskünstler.«8

Progressiv-verän-

dernde und konservativ-bewahrende Funktion der Poesie haben beide ihre Ursache in dem geschichtsphilosophisch fundierten Poesiebegriff der Romantik. Noch die subjektivste poetische Äußerung kann sich dank der romantischen Theorie seitdem als Medium der Zeitkritik und Zeitdiagnose legitimieren. Die Erfahrung der »Peripetie der Revolution« führt nicht zu einer Auseinandersetzung mit ihren gesellschaftlichen Ursachen, sondern zur Freisetzung geschichtsphilosophischen Denkens, was den romanti-

84 Vgl. S. von Lempicki, Geschichte. S. 380ff. 85 Erstmals in der »Bürger«-Rezension von 1791; vgl. W. Müller-Seidel, Schil¬ lers Kontroverse mit Bürger und ihr geschichtlicher Sinn, ln: Formenwandel. Festschrift zum 65. Geburtstag von Paul Böckmann. Hamburg 1964. S. 294-318. 86 Vgl. A. von Borman, Romantische Erzählprosa. In: Deutsche Literatur. Eine Sozialgeschichte. Bd. 5. S. 164-189. 87 W. Jens, Literatur: Möglichkeiten und Grenzen. In: Republikanische Reden. S. 64-81; S. 72.

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sehen Poesie- und Geschichtsbegriff gleicherweise betrifft. Schlegels ge¬ schichtsphilosophische Entwürfe und Visionen sind, wie das romanti¬ sche Geschichtsdenken insgesamt, Ersatz für die fehlenden national¬ staatlichen Traditionen8* bzw. Ausdruck dafür, »daß die zentrale Stel¬ lung, die im westlichen Denken die große Revolution in ihrer Einma¬ ligkeit einnimmt, im deutschen Sprachbereich der Geschichte zu¬ kommt«89. Das romantische Geschichtsdenken hat kompensatorische Funktion.90 Dies ließe sich an der eminenten Bedeutung der Bildungs¬ idee im Zusammenhang mit Schlegels Geschichtsphilosophie verdeut¬ lichen. Auch dort, wo wie beim frühen Schlegel eine positive Einstel¬ lung gegenüber der Französischen Revolution vorliegt, trifft es zu, »daß die Romantik, und auch schon die Frühromantik, im Kern auf Bewahren und schließlich auf idealistische und poetische Weltflucht gerichtet (ist), die eine produktive Rezeption der Französischen Revo¬ lution und ihrer Ideen a limine unmöglich mache«91. Dies steht nicht im Widerspruch zu der Tatsache, daß Schlegel seine Zeitgenossenschaft bewußt reflektierte und, wie sich gerade in den Nachlaßaufzeichnun¬ gen ablesen läßt, mit immer neuen geschichtsphilosophischen Konstruk¬ tionen und Entwürfen auf die zeitgeschichtlichen Ereignisse der un¬ mittelbar erlebten Gegenwart reagierte. Bei vielleicht keinem von Schlegels Zeitgenossen ist der Geist der Zeit in einem so direkten und gegenwartsbezogenen Sinn Gegenstand geschichtlicher Darstellung wie bei Karl August Varnhagen von Ense, der seine Geschichtsschreibung selbst als politische Tätigkeit begriff.92 Aber Varnhagen ist »in der Beschränkung auf das unmittelbar Erlebte«93 und seinem aus dem gesellschaftlichen Umgang gewonnenen Lebens¬ gefühl und den daraus resultierenden Zeitbetrachtungen noch ganz der

88 Vgl. H. Plessner, Die verspätete Nation. S. 13ff., 37, 63f. u. 93ff. 89 R. Koselleck, Vergangene Zukunft. S. 54. 90 Vgl. dazu O. Marquard, Kompensation. Überlegungen zu einer Verlaufsfigur geschichtlicher Prozesse. In: Theorie der Geschichte. Bd. 2. S. 330-362; ders., Kunst als Kompensation ihres Endes. In: W. Oelmüller (Hg.), Kolloquium Kunst und Philosophie I. Ästhetische Erfahrung. Paderborn (usw.) 1981. S. 159-166. - »Je mehr die moderne Wirklichkeit von der Erfahrung zur Er¬ wartung tendiert, um so mehr tendiert - kompensatorisch - die moderne Kunst und ihre Rezeption von der Erwartung zur Erfahrung, um die Erfah¬ rung zu retten: ins Äthetische.« (O. Marquard, Krise der Erwartung - Stunde der Erfahrung. Zur ästhetischen Kompensation des modernen Erfahrungs¬ verlustes. Konstanz 1982. S. 30). 91 R. Brinkmann, Deutsche Frühromantik und französische Revolution. S. 175. 92 Vgl. K. Feilchenfeldt, Varnhagen von Ense. S. 295ff. 93 Ebda.. S. 311.

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Tradition des 18. Jahrhunderts zuzurechnen: dem Pragmatismus der Göttinger Schule und der französischen Memoirenliteratur.94 Ihm fehlt das, was das romantische Geschichtsbewußtsein wie auch das ihrer phi¬ losophischen Zeitgenossen auszeichnet: der reflexive Bezug zur Ge¬ schichte im Zeichen der durch die Französische Revolution hervor¬ gerufenen Veränderungen. »Die Revoluzion war die (antireligiöse) Re¬ ligion der Franzosen).) Durch Worte hat sie Wunder gewirkt; auch hat sie ihre Mythologie.« (XVIII 227, 403). Das kontingente Ereignis, von vornherein einem universalen geschichtsphilosophischen Zusammen¬ hang zugeordnet, wird durch das zeitgeschichtliche Erleben, von der Jakobiner-Herrschaft bis hin zum Machtanspruch Napoleons über das alte Europa, für die Zeitgenossen selbst widerlegt. »Der Versuch, Ver¬ nunft gegen Geschichte zu setzen und zu beweisen, daß nicht das Ge¬ schichtliche, sondern das Vernunftmäßige das Natürliche sei, hat in Chaos und Unheil geendet.«95 Auf das, was - so Odo Marquard - »der erfolgreichste Mythos der modernen Welt (ist): der Mythos des unauf¬ haltsamen weltgeschichtlichen Fortschritts zur Freiheit in Gestalt der Geschichtsphilosophie der revolutionären Emanzipation«96, und was in den neunziger Jahren als Ausdruck der Selbsttätigkeit und Freiheit des menschlichen Geistes gefeiert wird,97 antwortet Schlegel mit einer Viel¬ zahl von geschichtsphilosophischen Konstruktionen und Geschichten. Es ist das Bewußtsein für die Heterogenität der Geschichte und für die geschichtsphilosophische Krisensituation der Gegenwart, wie er es schon gegenüber Condorcets Fortschrittsoptimismus ausgesprochen hat. Aufgrund der Erfahrung der Schnellebigkeit gegenwärtiger Zeit wächst die Differenz von Erfahrungsraum und Erwartungshorizont. Die zukunftsbezogenen Erwartungen werden stets neu über die der Geschichte entnommenen Normsetzungen und Ordnungsvorstellun¬ gen ausgestaltet, wie es Schlegel während der Napoleonischen Erhe¬ bung mit der Aufarbeitung und Darstellung der habsburgischen Ge¬ schichte geleistet hat, was nicht unerheblich zur Entstehung dessen bei¬ getragen hat, was man den »habsburgischen Mythos«98 genannt hat. Auf den »einen« Mythos der Französischen Revolution antwortet Schle¬ gel mit einer Pluralität von Geschichten und geschichtsphilosophi94 Vgl. ebda., S. 271 ff., 284f. u. 310. 95 J. L. Talmon, Politischer Messianismus. S. 263. 96 O. Marquard, Lob des Polytheismus. Über Monomythie und Polymythie. In: Abschied vom Prinzipiellen. Stuttgart 1981. S. 91-116; S. 99. 97 Vgl. KA XVIII 108, 945; 352, 378; 342, 241. 98 Vgl. C. Magris, Der habsburgische Mythos in der österreichischen Literatur. Salzburg 1966.

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sehen Entwürfen. Die Krise von 1789 setzt nicht so sehr das Fort¬ schrittsdenken frei als vielmehr den Sinn für die Kontingenz der Ge¬ schichte und für die Veränderbarkeit geschichtlicher Abläufe: »Verän¬ derung ist historische Bewegung« (XVIII 130, 103). Schlegel und seine Zeitgenossen sahen die Revolution als ein Praktisch-werden der Philosophie, »ln dem Ereignis der Revolution schien der Gegensatz, der das 18. Jahrhundert charakterisierte, der Gegensatz von Moral und Politik, überwunden. Nicht nur Schlegel betrachtete die Revolution deshalb als die zur Geschichte und Politik gewordene Mo¬ ral.«99 Die Konversion von 1808 ist nicht nur als subjektiv-persönliches Bekenntnis, nicht nur im Zusammenhang mit seinen historischen Stu¬ dien oder unter dem sozialen Aspekt religiöser Gemeinschaft zu sehen, sondern auch als Versuch, nach den mit der Revolution verbundenen, gescheiterten Hoffnungen nun durch Anschluß an die politischen Tra¬ ditionen des Katholizismus diese Einheit von Moral und Politik zu verwirklichen.,uu Daraus resultierten seine Spannungen mit Metter¬ nich. Daß Schlegel schließlich auch mit diesen Hoffnungen gescheitert ist, wird nicht nur am äußeren Lebensschicksal, dem Mißerfolg als Le¬ gationssekretär am Frankfurter Bundestag, erkennbar,101 sondern vor allem in der scharfen Zeitkritik der späten Aufzeichnungen. Die Ge¬ schichtsphilosophie dieser Zeit, wobei hier zwischen den veröffentlich¬ ten Arbeiten und den unveröffentlicht gebliebenen Fragmenten zu un¬ terscheiden wäre, ist nicht zu denken ohne die Enttäuschung über diesen »höchsten innern Unfrieden, bei vollkommner, äußrer, politi¬ scher Ruhe« (VII 487), wie er das Unbehagen am Immobilismus der Metternichschen Restauration umschreibt. In seiner Spätphilosophie geht es um die Restauration des inneren Menschen auf christlicher Grundlage, die umfassender ist als die poli¬ tische. »Die einzige wahre Restauration besteht darin, die alte d. h. ewige Basis wieder auf alle mögliche Art zu verstärken« (XXII 207, 80). Clemens Heselhaus hat auf die Bedeutung der Wiederherstellungsidee für die Poetik des 19. Jahrhunderts hingewiesen.102 Schlegels Restaurationsbegriff, wie auch zuvor sein Revolutionsbe¬ griff, tendiert zur Universalisierung und Verinnerlichung. Die Universalisierung führt, so Klaus Peter, in die Entpolitisierung: »Vor dem universalen Anspruch der Moral verschwand der politische Unter99 K. Peter, Stadien. S. 142. 100 Vgl. ebda., S. 148ff. 101 Vgl. dazu E. Behler in KA VII, exff.; J. Bleyer, Friedrich Schlegel am Bundes¬ tage in Frankfurt. 102 Vgl. Einl. Anm. 44.

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schied zwischen Revolution und Restauration. Mit derselben Begrün¬ dung engagierte sich Schlegel für beides, ohne sich eines Bruchs seiner Intention bewußt zu sein.«103 Schlegels Geschichtsphilosophie ist poli¬ tische Romantik. Sein Geschichtsdenken hat kompensatorische Funk¬ tion. Die in der politischen Wirklichkeit der Gegenwart enttäuschten Erwartungen sollen auf der Ebene geschichtsphilosophischer Konstruk¬ tion Bestimmtheit und Erfüllung erhalten. In immer neuen Ansätzen reagiert Schlegel, sei es in fragmentarischer Form oder in Form von Vorlesungen oder journalistischen Arbeiten, auf die ihn bedrängenden politischen Ereignisse der Gegenwart. Das trifft auf die spätere Phase seines Denkens in weitaus stärkerem Maße zu als auf die »progressive« Frühromantik, die ohne die relative Friedenssicherung im nördlichen Deutschland kaum zu denken ist. Was die Romantik gegenüber aller vorhergehenden Literatur und geistesgeschichtlichen Bewegungen auszeichnet, ist »der grundsätzlich veränderte Stellenwert utopischer Gestaltung«104. Das läßt sie nicht nur für einen marxistischen Ansatz oder für eine sozialhistorische Unter¬ suchung problematisch erscheinen. Der romantische Utopismus ist be¬ dingt durch die Zeitgenossenschaft mit der Französischen Revolution, aber ebenso und damit zusammenhängend mit dem neuen Geschichtsund Poesiebegriff. Auch Schlegels Geschichtsphilosophie ist »eine Folge der Umbruchserfahrung in den letzten Dezennien des 18. Jahr¬ hunderts, in denen das Herkommen abbröckelte. Zugleich aber wuch¬ sen damit die Schwierigkeiten, die eigene Zeit zu erkennen, weil die Richtung, wohin sie führe, nicht mehr aus der bisherigen Geschichte ableitbar schien. Die Zukunft wurde zur Herausforderung oder zum Rätsel.«105 Sein Geschichtsdenken ist Zeitkritik. Im Bewußtsein der Krise gegenwärtiger Zeit, »da es mit der Menschheit nicht mehr res integra ist« (XI 9), wird auf der Ebene geschichtsphilosophischer Kon¬ struktion die Frage nach der besten Verfassung oder idealen (über-) staatlichen Gemeinschaft und die daran geknüpften Erwartungen »ewi¬ gen Friedens« in immer neuen Ansätzen zusammen mit einer sich stets verändernden Gegenwartsdiagnose aufgeworfen und zu lösen versucht. Auch dort, wo sich Schlegel dem Mittelalter oder vorgeschichtlichen Ursprüngen zuwendet, ist seine Geschichtsphilosophie zukunftsbe¬ zogen. Das gilt für die mit der habsburgischen Geschichte verbundenen Friedensvorstellungen und mehr noch für die heilsgeschichtlichen Spe¬ kulationen der Spätzeit. 103 K. Peter, Stadien. S. 148. 104 C. Träger, Ursprünge. S. 40; s. Einl. Anm. 49. 105 R. Koselleck, Vergangene Zukunft. S. 332.

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Das romantische Geschichtsdenken, insbesondere dasjenige Schle¬ gels, steht in der Spannung von Geschichtsmetaphysik, Geschichts¬ philosophie und dem Beginn einer Methodologie der historischen Wis¬ senschaften. Es gibt keine einheitliche, in sich geschlossene Geschichts¬ philosophie, sondern nur eine Vielzahl geschichtsphilosophischer Ent¬ würfe von unterschiedlichem Vollendungsgrad. Auch dort, wo sein Ge¬ schichtsdenken wie im Falle der Wiederherstellung des mittelalterli¬ chen Ständestaats in seinen politischen Zielsetzungen reaktionär ist, d. h. eine Rückkehr i. S. einer »revolutio« zu einem längst überholten Zustand politischer Ordnung fordert, bleibt der experimentelle, offene Charakter seiner Geschichtsphilosophie erhalten, was in der Spannung von esoterischen und exoterischen Äußerungen noch zu verdeutlichen wäre. »Hypothesen sind Netze, nur der wird fangen, der auswirft«106, wie Novalis und auf ähnliche Weise auch Schlegel im 226. Athenäums¬ fragment den transzendentalen Charakter romantischen Geschichts¬ denkens umschreiben. Schlegels Bestimmung des Historikers als »rück¬ wärts gekehrte(n) Prophet(en)« (II 176, 80), zunächst eine metaphori¬ sche Umschreibung des Kantischen Geschichtsbegriffs,107 bringt diesen reflexiven Gehalt des romantischen Geschichtsdenkens zum Ausdruck. Das jeweils »Ganze« der Geschichte ergibt sich erst aus dem Bewußt¬ sein für den zeitlichen Perspektivismus. Wollte man die Gesamtheit seiner Geschichtsphilosophie charak¬ terisieren i. S. einer Charakteristik der einzelnen Phasen innerhalb ei¬ nes bestimmten zeitgeschichtlichen Rahmens, so empfiehlt sich, wie es z. B. Siegfried Kracauer in Anlehnung an die zeitgenössische Anthro¬ pologie und Kunstwissenschaft gefordert hat,108 die Hervorhebung des synchronen Moments i. S. einer »historische(n) Einheit« (II 205, 242), wie es Schlegel mit dem Begriff des Individuums gefaßt hat. Die Vor¬ stellung von Geschichte i. S. einer natural gebundenen Chronologie, für die die Vergangenheit sich bruchlos in die Zukunft fortsetzt, ist ebenso hinfällig geworden wie die von der Geschichte als linearer Pro¬ greß. Gerade Schlegels Geschichtsphilosophie ist »die ständige Selbst¬ rechtfertigung der Gegenwart durch die Zukunft, die sie sich gibt, vor der Vergangenheit, mit der sie sich vergleicht«109. 106 Novalis, Werke II. S. 434. 107 Vgl. K. Weyand, Kants Geschichtsphilosophie. S. 177. 108 Vgl. S. Kracauer, Geschichte - Vor den letzten Dingen. S. 162ff.; dazu: H. R. Jauß, Literaturgeschichte als Provokation der Literaturwissenschaft. In: Li¬ teraturgeschichte als Provokation. S. 144-207; S. 194ff. 109 H. Blumenberg, Säkularisierung und Selbstbehauptung. S. 4L

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Im Falle Schlegels zeigt sich, daß - trotz Lessings einflußreicher Auf¬ fassung der Religion als Theodizee der Geschichte"0 - mit der Kate¬ gorie der Säkularisierung das neuzeitliche Geschichtsdenken nicht zu fassen ist.* * 111 Romantische Geschichtsphilosophie hat ihren Ursprung nicht in der Geschichtstheologie, sondern in der Erfahrung geschicht¬ licher Diskontinuität, wie sie mit der Französischen Revolution gege¬ ben war, die von Schlegel auf der Ebene umfassender kulturpolitischer Erneuerung - im Problemhorizont der »Querelle« und der zeitgenös¬ sischen Naturrechtsdiskussion - erörtert wurde. Die Bedeutung der Ro¬ mantik in geistesgeschichtlicher Hinsicht liegt nicht allein in der Historisierung der Gattungstheorie und der Philologie sowie in der Subjektivierung und Erweiterung künstlerischer Ausdrucksformen, wie sie mit Humor, Ironie, Satire etc. als Medien reflexiver, poetischer Wirk¬ lichkeitsverarbeitunggegeben waren. Vielleicht noch folgenreicher war die Auflösung des klassischen Naturrechts durch das historische Rechts¬ denken in der von Meinecke beschriebenen Spannung von Weltbür¬ gertum und Nationalstaat. Immer aber geschieht die zeitkritische, geschichtsphilosophische Reflexion im Zeichen des alles bestimmenden Ereignisses der Revolu¬ tion und ihrer Folgen. Anders als die offiziellen Vertreter der politi¬ schen Restauration haben Schlegel und seine romantischen Zeitgenos¬ sen die epochale Bedeutung der Französischen Revolution nie geleug¬ net. Schlegel war niemals Anhänger der Verschwörertheorie, für die die Revolution nicht objektive Krise, sondern das Werk von Konspirateuren gewesen ist.112 Schlegels Geschichtsphilosophie ist politische Romantik. »Die Hi¬ storie nichts als angewandte Moral« (XVIII 366, 538); d. h. formale Prin¬ zipien kritischer Philosophie werden unmittelbar auf die Geschichte übertragen,113 bzw. die Geschichte selbst erscheint als Verwirklichungs110 Zur Bedeutung für die Romantik vgl. H.-J. Mähl, Die Idee des goldenen Zeit¬ alters. S. 245ff. 111 Vgl. K. Löwith, Weltgeschichte und Heilsgeschehen; H. Blumenberg, Säku¬ larisierung und Selbstbehauptung; ders., »Säkularisation«. Kritik einer Ka¬ tegorie historischer Illegitimität. In: Die Philosophie und die Frage nach dem Fortschritt. Hg. v. H. Kuhn u. F. Wiedemann. München 1964. S. 240-265; H. Lübbe, Säkularisierung als geschichtsphilosophische Kategorie. In: Die Phi¬ losophie und die Frage nach dem Fortschritt. S. 221-239. 112 Vgl. Th. Schieder, Das Problem der Revolution im 19. Jahrhundert. In: Hist. Zs. 170 (1950). S. 243ff.; K. Epstein, Die Ursprünge des Konservativismus. S.583ff.; F. Valjavec, Die Entstehung der politischen Strömungen. S. 320ff. u. 430f. 113 Vgl. Chr. Krüger, Georg Försters und Friedrich Schlegels Beurteilung. S. 84f., 219f. u. 238.

270

prozeß dessen, was bei Kant nur in hypothetischer Absicht formuliert ist. Anders als Kant und auch Fichte waren Schlegel und die Ro¬ mantiker von der Verwirklichung der Ideale, - der jeweiligen geschichts¬ philosophisch konzipierten Idee von goldenen Zeitalter

überzeugt."4

Die an die eigene Zeit gestellten Erwartungen sollen mit Hilfe geschichts¬ philosophischer Konstruktion Bestimmtheit und Erfüllung erhalten. Kennzeichnend für die politische Romantik ist, so Manfred Riedel, eine Substanzialisierung der Relationskategorien von Individuum und Gemeinschaft und die Preisgabe vernunftbestimmten, gesellschaftsbe¬ zogenen Handelns, was »einerseits zur Sentimentalisierung gesellschaft¬ licher Verhältnisse (führt) (. . .) andererseits zur Privatisierung, ihrer Reduktion auf eine nicht mehr öffentlich konzipierte, intime Gesellig¬ keit««.11' Auch die Ablehnung der Vertragstheorie als »Vernunftrecht« (XIII 110) ist - mit der Fehldeutung des Gesellschaftsvertrags als em¬ pirisches Faktum i. S. eines juristischen Privatvertrags, der damit im Gegensatz zu all den sich durch Gesinnung, Tradition und Herkom¬ men auszeichnenden gesellschaftlichen Beziehungen und Gemein¬ schaften steht, - »von den Romantikern theoriepolitisch beabsichtigt, das Mißverständnis nicht Zeichen mangelnden, sondern eines ideolo¬ gisch interessierten Verstehens.«116 Nicht die Willkür des einzelnen, sondern die Geschichte selbst soll das formende Element staatlicher Gemeinschaft sein. Was Antikekult und Mittelalter-Verherrlichung miteinander verbin¬ det, ist das Fortwirken des ästhetischen Humanismus. »Bildung« und die Möglichkeiten einer übernationalen Friedenssicherung, d. h. die Idee »geistiger Gemeinschaft« (VII 397) der Menschen wie auch der Staaten untereinander, bleiben das Ziel der Schlegelschen Geschichts¬ philosophie. Der Staat wird nicht als politische Institution i. S. eines nationalen Machtstaats oder gar als konkurrierende Klassengesell¬ schaft verstanden; »sondern vielmehr der Staat selbst ist vorzüglich um der Entwicklung jenes geistigen Lebens willen gut und nützlich zu prei¬ sen. In ihr und nicht in sich selbst hat der Staat seinen Zweck« (VII 396). Worin zunächst das Programm des universellen Republika¬ nismus besteht, das soll dann nach 1802 über Papsttum und Kaisertum i. S. »einer christlichen Republik, eines freien und friedlichen europäi¬ schen Staaten- und Völkervereins« (VII 261) angestrebt werden.

1,4 Vgl. H.-J. Mähl, Die Idee des goldenen Zeitalters. S. 250. 115 M. Riedel, Art. Gesellschaft, Gemeinschaft. S. 828. 116 Ebda., S. 829.

271

Die im Vergleich zu den anderen europäischen romantischen Be¬ wegungen plötzliche Preisgabe der Antikerezeption in Deutschland zu¬ gunsten von Orient und Mittelalter117 hat seine Ursache in der zuneh¬ menden Politisierung der literarischen Öffentlichkeit nach 1800. Ge¬ rade zur Zeit der Napoleonischen Erhebung zeigt sich, daß der Mittelalter-Kult auch als Versuch politischer Identitätsbildung zu verstehen ist.

Was sich

in

Frankreich

als

Folge sozialer

Emanzipationsbe¬

strebungen vollzieht, das soll in Deutschland über Kunst und Wissen¬ schaften erreicht werden: nationale Einheit und Selbstbehauptung. So wenig wie Schlegel Republik und Monarchie grundsätzlich von¬ einander unterscheidet,118 was seine Ursache im Fortwirken der ari¬ stotelischen Verfassungstradition hat,119 so wenig schließen sich für sei¬ nen »politischen Imperativ (dessen wesentliche Bedingung die Gleich¬ heit ist)« (VII 17), die Möglichkeit eines »Patriziat« (VII 17) aus. Der Gedanke der »Hierarchie«, Grundprinzip der angestrebten mittelalter¬ lichen Ständegesellschaft, ist der Platonischen Staatsphilosophie, d. h. der »politischen Bildung der Griechen« (VII 18), entnommen120 und entspricht dem qualitativen Freiheitsbegriff der Romantiker, der seine Bestimmung aus der impliziten Opposition zu den revolutionären Prin¬ zipien der egalite und liberte erhält. So gesehen erscheint das Mittelalterbild als Konkretisierung dessen, was in den neunziger Jahren die politischen Zielsetzungen des Repu¬ blikanismus leisten sollen. Schlegels republikanisches Gemeinschafts¬ ideal ist Ausdruck eines am individuellen Handeln orientierten Ge¬ schichtsverständnisses. Demgegenüber sind für die Geschichtsphiloso¬ phie nach 1802 die überindividuellen Institutionen von Staat und Kir¬ che konstitutiv. Was beides, Antike und Mittelalter, miteinander verbin¬ det, ist das angestrebte Ideal gesellschaftlicher Totalität. Die politische Romantik will die Trennung von Staat und Gesellschaft, Folge und Ergebnis der bürgerlichen Emanzipationsbestrebungen im 18. Jahrhun¬ dert, zugunsten des Konstrukts gesellschaftlicher Totalität rückgängig machen, so wie für Fichte das anzustrebende Ideal der Gesellschaft den Staat als empirische Institution auflösen soll.121 Sowohl für das Antike¬ ais auch für das Mittelalterbild ist die Ablehnung des absolutistischen Staates wie auch der politischen Auswirkungen der Revolution konsti¬ tutiv. 117 118 119 120 121

Vgl. R. Wellek, Deutsche und europäische Romantik. S. 35f. Vgl. KA VII 20; dazu S. 229ff. Anm. 251. Vgl. G. Bien, Revolution, Bürgerbegriff und Freiheit. S. 85f. Vgl. KA XVIII 320, 1533 u. Register in KA XIX. Vgl. J.G. Fichte, Einige Vorlesungen über die Bestimmung des Gelehrten. S. 306; M. Riedel, Art. Gesellschaft, Gemeinschaft. S. 826f.

272

Die grundsätzlichen Unterschiede von »progressiver« und »reaktio¬ närer« Romantik sollen damit nicht geleugnet werden. Schlegels poli¬ tisches Denken der neunziger Jahre ist maßgeblich von Kants liberal¬ republikanischem Verfassungsentwurf beeinflußt und an den Prinzi¬ pien der Freiheit und Selbstbestimmung des menschlichen Geistes orien¬ tiert. Demgegenüber beruhen die mit dem Mittelalter verbundenen Wertsetzungen auf dem Prinzip der Anciennität und sind Ausdruck theokratisch-patriachalischer Ordnungsvorstellungen.122 Hinzu kommt, vor allem bei Adam Müller, eine grundsätzliche Ablehnung des engli¬ schen Wirtschaftsliberalismus. Konservativ-bewahrendes und progressiv-veränderndes Denken lie¬ gen wie schon im Falle der Herderschen Geschichtsphilosophie123 so auch bei Schlegel dicht beieinander. Seine geschichtsphilosophischen und politischen Entwürfe sind, wie vor allem die esoterischen Aufzeich¬ nungen zeigen, immer an den Möglichkeiten der Veränderung orien¬ tiert; d. h. sie sind zukunftsbezogen und verhalten sich kritisch zur bestehenden Wirklichkeit. Nur daß die erhoffte Veränderung nach 1802 nicht mehr durch das Handeln des einzelnen, sondern in zuneh¬ mendem Maße als Einwirkung göttlicher Offenbarung konzipiert wird. Gerade darin besteht ihre Unvereinbarkeit mit der politischen Restau¬ ration. Das Problem der politischen Romantik ist immer auch im Zusammen¬ hang mit der transzendentalen Wende im neuzeitlichen Geschichts¬ denken zu sehen.

Der reflexive Charakter des romantischen Ge¬

schichtsbegriffs zeigt sich nicht zuletzt auch in der politischen Operationalisierbarkeit der Geschichte zur Zeit der Napoleonischen Erhe¬ bung. Geschichtsphilosophie ist für Schlegel Ausdruck bewußt reflek¬ tierter Parteilichkeit. In der Romantik entsteht der Sinn für die Ver¬ fügbarkeit und politischen Nutzbarmachung geschichtlicher Traditio¬ nen, d. h. für die Ideologieanfälligkeit der Geschichte,124 wie es sich u. a. am Weiterwirken des romantischen Mittelalterkultes zeigt. Damit ist ein Kunst- und Geschichtsverständnis impliziert, das die Idee vom kulminierenden Fortschritt endgültig verabschiedet hat. Ernst H. Gombrich spricht vom »Modernismus«, wie er sich in der Kunstgeschichte und Romantikkritik des 19. Jahrhunderts herausgebildet hat.125 Die Be122 Im Gegensatz zu Hegel. Vgl. J. Ritter, Hegel und die französische Revolution. In: Metaphysik und Politik. Studien zu Aristoteles und Hegel. Frankfurt 1977. S. 183-255. 123 Vgl. W. Wieland, Art. Entwicklung, Evolution. S. 207. 124 Vgl. R. Koselleck u. a., Art. Geschichte. S. 706ff. 125 E. Gombrich, Kunst und Fortschritt. S. 88f. u. 116f.

273

Stimmung der Gegenwart als »post-histoire«, d. h. »als nachgeschicht¬ liches Stadium, so wie es im echten Sinne ein vorgeschichtliches gab«126, und damit die zeitgenössischen Tendenzen der Enthistorisierung und des Ahistorismus127 lassen sich bis ins 19. Jahrhundert zurückverfolgen. Die Ursprünge dafür liegen im frühen Historismus selbst.

126 A. Gehlen, Über kulturelle Evolutionen, ln: Die Philosophie und die Frage nach dem Fortschritt. S. 207-220; S. 220. - »Das passende Bild hierzu wäre weder das des Fortschreitens noch das stets am Organisch-Anschaulichen orientierte der Entwicklung, sondern das der Abwechslung innerhalb eines stationären Gesamtzustandes.« (Ebda., S. 213). 127 Vgl. dazu W. Schulz, Philosophie in der veränderten Welt. S. 595ff.

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D 16.8 .B3186 1984

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STUDIEN ZUR DEUTSCHEN LITERATUR Zuletzt sind erschienen:

D16. Behren Friei sphilo

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59 Ludwig Krapf: Germanenmythus und Reichs¬ ideologie. Frühhumanistische Rezeptionsweisen der taciteischen »Germania«. 60 Helmuth Kiesel: >Bei Hof, bei Hölh. Untersu¬ chungen zur literarischen Hofkritik von Sebastian Brant bis Friedrich Schiller. 61 Konradin Zeller: Pädagogik und Drama. Unter¬ suchungen zur Schulcomödie Christian Weises. 62 Manfred Beetz: Rhetorische Logik. Prämissen der deutschen Lyrik im Übergang vom 17. zum 18. Jahrhundert. 63 Hans Dierkes: Literaturgeschichte als Kritik. Untersuchungen zu Theorie und Praxis von Friedrich Schlegels frühromantischer Literatur¬ geschichtsschreibung. 64/65 Hans-Georg Kemper: Gottebenbildlichkeit und Naturnachahmung im Säkularisierungs¬ prozeß. Problemgeschichtliche Studien zur deut¬ schen Lyrik in Barock und Aufklärung. 66 Sabina Kienlechner: Negativität der Erkennt¬ nis im Werk Franz Kafkas. Eine Untersuchung zu seinem Denken anhand einiger später Texte. 67 Eva Maria Inbar: Shakespeare in Deutschland: Der Fall Lenz. 68 Angelika Wetterer: Publikumsbezug und Wahrheitsanspruch. Der Widerspruch zwischen rhetorischem Ansatz und philosophischem An¬ spruch bei Gottsched und den Schweizern. 69 Peter J. Brenner: Die Krise der Selbstbehaup¬ tung. Subjekt und Wirklichkeit im Roman der Aufklärung. 70 Friedrich Strack: Im Schatten der Neugier. Christliche Tradition und kritische Philosophie im Werk Friedrichs von Hardenberg. 71 Sybille Maurer-Schmoock: Deutsches Theater im 18. Jahrhundert. 72 Bernd Steinbrink: Abenteuerliteratur des 19. Jahrhunderts in Deutschland. Studien zu einer vernachlässigten Gattung. 73 Götz Müller: Jean Pauls Ästhetik und Natur¬ philosophie. 74 Barbara Senckel: Individualität und Totalität. Aspekte zu einer Anthropologie des Novalis. 75 Gunter E. Grimm: Literatur und Gelehrten¬ tum in Deutschland. Untersuchungen zum Wandel ihres Verhältnisses vom Humanismus bis zur Frühaufklärung. 76 Kurt Ermann: Goethes Shakespeare-Bild. 77 Klaus-Dieter Dobat: Musik als romantische Il¬ lusion. Eine Untersuchung zur Bedeutung der Musikvorstellung E.T. A. Hoffmanns für sein li¬ terarisches Werk.

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